modulbau: Planen und Bauen mit Raummodulen - Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis 9783955535964, 9783955535957

Modulbau-Knowhow aus erster Hand Vorfertigung und Modulbau zählen zu den großen Hoffnungsträgern im Bauwesen: Eine bes

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German Pages 168 Year 2022

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INHALT
EDITORIAL
EINFÜHRUNG
CONTAINER, MODUL, RAUMZELLE Bauen mit vorgefertigten Raumsystemen
LEISTUNGSBILD UND HONORIERUNG Planen und Bauen mit Raummodulen ist anders
MODULBAU UND BRANDSCHUTZ Brandschutz im Raumzellenbau
WOHNUNGSBAU
FRITZ-KISSEL-SIEDLUNG IN FRANKFURT 130 Wohnungen im Bestand aufgestockt
WOHNGEBÄUDE HELLO LENZBURG Effizientes Hybrid-Modulsystem für den Wohnungsbau
STUDENTENDORF IN MALMESBURY Vertikal gestaffelte Kuben
WOHN- UND GEWERBEBAU IN VALE DE CAMBRA Kostenoptimierte Mischnutzung
WOHNANLAGE FÜR GEFLÜCHTETE IN GENF Temporär für zehn Jahre
SOZIALER WOHNUNGSBAU IN DREIEICH Geförderter Wohnraum aus dem Modulbaukasten
BILDUNGSBAU
GYMNASIUM FRANKFURT NORD Eine Übergangslösung mit Langzeitqualitäten
KITA IN HAAN Offene Räume für Kinder
HAUSBURGSCHULE BERLIN Flexibles Schulgebäude aus Holz
INTERVIEW Das Prinzip Mehrweg: Schulen in Holzmodulbauweise
GESUNDHEITSBAU
GESUNDHEITSBAUTEN IN MODULBAUWEISE Modulbau für Kliniken und Labore
MARIENHAUS KLINIKUM MAINZ Aufstockung eines Krankenhauses
UNIVERSITÄTSKLINIKUM DÜSSELDORF Covid-19-Intensivstationen in Rekordbauzeit
BEREITSCHAFTSGEBÄUDE UNIKLINIK KÖLN Mit Naturstein in die Umgebung eingebettet
BÜRO- UND GEWERBEBAU
SAP-BÜROGEBÄUDE IN WALLDORF Bürogebäude in Stahl-Holz-Modulbauweise
HOTEL JAKARTA IN AMSTERDAM Ein Hotel als hybrider Holzmodulbau
INFOPAVILLON IM INNOVATIONSPARK ZÜRICH Pionierbau und Provisorium
FAQ
Partner und Sponsoren
Autoren
Impressum
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modulbau: Planen und Bauen mit Raummodulen - Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis
 9783955535964, 9783955535957

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bau

modul

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Planen und Bauen mit Raummodulen und vorgefertigten Elementen Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis ∂ corporate

I N H A LT

1

EINFÜHRUNG

CONTAINER, MODUL, RAUMZELLE Bauen mit vorgefertigten Raumsystemen Günter Jösch

2 W O H N U N G S B A U 8

LEISTUNGSBILD UND HONORIERUNG Planen und Bauen mit Raummodulen ist anders David Meuer

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MODULBAU UND BRANDSCHUTZ Brandschutz im Raumzellenbau Carl Richter, Andreas Plum, Georg Spennes

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FRITZ-KISSEL-SIEDLUNG IN FRANKFURT 130 Wohnungen im Bestand aufgestockt Jakob Schoof WOHNGEBÄUDE HELLO LENZBURG Effizientes Hybrid-Modulsystem für den Wohnungsbau Jakob Schoof STUDENTENDORF IN MALMESBURY Vertikal gestaffelte Kuben Sabine Drey WOHN- UND GEWERBEBAU IN VALE DE CAMBRA Kostenoptimierte Mischnutzung Jakob Schoof WOHNANLAGE FÜR GEFLÜCHTETE IN GENF Temporär für zehn Jahre Sabine Drey SOZIALER WOHNUNGSBAU IN DREIEICH Geförderter Wohnraum aus dem Modulbaukasten Jakob Schoof

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74

I N H A LT

3 B I L D U N G S B A U GYMNASIUM FRANKFURT NORD Eine Übergangslösung mit Langzeitqualitäten Alexandra Busch

5 B Ü R O - U N D G E W E R B E B A U 80

SAP-BÜROGEBÄUDE IN WALLDORF Bürogebäude in Stahl-Holz-Modulbauweise Claudia Fuchs

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KITA IN HAAN Offene Räume für Kinder Roland Pawlitschko

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HOTEL JAKARTA IN AMSTERDAM Ein Hotel als hybrider ­Holzmodulbau Susanne Jacob-Freitag

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HAUSBURGSCHULE BERLIN Flexibles Schulgebäude aus Holz Thomas Jakob

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INTERVIEW Das Prinzip Mehrweg: Schulen in Holzmodulbauweise Interview: Jakob Schoof

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INFOPAVILLON IM INNOVATIONSPARK ZÜRICH Pionierbau und Provisorium Thomas Jakob

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FAQ 158 Partner und Sponsoren 164 Autoren 166 Impressum 168

4 G E S U N D H E I T S B A U GESUNDHEITSBAUTEN IN MODULBAUWEISE Modulbau für Kliniken und Labore Roland Pawlitschko

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MARIENHAUS KLINIKUM MAINZ Aufstockung eines Krankenhauses Thomas Jakob, Jakob Schoof

114

UNIVERSITÄTSKLINIKUM DÜSSELDORF Covid-19-Intensivstationen in Rekordbauzeit Jakob Schoof

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BEREITSCHAFTSGEBÄUDE UNIKLINIK KÖLN Mit Naturstein in die Umgebung eingebettet Thomas Jakob

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EDITORIAL

Modulbauweise neu entdeckt

Der Luisenblock im Berliner Regierungsviertel fasst insgesamt 400 Büroräume für Abge­ ordnete und ihre Mitarbeiter. Geplant und realisiert wurde der Holzmodulbau von einem Konsortium der Architekten Sauerbruch Hutton, des Projektentwicklers Primus und des Bauunternehmens Kaufmann Bausysteme. Sie hatten zuvor ein zweistufiges VGV-Verfahren für sich entschieden.

Die Baubranche hat Nachholpotenzial: Im Vergleich der großen Wirtschaftszweige in Deutschland liegt ihr Industrialisierungsgrad deutlich unter dem Durchschnitt, die Rationalisierungsmöglichkeiten sind entsprechend groß. Nicht umsonst knüpfen sich große – auch politische – Hoffnungen an die Vorfertigung und den Modulbau: „Wir werden durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung die Kosten für den Wohnungsbau senken“, schreiben die Parteien der Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag Ende 2021. Das Vorhaben ist nachvollziehbar, will die Regierung doch künftig 400 000 Wohnungen pro Jahr – davon 100 000 sozial geförderte – neu errichten. Das modulare Bauen spielt vor allem dort seine Stärken aus, wo es schnell gehen muss und Kostensicherheit gefragt ist – und das ist am Bau bekanntlich fast immer der Fall. Weitere Vorteile hat die Baukostensenkungskommission (des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen) 2015 in ­ihrem Bericht dargelegt: Just-in-time-Lieferung der Bauteile minimiert die Lagerhaltung auf der Baustelle, durch die Verlegung der Fertigung in Werkshallen lässt sich der Baubetrieb ganzjährig aufrechterhalten und Typengenehmigungen beschleunigen mittlerweile auch den Genehmigungsprozess. Die erste allgemeine Bauartgenehmigung (aBg) für Modulbauten – quasi das Pendant zur allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung von Bauprodukten – hat das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) im März 2021 erteilt. Hinzu kommen ökologische Vorteile: Die Hersteller werben mit rund einem Drittel weniger Ressourceneinsatz und zwei Dritteln weniger Abfall als bei traditionellen Bauweisen – Zahlen, die angesichts der Zustände auf heutigen Baustellen zumindest nicht unglaubwürdig erscheinen. Überdies lassen sich die Module nach Ende ihrer Standzeit zumeist sortenrein zerlegen und ­erreichen so eine hohe Recyclingquote.

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All dies sind Gründe, warum immer mehr Akteure die Modulbauweise für sich entdecken. Die Wohnungswirtschaft, kommunale Bauherren, Logistikunternehmen und selbst der Deutsche Bundestag decken auf diese Weise ihren wachsenden Raumbedarf. Ende 2021 ging an prominenter Stelle mitten im Berliner Regierungsviertel der Luisenblock in Betrieb – ein ­siebengeschossiger Neubau mit Abgeordnetenbüros, pünktlich fertiggestellt nach nur 20 Monaten Planungs- und Bauzeit und im Kostenrahmen von 70 Millionen Euro. Der Luisenblock und zahlreiche weitere herausragende Bauten – einschließlich jener in diesem Buch – zeigen, dass das Bauen mit Modulen keinen Verlust an Baukultur bedeuten muss. Vorausgesetzt, Architekten und Modulbauunternehmen arbeiten auf Augenhöhe zusammen und berücksichtigen gewisse Spielregeln. Welche das sind, verdeutlichen die Beiträge in diesem Buch: Detailliert erläutern unsere Autoren darin die Techniken und Planungsprozesse im Modulbau und geben Hinweise zu Zulassungsverfahren und Brandschutz. In den Projektberichten und Interviews beleuchten wir einzelne, außergewöhnliche Modulbauten näher, fragen Architekten nach ihren Erfahrungen mit der Bauweise und zeigen die gestalterische Vielfalt, die im Bauen mit Raummodulen heute möglich ist. Dabei liegt unser Fokus auf individuell geplanten, dauerhaften Modulbauten und nicht auf temporären Lösungen aus Mietcontainern. Denn obwohl Letztere sicher ihre ­Berechtigung haben, sind die konstruktiven und bauphysikalischen Unterschiede gravierend. Und trotz der Eile, die bei Bauvorhaben bisweilen herrscht: Allein mit fliegenden Bauten wird sich der Bedarf an Wohnungen, Büros, Gesundheits- und Schulbauten in Deutschland in den kommenden Jahren gewiss nicht decken lassen. Jakob Schoof

Jakob Schoof

EDITORIAL

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EINFÜHRUNG CONTAINER, MODUL, RAUMZELLE 8 Bauen mit vorgefertigten Raumsystemen Günter Jösch LEISTUNGSBILD UND HONORIERUNG 20 Planen und Bauen mit Raummodulen ist anders David Meuer MODULBAU UND BRANDSCHUTZ 26 Brandschutz im Raumzellenbau Carl Richter, Andreas Plum, Georg Spennes

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EINFÜHRUNG / C O N T A I N E R ,

M O D U L ,

R A U M Z E L L E

Bauen mit vorgefertigten Raumsystemen Günter Jösch

Mobilität und Flexibilität sind zwei wichtige Anforderungen der heutigen Zeit. Dabei richten sich diese Maßgaben nicht nur an die Menschen, sondern auch an die Gebäude, in denen die Menschen leben und arbeiten. Vorgefertigte ­ Raumsysteme sind eine Antwort auf diese Herausforderungen. Auch der Wunsch nach schnell umsetzbaren Lösungen für die von der Wirtschaft und der öffentlichen Hand sowie privaten Investoren gestellten Aufgaben verlangen neue Denk- und Lösungsansätze. Dies erfordert ein Umdenken beim Einsatz von Bauformen und Bauarten. Modularisierte und industriell vorgefertigte Systeme können dem in besonderem Maße gerecht werden. Zur Verfügung stehen temporäre Containerlösungen, die schnell Raum für eine befristete Zeit schaffen. Gebäude aus Raummodulen stehen für eine individuelle, auf die Nutzer abgestimmte Planung zur Verfügung – mit dem Ziel, sie langfristig zu nutzen. Gleiches gilt für die elementierte Bauweise mit vorgefertigten, zweidimensionalen Elementen. Doch es geht nicht nur um die reinen Baukosten. Zunehmend wird der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet. Vorgefertigte Raumsysteme erfüllen aufgrund ihrer industriellen Serienfabrikation einen hohen Qualitätsanspruch, gewährleisten kurze Projektzeiten und lassen sich wirtschaftlich realisieren. Angst vor der „Platte“ muss niemand haben. Denn aus vorgefertigten Raumsystemen zusammengefügte Modulgebäude lassen sich planerisch und gestalterisch so realisieren, dass sie auch hohen architektonischen Ansprüchen genügen.

Bezeichnungen und Begriffe Als Container bezeichnet man in der Regel Großraumbehälter zur Lagerung und zum Transport von Gütern. Die Behälter existieren in verschiedenen Größen und sind in der Regel genormt und/oder standardisiert. Der bekannteste Containertyp nach ISO 668 wird überwiegend im Transportbereich eingesetzt. Von diesem 40-Fuß-Container mit den Maßen 12,192 ×  2,438 × 2,591 m werden zurzeit über 15 Millionen für den Transport genutzt.

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Der Container als Raumsystem wird temporär eingesetzt, etwa auf Baustellen. Er verfügt häufig über die gleichen Abmessungen, unterscheidet sich aber im Aufbau, Nutzen und Aussehen deutlich vom Transportcontainer. Zur Miete stehen in Deutschland etwa 200 000 Einheiten zur Verfügung. Die Anforderungen des Nutzers bestimmen dabei die Innenausstattung des einzelnen Raumsystems und die Konfiguration des Gebäudes, etwa als Bürogebäude, Schule oder als Wohnung. Am häufigsten verwendet wird der Begriff des Moduls. Bereits die klassische Architektur kennt das Modul. Dort beschreibt es das Grundmaß einer Säulenordnung. Der Begriff veranschaulicht in der neueren Architektur den Teil eines größeren Systems. Diese Systeme können Gebäude mit individuellen Anforderungsprofilen, Ausstattungen und Nutzungen sein. Das Modul im Sinne eines Raumsystems gilt als individuell geplanter Bestandteil eines Gebäudes. Die individuelle Planung, gestützt auf die spätere Nutzung, bestimmt Abmessung, Aufbau sowie Nutzbarkeit und Aussehen. Für vorgefertigte Raumeinheiten gibt es keine einheit­ liche Bezeichnung. So werden beispielsweise die Begriffe Container, Modul, Cube, Raumzelle oder Raumeinheit verwendet, um die einzelnen Raumsysteme zu benennen. Bei den aus vorgefertigten Raumsystemen errichteten Gebäuden spricht man von Systemgebäuden, Containergebäuden oder Raumzellengebäuden und bei individuell geplanten Unikaten von Modulgebäuden. Unter der Bezeichnung „vorgefertigte Raumsysteme“ versteht man eine industriell hergestellte dreidimensionale Bauart. Die Einheiten können entweder als Standardelemente (Container) oder nach individuellen Anforderungen (Module) gefertigt und ausgestattet werden. In beiden Ausführungen werden die Raumsysteme auf der Baustelle zu einem Gebäude zusammengefügt. Vorgefertigte Raumsysteme können aus Beton-, Holz- oder Stahlkonstruktionen oder aus deren Kombination bestehen. Alle Systeme bringen bei der Errichtung erhebliche Zeit- und damit einhergehende Organisationsvorteile. Durch den hohen Vorfertigungsgrad bieten sie darüber hinaus schlankere Strukturen in der Projektabwicklung.

EINFÜHRUNG

Bei der Einsatzdauer unterscheidet man zwischen temporärer und dauerhafter Nutzung. Dabei reichen die temporären Einsätze der Raumzellengebäude von wenigen Tagen (etwa bei Events oder Sportveranstaltungen) über Monate (Ersatzräume beim Umbau oder der Sanierung von Bestandsgebäuden sowie bei Baustelleneinrichtungen) bis hin zu einigen Jahren als Interimslösung (Großbaustellen, Schulgebäude, Kindertagesstätten). Dauerhaft nutzen lassen sich individuell geplante und ausgestattete Modulgebäude mit einer Standzeit von mehr als 30 Jahren. Während dauerhafte Gebäude überwiegend Kauflösungen sind, werden die Gebäude für temporäre Einsätze meist gemietet oder geleast.

Entwicklung zum vielseitig einsetzbaren Raumsystem Die Entwicklung des Wohncontainers begann Ende der 1920er Jahre. Der Architekt, Konstrukteur, Visionär und Designer Richard Buckminster Fuller arbeitete an einem „complete redesign“, einem Neuentwurf des Hauses. Das von ihm entwickelte „Dymaxion House“ wirkt mit seinen vielen Rundungen wie eine fliegende Untertasse, da Fuller Rundbauten als besonders ökonomisch betrachtete. Das Haus ließ sich demontieren, verpacken und mitnehmen, wenn der Eigentümer umzog. Das 97 m2 große Haus wog bei einem Durchmesser von 15 m und einer Höhe von 12 m mit Mobiliar 2227 kg. Fuller entwarf den Prototyp bereits im Jahr 1927. Produziert wurde das Haus aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als eine für Flugzeuge entwickelte Aluminiumlegierung die Konstruktion ermöglichte. Dieses Haus wurde später als „4D House“ bekannt und stand für Fullers Grundprinzip, den größten Nutzen bei geringstem Energie- und Materialaufwand zu erreichen. Weiterentwickelt wurden die Raumsystemen länderspezifisch in unterschiedlichen Schritten: – In den 1930er Jahren werden in den USA die ersten Raumzellen vollständig vorproduziert und eingerichtet. – 1953 leben mehr als zwei Millionen Amerikaner permanent in Mobile Homes.

– Ab den 1950er Jahren experimentieren Ingenieure in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern mit der Raumzellenbauweise für den Massenwohnungsbau. – 1970 dient „Low Cost Housing“ als Stichwort für die Vereinten Nationen, um eine weltweit gültige Industrienorm für ein komplett standardisiertes Wohnmodul vorzuschlagen. – Seit den 1970er Jahren werden in Deutschland stahlgerahmte transportable Wohn- und Bürosysteme hergestellt. – Heute werden individuell ausgestattete Module geplant und produziert, die alle bauphysikalischen Anforderungen erfüllen. Containergebäude entstehen dagegen hauptsächlich für den Mietbereich. Moderne Raumsysteme sind weitestgehend durch die gegebene Nutzung und die daraus resultierenden Anforderungen geprägt. Dabei haben sich die Begriffe „Container“ und „Containergebäude“ für standardisierte, zeitlich befristete Nutzungen sowie „Module“ und „Modulgebäude“ für individuelle Planungen und dauerhafte Nutzung etabliert.

Warum Bauen mit vorgefertigten Raumsystemen? Bei temporären Nutzungen werden regelmäßig Container eingesetzt, die je nach Anforderung zu unterschiedlichen Containergebäuden konfiguriert werden. Eine wirkliche ­Alternative ist in diesem Marktsegment mit konventionell hergestellten Gebäuden nicht zu realisieren. Im Vergleich zur konventionellen Bauweise bieten individuell geplante Modulgebäude erhebliche Vorteile: Zum einen sind die Planungsphasen und Bauzeiten kürzer. Zudem werden die Raumsysteme witterungsunabhängig vorgefertigt. Die Qualität ist durch die Fertigung im Werk sowohl bei den Containern als auch bei den Modulen kontinuierlich hoch und die Maßgenauigkeit liegt deutlich über jener beim konventionell Bauen. In Kombination mit den Vorteilen einer abgeschlossenen Planung vor dem Produktionsstart, dem hohen Vorfertigungsgrad und den sich daraus ergebenden kurzen Bauzeiten bietet das Bauen mit vorgefertigten Raumsystemen daher etliche Pluspunkte.

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EINFÜHRUNG / C O N T A I N E R ,

M O D U L ,

R A U M Z E L L E

Baugenehmigungsverfahren Gebäude aus vorgefertigten Raumsystemen sind keine fliegenden Bauten, sondern bauliche Anlagen und unterliegen somit den Bestimmungen der Landesbauordnungen. Bei Containergebäuden können aufgrund der oftmals beschränkten Nutzungszeit gewisse Erleichterungen bei den Standsicherheitsnachweisen (Reduzierung der Wind- oder Schneelasten) sowie bei den Wärme- und Schallschutznachweisen angesetzt werden. Modulgebäude entsprechen mindestens den Anforderungen der Landesbauordnungen und können auf Wunsch des Auftraggebers auch höhere Ansprüche, etwa beim Schallschutz, Wärmeschutznachweis oder Brandschutz, erfüllen.

Unterscheidungsmerkmale Container-, Modulund Hybridgebäude „Gebäude aus Raumsystemen“ sind Gebäude, die aus einzelnen Containern zusammengesetzt werden; dabei können die einzelnen Container erkennbar bleiben oder durch Fassadenbekleidungen optisch als geschlossenes Bauwerk erscheinen. Der Begriff „Raumsysteme“ wird aber auch für die einzelnen, individuell geplanten Module eines Modulgebäudes verwendet. Aufgrund der Gestaltung der Fassaden und des Innenbereichs ist das Tragsystem der Raumzelle nicht mehr erkennbar. Hybridgebäude stellen eine Kombination aus Raumsystemen und konventioneller Bauweise dar und zählen zu den Modulgebäuden. Eine eindeutige Abgrenzung zwischen den beiden Bauweisen ist nicht möglich; es gibt ­lediglich Kriterien, die eine Zuordnung zur Container- oder Modulbauweise ermöglichen. Einsatz und Gestaltung

Aufgrund der verwendeten Bauprodukte und einer permanenten Qualitätsüberwachung bei der Fertigung sind Modulgebäude aus technischer Sicht viele Jahrzehnte nutzbar. Die Wünsche von Nutzern und Investoren sehen dagegen

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Container und Containergebäude Art des Vertragsverhältnisses

• • •

Art der Nutzung

Interimsgebäude (temporäre Einsätze) für die Wirtschaft, Kommunen, soziale Einrichtungen usw.

Aufstelldauer

Mietdauer in der Regel zweckgebunden, von einigen Tagen bis zu mehreren Jahren, zu unterscheiden sind aufgrund der jeweiligen bauphysikalischen Anforderungen • Mietdauer bis 2 Jahre • Mietdauer bis 5 Jahre • Mietdauer über 5 Jahre (eher selten)

Außengestaltung

• Struktur der einzelnen Raumsysteme im Gebäude wahrnehmbar • haustechnische Verbindungen zwischen den einzelnen Raumsystemen im Außenbereich, teilweise sichtbar • ohne individuelle Gestaltungsmöglich keiten der Außenhülle

Innenbereich

• • •

Bei Kauf

• •

eher Miete selten Kauf Anmietung meist ohne Renditebetrachtungen

Gestaltung der Umhüllungsflächen (Wand, Decke und Böden) nur bedingt möglich Anordnung und Anzahl von Fenstern und Türen in Abstimmung mit dem Lieferanten, nur bedingt individuell bestimmbar Ausstattung nach den Vorgaben des Auftraggebers/Nutzers als Wohnraum, Büro, sonstige Nutzfläche, Kitas, Lagerfläche usw. individuelle Gestaltungsmöglichkeiten der Außenhülle, ggf. durch vorgehängte Fassade, aufgesetzte Sattel-, Pultdächer usw. Ausstattung und Gestaltung von Wänden, Decken und Bodenbelägen nach den Vorgaben des Auftraggebers/Nutzers

EINFÜHRUNG

anders aus: Die Nutzer wünschen sich Flexibilität in der von ihnen genutzten Immobilie und nach einigen Jahren auch Erneuerung oder sogar Austausch. Die Investoren wiederum sind an einem möglichst kurzen Zeitraum für die Absetzung für Abnutzung (kurz AfA) interessiert: Je kürzer der Abschreibungszeitraum, umso schneller amortisiert sich das eingesetzte Kapital. Beide Gruppen würden von kürzeren Abschreibungszeiten profitieren. Einige Aspekte in der Fertigungsweise der Modulgebäude würden dem sogar entgegenkommen: Bei der Modulbauweise werden die eingesetzten Produkte ressourcenschonend bemessen. Nach dem Rückbau lassen sie sich sortenrein wieder trennen. Die Fertigung in Werkshallen ­gewährleistet eine tariftreue Arbeitsweise und verhindert damit die Schwarzarbeit am Bau. Hybridgebäude wiederum gehören aufgrund der individuellen Planung, der Nutzungsdauer und einer Kombination von Raumsystemen und konventioneller Bauweise zu den Modulgebäuden. Sie werden über die gesamte Nutzungsdauer bis zum Rückbau an einem Ort genutzt. Ein Rückbau des Gebäudes, um es an anderer Stelle wieder zu errichten, ist nicht vorgesehen.

Modulgebäude Art des Vertragsverhältnisses

• eher Kauf • seltener Miete

Art der Nutzung

dauerhaft genutzte Gebäude, die meist über den kompletten Lebenszyklus die vorbestimmte Nutzung erfüllen

Aufstelldauer

je nach Art der Nutzung und aus technischer Sicht zwischen 30 und 80 Jahre. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist oft eine kürzere Nutzungsdauer von unter 15 Jahren gewünscht.

Außengestaltung

individuell, entsprechend den Wünschen und Anforderungen des Planers bzw. Investors / Bauherrn

Innenbereich

individuell, entsprechend den Wünschen und Anforderungen des Planers bzw. Investors / Bauherrn

Bauphysik

Sämtliche bauphysikalischen ­Forderungen sind einzuhalten, die Reduzierungen aus dem GEG sind dabei nicht maßgebend; höhere Anforderungen des ­Planers bzw. Investors /Bauherrn sind realisierbar.

Brandschutz

Die Forderungen des Brand­ schutzes werden in Abstimmung mit den örtlichen Behörden, der Feuerwehr usw. in einem Brandschutzkonzept zusammengestellt und im Rahmen der Realisierung entsprechend den Vorgaben ­umgesetzt.

Anforderungen der Landesbauordnungen und der Musterbauordnung

Bei der Errichtung von Gebäuden sind die Anforderungen der jeweiligen Landesbauordnung bindend und umzusetzen. Erleichterungen können für Containergebäude bis zu einer Standzeit von fünf Jahren beantragt werden und werden meist auch gewährt. Zu den Sonderbauten gehören Versammlungsstätten, Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten, an die aufgrund ihrer Nutzung höhere Anforderungen beispielsweise beim Brandschutz gestellt werden. • Brandschutz (DIN 4102) Kann der nach der Bauordnung geforderte Brandschutz nicht durch entsprechende bauaufsichtliche Zulassungen nachgewiesen werden, ist ein Brandschutzkonzept in Abstimmung mit den örtlichen Behörden und der Feuerwehr zu erstellen. In Anbetracht der Nutzung und der Standzeit

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EINFÜHRUNG / C O N T A I N E R ,

M O D U L ,

R A U M Z E L L E

des Gebäudes müssen die notwendigen Abweichungen beantragt und gegebenenfalls Kompensationsmaßnahmen vorgeschlagen und umgesetzt werden. Mit allen Bauweisen sind die den Bauordnungen zugrunde liegenden beziehungsweise in den Bauordnungen verankerten Ziele des Brandschutzes grundsätzlich erreichbar. Während die Beton- und Stahlbauweise prinzipiell die Feuerwiderstandsklasse F 90 A (feuerbeständig) erreichen kann, ist bei der Holzbauweise naturgemäß nur F 90 B (feuerhemmend) umzusetzen. • Wärmeschutz (DIN 4108) – Gebäudeenergiegesetz (GEG) Anforderungen an den Wärmeschutz sind in der DIN 4108 „Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden“ und dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschrieben. Durch das 2020 erlassene GEG wurden EnEG, EnEV und EEWärmeG in einem Gesetz zusammengeführt. Der Geltungsbereich der DIN 4108 erstreckt sich auf die Planung und Ausführung von Aufenthaltsräumen in Hochbauten, die ihrer Bestimmung nach auf normale Innentemperaturen (> 19 °C) ­beheizt werden. Nebenräume, die zu Aufenthaltsräumen gehören, sind dabei wie Aufenthaltsräume zu behandeln. • Container und Containergebäude mit begrenzter Nutzungsdauer Die Anforderungen des GEG an „kleine Gebäude und Gebäude aus Raumzellen“ für einen auf bis zu 60 Monate begrenzten Nutzungszeitraum (Nutzung an einem Ort) lassen geringere Anforderungen an den Wärmeschutz zu. Gemäß dem GEG 2020 – § 104 „Anforderungen an kleine Gebäude und Gebäude aus Raumzellen“ gilt: „Werden bei einem zu errichtenden kleinen Gebäude die für den Fall des erstmaligen Einbaus anzuwendenden Höchstwerte der Wärmedurchgangskoeffizienten der Außenbauteile nach § 48 eingehalten, gelten die Anforderungen des § 10 Absatz 2 als erfüllt. Satz 1 ist auf ein Gebäude entsprechend anzuwenden, das für eine Nutzungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmt und aus Raumzellen von jeweils bis zu 50 Quadratmetern Nutzfläche zusammengesetzt ist.“

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Darüber hinaus müssen die mit Raumsystemen errichteten Gebäude den anerkannten Regeln der Bautechnik entsprechen. Mietsysteme sind gemäß der jeweiligen Landesbauordnung (LBO) genehmigungspflichtig. Modulgebäude sind in der Regel für eine Nutzungsdauer von über fünf Jahren vorgesehen. Daher sind bei der Planung und Errichtung sämtliche Vorgaben des GEG und der Musterbauordnung (MBO) beziehungsweise der Landesbauordnung ohne Einschränkungen einzuhalten. Unter der Lebenszyklusbetrachtung werden Hybridgebäude an der dafür vorgesehenen Stelle errichtet und für eine einmalige Nutzung bis zum Rückbau vorgehalten. Dementsprechend gelten dort die Anforderungen des GEG und der Landesbauordnungen, abhängig von der Gebäudeklasse und der Nutzung. • Schallschutz (DIN 4109) Die erforderlichen Schallschutzmaßnahmen im Hochbau ergeben sich aus der DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“. Auch dort muss zwischen dem temporären und dem dauerhaften Einsatz unterschieden werden. Während beim zeitlich befristeten Einsatz über die Bauge­ nehmigung eine Befreiung von der Landesbauordnung erwirkt werden kann, müssen für den dauerhaften Einsatz die Forderungen der DIN 4109 in der jeweils gültigen Fassung und, insbesondere im Wohnungsbau, der Richtlinie VDI 4100 erfüllt werden. Alle Bauweisen entsprechen diesen Anforderungen und gehen teilweise sogar noch darüber hinaus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Schallentkopplung der einzelnen Raumsysteme untereinander und – ­sofern notwendig – auch von angrenzenden Bauteilen. Gründung und Aufbau

Die Gründung gliedert sich in den Unterbau als Niveau­ausgleich und in die Fundamentierung zur Lastabtragung. Die Nachweise der Fundamente werden nach DIN EN 1997-1 geführt. Der Aufwand für die Gründung kann unterschiedlich sein  und ist neben den Gebäudeeigenschaften abhängig von externen Bedingungen. Dazu gehören unter anderem:

EINFÜHRUNG

– Baugrund (Homogenbereich, Bodenbeschaffenheit, Bodenverdichtung) – verkehrliche oder bauliche Anlagen – Auftrieb/Hochwasser – Erdbebenzone – Auflagen/Angaben der Baubehörde – Angaben auf Gebäudeskizzen von Architekten, die als Grundlage für Baugenehmigungen verwendet wurden – Unter-/Kellergeschosse – Tiefgarage • Container und Containergebäude Bei einer temporären Nutzung ist der Rückbau von essenzieller Bedeutung, daher kommen bestimmte Gründungsarten zur Anwendung. Am gängigsten sind Lastverteilungsplatten aus bewehrtem Beton. Diese werden direkt auf einem horizontalen, ausreichend tragfähigen Boden angeordnet.

in den Baugrund relevant, die üblicherweise mit Einzeloder Streifenfundamenten oder über eine tragende und frostfrei gegründete Bodenplatte erfolgt. Häufig verfügen  Modulgebäude über eine Unterkellerung oder Tief­ garage in konventioneller Bauweise. Die Gründung ist entsprechend zu dimensionieren und erfolgt im Rahmen der Errichtung dieser Bauteile. Das Modulgebäude wird in solchen Fällen auf das Untergeschoss aufgesetzt, dessen Lastübertragungspunkte entsprechend der statischen Berechnung auszuführen sind. • Hybridgebäude Hybridgebäude als Kombination von konventioneller und Modulbauweise werden üblicherweise so geplant, dass der konventionelle Teil die Gründung zur Lastabtragung in den Baugrund beinhaltet. Tragwerksplanung und Standsicherheit

• Modulgebäude Bei Modulgebäuden ist die Rückbaubarkeit der Gründung untergeordnet einzustufen. Vielmehr ist die Lastabtragung

Je nach Art des Raumsystems wird bei der Tragwerksplanung zwischen der allgemeingültigen Typen- und individuellen Objektstatik unterschieden.

Quelle: Bundesverband vorgefertigte Bausysteme

Übersicht der Kosten, Schnelligkeit und Rückbaumöglichkeiten unterschiedlicher Gründungsvarianten Variante

Kosten

Schnelligkeit

Rückbaufähigkeit

Einzelfundamente aus Fertigteilen (wiederverwendbar)

++++

++++

++++

Einzelfundamente aus Ortbeton

+++

+

++

tragende Bodenplatte

++

+

+

Streifenfundamente

++

+

+

Trägerrost

+

++

+++

Schraubenfundamente

++

+++

++++

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EINFÜHRUNG / C O N T A I N E R ,

M O D U L ,

R A U M Z E L L E

• Container und Containergebäude Üblicherweise liegt für das einzelne Raumsystem, das Teil eines Containergebäudes ist, eine typengeprüfte Statik vor. In ihr sind die minimalen und maximalen Aufstellkombinationen für das Raumsystem innerhalb eines Containergebäudes unter Berücksichtigung aller möglichen Lasteinwirkungen festgelegt worden (siehe Lastfallkombi-

Nachweis dies verlangt. Die Lagesicherheit ist geregelt in DIN EN 1990 und DIN EN 1990/NA. Es sind unterschiedliche Arten für die kraftschlüssige horizontale oder vertikale Verbindung von Raumsystemen gegeben. Eine mögliche Ausführung sind beispielsweise Verbindungsklammern in den Öffnungen der Eckbeschläge.

nation DIN EN 1993: 2010-12 6.4.3.2). Die Summe aller möglicherweise eintretenden Lasten muss für die ungünstigste Aufstellkombination berechnet werden.

• Modulgebäude Für Modulgebäude ist ein Lagesicherheitsnachweis nach DIN EN 1990 und DIN EN 1990/NA zu erbringen.

• Modulgebäude Modulgebäude werden in der Regel individuell geplant, sodass auch für das einzelne Raumsystem keine verwendbare Typenstatik zugrunde gelegt werden kann. Demzu­ folge ist eine Objektstatik zu erstellen, die standortbezogene, nutzungsbezogene und zeitbezogene Lasteinwirkungen berücksichtigt, und zwar jeweils nur für die tatsächliche Aufstellkombination des nachzuweisenden Gebäudes.

• Hybridgebäude Für Hybridgebäude ist ein Lagesicherheitsnachweis nach DIN EN 1990 und DIN EN 1990/NA zu erbringen.

• Hybridgebäude Die Tragwerksplanung eines Hybridgebäudes wird maßgeb­ lich durch das gewählte Tragwerkskonzept des Gebäudes beeinflusst. In der Regel sieht das Konzept vor, dass die Lastableitung überwiegend über den konventionellen Teil  erfolgt und die Raumsysteme lediglich durch einen Anteil aus Eigen- und Verkehrslast belastet werden. Eher selten kann für die Dimensionierung der Raumsysteme eine Typenstatik herangezogen werden, viel häufiger ist eine Objektstatik mit den entsprechenden individuellen Lasteinflussfaktoren zu erstellen. Lagesicherheit

• Container und Containergebäude Für Gebäude aus Raumsystemen ist ein Nachweis zu erbringen, dass die Raumsysteme untereinander und auf dem Unterbau/Fundament unter der zugrunde gelegten Lasteinwirkung sich nicht verschieben oder kippen (Gleitsicherheit und Kippsicherheit). Eine Verankerung auf dem Unterbau/Fundament ist notwendig, wenn der statische

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Geschossigkeit und Flächen

• Container und Containergebäude Die Geschossigkeit von Containergebäuden ist im Hinblick auf den Brandschutz und die Vorgaben der Landesbauordnungen meist auf drei Geschosse begrenzt. Eine darüber hinausgehende Geschossigkeit ist im Einzelfall und mit Zustimmung der Behörden (Baugenehmigung, Brandschutzkonzept, Entfluchtung) möglich. Bei Raumsystemen, die als Container beziehungsweise zur Errichtung von Containergebäuden eingesetzt werden, wird sehr häufig der 20-Fuß-Container verwendet. Er ist leicht zu transportieren und lässt größere Raumgestaltungen/-konfigurationen durch Kombination von mehreren Raumsystemen ohne Zwischenwände zu. Raumsysteme bis zu einer Breite von 3 m mit unterschiedlichen Längen lassen sich ebenfalls gut transportieren und zu Gebäuden zusammenfügen. • Modulgebäude Modulgebäude können entsprechend den Regelungen in den Landesbauordnungen bis zur Gebäudeklasse 5 eingesetzt werden. Diese entspricht sonstigen Gebäuden einschließlich unterirdischer Gebäude. Die Flächen ergeben sich aus dem Bedarf der Planer, Investoren und Nutzer sowie aus den Restriktionen durch das Grundstück. Im Hinblick auf die industrielle Vorfertigung,

EINFÜHRUNG

den Transport und den Aufbau werden, sofern dies möglich ist, für ein Gebäude Module mit gleichen Abmessungen (Vorzugsmaße) geplant, ergänzt durch individuelle Passmodule. Über die Grundfläche des Gebäudes sollte unter Berücksichtigung der Breiten ein Raster gelegt werden, auf dessen Grundlage die Module gefertigt werden. – Vorzugsmaße in der Breite: 2500 mm, 2625 mm, 3250 mm, 3875 mm, 4250 mm und 4500 mm – Vorzugsmaße in der Länge: 7750 bis über 22 000 mm • Hybridgebäude Für Hybridgebäude gelten die gleichen Vorgaben wie für Modulgebäude, die gegebenenfalls mit den Vorgaben der konventionellen Gebäudeteile kombiniert werden müssen. Ein Raster für den Grundriss ist auch bei Hybridgebäuden zu empfehlen, da es eine gute Voraussetzung für eine gewisse Standardisierung bei der Fertigung von Bauteilen und Modulen bietet.

Bauweisen Normal- und Leichtbeton

• Konstruktion Raumsysteme aus Normal- oder Leichtbeton sind mit Böden, Wänden und Decken ausgestattet, die aus bewehrtem Normal- oder Leichtbeton hergestellt sind. Es handelt sich dabei um massive, monolithische und raumstabile Konstruktionen, die als Baukastensystem verwendbar sind. Die Lasten werden dabei in der Regel über die horizontalen und vertikalen Flächenelemente (Wand- und Deckenscheiben) abgetragen. Die Wanddicken betragen zwischen 50 und 140 mm, je nach statischen und/oder bauphysikalischen Erfordernissen. • Bauphysik, Statik, Feuchteschutz Die Anforderungen des Brand- und Schallschutzes werden aufgrund der massiven Konstruktion ohne zusätzliche Maßnahmen erfüllt. Die Anforderungen des baulichen Wärmeschutzes lassen sich mit abgestimmten Dämmmaßnahmen

erreichen. Die Raumsysteme können aus wasserundurchlässigem Beton gefertigt werden und benötigen demnach keine zusätzliche Abdichtung nach DIN 18531 ff. Je nach statischer Ausführung können Lasten aus horizontalem Erddruck aufgenommen werden. • Verwendungszweck – Wohnbauten, Zweck- und Gewerbebauten, Fertigbäder – Anbauten und Gebäudeerweiterungen, auch in Berei chen, in denen Erddruck aufgenommen werden muss – für Aufstockungen geeignet, wenn das statische Konzept des Bestandsgebäudes dies zulässt Selbstverdichtender Beton (SVB)

• Konstruktion Böden und Wände werden mit bewehrtem, selbstverdichtendem Beton ausgeführt. Die Wanddicken können je nach statischen Anforderungen angepasst werden, entstehende Lasten werden über horizontale und vertikale Flächen abgetragen. Auch bei einem hohen Bewehrungsgrad und komplexeren Geometrien der Betonbauteile kommen die Vorteile von selbstverdichtendem Beton – gute Fließeigenschaften und eigenständige Entlüftung – zum Tragen. Bei der Ausführung mit nichttragenden Geschossdecken kommen Holzbalkendecken zum Einsatz, die beispielsweise für die Unterbringung der Haustechnik genutzt werden. • Bauphysik, Statik, Feuchteschutz Die Anforderungen des Brand- und Schallschutzes werden aufgrund der massiven Konstruktion ohne zusätzliche Maßnahmen beziehungsweise durch technische Ergänzungen erfüllt. Die Anforderungen des baulichen Wärmeschutzes ­lassen sich mit zusätzlichen Dämmmaßnahmen erreichen. Die Raumsysteme können aus wasserundurchlässigem ­Beton gefertigt werden und benötigen dann nur in den ­Verbindungsbereichen eine zusätzliche Abdichtung nach DIN 18 195. Je nach statischer Ausführung können Lasten aus horizontalem Erddruck aufgenommen werden. • Verwendungszweck siehe Normal- und Leichtbeton

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EINFÜHRUNG / C O N T A I N E R ,

M O D U L ,

R A U M Z E L L E

Holzskelettbauweise

Massivholzbauweise

• Konstruktion Grundelement des Holzskelettbaus ist ein Traggerüst aus Holz. Es wird aus senkrechten Stützen und horizontalen Trägern gebildet, die an Knotenpunkten miteinander verbunden sind und so ein weitspannendes konstruktives Raster ausbilden. Diese Bauweise basiert konstruktiv auf dem Fachwerkbau und knüpft mit seinen viel größeren Stützenabständen von bis zu 5 m und der Verwendung von Brettschichtholz für die Hauptelemente an den modernen Ingenieurholzbau an. Die Flächen zwischen den statischen Elementen werden mit Wärmedämmung ausgefacht und anschließend bekleidet.

• Konstruktion Brettsperrholz (BSP oder X-Lam) ist ein flächiges, massives Holzprodukt für tragende Anwendungen etwa bei Raumsystemen. Es besteht aus mindestens drei rechtwinklig zueinander verbundenen Brettlagen aus Nadelschnittholz oder Ähnlichem. Aufgrund der Steifigkeit ist es sehr gut für tragende und zugleich raumbildende Bauteile wie Wand-, Dachdecken- und Deckentafeln geeignet. Brettsperrholzkonstruktionen zählen zu den Massivholzbauweisen und lassen sich in sehr großen Abmessungen produzieren.

