mittendrin und rundherum: Reden, Planen, Bauen auf dem Land und in der Stadt Ein nonconform Lesebuch 9783868599909, 9783868597134

nonconform has been transforming spaces in Germany and Austria for over twenty years. As far as the interdisciplinary co

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German Pages 176 Year 2022

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Table of contents :
Vorwort
Sieben Stimmen von nonconform
01 Mittendrin
02 Nebenan
03 Rundherum
04 Daheim
05 Miteinander
06 Danach
07 Außerdem
Projektliste
Bildnachweis
Autor:innen, Impressum
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mittendrin und rundherum: Reden, Planen, Bauen auf dem Land und in der Stadt Ein nonconform Lesebuch
 9783868599909, 9783868597134

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mittendrin und rundherum ein nonconform Lesebuch

Wojciech Czaja Barbara Feller

Vorwort 19 Sieben Stimmen von nonconform 04

01 mittendrin 53 02 nebenan 71 03 rundherum 89 04 daheim 107 05 miteinander 123 06 danach 143 07 außerdem 35

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Projektlandkarte Bildnachweis Impressum

Das Ziel von nonconform ist die Gestaltung von schönen, respektvollen Lebensräumen auf dem Land und in der Stadt. Doch wer kann die eigenen Wünsche und Visionen besser formulieren als die Menschen selbst? So gesehen ist der wichtigste Baustein in der Architektur die Co-Kreation, das Gespräch mit der Bevölkerung. Macht Spaß, ist effizient und bringt wertvolle Ergebnisse für schöpferische Entwurfsleistungen und ein gutes Leben. 3

Vorwort

doch viele Jahrzehnte konzentrierte sich die Teilhabe von Laien auf den Wohnbau. In den 1920er-Jahren entwickelte Walter Gropius den Baukasten im Großen, ein System aus standardisierWojciech Czaja Barbara Feller ten Bauteilen, die sich zu individuellen Einfamilienhäusern zusammenfügen So hat die Turnhalle der Volksschule lassen. Etwa zeitgleich plante Gerrit noch nie ausgesehen: Wo normalerRietveld das Rietveld-Schroeder-Haus, weise Fußball gespielt und auf dem in dem die Bewohner:innen die WohnTrampolin gesprungen wird, ist nun räume mittels Faltschiebewänden je ein mobiles Architektur- und Stadtnach Bedarf verändern konnten. Und planungsbüro aufgebaut, mit Schreib- Ludwig Mies van der Rohe entschied tischen, Stühlen, Computern, Scannern, sich 1927, die Raumaufteilung im Inneren der Weissenhof-Werkbundsiedlung Druckern, kiloweise Papier und sogar einer kleinen Werkstatt zum Zeichnen, ihren Mieter:innen zu überlassen. Einen Modellbauen, Collagieren. In der Saal- österreichischen Höhenflug erlebte die mitte sind runde Tische aufgestellt, mit Partizipation in den basisdemokratisch vollgeschriebenen und vollgekritzelten entwickelten Wohnbauten von Ottokar Papiertischtüchern, und überall Flip- Uhl, Eilfried Huth, Gunther Wawrik, charts, Klebeetiketten, Filzstifte in Fritz Matzinger und Helmut Deubner in allen erdenklichen Farben. den 1970er- und 1980er-Jahren.

Es ist laut, gute Stimmung, fast wie auf einem Festival. An die 200 Leute sind gekommen, um in Workshops, Stammtischdiskussionen und individuellen Gesprächen ihre Wünsche und Ideen für den neuen Hauptplatz darzustellen und zu diskutieren. Am Abend gibt es dann, quasi als Belohnung in informeller Runde, Gulaschsuppe, Limonade und Bier. Nach insgesamt drei Tagen und Nächten, so der Plan, soll auf Basis der ganz persönlichen Vorstellungen und aus Interaktion mit den Nachbar:innen, Anrainer:innen und Bewohner:innen eine kollektive Gesamtlösung, eine Art inhaltliche Stoßrichtung für die Zukunft entstehen. Zwar ist die Idee der Partizipation im Bauprozess schon an die 100 Jahre alt, 4

Neu aber ist, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung nun auch auf Kommunen, Stadtquartiere, Regionen, Bildungseinrichtungen, Revitalisierungen, Leerstandsnutzungen und sogar gewerbliche Projekte in der Privatwirtschaft ausgerollt wird. So zum Beispiel im eingangs erwähnten Beispiel, als die erste Ideenwerkstatt mit der speziell entwickelten Methode im Jahr 2006 in der ober­ österreichischen Nationalparkgemeinde Molln stattfand. Mit diesem Pionierprojekt hatte das Architekturbüro nonconform begonnen, die Bürger:innen eines Ortes, die Mitarbeiter:innen eines Unternehmens, die Kinder und Lehrkräfte einer Schule als Expert:innen zu verstehen – und genau diese Expertise in die Entwicklungs- und Entwurfsarbeit einer Bauaufgabe miteinzubeziehen.

Ziel all dieser Bemühungen ist nie bloß die Errichtung eines solitären Objekts, sondern stets die kontextuelle Einbettung eines Bauwerks, eines Ensembles, eines Quartiers in seine Umgebung – und somit auch in die Alltagswelt der darin lebenden, darin lernenden und darin arbeitenden Menschen. Nachdem nonconform aber nicht nur kommunikative und prozessuale Kompetenzen hat, sondern auch als ganz klassisches Architekturbüro agiert und in die Beteiligungsprozesse geistig-schöpferisch eingreift, sind die mit den Menschen gemeinsam erarbeiteten Projekte und Visionen nie bloß der kleinste, nie bloß der größte, sondern stets auch der schönste gemeinsame Nenner. Heute ist nonconform ein knapp 50-köpfiges interdisziplinäres Team, zuhause an sieben Standorten in Österreich und Deutschland, auf dem Land und in der Stadt. Eine große Inspiration für diese Form der Architekturarbeit lieferte das 2004 erschienene Buch Die Ideenmaschine. Methode statt Geistesblitz. Wie Ideen industriell produziert werden. „Die meisten Menschen denken, dass nur Genies, Künstler oder hoch bezahlte Spezialisten in einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung Ideen entwickeln können“, schreibt darin die Schweizer Innovatorin und Unternehmensberaterin Nadja Schnetzler. „Das ist aber nicht so. Gute Ideen können in kurzer Zeit entstehen, wenn die richtigen Personen involviert werden und wenn ein strukturierter Prozess eingehalten wird.“ Das systemische Zusammenbringen von Insidern und Outsidern, so Schnetzler, setze Energien und Dynamiken für neue Ideen frei, die eine

Einzelperson oder homogene Planungsgruppe niemals aufbringen könnte. Die realisierten Bauten und Quartiersentwicklungen einerseits, die Ideenwerkstätten und Planungsprozesse andererseits, die in den letzten Jahren viele Büros zur Nachahmung inspiriert haben, sind so gesehen nicht nur eine zufriedenheits- und akzeptanzsteigernde Einbeziehung der betroffenen Menschen innerhalb eines Wohnoder Arbeitssystems, sondern auch eine Grundlage für richtige Bauherrenentscheidungen und ein wertvolles Werkzeug, um zum Kern von Wünschen, Problemen und bestmöglichen maßgeschneiderten Visionen vorzudringen. Zudem bildet ein solcher Partizipationsprozess eine wertvolle Basis für die sogenannte Phase Null – ist also Nachdenken, Reflektieren und ein kollektives Brainstormen, bevor die eigentlichen Leistungsphasen eines architektonischen Prozesses starten. Ausgewählte Projekte aus den letzten 20 Jahren bieten Einblick in die Arbeits-, Kommunikations- und Gestaltungsweise von nonconform. Interviews mit Expert:innen aus zahlreichen Fachgebieten sowie Texte zu den zentralen Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft zeigen konzeptionelle Strategien und konkrete Lösungen auf. Mit diesem Lesebuch wünschen wir Ihnen allen – ob Sie nun in der Architektur, Projektentwicklung, Verwaltung oder Politik zuhause sind, ob Sie Immobilien besitzen, verändern oder Leerstände wieder füllen wollen – eine anregende Lektüre und viele lustvolle Erkenntnisse. 5

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Sieben Stimmen von nonconform

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Peter Nageler ist in Kärnten aufgewachsen und studierte Architektur an der TU Graz. Gemeinsam mit Roland Gruber gründete er 1999 das Büro nonconform. Er lehrt an der FH Wien und beschäftigt sich in Zusammenarbeit mit dem Austrian Institute of Technologiy (AIT) aktuell mit den Themen LEERSTANDSAKTIVIERUNG und BAULANDMOBILISIERUNG.

nonconform Stimmen

Dialog ist ein Katalysator für Ent­s­che­idungen. Klassische Architekturprojekte werden top-down gestaltet. Ihr arbeitet in der Regel bottom-up. Wie findet man die richtige Balance zwischen diesen beiden Kräften? Eines meiner Lieblings­ projekte ist B.R.O.T., ein partizipatives Wohnprojekt in der Nähe von Wien, und dieses hat mich gelehrt, dass man mit einem Bottom-upProzess viel schneller und effizienter zu einem klaren, für alle Beteiligten zufrieden­ stellenden Resultat kommt – voraus­gesetzt, der Prozess ist gut vorbereitet und die Rahmenbedingungen sind klar kommuniziert. Trotzdem: Manchmal führt die Reise einen auch ganz woanders hin, als man gedacht oder geahnt hätte. 20

Wie viel Offenheit und Freiheit braucht es, wenn man in so einen Prozess hineingeht? Man braucht gewisse Leit­ planken. Innerhalb dieser Leit­ planken aber lebt der Prozess dann von flachen Hierarchien und einer gewissen Offenheit – auch im Ergebnis. Und wie viel Führung ist nötig? Tatsächlich braucht es in manchen Prozessphasen viel Führung – vor allem, wenn es um die Gewichtung der Themen und um die Cluste­ rung von Ideenbeiträgen geht. Manchmal gibt es eine super­ gute Idee, die aber nur von ein oder zwei Personen genannt und von niemand anderem aufgegriffen wird. Wenn wir das Gefühl haben, dass dies ein Lösungsansatz sein kann, dann müssen wir die Führung übernehmen und diese Idee inszenieren und zur Diskussion stellen. Nach welchem Modell arbeitet Ihr? Wir kombinieren unterschied­ liche Modelle. Bei manchen

Fragen ist direkte Demokratie zielführender, bei komplexeren und emotional aufgeladenen Fragestellungen hingegen arbeiten wir soziokratisch. Manchmal reicht es eben nicht aus, nur die Mehrheit für sich zu gewinnen. Dann ist es nötig, alle zumindest so weit für eine Entscheidung zu begeistern, dass niemand mehr dagegen ist. Du hast die Emotionen angesprochen. Wie geht Ihr damit um? Der richtige Umgang mit Emotionen ist unverzichtbar. Man bietet etwas an, man dis­ kutiert und argumentiert, man ist auf der Suche nach einem Konsens. Das setzt im Prozess unglaubliche Energien frei – Emotionen sind Teil davon. In den meisten Fällen lasst Ihr Euch auf einen Prozess mit unsicherem Ausgang ein. Wie reagieren eure Auftraggeber:innen darauf? Manche sind sich der Trag­ weite des Prozesses und des Grades der Offenheit nicht bewusst. Improvisation lässt

Der richtige Umgang mit Emotionen ist unverzichtbar. Man bietet etwas an, man diskutiert und argumentiert.

Und der schönste Moment? Zu sehen, dass die Menschen glücklich und berührt sind. Wie funktioniert bei Euch im Büro die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeiter:innen, die stärker im Architekturbereich arbeiten und jenen, die ihren Fokus auf Beteiligungsprozessen haben? Ich habe das Gefühl, dass man sich im Idealfall gegenseitig befruchten kann. Die Architekturexpert:innen Was sind die größten profitieren von der Erfahrung Meine beste Eigenschaft Neugier Beweggründe für einen der Beteiligungsprozesse, die Lieblingsarchitekt:in Partizipationsprozess? Partizipationsprofis wiederum Lina Bo Bardi und Alvar Aalto Dass man ansteht. Manchmal können den Bürger:innen mit Das beste Bauwerk ist eine Gemeinde, ein Unter- klaren Bildern und einer geMezquita de Córdoba nehmen seit Jahren in einer wissen Formgebung zu mehr Mein Traumort Da Celeste Pellestrina Patt-Situation, kommt nicht Vorstellungskraft verhelfen. Freizeitbeschäftigung weiter, weder vor noch zurück. Dank dem Dialog zwischen Wanderradfahren Die Zusammenarbeit mit der den Sparten haben wir unser Lieblingswort Bevölkerung beziehungsweise Portfolio massiv erweitert. Brücke den Mitarbeiter:innen kann Wir können viel, und wir lernen Architektur ist … ein Schlüssel sein, um so eine ständig weiter. meine Leidenschaft vertrackte Situation wieder zu lösen und weiterzukommen. Gibt es ein Projekt, von dem Dialog kann ein unglaublicher Du träumst? Ich würde gerne einmal mit sich nicht steuern. Manchmal Katalysator für Entscheidunentsteht eine enorme Dynagen sein. Im Idealfall kommt Menschen vor Ort eine Indusmik. Daher müssen wir unsere es zu einer Win-win-Situation triebrache revitalisieren und für alle. daraus ein ressourcenschoArbeitsweise von Anfang an offen kommunizieren. Meine nendes Projekt entwickeln. Ich Was ist der größte Erfolg, bin in einer alten Schmiede Erfahrung ist, dass es einerseits eine große Neugier, der schönste Moment, an aufgewachsen, mich hat diese Leidenschaft nie losgelassen. andererseits auch ein großes den Du Dich erinnerst? Vertrauen in unsere Arbeit und Der größte Erfolg ist, wenn in unseren über all die Jahre jemand erkennt, dass riesig gewordenen Werkzeug- Partizipation wirklich Sinn koffer gibt. macht. 21

Caren Ohrhallinger stammt aus Oberösterreich und studierte Architektur an der Universität für Angewandte Kunst in Wien sowie an der Oslo School of Architecture. Seit 2003 ist sie Partnerin bei nonconform. Sie ist ausgebildete MEDIATORIN und SYSTEMISCHE COACHIN und moderiert Workshops im Bereich räumliche Entwicklung, Schulentwicklung und Organisationsentwicklung.

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Wir bündeln Kräfte und Energien, es geht um die Essenz. Bei vielen Projekten mit öffentlichen und privaten Auftraggeber:innen ver­ anstaltet Ihr eine sogenannte Ideenwerkstatt. Wie ist es zu dieser Idee gekommen? 2005 sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir das Gefühl hatten, dass wir bei öffentlichen Projekten anstehen und mit klassischer Architekturplanung nicht weiterkommen. Die Entwicklung von Dorfplätzen und öffentlichen Gebäuden kostet viel Zeit, viel Energie, viel Leidenschaft, gleichzeitig aber gibt es in der Bevölkerung immer auch Widerstand und Unzufriedenheit. Mit einem Wort: Es gibt, sobald ein Projekt fertiggeplant ist, Gesprächsbedarf. Also hatten wir die Idee, die betroffenen Menschen nicht erst im Nachhinein zu Wort kommen zu lassen – sondern schon im Vorfeld. 22

Ihr fahrt in die Gemeinde beziehungsweise ins Unter­ nehmen und baut direkt vor Ort eine Ideenwerkstatt auf. So richtig mit allem Drum und Dran? Mehr oder weniger! Wir packen unsere Computer, Drucker und Moderationsunterlagen und errichten ein temporäres Büro. Mittlerweile sind wir Meister:innen der Technik und Logistik! Wie lange dauert so eine Ideenwerkstatt? Es gibt eine intensive Vorbereitungsphase, in der wir viele Vorgespräche führen und in die Thematik und die Menschen vor Ort eintauchen. Wir schauen uns die Aufgabenstellung aus der Distanz an: Was sind die Knackpunkte? Was könnten mögliche Lösungsansätze sein? Dieser Prozess dauert Wochen und Monate. Die reine Ideenwerkstatt vor Ort dauert dann zwei, drei, manchmal auch vier Tage. Warum so kompakt? Weil wir die Kräfte und Energien bündeln und Tag und Nacht an nichts anderes denken. Es ist ein ganz intensiver,

fokussierter Prozess, der die Menschen zusammenschweißt und das Projekt komprimiert. Es geht um die Essenz. Und es macht allen Beteiligten wahnsinnig viel Spaß! Was sind denn die Nachteile eines solchen Modells? Wir haben Ringe unter den Augen, das geht an die körperliche Substanz. Und natürlich ist so eine Ideenwerkstatt für die Auftraggeber:innen organisatorisch recht aufwendig, weil sie ihre Firma oder die Dorfgemeinschaft für ein paar Tage in den Ausnahmezustand schicken und einen Teil der Kontrolle abgeben. Häufig werden die Resultate eines Beteiligungsprozesses nach drei Tagen visualisiert, um sie den Beteiligten vor­ zustellen. Wie findet man die richtige Balance, ohne das Gehörte zu manipulieren oder zu verzerren? Einerseits haben wir die Verantwortung, alles, was wir hören und erfahren, zu berücksichtigen und anschaulich zu machen. Andererseits sind wir aber natürlich auch Expert:innen für Architektur,

Stadtplanung, Raumplanung, Freiraumgestaltung, Mobili­ tät sowie technische und klimaschutzrelevante Themen. Daher ist es unsere Aufgabe, die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen – quasi als Anwält:innen der Zukunft – in einen sozialen, ökologischen, ökonomischen und baukultu­ rellen Kontext zu setzen. Macht Ihr diesen professionellen, über die reine Ideensammlung hinausgehenden Beitrag transparent? Selbstverständlich! Und zwar so, dass es für jede:n nach­

vollziehbar ist, wie wir mit den Wünschen und Vorstellungen der Leute umgegangen sind, wie wir die Gespräche in ein Konzept, in eine räumliche Strategie übersetzt haben – und warum wir auch nicht jedes einzelne Partikularinte­ resse berücksichtigen können. 2017 habt Ihr die nonconform-Akademie gegründet – mit dem Ziel, die Erfahrung des partizipativen Arbeitens an andere weiterzugeben. Wie kam es dazu? Wir waren intern immer schon in einem Lernsetting ange­

siedelt. Unser Handwerk haben wir uns selbst angeeig­ net, unsere Methoden werden permanent weiterentwickelt und verfeinert. Einerseits mussten wir unser eigenes Team schulen, andererseits kamen immer häufiger auch Anfragen von Externen, die von uns lernen wollten. An wen richtet sich die Akademie? Wie lange dauert so eine Ausbildung? An Kolleg:innen und Mitbe­ werber:innen, aber auch an Leute, die in Städten, Gemein­ den und Unternehmen in der Verwaltung arbeiten – und die sich Wissen aneignen wollen, um Prozesse aufzusetzen und Ausschreibungen gut vor­ bereiten zu können. Zum Teil führen wir die Akademie auch in Kooperation mit diversen Kammern und Interessensver­ tretungen durch. Es sind sehr dichte und interaktive Work­ shops. Aktuell bieten wir drei zweitägige Module mit jeweils verschiedenen Schwerpunk­ ten und Vertiefungsebenen an.

Meine beste Eigenschaft Ein Reibeisen sein Lieblingsarchitekt:in Zu viele für eine einzige Zeile! Das beste Bauwerk Hängebrücke Mein Traumort Alles, was man mit Schweiß erreicht Freizeitbeschäftigung Die Welt kopfüber sehen Lieblingswort Diversifikationskoeffizient Architektur ist … Pflicht 23

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Leidenschaft für kreative Verfahren. Du hast Dein Büro in Aachen und bist Professor in Bonn. Wie bist Du zu nonconform gekommen? Wahrscheinlich wie die meisten, über Roland Gruber. Unser erster Kontakt war im Rahmen eines Forschungsprojekts, das Roland in seiner Funktion als damaliger Vorsitzender des Vereins LandLuft durchgeführt hat. Er hat uns kontaktiert, dabei habe ich auch nonconform kennengelernt und schnell gemerkt: Da ist etwas, das mich reizt und wovon ich gerne Teil wäre. Was genau hat Dich gereizt? Ich kenne kein Büro, das so ist wie nonconform: erstens unglaublich hohe Innovationskraft, zweitens sehr vielfältige persönliche Biografien und drittens eine sehr große Passgenauigkeit mit dem, was mich interessiert. Fasziniert hat mich von Anfang an, dass das Büro so sozial mit seinen Methoden, zugleich aber auch so erfolgreich am Markt ist.

nicht so. Alles in allem ist un­sere DNA so ausgeprägt, dass sie auch geografische Hürden überwindet.

Bürgerbeteiligung in der Planung ist deutlich gestiegen.

Welche Unterschiede siehst Du zwischen privaten Wie würdest Du diese Deine Schwerpunkte sind und öffentlichen Auftrag­ geber:innen? spezifische nonconformProjektmanagement und Manche Kommunen wissen um DNA beschreiben? Prozesskompetenz. die Wichtigkeit dieses Themas, Alle haben Beteiligung im Wie sieht es in diesem kennen uns und kaufen unsere Blut, machen dies mit voller Arbeitsfeld im deutsch­ Leistung daher auch bereitKraft und wollen wirklich was sprachigen Raum aus? willig ein. Andere wiederum bewegen – und zwar in einem Es gibt ein paar Büros, die machen Beteiligung, weil sie Arbeitsfeld, in dem man weder ähnlich arbeiten und einen müssen, etwa weil eine FördeMillionär wird noch besonders ebenso hohen Qualitätsanspruch haben. Was die Auf- rung dies verlangt, sie haben großen Ruhm erntet. Unsere Leidenschaft ist, kreative Ver- traggeber:innen betrifft: Es gibt aber oft keine Ahnung, worum viele, die unsere Kompetenz es da überhaupt geht. Bei fahren und Methoden anzukennen und schätzen, aber es privaten Auftraggeber:innen wenden und die Energie zu haben, immer etwas Neues zu gibt auch einige, die man über- gibt es eine ähnliche Streuung der Beweggründe: Die einen erfinden und auch mal Dinge zeugen muss, warum etwas wichtig ist und daher auch über Bord zu werfen. Diese machen das, weil die Stadt es vorschreibt, die anderen Bereitschaft und Eigenverant- Geld kostet. Generell würde ich sagen: Der Stellenwert von suchen das ganz bewusst, um wortung erlebe ich woanders 24

Florian Kluge hat Landschaftsarchitektur studiert und ist Professor für Projektmanagement an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft. 2018 stieß er zum nonconform-Team, seit 2020 ist er Partner und Gesellschafter mit Sitz in Aachen. Sein Arbeitsfeld sind primär partizipative PLANUNGSPROZESSE und PROZESSMANAGEMENT.

ihre Projekte weiterzubringen und die eigene Denk- und Sichtweise zu reflektieren. Mein Gefühl ist: Bei Privaten sind wir eher Dienstleister:innen. Oft wünschen sie sich ein „Rundum-glücklich-Paket“, bei dem wir darauf achten müssen, in der neutralen Moderatorenrolle zu bleiben. Und manchmal haben sie auch nur eine bestimmte Vorstellung im Kopf, die sie bestätigt haben wollen. Meine beste Eigenschaft Cogito (ergo sum) Mein Lieblingsarchitekt Landschaftsarchitekt Das beste Bauwerk … ist noch nicht gebaut Mein Traumort Bornholm Freizeitbeschäftigung Frei… was? Lieblingswort hamel (Mundart Masematte) Architektur ist … ein Prozess

Das ist oft ein Balanceakt. Für uns ist wichtig, dass die Auftraggeber:innen offen für solche Prozesse sind. Wenn dies nicht der Fall ist, dann lehnen wir einen Auftrag auch ab. Greenwashing ist nicht unser Business. Du bist ausgebildeter Landschaftsarchitekt. Hast Du das Gefühl, dass der öffentliche Raum aktuell wichtiger wird? In den 1990er-Jahren waren die Raum- und Landschaftsplaner:innen jene, die am meisten Ahnung von Bürgerbeteiligung hatten, weil das ihre tägliche Praxis war, während das Thema im Architektur­ studium kaum vorkam. Das hat sich verändert. Die Bedeutung von Freiraum ist deutlich gestiegen, und Covid-19 hat die Entwicklung nochmals beschleunigt. Speziell auf Quartiersebene ist das Thema angekommen. Auch bei Wettbewerben wird Beteiligung immer stärker eingefordert.

kompatibel, das genieße ich. Meine Rolle ist ein wenig der Blick von außen: Ich gebe Feedback und bringe meine Sichtweise und Expertise ein, und das ist auch so gewünscht und willkommen. Du hast zu Beginn von Innovation gesprochen. In welche Richtung soll es gehen? Aktuell sind wir gerade im Prozess, wo nonconform im Jahr 2030 stehen soll – und dafür ist wichtig, dass wir wie ein Trüffelschwein die Themen der Zukunft suchen – und auch klären, wie wir uns dafür am besten aufstellen. Ich denke, wir werden in Zukunft noch viel mehr Flexibilität brauchen, um auf die fortschreitende Schnelllebigkeit reagieren zu können.

Dein Standort ist Aachen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem restlichen Team? Ich bin hier wie ein Satellit, und dies ist mit der Arbeitsweise von nonconform voll 25

Maria Isabettini stammt aus Ober­ österreich und hat an der TU Wien und der TU Berlin Architektur studiert. Nach mehreren Jahren im Büro von Eike Roswag-Klinge ist sie 2018 ins Berliner nonconform-Büro gewechselt, wo ihre Schwerpunkte auf STÄDTISCHEN BETEILIGUNGSPROZESSEN und im Bereich SCHULENTWICKLUNG liegen.

nonconform Stimmen

Die Kinder schicken wir gerne auf Zukunftsreisen.

Stadt- und Quartiersebene. Was ist dabei zu beachten? Und was ist der Unterschied zu Projekten in kleineren Kommunen? Die Herausforderung liegt in der Vielzahl der Ansprechpersonen, daher ist es ganz wichtig zu klären, mit wem ich spreche und Dinge abstimme. In der Stadt gibt es meist viele Hierarchien, und die Erreichbarkeit ist oft schwierig – das erfordert andere Planungszeiten. In kleinen Orten hingegen sind die Wege kürzer, etwa durch den „Dorffunk“. Aber viele Methoden, um die Menschen zu erreichen, sind da wie dort identisch: große Plakate, Postwurfsendungen und natürlich digitale Tools. Wichtig ist es auch, jene anzusprechen, die nicht von sich aus kommen – daher gehen wir auch direkt in Schulen oder auf Anrainer:innen zu.

Seit circa 20 Jahren lebst Du nun in Berlin. Welche Unterschiede gibt es in der Arbeit zwischen Deutschland und Österreich? Meine Arbeitserfahrung liegt ausschließlich in Deutschland, und ich finde, dass gerade bei Beteiligungsprozessen die Struktur hier oft formaler und regulierter ist als in Österreich. Dinge müssen schon lange im Vorfeld geklärt werden, und das Thema Kulinarik, das uns bei Prozessen sehr wichtig ist, stößt hier anfangs auf Skepsis und braucht Überredungskunst. Es dauert etwas länger, bis man eine Vertrauensbasis erreicht, aber nach einem geWas hat sich durch Corona wissen Anlauf funktioniert es bei den Beteiligungsprozesdann sehr gut. sen verändert? Ein Schwerpunkt von Dir ist Das informelle Gespräch, das oft gute Ideen hervorbringt, ist die Betreuung von partiziverloren gegangen, aber dafür pativen Großprojekten auf 26

bieten digitale Werkzeuge wiederum auch jenen Gehör, die sonst leise sind. Beides ist für die Zukunft wichtig. Ein weiterer wichtiger Bereich in Deiner Arbeit sind Beteiligungsprozesse im Bildungsbereich. Worauf ist hier besonders zu achten? Bei Bildungsbauten gibt es immer eine sehr überschaubare, definierte Gruppe von Beteiligten: die Schüler:innen, Lehrer:innen, die Schulleitung, das Schul-Facilitymanagement und die Eltern. Die sind gut zu greifen und leicht aktivierbar. Oft – etwa bei Umbauten, Sanierungen oder Erweiterungen – ist die Arbeit sehr konkret am Gebäude, und da ist es wichtig zu animieren, nicht nur in Räumen sowie in den vorhandenen Strukturen zu denken, sondern auch die Atmosphären zu beschreiben, die es braucht. Auch bei Neubauten ist es sinnvoll, erst einmal nicht über die Gestaltung zu sprechen, sondern über die Bedarfe. Wie schafft man es in der Kommunikation, den Leuten

zu vermitteln, dass sie gar nicht so konkret werden sollen, beziehungsweise sie wieder einen Schritt zurückzuholen? Wir machen das etwa über das Besprechen von Tagesabläu­ fen. Also nicht: Welchen Weg nehme ich? Sondern eher: Was mache ich etwa um eine bestimmte Uhrzeit? Daraus filtern wir dann die Bedürfnisse heraus. Die Kinder schicken wir gerne auf Zukunftsreisen – die haben keine Hemmschwel­ len, sind sehr fantasievoll und drücken ihre Wünsche un­ mittelbar aus. Dann kommt der Kleintierzoo oder die Rutsche, die vom Dach bis in die Aula hinunterführt. Aus diesen Ideen versuchen wir, die Anliegen der Kinder abzuleiten.

Schulen müssen so flexibel sein, dass sie auf gesell­schaft­liche Veränderungen gut reagieren können. Wie schafft Ihr es, alle Interessen abzuholen und Einzelinteressen nicht zu enttäuschen? Es ist viel Kommunikations­ arbeit. Wichtig ist klarzu­ machen: Worüber reden wir

eigentlich? Wir nehmen alles auf, clustern und bündeln dann alle Inputs und kreieren daraus ein gemeinsames Bild. Bilden sich neue pädagogische Modelle bereits in der Architektur ab? Ja, hier in Berlin gibt es eine große Schulbauoffensive, bei der die neuen Schulen nach dem Berliner Lern- und Teamhäuserkonzept errichtet werden. Da sind Cluster in der Mitte selbstverständlich und Pflicht. Ich habe ein wenig Sorge, dass es fast schon zu starr wird. Die Bedeutung der Phase Null, also jener Phase, in der die grundlegenden Parameter festgelegt werden, ist mittlerweile gut verankert. Als sehr wichtig erachte ich jedoch auch die Phase Zehn – die Zeit der Besiedelung. Denn mit dem Bau alleine ist es nicht getan. Die Nutzer:in­ nen müssen auch lernen, sich einen neuen Bildungsbau gut anzueignen. Was ist Dein Wunsch an die Zukunft von Schulen? Schulen müssen so flexibel sein, dass sie auf die schnellen gesellschaftlichen Veränderun­ gen gut reagieren können.

Meine beste Eigenschaft Schnell denken Lieblingsarchitekt:in Yasmeen Lari Das beste Bauwerk Lehmhaus, weil es wieder zerfällt Mein Traumort Strände ohne Menschen Freizeitbeschäftigung Gärtnern Lieblingswort pittoresk Architektur ist … lebenswichtig 27

Katharina Kothmiller hat Architektur an der TU Wien studiert, und nach Mitarbeit bei Françoise-Hélène Jourda in Paris, ARTEC Architekten und Vasko & Partner ist sie seit 2008 bei nonconform – seit 2013 als Partnerin. Ihr SCHWERPUNKT IST ARCHITEKTUR, vom Entwurf bis zur Baubetreuung.

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Ich möchte die Para­­­meter für Schön­heit herausfinden. Was sind Deiner Meinung nach aktuell die brennends­ ten Fragen und die dring­ lichsten Aufgaben in der Architektur? Mich beschäftigen alle Fragen, die für das Gelingen eines guten Lebens wichtig sind – für das Individuum, aber natürlich auch für die Gemeinschaft, und welchen Beitrag wir als Architekt:innen dazu leisten können. Wie bildet sich das in Euren Projekten ab? Neben der Architekturqualität von Einzelgebäuden legen wir 28

Menschen vor Ort herauszufinden: Ist das die richtige Aufgabenstellung?

Ihr habt einen Schwerpunkt im Bereich Wohnbau. Was macht gutes, resilientes Wohnen heute aus? Ich bin überzeugt, dass immer kleiner werdende Wohnungen nicht die richtige Antwort auf die Frage nach der Leistbarkeit des Wohnens sind. Anstatt die Grundrisse bis auf den letzten Zentimeter auszuquetschen, würde ich gerne dagegenhalten und lieber wieder ein paar Zentimeter dazugeben. Wichtig ist die Frage, wieviel Privatheit es braucht und wie bereichernde Gemeinschaft gelingen kann. Eine wichtige Voraussetzung sind gut programmierte und situierte Gemeinschaftsräume, die für alle fair nutzbar sind. Außerdem versuchen wir immer, so zu planen, dass sehr viel Wert auf den Städte- zukünftige Generationen die bau sowie auf die Qualität des Bausubstanz umnutzen und öffentlichen Raums. Dabei hilft sie sich immer wieder neu anuns unsere große Erfahrung eignen können. im Bereich von Bürgerbeteiligung, wenn es etwa darum Bei welchem Thema, bei geht, viele widersprüchliche welcher Bauaufgabe siehst Positionen unter einen Hut zu Du aktuell am meisten bringen. Mich persönlich inter- Potenzial? essieren das Prozesshafte und Das größte Potenzial sehe ich die Frage, wie Abläufe bestda, wo zukünftige Nutzer:inmöglich aufgesetzt werden nen sich zusammentun und können, damit am Ende das gemeinsam und mit persönPotenzial der Vielen gehoben lichem Engagement und auch wird und lebenswerte Räume mit persönlicher Verantworin Stadt und Land entstehen. tung ihr Projekt entwickeln und auf den Boden bringen. Bietet Ihr Euren Archi­ Meine Erfahrung ist, dass tekturauftraggeber:innen solche Projekte immer auch etwa auch eine Ideenwerk­ positiv auf das Umfeld ausstatt an? strahlen. Und mich freut, dass Ja, das ist grundsätzlich ein der Begriff Schönheit wieder großes Plus von uns. Wir mehr Stellenwert bekommt, können Projekte vom Anfang dass etwa die Gestaltung von bis zum Ende anbieten und Fassaden wieder wichtiger durchführen. Am liebsten wird. Lange Zeit war es total starten wir schon in der Phase verpönt, etwas nur um des Null, um gemeinsam mit den Gestaltens willen zu machen.

Brainstormen und Entwerfen bleiben dabei jedoch auf der Stecke. In der Architektur sind das kreative Zusammenarbeiten und der Austausch zwischen Tür und Angel essenziell. Was würdest Du Dir für die Zukunft wünschen, damit das Entwerfen wieder ein wenig mehr Luft hat? Ich finde es schön, wenn wir Projekte umfassend begleiten und dabei intensiv in die Aufgabenstellung eintauchen können. Wettbewerbe sind ein gutes Instrument, aber nicht immer für alle Bauaufgaben ideal geeignet. Und wir möchten Veränderung gestalten – von der Idee bis zur Umsetzung. Daher schätzen wir auch private Auftraggeber:innen, die mitten in einem Trans­ formationsprozess stecken und die wir – abseits vom offenen Wettbewerbssystem – beginnend mit einer Ideenwerkstatt begleiten und das Ergebnis dann auch räumlich realisieren können.

Lange Zeit war es total verpönt, etwas nur um des Gestaltens willen zu machen.

Meine beste Eigenschaft Zug zum Ziel Lieblingsarchitekt:in Anna Heringer Das beste Bauwerk Venedig Mein Traumort Rue Saint-Maur, Paris Freizeitbeschäftigung Kopf frei laufen Lieblingswort Schönheit

Dass dies nun wieder möglich ist, finde ich gut und richtig. Das kostet zwar etwas, ist aber eine unverzichtbare Qualität. Mich interessiert, was es braucht, damit ein Gebäude allgemein als schön erachtet und anerkannt wird. Die Arbeit bei nonconform fand – schon vor Corona – aufgrund der zahlreichen

Standorte vielfach digital statt. Hattet Ihr da einen Startvorteil? Die Arbeit in der Architekturabteilung findet weitgehend in Wien und vor Ort statt. Meine Erfahrung ist: Individuelle Kommunikation und all­t ägliche Büroroutinen lassen sich digital gut organisieren, das Gemeinsame aber, das Inspirierende, das

Architektur ist … gebaute Gesellschaftsstruktur

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Ich sehe unser Büro als Ideen­ maschine.

1999 wurde das Büro nonconform gegründet. Wie hat alles angefangen? Ich habe damals den Auftrag bekommen, gemeinsam mit meinem Architekturprofessor Roland Gnaiger ein Kunsthaus für den Künstler Fritz Russ zu entwerfen. Ich kam frisch von der Uni und war noch grün hinter den Ohren. Peter Nageler hingegen hatte zu der Zeit schon reichlich Berufserfahrung, wollte aber nicht mehr länger als Angestellter arbeiten – und so haben wir bei ein paar Flaschen Wein und Musik von Tocotronic beschlossen, ein Büro zu gründen. So hat alles begonnen. Noch im selben Jahr habt Ihr Euren ersten Wettbewerb gemacht, und zwar das Stadttheater Haag. Ja, und ich kann mich noch an die Präsentation erinnern, als wäre es gestern gewesen. Wir haben am Overheadprojektor live vor Publikum 1:1 die Entwurfsschritte nachgezeichnet und die Genese des Projekts auf diese Weise nachvollziehbar gemacht. Das war spannend wie ein Krimi. Wir haben den Zuschlag bekommen. Das Live-Arbeiten vor Ort hat Euch seitdem nie wieder losgelassen. Das stimmt! 2005 waren wir mit dem Büro an einem Punkt angelangt, wo wir uns überlegen mussten, wie wir weitermachen wollen. Gemeinsam 30

mit Eric Poettschacher, einem Berater aus den Creative Industries, haben wir einen Prozess gestartet und im Laufe eines Jahres drei verschiedene Zukunftsszenarien entwickelt. Auf Basis der Erfahrungen mit Live-Arbeiten vor Ort und dem direkten Kontakt mit Nutzer:innen und Auftraggeber:innen haben wir uns für dieses Szenario entschieden. Das war der Beginn der Ideenwerkstatt.

dorthin gefahren. Wir waren ganz schön aufgeregt! Insgesamt haben dort an unseren Stammtischen mehr als 350 Einwohner:innen teilgenommen. Am letzten Tag haben wir auf Basis aller Gespräche schließlich ein Konzept in einer Live-Performance präsentiert. Ein voller Erfolg!

Gab es ein konkretes Vorbild für diese Form des Arbeitens? Wo habt Ihr die erste Ideen- Mein persönliches Vorbild war werkstatt gemacht? ein Buch, und zwar Die Ideen­maschine. Methode statt GeisDas erste Projekt dieser Art tesblitz der Schweizer Kulturwar Molln in Oberösterreich. Wir haben Computer, Drucker, ökonomin Nadja Schnetzler. Papier und allerhand Arbeits- Ich habe das Buch gelesen utensilien in den Zug gepackt und mir gedacht: Ja, genau so und sind damit für einige Tage will ich Architektur machen!

Roland Gruber studierte Architektur an der Kunstuniversität Linz und an der ETH Zürich sowie Kulturmanagement in Salzburg. Gemeinsam mit Peter Nageler gründete er 1999 das Büro nonconform. Im selben Jahr war er auch Mitbegründer des Vereins LandLuft zur Förderung von Baukultur in ländlichen Räumen. Sein Schwerpunkt ist die ZUSAMMENARBEIT MIT KOMMUNEN und Regionen.

Die ersten Beteiligungsprozesse habt Ihr vor allem mit kleineren Kommunen gemacht. In letzter Zeit arbeitet Ihr auch mit größeren Stadtverwaltungen und privaten Auftraggeber:innen zusammen. Was ist der Unterschied? Mein Gefühl ist, dass es in kleineren Orten viel Freude darüber gibt, dass wir da sind und mit den Leuten arbeiten. Wir sind da irgendwie Teil eines Festes, eines regelrechten Ausnahmezustands. Bei Stadtquartieren hingegen, wo es oft um Nachverdichtung und Refurbishment geht, haben wir es öfter mit Ängsten zu tun. Der Kampf um jeden Quadratmeter Freiraum ist spürbar. Und in privaten Unternehmen stehen oft Zahlen, Daten, Fakten im Vordergrund, und die Beteiligungsgruppen sind meist klarer definiert: Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Expert:innen.

Habt Ihr die Entscheidung für Wachstum bewusst getroffen? Oder hat sich das eher so ergeben? Ein Büro, das mich von Anfang an inspiriert hat, ist das Schweizer Unternehmen Metron, zuständig für Architektur, Städtebau, Landschaftsplanung, Raumplanung, Verkehr, Mobilität und Prozess­begleitung. Das Faszinierende ist die Bürostruktur: Es sind rund 150 Mitarbeiter:innen in 30 unterschiedlichen Berufen. Ich habe immer von einer ähnlichen Bürostruktur geträumt – von einem heterogenen Kollektiv mit vielen verschiedenen Kräften und Talenten. Und einen Schritt in diese Richtung sind wir auch gegangen, worauf ich durchaus stolz bin.

Ihr hattet vor mehr als 15 Jahren eine Vision und habt Euer Büro damals komplett neu aufgestellt. Welche Vision für die Anfangs war nonconform kommenden 15 Jahre habt klein und überschaubar. Ihr heute? Heute ist das Team mit Partizipation in der Architektur knapp 50 Personen an sieben ist so selbstverständlich geStandorten in Österreich worden, wie Passivhäuser zu und Deutschland aktiv. bauen. Deshalb dürfen wir uns

auf den bisherigen Erfolgen nicht ausruhen und müssen uns permanent neu erfinden. Wir haben gerade begonnen, an unserer Vision für 2030 zu arbeiten. Ich bin ergebnisoffen, so wie damals. Was ich mir aber wünsche: nicht mehr nur auf den deutschsprachigen Raum konzentrieren, sondern Europa stärker in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Meine beste Eigenschaft Möglichmacher und Momentgenießer Lieblingsarchitekt:in Snøhetta Das beste Bauwerk Innenstädte und Wasserstege Mein Traumort Fensterplatz im Zug in Fahrtrichtung Freizeitbeschäftigung Laufen, Restlkochen, Podcasts hören Lieblingswort atmosphärevoll Architektur ist … einfach wunderschön

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Marieluise Brandstätter, aufgewachsen im steirischen Bezirk HartbergFürstenfeld, studierte Publizistik, KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien. Seit 2017 ist sie bei nonconform sowohl in der PROZESSBEGLEITUNG als auch im Bereich PR und Öffentlichkeits­arbeit tätig.

nonconform Stimmen

Wir zeigen, dass sich etwas tut. nonconform ist ein Team von knapp 50 Personen an sieben Standorten in Österreich und Deutschland. Wie kam es dazu? Dafür waren persönliche biografische Entscheidungen ausschlaggebend. Durch den Gründungsort war Wien lange das Zentrum, dann ist Roland Gruber als Erster im Jahr 2008 nach Kärnten gegangen und später Sabine Zwirchmair nach Berlin. Die beiden haben nonconform „mitgenommen“ und dezentrale Standorte mit den dafür notwendigen Strukturen aufgebaut. Das war der Beginn und hat sich dann schrittweise weiterentwickelt. Auch ich war anfangs in Wien und bin jetzt in Graz. 32

zum Austausch und zur Fortbildung haben. Es gibt ja zwei Bereiche – die Architektur und die Beteiligungsformate. Wie gut funktioniert der Austausch? An dieser übergreifenden Kommunikation haben wir noch ein wenig zu arbeiten, da tun wir uns grad ein wenig schwer, insbesondere, da der physische Austausch jetzt so schwierig ist. Alles in allem ist es nicht so einfach, wie wir es gerne hätten, aber durch die Zusammenarbeit in den „Häusern“ sind wir da auf einem guten Weg.

nonconform zeichnet sich durch eine sehr breite und flache Hierarchie aus. Was sind die Vor- und Nachteile so einer Struktur? Die Vorteile sind, dass man sich sehr schnell und gut entWie funktioniert die bürointerne Kommunikation bei wickeln kann. Man bekommt schnell Verantwortung und dieser verteilten Struktur? nimmt sie auch gerne wahr, Wir haben schon lange vor Covid-19 stark digital kommu- weil man merkt, dass einem niziert und dafür eine gut funk- vertraut wird. Ich hätte mir tionierende Struktur und einen Dinge nicht zugetraut, die mir regen Austausch etabliert. Die aber anvertraut wurden. Daran bin ich sehr gewachsen. Ein einzelnen internen Bereiche Nachteil ist, dass die Entsind bei uns in „Häusern“ organisiert, die standortüber- scheidungsfindung manchmal greifend kleine Teams bilden. langwierig sein kann und nicht Vertreter:innen der jeweiligen so einfach ist. Standorte treffen sich alle zwei Wochen in sogenannten Gibt es einen einheitlichen „Ressourcencafés“ und tragen nonconform-Auftritt? Wie die Informationen dann intern schafft man Identität? weiter. Es wird also geclustert, Für das visuelle Erscheinungsbild ist das mit Vorlagen denn wenn immer alle dabei sind, dauern die Prozesse ziemlich einfach. Wenn es um viel zu lang. Sehr wichtig Vorträge oder Interviews geht, gibt es entsprechende sind aber auch regelmäßige physische Treffen. Einmal im Themenexpert:innen, die je Jahr machen wir eine Unter- nach Fach- und Projektwissen nehmensklausur, und nach auftreten und die in den Corona werden wir in unserer Themen drin sind. Das sind die Gesichter nach außen. internen Akademie hoffentlich wieder drei- bis viermal pro Jahr die Möglichkeit zum Wie lässt sich Eure Arbeit, die ja oft sehr politisch und persönlichen Kennenlernen,

Wie greifen Medien Eure Themen auf? Mit lokalen Medien ist das relativ einfach: Sie berichten viel und gerne darüber, was in der Region passiert. Konkrete Bilder sind da nicht so wichtig. Bei überregionalen Medien jedoch ist es schwieriger, sie zeigen lieber Umsetzungen. Wo siehst Du für nonconform die größten Herausforderungen für die Zukunft? Wir haben viele Standorte und viele Personen. Und auch unsere Auftraggeber:innen, Bauaufgaben und Themenfelder werden immer breiter. Daher ist es wichtig, den Fokus sukzessive nachzuschärfen, um besser entscheiden zu können, wo wir Energie investieren wollen und wo auch nicht. Wir wollen mutig bleiben. Meine beste Eigenschaft Positiver Pragmatismus Lieblingsarchitekt:in Meine Neffen Das beste Bauwerk Baumhaus

Wir sprechen in der Kom­mu­ni­kation über Veränderungen und Herausforderungen, wir zeigen auf, dass sich etwas tut und positiv entwickelt, und wecken damit Emotionen. komplex ist, aber häufig ohne konkretes bauliches Ergebnis endet, nach außen kommunizieren? Wir sprechen in der Kommunikation über Veränderungen und Herausforderungen, wir zeigen auf, dass sich etwas

Mein Traumort Insel Lewis and Harris Freizeitbeschäftigung Wald und Wiesen Lieblingswort Komplexität Architektur ist … Raum fürs Zusammenleben

tut und positiv entwickelt, und wecken damit Emotionen. Viele Kommunen und Städte stehen vor Herausforderungen und wissen nicht, wo sie ansetzen sollen. Wir zeigen ihnen, wie sie diese losen Fäden zusammenbringen können. 33

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01 35

mittendrin Mitten im Ort ist mitten im Leben: Jahr­ hundertelang traf dies auf Städte und Orte zu. In der Mitte waren auf engem Raum alle Voraussetzungen für das tägliche Leben versammelt, und das Zusammentreffen mit anderen Menschen passierte ganz selbstverständlich. Doch das Bild hat sich gewandelt. Der belebte Dorfplatz mit Linde, Brunnen, Kirche und Gasthaus – dieses Bild haben viele Menschen im Kopf, wenn ­sie an Ortszentren denken, doch nur noch selten entspricht dies der Realität. In den letzten Jahrzehnten hat ein dramatischer Wandel eingesetzt, der über Jahrhund­erte gewachsene Strukturen entscheidend verändert hat. Die Zentren kleiner Dörfer,

mittelgroßer Orte sowie kleiner und großer Städte, ebenso wie lokale Zentren von Bezirken, Grätzeln oder Kiezen, haben sich über Epochen entwickelt. Ihnen sind Geschichte und Geschichten eingeschrieben, und die Vielschichtigkeit verleiht ihnen Identität und Atmosphäre. Diese findet man heute jedoch oft nur mehr auf historischen Ansichten oder geschönten Bildern in Fremdenverkehrsprospekten oder auf Pinterest. Dass Stadt- und Ortszentren vielfach verstummen, hat vielfältige Gründe –

Das Dorf von oben: Arbeitsmodell im Ideenbüro 36

ein wesentlicher ist die in den letzten Jahrzehnten stark gestiegene Automobilität, durch die sich viele vitale Funktionen an die Ränder verlagert haben. Begonnen hat diese Entwicklung in den 1950er-Jahren mit der Errichtung von ausgedehnten Einfamilienhausgebieten, ihnen folgten Handels- und Einkaufszentren sowie Gewerbegebiete und Produktionsstandorte, zumeist mit monotonen und immer gleichen fantasielosen Gebäuden, großen Logos, überdimensionierten

Parkplätzen und ohne jeden Bezug zur Gefährdung der Biodiversität, Erhöhung Umgebung. Und heute finden sich da und von Hochwasserrisiko und immer stärker dort auch Verwaltungs-, Bildungs- und merkbare Hitzeeffekte, denn versiegelter Gesundheitseinrichtungen am unvermeidbar scheinenden Kreisverkehr am Ortsrand. Die mit diesen Entwicklungen einhergehende Bodenversiegelung – die Abdeckung mit einer wasser- und luftundurchlässigen Schicht – hat sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich negative Folgen.

