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German Pages 283 Year 2023
Ulrich Egle · Markus Gisler · Imke Keimer Hrsg.
Agile Finance Transformation Neue Lösungsansätze und Erfahrungen aus der CFO-Praxis
Agile Finance Transformation
Ulrich Egle · Markus Gisler · Imke Keimer (Hrsg.)
Agile Finance Transformation Neue Lösungsansätze und Erfahrungen aus der CFO-Praxis
Hrsg. Ulrich Egle Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Hochschule Luzern – Wirtschaft Rotkreuz, Schweiz
Markus Gisler Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Hochschule Luzern – Wirtschaft Rotkreuz, Schweiz
Imke Keimer Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Hochschule Luzern – Wirtschaft Rotkreuz, Schweiz
ISBN 978-3-658-41331-6 ISBN 978-3-658-41332-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Catarina Gomesdealmeida Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Geleitwort
Mit dem Thema Agilität und Finanzfunktion im Kontext von Transformation und Digitalisierung haben die Herausgeber ein vielschichtiges und in manchen Aspekten durchaus auch kontroverses Thema aufgegriffen, das jeden Finanzverantwortlichen betreffen dürfte. Ist das Bedürfnis nach Agilität des Unternehmens und im Besonderen der Finanzfunktion überhaupt etwas Neues? Wie A. Weber in einem der Beiträge ausführt, war Transformation und damit Agilität stets und ganz allgemein eine Voraussetzung für im Überlebenskampf erfolgreiche Organismen und Einheiten. Wer Erfolg haben wollte, musste schon immer in nützlicher Frist anpassungsfähig und wandelbar, sprich agil, sein. Dass Agilität in der heutigen VUCA-Welt von Volatility, Uncertainty, Complexity and Ambiguity besonderes Gewicht bekommt, muss nicht speziell begründet werden. An exogen entstandenen Gelegenheiten, das Vorhandensein und das Ausmaß von Agilität zu prüfen, mangelt es heutzutage wahrlich nicht – noch bevor von Unternehmen initiierte Transformationen wie die Einführung neuer ERP-Systeme und Akquisitionen die Organisation herausfordern. Die zu den Kernprozessen der Finanzfunktion zählenden Budgetprozesse und Mehrjahresplanungen wurden und werden in vielen Unternehmen mit viel Aufwand betrieben und sind traditionell eher starr ausgelegt. Sie können durch agilere Systeme ersetzt werden, wie F. Wirnsperger am Beispiel von Hilti, einem der Pioniere auf diesem Gebiet, zeigt. Die Transformation zu mehr Agilität (being agile) begann bei Hilti vor rund 20 Jahren und war in sich selbst auch agil (doing agile), das heißt, sie wurde immer wieder den Erfahrungen und veränderten Bedürfnissen angepasst. Agil handeln bedingt agil sein, wie J. Harde und M. Kirsche-Richter in ihrem Beitrag über die diesbezügliche Vorgehensweise bei Siemens treffend zusammenfassen. Wie eine kürzliche Veranstaltung des CFO Forums Schweiz zeigte, hat eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Unternehmen bereits einen ähnlichen Weg beschritten oder ist daran, die Einführung von Varianten rollierender Finanzplanungsprozesse zu planen oder bestehende Systeme zu adjustieren. Transformation zu mehr Agilität findet jedoch nicht nur in den Kernprozessen der Finanzfunktion statt, wo der Veränderungsmöglichkeit durch die Orientierung an Regulation und die Sorge um Planbarkeit und Stabilität traditionell verschiedene Grenzen gesetzt sind. Wie mehrere Autoren hervorheben, ist Agilität immer auch eine Frage der Kultur V
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Geleitwort
(Mindset) und nicht nur der Methoden – selbst wenn sie digital gestützt sind. Und die Kultur zu transformieren ist bekanntlich eine Aufgabe, die langfristig angelegt sein muss, weil sie einfach Zeit braucht, um eine Veränderung der Einstellungen der Mitarbeitenden zu bewirken. Somit dürfte die Erhöhung der Agilität noch lange zur Kulturarbeit der Führungsverantwortlichen gehören – im Gesamtunternehmen und in der Finanzfunktion. Dr. Raymund Scheffrahn ist seit Anfang 2022 Group CFO der in Private-Equity-Besitz befindlichen Variosystems Gruppe, einem global präsenten Electronic Manufacturing Services (EMS) Unternehmen. Nach Studium und Dissertation an der Universität Zürich war er für Credit Suisse First Boston, Goldman Sachs und Novartis im Bereich Mergers & Acquisitions in New York, London und Basel tätig. Danach übernahm er CFO-Positionen von wachsender Komplexität und war zuletzt während zehn Jahren Group CFO bei der an der NYSE Euronext kotierten agta record Gruppe, die 2020 an ASSA ABLOY verkauft wurde. Raymund Scheffrahn ist seit 2016 Vorstandsmitglied des CFO Forums Schweiz.
Vorwort
Agilität steht für beweglich, wendig, schnell und wandlungsfähig. Eigenschaften, die durch aktuelle, einschneidende und in hoher Kadenz auftretende Veränderungen der Umwelt immer bedeutender werden. Mit einer agilen Einstellung soll in Unternehmen sichergestellt werden, dass Organisationen flexibler und erfolgreicher auf Marktanforderungen sowie Umweltveränderungen reagieren können. Dazu braucht es Mitarbeitende1 mit einer entsprechenden Einstellung und Denkweise, die bereit sind, sich den internen und externen Herausforderungen zu stellen. Der Themenbereich Agilität gewinnt auch in die Finanzfunktion der Unternehmen immer stärker an Gewichtung. Der Herausgeberband richtet sich an CFOs und Finanzverantwortliche in Unternehmen, die sich mit der agilen Transformation der Finanzfunktion beschäftigen. Es werden strategische und operative Aspekte der agilen Transformation der Finanzfunktion beschrieben und wertvolles Erfahrungswissen aus unterschiedlichen Branchen vorgestellt. Zu den Aufgaben von CFOs gehört es, das Finanzteam in die agile Transformation des Unternehmens und der Finanzfunktion frühzeitig einzubinden, Zugehörigkeit und Vertrauen zu vermitteln. Hierfür gilt es, ein integriertes agiles Mindset aus Doing Agile (agile Werte und agile Prinzipien) und Being Agile (agile Methoden, agile Werkzeuge und agile Prozesse) zu schaffen, das den erfolgreichen Weg zu Agile Finance begleitet. Das bedeutet für die Mitarbeitenden in der Finanzabteilung, sich auch von bestehenden Werten und Verhaltensweisen zu lösen und Offenheit gegenüber Veränderungen zu zeigen. Für CFOs werden kommunikative Kompetenzen noch wesentlicher, um die Mitarbeitenden für agile Veränderungen zu motivieren und diese zu begleiten. CFOs investieren zunehmend in Agile Finance und insbesondere in ihre Mitarbeitenden, um die Finanzfunktion flexibler zu gestalten, aber auch um neue Aufgabenbereiche für die Mitarbeitenden zu erschließen. Die erfolgreiche Adaption an die Umwelt verlangt die Beschleunigung von Entscheidungsprozessen, aber auch neue Arbeitsweisen und neue 1 Die Autorinnen und Autoren haben unterschiedliche Schreibweisen und Formulierungen gewählt.
Diese Unterschiedlichkeiten wurden seitens der Herausgebenden nicht bearbeitet. Daher finden sich divergierende Formulierungen in den Texten. Manche Autorinnen und Autoren haben das generische Maskulinum verwendet. Die Herausgebenden möchten an dieser Stelle betonen, dass ausdrücklich alle vielfältigen Geschlechter inkludiert sind. VII
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Vorwort
Lösungsansätze zur Problemlösung. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist neben der Unternehmenskultur und dem Einsatz agiler Prinzipien und Methoden der Wille, etwas Neues zu formen. Für die agile Transformation der Finanzfunktion ist es unerlässlich, dass die Mitarbeitenden die agilen Prinzipien leben und erfolgreich zur Lösung ihrer Aufgaben einsetzen. Es braucht den Willen und die Motivation, Neues zu lernen und es braucht auch eine Kultur, die Fehler begrüßt. Dies widerspricht häufig fundamental dem traditionellen Verständnis vieler Mitarbeitenden im Finanzbereich. Ein agiles Mindset ist ein Prozess und braucht Zeit, um sich zu entfalten. Agilität benötigt außerdem Freiräume für die Mitarbeitenden, um die agilen Methoden und Werkzeuge zu lernen und die agile Denkweise zu verinnerlichen. Das kann mit Weiterbildungsprogrammen, Mitarbeit in Communitys oder direkt am Arbeitsplatz durch Learning by Doing gelingen. Agilität benötigt aber auch Vertrauen. Das entsteht nicht auf Knopfdruck, sondern muss erarbeitet werden. CFOs bieten in diesem Prozess tatkräftige Unterstützung für die Mitarbeitenden, erweitern die Kompetenzmodelle und fördern den Lernprozess. Die agile Transformation stellt die Mitarbeitenden vor neue Herausforderungen und kann zu Verunsicherungen führen. Dies kann sich in Widerständen und Akzeptanzproblemen zeigen. Hier ist es Aufgabe von Finanzchefinnen und Finanzchefs, die Mitarbeitenden auf die agile Unternehmenskultur vorzubereiten. Es sind Ziele, Rahmenbedingungen, agile Methoden und deren Einsatzgebiete zu definieren. CFOs stoßen den agilen Wandel in der Finanzfunktion nicht nur an, sie begleiten auch die kulturelle Transformation hin zu Agile Finance. Sie zeigen auf, wie wichtig der Beitrag von jedem Einzelnen ist und nehmen damit eine wichtige Motivations- und Wertschätzungsaufgabe ein. Ein agiles Mindset bedeutet auch, sein Wissen zu teilen und Erfahrungen weiterzugeben. Der fachliche und methodische Austausch über Unternehmensgrenzen hinweg ist ein wichtiger Baustein, um die agile Transformation der Finanzfunktion voranzutreiben. Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Autorinnen und Autoren, dass sie trotz vollen Terminkalendern zum Gelingen von diesem Buchprojekt beigetragen haben. Ihre Beiträge und auch der Austausch mit ihnen ist für uns von unschätzbarem Wert und keine Selbstverständlichkeit. Sie leisten durch die Weitergabe ihrer Expertise, ihres Wissens und ihrer Leidenschaft den Hauptbeitrag für dieses Buchprojekt. Merci vielmals! Dieses Buchprojekt wäre ohne die großzügige, fachliche und finanzielle Unterstützung durch das CFO Forum Schweiz nicht möglich gewesen. Wir bedanken uns ausdrücklich für das Engagement des CFO Forums Schweiz – CFOs sowie das entgegengebrachte Vertrauen und die langjährige Zusammenarbeit. Wir bedanken uns ebenfalls bei Frau Catarina Gomes de Almeida von Springer Gabler für die sehr gute und professionelle Unterstützung. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir viel Spaß bei der Lektüre und natürlich viel Erfolg bei der agilen Transformation der eigenen Finanzfunktion. Das CFO Forum Schweiz – CFOs wurde im Mai 2006 gegründet und trägt mit seinen Mitgliedern aktiv zur weiteren Professionalisierung der finanziellen Unternehmensführung bei. Die Vereinigung vertritt die Interessen seiner Mitglieder, namentlich Finanzchefinnen
Vorwort
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und Finanzchefs von Unternehmen sowie mit dem Berufsstand eng verbundene Personen, gegenüber Dritten. Das Forum bietet eine Plattform, von welcher die Mitglieder im beruflichen Alltag profitieren können. Rotkreuz März 2023
Ulrich Egle Markus Gisler Imke Keimer
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Agile Finance – von der verwaltenden zur gestaltenden Finanzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Gisler Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Growth Mindset und Empowerment als Grundlage der Transformation der Finanzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Harde und Maria Kirsche-Richter 2.1 Einführung Agilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Technologiekonzern Siemens im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Agilität ist bei Siemens tief verankert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Finanzfunktion in der agilen Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Mindset-Entwicklung als Grundvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Umgang mit Ambidextrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Vom Mindset zum Growth Mindset . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Perspektiven aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Rolle positiver Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Wippen auf dem Kinderspielplatz, stabilen Umlaufbahnen und Meteoriteneinschlägen – Praxisbeispiel der co-aktiven Führung einer Finanztransformation in sieben Schritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carsten Stolz 3.1 Ein Gedanke zu Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Schritt 1: eine Wippe auf einem Kinderspielplatz: die Perspektive des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Schritt 2: Ausgangspunkt vor der Finanztransformation: eine Finanzorganisation auf stabiler Umlaufbahn . . . . . . . . . . . 3.1.3 Schritt 3: Auslöser und Start in die Finanztransformation: Der große Meteorit schlägt ein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 5 7 8 9 10 14 16 16 17 18 20 24 26
29 30 30 31 34 XI
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3.1.4
Schritt 4: Phase der Separierung: Ambidexterität in der Finanzorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Schritt 5: Phase der Integration: auf dem Weg zu einem neuen Ziel-Betriebsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Schritt 6: Ankunft im Hier und Jetzt: Status des Marschbefehls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.7 Schritt 7: Vorläufige Erkenntnisse aus der noch andauernden Reise und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
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Agilität als Erfolgsfaktor für digitale Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annabella Bassler, Lea Eberle und Steffen Gross 4.1 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Digitale Transformation der Ringier Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Sechs Erfolgsfaktoren für agile Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Purpose – Die Frage nach dem WHY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Kundenzentrierung: Die Kunden als Partner . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Agile Methoden bieten Stabilität und Sicherheit . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Kontinuierlicher Wandel – Inspect and Adapt . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Agile Leadership: Was agile Führung ausmacht . . . . . . . . . . . . 4.3.6 Unternehmenskultur und Mindset . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Learnings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Agilität als effektiver Wettbewerbsvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 People are Key . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Individualisierung der agilen Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein flexibles Steuerungssystem als Katalysator organisationaler Agilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Wirnsperger und Felix Hess 5.1 Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Zunehmender Einsatz agiler Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Konfligierende Kultur- und Steuerungsparadigmen . . . . . . . . . . 5.1.3 Vision der Finanzorganisation als Business Partner . . . . . . . . . . 5.2 Der Steuerungssystemwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Von Steuerung 1.0 zu Steuerung 2.0 – Zielbild . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Entkoppelung und Anpassung der Kernelemente der Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.1 Stabile strategische Ziele und Fortschrittsbeurteilung – Regelkreis 1 . . . . . . . . . . . .
36 39 44 45 46 47 49 49 50 51 52 53 54 55 56 56 57 57 57 58 60 63 64 64 64 67 68 68 70 72
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5.2.2.2
Flexible Planung und Ressourcenallokation – Regelkreis 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Beyond Budgeting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Reflexion bezüglich Flexibilität und Agilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
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Wie Agilität helfen kann, die Finanzfunktion in Richtung Business Partnering auszurichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Olivier Vogel 6.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Wieso Business Partnering mit einem klassischen Arbeitsmodell schwieriger ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Unzureichendes Verständnis der Geschäftsmodelle und Arbeiten in Silos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Schnelle Veränderungen und versteckte Projekte . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Zu geringe Stakeholder-Interaktion und zu hohe Arbeitsbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Einführen von Elementen einer agilen Arbeitsweise . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Arbeitsziele nurmehr für drei Monate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Offenlegen aller Arbeitspakete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Befähigen des Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.4 Einführen eines Scrum Masters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.5 Durchführen von Learn- & Adapt-Meetings . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.6 Verwenden eines Kanban-Boards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Die Vorteile für das Business . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Informiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Robust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Unverstopfte Aufgabenpipeline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.4 Weniger Meetings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agile Finance: Ein Modewort oder steckt doch mehr dahinter? . . . . . . . . . . Ulrich Egle Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Corporate transformation: Five success factors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Dittrich und Emil Ivanov 8.1 Transformation Program at Galderma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Cost Transformation as a Catalyst for Growth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Strategic Rationale Behind the Transformation . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Transitioning to a Fit-For-Purpose Integrated Setup . . . . . . . . .
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XIV
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8.3 8.4
End-to-End Approach to Scoping the Program . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . North Star Mentality in Ambition Setting While Driving a Fit-For-Purpose Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Baselining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 North Star Ambition Setting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Paced, Front-Loaded Initiative Design and Relentless Leader-Led Execution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Firm Executive Team Commitment to the Program . . . . . . . . . 8.5.2 Centrally Orchestrated Stage-Gate Design Process . . . . . . . . . . 8.5.3 Clear Link between Financials and Operational and Commercial Planning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.4 Disciplined Implementation and Rigorous Program Tracking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Transformation as an Authentic Opportunity to Assess and Develop Talent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Empowerment to Determine the Ambition, Define the Scope, and Own Implementation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2 Continuous Monitoring of Team Morale and Level of Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.3 Opportunities to Assume Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Conclusion: The Impact of Transformation and the Role of Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reference . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Die Essenz agiler Transformation von Unternehmen? Man muss Menschen mögen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Weber 9.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Der CFO Schlusslicht oder Vorreiter für Transformationsaufgaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Die moderne Finanzfunktion – besser als ihr Ruf . . . . . . . . . . . 9.2.2 Stabilität und Agilität – kein Widerspruch, sondern Normalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Agile Transformation – kein neues Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Transformation – ein Zustand lebendiger Systeme . . . . . . . . . . 9.3.2 Führung von Veränderungsprozessen – mit Hirn, Herz und Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Wie kann eine agile Transformation gelingen – Sicht aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.1 Definiere eine klare Vision und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.2 Schaffe emotionale Dringlichkeit für Veränderung . . . . . . . . . .
114 119 119 120 122 124 124 125 125 127 127 129 129 130 134 135 136 136 136 137 139 139 139 140 141 141
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Gemeinsame Ausrichtung des Executive Teams auf den Erfolg der Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.4 Klärung von Verantwortlichkeiten: Die häufig überschätzte Rolle des CDO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.5 Mobilisieren der Mitarbeitenden durch stete transparente Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.6 Machen, Messen, Anpassen, Feiern, Repeat . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV
9.4.3
10 Finanzelle Führung von selbstorganisierten Teams am Beispiel Spitex Zürich Limmat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Boller 10.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Haltungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 System Selbstorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Vorgehensweise Transformationsprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Finanzielle Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Fakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 What large Corporations can learn from Agility as DNA of Finance Functions in Startups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . René Cotting 11.1 A Dream Start with Benefits for Large Corporations Too . . . . . . . . . . . . 11.2 Vision and Values as a Starting Point . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 POPS—People, Organization, Processes, and Systems . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 People as Business Partners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Organization Being Directional and Self-Organized . . . . . . . . . 11.3.3 Processes Being Standardized and Automated Where Possible . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Systems Using Digitalization, Artificial Intelligence, and Embedded Controls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Conclusions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . References . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Betriebswirtschaftliche Herausforderungen der agilen Transformation in der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adriaan Blaauboer 12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Agile Transformation in der Bundesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142 143 144 146 148 149 151 151 152 154 156 157 160 161 162 163 163 164 165 166 166 168 171 172 173 175 175 176 179
XVI
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12.4 Herausforderungen an die Finanzabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13 Wie verändert die agile Transformation die Finanzfunktion? . . . . . . . . . . . . Imke Keimer
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14 Agile Playbook für KMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Didier Müller 14.1 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 ifolor-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Der Finanzbereich der ifolor-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.3 Aktuelle Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Ziele dieses Beitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Arbeitsfelder hin zu einer agilen KMU-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Zielsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6 Führung und Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.7 Systeme und Tools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.8 Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.9 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle in die digitale Welt: Das CFO Transformation Toolkit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Bergamin 15.1 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle in die digitale Welt: Aktuelle unternehmerische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Wie machen sich Unternehmungen für den Transformationsprozess fit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.1 Chance- & Transformation Awareness schaffen . . . . . . . . . . . . . 15.2.1.1 Change-Management-Bedarf beurteilen . . . . . . . . . . . 15.2.1.2 Digital Radar aufbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2 Strategie & Performance Check . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2.1 Value Drivers überdenken und Strategie darauf ausrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2.2 Kernprozesse mit Strategie kalibrieren . . . . . . . . . . . 15.2.2.3 Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2.4 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess . . . . . . . . . . . 15.2.2.5 Portfoliostrategie überdenken und Funding für die Transformation definieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15.2.3 Business Model Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.3.1 Prozess Organisation umsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.3.2 Festlegung der Grundsätze zur Organisation . . . . . . 15.2.3.3 Prozess Digitalisierung vorantreiben . . . . . . . . . . . . . 15.2.4 Agile Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.4.1 Governance und Leadership definieren . . . . . . . . . . . 15.2.4.2 Agile Organisation einführen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.5 Learnings für Transformation-Management . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Agiles Finanzmanagement während der Corona-Krise in der Hotelbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel J. Müller 16.1 Das Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Veränderungen ausgelöst durch die Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Reaktion auf die Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.1 Verkürzung des Planungshorizontes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2 Agile Analyse der Situation und Tools zur Lösung . . . . . . . . . . 16.3.2.1 Entwicklung neuer Werkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Weitere Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4.1 Investitionen auf das absolute Minimum reduzieren . . . . . . . . . 16.4.2 Veräußerung von nicht für das Kerngeschäft wichtigen Aktiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Sinnvolle Allokation von Marketingkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.6 Wareneinkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.7 Fazit/Lehren aus der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Controlling – ein unverzichtbarer Wegbereiter der Transformation . . . . . Kevin Wettstein und Renato Caderas 17.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1.1 Die Medienlandschaft im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1.2 Transformationsprozess SRF2024 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Spannungsfeld Sparen/Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Reduktion Planungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Die Grenzen des bestehenden finanziellen Steuerungssystems . . . . . . . . 17.4.1 Vektorunabhängige finanzielle Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.2 Neues Betriebsmodell mit neuen Schnittstellen und Entscheidungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.3 Antizipieren eines neuen Steuerungsmodells zur strategischen Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.5 Veränderung der Rolle des Controllings (Bereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVIII
Inhaltsverzeichnis
17.6 Learnings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.6.1 Spannungsfeld zwischen Projekt- und Tagesgeschäft . . . . . . . . 17.6.2 Rollen «aufbrechen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.6.3 Change-Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Agile Finance im Dienstleistungsbereich – Erfordern spezielle Zeiten spezielle Methoden oder ist es ein Back to the Roots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Wohlwend 18.1 Schwierige Zeiten brauchen spezielle Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Klassische Methoden kommen an ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Agile Möglichkeiten als Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4 Der Weg von klassischen Methoden zu agilen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . 18.5 Fazit – Agile Ansätze auch in Normalzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Agile Finance – von der verwaltenden zur gestaltenden Finanzfunktion Experteninterview mit Alex Glanzmann Markus Gisler
Zusammenfassung
Alex Glanzmann ist seit 2016 Leiter Finanzen und Mitglied der Konzernleitung der Schweizerischen Post. Im Gespräch mit Markus Gisler äußert er sich unter anderem zu den Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche agile Transformation der Finanzfunktion, wie man als CFO eine agile Kultur, ein agiles Mindset gestaltet und welche Möglichkeiten der Kommunikation er selber nutzt, um die Mitarbeitenden abzuholen. Markus Gisler: Herr Glanzmann, welche Merkmale zeichnen eine agile Finanzfunktion aus? Alex Glanzmann: Die agile Finanzfunktion zeigt sich in der Aufbauorganisation ebenso wie in der Führung und Kultur der Finanzabteilung, im Umgang mit Daten und Systemen und in den Prozessen [1]. Sie orientiert sich konsequent an den Bedürfnissen der Geschäftsbereiche und deren Nutzen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Sie gibt den Geschäftsbereichen relevante Steuerungsimpulse und unterstützt sie darin, unter dem zunehmenden Kostendruck Effizienzpotenziale zu realisieren. Agilität hat überall dort Grenzen, wo die Compliance und regulatorische Vorgaben verbindliche Leitplanken setzen, die in jedem Fall einzuhalten sind. Markus Gisler: Was sind für Sie die Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche agile Transformation der Finanzfunktion? Können Sie uns hier ein paar Details geben und Beispiele aus der Schweizerischen Post nennen? Alex Glanzmann: Die Kommunikation der Vision ist entscheidend für die Transformation der Finanzfunktion hin zum Agilen. M. Gisler (B) Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, Hochschule Luzern – Wirtschaft, Rotkreuz, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_1
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Denn wenn die Mitarbeitenden die Notwendigkeit der Veränderung nicht erkennen, haben sie wenig Grund dazu, sich von altbewährten Rezepten zu verabschieden. Es ist Führungsaufgabe des CFOs, diese Vision nicht nur zu kommunizieren, sondern auch zu ermöglichen, mit den dafür notwendigen Strukturen und Instrumenten. Dies beispielsweise mit OKR (Objectives and Key Results) oder agilem Projektcontrolling als Managementinstrumente in der finanziellen Führung. Und schließlich braucht es auch eine auf die agilen Werte und Prinzipien ausgerichtete Haltung und Unternehmenskultur. Im Funktionsbereich Finanzen der Schweizerischen Post sind erste Teams daran, mit agilen Methoden zu arbeiten, beispielsweise im Projektcontrolling oder im Business-Partner-Team für den Geschäftsbereich Kommunikations-Services, der auf die digitalen postalischen Geschäftsfelder fokussiert. Es ist ein gemeinsamer und schrittweiser Lernprozess im Finanzbereich der Post, in Kenntnis unserer Möglichkeiten und auch im Wissen, dass dieser Wandel Zeit braucht. Markus Gisler: Was sind Ihrer Meinung nach die größten LeadershipHerausforderungen für einen CFO in der agilen Organisation bzw. in einer agilen Finanzfunktion? Alex Glanzmann: In einem Großkonzern wie der Post muss die Finanzfunktion die Steuerungs- und Informationshoheit über die finanziellen Werteflüsse in jedem Fall bewahren – allein schon aufgrund der regulatorischen Vorgaben. So stellen zum einen klare und konzernweit geltende Vorgaben in Themenfeldern wie zum Beispiel der Rechnungslegung sicher, dass der Konzern finanziell steuerungsfähig bleibt. Zum anderen arbeiten wir bei der Post je nach Geschäftsmodell und -reife mit einem abgestuften finanziellen Führungsmodell. So können wir besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Geschäftsbereiche eingehen und die Finanzverantwortlichen richten sich auf die verstärkt agil arbeitenden Teams in den Business Units aus. Dieses Spannungsfeld muss fachlich, organisatorisch und auch kulturell gemanagt sein. Es gilt darum auch, die Führung situativ anzupassen. Ganz zentral sind die Zusammenarbeit und die interne Kommunikation. Und dies ganz dezidiert nicht nur innerhalb der agil arbeitenden Teams, sondern im gesamten Bereich Finanzen, damit wir voneinander lernen können – über Erfolge ebenso wie über einen offenen und konstruktiven Umgang mit Fehlern. Meine Aufgabe als CFO ist es, den Wandel im Bereich Finanzen Post aktiv voranzutreiben und die Organisation in diese Richtung zu entwickeln. Markus Gisler: Wenn wir eine agil und eine nicht-agil aufgestellte Finanzfunktion miteinander vergleichen, welche strategischen Unternehmensziele unterstützen Ihrer Ansicht nach die agile Finanzfunktion besser als eine nicht-agile Finanzfunktion? Alex Glanzmann: Es ist kein entweder oder. Der Trend geht in den Finanzen generell hin zu mehr Agilität. Es stellt sich eher die Frage nach der konkreten Ausgestaltung von agilen Funktionen. Die Antwort darauf kann je nach Unternehmen und Geschäftsmodell wieder anders aussehen. Grundsätzlich sind heute aber flexible Aufbauorganisationen gefragt, die fach- und funktionsübergreifend arbeiten und sich stärker an Projekten und Kompetenzen orientieren als an Fachthemen [1]. Eine End-to-End-Prozessgestaltung ist zwingend und die
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eigenverantwortliche Arbeitsweise der Mitarbeitenden muss gestärkt werden. So betrachtet, ist es auch aus einer unternehmerischen Perspektive heraus angezeigt, sich mit agilen Arbeits- und Denkweisen auseinanderzusetzen und diese zu implementieren, wo es sinnvoll und möglich ist. Markus Gisler: Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit dieser Nutzen entfaltet werden kann? Alex Glanzmann: Die agile Finanzfunktion muss die Herausforderungen der Geschäftsbereiche aus der Business- und Marktsicht heraus verstehen und versuchen, die internen Prozesse und Arbeitsweisen wo möglich sinnvoll anzupassen. Auf der organisatorischen Seite braucht es flachere Hierarchien und ein Führungsverständnis, das auf der Initiative und Eigenverantwortung der Mitarbeitenden aufbaut. Diese Gedanken kommen in der Strategie Post von morgen und im Zielbild der anzustrebenden Unternehmenskultur sehr gut zum Ausdruck [2]. Dazu gehört auch die Etablierung einer Fehlerkultur, die den Fehler als Lernmöglichkeit für die gesamte Organisation versteht. Markus Gisler: Beschleunigt oder bremst die Digitalisierung (z. B. Robotic Proces Automation) die agile Finanzfunktion? Alex Glanzmann: Agilität und Digitalisierung bedingen einander wechselseitig. Damit Business-Verantwortliche anhand von Daten, Analysen und Szenarien aus dem Bereich Finanzen fundierte Entscheidungen treffen können, ist die Digitalisierung eine grundlegende Voraussetzung. Auch deshalb ist es zentral, dass wir Finanzsysteme und Plattformen gesamtheitlich in diese Richtung entwickeln, bei der Post zum Beispiel mit der Harmonisierung der finanziellen Werteflüsse auf einer konzernweit einheitlichen Plattform. Entscheidend ist auch der Aufbau von internem Know-how zu Themen wie Automatisierung, Prozessoptimierung und Künstliche Intelligenz. Wir fördern solche Initiativen, unter anderem in Zusammenarbeit mit externen Partnern, und wir pflegen eine sehr enge Zusammenarbeit mit unserer Informatikabteilung. Markus Gisler: Wie gestaltet man als CFO erfolgreich eine agile Kultur, ein agiles Mindset und wie geht man mit Widerständen bei der agilen Transformation in der Finanzfunktion um? Können Sie hier ein Beispiel geben? Alex Glanzmann: Der oder die CFO muss den Willen und die Vision haben, den Finanzbereich von einer verwaltenden in eine gestaltende Einheit zu transformieren. Diese Vision gilt es, über die Führungspersonen in die einzelnen Teams hineinzutragen und im Alltag zu leben. Das verlangt ein Investment in die Entwicklung von Führung und Kultur auf allen Ebenen. Widerstand kann sich beispielsweise darin äußern, dass an Routinen und Prozessen festgehalten wird, die aus Sicht von Partnern und Kunden wenig Sinn machen oder sogar hinderlich sind. In meiner Rolle als CFO ermuntere ich die Mitarbeitenden explizit dazu, Neues auszuprobieren und den eigenen Entscheidungsspielraum zu nutzen. Dazu braucht es eine Lernkultur, welche die stetige Weiterentwicklung jedes Einzelnen fördert und gleichzeitig auch einfordert.
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Markus Gisler: Welche Aufgaben eignen sich Ihrer Erfahrung nach besonders für agiles Arbeiten in der Finanzfunktion? Alex Glanzmann: Es hängt vom Kontext und von der Aufgabe ab. Neue oder sich disruptiv ändernde Geschäftsmodelle und die zunehmende Komplexität in diversen Themenbereichen erfordern generell eine erhöhte Flexibilität in der finanziellen Steuerung. Bei Finanzen Post setzen wir beispielsweise im Projektcontrolling agile Methoden ein. Aber auch die Business-Partner-Organisation muss sich immer stärker in diese Richtung weiterentwickeln, sei es durch Mitarbeit in agilen Business-Teams oder durch den Einsatz von neuen Steuerungsinstrumenten, beispielsweise OKR anstelle von fixen Jahreszielen. Markus Gisler: Kommunikation, Sie haben es vorher erwähnt, ist elementar bei der agilen Transformation. Welche Möglichkeiten der Kommunikation nutzen Sie, um die Mitarbeitenden abzuholen? Alex Glanzmann: Transparenz in der Kommunikation und eine konstruktive Feedback-Kultur sind essenziell. Ich nehme mir deshalb regelmäßig Zeit, um mich mit den Teams auszutauschen. Wir machen auch Townhalls und BrownbagSessions, in denen wir unser Wissen bereichsübergreifend teilen und Themen in den Gesamtzusammenhang einordnen. Wir nutzen die digitalen Plattformen für Information und Kollaboration, schaffen bei der Post Gefäße wie Communitys of Practice, unterstützen Venturing-Projekte und Innovation Labs. Das Thema Kultur bearbeiten wir in einer eigenen Arbeitsgruppe und thematisieren es regelmäßig in unserer Kommunikation für die Mitarbeitenden. Wir legen auch Wert auf ein gutes Onboarding von neuen Kolleginnen und Kollegen, damit sie sich schnell orientieren und vernetzen können. Markus Gisler: Herr Glanzmann, zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der Finanzfunktion und des CFOs? Alex Glanzmann: Der Fokus liegt künftig stärker auf den steuernden Impulsen und weniger auf der traditionell geprägten, verwaltenden und dokumentierenden Rolle der Finanzen. Die Rolle des CFOs wird in der Folge noch stärker strategisch ausgerichtet sein. Die Finanzfunktion agiert verstärkt als Business-Partnerin mit Impact auf die Geschäftsentwicklung und die strategische Entscheidungsfindung. Der beratende Teil der Rolle wird wichtiger, indem wir mit unserer Expertise Sparring-Partner sind. Das setzt voraus, dass wir verstärkt in Szenarien denken und uns schnell anpassen können. Das wiederum hat zur Folge, dass sich die Aufgabenprofile und die Kompetenzen der Mitarbeitenden verändern und breiter werden. In der Führung geht es darum, einen übergeordneten Rahmen für Projekte und Vorhaben zu schaffen und Entscheidungskompetenz in die Teams zu geben. Persönlich denke ich auch, dass es eine verstärkt bereichsübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen braucht – von der Informatik über das HR bis hin zu Funktionen wie Corporate Responsibility – um den Wandel im Unternehmen gesamtheitlich zu gestalten.
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Markus Gisler: Herr Glanzmann, vielen Dank für das Gespräch. Die Schweizerische Post AG
Die Schweizerische Post ist als Mischkonzern im Kommunikations-, Logistik-, Retailfinanz- und Personenverkehrsmarkt tätig. Privat- und Geschäftskunden bietet sie qualitativ hochwertige Dienstleistungen und Produkte in der physischen und digitalen Welt. Die Post beschäftigt rund 47.000 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2022 einen Betriebsertrag von CHF 6859 Mio. 2022 wurde das Unternehmen vom Weltpostverein zum sechsten Mal in Folge zur besten Post der Welt gekürt. Alex Glanzmann ist seit 2016 Leiter Finanzen und Mitglied der Konzernleitung der Schweizerischen Post. Zudem ist er Mitglied des Verwaltungsrates von PostFinance. Vorher hatte er diverse Funktionen im Bereich PostLogistics inne, unter anderem als Leiter Finanzen. Alex Glanzmann hat an der Universität Bern Ökonomie studiert (lic. rer. pol.) und besitzt ein Executive MBA in Business Engineering der Universität St. Gallen. Prof. Dr. Markus Gisler ist seit 2019 Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern. Seine Lehr-, Forschungs- und Beratungsschwerpunkte sind die CFO-Funktion, Financial Accounting und Controlling. Vor seinem Wechsel an die HSLU im Jahr 2013 arbeitete er 16 Jahre in der Privatwirtschaft als Wirtschaftsprüfer und als Länderfinanzchef in verschiedenen asiatischen Gesellschaften der DKSH-Gruppe. Markus Gisler promovierte an der Hochschule St. Gallen (HSG) und verfügt über ein Diplom als eidg. dipl. Wirtschaftsprüfer. Seit 2015 ist er Präsident des CFO Forums Schweiz, der größten Vereinigung von CFOs in der Schweiz.
Literatur 1. Dasenbrook N, Schwanhäuser J, Vetter G (2022) Trends in der Finanzindustrie: Agile Finanzorganisation. https://www2.deloitte.com/de/de/pages/financial-services/articles/agile-finanzorg anisation-in-fsi.html. Zugegriffen: 17. Juni 2022 2. Die Schweizerische Post (2022) Unsere Strategie. Ein Land, das sich bewegt, braucht eine Post, die das auch tut. https://www.post.ch/de/ueber-uns/portraet/strategie. Zugegriffen: 17. Juni 2022
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Growth Mindset und Empowerment als Grundlage der Transformation der Finanzfunktion Jörn Harde und Maria Kirsche-Richter
Zusammenfassung
Im nachfolgenden Artikel wird anhand von Beispielen das Thema ChangeManagement und Mindset bei der Transformation der Finanzabteilung sowie die Förderung von agilen Kompetenzen thematisiert. Growth Mindset und Empowerment sind strategische Prioritäten, die bei Siemens als fokussiertem Technologiekonzern nicht nur die Transformation der Finanzfunktion, sondern generell den Weg zu einer schnelleren und anpassungsfähigeren Organisation bereiten. Im Verlauf dieses Beitrags wird der Begriff Agilität umrissen und die Firma Siemens in Bezug auf Agilität vorgestellt. Mit einer Erhöhung der Taktrate muss sich auch die agile Transformation der Finanzabteilung beschleunigen. Ziel ist es, den Fokus der Finanzabteilungen künftig vermehrt auf mehrwertsteigernde Aktivitäten zu richten und wesentlich mehr in Entscheidungsprozesse involviert zu sein, bei gleichbleibender Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Förderung agiler Kompetenzen und Methoden unterstützt bestehende Organisationsstrukturen, sich beständig weiterzuentwickeln. Dazu sind Kompetenzen wie Kreativität, positive Führung, Selbstorganisation, Digitalisierung sowie eine Orientierung an einem gemeinsamen, verbindenden Zweck (Purpose) für die Autoren besonders entscheidend.
J. Harde (B) · M. Kirsche-Richter Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected] M. Kirsche-Richter E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_2
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2.1
Einführung Agilität
«Change is the essential process of all existence [17].»
Unsere Welt ist stetigem, sich beschleunigendem Wandel ausgesetzt und Organisationen sowie Unternehmen können diesen Wandel gestalten und sich darin entwickeln, wenn sie sich beständig anpassen, weiterentwickeln und neu erfinden. Das Wirtschaftsumfeld ist zunehmend durch VUCA geprägt. Das Akronym VUCA setzt sich aus den englischen Begriffen Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) zusammen. Um sich in diesem Umfeld zurechtzufinden, nutzen immer mehr Organisationen agile Methoden. «Diese helfen schneller und flexibler auf sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren [12, S. 30].» Zudem haben die letzten Jahre daran erinnert, dass Unternehmen und die Gesellschaft regelmäßig verschiedenste Turbulenzen zu bewältigen haben. Dies führt vermehrt dazu, dass Unternehmen eine ganzheitliche Umstrukturierung ihrer Unternehmensstruktur vornehmen [12, S. 30]. Die Rate, mit der sich die Umwelt verändert, nimmt dabei nicht linear, sondern exponentiell zu. Das liegt vor allem an den Auswirkungen der Digitalisierung und Globalisierung, welche durch innovative Technologien für eine Disruption auf gesamtgesellschaftlicher Ebene sorgen. Damit nimmt auch die Taktrate, an die sich Organisationen anpassen müssen, ständig zu. Firmen aus der Telekommunikationsbranche wissen um diesen Umstand und etablieren Big Data und Algorithmen in ihrer Unternehmensstruktur, um genau dieser Thematik gerecht zu werden [21, S. 4]. Hinzu kommen neue Geschäftsmodelle (XaaS), eine Vereinfachung des Markteinstieges und Veränderungen in den Wertschöpfungsketten durch Elimination von Zwischenhändlern. All das fordert Unternehmen dazu auf, sich von klassischen Organisationsstrukturen zu lösen, um den immer komplexer werdenden Umweltbedingungen standzuhalten. Ursprünglich geht Agilität auf ein Regelwerk der IT-Branche zurück. Beck et al. [3] etablierten dieses Regelwerk in der Softwareentwicklung mit dem Ziel, einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen. Nicht der Prozess, sondern das Ergebnis sei entscheidend für den Geschäftserfolg. Beck et al. [3] haben 2001 damit den Grundstein gelegt, welcher von diversen Autoren weiter ausgebaut wurde. Chirkova und Cleff [4, S. 247] unterstreichen beispielsweise, dass Agilität keine Methode sei und nicht einfach auf klassische Strukturen angewandt werden könne. Agilität sei keine feste Form, sondern muss immer wieder neu aufgefasst werden: Ähnlich wie es das Wort suggeriert, ist Agilität ständig in Bewegung und verlangt, dass man Schritt halten könne [4, S. 249]. Lehmann et al. [13, S. 28] gehen noch weiter und definieren Agilität als einen Zusammenschluss aus agil sein und agil handeln. Das bedeutet, dass zunächst einmal Prinzipien wie Selbstreflexion, Ehrlichkeit, Vertrauen, Veränderungen und Offenheit die Basis für eine agile Organisation bilden. Ohne ein agiles Mindset, scheitert die Umsetzung agiler Methoden. Ist das agil
2 Growth Mindset und Empowerment …
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Sein vorhanden, wird das agil Handeln erst ermöglicht. Hier gilt es dann, agile Methoden und Praktiken umzusetzen wie beispielsweise in Form von Scrum oder Kanban.
2.1.1
Technologiekonzern Siemens im Wandel
«Diese technischen Innovationen sind die Grundlage für die Transformation von Geschäftsmodellen zu digitalen Ökosystemen [12, S. 30].»
Siemens hat sich über 175 Jahre erfolgreich in dem beschriebenen, sich beschleunigenden Wandel behauptet. Als eines der größten fokussierten Technologieunternehmen prägt Siemens die Zukunft. Fokussiert, weil Technologien entwickelt werden, die explizit Kundinnen und Kunden in die Lage versetzen, die Branchen, die das Rückgrat unserer Volkswirtschaften bilden – Industrie, Infrastruktur, Verkehr und Gesundheitswesen – positiv zu verändern. Siemens bietet von ressourceneffizienteren Fabriken, widerstandsfähigen Lieferketten und intelligenteren Gebäuden und Netzen bis hin zu saubereren und komfortableren Verkehrsmitteln sowie fortschrittlicher Gesundheitsversorgung ein breites Portfolio an. Allen voran steht dabei die Mehrwertgenerierung für die Kundin und den Kunden. Auf den historischen Wurzeln der Elektrifizierung basierend, gefolgt von der Automatisierung ist es nun die Digitalisierung, welche die Gesellschaft gesamtheitlich transformiert. Indem die reale und digitale Welt kombiniert werden, ermöglicht Siemens seinen Kundinnen und Kunden, die digitale Transformation und die Herausforderung der Nachhaltigkeit zu meistern und so den Alltag von Milliarden von Menschen zu verbessern. Siemens baut somit Brücken zwischen den beiden Welten. Jede Siemens-Einheit hat ihr ursprünglich industrielles Kerngeschäft mit digitalen Geschäftsfeldern weiterentwickelt und beschreitet diese Transformation auch fortlaufend. Kerngeschäft und digitale Geschäftsfelder leben in Symbiose und verstärken sich dabei gegenseitig, denn nur so können neue Lösungen in allen Bereichen umgesetzt werden. Siemens hat im Zuge der Vision2020+ in den letzten Jahren die Geschäftseinheiten Siemens Energy, Siemens Gamesa und Siemens Healthineers als eigenständige, börsengehandelte Firmen aufgestellt, um ihnen noch mehr unternehmerische Freiheiten innerhalb ihrer jeweiligen Branchen zu ermöglichen. Siemens umfasst weltweit 303.000 Mitarbeitende und erzielt jährlich Umsatzerlöse von 62.3 Mrd. EUR (Stand: 30.09.2021). Der Siemens-Konzern besteht heute aus den folgenden Geschäftseinheiten: Siemens Smart Infrastructure verbindet auf intelligente Weise Energiesysteme, Gebäude und Industrien in den Bereichen Gebäude- und Energietechnik. Dies wird beispielsweise durch vernetzte, cloudbasierte digitale Angebote und Dienstleistungen sowie durch Produkte, Komponenten und Systeme bewerkstelligt. Siemens Digital Industries ist Innovations- und Technologieführer für die industrielle Automatisierung und die Digitalisierung. Mit einem umfassenden Produktportfolio und Systemlösungen für die Automatisierung wird die virtuelle mit der realen Welt verknüpft. Von IoT-Lösungen (Internet of Things) über digitale Produkte und Cloud-Infrastruktur
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bis hin zur Smart Hardware wird dafür gesorgt, dass das Leben und Arbeiten einfacher, schneller und effizienter wird. Siemens Mobility besitzt alle erforderlichen Kompetenzen für ein effizientes Mobilitäts-Management für Menschen und Güter: von Betriebsführungssystemen für die Bahn- und Straßenverkehrstechnik über die Bahnelektrifizierung bis hin zu Schienenfahrzeugen und den dazugehörigen Serviceleistungen.
2.1.2
Agilität ist bei Siemens tief verankert
«100 % of customers are people. 100 % of employees are people. If you don’t understand people, you don’t understand business [18].»
Der Mensch steht im Mittelpunkt der Agilität. Will sich eine Firma den sich ändernden Umweltbedingungen schnell und flexibel anpassen, müssen daher die einzelnen Mitarbeitenden im Fokus stehen. Veränderung beginnt bei einem selbst. Wenn man Neues probiert, dann kann man auch scheitern und genau das ist entscheidend. Nur indem Fehler gemacht werden, kann auch daraus gelernt werden. Diese positive Fehlerkultur beschleunigt den Lernprozess immens, was wiederum das individuelle Wachstum und gleichwohl auch den Mehrwert der Firma schneller vorantreibt. Wichtig ist es, hierbei keine Angst vor dem Ausprobieren zu haben, sich bewusst in eine unbekannte Lage zu versetzen, um längerfristige Erfolge zu ermöglichen. Wird diese Einstellung von allen Involvierten akzeptiert, kann dies im ganzen Unternehmen zu einer Kulturveränderung führen. Simon Sinek [18] trifft es mit seiner Aussage auf den Punkt, egal wie sehr sich eine Firma verändern will, jeder einzelne Mitarbeitende muss zuallererst bereit sein, sich zu verändern. Dieser Gedankengang ist auch in der Agilität verankert, Siemens hat diesen verinnerlicht. Ähnlich wie es Lehmann et al. [12, S. 33] beschreiben, wenn sie davon sprechen, dass Agilität nur als eine Einheit aus der Summe ihrer Teile funktionieren kann, so kann ein Unternehmen ebenfalls nur als Einheit funktionieren. Agilität geht dabei auf das Agile Manifesto von Beck et al. [3] zurück und bezeichnet folgende Werte als besonders wichtig: Individuen und Interaktionen im Vordergrund; funktionierende Software zählt mehr als umfassende Dokumentation; Zusammenarbeit mit Kunden zählt mehr als Vertragshandlung; Reagieren auf Veränderung zählt mehr als Befolgen eines Plans. Siemens hat sich über Jahre genau mit diesen vier Werten auseinandergesetzt und diese erweitert. Heute leiten vier Company-Prioritäten die Unternehmung, die bemerkenswerterweise weniger auf harte Ziele, sondern mehr auf weiche Verhaltensweisen abzielen. Bei einer Gegenüberstellung der Werte des Agile Manifesto und der Siemens-Prioritäten werden die Parallelen deutlich (vgl. Abb. 2.1). Beim Customer Impact geht es um die Antizipierung der Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden. Besonders in Zeiten signifikanter Marktveränderungen ist es elementar wichtig, den Kundinnen und Kunden zu helfen, relevant zu bleiben und mit sich verändernden Kundenbedürfnissen umzugehen. Siemens bietet Produkte, Dienstleistungen und
Empowered People
Customer Impact
Zusammenarbeit mit Kunden ist wichtiger als Vertragshandlung
Die Siemens Prioritäten stehen im Einklang mit agilen Prinzipien und Werten
Technology with purpose
Erweiterung
•
3. Wert
Abb. 2.1 Gegenüberstellung Agile Manifesto und Siemens-Prioritäten. (Quelle: Eigene Darstellung)
Siemens Prioritäten
Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation
•
• Individuen und Interaktionen stehen im Vordergrund
2. Wert
1. Wert
Agile Manifesto
•
Growth Mindset
Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans
4. Wert
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Lösungen an, die sich genau diesen sich ständig ändernden Anforderungen der globalen Märkte stellen. Dabei nehmen Ehrlichkeit, Transparenz und Lernbereitschaft bei der Zusammenarbeit mit Kundinnen und Kunden einen erheblichen Stellenwert ein. Mit Empowered People werden Menschen – seien es Kundinnen und Kunden, Geschäftspartnerinnen und -partner sowie Mitarbeitende – darin bestärkt und befähigt, das Beste aus ihren Fähigkeiten zu machen, ihre Ziele zu erreichen und sich selbst zu verwirklichen. Die Grundlage dazu ist das Ermöglichen von Eigenverantwortung und das Gewähren von Freiheiten auf Basis von Vertrauen. Dies braucht eine neue Art von Führung. Aus diesem Grund hat Siemens sich entschieden, traditionelle Führungskonzepte zugunsten von großen Freiheitsgraden in der individuellen und situativen Gestaltung der Führungsrolle abzuschaffen. Der Wert Individuen und Interaktionen im Vordergrund des Agile Manifesto [3] ist in dieser Company-Priorität enthalten und Siemens setzt vermehrt auf die Befähigung von Menschen, unabhängig ihres Bezuges zum Unternehmen. Nicht nur Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitende, sondern auch gesamtgesellschaftlich befähigt Siemens Menschen durch die Bereitstellung von Bildungsprogrammen, Zugang zu Technologien sowie zahlreichen Siemens-Stiftungen, welche die Sustainable Development Goals der United Nations umsetzen [20]. Technology with purpose ist der Kern von Siemens. Wie Werner von Siemens es vor über 170 Jahren bereits definiert hat, ist es die Aufgabe des Unternehmens, Technologien bereitzustellen, die die Lebensqualität verbessern und einen dauerhaften Wert für die Gesellschaft schaffen. Heute steht dabei im Fokus, den Kundinnen und Kunden zu helfen, ihre digitale Transformation zu beschleunigen, ihre Unternehmen und ganze Industrien neu zu erfinden und nachhaltiger zu werden. Nachhaltigkeit ist das ganzheitliche Ziel des Siemens Frameworks DEGREE. DEGREE ist ein Akronym und steht für Decarbonisation, Ethics, Governance, Resource Efficiency, Equity Employability. Es handelt sich hierbei um einen 360-Grad-Ansatz, welcher alle Beteiligten – von Kundinnen und Kunden, Lieferantinnen und Lieferanten über Investorinnen und Investoren und Mitarbeitende bis hin zu Gesellschaften – sowie den gesamten Planeten umfasst. Somit wird das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich von Siemens abgedeckt. Das Beispiel der Dekarbonisierung zeigt, dass bereits 36 % des Portfolios von Siemens dekarbonisiert sind – mit dem Ziel, bis 2050 das gesamte Portfolio sowie die Versorgungskette klimaneutral werden zu lassen [19]. Das Growth Mindset bildet die vierte Priorität. Um sich dem bereits erwähnten Wandel zu stellen, sind nicht nur strategische Weichenstellungen notwendig, sondern die DNA des Unternehmens muss auf das sich beschleunigende Umfeld ausgerichtet werden. Die Basis für die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens liegt damit in den grundlegenden Werten, die sich in der Unternehmenskultur widerspiegeln, um den Growth Mindset der Führungskräfte und Mitarbeitenden zu fördern. Nur ein stetiges Streben nach persönlicher Entwicklung ermöglicht es, erfolgreich durch turbulente Zeiten zu manövrieren.
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Dweck [5] unterscheidet hierbei zwischen Growth Mindset und Fixed Mindset. Ersteres definiert Dweck als Menschen, die daran glauben, dass man sich durch ausreichende Willenskraft Talent aneignen könne. Letzteres besagt, dass Talent prädestiniert sei und nicht erlernt werden könne [5]. Agilität bildet sich vor allem aus einem Growth Mindset. Werte wie Transparenz, Vertrauen, Verantwortung, Mut, Offenheit und Respekt sind elementar. Durch diese Einstellung werden Prinzipien wie Reflexion, Lern- und positive Fehlerkultur überhaupt erst ermöglicht. Alles fängt dabei beim Management an. Das Management lebt den Mindset vor und muss sich ständig neu erfinden, um der Komplexität der Außenwelt standzuhalten. Eine Wandlung muss aber auch alle Bereiche der Organisation tangieren. Neben dem Management sind auch die Teams, respektive jeder einzelne Mitarbeitende gefragt, denn die Führung in diesem komplexen Umfeld ist eine gemeinsame Aufgabe. Das Management fungiert hierbei spezifisch als Wegbereiter der Innovation. Innovation wird demnach gefördert, indem ein Rahmen geschaffen wird, welcher Neues zulässt und dazu ermutigt, Neues auszuprobieren. Durch regelmäßige Reflexion wird der Arbeitsprozess kontinuierlich optimiert und wo nötig adaptiert. Dabei wird sich immer auf Augenhöhe begegnet. Grundsätzlich ist also festzuhalten, dass im komplexen Umfeld anders geführt wird, denn Veränderungen bei den Mitarbeitenden führen auch zu Veränderungen in der Art der Führung und umgekehrt. Im Zuge der Agilität möchte man somit weg von der allwissenden Entscheidungsmacht, die beispielsweise eine Taktrate in Form von Aufgaben vorgibt, und hin zu einem Coach, der Mitarbeitende begleitet und bestärkt [12, S. 31]. Hierbei gilt es zwischen einer intrinsischen und einer extrinsischen Motivation zu unterscheiden. Bei der extrinsischen Motivation spielen äußere Reize eine elementare Rolle. So können beispielsweise finanzielle Anreize oder eine sich anbahnende Deadline motivierend sein. Im Gegensatz dazu liegt die Motivation bei der intrinsischen Variante beim Menschen selbst. Ist das Warum überzeugend genug, sprich wird der Aufgabe eine Sinnhaftigkeit und eine innere Überzeugung zugesprochen, kann das als Antrieb allein genügen. Grundsätzlich hat der Mensch Angst vor Veränderung, die Komfortzone besteht aus dem Bekannten, Wiederkehrenden und Problemen wird meist mit den bekannten Methoden entgegnet. Wenn die intrinsische Motivation gestärkt wird, kann die Komfortzone verlassen werden, denn bei einer hohen inneren Überzeugung ist der Drang, sich weiterzuentwickeln, stärker als die Gewohnheit auf übliche Methoden zurückzugreifen. Intrinsische Motivation ist dabei der Eckpfeiler eines jeden Teams, welcher die Stoßrichtung effizienter Arbeit bestimmt. Möglichkeiten, die intrinsische Motivation zu stärken, reichen von der Zelebrierung einzelner Meilensteine über Lob bis hin zum kontinuierlichen Feedback zum andauernden Prozess [12, S. 32]. Nur so kann sich die Firma weiterentwickeln, motivieren und sich ständig ändernden Taktraten anpassen.
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2.2
Finanzfunktion in der agilen Transformation
«If you leave it to the data scientists, they lack the domain knowledge. If you leave it to the businesses, they don’t necessarily see the potential and power of data. So, it’s a challenge for finance here to be able to bridge the gap [6, S. 8].»
Automatisierung und Digitalisierung sind bereits seit Jahren Fokusthemen der Unternehmenstransformation und erfordern auch eine Neuorientierung und Neudefinition der Finanzfunktion. Sie muss sich zum Ersten in den eigenen Prozessen und der genutzten Toollandschaft weiterentwickeln und kann dabei auf agile Methoden zurückgreifen sowie einen agilen Mindset nutzen. Es wurde bei Siemens vielseitig in die Automatisierung und Digitalisierung von globalen, geschäftsbereichsübergreifenden Prozessen, standardisiertes Reporting sowie die Aufbereitung und Visualisierung von Daten durch Business Intelligence (BI) Dashboards, Tableau-Anwendungen und Ähnliches investiert [7, S. 222]. Zum Zweiten ist es Aufgabe der Finanzfunktion, im operativen Geschäft Prozesse zur Verfügung zu stellen, die der schnelleren Anpassung und geforderten Veränderungsfähigkeit gerecht werden – zum Beispiel durch neue Aufgabenbereiche wie Data Analytics oder die agile und schnellere Implementierung von neuen Geschäftsmodellen und Umsetzung von Akquisitionen. Drittens und langfristig mit am wichtigsten ist die Transformation der Finanzfunktion als kommerzieller Partner der Geschäftsbereiche, um bei der Erarbeitung und Umsetzung von Produkt- und Marktstrategien, neuen Geschäftsmodellen wie zum Beispiel Software-as-a-Service(SaaS)-Modellen im Softwareumfeld bis hin zu einer neuen Zusammenarbeit mit Kundinnen und Kunden in einem Öko-System als Business Partner wertvolle Unterstützung zu erbringen. Diese Aktivitäten umfassen unter anderem die aktive Einbindung in auftragsbezogene Vorgänge, das Aufzeigen von kaufmännischen Potenzialen in Verhandlungen mit Kundinnen und Kunden sowie Lieferanten und Lieferantinnen, zum Beispiel zur Cash-Optimierung bei Einführung neuer Geschäftsmodelle für Kundinnen und Kunden, zur optimalen Ausgestaltung von Zahlungszielen etc. Ziel ist es, den Fokus der Finanzabteilungen künftig vermehrt auf mehrwertsteigernde Aktivitäten zu richten und in Entscheidungsprozesse wesentlich involviert zu sein. Viertens ist die Governance und das Einhalten von Compliance und rechtlichen Rahmenbedingungen jederzeit mit absoluter Priorität unter sich immer schneller verändernden Rahmenbedingungen einzuhalten und sicherzustellen. Dies erfordert somit auch eine agile Aufstellung, um Prozesse und Geschäfte zu unterstützen. Finanztätigkeiten in traditioneller Form sind zum Teil von starren, eher unflexiblen Strukturen und Abläufen geprägt – mit planbaren Tätigkeiten und Abläufen sowie klarem und definiertem Input und Output. In gewissem Rahmen sind fixe Grundbedingungen durch rechtliche und statutarische Anforderungen gegeben, die auch in Zukunft maßgebend sind. Der Markt ist stärker von technischer Innovation geprägt, während die Finanzfunktion in den letzten Jahren vor allem Optimierungen des Outputs vorangetrieben hat [12, S. 30]. Aufgrund dieser Entwicklung und Organisation sind auch die Tätigkeitsbereiche und der Mindset der Mitarbeitenden in der Finanzfunktion bisher weniger stark
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mit Agilität und Transformation in Verbindung gekommen. Wenn aber die Gesamtunternehmung erfolgreich die Taktrate erhöhen und in der digitalen Transformation führend sein möchte, spielt die Finanzfunktion eine bedeutende Rolle, um die Agilität der Organisation zu steigern; zum Beispiel durch Bereitstellung von relevanten Informationen und der Ausübung neuer Funktionen und Unterstützung bei neuen Business-Modellen. Bei Siemens wurden daher in den vergangenen Jahren unterschiedlichste Initiativen im Finanzbereich umgesetzt, um diesen Transformationsprozess langfristig zu unterstützen. Neben organisatorischen Anpassungen wie zum Beispiel der Bildung einer leistungsfähigen Shared-Service-Funktion wurden hier zunehmend Erfolge im Bereich Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen durch Unterstützung von Robotics-Anwendungen und Künstlicher Intelligenz (KI) erzielt. In Bezug auf die weitere Transformation steht die Finanzfunktion allgemein vor einem Zielkonflikt. Dieser besteht aus der Herausforderung, nachhaltig mit Unsicherheiten, Disruption und Turbulenzen umgehen zu lernen, dabei die neuen Anforderungen ausfüllen zu können und zu entdecken, wie sie eine positive Fehlerkultur implementieren kann, ohne zeitgleich die Integrität der Finanzkennzahlen und rechtlichen Voraussetzungen zu kompromittieren. Eine Fehlerkultur wird wichtig, da ausprobieren und aus Fehlern zu lernen, Innovation und einen agilen Mindset fördern. Fehler dürfen damit kein absolutes Tabu mehr sein, auch nicht in der Finanzfunktion. Es stellt sich auch die Frage, ob für eine erfolgreiche agile Transformation in der Finanzfunktion sämtliche Bereiche wie zum Beispiel das Rechnungswesen, das Projekt-Controlling oder die Steuerabteilung voll agil aufgestellt sein sollten, um künftig erfolgreich zu sein. Oder ob es auf die spezifischen Tätigkeiten und eine Ausgewogenheit zwischen traditionellen und agilen Arbeitsformen ankommt – denn die rechtlichen Rahmenbedingungen sind nach wie vor unverhandelbar. Die neuen Herausforderungen und zukünftigen Aufgabengebiete der Finanzfunktion müssen gemeinsam mit dem Team definiert werden, dabei Umwelteinflüsse wie Sustainability Reporting und neue Risiken wie Cybersecurity als aufgabenerweiternd evaluiert werden. Zudem sind die durch die Automatisierung und Digitalisierung vorhandenen Daten ein Gut, deren Governance bis zu einem bestimmten Punkt in die Finanzfunktion integriert sein sollte bzw. eine enge Zusammenarbeit mit den IT-Abteilungen erfordert. Der Umgang mit diesen Daten und das dazugehörige Anforderungsprofil an die Mitarbeitenden ändert den Fokus der Finanzfunktion bereits seit einigen Jahren und neue Rollen wie zum Beispiel Data Analysts sind entstanden. Das Erhöhen der Taktrate und damit gleichzeitig einer höheren Toleranz zur Fehlerquote bedingt auch, dass Funktionen wie Risk Management neu definiert werden, um der Organisation den Rahmen dazu zu ermöglichen, dynamischer zu agieren – von absoluter Risikovermeidung hin zu Management der Risiken [10, S. 2 ff.]. Damit die Transformation der Finanzfunktion und auch des gesamten Unternehmens in die Wege geleitet werden kann, braucht es eine Veränderung in der Einstellung jedes Einzelnen. Stichwort ist hier also der Mindset, auf den im Weiteren vertieft eingegangen wird.
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2.3
Mindset-Entwicklung als Grundvoraussetzung
«Agile is an attitude, not a technique with boundaries [1].»
2.3.1
Umgang mit Ambidextrie
Um im Wandel bestehen zu können, ist die Basis für Erfolg die Veränderung des Mindsets der Führungskräfte und Mitarbeitenden und der sich daraus ergebende Wandel der Unternehmenskultur. Diesen Mindset weiterzuentwickeln ist die größte Aufgabe für die Unternehmensführung unserer Zeit. In der Unternehmenspraxis gibt es selten Situationen, die nur eine bestimmte agile Arbeitsweise und einen spezifischen Mindset erfordern. In der Praxis muss das Stammgeschäft betrieben werden, während gleichzeitig Innovation, neue Prozesse und die agile Transformation vorangetrieben werden. Es geht also um die kontinuierliche Weiterentwicklung und damit meist um ein Nebeneinander von traditionellen strukturierten Vorgehensweisen und neuen agilen Arbeitsformen. Diese Realität in gewachsenen Unternehmen erfordert eine Beidhändigkeit der Organisation, auch Ambidextrie genannt. Der Begriff Ambidextrie kommt aus dem Lateinischen und setzt sich aus den beiden Wörtern Ambo (dt., beide) und Dextera (dt., rechte Hand) zusammen. Ambidextrie beschreibt die Fähigkeit, gleichermaßen effizient und innovativ bzw. flexibel zu sein, um zum einen bestehende Prozesse zu optimieren, und zum anderen neue Geschäftsbereiche zu entwickeln [2, S. 820]. Wenn Unternehmen die Balance zwischen Effizienz und Innovation erreichen wollen, braucht es Ambidextrie auch in der Führung. Um Ambidextrie zu ermöglichen, muss auch eine Führungskraft beidhändig agieren. Zum einen müssen traditionelle Unternehmensziele vorgegeben und erreicht werden, zum anderen müssen Strukturen geschaffen werden, die agile Transformation und Innovation ermöglichen. Dabei kann die Unternehmensführung ausgestalten, wie Ambidextrie konkret erreicht wird. Einzelne Unternehmen erreichen strukturell Ambidextrie durch organisatorische Abgrenzung der traditionellen Aufgaben von der agilen Transformation. Dabei werden Abteilungen oder Organisationseinheiten geschaffen, die vornehmlich agil arbeiten, während andere Einheiten traditionelle Arbeitsformen beibehalten. Auch bei Siemens nutzen wir solche spezialisierten Funktionen beispielsweise im Bereich Data Science und als Digital Office im Finanzbereich. In einem Digital Office werden meist Spezialisten mit digitalem Know-how mit Erfahrungsträgern aus dem Geschäft zusammengebracht mit dem Ziel, unabhängig von Belastungen des Tagesgeschäfts, digitale Geschäftsprozesse beschleunigt zu etablieren bzw. zu verbessern.
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Für die meisten Aufgaben in Finanzfunktionen ist es in der Praxis allerdings erfolgsversprechender, die Arbeit eines jeden Einzelnen in traditionelle und agile Aufgaben aufzuteilen. Diese Variante der Ausgestaltung spielt auch in der Mehrheit der Finanzfunktionen bei Siemens die entscheidende Rolle. Die Kombination von traditionellen und agilen Arbeitsformen kann sowohl sequenziell wie auch parallel erfolgen. Es hängt sehr an der individuellen Flexibilität und des Mindsets, in welcher Form sich die Koexistenz beider Arbeitsformen materialisiert und mit welchem Ansatz das Team und oder die Mitarbeitenden die besten Ergebnisse erzielen können.
2.3.2
Vom Mindset zum Growth Mindset
Zunächst gilt es, den Mindset als solchen zu definieren. Nach dem Oxford English Dictionary [16] ist der Mindset eine etablierte Reihe von Einstellungen, die insbesondere als typisch für die sozialen oder kulturellen Werte einer bestimmten Gruppe angesehen werden und bezeichnet darüber hinaus die Weltanschauung sowie die Werte einer Person. Gupta und Govindrarajam [7, S. 116] verstehen den Mindset im psychologischen Sinn als kognitiven Filter – eine Denkweise. Um der Komplexität der Welt Einhalt zu gebieten und einer Überlastung durch Informationsflut vorzubeugen, besitzen Menschen Denkweisen. Diese Denkweisen wählen selektiv aus, was aufgenommen wird und wie es interpretiert wird. Dabei entwickeln sich Denkweisen in einem stetigen Prozess und können sich festigen oder verändern, je nachdem wie effizient eine Denkweise mit neuen Informationen umgehen kann [7, S. 116 f.]. Wird der Mindset auf das Konzept der Agilität übertragen, ergibt sich das agile Mindset. Mordi und Schoop [15], S. 9 f.) postulieren, dass das agile Mindset eine Denkweise sei, die auf den Werten und Prinzipien des Agile Manifesto beruhe und deren Hauptmerkmale Vertrauen, Verantwortung, kontinuierliche Verbesserung, Lernbereitschaft, Offenheit und die Bereitschaft, sich ständig anzupassen und zu wachsen seien. Durch die individuelle Einstellung und ein förderliches Umfeld auf organisatorischer Ebene werde dieses agile Mindset untermauert [15, S. 9]. Ein agiles Mindset ist beweglich und passt sich ständig an die jeweils aktuellen Bedingungen an, indem es aus Erfahrungen lernt. Menschen mit einem agilen Mindset stellen sich Herausforderungen, handeln von Moment zu Moment, überprüfen kleinschrittig die Folgen ihrer Handlungen, lernen daraus und verändern ihr Verhalten entsprechend. Ein agiles Mindset ist also ein Bündel – ein Set – von Sichtweisen, welches es uns ermöglicht, die Werte, Prinzipien und Praktiken der agilen Welt umzusetzen, und mit den dabei notwendigerweise auftauchenden Unsicherheiten und Unschärfen produktiv umzugehen. Zugleich kann man damit der kontinuierlichen Anpassung an Dynamik und Komplexität gelassen und gesund begegnen. Denn es ist der agile Mindset, der uns dynamikrobust macht.
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Ein vollständiger Austausch der bestehenden Organisation zum Erreichen einer agilen Finanzfunktion wird von den Autoren nicht als notwendig empfunden, da die Mischung der Kompetenzen aller Mitarbeitenden der Finanzfunktion entscheidend ist. Nach dem Leitbild Evolution statt Revolution werden Kompetenzen erweitert und Fokusbereiche unter dem Aspekt der digitalen Transformation neu definiert. In diesen Prozess sind die Finanzteams vollumfänglich involviert, um den Weg gemeinsam neu zu gestalten, was den individuellen Mindset nachhaltig beeinflusst. Growth Mindset ist eine der strategischen Prioritäten bei Siemens und unterstützt diesen Prozess auf individueller wie auf Teamebene. Growth Talks haben die traditionellen Zielerreichungsgespräche abgelöst. Regelmäßiger, kontinuierlicher Austausch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, sowie Feedback zu Methoden und Fachthemen prägen diese Gespräche. Der Vorgesetzte nimmt dabei auch die Rolle des Coaches ein. Lernstunden werden in den Arbeitsalltag integriert und bekommen einen besonderen Fokus. Lernen wird durch verschiedene Lernplattformen unterstützt und ist integraler Bestandteil des Growth Mindset bei Siemens.
2.3.3
Perspektiven aus der Praxis
Im Folgenden wird vertieft auf Praxisbeispiele und Impulse zur Veränderung des Mindsets eingegangen. Community Events erweitern die individuellen Lernmöglichkeiten und bilden eine Plattform, um Know-how und das Netzwerk über den eigenen Verantwortungsbereich, das Team oder das eigene Land zu erweitern. Community Events erfolgen zu bestimmten Fachthemen oder Initiativen. Es müssen nicht alle Teammitglieder den gleichen Communitys angehören, sondern sie können sich individuell nach Interessens- und Fokusgebieten aufteilen und die erlernten Inhalte in die weitere Organisation tragen. Ein Beispiel solcher Events war der erste virtuelle Digitalization Summit, an dem alle Finanzbereiche der Siemens-Einheiten in der Schweiz teilgenommen haben, ihre Projekte vorstellen und digitale Visionen teilen konnten. Die Idee des gemeinsamen Summits entstand aufgrund von regelmäßigem geschäftsbereichsübergreifendem Austausch des Schweizer Finance Leadership Teams. Unter anderem wird in diesem Forum auch der Umgang mit digitaler Transformation sowie Nachhaltigkeit in der Finanzfunktion in den unterschiedlichen Organisationen, die sich stetig verändernden Anforderungen an die Rolle oder der Führungskraft und Best Practices aus den Bereichen besprochen. Der Digitalization Summit entstand, nachdem das Schweizer Software-Finanzteam eine andere Form des Community Events ausprobierte: einen Finance Hackathon zu Anwendungsbeispielen des maschinellen Lernens und Data-Mining. Am Hackathon nahmen Mitarbeitende ohne Vorwissen freiwillig teil, unterstützt durch bereits in den Tools geübte Anwenderinnen und Anwendern, welche die Moderation und Anleitung übernahmen. Es wurden von allen
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Teilnehmenden Beispiele, welche durch aufwendige manuelle Prozesse ausgeführt wurden, vorgestellt und anhand eines Beispiels gemeinsam der Lösungsversuch mit Robotics unternommen. Ziel des Hackathons war, die Einstiegshürde zur Arbeit mit derartigen Tools zu reduzieren und von Installation bis Nutzung der Software ein Komfortlevel zu erreichen, das eine weitere Nutzung im Team ermöglicht sowie in künftigen Community Calls den Austausch weiterzuleben. Zudem wurde das Know-how durch das Team im Anschluss auch mit weiteren Interessenten geteilt. Wenn auch im ersten Schritt das Tool infrage gestellt wurde, da der Initialaufwand zum Erlernen höher war, als den Ablauf zum Beispiel in Microsoft Excel weiter zu optimieren, so wurde nach erfolgreichem Implementieren des Robots eine signifikante Zeiteinsparung erzielt und weitere Anwendungsbereiche durch das Team identifiziert. Kritisch war es, das Team über den Punkt der Skepsis hinaus zu begleiten, nicht abzubrechen und an den initialen Besprechungen als Führungskraft aktiv in der Rolle eines Teammitglieds teilzunehmen. In dem beschriebenen Beispiel ging es um die Automatisierung einer Rückstellungsberechnung für die Besteuerung von Leasingwagen, welche basierend auf unterschiedlichen Datenquellen wie Personallisten, internen Verrechnungen und Flottenübersichten bestand. Die Inhalte dieser Listen variieren monatlich und die Kalkulation variiert je nach Typ der Leasingwagen. Die Automatisierung der Kalkulation führte zu einer Reduktion des früheren Arbeitsaufwandes im Monatsabschlussprozess von einem halben Arbeitstag. Eine besondere Herausforderung bei diesem Lernansatz ist es, das notwendige Vertrauen in der Organisation zu etablieren, Innovationen aber auch Fehlern in diesem Lernund Experimentierprozess Raum zu geben. «I feel encouraged to experiment and try new things» ist Gegenstand der regelmäßig bei Siemens stattfindenden globalen Umfragen und verdeutlicht, dass diese positive Grundeinstellung in der Firmenkultur verankert ist. Empowerment ist ein zentrales Kernelement der Firmenprioritäten bei Siemens. Vertrauen in die Organisation, Fähigkeiten, den Mindset und das Verantwortungsbewusstsein bilden dessen Basis. Das erfolgreiche Implementieren des Robots als Ergebnis aus dem Hackathon wurde durch das Team auch in globalen Foren inklusive des Lernprozesses präsentiert, um den Einsatz entsprechend zu würdigen und das Vertrauen zu fördern, dass es gewünscht ist, Neues zu probieren. Neben Growth Mindset und Empowerment ist auch die Digitalisierung Fundament für die Änderung der Herangehensweise und agileren Umsetzung. Um Raum für Lernprozesse und Automatisierung zu ermöglichen, muss die Grundlage stimmen. Meistens handelt es sich dabei um die Daten und Dokumentation von Standardprozessen. So werden zum Beispiel im Bereich Rechnungsabwicklung End-zu-End-Prozesse digitalisiert und durch Robotics unterstützt, sodass der Fokus auf Analysen von Datenpunkten und auf aufgabenerweiternden Themengebieten wie Business Partnering liegen kann. Ist diese Basis nicht robust, so liegt der Fokus der Finanzteams zu stark auf der Integrität und Qualität der Daten und wirkt der agilen Mindset-Förderung erfahrungsgemäß eher entgegen.