• Bauphysik, Statik, Feuchteschutz Die Anforderungen des Brand- und Schallschutzes werden weitestgehend durch technische Einrichtungen erbracht. Die Anforderungen des baulichen Wärmeschutzes werden über die Qualität der verwendeten Wärmedämmprodukte erreicht. Die Raumsysteme sind je nach Einsatz abzudichten. • Verwendungszweck – Geschoss- und Privatwohnungsbau, Zweck- und Gewerbebauten – Anbauten und Gebäudeerweiterungen – Aufstockungen

• Bauphysik, Statik, Feuchteschutz Der Aufbau in Lagen lässt die Anordnung von schall- und brandschutztechnisch angepassten Deckschichten zu. Durch die kreuzweise Anordnung der Brettlagen und des damit verbundenen Absperreffekts führen Feuchteänderungen in den Plattenebenen zu nur geringen Quell- und Schwindverformungen. Es gibt grundsätzlich keine vorgegebenen Raster. Begrenzungen der Bauteilabmessungen ergeben sich lediglich aus den herstellerspezifischen Größen- und Transportmaßen. Durch die flächige Lastabtragung lassen sich Bauteile mit geringerer Bauteilhöhe und niedrigem Eigengewicht realisieren. Brettsperrholzelemente haben eine sehr niedrige Wärmeleitfähigkeit und eine große spezifische Feuchte- und Wärmespeicherfähigkeit.

Holzrahmenkonstruktion

• Konstruktion Die Wände bestehen aus einem rahmenartigen Holzständerwerk, das beidseitig mit Holzwerkstoff- oder Gipskarton­ platten beplankt wird. Im Gegensatz zur Skelettbauweise trägt die Beplankung einer Holzrahmenkonstruktion auch teilweise Lasten. Vorteil der Holzrahmenkonstruktion ist die schnelle Bauweise. Ansonsten gelten für Raumsysteme aus Holzrahmenkonstruktionen die gleichen bauphysikalischen und statischen Prinzipien sowie Erfordernisse des Feuchteschutzes wie bei der Holzskelettbauweise. • Bauphysik, Statik, Feuchteschutz und Verwendungszweck siehe Holzskelettbauweise

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• Verwendungszweck – Geschoss- und Privatwohnungsbau, Zweck- und Gewerbebauten – Anbauten und Gebäudeerweiterungen – Aufstockungen – Events und andere kurzzeitige Nutzungen Hybridbauweise

• Konstruktion Zusammenspiel zwischen konventioneller und modularer Bauweise. Die Vorteile beider Bauweisen werden kombiniert und ermöglichen Bauwerke bis zur Gebäudeklasse 5. Die konventionellen Bauteile werden bei besonderen

EINFÜHRUNG

statischen Anforderungen sowie bei außergewöhnlichen Bauformen wie Rundungen eingesetzt, die sich so zweckmäßig und wirtschaftlich lösen lassen.

abgestimmt und mit den bauphysikalisch sowie vom Auftraggeber gewünschten Bauprodukten ausgefacht und ­außen in der Regel mit einer Vorhangfassade bekleidet.

• Bauphysik, Statik, Feuchteschutz entsprechend den jeweiligen Anforderungen und Vorgaben des Planers/Investors

• Bauphysik, Statik, Feuchteschutz Die Anforderungen an den Schall- und Wärmeschutz bei begrenzten Nutzungszeiträumen bis zu 60 Monaten kön-

• Verwendungszweck – Geschosswohnungsbau, Zweck- und Gewerbebauten – Anbauten und Gebäudeerweiterungen Stahlbauweise

• Konstruktion Die am weitesten verbreitete Bauweise des modularen Bauens ist die Stahlbauweise. Die Konstruktion besteht aus einem tragenden, dreidimensionalen Stahlrahmen und ermöglicht eine sehr schlanke, verwindungssteife Bauweise. Sie verfügt über ein geringes Eigengewicht, einen mehrschichtigen Aufbau der Außenwand, des Bodens und der Decke, inklusive Wärmedämmung, Dampfsperre beziehungsweise Dampfbremse, Fassadenbekleidung und Innen­ bekleidung. Die Konstruktion ermöglicht es, durch Koppelung und Stapelung einzelner Raummodule großflächige Räume zu bilden. Die bauliche Trennung zwischen zwei Geschossen bei Gebäuden aus Raummodulen bilden jeweils die Decke der unteren und der Boden der darüber liegenden Raumzelle. Den oberen Abschluss des Gebäudes bildet die Decke der obersten Raumzelle. Bei Erd- und Zwischengeschossen hat die Decke lediglich eine raumabschließende Funktion. Die Nutzlasten werden in der Regel über den Boden des unmittelbar darüber befindlichen Raummoduls abgetragen. Eine tragende Funk­ tion der Decke gibt es nur im obersten gebäudeabschließenden Geschoss. Die Stahlbauweise eignet sich für Interimsgebäude und für dauerhafte Gebäude. Bei Containergebäuden ist das Raumsystem in den Abmessungen und dem Erscheinungsbild deutlich als Einzelsystem erkennbar. Bei Modulgebäuden werden die Stahlrahmensysteme individuell auf das Gebäude

nen unter den Anforderungen nach DIN 4109 (Schalldämmung) liegen beziehungsweise den geringeren Anforderungen im GEG entsprechen. Bei langfristigen Einsätzen beziehungsweise als Modulgebäude müssen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten und die Raumsysteme je nach Kundenwunsch in besserer Qualität geliefert werden. Der Brandschutz wird meist mit technischen Einrichtungen auf der Grundlage eines vorher erstellten und genehmigten Brandschutzkonzeptes erbracht. Die Anforderungen des baulichen Wärmeschutzes werden über die Qualität der eingesetzten Wärmedämmprodukte erreicht. Mit Bezug auf die DIN EN 13 859 ist ein Nachweis nicht erforderlich, solange das Bauwerk ausreichend unterlüftet ist und (außer an den Auflagerpunkten) keinen Kontakt zum angrenzenden Boden hat. • Verwendungszweck – Geschosswohnungsbau, Zweck- und Gewerbebauten – Anbauten und Gebäudeerweiterungen – Aufstockungen – Events und andere kurzzeitige Nutzungen, etwa als Ausstellungs- und Messegebäude

Wirtschaftliche Aspekte Wirtschaftliche Aspekte beeinflussen entscheidend die Umsetzung von Bauvorhaben. Dabei untergliedern sich die Kosten in zwei Bereiche: Zum einen sind die Kosten zu beziffern, die den allgemeinen Bauarbeiten zuzuordnen sind (harte Baukosten), zum anderen die Aufwendungen für Planung, Genehmigung, Finanzierung und Versicherungen (weiche Baukosten).

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EINFÜHRUNG / C O N T A I N E R ,

M O D U L ,

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Harte Baukosten

Lean Construction (optimierte Prozessabläufe)

Die harten Kosten sind in den Kostengruppen nach DIN 276-1 (300 Bauwerk – Baukonstruktionen und 400 Bauwerk – technische Anlagen) zusammengefasst. Zur Kostengruppe 300 Bauwerk – Baukonstruktion nach DIN 276-1 zählen unter anderem: – Baugrube und Gründung – Rohbau einschließlich baukonstruktive Einbauten – Dächer

Zur Steigerung der Wertschöpfung und Reduzierung von Verschwendung werden die Prinzipien von Lean Construction bei der industriellen Vorfertigung von Raumzellen umgesetzt. Dies zeigt sich in einer Projektkultur, die auf Transparenz und Zusammenarbeit, effizienzsteigernden Methoden und einer kontinuierlichen Verbesserung der Produk­ tion von Raummodulen und damit von Modulgebäuden beruht. Im Fokus der Hersteller stehen dabei der ressourcenschonende Einsatz von Baumaterialien und optimierte Prozessabläufe.

Zur Kostengruppe 400 Bauwerk – technische Anlagen nach DIN 276-1 zählen unter anderem: – Abwasser, Wasser, Gasanlagen – Wärmeversorgungsanlagen – lufttechnische Anlagen – Starkstromanlagen, Fernmelde- und informations technische Anlagen – Förderungsanlagen und Gebäudeautomation Weiche Baukosten

Weiche Baukosten beschreiben die Baunebenkosten. Hierzu zählen die Kosten nach DIN 276-1, die in der Kostengruppe 700 Baunebenkosten und ebenfalls in § 22 Abs. 2 WertV (Wertermittlungsverordnung) geregelt sind: – Bauherrenaufgaben sowie Vorbereitung der Objektplanung – Architekten- und Ingenieurleistungen, Gutachten und Beratung – Finanzierung – allgemeine und sonstige Baunebenkosten Kostenvorteile der Modulbauweise

Während die Bauwerkskosten (Kostengruppen 300 und 400) bei konventioneller und modularer Bauweise etwa gleich hoch sind, liegen die Baunebenkosten (Kostengruppe 700) deutlich darunter. Die Einsparungen resultieren aus einer um bis zu 70 % kürzeren Bauzeit, verbunden mit kürzeren Vorfinanzierungszeiten und einem früheren Kapitalrückfluss. Die Einsparungen können bis zu 15 % der Baukosten ausmachen.

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BIM – Building Information Modeling Vorgefertigte Raumsysteme sind aufgrund der Systemtreue prädestiniert für die durchgängig digitalisierte Planung bis hin zum digitalen Zwilling. Ein weiterer Aspekt, der für BIM neben der Systemtreue spricht, ist der planmäßige Abschluss der Planung vor Produktionsbeginn. Änderungen während der Produktion der Raumsysteme bringen in der Regel massive monetäre Auswirkungen mit sich und sollten vermieden werden. Mit Building Information Modeling steht Planern, Herstellern, Investoren und Nutzern ein Werkzeug zur Verfügung, das sämtliche planungsrelevanten Bauwerksdaten in einem System erfasst, synchronisiert und für jeden Projektpartner als intelligentes und virtuelles 3D-BIM-Objekt zur Verfügung stellt. Die Vorteile bei der Produktion beginnen beim Material- und Bauprodukteeinsatz, erstrecken sich über die Fertigungstaktung bis hin zur Anlieferung an den Bauort. Aufgrund des digitalen Zwillings steht Nutzern und dem Facility Management jederzeit ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem auf stimmige Gebäudedaten zurückgegriffen werden kann. Dies führt zu einer deutlichen Kostenreduktion bei der ordnungsgemäßen Unterhaltung eines Gebäudes, die sich durchgängig bis zum Rückbau nach der Nutzungsdauer bemerkbar macht. Je nachdem welche Parameter dem BIM-Modell zugeführt wurden, ergibt sich eine grundlegende Definition

EINFÜHRUNG

nach steigendem Informationsgehalt entlang des LOD (Level of Development) wie folgt: – Vorentwurf – LOD 100 – Entwurf – LOD 200 – Genehmigungsplanung – LOD 300 – Ausführungsplanung – LOD 400 – Digitaler Zwilling As-built-Modell – LOD 500 Für die Modulbaubranche ist BIM unter einem weiteren, in die Zukunft gerichteten Aspekt zu betrachten: Der digitale Zwilling (As-built-Modell) – LOD 500 beinhaltet alle grundlegende Daten für die Automatisierung der Fertigung von Raumsystemen.

Lebenszyklusbetrachtung und Nachhaltigkeit Raumsysteme sind über Jahrzehnte einsetzbar und können am Ende der Nutzungsdauer rückgebaut werden. Raumsysteme zum Mieten erlauben einen immer wiederkehrenden Einsatz, teils über Jahrzehnte, bei gleichbleibender Qualität. Dabei sind die verwendeten Bauprodukte selbst einer ständigen Überprüfung ihres Lebenszyklus unterworfen. Etwa erforderliche Rück- oder Umbauten münden in einer sortenreinen Trennung, Wiederverwendung oder Verwertung der anfallenden Materialien. Serielles Bauen basiert auf einer ressourcenschonenden Fertigung. Alle verwendeten Materialien wie Holz, Stahl und Beton werden in optimierten, exakt ermittelten Mengen und Zuschnitten eingesetzt. Damit entsteht bereits bei der Herstellung weniger Abfall und somit weniger Druck auf die Deponien. Bei den Materialien selbst wird darauf geachtet, dass sie, wie etwa Holz, eine möglichst neutrale CO2-Bilanz aufweisen. Die eingesetzten Baustoffe und Montagetechniken für Konstruktion und Ausbau sind in großen Teilen recycelbar und rückbaubar. Somit ist das serielle Bauen generell eine ressourcenschonende Bauweise. Es ermöglicht eine nahezu sortenreine Trennung beim Rückbau und ermöglicht die weitere Verwendung der gewonnenen Materialien. Auch bei der Analyse der Lebenszykluskosten spricht alles für die Modulbauweise.

£¢ MODULARE RAUMZELLEN Die Bauministerkonferenz hat die Aufnahme von Typengenehmigungen in die Musterbauordnung, MBO, beschlossen. Im eingefügten § 72a der MBO heißt es, die Typengenehmigung könne auch für Gebäude erteilt werden, die in unterschiedlicher Ausführung, aber nach einem bestimmten System und aus bestimmten Bauteilen an mehreren Stellen errichtet werden sollen. De facto bedeutet dies ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren für Modulbauten. Praktisch kann jedes Bundesland in seiner Landesbauordnung auf die Typengenehmigung in der MBO verweisen. Das erspart eigene Regeln. Zudem legt § 72a Abs. 2 MBO fest, dass die Bundesländer die in einem anderen Land erteilten Typengenehmigungen gegenseitig anerkennen.

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EINFÜHRUNG / L E I S T U N G S B I L D

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Planen und Bauen mit Raummodulen ist anders David Meuer

Die Wohnungsnot in den Städten, der Mangel an Unterrichtsräumen, der Bedarf an Ausweichquartieren während umfangreicher Sanierungsarbeiten – all das und vieles mehr lässt den Ruf nach einer schnellen und kostengünstigen Errichtung von Gebäuden lauter werden und lenkt den Blick vieler Bauherren auf die Vorteile von modularen Bauweisen. Doch was ist Modulbau eigentlich und welche Änderungen ergeben sich für den Planungsablauf? Modular gefertigte Gebäude sind zunächst Gebäude, ­deren Bauteile (Decken, Wände, Fassaden, Raumzellen etc.) nach einem herstellereigenen System geplant, konstruiert und gefertigt werden. Diese vorgefertigten Bauteile werden auf der Baustelle zusammengefügt und fertiggestellt. In Deutschland sind derzeit hauptsächlich folgende Modulbauweisen zu finden: – Stahlmodulbauweise: Herstellung von Raumzellenmodulen aus Stahlrahmen, die ähnlich wie Legobausteine vor Ort zusammengefügt werden. – Holzmodulbauweise: Vorgefertigte Holzständerwände und Brettstapel- oder Holzbalkendecken werden auf die Baustelle geliefert und montiert; vereinzelt gibt es bereits Hersteller von Holzraumzellen. – Hybridmodulbauweise: Vorgefertigte Holzständerwände werden in Kombination mit Betonfertigteildecken montiert. – Stahlbetonmodulbauweise: Vorgefertigte Stahlbetonwände und Decken werden auf die Baustelle geliefert und montiert.

Einschränkungen. Daher sollten die Planer die Vorteile und Einschränkungen der verschiedenen Modulbauweisen beachten, um nicht schon durch die Entwurfsplanung eine der Modulbauweisen auszuschließen oder in die Unwirtschaftlichkeit zu drängen. Modulare Gebäude werden daher keineswegs schneller oder einfacher entworfen als Gebäude konventioneller Bauart. Vielmehr ist die Erfahrung des Planerteams mit den verschiedenen modularen Bauweisen und ihrer konkreten Umsetzung in Entwurf und Ausführung ausschlaggebend. Der Stahlmodulbau zum Beispiel wird ab gewissen Abmessungen unwirtschaftlich, weil beim Transport von überbreiten oder überhohen Raummodulen besondere Anforderungen greifen. Wer alle diese Einschränkungen und Notwendigkeiten kennt und sich planerisch in der Schnittmenge aller Bauweisen bewegt, der plant systemoffen. Die Systemoffenheit ist ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftlichkeit. Nur wenn viele unterschiedliche Marktteilnehmer wirtschaftliche Angebote abgeben können, wird ein sinnvoller Marktpreis erzielt. Folgende Projektbeteiligte sind erforderlich: – Architekten – Landschaftsarchitekten – HLS-Planer – Elektroplaner – Statiker – Bauphysiker – diverse Gutachter

Was bedeutet Modulbau für Architekten und Planer? Wie verändert sich das Leistungsbild und damit die Honorierung der Planungsleistungen? Das für die Planung eines modularen Gebäudes notwendige Projektteam unterscheidet sich nicht von dem eines „normalen“ Bauwerks. Warum auch? Zunächst wird das Gebäude passend zum individuellen Grundstück und zu den individuellen Anforderungen des Bauherrn entworfen. Dabei werden selbstverständlich alle Aspekte des Städtebaus und des Entwurfs ­sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen überprüft und umgesetzt. Zudem ist für die Planung der Grundsatz der Systemoffenheit zu beachten. Jedes der modular zur Verfügung stehenden Bausysteme hat seine eigenen Besonderheiten und

Wichtig ist es, ein Team zusammenzustellen, das zielstrebig und professionell am gemeinsamen Erfolg arbeitet. Wie überall gilt: Nur wenn alle beteiligten Planer vertrauensvoll und ehrlich kooperieren, kann das Projekt erfolgreich sein. Für Bauherren kann es daher sinnvoll sein, Teams zu beauftragen, die bereits gemeinsam erfolgreich modulare Bauvorhaben begleitet haben. Nicht zu unterschätzen ist die wichtige Rolle des Bauherrn beziehungsweise dessen Vertreter in der Runde der Projektbeteiligten. Weil modulares Bauen immer die Ausschreibung mit funktionaler Leistungsbeschreibung (FLB) erfordert, müssen schon im Zuge der Entwurfsplanung viele Fragen schnell und abschließend geklärt werden (Abb. 1).

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EINFÜHRUNG

1 Die funktionale Leistungsbeschreibung ist zusammen mit den Entwurfsplänen die Grundlage für das Angebot des Totalunter­ nehmers.

z u s a m m e n a r b e i t

Der Bauherrenvertreter sollte daher unbedingt mit den entsprechenden Entscheidungsvollmachten ausgestattet sein.

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Leistungs- und Beauftragungsumfang der Projektbeteiligten Lph. 1–4 Grundlagenermittlung bis Genehmigungsplanung

Nachdem sich die Planung eines modularen Gebäudes nicht grundsätzlich von einer konventionellen Planung unterscheidet, sind die ersten Leistungsphasen (Lph.) in vollem Umfang zu erbringen und daher auch zu beauftragen. Die Genehmigungsplanung wird so erstellt, als handle es sich um ein konventionell gebautes Gebäude. Das betrifft alle baurechtlich ­relevanten Themen, insbesondere auch den Brandschutz. Da zum Zeitpunkt der Baueingabe die Art des Modulbaus in der Regel noch nicht bekannt ist, kann es nach Beauftragung der Modulbaufirma erforderlich werden, aufgrund der systembedingten Konstruktionsarten oder Abweichungen einen Änderungsbauantrag einzureichen. In der Praxis hat sich bewährt, diesen selbstständig und eigenverantwortlich vom Modulhersteller erstellen und einreichen zu lassen. Erst ab der Ausführungsplanung (Lph. 5 nach HOAI) ergeben sich Änderungen und Verschiebungen im Leistungsumfang.

Grafik: meuer – planen beraten Architekten

Lph. 6 Vorbereitung der Vergabe (Ausschreibung)

Die Ausschreibung für ein Modulgebäude wird zeitlich nach der Genehmigungsplanung und vor der Ausführungsplanung auf Basis der Entwurfsplanung gemeinsam von allen Planern unter Federführung der Architekten erstellt. Unumgänglich ist hier die Form der funktionalen Leistungsbeschreibung. Da jeder Hersteller von Modulen mit anderen Bauteilaufbauten, Leitungsführungen, Detailausbildungen etc. plant, kann der Architekt lediglich die gewünschte Funktion und Qualität der Bauteile beschreiben und fordern. Auch ist ein Modulbau zwingend nur als Totalunternehmerleistung auszuschreiben. Die Zulassung eines modularen Bausystems, eine gewisse Vorfertigung im Werk und die notwendige Gewährleistung ­erlauben es nicht, einzelne Leistungen im oder am Gebäude

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funktionale leistungsbeschreibung

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ausführende firmen

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von einer anderen Firma ausführen zu lassen. Ob der Aufwand für die Erstellung einer FLB geringer einzuschätzen ist als eine gewerkeweise Ausschreibung, ist im Einzelfall zu diskutieren. Lph. 7 Vergabe

Auf Basis der FLB geben die Bieter für ihre Totalunternehmerleistung Festpreisangebote ab. Zusätzlich sollte bereits mit ­Angebotsabgabe eine Systembeschreibung vorgelegt und vom wertenden Architekten auf Übereinstimmung mit den Anforderungen des konkreten Projektes sowie der FLB überprüft werden. Es hat sich ebenfalls als sehr sinnvoll erwiesen, besonders wichtige Nachweise schon mit der Angebotsab­ gabe einzufordern, um ungeeignete Bieter ausschließen zu können. Hier ist vor allem das Thema Brandschutz zu beachten. Lph. 5 Werkplanung

Nach der Beauftragung erstellt der Totalunternehmer (TU) die Werk- und Detailplanung aller Planungsbereiche (Hochbau, Statik, HLS, ELT usw.) im angeforderten beziehungsweise notwendigen Umfang. Dabei übernimmt er grundsätzlich die der Beauftragung zugrunde liegende Entwurfsplanung und passt diese an sein angebotenes System an. Aus diesem Grund sollte im Entwurf Spielraum für die systembedingten Konstruktionsunterschiede wie Wand- und Deckenstärken gelassen werden, um keine in dieser Hinsicht unlösbaren Probleme zu bekommen. Die Werk- und Detailplanung des TU wird von den Planern des Bauherrn begleitet und auf

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EINFÜHRUNG / L E I S T U N G S B I L D

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Übereinstimmung mit den funktionalen und qualitativen ­Anforderungen der FLB hin überprüft. Für die bautechnisch richtige und normgerechte Ausführung steht der TU als Werkplaner und gleichzeitig ausführende Firma vollumfänglich in der Verantwortung. Aufgrund dieser lediglich begleitenden Tätigkeit der vom Bauherrn beauftragten Architekten und Planer ist es sinnvoll,

Lph. 8: Die Planer leisten nur die Bestellwerkskontrolle der

diese Tätigkeit als besondere Leistung in der Lph. 5 gemäß dem Leistungsbild nach HOAI zu beauftragen.

­ U-Leistung hinsichtlich Qualität und Funktionalität. Sie sind T nicht für die Überwachung der Ausführung (Details, DIN usw.) verantwortlich. Die Koordinationspflicht besteht lediglich zwischen TU und eventuell erforderlichen Schnittstellengewerken wie Hausanschlussleistungen oder die Freiraumgestaltung. Beauftragung der Planer mit besonderen Leistungen gem. HOAI und damit reduzierter Honorarsatz gegenüber den Grundleistungen aufgrund des geringeren Aufwands.

Lph. 8 Objektüberwachung

Lph. 9: herkömmlich

Die Koordination der vom TU beteiligten Planer und Firmen (Nachunternehmer) sowie die Überwachung der richtigen und normgerechten Ausführung im Werk und auf der Bau­ stelle obliegt allein dem Totalunternehmer. Die Planer des Bauherrn begleiten die Bauausführung hinsichtlich der in der FLB beschriebenen funktionalen und qualitativen Anforderungen und stellen sicher, dass diese mindestens erfüllt werden.

Vorschlag eines Leistungsbildes (analog HOAI) Lph. 1–4: herkömmlich Lph. 5: Beauftragung der Planer mit der Begleitung der Werkplanung des TU als besondere Leistung. Die Ausführungsplanung wird durch den mit der Errichtung des Modulgebäudes beauftragten Totalunternehmer erbracht. Die Planer sichten dessen Planung auf Übereinstimmung mit den funktionalen Anforderungen und Qualitäten. Reduzierter Honorarsatz gegenüber den Grundleistungen aufgrund geringeren Aufwands Lph. 6: Ausschreibung als funktionale Leistungsbeschrei-

bung; reduzierter Honorarsatz aufgrund geringeren Aufwands (dies ist jedoch im Einzelfall zu diskutieren). Lph. 7: Ausschreibung als funktionale Leistungsbeschreibung; reduzierter Honorarsatz aufgrund geringeren Aufwands (dies ist jedoch im Einzelfall zu diskutieren).

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Haftung Die Planer sind für all jene Leistungen verantwortlich, die ausschließlich durch sie erbracht werden (Lph. 1–4; Lph 6–7). Der TU erbringt innerhalb seiner Leistung vollständig die Grundleistungen der Werk- und Detailplanung sowie die Überwachung der Ausführung gemäß dem Leistungsbild der HOAI. Durch die Planer werden diese Leistungsphasen nur begleitet und nicht überwacht. Dadurch übernimmt der mit den entsprechenden HOAI-Leistungen beauftragte TU die Haftung für relevante Planungs- und Ausführungsfehler.

Erstellen einer funktionalen Leistungsbeschreibung für die Errichtung eines Modulgebäudes Die funktionale Leistungsbeschreibung (FLB) ist zusammen mit den Entwurfsplänen die Grundlage für das Angebot des TU. Das Ziel des Bauherrn, ein Bauvorhaben zu einem Festpreis schlüsselfertig erstellen zu lassen, macht es erforderlich, alle Anforderungen an das Gebäude – sowohl technisch als auch gestalterisch – in der FLB ausreichend zu definieren. Dabei sollte dem Unternehmer die Möglichkeit gegeben werden, wirtschaftlich und einfach zu kalkulieren. Der ausschreibende Ar­ chitekt sollte wichtige Funktionen und Qualitäten mit ihren ­Mindestanforderungen beschreiben, statt sich in aufwendigen Details und Sonderkonstruktionen zu verlieren. Dort, wo keine

EINFÜHRUNG

2 Gegenüber der gewerkeweisen Aus­

3 Aus welchem Material die Raummodule

schreibung und Vergabe reduziert sich die

beziehungsweise die vorgefertigten Elemente

Baubetreuung für den Architekten bei der

bestehen, beeinflusst kaum die Fertigstellung

Vergabe an einen Totalunternehmer erheblich.

des Gebäudes.

besonderen Ansprüche bestehen, sollte auch nichts Besonderes beschrieben werden. Dies ermöglicht dem Bieter eine wirtschaftliche Kalkulation.

Modulares Bauen

Vergleich Baubetreuung

Person

Totalunternehmer

Grundsätzliches

14 Wochen Vorfertigung 12 Wochen Ausbau

Anforderungen statt Ausführungen

Grafiken: meuer – planen beraten Architekten

In der klassischen Ausschreibung nach Gewerken mit Einzelpositionen und Mengenangaben sind alle Bauleistungen sowie alle Bauteile mit den jeweiligen individuellen Anforderungen sowie deren Zusammenfügung genau zu beschreiben. Für jede einzelne Position kalkuliert der Anbieter dann einen Einheitspreis. Dafür muss jedes Detail auch exakt geplant, konstruiert und bemessen sein, Schnittstellen müssen exakt geplant und beschrieben werden (Abb. 2). Diese Planungstiefe wird beim modularen Bauen mit Totalunternehmern zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht erreicht. Ziel ist es also, mittels einer FLB die Anforderungen an ein Gebäude und dessen Bauteile zu beschreiben, ohne notwendigerweise ins Detail zu gehen. Salopp gesagt ist es dem Nutzer egal, auf was für einer Art Geschossdecke er sich bewegt. Sie muss lediglich seinen Anforderungen etwa an Schallschutz, Brandschutz und Standfestigkeit entsprechen. Auf welche Art und Weise diese Anforderungen erfüllt werden, das bleibt dem TU überlassen (Abb. 3).

Definition Modulbau Zeitschiene Totalunternehmer

Einzelausschreibungen

Gebaute Qualitäten

14 Wochen Vorlauf 10 Wochen Ausschreibung 8 Wochen Angebot/Vergabe 30 Wochen Innenausbau

Funktionale Ausschreibung Umsetzung

2 2

Modulares Bauen

Vergleich Bauweisen 26 Wochen Fertigungszeit

Holzbau

Person Grundsätzliches

6 Wochen Vorfertigung

Definition Modulbau Zeitschiene Totalunternehmer

20 Wochen Ausbau

26 Wochen Fertigungszeit

Stahlbau/Containerbau 12 Wochen Vorfertigung

14 Wochen Ausbau

Gebaute Qualitäten Funktionale Ausschreibung Umsetzung

26 Wochen Fertigungszeit

Hybridbau 10 Wochen Vorfertigung

16 Wochen Ausbau

3 3

Oberflächen statt Konstruktionen

Funktionen statt Details

Wichtig für den Nutzer eines Gebäudes sind hauptsächlich die von ihm genutzten Oberflächen der Räume: Böden, Wände, Decken und deren Einbauteile wie Türen und Fenster in einer gewissen Qualität und mit bestimmten Funktionen. Wie jedoch die dazugehörige Unterkonstruktion ausgebildet ist, wie und wann der Einbau stattfindet und welches Produkt verwendet wird, dürfte den meisten Nutzern ziemlich egal sein. Daher werden in der FLB intensiv die Qualitäten und Funktionen der Oberflächen beschrieben. Die richtige und normgerechte Ausführung des Einbaus und der dahinterliegenden Konstruktionen wird dem TU überlassen.

Die Darstellung von Details und die Beschreibung detaillierter Konstruktionen sollte in der FLB die absolute Ausnahme sein und nur bei besonders wichtigen Punkten zum Einsatz kommen. Das Problem bei exakt dargestellten Details ist, dass sie nicht unbedingt zu den Standardsystemen des modular bauenden TU passen. Es besteht die Gefahr, dass diese Details dann nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand hergestellt werden können. Sich auf die reine Beschreibung von Funktionen zu beschränken, ermöglicht es allen Anbietern, eine Lösung zu finden, die der geforderten Funktion entspricht und in das individuelle System passt.

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EINFÜHRUNG / L E I S T U N G S B I L D

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H O N O R I E R U N G

Vollständig statt teilweise In der FLB werden alle notwendigen Anforderungen so pauschal wie möglich und gleichzeitig so exakt wie notwendig beschrieben. Dies ermöglicht den Modulbaufirmen, ein wirtschaftliches Angebot zu erstellen. Wichtig ist, die anzubietende Leistung vollständig zu beschreiben. Der TU wird maximal das liefern, wozu er tatsächlich verpflichtet ist. Vergessene oder zusätzliche Leistungen werden immer zu Nachträgen führen. Auch nachträgliche Änderungen der Leistung, wie Änderungen von Anforderungen, Raumzuschnitten oder Qualitäten, führen schnell zu Nachträgen. Dabei ist zu beachten, dass der Totalunternehmer in der Regel viele Teilleistungen von Subunternehmern einkauft und deren Leistungen mit einem Zuschlag belegt. Dieser Zuschlag kann bis zu 25 % betragen. Um den Vorteil der Kostensicherheit bei Totalunternehmerleistungen auch wirklich ausnutzen zu können, ist es wichtig, alles abschließend und kalkulierbar zu beschreiben. Darin liegt die Kunst der Ausschreibung mittels funktionaler Leistungsbeschreibung.

Unterschiedliche Anforderungen durch unterschiedliche Landesbauordnungen Nicht zu unterschätzen sind die unterschiedlichen Anforderungen an Bauwerke in den unterschiedlichen Landesbauordnungen. Gerade hinsichtlich des Brandschutzes und unterschiedlich eingeführter Normen und Richtlinien liegen interessante Herausforderungen. Es ist daher wichtig, die FLB auch im Hinblick auf die Anforderungen des Bundeslandes zu bearbeiten, in dem ein Gebäude errichtet werden soll.

wortung des TU, die funktionalen und gestalterischen Anforderungen aus der funktionalen Leistungsbeschreibung umzusetzen. Die Planer des Bauherrn begleiten diese Phasen beratend und unterstützend.

Was der Bauherr will, ist nicht zwangsläufig das, was der Totalunternehmer anbietet Es gibt Bauvorhaben, bei denen die Planer des Bauherrn nur bis zur Beauftragung des TU eingebunden werden. Dieser ­erstellt dann komplett eigenverantwortlich und unbetreut die Werk- und Detailplanung sowie das schlüsselfertige Gebäude. Davon sei an dieser Stelle abgeraten. Was der Bauherr will, ist nicht unbedingt das, was der TU in Planung und Ausführung umsetzt. In der FLB werden die qualitativen und funktionalen Mindestanforderungen an Bauteile zwar möglichst umfassend beschrieben. Da bei öffentlichen Ausschreibungen allerdings Produktneutralität geboten ist, gibt es einigen Spielraum für Interpretationen. Damit dies möglichst nicht ausschließlich der Totalunternehmer zu seinen Gunsten ausnutzt, sollte der Bauherr erfahrene Planer in diese Entscheidungsphasen einbinden. Aus diesem Grund sollte der planende Architekt besonderen Wert auf einen frühzeitigen und vollumfänglichen Bemusterungstermin legen, bei dem die Modulbaufirma nicht nur die Muster sämtlicher in ihrem Angebot kalkulierten sichtbaren Baustoffe wie Böden, Fenster und Türen vorlegt, sondern auch alle geplanten haustechnisch relevanten Bauteile offenlegt.

„Der Totalunternehmer ist der Werkplaner“ – ein Vorteil? Der Totalunternehmer als Werkplaner und Ausführender Die Besonderheit in der Abwicklung modularer Gebäude mit Totalunternehmern ist die eigenverantwortliche Umsetzung der Entwurfsplanung in eine Werkplanung und die dementsprechende Errichtung des Gebäudes. Es liegt in der Verant-

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Es stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, dass der TU die Werkplanung übernimmt und damit einen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der Details hat. Der Vorteil der funktionalen Ausschreibung ist, dass die Mindestansprüche des Bauherrn hinsichtlich Gestaltung und Qualität der wichtigen Details festgelegt werden. Damit hat der Bauherr einen

EINFÜHRUNG

Anspruch auf die Ausführung in diesen Qualitäten. Bei der technischen Umsetzung hat jedoch der TU gewisse Freiheiten. Diese erlauben ihm, auf gleichwertige Techniken und/ oder Produkte auszuweichen, die ihm einen wirtschaftlichen Vorteil ermöglichen, weil er etwa diese Produkte günstiger einkaufen oder schneller beziehungsweise einfacher verarbeiten kann. Hier haben die Unternehmer also die Möglichkeit, mit guten Ideen Geld zu sparen und damit ein wirtschaftliches Angebot zu unterbreiten. Im Gegensatz zum öffentlichen Bauherrn hat der TU die Freiheit, seine Subunternehmer nach anderen Kriterien als nur nach dem Preis auszusuchen.

Abstimmung der Fachplaner Für die Umsetzung der Entwurfsplanung in die Werk- und ­Detailplanung benötigt der TU eigene Planer. In der Regel werden alle Fachrichtungen, die der Bauherr eingebunden hat, auch seitens des TU beauftragt. Es ist daher sinnvoll, die Planer des Bauherrn und die Planer des TU möglichst schnell zu einem Austausch an einen Tisch zu bringen. In der Praxis haben sich große Planerrunden mit allen Beteiligten kurz nach Auftragserteilung bewährt. Dabei können über alle Fachbereiche Interessen und Bedürfnisse hinsichtlich Qualität der Planung und Ausführung ausgetauscht werden. Wichtig ist natürlich aber auch die direkte Abstimmung der jeweiligen Fachbereiche untereinander. Die Fachplaner des TU sollten Fragen oder Unklarheiten idealerweise immer direkt mit den Fachplanern des Bauherrn abstimmen. Eine Einbindung des Bauherrn und seiner Architekten ist immer dann nötig, wenn es um Fragen der Gestaltung und Abweichungen zur FLB geht.

Objektüberwachung des Totalunternehmers Der TU beziehungsweise seine Planer übernehmen die ­Objektüberwachung analog dem Leistungsbild der HOAI. Sie stellen also sicher, dass die Anforderungen der FLB genauso erfüllt werden wie alle anderen Anforderungen hinsichtlich Technik und Normung. Der TU wickelt also die Baustelle

eigenverantwortlich ab. Die Planer des Bauherrn stehen ihm dabei beratend und unterstützend zur Seite. Gleichzeitig überwachen sie den Bau im Hinblick auf die Übereinstimmung mit den geforderten Funktionen und Qualitäten sowie den terminlichen Bauablauf, um den zugesagten Fertigstellungstermin sicherzustellen.

Gesehen oder freigegeben? Die Planungen des TU sind dem Bauherrn und seinen Planern zur Sichtung vorzulegen. Dabei überprüfen diese die vorgelegte Planung auf Übereinstimmung mit der FLB. Die Prüfung hinsichtlich Normung und Regeln der Technik obliegt dem TU. Die Planung durchläuft also keinen klassischen Freigabeprozess, sondern wird nur von den Planern des Auftraggebers gesichtet. Damit bleibt die komplette Verantwortung für die richtige und normgerechte Ausführung beim TU. Selbstverständlich sollten die Planer des Bauherrn im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aber auf etwaige Fehler oder Abweichungen hinweisen und damit nicht erst bis zur Abnahme des Bauwerks warten.

Planänderungen und Nachträge Weil zu Beginn der Vertragsbeziehung zwischen Bauherr und TU ein Festpreis für ein schlüsselfertig erstelltes Gebäude steht, sollte es idealerweise nach der Beauftragung nicht mehr zu Änderungswünschen des Bauherrn kommen. Nachträgliche Änderungen der Planung beziehungsweise Anforderungen und Qualitäten nach Auftragsvergabe führen grundsätzlich zu Mehrkostenansprüchen des Totalunternehmers. Hier gilt es auch zu bedenken, dass der TU in der Regel Zuschläge auf Subunternehmer- und Lieferleistungen berechnet. Andererseits kann eine vom TU vorgeschlagene Änderung sowohl einfacher und besser in der Ausführung als auch preisgünstiger sein. Es ist durchaus verhandelbar, dass der TU dem Bauherrn für die Zustimmung zu einer angepassten Ausführung ein Minderpreisangebot macht.

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EINFÜHRUNG / M O D U L B A U

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B R A N D S C H U T Z

Brandschutz im Raumzellenbau Carl Richter, Andreas Plum, Georg Spennes

In Bauprojekten mit Raumzellen stellen sich Bauherren, Planer, Hersteller und Behörden immer wieder die Frage, welche bautechnischen Nachweise, insbesondere zum Brandschutz, konkret erforderlich sind. Da bisher kein einheitliches Verständnis bei allen Beteiligten hinsichtlich der Eigenschaften, Voraussetzungen und Eignungen der Nachweise besteht, kann dies zu Unsicherheiten und Verzögerungen im Genehmigungsprozess und somit zu Bauzeitenverlängerung sowie letztendlich Kostensteigerungen führen. Die Folge: Die eigentlichen Vorteile der Raumzellenbauweise gegenüber der konventionellen Bauweise, die insbesondere in einer kürzeren Projektdauer und dem hohen Anteil der Vorfertigung und somit in einer viel geringeren Lärmbelästigung auf der Baustelle liegen (Abb. 1), kommen nicht zum Tragen. In Kooperation mit dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NordrheinWestfalen (NRW) initiierte das Industrie- und Wissenschaftskonsortium des Center Building and Infrastructure Engineering (CBI) an der RWTH Aachen regelmäßige Arbeitstreffen und erarbeitete innerhalb von einem Jahr den ersten Praxisleitfaden zu Anforderungen an Bauteile von Raumzellengebäuden als Stahltragkonstruktion aus Gründen des Brandschutzes. Dieser umfasst: – die Einführung und Definition von Begrifflichkeiten und Anforderungen – die Unterteilung in drei Raumzellentypen: Typ I (Seefrachtcontainer), Typ II (nach außen freie Stahlrahmen) und Typ III (nach außen brandschutzrelevant verkleidete Stahlrahmen) – die Auflistung und Evaluierung der Nachweisformen der Verwendbarkeit und Anwendbarkeit auf nationaler wie europäischer Ebene – die Darstellung alternativer Nachweisansätze auf Basis der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen. Auf dem Markt werden die Begrifflichkeiten der verschiedenen Arten von Raumzellen häufig durcheinandergeworfen. Hier schafft der Praxisleitfaden Klarheit. Der Begriff „Raumzellen“ wurde im Praxisleitfaden in Anlehnung an die Ende 2020 ausgelaufene Europäische Technische Zulassung für

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vorgefertigte Raumzellen für Gebäude, ETAG 023, gewählt. Darüber hinaus ist der Begriff über die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) im Bauordnungsrecht bereits vorhanden. Für Raumzellen mit einer Stahltragkonstruktion unterscheidet der Praxisleitfaden eben zwischen diesen drei Ausführungstypen (Abb. 2). Die Anforderungen des materiellen Baurechts sind unabhängig von der Bauweise und gelten für alle drei Raum­ zellentypen. Auf der Nachweisseite gibt es aufgrund der verschiedenen Charakteristika der einzelnen Typen aber unterschiedliche Ansätze. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die allgemeinen Brandschutzanforderungen und die Unterscheidung in Bauprodukt und Bauart. Darüber hinaus werden verschiedene Nachweismöglichkeiten und -ansätze dargestellt und konstruktive Hinweise gegeben.

Bauprodukte und Bauarten Das Thema Bauprodukt und Bauart und deren Unterscheidung und Definition in Bezug auf den Raumzellenbau wird in  der Fachwelt intensiv diskutiert. Durch das EUGH-Urteil vom 16.10.2014 im Rechtsstreit C-100/13 der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland zur Rechtmäßigkeit ergänzender Anforderungen an Bauprodukte gemäß Bau­ regelliste wurde die kurzfristige (die vorgegebene Frist betrug zwei Jahre) Novellierung der Bauordnung notwendig. Dabei wurde die Unterscheidung zwischen dem Bauprodukt und der Bauart mit den dazugehörigen, erforderlichen Ver- beziehungsweise Anwendbarkeitsnachweisen deutlicher herausgestellt. Diese Unterscheidung existierte aber schon vor der Novellierung. Wichtig ist dabei, dass es nach europäischem Recht nur Vorgaben für Bauprodukte geben kann, da es um einen freien Handel von Produkten im EU-Binnenmarkt geht. Die Anforderungen an europäisch harmonisierte Bauprodukte sind in der Europäischen Union gleich, damit diese im Binnenmarkt frei gehandelt werden können. Die Seite der Anwendbarkeit und damit die Anforderungen auf der Baustelle

EINFÜHRUNG

Konventionelle Fertigung

1 Qualitativer zeitlicher Vergleich des Ablaufs

Planung

von konventioneller und Raumzellenbauweise

Baubegleitende Planung

2 Raumzellentypen

Gründung Rohbau Hülle Ausbau / TGA

Raummodulbauweise

Quelle: Schwerdtner, Patrick / Kumlehn, Frank / Schütte, Julian: Kostengünstiger Wohnungsbau: Identifikation bestehender Hemmnisse für den Einsatz von Raummodulen im Wohnungsbau, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2018

Planung Gründung Produktion Raummodule Montage Rest­leistungen

Zeitvorteil

1

2

Raumzellen

Typ 1

Typ 2

Typ 3

Vorgefertigte Raumzelle bestehend aus See­ frachtcontainern.

Vorgefertigte Raumzelle bestehend aus einer Stahltragkonstruktion. Die Stahlrahmen sind nach außen freiliegend.