Mils in Tirol: Aktive Jugendeinbindung als Schlüssel für gute Öffentlichkeitsbeteiligung

Boden kann kein Wasser verdunsten. Und finanziell belasten die Errichtung und Wartung von Siedlungs- und Verkehrsflächen die Budgets der Gemeinden. Jahrelang wurde diese Entwicklung kaum beachtet, und die in vielen Papie-

ren und Absichtserklärungen seit mehr als 20 Jahren formulierten Zielwerte für Bodenverbrauch – von 30 Hektar in Deutschland und 2,5 Hektar in Österreich – scheinen in weiter Ferne. Ganz im Gegenteil versuchten die einzelnen Das österreichische Bundesumweltamt Gemeinden, sich mit günstigen Grundlistet die wesentlichsten Probleme auf: stücken zur Ansiedlung von EinfamilienVerlust an fruchtbaren Böden, der nur häusern und Betrieben zu überbieten. schwer umkehrbar ist, dauert doch die Dass damit fast überall der Niedergang Neubildung von von einem Zentimeter der Innenbereiche verbunden war, wurde Humus zwischen 100 und 200 Jahren. Damit nimmt der Selbstversorgungsgrad ausgeblendet. Wenig genutzte öffentmit Lebensmitteln von Jahr zu Jahr ab, liche Räume und der Leerstand vieler und die Abhängigkeit von Nahrungsmit- Gebäude und insbesondere von Erdgeschosslokalen prägen heute vielfach das telimporten steigt. Hinzu kommen die 37

die Zentren zurückzubringen. Denn die leeren Mitten entziehen den Orten Identität und Lebensqualität, sie werden sowohl für Einheimische und potenzielle Zuzügler:innen als auch für Gäste zunehmend unattraktiv – eine Abwärtsspirale.

Auf der Suche nach der Marmelade: Stärkung und Transformation von Orts- und Stadtkernen

Orts- oder Stadtbild. Die wachsenden Speckgürtel legen sich wie Kreise um die Siedlungen und führen parallel auch dazu, dass die Lebendigkeit im Zentrum verloren geht – man spricht vom „Donut-Effekt“. nonconform war unter den Ersten, die dieser fatalen Entwicklung mit ihrem Format der Ideenwerkstatt ab Mitte der 2000er-Jahre entgegenzuwirken begannen. Doch wie beschreibt man diesen schwer greifbaren Prozess mit einem einprägsamen Bild, das den Menschen Lust auf Veränderungen macht? Als Gegenmodell zum Donut positionierte nonconform den Krapfen: gefüllt mit wohlschmeckender Mitte. Und da dieses Gebäck viele unterschiedliche Bezeichnungen trägt – zum Beispiel Pfannkuchen (in Berlin), Berliner (im Rheinland), Puffel (in Aachen) oder Kreppel (in Hessen) –, gibt es nun auch eine besondere Landkarte, auf der die vielfältigen Namen verzeichnet sind. Der Krapfen-Effekt zielt darauf ab, das

Donut-Loch mit innovativen Füllungen zu versehen und damit wieder Leben in 38

Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind ländliche Regionen. Die deutsche Bundesstiftung Baukultur zeigt in ihrem Handbuch Besser bauen in der Mitte 2018 auf, dass bis zu 80 Prozent der derzeitigen Flächenentwicklungen jenseits der Metropolräume stattfinden. Diese Versäumnisse von Jahrzehnten lassen sich nicht in wenigen Monaten, ja nicht mal in einigen Jahren wieder gutmachen. Mut und Ausdauer sind erforderlich.

„An oberster Stelle steht das Bekenntnis von Politik und Verwaltung zu Innenwachstum vor Außenentwicklung. Das bedeutet Konzentration auf die zentralen

Ein Theater­­stück namens Dorf

Nutzungen und Lebendigkeit. Damit wird auch ein Beitrag zu den Nach­ haltigkeitszielen der UN-2030-Agenda geleistet, insbesondere zu den Zielen 11 – „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ sowie 13 – „Maßnahmen zum ­Klimaschutz“. Jeder Ort, jede Stadt hat andere Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Daher ist es in einem zweiten

Schritt erforderlich, sich Gedanken über die unterschiedlichen „Krapfenfüllungen“ zu machen. Ein Dorf mit 2.000 Einwohner:innen benötigt andere Funktionen als eine Kleinstadt mit 20.000 Menschen. Eine Tourismusge-

In den 1990er-Jahren ging es mit dem historischen Stadtzentrum von Haag steil bergab: Geschäfte standen leer, Lokale wurden aufgegeben, der Ort war tot. Um den Hauptplatz wiederzubeleben, gründete der Stadtamtsdirektor gemeinsam mit lokalen Wirtschaftstreibenden einen Verein für Stadtmarketing. Die erste Aktion 1995 war eine Open-Air-Filmvorführung am Hauptplatz. Der große Erfolg festigte die Idee, den Hauptplatz durch kulturelle Aktivitäten neu zu beleben – und zwar mit einem Sommertheater für rund 600 Zuschauer:innen. Die Gemeinde Haag schrieb einen kleinen geladenen Wettbewerb aus, den nonconform gewinnen konnte. Das innovative Konzept sah eine zweistöckige Holzkonstruktion vor, die sich wie eine überdachte, auf ein paar Säulen balancierende Schublade über den Platz schiebt. Ein Großteil der Gemeinde erklärte die Initiator:innen und das von ihr beauftragte Architekturbüro für verrückt. Erst kurz vor der Premiere im Juli 2000, als die knallrote Tribüne bereits auf-

gebaut war, schlug die Stimmung um. Das Projekt wurde ein regional beliebter und auch international viel beachteter Erfolg. Seitdem wird Sommer für Sommer zwei Monate lang gespielt. Rund 15.000 Besucher:innen kommen jedes Jahr zum Haager Sommertheater. In der Zwischenzeit wurde die Kulisse kontinuierlich aufgewertet: 2002 schrieb die Gemeinde einen Wettbewerb für die Neugestaltung des Hauptplatzes aus, seither ist in etliche alte Häuser endlich wieder neues Leben eingekehrt.

Ort Stadt Haag, Niederösterreich, A Einwohner:innen 5.700 Auftraggeberin Stadt Haag Wettbewerb 1999

Stadttheater Haag

Orts- und Stadtgebiete und ihre Aufwertung mit innovativen und kreativen Formen von Wohnen, Arbeiten, Kultur, Bildung, Dienstleistung, Handel und Freizeit. Es geht darum, die vorhandenen Strukturen neu zu nutzen, umzubauen, weiterzubauen oder, wo noch Platz ist, neu zu bauen. Dies reduziert den Bodenverbrauch und schont zudem weitere Ressourcen wie Baumaterialien und Transportwege und bringt wieder Nutzungsmischung und neues Leben in die Orte“, sagt nonconform über seine langjährige Arbeit beim Wachküssen von Orten, Städten und Regionen in Österreich und Deutschland. Kompakte Bauweise und höhere Dichte bringen viel­f ältige

Projektpartner Glöckel Holzbau, Südtirol (jetzt Rubner Holzbau) Baukosten 305.000 Euro Kosten Auf- und Abbau 70.000 Euro pro Saison 39

Bürger:innen und wesentlichen Stakeholder:innen von Beginn an in die Transformation miteinzubeziehen. Sie sind einerseits Expert:innen für den eigenen Ort und andererseits bietet die Visionsentwicklung die Chance für das Erkennen von Zielkonflikten, und – idealerweise – entsteht auch Verständnis für die Bedürfnisse von anderen. Arbeitsmodell: Temporäre Theatertribüne in Haag

meinde unterscheidet sich von einer Bezirksstadt. Damit sich alle mit dem Veränderungsprozess und seinen Ergebnissen identifizieren, sie mittragen und sich wohlfühlen, ist es essenziell, die

Das Wunder von Fließ

Ortszentrum Fließ

Wie vielerorts gab es auch im Zentrum des Tiroler Orts Fließ zahlreiche Leerstände, und der Dorfplatz hatte seine Funktion als vitaler Treffpunkt verloren. Stolz erzählt Bürgermeister Hans-Peter Bock, dass die „Gemeindeverant­ wortlichen darauf mit viel Weitsicht reagiert und zahl40

Das von nonconform entwickelte Format der Ideenwerkstatt ermöglicht derartige Entwicklungsprozesse in sehr kompakter Form. Die Durchführung an zwei, drei oder vier Tagen – direkt vor Ort – schafft eine spezielle Dynamik. Dieser hochverdichtete Ausnahmezustand – mit lokalem

statt, die Letztauswahl traf eine Fachjury. „Bevölkerung und Nachbarn waren begeistert, dass nicht wie bisher der Gemeinderat beziehungsweise der Bürgermeister alleine die Entscheidungen trifft, die Keine alltägliche Voreigentlich die ganze Bevölkerung treffen sollte“, bringt gangsweise in Gemeinden, aber Fließ ging noch es Hans-Peter Bock auf den weiter: In ZusammenPunkt. Heute bereichert die Architektur von Rainer Köberl arbeit mit nonconform und Daniela Kröss den Marktwurde ein Verfahren er­platz – mit drei miteinander probt, das Bürgerbeteiligung mit einem Architek- korrespondierenden und über turwettbewerb kombiniert. Plätze und Stiegen verbundenen Baukörpern. Wie ging das? In einem ersten Schritt wurde von Mit­gliedern des Gemeinderats, zusammen mit Menschen aus dem Ort Ort, ein grobes RaumproFließ, Tirol, A gramm entwickelt. Dies war Einwohner:innen die Basis für einen Architek2.900 turwettbewerb, bei dem fünf Auftraggeberin Büros für die weitere Arbeit Gemeinde Fließ ausgewählt wurden. Ideenwerkstatt reiche Gebäude erworben haben, mit dem Ziel, ein nutzungsdurchmischtes Dorfhaus-Ensemble zum Wohnen, Arbeiten und Einkaufen zu errichten.“

Juni 2012

Die zweite Stufe fand dann – moderiert von nonconform – als öffentliches Kolloquium mit Beteiligung der Bürger:innen

Umsetzung 2014–2015 Architektur Rainer Köberl und Daniela Kröss

realisiert wird. Ab diesem Moment wird die Entwicklungsbegleitung zu einem Umsetzungs- und Planungscoaching und definiert ihre Rolle neu. Mit knapp 20 Jahren Erfahrung hat nonconform unterschiedliche Modelle ausprobiert, die immer zur einzelAufgeblasen: Das neue Ortszentrum in Fließ verbindet Moderne mit Tradition nen Gemeinde oder Stadt und ihrer individuellen Situation und den jeweiligen Bedürfnissen passen müssen. So kann ein Projekt mit der Präsentation des Masterplans und den Handlungsempfehlungen beendet sein, und die weitere Entwicklung liegt ausschließlich in den Händen der Ideenbüro, der Einbindung aller GeneAkteur:innen vor Ort. Idealerweise gibt rationen sowie gemeinsamem Essen und es dort ausreichend Kompetenz, und die Trinken – setzt viel Kreativität frei. Mit Umsetzung gelingt, wie etwa bei der diesem Elan und dieser Euphorie lassen Stadtkernentwicklung der Kleinstadt sich Masterpläne, Leitlinien und Hand- Illingen im Saarland, wo sich nun mehrere lungsempfehlungen erstellen, die Lust Personen um die Umsetzung von Einzelprojekten – im Bereich von Kunst und auf Neues machen. Kultur, aber auch Wohnen, Bildung oder Mit der Umsetzung beginnen die Gewerbe – kümmern. Mit engagierten Mühen der Ebene. In diesem dritten und kompetenten Menschen gelingt dies Schritt muss sichergestellt werden, auch in kleinen Orten, wie dem nordrhein-westfälischen Bad Berleburg oder dass die schönen Worte nicht in einer dem niederösterreichischen Reinsberg. Schublade verschwinden, sondern tatsächlich Wirklichkeit werden. Wesentlich dabei ist, dass nicht nur der kleinste Oft sind diese Ressourcen jedoch nicht vorhanden, und eine weitere Begleitung gemeinsame Nenner, sondern die spannendste und qualitätsvollste Umsetzung ist sinnvoll. Häufig sind die geplanten 41

Elisabeth Oberzaucher

Elisabeth Oberzaucher ist ausgebildete Evolutions- und Verhaltensbiologin. Sie lehrt an der FAKULTÄT FÜR LEBENSWISSENSCHAFTEN der UNIVERSITÄT WIEN. Seit 2015 ist sie wissenschaftliche Leiterin des Vereins URBAN HUMAN. Öffentliche Bekanntheit erlangte sie durch die ORF-Wissenschaftssendung SCIENCE BUSTERS, für die sie 2018 und 2022 mit dem Österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde.

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Je weniger Autos auf der Straße, desto mehr Freunde. 2017 erschien Ihr Buch Homo urbanus. Ein evolutionsbiologischer Blick in die Zukunft der Städte. Was hat Ihnen denn dieser Blick offenbart? Die Fragen, die ich mich interessieren, sind: Wir verhalten sich Menschen in einer Stadt? Wie bewegen sie sich in dieser künstlich geschaffenen Umgebung? Und was ist notwendig, damit sie sich in diesem urbanen Gefüge wohlfühlen? Ein wichtiger Aspekt ist die Walkability – also die Qualität der fußläufigen Fortbewegung. Das beinhaltet Gehwege, Radwege, eine funktionierende Nachbarschaft, insgesamt eine attraktive Wohnumgebung sowie eine dichte Interaktion mit Servicepunkten der täglichen Infrastruktur.

Wie gut funktioniert das? Je mehr wir zu Fuß gehen, desto besser. Studien belegen: An stark befahrenen Straßen mit wenig fußläufiger Mobilität hat man erstens weniger Freund:innen in der unmittelbaren Wohnumgebung, und zweitens tun sich Gewerbetreibende schwerer. Je kleiner der motorisierte Verkehrsanteil, desto mehr Freund:innen, desto besser das Geschäft. Was heißt das übertragen auf das Leben auf dem Land? Tatsächlich funktioniert die Walkability in der Stadt besser als auf dem Land. In vielen Dörfern gibt es weder Geh­steige noch Radwege, geschweige denn eine hochwertige Infrastruktur. Viele Dörfer sind sozial tot. Noch schlimmer davon betroffen als die Dörfer auf dem Land sind die Pseudo­dörfer im Speckgürtel. Worin sehen Sie Chancen für ein florierendes Leben auf dem Land? Durch die Pandemie wurde die digitale Transformation

beschleunigt. Die Möglichkeit, einen Teil der Arbeit im Homeoffice zu erledigen, um in der Mittagspause kurz in den Bach zu springen, macht das Leben auf dem Land wieder attraktiv – vor allem auch für junge Leute. Aber das allein reicht nicht aus. Mit der Digitalisierung muss auch das öffentliche Verkehrsnetz ausgebaut und taktverdichtet werden. Ich fürchte nur, dass das im Mindset des Landlebens noch nicht angekommen ist. Viele Dörfer leiden unter Abwanderung. Ist Ihnen ein Best-Practice-Beispiel bekannt, um dem entgegenzuwirken? In Belgien gibt es eine Kleinstadt namens Geel, wo der Leerstand genutzt wurde, um Einrichtungen für psychisch kranke Menschen zu schaffen – also ein auf eine ganze Gemeinde verteiltes Therapie­ zentrum. Die klassische, orts­ansässige Bevölkerung vermischt sich mit jenen, die hier ein Rehabilitations- und Reintegrationsprogramm absolvieren. Die einen profitieren

Dorfbürgermeister:in will seinen eigenen Tennisplatz, sein eigenes Bezirksmuseum, seinen eigenen Gewerbe­park. Die interkommunale Konkurrenz, die sich in Österreich und Deutschland abspielt, ist eines der großen Dramen im ländlichen Raum. Viel intelligenter wären hier Kooperation und Co-Kreation. „Zamreden“ statt gegeneinander zu kämpfen.

Ein wichtiger Aspekt ist die Walkability– also die Qualität der fußläufigen Fort­bewegung.

von Inklusion, die anderen von einer gewissen Belebung der Stadt. Auch so kann man einen Ort wieder zum Leben erwecken!

Welche andere Konzepte auf dieser Basis wären für Österreich und Deutschland denkbar? Das kann alles Mögliche sein! Ein Dorf für Künstler:innen, für Wie reagiert die Bevölkerung Jugendliche, eine Kulturwerkstatt, ein Sportschwerpunkt, auf so ein Konzept? So etwas lässt sich nicht top- eine Art Programmiererkolonie. Das Silicon Valley ist down planen. Dazu braucht nichts anderes! Wichtig sind es ein langfristiges, sensibel eine gewisse Diversität und aufgesetztes Beteiligungseine ausreichende Vernetzung programm, bei dem man die Menschen mitnimmt und ihnen in die Umgebung. die Möglichkeit gibt, sich einzubringen und zu einer ge- Also eine Art interkommu­ meinsamen Idee beizutragen, naler Dialog? die für alle passt. Das Beispiel Ja, bloß wird der leider noch in Belgien klappt sehr gut. viel zu wenig gepflegt. Jede:r

Wie lautet Ihre ganz per­ sönliche Dystopie? Wenn wir in Zukunft weiterhin das Falsche tun, dann fürchte ich, dass mit dem ländlichen Raum das passieren wird, was den US-amerikanischen Großstädten zugestoßen ist – tote Mitte, wachsender Speck­gürtel, Millionen Autos. Und was wäre eine schöne Utopie? Fußläufigkeit, Basisinfrastruktur, gutes Mobilitätsangebot. Das Dorf, von dem ich träume, ist so großartig, dass wir in Zukunft lieber im Gasthaus oder am Dorfplatz Fußball schauen, anstatt zuhause vor dem eigenen Fernseher abzuhängen.

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Es geht um das Leben nach der Wurst Was haben Wurst, Bier, Glühbirnen und Tabakwaren gemein? Sie alle wurden im Herzen der saarländischen Kleinstadt Illingen jahrzehntelang produziert und prägten das Zentrum der knapp 17.000 Einwohner:innen zählenden Gemeinde baulich und atmosphärisch mit. „Und es gibt niemanden“, sagt Bürgermeister Armin König, „der nicht irgendjemanden kennt, der hier nicht irgendwann einmal gearbeitet hat. Wenn man so will, ist dieses historische Fabrikareal ein wichtiger Bestandteil unserer kulturellen Identität.“

Fabrikareal Illingen

2001 ist alles zu Ende. Aufgrund neuer Eigentümerstrukturen und sich verändernder Handelsschwerpunkte wird die Produktion der Fleischwurst mit der charakteristischen Metallplombe eingestellt. Während das Areal zusehends verkommt, gibt es einige teils problematische Nachnutzungskonzepte, die hier eine Shoppingmall oder einen regionalen Hypermarkt vorsehen. Doch so ein XXL-Eingriff würde das öffentlichen Leben auf

den Illinger Straßen endgültig zunichtemachen. Nach zehnjährigem Leerstand entscheidet sich der Bürgermeister schließlich, die Bevölkerung in die Gestaltung der Zukunft in Form eines partizipativen Entwicklungsprozesses einzubeziehen. Im Dezember 2013 veranstaltet nonconform im Kulturzentrum Illipse eine Vor-Ort-Ideenwerkstatt. Das Resultat des dreitägigen Workshops, an dem sich rund 250 Bürger:innen beteiligen, führt zu einer ganz konkreten Vision: „Es war klar“, erinnert sich König, „dass wir zwischen Zentrum und Bahnhof eine attraktive Treppenanlage brauchen, dass wir die Einkaufsstraße attraktiver gestalten müssen und dass wir das historische Fabrikareal auch in Zukunft zum überwiegenden Teil für Industrie und Gewerbe nutzen möchten.“ Ergänzt wird das gemeinsam erarbeitete Nutzungskonzept um Wohnen, Pflegewohnheim und kulturelle Einrichtungen. In den letzten Jahren konnten einige Elemente dieser Vision erfolgreich umgesetzt werden. Die einstigen Fabrikhallen dienen heute als Galerie und

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Museumsflächen, in den ehemaligen Kühlräumen bewahrt die Käserei Hirztaler nun ihre Käselaibe zur Reifung auf. Und sogar 19 neue Wohnungen konnten im Bestandsbau realisiert werden. Weitere Wohnbauten, ein Kindergarten und die Finalisierung der öffentlichen Freiflächen sind bereits in Planung. Um die Ortskernentwicklung nachhaltig zu stärken, kämpft die Kommune nach wie vor wie ein Löwe gegen die Ansiedelung von Fachmarktzentren und Shoppingmalls am Stadtrand.

Ort Illingen, Saarland, D Einwohner:innen 17.000 Auftraggeberin Gemeinde Illingen Ideenwerkstatt Dezember 2013 Umsetzung 2014–2025 Projektpartner:innen Andrea Berger, Kimberley Dittke, Detlef Lilier, Pascal Meiser, Ludger Wolf Investor:innen LEG Landesentwicklungsgesellschaft, Arbeiter-SamariterBund Deutschland e.V., REWE Group, Hirztaler GmbH & Co. KG, Jörg Michael Fries

Veränderungen auch mit baulichen Umgestaltungen verbunden – Um-, Zu- oder Neubauten sind erforderlich, um neue Funktionen ins Zentrum zu bringen. Architekturwettbewerbe helfen, die besten Projekte zu finden. Ein gutes Wettbewerbsverfahren lebt von einer intensiven Vorbereitung und Betreuung. Damit die Energie aus dem Beteiligungsprozess in den Wettbewerb und die daraus resultierende Gestaltung weiter hineinwirkt, ist es oftmals wertvoll, auch diese Phase mitzubetreuen und ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Bürger:innen und Planer:innen herzustellen. Die genaue Ausgestaltung des Vergabeverfahrens ist abhängig von der Aufgabe und den rechtlichen Rahmenbedingungen – über-

Ein starker Ortskern braucht vitale Handwerksbetriebe: Bäckerei Marinitsch in Moosburg

zeugend sind die Ergebnisse in Fließ und Mils in Tirol, wo das Wettbewerbsverfahren teilweise von den Bürger:innen begleitet wurde, oder in Ruhstorf in Bayern, wo die Reaktivierung und Erweiterung eines historischen Gasthauses zu einem flexibel nutzbaren Multifunktionshaus gelang. Bei speziellen Aufgaben, etwa einem Pilotprojekt oder einer besonderen Herausforderung, bewirbt sich nonconform da oder dort auch für die weitere Realisierung und stellt sich dem Wettbewerb. Damit bleibt der Kontakt zur Praxis des Bauens erhalten, und die Ortskerne der niederösterreichischen Gemeinden Zeillern – mit einem überregional bekannten Marktplatz mit rotem Bodenbelag – oder Haag, wo jeden Sommer der Theatersommer mit einer immer wieder aufbaubaren Bühnen- und Tribünenkonstruktion den Stadtplatz bereichert – sind Beispiele für unterschiedliche Strategien und Heran­ gehensweisen.

Auf Spurensuche: Zentrumsentwicklung Tulln mit digitalen Beteiligungswerkzeugen 45

Armin König

Seit 25 Jahren ist Armin König BÜRGER­MEISTER von ILLINGEN. In diesem Vierteljahrhundert hat der Saarländer gelernt, was die Dos and Don’ts einer nachhaltigen Dorfentwicklung und Ortskernstärkung sind.

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Ortskerne retten, das geht nur auf Augenhöhe.

1996 wurden Sie Bürgermeister. Eines Ihrer Programme war, die alten Bausünden zu korrigieren. Ja, ich wollte eigentlich gar nicht viel bauen, ich wollte eher bewahren. Aber das Gegenteil ist passiert! Ich habe in Wenn Sie an das Illingen den Jahren als Bürgermeister Ihrer Kindheit denken: die Kraft von guter, hochwertiger Architektur entdeckt. Welches Bild haben Sie da im Kopf? Mit der neu gebauten Illipse Ich erinnere mich an den Markt- haben wir ein tolles Kulturzenplatz mit dem Zwiebelturm trum – und spielen damit für und der Kirche. Der Platz hatte einen Ort dieser Größe in der einen gewissen Charme. An Champions League. der Burg gab es immer wieder eine große Kirmes, die größte Dennoch haben Sie 2010 in der Region. Und, ach ja, an beschlossen, zu handeln und das Salamander-Schuhgeeinen Partizipationsprozess schäft mit den Lurchi-Heften. zu starten. Was war der Das machte die lästige Schuh- konkrete Anlass? Im Jahr 2001 haben wir die anprobe erträglicher. Wurstfirma Höll verloren. Inwiefern hat sich der Ort 2009 ist es uns schließlich gelungen, die Immobilie aus seitdem verändert? Wir sind eine Marktgemeinde der Insolvenzmasse zu ermit Bahnhof, Krankenhaus werben. Wir wollten das alte und Industrie. Eigentlich hat Fabrikareal endlich wieder wachküssen. Doch es war Illingen immer gut funktioniert. In den 1980er-Jahren ein langer Kampf, denn wir wollten keinen Fremdkörper, wurde der Ortskern mit viel Beton saniert – so hat man keinen abgeschiedenen das damals gemacht, sehr auf Shopping-Bunker, der uns das Kosten des Charakters. Mit Dorfleben kaputtmacht, wie dem Strukturwandel im Saar- das die meisten Betreiber­ land hat dann auch bei uns ein firmen und Investor:innen Abwärtstrend begonnen. vorschlugen – sondern eine

ortsverträgliche, nachhaltige Lösung, die in die Struktur von Illingen passt. Mit welchen Funktionen? Der Funktionsmix umfasst Wohnen, betreutes Wohnen, Wohngemeinschaften, Gewerbe und vermutlich bald auch eine inklusive Kindertages­ stätte. Einen Teil des alten

Kellers nutzt nun die Käserei Hirztaler, um hier ihre Käse­ laibe reifen zu lassen. Das passt perfekt. Seit Jahren wird das Projekt nun Stück für Stück umgesetzt. Für den Prozess haben Sie auf einen Teil Ihrer Macht verzichtet. Ja. Für mich war von Anfang an klar, dass so ein radikaler Prozess nur geht, indem man die Bevölkerung ernst nimmt und sie in den Denk- und Planungsprozess integriert. Das geht nur kooperativ auf

Augenhöhe. Daher haben wir uns entschieden, einen Teil unserer Macht und unse­ res Stimmengewichts im Gemeinderat an die Bevölke­ rung abzugeben. Auf die Hälfte der Macht zu verzichten, tut dem einen oder der anderen vielleicht weh, letzt­ endlich aber ist genau das der Schlüssel zum Erfolg.

Was war der beste Moment in diesem Prozess? Die Ideenwerkstatt. Die war der absolute Renner. Die Leute sitzen drei Tage lang beisammen und arbeiten und brainstormen. Das schweißt zusammen. So ein Rückhalt in der Gemeinde ist unbezahlbar. Gab es auch Misserfolge? Immer wieder. Mein Learning ist: Zeiten und Budgets müssen eingehalten werden. Spielregeln müssen von der allerersten Minute an geklärt

sein. In manchen Projekt­ phasen ist diese transpa­ rente Kommunikation echt mühsam. Aber es geht nicht ohne.

die das Erscheinungsbild des Ortes komplett verändert hat. Damit wurde es manifest.

Zeiten und Budgets müssen eingehalten werden. Spielregeln müssen von der allerersten Minute an geklärt sein. Der Erfolg von Illingen hängt nicht nur von der Initiative im Ortskern ab, sondern umfasst auch die Peripherie … Ich habe es etliche Male geschafft, große Fachmärkte am Ortsrand zu verhindern – und sogar einen XXL-Super­ markt in 15 Kilometern Ent­ fernung. Die hätten uns die Kaufkraft im Ort wie mit einem Staubsauger abgezogen! Manche Leute haben mich dafür gehasst. Aber man muss wissen: Ortskern- und Orts­ randentwicklung sind kom­ munizierende Gefäße. Wenn man diese Dynamiken nicht gemeinsam betrachtet, dann ist jede Mühe umsonst. Daher kann ich allen nur raten, über den Tellerrand hinauszudenken und sich auf regionaler Ebene zu vernetzen. Das ist für mich der Schlüssel zu gesunden Ortskernen und Kommunen.

Gab es einen Point of no Return? Das war der Abriss des alten Höll-Geländes. Das war eine sichtbare Aktion, 47

Die Wiederbelebung von Zentren ist entwickelten Visionen auch tatsächlich ein Marathon und kein Sprint. Sie erfor- umgesetzt werden. Diese Personen sind

dert einen langen Atem, und es zeigt sich, dass eine Person oder Institution, die diesen Prozess begleitet, entscheidend zum Gelingen beiträgt. Für dieses Berufsbild gibt es unterschiedliche Bezeichnungen – Innenstadtkoordinator:in, Quartiersmanager:in, Ortskernentwickler:in, Kümmerer:in. Je nach den individuellen Anforderungen sind die Aufgaben etwas unterschiedlich. „Allen gemeinsam ist aber, dass die jeweiligen Personen dafür Sorge tragen, dass die in den Masterplänen, Leitbildern oder anderen Papieren

Das Dorf mit dem roten Teppich

Ortszentrum Zeillern

Zeillern ist eine Marktgemeinde mit knapp 2.000 Einwohner:innen. Eine Kirche, ein Bach, ein spätmittelalterliches Schloss und eine kleine, romantische Schlossinsel machen den Ort zum niederösterreichischen Hotspot für 48

die Gesichter der Veränderungsprozesse, sie bringen die richtigen Menschen zusammen, ziehen im Hintergrund die Fäden, machen Wissen sichtbar und bauen Netzwerke auf “, so nonconform, das die Auftrag­geber:innen dabei unterstützt, speziell auf die Situation zugeschnittene Kümmererstrukturen aufzubauen, die idealen Personen für dieses neue Jobprofil mittels öffentlicher Ausschreibung zu finden und sie in der Umsetzungsphase in Form einer Supervision auch laufend zu coachen.

„Rote Platz“ oder auch das „Mostviertel-Moskau“, wie die Bevölkerung das Projekt inoffiziell nennt, besteht aus 20 Zentimeter dickem, mit roten Farbpigmenten durchIm Rahmen einer Ideenwerkgefärbtem Beton. Flankiert statt wurden gemeinsam mit wird der Platz von einer Holzder Bevölkerung drei verschie- wand mit Leuchtkästen und dene Szenarien entwickelt, Sitznischen. wie die wichtigsten Schlüsselbauwerke des Ortes am besten miteinander verbunden werden könnten. Das Resultat nach drei Tagen intensiver Arbeit war ein sogenannter „roter Teppich“, der unter der Kirche ausgerollt wird und sich über die Bundesstraße und den plätschernden Zeitlbach bis hin zum Schloss erstreckt. Auf diese Weise wird den Hochzeitszügen und BlasOrt Zeillern, Nieder­ musikkapellen auf einfachste österreich, A Weise der Weg gewiesen. Hochzeiten. Sogar ein Ausbildungszentrum für traditionelle Blasmusik ist im Dorf beheimatet. Doch was die längste Zeit fehlte, war ein Dorfplatz.

„Als die Leute für den roten Teppich abgestimmt haben, fanden sie die Farbe lustig“, erinnert sich Wolfgang Strobl, zuständig für die Dorferneuerung Zeillern. „Vielen war nicht klar, dass das ernst gemeint war.“ Doch das war es. Der

Einwohner:innen 1.800

Auftraggeberin Gemeinde Zeillern Ideenwerkstatt Juni 2009 Umsetzung 2010–2011 Projektpartner Wolfgang Strobl, Lehner Beton

Lebendige Flipcharts: Ortsplanung in Trofaiach

noch stärker in die Breite zu bringen, ist es erforderlich, dass mehr Menschen die Stärkung von Orts- und Stadtkernen zu ihrem Anliegen machen und die öffentliche Hand dieses Thema viel intensiver in den Mittelpunkt des Handels stellt und die Förderlandschaft noch aktiver dafür ausrichtet. Ein Beispiel ist die Steiermark, wo es jetzt ein neues Kompetenzzentrum für Orts- und Stadtkernstärkung auf Bundeslandebene gibt, das alle Aktivitäten und Fördergelder bündelt. Es geht um ein breites Verständnis von Prozessen, Methoden und Best-PracticeBeispielen. Mit der nonconformAkademie gibt es ein Weiterbildungsangebot für alle, die Interesse an dieser Arbeit haben. Lebenswerte Orts- und Stadtkerne sind Ziel all dieser Be­

mühungen. Sie sollen in Zukunft der Normalfall und nicht nur einzelne Vorzeigeprojekte sein, Die Stadtgemeinde Trofaiach in der denn eine nachhaltige Raumentwicklung Steiermark, deren Innenstadtkoordinator sorgt für den Erhalt oder den Wiedereinzug von Lebensqualität für die Be­ anfangs mit mehr als 40 Leerständen völkerung und ist in vielen Gemeinden auf der Hauptstraße zu kämpfen hatte, auch Grundlage für den Tourismus. und die davon ausgehend weitere Veränderungen in Angriff nahm und nimmt, Eine Stadt oder ein Ort der kurzen Wege, oder das Kardinalviertel in Klagenfurt, wo die wichtigsten Einrichtungen fußläufig oder etwa mit dem Fahrrad erwo die neu gegründete Viertelagentur Anlaufstelle für die Koordination vielfäl- reichbar sind, wo es Platz für Begegnuntiger Aktivitäten ist, oder das bayrische gen und Austausch gibt, wo Weiterbauen Berngau, wo der ehemalige Bürgerim Bestand im Fokus steht, hilft beim meister zum Quartiersmanager mutiert Er­reichen der Klimaziele und wirkt der Landflucht entgegen. Und kann helfen, ist, machen den Mehrwert derartiger Strukturen für die Zukunft deutlich. Um dass die Werbebilder in Zukunft Wirklichkeit werden. die notwendigen Veränderungen aber 49

Das Wachküssen einer Innenstadt

Stadtzentrumsentwicklung Trofaiach

Trofaiach liegt landschaftlich reizvoll ein wenig abseits der Hauptrouten. Die Stadtgemeinde mit mehr als 11.000 Einwohner:innen blickt auf eine lange Siedlungsgeschichte zurück, die eng mit dem nördlich gelegenen Erzberg verbunden ist. Transport und Handel, ebenso wie Betriebe zur Eisenverarbeitung waren bedeutsam für den Ort, der sich entlang der Hauptstraße und dem parallel verlaufenden Bach entwickelte. Der etwas mehr als ein Kilometer lange Abschnitt zwischen zwei Kirchen umfasste alle wesentlichen öffentlichen Funktionen 50

wie Gasthöfe und Geschäfte. Doch wie vielerorts begann ab den 1980er-Jahren die schleichende Entleerung dieses Zentrums: Die 1985 eröffnete Umfahrungsstraße brachte mehr Ruhe und weniger Abgase, durch die parallele Errichtung von Fachmarkt­ zentren, einer Musikschule sowie von zwei Bankgebäuden fern der alten Hauptstraße verlor diese jedoch sukzessive ihre vitalen Funktionen und war zunehmend von Leerstand und Verödung geprägt. Als 2013 die Fusion mit zwei benachbarten Gemeinden erfolgte, fast zeitgleich auch die letzte Bank die Hauptstraße verließ und mehr als 40 Immobilien leer standen, war dies der Zeitpunkt für ein radikales Neudenken – die Abkehr von bestehenden Mustern der Stadtentwicklung und eine neue Haltung zur Innenstadtstärkung. „In dieser Situation hat uns die Metho­de von nonconform mit der

Befragung und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger einen neuen Weg aufgezeigt, weg von den klassischen Stake­holdern wie Gemeindeverwaltung und Wirtschaft, hin zu den Menschen vor Ort“, beschreibt Bürgermeister Mario Abl den Start des Prozesses. Dieser ist kein Sprint, sondern ein Marathon und bedarf großer Anstrengungen, der Entwicklung einer gemeinsamen Vision, der Zusammenarbeit vieler Akteur:innen und der Koordination unterschiedlicher paralleler und aufeinander aufbauender Maßnahmen. Wesentlich dafür sind ein politisches Bekenntnis zur Innenentwicklung und eine intensive Zusammenarbeit vielfältig Beteiligter. Zentral ist dabei eine Person, die sich hauptberuflich und bezahlt um die Belebung kümmert. In Trofaiach ist dies Erich Biberich, der als Innenstadtkoordinator, vulgo „Kümmerer“, diese Agenden übernimmt: „Es ist eine Auf-

Ort Trofaiach, Steiermark, A Einwohner:innen 11.000 Auftraggeberin Stadtgemeinde Trofaiach 1. Ideenwerkstatt Sommer 2015 Umsetzung seit 2016 Architektur Hauptprojekte von Stingl-Enge Architekten

einer auffälligen Bemalung hat auch überregional Aufmerk­ samkeit erregt und verdeut­ licht die Wichtigkeit eines zukunftsweisenden Mobilitäts­ konzepts, etwa auch mit einem dichten öffentlichen Verkehrs­ angebot. Viel ist in Trofaiach schon pas­ siert, aber „es gibt auch noch viel zu tun. So eine Geschich­ te ist ein langer Weg, und gabe an der Schnittstelle von seinsbildung sowie die Unter­ wir sind wild entschlossen, ihn zu Ende zu gehen, auch Öffentlichkeit und Verwaltung stützung und Begleitung der mit großer Entscheidungs­ Hauseigen­tümer:innen sind.“ wenn es ab und zu steinig kompetenz. Das Arbeitsfeld Sein Arbeitsplatz – das Innen­ sein wird“, bringt es Bürger­ meister Abl auf den Punkt. ist sehr breit und vielfältig, stadtbüro – befindet sich in wobei die größten Heraus­ leer stehenden Erdgeschoss­ nonconform begleitet diesen Prozess als Sparringpartner, forderungen die laufende lokalen und zieht weiter, so­ Kommunikation und Bewusst­ bald es dafür eine dauerhafte als Inputgeber von außen und bietet Kontakte zu Fachleuten andere Nutzung gibt. unterschiedlicher Disziplinen. So beschäftigen sich etwa In den letzten Jahren ist dies Studierende der TU Graz schon vielfach gelungen: mit der Ortsentwicklung Neue Geschäfte haben sich und tragen den Gedanken angesiedelt, gastronomische der Ortskernstärkung in die Angebote wurden erweitert, und mit der Übersiedlung der nächste Generation. Musikschule retour an die alte Hauptstraße gibt es nun einen Konzertsaal, der sich zur Straße öffnen lässt. Zudem beleben Stadtfeste und tem­ poräre Märkte den öffentlichen Raum. All diese Aktivitäten und ein verändertes Bewusst­ sein tragen dazu bei, dass der Ort wieder lebendig ist und es genügend Anreize für die Menschen gibt hierzubleiben beziehungsweise herzukom­ men. Die Ausgestaltung der Straße als Shared Space mit 51

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02 53

nebenan Kein anderes urbanes Element hat im letzten Jahrhundert so viel Veränderung durch­gemacht wie das Quartier. Das kollektive Wissen in der Bevölkerung nach all den Umwälzungen ist enorm – und hält nun Einzug in Planungsprozesse.

„Wir wissen definitiv mehr über gute Lebensräume für Berggorillas, sibirische Tiger oder Pandabären als über einen guten städtischen Lebensraum für den Homo sapiens“, sagt Jan Gehl. „Denn mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg und mit dem Siegeszug des Automobils haben wir viel von unserem jahrhundertealten Wissen ad acta gelegt.“ Erste kritische Stimmen, dass in vielen der neu errichteten Stadtviertel Dinge im Argen liegen und einige essenzielle urbane Elemente fehlen, meint der dänische

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Stadtplaner und Stadtforscher, wurden bereits Anfang der 1960er-Jahre laut. Doch es mussten noch viele Jahrzehnte ins Land und in die Stadt ziehen, bis wir die urbanen und suburbanen Dysfunktionen der späten Moderne auch wirklich realisiert haben. Begriffe wie „Speckgürtel“, „Schlaf­ städte“, „Monofunktionalität“, „kulturelle Verarmung“ und „hochgeklappte Bürgersteige“ prägen die stadtplane­ rische Debatte seit dem späten 20. Jahrhundert. Eine große Rolle in dieser zumeist tragischen Entwicklung spielt das Quartier, das inmitten von Stadtautobahnen, Schnellstraßen und mehrspurigen Hauptverkehrsachsen oft die letzte Bastion einer irgendwie fußläufig determinierten Erreichbarkeit darstellt. Hier verbringen Menschen ihren Alltag, hier sitzen sie an einem schönen Tag auf der Parkbank, hier bewegen sie sich durch den öffentlichen Raum, auf dem Weg von der Wohnung zum Supermarkt, zum Kindergarten, zur Bushaltestelle. Aber ist das genug?

teln“, „Käfige“ und „Wohnmaschinen“ sowie die allzu rasche Urbanisierung der Nachkriegszeit aufmerksam macht. Das Erbe dieser Stadtdenker:innen und Kritiker:innen im Sinne einer tief greifenden Thematisierung von urbanen Problemen und einer Ermunterung zur Emanzipation eines immer stärker werdenden Stadt­ bürgertums ist gewaltig. Den ersten international viel beachteten Kampf gegen das Automobil zettelt Gelbes Trikot: Eichhof Innsbruck

die kanadische Stadtforscherin und Aktivistin Jane Jacobs an. Ihr Widersacher, der US-amerikanische Stadtplaner Robert Moses, will quer durch das New Yorker Stadtzentrum eine gigantische Autobahnschneise in Hochlage errichten. Mithilfe einer überaus engagierten Bürgergruppe kann Jacobs die Planungen für den LOMEX – die Abkürzung steht für Lower Manhattan Expressway – stoppen und den Abbruch einiger bis heute weltbekannter Viertel wie SoHo, Nolita, Lower East Side, Chinatown und Little Italy auf diese Weise verhindern.

