Metaphernkombinationen in der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu 9783161600357, 9783161608957, 3161600355

Das Neue Testament spricht auf vielfältige Weise vom Tod Jesu, sowohl als schockierende Hinrichtung als auch als zentral

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German Pages [763] Year 2021

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einleitung
Teil I: Metapherntheoretische Überlegungen
Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit
1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze
1.1. Metapherntheorien der Antike
1.1.1. Isokrates und Platon
1.1.2. Aristoteles
1.1.3. Cicero
1.1.4. Quintilian
1.1.5. Fazit
1.2. Metapherntheorien der Gegenwart
1.2.1. Substitutionstheorie
1.2.2. Vergleichstheorie
1.2.3. 2(GR)AMS-Ansatz (Genre-Relevance, Graded-Risk Approach to Metaphorical Scalarity), Andrew Goatly
1.2.4. Interaktionstheorie, I.A. Richards, Max Black
1.2.5. Verbal-opposition-Theorie, Monroe Beardsley
1.2.6. Conceptual Theory
1.2.7. Blending Theory
1.2.8. Class-Inclusion-Theorie
1.2.9. Die Metapher in der pragmatischen Sprechakttheorie
1.2.10. Fazit
2. Die Bestandteile der Metapher – eine terminologische Klärung
3. Wörtlicher und metaphorischer Sprachgebrauch oder: Wie erkennt man eine Metapher?
4. Die Metapher im Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen
4.1. Tropus
4.2. Vergleich
4.3. Metonymie und Synekdoche
4.4. Allegorie
4.5. Analogie
4.6. Symbol
4.7. Gleichnis und Parabel
4.8. Rätsel
4.9. Oxymoron
4.10. Personifikation
4.11. Katachrese
5. Klassifizierungen von Metaphern
5.1. Klassifizierung nach Wortarten
5.2. Klassifizierung nach Konventionalitätsgrad („tote“, „schlafende“, „lebendige“ Metaphern)
5.3. Klassifizierung nach Grounds
5.4. Zur Frage nach expliziten und impliziten Metaphern
6. Markierung und Signalisierung von Metaphern
7. Funktionen und Auswirkungen von Metaphern
8. Metapher und Wirklichkeit
9. Zusammenfassung: Das in dieser Arbeit vertretene Metaphernverständnis
Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität
1. Begriffe und Konzepte
1.1. Mischung
1.2. Hybrid/Hybridität/Hybridisierung
1.3. Kombination
1.4. Fazit
2. Mischungen/Hybridität/Kombinationen in der Metapherntheorie
2.1. mixed metaphor – Theoriegeschichte und Forschungsstand
2.1.1. Metaphernvermischungen und verwandte Phänomene in der Wahrnehmung der Antike
2.1.2. Das Aufkommen und die Verbreitung des Begriffs „mixed metaphor“ im 18. Jahrhundert
2.1.3. Metaphernkombinationen in den gegenwärtigen Metapherntheorien
2.1.4. Positive Sichtweisen auf Metaphernkombinationen
2.1.5. Mixaphor – blendaphor – malaphor
2.2. Hybridität als Grundcharakteristikum der Metapher – Metaphernkombination als Potenzierung von Metaphorizität
2.3. Kombination von Metaphern mit anderen sprachlichen Phänomenen
2.3.1. Metarison
2.3.2. Metaphtonomy
2.3.3. Sonstige Kombinationen
2.4. Arten von Metaphernkombinationen
2.4.1. Wiederholung
2.4.2. Modifikation
2.4.3. Diversifikation
2.4.4. Multivalenz
2.4.5. Metaphorische Erweiterung bzw. Erweiterte Metaphern
2.4.6. Vermischung
2.4.7. Inkonsistenz
2.4.8. Topic-Vehicle-Übertragung
2.4.9. Vehicle-Topic-Übertragung
2.4.10. Tabellarische Übersicht
2.5. Kriterien zur Metapheranalyse unter Berücksichtigung des Hybriditätscharakters von Metaphern und möglicher Kombinationen
3. Zusammenfassung
Teil II: Neutestamentliche Aktualisierung
Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament
1. Genre/Gattung
2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen
3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität
3.1. Aufnahme von Zitaten aus den jüdischen Heiligen Schriften
3.1.1. Lev 16
3.1.2. Jes 53
3.1.3. Texte aus der Tora (abgesehen von Lev 16)
3.1.4. Psalmen
3.1.5. Weitere Texte
3.2. Aufnahme frühchristlicher Traditionen
4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu
4.1. Verteilung von direktem und indirektem Sprechen vom Tod Jesu
4.2. Verschiedene indirekte Verweise auf Jesu Tod
4.2.1. Blut
4.2.2. Kreuz
4.2.3. Leiden
4.2.4. Hingeben
4.2.5. Sonstige indirekte Sprechweisen
5. Deutungen des Todes Jesu
5.1. Zwangsläufigkeit
5.1.1. Prophezeiungen
5.1.2. δεῖ und verwandte Wendungen
5.1.3. Erfüllung der Schrift und der Prophetie
5.1.4. Prophetenschicksal
5.1.5. Sonstige Zwangsläufigkeitsdeutungen
5.2. Funktion
5.2.1. „Für“ mit Personenbezeichnung (Wendungen mit ύπέρ, περί, άντί, διά und Personenbezeichnung)
5.2.2. „Für Sünden“ und Ausdrücke zur Tilgung von Sünden
5.2.3. Versöhnung – Vergebung – Sühne
5.2.4. Befreiung
5.2.5. Mitvollzug – Partizipation
5.2.6. Vorbildhaftigkeit
5.2.7. Heiligung
5.2.8. Offenbarung der Liebe Gottes
5.2.9. Sonstige Funktionsdeutungen
6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu
6.1. Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle
6.2. Metaphern mit Jesu Tod als Topic
6.2.1. JESU TOD IST EIN LOS- BZW. FREIKAUF (Z.B. AUS SKLAVEREI, GEFANGENSCHAFT)
6.2.2. JESU TOD IST EIN KULTISCHES OPFER
6.2.3. JESU TOD IST EINE REINIGUNG
6.2.4. Sonstige Metaphern
7. Zusammenfassung
Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen mit Bezug zum Tod Jesu
1. Kombinationen von Metaphern mit anderen sprachlichen Phänomenen
1.1. Metarison
1.2. Metaphtonomy
1.3. Sonstige Kombinationen
2. Arten von Metaphernkombinationen
2.1. Wiederholung und Modifikation
2.1.1. Überblick: Metaphernwiederholungen
2.1.2. Überblick: Metaphernmodifikationen
2.1.3. Exemplarische Analyse der Metaphernmodifikation in Eph 5,2
2.1.4. Metaphernwiederholungen und -modifikationen in Röm 6,1–11
2.2. Diversifikation
2.2.1. Überblick
2.2.2. Exemplarische Analyse von Mk 12,1–12
2.3. Multivalenz
2.3.1. Überblick
2.3.2. Exemplarische Analyse von Hebr 5,7; 13,15f. und der anderen προσφέρω-Aussagen im Hebräerbrief
2.4. Erweiterte Metapher
2.4.1. Überblick
2.4.2. Exemplarische Analyse von 1 Petr 2,4–8
2.5. Metaphernvermischung und Metapherninkonsistenz
2.5.1. Überblick: Metaphernvermischungen
2.5.2. Exemplarische Analyse von 1Petr 1,18f
2.5.3. Überblick: Metapherninkonsistenzen
2.5.4. Exemplarische Analyse von Hebr 10,19f
2.5.5. Grenzfälle am Beispiel von Röm 3,24f
2.6. Topic-Vehicle- und Vehicle-Topic-Übertragung
2.6.1. Überblick: Topic-Vehicle-Übertragungen
2.6.2. Überblick: Topic-Vehicle- und Vehicle-Topic-Übertragungen in Kombination
2.6.3. Exemplarische Analyse der synoptischen Kelchmetaphern
3. Zusammenfassung und theologische Reflexion
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Stellenregister
Personeregister
Sachregister
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Metaphernkombinationen in der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu
 9783161600357, 9783161608957, 3161600355

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich)

Mitherausgeber/Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) ∙ James A. Kelhoffer (Uppsala) Tobias Nicklas (Regensburg) ∙ Janet Spittler (Charlottesville, VA) J. Ross Wagner (Durham, NC)

563

Sophia Niepert-Rumel

Metaphernkombinationen in der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu

Mohr Siebeck

Sophia Niepert-Rumel, geboren 1988; 2007–2012 Studium des Lehramts an Gymnasien und Gesamtschulen mit den Fächern Ev. Theologie und Anglistik/Amerikanistik an der Universität Paderborn; seit 2012 Wiss. Mitarbeiterin für Biblische Theologie am Institut für Ev. Theologie der Universität Paderborn; 2020 Promotion.

orcid.org/0000-0002-6847-2739

ISBN 978-3-16-160035-7 / eISBN 978-3-16-160895-7 DOI 10.1628/978-3-16-160895-7 ISSN 0340-9570 / eISSN 2568-7484 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021  Mohr Siebeck Tübingen.  www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

für Immanuel und Evodia for always putting things into perspective

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Februar 2020 als Dissertationsschrift an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn eingereicht. Das Promotionsverfahren wurde im September 2020 abgeschlossen. Für den Druck wurde die Arbeit leicht überarbeitet. Viele Menschen haben mich bei dem „Unterfangen Promotion“ unterstützt und mich die vergangenen Jahre begleitet. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater Prof. Dr. Martin Leutzsch: für das ehrliche Interesse und die vielfachen Anregungen, für etliche produktive Gespräche und kritische Rückfragen, für das Vertrauen, mich manchmal einfach arbeiten zu lassen, für das Verständnis in schwierigen Arbeits- und Lebensphasen und dafür, dass er den Anstoß für eine Promotion gegeben hat, als ich mir das noch gar nicht vorstellen konnte. Sowohl in fachlicher als auch in menschlicher Hinsicht hätte ich mir keine bessere Betreuung dieses Projektes wünschen können. Prof. Dr. Ruben Zimmermann hat das Zweitgutachten erstellt und damit weitere Denkanstöße gegeben, wofür ich ebenfalls herzlich danken möchte. Seine Expertise im Bereich der neutestamentlichen Metaphern und auch seine interessierte und freundlich-zugewandte Art weiß ich sehr zu schätzen. Danken möchte ich ferner Prof. Dr. Jörg Frey für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe WUNT II. Vom kollegialen Austausch (und den informellen Kaffeepausen) innerhalb des Instituts für Evangelische Theologie der Universität Paderborn habe ich in den letzten Jahren sehr profitiert. Besondere Erwähnung verdienen dabei die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Kolloquium von Prof. Leutzsch und die Mitglieder der informellen Schreibgruppe. Aus beiden Zirkeln habe ich wertvolles Feedback und motivierende Gedanken mitnehmen können. Laura-Sophia Kindt-Matthes und besonders Melanie Heise sei für das Korrekturlesen ganz herzlich gedankt. Verbliebene Fehler sind allein auf mich zurückzuführen. Nam quod in iuventus non discitur, in matura aetate nescitur. Deshalb gilt all den Lehrerinnen und Lehrern Dank, die mich begleitet und gefördert haben. Stellvertrend und zugleich in besonderer Weise sei hier Claudia Seifert genannt, die in mir zuerst die Faszination für Metaphern und detaillierte Textanalysen geweckt hat.

VIII

Vorwort

Meiner Familie, meinen Freundinnen und Freunden sei von Herzen für den Rückhalt, das Verständnis und die Unterstützung während des gesamten Arbeitsprozesses gedankt. Mein Mann, Dr. Daniel Rumel, hat mit mir gemeinsam die Herausforderung angenommen, zwei Dissertationen parallel zu schreiben und gleichzeitig eine Familie zu gründen. Dass dieses Unterfangen geglückt ist, ist zu einem großen Teil seiner Zuversicht, seinem kühlen Kopf und seinem unerschütterlichen Glauben in unser aller Fähigkeiten geschuldet. Meine Dankbarkeit dafür lässt sich nicht in Worte fassen.



Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII Tabellenverzeichnis .................................................................................... XV

Einleitung ................................................................................................... 1 Teil I: Metapherntheoretische Überlegungen ..................................15 Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit .......................................................................................17 1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze .............................................20 1.1. Metapherntheorien der Antike ...............................................................23 1.1.1. Isokrates und Platon....................................................................24 1.1.2. Aristoteles ..................................................................................25 1.1.3. Cicero .........................................................................................39 1.1.4. Quintilian ...................................................................................45 1.1.5. Fazit ...........................................................................................50 1.2. Metapherntheorien der Gegenwart .........................................................51 1.2.1. Substitutionstheorie ....................................................................51 1.2.2. Vergleichstheorie ........................................................................54 1.2.3. 2(GR)AMS-Ansatz (Genre-Relevance, Graded-Risk Approach to Metaphorical Scalarity), Andrew Goatly ...............................57 1.2.4. Interaktionstheorie, I.A. Richards, Max Black ............................64 1.2.5. Verbal-opposition-Theorie, Monroe Beardsley ...........................69 1.2.6. Conceptual Theory .....................................................................74 1.2.7. Blending Theory .........................................................................76 1.2.8. Class-Inclusion-Theorie .............................................................78 1.2.9. Die Metapher in der pragmatischen Sprechakttheorie .................79 1.2.10. Fazit .........................................................................................81 2. Die Bestandteile der Metapher – eine terminologische Klärung ...............87

X

Inhaltsverzeichnis

3. Wörtlicher und metaphorischer Sprachgebrauch oder: Wie erkennt man eine Metapher? .................................................................................89 4. Die Metapher im Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen .........97 4.1. Tropus ...................................................................................................98 4.2. Vergleich ...............................................................................................99 4.3. Metonymie und Synekdoche ................................................................ 104 4.4. Allegorie.............................................................................................. 109 4.5. Analogie .............................................................................................. 112 4.6. Symbol ................................................................................................ 113 4.7. Gleichnis und Parabel .......................................................................... 115 4.8. Rätsel .................................................................................................. 121 4.9. Oxymoron ........................................................................................... 122 4.10. Personifikation .................................................................................. 123 4.11. Katachrese ......................................................................................... 124 5. Klassifizierungen von Metaphern ........................................................... 126 5.1. Klassifizierung nach Wortarten ........................................................... 126 5.2. Klassifizierung nach Konventionalitätsgrad („tote“, „schlafende“, „lebendige“ Metaphern) ..................................................................... 127 5.3. Klassifizierung nach Grounds .............................................................. 130 5.4. Zur Frage nach expliziten und impliziten Metaphern ........................... 132 6. Markierung und Signalisierung von Metaphern ...................................... 133 7. Funktionen und Auswirkungen von Metaphern ....................................... 134 8. Metapher und Wirklichkeit ..................................................................... 138 9. Zusammenfassung: Das in dieser Arbeit vertretene Metaphernverständnis ............................................................................ 141

Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität .......................................................................146 1. Begriffe und Konzepte ............................................................................ 146 1.1. Mischung ............................................................................................. 147 1.2. Hybrid/Hybridität/Hybridisierung ........................................................ 150 1.3. Kombination ........................................................................................ 157 1.4. Fazit ....................................................................................................158