Vorgefertigte Raumzelle bestehend aus einer Stahltragkonstruktion. Die Stahlrahmen sind nach außen brand­ schutzrelevant ver­ kleidet.

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EINFÜHRUNG / M O D U L B A U

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nach dem Einbau (Bauwerksanforderungen) gelten nur national, sie sind also deutsches Bauordnungsrecht. Aus diesem Grund wurden die vorhabenbezogene Bauartgenehmigung (als Äquivalent für die Zustimmung im Einzelfall für Bauprodukte) und die allgemeine Bauartgenehmigung (entsprechend der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für Bauprodukte) für Bauarten eingeführt. Per Definition ist alles, was das Werksgelände verlässt, also „in den Verkehr gebracht wird“, ein Bauprodukt. Dabei ist es nebensächlich, in welchem Zustand sich dieses Bauprodukt befindet. Als Beispiel umfasst dies sowohl einen flüssigen Beton als auch eine vorgefertigte Stahlverbundstütze mit vorgesehenen Anschlussdetails (EU-Bauproduktenverordnung (BauPVO) 305/2011). Für den Raumzellenbau ist ein hohes Maß an Vorfertigung essenziell. Dabei unterscheidet sich der Grad der Vorfertigung von Hersteller zu Hersteller, aber auch innerhalb des Portfolios eines einzelnen Herstellers kann es große Unterschiede geben. Aus diesem Grund ist es aus Herstellersicht teilweise schwer nachvollziehbar, warum ein „fertiger Raum“ mit komplettem Innenausbau genauso bewertet wird, wie eine Raumzelle, die an den beiden Längsseiten ­offen ist und erst auf der Baustelle mit anderen Raumzellen zu einem Raum innerhalb eines Raumzellengebäudes zusammengesetzt wird. Aus rechtlicher Sicht macht das keinen Unterschied, weil es um den Tatbestand des Einführens in den Markt (in Verkehr bringen) geht. Als Beispiel könnte hier eine Wandkonstruktion betrachtet werden. Wenn diese als Trockenbaukonstruktion auf der Baustelle errichtet wird, werden in der Regel die erforderlichen Komponenten als einzelne Bauprodukte in Verkehr gebracht (Metallprofile des Ständerwerks, Dämmstoffe, Plattenwerkstoffe, Schrauben, Spachtelmasse etc.), also auch einzeln auf die Baustelle geliefert und dort als Bauart errichtet. Wenn eine fertige Holztafelwand aus Holzständern, werkseitiger Dämmung sowie äußeren und inneren Plattenlagen als fertige Wandscheibe (und somit als Bauprodukt) in Verkehr gebracht und auf die Baustelle geliefert wird, so ist die Holz­ tafelwand das Bauprodukt. Diese wird dann auf der Baustelle als Bauart in das Gebäude eingebaut. Bauordnungsrechtlich

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bedeutet das aber auch, dass sowohl das Bauprodukt einen Nachweis (Verwendbarkeit) als auch die Bauart einen Nachweis (Anwendbarkeit) benötigt. Für den Raumzellenbau ist wichtig zu betonen, dass diese in Bezug auf die Tragfähigkeit im Brandfall grundsätzlich über die vorhandenen Standards und Normen (vor allem dem Eurocode) geregelt sind. Lediglich für den Nachweis des Raumabschlusses gibt es keine Technische Baubestimmung und keine allgemein anerkannte Regel der Technik, die direkt zur Nachweisführung angewendet werden kann. Zwar bieten vorhandene Technische Baubestimmungen wie zum Beispiel die DIN 4102-4 eine gute Grundlage, jedoch werden hier wesentliche Abweichungen in Bezug auf die Spezifikationen des Stahlrahmenbaus erforderlich. Da allgemein anerkannte Regeln der Technik für den Raumabschluss von Raumzellengebäuden nicht vorhanden sind beziehungsweise wesentlich von vorhandenen Regeln abgewichen wird, ist auf der Ebene der Bauprodukte ein Verwendbarkeitsnachweis (Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, Zustimmung im Einzelfall, vgl. §§ 18 bis 20 Musterbauordnung (MBO) 2019) erforderlich. Auf der Ebene der Bauarten (§ 16a MBO 2019) ist für diesen Fall ein Anwendbarkeitsnachweis erforderlich. Bauarten, die von Technischen Baubestimmungen nach § 85a Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 Buchstabe a MBO 2019 wesentlich abweichen oder für die es allgemein anerkannte Regeln der Technik nicht gibt, dürfen bei der Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen nur angewendet werden, wenn für sie 1. eine allgemeine Bauartgenehmigung durch das Deutsche Institut für Bautechnik oder 2. eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung durch die oberste Bauaufsichtsbehörde erteilt worden ist.

Brandschutzanforderungen an Raumzellengebäude Die bauordnungsrechtlichen Anforderungen bezüglich des Brandschutzes sind an bauliche Anlagen adressiert und insofern auch an Raumzellengebäude. In brandschutztechnischer

EINFÜHRUNG

3 G  ebäudeklassen (GK) nach Muster-

Gebäudeklassen nach § 2 (3) MBO

bauordnung

a

freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2

b

freistehende land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude und ­Gebäude vergleichbarer Nutzung

GK 1

GK 2

Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2

GK 3

sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m in der Regel ohne Anforderungen,

BFT Cognos GmbH

GK 4

GK 5

teilweise feuerhemmend

Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m2

feuerhemmend (fh) hochfeuerhemmend (hfh)

sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude

feuerbeständig (fb) 3

Hinsicht sind Anlagen gemäß § 3 in Verbindung mit § 14 MBO 2019 so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass – der Entstehung eines Brandes vorgebeugt wird, – der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird, – bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren möglich ist und – wirksame Löscharbeiten möglich sind. Die Anforderungen an den Brandschutz von Gebäuden und baulichen Anlagen werden über das Bauordnungsrecht

festgelegt. Darüber hinaus regelt das Bauordnungsrecht die verfahrensrechtlichen Vorgaben und Zuständigkeiten. Grundsätzlich ist das Bauordnungsrecht in der Bundesrepublik föderal geregelt, sodass 16 verschiedene Bauordnungen zur Anwendung kommen. Für den hier betroffenen Bereich sind die bauordnungsrechtlichen Anforderungen aber nahezu vollständig harmonisiert. Die durch die Bauministerkonferenz gemeinsam abgestimmte Musterbauordnung kann daher hier für die weitere Betrachtung herangezogen werden. Die nachfolgenden Anforderungen finden sich so oder so ähnlich ebenfalls in den jeweiligen Landesbauordnungen. Im Sinne der Allgemeingültigkeit wird im Weiteren

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EINFÜHRUNG / M O D U L B A U

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jeweils auf die Musterbauordnung sowie die weiteren Mustervorschriften verwiesen, nicht aber auf die Regeln der einzelnen Länder. Gebäudeklassen

Die konkreten Anforderungen der MBO werden durch die sogenannten Gebäudeklassen festgelegt (Abb. 3). Dabei ­ ­erfolgt die Einteilung über die Gebäudehöhe sowie die Anzahl und Größe der Nutzungseinheiten. Darüber hinaus sind die Eigenschaften „freistehend“ und „unterirdisch“ zwei wichtige Bewertungskriterien. In Abhängigkeit von den Gebäudeklassen ergeben sich nach MBO die Anforderungen an die einzelnen Bauteile: – tragende und aussteifende Wände und Stützen nach § 27 MBO 2019 – Außenwände nach § 28 MBO 2019 – Trennwände nach § 29 MBO 2019 – Brandwände nach § 30 MBO 2019 – Decken nach § 31 MBO 2019 – Dächer nach § 32 MBO 2019 Das Anforderungsniveau steigt mit der Gebäudeklasse (GK). Für Gebäude der GK 1 sind in der Regel keine Anforderungen an einen Feuerwiderstand vorgesehen. Die bauordnungsrechtlichen Schutzziele können hier aufgrund der Gebäudehöhen und -größen auch ohne besondere Anforderungen an den Feuerwiderstand erfüllt werden. In den Gebäudeklassen 2 und 3 wird zur Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Schutzziele ein Feuerwiderstand von mindestens 30 Minuten (feuerhemmend) erforderlich. Für Gebäude der GK 4 werden Anforderungen an den Feuerwiderstand für 60 Minuten gestellt (hochfeuerhemmend). Die höchste Anforderung ergibt sich für die GK 5. Hier muss aufgrund der Gebäudehöhe und der dadurch vorliegenden Rahmenbedingungen für einen möglichen Löschangriff ein Feuerwiderstand von 90 Minuten realisiert werden (Abb. 4). Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen

Grundsätzlich richtet sich die Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen nach dem geltenden bauaufsichtlichen Anforde-

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rungssystem (Gebäudeklassen, Höhenlage der Geschosse, Gebäudeart). Auf Grundlage von Brandprüfungen nach der Einheitstemperaturzeitkurve (ETK) erfolgt dann die Einstufung in die Feuerwiderstandsklasse. Bei tragenden und aussteifenden Bauteilen baulicher Anlagen bezieht sich die Feuerwiderstandsfähigkeit auf deren Standsicherheit und bei raumabschließenden Bauteilen (Wände und Decken) auf deren Widerstand gegen eine Brandausbreitung [MVV TB 2020]. In Abhängigkeit der Feuerwiderstandsfähigkeit müssen Bauteile die Standsicherheit bei Brandeinwirkung nach ETK gemäß DIN 4102-2:1977-09, Abschnitt 6.2.4 über die folgende Dauer gewährleisten: – feuerbeständig (fb): ≥ 90 Minuten (R 90) – hochfeuerhemmend (hfh): ≥ 60 Minuten (R 60) – feuerhemmend (fh): ≥ 30 Min. (R 30) Die Bezeichnung R basiert auf DIN EN 13501-2:2016-12 und steht für den Feuerwiderstand hinsichtlich der Tragfähigkeit. Als raumabschließend feuerwiderstandsfähig gelten Teile baulicher Anlagen, wenn sie dauerhaft mindestens für eine bestimmte Zeitdauer die Brandausbreitung verhindern, der Raumabschluss auch im Bereich von Verbindungen und Anschlüssen zu angrenzenden Teilen baulicher Anlagen nicht beeinträchtigt ist und wenn auf der brandabgewandten Seite keine wesentliche Rauchentwicklung und kein wesentliches Abfallen oder Abtropfen von Bestandteilen zu verzeichnen ist. Werden keine weiteren Bestimmungen getroffen, ­bezieht sich die Feuerwiderstandsfähigkeit auf jede der möglichen Brandeinwirkungsrichtungen (zum Beispiel sowohl von innen nach außen als auch von außen nach innen sowohl von oben nach unten als auch von unten nach oben). Raumabschließende Bauteile müssen jeweils an andere Bauteile angrenzen, die mindestens über den gleichen Zeitraum den Raumabschluss sicherstellen. Eine Ausnahme bilden Außenwände, die keine Anforderung an den Raumabschluss haben, und Dächer. Allerdings besteht hier die Voraussetzung, dass die an diese Außenwände und Dächer angrenzenden raumabschließenden Teile bei Brandeinwirkung über die entsprechende Zeitdauer standsicher bleiben [MVV TB 2020].

EINFÜHRUNG

4 Beispiel für Anforderungen an Geschoss­

Gebäudeklassen Bauteile

GK 1

GK 2

GK 3

GK 4

decken für die einzelnen Gebäudeklassen (GK)

GK 5

nach § 31 MBO fb: feuerbeständig (≥ 90 Minuten, REI 90)

Decken

ohne

fh

fh

hfh

fb

Decken im Dachgeschoss, wenn darüber keine Aufenthaltsräume möglich sind

ohne

ohne

ohne

ohne

ohne

Decken im Dachgeschoss, wenn darüber Aufenthaltsräume möglich sind

ohne

fh

fh

hfh

fb

Balkone, ausgenommen offene Gänge, die als notwendige Flure dienen

ohne

ohne

ohne

ohne

ohne

fh

fh

fb

fb

fb

fb

fb

fb

BFT Cognos GmbH

Decken im Kellergeschoss

Decken unter / über explosions­ gefährdeten Räumen

fb (Wohngebäude GK 1+2 ohne)

hfh: hochfeuerhemmend (≥ 60 Minuten, REI 60) fh: feuerhemmend (≥ 30 Minuten, REI 30)

4

Fugen zwischen Bauteilen müssen aufgrund der Sicherung des Raumabschlusses während der Brandeinwirkung geschlossen bleiben und die verwendeten Baustoffe müssen nichtbrennbar und formbeständig sein. In Abhängigkeit der Feuerwiderstandsfähigkeit müssen Bauteile den Raumabschluss bei Brandeinwirkung nach ETK gemäß DIN 4102-2:1977-09, Abschnitt 6.2.4 über die folgende Dauer gewährleisten: – feuerbeständig (fb): ≥ 90 Minuten (REI 90) – hochfeuerhemmend (hfh): ≥ 60 Minuten (REI 60) – feuerhemmend (fh): ≥ 30 Minuten (REI 30) Die Bezeichnung REI basiert auf DIN EN 13501-2:2016-12 und

steht für den Feuerwiderstand für Bauteile mit Anforderungen an den Raumabschluss (R = Tragfähigkeit, E = Raum­ abschluss, I = Wärmedämmung). Abweichungen oder Erleichterungen mit Brandschutzkonzepten

Eine Formulierung von Abweichungen nach § 67 BauO NRW 2019 oder Erleichterungen nach § 51 MBO 2019 im Rahmen einer brandschutztechnischen Bewertung (zum Beispiel Brandschutzkonzept, brandschutztechnische Stellungnahme) gegenüber den Anforderungen an bauliche Anlagen oder Teile baulicher Anlagen kann dabei nicht ausschließlich

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EINFÜHRUNG / M O D U L B A U

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B R A N D S C H U T Z

auf die Feuerwiderstandsdauer abzielen, sondern auch auf die dafür zu erfüllenden Leistungskriterien. So kann zum Beispiel vom Nachweis über die Erfüllung von Anforderungen an den Raumabschluss abgesehen werden, während gleichzeitig die Standsicherheit im Brandfall gewährleistet werden muss. Im Rahmen eines Brandschutzkonzeptes wird ein Raumzellengebäude grundlegend brandschutztechnisch bewertet; die hierin aufgeführten Anforderungen müssen in der individuellen Planung umgesetzt werden. Brandschutzkonzepte sind Bauvorlagen, die auf das jeweilige geplante Bauvorhaben und die spezifischen örtlichen Gegebenheiten zugeschnitten sein müssen. „Typen-Brandschutzkonzepte“ können daher im Genehmigungsverfahren als Bauvorlage nicht akzeptiert werden. Sollte also die Vorlage eines Brandschutzkonzepts aus den Vorgaben der MBO 2019 oder als besondere Anforderung der Genehmigungsbehörde erforderlich werden, so muss dieses auf das geplante Bauvorhaben angepasst werden. Aufgrund der modularen Bauweise ist es aber vorstellbar, mit stark standardisierten Brandschutzkonzepten zu arbeiten, in denen ein objektspezifischer Teil mit einem allgemeinen Teil für den entsprechenden Gebäudetyp kombiniert wird. Im Rahmen einer ganzheitlichen schutzzielorientierten Bewertung mit Abweichungen oder Erleichterungen von den Anforderungen der §§ 26 bis 46 MBO 2019 ist dann nachzuweisen, dass ein ausreichender Widerstand gegen die Brandausbreitung auf andere Weise sichergestellt werden kann oder dieser aufgrund der besonderen Art oder Nutzung nicht erforderlich ist. Alternativ kann eine Kompensation über bauliche, anlagentechnische und/oder betrieblich-organisatorische Maßnahmen erfolgen. Konkretisiert werden die schutzzielbezogenen Brandschutzanforderungen für bauliche Anlagen mit den Festlegungen der §§ 5, 26 bis 36, 39 bis 42, 46 und 47 MBO 2019 in Verbindung mit den Anforderungen des Abschnitts A 2 der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen [MVV TB 2020]. Mit Blick auf die Konstruktionen von Raumzellengebäuden sind Konkretisierungen insbesondere an folgenden Stellen zu finden:

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A 2.1.2 Anforderungen an das Brandverhalten von Teilen baulicher Anlagen A 2.1.3 Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit von Teilen baulicher Anlagen A 2.1.3.2 Anforderungen an die Standsicherheit im Brandfall A 2.1.3.3 Anforderungen an den Raumabschluss im Brandfall A 2.1.4 Tragende und aussteifende Bauteile A 2.1.5 Außenwände A 2.1.6 Trennwände A 2.1.7 Brandwände und Wände, die anstelle von Brand- wänden zulässig sind A 2.1.8 Decken A 2.1.9 Dächer A 2.1.10 Treppen A 2.1.11 Notwendige Treppenräume A 2.1.12 Notwendige Flure und offene Gänge A 2.1.13 Fahrschächte, Aufzüge A 2.1.14 Installationsschächte und -kanäle, Systemböden und elektrische Betriebsräume Eine zentrale Anforderung bildet im Zusammenhang mit den Konstruktionen von Raumzellengebäuden die Anforderung zur Feuerwiderstandsfähigkeit unter Abschnitt A 2.1.3 der MVV TB 2020. Alle Konkretisierungen sind der MVV TB 2020 zu entnehmen. Hinsichtlich detaillierterer Erläuterungen wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.

Nachweisführung im Raumzellenbau Für die Nachweisführung ist es wichtig, zuerst die Anforderungsseite zu betrachten, um die Leistungen zu definieren, die nachgewiesen werden müssen. Die Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit unter Abschnitt A 2.1.3 der MVV TB 2020 sind im Zusammenhang mit den Konstruktionen von Raumzellengebäuden wesentlich. Die Erfüllung der Anforderungen erfolgt üblicherweise über die Verwendung geeigneter Bauprodukte beziehungsweise die Anwendung geeigneter Bauarten.

EINFÜHRUNG

5 Die nach DIN EN 1991-1-2 (Eurocode 1) möglichen Verknüpfungen zwischen Brandbeanspruchungen, den Nachweis­ ebenen sowie den Bauteilnachweisen

Quelle: Leitfaden Ingenieurmethoden des Brandschutzes der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V., Prof. Jochen Zehfuß

Nominelle Temperaturzeitkurven

Naturbrandmodelle

Einheitstemperaturzeitkurve (ETK) und Außenbrandkurve

Vereinfachte Brandmodelle

Allgemeine Brandmodelle

Ebene 1

Ebene 2

Ebene 3

Tabellarische Bemessungsverfahren

Vereinfachte Rechenverfahren

Allgemeine Rechenverfahren

Einzelbauteil

Einzelbauteil Teiltragwerk

Einzelbauteil Teil- / Gesamttragwerk 5

Dabei gibt es im Brandfall wie oben beschrieben zwei entschei-

­Anforderungen an die tragenden und aussteifenden Bauteile.

Die Anforderungen an die Standsicherheit im Brandfall sind dem Abschnitt A 2.1.3.2 MVV TB zu entnehmen. Dabei ist herauszustellen: Für den Nachweis, dass die Anforderungen an die Standsicherheit im Brandfall erfüllt werden, gibt es mit den Eurocodes grundsätzlich Technische Baubestimmungen, die auch für den Nachweis von Raumzellengebäuden herangezogen werden können. In Abhängigkeit von der Art und der Nutzung sowie der Gebäudeklasse von baulichen Anlagen ergeben sich aus der MBO 2019 unter anderem brandschutztechnische

sätzlich auf der Grundlage der MVV TB 2020 nach DIN EN 1993-1-2 „Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Tragwerksbemessung für den Brandfall“ erfolgen. Die zugehörigen Einwirkungen sind in der DIN EN 1991-1-2 sowie dem dazugehörigen nationalen Anhang zu finden. Der Nachweis der Standsicherheit im Brandfall kann dabei nach drei verschiedenen Verfahren geführt werden: – Ebene 1: Tabellarische Bemessungsverfahren – Ebene 2: Vereinfachte Rechenverfahren – Ebene 3: Allgemeine Rechenverfahren

aus dem vftb Leitfaden und liegt uns leider nicht alsals bearbeitbares Bild vor. dende Faktoren: die Standsicherheit und den Raumabschluss. Der Nachweis der Standsicherheit im Brandfall muss grunddem vftb Leitfaden und liegt uns leider nicht bearbeitbares Bild vor. saus dem vftb Leitfaden und liegt uns leider nicht als bearbeitbares Bild vor.

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EINFÜHRUNG / M O D U L B A U

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6 Bauordnungsrechtliche Anford­ erungen an den Brandschutz von

Nachweis Bauprodukt (§§ 18 bis 25 BauO NRW 2018)

Raumzellengebäuden. Der Praxisleitfaden umfasst eine

Bauprodukt nach EU BauPVO § 19 BauO NRW 2018

einheitliche Hilfestellung und

Bauprodukt mit Nachweis und Ü-Zeichen nach §§ 20-25 BauO NRW 2018

Zusammenfassung des aktuellen Stands der Technik für alle am Bau

harmonisiertes Bauprodukt

„geregeltes Bauprodukt“

Beteiligten (beispielsweise Bauherren,

ETAG 023 (Leitlinie für die europäische technische Zulassung für vorgefertigte Raumzellen für Gebäude)

Bauprodukte in Übereinstimmung mit Technischen Baubestimmungen (Ü-Zeichen) oder allgemein anerkannten Regeln der Technik (kein Ü-Zeichen)

Planer, Hersteller und Behörden)

Da die ETAG 023 nicht als EAD (European Assessment Document) gelistet ist, können derzeit keine ETAs (European Technical Assessments) für vorgefertigte Raumzellen beantragt werden.

zu den Möglichkeiten des Nach­ weises von brandschutztechnischen

Für bereits erteilte ETAs ergeben sich Lücken zu den Anforderungen des deutschen Bauordnunsgsrecht. Diese können im Einzelfall über zusätzliche freiwillige Herstellerangaben nachgewiesen werden.

Eigenschaften von Raumzellen­

Freiwillige Herstellererklärung in Form einer technischen Dokumentation auf Grundlage der VV TB Abschnitt D3.

Raumabschluss derzeit nicht nachweisbar auf Grundlage von Prüf- und/oder Bemessungsnormen

Quelle: Praxisleitfaden zu Anforderungen an Bauteile von Raumzellengebäuden als Stahltragkonstruktion aus Gründen des Brandschutzes, CBI, 2020

gebäuden.

Bauprodukte mit Verwendbarkeitsnachweis Nachweis der Verwendbarkeit über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) gemäß § 21 BauO NRW 2018 oder Nachweis im Einzelfall über eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) gemäß § 23 BauO NRW 2018

Festlegung der Nachweisführung bzw. Verfahrensregelung über DIBt (abZ) bzw. oberste Bauaufsicht (ZiE)

Nachweis Bauart (§ 17 BauO NRW 2018)

„geregelte Bauart“ Bauart in Übereinstimmung mit Technischen Baubestimmungen, z.B.: DIN EN 1993-1-1 Bem. und Konstr. von Stahlbauten allgemein, DIN EN 1993-1-2 Bem. und Konstr. von Stahlbauten für den Brandfall, Unter Bezugnahme der DIN 4102-4 (Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen)

Die DIN 4102-4 lässt sich in den allermeisten Fällen nur mit Abweichungen auf Raumzellen anwenden. Der Nachweis des Raumabschlusses ist derzeit nicht auf der Grundlage von TBs oder a.a.R.d.T. möglich.

Die Rechenverfahren reichen von tabellarischen Nachweisen über rein thermische Nachweise bis hin zu thermischmechanischen Rechenverfahren auf Zeit- oder Tragfähigkeitsebene. Für den Nachweis von komplexen Tragwerken bietet sich die softwaregestützte Berechnung von Teiloder Gesamttragwerken auf Zeitebene an. Hierbei wird ­unter anderem unter Berücksichtigung der typenspezifischen Konstruktionsmerkmale nachgewiesen, dass ein Tragwerk über den erforderlichen Zeitraum unter Ansatz

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Für Raumzellen als Bauprodukte liegen keine TBs und keine a.a.R.d.T. vor.

„nicht geregeltes Bauprodukt“

„nicht geregelte Bauart“ Bauart mit Bauartgenehmigung Nachweis der Anwendbarkeit über eine allgemeine Bauartgenehmigung (aBg) gemäß § 17. Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW 2018 oder Nachweis im Einzelfall über eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung (vBg) gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 BauO NRW 2018

Festlegung der Nachweisführung bzw. Verfahrensregelung über DIBt (aBg) bzw. oberste Bauaufsicht (vBg). Raumabschluss ggf. nachweisbar auf Grundlage von Brandprüfungen und Technischen Bewertungen unter Bezugnahme auf DIN 4102-4. Bei vBg ist eine Bewertung durch entsprechende PÜZ-Stelle erforderlich.

der maßgebenden Brandbeanspruchung und der anzusetzenden Lasten im Brandfall nicht versagt. Der Nachweis der Standsicherheit im Brandfall für Raumzellen kann mit den oben genannten Nachweisverfahren, die im Praxisleitfaden zu Anforderungen an Bau­ teile von Raumzellengebäuden als Stahltragkonstruktion aus Gründen des Brandschutzes detailliert beschrieben werden, erbracht werden. Die Integrität der brandschutztechnischen Bekleidung von brandbeanspruchten Bautei-

s

keit

EINFÜHRUNG

Werden materielle bauordnungsrechtliche Anforderungen an den Feuerwiderstand und Raumabschluss gestellt? §§ 26 bis 45 BauO NRW 2018 ja

Umsetzung mit Übereinstimmung mit den materiellen Anforderungen

Kein Nachweis zum Brandschutz erforderlich*

nein

* mit Ausnahme der Baustoffklasse

Umsetzung ohne Übereinstimmung mit den materiellen Anforderungen nach den §§ 69 bzw. 50 BauO NRW 2018 Abweichung oder Erleichterung

nach den §§ 17 bis 25 BauO NRW 2018 Bauprodukte/Bauarten

(abZ) 18

r eine ZiE) 18

mit spezifischer Anforderung Abweichende Anforderung

hrung ber

(z.B. ohne Feuerwiderstand, quasi „F0“)

mit bauordnungsrechtlich definierter Leistung (z.B. feuerhemmend, hochfeuerhemmend, feuerbeständig)

mit für den Einzelfall definierter Leistung (z.B. hält unter Berücksichtigung der individuellen Rahmenbedingungen x min“)

Nachweis erforderlich

RW

RW

ohne Anforderung Vollständiger Entfall einer materiellen brandschutztechn. Anforderung

Art und Umfang des Nachweises (auch abweichend von den §§ 17 bis 25 BauO NRW 2018) muss im Brandschutzkonzept/Baugenehmigungsverfahren definiert werden (z.B. Gutachten, Leistungsorientierte Nachweise)

über

rch

Praxisleitfaden zu Anforderungen an Bauteile von Raumzellengebäuden als Stahltragkonstruktion aus Gründen des Brandschutzes 6

len muss dabei vorausgesetzt werden und kann im Zuge der Bemessung nicht nachgewiesen werden. Die Anforderungen an den Raumabschluss im Brandfall sind Abschnitt A 2.1.3.3 der MVV TB 2020 zu entnehmen und oben bereits im Detail beschrieben. Gegenwärtig existieren keine Technischen Baubestimmungen oder allgemein anerkannten Regeln der Technik, mit denen raumabschließende Eigenschaften (Widerstand gegen eine Brandausbreitung) von Bauteilen von Raumzellengebäuden als

Stahlbautragkonstruktion abschließend bewertet werden können. Insbesondere für den Nachweis des Raumabschlusses im Bereich der Übergänge und Anschlüsse zwischen den einzelnen Bauteilen (Wand, Decke, Boden, Dach etc.) sind keine abschließenden Prüfverfahren vorhanden. Das Aufklaffen von Fugen im Bereich von Bekleidungsstößen oder Bauteilübergängen ist jedoch ein wesentlicher Mechanismus, der zum Versagen des Raumabschlusses beitragen kann. Zum Nachweis des Raumabschlusses im

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EINFÜHRUNG / M O D U L B A U

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B R A N D S C H U T Z

Zusammenhang mit dem Bauprodukt Raumzelle oder der Bauart Raumzellengebäude existieren weder Technische Baubestimmungen noch allgemein anerkannte Regeln der Technik. Daher ist für die einzelne Raumzelle (Bauprodukt) in der Regel entweder eine allgemeine bauaufsichtliche ­Zulassung (DIBt) oder eine Zustimmung im Einzelfall bzw. für das Zusammenfügen der einzelnen Raumzellen zu einer baulichen Anlage (Raumzellengebäude – Bauart) in der Regel eine allgemeine Bauartgenehmigung (DIBt) oder eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung erforderlich. Derzeit gibt es nur einen Hersteller, der für bestimmte Raum­ zellen mit bestimmten Anforderungen eine aBg hat. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) existiert nicht. Grundsätzlich besteht mit der DIN 4102-4 eine Technische Baubestimmung, die auch Bauarten mit Anforderungen an den Raumabschluss beinhaltet. Die tatsächlichen Konstruktionen weichen jedoch in den meisten Fällen erheblich von den normativen Vorgaben ab. Bei der Beurteilung von Raumzellen im Rahmen von gutachtlichen Stellungnahmen beziehungsweise technischen Bewertungen ist die DIN 4102-4 jedoch eine wichtige Grundlage. Die Zustimmung im Einzelfall beziehungsweise die vorhabenbezogene Bauartgenehmigung sind bei der obersten Bauaufsichtsbehörde zu beantragen. Die Verfahren sind unabhängig vom Baugenehmigungsverfahren (untere Bauaufsicht), stellen aber in Bezug auf die Bewertung der Erfüllung der materiellen Anforderungen darauf ab. Der hierauf ausgestellte Bescheid bildet die Grundlage für den nachfolgenden gesetzlich notwendigen Übereinstimmungsnachweis. Die formal getrennten Verfahren für die Bewertung der Bauprodukte (einzelne Raumzelle) und Bauarten (Zusammenfügen der Raumzellen zur baulichen Anlage) fußen in der Regel auf einer bauvorhabenbezogenen gutachterlichen Stellungnahme. Diese hat in erster Linie die brandschutztechnische Bewertung der einzelnen Bestandteile der Raumzellen einschließlich sämtlicher relevanter Anschlussdetails sowie der daraus zu errichtenden Bauart (gesamtes Gebäude) auf der Grundlage von Prüfergebnissen zum Ziel. Dabei sollte die gutachterliche Stellungnahme in der Regel von ­einer Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungs- (PÜZ-) Stelle

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mit einer Anerkennung für die jeweiligen Prüfbereiche ­gemäß PÜZ-Verzeichnis (www.dibt.de) und ausreichender Sachkunde angefertigt sein. Die obersten Bauaufsichten erteilen zum Verfahren in der Regel gerne Auskunft. Auf europäischer Ebene gab es für das Bauprodukt Raumzelle die ETAG 023, die aber im Dezember 2020 aus­ gelaufen ist, sodass es auf europäischer Ebene derzeit keine heranzuziehenden technischen Regeln gibt. Die Möglichkeiten der Nachweisführung für Raumzellengebäude sind in Abbildung 6 zusammengefasst dargestellt.

Konstruktive Hinweise und Materialwahl Wie oben beschrieben sind Konstruktionsmerkmale eine wichtige Grundlage für die Bewertung und Umsetzung von Raumzellengebäuden. Auch gutachterliche Stellungnahmen fußen auf konkreten Konstruktionsdetails. Im CBI wird derzeit in dem bestehenden Konsortium gemeinschaftlich an der Standardisierung dieser Details gearbeitet. Dafür werden in Anlehnung an die Muster-Holzbaurichtlinie derzeit zusammen mit den Herstellern jeweils für den Typ 2 und 3 (auf­ bauend auf deren Details) abstrahierte auf den Brandschutz reduzierte Konstruktionsmerkmale erarbeitet (Abb. 7, 8). Mit dem Ziel, die Akzeptanz in der Fachwelt zu erreichen, werden diese derzeit mit verschiedensten Experten diskutiert und entsprechend weiterentwickelt. Zukünftig könnten diese in eine mögliche „Muster-Modulbaurichtlinie“ einfließen. Dabei würde eine Richtlinie oder Ähnliches den Bereich der Bauarten betreffen. Zusätzlich gibt es aber wie oben beschrieben auch Raumzellen, die bereits bauproduktseitig bestimmten Anforderungen (zum Beispiel bei einer Außenwand) genügen müssen. Dafür wird derzeit über eine Produktnorm nachgedacht und Möglichkeiten zur Standardisierung erarbeitet. Darüber hinaus werden gerade in einem vom Bauministerium NRW geförderten Forschungsprojekt des CBI Brandversuche an vollständigen Raumzellen unter ETK-Bedingungen und Belastungen beim Materialprüfungsamt (MPA) NRW durchgeführt, die in den weiteren Standardisierungsprozess mit einfließen werden.

EINFÜHRUNG

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7 Beispielhafte Abbildung eines Konstruktionsmerkmals für einen Raumzellendeckenstoß im Dachbereich (Typ 2) 8 Beispielhafte Abbildung eines Konstruktionsmerkmals für einen Raumzellendeckenstoß innerhalb der Geschossdecke (Typ 3)

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CBI Center Building and Infrastructure Engineering GmbH

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Boden (Raumzelle oben) Boden (Raumzelle oben)

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1 Dachabdeckung

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7 herstellerabhängige Zwischenschicht / Luftschicht

3 Mineralwolle

8 Zementestrich / Trockenestrich

4 herstellerabhängiges Tragwerk 5 mögliche Abdichtung

9 Trittschalldämmung 10 Unterkonstruktion

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WOHNUNGSBAU FRITZ-KISSEL-SIEDLUNG IN FRANKFURT 40 130 Wohnungen im Bestand aufgestockt Jakob Schoof 48

WOHNGEBÄUDE HELLO LENZBURG Effizientes Hybrid-Modulsystem für den Wohnungsbau Jakob Schoof

STUDENTENDORF IN MALMESBURY 54 Vertikal gestaffelte Kuben Sabine Drey WOHN- UND GEWERBEBAU IN VALE DE CAMBRA 60 Kostenoptimierte Mischnutzung Jakob Schoof WOHNANLAGE FÜR GEFLÜCHTETE IN GENF 68 Temporär für zehn Jahre Sabine Drey SOZIALER WOHNUNGSBAU IN DREIEICH 74 Geförderter Wohnraum aus dem Modulbaukasten Jakob Schoof

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130 Wohnungen im Bestand aufgestockt

Skykamera 2021

Jakob Schoof

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Etwa 2,5 Millionen neue Wohnungen könnten in deutschen Städten durch die Aufstockung von Bestandsgebäuden entstehen, haben die Technische Universität Darmstadt und das Pestel Institut 2019 in ihrer sogenannten Deutschlandstudie ­errechnet. 130 dieser Wohnungen sind in Frankfurt-Sachsenhausen 2021 tatsächlich entstanden. Erstmals haben sich zwei große Bestandshalter, die landeseigene Nassauische Heim­ stätte und die börsennotierte Vonovia SE, zusammengeschlossen, um den nördlichen Teil der Fritz-Kissel-Siedlung gemeinsam und in einheitlicher Gestaltung nachzuverdichten. Unterstützt wurden sie von Menges Scheffler Architekten und der Münchener Firma Liwood, die die Aufstockung in Holzmodulbauweise als Generalunternehmer schlüsselfertig realisierte.

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Die Fritz-Kissel-Siedlung wurde 1951 bis 1954 von der Nassau­ ischen Heimstätte in Zusammenarbeit mit der Süwag ­gebaut. Das städtebauliche Konzept war bereits in den 20er-Jahren unter Ernst May entstanden, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch deutlich modifiziert: Statt 600 m langer, gerader Zeilen plante man nun kürzere Abschnitte mit drei bis vier Geschossen. Diese sind in ihren Achsen leicht verdreht, um abwechslungsreichere Freiräume zwischen den Häusern entstehen zu lassen. Die Anliegerstraßen verlaufen jeweils entlang der Stirnseiten der Wohnblocks, dazwischen führen Wohnwege zu den Hauseingängen. Am Ziegelhüttenweg bilden fünf sechsgeschossige Punkthäuser den Abschluss des Siedlungsgebiets nach Süden.

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1 Bauabschnittsweise Realisierung der Aufstockungen 5

2 Aufstockung Punkthaus: Schnitt, M 1:400 3 Aufstockung Punkthaus: Grundriss, M 1:400 4 Lageplan 5 Aufstockung Punkthaus: Isometrie Zwischengeschoss, M 1:400 6

6 Aufstockung Zeilenbau: Grundriss, M 1:400

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In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war die Fritz-KisselSiedlung Frankfurts größte Neubau-Wohnsiedlung. Seit 2000 steht sie unter Ensembleschutz, was bedeutet, dass alle äußerlichen Veränderungen an den Baukörpern mit der Denkmalbehörde abzustimmen waren. „Auch die Tatsache, dass die beiden Bauherren gemeinsam agierten, geht maßgeblich auf eine Forderung des Denkmalschutzes zurück“, berichtet Architekt Ernst Ulrich Scheffler. „Hätte man nur einen Teil der Gebäude aufgestockt, hätte das die Ensemblewirkung empfindlich gestört.“

Denkmalgerecht und leichtgewichtig Die Baumaßnahme betraf insgesamt 14 Gebäude der Nassauischen Heimstätte und acht der Vonovia. Die Wohnzeilen in der Breslauer Straße und an der Mörfelder Landstraße erhielten je ein weiteres Vollgeschoss in Holzmodulbauweise, die Punkthäuser am Ziegelhüttenweg sogar je zwei Vollgeschosse. Durch die größere Höhe entsprechen sie der Gebäudeklasse 5, die Riegelbauten fallen in die Gebäudeklasse 4. „Erstmals arbeitet unser Unternehmensbereich Modernisierung und Großinstandhaltung dabei mit vorgefertigten Modulen in Holzbauweise, was wir in vielfacher Hinsicht für eine sehr effiziente und nachhaltige Möglichkeit zur Innenentwicklung unserer Quartiere halten“, sagt Monika FontaineKretschmer, Geschäftsführerin der Nassauischen Heim­ stätte. Auch für die Architekten bedeutete die Fritz-KisselSiedlung eine Premiere in Sachen Raummodulbauweise. „Vieles sprach dafür, mit vorgefertigten Holzmodulen zu arbeiten: das leichte Gewicht, die ökologischen Vorteile des Bau-

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8

stoffs, die kurze Bauzeit und die geringen Baulärmemissionen“, sagt Büropartnerin Eva Menges. Christian Czerny, Geschäftsführer von Liwood, ergänzt: „Durch die schnelle und unkomplizierte Bauabwicklung im Modulbau ist es uns gelungen, dass die Mieter und Mieterinnen während der Bauarbeiten in ihren Wohnungen bleiben konnten.“ Die 82 neuen Wohneinheiten der Nassauischen Heimstätte variieren zwischen 1,5 und 4 Zimmern und haben zwischen 30 und 90 m2 Wohnfläche. Weitere 48 Wohnungen hat die Vonovia auf ihren Bestandsgebäuden errichtet. Alle werden zur Miete angeboten, 30 % davon sind als Sozialwohnungen gefördert. In ihrem Inneren ist es nicht ersichtlich, dass es sich um einen Holzmodulbau handelt. An den weiß gestrichenen Wänden und Decken oder dem mit Vinyl verkleideten Boden zeichnen sich keinerlei Modulstöße ab. In den Verhandlungen mit dem Denkmalamt verständigten sich die Bauherren und die Architekten darauf, den Aufstockungen eine hinterlüftete Stulpschalung aus warmgrauen Faserzementplanken zu geben. Bei den zweigeschossigen Aufstockungen der Punkthäuser wurde das jeweils untere Geschoss weiß verputzt. „Einerseits sollten sich die Dachgeschosse deutlich von den Bestandsgebäuden unterscheiden. Andererseits sollten die aufgestockten Gebäude nicht zu kopflastig wirken“, berichtet Ernst Ulrich Scheffler. „Daher haben wir uns schließlich für diese Binnendifferenzierung der Fassaden entschieden.“ Die Bestandsbauten erhielten im Zuge der Aufstockung einen neuen Anstrich in der bauzeitlichen Farbgebung. Ihre Fassaden waren bei einer vorangegangenen Sanierung bereits gedämmt und die Punkthäuser mit Aufzügen ver­ sehen worden. Fenster und Fenstertüren der neuen Dach­

Jakob Schoof

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7, 8 Alle Zeilenbauten erhielten je ein weiteres Vollgeschoss in Holzmodulbauweise. 9 Großzügige Loggien erhöhen in den Sascha Kletzsch 2021

Aufstockungen der Punkthäuser die Wohn­ qualität. 10 Im Inneren der Wohnungen ist nicht 10

ersichtlich, dass es sich um einen Holzmodulbau handelt.

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11 Fassadenschnitt, M 1:20 12 Die Punkthäuser am Ziegelhüttenweg erhielten je zwei Vollgeschosse in Holzmodulbauweise.

geschosse bestehen aus weißem Kunststoff; die Balkongeländer wurden als Stabstahlgeländer ausgeführt. Nicht nur die für die neuen Wohnungen, sondern auch für die Aufstockung der Treppenhäuser nutzten Liwood und die Architekten Raummodule aus Massivholz. Trotz der Holzbauweise war die Aufstockung eine statische Herausforderung. Denn die 50er-Jahre-Bauten sind im Wesentlichen aus Trümmerverwertungssteinen gemauert, die nach dem Zweiten Weltkrieg im großen Umfang aus zerkleinertem Kriegsschutt und Zement hergestellt wurden und eine sehr unterschiedliche Tragfestigkeit besaßen. Bei den Zeilenbauten sind zum Beispiel nur die in Querrichtung verlaufenden Wände tragend. Auch die Punkthäuser waren statisch nicht immer ausreichend für die Last der Aufstockung, sodass bei mehreren Gebäuden eine Fundamentverstärkung erforderlich wurde. Bei näherem Hinsehen fällt überdies auf, dass die Modulgeschosse etwas länger und breiter sind als ihr Unterbau. „Beim Nachmessen auf der Baustelle haben wir festgestellt, dass die Bestandsgebäude erhebliche Maßtoleranzen aufwiesen. Um sie aufzunehmen, haben wir uns entschieden, die neuen Geschosse allseits um etwa 7,5 cm auskragen zu lassen“, berichtet Ernst Ulrich Scheffler.