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Ein weiteres Beispiel für agilen Mindset in den Finanzfunktionen erleben die Autoren übergreifend bei Transformationsprojekten wie beispielsweise M&A-Vorhaben oder ERP-Rollouts in ihren Verantwortungsbereichen. Werden zum Beispiel in den operativen Einheiten entsprechende Transformationsprojekte vorgenommen, die die lokale Organisation betreffen, organisieren sich die verschiedenen Verantwortungsbereiche selbstverantwortlich in für den Zeitraum des Transformationsprojektes benötigten Teams. Nach wie vor werden diese Teams klassisch durch ein Kick-off-Meeting zusammengerufen, um den Informationsfluss sicherzustellen und den Startpunkt für die notwendigen Aktivitäten zu setzen. Auch die Meilensteine werden in regelmäßigen Terminen abgestimmt. Im Unterschied zu klassischen Transformationsprojekten kommen die notwendigen Bereiche wie Finance, Legal, Personalabteilung, IT, Einkauf etc. nicht mehr durch Nominierung von Vorgesetzten zusammen, sondern finden sich in Selbstorganisation aufgrund ihrer Erfahrung und Expertise, erstellen einen gemeinsam abgestimmten Ablauf mit einer inzwischen eingespielten Sequenz und bestimmen, für welchen Bereich unter welchen Kriterien zu welchem Zeitpunkt ein erfolgreicher Abschluss des Arbeitspakets erfolgt ist. Risiken werden dynamisch besprochen und abgewogen. Je nach Thema sowie betroffener Geschäftseinheit geht eines der Teammitglieder in den Lead zur Organisation von Abstimmungen und der Kommunikation. Dabei arbeitet das Team über mehrere Bereiche des Siemens-Konzerns in der Schweiz wie auch global hinweg. Die Organisationseinheit ist dabei nicht relevant für die Zugehörigkeit zum temporären Team, da der Gesamterfolg das Ziel ist. Durch diese Art der dynamischen Umsetzung von Projekten unter Einbezug von Expertinnen und Experten in wechselnden Arbeitsgruppen erfolgt automatisch eine Erweiterung der eigenen Komfortzone. Stück für Stück wird somit auch der individuelle Mitarbeitende flexibler im Umgang mit wechselnden Situationen und entwickelt sich und seinen Mindset in agiler Weise weiter.
2.3.4
Rolle positiver Führung
Wie die bereits beschriebenen Beispiele verdeutlichen, legt das Führungsverhalten das Fundament, um einen agileren Mindset zu fördern. Konventionelle Organisationsstrukturen funktionieren nach dem Prinzip Steuerung und Kontrolle, Ziele und Visionen werden von der Unternehmensführung über die Organisationshierarchien an die Belegschaft kommuniziert. Um agile Methodiken und die bereits angesprochenen Aspekte des Vertrauens und Growth Mindset zu fördern, bedarf es eines Wandels dieser Führungsmethodik, wie in vielen Unternehmen zu beobachten ist. In einer offenen Organisationsstruktur steht das Warum an grundlegender Stelle, um die Leidenschaft und das Engagement aller Mitarbeitenden zu fördern. Jim Whitehurst [22] beschreibt in seinem Buch, dass das Warum in einem ersten Schritt entscheidend sei, definiert zu werden, um diese Leidenschaft zu entfachen. Ein passioniertes, intrinsisch motiviertes Team arbeitet dynamischer und geht
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flexibler mit neuen Anforderungen um. Eine intrinsisch motivierte Person (Latein intrinsecus = hineinwärts, inwendig) arbeitet aus einem inneren Antrieb heraus an Themen, die interessant sind, Freude machen und als persönliche Herausforderung empfunden werden. Sie eignet sich Fähigkeiten aus Eigenmotivation heraus an, die notwendig sind, die Aufgaben zu bewältigen. Um diese intrinsische Motivation zu erreichen, ist es wichtig zu definieren, wofür eine Organisation arbeitet und den Purpose – den Zweck – zu definieren. Zu dem Schluss, dass Abteilungen grundsätzlich eine Strategie benötigen, kommen auch Martin und Riel: «Einzelne Abteilungen formulieren meist keine Strategie, die am Unternehmensziel ausgerichtet ist. Daher sind sie oft unterbesetzt, oder verschwenden viel Energie damit, in ihrem jeweiligen Feld Höchstleistungen zu erbringen – ob sie dabei im Einklang mit der Unternehmensstrategie arbeiten oder nicht [14, S. 62].» Diese fehlende Definition und Identifikation der Teams mit den Unternehmenszielen birgt somit Gefahren und steht im Gegensatz zur intrinsischen Motivationsförderung. Einen möglichen Startpunkt in einem offenen Führungsstil und damit zum Einstieg in die agile Transformation der Finanzfunktion bieten unter anderem Workshops, die sich eben diesem Thema Purpose und Strategie widmen. Das Schweizer Finance Leadership Team setzte sich ebenfalls gemeinsam damit auseinander, wie die verschiedenen Finanzfunktionen der Geschäftsbereiche zu den vier strategischen Prioritäten von Siemens beitragen und diese noch weiter unterstützen können. Beispielhaft wurde die Förderung von Rotationen zwischen den Geschäftsbereichen besprochen wie auch die Teilnahme an Vertriebsschulungen zur Schärfung des Vertriebs-Know-hows auch im Finanzbereich, um ein ausgeprägteres Verständnis für die Kunden- und Vertriebsanforderungen zu erlangen. Ein Purpose Statement wurde auch bei der Umorganisation eines länderübergreifenden Finanzteams als Startpunkt definiert. Gemeinsam wurde diskutiert, welche Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten hinter diesem Statement stehen, wie der Erfolg gemessen werden kann und welche Hürden in der Organisation adressiert werden müssen, um den gemeinsamen Zweck erfüllen zu können. Darüber hinaus wurde ein visuelles Ziel definiert und die Workshops unter Anleitung von Expertinnen und Experten an diesem ausgerichtet. Teambuilding und das Vertrauen adressierende Schwerpunkte wurden explizit in den Vordergrund gestellt, was bewusst auch kritische Diskussionen förderte. Offenheit war hier entscheidend, um die über Jahre hinweg entstandenen Dynamiken zwischen den Beteiligten, die mögliche Skepsis zur Umorganisation und Langlebigkeit der Initiative etc. zu thematisieren, egalisieren und einen Neustart zu wagen. Der Weg, auf welchen sich das Team begab, wurde visuell durch eine Everest-Expedition verdeutlicht, über einen mehrjährigen Zeitraum verfolgt und löste eine sichtbare Zusammengehörigkeit und das Bewusstsein für unterschiedliche Stärken der individuellen Teammitglieder aus. In der Praxis bedeutet dieses Bewusstsein, dass diejenigen Mitarbeitenden, die agiler für Ad-hoc-Sonderthemen eingesetzt werden können, in Selbstorganisation Rückendeckung ihres Expeditionsteams erhalten und diese Themen mit Priorität übernehmen, wenn notwendig. Durch die Mehrjährigkeit des Ziels und die Durchgängigkeit des Mottos mit
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Plakaten, Übungen bis hin zu Logos im gemeinsamen Gruppenchat wurde das Purpose Statement zum gemeinsamen Ziel und vom Team geschätzt. Aufgabe der Führungskraft, in diesem Fall des CFOs, war es vor allem, identifizierte Hürden für eine erfolgreiche Implementierung in der Organisation transparent zu machen, zu reduzieren und gegebenenfalls abzubauen, sowie regelmäßig die gesetzten Meilensteine zu messen, um die Nachhaltigkeit zu unterstreichen. Spezifische Aufgaben wurden während der Workshops definiert; wie etwa der Ausbau der Fähigkeiten im Umgang mit automatisierungsunterstützenden Tools wie Tableauund Robotics-Anwendungen, aber auch die Vollständigkeit von Prozessdokumentationen und einem durchgängigen Vertretungssystem, um das Team bei Engpässen zu unterstützen und Prioritäten bei unerwarteten Ausfällen sicherstellen zu können. So ist es heute möglich, bei Ad-hoc-Themen wie Integrationsaktivitäten nach Prioritäten der Teammitglieder Aufgaben umzuverteilen, Aktivitäten mit geringerer Priorität zu stoppen und ohne größeren zeitlichen Aufwand neu zu ordnen. Wiederkehrende und kritische Aufgaben zum Beispiel im Monatsabschluss, Banking oder für die Abgabe von Steuerinformationen werden regelmäßig im Team rotiert. So werden nicht nur kritische Finanzthemen jederzeit abgedeckt, sondern auch achtsam mit der Verantwortung für den reibungslosen Ablauf im Team umgegangen, um auf kurzfristige Planänderungen flexibel reagieren zu können. Zudem wurden sämtliche Prozesse im Team harmonisiert, wie zum Beispiel die Abläufe rund um die Erstellung von statutarischen Abschlüssen und Auditpaketen, damit diese über mehrere Legal-Einheiten hinweg einsetzbar sind. Auch dies dient der Entlastung des Teams, dem Teilen des Know-hows über Ländergrenzen hinweg sowie der Förderung der individuellen Leidenschaften im Team. Aus Sicht der Autoren ist eine positive Führung der Schlüssel, um den Mindset in der Organisation zu beeinflussen, Neugier zu fördern, den Mitarbeitenden die Bühne zu bauen und Hürden zu reduzieren, um den gemeinsamen Zweck zu erfüllen. Positive Führung beinhaltet im beschriebenen Fall den Raum für jährliche Workshops zu geben und mit entsprechender Leidenschaft auch selbst zu gestalten, die gesetzten Meilensteine regelmäßig zu reviewen und die Zielerreichung wertzuschätzen. «Es muss dem Team wichtig sein, seine Ziele zu erreichen […] weil die Mitarbeiter dadurch eine innere Befriedigung verspüren, Zufriedenheit und ein Gefühl von Bedeutung [9, S. 34].» Zur Führungsverantwortung gehört selbstverständlich, auch bei Problemen einzugreifen und diese zu thematisieren: «Der CFO etabliert feste Reflexionsschleifen, in denen die Vorgehensweisen und Ergebnisse überprüft werden. Beibehalten wird, was funktioniert, und verändert wird, was nicht funktioniert. Der CFO lernt mit dem FinanceTeam [12, S. 33].» Das Ziel, ein Team selbstorganisiert und auf Augenhöhe zu führen, ist Meritokratie, keine Anarchie. Wichtig in Bezug auf die Führungsverantwortung ist es auch, die einzelnen Persönlichkeiten und individuellen Motivationen im Team zu kennen und diesen Raum zu geben, um das Team optimal zusammenbringen zu können. Johnson Vickberg und Christfort [10,
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S. 22] beschreiben vier Persönlichkeitstypen, die dabei zu beachten sind: Pioniere, Wächter, Macher und Integratoren. Pioniere sind begeistert, Neues und Kreatives zu probieren, reißen das Team mit ihrer Energie mit. Wächter schätzen Stabilität, vermeiden Risiken, lernen aus der Vergangenheit und achten auf das Detail. Macher lieben Herausforderungen, wollen überzeugen und gewinnen. Integratoren ist besonders der Teamzusammenhalt und das Zwischenmenschliche wichtig, sie sind diplomatisch. «Ein Team, in dem alle vier Arbeitsstile vertreten sind, sollte theoretisch im Vorteil sein, da es aufgrund seiner kognitiven Vielfalt kreativer und innovativer arbeiten und fundierte Entscheidungen treffen kann [10, S. 22 f.].» Es ist somit essenziell darauf zu achten, dass Teams eine Zusammensetzung aus allen Arbeitsstilen aufweisen, um in der Transformation der Finanzfunktion erfolgreich zu sein. Damit ist es wichtig, im Team Pioniere, Investoren, Macher und Wächter zu erkennen, auf Ausgewogenheit zu achten sowie bei Notwendigkeit durch Teammitglieder mit fehlenden Arbeitsstilen zu ergänzen. Kreativität ist ebenfalls ein wichtiger Ansatz zur Förderung eines Growth Mindset. Eines der Community Events bei Siemens in der Schweiz im letzten Jahr handelte von der Wichtigkeit und Förderung der Kreativität im Arbeitsalltag. Warum ist dieses Thema so wichtig? Die Förderung von Kreativität ermöglicht ein Umfeld für innovative Gedanken und Arbeitsweisen und unterstützt dabei die Zusammenarbeit im Team. Für innovative Gedanken braucht es Zeit und Raum, welches meist beides nicht während üblicher Abläufe und Routinen vorhanden ist und daher besser bei Workshops integriert werden kann. Zu beobachten war, dass dieser Ansatz beispielsweise durch offenes Brainstorming und detaillierte Diskussionen zu Prozessverbesserungen vor allem auch die Wächter überzeugte, die Komfortzone zu verlassen. Zudem verdeutlichte sich auch für die Teilnehmer, welche unterschiedlichen Kompetenzen im Team vorhanden sind und wer mit welchen Themen als welchem Grund unkomplizierter oder freier umgehen kann. Daraus entstand bewussterer Austausch im Arbeitsalltag, durch sich ergänzende Fähigkeiten – zum Beispiel durch einen Pionier, der durch Robotics-Anwendungen einen Wächter unterstützt eine Rückstellungskalkulation zu automatisieren, während der Wächter sicherstellte, dass alle Informationen korrekt berücksichtigt und ausgegeben wurden. Kreativität unterstützt, gewohnte Pfade zu verlassen und stimuliert Etabliertes zu hinterfragen und neu zu denken. Brainwriting, Brainstorming oder auch Mindmapping sind nur einige der zahlreichen kreativen Methoden, die die Bereitschaft zu innovativem Denken bei Mitarbeitenden und Teams fördern. Werden diese kreativen Ansätze im Alltag erfolgreich etabliert, steigt in Konsequenz auch die Flexibilität, sich auf verändernde Situationen sowohl schneller wie auch positiver einzustellen. In der Transformation der Finanzfunktion sollten diese Ansätze daher unbedingt Beachtung finden.
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2.4
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Fazit
Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass Agilität nicht als die einzige Lösung für die Transformation in der Finanzfunktion angesehen werden kann. Stattdessen sollte Agilität komplementär eingesetzt werden. Agile Methoden können sich neben traditionellen Organisationsstrukturen kontinuierlich weiterentwickeln und sich gegenseitig ergänzen. Alle Involvierten sollen bei diesem Prozess teilhaben und nicht dazu gedrängt werden. Deshalb ist Folgendes zu beachten: Agilität ist keine Religion. Wenn Agilität zur Religion wird, dann wird es schwierig, Probleme und Limitationen zu besprechen. Zweifel können nicht geäußert werden. Die Frage sollte deshalb nicht lauten, ob Agilität die einzig richtige Methode ist, sondern wie darauf aufgebaut werden kann. Die Autoren sind überzeugt, dass in den meisten Situationen in der Praxis eine Evolution statt Revolution anzustreben ist. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung von traditionellen Strukturen sowie von agilen Arbeitsformen schließen sich demnach nicht aus, sondern ergänzt sich vielmehr. Es braucht ein starkes Fundament mit Einheiten traditioneller Unternehmensstrukturen, die als Bindeglied zwischen agilen Teams fungieren – ein Arbeiten in Ambidextrie. Damit sich eine Firma auf beiden Ebenen weiterentwickeln kann, benötigt es zu Beginn einen Impuls zur Kulturänderung. Eine Kulturänderung geht mit agiler Transformation, sowie Werten wie Transparenz, einer vorgelebten positiven Fehlerkultur und geschenktem Vertrauen einher. Besonders der Growth Mindset und das Empowerment tragen dazu maßgeblich bei und spiegelt sich im Change-Management wider. So kann sich der Mindset eines jeden Einzelnen auf individueller, Team-, teamübergreifender oder Community-Ebene durch Instrumente wie Workshops, Growth Talks oder Community Events weiterentwickeln. Nichtsdestotrotz nehmen gerade Führungskräfte eine elementare Rolle ein. Hierbei ist das Stichwort der Ambidextrie essenziell. Die Führungskraft ist zugleich Ermöglicher und bewusster Hemmer, schafft Freiraum und begrenzt diesen. Gerade zu Beginn einer agilen Transformation kann es zu einer Reizüberflutung kommen. Das Team möchte so viele innovative Ideen und Arbeitsweisen wie möglich umsetzen – was folgt ist eine Verminderung der Produktivität durch mangelnden Fokus. Die Führungskraft lenkt das Team in die richtige Richtung und sorgt dafür, dass es nicht vom Weg abkommt und die größtmögliche Produktivität erzielt. Den Weg soll das Team aber selbst beschreiten. In erster Linie profitiert das Team von einer reflektierten, gemeinsamen Erfahrung und erweitert das eigene Skill-Set durch die Teilnahme an einer agilen Transformation. Die Finanzfunktion hat bei dieser Transformation folglich ein hohes Potenzial, über bisher traditionelle Strukturen hinauszugehen und gemeinsam aktiv im Team neue Wege zu beschreiten. Genau das ist der Grund, weshalb Siemens weniger auf traditionelle Führungskonzepte setzt und einem individuellen und situativen Führungsstil Raum gegeben hat. Dadurch können individuelle Leidenschaften adressiert, Fähigkeiten erweitert und schlussendlich Agilität gesteigert werden. Kompetenzen wie Kreativität, positive Führung, Selbstorganisation, Digitalisierung sowie ein verbindender Zweck helfen dabei, die Transformation in der gesamten Finanzfunktion voranzutreiben.
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Es zeigt sich, dass ein hoher Grad der Veränderung uns auch in Zukunft begleiten und weiter zunehmen wird. Die Finanzfunktion wird sich fortlaufend den Umwelteinflüssen anpassen und sich so neu definieren, um nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für Kundinnen und Kunden einen Mehrwert zu generieren. Agileres Arbeiten ermöglicht Organisationen, ihre Taktrate zu steigern, in einer Zeit der Veränderung herausragende Ergebnisse zu erzielen und damit die Gesellschaft nachhaltig zu prägen. Agileres Arbeiten ermöglicht es jedem Individuum, selbstbestimmt zu wachsen, Neues zu entdecken und beim Arbeiten mehr Freude und Erfüllung zu finden. Siemens Schweiz AG
Als eines der größten und beliebtesten Technologieunternehmen im Land prägt Siemens seit 1894 die Zukunft der Schweiz. Täglich sorgen 5888 Mitarbeitende zusammen mit mehr als 30.000 Kunden für exzellente Zukunftslösungen in den Bereichen Energie, Industrie, Logistik, Mobilität, Gebäudetechnik und im Gesundheitswesen. Die starke Forschung und Entwicklung, die enge Zusammenarbeit mit Hochschulen und der Hauptsitz des Geschäfts Smart Infrastructure in Zug mit rund 70.000 Mitarbeitenden weltweit machen Siemens zu einem entscheidenden Faktor für den Wissensstandort Schweiz. In der Dekarbonisierung und der Digitalisierung der Infrastruktur übernimmt Siemens Schweiz eine Vorreiterrolle. Jörn Harde ist seit November 2018 Chief Financial Officer (CFO) der Siemens Schweiz AG. Der gebürtige Deutsche ist verheiratet und wohnt im Kanton Aargau. Seine Karriere bei Siemens startete der gelernte Betriebswirtschafter 1997 im Bereich Industrieautomatisierung. Nach verschiedenen Funktionen als Controller in der Konzernzentrale und im operativen Geschäft wurde er kaufmännischer Leiter des Nordamerikageschäfts der Sparte Mobile Networks. Anschließend verantwortete er als Director Finance & Control die Fusion und Integration des TelekomAusrüsters Nokia Siemens Networks, bevor er 2008 seine Siemens-Laufbahn in England fortsetzte. Dort verantwortete Jörn Harde für die Region Nordwesteuropa unter anderem den erfolgreichen Carve-out von Siemens IT Solutions & Services. Anschließend war er vier Jahre in London CFO des Start-ups Smart Wind, ein Joint Venture von Siemens, das in der Entwicklung von Offshore-Windparks tätig war. 2014 wurde Jörn Harde von der Siemens AG zum Head of Chief Executive’s Office and Projects ernannt. In dieser Funktion leitete er das Vorstandsbüro und war dort verantwortlich für das weltweite Unternehmensprogramms Vision 2020 und andere Transformationsprojekte. Maria Kirsche-Richter ist seit Februar 2021 Chief Financial Officer (CFO) der Siemens Industry Software GmbH in der Schweiz und in Österreich. Sie stammt gebürtig aus Deutschland, ist verheiratet und lebt ebenfalls im Kanton Aargau. Ihr Weg bei Siemens startete bereits als Werkstudentin in der Fertigung von Industriedampfturbinen während des Studiums der Betriebswirtschaft in Deutschland, das sie
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2010 erfolgreich abschloss. Seither war sie für Siemens in unterschiedlichen Finanzund Controlling-Funktionen in der Schweiz, in England sowie in Italien im Einsatz. Während diesen Stationen war sie in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise dem Stammhaus für Gebäudetechnologie und dessen operativen Vertrieb, in der Fertigung von Hochspannungstransformatoren und im Softwareumfeld tätig. In ihrer Rolle als CFO ist sie zuständig für die Governance und Finanzfunktion der Siemens Industry Software-Einheiten in der Schweiz und Österreich mit Vertrieb in über 20 europäischen Ländern. Einen besonderen Fokus hatte Maria Kirsche-Richter in allen ihren Rollen auf SAP-Projekte, unterschiedlichste Geschäftsintegrationen sowie Transformationsprojekte.
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Von Wippen auf dem Kinderspielplatz, stabilen Umlaufbahnen und Meteoriteneinschlägen – Praxisbeispiel der co-aktiven Führung einer Finanztransformation in sieben Schritten Carsten Stolz
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beschreibt die co-aktive Führung einer noch andauernden Finanztransformation in einem börsenkotierten Versicherungskonzern. In Analogie zu einer Wippe auf einem Kinderspielplatz wird im ersten Schritt die Perspektive des Verfassers geklärt. Es folgt im zweiten Schritt die Beschreibung des Ausgangspunktes der Finanztransformation mit einer produktiven Finanzorganisation in einer stabilen Umlaufbahn. Im dritten Schritt schlägt ein großer Meteorit in Form zweier neuer IFRS-Rechnungslegungsstandards ein und löst die Finanztransformation aus. Es folgt im vierten Schritt die Beschreibung, wie dadurch eine ambidextre Organisationsrealität entsteht und geführt wird. Im fünften Schritt wird vertieft, wie nach der Phase der Separierung mit einem neuen Ziel-Betriebsmodell auf den Weg der Integration eingeschwenkt wird. Im sechsten Schritt kommt der Beitrag im Hier und Jetzt an und beschreibt den aktuellen, noch andauernden Stand der Finanztransformation. Der Artikel schließt im siebten Schritt mit vorläufigen Erkenntnissen aus der bisherigen Reise und einem Ausblick.
C. Stolz (B) Basel, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_3
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30
3.1
C. Stolz
Ein Gedanke zu Beginn
«Die Landkarte ist nicht das Gebiet.» Diese Metapher des Philosophen Alfred Korzybski besagt, dass sich uns die Welt nur indirekt über unsere Sinneseindrücke erschließt. Damit ist schon vor dem ersten inhaltlich geschriebenen Wort klar, dass dieser Beitrag von der subjektiven Wahrnehmung des Verfassers geprägt ist. Dies führt zu Schritt 1 dieses Beitrages: einer Wippe auf einem Kinderspielplatz.
3.1.1
Schritt 1: eine Wippe auf einem Kinderspielplatz: die Perspektive des Verfassers
Agilität ist ein Wort, welches in einem Paket mit der Aufschrift «Zerbrechlich – Vorsichtig behandeln» geliefert wird. Wir können nicht über Agilität sprechen, ohne gleich am Anfang das Verständnis zu klären. Insbesondere in einem Artikel wie diesem, bei dem der Verfasser – mit seiner Weltsicht – in die Tasten greift und der Leser später ohne Möglichkeit des direkten Gesprächs die Gedanken des Verfassers liest – mit seinen eigenen Erfahrungen und Filtern. Und weil ein wesentlicher Teil des asynchronen Dialogs zwischen Verfasser und Leser zwischen den Zeilen stattfindet, braucht es zunächst Platz, um die mentale Landkarte des Verfassers zu erklären. Agilität kommt typischerweise in zwei Geschmacksrichtungen auf den Tisch: Es sind dies Sein-Qualitäten und Tun-Qualitäten. • Sein-Qualitäten: Da ist auf der einen Seite Agilität im Sinne von Mindset, Wertehaltungen und Kultur. Diese Sicht war der Ausgangspunkt des agilen Manifestes [1], welches am Startpunkt der agilen Bewegung stand. • Tun-Qualitäten: Auf der anderen Seite stehen agile Methoden wie zum Beispiel SCRUM [13] auf Teamebene oder das Scaled-Agile-Framework (SAFe) [12] und Biz-Dev-Ops-Ansätze [3] auf organisatorischer Ebene. Die Sein-Qualitäten sind «Co». Hier geht es um übergeordnete und verbindende Energien in den sozialen Systemen, welche Unternehmen sind. Die Tun-Qualitäten sind «Aktiv». Hier geht es um fokussiertes Tun mit Wirkung. Und weil es beide Zutaten für unternehmerischen Erfolg braucht, braucht es noch einen Brückenbau zwischen Sein und Tun. Es braucht den Brückenbau, damit kein «Entweder-Oder», sondern ein «Sowohl-als-Auch» entsteht. Und diesen Brückenbau versinnbildlicht der unscheinbare und doch so zentrale Bindestrich zwischen «co» und «aktiv». Damit haben wir eine Wippe auf einem Kinderspielplatz: Auf der einen Seite sitzt das «Co-Sein»; auf der anderen Seite das «Aktiv-Tun». Und dazwischen ist die Bindestrich-Balancestange. Mit dieser Metapher lässt sich nun genüsslich mental und im übertragenen Sinne spielen: Balance entsteht, wenn die Stange auf beiden Seiten des Drehpunktes gleich lang ist und «Co» und «Aktiv» gleich schwer
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sind. Das ist allerdings auch ein homöostatischer Zustand, ohne Bewegung. Vielleicht braucht es hin und wieder temporär ein Übergewicht von «Co» oder «Aktiv»? Vielleicht muss hin und wieder die Länge der Balancestange angepasst oder der Drehpunkt verschoben werden? Vielleicht muss hin und wieder das Gewicht von «Co» oder «Aktiv» verändert werden? Vielleicht muss hin und wieder die Geschwindigkeit der Bewegung verändert werden? All diese (co-aktiven) Fragen stellen sich bei der Transformation einer Finanzfunktion in einem Unternehmen. Ich erinnere mich an meine Kindheit und das Spielen auf der Wippe. Da saßen links und rechts zwei Freunde und wippten. Und dann stellte ich mich in der Mitte beim Drehpunkt auf die Balancestange und hatte Freude daran, durch Gewichtsverlagerung einmal links oder einmal rechts die Wippe nach unten zu bewegen. Dabei spielte ich auch mit Zeit und Geschwindigkeit. Manchmal bewegte ich die Wippe ganz langsam, manchmal abrupt und schnell mit harten Aufschlägen auf dem Boden und Hochspringen in der Luft. Das war so lange ein freudvolles Spiel, solange es hin und her ging und die Wippe in Bewegung blieb. Sobald gefühlt ein Sieger entstand (weil der eine Freund immer unten am Boden saß und der andere Freund immer oben in der Luft schwebte), ging die Freude weg und es kam Disbalance in die Situation. Im übertragenen Sinne kommt hier die Führung ins Spiel. Sie sorgt für Bewegung und balanciert aus. Im zuvor genannten Sinne ist dies dann co-aktive Führung [9]. Führung mit Sein- und Tun-Qualitäten, die in der Zeit mit bewusster Geschwindigkeit integriert und ausbalanciert.
3.1.2
Schritt 2: Ausgangspunkt vor der Finanztransformation: eine Finanzorganisation auf stabiler Umlaufbahn
Gegenstand dieses Artikels ist die Finanzfunktion in einem europäischen börsenkotierten Versicherungskonzern mit Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS). Der Konzern hat eine nach geografischen Geschäftseinheiten organisierte Führungsorganisation. Die einzelnen strategischen Geschäftseinheiten haben in sich selbst einen hohen Grad an Eigenständigkeit. Es gibt wenig zentralisierte Prozesselemente und viele sequenzielle Abläufe, welche in den Geschäftseinheiten beginnen und auf Gruppenebene zu konsolidierten Ergebnissen führen. Die retrospektiven Finanzprozesse (insbesondere Jahres- und Halbjahresabschlüsse) sowie die prospektiven Finanzprozesse (insbesondere mehrjährige Businesspläne und einjährige Planungen) sind als operative Standardprozesse beschrieben und in einem stabilen und wirksamen Modell von drei Verteidigungslinien verankert. Alle internen und externen Prozessbeteiligten und Stakeholder haben diese Abläufe sehr häufig durchlaufen; es gibt also Erfahrungskurveneffekte, die breit in der Organisation verankert sind. Die Prozesse stützen sich auf sehr erfahrene Mitarbeitende mit langjähriger Betriebszugehörigkeit. Die Kollaboration in den Prozessen funktioniert wegen den formalen Prozessen
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und der informellen Kollaboration unter den Akteuren gut und stabil. In der Regel bewegen sich diese auf Wiederholbarkeit ausgelegten komplizierten Prozesse in einem Feld von stabilen Ursache-Wirkungsbeziehungen. Es herrscht also grundsätzlich eine hohe Stabilität bei Vorgehen und Ergebnissen. Und es herrscht darüber eine hohe Einigkeit bei den Akteuren. An dieser Stelle wird eine «Kreuzung» der Stacey-Matrix [16] mit dem Cynefin-Framework [15] eingeführt, welche auch im weiteren Verlauf des Artikels als Referenzrahmen dient. Die Stacey-Matrix wurde vom Organisationstheoretiker Ralph Stacey etabliert. Sie stellt einen Zusammenhang her zwischen der Gewissheit über das Vorgehen («Wie gewiss sind wir uns über das Vorgehen?») und Einigkeit in der Organisation darüber («Wie einig sind wir uns, dass dies das richtige Vorgehen ist?»). Wenn Gewissheit und Einigkeit hoch sind, dann handelt es sich um einfache Fragestellungen. In dem Masse wie Gewissheit und/oder Einigkeit sinken, bewegt man sich über komplizierte zu komplexen und vielleicht auch zu chaotischen Situationen. Das Cynefin-Framework typologisiert systemische Kontexte in einfache, komplizierte, komplexe und chaotische Situationen. Je nach Kontext beschreibt das Cynefin-Framework dann Erkenntnis-, Verhaltens- und Entscheidungsprozesse (Abb. 3.1). In Kombination der beiden Modelle ergibt sich die zuvor genannte Darstellung der Zusammenhänge zwischen Problemstellungen (WAS-Dimension) und Lösungswegen (WIE-Dimension). Der Großteil der operativen Standard-Finanzprozesse kann in diesem WAS-WIE-Koordinatensystem bei einfachen und komplizierten Situationen verortet werden.
Problemdefinition: WAS?
Unklar, mehrdeutig
Chaotisch
Komplex
Kompliziert
Einfach
Klar, Eindeutig Klar, Bekannt
Abb. 3.1 Cynefin-Framework
Lösungsweg: WIE?
Unklar, Unbekannt
3 Von Wippen auf dem Kinderspielplatz …
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Aufbau- und Ablauforganisation Der Aufbau der funktionalen Finanzorganisation entspricht einer klassischen hierarchischen Stab-Linien-Organisation mit Stellen- und Abteilungsbildung nach dem Verrichtungsprinzip. So finden sich industrieunabhängige Funktionen (wie zum Beispiel Buchhaltung und Controlling) zusammen mit industriespezifischen Funktionen (wie zum Beispiel Aktuariaten). Die Prozessabläufe sind über viele Jahre und Durchläufe eingespielt. Die Prozesse stützen sich ab auf Expertenwissen und Best Practices und werden von langjährigen und erfahrenen Mitarbeitenden getragen. Die Prozesse sind eingebettet in einen 3-Line-of-Defence-Rahmen und verfügen über ein existierendes und wirksames Internes Kontroll-System (IKS). Die Prozesse haben «Medienbrüche» in den Datenflüssen und Systemketten, Mitarbeitende überbrücken diese Brüche und führen transaktionale Tätigkeiten aus. In diesem Sinne existieren «bewährte Providurien» (im Sinne von andauernden Provisorien). Daten und Systeme Es gibt kein integriertes Datenmodell. Die der Finanzdomäne vorgelagerten Systeme (insbesondere versicherungstechnische Risikosysteme und Kapitalanlagesysteme) sind meist seit sehr Langem im Einsatz und haben technische Schulden angesammelt. In der Finanzdomäne selbst wird weitgehend auf SAP-Systemen gearbeitet. Auch hier haben sich technische Schulden akkumuliert. Eine Ursache hierfür ist, dass im Wettstreit um knappe IT-Ressourcen die Weiterentwicklung von Finanzsystemen gegenüber der Weiterentwicklung von Systemen, welche direkt mit Marktleistungen und der Wettbewerbsfähigkeit zusammenhängen, oft das Nachsehen hat. Mitarbeitende und Führung Die Mitarbeitenden haben hohe fachliche Expertise und häufig sehr lange Betriebszugehörigkeit. Die Führung ist funktional und disziplinarisch integriert. Es wird im Sinne von Management by Objectives (MbO) und Management by Exception (MbE) geführt. Die Führung ist im Wesentlichen transaktional. Die co-aktive Qualitätenbilanz hat im Ausgangspunkt unter anderem folgende Charakteristik: «Co»-Sein im Ausgangspunkt • Input-Throughput-Output-Denken auf verschiedenen Ebenen der Prozessketten • Fachwissen und Erfahrungswissen dominieren • Hohe Qualitätsansprüche und Checks und Balances «Aktiv»-Tun im Ausgangspunkt • Wiederholbare und stabile operative Standard-Finanzprozesse (im einfachen und komplizierten Bereich) • Agieren auf der Basis von Experten- und Erfahrungswissen • Best Practices und Need-to-Know-Prinzip
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Co-aktive Führung im Ausgangspunkt bringt hier vor allem ein • transaktionale Führung und Experten-/Erfahrungswissen • Eskalationsstufen und subsidiäre Lösungsfindung • Arbeit im System dominiert (im Gegensatz zu Arbeit am System) Diese Finanzorganisation befindet sich auf einer stabilen Umlaufbahn. Das effiziente und effektive organisatorische System läuft so lange rund, bis ein großer Meteorit einschlägt.
3.1.3
Schritt 3: Auslöser und Start in die Finanztransformation: Der große Meteorit schlägt ein
Im Falle des Versicherungskonzerns, der Gegenstand dieses Artikels ist, kommt der Meteorit in Form zweier neuer IFRS-Rechnungslegungsstandards: IFRS 9 (Finanzinstrumente) und IFRS 17 (Versicherungsverträge). IFRS 9 (Finanzinstrumente) enthält Vorschriften für den Ansatz, die Bewertung, die Verbbuchung und die Bilanzierung von Finanzinstrumenten. Das IASB hat die finale Fassung des Standards im Zuge der Fertigstellung der verschiedenen Phasen seines umfassenden Projekts zu Finanzinstrumenten am 24. Juli 2014 veröffentlicht. Damit wird die bisher unter IAS 39 (Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung) vorgenommene Bilanzierung von Finanzinstrumenten vollständig durch die Bilanzierung unter IFRS 9 ersetzt. IFRS 17 (Versicherungsverträge) regelt die Grundsätze in Bezug auf den Ansatz, die Bewertung, den Ausweis sowie die Angaben für Versicherungsverträge. Die Zielsetzung von IFRS 17 besteht in der Bereitstellung relevanter Informationen durch die bilanzierenden Unternehmen und soll so zu einer glaubwürdigen Darstellung der Versicherungsverträge führen. Diese Informationen dienen als Grundlage für die Abschlussadressaten, um die Auswirkungen von Versicherungsverträgen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die Zahlungsströme eines Unternehmens beurteilen zu können. IFRS 17 wurde im Mai 2017 veröffentlicht und ist erstmals auf Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnen, verpflichtend anzuwenden. Um Accounting-Mismatches zu vermeiden, erhielten Versicherungsunternehmen bezüglich der Anwendung von IFRS 9 einen Aufschub. Dies bedeutet, dass Versicherungen ab dem 1. Januar 2023 IFRS 9 und IFRS 17 anwenden müssen. Dass der Einschlag des großen Meteoriten kommt, war viele Jahre im Voraus bekannt: Das IASB startete die Entwicklung von IFRS 17 im Jahr 1997; es dauerte also 20 Jahre, bis der finale Standard publiziert wurde. Aufgrund der langen Entwicklungszeit und der während den Jahren immer wieder aufkommenden Fundamentaldiskussionen konnte man
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lange den Blick an den Himmel vermeiden. Im Mai 2017 war es dann aber soweit und der große Meteorit schlug mit der Publikation von IFRS 17 ein. Dass der Meteorit groß ist, war ebenfalls viele Jahre im Voraus bekannt: In einer Versicherungsbilanz stehen auf der Passivseite im Wesentlichen die Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen (also der Anwendungsbereich von IFRS 17) und auf der Aktivseite Kapitalanlagen (also der Anwendungsbereich von IFRS 9). Damit haben die beiden Standards sehr große Auswirkungen auf Aktiven und Passiven, auf das Eigenkapital und die Erfolgsrechnung. Der Meteorit ist nicht nur groß für die rechnungslegenden Unternehmen, sondern auch für die Adressaten der Finanzinformationen. Ein kurzer Blick in das IFRSRahmenkonzept: «Die primären Adressaten von Finanzabschlüssen sind gegenwärtige und potenzielle Anleger, Kreditgeber und andere Kreditoren, die diese Informationen nutzen, um Entscheidungen über den Kauf, den Verkauf oder das Halten von Eigenkapitaltiteln oder Schuldinstrumenten, über die Zurverfügungstellung oder Erfüllung von Krediten oder über das Ausüben von Rechten, über Maßnahmen der Unternehmensleitung in Bezug auf die Verwendung der wirtschaftlichen Ressourcen des Unternehmens abzustimmen oder diese anderweitig zu beeinflussen, zu fällen.» Dies bedeutet, dass auch die Akteure am Kapitalmarkt (insbesondere Sell- und Buyside-Finanzanalysten) ihre Sum-ofthe-Parts-Bewertungsmodelle für Versicherungsaktien wegen IFRS 9 und 17 grundlegend anpassen müssen. Der Meteorit hat also eingeschlagen mit zwei prinzipienbasierten Standards. Während mit IFRS 9 im Kapitalmarkt Umsetzungserfahrung besteht (unter anderem aufgrund der Anwendung bei Banken) ist IFRS 17 terra incognita. Der resultierende Marschbefehl klingt zunächst geradlinig: Implementiere IFRS 9 und 17 und transformiere die Finanzorganisation! Etwas genauer: 1. Implementiere IFRS 9 und IFRS 17 bis zum 1. Januar 2023 (Effective Date des Standards) in neuen, operativen Finanzprozessen und lege dem Kapitalmarkt adressatengerechte Finanzinformationen mit uneingeschränktem Audit-Testat offen! 2. Transformiere die Finanzorganisation durch eine a) zukunftsgerichtete digitalisierte Aufbau- und Ablauforganisation, b) neue Datenmodelle und Systeme sowie c) nötige Anpassungen bei den Fähigkeiten der Mitarbeitenden und der Führung! Die vordergründige Geradlinigkeit des Marschbefehls führt rasch ins Dickicht, da sich zwei prinzipienbasierte Accounting-Standards nicht in digitalisierten Finanzprozessen abbilden lassen: IT-Systeme kennen keine Prinzipien, sondern brauchen regelbasierte Algorithmen. Und keiner weiß, wie dies für IFRS 17 geht, weil es ja noch nie jemand gemacht hat. Ein auf dem Empirismus basierender Umsetzungsansatz ist also der einzige Weg. Damit sind wir im Himmelreich von Agilität und Co-Aktivität angekommen. Wo sind wir, wenn wir den Meteoriteneinschlag im zuvor besprochenen WAS-WIEKoordinatensystem einordnen? Wir sind im Bereich von Komplexität und/oder Chaos.
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Wir haben jetzt also eine operative Finanzorganisation mit Standardprozessen, welche weitgehend im einfachen und komplizierten Bereich agiert UND einen mehrjährigen Marschbefehl, der mit einer Projektorganisation im Bereich Komplexität und/oder Chaos operiert. Die betriebswirtschaftliche Herausforderung, all dies zu bewältigen, hat einen Namen: Beidhändigkeit oder Ambidexterität [11]. • Beidhändig arbeitende Unternehmen können ihr Kerngeschäft betreiben UND gleichzeitig Innovationen schaffen. Nutzen UND erforschen. Run the Business UND Develop the Business. Exploit UND Explore. • Beidhändige Führung kombiniert transaktionale UND transformationale Führung, indem sie die Führung öffnet. Es gibt Raum für Innovation. Es gibt einen psychologisch sicheren Rahmen, der WAS und WIE ermöglicht – immer mit Blick auf das WARUM. Dies führt zur Phase der Separierung und zum Aufbau einer ambidextren Finanzorganisation. Wir sind beim vierten von sieben Schritten angekommen.
3.1.4
Schritt 4: Phase der Separierung: Ambidexterität in der Finanzorganisation
Der Marschbefehl wird nun zunächst in einem umfassenden Projektauftrag verankert. Die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist, gehört im schweizerischen Obligationenrecht zu den unübertragbaren Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Verwaltungsrates. Der Projektauftrag ist also ausgehend von der Finanzfunktion über die operative Managementebene bis auf die Governance-Ebene im Verwaltungsrat zu verankern. Nun beginnt eine Phase der bewussten Separierung, damit die Ambidexterität [11] in der Organisation funktionieren kann: Neben die operative Funktionalorganisation tritt für mehrere Jahre eine temporäre Projektorganisation. Neben die wiederkehrenden operativen Standardprozesse tritt der Projektauftrag. Und es gilt, eine Projektorganisation sowie Projektprozesse zu organisieren. Im Falle des Versicherungskonzerns in diesem Beitrag hat dies folgenden Charakter: Aufbau- und Ablauforganisation Es wird eine Projekt-Aufbauorganisation mit einer mehrstufigen Governance-Struktur etabliert. Von Anfang an werden diverse Fach- und ITBerater in die Projektorganisation integriert. Die Aufbauorganisation im Projekt ist eher nach dem (Liefer-)Objektprinzip, denn nach dem Verrichtungsprinzip strukturiert, wobei sich die (Liefer-)Objekte aus dem Projektauftrag ergeben.
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Zuvor wurde konstatiert, dass der Meteoriteneinschlag ins Himmelreich von Agilität und Co-Aktivität führt. Dies kommt direkt in der Projekt-Prozessorganisation zum Ausdruck, welche vom ersten Tag an ausschließlich mit agilen Methoden arbeitet. Im Sinne des WAS-WIE-Koordinatensystems zuvor ist die Projektorganisation auf die Bewältigung von Komplexität (und die Vermeidung von Chaos) ausgerichtet. Das Projekt wird – um die bewusste organisatorische Separierung zu unterstützen – räumlich von der übrigen Finanzorganisation getrennt. Daten und Systeme Für das Projekt werden neue Datenmodelle und neue ITZielarchitekturen definiert. In großem Umfang werden neue IT-Systeme implementiert. Mit neuen Datenmodellen und IT-Architekturen geht auch der Bedarf neuer Betriebsmodelle mit höherem Zentralisierungsgrad einher. Neben klassischen IT-Lizenzmodellen kommen auch alternative Modelle wie Software-as-a-Service (SaaS) zum Einsatz. Mitarbeitende und Führung Die Ressourcierung des Projektes stellt ein großes Dilemma dar: Einerseits verfügt die bestehende Finanzorganisation aufgrund von Effizienzsteigerungsmaßnahmen in der Vergangenheit nicht über organisatorischen Schlupf («organizational slack»), um die Projektorganisation mit den nötigen Fähigkeiten und Kapazitäten zu ressourcieren und gleichzeitig stabile operative Finanzprozesse zu gewährleisten. Auf der anderen Seite erfordert die Komplexität des Projekts die besten Fähigkeiten und Kapazitäten im Projekt. Es ist auch klar, dass über Zeit das Projekt zum Nukleus für die künftige operative Finanzorganisation wird. Neben dem Zukauf von Fähigkeiten und Kapazitäten über Berater werden Schlüsselressourcen aus der internen Finanzorganisation ins Projekt verlagert und die entstehenden Lücken in der operativen Linienorganisation durch Backfilling mit neuen Mitarbeitenden gefüllt. Diese Prozesse sind Setzlinge für künftige Mitarbeitererwartungen: Die Mitarbeitenden, welche in die Projektorganisation gehen, interpretieren dies als Wertschätzung und als Zeichen, dass sie in der künftigen Betriebsorganisation nach der Projektphase eine tragende Rolle einnehmen. Die Mitarbeitenden, welche in der operativen Linienorganisation verbleiben, verbinden dies mit der Erwartung, beim späteren Übergang zu einer neuen Betriebsorganisation nicht benachteiligt zu sein. Da es nicht möglich ist, eine vollständig separate Projektorganisation aufzubauen, gibt es viele Mitarbeitende, welche sowohl in der operativen Finanzorganisation als auch in der Projektorganisation tätig sind. Die Folge sind dauernde Priorisierungskonflikte auf Ebene des einzelnen Mitarbeitenden und eine über lange Zeit sehr hohe Arbeitslast. Die transaktionale Führungsaufgabe bekommt für lange Zeit als Zwilling die transformationale Führung an die Seite. Sie wiederholt über Jahre als Mantra das WARUM des Projektes sowie das WAS und das WIE. Die beidhändige Führung muss aufpassen, nicht in die DIPI-Falle zu treten: Wenn etwas Dangerous-Important-Pleasurable-Interesting – also DIPI – ist, dann zieht es den mentalen
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Fokus auf sich. Wenn die Führung in diese Falle tritt, dann schafft sie bewusst oder unbewusst in der ambidextren Organisation eine Zwei-Klassengesellschaft: Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Wertschätzung gehen DIPI-induziert zum Projekt; die operative Finanzorganisation wird als gegeben angesehen und nur mit Management-by-Exception geführt. Wenn hieraus zwei Wertigkeiten entstehen, öffnet dies einen kulturellen Graben. Die co-aktive Qualitätenbilanz hat in der Phase der Separierung unter anderem folgende Charakteristik: «Co»-Sein in der Phase der Separierung • Iteratives Arbeiten auf Basis von Hypothesen • Fachwissen und Erfahrungswissen müssen durch Vernetzung zu tragfähigen Lösungen führen • Anpassungs- und Lernfähigkeit im Umgang mit schlecht definierten Problemen «Aktiv»-Tun in der Phase der Separierung • Komplexe (und allenfalls temporär chaotische) Prozesse mit agilen Sprints • Cross-funktionales Arbeiten in Teams • Emerging Practices und Need-to-Share-Prinzip Co-aktive Führung in der Phase der Separierung bringt hier vor allem ein • Transformationale Führung (ohne in die DIPI-Falle zu treten) mit Coaching und Mentoring-Haltung [2, 10] • Servant-Leadership-Haltung (nicht zuletzt auch Wahrnehmung der Fürsorgepflicht als Arbeitgeber) [7] • Arbeit am System dominiert (im Gegensatz zu Arbeit im System) Nun lebt die Finanzorganisation über lange Zeit (wir sprechen von mehreren Jahren) in dieser Ambidexterität: Die operative Funktionalorganisation stellt die produktiven Standardprozesse sicher; die agile Projektorganisation setzt iterativ den Marschbefehl um. Über die Zeit verfestigen sich damit in der agilen Projektorganisation auch Arbeitsrituale (wie beispielsweise Daily Meetings, SCRUM-Prozesse, Sprints, Backlogs, Retrospektiven), Rollen (wie beispielsweise SCRUM-Master, Agile Coaches, Product Owner), agile Kultur (z. B. Informationstransparenz, Multilateralität) und nicht zuletzt Sprache und Terminologie (wie beispielsweise bei der Bezeichnung der Rituale und Rollen). Bei den Mitarbeitenden ist lange im Hintergrund, dass die Koexistenz von produktiver Finanzorganisation und agiler Projektorganisation nicht ewig währt. Es kommt aber der Moment, wo dies mehr und mehr thematisiert wird. Insbesondere weiß die Organisation auch, dass sie für die Phase nach Abschluss des Projektes überressourciert ist und es
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damit zu einer Reduktion des Personalbestands kommen wird. Fragen zur eigenen Zukunft kommen auf. Damit beginnt die Phase der Integration und die Notwendigkeit – parallel zum Implementierungsprojekt des Marschbefehls – den Weg zu einem neuen Ziel-Betriebsmodell einzuschlagen.
3.1.5
Schritt 5: Phase der Integration: auf dem Weg zu einem neuen Ziel-Betriebsmodell
Der Weg zu einem neuen Ziel-Betriebsmodell führt mit einem kleinen fachlichen Kernteam in einem iterativen Prozess zum Ziel. Das Kernteam ist stabil und schlank und verfügt über die notwendigen Fähigkeiten, um ein Ziel-Betriebsmodell (Target Operating Model) zu etablieren. Das Kernteam wird ergänzt mit Kommunikations- und ChangeManagement-Fähigkeiten sowie aktiver Vertretung von Human Resources (es geht letztlich ja um Mitarbeitende und die individuellen Fragen, was das Ziel-Betriebsmodell für jeden Einzelnen bedeutet). Das Kernteam kann sich auf eine schlanke Governance-Struktur im Top-Management stützen und wird bei den relevanten Stakeholder-Gruppen aktiv mandatiert und legitimiert. Das Kernteam arbeitet unabhängig vom Projekt. Die Arbeit und ihre Ergebnisse sind geheim und verlassen das Kernteam nicht. Natürlich wissen die Mitarbeitenden, dass am neuen Betriebsmodell gearbeitet wird. Organisatorische Fragen sind hoch sensibel und öffnen Raum für Projektionen, Fantasien und Ängste. Um dies aufzufangen, findet alle zwei Wochen eine zentral gesteuerte Kommunikation zum Stand im Prozess und zu Entscheiden statt. Es gelten die Chatham House Rules, kombiniert mit streng kanalisierter Information. Zunächst wird der relevante Input für die Zielorganisation zusammengetragen. Dies umfasst Gespräche mit Subject Matter Experts (SMEs), Erhebungen aus Sicht BizDevOps [8], Wertstromanalysen (Value-Stream-Analysis, VSA) und Governance-Anforderungen. Dabei wird immer zweispurig analysiert: bestehende und künftige Aufbau- und Ablauforganisation, Daten und Systeme sowie Mitarbeitende und Führung. Ein sehr wichtiges Element zu Beginn dieses Prozesses ist die Festlegung von Prinzipien. Dies erfolgt früh, da es zu Beginn noch keine subjektiven Gewinner- und Verlierersituationen gibt und von daher die Vereinbarung von übergeordneten Prinzipien leichter möglich ist. Im Falle des Versicherungskonzerns wurden von den CFOs (Gruppenebene und Ebene der operativen Geschäftseinheiten) sogenannte CFO-Prinzipien vereinbart sowie weitere, für die Zielorganisation geltende Prinzipien. Zu den wichtigsten Prinzipien gehört die Ausrichtung auf SAFe (Scaled Agile Framework) und BizDevOps [8]. In Anlehnung an Agile Release Trains (ARTs) aus dem SAFe-Framework wird das neue Betriebsmodell als Group Finance Train (GFT) bezeichnet. Im Sinne von Simon Sineks
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[14] «Frage immer erst: Warum?» wird die Notwendigkeit für ein neues Betriebsmodell aus mehreren Perspektiven begründet (Abb. 3.2). Das Zielbetriebsmodell wird entlang einer End-to-End-Prozess-Sicht, Systemen, Aufbauorganisation sowie Rollen, Personen und Fähigkeiten gestaltet (Abb. 3.3). Dabei werden betroffene und beteiligte Mitarbeitende einbezogen. Es erfolgt regelmäßige Information über zentralisierte Information (Single-Point-of-Communication, SPoC). Die Umsetzung erfolgt iterativ in drei Phasen: • Define-Phase: Es wird zunächst ein minimal funktionsfähiges Produkt etabliert (Minimum-Viable-Product, MVP). Auf Basis des MVP werden die Schlüsselfunktionen in der Zielorganisation in einem transparenten Bewerbungsprozess ausgeschrieben und besetzt. • Refine & Enhance: Die Inhaber der Schlüsselrollen übernehmen das minimal funktionsfähige Produkt und entwickeln es in einer Refine- & Enhance-Phase weiter. Ab dieser Phase übernehmen die neuen Inhaber der Schlüsselrollen auch die Verantwortung für die Ausprägung des Ziel-Betriebsmodells. • Convergence: Es folgt die Phase der Konvergenz: Durch die Besetzung der Teams und Rollen im Ziel-Betriebsmodell werden schrittweise die produktive Finanzorganisation und die Projektorganisation absorbiert und integriert. Dies ist eine Phase großer Verletzlichkeit, da die strenge Trennung zwischen Produktivorganisation und Marschbefehlsorganisation verschmilzt, obwohl der Projektauftrag noch nicht abgeschlossen ist. Nach der Beschreibung des Weges zur neuen Ziel-Betriebsorganisation folgt wie in den vorangegangenen Schritten ein kurzer Blick auf die drei Perspektiven Aufbau- und Ablauforganisation, Daten und Systeme sowie Mitarbeitende und Führung. Aufbau- und Ablauforganisation In der Integrationsphase kommt es zu einem nahtlosen Übergang (Morphing) der Produktivorganisation und der Projektorganisation in das neue Ziel-Betriebsmodell. In der Realität ist dieser Übergang mit einem grundlegenden Veränderungsprozess verbunden und verläuft natürlich nicht so nahtlos, wie sich die Worte in diesem Artikel tippen lassen. Das Ziel-Betriebsmodell stößt systemisch auch an Grenzen (z. B. die Schnittstellen zwischen den zentralen und dezentralen Finanzprozessen). Diese Schnittstellen sind im Sinne von End-to-End-Prozessen auch zu definieren und allenfalls anzupassen. Die Ziel-Betriebsorganisation widerspiegelt im Aufbau und in den Abläufen weitgehend SAFe und BizDevOps. Zentrale Elemente sind Klarheit über die Verantwortlichkeiten, Auditierbarkeit, ein existierendes und wirksames internes Kontrollsystem (eingebettet in das Modell der drei Verteidigungslinien).
Abb. 3.2 Group Finance Train (GFT)
Rollen, Personen & Fähigkeiten
Organisation
Systeme
End-to-End-Prozess
Der GFT ist ein Vehikel zur Strukturierung und Durchführung des Abschluss-, Berichts- und Offenlegungsprozesses mit den folgenden Dimensionen...
Definition des GFT
Vermeiden von zukünftiger Kosteninflation aufgrund eines unzureichenden Betriebsmodells
Druck um schneller, kosteneffizienter und höchst zuverlässig zu liefern
Hochentwickelte, umsetzbare Geschäftseinblicke für die finanzielle Steuerung und Entscheidungsfindung
Neue Anforderungen von Regulierungsbehörden und höhere Nachfrage von Investoren
Faktoren, die die Veränderung vorantreiben...
mit First Time Right
› Hoher Grad an nahtlosen Datenflüssen
(EUCs) bei gleichzeitiger Verbesserung der generellen IT-Kontrollen (ITGC)
› Die Abschlussdauer verkürzen › Fördern von datengesteuerten Audits › Reduzierung der End-User-Computings
Prozessen, Systemen und Mitarbeiterfähigkeiten
› Einführung und Anpassung von neuen
mit der unterstützenden Organisation und den Teams
› Anpassung der End-to-End-Prozesse
Implikationen aus den Faktoren, die den Wandel vorantreiben...
Warum wir einen Druck, Group Finance Train (GFT) brauchen...
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› › ›
Governance-Anforderungen
SAFe, BizDevOps & VSA
Subject matter experts
Projekt-Teams
Bestehende operative Teams
Projekt-Organisation
Bestehende Produktivorganisation
TO BE Finanz-Zielarchitektur
AS IS Systemarchitektur
TO BE Abschlussprozesse
AS IS Abschlussprozesse
Weitere Leitprinzipien
CFO Leitprinzipien
Rollen, Personen & Fähigkeiten
Organisation
Systeme
End-to-End Prozesse
IFRS TOM Dimensionen Status (illustrative)
IFRS Ziel-Betriebsmodell (TOM)
› ›
Leitprinzipien
Abb. 3.3 Überblick zum Gestaltungsprozess des Ziel-Betriebsmodells
› ›
› ›
› ›
› ›
Ausgangspunkt
Input
Single Point of Communication
Laufende Info zu Fortschritt
Define
MvP
Refine & Enhance
Umsetzungsphasen
Effective Date 01.01.23
Converge
Wir folgen einen iterativen Ansatz.
Umsetzungsansatz
› ›
Einbezug der Mitarbeitenden
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Daten und Systeme Mit der Ziel-Betriebsorganisation werden die zentralisierten Datenmodelle und die neue Systemarchitektur bewirtschaftet. Dies gilt für die neuen Produktivprozesse (Run-the-Business) als auch die kontinuierliche Weiterentwicklung (Change-theBusiness). Mitarbeitende und Führung Mitarbeitende und Führung sehen sich sehr grundlegendem Wandel gegenüber. Dabei stellen sich Mitarbeitende und die Führung zum Beispiel folgende Fragen: • • • •
Verstehe ich die agilen Rollen und Prozesse? Kann ich die agile Sprache? Was heißt es für mich, in selbstorganisierten Strukturen wirksam zu sein? Wie sieht meine heutige Rolle aus und welche Karriere-Entwicklungspfade gibt es? Welche Fähigkeiten habe ich und welche Fähigkeiten fehlen mir?
Die Frage der Fähigkeiten ist sehr wichtig, unter anderem im Zusammenhang mit dem BizDevOps-Ansatz: Neben der Fachlichkeit (z. B. eines Buchhalters) ist nun auch die Fähigkeit gefordert, die IT-Entwicklung und den Betrieb der -IT-Systeme (z. B. Buchhaltungssysteme) in integrierten Teams mitzusteuern. Dies verbreitert die Anforderungen und führt zu Fähigkeitenlücken (Skill Gaps), welche zu schließen sind. Die Fähigkeitenfrage wird mit einem systematischen Ansatz mit Strategic Skilling adressiert: Rollenanforderungen werden erhoben und auf ihre Zukunftsfähigkeit untersucht. Strategische Skill-Gaps werden dann durch Lernen mit der von Eichinger und Lombardo etablierten 70/20/ 10-Lernphilosophie adressiert [6]. Dies ist für einige Mitarbeitende eine willkommene Herausforderung, für andere ist es Bedrohung oder nicht gewünschte Abkehr von der strengen Fachlichkeit. Die Führung muss bei der Definition des Ziel-Betriebsmodells und in der Phase der Integration vor allem psychologische Sicherheit im Sinne von Amy Edmondson [5] und Timothy Clark [4] geben. Amy Edmondson beschreibt psychologische Sicherheit als gemeinsame Überzeugung aller Teammitglieder, dass das Team sicher ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Psychologische Sicherheit im Sinne von Timothy Clark ist ein Zustand, in dem sich Menschen einbezogen fühlen, sicher lernen können, sicher einen Beitrag leisten können und sicher den Status quo in Frage stellen können. Und das alles ohne die Angst, das Gesicht zu verlieren, ausgegrenzt oder gar bestraft zu werden. In der Erfahrung tragen unter anderem das Vorleben von Fairness, Klarheit, Transparenz, Unvoreingenommenheit, Mut und Unbeirrbarkeit zu einem Umfeld von psychologischer Sicherheit bei. Die co-aktive Qualitätenbilanz hat in der Phase der Integration unter anderem folgende Charakteristik: «Co»-Sein in der Phase der Integration • Übergangsprozesse (Morphing) erfordern Toleranz von Ambiguität und Unsicherheit
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• Umgang mit eigenen Ressourcen (unter anderem Ermüdung, Motivation) aufgrund langer Projektlaufzeit • Anpassungs- und Lernfähigkeit im Umgang mit schlecht definierten Problemen «Aktiv»-Tun in der Phase der Integration • Erhöhter Lieferdruck durch näher rückendes Ende des Zeitfensters für die Implementierung von IFRS 9 und IFRS 17 • Notwendigkeit, hängige Entscheide zu treffen und Kompromisse einzugehen • Lernen auf allen internen Ebenen (Fachbereiche, operatives Management, Verwaltungsrat) und bei externen Schlüssel-Stakeholdern (Akteure im Kapitalmarkt, RatingAgenturen, Aufsichtsbehörden, Börsen) Co-aktive Führung in der Phase der Integration bringt vor allem ein • Psychologische Sicherheit auf allen internen Ebenen und bei externen SchlüsselStakeholdern • Servant-Leadership-Haltung (nicht zuletzt weiterhin auch Wahrnehmung der Fürsorgepflicht als Arbeitgeber) • Arbeit am System dominiert weiterhin (im Gegensatz zu Arbeit im System) Die Geschichte kommt im Hier und Jetzt an. Der Weg, welcher 2017 begann, hat bis jetzt in den Sommer 2022 geführt und geht voraussichtlich noch bis Ende 2025 weiter. Was ist nun der Status des Marschbefehls?
3.1.6
Schritt 6: Ankunft im Hier und Jetzt: Status des Marschbefehls
In Erinnerung an den Marschbefehl sei im Hier und Jetzt (Sommer 2022) ein kurzer Blick auf die beiden Elemente geworfen. • Implementierung von IFRS 9 und IFRS 17: Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels im Sommer 2022 sind die beiden Standards IFRS 9 und IFRS 17 noch nicht anzuwenden. Die erstmalige Anwendung (Effective Date) erfolgt ab dem 1. Januar 2023. Die Implementierung dauert somit noch an. • Finanztransformation: Die Finanztransformation wird länger dauern als die erstmalige Implementierung von IFRS 9 und IFRS 17. Ein wesentliches Element hierbei ist der Übergang auf die neue Generation von SAP-Systemen und die damit verbundene Dekommissionierung der Altsysteme. Ebenso ist der Übergangsprozess in die neue
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Betriebsorganisation (Morphing) noch nicht abgeschlossen. Es gilt neben der zentralen Betriebsorganisation auch die Finanzbereiche in den dezentralen strategischen Geschäftseinheiten in neue Betriebsorganisationen zu überführen. Es wird nach wie vor beidhändig geführt, dass es noch immer eine ambidextre Organisation gibt. Das bedeutet, der Marschbefehl, welcher aus dem Einschlag des großen Meteoriten resultierte, ist noch nicht vollumfänglich ausgeführt. Wenn nun im siebten und letzten Schritt vorläufige Erkenntnisse formuliert werden, dann basieren diese auf dem bisher gegangenen Weg der noch andauernden Reise.
3.1.7
Schritt 7: Vorläufige Erkenntnisse aus der noch andauernden Reise und Ausblick
Seit dem Einschlag des großen Meteoriten sind gut fünf Jahre vergangen. Seither existiert die ambidextre Finanzorganisation, welche seit einem Jahr die Phase der Integration begonnen hat. Es lassen sich folgende vorläufigen Erkenntnisse aus der noch andauernden Reise ableiten: Vorläufige Erkenntnisse zum «Co»-Sein • Die Produktivorganisation und die Projektorganisation sind gleichwertig; dies ist immer wieder zu betonen. • Es braucht über Jahre Lösungsfokussierung in einem Umfeld von Ambiguität, paradoxen Situation und Unsicherheit. • Es braucht hohe Lern- und Veränderungsbereitschaft auf allen Ebenen der Organisation. Vorläufige Erkenntnisse zum «Aktiv»-Tun • Der große Meteoriteneinschlag macht aus der Implementierung der beiden neuen IFRS-Standards gekoppelt mit einer Finanztransformation unternehmensweit ein hochprioritäres Muss-Projekt; eine einmalige Energie, welche für die Finanztransformation nutzbar ist. • Ein agiler Umsetzungsansatz ist für die Implementierung von IFRS 9 und IFRS 17 der einzig richtige Weg, um die Komplexität zu bewältigen. • Die Ressourcierung des Vorhabens mit ausreichend Kapazitäten und Fähigkeiten ist ein Schlüssel-Erfolgsfaktor. Vorläufige Erkenntnisse zur co-aktiven Führung • Ambidextre Führung, ohne in die DIPI-Falle zu treten, ist äußerst anspruchsvoll.
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• Servant-Leadership-Haltung ist zentral in der auf Empirismus basierenden Umsetzung. • Die Veränderungsprozesse müssen aktiv und wahrnehmbar auf allen Ebenen geführt werden.
3.2
Ausblick
Die Reise ist unvollendet und dauert noch bis 2025 an. Es ist wichtig, dass die Reise beendet wird und nicht in eine unendliche Geschichte mutiert. Am Ende der Reise steht eine neue Produktivorganisation basierend auf einem auf die Finanzorganisation zugeschnittenen, skalierten agilen Organisationsmodell. In dieser Produktivorganisation sind Run-the-Business-Prozesse verknüpft mit Fähigkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung. So wird vermieden, dass sich künftig wieder technische und/oder organisatorische Schulden aufbauen können. Der Weg ist noch weit, der Berg noch hoch. «Es ist nicht der Berg, der vor uns liegt, der uns erschöpft – es ist das Sandkorn in unserem Schuh.» ist ein Zitat, welches oft Muhammad Ali zugeschrieben wird. In diesem Sinne liegt der Fokus täglich auf dem nächsten Sandkorn, um letztlich den Berg zu erklimmen. Ein Gedanke zum Schluss «Grenzlinien, gleich welcher Art, sind nie in der realen Welt selbst zu finden, sondern nur in der Phantasie der Kartographen.» Im Sinne von Ken Wilber hat dieser Artikel Linien gezogen. Es ist dem Verfasser vollkommen bewusst, dass diese Sicht seine subjektive kartografische Fantasie spiegeln. Hieraus ergibt sich die Demut und Akzeptanz, dass es unendlich viele andere Sichten auf die Implementierung von IFRS 9 und IFRS 17 im beschriebenen Versicherungskonzern gibt. Der Artikel repräsentiert die Wahrnehmung und Meinung des Verfassers und erhebt keinen Wahrheitsanspruch. Jede geäußerte Erkenntnis ist vorläufig.
Baloise Group
Die Baloise Group ist mehr als eine traditionelle Versicherung. Im Fokus ihrer Geschäftstätigkeit stehen die sich wandelnden Sicherheits- und Dienstleistungsbedürfnisse der Gesellschaft im digitalen Zeitalter. Im Herzen von Europa mit Sitz in Basel agiert die Baloise Group als Anbieterin von Präventions-, Vorsorge, Assistance- und Versicherungslösungen. Ihre Kernmärkte sind die Schweiz, Deutschland, Belgien und Luxemburg. In der Schweiz fungiert sie mit ihren Bankdienstleistungen zudem als fokussierte Finanzdienstleisterin, einer Kombination von Versicherung und Bank. Das Geschäft mit innovativen Vorsorgeprodukten für Privatkunden in ganz Europa betreibt die Baloise mit ihrem Kompetenzzentrum von
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Luxemburg aus. Die Aktie der Bâloise Holding AG ist im Hauptsegment an der SIX Swiss Exchange kotiert. Dr. rer. pol. Carsten Stolz (1968, D/CH) studierte an der Universität Fribourg Betriebswirtschaft und doktorierte mit Schwerpunkt Finanzmanagement. Er hält einen Executive Master of Change von INSEAD und ist ausgebildet im co-aktiven Coaching-Ansatz von CTI (Co-Active Training Institute). Nach seiner Tätigkeit als Unternehmensberater bei PricewaterhouseCoopers (PwC) (1998–2002) kam er 2002 als Leiter Financial Relations zur Baloise Group. Von 2009 bis 2011 leitete Dr. Carsten Stolz die Bereiche Financial Accounting & Corporate Finance der Baloise Group. Zwischen 2011 und 2017 war er als Leiter Finanzen und Risiko Geschäftsleitungsmitglied der Basler Versicherungen Schweiz. Seit Mai 2017 leitet Dr. Carsten Stolz den Konzernbereich Finanz und ist Mitglied der Konzernleitung der Baloise Group.
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C. Stolz
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Agilität als Erfolgsfaktor für digitale Transformation Notwendigkeit von Agilität in der Finanzorganisation bei Ringier AG Annabella Bassler, Lea Eberle und Steffen Gross
Zusammenfassung
Durch die digitale Transformation getrieben, ist Agilität ein wichtiges Führungsund Organisationsprinzip, um auch in neuen digitalen Märkten erfolgreich zu sein. Die agile Transformation wird zu einem wesentlichen Eckpfeiler einer erfolgreichen digitalen Transformation. Das Medienunternehmen Ringier bewegt sich in einem globalen Marktumfeld, das zunehmend an Dynamik gewinnt. Umso wichtiger ist die Weiterentwicklung und Anpassung der Finanzorganisation durch agile und digitale Methoden.
4.1
Ausgangslage
Die Medienbranche war eine der ersten Industrien, die von der digitalen Disruption betroffen war. Die Notwendigkeit der Digitalisierung und die dazugehörigen Herausforderungen sind und waren aktive Treiber einer mehrjährigen digitalen Transformation der Ringier
A. Bassler (B) · L. Eberle · S. Gross Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected] L. Eberle E-Mail: [email protected] S. Gross E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_4
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A. Bassler et al.
Gruppe. Wir haben eine Welt hinter uns gelassen, in der Printmedien, Radio und lineares Fernsehen die einzigen Informationsquellen waren. Die Landschaft hat sich völlig verändert. Die Digitalisierung der Medienbranche wurde durch das veränderte Verbraucherverhalten und Erwartungen der Verbraucher vorangetrieben, insbesondere der jüngeren Generationen, die jederzeit und überall sofortigen Zugriff auf Inhalte verlangen [19]. Die digitale Transformation der Medienindustrie ist aber noch nicht abgeschlossen und wird weitergehen. Speziell drei Trends prägen die Medienindustrie in diesem Jahrzehnt: Personalisierung und Kontextualisierung, Fragmentierung von Inhalten sowie Partnerschaften und Industrialisierung [19].
4.2
Digitale Transformation der Ringier Gruppe
Die Geschichte der digitalen Transformation bei Ringier startete bereits 2007 und zeigt deutlich auf, wie die Digitalisierung und Globalisierung der Medienindustrie schon früh einen Einfluss auf das Unternehmen hatten (Abb. 4.1). Der Wandel von einem klassischen (Print-)Medienunternehmen zu einem internationalen Medien- und Technologieunternehmen in den vergangenen 15 Jahren war kein Nice-to-Have. Es war eine essenzielle Entwicklung, um eines der führenden digitalisierten Medienunternehmen in Europa zu werden.
Abb. 4.1 Digitale Transformation der Ringier Gruppe
4 Agilität als Erfolgsfaktor für digitale Transformation
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Abb. 4.2 Digitaler EBITDA-Anteil der Ringier Gruppe in Prozent
In den letzten 15 Jahren hat Ringier global rund 50 M&A-Transaktionen durchgeführt und über CHF 2 Mrd. investiert (brutto, ohne Desinvestitionen). Dabei wurde in Unternehmen wie Scout24, Jobcloud oder Ticketcorner investiert. Ebenfalls wurde auch in Osteuropa und Afrika in ähnliche Unternehmen investiert. Ringier würde heute rund 75 % des EBITDAs fehlen, wäre nicht frühzeitig in die Digitalisierung investiert worden. Im Jahr 2007 beträgt die EBITDA-Marge 8,7 % bei einem EBITDA von CHF 126,9 Mio. Durch die digitale Transformation konnte die EBITDA-Marge im Jahr 2022 auf 11,2 % gesteigert werden bei einem EBITDA von CHF 104,9 Mio. Dies zeigt deutlich, wie der Umsatz- und EBITDA-Rückgang in der Medienbranche durch Investitionen in Marketplaces mit einer höheren EBITDA-Marge kompensiert werden konnte. Dabei betrug der digitale EBITDA-Anteil der Ringier Gruppe bis 2012 noch 0 % und konnte in den vergangenen neun Jahren auf 79 % erhöht werden (Abb. 4.2). Agilität in der Finanzorganisation von Ringier war ein wichtiger Faktor, für die erfolgreiche digitale Transformation der Ringier Gruppe. Doch die digitale Transformation der Ringier Gruppe ist noch nicht am Ende oder gar abgeschlossen. Digitale Transformation ist kein Ziel, das erreicht wird. Digitale Transformation ist das Mittel zur Erreichung von individuellen Zielen, die von jedem Unternehmen individuell definiert und verfolgt werden müssen [11]. Auch bei Ringier heisst es, nach der Transformation ist vor der Transformation [13].
4.3
Sechs Erfolgsfaktoren für agile Organisationen
Eine agile Organisation besitzt eine anpassungsfähige und flexible Organisationsstruktur, die es erlaubt, reaktionsschnell zu sein und sich in kurzer Zeit auf adaptierende Marktanforderungen anzupassen. Agile Unternehmen sind proaktiv und initiativ beim Ergreifen
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A. Bassler et al.
von sich bietenden Chancen. Wichtige Treiber des agilen Wandels in einem Unternehmen sind oft externe Faktoren, wie technologische Veränderungen und Digitalisierung, steigende Dynamik und Komplexität, Kundenverhalten und hohe Wettbewerbsintensität. Aber auch interne Faktoren wie Bürokratie und geringer Output, Fachkräftemangel aufgrund demografischer Entwicklungen, Wertewandel oder Individualisierung, können wichtige Treiber der Agilität in einem Unternehmen sein. Durch die digitale Transformation getrieben, ist Agilität ein wichtiges Prinzip der Führungs- und Organisationskultur, um auch in neuen digitalen Märkten erfolgreich zu sein. Die agile Transformation wird zu einem wesentlichen Bestandteil einer erfolgreichen digitalen Transformation [8]. Agile Unternehmen haben eine eigene Unternehmens-DNA. Dabei ist Agilität in einer Organisation das richtige Verhältnis aus doing agile (Methoden und Prozesse) und being agile (Mindset und Kultur). Der Erfolg von agilen Organisationen lässt sich nicht auf konkrete einzelne Maßnahmen festlegen. Vielmehr basiert das Gelingen auf einem erfolgreichen Zusammenspiel von sechs Faktoren: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Purpose – Die Frage nach dem WHY Kundenzentrierung: Die Kunden als Partner Agile Methoden bieten Stabilität und Sicherheit Kontinuierlicher Wandel als Teil des Systems – Inspect and Adapt Agile Leadership: Was agile Führung ausmacht Unternehmenskultur und Mindset
4.3.1
Purpose – Die Frage nach dem WHY
Agile Organisationen kennen ihre Bestimmung. Während sich traditionelle Unternehmen oft über das WHAT und die Erbringung ihrer Leistung definieren, fokussieren sich agile Organisationen auf den gemeinsamen höheren Sinn (das WHY). Das Produkt ist ein Mittel zur Erreichung dieses höheren Sinns. Sie folgen einer Mission, wie sie die Welt verändern wollen. Der Purpose bestimmt die Rahmenbedingungen, in dem Eigenverantwortung und agiles Arbeiten überhaupt entstehen können [7]. Eine Organisation, die den Fokus auf ihre Mitarbeitenden legt und Eigenverantwortung ermöglicht, baut eine starke Gemeinschaft von befähigten Mitarbeitenden auf. Eine transformationale Führung und menschenzentrierte Organisationskultur sind der Schlüssel, um die verschiedenen Teams unter der Vision und dem Purpose einer Organisation zu vereinen. Agile Unternehmen sind geprägt von persönlicher Wertschätzung, dem gemeinsamen Streben nach Ergebnissen und Erfolgen sowie von einem motivierenden Umfeld [17]. Die Definition eines gemeinsamen Purposes war auch bei Ringier ein wichtiger Schritt in Richtung agile Organisation. In mehreren interdisziplinären Workshops wurde der Sinn und Zweck des Unternehmens geschärft und mit dem Satz «We create interest in the
4 Agilität als Erfolgsfaktor für digitale Transformation
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world around you – and beyond» für alle Mitarbeitende im Unternehmen sichtbar. Nach der Definition des gemeinsamen Ringier Purposes steht ein weiterer wichtiger Schritt für die Finanzabteilung an: Die Definition des Why-How-What für die Ringier Finanzorganisation und die Frage, welchen Beitrag die Finanzorganisation und jede:r einzelne Mitarbeitende zum Ringier Gesamt-Purpose beiträgt. Die Finanzorganisation nimmt dabei eine aktive Rolle in der Gestaltung des Unternehmens und der Unternehmensstrategie ein.