Nein. „Das städtische Leben hinkte weit hinterher“, schreibt Gehl in seinem 2013 erschienenen Buch Leben in Städten. Wie man den öffentlichen Raum untersucht. „Obwohl der städtische Raum und das städtische Leben eine vorrangige Rolle im Laufe der Siedlungsgeschichte gespielt hatten, war es erst ab den 1960er-Jahren klar, dass sich das Leben im öffentlichen Raum nicht von alleine einstellen würde, denn es stand stark unter dem Einfluss von Bedingungen wie Bevölkerungsdichte und den städtischen Nicht nur im Süden Manhattans, sondern Gegebenheiten.“ Das größte Problem je- auch in Greenwich Village, eine Meile doch: „Niemand wurde verantwortlich gemacht für das Leben zwischen den Gebäuden.“ Das ändert sich jedoch mit dem Auftreten einiger starker Protagonist:innen wie etwa Jane Jacobs und Kevin A. Lynch, später auch Robert Venturi, Denise Scott Brown und dem französischen Soziologen Henri Lefebvre, der mit seinem Buch Le Droit à la ville (Das Recht auf Stadt, 1968) auf die „Schach-

Ideal zum Ausprobieren von Ideen: Modell des Dragonerareals in Berlin 55

Urlaubstage in vielen Ländern Europas und Nordamerikas zugleich angehoben wird und allmählich eine sozial und wirtschaftlich potentere „Freizeitgesellschaft“ entsteht, ist dies ein wichtiger Hebel für die zivile Aneignung von Stadt. In London, Paris, Berlin, Amsterdam und Kopenhagen gehen die Menschen auf die Straßen, protestieren gegen das Zubetonieren Interspirituelles Quartierszentrum: Campus der Religionen in der Seestadt Aspern in Wien und Vollpferchen mit Autos und fordern erstmals ein Umdenken von stadtplanerischen und städtebaulichen Top-down-Prozessen. Während die Ölkrise 1973 dem boomenden Glauben an Fortschritt und Geschwindigkeit einen ersten tiefen Dämpfer versetzt, befeuert sie zugleich die linken Bewegungen und oppositionellen Bottom-up-Kräfte in der Bevölkerung. In vielen historischen Innenstädten weiter nördlich, engagiert sich Jacobs für in ganz Europa werden die Autos zurückgedrängt, Straßen und Parkplätze den Erhalt der bestehenden Stadtquarrückgebaut, großflächige Fußgängerzotiere und die Rettung des Genius Loci. Jahrlange unternimmt sie Basisanstren- nen angelegt. gungen, um die Nachbarschaft vor Stadterneuerung und sogenannter „Slumräu- Die neue urbane Kultur konzentriert mung“ zu schützen, gründet eine eigene sich nicht allein aufs Zentrum, sondern Bürgergruppe und wird 1968 sogar ver- strahlt auch auf die umliegenden Stadthaftet, als sie bei einer öffentlichen teile aus. In den 1980er-, 1990er- und Anhörung eine größere Menschenmen- 2000er-Jahren wird die Reparatur der Städte und ihrer von der Moderne in ge zum Widerstand anstiftet. In einer Zeit, in der die Arbeitswoche im globa- Mitleidenschaft gezogenen Stadtquarlen Norden verkürzt wird, die Zahl der tiere zu einem immer bedeutenderen 56

Ein Stadtteil bricht auf

geschaffene Viertelagentur, die als Anlaufstelle vor Ort agiert und Motor für Veränderungen ist. „Wir bieten den Menschen, die hier leben und arbeiten, Unterstützung, um selbst aktiv zu werden“, beschreibt Beatrice Bednar ihre Tätigkeit, die sie wahlweise als Stadtteilentwicklung oder Quartiersmanagement bezeichnet. Sich selbst sieht sie als „Quartiersentwicklerin“, die vielfältige Akteur:innen zusammenbringt, unterschiedliche Aktivitäten anstößt und als Ansprechstelle für Sorgen und Nöte, aber auch für Initiativen und EngaIm Herbst 2016 markierte eine gement fungiert. Eingebunden Ideenwerkstatt von nonconsind neben den Anrainer:innen form den Neustart für das auch die ansässigen Betriebe, Quartier, der mit dem neuen die benachbarte Schule und Namen „Kardinalviertel“ bedie nahegelegene Musikunivergann. Worte schaffen Identität, sität. Alle gemeinsam sorgen und diese wird seither laufend dafür, dass das Viertel auflebt. entwickelt und vertieft. Federführend macht dies die neu Nach dem Start zu Beginn 2018 mit ersten Aktivitäten führte Covid-19 wie überall vorerst zu einem gewissen Stillstand, weil die Menschen gar keine Zeit hatten, sich neben den eigenen Bedürfnissen auch noch um das Gemeinsame zu kümmern. Gerade die Alteingesessenen waren des vielen Redens müde und wollten, dass nun endlich etwas passiert. Letztendlich trug Corona jedoch zur Belebung bei – denn die Menschen sehnen sich nach Freiraum, und

mit Take-away verwandelt sich der Platz mittags zum Picknickareal. Seit Sommer 2020 bringen Musikstudierende den Platz zudem zum Klingen. Aktuell bewegt sich viel. Priva­te Investor:innen haben Immo­ bilien erworben, und in den nächsten Jahren wird die Stadt im Zuge der Erweiterung der Tiefgarage auch die Oberfläche neu gestalten. „Ich denke, dass in etwa acht bis zehn Jahren unsere Arbeit soweit Früchte tragen wird, dass das Klagenfurt Marketing – das sich kürzlich im Quartier angesiedelt hat – die Betreuung mit übernehmen wird können“, wirft Bednar einen optimistischen Blick in die Zukunft.

Ort Klagenfurt am Wörthersee, Kärnten, A   Einwohner:innen 103.000   Auftraggeberin Stadt Klagenfurt am Wörthersee   Ideenwerkstatt 2016  Umsetzung seit 2018   Leitung Viertelagentur Beatrice Bednar Architektur Abel und Abel Architekten; Bednar Landschafts­ architektur 57

Quartiersentwicklung Kardinalviertel

Jede Stadt hat ihre Schmuddelecken. In Klagenfurt am Wörthersee war die Gegend rund um den Kardinalplatz ein solches Sorgenkind, geprägt von zunehmendem Leerstand, Rotlichtmilieu und mit wenig Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Und dies, obwohl der Platz und die umgebenden Straßen sehr zentrumsnah liegen und weitgehend von intakten Bürgerhäusern geprägt sind. Schleichend hat jedoch das Leben das Quartier verlassen, Versprechungen für eine Neugestaltung haben sich als leer erwiesen. Wie vielerorts dominiert der Autoverkehr mit oberirdischen Parkplätzen und einer seit Jahren geschlossenen Tiefgarage mit wenig sensibel gestalteter Einfahrt. Kein Platz zum Verweilen.

Thema in den Stadtplanungsämtern. In einer noch nie dagewesenen Power verschmilzt die Disziplin der Architektur mit der Theorie der Stadtforschung und bildet auf diese Weise einen neuen Aufgabenbereich, dem Jan Gehl sogar

Planungsprozess von großen, neuralgisch verorteten Quartieren einzubeziehen und die Transformation gemeinsam mit ihnen zu gestalten.“ Ziel ist es, die kollektive Sensibilisierung und über mehrere Ge­ nerationen erlernte Stadtkompetenz zu nutzen und in die Genese eines Projekts einzubeziehen. Damit wird der Bürger vom Konsumenten zum immateriellen Produzenten.

Völkerverständigung zwischen Österreich und Deutschland: Der kleine Wappler

ein eigenes Buch widmet: Life Between Buildings. Als logische Konsequenz der kontinuierlichen Emanzipation der zivilen Bürgerschaft werden mehr und mehr auch Bürger:innen in die Planungsprozesse einbezogen. Hier kommt nun die Planungs- und Kommunikations­ kom­petenz von auf Partizipation spezialisierten Büros wie etwa Gehl People (Kopenhagen), Assemble (London) oder nonconform ins Spiel. „In der Planung und Entwicklung von städtischen Quartieren ist in den letzten Jahrzehnten vieles schiefgegangen, weil Kubaturen maximal ausgenützt wurden und großteils nicht Städtebau, sondern nur Siedlungsbau betrieben wurde“, sagt nonconform. „Vor diesem Hintergrund ist es eine wichtige und auch logische Konsequenz, die Menschen in den 58

Auf dem Molkenmarkt in Berlin, der bereits im 13. Jahrhundert angelegt wurde, gibt es schon lange keine urbane

Verweilqualität mehr. Die lieblose Freifläche im Spannungsdreieck von Nikolai­ kirche, Altem Stadthaus und Rotem Rathaus ist heute vor allem ein transitorischer Raum, den man bloß durchwegen und schnell wieder verlassen möchte. Im Rahmen einer Ideenwerkstatt lotete nonconform daher Assoziationen, Ängste, Wünsche, Ideen und Visionen aus, die in den kommenden Jahren nun sukzessive umgesetzt werden sollen. Der heterogene,

Seit den 1960er-Jahren haben Einkaufszentren die Städte und insbesondere ihr Umland entscheidend verändert. Meist befinden sie sich verkehrsgünstig gelegen, wie auch das Breuningerland Sindelfingen, direkt an der Autobahn, ver-

Die Aufgabe von nonconform war es, diesen Masterplan vor der weiteren Ausarbeitung auf seine Qualitäten hin „abzuklopfen“ und mit weiteren Ideen zu Mobilität, Wohnen und Arbeiten sowie Freiraum und Freizeitnutzung anzureichern. Dazu wurden alle

zerstückelte Platz wird damit erstmals als Einheit betrachtet und soll „aus den Impulsen der Umgebung und den Qualitätsansprüchen der Akteur:innen“ – wie es in den Leitlinien offiziell heißt – ganzheitlich repariert werden. Drei Kilometer südwestlich davon liegt das Kreuzberger Dragonerareal. Als Resultat mehrerer Ideenwerkstätten wird das Areal kooperativ und gemeinwohlorientiert entwickelt. Bezirk, Senatsverwaltung, Zivilgesellschaft sowie eine Handvoll landeseigener Wohnbau- und Immobiliengesellschaften arbeiten gemeinsam eine „Kreuzberger Mischung“

Einwohner:innen 63.700

Auftraggeberin EKZ LUBU+SIFI Grundstücksverwaltung GmbH & Co.KG, ein Tochterunternehmen der E. Breuninger GmbH & Co Ideenwerkstatt 2021 Architektur/Städtebau WERK Arkitekter

Entwicklungsbegleitung Goldbach-Quartier

Mehr als Shopping

brauchen enorm viel Platz und Interessierten Ende 2021 zu sind außerhalb der Geschäfts- einem digitalen Bürgerabend und Zukunftsreisen sowie zeiten menschenleer. in ein offenes Ideenbüro auf Mit dem fortschreitenden On- einer Aktionsfläche mitten in linehandel ändern sich jedoch der Shoppingmall eingeladen. Die zahlreichen Anregungen die Einkaufsgewohnheiten, wurden strukturiert aufbereitet, und es gilt, für diese Areale und dieser Input erweitert neue Nutzungen zu finden. nun die vorhandene Planung. In Sindelfingen haben die Die Zeichen stehen gut, dass Shoppingbetreiber die Zeiso aus dem heutigen Einchen der Zeit erkannt und wollen rund um das Einkaufs- kaufszentrum ein lebendiges zentrum ein neues Stadtquar- Stadtviertel entsteht, das mehr bietet als nur Shopping. tier entwickeln. Dafür haben sie das dänische Architekturbüro WERK mit einer städtebaulichen Studie beauftragt, die für das Areal Büro- und Dienstleistungsflächen sowie Ort Wohnungen und FreizeitangeSindelfingen, Baden-Württemberg, D bote vorsieht.

heraus: urbanes, durchmischtes Quartier mit Wohnen, Gewerbe, Kunst- und Kulturstätten, Kinder- und Jugendeinrichtungen und sehr ambitionierten baukulturellen Qualitäten, die nicht zuletzt klimaadaptive und klimaschutzrelevante Elemente beinhalten. Auch bei großstädtischen Quartiersprojekten in Wien, etwa dem Oberen

Hausfeld oder den Stadtentwicklungs­ gebieten Pilzgasse und Berresgasse, bringt nonconform seine Expertise mit ein – mal durch die Errichtung eines Wohnquartiers mit über 160 Wohnungen und einer identitätsstiftenden Mitte, 59

Dieter Läpple

Dieter Läpple ist emeritierter Professor für Internationale Stadtforschung an der HAFENCITY UNIVERSITÄT HAMBURG. Er leitete das Institut für Stadtökonomie an der TU HAMBURG und war Berater des Urban-Age-Programms der LONDON SCHOOL OF ECONOMICS. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der produktiven Stadt.

Es geht nicht um die LatteMacchiatoUrbanität. Seit einigen Jahren gibt es wieder ein verstärktes Bewusstsein für städtische Quartiere und polyzentralen Urbanismus. Worauf führen Sie das zurück? Das ist – wie vieles in der Geschichte – ein schleichender Prozess. Die inneren Bereiche der Stadt wurden immer mehr auf monofunktionale Orte des Konsums sowie auf hochwertige Dienstleistungsstandorte reduziert. Mit dem Verlust industrieller und gewerblicher Arbeitsplätze haben die städtischen Arbeitsmärkte ihre Integrationskraft verloren. Die Folge: Die Stadt kann immer weniger ihr Aufstiegsversprechen einlösen. Ein großes Beschleunigungsmoment war die Weltwirtschaftskrise 2008/09. Plötzlich hat man gemerkt, dass es nicht mehr ausreicht, die politische und ökonomische

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schulabschluss das Leben in der Stadt nicht mehr leisten. In vielen Städten ohne urbane Produktion wie etwa London oder Paris ist das Phänomen Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf städti- bereits zu beobachten. sche Quartiere? Wir haben die Stadtquartiere Von welchen Formen der lange Zeit unter dem Blickwin- urbanen Produktion sprekel betrachtet, ob man da stö- chen wir denn da konkret? rungsfrei wohnen kann, ob sie Nicht von der Schwerhübsch sind und ausreichend industrie, und auch nicht von emissionsreichen, schall­ Spaß machen – und haben dabei ganz vergessen, dass es intensiven Produktionsformen. nicht um die Latte-Macchiato- Wir sprechen von dem, was Urbanität geht. Ein Quartier Lawrence Summers, Berater braucht Versorgungssichervon Barack Obama, meinte, heit, wohnungsnahe Arbeits- als er sagte: „We need the und Ausbildungsangebote next economy!“ Das beinhaltet sowie kulturelle, soziale und handwerkbasierte Produktion, gewerbliche Infrastrukturen – Orte des Reparierens und ganz generell also eine Vielfalt der Kreislaufwirtschaft, die an Möglichkeiten der gesellVerknüpfung von Design und schaftlichen Teilhabe. Manufaktur, kundenorientierte Food-Produktion, Bereiche Was ist dafür erforderlich? des Bauhandwerks, aber auch Wir müssen wieder eine digitalbasierte Produktionslebendige, breiter gefächerte formen an der Schnittstelle Ökonomie zurückbringen, zwischen Hochtechnologie und dazu gehören eben auch und customized fabrication Formen der urbanen Produk- – also 3D-Druck, Leichtbau­ tion. Wenn wir das nicht tun, roboter, maker spaces sowie dann wird die soziale Rollalle Formen maßgeschneidertreppe nach oben nicht mehr ter, individualisierter Lowtechfunktionieren, dann können und Hightechprodukte. sich Menschen ohne HochAufmerksamkeit auf ein stark kommerzialisiertes Stadtzentrum zu fokussieren.

akzeptabel und verhandelbar wird. Vor allem aber muss deutlich gemacht werden, dass die produktive Stadt ein Gewinn an Zukunftsoptionen und Lebensqualität für alle ist. Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft? Ja! Ich wünsche mir, dass Architekt:innen für die vernetzte, dezentrale, produktive Stadt eine neue Ästhetik finden und erfinden. Arbeitsorte in der Stadt müssen cool sein und begeistern!

Welche Auswirkung hat die urbane Produktion auf die bauliche und organisatorische Beschaffenheit eines Quartiers? Produktive Stadt findet in aller Regel im Erdgeschoss sowie in gestapelter Form in Gebäuden mit flexibler Struktur und großer Raumhöhe statt. Abgesehen davon braucht es dringend eine öffentliche Trägerstruktur sowie Konzepte für Governance und Querfinanzierung, denn eines ist klar: Über den Markt allein lässt sich das nicht realisieren – zumindest nicht kurzfristig, nicht in der Anfangsphase. Sehr innovativ in dieser Hinsicht ist etwa Wien mit seinem Fachkonzept Produktive Stadt, in dem versucht wird, die Herausforderungen der Funktionsmischung spielerisch aufzugreifen und in Form von Laboren und Pilotprojekten Lösungen zu entwickeln.

Welchen Beitrag zum produktiven, durchmischten Quartier kann Bürgerbeteiligung leisten? Die Einbeziehung von Bürger:innen ist absolut zentral! Ohne sie ist die produktive Stadt nicht realisierbar. Will man heute eine Produktionsstätte oder einen Handwerkerhof in der Stadt implementieren, dann muss man den Leuten attraktive, funktionierende Beispiele und Modellwerkstätten zeigen. Letztendlich aber müssen wir als Gesellschaft lernen umzudenken.

Produktive Stadt findet in aller Regel im Erdgeschoss sowie in gestapelter Form in Gebäuden mit flexibler Struktur und großer Raumhöhe statt.

Inwiefern? Wir müssen wieder lernen, dass Stadt die Summe vieler verschiedener Funktionen und das Leben in einem Quartier immer auch eine gewisse Zumutung ist. Unsere Aufgabe ist es, diese Zumutung so zu dosieren, dass sie 61

Schlafen neben der Hochschaubahn Zimmer 422, erste Reihe fußfrei mit Blick auf den Prater, alle paar Minuten schießt der Megablitz vorbei. Im Sommer, wenn die Fenster offenstehen, hört man, nur wenige Meter Luftlinie entfernt, die adrenalingefüllten Schreie der Hochschaubahnpassagiere. Wem das gefällt, der ist hier genau richtig, denn im Rahmen einer Übernachtung in der Superbude oder im Zoku Vienna ist eine Freifahrt mit dem Megablitz inkludiert. Das Angebot wird von den Gästen rege angenommen.

Ort Wien, A Auftraggeberin IG Immobilien Management GmbH Projektgröße 16.000 m2 Bruttogeschossfläche Planungsbeginn 2017

Hotels am Prater Glacis

Umsetzung 2019–2021 Betreiber:innen Superbude Wien Prater, Zoku Vienna, Neni Interiordesign Superbude: Atelier Karasinski & archiguards; ZOKU: concrete amsterdam Baukosten 26 Millionen Euro 62

Das Hotelgebäude am Prater Glacis ist Teil einer innerstädtischen Quartiersverdichtung zwischen dem historischen Wurstelprater und dem neuen WU-Campus. In strategisch günstiger Lage haben sich hier – auf dem Gelände des ehemaligen Messeparkplatzes – Hotels, Coworking-Hubs und diverse Institute der benachbarten Wirtschaftsuniversität angesiedelt. Auf diese Weise konnte auf zusätzliche Flächenversiegelung verzichtet werden. Eines dieser Quartiershäuser ist der 16.000 Quadratmeter große Hotelkomplex, in dem zwei innovative, bestechend fröhliche Beherbergungskonzepte untergebracht sind. Das Zoku Vienna bietet nach Vorbild des Amsterdamer Stammhauses rund 130 Businessapartments, die auf der Fläche eines klassischen Hotelzimmers nicht nur über Bett und Bad verfügen, sondern auch über ein durchaus herzeigbares Wohn-Arbeits-Zimmer. Die Superbude wiederum umfasst 178 Low-Budget-Zimmer mit insgesamt 405 Betten – vom klassischen Doppelzimmer über Familienzimmer mit integrierten Stockbetten bis hin zu experimentellen WG-

Schlafsälen mit fünf Betten und allerlei Spielereien. Das Interiorkonzept mit nackten Betonwänden, Sperrholzmöbeln und eigens entworfenen Tapeten wurde in Zusammenarbeit mit Studierenden der Universität für angewandte Kunst entwickelt. Um möglichst genaue Vergleichswerte zu haben, wurde das Gebäude in der Anfangsphase parallel als Holzbau und Stahlbetonbau konzipiert. Aufgrund der aktuellen Baupreisentwicklung und einiger Bedenken im Bereich des Schallschutzes fiel die Wahl schließlich auf eine massive Bauweise mit Putzund Lärchenfassade. An der Perspektivstraße gibt es eine vorgelagerte Balkonschicht, auf der Praterseite wurde eine Art Exoskelett vor das Haus gestellt, das als Fluchtweg und vertikaler Garten zugleich dient. Das Gebäude ist neutral und nutzungsflexibel gestaltet, bei den Zimmern und Restaurants hingegen konnte sich die architektonische Muse so richtig austoben.

mal mit einem Leitkonzept für ein durchmischtes Wohn- und Gewerbegebiet im Sinne der „produktiven Stadt“, mal in einem mehrstufigen Analyse- und Beteiligungsprozess, in dem Anforderungen und Qualitäten für den bisher größten Bauträgerwettbewerb des wohnfonds_wien ausformuliert werden. „Die gründerzeitliche Stadt war bei Weitem kein problemloses Paradies, wie sie retrospektiv oft verklärt dargestellt wird“, sagt nonconform. „Aber sie war

Christiani-Wiesen in Konstanz: Verknüpfung von Beteiligungsprozess und städtebaulichem Wettbewerb

sinnbildlich für eine gewisse Bebauungsund Nutzungsmischung, die wir seit der Charta von Athen 1933 und der damals niedergeschriebenen Funktionstrennung von Wohnen, Arbeiten, Verkehr und Naherholung nach und nach verlernt haben.“ Auch heute noch funktioniert die Gründerzeitstadt reibungslos, sie hat viele Moden und unterschiedliche Nutzungsanforderungen gut integrieren können. Die Herausforderung besteht nun darin, daraus zu lernen und auf Basis der Defizite und Erkenntnisse die verlorengegangenen Qualitäten der letzten 100 Jahre mit den heutigen Anforderungen an Stadt und städtische Infrastruktur neu zu verweben. Die im europäischen Vergleich überaus innovativen Fachkonzepte Mobilität,Grünund Freiraum, Produktive Stadt und vor allem Polyzentrale Stadt, die in die Wiener Stadtentwicklungsplanung 2035 einfließen sollen, zeigen auf, wie diese urbane Melange in Zukunft aussehen kann. Ähnliche innovative Initiativen und Rahmenprogramme sind auch in Berlin, München, Paris, Amsterdam, Kopenhagen und Bar­ce­lona zu beobachten. 63

Auch in Klein- und Mittelstädten widmet sich nonconform der Reparatur und Weiterentwicklung von Quartieren

– ob das nun das Kardinalviertel in der Klagenfurter Innenstadt, das GoldbachQuartier rund um das Einkaufszentrum Breuninger-Land in Sindelfingen, das Zanders-Areal rund um eine ehemalige Papierfabrik im Zentrum von Bergisch Gladbach oder das durchmischte Wohnquartier auf den Christiani-Wiesen in Konstanz ist. All diese Projekte sind essenzielle Impulse, und mit einem gut aufgesetzten Partizipationsprozess können hier wichtige Weichen gestellt werden. „Allerdings haben wir erkannt“, sagt nonconform, „dass es zu partizipativen

Transreligiöser Dialog: Städtebauliches Modell Seestadt Aspern 64

Planungsprozessen in kleineren Kommunen einen erheblichen Unterschied gibt – und zwar betrifft dies die Gefühlsebene der Menschen.“ Während eine Ideenwerkstatt und die darauffolgenden Planungs- und Entwicklungsschritte in einem Dorf meist als ein positiver Ausnahmezustand, als eine Art euphorische Baukulturkirmes, wahrgenommen werden, im Zuge dessen viel Neues entsteht, das dem Ort eine Aufwertung bringen wird, dominiert in bestehenden, bereits etablierten Quartieren – wenn es um weitere Planungs- und Entwicklungsschritte geht – oftmals das Gefühl der Angst und Sorge. Die Menschen fürchten sich vor Veränderung, vor Nachverdichtung, vor der Wegnahme von Freiraum, vor neuen Nachbar:innen sowie vor dem Verlust von Gewohnheitsrechten. „Bei Quartiersentwicklungen“, meint nonconform, „steht der Flächenkampf im Mittelpunkt. Es geht also darum, den Bürger:innen diese Angst zu nehmen, sie mit den wesentlichen Stakeholder:innen an einen Tisch zu bringen, einen Aushandlungsprozess zu moderieren und sie wieder an ihre eigene Kompetenz und Selbstwirksamkeit zu erinnern.“ Funktionalität – und im besten Falle Multifunk­ tionalität – ist jedoch bei Weitem nicht alles, was ein Quartier, einen Bezirk, ein Grätzel, ein Barrio, eine Hood, ein Veedel oder einen Kiez auszeichnet. Lokale und regionale

3.000 Studierende, die hier ihre sechs bisherigen Wiener Standorte zusammenlegen möchte, soll Teil des Campus werden.

Mit einigen Jahren Verspätung lassen sich in der Seestadt Aspern nach den Menschen nun auch die Götter nieder. Direkt an der Ecke zum Ostrompark entsteht in den kommenden Jahren ein Campus der Religionen, der auf insgesamt 10.000 Quadratmetern acht Glaubensgemeinschaften beheimaten wird. Dazu zählen die Christen mit der Römisch-Katholischen Kirche, der Evangelischen Kirche, der Apostolischen Kirche und

Die Idee, in der Seestadt ein sakrales, interreligiöses Zentrum anzusiedeln, geht auf den Masterplan des Stockholmer Architekten Johannes Tovatt zurück. Doch wie bringt man so viele unterschiedliche Glaubensgemeinschaften, Weltanschauungen und Raumbedürfnisse unter ein Dach? Manche Konfessionen verlangen nach ganz bestimmten Himmelsrichtungen, andere nach einer Verbindung mit der Erde, wiederum an­dere nach strengen Reinigungsritualen vor Zusammenkunft zum Gebet. In einer Phase Null, die von nonconform moderiert und durchgeführt wurde, ist es

gelungen, Synergieeffekte herauszuarbeiten und ein möglichst präzises Raumprogramm zu erstellen. Dieses bildete die Grundlage für den 2020 ausgeschriebenen Wettbewerb. Insgesamt 42 Architekturbüros aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Spanien, Schweden, Polen und Frankreich nahmen daran teil. Unter Leitung des Juryvorsitzenden Boris Podrecca ging das Projekt von Burtscher Durig Architekten als Sieger hervor. Während die Hochschule im Norden des Grundstücks den höchsten und dichtest verbauten Punkt markiert, sind die Kirchen, Moscheen, Synagogen und Gebetsräume der acht Glaubensgemeinschaften in polygonalen, unterschiedlich ausformulierten Baukörpern untergebracht. Als symbolischer Brückenschlag zwischen den Weltreligionen dient ein zentraler Platz mit begrünten Flächen und einer luftig-leichten Pergola aus Stahl und Aluminium. Wie in einem arabischen Soukh wird man hier sogar im Hochsommer ein schattiges Plätzchen finden können. Namaste!

Ort Seestadt Aspern, Wien, A Auftraggeberin Wien 3420 Aspern Development AG Projektierung 2019 Wettbewerb Frühjahr 2020 Umsetzung 2022–2024 Architektur Burtscher Durig Architekten

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Campus der Religionen

Amen, Schalom und Inshallah

den Griechisch-Orthodoxen sowie der Islam, die Israelitische Kultusgemeinde, die Sikh und die Buddhisten. Auch die Kirchlich-Pädagogische Hochschule (KPH) für rund

Elke Rauth

Elke Rauth ist Redakteurin der Stadtforschungs­ zeitschrift dérive, Leiterin von urbanize! Internationales Festival für urbane Erkun­dungen und Teil des habiTAT-MietshäuserSyndikat-Projekts BIKES AND RAILS.

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Lebendige Quartiere brauchen nieder­ schwellige Treffpunkte.

Zeit. Aktuell sind einige Gebäude noch in Bau, und auch der öffentliche Raum kann noch nicht wirklich genutzt werden. Der öffentliche Raum ist aber wichtig, weil er niederschwellig Begegnungen ermöglicht. Problematisch sehe ich im Quartier, dass es zu viele zu teure Wohnungen gibt – dies erschwert die DurchSie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Stadtstruk- mischung. Umso wichtiger turen und städtischen Trans- sind daher die Baugruppenhäuser sowie die sogenannten formationsprozessen. Was „Quartiershäuser“, für die die macht für Sie die Qualität Planer:innen und Bauherr:ineines Quartiers aus? nen innovative NutzungskonLebendigkeit und die wichzepte vorlegen mussten. Rund tigsten Alltagsfunktionen in Gehweite. Es muss ein Raum um sie sind bereits einige Initiativen entstanden. für Menschen sein – und in meiner Idealvorstellung für Welche Strategien sehen Menschen mit unterschiedSie, um für die Belebung in lichen Hintergründen und einem Quartier zu sorgen? Bedürfnissen. Entscheidend ist, ob und wie Möglichkeiten der MitgeSeit fast zwei Jahren leben staltung organisiert sind und Sie in einem ganz neuen dass sich die Menschen vor Stadtquartier, dem Sonnwendviertel nahe des neuen Ort einbringen können. In Wien gibt es zwar die von der Wiener Hauptbahnhofs. Finden Sie, dass es hier ge- Stadt finanzierten Gebietslungen ist, so ein lebendiges betreuungen als Anlaufstellen für Anrainer:innen, die sich Quartier zu schaffen? um vielfältige Themen von Sagen wir, es wird langsam. Quartieren kümmern. In den Solche Prozesse brauchen

letzten Jahren steht aber PR stark im Vordergrund dieser Arbeit. Wien ist eine sehr gut verwaltete Top-down-Stadt, dadurch ist der Spielraum für Bottum-up-Initiativen geringer als in anderen Städten. Teilhabe müssen sich die Menschen hier fast immer erkämpfen. Wünschenswert wäre aber die Co-Kreation von Stadt.

Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Mitsprache. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Hier in unserem Haus „Bikes and Rails“ versuchen wir, mit dem Café Flöge und der Radwerkstatt einen informellen Treffpunkt zu schaffen. Solche Orte finde ich wichtig fürs Quartiersleben. Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Mitsprache, stärkere Entsiegelung, Bäume und Grün – gegen die Klimakrise und für konsumfreie Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum.

Wenn Stadtplanung und Stadtverwaltung nicht einschreiten, wenn die

Menschen nicht in die Gestaltung und in grundsätzliche Zukunftsfragen ihrer Wohn- und Lebensquartiere miteinbezogen werden, meint Sassen, die das Phänomen als „buy-out of urban land“ bezeichnet, drohe der Ausverkauf städtischen Raumes. „Und wenn das passiert, dann geht das urbane Leben verloren, dann sterben die Stadtviertel aus und reduzieren sich nur noch auf ihre archaische Schutzfunktion des Shelter, dann schaut es nur noch so aus wie Stadt, dann ist es aber nicht mehr Stadt. Wollen wir das wirklich?“ Jedes Projekt ist ein starkes Teamwork: Baustelle Prater Glacis

Die Antwort auf diese Frage fällt unmissverAusdrücke für diesen elementaren städ- ständlich aus. Wie sonst erklären wir uns, tischen Baustein gibt es unzählige. Nein, dass wir zu einigen, zum Teil gar nicht so es geht um weit mehr: „Das Ziel muss großen Quartieren in aller Welt sofort ein sein, eine gewisse Öffentlichkeit und Bild vor Augen, ja oft sogar einen Geruch ein gewisses Lokalkolorit zu wahren“, in der Nase und einen Klang in den sagt die US-amerikanische Soziologin Ohren haben? Ob nun Prenzlauer Berg, Saskia Sassen. „Die Aufgabe von Städ- Barri Gótic, Plaka, Taksim, Nørrebro, ten ist es, nicht alles zu verkaufen und zu Le Marais, Quartier Latin, Notting Hill, privatisieren. 70 Prozent der Londoner SoHo, Chelsea, Greenwich Village, The Immobilien sind in Besitz von Auslän- Castro, Bo-Kaap, The Bund, Shibuya, dern, nur ein Drittel der Stadt gehört Condesa oder Copacabana: Es ist unsere den Briten. In New York City sind die Aufgabe und liegt in unserer Verantworwichtigsten Landmarks ebenfalls fest tung, diese Liste kraft der Menschen und in ausländischer Hand. Das muss man der uns heute zur Verfügung stehenden Mittel und Methoden fortzusetzen. sich einmal vorstellen!“ 67

Geplant ist, den Molkenmarkt wieder in ein lebendiges und zukunftsfähiges Quartier mit neuen Mobilitätskonzepten, klimafreundlichen Gebäuden und vielfältigen Kulturangeboten umzugestalten. Das Der Molkenmarkt im Herzen lässt sich nicht von heute auf der Stadt ist Berlins ältester morgen bewerkstelligen, eine Platz. Dominiert wird er vom derart großflächige TransAlten Stadthaus, das Anfang formation braucht Zeit. Erste des 20. Jahrhunderts er­richÜberlegungen begannen noch tet wurde, mit hohem Turm im letzten Jahrhundert, 2016 wurde schließlich ein Bebauund prägnanter Rundkuppel. Bis Mitte der 1930er-Jahre ungsplan beschlossen und war die Nordseite dicht mit Anfang 2020 ein städtebauliBürgerhäusern bebaut, die in ches Qualifizierungsverfahren, der NS-Zeit für die geplante bestehend aus SondierungsAnlage eines Gauforums und Planungsphase, gestarjedoch teilweise abgebrochen tet. „In einem kooperativen wurden. Die restlichen Häuser Prozess soll sich der Molkenfielen Ende des Zweiten markt entwickeln“, beschreibt Weltkriegs Bombentreffern Manfred Kühne, Abteilungs­ zum Opfer. Schließlich gingen leiter Städtebau und Projekte in den 1960er-Jahren im in der Berliner Senatsverwal­ tung, diese SondierungsZuge des autogerechten Stadtumbaus mit unzähligen phase, die von nonconform Fahrs­puren alle urbanen begleitet wurde. „Unter Federführung unserer Senatsver­ Qualitäten verloren. Das soll sich nun ändern. waltung, in Kooperation mit

Quartiersentwicklung Molkenmarkt

Das Ende der Verkehrshölle

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anderen Verwaltungen, zukünftigen Bauherr:innen, aber auch privaten Inverstor:innen wurde in Fachlaboren und Workshops eine erste gemeinsame Vision des Molkenmarktes entwickelt.“ Den Start markierten dabei das intensive Studieren und Aufbereiten der zahlreichen Grundlagen, die bereits zum Thema erstellt wurden. Es folgten Einzel- und Gruppen­gespräche mit den unterschiedlichen städtischen Dienststellen – Wohnen, Klima, Verkehr, Kultur –, die davor wenig Berührungspunkte hatten, sowie mit potenziellen öffentlichen und privaten Investor:innen. Stadtspaziergänge dienten dem Erleben vor Ort, und bei sogenannten „Bauzaun-Gesprächen“ sowie Onlinebeteiligungen konnten Interessierte ihren Input beisteuern und ins Gespräch kommen. Daraus ergaben sich vier Themenfelder für den

ansprüchen der Akteur:innen in einem lebendigen Prozess wieder zusammen.

# 4.1 Das grüne Innenstadtviertel Am Molkenmarkt kommen Klimaanpassungsmaßnahmen im Großen und Kleinen zum # 2.1 Die neue Berliner Mischung Einsatz, um im Zentrum der Am Molkenmarkt entsteht eine Stadt Biodiversität zu fördern zukunftsweisende innenstadt­ sowie ökologisch und sozial nachhaltig zu bauen und zu typische Nutzungsmischung in einer resilienten nutzungs­ wirtschaften. offenen Architektur. # 4.2 # 2.2 Vorrang für eine vielfältige Vielfältig und bezahlbar Mobilität Wohnen Im Molkenmarktquartier Am Molkenmarkt entstehen dominieren Räume für Fuß­ innovative Wohntypologien gänger:innen und gute Infra­ im bezahlbaren Wohnseg­ struktur für Radfahrer:innen ment, die eine soziale Durch­ bei stark reduziertem motori­ mischung fördern. siertem Individualverkehr. # 3.1 Die Stadt auf Augenhöhe Die Erdgeschosszone und der Molkenmarkt als atmosphäri­ Freiraum sind die Bereiche, in sches, vielfältiges, öffentliches denen sich Innen und Außen und zukunftsfähiges Quartier, verbinden und wo der Kontakt die in jeweiligen Fachlaboren zur gesamten Stadt entsteht. weiter präzisiert wurden. # 3.2 Die Essenzen der gemeinsa­ Das Kulturquartier men Diskussionen wurden in Sowohl in der Entwicklungs­ acht Leitlinien festgehalten, phase als auch im zukünftigen die anschließend nach­ Quartier sind vielfältige Kultur­ geschärft, ergänzt und final nutzungen Identitätsträgerin­ abgestimmt wurden – und die nen des Molkenmarktes. den Rahmen für die nach­ folgende Planungsphase mit einem städtebaulichen Archi­ tekturwettbewerb bildeten.

Ort Berlin, D Auftraggeberin Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Ideenwerkstatt 2020–2021 Umsetzung seit 2021

# 1.1 Ein Ort der lebendigen Geschichte Am Molkenmarkt entstehen aus der Historie neue Ge­ schichten, die das Alte für das Neue aufgreifen und trans­ formieren. #  1.2 Ein Quartier mit hoher Raumqualität Am Molkenmarkt wächst die Stadt aus den Impulsen der Umgebung und den Qualitäts­ 69

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03 71

rundherum Viel ist von Regionen und dem Regionalen die Rede, wenn es darum geht, in einer zunehmend globalisierten Welt Identität und Orientierung zu vermitteln. Die Ent­ wicklung und Ausgestaltung von regionaler Zusammenarbeit ist daher eine zentrale Zukunftsaufgabe.

Als Region bezeichnet man im allgemeinen Sprachgebrauch ein Gebiet, dessen Bewohner:innen eine enge kulturelle, sprachliche oder wirtschaftliche Bindung pflegen, oder ein Gebiet, das sich durch ähnliche topografische und landschaftliche Eigenheiten auszeichnet. Aber auch politische, historische oder religiöse Aspekte können Regionen definieren. Rechtlich ist nicht festgelegt, welche Einheit als Region gilt. Dementsprechend ist der Begriff oftmals schwammig und schwer zu greifen.

Insbesondere im Kontext von Tourismus werden Regionen gerne beworben. In Österreich finden sich da schnell

die Wachau, das Salzkammergut oder der Bregenzerwald. Auf Austria-Info liest sich dies dann so: „Vom sonnigen Strand am Badesee bis zum gletscherbedeckten Felsgipfel, vom malerischen Weingarten bis zum romantischen Tannenwald, von der sanften Almwiese bis zur ursprünglichen Au am Fluss – Österreichs Regionen bieten Urlaubsfreuden für jeden Geschmack.“ Auch in Deutschland sind touristische Aspekte wichtig, beispielsweise der Spreewald – „In der Spreewaldregion finden Sie traumhafte, idyllische Orte und pulsierende Städte“ – oder der Schwarzwald beziehungsweise die Nord­seeregion. Aber auch wirtschaftliche Kontexte sind – in Deutschland ausgeprägter – bedeutsam, wenn es um die Definition von Regionen geht, etwa das Ruhrgebiet, die Metropolregion Stuttgart oder den Großraum München. In Österreich lassen

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sich ebenso derartige Bezeichnungen finden, beispielsweise das traditionsreiche Industrieviertel im südöstlichen Niederösterreich, das sich von den drei naturräumlich benannten Gebieten Wein-,

auch kaum reale Bedeutung entfalten. Der Stärkung regionaler Identität dienen eine Vielzahl europäischer Aktivitäten und Programme, die die wirtschaftliche und kulturelle Vernetzung zwischen den europäischen Regionen und insbesondere die Bildung grenzübergreifender Regionen (Euregios) unterstützen. Eine wesentliche Initiative in diesem Kontext ist das seit 1990 existierende Programm Interreg – offiziell „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ – als Teil der Struktur- und Investitionspolitik der EU. Damit werden Mobiles Ideenbüro mit Ideenbus: Entwicklungsprozess in Oben an der Volme, Südwestfalen grenzüberschreitende Kooperationen zwischen Regionen und Städten unterstützt, Wald- und Mostviertel absetzt. Diese Wirtschaftsregionen definieren sich die das tägliche Leben beeinflussen, zum primär aus ökonomischer Perspektive, Beispiel im Verkehr, auf dem Arbeitsmarkt um Wertschöpfungspotenziale besser und im Umweltschutz. Ein weiteres, sehr nutzen zu können. wichtiges Instrument ist das Programm LEADER (die Abkürzung steht für Europa der Regionen. Ergänzend zu den Nationalstaaten wurde in der Europäischen Union in den 1980er-Jahren das Konzept Europa der Regionen entwickelt, und zwar mit dem Ziel, regionale Eigenständigkeiten zu unterstützen. Damit soll ein föderalistischer Aufbau der EU gestärkt und eine bürgernahe Struktur etabliert werden. Besonders in zentralistischen Staaten wird dieses Konzept sehr kritisch gesehen und konnte – trotz der im Vertrag von Maastricht 1992 erfolgten Etablierung des Ausschusses der Aussicht kann jeder! Ortskernentwicklung Hinterstoder Regionen als beratendes Organ der EU – 73

Marta Doehler-Behzadi

Marta Doehler-Behzadi studierte Stadt­planung und führte viele Jahre gemeinsam mit Iris Reuther das Büro für urbane Projekte Leipzig. Von 2007 bis 2014 leitete sie das Referat BAUKULTUR UND STÄDTEBAULICHER DENKMALSCHUTZ im Bundesbauministerium. Seit 2014 ist sie Geschäftsführerin der IBA THÜRINGEN.

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Wir brauchen eine andere Politik für ländliche Räume.

„StadtLand“ beschreibt die kleinteilige Siedlungsstruktur in Thüringen, und die Idee der IBA ist, durch gleichberechtigte und innovative StadtLand-Beziehungen Probleme besser zu lösen. Früher waren die IBA-Gebiete meist klein im Sinne von Architekturensembles oder Stadtquartieren, Sie leiten mit der IBA und die dort anstehenden Thüringen eine Internationale Bauausstellung, die ein Aufgaben erforderten archiganzes Bundesland umfasst tektonische Interventionen. Diese IBAs waren top-down und unter dem Überbegriff organisiert, haben die inter„StadtLand“ steht. Mit dem nationale Architektenschaft Projekt wird eine Region in den Fokus genommen. Was eingeladen, und deren Projekmacht Region für Sie aus? te haben neue Wege aufgezeigt. Aber die Welt hat sich Region wird von vielen unterschiedlichen Layern bestimmt, verändert, und die heutigen die sich überlagern, und ist Heraus­forderungen benötigen niemals eindimensional: Es einen weiteren Blickwinkel, gibt geografische, hydrologi- wobei neben der Architektur sche, topografische, historiinsbesondere Stadt-, Regiosche und politische Aspekte. nal- und Landschaftsplanung Mentalitäten, Sprache sowie im Mittelpunkt stehen. Religionen sind zudem bestimmend. In Thüringen gibt Inwiefern schlägt sich das es viele unterschiedliche Re- nieder? gionen, die unterschiedliche Die Themen werden immer Voraussetzungen haben und komplexer, und ich sehe eine an den Rändern in benachbar- unaufhaltsame Tendenz, sich te Bundesländer übergreifen. auszubreiten. Die Region bildet sich allerdings – in Früher war das IBA-Format Deutschland zumindest – in lokal zumeist enger gefasst. den Planungsstrukturen kaum Was war die Idee, so eine ab. Wir haben ein gestuftes große Region in den Fokus System, in dem die Länder zu nehmen? eine große Rolle spielen.

Es gibt die Landesplanung und regionale Entwicklungskonzepte, aber im Vergleich zu den starken kommunalen Hoheiten und Mandaten sind Regionen eine relativ schwache Kategorie. Meist ist Zusammenarbeit mit Freiwilligkeit verbunden und ganz schwer herzustellen. Ein starkes Instrument zur Steuerung sind Geldflüsse. Ob und wie bildet sich Region in Fördermöglichkeiten ab? Unterschiedlich. Im Rahmen der Städtebauförderung, die in Deutschland ein lange bestehendes und sehr starkes Instrument ist, das über die Jahre auch laufend angepasst wurde, gab und gibt es immer wieder Programme, bei denen die Zusammenarbeit zum Beispiel von kleinen Städten und Gemeinden Fördervoraus­ setzung war. Ein wichtiges Instrument – ein Ergebnis der IBA Emscherpark – sind die REGIONALEN, die ich für ein ziemlich geschicktes Konstrukt halte. Dabei bewerben sich Regionen für kürzere Zeiträume als IBAs, aber sie haben einen ähnlichen Ansatz, und zwar über strategische Projekte eine Entwicklung zu initiieren und voranzutreiben und damit eine Region in

Wir müssen dringend daran arbeiten, die regionalen Plan­ungs­­logiken besser aus-­ zuarbeiten!

in der Kreislaufwirtschaft generell. Da stehen so viel neue Fragen an, deren Lösungen nur im regionalen Kontext zu finden sind.