Flexible Grundrissgestaltung mit Raummodulen Menges Scheffler Architekten waren von den beiden Bauherren mit den Leistungsphasen 1 bis 4 beauftragt worden. Ab der Ausführungsplanung übernahm dann Liwood die ­Regie und die Architekten begleiteten die Maßnahme durch künstlerische Oberleitung. Die Zusammenarbeit zwischen Architekten und Generalunternehmer begann jedoch bereits in Leistungsphase 2. In einem ersten Schritt stimmte Liwood die Entwürfe der Architekten mit ihrem modularen Bausystem ab. „Dieser Prozess verlief überaus reibungslos“, resümiert Eva Menges. „Wir hatten die Grundrisse ja bereits anhand der Vorgaben unserer Bauherren entwickelt, bevor Liwood zum Planungsteam stieß. Dennoch waren später nur wenige Änderungen notwendig. Allenfalls das eine oder

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­ ndere Fenster musste geringfügig verschoben werden, da a die Fassadenöffnungen nicht in den Modulstößen liegen sollten.“ Für jeden Gebäudegrundriss und dessen Wohnungstypen wurden eigene Module entwickelt, die sich in Form und Größe voneinander unterschieden. Diese sind zum Teil an den Seiten geöffnet und konnten so zu größeren Räumen verbunden werden. „Diese Flexibilität ist für uns selbstverständlich“, sagt Christian Czerny von Liwood. „Wir geben den Architekten kein Modulraster vor, in dem sie planen müssen. Wir zerlegen vielmehr die von ihnen vorgegebenen Grundrisse in Module und bauen das Gebäude so, wie es der Bauherr haben möchte.“

Just-in-time-Lieferung aus der Feldfabrik Um Transportwege für die Raummodule zu minimieren, errichtet Liwood bei seinen Projekten üblicherweise eine Feld­ fabrik in der Nähe des Bauplatzes. In diesem Fall stand diese – eine ebenfalls in Massivholzbauweise errichtete Halle – in Egelsbach rund 20 km südlich von Frankfurt. Die Brettsperrholztafeln für Wände und Decken wurden vom Holzlieferanten ABA Holz van Kempen in Bobingen bei Augsburg abgebunden, anschließend von Liwood mit Gipskarton-Feuerschutzplatten gekapselt und die Bodenelemente einschließlich aller Installationen bis Oberkante Trockenestrich hergestellt. Auch die Fertigbäder der Wohnungen bestehen aus Massivholz, gefertigt von der Firma Smart Cube. In der Feldfabrik fügte Liwood die flächigen Bauteile zu Raummodulen. Zeitgleich begann vor Ort die Vorbereitung der Bestandsgebäude für die Aufstockung. Dafür wurden die bestehenden Dachaufbauten entfernt, auf den obersten Geschossdecken eine Notabdichtung verlegt und ein flaches Zwischengeschoss errichtet. Dieses besteht aus einer 58 cm hohen Leimholz-Balkenlage und verteilt die Last der Holzmodule auf die tragenden Wände der Bestandsgebäude. „Diese Konstruktion macht die Grundrisse der Aufstockung völlig unabhängig vom darunter liegenden Bestand“, sagt Christian Czerny. Überdies nimmt die Zwischenebene die technischen Installationen für Strom, Wasser, Abwasser

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Sascha Kletzsch 2021

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1 Dachaufbau:

Trittschalldämmung Steinwolle 20 mm

Kiesschüttung circa 50 mm

Dämmung/Höhenausgleich EPS 20 mm

Schutzvlies

Wabenschüttung 30 mm

Abdichtung EPDM-Bahn

Gipskartonplatte feuerfest 18 mm

Wärmedämmung EPS im Gefälle

Brettsperrholz 140 mm

180 mm im Mittel Wärmedämmung PUR 100 mm

Brettsperrholz 120 mm

Dampfsperre EPDM-Folie

Gipskartonplatte feuerfest 18 mm

Decke Brettsperrholz 120 mm

4 Fassadenaufbau 6. Obergeschoss:

Gipskartonplatte feuerfest 18 mm

Außenputz 10 mm

2 Fassadenaufbau 7. Obergeschoss:

Putzträgerplatte zementbasiert 12,5 mm

Stülpschalung Faserzement

Fassadenbahn

Unterkonstruktion vertikal

Unterkonstruktion horizontal

Fassadenbahn schwerentflammbar B1 5

Hohlraumdämmung Mineralwolle 20 mm

Unterkonstruktion horizontal

dazwischen Wärmedämmung Mineralwolle 40 mm

dazwischen Wärmedämmung

weiter wie 2.

Mineralwolle 60 mm

5 Sockelaufbau:

Unterkonstruktion vertikal dazwischen Wärmedämmung Mineralwolle 180 mm

Fassadenplatte Faserzement Unterkonstruktion vertikal

Gipskartonplatte feuerfest 18 mm

Fassadenbahn schwerentflammbar B1

Außenwand Brettsperrholz 100 mm

Unterkonstruktion dazwischen

Gipskartonplatte feuerfest 18 mm

Wärmedämmung Mineralwolle 180 mm

3 Bodenaufbau 7. Obergeschoss:

Dampfbremse

Vinylbelag 7 mm

Gipskartonplatte feuerfest 18 mm

Trockenestrich 25 mm

Brettsperrholz 200 mm

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Franziska Vogl (13), Skykamera (14–16)

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und Kommunikationsleitungen der Dachaufstockungen auf. Um die Eingriffe in den Bestand zu minimieren, verlaufen die vertikalen Zu- und Ableitungen zu den Dachgeschosswohnungen in außen liegenden Schächten vor den Bestandsfassaden. Auf diese Weise konnten alle Mieter während der Bauarbeiten in ihren Wohnungen bleiben. Dank exakter Planung wurde in der Feldfabrik „just in time“ gearbeitet. Fassaden-, Wand- und Deckenelemente, Badmodule und Trockenestriche kamen jeweils zeitgesteuert an und konnten sofort weiterverarbeitet werden. Fünf bis sechs Module – in Summe etwa 100 m2 Wohnfläche – entstanden auf diese Weise täglich in Egelsbach. Beim Verlassen der Feldfabrik hatten die Module einen Vorfertigungsgrad von 80 % und enthielten bereits sämtliche Installationen. Alles in allem nahm die Aufstockung der 14 Gebäude der Nassau­ ischen Heimstätte neun Monate in Anspruch. Die Fertigbäder wurden bereits mit allen Installationen und komplett fertiggestellter Innenausstattung in die Feldfabrik geliefert und dort als „Modul im Modul“ montiert. Sie sind so konzipiert, dass alle Leitungen für Küche und Badezimmer hinter dem Spiegel zusammenlaufen. So ist eine einfache Revisionierbarkeit vom Technikraum bis in jede Wohneinheit

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gewährleistet, ohne dafür Wände öffnen zu müssen. Die Anschlüsse für die Küchen sind logistisch sinnvoll an der Rückwand der Bäder positioniert.

Zukunftsweisendes Energiekonzept Mit dem Standard KfW-Effizienzhaus 40 erreichen die Aufstockungen heute bereits ein Effizienzniveau, das in Deutschland erst ab 2025 für Neubauten verpflichtend werden soll. LuftWasser-Wärmepumpen heizen die aufgestockten Wohnungen und versorgen sie mit Warmwasser. Gemeinsam mit dem Energieversorger Mainova hat die Nassauische Heimstätte überdies ein ambitioniertes Mieterstromprojekt initiiert: Die Dächer der aufgestockten Geschosse sind komplett mit Photovoltaikanlagen belegt, die die Mainova von der Nassauischen Heimstätte gepachtet hat. Mainova finanziert, installiert und betreibt die Anlagen. Die Mieter der Häuser können den günstigen Ökostrom von ihrem Dach auf Wunsch und nach einem Vertragsabschluss vom Energieversorger beziehen. Er wird direkt in das jeweilige Hausnetz eingespeist. Das Unternehmen hat dafür eigens einen Mieterstrom-Tarif entwickelt.

WOHNUNGSBAU

FRITZ-KISSEL-SIEDLUNG IN FRANKFURT STA N D O RT: Mörfelder Landstraße, Breslauer Straße, Ziegelhüttenweg, Frankfurt am Main (DE) BAU H E R R E N : Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH

(1. Bauabschnitt), Vonovia SE (2. Bauabschnitt) A RC H I T E K T U R: Menges Scheffler Architekten, Frankfurt am Main (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G B E STA N DS E RT Ü C H T I G U N G : B + G Ingenieure Bollinger und

­Grohmann GmbH, Frankfurt am Main (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G H O L Z M O D U L E : T|S|B Ingenieurgesellschaft mbH, Darmstadt (DE) M O D U L E : LiWooD Holzmodulbau AG, München (DE) Z A H L D E R M O D U L E : 304 + 197 B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 6300 m2 + 4200 m2 BAUZ E I T: September 2020 – Juli 2021 (1. Bauabschnitt), Juni 2021 – Februar 2022

(2. Bauabschnitt)

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13–16 Die Raummodule werden in einer Feldfabrik in der Nähe des Bauplatzes hergestellt. Bei der Just-in-time-Lieferung an den Bauplatz hatten sie einen VorfertigungsErnst Ulrich Scheffler

grad von 80 % und enthielten bereits sämtliche Installationen. 17 Schematische Entwurfsskizze der Architekten zur Konstruktion des Zwischen­ geschosses auf den Zeilenbauten

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Effizientes Hybrid-Modulsystem für den Wohnungsbau

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Schnelligkeit zahlt sich aus im Wohnungsbau – gerade auch für Eigentümer älterer, großer Wohnungsbestände, die saniert oder erneuert werden müssen. Denn je weniger Mietern zeit­ gleich Ersatzwohnungen angeboten werden müssen, desto mehr Geld und Nerven sparen alle Seiten. Ausgehend von dieser Prämisse hat ein Schweizer Firmen­ konsortium ein neues Hybrid-Modulbausystem für Wohnge­ bäude entwickelt und an dem Wohnblock Hello Lenzburg in der gleichnamigen Stadt im Kanton Aargau erstmals in die Realität umgesetzt. Der Neubau ersetzt ein Mehrfamilien­ haus aus den 60er-Jahren, und genau für diesen Zweck wur­ de das System auch konzipiert. Vor allem Ersatzneubauten für nicht mehr sanierungsfähige Nachkriegsarchitektur sollen

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sich damit schnell und in jeder Hinsicht effizient realisieren lassen: nicht nur in puncto Zeit und Kosten, sondern auch beim Flächenverbrauch und Materialeinsatz.

Modul und Tragwerk voneinander gelöst Die Ursprünge des Projekts liegen im Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur der Berner Fachhochschule (BFH) in Biel. Dort hatte sich ein Forscherteam schon länger mit dem Gedanken befasst, Holz und Stahl im Wohnungsbau möglichst gewinnbringend miteinander zu kombinieren. Die Grundidee lautete: Werden Raumhülle und Primärtragwerk

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1 Die geräumigen Balkone sind das Ergebnis einer Mieterumfrage, die in vier ähnlichen Liegenschaften durchgeführt wurde. 2 Grundrisskonzept mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen, M 1:500 3 Grundriss 1. Obergeschoss, M 1:500 2

4 Schnitt, M 1:500

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3

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voneinander gelöst, müssen die einzelnen Module nur noch sich selbst tragen und lassen sich mit weniger Material­ einsatz konstruieren. Auch ein Grundrisskonzept hatten die Architekten der BFH bereits skizziert, mit außen liegender Laubengangerschließung und Wohnungen in fünf Größen: Es umfasst 1,5-Zimmer-Wohnungen mit 38 m2, kleine und große 2,5-Zimmer-Wohnungen mit 51 und 61 m2, 3,5-ZimmerWohnungen mit 76 m2 und 4,5-Zimmer-Wohnungen mit 91 m2 a Fläche. Sie sind so konzipiert, dass sich die Fläche nahezu komplett als möblierbarer Wohnraum nutzen lässt. Gemeinsam mit der Renggli AG und weiteren Industrie­ partnern entwickelte das Hochschulteam das System schließ­ lich zur Baureife, errichtete auf dem Renggli-Werksareal im

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aa

schweizerischen Schötz einen Prototypen aus vier Modulen und testete diesen auf Herz und Nieren. Die Hälfte der Ent­ a wicklungskosten steuerte die Schweizer Agentur für Innova­ tionsförderung Innosuisse bei. Den Bau des „schnellsten Mehr­ familienhauses der Schweiz“ (so BFH-Projektleiter Roman Hausammann) in Lenzburg übernahm Renggli schließlich als Totalunternehmer in Eigenverantwortung.

Mieterumfrage offenbart Einsparpotenziale Um festzustellen, welche Maßnahmen zur Kosteneinsparung a die Zielgruppe akzeptieren würde, führte das Projektteam

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eine Mieterumfrage in vier ähnlichen Liegenschaften in un­ terschiedlichen Schweizer Gemeinden durch. Die Mehrzahl der Befragten gab an, sich maximal 1600 Schweizer Fran­ ken Miete leisten zu können. Diese Zielsetzung übernahm dann auch die Versicherungsgesellschaft Axa, Bauherrin des ersten realisierten Neubaus in Lenzburg, für die 3,5-Zimmer-Wohnungen im Haus. Daneben stehen den Mietern von Hello Lenzburg 2,5-Zimmer-Wohnungen in zwei verschiedenen Größen zur Verfügung. Der kleinste und der größte im System vorgesehene Wohnungstyp wur­ den zur Premiere in Lenzburg noch nicht realisiert. Weitere wichtige Erkenntnisse der Umfrage waren: Die Mehrheit der Mieter wünscht sich eher ein großes Wohn­ zimmer und einen geräumigen Balkon statt großer Indivi­ dualzimmer. Ein zweites, separates WC neben dem Bade­ zimmer ist hingegen für die meisten von ihnen nachrangig. So verfügen selbst die größten Wohnungen im Konzept nur über eine einzige Nasszelle. Die Holzmodule, aus denen sich Hello Lenzburg zusam­ mensetzt, sind einheitlich 11,08 m lang, 3,75 m breit und 2,84 hoch. Die Modulbreite und damit das Grundrissraster ergeben sich aus der maximalen Transportbreite, die für Lkw in der Schweiz ohne Polizeibegleitung zulässig ist. Auf der einen Gebäudelängsseite schließt sich eine 1,60 m tie­ fe Laubengangzone mit Treppe und Aufzug an den Baukör­ per an, auf der anderen Seite eine 2 m tiefe Balkonzone. Beide sind wie das Primärtragwerk des Hauses aus Stahl

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konstruiert, stehen außen auf eigenen Stahlstützen und sind auf der Innenseite über schallentkoppelte Konsolen aus glasfaserverstärktem Kunststoff auf dem Baukörper aufgelagert.

Materialsparendes Stahltragwerk Bis zu acht Geschosse hoch lässt sich mit dem Hybrid­ system, wie es für Hello Lenzburg entwickelt wurde, bauen. Das Stahltragwerk durchlief im Planungsprozess einige Mo­ difikationen: Statt die Stützen wie ursprünglich geplant nur je an den vier Modulecken zu platzieren, wurden zusätzlich je zwei Stahlstützen zwischen den Modulen eingefügt, um die Spannweiten zu minimieren und Kosten zu sparen. Die verbaute Stahlmenge pro Modul ließ sich auf diese Weise von 2,8 t auf fast die Hälfte reduzieren und die Nutzfläche im Modulinneren stieg, da die einzelnen Stahlstützen und -träger filigraner ausfallen konnten. Einen Betonkern hat Hello Lenzburg nicht, stattdessen steifen Windverbände das Haus in Längs- und Querrich­ tung aus. Auch die Fassadenmodule, die getrennt von den Wohnungen als separate Einheiten vorgefertigt wurden, übernehmen einen Teil der Längsaussteifung. An drei Sei­ ten erhielt das Gebäude eine vorvergraute, vertikale Stufen­ falzschalung aus Holz, die Fassaden zu den Laubengängen sind hingegen mit Streckmetall-Trapezprofilen verkleidet.

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Steigzonenmodul Steigzonenmodul

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Steigzonenmodul Nasszellenmodul Nasszellenmodul

Nasszellenmodul

Küchenmodul henmodul

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Küchenmodul

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1 Stahlprofil 2 Schallentkopplung 3 Einhängekonsole gemäß Regeldetail 4 Schmetterlingsblech gemäß

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Regeldetail

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5 Die Laubengangzone mit Treppe und Aufzug ist wie das Primärtragwerk des Hauses aus Stahl konstruiert.

Ungewöhnlich hoher Vorfertigungsgrad 6 Konzeptdarstellung zum Modulaufbau.

Mit 95 % ist der Vorfertigungsgrad der Module außergewöhn­ lich hoch. Bodenbeläge, Wand- und Deckenverkleidungen, Fenster, haustechnische Installationen, Küchenzeilen und Sani­ tärobjekte waren allesamt bereits vorinstalliert, sodass die Mo­ dule vor Ort praktisch nur noch ins Stahlskelett eingehängt und die Technikleitungen miteinander verbunden werden mussten. Die Steigschachtsegmente in den Bädern wurden als „Modul im Modul“ vorproduziert und in der Werkhalle bei Renggli in die Trennwände zwischen Bad und Schlafzimmer eingebaut. Alle Bäder sind baugleich. Die ursprüngliche Idee, sie ebenfalls kom­plett als Raumzellen vorzufertigen, wurde jedoch fallen

Die Nasszellen wurden letzten Endes nicht als komplette Raummodule vorgefertigt. Stattdessen wurden vorgefertigte Installations­ wände mit daran angeschlossenen Sanitärob­ jekten verwendet und im Anschluss geschoss­ weise positioniert. 7 Detail Modulauflager, M 1:10 8 Die Küchenzeilen waren bei der Anlieferung der Module allesamt bereits vorinstalliert.

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9 Konstruktionskonzept des Gebäudes mit Stahltragwerk, eingehängten Modulen und außen angebrachten Fassadenelementen. Das Untergeschoss wurde konventionell in Ortbetonbauweise erstellt. 10 Ein Stahltragwerk trägt die Hauptlast, sodass die eigentliche Modulkonstruktion umso schlanker ausfallen konnte.

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gelassen. Stattdessen griff das Planungsteam für das Projekt in Lenzburg auf vorkonfektionierte Vorsatzwände mit Sanitärob­ jekten zurück, die sich en bloc in die Module integrieren ließen. Da das Stahltragwerk die Hauptlast trägt, konnte die ei­ gentliche Modulkonstruktion umso schlanker ausfallen: Ledig­ lich 60 mm stark sind die Holzständer in den Modulwänden. Zugunsten eines besseren Schallschutzes erhielten sie zur Raumseite hin eine zweilagige, schwere Beplankung aus Gips­ faserplatten. Darüber hinaus verleihen die Platten sowie längs verlaufende, Z-förmige Stahlprofile am Rand der Modulböden den Modulen während des Transports und des Einhebens in das Stahlskelett die nötige Steifigkeit. Die Decken der Module konstruierte Renggli aus 60 mm dünnen Massivholzplatten, die lediglich auf den Modultrenn­ wänden aufliegen. Die Modulböden bestehen aus einer Bal­ kenlage in Holzrahmenbauweise mit darauf aufliegender OSBPlatte, Trittschalldämmung, Estrich und Bodenbelag. Trotz der schlanken Konstruktion ergaben Tests bei der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt Empa für die Trenn­ wände und Geschossdecken überraschend gute Ergebnisse. Lediglich die Schalllängsleitung durch das Stahlskelett erwies sich als Herausforderung. Um sie zu minimieren, sind die Mo­ dule auf schallentkoppelten Konsolen in das Tragwerk einge­ hängt. Die Konsolen sind ihrerseits nicht am Stahlskelett ange­ schweißt, sondern mit Steckverbindungen angeschlossen. Das war notwendig, da die Module von oben in die vorbereitete

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Tragstruktur eingehoben werden sollten – sie von der Seite einzuschieben, hatte sich schon frühzeitig als zu aufwendig herausgestellt. Erst nachdem ein Modul an Ort und Stelle plat­ ziert war, konnten die Konsolen für die darüber liegende Raumzelle montiert werden. Während in den Werkshallen von Renggli die Modulferti­ gung lief, ließ das Unternehmen in Lenzburg das Untergeschoss in Ortbetonbauweise erstellen (eines der wenigen Gebäudetei­ le, die nicht vorgefertigt wurden) und das Stahlskelett errichten. Vom Beginn der Werkplanung bis zur Fertigstellung vergingen bei dem Neubau gerade einmal zwölf Monate. Der Bau des ­Untergeschosses dauerte mit rund vier Monaten ebenso lange wie die Errichtung der vier oberirdischen Etagen. Die Montage der Module und der Fassadenelemente ging in gerade einmal 13 Arbeitstagen vonstatten. Insgesamt, so rechnet das Projekt­ team vor, war die Bauzeit etwa neun Monate kürzer als bei ei­ nem konventionellen Wohnungsbau dieser Größe. Damit kann die Axa ihre Wohnungen schneller wieder vermieten und spart Geld, das sie in eine hochwertige Innenausstattung – ein­ schließlich Bodenbelägen aus Eichenparkett – investieren kann. Auch in puncto Energieeffizienz setzt Hello Lenzburg Maß­ stäbe mit dem Minergie-A-Standard. Die Photovoltaikanlage auf dem Gebäudedach liefert genug Energie für die Heizung und Warmwasserversorgung durch eine Erdsonden-Wärme­ pumpe sowie für Lüftung, Pumpen und Hilfsenergie. Lediglich der Haushaltsstrom ist aus der Bilanzierung ausgeklammert.

WOHNUNGSBAU

WOHNGEBÄUDE HELLO LENZBURG STA N D O RT: General Herzog-Strasse 43, Lenzburg (CH) BAU H E R R: AXA Leben A RC H I T E K T U R U N D M O D U L BAU: Renggli, Sursee (CH) W E I T E R E PA RT N E R FO RSC H U N GS - U N D E N T W I C K LU N GS P ROJ E K T:

Berner Fachhochschule BFH, H. Wetter, Schindler, Geberit, Amstein + Walthert T R AGW E R KS P L A N U N G : Renggli (Holzbau), Jürg Kaufmann (Betonbau) Z A H L D E R M O D U L E : 36 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : 11,08 m x 3,75 m x 2.84 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 2140 m2 BAUZ E I T: September 2018 − April 2019

Franziska Frutiger

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WOHNUNGSBAU / S T U D E N T E N D O R F

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Vertikal gestaffelte Kuben Sabine Drey

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besann er sich nun mit der Gründung des Instituts in Großbritannien seiner Wurzeln und verwirklichte seine Idee, Ingenieure im internationalen Vergleich konkurrenzfähig auszubilden und sie gleichzeitig an der Entwicklung neuer Produkte zu beteiligen. So entstand das Konzept eines kostenlosen, praxisbezogenen Studiums, das die praktische Arbeit in der Firma und die theoretische Lehre kombiniert, legitimiert durch den Abschluss an der Universität Warwick. Die meisten der 8 × 4 × 3 m großen Module nutzen die Studierenden für die vier Jahre ihres Studiums als Wohn- und Arbeitsbereich, aber auch die Ingenieure des Unternehmens

Peter Landers

Auf dem Campus des Dyson Institute of Engineering and Technology im westenglischen Malmesbury formieren sich neuerdings 78 wie Legosteine gestapelte Kuben zu einem Studentendorf. Sie sind fächerförmig um das runde Gemeinschaftsgebäude gruppiert und liegen in direkter Nachbarschaft einer Zweigstelle der gleichnamigen Firma. Die Architekten von WilkinsonEyre entwarfen die komplett vorgefertigten Raummodule im Auftrag des Unternehmers und Designers James Dyson, der Mitte der 1980er-Jahre durch die  Erfindung eines Vakuumstaubsaugers bekannt wurde. Nachdem er die Firmenzentrale nach Asien verlagert hatte,

WOHNUNGSBAU

1 Unter der Aluminiumverkleidung verbirgt sich eine Konstruktion aus Brettsperrholz­ platten. Diese machte es möglich, dass die Raummodule der studentischen Wohnein­ heiten bis zu 3 m weit auskragen. 2 Insgesamt 78 gestapelte Kuben bilden Peter Landers

zusammen das Studentendorf.

2

3 Schnitt, M 1:1500 4 Draufsicht, M 1:1500

3

aa 4

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Café / Restaurant / Hörsaal / Studienraum Wohnen Küche Gemeinschaft Lager Hotel Empfang

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5 Kleine, stählerne Wendeltreppen erschließen die Einheiten im zweiten Obergeschoss. 6 Schnitt, M 1:500 7 Grundriss 1. Obergeschoss, M 1:500

5

oder Besucher können dort vorübergehend unterkommen. Bis zu sechs Wohneinheiten bilden Gruppen, welchen gemeinsame Flächen wie Küchen- und Lagermodule sowie Gartenbereiche zugeordnet sind. Im zentralen Roundhouse befinden sich ein Café, ein Restaurant, ein Hörsaal und ein Studienraum. Die ebenerdigen Wohneinheiten liegen auf dem begrünten Campus. Die oberen Geschosse werden durch einen mittigen, landschaftlich gestalteten Dammweg erschlossen,

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Peter Landers

8 Grundriss Erdgeschoss, M 1:500

an den sich die vertikal gestaffelten Kuben anlehnen. Kleine, stählerne Wendeltreppen führen an dieser Verkehrsachse zu den Einheiten im zweiten Obergeschoss. In der Bauphase wurde zunächst ein Mock-up einer Elementgruppe in Schottland errichtet, dann wurden alle Raummodule vorgefertigt und von dort zu einer Zwischenstation in der Nähe des Bauplatzes transportiert, wo Möbel und Fassadenverkleidung hinzukamen. Vor Ort brachte ein Kran die fertig ausgestatteten Elemente schließlich in ihre

WOHNUNGSBAU

6 bb

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2 3

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exakte Position. Die Architekten wählten Platten aus Brettsperrholz für die tragende Hülle, die Auskragungen von bis zu 3 m erlauben. Die einzelnen Elemente wurden mit Stahlplatten verbunden. Auch Trennwände und Möbel sind aus dem robusten Holzwerkstoff gefertigt, sodass der gesamte innere Kubus bis auf den Kautschukboden in massives Holz gehüllt ist. Die akkurate Verkleidung mit 3 mm starken Aluminiumkassetten entspricht wiederum dem Hightech-Image der

1 Hotelzimmer 2 Studentenzimmer

b

3 Gemeinschaftsküche 8

4 Erschließung / Damm

Dyson-Produkte. Sie wurde auf die mit Zellulose gedämmte Brettsperrholz-Konstruktion montiert und an den Öffnungen stark aufgekantet. Die 80 cm tiefe Laibung, die sich an den Rändern verjüngt, schützt rund um die isolierverglasten Panoramafenster die Bewohner vor schräg einfallendem Sonnenlicht und sorgt gleichzeitig für eine plastische Ausformung der Module. In der Aufsicht verschmelzen die mit Sedum und Wildblumen bedeckten Dach­ flächen mit dem Grün der umgebenden Parkanlage.

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9 Die Brettsperrholzkonstruktion ist von einer Hülle aus Aluminium umgeben, die in der Nähe des Bauplatzes montiert wurde, bevor ein Kran die Elemente positionierte. 10 Auch die Trennwände sind aus Brett­ sperrholz gefertigt und wurden bereits in die in Schottland vorgefertigten Raummodule eingebaut. 11 Die Brettsperrholzplatten der tragenden Hülle erlauben Auskragungen von bis zu 3 m. 12, 13 Schemaschnitte Raummodul ohne Fassadenverkleidung

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Peter Landers

Vertikalschnitt, Horizontalschnitt, M 1:100

WOHNUNGSBAU

STUDENTENDORF IM MALMESBURY STA N D O RT: Tetbury Hill, SN16 0RP, Malmesbury (GB) BAU H E R R: Dyson A RC H I T E K T U R: WilkinsonEyre, London (GB) T R AGW E R KS P L A N U N G : Buro Happold, Manchester (GB), Atelier One, London (GB) M O D U L E : Carbon Dynamics, Alness (GB) Z A H L D E R M O D U L E : 78 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : 8 m x 4 m x 3 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 1809 m2

WilkinsonEyre

BAUZ E I T: Juli − Dezember 2018

11

1 2 5 6

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3

1 Sperrholz 18 mm

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Lattung 50/38 mm (Achsmaß 600 mm) 5

Dampfbremse; Holzfaserplatte 20 mm

6

Kantholz 145/45 mm (Achsmaß 600 mm) dazwischen Dämmung Zellulose 145 mm Brettsperrholz 100 mm

4

2 Brettsperrholz 446/140 mm

3

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3 Brettsperrholz 300/140 mm cc

4 Sperrholz 6 mm Brettsperrholz 140 mm Holzfaserplatte 160 mm Dampfbremse 3

5 Elementverbindung Flachstahl 1300 mm 6 Kantholz 145/45 mm

6

Kantholz 70/45 mm (Achsmaß 1060 mm) Dampfbremse Holzfaserplatte 20 mm Kantholz 145/45 mm im Wechsel mit

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Kantholz 45/70 mm (Achsmaß 1057 mm) 3

dazwischen Dämmung Zellulose 145 mm Brettsperrholz 140 mm

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Kostenoptimierte Mischnutzung

Fernando Guerra | FG+SG

Jakob Schoof

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2014 erhielt das junge Architekturbüro Summary von einer Gruppe portugiesischer Bauzulieferer und Technologieunter­ nehmen einen nicht ganz alltäglichen Auftrag: ein Raummodul­ system aus Stahlbetonfertigteilen zu entwickeln, das kosten­ günstig ist und sich flexibel an unterschiedliche Gebäudetypo­ logien anpasst. Das Ergebnis ihrer Entwicklungsarbeit stellten die Architekten aus Porto 2016 bei der Architekturbiennale in Venedig vor und realisierten im gleichen Jahr auch ein erstes Wochenendhaus auf Basis des neuen Systems. Dessen Name, Gomos, bedeutet auf Portugiesisch so viel wie „Scheiben“ und trifft die Konzeptidee recht gut: Die an beiden Enden offenen

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Module lassen sich in beliebiger Anzahl zu Gebäuderiegeln mit einheitlichem Querschnitt addieren. Die Stufenfalzverbindung, mit der sie an den Enden zusammengesteckt werden, haben sich die Architekten von Kanalrohren aus Beton abgeschaut. Im Gegensatz zu diesen sind die Module jedoch sandwichartig aufgebaut mit einem XPS-Dämmkern und zwei Deckschichten aus Stahlbeton, deren Dicke abhängig von den jeweiligen sta­ tischen Anforderungen variieren kann. Mit Beton zu arbeiten, hatte für Summary ganz pragmati­ sche Gründe: „Wir arbeiten mit dem Kontext, den wir vorfin­ den. Nach der Gründung unseres Büros haben wir vor allem

WOHNUNGSBAU

Projekte in der Region entworfen und mit regionalen Bau­ unternehmen kooperiert. Und diese konzentrieren sich vor allem auf den Betonbau. Wenn man mit Vorfertigung und in­ dustrialisiertem Bauen arbeitet, muss sich die Architektur an die Industrie anpassen und nicht umgekehrt“, erläutert der Mitgründer des Büros, Samuel Gonçalves.

1 Durch die leicht verdrehten und versetzten Baukörper entstehen individuelle Hausein­ gänge wie bei freistehenden Häusern. 2 Lageplan, M 1:2000

1000 m2 für 750 000 Euro Der Wohn- und Gewerbekomplex in dem kleinen Ort Farrapa ist bislang der größte Neubau, den die Architekten auf Basis des Gomos-Systems realisiert haben. Der private Investor war durch einen Medienbericht auf die Teilnahme von Summary an der Architekturbiennale beauftragt worden und wünschte sich vor allem zweierlei: Das Gebäude sollte schnell fertiggestellt und kostengünstig sein. Mit Baukosten von rund 750 000 Euro für knapp 1000 m2 Bruttogrundfläche und einer Bauzeit von sechs Monaten wurden diese Ziele zweifellos erreicht. Kos­ tenvergleiche sind zwar notorisch schwierig, doch Samuel Gonçalves schätzt, dass ein gleich großer Ortbetonbau min­ destens 30 % teurer ausgefallen wäre. Gerade einmal sechs Wochen dauerte es, bis der Rohbau stand. Auch die absehbar geringe Transportdistanz prädestinierte das System Gomos für das Bauvorhaben: Das Betonfertigteilwerk, das die Module lieferte, liegt gerade einmal 5 km vom Bauplatz entfernt. Ein städtebaulicher Kontext, an dem sich die Architekten hätten orientieren können, existierte praktisch nicht. Samuel Gonçalves beschreibt die Umgebung als eine Art „Strip City“ entlang einer viel befahrenen Nationalstraße, wie sie im Um­ land vieler portugiesischer Großstädte existiert. In bunter Folge wechseln sich hier Ein- und Mehrfamilienhäuser mit Industrie­ betrieben ab. So folgt die Gestaltung des Gebäudes vor allem seiner inne­ ren Logik. Im Erdgeschoss entstand eine große Gewerbefläche mit durchgehender Glasfront zur Straße, die sich als Ganzes nutzen, aber auch in bis zu sechs Einheiten aufteilen lässt. Der­ zeit haben sich dort ein Supermarkt und eine Bäckerei einge­ mietet. Die sechs Mietwohneinheiten im Obergeschoss sind jeweils 45 m2 klein und als getrennte Einfamilienhäuser mit

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3, 4 Das Dach des Supermarkts wird zum gemeinschaftlichen Freibereich, der von der Landstraße abgeschirmt ist. 5, 6 Schnitte, M 1:400 7 Grundriss Obergeschoss, M 1:400 8 Grundriss Erdgeschoss, M 1:400

Pultdach und schmalen dazwischen liegenden Gassen gestal­ tet. Das war zum einen die logische Folge des gewählten Bau­ systems, hat aber nach Darstellung der Architekten auch akus­ tische Vorteile. Erd- und Obergeschoss bilden zwei getrennte Welten ohne vertikale Verbindung im Inneren. Dank der Hang­ lage haben die Häuser einen ebenerdigen Zugang von Wes­ ten. Jedes von ihnen bietet einer bis drei Personen Platz. Drei sind derzeit auf Dauer vermietet, die übrigen drei stehen als Ferienwohnungen für Kurzzeitmieter bereit.

3

4

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Bis auf die Bodenplatte und die Fundamente besteht der Neubau fast komplett aus Betonfertigteilen. Im Erdgeschoss wurden flächige Elemente mit 3,30 m Raumhöhe verbaut. Die Außenwände bestehen hier aus 30 cm dicken zweischa­ ligen Betontafeln mit XPS-Kern, die in der Regel 2,35 m lang sind. Die Häuser im Obergeschoss sind dagegen aus den Gomos-Elementen konstruiert. Je vier davon umschließen eine Wohneinheit. Die Module sind 5,90 m breit, am höchs­ ten Punkt des Pultdachs 4,40 m hoch und im Regelfall eben­ falls 2,35 m tief. Lediglich die Balkonmodule an der Straßen­ seite erreichen nur die halbe Tiefe. Zu den Balkonen öffnen sich die Wohnungen mit einer vollflächigen Glas- und Alumi­ niumfassade. Filigrane Edelstahlseilnetze bilden eine aus der Ferne kaum sichtbare Absturzsicherung. Deutlich weniger transparent fallen die Eingangswände im Westen aus. Hier wechseln sich Glaselemente und von in­ nen gedämmte Sichtbetonwände ab, die schon im Werk in die Eingangsmodule eingebaut worden waren. Gleiches gilt für die massiven Innenwände der Bäder. Erst auf der Baustel­ le installiert wurden hingegen die Einbaumöbel und die leich­ ten gelben Trennwände und Schiebeelemente zwischen den Wohn- und Schlafzimmern. Anders als bei ihrem ersten Pilotprojekt, wo sie die Betonele­ mente noch hinter Schieferschindeln und einer Vorsatzschale aus Gipskarton verbargen, haben die Architekten die Grund­ struktur des Hauses samt aller Bauteilfugen diesmal sichtbar gelassen – innen wie außen. Die Fußböden erhielten eine

Fotos: Fernando Guerra | FG+SG

Sandwichelemente aus Beton und XPS

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1 Kundenstellplatz 2 Supermarkt 3 Bäckerei 4 Stellplatz Wohnungen 5 Essküche

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6 Schlafbereich

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9 Die schmalen Gassen zwischen den Modulen sind die logische Folge des gewählten Bausystems und bieten zugleich akustische Vorteile. 10 Schnitt, M 1:50

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­ lüssigharzbeschichtung auf schwimmendem Estrich. Auch F draußen vor dem Gebäude dominieren harte Oberflächen. Während der große asphaltierte Parkplatz vor dem Supermarkt aus Sicht des Bauherrn unverzichtbar war, verlangte die Ge­ meinde für die sechs Wohneinheiten die unsinnig hohe Zahl von elf Stellplätzen. In der Realität werden sie kaum genutzt. Unterdessen scheint es, als solle Gomos das Schicksal so vieler Systembau-Projekte – in Serie gedacht, aber nie in grö­ ßerer Stückzahl realisiert – erspart bleiben: Noch 2022 wollen die Architekten eine weitere Feriensiedlung mit elf Häusern östlich von Porto fertigstellen. Dabei werden die Module in je zwei U-förmige, kleinere Elemente zerlegt, um den Transport zu erleichtern und auf der Baustelle mit einem weniger leis­ tungsfähigen Baukran auszukommen. Das gleiche Prinzip wendet Summary auch bei vier Kindergärten in Lissabon an, wo sie die U-förmigen, oben offenen Fertigteile zu einer zwei­ geschossigen Konstruktion übereinanderstapeln. Das Flach­ dach samt Attika ist in diesem Fall aus Betonfertigteilen mit ­L-förmigem Querschnitt zusammengefügt.

WOHNUNGSBAU

1 Dachaufbau:

Sandwichelement aus Stahlbeton 125 mm +

Abdichtung Kunststoffbahn Sandwichelement aus Stahlbeton 70 mm +

Sandwichelement aus Stahlbetonfertigteil

Wärmedämmung XPS 50 mm + Stahlbeton

60 mm + Wärmedämmung XPS 80 mm +

125 mm

Ortbeton unbewehrt 80 mm + Stahlbeton­

Wärmedämmung XPS 50 mm + Stahlbeton

5 Terrassenaufbau:

160 mm

Flüssigabdichtung PUR

7 Stütze Stahlbetonfertigteil 410/80 – 300 mm

2 Absturzsicherung Edelstahl-Seilnetz Ø 1,5 mm,

fertigteil 80 mm

Aufbeton unbewehrt 1,3 % Gefälle min. 135 mm

8 Bodenaufbau Erdgeschoss:

Maschenweite 40 mm, oben und unten

Wärmedämmung XPS 80 mm

Epoxidharzbeschichtung

befestigt an Edelstahlseil Ø 8 mm

Abdichtung Flüssigbitumen

Beton flügelgeglättet 20 mm

3 Bodenaufbau Obergeschoss:

Aufbeton unbewehrt 100 mm

Ausgleichsbeton 15 mm

Epoxidharzbeschichtung

Decke Stahlbetonfertigteil 200 mm

Estrich 50 mm

Sandwichelement aus Stahlbeton 180 mm +

6 Wandaufbau Erdgeschoss:

Trennlage

Wärmedämmung XPS 50 mm + Stahlbeton

Geotextil

Wärmedämmung XPS 50 mm

70 mm

Schotterfüllung Ø 22– 32 mm

Beton unbewehrt 100 –145 mm

4 Deckenauskragung Erdgeschoss:

Drainageschicht Kunststoff-Noppenbahn

Kies verdichtet 150 mm

Flüssigabdichtung PUR

Abdichtung Bitumenanstrich

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WOHN- UND GEWERBEBAU IN VALE DE CAMBRA BAU H E R R: privat A RC H I T E K T U R: Summary, Porto (PT) T R AGW E R KS P L A N U N G : FTS Technical Solutions, Chave (PT) M O D U L E : Farcimar, Chave (PT) Z A H L D E R R AU M M O D U L E : 24 M O D U L M ASS E ( L / B / H ) : 5,90 m x 2,35 m x max. 4,40 m, 5,90 m x 1,18 m x max. 4,40 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 998 m2 BAUZ E I T: Dezember 2018 – Dezember 2019

11 Die sechs Häuser aus vorgefertigten 14

Betonsegmenten werden von Ortsansässigen bewohnt oder als Ferienwohnungen vermietet. 12, 13 Einbaumöbel in Leichtbauweise trennen die unterschiedlichen Nutzungsbereiche. Platzsparende Schiebetüren ermöglichen

Fotos: building pictures

fließende Raumübergänge. 14, 15 Das Gomos-Bausystem ist vom Kanalbau inspiriert. Das Betonwerk liegt in der Nähe der Baustelle, deshalb waren die Transportkosten vergleichsweise niedrig. Beim 15

Eingangselement (15) wurde die Fassade bereits im Werk vormontiert.

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Temporär für zehn Jahre

Marcel Kultscher

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Im kosmopolitischen Viertel rund um den Völkerbundpalast in Genf fällt die Flüchtlingsunterkunft im Rigot-Park als modularer Holzbau sofort ins Auge. Die öffentlichen Flächen um die beiden Gebäude nutzen sowohl die Schüler des benachbarten Collège Sismondi als auch die Migranten . Die Bauten sind aus der Not geboren, 370 Flüchtlingen möglichst rasch ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Ein vorgefertigter Modulbau lag nahe, da sich nicht nur durch die schnelle Montage Zeit sparen ließ, sondern auch die Erstellung der Fundamente vor Ort und die Vorfertigung der Module zeitgleich stattfinden konnte. Es entstanden zwei parallele Riegel mit fünf Stockwerken aus 230 vorgefertigten Holzmodulen, die über Laubengänge erschlossen werden. Das Team von Acau Architecture entwickelte eine Konstruktion, die nach zehn Jahren demontiert und andernorts wieder aufgebaut werden kann. Lediglich

WOHNUNGSBAU

3

1 Die Wohnanlage besteht aus zwei parallelen Riegeln mit 230 vorgefertigten Holzmodulen, die über Laubengänge erschlossen werden. 2 Lageplan, M 1:8000 3 Schnitt, M 1:750

aa

4 Grundriss 1. Obergeschoss, M 1:750 4

5 Grundriss Erdgeschoss, M 1:750

19 20 18

18 20

1 Hauswart

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2 Wartezimmer 3 Besprechungsraum 4 Teeküche 5 Technik 6 Kinderwagen 7 Waschküche

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8 Lager 9 Büro

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16 15

15

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10 Kinderzimmer 11 Mehrzwecksaal 12 Fitnessraum 13 Atelier 14 Unterrichtsraum 15 Wohneinheit barrierefrei 16 Heizungsraum

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17 Laden

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19 Zimmer 20 Küche / Essen

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6, 7 Das Gebäude wurde fast gänzlich aus Holz errichtet. Die Bodenplatten der Balkone sind eine der wenigen Ausnahmen. Sie wurden aus Feuerschutzgründen als Betonfertigteile ausgeführt. 8 Schnitt und Grundriss Modul, M 1:100

die hölzerne Pfahlgründung wird im Boden verbleiben. Die Verwendung lokaler Holzressourcen war Bedingung für die Umsetzung. Gleich zu Beginn berechneten Förster und Sägewerke der Umgebung die verfügbare Menge von Eichenholz, das für die Fassade verwendet werden konnte. Das Planungsteam optimierte die Konstruktionsdetails, um den Holzverschnitt zu minimieren. So vereinheitlichte es die Dimension der sägerauen Holzbretter auf einen einzigen Querschnitt von 25 × 130 mm und entwickelte zwei Leitdetails für Geländer, Verkleidungen und die Schiebeläden. Die rund 11,3 × 3 m großen Module mussten zudem sehr flexibel nutzbar sein, da die Bewohnerschaft sich ständig ändert und sich aus sehr unterschiedlich großen Gruppen zusammensetzt. Durch die Verbindung der Module mit Brandschutztüren entstanden Wohnungen mit einem bis sieben Zimmern, Küche und Bad, die sich nach Bedarf erweitern und verkleinern lassen. Die Küche kann in wenigen Stunden in ein Schlafzimmer umgewandelt werden, die Küchenzeile wird dafür ausgebaut und zwischengelagert. Für eine zukünftige Nutzung an anderer Stelle können die Module neu kombiniert werden. Für Fundamente und Gebäudehülle wurden rund 3200 m3 zertifiziertes Holz verbaut. Da möglichst wenig Beton verwendet werden sollte, gibt es keinen massiven Kern und das Gebäude steht auf Holzpfählen. Wände und Decken, die innen sichtbar bleiben, bestehen aus tragenden Brettstapelelementen und die Bodenplatten aus Brettsperrholz. Die gedämmte Ständerkonstruktion der Fassade wurde innen mit Brettstapelplatten und außen mit Eichenholzlamellen verblendet. Die Raummodule selbst sind über verschraubte Bolzen miteinander verbunden. Im Untergrund verläuft zwischen den Pfählen eine hölzerne Techniktrasse als Fundament und horizontaler Verteiler für Heizungs- und Sanitärleitungen, die eine Polypropylen-Membran vor Feuchtigkeit schützt.