Inhaltsverzeichnis

XI

2. Mischungen/Hybridität/Kombinationen in der Metapherntheorie ........... 159 2.1. mixed metaphor – Theoriegeschichte und Forschungsstand .................159 2.1.1. Metaphernvermischungen und verwandte Phänomene in der Wahrnehmung der Antike ........................................................ 162 2.1.2. Das Aufkommen und die Verbreitung des Begriffs „mixed metaphor“ im 18. Jahrhundert .................................................. 164 2.1.3. Metaphernkombinationen in den gegenwärtigen Metapherntheorien ................................................................... 197 2.1.4. Positive Sichtweisen auf Metaphernkombinationen .................. 213 2.1.5. Mixaphor – blendaphor – malaphor ......................................... 221 2.2. Hybridität als Grundcharakteristikum der Metapher – Metaphernkombination als Potenzierung von Metaphorizität ............. 232 2.3. Kombination von Metaphern mit anderen sprachlichen Phänomenen ....................................................................................... 235 2.3.1. Metarison ................................................................................. 236 2.3.2. Metaphtonomy .......................................................................... 238 2.3.3. Sonstige Kombinationen ........................................................... 241 2.4. Arten von Metaphernkombinationen .................................................... 242 2.4.1. Wiederholung ........................................................................... 242 2.4.2. Modifikation ............................................................................. 243 2.4.3. Diversifikation .......................................................................... 245 2.4.4. Multivalenz .............................................................................. 246 2.4.5. Metaphorische Erweiterung bzw. Erweiterte Metaphern ........... 247 2.4.6. Vermischung ............................................................................ 248 2.4.7. Inkonsistenz.............................................................................. 250 2.4.8. Topic-Vehicle-Übertragung ....................................................... 251 2.4.9. Vehicle-Topic-Übertragung ....................................................... 252 2.4.10. Tabellarische Übersicht .......................................................... 253 2.5. Kriterien zur Metapheranalyse unter Berücksichtigung des Hybriditätscharakters von Metaphern und möglicher Kombinationen ................................................................................... 258 3. Zusammenfassung................................................................................... 261

Teil II: Neutestamentliche Aktualisierung......................................263 Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament ..................................................................................265 1. Genre/Gattung ........................................................................................ 269

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen ............................................ 277 3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität .......................... 286 3.1. Aufnahme von Zitaten aus den jüdischen Heiligen Schriften ............... 287 3.1.1. Lev 16 ...................................................................................... 287 3.1.2. Jes 53 ........................................................................................ 290 3.1.3. Texte aus der Tora (abgesehen von Lev 16) .............................. 296 3.1.4. Psalmen .................................................................................... 299 3.1.5. Weitere Texte ........................................................................... 302 3.2. Aufnahme frühchristlicher Traditionen ................................................ 305 4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu ..................................... 312 4.1. Verteilung von direktem und indirektem Sprechen vom Tod Jesu ............................................................................................. 314 4.2. Verschiedene indirekte Verweise auf Jesu Tod .................................... 321 4.2.1. Blut........................................................................................... 321 4.2.2. Kreuz ........................................................................................ 329 4.2.3. Leiden ...................................................................................... 333 4.2.4. Hingeben .................................................................................. 336 4.2.5. Sonstige indirekte Sprechweisen............................................... 340 5. Deutungen des Todes Jesu ...................................................................... 349 5.1. Zwangsläufigkeit ................................................................................. 350 5.1.1. Prophezeiungen ........................................................................ 350 5.1.2. įİ૙ und verwandte Wendungen ................................................. 353 5.1.3. Erfüllung der Schrift und der Prophetie .................................... 356 5.1.4. Prophetenschicksal ................................................................... 360 5.1.5. Sonstige Zwangsläufigkeitsdeutungen ...................................... 363 5.2. Funktion .............................................................................................. 364 5.2.1. „Für“ mit Personenbezeichnung (Wendungen mit ਫ਼ʌȑȡ, ʌİȡȓ, ਕȞIJȓ, įȚȐ und Personenbezeichnung) ...................... 365 5.2.2. „Für Sünden“ und Ausdrücke zur Tilgung von Sünden ............. 374 5.2.3. Versöhnung ௅ Vergebung ௅ Sühne ............................................ 386 5.2.4. Befreiung .................................................................................. 390 5.2.5. Mitvollzug ௅ Partizipation ........................................................ 395 5.2.6. Vorbildhaftigkeit ...................................................................... 401 5.2.7. Heiligung .................................................................................. 404 5.2.8. Offenbarung der Liebe Gottes................................................... 408 5.2.9. Sonstige Funktionsdeutungen ................................................... 410

Inhaltsverzeichnis

XIII

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu ................................................. 416 6.1. Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle .................................................... 417 6.2. Metaphern mit Jesu Tod als Topic ....................................................... 432 6.2.1. JESU TOD IST EIN LOS- BZW. FREIKAUF (Z.B. AUS SKLAVEREI, GEFANGENSCHAFT) .............................................. 433 6.2.2. JESU TOD IST EIN KULTISCHES OPFER ........................................ 442 6.2.3. JESU TOD IST EINE REINIGUNG .................................................. 451 6.2.4. Sonstige Metaphern ..................................................................457 7. Zusammenfassung................................................................................... 465

Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen mit Bezug zum Tod Jesu ............................................................................469 1. Kombinationen von Metaphern mit anderen sprachlichen Phänomenen...................................................................... 475 1.1. Metarison ............................................................................................ 476 1.2. Metaphtonomy ..................................................................................... 477 1.3. Sonstige Kombinationen ...................................................................... 481 2. Arten von Metaphernkombinationen ....................................................... 482 2.1. Wiederholung und Modifikation .......................................................... 483 2.1.1. Überblick: Metaphernwiederholungen ...................................... 483 2.1.2. Überblick: Metaphernmodifikationen ....................................... 490 2.1.3. Exemplarische Analyse der Metaphernmodifikation in Eph 5,2 ................................................................................ 495 2.1.4. Metaphernwiederholungen und -modifikationen in Röm 6,1–11 ............................................................................. 501 2.2. Diversifikation ..................................................................................... 518 2.2.1. Überblick .................................................................................. 519 2.2.2. Exemplarische Analyse von Mk 12,1–12 .................................. 531 2.3. Multivalenz ......................................................................................... 558 2.3.1. Überblick .................................................................................. 558 2.3.2. Exemplarische Analyse von Hebr 5,7; 13,15f. und der anderen ʌȡȠıijȑȡȦ-Aussagen im Hebräerbrief......................... 566 2.4. Erweiterte Metapher ............................................................................ 584 2.4.1. Überblick .................................................................................. 585 2.4.2. Exemplarische Analyse von 1 Petr 2,4–8 .................................. 590 2.5. Metaphernvermischung und Metapherninkonsistenz............................ 609 2.5.1. Überblick: Metaphernvermischungen ....................................... 610 2.5.2. Exemplarische Analyse von 1Petr 1,18f.................................... 615

XIV

Inhaltsverzeichnis

2.5.3. Überblick: Metapherninkonsistenzen ........................................ 632 2.5.4. Exemplarische Analyse von Hebr 10,19f. ................................. 639 2.5.5. Grenzfälle am Beispiel von Röm 3,24f. .................................... 657 2.6. Topic-Vehicle- und Vehicle-Topic-Übertragung ................................... 666 2.6.1. Überblick: Topic-Vehicle-Übertragungen ................................. 667 2.6.2. Überblick: Topic-Vehicle- und Vehicle-TopicÜbertragungen in Kombination................................................ 669 2.6.3. Exemplarische Analyse der synoptischen Kelchmetaphern .......671 3. Zusammenfassung und theologische Reflexion........................................ 690

Fazit und Ausblick ................................................................................696 Literaturverzeichnis .................................................................................... 705 Stellenregister............................................................................................. 725 Personeregister ........................................................................................... 740 Sachregister ................................................................................................ 743

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Übersicht der behandelten Metapherntheorien .............................82 Tabelle 2: Unterschiedliche Bezeichnungen für die Bestandteile der Metapher ................................................................................................87 Tabelle 3: Übersicht verschiedener Arten von Metaphernkombinationen ........................................................................... 254 Tabelle 4: Bezugnahmen auf kultische Handlungen im Hebräerbrief.......... 298 Tabelle 5: Metaphernstruktur der Brotworte ............................................... 418 Tabelle 6: Metaphernstruktur der Kelchworte............................................. 419 Tabelle 7: Metaphernstruktur von 1Kor 10,16 ............................................ 420 Tabelle 8: Übersicht der ȞİțȡȠȪȢ-Metaphern .............................................. 423 Tabelle 9: Metaphern, die das Mit-Sterben durch Verbformen/Partizipien ausdrücken ............................................................ 424 Tabelle 10: Metaphernstruktur von Gal 6,14 .............................................. 426 Tabelle 11: Gegenüberstellung der Struktur von Eph 2,16; Kol 2,14; 1Petr 2,24a ................................................................................................. 427 Tabelle 12: Metaphernstruktur von Mk 10,45 und 1Tim 2,6 ....................... 434 Tabelle 13: Übersicht der Metaphern mit (ਥȟ-)ĮȖȠȡȐȗȦ.............................. 436 Tabelle 14: Übersicht der Metaphern mit ʌȡȠıijȑȡȦ/ਕȞĮijȑȡȦ im Hebräerbrief .......................................................................................... 446 Tabelle 15: Übersicht der Metaphern mit țĮșĮȡȓȗȦ.................................... 452 Tabelle 16: Hohepriester-Typologie des Hebräerbriefs ............................... 589

Einleitung And your Jesus really died for me Then Jesus really tried for me […] Jesus didn’t die for you, what do you want? (I want perfection) Jesus didn’t die for you, what are you on?

„You speak metaphorically, I hope“, said Peggy. „I hope not“, said Becca. „Metaphors have a way of holding the most truth in the least space.“ (Orson Scott Card, Alvin Journeyman, 1995)

(Robbie Williams, „Bodies“, 2009)

Die beiden aufgeführten Zitate weisen auf die Kernbereiche der vorliegenden Studie, den Tod Jesu einerseits und metaphorische Sprache andererseits, hin und zeigen, dass es sich dabei um Themen handelt, die auch im alltäglichen Bewusstsein der heutigen Menschen Raum finden. Beide Aussagen spiegeln wichtige und tiefgreifende Erkenntnisse wider, obwohl man die jeweiligen Texte, in denen sie vorkommen, nicht unbedingt „anspruchsvoller“ Literatur zuordnen kann. Bei dem ersten Zitat handelt es sich um einen Ausschnitt aus einem weit bekannten und kommerziell erfolgreichen Popsong, der auch nach über zehn Jahren noch gelegentlich im Radio gespielt wird. Darin wird die Bedeutung des Todes Jesu für den heutigen Menschen auf kritische Weise reflektiert. Ist Jesus für mich gestorben? Was genau soll das bedeuten? Robbie Williams, der den Songtext selbst geschrieben hat, scheint sich von einer Idee des Sterbens Jesu für andere zu distanzieren. Obwohl dieses zu Beginn offenbar noch vorausgesetzt wird, zeigt die Bezeichnung „your Jesus“, dass das lyrische Ich einen solchen Glauben nicht teilt. Auch die nächste Zeile, in der berichtet wird, dass Jesus es wirklich versucht hat, kann so gelesen werden, dass die Erzählinstanz nicht erreicht wurde. Zum Ende des Liedes hin wird ein Sterben Jesu für andere, nicht nur für das lyrische Ich, sondern auch für diejenigen, die es adressiert, gänzlich negiert. Der Tonfall ist nun polemisch: „what are you on?“ ist wohl zu verstehen als „Welche Drogen habt ihr genommen, dass ihr so etwas glaubt?“1 Dennoch besteht ein interessantes Element darin, dass die 1 Prinzipiell könnte die Frage auch in etwa wiedergegeben werden als „Was macht ihr gerade?“ Das scheint sich aber nicht sinnvoll in den Gesamtkontext integrieren zu lassen.

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Einleitung

erste Frage „what do you want?“ von den Hintergrundsängerinnen und -sängern beantwortet wird: „I want perfection“. Dies ist ein Echo einer Liedzeile, die das lyrische Ich selbst im Refrain zuvor mehrmals vorgebracht hat. Damit kann angedeutet werden, dass die Deutung, Jesu Tod geschehe für den Menschen, in Bezug zu einer grundlegenden, aber aus eigenen Stücken unerfüllbaren Sehnsucht des Menschen steht. Diese Sehnsucht bleibt auch bestehen, wenn eine soteriologische Deutung des Todes Jesu abgelehnt wird. Das Lied „Bodies“ enthält eine Reihe religiöser und esoterischer Anspielungen, etwa indem auf den Bodhi-Baum oder Ley-Linien verwiesen wird. Eine umfassende Deutung ist schwierig und vielleicht auch gar nicht angebracht, da Williams selbst den Text als „gibberish“ bezeichnete.2 Dennoch handelt es sich um ein relativ junges Beispiel der Rezeption biblischer Sprache ௅ in diesem Fall der Deutung des Todes Jesu anhand von „für“-Aussagen ௅ in der Popkultur. Es ist auch ein Spiegel dafür, dass es in der heutigen Zeit nicht einfach ist, vom Tod Jesu zu sprechen und eine Funktion aus diesem abzuleiten, die für die Menschen sinnvoll und ansprechend ist. Dabei werden einzelne Bild- und Deutungskonzepte in neuerer Zeit als besonders problematisch angesehen. Insbesondere die Aussage, Jesu Tod sei als kultisches Opfer aufzufassen, wird teilweise heftig kritisiert und als aus heutiger Sicht untragbar zurückgewiesen.3 „Die Sühnopfervorstellung steht heute dem Evangelium von Jesus Christus im Wege und muß verabschiedet werden“ ௅ so lautet etwa eine These des Theologen Klaus-Peter Jörns.4 Dabei ist diese Kritik an der Opfervorstellung keines-

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Vgl. ROBERTS, LAURA, Robbie Williams: My Comeback Single Was Gibberish, in: The Telegraph, 22.10.2010 (https://www.telegraph.co.uk/culture/music/music-news/8079114/ Robbie-Williams-my-comeback-single-was-gibberish.html), abgerufen am 27.01.2020. Willliams wird in demselben Interview zitiert: „Who knows what I was going on about? I was f***ing stoned. The edge had gone.“ 3 Vgl. für eine Auflistung der sich gegen das Opfer Christi wendenden Theologinnen und Theologen der letzten Jahre: RITTER, WERNER H., Abschied vom Opfermythos?, in: Ders. (Hg.), Erlösung ohne Opfer? (Biblisch-theologische Schwerpunkte 22), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003, 193–246. Hier: 193–197. 4 JÖRNS, KLAUS-PETER, Notwendige Abschiede. Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 52010, 326.