Welche Veränderungen haben sich durch Covid-19 ergeben? Es gibt eine Verflüssigung von Raumbeziehungen von Arbeit und Freizeit – „rurbane“ Lebensverhältnisse, die die Praxis in Stadt und Land verändern. Große Büroflächen werden abgegeben, kleinere Orte haben eine stärkere Präsenz von Menschen, die dorthin auch kulturelle Praktiken mitbringen, wodurch sich sehr vielfältige gegenseitige Verflechtungen ergeben. Es gibt auch demografische Veränderungen – in den letzten Jahren gab es einen überproportionalen Zuzug in die „Schwarmstädte“ aufgrund der Attraktivität der urbanen Zentren. Anfang der 2000erJahre war Leipzig etwa eine ihrem Zusammenhalt sichtbar bestehen bleiben. Ich wünschrumpfende Stadt, jetzt sche mir eine neue kulturelle zu machen und zu stärken. Verankerung ländlicher Räume platzt sie aus allen Nähten. Wichtig sind auch LEADERInzwischen gewinnt aber auch Förderungen, die haben einen in unserer Gesellschaft, die haben schon viel zu lange ein das Hinterland – nicht nur sehr interessanten Ansatz touristische Destinationen und gemeinschaftlicher Entschei- Stiefkinddasein geführt. Suburbanisierungszonen – an dungen. Wo sehen Sie Veränderungs- Einwohner:innen. Diese Veränderungen haben schon vor Welche Schlüssel sehen Sie, potenzial? Corona begonnen, sie haben Wir brauchen eine andere um für die Zukunft bessere Politik für ländliche Räume im auch mit Überlast- und ÜberStrukturen zu schaffen? Sinne einer rural renaissance. druckerscheinungen in den Wir müssen dringend daran Städten zu tun, aber auch mit Ich glaube, dass wir das nur arbeiten, die regionalen bewältigen können, wenn wir einer neuen Werteorientierung Planungslogiken besser in ein Prinzip von solidarischer – sich anders mit Landschaft auszuarbeiten! Für urbane und Natur, Essen und Trinken, Raumentwicklung kommen, Entwicklungen haben wir und dem offenkundigen einen sehr stabilen Sockel, die man nicht nur nach RenFreiheitsgrad von ländlichen dite bewertet. Das braucht aber für territoriale Logiken, Räumen auseinanderzusetzen. wenn es um ländliche Räume einen baukulturellen Instruund in die Fläche geht, haben mentenkasten, der in vielerlei Ich glaube, dass sich generell etwas im Mensch-Natur-VerHinsicht Dinge anders und wir viel weniger Instrumente. hältnis ändern muss, und zwar Das halte ich für eine ganz, neu macht. Ich sehe ohneunglaublich tiefgründig. Da ganz wichtige Aufgabe – das hin einen Epochenwechsel werden ländliche Räume eine wird eine unserer Schlussfol- im Mensch-Natur-Verhältnis, gerungen sein. Generell hoffe das heißt, wir müssen in völlig neue Position einnehmen. ich, dass unsere Projekte nach andere Strukturen kommen – Ende der IBA als Leuchtfeuer nicht nur im Bauen, sondern 75

Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen ist Vorreiter bei der Profilierung und Förderung von Regionen. Dort gibt es seit gut 20 Jahren mit den REGIONALEN eine entsprechende Unterstützung, woSchlusspräsentation des Regionalentwicklungsprozesses Murau im Stift St. Lamprecht bei „Regionen des Landes den Strukturwandel entsprechend ihren regionalen Stärken und Herausforderungen“ gestalten. Das Programm ist Ergebnis der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park, bei der in den Jahren 1989 bis 1999 erstmals eine gesamte Region im Fokus stand, und die entscheidend zur Transformation des Ruhrgebiets von einer grauen und sterbenden Industrieregion zu einer aufstrebenden Agglomeration mit Dienstleistungen, Kultur, aber auch mit neuen Industrieformen beitrug. „Liaison entre actions de développement de l'économie rurale“, deutsch: VerbinIn einem umfangreichen Prozess bewerben sich bei den jeweiligen Ausdung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft) zur För- schreibungen benachbarte Kommunen derung innovativer Modelle und Projekte für strukturwirksame Maßnahmen in den Bereichen Stadt, Landschaft, Kultur und zur Umsetzung von Maßnahmen, deren Schwerpunkt in der Stärkung des und Wirtschaft, die über einen Zeitraum ländlichen Raums liegen. Die Verteilung von mehreren Jahren entstehen, und deder Geldmittel erfolgt dabei direkt durch ren (Zwischen-)Ergebnisse im jeweiligen REGIONALE-Jahr der Öffentlichkeit einen Regionalbeirat, und lokale Aktionsgruppen erarbeiten vor Ort Entwick- präsentiert werden. Es geht dabei um die lungskonzepte mit dem Ziel, die ländStärkung von Ortsmitten, um Mobilitätslichen Regionen Europas auf dem Weg fragen, um den Umgang mit Leerstand zu einer eigenständigen Entwicklung zu sowie um die Digitalisierung. Dem enunterstützen. gen Denken in Gemeindegrenzen wird 76

Gemeinsam statt einsam

Sechs Orte waren gleich zu Beginn dabei – vom knapp 1.000 Einwohner:innen zählenden Stadl an der Mur über die kleinste Stadt der Steiermark, Oberwölz, mit etwa gleich vielen Bewohner:innen bis zur Bezirkshauptstadt Murau mit einer Bevölkerung von etwa 3.500 Personen. Jeder Ort ist anders und hat seine Geschichte und Eigenheiten. Um diesen auf die Spur zu kommen, fand im Frühjahr 2020 – durch Covid-19 nicht im geplanten Ausmaß – eine Bereisung

statt, bei der die jeweils wichtigsten Ankerpunkte zur Ortskernstärkung identifiziert wurden. Dabei ging es um eine multiperspektivische Betrachtung und das Drehen an mehreren Schrauben. Einerseits waren es ausgewählte Liegenschaften, für die in der Folge in Kooperation mit Studierenden der Grazer Fachhochschule Joanneum konkrete Entwürfe erarbeitet wurden. In anderen Orten ging es um die Initiierung von Aktivitäten, um wieder Leben in die Zentren zu bringen. Allen gemeinsam ist, dass das Bewusstsein für baukulturelle Prozesse bei den Verantwortlichen gestärkt wurde, etwa auch bei einem großen hybriden Vernetzungstreffen mit real anwesenden Bürgermeister:innen und digital zugeschalteten Vortragenden. Die erste Phase ist nun abgeschlossen und hat auch bei weiteren Gemeinden Interesse geweckt. Nun gibt es ein modulares Angebot, das die Gemeinden entsprechend ihrer Bedürfnisse abrufen können. Angepasst an die Wünsche kann dies in der ersten Stufe eine Bereisung und Beratung sein, optional gefolgt

von einem Workshop mit den relevanten Stakeholder:innen. Als drittes Modul kann eine klassische nonconform-Ideenwerkstatt gebucht werden. Neben den Interventionen in den einzelnen Orten stehen vor allem die Vernetzung und die Entwicklung einer regionalen Strategie zur Ortskernstärkung im Vordergrund. Die Zusammenarbeit ist auch deshalb wichtig, weil es Fördergelder oftmals nur in einem regionalen Kontext gibt, die gemeindeübergreifende Kooperation jedoch noch nicht so etabliert ist. Diese zu verstetigen ist ein wichtiges Ziel des Projekts. Denn gemeinsam lassen sich Probleme besser lösen als einsam.

Regionalentwicklung Bezirk Murau

Viel Wald und wenig Menschen – das prägt den Bezirk Murau mitten in Österreich. Es gibt hier ganz viel Gegend, die eine ideale Voraussetzung für sanften Tourismus bietet. Dennoch ist die Region von Abwanderung betroffen, und die einzelnen Gemeinden kämpfen mit jeweils unterschiedlichen Problemen. In dieser Situation haben sich Anfang 2020 mehrere Gemeinden zusammengefunden, um gemeinsam eine zukunftsfähige Strategie zu entwickeln.

Ort Bezirk Murau, Steiermark, A Einwohner:innen 27.500 Auftraggeberin Holzwelt Murau 1. Ideenwerkstatt 2020 Umsetzung seit 2021



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damit ein breiterer Horizont eröffnet und den Menschen die Region als erweiterter Wohnraum und Identitätsstifterin vermittelt. Neben Strukturförderprogrammen versuchen auch Kunst- und Kulturinitiativen zu einer Sensibilisierung für regionale Identitäten beizutragen, seit 1993 etwa das biennal stattfindende oberösterreichische Festival der Regionen, welches mit seinem Ansatz „soziale Themen und alltägliche Lebenswelten mit zeitgenössischer Kunst zu bearbeiten, [...] auf den

Dialog zwischen der Bevölkerung vor Ort sowie lokalen, regionalen und internationalen Künstler*innen ab[zielt].“ Im Bereich von Stadt- und Regionalplanung wird viel über Regionen gesprochen, ihre Verankerung im admi-

nistrativen Gefüge ist jedoch gering. Im Gegensatz zu Kommunen, Ländern oder dem Bund, die klar definierte Aufgaben und Zuständigkeiten haben, existieren Regionen in den Planungsstrukturen mit lediglich wenigen Kompetenzen, etwa auf Ebene der deutschen Landkreise oder der österreichischen Bezirke. Eine Zusammenarbeit auf regionaler Ebene ist daher oftmals schwer zu etablieren und erfolgt vielfach nur, weil der Erhalt von Fördermitteln dies erfordert. Dies bringt es auch mit sich, dass das Auslaufen einer Förderung oftmals das Ende der Kooperation bedeutet.

Wichtiges Werkzeug in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: Luftbildteppich 78

Dabei ist eine über enge Gemeindegrenzen hinweg stattfindende Abstimmung – eine interkommunale Kooperation – sehr wesentlich, um Ressourcen zu sparen und Zusammenhalt zu stärken. Denn nicht jede:r braucht alles! Es gibt viele Einrichtungen, die sich gemeinsam besser und effizienter gestalten lassen – vom Schwimmbad über Versammlungssäle bis zu Verkehrsgemeinschaften oder Einrichtungen der Ver- und Entsorgung. Eine relativ neue, jedoch im Kommen befindliche Kooperationsform sind interkommunale

Architektur kann der Region ein Gesicht geben. In Ihren Vorträgen sagen Sie immer: „Ich bin sowohl Architektin als auch Landbewohnerin. Ich lebe in der Odenwald-Hölle.“ Wie denn das? Den Begriff OdenwaldHölle hat die FAZ-Journalistin Antonia Baum geprägt. Die Odenwald-Hölle ist eine Anspielung auf unser aller Klischeebild vom Land – auf die Bautentristesse, auf die geistige Verarmung, auf die kulturelle Verwahrlosung. Wieviel davon ist wahr? Wahr ist, dass auf dem Land viele glückliche Menschen in vielen hässlichen Häusern leben. Und wahr ist leider auch, dass das klassische Landbild meist nicht für Fortschritt steht, sondern für Tradition und Bewahrung, für Zerfall von Bauten und Strukturen. Doch es gibt auch

Wir haben viele Vereine und eine regionale lebendige Kulturszene. Bloß ist dieses Gemeinschaftsgefühl auf der baulichen Ebene kaum erlebbar, man sieht es einfach nicht. Diese Lebendigkeit sichtbar zu machen und deren Qualitäten in die gebaute Umwelt zu übertragen – darum geht’s! Architektur kann der Region ein Gesicht geben. Und damit meine ich nicht nur das Bauliche, sondern auch Ökologie, Kreislaufwirtschaft und lokale Ist Regionendenken ein kultureller und gesellschaft- Wertschöpfungsketten. licher Auftrag? Ja, und wie! Die Arbeit macht Wie gut ist das im Odenwald gelungen? Spaß und setzt viele innoDer Odenwald ist in der vative Impulse auf verschiedensten Ebenen, die in ihrer glücklichen Situation, dass er bereits als etwas Gesamtes, Summe eine Art regionalen Zusammenhalt schaffen. Das als Region wahrgenommen Schwierige ist nur: Im Gegen- wird. Hinzu kommen innovative Ansätze wie etwa Co­ satz zum Dorf und zur Stadt ist Region weniger ein poliworking Odenwald, die Initiatisch klar definiertes Konstrukt tive revive!, diverse Festivals als vielmehr ein landschaftlich und Pop-up-Projekte sowie und kulturell zusammenAngebote für Pendler:innen hängender Beziehungsraum. und digitale Nomad:innen. Es geht darum, die Grenzen Doch kein Marketing hätte innerhalb dieses Beziehungs- jemals das geschafft, was raums aufzulösen. Corona bereits bewirkt hat: Die Region ist deutlich städtiWie genau? Welchen Beitrag scher und moderner geworkann Baukultur hier leisten? den. Es tut sich was. sehr positive Phänomene, von denen man im urbanen Raum nur träumen kann: Prozesse gehen auf dem Land oft schneller und direkter über die Bühne, zudem werde ich als Architektin deutlich früher in ein Projekt eingebunden als in der Stadt, meist schon in der Phase Null. Darin steckt ein riesiges Potenzial, um einer Region zu einem tragenden Selbstbild und Selbstbewusstsein zu verhelfen.

Kerstin Schultz

Kerstin Schultz ist Architektin und leitet das BÜRO LIQUID im Odenwald. Sie ist Architekturprofessorin an der HOCHSCHULE DARMSTADT und initiierte bereits zahlreiche Projekte zur Belebung von Brachflächen und Leerständen.

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vor bereits zehn Jahren in Eigeninitiative das Netzwerk Zukunftsorte ins Leben gerufen, als eine Zusammenarbeit von nicht benachbarten, innovativen Gemeinden, um voneinander zu lernen und gemeinsam Zukunftsprojekte zu initiieren und umzusetzen. In Bad Berleburg in Nordrhein-Westfalen hatte nonconform 2013 das erste Mal Kontakt zu einer REGIONALE und hat dafür seine traditionelle Ideenwerkstatt um weitere Formate ergänzt. „Wir gehen dabei auf die jeweiligen Gegebenheiten ein, indem wir etwa die Bürgermeister:innen einer Region zu einem gemeinsamen Brunch einladen, die sich dabei manchmal erstIdeen und Impulse für die Gemeinde Neumarkt im Bezirk Murau mals bewusst in so einem Shopping- oder Gewerbegebiete. Gerade Aus­zeitformat treffen und für ihre jesie können dabei helfen, den Bodenver- weiligen Herausforderungen genügend brauch zu minimieren und damit verbun- Zeit und Raum zum Austausch haben und Inspiration von Expert:innen beden auch das Verkehrsaufkommen zu kommen“, beschreibt nonconform seine reduzieren. Herangehensweise. Vernetzung ist eine Wie jede Zusammenarbeit erfordert zentrale Aufgabe, indem beispielsweise auch jene zwischen Orten eine gute Planungs- und Bauamtsleiter:innen bei Abstimmung und eine solide rechtliche Schulungen erfahren, wie Partizipation Basis zur Vermeidung von Unstimmig- und Bürgerbeteiligung in ihren Orten keiten. Oftmals ist es jedoch schwierig, besser funktionieren können, und sich das kommunale Selbstverwaltungsrecht dabei auch untereinander besser kennenzugunsten einer gesamtregionalen Sicht- lernen. Weiters wurde die stationäre Ideweise aufzugeben – im Sinne des Geenwerkstatt zu einer mobilen Ideenfahrt meinwohls ist dies vielerorts allerdings erweitert, um möglichst viele Menschen eine sinnvolle und notwendige Maßnah- einer Region für die Zukunftsentwickme. Zwei „nonconformler“ haben dazu lung persönlich treffen und einbinden zu 80

Ode an den Odenwald Der Odenwald ist eine zwar geografisch zentral gelegene, aber infrastrukturell irgendwie ausgeklammerte Region im Dreieck zwischen Frankfurt am Main, Würzburg und Heidelberg. Bereits 1952 wurde vom damaligen Bundestagsabgeordneten Heinrich Georg Ritzel zur Stärkung der Region ein eigener Verein gegründet.

Ein wesentliches Thema ist dabei oftmals die Mobilität: Diese ist zumeist auf die lokalen und überregionalen Zentren ausgerichtet, und die öffentliche Erreichbarkeit zwischen den einzelnen Orten ist kaum vorhanden. Um besser zusammenzukommen, ist es jedoch erforderlich, sich auch ohne individuelle Verkehrsmittel zu erreichen – hierfür sind innovative Mobilitätsmodelle gefragt, von denen es in der Theorie viele gibt, die sich aber in der Praxis bisher kaum durchgesetzt haben, wie etwa Ruf- oder Sammeltaxis.

Heute, 70 Jahre später, kämpft der bevölkerungsarme und strukturschwache Odenwald immer noch um wirtschaftliche Prosperität. Gemeinsam mit nonconform hat die Interessens­gemeinschaft Odenwald e.V. daher an einer LEADER-Ausschreibung teilgenommen und den Zuschlag erhalten. Da die LEADER-Region Odenwald 21 Mitgliedskommunen umfasst, beschloss nonconform, die Ideenwerkstatt im April 2022 dezentral abzuhalten – mit rund 100 Ideenboxen und einem sogenannten „Ideenbus“, der drei Tage lang durch die Landschaft fuhr und die Zivilgesellschaft nach ihren Wünschen, Konzepten und Vorstellungen befragte. Die Resultate dieser Befragung fließen nun in eine Gesamtstrategie für die kommenden Jahre ein. Geplant sind knapp 200 Kleinund Großprojekte, wobei die Schwerpunkte vor allem auf Wohnen, Mobilität, Digitalisierung, Gesundheit, Bildung, Kultur sowie auf der Stärkung der regionalen Touristik und Gastronomie liegen.

„Die Menschen, die hier leben, wissen am besten, wo sie Unterstützung und Förderungen benötigen“, sagt Rekha Krings, Geschäftsführerin der Region Odenwald. „Daher wollen wir nicht top-down planen, sondern die Weichenstellung für die Zukunft in einem Bottom-up-Prozess erarbeiten.“

Ort Odenwald, Hessen/Bayern/ Baden-Württemberg, D Fläche 904 km2 Auftraggeber:innen Interessengemeinschaft Odenwald e.V. (IGO), LEADER-Region Odenwald Ideenwerkstatt April 2022 Umsetzung 2023–2027 Projektpartnerin Rekha Krings (IGO) 81

Regionalentwicklungsstrategie Odenwald

können. So wurde ein Linienbus zu einem Ideenmobil umgestaltet und machte Station an Ideenhaltestellen. „Gerade im regionalen Kontext mit seinen mentalen Blockaden ist es essenziell, zu den Bürger:innen zu kommen und ihre Wünsche und Bedenken frühzeitig und intensiv in die Planungen miteinzubeziehen. Die persönlichen Begegnungen erweitern den Horizont, vertiefen Verständnis und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit“, fasst nonconform wichtige Erkenntnisse der regionalen Arbeit zusammen.

Elisabeth Schweeger

Elisabeth Schweeger studierte Philosophie und Literatur­ wissenschaft und ist als DRAMATURGIN tätig. Sie unterrichtet, kuratiert Ausstellungen und war Intendantin in München, Hannover und Frankfurt am Main. Seit 2021 ist sie künstlerische Geschäftsführerin von KULTUR­­HAUPTSTADT BAD ISCHL – SALZKAMMERGUT 2024.

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Das Land kann eine neue Form von Urbanität sein.

die Europäische Kulturhauptstadt 2024 positionieren? Ich will die für das Salzkammergut typischen Parameter wie Handwerk, Mikrolandwirtschaft, Leerstand, Ortskernsterben und Potenziale der Regionalentwicklung thematisieren und dafür in Form von Im Gegensatz zu Dorf, Stadt Kunst-, Kultur- und Bildungsprojekten Aufmerksamkeit eroder Bundesland hat die Region keine eindeutige poli- zeugen. Unterm Strich geht es tische Grenze. Wie definieren darum, am Tourismusklischee vorbeizuarbeiten, ohne es zu Sie den Begriff Region? diskreditieren, und zusätzlich In der Region gibt es vor neue, attraktive Lebensfor­allem historische Grenzen. mate zu entwickeln. Kunst und Das Innere Salzkammergut beispielsweise definiert sich Kultur sind wertvolle Impulsüber die Salzgewinnung. Im geberinnen dafür. 12. und 13. Jahrhundert kam die Idee auf, sich zu einer Das Salzkammergut zählt Region namens „Kammergut“ zu jenen Regionen im zusammenzuschließen – ein deutschsprachigen Raum, Begriff, der den habsburgidie eine besonders starke schen Besitz definierte und ein Identität haben. Ist das ein stärkeres Auftreten formulierte. Vorteil oder ein Nachteil? Trotz allem finde ich spannend, Einerseits ein Vorteil, weil dass sich regionale Grenzen sie wirtschaftlich und kulturell immer wieder verschieben und gewachsen ist, andererseits verändern. Genau das ist ja aber auch ein Nachteil, denn das Faszinierende! wenn man im Kitsch und in Klischees stecken bleibt, dann Seit letztem Jahr sind Sie gibt es kein Vor und kein künstlerische GeschäftsZurück. Es geht um die rich­ führerin. Wie möchten Sie tige Balance.

Was tun? Ich möchte aufzeigen, dass es hier auch eine andere Geschichte gibt, dass hier nicht nur Kaiser Franz Joseph auf Sommerfrische war, sondern dass hier auch ein Herr Wittgenstein und ein Herr Schönberg gelebt haben und dass die Region einst stark jüdisch geprägt war. Stattdessen haben wir hier heute Dirndl, Lederhose und die Chalet-Architektur, von der nur wenige wissen, dass sie eigentlich eine Importware aus der Schweiz ist. Dafür wollen wir sensibilisieren – zum Beispiel mit einem Schwerpunkt in Hallstatt, der ältesten Ansiedlung in Europa, zum Thema Zukunft der Baukultur im ländlichen Raum. Meine Hoffnung ist, im Salzkammergut eine neue Mobilität, Vernetzung und Digitalisierung zu entwickeln, sodass man hier bald wieder ganzjährig leben möchte. Es wäre schön zu erkennen, dass das Land eine neue Form der Urbanität sein kann – bei allem Respekt für die vorhandenen Ressourcen der Natur, die wir zum Leben brauchen.

wickelt hat. Es findet eine Verflüssigung der Raumbeziehungen von Arbeit und Freizeit statt – „rurbane“ Lebensverhältnisse, die die Praxis in Stadt und Land verändern. Große Büroflächen werden abgegeben, kleinere Orte haben durch Homeoffice eine stärkere Präsenz von Menschen, die ihren urbanen Lebensstil dorthin mitbringen, wodurch sich sehr vielfältige gegenseitige Verflechtungen ergeben. In den letzten Jahren gab es einen überproportionalen Zuzug in einige Boomstädte aufgrund der Anziehungskraft Wie dringend regionale Initiativen sind, der urbanen Zentren. Viele Städte, lässt sich daran ablesen, dass in vielen selbst jene, die Anfang der 2000er-Jahre dörflichen und auch städtischen Regio- schrumpften, platzen jetzt aus allen nen eine zum Teil erschreckende VerNähten, und als Reaktion auf immer teuarmung, teils sogar Verwahrlosung im rere Wohnungen gewinnt nun auch ihr Hinblick auf Miteinander, Kultur und weiteres Umfeld an neuer Attraktivität. insbesondere Baukultur um sich greift. Diese Entwicklung hat schon vor Corona begonnen, wurde dadurch aber extrem Zwei parallele Phänomene lassen sich dabei erkennen: einerseits die Urbanisie- beschleunigt. Insbesondere in Sachen Dirung des Landes mit Galerien und Yoga- gitalisierung ergab sich eine Dynamik, die Studios und andererseits eine Verdörflichung der Städte, etwa mit Urban Gardening und städtischer Landwirtschaft. Die Gemeinsamkeit ist, dass in beiden Bereichen eine Banalisierung des Raumes dominiert, die zu einer zunehmenden Entfremdung führt. Doch nun kommt Bewegung rein, denn kein

Marketing hätte jemals das geschafft, was sich mit Corona in Bezug auf Raumnutzung ent-

Neue Perspektiven: Regionale Zukunftsentwicklung schafft besondere Momente 83

abgelegene Re­ gionen. Um diese Entwicklung positiv zu gestalten, alte Fehler zu vermeiden und die jeweilige Identität bestmöglich zu unterstützen, sind klug gestaltete partizipative Prozesse mit Einbindung der Bürger:innen sowie von kreatiPartizipation ist ein Fest: Workshop im Rahmen der Zukunftskonferenz „StadtLandSchluss“ in Bayern ven Gestalter:invieles, was bis vor Kurzem undenkbar nen eine notwendige Voraussetzung. schien, nun Realität werden lässt. Breit- Erforderlich ist ein Verständnis für den Wandel, und neben Papieren und Kon­ bandinternet war in den vergangenen zepten braucht es Mut zum Ausprobieren, Monaten in vielen Orten die Lebensader, das Tor zur Arbeit, Schule und zur damit das Leben abseits von BallungsWelt. Aus monofunktionalen Wohn- und zentren wieder an Qualität gewinnt, durch Schlafgemeinden auf dem Land, wo sich vielfältige Nutzungen, kurze Wege und natürlich schöne Räume geprägt wird – in der Früh die Pendlerkolonnen in die eine und abends in die andere Richtung und damit die schönen Worte von blühenbewegen, können zukünftig wieder echte den Regionen auch Realität werden. Lebensmittelpunkte werden. Zudem gibt es auch eine neue Werteorientierung mit einem veränderten Verhältnis zu Natur und Landschaft. Gerade Kunst und Kultur sind oftmals Ermöglicherinnen und Impulsgeberinnen und tragen dazu bei, ein gedeihliches Miteinander zu etablieren und nicht lediglich in kommerzialisierten Traditionen verhaftet zu bleiben. Dieser Trend beschränkt sich aktuell nicht nur auf die – zumeist ebenfalls sehr

teuren – Umland- oder Tourismusgemeinden. Der Radius wird zunehmend größer und hat Potenzial für viele, heute oftmals aus der Wahrnehmung ausgeblendete 84

Wenn der Bürgermeister zur Pinnwand wird: Entwicklungsprozess Goetheplatz in Bad Berleburg

Mit der Kraft aus alten Fabriken

Im Hof steht ein backsteinroter Audi 80 B2, Baujahr 1983. Die Zeit hat ihn mit Flecken und Dellen gezeichnet. Rundherum Container, Müllsäcke, ausrangiertes Gartenmobiliar. Dass hier vor einigen Jahren noch ein mehrstöckiges Fabrik­gebäude stand, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Dass dieses Bauwerk im Konsens der gesamten Bevölkerung abgerissen wurde, noch viel weniger.

eine Youngtimer-Werkstatt, die sich schon bald des verrosteten Audi 80 annehmen wird. In kürzester Zeit hat sich das neue Zentrum Via Adriana zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt.

Der teilweise Abbruch des historischen Industriebauwerks ist das Resultat einer dreitägigen Ideenwerkstatt Anfang 2014. Der Großteil der Anlage war in einem ziemlich desolaten Zustand und wurde dem Erdboden gleichgemacht, lediglich zwei Gebäudeteile blieben als Zeitzeugen erhalten. Mit den Abbruchziegeln wurde ein Holz-ZiegelHybrid­bau errichtet, in dem sich heute ein Veranstaltungssaal, das Gerätelager der Feuerwehr sowie eine riesige Modelleisenbahnanlage befinden. Die Holzfassade und die feuerroten Polycarbonatwellplatten machen den neuen Akzent unübersehbar. Im angrenzen Altbestand befinden sich eine urige Bierkneipe und

Das wahrscheinlich außergewöhnlichste Projekt befindet sich gerade in Umsetzung: Aufgrund des starken Borkenkäferbefalls in Südwestfalen gibt es in der Region viele kaputte Bäume, die jedoch nach wie vor hervorragende konstruktive Eigenschaften aufweisen. Mit der partizipativ entwickelten PR-Kampagne Käferholz soll die Schadholzverwertung mithilfe von Pilotprojekten vorangetrieben werden.

Ort Bad Berleburg, Nordrhein-Westfalen, D Einwohner:innen 20.000 Auftraggeberin Stadt Bad Berleburg Förderprogramm REGIONALE Südwestfalen 2013, REGIONALE Südwestfalen 2025 1. Ideenwerkstatt Januar 2014 Weitere Ideenwerkstätten 2019, 2020 Projektpartner 51.5° architekten, Swen Geiss, London/Wuppertal (Siegerprojekt Architekturwettbewerb zur Umsetzung Zentrum Via Adrina), post welters + partner Architeken & Stadtplaner (Verfahrensorganisation Architekturwettbewerb Zentrum Via Adrina)

Bad Berleburg

Aus dem Erfolg der REGIO­ NALE 2013 schöpfend, entschied sich die Gemeinde, bei der REGIONALE 2025 abermals auf die Expertise von nonconform zurückzugreifen. Diesmal ging es darum, an „Aber genauso ist es“, sagt mehreren Teilprojekten im Bernd Fuhrmann, Bürgermeis- Ort punktuelle Veränderungen ter von Bad Berleburg. „Früher vorzunehmen. befand sich hier die Schuhleistenfabrik Hartmann, und Dazu zählen beispielsweise fast jede:r im Ort kennt der Goetheplatz im Zentrum irgendeine Person, deren von Bad Berleburg, der Onkel und Tanten hier mal mithilfe eines durch Zufallsgearbeitet haben. Für die prinzip gewählten 13-köpfigen Gemeinde war das Areal ein Bürgerrats von Autos befreit wichtiger Identitätspunkt. wurde. Oder etwa die StadtDoch nach über zehn Jahren bücherei, die zu einem zuLeerstand haben wir alle kunftsfähigen „dritten Ort“ mit einsehen müssen, dass das 17 kleinen „Bücherinseln“ als ungenutzte Erbe auch eine mobile Dependancen im geBelastung ist, weil es künftige samten Ortsgebiet ausgebaut Entwicklungen bremst.“ und dezentralisiert wurde.

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seits aber auch Südwestfalen auf die mentale Landkarte katapultieren. „Wir sind eine der stärksten Arbeitgeberregionen in Deutschland“, sagt Arens, „aber wir werden bundes- und europaweit kaum wahrgenommen, weder in Wissen Sie, wo Ihre KludiBerlin noch in Brüssel. Daher Waschtischarmatur produziert ist es notwendig, dass wir uns wurde? Wo der Lichthersteller zusammenschließen und mit Erco seinen Firmensitz hat? vereinten Kräften auftreten.“ Wo die Zulieferbetriebe von Boeing und Airbus zuhause Insgesamt 42 Einzelprojekte sind? Und wo der Standard- konnten im Rahmen der EU-Stecker für all unsere REGIONALE 2013 realisiert Elektroautos gebaut wird? Die werden. Eines davon betreute Antwort auf all diese Fragen nonconform im Rahmen einer lautet: Südwestfalen. Die Ideenwerkstatt, und zwar die Region im Herzen Nordrhein- Transformation einer historiWestfalens beheimatet rund schen Industriebrache in Bad 350 Industrieunternehmen, Berleburg (siehe Seite 85). darunter etwa 150 Weltmarkt- Der Erfolg des Projekts hat führer. „Noch sind wir auf sich in der gesamten ReGoogle Maps unter unserem gion herumgesprochen, und Regionennamen nicht zu so ist nonconform bei der finden“, sagt Stephanie Arens REGIONALE 2025 nicht nur von der Südwestfalen AgenConsulter, Projektentwickler tur, Leiterin der REGIONALE und Moderator von Vor-Ort2025, „aber das wird sich Beteiligungsprozessen in bald ändern.“ gleich mehreren Teilprojekten,

Das Land der interkommunalen Sternschnuppen

REGIONALE Südwestfalen

2008 startete Südwestfalen, ein Zusammenschluss von insgesamt fünf Landkreisen, seine erste REGIONALE. Das fünfjährige Programm zur kulturellen und wirtschaftlichen Stärkung der Region soll einerseits den hier ansässigen Unternehmen helfen, anderer86

sondern darüber hinaus auch strategischer Berater der REGIONALE 2025 an sich. „In so komplexen, mehrjährigen Prozessen tut uns allen der externe Blick sehr gut“, sagt Arens. „Vor allem auf politischer Ebene sind hier ein paar wertvolle Impulse entstanden, damit die eine Hand weiß, was die andere tut.“ Konkret: nonconform konzipiert und moderiert Weiterbildungen für die Mitarbeiter:innen der Bau- und Stadtplanungsämter, ruft zahlreiche Veranstaltungen wie etwa den „Tag der Dörfer“ ins Leben und veranstaltet den sogenannten „BürgermeisterBrunch“. Dabei können sich die 59 Bürgermeister:innen der Region – erstmals in der Geschichte Südwestfalens – in sehr lockerer Atmosphäre über Projekte austauschen, voneinander lernen und auf diese Weise Synergien schaffen. Langfristiges Ziel dieses analog wie digital funk-

ein interkommunales Konzept für soziale, wirtschaftliche, kulturelle und bildungstechnische Handlungsfelder, wobei Digitalisierung ein zentraler Motor dieser Entwicklung ist. Beim „Zukunftsquartier Drolshagen“ soll gemeinsam mit dem Mobilitätsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin auf rund 3,5 Hektar ein genossenschaftlich organisierter Lebensraum für Menschen auf dem Land entstehen. Ziel ist eine vernünftige Balance zwischen Wohnen und Arbeiten, zwischen Verdichtung und Naturbezug tionierenden Businessbrunsowie eine weitestgehend ches, der bislang sechsmal stattgefunden hat, ist die Ge- energieautarke Versorgung. In nese einer eigenen regionalen Olpe, dem Hauptsitz der SüdIdentität nach innen und außen. westfalen Agentur, wird das Quartier rund um den Bahnhof aufgewertet; in Lennestadt Weitere, ebenfalls von nonsoll das Zentrum mithilfe eines conform betreute Projekte: Bürgerbeteiligungsprozesses Die „5G*meinden“ Halver, Herscheid, Kierspe, Meinerz- revitalisiert werden; und in Attendorn möchte die Gehagen und Schalksmühle haben sich zur Subregion „Oben meinde eine alte Industriehalle aus Privatbesitz aufkaufen und an der Volme“ zusammengeschlossen und erarbeiten nun in einen Zukunftscampus mit

Ort Region Südwestfalen, Nordrhein-Westfalen, D Einwohner:innen 1,4 Millionen Projektgröße 6.200 km2, 59 Kommunen Auftraggeberin Südwestfalen Agentur GmbH sowie die Kommunen Halver, Herscheid, Kierspe, Meinerzhagen, Schalksmühle, Drolshagen, Lennestadt und Attendorn 1. REGIONALE 2013 2008–2013 2. REGIONALE 2025 2018–2025 Projektpartner Andreas Knie

Wohnen, Arbeiten, Hotel und Ausbildungsstätten ausbauen. Allen Projekten liegt ein cleveres Sternesystem zugrunde, das den klassischen Qualitätswettbewerb um eine Prozesskonkurrenz erweitert: Den ersten Stern gibt es für ein gutes Konzept, den zweiten für eine ausgereifte Ausarbeitung mitsamt Kostenschätzung und Träger- und

Organisationsstruktur, den dritten schließlich für ein zu Ende entwickeltes Projekt, das mit dem Zuwendungsbescheid sofort umgesetzt werden kann. Schon bald wird man die Region Südwestfalen als Deutschlands rising star wahrnehmen. 87

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daheim Wohnen ist eine komplexe Materie: Einerseits bedient sie individuelle Wünsche und Träume, andererseits aber gibt sie unserer Gesellschaft und unserem Umgang mit Grund und Boden eine kollektive Form. Wie findet man da bloß die richtige Balance?

Der Schweizer Zirkusdirektor Louis Knie junior, 1974 in Zürich in eine

hat, war so wenig und so selten daheim, was für eine Verschwendung! Morgens Zirkusdynastie hineingeboren, lebt seit hatte ich ihn immer beim Kaffeetrinken seiner Kindheit im Wohnwagen, hatte am Fenster gesehen, und eines Tages war noch nie eine Wohnung, will sich ein er plötzlich weg, einfach von der BildLeben auf betonierten Fundamenten fläche verschwunden.“ Aus der detektivinicht einmal in seinen kühnsten Träuschen Suche nach dem hübschen Geselmen ausmalen. „Gemeinsam mit meiner len wurde schließlich Liebe, wenn auch nicht wirklich auf den ersten Blick, heute Lebensgefährtin und meinem Hund Amore wohne ich in einem 18 Meter lan- wohnt die Kabarettistin mit dem Subjekt gen, vier Meter breiten Zirkuswagen, mit ihrer Begierde in jener Wohnung, in die dem ich durch ganz Europa toure und sie einst hineinspionierte. der mal beim Kartenbüro, mal bei den Künstlergarderoben, mal zwischen Und die österreichische Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger erinnerte Futterstation und Stromaggregat steht. sich gerne an ihre kleine Wohnung in der Alles, was wir brauchen, ist eine GasWiener Innenstadt, in der sie in den späflasche, eine Starkstromsteckdose und ten 1950er-Jahren zur Untermiete wohnte: ein Wasserhydrant, an den wir uns anschließen können. Das ist mein Leben.“ „Das war eine lustige Dachgeschosswohnung, den Vorraum habe ich mir mit der Die deutsche Schauspielerin Elke Win- ältesten Hure Wiens geteilt, und unter kens wiederum hat ihr Zuhause gefun- mir wohnte eine demente 90-jährige den, indem sie jahrelang ihren Nachbarn Dame, die sich eingebildet hat, sie lebt beim Wohnen beobachtete. „Mein Gott, noch in der Jugend und sei Stubenmädchen“, erzählte Nöstlinger kurze Zeit vor so eine große Wohnung, habe ich mir damals gedacht“, erzählt sie im Interview. ihrem Tod. „Stundenlang war sie bei mir „Und der fesche Mann, der da gewohnt in der Kuchl und hat gesagt: ‚Gnä’ Frau, 90

Einzug in die Gemäuer von uns allen. Mit dem Beginn einer neuen, bürgerlichen Wohnkultur wurde zunächst bloß die männliche Seite bedient. „Im Cabinet de Travail“, schreibt die Wiener Architekturtheoretikerin und Wohnforscherin Sabine Pollak in ihrem Wohnanlage ohne Zäune und Barrieren: Baugruppe B.R.O.T. in Pressbaum, Niederösterreich

tut mir leid, aber die Zimmer im fünften Stock schaff’ ich heut nimmer.’ Wohnen ist schon was Lustiges.“ Wohnen ist aber vor allem etwas Vielschichtiges, etwas Heterogenes, etwas oft in sich Widersprüchliches.

Geschichtlich überlieferte Ansätze europäischer Wohnkultur reichen bis in die Antike zurück. Ausgrabungen in Rom, Pompeji, am Peloponnes, in Kleinasien und Nordafrika sowie zahlreiche bildliche, schriftliche Dokumentationen legen davon Zeugnis ab. Mit dem Untergang des alten Griechenlands und des Römischen Reichs fand die habitable Kultur ein jähes Ende. Während sich eine adelige, königliche, herrschaftliche Wohnkultur bereits seit der Renaissance wieder von Neuem formieren konnte, musste das Bürgertum bis ins 19. Jahrhundert warten. Erst mit dem Biedermeier hielt das bewusste, inszenierte Wohnen – mit rund 2.000 Jahren Verspätung – wieder

Buch Kochen, Essen, Lieben. Architektur des privaten Wohnens, „verwirklicht sich mit dem Zimmer des Herrn des 19. Jahrhunderts ein zentrales Wunschgebilde männlichen Wohnens. Von Männlichkeit besetzte Räume sprechen – mehr als es Frauenräume jemals tun könnten – von einem in Architektur und Form übersetzten Begehren schlechthin.“ Kein anderes Zimmer jener Zeit, so Pollak, spreche so sehr von Selbstbe­ stätigung, Einsamkeit, Macht und Melan­ cholie zugleich. Erst mit der Jahrhundertwende um 1900 – und mehr noch mit der allmählich aufkeimenden Moderne – entwickelt sich im europäischen Wohnen erstmals auch eine 91

nicht an aktiven Tätigkeiten, sondern an jener Eigenschaft, die mit dem Idealbild des Weiblichen verbunden wurde: Passivität.“ Mit zahlreichen Wohnprojekten von Adolf Loos, Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe, vor allem aber mit der Pionierarbeit von Elisabeth von Knobelsdorff, der ersten diploAusreichend Zeit für Entwurfsgespräche mierten Architektin Deutschlands, sowie den oft missverstandenen sogenannte weibliche Wohnidentität, die Wohnkonzepten der Architektin und über das bislang praktizierte Pflegen und Widerstandskämpferin Margarete SchütteHaushalten allein hinausging. Sofern es Lihotzky, die in Wien, Frankfurt am Main und im russischen Magnitogorsk der meist knappe Wohnungsgrundriss zuließ, wurde diese neue Weiblichkeit ganze Zinshaus- und Arbeitersiedlungen entwarf, wird die Frau in der Archiin ein Boudoir oder in ein sogenanntes Zimmer der Dame eingeschlossen. „In tektur nun endlich zur (nahezu) gleichjedem kleinsten Detail sollten die idea- berechtigten Wohnenden. Es mussten len weiblichen Eigenschaften verkörpert noch viele Jahrzehnte vergehen, bis die werden“, schreibt Sabine Pollak, diesmal Kultur des Wohnens an sämtliche Bürin ihrem Buch Leere Räume. Weiblichgerinnen und Bürger unabhängig ihres keit und Wohnen in der Moderne. „AnGeschlechts, ihrer Identität, ihrer natioordnung, Ausstattung und Stimmung nalen und ethnischen Herkunft sowie des Zimmers der Dame orientierten sich ihres privaten, individuellen Lebensstils gleichermaßen adressiert werden konnte. „Heute haben wir es mit einer Form von Wohnkultur zu tun“, sagt

So geht Gemeinschaft: Party in der Baugruppe B.R.O.T. 92

nonconform, „die sich nicht nur durch eine hohe ­Diversität und Heterogenität auszeichnet, sondern auch durch eine zunehmen­de Emanzipation der Wohnenden.“ Das Spektrum umfasst nicht nur Miet- und Eigentumsformen, sondern auch Baugruppen,

entsprechende Grundrisse und Rechtsformen gegossen werden können. Immer öfter finden sich auch Wohnmodelle, die neben Kochen, Essen, Schlafen auch Räume zum Arbeiten umfassen.

Eine urbane Dorfgemeinschaft

des 11 Hektar großen Areals entsteht im Auftrag des frei finanzierten Bauträgers ARE ein Holzhybridbau mit rund 60 Wohnungen und einer Handvoll anmietbarer Ateliers im Erdgeschoss. Das Projekt ist Resultat eines geladenen Architekturwettbewerbs und soll demnächst an eine 150-köpfige Baugruppe übergeben werden.

Das Haus gliedert sich in unterschiedlich hohe Bauteile mit teils begehbaren, teils begrünten Dachterrassen und verfügt über zwei Treppen­ häuser. Der Innenausbau besteht zum überwiegenden Teil aus vorgefertigten, un­ verkleideten Holzelementen. Um dem Gedanken einer urbanen Dorfgemeinschaft gerecht zu werden, wurde der Laubengang zu einem begrünten gemeinschaftlichen Freiraum mit Nachmittags­ Wie zaubert man dörflichen sonne erweitert. Außerdem Charakter mitten in die Stadt? gibt es ein Café, einen VerDiese Frage zu beantworten, anstaltungsraum, diverse Geist Aufgabe des Stadterweimeinschaftsräume sowie eine terungsgebiets Village im zweigeschossige Bibliothek Dritten. Am südlichen Ende mit Blick auf die Stadt.

Auffälligstes Element ist die Holzfassade mit charakteristischen Betonbändern und auskragenden Betonbalkonen, die sich wie halbmeterdicke Schaufeln in den Stadtraum hinausschieben. Der Clou: Die gesamte Balkonplatte fungiert als Trog und kann aufgrund des hohen Erdkoffers intensiv begrünt werden. Dem ländlichen Paradies vor der Balkontür steht nichts mehr im Wege.

Ort Wien, A Projektgröße 7.450 m2 Bruttogeschossfläche Auftraggeber ARE – Austrian Real Estate Wettbewerb Januar 2022 Umsetzung 2022–2024 Projektpartner Lindle+Bukor atelier für landschaft Baukosten 12 Millionen Euro 93

Quartiershaus & Baugruppe Village

Wohngruppen, Wohngemeinschaften und zahlreiche Varianten von Pacht und Erbbaurecht, die mit unterschiedlichen Graden von Beteiligung bespielt und in

„Obwohl Baugruppen, Wohngemeinschaften und Partizipationsprojekte derzeit noch einen prozentuell geringen Anteil an der Wohnbauleistung in Deutschland und in Österreich ausmachen“, so nonconform, „sind sie aus der heutigen Wohnlandschaft nicht mehr wegzudenken. Einerseits erkennen wir eine fortschreitende Individualisierung

der Gesellschaft, andererseits aber steigt auch der Wunsch nach Zusammenleben in der Gruppe. In diesem Spannungsfeld liegt noch viel Entwicklungspotenzial.“ Vielen Leuten ist es zu wenig, bloß

Holzbau in Stavanger, Kooperation mit Eder Biesel Arkitekter

Die Wiederentdeckung dörflichen Wohnens

Wohnraumentwicklung Bad Feilnbach

Bad Feilnbach ist bekannt für seine Moorbäder. Doch nachdem das Kurhotel Tannenhof in die Jahre gekommen war, wurde es eines Tages aufgegeben und abgerissen. Die Wohnbauträgerin Quest Baukultur GmbH entschied sich auf dem zentrumsnahen Grundstück für Geschosswohnbau. Baumasse und 94

Konsument:innen eines bereits bestehenden Angebots zu sein. Sie wollen sich in die Gestaltung ihres Wohnens aktiv einbringen, sie wollen als Macher:innen und Produzent:innen partizipieren – sei es im Maßstab der Grundrissentwicklung und Materialwahl, sei es im Maßstab des unmittelbaren Wohnumfelds, was etwa soziale und infrastrukturelle Einrichtun­gen betrifft, sei es im städtebaulichen Maß­ stab der Ortsfindung, Freiraumge­staltung und typologischen Schwerpunktsetzung. „Mittels Beteiligungsprozessen, die von privater oder öffentlicher Hand eröffnet werden“, sagt nonconform, „können sich Menschen in die Gestaltung ihrer eigenen

Bebauungsdichte standen bereits fest, doch die Art und Weise, wie die Wohnund Nutzflächen auf dem Areal zu verteilen sind, wurde gemeinsam mit den Bad Feilnbacher:innen entwickelt. Außerdem sollte der Dorfcharakter bewahrt werden – mit Brunnen, Hofbäumen und mehreren Durchwegungen.

durch die Anlage ein frischer, zeitgenössischer Wind.

Der neue Tannenhof umfasst 50 Wohnungen, Arztpraxis, Kindertagesstätte, Coworking-Spaces und eine ambulante Wohngemeinschaft. Herzstück ist das sogenannte „Bad Feilnbacher Wohnzimmer“, ein Dreh- und Angelpunkt für die Gemeinde, ein Treffpunkt für Jung und Alt. Wohnen im ländlichen Raum? Im Mai 2019 wurde die Bevölkerung zu einer Ideenwerk- Eine attraktive Alternative zum statt eingeladen. In mehreren Einfamilienhaus. Arbeitsgruppen wurden verschiedene Bebauungsszenarien erarbeitet und anschließend auf Herz und Ort Nieren geprüft und diskutiert. Bad Feilnbach, Am Ende wurden die verBayern, D schiedenen Entwurfsvarianten Projektgröße 5.000 m2 in einer optimalen Symbiose Auftraggeberin miteinander verschmolzen. Stadt Bad Feilnbach Dieses städtebauliche ErgebIdeenwerkstatt nis bildete die Grundlage für Mai 2019 den Entwurf des regionalen Umsetzung Architekturbüros HKF. Das 2021–2023 Regionale spiegelt sich auch Projektpartnerin Quest Baukultur in der Architektur wider: GmbH Satteldach, hölzerne FensterArchitektur läden, grober Putz mit BesenHKF Hölzl Knote Frischholz strich – und dennoch weht

Auch auf dem Land gibt es Bedarf an Wohnungen.