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Enric Rovira (6), Marcel Kultscher (7)

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1

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2

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4 1

2

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1 Fassadenaufbau:

3 Fußbodenaufbau:

Stulpschalung Eiche 130/25 mm

Linoleumbelag

Lattung 40/50 mm/Hinterlüftung 40 mm

Brettsperrholz 120 mm

PE-Folie schwarz

Gipsfaserplatte 2× 15 mm

Wärmedämmung Holzfaserplatte 60 mm

Dämmung Mineralwolle 40 mm

Holzständer 100/180 mm dazwischen

Gipsfaserplatte 2× 15 mm

Wärmedämmung Mineralwolle 180 mm

Brettstapelholz 100 mm

Brettstapelholz weiß gestrichen 100 mm

4 Sanitärmodul:

2 Wohnungstrennwand:

Sandwichpaneel

Brettstapelholz Lärche 120 mm

PU-Kern mit PVC-Verkleidung

Gipsfaserplatte 2× 15 mm Wärmedämmung Mineralwolle 50 mm Gipsfaserplatte 2× 15 mm Brettstapelholz Lärche 120 mm

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1 Sanitärmodul, vorgefertigt 2 Küchenmodul, mobil

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3 Akustik-, Brandschutzplatte 4 Raummodul, vorgefertigt 5 Fassadenmodul, vorgefertigt 6 Laubengang, vorgefertigt 7 Bodenrost 8 Techniktrasse 9 Pfahlgründung

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Marcel Kultscher

WOHNUNGSBAU / W O H N A N L A G E

WOHNUNGSBAU

9 Für den Mehrzwecksaal wurden vier Module

11–13 Das Gebäude aus vorgefertigten

miteinander verbunden.

Modulen lagert auf Holzpfählen, dazwischen verläuft eine Techniktrasse.

Enric Rovira (12), Marcel Kultscher (13)

10 Die Raummodule sind 11,3 x 3 m groß.

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WOHNANLAGE FÜR GEFLÜCHTETE IN GENF STA N D O RT: Avenue de France 36, Genf (CH) BAU H E R R: Hospice général, Genf (CH) A RC H I T E K T U R: acau architecture, Genf (CH), Pasquier Glasson (Ausführungsplanung), Bulle (CH) T R AGW E R KS P L A N U N G : T ingéniérie, Genf (CH), Thomas Jundt (Ausführungsplanung), Genf (CH)

Charpente Concept (Holzbauingenieure), Perly-Certoux (CH) M O D U L E : JPF-Ducret Z A H L D E R M O D U L E : 230 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : 11,3 m x 3 m x 3 m (Raummodule), 1,9 m x 3 m x 3 m (Laubengang) B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 7070 m2 BAUZ E I T: Januar 2018 – Juli 2019

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WOHNUNGSBAU / S O Z I A L E R

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Geförderter Wohnraum aus dem Modulbaukasten

Alle Fotos: Martin Lässig

Jakob Schoof

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Immer knapper wird der bezahlbare Wohnraum in deutschen Ballungszentren. Um dem zu begegnen, hat der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen 2017 gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer ­einen Wettbewerb für Modellgebäude in serieller Bauweise ausgeschrieben. Die Geschosswohnungsbauten sollten kosten­ günstig, schnell realisierbar und gestalterisch ansprechend sein. Gleichzeitig sollten sie ausreichend Variationsmöglichkeiten bieten, um an die Gegebenheiten vor Ort anpassbar zu sein.

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An dem Wettbewerb teilnehmen durften Bietergemeinschaften aus Modulbau- und Wohnungsbauunternehmen sowie Architekturbüros. Neun der 40 Bewerberteams erhielten schließlich den Zuschlag und wurden in einer Rahmenvereinbarung berücksichtigt – darunter auch die Bietergemeinschaft aus Alho und dem Essener Büro Koschany + Zimmer Architekten KZA. Der von ihnen gemeinsam geplante Modulbaukasten ­erlebte bei zwei geförderten Wohnungsbauten in Dreieich ­südlich von Frankfurt am Main seine Premiere. Auftraggeberin ist die erst 2017 gegründete, stadteigene DreiechBau AöR.

WOHNUNGSBAU

1 Die an den Längsseiten eingerückten Eingangsbereiche lassen Fassaden mit stimmigen Proportionen entstehen. 2 Grundriss 2. Obergeschoss (Haus B) M 1:500

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3 Grundriss 1. Obergeschoss (Haus B) M 1:500 4 Grundriss Erdgeschoss (Haus B) M 1:500

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Ins­gesamt 100 Wohnungen hat sie auf den vier Grundstücken auf dem ehemaligen Opel-Gelände an der Hainer Chaussee errichtet. 37 davon entstanden in den beiden von KZA und Alho geplanten, dreigeschossigen Modulbauten. Dirk Böttcher, technischer Vorstand der DreieichBau, erläutert das Verfahren: „In einem strukturierten Workshop-Verfahren haben wir mehrere Unternehmen aufgefordert, Konzepte innerhalb eines vorgegebenen Kostenrahmens für eine Bebauung vorzulegen. In einem anschließenden Verhandlungsverfahren wurde der Wettbewerb dann für Alho als Mindestbieter entschieden.“

Die Wohnungen in den Modulbauten wurden zu 80 % gefördert und zu 20 % frei finanziert. In den geförderten Wohnungen ist die Miete auf 8,50 €/m2 begrenzt. Planung und Bau dauerten für beide Gebäude zusammen – inklusive eines viermonatigen Zeitraums zur Erteilung der Baugenehmigung – nur 16 Monate. Auch dies war laut Dirk Böttcher ein Grund für die Entscheidung pro Modulbauweise: „Die sehr kurze Bauzeit von meist nur wenigen Monaten vor Ort macht die Gebäude im Vergleich zu konventionell errichteten wesentlich früher vermietbar und finanziell verwertbar als konventionell errichtete.“

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5, 6 Dank des Baukastensystems bieten die Gebäude völlig unterschiedliche Wohnungs­ typen. 7, 8 Wegen unterschiedlicher Geschoss­höhen variieren auch die Höhen der im Werk vorgefertigten Module.

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Grundrissfreiheit auf jeder Etage Das Baukastensystem von Koschany + Zimmer bietet einen Kanon unterschiedlicher Wohnungstypen von der Ein- bis zur Fünfzimmerwohnung. Die einzelnen Module beinhalten dabei beispielsweise einen Wohnraum und eine Küche, ein Schlafzimmer und einen Flur oder ein bis drei Kinderzimmer plus Bad. Ziel ist es, möglichst viele gleich große Moduleinheiten zu schaffen, um den seriellen Charakter mit dem daraus resultierenden Kostenvorteil auszuspielen. Aus dieser Grundrissmatrix heraus werden für den jeweiligen Standort und abhängig von dem gewünschten Wohnungsschlüssel die einzelnen Wohnungen konfiguriert. Im Anschluss entsteht aus dieser individuellen Zusammenstellung – angepasst an die städtebaulichen Vorgaben – das Wohngebäude. Dass das ursprüngliche Entwurfskonzept dabei angepasst werden muss, ist ganz normal. So sah das Baukastensystem ursprünglich 7,515 m lange Module mit einem Seitenverhältnis

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von 1:2 vor. Für die beiden Häuser in Dreieich fertigte Alho ­jedoch auch zahlreiche Module von 11,28 sowie 18,81 m Länge und einem Seitenverhältnis von 1:3 beziehungsweise 1:5. Dem Wunsch des Bauherrn nach unterschiedlichen Geschosshöhen folgend variieren auch die Höhen der Module. Die beiden Neubauten in Dreieich enthalten insgesamt 37 barrierefreie, teilweise rollstuhlgerechte, Ein- bis Fünfzimmerwohnungen mit Größen zwischen 51 und 102 m2. 21 Wohneinheiten sind in Haus A untergebracht. Durch die auf beiden Längsseiten angeordneten, eingerückten Eingangshöfe entsteht eine aufgelockerte S-Form mit stimmigen Proportionen. In Haus B daneben befinden sich weitere 16 Wohneinheiten auf rechteckigem Grundriss. Bei diesem schlankeren Haustyp orientieren sich die beiden Hauseingänge zur Straßenseite hin. Mit der freitragenden Konstruktion der Raummodule sind Raumgrößen und Grundrisse auf jeder Etage unabhängig voneinander planbar. Diesen Vorteil nutzten die Architekten, indem sie jedem Geschoss einen anderen Grundriss gaben.

WOHNUNGSBAU

SOZIALER WOHNUNGSBAU IN DREIEICH STA N D O RT: Hainer Chaussee 49–51, Dreieich (DE) BAU H E R R: DreieichBau AöR, Dreieich (DE) A RC H I T E K T U R: Koschany + Zimmer Architekten KZA, Essen (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G : BFT Planung, Aachen (DE) M O D U L E : ALHO Systembau, Friesenhagen (DE) Z A H L D E R M O D U L E : 34 + 42 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : min. 7,515 m x 3,35 m x 3,08 m / max. 11,81 m x 3,75 m x 3,25 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : Haus A = 1490 m2, Haus B = 1161 m2 BAUZ E I T: Januar – Juli 2020

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Raum- und Wohnungstrennwände sind dabei nicht zwingend an den Modulstößen, sondern häufig auch innerhalb der einzelnen Module angeordnet. Obwohl die Flächenvorgaben des Landes Hessen für den geförderten sozialen Mietwohnungsbau genau einzuhalten waren, sind die Wohnungen mit offenen Küchen, fließend ineinander übergehenden Raumverbänden sowie bodentiefen Fenstern in allen Wohn- und Schlafräumen ausgestattet. Haus A verfügt zudem über eine Aufzugsanlage. Über entsprechend breite Flure sind hier alle 21 Wohnungen barrierefrei erreichbar. Auf diese Weise ist der Anteil an barrierefreien Wohnungen in den beiden Modulbauten deutlich höher, als es die hessische Bauordnung fordert.

Abwechslungsreich und doch bezahlbar Die Gestaltungsfreiheit, die der Modulbau bietet, zeigt sich auch an den Fassaden: Statt die Fenster stringent übereinan-

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der anzuordnen, konnten sie innerhalb des Modulrasters frei platziert werden. Die Aluminiumbalkone der Wohnungen sind nicht – wie sonst im kostengünstigen Wohnungsbau üblich – mit einer separaten Tragkonstruktion vor den Baukörper gestellt. Stattdessen wurden sie mit filigranen Stahlstreben von der Modulkonstruktion abgehängt. Vor- und Rücksprünge an den Außenwänden sowie Hell-Dunkel-Kontraste bei der Gestaltung des Putzes geben den Baukörpern zusätzlich räumliche Tiefe. Vor allem aus Kostengründen entschied sich der ­Auftraggeber an den Fassaden für ein Wärmedämmverbundsystem. Schließlich muss, wer bezahlbaren Wohnraum mit akzeptablen Mieten schaffen will, genau kalkulieren. Als Fassadenanstriche wurden Farben mit selbstreinigendem Lotus-Effekt gewählt. Dieser sorgt dafür, dass das Wasser nach dem Regen abperlt. So soll die Oberfläche von selbst sauber und trocken bleiben.

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BILDUNGSBAU GYMNASIUM FRANKFURT NORD 80 Eine Übergangslösung mit Langzeitqualitäten Alexandra Busch KITA IN HAAN 88 Offene Räume für Kinder Roland Pawlitschko HAUSBURGSCHULE BERLIN 94 Flexibles Schulgebäude aus Holz Thomas Jakob

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INTERVIEW 100 Das Prinzip Mehrweg: Schulen in Holzmodulbauweise Interview: Jakob Schoof

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Eine Übergangslösung mit Langzeitqualitäten Alexandra Busch

Im Schulbau setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass Holz als Baustoff gut geeignet ist, architektonisch ansprechende und inspirierende Lern- und Lebensräume zu schaffen. Solche attraktiven Schulhäuser müssen in deutschen Großstädten schnell realisiert werden, denn ein anhaltend hohes Bevölkerungswachstum in den Ballungszentren sorgt für deutlich gestiegene Schülerzahlen bei aktuell zu wenigen Schulgebäuden und einem gleichzeitig hohen Sanierungsrückstand. Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma sehen städtische Bauämter seit einiger Zeit im Modulbau, genauer: im Holzmodulbau, denn dieser verspricht eine hochwertige Architektur, kurze Bauzeiten und eine gute Energiebilanz. Wenn schnell ein Schulhaus errichtet werden muss, weil das alte gerade saniert oder ein neues im Bau ist, entstehen daher in ganz Deutsch-

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BILDUNGSBAU

1 Schmale raumhohe Fenster erzeugen eine

2 Lageplan, M 1:3000

ruhige Gebäudehülle, die zur einfachen 3 Grundriss Erdgeschoss mit 3. Bauabschnitt, M 1:1000

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Brigida González

Gebäudestruktur passt.

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5 4 1 7 3

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1 tragendes Deckenelement

5 Stirnwandelement mit Tür

2 Bodenelement

6 gedämmtes Außenwandelement

3 Stützen

7 Seitenwandelement

4 Stirnwandelement

8 gedämmtes Außenwandelement

geschlossen

land derzeit Ausweichquartiere aus im Werk vorgefertigten Raummodulen aus Holz. Solch ein Interimsbau befindet sich auch im Frankfurter Stadtteil Westhausen. 2018 bezog das Gymnasium Nord dort sein temporäres Zuhause, das Lernende wie Lehrende aufgrund seiner vielfältigen Qualitäten aber alles andere als ein Provisorium empfinden.

Schulcampus ganz in Holz 2016 führte die Stadt Frankfurt, vertreten durch das Amt für Bau und Immobilien, ein Vergabeverfahren mit integriertem Plangutachten für den neu zu schaffenden Campus des Gymnasiums Nord durch. Die Schule war erst kurz zuvor für die nördlichen Stadtteile gegründet worden – als Antwort auf den auch in der Mainmetropole wachsenden Bedarf an hochwertigen Bildungseinrichtungen. Da der endgültige Standort des Gymnasiums damals nicht feststand, bestimmte die Stadt eine ehemalige Friedhofserweiterungsfläche im Bezirk West-

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hausen als Grundstück. Ausgeschrieben wurden ein Schulgebäude, eine Mensa sowie eine Dreifeldsporthalle – jeweils zu errichten als Holzkonstruktion mit hohem Vorfertigungsanteil.

Vernetzt mit den umliegenden Stadtvierteln Die Arbeitsgemeinschaft raumwerk & Spreen Architekten, bestehend aus dem Büro raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung aus Frankfurt und Spreen Architekten aus München, ging siegreich aus dem Verfahren hervor. Ihr Konzept fußt auf zwei wesentlichen Aspekten: „Wir haben einen Campus ganz in Holz, der städtebaulich entwickelt ist“, sagt Jon Prengel, Architekt und geschäftsführender Gesellschafter bei raumwerk. „Das bedeutet: In unserem Entwurf ist uns gleichermaßen wichtig, wie das Schulgelände mit den umliegenden Stadtvierteln verknüpft ist und wie wir Holz als vorgegebenen Baustoff für die Konstruktion der drei Gebäude einsetzen.“ Eine breite Querachse verbindet die drei neuen Baukörper, ein

BILDUNGSBAU

4 Montageprinzip 5 Modulaufbau 6 Isometrie der Gesamtkonstruktion 7 Die versetzt angeordneten Baukörper schaffen klar strukturierte Außenräume für die Schulgemeinschaft.

Brigida González

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8, 9 In den Innenhöfen, die teils nach oben offen (8) und teils glasgedeckt (9) sind, weiten sich die Flurzonen zu kommunikativen offenen Flächen auf.

10 Schnitt, M 1:500

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schon vorhandenes Schulgebäude sowie die im Süden und Norden angrenzenden Quartiere miteinander. Mithilfe dieser Magistrale fügt sich das Ensemble nicht nur städtebaulich ein, gleichzeitig entstehen unterschiedliche Außenräume für die Schulgemeinschaft. Um das Schulhaus einerseits schnell zu bauen, andererseits für zukünftige Anpassungen flexibel zu bleiben, wurde dieses komplett in Holzmodulbauweise umgesetzt. Für die Mensa und die Sporthalle entschied man sich hingegen für die Holzelementbauweise.

Das dreigeschossige Schulgebäude besteht aus dem mittleren Haupttrakt, an den sich zwei unterschiedlich lange Seitenflügel an den Ecken anschließen. Wie zwei sich öffnende Arme umschließt der Bau so eine große Freifläche als Eingangsbereich. Da sich der Campus auf einer kleinen Anhöhe befindet, leitet eine von einem Birkenhain eingerahmte Freitreppe die Ankommenden von der Schulbushaltestelle zu diesem Vorplatz – eine architektonische Willkommensgeste für alle Menschen dieser Schule. Offen und einladend präsentiert sich das Schulhaus. Auf die breite Tür im Hauptgebäude folgt ein über drei Geschosse geöffnetes Entree, das viel Tageslicht über Oberlichter und große Glastüren erhält. Die Halle empfängt die Schulgemeinschaft nicht nur, sondern sie bietet ebenso Orientierung, dient als zentraler Treffpunkt und leitet Lernende und Lehrende entweder in die verschiedenen Klassentrakte oder zum rückwärtigen Schulgelände mit Sporthalle und Mensa weiter. Dass das Konzept von raumwerk & Spreen Architekten auf eine stringente Ordnung setzt, spiegelt sich unter anderem in den Grundrissen wider. Die Schule ist als Dreibund organisiert: An den Außenwänden sind die Klassen- und Lehrerzimmer sowie die Schulverwaltungsräume angeordnet, in der Mittelzone

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Brigida González

Reduktion auf das Wesentliche

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11−14 Die aus OSB-Platten gefertigten Module wurden mit Schwertransportern nach einem genau festgelegten Zeit- und Montageplan angeliefert und per Autokran eingehoben.

befinden sich neben Sanitär-, Technik- und Lagerbereichen diverse Facharbeitsräume. In einigen Teilen weiten sich die Flurzonen zu kommunikativen offenen Flächen auf, die multifunktional zum gemeinsamen Lernen und Arbeiten nutzbar sind. Tageslicht erhalten Mittelzone und Flure über begrünte Innenhöfe. Zur einfachen Gebäudestrukturierung passt die minimalistische Gestaltung der Gebäudehülle, denn ein Raster aus schmalen raumhohen Fenstern erzeugt ruhige Ansichten. Das wirkt aber keineswegs langweilig. Im Gegenteil: Über die eingesetzten Fassadenmaterialien gehen Schulhaus, Mensa und Sporthalle subtil in Beziehung zueinander. Die Bekleidung des Hauptgebäudes aus vorvergrauter Weißtanne wird an der Erdgeschossfassade der Sporthalle und bei den Fensterlaibungen der Mensa aufgegriffen, während sich das eloxierte Aluminium ihrer Hülle in den Fensterprofilen der Schule und im oberen Bereich der Sporthalle wiederfindet.

Einklang von Raum, Konstruktion und Material „Bei diesem Projekt konzentrieren wir uns auf wenige Strukturen und Materialien, trotzdem entsteht ein abwechslungsreiches Ensemble“, sagt Jan Spreen, Geschäftsführer von Spreen Architekten. Für ihn geht es darum, mit reduzierten Mitteln viel zu erreichen; alles Unnötige wegzulassen. „Hierfür eignet sich der Holzbau gut, denn dieser setzt auf Regelmäßigkeiten und eine klare Gliederung.“ Das in drei Bauabschnitten realisierte Schulgebäude besteht aus 324 vorgefertigten Holzmodulen des Unternehmens Erne Holzbau aus Laufenburg in der Schweiz. Die Raumzellen sind 10,5 beziehungsweise 18 m lang, 2,80 m breit und 3,40 m hoch. Die gewünschten Raumgrößen entstehen, indem einzelne Module zusammengefügt werden. Drei Module ergeben beispielsweise ein 60 m2 großes Klassenzimmer. Erne stellt die Raumzellen industriell und unter geschützten Bedingungen her, was für die hohe Präzision in der Ausführung sorgt. Eine konstruktive Besonderheit findet sich in ihrer Tragkonstruktion: Da Holz keine Wärmespeicherfähigkeit wie ein Massivbaustoff besitzt, kommen bei diesem Projekt Holz-Beton-Hybridmodule zum Einsatz. Eine 8 cm dicke Betonschicht wirkt als passive Wärmespeichermasse einer som-

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merlichen Überhitzung der Räume entgegen. Zusätzlich sind zum Heizen und Kühlen Wasserleitungen in die Holz-BetonVerbunddecken integriert. Gleichzeitig verbessert die Betonschicht den Schall- und Brandschutz. Im Erne-Werk erhielten die aus OSB-Platten gefertigten Module zudem bereits alle Wandoberflächen, die Fenster sowie Haustechnikkomponenten, sodass sie schließlich mit einem Vorfertigungsgrad von 70 % die Produktionshallen verließen. Schwertransporter lieferten nach einem genau festgelegten Zeit- und Montageplan die bis zu 22 t schweren Module in Frankfurt ab. Per Autokran wurden sie vom Lkw auf die Baustelle gehoben und danach montiert. „Die Planungsphase im Holzmodulbau ist zeitintensiv, weil jedes Detail vor der Herstellung durchdacht wird“, so Jon Prengel. Er habe als Architekt die Zusammenarbeit mit der Modulbaufirma als sehr angenehm empfunden, weil man sich gegenseitig ergänzt und viel voneinander gelernt habe. Jan Spreen ergänzt: „Man muss sich im Modulbau zwar an gewisse Rahmenbedingungen halten, aber gestalterisch hat uns das nicht eingeschränkt.“

Zukunftsfähiger Schulmodulbau Der erste Bauabschnitt entstand in neun Monaten, der zweite Bauabschnitt in fünf Monaten. Für den dritten Bauabschnitt sind vier Monate veranschlagt, sodass das Gymnasium Nord als inklusive Ganztagsschule ab dem Schuljahr 2022/23 insgesamt 2000 Schülern von Klasse 5 bis 13 Platz bietet. Seit dem Schuljahr 2018/19 lernen und leben kleine wie große Menschen in einer hellen, freundlichen Schule mit guter Luftqualität, differenzierten Raumangeboten und eingebettet in den Stadtteil. Alle fühlen sich rundum wohl, stellen Spreen und Prengel zufrieden fest. Wie lange das Gymnasium Nord an diesem provisorischen Standort bleibt, ist allerdings nicht geklärt. Falls es irgendwann doch umziehen sollte, kann das Gebäude als Ausweichquartier für andere Schulen dienen, da es für eine Nutzung von bis zu 50 Jahren ausgelegt ist. Oder die Module werden ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut. Auch der Rückbau und ein Recycling der Einzelteile sind möglich. Diese Flexibilität bietet der Modulbau.

BILDUNGSBAU

GYMNASIUM FRANKFURT NORD STA N D O RT: Muckermannstraße 1, Frankfurt am Main (DE) BAU H E R R: Stadt Frankfurt am Main, Amt für Bau und Immobilien A RC H I T E K T U R: raumwerk & Spreen Architekten Arbeitsgemeinschaft, Frankfurt am Main /

München (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G : merz kley partner, Dornbirn (AT) M O D U L E : ERNE, Laufenburg (CH) Z A H L D E R M O D U L E : 324 M O D U L M ASS E ( L / B / H ) : 18,0 m x 2,8 m x 3,4 m / 10,5 m x 2,8 m x 3,4 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 16 050 m2

Thomas Koculak

BAUZ E I T: Februar 2018 − Juli 2019 

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Offene Räume für Kinder Roland Pawlitschko

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Die neue Kita des gemeinnützigen Vereins „Private Kindergruppe Haan e. V.“ befindet sich mit fünf U3-Kitagruppen, einer Waldkindergartengruppe und einem Wassererfahrungsbereich in einem ruhigen Wohngebiet von Haan, rund 20 Kilometer östlich von Düsseldorf. Die Lage direkt am Waldrand sowie die alten Bäume in den weitläufigen Freiflächen bieten beste Voraussetzungen zur Umsetzung eines der wichtigsten Ziele der Einrichtung: den insgesamt 100 Kindern eine Umgebung zu bieten, die sie im Einklang mit der Natur mit

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allen Sinnen erleben können. Um eine hierzu passende und zugleich wirtschaftliche bauliche Lösung zu finden, initiierte der Verein ein kleines Auswahlverfahren, das das Büro Schmale Architekten für sich entscheiden konnte. Ihr Entwurf sieht einen im Grundriss H-förmigen zweigeschossigen Baukörper vor, der so auf dem Grundstück platziert ist, dass der Baumbestand möglichst unbeeinträchtigt blieb. Dank der beiden Einschnitte im Obergeschoss erscheint das Gebäude als kleinteiliges, differenziertes Bauvolumen,

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1 Der zweigeschossige Baukörper ist so auf dem Grundstück platziert, dass fast alle Bäume erhalten bleiben konnten. 2 Grundriss Obergeschoss, M 1:500 3 Grundriss Erdgeschoss, M 1:500

Algeco / Dejan Sarić

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das mit drei Dachterrassen für fließende Übergänge zum Naturraum sorgt, und das aus allen Perspektiven kleiner erscheint, als es tatsächlich ist. Die Fassade aus robusten erdfarbenen und blauen HPL-­ Paneelen fügt sich gut in das natürliche Umfeld ein. Große Fenster ermöglichen lichtdurchflutete Innenräume und vielfältige Bezüge zwischen innen und außen. Dass es sich hierbei um ­einen Modulbau aus insgesamt 51 Modulen handelt, ist nicht offensichtlich. Die Modulbauweise wurde von den Architekten

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4 Kräftig blaue HPL-Paneele akzentuieren den Treppenraum zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss. 5 Das kleinteilige Bauvolumen sorgt mit drei Dachterrassen für fließende Übergänge zum

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vorgeschlagen, die damit bereits einige Erfahrung gesammelt hatten – beispielsweise bei der Zentralen Unterbringungs­ einrichtung für Asylsuchende (ZUE) des Landes NordrheinWestfalen. Gemeinsam mit dem Modulbauanbieter Algeco entstand in Neuss Wohnraum für rund 1000 Asylsuchende.

Aufgeschlossener Bauherr Für den Bauherrn der Kita in Haan war die Modulbauweise zwar Neuland, sie hegte jedoch keinerlei Vorbehalte. Wichtig war für sie vor allem, dass der Bau den Anforderungen an eine moderne Kindertagesstätte Rechnung trägt und dass Räume entstehen, die sich mit den Kindern gut bespielen

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lassen würden. Von den Vorteilen und dem Nachhaltigkeitskonzept der zusammen mit Algeco entwickelten Module waren die Vereinsmitglieder schnell überzeugt. Da waren etwa die kurze Planungs- und Bauzeit und die Kostenkontrolle (vom Spatenstich bis zur Eröffnung vergingen nur sechs Monate), aber auch die Chance, Verantwortung für kommende Generationen zu übernehmen. Denn die Modulbauweise eröffnete für sie die Möglichkeit, die Kita eines Tages zu erweitern oder Teile rückzubauen und an anderer Stelle wieder zusammenfügen – je nachdem, wie sich der Bedarf in Zukunft entwickelt. Ein weiterer Vorteil ist die dank der Vorfertigung deutlich reduzierte Belastung der Anwohner während des Baustellenbetriebs, die zu einer höheren Akzeptanz führt und das Konfliktpotenzial reduziert.

Algeco / Dejan Sarić

Naturraum.

Algeco / Dejan Sarić

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Wiederverwendbare Standardmodule Durch ihre robuste Stahlrahmbauweise eignen sich die AlgecoModule ideal für dauerhafte Gebäudelösungen, die auch spätere Orts- und Nutzungsveränderungen mühelos überstehen. Für die 1150 m2 große Kita in Haan wurden nicht ­zuletzt aus Kosten- und Zeitgründen vor allem kleine Standard-Module eingesetzt, deren Innenausbau erst vor Ort erfolgte. Größere Module wären prinzipiell denkbar gewesen, die Planer entschieden sich allerdings dagegen. Zum einen hätten längere und breitere Module nur schwer mit Spezialfahrzeugen durch die Wohnstraßen transportiert und zwischen den ausladenden Ästen der Bäume bewegt werden können. Zum anderen tragen kleinere Module maß-

geblich dazu bei, im Wortsinn schwere Eingriffe auf dem Grundstück zu vermeiden. Denn statt schwerem Baugerät (beispielsweise zum Betonieren oder zum Bewegen der Baumaterialien), das den Boden stark verdichtet hätte, kam hier nur wenige Tage lang ein vergleichsweise kleiner Autokran zum Einsatz.

Stahlrahmenbauweise für maximale Flexibilität Wie von außen ist auch in den Innenräumen nicht zu er­ kennen, dass es sich bei der Kita in Haan um ein Gebäude in  Modulbauweise handelt. Grund hierfür sind der angenehm kleinteilig gegliederte Baukörper und die gut zu den

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KITA IN HAAN STA N D O RT: Bachstraße 64, 42781 Haan (DE) BAU H E R R: Förderverein Private Kindergruppe Haan (DE) A RC H I T E K T U R: Schmale Architekten GmbH, 41516 Grevenbroich-Hemmerden (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G : ALGECO GmbH − Modulbau, Kehl (DE) / Dieter Ungermann (Prüfstatik),

Kehl (DE) M O D U L E : ALGECO GmbH − Modulbau, Kehl (DE) Z A H L D E R M O D U L E : 51 M O D U L M ASS E ( L / B / H ) : 6,06m x 2,44 m x 3,40 m, 6,06 m x 2,99 m x 3,40 m,

9,00 m x 2,99 m x 3,40 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 1150 m2

Foto: Algeco

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Standardmodulen passenden Vorgaben für die Größen der Gruppen- und Nebenräume. Eine wichtige Rolle hierbei spielt jedoch auch die Tatsache, dass die Stahlmodule keinerlei sichtbare oder raumprägende Aussteifungen benötigen (etwa in Form von Auskreuzungen oder Wänden). Sie bestehen vielmehr aus Decken und Bodenrahmen, die über Stützen mit biegesteifen Ecken miteinander verbunden werden. „Selbstverständlich bilden diese Stützen gewisse Zwangspunkte. Doch da die kleinen Module nur über insgesamt vier bis maximal sechs Stützen verfügen und wir ohnehin in Raumkanten denken, konnten wir diese problemlos nicht sichtbar ins Raumkonzept integrieren und dabei sogar einen zentralen zweigeschossig offenen Raum schaffen“, sagt Markus Schmale. Dieser zweigeschossige Luftraum in der Gebäudemitte ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Kita heute als räumlich offene und durchlässige Einrichtung erscheint, die ganz wesentlich von dem umliegenden Naturraum geprägt ist. Zugleich verbindet er die beiden Geschosse visuell und funktional und sorgt auf diese Weise dafür, dass die Kinder und Erzieher das Haus als eine zusammenhängende Einheit erleben.

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6−7 Der zweigeschossige Luftraum in der Gebäudemitte trägt wesentlich dazu bei, dass die Kita heute als offene und durchlässige Einrichtung erscheint. 8 Relativ kleine Module ermöglichten es, im Wortsinn schwere Eingriffe auf dem Grundstück zu vermeiden.

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Flexibles Schulgebäude aus Holz

Rüdiger Mosler

Thomas Jakob

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In Berlin entsteht derzeit eine ganze Reihe neuer Schulen aus Holz. Denn die Schülerzahlen steigen seit Jahren, die bestehenden Kapazitäten reichen nicht mehr aus und schließlich gibt es in Berlin einen immensen Sanierungsstau. Die Stadt steuert deshalb mit einer Schulbauoffensive dagegen. Der Berliner Senat erarbeitete verschiedene Konzepte, mit denen Schulgebäude saniert, erweitert oder neu gebaut werden sollen. Bei den Konzepten geht es neben der reinen Erweiterung vor allem darum, die Anforderungen einer modernen Pädagogik in die Gestaltung einzubeziehen. Basierend auf diesen

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Konzepten entwickelten die Berliner Bezirksämter standortbezogene Lösungen in vorgefertigter, modularer Bauweise aus Holz oder in herkömmlicher Holztafelbauweise. Im Rahmen einer Ausschreibung erhielt die Firma Kleusberg aus Wissen den Zuschlag für den neuen Erweiterungsbau der Hausburgschule in Berlin-Friedrichshain. Für die Planung und Ausschreibung waren Frank Ohlmann und Markus Hildebrand von Nemesis Architekten Becker & Ohlmann verantwortlich. Seit 2018 wird der Altbau der Hausburgschule saniert, erste Ausweichcontainer konnten wegen der fehlenden

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1 Die Fenster in der Fassade wurden ebenso

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bereits im Werk eingebaut wie die Türen und Akustikdecken der Innenräume.

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2 Schnitte, M 1:500 3 Lageplan, M 1:2000

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4 Grundriss 1. Obergeschoss, M 1:500

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5 Grundriss Erdgeschoss, M 1:500

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Rüdiger Mosler

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Abnahme durch Brandschutzexperten nicht bezogen werden. Die Schule erhielt deshalb ein neues, zunächst für einen temporären Nutzungszeitraum vorgesehenes Schulgebäude aus Massivholz an der Otto-Ostrowski-Straße. Es ist der erste Holzmodulbau in Friedrichshain-Kreuzberg und laut Bezirksamt berlinweit der erste mehrstöckige, temporäre Schulmodulbau aus Holz. Neben zwölf Klassenräumen für 300 Kinder, vier Gruppenräumen und übergreifenden Nutzungsbereichen gehört auch eine Mensa mit einer Ausgabeküche für bis zu 199 Schüler zum Gebäude.

Von Anfang an langfristig gedacht Nach einer im Vorfeld von Nemesis Architekten vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zwischen Stahl und Holz entschied sich der Bezirk für eine modulare Holzkonstruktion. Acht Jahre Standzeit sind zunächst einmal vorgesehen, dann kann und soll das Gebäude gegebenenfalls abgebaut und an einem anderen Ort wiederaufgebaut werden. „Die Module sind so ausgelegt, dass die einzelnen Einheiten kompatibel mit

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den Modulen gleich konzipierter Schulen an anderen Standorten in Berlin sind“, sagt Jan Ackerstaff, Marketingleiter bei Kleusberg. Das ist ungewöhnlich, bietet Berlin aber maximale Flexibilität. Die Stadt möchte die Räumlichkeiten verschiedenen Schulen zur Verfügung stellen – je nachdem wo gerade akuter Bedarf besteht. Im Laufe der Nutzungszeit soll sich dann herauskristallisieren, welcher Standort sich als prädestiniert für das Gebäude erweist und ob der Wiederaufbau in erweiterter oder auch in reduzierter Form notwendig ist. Für Kleusberg war das Projekt eine Premiere: Denn das Unternehmen ist vor allem für seine Stahlrahmenmodule bekannt. Für den Bau der Hausburgschule kooperierte es daher mit dem Holzbauunternehmen Derix. Dieses lieferte die massiven Brettschichttafeln, die Kleusberg in seinem Fertigungswerk schließlich zu Modulen montierte und ausbaute.

75 Holzmodule in vier Wochen Der Vorfertigungsgrad war relativ hoch. Fenster und Türen sowie die Akustikdecke wurden im Werk eingebaut. In den

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6 Am Boden befinden sich zwischen den Modulen sogenannte Opferbretter. Sie gliedern die Räume und lassen sich später einfach entfernen, ohne den Boden zu zerstören. 7–9 In den Innenräumen ist der Baustoff Holz weitgehend sichtbar. Für Akzente sorgen sowohl die kräftigen Farben der Bodenbeläge als auch die Nischen in den Fluren (8), die ruhige Lernplätze ausbilden.

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Rüdiger Mosler

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Rüdiger Mosler:

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Sanitärbereichen wurde Zementestrich eingebracht sowie die Rohinstallationen für die Sanitäranschlüsse vorgerüstet. Auch die Vorbereitung der Elektroinstallationen erfolgte im Werk, um die Ausbauzeit auf der Baustelle auf ein Minimum zu reduzieren. Holzoberflächen, die nach der Fertigstellung sichtbar sind, erhielten eine Schutzlasur. Auch dieser Arbeitsschritt entfiel somit auf der Baustelle. Die gestalterischen und funktionalen Vorgaben seien sehr umfangreich gewesen, sagt Nemesis-Geschäftsführer Frank Ohlmann. Für das Büro war es das erste größere Modulbauprojekt in Holzmassivbauweise. „Wir haben einen Holzbauexperten in unserem Büro, das hat die Arbeit sehr erleichtert.“ Um die geforderte spätere Demontage möglichst einfach zu machen, entwickelten die Architekten Lösungen für die Stöße der Module. „Beim Linoleumboden setzten wir beispielsweise auf sogenannte Opferbretter zwischen den

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Modulen“, sagt Ohlmann. „Einerseits gliedern sie die Räume, andererseits lassen sie sich später einfach entfernen, ohne den Boden zu zerstören.“ Das Gebäude gründet auf einem punktfundamentgelagerten Trägerrost. Dieser besteht aus einer Trägerlage mit zusätzlicher Dämmung und Abschirmung zum Baugrund. Innerhalb von vier Wochen entstanden im Modulfertigungswerk bei Kleusberg zwischen Halle und Leipzig insgesamt 75 Module aus einzelnen Brettsperrholztafeln.

Nachhaltige Gebäudetechnik Nicht nur im Hinblick auf den nachwachsenden Baustoff Holz setzen die Architekten auf Nachhaltigkeit. Auch die Gebäudetechnik der Hausburgschule kommt ganz bewusst

BILDUNGSBAU

HAUSBURGSCHULE BERLIN STA N D O RT: Otto-Ostrowski-Straße 44, Berlin (DE) BAU H E R R: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg A RC H I T E K T U R: NEMESIS Architekten, Berlin (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G : Ripkens Wiesenkämper, Essen (DE) M O D U L E : KLEUSBERG, Wissen (DE), in Kooperation mit DERIX, Niederkrüchten (DE) Z A H L D E R M O D U L E : 75 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : 7,50 m x 3,00 m x 3,50 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 2100 m2

Kleusberg

BAUZ E I T: Oktober 2020 − Mai 2021 

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ohne Lüftungs- und Klimageräte aus: Die Räume werden stattdessen auf natürlichem Wege be- und entlüftet. Mittels Nachtauskühlung durch automatisiert öffenbare Fenster in den Unterrichtsräumen und Fluren wird die Luft im Gebäude ausgetauscht und zugleich die Temperatur reguliert. So entstehen eine gesunde und angenehme Raumluftqualität und -temperatur. Im Inneren ist der Baustoff Holz weitgehend sichtbar. Teilbereiche in den Schulfluren und Nischen sind mit fest verbauten Sitzgruppen aus Holz ausgestattet, die ruhige Lernplätze ausbilden. Die Nischen erhielten ein farbiges Schallschutzvlies, das die Akustik in diesen Bereichen verbessert und zudem gestalterische Akzente setzt. Innenliegende Verglasungen stellen die Sichtbeziehungen zwischen den Räumen sicher und sorgen für eine aufgelockerte Raumaufteilung.

10 Die insgesamt 75 Module aus einzelnen Brettsperrholztafeln wurden innerhalb von vier Wochen gefertigt. 11, 12 Das Gebäude gründet auf einem punktfundamentgelagerten Trägerrost, bestehend aus einer Trägerlage mit zusätz­ licher Dämmung und Abschirmung zum Baugrund.

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Das Prinzip Mehrweg: Schulen in Holzmodulbauweise Interview: Jakob Schoof

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Als Spezialistinnen für den Holzmodulbau konzipieren Christina Loh (Bild rechts) seit 2010 und Anne Kettenburg seit 2015 im Büro werk.um flexible Gebäude für schnelle Erweiterungen und zeitlich befristeten Bedarf. Ihr Ziel sind dabei immer einfache und umweltverträgliche Lösungen mit geringer Flächenversiegelung im Sinne suffizienter Gesamtkon­zepte. Seit 2021 sind beide als Associate Partner beziehungsweise Partner Teil der Geschäftsleitung.

Bei werk.um arbeiten Sie schon lange mit elementierten Holzbauten. Woher rührt Ihr Interesse für diese Bauweise? CHRISTINA LOH: Ein wesentlicher Auslöser war 2009 der Auftrag, temporären Ersatz für ein sanierungsbedürftiges Schulgebäude in Ober-Ramstadt bei Darmstadt zu schaffen. Üblicherweise behilft man sich in solchen Situationen mit angemieteten Stahlcontainern irgendwo auf dem Schulhof. Wir haben stattdessen vorgeschlagen, ein höherwertiges Ausweichquartier in Holzelementbauweise zu entwickeln. Schließlich dauert eine solche Sanierung oft mehrere Jahre, sodass sich die Investition in mehr Raumqualität durchaus bezahlt macht.

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Gemeinsam mit einem befreundeten Statikbüro und einem Holzbauunternehmen haben wir die Idee dann in die Tat umgesetzt. Der Landkreis Darmstadt-Dieburg hat das Gebäude erworben und es inzwischen schon zweimal an neue Standorte versetzt. Dadurch rechnet sich das höhere Anfangsinvestment für unseren Auftraggeber: Der Interimsbau kostete anfangs zwar mehr, konnte aber auch mehrfach genutzt werden. Aus diesen Anfängen haben sich zahlreiche Folgeprojekte für uns ergeben – teils wieder als temporäre Ersatzmaßnahmen, teils aber auch als dauerhafte Erweiterungsbauten für Schulen. Der Modulbau hat viele Vorteile – er ist schnell, präzise, kostengünstig, mit geringer Fehlerquote. Welches der ­Argumente gibt nach Ihrer Erfahrung vor allem den Ausschlag für Bauherren, die Modulbauweise zu wählen? ANNE KETTENBURG: In erster Linie die Geschwindigkeit sowohl bei der Planung als auch beim Bau. Außerdem die Flexibilität, die modulare Holzbauten bieten. Sie sind leicht ab- und an einem neuen Standort wieder aufzubauen und können doch eine Lebensdauer von vielleicht 80 Jahren erreichen, wie traditionelle Massivbauten auch. Ebenso wichtig, gerade für

Fotos: Albrecht Haag

Seit über einem Jahrzehnt plant das Darmstädter Architekturbüro werk.um Schulen zusätzlich zum klassischen Holzbau auch in elementierter Holzbauweise. Oft, aber nicht immer, dienen sie als temporäre Ausweichquartiere für Schulsanierungen und viele von ihnen sind im Lauf der Jahre an neue Standorte umgezogen. Vor allem in Anbetracht der Kurzfristigkeit heutiger Schulbauplanungen ist die Modulbauweise oft die einzige Option, berichten Anne Kettenburg und Christina Loh von werk.um im Interview.