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wegs neu, sondern geht bis in die Zeit von Sozinianismus, Deismus und Aufklärungstheologie zurück.5 Als hilfreich kann sich angesichts dieses Befremdens ein Ansatz erweisen, den Exegetinnen und Exegeten6 in den letzten Jahren vermehrt gewählt haben, der aber ebenfalls in die Zeit von Aufklärung und Deismus zurückreicht: die Betonung des metaphorischen Charakters verschiedener neutestamentlicher Deutungen des Todes Jesu.7 Dies leitet über zur Betrachtung des zweiten dieser Einleitung vorausgestellten Zitats. Es handelt sich um eine kurze Textpassage aus dem vierten Teil 5 Vgl. z.B. FOCK, OTTO, Der Sozinianismus. Nach seiner Stellung in der Gesamtentwicklung des christlichen Geistes, nach seinem historischen Verlauf und nach seinem Lehrbegriff dargestellt, Kiel: Schröder 1847, 631–636; MORGAN, THOMAS, The Moral Philosopher. Vols. I-III (1738–1740), hg. v. Günter Gawlick, Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1969. Bd. I, 146–229; EDELMANN, JOHANN CHRISTIAN, Abgenöthigtes jedoch Andern nicht wieder aufgenöthigtes Glaubens-Bekenntnis, o.O.: o.V. 1746, 89–91. Besonders harsch fällt das Urteil von Hermann Samuel Reimarus aus: „Falsch ist der Ursprung des Bösen unter den Menschen; falsch die Erbsünde; falsch die Beleydigung Gottes durch die Sünde; falsch die Unendlichkeit der Beleydigung; falsch die Nothwendigkeit einer Genugthuung, und zwar einer unendlichen Genugthuung; falsch, daß Jesus um unsert willen und zur Versöhnung aller Menschen gekreuziget sey; falsch, daß er vom Tode erstanden und gen Himmel gefahren sey;“ (REIMARUS, HERMANN SAMUEL, Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes. Bd. 2, hg. v. Gerhard Alexander, Frankfurt a. M.: Insel Verlag 1972, 519.) Das Zitat zeigt eindeutige Nähen zu Robbie Williams’ Textzeile „Jesus didn’t die for you“. Gleichzeitig klingt hier an, dass die Deisten nicht die Opferdeutung allein kritisierten, sondern sie zumeist in engem Kontext von Satisfaktionslehre und Stellvertretung sahen. Zudem liegt der deistischen Kritik eine negative Bewertung der Opfer an sich zu Grunde, die als „Priesterbetrug“ bewertet wurden. 6 In dieser Arbeit werden nach Möglichkeit – soweit inhaltlich passend – geschlechtsneutrale Bezeichnungen gewählt oder es werden sowohl männliche als weibliche Formen verwendet. In beiden Fällen sind stets Menschen jeglichen Geschlechts gemeint. 7 Der metaphorische Charakter des Sprechens von Jesu Tod als Opfer wird bereits von Thomas Morgan hervorgehoben (s. vorherige Fußnote). Daneben wird sie besonders von Joseph Priestley stark gemacht. Priestley betont dabei auch, dass andere Konzepte als der Tod Jesu durch die Opfermetapher beschrieben werden (mit Verweis auf Röm 12,1 und Hebr 13,15f.) und dass vom Tod Jesu auch durch andere Bilder gesprochen wird als durch diese bestimmte Metapher. (Vgl. CLEMENS [PRIESTLEY, JOSEPH], An Essay on the Great End of the Life and Death of Christ, Intended, More Especially, to Refute the Commonly Received Doctrine of Atonement, in: The Theological Repository. Consisting of Original Essays, Hints, Queries etc. Calculated to Promote Religious Knowledge. Bd. 1, hg. v. Joseph Priestley, London: J. Johnson 21773, 17–45.121–136.195–218.247–267.327–353.400–430. Hier: 123–134.) Damit geht Priestley indirekt bereits auf Metaphernkombinationen wie Multivalenz und Diversifikation (s.u., Anschnitt 2.4.3 und 2.4.4. des zweiten Kapitels) ein. Daneben fasst Thomas Chubb die Formulierung, Jesu Tod sei ein Lösegeld, als figurative Sprache auf (Vgl. CHUBB, THOMAS, An Enquiry Concerning Sinners Deliverance from Condemnation, in: Ders., A Collection of Tracts in Various Subjects, London: T. Cox 1730, 127–141. Hier: 140.) und stellt z.B. die Austreibung des Sündenbocks am Jom Kippur als „figurative action“ dar. (Vgl. CHUBB, THOMAS, The True Gospel of Jesus Christ Asserted, London: T. Cox 1738, 146–148.)

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einer Romanreihe, die Elemente des Fantasy- und Science-Fiction-Genres (insbesondere der Alternativweltgeschichte) miteinander vereint und daneben auch deutliche religiöse Anklänge besitzt. In Alvin Journeyman geht es nicht vorrangig um Metaphern, und das Gespräch, in das das Zitat eingebettet ist, ist thematisch nicht besonders tiefgreifend. Dennoch bringt die Aussage einen wesentlichen Aspekt der Metapher in besonderer Intensität auf den Punkt: „Metaphors have a way of holding the most truth in the least space.“ Metaphern gehen in ihrer Funktion über den bloßen Redeschmuck deutlich hinaus. Sie eröffnen einen Zugang zur Wirklichkeit, der sonst sprachlich kaum fassbar ist. Sie zeigen Zusammenhänge auf, die sonst unberücksichtigt und unerkannt bleiben würden. Dieser hochkomplexe Prozess geschieht aber in äußerst komprimierter Form, meist durch einen einfachen Satz. Was sonst umständlich dargestellt werden müsste, wird durch die Metapher in knapper Form präsentiert, und es wird zur Aufgabe und Herausforderung der Rezipierenden, die Zusammenhänge herzustellen. Ein weiterer interessanter Aspekt ergibt sich aus dem Dialog, in dem dieses Zitat vorkommt. Peggy schreckt offenbar davor zurück, dass die vorherige Aussage Beccas wörtlich gemeint sein könnte, und sieht eine metaphorische Ausdrucksweise als vorsichtiger und harmloser an. Dem widerspricht Becca entschieden: Metaphern sind gerade nicht harmlos, weil sie einen treffenden Zugang zur Realität eröffnen, der sonst verschlossen bleiben würde. Auch wenn Metaphern in ihrer Grundform gerade keine „wahren“ Aussagen darstellen ௅ der Satz „Der Mensch ist ein Wolf“ etwa ist für sich genommen und wörtlich verstanden ein Widerspruch an sich und somit falsch ௅ wird in ihnen eine Wahrheit erkennbar, die sich nur in dieser konkreten Form zeigt. Durch die Gleichsetzung von Mensch und Wolf wird ein Bild vom Menschen entworfen, das auf keine andere Weise zugänglich ist. Metaphern sind insbesondere im religiösen Sprachgebrauch unabdingbar, wie schon seit Langem bekannt ist. Konzepte, die sich der menschlichen Vorstellungskraft entziehen, können gar nicht anders beschrieben werden als durch metaphorische Sprache, und das gilt insbesondere für das Göttliche. Dementsprechend ist es wenig verwunderlich, dass die Bibel voller Metaphern ist, die Gott und Christus annäherungsweise beschreiben sollen, und dass vor allem der Tod Jesu metaphorisch gedeutet wird. Das Sterben Jesu muss, selbst wenn Jesus sein Schicksal vorausgeahnt und dies auch geäußert hatte, ein Schock für seine Anhängerinnen und Anhänger gewesen sein. Dieses dramatische Geschehen musste in Sprache gefasst werden. Doch bei einer Beschreibung der Vorkommnisse konnten die ersten Christinnen und Christen nicht stehenbleiben. Für einen großen Teil von ihnen war klar, dass der Tod Jesu dem Willen Gottes entspricht, dass sich dahinter etwas Größeres verbirgt. Jesu Tod bezeichnet nicht nur sein Lebensende, sondern ist für das Heil der Menschen relevant. Diese enorme Bedeutung musste in Worte gefasst werden, doch Worte allein waren kaum ausreichend. Nur durch den Gebrauch von Metaphern konnte man sich dem Unfassbaren annähern. Dabei wurde offenbar in der Lebenswelt der

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neutestamentlichen Autorinnen und Autoren nach Konzepten gesucht, die sich eigneten, die Wirkung des Todes Jesu approximativ darzustellen. Besonders prominent wurden dabei das Konzept des kultischen Opfers und auch des Loskaufs aus Sklaverei oder Kriegsgefangenschaft, aber auch zu einigen weiteren Bereichen wurden Analogien hergestellt. Nun haben sich die Autoren und Autorinnen jedoch auch nicht auf ein einzelnes Bild festgelegt. Wo überhaupt vom Tod Jesu die Rede ist, da wird er mit unterschiedlichen Deutungsmustern versehen und durch verschiedene Metaphern veranschaulicht. Dieses Mit- und Nebeneinander der Metaphern hilft dabei, unterschiedliche Aspekte des Todes Jesu sowie seiner Funktion hervorzuheben. Verschiedene Metaphern innerhalb derselben neutestamentlichen Schrift können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Sie interagieren miteinander und nehmen aufeinander Bezug. An einigen Stellen werden diese Metaphern auf eine Art kombiniert, die in Widersprüchlichkeiten, Inkonsistenzen und Vermischungen resultiert. Der Tod Jesu und seine soteriologische Bedeutung sprengen die Grenzen eines einzelnen Bildes. Darum soll in der vorliegenden Studie genauer untersucht werden, wie im Neuen Testament Metaphern mit Bezug zum Tod Jesu kombiniert werden und welche Deutungsangebote diese Kombinationen über „einfache“ Metaphern hinaus bieten. Die Anwendung von Metapherntheorien auf die neutestamentlichen Aussagen zum Tod Jesu ermöglicht es, diese vor ihrem jeweils historisch bedingten Gedankenhintergrund besser zu verstehen und sie zugleich für die heutige Zeit zu öffnen. Bedauerlicherweise wird jedoch der metaphorische Charakter der neutestamentlichen Deutungen von Exegetinnen und Exegeten meist diagnostiziert, ohne dass daraufhin eine tiefergehende metapherntheoretische Analyse erfolgt.8 Eine reine Benennung bleibt jedoch bedeutungsleer und für Missverständnisse anfällig. Hier leistet diese Forschungsarbeit einen Beitrag zur stärkeren theoretischen Auseinandersetzung. Das Manko einer Reihe von exegetischen Arbeiten, die sich mit der Metapher beschäftigen, unabhängig von der konkreten Themenstellung, besteht darin, dass die Metapher als Phänomen vorausgesetzt und nicht hinreichend definiert wird. Ein Beispiel hierfür ist die Studie von Finlan.9 Wie der Titel (The Background and Content of Paul’s Cultic Atonement Metaphors) bereits deutlich macht, wird von Metaphern ausgegangen, aber an keiner Stelle dargelegt, was unter der Metapher eigentlich verstanden wird oder welche Metapherntheorie der Arbeit zu Grunde gelegt wird. 8 Zu diesem Schluss kommt auch Zimmermann. (Vgl. ZIMMERMANN, RUBEN, „Deuten“ heißt erzählen und übertragen. Narrativität und Metaphorik als zentrale Sprachformen historischer Sinnbildung zum Tod Jesu, in: Jörg Frey/Jens Schröter [Hg.], Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament [Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181], Tübingen: Mohr Siebeck 2005, 315–373. Hier: 361.) 9 FINLAN, STEPHEN, The Background and Content of Paul’s Cultic Atonement Metaphors (Society of Biblical Literature Academia Biblica 19), Leiden/Boston: Brill 2004.

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Es wird offenbar von einem Alltagsverständnis der Metapher ausgegangen.10 Selbst wenn das Phänomen der Metapher reflektiert wird, erfolgt meist eine einseitige Betrachtung durch die Beschränkung auf eine oder wenige Metapherntheorien.11 Im Gegensatz dazu soll im ersten Teil dieser Studie eine deutlich umfassendere Auseinandersetzung mit der Metapher erfolgen, um einen angemessenen theoretischen Rahmen für die folgende Anwendung auf das Neue Testament zu stecken. Daher werden zunächst unterschiedliche metapherntheoretische Ansätze der Antike und der heutigen Zeit dargestellt und kritisch betrachtet. Zudem werden Überlegungen angestellt zur Kategorisierung von Metaphern, insbesondere nach unterschiedlichen Konventionalitätsgraden, zur Abgrenzung der Metapher von anderen sprachlichen Phänomenen, zu ihren Funktionen und Auswirkungen. Es zeigt sich, dass häufig Ähnlichkeit und Analogie als Grundprinzipien angeführt werden, nach denen Metaphern funktionieren. Demgegenüber betone ich zusätzlich die Spannung oder Widersprüchlichkeit als konstitutives Element der metaphorischen Aussage. Das zweite Kapitel der Arbeit widmet sich zunächst den Phänomenen der Mischung und Kombination. Beide Begriffe werden im Wissenschaftsdiskurs nur verhältnismäßig selten gebraucht. Mit dem Begriff „Hybridität“ gibt es 10

Ein weiteres Beispiel bildet die Arbeit von George zur Hirtenmetaphorik im Markusevangelium. (GEORGE, JOGY CHERUVATHOOR, The Metaphor of Shepherd in the Gospel of Mark [European University Studies. Serie 23, Theologie 950], Frankfurt a.M.: PL Academic Research 2015.) Auch hier wird auf den Metaphernbegriff höchstens indirekt eingegangen. 11 Hans Weder etwa bezieht sich fast ausschließlich auf das von Ricœur und Jüngel herausgegebene Büchlein zur Metapher, das viele wertvolle Aspekte beinhaltet, aber kaum die Komplexität des metapherntheoretischen Diskurses abbildet. (Vgl. WEDER, HANS, Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen [Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 120], Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 31984.) Petra von Gemünden bezieht sich knapp auf Substitutions- und Interaktionstheorie als Gegenpole und ist dabei stark von Weinrich abhängig, während sie die wichtige englischsprachige Forschung zu dem Thema fast vollständig ausklammert. (Vgl. GEMÜNDEN, PETRA VON, Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt [Novum testamentum et orbis antiquus 18], Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993.) Auch die neuere Studie von Christian Eberhart hat nur eine knappe methodologische Reflexion im Hinblick auf die Metapher. (Vgl. EBERHART, CHRISTIAN A., Kultmetaphorik und Christologie [Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 306], Tübingen: Mohr Siebeck 2013.) Positiv hervorzuheben ist hingegen, dass vor allem in neueren Veröffentlichungen zu den jüdischen Heiligen Schriften teilweise sehr differenziert auf die Metapher eingegangen wird. Beispiele sind etwa SEIFERT, BRIGITTE, Metaphorisches Reden von Gott im Hoseabuch (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 166), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996; FOREMAN, BENJAMIN A., Animal Metaphors and the People of Israel in the Book of Jeremiah (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 238), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011; CRUZ, JUAN, „Who is like Yahweh?“. A Study of Divine Metaphors in the Book of Micah (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 263), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2016.