4.3.2
Kundenzentrierung: Die Kunden als Partner
Peter F. Drucker bemerkte bereits 1964, dass Kunden nicht für ein Produkt zahlen – Kunden zahlen für eine zufriedenstellende Lösung ihrer Probleme [4]. Agile Organisationen fokussieren sich darauf, Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und Produkte und Dienstleistungen kundenorientiert zu entwickeln. Dabei ist Gewinn zu erzielen für agile Unternehmen nicht weniger wichtig. Dieser wird jedoch durch kundenorientierte Lösungen erzielt [2]. Diese Art von Kundenzentrierung heißt auch, die aktive und frühzeitige Einbindung der Kunden in die Entwicklung und Entstehung von Produkten und Servicedienstleistungen [2]. Der Kunde ist ein integraler Bestandteil des Wertschöpfungsprozesses und nicht nur das letzte Glied in der Kette. Kundenbedürfnisse werden in User Stories formuliert, Prozesse werden aus Sicht des Kunden analysiert und entlang der Customer Journey geplant. Bereits in einer frühen Phase bekommen Kunden Prototypen und minimal funktionsfähigen Produkten (Minimum Viable Products (MVPs)), um darauf basierend sein Feedback zu geben. Agile Organisationen entwickeln das Produkt und ihre Angebote basierend auf dem Kundenfeedback stetig weiter [5]. Auch bei Ringier gilt das Motto Customer first. Für die Finanzorganisation ist dabei ein spezielles Augenmerk auf das Business Partnering gelegt. Die Kunden der Finanzorganisation sind meist die Business Units Media und Marketplaces mit ihren individuellen Bedürfnissen. Konkret bedeutet dies, dass sich die Finanzorganisation als proaktiver Ideengeber bei Problemen und Treiber der Unternehmenssteuerung positioniert und gemeinsam mit dem Business über Chancen und Risiken von neuen Geschäftsmodellen diskutiert, neue Zusammenhänge zwischen finanziellen und operativen Kennzahlen entdeckt und sich bei der Produktentwicklung durch pragmatische Business Cases einbringt. Dazu wird aber häufig eine Anpassung der Organisation und Prozesse innerhalb der Finanzorganisation notwendig. Entsprechende Anpassungen an der Systemwelt ermöglicht schnellere Auswertungen, aktuellere Reportings und bessere Abschätzung von Risiken [6]. Aus diesem Grund wurde bei Ringier mit dem Start der digitalen Transformation auch die Finanzorganisation in zwei Divisionen unterteilt mit zwei individuellen Finanzdirektoren für die Bereiche Media und Marketplaces. Um die Finanzorganisation auf zukünftigen
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A. Bassler et al.
Abb. 4.3 Dashboard Kostenstellenreport in Power BI
Herausforderungen wie die steigende Marktdynamik oder den zunehmenden Kostendruck strukturell vorzubereiten, war es notwendig, sich weiterzuentwickeln und klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten zu schaffen. Aber auch in der Systemwelt wurden in den vergangenen Jahren einige Anpassungen vorgenommen, um den Business Partnern den Umgang mit den verschiedenen Tools zu vereinfachen. So verwendet die Ringier Finanzorganisation beispielsweise verschiedene Dashboards und Reportings in Power BI (Abb. 4.3).
4.3.3
Agile Methoden bieten Stabilität und Sicherheit
Agile Unternehmen setzen auf bewährte agile Methoden und Modelle. Die agilen Arbeitsweisen helfen Teams in einem Unternehmen, die Zusammenarbeit zu koordinieren, individuelle Kundenbedürfnisse zu verstehen, komplexe Rahmenbedingungen zu erfassen und sich bietende Opportunitäten zu ergreifen. Agile Methoden bieten ein strukturiertes Vorgehensmodell, hohe Prozessgenauigkeit und eine gemeinsame Sprache aller Teammitglieder. Agile Methoden, wie das Design Thinking, Lean Start-up oder das bekannte Scrum Framework, sind Fixpunkte in unsicheren und sich wandelnden Umgebungen [10]. Durch agile Methoden können kürzere und schnellere Abstimmungswege und Prozesse etabliert werden. Außerdem können komplexe Sachverhalte einfacher dargestellt und alle Mitarbeitenden einer Finanzorganisation besser eingebunden werden. Dies erhöht die Motivation, das Engagement und Transparenz, was wiederum zu einer höheren Produktivität führt [6]. Ein Beispiel für die Verwendung von agilen Methoden in der Ringier Finanzorganisation ist die Verwendung von OKRs (Objectives and Key Results). Dabei wird das
4 Agilität als Erfolgsfaktor für digitale Transformation
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Unternehmen nicht über statisch und unflexible Jahresvorgaben gesteuert, sondern in einem iterativen Prozess über Quartals- und Monatszielsetzungen geführt. Auch strukturelle Anpassungen an Standardprozessen wie dem Planungsprozess ermöglichen dem ganzen Unternehmen, agiler zu werden. Der Budgetprozess in der Vergangenheit war durch den Bottom-up-Ansatz sowie durch den hohen Detaillierungsgrad, mehrere Abstimmungsrunden und eine lange Dauer geprägt. Der überarbeitete Planungsprozess beginnt nun mit einer Erwartungsformulierung durch die Geschäftsleitung als Target Setting.
4.3.4
Kontinuierlicher Wandel – Inspect and Adapt
Agile Unternehmen überprüfen regelmässig und in kurzen Zeitintervallen ihren Status und Entwicklung. Stetige Veränderung und Weiterentwicklung ist dabei Teil des Alltags. Dabei ist Inspect and Adapt ein wichtiger Bestandteil in der Scrum-Methode. Gemäss Lous et al. (2018) ist die Methode Inspect and Adapt der Antrieb für eine reflexive Kultur [12]. Der wiederkehrende Pulscheck dient dazu, sich das bisher Geleistete zu reflektieren und gewonnene Einsichten in der nächste Iterationsschleife einzubinden. Zwei wichtige Formate sind dabei Reviews und Retrospektiven. Durch das regelmässige Feedback von Kunden, externen Stakeholdern und den einzelnen Teammitgliedern können erforderliche Veränderungen frühzeitig erkannt oder sich verändernde Voraussetzungen miteinbezogen werden [18]. Auch in einer Finanzorganisation ist die Reflexion in wiederkehrenden Abständen ein wichtiger Entwicklungsbestandteil. Regelmäßig stattfindende Treffen der Bereichsleitung Finanzen Ringier dienen dazu, bestehende Prozesse, Systeme und Organisation zu reflektieren und auf Feedback der verschiedenen Business Partner zu reagieren. Dabei werden Themen wie Zusammenarbeit, Systeme und Prozesse in den Fokus gestellt und gemeinsam werden durch die Iteration Erkenntnisse für die Weiterentwicklung gewonnen. Diese werden wieder im Zielen formuliert nach dem SMART-Prinzip (Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert) und in einer gemeinsamen Roadmap festgehalten. Die Digitalisierung in Verbindung mit dem technologischen Fortschritt und der Globalisierung ist ein weiterer bedeutender Treiber der konstanten Veränderung. Es stehen immer mehr Informationen zur Verfügung. Die Herausforderung für die Finanzorganisation besteht darin, die Chancen der Digitalisierung und der Verfügbarkeit von Informationen wertsteigernd zu nutzen. Dies bedeutet, die steigende Menge an Informationen und Daten auszuwerten, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und diese sinnvoll und leicht verständlich darzustellen.
56
4.3.5
A. Bassler et al.
Agile Leadership: Was agile Führung ausmacht
Agile Leadership ist neben dem agilen Mindset ein wichtiger Treiber von Agilität in einer Organisation [6]. Agilität braucht Führung. Für die erfolgreiche Umstrukturierung hin zu einem agil arbeitenden Unternehmen sind Vorbildcharaktere aus der Führungsebene notwendig [10]. Agile Führung in einem Unternehmen zu etablieren, bedeutet, das Team und deren Mindset durch Definition, Verbreitung und Aufrechterhaltung des gemeinsamen Purpose zu führen [14]. Entgegen der langjährigen Meinung orientiert sich agile Leadership am Servant-Leader-Ansatz. Als Führungskraft bedeutet dies loszulassen und dem Impuls zu widerstehen, selbst zu führen oder gar zu überprüfen. Ebenfalls müssen agile Führungskräfte es aushalten, wenn Mitarbeitende nicht so schnell sind oder ihren Weg mit eigenen Methoden gehen. Die Aufgabe von agilen Führungskräften ist es, die inhaltlichen Rahmenbedingungen abzustecken, in dem sich die Mitarbeitenden selbstorganisiert und eigenständig bewegen können. Es wird eine Arbeitsumgebung geschaffen, die durch eine große Autonomie der unterschiedlichen Teams und Mitarbeitenden geprägt ist und in dem sich Mitarbeitende sicher fühlen und keine Angst vor Fehlern haben. Eine der wichtigsten Aufgaben von agilen Führungspersonen ist dabei das proaktive Bereitstellen von Informationen, die für alle Teammitglieder notwendig sind, um angemessene Entscheidungen treffen zu können. Mitarbeitende werden gefördert, selbstständige und mutige Entscheidungen zu treffen. Agile Führungskräfte begegnen den Mitarbeitenden auf Augenhöhe und arbeiten gemeinsam und reaktionsschnell an Lösungen für Probleme. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei ist die geteilte Sicht auf ein höheres Ziel (Purpose – das WHY einer Organisation). Führungskräfte in Finanzorganisationen müssen neben klassischen Führungskompetenzen auch agile Elemente der Führung beherrschen. So werden beispielsweise arbeitsrechtliche und Compliance-Vorschriften (z. B. in der Buchhaltung) weiterhin über traditionelle Führungsstrukturen sichergestellt [6]. Bei Ringier bedeutet dies beispielsweise, dass Führungspositionen auch die Kostenverantwortung tragen. Auf der anderen Seite können durch Self Service Reports im Controlling auch Schnittstellenpartner zu einer dezentraleren Verantwortungsdelegation miteinbezogen werden. Damit leistet die Finanzorganisation auch einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung von agile Leadership in der Gesamtorganisation [6].
4.3.6
Unternehmenskultur und Mindset
Die Veränderung der Arbeitswelt in den vergangenen Jahren ist eine grundlegende Veränderung der Umstände und erfordert einen Wandel in Kultur, Verhalten und Denkweise [16]. Transformation ist nicht einfach nur ein Wandel, sondern hat eine eher rationale, kognitive und ganzheitliche Perspektive [1].
4 Agilität als Erfolgsfaktor für digitale Transformation
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Bei der Einführung einer agilen Unternehmenskultur ist es wichtig, eine Umgebung zu schaffen, welche das Unternehmen, die verschiedenen Teams und Mitarbeitenden befähigt, trotz Wandel, Unsicherheit und steigender Komplexität innovativer, resilienter und anpassungsfähiger zu sein. Die Zusammenarbeit ist geprägt von Vertrauen, Respekt, Toleranz, Transparenz und Ehrlichkeit [8]. Teil einer agilen Kultur ist auch die Umsetzung von New Work im Unternehmen [6]. Bei Ringier wurde 2021 eine neue Mobile Office Policy eingeführt. Dabei dürfen Mitarbeitende bis zu 60 % ihrer Zeit remote arbeiten. Dies wird auch konsequent im Finanzbereich umgesetzt. Umso wichtiger sind aber die gemeinsamen Teamtage im Büro. Jeweils ein Tag pro Woche trifft sich die ganze Finanzorganisation im Büro. Ausserdem bestimmt jedes Team einen weiteren individuellen Teamtag im Büro. Diese gemeinsamen Bürotage haben einen positiven Einfluss auf die Teamkultur und prägen das gemeinsame Verständnis des Purpose. Sie fördern das Vertrauen, Transparenz und Respekt zwischen den einzelnen Mitarbeitenden und stärken insbesondere die flexible und innovative Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Finanzteams.
4.4
Learnings
4.4.1
Agilität als effektiver Wettbewerbsvorteil
In globalen und vernetzten Märkten bedeutet Agilität einen universellen Wettbewerbsvorteil. Nicht nur in Abteilungen, welche auf Produktentwicklung ausgerichtet ist, ist Agilität ein wahrer Vorteil. Auch in der Finanzorganisation ist Agilität eine wichtige Entwicklung. Agile Finanzorganisationen steigern die Attraktivität für neue Mitarbeitende, erhöhen die Geschwindigkeit und Effizienz der einzelnen Teams, fördern die Zusammenarbeit und Innovation und steigern die Motivation der Mitarbeitenden. Die agile Transformation der Finanzorganisation ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der anhaltenden digitalen Transformation eines ganzen Unternehmens.
4.4.2
People are Key
Mitarbeitende müssen an eine Veränderung und Weiterentwicklung der Finanzorganisation herangeführt werden. Sie müssen früh in eine Anpassung der Prozesse und Systeme miteinbezogen werden. Agile Transformation benötigt genauso wie die digitale Transformation neue Fähigkeiten und ein tiefes analytisches Verständnis. Die Reduzierung manueller Tätigkeiten sowie Automatisierung von standardisierten Reportings und Konsolidierungsprozessen ermöglichen einen stärkeren Fokus auf analytische und interpretative Aufgaben sowie das Business Partnering.
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A. Bassler et al.
Veränderung bedeutet auch die Veränderung in der Unternehmens- und Teamkultur. Dies braucht Zeit und genügend Freiraum, um sich weiterzuentwickeln. Umso wichtiger ist die ausführliche und regelmässige Kommunikation des gemeinsamen Purpose und die Einbettung, weshalb die Tätigkeit eines jeden einzelnen Mitarbeitenden ein Bestandteil zur Erreichung des gemeinsamen Purpose ist.
4.4.3
Individualisierung der agilen Methoden
Ein weiteres wichtiges Learning aus der agilen Transformation der Ringier Finanzorganisation ist die Erkenntnis, dass nicht alle agilen Methoden auch für jede Organisation und alle Teams die Richtigen sind. Gerade in der Finanzorganisation gibt es auch weiterhin einige Prozesse, welche nicht komplett mit Agilität abgebildet werden können, wie beispielsweise die Budgetprozesse oder Mehrjahresplanung. Trotzdem zeigt das Beispiel des Target Settings im Planungsprozess, wie die Weiterentwicklung der Finanzorganisation einen Einfluss auf die Agilität und Strategie des ganzen Unternehmens haben kann. Umso wichtiger ist dabei die individuelle Analyse der verschiedenen Methoden und Adaptierung der Organisation. Ringier Gruppe
Ringier ist ein innovatives, digitalisiertes und diversifiziertes Schweizer Medienunternehmen, das in Europa, Asien und Afrika tätig ist. Zum Portfolio gehören rund 130 Tochtergesellschaften in den Bereichen Print, digitale Medien, Radio, Ticketing, Entertainment und E-Commerce sowie führende Online-Marktplätze für Autos, Immobilien und Jobs. Seit fast 190 Jahren ist Ringier als Familienunternehmen eine treibende Kraft in der Medienbranche. Ringier besitzt 100 Medien- und Unterhaltungsmarken in Europa, Afrika und Asien, die für Qualitätsjournalismus, hohe redaktionelle Unabhängigkeit und digitale Weiterentwicklung bekannt sind. Mit unseren führenden digitalen Marktplätzen in den Bereichen Jobs, Immobilien, Autos und Kleinanzeigen unterstützen wir täglich Millionen von Menschen, private und geschäftliche Entscheidungen fundiert zu treffen. Unsere Teams und Plattformen in 19 Ländern ermöglichen dies durch die effiziente und datenbasierte Verbindung von Angebot und Nachfrage. Technologie als wesentliches Bindeglied zwischen Medien, Marktplätzen und Werbung ist ein Teil der DNA von Ringier. Die TechnologieHubs von Ringier unterstützen die lokalen Entwicklungsteams mit skalierbaren und anpassungsfähigen Plattformlösungen, um Strategien vor Ort effizient umzusetzen. Als Venture-Capital-Geber unterstützt Ringier innovative, digitale Start-ups. Das Familienunternehmen Ringier, 1833 als Verlag und Druckerei gegründet, hat in den letzten Jahren konsequent in die Digitalisierung und die globale Expansion
4 Agilität als Erfolgsfaktor für digitale Transformation
investiert. Im Jahr 2021 erwirtschaftete das Unternehmen mit rund 6400 Mitarbeitenden in 19 Ländern einen Umsatz von CHF 965.3 Mio. Bereits heute stammen 73 % des operativen Gewinns aus dem digitalen Bereich, in dem Ringier unter den europäischen Medienunternehmen führend ist. Das Familienunternehmen setzt seit fast 190 Jahren auf Unternehmertum, Zusammenarbeit, Innovation, Vertrauen und Mut. Ringier berührt alle Lebensbereiche und berührt das Leben von Millionen von Menschen – jeden Tag rund um den Globus in 19 Ländern. In einer Welt, die immer komplexer und anspruchsvoller wird, sieht es Ringier als seine Aufgabe, das Interesse wach zu halten und dafür zu sorgen, dass Kunden/-innen, Nutzer/-innen oder Leser/-innen nie aus den Augen verlieren, was sie miteinander verbindet: Die Welt um sie herum und darüber hinaus. www. ringier.com Dr. Annabella Bassler (* 1977) ist seit Juni 2012 CFO der Ringier AG. 2007 startete sie bei Ringier und durchlief verschiedene Stationen im Finanzbereich. Zusätzlich verantwortete Bassler seit Mitte 2014 bis 2021 die Aktivitäten von Ringier in Rumänien und restrukturierte das Unternehmen in ein profitables und modernes Medienunternehmen. Sie ist unter anderem Mitglied des Verwaltungsrates der Ticketcorner AG, Ringier Axel Springer Schweiz AG, Ringier Axel Springer Polska SE und der Hallenstadion AG. Annabella Bassler treibt die digitale Transformation der Ringier Gruppe voran. Der Fokus liegt dabei auf der Strategie, den M&A-Aktivitäten und der finanziellen Steuerung. Im November 2019 initiierte und lancierte sie die Ringier EqualVoice Initiative, deren Ziel es ist, Frauen in der Medienberichterstattung sichtbarer zu machen und die Gleichwertigkeit von Frauen und Männern zu fördern. Kern der Initiative ist der EqualVoice-Factor: Ein Algorithmus, der Equality messbar macht. Ihr Wirtschaftsstudium absolvierte sie an der European Business School in Oestrich-Winkel, Buenos Aires und Los Angeles mit anschließendem Doktorat. Nach Praxiserfahrung im Consulting arbeitete Annabella Bassler von 2004 bis 2007 in verschiedenen Positionen in den Finanzbereichen bei Hamburg Süd, der Reederei der Oetker Gruppe, in Hamburg. Lea Eberle ist als Projektmanagerin Finance bei der Ringier AG und Head of Strategy der Initiative EqualVoice seit 2016 bei der Ringier AG in Zürich tätig. Ihre Expertise, die sie durch ihren Masterabschluss in Banking und Finance sowie durch die Berufserfahrung in verschiedenen Positionen im Finanzbereich des Unternehmens erworben hat, bringt sie nun auf vielseitige Art und Weise in die Weiterentwicklung ein. Lea Eberle verfügt über mehrjährige Erfahrungen im Bereich Projektmanagement und setzt einen starken Fokus auf Strategie und frische, innovative Ansätze.
59
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A. Bassler et al.
Dr. Steffen Gross ist seit 2017 als Head Group Controlling bei der Ringier AG in Zürich tätig. Zu seinem Aufgabengebiet gehört die finanzielle Steuerung auf Gruppenstufe als Sparring-Partner des Top-Managements. Davor war er Head Controlling bei Manor in Basel und langjähriger Unternehmensberater bei Horváth & Partners in Zürich. Der Autor verfügt über fundierte Finance- & Controlling-Erfahrung in den Bereichen Reporting, Planung, Treasury, Kostenrechnung sowie Finance Transformation. 2006 promovierte Steffen Gross an der Universität Bayreuth in Wirtschaftswissenschaften.
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4 Agilität als Erfolgsfaktor für digitale Transformation
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5
Ein flexibles Steuerungssystem als Katalysator organisationaler Agilität Wie die Finanzfunktion bei Hilti durch die Umstellung des Steuerungssystems vom Bremser zum Förderer der Agilität wurde Franz Wirnsperger und Felix Hess
Zusammenfassung
Das Unternehmensumfeld wird zunehmend VUKA (VUKA steht für Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität und beschreibt die in der heutigen Zeit verbreitet vorzufindenden Herausforderungen im Unternehmensumfeld) und Unternehmen reagieren darauf mit der vermehrten Anwendung agiler Methoden. Je weiter sich diese in einem Unternehmen verbreiten, desto mehr reiben sie sich mit den nach wie vor dominanten jährlichen Unternehmensplanungs- und Budgetierungsansätzen, deren Predict-&-Control-Steuerungsmuster der agilen Denkweise diametral entgegenläuft. Der Beitrag beschreibt einen seit vielen Jahren in der Hilti Gruppe praktizierten flexiblen Unternehmenssteuerungsansatz, der ohne jährliche Budgets und Mittelfristpläne auskommt. Auf Basis der langjährigen Erfahrungen werden die Chancen und Herausforderungen der Finanzfunktion, durch den Anstoß eines Wechsels des Steuerungssystems maßgeblich zur Steigerung der organisatorischen Agilität beizutragen, reflektiert.
F. Wirnsperger (B) · F. Hess Schaan, Liechtenstein E-Mail: [email protected] F. Hess E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_5
63
64
F. Wirnsperger und F. Hess
5.1
Ausgangssituation
5.1.1
Zunehmender Einsatz agiler Methoden
Das heutige Unternehmensumfeld ist zunehmend volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig (VUKA). Externe Schocks wie Finanzkrisen, Pandemien oder kriegsbedingte Lieferkettenschwierigkeiten tragen ebenso dazu bei, wie die fundamentale Veränderung durch die Möglichkeiten der Digitalisierung. Sich als Unternehmen flexibler aufzustellen und insgesamt agiler zu werden, ist unbestritten die Antwort auf diese Entwicklung. Es gibt daher kaum mehr ein Unternehmen, das sich nicht mit der Umstellung auf agilere Arbeitsformen beschäftigt. Die Bemühungen beginnen meist in den naturgemäß komplexeren und mehr mit Unklarheit bezüglich Lösungen behafteten Funktionsbereichen wie IT und F&E. Aber auch Funktionen mit mehr administrativen Aufgabenanteilen, wie der Finanzbereich, spüren die Auswirkungen der steigenden Komplexität und der rascheren Veränderung. Agilere Arbeitsmethoden halten also auch in diesen Bereichen zunehmend Einzug [4]. Zunehmend wagen Unternehmen sich daher auch an Agility-at-Scale-Ansätze und orientieren sich an verschiedenen dafür entwickelten Rahmenmodellen wie SAFe [1] oder dem Spotify-Modell [2] etc. Einige wechseln gar in vollkommene Selbstorganisationsmodelle (z. B. Holokratie [10]). Der Einsatz agiler Arbeitsformen ist allerdings kein Selbstzweck. Letztendlich geht es darum, als Gesamtunternehmen schneller und agiler auf die externen Entwicklungen reagieren zu können bzw. sich bietende Chancen besser nutzen zu können. Will man als Organisation insgesamt agiler werden, muss das traditionelle Predict-&-ControlSteuerungsmuster, welches in sehr vielen Organisationen über die jährlichen Planungsund Budgetierungsansätze immer noch tief verankert ist, irgendwie überwunden werden und die gesamte Unternehmenssteuerung flexibler gestaltet werden [11]. Bei Hilti wurde bereits zu Beginn der Jahrtausendwende damit begonnen, dieses Muster zu verändern. Die Erfahrung zeigt, dass dem Finanzbereich eine entscheidende Rolle in der Steigerung der organisationalen Agilität zukommt [14]. Der folgende Beitrag skizziert die Veränderung des finanziellen Steuerungssystems bei Hilti, beschreibt rückblickend die entstandene Wirkung auf die Flexibilität und Agilität des Unternehmens und reflektiert vor diesem Hintergrund den Beitrag, den die Finanzorganisation zum Thema Agilität nach Meinung der Autoren leisten kann und soll.
5.1.2
Konfligierende Kultur- und Steuerungsparadigmen
Es ist hinlänglich bekannt, dass die Einführung agiler Arbeitsmethoden nicht nur eine methodische Angelegenheit ist, sondern auch ein Umdenken bedingt. Man muss den
5 Ein flexibles Steuerungssystem …
65
„Doing Agile“
Selbst-Steuerung unterstützend Hierarchie unterstützend
Institutionalisierter Einsatz agiler Steuerungspraktiken
Steuerungssystem
Glauben an die Planbarkeit der Zukunft ein ganzes Stück weit ablegen. Ziele werden breiter, mehr im Sinne eines Purpose oder eines Nordsterns formuliert. Häufigeres Reflektieren, Anpassen und Umsteuern soll schneller zur Erfüllung des übergeordneten, breiter definierten Ziels führen. Werden diese Ansätze in einem Unternehmen breit angewendet (institutionalisiert), entsteht ein wesentlich weniger Hierarchie-lastiges und mehr Selbststeuerungs-basiertes Steuerungssystem. Eine nachhaltige Anwendung derartig agiler Ansätze bedingt allerdings auch eine Denkweise, die es zulässt, dass Richtung und Impulse nicht nur von oben, sondern zu einem wesentlich höheren Ausmaß auch von unten, aus den ermächtigten Teams, kommen. Derartige Ansätze funktionieren nachhaltig nur mit einer entsprechenden (Führungs-)Kultur, bei der Führung als dienende Funktionen verstanden wird, welche die Aufgabe hat, Leitplanken zu setzen, inspirierend zu wirken, Barrieren aus dem Weg zu räumen und für das Funktionieren und die Weiterentwicklung des gesamten Führungs- und Steuerungssystems zu sorgen. Eine agile Organisation zeichnet sich also dadurch aus, dass ein agiler Mindset (being agile) und agile Methodenkompetenz (doing agile) in einem hohen Ausmaß (passend auf das Umfeld) beherrscht und gelebt werden. Soweit zur Theorie (Abb. 5.1). Bei Hilti wird der Führungskulturentwicklung seit Dekaden eine übergeordnete Bedeutung beigemessen. Einfache, auf erhärteten verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Kulturprinzipien und Werte werden seit vielen Jahre mit durchdachten Kulturunterstützungsprogrammen systematisch den MitarbeiterInnen vermittelt und wurden so zu einem gut verstandenen Kompass für alle Hilti-MitarbeiterInnen weltweit. Diese
Agile Organisation
Over-managed Organization
“Command (Predict) & Control Organization
Over-controlled Organization
“Anweiser”
Teamleiter
“Ausführer”
Teammitglied
“Coach” “Gestalter”
«Mindset» und Verhalten
Breite Anwendung einer agilen Denkweise „Being Agile“
Abb. 5.1 Transformationsdimensionen zur agilen Organisation
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F. Wirnsperger und F. Hess
Kulturprinzipien
Steuerungsprinzipien
Motivation durch Sinnstiftung und Werte
Detaillierte Planung & Budgetierung
Selbstverantwortung
Große “Geldkarotten” für Zielerreichung
Regelmäßige Anerkennung von Fortschritt
Enge Steuerung & Kontrolle durch die Zentrale
Kernwerte: Integrität, Engagement, Mut, Teamarbeit
Beobachtbares Verhalten: Tiefstapeln, fehlendes Vertrauen, Verstecken hinter Budgets, Silo-Denken…
Paradigma:
Paradigma:
- Kontinuierlicher Fortschritt zählt
-
Zielerreichung zählt
- Durch wertorientiertes Führungsverhalten verursachte intrinsische Motivation führt zum Erfolg
-
Extrinsische Motivation und Kommando & Kontrolle führen zum Erfolg
Abb. 5.2 Konflikt zwischen Kultur und Steuerungsprinzipien
Kulturprinzipien sind Leitplanken für jedes Einstellungsgespräch und für sämtliche Mitarbeiterentwicklungsprogramme. Regelmäßiges und detailliertes Messen des Mitarbeiterengagements gepaart mit konsequenter Analyse und disziplinierten Reaktionen auf sich zeigende Handlungsbedürfnisse erhalten das System, welches intern als Kulturreise bezeichnet wird, nicht nur am Leben, sondern sorgen auch für eine Weiterentwicklung und Anpassung der Kultur an sich verändernde Bedürfnisse über die Zeit. Durch diese konsequente Arbeit an der Kultur und am Verhalten aller Führungskräfte und MitarbeiterInnen wurde bereits vor mehr als 15 Jahren ein grundlegender Konflikt, zwischen den der Unternehmenskultur einerseits und der finanziellen Unternehmenssteuerung andererseits zugrunde liegenden Paradigmen, transparent (Abb. 5.2). Während die Kulturprinzipien die Bedeutung von Sinnstiftung, Selbstverantwortung, Teamfähigkeit, Mut zur Veränderung und unternehmerisches, verantwortungsvolles Verhalten ins Zentrum stellen – also auf eine Vertrauenskultur und starker intrinsischer Motivation als Erfolgsrezept setzen – funktionierte die finanzielle Steuerung traditionell mit starkem Fokus auf extrinsische Motivatoren wie Boni, die, gekoppelt mit kurzfristigen individuellen Zielen, zum Taktieren und Tiefstapeln anregten und eher das Gegenteil zu einer Vertrauenskultur förderten. Es verwunderte daher nicht, dass der Unterschied zwischen den in den Kulturworkshops propagierten Verhaltensweisen und den in den Budgetrunden gelebten Verhaltensweisen nicht größer hätte sein können.
5 Ein flexibles Steuerungssystem …
5.1.3
67
Vision der Finanzorganisation als Business Partner
Die Hilti Gruppe beschäftigt mittlerweile mehr als 30.000 Mitarbeiter und zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Elektrogeräten und Befestigungstechnik für den Profi am Bau. Der konsequente Direktvertrieb ermöglicht einen engen Kontakt zum Kunden, welcher die Quelle kontinuierlicher Innovation ist. So werden klassische Produktangebote zunehmend mit digitalen Lösungsangeboten zur Steigerung der Produktivität des Kunden am Bau ergänzt und die Kundenbindung weiter gestärkt. Dieses weltweit sehr homogene und stark auf organische Entwicklung aufbauende Geschäftsmodell ermöglichte es der Gruppe bereits früh, auf ein hohes Ausmaß an Standardisierung der IT-Systeme und Harmonisierung der Prozesse und Daten zu setzen. Dies wiederum schuf günstige Bedingungen für die Finanzorganisation, sich hin zu einer Rolle als Business Partner zu orientieren. Die transaktionalen Aufgaben der Finanzorganisation (Accounting, Treasury, Reporting etc.) wurden über die Zeit mehr und mehr in Shared Service Centern und zentralen Dienstleistungs-Centern erbracht. In den operativen Geschäftseinheiten (Profit-Centern) – dabei handelt es sich um zahlreiche sehr dezentral agierende Vertriebsgesellschaften sowie um die zentraler organisierten Business-Units, die Forschung, Entwicklung und Produktion verantworten – wurde dadurch systematisch mehr Fokus auf die proaktiven Aufgaben des Controllings und der Unterstützung der Geschäftsentwicklung im Sinne eines Business Partnerings gelegt. Als entscheidender Schritt der Finanzorganisation in Richtung Business Partnering erwies sich im Rückblick allerdings die Auflösung des Paradigmenkonflikts zwischen Kultur- und Steuerungsprinzipien. Das im Planungs- und Budgetierungsprozess in der Vergangenheit häufig anzutreffende Verhalten des bewussten Taktierens, um Ambitionen tiefer zu legen, sich Reserven & Polster zu schaffen, Silodenken usw. war nicht nur leistungshemmend, sondern wurde durch die intensiven Reflexionen mit den Kulturprinzipien immer mehr als nicht wertkonformes Verhalten entlarvt. Das demonstrierte Verhalten wurde zu fehlender Integrität, zu fehlendem Mut, fehlendem Teamgeist und fehlendem Commitment. Die Ursache des Problems lag allerdings (in den allermeisten Fällen) nicht bei den agierenden Personen, sondern offensichtlich am System, welches die falschen Verhaltensanreize setzte. Es lag also in der Aufgabe der Finanzorganisation, zuerst das Steuerungssystem zu ändern, wollte man sich wirklich in einer Rolle des Business Partners in der Organisation etablieren (Abb. 5.3).
68
F. Wirnsperger und F. Hess
Traditionelle Finanz Rolle
Finanz Business Partner Rolle
10% EntscheidungsUnterstützung
30%
20%
Kommando & Kontrolle
Business Partnering
Reporting
50%
Geführte Selbststeuerung
10%
Analytics 40%
20%
Abwicklung von Transaktionen Abwicklung von Transaktionen
20%
System & Prozesse Modell & Strukturen Learning & Development (Finance Academy)
Abb. 5.3 Transformation zur Business-Partner-Organisation in Anlehnung an [9]
5.2
Der Steuerungssystemwechsel
5.2.1
Von Steuerung 1.0 zu Steuerung 2.0 – Zielbild
Das (finanzielle) Steuerungssystem, welches im Wesentlichen für (ambitionierte) Zielsetzung und Motivation, für eine abgestimmte Planung (Vorausschau) und Koordination von Aktivitäten innerhalb der Organisation und für eine transparente Leistungsmessung sorgen soll, stellt einen fundamentalen Stellhebel für die nachhaltige Entwicklung einer Organisation dar. Es war daher von Beginn an klar, dass eine Veränderung gut überlegt sein muss und damit nicht leichtfertig gespielt werden kann. Die Veränderung sollte ein evolutionärer Weg und kein revolutionäres Vorgehen sein. Dennoch war der Anspruch letztendlich, einen Systemwechsel herbeizuführen und so wurde zunächst an einem Zielbild gearbeitet, welches die Veränderung im Endausbau verdeutlichen sollte (Abb. 5.4). Der Angleich der Kultur- und Steuerungsprinzipien zu einheitlichen Führungsprinzipien bildete die übergeordnete Orientierung. Ein neues System sollte keine systematischen Anreize zum Taktieren und Tiefstapeln setzen, sondern im Gegenteil, es sollte die, der Hilti-Kultur zugrunde liegenden, transformationalen Führungsprinzipien systematisch fördern und fordern. Es war sehr schnell klar, dass dieser Schulterschluss nicht gelingen würde, solange die Erreichung von verhandelten kurzfristigen Budgetzielen der übergeordnete Leistungsmaßstab in der Steuerung bleiben würde. Wesentlich einfacher und näher an der Realität des Leistungsdialogs in der Organisation erschien die Orientierung
rollierende & unterjährig
Führungsinstrument und Karotte für individuelle Zielerreichung starr, jährlich & mehrjährig (Finanzplanung)
Geld ist…
Planung & Koordination ist…
Abb. 5.4 Umfeld bedingte Veränderung der Unternehmenssteuerung
RESULTS ARE LESS PRECISE THAN THEY APPEAR
ein Hygienefaktor und wird Boni werden zur Anerkennung von Teamleistung eingesetzt
auf Ressourcen „Input“ (Budgets)
Finanzielle Ziele fokussieren… $
jährliche Zielerreichung (Budgets)
Der Leistungsmassstab ist.. 123
Transaktional (“predict & control”)
$
die wichtigsten Ergebnisse (Outcome Nordsterne)
relative Verbesserung
Transformational (“Inspire & enable”)
…zu Steuerung 2.0
Das Führungsprinzip ist…
Von Steuerung 1.0…
VUKA
stabil
Externes Umfeld ist...
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70
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am Fortschritt in Form von relativer Verbesserungen gegenüber Vorperioden oder relativen Benchmarks wie Marktanteilen oder die Leistung der Wettbewerber. Damit war auch klar, dass sich der Zielsetzungsprozess verändern musste. Die Orientierung an kurzfristigen Budgetzielen, die sowieso relativ schnell obsolet wurden, sollte einer Orientierung an den wenigen längerfristig angestrebten strategischen Ergebnissen (Nordstern-Ziele) weichen. Konsequenterweise musste auch die Verbindung von Bonussystemen, die eng mit Budgetzielen verknüpft waren, gelöst werden. Zudem konfligierten die individuellen Bonussysteme – also der Einsatz von Geld als Karotte für die Erreichung individueller Zeile – auch mit dem, in den Kernwerten eingeforderten, Primat des Teams. Sinnvoller erschien es daher, Boni als Anerkennung für effektiven Leistungsfortschritt des gesamten Teams, wie von Experten auf Basis der Erkenntnisse aus den Verhaltenswissenschaften auch vorgeschlagen, auch im finanziellen Führungssystem zu verankern [8]. Planung und Koordination sollte im neuen System aus einer jährlichen (in der Finanzplanung zusätzlich aus mehrjährlichen) Routine in einen unterjährigen und mehr rollierenden Prozess geführt werden, ganz im Sinne einer agilen Denkweise.
5.2.2
Entkoppelung und Anpassung der Kernelemente der Steuerung
Als Durchbruch in der Umstellung und kompletten Neuausrichtung des Steuerungssystems entpuppte sich eine Entkoppelung, Anpassung und neue, flexiblere Zusammenführung der einzelnen Kernelemente des finanziellen Steuerungssystems. Als Kernelemente wurden 1) Zielsetzung, 2) Leistungsmessung, 3) Incentivierung und 4) Planung (Vorschau) & Koordination definiert. Diese Funktionen sind im traditionellen Planungs- & Budgetierungsansatz eng und starr in einem jährlichen Steuerungskreislauf (Regelkreis) verzahnt und passen daher immer weniger gut in das dynamische Umfeld. Im neuen Hilti-System (Steuerung 2.0) wurden diese Elemente neugestaltet und funktionieren seither in einem Zwei-Kreis-Regelsystem wesentlich flexibler, da nur noch lose gekoppelt (Abb. 5.5). Über eine Neugestaltung der Zielsetzung mithilfe von relativen strategischen Zielen (Nordstern-Ziele) in Kombination mit Zielregeln gelang es trotz volatilem Umfeld, Stabilität bei den Zielen zu schaffen und damit über die Zeit hohe Transparenz über den Leistungsfortschritt zu erzielen. Gleichzeitig wurde durch die Entkoppelung der Instrumente und die Umgestaltung der Planungs- und Forecast-Prozesse eine flexiblere Ressourcenallokation und kurzfristigeres Umsteuern ermöglicht und gefördert. Insgesamt wird im neuen Steuerungssystem deutlich weniger Steuerungsaufwand in Form von Managementzeit und Zeit der Finanzorganisation für die Verhandlung und Definition von Zielen, Abweichungsanalysen etc. als im alten System verwendet, bei gleichzeitig wesentlich mehr Agilität im Gesamtsystem. Die Funktionsweise des Steuerung 2.0 Systems wird im Folgenden entlang der zwei Regelkreise näher erläutert.
Abb. 5.5 Vom Einkreis- zum Zweikreis-Regelsystem
Regelkreis 2: Flexible Anpassung von Massnahmen und Ressourcenallokation
Transparenz über Trend & “Strategischer Lücke”
Konsistentes Messsystem (Fortschrittsorientiert)
Synchronisiert & unterjährig
Rollierende Planung & Forecasting
Traditionelle jährliche Planung & Budgetierung
Relative, stabile Ambiton
Nordstern Zielsystem (Potentialorientiert)
$
Strategie
Partizipation am Fortschritt
Konsistentes Incentive System
Regelkreis 1: Stabile finanzielle Zielsetzung, Fortschrittsmessung und Fortschrittsanerkennung
5 Ein flexibles Steuerungssystem … 71
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F. Wirnsperger und F. Hess
5.2.2.1 Stabile strategische Ziele und Fortschrittsbeurteilung – Regelkreis 1 Der im Rückblick entscheidende Schritt war die Neugestaltung der Zielsetzung mit dem Konzept der relativen Nordstern-Ziele. Ziele werden in diesem Konzept nicht mehr in absoluten Beträgen formuliert, sondern in Form von relativen KPIs, die entlang der für den finanziellen Erfolg wesentlichen Werttreiberdimensionen Wachstum, Profitabilität und Kapitaleffizienz angeordnet sind. Ausgehend von den strategischen Zielen der Gruppe werden über diese Struktur für die wesentlichen Profit-, Serviceund Cost-Centers der Gruppe die dazu passenden strategischen Ergebnis-KPI-Ziele der jeweiligen Organisationseinheiten definiert (Abb. 5.6). Neben den zentralen Werttreiben für die finanzielle Wertschöpfung (Outcome) lässt sich in dieses Konzept auch die Dimension Nachhaltigkeit – also einen oder mehrere Nordstern-Ziele bezüglich Impact auf Ökologie und Gesellschaft – hinzufügen. Eine Dimension, die zunehmend in der Unternehmenssteuerung an Bedeutung gewinnt und aktuell auch bei Hilti ergänzt wird. Das Konzept bildet den Rahmen für die Zielsetzung. Die Ambition (Ziel/Höhe) wird so gewählt, dass sie dem Potenzial einer Organisationseinheit entspricht, was gleichzusetzen ist mit dem strategischen Ziel der jeweiligen Organisationseinheit. Der Zielsetzungsprozess startet mit den strategischen Zielen der Gesamtorganisation. In einem Top-down-/ Bottom-up- Kalibrierungsprozess werden die jeweiligen Nordstern-Ziele für die Organisationseinheiten definiert. Durch die relative Art der Ziele (z. B. durchschnittliche Wachstumsziele, Renditenziele, Kapitalumschlagsziele etc.) verstätigt sich die Zielsetzung und bleibt auch im volatilen Umfeld wesentlich länger relevant. Das Messsystem wird entsprechend angepasst, um die sich aus der Differenz zwischen Ist-Ergebnis und Nordstern-Ziel ergebende Strategische Lücke zu verfolgen. Dies geschieht regelmäßig auf Basis von zwölfmonatlichen rollierenden Perspektiven. Parallel zur Verfolgung der Strategischen Lücke für die wenigen Nordstern-Ziele wurde der Fokus im Messsystem/Reporting wesentlich stärker auf den Trend der Ist-Ergebnisse gelegt. Detaillierte Budgetabweichungsanalysen konnten entfallen. Insgesamt konnte dadurch das gesamte Reporting entschlackt werden. Gleichzeitig wurde der Leistungsfortschritt über die Zeit wesentlich transparenter und somit die gesamte Leistungsbeurteilung verbessert. Das Nordstern-Zielsystem wurde durch einen einfachen Regelmechanismus für die Ableitung von relativen, jährlichen Verbesserungsschritten hin zum Nordstern ergänzt. Dieser Mechanismus gibt den Organisationseinheiten zusätzliche Orientierung für die erwarteten jährlichen Verbesserungsschritte. Er wird insbesondere dort relevant, wo die Leistung von Organisationseinheiten noch ziemlich weit vom Zielzustand entfernt ist und das Management daher Orientierung braucht, wie schnell die Lücke geschlossen werden sollte. Die Logik der jährlichen Verbesserungsschritte ist sehr einfach. Je weiter eine Organisationseinheit vom Nordstern-Ziel entfernt ist, desto höher ist die jährliche erwartete Verbesserung. Die Regeln werden auf Basis von langjähriger Erfahrung so gelegt, dass sie anspruchsvoll, aber realistisch und für alle Organisationseinheiten in etwa den
Process
n/a
Qualität, Service-Level
1
Kapitalumschlag ≥ Y1
n/a
Produktivität ≥ X1 (∆ Input/Output) Kosten ≤ % Umsatz1 (∆ Input/Output Regeln)
Ergänzt um zusätzlicher Zielregeln für jährliche Verbesserungsziele
Nettoumlaufvermögen in % ≤ X1 Kapitalumschlag ≥ Y1
Kapitalrendite X-Y (Bandbreite)
Kapitaleffizienz
Impact
Umsatzrendite ≥ X1 Deckungsbeitrag ≥ Y1
Umsatzrendite X-Y (Bandbreite)
Umsatzwachstum ≥ X% und (ex-post) ≥ Markt od. Wettbewerber
Relativer Marktanteil ≥ X Umsatz-Wachstum ≥ Y
Profitabilität
(Economic Profit)
Wertschöpfung
$
Outcome
Abb. 5.6 Strukturierung der Ergebnis-KPIs mit dem House of Performance
(IT, HR, Finanz etc.)
Cost Centers
(Werke, Logistik etc.)
Service Centers
Produktsegmente etc.)
(Märkte,
Profit Centers
Gruppe
Output
Wachstum
House of Performance
Input
“ImpactMessung” (Ökologie, Gesellschaft)
Sustainability
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$
Steuerungszone Ziel-Zone VerbesserungsZone
«Intensive Care» Zone
∆ Umsatzrendite zu Nordstern (Ist-Vorjahr)
Umsatzrendite Verbesserung s-ziel p.a.
≤ 0.0%
0.1%
≥ 0.5%
0.25%
≥ 1.0%
0.5%
≥ 2.0%
1.0%
≥ 3.0%
1.5%
≥ 4.0%
1.75%
≥ 5.0%
2.0%
Abb. 5.7 Konzept zur regel-basierten Ableitung jährlicher Rendite-Ziele
gleichen Schwierigkeitsgrad bedeuten. Dies gelingt erfahrungsgemäß durch den Wechsel in eine relative Veränderungslogik sehr gut. Die Zielregeln werden insbesondere bei Renditezielen (Profitabilitätszielen) eingesetzt (siehe Beispiel für Renditeziele in Abb. 5.7). Bei Wachstumszielen ist dies meist nicht notwendig, da die Ausprägung des Wachstums-KPIs meist schon jährliche Ziele vorgibt (z. B. durchschnittliche jährliche Wachstumsraten bzw. wo möglich zusätzlich eingesetzte externe Benchmark-Ziele wie wachse mit einem Faktor X zum Markt). Mit dieser Art der Zielsetzung und Fortschrittsmessung konnte die jährliche Zielsetzung durch Budgets, aber auch eine davor bestehende finanzielle Mehrjahresplanung abgelöst werden. Das Bonussystem, das davor an jährlichen Budgets gekoppelt war, wurde in ein einfaches Partizipationskonzept am (Teil-)Unternehmenserfolg umgestaltet, wodurch sämtliche systematische Anreize, die im System mit absoluten Zielen zum Taktieren etc. verleiteten, ausgehebelt wurden.
5.2.2.2 Flexible Planung und Ressourcenallokation – Regelkreis 2 Durch die Umgestaltung der Zielsetzungs-, Mess- und Incentivierungselemente im Regelkreis 1 der Steuerung können nun die Planung von Maßnahmen und die Ressourcenallokation flexibler gestaltet werden. Die Instrumente sind entbündelt. Die Zielsetzung und Fortschrittsbeurteilung ist über den Regelmechanismus verstätigt. Dadurch braucht es keine jährlichen Zielsetzungsroutinen mehr. Die Planung und Ressourcenallokation können daher flexibler, je nach Bedarf aufgrund der Dynamik im Umfeld, in einem unterjährigen Prozess der Reflexion und des Umsteuerns stattfinden.
„Sensing“ (RF)1 „Responding“ (RP)2
4-Monats-Zyklus
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Prozess Schritt
Ziel
Treiber
Sicherstellung einer guten Prognosequalität unbeeinflusst von Taktiken
Finanzieller Forecast
Bewusstsein für finanzielle Implikationen des aktuellen Trends schaffen
Reflektieren & Planen
Antizipieren, und “Buy-In” für Maßnahmen schaffen
Agieren
Umsetzen und Anpassung der Ressourcenallokation 1 2
75
Rolling Forecast (RF) Rolling Planning (RP)
Abb. 5.8 Zusammenspiel von rollierendem Forecast und rollierender Planung
Finanzielle Instrumente wie ein rollierender Forecast und rollierende Planungsmethoden, wie zum Beispiel Roadmaps auf Unternehmens-/Teilbereichsebene und OKRMethoden [7] auf Teamebene lassen sich nun optimal in den Steuerungsprozess einfügen. Das Steuerungsmuster im Regelkreis 2 entspricht einer agilen Denkweise des Sensing und Responding, woran sich auch das Beyond-Budgeting-Konzept orientiert [3]. Bei Hilti hat sich ein Trimester-Rhythmus als übergeordneter Koordinationszyklus als stimmig erwiesen (Abb. 5.8). Die Ressourcenallokationsentscheidungen können grundsätzlich je nach Bedarf des Gesamtunternehmens und der Teilbereiche des Unternehmens enger, mit mehr Abstimmung oder loser, mit mehr Ermächtigung, häufiger oder weniger häufig, je nach Bedarf und gewünschtem Freiraum gestaltet werden. Die Positionierung des Rolling Forecasts als reine, von politischen Überlegungen unbeeinflusste Prognose (Best Estimate) gelingt aufgrund dieser Entkoppelung wesentlich besser als in Steuerungssystemen, die weiter mit fixen Budgets arbeiten. Der Forecast ist aufgrund der Entkoppelung der Regelkreise nämlich nicht die Basis für neue Ziele. Er dient den jeweiligen Führungsteams zur realistischen Vorausschau und den Kostenstellenverantwortlichen für die Dokumentation der aktuell gültigen, im regelmäßigen Managementprozess vereinbarten Ressourcenallokation. Jährliche Kostenbudgets können auf diese Art flexibilisiert und an den jeweiligen Fortschritt in der Umsetzung der Pläne angepasst werden. Liegt der Fortschritt unter Erwarten, kommt es in der Regel zu einer Re-Priorisierung und Konzentrierung der Ressourcen. Im umgekehrten Fall können zusätzliche Ressourcen flexibel, unterjährig freigegeben werden, um den Fortschritt weiter zu beschleunigen. Der (finanzielle) rollierende Forecast kann zur Erfüllung dieser Aufgabe auch wesentlich weniger detailliert als eine typische
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Budgetierung ausgestaltet sein. Die Zielsetzung und Fortschrittsbeurteilung ist von diesem Prozess entkoppelt und findet unabhängig von den Ressourcenallokationsentscheidungen durch das Nordstern-Zielsystem im Regelkreis 1 statt. Die Etablierung des neuen Steuerungssystems bei Hilti geschah in iterativen Schritten. Zunächst wurde der Regelkreis 1 entwickelt und implementiert. Parallel dazu wurde die traditionelle Planung und Budgetierung noch für ein Jahr weitergeführt und der Regelkreis 2 etabliert. Anschließend konnte die gesamte Budgetierung und Mehrjahresplanung entfallen.
5.2.3
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Beyond Budgeting
Die ersten Initiativen zur Veränderung des Steuerungssystems bei Hilti begannen bereits 2003 mit der Entwicklung des Nordstern-Zielsystems. Die Weiterentwicklung des Systems, vor allem die Ausgestaltung des Regelkreises 2 wurde stark von der zu dieser Zeit auch parallel aufkommenden Beyond-Budgeting-Bewegung [3] inspiriert. Beyond Budgeting (BB) beschreibt zwar nur generische Führungs- und Managementprozessprinzipien zur Förderung eines flexibleren Managementmodells. Die vielen Probleme der Praxis mit dem Budget und die von BB propagierte Abschaffung des Budgets hatte aber einen Nerv getroffen und dazu verleitet, die Idee als durchdachtes Konzept und Anleitung zur Abschaffung der Budgetierung zu verstehen, was bei vielen Praktikern und auch der Wissenschaft zunächst auf Skepsis stieß und häufig auch als «Verkauf von altem Wein in neuen Schläuchen» bezeichnet wurde [12]. Im Kern adressierte BB aber die richtigen Themen und verschwand über die Jahre, trotz Skepsis und Kritik aus Wissenschaft und Praxis, auch nicht, so wie andere Managementmoden. Durch das zunehmende VUKA-Umfeld erleben die Ideen aktuell wieder vermehrt Zuspruch. Aus diesem Grund wird im Folgenden kurz auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Hilti-Steuerung-2.0-Ansatzes zum Beyond-Budgeting-Ansatz eingegangen. Die Hilti Kulturprinzipien decken sich grundsätzlich sehr stark mit den bei BB beschriebenen Führungsprinzipien. Auch die bei BB beschriebenen Managementprozessprinzipien sind bezüglich der Idee der Ablöse des Budgets und der Flexibilisierung der Ressourcenallokation durch einen rollierenden Forecast sowie dem Design des Vergütungssystems ebenfalls deckungsgleich. Ein wesentlicher Unterschied zu BB besteht allerdings in der Art der Zielsetzung. Der Steuerung-2.0-Ansatz verwendet zwar ebenfalls relative Ziele, gibt aber mit der Vorgabe einer klaren Struktur für die relativen Ziele entlang der Werttreiberdimensionen (Wachstum, Profitabilität, Kapitaleffizienz) und dem Regelmechanismus für jährliche Verbesserungsziele einen wesentlich konkreteren Rahmen, wodurch vor allem die strategischen Ziele einer Organisation sehr spezifisch in die Organisationsteilbereiche transformiert/kaskadiert werden können. Die bei BB propagierte Abstützung der Messung und Beurteilung der Leistung auf relative Benchmarks (Marktanteile, Wettbewerb) und
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77
holistische Managementbeurteilung ist ebenfalls integraler Bestandteil des Steuerung-2.0Ansatzes. Aufgrund der in der Realität meist nur sehr eingeschränkt und wenn, dann nur mit Verzögerung im Nachhinein, verfügbaren externen Benchmarks, spielen diese im Steuerung-2.0-Ansatz jedoch keine zentrale, sondern nur eine ergänzende Rolle in der langfristigen Leistungsbeurteilung. Sie eignen sich nicht sehr gut zur vorausblickenden Steuerung, insbesondere nicht auf dem Niveau der Organisationseinheiten (Vertriebsgesellschaften, Business Units etc.). Die Struktur des Zielsystems zwingt Organisationen und Organisationseinheiten hingegen, die jeweiligen Strategien (vorausschauend) in einer finanziellen Logik abzubilden, wodurch sich der 2.0-Ansatz wesentlich besser zur Steuerung eignet, da auch die Verfolgung der Strategischen Lücke wesentlich konkreter wird. Organisationales Lernen wird dadurch systematisch besser unterstützt. Der Steuerung-2.0-Ansatz zielt darauf ab, einer Organisation wesentlich konkretere Unterstützung bei der Strategieumsetzung zu geben. Auch die flexible Koppelung der Steuerungselemente über die zwei Regelkreise gibt deutlich konkretere Gestaltungsvorgaben als die BB-Prinzipien, lässt aber dennoch sehr viel Flexibilität in der Ausprägung, um die Steuerung auf den jeweiligen externen und internen Kontext einer Organisation anzupassen. Nach Meinung der Autoren, basierend auf langjähriger Erfahrung, ist mit zunehmender Größe von Organisationen und der damit einhergehenden Komplexität der Steuerung eine vollkommene Ablöse des Budgets nur möglich, wenn gleichzeitig auch weiter konkrete Orientierung bezüglich der strategischen Ziele einer Organisation gewährleistet bleibt.
5.3
Reflexion bezüglich Flexibilität und Agilität
Im Anschluss an die Beschreibung des Steuerungsansatzes werden in diesem Kapitel nochmals die Auswirkungen des Ansatzes bezüglich Steigerung der Flexibilität der Steuerung und Agilität des Gesamtunternehmens reflektiert und kommentiert. Systematische Anpassung auf VUKA-Umfeld Volatilität: Je volatiler ein Unternehmensumfeld, desto weniger sinnvoll werden kurzfristige Ziele, desto mehr Bedeutung gewinnen allerdings strategische, längerfristige Ziele als Orientierung. Diesem Umstand wird durch den Wechsel des zentralen Leistungsmaßstabs – von jährlicher Budgeterreichung auf Messung und Beurteilung der Entwicklung der Strategischen Lücke – im Steuerungsansatz 2.0 Rechnung getragen. Die langjährigen Erfahrungen zeigen, dass die relativen Nordstern-Ziele in Kombination mit einem Regelmechanismus, welcher optimal an ein Geschäftsmodell angepasst ist, sehr gut in der Lage sind, diese Aufgabe zu erfüllen. Bei Hilti musste seit Beginn der Anwendung (2003) das Zielsystem lediglich als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/9 neu adjustiert werden und blieb seither unverändert.
78
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Ungewissheit: Zunehmender Unsicherheit wird in dem beschriebenen Steuerungsansatz über eine häufigere, von taktischen Überlegungen unbeeinflusste Vorausschau durch den Rolling Forecast systematisch entgegengewirkt. Die Befreiung des Forecasts von taktischen Überlegungen gelingt nach Erfahrung der Autoren nur, wenn der Forecast niemals, auch nicht indirekt, zur Basis von neuen Zielen verwendet wird. Diese Positionierung gelingt vor allem durch die klare, systematische Trennung der Zielsetzung (Regelkreis 1) vom Prognoseprozess (Regelkreis 2) und hat sich bei Hilti ebenfalls über die Jahre sehr bewährt. Um dieses Verständnis nachhaltig in der Organisation zu verankern, braucht es eine gute Dokumentation für neu dazustoßende Führungskräfte, die meist noch aus einer anderen Welt mit traditionellen Denkmustern kommen. Komplexität: Der zunehmenden Komplexität wird in dem Steuerungsansatz durch Vereinfachung des gesamten Steuerungssystems entgegengewirkt. Keine langen Budgetierungsrunden mehr und auch keine koordinierte Mehrjahresplanung, Auslagerung und Flexibilisierung der Ressourcenentscheidung und permanent hohe Transparenz über die Entwicklung der Strategische Lücke für die wesentlichen Werttreiber sind hier die zentralen Hebel zur nachhaltigen Simplifizierung des Systems. Ambiguität: Die Unklarheit über zum Beispiel die Weiterentwicklung des wirtschaftlichen Umfeldes stellt hohe Ansprüche an die Flexibilität und Agilität einer Organisation. Vor allem in den letzten Jahren, die von Pandemie, Lieferkettenschwierigkeiten und nun zunehmend von Inflation geprägt waren und sind, hat sich der Ansatz besonders bewährt. Prognosen in Form von einfachen Szenarioplanungen, immer mit einem Blick auf Chancen und Risiken gepaart mit regelmäßigem unterjährigem Reflektieren und bei Bedarf Umsteuern ist seit Jahren geübte und gelebte Praxis und musste nicht erst angesichts der Pandemie eingeführt werden. Mit Ambiguität umgehen zu können heißt auch, mit (scheinbaren) Paradoxien leben zu können. Eine dieser scheinbaren Paradoxien betrifft auch das Steuerungssystem: Im Prinzip ist sich die Verhaltensforschung einig, dass es zielführend und motivationsfördernd ist, ambitioniert Ziele zu setzen [6]. Gleichzeitig steigt bei einem unsicheren Umfeld aber auch das Risiko, mit ambitionierten Zielen auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Ist es also dann nicht doch besser, sich die Latte nicht zu hoch zu legen? Die Entkoppelung der Zielsetzung und Fortschrittsbeurteilung (Regelkreis 1) von der Vorschau und Ressourcenallokation (Regelkreis 2) macht es möglich, ambitionierte (motivationsoptimale) Ziele zu setzen, und gleichzeitig, durch die richtige Positionierung des Rolling Forecasts als Risikosteuerungsinstrument, systematisch der Realität immer ins Auge zu schauen und schnell auf Trends und unerwartete (positive und negative) Entwicklungen reagieren zu können. Zielsetzung und Forecasting sind systematisch getrennte Prozesse mit unterschiedlichen Funktionen (Motivation vs. Koordination der Ressourcenallokation – siehe Abb. 5.9). Im traditionellen Planungs- und Budgetierungsprozess sind diese beiden Funktionen eng verknüpft und damit wird in der Regel keine der beiden Funktionen optimal erfüllt.
5 Ein flexibles Steuerungssystem …
Zielsetzung (Motivationsfunktion)
79
Forecasting (Koordinationsfunktion)
≠
Optimale Forecast-Höhe (Balance Risiko / Chance)
Optimale Ziel-Höhe (Maximum Anstrengung & Leistung)
Stretch Zone
Over-Stretch Zone
Risiko Chance
Risikoniveau
Anstrengung & Leistung
Comfort Zone
0
50
70
Zielschwierigkeit (Ambitionsniveau)
100
Ambitions Index
Ambitions Index 0
50
70
100
Risiko Appetite (Ambitionsniveau)
Abb. 5.9 Trennung von Zielsetzungsfunktion und Koordinationsfunktion
Zur Anschlussfähigkeit mit agilen Methoden Der Ansatz führt faktisch zu einer Gleichschaltung des Musters der gesamten Organisationssteuerung mit dem Denkmuster der agilen Managementmethoden. Wenige finanzielle Nordstern-Ziele, die sich mit einem Regelmechanismus selbst-adjustieren und eine von der Zielsetzung getrennte und sehr dezentral gesteuerte Ressourcenallokation, decken sich mit der Grundidee der agilen Methoden. Daher ist auch die Anschlussfähigkeit mit agilen Planungs- und Steuerungsmethoden sehr hoch. Sowohl OKRs, für die Kaskadierung von strategischen Zielen von Organisationseinheiten auf Teams, als auch agile Projektplanungsansätze können sehr gut mit dem flexiblen Ressourcenallokationsprozess synchronisiert werden. Vor allem Organisationen, die agile Methoden sehr stark und weit verbreitet einsetzen und institutionalisieren möchten, werden früher oder später auch eine Umstellung des übergeordneten (finanziellen) Steuerungssystems benötigen, um die sonst unweigerlich entstehenden Reibungen mit einem starren Predict-&-Control-Steuerungsmuster abzubauen. Auch bezüglich Analytics und der Verwendung von Big Data zu Steuerungszwecken zeigt sich ein sehr guter systematischer Fit. Mechanische Vorausschau und Szenariobildung ist System. Beispielsweise können Treiber-basierte Modelle und Predictive Analytics in der finanziellen Prognose gut zum Einsatz gebracht werden. Auch für die operative Produktionssteuerung werden diese Ansätze ja bereits weitverbreitet verwendet. Der Idee einer vollständigen Integration von Sales & Operation Planning, die in der Realität in Reinkultur kaum umgesetzt sein dürfte, kommt man mit dem Steuerungsansatz durch die systematische Entkoppelung der finanziellen Zielsetzung tendenziell auch näher.
80
5.4
F. Wirnsperger und F. Hess
Fazit
Insgesamt kann aus Perspektive der langjährigen Anwendung1 eindeutig festgestellt werden, dass der beschriebene Steuerungsansatz wie ein Katalysator für die Steigerung der Flexibilität und Agilität einer gesamten Organisation wirkt. In Kontextsituationen, die sich in einem zunehmenden VUKA-Umfeld bewegen, das dürfte die überwiegende Mehrzahl von Unternehmen und Institutionen betreffen, dürfte der Ansatz daher prinzipiell sehr leistungssteigernd wirken können. Bezüglich der Anwendung von agilen Arbeitsweisen innerhalb des Finanzbereiches empfehlen die Autoren eine gute Priorisierung im jeweiligen Kontext. Die Arbeit des Finanzbereichs in der Rolle als Architekt des Steuerungssystems ist erfahrungsgemäß der mit Abstand größte Hebel, den die Finanzorganisation in der Hand hat, um die Flexibilität und Agilität einer Organisation insgesamt voranzubringen. Sie stärkt zudem die Finanzorganisation in ihrer Rolle als Business Partner der Organisation. Die Anwendung von agilen Methoden innerhalb des Finanzbereiches macht zunehmend Sinn. Ihre Wirkung auf die Gesamtorganisation dürfte im Vergleich dazu aber vergleichsweise gering sein. Der beschriebene Ansatz wurde spezifisch für den Hilti-Kontext entwickelt. Bei einer detaillierten Betrachtung wird der erfahrene Praktiker feststellen, dass eine 1:1Übertragung, wie bei so vielen Ansätzen, nicht möglich sein wird. One size does not fit all. Die wesentlichen Gestaltungselemente, insbesondere die Entkoppelung und flexiblere Zusammenführung der Steuerungselemente in zwei Regelkreisen, sowie die Grundarchitektur des Nordstern-Zielsystems, welches als zentraler Befähiger dieser Entkoppelung gesehen werden kann, lassen sich erfahrungsgemäß jedoch sehr gut in andere Geschäftsmodelle und Kontextsituationen übertragen. Die Umstellung braucht, neben einem gesunden Fundament mit hinlänglich guten Daten und Prozessen, einen gewissen kulturellen Reifegrad einer Organisation. CFOs und Controller sind daher gut beraten, vor dem Start einer Systemveränderung diese Bereitschaft zu beurteilen. Da das beschriebene System aber unverändert einen sehr konkreten Rahmen zum Leistungsmanagement bietet, zeigt die Erfahrung, dass die Umstellung auch sehr gut einen evolutionären Transformationsprozess in einer Organisation auslösen kann. Wir empfehlen den CFOs und Controllern daher Mut zum Systemwechsel [13]. Die Umstellung eines gesamten Steuerungssystems bedingt den Eingriff in alle Elemente der Steuerung und stellt, so wie beschrieben, einen Paradigmenwechsel dar. In diesem Zusammenhang kommen bei Entscheidungsträgern häufig auch Bedenken und Ängste vor Kontrollverlust auf. Diese (unberechtigten) Ängste können erfahrungsgemäß gut beseitigt werden, indem aufgezeigt wird, wie der Ansatz auf das jeweilige Geschäftsmodell angepasst werden kann. Hoffnung der Autoren ist, dass die Ausführungen im Beitrag entsprechende Überlegungen bei den Praxiskollegen anstoßen können.
1 Neben Hilti haben mittlerweile etliche Unternehmen ihr Steuerungssystem an die beschriebenen
Gestaltungsmuster angepasst und weitere sind im Prozess der Umstellung.
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81
Hilti
Die Hilti Gruppe mit Hauptsitz in Schaan, Liechtenstein, unterhält Niederlassungen in mehr als 120 Ländern und beschäftigt weltweit mittlerweile mehr als 30.000 Mitarbeiter, ca. 1500 davon in Liechtenstein. Sie zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Elektrogeräten und Befestigungstechnik für den Profi am Bau. Der konsequente Direktvertrieb ermöglicht einen engen Kontakt zum Kunden, welcher die Quelle kontinuierlicher Innovation und Differenzierung ist. Das Unternehmen befindet sich im Besitz des vom Gründer Martin Hilti etablierten Martin Hilti Family Trusts. Dr. Franz Wirnsperger stieß 1990 zu Hilti. Nach einer Karriere in Europa, Asien, und Nordamerika war er von 2003 bis 2013 globaler Finanzchef der Gruppe. Seit 2013 betreut er für die Hilti Gruppe ein Kooperationsprojekt mit der Universität St. Gallen, das Hilti Lab for Integrated Performance Management. Daneben ist er als Dozent und in mehreren Verwaltungsräten tätig. Felix Hess begann 2011 seine Karriere bei Hilti, nach Stationen bei Arthur D. Little und der Porsche Holding GmbH. Seit 2017 ist er der globale Finanzdirektor des Familienunternehmens und wird ab 2023 in den Gruppenvorstand berufen.
Literatur 1. Atlassian (2021) What is SAFe? https://www.atlassian.com/agile/agile-at-scale/what-is-safe. Zugegriffen: 20. Juli 2022 2. Atlassian (2022) Das Spotify-Modell. https://www.atlassian.com/de/agile/agile-at-scale/spo tify. Zugegriffen: 20. Juli 2022 3. Hope J, Fraser R (2003) Beyond budgeting – how managers can break free from the annual performance trap. Harvard Business Review Press, Boston 4. International Group of Controlling (IGC) & Möller K (2022) Controlling & Agility. https:/ /www.igc-controlling.org/fileadmin/pdf/IGC_Controlling___Agility_May_2022.pdf. Zugegriffen: 20. Juli 2022 5. Locke EA, Latham GP (1990) A theory of goal setting and task performance. Engelwood Cliffs, New Jersey 6. Locke EA, Latham GP (2002) Building a practically useful theory of goal setting and task motivation. A 35-year odyssey. American Psychologist 57(9):705–717 7. Niven PR, Lamorte B (2016) Objectives and key results. Wiley, New Jersey 8. Pink DH (2010) Was sie wirklich motiviert. Ecowin Verlag, Salzburg 9. PricewaterhouseCoopers (1997) CFO Architect of the Corporation’s Future. Wiley, New York 10. Robertson BJ (2015) Holacracy: the new management system for a rapidly changing world. Henry Holt and Company, New York 11. Schäffer U (2022) Die Unternehmenssteuerung muss flexibler werden! Controlling & Management Review 4:8–17
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F. Wirnsperger und F. Hess
12. Schäffer U, Zyder M (2003) Beyond Budgeting – ein neuer Management Hype? Zeitschrift für Controlling & Management 47(Sonderheft 1):101–110 13. Wirnsperger F (2022) Mut zum Systemwechsel. Zeitschrift für Controlling & Management 4:18–25 14. Wirnsperger F, Möller K (2016) Transformation der Finanzfunktion bei Hilti – zeitgemässes Performance Management als Befähiger für Business Partnering. CFO aktuell 10(6):135–139 15. Wirnsperger F (2017) Flexible, relative Zielsysteme zur agilen Unternehmenssteuerung. (Dissertation, Wirtschaftswissenschaften), Universität St. Gallen
6
Wie Agilität helfen kann, die Finanzfunktion in Richtung Business Partnering auszurichten Olivier Vogel
Zusammenfassung
Die zunehmende Dynamik der Veränderungen im Markt, die gestiegenen Anforderungen der Stakeholder an die Finanzfunktion und nicht zuletzt die Erwartungen junger Finanzmitarbeitenden erfordern ein Umdenken in Bezug auf die traditionellen Arbeitsmethoden sowie der Zusammenarbeit im Finanzbereich. Insbesondere gewinnt das Financial Business Partnering an Bedeutung, da finanzielle Aspekte bei geschäftsrelevanten Entscheidungen eine immer größere Rolle spielen, während gleichzeitig die finanzielle Komplexität zunimmt und nur noch von Finanzexperten beherrscht werden kann. Schlussendlich verlagern sich die Aufgaben der Finanzfunktion weg von den klassischen Tätigkeiten, die automatisiert werden, hin zur Entwicklung von Instrumenten, dem Management von Daten, der Bereitstellung von Analysen und Szenarien und neu auch dem Coding auf Basis von No- oder Low-Code-Tools. Aus diesen Gründen hat sich der Finanzbereich Operations des Migros-Genossenschafts-Bundes entschlossen, auf eine agile Arbeitsweise, wie mittlerweile im IT-Umfeld üblich, umzustellen, um die zuvor genannten Aspekte besser bewältigen zu können. Der folgende Beitrag ist ein Erfahrungsbericht mit Empfehlungen, wie die Umstellung in Richtung Agilität gelungen ist und welche Vorteile sich für die Beteiligten ergeben haben.
O. Vogel (B) Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_6
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84
6.1
O. Vogel
Einleitung
Im folgenden Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, ob agile Arbeitsmodelle die Finanzfunktion auf dem Weg zu einem besseren Business Partnering unterstützen. Ein gutes Business Partnering erfordert vor allem eines: Die Finanzfunktion muss das Geschäftsmodell und das Umfeld, in dem es konkurriert, gut verstehen. Allzu oft mangelt es der Finanzfunktion jedoch an diesem Wissen, weil ihr die Möglichkeit verwehrt wird, nahe genug am Business zu arbeiten, um das notwendige Fachwissen aufzubauen. Im schlimmsten Fall wird die Finanzfunktion als Verwalter angesehen, der das Business daran hindert, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. In diesem Fall versucht das Business, so wenige Berührungspunkte wie möglich mit der Finanzfunktion zu haben. Um die Dynamik und Komplexität der heutigen Wirtschaft mit vereinten Kräften zu bewältigen, ist es jedoch unerlässlich, solche Barrieren zu durchbrechen. Dies wird nur funktionieren, wenn die Finanzfunktion näher an das Geschäftsgeschehen gerückt wird. Es stimmt zwar, dass die Finanzfunktion kein Rädchen im Getriebe eines Unternehmens ist, aber sie ist das Schmiermittel, das dafür sorgt, dass die Rädchen nicht blockieren und mit voller Leistung arbeiten! Nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Finanzfunktion hat ihre eigene Agenda mit entsprechenden Prioritäten. Leider gibt es nur selten Prioritäten, die mit dem Business geteilt oder gar von ihm übernommen werden. Stattdessen finden sich Prioritäten aus den Bereichen Recht & Compliance, Rechnungslegungsstandards, Controlling, Berichterstattung oder auch Finanzen im Allgemeinen. All diese Prioritäten sind sicherlich wichtig, aber um am gleichen Strick wie das Business zu ziehen – und hoffentlich auch auf derselben Seite – ist es unerlässlich, dass die Prioritäten des Business auf die Agenda der Finanzfunktion kommen. Nur dann wird sich das Business von der Finanzfunktion ernst genommen fühlen und diese stärker einbeziehen. Korrekt ist, dass der CFO als Mitglied des Managementteams per Definition eng in die geschäftliche Entwicklung eingebunden ist. Aber wie steht es mit den direkten Mitarbeitenden des CFOs oder den Teammitgliedern der Finanzfunktion? Wie oft nehmen diese an wichtigen Geschäftsbesprechungen teil, sind sie Mitglied des erweiterten Managements einer Abteilung oder arbeiten gemeinsam an den Prioritäten des Business? Leider sind die positiven Antworten allzu oft bescheiden, was darauf hindeutet, dass Handlungsbedarf besteht. Eine Querschnittsfunktion wie die Finanzfunktion steht vor einer großen Herausforderung. Neben den operativen, wiederkehrenden Aufgaben wie Mittelfristplanung, Budgetierung, Forecasting, Monatsabschluss und Analyse gibt es auch die Weiterentwicklungsaufgaben, die aufgrund der Geschäftsdynamik wesentlich an Volumen zugenommen haben. Diese Aufgaben sind unerlässlich, um die Systeme, Prozesse, Datenbanken usw. der operativen Aufgaben im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses an das sich verändernde Umfeld anzupassen. Leider gibt es in der Regel eine ganze Reihe von zusätzlichen Ad-hoc-Aufgaben, die von anderen Funktionen und dem Business angefordert werden. Dies hat zur Folge, dass vermehrt an viel zu vielen Themen
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Agile
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Klassisch
Aufgabe
Abb. 6.1 Beide Schraubenzieher funktionieren, aber der eine ist wesentlich besser geeignet
parallel gearbeitet wird. Darunter leiden Effektivität als auch Effizienz, das heißt, wichtige Ergebnisse werden nur zögerlich oder unzureichend erreicht. Dieses Verstopfen der Umsetzungs-Pipeline ist für alle Beteiligten ärgerlich. Die Mitarbeitenden der Finanzabteilung sind frustriert, weil sie nicht genügend Fortschritte machen. Das Business reagiert mit Unverständnis, da es die gewünschte Unterstützung nur spärlich erhält. Eine solche Situation mit klassischen Lösungen zu durchbrechen, kostet viel Energie. Die Suche nach besseren Ansätzen liegt daher auf der Hand. Natürlich ist es möglich, mit klassischen Arbeitsmethoden ein gut funktionierendes Business Partnering zu erreichen. Die Frage ist jedoch, wie einfach dieses Ziel auf klassische Weise zu erreichen ist. In den nächsten drei Kapiteln wird daher untersucht, warum Business Partnering mit einem klassischen Arbeitsmodell schwieriger ist, welche Elemente einer agilen Arbeitsweise wir umgesetzt haben und wie sowohl das Business als auch die Finanzfunktion davon profitiert haben (Abb. 6.1).