Land wirklich jemand in einer hohen Aufwendungen für Wohnung oder einem Reihen- Infrastruktur. Welche Antwor­ haus wohnen möchte. ten geben Sie darauf? Wir bauen ausschließlich Wer sind die Menschen, die Mehrfamilien- oder Reihendieses Angebot in Anspruch häuser, und wo es geht, sanienehmen? ren wir bestehende Substanz. Bei den Wohnungen sind es Dies ist allerdings häufig Sie machen Immobilienent­ zu ca. 70 Prozent Einheimische teurer als ein Neubau. Aber wicklung auf dem Land, mit oder Ausheimische (Menschen, die steigenden Abriss- und die aus einem Ort stammen Entsorgungskosten machen einem Fokus auf Quartiere. Was sind dabei die spezi­ und wieder zurückkehren), bei die Sanierung zunehmend ellen Herausforderungen? den Reihenhäusern mehrheit- interessanter, und auch die Ich komme vom Land, da lich Familien mit meist kleinen Wertschätzung für Bestand Kindern, die von der Stadt aufs wächst. Das Bewusstsein für kenne ich mich aus mit den Strukturen, und das hilft uns Land ziehen. kreislaufgerechtes Bauen ist bei unseren Projekten. Es ist aber noch ausbaufähig. wichtig, dass wir die richtige Welche Veränderungen hat Sprache sprechen. So empCorona mit sich gebracht? Alle Ihre Projekte erfolgen finden Menschen in kleinen Corona hat Dinge beschleumit Bürgerbeteiligung. Orten etwa eine Dorfwiese als nigt, die schon vorher da waWarum machen Sie das? ihre – auch wenn sie konkret ren. Es gibt ein starkes Bedürf- Es gibt in der Gesellschaft einer Person gehört. Diesen nis nach Sicherheit und Natur, einen Wunsch nach Teilhabe. unausgesprochenen Anspruch und mit Homeschooling und Wir profitieren von den Ideen auf Mitsprache gilt es mitzuHomeworking sind Distanzen der Einheimischen, indem denken. weniger bedeutsam geworden. wir neue Erkenntnisse über Für uns bedeutet das auch ein ihren Ort gewinnen. Dazu Wie wirkt sich dies speziell Umdenken beim Zuschnitt der kommen unterschiedliche beim Thema Wohnen aus? Wohnungen, die vielfältiger Blickwinkel auf ein Projekt: Ursprünglich lebten mehrere nutzbar sein müssen. Ein reines Eine 75-jährige alleinstehende Familien unter einem Dach Schlafzimmer steht ja viele Frau hat andere Bedürfnisse und erst in den letzten 50 bis Stunden am Tag leer – dafür als ein junges Pärchen oder 70 Jahren hat sich das Einfa- gilt es innovative Lösungen zu eine fünfköpfige Familie. milienhaus als dominante Bau- entwickeln. Am Ende verstehen wir alle form auf dem Land etabliert. Interessierten auch als potenUnd das hat sich so in den Das Wohnen auf dem Land zielle Kund:innen. Köpfen festgesetzt, dass uns verbraucht viele Ressour­ die Gemeindeverantwortlichen cen – von der Mobilität über oft fragen, ob denn auf dem den Flächenverbrauch bis zu

Max von Bredow

Max von Bredow ist geschäfts­ führender Gesellschafter der QUEST BAUKULTUR GMBH, einem Familien­unter­ nehmen, dessen Schwerpunkt auf der Konzeption und Umsetzung andersartiger Immobilienprojekte und Quartiere speziell im ländlichen Raum liegt.

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Wohnkultur einbringen. Wir verstehen diese Art von Planung als Hybrid aus unserer eigenen architektonischen, baukulturellen Expertise und einer punktgenauen, zielorientierten Dienstleistung, denn wir entwickeln mit den Menschen genau das, was sie brauchen und wonach sie sich sehnen – und schaffen so einen Rahmen für gutes Zusammenleben.“

Partizipationsprozess, in dem es vor allem darum ging, die 5.000 Quadratmeter Nutzfläche auf dem Grundstück eines ehemaligen innerörtlichen Kur­hotels möglichst sensibel zu ver­ teilen. Der co-kreativ entwickelte Masterplan umfasst ein paar größere, verdichtete Wohnhäuser, die sich wiederum um einen freien, begrünten Innenhof gruppieren. Im Fokus des neu geschaffeSo geschehen etwa in der bayerischen nen Wohnquartiers stehen öffentliche Gemeinde Bad Feilnbach im SüdwesDurchwegungen, unverbaute Sicht­ten Rosenheims. In Kooperation mit achsen auf den Hausberg, ein öffent­ liches Wohnzimmer für alle sowie ein der Wohnbauträgerin Quest Baukultur GmbH und der lokalen Bevölkerung Brunnen als markanter, identitätsstif­ startete nonconform einen mehrteiligen tender Mittelpunkt. Das neue Haus entsteht anstelle eines für die heutigen Ansprüche nicht adaptierbaren Vorgängerbaus. Es basiert auf dem Modell der Hausgemeinschaft, das hier erstmals für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen umgesetzt wird. In jeder Hausgemeinschaft leben 12 bis 14 Menschen in Einzelzimmern mit Vorraum, Bad und WC. Sie teilen sich einen gemeinsamen Wohnund Küchenbereich sowie eine sehr großzügige Loggia. Farben und Kontraste erleichtern die Orientierung, Durchblicke und großformatige Fenster erlauben auch bei eingeschränkter Mobilität einen intensiven Bezug zum Außenraum sowie das Erleben von Wetter und JahresBlinden und sehbeeinträchtig- zeiten. Zwei Gemeinschaften können gekoppelt werden und ten Menschen im Alter einen würdigen Platz zum Leben zu ermöglichen damit eine nächtbieten, der so nahe wie mög- liche Betreuung durch eine lich an ihren bisherigen Alltag Person. Ein besonderes Ananknüpft, ist Aufgabe des gebot sind zwei HausgemeinJohann-Wilhelm-Klein-Hauses schaften für sehbehinderte in Wien, wobei ein SchwerMenschen mit Demenz. punkt in der Begleitung von Menschen liegt, die erst im Die Anordnung der vier GeAlter erblinden. bäudeteile zu zwei Doppel­-

Haus für Blinde

Zimmer mit Aussichten

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häusern mit einer transparenten Verbindung im Erdgeschoss ist angepasst an die heterogene Struktur der Umgebung mit frei stehenden Stadthäusern, Bahnlinie und Gewerbeflächen. Vor- und Rücksprünge gliedern die Baukörper, ein schöner Garten mit Blumenduft und beidseitig durch­gängigen Handläufen entlang der Wege bietet Platz für sinnliche Erlebnisse.

Ort Wien, A Projektgröße 11.000 m2 Auftraggeberin Österreichische Blindenwohlfahrt gemGmbH Umsetzung 2020–2022 Interiordesign Luger & Maul Architekten Baukosten 17,3 Millionen Euro

großzügigen Angebot an Gemeinschaftsräumen zu errichten. Um die kompakten Grundrisse zu kompensieren, gruppieren sich die privaten Miniwohnungen jeweils um eine zentrale Geschossküche. Dass Beteiligung nicht schon im frühestmöglichen Stadium starten muss, sondern

In Berlin, Bezirk Wilmersdorf-Charlottenburg, hat nonconform gemeinsam mit der Mostra KG und Partner und Partner Architekten im Rahmen eines Forschungsprojekts der Deutschen Bundesumweltstiftung (DBU) einen Holzbauprototypen für gemeinschaftliches Wohnen entwickelt. Ziel war das Ausloten von Planungsparametern zwischen klassischer Architekturplanung und individueller Bottom-up-Aneignung. Das Konzept sieht vor, in einem Innenhof an eine bestehende Brandwand – wie in einem Matador-Baukastensystem – einen Holzskelettbau mit minimalistischen Wohnräumen und einem entsprechend

sich die Bewohner:innen auch zu einem späteren Zeitpunkt in den Planungs- und Partizipationsprozess einklinken können, beweist ein Projekt im dritten Wiener Gemeindebezirk. Für den gewerblichen Wohnbauträger Austrian Real Estate (ARE) entwickelt nonconform einen Wohnbau mit rund 60 Wohnungen und ein paar anmietbaren Büros und Ateliers, der im neuen Stadtentwicklungsgebiet „Village im Dritten“ eine neuralgische Funktion als Scharnier zwischen alter und neuer Stadt, zwischen Hauptverkehrsader und Fußgängerzone einnehmen wird.

Ausprobieren als Entscheidungsgrundlage: Raumentwicklung am Modell 97

nonconform Manifest

Das Sudoku der Architektur, oder: Warum wir KEINE EINFAMILIENHÄUSER mehr planen

Im Jahr 2007 traf nonconform eine radikale, für das Büro zukunftsweisende Entscheidung. Der Text erschien im selben Jahr in Heft 5 der Zeitschrift architektur aktuell, hier eine gekürzte und leicht überarbeitete Fassung.

Es war einmal ein ganz kleines, junges Architekturbüro. Es erblickte das Licht der Welt, getragen von dem Wunsch, selbstbestimmt zu arbeiten und dabei auch ein bisschen die Welt zu verändern. Die Leute mieteten Räume, malten sie schön aus und erzählten all ihren Freund:innen, dass sie nun ein süßes kleines Architekturbüro besaßen, das Hunger hätte. Bald kam ein nettes Ehepaar und brachte Nahrung: einen Auftrag für ein Einfamilienhaus.

Nach zwei Bissen merkte es: Das schmeckt nicht gut. Hungern ist manchmal vielleicht doch besser als schlechtes Essen. Und es machte sich wieder auf zu den Leuten und erzählte, dass es Hunger habe. Und siehe da, nach einiger Zeit brachte ihm jemand ein schönes, großes und wunderbar tomatenrotes Theater. Da wurden die Augen ganz groß vor Gier, und es schnappte sich das außergewöhnliche Mahl und verspeiste es mit Haut und Haar.

Da wuchs das kleine, süße Architekturbüro sofort um ein ziemliches Stück. Nun war daraus recht schnell ein größeres Architekturbüro geworden, und das hatte auch mehr Hunger. Es machte sich jedoch keine Sorgen. In einer Welt, in der es so schöne, fette Theaterhappen gab, würde es sicherlich nicht verhungern. Nach geraumer Zeit allerdings wurde das Magenknurren Das kleine Architekturbüro wieder lauter. Da kam eine hatte eigentlich auf anderes schöne junge Frau und fragte: Essen gehofft. Und hatte „Hast du Hunger? Willst du ein schlechtes Gefühl dabei, etwas essen? Ich habe hier keine Bioprodukte zu essen, wie man es in der Ausbildung ein Einfamilienhaus!“ Das gelernt hatte. Aber der Hunger Architekturbüro erinnerte sich zwar daran, dass diese Speise war groß, und es griff zu. 98

nicht bio war und auch schon beim letzten Mal nicht wirklich gemundet hatte, doch die Frau war sehr nett und der Hunger mittlerweile riesig. Der Bauch kam dem Hirn zuvor und traf die Entscheidung: Es nahm und aß. Und wie hervorragend mundeten die ersten Bissen! Im Abgang war es jedoch ein wenig bitter, und die Sache hatte einen Haken: Es war eine heimtückische Speise, die extrem intensive und lange Verdauung benötigt und dabei viel mehr Energie verbraucht als sie zuführt. Glücklicherweise bekam das Architekturbüro später wieder ordentliche Sachen zu essen, denn hätte es sich fortan nur noch von Einfamilienhäusern ernährt, so wäre es wohl langsam, aber sicher qualvoll an Energieverlust gestorben. Die Moral von der Geschicht’: Einfamilienhäuser ess’ ich nicht. Klassische Einfamilienhäuser sind unserer Meinung nach eine entwurfstechnische Spielwiese und detailverliebte Herausforderung. Sie sind die Gesellenstücke der Architektur. Einfamilienhäuser sind

Die Moral von der Geschicht’: Einfamilienhäuser ess’ ich nicht.

Lockerungsübungen mit Anstrengung. Einfamilienhäuser sind eine innige Verbindung zur Bauherrschaft, sie bringen die therapeutische Seite der Architekt:innen zum Vorschein. Einfamilienhäuser sind das Sudoku der Architektur und ein Meilenstein auf dem Weg zum Burnout. Klar kann ein Architekturbüro mit der Planung von Einfamilienhäusern sein Einkommen bestreiten. Für unser Architekturbüro sehen wir jedoch keine realistische Möglichkeit, davon gut zu leben. Wir vier von nonconform [das Büro bestand damals aus vier Partnern] sind in Ein- und Zweifamilienhäusern

auf dem Land aufgewachsen und haben es genossen. Frei stehende Häuser können wunderbarer Luxus sein und sind in einzelnen Regionen auch historisch gewachsen. Meist jedoch sind diese in Verbindung mit Arbeitsräumen und Beschäftigung vor Ort entstanden. Generell sind die Auswirkungen von Einfamilienhäusern eine Ressourcenverschwendung par excellence – an Grund und Boden, an Material, an Energie. Sie stören das Landschaftsbild, verwischen die Grenzen von Stadt und Land und sind der Tod von Stadt- und Dorfzentren. Aus unseren Erfahrungen ziehen wir als Architekten die Konsequenz und verab-

schieden uns zukünftig vom Einfamilienhausbau. Wir nehmen diesen Essay nun zum Anlass, die Initiative www.wir-planen-keineEinfamilienhaeuser-mehr.at [heute nicht mehr aktiv] mit sofortiger Wirkung zu gründen. Sobald wir 1.000 Unterstützer:innen haben, besetzen wir die Blaue Lagune, gründen einen Bauträger, fusionieren ihn mit einer Fertigteilhausfirma und revolutionieren den verdichteten Wohnbau.

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Zwischen Baugruppe und Immobilienmarkt

Berlin boomt. Wohnraum ist knapp und teuer, und professionelle Immobilienentwickler:innen dominieren den Markt. Doch es gibt auch private Hausbesitzer:innen, deren Engagement wichtig bei der Lösung des Wohnungsproblems ist. Die Mostra KG möchte mit dem Fairberliner Haus einen Weg aufzeigen, der zwischen einer basisdemokratischen Baugruppe und einer Investorenplanung angesiedelt ist und auch andere inspirieren und zur Nachahmung anregen soll.

Forschungsprojekt Fairberliner Haus

Die Ausgangslage ist ein klassisches Berliner Mietshaus im Bezirk WilmersdorfCharlotten­burg. Der Hof mit einer dominanten Brandwand wird aktuell nicht genutzt und bietet Platz für eine innerstädtische Verdichtung. „Wir wollen hier als private Hausbe­ sitzerin ein sozial verträgliches Projekt errichten, das einen Mehrwert für die Bewohner:innen, aber auch für den Kiez schafft“, sagt Ruth Jacob von der Mostra KG. Für diese ungewohnte Herangehensweise wurde nonconform als Prozessbegleitung gewählt.

Ort Berlin, D Auftraggeberin Mostra KG Projektentwicklung 2019–2021 Förderung Deutsche Bundesstiftung Umwelt Projektpartner Partner und Partner Architekten 100

Im ersten Ideenlabor erprobte die Gruppe in einem Rollenspiel unterschiedliche Aspekte der alltäglichen Organisation und des Zusammenlebens im breiten Spektrum zwischen Privatheit und öffentlicher Zugänglichkeit. Im folgenden Ideenlabor wurden die zwischenzeitlich entwickelten Grundrisse einem Härtetest unterzogen – wobei sich zeigte, dass es gerade beim kompakten gemeinschaftlichen Wohnen mit geringer Wohnfläche pro Person darauf ankommt, großzügige Gemeinschaftsflächen zu bieten, um um ausreichend Wahlfreiheiten zu ermöglichen.

Das Ergebnis ist ein Reglersystem, das ähnlich einem Mischpult für jede Entscheidung drei Einstellungsbereiche bietet: Die Bauherrschaft entscheidet vorab alleine, es werden in der Planung Voraussetzungen für die Ausgestaltung durch die Nutzer:innen definiert, oder aber Aspekte werden bewusst offengelassen und den Nutzer:innen überantwortet. Diese Herangehensweise zeigt die Bandbreite zwischen einer zentralisierten Um frühzeitig im Rahmen eines Planung und einer Baugruppe Forschungsprojekts und paral- und könnte ein Modell für lel zur Entwicklung einer Archi- die Zukunft sein. Denn es tekturstudie die Perspektive ist wichtig, dass „Gebäude von potenziell interes­sierten und Herangehensweisen viel Bewohner:innen einzubezieflexibler werden müssen, um hen, wurde mit den Ideenneue Lösungen für urbanes laboren ein innovatives Format Wohnen anzubieten“, wie es entwickelt, das es ermöglichte, Sabine Djahanschah von der durch Zielgruppenvertreter:in- Deutschen Bundesstiftung nen die Bedürfnisse zukünftiger Umwelt formuliert. Mieter:innen zu simulieren. Die zentrale Fragestellung lautete, wie eine Wohnform entstehen kann, die im Alltag viel Gemeinschaft fördert und fordert, mit effizienten und kompakt gestalteten Grundrissen, um für viele bezahlbar zu bleiben.

nun auch bei den großen Playern in der gemeinnüt­ zigen und frei finanzierten Wohnungswirtschaft ange­ kommen ist.“ Und auch die Politik ist hellhörig gewor­ den: Aktuell erstellt non­ conform für das Bundes­ land Kärnten einen neuen Leitfaden für die Förderung von Baugruppenprojekten.

Baukultur und Kommunikation in höchsten Tönen: Eichhof in Innsbruck

Die Basisstruktur ist bereits entwickelt, nun begibt sich die ARE auf die Suche nach potenziellen Baugruppen, die sich in den kommenden Monaten in den Planungsprozess einbringen und ihren persönlichen Wohnwünschen auf diese Weise eine dreidimensionale Form ver­ leihen möchten. „Die Nachfrage nach selbstbestimmtem Wohnen nimmt kon­ tinuierlich zu“, sagt nonconform. „Daher freuen wir uns, dass das Thema Parti­ zipation und individualisierte Planung nicht nur ein Nischenthema ist, sondern

Zu den weiteren Projekten des Büros zählen bei­ spielsweise ein Holzbau in Stavanger, Norwegen, der minimalis­ tische Wohnkomplex MISCHA in der Seestadt Aspern, die Klederingerstraße in Wien, die Eichhof-Entwicklung in Inns­ bruck sowie zahlreiche Wohnbauten und Wohnquartiere im städtischen und länd­ lichen Raum in Österreich und Deutsch­ land. In jedem Fall konzentriert sich das Aufgabengebiet auf kollektives, gemein­ schaftliches Wohnen – und damit auf eine Abkehr vom klassischen Einfamilien­ haus als Keimling für die Speckgürtel und Siedlungsteppiche von morgen. „Obwohl wir uns als Dienstleister:innen für die Menschen verstehen und uns liebend gerne als Mediator:innen und Moderator:innen für Wünsche und

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Ingeborg Esser

Ingeborg Esser ist Haupt­ ge­schäfts­füh­re­rin des Bun­des­ver­bands deut­ scher Woh­nungs- und Im­mo­bi­li­en­un­ter­neh­men – kurz GDW. Ein Gespräch über die Zukunft urbanen und ländlichen Wohnens.

Bürger:innen­beteiligung steigert die Akzeptanz. Wo steht der Wohnbau in Deutschland heute? Die neue Regierungskoalition ist 2021 mit dem Ziel angetreten, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Wir wissen jetzt schon, dass das nicht gelingen wird. Grund dafür sind Baupreissteigerungen, Materialengpässe, aber auch der zunehmende Fachkräftemangel. Welche Auswirkungen hat das alles auf die Leistbarkeit? Massive! Hinzu kommt, dass es in den Hot-Spot-Großstädten an bezahlbaren Grundstücken mangelt und dass die Planungsprozesse aufgrund der steigenden Anforderungen viel zu lange dauern. Meine Prognose ist, dass der Wohnungsneubau 2023 leicht und 2024 dann so richtig einbrechen wird. Das wird sich auch in den Miet- und Kaufkosten niederschlagen.

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Wie ist es um die Wohnzufriedenheit bestellt? Wir erheben alle fünf Jahre die Wohnzufriedenheit unserer Mieter:innen. Und obwohl die Wohnungen immer teurer werden, ist diese sehr hoch. Das liegt zum einen am hohen Bau- und Ausstattungsstandard, zum anderen an den formellen Beteiligungsprozessen der Bewohner:innen und Nachbar:innen, die ja auch im Baugesetzbuch festgehalten sind. Bei größeren Projekten werden sie auch in die Gestaltung der Außenanlagen einbezogen. Das steigert die Akzeptanz und ist ein wich­ tiger Beitrag zur Stärkung der Stadt- und Quartiersgesellschaft. Können Sie ein Beispiel nennen? Wirklich banal, aber auch sehr aussagekräftig: In einer Berliner Wohnhausanlage mit überdurchschnittlich älterer Mieterstruktur wurden die Leute in die Planung des Spielplatzes einbezogen. Die Mehrheit war für einen Bouleplatz. Ich mag dieses Beispiel, weil es intelligente Alternativen zu Schaukel und Rutsche aufzeigt.

Das Wohnen in der Großstadt wird immer teurer. Denken Sie, dass das Leben auf dem stadtnahen Land dadurch wieder eine Renaissance erleben wird? Dieser Trend ist bereits feststellbar. Berlin ist unglaublich teuer geworden, aus diesem Grund wandern viele junge Leute ins Umland ab. Entlang der S-Bahn- und Regio-Achsen haben sich in den letzten Jahren einige Cluster gebildet. Wichtig sind auf jeden Fall Nahversorgung, Bildungsinfrastruktur, medizinische Versorgung sowie eine hochwertige öffentliche Verkehrsanbindung. Und Arbeitsplätze? Natürlich! Tesla hat soeben seine Gigafactory in Grünheide, keine 30 Kilometer von Berlin entfernt, errichtet. Muss nicht immer Herr Musk sein, aber eine attraktive Unternehmenslandschaft ist unverzichtbar. Das heißt: Kleine Kommunen in Metropolregionen können, sofern sie ihre Hausaufgaben gemacht haben, nachhaltig wachsen und wieder an Attraktivität gewinnen.

Wohnträume zur Verfügung stellen“, sagt nonconform, „sind wir im Kern unserer Seele Architekt:innen mit einer baukulturellen und gesellschaftlichen Verantwortung für die kommenden Generationen. Und in dieser Rolle als Anwält:innen der Zukunft ist es unserer Meinung nach unverantwortlich, Einund Zweifamilienhäuser zu bauen und damit kollektive Probleme wie etwa Zersiedelung und Pendlermobilität voranzutreiben. Daher haben wir uns vor etwa 15 Jahren dazu entschieden, diesen Bereich des Wohnens nicht weiter zu bedienen.“ Wie ernst es nonconform mit dieser Absicht meint, zeigt ein 2007 veröffentlichtes und viel beachtetes Manifest mit dem Titel Das Sudoku der Architektur. Oder: Warum wir keine Einfamilienhäuser mehr planen. Wohnen ist eine komplexe Materie.

Es ist einerseits ein Heimatort und Hort individueller Selbstverwirklichung, andererseits aber auch der kleinste Baustein von gesellschaftlicher Formgebung sowie von urbanen, ruralen und geogra­ fischen Siedlungsstrukturen – und damit auch von der Aneignung und Inbesitznahme materieller und immaterieller

Der jüngste Holzwohnbau von nonconform: Klederingerstraße in Wien

Stufenweise hinaus: Baugruppe B.R.O.T in Pressbaum

Ressourcen. Gerade in Zeiten steigender Miet- und Grundstückskosten, gerade in Zeiten schrumpfender Leistbarkeit, die dafür sorgt, dass das Grundrecht Wohnen mehr und mehr zu einer Prekariatsfrage wird, ist ein respektvoller Umgang mit Wohnfläche und Wohnraum unabdingbar. Oder, wie der Berliner Architekt Diébédo Francis Kéré, Pritzker-Preisträger 2022, meint: „Wir müssen mit dem Paradigma aufhören, dass sich die Reichen alles leisten können und mit Baustoffen und Grund und Boden verschwenderisch umgehen dürfen, während sich die Armen im Verzicht üben müssen. Jeder verdient Qualität, jeder verdient Luxus, und jeder verdient Komfort. Zugleich aber tragen wir alle auch eine Verantwortung in Bezug auf Klima, Demokratie und Knappheit. Wir sind miteinander verbunden, Wohnen geht uns alle an.“ 103

Holzhäuser am Waldesrand

einen Schwimmteich. Der Weg bis dahin war jedoch durchaus herausfordernd, denn neben Finanzmitteln erfordert ein Baugruppenprozess auch viel zeitliches und emotionales Engagement.

Baugruppe B.R.O.T.

„B.R.O.T. steht für Begegnen, Reden, Offensein und Teilen, und es ist den Bewohner:innen wichtig, innerhalb und Viele Menschen wünschen außerhalb der Gemeinschaft sich die Gestaltung des eige- solidarisch zu handeln und eine lebendige Nachbarschaft nen Lebensumfelds abseits des normierten Wohnungszu leben“, erklärt Johanna Leutgöb, Sprecherin der markts. Die Bewohner:innen Gruppe. Dabei gilt es, die Bader Baugruppe B.R.O.T. lance zwischen Privatheit und haben sich ihre Vision des gemeinschaftlichen Wohnens Gemeinschaft immer wieder am Rand des Wienerwalds, neu zu verhandeln und sowohl etwa 30 Zugminuten westlich in der Baugruppe als auch mit von Wien, erfüllt. Jetzt stehen den anfangs durchaus skepauf dem rund 14.000 Quadtischen Nachbar:innen in den umliegenden Einfamilienhäuratmeter großen Grundstück zehn Mehrfamilienwohnhäuser sern ein gutes Miteinander zu sowie ein Gemeinschaftshaus. finden. Jetzt, knapp vier Jahre nach dem Einzug, haben sich Für die rund 100 Menschen, alle Beziehungen sehr vieldie hier ihr neues Zuhause gefunden haben, gibt es sogar fältig und positiv entwickelt.

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Zu Beginn des Projekts waren allerdings Mut und Durchhaltevermögen gefragt, und nonconform konnte bei diesem Projekt seine Kompetenz sowohl in partizipativen Verfahren als auch in der Planung und Errichtung kombinieren. Es galt, viele Anforderungen unter einen Hut zu bringen – vom ökologischen Anspruch der Baugruppe über konkrete Gestaltungsfragen bis hin zu baurechtlichen und finanzi­ ellen Aspekten. Den Beginn

Da der Baugruppe ein ressourcenschonender Materialeinsatz sehr wichtig war, fiel schnell die Entscheidung für die Umsetzung in Holzleichtbauweise mit Zellulosedämmung und sichtbaren Massivholzdecken. Die Fassade besteht aus einer hinterlüfteten sägerauen Lärchenholzschalung und wurde im Werk mitsamt Fenstern und Türen vorgefertigt, lediglich die Treppenhauskerne sind aus Stahlbeton. Jenseits der tragendenden Struktur bieten die Wohnungen eine große Flexibilität und können einfach an wechselnde Lebenssituationen angepasst werden.

machten Baugruppenwerkstätten, in denen – bereits zusammen mit nonconform – die Grundlagen diskutiert und fixiert wurden. Um die Entscheidungswege möglichst effizient zu halten, wurde mit der Organisationsform Soziokratie gearbeitet, bei der alle Argumente gehört und im Sinne des gemeinsamen Ziels umgesetzt werden. Sehr wichtig waren die Anordnung der Häuser und die vielfältigen Blickbeziehungen sowie eine feine Abstufung von privat zu öffentlich: An der Spitze und in der Mitte der Anlage steht jeweils ein Einzelhaus, die restlichen acht Häuser sind paarweise gekoppelt und so situiert, dass sich kleine Höfe ergeben. Am zentralen Dorfplatz befindet sich das Gemeinschaftshaus mit großem Saal für Versammlungen, aber auch zum gemeinsamen Kochen und

„Besonders beeindruckt hat mich, dass es nonconform so gut gelungen ist, mit unserer Vielfalt umzugehen und die diffusen Meinungen zu konkretisieren und immer wieder Ordnung ins Planen Feiern, mit Räumen für eine Food-Kooperative sowie einer zu bringen“, zeigt sich der Bewohner Thomas WibmerWohnung, die – über eine Waldhuber begeistert. Sicher Crowdfunding-Kampagne keine Wohnform für alle, finanziert – einer Flüchtlingsfamilie Wohnraum bieten kann. aber ein wunderbarer Ort für Menschen mit Freude an GeAuch der Außenraum wurde meinschaft. nach ökologischen Kriterien mit möglichst geringer Bodenversiegelung, heimischen Ort Hölzern und biologisch bePressbaum, Niederösterreich, A wirtschafteten Gemüsegärten Einwohner:innen gestaltet. 9.300

Von der großen Vision ging es in den Baugruppensitzungen bis hin zur individuellen Wohnungsplanung. Anhand von Luftbildern, Plänen und Modellen konnte sehr spielerisch experimentiert und die ideale Bebauung für das Hanggrundstück gefunden werden. Im Sinne einer generationsübergreifenden Gemeinschaft für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen rangiert das Wohnungsangebot zwischen 40 und 110 Quadratmetern.

Auftraggeber Verein Gemeinschaft B.R.O.T. Pressbaum Projektbeginn 2011 Umsetzung 2016–2018 Baukosten 7,1 Millionen Euro

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miteinander Die Qualität von Bildungsbauten spiegelt die Wertschätzung wider, die eine Gesellschaft ihren Bürger:innen entgegenbringt. Um für die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft bestmöglich gerüstet zu sein, ist es notwendig, diesen Gebäuden eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. „Menschen prägen Räume. Räume prägen Menschen“,

Ideenbüro in der Feuerwehrgarage und auf dem Vorplatz: Bildungszentrum Süd in Klagenfurt

Vom Kindergarten über unterschiedliche Schul- und Fachausbildungen bis hin zum lebenslangen Lernen – jeder und jede von uns verbringt viel Lebenszeit in Bildungsbauten. Sie sind jene Orte, an denen wir ein Verständnis für den Mehrwert von guter Architektur hautnah erleben können. 108

lautet eine zentrale Botschaft der deutschen Bundesstiftung Baukultur. In Bildungsbauten als demokratischen Orten, die – mit Ausnahme von privaten Einrichtungen – allen gleichermaßen zur Verfügung stehen, lassen sich Sensibilität und Bewusst­sein für vielfältige Aspekte zeitgenössischer Baukultur schaffen. Dabei geht es nicht nur um Schönheit und Funktionalität, sondern auch um handfeste ökonomische, ökologische und soziale Perspektiven: Denn wie und wo wir wohnen, arbeiten und unsere Wege zurücklegen, hat individuell und gesamtgesellschaftlich großen Einfluss. Ein Verständnis für Baukultur ist daher eine wesentliche Bildungsaufgabe. Die Gestalt von Bildungseinrichtungen ist eng mit den gesellschaftlichen und

pädagogischen Vorstellungen ihrer Errichtungszeit verbunden. Lange Zeit war der Erwerb von Wissen primär an die Kirche gekoppelt, wovon Klosterschulen bis heute zeugen. Lediglich eine kleine Gruppe von Schülern konnte sie besuchen, und die Inhalte waren stark an religiösen Themen orientiert.

Sandkistenspiel: Co-Kreation mit Kindern zur Erhebung von Bedürfnissen

Die Schüler und nun auch Schülerinnen hatten zuzuhören und Wissen zu reproduzieren. Mit diesem Setting sollten verlässliche und produktive Mitarbeiter:innen für die Industriegesellschaft erzogen werden. Diese veränderten Produktionsbedingungen in der Industrie brachten es mit sich, dass auch der Kleinkind-

Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Österreich unter Kaiserin Maria-Theresia im Jahr 1774, und auch in den meisten deutschen Ländern ab dem 18. Jahrhundert, wurde Bildung und damit auch die Errichtung von Schulgebäuden zu einer wichtigen öffentlichen Aufgabe. Etabliert hat sich dafür ein weitgehend standardisiertes Raumge­ füge, in dem die Kinder in engen Reihen mit Blick auf den frontal vortragenden respektgebietenden Lehrer saßen, der auf ihre Bedürfnisse kaum Rücksicht nahm.

pädagogik verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Wichtige Vordenker waren am Beginn des 19. Jahrhunderts Johann Heinrich Pestalozzi und Friedrich Wilhelm Fröbel – beide sahen die frühkindliche Erziehung als institutionelle Ergänzung zur Familie. Insbe­ sondere Pestalozzis Idee – lange vor einem formulierten Raumprogramm – von der „erzieherischen Kraft der Wohnstube“ und der Aufteilung der Kinder in kleine, selbstständig agierende Gruppen prägen die Kindergartenstruktur und -architektur bis heute. Fröbel führte um 1840 erstmals den Begriff Kindergarten ein, der im Gegensatz zu den bis dahin 109

Ein Ort für alle Generationen: Ideenbüro Bildungszentrum Süd in Klagenfurt

üblichen Bezeichnungen – wie Bewahr­ anstalt, Spiel- und Warteschule, Kinder­ asyl oder Strickschule – stand. Mit

diesen Begrifflichkeiten verdeutlichen sie bereits ihre Hauptintention, näm­ lich das möglichst ruhige Aufbewahren von vornehmlich Unterschichtskindern, deren Mütter im Zuge der Industriali­ sierung außer Haus arbeiten gingen. Bei Fröbel sollten die Kinder hingegen „wie Gewächse unter Anleitung erfah­ rener einsichtiger Gärtner im Einklange mit der Natur aufgezogen werden“, Beete bewirtschaften und ihr Bewe­ gungsbedürfnis ausleben. Für sie erfand er seine „Spielgaben“ genannten Bau­ klötze – die viel später auch Architekten wie Le Corbusier, Frank Lloyd Wright

bearbeitet wurden. Basierend auf dem Montessorikonzept war der Einrichtung eine par­ tizipative Herangehensweise mit intensiver Einbindung aller Akteur:innen überaus wichtig. In der Ideenwerkstatt entstand ein komplexes Beziehungsge­ flecht von Funktionen, Nutzun­ gen und Räumen. Neben den internen Abläufen wurde dabei auch die städtische Umge­ Die Montessorischule in Dresden ist in knapp drei Jahr­ bung in den Blick genommen, zehnten von kleinen Anfängen denn die Verwebung mit dem Stadtraum war ein ebenso zu einer großen Bildungs­ wichtiges Ziel. einrichtung mit etwa 600 Schüler:innen und Kinder­ Am Ende des Prozesses war gartenkindern angewachsen – und sie wächst weiter. Diese klar, dass der Raumbedarf nur mit neuen Bauteilen zu kontinuierliche Entwicklung bewältigen ist. Als beste spiegelt sich in drei recht Lösung entpuppte sich eine weit in der Stadt verstreuten Standorten wider, die allesamt Variante, bei der der beste­ an ihre räumlichen Grenzen hende Hauptstandort – ein stießen. Die zentrale Frage zu DDR-Schulbau aus den 1960er-Jahren – zu einem Beginn des Projekts lautete daher: „Wie und wo wollen Lernhaus umgewandelt wird wir in Zukunft in Gemeinschaft und ein angrenzender Neubau lernen und arbeiten?“ als Gemeinschaftshaus die neue Mitte mit allgemeinen Die Annäherung an die Lö­ Funktionen und Öffnung zum sung erfolgte auf vielfältigen Stadtraum darstellt. Eine Ebenen, wobei sowohl die gute Lösung für heute und mit Inhalte als auch die Gebäude Potenzial für die Zukunft.

Montessorischule Dresden

Auf der Suche nach der Mitte

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Ort Dresden, Sachsen, D Auftraggeber Huckepack e.V. Ideenwerkstatt 2017 Projektpartner Büro für urbane Projekte Architektur Die Baupiloten Architektur (zusammen mit herrburg landschaftsarchitekten)

Ideen im Statement „Wer Kindern Paläste baut, reißt Kerkermauern nieder“ zu­ sammen. Flächendeckend setzten sich die Veränderungen jedoch nicht durch. Dieses Schicksal teilen sie mit dem nächsten Reformschub, der in den 1960erJahren im Kontext der Transformation zu einer postindustriellen Wissensgesellschaft mit dem Bedarf an besser ausgebildeten, selbstständigen Arbeitskräften erfolgte. Dazu zählten auch neue Schulbauten, und Architekt:innen reagierten mit flexibel zu nutzenden Gebäuden mit großen Hallen und der Aufhebung der starren Klassenstruktur. Architektur und Pädagogik gingen dabei allerdings zumeist nicht Hand in Hand, und die neuen Räume konnten sich in der Praxis nicht durchsetzen. oder Buckminster Fuller als Referen­zen für elementare Erlebnisse des Bauens dienten.

Der Dialog von Architekt:innen und Pädagog:innen ist essenziell, um neue

Raumkonzepte im Bildungsbau erfolgreich zu implementieren. Mit dieser Erkenntnis entstanden in den letzten zwei Im Zuge umfangreicher Reformbestrebungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Jahrzehnten vermehrt neue Schulen, die wie etwa der Werkbund-Bewegung, ver- aktuelle pädagogische Erfordernisse in stärkten sich auch Bemühungen, das neue Räume umsetzen. Zentral ist dabei reglementierte Bildungssystem in Rich- die sogenannte Phase Null, in der zunächst die Bedarfe und Notwendigkeiten tung Wohlbefinden, Kreativität und sozialen Miteinanders zu verändern, wie erarbeitet und diskutiert werden, als die Montessori- oder Waldorfpädagogik. Basis für ein Raumprogramm sowie die Der sozialdemokratische Stadtrat im architektonische Ausformulierung. In Roten Wien, Julius Tandler, fasste die dieser Phase werden jene grundlegenden 111

Barbara Pampe

Barbara Pampe studierte Architektur. Seit 2014 verantwortet sie das Handlungsfeld PÄDAGOGISCHE ARCHITEKTUR in der MONTAGSTIFTUNG Jugend und Gesellschaft und ist seit 2019 gemeinsam mit Meike Kricke Vorständin der Stiftung.

Wir brauchen neue Schulräume. Sie beschäftigen sich intensiv mit Schulbau. Bilden sich gesellschaftliche Veränderungen bei aktuellen Bildungsbauten ab? Auf jeden Fall! Wir haben in diesem Bereich allerdings einen sehr großen Aufholbedarf, denn lange ist wenig passiert. In den letzten fünf bis zehn Jahren hat sich jedoch insbesondere in den wachsenden Großstädten ein enormer Bedarf ergeben, und dabei wurden vielerorts auch neue Schulbaukonzepte realisiert. Woran liegt es, dass es so lange einen Stillstand gab? Der Schulbau leidet an sehr zersplitterten Kompetenzen. In Deutschland sind die Kommunen für alle Schulbauten verantwortlich, die inhaltliche Hoheit liegt jedoch bei den Ländern. Dazwischen gibt es oftmals wenig Kommunikation, und daher ist es unter anderem so langwierig. Daraus hat sich ein aktueller Investitionsbedarf von ca. 45 Milliarden Euro ergeben.

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Welche Überlegungen in Richtung neuer Schul­­räume gibt es für diese Investitionen? In den einzelnen Ländern und Kommunen ist das recht unterschiedlich, aber insgesamt bewegt sich aktuell einiges. Oftmals ist es jedoch so, dass sich neue Bedarfe, etwa Ganztagesbetrieb oder Inklusion, lediglich in neuen Räumen abbilden. Das ist jedoch ein Weiterdenken im bestehenden System. Erforderlich wäre ein neues System mit einer anderen Nutzung von Flächen und variabel nutzbaren Räumen.

stärker auf Erkenntnissen aus der Bildungs- und Architekturforschung aufbauen. Wir wissen heute, dass Raum behindern, aber auch motivieren kann. Natürlich lässt es sich in jedem Raum lernen, aber die Potenziale von guten Räumen müssen genutzt werden. Die heute wichtigen Bildungs­ aspekte, die sogenannten „21st Century Skills“, müssen auch bei der räumlichen Gestaltung von Bildungsbauten beachtet werden.

Jetzt haben wir primär über Neubauten gesprochen, ein wichtiges Thema ist aber auch der Bestand. Welche Es gab ja bereits in den Entwicklungen sehen Sie in 1960er-, 1970er-Jahren einige diesem Bereich? innovative Schulbauten, die Den Bestand muss man viel damals jedoch keine Breiten- stärker in den Blick nehmen wirkung entfaltet haben. Wo – graue Energie, Bodenversehen Sie die Unterschiede brauch, Ressourcenschonung. zu heute? In diesem Bereich gibt es Damals waren das vereinzelte, aktuell noch kaum Diskussiooft private Projekte, die stark nen, ich sehe da aber sehr auch von Ideologie bestimmt interessante Potenziale: Im waren. Heute geht das viel Rahmen des kommenden mehr in die Breite und kann Rechtsanspruchs auf einen

Den Bestand muss man viel stärker in den Blick nehmen.

Die heute wichtigen Bildungs­ aspekte müssen auch bei der räumlichen Gestaltung von Bildungsbauten beachtet werden. Ganztagsschulplatz werden wir bestehende Bildungsbauten umbauen und vor allem die additive Struktur von Schule und Betreuung pädagogischdidaktisch sowie räumlich auflösen müssen. Ebenso könnten große Kaufhäuser oder Bürogebäude in den Innenstädten, die mancherorts leer stehen, als Schulen genutzt werden. Da sehe ich vielfältige Möglichkeiten.

Welche Veränderungen haben sich durch Covid-19 ergeben, etwa mit Homeschooling und Distanz­ unterricht? Die Digitalisierung hat in den Schulen einen enormen Aufschwung genommen, und sie müssen dafür besser gerüstet sein. Da haben wir viele Schwachstellen räumlich sowie auch pädagogisch gesehen. Der digitale Raum ist

integrierter Teil der Bildungslandschaft. So werden etwa Computerräume in Zukunft mehr zu maker spaces oder digitalen Werkstätten. Insgesamt muss die Nutzung aller Räume viel variabler und multifunktionaler werden – natürlich ohne an räumlicher Atmosphäre zu verlieren. Gesehen haben wir in der Pandemie auch die Wichtigkeit von außerschulischen Lernorten. Es muss viel mehr gemeinschaftliche Nutzungen geben – etwa eine Schulbibliothek, die auch der Gemeinde offensteht, oder eine Gemeindebibliothek, die auch die Schule nutzen kann. Wo sehen Sie den Schulbau in 30 Jahren, wenn Ihre Wünsche in Erfüllung gehen? Ich hoffe, dass die aktuelle Dynamik Schwung behält und innovativ bleibt. Investitionen müssen in zukunftsfähige und hochwertige Bildungsarchitektur fließen. Wichtig ist mir, dass wir die Chance, den Wandel in der Bildungsarchitektur zu vollziehen, jetzt nutzen und viele davon überzeugen können.

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Die hohe Schule der Hochschul­planung Nachdem die Anzahl der Studierenden an den österreichischen Fachhochschulen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist, platzen einige Bildungseinrichtungen bereits aus allen Nähten. Eine davon ist jene in St. Pölten, die aufgrund des zunehmenden Interesses plötzlich vor der Aufgabe stand, sich räumlich zu verdoppeln. Anstatt gleich einen Wettbewerb auszuschreiben, wurde beschlossen, in Zusammenarbeit mit nonconform erst einmal eine Phase Null vorzuschalten.

Funktionsorganigramm entwickelt, die zusammen die Basis für die darauffolgende Ausschreibung bildeten.

Standortentwicklung für Hochschulen

Den 2017 ausgeschriebenen Wettbewerb konnte das Wiener Büro NMPB Architekten für sich entscheiden. Damit befand sich NMPB in der außergewöhnlichen Lage, den eigenen, 2007 errichteten Bestandsbau fortzusetzen und Bestand und Neubau auf diese Weise zu einer neuen Einheit zusammenzuschließen. Im gemeinsamen Sockel befinden sich nun Aula, Bibliothek, Speisesaal, Showroom und das sogenannte „Lernlab“, in den darüber liegenden Etagen wurden Phase Null bedeutet: In Zunach einer neuen Choreosammenarbeit mit der Leigrafie Hörsäle, Seminarräume tungsebene und ausgewählten und Verwaltungs­räumlichen untergebracht. Vertreter:innen wurden in mehreren Fokusworkshops räumliche und funktionale Aus- In einer ähnlichen Situation befindet sich auch die FH lastungen ausgewertet und Vorarlberg in Dornbirn. Die auf Potenziale und mögliche bestehenden drei Standorte Synergieeffekte untersucht. Anschließend wurde der kon- in unmittelbarer Nähe des krete Flächen- und Funktions- Stadtzentrums sollen verdichbedarf erarbeitet. Erst in einem tet, miteinander verknüpft und dritten Schritt hat nonconform zu einem grundstücksübergreifenden Hochschulcampus auf Basis der gewonnenen ausgebaut werden. Auch Daten ein Raumprogramm hier wurde der Bestand aus und ein dreidimensionales 114

unterschiedlichen Stilen und Bauphasen im Rahmen einer Ideenwerkstatt erst einmal analysiert und ausgewertet. Mit dem gemeinsam erarbeiteten Raum- und Funktionsprogramm wurde ein Wettbewerb gestartet, aus dem Cukrowicz Nachbaur Architekten als Sieger hervorgingen. In Salzburg handelt es sich nicht nur um die Umnutzung und Erweiterung einer bestehenden FH, sondern um die Analyse verschiedener, über die ganze Stadt verteilter Standorte – und um die große, zahlreiche Stakeholder:innen involvierende Frage: Wie sehen die Lern- und Arbeitswelten der Zukunft aus?

Ort St. Pölten, Niederösterreich / Salzburg / Dornbirn, Vorarlberg, A Auftraggeber:innen Land Niederösterreich, Land Salzburg, Land Vorarlberg Projektbeginn 2016 Realisierung St. Pölten 2021 Realisierung Dornbirn 2023 Projektpartner St. Pölten: NMPB Architekten, FCP Fritsch Chiari & Partner; Dornbirn: Cukrowicz Nachbaur Architekten

Vorbereitungen und Entscheidungen getroffen, die ein gutes Projekt ermöglichen. Hier sind moderierte Prozesse erforderlich, bei denen nonconform die langjährige Erfahrung im Bereich Partizipation mit Expertise im Schulbau ideal kombinieren kann. „Anders als bei Dörfern oder Stadtteilen, wo es sich um heterogene Personengruppen handelt, ist die Gruppe bei Bildungsbauten immer sehr überschaubar: Schüler:innen, Lehrer:innen, die Schulleitung, das Schul-Facilitymanagement, die Freizeitpädagog:innen, das Hauspersonal und die Eltern“, formuliert nonconform die Aufgabenstellung. „In den Workshops geht es darum, die vertrauten und lange eingeübten Verhaltensmuster zu verlassen – die Fantasie der Kinder inspiriert uns dabei ganz besonders. Es ist wichtig, nicht in konkreten Räumen verhaftet zu bleiben, sondern Arbeitsabläufe, Beziehungen, Bedürfnisse und Raumerfordernisse neu zu denken.“ Daher darf die Betreuung auch nicht mit der Eröffnung einer neuen oder umgebauten Schule enden, denn neue Räume brauchen eine neue Bespielung, und es ist

Recycling aus alten Schulmöbeln: Bildungszentrum Süd in Klagenfurt

wichtig, die Nutzer:innen auch in dieser Phase Zehn, jener der Besiedlung und Aneignung, zu begleiten. Ganztagesschule, Inklusion und Digi­ talisierung generieren neue Bedarfe,

die sich – auch aufgrund limitierter öffentlicher Budgets – nicht ausschließlich in mehr Fläche niederschlagen können. Dafür sind Modelle gefragt, die Flächen mehrfach und unterschiedlich nutzen, und damit auch den vielfältigen Aufgaben, die Bildung heute zu erfüllen hat, gerecht werden. In zahlreichen Dokumenten und mit leicht unterschiedlichen Varianten werden diese „21st Century Skills“ beschrieben, etwa im 4K-Modell, das die vier Lernkompetenzen von herausragender Bedeutung auflistet: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken.