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aber einen vergleichbaren Terminus, der in den Kulturwissenschaften momentan weit verbreitet ist. Eine Betrachtung der entsprechenden Begrifflichkeiten trägt dazu bei, ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, mit welchen Vorannahmen und Wertungen sie aufgeladen sein können, was eine Übertragung auf den Metapherndiskurs transparenter macht. In den Metapherntheorien selbst wurde die Frage nach Metaphernkombinationen überraschend selten thematisiert, obwohl sich insbesondere im letzten Jahrzehnt ein neues Interesse daran entwickelt hat. Im schulischen Kontext, in Stilbüchern und Schreibanleitungen hält sich aber im englischsprachigen Raum seit Jahrhunderten die Warnung vor der „mixed metaphor“. Anhand dieses Begriffs werden Theoriegeschichte und Forschungsstand zum Phänomen der Metaphernkombination dargestellt. Anschließend daran werden unterschiedliche Kombinationsarten vorgestellt, sowohl der Metapher mit anderen „Stilmitteln“, vor allem mit Metonymie und Vergleich, als auch von Metaphern untereinander. Betrachtet man die Ergebnisse der ersten beiden Kapitel gemeinsam, so ist eine wichtige Erkenntnis, dass Hybridität nicht erst in Metaphernkombinationen eine Rolle spielt, sondern ein Grundcharakteristikum der Metapher an sich darstellt. Im Anschluss an diesen metapherntheoretisch geleiteten Teil folgt die Anwendung auf neutestamentliche Texte. Bevor allerdings die Erwägungen zu Metapherntheorien und vor allem -kombinationen auf die Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament übertragen werden, wird zunächst im dritten Kapitel umfassend dargelegt, wie im Neuen Testament überhaupt vom Tod Jesu gesprochen wird. Dabei wird eine eigene Kategorisierung vorgenommen, die der weiteren Argumentation dienlich ist und vage, meist nicht quellensprachlich fundierte Zuschreibungen wie vor allem „Sühne“ und „Stellvertretung“ vermeidet. Stattdessen erfolgt eine möglichst enge Orientierung an den neutestamentlichen Begrifflichkeiten. Den Rahmen bildet dabei die Berücksichtigung der jeweiligen Gattung, Erzählinstanz bzw. Sprecher/Sprecherin und möglicher intertextueller Bezüge, sowohl im Hinblick auf die Aufnahme von frühchristlichen Traditionen als auch von Zitaten aus den jüdischen Heiligen Schriften. Meines Erachtens ist es notwendig, direkte und indirekte Sprechweisen vom Tod Jesu zu unterscheiden. Indirekte Redeweisen stellen etwa der Verweis auf Jesu Kreuz, Blut oder Leiden dar, die für sich genommen bereits metonymisch geprägt sind. Daneben sollte genau beachtet werden, wo Jesu Tod nur erwähnt wird und wo er auch eine Deutung erfährt. Diese Deutungen lassen sich wiederum unterscheiden in solche, in denen die Zwangsläufigkeit des Todes betont wird (etwa durch einen Verweis auf die Erfüllung der Schrift) und solche, in denen vor allem eine Funktion des Todes hervorgehoben wird (etwa Versöhnung oder Mitvollzug). Das metaphorische Sprechen vom Tod Jesu ist im Großteil der Fälle als eine Unterkategorie der Funktionsdeutung zu sehen, da in jeder Metapher eine Deutung angelegt ist. Einzelfälle können auch der indirekten Redeweise vom Tod Jesu zugeordnet werden. Es ist wichtig, die metaphorischen Bezugnahmen auf Jesu Tod in den Gesamtzusammenhang des

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Sprechens von diesem Sterben im Neuen Testament einzuordnen und nicht generelle Deutungsmuster mit metaphorischen Sprechweisen zu verwechseln. Im vierten und letzten Kapitel der vorliegenden Arbeit werden die unterschiedlichen neutestamentlichen Metaphernkombinationen mit Bezug zum Tod Jesu dargestellt und diskutiert. Dazu wird für jede der im zweiten Kapitel aufgezeigten Metaphernkombinations-Kategorien zunächst ein genereller Überblick darüber gegeben, wo diese sich im Neuen Testament und innerhalb der Rede vom Tod Jesu finden lassen. Anschließend werden besonders prägnante Beispiele tiefergehend analysiert. Einige Metaphernkombinationen, insbesondere Metaphernvermischungen, wurden und werden oft als stilistische Fehlleistungen interpretiert. In der exegetischen Forschung geht die Tendenz dahin, solche Metaphernvermischungen durch die Verarbeitung unterschiedlicher Traditionen oder aufgrund von spezifischen kulturellen Phänomenen zu erklären. Dabei liegt der Schwerpunkt darauf, die in der Metaphernkombination vorhandene Spannung plausibel zu machen und aufzulösen. Eine umfangreiche Untersuchung zu diesem Thema gibt es jedoch bisher noch nicht. In dieser Arbeit sollen solche Metaphernkombinationen in der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament nicht nur aufgezeigt werden. Auch die besondere Aussagekraft dieser Kombinationen, insbesondere solcher, die widersprüchlich erscheinen, soll gewürdigt werden, weshalb ein größerer theoretischer Rahmen erforderlich ist. Anstatt die Spannung zu nivellieren, geht es darum, den in der Spannung vorhandenen und nur durch diese überhaupt ausdrückbaren theologischen Aussagegehalt herauszuarbeiten. Diese Arbeit beschränkt sich, wie in der knappen Darstellung des Vorgehens bereits ersichtlich geworden sein dürfte, auf die Rede vom Tod Jesu in den kanonischen Schriften. Eine entsprechende Analyse der neutestamentlichen Apokryphen würde ein Forschungsvorhaben für sich darstellen. Neben diesen praktischen Erwägungen ist den neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu aber auch allein deshalb der Vorrang zu geben, weil sie von größerem theologischen Interesse sind. Schließlich prägt die neutestamentliche Rede vom Tod Jesu – auch und gerade in ihrer metaphorischen Ausprägung – die soteriologischen Vorstellungen von Christinnen und Christen bis in die heutige Zeit hinein. Den apokryph gewordenen Schriften kann demgegenüber insgesamt keine vergleichbare Wirkmacht zugeschrieben werden. Was den Forschungsstand betrifft, zeigt sich ein sehr heterogenes Bild. Der Tod Jesu und seine Repräsentation im Neuen Testament ist natürlich ein weit erforschtes Gebiet.12 Dass das Neue Testament eine Vielzahl unterschiedlicher 12

An dieser Stelle seien nur einige Übersichtswerke und Sammelbände genannt, die einen umfangreichen Zugang bieten: FRIEDRICH, GERHARD, Die Verkündigung des Todes Jesu im Neuen Testament (Biblisch-theologische Studien 6), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 21985; BADER, GÜNTER, Symbolik des Todes Jesu (Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 25), Tübingen: Mohr Siebeck 1988; BARTH, GERHARD, Der Tod Jesu Christi im Verständnis des Neuen Testaments, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag

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Sprechweisen und Deutungen im Hinblick auf dieses Thema kennt, ist unstrittig. Auch die Tatsache, dass ein Teil der Deutungen des Todes Jesu metaphorisch aufgeladen ist, wird gemeinhin anerkannt, und einige dieser Metaphern, insbesondere solche mit kultischem Hintergrund, wurden bereits umfangreich untersucht.13 Zur Metapher an sich gibt es eine Vielzahl an Theorien, von denen ein Teil im ersten Kapitel dargestellt wird. Metaphernkombinationen hingegen sind in der Metaphernforschung bisher weniger beachtet, obwohl sich hier eine Interessensteigerung in den letzten Jahren erkennen lässt. Die Forschung hierzu wird in Abschnitt 2.1.3. des zweiten Kapitels genauer dargestellt. Angesichts der Tatsache, dass in den Metapherntheorien selbst Kombinationen bisher eine untergeordnete Rolle gespielt haben, verwundert es wenig, dass auch im Gebiet der Exegese entsprechende Untersuchungen spärlich sind. Im Bereich der jüdischen Heiligen Schriften ௅ anhand eines spezifischen Falls ௅ hat sich (meines Wissens) am ausführlichsten Sarah J. Dille zu Metaphernvermischungen und -verbindungen geäußert.14 Sie nutzt dabei sowohl die Ansätze von Black15 als auch von Lakoff und Johnson16 und ist insbesondere von deren Erwägungen zur Kohärenz von Metaphern abhängig. Im Fokus ihrer Arbeit stehen dann vorrangig die in Deuterojesaja metaphorisch entfalteten Familienstrukturen, vor allem die Tatsache, dass Gott sowohl als Vater wie auch als Mutter dargestellt wird. Dieser Fokus auf Familienstrukturen ist Dille zufolge auf die Exilserfahrung Israels und auf die Sehnsucht nach den eigenen Wurzeln zurückzuführen. Obwohl sich die Bezeichnungen Gottes als Mutter und Vater zunächst widersprechen, wird der gemeinsame Bildbereich der Familienbeziehung gerade

1992; FREY, JÖRG/SCHRÖTER, JENS (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181), Tübingen: Mohr Siebeck 2005; STIEWE, MARTIN/VOUGA, FRANÇOIS, Bedeutung und Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament. Ein theologischer Essay (Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie 19), Tübingen/Basel: Francke 2011; SCHREIBER, STEFAN, Die Anfänge der Christologie. Deutungen Jesu im Neuen Testament (Neukirchener Theologie), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2015. 13 Vgl. z.B. SCHREIBER, Anfänge, 82–86; FREY, JÖRG, Probleme der Deutung des Todes Jesu in der neutestamentlichen Wissenschaft. Streiflichter zur exegetischen Diskussion, in: Jörg Frey/Jens Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181), Tübingen: Mohr Siebeck 2005, 3– 50. Hier: 43f.50; ZIMMERMANN, Deuten, insbes. 352–370; sowie die bereits aufgeführten Studien von Finlan (The Background and Content of Paul’s Cultic Atonement Metaphors) und Eberhart (Kultmetaphorik und Christologie) insgesamt. 14 DILLE, SARAH J., Mixing Metaphors. God as Mother and Father in Deutero-Isaiah (Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series 398), London/New York: T&T Clark 2004. 15 S.u., Abschnitt 1.2.4. des ersten Kapitels. 16 S.u., Abschnitt 1.2.6. des ersten Kapitels.

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dadurch hervorgehoben.17 Auch Izaak J. de Hulster und Brent A. Strawn beschäftigen sich mit den unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Bildern für Gott in einigen Passagen der jüdischen Heiligen Schriften, wobei als besonderes Beispiel Dtn 32 herausgegriffen wird.18 Sie nehmen ebenfalls die Theorie der konzeptuellen Metapher als Ausgangspunkt, die noch durch den Aspekt des Conceptual Blendings19 erweitert wird. Eine Besonderheit besteht in der Bezugnahme auf die Mischwesen der antiken Ikonographie, die als analoges Phänomen betrachtet werden. „Mischwesen struggle to portray what in effect cannot be portrayed: the supernatural realm that is ultimately beyond human comprehension.“20 Diesen Effekt hätten auch die Metaphernvermischungen von Dtn 32, weshalb sie von de Hulster und Strawn als „Mischmetaphors“ bezeichnet werden. Daneben könnten sie auch Gott davor schützen einseitig bildlich dargestellt zu werden: „Mischmetaphors appear to be literary enactments of the image-ban, even though they are ironically themselves overfull with images.“21 Obwohl de Hulster und Strawn einige wesentliche Einsichten zur Funktion von Metaphernvermischungen in der Rede vom Göttlichen formulieren, bleibt eine große Schwäche darin, dass sie unterschiedliche Kombinationsarten als „mixed metaphors“ oder „Mischmetaphors“ bezeichnen. Während Dtn 32 Abschnitte enthält, in denen man Metaphernvermischungen im engen Sinn ausmachen kann, handelt es sich doch hauptsächlich um eine Abfolge unterschiedlicher Metaphern, etwas, das ich als Diversifikation klassifiziere.22 In neutestamentlicher Perspektive ist insbesondere ein Beitrag Ruben Zimmermanns nennenswert, der im Zuge der Christusbilder im Johannesevangelium auf „Bildvariationen“, „Bildnetze“ und „Bildcluster“ eingeht und somit Kategorisierungen von Metaphernkombinationen andeutet.23 Nun sind Bilder und Metaphern nicht deckungsgleich, da der Bildbegriff deutlich weiter gefasst ist. Dennoch lassen sich hier einzelne Phänomene erkennen, die auch in der von mir vorgeschlagenen Kategorisierung vorkommen, etwa Übertragungen Vgl. DILLE, Mixing metaphors, insbes. 176–178. HULSTER, IZAAK J. DE/STRAWN, BRENT A., Chapter 5. Figuring YHWH in Unusual Ways: Deuteronomy 32 and Other Mixed Metaphors for God in the Old Testament, in: Ryan Bonfiglio/Izaak de Hulster/Brent A. Strawn (Hg.), Iconographic Exegesis of the Hebrew Bible/Old Testament. An Introduction to Its Methods and Practice, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015, 117–133. 19 S.u., Abschnitt 1.2.7. des ersten Kapitels. 20 HULSTER/STRAWN, Figuring YHWH, 131. (Hervorhebung im Original) 21 A.a.O. 132. 22 S.u., Abschnitt 2.4.3. des zweiten Kapitels. 23 ZIMMERMANN, RUBEN, „Du wirst noch Größeres sehen …“ (Joh 1,50) Zur Ästhetik der Christusbilder im Johannesevangelium – Eine Skizze, in: Jörg Frey/Jan Rohls/Ruben Zimmermann (Hg.), Metaphorik und Christologie, Berlin/New York: De Gruyter 2003, 93– 110. Insbes. 97–102; ZIMMERMANN, RUBEN, Christologie der Bilder im Johannesevangelium (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 171), Tübingen: Mohr Siebeck 2004. Insbes. 412–421. 17 18

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von Topic zu Vehicle und umgekehrt. Neben Variationen und Vernetzungen ähnlicher Bilder wird in der Darstellung der Bildcluster auch auf Verschmelzungen und Vermischungen von Metaphern eingegangen, wie etwa der Verbindung von Sohn- und Gesandtenmetaphorik. Die Vielschichtigkeit dieser christologischen Ausdrücke bei Johannes sorgt laut Zimmermann dafür, dass sie „vor jeder Engführung oder einseitigen Festlegung bewahrt“24 werden. Dass in den Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament unterschiedliche Metaphern miteinander auf teils spannungsvolle Weise kombiniert werden, hat unter anderem – an Zimmermann anschließend – Jörg Frey festgestellt: „Metaphorische Konzepte können miteinander verschmelzen […] und im Rahmen einer Schrift […] noch weit umfassendere ‚Netzwerke‘ und Sinnhorizonte bilden, in denen Spannungen zwischen einzelnen Aspekten keineswegs ausgeschlossen sind, sondern ihrerseits neue, produktive Deutungsanreize bieten.“25 Eine umfassende Untersuchung hierzu liegt aber bisher noch nicht vor. Am ehesten in diese Richtung zu deuten ist Finlans Studie, die sich auf paulinische Metaphern beschränkt. Begrifflich fasst er das Zusammenspiel unterschiedlicher Bilder in der Rede vom Tod Jesu als „conflation of metaphors“,26 obwohl er auch vom „interplay“27 oder von der „mixed metaphor“28 spricht. Es ist ein zentrales Anliegen seiner Arbeit, das Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Metaphern bei Paulus zu erklären. Dabei grenzt er sich deutlich von der Meinung ab, dass ein einziges metaphorisches Modell ausreichen würde, um die paulinischen Metaphern in diesem Themenfeld zu erklären.29 Die paulinische Bildersprache sei stark und vielfältig und Paulus habe Metaphernvermischungen oder -verschmelzungen offenbar bewusst in Kauf genommen.30 Finlan nennt vier zentrale Metaphern bzw. Modelle in den paulinischen Beschreibungen des Todes Jesu: „sacrifice“, „curse transmission ritual“ (vor allem in der konkreten Form des Sündenbock-Rituals), „redemption“ und „martyrdom“.31 Daneben führt er weitere Kategorien an, welche die Auswirkung des Todes Jesu beschreiben und eher sozial ausgerichtet sind: „reconciliation“, „justification“ und „adoption“.32 Die Kategorie „redemption“ könne als Grenzfall ebenfalls an dieser Stelle eingeordnet werden.33