6.2
Wieso Business Partnering mit einem klassischen Arbeitsmodell schwieriger ist
6.2.1
Unzureichendes Verständnis der Geschäftsmodelle und Arbeiten in Silos
Eines kann nicht von der Hand gewiesen werden: Financial Business Partnering erfordert ein gutes Verständnis des Geschäftsmodells durch die Finanzfunktion und umgekehrt ein Verständnis der Finanzaufgaben durch das Business. Das hat primär nichts mit einer klassischen oder agilen Arbeitsweise zu tun. Und doch zeigt die Erfahrung, dass es
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schwieriger ist, ein gutes Business Partnering aufzubauen, wenn man sich für eine klassische Arbeitsweise entscheidet. Im klassischen Modell neigen die Mitarbeiter dazu, in Silos zu arbeiten. Die Teams kommen aufgrund von Projekten zusammen oder wenn Prozesse usw. eine Zusammenarbeit erfordern. Der Finanzpartner ist daher nur selten über die kritischen Aufgaben des Business informiert und ist nicht in der Lage, in finanzieller Hinsicht eine Nasenlänge voraus zu sein, um rechtzeitig sinnvolle Empfehlungen in die Diskussion einzubringen. Aufgrund dieses Informationsungleichgewichts wird der Financial Business Partner immer seltener zu wichtigen Sitzungen eingeladen und entfernt sich mehr und mehr vom Business. Diese Teufels-Spirale führt schließlich dazu, dass der Financial Business Partner nur noch Controlling- statt Partnering-Aufgaben wahrnimmt. Das Problem mit der klassischen Arbeitsweise ist also, dass Zusammenarbeit nicht bereits in der DNA des Arbeitsansatzes definiert ist. Es gibt einfach keine dedizierten, etablierten Funktionen, welche den Informationsfluss einerseits sicherstellen und andererseits kontinuierlich optimieren. Stattdessen wird die Zusammenarbeit oder Koordination oft sternförmig über den Vorgesetzten organisiert. Auf diese Weise wird das Team jedoch nie unabhängig, weiß zu wenig über die Themen, an denen das Unternehmen arbeitet, und konzentriert sich daher auf seine eigenen Aufgaben. Aus den zuvor genannten Ausführungen wird deutlich, dass die klassische Arbeitsweise wenig dazu beiträgt, das Geschäftsmodell und seine Prioritäten unternehmensweit transparent zu machen, was ein gutes Business Partnering erschwert.
6.2.2
Schnelle Veränderungen und versteckte Projekte
Es ist unbestreitbar, dass das Umfeld immer kurzfristiger und komplexer wird, weshalb die eher trägen, klassischen Arbeitsmethoden überprüft und angepasst werden müssen. Gerade die typischen Wasserfallprojekte aus der klassischen Arbeitswelt neigen zum Scheitern, weil sie die Ergebnisse tendenziell nach langer Erarbeitung erst zum Schluss liefern. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass sich das Umfeld weiterentwickelt hat und die Lösungsansätze daher bereits veraltet sind. Andererseits kann es vorkommen, dass, eben weil die Ergebnisse erst so spät vorliegen, das Projekt als nicht erfolgreich und aufgrund von Budgetkürzungen vorzeitig abgebrochen wird. Das Problem liegt in der Art und Weise, wie solche Projekte durchgeführt werden. Der klassische Prozess ist oft gekennzeichnet durch eine erste Bestandsaufnahme, dann die Aussage «wir kümmern uns darum» und einer Entwicklung hinter den Kulissen. Der Lenkungsausschuss überwacht die Fortschritte, ohne die Teillösungen mit den Beteiligten auf den Prüfstand zu stellen. Die Überraschung kommt am Ende, wenn die Lösung zum ersten Mal präsentiert wird. Das Ergebnis mag aus Sicht der Finanzabteilung perfekt sein, für die Stakeholder jedoch weniger, da ihre Anforderungen inzwischen überholt sind. Noch schlimmer sind die Projekte, die vermeintlich gestoppt wurden, aber als U-BootProjekte weiter vorangetrieben werden. Wenn diese Projekte dann auch noch erfolgreich
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sind, bestätigt sich der Ansatz, nicht immer auf vereinbarte Prioritäten zu achten. Solche U-Boot-Projekte zu identifizieren, ist in der klassischen Welt schwierig. Die Überwachung aller Aufgaben ist zwar in der klassischen Arbeitsweise zum Beispiel mit einem ProjektPortfolio-Management möglich, erfordert aber zusätzlichen Aufwand und eine proaktive Interaktion mit allen Beteiligten. Da die Beteiligten jedoch in der Regel nur ihre eigenen Aufgaben auf ihrem Radar haben und nicht ein Gesamtbild aller laufenden Aktivitäten, werden sie U-Boot-Projekte nicht identifizieren. Daraus erschließt sich, dass die klassische Arbeitsweise in einem dynamischen Umfeld mit sich schnell ändernden Anforderungen nicht ideal ist. Es fehlt schlicht eine transparente, zugängliche und zeitgerechte Übersicht aller geplanten und laufenden Aufgaben. Dies wäre jedoch notwendig, um eine ganzheitliche Interaktion mit und zwischen den Beteiligten zu erreichen. Ein Wechsel zu einer anderen Arbeitsweise, die solche Probleme in ihrer DNA bereits löst, sollte sich daher lohnen.
6.2.3
Zu geringe Stakeholder-Interaktion und zu hohe Arbeitsbelastung
Wer kennt es nicht, die Aufgaben und Anforderungen türmen sich und am Ende wird statt einer guten Priorisierung einfach der Satz «das wird schon irgendwie klappen» in den Raum gestellt. Dies ist de facto eine Kapitulation vor der Planbarkeit der Arbeit und einer der Treiber für eine ungesunde Work-Life-Balance. Es liegt in der Natur der Finanzfunktion, dass sie als Querschnittsfunktion Aufgaben von praktisch überall her erhält. Eine gemeinsame Koordination als vordefinierter Arbeitsschritt über und mit allen Stelleninhabern ist in der klassischen Welt nicht vorgesehen. Klassischerweise priorisiert jeder Beteiligte seine finanziellen Aufgaben für sich selbst und koordiniert sich nicht mit anderen Beteiligten. Natürlich haben einige Unternehmen übergreifende Portfolios aufgebaut, aber selten findet eine Priorisierung mit allen Stakeholdern auf höchster Ebene statt. Es liegt also an der Finanzfunktion und ihren Mitarbeitern, die Prioritäten für den Fall von Engpässen festzulegen und sie den Stakeholdern so gut wie möglich zu vermitteln, ohne sie zu verärgern. Leider wird dieser Schritt oft umgangen, indem die Finanzfunktion lieber an allen Aufgaben gleichzeitig arbeitet, anstatt sie nach Prioritäten zu ordnen. Die Folge sind schlechte und oft verspätete Ergebnisse, die zu unzufriedenen Stakeholdern führen. Gleichzeitig steigt die Frustration unter den Finanzmitarbeitern, da die Aufgaben oft nicht gemäss ihren Ansprüchen erledigt werden können. Diese Arbeitsweise, bei der alle Aufgaben on-top erledigt werden, ist in der klassischen Arbeitsweise häufig anzutreffen und bringt am Ende nur eines: eine verstopfte Aufgabenpipeline mit unzufriedenen Mitarbeitern und Stakeholdern. In einer solchen Situation ist ein gutes Business-Partnering-Modell schwer zu etablieren, weshalb das Arbeitsmodell hinterfragt werden sollte.
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Schlussfolgerung Diese drei exemplarischen Aspekte zeigen, dass die klassische Arbeitsweise nicht mehr den Anforderungen von heute entspricht. Aus diesem Grund hat sich der Finanzbereich Operations des Migros-Genossenschafts-Bundes entschlossen, neue Wege zu gehen und zumindest Elemente einer agilen Arbeitsweise einzuführen.
6.3
Einführen von Elementen einer agilen Arbeitsweise
6.3.1
Arbeitsziele nurmehr für drei Monate
Eine gemeinsame Sichtweise auf die anstehenden Aufgaben ist nicht nur innerhalb der Finanzabteilung wichtig, um die Ressourcen angemessen einsetzen zu können. Auch außerhalb des Finanzbereichs ist diese Sichtweise notwendig, um die eigenen Prioritäten mit denen der Stakeholder abzustimmen. Hier ist es wichtig zu wissen, welche Aufgaben die einzelnen Stakeholder derzeit in ihrem Business- oder Funktionsbereich nachgehen und wie sich diese auf die Aufgaben der Finanzabteilung auswirken. Umgekehrt müssen die Stakeholder auch die Prioritäten der Finanzabteilung kennen, um genügend Zeit für die operativen, finanziellen Aufgaben wie Planung, Budgetierung und Forecasting oder aber vor allem auch für die Weiterentwicklungen zu reservieren. Um diese Transparenz zu gewährleisten, wurde deswegen alle drei Monate ein sogenanntes Program Increment Planning1 -Meeting eingeführt, welches in der Regel zwei Tage dauert. In diesem Meeting werden die Arbeitsziele aller Funktionen – einschließlich der Finanzfunktion – für die nächsten drei Monate vereinbart und festgelegt. Zudem werden die notwendigen Arbeitsschritte, geschnitten in sogenannten Sprints, das heißt Arbeitsphasen von jeweils zwei Wochen, vom Team erarbeitet. Vorbei sind die Zeiten, in denen man rätseln musste, woran die anderen Funktionen arbeiten oder ob man für die eigenen Aufgaben Unterstützung von anderen Funktionen erhält. Denn die notwendige Unterstützung mit entsprechenden Kapazitätsreserven wird direkt im PI-Meeting abgeklärt. Im Vorfeld des Meetings schlägt die Finanzabteilung ihre Ziele für die nächsten drei Monate als auch deren Reihenfolge ihrer Wichtigkeit vor. Die Stakeholder dürfen zusätzliche Ziele einbringen oder die bestehenden anfechten. Im Plenum diskutieren dann alle Beteiligten, ob die Ziele die richtigen sind, ob sie die vorgeschlagene Reihenfolge unterstützen oder ob Änderungen notwendig sind. Während dieser Diskussion ist es nicht ungewöhnlich, dass Ziele auf den nächsten Zeitrahmen verschoben oder im Umfang reduziert werden. Diskutiert werden auch Abhängigkeiten, die zu zeitlichen Verschiebungen führen, da notwendige Kapazitäten eines anderen Teams nicht zum richtigen Zeitpunkt verfügbar sind. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Schwerpunkt des PI-Meetings auf Neu- oder Weiterentwicklungsaufgaben 1 Nachfolgend als PI abgekürzt.
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liegt. Die operativen Aufgaben der nächsten drei Monate werden zwar zu Kapazitätsplanungszwecken erfasst, sind aber nicht Teil der Abstimmung im PI-Meeting. Das Ergebnis am Ende des PI-Meetings ist eine offengelegte Übersicht über alle mit den Stakeholdern vereinbarten Ziele der teilnehmenden Funktionen. Der große Vorteil dieses Elements aus der agilen Arbeitsmethodik ist, dass danach keine übergeordneten Koordinierungssitzungen mehr erforderlich sind und sich das Team auf seine Aufgaben konzentrieren kann. Der Effizienzgewinn ist seit der Einführung der PI-Meetings für alle klar ersichtlich und ein Zurück zur alten Arbeitsweise nicht mehr denkbar.
6.3.2
Offenlegen aller Arbeitspakete
Das Vermeiden von Überraschungen ist ein weiteres Credo, das eine gutes Business Partnering unterstützt. Wie im vorigen Kapitel erwähnt, werden die notwendigen Arbeitsschritte in Sprints von zwei Wochen aufgeteilt. Dies geschieht nicht durch den Vorgesetzten, sondern durch die designierten Teams in kleinen Arbeitssitzungen während des PI-Meetings. Werden Abhängigkeiten festgestellt, werden diese direkt im PI-Meeting vom Team mit den anderen Teams selbstständig besprochen und gelöst. Vertrauen entsteht dadurch, dass alle Arbeitspakete der Teams den anderen Teams gegenüber offengelegt werden und jeder überprüfen kann, ob die richtigen Themen angegangen werden oder nicht. In den folgenden drei Monaten nach dem PI-Meeting wird der Arbeitsstand der Sprints regelmäßig im Team besprochen. Wo nötig, wird der Plan mit entsprechendem Feedback an die anderen Teams und Stakeholder angepasst. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Arbeitsplan aus dem PI-Meeting nicht in Stein gemeißelt ist, sondern während des PI-Zyklus ständig überarbeitet wird, wiederum in gemeinsamer Abstimmung mit Stakeholder und Funktionen. Dieser Austausch ist wichtig, um U-Boot-Aktivitäten zu vermeiden und Änderungen gemeinsam zu tragen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist, dass alle Teams und ihre Mitglieder mit demselben Tool arbeiten und somit der Arbeitsfortschritt für die Stakeholder über ein einziges Tool zugänglich ist. To-do-Listen, Status-Update-Präsentationen und andere zeitaufwendige Berichte oder Protokolle entfallen. Diese Transparenz erhöht das gegenseitige Vertrauen und macht Ad-hoc-Anfragen zu Arbeitsständen seltener. Ruhe kehrt in das System und die Teams können sich auf ihre Aufgaben konzentrieren. Wenn neue dringende Aufgaben an das Team herangetragen werden, wird wieder gemeinsam besprochen, was dafür gestoppt oder verschoben werden muss, anstatt sie einfach on top in Angriff zu nehmen. Denn eines ist klar: Alle neuen Aufgaben einfach ebenfalls anzugehen, führt zu Überlast und unzufriedenen Mitarbeitern, unzureichend erledigten Aufgaben und verärgerten Stakeholdern. Zur Steuerung der Aufgaben wurde ein Kanban-Board eingeführt, das die Aufgaben in Funnel, Analyse, Backlog, Implement, Recap, Done und Obsolete unterteilt. Die Beteiligten können so jederzeit einsehen, ob ihre neu eingebrachten Aufgaben vom Finanzteam aufgegriffen wurde und in welchem Status sie sich befindet. In der Regel werden im PI-Meeting
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nur Aufgaben aus dem Status Analyse beplant, unter Berücksichtigung der Aufgaben im Backlog, Implement und Recap. Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht die Verantwortung der Finanzabteilung alleine ist, Aufgaben vom Status Funnel über den Status Analyse zum Status Backlog überzuführen. Vielmehr müssen die Stakeholder sich engagieren und aktiv werden, um ihr Anliegen durch das Aufzeigen des Business Nutzen an die Spitze der Backlog-Aufgabenliste zu bringen. Die Befähigung des Teams, die Schaffung von Transparenz für die Stakeholder und ihre Einbeziehung in der Zieldefinition sind alles Elemente aus der agilen Arbeitswelt, die dazu beigetragen haben, die Finanzfunktion besser, schneller und zufriedener zu machen.
6.3.3
Befähigen des Teams
Ein wesentlicher Aspekt für ein besseres Business Partnering ist die Befähigung des Teams, Aufgaben eigenständig anzugehen, Entscheidungen eigenhändig zu treffen und Stakeholder pro-aktiv einzubeziehen. Konkret bedeutet dies, dass sie die notwendigen Arbeitsschritte selbst definieren und damit die Verantwortung für deren Umsetzung übernehmen, als Garant die gemeinsam gesetzten Ziele zu erreichen. Um diesen Weg zu beschreiten, bedarf es fundiertes Wissen über die Funktionsweise des Geschäftsmodells, welche Stakeholder sie einbeziehen müssen und welche Funktionen einen Beitrag leisten müssen. Der administrative Aufwand, um diese jeweils zweiwöchigen Arbeitsschritte zu dokumentieren, hält sich in Grenzen, da zum einen alles in einem einzigen System beschrieben wird und zum anderen die Arbeitsschritte nur grob erfasst werden. Werden für bestimmte Arbeitsschritte weitere Funktionen benötigt, kann über das gleiche System ein Hinweis an das entsprechende Team gegeben werden. Der Vorgesetzte, der Arbeitspakete definiert und diese nach dem Push-Prinzip dem Team zuweist, gehört der Vergangenheit an. Stattdessen müssen die Mitarbeiter nun überlegen, ob ihnen Informationen zur Definition der Arbeitsschritte fehlen und diese nach dem Pull-Prinzip bei ihrem Vorgesetzten, anderen Teams oder Stakeholdern anfordern. Durch diese Autonomie fühlt sich das Team viel stärker für seine Aufgaben verantwortlich. Am Ende eines PI-Meetings führt der Vorgesetzte oder Stakeholder eine kurze Überprüfung durch, um festzustellen, ob der Plan ein sinnvoller Weg ist, die Aufgabe zu lösen. Aber Aufgepasst! Die Erfahrung hat gezeigt: Die meisten Teams, Vorgesetzten und Stakeholder nehmen sich schlicht zu viel vor. Selbst wenn jeder einzelne Arbeitsschritt umsetzbar erscheint, führen sie gesamthaft gesehen oft zu Engpässen. Um sicher zu gehen, dass der Plan als Ganzes auch wirklich durchführbar ist, wird am Ende des PI-Meetings eine sogenannte Vertrauensabstimmung durchgeführt. Das Team und die Stakeholder können dann abschließend noch einmal ihre Meinung äußern, ob die Ziele erreichbar sind oder ob eine Überfrachtung vorliegt. Im Zweifelsfall wird die Priorisierung überarbeitet, der Umfang der Ziele reduziert oder Aufgaben auf den nächsten PI-Zyklus verschoben. Mit diesem Vorgehen kann sichergestellt werden, dass der Plan ohne Wenn und Aber durch alle Beteiligte unterstützt wird. Die Befähigung des
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Teams fördert den Teamgeist, erzwingt einen Know-how-Aufbau und führt zu demokratischem Wissen über das Geschäftsmodell. Die Erfahrung zeigt, dass die agile Arbeitsweise mehr innovative Lösungen produziert als die klassische, weil sie sich wesentlich stärker auf das kumulierte Wissen des Teams stützt.
6.3.4
Einführen eines Scrum Masters
Wie bringt man ein Finanzteam, das keine Erfahrung mit agilen Arbeitsmethoden hat, dazu, sich auf agile Methoden einzulassen? Diese Frage stellen sich viele Unternehmen, da agiles Arbeiten im Finanzwesen nicht verbreitet ist. Eine gute Empfehlung lautet, einen Scrum Master zu etablieren. Die Schwierigkeit ist jedoch, dass sich auf dem Arbeitsmarkt de facto keine Finanzexperten mit Scrum-Master-Qualifikation finden lassen. Die Alternative? Bilden Sie sie selbst aus! Idealerweise begeistert man einen motivierten Finanzmitarbeitenden und bietet diesem eine Scrum-Master-Ausbildung an. Der Vorteil für den Mitarbeitenden ist, eine einzigartige Ausbildung zu erhalten, die heute ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Arbeitsmarkt ist. Die Entscheidung, den Scrum Master aus den eigenen Reihen zu besetzen, war ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg, um die übrigen Mitarbeiter auf ihrem Weg zur Agilität zu begleiten. Zum einen war das Vertrauen des Teams von Anfang an auf einem viel höheren Niveau, da man sich untereinander kannte. Andererseits wusste der Scrum Master, wie die Teammitglieder ticken und konnte sie viel leichter begeistern sowie überzeugen. Schritt für Schritt führte der Scrum Master die neuen Tools ein, schulte die Mitarbeiter und begann, gemeinsam mit dem Team Hindernisse selbstständig zu lösen. Dabei war der Scrum Master nicht auf sich allein gestellt, sondern konnte sich in der Scrum Master Community der TechnologieOrganisation des Migros-Genossenschafts-Bundes austauschen. Die Kernaufgaben des Scrum Masters waren in der ersten Phase die Schulung der Mitarbeiter, die Durchführung der agilen Prozesse, die Umsetzung der agilen Zeremonien und deren Dokumentation nach agilen Ansätzen. Darüber hinaus sorgte er für die Vollständigkeit des Kanban-Boards und erstellte eine Roadmap, wie das Team schrittweise an die agilen Elemente herangeführt werden kann. Schließlich war die kontinuierliche Optimierung der Arbeitsabläufe ein weiterer Kernpunkt seiner Aufgaben. Während die Rolle in der ersten Phase zu 100 % ausgestaltet war, konnte sie über einen Zeitraum von 12 Monaten schrittweise auf etwa 50 % reduziert werden. Diese Reduktion sollte jedoch erst stattfinden, wenn das Team die agile Arbeitsweise wirklich verinnerlicht hat und lebt. Eine weitere Verschlankung kann erfolgen, falls das Team beginnt, sich eigenständig in Richtung Agilität zu optimieren. Es ist offensichtlich, dass die administrativen Kosten durch den Scrum Master zunächst erhöht werden. Diese Kosten sind leicht zu rechtfertigen, wenn auf die vielen Vorteile verwiesen wird. So entfallen beispielsweise alle klassischen Abstimmungsmeetings, seien es die wöchentlichen Einzelmeetings mit den Mitarbeitern oder dem Team als Ganzes
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sowie die klassischen Abstimmungsmeetings mit Stakeholdern. Ebenso entfällt die Verwaltung von To-do-Listen oder die zeitaufwendige Erstellung von Status-Update-Folien für die Stakeholder. Die Etablierung des Scrum Masters ist somit entscheidend, damit die Vorteile der agilen Arbeitsweise in kurzer Zeit zum Tragen kommen und solle deswegen stark in Erwägung gezogen werden.
6.3.5
Durchführen von Learn- & Adapt-Meetings
Was hat Agilität mit Fahrradfahren zu tun? Beides kann nicht ausschließlich theoretisch erlernt werden, sondern erfordert Learning by Doing. Der Lernprozess ist bei beiden Tätigkeiten sehr ähnlich. Am Anfang braucht man Hilfe von außen, dann stellen sich die ersten zaghaften Erfolge ein, aber die Lernfortschritte sind noch sehr bescheiden. Rückschritte sind unvermeidlich und manche Situationen sind herausfordernd. In solchen Situationen darf man sich nicht entmutigen lassen und muss sie wiederholt angehen. Man merkt bald, dass sich langsam, aber sicher ein Lernprozess einstellt und bestimmte Aspekte leichter fallen. Die anfänglichen Anstrengungen werden zur Routine und mehr und mehr wird auf die Inhalte statt auf die Prozesse konzentriert. Ein wesentlicher Aspekt für diese Veränderung ist die Learn- & Adapt-Zeremonie. Hier blickt das Team zurück und überlegt, wie die eingeführten agilen Ansätze noch besser funktionieren könnten, wie sie die Zusammenarbeit untereinander, aber auch mit dem Rest der Organisation verbessern müssen oder was ihnen noch fehlt, um effizienter zu werden. Anschließend definieren sie gemeinsam, welche Verbesserungen für den nächsten PI-Zyklus realistischerweise umgesetzt werden sollten. Dabei wird geachtet, nur wenige Maßnahmen zu ergreifen, um den Erfolg der Umsetzung zu erhöhen. Diese Maßnahmen bedürfen möglicherweise auch die Unterstützung der Führungskraft. Zum Beispiel, wenn festgestellt wird, dass zu viele Adhoc-Aufgaben eingebracht werden und dadurch zu wenig Zeit für die Umsetzung der Sprints bleibt. Es können aber auch einfachere Aspekte besprochen werden, wie zum Beispiel die Überlegung, ob die Zusammenarbeit eventuell nicht optimal läuft, weil das Know-how fehlt. Auch in solchen Fällen ist der Scrum Master ermächtigt, entsprechende Maßnahmen zu definieren, um diese Hemmnisse möglichst effizient zu lösen. Eine Regel der Agilität wird hierbei immer gelebt: Befähigung. Nicht nur die Führungskraft ist für eine effiziente agile Arbeitsweise verantwortlich, sondern jedes einzelne Teammitglied ist in der Pflicht, das Team als Ganzes zusammenzuschweißen und die Teamleistung ständig weiter zu optimieren. Die Führungskraft ist dabei auf Augenhöhe mit dem Team und sorgt dafür, dass es ein agiles Selbstverständnis annimmt. Diese Arbeitsweise setzt eine entsprechende, pro-aktive Haltung aller Teammitglieder voraus. Der Vorgesetzte muss also sein Team so konstituieren, dass es diese selbstverantwortliche und selbstreflektierende Arbeitsweise auch wirklich lebt. Das kann leider auch bedeuten, dass Teammitglieder ausgetauscht werden müssen. Wenn das Team dann aber gut aufgestellt ist, wird sich
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schon nach wenigen PI-Zyklen eine deutlich verbesserte Zusammenarbeit und ein stärkerer Teamgeist einstellen. Die Geschwindigkeit dieser Verbesserungen ist bei der agilen Arbeitsweise viel höher als bei der Klassischen.
6.3.6
Verwenden eines Kanban-Boards
Wie zuvor beschrieben, erfordert eine gute Zusammenarbeit mit dem Business Partner ein gegenseitiges Verständnis dessen, woran gearbeitet wird und was die Prioritäten sind. Durch die Einführung eines Kanban-Boards konnte die Arbeitsweise und Art der Zusammenarbeit mit den Stakeholdern wesentlich verbessert werden. Jedes Mal, wenn die Stakeholder oder die Finanzabteilung neue Aufgaben identifizieren, werden diese auf dem Kanban-Board festgehalten. Es wurde besonders darauf geachtet, dass das Kanban-Board für jeden Mitarbeiter im Unternehmen zugänglich ist, insbesondere für alle Stakeholder. Der große Vorteil eines solchen Instruments besteht darin, dass die Beteiligten selbst überprüfen können, ob ihre Aufgaben von der Finanzabteilung auf den Radar genommen wurden. Die sechs Arbeitsphasen im Kanban-Board Status Funnel Neue Aufgaben werden immer im Status Funnel erfasst, nicht im Detail, sondern nur mit einigen Stichpunkten. Zu diesem Zeitpunkt arbeitet das Team noch nicht an den Aufgaben. Status Analyse Nachdem die Finanzabteilung gemeinsam mit den Stakeholdern eine Bewertung der Aufgaben im Status Funnel vorgenommen hat, werden ausgewählte Aufgaben in den nächsten Status Analyse verschoben. In diesem Status werden die Aufgaben detailliert und mit Informationen ergänzt, damit das Team seine Sprints ausarbeiten kann. Je nach Aufgabenstellung und Komplexität wird mit den Sprintbeschreibungen bereits vor dem PI-Meeting begonnen. Spätestens beim PI-Meeting sind alle Sprints endgültig definiert, einschließlich der Bereitstellung der notwendigen Unterstützung durch andere Funktionen. Ist das Team der Meinung, dass alles geklärt und definiert ist, um die Aufgabe in Angriff zu nehmen, wird der Status auf Backlog geändert. Status Backlog Die Aufgaben im Backlog warten, bis das Team die Zeit findet, die Aufgaben zu ziehen, das heißt mit ihrer Umsetzung zu beginnen. Sobald sie bearbeitet werden, ändert sich der Status in Umsetzen. Nicht der Vorgesetzte startet die Aufgabe, sondern das Team, sobald es Zeit dafür findet! Status Implement In diesem Status werden die Aufgaben gemäß den zuvor festgelegten Sprints in Angriff genommen. Während der Umsetzung werden die Fortschritte mit den Stakeholdern in vordefinierten agilen Zeremonien besprochen, Sprints angepasst und Hindernisse beseitigt.
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Status Recap Nach Abschluss der Aufgabe findet der wichtige Prozessschritt Recap statt. Hier wird mit den Stakeholdern überprüft, ob die Ziele erreicht wurden und besprochen, was beim nächsten Mal besser gemacht werden kann. Erst dann wird die Aufgabe abgeschlossen und auf den Status Done gesetzt. Status Done Erledigte Aufgaben erhalten den Status Done. Status Obsolete Hier werden alle Aufgaben erfasst, die als nicht umsetzungswürdig eingestuft wurden, einschließlich einer Beschreibung des Sachverhaltes. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine ähnliche Aufgabe an die Finanzabteilung herangetragen wird, kann es hilfreich sein, auf diese Gründe zurückzugreifen. Der größte Vorteil dieser Arbeitsmethode besteht darin, dass die Stakeholder die Finanzabteilung während der gesamten Zeit der Aufgabenausführung begleiten. Bei Hindernissen, wie z. B. zeitlichen Engpässen, kann sofort der Dialog und eine Lösungsanpassung mit den Stakeholdern gesucht werden. Es ist also nicht dem Finanzteam überlassen, die neuen Prioritäten bei Veränderungen zu setzen, sondern es sind die Stakeholder, die sich gemeinsam mit dem Finanzteam untereinander abstimmen, koordinieren und die Prioritäten überarbeiten.
6.4
Die Vorteile für das Business
Die beschriebenen Veränderungen haben die Art und Weise, wie die Financial Business Partner mit den Stakeholdern interagieren, grundlegend verändert. Vier positive Aspekte stechen hervor. Zum einen die spürbar besser informierten Finanzmitarbeitenden, die ihre und die Themen und Prioritäten des Business kennen und damit einen größeren Mehrwert beisteuern. Zum anderen wird das Finanzteam als Ganzes als einheitlicher wahrgenommen, was sich in einer höheren Robustheit des Teams niederschlägt. Außerdem ist die Aufgabenpipeline nicht mehr verstopft. Dies bedeutet, dass nicht mehr gleichzeitig und ineffizient an vielen Aufgaben gearbeitet wird. Und schließlich hat sich der administrative Aufwand verringert, sodass mehr Zeit für die Business-Aufgaben bleibt.
6.4.1
Informiert
Dadurch, dass alle Finanzaufgaben im selben System, auf dieselbe strukturierte Weise und detailliert in zweiwöchigen Arbeitspaketen beschrieben sind, weiß das gesamte Team, woran gearbeitet wird. Ebenso kennt das Team auch die Aufgaben der Stakeholder,
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die ihre Arbeit auf dieselbe Weise strukturieren. Dies ermöglicht einen besseren Dialog mit den Stakeholdern. Wenn ein Informationsupdate an die Stakeholder notwendig wird, können die Informationen direkt vom Kanban-Board aus kommuniziert werden, was sich als sehr effizient erwiesen hat. Im Gegensatz zu klassischen Ansätzen fördert die agile Arbeitsweise einen aktiven Dialog sowie eine partnerschaftliche und gleichberechtigte Zusammenarbeit mit den Stakeholdern. Verärgerte Stakeholder, die nicht verstehen, warum auf ihre Anliegen nicht eingegangen wird, gehören der Vergangenheit an. Das alles schafft die notwendige Voraussetzung, damit sich das Finanzteam auf seine Aufgaben konzentrieren kann.
6.4.2
Robust
Der zweite große Vorteil ist die Robustheit des agilen Ansatzes. Im eingeschwungenen Zustand funktioniert der Ansatz grundsätzlich ohne das Eingreifen des Vorgesetzten. Die Financial Business Partner sammeln selbstständig ihre Themen bei ihren Stakeholdern und tragen sie auch selbstständig in die Kanban-Board ein. Gemeinsam werden die Themen detailliert und im Vorfeld mit den Stakeholdern besprochen. Wenn jemand aus dem Finanzteam ausfällt, kann relativ einfach ein anderer Mitarbeiter einspringen, da alles in einem Tool gleich dokumentiert ist. Wenn für ein Thema mehr Ressourcen benötigt werden, können die Teammitglieder proaktiv vorschlagen, wie sie unterstützen können. Fällt der Vorgesetzte aus, funktioniert das Team -zumindest kurzfristig- problemlos weiter. Für die Beteiligten bedeutet dies vor allem eines: Dass sie ein sehr robustes Finanzteam als Partner haben, dass alle zwei Wochen Ergebnisse vorlegt und so das Risiko, an den falschen Aufgaben zu arbeiten, geringhält. Überraschungen werden vermieden und das Vertrauen gestärkt. Bei einer klassischen, sternförmigen Arbeitsweise, bei dem der Vorgesetzte alle Fäden in der Hand hält, ist das Risiko viel höher, dass die Arbeit des Teams im Falle eines Ausfalls ins Stocken gerät.
6.4.3
Unverstopfte Aufgabenpipeline
Wie anstrengend ist es heute, dass wir immer damit rechnen müssen, im Verkehrsstau stecken zu bleiben, wenn wir von A nach B fahren wollen. Es gibt einfach zu viele Autos mit wenig oder keiner Möglichkeit, das Problem wirklich zu lösen. Gleich verhält es sich mit Aufgaben in der Geschäftswelt. Bei zu vielen, simultan ausgeführten Aufgaben gerät man ähnlich zum Verkehrsstau in einen Aufgabenstau, bei dem man ebenfalls nicht mehr vorankommt. Aber im Gegensatz zur Verkehrssituation kann das Problem in der Geschäftswelt einfacher angegangen und entschärft werden. Dazu muss sichergestellt werden, nur wenige Aufgaben zuzulassen. Diese Reduktion auf das Wesentliche ist in der agilen Welt fest verankert und wird erreicht, indem man viermal im Jahr vor dem
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PI-Meeting, gemeinsam mit den Stakeholdern bewusst nur wenige Ziele definiert, anstatt viele nur einmal während des Budgets. Die Stakeholder, die ihr Ziel in dieser kurzen Liste verankern konnten, haben so eine viel höhere Wahrscheinlichkeit, im kommenden PI-Zyklus valide Ergebnisse zu erhalten. Natürlich ist die Auswahl der verbindlichen Ziele zehrend. Sie erfordert, dass die Beteiligten ehrliche Diskussionen führen und eng zusammenarbeiten, damit die Prioritäten festgelegt werden können. Meinungsverschiedenheiten und übergeordnete Entscheidungen sind durchaus an der Tagesordnung. Insgesamt hilft aber dieser Ansatz dem Unternehmen, Prioritäten zu setzen und sorgt dafür, dass die Business-Ziele mit größerer Wahrscheinlichkeit erreicht werden.
6.4.4
Weniger Meetings
Agile Arbeitsmethoden bedeuten auch, dass die klassischen Meetings nicht mehr benötigt werden. Am Anfang wird man noch administrative Aufgaben aus beiden Welten – klassisch und agil – parallel bewältigen müssen. Diese Übergangsphase muss schnell überwunden werden, wenn man nicht in der Flut an Meetings untergehen will. Neben den oben beschriebenen etablierten Meetings sind die Sync-Meetings von großer Bedeutung. Alle zwei Wochen werden in einem Sync die übergreifenden Aufgaben mit den anderen Funktionen abgestimmt und die Abhängigkeiten im Hinblick auf Verschiebungen oder Behinderungen behandelt. Zum Beispiel kann ein Team melden, wenn es von einem anderen Team nicht die vereinbarte Unterstützung erhält und es dadurch zu einer Verzögerung kommt. Im Sync-Meeting werden dann adäquate Lösungen erarbeitet (Reduzierung des Umfangs, Verschiebung, Neu-Priorisierung). Besonders hilfreich ist es, weil dieses Meeting alle zwei Wochen fix in der Agenda verankert sind und damit Ad-hoc-Sitzungen stark reduziert werden. Waren die ersten Sitzungen aus der agilen Arbeitswelt etwas zäh, so haben sich das Team und die Stakeholder schon nach kurzer Zeit daran gewöhnt. Da das Business nun weiß, wann und zu welchem Zweck die Meetings stattfinden, können sie sich leichter einbringen und verzichten auf Ad-hoc-Meetings, was ein großer Vorteil der agilen Arbeitsweise gegenüber der Klassischen ist.
6.5
Fazit
Da Fachkräfte mit agiler Berufserfahrung auf dem Arbeitsmarkt nicht zu finden sind, müssen die eigenen Mitarbeiter entsprechend ausgebildet werden. Jeder Mitarbeiter wurde in einen entsprechenden agilen Kurs geschickt. Danach übernahm der Scrum Master die Fortbildung nach dem Prinzip Learning by Doing. Gerade am Anfang ist man geneigt, bei Schwierigkeiten in alte, klassische Muster zurückzufallen. Hier ist die Führungskraft bzw. der Scrum Master in der Verantwortung, dem Team diese Möglichkeit nicht zu geben und stattdessen Lösungen zu finden, um die agilen Methoden schneller zu verankern.
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Rückblickend hat sich gezeigt, dass sich die Kombination aus eigenem Training und dem Einsatz eines Scrum Masters sehr bewährt hat und einen idealen Start in Richtung Agilität ermöglichte. Es gibt mehrere agile Arbeitsmodelle auf dem Markt, sodass es nicht ratsam ist, selbst ein neues Modell zu definieren. Da die Technologie-Abteilung des MigrosGenossenschafts-Bundes das SAFe-Modell verwendet, hat sich auch die Finanzabteilung dafür entschieden. Der Vorteil dieses Modells ist erstens der freie Zugang und zweitens die kontinuierliche Weiterentwicklung durch die Community – ähnlich wie bei Open Source Code. Der Nachteil ist, dass es für viele Unternehmen ein zu mächtiges Instrument ist. Daher ist es entscheidend, zumindest zu Beginn nur die wichtigsten Teile davon zu implementieren. Außerdem, dass man es nicht dogmatisch einführt, sondern sich das Recht nimmt, die einzelnen Elemente auf die eigenen Bedürfnisse zurechtzuschneiden. Beispielsweise war der Bedarf für ein daily stand-up-Meeting nicht vorhanden, weswegen wir uns für ein bi-weekly stand-up-Meeting entschieden haben. Die einzelnen weiteren Elemente wurden Schritt für Schritt implementiert. Es ist wenig empfehlenswert, zu viel Zeit auf die Theorie des agilen Modells zu verwenden. Stattdessen sollte man gleich zu Beginn der Reise in die neue agile Welt erste Elemente einführen und damit den kontinuierlichen Lernprozess anstoßen. Mit dem Erreichen der ersten Erfolge kommt der Appetit auf mehr und die Motivation steigt, noch agiler zu werden. Deshalb sollte das Motto weniger ist mehr gelebt werden, will man Agilität vorantreiben. Eine der größten Herausforderungen wird sein, die neue Generation von Mitarbeitern für die Stellen von morgen zu begeistern. Die Löhne werden dabei weiterhin eine wichtige Rolle spielen, aber bei Weitem nicht die einzige. Die neuen Generationen werden bei der Entscheidung für einen Arbeitsplatz auch andere Aspekte berücksichtigen. Zum Beispiel die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit, flexiblere Arbeitsmodelle, Selbstständigkeit in ihren Aufgaben, die Größe ihres Gestaltungsspielraums und die Möglichkeit, sich ein solides persönliches Netzwerk aufzubauen. Sie wollen ihren Partnern auf Augenhöhe begegnen und legen wenig Wert auf Hierarchien. Man darf davon ausgehen, dass sich viele der genannten Aspekte mit einer agilen Arbeitsweise besser verwirklichen lassen. Deshalb sind wir froh, dass wir uns im Jahr 2021 auf den Weg gemacht haben, mittels agiler Arbeitsweise in Richtung besseres Business Partnering zu bewegen. Gleichzeitig man muss sich bewusst sein, dass der Weg das Ziel ist. Dabei geben wir jeden Tag unser Bestes, um mit unserer Arbeitsweise nicht nur die Effizienz und Effektivität, sondern vor allem auch die Motivation und Zufriedenheit der Teams zu erhöhen. Dies als Garant für exzellente Leistungen, welche die Migros einen Tick erfolgreicher macht.
Migros-Genossenschafts-Bund
Die Migros gehört zu den größten Detailhandelsunternehmen der Schweiz. Die Migros-Gruppe erzielte 2021 bei einem Umsatz von CHF 28.932 Mrd. einen Gewinn von CHF 668 Mio. und beschäftigte 97.541 Mitarbeitende.
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O. Vogel
Sie ist als Verbund von Genossenschaften mit fast 2.3 Mio. Genossenschaftern organisiert. Den Kern bilden zehn regionale Genossenschaften, die zusammen den Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) bilden. Dem MGB wiederum sind zahlreiche Tochtergesellschaften und Beteiligungen untergeordnet. Dazu gehören unter anderem der Detailhändler Denner, die Convenience-Kette Migrolino, zahlreiche Produktionsbetriebe zur Herstellung von Eigenmarken, der Reiseveranstalter Hotelplan, der Onlinehändler Digitec Galaxus und die Migros Bank. Im Departement III des MGB angesiedelt sind Entwicklung, Realisierung, Betrieb und Unterhalt der Konzernlogistik, der Informatikbereich und das Rechenzentrum. Der Betrieb der nationalen Logistikzentren erfolgt in der gleichen Verantwortung aber durch die rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft Migros Verteilbetrieb AG mit Sitz in Neuendorf. Dr. Olivier Vogel, geboren 1969, ist seit 2019 Head Finance Operations beim Migros Genossenschafts-Bund. In seiner Funktion ist er verantwortlich für das operative und strategische Finanzmanagement des Departementes Operations mit den Kernfunktionen Group-IT, Digital Business Analytics, Engineering, Logistik Transporte und Sicherheit & Verkehr. Zuvor war er als CFO des Instituts für Rechtsmedizin Zürich und als Head Global Financial Performance Management, Risk- und Project Portfolio-Management bei Swarovski in tätig. Er erlangte ein Doktor- und MBA-Titel an der eidgenössischen Hochschule Zürich, Schweiz.
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Agile Finance: Ein Modewort oder steckt doch mehr dahinter? Experteninterview mit Monika Vasconcelles Ulrich Egle
Zusammenfassung
Monika Vasconcelles ist seit Oktober 2020 Leiterin Finanzen, Controlling und bei Menu and More AG. Im Gespräch mit Ulrich Egle beschreibt sie, welchen Nutzen Agilität für das Unternehmen, die Führungskräfte, die Finanzfunktion und die Mitarbeitenden bringt. Frau Vasconcelles schildert, wie die Überführung von einer hierarchischen Organisation zu einer agilen Organisation gelingt und wann der Chefkoch agil sein darf.
Ulrich Egle: Wie definieren Sie Agilität? Monika Vasconcelles: Agilität kommt ursprünglich aus der Softwareentwicklung. Das Manifest respektive Grundsatz für agile Softwareentwicklung lautet [1]: Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln, indem wir es selbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zu schätzen gelernt: • Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge. • Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation. • Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlung.
U. Egle (B) Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Campus Zug-Rotkreuz, Hochschule Luzern – Wirtschaft, Rotkreuz, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_7
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• Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans. Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein. Das agile Manifest wurde im Jahr 2001 entwickelt und ist eine Hilfe für die Zusammenarbeit von agilen Teams in anderen Umgebungen. Die agilen Prinzipien kamen zur Anwendung, da man mit der linearen Wasserfall-Methode an die Grenzen gestoßen ist. Ulrich Egle: Welche Merkmale zeichnen eine agile Finanzfunktion aus? Monika Vasconcelles: Agile Finance ist eine Methodik, die die Technologien und Fähigkeiten umfasst, um die Einführung digitaler Finanzen zu ermöglichen. Eine agile Finanzorganisation ist flexibel, belastbar und effizient. Agile Teams arbeiten schnell und entschlossen, indem sie Echtzeitdaten an Entscheidungsträger weiterleiten [2]. Ich finde, diese Definition trifft sehr gut, was die Merkmale einer agilen Finanzfunktion ausmachen. Im Weiteren unterstützen die fachliche Kompetenz im Rechnungswesen, Finanzanalyse mittels Business Intelligence (BI) und Entscheidungshilfen die Agilität des Unternehmens. Solche Werkzeuge gilt es einzubauen und zu nutzen, nicht nur für das klassische Reporting wie Umsatz, Kosten etc., sondern auch um bei der Führung des Kerngeschäftes einen Mehrwert durch die Nutzung von digitalen Tools wie BI und Künstliche Intelligenz (KI) rauszuholen. Und damit auch das ganze Unternehmen weiterbringen. Ulrich Egle: Worin sehen Sie den Mehrwert, eine Finanzfunktion oder Unternehmen agil aufzustellen? Monika Vasconcelles: Einer der wesentlichsten Vorteile ist die Geschwindigkeit und Spontanität, um auf neue Gegebenheiten reagieren zu können. Man ist automatisch näher am Geschehen und an der Realität. Gerade in den letzten zwei Jahren, in der wir in einer VUCA-Welt mit Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg uns vor neue große Herausforderungen gestellt sahen und schnelles Reagieren auf Umsatzeinbrüche und Kostensteigerungen gefordert waren, sind Firmen mit einer agilen Denkweise ganz klar im Vorsprung. Agil zu sein bedeutet, proaktiv auf Veränderungen reagieren zu können und so immer einen Blick für die Zukunft haben. Schlussendlich geht es beim Thema Agilität darum, kontinuierlich den Lösungsansatz und die praktische Umsetzung zu verbessern. Ulrich Egle: Wo steht die Menu and More AG aktuell bei der agilen und digitalen Transformation der Finanzfunktion? Monika Vasconcelles: Trotz Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe genießen wir viel unternehmerische Freiheit und weitreichende Kompetenzen. Unsere Finanzabteilung ist sehr selbstständig und so haben wir zum Beispiel in den letzten anderthalb Jahren im Bereich Digitalisierung selbstständig ein ERP inklusive BI und bei der Einkaufsplanung ein Tool mit KI eingeführt. Ulrich Egle: Welchen Nutzen bringt Agilität für Ihr Unternehmen, Ihre Führungskräfte und Ihre Mitarbeitende? In welchem Bereich sehen Sie das größte Potenzial, um
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mit einer agilen Finanzfunktion das Geschäftsmodell zu unterstützen? Monika Vasconcelles: Ein Nutzen ist das Aufbrechen von alten und nicht mehr zeitgemäßen Strukturen und Arbeitsprozessen. Beispielsweise sind wir bei Menu and More AG aktuell an der Einführung eines KI-Planungstools – dies ist ein schönes Beispiel, um die Beweglichkeit/Agilität und Entwicklungsbereitschaft im Finanzbereich zu zeigen. Das Ziel ist, die Prognosegenauigkeit und den Zeitaufwand für diesen Prozess zu verbessern. Ein agiles Unternehmen muss ständig strategisch wachsam sein und die Fähigkeit verfügen, Veränderungen umzusetzen, um sich kontinuierlich zu verbessern. Es geht auch darum, Glaubwürdigkeit aufzubauen, dass das Finanzwesen die geschäftliche Agilität unterstützt. Überall dort, wo im Hintergrund Gesetzgebungen, Rechnungslegungsstandards wie OR, FER und IFRS oder Normen/Standards wie ISO-Zertifizierungen eingehalten werden müssen, sehe ich kein Potenzial bei der Agilität, das Geschäftsmodell zu unterstützen. Hingegen bei Innovationen, Produktentwicklungen oder zum Beispiel auch einer AppEntwicklung ist es gang und gäbe, den Prozess agil zu gestalten. Bei einer neu lancierten App vergeht relativ kurze Zeit, bis wieder eine neue, verbesserte Version vorhanden ist. Bei einem Lebensmittel geht dies nicht, es muss schmecken und es muss sicher sein. In der Lebensmittelbranche ist dies nicht vereinbar: Wenn ich eine hohe Sicherheit und Verlässlichkeit will, kann ich nicht nachbessern. Das Produkt muss fertig sein, wenn es ausgeliefert wird. Das muss von Anfang an passen. Sobald es in die Industrialisierung geht, ist aufgrund der Arbeitssicherheit und der Prozesssicherheit dies nicht mehr möglich. Rezepturentwicklung muss zu 100 % sicher sein. Auch der Abschaffung von Budgets stehe ich kritisch gegenüber. Die Frage ist hier: Wie schaffe ich Verbindlichkeit und gebe Sicherheit? Durch Budgets und durch Zielauflösungsprozesse, was Teil eines Budgets ist, schaffen wir Verbindlichkeit in einer Organisation. Die Key-Frage ist: Wie erreichen wir unsere Ziele, wie folgen wir unserer Vision, ohne dass wir Ziele setzen und mit Budgets arbeiten, ohne dass wir mit Verbindlichkeit und Sicherheit arbeiten? Ulrich Egle: Was bedeutet Agilität für die Organisationsentwicklung in der Finanzfunktion? Monika Vasconcelles: Für das agile Arbeiten in einem Unternehmen ist ein wichtiges Merkmal das richtige Mindset. Somit ist dies die Voraussetzung, dass sich agile Arbeitsweisen im Team einstellen und eine Anpassungsfähigkeit an neue Situationen gelebt wird oder neue Chancen rasch erkannt, geprüft und, falls sinnvoll, genutzt werden. Folgende Eigenschaften sind wichtig für ein agiles Mindset: Eigenverantwortung der Mitarbeiter, offene Kommunikation, Wertschätzung, ergebnis- und dienstleistungsorientiertes Denken und Handeln, Flexibilität. Es gilt zu definieren, was agil für die Finanzfunktion bedeutet und dies ist wiederum verbindlich. Es hilft, ein Manifest mit Grundsätzen und Verhaltensweisen zu entwickeln, an die sich seine Mitarbeiter halten. Ein solches Regelwerk hilft, Prioritäten zu setzen und jedes Teammitglied in die Pflicht zu nehmen.
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Die Frage ist immer, wann ist welche Organisationsform und in diesem Moment auch, welche Unternehmenskultur ist die Richtige. Eine Erfahrung bei der Menu and More AG war die Einführung des neuen ERPs. Die Einführung des ERPs ist agil verlaufen. Zu Beginn des Projektes mussten wir entscheiden, ob wir die Einführung klassisch nach Wasserfall-Methode mit einem detaillierten Anforderungskonzept machen. Dieses wird umgesetzt und ist auch das Resultat. Oder dann die agile Methode, welche wir gewählt haben, welche wir heute wahrscheinlich so nicht mehr machen würden: Das Endresultat ist nicht bekannt und Auftraggeber/Auftragnehmer entwickeln iterativ die Lösung, bis es stimmt. Im Rückblick hätte man das Detailkonzept noch machen sollen. Die agile Form ist in diesem Fall viel unverbindlicher für den Auftragnehmer. Das ist meines Erachtens auch mit der Hauptgrund, warum ERP-Einführungen oft viel mehr kosten, als am Anfang budgetiert wurde. Agil heißt nicht unverbindlich. Agil ist auch umstritten. Ich denke, es kommt wirklich darauf an, bei welcher Aufgabe/Thema man die agile Form wählt und sich dessen bewusst ist, was agil bedeutet und genau zu definieren, was die Rahmenbedingungen sind. Ulrich Egle: Wie lässt sich ein Unternehmen von einer hierarchischen Organisation zu einer agilen Organisation überführen? Monika Vasconcelles: Bei der Unternehmensstruktur ist Menu and More AG hierarchisch aufgestellt. Wir wollen Risiken vermeiden, effizient sein. Ein Stück weit sind wir auch bürokratisch mit den ganzen ISO-Normen und OR/FER Rechnungslegung aufgestellt: Wir sind standardisiert, zuverlässig und etabliert. Der andere Punkt ist die Unternehmenskultur, der Mindset. Dort ist Menu and More AG eher im Bereich agile: Wir sind schnell, weil wir Kompetenzen und kurze Entscheidungswege haben, können innerhalb von kurzer Zeit etwas diskutieren und entscheiden. Somit lebt Menu and More AG schon ganz viele Aspekte von Agilität. Die Frage ist auch: Wo ist der Unterschied zwischen agil und dynamisch. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre agil schon fast ein Reizwort. Viele denken, mit agil ist es unverbindlich. Es mag durchaus sein, dass viele Projekte agil durchgeführt werden können und so auch gut funktionieren. Aber das ist dann der Fall, wenn man nicht weiß, wo das Ziel ist und wohin die Reise gehen soll. Bei der Menu and More AG werden verschiedene Führungsstile je nach Führungsaufgabe gelebt. Beispielsweise, wenn eine Aufgabe erledigt werden muss, kommt der Führungsstil rot zum Einsatz = ANWEISEN. Eine Führungskraft reagiert auf Abweichungen und weist an. Hierarchie, Standards und Normen sind durch die Organisation geregelt. Das Führungsvorgehen ist pragmatisch, die Standards und Weisungen werden eingehalten und die Ergebnisse werden kontrolliert. Dies ist bei uns überall dort der Fall, wo wir Standards und Lebensmittelsicherheitsnormen einhalten müssen, zum Beispiel in der Produktionsküche oder im Bereich der Finanzbuchhaltung, wo Rechnungslegungsstandards OR/FER in Anwendung kommen. Agil funktioniert nicht bei Rechnungslegungsstandards, hier ist kein Freestyle möglich. Monatsabschlüsse und Jahresabschlüsse müssen am Tag X
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abgeliefert werden, diese Termine können nicht einfach verschoben werden, gerade auch wenn man in einer Konzernstruktur eingebettet ist. Wenn eine Führungsaufgabe optimiert werden soll, kommt der Führungsstil grün = ABSTIMMEN zum Einsatz. Die Führungskraft gibt die Richtung vor, stimmt sich aber in den einzelnen Führungsbereichen mit den anderen Betroffenen ab. Sie klärt mit dem Auftraggeber den Auftrag ab, prüft die Machbarkeit und strukturiert und priorisiert die Aufgaben. Das Führungsvorgehen ist strukturiert und die Realisierung koordiniert. Bei Führungsbeziehung geht es darum, Gemeinsamkeiten zu erkennen, Differenzen zu bereinigen, Konflikte zu lösen und periodisch abzustimmen. Dies ist bei uns der vorherrschende Führungsstil, der wenn immer möglich angewendet wird. Auch bei den Innovationen und Produktentwicklungen kommt vor allem dieser Führungsstil zur Anwendung. Bei der Umsetzung legen wir großen Wert darauf, dass die Mitarbeiter Verbesserungspotenzial erkennen und optimieren und das Kader diese führen kann. Wenn es ums Erneuern geht, kommt der Führungsstil blau = ENTWICKELN zum Einsatz. Das Team übernimmt die Selbstführung. Die Führungskraft schafft den nötigen Rahmen und unterstützt Mitarbeitende bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten zur Selbstorganisation. Die Führungsaufgabe ist, Chancen für Innovation zu erkennen und Raum dafür zu schaffen. Das Führungsvorgehen ist agil anzupassen und der Selbstorganisation zu überlassen. Bei der Führungsbeziehung geht es darum, dem Gegenüber Mut und Selbstvertrauen für neue Wege zu erzeugen. Allgemein gibt es nur etwa 2 % aller Unternehmen, welche nach diesem Führungsstil arbeiten. Man kann durchaus die hierarchische Organisationsstruktur mit den ganzen Basics wie Gesetzgebungen und Normen respektieren und berücksichtigen und trotzdem ein Mindset schaffen einer agilen Unternehmenskultur, welche bereit und offen für Veränderungen und Entwicklungen ist. Dafür braucht es meines Erachtens ein klares Verständnis für jede Rolle und die Strukturen und Fähigkeiten müssen neu aufeinander abgestimmt werden. Zudem ist die Unterstützung der Führungskräfte der Unternehmung wichtig sowie die Zustimmung derjenigen, die den Weg mitgehen. Um nochmals auf die verschiedenen Führungsstile zurückzukommen, sehe ich es so, dass viele Bereiche die Basis rot haben (z. B. Finanzen OR/FER), aber im Umgang anschließend fließen oft grüne und blaue Führungsstile mit ein. Es ist nicht ein entweder oder, sondern viel mehr ein sowohl als auch. Aus beiden Welten die best-passende Organisationsform für die jeweilige Aufgabe auszuwählen. Es gibt keinen einheitlichen Ansatz für die Anwendung, sondern jedes Unternehmen hat unterschiedliche Bedürfnisse, Restriktionen und Anforderungen. Bei der Menu and More AG würde eine reine agile Organisationsform im Kerngeschäft nicht funktionieren. Überall dort, wo es um effiziente und industrialisierte Abläufe und Prozesse wie Supply Chain mit strukturierten Arbeitsbereichen hineingeht und nicht mehr um kommerziell kreativen Verkauf, Vertriebslösungen, Marketing und Produktionsentwicklung geht, ist agil schwierig anzuwenden. Beispielsweise müssen in der Produktionsküche unsere Rezepte von den Köchen strikt eingehalten werden, da ist es
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nicht möglich, agil zu kochen. Hingegen wenn eine Verwaltungsratssitzung bei uns abgehalten wird und anschließend ein 5-Gang-Menü kredenzt wird, ist dem Chefkoch freie Hand erlaubt und er kann aus dem Vollen schöpfen, was die Kreativität des Menüs angeht. Es werden ihm bis auf unsere Nachhaltigkeitsstandards keine Grenzen gesetzt. Dort ist agil-pure. Ulrich Egle: Welche Erfahrungen haben Sie mit organisatorischen Silos gemacht? Monika Vasconcelles: In größeren Organisationen ist das Silodenken ausgeprägter aufgrund der hierarchischen Führungsstrukturen. Das kann ein Vorteil bei kleineren Organisationen sein. Bei größeren Organisationen braucht es ein gutes Change-Management und eine klare Ausrichtung sowie die Unterstützung der Geschäftsleitung, um die Veränderungen zu begleiten. Widerstände wie die Prozesse sind zu komplex, zu individuell oder wir haben es immer schon so gemacht, sind deutliche Zeichen einer Abwehrhaltung. Das Ziel und der Sinn und Zweck muss allen verständlich sein. Der wesentliche Mindset ist hier: weg von Abteilungsleitern hin zu Prozessverantwortlichen. Ulrich Egle: Was zeichnet für Sie ein erfolgreiches agiles Team aus? Monika Vasconcelles: Hier nehme ich Bezug auf die erste Frage mit den vier Grundprinzipien – Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans. Agile Teams sind sehr adaptiv und verlangen von sich eine hohe Anpassungsfähigkeit. Jedoch bedeutet das nicht, dass agile Teams keinen Plan haben, willkürlich, sprunghaft oder chaotisch arbeiten. Agile Teams sind auf ein Ziel fokussiert, weichen aber auch gerne vom eigentlichen Plan ab, wenn es für das Team, die Organisation und den Kunden sinnvoll ist und es Aussicht auf einen höheren Wertbeitrag gibt. Der wichtigste Faktor hier ist der Mindset: Die Mitarbeiter wollen Eigenverantwortung übernehmen. Die Fähigkeit, im Team alles kollektiv zu reflektieren, was passiert ist und bei Bedarf anzupassen. Eine spannungsorientierte Zusammenarbeit im Sinne von Spannungen wahrzunehmen und anzusprechen, nicht nur zwischenmenschlich, sondern auch operativ oder strukturell. Und wie schaffen wir es, dass wir Spannungen und Konflikte bearbeiten können und gestärkt aus diesem Prozess herausgehen? Dies ist für mich nicht unbedingt agil, sondern gehört für mich generell in einen ausgewogenen Führungsstil miteinbezogen. Es braucht eine Offenheit und Konfliktbereitschaft, wie man mit Spannungen und Veränderungen im Team umgeht – Stichwort positiv Leadership. Weitere wichtige Erfolgsfaktoren sind Respekt und Akzeptanz aller Mitarbeiter, sich als Teil von etwas Größerem sehen sowie die Kommunikation. Hierarchisch gesehen funktioniert agil wunderbar auf höheren Kaderstufen, da diese Mitarbeiter eher gewohnt sind, sich mit Purpose/Zweck auseinanderzusetzen. Die Herausforderung ist, dass agil trendy ist und einer modernen Arbeitsform auf hoher Verantwortungsstufe entspricht. Aber je weiter unten in der Hierarchie merkt man, dass die Mitarbeiter den Mindset und den Reifegrad nicht leben.
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Ulrich Egle: Welche Bedeutung hat die Unternehmenskultur für eine erfolgreiche agile Transformation der Finanzfunktion? Monika Vasconcelles: Die Unternehmenskultur ist der Grundstein für eine erfolgreiches Miteinander. Dabei sind die Werte eines jeden Mitarbeiters zentral. Werte wie Eigenverantwortung, Offenheit, Selbstermächtigung, Neugierde, Persönlichkeitsentwicklung sind für mich zentrale Werte, die die Mitarbeiter mitbringen sollen und in einer Unternehmenskultur gelebt werden sollen. Ulrich Egle: Brauchen die Mitarbeitenden in einer agilen Finanzabteilung klare Vorgaben oder agieren sie frei und unabhängig? Monika Vasconcelles: Wie schon unter der ersten Frage aufgeführt, braucht es ein Manifest oder Grundprinzip, welches für die Mitarbeiter verpflichtend ist. Man dreht das Paradigma. Anstatt starre Hierarchien und Strukturen zu leben, werden die Strukturen zu mehr funktionsübergreifender Zusammenarbeit geöffnet. Wir haben Vertrauen in unsere Mitarbeiter, dass die Mitarbeiter in unserem Sinn und Zweck die Organisation vorwärtsbringen. Was heißt dies nun für den Bereich Finanzen? Für den operativen Finanzbetrieb mit Buchführung, Gesetzgebungen, Konzernrichtlinien etc. kann Agilität nicht angewendet werden. Hingegen ist dies sehr gut möglich bei Veränderungen, Prozessen und Strukturen. Bei Agilität geht es mehr darum, wie das Team mit Problemen umgeht, als mit den Werkzeugen, mit denen sie gelöst werden. In einem agilen Umfeld wird von den Mitarbeitern erwartet, dass sie regelmäßig kommunizieren, da das Feedback wichtig ist, um den Teamgedanken zu verbessern. Die ständige Lernfähigkeit bedeutet, dass das Scheitern akzeptiert und Lernen zugelassen wird. Der Fokus ist mehr auf dem Mitarbeiter. Ulrich Egle: Welche (neuen) Kompetenzen brauchen die Mitarbeitenden in einer agilen Finanzfunktion? Monika Vasconcelles: Hier nehme ich wieder Bezug auf die erste Frage mit den vier Grundprinzipien – funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation. Der zweite Leitsatz bringt die hohe Wert- und Ergebnis-Fokussierung agiler Teams zum Ausdruck. Für einen Agilisten ist es wichtiger, eine Aufgabe oder zumindest einen Teilaspekt zu erledigen, als sich nur mit einer Dokumentation oder Präsentation aufzuhalten. Weiter sind zentrale Kompetenzen wie Kommunikations- und Teamfähigkeit, ständiges Lernen und Feedback, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. Ulrich Egle: Wie schafft man ein erfolgreiches Onboarding von neuen Mitarbeitenden in einer agilen Finanzfunktion? Monika Vasconcelles: Bereits bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern ist es wichtig, dass die Bewerber die agile Mentalität mitbringen. Wenn die Werte des Mitarbeiters mit den Grundprinzipien des Unternehmens nicht übereinstimmen, sind von vorherein Herausforderungen mit den neuen Mitarbeitern vorprogrammiert. Anschließend ist es wichtig, die neuen Mitarbeiter von Grund auf in die Unternehmenskultur einzuführen und die Message von agile Finance von Anfang an vorzuleben.
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Ulrich Egle: Funktioniert agile Finance auch bei hybriden Arbeitsformen? Monika Vasconcelles: Hier nehme ich wieder Bezug auf die erste Frage mit den vier Grundprinzipien – Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge. Das heißt, der Mensch steht im Fokus und der direkte Austausch ist wichtiger als Formalismen. Das heißt, jeder noch so ausgefeilte und gut dokumentierte Prozess kann ein persönliches Gespräch nicht ersetzen. Die Forderung ist, dass ein Team räumlich möglichst eng zusammensitzt. Durch die räumliche Nähe wird die osmotische Kommunikation gefördert. Ulrich Egle: Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der Finanzfunktion? Monika Vasconcelles: Die Rolle der Finanzorganisation entwickelt sich von einem Zentrum für Kostenkontrolle, Kalkulation und Reporting zu einer vorausschauenden Finanzfunktion, das mit den Analysen einen Mehrwert im Geschäftsmodell schafft. Größere Unternehmen verwalten bereits heute das Rechnungswesen in Shared Service Centern, um die Effizienz und Servicequalität zu verbessern. Ebenso sehe ich hier den Mehrwert von Datenanalysen BI/KI als Chance zur Unterstützung des Kerngeschäftes, für Prognosen und noch besseren Entscheidungsträgern. Ulrich Egle: Frau Vasconcelles, zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wie sehen Sie Ihre zukünftige Rolle als CFO in einem agilen Unternehmen? Monika Vasconcelles: Die fachlichen Kompetenzen im Bereich Datenanalyse/Big Data und deren Visualisierung, die Finanzplanung/-Analyse und die Fähigkeit zur Einflussnahme sind aus meiner Sicht wichtige Qualifikationen, welche der heutige wie auch zukünftige CFO mitbringen. Daneben sind aber die sozialen Kompetenzen genauso wichtig: CFOs betrachten die Veränderungsprozesse als Möglichkeit zur kontinuierlichen Verbesserung und nicht als planbare Ergebnisse mit einem Enddatum. Dabei übernehmen sie eine Vorbilds- und Coaching-Funktion mit einem Growth-Mindset, indem sie die richtigen Dinge machen, anstatt nur Dinge richtig machen. Und zuletzt sollten CFOs auch Botschafter sein im Sinne von: Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe. Eine gute agile Führungskraft versteht es, Menschen zu motivieren. Mein Fazit: Das Zitat von Heraklit von Ephesus, 535–475 v. Chr. «Nichts ist so beständig wie der Wandel» scheint auch heute noch genauso aktuell zu sein wie vor circa 2500 Jahren. Agilität im Finanzbereich bedeutet für mich schlussendlich stetiges Überprüfen, Lernen und Verbessern. Ulrich Egle: Frau Vasconcelles, vielen Dank für das Gespräch. Menu and More AG
Die Menu and More AG, ein Unternehmen der Eldora-Gruppe, ist eine renommierte und mehrfach zertifizierte Verpflegungsanbieterin mit 60 Mitarbeitenden aus
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14 Nationen, welche sich auf die Zubereitung und die Lieferung von gesunden und kindergerechten Menüs für Mittagstische von Schulen und Krippen spezialisiert hat. Über 580 Institutionen in der ganzen Deutschschweiz vertrauen mittlerweile auf die frischen Menüs und den persönlichen Service. menuandmore liefert klimaneutral von der Zubereitung über die Verpackung bis in den Kühlschrank des Mittagstisches alles aus einer Hand und erwirtschaftet damit einen Umsatz von rund CHF 21 Mio. jährlich. Nachhaltiges Wirtschaften, Vertrauen und Fairness werden GROSS geschrieben. Monika Vasconcelles ist seit Oktober 2020 Leiterin Finanzen, Controlling und bei Menu and More AG. Die HBM-Absolventin und ausgezeichnete CFO of the Year 2020 in der Kategorie KMU Schweiz übernimmt gleichzeitig auch die Stellvertretung der Geschäftsführung. Monika Vasconcelles war langjährige Chief Financial Officer bei Läderach (Schweiz) AG und Mitglied der Geschäftsleitung. Prof. Dr. Ulrich Egle ist Professor für Controlling am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Nach dem Studium der technisch orientierten Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart promovierte er an der Universität Bern. In der Ausbildung, Weiterbildung und Praxis hat er sich auf Trends und Transformation der Finanz- und ControllingFunktion spezialisiert. Er entwickelt Organisations- und Kompetenzmodelle für CFOs und Mitarbeitende in der Finanzfunktion, um sie für die agilen, digitalen und nachhaltigen Herausforderungen in den Unternehmen vorzubereiten.
Literatur 1. Beck K, Beedle M, van Bennekum A, Cockburn A, Cunningham W, Fowler M, Grenning J, Highsmith J, Hunt A, Jeffries R, Kern J, Marick B, Martin R, Mellor S, Schwaber K, Sutherland J, Thomas D (2001) Manifesto for Agile Software Development. https://agilemanifesto.org/ iso/de/manifesto.html. Zugegriffen: 19. Juni 2022. 2. Oracle (2022) What is agile finance? https://www.oracle.com/ch-de/erp/agile-finance/what-isagile-finance/. Zugegriffen: 19. Juni 2022.
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Corporate transformation: Five success factors The Galderma example Thomas Dittrich und Emil Ivanov
Abstract
Transformations are complex change programs that profoundly reshape organizations with the goal of making them more competitive, healthier, and better poised for sustainable and profitable growth. Normally a multi-function, multi-year program, led by top management, a transformation impacts the entire organization, creating value by upgrading the current organization’s structure, processes, and technology. A company’s finance function typically plays a key role in such a transformation, with the Chief Financial Officer (CFO) acting as the companywide transformation leader and overall program sponsor. Five factors are critical to delivering a successful company-wide transformation: 1. 2. 3. 4. 5.
Cost transformation as a catalyst for growth. End-to-end approach to scoping the program. North Star mentality in ambition setting while also driving a fit-for-purpose design. Paced, front-loaded initiative design and relentless leader-led execution. Transformation as an authentic opportunity to assess and develop talent. Examples of successful transformations can offer practical insights and lessons learned to others planning such a program. This article reflects on the five key success
T. Dittrich (B) · E. Ivanov Zug, Switzerland E-Mail: [email protected] E. Ivanov E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_8
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T. Dittrich and E. Ivanov
factors and how they can be deployed, using the Galderma transformation as a case study.
8.1
Transformation Program at Galderma
Transformations are complex change programs that profoundly reshape organizations. They typically target a step change improvement in the way a company operates, with the goal of making it more competitive, healthier, and better poised for sustainable and profitable growth. The goal is to allow companies to build a strategic competitive advantage within a few years, something that is outside of the typical incrementalistic business as usual approach. Such a multi-function, multi-year program, normally led by top management, impacts the entire organization, creating value by rethinking and transforming the current organization’s structure, processes, and technology. In theory, occasionally undertaking a transformation should be an obvious move for almost every company looking to increase its competitiveness. However, successfully designing and implementing a transformation program is complicated. As per a recent McKinsey study, only ~ 30% of transformation efforts succeed [1]. There are several reasons why transformations fail, such as embracing aspirations that are not lofty enough or sufficiently fact-based, not sharing the ambition with all levels of the organization, and simply poor execution. Research has demonstrated that transformation success relies on a comprehensive approach and is more likely to be achieved when companies take a greater number of actions within a single transformation cycle. A transformation can also fail in the longer term, even after a successful initial implementation. This occurs when a company is neither able to sustain the impact achieved nor manages to embed best-practice processes into the new normal. Examples of successful transformations can offer practical insights and lessons learned to others planning a similar program. One such example is Galderma, a company that in 2019 was carved out of Nestlé and acquired by a private equity consortium led by EQT. With a unique legacy in dermatology and decades of cutting-edge innovation, Galderma offers a science-based portfolio of premium flagship brands and services that span the full spectrum of dermatology, ranging from injectable aesthetics to dermatological skincare and therapeutic dermatology. As a pure-play dermatology category leader, Galderma is driven by a unique purpose: advancing dermatology for every skin story. With more than 5700 employees, 2021 net sales of USD $3.4 billion, and a presence in over 90 markets, Galderma operates on a truly global level. To support its transition to a stand-alone company and enable double-digit growth rates for years to come, Galderma initiated a large, management-led, end-to-end transformation program in October 2019. A company’s finance organization typically plays a key role in such a transformation, with the Chief Financial Officer (CFO) acting as the companywide transformation leader and overall program sponsor. He or she must steer the crucial reinvestment of benefits
8 Corporate transformation: Five success factors
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obtained from the transformation program to support the company’s capital allocation priorities. Galderma’s story is no exception. The transformation was initiated, designed, and implemented under the leadership of Galderma’s CFO, Thomas Dittrich. Before joining Galderma, Dittrich and his team gained extensive experience in transformation settings across various companies and sectors, including Dell, Amgen, and Sulzer. By learning from past experience and applying it to Galderma, they identified five factors critical to delivering a successful company-wide transformation program: 1. 2. 3. 4. 5.
Cost transformation as a catalyst for growth End-to-end approach to scoping the program North Star mentality in ambition setting while also driving a fit-for-purpose design Paced, front-loaded initiative design and relentless leader-led execution Transformation as an authentic opportunity to assess and develop talent
Although each of these factors is relevant per se, failing to deliver on even one can endanger the overall transformation. Therefore, we believe that it is essential to address all five factors in combination, while also continuously adjusting to the ever-changing business context. This article reflects on these five key success factors and how they can be deployed, using the Galderma transformation as a case study.
8.2
Cost Transformation as a Catalyst for Growth
A profound holistic business transformation must be grounded in a clear and coherent corporate strategy and the deep conviction of top management and shareholders. This was the case for Galderma following its October 2019 acquisition by a private equity consortium led by EQT.
8.2.1
Strategic Rationale Behind the Transformation
After its inception in 1981 as a joint venture between L’Oréal and Nestlé, the company transitioned into a fully owned division of the latter. In October 2019, once it became a stand-alone company, Galderma’s purpose, strategy, and operating model needed to be revisited. A new top management team (who had also previously worked together) assumed control. They had a clear vision and plan for the company: removing complexity, transitioning to a fit-for-purpose integrated setup, and redirecting capital allocation towards innovation. They believed that this was needed to unlock Galderma’s full potential and achieve pure-play category leadership in dermatology.