Neue Perspektiven auf den Schulort: Planungsgespräche mit Kindern und Jugendlichen

Es ist offensichtlich, dass dafür andere Räume erforderlich sind als die klassische Gangschule mit 115

stehenden „Marktplatz“ zu einer Einheit zusammengefasst, womit auch die Pädagog:innen in enger räumlicher Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen stehen. Für ältere Schüler:innen gibt es das Department-System mit Unterricht in Fachräumen und Raumlabor Zukunft: Modell aus Kartonziegeln im Bildungszentrum Pestalozzi, Leoben „Homebases“, die dem Ankommen und dem persönliidentischen Klassenzimmern. Diese chen Platz dienen. Daneben gibt es noch gibt es aber vielerorts, und deshalb sind weitere Modelle, die sich alle dadurch neben dem Neubau, etwa in neuen Stadt- auszeichnen, dass sie unterschiedliche teilen, insbesondere der Umbau, die räumliche Qualitäten für Ruhe und KonSanierung oder Erweiterung ganz zen- zentration, aber auch für Bewegung und Kommunikation bieten. Im Idealfall ertrale Aufgaben – auch im Hinblick auf einen schonenden und verantwortungs- öffnen die Räume den jungen Menschen vollen Umgang mit vorhandenen ResPlatz für Begegnungen sowie für das sourcen. Die Sorge um den Bestand steht Miteinander-Wachsen und Sich-Entfalten. immer mehr im Mittelpunkt des Handelns, Genauso wichtig wie die Flexibilität denn innovativ geplante Bildungsbauten im Inneren ist die Verwebung mit dem schaffen auch ein Bewusstsein für die vielfältigen Aspekte von Nachhaltigkeit in Außenraum und der Umgebung. Bilihren Dimensionen von Ökonomie, Öko- dungsbauten können im besten Fall ein logie, Sozialem und Kultur. zentraler Knotenpunkt im örtlichen oder städtischen Gefüge sein. „Der In neuen Schulen gibt es Platz für Schulsportplatz und der Turnsaal bieten unterschiedliche Lernsettings, von der außerhalb der Unterrichtszeit Platz für Einzelarbeit über jene in unterschiedVereine, die Aula könnte auch für lokale Theatergruppen ein Aufführungsort sein, lichen Gruppen bis hin zu Raum für Schulforen oder öffentlichen Präsentatio- oder die Ortsbibliothek kann in die Schule integriert werden und sowohl nen. Besonders für jüngere Schüler:inden Schüler:innen als auch den Bewohnen werden oftmals einige flexibel zu ner:innen zur Verfügung stehen. Solche nutzende Bildungsräume zu einem sogenannten Cluster mit einem allen offen Mehrfachnutzungen sind im Kommen, 116

aktuell jedoch noch nicht die Regel, sie sind aber das Modell für die Zukunft – denn viele Tage im Jahr würden die Schulen dann nicht mehr leer stehen“, so nonconform. Vermehrt schließen sich mehrere Schulen auch zu Verbünden zusammen, um einerseits die speziell im deutschen und österreichischen Schulsystem sehr frühzeitig erfolgende Differenzierung in unterschiedliche Schulformen ein wenig abzufedern und um andererseits durch die Vernetzung mit umliegenden, weiteren kulturellen oder sozialen Einrichtungen für ein vielseitiges Bildungs- und Freizeitangebot im unmittelbaren Lebensumfeld

Ein gutes Bildungsangebot im Ort ist essenziell, um für Bewohner:innen attraktiv zu bleiben und auch potenzielle Neubürger:innen in die Gemeinde zu locken. Moosburg in Kärnten, nahe der Landeshauptstadt Klagenfurt, hat dies erkannt und in einem breiten Beteiligungsprozess alle Bildungseinrichtungen

zu sorgen. Damit sind sie Abbild einer afrikanischen Erkenntnis, der zufolge es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen.

im Ortskern inhaltlich und räumlich zu einem Campus zusammengeführt, der nicht nur für die Schüler:innen, sondern für die gesamte Bevölkerung ganzjährig geöffnet ist.

bauten, die von lokalen Handwerksbetrieben umgesetzt wurden.

Entstanden ist ein Bildungscampus, der auf die unterschiedlichen Bedürfnisse mit einem vielfältig nutzbaren Es geht dabei um ein umund flexiblen Raumangebot fassendes Lern- und Sportangebot, das im Kindergarten reagiert, mit der Umgebung beginnt und über Volksschule interagiert und den Kindern und ihren Pädagog:innen ein mit Hort bis zu Mittelschule ideales Umfeld zum Lernen und Musikschule reicht. Bildung wird damit umfassend und Lehren bietet. Mit der Erweiterung um Sporthalle betrachtet und versteht sich und Mensa wird der Campus als „Netzwerk von Lernorten, in Zukunft noch stärker zum die synergetisch miteinander verbunden sind“, so Christian Treffpunkt für die gesamte Gemeinde. Kühn, auf Bildungsbauten spezialisierter Professor an der TU Wien. Ort Alle Baumaßnahmen waren von intensiver Einbindung der Kinder, Eltern und Pädagog:innen begleitet. Dabei wurde der Bestand, der weitgehend aus den 1980er-Jahren stammt, umgebaut, erweitert und um neue Bauteile ergänzt. Zur Ausführung gelangten energieeffiziente Holzriegel-

Moosburg, Kärnten, A Einwohner:innen 4.500 Auftraggeberin Gemeinde Moosburg

Umsetzung 2009–2020 Projektpartner Michael Zinner Architektur Urmann/Radler Architekten (Umbau Volksschule, Neubau Sporthalle und Mensa) 117

Bildungscampus Moosburg

Im Dialog mit dem Umfeld

Kernbohrungen im Bildungszentrum Pestalozzi, Leoben

Zerlegbar und veränderbar: Arbeitsmodell für das Bildungszentrum Vorchdorf

„Der Bildungsbau ist stark reglementiert, hat sehr enge Rahmenbedingun-

Natürlich kann gute Bildung auch in schlechten Häusern erfolgen. Aber eine anregende Umgebung stimuliert die Aufmerksamkeit, und eine wertschätzende Ge­ staltung überträgt sich auf die Lehrenden und Lernenden. „Ein (Schul-)Gebäude sollte ein Gefühl der Zugehörigkeit ver­ mitteln, das Gefühl Teil eines Ganzen zu sein, egal ob es für 120 oder 1.200 Schüler bestimmt ist“, fasst Herman Hertzberger, hollän­discher Architekt und seit den 1960er-Jahren Pionier vorbildgebender Bildungsbauten, seine Entwurfsgedanken zusammen.

Kindergärten und Schulen sind auch Orte, an denen die vielfältigen Themen gen, und viele unterschiedliche Verant­ der baukulturellen Bildung – wie etwa wortungen überlagern sich dabei“, Mobilität, Nachhaltigkeit, Kulturerbe, beschreibt nonconform die konkreten Fragen von Wohnen, Arbeiten und Freizeit – vermittelt werden und den jungen Herausforderungen in diesem Feld: „Daher ist es sehr vorteilhaft, dass wir Menschen ihre Möglichkeiten, aber diese Strukturen kennen und bei unserer auch Verantwortung für unsere zukünf­ tige Lebenswelt deutlich machen. Dabei Arbeit entsprechend berücksichtigen können. Jeder Standort ist anders, hat in­ handelt es sich um essenzielle Themen für das Leben jeder und jedes Einzelnen dividuelle Anforderungen, und wir versuchen, diese aufzuspüren und sie im Ge- und für die Gesellschaft in ihrer Gesamtbäude entsprechend zu berücksichtigen.“ heit. Wie die nächsten Generationen ihre Lebensbereiche organisieren, wird die Wie in vielen Bereichen hat die Corona- Zukunft entscheidend bestimmen. Pandemie auch im Bildungswesen entscheidende Defizite aufgezeigt. Drastisch deutlich wurde, dass speziell die digitale Ausgestaltung von Lernorten noch viel Luft nach oben hat, aber auch die Erfordernisse an die realen Räume haben sich verändert: Schulen müssen Platz für unterschiedliche Gruppengrößen und digitale Settings bieten sowie Orte für Begegnung und Austausch. 118

Bildungs­ bauten brauchen eine höhere Beziehungs­fähigkeit. Sie beschäftigen sich schon lange mit dem Bildungsbau. Was sind dabei aktuell die wichtigsten Themen beziehunsgweise die größten Herausforderungen? Der Bildungsbereich und damit auch der Bildungsbau sind nach wie vor zu stark reglementiert und finanziell zu kurz gehalten. Das lässt – insbesondere im Pflichtschulbereich (Volksschulen und Mittelschulen) – wenig Spielraum. Die höheren Schulen haben etwas großzügigere Rahmenbedingungen.

budgetäre Gestalt annimmt. Da werden schon die wichtigsten Weichenstellungen getroffen, Bewegungsspielraum ist von da an entweder vorhanden oder (meist) eben nicht. In der nachfolgenden Projektentwicklung, der sogenannten Phase Null, kann Partizipation die „Bestellung von Architektur“ dann zu präzisieren helfen. Doch diese Phase wird noch immer oft als zu stressig, zu teuer oder zu kompliziert empfunden. Und oftmals wird Partizipation auch für strategische Ziele zweckentfremdet.

im Bildungsbau bedacht werden? Komplexität steigt enorm an, und Zukunft wird immer weniger planbar – das sehen wir aktuell deutlich. Wenn beispielsweise der Lehrstoff explodiert, wird das Umgehen mit den Sachen gleich wichtig wie die Sachen selbst. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist das Lernen und Arbeiten in Teams. Und als Drittes müssen wir eine Balance zwischen Digitalem und Analogem finden.

Michael Zinner

Michael Zinner studierte Architektur an der TU Wien und promovierte (auch) über die Ideenwerkstatt. Er lehrt als Professor an der KUNSTUNIVERSITÄT LINZ und ist Chefredakteur und Herausgeber der NOTIZEN ZU ARCHITEKTUR UND BILDUNG.

Wie müsste die Gestaltung von Schulen konkret baulich aussehen? Wie sehen Sie in diesem Dafür ist auf jeden Fall eine Kontext die nonconformhöhere „Beziehungsfähigkeit“ Ideenwerkstatt? der Gebäude nötig – eine Die Ideenwerkstatt sehe ich erhöhte stoffliche Atmungshier als eine Alternative zu üblichen Vorgangsweisen, als aktivität und Wandelbarkeit. Das würde ich als Pflicht im eine Art soziale Skulptur. Sie Bildungsbau sehen. Und als feiert ein Fest, sie lässt sich also nicht als zusätzliche, müh- Kür sollten würdigere Atmoselige Arbeit lesen. Das ist ihr sphären wichtiger werden. Wie kann man unter diesen Denn ich sehe Schulen als Geschenk. Es kann viel mit Voraussetzungen zeitgeden Menschen machen, wenn Wohnbauten, in denen Schümäße und zukunftsfähige Fachleute in der Aula einseh- ler:innen und Pädagog:inGebäude errichten? bar für alle und mit Freude ein nen viel Zeit verbringen. Es Ganz entscheidend ist die müssen also Gebäude sein, Phase der Projektentstehung, paar Tage arbeiten. in denen Menschen sich wohl also jener Zeitraum, in dem ein fühlen und dies auch selbst Welche gesellschaftlichen Projekt in einem sehr kleinen arrangieren können. Kreis seine grundsätzliche und Entwicklungen müssen 119

werden, war nun, schultypenübergreifende und schultypenneutrale Raumkonzepte zu Die Stadt stand somit vor der entwickeln, die eine zeitgeHerausforderung einer umfas- mäße Pädagogik ermöglichen senden Transformation, wobei und flexibel genug für die Herausforderungen und Versie ihren Blick dabei nicht nur auf dieses – denkmalgeänderungen der kommenden Es war einmal ein altes großes schützte – Gebäude richtete, Jahrzehnte sind. Schulgebäude, das bei seiner sondern Studien zu einer gesamthaften und zukunftsFür das Vorhaben wählte die Errichtung in den 1920erJahren den Kindern der Arbei- fähigen Bildungsentwicklung Stadt mit nonconform und erstellte. Alle Schulstandorte Michael Zinner ein Team, das ter:innen, die in den zahlreisowohl in der Beteiligung chen umliegenden Betrieben wurden mit Sicht auf demovon Bürger:innen als auch im des Berg- und Hüttenwesens grafische Entwicklungen, Schulbau auf einen großen Erbautechnische Analysen, sowie der Eisen- und Stahlfahrungsschatz zurückgreifen industrie beschäftigt waren, wirtschaftliche Bewertungen und bildungspolitische Über- kann. „Die Planenden haben einen wichtigen Ort des Lernens bot. Ganz in der Tradition legungen untersucht. Für das uns in den Prozess miteinbevon Bildungskasernen waren neue Bildungszentrum wurde zogen und zu neuen Gedie Klassenräume entlang von dabei die Bündelung von drei danken angeregt“, sagt Petra unterschiedlichen Schultypen Kail, die in der Planungsphase langen und dunklen Gängen Direktorin der Volksschule – Volksschule, Mittelschule angeordnet – und damit Ausdruck eines Bildungsver- und Polytechnische Schule – war. „Gleichzeitig haben auch beschlossen. Die Aufgabe für sie Ideen eingebracht, die für ständnisses, das heute weit uns wichtige Impulse waren.“ überholt ist. Zudem hatte die diese drei Schulen, die von Neben den Pädagog:innen jungen Menschen zwischen Zahl der Schüler:innen im waren auch Nachbar:innen, 6 und 15 Jahren besucht Laufe der Jahre immer mehr

Vom Entlein zum Schwan

Bildungszentrum Pestalozzi

Ort Leoben, Steiermark, A Einwohner:innen 24.000 Auftraggeberin Stadt Leoben Umsetzung 2013–2016 Projektpartner Michael Zinner Baukosten 14,2 Millionen Euro 120

abgenommen, und Teile des Hauses standen leer.

Vereine und natürlich auch die Kinder und Jugendlichen in den Prozess eingebunden und konnten auf diese Weise ihre Bedürfnisse und Vorstellungen einbringen. Daraus entwickelte

sich das Konzept für die umfassende Sanierung und Neugestaltung. Wo früher Monofunktionalität und Dunkelheit bestimmend waren, wechseln sich nun unterschiedliche Raumkonfigurationen im Sonnenlicht ab. Aus einer disziplinierenden Kaserne ist ein gastfreundliches Haus für freudvolles und entdeckendes Lernen geworden. Eine Gemeinschaftsterrasse mit Freitreppe und ein transpa-

renter Zubau im Hof erweitern den Bestand. Das Innenleben wurde vielfach aufgebrochen, sodass neue Durchblicke entstanden und vertikale und horizontale Öffnungen für Helligkeit und Transparenz sorgen. Jeder Klassenraum erhielt zwei verglaste Öffnungen, die eine Sichtverbindung zum Gang herstellen und als Sitzund Lernmöbel ausgeführt sind. Die gemeinsame Mitte mit Bibliothek und Speisesaal wird von allen drei Schulen genutzt, schafft damit eine Verbindung über die unterschiedlichen Schulstufen und Schultypen und eignet sich auch gut für kleinere und in Verbindung mit dem Turnsaal auch größere Veranstaltungen. Die fließend gehaltenen Raumgrenzen können für Bedürfnisse, die erst im Gebrauch oder in der Zukunft auftreten, einfach adaptiert werden – denn neue Räume erfordern auch neue Gewohnheiten und bringen neue Ideen hervor. Die Aneignung durch die Nutzer:innen ist gewünscht und wird durch Möbel, die unterschiedlich konfiguriert und platziert werden können, unterstützt. Aus dem grauen Entlein ist ein schöner Schwan geworden.

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danach Das Bauwesen hat einen erheblichen Einfluss auf den weltweiten Rohstoffeinsatz und Ressourcenverbrauch. Der Branche kommt damit eine Schlüsselrolle bei Einsparpotenzialen auf vielfältigen Ebenen zu. Die umsichtige Nutzung des vorhandenen Gebäudebestands spielt dabei eine zentrale Rolle.

Der vorhandene Gebäudebestand prägt Dieser verdichtete kulturelle Mehrwert Orte, Städte und Regionen. Dabei sind lässt sich in alten Dorf- oder Stadtzentren

nicht nur jene Bauwerke von Bedeutung, die als Landmark oder touristische Attraktionen überregionale Bekanntheit haben, sondern auch jene, die den Alltag der Menschen definieren. Ihnen sind Geschichte und Identität eingeschrieben, neben ihren materiellen Ressourcen speichern sie auch mentale Prägungen.

Digitaler Workshop mit Weißwurst und Bier 124

hautnah erleben, wenn das Flair gewachsener Strukturen atmosphärisch berührt. Neubaugebieten fehlt diese Aura noch, denn für ihre Entstehung braucht es Zeit. Natürlich erfordert das Wachstum von Dörfern und Städten die Errichtung von neuen Gebäuden, und die in Boomzeiten entstandenen Gebiete entwickeln über die Jahre jene Stimmung, die sich etwa in den heute sehr wertgeschätzten gründerzeitlichen Vierteln aus dem 19. Jahrhundert erleben lässt. Dass aber auch Wohnblöcke der landläufig wenig geschätzten Nachkriegsmoderne für die Identität und das Wohlbefinden wertvoll sind, beweisen die französischen Architekt:innen Anne Lacaton und JeanPhilippe Vassal mit zahlreichen Projekten. Ihre Pionier-

Bevölkerung schrumpft und die Neubauten dazu führen, dass der Bestand an Wert verliert und oftmals als Altlast empfunden wird. Dieses Phänomen lässt sich in vielfältigen Ausprägungen beobachten: Der Bau von weitläufigen Einkaufs­ zentren an Orts- und Stadträndern hat dazu geführt, dass die Geschäfte in den Innenbereichen Spart Ressourcen, braucht aber Hirnschmalz: Umbauen und Weiterbauen ihre Kundschaft sukzesauf dem Lukas-Anwesen in Berngau sive verloren haben und damit auch ihre Funktion leistung für den Erhalt von Bestand als informelle Treffpunkte abhanden gekommen ist. Dieser Entwicklung ist wurde 2021 mit der renommiertesten Auszeichnung der Architekturbranche, vieler­orts der Bau von ausgedehnten Einfamilienhaussiedlungen vorangegangen, dem Pritzker-Preis, gewürdigt. „Es ist dringend notwendig, mit dem Abreißen womit ebenfalls Vitalität aus den Zentren verschwunden ist. Ermöglicht und beaufzuhören und von der Stadt auszugehen, genau wie sie ist. Mit dem zu arbei- feuert wurden diese Strukturen durch die ten, was wir haben“, bringen die beiden drastisch gestiegene Individualmobilität, und heute sind mancherorts selbst Schulen, ihre Haltung auf den Punkt. „Jedes Ärzt:innen oder Dienstleistungsbetriebe Gebäude kann umgestaltet und wiedernur mit dem Auto erreichbar. verwendet werden.“ Doch heute werden häufig selbst dort neue Baugebiete erschlossen, wo die

Das gesteigerte Neubauvolumen verbraucht enorme Ressourcen. So werden

Ein Platz im Nadelstreif: Hauptplatzgestaltung Maria Saal in Kärnten

in Deutschland (Stand 2017) mit jährlich 517 Millionen Tonnen 90 Prozent des inländischen mineralischen Rohstoffabbaus verbaut, weltweit ist die Zementindustrie für sechs bis sieben Prozent der anthropogenen CO2-Emissionen verantwortlich. Neben den Baumaterialien verbraucht jedes Gebäude zudem die wertvolle Ressource Boden und erfordert Infrastrukturen wie Straßen, Kanalisation oder elektrische Leitungen. Entscheidenden Einfluss hat auch die Entsorgung 125

Bauanleitung Jungbrunnen

Von der Kreisstadt Neumarkt nach Berngau sind es nicht einmal zehn Minuten mit dem Auto. Das hat der kleinen Kommune in der Oberpfalz in den letzten Jahren einen pros­ perierenden Zuzug beschert. Angelockt werden vor allem Jungfamilien. Als logische Konsequenz daraus liegt der Altersdurchschnitt in Bern­ gau einige Jahre unter jenem der Region, Tendenz weiter fallend. „Und damit“, meint der bayerische Soziologe Klaus Zeitler, Leiter des Sozialwis­ senschaftlichen Instituts für re­ gionale Entwicklung (SIREG), „herrschte in der Gemeinde dringender Nachholbedarf. Für so eine junge Bürgerschaft war die Kommune nicht gewappnet.“

Gasthofs zur Sonne. 2012 beantragte das SIREG – in Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden Pyrbaum und Postbauer-Heng – eine interkommunale Städtebau­ förderung. Ziel des Projekts war die städtebauliche und gesellschaftliche Zusammen­ führung der Alteingesessenen mit den Neuzugezogenen. 2016 schließlich folgte eine dreitägige Ideenwerkstatt mit nonconform – mit dem Ergebnis einer überraschend radikalen Nutzungsreorganisa­ tion des Ortskerns.

Ortsentwicklung Berngau

So wird derzeit der Gasthof zur Sonne, vielen Berngau­ er:innen auch als „Lukasan­ wesen“ bekannt, umgebaut und in Kooperation mit der Lebenshilfe in ein Haus mit Kleinstwohnungen, MutterKind-Wohngruppe, Bibliothek und Bürgermeisterzimmer um­ funktioniert. In der ehemaligen Bäckerei Sendner entsteht eine Arztpraxis, der Kinder­ garten wurde erweitert. In den kommenden Jahren soll zudem der Verlauf der Neumarkter Straße geändert und mit einem neuen, verkehrsberu­ higten Hauptplatz aufgewertet werden.

Schon seit 15 Jahren arbeitet das SIREG mit Berngau zu­ sammen, entwickelt Konzep­ te und Strategien für eine allmähliche Verjüngungskultur des Ortes und eine Wieder­ belebung einiger aufgelasse­ ner Identifikationsorte wie des Das Leuchtturmprojekt der seit langer Zeit leer stehenden gemeinsamen Entwicklung ist 126

die Umnutzung der alten Klär­ anlage. Der ehemalige, nicht mehr benötigte Tropfkörper wurde saniert und dient nun als begehbare Skulptur, dane­ ben entstand eine Art offener Scheunentempel, den Archi­ tekt Max Otto Zitzelsberger als eine „Mischung aus Bierzelt, Akropolis und Freiluftklasse“ bezeichnet. In der sogenann­ ten „Erkläranlage“ – so der Titel der revitalisierten Infra­ strukturanlage – finden nun Feste, Theateraufführungen und vor allem inklusive Work­ shops für Kinder und Jugend­ liche statt. Damit dürfte die Vision des Generationennetz­ werks hin zu einer verjüngten Gemeinde geglückt sein.

Ort Berngau, Bayern, D Einwohner:innen 2.600 Auftraggeberin Kommune Berngau Entwicklungsprozess 2016 Umsetzung 2016–2025 Projektpartner Klaus Zeitler, SIREG Architektur Lukasanwesen: sturm+schmidt architekten; Erkläranlage: Max Otto Zitzelsberger

Energieaufwand. Dieser ist in den letzten Jahrzehnten dramatisch angestiegen und muss für das Erreichen der Klimawende deutlich reduziert werden. Dabei gibt es zahlreiche Stellschrauben: Nachnutzung und Umnutzung sind dabei ganz entscheidend. Neubau ist heute jedoch zum Normalfall geworden, und weder

der materielle noch der ideelle Wert von Beständen werden geschätzt. Doch sowohl aus ökonomischen und ökologischen als auch aus kulturellen Gründen muss ein Umdenken erfolgen, Sanierung und Umnutzung müssen wieder stärker in den Fokus rücken. Erforderlich ist ein radikaler Wandel, der sich nicht darin erschöpfen darf, Bauten lediglich energieeffizienter zu machen – das Bauen selbst muss infrage gestellt werden. von Baumaterial, da eine wirkliche Wiederverwendung bisher kaum stattfin­ det und aktuell mehr als 50 Prozent des Abfalls auf den Bausektor entfallen. Diese Zahlen verdeutlichen, welch großen Einfluss das Bauen für den weltweiten Ressourcenverbrauch hat – insgesamt stammt mehr als ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen aus dem Bausektor!

Drastisch fordert der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Daniel Fuhrhop in seiner Streitschrift Verbietet das Bauen! eine Würdigung nicht nur von „Perlen der Baugeschichte und […] denkmalgeschützten Häusern, sondern von allen Formen, Zeiten und Stilen: Klassik und Moderne, Bauernhäuser und Großsiedlungen“. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn es neben dem Bewusstsein für den Wert dieses historischen, identitätsstiftenden Bestands auch inno­vative Ideen für neue, zukunftsfähige Nutzungen gibt.

Alle Energie, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produkts – und seiner Vor­ produkte und Produktionsmittel – benötigt wird, bezeichnet man als graue Energie. Die Veränderungen in Wirtschaft und Zusammen mit dem Energieverbrauch Gesellschaft bringen es mit sich, dass im Betrieb ergibt sich der kumulierte nicht für alle bisherigen Nutzungen heute 127

Daniel Fuhrhop

Daniel Fuhrhop ist Autor des Buches VERBIETET DAS BAUEN! und führte jahrelang einen BLOG GEGEN BAUWUT. 2021 kandidierte er als Oberbürgermeister für Oldenburg. Seit Kurzem lebt und arbeitet der Wohnforscher und Wirtschafts­ wissenschaftler in Potsdam.

Nachnutzung ist ein Beitrag zu Lebensqualität und Klima­ gerechtigkeit. Was ist Leerstand? Ich unterscheide zwischen dem formellen Leerstand, wo keine Einwohner:innen gemeldet sind, und dem versteckten Leerstand, wo Wohnraum nicht im ausreichenden Maße genutzt wird. Nachdem die Kinder aus dem Haus sind, stehen Teile davon leer. Das Potenzial ist nicht genutzt. So ähnlich ist das auch bei Büround Gewerbeimmobilien. Und wie definieren Sie Nachnutzung? Es gab immer schon ein Interesse, Flächen möglichst effizient und ökonomisch zu nutzen. In den letzten Jahrzehnten allerdings sind drei Phänomene zu beobachten: Erstens kommt es durch stärkere Binnenmigration und Abwanderung mancherorts schneller zu Leerständen.

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Zweitens verhindert unsere zunehmende Spekulationskultur, dass frei gewordene Flächenressourcen möglichst rasch wiedergenutzt werden. Und drittens leben wir in einem Zeitalter, in dem Politik und Bauindustrie vor allem darauf fokussiert sind, Neues auf die grüne Wiese zu stellen – statt Bestehendes zu nutzen. Nachnutzung: Was geht? Was geht nicht? Am schwierigsten – aber auch am spannendsten – ist es, wenn in einer sehr speziellen, exotischen Immobilie ein Funktionswechsel stattfindet. Beispielsweise indem eine Kirche in eine Bibliothek oder eine alte Fabrik in ein Wohnhaus umgewandelt wird. In solchen Fällen geht es sehr stark darum, das Objekt behutsam anzugreifen, denn Brandschutz, Schallschutz, technisch-konstruktive Notwendigkeiten und neue rechtliche Voraussetzungen können den Charakter eines Gebäudes ziemlich verändern, manchmal sogar zerstören. Das wäre bedauerlich. Welche Chancen ergeben sich durch Nachnutzung?

Durch Nachnutzung können vor allem städtebauliche Sünden der Vergangenheit korrigiert werden. Wir haben in Deutschland viele monofunktionale Strukturen mit Nur-Wohnen, Nur-Büro, NurGewerbe. Wenn man sich die Mühe macht, in solchen NurStrukturen einen klassischen Tagesablauf durchzudenken, dann wird man rasch feststellen, dass hier viele Angebote fehlen. Im Wohnviertel fehlt eine Reparaturwerkstatt, im reinen Gewerbe mangelt es an einem Kindergarten. Es ist wichtig, das gesamte Spektrum abzudecken. Nachnutzung macht das möglich. Können Sie ein Beispiel nennen? Ich denke da etwa an das Quartier Frankfurt-Niederrad, ein ehemals reines, in die Jahre gekommenes Büroviertel, wo zeitweise mehrere 100.000 Quadratmeter Büroraum leer standen. Man hat sich in einem sehr langen Prozess systematisch darum bemüht, hier Wohnen einzurichten. Damit solche Reparaturen in Zukunft leicht vonstattengehen können, wurde in Deutschland vor kurzer

Beim versteckten Leerstand kann man allein lebenden Menschen mit der 3U-Regel helfen: Umbauen, Umziehen, Untervermieten.

Zeit die Widmung „Urbanes Gebiet“ eingeführt. Das ist ein wertvoller Beitrag zur Lebensqualität und Klima­ gerechtigkeit.

Main und Nürnberg gibt es eigene Stellen, die sich nur um Leerstand kümmern.

2015 ist Ihr Buch Verbietet das Bauen! erschienen, das Gibt es regionale oder lokal- nun neu aufgelegt und erpolitische Unterschiede? weitert wurde. Darin schreiJa. Das Bewusstsein dafür, ben Sie unter anderem, dass dass wir vorhandene Räume das beste Gebäude das nicht auch anders nutzen können, gebaute ist. Sind Sie heute ist noch nicht überall durch­ immer noch der Meinung? gesickert. Große Städte wie Ja. Ich stehe dazu, dass wir Berlin, München und Hamburg die Möglichkeiten von Altbau­ haben ein Wohnraumschutz­ ten ausschöpfen müssen. gesetz mit Zweckentfrem­ Ein Gedankenexperiment: dungssatzung. In Frankfurt am Könnten wir ohne Neubau auskommen, wenn wir uns wirk­ lich zusammenreißen müss­ ten? Oft wird man, wenn man ganz ehrlich ist, die Frage bejahen können. Wann werden wir einen gesunden Umgang mit dem gebauten Bestand entwickelt haben? Wenn wir die enormen Aus­ maße der Klimakatastrophe, der alternden Boomer-Ge­ neration und der zunehmen­ den Einsamkeit in Europa verstanden haben. Und wenn wir kapiert haben, dass Leer­ stand nicht immer nur Ab­ bruch und Neubau zur Folge haben muss. Beim versteckten Leerstand kann man allein lebenden Menschen mit der 3U-Regel helfen: Umbauen, Umziehen, Untervermieten. Wird es je nötig sein, das Bauen zu verbieten? An manchen Orten wäre das schon längst nötig. So eine radikale Maßnahme wird aber niemals möglich sein. Und das ist auch gut so.

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noch Bedarf besteht. So wurde etwa in der Gründerzeit im Vorderhaus gewohnt, während sich im Hof Gebäude für Gewerbe und Handwerk befanden. Diese waren oft lärm- und emissionsintensiv und sind in dieser Form aktuell nicht mehr akzeptiert. Die vorhandenen Gebäude jedoch haben enormes Potenzial für neue Formen urbanen Arbeitens – etwa im Bereich Reparatur oder Kreativwirtschaft – und eignen sich auch gut für loftartige Wohnformen. Nach der jahrzehntelangen Forcierung der Entmischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit ist die Nutzungsmischung heute wieder verstärkt in den Fokus gerückt Effektiv für die Arbeit im öffentlichen Raum: Megafon und hilft mit ihren kurzen Wegen bei der Reduktion von Verkehr und damit breite sinnvoller Möglichkeiten ist riesig. nonconform hat das Thema bei vielen von Umweltbelastungen. Projekten in unterschiedlichen Konstellationen aufgegriffen – sei es bei der Doch es erfordert viel Energie, um für den Bestand maßgeschneiderte Suche nach neuen Funktionen von alten Lösungen zu finden, denn die BandAmtshäusern, Fabrikgebäuden oder wenig genutzten Infrastrukturanlagen. Im bayerischen Kirchberg im Wald soll ein jahrhundertealter Amthof zu einem Bürgerzentrum mit Seminarräumlichkeiten umgebaut werden. Im ostwestfälischen Vlotho wurde für ein Kulturzentrum in einer ehemaligen Zigarrenfabrik ein multifunktionales Nutzungskonzept entwickelt und soll mit einem zeitgenössischen Zubau weiteres Potenzial entfalten. Und in Berngau ist es sogar gelungen, eine Kläranlage in den Ruhestand zu schicken und den nicht mehr benötigten Tropfkörper als sogenannte „Erkläranlage“ – als Wissens- und Workshopzentrum für Kinder und Jugendliche – einer ganz neuen, überraschenden Nutzung zuzuführen. 130

Das denkmalgeschützte Schloss, eine wuchtige Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert mit Bauteilen aus der Renaissance und dem Barock, wurde Anfang der 2000erJahre für das neu geschaffene Besucherzentrum des Nationalparks Donauauen adaptiert. Dem Entwurf liegt die Idee von verzweigten Flussarmen zugrunde, die typisch für den Ort sind. Als Rampen finden sich diese im Gebäude wieder und weisen Blick- und Gehrichtungen, helfen Höhenunterschiede zu überwinden und bilden als Verweilflächen gemeinsam mit der Aussichtsstiege einen

optischen Abschluss des Schlosshofes. So mäandert der Weg vom Hauptplatz bis zur Turmspitze. Weithin sichtbar ist die mit Lochblech verkleidete Stahlkonstruktion des neu geschaffenen Zugangs, der – teils offen, teils gedeckt mit an- und absteigenden Brüstungen – von der Straße ins Haus leitet. Dieser Zubau macht deutlich, dass eine neue Nutzung ins Schloss gezogen ist, während der Bestand mit seinen vier mächtigen Ecktürmen, den massiven Mauerflächen und kleinen Fenstern behutsam restauriert wurde. Im Inneren finden viele Funktionen ihren Platz: Büros sowie Ausstellungsräume, in denen sich die Geschichte und Gegenwart einer der letzten unverbauten Flussaulandschaften Mitteleuropas erleben lässt, das lokale Heimatmuseum, Shop und Café sowie ein Veranstaltungssaal, der auch von der Gemeinde genutzt wird.

Ort Orth an der Donau, Niederösterreich, A Einwohner:innen 2.200 Auftraggeberinnen Nationalpark Donauauen GmbH, Gemeinde Orth an der Donau, Burghauptmannschaft Österreich Umsetzung 2003–2005 Projektpartner MAGK Architekten, synn architekten

Der Leerstand und die Unternutzung von Gebäuden haben vielfältige Ursachen – beispielsweise unklare Be-

Nationalparkzentrum Schloss Orth

Von Wasser durchzogen

lungsgebieten begegnet – eine Strategie, die sich aber nur in Ausnahmefällen positiv auswirkt. Viel besser ist es, dem sitz- oder Erbschaftsverhältnisse oder Leerstand mit kreativen Ideen zu benicht mehr zeitgemäße Raumbedingun- gegnen und das vorhandene Potenzial zu ertüchtigen. „Dabei ist in einem ersten gen – und ziehen oft eine Spirale an Abwärtsentwicklung mit sich. Wenn die Schritt das Erkennen und Wertschätzen Bevölkerung schrumpft oder altert, sind der vorhandenen Qualitäten ganz entöffentliche Einrichtungen wie Kinder­ scheidend“, sagt nonconform. „Eine gärten oder Schulen, aber auch Schwimm­ zukunftsweisende Umbaukultur muss bäder, Geschäfte oder Banken nicht dabei über eine rein ökonomische Bemehr ausreichend ausgelastet – und ihre wertung hinausgehen und auch gesamtSchließung bedingt, dass die Gemeinde gesellschaftliche und ökologische Aspekte berücksichtigen – denn Leerdamit weiter an Attraktivität verliert. stand und verfallende Gebäude wirken sich auf die Stimmung und das Ortsbild Mancherorts wird dieser Entwicklung meist sehr negativ aus.“ mit der Ausweisung von neuen Sied131

tiert. Das Spektrum reicht von neuen Perspektiven für leer stehende Landwirtschaften über nicht genutzte touristische Gebäude bis hin zu verwaisten oder untergenutzten Einfamilienhäusern, die immer häufiger vorzufinden sind und aufgrund von demografischen Entwicklungen in naher Zukunft noch deutlich mehr Relevanz erhalten werden. Ebenso dringlich sind innovative Konzepte für die Nachnutzung von Ein-

Um dem Leerstand – seinen Ursachen und Auswirkungen, aber auch Chancen – wissenschaftlich fundiert auf die Spur zu kommen, hat nonconform im Jahr 2011 das Format der Leerstandskonferenz entwickelt. Im Rahmen von bisher acht Konferenzen haben sich Fachexpert:innen und Verantwortliche aus Stadtverwaltung und Kommunalpolitik sowie Immobilienbesitzer:innen und Anrainer:innen mit unterschiedlichen thematischen Bereichen beschäftigt und Strategien für zukunftsweisende Lösungen präsentiert, diskutiert und die Ergebnisse dokumen-

Ortskernstärkung und Leerstandsnutzung sind zwei Aufgaben, die bei nonconform oft zusammenkommen 132

kaufszentren, die durch den weltweit pros­perierendem E-Commerce zunehmend unter Druck geraten und mancherorts bereits leer stehen. Umso unverständlicher ist es, dass andernorts immer noch Shoppingcenter vergrößert oder sogar komplett neu auf die grüne Wiese gestellt werden. Und auch die coronabedingte Transformation unserer Arbeitskultur und Arbeitslandschaften – weg vom klassischen Büro hin zu Homeoffice und ortsungebundenem Teleworking – wird in den kommenden Jahren neue Strategien für die ausgedehnten Büroflächen erfordern. Auch hier steht ein dramatisches Umdenken im Ausmaß von Abermillionen Quadratmetern bevor. „In vielen postindustriellen Städten, die aufgrund von politischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen einen starken Wandel durchmachen mussten, vor allem aber auch im ländlichen Raum, ist Leerstand ein sehr präsentes Phänomen, und es führt kein Weg daran vorbei, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen“, sagt nonconform.

Kultur für alle

Über die Jahre haben sich unterschiedliche Institutionen und Vereine angesiedelt, und vielfältige Gruppen haben hier ihren Platz gefunden. Das Wachstum erfolgte kontinuierlich ohne feste Strukturen und funktioniert auf Basis von persönlichen Bekanntschaften sowie gegenseitigem Vertrauen. Eine Brandschutzbegehung vor einigen Jahren hat die bestehenden Verhältnisse durcheinandergebracht. nonconform wurde ausgewählt, um zusammen mit allen Involvierten und Interessierten vor Ort ein neues Nutzungskonzept zu entwickeln. „Wichtig ist, den Charme des Gebäudes zu betonen und neue Formen für die etagenübergreifende Zusammen-

arbeit zu entwickeln“, sagt Katharina Vorderbrügge, Kulturbeauftragte der Stadt. Als Ergebnis liegen nun sowohl ein räumliches Entwicklungs- als auch ein Organisationskonzept vor. Basis war, die bestehenden Nutzungen Jugendzentrum, Stadtbücherei, Jugendkunstschule, Heimatmuseum und Kulturbüro am Standort zu belassen und weiterzuentwickeln. Weitgehend digital konnten die Menschen ihre Anregungen und Wünsche, aber auch ihre Angebote einbringen. Da alle Flächen aktuell genutzt und an ihren räumlichen Kapazitätsgrenzen sind, wurde über das Gebäude hinausgedacht. Zukünftig soll ein eingeschossiger Neubau im Süden andocken, der die Stelle eines ehemaligen Gebäudetraktes einnehmen wird und damit auch die Anforderungen des Denkmalschutzes gut erfüllt. Die sich daraus ergebende hofartige Situation wird mit einer großen Freitreppe auch

für Präsentationen genutzt werden können und bietet Potenzial für vielfältige Nutzungen. So wird die Kulturfabrik ihr Profil stärken und zudem weitere Publikumsschichten ansprechen sowie das Kulturund Freizeitangebot in der Region noch mehr als bisher bereichern.

Ort Vlotho, NordrheinWestfalen, D Einwohner:innen 20.000 Auftraggeberin Stadt Vlotho Ideenwerkstatt 2020 Geplante Umsetzung ab 2023 133

Bestandsentwicklung Kulturfabrik Vlotho

Es war einmal eine Stadt mit einer blühenden Zigarrenindustrie. Das ist lange her, Rauchen und Zigarren sind heute nicht mehr modern. Das markante denkmalgeschützte Backsteingebäude beim Bahnhof, in wenigen Minuten zu Fuß vom Zentrum erreichbar, zeugt noch von diesem einstmals florierenden Wirtschaftszweig und ist ein wichtiges Identifikationsobjekt für die Bevölkerung von Stadt und Region. Dies auch, weil es seit mehr als 40 Jahren über mehrere Generationen einen Treffpunkt darstellte und bis heute vielen Einwohner:innen als Kultur- und Begegnungsort dient. „Dieser Ort ist für Vlotho einfach wichtig“, formuliert es Bürgermeister Rocco Wilken.

Nachnutzung bedeutet vielfach eine Nutzungsänderung, womit baurechtlich

die jetzt gültigen Vorschriften und Normen zu erfüllen sind. Gerade bei alten Häusern stellt dies jedoch oftmals eine technisch und finanziell kaum zu überwindende Hürde dar, weshalb etwa die Initiative Architects for Future, unterstützt von zahlreichen Vereinen Trofaiach: Reden wir über den Leerstand! und Verbänden, eine eigene Umbauordnung fordert, die „klimapositives „Leider wird das Thema oft tabuisiert, Bauen fördert, klimaneutrales Bauen als weil viele Menschen Leerstand als etwas Mindestmaß vorschreibt und das Bauen Unangenehmes empfinden. Doch im im Bestand zur Standardaufgabe macht. Sinne einer Neugeburt und Neuerfindung Bauvorhaben, die diesem – und somit bietet Leerstand ungeahnte Potenziale. auch dem Pariser Klimaabkommen – Es kann, wenn man sich genug Zeit fürs entgegenstehen, sind nicht mehr zulässig.“ Auch das aktuelle WanderausstelQuerdenken und Ausprobieren nimmt, lungs- und Buchprojekt Sorge um den viel Neues und viel Gutes entstehen.“

Träumen von Amts wegen

denkmalgeschützte Bau, dessen Fundamente bis ins Jahr 1250 zurückreichen und der im Wesentlichen nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder neu aufgebaut wurde, verfügt über enorme Flächenreserven, die zum kollektiven Träumen anregen.

Revitalisierung Amthof

Damit die Zukunftspläne leichter umgesetzt werden können, hat sich die Kommune 2019 entschieden, die Immobilie dem bisherigen Eigentümer abzukaufen. Im September 2021 wurde eine dreitägige Ideenwerkstatt abgehalten, in der die Bevölkerung ihre Wünsche und Die historische Assoziation Vorstellungen für das 1.200 Quadratmeter große Haus zum Amthof war für die früheren Generationen keine teilen und in Workshops besonders sympathische, diskutieren konnte. Konsens denn jahrhundertelang wurden bei allen Beteiligten: Wie hier die Steuern eingehoben. schon bisher, sollen hier auch künftig Hochzeiten stattfinden Jetzt kann sich das Haus revanchieren und den Menund diverse Vereine ein Zuschen etwas Gutes tun: Der hause finden können. 134

Neu ist, dass der Amthof zu einem sozialen und kulturellen Treffpunkt für Jung und Alt werden soll. Dazu zählen nicht nur das revitalisierte Gasthaus, sondern auch Coworking-Spaces sowie ein Zubau mit großem Veranstaltungssaal für die gesamte Gemeinde. Das Highlight ist im Dachgeschoss geplant: Inmitten des historischen Dachstuhls soll der „Raum Waldblick“ errichtet werden – ein kleiner Veranstaltungsraum für bis zu 30 Personen und direkter Aussicht in den Bayerischen Wald.

Ort Kirchberg im Wald, Bayern, D Einwohner:innen 4.300 Auftraggeberin Gemeinde Kirchberg im Wald Ideenwerkstatt September 2021

zu einer Umbaukultur zusammenfassen lassen.

Ein Foto von ganzem Herzen: Die Ideenwerkstatt-Teilnehmenden bedanken sich für die Idee der Hochzeitssuite im Schloss Pöggstall

Jeder Neu- und Umbau muss auf eine nutzungsneutrale Errichtung achten, die schnell und einfach auf Markterfordernisse reagieren kann – auch für Bedarfe, die heute noch gar nicht bekannt sind. Auch muss bei der Errichtung der gesamte Lebenszyklus in den Blick genommen werden, und bei der Materialwahl müssen Aspekte von Wiederverwendbarkeit oder Recycling­f ähigkeit mitbedacht sein. Damit könnte Leerstand in Zukunft drastisch reduziert werden, und der Werterhalt von Immobilien wäre längerfristig gesichert. Mit dieser verlängerten Nutzungsdauer helfen sie zukünftig, den Bedarf an Baumaterialien, Bodenverbrauch und Energie zu minimieren. Häufig geht einer neuen Nutzung eine sogenannte Zwischennutzung voran.

Dabei werden leer stehende oder nur teilweise genutzte Gebäude sowie untergenutzte Flächen meist von Kulturschaffenden, Kreativen, sozialen Projekten oder sonstigen gemein­wohlorientierten InitiaBestand des Bundes Deutscher Archi­ tiven temporär benutzt. Gegen geringe ­ tekten, in dem auch nonconform vertre- Miete oder die Zahlung von lediglich ten ist, fordert dieses radikale Umdenken Betriebskosten dienen Zwischennutzunin zehn Strategien, die sich als Plädoyer gen als Erweiterung des Raumangebots für die Weiterentwicklung der Baukultur sowie als Experimentierfeld für neue 135

Peter Haimerl

Der Münchner Architekt Peter Haimerl, zugleich Professor an der KUNSTUNIVERSITÄT LINZ, hat sich unter anderem auf Bauen im Bestand spezialisiert. Seine Projekte, ob in der Stadt oder im ländlichen Raum, sind der Beweis, dass in alten, revitalisierten Häusern und in Nachnutzungen enorme Potenziale schlummern – auch wirtschaftlich betrachtet.

Architektur muss komplexe Räume schaffen. Sie sind spezialisiert auf die Nachnutzung und Revitalisie­ rung alter, oft auch denk­ malgeschützter Gebäude. Worauf ist dabei besonders zu achten? Das Wichtigste ist: Man muss das Gebäude kennenlernen – von der Geschichte her, von seinem strukturellen Aufbau, aber auch von seinem Charakter. Wichtig ist außerdem, dass es für die Sanierung oder Revitalisierung ein starkes, in sich konsistentes Konzept gibt. Nur an ein paar Ecken und Enden restaurieren und reparieren – das ist zu wenig. Das macht keinen Sinn, da kann man nur was kaputtmachen. Wie schaut es mit neuer Haustechnik und neuen Raumprogrammen aus? Beim Raumprogramm versuche ich immer, mich dem anzupassen, was da ist. Bei

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kleinen und niedrigen Räumen arbeite ich im Rahmen der Möglichkeiten. Und was die Haustechnik betrifft: Gerade im Bereich der Heizung und Bauteilaktivierung gibt es einige Systeme, die sich im Altbau sogar besser eignen als im Neubau.

so begeistert, dass er sich nach einigen Jahren entschieden hat, ein denkmalgeschütztes Haus zu kaufen und es mit uns zu sanieren. Also: Wenn man die Arbeit gut macht, dann können Funken der Begeisterung auf die Nutzer:innen überspringen.