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ZIMMERMANN, „Du wirst noch Größeres sehen …“, 102. FREY, Probleme, 43f. 26 FINLAN, Background, 5. 27 A.a.O. 6. 28 Ebd. 29 Vgl. a.a.O. 96f. 30 Vgl. a.a.O. 123. 31 Vgl. a.a.O. 5. 32 Vgl. a.a.O. 6. 33 Vgl. ebd. Die Terminologie Finlans ist nicht besonders geschickt, da vor allem „redemption“ und „justification“ bereits stark theologisch aufgeladene Begriffe sind. 25

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Paul uses sacrificial, judicial, and redemptive metaphors. No matter that these images cannot be perfectly harmonized; for Paul they capture a truth in that they picture Christ’s death as a ritual act with universal saving consequences. Paul has an intutition that Christ’s death fulfills a cultic pattern, perhaps all the basic cultic patterns, since he can equate him to the spotless sacrifice, the accursed scapegoat, or the Passover lamb.34

Wie aus dem Zitat und auch aus dem Titel der Studie hervorgeht, sieht Finlan die kultischen Bezüge als am zentralsten an.35 Vor allem die Kultmetaphern stünden oft im Zusammenhang mit anderen Metaphern.36 Auf der einen Seite stellt Finlan fest: „The new ideas of Paul are expressed through his unique mixing of metaphors.“37 Andererseits ist es sein erklärtes Ziel, die soteriologischen Metaphern bei Paulus in ein kohärentes System zu bringen.38 Mein Ansatz ist hier weniger harmonisierend. Ein kohärentes Bild wird gar nicht erst angestrebt, da es der Komplexität des Themas nicht gerecht wird. Der Schwerpunkt liegt auch, anders als bei Finlan, nicht auf den kultischen Metaphern, die in der exegetischen Diskussion über den Tod Jesu oft im Vordergrund stehen. Das bedeutet nicht, dass diese nicht relevant wären ௅ sie stellen im Gegenteil einen wichtigen Aspekt dar ௅ aber es handelt sich um einen Metaphernkomplex neben weiteren, die ebenfalls zur Geltung kommen müssen. Zudem ist die hier vorgelegte Studie, anders als Finlans, nicht auf die paulinischen Metaphern beschränkt, sondern nimmt das Neue Testament insgesamt in den Blick. Ein Problem, das sich bei Finlan ebenso zeigt wie auch bei de Hulster und Brent, liegt in der terminologischen und damit auch konzeptuellen Unschärfe. Die Begriffe „mixed metaphor“ oder „conflation of metaphors“ bezeichnen zum Teil unterschiedliche, nicht klar definierte Kombinationsarten. Zudem geht Finlan am Rand auf die Metaphernkombination ein, die ich als Multivalenz aufführe,39 ohne diese jedoch terminologisch klar zu fassen.40 Der Wert der vorliegenden Arbeit liegt somit darin, dass hier auf theoretisch fundierte Weise verschiedene Arten der Metaphernkombination mit Bezug zum Tod Jesu kategorisiert, umfangreich dargestellt und in ihrer Funktion gedeutet werden, wobei keine Beschränkung auf einzelne neutestamentliche Schriften oder Autoren erfolgt, sondern die Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament insgesamt in den Blick genommen wird. „Metaphors have a way of holding the most truth in the least space.“ Man muss nicht versiert in der Metaphernforschung sein, um diese Einsicht des Autors eines Fantasyromans zu teilen. Metaphern treffen in äußerst komprimierter

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A.a.O. 103. Vgl. a.a.O. 101. 36 Vgl. a.a.O. 123. 37 A.a.O. 6. 38 Vgl. a.a.O. 9. 39 S.u., Abschnitt 2.4.4. des zweiten und Abschnitt 2.3. des vierten Kapitels. 40 Vgl. FINLAN, Background, 162. 35

Einleitung

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Form Aussagen über Dinge und Prozesse, die unsagbar erscheinen. Diese Arbeit beleuchtet Möglichkeiten, wie das Zusammenspiel solcher komprimierten Erkenntniszugänge dabei helfen kann, ein Licht auf das zu werfen, was aus Sicht des Christentums im Tod Jesu für die Menschen geschehen ist. Denn dem Tod Jesu Bedeutung abzugewinnen und diese sprachlich angemessen zu formulieren, ist eine bleibende Herausforderung.

Teil I: Metapherntheoretische Überlegungen

Kapitel 1

Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit Die Darstellungen im ersten Kapitel dieser Untersuchung sollen, wie bereits erwähnt, dazu beitragen, den Hauptschwachpunkt vieler Übertragungen des Metaphernbegriffs auf den biblisch-exegetischen Bereich zu vermeiden – die mangelnde theoretische Unterfütterung. Wer nur ein einseitiges Verständnis von Metaphern und eine eingeschränkte Kenntnis von Metapherntheorien besitzt, kann nur ein sehr verschwommenenes Bild vom eigentlichen Analysegegenstand gewinnen und diesen nicht hinreichend definieren oder abgrenzen. Offenbar sind einige Exegetinnen und Exegeten der Meinung, der Metaphernbegriff sei aus dem Allgemeinverständnis ersichtlich und bedürfe keiner weiteren Klärung. Ein Blick in die Vielschichtigkeit metapherntheoretischer Ansätze zeigt jedoch leicht, dass dem nicht so ist. Der Anspruch im ersten Kapitel ist also, eine umfassende metapherntheoretische Basis für die spätere Analyse darzulegen. Dabei geht die Bemühung dahin, ein möglichst vielfältiges Bild von Metapherntheorien aus sehr unterschiedlichen Bereichen und mit ganz verschiedenen Schwerpunkten zu geben. Natürlich ist nur eine skizzenartige Darstellung möglich, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Im weiteren Verlauf des Kapitels soll zunehmend die Vielfältigkeit des Phänomens Metapher in den Vordergrund gerückt werden, die es jeglichem einfachen Definitionsversuch entzieht und lediglich den Versuch verschiedener Klassifizierungen ermöglicht. In der biblischen Theologie steht „Metapher“ nicht selten als Synonym für alle möglichen Formen bildlicher oder „uneigentlicher“ Rede – ein diametraler Gegensatz zu den Bemühungen innerhalb der Metaphernforschung, das Phänomen sprachlich genau zu fassen, zu präzisieren.1 Ein großer Teil dieses Kapitels wird daher darauf verwendet werden, das Verhältnis der Metapher zu anderen, verwandten oder ähnlichen sprachlichen Ausdrucksformen zu klären und sie so präzise wie möglich abzugrenzen. Die Überschrift dieses Kapitels deutet auf eine der Metapher inhärente Spannung hin: Auf der einen Seite werden durch die Metapher zwei Worte 1 Vgl. ZIMMERMANN, RUBEN, Metapherntheorie und biblische Bildersprache. Ein methodologischer Versuch, in: Theologische Zeitschrift 56 (2000), 108–133. Hier: 111f.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

bzw. Konzepte gleich- oder in Beziehung zueinander gesetzt, die in Widerspruch zueinander stehen. Auf der anderen Seite ist dieses Gleich- oder InBeziehung-Setzen durchaus gerechtfertigt, da die beiden doch, wenn auch auf einer höheren Ebene und nicht leicht ersichtlich, durch bestimmte Kriterien wie Ähnlichkeit oder Analogie, miteinander verbunden sind. Beide Begriffe, „Ähnlichkeit“ und „Widerspruch“, befinden sich für sich genommen ebenfalls in einem Spannungsverhältnis. Der Begriff des Ähnlichen kann eine gewisse Vagheit besitzen. Was ähnlich ist, befindet sich irgendwo zwischen dem, was identisch ist, und dem, was different ist.2 In Metaphern, insbesondere solchen der einfachen Kopula-Form, wird eine scheinbare Identität konstatiert, etwa: „Der Mensch ist ein Wolf.“ Durch das Allgemeinwissen der Rezipierenden wird aber gleichzeitig eine grundlegende Differenz zwischen Mensch und Wolf erkannt. Weil dennoch davon ausgegangen wird, dass die Aussage eine Relevanz besitzen muss, wird eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen den beiden hergestellt. Auch von der Gleichheit ist das Ähnliche abzugrenzen: „Ähnlichkeit besagt im Unterschied zur Gleichheit, die auf die Quantität bezogen wird, die Übereinstimmung verschiedener Dinge in der Qualität.“3 Wenn Gleichheit und Identität differenziert werden, besteht die Gleichheit zwischen unterschiedlichen Dingen oder Konzepten immer in „Bezug auf einen Maßstab oder eine Perspektive“.4 Dieser Bezugspunkt fehlt im Ähnlichen, wobei ein Ähnlichkeitsverhältnis auch mehrere Aspekte umfassen kann.5 In der Metapher wird in den meisten Fällen nicht deutlich gemacht, welche Verbindung genau zwischen zwei als identisch dargestellten, aber grundsätzlich differenten Begriffen oder Konzepten hergestellt werden muss. Abhängig von Wissen und Vorerfahrungen der Rezipierenden kann diese Verbindung daher auch sehr unterschiedlich ausfallen. Sie ist, wie das Konzept der Ähnlichkeit insgesamt, unscharf. Die beschriebene Spannung zwischen der in der Metapher vorgeschlagenen Identität einerseits und der Differenz der Metaphernbestandteile andererseits, ist das, was ich im Folgenden als Widerspruch bezeichne. Der Begriff des Widerspruchs war in der Geschichte von Philosophie und Theologie ganz unterschiedlich, mal positiv, mal negativ, konnotiert.6 Er „bezeichnet einerseits ein logisches Verhältnis zwischen (sich ausschließenden bzw. sich aufhebenden) 2 Vgl. FUNK, GERALD/MATTENKLOTT, GERT/PAUEN, MICHAEL, Symbole und Signaturen. Charakteristik und Geschichte des Ähnlichkeitsdenkens, in: Dies. (Hg.), Ästhetik des Ähnlichen. Zur Poetik und Kunstphilosophie der Moderne, Frankfurt a. M.: Fischer 2001, 7–34. Hier: 7. 3 SCHLÜTER, DIETRICH, Art. Ähnlichkeit, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 1 (1971), 114f. Hier: 114. 4 FUNK/MATTENKLOTT/PAUEN, Symbole, 10. 5 Vgl. a.a.O. 10f. 6 Vgl. ANGEHRN, EMIL, Art. Widerspruch, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 12 (2004), 687–699. Hier: 688.

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

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Begriffen oder Aussagen […]. Auf der anderen Seite steht er für ein ontologisches Prinzip, ein Verhältnis zwischen den Dingen bzw. eine Gesetzlichkeit des Wirklichen überhaupt oder bestimmter Realitätsbereiche (Natur, Gesellschaft).“7 Die Widersprüchlichkeit in der Metapher ist zunächst, da es sich bei dieser um ein sprachliches Phänomen handelt, der ersten Definition zuzuordnen. Gleichzeitig wird der Widerspruch in der Metapher erst dadurch erkennbar, dass ontologische Gesetzmäßigkeiten bekannt sind und diese durch die metaphorische Aussage in Frage gestellt werden. Häufig wird die Widersprüchlichkeit im Sinne von Gegensätzen beschrieben. Dies ist im Fall von Metaphern irreführend, da die Metaphernbestandteile sich nicht als Gegensätze gegenüberstehen müssen ௅ sie können es aber prinzipiell, wobei dieses Phänomen gemeinhin als Oxymoron bezeichnet wird. Treffender ist die Definition des logischen Widerspruchs als „Behauptung einer Aussage und ihrer Negation“.8 Die Aussage „Der Mensch ist ein Wolf“ enthält gleichzeitig die Bedeutung „Der Mensch ist kein Wolf.“9 Aus dieser Spannung zwischen Identität und Differenz erwächst die Bedeutung der Metapher. Zu bemerken ist ferner, dass seit Heraklit Widersprüche zur Beschreibung des Göttlichen verwendet werden.10 In der christlichen Theologie wurde immer wieder, so etwa von Pseudo-Dionysius Areopagita, betont, dass Gott durch Gegensätze beschrieben werden kann und gleichzeitg jenseits dieser weltlichen Kategorien die Widersprüche vereint.11 Neben der metaphorischen Rede ist also auch die Rede in Spannungen und Widersprüchen eine Form, die für das Reden von Gott konstitutiv ist. Auch auf den mit dem Widerspruchsbegriff verwandten Terminus der Spannung soll kurz eingegangen werden. Dieser ist wiederum doppeldeutig und kann einerseits positiv, im Sinne von Elastizität oder im Zusammenhang mit Aufmerksamkeit aufgefasst werden, andererseits negativ, im Sinne von Unvereinbarkeiten und damit einhergehenden Reibungen oder Reizungen.12 Ein eindrucksvolles Bild, das bereits in der Antike, etwa bei Heraklit, zur generellen Beschreibung des Phänomens genutzt wurde, ist das des Bogens:

7

A.a.O. 687f. (Hervorhebungen im Original) KRANZ, MARGARITA, Art. Widerspruch, performativer; Widerspruch, pragmatischer, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 12 (2004), 699f. Hier: 699. 9 Vgl. auch RICŒUR, PAUL, Die lebendige Metapher (Übergänge 12), München: Fink 1986, 10: „Das metaphorische ‚ist‘ bedeutet zugleich ‚ist nicht‘ und ‚ist wie‘.“ Allerdings ist Ricœur nicht darin zuzustimmen, dass die Kopula, nicht etwa der Satz bzw. die Gesamtaussage, als Ort der Metapher anzusehen ist, schon allein weil die Metapher unterschiedliche Gestalten annehmen kann und nicht auf die Kopula-Form beschränkt ist. 10 Vgl. ANGEHRN, Widerspruch, 688. 11 Vgl. a.a.O. 691f. 12 Vgl. TRAPPE, TOBIAS, Art. Spannung I. Wortfeld, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 9 (1995), 1282–1284. 8

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Die gespannte Sehne des ruhenden Bogens hält die auseinanderstrebenden Holzenden zusammen. Dieser spezifische technische Fall […] erscheint Heraklit besonders typisch für die allgemeingültige Struktur der Einheit aus widerstrebenden Momenten. Die S[pannung] ist es gerade, die die Einheit herstellt und die unsichtbare innere Fügung fester macht als eine aus greifbaren Klammern für Holz und Stein.13

Hieraus lässt sich auf eindrückliche Weise ableiten, dass Spannungen und Widersprüchlichkeiten eben nicht mit Disparitäten gleichzusetzen sind, sondern gerade als konstitutives Element bestimmter Einheiten fungieren können. Auch dies lässt sich auf die Metapher übertragen. Diese beiden Momente der Metapher – Widerspruch und Ähnlichkeit auf verschiedenen Ebenen des Verstehens – werden dieses Kapitel durchziehen. Je nach Metapherntheorie wird mal das eine, mal das andere Moment stärker in den Vordergrund treten. Für das Verständnis der Deutungen des Todes Jesu als Metaphern sind jedoch beide höchst relevant. Über lange Zeit und teilweise bis in die Gegenwart wurde und wird das Moment der Widersprüchlichkeit in den Metapherntheorien eher nebensächlich behandelt, wenn nicht sogar gänzlich ausgeblendet. Dieses ist aber gerade für die Metaphernkombinationen von besonderer Wichtigkeit. Wenn nämlich zugegeben wird, dass jede Metapher an sich schon Widersprüche in sich birgt, kann die mögliche Widersprüchlichkeit von Metaphernkombinationen und -vermischungen neu bewertet werden.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze 1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