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T. Dittrich and E. Ivanov
As the first order of business, Galderma’s management team reaffirmed the strategic choice, underpinned by secular growth fundamentals, to operate in the attractive USD $60 billion global dermatology market, the fastest growing area in the greater self-care arena (CAGR 2020-2025E of 10%). Next, the team defined how it would compete, leveraging its unique advantage as the only scaled, pure-play dermatology company with a trusted consumer heritage and partnerships with healthcare professionals. Galderma chose to refocus and become a simple, coherent, and integrated dermatology company meeting the entire spectrum of needs of both consumers and healthcare professionals. Such needs would be addressed through an omnichannel go-to-market strategy, from direct-to-consumer to prescription channels. The operating model was to be reoriented toward the consumer, with dermatology serving as a common platform. The strategy was strongly supported by a portfolio of premium brands and services across three product categories: injectable aesthetics, dermatological skincare, and therapeutic dermatology (Abb. 8.1). Following the delineation of Galderma’s fundamental strategic choices, the management team moved to align their capital allocation priorities with the new corporate strategy. As a growth company, Galderma increased its investment in organic growth and innovation. From 2018 to 2021, the company expanded its research and development (R&D) spend as a percentage of net sales by more than half, escalating its top-rated dermatologist salesforce and boldly investing in premium positioning across various channels, including rapidly expanding its digital capabilities. To accelerate its organic growth, in 2021, Galderma invested an additional USD $350 million in R&D and sales and marketing over the 2018 amount. With a global team of over 640 R&D professionals, Galderma initiated approximately 400 clinical trials across more than 20 indications and obtained 80 major regulatory approvals between 2018 and 2021. The renewed emphasis on innovation allowed Galderma to significantly increase new product launches, from only 5 in 2019 to over 25 per year in 2020 and 2021. Galderma also complemented its pipeline with focused, highly differentiated, bolt-on external innovation, such as through its exclusive co-development agreements for novel technologies in dermatology and the acquisition of Alastin, the fastest-growing physician-dispensed skincare brand in the United States. Alastin offers a premium skincare portfolio that is fully incremental to and synergistic with Galderma’s integrated dermatology platform. As a result, Galderma has demonstrated accelerated performance momentum. In 2021, Galderma generated net sales of USD 3417 million, a 12.7% 2019 to 2021 Constant Currency CAGR. Galderma also demonstrated remarkable resilience during the COVID19 pandemic, when its topline continued to expand, even while key competitors saw sales reductions. In addition, Galderma delivered double-digit core EBITDA expansion across the 2019 to 2021 period (a core EBITDA of USD 712 million in 2021), driven by its strong net sales growth, a shift towards more profitable products, and cost savings from the ongoing end-to-end transformation of its operating platform; these occurred while also substantially accelerating its investment in R&D and sales and marketing.
Online
RelabotulinumtoxinA (QM-11144) in development as next generation liquid neuromodulator
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Injectable Aesthetics
DTC1
Consumer
Dermatological Skincare
Retailers
Pharmacies/ Other
Growing consumer-driven decision making ~180,000 Healthcare professionals targeted in CRM2
Nemolizumab4 in Ph. 3 trials as next generation therapy for neuroimmune mediated skin diseases
Therapeutic Dermatology
~1,500 sales force2
Healthcare professionals
Abb. 8.1 Galderma at a glance
1. Direct-to-consumer | 2. Globally, data as of July 2021 | 3. Marketed under the brand name of Azzalure for aesthetic use in the EU and Dysport in the rest of the world for aesthetic indications | 4. Investigational drug currently under clinical study, not approved for any indication in any jurisdiction – applies throughout the document
Flagship brands
Truly omnichannel strategy
Whole spectrum of consumers and healthcare professionals
8 Corporate transformation: Five success factors 113
114
8.2.2
T. Dittrich and E. Ivanov
Transitioning to a Fit-For-Purpose Integrated Setup
The above growth-oriented reallocation of capital was only possible because of the decisive action to liberate funds through the immediate elimination of complexities and unproductive spending, procurement optimization, and most importantly, a structural transformation of Galderma’s corporate platform and operations (Abb. 8.2). The management team quickly recognized that the strategic imperative to make funds available and reinvest in growth was complemented by the necessity of building an integrated, fit-for-purpose, scalable platform that would enable the envisioned growth acceleration. Galderma needed to move away from the many silos and duplicate structures inherited from its previous position as a division of a large multinational corporation. Galderma needed to reshape itself into a single, fit-for-purpose, common platform to enable its integrated dermatology strategy. The Galderma team had also learned from previous experience that organizations that are more agile and feature leaner cost structures are most likely to be resilient to disruptions and better suited to support growth ambitions, a conviction that later proved decisive in Galderma successfully weathering the disruptions the world encountered during the COVID-19 lockdowns. Thus, the transformation became one of the three strategic imperatives for the company over the first 3 years of its independence, along with delivering strong profitability and sustainable growth. To achieve its goals, the transformation would need to activate three levers in parallel (as referenced in Abb. 8.2), following an end-to-end approach.
8.3
End-to-End Approach to Scoping the Program
A fit-for-purpose integrated platform was central to the corporate strategy Galderma defined. A multi-year effort of this sort champions new ways of working and helps bring those ways to life. When the Galderma team scoped their transformation program, they needed to ensure that it was comprehensive and all critical processes, tools, and organizations were included, guaranteeing a fit-for-purpose future setup that would support the company’s growth ambitions. All enabling functions (i.e., Finance, HR, IT, Procurement, Legal, Manufacturing, Supply Chain, and various commercial functions) were invited to contribute ideas. However, there was one condition: suggestions had to follow an end-to-end approach, breaking silos and functional limitations. Leaders and teams were challenged to leave the comfort zone provided by their respective functions and take full responsibility for the quality of input, speed, and effectiveness of handovers, as well as the output of their work. Instead of designing processes and tools that only solved the needs of a single function, teams were asked to develop solutions spanning the full customer value chain (Abb. 8.3).
New skills and capabilities
Abb. 8.2 Scoping the transformation in the context of growth acceleration
Focus on value added activities
Deeper data, insights and visibility
Improved accuracy and efficiency
Optimization of existing and introduction of new best-in class tools
Growing into new and expanding geographical markets
Transformation - value to employees
Automation and centralization of activities leveraging Shared Services
Global standardization and simplification of processes, removing non-value add activities
…Funded by & enabled through a fit-for-purpose platform transformation
Expanding portfolio with new solutions for patients and consumers
Accelerating strategic innovation pipeline across 3 product categories
Growth acceleration…
8 Corporate transformation: Five success factors 115
Local support function
Finance
From
HR
Local support function
Corporate center
Siloed functions
IT
Local support function
Procurement
Supply Chain Finance
Local support function
To
Abb. 8.3 End-to-end approach applied to process optimization and the operating model
Operating model
Processes
ILLUSTRATIVE
Order to cash
Source to pay
Record to report
Shared service center
Local support function
Corporate center
Local support function
End-to-end processes
Integrated IT processes and systems
Supply Chain
Global and regional off-shore centers
Procurement
Integrated Business Planning
IT
Integrated HR workflow management
HR
Finance-related
116 T. Dittrich and E. Ivanov
8 Corporate transformation: Five success factors
117
The end-to-end approach became a founding principle for the setup and execution of the program, with management applying it to each of the following three levers: 1. Standardization and simplification of processes. 2. Automation of activities and centralization of the operating model to leverage global shared services. 3. Digitization and optimization of existing and introduction of new best-in-class tools. Leaders were asked to propose and subsequently develop initiatives and business cases that would optimize activities across the full customer value chain, including areas such as integrated business planning, record-to-report, source-to-pay, and order-to-cash, as well as an additional development of integrated HR and IT processes and systems. Process simplification and standardization were to be aided by the establishment of Global Business Services (as illustrated in Abb. 8.3), eliminating significant duplications and inefficiencies while simultaneously increasingly utilizing skilled talent pools located away from high-cost locations. The operating model for these enabling functions also transitioned to a globally aligned functional model, away from the previous practice of enabling functions reporting to regional commercial organizations. This transition facilitated functional leaders to take full ownership of the efficiency and effectiveness of their setup and developing plans regarding how best to make use of Global Business Services to optimize their areas of responsibility. Given its separation from a large multinational corporation with full-scale infrastructure support, Galderma had the rare opportunity to build a fit-for-purpose blueprint for its target IT infrastructure, such that it could support the end-to-end approach to process optimization. Drawing upon expert support, Galderma developed a comprehensive IT roadmap designed to support the envisioned integrated corporate platform and its commercial needs, especially with a view to digital elements and analytics. The blueprint was built based on cloud technology to deliver one single source of truth, effective and efficient end-to-end processes, and commercial infrastructure (Abb. 8.4). Recognizing the objectives mission-critical to enabling long-term growth, the transition towards stand-alone fit-for-purpose systems, and business resilience, the Galderma team approached the transformation as a once in a lifetime event that had to be done right from program scope to team setup, initiative ideation, and detailed design, and eventually to implementation and results tracking. Above all, the core team sought to ensure that the broader Galderma management team owned the transformation and felt proud of and accountable for the new Galderma they were creating. Instead of merely commissioning a top-down cost exercise with one of the major consulting firms, the CFO did the opposite and gathered the top 100 leaders to announce the Platform and Growth Initiative (widely referred to within the company as the PGI) and called for their ideas in two areas: (1) how to simplify the corporate platform and (2) accelerate sales growth.
Record to report (R2R)
Order to Cash (O2C)
Integrated Business Planning (IBP) Produce to Sell (P2S)
HR
IT operating model
Abb. 8.4 Leveraging cloud technology to deliver effective and efficient E2E processes
Insights & Master Data Management Implement a new governance, enablement & technology that addresses global and local data needs
Application/ERP harmonisation (ERP) Create added business value by leveraging synergies between existing ERPs and implementing standardized ERPs at a global level
Source to Pay (S2P)
E2E Processes Optimize, standardize, automate, integrate and centralize processes across the organization
ILLUSTRATIVE EXAMPLES
118 T. Dittrich and E. Ivanov
8 Corporate transformation: Five success factors
119
From its inception, the transformation was perceived as a Galderma leader-led program, with company leaders taking full accountability for ambition setting, initiative design, and implementation, although at different stages they were supported by external parties as necessary to incorporate specific content expertise, best practices, and implementation support. The CFO and core team went as far as to invite Galderma’s commercial and functional leaders to make their commitment to the transformation program personal. Ahead of one workshop, during the peak period of COVID lockdowns, commercial leaders were asked to present their ideas for growth. The core team invited them to shoot a 2-minute personal video introducing their improvement ideas and what they meant to them personally. Even if the request initially raised eyebrows, it did produce very personal messages that were shared with the broader project team. This exercise set the tone for the program in a way that was very different from the standard corporate reorganization project. It was seen as a new beginning for Galderma despite Covid restrictions and embraced with an open and collaborative spirit as an opportunity for all engaged leaders to rewire the organization for what was needed for the future.
8.4
North Star Mentality in Ambition Setting While Driving a Fit-For-Purpose Design
Previous transformation experiences at Dell, Amgen, and Sulzer shaped the Galderma core team’s conviction that two elements would be critical to setting the appropriate ambition levels: 1. Baselining to build an objective set of facts and numbers for use in rapidly identifying areas of opportunity and removing inefficiencies, and 2. North star ambition setting, seen as essential for carrying a transformation premium.
8.4.1
Baselining
Before the program was initiated, Galderma had already commissioned a thorough activity-based benchmarking effort that focused on 80% of spend. True to the end-toend scope the team had defined for the transformation, the activity-based nature of the exercise was to quantify the full cost to the organization of a given process (e.g., recordto-report), regardless of the function to which the headcount and budget belonged in the accounting system. More importantly, involving a reputable baselining firm ensured that the output was benchmarked against similarly sized organizations. Within 6 weeks, the
120
T. Dittrich and E. Ivanov
Galderma team derived a country-by-country view of the efficiency levels of each function as compared to a tailored set of industry comparators. Although no comparator is perfect, the directional indication regarding which functions were inefficient initiated the right set of discussions and helped the team map and prioritize the long list of opportunity areas. Creating the Galderma baseline also provided the foundation for tracking the impact of the initiatives that were about to be designed and initiated. Two and a half years into the process, the team still held itself accountable for the progress it made on the initial benchmarks that it had established at the beginning of the transformation. Especially in the absence of readily available external benchmarks for a given process or subprocess, it is crucially important to establish as-is indicators to create transparency at the starting point and frame areas of inefficiency. An example is the number of legal entities and bank accounts, which typically expand, causing complexity and generating excessive servicing costs over time. Creating transparency on the current state of the company and what it will cost to serve the as-is situation is highly useful and helps build conviction where there is room for optimization.
8.4.2
North Star Ambition Setting
The CFO also introduced the concept of North Star ambition setting before leaders at Galderma were asked to begin mapping ideas for improvement and evaluating their financial potential. In his experience, a natural trap for leaders would be to frame an ambition based on the current state. We refer to this approach as incrementalism, and years of experience had taught the Galderma team that it normally results in ambition levels substantially lower than the full potential of optimization. Therefore, the Galderma transformation teams were asked first to define their North Star, the measurable theoretical maximum performance or best-in-class practice required to attain peak levels of efficiency or effectiveness (which could be informed by available benchmarks and compared to the current state). Next, the teams were invited to deduct fact-based constraints that objectively prevented the organization from reaching the North Star goal or achieving the theoretical maximum. The resulting efficiency levels derived from such a process are often the most ambitious yet realistic stretch targets, and thus the best goals for detailed transformation initiatives. Based on their previous experience, the core team knew that the difference in approach between North Star ambition setting and incrementalism is typically between 2.5 × and 5 × greater improvement, as shown in Abb. 8.5.
8 Corporate transformation: Five success factors
121
Effectiveness
“North Star”
Realistic ambition
Incremental target Transformation premium As Is 2.5-5x
Efficiency
Abb. 8.5 Transformation premium
Here is how framing the appropriate level of ambition for an initiative would look, using the example of legal entity and bank account simplification. The first step the Galderma team took was to define the as-is indicators. They quickly established the following fact base: • Complex structure with 83 legal entities in 43 countries. • Highly fragmented bank account structure with a footprint across 60 different banks, spanning a total of 260 bank accounts in 43 countries. • Limited capability or tools to perform stand-alone treasury activities after the separation from Nestlé: no treasury management system (TMS) or practice of cash pooling and only limited cash forecasting managed manually. The team owning the transformation initiatives for this topic then framed the following hypotheses: • Each legal entity generates additional administrative activities and costs (e.g., tax reporting, year-end statement production and review, governance documents, maintenance of board members, audits and filings, etc.). • Each bank account generates costs (e.g., banking fees, cost of interface with the future TMS, know your client processes, maintenance of authorized persons for each bank account, etc.).
122
T. Dittrich and E. Ivanov
• TMS implementation will improve cash forecasting and management; significantly reducing the cash balance would decrease yearly interest paid (due to the negative interest rates at the time). Next, the team defined the appropriate level of ambition to serve as a starting point for scoping the future transformation initiative, as detailed in Abb. 8.6. Another message that needed to be discussed with the team before they were ready to detail their initiative plans and business cases was the importance of a fit-for-purpose design. Naturally, teams often aim high when asked to (re)design processes and tools and frequently the temptation is to pursue best-in-class solutions that may be excessively costly or provide unnecessary functionality and are more appropriate for very large and complex organizations. The teams were challenged with developing solutions appropriate for Galderma, a mid-sized company seeking to reduce complexity but foster growth ambitions, and avoid tools that would be cumbersome to implement or burden the organization with unaffordable running costs.
8.5
Paced, Front-Loaded Initiative Design and Relentless Leader-Led Execution
When the transformation team defined the timeline for the design phase of the program, they hoped to ensure a fast, front-loaded program that could quickly evolve through the steps of baseline definition, ambition setting, and initiative scoping. Years of experience had taught them that there was a spike in team morale and creative energy at the beginning of a new program, upon which they hoped to capitalize. In only 14 weeks, the core team managed to mobilize 100 + teams across 20 + countries to evaluate 300 + initial ideas, which resulted in 55 approved transformation initiatives with individual business cases and implementation plans. This was all while keeping the day-to-day business running, and in most countries working from home due to COVID-19 lockdowns. Beyond the highly motivated and experienced Galderma team, several additional factors made this possible: • • • •
Firm senior team commitment to the program. Centrally orchestrated stage-gate design process. Clear links connecting financials and operational and commercial planning. Disciplined implementation and rigorous program tracking.
Abb. 8.6 Application of the North Star approach to ambition setting for transformation initiative focused on legal entity & bank footprint simplification, cash pool, and TMS implementation
ILLUSTRATIVE EXAMPLE
8 Corporate transformation: Five success factors 123
124
8.5.1
T. Dittrich and E. Ivanov
Firm Executive Team Commitment to the Program
In a time of change and volatility, it was the visible commitment of the senior leadership team that most facilitated the success of the Galderma transformation program. This is clearly exemplified in two critical moments: initiation of the transformation and exhibition of resolve when the unexpected onset of the COVID-19 pandemic occurred. Initial engagement of the full management team was critical to ensuring that the program would receive the priority it required to deliver on its mandate. If the program was to be successful, it needed to be recognized as the Galderma transformation, and the full leadership team needed to show that it was the priority for every team in the company. The transformation team organized a series of off-sites to discuss the strategic imperative of designing and executing such a program and requested the personal commitment of each functional and commercial leader. The top 100 + leaders joined several program meetings and personally coordinated the initiative design and scoping work, personally (and mostly via Zoom) presenting and defending the merits of the individual proposals. The visible leadership commitment sent a clear signal that the transformation was everyone’s business, without excuses, and must be prioritized. Leadership’s engagement and widespread recognition of the importance of the transformation were even more decisive when the COVID-19 pandemic emerged in March 2020. The team had to decide whether or not to pause the design work for the transformation and refocus team capacity across the company on contingency planning and their COVID19 response. Galderma’s executive team chose to press on, recognizing that such an event made the need for transformation even more pronounced. They trusted that the energy of the organization and collective desire to co-create a stand-alone, fit-for-purpose integrated corporate platform that would accommodate the growth ambitions of the company was strong enough to complete the job, despite the additional pressure of the business impact of the pandemic. Transformation timelines were relaxed, and additional external support was provided, but the team did not fundamentally change the fast pace of the program design, something that would pay benefits at a later time.
8.5.2
Centrally Orchestrated Stage-Gate Design Process
A dedicated program management office (PMO) is a critical enabler when running an expedited transformation design, often assisting with targeted external capabilities to ensure pace, role, and process clarity for business leaders whose input has been requested. From the outset, the CFO appointed an experienced Head of Transformation who formed a small team that was fully focused on planning the transformation, establishing a baseline, and setting up a wider project team with a workstream and initiative leads. He also provided daily guidance regarding what needed to be done, and later in the process on execution troubleshooting and results monitoring. Above all, establishing a team
8 Corporate transformation: Five success factors
125
solely focused on the transformation helps set a recurring cadence, almost a drumbeat of planning and execution that shortens the timeline until initial results are visible. For Galderma, involving such a broad group of business leaders who were also responsible for running the day-to-day business and responding to events such as the COVID-19 pandemic required a very clear and pragmatic process. With regards to ideas identification and initiative scoping, the team adopted a stage-gate process that helped ensure a comprehensive list of ideas at the outset, which was progressively prioritized using standardized templates and a level of rigor that increased at each subsequent stage-gate review. Following the approach detailed in Abb. 8.7, the Galderma team began with 300 + improvement and growth ideas and worked through them in a span of 14 weeks, eventually ending up with 55 approved initiatives, each backed with a business case and implementation plan.
8.5.3
Clear Link between Financials and Operational and Commercial Planning
As the Galderma initiative teams advanced through the initiative funnel, the PMO team ensured that the financial benefit and value of each initiative could be measured and tracked. Beyond headcount and financial baseline serving as reference points for value capture, each initiative had to develop its own detailed business case, which entailed outlining how the projected savings would be reflected in the company’s profits and losses (P&L). Furthermore, each leader had to determine in which P&L line items the savings would appear and when those savings would be captured. Before the initiatives were reviewed, the respective P&L owners had to sign off on the business plan and accompanying implementation tactics. The P&L impacts of the approved initiatives were aggregated at the company level and reflected in the respective budgets and mid-term plans, often offsetting (and thus reducing) their normal business-as-usual spend levels. The same information was also channeled to the manufacturing and supply chain teams for sales and operations planning, as well as to commercial teams, so that the initiatives could be integrated into the commercial brand plans. The distinction from business as usual and clear link to the annual budget process was seen by the Galderma team as a critical step towards transparent value capture and accountability.
8.5.4
Disciplined Implementation and Rigorous Program Tracking
Finally, the PMO team established simple tools and processes to support frequent and pragmatic implementation reviews, open and timely communication of identified bottlenecks, and rigorous monitoring of both early indicators and financial targets.
Idea description Baseline
Initiative Initiative sizing sizing
estimates
complexity assessment
Implementation
impact in 2024
Estimated bottom-line Detailed one-time cost
& cross-functional team
quarterly P&L impact for approval
Full business case,
with activities, milestones and interdependencies
Implementation plan
Initiative level 5
Initiative launch
reported against initiative plans
Value tracked and
Value capture capture Value
Initiative level 4
Launch Launch preparation preparation
Initiative level 3
Implementation Implementation planning planning
Initiative level 2
Assigned initiative lead Annual financial
Initiative development
Initiative level 1
Abb. 8.7 Stage-gate approach to managing the Galderma transformation
Deliverables:
Idea generation
Initiative level 0
ILLUSTRATIVE EXAMPLES
126 T. Dittrich and E. Ivanov
8 Corporate transformation: Five success factors
127
The team knew that plans would evolve as the implementation progressed and established a clear change request process, defining thresholds and review processes for required approvals. To create visibility on progress, they established a routine of periodic check-ins where milestones and key performance indicators (KPIs) were reviewed and planned next steps discussed. Approximately 200 KPIs and over 500 milestones across 55 initiatives were continuously tracked by the dedicated transformation PMO team. Planned savings from efficiencies were integrated into annual budget commitments and monitored as part of the business-as-usual financial control. Regular updates were given to the Galderma Executive Committee and private equity shareholders to reinforce accountability. Finally, the PMO team also sought to define interdependencies, and when needed, prioritized support from functional resources that could otherwise create bottlenecks or put the business at risk if required at the same time. The executive team’s commitment to the transformation, combined with the dedicated PMO infrastructure, helped Galderma design and deliver on its transformation objectives despite an ambitious growth agenda that had to be delivered while also managing market volatility and inflationary pressures. A key factor that made this possible was the experienced and highly motivated Galderma talent.
8.6
Transformation as an Authentic Opportunity to Assess and Develop Talent
Instead of merely being perceived as a burden to manage on top, the transformation was widely perceived as an empowerment mechanism and opportunity for professional and leadership growth, both for the company and the individual employees involved. Three levers helped crystallize the transformation as an authentic growth opportunity for talent: • Empowerment to determine the ambition, define the scope, and own implementation. • Continuous monitoring of team morale and level of engagement. • Opportunities to take on responsibilities outside of one’s own function.
8.6.1
Empowerment to Determine the Ambition, Define the Scope, and Own Implementation
From the outset, the Galderma transformation was authentically positioned as a leader-led program. The top 100 leaders of the company came together to support the rationale of the program and were invited to help shape the effort, from idea generation to ambition setting, initiative scoping and sizing, and, eventually, to implementation. As discussed above, the senior management team members sponsoring different program workstreams
128
T. Dittrich and E. Ivanov
even shared their personal commitment to the program by recording short videos that were live streamed to the full transformation team in Europe, the US, Latin America, and Asia. Once the initiatives were evaluated and approved for implementation, the team reinforced the concept of being leader-led by emphasizing the expectation of ownership and empowerment and sharing several principles for the implementation phase (Abb. 8.8). At the top of the list was behaving as the captain of the ship, indicating that the initiative leader was ultimately responsible and accountable for the success of the initiative. Each initiative owner was expected to proactively connect with other relevant initiatives within or outside the scope of the transformation, managing the pace of implementation to deliver their contribution to the fit-for-purpose corporate platform while also ensuring on-time and on-plan delivery of financial commitments. Each initiative owner was encouraged to first evaluate existing functional resources when determining what was needed to complete implementation, thus avoiding hiring temporary resources when possible and minimizing time delays caused by additional onboarding. This also required disciplined planning and the careful orchestration of functional resources, a role embraced by the central transformation PMO team. Finally, the CFO and his core team introduced the concept of red is good. The teams were invited to identify and flag bottlenecks early on, in the spirit of full transparency and candid collaboration. While each initiative owner fully owned the implementation, communicating any challenges ahead of time allowed the PMO team to organize support and help resolve the issue or find alternative ways to compensate for lost financial impacts and implementation delays.
Main concepts used in planning phase… End-to-end
… complemented with implementation imperatives
Captain of the ship
North Star
Connect the dots (“lean in”)
Speed
Fit-forpurpose
Communicate proactively (“red is good – how can we fix it”)
Leverage existing organization (e.g. double hatting)
Abb. 8.8 Implementation principles communicated to the Galderma transformation team at the start of the implementation phase
8 Corporate transformation: Five success factors
129
ILLUSTRATIVE EXAMPLES
1) I clearly understand my role in the Transformation
Ways of working
2) I am excited to be working on the Transformation 3) We work collaboratively in an atmosphere of trust and openness
Implementation enablers
4) I have the necessary support and I feel empowered to act as “captain of the ship” to own and drive my Transformation initiative 5) There is sufficient exchange with colleagues from other workstreams / functions to enable the implementation of my initiative
Progress
6) I am confident on the progress of my Transformation initiative
Transformation workload
7) I am able to manage the Transformation related workload in a sustainable way
Overall Net Promoter Score
Abb. 8.9 Team barometer questions used at Galderma
8.6.2
Continuous Monitoring of Team Morale and Level of Engagement
While empowering the organization, the PMO team was aware of the additional demands on those who assumed the responsibility to lead transformation initiatives. They frequently surveyed the full transformation team to monitor how effectively they worked, their comfort with the level of support initiative leaders were receiving, their confidence in achieving their goals, and the sustainability of the workload. The net promoter score methodology was used to monitor team morale and level of engagement (the questions are detailed in Abb. 8.9), along with open comments regarding what was working well and what could be improved. Each transformation meeting included an open discussion about the results and ideas regarding what should be done differently. The transformation team also had monthly check-ins with each initiative lead to ensure timely coordination, clarity on the next steps, and open discussion regarding any support needed.
8.6.3
Opportunities to Assume Responsibility
Above all, each transformation is a catalyst for growth, both for the company and each individual employee. The Galderma transformation team framed it as a leadership growth journey. It was portrayed as an opportunity to actively take responsibility that would go beyond one’s role as an initiative lead or member of a cross-functional initiative team. It is also an opportunity, often a rare one in one’s career, to co-design and co-implement critical systems and processes and build new skills and competencies. As a transformation embodies ways of working in a new reality, work on the transformation often naturally functions as a mechanism for talent to select or de-select themselves based on their actions and how comfortable they are with the new ways of working. This makes it even more important that the leaders of the transformation remain close during its implementation
130
T. Dittrich and E. Ivanov
and to the people delivering it. The CFO and core team should regularly take time for skip-level one-on-one meetings with team members and formal talent reviews, where key talent and their aspirations are discussed in conjunction with succession plans for critical roles in the CFO organization. Despite the significant change agenda and ambitious timelines, the broader team behind the Galderma transformation served as an example of disciplined execution, coordinated teamwork, and resilience in the face of external headwinds. The environment of empowerment, combined with clear guidance and support, open and frequent dialogue about team morale, and the framing of assignments as personal growth opportunities were critical to the successful transformation at Galderma.
8.7
Conclusion: The Impact of Transformation and the Role of Finance
At a recent offsite meeting of the Finance Leadership Team, the CFO of Galderma asked his team to reflect on their journey over the previous 2 years and name the achievements of which they were most proud. Most told stories of hard-won successes, resilience in the face of adversity, and personal and professional growth. Most examples focused on achievements linked to the end-to-end transformation. Over the course of the 2.5 years, the team significantly reshaped Galderma’s corporate platform, removing duplications, capturing efficiencies, and preparing the company for continuous growth acceleration. Examples of some of the efficiencies and magnitude of the simplification within the enabling functions are captured in Abb. 8.10. A simplified and more efficient corporate platform freed up significant resources that were then reallocated towards investments in product innovation and commercial execution, fueling the growth acceleration that Galderma had already begun to demonstrate. Furthermore, the transformation allowed the company to minimize activities providing little added value and optimize others, freeing up time for more productive work. A case in point is that the annual audited financial results are now being published 3 months earlier: in the middle of February rather than the middle of May. This not only helped liberate resources, but it allowed the finance team to focus more quickly on current business performance and not remain mired in examining the past. The transformation also contributed to Galderma’s increased resilience. Apart from having dedicated initiatives to increase the percentage of multi-sourced active pharmaceutical ingredients, including critical raw materials and packaging, the end-to-end transformation delivered the tools needed to support faster and better-informed decision-making. Leveraging cloud-based digital solutions, the transformation also enabled better-informed business guidance through real-time insights traversing end-to-end processes. Examples of
Reduction of FTEs:
Reduction of applications by 35% with central standards per use case Cloud solutions for 80% of global applications Simplified ERP landscape
Unmanaged applications landscape and limited use of cloud infrastructure Multiple ERP instances, inducing costs for maintenance and complexity in integration of applications
IT
Abb. 8.10 Platform simplifications and efficiencies resulting from the end-to-end transformation of Galderma
Renewed HR operating model supported by robust HRIS 10% external spend reduction for HR activities
High functional cost due to manual processes and high-cost country footprint Fragmented HR system
HR
− automation and process improvement − transfer of IT activities
across Finance, HR and Operations
− transfer to shared services in lower cost locations from
Fully integrated process between Sales Forecast and S&OP Centralized reporting
To
Fragmented planning process
Significant portion of support functions FTEs in high-cost locations
From
Finance
Shared Services & E2E
ILLUSTRATIVE EXAMPLES
8 Corporate transformation: Five success factors 131
132
T. Dittrich and E. Ivanov
performance insights enabled by tools introduced during the transformation are provided in Abb. 8.11. Finally, the transformation also provided new ways of working, encouraging collaboration and breaking silos, while also creating growth opportunities across functions and geographies. Reflecting on the transformation and the need to make such efforts simple, impactful, and financially trackable, as well as maintain organizational buy-in over several years, such an endeavor represents a genuine opportunity for a CFO and their finance team to spearhead a company-wide program. The CFO and finance organization can actively orchestrate and model complex organizational change by explaining first why and then how to implement the change and new ways of working, while also creating authentic opportunities for talent development. Plans for developing and implementing corporate transformations are often underestimated. Approaching such programs with the full appreciation of how to make complex matters simple will improve the odds of success. Real-world insights into proven success factors and knowledge gleaned from the experience of others are sure to help with such endeavors. GALDERMA
With a unique heritage in dermatology as well as decades of cutting-edge innovation, Galderma is the leading company solely dedicated to advancing dermatology for every skin story. Galderma delivers an innovative, science-based portfolio of premium cutting-edge brands and services that span the full spectrum of dermatology, through injectable aesthetics, dermatological skincare and therapeutic dermatology. Through trusted partnerships with healthcare professionals, Galderma works to meet individual consumer and patient needs with superior outcomes. With more than 5700 employees, 2021 Net Sales of 3.4 B US$ and a presence in 90 + markets, Galderma operates on a truly global level. For more information, please visit www.galderma. com. Thomas Dittrich became Chief Financial Officer of Galderma in October 2019, overseeing global finance, strategic sourcing, IT, corporate strategy, and the companywide transformation program. Previously, Thomas was the Chief Financial Officer and an executive member of the Board of Directors at Shire plc. He joined Shire in 2018 from Sulzer AG, where he served as Chief Financial Officer and a member of the Executive Committee, and Chief Executive Officer ad interim between August and December 2015. Prior to joining Sulzer, Thomas worked for almost 8 years at Amgen Inc. as Vice President, Finance Corporate Planning and Chief Accounting Officer, and previously as Chief Financial Officer of Amgen International. Before that, he held various finance and general manager positions during 8 years at Dell, Inc. Prior to that, he worked in M&A and management consulting roles. Thomas
Order to Cash (O2C)
IBP1 S&OP
• Customer creation/ maintenance time
• Validated customer maintenance data
• Budget tracking
• Forecast accuracy
- R&D Spend
- Stock Cover, Stock in Trade, Inventory
- CCC, NWC
- Free Cash Flow
- Gross Profit, EBITDA
- Unique source for financial forecasting and budget
- Consolidated view of on hand and projected inventory
- Consolidated demand and supply/production planning
• Global end-to-end visibility
• Statistical sales forecasting
Abb. 8.11 Select examples of real-time insights enabled through Galderma’s end-to-end transformation
1. Integrated business planning | 2. Group Chart of Accounts
• Internal controls & compliance monitoring
• Validated customer creation data
- SLAs
• Number of transactions processed electronically
- Pricing Analytics
• Credit block release lead-time (days)
- Market Share
- Sales, Local customer sales, Daily orders & sales
• Performance management, e.g.:
• Credit block ratio (%)
• Average days sales outstanding (days)
- Task management & account reconciliations
• Standartized Finance Operating Model:
• Order approval time Orders in full on time delivery (%)
• Contract consumption and expiry alerts
• Single GCoA2
• Consolidation & IFRS reporting
• Non-compliant spend
• Approval times to monitor process bottlenecks
IBP1 Finance
Single-source-of truth data, master and reference data | One reporting platform
Record to report (R2R)
• Consolidated spend visibility across entities
Source to Pay (S2P)
ILLUSTRATIVE EXAMPLES
• Workforce analytics (e.g. talent retention)
• Learning & Development tracking
• Diversity & Inclusion
• Compensation & Performance analytics
• Talent Acquisition insights (e.g. time to hire, average number of open positions, acceptance rate)
HR
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T. Dittrich and E. Ivanov
holds a Master of Science in Mechanical Engineering and Robotics from Munich Technical University and a Master’s in Finance, Controlling and Accounting from the University of St. Gallen. Emil Ivanov became the Head of Stragey of Galderma in April 2021, managing strategic planning, corporate reorganization initiatives and special projects. Prior to joining Galderma, Emil worked as Associate Partner with McKinsey’s Geneva office, leading several consulting teams in parallel in order to deliver client counsel and management support focused on corporate and business unit strategy, largescale transformations and pre- and post-decision integrations and carve-out support across Pharmaceuticals and Global Public Health clients. Prior to McKinsey, Emil worked in global roles in organizational development in the mining industry and the NGO sector in Switzerland, Brazil, the Netherlands, UAE and Bulgaria. Emil holds a Master’s in Business Administration from IMD Business School in Lausanne, Switzerland.
Reference 1. Bucy M, Schaning B, VanAkin K, Weddle B (2021) Losing from day one: why even successful transformations fall short. https://www.mckinsey.com/~/media/mckinsey/business%20functions/ people%20and%20organizational%20performance/our%20insights/successful%20transforma tions/december%202021%20losing%20from%20day%20one/losing-from-day-one-why-evensuccessful-transformations-fall-short-vf.pdf. Accessed: 18 July 2022
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Die Essenz agiler Transformation von Unternehmen? Man muss Menschen mögen! Anette Weber
Man kann ohne Liebe Holz hacken, aber man kann ohne Liebe nicht mit Menschen umgehen. (Leo Tolstoi)
Zusammenfassung
Agile Transformation ist kein neues Konzept, sondern lebendigen Systemen inhärent eigen. Ein Organismus, eine Organisation, eine Abteilung, die sich nicht mehr verändert, ist tot oder mindestens dem Untergang nahe. Um eine Organisation effektiv durch eine Transformation zu führen, braucht es einerseits ein Konzept (Hirn), Mut und Zupacken (Hand), vor allem aber ein Führungsverständnis, das am Menschen orientiert ist (Herz). Checklisten oder Methodenpläne, wie ein Transformationsprojekt zu steuern ist, gibt es viele. Sie helfen der äußeren Ordnung – doch letztlich ist es das Interesse am Menschen, das eine erfolgreiche Transformation ermöglicht. Denn Transformation ist meistens Unternehmenskulturarbeit. Warum gerade ein moderner/ eine zeitgemäße CFO prädestiniert ist, eine Vorreiterrolle bei Unternehmenstransformationen einzunehmen, schreibe ich in meinem kurzen, sicherlich subjektiv geprägten Essay.
A. Weber (B) Luzern, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_9
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9.1
A. Weber
Einleitung
Keine andere Unternehmensfunktion scheint so stetig in Transformation und Wandel zu sein wie die Finanzfunktion. Und keine andere Funktion scheint gleichzeitig ein so starres Verharrungsvermögen im Jetzt und ein Image der Inflexibilität zu besitzen wie die Finanzfunktion. Warum ist dies so? Wie kann der notwendige Spagat zwischen Stabilität und Zukunftsgestaltung gemeistert werden und ist gerade die Akzeptanz dieser Dualität gepaart mit jahrelanger Erfahrung in Digitalisierungsprojekten nicht ein Hindernis, sondern der Garant dafür, dass die Finanzfunktion eine Vorreiterrolle bei agilen Transformationen eines Unternehmens einnehmen kann? Welche Führungsqualitäten braucht es, um erfolgreich nicht nur die Finanzfunktion, sondern ein ganzes Unternehmen durch eine erfolgreiche Transformation, durch Kulturveränderung zu leiten und zu begleiten?
9.2
Der CFO Schlusslicht oder Vorreiter für Transformationsaufgaben?
Die Finanzfunktion wird aufgrund festgelegter Arbeitsabläufe, monatlicher Abschlussorientierung sowie einer Ausrichtung auf Verlässlichkeit und Stabilität häufig als inflexibel und nicht so agil wahrgenommen wie andere Unternehmensbereiche. Es ist jedoch ein Irrglaube anzunehmen, dass Stabilität und notwendige Verlässlichkeit den Tugenden Agilität und Veränderungsbereitschaft entgegenstehen. Das Gegenteil ist meiner Meinung nach richtig. Erst durch die Anwesenheit eines stabilen Fundaments an Systemen, Prozessen, Werten und Verhaltensweisen kann man sich Veränderung leisten und die Kraft von Agilität nutzen. Agilität ohne Systeme, Prozesse, Werte und Verhaltensweisen bezeichne ich eher als kreatives Spielen mit Tendenz zu Chaos. Wer hingegen Ordnung in der Basis hat, kann Chaos und Instabilität erfolgreicher und einfacher managen.
9.2.1
Die moderne Finanzfunktion – besser als ihr Ruf
Das wenig konstruktive, aber häufig beanspruchte Narrativ «der Finanzbereich müsse sich nun endlich auch mal wandeln» wird meist plakativ durch künstlich proklamierte Dichotomien untermauert.1 Funktionsmerkmale wie Prozesse und Arbeitsanweisungen, Dokumentationsbedürfnis, Service Level Agreements usw. werden der Finanzabteilung und anderen Supportfunktionen zugeordnet und maximal als klassisch, meist jedoch als überholt gebrandmarkt und als Kernmerkmale einer rückwärtsgewandten, unzeitgemäßen Organisationseinheit aufgeführt. Wer in einem solchen Rahmen agiere, könne nicht agil sein und den heutigen Anforderungen nicht gerecht werden. Hingegen werden Werte wie Kundenfokus und Interaktion und Vernetzung der agilen Arbeitswelt und 1 Stellvertretend für viele: https://akademie.marcus-hein.de/agile-transformation/.
9 Die Essenz agiler Transformation von Unternehmen?
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im gleichen Atemzug den marktnahen Abteilungen Verkauf und Marketing zugerechnet. Immer in der Annahme, dass Werte wie Kundenfokus oder Interaktion und Vernetzung in Finanzabteilungen nicht vorhanden sein können. Mit Wohlwollen kann man eine derart populistische Einordnung mit unbewusster Voreingenommenheit gegenüber Supportfunktionen erklären, zielführend ist diese negative Zuschreibung sicher nicht. Ich persönlich hätte zumindest nie in einer Finanzabteilung arbeiten, geschweige diese leiten können, wenn diese sich nicht an internen und externen Kunden orientiert, als geschäftlicher Sparringpartner agiert und die Vernetzung mit anderen Abteilungen einfordert. Ganz im Gegenteil: Digitalisierung, Transformation von Geschäftsmodellen und das Einführen neuer Arbeitsmethoden wurde häufig in der Finanzfunktion pilotiert und vor ihr in andere Organisationsbereiche vorangetrieben. Die meisten Finanzabteilungen haben jahrzehntelange Erfahrung mit Transformation, sogar mit digitaler Transformation oder Digitalisierung, bevor diese Begriffe exzessiv genutzt wurden oder andere Abteilungen wie Marketing und Vertrieb erste Gehversuche zu diesen Themen wagten. Es gibt wohl kaum eine Finanzabteilung, die nicht in den 80eroder 90er-Jahren ihr erstes, integriertes ERP-System eingeführt und somit Arbeitsabläufe digital in Systemen abgebildet hat. Etwas mutigere und schon damals zeitgemäße Finanzabteilungen experimentierten bereits mit Algorithmen und dem Einsatz quantitativer Modelle und Methoden zur Entscheidungsunterstützung. Nur hieß dies nicht Künstliche Intelligenz oder Predictive Analytics, sondern Operations Research, operationelle Forschung. Damals scheiterte die Finanzabteilung eher an der technischen Umsetzbarkeit, wie zum Beispiel der Speicherkapazität oder Rechenleistung von Computern und Servern, als an der Vorstellungskraft der Finanzverantwortlichen, algorithmusbasierte Modelle für sich arbeiten zu lassen. Oder anders ausgedrückt: Trotz der populistischen Schelte, auch die «Finanzfunktion könnte doch nun endlich digitaler und agiler werden», ist die Finanzabteilung wohl häufiger ein Zugpferd als das Schlusslicht für wertschöpfende Neuentwicklungen. Der große Unterschied zu vielen anderen Bereichen ist jedoch eine unerbittliche Realität. Neben dem Experimentieren mit Neuem gibt es ein wiederkehrendes, klares Leistungsversprechen. Jahresberichte, Quartalsabschlüsse, Investoren-Reporting, Banken-Reporting usw. sind keine Eventualverbindlichkeiten, die agil auf den nächsten Sprint verschoben werden können. Termin ist Termin und nicht verhandelbar. Mit Sprint bezeichnen agile Arbeitsmethoden den Projektprozess, bei dem Anforderungen aus dem traktandierten Arbeitskatalog umgesetzt werden. Arbeiten, die trotz Vereinbarung nicht erledigt werden, fließen in den Sprintbacklog über.
9.2.2
Stabilität und Agilität – kein Widerspruch, sondern Normalität
Eine unbestrittene Aufgabe der Finanzfunktion ist es, verlässliches Zahlenmaterial der Vergangenheit als akkurate Finanzberichterstattung an das Management und Investoren bereitzustellen. Auch wenn die meisten CFOs lieber über strategische Unternehmenssteuerung, chancenorientierte Ressourcenallokation und Value Creation sprechen, ist diese
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Tätigkeit eine fundamentale Aufgabe der Funktion. Zudem waren die letzten 20 Jahre von verschärften externen regulatorischen Anforderungen bezüglich dieser Kernaufgabe geprägt. So beeinflusste zum Beispiel das US-Bundesgesetz Sarbanes–Oxley Act of 2002 als Reaktion auf Bilanzskandale von Unternehmen wie Enron oder Worldcom interne Kontrollsysteme von unzähligen Unternehmen tiefgreifend. Arbeitsabläufe wurden neu definiert, detailliert dokumentiert, Prozesskontrollen festgelegt und es wurde regelmäßig überprüft, ob Prozesse und Kontrollen eingehalten wurden oder ob die Dokumentation darüber regelkonform und vollständig war. Ein Teil der Finanzfunktion schien sich in den letzten zwei Dekaden selbst in den Maschinenraum des Schiffes verbannt zu haben, um auf einzelne Prozessschritte zu starren und kleinste Abweichungen des Systems wahrzunehmen, wie Johann das Gespenst aus dem Film Das Boot. Eine ohne Frage überlebenswichtige Rolle für das System Unternehmung, um der Kernaufgabe des Berichtswesens gerecht zu werden, aber dennoch eher mit dem Konservieren oder der Reparatur des Ist beschäftigt als mit agilem Erschaffen von Neuem. Dies führte dazu, dass häufig gut geölte Maschinen in der Finanzabteilung entstanden sind, die aufgrund festgelegter Arbeitsabläufe, interner Kontrollsysteme sowie der Ausrichtung auf Planbarkeit und Stabilität an Flexibilität eingebüßt haben und in diesem Bereich einbüßen mussten. Rechnungslegungsvorschriften sind selten bloße Handlungsempfehlungen, die agil geändert und frei interpretiert werden können. Stabilität in der Auslegung ist in diesem Teilbereich ein Garant für eine qualitativ hochwertige Erfüllung der Aufgabe. Es wäre jedoch voreingenommen und simplifizierend, diese Arbeitsweise und Anforderung eines Teilbereichs auf die gesamte Funktion zu projizieren. Denn gleichzeitig hat sich in den letzten drei Dekaden das Unternehmensumfeld, in dem auch eine Finanzfunktion täglich agiert, so rasch verändert wie selten zuvor. Geografisch sind neue Absatzmärkte entstanden und Entwicklungen wie das Internet haben neue, innovative Geschäftsmodelle hervorgebracht. In kaum einer Dekade wie in den letzten zehn Jahren sind so viele Neugründungen verzeichnet worden, die etablierte Unternehmen in ihren Grundfesten herausfordern. Eine gute Finanzfunktion begnügt sich daher selten mit der Rolle des Berichterstatters, sondern die CFO wurde vermehrt zum aktiven, agilen Co-Piloten des CEOs. Die zeitgemäße CFO agiert mehr als COO, als Chief Operating Officer, denn als Schatzmeister. Komplexer werdende Geschäftsmodelle erfordern und erforderten schon immer einen Custodian of Performance, der die Leistung ganzheitlich und objektiv im besten Interesse der Unternehmung einfordert, agil steuert und überwacht. Dies ist eine weitere Kernaufgabe der Finanzfunktion und genauso kulturprägend. Das Spannungsfeld zwischen Stabilität, um regulatorischen Ansprüchen gerecht zu werden, und gleichzeitiger Notwendigkeit, das Unternehmen flexibel und agil an veränderte Marktbewegungen und Geschäftsmodellen anzupassen, ist tief in der Normalität des Finanzbereichs verankert. Doch das erfolgreiche Managen eines solchen Spannungsfeldes zwischen Bewahren und Stabilität sowie Erproben und Veränderung ist eine Grundvoraussetzung jeglicher Transformation. Warum sollte daher nicht die Finanzfunktion prädestiniert sein, eine Vorreiterrolle zu übernehmen?
9 Die Essenz agiler Transformation von Unternehmen?
9.3
Agile Transformation – kein neues Konzept
9.3.1
Transformation – ein Zustand lebendiger Systeme
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Es gibt wohl kein prosperierendes Unternehmen, das sich nicht in Transformation befindet. Begreift man denn ein Unternehmen als lebendiges System, so formulierte schon Karl R. Popper [12]: «Alles Lebendige sucht nach einer besseren Welt. Menschen, Tiere, Pflanzen, auch Einzeller, sind immer aktiv. Sie versuchen ihre Lage zu verbessern oder zumindest eine Verschlechterung zu vermeiden. Jeder Organismus ist dauernd damit beschäftigt, Probleme zu lösen.» Oder im Umkehrschluss: Wer (sich) nicht transformiert, hat aufgehört zu existieren. Gleichzeitig sind Menschen, Tiere, Pflanzen, auch Einzeller immer wieder damit beschäftigt, Nützliches zu bewahren und durch Neues zu ergänzen. Der Ausgleich zwischen Stabilität (Nützliches bewahren) und Problemlösen (mit Neuem ergänzen) ist somit nicht nur die Essenz alles Lebendigen, sondern eben auch von Unternehmen oder Unternehmensbereichen. Agile Transformation bei gleichzeitigem Bewahren des Funktionierenden kann daher als Grundbaustein eines gesunden Systems Unternehmen verstanden werden.
9.3.2
Führung von Veränderungsprozessen – mit Hirn, Herz und Hand
Warum schaffen es einige Unternehmen, sich scheinbar mühelos an immer neue Gegebenheiten anzupassen und das Nützliche zu bewahren, während andere trotz Budget und guten Vorsätzen grandios scheitern [7]. Für mich persönlich besteht der Lösungsansatz für eine erfolgreiche Transformation von Unternehmen nicht vornehmlich in den 5 Schritten zur erfolgreichen Transformation [11], Agile Transformation in 23 Schritten [5] oder den Sieben Punkten zur Digitalisierung [16]. Das Erfolgsgeheimnis besteht meiner Erfahrung nach in den Führungsgrundsätzen aller Beteiligten, besonders jedoch im Führungsverständnis und Menschenbild der oberen Führungsverantwortlichen. So wie es schon seit Jahrmillionen agile Transformation von Organismen gab, hat sich die Essenz guter Führung, seit es Menschen gibt, nicht oder nur kaum verändert. Ein Mensch, der ganzheitlich führte und das Zusammenspiel aus Herz, Hirn und Hand beherrschte, war bereits in der Jungsteinzeit sicherlich erfolgreicher als Stammesfürst als jemand, der eher eindimensional herrschte. Verbessert hat sich sicherlich die Kommunikation, Forschung und Niederschrift darüber, was gute Führung ausmacht, nicht jedoch unbedingt die Tatsache an sich. Führung mit Hirn – Einsatz von Verstand und Ratio – ist wohl die gängigste Anforderung an Führungskräfte. Wenn Führungskräfte Entscheidungen treffen, denken sie oft einseitig rational, stellen Für- und Wider-Listen auf und suchen nach Daten, Zahlen, Fakten. Die 5 Schritte der agilen Transformation sprechen diesen Aspekt der Führung an und sind ohne Zweifel eine solide Basis. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig Zahlen, Daten, Fakten, Checklisten und Methodenwissen für eine gelungene Transformation
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sind. Ermöglicht dieses Wissen doch, die Zufallskomponente für einen erfolgreichen Projektverlauf zu verkleinern und schafft durch ihre einfache Stringenz den Freiraum für die wirklich erfolgswichtige Komponente, die stete Interaktion und Kommunikation mit den beteiligten Menschen. Wer eine Checkliste hat, kann sich mehr mit der Variable Mensch auseinandersetzen oder sich der Führung mit Herz und Führung mit Hand annehmen. Führung mit Herz – Einsatz von Mitgefühl und Wohlwollen – schafft die Voraussetzung, dass sich Mitarbeitende dem Unternehmen oder der Transformationsagenda zugehörig fühlen, folglich ihren Platz im System Unternehmen oder Projekt finden und ihr Potenzial bei der Transformation entfalten und entwickeln. Lange Zeit wurde propagiert, Gefühle bei der Arbeit zu negieren – doch heute will kaum einer mehr dauerhaft eine gefühllose Führungskraft haben oder wird dieser und dem Unternehmen ansonsten schnell den Rücken kehren. Zudem wird es in jeder Transformation zu Spannungen kommen, Verlustängste entstehen, Dinge unberücksichtigt bleiben, was zwangsläufig zu Fehlern oder Fehleinschätzungen führen kann. Wer nicht mit Herz – mit Wohlwollen und einem positiven Menschenbild – führt, wird in solchen Situationen scheitern. Führung mit Hand – Einsatz von Tatkraft und Mut – heißt, im richtigen Moment ordnend anpacken oder helfen. Nicht gemeint ist Micromanagement oder ständige Kontrolle der Arbeit. Es gibt Situationen, in denen eine Ordnungskraft der Führungsebene durch klare Entscheide notwendig ist, gleichzeitig muss die Führungskraft in der Rolle als Beziehungsmanager und als systemischer Befähigender tätig werden. Für dieses ganzheitliche Führungskonzept braucht es nicht nur den denkenden Kopf, sondern auch einen guten Zugang zum Herz. Vor 20 Jahren beschrieben Dotlich et al. [4] eine Führungskraft als vollkommen, wenn sie den Dreiklang von Head, Heart and Guts ausbalanciert beherrscht. Oder wie ich es einfach ausdrücke: Man muss Menschen mögen.
9.4
Wie kann eine agile Transformation gelingen – Sicht aus der Praxis
Wenn von agiler Transformation von Unternehmen gesprochen wird, wird häufig im gleichen Atemzug die digitale Transformation von Unternehmen gemeint. Obgleich nicht trennscharf, spreche ich lieber von «Unternehmenstransformationen, um sich agil der digitalen Welt anzupassen». Transformation passiert nicht per se, sondern immer in einem Kontext und muss geführt und begleitet werden. Denn Transformationen, seien es Unternehmenskulturveränderungen, die Einführung von neuen IT-Systemen, die Umstellung des Geschäftsmodells, Umstrukturierungen usw., kreieren Veränderungen des Status quo und damit Spannung. Wenn Spannung sich selbst überlassen wird, rutscht das System entweder in den Ausgangszustand zurück oder die stärkste Zugkraft gewinnt und das System bricht. Beides ist häufig nicht das, was ursprünglich erreicht werden wollte. Wie vorher erwähnt, ist ein X-Punkte-Plan kein Garant für eine erfolgreiche Transformation, doch bietet derartiges Methodenwissen einen Erfahrungsrahmen und vergrößert somit die Erfolgswahrscheinlichkeit für ein erfolgreiches Transformationsprojekt.
9 Die Essenz agiler Transformation von Unternehmen?
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Folgende Punkte sind aus meiner eigenen Erfahrung wichtige methodische Erfolgsfaktoren für ein gelungenes (digitales) Transformationsprojekt: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Definiere eine klare Vision und Zielsetzung für die Transformation – Create a Purpose Schaffe emotionale Dringlichkeit – Create a Sense of Urgency Erziele die gemeinsame Ausrichtung des obersten Geschäftsleitungsteams Kläre Verantwortlichkeiten – wer einen CDO braucht, sollte seinen CIO auswechseln Mobilisiere Führung und Mitarbeitende durch stete, transparente Kommunikation Messe Erfolge, feiere sie und berichte darüber
9.4.1
Definiere eine klare Vision und Zielsetzung
Es ist schon fast eine zu profane Einsicht, dass jede Transformation mit der Frage nach dem Warum starten sollte [13]. Warum soll ein neues ERP-System eingeführt werden, sich die Unternehmenskultur, die Arbeitsabläufe der Abteilung, das Geschäftsmodell verändern? Denn nur wer erstens konkret weiß, warum etwas getan werden muss, und zweitens, wie eine erfolgreiche Umsetzung definiert ist, wird sich verändern können. Häufig scheitert jedoch ein Transformationsprojekt bereits an diesen ersten beiden, eigentlich einfachen Schritten. Es wird gerade noch das Warum in klaren Worten beschrieben, aber es fehlt zum Beispiel die Definition von Erfolg. Obgleich hier dem CEO eine entscheidende Rolle zukommt, können gute CFOs aus meiner eigenen Erfahrung bei der Formulierung des Warum und Wie sieht messbarer Erfolg aus in Führung gehen. Kaum eine andere Funktion ist so trainiert, die Notwendigkeit von Aktionen darzulegen, ambitiöse und dennoch erreichbare Ziele zu definieren und die Messbarkeit der Ziele sicherzustellen.
9.4.2
Schaffe emotionale Dringlichkeit für Veränderung
Es gelang vielen Unternehmen, zum Beispiel die COVID-19-Krise als Katalysator für lang aufgeschobene Veränderungen zu nutzen. Kollaboratives Arbeiten per Videokonferenz innerhalb der Geschäftsleitung und Homeoffice auch für die Buchhaltung waren plötzlich möglich. Kleine Einzelhändler übten sich erstmals in E-Commerce oder Click- & CollectAngeboten und Restaurants schlossen sich Lieferdiensten an oder öffneten ihre Fenster für Take-away-Angebote. Obgleich all diese Beispiele auch ohne die Corona-Pandemie sinnvoll gewesen wären, wurden diese Veränderungen mit dem externen Schock überlebenswichtig. Wer sich nicht anpasste, hätte die Krise nur schwer überstanden. Bereits in dem Buch-Klassiker The Iceberg is Melting [9) wurde treffend dargestellt, wie die Kraft des Faktischen ganze (Pinguin-)Verbände zum Aufbruch bewegt und dabei die Dringlichkeit zur Änderung nur wenig diskutiert werden muss.
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Doch die erwähnten Veränderungen wurden vornehmlich aus der schieren Notwendigkeit geboren und nicht aus der unbeschränkten Möglichkeit, Prozesse oder Geschäftsmodelle neu zu gestalten. Ist eine emotionale Dringlichkeit zur Veränderung in Krisensituationen einfach zu erzielen, so ist sie in Situationen, in denen alles perfekt erscheint, schwieriger anzustoßen. Oft sind in guten Zeiten zwar finanzielle Ressourcen und Teamkapazität vorhanden. Doch es bedarf immer der Mobilisierung der Betroffenen, die Veränderung zu wollen. Doch wer bewegt sich gerne, wenn man zum Beispiel Marktführer ist und scheinbar alles gut und ohne viel Anstrengung läuft? Häufig wird der mangelnde Veränderungswille dann noch durch selbstreferenzierende Leitsprüche gemäß «Never change a winning team» verargumentiert und das Gewissen oder der Verwaltungsrat beruhigt, aber eine Chance auf nachhaltige Verbesserung verpasst. Um diese Veränderungsblockade aufzulösen, hilft meiner Erfahrung nach mit Waswäre-wenn-Fragen, den Möglichkeitsraum zu öffnen, um so ein klares Ziel für die Transformation zu definieren. «Was wäre, wenn wir keinen jährlichen Budgetprozess mehr hätten, sondern mit rollierenden, KI-basierten Plänen arbeiten könnten?», «Was müssten wir tun, um intern als kunden- und qualitätsorientierte Serviceorganisation wie Apple wahrgenommen zu werden?», «Was muss sich verändern, wenn wir in 5 Jahren 30 % des Umsatzes aus einem neu zu definierenden Subscription Business erwirtschaften wollen?». Antworten auf diese Art von Fragen und Bilder, die hier im Kopf entstehen, spiegeln keine Burning Platform oder Melting Iceberg wider, liefern aber starke Motivationsgründe und eine starke Zielvorstellung. Diese Was-wäre-Wenn-Übung hat sich für mich häufig als sehr zielführend und inspirierend erwiesen. Nicht nur die Geschäftsleitung wurde dadurch motiviert, über eine Veränderung von Geschäftsmodellen, Organisationsformen und Prozessen nachzudenken, sondern letztlich konnte so auch die weitere Organisation in Transformationsbereitschaft gebracht werden.
9.4.3
Gemeinsame Ausrichtung des Executive Teams auf den Erfolg der Transformation
Wenn der Grund (Warum) und das Ziel (Was) der Transformation festgelegt wurden, kommt das Wie – die Umsetzung. Dies ist der schwierigere Teil. Es geht nicht mehr nur um Bilder, Worte und Philosophien, sondern um Machen, Ausdauer, Disziplin und Koordination über Abteilungs- oder Funktionsgrenzen hinweg. Partikularinteressen stehen gerne dem Ganzen entgegen. Lässt sich die Definition des Warum sowie des Was noch in Isolation oder im engsten Führungskreis formulieren, beginnt die Phase der Implementierung mit der gemeinsamen Ausrichtung des Executive Teams. Jede Transformation bedeutet Verschiebung von Einflussnahme, da sich zwangsläufig Aufgaben, Größe oder Wichtigkeit von Bereichen verändern. Oft kann dies jedoch bereits auf Geschäftsführungsebene als persönlicher Machtverlust verstanden werden. Wenn jedoch das Ego Einzelner im Wege
9 Die Essenz agiler Transformation von Unternehmen?
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steht, wird eine größere Transformation von Anfang an scheitern oder zumindest schwer werden. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass im Executive Team offen über die notwendigen Veränderungen gesprochen und mögliche Dissonanz ausgehalten werden kann. Gibt es bereits im obersten Führungsteam unausgesprochene Themen (the elephant in the room) oder Konfliktsituationen, die bewusst oder unbewusst über scheinbar fachlich orientierte, aber ergebnislose Diskussionen ausgetragen oder gar nicht angesprochen werden, wird das Warum und Was zur Nebensache. Transformation beginnt immer bei einem selbst und bei der obersten Führungsebene. Wenn interne Kooperationsfähigkeit, abteilungsübergreifendes Arbeiten als wesentliche Voraussetzungen für den Wandel von den Mitarbeitenden verlangt wird, muss auch dies auf oberster Ebene beginnen.
9.4.4
Klärung von Verantwortlichkeiten: Die häufig überschätzte Rolle des CDO
Häufig wird propagiert, dass es einen dezidierten CDO, einen Chief Digital Officer, braucht, um die digitale Transformation einer Unternehmung zu ermöglichen. Meiner Meinung nach ist dieser Ansatz schon wieder überholt, zeugt von Unsicherheit oder sogar Überforderung der Führung. Die Praxis scheint meinen Zweifel zu bestätigen. Interessanterweise liegt die durchschnittliche Verweildauer eines CDO bei kurzen 2.5 Jahren [14). Denn genauso wie es keine singuläre Digitalstrategie für ein Unternehmen geben kann, sondern nur eine «Unternehmensstrategie in einer digitalen Welt mit digitalen Komponenten», so sollte es eine Unternehmensführung geben, die sich in dieser digitalen Welt zurechtfindet und nicht einen CDO beauftragen muss, dies stellvertretend für sie zu tun. Die notwendige technische Implementierung kann durch einen kompetenten CIO, den Chief Information Officer, und sein Team verantwortet werden. Wenn er das nicht bewerkstelligen kann, ist es wohl zielführender, eine neue CIO einzustellen, die dieser Aufgabe gerecht wird. Denn die geschäftsbezogenen Veränderungen zu definieren, ist fundamentale Aufgabe jedes einzelnen Fachbereichs. Wenn Fachbereichsleitende nicht verstehen, welchen Einfluss die digitale Welt auf ihren Bereich oder das Geschäftsmodell haben kann, sollte eher der Fachbereich durch digitalaffine Mitarbeitende ergänzt als ein CDO eingestellt werden. Ein dedizierter CDO mit häufig unspezifischem Arbeitsauftrag ist nicht selten ein Zeichen für die Überforderung der Fachbereiche, dieser Aufgabe nachzukommen. Die Transformation scheitert in diesem Kontext dann weniger an der technischen Umsetzung, sondern eher an der mangelnden Vorstellungskraft, wie diese neue Welt aussehen könnte [2). Leider mangelt es zudem manchmal an Selbstreflexion über die eigene Rolle bei einer digitalen Transformation. Laut einer Gartner-Studie [15) von 2018 haben zwei Drittel von
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7000 Führungskräften ausgesagt, dass ihre Firmen im Jahr 2020 nicht länger wettbewerbsfähig sein könnten, wenn sich die Mitarbeiter nicht in Digitalthemen weiterbilden. Nicht erwähnt wurde, ob alle 7000 Führungskräfte diesen Anspruch auch an sich persönlich formuliert haben. Denn als Führungskraft wird man seiner Aufgabe nur dann wirklich gerecht werden, wenn man selbst auch inhaltlich versteht, welche neuen (digitalen) Technologien am Entstehen sind und welchen Einfluss diese auf das eigene Geschäftsmodell haben oder haben können. Dieses Durchdenken und Verstehen kann man nicht wirklich delegieren.
9.4.5
Mobilisieren der Mitarbeitenden durch stete transparente Kommunikation
Der wichtigste Schritt, um eine Organisation nachhaltig zu verändern, ist das Mitnehmen oder Mobilisieren der Mitarbeitenden. Dies funktioniert für mich nur mit einem menschenorientierten Führungsansatz, da nachhaltige Veränderung nicht befohlen werden kann. Veränderungen können nur mit Betroffenen erfolgreich umgesetzt werden, nicht gegen sie – und ob Mitarbeitende mitarbeiten, liegt an ihnen allein und ihrer eigenen Motivation. Denn nicht nur das Leitungsteam, sondern auch Mitarbeitende können unter Umständen skeptisch auf anstehende Veränderung reagieren. Auch wenn zum Beispiel die Aussicht auf eine zeitliche Verkürzung der monatlichen Abschlussarbeiten und die damit schnellere Bereitstellung von Zahlenmaterial für die Geschäftsleitung noch motivierend erscheint, werden sich Prozessbeteiligte sehr genau fragen, welche Konsequenzen dies für sie ganz persönlich mitbringt. Die Mobilisierung und Einbindung der Mitarbeitenden durch interaktive, agile Arbeitsmethoden wie zum Beispiel SCRUM-Prozesse, Design Thinking, morgendlicher Standups, Kanban-Boards etc. helfen dabei. Gleichzeitig sollten derartige agile Arbeitsmethoden nicht unnötig mystifiziert oder verklärt werden. So gibt es die Terminologie Agiles Arbeiten schon seit über 20 Jahren, populär erwähnt im Agilen Manifest der SoftwareEntwicklung [1]. Viele Ansätze der agilen Arbeit sind in ihrer Philosophie sicherlich noch um einiges älter. Man kann mir Unkenntnis vorwerfen, aber SCRUM- und Sprint-Prozesse erinnern mich an die seit über 70 Jahre existierende Kaizen-Philosophie der japanischen Fertigungstechnik. Kaizen ist ein Verfahren aus der japanischen Fertigungstechnik und bedeutet stetige Verbesserung immer und überall in kleinen Schritten. Design Thinking reflektiert für mich die Tugenden von zielgerichtetem, interdisziplinären Arbeiten, ohne die in der Jungsteinzeit Kultstätten wie Stonehenge oder später Monumentalbauten wie der Kölner Dom nicht hätten errichtet werden können.
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Design Thinking ist ein Ansatz zur kreativen Problemlösung, der von David Kelley, Larry Leifer und Terry Winograd von der Stanford University popularisiert wurde. Sie propagieren, dass vor allem interdisziplinäre Teams echte, herausragende Innovationen erschaffen können. Eigen ist diesen Arbeitsmethoden des Agilen Manifestos der besondere Fokus auf Interaktion, stete Teamkommunikation, Rückkoppelung, Kundenfokus und Zusammenarbeit. Der Auftrag ist entsprechend klar:
«Build projects around motivated individuals. Give them the environment and support they need and trust them to get the job done [1).»
Um dieses Grundprinzip zu leben, braucht es Führungskräfte und Mitarbeitende, die menschenmotiviert sind. Es kommt darauf an, mit anderen zusammenzuarbeiten, den anderen zu unterstützen und für – und nicht gegen – das Wohl des anderen arbeiten zu wollen. Agile Arbeitsmethoden knüpfen somit meiner Meinung nach eng an das Menschenbild der sogenannten Theorie Y an. Diese Managementtheorie nimmt an, Menschen seien prinzipiell intrinsisch motiviert und leistungsbereit. Douglas McGregor beschrieb diese Theorie 1960 in seinem Buch The Human Side of Enterprise [10) als Gegenentwurf zur bis dahin gängigen Theorie X, wonach Menschen faul seien, Arbeit vermeiden und daher kontrolliert und extrinsisch motiviert werden müssten. Auch 60 Jahre später fällt nicht allen Führungskräften dieser Theoriewechsel leicht, da sich damit das zugrunde liegende Menschenbild über den Geführten geändert hat. Führungskräfte, die zu Perfektionismus neigen, scheuen das Loslassen. Sie können durch Selbstorganisation des Teams und die Aufgabe von Projektplänen zugunsten kurzer Sprints emotional schnell überfordert werden. Menschen, die durch ein hierarchisches Führungsverständnis und transaktionale Führung sozialisiert worden sind, oder Führungskräfte, die eigene Machterweiterung über den Erfolg des Ganzen stellen, werden an ihre Grenzen stoßen. Denn alle zuvor aufgeführten agilen Arbeitsmethoden werden zur stumpfen Waffe, wenn sie nicht mit einem modernen Menschenbild und Führungsverständnis verknüpft werden. Wer das Expertenwissen und Ideen einzelner Mitarbeitende nicht schätzt und glaubt, selbst alles besser zu wissen, der wird mit Design-Thinking-Prozessen scheitern. Wer den morgendlichen Stand-up als Top-down-Appell der Führung an die Belegschaft interpretiert, der wird am Ende des Sprint-Prozesses viel Arbeit unerledigt sehen. Man bedient sich sonst zeitgemäßer Methoden mit einem unzeitgemäßen Verständnis von Führung und führt sie damit ad absurdum. Bei erfolgreichen Transformationsprojekten versteht sich die Führungskraft in meiner Erfahrung daher am besten als humble servant leader, also als unprätentiöse Führungskraft, die Hilfestellungen leistet, wenn diese gebraucht werden.
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Robert K. Greenleaf prägte den Begriff Servant Leadership [6). Servant Leadership oder dienende Führung bezeichnet eine Haltung von Führungskräften, die sich an den Bedürfnissen von Mitarbeitenden orientiert. Die Führungskraft in einer agilen Arbeitswelt ist nicht mehr Anweiser von Arbeitspaketen. Ihre Kernaufgabe besteht vielmehr darin, eine erstrebenswerte Vision aufzuzeigen und diese so zu kommunizieren, dass alle Mitarbeitenden ihre Tätigkeit daran selbstorganisiert und eigenverantwortlich ausrichten können. Sie betreibt stetig Stakeholder-Management, damit sich das Unternehmen an Veränderungen anpassen kann, und unterstützt Mitarbeitende auf Augenhöhe, gemeinsam die besten Lösungen für Herausforderungen zu finden. Zentrale Werte der agilen Führung sind Offenheit für Neues, Kommunikation, flache Hierarchien und den Erfolg des Ganzen vor dem eigenen zu sehen. Oder sehr einfach ausgedrückt: Man muss Menschen mögen. Noch eleganter beschreibt dies Norman L. Kerth [7] in seiner Prime Directive bezüglich erfolgreicher Projektarbeit:
«Regardless of what we discover, we must understand and truly believe that everyone did the best job they could, given what they knew at the time, their skills and abilities, the resources available, and the situation at hand [7, S. 7].»
9.4.6
Machen, Messen, Anpassen, Feiern, Repeat
Mein letzter Hinweis für die erfolgreiche Durchführung von Veränderungsprojekten greift wiederum auf das erwähnte Thema Hirn, Hand und Herz zurück, damit agile Transformation nie aufhört zu sein, sondern zu einer Geisteshaltung wird. Wer sich eine Vision und ein Ziel für die Transformation gesetzt hat, sollte auch die einzelnen Projektschritte oder Sprints mit konkret messbaren Aufgaben beschreiben. Denn auch bei agiler Arbeitsmethodik gilt das bewährte, Ratio getriebene Organisationsprinzip von Teamarbeit: Wer macht Was bis Wann, mit welchem erwarteten Ergebnis und Wo stehen wir gerade? Der Planungshorizont mag in der agilen Arbeitsmethodik kürzer geworden sein, aber ohne Aufgabenverteilung und verlässliches Abarbeiten funktioniert keine Transformationsarbeit. Agilität betont jedoch mehr die Fähigkeit, in einem dynamischen und komplexen Umfeld (Stichwort: VUCA-World) durch schnelles Anpassen nachhaltig erfolgreich zu sein, da nicht von Anfang alles minutiös durchgeplant, sondern der Situation angepasst entwickelt wird. Klare Planung, Zielvereinbarung sowie verlässliches Abarbeiten und Messen des Erreichten bewahrt davor, letztlich auf ein Transformationswunder zu hoffen. Diese kleine Zeichnung, angelehnt an einen Cartoon aus den 80ger Jahren zum Thema Systementwicklung, drückt diese Hoffnung sehr charmant aus (vgl. Abb. 9.1).
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Abb. 9.1 Digital Transformation Plan. (Quelle: Eigene Darstellung)
Vielleicht ist es aber auch nicht das eine große Transformationswunder, auf das man hoffen sollte, sondern es zählen eher die kleinen Erfolgsgeschichten während der Transformationsarbeit. Es mag wiederum sehr profan klingen. Trotz der Erkenntnis, jede Motivation etwas zu tun, muss von innen kommen, können externe Hygienefaktoren dabei helfen, die intrinsische Motivation aufzubauen oder zu verstärken. Das Feiern von Teilprojektergebnissen oder auch Rituale, wie ein gemeinsames Team-Essen oder eine Joggingrunde über den Mittag, schaden meist nicht. Spannend ist jedoch, dass die Generation Z (1995 – heute), bereits wieder eine klare Trennung zwischen Berufs- und Arbeitsleben einfordert. Damit mag sie eher an die Boomer-Generation (1945–1965) anknüpfen als an ihre Vorgängergeneration Y und X. Aber auch simples Anerkennen des Geleisteten kann wahre Wunder bewirken. Wer Menschen mag, wird wohl ganz automatisch nicht davor zurückschrecken, Danke zu sagen, Leistung anzuerkennen, um dann wieder auf den nächsten Arbeitsblock einzuschwören. Transformation hat im Gegensatz zur Transition kein Ende: Machen, Messen, Anpassen, Feiern, Repeat.