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Aufenthalt

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Marktplatz

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Technik

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Sanitär

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Küche + Speisesaal

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Eingang

Gaderobe

Flurmodule (Einspännererschließung) F.1a

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Flurelemente (Zweispännererschließung)

Innentüren

Treppenhaus

Wandelemente

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Innenfenster

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Bodenelemnete

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Dach- und Attikaelemente

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Erschließungselemente

1 Auszug aus dem Modulbaukasten für Schul­

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bauten für den Landkreis Darmstadt-Dieburg

öffentliche Bauherren, ist der geringere Betreuungsaufwand bei der Projektabwicklung. Man muss nicht Hunderte von Leistungen in Einzelgewerken ausschreiben, sondern hat einen Generalunternehmer als Ansprechpartner, der sein Angebot auf Basis einer Funktionalausschreibung erstellt. Wie verhalten sich die Kosten eines Holzmodulbaus zu denen anderer Gebäude? CHRISTINA LOH: Im Vergleich zu konventionellen Holzbauten liegen sie sicher etwas höher, da zum Beispiel jedes Modul ­einen Boden und eine Decke hat. Stapelt man sie aufeinander, doppeln sich die Bauteile somit. Verglichen mit Stahlmodulbauten liegt der Holzmodulbau nach unserer Erfahrung in etwa gleichauf. Dafür bieten Modulbauten aber auch die schon genannten Vorteile, vor allem bei der Schnelligkeit. Wenn ich ein Gebäude Schraube für Schraube vor Ort errichte, dauert es eben deutlich länger, als wenn ich ein fertig abgestimmtes System im Werk herstelle und die Elemente dann auf der Baustelle nur noch zusammensetzen muss. Es gibt im Modulbau unterschiedliche Konstellationen, wie Bauherr, Bauunternehmen und Architekt zusammen-

arbeiten können. Welche führt aus Ihrer Erfahrung zu besonders guten Ergebnissen? ANNE KETTENBURG: Für uns ist es ideal, wenn wir die Leistungsphasen 1 bis 4 bis zum Bauantrag abwickeln, die Leit­ details und die funktionale Ausschreibung erstellen. Auf deren Basis kann dann ein Generalunternehmer für die weiteren Leistungsphasen gefunden werden. Wir machen bei dieser Vorgehensweise nur die gestalterischen Vorgaben, legen also die Raummaße und -höhen fest, zeichnen Fassadenansichten und definieren Oberflächenmaterialien. Die Konstruktion im Inneren der Module überlassen wir dem ausführenden Unternehmen. Auf diese Weise muss die Ausführungsplanung nicht doppelt erstellt werden. Schließlich haben die meisten Holzbaufirmen sowieso ihr eigenes Bausystem und ihre eigene Fertigungstechnik, auf die die Kon­struktion abgestimmt sein muss. Sie arbeiten bei Ihren Bauten teils mit zweidimensionalen Elementen und teils mit Raummodulen. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie das? ANNE KETTENBURG: Unser Kollege Christian Roth hat im Rahmen seiner Masterarbeit eine Entscheidungsmatrix für

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2–4 Die Ludwig-Weber-Schule in Frankfurt am Main wurde so konzipiert, dass sie sich bei Bedarf problem­los an einen anderen Standort versetzen lässt.

diese Frage entwickelt. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile, sodass man die Entscheidung bei jedem Bauvorhaben neu treffen und mitunter auch in einem Gebäude zwei- und dreidimensionale Bauteile miteinander kombinieren muss. Wichtige Entscheidungsfaktoren sind unter anderem die Erreichbarkeit des Grundstücks für große Transportfahrzeuge, vorhandene Lagerflächen, aber auch der technische Ausstattungsgrad des Gebäudes und die Frage, ob es später noch einmal versetzt werden soll. Wenn man zum Beispiel keine Lagerflächen hat, um Raummodule bei einem Umzug zwischenlagern zu können, spricht das eher für die Elementbauweise. Wenn man bei ­einem Gebäude mit hohem Installationsgrad von vornherein weiß, dass es später versetzt werden soll, ist oft die Raummodulbauweise besser geeignet. Man spart sich dann, die gesamte Technik am alten Standort aus- und am neuen wieder einzubauen. Sie nutzen Holzelemente und -module vor allem für Bildungsbauten. Liegt dort der grundlegende Arbeitsschwerpunkt Ihres Büros oder ist diese Nutzung für den vorgefertigten Holzbau besonders prädestiniert? CHRISTINA LOH: Beides. Zum einen planen wir schon sehr lange für öffentliche Auftraggeber, vor allem im Bildungsbereich, und beschäftigen uns auch schon seit Mitte der 1990er-Jahre mit der Holzbauweise. Aber der Raumbedarf im Schulbau ist in den letzten Jahrzehnten auch kontinuierlich gestiegen, gerade durch die Zunahme der Ganztagsbetreuung, und er verändert sich oft sehr kurzfristig. Da heißt es dann: Wir brauchen im Sommer nächsten Jahres eine komplett neue Schule. Mit konventionellen Baumethoden lässt sich so etwas nicht umsetzen, und so hat der Modulbau im Bildungswesen schon früh Fuß gefasst. Außerdem sind Schulen mit ihren zahlreichen sich wiederholenden Klassenzimmern prädestiniert für eine modulare Bauweise. Wie sinnvoll ist eine gewerkeübergreifende Planung mit BIM bei Modulbauprojekten? CHRISTINA LOH: Eine präzise Planung und Kollisionskontrolle am 3D-Modell ist auf jeden Fall sinnvoll, damit später alles

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passt. Schließlich lassen sich Planungsfehler im Modulbau kaum auf der Baustelle korrigieren. Erste positive Erfahrungen in diesem Bereich haben wir bei einem Modulbaukasten für Schulbauten gemacht, den wir 2021 für den Landkreis Darmstadt-Dieburg entwickelt haben (Abb. 1). Dort haben wir gemeinsam mit den Fachplanern alle Module in 3D geplant. Man muss aber konstatieren, dass viele Planungsbüros und auch viele Auftraggeber noch nicht so weit sind. Der größte Nutzen einer BIM-Planung bestünde ja darin, das 3DGebäudemodell später auch als Grundlage für das Facility Management zu nutzen. Das ist im deutschen Schulbau derzeit noch nicht üblich. Sie sprachen Ihren Schulbaukasten für den Landkreis Darmstadt-Dieburg an. Wie sind Sie an die Entwicklung herangegangen? ANNE KETTENBURG: Wir haben zunächst die Anforderungen unseres Auftraggebers analysiert: Welche Raumtypen und -größen benötigt er mit welcher Ausstattung? Welche Lernformen werden in den Schulen praktiziert, sind die Klassenzimmer zum Beispiel zu Lernclustern zusammengefasst? Ausgehend davon haben wir Beispielgrundrisse entwickelt, die so gestaltet sind, dass sie sich wiederum in einzelne Module zerlegen lassen. Diese Module müssen so bemessen sein, dass sie sich ohne großen Aufwand transportieren lassen, aber dennoch unterschiedliche Raumgrößen ermöglichen. CHRISTINA LOH: Eine Anforderung lautete etwa, mit den Modulen bis zu dreigeschossig bauen zu können. Man kann damit Ein- und Zweispännergrundrisse realisieren mit Flur in der Mitte. Außerdem haben wir die Möglichkeit, die Flurbereiche mit offenen Zonen so zu gestalten, dass moderne Lernlandschaften entstehen. Wie ist der Baukasten strukturiert? ANNE KETTENBURG: Es gibt Mittel- und Endmodule von Klassenzimmern und Aufenthaltsräumen, Module für Technikund Sanitärbereiche sowie Garderoben und Module für eine Mensa mit Cook-and-Chill-Küche und Speisesaal. Insgesamt sind es 35 verschiedene Modultypen mit Grundflächen von je 21 m2 und einer Höhe von etwa 3,50 m. Dazu kommen

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5, 6 Beim Umzug der Ludwig-Weber-Schule

7, 8 Die ehemalige Ludwig-Weber-Schule

wurden zunächst die Obergeschossmodule

eröffnete nach dem Umzug an einem neuen

zwischengelagert. Anschließend konnte das

Standort und mit neuen Bodenbelägen als

Erdgeschoss direkt versetzt und die übrigen

Schule am Mainbogen.

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Module wieder darauf aufgebaut werden.

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noch vier verschiedene Arten von Treppenhäusern sowie diverse flächige Elemente, etwa für Außenwände und Dächer. Sie ermöglichen es, dass alle Raummodule baugleich sein können, egal in welchem Geschoss des Gebäudes sie sich befinden oder ob sie innen oder außen liegen. Die dämmende Hülle wird dann addiert. Auch die Flure werden in dem Konzept als zweidimensionale Elemente vorgefertigt, in denen hinter einer abgehängten Decke die Verteilstränge der Haustechnik verlaufen. Diese würden im Fall eines Umzugs also demontiert und am neuen Standort wieder eingebaut. Die Räume sind größtenteils mit Leuchten und Verkabelung vorgerüstet. Der jeweilige Technikanschluss und die Unterverteilung für das Modul befindet sich in einer Schrankzone an der Trennwand zum Flur.

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Wird es auch Variationen bezüglich der Fassadenmaterialien und Innenoberflächen geben oder ist der „Look and Feel“ bei allen Schulen gleich? ANNE KETTENBURG: Er ist im Wesentlichen einheitlich, mit außen liegendem Sonnenschutz und einer vorvergrauten Holzschalung, damit sich die Module flexibel miteinander kombinieren lassen und eine Schule bei Bedarf auch um Module von einem anderen Standort ergänzt werden kann. Wir haben aber die Möglichkeit, verschiedene Bereiche etwa im Eingangsbereich, die mit Faserzementplatten verkleidet sind, in unterschiedlichen Farben zu akzentuieren. Auch innen sind die Oberflächen bis auf ein paar gebäudespezifische Farbakzente überall gleich. Der Landkreis hat auf Basis des Modulbaukastens jetzt ­einen Rahmenvertrag mit einem Holzbauunternehmen abgeschlossen. Welche Laufzeit hat dieser und wie geht die Abwicklung der einzelnen Bauvorhaben vor sich? CHRISTINA LOH: Der Vertrag hat eine Laufzeit von vier Jahren. Die ersten vier Schulen sollen zum Sommer 2023 fertiggestellt

Fotos: werk.um (5), Blitzwerk Fotoart&Design (6)

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2015 hatten Sie schon einmal ein ähnliches Baukastensystem für den Landkreis konzipiert, damals aber mit zwei­ dimensionalen Elementen. Warum jetzt die Raummodulbauweise? CHRISTINA LOH: Der damalige Baukasten war deutlich einfacher strukturiert: Er war nur für eingeschossige Bauten gedacht und umfasste nur Klassenräume, keine Sanitär- und Technikräume oder Treppenhäuser. Danach sind die Anforderungen unseres Auftraggebers aber immer weiter gestiegen und wir haben mit dem Baukasten schließlich auch dreigeschossige Gebäude inklusive Mensa und Küche geplant. Seinerzeit wurde das alles über zusätzliche Sonderleistungen abgewickelt, sollte im neuen Baukasten aber von Anfang an mit eingeschlossen sein. Die Entscheidung, das neue System auf Raummodulen aufzubauen, entsprach aber auch einem allgemeinen Zeittrend: Das Bauen mit 3D-Modulen ist derzeit en vogue, weil sie nochmals mehr Flexibilität und Schnelligkeit bieten als flächige Elemente, vor allem beim Umzug der Gebäude.

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werden, danach werden jährlich wohl weitere vier bis fünf Gebäude folgen. Für jedes von ihnen bearbeiten wir die Leistungsphasen 1 bis 4 auf Basis des jetzt definierten Modulbaukastens. Der Vorteil ist, dass keine Ausschreibung mehr erfolgen muss und die Ausführungsplanung im Wesentlichen schon gemacht ist. Das Bauunternehmen kann also nach Erteilung des Bauauftrags gleich mit der Modulherstellung beginnen.

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Gesetzt den Fall, ein anderer Auftraggeber wollte den Modulbaukasten für seine eigenen Schulbauten übernehmen. Welche Modifikationen wären nötig? CHRISTINA LOH: Einige Grundlagen, etwa hinsichtlich der Raumgrößen, Rastermaße und eventuell der Oberflächenmaterialien, könnte man sicher übernehmen. Abgesehen davon würde man das Konzept aber entsprechend den Anforderungen des jeweiligen Auftraggebers modifizieren. Denn der Modulbaukasten ist nicht nur auf die Hessische Bauordnung, sondern auch auf die teils sehr spezifischen Bedürfnisse des Landkreises Darmstadt-Dieburg abgestimmt, etwa was die technische Gebäudeausstattung angeht. Andere Kommunen wollen in ihren Schulen möglicherweise gar nicht den relativ hohen Technisierungsgrad, der hier vorgesehen ist. ANNE KETTENBURG: Es hat auch seinen Reiz, dass wir für jeden Bauherren individuell planen. Schließlich ermöglicht der Holzmodulbau ja dieses hohe Maß an Individualität, und so haben wir Architekten auch etwas zu tun.

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CHRISTINA LOH: Apropos Individualisierung: Für DarmstadtDieburg haben wir in der Vorabstimmung mit der Bauaufsicht eine Abweichung von der Hessischen Bauordnung erreicht. In der Bauordnung heißt es, dass der oberste Geschossfußboden in Gebäudeklasse 3 maximal 7 m über dem Geländeniveau liegen darf. In unserem Fall sind es mehr, aber für die Gebäude gelten dennoch die Anforderungen der Gebäudeklasse 3. Das war eine enorme Erleichterung, vor allem bei den Brandschutzauflagen. Wir können so im Inneren viel mehr Holzoberflächen sichtbar lassen.

Vor einigen Jahren haben Sie ein eigenes Holzbausystem entwickelt, das mittlerweile von dem Unternehmen mobispace kommerziell vertrieben wird. Wie kam es zu diesem Schritt? ANNE KETTENBURG: Auch das war letztlich ein Resultat unserer Arbeit für den Landkreis Darmstadt-Dieburg. Für die dortigen Schulbauten hatten wir mit dem Holzbauunternehmen Baumgarten ein System aus zweidimensionalen Elementen entwickelt, die sich leicht montieren und wieder auseinandernehmen lassen. Dieses wollten wir auch anderen, nichtöffentlichen Auftraggebern zugänglich machen. Die Firma mobispace kann also bei Auftraggebern, die direkt beauftragen können, als Generalübernehmer auftreten. Die Elemente lässt sie bei Baumgarten und zwei weiteren Holzbauunternehmen in unterschiedlichen Regionen

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9 Die ursprünglich eingeschossige Ernst-Reuter-Schule in Dietzenbach wurde vor einigen Jahren nicht auf-, sondern „unterstockt“.

Deutschlands fertigen, und diese sind auch für die Umsetzung zuständig. Größere Aufträge teilen sich die drei Firmen untereinander auf. Mittlerweile sind schon zahlreiche Ihrer Schulgebäude an neue Standorte umgezogen. Muss ein Gebäude von Anfang an für den Umzug geplant sein, damit das funktioniert? CHRISTINA LOH: Im Prinzip nicht, aber es funktioniert besser, wenn man diese Option von Anfang an einplant und die Verbindungselemente darauf abstimmt. Andererseits werden die Details tendenziell kostenintensiver, wenn sie leicht demontierbar sein sollen. Wir hatten auch schon Fälle, bei denen sich der Bauherr diese Zusatzkosten gespart hat und eine Schule später doch versetzt werden sollte. Demontage und Wiederaufbau gestalten sich dann etwas komplizierter, aber grundsätzlich ist jedes modular geplante System für einen Umzug geeignet. Wie geht so ein Umzug vor sich? Gebäude werden ja von oben nach unten ab- und dann von unten nach oben wieder aufgebaut. War das bei Ihren Projekten ohne große Zwischenlagerkapazitäten möglich? ANNE KETTENBURG: Es gibt beide Varianten – Gebäude, bei denen bestimmte Module nur in einem bestimmten Geschoss eingebaut werden können und solche, bei denen das egal ist. Bei der Ludwig-Weber-Schule in Frankfurt (Abb. 2–4), die vor einigen Jahren an einen neuen Standort umgezogen ist (Abb. 7, 8), war Ersteres der Fall. Dort mussten wir die Obergeschossmodule zwischenlagern, haben dann das Erdgeschoss direkt versetzt und die übrigen Module wieder darauf aufgebaut (Abb. 5, 6). Der Rahmenvertrag für den Landkreis Darmstadt-Dieburg ist dagegen so konzipiert, dass sich jedes Modul in jedem Geschoss verwenden lässt. Die Ludwig-Weber-Schule besteht aus flächigen Elementen. Was mussten Sie bei ihrem Umzug alles demontieren und was konnte eingebaut bleiben? CHRISTINA LOH: Die Türen, Fenster und die in den Elementen integrierte Technik konnten eingebaut bleiben. Die Hauptverteilstränge der Gebäudetechnik unter den Flurdecken haben

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wir dagegen ab- und am neuen Standort wieder einbauen lassen. Sie modular mit Steckverbindungen an den Modulstößen zu konzipieren, würde viel zu hohe Leitungsverluste verursachen. Außerdem wurden für den neuen Standort die Wandoberflächen in den Fluren und die Bodenbeläge in den Räumen ausgetauscht – Erstere, weil sich die Brandschutzanforderungen der Landesbauordnung verändert hatten und Letztere, weil der Bauherr das wünschte. ANNE KETTENBURG: Der Gebäudegrundriss ist beim Umzug aber im Wesentlichen der Gleiche geblieben; nur die eine oder andere Innenwand mussten wir nochmals versetzen oder entfernen, um größere Räume zu schaffen. In Dietzenbach haben Sie die ursprünglich eingeschossige Ernst-Reuter-Schule vor einigen Jahren nicht auf-, sondern „unterstockt“. Wie kam es zu dieser etwas kuriosen Vorgehensweise? CHRISTINA LOH: Als wir das ursprüngliche Gebäude planten, wünschte sich der Bauherr nur ein eingeschossiges Gebäude. Nach seiner Aussage sollte es auch später nicht aufgestockt werden und durfte außerdem nicht zu teuer werden. Auch die Gründung haben wir deshalb nur für einen eingeschossigen Baukörper bemessen. Als dann doch der Wunsch aufkam, das Gebäude aufzustocken, haben wir die bestehenden Elemente demontiert, die Gründung ertüchtigt, ein neues Erdgeschoss errichtet und das alte darauf aufgesetzt (Abb. 9). Welche Erfahrungen haben Sie aus Ihren bisherigen Holzmodulbauten gezogen? ANNE KETTENBURG: Wir haben die Flexibilität des Holzmodulbaus auch bei unvorhergesehenen Anforderungen und Bauherrenwünschen schätzen gelernt. Und die Schnelligkeit: Die Zeit, die man zwischen Auftragserteilung und Fertigstellung hat, wird immer knapper – aber trotzdem gibt es im Holzmodulbau eigentlich immer eine passende Lösung. Außerdem passt der Holzmodulbau perfekt zur Suffi­ zienzstrategie unseres Büros und unseren Vorstellungen von Nachhaltigkeit und einem geringen Ressourcenverbrauch. Jedes Gebäude ist eine wertvolle Ressource – und wenn es sich mehrfach nutzen lässt, indem man es an einen neuen

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Standort versetzt, umso besser. Selbst im Holzbau, der generell als klimafreundlich gilt, lassen sich Emissionen sparen, wenn man Gebäude und Bauteile mehrfach verwendet, statt sie für jeden Standort neu herzustellen. Gemeinsam mit der Firma mobispace arbeiten Sie derzeit an der Entwicklung eines Mietmodulsystems aus Holz für Schulgebäude, ähnlich wie es im Stahlbau bereits existiert. Welche Herausforderungen stellen sich dabei? CHRISTINA LOH: Das beginnt schon bei der Festlegung der Modulmaße. Sie müssen groß genug sein, um effizient bauen

zu können, aber klein genug, um möglichst jede Baustelle damit anfahren zu können. Module mit 18 m Länge, wie sie heute manche Hersteller anbieten, wären für ein Mietsystem sicher ungeeignet. Auch die lichte Raumhöhe und die Fenstermaße müssen so bemessen sein, dass man einen möglichst breiten Markt damit abdeckt. Wenn man die Module überregional anbietet, stellt sich außerdem die Frage, auf welche Landesbauordnung sie abgestimmt sind. Daher gehen erste Überlegungen dahin, sich zunächst auf einzelne regionale Märkte zu konzentrieren und diese dann sukzessive auszuweiten.

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GESUNDHEITSBAU GESUNDHEITSBAUTEN IN MODULBAUWEISE 110 Modulbau für Kliniken und Labore Roland Pawlitschko MARIENHAUS KLINIKUM MAINZ 114 Aufstockung eines Krankenhauses Thomas Jakob, Jakob Schoof UNIVERSITÄTSKLINIKUM DÜSSELDORF 122 Covid-19-Intensivstationen in Rekordbauzeit Jakob Schoof BEREITSCHAFTSGEBÄUDE UNIKLINIK KÖLN 130 Mit Naturstein in die Umgebung eingebettet Thomas Jakob

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Modulbau für Kliniken und Labore

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Gebäudetypologien mit vielen seriellen Wiederholungen, zum Beispiel Studentenwohnheime, Hotels oder Büros, eignen sich besonders für das Bauen mit Modulen. Dass Module ­jedoch gerade bei Krankenzimmern, Intensivstationen, Operationssälen und Laboren bereits seit Jahrzehnten etabliert sind, ist vielen Architekten nicht bewusst. Wesentliche Gründe für die weite Verbreitung der Modulbauweise für Klinik- und Laborgebäude sind die strenge Funktionalität und der Wunsch nach Kostensicherheit. Hinzu kommt eine hohe Planungs- und Baukompetenz: Der Bau von Interimsgebäuden sowie Aufstockungen und Erweiterungen des Bestands sind vor allem in großen Kliniken an der Tagesordnung – viel Überzeugungsarbeit in Bezug auf die Leistungsfähigkeit dieser Bauweise ist dort nicht mehr nötig.

Hohe Qualität in kurzer Zeit Die Vorzüge des Modulbaus für den Gesundheitsbereich liegen insbesondere in der signifikanten Verkürzung der Bauzeit vor Ort und allen damit verknüpften Folgen. Beispielsweise werden die Dreck-, Staub- und Lärmbelastungen für das direkte Umfeld drastisch reduziert. In der Regel dauert es nur wenige Tage, bis mehrere Modulgeschosse

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wetterfest verbaut und bereit für den finalen Innenausbau sind. Dieser Aspekt ist gerade bei Klinikerweiterungen von eminenter Wichtigkeit. Im Sinne der unbeeinträchtigten Behandlung und Genesung der Patienten im laufenden Klinikbetrieb sind die Bauzeitenfenster hier stets kurz. Ein weiterer Vorteil der Bauweise liegt in der Vorfertigung der Module unter geschützten, hygienischen Produktionsbedingungen. Gemeinsam mit spezialisierten Haustechnikpartnern können so Einheiten mit kompletten Innenausstattungen und vorinstallierten medizintechnischen Leitungen entstehen – in einer Ausführungsqualität, die im Durcheinander des Baustellenalltags oft nur schwer zu erreichen ist. Insofern gilt: Modulbau eignet sich nicht trotz, sondern gerade wegen der hohen Anforderungen und Komplexitäten für Gesundheitsbauten. Unabhängig vom Hersteller der Module entstehen die Gebäude stets unter Beteiligung von Architekten – nicht zuletzt, weil es immer Gebäudebereiche gibt, wie zum Beispiel Untergeschosse und Treppenhäuser, die sich nicht ohne Weiteres mit dieser Bauweise lösen lassen. Manchmal bringen Bauherren hausinterne oder kooperierende Architekten nebst Funktionalbeschreibung oder Ausschreibung ins Spiel. Alternativ arbeiten die meisten großen Hersteller mit eigenen Architektenteams, die Planungsaufgaben erledigen können.

Kleusberg

Roland Pawlitschko

GESUNDHEITSBAU

1, 2 Mit Modulen wie hier von Kleusberg lassen sich in Krankenhäusern wie dem MVZ Bad Kissingen nicht nur abgeschlossene Zimmer, sondern auch großzügige Flurbereiche und offene Räume schaffen. 3 Gemeinsam mit spezialisierten Haustechnikpartnern entwickelt Alho Module mit einer hochkomplexen Innenausstattung etwa für Hybrid-Operationssäle.

Alho

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Gleich und doch anders Oberstes Ziel im Modulbau ist generell die Produktion möglichst vieler gleicher Einheiten. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass ausschließlich baugleiche Einheiten aneinandergereiht werden müssen. Im Gegenteil: Die nebeneinander platzierten Module können sehr unterschiedlich sein, solange sie in ihrer Größe und konstruktiven Struktur zueinander passen. Einzelne Räume können sich zudem problemlos über mehrere Module erstrecken. Aus diesem Grund und weil die Anforderungen bei jedem Projekt individuell sind, stehen bei keinem Hersteller Standardmodule mit unveränderbaren Abmessungen im Regal. Als Baumaterialien kommen grundsätzlich zwei Baustoffe infrage: Stahl und Holz. Letzteres setzte sich als Material im Gesundheitsbau jedoch bislang nicht durch, weil Querschnitte von Holzstützen und -balken bei großen Spannweiten und hohen Lasten vergleichsweise groß ausfallen, während Module aus dünnen massiven Holz-Wandscheiben im Betrieb wenig Flexibilität bieten.

Zwei unterschiedliche Systeme in Stahl Im Stahlmodulbau gibt es zwei konstruktiv unterschiedliche Bauweisen mit Walz- oder Hohlprofilen, die sich nur auf den

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ersten Blick sehr ähnlich sind. Hersteller wie Cadolto oder ADK setzen auf Konstruktionen, bei denen die Lasten insbesondere über tragende Stahlfachwerkwände abgetragen werden. Daraus resultieren sehr stabile und überaus verwindungssteife Module, die sich bis über die Hochhausgrenze hinaus stapeln lassen. Diese robuste Bauweise kommt beim Transport ohne beziehungsweise mit nur wenigen zusätzlichen Aussteifungselementen aus. Dies erleichtert das Versetzen beispielsweise eines Operationssaals, der nach temporärer Nutzung an einem Standort anderswo erneut zum Einsatz kommen soll. Wenngleich dieses System nicht ausschließlich modulgroße Räume zur Folge hat, verringern die tragenden Wände doch die Flexibilität, wenn es um modulübergreifende Raumkonzepte geht. Eine andere Bauweise kommt bei Herstellern wie Alho und Kleusberg zur Anwendung. Bei ihrem System erfolgt die Lastabtragung ausschließlich über vertikale Stützen – Boden und Dachrahmen sind mit biegesteifen Eckverbindungen verbunden. Dies birgt den Vorteil, dass es auf keiner der vier Modulseiten Wandscheiben bedarf, was vielfältige Gestaltungsspielräume sowie großzügige, offene Räume ermöglicht. Kleinere Module verfügen über insgesamt vier Stahlstützen in den Ecken. Bei größeren Einheiten

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kommen je nach Statik und Gebäudehöhe zusätzliche Stützen auch in den Längsseiten zum Einsatz – mit Querschnitten von lediglich rund 100 × 100 mm. Aus der Bauweise mit nichttragenden Wänden ergeben sich hochgradig flexibel nutzbare Räume mit nur wenigen Zwangspunkten. Ganz gleich, welches System gewählt wird: Brand- und Schallschutzthemen sind hier ebenso gelöst wie im Massivbau, und nach Fertigstellung sind die Modulbauten in der Regel weder von innen noch von außen zwingend als solche zu erkennen.

Straßentransport als Nadelöhr Module lassen sich in allen erdenklichen Größen realisieren, solange die Werkstätten groß genug sind und der Transport zum Bauplatz gesichert ist. 5 bis 6 m breite Module können auf überschaubaren Strecken gerade noch so auf Schwertransportern bewegt werden. Im Normalfall sind die Größen jedoch auf maximal rund 4 m Breite und Höhe sowie 18 bis 20 m Länge limitiert. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher 40-Fuß-Überseecontainer ist 12,2 m lang, 2,4 m breit und 2,6 m hoch. Sind die Module erst einmal auf der Baustelle angekommen, werden sie geschossweise

Lässig Film & Foto (4), Cadolto (5)

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GESUNDHEITSBAU

4 Die beiden Bestandsgebäude des Katholischen Klinikums Mainz (heute Marienhaus Klinikum) wurden von Alho innerhalb von nur fünf Montagetagen um drei Geschosse aufgestockt. 5, 6 Im Krankenhaus werden meist Stahl­ module mit tragenden Fachwerkwänden (wie in Abb. 5 von Cadolto) oder biegesteifen

Cadolto

Eckverbindungen (Abb. 1) eingesetzt.

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nebeneinander gereiht, wobei ihre Decken stets mit Notabdichtungen versehen sind. Bei zweihüftigen Patientenzimmer-Grundrissen können die einzelnen Module dann so breit sein wie das Gebäude selbst. Flurwände sowie Trennwände zwischen den Räumen werden je nach Anforderung bereits im Werk montiert oder vor Ort in Trockenbauweise ergänzt.

Potenzial für mehr Architektur Module eignen sich vielleicht nicht für den Bau großer ­Klinikkomplexe. Allerdings stehen sie selbst bei umfang­ reichen Aufstockungen und Erweiterungen einem konventionell errichteten Gebäude hinsichtlich der hygienischen Eigenschaften und der möglichen technischen Komplexität in nichts nach. Im Gegenteil: Durch die mit hoher Präzision unter geschützten Bedingungen hergestellten Module lassen sich viele dieser Anforderungen eher sogar noch besser erfüllen. Insofern ist es verwunderlich, dass es nicht längst schon wesentlich mehr experimentelle, architektonisch spannende Lösungen gibt, die deutlich über die pflichtbewusste Erfüllung strenger Funktionalitäten hinausgehen.

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Aufstockung eines Krankenhauses

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Thomas Jakob, Jakob Schoof

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Ende 2017 schloss das damalige Katholische Klinikum Mainz (heute Marienhaus Klinikum) seine Dependance im historischen Hildegardis-Krankenhaus, um den Klinikbetrieb komplett am Standort An der Goldgrube zusammenzuführen. Dadurch entstand dort zusätzlicher Platzbedarf, der sich aufgrund der beengten Lage nur durch die Aufstockung zweier Bestandsgebäude beheben ließ. Da das zusätzliche Bauvolumen überwiegend Bettenstationen umfassen sollte, war auch die Nähe zum Hauptgebäude des Krankenhauses wichtig. Um die Erweiterung schnell und geräuschlos zu realisieren, entschieden sich das Klinikum und Sander Hofrichter Architekten aus Ludwigshafen für die Modulbauweise.

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„Wir brauchten die zusätzlichen Flächen, die durch die Aufstockung entstehen, sehr schnell“, erklärt Jörg Eikamp, Leiter der Abteilung Organisationsentwicklung im Marienhaus Klinikum. „Dank der Modulbauweise konnten wir jeden Tag einen Baufortschritt sehen, der in konventioneller Bauweise nicht so schnell machbar gewesen wäre.“ Sander Hofrichter Architekten arbeiten schon seit 2006 für das Klinikum, bislang aber in konventioneller Bauweise. Erfahrung mit dem Modulbau hatten die Architekten schon bei anderen Projekten gesammelt. „Mit Raummodulen zu planen und zu bauen war für uns zwar nicht neu, doch mit Modulbauprojekten in dieser Komplexität

GESUNDHEITSBAU

1–3 Der zusätzliche Platzbedarf des Marien-

Bereich dazwischen ruht auf schräg gestellten

haus Klinikums ließ sich aufgrund der

Stahlverbundstützen.

beengten Lage nur durch die Aufstockung

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zweier Bestandsgebäude beheben. Der

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und Größe hatten wir noch wenig Erfahrung“, sagt Martin Rieger, Mitglied der Geschäftsführung bei Sander Hofrichter Architekten. „Eine Aufstockung über zwei Bestandsgebäuden in nur eineinhalb Jahren von der Planung bis zur Übergabe des ersten Bauabschnitts zu realisieren, war eine sehr ambitionierte Herausforderung.“ Die Architekten hatten sich dabei hohe Ziele gesetzt – städtebaulich wie architektonisch. So realisierten sie das Gesamtgebäude im Energieeffizienzstandard KfW 70. 26 Millionen Euro investiert das Klinikum in die Aufstockung der beiden Bestandsgebäude, die jeweils drei zusätzliche Etagen erhalten haben. 95 m lang und 20 m breit ist der

4 Lageplan, M 1:4000

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neue Gebäuderiegel, der sich aus 69 Stahlmodulen zusammensetzt. Die Gesamtfläche des Krankenhauses wächst dadurch um 10  % beziehungsweise 5600 m2.

Modulbau mit komplexer Unterkonstruktion Die gesamte Baumaßnahme war in zwei Bauabschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt kamen auf dem Dach des Bauteils 204 drei neue Etagen hinzu. Dieses Gebäude hatten Sander Hofrichter Architekten 2009 bereits mit der Absicht einer späteren Aufstockung errichtet. Sein Stahlbetonskelett war von vornherein auf die zusätzliche Traglast ausgelegt und auch das Treppenhaus ragte bereits auf die spätere Gebäudehöhe knapp unter der Hochhausgrenze empor. Auf dem Dach des Bestandsgebäudes nimmt nun ein 50 cm hoher Stahlträgerrost die Last aus den Stahlmodulen auf und leitet sie in die Bestandsstützen um. Ganze acht Monate dauerte es nach der Zusammenlegung der beiden Krankenhausstandorte, bis die Aufstockung dieses Bauteils in Betrieb genommen werden konnte. Schwieriger gestaltete sich die Überbauung des Bauteils 400, das bereits aus den 1970er-Jahren datiert und ­unter anderem das zentrale Krankenhauslabor beherbergt.

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Weil dieses keine Betriebsunterbrechung verträgt, schied ein Rückbau des Bestandsgebäudes aus. Die Architekten entschieden daher, den Bauteil 400 mit einer aufwendigen Konstruktion aus Stahlverbundstützen und -trägern sowie Stahlfachwerkträgern zu überbrücken. Dieser „Stahltisch“ trägt eine 35 cm starke Stahlbetonplatte, auf der die Module aufliegen. Der Zwischenraum zwischen den Fachwerkträgern dient darüber hinaus als Technikgeschoss. Hier ist die zentrale Lüftungsanlage für die Aufstockung untergebracht, hier und in der Ebene des Trägerrosts auf dem Bauteil 204 konnten auch die Haustechnikleitungen horizontal verzogen werden. Der Vorteil dieses Konzepts: In den Modulgeschossen reduziert sich die Leitungsführung überwiegend auf die vertikalen Steigstränge. Im Mai 2019 konnte schließlich auch der zweite Bauabschnitt seiner Bestimmung übergeben werden. Ein neuer, weithin sichtbarer Treppen- und Aufzugsturm vor dem Südende des Gebäudes bildet nun den baurechtlich vorgeschriebenen zweiten Fluchtweg für die Aufstockung. Alle Innenräume erhielten eine moderne, freundlich helle und hochwertige Gestaltung: Im 3. Obergeschoss entstanden eine neue Palliativstation mit 11 Betten sowie die Geriatrie mit 42 Betten. Im 4. Obergeschoss wurden eine geriatrische Wahlleistungsstation mit 11 Betten sowie die zweite

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5, 6 Schnitt und Grundriss, M 1:750 7 Baufortschritt: Gegenüber dem Bettenhaus wurden zwei bestehende Häuser der Klinik gebäudeübergreifend um drei Geschosse in Modulbauweise aufgestockt. Ein Bestandsgebäude erhielt eine Stahlbetontragkonstruktion mit aufwendiger Pfahlgründung, um die Statik sicherzustellen, das andere Gebäude einen 50 cm hohen Stahlträgerrost für die Lastverteilung der aufgesetzten Geschosse.

a|sh sander.hofrichter architekten

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Dauerhafte Lösung

schreibung wirtschaftlicher werden würde“, sagt der leitende Architekt Martin Hof von Sander Hofrichter Architekten. „Damit wir die Raummodule mit möglichst hohem Vorfertigungsgrad im Werk produzieren können, brauchen wir auf Seite der Entscheider ein weitaus detaillierteres Vorausdenken als beim konventionellen Bauen“, erklärt Bauprojektleiter Mario Müller von Alho. „Das baubegleitende Planen,

„Da die aufgestockten Geschosse hauptsächlich für den Pflegebereich gedacht sind, bot sich durch die immer gleichen Grundrisse der Zimmer eine modulare Bauweise an“, sagt Rieger. Und noch ein weiteres Argument spricht für die Modulbauweise: Eine Klinik wandelt sich stetig, passt Prozesse an, entwickelt sich weiter – und sehr oft ist dies mit Baumaßnahmen verbunden: „In der Vergangenheit haben wir beim konventionellen Bauen eine sehr hohe Belastung für Mitarbeiter und Patienten in Kauf nehmen müssen“, sagt Jörg Eikamp. „Daraus haben wir gelernt und uns intensiv nach einer Alternative umgesehen. Wir haben Messen und Referenzbauwerke besucht, dort Mitarbeiter befragt und uns schließlich davon überzeugt, dass Gebäude in Modulbauweise konventionellen Bauten qualitativ absolut ebenbürtig sind. Gerade im Klinikkontext bieten Modulbaubaustellen einen entscheidenden Vorteil: Sie sind leise, sauber und laufen schnell und nervenschonend ab, während der Klinikbetrieb fast unbehelligt weitergehen kann.“ Sander Hofrichter Architekten betreuten den Gesamtentwurf bis zur Entwurfsplanung und übernahmen auch einen Teil der Genehmigungsplanung. Ab der Leistungsphase 5 waren die Verantwortlichkeiten geteilt: Für den Stahlunterbau einschließlich der neu eingebrachten Betonplatte und die vorgehängte hinterlüftete Fassade waren weiterhin die Ludwigshafener Architekten zuständig. Für die drei Ober­ geschosse holten sich Klinikbetreiber und Architekten dagegen den Modulbauspezialisten Alho ins Boot. Das Unternehmen war für die Ausführungsplanung und schlüsselfertige Bauausführung zuständig. „Wir wollten das Know-how von Alho nutzen, um eine schnelle und reibungslose Bauabwicklung zu garantieren. Außerdem erhofften wir uns für den Bauherrn, dass die Maßnahme durch eine Funktionalaus-

das mit ständig neuen Entschlüssen beim Massivbau den Bau teurer macht und auch verzögert, wird bei der Modulbauweise unterbunden.“ Mit 20 m sind die Module außerordentlich lang und reichen über die gesamte Gebäudebreite. „Auf diese Weise konnten wir unserem Auftraggeber einen erheblichen Kostenvorteil anbieten“, erläutert Müller. Für den Transport und das Einheben durften die Module jedoch nicht zu schwer werden. Der Vorfertigungsgrad der Module lag deshalb bei etwa 70 %. In der Alho Raumfabrik wurden die Raumzellen einschließlich der Außen- und Innenwände, Fenster, Heizkörper, Innenwände und Türzargen hergestellt. Die Bäder der Patientenzimmer waren ab Werk schon komplett gefliest und ein Teil der TGA-Leitungen vorinstalliert. Auf diese Weise brachte es jedes Modul bereits auf ein Transportgewicht von 25 bis 30 t. Trittschalldämmung und Estrich wurden daher nur in Teilbereichen der Raummodule eingebracht. Vor Ort in Mainz kamen noch der größte Teil der Fuß­ bodenaufbauten, die Abhangdecken, die Türblätter und der Endausbau der TGA-Installationen hinzu. Auch die Fassadendämmung und die hinterlüftete Fassadenverkleidung aus Streckmetall und Faserzementtafeln wurden bauseits angebracht. „Mit solch großen Modulen zu planen setzt voraus, dass man im Vorfeld – gerade im innerstädtischen Bereich – eine detaillierte Logistikprüfung durchführt und die Möglichkeit, Kräne in der betreffenden Liegenschaft aufzustellen, exakt prüft“, sagt Mario Müller. Bei der Mainzer Klinikaufstockung platzierte ein großer Autokran 6–7 Module pro Tag auf der vorbereiteten Stahlunterkonstruktion. Auf diese Weise war der Rohbau pro Bauabschnitt in nur zehn Arbeitstagen abgeschlossen. Der Endausbau jedes Bauabschnitts vor Ort beanspruchte weitere 5–6 Monate.

Geriatrieabteilung eingerichtet. Das gesamte 5. Obergeschoss mit 30 Betten sowie diversen Therapie- und Untersuchungsräumen steht einem externen Rehabilitationsdienstleister als Mietfläche zur Verfügung .

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8 Fassadenschnitt, M 1:20 1

1 Dachaufbau: Kiesschüttung 50 mm PVC-Hochpolymerbahn 1,5 mm Wärmedämmung EPS im Gefälle min. 235 mm EPDM-Transportdichtung Trapezblech 20/154 x 0,88 mm 2

Dachträger UNP 120 dazwischen Wärmedämmung Mineralwolle 120 mm Dampfbremse Gipskartonplatte feuerfest 2x 20 mm 2 Stahlträger HEB 140 (Unterkonstruktion für Befahranlage) 3 Fassadenaufbau: Faserzementplatten 8 mm Metallunterkonstruktion

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Wärmedämmung Mineralwolle 100 mm Gipsfaserplatte 2x 18 mm Ständerwandprofil dazwischen Wärmedämmung Mineralwolle 100 mm Dampfbremse Gipskartonplatte feuerfest 2x 12,5 mm 4 Bodenaufbau 5. Obergeschoss: Bodenbelag 5 mm Zementestrich 60 mm Trittschalldämmung 42/40 mm Trapezblech 20 mm Bodenträger IPE 160 EPDM-Transportdichtung Trapezblech 20/154 x 0,88 mm Dachträger j 60/100 mm dazwischen Wärmedämmung Mineralwolle 100 mm

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Gipskartonplatte feuerfest 2x 20 mm 5 Bodenaufbau 3. Obergeschoss: Bodenbelag 5 mm Zementestrich 60 mm Trittschalldämmung 42/40 mm Trapezblech 20 mm Bodenträger IPE 160 dazwischen Wärmedämmung Mineralwolle 160 mm Stahlbetondecke (Bestand) 350 mm

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Lässig Film & Foto

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MARIENHAUS KLINIKUM MAINZ STA N D O RT: An der Goldgrube 11, Mainz (DE) BAU H E R R: Caritas-Werk St. Martin, Mainz (DE) A RC H I T E K T U R: a|sh sander.hofrichter architekten, Ludwigshafen (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G : IBC Ingenieurbau-Consult, Mainz (DE) M O D U L E , BAU U N T E R N E H M E N : ALHO Systembau, Friesenhagen (DE) Z A H L D E R M O D U L E : 69 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : max. 20,00 m x 4,10 m x 3,515 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 5600 m2 BAUZ E I T: 1. Bauabschnitt Mai – Oktober 2018 / 2. Bauabschnitt Februar – Juni 2020

Alho (12), a|sh sander.hofrichter architekten (13)

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9–11 Im 3. Obergeschoss befinden sich die Palliativstation mit 11 Betten sowie die Geriatrie mit 42 Betten. 12, 13 Mit 20 m sind die Module außerordent13

lich lang und reichen über die gesamte Gebäudebreite.