Bauen in historischer Subs­ tanz ist meist unvorherseh­ bar, manchmal auch schwer kalkulierbar. Mit welchen Ar­ gumenten kann man eine:n Bauträger:in oder Investor:in dennoch für die Materie be­ geistern? Da mache ich mir wenig Sorgen. Es geht darum, ein Grundstück möglichst effektiv und gewinnbringend zu verwerten. Wenn es gelingt, mit geringem Eingriff einen Mehrwert zu schaffen, dann ist eine Nachnutzung nicht nur baukulturell von Bedeutung, sondern auch wirtschaftlich interessant.

Hat die Bauwirtschaft heute mehr oder weniger Interesse, ein größeres oder kleineres Sensorium für alte Bausub­ stanz als bisher? Wie ist Ihre Einschätzung? Ich habe vor etwa 15 Jahren begonnen, mich mit Bauen im Bestand zu beschäftigten. Leider ist die Bereitschaft, mit dem Alten zu arbeiten, in der Branche seitdem eher geschwunden. Vieles ist bereits zerstört. Aber: Es gibt ein paar tolle Ausnahmen und engagierte Unternehmen und Investor:innen, die es verstanden haben, das Wenige, was noch da ist, zu schützen und zu bewahren.

Und wie reagieren Mieter:in­ nen und Eigentümer:innen auf solche Projekte? In München-Riem haben wir einen alten Bauernhof in ein Wohnhaus mit Mietobjekten umgebaut. Der Erstmieter war

Welche Verantwortung über­ nehmen dabei die Archi­ tekt:innen? Eine große! Sie sind es, die die Materie verstehen. Sie sind es, die die öffentliche

Hand und die private Bauwirtschaft mit Know-how und Konzepten versorgen müssen. Die Bauherrschaften sind davon abhängig, dass Architekt:innen gute Projekte machen, dass sie etwas aus dem Nichts heraus schaffen und damit Neues kreieren. Aber wenn man auf den Unis landauf, landab nur lernt, dass Schlichtheit und Bescheidenheit zu den größten Tugenden zählen, dann ist das schwer. Wo bleibt die Lehre über den Geist und Charakter unserer Häuser?

Was sind die wichtigsten Herausforderungen aktuell für Architektur und Baukultur? Architekt:innen und politische Akteur:innen müssen entscheiden, welche Rolle gebauter Raum als Architektur für sie in Zukunft haben soll. Architektur muss wieder eine relevante gesellschaftliche Rolle übernehmen. Sie muss wieder die Kraft entwickeln, spannende und nachhaltige Stadträume zu erschaffen, die schön und nicht nur funktional sind.

Welche Rolle spielt dabei der ländliche Raum? In kleineren Kommunen – weit entfernt von den Ballungszentren mit ihren hohen Bodenpreisen und zementierten Strukturen – eröffnen sich große Handlungsräume, in denen die Wirkmächtigkeit von Architektur unmittelbar deutlich werden kann. Hier kann Architektur Aktionsräume und Freiräume für innovative Aktivitäten schaffen. Hier kann Architektur neue Geschichten erzählen.

Leider ist die Bereitschaft, mit dem Alten zu arbeiten, in der Branche eher geschwunden.

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der Nische des alternativen, informellen Raums zu bauplanerischen Instrumenten im Umgang mit Brachflächen und in der Wirtschaftsförderung entwickelt – und oft auch zu einem profitablen Geschäft.

Nachnutzen und Weiterbauen: Schloss Orth an der Donau

Entwicklungen. Begonnen hat dieses Phänomen vielerorts mit Hausbesetzungen, inzwischen hat es sich jedoch aus

Gestern Raves, morgen Radieschen

Nachnutzung Seenhof

Das mit den Zwiebeln und Kartoffeln ist schon lange vorbei. Seit den 1990er-Jahren war der Berghof in Maria Wörth den meisten Kärntner:innen nur noch als Disko und In-Lokal bekannt. Doch nun, nach einigen Jahren des Leerstands, wird der ehe138

Gebieten, denen früher ein schlechtes Image anhaftete, verschaffen Zwischennutzungen eine neue Aufmerksamkeit und tragen damit zu einer merklichen Wertsteigerung bei. Ein weithin bekanntes Beispiel dafür ist der New Yorker Stadtteil SoHo, der sich seit den 1960er-Jahren von einem teils heruntergekommenen Slum in eine der teuersten

malige Bauernhof seinem Ursprungszweck zurückgeführt: Die knapp drei Hektar fruchtbaren Lands rund ums Haus sollen wieder bewirtschaftet und beackert und in Form eines CSA-Projekts betrieben werden. Die Abkürzung steht für „Community Supported Agriculture“ und meint nichts anderes als einen genossenschaftlich geführten Betrieb, in dem die Kund:innen das Gemüse nicht kiloweise kaufen, sondern ein jährliches BioKistl-Abonnement beziehen. Hinter dem ungewöhnlichen Nachnutzungsprojekt verbirgt sich ein privater Investor, der den Wörthersee schon seit Kindheitstagen kennt und davon träumt, hier ein Pionierprojekt für nachhaltige Lebenskultur und Landwirtschaft zu realisieren. Als Resultat einer Ideenwerkstatt wird der alte Berghof von nonconform umgebaut und saniert. Der Fokus richtet sich auf Re-Use, Recycling und lokale Baustoffe, das Holz für den Dachstuhl und die Neubauten kommt

vom Förster ums Eck, und einen neuen Namen gibt es auch: Seenhof. Seit Winter 2021 wird der Betrieb von Verena Wallner, einer ausgebildeten Agrarwissenschaftlerin und Ökolandwirtin, geleitet. In den kommenden drei Jahren, so der Plan, soll der Gemüsebetrieb aufgebaut, das Netzwerk sukzessive ausgebaut werden. Statt R&B und Raves gibt’s dann bald Rüben und Radieschen.

Ort Maria Wörth, Kärnten, A Einwohner:innen 1.600 Auftraggeberin Seenhof GmbH Ideenwerkstatt Frühjahr 2020 Umsetzung 2022–2023 Architektur nonconform Betreiberin Verena Wallner

Wohngegenden der Stadt verwandelt hat. Somit ist Zwischennutzung Chance und Risiko zugleich. Es ist sorgsam darauf zu achten, dass ein solches Projekt nicht vollständig kommerzialisiert wird. In boomenden Städten ist diese Gefahr weitaus größer als in strukturschwächeren Regionen. Hier bergen Zwischen­ nutzungen ein ungleich höheres Potenzial, zu einer Aufwertung und Belebung von ungenutzten Raumreserven beizutragen und nachhaltige Veränderungen anzustoßen. Nachnutzung bietet auch die Chance, die eine oder andere Sünde der Vergangenheit zu mildern oder im Idealfall sogar zu korrigieren, denn es gibt zahlreiche monofunktionale Strukturen, etwa reine Wohnviertel ohne Geschäfte und Gastronomie oder reine Bürogebiete, die nachts und am Wochenende zu Geisterarealen mutieren. Das Ziel für

die Zukunft muss sein, gut durchmischte Gebiete zu schaffen, die ein breites Spektrum an vielfältigen Funktionen und freudvoll zu nutzenden Räumen anbieten – als zentrale Voraussetzung für Vitalität und Zukunftsfähigkeit.

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Was tun mit all den toten Häusern? 2011 rief nonconform die Leerstandskonferenz ins Leben. Seit damals hat sie sich zu einem wichtigen Thinktank im deutschsprachigen Raum entwickelt – mit dem Ziel, ein brisantes Thema zu enttabuisieren.

Leerstandskonferenzen

Am 11. Oktober 2018 um 13 Uhr sind alle baden gegangen. Das Mittagessen fand im alten Stadtbad im Luckenwalder Industriegebiet statt. 1928 wurde die Schwimmhalle, ein nüchterner Backsteinbau mit Betonrippengewölbe, eröffnet. Ein hellblau verfliestes Becken in der Mitte, rundherum Kästchen und Kabinen auf zwei Etagen, dazwischen eine umlaufende Galerie mit Blick ins Wasser. „Wertsachen

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können beim Schwimmeister abgegeben werden“, steht noch in Frakturschrift und alter Rechtschreibung an der weiß gekachelten Wand. 1992 musste der Betrieb im Zuge der Schließung der umliegenden Fabriken – und damit verbunden mit dem Abschalten des Dampfkessels – eingestellt werden. Wo einst das Wasser war, sind nun Tische und Stühle aufgestellt. Die Teilnehmer:innen sitzen auf Grund und essen Rinderbraten mit Bratkartoffeln und Rotkraut. Die 7. Leerstandskonferenz im brandenburgischen Luckenwalde widmete sich den „Strategien gegen Leerstand und für Nachnutzung von Produktionsstätten“. Drei Tage lang wurde das Thema in mehr als 30 Impulsen, Vorträgen und Diskussionsformaten aus sämtlichen Blickwinkeln betrachtet – politisch, kulturell, wirtschaftlich, praktisch und theoretisch, verkopft und

Neue Perspektiven für leerstehende Bauten im ländlichen Raum Oktober 2011 Ottensheim, Oberösterreich, A Der Berg schrumpft! Leerstand im Alpenraum Oktober 2012 Eisenerz, Steiermark, A Neue Perspektiven auf Architekturen des Scheiterns Oktober 2013 Fresach, Kärnten, A Auslastung: Nicht genügend! Schulen und ihre ungenutzten, räumlichen Potenziale Januar 2015 Leoben, Steiermark, A Zimmer frei! Leerstand im Tourismus Oktober 2016 St. Corona am Wechsel, Niederösterreich, A Leerstand ab Hof! Strategien für einen Umbau in der Landwirtschaft Oktober 2017 Innervillgraten, Osttirol, A Betreten verboten! Strategien gegen Leerstand und für Nachnutzung von Produktionsstätten Oktober 2018 Luckenwalde, Brandenburg, D Jemand daheim? Ideen für halbleere Ein­familienhäuser September 2022 Kolbermoor, Bayern, D

Leerstandskonferenzen einige Tausend Besucher:innen und rund 200 Vortragende und Diskutierende aus den unterschiedlichsten Disziplinen mitgewirkt – vom Filmemacher Robert Schabus über die Raumplanerin und Raumforscherin Gerlind Weber bis zu Sabine Djahanschah von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.

visionär, optimistisch und pessimistisch sowie in Form von internationalen BestPractice-Beispielen.

Was tun mit all diesen toten Häusern? Der Umgang mit Leerstand ist für nonconform kein Tabuthema, sondern beschäftigt das holistisch aufgeDie Wahl des Konferenzortes stellte Architekturbüro schon ist kein Zufall, schließlich war seit geraumer Zeit. 2011 wurLuckenwalde, 40 Kilometer de in Ottensheim, einer Marktsüdlich von Berlin, eine einst gemeinde in der Nähe von bedeutende Industriestadt. Linz, die Initiative ergriffen und Seit dem 17. Jahrhundert die erste Leerstandskonferenz schon siedelten sich hier ins Leben gerufen. Das zweiTuchmacher und Braumeister tägige Format befasste sich an, später folgten Schuhdamals noch ganz generell mit macher, Spinnereien, Brendem Leerstand im ländlichen nereien, Schmiedegilden, Raum. Viele Regionen in ganz Papierwerke, Ziegelfabriken, Europa sind Opfer diverser Baustoffwerke, Schraubenfab- Strukturwandel – und sind vor riken und sogar eine Klavierallem in den letzten 20 bis 30 fabrik, die Pianos für den Jahren mit dem Thema stark in gesamten Ostblock produzier- Berührung gekommen. te. Nach der Wende jedoch wurden die meisten Betriebe Die darauf folgenden Leereingestellt, und Luckenwalstandskonferenzen widmeten de verlor mehr als ein Drittel sich dem Alpenraum (2012), seiner Einwohner:innen. Die den Architekturen des Scheialte Hutfabrik von Architekt terns (2013), dem ländlichen Erich Mendelsohn, 1923 in Bildungsbau (2015), den sterBetrieb genommen, zeugt vom benden Tourismusregionen einstigen historischen Erbe (2016) sowie dem Rückgang und ist heute eines der bedeu- der mitteleuropäischen Landtendsten Industriedenkmale wirtschaft (2017). Insgesamt Deutschlands. haben bei den bisherigen

„Wir wollen mit unseren Konferenzen den Leerstand nicht schönreden, aber müssen in der Lage sein, das Thema zu enttabuisieren und uns potenzielle Lösungsansätze anzuschauen“, sagt Projektini­ tiator Roland Gruber, der die Leerstandskonferenz vor allem als Thinktank sieht. „Allein in Europa stehen Hunderttausende Bauernhöfe leer, Zehntausende Fabriken und Produktionsstätten wurden in den letzten Jahrzehnten aufgelassen, und über den Geschäfteleerstand im ländlichen Raum können wir uns alle tagtäglich ein Bild machen.“ Im September 2022 findet die Konferenz in der Spinnerei Kolbermoor in Bayern statt. Ein mehr als brisantes Thema: Sie nimmt die Zukunft leer stehender Einfamilienhäuser unter die Lupe.

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außerdem Aufgrund von Digitalisierung, Corona-Pandemie, Rohstoffknappheit und demografischer Entwicklungen befinden sich Arbeits- und Produktions­landschaften weltweit in einer dramatischen Transformation. Doch jede Veränderung und Neupositionierung bietet auch die Chance auf neue Visionen und frische Energien. Es war Juli 2017, mitten im alljährlichen damit seine eigene physische Büromani­ Sommerloch, als eine Kurzmeldung festation komplett in Luft aufzulösen.

in Tageszeitungen und Wirtschaftsmagazinen bei Arbeitspsycholog:innen, Trendforscher:innen und Ökonom:innen die Alarmglocken schrill läuten ließ: Das US-amerikanische Tech-Unternehmen Automattic, das die Social-MediaPlattform Tumblr und den globalen Webhosting-Dienst WordPress.com betreibt, hatte bekannt gegeben, das Headquarter in San Francisco aufzulassen – und

Wie weiterbauen? Mohrenbrauerei in Dornbirn, Vorarlberg 144

Das schicke Fabrikloft in der 29. Straße in Bernal Heights, ein 2013 renoviertes Lagerhaus im Süden der Stadt, wurde leer geräumt und auf der Immobilienplattform Colliers International zur Weitervermietung inseriert. Ausschlaggebend für die Schließung waren nicht etwa wirtschaftliche Gründe, sondern vielmehr soziale, logistische, zwischenmenschliche. Von den insgesamt 550 Mitarbeiter:innen, die bei Automattic San Francisco tätig sind, hätten immer weniger den Weg ins Büro gefunden – und sich stattdessen zunehmend für Teleworking entschieden. „Wir stellen unseren Leuten ab sofort frei, wo und wie sie in Zukunft arbeiten wollen“, sagte Gründer und CEO Matt Mullenweg damals zu den Medien. „Möchte jemand nicht von zuhause aus arbeiten, sondern sich lieber zum Starbucks oder in einen kommerziellen Co-Working-Space setzen, so werden

über die ganze Stadt und darüber hinaus. Besprechungen, Konzernmeetings und wöchentliche Jours fixes finden ausschließlich im digitalen Raum statt.

Trumer Brauerei: Auf Spurensuche mit den Inhaber:innen

wir die dafür anfal­lenden Kosten gerne rückerstatten.“ Bis zu 250 US-Dollar beträgt die monatliche Refundierung. Damit ist das DigitechUnternehmen, dessen Marktwerkt in der Branche auf rund 7,5 Milliarden Dollar geschätzt wird, heute eine reine Postkasten­ firma, ein Haus ohne Heimat. Das Sekretariat und die Postannahmestelle des Megakonzerns befinden sich in derselben Straße, ein paar Blocks weiter, im dritten Stock eines pseudoviktorianischen Holzhauses. Die Mitarbeiter:innen hingegen sind verstreut

„Automattic ist ein sehr radikales Beispiel für die rasant ansteigende Digitalisierung im Businesssektor“, sagt Jens Kapitzky. Der 57-jährige Organisations- und Strategieberater leitet die Metaplan Leadership & Organization Academy in Quickborn bei Hamburg und beschäftigt sich schon lange Zeit mit der Implementierung innovativer Arbeitsmodelle in disruptiven Zeiten. Eine solche Disruption, die alle bisher bekannten Systeme auf den Kopf gestellt hat und in vielen Branchen und Unternehmen als Zerreißprobe gilt, ist auch die Corona-Pandemie. Wenn ihn Geschäftsführer:innen und Teamleiter:innen danach fragen, wann wir endlich wieder zur Normalität zurückfinden werden,

Kärntner Sparkasse: Studierende werden von Beginn an in die Entwicklungsarbeit integriert 145

dann hat er darauf nur eine einzige Antwort parat: „Gute Frage!“ Denn: „Wie wollen wir in Post-CoronaZeiten den Begriff Normalität überhaupt noch definieren? Corona hat

die Art und Weise, wie wir wohnen, arbeiten und uns durch die Stadt bewegen, so radikal verändert, dass ich bezweifle, jemals wieder dorthin zurückkehren Digitaler Workshop: Entwicklung Headquarter Kärntner Sparkasse zu können, wo wir vor der Pandemie mal waren.“ Seine Zweifel beziehen sich nicht nur auf die analoge, digitale Büro­architektur. Das in den letzten zwei Jahrzehnten stark propagierte Großraumoder im besten Falle hybride Unternehmenskultur, sondern auch auf die büro mit zentraler Lüftung, großen Luft-

Abfüllen im Herzen der Stadt

Die Mohrenbrauerei in Dornbirn gibt es seit 1763, sie ist heute die älteste familiengeführte Brauerei des Landes Vorarlberg. Betrieb und Produktion befinden sich in zentraler Innenstadtlage und stoßen räumlich an ihre Grenzen. Eine Verlegung an den Stadtrand kommt nicht infrage, denn Tradition verpflichtet.

radikale Szenarien ausgearbeitet: Verdichtung nach innen oder nach oben am bestehenden Standort, oder aber die Fokussierung alleine auf die Produktion am Ort, gekoppelt mit einer Auslagerung der Logistik. Diese Varianten bildeten die Basis für die gemeinschaftliche Arbeit vor Ort in unterschiedlichen Konstellationen mit dem Mohrenbräu-Team, mit Nachbar:innen, dem Gestaltungsbeirat sowie Verantwortlichen von Stadt, Stadtmarketing und Tourismus.

Zukunftsentwicklung Mohrenbrauerei

Begehungen, Pläne, ein großes Modell und insbesondere ein „Luftbildteppich“ boten Gelegenheit, um die Varianten sehr realitätsnah an Ort und Stelle zu erproben und die „Wir arbeiten gerade mit jeweiligen Vor- und Nachteile zu erkennen. Das Ergebnis mit großem Engagement an unserer Zukunftsvision für Innenverdichtung, besserer Verkehrsführung und Öffnung das Areal und das gesamte Unternehmen“, sagt Geder Brauerei zur Umgebung schäftsführer Thomas Pachole. war Grundlage für einen – von Dazu wurden im Vorfeld nonconform organisierten einer dreitägigen Ideenwerk- und moderierten – geladenen statt die Rahmen­bedingunArchitekturwettbewerb mit gen und Möglichkeiten gründ- einem Siegerprojekt, das alle lich recherchiert und drei Anforderungen ideal umsetzt. 146

Ort Dornbirn, Vorarlberg, A Einwohner:innen 50.000 Auftraggeberin Mohrenbrauerei Ideenwerkstatt 2020 Betreuung Phase Null 2021 Architektur Baumschlager Hutter und Partner

rund 200 Mitarbeiter:innen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der fortschreitenden Digitalisierung sind dafür elementare Bausteine. „Wir leben in einer Zeit, in der sich die Anforderungen an die Arbeitswelten massiv verändert haben, und wir wissen, dass uns

umwälzungen und wenig Möglichkeit zur räumlichen Distanzierung hat sich in der Corona-Zeit als unflexibel und unhygienisch herausgestellt. Zudem sind die Bürowelten und Verwaltungsbereiche, wie sie bis zuletzt geplant wurden, schlicht und einfach überdimensioniert. „Wir müssen die Parameter von Zusammenarbeit neu denken“, so Kapitzky.

in naher Zukunft noch einige weitere Transformationen bevorstehen, die wir in ihrem Umfang und in ihrer Gesamtheit heute noch nicht vollends erfassen können“, sagt Gabriele Semmelrock-Werzer, Vorstandsvorsitzende der Kärntner Sparkasse. „Das wirkt sich natürlich auf das OfficeLayout sowie auf die Kommunikation im gesamten Unternehmen aus. Und das wiederum hat Folgen darauf, wie wir Büro denken und bauen.“

War es früher üblich, jedem Mitarbeiter, Eines der besten Beispiele dafür ist der jeder Mitarbeiterin einen eigenen fixen bevorstehende Umbau der Kärntner Arbeitsplatz einzurichten, so habe sich Sparkasse im Stadtzentrum von Klagen- spätestens mit der Corona-Pandemie furt. In den kommenden Jahren soll das historische Stammhaus am Neuen Platz komplett umgebaut und umstrukturiert werden. Die Sanierung bezieht sich dabei nicht nur auf die öffentlichen Schnittstellen mit der Kundschaft wie etwa Schalterhalle, Sparkassen-Café und Veranstaltungsbereich, sondern auch auf die Der Manager bei der Arbeit: Trumer Brauhof Bürolandschaft der 147

herauskristallisiert, dass diese Bedingung in einigen Branchen endgültig der Vergangenheit angehört. „Home-Office ist zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Arbeitsalltags und der eigenen Projektgestaltung geworden, und manche Leute bevorzugen es, an zwei oder drei Tagen von unterwegs oder von zuhause aus zu arbeiten“, erzählt Semmelrock-Werzer. Und analysiert: „Mit Urlauben, Krankenständen und Außendiensten hatten wir vor der Pande­ mie eine durchschnittliche Büroanwesenheit von 73 Prozent. Mit Corona und Tele­working ist dieser Anteil nochmal auf weit unter 60 Prozent gesunken. Das ist ein Faktum. Damit müssen wir arbeiten.“ Zu groß dimensionierte Büros – ob

im Großraum oder in kleineren Zellen – seien nicht nur flächenmäßig ineffizient und somit entsprechend unwirtschaftlich in der Errichtung und Erhaltung, meint die Vorstandsvorsitzende, sondern hätten auch den Nachteil einer zu geringen Reibung und Kommunikationsdichte. Je weiter die Leute auseinandersitzen, je länger die Wege von A nach B, desto aufwendiger und hürdenreicher die zwischenmenschlichen Kontakte – ganz gleich, ob es sich dabei um unverzichtbare Business-Kommunikation oder bloß um einen informellen Plausch beim Drucker oder an der Kaffeemaschine handelt. Fazit: „Wenn wir auch in digitalen Zeiten gute Unternehmenskultur leben wollen, dann müssen wir näher zusammenrücken.“ Und zwar nicht nur in unternehmensinternen Strukturen, sondern auch zwischen den Disziplinen. „Jedes Unternehmen ist ein Universum für sich, jedes Unternehmen hat seine eigene DNA“, sagt nonconform. „Doch im Gegensatz zu unserem Erbgut ist die Unternehmenskultur und Unternehmensidentität nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches, das mit den Menschen, mit der Men­ talität des Standorts und natürlich auch mit den äußeren Umständen einem permanenten, dynamischen Wandel unterworfen ist.“ Diesen Wandel gilt es zu erkennen – und im besten Fall auch zu antizipieren und entsprechende Möglichkeits­ räume vorzusehen.

Nah & Frisch: Gespräch mit der nächsten Inhabergeneration 148

Auf der Suche nach dem Grundstück in der Luft

Mit drüberbau hat nonconform gemeinsam mit Partner:innen ein flexibles System zur Überbauung von versiegelten Flächen entwickelt. Mit seriell vorproduzierten Stützen und Trägern können damit sowohl Parkplätze als auch Supermärkte einfach transformiert werden. Auf den neuen oberen Ebenen entstehen damit anpassungsfähige Gebäude, die vielfältig genutzt werden können. Die vorgefertigten Elemente in Holzbauweise erlauben dabei die Errichtung von Wohnungen, Arztpraxen oder Büros – ganz ohne zusätzlichen Bodenverbrauch. Die nutzungsoffene Struktur ermöglicht auch in Zukunft Adaptierungen an neue Bedarfe. Einfach, kostengünstig und zeitsparend können damit auf einem handelsüblichen Lebensmittelmarkt oder über einem bestehenden Parkplatz etwa 80 Wohnungen beziehungsweise 5.000 Quadratmeter zusätzliche Nutzfläche geschaffen werden.

D ieses D okum entund seine Inhalte sind geistiges Eigentum der nonconform ztgm bh und dürfen – w ederals G anzes noch in Auszügen – ohne ausdrückliche Zustim m ung nichtverw endet oderw eitergegeben w erden.

Zukunft in Zeiten der Klimakrise. Mit strengeren Vorschriften in der Raumordnung und bei Flächenwidmungsplänen wird da oder dort bereits reagiert, der Wandel ist aber öffentlich bisher noch nicht sichtbar.

Konstruktiv ist das System so aufgebaut, dass die Fundierung mit minimalen Eingriffen in den Boden auskommt, womit die Montage mit kurzen Bauzeiten und weitgehend ohne Beeinträchtigung des laufenden Betriebs möglich

ist. Sämtliche Elemente werden vorgefertigt zum Standort geliefert und dort montiert. Die Gebäudestruktur ist zum überwiegenden Teil rückbaubar. Neben dem Boden- und Ressourcenschutz bietet die Lösung auch eine strukturelle Aufwertung von heute oftmals monofunktional genutzten Arealen. Nachts leer stehende Einkaufszentren können sich etwa zu lebendigen Quartieren entwickeln, kurze Wege helfen dabei, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Da es sich um bereits bestehende Standorte handelt, sind keine oder nur geringe infrastrukturelle Aufschließungen erforderlich, womit weitere Ressourcen gespart werden können. Eine klassische Win-win-Situation.

Ort Supermärkte, Fachmarktzentren und Parkplätze Auftraggeberin privat Umsetzung geplant ab 2022 Projektpartner Christof Weissenseer, Weissenseer HolzSystem-Bau; Mario Deuschl und Wolfgang P. Stabauer, ÖKO-Wohnbau 149

Projektinitiative drüberbau

Wer kennt sie nicht – die monofunktionalen und monotonen Agglomerationen an Orts- und Stadträndern mit den immer gleichen Geschäften, überdimensionierten Parkplätzen und weit die Landschaft überragenden Werbeschildern? Oder die Gewerbezonen mit fantasielosen Schachteln ohne jeden Gestaltungsanspruch? Für diese Gegenden, denen Geschichte und Identität fehlen, prägte der französische Anthropologe Marc Augé den Begriff „Nicht-Orte“. Ihre Errichtung vernichtet natürlichen Boden, der für viele Jahrzehnte weder für Landwirtschaft noch Erholung genutzt werden kann. Damit geht Versorgungssicherheit verloren, und die Biodiversität wird reduziert. Ihre Erreichbarkeit erfordert Straßen und Autoverkehr – kein Konzept für die

drüber

Ruth Reichstein

Ruth Reichstein arbeitete zunächst als Journalistin und ist seit 2019 in der EU tätig. Sie ist Mitglied im Advisory Board of the President of the European Commission und kümmert sich um die Agenden des NEW EUROPEAN BAUHAUS.

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Nicht nur Schönheit, nicht nur Kilowatt­ stunden.

haben, dass das Thema Klimaschutz in vielen Ländern wieder ganz oben auf der Agenda steht.

Inwiefern muss man die Privatwirtschaft dabei in die Pflicht nehmen? Die Privatwirtschaft ist ein wichtiger, unverzichtbarer 2021 hat EU-KommissionsBaustein. Die Besonderheit präsidentin Ursula von der am NEB allerdings ist, dass Leyen das New European wir niemanden verpflichten, Bauhaus ins Leben gesondern positive Einladungen rufen. Was sind denn die wichtigsten Eckpfeiler dieser aussprechen. Wir appellieren an das eigene VerantworInitiative? Mit dem New European Bau- tungsbewusstsein. Ein Anreiz haus (NEB) wollen wir der Kli- etwa ist, dass die Untermakrise entgegenwirken und nehmen und Organisationen die Lebensqualität in unseren „Freunde des New European Städten und Gemeinden ver- Bauhaus“ werden können. bessern. Um das zu erreichen, setzen wir auf verschiedenen Was sollen Auftraggeber:inEbenen an – nicht nur bei der nen von Bürogebäuden, ProArchitektur, Stadtplanung und duktionsstätten und LogistikInfrastruktur, sondern auch in zentren Ihrer Meinung nach den Bereichen Kultur, Bildung konkret beachten? Die drei Säulen des NEB und Politik. Es braucht einen richtigen Change of Mindset. sind Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion. Oder anders ausgedrückt: Das Ziel ist, Wo stehen wir heute? Unsere NEB-Community Ökologie und Architekturbesteht mittlerweile aus über qualität unter einen Hut zu bringen, ohne sich dabei nur 400 offiziellen Partnerorgaauf Schönheit oder nur auf nisationen. Und am meisten Kilowattstunden zu konzenfreut es mich, dass wir es mit dieser Initiative geschafft trieren. Nicht zuletzt geht es

um den sozialen Faktor – um eine Art „Togetherness“. Rechtlich gestützt wird das New European Bauhaus durch die neue EU-Taxonomie. Welche Auswirkung hat diese auf die private Bauwirtschaft? Es gibt mittlerweile viele rechtliche Grundlagen, die das New European Bauhaus stützen, die EU-Taxonomie ist nur eine davon. Aber Fakt ist: Ohne die Erfüllung gewisser ökologischer Kriterien wird es in Zukunft immer schwieriger werden, Baustoffe zu produzieren, Gebäude zu errichten und Immobilienprojekte zu finanzieren und zu betreiben. Was sind die drei wichtigsten Tipps für Unternehmer:innen? Erstens viel Offenheit und keine Angst vor Co-Kreation mit Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Stakeholder:innen. Zweitens Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, und zwar so rasch wie möglich. Und drittens raus aus dem SiloDenken! Die Transformation wird nur gelingen, wenn wir uns zusammentun und alle an einem Strang ziehen.

Anforderungen an gebauten Raum. „Viele Fabriken und Produktionsstätten“, sagt nonconform, „sind veraltet und stehen entweder leer oder platzen aus allen Nähen. Oft sind die Fertigungsmethoden und Arbeitsstraßen, die vor 20, 30 oder 50 Jahren entwickelt und errichtet wurden, heute einfach nicht mehr effizient.“ Die große Frage ist: Wie schafft man es, die Betriebsstätten zu modernisieren und die Unternehmen in die Von so einem dramatischen Wandel Zukunft mitzunehmen, ohne dabei die betroffen ist auch der gesamte GeUnternehmensidentität und die oft einwerbe- und Industriesektor. Mit dem zigartige, historisch wertvolle KulturWachsen der Ballungsräume, mit der geschichte des Arbeitens zu zerstören? Strukturumwälzung zwischen Stadt und „Das sind die brennenden Fragen, die Land, mit der steigenden Bodenknapp- uns interessieren und mit denen auch heit in zentralen Lagen, aber auch mit viele Branchen – ob internationale der zunehmenden Automatisierung und Konzerne, mittelständische KMUs oder Digitalisierung vieler Produktionsschritte traditionelle Familienunternehmen – derzeit akut konfrontiert sind. Die Antsowie vollkommen neuen Liefer- und wort auf die Transformation muss sehr Logistikprozessen verlagern sich die behutsam, differenziert und mit Respekt vor dem kulturellen Unternehmenserbe ge­ funden werden – und zwar nicht nur unter Einbeziehung der Geschäftsführung, sondern auch der Abteilungsleiter:innen und Mitarbeiter:innen.“ Solche Entscheidungen, so nonconform, dürfe man nicht allein Hallen- und Anlagenbauern überlassen. nonconform hat eine neue Organisationsstruktur geschaffen und sich damit den Rücken gestärkt

Reise in die Zukunft einer selbstführenden Organisation: Selbstversuch nonconform

Während etwa Coca-Cola seine Abfüllanlage in Wien komplett aufgelöst hat, wurde 151

in Grünheide am Stadtrand von Berlin in den letzten zwei Jahren – mit wohlgemerkt harter Kritik an den umfangreichen Waldrodungen sowie an der generell wenig ökologischen Herangehensweise an das Projekt – die Tesla Gigafactory aus dem Boden gestampft. Auf einer Produktionsfläche von knapp 500.000 Quadratmetern und mit der Hilfe von rund 12.000 Beschäftigten im Dreischichtbetrieb will man hier bald schon eine halbe Million Fahrzeuge pro Jahr fertigen, so der Plan. Die vollauto­

matischen Fertigungsstraßen sind so effizient und so hochtechnologisch entwickelt, dass man in der Baubranche einfach nur neidisch werden kann. „In den heutzutage boomenden Erlebnis- und Schauwelten der großen Autohersteller“, schreibt die Wiener

Architektin und Architekturtheoretikerin Gabu Heindl in ihrem Buch Arbeit Zeit Raum. Bilder und Bauten der Arbeit im Postfordismus, „sehen wir die postfordistischen Arbeitsstrukturen als Spektakel: Transparenz, Kundenbetreuung, Maßschneiderung, Repräsentation klinisch sauberer Hightech-Applikationen bei gleichzeitiger Nichtsichtbarkeit der prekarisierten Arbeitssituationen ihrer Konzerne anderswo, ob historisch oder gegenwärtig.“

Die neuen Arbeitswelten : Essen, Trinken, Hund und Kind als Teil des täglichen Schaffens 152

Auch wenn die Tesla Gigafactory in Brandenburg, was Produkt und Dimension betrifft, mit den meisten KMU-Industriebetrieben im deutschsprachigen Raum nicht direkt vergleichbar ist, so lassen sich aus dem medial ambivalent rezipierten XXLBeispiel dennoch einige wichtige Kon­stanten ableiten:

Dazu zählen beispielsweise Maximierung der Effizienz, Reduktion des Ressourcenverbrauchs sowie Wahrung angenehmer, respektvoller Arbeitsbedingungen für die Angestellten. Letzteres – im Business-Fachjargon auch unter dem Begriff Employer Branding bekannt – entwickelt sich zu einem immer wichtigeren Faktor in der Gewinnung motivierter, hoch ausgebildeter Arbeitskräfte.

Guten Appetit! Prost! Auf eine gute Zusammenarbeit!

Wenn traditionsreiche Familienbetriebe wie etwa Mohrenbräu, Trumer Brauerei oder die regionale Supermarktkette Nah & Frisch, deren Chroniken viele Jahrzehnte zurückreichen und die nicht selten in

x-ter Generation fortgeführt werden, also beschließen, ihr Headquarter oder ihre Produktions- und Logistikstandorte neu zu strukturieren, dann liegt ein großer Teil des immateriellen Kapitals in der

Seit 1601 wird in Obertrum am See Bier gebraut, seit 1775 befindet sich die Brau­ erei in Besitz der Familie Sigl, die das Unternehmen nun in

statt, anschließend wurde der Prozess in Form von Brain­ storming-Stammtischen für Bürger:innen und Expert:innen geöffnet. Zu den Teilneh­ mer:innen zählten Fachleute aus den Bereichen Gastro­ nomie, Tourismus, Architektur und Marketing. Auf dieser Basis entwickelte noncon­ form ein maßgeschneidertes Konzept für die Zukunft des Weitaus weniger Bewunde­ Braugasthofs – eine Trumer rung erhält zurzeit der alte Welt mit Restaurant, ziemlich Braugasthof Sigl gegenüber frechem Hotel und Seminar­ der Obertrumer Pfarrkirche. betrieb zum Thema Bier, Zwar gibt es in der Gaststube Kulinarik und Kreativwirtschaft. nach wie vor einen Gastro­ Prost! betrieb mit leckerem Grillhendl und gutem Bier, doch die Gästezimmer in den Oberge­ schossen stehen leer, und die Ort Obertrum am See, vor einigen Jahren gegründete Salzburg, A Brau-Akademie, die in den Einwohner:innen Kellerräumlichkeiten unterge­ 5.000 bracht ist, benötigt dringend Auftraggeberin mehr Fläche und schreit nach Trumer Privatbrauerei, Josef Sigl e.U. einem professionellen Tape­ Ideenwerkstatt tenwechsel. Februar 2020

Im Rahmen einer Ideenwerk­ statt fand zunächst ein Work­shop auf Führungsebene

Umsetzung 2023–2024 Architektur sps ÷ architekten 153

Trumer Brauerei

Hopfen und Malz gewonnen

achter Generation führt. Immer wieder wird das Trumer Pils bei weltweiten Wettbewerben mit der Goldmedaille ausge­ zeichnet. Die mundgeblasene, 1997 entwickelte „Schlanke Stange“ wurde als schönstes Bierglas der Welt prämiert und ist sogar im Museum of Modern Art in New York aus­ gestellt.

Reiner Nagel

Reiner Nagel studierte Architektur und arbeitete in verschiedenen Funktionen für die Stadt Hamburg, zuletzt in der GESCHÄFTSLEITUNG DER HAFENCITY. Danach war er leitend in der Berliner Stadtverwaltung tägig. Seit 2013 ist er Vorstandsvorsitzender der BUNDESSTIFTUNG BAUKULTUR.

Baukultur rechnet sich. Die Bundesstiftung Bau­ kultur schafft mit ihren vielfältigen Veranstaltungen und Publikationen ein Be­ wusstsein für Baukultur. Mit welchen Initiativen adressie­ ren Sie dabei auch private Bauherren? Mit dem Kodex für Baukultur, den wir zusammen mit dem Institut für Corporate Gover­nance in der deutschen Immobilienwirtschaft e.V. entwickelt haben, gibt es einen – freiwilligen – Leitfaden für die verantwortungsvolle Aufgabenwahrnehmung von Unternehmen der Immobilienwirtschaft. Was sind darin die wichtig­s­ ten Eckpunkte? Die Immobilienwirtschaft trägt in besonderem Maße Verantwortung für die Gestaltung unserer Lebensräume. Gleichzeitig bilden baukulturelle Werte und gesellschaft-

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liche Akzeptanz die Basis für wirtschaftlichen Erfolg. Es gibt in diesen Unternehmen viele reflektierte Menschen, die auch andere Maßstäbe haben als nur das schnell gemachte Geld. Und viele Entwickler:innen sehen, dass in Zukunft jene erfolgreich sein werden, die auf den Ressourcenabdruck und hochwertige Gestaltung achten und zufrieden auf das blicken können, was sie hinterlassen.

ein langfristiger Werterhalt und Wertzuwachs geschaffen. Auch für die Politik rechnet sich das – im Hinblick auf Standortqualität, lokale und regionale Identität, Bodenverbrauch oder beim Tourismus.

Zusammengefasst werden diese Kriterien oftmals mit der Bezeichnung ESG (Environmental, Social und Governance). Welche Schritte wurden bereits gemacht? Und wohin soll die Reise gehen? Welche Aspekte sind dabei Es gibt viele wichtige Meilennoch wichtig? Nachhaltige Projekte sind steine, etwa die LeipzigCharta 2007 für eine inte­ beispielsweise zunehmend wichtiger bei der Rekrutierung grierte und nachhaltige Stadtentwicklungspolitik und von Personal. Und Baukultur lohnt sich auch in wirtschaftihre Fortschreibung als Neue licher Hinsicht – hochwertige Leipzig-Charta 2020, oder Materialien halten länger und die Davos-Deklaration zur verbessern damit den gesam- Baukultur 2018. Wichtig ist, ten Fußabdruck, und es wird dass wir alle baukulturellen

Wichtig ist, dass wir alle baukulturellen Akteur:innen miteinbeziehen.

liche Nutzungen zulassen. Sie müssen robust und in ihrer Lebensdauer für unterschiedliche Zwecke adaptierbar sein. Und sie müssen so hochwertig gestaltet sein, dass wir sie nicht mehr missen möchten.

Akteur:innen miteinbeziehen. In Deutschland sind mehr als vier Millionen Menschen in diesem Feld tätig – die Handwerker:innen, Architekt:innen und Ingenieur:innen, aber auch die Bauwirtschaft und die Immobilienentwickler:innen. Und wir müssen immer die gesamte Gesellschaft im Blick behalten. Für alle ist Baukultur ein Schlüssel, um gesellschaftlichen und ökonomischen Mehrwert zu schaffen. Baukultur ist eine Investition in die Lebensräume der Zukunft. Unser Leitsatz lautet „Räume prägen Men-

Wie gelingt es, die Menschen mit dem Thema Baukultur zu erreichen und sie dafür zu begeistern? Ansetzen müssen wir ganz zentral bei der Bildung. Da können wir schon die jungen Menschen mit dem Thema erreichen. Und dann sind jene schen – Menschen prägen Räume“. Das muss uns immer Orte wichtig, wo Baukultur ständig diskutiert und weiterbewusst sein. entwickelt wird. Wir zeigen auf, dass Baukultur neben Welche Bedeutung haben sozialen, ökologischen und private Unternehmen beim ökonomischen Bezügen auch Schaffen dieser Räume? Gerade private Bauherr:innen eine emotionale und ästhesind wichtige potenzielle tische Dimension hat. Es ist notwendig, dass das Thema Träger:innen von Baukultur. präsent bleibt und in der Mitte Sie zeigen oft mehr persönder Gesellschaft ankommt. liches Engagement als etwa ein anonymer Fonds. Worauf gilt es bei Bauprojekten besonders zu achten? Wichtig ist, dass die Gebäude flexibel sind und unterschied155

Eine nahe und frische Lösung für alle Österreich hat europaweit die höchste Konzentration im Lebensmittelhandel, und einige wenige große Konzerne dominieren den Markt. Daneben gibt es mittelständische Unternehmen, die wichtig für die lokale und regionale Versorgung sind. Eines davon ist das Handelshaus Kiennast, auch bekannt als Nah & Frisch, das seit Beginn des 18. Jahrhunderts in Familienbesitz und stark in der Region verwurzelt ist.

Firmenzentrale Nah & Frisch

Das Stammhaus befindet sich im Zentrum von Gars am Kamp. Die niederösterreichische Gemeinde hatte sich mit der Eröffnung der Kamptalbahn im Jahr 1889 zu einem beliebten Ort der Sommerfrische entwickelt. Seit den 1980er-Jahren wird das Angebot für Gäste durch zahlreiche Gesundheitseinrichtungen und kulturelle Aktivitäten ergänzt, aktuell gibt es eine leicht positive Bevölkerungsentwicklung. Neben der Firmenzentrale befinden sich im Ortszentrum auch Geschäfte für Lebensmittel und Kleidung sowie ein Postservice, ein Kiosk und eine Tankstelle. Im Betriebsbaugebiet am östlichen Ortsrand liegt das Logistikzentrum, von dem aus Kund:innen und B2B-Abnehmer:innen beliefert werden – etwa 150 Einzelhandelsstandorte, 200 Großverbraucher:innen sowie Hotels, Gastronomiebetriebe und Tankstellenshops. Die Fragestellung der Ideen­ werkstatt lautete, wie die 156

beiden Geschäftsgebiete, die ca. 1,5 Kilometer voneinander entfernt sind, bestmöglich genutzt und die erforderlichen Erweiterungen untergebracht werden können. Unterschiedliche Szenarien wurden in Workshops mit Geschäftsführung, Mitarbeiter:innen und Verantwortlichen der Gemeinde intensiv diskutiert. Klar war, dass die Geschäfte auf jeden Fall im Zentrum bleiben sollen. Für die Verwaltung stand ein Verbleib oder die Übersiedlung in einen neuen Bürobau beim Logistikzentrum zur Option. Eindeutig kristallisierte sich heraus, dass ein Neubau das meiste Potenzial für die Zukunft bietet, insbesondere da die wertvollen Flächen im Zentrum beste Möglichkeiten für Nachnutzungen bieten – etwa für Wohnbau, aber auch für Gastronomie sowie Erweiterungen der Gesundheitseinrichtungen. Beim Logistikzentrum mit einer Grundfläche von etwa 45.000 Quadratmetern ist ausreichend Platz für ein Bürogebäude vorhanden. Schnell war die Bauherrschaft von einem ökologischen Holzbau überzeugt, der neben den Arbeitsplätzen auch eine Kantine und Gemeinschaftsflächen sowie einen großzügigen Freibereich umfassen wird.

Damit wird die Firmentradition in die Zukunft geführt, für die Mitarbeiter:innen entstehen moderne Arbeitsplätze, und im Ortskern gibt es Platz für Neues. Ein Gewinn für alle. Ort Gars am Kamp, Niederösterreich, A Einwohner:innen 3.500 Auftraggeberin Kiennast Holding GmbH Ideenwerkstatt 2019 Umsetzung seit 2021

„Veränderungen, auch ganz dramatische Veränderungen,­ sind unvermeidbar“, sagt

Substanzielle Entscheidungen in komplexen Prozessen: Mohrenbrauerei in Dornbirn

Einbeziehung der seit Jahren beschäftigten Protagonist:innen. Beteiligungsprozesse auf CEO-Ebene, aber auch interhierarchische Partizipation, Kooperation und Co-Kreation auf allen darunter liegenden Ebenen sind wertvolle, ja sogar unverzichtbare Werkzeuge in Zeiten der Transformation – ob das nun mit einem Lagerarbeiter, mit einer Logistikexpertin oder mit dem kurz vor seiner Pensionierung stehenden Braumeister ist, der den Hopfen und das Malz seines eigenen BetriebsEinmaleins besser kennt als jede:r andere.