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A. Weber
Fazit
Auch wenn manchmal proklamiert wird, die Finanzfunktion sei wenig agil, gibt es für sie ein klares Mandat, die Führung bei der digitalen Transformation von Unternehmen zu übernehmen: CEOs und Verwaltungsräte fordern vermehrt von den CFOs, prägend auf neue Geschäftsfelder einzuwirken und datengestützte Entscheidungshilfen in Echtzeit zur Verfügung zu stellen [3]. Zudem sind für den Finanzbereich komplexe und langwährende Transformationsprojekte nicht neu. Gut aufgestellte Finanzabteilungen haben bereits seit Jahren ihre wichtigsten Prozesse standardisiert, optimiert, immer weiter automatisiert und die Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Zugänglichkeit von Daten erhöht. Gute CFOs haben es immer geschafft, nicht nur in die Modernisierung der Infrastruktur und Systemlandschaft zu investieren, sondern auch das operative Tagesgeschäft und die finanzielle Unternehmenssteuerung auf Kurs zu halten. Diese jahrelange eingeübte Fähigkeit des sowohl als auch, das parallele Managen von gleich wichtigen Prioritäten und das Nebeneinander vom stabilen Jetzt und des agilen Ausprobierens von Neuem und nicht ein kompromissloses entweder das eine oder das andere ist eine Stärke der Finanzfunktion. Gute Finanzabteilungen haben Stabilität (Liefertreue der operativen Aufgaben) und Agilität (steter Wandel und technische Neuerungen) in ihrer DNA verankert. Gleichzeitig ist für CFOs die Anforderung nicht neu, mit menschlicher Intelligenz, künstliche Intelligenz für sich arbeiten zu lassen. Auch vor 30 Jahren wurde bereits – wenn auch anders als heute – digital transformiert. So war zum Beispiel der geschulte Umgang mit den damals neuen Tabellenkalkulationsprogrammen eine Voraussetzung zu Effizienzgewinnen bei monatlichen Abschlussarbeiten von Finanzabteilungen. Die Integration von operativen ERP-Systemen zu Reporting-Systemen durch Schnittstellen oder die nahtlose Anbindung an Kunden-, Lieferanten- oder Banksysteme war angedacht, aber häufig aufgrund mangelnder technischer Standards nur schwer möglich. Der CFO scheiterte weniger an der eigenen Vorstellungskraft als an der technischen Realisierung. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Die nahtlose Integration von Systemen durch intelligente, standardisierte Schnittstellen ist fast ausnahmslos möglich. War früher nur ein sinnvolles Arbeiten mit relationalen Datenbanken möglich, können heute auch unstrukturierte Daten systematisch zur Entscheidungsfindung genutzt werden. Scheiterte früher die Programmierung von Routinearbeiten, lag das nicht am Unvermögen zu coden, sondern an der Rechnerleistung von Servern (oder des Commodore 64 im Kinderzimmer). Technisch ist heute vieles einfacher. Sollte eine digitale Transformation scheitern, so liegt es weniger an den technischen Möglichkeiten, sondern an den mangelnden Fähigkeiten der Führung, die Auswirkungen der technologischen Neuerungen auf das Geschäftsmodell stringent zu durchdenken und die Organisation nachhaltig darauf einzuschwören. Die Auswirkungen technologischer Veränderungen auf das Geschäftsmodell können noch mit Strategieprozessen und externen Beratern erarbeitet werden. Die zweite Fähigkeit, eine Organisation auf oftmals tiefgreifende Transformationsprozesse einzuschwören, verlangt ein modernes Menschenbild und Führungsverständnis. Sonst erlebt
9 Die Essenz agiler Transformation von Unternehmen?
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die Organisation ein Hirn ohne Herz und Hand. Führung in der Transformation bedeutet, ein neues Wertesystem in den Köpfen der Mitarbeitenden zu etablieren. Das erfordert Mut und Fingerspitzengefühl. Wer Menschen mag, hat hier sicherlich weniger Probleme. Bucherer AG
Die Bucherer Gruppe ist weltweit einer der größten Uhren- und Schmuckeinzelhändler mit Geschäften, Boutiquen und Tochterunternehmen in den USA, Europa und Asien. Das Familienunternehmen mit eigener Uhrenmarke und Schmuckatelier wurde 1888 in Luzern gegründet und beschäftigt derzeit um die 2000 Mitarbeitende. Der stationäre Detailhandel wurde in den letzten Jahren durch moderne Omnichannel- und E-Commerce-Konzepte ergänzt und das Produktportfolio um neue Geschäftsfelder wie das Geschäft mit zertifizierten gebrauchten Uhren (Certified Pre-Owned, CPO) erweitert. Siehe auch www.bucherer.com. Anette Weber, lic.oec HSG, ist Mitglied der Geschäftsleitung der Bucherer Gruppe und verantwortet die Bereiche Finanzen, IT, Supply Chain, Einkauf, Business Development, Property Management und Digitale Transformation. Zudem sitzt Anette Weber im Verwaltungsrat des Hörgeräte- und Technologiekonzerns GN Store Nord A/S, Kopenhagen, sowie im Aufsichtsrat der Unternehmensgruppe New Work S.E., Hamburg. Bei den beiden Nasdaq-Nordic bzw. S-DAX notierten Unternehmen leitet sie das Audit-Committee bzw. den Prüfungsausschuss. Anette Weber war zuvor 20 Jahre für Novartis in lokalen und globalen CFO und General Management Rollen in Japan, Slowenien, Deutschland und der Schweiz tätig und war zudem Group CFO der börsennotierten Med-Techfirma Ascom AG in Baar, Schweiz.
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A. Weber
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Finanzelle Führung von selbstorganisierten Teams am Beispiel Spitex Zürich Limmat
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Daniel Boller
Zusammenfassung
Spitex Zürich Limmat mit über 1000 Mitarbeitenden hat während fünf Jahren die gesamte Organisationsstruktur auf 58 selbstorganisierte operative Teams umgestellt. Eine Operation am offenen Herzen, die geglückt ist. Anfangs 2022 stellt der CFO mit dem Jahresabschluss 2021 in den Händen fest, dass die Transformation auch aus finanzieller Sicht gelungen ist und das Unternehmen einen Quantensprung nach vorne vollbracht hat.
10.1
Einleitung
«Die haben keinen CFO, keine HR-Leitung, keine Zentrumsleitungen, keine Teamleitungen und keine Planer*innen der Touren für die Mitarbeitenden und wuchsen innerhalb von zehn Jahren von drei auf über 10.000 Mitarbeitende. Zudem sind sie der beliebteste Arbeitgeber in der ambulanten Pflege und wurden schon mehrfach als bestes Unternehmen des Jahres in den Niederlanden gewählt.» Im Herbst 2016 kam Christina Brunnschweiler, meine Vorgesetzte und CEO der Spitex Zürich Limmat, von einem Vortrag von Jos de Blok, Pionier und Gründer von Buurtzorg, zurück und erzählte mir von diesem erfolgreichen Unternehmen. Keine Managementstrukturen, keine Hierarchie mit klaren Befehlsketten, alle Macht bei kleinen Teams. Die Idee überforderte mich mit meinen vielen Jahren Managementerfahrung und war unvorstellbar. Selbstorganisation, wie soll das funktionieren? D. Boller (B) Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_10
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D. Boller
Spitex Zürich Limmat war damals mitten in einem groß angelegten IT-Projekt, das unter anderem die Planung der Touren mit IT-Unterstützung perfektionieren sollte. Die Planer*innen würden ein Werkzeug in die Hände bekommen, bei dem sie für alle Kund*innen und Mitarbeitenden individuell verschiedene Variablen ins System eingeben sollten, das dann auf Knopfdruck die perfekte Planung für Teams mit rund 30 Pflegerinnen oder Hauswirtschaftsmitarbeiterinnen ausspucken sollte. Teil der IT-Weiterentwicklung war auch ein Lean-Projekt: Wir wollten, dass nicht die IT, sondern die Nutzer*innen den Takt für neue Applikationen und optimierte Prozesse vorgeben. Nun, rund fünf Jahre später, halte ich den Jahresabschluss 2021 mit einem Betriebsgewinn von 2,1 Mio. Franken in den Händen. Das entspricht einer Umsatzrendite von 2,8 % und ist wesentlich besser als in allen Jahren vor der Transformation. In meinem Beitrag zu Agile Finance gehe ich auf die finanziellen Aspekte der Transformation der Spitex Zürich Limmat mit ihren über 1000 Mitarbeitenden zur Selbstorganisation ein. Zudem zeige ich auf, wie sich das Finance-Team auf das neue Betriebsmodell ausrichten musste, wobei agiles Handeln zur Maxime wurde.
10.2
Haltungsfrage
Dem Geschäftsführer bzw. der Geschäftsführerin und allen Geschäftsleitungsmitgliedern stellt sich ganz zu Beginn die Frage, ob die persönliche Haltung und Einstellung agile Unternehmensformen überhaupt zulassen. Agilität und Selbstorganisation setzen ein Mindset voraus, das sich an einem holistischen Ansatz im Management orientiert. Dieser Ansatz berücksichtigt grundlegende menschliche Verhaltensweisen, die sich auch mit dem Warum auseinandersetzen und nicht, wie in der Betriebswirtschaftslehre üblich, sich vor allem auf das Wie fokussieren. Sinnstiftende Formen der Zusammenarbeit und die Überzeugung, dass jeder Mensch sich mit all seinen Kompetenzen einbringen und seinen Teil am Ergebnis beitragen will, sind unabdingbar. Wir wurden uns in der Geschäftsleitung bewusst, dass wir in unserer alten hierarchischen Führungsstruktur oft nur eine vermeintliche Kontrolle über die Wertschöpfungsprozesse an der Basis hatten. Die dreistufige Führungskette für die Ansteuerung der dezentral arbeitenden Mitarbeitenden in der ambulanten Pflege war nie perfekt. Oft mussten wir feststellen, dass Weisungen der Geschäftsleitung mit viel Interpretationsspielraum umgesetzt wurden. Eine allzu stringente Umsetzung von Weisungen hätte der damaligen Unternehmenskultur und dem Kern der Vision von Spitex Zürich Limmat diametral entgegengestanden. Selbstorganisation kann somit nur funktionieren, wenn die Geschäftsleitung zu geteilter Führung bereit ist und grundsätzlich den Mitarbeitenden und deren Fähigkeiten vertraut. Auch bei Eltern gilt, dass das ganze Potenzial ihrer Kinder erst ausgeschöpft werden kann, wenn die Eltern gewillt sind, loszulassen und ihren Kindern vertrauen.
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Selbstorganisation bedeutet nicht Laisser-faire. Auch selbstorganisierte Teams müssen sich an Regeln halten und diese gilt es auch zu überwachen. Die Kunst dabei ist, die richtige Balance zu finden: Einerseits gilt es, das rechtzeitige Eingreifen durch die Geschäftsleitung sicherzustellen, und andererseits muss den Teams ausreichend Zeit für eigenverantwortliches Handeln und für die Umsetzungen von Maßnahmen gegeben werden. Das für alle Teams geltende Regelwerk bei Spitex Zürich Limmat wirkt auf verschiedenen Ebenen. Es gibt Ziele für die drei Dimensionen Kund*innen, Mitarbeitende und Finanzen vor, die erreicht werden müssen, es legt einen Rahmen mit Grundregeln, gesetzlichen Vorgaben, verbindlichen Weisungen der Geschäftsleitung fest und es umfasst unterschiedliche innerhalb der verschiedenen Teams geltende Abmachungen (Abb. 10.1). Die Grundregeln enthalten konkrete Vorgaben für die Teams, innerhalb derer sie sich organisieren können. Dabei gibt es maximal acht Regeln pro Zieldimension Kund*innen, Mitarbeitende und Finanzen. Die Grundregeln für die Finanzen enthalten neben der Budgetverantwortung für Ausgaben und anderen Vorgaben auch die Zielauslastung als wichtigstes Finanzziel der finanziellen Führung der Teams (Abb. 10.2). Die Auslastung entspricht der Produktivität und errechnet sich aus dem Anteil der den Kund*innen verrechneten Stunden am Total der geleisteten Stunden (verrechnete Stunden, Büroarbeit, Wegzeiten, Pausen etc.).
Abb. 10.1 Regelwerk selbstorganisierte Teams [1]
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D. Boller
gemäß
gemäß
außerhalb
Abb. 10.2 Grundregeln selbstorganisierte Teams, Finanzen [1]
10.3
System Selbstorganisation
Die Selbstorganisation bei Spitex Zürich Limmat wurde umfassend und kompromisslos umgesetzt. Bis auf die oberste Führungsebene der Geschäftsleitung wurden während der Transformation alle Kader- und Planungsstellen abgeschafft und auch in der Geschäftsleitung gelten die Regeln der Teamorganisation. Die Geschäftsführerin versteht sich als Prima inter Pares oder Erste unter Gleichen. Die Entscheidungsbefugnisse werden so weit wie möglich am Ort der Wertschöpfung angesiedelt, konkret bei 58 operativen Teams. Als Darstellung der Organisationsstruktur wurde das Sinnbild des Baumes verwendet: Alle Anstrengungen dienen der Produktion von Früchten, das heißt Dienstleistungen zum Wohle der Kunden, erbracht durch die operativen Teams (Abb. 10.3). Selbstorganisierte Teams bestehen aus rund zwölf Personen und haben keine Führungspersonen, sondern wechselnde Rollen im Team. Die Teams entscheiden selbst über ihre Dienst- und Einsatzpläne und sind auch für die Rekrutierung und den Weggang von Kolleg*innen verantwortlich. Sie führen sich selbst über wenige Ziele, mit Hauptaugenmerk auf das Auslastungsziel, und organisieren eigenständig das Kerngeschäft der ambulanten Pflege zu Hause, wobei sie auf umfangreiche Supportleistungen zurückgreifen können. Für Kund*innen und Zuweisende wie Arztpersonen, Angehörige, Sozialämter etc. sind sie direkt erreichbar. Sie sind nicht sich selbst überlassen, sondern werden in diversen Aspekten der Selbstorganisation geschult und können bei Bedarf auf erfahrene Fach- und HR-Coaches zurückgreifen. Zudem übernehmen sie die Verantwortung für alle Kund*innen in dem ihrem Team zugewiesenen Quartier der Stadt Zürich.
Abb. 10.3 Organigramm Spitex Zürich Limmat ab 01.01.2021
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10.4
D. Boller
Vorgehensweise Transformationsprojekt
Für die Geschäftsleitung bestand kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Das Unternehmen war auch vor der Transformation eine attraktive Arbeitgeberin mit guten bis sehr guten Resultaten in Mitarbeitendenbefragungen. Die finanzielle Situation war zufriedenstellend und ausreichende Mittel für innovative Projekte waren vorhanden. Das Projekt konnte somit aus einer Position der Stärke angegangen werden. Folgende Überzeugungen hatten zum Start des Projektes geführt: • Die Zukunft des Spitex-Marktes wird sich in den nächsten Jahren stark verändern; es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das aktuelle Umfeld so bleiben wird. • Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet; es ist und bleibt anspruchsvoll, qualifiziertes Personal zu finden und an sich zu binden. • Mitarbeitende erwarten zunehmend Handlungsautonomie und Partizipation. • Die Arbeit unserer Mitarbeitenden an der Basis soll erleichtert werden. • Eine vertrauensvolle Unternehmenskultur, die die Einführung von selbstorganisierten Teams begünstigt, soll geschaffen werden. • Kundinnen und Kunden stellen höhere Anforderungen an die Dienstleistungsqualität. • Private Anbieter bieten eine aus Kundensicht teilweise höherwertige Leistung, vor allem bezüglich Kontinuität der Kundenbetreuung. • Eine Verbesserung des Kundenerlebnisses soll realisiert werden. • Die Stadt Zürich könnte den Leistungsauftrag mittel-/langfristig ausschreiben. Der Gewinn einer Ausschreibung setzt eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur voraus. • Die erfolgsversprechende Umsetzung von selbstorganisierten Teams bei Buurtzorg und der Austausch mit Jos de Blok und weiteren Mitarbeitenden von Buurtzorg führte zur Einsicht, dass das Modell Buurtzorg für Spitex Zürich Limmat passend ist. Die Zentrumsleiterin des Zentrums Schwamendingen mit rund 120 Mitarbeitenden gab zu Beginn des Projektes bekannt, dass sie sich frühpensionieren lassen wolle. Dadurch erhielten wir ideale Voraussetzungen für einen Test mit selbstorganisierten Teams. In einem ersten Schritt luden wir alle Mitarbeitenden des Zentrums zu einem Workshop ein und präsentierten ihnen unsere Absicht, selbstorganisierte Teams zu testen. Erhofft hatten wir uns genügend Freiwillige für zwei Teams und wurden durch die Begeisterung der Anwesenden regelrecht überrumpelt. Bis auf zwei Mitarbeitende wollten alle am Test teilnehmen. Das Experiment mit sieben Teams wurde beschlossen. Nach einem Jahr führten die positiven Erfahrungen und Erkenntnisse zum Entscheid, selbstorganisierte Teams mit allen der über 1000 Mitarbeitenden durchzuführen. Ein dermaßen tiefgreifendes Transformationsprojekt ohne Erfahrungswerte aus anderen Organisationen bedingt ein flexibles Vorgehensmodell, damit neue Erkenntnisse schnell umgesetzt werden können. Beim Pilot Schwamendingen und auch während der gestaffelten Umsetzung in allen neun Standorten mit je rund 100 Mitarbeitenden musste die
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Vorgehensweise immer wieder angepasst werden. In einer ersten Welle stellten wir 2019 drei Standorte gleichzeitig um, was zu einer Überforderung der Support-Teams führte. Die zweite Welle planten wir dann sequenziell, einerseits um den Teams mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen und andererseits um wieder laufend neue Erkenntnisse einfließen lassen zu können. Wir waren und sind überzeugt, dass sich die finanziellen Vorteile von selbstorganisierten Teams nicht einzig aufgrund von Produktivitätsverbesserungen und Einsparungen von Overheadkosten zeigen werden. Ein viel größeres Potenzial bilden indirekte Einsparungen durch eine tiefere Absenzenquote und eine geringere Fluktuation, die sich aus teamdynamischen Prozessen und einer größeren Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Team und dem Arbeitgeber ergeben.
10.5
Finanzielle Führung
Spitex Zürich Limmat hatte bereits vor der Transformation ein gut ausgebautes ReportingSystem, das auf der Erfassung aller verrechenbaren sowie nicht verrechenbaren Stunden pro Mitarbeitenden und Kunden oder Kundin basiert. Als interne Währung gelten Stunden und davon abgeleitet die Auslastung respektive Produktivität der Mitarbeitenden. Die Erreichung der Auslastungsziele war früher Aufgabe der Teamleitungen und Zentrumsleitungen. Sie besprachen Abweichungen monatlich im Kader und legten geeignete Maßnahmen fest, was vor allem Einzelgespräche mit Mitarbeitenden beinhaltete. Welche Kennzahlen sollten nun die Teams neu erhalten und in welchem Detaillierungsgrad? Es gab neue Aufgaben, mit denen sich Pflege- und Hauswirtschaftsmitarbeitende noch nie auseinandersetzen mussten, und im Controlling fehlten plötzlich finanzkompetente Ansprechpersonen. Wir entschieden in der Geschäftsleitung: Weniger ist mehr, obwohl es systemisch weitergehende Möglichkeiten gegeben hätte. Um die Teamdynamik nicht zu gefährden, setzten wir auf der Teamebene an. Ziel waren nicht individuelle Auslastungsziele pro Kompetenzstufe TER (diplomierte Pflegefachpersonen), SEK (FAGE) oder PH (Pflegehelferinnen), sondern Teamziele, die den Kompetenzen-Mix sowie den Zeitaufwand für administrative Aufgaben enthalten. Das Team soll das gemeinsame Ziel zusammen erreichen und den Weg dorthin frei wählen können. Mit Finanzschulungen aller Mitarbeitenden der 58 Teams durch den CFO und die Controllerin wurde die Basis gelegt. Dabei galt es, die folgenden Problemkreise anzugehen: • Erkennt das Team einen negativen Trend überhaupt? (wahrnehmen, messen) • Realisiert das Team, dass etwas getan werden muss? (Verantwortung übernehmen) • Versteht das Team, wie Einfluss auf einen negativen Trend genommen werden kann? (Maßnahmen festlegen und überprüfen)
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D. Boller
• Wann muss die Geschäftsleitung eingreifen? (zeitnahe Unterstützung) Dazu gehörte auch, das Interesse an wirtschaftlichen Zielen und Kennzahlen zu wecken: • Vertrauen aufbauen, Abwehr-Reflex abbauen (Ihr seid privat bereits alle Finanzprofis) • Transparenz schaffen bezüglich der finanziellen Situation des Unternehmens, aber vor allem auch bezüglich der Produktivität des einzelnen Teams • In die Verantwortung nehmen, aber nicht überfordern • Alle Kommunikationskanäle nutzen und vor allem persönlichen Austausch pflegen • Teams niederschwellig und unkompliziert unterstützen Die Verwendung von Bildern half dabei, auf die wesentlichen Aspekte hinzuweisen. Die Teams erhielten dazu A3-Ausdrucke, die sie in ihren Teambüros aufhängten (Abb. 10.4). Für das monatliche Reporting wurden möglichst einfache Unterlagen entwickelt und die Mitarbeitenden für deren Nutzung geschult (Abb. 10.5). Das Teammitglied mit der Aufgabe Finanzen ist verpflichtet, die Zahlen monatlich im Team zu besprechen und kann jederzeit Unterstützung durch das Finanzteam anfordern und auch weitergehendes Zahlenmaterial verlangen.
Abb. 10.4 Finanzbild Teamleistung und Was wir wollen
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Teamgröße
Abb. 10.5 Muster Teamreporting – Dashboard
Die Teams erhalten monatlich Informationen über die Auslastung, die Entwicklung der verrechneten Stunden pro Monat und Kalendertag, die nicht verrechenbare Stunden (Wegzeit, Büro- & Administration, Pausen) sowie die Absenzen (Weiterbildung, Krankheit/Unfall und Ferien). Auch Angaben zu Überzeiten und Feriensaldo pro Teammitglied werden monatlich an die Teams verschickt. Bei Bedarf können die Teams individuelle Auslastungsreports anfordern, was sie jedoch meist nicht tun. Die Erfahrungen in den Teams zeigen, dass bei ungenügenden Leistungen meist tiefer liegende Probleme vorhanden sind. Oft ist eine ungünstige Teamdynamik die Ursache für ungünstige Zahlen über längere Zeit und liegt es nicht zum Beispiel an Stundeneinbrüchen durch den Wegfall von pflegeintensiven Kund*innen, die ins Pflegeheim wechseln oder versterben. Auf der Ebene der Geschäftsleitung werden die Teamdaten monatlich in sogenannten Controlling-Sitzungen besprochen. Dabei kann auf ein gut ausgebautes MIS (Management Information System) mit dem BI-Tool Qlik Sense zurückgegriffen werden. Die Kunst dabei ist, nicht zu früh bei den Teams einzugreifen, weil dies die Selbstverantwortung schnell untergraben und die Eigeninitiative der Teams zurückgehen lassen würde. Zu spätes Eingreifen ist jedoch ebenfalls ungünstig, denn dysfunktionale Teams brauchen in den meisten Fällen Unterstützung von Fach-Coaches und/oder Geschäftsleitungsmitgliedern. Dabei ist die Haltung wieder der wesentliche Erfolgsfaktor. Den Teams werden keine Vorgaben gemacht, sondern es werden Lösungsoptionen besprochen. Die Entscheidungen treffen letztlich die Teams selbst.
160
10.6
D. Boller
Fakten
Die Implementierung der selbstorganisierten Strukturen dauerte fünf Jahre. Während der Projektarbeit erhielt der Verwaltungsrat regelmäßig Statusberichte und im Januar 2021 konnten die Ergebnisse nach Projektabschluss mit den Zielen abgeglichen werden. Das Ziel, bei den Pflegestunden einen Marktanteil von 70 % zu halten, wurde nicht erreicht, der Anteil sank auf 60 %. Während des Transformationsprojektes war der Fokus zu stark nach innen gerichtet. Die Overheadkosten sanken wie geplant um rund 10 % und die Produktivität der Organisation blieb stabil. Erleichtert nahmen wir zu Kenntnis, dass die Resultate der regelmäßig durchgeführten Kundenumfragen nicht nur auf bereits hohem Niveau gleichblieben, sondern sich nach der Transformation sogar noch verbesserten. Auch die regelmäßig durchgeführten Mitarbeitendenbefragungen zeigten durchwegs gute Werte. Die Fluktuation erhöhte sich während der Transformation erheblich von 17,3 % in 2018 auf 24,1 % in 2019 und 24,4 % in 2020 und sank danach wieder auf 17,7 % in 2021. Einerseits führten die Aufhebung des Kaders und Planungsfunktionen zu den Abgängen, andererseits verließen uns auch Mitarbeitende, für die das Konzept der Selbstorganisation nicht passend war. Mit den umfangreichen Entscheidungsfreiräumen in den Teams steigt auch die Eigenverantwortung, denn Freiheit ohne Verantwortung gibt es nicht. Wir erwarten, dass in der nun folgenden Stabilisationsphase die Fluktuation weiter rückläufig sein wird. Eine Beurteilung der Entwicklung der Abwesenheiten durch Krankheit und Unfall ist wegen der Corona-Pandemie immer noch nicht möglich. Die Pandemie war jedoch ein wichtiger Härtetest für die neue Organisationsform. Gerade in Krisenzeiten gilt grundsätzlich, dass Hierarchien mit klaren Befehlsketten unausweichlich sind, wie dies zum Beispiel in Blaulicht-Organisationen wie Feuerwehr, Polizei und Militär der Fall ist. Lange Diskussionen, wie ein brennendes Haus gelöscht werden soll, sind kaum zielführend. Zu unserer großen Erleichterung hatten die Teams auch während den schwierigsten Phasen der Pandemie immer ihre Verantwortung wahrgenommen und sich und alle Kund*innen hervorragend durch die kritische Zeit gebracht. Das System funktioniert somit auch im Krisenmodus. Reduzierte Komplexität in kleinräumigen Verantwortungsbereichen benötigt also bewiesenermaßen keine generalstabsmäßig organisierten Lösungen. Reorganisationen sind nicht billig. Die Projektausgaben lagen bei 6,3 Mio. Franken über fünf Jahre, wovon 2,7 Mio. Franken für intern erbrachte Leistungen aufgewendet wurden. Die internen Stunden wurden mit dem bereits bestehenden System für die Stundenerfassung ermittelt. Die externen Ausgaben umfassen Investitionen in Applikationserweiterungen und externe Kosten für die IT-Projektleitung und Projektbegleitung. Der dem Projekt zugrunde liegende Businessplan konnte grundsätzlich eingehalten werden, wenn auch die positive Entwicklung der Produktivität zeitlich ein Jahr früher erwartet worden war.
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Mit der Jahresrechnung 2021 können nun auch konkrete Aussagen zum ROI (Return on Investment) gemacht werden. Das erste Jahr nach der Transformation wurde zwar stark durch die Corona-Pandemie beeinflusst, es kann aber trotzdem als volles Jahr im neuen Normalbetrieb herangezogen werden. Das Betriebsergebnis (Ergebnis ohne Mitgliederbeiträge, Fundraising-Aktivitäten, Wertschriftenerfolg und a. o. Erfolg) lag 2017, vor der Transformation, bei 1,4 Mio. Franken. 2021 konnte unter ähnlichen Voraussetzungen ein Betriebsergebnis von 2,6 Mio. Franken erzielt werden, was einer Verbesserung von 1,2 Mio. Franken entspricht. Die Projektausgaben von 6,3 Mio. Franken würden somit unter Beibehaltung aller übrigen Variablen innerhalb von gut fünf Jahren wieder eingebracht.
10.7
Fazit
Die Umstellung der Organisation von hierarchischen Strukturen hin zu selbstorganisierten Teams ist kein mechanischer Prozess, der rein logisch abgehandelt werden kann. Sie greift tiefer und bedingt eine Haltungsänderung aller Mitarbeitenden, was viel Zeit und Energie bei der Umsetzung erfordert. Teams mit maximal zwölf Personen bewirken, dass die Komplexität der Prozesse, des Schnittstellenmanagements und ganz generell der Zusammenarbeit reduziert wird. Selbstorganisation bedeutet keineswegs Führungslosigkeit oder ein System des Laisserfaire. Vertikale und geteilte Führung ergänzen sich, indem laufend formelle und informelle Führungseinflüsse in einem dynamischen Prozess gelebt werden. Selbstorganisation ist nachweislich eine geeignete Organisationsform für Spitex Zürich Limmat. Eine erfolgreiche Umsetzung in einer Organisation ist aber nur möglich, wenn genügend Zeit und finanzielle Ressourcen vorhanden sind und insbesondere, wenn die obersten Führungskräfte bereit sind, Verantwortung und Einfluss an die wertschöpfende Basis abzugeben. Letztlich steht und fällt eine erfolgreiche Transformation mit der Überzeugung, dass alle Menschen bereit sind, für sinnvolle Aufgaben Verantwortung zu übernehmen, und dass sie dazu einen großen Vertrauensbonus verdienen. Die folgende oft gehörte Aussage bringt die erfolgreiche Transformation am besten auf den Punkt: «Ich kann mir nicht vorstellen, wieder eine Chefin oder einen Chef zu haben.» Das Unternehmen
Spitex Zürich Limmat ist die Rundumversorgerin für Kundinnen und Kunden zu Hause in der Stadt Zürich an 365 Tagen im Jahr während 24 h. Das breite Angebot umfasst professionelle Pflege und Betreuung in sämtlichen medizinischen und alltäglichen Belangen: von der Nachbetreuung nach Spitalaufenthalten
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D. Boller
über die Unterstützung bei der Körperpflege und beim Verbandswechsel bis zum Medikamentenmanagement sowie in der Hauswirtschaft. Spitex Zürich Limmat ist zudem spezialisiert auf die Bereiche Demenz, psychosoziale Pflege, Palliative Care, Chronic Care, Stoma, Wundpflege und Kontinenz. Spitex Zürich Limmat hat einen Leistungsauftrag der Stadt Zürich und steht allen Menschen mit Unterstützungsbedarf offen. Die Organisation beschäftigt über 1000 Mitarbeitende und versorgt jährlich rund 6800 Kundinnen und Kunden mit über 800.000 Einsätzen. Der Autor Daniel Boller Daniel Boller, CFO Spitex Zürich Limmat, Betriebsökonom FH, Bücherexperte, MAS ZFH Managed Health Care. Quereinsteiger ins Gesundheitswesen vor gut zehn Jahren nach Funktionen als CFO bei Schweizer KMUs und Ländergesellschaften von multinationalen Konzernen.
Literatur 1. Spitex Zürich Limmat (2018–2021). Interne Unterlagen
What large Corporations can learn from Agility as DNA of Finance Functions in Startups
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René Cotting
Abstract
Agility is not a solution in itself but a means to an end. Namely, to always know where we are, how we got here, and where we need to go. This is even more challenging in a volatile, uncertain, complex and ambiguous operating environment. It includes creating transparency, consistently presenting the current situation, and highlighting the inconvenient truth, challenges, and opportunities. Those requirements are especially relevant for startups, but not only. We highlighted the vision of an agile world-class CFO function to partner with the business decision-makers to create value while operating at the highest legal and ethical standards with SPEED; concretely, with ‘simplicity, passion, effectiveness, efficiency and providing direction’ along the four levels of actions ‘people, organization, processes and systems’. In short: SPEED with POPS. Hereby, we concluded that large corporations could greatly benefit from the way agility is lived in startups.
11.1
A Dream Start with Benefits for Large Corporations Too
There are probably only a few types of companies that are confronted to a maximum with VUCA challenges (volatile, uncertain, complex, ambiguous) like startups. Startups can be compared to young saplings of trees that have already taken root but are still small and vulnerable. Being agile thus makes up the entire DNA of a startup: Reacting smartly, R. Cotting (B) Wollerau, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_11
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R. Cotting
quickly, effectively, and efficiently to changes with a major focus on (future) customers, people and resources, while always being one step ahead. These prerequisites are also crucial for the CFO function of a startup, as it plays a major role here. The question, therefore, is, what are the characteristics of an agile CFO function at a startup, and are there also learnings for large corporations? To reflect on it, we first need to know the starting position of a startup. Has it already had a financing round, which includes friends and family as well as initial angel investors? Has a Series A, B, or C already been completed? What does the sales development look like? Has the startup sold the first products and services that go beyond the proof of concepts stage? Is there a board of directors, which is not only composed of the founders or parts of the management? What are the reporting requirements to investors and/or banks? Are covenants for loans to be met? When is the next round of equity financing— or can we finance growth from our own resources and, if necessary, still with loans or convertible loans? In every aspect, the starting position cannot be compared to an established company and its financial function. Instead, it is a dream start for any CFO. We can build a finance function in such a way that it continues to grow in an agile manner and remains lean, effective, and efficient. Aiming for transformation up front is not even necessary (yet)! This may come as a surprise, but it is logical. A transformation presupposes an existing organization, which one realigns into the future. At a startup, we often do not even have a finance function. In some cases, an accounting manager has been hired. However, typically, the bookkeeping is done at an early stage by the founder himself or delegated to an external fiduciary company. Complete financial closings are done only yearly and very seldom on a quarterly or even monthly basis. It is, therefore, possible to start on a greenfield site, not to repeat all the mistakes of large companies with their organizational setup of finance functions and instead to build an organization that is fit for the future. An organizational structure and processes from which larger corporations could benefit too.
11.2
Vision and Values as a Starting Point
The vision of a CFO function is to always know where we are, how we got here, and where we need to go. This includes creating transparency, consistently presenting the current situation, and highlighting the inconvenient truth, challenges, opportunities, and actions. It comprises working out scenarios and options for the future, ensuring the company’s financing and competitiveness, and presenting recommendations on strategic and operational decisions.
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Be an agile world-class CFO funcon that partners with the business decision makers to create Value while operang at the highest standards with SPEED Simplicity, Passion, Effecveness, Efficiency and providing Direcon
Abb. 11.1 Vision and values of the agile CFO function (own definition)
The CFO function also acts as the backbone of the company, as the right hand of management, as its co-pilot, and provides peace of mind by ensuring that 1. The business model creates sustainable value and responds adequately to new opportunities and challenges such as those, e.g., derived from digitalization, supply chain or financial threats. 2. Legal and (if necessary) stock exchange regulations are complied with. 3. Internal controls are in place so that fraud of any kind is prevented. 4. Internal rules are adhered to. 5. Investment decisions are properly evaluated and executed. Those values of a CFO function are best reflected in the vision statement of a business partner (Abb. 11.1). Ultimately, it is about realizing the value and ensuring the competitiveness of the company in the short, medium and long term. The demands on a business partner include being a role model, acting with ethical integrity, not being a wind vane, but looking the facts objectively in the eye and addressing them constructively by pointing out possible solutions. This is often easier said than done. It requires that the CFO is also accepted and appreciated as a business partner by the other members of management. Achieving the latter is often a debt to be discharged by the CFO function. Don’t wait, but act, provide options with pros and cons, prepare fall-back scenarios such as plan B/C, and surprise positively is the right attitude here, because in many cases, the belief still persists that the CFO function only entails running the accounting, writing invoices, and making the payments.
11.3
POPS—People, Organization, Processes, and Systems
An agile finance function is focusing on four levels of action: people, organization, processes, and systems. In short: POPS. I used to say: “When done in a perfect way, we should hear the POPS music playing and win a Grammy award from our Management, our Board and in a stock-listed company additionally from our Shareholders.”
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R. Cotting
11.3.1 People as Business Partners All employees of the finance function such as controllers, treasurers, accountants tax and IT responsibles shall embrace the vision and the way of working in an agile way. Agile working methods will lead to higher employee satisfaction when applied in a motivating and non-bureaucratic way. Its implementation in my former role as CFO of ABB Switzerland proved it, supported by specific employee satisfaction surveys over several years. In a startup environment, this is even more true as acting in an agile way for developing products or solutions is the normal way of working. Having the finance organization apply the same principles facilitates the understanding, the team spirit and the sprint team building across the organization. What are behavior aspects when working in an agile way? Let us start with the CFO and (if existing) his department heads for the shared service center, accounting, or treasury. As a principle, they shall follow the same behavior pattern. There are no bosses, but leaders instead (Abb. 11.2). Their way of working is to coach and support as illustrated in Abb. 11.2. Hereby, we should not underestimate the importance of having leaders that, apart from their leadership qualities must have strong knowledge and experience in the relevant fields of expertise. These competencies are especially beneficial in an agile environment to keep the sprints on track and focused on the objectives defined. This is a big advantage as compared to in a finance organization that is organized solely top-down where commands easily can get diluted and re-interpreted on lower levels. What is worse, the latter can create a culture of ‘fear’ when bosses are dissatisfied about the logical outcome of low performance and are starting to act in an even more ‘command-and-control’ manner with negative penalties attached. What a contrast to an agile working environment where focus is on reaching the objectives, and leaders coach and do not dictate to the teams.
11.3.2 Organization Being Directional and Self-Organized The major focus in an agile organization is not on the formal hierarchical structure but on the sprint project-related structure. The people organize themselves to a large extent and ask those into the sprint that can provide the most value, irrespectively of the department or location they belong to. Selection is, therefore, mostly based on competencies, engagement, creativity, and last but not least teamwork capabilities. Hereby, a CFO needs to oversee the organization of the sprints and provide directions where requested. He still has a veto right in order to secure, for instance, diversity, integrity, and effective governance or to ensure that it is not the same people over and over (who sometimes cannot say no to colleagues) who are taken with the risk of a future burn out. This self-organized organization can also be applied in larger corporations. For example, as CFO of ABB Switzerland I headed the departments of Accounting/Shared Service
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vs.
Creator: Rene Cong
Abb. 11.2 CFO’s role within the finance function in an agile working environment: From bosses to leaders (own presentation)
Center, Treasury, Controlling, Supply Chain Management, Real Estate, Insurance, Taxes, Information Technologies IT, and Internal Control with over 300 employees. I started using working methods of agility early on and have been driving a Startup culture. My nine department heads and I met each Monday morning at 8 a.m. with a cup of coffee for a stand-up meeting. Each Department Head and I summarized each team sprint, reflecting on the stand-up meetings of each sprint team run on Fridays. Each one of us got 10 minutes sharp: What was achieved last week? What wasn’t? Why not? What goals should be achieved this week? Where do I need help or decisions to move forward? From these meetings, new sprints were defined when needed, mostly across departments. In addition, I held an unstructured breakfast meeting every month. The goal was that everyone could share their most important points, hard and soft topics, and exchange improvement ideas. Particularly, many emotional issues could be better addressed and dealt with in this way. I continued those practices also in my future job roles and in the Startups—with the result that the team spirit improved greatly. Advantageous for running sprints is the use of common templates. There exist various solutions like those derived from software development approaches or from other lean approaches. A good overview of approaches can be found in the latest publication of the International Group of Controlling ([2], summarized in Tab. 11.1). What agile approaches are better to be used for finance functions in startups? There is no right or wrong way. Each case is individual and must be judged on what approach will offer the greatest chance of success. Major preconditions for success are, on the one hand, strong leadership by the CFO to allow the sprints enough resources, time, and budget. On the other hand, it requires an acknowledgement of the characteristics to be SPEEDY, i.e.,
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R. Cotting
Tab. 11.1 Agile Approaches [2] Agile Approaches Core Agile Approaches
Scrum. Kanban. Crystal
Leadership-oriented Agile Approaches
Goal Setting. Coordination. Feedback
IT-oriented Agile Approaches
Extreme Programming (XP). Test-Driven Development (DD). Feature Driven Development (FDD). Lean Software Development. Dynamic System Development Method (DSDM)
Holistic Agile Approaches
Design Thinking. Scaled Agile Framework. OKR. Holacracy. Hoshin Kanri. OGSM
simple, allow passion in a positive way, be effective and efficient, facilitating in providing direction and build on you as an employee. Abb. 11.3 provides an example of how I have been combining several aspects from existing agile working methods, allowing us to • • • • • • • • •
Focus on the overall objectives in order not to lose orientation. Empower the sprint team, bottom-up vs. top-down. Avoid silos, get commitments, and a team spirit. Reflect on what is urgent and how important it is with respect to value creation. Get decisions on a timely basis from the CFO or the stakeholders addressed. Carry out adaptations in the form of frequent iterations. Welcome unpredictable changes from one sprint to another. Strongly involve customer and stakeholder throughout the process. Keep an eye not only on the action list but also on soft factors using a mood barometer.
11.3.3 Processes Being Standardized and Automated Where Possible It may come as a surprise that in startups financial reporting revolves firstly only around cash. Balance sheets and income statements are of secondary priority and if so, then the balance sheet is more important than the income statement: cash flow statement before balance sheet before income statement. This is just the opposite in established companies. The focus in my previous jobs was on the income statement first, then the balance sheet, and only then on the cash flow statement. Not surprisingly, large companies must often start special cross-company programs, again and again, to get the cash culture back into the organization. There is too much focus on margin and profit, also due to the bonus culture, and unfortunately hardly any focus on cash flows. Programs like Networking
2
1 2 2 3 1 1 2
3. Extension of Revenue recognion guidelines based on Cash milestones depending on contractual terms
1. Cash flow related business dashboard opons – which one to design finally?
2. Employee backups?
3. Future selecon of banks based on EBICS Connecon possibility?
4. CFO Workshop to be done by end of September?
1. Bank confirmaons to get 100%
2. Design and implement final Cash flow related business dashboard
3. Train key users in Treasury Management System
Abb. 11.3 Example performance template using in agile working methods for CFO functions (own development)
April 8, 2023
3. New Director of Finance soluons to start on 1. September
2. New Credit line achieved
1. Vacaons of most sprint members in upcoming weeks
4. Prepare evaluaon of different CRM systems
1
2. EBICS Connecons partly done for Treasury Management System
1 = Urgent and important 2 = Important not urgent 3 = Urgent medium important
1
Become a true business partner in cash management
Objecves:
please let us know yours team mood by moving the arrow
mood barometer
1. Cash flow related business dashboard opons
22. July 2022
Information Of interest
Next sprint & Issues to tackle
Decisions needed
Performed sprints
Sprint date:
Performance drive – Sprint Team «Cash»
Creator: Rene Cong
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R. Cotting
Capital Management with special KPIs like DSO, DPO, DIH, CROI, free cash flow had to be invented to bring back a cash culture. Startups just have to smile at that! Everything revolves around the question of whether you have enough cash to fuel growth or are able to survive. How can funding be secured, when does the next round of funding need to be launched, and are we already ‘bankable’ and able to borrow from established investors or banks? A 3 to 5-year liquidity plan is useless if we cannot pay out the payrolls next month and the best employees will leave. Cash is truly KING. The processes must be designed accordingly so that the cash culture is omnipresent. The most important process here is the ongoing liquidity status and rolling agile liquidity planning. Typically, I prepare a short-term plan for 3 months, a medium-term plan for 12 months, and a long-term plan for 3 to 5 years. The latter reflects our ambitions for global growth and indicates at an early stage when we need to approach the next financing rounds. So where does agility come into play here? Firstly, we might think that agility has no place when we focus on accounting. True, the reporting processes have to take into account US GAAP, IFRS, or Swiss GAAP FER. There are strict rules to be followed. Agility can, however, be used in deciding which accounting standard shall be applied. Here, the choice depends on the intentions and the targeted investors. If we aim for an IPO in the USA, I start advantageously with US GAAP. If we want to attract international investors, then IFRS is more appropriate. If we are satisfied to remain private and independent or mainly want to attract Swiss investors, then Swiss GAAP FER is the right pragmatic solution. In my current company, we kept the decision with respect to a future IPO. Therefore, keeping agility, costs and efforts needed in mind, I decided to go for Swiss GAAP FER while following IFRS as much as possible in selecting from the accounting choices offered. A future potential conversion from Swiss GAAP FER to IFRS at a later stage, when needed, will then be easily possible. Secondly, agile working methods secure a higher commitment, higher quality, and faster execution in closing the financial statements. We have been running sprints for, just to name a few: 1. 2. 3. 4. 5.
Creating the accounting manual. Introducing new accounting standards. Defining standardized n-to-n processes. Accelerating the closing process. Deciding on automation, cloud-based tools such as a consolidation software and treasury management systems.
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6. Analytics based on big data collection of relevant customers, suppliers, and process data. Hereby, an effective table of authorities and internal control system with comprehensive segregation of duties serve as inputs.
11.3.4 Systems Using Digitalization, Artificial Intelligence, and Embedded Controls Last but not least, the systems must be set up in such a way that they support agile financial management. The main focus here is on the need to create transparency, including creating consolidated views, as well as getting speed and quality in the preparation of meaningful, relevant, and reliable management reports and decision-making bases. The basic prerequisites for agility are the following. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Uniform cash structure setup. Uniform definitions of master data. Uniform definition of the chart of accounts. Systems allowing scenarios supported additionally by artificial intelligence. Reduced complexity: set up your organization and processes as simply as possible. Effective internal control system with automated and predictive controls.
One of the largest hurdles is to create uniform definitions for master data and for the chart of accounts. This might be easy if you only have one company at one location or one shared service center taking care of the closing process. However, it already becomes a challenge if the startup has expanded into several locations where the financial closing and definition of suppliers and customers are defined at each location. Getting overall transparency will already create an issue. It is no wonder, then, that I have put the most emphasis, after defining a uniform chart of accounts, master date and accounting manual, on the establishment of a treasury management system as the solution to enable cash netting and cash pooling. As a next step, we are foreseen to implement ONE ERP in the cloud with a digital platform as a goal that shall enable automatic dashboard generation, analytics, and superior decision and feedback platforms.
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11.4
R. Cotting
Conclusions
Agility is not a solution in itself, but a means to an end, namely, to always know where we are, how we got here, and where we need(ed) to go. This includes creating transparency, consistently presenting the current situation, and highlighting the inconvenient truth, challenges and opportunities. Those requirements are even more relevant for startups. Hereby, we have concluded that large corporations can also benefit greatly from the way agility is dealt with in startups. We have looked into the vision of an agile world-class CFO function to partner with the business decision-makers to create value while operating at the highest legal and ethical standards. We have defined its way forward by being simple, allowing passion in a positive way, being effective, efficient and facilitating in providing direction. We have dived into looking into the action areas of an agile finance function focusing on four levels: people, organization, processes and systems. In short: SPEED with POPS. To finalize, if we manage to build a finance function in such a way that it is not only agilely transformed but agilely performing its requirements on a continuous basis, then there is no need for any further transformation: Agility has become part of the DNA of a company. SMARTENERGY Group AG (SE)
SMARTENERGY Group AG (SE) is a private investment firm headquartered in Wollerau, Switzerland. SE focuses on investments in renewable energy and related ventures. It was founded in 2020 and has been growing heavily during the last three years. Currently, it employs more than 400 employees in Switzerland, Portugal, Spain, Italy, and Germany. SE’s core business is centered around photovoltaic (PV) & green hydrogen project investments and developments, complemented by engineering, procurement and construction EPC, asset management & energy trading. With its optimized agile organization setup, SE is geared for growth, based on a project pipeline of over 10 GW mainly in Portugal, Spain, Italy and Germany at different development stages (Status July 2023). Dr. René Cotting is Group CFO of Smartenergy and hereby additionally mandated CFO of the SIX stock-listed Edisun Power. He teaches Startup Engagements by Corporates on a Master level at the University of St. Gallen (HSG). The article is based on his own experience as CFO of small and large industrial companies in the US (Silicon Valley, Houston, Raleigh) and in Switzerland, as board member, financial advisor to Startups, as head of lean finance and lean development programs, as investor as well as chairman of a corporate technology venture department and startup engagement manager of a large corporation, where he essentially helped to
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build up an international accelerator for startups. Additionally, he is teaching the course Digital Leadership for Boards at ZfU for Board members.
References 1. Beck K, Beedle M, van Bennekum A, Cockburn A, Cunningham W, Fowler M, Grenning J, Highsmith J, Hunt A, Jeffries R, Kern J, Marick B, Martin RC, Mellor S, Schwaber K, Sutherland J, Thoma D (2001) Manifesto for agile software development. https://agilemanifesto.org/iso/de/ manifesto.html. Accessed: 19 July 2022 2. International Group of Controlling (IGC) & Möller K (2022) Controlling & agility: Fundamentals, approaches, examples and recommendations for the future finance function. https:/ /www.igc-controlling.org/fileadmin/pdf/IGC_Controlling___Agility_May_2022.pdf. Accessed: 19 July 2022
Betriebswirtschaftliche Herausforderungen der agilen Transformation in der öffentlichen Verwaltung
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Adriaan Blaauboer
Zusammenfassung
Die öffentliche Verwaltung gilt im Allgemeinen als nicht sonderlich flexibel. Und dennoch wurden in der schweizerischen Bundesverwaltung viele gesetzliche Änderungen vorgenommen, um der Bundesverwaltung mehr betriebswirtschaftliche Freiheiten zu geben. Diese Freiheiten haben es den Bundesämtern ermöglicht, agile Methoden für ihre Aufgabenerfüllung einzuführen. Dennoch ergeben sich aus dem Spannungsfeld zwischen der Politik und dem betriebswirtschaftlich geführten Bundesamt Herausforderungen an die Finanzabteilung. Dies insbesondere, da die Budgethoheit beim schweizerischen Parlamnet liegt und der Budgetprozess zur Sicherstellung des Informationsbedarfs des schweizerischen Parlaments genügend Vorlaufzeit benötigt. Diese Budgethoheit verlangt auch eine Nachvollziehbarkeit der Ausgaben nach dem Rechnungsabschluss, auch hinsichtlich der organisatorischen Auswirkungen, welche eine agile Transformation mit sich bringt.
12.1
Einleitung
Wenn man von Agilität spricht, denkt man sicherlich nicht als erstes an die öffentliche Verwaltung. Die Verwaltung assoziiert man eher mit einem trägen Apparat mit verstaubten Amtsstuben, der sich nur schwertut, auf Veränderungen zu reagieren. Nun hat sich aber das Verständnis, welche Rolle eine öffentliche Verwaltung innerhalb der Gesellschaft A. Blaauboer (B) Eidgenössisches Departement für Verteidigung Bevölkerungsschutz und Sport VBS Schweizer Armee, Führungsunterstützungsbasis FUB Finanzen, Bern, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_12
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A. Blaauboer
spielen soll, in den letzten Jahrzehnten stark geändert. Zwar streut das Spektrum nach wie vor von einem Staat, der sich – ganz im Sinne des Nachtwächterstaates eines Ferdinand Lassalle – möglichst auf wenige, nicht auf Private übertragbare Aufgaben – Ökonomen sprechen hier von öffentlichen Gütern – konzentrieren soll, bis hin zum Wohlfahrtsstaat, der jedem Bürger eine sichere Existenz ermöglichen soll. Über das gesamte Spektrum besteht heute Konsens, dass von einem Staat erwartet wird, dass er seine Leistungen zielgerichtet und effizient erbringt. Weg von der Aufgabenerfüllung stur nach Paragrafen, hin zu einem serviceorientierten Dienstleister zugunsten der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des New Public Managements. Dieser Wandel des Verständnisses bedeutet für die öffentliche Verwaltung, auf die Veränderungen der Gesellschaft zu reagieren und sich entsprechend der Geschwindigkeit der gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen anzupassen.
12.2
Ausgangslage
Die Budgethoheit über den Bundeshaushalt liegt in der Schweiz gemäß der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft ([6], Art. 167) beim Parlament. Dieses verabschiedet jeweils in der Wintersession vor dem eigentlichen Geschäftsjahr das Budget, welches bei der Schweizerische Eidgenossenschaft Voranschlag genannt wird, der einzelnen Verwaltungseinheiten sowie deren Verwendungszweck. Damit das Parlament diese Aufgabe auch wahrnehmen kann, müssen durch die Verwaltung zu den Budgetzahlen die entsprechenden Begründungen und Kommentare erstellt werden. Damit für die Aufbereitung der Budgets und deren Kommentare in den Verwaltungseinheiten sowie die Freigabe aller Unterlagen durch den Bundesrat genügend Zeit zur Verfügung steht, muss der Budgetprozess in der Bundesverwaltung bereits im Frühjahr vor dem eigentlichen Geschäftsjahr beginnen. Bei größeren Verwaltungseinheiten, wie zum Beispiel bei Ämtergruppen, kann es sogar sein, dass bereits im Herbst zwei Jahre vor dem eigentlichen Budgetjahr mit der Planung begonnen werden muss, um die internen Planungssequenzen fristgerecht abschließen zu können. Nach Abschluss des Geschäftsjahrs wird dem Parlament über die Staatsrechnung Rechenschaft über die Verwendung der im Voranschlag genehmigten Mittel abgelegt (Abb. 12.1). Als Grundpfeiler für die Steuerung des Bundeshaushalts der schweizerischen Eidgenossenschaft wird für die Verwaltungseinheiten das Prinzip der dualen Steuerung eingesetzt. Die duale Steuerung setzt der politischen Rationalität die Management-Rationalität gegenüber (Abb. 12.2). Während die politische Rationalität die finanzpolitischen Kriterien und die Schuldenbremse und damit die Finanzierung der Bundesverwaltung im Fokus hat, nimmt die Management-Rationalität die betriebswirtschaftliche Sicht mit der ziel- und ergebnisorientierten Verwaltungsführung ein ([1], Kap. 6). 2017 hat die Schweizerische Eidgenossenschaft mit der Einführung des Neuen Führungsmodells Bund (NFB) 2017 einen weiteren Schritt in der Umsetzung des New Public
Abb. 12.1 Von der Budgetierung bis zur Staatsrechnung
12 Betriebswirtschaftliche Herausforderungen … 177
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A. Blaauboer
Abb. 12.2 Politische versus Management-Rationalität
Managements gemacht und damit einhergehend der Bundesverwaltung die notwendigen Instrumente gegeben, um auf finanzieller Ebene und auf der Ebene der Steuerung der einzelnen Verwaltungseinheit flexibler auf Veränderungen reagieren zu können. Die wichtigsten Ziele, welche mit dem Neuen Führungsmodell Bund verfolgt werden, sind die Folgenden: • «Verbesserung von Haushaltssteuerung und -vollzug durch Stärkung der mittelfristigen Planung und Verknüpfung von Aufgaben und Finanzen, Ressourcen und Leistungen auf allen Ebenen (Parlament, Bundesrat und Verwaltung). • Weiterentwicklung der ziel- und ergebnisorientierten Verwaltungsführung und Verwaltungskultur durch verstärkte Eigenverantwortung der Verwaltungseinheiten bei der Leistungserbringung und vergrößerte Freiräume beim Mitteleinsatz. • Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit in der Bundesverwaltung [2].» Die mittelfristige Planung erstreckt sich über eine Legislaturperiode von vier Jahren. Diese Planung beinhaltet die Ziele der Bundesverwaltung, welche in dieser Periode erreicht werden sollen. Diese Planung wird vom Bundesrat dem Parlament vorgelegt. Die mittelfristige Planung wird durch eine jährliche Planung, dem Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan, und einer Zielvereinbarung in Form einer Leistungsvereinbarung für jede Verwaltungseinheit verfeinert. Im Voranschlag mit integriertem Aufgabenund Finanzplan werden die zu erreichenden Ziele vorgegeben und über Kennzahlen, welche nicht nur monetärer, sondern auch inhaltlicher Natur (z. B. Kundenzufriedenheit) sind, geführt. Damit die Verwaltungseinheiten die verstärkte Eigenverantwortung bei der Leistungserbringung und die geforderte Wirtschaftlichkeit wahrnehmen können, wurden ihnen neue Finanzinstrumente zur Verfügung gestellt. Die Verwaltungseinheiten haben nun Globalbudgets, statt einzelne, an Aufgaben gebundene Kredite und sie haben die
12 Betriebswirtschaftliche Herausforderungen …
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Möglichkeit zur Bildung von überjährigen Reserven, um bei Verzögerungen die Mittel in das nächste Jahr zu transferieren (zuvor verfielen diese Mittel per Ende Jahr und mussten neu im Budgetprozess beantragt werden). Damit steht den Verwaltungseinheiten innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen eine höhere Flexibilität in der Ausgestaltung der Zielerreichung zur Verfügung. Durch den jährlichen Dialog im Budgetprozess zwischen den Verwaltungseinheiten und dem Bundesrat sowie dem Parlament besteht auch die Möglichkeit, auf neue Anforderungen aus der Gesellschaft reagieren zu können [5]. Trotz aller Flexibilität in der finanziellen Führung und in der Leistungserbringung gibt es nach wie vor einen Bereich, welcher die Reaktionsmöglichkeiten der öffentlichen Verwaltungen schmälert: die Beschaffungsbestimmungen aus WTO/GATT. So müssen Beschaffungen über einem Wert von CHF 230.000 über fünf Jahre öffentlich ausgeschrieben werden [7, 8]. Auch wenn die WTO-Bestimmungen durch die Pflicht von Ausschreibungen für öffentliche Beschaffungen mehr Wettbewerb und Transparenz schaffen, so verzögert das Verfahren die Beschaffungen nicht unwesentlich. Eine durchschnittliche Beschaffung nach den WTO-Bestimmungen beansprucht ungefähr ein Jahr. Kommen noch Einsprachen von Lieferanten hinzu, kann sich ein Beschaffungsverfahren auch gerne auf zwei Jahre verlängern. Zusätzlich müssen die Ausschreibungen einen hohen Detaillierungsgrad aufweisen, damit die eingegangenen Angebote verglichen und interpretationsfrei beurteilt werden können. Dieser Detailierungsgrad kann eine nachträgliche Anpassung der Ausschreibung, um zum Beispiel auf eine geänderte Anforderung reagieren zu können, erschweren oder gar verunmöglichen.
12.3
Agile Transformation in der Bundesverwaltung
Da die Bundesverwaltung ein sehr breites Spektrum an Tätigkeitsfeldern aufweist, werden sich die nachfolgenden Ausführungen auf die bundesinternen Informatikdienstleister, insbesondere auf denjenigen der Schweizer Armee, die Führungsunterstützungsbasis, fokussieren. Die Gesellschaft wird immer digitalisierter. Wir kaufen online ein, wir erledigen unsere Bankgeschäfte elektronisch und wir lesen unsere Zeitung als E-Paper – weltweit, rund um die Uhr und mit den neuesten Technologien. Und genauso möchten wir unsere Behördengänge online erledigen – auch mit der Schweizer Armee. Zusätzlich werden die bundesinternen Abläufe immer mehr automatisiert und digitalisiert. All dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die bundesinternen IKT-Dienstleister. So sind für die digitale Transformation bei der Schweizer Armee die folgenden drei Stoßrichtungen gesetzt worden: 1. Die Digitalisierung der Interaktion zwischen den Wehrdienstpflichtigen und der Schweizer Armee: Für die digitale Begleitung der dienstpflichtigen Bürgerinnen und Bürger während ihrem militärischen Lebensweg [4].
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A. Blaauboer
2. Der Schutz der Armee gegen Cyberangriffe: Für den Schutz der Informatiksysteme der Schweizer Armee gegen Cyberangriffe und für Operationen im elektromagnetischen Raum und im Cyberraum. Dazu wird die Führungsunterstützungsbasis weiter zum Kommando Cyber entwickelt [3]. 3. Die Digitalisierung der Verwaltung der Armee: Für eine wirtschaftliche und zeitgemäße Erbringung der Leistungen der zivilen Verwaltung der Armee [4]. Während die erste Stoßrichtung auf die Interaktion zwischen den dienstpflichtigen Bürgerinnen und Bürgern abzielt und die dritte Stoßrichtung die weitere Digitalisierung der Geschäftsabläufe innerhalb der Armeeverwaltung beinhaltet, bringt die zweite Stoßrichtung die größte Veränderung mit sich. Wurde bisher die konventionelle Kriegsführung zu Boden, zu Luft und, in der Schweiz nur in sehr geringem Umfang, zu Wasser geführt, so kommt heute durch die immer stärker werdende Vernetzung unserer digitalen Welt, der Dimension des Cyberraums und damit verbunden auch der elektromagnetische Raum, vermehrt Beachtung zu. Mit diesen drei Stoßrichtungen wird die Arbeitsweise innerhalb der Informatik der Schweizer Armee stark verändert. Es nehmen die agilen Projektmethoden bzw. Vorgehensweisen, allen voran Scrum und DevSecOps und mit ihnen Value Streams, Einzug und das Kommando Cyber wird sich, wie bereits schon das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT), nach dem SAFe-Framework ausrichten. Da wir immer mehr, und dies insbesondere auch aus einer militärischen Sicht, in einer VUCA1 -Welt leben, ist eine agile Anpassung an neue Bedrohungslagen für militärische Organisationen nicht unwesentlich.
12.4
Herausforderungen an die Finanzabteilung
Welche Herausforderungen ergeben sich nun aus den agilen Methoden und der Transformation an die Finanzabteilung einer Bundesverwaltung? Die wichtigste Herausforderung ist die Vereinbarkeit der schnellen und wechselhaften Welt der Agilität mit der Budgethoheit der Bundesversammlung und dem Entstehungsprozess des Voranschlags mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan. Es trifft die politische Rationalität auf die Management-Rationalität. Größere Veränderungen benötigen die Zustimmung der Räte und müssen politisch gut abgestimmt sein. Was in der politischen Rationalität die Überführung der Führungsunterstützungsbasis ins Kommando Cyber genannt wird, wird in der Management-Rationalität zur der Auflösung des Bundesamtes Führungsunterstützungsbasis, welche die Auslagerung von Teilen des IKT-Betriebs ins Bundesamt für Informatik und Telekommunikation und die Umgliederung des nun 1 VUCA: Akronym für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Der Begriff wurde in den
1990er-Jahren durch die amerikanische Armee eingeführt, um die multilaterale Welt nach dem Ende des Kalten Krieges zu beschreiben.
12 Betriebswirtschaftliche Herausforderungen …
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bedeutender werdenden Einkaufs der Verwaltungsinformatik der Armee in den Armeestab beinhaltet, und parallel die Schaffung des neuen Bundesamtes Kommando Cyber. Aus finanzieller Sicht heißt dies, dass die Voranschläge und die darin enthaltenen Kennzahlen der Leistungsvereinbarung aller beteiligten Bundesämter zwei Jahre im Voraus angepasst werden müssen. Zusätzlich bedingt die Auslagerung ans Bundesamt für Informatik und Telekommunikation den Wechsel vieler Leistungen auf die bundesinterne Leistungsverrechnung. Was bisher für die Gruppe Verteidigung durch die Führungsunterstützungsbasis als deren internen Lieferanten in der Form eines Costcenters erbracht und damit direkt am Markt eingekauft bzw. über Lohnzahlungen abgegolten wurde, wird neu als vollständiger IKT-Service bundesintern beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation eingekauft. Die bundesinterne Leistungsverrechnung basiert nicht auf Transaktionen in normalen Schweizer Franken, sondern in einer eigenen bundesinternen Währung. Die bundesinterne Leitungsverrechnung hat innerhalb des Voranschlagsprozesses seine eigenen speziellen Teilprozesse, die auf das Gesamtbudget einer Verwaltungseinheit Einfluss haben (Abb. 12.3). Auch die bundesinterne Leistungsverrechnung wird durch das Parlament verabschiedet. Und natürlich müssen diese größeren Veränderungen gut politisch abgestützt und im Voranschlag entsprechend gut begründet und kommentiert werden. Sollten unterjährig noch weitere größere Veränderungen notwendig sein, so müssten diese in der Staatsrechnung und in den Finanzkommissionen der beiden Räte sehr gut begründet werden. Entsprechende Fragen von den Parlamentariern sind zu erwarten. Als interner Leistungserbringer stellt die Führungsunterstützungsbasis auch Engineering-Leistungen für die Einführung bzw. Entwicklung von IKT-Systemen zur
Abb. 12.3 Bundesinterne Leistungsverrechnung. Planung und Vollzug (fw = Bundesexterner Aufwand/Ertrag, LV = Bundesinterner Aufwand/Ertrag). Im Planungsprozess wird der Wert der bundesexternen Ausgaben von Leistungserbringer zum Leistungsbezüger transferiert. Als Platzhalter erhält der Leistungserbringer eine Ertragsposition und der Leistungsbezüger eine Aufwandsposition, über welche die Verrechnung erfolgt
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A. Blaauboer
Abb. 12.4 Agiles Arbeitsmodell der Führungsunterstützungsbasis
Verfügung. Um diese Leistungen besser abzustimmen und flexibler zu gestalten, wurden 2018 Value Streams eingeführt. Innerhalb dieser einzelnen Value Streams wurde nach der reinen Scrum-Methode gearbeitet. Die einzelnen Value Streams wurden aus stehenden Teams, sogenannten Pools, alimentiert, welche als klassische Organisationseinheiten innerhalb der FUB abgebildet waren (Abb. 12.4). Für die Vorbereitung der einzelnen Sprints in den Value Streams wurden die Anforderungen aus verschiedenen Projekten oder Changes analysiert und in Storys zusammengefasst. Dies geschah mit der Absicht für gleiche bzw. ähnliche Anforderungen, nur eine Lösung bereitstellen zu müssen. Dies führte einerseits zu einem optimaleren Ressourceneinsatz, im Vergleich zu klassischem Wasserfall-Vorgehen, wo jedes Projekt seine eigene Lösung entwickelte, und andererseits zu einer höheren Transparenz in der Umsetzung der Anforderungen, da nun nach jedem Sprint die erreichten und die nicht erreichten Entwicklungen ausgewiesen werden konnten (Abb. 12.5). Aus finanzieller Sicht eigentlich eine sehr gute Nachricht, allerdings mit einem Haken. Wie eingangs erwähnt, liegt die Budgethoheit beim Parlament, das heißt, dass für größere Vorhaben die geplanten und die realisierten Ausgaben ausgewiesen werden müssen. Was aus der Sicht der Betriebsbuchhaltung mittels sekundärer Kostenumlage umsetzbar ist, ist aus Kreditsicht bzw. Finanzierungssicht eine größere Herausforderung. Bevor wir eine definitive Lösung entwickeln und einführen konnten, wurden wir von der Finanzabteilung durch die nächste organisatorische Transformation, der Überführung der Führungsunterstützungsbasis in das Kommando Cyber, eingeholt. Die Lösungsideen reichten von der Finanzierung durch das Projekt mit dem größten Nutzen, über Bestellungen mit aufgeteilten Positionen, bis hin zu Rechnungssplits. Betrachten wir noch zum Schluss die Auswirkungen von Transformationen auf die Organisation der Finanzen. Aufgrund des breit gefächerten Aufgabengebiets der einzelnen Controller in der Führungsunterstützungsbasis – diese reichen von der Erstellung
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Abb. 12.5 Agile Entwicklungen und deren Finanzierung
von Reports, über die Durchführung der Planungsprozessen und der Kommentierungen, bis hin zu betriebswirtschaftlichen Beratungen der einzelnen Abteilungen – war das Business-Partner-Modell im Prinzip bereits früh in den Finanzen verankert. Für dieses breite Arbeitsspektrum war schon immer die Weiterbildung in Themen auch außerhalb des eigentlichen Controllings wichtig. Insbesondere, um mit dem schnellen Technologiewandel in der Informatik mithalten zu können. Interessanterweise führten die Transformation und die Einführung der agilen Methoden zu einer Abnahme des partnerschaftlichen Zusammenspiels zwischen den Finanzen und den Abteilungen. Es kam zu einem vermehrten Silodenken und einem verstärkten Arbeiten und Kommunizieren über die Hierarchien. Diese Entwicklung steht eigentlich völlig diametral zum Grundgedanken der agilen Methoden, welche weniger in Hierarchien, sondern mehr in direkter Zusammenarbeit der Individuen denken. Diese verstärkte Fragmentierung der Führungsunterstützungsbasis erschwerte es für uns als Finanzabteilung, das Ziel eines auf unsere internen Kunden zugeschnittenen Controlling as a Service weiter auszubauen. Controlling as a Service heißt für die Finanzen der Führungsunterstützungsbasis einerseits, dass wir für unsere internen Kunden die Berichte in der Funktionalität und Granularität sowie mit den Informationen zur Verfügung stehen,
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A. Blaauboer
wie sie diese für ihre tägliche Arbeit benötigen, und dass die Berichte und Informationen jederzeit und für alle nachvollziehbar abgerufen werden können. Andererseits sollten die Controller mehr Zeit für die Beratung und Unterstützung der Linienvorgesetzten, der IT-Servicemanager und der Projektleiter hinsichtlich den Finanzprozessen und den Finanzierungsformen in der Bundesverwaltung erhalten. Eine Kernkomponente für die Erreichung dieses Ziels wäre die Einführung einer Business-Intelligence-Lösung gewesen. Allerdings mussten wir dieses Ziel durch die verstärkte Fragmentierung und die erhöhte Transformationsfrequenz vorerst zurückstellen. Nun, dafür verwenden wir heute nach wie vor das wohl flexibelste Werkzeug, welches den Controllern zur Verfügung steht: Excel! Aber wir sind guten Mutes, dass wir mit der Einführung von SAP S/4 HANA in der Bundesverwaltung und dem Abschluss der Überführung der Führungsunterstützungsbasis in das Kommando Cyber wieder einen Anlauf in Richtung einer automatisierten und adressatenorientierten Reporting-Landschaft nehmen können. Allerdings werden automatisierte Planungs- und Forecast-Werkzeuge wie zum Beispiel das Predictive Analytics in der Bundesverwaltung mangels der benötigten Inputparameter und der politischen Rationalität nur bedingt Einzug erhalten.
12.5
Fazit
Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat in den letzten Jahrzehnten viel unternommen, um der Bundesverwaltung mehr Flexibilität und Eigenverantwortung zu geben. Diese Bestrebungen ermöglichten der Bundesverwaltung, näher auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger einzugehen. Insbesondere auf die immer stärkere Digitalisierung der Gesellschaft. Hier sind bereits mehrere Initiativen aufgegleist bzw. stehen den Bürgerinnen und Bürger bereits zur Verfügung. Diese verstärkte Digitalisierung der Bundesverwaltung hat auch Einfluss auf die Organisation und die Arbeitsaufläufe in der Bundesverwaltung. Trotzdem kann die Bundesverwaltung aber nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Privatwirtschaft ihre Prozesse digitalisieren. Diese Trägheit ist den Prozessen der direkten Demokratie geschuldet. Aber diese Trägheit hat auch den Vorteil, dass nicht sofort jeder neue Hype umgesetzt wird, sondern nur die nachhaltigen Entwicklungen, wenn auch verzögert, übernommen werden. Dies hilft, dass nicht unnötig Steuergelder für kurzlebige Trends ausgegeben werden. Abschließend lässt sich sagen, dass die Bundesverwaltung durch den Gesetzgeber die nötigen Instrumente erhalten hat und durch deren kontinuierliche Weiterentwicklung auch weiterhin erhalten wird, um auf den gesellschaftlichen Wandel reagieren zu können, denn um es mit den Worten von Heraklit von Ephesus (535–475 v. Chr.) zu sagen: «Nichts ist so beständig wie der Wandel.»
12 Betriebswirtschaftliche Herausforderungen …
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Führungsunterstützungsbasis FUB
Die Führungsunterstützungsbasis FUB ist ein Bundesamt der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Sie bildet zusammen mit den Bundesämtern Armeestab, Kommando Operationen, Kommando Ausbildung und Logistikbasis die Gruppe Verteidigung, welche innerhalb des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) angesiedelt ist. Die Gruppe Verteidigung ist die Militärverwaltung der Schweizer Armee und wird durch den Chef der Armee (CdA) geführt. Die Führungsunterstützungsbasis FUB erbringt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) Leistungen für das VBS. Sie stellt die Büroautomation, Fachanwendungen, die elektronische Luftraumbewachung mithilfe von Radar sowie Informations- und Kommunikationssysteme und ERP-Anwendungen (Enterprise Resource Planning) im VBS bereit. Weiter wirkt die FUB als Zentrum für elektronische Operationen bei der Abwehr von Angriffen aus dem Cyber-Raum, der elektronischen Kriegführung und der Kryptologie. Die Führungsunterstützungsbasis sorgt mit ihren Leistungen in den Bereichen IKT und elektronischen Operationen dafür, dass die Armee ihre Einsätze erfüllen kann. Sie stellt die Führungsfähigkeit der Armee und des nationalen Krisenmanagements in allen Lagen sicher. Sie sorgt mit einem unabhängig funktionierenden Kommunikationsnetz und geschützten Rechenzentren dafür, dass die Schweizer Armee in allen Lagen einsatzfähig ist: im Normalfall, in Krisen, Katastrophen und Konflikten. Für die FUB arbeiten rund 800 Mitarbeitende, die meisten von ihnen als zivile Angestellte. Als «verlängerter Arm» der FUB steht die Führungsunterstützungsbrigade (FU Br 41/SKS) zur Verfügung. Sie stellt sicher, dass die Leistungen der FUB im Einsatzfall längerfristig aufrechterhalten werden können. Adriaan Blaauboer schloss sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel mit dem Master of Science in Business and Economics ab. Die Schwerpunkte seines Studiums lagen in der Volkswirtschaftslehre insbesondere der Arbeitsmarktökonomie, bei Finance, Banking, Controlling und der Wirtschaftsinformatik (u. a. neuronale Netze und künstliche Intelligenz). Nach Tätigkeiten bei kantonalen Verwaltungen und dem Bundesamt für Informatik und Telekommunikation ist er seit 2012 als Finanzcontroller und seit 2015 als stellvertretender Finanzchef bei der Führungsunterstützungsbasis der Schweizer Armee tätig. Dort ist er unter anderem als Schnittstelle zwischen dem Controlling und der Informatik, für die Programmierung der Controlling-Tools sowie für die Kosten- und Leistungsrechnung zuständig.
186
A. Blaauboer
Literatur 1. Eidgenössische Finanzverwaltung EFV (2019) Grundlagen der Haushaltsführung des Bundes. Schweizerische Eidgenossenschaft 2. Eidgenössische Finanzverwaltung EFV (2021) Neues Führungsmodell für die Bundesverwaltung (NFB). https://www.efv.admin.ch/efv/de/home/themen/finanzpolitik_grundlagen/nfb.html. Zugegriffen: 19. Juni 2022 3. Schweizer Armee (2021) Projekt Kommando Cyber. https://www.vtg.admin.ch/de/organisation/ fub/kdo-cyber.html. Zugegriffen: 19. Juni 2022 4. Schweizer Armee (2022) Vision: Die Schweizer Armee im Jahr 2030. https://vision-armee.ch/ glossar/#07. Zugegriffen: 19. Juni 2022 5. Schweizer Bundesrat (2013) Botschaft über die Weiterentwicklung der ziel- und ergebnisorientierten Verwaltungsführung – Neues Führungsmodell für die Bundesverwaltung (NFB) vom 20. November 2013. BBl 2014 767 6. Schweizerische Eidgenossenschaft (1999) Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999. SR 101 7. Schweizerische Eidgenossenschaft (2019) Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB). SR 101 8. Schweizerische Eidgenossenschaft (2020) Verordnung vom 12. Februar 2020 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB). SR 172.056.11
Wie verändert die agile Transformation die Finanzfunktion?