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Covid-19-Intensivstationen in Rekordbauzeit

Alle Fotos: Cadolto

Jakob Schoof

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Im Gesundheitswesen muss es mitunter schnell gehen. Das galt insbesondere während der Covid-19-Pandemie, als an vielen Kliniken binnen kurzer Zeit neue Pflege- und Beatmungskapazitäten geschaffen werden mussten. Wie nützlich Modulbauten zur Deckung dieses Bedarfs sein können, zeigen die neuen Intensiv- und Intermediate-Care-(IMC-)Stationen, die das Universitätsklinikum Düsseldorf 2020 in Zusammenarbeit mit dem Modulbauspezialisten Cadolto errichtet hat. Weil keine Pandemie endlos währt, bietet der Neubau überdies flexible Möglichkeiten in der Nachnutzung.

Maßgeschneidert und doch flexibel Vor Fertigstellung des Neubaus hatte die Gebäudestruktur am Universitätsklinikum Düsseldorf die Behandlung von Covid-

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19-Patienten an einem zentralen Ort nicht zugelassen. Bei ­einem enormen Anstieg an Einlieferungen von infektiösen Patienten hätten sogar OP- und Aufwachräume als improvisierte Intensivstationen mit Beatmung genutzt werden müssen. Um Abhilfe zu schaffen, beauftragte das Klinikum den Modulbauspezialisten Cadolto mit der Planung und Realisierung eines Neubaus für Intensivmedizin. Dieser bietet bes­ sere Behandlungsmöglichkeiten und erlaubt im Sinne einer höheren Sicherheit für alle Beteiligten auch eine bessere Trennung der Infizierten vom restlichen Klinikbetrieb. Nur fünf Monate dauerte es nach der Auftragserteilung im Mai 2020, bis die neuen Stationen rechtzeitig zur zweiten großen Coronawelle im Herbst des gleichen Jahres in B ­ etrieb gehen konnten. Cadolto agierte bei dem Bauprojekt als Totalunternehmer und Generalplaner über alle Leistungsphasen. Für die Objektplanung in den Leistungsphasen 2 bis 4 beauf-

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5 1 Alle drei Geschosse des Gebäudes bestehen a

aus selbsttragenden Stahlmodulen. 2 Schnitt, M 1:750

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3 Grundriss 2. Obergeschoss, M 1:750 4 Grundriss 1. Obergeschoss, M 1:750 a

5 Grundriss Erdgeschoss, M 1:750 6 Lageplan, M 1:10 000

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tragte der Modulbauspezialist das Architekturbüro Maßwerk Architektur aus Berlin. „Wir haben schon öfter mit Cadolto zusammengearbeitet, aber noch nie in dieser Konstellation und Geschwindigkeit“, resümiert Anja Schröder, Inhaberin des Büros. „Üblicherweise ist es ja so, dass man als Architektin in der Planung von Anfang an involviert ist. Das war hier anders, aber die Zusammenarbeit hat hervorragend funktioniert. Der Bauherr, die Nutzer, das Modulbauunternehmen – alle Beteiligten haben schnell und pragmatisch die notwendigen Entscheidungen getroffen, um den Bau in kürzester Zeit umzusetzen.“

Solitär mit Glasbrücke Das dreigeschossige, gut 5000 m2 große Gebäude besteht aus insgesamt 97 Stahlmodulen. Im Erdgeschoss befindet sich eine Aufnahmestation mit 18 IMC-Einzelzimmern, die durch vorgeschaltete Schleusen zu erreichen sind. Neun davon haben eigene Nasszellen. Das erste Obergeschoss wurde als Intensivstation mit neun Isoliereinzelzimmern – ebenfalls mit Schleusen – ausgestattet, daneben gibt es acht Zweibettzimmer. Die Patientenzimmer sind jeweils an den Längsfassaden in der Gebäudemitte aufgereiht. An

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7, 8 Die Fassaden bestehen aus horizontal ­gelagerten, hellen Metallkassetten. Dazwischen binden dunklere Paneele die Fenster optisch zu durchlaufenden Fensterbändern zusammen.

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den Stirnseiten des Gebäudeblocks liegen Aufzüge, Treppenhäuser und Büroräume. „Alle Patientenzimmer haben die gleiche Breite und lassen sich damit flexibel aneinanderreihen“, erläutert Anja Schröder. „Man muss lediglich in regelmäßigen Abständen Brandabschnitte einfügen. Die Schleusen vor den Einzelzimmern ermöglichen es dem Personal, besonders vulnerable Patienten zusätzlich zu isolieren. Außerdem konnten wir so Einzel- und Doppelzimmern eine einheitliche Tiefe geben.“ Große Verglasungen eröffnen dem Personal Blickbezüge zwischen den Bettenzimmern und gewährleisten so mehr Sicherheit. Bei Bedarf lassen sie sich durch Jalousien im Scheibenzwischenraum blickdicht verschließen. Im zweiten Obergeschoss liegen die Umkleide- und Bereitschaftsräume sowie Lager- und Technikflächen. Hinzu kommen Funktions- und Nebenräume, die größtenteils in einer Kernzone zwischen den beiden Erschließungsfluren untergebracht sind. Im ersten Obergeschoss dockt der Neubau mit einer Glasbrücke an das gegenüberliegende Zentrum für operative Medizin (ZOM II) des Klinikums an. Das Gebäude von Heinle, Wischer und Partner war auch eine wichtige gestalterische Referenz für den Neubau: Eine Ziegelfassade, wie sie sonst auf dem Klinikgelände häufig zu finden ist, wäre als Pendant zu dem großflächig verglasten Stahlbetonbau unpassend gewesen. So entschieden sich die ­Architekten für eine Fassadenverkleidung aus horizontal gelagerten, hellen Metallkassetten. Dazwischen binden dunklere Paneele aus unregelmäßig gekantetem Aluminiumblech die Fenster optisch zu durchlaufenden Fensterbändern zusammen.

Modulare Planung für eine schnelle Realisierung Die Planung für den Neubau basiert auf dem Konzept einer komplett modularen Covid-19-Isolierintensivstation, die Cadolto schon bald nach Anbruch der Pandemie – und ohne dass ein konkreter Auftrag vorlag – in Angriff genommen hatte. Diese Vorarbeit ermöglichte schließlich die Realisierung des Düssel-

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dorfer Projekts innerhalb des engen Zeitrahmens. „Wir haben bei der Entwicklung zunächst mit Verantwortlichen in vielen Kliniken und Intensivstationen gesprochen. Die ersten Gespräche mit dem Universitätsklinikum Düsseldorf haben dann nochmals zu letzten Anpassungen des Grundkonzepts geführt“, erläutert Markus Arnold, Leiter Medizin und Labore bei Cadolto. Aus dem Ursprungskonzept übernahm das Planungsteam die größten und am häufigsten auftretenden Raumtypen, wie beispielsweise die Intensivzimmer, und passte sie schließlich an die Bedürfnisse des Düsseldorfer Auftraggebers an. Die Bereiche sind nach dem „Same-handed rooms“-Prinzip konzipiert, was bedeutet, dass alle Zimmer mit Nebenräumen identisch ausgeführt sind. Das soll die Arbeit durch permanent gleiche Handgriffe und Abläufe erheblich erleichtern. „Wir haben die Räume also nicht wie  sonst üblich gespiegelt, um die Steigschächte der Nasszellen paarweise zusammenzufassen“, erläutert Anja Schröder. Da die Planung der einzelnen Raumtypen bereits bis zur Leistungsphase 5 vorlag, gestaltete sich die Abstimmung mit den Nutzern und die Anpassung der Gebäudestruktur an die Anforderungen des Auftraggebers deutlich einfacher, als dies bei einer kompletten Neuplanung der Fall gewesen wäre. Alle drei Geschosse des Gebäudes bestehen aus selbsttragenden Stahlmodulen, wobei tragende und aussteifende Wände stets an den Modulstößen liegen. Da Intensivstationen üblicherweise mit stark mobilitätseingeschränkten Liegendpatienten belegt sind, galten für den Neubau hohe Brandschutzanforderungen. Wände, Decken, Dach und Bodenplatte des Neubaus sowie die Türen zwischen den Brandabschnitten wurden in F 90 / REI 90 sowie aus nichtbrennbaren Baustoffen errichtet. In der Gebäudemitte trennt eine Brandwand jedes Geschoss in zwei Brandabschnitte. Zudem ist der Mittelteil in Richtung Norden durch einen weiteren Rauchabschnitt unterteilt. Zusätzliche Sicherheit bringt das Zweiflursystem, da im Brandfall der jeweils andere Flur als Fluchtweg zur Verfügung steht.

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9–11 Große Verglasungen eröffnen Blick­ bezüge zwischen den Bettenzimmern und geben dem Personal so mehr Sicherheit.

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Projektabwicklung aus einer Hand Auch die Tatsache, dass alle Leistungen in einer Hand lagen, war maßgeblich für die schnelle Bauabwicklung. Cadolto übernahm nicht nur die Modulherstellung und -montage, sondern auch die Fundamentierung vor Ort und die Errichtung der gläsernen Verbindungsbrücke. Sie ist als einziger Bestandteil des Neubaus nicht in Modulbauweise entstanden. Auch der Einbau der technischen Gebäudeausstattung, der Versorgung mit medizinischen Gasen und des kompletten Mobiliars war im Leistungspaket enthalten. Eine Netzersatzanlage ermöglicht im Notfall den komplett autarken Betrieb des Gebäudes. Bei der Integration der Medizintechnik arbeitete Cadolto unter anderem mit der Firma Dräger zusammen. Der Lieferumfang umfasste Beatmungsgeräte und Decken­ versorgungseinheiten des Lübecker Unternehmens. Hinzu

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kamen Komponenten wie etwa Betten mit Nachttischen sowie Defibrillatoren, Bronchoskopie-Türme und EKG-Geräte, die durch weitere Hersteller ergänzt wurden. „Da die Module bei Cadolto mit einem hohen Vorfertigungsgrad in den Werkshallen produziert werden, verkürzt sich die Baustellenzeit vor Ort deutlich“, sagt Geschäftsführer Karsten Kußmann von Cadolto. „Dies hat zur Folge, dass entgegen dem Planungsablauf beim konventionellen Bau die komplette Planung der Leistungsphasen 5, 6 und 7 bereits bei Start der Modulproduktion abgeschlossen sein muss. Eine baubegleitende Planung ist aufgrund der hohen Schnelligkeit in der Fertigung und auf der Baustelle nicht möglich.“ Unmittelbar nach Auftragserteilung begann die Pro­ duktion der 97 Module an den Produktionsstandorten von Cadolto in Cadolzburg und Krölpa. Parallel dazu starteten die Gründungsarbeiten auf der Baustelle in Düsseldorf. 42 Tage

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UNIVERSITÄTSKLINIKUM DÜSSELDORF STA N D O RT: Moorenstraße 5, Düsseldorf (DE) BAU H E R R: Universitätsklinikum Düsseldorf AöR, Düsseldorf (DE) A RC H I T E K T U R: Maßwerk Architektur, Berlin (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G : Cadolto Modulbau, Cadolzburg (DE) / Ingenieurbüro v. Spiess & Partner,

Dortmund (DE) M O D U L E : Cadolto Modulbau, Cadolzburg (DE) Z A H L D E R M O D U L E : 97 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : min. 6,82 m x 3,80 m x 3,54 m, max. 16,25 m x 4,88 m x 3,86 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 5097 m2 BAUZ E I T: Juni – November 2020

dauerte es, um die Stahlmodule mit maximalem Vorfertigungsgrad herzustellen. Auch der Einbau der Möbel und die Installation der Medizintechnik, etwa der Deckenversorgungseinheiten, erfolgten bereits im Werk. Die fertigen Module sind bis zu 16,25 m lang, 4,88 m breit und 3,86 m hoch. Nach Verlassen der Werkshallen gelangten die Module mit Schwertransportern an die Baustelle und wurden direkt nach der Ankunft mit einem Kran auf das Fundament gehoben. Um bis zu zehn Module wuchs das Gebäude täglich, sodass die Modulaufstellung nach 18 Tagen beendet war. Anschließend folgten Endmontage und Innenausbau, die Errichtung des gläsernen Brückenübergangs und die Montage der Fassadenverkleidung.

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Flexible Nachnutzung Da keine Pandemie ewig andauert, sollten die modularen Stationen auch nach dem Abebben von Covid-19 Behandlungskapazitäten bieten. Geplant ist unter anderem eine Nutzung als Intensivstation für Patienten, die eine Operation im benachbarten ZOM II hinter sich haben. Das wirkte sich nicht nur auf die Konzeption der Räume, sondern auch des Lüftungssystems aus. Dieses ist in der Lage, unterschiedliche Druckverhältnisse in den einzelnen Zimmern herzustellen und steigert so die Nutzungsflexibilität. Denn auf diese Weise lassen sich auf einer Station im Überdruckverhältnis immunsupprimierte Patienten und im Unterdruck infizierte Patienten behandeln. Durch die direkte Anbindung an den Bestand des Uniklinikums können die Patienten gut in den Neubau transportiert werden und auch das Personal erhält einen leichten Zugang.

12, 13 Die Module gelangten mit Schwer­ transportern auf die Baustelle und wurden direkt nach ihrer Ankunft mit einem Kran auf das Fundament gehoben. 14 Die Herstellung der Module mit einem hohen Vorfertigungsgrad verkürzte die Baustellenzeit und vereinfachte die technische Ausstattung vor Ort.

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Mit Naturstein in die Umgebung eingebettet

Rüdiger Mosler

Thomas Jakob

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Die Zentrale Notaufnahme der Uniklinik Köln ist 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag Anlaufstelle für medizinische Notfälle. Ärzte und Notfallsanitäter sind rund um die Uhr in Einsatzbereitschaft. Umso wichtiger ist während der ruhigen Phasen ein Aufenthaltsort, der zwar die direkte Anbindung an das Klinikgeschehen mit kurzen Laufwegen ermöglicht, gleichzeitig jedoch dazu beiträgt, die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten. medfacilities ist ein Unternehmen der Uniklinik Köln. Es

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entwickelt und plant Krankenhausgebäude und betreibt das Baumanagement. Auch für den Neubau des Bereitschaftsgebäudes übernahm medfacilities die Planung – der Entwurf stammt von der Moors Planungsgesellschaft. Mit dem Neubau ersetzte die Uniklinik ein Bestandsgebäude aus dem Jahr 2009, ebenfalls ein Modulgebäude, und zentralisierte die Bereitschaftsräume auf dem Klinikcampus. „Ein Großteil der Diensthabenden ist jetzt in einem Gebäude untergebracht, statt über mehrere Standorte

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verteilt“, sagt Astrid Klosterhuis, Projektleiterin Planung und Baumanagement bei medfacilities. Realisiert hat das Gebäude die Firma Kleusberg aus ­Wissen. Vier Geschosse, 800 m2 Wohn- und Nutzfläche, 40 funktional eingerichtete Einzelzimmer – jede Ebene des Neubaus verfügt über einen eigenen Aufenthaltsraum mit Koch- und Sitzgelegenheiten sowie über bis zu sechs Duschbäder. Für Kleusberg war es das zweite Projekt für die Uniklinik Köln. Auch das alte, dreigeschossige Gebäude für die Bereitschaftsärzte aus dem Jahr 2009 hatte das Unternehmen zusammen mit Moors Architekten errichtet. Warum Modulbau? „Aufgrund der beengten Verhältnisse erwies sich der Modulbau als die beste Variante“, sagt Jens Rohmann, Abteilungsleiter Planung und Baumanagement bei medfacilities. „So mussten wir kaum auf fremde Flächen für die Baustelleneinrichtung zurückgreifen.“ Dass es Module aus Stahl und nicht aus Holz geworden sind, habe an der Empfehlung des Modulbauunternehmens gelegen. „Wir sind nicht auf ein bestimmtes Material festgelegt.“ Zeitliche Aspekte hätten weniger eine Rolle gespielt.

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Beengte Grundstücksverhältnisse, erschwerte Baubedingungen Das Grundstück befindet sich – eingebettet in den Gebäudebestand des Universitätsklinikums – in einer hoch verdichteten Umgebung mit intensivem Fahrzeug- und Fußgängerverkehr. „Deshalb war es sehr wichtig, die Arbeiten an der Baustelle zu koordinieren“, sagt Astrid Klosterhuis, „besonders während der Anlieferung und Montage der 28 Module.“ Der Ausbaugrad betrug etwa 50 bis 60 %. Von der Modulmontage bis zur Fertigstellung dauerte es etwa sechs Monate. „Der Klinikbetrieb lief nahezu ungestört weiter“, sagt Rohmann. „Der typische Baustellenlärm und der Schmutz beschränkten sich weitgehend auf den Bau des Treppenhauses und des Aufzugsturms.“ Denn diese entstanden, wie im Modulbau nicht unüblich, in Stahlbetonbauweise. Größte Herausforderung war die Fassade. Damit sich das Gebäude in die Umgebungsbebauung einfügt, wünschte

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1 Damit sich das Gebäude an der Umgebungsbebauung anpasst, wünschte sich die Uniklinik eine Natursteinfassade. 2 Schnitt, M 1:500 3 Grundriss 1. Obergeschoss, M 1:500 4 Grundriss Erdgeschoss, M 1:500

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5, 6 Auf jedem Geschoss befinden sich ein Aufenthaltsraum mit Koch- und Sitzgelegenheiten sowie 40 funktional eingerichtete Einzelzimmer. 7 Während der Montage der insgesamt 28 Module lief der Klinikbetrieb nahezu

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sich die Uniklinik eine Natursteinfassade. Wie schon das benachbarte Gebäude des Kuratoriums für Heimdialyse und das Herzzentrum, erhielt deshalb auch das neue Bereitschaftshaus eine Außenbekleidung aus 4 cm starken Platten aus Kirchheimer Muschelkalk Rebstock. Sie stammen aus demselben Steinbruch wie die Natursteinplatten für die Fassaden der Bestandsgebäude. „Die Herausforderung lag darin, die Unterkonstruktion und die Ankerpunkte so zu planen, dass sie höhere Lasten abtragen können als dies sonst im Stahlrahmenmodulbau der Fall ist“, erklärt KleusbergProjektleiterin Esra Sarikaya. Auf der Südseite des Neubaus befindet sich eine kleine Terrasse, die durch eine Winkelstützwand eingefasst ist. Sie fängt den Höhenunterschied zwischen der Magistrale auf der Nordseite und dem Straßenniveau auf der Südseite ab. Geheizt wird das Gebäude mittels Fernwärme. Die RWA-­ Anlage ist autark. Die BMA-Zentrale wurde gebäudespezifisch neu errichtet und ist in das Gesamtnetz eingebunden. Frische Luft erhalten die Zimmer über Nachströmöffnungen in der Fassade. Außerdem lassen sich die Fenster von Hand öffnen. Durch den Einsatz von Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik sind alle Stellschrauben der Gebäudetechnik miteinander verknüpft. Dies ermöglicht eine zentrale Steuerung.

Fotos: Rüdiger Mosler

ungestört weiter.

GESUNDHEITSBAU

BEREITSCHAFTSGEBÄUDE UNIKLINIK KÖLN STA N D O RT: Kerpener Straße 62, Köln-Lindenthal (DE) BAU H E R R: Universitätsklinikum Köln (AöR), vertreten durch medfacilities GmbH,

Köln (DE) A RC H I T E K T U R: Moors Planungsgesellschaft, Langenfeld (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G : medfacilities Betrieb GmbH, Köln (DE) M O D U L E : KLEUSBERG GmbH & Co. KG, Wissen (DE) Z A H L D E R M O D U L E : 28 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : 11,48m x 3,17m x 3,20 m + 8,24 m x 3,80 m x 3,20 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 980 m2

Kleusberg

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BÜRO- UND GEWERBEBAU SAP-BÜROGEBÄUDE IN WALLDORF 136 Bürogebäude in Stahl-Holz-Modulbauweise Claudia Fuchs HOTEL JAKARTA IN AMSTERDAM 144 Ein Hotel als hybrider Holzmodulbau Susanne Jacob-Freitag INFOPAVILLON IM INNOVATIONSPARK ZÜRICH 152 Pionierbau und Provisorium Thomas Jakob

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Bürogebäude in Stahl-Holz-Modulbauweise

Zooey Braun

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Der Softwareanbieter SAP wollte seinen Stammsitz in Wall­ dorf bei Heidelberg um einen Neubau erweitern, der auf 12 500 m² Bruttogrundfläche eine variantenreiche Büro­ landschaft für 550 Mitarbeiter bietet und innerhalb von nur zwei Jahren realisiert werden kann. Ein Bürogebäude dieser Größenordnung hätte in konventioneller Bauweise etwa die doppelte Laufzeit benötigt. Daher konzentrierten sich die Stuttgarter Architekten Scope schon zu Beginn auf Vorfer­ tigung und Modulbauweisen und untersuchten zunächst unterschiedliche Konstruktionsarten – Holztafelbau und Stahlrahmenmodule ebenso wie eine Stahlbetonskelett­ bauweise mit Fertigteilen. Ein wesentliches Kriterium war,

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wie viel Spielraum und Möglichkeiten zur Individualisierung hinsichtlich Modulgrößen, Fassadengestaltung und Mate­ rialwahl die jeweiligen Systeme bieten und wie flexibel die jeweiligen Anbieter auf die Vorgaben der Architekten reagie­ ren können. Außerdem sollte das Büroraumkonzept, das auch großflächige offene Raumbereiche einschließt, mit dem Modulsystem umsetzbar sein. Die Stahlrahmenbauweise erschien am ehesten geeignet aufgrund ihrer flexiblen Anpassbarkeit, großer Spannweiten und schneller Fertigungsmöglichkeiten. Zudem zeigen Refe­ renzprojekte wie das Innovationszentrum des Wissenschaftsund Technologieunternehmens Merck in Darmstadt, das

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1 Foyer

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1 Jedes Büromodul reicht über zwei Achsen und hat ein Fenster- sowie ein geschlossenes Fassadenelement. 2 Grundriss 1. Obergeschoss, M 1:750 3 Grundriss Erdgeschoss, M 1:750

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Henn Architekten entworfen haben und das schwäbische Unternehmen ADK Modulraum in Stahlrahmenbauweise er­ stellt hat, dass auch mit vorgefertigten Bauelementen indivi­ dualisierte Lösungen realisierbar sind. Um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, wählten Scope Architekten auf Wunsch des Bauherrn fünf Bauunternehmen aus, mit denen sie Gespräche aufnahmen und die modul­ bauspezifischen Aspekte thematisierten. In dieser Phase er­ stellten die Architekten auch die Leitdetails und den Vorent­ wurf. Die Firmen gaben Richtpreisangebote ab und erläuter­ ten ihre Herangehensweise sowie die Planung und Zeitdauer. Auf Grundlage der indikativen Angebote, Teamvorstellung und Arbeitsweise entschied sich der Bauherr für die Zusam­ menarbeit mit ADK Modulraum.

Grundrisskonzept und Gebäudevolumen Die Architekten entwickelten ein auf die Wünsche des Bau­ herrn abgestimmtes, typologisch breitgefächertes Büro­ konzept, das von Open-Office-Bereichen über Gruppen­ büros und Micro Offices für konzentriertes Arbeiten bis zu Besprechungsräumen verschiedener Größen reicht. Diese ver­ teilen sich auf zwei Gebäudeflügel mit außermittig angeord­ neten, lichtdurchfluteten Atrien und den an sie anschlie­ ßenden, als Einbund und Zweibund organisierten Büro­ räumen. Die kommunikative Mitte des Hauses bildet der Social Hub zwischen den beiden Büroflügeln. Er nimmt die

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Erschließung sowie Konferenzräume auf und bietet viel Raum für informelle Begegnungen. Die Bürotrakte und der zentrale Hub bestehen aus StahlHolz-Modulen, wobei in den Büroflügeln zwei verschiedene Modullängen und im Hub-Bereich eine Vielzahl individueller Modulabmessungen miteinander kombiniert wurden. Eine wesentliche Grundlage des Konzepts war, das Büroraster und wirtschaftlich transportierbare Modulgrößen aufeinan­ der abzustimmen. Als Büroraster legten die Architekten ein Achsmaß von 1,50 m fest. Die darauf aufbauende Breite des Moduls beträgt 3 m, seine Höhe 4,50 m und die Länge 11 be­ ziehungsweise 18 m, was zu Modulgewichten von bis zu 35 t führte. Jedes Büromodul reicht somit über zwei Achsen und hat ein Fenster- sowie ein geschlossenes Fassadenelement. Die Modulbauweise liegt nicht nur der Struktur des Ge­ bäudes zugrunde, sie prägt auch wesentlich seinen architek­ tonischen Ausdruck. Leichte, geschossweise Vor- und Rück­ sprünge der Quader differenzieren das Gebäudevolumen und gliedern die Fassaden rhythmisch. Da jeder Modulboden und jede Moduldecke aus einer vollständigen Trägerlage be­ steht, war für die Auskragungen kein größerer konstruktiver Mehraufwand notwendig. In den betreffenden Modulen wur­ den lediglich die Wandstärken der Stahlträger erhöht. Durch dieses einfache Prinzip – ähnlich aufeinanderge­ stapelter Bauklötze – entstehen an der Fassade Rücksprün­ ge, die als Balkone genutzt werden können, und im Inneren durch die zueinander versetzten Ebenen differenzierte räumliche Bezüge. Glastrennwände zu den Lichthöfen und

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4 Grundrissschemata der beiden Büro­bauten in Walldorf (oben) und St. Leon-Rot (unten) 5 Der zentrale Hub verbindet die Büro­ bereiche horizontal und vertikal miteinander. 6 Ein voluminöses Stahlskelett trägt die Treppen und bietet Platz für kleine Bespre­ chungsbereiche.

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zwischen den Bürobereichen fördern die visuelle Kommuni­ kation und unterstützen die offene und transparente Unter­ nehmenskultur.

Fertigung und Montage Die Architekten erarbeiteten einen Vorentwurf, der die Kons­ truktionsart bereits berücksichtigte und den Hersteller früh­ zeitig miteinbezog, und entwickelten die Leitdetails. Ab Okto­ ber 2017 übernahm ADK als Generalunternehmer die Werkund Ausführungsplanung für die Module unter der künstleri­ schen Oberleitung der Architekten. Aufgrund der vielen Parameter – statische Anforderungen, Wand-, Tür- und Fens­ terpositionen, TGA-Anforderungen, unterschiedliche Aus­ baumaterialien – sind alle 224 Module unterschiedlich. Jedes verfügt über einen eigenen Plansatz und eigene statische Berechnungen. Die Module sind in Hybridbauweise erstellt: Die statisch hochbelasteten Teile des Tragwerks bestehen aus Stahl, während die weniger belasteten Teile, beispielsweise die Trä­ ger der Decken- und Bodenkonstruktion, aus Holz sind. Die Module wurden im Werk in Neresheim einschließlich der ­Beplankung der Fassaden, Decken- und Bodenflächen mit Gipsfaserplatten vorgefertigt, auch die Fenster waren bereits werkseitig eingesetzt. Per Schwertransport wurden täglich jeweils sieben bis acht mit Transportplane als Witterungs­ schutz umhüllte Module auf die Baustelle geliefert und ver­

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ADK Modulraum

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setzt. Aufgrund des hohen Zeitdrucks wurden die ersten ­Module bereits aufgestellt, während die Bodenplatte an an­ derer Stelle noch betoniert wurde. Die Module wurden per Kran platziert und mit kleinen Stahlplatten miteinander ver­ schweißt. Dafür waren rund 30 Minuten pro Element erfor­ derlich, sodass der Rohbau in nur acht Wochen stand. Da die Module bereits mit Fenstern und provisorischer Dach­ abdichtung als wetterfestem Abschluss angeliefert wurden, begann der Innenausbau bereits unmittelbar nach dem Auf­ stellen. Auf diese Weise war es möglich, viele Gewerke zeit­ gleich auf der Baustelle arbeiten zu lassen. Das stellte sich als großer Vorteil der Modulbauweise heraus, denn das Büroge­ bäude stellte hohe Anforderungen hinsichtlich Ausstattung, Raumluftqualität, Verkabelung und Elektrotechnik. Insge­ samt lag der Vorfertigungsgrad der Module bei circa 60 %. Mit längerer Vorlaufzeit in der Planung hätte man auch den Innenausbau stärker auf die Vorfertigung abstimmen kön­ nen, um deren Potenzial noch besser auszuschöpfen. Die Fassaden wurden vor Ort montiert. Als homogene Hülle umgeben pulverbeschichtete Lochbleche den gesam­ ten Baukörper. Die einzelnen „Bausteine“ sind als gegenein­ ander verschobene Module leicht erkennbar, werden aber durch die semitransparente Metallhaut elegant zusammen­ gebunden. Diese unterstreicht den industriellen Charakter des Gebäudes, doch auch hier wurde das Industrieprodukt individualisiert: Die 1,4 × 3,5 m großen Bleche erhielten eine Lochung in definiertem Raster, deren Lochanteil von unten nach oben von 20 % kontinuierlich auf 40 % ansteigt. Die fein

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7, 8 Die individuell dimensionierten Stahl-HolzModule wurden mit Beplankung, aber noch ohne Fassadenverkleidung vorgefertigt und gelangten per Tieflader auf die Baustelle. 3

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9, 10 30 Minuten dauerte es durchschnittlich, bis jedes Modul an seinen Platz gehievt war. Die verglasten Atriendächer mit ihren Stahl­trägern

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wurden komplett vor Ort errichtet.

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11 Axonometrie Modul 4

12 Modell der übereinandergestapelten

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Module

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1 Rahmen Stahl-Rechteckrohr 100/300 mm

3 Lattung 60/60 mm

2 Querträger Kantholz 80/240 mm

4 temporäre Aussteifung für Transport

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13 Leichte geschossweise Vor- und Rück­ sprünge differenzieren das Gebäudevolumen und gliedern die Fassaden rhythmisch.

detaillierten Schiebeläden sind ebenfalls als gelochte Bleche ausgebildet und dienen so anstelle klassischer Raffstores als Sonnenschutz. Auf der Dachterrasse zeigt sich das Konstruk­ tionsprinzip unverkleidet: Hier liegen die Stahlrahmen offen und tragen lediglich Markisen als Verschattungselemente und Lochblechpaneele als Sichtschutz. Auch mit Gestaltung und Materialwahl der Innenräume verweisen die Architekten auf das Serielle und Industrielle: mit einem Holzboden aus Multiplex-Stabparkett, mit Lochblechen für Deckenverklei­ dungen und der Absturzsicherung der Foyertreppe aus schwarzen Stahlnetzen. Das Gebäude wurde mit dem inter­ nationalen Nachhaltigkeitslabel Leed in Silber ausgezeichnet.

ohne zusätzliche Abstimmung übernommen. Hier besteht der 12 600 m² große viergeschossige Neubau aus 254 Modu­ len. Die Materialien für Fassaden und Innenausbau sind bei beiden Gebäuden die gleichen, was in diesem Fall auch dem Zeitdruck geschuldet ist. Der Planungsaufwand für den Neu­ bau in St. Leon-Rot war insgesamt wesentlich geringer als in Walldorf. Allerdings würden sich wirtschaftliche Vorteile des Modulbaus in Hinblick auf die Baukosten erst in einer Art Kleinserie, mit dem dritten oder vierten Projekt, zeigen. Das System ist prinzipiell variierbar: Mit ähnlichen Grundmodulen sind unterschiedliche Raumkonstellationen möglich, das Ge­ bäude kann aus kleinen und großen Clustern konfiguriert wer­ den; dabei ist der Hub als Zentrum des Gebäudes jeweils ­individuell gestaltbar, und auch die Materialwahl ist variabel.

Zweites Gebäude, ein System Nur um zwei Monate zeitversetzt realisierte Scope mit ADK im gleichen System einen weiteren Büroneubau für SAP im 10 km entfernten St. Leon-Rot für 500 Mitarbeiter. Die Archi­ tekten übernahmen die für den Standort Walldorf definierten Modulgrößen und Innenausbaustandards, entwickelten aller­ dings die Kubatur des Gebäudes aus dem Kontext und der städtebaulichen Situation. Die Bürobereiche sind in drei Span­ gen angeordnet, die sich auf der Westseite des langgestreck­ ten Hubs angliedern und die Grundrissstruktur zu einem Qua­ drat vollenden. Da die Erfahrungen aus dem ersten Gebäude unmittelbar genutzt werden konnten, wurden beispielsweise die bereits freigegebenen Details für das zweite Gebäude

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Serielle Individualität Beide Gebäude zeigen beispielhaft das Potenzial modularen Bauens als Symbiose von Serien- und Maßanfertigung mit sehr kurzer Planungs- und Bauzeit, um wie hier auf ein star­ kes Unternehmenswachstum relativ kurzfristig mit qualität­ voller Architektur antworten zu können. Serienfertigung und individuelle Gestaltung sind vereinbar, wenn den Architekten ein Hersteller zur Seite steht, der ihre Vorstellungen auch über einen Standardkatalog hinaus auf individuelle Weise umsetzt, und wenn der Bauherr Architektur als integralen Be­ standteil der Unternehmenskultur wertschätzt.

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SAP-BÜROGEBÄUDE IN WALLDORF STA N D O RT: Hasso-Plattner-Ring 7a, Walldorf (DE) BAU H E R R: SAP SE, Walldorf (DE) A RC H I T E K T U R: SCOPE Architekten GmbH, Stuttgart (DE) T R AGW E R KS P L A N U N G : ADK Modulraum GmbH, Neresheim (DE) M O D U L E : ADK Modulraum GmbH, Neresheim (DE) Z A H L D E R M O D U L E : 224 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : 11/18m x 3 m x 4,50 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 12 500 m2

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Ein Hotel als hybrider Holzmodulbau Susanne Jacob-Freitag

Das neue Hotel Jakarta in Amsterdam ist ein Hybridbau aus Stahlbeton, Massivholz und Glas. Die kurze Montage und die schnelle Bauzeit sind vor allem den Raummodulen aus Holz zu verdanken. Im Jahr 2014 hat die Stadt Amsterdam im Rahmen eines Sanierungsprogramms die Entwicklung eines Hotels auf Java Island, dem ehemaligen Schiffsanlegesteg nach Javas Hauptstadt Jakarta, ausgeschrieben. WestCord Hotels präsentierte zusammen mit dem Amsterdamer Büro Search und in Zusammenarbeit mit dem Tropenmuseum und dem Hortus Botanicus Amsterdam das Hotelkonzept für ein energieneutrales Gebäude aus Stahlbeton, Holz und Glas, das dann als Sieger aus dem Wettbewerb hervorging. Das dreiecksförmige Gebäude vereint zwei Haupttragstrukturen: einen Stahlbetonskelettbau und eine wabenähnliche Struktur aus Raummodulen in Holzmassivbauweise. Dabei entwickelt sich das insgesamt knapp 100 m lange Bauwerk an der dem Wasser zugewandten Seite von einem Stahlbetonsockelgeschoss aus in die Höhe. Drei Erschließungstürme aus Stahlbeton mit Treppenhäusern und Aufzügen bilden das statische Rückgrat des Gebäudes. Sie wirken wie ins Fundament eingespannte Kragarme. An ihnen lehnt sich die Tragstruktur des gesamten Gebäudes an – sowohl der Stahlbetonskelettbau als auch der Holzbau aus aneinandergereihten und übereinandergestapelten Raummodulen.

Für 176 der 200 Hotelzimmer und Suiten im Boutique-Stil wählten die Architekten 30 m² große, vorgefertigte Raummodule in Hybridbauweise aus Stahlbeton und Brettsperrholz (BSP). Die Raummodule sind 10,10 m lang, 3,46 m breit und 2,88 m hoch. Sie haben eine Bodenplatte aus Stahl­ beton inklusive Fussbodenheizung und -kühlung. Die Platte hat ober- und unterseitig Aufkantungen. Auf die oberen Aufkantungen werden die 14 cm dicken BSP-Wände platziert. Der Anschluss an die Bodenplatte erfolgt über Gewindestangen, die senkrecht in die Aufkantungen eingelassen

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Alle Fotos: Derix-Gruppe

Zimmer in Holzmodulbauweise

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1 Hotels bieten sich durch die immer gleichen Grundrisse der Zimmer ideal für die Modulbauweise an. In Amsterdam entstand das Hotel Jakarta als Holz-Beton-Hybridbau mit bis zu neun Geschossen.

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sind und dann in die vorgebohrten Löcher an den Unterkanten der Wandscheiben eingefädelt wurden. Auf Höhe der Gewindestangenenden erhielten die BSP-Wände seitlich eingefräste Löcher, sodass die Enden in diesen „Taschen“ über eine Stahlplatte und Kontermutter gegengeschraubt werden konnten. Die 10 cm dicken BSP-Deckenelemente wurden zum Schluss mithilfe von Ausfälzungen der Wandkronen zwischen die Wände eingelegt und mit diesen verschraubt. Die Raummodule erhielten zudem einen überdachten Außenraum, der als bauliche Verschattung fungiert, aber auch als Innenbalkon dient. Dieser entsteht, indem die stirnseitige Verglasung mit Schiebeelement um einen Meter zurückgesetzt wird. Der Innenbalkon kann komplett mit Glas verschlossen werden, wodurch ein zusätzlicher Wärmepuffer beziehungsweise ein Puffer gegen Schallimmis­ sionen entsteht. Auch die Entwässerungs- und Installa­ tionsleitungen sind ab Werk Bestandteil jedes Moduls. Die Innenwandseiten wurden entsprechend ausgefräst. Die Leitungen verschwinden später hinter einer Decklage aus Weißtanne.

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Montage: Wand an Wand und Boden über Decke Die 176 Raummodule gliederten sich in sechs verschiedene Modultypen. Dabei sind jeweils 75 Module von Typ A und Typ B. Die restlichen 26 Raummodule unterteilten sich in weitere vier weitere Modultypen. Im Scheitelpunkt und in den Eckbereichen musste man die Hotelzimmer aufgrund ihrer individuellen Form allerdings ganz klassisch aus Einzelelementen errichten. Das Holzbauunternehmen Derix dimensionierte die 2100 m³ BSP-Elemente mit allen Ausfräsungen für Verbindungsmittel, Entwässerungs- und Installationsleitungen und übernahm außerdem die Werkplanung und den Abbund. Die Holzbausätze gingen anschließend ins Werk von Ursem Modulaire Bouwsystemen nach Wognum in den Niederlanden, wo sie zu Modulen samt Installationen und Bädern vorgefertigt wurden. Für den Transport zur 15 km

2 Fassade und Dach sind über eine sehr dezente Glas-auf-Glas-Verbindung miteinander verbunden, sodass die innere Pfosten-RiegelVorhangfassade durchgängig sichtbar ist. 3 Explosionszeichnung der verschiedenen Tragstrukturen. Die Raummodule werden bis zu acht Geschosse über dem Sockelgeschoss gestapelt.

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entfernten Baustelle hüllte man sie zum Schutz vor Regen in Plastikfolie, entpackte sie nach der Ankunft und reihte sie auf dem Stahlbetonsockelgeschoss aneinander und bis zu acht Stockwerke nach oben. Zur exakten Platzierung und Justierung erhielten die Eck- und Randbereiche der Bodenplatten Löcher auf der Unterseite beziehungsweise Bleche mit konisch geformten Stahldornen auf der Oberseite der BSP-Moduldecke, sodass die Module beim Einheben und Ablassen wie eine Steckverbindung ineinandergreifen, dadurch exakt platziert und unverschiebbar gehalten sind. Aus Schall- und Brandschutzgründen sind die Fugen zwischen den doppelten Wänden beziehungsweise den doppelten Böden mit einer 4 cm dicken Lage Mineralwolle-

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dämmung gefüllt. Von den beiden Längswänden eines Moduls erhielt jeweils nur eine Wand eine werkseitig ­aufgebrachte Dämmlage, die je eine Fuge bei der Reihung füllt. Die in sich stabilen, selbsttragenden Module übertragen die Vertikallasten über die Wände nach unten in die Fundamente beziehungsweise die Horizontallasten – die Module sind auch untereinander über Stahlbleche verbunden – auf die drei Erschließungstürme aus Stahlbeton. Der zentrale Innenhof des Hotels erhielt als Überdachung eine Art Gitterrost aus Brettschichtholz mit darauf aufgelegtem Glasdach. Dabei überspannt ein 26 m langer Hauptträger einen Teil des Atriums in Längsrichtung und fungiert als Mittelauflager für die von den Längs-

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4–7 Die Raummodule sind 10,10 m lang,

wänden kommenden Querträger. Diese schließen an den unterspannten Hauptträger wie Sparren an eine Firstpfette an. Weitere Querbalken zwischen den Sparren stabilisieren deren obere Ränder und bilden oberkantenbündig mit der restlichen Dachkonstruktion einen Auflagerrost für das Glasdach. Die Süd- und die Ostfassaden des Gebäudes sind wie das Dach mit gebäudeintegrierten Photovoltaikpaneelen bekleidet. Die Nord- und Ostfassaden des Hotels erhielten darüber hinaus eine Bekleidung aus eloxierten Aluminiumpaneelen. Sie sind jeweils mit einem speziellen Perforationsmuster versehen, das antike Illustrationen von Handelsschiffen aus dem „Goldenen Zeitalter“ Amsterdams kombiniert.

3,46 m breit und 2,88 m hoch. Sie verfügen über eine Bodenplatte aus Stahlbeton inklusive Betonkernaktivierung zum Heizen und Kühlen. In die Aufkantung der Stahlbetonbodenplatte eingelassene Gewindestangen dienen als Anschlusseisen für die Wände. 8, 9 Jeden Tag wurden bis zu zwölf Module montiert und mittels Stahldornen und Löchern aufeinander befestigt. 10 Jedes Raummodul wurde mit Passivhausfassade, Balkon und inklusive aller technischen Installationen geliefert.