Harald Katzmair, Gründer und Geschäftsführer des auf soziale Netzwerkanalyse und Resilienzstrategien spezialisierten Instituts FASresearch. „Das Phänomen ist ein längst bekanntes. Aufgrund von Digitalisierung, Pandemie, Rohstoffmangel, Lieferengpässen und einer generellen Unsicherheit in sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systemen jedoch haben die Amplituden dramatisch zugenommen. Als Folge davon beobachten wir heute manisch-depressive Zyklen, die größer und mächtiger sind als je zuvor. Die Fallhöhen zwischen Vision, Euphorie, Panik und Depression sind dramatisch. Damit umzugehen ist nicht leicht. Das braucht achtsame, sorgfältig gestaltete Prozesse.“

Veränderungen im Unternehmen sind Operationen am nicht nur lebenden, sondern auch wachen, meist Arbeit leistenden Patienten. Im schlimmsten Fall ist so eine Operation ein riskantes Unterfangen, eine Quelle für Chaos und Zerstörung. Im besten Falle jedoch – ein gutes Change-Management und eine intensive Involvierung aller Stakeholder:innen vorausgesetzt – kann ein solcher Change neue Qualitäten, neue Visionen, neue Energien zu Tage fördern. Die Arbeit lohnt sich, und manchmal mündet sie in einem Wow-Effekt. 157

Neue Arbeitskultur in alten Mauern

Und wie funktioniert der glo­ bale Finanzmarkt?

Kärntner Sparkasse

„Die klassischen Transaktio­ nen gehen massiv zurück“, sagt Gabriele SemmelrockWerzer, Vorstandsvorsitzende der Kärntner Sparkasse. „Im „Einen Caffè Latte, ein Crois­ Gegensatz zu früher kommen sant und ein Konto bitte!“ – die Menschen nur noch in die Was in den meisten Neubau­ Bank, um Kredite zu bean­ filialen der Kärntner Sparkasse tragen, größere Geschäfte bereits gang und gäbe ist, abzuwickeln oder aber eine soll in den nächsten Jahren gute, fundierte Beratung in nun auch im Stammhaus in Anspruch zu nehmen. Auf der Klagenfurter Innenstadt diesen Change muss auch Realität werden. Noch mehr die Architektur reagieren. Das als bisher wird sich die Bank eigentliche Geldgeschäft tritt dann als öffentliche Schnitt­ in den Hintergrund, die Bühne stelle zur Stadt präsentieren gilt der menschlichen Begeg­ – mit Café, Skybar, Veran­ nung. Letztendlich wollen wir staltungssaal und einem ein belebtes Haus schaffen Workshop- und Ausstellungs­ und der Stadt etwas zurück­ bereich unter dem Namen geben.“ FLiP. Die Abkürzung steht für Begonnen hat alles vor ein „Financial Life Park“ und soll Kindern und Jugendlichen die paar Jahren mit der Erneue­ rung der Haustechnik und Welt des Geldes erklären: Seit wann gibt es Banknoten? dem geplanten Austausch Was sind eigentlich Devisen? der Heizungsinstallation. Als

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die prognostizierten Mehr­ kosten das vorgesehene Budget überschritten, zogen die Verantwortlichen die Not­ bremse und beauftragten das Forschungsinstitut Joanneum Research mit einer Studie und Standortanalyse: Bestand sanieren oder aber den bis­ herigen Standort aufgeben und stattdessen einen Neubau am Rand der Altstadt errich­ ten? Das war die Frage. Die rein ökonomischen Argumente sprachen für den Neubau. „Aber so richtig“, meint Semmelrock-Werzer, „konnten wir uns mit diesem Gedanken nicht anfreunden. Erstens sind wir hier am Neuen Markt in einer perfekten inner­ städtischen Hochfrequenzla­ ge, und zweitens war es – je länger wir darüber nach­ gedacht haben – mit unseren Werten und unserer Unter­ nehmenskultur nicht vereinbar, dieses Haus aufzugeben und damit das Stadtzentrum um

ein weiteres Objekt verwaisen zu lassen.“ In einer Ideen­ werkstatt mit nonconform schließlich sollte eine Lösung gefunden werden, die es schafft, die wirtschaftliche Ratio mit der soziokulturellen Emotio zu vereinen.

mit elf Teilnehmer:innen aus Österreich und Slowenien. nonconform bereitete die Ausschreibung vor, wirkte bei der Juryzusammensetzung mit und wird das Siegerprojekt – quasi als kommunikativer Adapter zwischen Bauherrin und Architekt – nun bis zur Das Resultat des gemeinsa­ Inbetriebnahme begleiten. men Planungs- und Entwick­ Geplant sind regelmäßige lungsprozesses ist ein „brum­ Meilensteinworkshops, in mender Bienenkorb“ (offizielle denen die Projektfortschritte Projektmetapher), der im präsentiert und offene, noch Erdgeschoss vor allem urba­ ausstehende Detailfragen dis­ nen, öffentlichen Charakter kutiert werden sollen. haben wird. Der gesamte Be­ ratungsbereich wandert in den Aktuell arbeiten die sieg­ ersten Stock, die Büroräum­ reichen Architekten Čertov, lichkeiten der Mitarbeiter:innen werden in den zweiten und dritten Stock verlagert. In der neuen „Dachwelt“ wird es ne­ ben dem Gastronomiebetrieb künftig auch die Möglichkeit geben, interne und externe Veranstaltungen abzuhalten.

Winkler+Ruck bereits an der Entwurfs- und Ausfüh­ rungsplanung. Geplanter Baubeginn ist im Frühjahr 2023. „Zum einen“, sagt Roland Winkler, „geht es darum, das denkmalge­ schützte Haus wieder in einen reduzierten, entrüm­ pelten Zustand zurückzu­ führen. Zum anderen wollen wir hier die Erfahrungen der Corona-Pandemie einfließen lassen und eine innovative Arbeitslandschaft schaffen – mit offenen Begegnungszonen und konzentrierten Rückzugsbe­ reichen.“ Dieses Haus zahlt auf das Konto einer alten Stadt- und zugleich neuen Arbeitskultur ein.

Ort Klagenfurt, Kärnten, A Auftraggeberin Kärntner Sparkasse AG Ideenwerkstatt Mai 2020 bis Juni 2021 Wettbewerb September 2021



Umsetzung Frühjahr 2023 bis Herbst 2024 Architektur Čertov, Winkler+Ruck

Das im Sommer 2021 verfeinerte und beschlosse­ ne Nutzungskonzept und Raumprogramm bildete die Grundlage für einen gelade­ nen Architekturwettbewerb 159

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NO

LU

SK

nonconform-Bürostandorte nonconform-Projekte im Buch porträtiert nonconform-Projekte 1999–2022 170

Projektliste Stadttheater Haag (S. 39), Architektur 1999, Stadt Haag, Niederösterreich, A

Zukunft Werft Architekturwettbewerb 2003, Korneuburg, Niederösterreich, A

Theater im Archäologiepark Architekturwettbewerb 2001, Trier, Rheinland-Pfalz, D

Gestaltung Landesaus­stellung Architekturwettbewerb 2004, Gmünd, Kärnten, A

Hauptstraßen­ gestaltung Architektur­wettbewerb 2002, Pörtschach am Wörthersee, Kärnten, A

überholz Universitätslehrgang Entwicklung, Organisation 2004, Linz, Oberösterreich, A

Wohnsiedlung St. Ulrich Architektur­­­wett­bewerb 2002, Feldkirchen, Kärnten, A

Milchhof Architektur­wettbewerb 2004, Salzburg, A

Sommerbühne Architektur 2002, St. Veit an der Glan, Kärnten, A Jugendclub Architektur 2002, Graz, Steiermark, A Passivhaussiedlung ­Kammelweg Architektur­wettbewerb 2002, Wien, A Villa Pia Architektur 2002, Wien, A

Biennale Venedig Ausstellung 2004, Venedig, IT Haus Pirker Architektur 2004, Wien, A Masterplan Siedlung Meisenbühel Architektur 2004, Wien, A Umbau Ordination Marlovits Architektur 2004, Wien, A

Buswartehäuschen Architekturwettbewerb 2002, Kärnten, A

Wonderland – Europäisches Architekturnetzwerk Entwicklung, Kuratierung, Organisation 2004–2008, Europa

Bad ­Loretto Architekturwettbewerb 2003, Klagenfurt, Kärnten, A

Grazer Kulturdialog Ideenwerkstatt 2004/05, Graz, Steiermark, A

Jazz im Steinhaus Organisation 2003, Steindorf, Kärnten, A

Evang. Kirchplatz Architektur 2005, Bad Kleinkirchheim, Kärnten, A

Installation Höfefest Architektur 2003, St. Pölten, Niederösterreich, A

Weinbauzentrum Architektur­wettbewerb 2005, Kirchberg am Wagram, Nieder­ österreich, A

Kurze Nacht der Stadterneuerung Ideenwerkstatt 2003, Wien, A Nationalpark­zentrum Schloss Orth (S. 131), Architektur 2003, Orth an der Donau, Nieder­ österreich, A Umbau Stadthaus Gardegasse Architektur 2003, Wien, A wählbar Kommunika­ tionsplattform Architektur 2003, Wien, A

Haus Müller Architektur 2005, Wien, A Holzwohnbau Architektur 2005, Stavanger, NO Gemeindezentrum Ideenwerkstatt 2005, Molln, Oberösterreich, A Haus Chalupsky Architektur 2005, Wien, A Haus Fessler Architektur 2005, Wien, A

Haus Kühr Architektur 2005, Wien, A Hauptplatz­gestaltung Ideenwerkstatt, Architektur 2006, Maria Saal, Kärnten, A

Kunstuniversität Architekturwettbewerb 2007, Linz, Oberösterreich, A Hauptplatzgestaltung Ideenwerkstatt 2007, Schwanenstadt, Oberösterreich, A

Therme St. Kathrein Architekturwettbewerb 2006, Bad Kleinkirchheim, Kärnten, A

Kleingartenhaus Fessler Architektur 2007, Wien, A

Büroumbau Autobahnmeisterei Architektur 2006, Oeynhausen, Nieder­österreich, A

Wohnbebauung Pernerstorfer­gasse Architekturwettbewerb 2007, Wien, A

Wohnsiedlung Architektur 2006, Spitz / Donau, Nieder­österreich, A Gemeindezentrum Ideenwerkstatt 2006, Michaelnbach, Ober­österreich, A

Umbau Kinder­garten und Hort (S. 117) Architektur 2008, Moosburg, Kärnten, A Umbau Haus Wimmer Architektur 2008, Zistersdorf, Nieder­österreich, A

Transformation Textilfabrik Simonetta Ideenwerkstatt 2006, Helfenberg, Ober­österreich, A

Wohnbebauung Spindlerteiche Architektur 2008, Gerasdorf, Nieder­österreich, A

Gemeindeamt Architektur 2007, Dunkelsteiner­ wald, Nieder­öster­reich, A

Zentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt 2008, Ternitz, Niederösterreich, A

Haag007 – Hotel, Tribüne-Neu, Kunst Ideenwerkstatt 2007, Stadt Haag, Nieder­österreich, A

Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2008, Oftering, Oberösterreich, A

Hauptplatz­gestaltung Ideenwerkstatt, Architektur 2007, Stadt Haag, Nieder­österreich, A Wohnbebauung Ebenseer-Gelände Architektur 2007, Sollenau, Nieder­österreich, A Architekturtage Centrope Dialog Kuratierung 2007, Tulln, Niederösterreich, A Wohnen und Arbeiten am Land Forschungsprojekt Architektur 2007, Neupölla, Nieder­österreich, A GemeindeCorporate-Design 2007, Molln, Ober­­­österreich, A

Stadtteilquartier Architekturwettbewerb 2008, Bratislava, SK Stadtteilquartier Architekturwettbewerb 2008, Nitra, SK Ortszentrum Zeillern (S. 48), Ideenwerkstatt, Architektur 2009, Zeillern, Niederösterreich, A Biomasseheizwerk St. Oswald Architektur 2009, Bad Kleinkirchheim, Kärnten, A Feriendorf Kirchleitn Ideenwerkstatt 2009, Bad Kleinkirchheim, Kärnten, A Innenstadtstärkung Ideenwerkstatt 2009, Traismauer, Niederösterreich, A Umbau Statikbüro Schneider Architektur 2009, Wien, A

Kärntner Landes­ ausstellung Ideenwerkstatt 2010, Fresach, Kärnten, A Näfäsch Hotel Ideenwerkstatt 2010, Fresach, Kärnten, A Schwitzendes Symposium Ideenwerkstatt 2010, Bad Kleinkirchheim, Kärnten, A Umbau Biobauernhof Mallhof Architektur 2010, Bad Kleinkirchheim, Kärnten, A Tischlerei Krumböck Architektur 2010, Gerersdorf, Niederösterreich, A Zentrumsgestaltung Architekturwettbewerb 2010, Bad Schönau, Niederösterreich, A Freie Schule Hegau Ideenwerkstatt 2011, Singen, Baden-Württemberg, D Campus Moosburg (S. 117), Ideenwerkstatt 2011, Moosburg, Kärnten, A Bebauung Wiener Straße Architektur 2011, Purkersdorf, Niederösterreich, A Masterplan Ortszentrum Ideenwerkstatt 2011, Aschbach, Niederösterreich, A Zentrumsgestaltung Architekturwettbewerb 2011, Pöchlarn, Niederösterreich, A Schulzentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt 2011, Traun, Oberösterreich, A Siedlung Wohnen und Arbeiten Architektur 2011, Gallspach, Oberösterreich, A Volksschule Maria Grün Architekturwettbewerb 2011, Graz, Steiermark, A Umbau IMBA Universitätsinstitut Architektur 2011, Wien, A

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1. Leerstands­ konferenz (S. 140) Kuratierung, Organisation 2011, Ottensheim, Oberösterreich, A Musikproberaum Architektur 2012, Moosburg, Kärnten, A

Fabrikareal Illingen (S. 44), Ideenwerkstatt 2013, Illingen, Saarland, D Zentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt 2014, Mauerbach, Niederösterreich, A

Ortszentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt, Wettbewerbsdurchführung 2015, Mils, Tirol, A

Fußgängerbrücke IST-Campus Architekturwettbewerb 2016, Maria Gugging, Niederösterreich, A

Stadtkern­ entwicklung Ideenwerkstatt 2017, Starnberg, Bayern, D

Das neue Stadthaus Forschungsprojekt Architektur 2015, Wien, A

Umnutzung Schloss Landesausstellung Ideenwerkstatt 2016, Pöggstall, Niederösterreich, A

Bildungszentrum Süd St. Ruprecht Ideenwerkstatt 2017, Klagenfurt, Kärnten, A

Donaubrücke Architektur 2012, Melk, Niederösterreich, A

Nachnutzung Graumannareal Ideenwerkstatt 2014, Traun, Oberösterreich, A

Stadtzentrumsentwicklung (S. 50) Ideenwerkstatt 2015, Trofaiach, Steiermark, A

Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2012, Hörsching, Oberösterreich, A

Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2014, St. Ägidi, Oberösterreich, A

Gemeindezentrum Architekturwettbewerb 2012, Ischgl, Tirol, A

Umnutzung Palais Attems Ideenwerkstatt 2014, Graz, Steiermark, A

ISEKVorbereitungen Ideenwerkstatt 2016, Gebenbach, Bayern, D

Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2012, Wildschönau, Tirol, A Ortskernstärkung Ideenwerkstatt 2012, Kundl, Tirol, A Ortszentrum Fließ (S. 40), Id­een­werkstatt, Wettbewerbsdurchführung 2012, Fließ, Tirol, A 2. Leerstands­ konferenz (S. 140) Kuratierung, Organisation 2012, Eisenerz, Steiermark, A Gemeindezentrum Ideenwerkstatt 2013, Pöttsching, Burgenland, A Europäischer Lutherweg Ideenentwicklung 2013, Europa Gemeindezentrum Ideenwerkstatt 2013, Reinsberg, Niederösterreich, A Masterplan Ortszentrum Ideenwerkstatt 2013, Mauerbach, Niederösterreich, A Dorfplatzgestaltung Ideenwerkstatt, Architektur 2013, Marianka, SK Nachnutzung Rotundenareal Ideenwerkstatt 2013, Innsbruck, Tirol, A 3. Leerstands­ konferenz (S. 140) Kuratierung, Organisation, 2013, Fresach, Kärnten, A

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Räumliches Entwicklungsleitbild Ideenwerkstatt 2014, Zwischen­wasser, Vorarlberg, A Ankerbrotfabrik Architekturwettbewerb 2014, Wien, A Nachnutzung Schuhleistenfabrik (S. 85), Ideenwerkstatt 2014, Bad Berleburg, Nordrhein-Westfalen, D Wohnbauforschung Architektur 2015, Moosburg, Kärnten, A Gemeindezentrum mit Hauptplatz­gestaltung Ideenwerkstatt 2015, Guntramsdorf, Niederösterreich, A Schulzentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt 2015, Vorchdorf, Oberösterreich, A 4. Leerstands­ konferenz (S. 140) Kuratierung, Organisation, 2015, Leoben, Steiermark, A Bildungszentrum Pestalozzi (S. 120) Ideenwerkstatt, Architektur 2015, Leoben, Steiermark, A Nachnutzungen im Ortskern Ideenwerkstatt 2015, Pischelsdorf, Steiermark, A Partizipations­ symposium Kuratierung, Organisation 2015, Innsbruck, Tirol, A

Montessori-Campus Ideenwerkstatt 2016, Würzburg, Bayern, D Ortsentwicklung, Nachnutzung Kläranlage (S. 126) Ideenwerkstatt 2016, Berngau, Bayern, D Gemeindezentrum Architekturwettbewerb 2016, Burgauberg, Burgenland, A Bezirksaltenheim Ideenwerkstatt 2016, Moosburg, Kärnten, A Feuerwehrhaus Ideenwerkstatt 2016, Moosburg, Kärnten, A Kloster Waisach Architektur 2016, Greifenburg, Kärnten, A nock/art Ideenwerkstatt 2016, Bad Kleinkirchheim, Kärnten, A Stadtkern­ entwicklung Ideenwerkstatt 2016, St. Andrä im Lavanttal, Kärnten, A Umbau Firma Tiefenböck Architektur 2016, Sachsenburg, Kärnten, A 5. Leerstands­ konferenz­ (S. 140) Kuratierung, Organisation, 2016, St. Corona, Niederösterreich, A Baugruppe B.R.O.T. (S. 104), Ideenwerkstatt, Architektur 2016, Pressbaum, Niederösterreich, A

Freie Schule in leerstehender Kirche Ideenwerkstatt, Architektur 2016, Steyr, Oberösterreich, A Hochschulentwick­ lung FH St. Pölten (S. 114), Ideenwerkstatt 2016, St. Pölten, Niederösterreich, A Zentrumsgestaltung Ideenwerkstatt, Architektur 2016, Munderfing, Oberösterreich, A Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2016, Oberalm, Salzburg, A Bestandsent­wicklung Siedlung Eichhof Ideenwerkstatt 2016, Innsbruck, Tirol, A Zentrums­ entwicklung Igls Ideenwerkstatt 2016, Innsbruck, Tirol, A Caritas-Wohnheim Hohe Warte Architektur 2016, Wien, A Entwicklung Forum-Gebäude Architektur 2016, Wien, A Quartiersentwicklung Kardinalviertel (S. 57) Ideenwerkstatt 2016, Klagenfurt, Kärnten, A

Montessorischule

(S. 110), Ideenwerkstatt

2017, Dresden, Sachsen, D

Gemeindezentrum Standortstrategie Ideenwerkstatt 2017, Techelsberg, Kärnten, A Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2017, FrantschachSt. Gertraud, Kärnten, A Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2017, Maria Wörth, Kärnten, A Ortskernentwicklung Ideenwerkstatt 2017, Klein St. Paul, Kärnten, A Stadtzentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt, Wettbewerbsdurchführung 2017, Ferlach, Kärnten, A Volksschul­ entwicklung Ideenwerkstatt 2017, Stockenboi, Kärnten, A Ortskernentwicklung Ideenwerkstatt 2017, Heiligenblut, Kärnten, A Schulraum­ entwicklung Architekturwett­­bewerb 2017, Münchendorf, Niederösterreich, A

Entwicklung Traviatagasse Ideenwerkstatt 2016, Wien, A

Volksschule Franz-Jonas Ideenwerkstatt 2017, St. Pölten, Niederösterreich, A

Zukunftsstadt – Quartiersentwicklung Ideenwerkstatt, Wettbewerbsdurchführung 2017, Konstanz, Baden-Württemberg, D

6. Leerstands­ konferenz (S. 140) Kuratierung, Organisation, 2017, Innervillgraten, Osttirol, A

Hauptbahnhof-Areal Zukunftsstrategie Ideenwerkstatt mit kooperativem Planungsverfahren 2017, Regensburg, Bayern, D

Bildungszentrum Ideenwerkstatt, Wettbewerbsdurchführung 2017, Deutschfeistritz, Steiermark, A

Hochwasserschutz Umgestaltung Ideenwerkstatt 2017, Kolbermoor, Bayern, D

Schulraum­ entwicklung Ideenwerkstatt 2017, Ilztal, Steiermark, A

Volksschul­ entwicklung Ideenwerkstatt 2017, Andelsbuch, Vorarlberg, A

Zentrumsgestaltung Architekturwettbewerb 2018, St. Kanzian am Klopeinersee, Kärnten, A

Bahntrassennachnutzung Ideenwerkstatt 2018, Trofaiach, Steiermark, A

Schullandschafts­ entwicklung Ideenwerkstatt 2019, Bad Reichen­ hall, Bayern, D

Quartiers­entwicklung Schirmitzbühel Ideenwerkstatt 2019, Kapfenberg, Steiermark, A

Glacis-Studie Architektur 2017, Wien, A

Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2018, Ludmannsdorf, Kärnten, A

Bildungszentrum Innere Stadt Ideenwerkstatt, Wett­ bewerbsdurchführung 2018, Leoben, Steiermark, A

Wohnraumentwick­ lung Bad Feilnbach (S. 94), Ideenwerkstatt 2019, Bad Feilnbach, Bayern, D

Innenstadtentwicklung Ideenwerkstatt 2019, Leoben, Steiermark, A

Zukunfts­entwicklung Kloster-Areal Ideenwerkstatt 2019, Aldersbach, Bayern, D

Wohnbebauung Zentrum Architektur 2019, Trofaiach, Steiermark, A

Forschungsprojekt Fairberliner Haus (S. 100), Ideenwerkstatt 2019, Berlin, D

Bestands­entwicklung Nachkriegswohnbau Stadt Wien – MA21 Ideenwerkstatt 2019, Wien, A

Leerstandsstrategie Industrieviertel mit der BOKU Ideenwerkstatt 2017, Wien, A

Ortskernentwicklung Id­eenwerkstatt 2018, Moosburg, Kärnten, A

LGBTQI­Gedenkstätte Ideenwerkstatt 2017, Wien, A

Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2018, Friesach, Kärnten, A

Quartiersentwicklung Berresgasse Ideenwerkstatt 2017, Wien, A

Ortskernentwicklung Ideenwerkstatt 2018, Seeboden, Kärnten, A

Baugruppe Ideenwerkstatt, Wett­ bewerbsdurchführung 2018, Perlesreut, Bayern, D

Stadtzentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt 2018, Althofen, Kärnten, A

Hotelentwicklung Ideenwerkstatt 2018, Bad Wiessee, Bayern, D

Schulraum­ entwicklung Ideenwerkstatt 2018, Schifflange, LU

Nachnutzung Hotel Ideenwerkstatt, Wett­ bewerbsdurchführung 2018, Ruhstorf an der Rott, Bayern, D

Umbau Bauernhof Stixenberger Ideenwerkstatt 2018, Waidhofen/ Ybbs, Nieder­ österreich, A

Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2018, Bodenmais, Bayern, D Stadtquartier Obersendling Ideenwerkstatt, Wett­ bewerbsdurchführung 2018, München, Bayern, D Stadtkern­ entwicklung Ideenwerkstatt 2018, Schönsee, Bayern, D Quartiers­entwicklung Heiligensee Ideenwerkstatt 2018, Berlin, D 7. Leerstands­ konferenz (S. 140) Kuratierung, Organisation 2018, Luckenwalde, Brandenburg, D Volksschul­ entwicklung Ideenwerkstatt 2018, Hornstein, Burgenland, A Quartiers­entwicklung Planken Ideenwerkstatt 2018, Mannheim, Hessen, D

Nachnutzung, Ortskerngestaltung Ideenwerkstatt, Wett­ bewerbsdurchführung 2018, Furth bei Göttweig, Nieder­ österreich, A Quartiersentwicklung Architektur 2018, Maria Ellend, Niederösterreich, A Regional­entwicklung Oben an der Volme (S. 86), Ideenwerkstatt 2018, Herscheid, Mei­ nerzhagen, Kierspe, Halver, Schalksmühle, Nordrhein-Westfalen, D Strategische Begleitung ­REGIONALE 2025 (S. 86), Ideenwerkstatt 2018, Olpe und Südwestfalen, Nordrhein-Westfalen, D Nachnutzung Pfarrhof-Areal Ideenwerkstatt 2018, Kefermarkt, Oberösterreich, A Ortskernstrategie Ideenwerkstatt 2018, Hinterstoder, Oberösterreich, A Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2018, Altenberg, Oberösterreich, A

Umbau Bauernhöfe Ideenwerkstatt 2018, Osttirol, Tirol, A Zukunftsstrategie Ideenwerkstatt 2018, Lans, Tirol, A Hochschulentwick­ lung FH Vorarlberg (S. 114), Ideenwerkstatt 2018, Dornbirn, Vorarlberg, A Quartiersentwicklung Ideenwerkstatt, 2018, Alberschwende, Vorarlberg, A Haus für Blinde

(S. 96), Architektur

2018, Wien, A

Quartiershaus J13 Seestadt Aspern Architektur 2018, Wien, A Quartiers­entwicklung Pilzgasse Ideenwerkstatt 2018, Wien, A Quartiershäuser Hauptbahnhof Architektur 2018, Wien, A Entwicklung Umbau­ strategie für evange­ lische Kirchen Ideenwerkstatt 2018, Karlsruhe, Baden-Württemberg, D Lehrgangsleitung für Bürger:innen­ beteiligung, Architektenkammer Kuratierung, Organisation, 2017–2020, Stuttgart, Baden-Württemberg, D Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2019, Mehrstetten, Baden-Württemberg, D Entwicklung Bahnhofsvorplatz Ideenwerkstatt 2019, Gmund am Tegernsee, Bayern, D Ortsmitten­ entwicklung Ideenwerkstatt 2019, Tyrlaching, Bayern, D

Nachnutzung Dragonerareal Ideenwerkstatt 2019, Berlin, D Veranstaltungs­ zentrum Architekturwettbewerb 2019, FrantschachSt. Getraud, Kärnten, A Quartier Hammerbrotwerke Architektur 2019, Schwechat, Niederösterreich, A Zentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt, Architektur 2019, Markersdorf, Niederösterreich, A Zukunftsstrategie Gemeinde Ideenwerkstatt 2019, Grabern, Niederösterreich, A Campusentwicklung Ideenwerkstatt 2019, Attendorn, Nordrhein-Westfalen, D Dorfzentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt 2019, Schönau am Mühlkreis, Oberösterreich, A Volksschule Rainerstraße Ideenwerkstatt 2019, Wels, Oberösterreich, A Wohnen am Rosental Architekturwettbewerb 2019, Leipzig, Sachsen, D Firmenzentrale Nah & Frisch (S. 156) Ideenwerkstatt, Architektur 2019, Gars am Kamp, Niederösterreich, A Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2019, Leogang, Salzburg, A

Campus der Religionen Seestadt Aspern (S. 65), Ideenwerkstatt 2019, Wien, A Hotels am Prater Glacis (S. 62), Architektur 2019, Wien, A Quartiersentwicklung Gastgebgasse Architekturwettbewerb 2019, Wien, A Quartiers­entwicklung ­Nordbahnhof Architekturwettbewerb 2019, Wien, A Quartiers­entwicklung Werndlgasse Architektur 2019, Wien, A Schulraumentwick­ lung Gymnasium Klostergasse Architektur 2019, Wien, A Wohnbebauung Perspektivstraße Architektur 2019, Wien, A Wohnbebauung Patrubagasse Architektur 2019, Wien, A Trumer Brauerei

(S. 153), Ideenwerkstatt

2020, Obertrum, Salzburg, A

ISEKVorbereitungen Ideenwerkstatt 2020, Neutraubling, Bayern, D Quartiers­entwicklung Haindholzen Süd-Ost Ideenwerkstatt 2020, Stephans­ kirchen, Bayern, D Strategie Siedlungs­ entwicklung­ Ideenwerkstatt 2020, Schwandorf, Bayern, D

173

Quartiersentwicklung Molkenmarkt (S. 68) Ideenwerkstatt 2020, Berlin, D Entwicklung Heinrich-HertzGymnasium Ideenwerkstatt 2020, Berlin, D Ortskernentwicklung Ideenwerkstatt 2020, Reichelsheim im Odenwald, Hessen, D Kärntner Sparkasse (S. 158), Ideenwerkstatt, Wettbewerbsdurchführung 2020, Klagenfurt, Kärnten, A Masterplan Räumliche Entwicklung Ideenwerkstatt 2020, Feistritz/Drau, Kärnten, A Nachnutzung ­Seenhof (S. 138) Ideenwerkstatt, Architektur 2020, Maria Wörth, Kärnten, A Masterplan Stadtentwicklung Ideenwerkstatt 2020, Wolkersdorf, Niederösterreich, A Entwicklungsprozess FÖ N – Kreativland Tirol Festival Ideenwerkstatt 2020, Innsbruck, Tirol, A Volksschul­ entwicklung Ideenwerkstatt 2020, Kottingbrunn, Niederösterreich, A Netzwerkentwicklung Baukultur NRW Ideenwerkstatt 2020, Münster, Nordrhein-Westfalen, D Bestands­entwicklung Kulturfabrik (S. 133) Ideenwerkstatt 2020, Vlotho, Nordrhein-Westfalen, D Stadtbüchereientwicklung (S. 85) Ideenwerkstatt 2020, Bad Berleburg, Nordrhein-Westfalen, D Stadtentwicklung Zanders-Areal Ideenwerkstatt 2020, BergischGladbach, Nordrhein-Westfalen, D Schadholz-Strategie (S. 85), Ideenwerkstatt 2020, Bad Berleburg, Nordrhein-Westfalen, D

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Masterplan Tulln 2030 Ideenwerkstatt 2020, Stadt Tulln, Niederösterreich, A

Masterplan Innenstadt Ideenwerkstatt 2021, Vechta, Niedersachsen, D

Bildungscampus Ideenwerkstatt, Wettbewerbsdurchführung 2020, Munderfing, Oberösterreich, A

Nachnutzung Schule Ideenwerkstatt 2021, Winterberg, Nordrhein-Westfalen, D

Bestandsentwicklung Hochschwabsiedlung Ideenwerkstatt, Architektur 2020, Kapfenberg, Steiermark, A

Stadtraumentwicklung Linz Raiffeisenplatz Ideenwerkstatt 2021, Linz, Oberösterreich, A

Hochschulentwicklung Salzburg (S. 114), Ideenwerkstatt 2020, Salzburg, A

Innenstadt­ entwicklung Ideenwerkstatt 2021, Köflach, Steiermark, A

Innenstadt­ entwicklung Ideenwerkstatt 2020, Voitsberg, Steiermark, A Ortskern- und Quartiersentwicklung Ideenwerkstatt 2020, Dobl-Zwaring, Steiermark, A Regionalentwicklung Bezirk Murau (S. 77) Ideenwerkstatt 2020, Steiermark, A Aktionsraumkonzept Saalfeld IBA Thüringen Ideenwerkstatt 2020, Saalfeld, Thüringen, D Quartiersentwicklung Ideenwerkstatt 2020, St. Johann in Tirol, Tirol, A Zukunftsentwicklung Mohrenbrauerei (S. 146), Ideenwerkstatt, Wettbewerbsdurchführung 2020, Dornbirn, Vorarlberg, A Baugruppe Paradeis Hütteldorferstraße Architekturwettbewerb 2020, Wien, A Bauhütte Obbach Ideenwerkstatt 2021, Oberes Werntal, Bayern, D Siedlungs­ entwicklung Ideenwerkstatt 2021, Holzkirchen, Bayern, D Quartiers­entwicklung Trautsonstraße Architektur 2021, St. Pölten, Niederösterreich, A Wohnbebauung Stadtwald Architektur 2021, St. Pölten, Niederösterreich, A

Revitalisierung Amthof (S. 134) Ideenwerkstatt 2021, Kirchberg im Wald, Bayern, D Entwicklungsprozess Zukunftswoche Tirol Ideenwerkstatt 2021, Innsbruck, Tirol, A Zukunftsstrategie Ideenwerkstatt 2021, Oberndorf, Tirol, A Quartiersent­wicklung Werndlgasse Ideenwerkstatt 2021, Wien, A Entwicklungsbegleitung Goldbach-Quartier (S. 59), Ideenwerkstatt 2021, Sindelfingen, Baden-Württemberg, D Wohnbebauung Klederingerstraße Architektur 2021, Wien, A 8. Leerstands­ konferenz (S. 140) Kuratierung, Organisation, 2022, Kolbermoor, Bayern, D Projektinitiative drüberbau (S. 149) Architektur 2022 Innenstadt­ entwicklung Ideenwerkstatt 2022, Burghausen, Bayern, D Marktplatz­gestaltung Ideenwerkstatt 2022, Holzkirchen, Bayern, D Quartier Neue Holzschleiferei Ideenwerkstatt 2022, Hebertshausen, Bayern, D

Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2022, Samerberg, Bayern, D Quartiersentwicklung Neustifter Feld Ideenwerkstatt 2022, Freising, Bayern, D Quartiersentwicklung Hafenplatz Ideenwerkstatt 2022, Berlin, D WoHo Ideenwerkstatt 2022, Berlin, D Wohnquartier Ottensen Ideenwerkstatt 2022, Hamburg, D Regionalentwicklungsstrategie Odenwald (S. 81), Ideenwerkstatt 2022, 21 Kommunen im Odenwald, Hessen, D Bestandsentwicklung Bauernhofensemble Ideenwerkstatt 2022, Ginseldorf, Hessen, D Ortskern­entwicklung Ideenwerkstatt 2022, VelmGötzendorf, Niederösterreich, A Bildungslandschaft Altstadt-Nord Ideenwerkstatt 2022, Köln, Nordrhein-Westfalen, D Quartiersentwicklung Froschkönig Ideenwerkstatt 2022, Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, D Zentrums­ entwicklung Ideenwerkstatt 2022, Lennestadt, Nordrhein-Westfalen, D Zukunftsquartier Ideenwerkstatt, Architektur 2022, Drolshagen, Nordrhein-Westfalen, D Masterplan Gesamtgemeinde Ideenwerkstatt 2022, Tarsdorf, Oberösterreich, A Ortskernentwicklung Ideenwerkstatt 2022, St. Stefan / Afiesl, Oberösterreich, A Ortskernstrategie Ideenwerkstatt 2022, Wolfern, Oberösterreich, A Quartiersentwicklung Ideenwerkstatt 2022, Pinsdorf, Oberösterreich, A

Dorfkerngestaltung Frauenberg Ideenwerkstatt 2022, Leibnitz, Steiermark, A Dorfplatzgestaltung Ideenwerkstatt 2022, St. Stefan / Stainz, Steiermark, A Hauptplatzumgestaltung Ideenwerkstatt 2022, Frohnleiten, Steiermark, A Landdialog Steiermark Ideenwerkstatt 2022, Graz, Steiermark, A Quartiersentwicklung Ideenwerkstatt 2022, GratweinStraßengel, Steiermark, A Schulraumentwicklung Fröbelgasse Ideenwerkstatt 2022, Leoben, Steiermark, A Strategie Klimaneutralität Trofaiach Ideenwerkstatt 2022, Trofaiach, Steiermark, A Strategie Orts- und Stadtkernstärkung Steiermark Ideenwerkstatt 2022, Graz, Steiermark, A Ortsteilzentrum und Schulraum­ entwicklung Ideenwerkstatt 2022, Rum, Tirol, A Materialressourcen der Stadt Wien – Forschungsprojekt Architektur 2022, Wien, A Quartiershaus und Baugruppe Village (S. 93), Architektur 2022, Wien, A Volksschule Laaerbergstraße Ideenwerkstatt 2022, Wien, A Lehrgangsmoderation Bauleitplanung in Bayern Ideenwerkstatt 2022, München, Bayern, D Wohnraum­ entwicklung Baugruppe GeNa:u Ideenwerkstatt, Architektur 2022, Kärnten, A

Gesellschafter:innen Katharina Forster, Roland Gruber, Christof Isopp, Florian Kluge, Katharina Kothmiller, Christina Kragl, Peter Nageler, Caren Ohrhallinger, Johanna Treberspurg, Sabine Zwirchmair Mitarbeiter:innen (2022) Maximilian J. Aelfers, Eva Beham, Julia Bernauer-Puchegger, Marieluise Brandstätter, Karl Breinesberger, Astrid Erhartt-Perez Castro, Anna Hagen, Julia Halbauer, Claudia Heinzl, Peter Hintermayer, Carmen Hobiger, Melina Hölzl, Zora Hünermann, Maria Isabettini, Torsten Klafft, Annelie Knust, Eva Kraler, Uschi Krempel, Korbinian Kroiß, Theres Mackinger, Ana Martin Yuste, Eva Mattuschka, Martin Puller, Christian Reinecke, Sonja Reisinger, Stefanie Salzmann, Christian Schwarzinger, Stefan Spindler, Oana Stancioiu, Johanna Steinhäusler, Sophia Thoma, Daniel Trimmel, Teresa Truckenmüller, Brigitte Unterberger, Karla Vorkauf, Daniel Wegerer, Lukas Zitterer Ehemalige Gesellschafter:innen Dietmar Gulle (1999–2003), Elisabeth Leitner (2004–2008) Ehemalige Mitarbeiter:innen Sibylle Bader, Eldin Bilalic, Elly van der Bloemen, Kilian Blum, Claudia Bosse, Rudolf Brandner, Alžběta Brůhová, Katrin Dielacher, Ekke Drach, Julia Egger-Petz, Evrim Erkin, Anita Foune, Brita Gasselseder, Julia Heiser, Manuela Hinteregger, Elisabeth Hofstetter, Anton Hüttmayr, Christina Kelz-Flitsch, Andrea Kessler, Barbara Koren, Jiří Koten, Andrea Krall, Anne Krämer, Werner Krichbaum, Raffaela Lackner, Judith Leitner, Marie Lichtenwagner, Ludovic Marx, Marlon Mattle, René Mayr, Anja Menge, Elias Molitschnig, Sigrid Müller-Welt, Julia Oberhofer, Lenka Olesova, Peter Paller, Dorothea Patzl, Alexander Poschner, Michael Pulman, Florian Radner, Carina Sacher, Laura Scharf, David Schiefer, Liliana Schlager, Hannes Schreckensberger, Barbara Schwab, Simone Schwaiger, Eva Silberschneider, Christina Simmel, Elisabeth Steidl, Elena Stoycheva, Nadine Thaler, Elisabeth Weber, Marlies Wernhart, Matthias Wild, Stefan Windischbauer, Rainer Wührer, Monika Zehetner u.a.

Consultants Zukunftsentwicklung  & Kommunikation Eric Poettschacher  / navigating complexity; Beratergruppe Neu­waldegg / Frank Boos; die jungs kommunikation  /  Martin Lengauer, Veronika Mitteregger; Dieterle & Partner Kommunika­ tions­­manage­ment; grafisches Büro /  Günter Eder, Roman Breier, Marcel Neundörfer; Identity Lab / Philip Reitsberger; Identum Communications; Beatrix Roidinger; Rueckerconsult; scalar  /  Tobas Hanig; Trigon Entwicklungsberatung Projektpartnerschaften / Projektgemeinschaften /  Kooperationen Abel und Abel Architekten  / Barbara Abel, Christoph Abel; ah3 Architekten  / Johannes Kislinger; AIT – Austrian Institute of Technology; BARAK architekti  /  Viktor Šabík; BKK3 / Franz Sumnitsch; BSQB  / Eckhard Hasler; Büro für urbane Projekte  /  Björn Teichmann, Andreas Paul, Wolfram Georg; con.sens mobilitätsdesign /   Michael Skoric; Eder Biesel Arkitekter / Wilhelm Eder; Roland Gnaiger Architektur; Friedrich Hauer; Hertl Architekten / Gernot Hertl; Hans Hohenfellner; imaginedevelopement  / Boris Hrban; Institut für kulturellen Wandel  /  Rita Trattnigg, Thomas Haderlap; Axel Johannes Justin (†); Andreas Knie; KOKA und Töchter / Georg Kogler, Martina Kalteis; LandLuft – Verein zur Förderung von Baukultur in ländlichen Räumen; Elisabeth Leitner; Johanna Leutgöb; Maja Lorbek; MAGK Architekten  /  Martin Aichholzer, Günter Klein; MC Management Consultants Luxembourg; Friedrich M. Mascher; Annalisa Mauri; Fritz Menzl; Partner und Partner Architekten  /  Jörg Finkbeiner, Klaus Günter; querkraft architekten; Erich Raith Stadtplanung & Stadtmorphologie; realitylab  / Gernot Tscherteu; Rhomberg Bau; Martin Rock; Bruno Sandbichler; Reinhard Schneider; schneider+schumacher Architekten Wien  / Eckehard Loidolt; SIREG  / Klaus Zeitler; spado architekten; SPES Zukunftsakademie  / Alexander Hader, Johannes Brandl; STADTpsychologie  / Cornelia Ehmayer; starke orte  / Gordana BrandnerGruber; Johann Stixenberger; synn architekten  / Bettina Krauk, Michael Neumann; Teamwerk Architekten  /  Jan Foerster; Hernan Trinanes; Walter Unterrainer; wallner.biz  / Roland Wallner; Weissenseer Holz-System-Bau  / Christof Weissenseer; Johannes Wiesflecker; Winkler Landschaftsarchitektur  / Andreas Winkler; Arrigo Wunschheim; Michael Zinner u.a.

Bildnachweis Bonnie Bartusch: 129 Die Baupiloten: 110u Edward Beierle: 136 Bundesstiftung Baukultur / Till Bude: 155 Burtscher Durig Architekten: 65o, 65u Čertov, Winkler+Ruck Architekten: 158 Ludolf Dahmen: 113 Chris Danneffel: 11, 127, 139o, 140, 141o, 141u, 167 derschindler.at: 57o die arge lola: 82 DSK GmbH /S. Steinberg im Auftrag von SenStadtWohn: 68, 69o Andreas Engel: 47 eSeL – Lorenz Seidler: 66 Europäische Kommission: 150 Foto Freisinger: 51o, 51u, GdW / Urban Ruths: 102 Leonard Hilzensauer: 18/19 HKF-Quest: 94u Kurt Hörbst: 14, 35, 48, 62o, 62u, 103o, 104o, 104u, 105, 107,

120, 121ol, 121or, 121u, Andreas Hornoff: 61 Hertha Hurnaus: 114o, 114u Gemeinde Illingen: 45

Gemeinde Kirchberg im Wald: 134u Stadt Konstanz: 63 Sabine Köstler: 10, 16 LandLuft – Lippzahnschirm / Ranneburger: 50o Marc Lins: 166 Sandra Matanović: 31, 88 Thomas Meier / Gemeinde Berngau: 125 Astrid Meyer-Hainisch: 116u

Dagmar Morath: 27 mulina / Petra Mühlmann-Hatzl: 162 Thomas Müller / IBA Thüringen: 75, 109 Fernanda Nigro: 21, 23, 29, 33 nonconform: U2, U3, 7, 9, 13, 15, 34, 36, 37, 38, 40o, 41, 44o,

46o, 46u, 49, 50u, 52, 53, 54, 55, 56, 57u, 58, 59, 64, 67, 69u, 70, 71, 73o, 73u, 76, 77o, 77m, 78, 79, 80, 81, 84u, 85, 86l, 86r, 87o, 87u, 89, 91, 92o, 92u, 93, 96, 97o, 97u, 99, 101o, 101u, 103u, 106, 108, 110o, 111, 115o, 115u, 116, 117o, 118, 122, 123, 124, 130o, 132, 133, 134o, 138o, 138u, 139u, 142, 143, 144, 145o, 145u, 146o, 146u, 147, 148, 149o, 149u, 151o, 151u, 152, 153o, 156o, 156u, 157, 159o, 159u, 160, 161, 163, 164, 165 Gerhard Obermayr: 39 Paul Ott: 125u Partner und Partner Architekten: 100 Ingo Pertramer: 43 photo-steindl.com: 24 Marktgemeinde Pöggstall: 135 Johannes Puch: 83 Quest Baukultur GmbH: 8, 95 Stadt Regensburg: 169 Katharina Roßboth: 130u SAPh / Rob de Jong: 94o Lukas Schaller: 18, 40u, Sebastian Schels: 126o, 126u StadtLandSchluss: 84o Rupert Steiner: 10, 131 Stiftung Deutscher Architekten: 17 Dietmar Tollerian: 168 Trumer Privatbrauerei: 153 Michael Zinner: 119

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Autor:innen, Impressum Wojciech Czaja, geboren 1978 in Ruda Śląska, Polen, studierte Architektur an der TU Wien und arbeitet als freischaffender Journalist und Buchautor im Bereich Architektur und Stadtkultur. Er ist Moderator und unterrichtet Urbanistik und Kommunikation. Zuletzt erschienen Hektopolis. Ein Reiseführer in hundert Städte (2018), Almost. 100 Städte in Wien (2020) und Frauen Bauen Stadt. The City Through a Female Lens (2021, mit Katja Schechtner). Barbara Feller, geboren 1960 in Wien, studierte Geschichte und Pädagogik an der Universität Wien und war von 1996 bis 2021 Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich. Seit 2010 ist sie Obfrau von bink Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen. Sie ist Autorin und Ausstellungskuratorin mit den Themenschwerpunkten Architekturvermittlung für Kinder und Jugendliche sowie Stadt, Land und Leben im 20. und 21. Jahrhundert.

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© 2022 by jovis Verlag GmbH Das Copyright für die Texte liegt bei den Autor:innen. Das Copyright für die Abbildungen liegt bei den Fotograf:innen / Inhaber:innen der Bildrechte. Alle Rechte vorbehalten. Cover grafisches Büro, Wien (g-b.at) Autor:innen Wojciech Czaja, Barbara Feller Projektmanagement nonconform Marieluise Brandstätter, Roland Gruber, Florian Kluge Projektmanagement jovis Tim Vogel Lektorat Miriam Seifert-Waibel Gestaltung und Satz grafisches Büro, Wien (g-b.at) Lithografie pixelstorm, Wien Herstellung Susanne Rösler Druck Holzhausen Druck GmbH, Wolkersdorf, Österreich

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. jovis Verlag GmbH Lützowstraße 33 10785 Berlin www.jovis.de jovis-Bücher sind weltweit im ausgewählten Buchhandel erhältlich. Informationen zu unserem internationalen Vertrieb erhalten Sie von Ihrem Buchhändler oder unter www.jovis.de.

ISBN 978-3-86859-713-4 (Softcover) ISBN 978-3-86859-990-9 (E-Book)