Metapherntheorien gibt es in großer, kaum zu überblickender Zahl (obwohl eine grobe Klassifizierung, wie sie unten vorgenommen wird, natürlich möglich ist). Besonders auffällig sind die großen Differenzen, die verschiedenen Ansatz- und Schwerpunkte, die voneinander stark abweichenden Terminologien. Nur wenige Diskursgegenstände weisen ein derart heterogenes Feld von Theorien auf. Dies ist allerdings wenig verwunderlich, wenn man sich vor Augen führt, dass Metapherntheorien nicht in einer einzelnen Disziplin verwurzelt sind, sondern in einer Vielzahl von Fachgebieten ihren Ursprung haben. Die fachliche Verortung der Metapherntheorie ist jedoch wiederum ausschlaggebend für ihre Prägung, ihre Schwerpunktsetzung, kurzum: ihre Sicht der Dinge. By the philologist and etymologist it [the term metaphor, S.N.-R.] is generally applied to any trope which involves the use of a word with reference to an object or concept not beforehand or normally referred to by that term […], or in other words to any extension of meaning beyond a hypothetical non-figurative primitive sense. Likewise, to lexicographers

13 MAINBERGER, SABINE, Art. Spannung II. Antike, Mittelalter, Neuzeit, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 9 (1995), 1284–1290. Hier: 1284.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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metaphor is a convenient term for meanings of words not quite compatible with their preconceived notion of the normal meaning […]. Logicians define metaphor as a gravely illogical way of saying two things at once.1

Die Metapherntheorie nimmt mit Aristoteles, Quintilian, Cicero und anderen antiken Schriftstellern ihren Ausgangspunkt in der Rhetorik. Hierin, in der Lehre vom überzeugenden Halten von Reden, hat die Frage nach dem Wesen und der Funktion der Metapher ihren Ursprung. Dies ist aus heutiger Sicht insofern verwunderlich, als wir Metaphern eher mit poetischer Sprache in Verbindung bringen,2 insofern jedoch wiederum plausibel, als sie als besondere Redeform – und so wird sie ja zumeist von Menschen, die sich nicht eingehend mit Metapherntheorien beschäftigen, wahrgenommen – gut zur Redekunst passt. Innerhalb der antiken Rhetorik und hier vor allem bei Aristoteles steht besonders die überzeugende und schmückende Funktion der Metapher im Vordergrund, was jedoch keine einseitige Metapherntheorie impliziert. Interessanterweise war die Rhetorik dann auch der Ort, an dem ein neues Kapitel der Metaphernforschung aufgeschlagen wurde, nämlich durch I.A. Richards, den Vorläufer der Interaktionstheorie. Seine später breit rezipierten Überlegungen zur Metapher stehen im Rahmen seiner verschriftlichten Vorlesung The Philosophy of Rhetoric (1936). Dabei ist zu beachten, dass eine genaue Trennung der Disziplinen bei Richards, der Philosophie studierte und den man auch als Literaturwissenschaftler bezeichnen kann, nicht möglich ist, wie dies auch der Titel seines Buchs impliziert.3 Allerdings wurden Richards’ Ansätze erst populär, als sie vom Philosophen Max Black aufgegriffen wurden, was ein Indiz dafür sein kann, dass sich im 20. Jahrhundert eine Verschiebung bezüglich der an der Metapher interessierten Disziplinen vollzog. Auch heute noch wird die Metapher häufig dem Gebiet der Rhetorik und Stilistik zugeordnet,4 obwohl sie insbesondere ab dem 20. Jahrhundert zunehmend als Gegenstand der Philosophie entdeckt wurde. Einen guten Überblick über die Produktivität der Debatte und einen Querschnitt zu unterschiedlichen Ansätzen und Schwerpunkten bietet die Aufsatzsammlung Philosophical Perspectives on Metaphor (1981), herausgegeben von Mark Johnson. Spätestens seit Johnsons 1 STANFORD, W. BEDELL, Greek Metaphor. Studies in Theory and Practice, New York/ London: Johnson 1972, 100. (Hervorhebung im Original) 2 Man vergesse allerdings nicht die Behandlung der Metapher in der aristotelischen Poetik – die aber kürzer ausfällt als in der Rhetorik. 3 Ähnliches gilt bereits von Aristoteles, der jedoch in den hier relevanten Werken eine deutlich rhetorische Ausrichtung aufweist. 4 In der Universitätbibliothek Paderborn werden Bücher zur Metapher zwar im Bereich „Allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft. Linguistik“ geführt, jedoch in der Unterkategorie „Rhetorik. Stilistik“, spezieller unter „Redeschmuck. Stilmittel. Figuren. Satzstilistik“. Ein Großteil der dort aufgeführten Bücher stammt jedoch von Philosophinnen und Philosophen oder beschäftigt sich mit der kognitiven Metapherntheorie, für die eine solche Zuordnung mehr als fraglich erscheint.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

eigener Zusammenarbeit mit dem Linguisten George Lakoff, die in dem Werk Metaphors We Live By (1980) resultierte, werden Metapherntheorien verstärkt in der Linguistik, vor allem in der kognitiven Linguistik, diskutiert. In den letzten Jahren war die (kognitive) Linguisitk die Disziplin, die sich am stärksten mit der Metapher beschäftigt hat. Dabei rückten vor allem Alltagsmetaphern, solche, die kaum mehr als Metaphern wahrnehmbar sind, in den Vordergrund. Die Theorie konzeptueller Metaphern nach Lakoff und Johnson sowie Variationen davon und Gegenentwürfe dazu spielen nach wie vor eine große Rolle. Sich vor Augen zu führen, aus welcher Disziplin eine Metapherntheorie stammt und somit, von welchen Voraussetzungen, Zielsetzungen und fachspezifischen Verfahren sie beeinfluss ist, ist daher für das Verständnis und die adäquate Beurteilung der jeweiligen Theorie notwendig. Im folgenden Abschnitt werden einige bedeutsame metapherntheoretische Ansätze skizziert. Aufgrund des Facettenreichtums und der Fülle metapherntheoretischer Forschung ist dieser Überblick keineswegs vollständig, sondern konzentriert sich auf einige sehr verbreitete und bekannte Modelle und legt den Schwerpunkt auf solche, die für die weitere Analyse besonders fruchtbar sind.5 Die Gegensätzlichkeit der verschiedenen Ansätze, ihre Spannung zueinander, soll nicht nivelliert werden. Die Ansätze zu klassifizieren und verschiedenen übergeordneten Kategorien zuzuordnen, ist dabei problematisch, da dies eine

5

Dabei wird eine Fokussierung auf englischsprachige Ansätze vorgenommen, die international verbreitet und entsprechend einflussreich sind. (Eine Ausnahme bildet wohl der Ansatz Goatlys, der hier aber mit aufgenommen werden muss, da er für diese Arbeit wesentliche Kategorisierungen und Systematisierungen von Metphernkombinationen vornimmt und überhaupt einer der ganz wenigen ist, der diese Kombinationen thematisiert. Beardsleys Ansatz ist für mein Empfinden hierzulande wenig bekannt, international aber darum bedeutsam, weil Beardsley den Metaphern-Artikel in der Erstauflage der Encyclopedia of Philosophy [1967] verfasst hat.) Das soll aber natürlich nicht implizieren, dass deutschsprachige Metapherntheorien nichts Wichtiges zu sagen hätten. Weinrichs Theorie etwa ist an verschiedene der unten angeführten Metapherntheorien anschlussfähig: seine Arbeit mit Bildfeldern ist den Grundzügen der Conceptual Theory nicht unähnlich; das Insistieren darauf, Metaphern als Texte wahrzunehmen, hat Weinrich unter anderem mit Black und seiner Interaktionstheorie gemein; dadurch dass Weinrich die Widersprüchlichkeit der metaphorischen Aussage ebenfalls herausstellt und mit Determinationen arbeitet, lassen sich Berührungspunkte zur Verbal-opposition-Theorie erkennen. WEINRICH, HARALD, Sprache in Texten, Stuttgart: Ernst Klett 1976, 291–341. Auch Strub, der Metaphern als „kalkulierte Absurditäten“ bezeichnet (STRUB, CHRISTIAN, Kalkulierte Absurditäten. Versuch einer historisch reflektierten sprachanalytischen Metaphorologie, Freiburg i. Br./München: Alber 1991.) weist Nähen zu Beardsleys Ansatz auf, obwohl er m.E. schon etwas zu radikal die „Widersprüchlichkeit“ und „Unähnlichkeit“ in der Metapher betont. International wurden diese deutschsprachigen Zugänge allerdings aus meiner Sicht kaum wahrgenommen.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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Homogenität suggeriert, die nicht der Realität entspricht.6 Mit derartigen Zuordnungen wird daher äußerst vorsichtig umgegangen, was mitunter zu einer mikrologischen Betrachtung einzelner Theoretikerinnen und Theoretiker führt. Der systematischen Darstellung eher zeitgenössischer Metapherntheorien wird eine Analyse antiker Metapherntheorien vorangestellt. Dies geschieht aus zwei Gründen. Erstens stehen die antiken Theorien in größerer Nähe zu den später untersuchten biblischen Texten, selbst wenn eine direkte Benutzung oder Kenntnis ausgeschlossen oder zumindest als äußerst unwahrscheinlich angenommen werden kann. Zweitens haben die antiken Theorien über einen langen Zeitraum die gesamte Metaphernforschung dominiert und tun dies in gewisser Weise bis heute. 1.1. Metapherntheorien der Antike Die hier vorgestellten antiken Aussagen über Metaphern beschränken sich auf jene Autoren, die sowohl in ihrer Zeit als auch darüber hinaus viel gelesen und rezipiert wurden, deren Metaphernverständnis also prägend war. Dass sich neben ihnen weitere antike Autoren zum Thema geäußert und durchaus innovative Beiträge zum Thema geleistet haben, soll unbestritten sein. Bis in die heutigen Metapherndiskurse hinein ist der Beitrag von Aristoteles von großer Relevanz und wird daher in einiger Ausführlichkeit dargelegt. Aristoteles ist zugleich der erste, der sich ausführlich mit dem Thema auseinandersetzt. Auch Quintilians Tropenlehre, vor allem die Klassifizierung in verschiedene Tropen und Untertypen, wird bis heute rezipiert. Zwischen den beiden Rhetorikern steht Cicero als wichtiges Bindeglied. Der ausführlichen Betrachtung antiker Metapherntheorien vorausgeschaltet sind Einzelbemerkungen zu voraristotelischen Autoren.

6 Mooij etwa unterscheidet monistische und dualistische Theorien voneinander. Während in dualistischen Theorien metaphorisch gebrauchte Worte ihre Referenz zum Umfeld des wörtlichen Gebrauchs behalten, verlieren sie laut monistischen Theorien diese Referenz. Er befürwortet eher dualistische Theorien. (Vgl. MOOIJ, JAN JOHANN, A Study of Metaphor [North-Holland Linguistic Series 27], Amsterdam u.a.: North Holland 1976, 31–38.) M.E. erfasst er nicht alle Aspekte einzelner als monistisch klassifizierten Theorien richtig. Problematisch ist zudem die scheinbare Annäherung sehr divergenter Theorien durch ein gemeinsames Label. Beardsley, dessen Theorie von Mooij als „monistisch“ benannt wird, benutzt die alternativen Bezeichnungen „Constancy theories“ und „Conversion theories“ (Vgl. BEARDSLEY, MONROE C., Metaphorical Senses, in: Noûs 12 [1978], 3–16. Hier: 5.) – das unbefriedigende Ergebnis bleibt. Diese Beispiele scheinen darauf hinzudeuten, dass Theoretiker und Theoretikerinnen beim Versuch der Kategorisierung von Metapherntheorien geneigt sind, ihren eigenen Theorien entgegen gesetzte Auffassungen in negativ klingende Kategorien zu verbannen oder in die Nähe als veraltet und überkommen angesehener Theorien, wie etwa der Substitutionstheorie, zu setzen.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

1.1.1. Isokrates und Platon Die erste erhaltene Erwähnung des griechischen Terminus ȝİIJĮijȠȡȐ findet sich im Euagoras des Isokrates.7 Dieser unterscheidet die Sprachformen von Prosa und Poesie – eine auch bei Aristoteles bedeutsame Differenzierung – und konstatiert, dass Prosaschreibende weitaus eingeschränkter in Bezug auf ihre sprachlichen Mittel sind, denn im Gegensatz zu denjenigen, die Poesie produzieren, dürfen sie keine fremdartigen Worte, Neologismen und Metaphern verwenden: Dichter verfügen nämlich über viele Möglichkeiten des Wortschmucks: Sie können die Götter darstellen, wie sie sich den Menschen nähern, sich mit ihnen unterhalten und im Kampf, wem immer sie wollen, helfen, und sie können darüber nicht nur mit den allgemein gebräuchlichen Worten schreiben, sondern manches mit ungewöhnlichen, manches mit neuen Worten, manches mit Metaphern darstellen und nichts unversucht lassen, sondern mit allen möglichen Figuren die Dichtung ausschmücken. (Isokr.Euag. 9)8

Eine genauere Erörterung, was mit dem Begriff ȝİIJĮijȠȡȐ gemeint ist, bleibt jedoch aus. Auch Platon beschäftigt sich nicht mit diesem Phänomen. Zwar taucht das Verb ȝİIJĮij੼ȡİȚȞ in seinen Werken auf, aber nur mit seiner ursprünglichen Bedeutung „an einen anderen Ort tragen“ bzw. „verlegen“9 oder – metaphorischer – im Sinne des Übertragens von einer Sprache in eine andere.10 Davon abgesehen lassen sich lediglich einige Anspielungen im Hinblick auf Metaphern interpretieren, etwa die Kritik an der rätselhaften Rede der Herakliten im Theaitetos (Plato Tht. 180a)11 oder Abschnitte der Politeia (insbeson-