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HOTEL JAKARTA IN AMSTERDAM STA N D O RT: Javakade 766, Amsterdam (NL) BAU H E R R: WestCord Hotels, Amsterdam (NL) A RC H I T E K T U R: SeARCH Architects, Amsterdam (NL) T R AGW E R KS P L A N U N G : Pieters Bouwtechniek, Amsterdam (NL) M O D U L E : DERIX, Niederkrüchten (DE), Ursem Modulaire Bouwsystemen B.V., Wognum (NL) Z A H L D E R M O D U L E : 176 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : 10,10 m x 3,46 m x 2,88 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 16 500 m2 BAUZ E I T: April 2016 – Juni 2018

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11 Das Hotel hat zum Scheitelpunkt hin neun Geschosse, im hinteren Bereich ist es fünfgeschossig. Höhenbeschränkungen für Holzbauten gibt es in Holland nicht, solange die Normen und Vorschriften eingehalten werden. 12 Die Sichtoberflächen der Hotelzimmer bestehen aus Weißtanne.

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Pionierbau und Provisorium Thomas Jakob

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Ein Bau, an dem sich innovative und zukunftsträchtige Ent­ wicklungen im Holzbau ablesen lassen – das war die Vor­ gabe im Wettbewerb des Kantons Zürich für den Informa­ tionspavillon im Innovationspark Zürich. Bewerben konnten sich Architekten gemeinsam mit ausführenden Unterneh­ men. Gewonnen hat die Idee eines Holzmodulbaus mit neun

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Modulen, der mit einer „FreeForm“ aus massivem Holz kom­ biniert wurde. Verantwortlich für das Projekt: FAT Architects aus Luxemburg. Gemeinsam mit dem Schweizer Holzbauun­ ternehmen Blumer-Lehmann wollten sie die Bandbreite des Materials Holz zeigen: Holzmodulbau, elementiertes Bauen mit Holz und Freiform.

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Alle Fotos: Blumer-Lehmann AG

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1 Auf dem Areal des Flugplatzes Dübendorf entsteht der Innovationspark Zürich. FAT Architects entwarf den Informationspavillon

Der Park auf dem Gelände des ehemaligen Militärflugplat­ zes Dübendorf bei Zürich ist Teil der Initiative „Switzerland Innovation“. Sie bietet in- und ausländischen Unternehmen an fünf Standorten eine erschlossene, hochschulnahe, erwei­ terungsfähige und attraktiv gelegene Infrastruktur für die Entwicklung innovativer Ideen zu marktfähigen Produkten.

als Kombination aus Holzmodulen und Freiform-Holzkonstruktion. 2 Von der Aussichtsterrasse des Pavillons blickt man über das ehemalige Flughafenareal in Richtung Alpen.

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Verantwortlich für den Aufbau und den Betrieb in Düben­ dorf zeichnet die Stiftung Innovationspark Zürich, die 2015 vom Kanton Zürich, der ETH Zürich und der Züricher Kanto­ nalbank gegründet wurde. Für FAT Architects war es der erste Modulbau. „Die größ­ te Aufgabe war es, in der Planung komplett alles zu detaillie­ ren und zu besprechen, da auf der Baustelle das fertige Pro­ dukt angeliefert und aufgestellt wurde. Es ging weniger um die konstruktiven Details als vielmehr um die ganze Gestal­ tung und das Konzeptuelle“, sagt Thomas Kruppa, Geschäfts­ führer bei FAT Architects. Detailliert wurde wie bei einem Mö­ belstück vor allem in 3D, nur in einem anderen Maßstab. „Bei der Ausführungsplanung gab es dann einige Detailpunkte, bei denen wir genauer hinschauen mussten: zum Beispiel bei der Fügung der Module. Für die Stöße muss man gestalteri­ sche Lösungen finden. Der Architekt muss sich fragen: Ver­ wische ich die Stöße der Module und vereinheitliche ich sie oder zeige ich die Fugen ganz bewusst?“ FAT entschied sich, Stöße nicht zu kaschieren. „Wir wollten die Modularität des

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Gebäudes zeigen, seinen temporären Charakter“, sagt Kruppa. Denn nach einer Laufzeit von acht Jahren soll das Gebäude wieder rückgebaut werden. Der Pavillon ist in vielerlei Hinsicht ein Pionierbau. Das Pro­ visorium signalisiert den Wandel des Flughafens, es erlaubt auf der Dachterrasse einen ungewohnten Blick in das fla­ che Moorgebiet, hinter dem der Säntis aufragt. Der skulp­ turale Charakter und die lichtdurchlässige Membran aus Ethylen-Tetrafluorethylen-Copolymer (ETFE)-Folie bringt eine neue architektonische Qualität in die militärisch-nüch­ terne Umgebung. „Wir hatten die Idee, den Pavillon als offenes Stadtmö­ bel zu gestalten. Die Aussichtsplattform inszeniert die Sicht auf das Areal und das Alpenpanorama“, so der Architekt. Die Raummodule sind hochwertig ausgebaut. Außen wie innen stehen Begegnung und Austausch im Mittelpunkt. Neben den Büro- und Sitzungsräumen gibt es eine Café­ bar, Ausstellungsflächen und die öffentlich zugängliche Dachterrasse.

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Das Haupttragwerk besteht aus einem Primär- und Sekundär­ tragwerk aus Holz und ist als Hüllkonstruktion über die vorge­ fertigten Raummodule aus Holz gestellt. Zwischen Haupttrag­ werk und Fassadenlattenverkleidung ist die transparente, lichtdurchlässige Membran als Wetterschutzhülle befestigt. Energetisch unterschiedlich konzipierte Bereiche liegen so­ mit funktionsabhängig innerhalb des Pavillons: Das Innere der Module bildet den wärmegedämmten Bereich, außerhalb der Module liegt die durch die Membran wettergeschützte Zone. Die funktionale Besonderheit des Pavillons besteht in der Aufteilung in drei horizontale Ebenen: Die erste Ebene besteht aus den neun Raummodulen im Erdgeschoss, die zweite Ebene aus der Ausstellungsfläche auf den Modulen, die dritte ist die Aussichtsplattform auf dem Pavillon. Drei Raummodule bilden das Café, vier die Büroeinheit. Die sani­ tären Anlagen und die Haustechnik sind in zwei Raummo­ dulen untergebracht. Die versetzte Anordnung der Module erlaubt die Blickbezüge auf und in die einzelnen Raummo­ dule. Dadurch erhält der Innenraum eine strukturelle und perspektivische Spannung. Die Fenster des Pavillons schlie­ ßen flächenbündig ab und werden als Durchbruch der dün­ nen Membran zur Querlüftung eingesetzt. Diese Lösung er­ spart eine aufwendige Lüftungstechnik. Durch die offene Fassade wirkt der Pavillon bei Tageslicht sowie bei nächtli­ cher Illumination leicht und durchlässig. Um die idealen Maße für die Module zu finden, entwi­ ckelte FAT zunächst ein Raster, in dem sich das vorgegebene Raumprogramm unterbringen ließ und das dem Wunsch der Ausloberin nach einem Leuchtturmprojekt gerecht wurde. Basierend auf diesem Raster leitete das Büro dann die Mo­ dulgröße ab. Die Module sind aus wirtschaftlichen und transporttechnischen Gründen 3 m breit. Transporte mit Brei­ ten über 3 m sind Sondertransporte, über 3,20 m muss der Transport in einigen Bundesländern von der Polizei beglei­ tet werden. Die Module sind unterschiedlich lang, weil FAT einen Raum schaffen wollte, der unterschiedliche Ein- und Ausblicke ermöglicht. In einem Wohnungsbauprojekt in Holzmodulbauweise nutzt das Büro die volle Rasterbreite von 3,50 m. Diese lässt sich gerade noch mit dem Lkw transportieren. „Aus

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3–6 Drei Raummodule bilden das Café, vier die Büroeinheit. Die versetzte Anordnung der Module erlaubt die Blickbezüge auf und in die einzelnen Raummodule. Dadurch erhält der Innenraum eine strukturelle und perspekti­ vische Spannung. 7 Grundriss Erdgeschoss, M 1:750 8 Grundriss Obergeschoss, M 1:750

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gestalterischen Gründen würden wir auch dort gerne ver­ schiedene Rasterbreiten nutzen. Leider ist dies oft aus Kos­ tengründen nicht machbar.“ Ein Problem, mit dem sich auch andere Architekten vor allem im Wohnungsbau aus­ einandersetzen müssen.

Integrales Planungsteam mit Holzbauexpertise Man kann sich als Architekt mehr oder weniger schnell in die Planungsabläufe beim Modulbau einarbeiten. Weitaus schwieriger ist es aber, sich Holzbaukompetenz anzueig­ nen. Thomas Kruppa empfiehlt deshalb, mit einem integra­ len Planungsteam mit Holzbauexpertise zu arbeiten und gegebenenfalls einen Holzbauingenieur hinzuzuziehen. Für FAT war das kein Problem, denn der damalige Mitgründer, Frank Stolz, war jahrelang Projektleiter bei Blumer-Lehmann und brachte entsprechend viel Holzexpertise in das Projekt ein. Auch die Statiker müssen Erfahrung mit Holzkonstrukti­ onen haben. Immer wieder komme es vor, dass diese zu wenig Erfahrung vorweisen können, sagt Kruppa. Man dürfe den Holzbauer aber auch nicht alleine lassen. Denn als Zimmermann suche dieser immer nach der konst­ ruktiv besten Lösung. „Daher ist die gestalterische Kompe­ tenz des Architekten wichtig. Nur so kann man Konstruktion und Gestaltung verknüpfen und eine Lösung finden, die alle zufriedenstellt.“ Und wie gelingt die gedeihliche Zusam­ menarbeit? „Viel miteinander reden“, sagt Kruppa. Idealer­ weise kämen dabei ganz neue Ansätze heraus. „Bei unse­ rem Informationspavillon haben wir die Öffnungen nicht an der Kopfseite der Module vorgesehen, sondern um 90 Grad

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gedreht an den Längsseiten. Für Blumer-Lehmann war das erst mal ungewöhnlich, es entsprach aber unserem gestalterischen Anspruch.“ Da der Holzbauer die konstruktiven Details entwi­ ckelt, ist es eher kontraproduktiv, wenn der Architekt in der Ausschreibung vorgibt, wie etwas konstruktiv gelöst werden muss. Sinnvoller sei eine funktionale Leistungsbeschreibung, so Kruppa, dies ermögliche wirtschaftliche Lösungen. Wann Statiker, Holzbauingenieur und Modulbauer in die Planung einbezogen werden, hängt von der jeweiligen Bau­ aufgabe ab. In Dübendorf entwickelte FAT zunächst das städtebauliche Konzept. Mit dem ersten Vorentwurf für den Pavillon setzten sie sich dann mit dem Statiker und BlumerLehmann zusammen. „Deren Holzbaufachleute wussten dann schon, was in etwa auf sie zukommt und welche Spannweiten wir uns vorstellen. Sie konnten dann schon ­sagen, was konstruktiv möglich ist und was nicht und ob unsere Vorstellungen wirtschaftlich darstellbar sind.“ Meist bringen die Modulbauunternehmen ihre eigenen Statiker, Brandschutz- und Akustikexperten mit. Dies hat den Vorteil, dass sie sich sehr gut mit der jeweiligen Konstruktionsweise auskennen und sich der Architekt auf die gestalterische Oberleitung konzentrieren kann. Fühlte sich FAT durch den Modulbau in der gestalteri­ schen Freiheit eingeschränkt? „Einschränkungen gab es nicht durch den Modulbau, sondern durch den Kostenrah­ men“, sagt Kruppa. So habe man die Seite zum Flugfeld hin mit Glas sehr transparent halten wollen. Aus wirtschaftli­ chen Erwägungen wurde es dann transluzent mit einigen Fensteröffnungen. Die Besucher dürften diese Einschrän­ kung kaum bemerken. Sie genießen den skulpturalen Cha­ rakter des Gebäudes und die tolle Aussicht.

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INFOPAVILLON IM INNOVATIONSPARK ZÜRICH STA N D O RT: Wangenstrasse 68, Dübendorf (CH) BAU H E R R: Blumer-Lehmann AG, Gossau (CH) A RC H I T E K T U R: FAT architects S.à r.l., Munsbach (LU) T R AGW E R KS P L A N U N G : Blumer-Lehmann AG, Gossau (CH) M O D U L E : Blumer-Lehmann AG, Gossau (CH) ZAHL DER MODULE: 9 M O D U L M ASS ( L / B / H ) : 8,95 – 12,15m x 2,99 m x 3,10 m B RU T TO G RU N D F L ÄC H E : 550 m2 P L A N U N GS - U N D BAUZ E I T: Oktober 2017 – Februar 2018

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9 Längsschnitt, M 1:250 10–12 Das Haupttragwerk des Pavillons besteht aus einem Primär- und Sekundärtrag­ werk aus Holz, das als Hüllkonstruktion über die vorgefertigten Holzmodule gestellt ist. Zwischen Haupttragwerk und der Fassade ist 11

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eine transparente, lichtdurchlässige Membran als Wetterschutzhülle befestigt.

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FAQ

Häufig gestellte Fragen zum Modulbau

F R AG E N Z U R BAU W E I S E Wie wird die Modulbauweise im Bauordnungsrecht behandelt? Da es sich bei Gebäuden aus Modulen um dauerhafte Ge­ bäude handelt, werden die normalen bauordnungsrecht­ lichen Vorschriften angewendet, die auch für konventionelle Bauweisen gelten. Die Anforderungen sind daher mit denen an den Massivbau vergleichbar. Zudem verfügen einige ­Unternehmen über eine geprüfte Typenstatik, Brandschutz­ gutachten sowie über Jahre erprobte Regeldetails. Das hat den Vorteil, dass hierdurch die Genehmigungsphase, also insbesondere die Bearbeitung des Bauantrags für das Modul­ gebäude, in der Regel erheblich verkürzt wird.

Ist die Qualität eines Modulgebäudes mit der eines konventionellen Gebäudes vergleichbar? Nachweislich ist die Beseitigung von Mängeln Kostentreiber Nummer eins am Bau. Beim konventionellen Bauen entste­ hen diese Mängel vor allem durch eine schlechte Koordina­ tion der Gewerke auf der Baustelle sowie durch mangelnde

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Foto: Alho

Was ist der Unterschied zwischen einem Container und einem Raummodul? Modulgebäude verstehen sich in erster Linie als dauerhafte Lösung und somit als Alternative zur konventionellen Bau­ weise. Grundsätzlich eignet sich die Modulbauweise für Neu­ bauten aller Art sowie für Anbauten oder Aufstockungen. Modulgebäude sind baukonstruktiv ausgereift, energetisch optimiert und architektonisch anspruchsvoll. Sie lassen sich, wenn das gewünscht ist, äußerlich von konventionell errich­ teten Gebäuden nicht unterscheiden. Im Gegensatz zu den dauerhaften Modulgebäuden lösen Gebäude aus Systemcontainern vorrangig temporären Raumbedarf. Dabei werden standardisierte Einheiten zu Ge­ bäuden zusammengefügt. In ihrer architektonischen Gestal­ tung sind Containergebäude jedoch – einmal abgesehen von einer individuellen Farbgebung – Einschränkungen unterwor­ fen und zeigen sich stets mit sichtbarer Rahmenkonstruktion und Blechfassade.

FAQ

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FAQ

Qualitätsüberwachung. Modulgebäude hingegen entstehen unter gleichbleibend guten Bedingungen in industriellen Ferti­ gungshallen. Dort lassen sich alle Gewerke unter einem Dach koordinieren und aufeinander abstimmen. Durch bewährte Detaillösungen, standardisierte Prozesse und eine durchgän­ gige Überwachung ist die hohe Qualität der je nach Hersteller bis zu 90 % vorgefertigten Module sichergestellt. Worin besteht der prinzipielle Vorteil des modularen Bauens? Die Module werden in industrieller Fertigung hergestellt. Das bedeutet: kürzere Bauzeiten dank paralleler Abläufe und wit­ terungsunabhängiger Produktion sowie daraus resultierend frühere Nutzungsmöglichkeiten der Gebäude und schnellere Refinanzierung. Durch die industriellen Fertigungsprozesse gehen zudem in den Werken keine überschüssigen Materialien verloren. Auch auf der Baustelle fallen kaum zusätzliche Abfälle mehr an und die Umweltbelastungen durch Lärm, Staub, Baustel­ lenabfall und andere beeinträchtigende Faktoren werden weitestgehend vermieden. Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit von Modulgebäuden aus? Die Nachhaltigkeit eines Modulgebäudes lässt sich am ge­ samten Lebenszyklus dokumentieren. Bei der industriellen Fertigung der Modulgebäude werden durch die exakte Mate­ rialkalkulation und den optimierten Einsatz der Materialien Ressourcen geschont. Beim Ausbau der Modulgebäude vor Ort wird durch den hohen Vorfertigungsgrad der Module die Belastung der Umwelt durch Schmutz, Lärm und Bauabfälle auf ein Minimum reduziert. Während des Betriebs der Gebäu­ de stellen optimierte Energiekonzepte niedrige Betriebskos­ ten sicher. Beim Rückbau lassen sich die eingesetzten Materi­ alien relativ einfach demontieren und sortenrein recyceln. Ebenfalls ein wichtiger Aspekt in Sachen Nachhaltigkeit ist die Möglichkeit, das Gebäude umzunutzen. So können die Räume in Modulgebäuden dank ihrer freitragenden Struktur mit nichttragenden Innenwänden flexibel umgestaltet, ver­ größert, verkleinert oder umgewidmet werden.

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F R AG E N Z U R A RC H I T E KT U R Welche Planraster stehen in der Modulbauweise zur Verfügung? Die Planraster im Modulbau sind vielfältig und variabel. Das Rastermaß variiert in der Breite zwischen 2,625 und 4,00 m, in der Länge zwischen 7,75 und 18,00 m und in der Höhe zwischen 3,20 und 4,00 m. Sondergrößen sind ebenfalls realisierbar. Bei jedem Bauvorhaben gilt es dann, ein Raster zu finden, das ästhetischen, wirtschaftlichen und technischen Anforderungen gleichermaßen Rech­ nung trägt. Ist man auf ein bestimmtes Planraster festgelegt? Welches Planraster dem Entwurf eines Modulgebäudes zu­ grunde gelegt wird, hängt maßgeblich von der Wirtschaft­ lichkeit in Bezug auf Produktion und Logistik ab. So hat sich beispielsweise für Bürogebäude ein optimales Rastermaß von 3,875 × 12,750 m herausgebildet, das die Ausbildung von zwei Büroräumen gemäß Arbeitsstättenverordnung und ei­ nem verbindenden Flur ermöglicht. Grundsätzlich kann das Rastermaß zwischen standardisierten Breiten von 2,625 bis 4,00 m und Längen von 7,75 bis 18,00 m variieren. Andere Längen und Breiten sind projektbezogen möglich. Auch eine Kombination verschiedener Rastermaße innerhalb eines Grundrisses ist denkbar, falls dies erforderlich oder wirt­ schaftlich ist. Wie flexibel ist man bei der Grundrissgestaltung? Im Modulraster hat der Architekt in der Grundrissgestaltung prinzipiell alle denkbaren Freiheiten – unabhängig voneinan­ der in jedem Geschoss. Nahezu jeder Entwurf für ein Massiv­ gebäude lässt sich auch in Modulbauweise umsetzen. Auch wenn der Grundriss auf einem festen Modulraster basiert, ist dieses Raster doch sehr variabel. Die gängigen Modulgrößen reichen in der Breite von 2,625 bis 4,00 m, in der Länge von 7,75 bis zu 18,00 m und in der Höhe von 3,20 bis 4,00 m. Son­ dergrößen sind ebenfalls realisierbar – die maximalen Ab­ messungen der einzelnen Raummodule werden durch ihre Transportfähigkeit bedingt.

FAQ

Was sind die maximalen Abmessungen eines Moduls? Die maximale Modullänge beträgt circa 18 m. Modulbreiten sind bis 6,00 m möglich, als wirtschaftlichste und praktika­ belste Breiten empfehlen sich Maße von 3,875 oder 4,00 m. Die maximale Modulhöhe beträgt 4,00 m, was einer Rohbauinnenhöhe von etwa 3,50 m entspricht. Denn das Modul muss ja auch von der Fabrik auf die Baustelle transportiert werden. Sondertransporte wegen Überbreiten sind aufwen­ dig und teuer. Welche Spannweiten haben die Module beziehungsweise mit welchen Spannweiten kann man stützenfrei bauen? Bei der Gestaltung der Innenräume gibt die Modulbauwei­ se die Freiheit, große Räume ohne Zwischenwände zu schaffen. Die Eckstützen der Raummodule sollten dabei entweder als gestalterisches Element berücksichtigt wer­ den oder in den seitlichen Wänden „verschwinden“. Ge­ genüber strukturell ähnlichen Bauweisen in Beton bieten Modulgebäude aus Stahl den Vorteil erheblich schlankerer Stützenquerschnitte. Wie viele Geschosse lassen sich mit der Modulbauweise realisieren? Genau wie in konventioneller Bauweise lassen sich auch in Modulbauweise Geschossbauten bis zur in der Hochhaus­ richtlinie als Grenze definierten Höhe von 22 m über der Geländeoberfläche erstellen, wobei die Höhe des Fuß­ bodens des obersten Geschosses ausschlaggebend ist. Daraus ergeben sich sechs bis sieben Vollgeschosse, die in Modulbauweise problemlos realisiert werden können. Holzgetragene Gebäude sind derzeit in Deutschland mit bis zu acht Geschossen möglich. Welche Gebäudekubaturen sind möglich? Durch die Reihung und Stapelung der dreidimensionalen, auf einem orthogonalen Raster beruhenden Raummodule lassen sich Gebäude mit frei auskragenden Erkern, Balko­ nen und Loggien oder einer Fassade mit versetzter Anord­ nung der Module ausbilden. Hinsichtlich der Geometrie des Gebäudes muss jedoch eines akzeptiert werden: Orga­

nische Gebäudekubaturen sind zwar realisierbar, jedoch nur als Sonderapplikationen oder in Form von Hybridbau­ weisen. Kann man ein modular erstelltes Gebäude später aufstocken oder erweitern? Ja. Dies ist einer der großen Vorteile beim Bauen mit modula­ ren Systemen, dass das Gebäude jederzeit problemlos auf­ gestockt oder erweitert werden kann. Genauso ist ein Teil­ rückbau jederzeit problemlos möglich. Für die spätere Auf­ stockung muss allerdings darauf geachtet werden, dass diese statisch schon von Anfang an eingeplant ist. Welche Energiestandards sind im Modulbau möglich? Wie alle dauerhaft errichteten Gebäude unterliegen auch Modulgebäude dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) und er­ füllen daher die geforderten Standards. Der vom Gesetzge­ ber geforderte Einsatz regenerativer Energien in Verbindung mit Bauteildämmung, Anlagentechnik und sommerlichem Wärmeschutz lässt sich in der Modulbauweise problemlos um­ setzen. Darüber hinaus ist es auch möglich, Modulgebäude mit niedrigerem Energiestandard zu errichten. Auch Passiv­ häuser und EnergiePlus-Gebäude sind möglich.

F R AG E N Z U R I N V E ST I T I O N Wie sind die Herstellkosten im Vergleich mit einem in konventioneller Bauweise errichteten Gebäude? Die Kosten für die Erstellung eines Modulgebäudes sind mit denen eines konventionell errichteten vergleichbar. Aber aufgrund der witterungsunabhängigen Produktion kann das Gebäude bis zu 70 % schneller fertiggestellt werden. Hierdurch lässt sich zum einen die Finanzierungsperiode entsprechend verkürzen, und kürzere Finanzierungszeiten wirken sich positiv auf die anfallenden Zinsen aus. Zum an­ deren können die Immobilien schneller in Betrieb genom­ men und vermietet werden, erzielen also früher Einnahmen. Zudem fällt der wichtigste Kostentreiber weg: die Beseiti­ gung von Mängeln am Bau.

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FAQ

Wie sieht es mit der Preissicherheit aus? Auf Basis von Baugruppen- und Stücklisten werden im Mo­ dulbau die benötigten Rohstoffe und Materialien nach exakten Massen ermittelt; somit ist die Preissicherheit ge­ währleistet. Die Preissicherheit ist allerdings nur dann mög­ lich, wenn während der Werkplanung keine Änderungen mehr vorgenommen werden. Deshalb kommt der Ent­ wurfsplanung und der Ausschreibung eine enorme Be­ deutung zu. Ab welcher Größenordnung wird ein Modulbau wirtschaftlich interessant? Die Wirtschaftlichkeit der Modulbauweise liegt in der seriel­ len Herstellung immer wiederkehrender, gleichbleibender Einheiten. Für die „Einrichtung“ einer solchen Serie entste­ hen Engineeringkosten, die je nach Komplexität des Projekts leicht variieren können. Dies hat zur Folge, dass die Realisie­ rung eines Gebäudes in Modulbauweise erst mit einer be­ stimmten Anzahl von Einheiten und einer entsprechenden Bruttogrundfläche wirtschaftlich interessant wird. Als Refe­ renzwert kann man von einer Mindestgröße von etwa 1000 m2 Bruttogrundfläche ausgehen. Wie ist der Wiederverkaufswert eines Modulgebäudes? Bei entsprechender Wartung und Instandhaltung gibt es keine Unterschiede zu konventionell errichteten Gebäuden. Wie ist die Lebensdauer von Modulbauten im Vergleich zu konventionell errichteten Gebäuden? Modulgebäude sind zur dauerhaften Nutzung vorgesehen. Die Gebäude sind baukonstruktiv ausgereift und energe­ tisch optimiert. Sie sind daher in Sachen Lebensdauer von konventionell errichteten Gebäuden nicht zu unterscheiden und erfüllen bauordnungsrechtlich und technisch diesel­ ben Bedingungen. Kann bei Modulbauten die Nutzungsart geändert werden? Gebäude aus modularen Bausystemen lassen sich in der ­Regel flexibel anpassen. Wände können versetzt oder geöff­

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net werden, das Aufstocken und Anbauen ist jederzeit und in kürzester Zeit möglich. Dadurch steht einer Umnutzung aus technischer Sicht nichts im Wege. Ist der Rückbau eines Modulgebäudes möglich? Der Rückbau ist prinzipiell möglich. Zieht man den Rückbau bereits bei der Planung mit in Betracht, hat dies Einfluss auf die Fügung und die mechanische Verbindung zwischen den einzelnen Modulen und vor allem auf die Befestigung der Fassade. Weiterhin lassen sich die konstruktiven Ele­ mente eines Moduls recyceln und liefern so im Sinne des Wertstoffkreislaufs einen positiven Beitrag zur Rückführung und Wiederverwertung von Baumaterialien.

DANK

Wir danken allen Architekten dafür, dass sie sich Zeit genom­ men und unsere Fragen ausführlich und bereitwillig beant­ wortet haben. Danke auch den Architekten und Unterneh­ men, die uns Fotos und Planunterlagen überlassen haben. Ein besonderer Dank geht an die beteiligten Unternehmen für ihre Anregungen und ihr finanzielles Engagement, ohne das dieses Buch kaum zu realisieren gewesen wäre.

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PA RT N E R U N D S P O N SO R E N

Gebäude von ALGECO sind schnell ­bezugsfertig und flexibel und erfüllen höchste Ansprüche hinsichtlich Komfort, smarter Technologien und Nachhaltigkeit. Temporäre Raumlösungen gehören ebenso zu unserem Portfolio wie architektonisch anspruchsvolle Modul­bauten zum Kauf. Ob Kitas, Schulen, Verwaltungsgebäude, Wohnheime

oder Gesundheitsbauten – mit ALGECO entstehen Räume ganz nach Bedarf. Schnell, flexibel, nachhaltig − Modulbauten von ALGECO sind die Alternative zum konventionellen Bauen. Die individuell geplanten Gebäude entstehen in Rekordzeit, erfüllen alle bauordnungsrechtlichen Vorschriften und bieten Raum für Kreativität. Sie lassen sich jederzeit verkleinern, vergrößern, umnutzen und ziehen bei Bedarf auch an neue Standorte. Modulbauten von ALGECO sind energiesparend, langlebig und fast vollständig recycelbar. ALGECO bietet

einen einzigartigen 360°-Service. Er ist modular aufgebaut und enthält alle Leistungen rund um die mobilen Einheiten: von der individuellen Beratung über die Ausstattung und Möblierung bis hin zu modernster Netzwerk- und Kommunikationstechnik. Auftraggeber profitieren zudem von verlässlichen Festpreisen und Termintreue. 60 Jahre Erfahrung, 15 deutsche Standorte, die Präsenz in über 20 Ländern und eine Mietflotte mit über 290 000 Einheiten machen ALGECO zu einem der leistungsfähigsten Anbieter der Branche. algeco.de

Seit über 50 Jahren produziert ALHO modulare Gebäude als nachhaltige Alternative zu konventionell errichteten Gebäuden. Das familiengeführte Unternehmen gehört mit europaweit über 1200 Mitarbeitern zu den Pionieren und

Marktführern der Branche. ALHO baut seriell, dreidimensional und individuell. Die Gebäude werden in modernen Fertigungshallen als montagefertige Raummodule produziert und auf der Baustelle sauber und leise zusammengefügt. Dadurch verkürzt sich die Bauzeit um 70 % im Vergleich zu konventionellen Bauweisen und die Lieferung zum Fixtermin ist garantiert. Durch die zertifizierte industrielle Werksfertigung mit stetigen Qualitätskontrollen überzeugen ALHO-Gebäude mit einem gleichbleibenden und höheren Qualitätsstandard als ihn kon-

ventionell errichtete Gebäude liefern können. Festpreisgarantie und geringe Life Cycle Costs geben Investitionssicherheit. So entstehen individuell geplante, hochwertige Gebäude wie Schulen, Kindergärten, Büro- und Verwaltungsgebäude, Gesundheitsimmobilien und Wohngebäude. Und sollte sich der Bedarf einmal ändern, erlaubt die freitragende Stahlskelettstruktur mit ihren nichttragenden Wänden das problemlose Anbauen, Aufstocken, Umnutzen und sogar Rückbauen und das nahezu 100%ige Recyceln. alho.com

Wer die Zukunft des Bauens gestalten will, muss Herausforderungen lieben: Die Halbierung der Bauzeit bei gleichzeitig höchster Qualität zum Beispiel, eine schlüsselfertige Übergabe zum festen Termin und fixe Kosten mit anschließender Flexibilität beim Gebäude. Von der Planung über die Produktion bis zur Montage und Inbetriebnahme. Dafür steht Cadolto als Modulbauunterneh-

men und Marktführer bei medizinischen Gebäuden. Daneben baut das Unternehmen Büro- und Bildungs-, Labor- und Reinraum-, Wohngebäude und Hotels sowie Rechenzentren und Telekommunikationseinrichtungen. Dauerhaft oder temporär. Zum Kauf oder zur Miete. Cadolto fertigt im Werk, witterungsunabhängig und unter ständiger Qualitätskontrolle. Mit einem maximalen Vorfertigungsgrad von bis zu 90 %. Das unterscheidet Cadolto von fast allen Markt­begleitern. Mit der Erfahrung von 790 weltweit realisierten Projekten, 300

Spezialisten aller Gewerke, in zwei deutschen Werken und 130 Jahren Tradition. Die Module verlassen das Werk voll ausgestattet, einschließlich der kompletten Medizin-, Labor- und Gebäudetechnik sowie mit Bädern, Beleuchtungen und fest eingebauten Möbeln. Die Bauherren bleiben flexibel: An-, Um- und Rückbau, der Umzug ganzer Gebäude – alles möglich. Und das mit großer Nachhaltigkeit: kaum Emissionen auf der Baustelle, 80 % weniger Lkw-Verkehr, Wiederverwendbarkeit und 100 % recyclingfähige Materialien. cadolto.com

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PA RT N E R U N D S P O N SO R E N

Seit der Gründung 1948 ist das Familienunternehmen KLEUSBERG tief in der handwerklichen Tradition und im technischen Innovationsgeist verwurzelt. Seine Tätigkeitsfelder sind das modulare Bauen in Stahl und Holz sowie mobile Mietgebäude und flexible Raumsysteme. Seit Jahrzehnten realisiert KLEUSBERG Bauvorhaben für Industrie, Handel, Gewerbe, öffentliche Auftraggeber und die

Bauindustrie. Der systemische Modulbau mit Stahlskelett- oder Holzkonstruktionen bietet dank des hohen Vorfertigungsgrads eine hohe Termin-, Planungs- und Kostensicherheit. Die digitale Projektabwicklung erweitert diesen Vorsprung. Hiermit entsteht vor allem bei Turnkey-Projekten mit Generalunternehmerschaft eine reibungslose Taktung der Ausbaugewerke sowie höchste Transparenz für alle am Bauprojekt beteiligte Entscheidungsträger und Unternehmen. Die Projektnavigation stellt bei KLEUSBERG einen maßgeblichen Fortschritt für

die Digitalisierung der Bauprozesse im Bereich des modularen Bauens dar. Modulgebäude von KLEUSBERG erfüllen die von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) erforderlichen Anforderungen und außerdem die brandschutztechnischen Vorgaben des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt). Alle Systeme von KLEUSBERG haben eines gemeinsam: Mit ihnen lassen sich flexible sowie nachhaltige Raum- und Gebäudelösungen schaffen, die auf die jeweilige Nutzung zugeschnitten und bei Bedarf anpassbar sind. kleusberg.de

Der Holzmodulbau als logische und konsequente Weiterentwicklung serieller Vorfertigung in Kombination mit einer baustellennahen Modulproduktion bildet das Herzstück der LiWooD-Bauweise. Ein zeitgesteuertes und exakt abgestimmtes Logistik- und Montagekonzept reduziert Bauzeiten signifikant und vermeidet Beeinträchtigungen.

LiWooD realisiert Bauprojekte als GU oder GÜ. Das Unternehmen unterstützt Architekten mit hochspezifiziertem Fachwissen. So lassen sich bereits in der Vorplanung konstruktive, brandund schallschutztechnische Besonderheiten berücksichtigen und aufwendige Umplanungen vermeiden. LiWooD erstellt für jedes Projekt die Konstruktions- und Werkpläne. Danach werden Bauteile teils eigenproduziert, teils von regionalen Betrieben und Zulieferern gefertigt. Das Kreuzlagenholz für Wände, Decken und eigenproduzierte Fer-

tigbäder stammt aus Deutschland und Österreich und darüber hinaus aus nachhaltiger Forstwirtschaft. In der nahe der Baustelle temporär aufgestellten Feldfabrik werden vorgefertigte Bauteile zu Raummodulen zusammengefügt. Bei einer Taktrate von 90 Minuten stößt die Feldfabrik ca. sechs Module bzw. über 100 m² Wohnraum täglich mit einem Vorfertigungsgrad von 80 % aus. Die bezugsfertige Errichtung eines Gebäudes ab Oberkante Bodenplatte mit rund 200 Modulen nimmt etwa fünf Monate in Anspruch. liwood.com

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AUTOREN

Alexandra Busch studierte Architektur an der TU Darmstadt. Seit 2008 ist sie freie Baufachjournalistin und schreibt für Magazine und Bücher über Architektur, bautechnische Themen und Bauprodukte. Sabine Drey studierte Architektur an der TU München und der Escuela Técnica Superior de Ingeniería in Sevilla und arbeitete anschließend in Architekturbüros in München und Nürnberg. Seit über 20 Jahren ist sie in unterschiedlichen Bereichen der Zeitschrift Detail tätig. Zunächst erstellte sie technische Zeichnungen für die Zeitschrift und die Atlanten und war für die Gestaltung der Layouts und Heftcover zuständig. Als Redakteurin schreibt sie heute Artikel für die Website, die Zeitschrift und die Bücher und organisiert jährlich zwei Ausgaben der Zeitschrift Detail – unter anderen zum Thema „modulares Bauen“ und „Vorfertigung“. Claudia Fuchs studierte Architektur an der TU München und arbeitet seit 1991 als freie Redakteurin und Autorin für Fachzeitschriften, Bücher und Online-Publikationen, mit Fokus auf Architektur und Konstruktion in der langjährigen Zusammenarbeit mit der DetailRedaktion. Susanne Jacob-Freitag ist diplomierte Bauingenieurin mit Schwerpunkt konstruktiver Ingenieurbau. Von 1997 bis 2007 arbeitete sie als Redakteurin bei einer Holzbau-Fachzeitschrift. Seit 2007 schreibt sie als freie Journalistin schwerpunktmäßig über Ingenieurholzbau und Holzarchitektur. Sie ist Inhaberin des Redaktionsbüros manuScriptur in Karlsruhe. Thomas Jakob studierte Landschaftsarchitektur an der TU München, anschließend absolvierte er ein Volontariat

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bei der Hessischen / Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel. Danach arbeitete er 15 Jahre als Redakteur für die Zeitschriften Garten + Landschaft und Baumeister beim Callwey Verlag in München. Von 2016 bis 2020 war er Redakteur bei Detail. Seit August 2020 ist er für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Staatlichen Bauamt Freising verantwortlich. Günter Jösch studierte Bauingenieurund Wirtschaftsingenieurwesen. Er war unter anderem Bereichsleiter Bauträgerschaft und Generalmodernisierung für 15 000 Liegenschaften der BRD bei der Deutschen Bau- und Grundstücks AG – BauGrund in Bonn und freiberuflich als Geschäftsführer des Bundesverbands Bausysteme sowie als Leiter der Fachverbände Vorgefertigte Raumsysteme und Lagerungen im Hochbau tätig. Als nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden und die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken betreibt Günter Jösch seit mehr als zehn Jahren ein Sachverständigenbüro. David M. Meuer studierte Architektur an der FH Regensburg. Von 1999 bis 2003 Mitarbeit bei Wechner + May in München. 2000 Gründung von sicherheits-ingenieure.de, Büro für Arbeitssicherheit in Partnerschaft mit Andreas May. Nach dem berufsbegleitenden Masterstudium Baumanagement an der FH Würzburg gründete er 2004 meuer – planen beraten. 2004 bis 2018 diverse Lehraufträge im Regel- und Masterstudiengang der Fachrichtungen Architektur und Bauingenieur­ wesen an der FH Würzburg. Seit 2014 Inhaber der meuer – planen beraten Architekten GmbH in München. Das Büro betreut und realisiert Modulbauten seit 2007. Darüber hinaus ist David

Meuer Autor von Fachartikeln, hält Vorträge und ist beratend in Sachen Modulbau tätig. Roland Pawlitschko ist Architekt sowie freier Autor, Architekturkritiker und Übersetzer. Er veröffentlicht Artikel und Aufsätze in Büchern, Zeitschriften und Tageszeitungen, organisiert Architekturexkursionen und kuratiert Ausstellungen rund um das Thema Architektur. Seit 2007 arbeitet er als freier Redakteur mit der Detail-Redaktion zusammen. Andreas Plum ist Beratender Ingenieur, staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes und Mitinhaber der BFT Gruppe. Als geschäftsführender Gesellschafter verantwortet er mit zwei weiteren Kollegen das operative Geschäft der BFT Cognos GmbH und hat den Arbeitsschwerpunkt in der brandschutztechnischen Bewertung von Industrie- und Laborbauten sowie von Gebäuden mit nuklearen Einrichtungen. Sein Wissen und die fachliche Expertise transferiert Plum als Dozent und Referent an Hochschulen, Berufsund Fachverbänden sowie im DIN-Normenausschuss „Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Außenwandbekleidungen.“ Carl Richter studierte Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen University und promovierte dort im Bereich Stahlbau bei Prof. Dr.-Ing. Markus Feldmann. Seit 2019 baut er das Center Building and Infrastructure Engineering (CBI) als Geschäftsführer auf. Das CBI ist ein Kompetenzzentrum der RWTH Aachen, das sehr eng mit Unternehmen zusammenarbeitet. Ein Schwerpunkt des CBI liegt auf dem modularen Bauen und dort besonders auf dem Raumzel­ lenbau.

AUTOREN

Jakob Schoof ist stellvertretender Chefredakteur von Detail. Er studierte Architektur an der Universität Karlsruhe (heute Karlsruher Institut für Technologie /KIT) und arbeitete danach neun Jahre lang in unterschiedlichen Funk­ tionen bei der Architekturzeitschrift AIT, bevor er 2009 zu Detail wechselte. Dort zeichnete er unter anderem für die Zeitschriften- und Buchreihe Detail Green zu Themen des nachhaltigen Bauens sowie für die Zeitschrift structure – published by DETAIL verantwortlich, die sich der Tragwerksplanung widmete. Neben der redaktionellen Arbeit moderiert Jakob Schoof Kongresse und andere Veranstaltungen und ist als Juror tätig – zuletzt unter anderem beim Preis des Deutschen Stahlbaues, beim Solar Decathlon Europe 21/22 in Wuppertal sowie beim Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik. Georg Spennes ist Prüfingenieur und staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes,  Sachverständiger für Schall- und Wärmeschutz sowie qualifizierter Tragwerksplaner. Seit dem Studium im Bauingenieurwesen an der FH Aachen ist er als geschäftsführender Gesellschafter für die BFT Gruppe tätig. Neben diesen Tätigkeiten ist Spennes Dozent und Lehrbeauftragter für Brandschutz an der FH Aachen, der RWTH Aachen, der TH Köln und der Universität Wuppertal. Er beteiligt sich als Mitglied in verschiedenen DIN-Normen- und Arbeitsausschüssen und ist Vorstand der Stiftung Smart Building sowie Vertreter im Prüfungsausschuss Brandschutz der Architektenkammer NRW.

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IMPRESSUM

V E R L AG

DETAIL Business Information GmbH, München Messerschmittstraße 4, 80992 München www.detail.de H E R AU SG E B E R: Jakob Schoof R E DA KT I O N : Roland Pawlitschko, Jakob Schoof AU TO R E N : Alexandra Busch, Sabine Drey, Claudia Fuchs, Susanne Jacob-Freitag,

Thomas Jakob, Günter Jösch, David M. Meuer, Roland Pawlitschko, Andreas Plum, Carl Richter, Jakob Schoof, Georg Spennes KO R R E KTO R AT: Gabriele Oldenburg G R A F I SC H E S KO N Z E P T U N D L AYO U T: Sabine Hoffmann, München (DE) C OV E R-Z E I C H N U N G : acau architecture, bearbeitet von Ina Wegmershaus und Jakob Schoof Z E I C H N U N G E N : Ralph Donhauser, Marion Griese, Martin Hämmel, Barbara Kissinger, Dejanira

Ornelas Bitterer H E RST E L LU N G   /   DT P: Peter Gensmantel R E P RO D U KT I O N : Ludwig:media gmbh, Zell am See (AT) D RU C K U N D B I N D U N G : Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe (DE)

ISBN: 978-3-95553-595-7 (Print) ISBN: 978-3-95553-596-4 (E-Book) B I B L I O G R A F I SC H E I N FO R M AT I O N D E R D E U TSC H E N N AT I O N A L B I B L I OT H E K:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Das Fachbuch berücksichtigt die bei Redaktionsschluss gültigen Begriffe und den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Stand der Technik. Rechtliche Ansprüche können aus dem Inhalt dieses Buchs nicht abgeleitet werden. Für Vollständigkeit und Richtigkeit aller Beiträge wird keine Gewähr übernommen. © 2022, 2. vollständig überarbeitete Auflage

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