13
Experteninterview mit Dominik Heitzmann Imke Keimer
Zusammenfassung
Dominik Heitzmann ist dipl. Betriebswirt (FH) und seit Januar 2019 CFO der UZH Foundation. Im Gespräch mit Imke Keimer erklärt er den Wandel der Finanzfunktion im agilen Kontext. Dabei stellt er den Daten-Mindset in den Fokus und geht auf die Veränderung der Kompetenzen ein. Imke Keimer: Guten Tag Herr Heitzmann. Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um mit mir über die agile Transformation der Finanzfunktion zu sprechen. Lassen Sie uns allgemein starten: Welche Merkmale zeichnen für Sie eine agile Finanzfunktion aus? Dominik Heitzmann: Eine agile Finanzfunktion fokussiert auf Methoden und Interaktion, denkt in Schnittstellen und vernetzt. Dies als Abkehr zum früheren Mindset des Funktionierens als Organisationseinheit. Die agile Finanzfunktion denkt vom Markt her, richtet sich auf den Kundennutzen aus und überlegt, wie ihr Handeln beiträgt, einen Mehrwert zu generieren. Die agile Finanzfunktion ist sich ihrer Kunden/Leistungsempfänger bewusst. Imke Keimer: Lassen Sie mich das einmal kurz aufgreifen: Wie schafft es die agile Finanzfunktion, einen solchen Mehrwert zu generieren? Dominik Heitzmann: Die Agilität leistet auf verschiedenen Ebenen eine Veränderung. Der wesentlichste Mehrwert ist jener beim Umgang mit Daten. Der Daten-Mindset verändert sich fundamental. Habe I. Keimer (B) Hochschule Luzern – Wirtschaft, Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Campus Zug-Rotkreuz, Rotkreuz, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_13
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I. Keimer
ich eine Datenstrategie? Welche Daten nutze ich? Welche nicht-finanziellen Daten sind ergänzend verfügbar und müssen Berücksichtigung finden (z. B. der Themenkomplex der Nachhaltigkeit)? Wie werden Daten bewirtschaftet und durch welche Personen? Mit der Beantwortung der Fragestellung ergibt sich ein Wandel. Das Denken in Daten wird durch die Agilität in den Mittelpunkt gestellt. Imke Keimer: Dieser Wandel betrifft die gesamte Finanzfunktion. Inwiefern verändert sich auch das Führungsverständnis des CFOs? Dominik Heitzmann: Verändert sich das Führungsverständnis überhaupt? Oder kommen gewisse Führungsverhalten durch die agile Transformation an ihre Grenzen? Durch die zunehmende Geschwindigkeit und Ausrichtung am Markt kommt es zu einer sehr starken Dezentralisierung. Eine entsprechenden Führungskultur, welche dies unterstützt, ist folglich zwingend. Imke Keimer: Eigenverantwortung und Selbstorganisation rücken weiter in den Vordergrund. Der CFO schafft die Rahmenbedingungen, sodass sein Team optimal arbeiten kann. Welche weiteren Kompetenzen benötigen Ihrer Ansicht nach CFOs in einer agilen Organisation? Dominik Heitzmann: Die Bereiche Finance, Legal und IT wachsen in einer agilen Organisation nochmals enger zusammen. Kompetenzen in diesem Bereich gilt es entsprechend auszubauen, ergänzt um vertiefte Kenntnisse im Umgang mit Daten (u. a. Strategie, Pflege). Imke Keimer: Sie haben bereits zweimal den Stellenwert der Daten angesprochen. Können Sie hier noch ein wenig mehr ins Detail gehen? Was bedeutet die agile Transformation für die Daten? Welche Veränderungen nehmen Sie hier wahr? Dominik Heitzmann: Die Daten stehen mit der agilen Transformation im Mittelpunkt des Handelns. Der Umgang mit Daten wird neu gedacht und als Werttreiber für die Organisation klarer verstanden. Der Markt an Analyse-Tools hat sich stetig verbessert und ist anwenderfreundlicher geworden. Verschiedenste Datenquellen können leichter automatisiert miteinander verknüpft werden und ermöglichen somit eine bessere Datenauswertung. Eine wesentliche Verbesserung ist der Austausch von Daten und Analysen über verschiedene Applikationen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten des Reportings sowie eine größere Flexibilisierung der Auswertungen. Imke Keimer: Wie wirkt sich dies auf die Mitarbeitenden in der Finanzfunktion aus? Nehmen Sie wahr, dass es veränderte Anforderungen an die Kompetenzprofile durch die agile Transformation gibt? Dominik Heitzmann: Die Veränderung in den benötigen Fähigkeiten verstärkt sich. Ressourcen für standardisierte Tätigkeiten nehmen weiter ab, Kompetenzen für die Bereiche Datenhaltung, Datenanalyse und IT-Lösungen nehmen zu. Die Offenheit gegenüber Neuerungen und Veränderung ist die Basis für die Transformation, ein agiler Mindset Grundvoraussetzung.
13 Wie verändert die agile Transformation die Finanzfunktion?
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Imke Keimer: Wie lässt sich der Growth Mindset in der Finanzabteilung erfolgreich implementieren? Wo sehen Sie hier die größten Hürden? Dominik Heitzmann: Ein Ansatzpunkt ist der Aufbau der Finanzabteilung, die Strukturierung weg von der Bündelung von Methodenkompetenz hin zu Teams mit Prozesskompetenz. Veränderungen lassen sich nur über die beteiligten Menschen umsetzen. Hier braucht es ergänzende, neue Kompetenzen und intrinsisch motivierte Mitarbeitende. Eine umfassende Kommunikation und Transparenz helfen, Hürden zu überwinden. Imke Keimer: Nicht nur die Finanzfunktion, sondern das gesamte Unternehmen sieht sich mit den Herausforderungen der VUCA-Welt konfrontiert. Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der Finanzfunktion im Gesamtunternehmen? Dominik Heitzmann: Die Finanzfunktion hat Kernkompetenzen bei der Arbeit mit Unternehmensdaten. Diese Kompetenz gilt es auszubauen und um weitere (externe) Informations- und Datenquellen zu ergänzen. Die Finanzfunktion bietet das Potenzial, sich als Datenanbieter innerhalb des Unternehmens zu positionieren. Imke Keimer: Vielen herzlichen Dank, Herr Heitzmann, für den spannenden Einblick. Eine abschließende Frage habe ich noch: Wie sehen Sie persönlich Ihre zukünftige Rolle als CFO in einem agilen Unternehmen? Dominik Heitzmann: Hier gibt es zwei Aspekte. Zum einen die Rolle des Innovators, der die Ausrichtung der Finanzfunktion auf die neuen Anforderungen und sich veränderten Bedürfnisse seiner Kunden gestaltet. Wesentlich scheint mir aber auch eine hinterfragende Rolle einzunehmen. Welchen Grad der Agilität braucht meine Organisation und ist wirklich ein Mehrwert erreichbar. Zudem stellt sich gerade bei KMUs die Frage nach einer realistischen Umsetzbarkeit aufgrund der Verfügbarkeit benötigter Ressourcen.
UZH Foundation
Die UZH Foundation ist die Stiftung für Wissenschaftsförderung der Universität Zürich und stellt mit ihrer Tätigkeit die Finanzierung von innovativen Forschungsprojekten sicher. Gemeinsam mit ihren Spenderinnen und Spendern hilft die UZH Foundation der Universität Zürich, den Fortschritt in Lehre und Forschung zu beschleunigen. Dominik Heitzmann ist dipl. Betriebswirt (FH) und seit Januar 2019 CFO der UZH Foundation. Zuvor war er während acht Jahren als CFO für ein internationales Ingenieurunternehmen tätig. Prof. Dr. Imke Keimer ist Dozentin für Business Analytics und Mathematik am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Imke Keimer forscht und lehrt in den Bereichen Digitalisierung im Controlling,
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I. Keimer
Financial Risk Management sowie Business Analytics. Zudem ist sie Studiengangleiterin des MSc International Financial Management.
14
Agile Playbook für KMU Leitfaden für die agile und digitale Ausrichtung eines KMU Didier Müller
Agilität beginnt im Kopf
Zusammenfassung
Dieser Beitrag soll als flexibel handhabbarer Leitfaden (Playbook) für die agile und digitale Ausrichtung eines KMU dienen, Anregungen geben und auf allfällige Hindernisse hinweisen. Am Beispiel der ifolor, einem Schweizer Familienunternehmen, wird aufgezeigt, welche Arbeitsfelder bei der Transformation hin zu einer agilen Organisation zu berücksichtigen sind. Dabei stehen die Elemente Strategie, Zielsystem, Führung und Zusammenarbeit, Systeme und Tools sowie Kultur im Fokus. Eine Transformation ist ein langer und anspruchsvoller Prozess. Doch mit einem klaren Zielbild vor Augen lohnt es sich, unermüdlich und konsequent daran zu arbeiten, aus Rückschlägen zu lernen und die Neugierde auf das Kommende bei allen Mitarbeitenden hochzuhalten.
14.1
Ausgangslage
Da sich die Ausführungen sowohl auf die Unternehmung als Ganzes wie auch auf die Finanzabteilung im Speziellen beziehen, werden die beiden zum besseren Verständnis kurz beschrieben. D. Müller (B) Kreuzlingen, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_14
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D. Müller
14.1.1 ifolor-Gruppe Übersicht und Struktur Ifolor ist ein Schweizer Familienunternehmen, welches 1961 gegründet wurde. Ifolor ist in 15 Ländern aktiv und ist Marktführer in der Schweiz und in Finnland. Das Unternehmen beschäftigt 270 Mitarbeitende an den Standorten in Kreuzlingen, Zürich und Kerava (Finnland). Die Produktionsstätten befinden sich in Kreuzlingen und Kerava. Das operative Geschäft wird über sechs rechtliche Einheiten in der Schweiz, in Finnland, in Deutschland und in Österreich abgewickelt. Der Verwaltungsrat wird durch eine unabhängige externe Person geleitet, welche ursprünglich in der Branche gearbeitet hat und aktuell als CEO eines familiengeführten Unternehmens tätig ist. Der Hauptaktionär und langjährige CEO ist weiterhin aktiv involviert. Der aktuelle CEO stammt aus der dritten Generation. Er wird unterstützt durch eine vierköpfige Geschäftsleitung. Business-Modell Das Angebot an die Kunden umfasst attraktive und hochwertige Fotoprodukte wie Fotobücher, Fotokalender, Fotogrußkarten, Wanddekorationen, Digitalfotos und verschiedene Fotogeschenke. Heute erfolgen die Bestellungen der Kunden, mit ganz wenigen Ausnahmen, ausschließlich über fünf verschiedene Online-Kanäle (Web sowie die proprietären Applikationen iOS-App, Android-App, Windows Designer und Mac Designer). Um einen hohen Kundennutzen zu generieren, braucht es auf der einen Seite Services, welche die Gestaltung des Produkts durch den Kunden möglichst effizient, intuitiv und barrierefrei ermöglichen und andererseits qualitativ hochstehende haptische Produkte. Ifolor betreibt ein reines B2C-Geschäft mit den Kernmärkten Schweiz und Finnland. Das Unternehmen weist eine hohe vertikale Integration auf und produziert die einzelnen Artikel (>1000) in den eigenen Produktionsstätten. Die dafür notwendigen Rohmaterialen wie Papier, Karton, Alu, Metall, Holz und Chemikalien werden extern beschafft. Neben dem Betrieb und der laufenden Adaption der E-Commerce-Plattform fließen die Ressourcen in die Weiterentwicklung der einzelnen Bestellkanäle, der Editoren zur Produktgestaltung und der Templates für einzelne Produkte (Layout und Design). Ein wesentlicher Hebel zur Akquisition von Neukunden und Generierung von Auftragseingängen sind Performance-Marketing-Aktivitäten auf Internet-Suchmaschinen, sozialen Medien und anderen digitalen Marketingkanälen.
14 Agile Playbook für KMU
193
14.1.2 Der Finanzbereich der ifolor-Gruppe Ressourcen und Profile Der Finanzbereich der ifolor-Gruppe besteht aktuell aus zehn Mitarbeitenden (8.1 FTE). Davon ein Group-CFO, ein Head of Finance in Finnland, eine Controllerin sowie sieben Buchhaltungsmitarbeitenden. Aufgaben Neben den sechs operativen Einheiten werden zusätzlich die finanziellen Aspekte von drei weiteren Gesellschaften abgedeckt. Die Aufgaben erstrecken sich über das gesamte Spektrum einer Finanzabteilung. Der Hauptteil der Ressourcen fließt in die klassischen Buchhaltungsaktivitäten wie Monats- und Jahresabschlüsse, Debitoren-, Kreditoren- und Anlagebuchhaltung, Internes Kontrollsystem, MwSt-Abrechnungen und Steuern. Zusätzlich liegt die jährliche Budgeterstellung, das Erstellen von Ad-hoc-Szenarien, das monatliche Reporting an den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung, das Cash-Management, das Versicherungswesen sowie die betriebswirtschaftliche Begleitung von Business-Themen in der Verantwortung der Finanzabteilung. Dieses breite Spektrum gilt es effizient abzuwickeln und damit am Ende des Tages eine positive Wirkung auf das Business und für die Stakeholder zu generieren. Ein wichtiges Element zur Unterstützung dieser Aktivitäten ist die laufende Selbstorganisation der Mitarbeitenden. Gemeinsame und transparente Ziele helfen dabei, den Fokus zu behalten und innerhalb eines definierten Rahmens Prioritäten zu setzen. Systeme und Tools Die Finanzabteilung kann erfreulicherweise auf ein breites Spektrum von Systemen und Tools zurückgreifen. In erster Linie ein ERP-System über sämtliche rechtlichen Einheiten. Zudem ein Kreditoren-Workflow-Tool, ein Treasury-Tool sowie ein Budget-Tool. Sämtliche business-relevanten Informationen wie auch Finanzdaten sind in einem Datawarehouse enthalten und via BI-Applikation aktuell abrufbar. Für ein KMU ist dies aus Sicht des Autors ein guter Reifegrad und spricht für die digitale Ausrichtung des Unternehmens. Auch hier gilt es, das große Bild im Auge zu behalten und laufend kleine Schritte der Optimierung umzusetzen. Beispiel
Zu Beginn der Tätigkeit des Autors wurden Spesen noch auf Papier visiert und durch die Finanzabteilung bar ausbezahlt. In einem ersten Schritt wurde der manuelle Freigabeprozess auf der Basis des bestehenden Kreditoren-Workflows durch eine digitale Freigabe abgelöst und die Spesen an die Mitarbeitenden mittels Zahllauf ausbezahlt. In einem nächsten Schritt wird nun die Spesenerfassung mittels eines zusätzlichen
194
D. Müller
Moduls des HR-Systems vollständig digitalisiert und schlussendlich in den Lohnlauf integriert. Nichtsdestotrotz werden noch Reports halbmanuell in Excel aufbereitet und in einzelne Berichte und Präsentationen integriert.
14.1.3 Aktuelle Herausforderungen Die Covid-19-Pandemie hat ifolor, wie viele andere Unternehmen auch, mit grundlegenden Fragestellungen konfrontiert. Aufgrund der fehlenden Reisetätigkeiten, der wegfallenden Events und der allgemeinen Unsicherheit fehlte einerseits das Fotomaterial, um Fotoprodukte zu gestalten und anderseits auch die Kaufbereitschaft. Dies führte zu einem rückläufigen Umsatz und als Folge davon zu einem steigenden internen Kostendruck. Zusätzlich haben die Probleme in den Lieferketten teilweise dazu geführt, dass Produkte und Rohmaterialien nicht mehr rechtzeitig oder nicht in genügendem Ausmaß vorhanden waren. Die aktuell beobachtbaren Preissteigerungen lassen zudem die Margen schrumpfen. Innerhalb des Unternehmens lassen sich drei Hauptentwicklungsfelder identifizieren (Tab. 14.1). Dies alles soll den Kundennutzen steigern, zu nachhaltigem und profitablem Wachstum führen, die Positionierung des Unternehmens im Markt und als Arbeitgeber stärken sowie eine robuste Basis zur Abfederung von Risiken schaffen.
Tab. 14.1 Strategische Entwicklungsfelder. (Quelle: Eigene Darstellung) Entwicklungsfeld Beschreibung Produktportfolio
Erweiterung und laufende Anpassung des Produktportfolios
Technologie
Ablösung der bestehenden E-Commerce-Plattform Weiterentwicklung der Editoren zur Ko-Kreation der Fotoprodukte durch den Kunden Optimierung der Kollaborations-Tools
Kultur
Transformation von einer traditionellen, hierarchie- und funktionsorientierten Organisation zu einer agilen, funktionsübergreifenden und selbstorganisierten Organisation
Auf die Erweiterung und laufende Anpassung des Produktportfolios wird in diesem Beitrag nicht näher eingegangen.
14 Agile Playbook für KMU
14.2
195
Ziele dieses Beitrags
Dieser Beitrag soll als flexibel handhabbarer Leitfaden (Playbook) für die agile und digitale Ausrichtung eines KMUs dienen, Anregungen geben und auf allfällige Hindernisse hinweisen. Als Beispiele und Lernquellen dienen die ifolor-Gruppe als Gesamtunternehmen und in spezifischen Fällen die Finanzabteilung der ifolor. Weil schlussendlich ist alles, was sich auf die Unternehmung als Gesamtes anwenden lässt, auch auf eine einzelne Abteilung anwendbar und umgekehrt.
14.3
Arbeitsfelder hin zu einer agilen KMU-Organisation
Aus Sicht des Autors und abgeleitet aus dem Vorgehen bei der ifolor-Gruppe kristallisieren sich folgende entscheidenden Elemente für eine zielführende agile Organisation heraus (Tab. 14.2).
Tab. 14.2 Arbeitsfelder für eine agile Organisation. (Quelle: Eigene Darstellung) Arbeitsfeld
Beschreibung
Strategie
Zeithorizont: 3–5 Jahre Produkt- und Marktstrategie Wettbewerbsstrategie
Zielsystem
Zeithorizont: 3 Jahre Framework zur Erarbeitung und Darstellung der strategischen Kerninitiativen -> Must-Win Battles Gemeinsames Verständnis des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung über die Prioritäten
Führung und Zusammenarbeit
Zeithorizont: 1 Jahr Herunterbrechen der Mehrjahresziele auf Jahresziele und schlussendlich bis in die Kapillaren des Systems -> Objectives and Key Results (OKR) Grundsätze der Führung und Zusammenarbeit
Systeme und Tools
Systeme und Tools zur Unterstützung der Agilität, der Effizienz und der Transparenz
Kultur
«Kultur ist das was passiert, wenn niemand hinschaut.»
Je nach Ausgangslage stehen einzelne Elemente stärker als andere im Fokus.
196
14.4
D. Müller
Strategie
Die Ausführungen innerhalb dieses Punktes beziehen sich auf die Business-Strategie eines Geschäftsfelds. Die Eigentümerstrategie sowie die grundsätzliche Unternehmensstrategie (Governance, Unternehmensportfolio, Geschäftsfelder) sind nicht Bestandteil. Bei der Strategieentwicklung empfiehlt es sich, zwei wesentliche Punkte zu beachten: Einerseits die enge Zusammenarbeit und der kreative Austausch zwischen dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung und andererseits die Konzentration auf die Kernelemente einer zielführenden Strategie. Auch wenn dies formal teilweise anderes geregelt sein mag, ist es aus Sicht des Autors zielführend, die Business-Strategie durch die Geschäftsleitung zu erarbeiten. Ob und in welchem Umfang externe Unterstützung zur Informationsbeschaffung und Informationsaufbereitung, zur Strukturierung und Präsentation sinnvoll ist, hängt vom Reifegrad der Unternehmung, der Veränderungsrate der Branche und den vorhandenen Kapazitäten ab. Für KMUs empfiehlt sich allenfalls ein externer Review, ansonsten ist die Erarbeitung der Business-Strategie Kernaufgabe des Managements und sollte nicht delegiert werden. Dem Verwaltungsrat kommt dabei sowohl eine unterstützende wie auch eine hinterfragende Rolle zu. Je offener und lösungsorientierter diese wahrgenommen wird, desto besser. Exemplarisch ist hier ein Auszug aus der, aus Vertraulichkeitsgründen gekürzten, Traktandenliste eines mehrtägigen Strategie-Workshops der Geschäftsleitung dargestellt, wo insbesondere der Review und die Präzisierung der Produkt-/Marktstrategie im Fokus stand. Topics: • Strategic positioning of ifolor: Products (Breadth and depth), Customer Segments (Socio-Demographic), Order Channels, Geographical areas • Must-Win Battles (4): Status, Hurdles/Risks, what is needed from us as the management-team, next steps • Target operating model (2023 ff.) – Collaboration Management-Team | Collaboration Switzerland/Finland – Configuration of our value creation (Processes, Resource-Allocation, Skills, Tools, Degree of vertical integration (make or buy), Culture, Organisation & Responsibilities) – What do we have to do, to gain impact, professionalism and speed in our activities?
14 Agile Playbook für KMU
14.5
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Zielsystem
Ifolor hat mit externer Unterstützung sogenannte Must-Win Battles erarbeitet. Zur Vertiefung ist das Buch Must-Win Battles zu empfehlen [1]. In einem iterativen Prozess, in dem sowohl der Verwaltungsrat wie auch die Geschäftsleitung involviert waren, wurden aus einer Fülle von Themen vier strategische Kerninitiativen bzw. Must-Win Battles herausdestilliert. Als sehr wirksame Methode hat sich erwiesen, in Gruppen ein Worst-Case-Szenario und gleichzeitig ein Best-Case-Szenario für den Status von ifolor in fünf Jahren zu skizzieren. Darauf aufbauend war rasch klar, an welchen Themen und Prioritäten gearbeitet werden muss. Tab. 14.3 zeigt exemplarisch anhand eines Beispiels die Struktur und den Inhalt der Must-Win Battles.
Tab. 14.3 Struktur der Must-Win Battles. (Quelle: Internes ifolor Dokument) Must-Win Battle
Ziele (Sub MWB)
Beschrieb des Zielzustands
Zu liefernde Ergebnisse
Verantwortliche
Übergeordneter Slogan der strategischen Initiative
Teilziele zur Erreichung der MWB
Beschrieb, wie es sein wird, wenn das Ziel bzw. Teilziel erreicht ist
Konkrete Aktivitäten Mitglied der und Geschäftsleitung Schlüsselergebnisse daraus
Develop People and Organizational Culture
Empowered & self-organised employees
Our employees are self-organized across cross-functional teams and self-responsible. They take the necessary decisions with the related risks. They focus on customer impact (external but also internal customers), outcome and permanent improvements
Set up and run a CEO company-wide OKR process with quarterly reviews
Für jeden Must-Win Battle gibt es mehrere Teilziele und zu diesen jeweils mehrere zu liefernde Ergebnisse
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Führung und Zusammenarbeit
Ein entscheidender Punkt in der Umsetzung von strategischen Kerninitiativen (Must-Win Battles) ist das systematische Herunterbrechen auf konkrete, verständliche und zielunterstützende Aktivitäten und Resultate. So kann bis hinunter auf einzelne Teams und Mitarbeitende der Fokus geschärft werden und jede kann einen Beitrag zum Ganzen leisten. Den Ansatz, welchen ifolor gewählt hat, um die strategischen Ziele zu erreichen und auch einen Impuls für die Transformation von ifolor in Richtung Agilität zu setzen, ist OKR – Objectives and Key Results. Als Vertiefungslektüre sind die Bücher Measure What Matters: OKRs: The Simple Idea that Drives 10 × Growth [2] und Objectives & Key Results (OKR): Das agile Betriebssystem für moderne Organisationen [3] empfohlen. Ziel dieser Methode ist es unter anderem, eine Veränderung des Mindsets der Führungskräfte herbeizuführen. Sie sind es, welche die Arbeitswelt mit Prozessen und Strukturen definieren, welche wiederum die Erfahrungen und Verhaltensweisen aller Mitarbeitenden beeinflussen. Agilität ist ein zentrales Instrument von OKRs. Ifolor versteht unter Agilität die Fähigkeit, in Zeiten des Wandels flexibel, pro-aktiv und anpassungsfähig zu agieren. Um die Identifikation zu fördern und das vorhandene Potenzial der Mitarbeitenden zu nutzen, empfiehlt es sich dringend, die Mitarbeitenden in die Erarbeitung von Zielen und messbaren Resultaten zu involvieren. Als Faustregel hat sich bei der ifolor-Gruppe ein Verhältnis Top-down/Bottom-up von 60/40 etabliert. Wie hat sich der Prozess der Zusammenarbeit und Zielsetzung innerhalb der Finanzabteilung der ifolor entwickelt? Am Anfang der Tätigkeit des Autors als CFO der ifolor-Gruppe ging es um das gegenseitige Kennenlernen sowie darum, eine robuste Vertrauensbasis aufzubauen. Ein Knackpunkt war dabei die ganzheitliche Übernahme von Selbstverantwortung innerhalb des Teams. In der Vergangenheit wurden sehr viele operative Aufgaben durch den damaligen Head of Finance abgedeckt. Nachdem dieser das Unternehmen kurz nach dem Start des Autors verlassen hatte, wurde diese Position nicht mehr ersetzt. Nichtsdestotrotz verwiesen die Mitarbeitenden immer wieder darauf, dass bestimmte Aufgaben in der Vergangenheit durch den Head of Finance durchgeführt worden wären und sie keine oder nur sehr wenig Berührungspunkte bei gewissen Themen gehabt hätten. Die Botschaft des ifolor-CFO war dann sinngemäß folgende: «xy ist nicht mehr für die Unternehmung tätig. Und ich werde die Aufgabe nicht übernehmen, das ist ab jetzt deine Verantwortung. Selbstverständlich unterstütze ich dich dabei und habe auch Vertrauen in deine Fähigkeiten und dein Know-how.» Ein solcher Wandel im Mindset braucht Zeit und auch regelmäßiges Feedback. Hier gilt es als Führungskraft konsequent zu sein, Ergebnisse einzufordern und gleichzeitig Verständnis zu zeigen und lösungsorientiert zu coachen, wenn etwas nicht ganz funktioniert.
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Selbstverantwortung bedeutet bis zu einem gewissen Punkt auch Freiheit. Diese Freiheit drückt sich bei der ifolor unter anderem in der sehr flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit und der Nutzung eines hybriden Arbeitsmodells aus. Der Großteil der Mitarbeitenden in der Finanzabteilung arbeitet Teilzeit (50–60 %). Zusätzlich fördert ifolor den ifolor way of hybrid work. Ifolor glaubt an die Kraft von persönlicher Zusammenarbeit in der Büroumgebung, während dem sie gleichzeitig Remote friendly bleibt. Ifolor hält eine 50:50 Remote und Büroaufteilung für gesund, diese kann sich aber ja nach Abteilung und Rollen unterscheiden. Dabei vertraut die Unternehmung ihren Führungskräften und Mitarbeitenden, die beste Way-of-work-Entscheidung in ihrem Verantwortungsbereich im Sinne von ifolor zu treffen. Nachdem diese Grundvoraussetzungen für eine agile Arbeitsweise etabliert waren, ging es darum, die Aktivitäten flexibel und energievoll auf gemeinsame Ziele auszurichten. Der OKR-Ansatz hat dabei sehr unterstützt. Einerseits (falls möglich) abgeleitet aus den Jahreszielen der Unternehmung und andererseits erarbeitet mit und innerhalb des Teams ergibt sich auf Quartalsbasis ein klarer Kompass für die Themen und Prioritäten, welche neben den operativen Daueraufgaben anstehen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist Fokus und Transparenz. Solange Transparenz ganzheitlich verstanden und auch gelebt wird, ergibt sich daraus ein fruchtbarer Nährboden für Eigeninitiative, lösungsorientierte Dialoge und einen geschärften Blick für das Machbare. Alle Beteiligten sollten sich im Klaren sein, welche Ziele verfolgt werden und welche Ressourcen dafür zur Verfügung stehen. Die Offenlegung von allfälligen Umsetzungshürden und Risiken hilft, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um zielgerichtet voranzugehen. OKRs werden innerhalb der Finanzabteilung für drei Bereiche erstellt: CFO, Accounting und Controlling. Tab. 14.4 zeigt ein Beispiel aus dem Bereich Accounting. Tab. 14.4 OKR Accounting. (Quelle: Internes ifolor Dokument) Nr.
Objectives
Key results H2/22
KPI
1
Update of IKS
Final version of the target processes, controls etc. is available and implemented
IKS-Matrix is adapted and accepted without remarks from PwC
2
Digitalization
Migration to Teams-Platform is finished (Finance-Docs) Contract management tool is implemented
Read-only access to the actual shares Actual contracts are stored in the new system
3
Year-End-Closing
Year-End-Closing is prepared
Checklist is up to date The basics for the special year-end topics are prepared
4
Fraud-Handling
Automatic order stop after x (confidential) orders per day
# of order stops
200
D. Müller
Nr.
Objectives
Key results H2/22
KPI
5
Central VAT-Reporting EU
Deregister existing countries, central notification to Bundeszentralamt für Steuern
Complete and correct reporting as of 1.9.2022
6
Fixed asset inventory
Assets are completely and correctly recorded and entered in the balance sheet
Fixed assets inventory as of 31.12.2022
OKR werden mindestens halbjährlich aktualisiert
Wichtig ist die regelmäßige Besprechung der erzielten Resultate, der offenen Punkte sowie der nächsten Schritte. Je transparenter und offener diese Diskussion innerhalb des Teams (oder auch teamübergreifend) stattfindet, desto zielführender. Zentral ist, Erreichtes zu feiern und gleichzeitig Stärken und Hilfreiches zu identifizieren, welche auf die Zielerreichung eingezahlt haben. Damit wird ein positiver, sich selbst verstärkender Feedback-Kreislauf geschaffen. Zur Unterstützung gibt es bei der ifolor ein unternehmensweites Company-BacklogSystem. Für jedes Ziel und die damit verbundenen Arbeitspakete wird ein Ticket geführt und ist auch für jedermann transparent. Zusätzlich besteht ein Company-Wiki, in welchem Grundlagen, Entscheidungen und Aktivitäten in einem kollaborativen Modus dokumentiert werden. Damit wird die Zusammenarbeit gefördert und positiv verstärkt, da einerseits jeder sieht, woran die anderen arbeiten und andererseits alle die gleichen Informationen zur Verfügung haben.
14.7
Systeme und Tools
Funktionierende Systeme und Tools sind eine unabdingbare Grundvoraussetzung. Zu unterscheiden ist zwischen Tools für die operativen Leistungs- und Supportprozesse sowie Tools für die Zusammenarbeit und Dokumentation. Insbesondere bei den Tools zur Förderung und Erleichterung der transparenten und hierarchiefreien Zusammenarbeit haben die letzten Jahre einen enormen Schub ausgelöst. Die Barrieren für neue Arbeitsformen wurden deutlich reduziert und die Selbstverantwortung enorm gestärkt. Bei den Prozessen ist zusätzlich zu differenzieren zwischen Kernprozessen und Supportprozessen. Sei dies für die Gesamtunternehmung oder für die Finanzabteilung. Doch bevor unkoordiniert neue Applikationen und Tools eingeführt werden, lohnt sich ein einfacher Check (Tab. 14.5). Nachdem dieser Check durchlaufen ist, falls notwendig auch mehrmals, lohnt es sich, die aktuelle und auch die zukünftige Applikations- und Tool-Landschaft zu skizzieren.
14 Agile Playbook für KMU
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Tab. 14.5 Readiness-Check. (Quelle: Eigene Darstellung) Prozessschritt
Beschreibung
Eliminieren
Welche Aktivitäten generieren keinen zusätzlichen Nutzen und können weggelassen werden -> Systematische Müllabfuhr
Standardisieren Welche Aktivitäten können standardisiert werden? Welche Edge-Cases müssen tatsächlich in allen Systemen bis ins Detail abgebildet werden? Optimieren
Welche Prozessschritte, Werteflüsse und Schnittstellen können optimiert werden (hinsichtlich Durchlaufzeiten, Bearbeitungszeiten, involvierte Stakeholder etc.)?
Automatisieren Welche Prozessschritte können mittels digitaler Unterstützung automatisiert werden? Anwendbar auf alle Arten von Prozessen.
Wenn dies mit Mengen (z. B. Stückzahlen, Anzahl Transaktionen, Anzahl User) ergänzt werden kann, umso besser. Die Landschaft soll in einem ersten Schritt aus einer Business-Perspektive und weniger aus einer technischen Betrachtung dargestellt werden. Dies hilft, den Blick für die Workflows und insbesondere den Business-Nutzen zu schärfen und sich auf die Flaschenhälse und die Cluster mit den größten Effizienzhebeln zu konzentrieren. Bei der Evaluation sind die jeweiligen Stakeholder einzubeziehen und der Blick konsequent auf Ziel und Zweck der Applikation zu richten. Auch wenn es hierzu unterschiedliche Meinungen gibt, empfiehlt der Autor den Lead für solche Digitalisierungsprojekte immer dort anzusiedeln, wo der Business-Nutzen entsteht und nicht bei der IT oder einem Digitalisierungsverantwortlichen.
14.8
Kultur
Die Feststellung des ifolor-Managements ist, dass die Veränderung der Kultur eine langwierige Aufgabe ist. Nur wenn sich die Geschäftsleitung und die Führungskräfte permanent für eine Veränderung einsetzen und diese auch vorleben, kann sich eine nachhaltige Veränderung verankern. Nur schon die Beachtung eines einfachen Mottos wie «Sag was du tust, tu was du sagst» hat eine positive Wirkung auf das Verhalten jedes Einzelnen. Die Kultur vieler KMU ist durch die Gründer und/oder Eigentümer geprägt. Und oftmals waren und sind diese Unternehmen sehr erfolgreich. Dies verstärkt den Drang, den Erfolg als positives Feedback auf das eigene Verhalten zu interpretieren und dieses noch zu verstärken. Kommt dann die nächste Generation ans Ruder und die vorangehende Generation ist immer noch aktiv involviert, kommt es fast automatisch zu unterschiedlichen Ansichten hinsichtlich Führung und Zusammenarbeit.
202
D. Müller
Hier eine kulturelle Transformation zu gestalten und wirksam zu leben, erfordert Geduld, Hartnäckigkeit und ganz wichtig: Neugierde auf die Resultate der Veränderungen und die Erfahrungen während des Prozesses. Hier ist jede einzelne Führungskraft gefordert. Mögliche Elemente einer agilen Organisation, welche eine kulturelle Transformation unterstützen, sind Squads und Tribes sowie Chapters und Guilds. Hintergrundinformation Squads: Ein Squad ist eine Gruppe von maximal acht Personen (die Pizza-Regel), die ein konkretes Problem lösen, und zwar nur das. Sie haben dabei die ganzheitliche Verantwortung. Das heißt, sie sind selbst verantwortlich, wie sie das Problem lösen. Keine Hierarchie, kurze Entscheidungswege und viel Austausch. Tribes: Die Squads sind in Tribes zusammengefasst. Die Tribe-Führung schaut, dass die Aktivitäten der einzelnen Squads untereinander bestmöglich abgestimmt und auf die Unternehmensziele einzahlen. Chapters: Mitarbeitende aus verschiedenen Squads sind nach Kompetenzen in Chaptern organisiert. Innerhalb dieser Community von beispielsweise Grafikern, Controllern oder Ingenieuren findet ein fachlicher Austausch und ein gegenseitiges Peer-Coaching statt. Guilds: Mitarbeitende aus verschiedenen Squads organisieren sich aufgrund ihrer gemeinsamen Interessen und unterstützen einander auch außerhalb des Arbeitslebens oder starten gemeinsame, kleinere Innovationsprojekte. Dieses Element ist am wirksamsten insbesondere bei schnell wachsenden Unternehmen. Bevor jedoch die Organisation mit neuen Formen der Zusammenarbeit, welche nicht geläufige Namen aufweisen, allenfalls überfordert wird, bringt schon das Lernen aus den Erkenntnissen dieser Modelle Fortschritte in der täglichen Arbeit. Hierbei kann jedes Team und auch jeder einzelne Mitarbeitende nur profitieren. • Beispielsweise, indem die Mitarbeitende Momente schafft, in denen sie (oder auch ein Team) fokussiert und selbstbestimmt an nur einer Aufgabe arbeitet (Squads). • Oder indem sie regelmäßig an das große Ganze sowie an das Ziel und den Zweck der Aktivitäten denkt (Tribes). • Oder indem sie sich fragt, von welchen Personen im Unternehmen könnte sie etwas lernen und sich fachlich coachen lassen (Chapters). • Oder indem die Mitarbeitende Personen im Unternehmen findet, mit denen sie gerne etwas zusammen unternehmen würde (Guilds). Am Ende des Tages wird die Kultur eines Unternehmens immer durch die Menschen geprägt, welche sich tagtäglich engagieren und durch ihr Verhalten eine Wirkung auf andere erzielen. Ehrliche Wertschätzung für jede und jeden ist eine entscheidende und permanent verfügbare Ressource für eine positive Unternehmenskultur voller Vertrauen, Transparenz und Verlässlichkeit.
14 Agile Playbook für KMU
14.9
203
Fazit
Agilität beginnt im Kopf. Der Mindset der Führungskräfte ist der Schlüssel für eine Transformation hin zu einer agilen und digitalen Organisation. Sind die Führungskräfte neugierig auf Neues, wollen lernen und vertrauen in die Fähigkeiten und das Potenzial von Menschen? Wenn diese Fragen mit Ja beantwortet werden können, ist eine erste wichtige Grundvoraussetzung erfüllt. Um die Mitarbeitenden mit auf die Reise zu nehmen, braucht es transparente, klare und aufeinander abgestimmte Ziele. Es lohnt sich, Ziele und die Konsequenzen daraus gründlich zu durchdenken und in einem iterativen Prozess zu schärfen. Daraus sind systematisch Teilergebnisse und Aktivitäten mittels eines einprägsamen Zielsystems abzuleiten (Must-Win Battles, OKRs) und für alle transparent abzubilden (Company-Backlog, Unternehmens-Wiki). Sind Ziele und Aktivitäten festgelegt, gilt es, den Blick immer wieder auf die Ziele zu richten und jeden Tag auf diese Ziele einzuzahlen. Unterstützend sind die Fortschritte sowie allfällige Hürden regelmäßig und lösungsorientiert zu besprechen. Systeme und Tools sind Mittel zum Zweck. Sie müssen immer einen Business-Nutzen generieren und dabei unterstützen, die erarbeiteten Ziele effizient zu erreichen. Zu unterscheiden ist zwischen Tools für die operativen Leistungsprozesse und Tools für die Zusammenarbeit und Dokumentation. Insbesondere bei den Tools für die Zusammenarbeit haben die letzten Jahre einen enormen Schub ausgelöst. Die Barrieren für neue Arbeitsformen wurden deutlich reduziert und die Selbstverantwortung enorm gestärkt. Sie waren und sind ein Treiber für die Transformation hin zu agilen Organisationen. Eine kulturelle Transformation ist ein langer und anspruchsvoller Prozess. Doch mit einem klaren Zielbild vor Augen lohnt es sich, unermüdlich und konsequent daran zu arbeiten, aus Rückschlägen zu lernen und die Neugierde auf das Kommende bei allen Mitarbeitenden hochzuhalten. ifolor-Gruppe
Ifolor ist einer der größten Online-Dienstleister für personalisierte Fotoprodukte in Europa. Das Angebot umfasst hochwertige Produkte wie Fotobücher, Fotokalender, Wanddekorationen, Fotogeschenke, Fotogrußkarten und Fotos. Ifolor ist ein Schweizer Familienunternehmen, welches 1961 gegründet wurde. Ifolor ist in 15 Ländern aktiv und ist Marktführer in der Schweiz und in Finnland. Das Unternehmen beschäftigt 270 Mitarbeitende an den Standorten in Kreuzlingen, Zürich und Kerava (Finnland). Die Produktionsstätten befinden sich in Kreuzlingen und Kerava. Der aktuelle CEO stammt aus der dritten Generation. Didier Müller ist seit 2020 CFO der im Online-Retail tätigen ifolor-Gruppe. Zuvor war er sieben Jahre als CFO der Accarda-Gruppe (heute integriert in die Viseca Payment Services AG) und mehr als 15 Jahre in verschiedenen Führungs-
204
D. Müller
und Finanzfunktionen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, IT-Services und Telekom aktiv. Didier Müller hat einen Abschluss als Betriebsökonom FH, absolvierte ein MAS in Corporate Finance am IFZ in Zug, ein DAS in angewandter Psychologie im Kontext von Leadership am IAP in Zürich sowie das Advanced Management Program an der HSG in St. Gallen. Am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ in Rotkreuz hat er zusätzlich den Fachkurs Digital CFO absolviert. In seiner Freizeit spielt er leidenschaftlich Fußball, ist gerne mit Familie und Freunden in der Natur unterwegs und engagiert sich an seinem Wohnort als Mitglied der Primarschulpflege.
Literatur 1. Killing P, Malnight T, Keys T (2006) Must-win battles: how to win them, again and again. Pearson Education, New Jersey 2. Doerr J (2017) Measure what matters: OKRs: The simple idea that drives 10x growth. Portfolio Penguin, London 3. Lobacker P, Jacob C (2020) Objectives & Key Results (OKR): Das agile Betriebssystem für moderne Organisationen. die.agilen GmbH, München
15
Umbau traditioneller Geschäftsmodelle in die digitale Welt: Das CFO Transformation Toolkit Stephan Bergamin
Zusammenfassung
Digitales Nutzer- und Kundenverhalten und digitale Technologien bilden zunehmend die Grundlage für neue Geschäftsmodelle. Während etablierte Unternehmen mit langjährigem Kundenverständnis und hervorragendem Produktions- und ForschungsKnow-how punkten, greifen neue digitale Anbieter in der Regel die profitabelsten Produkt- und Dienstleistungsangebote an. Themen wie die Kannibalisierung ihres analog-basierten Geschäftsmodells, die Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur sowie agile Organisationen rücken ins Zentrum. Welche Rolle kommt in der Transformation von Geschäftsmodellen dem CFO zu? Überlässt er diese Themen der operativen Führung oder übernimmt er eine Schlüsselrolle im Transformationsprozess? Als langjähriger CFO berichtet der Autor von seinen Erfahrungen aus globalen Transformationen und schlägt anhand von einem CFO-Toolkit vor, wie sich Unternehmen auf das digitale Zeitalter vorbereiten und die richtigen Transformationsschritte umsetzen können.
15.1
Umbau traditioneller Geschäftsmodelle in die digitale Welt: Aktuelle unternehmerische Herausforderungen
In vielen Industriezweigen ist eine Verschiebung von evolutionären Veränderungen hin zu zunehmend disruptiven Veränderungen zu beobachten. Geschäftsverständnisse, welche viele Jahre Bestand hatten, werden durch disruptive Faktoren infrage gestellt, S. Bergamin (B) Männedorf, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_15
205
206
S. Bergamin
und Firmen werden gezwungen, ihre Geschäftstätigkeit komplett neu auszurichten. Transformation-Management zielt auf eine Neuerfindung einer Unternehmung oder eines Geschäftsmodells ab. Demgegenüber reicht Change-Management, verstanden als Optimierung bestehender Geschäftsmodelle, nicht mehr aus [4, S. 10 ff., 5, S. 69 ff., 6, S. 42 ff.]. Disruption wird insbesondere durch die zunehmende Digitalisierung ausgelöst. Digitalisierung ist disruptiv, da sie große Leistungssteigerungen der verfügbaren Technologien und Systeme bringt, was Quantensprüngen hinsichtlich Kundenfokus und Personalisierung, Leistungsprozesse und Datenmanagement nach sich zieht [26, S. 8, 28, S. 28 f.]. Digitale Geschäftsmodelle unterliegen eigenen Gesetzmäßigkeiten und nutzen Skalierungseffekte, durchbrechen traditionelle Branchengrenzen und erhöhen dank mehr Transparenz und tieferer Transaktionskosten den Margendruck. Aktuelle Unternehmerbefragungen zeigen, dass die digitale Transformation und die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle die obersten Führungsgremien beschäftigen [4, 24]. Vorwiegend ausgelöst durch die Digitalisierung wird ein Überdenken des bestehenden Geschäftsmodells notwendig. Digitalisierung zeigt sich dabei in unterschiedlichen Ausprägungen, oft kommt ihr aber eine disruptive Kraft zu. Ein prominentes Anschauungsbeispiel für diese Entwicklung ist der altbekannte Blackberry. Dank einem Blackberry war man 2003 digital erreichbar und die Besitzer nahmen damit einen Sonderstatus ein. Seit 2007 tauchte dann Apple mit dem ersten iPhone auf. Lange wurde dieser Herausforderer unterschätzt. Seither hat Apple die Mobilkommunikation neu geschrieben. Apple hat mit iPhone eine disruptive Technologie gefunden und mit seinen Apps ein Software-Ökosystem geschaffen, das Nutzer in den Bann zieht [7, S. 22]. Die Digital-Business-Transformation-Matrix [4, S. 16 ff.] bietet einen idealen Orientierungsrahmen, um zu beschreiben, was Unternehmer gegenwärtig umtreibt rund um Change-Management und Transformation-Management (Abb. 15.1). Die horizontale Achse bildet die Bedeutung und das Ausmaß von Change-Management ab. Ganz links sind Unternehmungen positioniert, welche lokal tätig sind, eine breite Angebotspalette anbieten und Change-Management eher implizit, aber nicht explizit betrieben wird. Im Gegensatz dazu zeichnen sich ganz rechts auf der Achse globale, fokussierte Anbieter durch eine breite geografische Präsenz mit klar definierter Angebotspalette aus. Sie haben Change-Management-Prozesse etabliert, dank denen der Weg vom diversifizierten Unternehmen zum fokussierten, global aufgestellten Anbieter erfolgreich umgesetzt wurde. Die vertikale Achse bildet das Ausmaß des Transformation-Managements und den Digitalisierungsgrad ab. Unternehmungen, welche noch zu Beginn der Transformation stehen und die Auseinandersetzung mit digitalen Themen begonnen haben, positionieren sich unten auf der vertikalen Achse. Andererseits gibt es Firmen, welche mit einem digitalen Angebot eine Vorreiterrolle einnehmen; sie stehen weiter oben auf der Digitalisierungsachse.
15 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle …
Local digital Champion Lokale Marktpräsenz mit customized digital offering
Regional digital Champion Digitales Business Model mit regionalem Data & Platform Geschäft und regionaler Marktpräsenz
Global digital Champion Digitales Business Model mit globalem Data & Platform Geschäft und globaler Marktpräsenz
Traditional enterprise in convergence Lokale Marktpräsenz mit traditionellen & digital offering
Regional player in convergence Gemischtes Geschäftsmodell mit regionaler Markpräsenz und traditionellem und digitalen offering
Global player in convergence Gemischtes Geschäftsmodell mit globaler Markpräsenz und traditionellem und digitalen offering
Lean Enterprise Lokale Marktpräsenz mit traditioneller breiter Angebotspalette und engem Kundenkontakt
Regional Player Regionale Marktpräsenz, Operating Model im Wandel
Global Player Globale Marktpräsenz, Best in Class-Operating Model mit Economies of Scale & Scope
Digitalisierung
Digitale Business Modelle
Gemischte Business Modelle
Traditionelle Business Modelle
207
Lokale Marktposition
Regionale Marktposition
Globale Marktposition
Globalisierung
Abb. 15.1 Digital-Business-Transformation-Matrix [4], S. 16
Wie nehmen Unternehmungen den Change- und Transformation-Bedarf wahr und wie widerspiegelt sich dies in ihren strategischen Weichenstellungen? Die Digital-BusinessTransformation-Matrix bringt deren Zusammenspiel zum Ausdruck. Unternehmungen sind in der Regel sowohl von Change- wie auch Transformation-Management betroffen. Die Matrix hilft, die Position in Bezug auf digitale Prozesse und digitale Fähigkeiten sowie in Bezug auf die geografische Präsenz eines Marktteilnehmers und ChangeManagement zu identifizieren. Wie sind Branchen von diesen zwei Dimensionen aktuell betroffen? In Branchen wie im Retail Banking greifen internationale digitale Wettbewerber direkt in den bisher relativ geschlossenen Heimmarkt ein. Ein aktuelles Beispiel in der Finanzindustrie sind Smartphone-Banken, welche mit Fintech-Apps rasant wachsen. Vor allem die jüngere Kundschaft zeigt sich sehr offen und interessiert gegenüber den Online-Services der neu in den Markt drängenden Smartphone-Banken. Sicherheitsund Vertraulichkeitsaspekte, eine traditionelle Stärke der Schweizer Geschäftsbanken, werden von den kostengünstigeren Online-Dienstleistungen der Smartphone-Banken in ausgewählten Geschäftssegmenten ausgestochen. Zukunftsträchtige Geschäftsmodelle orientieren sich an den Bedürfnissen der Millennial-Kunden: Digital Experience, Sharing, Socializing, Transparenz und Dienstleistungen weit über Bankprodukte hinaus in Gesundheit, Essen und Reisen [17, S. 12 ff., 17, S. 10]. Was bedeutet dies für die traditionellen Banken? Die digitale Transformation einzelner analoger Prozessschritte innerhalb der Wertschöpfungskette reicht nicht. Es braucht die radikale Neuorientierung der digitalen
208
S. Bergamin
Finanzdienstleistungen für den Endkunden [3, 4, S. 33]. Viele sind regional oder global Player in Convergence. Im Detailhandel wird ein Schwergewicht auf datengetriebene Geschäftsmodelle und digitale Lieferketten gelegt. Nightmare-Konkurrenten wie Amazon haben aufgrund deren Fokus auf Marktnischen das Potenzial, neue virtuelle Ökosysteme zu schaffen und schnelles Skalierungspotenzial zu entfalten. E-Commerce hat sich auf Augenhöhe mit dem stationären Handel positioniert [13]. Wie reagieren traditionelle Detailhändler auf diese Nightmare Competitors? Es hat sich die Meinung durchgesetzt, dass bei Online- und Offline-Präsenz oft nicht ein Entweder-oder besteht, sondern ein Sowohl-als-auch [4, S. 35 ff.]. Digitalisierung hat das Potenzial, traditionelle Branchengrenzen infrage zu stellen. So kann ein mögliches Szenario durchaus so aussehen, dass beispielsweise Detaillisten zu Logistik-Profis werden [32]. Viele große Detailhandelsgruppen sind regionale oder globale Player in Convergence. In der Luxusuhrenindustrie ist der globale Footprint entscheidend und die OnlineOffline-Präsenz wird mit digitalen Plattformen ausgebaut. Nightmare-Konkurrenten wie Watchbox stellen einen ernst zu nehmenden Konkurrenten dar. Die fokussierte, vertikal integrierte Wertschöpfungskette bis hin zum Kunden und weniger die branchenübergreifende Diversifikation sichert den Erfolg, wie die digital geprägten Geschäftsmodelle im Luxusuhren-Detailhandel zeigen [4, S. 53 ff.]. Die großen Luxusgüterkonzerne wie Richemont oder Bucherer sind positioniert als Global Player in Convergence. In Gesundheitswesen und insbesondere bei Spitälern wird massiv in die Digitalisierung investiert. Namentlich Zentrums- und Universitätsspitäler erreichen bereits einen hohen Digitalisierungsgrad [4, S. 32 ff., 31, S. 9]. Hauptstoßrichtungen sind verbesserte digitale Prozesse, was zu einer Stärkung der Patientensicherheit und Effizienzsteigerungen führt. Viele Spitäler sind in der Position der Traditional Enterprise in Convergence. Allgemein zeigt sich, dass die Globalisierung weiter fortgeschritten ist als die Digitalisierung. Die Handelsdiskussionen, die Corona-Krise und geopolitische Unruhen haben Angebots-, Nachfrage- und Transportschocks ausgelöst und kritische Stimmen mehren sich. Glokalisierung gewinnt an Gewicht, das heißt die Dezentralisierung der Märkte und Wertschöpfungsketten bei gleichzeitiger Intensivierung der kooperativen Systeme [2, 15]. Demgegenüber steckt die Digitalisierung noch in einem früheren Entwicklungsstadium, womit ein noch großes Veränderungspotenzial in Zukunft besteht [3, S. 33 f.]. Was die geplanten Entwicklungspfade anbelangt, fällt aufgrund aktueller Befragungen auf, dass alle Firmen eine ausgeprägte Nord-Süd-Ausrichtung skizzieren [4, S. 76 ff.]. Die digitale Veränderung steht im Fokus der Traditionsfirmen. Viele Unternehmungen sagen, dass sie das Geschäftsmodell transformieren müssen. Vermutet wurde aber lange Zeit, dass nur wenige dies auch umsetzen. Dies trifft nicht auf die Transport- und Logistikindustrie zu [4, S. 46 ff., 20, 27, S. 35 ff.]; sie durchlief in den letzten Jahren eine grundlegende Transformation. Kostendruck, aber auch disruptive Kräfte waren wichtige Treiber dafür. Auf der Digital-Business-Transformation-Matrix sieht man die Bewegung hin zu mehr Globalisierung und verstärkte Digitalisierungsbemühungen (Abb. 15.2).
15 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle …
Local digital Champion Lokale Marktpräsenz mit customized digital offering
Regional digital Champion Digitales Business Model mit regionalem Data & Platform Geschäft und regionaler Marktpräsenz
Global digital Champion Digitales Business Model mit globalem Data & Platform Geschäft und globaler Marktpräsenz
Traditional enterprise in convergence Lokale Marktpräsenz mit traditionellen & digital offering
Regional player in convergence Gemischtes Geschäftsmodell mit regionaler Markpräsenz und traditionellem und digitalen offering
Global player in convergence Gemischtes Geschäftsmodell mit globaler Markpräsenz und traditionellem und digitalen offering
Lean Enterprise Lokale Marktpräsenz mit traditioneller breiter Angebotspalette und engem Kundenkontakt
Regional Player Regionale Marktpräsenz, Operating Model im Wandel
Digitalisierung
Digitale Business Modelle
Gemischte Business Modelle
Traditionelle Business Modelle
209
Lokale Marktposition
Go global –
Regionale Marktposition
Global Player Globale Marktpräsenz, Best in Class-Operating Model mit Economies of Scale & Go digital Scope
Globale Marktposition
Globalisierung
Abb. 15.2 Strategische Pfade Transport- und Logistikunternehmungen (In Anlehnung an: [4, S. 16)
Seit der Finanzkrise 2008 befindet sich die Industrie in einer Konsolidierungsphase und steht unter starkem Wachstumszwang, um Economies of Scale zu erzielen. Ein weiterer Faktor für die intensive M&A-Aktivität der Großen ist die Digitalisierung. Hohe Investitionskosten verbunden mit großer Komplexität kann ein Grund sein gegen einen Alleingang und für einen Verbund mit starken Partnern. Im Zuge der fortschreitenden Marktkonsolidierung wurde Panalpina vom dänischen Mitbewerber DSV im April 2019 übernommen [16]. DSV übernahm in der Folge weitere Konkurrenten und vergrößerte damit ihren geografischen Footprint. Kühne & Nagel hat die chinesische Apex International Corp. übernommen und damit die Asien-Präsenz markant vergrößert. Auch Reedereien durchliefen mittels globaler Zusammenschlüsse einen tiefgreifenden Konsolidierungsschritt. Diese Zusammenschlüsse führten zur besseren Bedienung der Großkunden, günstigerem Einkauf von Transportkapazitäten und Material, Standardisierung und Digitalisierung repetitiver Prozesse und Verlagerung von Supportfunktionen in Shared Services, oft in Tieflohnländern [4, S. 46 ff.]. Prognosen gehen davon aus, dass konventionelle Geschäftsmodelle in der Logistik bis 2030 von voll-digitalen und hybrid-digitalen Modellen abgelöst werden ([19]; vgl. dazu auch [32]). Der Transport ist heute noch sehr traditionell organisiert und zeichnet sich durch hohe Fragmentierung und landesspezifische Charakteristika aus. «Bürokratie ohne Ende. Da werden Unmengen von Papier herumgeschoben, vom Produzenten zur Logistik, zur Bank, zur Versicherung, zum Zoll, zum Abnehmer. Ein Zertifikat hier, ein Zollpapier dort – und ganz viele Stempel von Behörden. Das alles macht mindestens
210
S. Bergamin
20 % der Kosten eines Gütertransports aus [22, S. 3]. » Es kann durchaus sein, dass die Administrationskosten für die Transportleistungen höher sind als die Kosten für den eigentlichen Transport. Ziel der Supply Chain muss es sein, Effizienz und Sicherheit in der Logistikkette zu erhöhen, bislang komplexe Geschäftsmodelle und -prozesse fundamental zu vereinfachen, um Risiken und Störungen zu minimieren. Hier werden traditionelle Player von Nightmare Competitors herausgefordert. Start-ups und digitale Plattformen drängen mit innovativen Modellen in den Logistiksektor. Neue Geschäftsmodelle orientieren sich an den Bedürfnissen der Millennial-Kunden: Digital Experience, Sharing, Socializing und Transparenz. Incumbents wie Kühne & Nagel wiederum gewinnen dank neuer Technologien Skaleneffekte und werden somit effizienter, oder sie nutzen Collaboration-Tools wie Sharing-Technologie als Weg zur Repositionierung. Die fokussierte, vertikal integrierte Wertschöpfungskette bis hin zum Kunden und weniger die branchenübergreifende Diversifikation sichert den Erfolg, wie in der Logistik mit Point-to-Point-Dienstleistungen bis zum Endkunden (Contract-Logistics) zeigen [4, S. 117]. 2021 wurden über 9 Mia. USD in Freight Tech Start-ups investiert und die Anzahl Unicorns ist stark wachsend. Sie zielen auf das Kerngeschäft der etablierten Anbieter, schaffen mehr Preistransparenz und differenzieren sich von den Großen mit neuen ITLösungen [9, 19]. Forto hat sich vom Start-up-Unternehmen zum Unicorn entwickelt. Der Erfolg basiert auf der digitalen Logistikplattform und nahtlosen Interfaces zu anderen Systemen. Flexport, Project44 und C.H. Robinson sind amerikanische Beispiele für Automatisierungslösungen in der Supply Chain. Sie unterstützen das Management der Lieferketten mit Echtzeitunterstützung, Datenmanagement und Zollabfertigung. Die Blockchain-Technologie eignet sich ebenfalls für die Logistik. Die Reederei Maersk arbeitet zusammen mit dem IT-Unternehmen IBM beim Blockchain-Projekt TradeLens [21, S. 8]. Diese Handelsplattform bietet eine verbesserte Prozesskette, indem sie in Echtzeit verfolgbare Versanddaten, Genehmigungen, Frachtpapiere zur Verfügung stellt. Dadurch wird ein wesentlicher Teil der heute manuellen Arbeitsschritte und des Papierkriegs vermieden und durch konsistente, maßgeschneiderte Echtzeitinformationen über den gesamten Prozess ersetzt. Der Wegfall von Papierdokumentation und die schnellere Überprüfbarkeit von Transportdaten führt zu markanten Kosteneinsparungen. Dies ist ein Beispiel, wie im Rahmen der Make or join-Evaluation [4, S. 117] Join gewählt wurde: Die Investitionen in die digitale Transformation eines analogen Geschäftsmodells sind enorm. Internationale Skalierungsmöglichkeiten werden unter Umständen besser mit einem strategischen Partner angegangen, der bereits über digitale Kompetenzen und allenfalls internationale Marktanteile verfügt. Standards nutzen ist oft besser als Eigenlösungen, um den Speed-to-Market sicherzustellen. Die Blockchain-Technologie bietet ebenfalls Problemlösungen im Bereich Tracking und Tracing von sensiblen Lieferketten, beispielsweise im Pharma- oder Lebensmittelbereich. Mittels Sensoren wird laufend die Qualität, Temperatur und Gewicht während
15 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle …
211
dem Transport kontrolliert. Smart Contracts auf Blockchain-Technologie machen eine Prüfungsinstanz obsolet und reduzieren generell das Betrugsrisiko. Diese Praxisbeispiele zeigen, dass digitale Geschäftsmodelle konsequent vom Kunden gedacht werden müssen. Die digitale Transformation einzelner analoger Prozessschritte innerhalb der Wertschöpfungskette reicht nicht [8, 21].
15.2
Wie machen sich Unternehmungen für den Transformationsprozess fit?
Die Veränderung des Geschäftsmodells einer Unternehmung ist ein höchst anspruchsvolles Vorhaben. Damit verbunden sind große Chancen, aber auch erhebliche Risiken. Bei der Umsetzung von Veränderungen ist es wichtig, den Kunden und die Mitarbeiter im Fokus zu haben. Ein bekannter Gesundheitsökonom meinte, dass sich erfolgreiche Spitäler dadurch auszeichnen, dass der Patient und die Patienten-Mitarbeiter-Beziehung im Zentrum stehen und alles getragen wird durch eine gute Spitalkultur. Vor diesem Hintergrund sind Veränderungen bewusst und geschickt in die Wege zu leiten. Allzu oft tendieren aber Führungskräfte dazu, kurzfristige Lösungen bei Strukturen und Personen zu suchen und nutzen damit zu wenig die Vorzüge eines evolutiven Approachs. Die Toolbox für Digital Business Transformation [4, S. 95 ff.] empfiehlt vier Vorgehensschritte. Zunächst wird Digital Transformation Awareness durch den Aufbau eines Digital Radar erreicht. Die Digital-Transformation-Strategie beinhaltet die Gestaltung von Digital Customer Experience und Journey, die Identifikation und den Einsatz von relevanten digitalen Technologien und die Definition einer digitalen Vision und Strategie für das Unternehmen. Digital Business Design umfasst die Gestaltung des digitalen Geschäftsmodells und der digitalen Governance und Leadership. Digital Transformation Management fokussiert auf die Förderung der digitalen Readiness und Kultur sowie der Umsetzung des Transformation-Managements. Welche Rolle kommt in der Transformation von Geschäftsmodellen dem CFO und Führungskräften in Corporate-Funktionen wie HR, IT, Legal, etc. zu? Überlassen sie diese Themen dem CEO und den operativen Business-Unit-Leitern oder übernimmt er eine Schlüsselrolle im Transformationsprozess? Jede Transformation hat ihre Besonderheiten, der Unterstützungsapproach im Einzelfall sieht unterschiedlich aus. Das nachfolgend dargestellte CFO-Toolkit für Digital Business Transformation (Abb. 15.3) soll Richtschnur und Instrumente zur wirkungsvollen Begleitung der Transformation bieten. Folgende Fragen stehen dabei im Zentrum: • Bildet die Strategie die transformativen Kräfte ausreichend ab? Was bedeuten diese für das traditionelle Geschäftsportfolio? • Welches sind die strategischen Value Drivers, welche entscheidend sind für die Unternehmensführung?
Change Management Bedarf beurteilen Digital Radar aufbauen
6.
Business Model Transformation
8.
11. Governance und Leadership definieren 12. Agile Organisation einführen
Agile Organisation
Digitale Readiness und Kultur fördern Transformation Management umsetzen
7.
5.
Digitales Business Modell gestalten Digitale Governance und Leadership definieren
Digital Transformation Management
Digital Transformation Business Design
3. Value drivers überdenken und mit 8. Prozess Organisation umsetzen Strategie abstimmen 9. Grundsätze zur Organisation 4. Kernprozesse mit Strategie kalibrieren festlegen 5. Positionierung bestimmen 10. Prozess Digitalisierung 6. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess vorantreiben anstoßen 7. Geschäftsportfolio und Funding bestimmen
Strategy & Performance Check
Abb. 15.3 CFO Transformation Toolkit. (In Anlehnung an: [4, S. 96])
2.
1.
Change & Transformation Awareness
The CFO Transformation Tool Kit
4.
3.
2.
1. Digital Radar aufbauen
Digital Customer Experience und Journey gestalten Relevante digitale Technologien identifizieren und einsetzen Digitale Vision und Strategie definieren
Digital Transformation Strategy
Digital Transformation Awareness
Digital Business Transformation – Toolbox
212 S. Bergamin
15 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle …
213
• Sind die Prozesse, Strukturen und Systeme auf diese Value Drivers abgestimmt? • Wie lässt sich die Transformation finanzieren? Wie verhält es sich mit Diversifikation versus Fokussierung? Wird eine Konzentration notwendig, um die notwendigen Mittel zu generieren zur Finanzierung dieses Strategiewechsels? • Was bedeutet dies bezüglich Agilität des Unternehmens, der Mitarbeiter, der Kaderpersonen und des Verwaltungsrats? Zunächst stehen die zwei ersten Schritte, nämlich Change & Transformation Awareness sowie Strategie & Performance Check im Zentrum. Diese zwei Schritte sind entscheidend für die laufende strategische Feinsteuerung der Unternehmung im Transformationsprozess. Dieser Check (Abb. 15.4) soll nicht einmalig, sondern als wiederkehrende Überprüfung erfolgen, ob das Unternehmen sich den strategischen Herausforderungen bewusst ist und entsprechend agiert.
1 Change Management Bedarf beurteilen & Digital Radar aufbauen
5
2
PortfolioStrategie prüfen und Funding sicherstellen
Strategie und Value Drivers anpassen
4
3
Positionierung & Performance Check
Kernprozesse mit Strategie kalibrieren
Abb. 15.4 Strategie und Performance Check. (Eigene Darstellung)
214
S. Bergamin
15.2.1 Chance- & Transformation Awareness schaffen 15.2.1.1 Change-Management-Bedarf beurteilen Der CEO und die Geschäftsleitung stehen bei der Gestaltung des künftigen Geschäftsmodells vor der Herausforderung, dass sie einerseits die Effizienz des Unternehmens steigern müssen und damit die Kosten senken und die Komplexität reduzieren – Exploitation. Gleichzeitig müssen sie neue Geschäftsmodelle entwickeln und innovative Lösungen erbringen – Exploration. Sie stehen dabei im Spannungsfeld zwischen Stabilität und Veränderung. Erfolgreiche Unternehmen schaffen den Spagat zwischen Exploitation und Exploration. Dieses Spannungsfeld nennt man Ambidextrie [14]. Das Wort Ambidextrie stammt aus dem Lateinischen und setzt sich aus den Wörtern ambo (beide) und dexter (rechte Hand) zusammen. Damit bedeutet Ambidextrie so viel wie beidhändig. Im Rahmen von Exploitation, das heißt Optimierung des bestehenden Geschäfts, muss zunächst die Strategie aus Sicht der Digitalisierungschancen und -risiken kritisch hinterfragt werden. Daraus leiten sich die gültigen Value Drivers ab. Value Drivers stellen die wichtigen Stellgrößen dar, um die strategischen Ziele zu erreichen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, welches die Implikationen auf das bestehende Geschäftsportfolio sind. Oft wird eine Fokussierung auf die strategischen Stärken notwendig, um Verzettelungen zu vermeiden und gleichzeitig die notwendigen Mittel zu generieren, um Exploration zu finanzieren, das heißt der Aufbau neuer Geschäftsmodelle und die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie [4, S. 10 ff.]. In vielen Industriezweigen gibt es eine Verschiebung von evolutionären Veränderungen hin zu zunehmend disruptiven Veränderungen. Diese werden durch Kräfte wie beispielsweise ein radikal verändertes Kundenverhalten und neue digitale Kommunikationsmöglichkeiten verursacht. Traditionelle Geschäftslogiken werden infrage gestellt und Unternehmen müssen sich Gedanken machen, wie sie ihre Geschäftstätigkeit neu ausrichten. Die evolutionäre Geschäftsmodellentwicklung reicht vielfach nicht mehr zur Bewältigung unternehmerischer Herausforderungen aus, die disruptive Geschäftsmodellentwicklung wird immer wichtiger. Im Falle der evolutionären Geschäftsmodellentwicklung steht Change-Management im Zentrum, im Rahmen der disruptiven Geschäftsmodellentwicklung kommt hingegen Transformation-Management zum Tragen. Mit dem Anspruch, die bestehende Strategie auszuschöpfen und gleichzeitig die strategische Zukunft zu bauen, treffen zwei Welten mit unterschiedlichen Prioritäten aufeinander. Dies kann zu Widersprüchen, Spannungen, Inkonsistenzen führen, welche für die Managementteams eine große Belastung bedeuten. Die Aufgabe des Managements und insbesondere des strategischen CFOs ist es, das Positive dieses Paradoxons gegenüber den Kaderleuten und Mitarbeitern herauszustreichen.
15 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle …
215
Unternehmensstrategie Ausrichtung auf Wachstumsfelder
Kosten – und Umsatzstruktur anpassen
Fokussierung des Geschäsporolios Kapital freisetzen
Front end & Back end Monezaon
Value-added Investments idenfizieren
• • • •
Produktpalee fokussieren Skalierbar Differenzierungspotenal Ballast entsorgen
• Kostenstruktur entsprechend Fokusbereichen und Operang Modell anpassen
Ausrichtung Operang Modell auf Wachstum Voraussetzung schaffen mit Corporate Organisaon
Prozesse, Organisaon und Systeme anpassen
• Prozesse analog Wachstum definieren • Operang Modell darauf ausrichten
Abb. 15.5 Ausrichtung der Unternehmung auf Wachstum. (In Anlehnung an: [3, S. 11, 12])
Evolutionäre Geschäftsmodellentwicklung – Change-Management Im Rahmen der evolutionären Geschäftsmodellentwicklung steht die Optimierung des bestehenden Geschäftsmodells im Zentrum. Mit inkrementellen Verbesserungen der Abläufe, Produkte und Dienstleistungen soll das Wachstum gefördert und die Profitabilität gesichert werden. Das Veränderungsmanagement lässt sich auch unter dem Begriff Change-Management subsumieren. Erfolgreiche evolutionäre Geschäftsmodellentwicklung [12] (Abb. 15.5) im Zeitalter der Globalisierung zeichnet sich in der Praxis durch folgende Faktoren aus: • Zunächst ist es wichtig, dass sich das Management auf die wirklichen Stärken für den künftigen Erfolg zurückbesinnt. Die Unternehmung muss sich klarwerden, wie sie sich im Markt mit seinem Produkteportfolio gegenüber der Konkurrenz differenzieren kann. Sie konzentrieren sich auf die erfolgskritischen, skalierbaren Bereiche und bauen diese konsequent aus. • Mit einem klar definierten Aktivitätsportfolio gilt es, mit dem geeigneten OperatingModell und einer geeigneten Organisation die Voraussetzungen für weiteres Wachstum zu schaffen. • Ein schlankes, stringent ausgerichtetes Tätigkeitsportfolio und eine funktionierende, wachstumstaugliche Organisation führen zu einer optimierten Kostenstruktur. Disruptive Geschäftsmodellentwicklung – Transformation-Management Die disruptive Geschäftsmodellentwicklung zeichnet sich demgegenüber durch eine radikale Veränderung des bestehenden Geschäftsmodells aus. Eine vollkommen neue Geschäftslogik kommt zum Tragen. Im Falle der disruptiven Veränderungen verwenden wir den Überbegriff
216
S. Bergamin
Transformation-Management. Transformation-Management zielt nicht auf die Umsetzung einer isoliert definierten Initiative, sondern auf die Neuerfindung einer Unternehmung oder eines Geschäftsmodells ab. Dieser unternehmerische Um- und Ausbau erfolgt schrittweise, folgt dem Trial-and-Error-Prinzip und ist somit risikobehaftet [1]. Diese disruptiven Veränderungen werden im digitalen Zeitalter durch die Kunden angestoßen. In vielen Branchen werden traditionelle Anbieter geradezu gezwungen, ihre Geschäftsmodelle radikal zu überdenken und anzupassen. Dabei sind vielfach kleine Firmen im Vorteil, weil sie agiler und ohne Ballast direkt neue Kunden anwerben können ohne Rücksicht auf die Kannibalisierung des eigenen Bestandsgeschäfts. Im digitalen Wettbewerb greifen die jungen agilen Player gezielt analoge, profitable Bereiche in der Wertschöpfungskette mit neuen Problemlösungen an [3, S. 33, 4, S. 115 ff.].
15.2.1.2 Digital Radar aufbauen Die Bewältigung der Digital Business Transformation stellt den CEO und die Geschäftsleitung vor Herausforderungen. Digital Transformation Awareness ist zentral für die Definition einer Vision und Strategie für das Unternehmen. Das Management steht dabei vor einer dreifachen Herausforderung: Erstens müssen sie die für das Unternehmen relevanten disruptiven Kräfte identifizieren, zweitens müssen sie die Implikationen der Digitalisierung auf das Geschäft verstehen und drittens müssen sie im Unternehmen eine Kultur der Hyperawareness schaffen. Disruption ist häufig die Ursache für das Scheitern von erfolgreichen Firmen, welche jahrelang ihre Branche angeführt haben [4, S. 97, 11]. Sie scheitern, weil sie disruptive Veränderungen nicht erkennen können, technologische Fortschritte rasch passieren und ganz neue Kundennutzen ansprechen. Die nachfolgende Übersicht zeigt die wichtigsten disruptiven Kräfte für ein Unternehmen (Abb. 15.6). Um rasch auf disruptive Gefahren als Unternehmen reagieren zu können, muss das Unternehmen die Fähigkeit haben, disruptive Trends wahrzunehmen. Eine Kultur der Hyperawareness ist die Basis für diese Fähigkeit. Ein Unternehmen mit einer solchen Kultur ist in der Lage, aus verschiedenen Quellen intern und extern potenzielle Implikationen auf das Unternehmen frühzeitig zu erkennen. In allen Mitarbeitern steckt das Potenzial für neue Geschäftsideen, Verbesserung bestehender Angebote und strategische Initiativen. Ein tieferes Verständnis erfolgreicher Geschäftsprozesse ermöglicht die Konzentration auf wertschöpfende Aktivitäten. Hyperawareness ist die Fähigkeit eines Unternehmens, Muster der disruptiven Trends zu erkennen und die Auswirkungen auf das bestehende Geschäftsmodell abzuschätzen. Entscheidend für das Überleben im digitalen Zeitalter ist, die richtigen Fazits zu ziehen und rasch zu handeln. Wichtig ist somit, sich stets zu fragen, inwiefern das heutige Geschäftsmodell durch disruptive Kräfte beeinträchtigt wird (Abb. 15.7). Welches sind die Risiken daraus, aber
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Abb. 15.6 Digital Radar [4, S. 97]
auch Chancen. Kritisches Chancen-Risiko-Management hilft, die Unternehmensstrategie zu adjustieren respektive fundamental umzubauen. Hätte Blackberry mit diesem Approach den strategischen Wandel vollzogen? Wer weiß …
Implikaonen auf Daten und Assets Implikaonen auf Kunden und Kanäle
Digital Radar
Erkennen von Implikaonen auf eigenes Geschäsmodell
Nutzen wir Daten als Asset und Treiber des Unternehmenswertes Schaffen wir Kundennutzen durch Data Analycs? Verfügen wir über relevante Assets für digitales Zeitalter? Besteht die Möglichkeit auf besseres Kundenerlebnis durch Digitalisierung? Haben wir den Fokus auf digitales Informaons-, Kauf-und Konsumverhalten der Kunden?
Implikaonen auf Technologie und Innovaon
Machen wir strategische IT-Innovaonen? Gibt es Kundenmehrwert durch neue Technologien? Setzen wir Lean (Agile) Development ein?
Implikaon auf Organisaon und Prozesse
Sind wir eine agile Organisaon? Fördern wir iniaves Handeln? Ist der Marktleistungsprozessdigitalisiert?
Implikaonen auf Ökosystem und Business Modell
Implikaonen auf Kultur und Mitarbeiter
Ist Digitalisierung oberste Management Priorität? Haben wir Talente und Fähigkeiten für digitale Transformaon? Inveseren wir substanziell in neue Geschäsfelder?
Erbringen Webewerber disrupve Marktleistungen? Besteht die Gefahr von Webewerber mit neuen Technologien? Gibt es neue Konkurrenz von außerhalb der eigenen Branche? Gibt es Cooperaon?