7

Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 3. Zitiert in der Übersetzung von Christine Ley-Hutton. (ISOKRATES, Euagoras, in: Sämtliche Werke, Bd. 2, übersetzt von Christine Ley-Hutton, eingeleitet und erläutert von Kai Brodersen, Stuttgart: Hiersemann 1997.) Im Original: țĮ੿ Ȗ੹ȡ ʌȜȘıȚȐȗȠȞIJĮȢ IJȠઃȢ șİȠઃȢ IJȠ૙Ȣ ਕȞșȡȫʌȠȚȢ ȠੈȩȞ IJૃ Į੝IJȠ૙Ȣ ʌȠȚોıĮȚ țĮ੿ įȚĮȜİȖȠȝȑȞȠȣȢ țĮ੿ ıȣȞĮȖȦȞȚȗȠȝȑȞȠȣȢ ȠੈȢ ਗȞ ȕȠȣȜȘș૵ıȚ, țĮ੿ ʌİȡ੿ IJȠȪIJȦȞ įȘȜ૵ıĮȚ ȝ੽ ȝȩȞȠȞ IJȠ૙Ȣ IJİIJĮȖȝȑȞȠȚȢ ੑȞȩȝĮıȚȞ, ਕȜȜ੹ IJ੹ ȝ੻Ȟ ȟȑȞȠȚȢ, IJ੹ į੻ țĮȚȞȠ૙Ȣ, IJ੹ į੻ ȝİIJĮijȠȡĮ૙Ȣ, țĮ੿ ȝȘį੻Ȟ ʌĮȡĮȜȚʌİ૙Ȟ, ਕȜȜ੹ ʌ઼ıȚ IJȠ૙Ȣ İ੅įİıȚ įȚĮʌȠȚț૙ȜĮȚ IJ੽Ȟ ʌȠȓȘıȚȞ. Ein weiterer knapper Verweis auf das Phänomen der Metapher findet sich in dem Fragment 12. Vgl. BLASS, FRIEDRICH, Die attische Beredsamkeit, Bd. II: Isokrates und Isaios, Hildesheim/New York: Olms 31979, 114f. Fn 7. 9 Vgl. GEMOLL, WILHELM/VRETSKA, KARL, Gemoll. Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch, München/Düsseldorf/Stuttgart: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 102006, 531; LIDDELL, HENRY GEORGE/SCOTT, ROBERT/JONES, HENRY STUART, A Greek-English Lexicon, Oxford: Clarendon Press 91968, 1118. 10 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 3f. 11 Theodoros, der Gesprächspartner des Sokrates, beschwert sich hier: „wenn du einen etwas fragst, so ziehn sie wie aus ihrem Köcher rätselhafte kleine Sprüchlein hervor und schießen diese ab; und willst du dann darüber wieder eine Erklärung, wie es gemeint gewesen, so wirst du von einem andern ähnlichen getroffen von ganz neuer Wortverfertigung.“ Zitiert aus der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher. (PLATO, Theaitetos. Der Sophist. 8

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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dere Plato rep. X, 601a.606d–607b), in denen im Rahmen des Streits und Gegensatzes zwischen Philosophie und Poesie letztere aufgrund ihrer Mittel und der damit einhergehenden Macht kritisiert wird.12 Die Übertragung und Beschränkung solcher Abschnitte auf Metaphern führte in der Rezeption zu ihrer Abwertung, mehr als fraglich ist jedoch, ob man ausgehend von solch verstreuten Aussagen Platons seine Einstellung zu Metaphern rekonstruieren kann. Er schweigt zu Metaphern, auch in seinem sprachwissenschaftlich und -philosophisch ausgerichteten Werk Kratylos, das sich hauptsächlich mit der etymologischen Herleitung einzelner Worte befasst.13 1.1.2. Aristoteles Für eine genauere Darstellung eines konkreten Metaphernverständnisses muss man sich also an Platons Schüler wenden. Die Ausführungen des Aristoteles sind nicht nur die ersten zum Thema, sondern zudem sehr umfassend. Über viele Jahrhunderte hinweg hat Aristoteles damit den Metapherndiskurs – wie auch viele andere Diskurse – geprägt.14 Auch in nahezu jedem neuerem Buch über Metaphern wird man an der einen oder anderen Stelle mit ihm konfrontiert, und eine Vielzahl an Metapherntheoretikerinnen und -theoretikern führt ihn früher oder später an, sei es um sich von ihm abzugrenzen oder um die eigene Theorie mit Verweis auf ihn zu untermauern. So wurde Aristoteles im Laufe der Zeit als Vertreter oder Vorläufer aller möglichen, einander teilweise widersprechenden, Metapherntheorien angesehen. Zugegebenermaßen verleitet die aristotelische Darstellung der Metapher zu einer solch vielfältigen Inanspruchnahme. Aristoteles behandelt die Metapher zweimal, einmal in seiner Poetik, einmal in der Rhetorik, wobei er jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzt und teilweise offenbar widersprüchliche Aussagen trifft. Seine Metapherntheorie ist sehr vielfältig und komplex. Dazu kommt, dass viele der Beispiele, die Aristoteles anführt, für moderne Lesende nicht mehr oder nur schwer verständlich sind bzw. sich nur schwierig aus dem Griechischen in die Der Staatsmann, bearbeitet von Peter Staudacher, griechischer Text von Auguste Diès, deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher [Werke in acht Bänden griechisch und deutsch 6], Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1970.) Vgl. auch STANFORD, Greek Metaphor, 4. 12 Aufgrund der negativen Auswirkung der Dichtkunst und ihres nicht erwiesenen Nutzens will Platon sie aus dem Staat ausschließen. Vgl. Plato rep X, 602c–608b.; JOHNSON, MARK, Introduction, in: Ders. (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 3–47. Hier: 4f. 13 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 4. 14 Stanford, der Aristoteles durchaus würdigt, merkt – berechtigterweise – an: „But the very vastness of his genius and the authenticity of his authority too often overshadowed the centuries after him, so that into whatever field of study his doctrines sent out their firm and ample branches, there no other seedling of original thought could struggle unstunted to the light.“ (STANFORD, Greek Metaphor, 4.)

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Zielsprache übersetzen lassen.15 Zudem sind nicht alle Quellen, aus denen er Beispiele rekrutiert, erhalten. Unklar bleibt damit, wie konventionell einige der von Aristoteles aufgeführten Metaphern sind, ob sie von durchschnittlichen zeitgenössischen Rezipierende als solche erfasst wurden, ob sie nur in poetischen oder rhetorischen Zusammenhängen gebraucht wurden oder auch im Alltag der griechischen Bevölkerung vorkamen usw. All dies sind Faktoren, die eine Einordnung der aristotelischen Metapherntheorie erschweren. Aristoteles behandelt die Metapher im Zusammenhang der Lexis, „i.e. style or the linguistic expressions of one’s ideas […]. The issue is that one and the same thing can be expressed in various ways and that the choice between different words matters as to how a certain idea is perceived by the hearers. Thus, a central idea of Aristotle’s theory of lexis is what determines the choice between different words that refer to the same thing.“16 In der Poetik führt Aristoteles zunächst verschiedene in der Poesie gebräuchliche Ausdrücke an:17 normal verwendetes Wort, Glosse, Metapher, Schmuckwort, Neuschöpfung, erweitertes, verkürztes und abgewandeltes Wort (Vgl. Arist.po. 21, 1457b). Dabei ist die Zusammenstellung – zumindest aus heutiger Sicht – eigentümlich, da dort inhaltliche, semantische Phänomene neben Silbenerweiterungen und -kontraktionen stehen, die die Metrik betreffen. Unter anderem werden auch die von Isokrates verwendeten Termini (s.o.) genannt.18 In diesem Abschnitt führt Aristoteles die verschiedenen Ausdrucksweisen an, ohne eine generelle Unterscheidung zwischen herkömmlich und fremdartig verwendeten Worten zu treffen. Diese Unterscheidung setzt er jedoch später voraus, wobei die Metapher unter die ungewöhnlich oder fremdartig verwendeten Worte fällt. Bemerkenswert an dieser Auflistung ist ferner, dass das Schmuckwort neben der Metapher angeführt wird. Auch wenn die Verhältnisbestimmung der beiden unklar bleibt, scheint eine Gleichsetzung hier nicht gegeben zu sein. Aristoteles definiert im Folgenden, was er unter den jeweiligen Begrifflichkeiten versteht. Für die Metapher – die bei weitem am ausführlichsten definiert und erläutert wird – steht hier die weit rezipierte Definition: „Die Metapher ist die Übertragung eines Wortes, das der Name für etwas anderes 15

Vgl. HANKS, PATRICK/GIORA, RACHEL, Introduction, in: Dies. (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. I: Theoretical Issues (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 1–13. Hier: 2. 16 STATHI, KATERINA, Aristotle on Metaphor and Other Kind of Figurative Language, in: Patrick Hanks/Rachel Giora (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. I: Theoretical Issues (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 17–31. Hier: 17. 17 Er konzentriert sich dabei auf Nomina und nominal gebrauchte Verben. Verbformen und Adjektive werden nicht berücksichtigt. Vgl. SCHMITT, ARBOGAST, Kommentar, in: Aristoteles, Poetik, übersetzt und erläutert von Arbogast Schmitt (Werke in deutscher Übersetzung 5), Berlin: Akademie-Verlag 2008, 193–742. Hier: 640. 18 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 7.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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ist, entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung, oder von einer Art auf eine Art, oder gemäß einer Analogie.“ (Arist.po 21, 1457b.)19 Der Ansatz ist also zunächst etymologischer Art – die Wortbestandteile ȝİIJȐ und ij੼ȡİȚȞ werden durch den Begriff ਥʌȚijȠȡȐ erklärt. Die Metapher, die bereits im Wort „Metapher“ vorliegt, wird so transparent gemacht. Dabei ist die Wortwahl interessant: Da ijȠȡȐ und ij੼ȡİȚȞ zum gleichen Wortstamm gehören, ist lediglich die vorangestellte Präposition unterschiedlich – von einem „übertragen“ oder „-bringen“ zu einem „auf-“ oder „hinzutragen“ bzw. „-bringen“ (Letztere Formulierung könnte noch stärker einen Erkenntnisgewinn evozieren: Es werden nicht bloß Eigenschaften einer Sache auf eine andere übertragen, sondern einem Sachverhalt wird ein zusätzliches Bedeutungsspektrum eröffnet – die Bedeutung wird erweitert, Lesende oder Hörende erhalten vertiefende Einsicht in das Geschilderte). Offenbar genügt eine solch geringfügige begriffliche Verschiebung, um die konventionelle Metapher zu aktivieren und für eine Definition fruchtbar zu machen. Die Unterscheidung der verschiedenen Typen von Metaphern ist freilich – wie der gesamte Ansatz des Aristoteles – eher durch die Gesetzmäßigkeiten der formalen Logik als durch literaturwissenschaftliche Erwägungen geprägt.20 An die Definition schließen sich Beispiele an. Es scheint sich zu zeigen, dass das, was Aristoteles als Metapher versteht, relativ breit gefasst ist und auch – aus heutiger Sicht – Metonymie und Synekdoche umfasst. Diese decken aus der Sicht der meisten heutigen Metapherntheoretikerinnen und -theoretikern die drei erstgenannten Typen (Übertragung von der Gattung auf die Art, von der Art auf die Gattung und von einer Art auf eine andere) ab, während nur der letzte Typ, Übertragung nach Analogie, als eigentliche Metapher angesehen wird und in der Forschung im Fokus des Interesses steht.21 Obwohl diese Annahme für die Äußerungen in der Poetik allein stimmt, wird sich bei der Betrachtung der Rhetorik zeigen, dass eine solche Aufspaltung zu kurz greift und Aristoteles auch aus den ersten drei Kategorien, mindestens jedoch aus der dritten, durchaus Metaphern im engen Sinn, nicht (nur) das, was heute als Metonymien und Synekdochen beschrieben wird, ableitet. Dennoch expliziert Aristoteles bereits in der Poetik den vierten Typus sehr ausführlich (unter anderem am Beispiel des Verhältnisses von Dionysos zur Schale, das zu dem von Ares zum Schild analog ist) und diese sich abzeichnende Vorrangstellung setzt sich auch in der Rhetorik fort. Dabei ist in einem Beispiel die Katachrese, also 19

Hier und im Folgenden wird die Poetik zitiert aus der Übersetzung von Arbogast Schmitt. (ARISTOTELES, Poetik, übersetzt und erläutert von Arbogast Schmitt [Werke in deutscher Übersetzung 5], Berlin: Akademie-Verlag 2008.) Die in Relationszeichen gesetzten Begriffe wurden vom Übersetzer ergänzt. Im Original: ȝİIJĮijȠȡ੹ įȑ ਥıIJȚȞ ੑȞȩȝĮIJȠȢ ਕȜȜȠIJȡȓȠȣ ਥʌȚijȠȡ੹ ਲ਼ ਕʌઁ IJȠ૨ ȖȑȞȠȣȢ ਥʌ੿ İੇįȠȢ ਲ਼ ਕʌઁ IJȠ૨ İ੅įȠȣȢ ਥʌ੿ IJઁ ȖȑȞȠȢ ਲ਼ ਕʌઁ IJȠ૨ İ੅įȠȣȢ ਥʌ੿ İੇįȠȢ ਲ਼ țĮIJ੹ IJઁ ਕȞȐȜȠȖȠȞ. 20 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 12. 21 Vgl. STATHI, Aristotle, 30 Fn 4.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

die zum Schließen von lexikalischen Lücken notwendige Metapher, schon angedeutet, wenn Aristoteles feststellt, dass die Strahlen der Sonne analog zum Säen der Saat auf die Erde fallen, es hierfür aber keinen eigenen Begriff gibt (Vgl. Arist.po. 21, 1457b). Interessant ist besonders das letzte Beispiel, das Aristoteles zur Erhellung des Analogie-Typs anführt: „Man bezeichnet etwas mit einem uneigentlichen Ausdruck, spricht ihm aber etwas ab, was eigentlich zu ihm gehört, wie wenn man den Schild nicht ‚Schale des Ares‘, sondern ‚Schale ohne Wein‘ nennt.“ (Arist.po. 21, 1457b.) Zwar ist das Beispiel der vorherigen Ausführung der Analogie noch immer verhaftet, es transzendiert sie jedoch zugleich. Das Beispiel scheint sich eher in die Richtung des Oxymoron zu bewegen, ein sonst nicht genanntes Spannungsmoment, eine Widersprüchlichkeit, tritt in den Vordergrund. Auch wenn Aristoteles das Beispiel klar einer Untergruppe des vierten Typs zuordnet, hätte es an sich Potential, eine eigene Kategorie zu begründen. Nach der Darstellung dieser Grundtypen von Ausdrücken, expliziert Aristoteles, wie sie sich zur ਕȡİIJ੽ Ȝ੼ȟİȦȢ in der Dichtkunst verhalten (Vgl. Arist.po. 22). Ganz im Sinne seiner ȝİıȩIJȘȢ-Lehre ist der vollkommene Ausdruck in der Ausgeglichenheit zwischen üblichen und unüblichen Ausdrücken zu finden.22 Sowohl Trivialität als auch Rätselhaftigkeit sind zu vermeiden. Das Ziel ist eine klare und zugleich gehobene Ausdrucksweise. Werden nur übliche Ausdrücke benutzt, ist das Ergebnis zwar klar (also allgemeinverständlich23), aber zugleich banal. Es fehlt „die Anregung zu eigener Erkenntnisaktivität“,24 weshalb eine Verfremdung nötig ist.25 Werden hingegen nur fremdartige Ausdrücke benutzt (wozu auch die Metapher zählt), wird die Ausdrucksweise zwar ungewöhnlich und gehoben, aber zugleich auch unverständlich und – im Fall des übermäßigen Gebrauchs von Metaphern – einem Rätsel gleich. Eine angemessene Mischung ist also notwendig. „Das richtige Maß der ersten Bestimmung des ‚besten Stils‘ ist also: Erregung der Aufmerksamkeit durch Formen der Verfremdung, ohne dass die klare Verständlichkeit verdunkelt wird.“26 Man muss lernen, die fremdartigen Ausdrücke an den richtigen Stellen zu gebrauchen und genau die richtige Menge verwenden. Dabei haben Metaphern nochmals eine Sonderstellung: „am allerwichtigsten aber ist es, dass die Sprache metaphorisch ist. Allein dies nämlich kann man nicht von einem anderen übernehmen, sondern ist Zeichen hoher Begabung. Denn gute