Abb. 15.7 Digital Radar: Erkennen von Implikationen auf eigenes Geschäftsmodell [4, S. 98]
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S. Bergamin
15.2.2 Strategie & Performance Check 15.2.2.1 Value Drivers überdenken und Strategie darauf ausrichten Es ist wichtig, die Unternehmensstrategie in wiederkehrenden Abständen kritisch zu hinterfragen und an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Eine wichtige Frage ist dabei, ob die Business-Architektur, das heißt das Geschäftsmodell, immer noch richtig ist. Welches sind die Kundenbedürfnisse und wie haben sich diese seit dem letzten Strategy Check verändert. Wie soll die Value Proposition lauten? Bietet das Unternehmen immer noch die Produkte und Services an, welche vom Markt verlangt werden. Welches sind die wichtigen Produkte für die Zukunft? Als CFO ist es wichtig, die Unternehmensstrategie auch auf die finanziellen Auswirkungen hin zu prüfen und herauszufordern. Deshalb empfiehlt es sich, die Strategie und relevanten Value Drivers in ein Financial Steering Model zu übersetzen (Abb. 15.8). Welches sind die Value Drivers und welchen Einfluss haben sie aus finanzieller Sicht? Im klassischen Technologieunternehmen sind dies beispielsweise Growth, Flexible Operations, Innovation & Technology, People sowie Profitability. Dargestellt am Thema Growth muss sich das Management darüber Rechenschaft abgeben, welches die wichtigen Parameter zum Umsatzwachstum sind. Wichtige Treiber können Marktanteil, Zyklizität, Neugeschäft, Channel-Strategie, Kundenzufriedenheit, Servicequalität sein. Die Umsatzrealisierung und damit die rechtzeitige und einwandfreie Lieferung an den Kunden bedingt zweckmäßige Operations Ressourcen, das heißt einen funktionierenden S&OP-Prozess, welcher garantiert, dass im Rahmen einer abteilungsübergreifenden Unternehmenssteuerung die Absatzplanung, Beschaffungsplanung und Ressourcenplanung, Lieferplanung sowie Kapazitätsplanung koordiniert ablaufen. Dieser Prozess soll flexibel gestaltet sein, sodass entsprechend den Zyklen produziert wird. Der Innovationsprozess wiederum bedingt, dass ausreichend Mittel dafür eingesetzt werden und diese Stellhebel funktionieren, das heißt Talente, Innovationsfokus und ein effizienter Entwicklungsprozess. CFO Checkpoints
• Besteht ein fundiertes Verständnis des Geschäftsmodells, der wichtigen Werttreiber sowie der finanziellen Auswirkungen? • Sind die KPIs definiert, können sie erhoben werden und werden sie allgemein akzeptiert? • Werden die strategischen Vorgaben sowie die KPIs in regelmäßigen Abständen erhoben und mit den ursprünglichen Zielen verglichen? • Sind Strategie, KPIs und die Kommunikation nach außen, gegenüber Verwaltungsrat, Aktionären und Kapitalmarkt abgestimmt und werden sie verstanden?
Efficient customer acquisition
Excel at IP Protection
Scalability
Outsourcing
Increase R&D
Increase pricing
Develop new products
Leverage new technology
Product optimization
Innovation & Technology Leadership
Customized engineered products
Supply chain capabilities
Ramp-up and – down capabilities
Business continuity capabilities
Flexible Organization
Abb. 15.8 Strategische Value Drivers (Eigene Darstellung)
Customer satisfaction
Invest in Key Account Management
Leading in Quality
M&A
Drive new sectors & products
Increase less volatile product portfolio
Customer satisfaction
Increase share of wallet
Gain Market share
Reduce Financial volatility
Growth
Asset light Infrastructure
Migration to BCC
Reduce costs
Profitability
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15.2.2.2 Kernprozesse mit Strategie kalibrieren Die Umsetzung der Unternehmensstrategie hängt maßgeblich von den Schlüsselpersonen ab und wie sie die Unternehmung führen. Für die Effektivität der Unternehmensorganisation entscheidend sind die Kernprozesse im Unternehmen und dass sie Hand in Hand gehen mit den strategischen Value Drivers [36]. Deshalb gilt es, die gegenwärtige Prozesslandschaft kritisch zu hinterfragen (Abb. 15.9), insbesondere: • Werden die Value Drivers durch die entsprechenden Kompetenzen unterstützt? • Sind die Erfolgsfaktoren der Unternehmung und Kompetenzen mit den Kernprozessen abgestimmt? Welche Anforderungen müssen die Kernprozesse erfüllen? • Sind die Verantwortlichkeiten klar geregelt und über den gesamten Leistungserbringungsprozess gewährleistet? • Welches sind die typischen Bottlenecks? • Was verursacht Prozesskomplexität? Mit diesem Input müssen die Schlüsselprozesse gebaut werden, stets abgestimmt mit den Kundenbedürfnissen und strategischen Imperativen. Die Dimensionen Technologie und Business werden entsprechend den Kundenbedürfnissen entworfen und implementiert. CFO Checkpoints
• Sind unsere Prozesse als End-to-End-Geschäftsprozesse gestaltet? • Sind wir eine Prozessorganisation mit minimaler Komplexität und klar definierten Schnittstellen? • Stimmt die Prozessorganisation mit der Aufbauorganisation überein? • Sind wir eine High Accountability Organisation mit klar definierten Rollen und Verantwortlichkeiten?
15.2.2.3 Positionierung Wo steht die Unternehmung bezüglich Effizienz, Produktivität und Profitabilität im Vergleich zum Markt? Es gilt, die wichtigen Key Performance Indicators (KPIs) betreffend Strategie und Prozesse mittels Benchmarking mit Konkurrenten zu vergleichen. Ziel ist es, die GAPs betreffend KPIs zu identifizieren und die Verbesserungspotenziale abzuschätzen. Die Performanceziele sind dann relevant für das finale Design von Prozessen und Strukturen. CFO Checkpoints
• Wie ist die Performance von Kernprozessen/KPIs im Vergleich zur Konkurrenz? • Welches sind die Standards in der Branche? • Wie groß sind die Performance GAPs?
Commercialize product & technology
Create & negotiate quote
Purchase material & components Manufacture components
Deliver products (order to deliver)
Forecast product & service demand
Handle customer requests
Change customer orders
Abb. 15.9 Prozessorientierte Führung (Eigene Darstellung)
Develop customer services
Plan material & capacities
Develop product delivery footprint
d
Generate customer orders (market to cash)
Desing, prototype & industrialize
Solve customer complaints
Deliver customer services (request to satisfaction)
Create opportunity
Generate new product concepts
Develop markets
Develop product, service, technology portfolio
Evolve products / services (idea to market)
Repair & maintain products
Assemble & test products & components
Process customer order
Manage change of project scope
Pack & ship customer orders
Invoice customer orders & receive payment
Manage product life cycle
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• Wie können die GAPs geschlossen werden? Bestehen Potenziale, wie die Kernprozesse aufgestellt sind, oder bestehen Potenziale im Rahmen der Produktportfolios?
15.2.2.4 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Ein institutionalisierter, kontinuierlicher Verbesserungsprozess hilft, im Unternehmen einen Prozess einzuführen, welcher die Schlüsselleute und die ganze Belegschaft motiviert, regelmäßig Verbesserungen in Produkten und Abläufen zu identifizieren und umgehend umzusetzen. Ein Verantwortlicher in der Organisation führt diesen Prozess ein und stellt ein regelmäßiges Reporting sicher. Mit Incentives werden die Mitarbeiter zu aktiver Teilnahme angehalten. CFO Checkpoints
• Besteht ein institutionalisierter, kontinuierlicher Verbesserungsprozess und werden die Resultate monatlich oder quartalsweise in der Gesamtorganisation kommuniziert und Outperformer belohnt? • Ist dieser Verbesserungsprozess vom Top-Management getragen und heruntergebrochen in die Organisation bis auf Stufe Shop Floor? • Welche Resultate bringt dieser Verbesserungsprozess? Welche EBITDAVerbesserung, welche Optimierungen, welche Innovationen?
15.2.2.5 Portfoliostrategie überdenken und Funding für die Transformation definieren Digitale Trends fordern traditionelle Geschäftsmodelle heraus. Die Entwicklung der Smartphones zeigt eindrücklich die rasante Entwicklung. Der Weg vom digitalen Startup bis zum Marktführer bedingt in aller Regel eine ertragsschwache Geschäftsphase mit hohen Investitionen in Markt und Technologie. Prominente Beispiele sind Amazon in den USA, Alibaba in China, Zalando und Zur Rose in Europa [4, S. 4 ff.]. Die strategische Ressourcenallokation in breit diversifizierte Geschäftsfelder ist passé. Mit der Geschäftsfokussierung können durch den Verkauf von Nichtkerngeschäften Mittel für die Transformation freigestellt und konzentriert eingesetzt werden. In der aktuellen Wechselwirkung von Globalisierung und Digitalisierung haben konsequent fokussierte Geschäftsmodelle eine markant bessere Chance auf Erfolg [3, S. 33]. CFO Checkpoints
• Wie sieht die Portfoliostrategie aus und ist diese abgestimmt mit den Transformationszielen? • Wie hoch ist der Finanzierungsbedarf für die Transformation?
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• Wie erfolgt die Finanzierung? Mittels Devestitionen, zusätzlicher Finanzierung, neuen Partnerschaften?
15.2.3 Business Model Transformation 15.2.3.1 Prozess Organisation umsetzen Oft sind die Kundenverantwortung, das heißt Umsatz und vereinbarte Marge, und Lösungsverantwortung, das heißt Kosten und Mehrleistungen, im Unternehmen nicht klar geregelt. Die Folge sind Diskussionen bezüglich Lieferumfang, Termine, Konditionen, hoher Koordinationsaufwand und eine verärgerte Kundschaft. Diese Problematik verschärft sich natürlich in einem volatilen, dynamischen Umfeld. Die Gestaltung einer prozessbasierten Organisation mit klaren Rollen und Verantwortlichkeiten ist eine wesentliche Voraussetzung auf dem Weg in Richtung Agilität. Abgestimmt mit den strategischen Zielen müssen die End-to-End-Businessprozesse gestaltet und dokumentiert werden. Jeder Geschäftsfall wird durch eine Person verantwortet. Die verantwortliche Person fühlt sich verpflichtet, diesen rechtzeitig und entsprechend den Kundenerwartungen abzuhandeln. Die Schnittstellen zwischen Abteilungen, Funktionen müssen auf ein Minimum reduziert werden. Daraus resultieren schnellere Durchlaufzeiten und weniger Wartezeiten. Weniger Schnittstellen führen zu weniger Konflikten und unterschiedlichen Prioritäten. Dazu hilft es, wenn Prozessüberwachung und Prozessausführung zusammengefasst werden. Dadurch entsteht eine klare Resultatverantwortung, Flexibilität im Falle des Unvorhergesehenen sowie weniger Abstimmungsbedarf. Fokus und Vereinfachung der Prozesse sind wichtig. Für weniger wichtige, repetitive Prozesse ist die Standardisierung sinnvoll. Dabei unterscheiden sich vier Typen von Prozesstypen [36, S. 139 f.]: • Wertschöpfende Prozesse werden durch den Kunden honoriert. Kernprozesse wie Sales, Produktion und Supply Chain Management, Delivery sowie die Kundenkommunikation gehören dazu. • Wertdefinierende Prozesse definieren den Wertschöpfungsprozess und sind zentral für die State-of-the-Art-Umsetzung. Dazu gehört beispielsweise der Innovationsprozess. • Unterstützende Prozesse sind HR, Accounting oder IT-Support. • Managementprozesse definieren den Rahmen, wie die Geschäftsprozesse umgesetzt werden. Dies sind Strategische Planung, Budgetierung und Controlling, IT Policy. Zusammenfassend heißt dies, dass die Prozesse die Strategie unterstützen müssen. Kernprozesse sind abgestimmt mit den Kernfähigkeiten und unternehmerischen Erfolgsfaktoren. Die Kernprozesse gehen Hand in Hand mit dem Kundenbedürfnis, den Wertsteigerungsprinzipien und End-to-End-Verantwortungen. Conditio sine qua non ist aber, dass
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die Kundenaufträge zu den richtigen Ergebnissen und Produkten führen. Eine Prozessorganisation hat aber nur Erfolg, wenn der Kunde und die Kunden-Mitarbeiter-Beziehung im Zentrum stehen und alles getragen wird durch eine gute Unternehmenskultur. CFO Checkpoints
• Wird die Strategie und die Kundenbedürfnisse mit den Kernprozessen ausreichend abgebildet? Sind die Grundsätze wie Kundenorientierung, Fokus, Einfachheit eingehalten. Werden die wiederkehrenden, großvolumina Abläufe standardisiert? • Sind die Prozesse als End-to-End-Businessprozesse ausgestaltet? • Ist die Prozessorganisation mit minimaler Komplexität ausgestaltet? • Sind die Schnittstellen in den Prozessen auf ein Minimum beschränkt und klar definiert? Bestehen kurze Durchlaufzeiten und Effizienz im Prozessdurchlauf? • Wird jeder wichtige Geschäftsvorfall durch eine Person verantwortet und von Kundenannahme bis Rückgabe an den Kunden klar geregelt, das heißt besteht End-to-End-Verantwortung? • Wird Prozessüberwachung und Prozessausführung durch eine Person oder durch ein Team ausgeführt? Wird der Koordinationsaufwand auf ein Minimum reduziert? • Ist die Organisation auf die Prozesse abgestimmt?
15.2.3.2 Festlegung der Grundsätze zur Organisation Die Organisation leitet sich aus der Prozesslandschaft ab. Die Managementstruktur stellt die Rollen, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen klar. CFO Checkpoints
• Sind wir eine High Accountability Organisation mit klar definierten Rollen und Verantwortlichkeiten? • Ist das Organisationsreglement der Unternehmung darauf abgestimmt, von der Abteilung über die Geschäftsleitung bis zum Verwaltungsrat? • Kennen die Mitarbeiter die wichtigsten Organisationsprinzipien?
15.2.3.3 Prozess Digitalisierung vorantreiben Die Frage stellt sich dann, wie Firmen die digitale Infrastruktur auf das nächsthöhere Level bringen. Wo liegen in der Prozesslandschaft die Digitalisierungspotenziale? Allzu oft wird digitale Transformation als Schlagwort verwendet, obwohl in Wirklichkeit Firmen einfache digitale Verbesserungen vornehmen. Die digitale Infrastruktur auf das nächsthöhere Level zu bringen, ist ein anspruchsvoller Prozess. Es zeigt sich dabei, dass oft die
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Fülle an Erwartungen bezüglich Digitalisierung die digitalen Fähigkeiten im Unternehmen weit übersteigen. Pragmatismus, Offenheit und ein klares Konzept sind gefragt, um die Erwartungen aller Stakeholder unter einen Hut zu bringen. Firmen sehen sich mit erhöhten Ansprüchen konfrontiert, was verfügbare Daten und Geschäftstransparenz anbelangt. Digitalisierung rückt ins Zentrum insbesondere in Firmen im Veränderungsprozess. IT ist dabei sowohl Enabler als auch wichtiger Treiber für geschäftliche Neuerungen. Es steigen die Transparenzanforderungen und das Bedürfnis nach datengetriebenen Entscheiden ist hoch. IT soll die Voraussetzungen schaffen, sodass Performance-Management betrieben werden kann. Mehr Transparenz soll helfen, dass das Kundenverständnis und damit schließlich Top-line growth gefördert werden. Firmen im Wachstumsprozess müssen ihre Kernprozesse ausbauen und benötigen bessere IT-Tools. Oft kommt der Anpassungsdruck aber auch seitens der Kunden, welche neue digitale Wege gehen. Produkttechnologie und Prozess-IT verlangen ebenfalls mehr Digitalisierung. Produkttechnologie ist die Technologie, die Teil der Produkte und Dienstleistungen ist, die vom Unternehmen produziert und angeboten werden. Die Prozess-IT hingegen ist die Technologie, mit der interne und externe Prozesse automatisiert und optimiert werden, zum Beispiel ERP-Systeme und Supply-Chain-Systeme. Produkttechnologie und Prozess-IT rücken dabei immer näher und sind kaum mehr auseinanderzuhalten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Automobilhersteller Tesla, der erkannte, dass seine Fahrzeuge nicht fertige Produkte sind, wenn sie das Fließband verlassen, sondern ständig aktualisiert und somit an das Produktlebenszyklus-Managementsystem und ERP-System angeschlossen sein müssen [30, S. 8 ff.]. Digitalisierung betrifft viele Anspruchsgruppen. Wie wird man allen Erwartungen gerecht? In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass digitale Transformation unterschiedlich verstanden wird. Bislang waren vor allem CEO, CFO und CIO Treiber und hauptsächliche Ansprechpersonen, wenn es um IT-Themen ging. Mit dem Digitalisierungsschub kommen neue Anspruchsgruppen hinzu. Business Unit Manager verlangen viel mehr Datentransparenz, um die Entscheide zu verbessern, oder sehen Potenziale, näher an den Kunden zu kommen. Smart Data, wirksamere Reporting Tools oder dann E-Commerce-Lösungen können eine Antwort darauf sein. Demgegenüber möchten Operationsverantwortliche die Supply Chain weiter optimieren. Themen wie Automatisieren, Robotik, digitale Schnittstellen zu externen Partnern werden wichtiger. Dies führt oft zu intensiven Diskussionen im Kreis von CIO, CFO, Business Unit Manager, CEO, COO, Verkaufsleiter. Sie verstehen Digitalisierung unterschiedlich und haben nicht immer die gleichen Erwartungen und Ansprüche. Noch herausfordernder wird es, wenn es nicht mehr nur um Digitalisierung geht, sondern digitale Transformation ins Zentrum rückt. In vielen Geschäften werden traditionelle Geschäftsfelder und -Modelle auf den Prüfstand gestellt und somit sind die künftigen Erträge infrage gestellt. Strategien sind somit zu überdenken und bestehende digitale Tools reichen nicht mehr aus. Hier sprechen wir von digitaler
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Transformation. Unternehmungen setzen neue Technologien ein, um neue Geschäftsmodelle und Märkte zu erforschen, Kernprozesse technologiebasiert neu zu gestalten und neue digitale Produkte und Dienstleistungen zu schaffen. Digitale Transformation bedeutet aber auch, dass die IT-Architektur neu organisiert wird und Shared Digital Services ein Thema werden. Wie wird die digitale Infrastruktur gebaut? Erfolgreiche digitale Transformation verlangt pragmatisches Vorgehen. Die digitalen Erwartungen und vorhandenen Fähigkeiten verlangen ein angepasstes Vorgehen. Es geht darum, Komplexität zu reduzieren, Prioritäten zu setzen und die Realisierbarkeit von IT-Investitionen auf den Prüfstein zu stellen. Deshalb kann folgendes Vorgehen in drei Schritten hilfreich sein: Quick fixes lösen • Das laufende Geschäft aufrechterhalten und bestehende Führungstools optimieren, womit auf den großen Wurf verzichtet wird, respektive dieser verzögert wird. • Bestehende IT-Tools nicht totschreiben, sondern beispielsweise mit BI-Tools die größten GAPs pragmatisch schließen. Damit wird die bestehende Infrastruktur genutzt und die Disruption durch die Einführung neuer Systeme bewusst vermieden. • Digitalisierung von Teilprozessen forcieren, beispielsweise Reporting, Fakturierung, Purchasing, Spesenverarbeitung, Travel. Auslegeordnung und Basis schaffen für den großen strategischen Wurf • Die Auslegeordnung beinhaltet das Überdenken der bestehenden Kernprozesse. Es gilt, diese Abläufe zu analysieren, kritisch zu hinterfragen und für die Zukunft neu auszurichten. • Wenn die Kernprozesse definiert sind, gilt es, die Organisation entsprechend auszurichten. • Mit der Festlegung der Prozesse und der Corporate Governance wird eine wichtige Basisarbeit geleistet für die künftige ERP-Landschaft. Der große Wurf: Neues ERP-System einführen • Erfolgsentscheidend ist, dass die Vorarbeiten für die neue ERP-Lösung bereits geleistet sind. Ebenfalls ist das Tagesgeschäft abgesichert und wird nicht durch strategische Projekte in Mitleidenschaft gezogen. Mit diesem Vorgehen kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Ein schrittweises Vorgehen hilft, Komplexität sukzessive zu reduzieren und Kapazitäten schaffen für andere Themen wie Produkt-Digitalisierung und sich vorbereiten für den großen Wurf.
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CFO Checkpoints
• Der große Wurf bedarf Zeit, intensive Auseinandersetzung der Unternehmung mit sich selbst, dauert oft zwei bis drei Jahre und ist mit nicht zu unterschätzenden Risiken verbunden. Ist sich das Management diesem Aufwand und diesen Herausforderungen bewusst und willens, diesen Umbau vorzunehmen? Oder bevorzugt es eher einen pragmatischen Approach auf der Basis der existierenden Systeme? • Digitale Strategie scheitert nicht wegen Strategie, sondern weil die Implementierungsfähigkeiten nicht ausreichend sind. Digitale Transformation wird oft unterschätzt. Es bestehen besondere Anforderungen betreffend Projektleitung, Ressourcen und Management Commitment. • Digitale Business Transformation tangiert die gesamte Wertschöpfungskette einer Unternehmung. IT ermöglicht die Transformation (d. h. ist Enabler) und ist nicht der Treiber der Transformation. • Die besten digitalen Ideen kommen von innen, aber auch vom Ecosystem rund um das Unternehmen. • Sind unsere Prozesse digitalisiert? Welche digitalen Tools setzen wir in welchem Geschäftsprozess ein? Wo haben wir Digitalisierungspotenzial? • Auf Standards setzen! Minimum ist wichtiger als sich auf allzu große Erwartungen zu richten. • Muss unter Umständen ein Outsourcing der gesamten IT ins Auge gefasst werden, um diesen Transformationsprozess erfolgreich zu meistern? Nach der Veränderungsphase verbleibt ja die Möglichkeit des erneuten Insourcings. • Setzen wir Automation Tools bereits heute ein?
15.2.4 Agile Organisation 15.2.4.1 Governance und Leadership definieren Führen in einer traditionellen und einer digitalen Organisation unterscheiden sich fundamental (Abb. 15.10). Im traditionellen hierarchischen Unternehmen ist das Führungsprinzip Kontrolle und Top-down-Kommunikation. Das Ziel war kurzfristige Gewinnmaximierung und Vermeidung von Fehlern. In digitalen agilen Organisationen ist das Führungsprinzip Vertrauen, Empowerment, offene Kommunikation und Zusammenarbeit. Der Fokus liegt auf Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Innovation. Das übergeordnete Ziel und der langfristige Wert des Unternehmens stehen im Vordergrund. Die zwei Führungskulturen unterscheiden sich wie folgt: CEO und Geschäftsleitung müssen beim Thema Digital Leadership und Governance fünf Themenbereiche [4, S. 109, 33] angehen, nämlich Collaboration – Arbeiten im Netzwerk –, Empowerment – die Organisation involvieren und delegieren –, Workplace
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Abb. 15.10 Traditionelles versus neues Denken [4, S. 109]
– gesunde Führung im Arbeitsumfeld –, Leadership – Wir-Kultur als Leitmuster –, Innovation – Innovationsprozesse effizient und produktiv gestalten. Schlüsselrollen und deren Rollenverständnis im Unternehmen wie auch die Entscheidungsmechanismen sehen nach dem Design für integrale, agile Problemlösungen anders aus. Das Kundenproblem steht im Zentrum Organisationen und Rollen sollen so gestaltet werden, dass sie auf das End-to-EndKundenerlebnis ausgerichtet sind und die Mitarbeiter die Probleme aus Kundensicht lösen. Dies fördert einen unternehmensweiten Blick, Zusammenarbeit zwischen den Funktionen, Führungsebenen, Regionen und mehr dezentrale Entscheide näher am Kunden [23]. Was bedeutet dies beispielsweise im Rahmen der Digitalisierung der Prozesse, welche sich auszeichnet durch die hohe Komplexität und unterschiedlichen Interessen der Bezugsgruppen, wie vorhin bereits erwähnt? Die Anforderungen an die gesamte Geschäftsleitung und Schlüsselleute im Umgang mit digitalen Themen steigen. Gleichzeitig klaffen die Erwartungen an digitale Transformation und die digitalen Fähigkeiten im Unternehmen oft auseinander. Die Erwartungen und Ansprüche an digitale Transformation erfordern mehr Ressourcen für IT-Belange, namentlich personelle Kapazitäten, spezifische Expertise und zukunftsgerichtete Investitionen. Oft übersteigt das „Wunschkonzert“ an Neuerungen die betrieblichen Möglichkeiten. Somit entstehen GAPs bezüglich Know-hows, Erfahrungen und Ressourcen, welche zu Stress, Frust und falschen Vorstellungen führen. Großprojekte kommen somit gar nicht aus den Startlöchern oder verzögern sich. Mit dem wachsenden Ruf
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nach Digitalisierung versuchen viele Unternehmungen, diese Lücke durch die Einstellung eines Chief Digital Officers – kurz CDO – zu füllen. Dies ist nicht der richtige Weg. Vielmehr liegt es am Management, diese digitalen Kompetenzen in der Organisation – in den Supportfunktionen wie auch in den Business Units – aufzubauen und agile Problemlösungen im Sinne des Kundennutzens anzuwenden. Hier hilft der Grundsatz, dass jeder Leader ein digitaler Leader werden muss. Wenn jeder Leader sich am Kundenproblem orientiert und für eine kundengerechte Problemlösung arbeitet, wird ein Mindset geschaffen, um komplexe Problemstellungen wie in komplexen Digitalisierungsprojekten zu lösen [30, S. 14 ff.]. Finance als Business Partner Das traditionelle Controller-Rollenverständnis wird abgelöst durch den Finance Business Partner, welcher Mehrwert bietet, indem die nachhaltige Performance des Unternehmens beeinflusst wird. Grundsätze und Prinzipien für dieses neue Rollenverständnis können wir folgt aussehen: • Finance Business Partner auf globaler Ebene setzen den Rahmen für Controlling & Financial Management, der auf die spezifischen Bedürfnisse der Unternehmung seinen Geschäftseinheiten eingeht. • Ihr Einfluss auf das Geschäft muss über eine prozess- und richtlinienorientierte Anwendung dieses Rahmenwerks hinausgehen und direkt in den Kern der Leistungsüberwachung und des Managements sowie der Entscheidungsfindung gehen. • Sie beeinflussen die Strategie der jeweiligen Business Unit und richten die Führung auf eine kohärente und konsistente Finanzstrategie aus. • Dies muss über Beratung und Coaching hinausgehen. Sie übernehmen die Verantwortung für das Ergebnis und die Auswirkungen auf das Geschäft. • Sie setzen sich bei allem, was das Unternehmen tut und vertritt, für Integrität und Compliance ein. Mit der Kommunikation dieser neuen Führungsgrundsätze erhalten die Finanz- und Corporate-Funktionen eine Vorstellung, was die Erwartungen an die neue Rolle sind. Der Weg zum Finance Business Partner muss schrittweise entwickelt werden (Abb. 15.11). Die nachfolgende Abbildung zeigt Hebel und Kriterien, wie Controller von der traditionellen Rolle in die Business-Partner-Rolle hineinwachsen. Governance gibt die Leitplanken vor Agile Projektmanagement-Methoden wie beispielsweise Scrum und Kanban basieren auf dem Prinzip, dass sich Teams selbst organisieren. Dieser agile Approach ist unweigerlich verbunden mit dem Risiko, dass eine Ad-hoc-Führungskultur Einzug hält. Verständlicherweise hört man aus der Controller-Organisation, dass es in einer solchen Führungskultur anspruchsvoller ist, Veränderungsprozesse durchzusetzen. Die Mitarbeiter argumentieren,
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Abb. 15.11 Entwicklung der Business-Partner-Rolle (Eigene Darstellung)
dass sie agiles Arbeiten gewohnt sind und nicht nach Vorgaben arbeiten. Wichtig ist deshalb, dass folgende Fragen geklärt werden: • Wer sollte vor der endgültigen Entscheidung miteinbezogen werden? • Welche Entscheide liegen im Kompetenzbereich? • Welche Entscheide müssen auf einer höheren Führungsebene gefällt werden? In einer transformativen Phase der Unternehmensentwicklung sind Rollen und Verantwortungen, die Zusammenarbeit und Regeln im Falle von Ressourcenentscheiden wichtig. Demgegenüber gelangt die Funktion und die damit zusammenhängende Macht in den Hintergrund. Mit transparenten Governance-Leitplanken wird sichergestellt, dass minimale Anforderungen bezüglich Rollen, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen jederzeit eingehalten werden. Sie legen fest, zu welchen Themen welche Rollen involviert werden, wer im Falle von Entscheiden einbezogen werden muss und inwiefern Freiräume für agiles Handeln bestehen. CFO Checkpoints
• Sind wir eine agile Organisation? Haben wir eine Kernorganisation mit agilen Teams?
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• Ermöglichen wir agile Arbeitsweisen? Stehen agile Werte und Prinzipien im Mittelpunkt? • Ist Selbstorganisation unsere Kernkompetenz? • Zeichnen wir uns durch Selbstverantwortung aus? • Stellen wir mit transparenten Governance-Regeln sicher, dass sich Selbstorganisation und Selbstverantwortung innerhalb von klaren Leitplanken entfalten kann? • Welche Rolle spielt das Kundenverständnis bei der Lösung von Problemen in den Support-Funktionen? Sind wir mental offen, in komplexen Projekten die Kundensicht einzunehmen und entsprechende Lösungen anzustreben? • Wird die Business-Partner-Rolle in Finanzrollen, aber auch in HR, IT, Legal gelebt und von der Organisation verstanden?
15.2.4.2 Agile Organisation einführen «Agile Unternehmen sind erfolgreicher am Markt [29].» Diese Organisationen sind durch agile Teams geprägt. Sie ermöglichen agile Arbeitsweisen. Die von den Mitarbeitenden geteilten Werte und beachteten Prinzipien ermöglichen die Selbstorganisation und Selbstverantwortung. Kurz, die Organisation schafft es, immer schneller auf Veränderungen im Markt zu reagieren. Die Organisation schafft eine Umgebung, in der Innovation in Prozessen, Produkten, Geschäftsmodellen und Managementprinzipien erst entstehen kann [34]. Gängige Herausforderungen für die Finanzorganisation sind höhere Transparenzanforderungen betreffend der Führungskennzahlen, die Übernahme gruppenweiter Projekte, beispielsweise ERP- oder Performance-Improvement-Projekte, Integration neuer Firmen, Aufbau von neuen Bereichen oder Effizienz- und Produktivitätssteigerungen der Finanzund Corporate-Bereiche. In einem dynamischen und transformativen Umfeld ist es entscheidend, auf Veränderungen reagieren zu können. Agile Tools und Arbeitsweisen helfen, diese Flexibilität zu schaffen und Skalierungsmöglichkeiten zu nutzen, indem sie Ressourcen freischaffen. Im Folgenden werden einige Tools und Strukturen vorgestellt, welche zur agilen Führung genutzt werden können. Dabei stehen folgende Themen im Zentrum: • Ein Vorwärtsdenken in alternativen, durchdachten Zukunftsplänen • Ständiger Austausch mit der Umwelt durch heterogene Netzwerke • Global Business Services nutzen für eine schlanke Aufbau- und Ablauforganisation und ein agiles Führungsverständnis • Ein Schöpfen aus internen unterschiedlichen, erfahrungsbasierten Stärken Ein Vorwärtsdenken in alternative, durchdachten Zukunftsplänen Fakten sind wichtig, um den Handlungsbedarf und Handlungsdruck darzustellen. Ein datengetriebener und analytischer Approach schafft die Voraussetzungen, dass die richtigen
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strategischen Entscheide gefällt werden [35, S. 144 ff.]. Die Grundlagen werden geschaffen mit einem guten Verständnis zum Financial Steering Model, Value Drivers, entsprechenden KPIs. Die Planungstools sollen einfach gestaltet sein und die laufende Szenarioplanung erleichtern. Quartals-, Forecast- und Budgetplanung sind vorzugsweise Teil einer rollierenden Planung, orientieren sich nach der gleichen Logik und sind somit institutionalisiert. Im Planungsprozess ist darauf zu achten, dass man im ständigen Austausch mit der Umwelt durch heterogene Netzwerke steht. Relevante Veränderungen fließen umgehend in den Planungsprozess ein. Global Business Services als Fundus für agile Organisationsformen Charakteristisch für Unternehmungen im Transformationsprozess ist es, dass zusätzlich zum Tagesgeschäft viele Transformationsprojekte angestoßen werden. Dies erfordert temporär mehr Ressourcen und Expertise. Ziel ist es, diese zusätzlichen Bedürfnisse flexibel aufzubauen, ohne den Fixkostenblock in der Supportorganisation unnötig aufzublähen. In einer Transformationsphase ist es wichtig, dass sich der CFO aus struktureller und organisatorischer Sicht Optionen hinsichtlich Agilität schafft. Die Auseinandersetzung mit dem Konzept von Global Business Services hilft, die aktuelle Organisation auf Agilitätsvorteile hin zu durchleuchten (Abb. 15.12). Treiber für Global Business Services ist die Absicht, Effizienz, Produktivität und Kostenoptimierung bestehender Supportstrukturen auf den Prüfstand zu stellen. Dabei geht es um die Fragen der Bündelung von Supportkompetenzen, deren Verlagerung in kostengünstige Regionen und das Ausschöpfen von Automatisierungsmöglichkeiten. Zusätzlich eröffnen Global Business Services aber auch Optionen hinsichtlich größerer Agilität. Kompetenzzentren rund um den Globus sind ein Weg, um in der Organisation schlummernde Ressourcen besser auszuschöpfen und das Know-how im Unternehmen breiter abzustützen. Je nach Fragestellung und Bedarf können Experten und Teams in Außenstationen Projekt- und Know-how-Verantwortung übernehmen. Der Aufbau Global Services folgt folgendem Vorgehen: • Kategorisierung der Supportfunktionen: Arbeiten und Dienstleistungen in den Bereichen Finance, Corporate Services und IT werden anhand des Kriteriums der Wertschöpfung und Komplexität gruppiert. Supportfunktionen mit hoher Wertschöpfung und hohen Anforderungen betreffend Fachkompetenz sind von repetitiven Arbeiten zu unterscheiden. • Priorisierung: Welche Prioritäten messen wir diesen Arbeiten zu und welche Bedeutung kommt der Nähe zur Zentrale zu? • Verfügbarer Talentpool: Transparenz bezüglich verfügbarer Talente in der gesamten Organisation ist ein wichtiger Aspekt beim Bau der künftigen Supportorganisation. ITTalente in Malaysia, gute Ausbildung und hohe IT-Affinität können Argumente sein,
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einen IT-Hub nicht in der Schweiz, sondern in Asien aufzubauen. Die Nähe zu Produktionsthemen macht Rumänien zu einem bevorzugten Standort, um Produktions-Know-how in den Bereichen Finance und Controlling dort vor Ort aufzubauen. • Aufbau von Optionen agiler Organisationen: Der Aufbau von Shared-Service-Zentren bietet die Möglichkeit, ein Bündel von Supportaktivitäten mit repetitiven Arbeiten auszulagern und Kompetenzzentren mit klaren Verantwortlichkeiten zu etablieren. In regionalen Hubs können auf der Basis von spezifischem Know-how, beispielsweise Operations Controlling, Kompetenzzentren gebildet werden, welche nicht nur lokale Projekte betreuen, sondern auch globale Projekte verantworten. Empowerment regionaler Teams eröffnet die Möglichkeit, wichtige Themen pragmatisch und flexibel vorwärtszubringen. • Vorbereitungen treffen für Outsourcing und Automatisierung: Oft ist der Aufbau einer Shared-Services-Organisation in einem Tieflohnland nur ein Zwischenschritt in Richtung mehr Automatisierung. Über diesen Umweg können die notwendigen Vorbereitungen getroffen und Erfahrungen gesammelt werden, um die Automatisierungsbemühungen schrittweise voranzutreiben.
Ein Schöpfen aus internen unterschiedlichen, erfahrungsbasierten Stärken Wichtig ist es, dass man sich als Vorgesetzter ungeachtet der hierarchischen Ordnung austauscht mit Schlüsselleuten und Teams in der Organisation. Das bewusste Durchbrechen
Shared Services – Road map Welche Prozesse könnten in einem Global Business Service zusammengefasst werden?
•
Lokale Funktionen und Verantwortungen (HR, Finance, IT)
•
Wenig Prozesse sind digital und standardisiert
•
Lokale unabhängige ERP Systeme
Ziel: Identifikation einer gemeinsamen GBS Plattform
Opportunities mit Global Business Service (GBS)
Aktuelle Situation •
Kostensenkungen
Approach:
•
Ein solides Fundament schaffen für Wachstum, inkl. die Möglichkeit zur Integration von Akquisitionen
•
Arbeiten werden kategorisiert (von hoch zu niedrig value add)
•
Einfache, standardisierte Prozesse einführen
•
Priorisierung der Arbeiten
•
Das Globale Team und die Standorte werden optimiert eingesetzt (opportunistisch und strategisch)
•
Abstimmung mit Prozessen und IT Applikationen
•
Make-Buy Entscheidungsmatrix
•
Einführung einer globalen ERP Lösung als Basis für Standardisierung
•
Datenzuverlässigkeit und –transparenz schaffen
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Unternehmensweite Service Delivery Plattform ist nicht verfügbar
•
Verbesserung Performance Messung/Monitoring/Control
•
Verfügbare Ressourcen für value-added Arbeiten und im Sinne der Business Partner Rolle einsetzen
Abb. 15.12 Global Business Services als Fundus für agile Organisationsformen einbauen (Eigene Darstellung)
234
S. Bergamin
der Hierarchie schafft Transparenz und verhindert Lehmschichten zwischen den Führungsebenen. Diejenigen, welche in der Hierarchie übergangen werden, können mit einem bilateralen Update mit den wichtigsten Gesprächsinhalten auf dem Laufenden gehalten werden. In hierarchischen Strukturen berichtet der Vorgesetzte über eine Problemsituation, wie er sie wahrnimmt. Demgegenüber hilft das direkte Gespräch mit den Betroffenen, ein transparentes, authentisches Bild der Situation zu erhalten. Neben dem Austausch in der Organisation ist der persönliche Austausch zwischen Verwaltungsrat und Management ein weiteres Erfolgsrezept [35, S. 147]. Verwaltungsrat ist nur erfolgreich, wenn auch das Management erfolgreich ist. Im vertrauensvollen Austausch können andere Sichtweisen, Expertise, Erfahrungen, Netzwerke genutzt werden. CFO Checkpoints
• Denken wir in alternativen Zukunftsplänen und setzen uns damit kritisch auseinander? • Verfügen wir über die notwendigen Flexibilitäten, um Großprojekte zu betreuen? • Nutzen wir den Talentpool ausreichend? • Haben wir Zugang zu den Informationen im Unternehmen, ungeachtet der Hierarchien?
15.2.5 Learnings für Transformation-Management Der Erfolg beim Umbau traditioneller Geschäftsmodelle in die digitale Welt hängt maßgeblich davon ab, wie das Zusammenspiel zwischen den wichtigen Führungsgremien in Organisationen funktioniert, das heißt in der Unternehmung über alle Führungsebenen und insbesondere mit dem Verwaltungsrat. Die einzelne Führungskraft kann einen wichtigen Beitrag leisten, der Erfolg bedingt jedoch eine überzeugende Teamleistung. Nachfolgend einige Erkenntnisse aus globalen Transformationen [25, 35, S. 144 ff.]: Ein Gefühl der Dringlichkeit – Sense of Urgency – schaffen • Fakten sind wichtig, um den Handlungsbedarf und Handlungsdruck darzustellen. Ein datengetriebener und analytischer Approach schafft die Voraussetzungen, dass die richtigen strategischen Entscheide gefällt werden. • Fokus hilft, die Prioritäten im Auge zu behalten und Ablenkungen zu vermeiden.
15 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle …
235
Ein Führungsteam mit klarem Auftrag – a guiding coalition • Das Führungsteam muss eine eingeschworene Truppe bilden, das einen Plan verfolgt und hohe Wertschätzung und Vertrauen besteht. • Man muss die besten Absichten von den Handlungen des Counterparts annehmen. Auch wenn unterschiedliche Meinungen bestehen oder sich Entscheide als nicht erfolgreich herausstellen, ist gegenseitiger Respekt im Kernteam wichtig. Diese Vertrauenskultur schafft die Möglichkeit, dass man in einem Transformationsprozess neue Wege ausprobiert und auch kalkulierte Risiken eingeht. • Delegation in die Organisation ist wichtig. Business Units sind zu stärken und die Zentrale nur wo nötig auszubauen. Gleichzeitig müssen die Business Units erkennen, welche Synergiepotenziale zwischen den Business Units bestehen und wie sie diese ausschöpfen können. Deshalb werden Know-how- und Wissensaustausch im Konzern- und Gruppenverbund zu einem Führungsprinzip erhoben und Verletzungen sollen mit einer offenen Feedback-Kultur direkt adressiert werden [18, S. 22 f.]. Eine gemeinsame, tragfähige Vision, welche in der Organisation verstanden und somit akzeptiert wird • Entscheide müssen verstanden werden. Erst dann werden sie auch akzeptiert [6, S. 51]. • Das Debattieren um die beste Lösung ist wichtig. Dies soll aber in einer informierten und respektvollen Art und Weise erfolgen. • Wichtig ist es, dass man als Vorgesetzter ungeachtet der hierarchischen Ordnung sich austauscht mit wichtigen Leuten in der Organisation. Dies schafft Transparenz und ein unverfälschtes Bild der Situation. Lehmschichten zwischen den Hierarchien können die Führung erschweren und falsche Entscheide verursachen [5, S. 96 f.]. Die Vision wird kommuniziert • Gute Leader anerkennen die Bedeutung von Worten und Statements. Sie kommunizieren die Vision in der Organisation und fördern somit Motivation. Oft haben verbale Statements mehr Bedeutung für die Mitarbeitermotivation als finanzielle Anreize [37, S. 21 f.]. Hindernisse bei der Umsetzung der Vision werden aus dem Weg geräumt • Transformationen bedeuten Veränderungen und sprengen geregelte Bahnen. Wenn eine Guiding Coalition besteht und der Plan klar ist, dann werden Hindernisse rasch aus dem Weg geräumt.
236
S. Bergamin
Frühe Erfolge werden gesucht und zelebriert • Entscheidend ist es, schnelle, messbare Resultate zu erzielen. Sie schaffen Sicherheit und Zuversicht im Transformationsprozess. Die Veränderungen werden in der Kultur verankert • Gerade in transformativen Phasen kommt einer Vertrauenskultur hohe Bedeutung zu. Regelmäßige Standortbestimmungen und Richtungsanzeigen sind wichtige vertrauensbildende Maßnahmen [10]. • Organisationen, welche den persönlichen Austausch zwischen Verwaltungsrat und Management gezielt fördern, sind erfolgreicher. Verwaltungsrat ist nur erfolgreich, wenn auch das Management erfolgreich ist. Der Grundsatz von gleichzeitig absoluter Herausforderung und absoluter Unterstützung ist entscheidend.
Übersicht
Dr. Stephan Bergamin ist Unternehmensinhaber/Managing Partner von BE Forward GmbH. Er berät Unternehmen in den Bereichen Transformation-Management, Corporate Finance und Strategie. Nebst externen Mandaten zur Führungsunterstützung von Unternehmungen ist er unabhängiger Verwaltungsrat und hat Lehraufträge an führenden Universitäten. Er blickt auf eine über 20-jährige Laufbahn als Group CFO zurück. Wichtige Stationen waren: CFO der VAT Group AG (Weltmarktführer in Vakuumtechnologie), CFO bei Gearbulk Group (weltweite größte Open Hatch Schifffahrtsflotte), CFO Goldbach Group (digitale Werbevermarktung) und Steiner Group (Immobiliendienstleister). Er verfügt über langjährige fundierte Erfahrungen im Transformation-Management und digitaler Transformation im globalen Kontext in verschiedenen Industrien, als CFO und stellvertretender CEO. Nach dem Start seiner Karriere im Bereich Corporate Finance bei der Credit Suisse arbeitete er in verschiedenen Finanzpositionen bei der Swissair Group. Stephan Bergamin studierte Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen (HSG). Er ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften der Universität St. Gallen (HSG) und hält einen AMP der Harvard University, Boston (USA). Er ist mehrfacher Buchautor: • Globalisierung und Digitalisierung, Toolbox für CEO und Führungskräfte, 2020, • Mergers & Acquisitions: Erfolg dank Integrationsmanagement (englische Ausgabe 2018, deutsche Ausgabe 2015),
15 Umbau traditioneller Geschäftsmodelle …
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• Bestellerkompetenz Facility Management. Strategie – Organisation – Prozesse (2015), • Der Fremdverkauf einer Familienunternehmung im Nachfolgeprozess (1995).
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S. Bergamin
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Agiles Finanzmanagement während der Corona-Krise in der Hotelbranche
16
Daniel J. Müller
Zusammenfassung
Es soll aufgezeigt werden, wie ein Unternehmen, das sich schon vor der Pandemie in einem Change-Prozess befand, durch agiles Finanzmanagement gestärkt aus der Krise hervorkam. Die größte Herausforderung war die fast nicht voraussehbare bzw. planbare Auslastung im Hotel- und Restaurantbereich. Insbesondere der Ressourceneinsatz und die optimale Nutzung der Kurzarbeitsentschädigung waren von höchster Relevanz.
16.1
Das Unternehmen
Das Grand Resort Bad Ragaz kann auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken. Im Jahre 1242 entdeckten Jäger des Klosters Pfäfers erstmals die Thermalquellen in der engen Taminaschlucht. Schon kurz darauf wurde dort ein erstes Bad errichtet. Seitdem 1535 Paracelsus dem Wasser dieser Quelle eine Heilwirkung zuschrieb, etablierte sich das Baden als medizinische Therapie. Den Grundstein für das heutige Unternehmen legte 1868 Bernhard Simon, als er das Hotel Hof mit viel Land erwarb und eine Konzession für die Nutzung des Thermalwassers aus der Taminaquelle bekam. Der Konzessionsvertrag verpflichtete ihn, ein luxuriöses Hotel (das Grand Hotel Quellenhof), Parkanlagen und ein öffentliches Bad für die Bevölkerung der Region zu errichten. Aus dieser DNA entwickelte sich das Unternehmen in den letzten 150 Jahren weiter: Es wurde zum führenden Wellbeing & Medical Health Resort Europas und besteht D. J. Müller (B) Grand Resort Bad Ragaz AG, Bad Ragaz, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_16
239
240
D. J. Müller
heute aus den Fünf-Sterne-Hotels Grand Hotel Quellenhof & Spa Suites und Grand Hotel Hof Ragaz sowie dem Boutique-Hotel Palais. Des Weiteren gehören das Thermalheilbad Tamina Therme, die Clinic Bad Ragaz, das Medizinische Zentrum, das Casino Bad Ragaz und zwei Golfplätze zum Resort. Die Grundstruktur aus Luxushotellerie und Thermalbad wurde auch durch Kriege, Krisen und Besitzerwechsel nicht grundsätzlich verändert.
16.2
Veränderungen ausgelöst durch die Pandemie
Das Jahr 2020 begann sehr vielversprechend, der Januar war dank dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos sehr gut gebucht, der Februar war der umsatzstärkste Monat in der Geschichte des Resorts. Die Buchungslage für die kommenden Monate war überdurchschnittlich. Bereits im Februar 2020, als sich abzeichnete, dass Covid-19 in Asien grassiert, wurde ein Krisenstab einberufen. Das Risiko Pandemie wurde bereits seit Jahren auf der Risiko-Landkarte des Unternehmens geführt, als ein möglicher Auslöser eines drastischen Ertragsrückganges. Zu Beginn der Pandemie war die Annahme, dass dieser Ausbruch ähnlich ablaufen könnte wie SARS im Jahre 2003. Damals blieben zum Beispiel Reisende aus Asien eine gewisse Zeit aus. Ebenfalls war man der Meinung, dass gewisse Großveranstaltungen nicht durchgeführt werden können. Im März 2020 wurde das Unternehmen von der Kantonsärztin des Kantons St. Gallen darüber informiert, dass ein Hotelgast während seines Aufenthaltes an Covid-19 erkrankt war. Obwohl sich im Nachhinein herausstellte, dass diese Person im Unternehmen keine weiteren Ansteckungen ausgelöst hatte, waren die Konsequenzen dieses Falles gravierend. Nach einer Berichterstattung über diesen Fall in den Schweizer Medien wurden zahlreiche Buchungen storniert. Es kam zu einer großen Verunsicherung bei Gästen und Mitarbeitern. Viele Gäste wollten sofort abreisen, einige Mitarbeiter wollten nicht mehr arbeiten aus Angst vor einer Ansteckung. Es zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt ab, dass die Pandemie einen großen Einfluss auf den Geschäftsgang in den kommenden Monaten haben wird. Noch bevor amtlich angeordneter Lockdown und Schließungen und die Covid-19Kredite des Bundesrates kamen, wurden erste Maßnahmen getroffen, um die Liquidität zu sichern. Bereits im Jahre 2019 wurden die Kreditlimiten bei den Banken für den Umbau des Quellenhofes um CHF 45 Mio. erhöht. Um mögliche Liquiditätsengpässe zu vermeiden, wurden bei den Banken befristete Kredite in Höhe von CHF 20 Mio. beantragt. Durch starken Cashflow in der Vergangenheit wurden diese Limite in diesem Umfang rasch und unbürokratisch von den sieben beteiligten Banken bewilligt. Die Limite gaben der Gruppe mehr «Wasser unter dem Kiel» und damit eine größere Sicherheit. Schlussendlich musste auf die Limite nicht zugegriffen werden. Trotzdem war es für Verwaltungsrat und Geschäftsleitung aus Gründen der Verantwortlichkeit sehr wichtig, die Liquidität in dieser unsicheren Lage zu gewährleisten.
16 Agiles Finanzmanagement während der Corona-Krise …
241
Im Verlauf des Monates März 2020 spitzte sich die Lage weiter zu: Bestimmte Unternehmensbereiche mussten schließen, es gab die Möglichkeit von schnell zu beantragender Kurzarbeit und durch den Bund garantierte Covid-19-Kredite. Obwohl Hotels basierend auf den Covid-19-Maßnahmen nicht schließen mussten, wurde aufgrund der schwachen Buchungslage entschieden, die Hotels und sämtliche Bereiche mit Ausnahme der Clinic und dem Medizinischen Zentrum auf vorerst unbestimmte Zeit zu schließen. Long-Stay-Gäste wurden weiter beherbergt. Der Einfluss einer Totalschließung ist relativ einfach zu berechnen: Es fallen die Umsätze und die direkten Warenkosten weg, die Fixkosten bleiben, für die in Kurzarbeit geschickten Mitarbeiter konnte Kurzarbeitsentschädigung eingefordert werden. Die Kurzarbeitsentschädigung war ein wertvolles Instrument des Staates, um die Beschäftigungslage zu stabilisieren, aber aus Unternehmenssicht reichte dies bei Weitem nicht aus, um die Krise ohne Stellenabbau bei dramatisch einbrechenden Umsätzen zu überstehen. Es mussten innerhalb von kurzer Zeit Maßnahmen ergriffen werden, um die finanziellen Verluste zumindest einzudämmen. In den durch behördliche Maßnahmen geschlossenen Bereichen wie Casino und Tamina Therme gab es nur beschränkten Spielraum. Hier wurde entschieden, die Fixkosten so weit als möglich zu reduzieren. Kurzfristig war dies unter anderem aufgrund des hohen Fixkostenanteils nur wenig erfolgversprechend. Wichtiger war die Überlegung, welche Geschäfte noch möglich sind und mit welchen Ressourceneinsatz diese aufrecht erhalten werden können (Abb. 16.1). Die meisten Controlling-Instrumente basierten auf historischen Erfahrungswerten. Den Einfluss auf die Profitabilität einer Auslastungssteigerung bei gleichbleibenden Preisen, beispielsweise von 60 % auf 65 %, kann mit einfachen Mitteln berechnet werden. Aber
08
Erfolgreichster Monat in der Geschichte der Grand Resort Bad Ragaz AG
Auszeichnung zum GaultMillau «Hotel des Jahres 2021»
06 05
2020
Schriweise Öffnungen
Ende der Kurzarbeit aufgrund guten Geschäsgangs
2021
02
11
04 Vorübergehende Schließungen und Kurzarbeit
03 Erster, nach Abreise posiv getesteter Hotelgast
Abb. 16.1 Zeitstrahl 2020
Erneut teilweise Einführung der Kurzarbeit
10 Einführung generelle Maskenpflicht
12 Schließung Casino und Therme, sowie der Restaurants für NichtHotelgäste
242
D. J. Müller
die Frage, ob eine vollständige oder teilweise Öffnung der Hotels sinnvoll ist und wann der Break-Even-Punkt erreicht würde, musste anders beantwortet werden. Der Ansatz war ähnlich wie bei einem Zero-Based-Budgeting-Prozess. Die Basisüberlegung war, wie viel Personal benötigt wird, um einen Minimalbetrieb zu gewährleisten. Es wurde auch erwogen, nur einzelne Hotelgebäude zu öffnen. Dies hätte jedoch dazu geführt, dass das Hotel nicht mehr das seit Jahrzehnten erfolgreiche Angebot zur Verfügung hätte stellen können. Ebenfalls wäre die Zimmerauswahl erheblich eingeschränkt worden. Diese Debatte fand in einer Phase statt, in welcher noch keine Erfahrungswerte über die Nachfragesituation vorlagen.
16.3
Reaktion auf die Pandemie
16.3.1 Verkürzung des Planungshorizontes Grundsätzlich unterliegt das Geschäft gut berechenbaren und planbaren saisonalen Schwankungen. In den Bereichen Golf und Tamina Therme kann das Wetter die Tagesumsätze stark beeinflussen. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Einfluss über eine längere Periode betrachtet, eher gering ist. Das Hotelgeschäft verzeichnet starke saisonale Schwankungen, die aber einem nachvollziehbaren Muster folgen. Großanlässe und Bankette werden oft sechs bis zwölf Monate im Voraus gebucht, Einzelbuchungen meist drei Monate im Voraus. Unter Covid-19-Bedingungen war der Planungshorizont plötzlich für das ganze Geschäft auf maximal ein bis zwei Wochen ausgelegt.
16.3.2 Agile Analyse der Situation und Tools zur Lösung Es wurde festgestellt, dass die meisten der angestammten und gut ausgebauten Controlling-Werkzeuge nicht mehr auf die neue Situation während einer Pandemie passten. Das Budget war Makulatur, der Langfristplan eine utopische Vorstellung für die Zeit nach der Krise. Die regulären Monatsabschlüsse wurden weitergeführt, die anderen bewährten Instrumente wurden hinterfragt oder neu aufgebaut.
16.3.2.1 Entwicklung neuer Werkzeuge Cash-Forecast für die nächsten 18 Monate Ein wichtiges Instrument stellte in dieser Zeit die rollende Liquiditätsplanung dar. Dieser Cash-Forecast zeigt in einfacher Form, welche Geldflüsse in der Zukunft erwartet werden. Für den laufenden Monat wurde für die ganze Gruppe im Wochenturnus geplant, die nachfolgenden 18 Monate auf monatlicher Basis. Die reinen Geldflüsse waren in der Krisensituation wichtiger als das monatliche Reporting über den Geschäftsgang. Auch mit den zusätzlichen Kreditlimiten waren die Bargeldreserven im Fokus. Die Finanzabteilung wurde beauftragt,
16 Agiles Finanzmanagement während der Corona-Krise …
243
eine Cash-Burn-Rate auszuweisen und diese im Zwei-Wochen-Rhythmus dem Verwaltungsrat mit einem entsprechenden Kommentar und den Abweichungen zur Vorversion zu rapportieren. Ziel war, jederzeit über die Liquiditätssituation und die Kreditlimitenreserven Auskunft geben zu können. Zeitlich lag der Fokus klar auf dem laufenden Monat und die drei darauffolgenden Monate, da hier die Planungssicherheit am höchsten war. Mithilfe dieser Zahlen konnte ein weiteres Tool entwickelt werden. Entscheidungstool für Betriebsöffnungen und -schließungen Anhand der geschätzten Umsätze für den jeweils nächsten Monat konnte berechnet werden, wie sinnvoll eine Öffnung eines bestimmten Geschäftsbereichs ist oder ob es finanziell zielführender wäre, den Bereich zu schließen und das Personal in Kurzarbeit zu schicken. Ziel des Tools ist, dass aufgrund der erwarteten Umsätze die personellen Ressourcen geplant werden können. Wenn nun dieses Resultat mit dem Verhältnis der Fixkosten zu Kurzarbeitsentschädigung verglichen wird, kann entschieden werden, ob die Öffnung eines Teilbereiches sinnvoll ist. Das Thema Kurzarbeitsentschädigung ist komplex [1]. Es gab viele Vorgaben zu beachten und keine exakte Praxis war bekannt. In der Realität ist es oft schwierig, mehr als 10 % Ausfallstunden zu verzeichnen. Diese 10 % bilden Basis für den Anspruch einer Kurzarbeitsentschädigung. Auf den ersten Blick erscheint das nicht viel, aber unter Berücksichtigung von Ferien, Absenzen, Personal in gekündigtem Verhältnis und Verwaltungsabteilungen und weiteren Korrekturen war dies in einem sehr breit diversifizierten Unternehmen nicht einfach zu erreichen. Dies führte dazu, dass man immer häufiger zum Schluss kam, den nächsten Monat ohne Kurzarbeit zu planen. Im Hotelbereich konnte man auch die Preise als zusätzliche Variable miteinbeziehen. Zu Beginn, als die Lage noch sehr unsicher war, begann man mit tiefen Zimmerraten das Tagesgeschäft anzukurbeln und erhöhte die Preise dann schrittweise, bis sie wie üblich dynamisch der Nachfrage angepasst werden konnten (Abb. 16.2).
16.4
Weitere Maßnahmen
16.4.1 Investitionen auf das absolute Minimum reduzieren Kurz nach Beginn der Covid-19-Krise im Jahr 2020 wurden grundsätzlich alle geplanten Investitionen eingefroren. Es wurden ausschließlich die bis März 2020 bewilligten und bestellten Investitionen getätigt. Im Jahr 2021 wurden wieder einige dringend notwendige Investitionen wie zum Beispiel die Behebung eines Wasserschadens im Saunabereich getätigt. Diese drastische Einschränkung der Investitionstätigkeit war möglich, da im Jahr
244
D. J. Müller 05
04 Öffnung der Terrassen für externe Gäste
03 Erste Lockerungen der Zerfikats- und Maskenpflicht
Öffnung der Tamina Therme und des Casinos
2022
2021
05
Maskenpflicht fällt in sämtlichen Unternehmensbereichen
09/10 Einführung der Zerfikatspflicht für Restaurant-, Thermen-, und Casinobesuche
11 Verschärfung der Zerfikatspflicht
Abb. 16.2 Zeitstrahl 2021–2022
2019 das Grand Hotel Quellenhof komplett saniert wurde. Diese Maßnahme der Investitionsminimierung trug auch maßgeblich dazu bei, dass in den Jahren 2020 und 2021 die Bankschulden um über CHF 25 Mio. reduziert werden konnten.
16.4.2 Veräußerung von nicht für das Kerngeschäft wichtigen Aktiven Im Jahre 2016 kaufte das Unternehmen das Drei-Sterne-Schlosshotel Wartenstein in der Nachbargemeinde Pfäfers. Die Idee war, in ein tiefer preisiges Segment zu diversifizieren und den Tourismus in der Region generell zu stärken. Es zeigte sich aber schnell, dass dieses Haus aus strukturellen Gründen (zu wenig Zimmer) nur sehr schwer profitabel zu betreiben war. Um dieses Geschäftsfeld sinnvoll weiterbetreiben zu können, wären substanzielle Investitionen in das Gebäude und den Restaurationsbereich notwendig gewesen. Da es aber durch seinen separaten Standort und die andere Positionierung weder im Verkauf noch auf Personalseite nennenswerte Synergien gab, fiel der Entschluss, sich von diesem Geschäftsfeld zu trennen. Da die Liegenschaft und das Grundstück auch andere Nutzungen, insbesondere eine reine Wohnnutzung zuließen, gab es einen breiten Kreis an Interessenten. Das Schlosshotel Wartenstein konnte dadurch innerhalb weniger Monate zu einem Preis veräußert werden, der die Anfangsinvestition und Investitionen in den Folgejahren abdeckte. Mit dem Verkaufserlös konnte trotz Verlust im Kerngeschäft im Jahre 2020 die vertraglich vereinbarte Amortisation der Bankkredite getätigt werden. Der Verkauf eines weiteren, momentan brachliegenden Bauland-Grundstückes in der Nähe des Hauptstandortes wurde geprüft, aber verworfen, da dies die Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft eingeschränkt hätte.
16 Agiles Finanzmanagement während der Corona-Krise …
245
Es wurden auch zwei Arztpraxen, die das Unternehmen im Medizinischen Zentrum selbst betrieb, verkauft. Das Hauptargument für diese Verkäufe waren hier nicht finanzielle Motive, sondern, dass dadurch für die Zukunft eine sinnvollere Organisationsstruktur geschaffen und gleichzeitig Nachfolgeprobleme gelöst werden konnten.
16.5
Sinnvolle Allokation von Marketingkosten
Während der ganzen Pandemie mussten die Marketingkosten laufend hinterfragt werden. Es macht keinen Sinn, Aktivitäten im Ausland zu starten, wenn die Grenzen geschlossen sind und Ferienreisen faktisch nicht möglich sind (z. B. fehlende Flüge). Im Hotel stieg der Anteil der Schweizer Gäste von rund 40 % im Jahre 2019 auf über 85 % im Jahre 2021. Die Auszeichnung Hotel des Jahres 2021 von Gault-Millau hat dem Unternehmen gerade auch im Heimmarkt geholfen. So konnten Kampagnen und Messen im Ausland und die Kosten für ausländische PR-Agenturen eingespart werden. Auch in Bereichen mit zeitweiligen Kapazitätsbeschränkungen, wie zum Beispiel dem Casino, mussten die Werbemaßnahmen überdenkt werden. So wurden beispielsweise traditionelle Verlosungen, bei denen regelmäßig über 300 Besucher:innen vor Ort mitmachten, nicht mehr durchgeführt. Die Verordnungen des Bundesrates ließen Personenansammlungen in diesem Ausmaß nicht zu.
16.6
Wareneinkauf
Durch die breite Diversifikation hat das Unternehmen eine große Zahl verschiedenster Lieferanten. Verhandlungen mit allen Lieferanten über Preissenkungen waren deswegen aus Effizienzgründen nicht sinnvoll. Aus diesem Grund wurde nur mit den Lieferanten mit dem größten Bestellvolumen verhandelt und partnerschaftlich gute Lösungen gefunden.
16.7
Fazit/Lehren aus der Krise
Das Finanzmanagement in der Krise unterschied sich stark von der Arbeit während des üblichen Normalbetriebs. Es ging nicht mehr nur um bloßes Optimieren. Vielmehr wurde praktisch alles fundamental infrage gestellt. Erfahrungswerte waren unzuverlässig, schnelles Handeln und Improvisation zeigten gute Resultate. Schnelle Feedbackloops waren entscheidender als exakte Berechnungen und perfekte Tools. Die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen ergab auch neue Chancen, die durch den offenen Austausch genutzt werden konnten. So duften zum Beispiel Hotelgäste die
246
D. J. Müller
Tab. 16.1 Finanzkennzahlen (konsolidiert) 2021
2020
2019
2018
2017
Umsatz
93,9
79,5
106,6
108,5
109,8
Bruttobetriebserfolg (GOI)
34,9
22,9
35,3
38,2
40,1
Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA)
18,4
5,8
12,8
19,1
22,2
In Prozent des Umsatzes
19,6
7,3
12,0
17,6
20,2
Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT)
3,3
−9,2
−2,2
5,6
8,5
Jahresergebnis
3,8
−7,6
3,0
7,5
6,7
19,5
3,6
10,2
16,4
18,4
4,7
1,0
47,9
14,3
11,3
Bilanzsumme
291,6
300,4
322,7
284,6
278,8
Eigenkapital
139,7
135,8
144,8
141,5
134,4
47,9
45,2
44,9
49,7
48,2
120,7
138,0
146,5
111,6
113,3
Geldfluss aus Geschäftstätigkeit (Cashflow) Investitionen
In Prozent der Bilanzsumme Finanzverbindlichkeiten
Anlagen der geschlossenen Tamina Therme nutzen. So konnten die Auslastungsvorschriften für die Bäder gut umgesetzt werden und Übernachtungsgästen dennoch das fast vollumfängliche Erlebnis geboten werden. Das agile Handeln führte auch zur Hinterfragung der etablierten Strukturen. Vor der Krise wäre es zum Beispiel undenkbar gewesen, einem Gast nur zwei Reservationszeiten für das Abendessen anzubieten. Durch diese und weitere einfach umsetzbaren Maßnahmen konnte die Effizienz deutlich gesteigert werden. Diese Erkenntnisse können weiter genutzt werden, selbst wenn nun wieder auf bewährte Abläufe zurückgegriffen wird (Tab. 16.1). Grand Resort Bad Ragaz
Das führende Wellbeing & Medical Health Resort Europas besteht aus den beiden Fünf-Sterne-Hotels Grand Hotel Quellenhof & Spa Suites und Grand Hotel Hof Ragaz und dem Boutique-Hotel Palais. Die Zimmer und Suiten, von historisch und fürstlich bis topmodern und puristisch, bieten den Gästen einen stilvollen Rahmen für ihren Aufenthalt in Bad Ragaz. Der Kurort mit dem Qualitäts-Gütesiegel Wellness-Destination (Schweiz Tourismus) liegt in der Ostschweizer Ferienregion Heidiland. Sieben Restaurants mit insgesamt 76 Gault-Millau-Punkten und fünf Michelin-Sternen, ein Bistro sowie ein Café sorgen für kulinarischen Hochgenuss. Zwei Golfplätze, das Kursaal Meeting & Events Center, ein vielfältiges kulturelles Angebot und ein eigenes Casino komplementieren das Erlebnis vor
16 Agiles Finanzmanagement während der Corona-Krise …
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Ort. Das Blaue Gold von Bad Ragaz, 1242 in der nahe gelegenen Taminaschlucht entdeckt, bietet Gästen im Thermal Spa und im öffentlichen Thermalheilbad Tamina Therme ein außergewöhnliches und authentisches Spa-Erlebnis. Dieses wird um evidenzmedizinische Leistungen des international renommierten Medizinischen Zentrums – inklusive des Swiss Olympic Medical Center – ergänzt. 2014 wurde das ambulante medizinische Angebot um eine stationäre Klinik für Rehabilitation erweitert. 25 luxuriöse Klinikzimmer und ein ausgezeichnetes Pflegeangebot bieten ideale Voraussetzungen für eine schnelle Genesung. Seit Januar 2020 arbeitet die Clinic Bad Ragaz mit den Kliniken Valens zusammen. Daniel J. Müller lebt in Ottenbach im Kanton Zürich. Er absolvierte die Ausbildung als Eidg. Dipl. Wirtschaftsprüfer (Swiss CPA) und erlangte den Executive MBA an der Universität Zürich. Seine berufliche Laufbahn führte ihn zu diversen Unternehmen in unterschiedlichen Branchen wie Banken, Wirtschaftsprüfung, Lebensmittel und Gesundheit im Bereich Finanzen & Controlling. Daniel J. Müller war von 2018 bis 2023 CFO der Grand Resort Bad Ragaz AG, seit 2023 ist er CFO der GZO Spital Wetzikon AG.
Literatur 1. Fedlex (2022) Verordnung über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19). https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2020/169/ de. Zugegriffen: 13. Juli 2022
Controlling – ein unverzichtbarer Wegbereiter der Transformation
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Kevin Wettstein und Renato Caderas
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beleuchtet die Transformation SRF2024. Dabei wird insbesondere das Spannungsfeld zwischen Transformation und Sparen beleuchtet, dies unter der erschwerten Bedingung, dass das bestehende finanzielle Steuerungssystem den Herausforderungen der im Wandel befindlichen Medienlandschaft gerecht wird. Der Fokus liegt dabei auf der Veränderung der Rolle des Controllings sowie dessen Beitrag zur finanziellen Steuerung in der Transformationsphase.
17.1
Einleitung
17.1.1 Die Medienlandschaft im Umbruch Bereits seit einigen Jahren befindet sich die Medienlandschaft in einem weltweiten Umbruch. Digitale Audio- und Video-Angebote werden zunehmend durch StreamingAnbieter produziert. Durch diesen Wandel stehen Streaming-Anbieter in direkter Konkurrenz zu klassischen Audio- und Video-Produzenten bzw. Broadcastern [2]. Eine wesentliche Rolle im Kontext der Veränderung der Medienlandschaft spielen auch die technologische Weiterentwicklung der Endgeräte und die zunehmende Konnektivität. K. Wettstein (B) Bern, Schweiz E-Mail: [email protected] R. Caderas Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected]
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 U. Egle et al. (Hrsg.), Agile Finance Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41332-3_17
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Abb. 17.1 Nutzung SRF-Angebote. (Quelle: SRF)
Heutzutage ist es dank den digitalen Plattformen nahezu überall und jederzeit möglich, Medieninhalte zu konsumieren. Die klassische Zuordnung von Endgerät und medialem Inhalt wird nahezu inexistent [1]. Die mit dem Umbruch der Medienlandschaft verbundene Erhöhung der Vielfalt der Angebote sowie die zunehmende Konkurrenz zeigt sich ebenfalls in der Nutzung der SRFAngebote. Während bei den über 45-Jährigen rund 50 % der Deutschschweizer mindestens täglich SRF-Angebote nutzen, ist die Nutzung bei den unter 45-Jährigen signifikant tiefer (Abb. 17.1). Neben der Veränderung der Medienlandschaft steht SRF vor der Herausforderung, die Kosten zu senken. Die SRG SSR ist dem Service Public verpflichtet. Sie ist ein NonProfit-Unternehmen im Dienst der Allgemeinheit und verfolgt keinen Gewinnzweck. Das Einhalten einer schwarzen Null steht aus finanzpolitischer Sicht im Zentrum. Die SRG SSR finanziert sich zu 78 % über Gelder aus der Medienabgabe und ist dadurch finanziell und politisch unabhängig. 22 % des Jahresumsatzes von rund 1.5 Mrd. Franken stammen aus kommerziellen Einnahmen und übrigen Erträgen. Die Verlagerung der Werbebudgets ins Internet, die zunehmende Verbreitung von zeitversetztem Fernsehen mit der Möglichkeit, Werbeblöcke zu überspringen, und der Reichweitenverlust aufgrund zunehmender Fragmentierung der Nutzung führen zu einem substanziellen Rückgang der kommerziellen Erträge der SRG SSR. Betrugen diese 2011 noch 388 Mio. Franken, reduzierten sie sich bis 2019 auf 267 Mio. Franken resp. auf 237 Mio. Franken im Jahr 2021. Das Aufschalten von Werbung auf ihren Online-Plattformen ist der SRG SSR untersagt. Der Bundesrat hatte 2017 den Anteil der SRG an der Medienabgabe per 2019 auf 1.2 Mrd. Franken plafoniert. Während bis 2019 die rückläufigen Werbeerträge durch die
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Abb. 17.2 Finanzrahmen SRF 2018–2022 (Quelle: SRF)
leicht steigenden Erträge aus Empfangsgebühren zu einem großen Teil kompensiert werden konnten, sieht sich die SRG SSR seit 2019 mit sinkenden Erträgen konfrontiert. Um die rückläufigen Werbeeinnahmen teilweise aufzufangen, hat der Bundesrat den Abgabeanteil ab 2021 um 50 Mio. Franken erhöht [3]. Für SRF bedeutet dies eine Einsparung von rund 45 Mio. Franken im Zeitraum von 2018 bis 2022 bzw. 16 Mio., welche in der Startphase der Transformation im Zeitraum 2020 bis 2022 realisiert werden müssen (Abb. 17.2).
17.1.2 Transformationsprozess SRF2024 Der Transformationsprozess SRF2024 wurde von SRF mit der Vision eingeleitet, das Publikum ins Zentrum seines Handelns zu rücken. Aufbauend auf dieser Vision wurde in einem nächsten Schritt die Überarbeitung der Strategie angegangen. Kongruent zur Vision hat auch die Strategie von SRF das Publikum im Zentrum; dies bildet die erste Ebene der Strategie. Die zweite Ebene umfasst das Kerngeschäft der Erstellung und Distribution der Inhalte sowie die dazu notwendige technische Produktion und Technologie. Die dritte Ebene umfasst die Organisation von SRF; Ziel ist, die Potenziale aus interdisziplinärer Zusammenarbeit besser zu nutzen, Synergiepotenzial zu realisieren und nicht zuletzt die Sparvorgaben umsetzen zu können (Abb. 17.3). Die Modifizierung der Strategie, die Anpassung der Organisation, die Neukonzeption des Betriebsmodells sowie die veränderten Anforderungen schlagen sich in signifikanten personellen Veränderungen nieder. Im Rahmen der Transformation werden über 200 Stellen abgebaut, rund 150 neue Stellen geschaffen und über 50 Umschulungen
Abb. 17.3 Strategie SRF2024 (Quelle: SRF)
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Abb. 17.4 Personalmaßnahmen 2021–2024 (Quelle: SRF)
durchgeführt (Abb. 17.4). Zudem wird über das ganze Unternehmen ein umfassendes Change-Management-Programm gestartet, um die Mitarbeitenden für den Aufbau einer neuen Führungs- und Unternehmenskultur zu sensibilisieren und sie auf die Reise der Transformation mitzunehmen. Transformation, neue Technologien und Arbeitsprozesse bedeuten Investitionen in die Zukunft; dies beinhaltet auch den Aufbau neuer Fähigkeiten. In Verbindung mit der Umsetzung der Sparvorgaben in Höhe von rund 45 Mio. Franken im Zeitraum 2018 bis 2022 stellt dies hohe Anforderungen an die Planung, Abstimmung und Umsetzung von Vorhaben und ebenfalls an die interne und externe Kommunikation. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen und den Anforderungen gerecht zu werden, ist eine enge Zusammenarbeit von Fachspezialisten aus unterschiedlichsten Disziplinen, ein aktives Mitwirken der Geschäftsleitung sowie eine regelmäßige Abstimmung mit externen Stakeholdern wie Gewerkschaften, Interessensverbänden, Politik etc. und auch mit dem Konzern SRG SSR unabdingbar.
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Spannungsfeld Sparen/Transformation
Um auf den drastischen Rückgang der Werbeeinnahmen und die rasche Veränderung des Mediennutzungsverhalten zu reagieren, hat die SRG SSR 2019 ein Spar- und Transformationsprogramm aufgesetzt. SRF setzt dieses Programm im Rahmen des Transformationsprojekts SRF2024 um. Eine der großen Herausforderungen dieses Projekts ist, die für die Transformation erforderlichen Mittel für Investitionen neben den durch die
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Abb. 17.5 Transformations- und Sparbedarf 2020–2022 (Quelle: SRF)
rückläufigen Werbeeinnahmen notwendigen Sparmaßnahmen bereitstellen zu können. Der Sparbedarf setzt sich aus drei Treibern zusammen: 1. Rückgang der Werbeeinnahmen 2. Initiierung von neuen Angeboten für die Zielgruppen