22

Vgl. SCHMITT, Kommentar, 649. Vgl. a.a.O. 641. 24 Ebd. 25 Vgl. a.a.O. 642. 26 A.a.O. 649. 23

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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Metaphern zu finden, hängt von der Fähigkeit ab, Ähnlichkeiten [d.h. in Verschiedenem das Gleiche] zu erkennen.“ (Arist.po. 22, 1459a)27 Neben dem Aspekt, dass das Bilden und Gebrauchen von Metaphern als einziges nicht erlernbar, sondern angeboren ist, ist hier der Aspekt der Ähnlichkeit bzw. des Ähnlichem (IJઁ ੖ȝȠȚȠȞ) bemerkenswert, da dieser in der vorherigen Definition, in der die Begriffe der Übertragung und Analogie dominant waren, noch nicht explizit gemacht wurde.28 Liest man die Metaphernabhandlung in der Poetik allein, ist man schnell geneigt, die Metapher als ein Stilmittel anzusehen, das ohne Weiteres durch andere fremdartige oder übliche Worte ersetzt werden kann, ohne dass ein Bedeutungsverlust erfolgt. Mark Johnson hat die aristotelische Metaphernauffassung folgendermaßen zusammengefasst: „metaphor is a deviant use of a word to point up similarities.“29 An die drei hervorgehobenen Worte knüpft er dann seine Kritik: Die Metaphern seien auf die Wortebene beschränkt. Erst im 20. Jahrhundert hätte eine Erweiterung auf Satzebene stattgefunden. Das aristotelische Verständnis eröffne die Unterscheidung zwischen „eigentlicher“ und „uneigentlicher“ Rede mit allen daraus resultierenden Missverständnissen. Schließlich habe die Ähnlichkeit oder Gleichartigkeit als Basis der Metapher zu der Annahme geführt, die Metapher sei nichts weiter als ein elliptischer Vergleich.30 Teilweise ist diese Kritik zutreffend, teilweise jedoch zu simplifizierend, etwa dadurch, dass sie die Analogie als Grundlage der metaphorischen Verbindung vollständig ausblendet, wie auch die ersten drei Typen von Metaphern, die Aristoteles benennt. Johnsons Kurzfassung geht deutlich in die Richtung der Substitutionstheorie (s.u.). Betrachtet man nur die Poetik, mag eine solche Zuordnung sogar zutreffen. Wenn man die aristotelische Darstellung in der Rhetorik hinzuzieht, wird das Bild komplexer. In der Rhetorik wird die Metapher im dritten Buch behandelt. Nachdem in den ersten beiden Büchern von den Überzeugungsmitteln die Rede war, geht es nun um die sprachliche Form: es erfolgt eine Verlagerung vom „was?“ zum „wie?“.31 Für die Metapher ist bedeutsam, dass Aristoteles hier eine sehr strikte 27

Die in Relationszeichen gesetzten Worte sind Ergänzungen, die in Parenthesen gesetzten Worte Erläuterungen des Übersetzers. Im Original: ʌȠȜઃ į੻ ȝȑȖȚıIJȠȞ IJઁ ȝİIJĮijȠȡȚțઁȞ İੇȞĮȚ. ȝȩȞȠȞ Ȗ੹ȡ IJȠ૨IJȠ Ƞ੡IJİ ʌĮȡૃ ਙȜȜȠȣ ਩ıIJȚ ȜĮȕİ૙Ȟ İ੝ijȣǸĮȢ IJİ ıȘȝİ૙ȩȞ ਥıIJȚ: IJઁ Ȗ੹ȡ İ੣ ȝİIJĮijȑȡİȚȞ IJઁ IJઁ ੖ȝȠȚȠȞ șİȦȡİ૙Ȟ ਥıIJȚȞ. 28 Ähnlichkeit und Analogie sind keineswegs gleichzusetzen, wie dies häufig in der Forschung geschieht, so auch bei Arbogast Schmitt. (Vgl. SCHMITT, Kommentar, 624.) Richtig ist jedoch, dass die Analogie ein Mechanismus ist, der auf Ähnlichkeit basieren oder aus dem Ähnlichkeit resultieren kann. 29 JOHNSON, Introduction, 11. (Hervorhebungen im Original) 30 Vgl. a.a.O. 5–11. 31 Vgl. RAPP, CHRISTOF, Kommentar, in: Aristoteles, Rhetorik, übersetzt und erläutert von Christof Rapp. Zweiter Halbband (Werke in deutscher Übersetzung 4.2), Berlin: Akademie-Verlag 2002, 805.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Unterscheidung von Gedankenführung und sprachlicher Ausdrucksweise vornimmt,32 wobei metaphorische Sprache letzterer zugeordnet wird und man daher bei Aristoteles von keinem genuin kognitiven Metaphernverständnis ausgehen kann. Diese Trennung von Gedanken und Sprache und die Zuordnung der Metapher zu letzterer kann dazu verleiten, das aristotelische Metaphernverständnis als oberflächlich-sprachlich anzusehen, was in der Vergangenheit auch häufig geschehen ist. Die späteren Darlegungen in der Rhetorik korrigieren aber diese Vorannahmen. Aristoteles verweist in seinen Ausführungen in der Rhetorik mehrfach auf das bereits in der Poetik Erwähnte (Vgl. z.B. Arist.rhet. III 1, 1404a. 2, 1405a). So erfolgt die Auflistung der Charakteristika eines guten Stils und die Unterscheidung verschiedener üblicher und fremdartiger Ausdrücke in Anlehnung an das oben Aufgeführte (Vgl. Arist.rhet. III 2, 1404b).33 Dennoch ist die ਕȡİIJ੽ Ȝ੼ȟİȦȢ der Dichtkunst mit der der Redekunst keineswegs gleichzusetzen. War schon in der Poetik der Verständlichkeit gegenüber der Verfremdung der Vorrang eingeräumt worden, so wird dies in der Rhetorik nochmals deutlich gesteigert, „denn der zugrunde liegende Gegenstand ist viel geringer“ (Arist.rhet. III, 2, 1404b)34 und die Zuhörenden erwarten keine gekünstelte, sondern eine natürliche Rede und würden erstere ablehnen.35 Die Redekunst ist in den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln somit eingeschränkter als die Dichtkunst: Glossen, zusammengesetzte Nomina und Neologismen (einige andere Mittel der Verfremdung fallen ganz natürlich weg, da die Rhetorik im Gegensatz zur Poetik nicht mit dem Metrum arbeitet) sollen aufgrund des hohen Grads der durch sie erzeugten Fremdheit nur äußerst selten, in sehr eingeschränkten Kontexten verwendet werden (Vgl. Arist.rhet. III 2, 1404b), gelten sogar als Zeichen schlechten Stils. Übrig bleiben neben den üblichen Ausdrücken, die allein auch eine Rede als zu trivial erscheinen lassen, nur die Metaphern. Dies liegt daran, dass neben den üblichen Ausdrücken nur die Metaphern von allen Menschen ganz natürlich in der Konversation gebraucht werden (Vgl. Arist.rhet. III 2, 1404b). Hier besteht ein scheinbarer Wi-

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Vgl. a.a.O. 808. Vgl. Kleine Verschiebungen in der Auflistung sind jedoch auszumachen: Die zusammengesetzten Nomina, die in der Poetik in anderen Zusammenhängen erwähnt werden, kommen hinzu, das Schmuckwort wird nicht mehr erwähnt. Ob es mit dem später angeführten Beiwort gleichzusetzen ist, ist in der Forschung umstritten. Vgl. RAPP, Kommentar, 831f. 34 Hier und im Folgenden wird die Rhetorik zitiert aus der Übersetzung von Christof Rapp. (ARISTOTELES, Rhetorik, übersetzt und erläutert von Christof Rapp. Zweiter Halbband [Werke in deutscher Übersetzung 4.2], Berlin: Akademie-Verlag 2002.) 35 Rapp spekuliert, dass die Ablehnung der Zuhörer darauf beruht, dass diese gekünstelte Sprache als ein Täuschungsmanöver werten könnten. (Vgl. RAPP, Kommentar, 833.) Ich denke, so weit muss man gar nicht gehen. Allein die Tatsache, dass der Stil nicht zum Thema passt, dass die Erwartungen der Zuhörer enttäuscht werden, dass kurzum das falsche Sprachniveau gewählt wurde, erklärt eine Abwehrreaktion. 33

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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derspruch zur Poetik, in der die Metapher als Zeichen besonderen Genies angesehen wurde, und Kritikerinnen und Kritiker der aristotelischen Metaphernauffassung haben ihm diese Inkonsistenz zum Vorwurf gemacht. Man muss jedoch nur einige Zeilen weiterlesen, um festzustellen, dass Aristoteles auch in der Rhetorik Metaphern als etwas Besonderes charakterisiert, dessen Erschaffung nicht erlernbar ist (Vgl. Arist.rhet. III 2, 1405a). Dieser eklatante Widerspruch ist nur durch die Annahme zu lösen, dass Aristoteles von verschiedenen Arten von Metaphern ausgeht, ohne dass er diese Unterscheidung explizit macht.36 Er unterscheidet konventionelle und innovative Metaphern.37 Konventionelle Metaphern, die sich im alltäglichen Denken und Sprechen wiederfinden und diese entscheidend prägen, etwa Redensarten, sind natürlich in aller Munde.38 Menschen neigen zur Verwendung von Metaphern, auch wenn ihnen dies oftmals nicht bewusst ist. Innovative Metaphern jedoch, solche, die neue Verbindungslinien zwischen bisher Unverbundenem aufzeigen, die als Metapher sofort ins Auge springen, können nur von besonders Begabten erzeugt werden, denn die Kunst besteht, wie bereits in der Poetik deutlich gemacht wurde, darin, diese bisher unbekannten Verbindungslinien, Ähnlichkeiten, zu erkennen. Einem solchen Verständnis können sich auch viele moderne Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker anschließen. Damit ist der Vorwurf, Aristoteles beschränke die metaphorische Ausdrucksweise auf eine rhetorisch privilegierte Minderheit und sei daher spätestens seit der Konstatierung der Ubiquität der Metapher durch George Lakoff und Mark Johnson überholt, widerlegt. Ganz im Gegenteil ist Aristoteles dafür zu würdigen, dass er die Metapher bereits so früh als alltägliche und allgegenwärtige Ausdrucksweise dargestellt hat. Da die Redekunst nun also nur Metaphern zur Verfügung hat, um einen gewissen Verfremdungseffekt zu erzeugen, müssen diese umso sorgfältiger gebraucht, umso umsichtiger formuliert und positioniert werden (Vgl. Arist.rhet III 2, 1405a). Aristoteles macht im Folgenden eine ganze Reihe normativer Vorgaben: Die metaphorischen Worte müssen angemessen gebraucht werden, indem sie dem wörtlichen Umfeld oder dem zu Bezeichnenden „entsprechen“. Tun sie dies nicht, werden die Gegensätze durch die textliche Nähe besonders 36

Vgl. STATHI, Aristotle, 18. Sie unterscheidet jedoch in Prosa und Poesie gebrauchte Metaphern, was meiner Meinung nach nicht zutreffend ist, da Aristoteles auch für bestimmte in der Prosa gebrauchte Metaphern ein angeborenes Talent voraussetzt. 37 Die Unterscheidung von Metaphern nach Konventionalitätsgrad wird noch ausführlicher in Abschnitt 5.2. diskutiert. 38 Möglicherweise sind die Beispiele, die Aristoteles in der Poetik für die ersten drei Typen der Metapher anführt, etwa das „Stehen“ des Schiffes, solche eher konventionellen Metaphern. Dann würde sich sein Kommentar über die Begabung zum Finden von Metaphern – zumindest tendenziell eher – auf Metaphern durch Analogie beziehen. Dies kann jedoch nicht mehr als eine Vermutung sein, da wir über den Gebrauch und die Verbreitung der von Aristoteles angeführten Beispiele, wie ja bereits oben erwähnt, nicht viel wissen.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

deutlich herausgestellt. Wenn ein Wort unbenannt ist, d.h. durch eine Metapher ersetzt wird, sollte diese Übertragung durch etwas Verwandtes bzw. Gleichartiges erfolgen (Vgl. Arist.rhet III 2, 1405a). Zudem spielt die Schönheit des sprachlichen Ausdrucks bei der Metapher eine Rolle, die auf verschiedenen Ebenen gefunden werden kann: „in der Stimme [d.h. in den sprachlichen Lauten, S.N.-R.], oder in der Wirkung oder im Aussehen oder in einer anderen sinnlichen Wahrnehmung.“ (Arist.rhet. III 2, 1405b.) Aristoteles verdeutlicht dies an einem Beispiel: „Es bedeutet nämlich einen Unterschied, ob man ‚rosenfingrige Morgenröte‘ sagt oder ‚purpurfingrige‘ oder, noch schlechter, ‚rotfingrige‘“ (Arist.rhet. III 2, 1405b). In einem eigenen Abschnitt behandelt Aristoteles das Abschreckende (IJઁ ȥȣȤȡંȞ) in der sprachlichen Form, das offenbar einen Gegenpol zur vollkommenen sprachlichen Form darstellt.39 Abschreckend wird die Lexis des Redners, wie Aristoteles ausführt, auf vier Arten: durch den unangemessenen Gebrauch von zusammengesetzten Nomina und Glossen sowie durch zu viele und zu lange Adjektive (Vgl. Arist.rhet. III 3, 1405b–1406b)40 und unangemessene Metaphern. Im Hinblick auf die Metaphern fasst Aristoteles zusammen: „es gibt nämlich auch Metaphern, die unangemessen sind, die einen, weil sie lächerlich sind – es gebrauchen nämlich auch die Komödiendichter Metaphern – die anderen, weil sie zu erhaben und tragisch sind; unklar aber sind sie, wenn sie weit hergeholt sind.“ (Arist.rhet. III 3, 1406b.) Es ist also für die in der Rhetorik gebrauchte Metapher erforderlich, dass die Verbindung zwischen einem Ausdruck und seiner Übertragung leicht zugänglich ist, eine ggf. bestehende Ähnlichkeit leicht erkannt wird und dass sie nicht zu sehr in den Sprachgebrauch der Dichtkunst driftet. Neben diesen stilistischen Regeln stellt Aristoteles jedoch auch heraus, dass Metaphern die Wahrnehmung der Rezipierende beeinflussen. Sein Beispiel sind metaphorische Titel, die einmal herablassend, einmal würdigend ausfallen und je nachdem die Betitelten in unterschiedliches Licht rücken (beispielsweise als „Geldbeschaffer“ betitelte Räuber – die Begriffe „Räuber“ und „Geldbeschaffer“ gehören dabei nach Aristoteles zur selben Gattung; Vgl. Arist.rhet. III 2, 1405a). Etwas eigentümlich fällt die aristotelische Verhältnisbestimmung von Metapher und Rätsel (Į੅ȞȚȖȝĮ) aus. Dass Metaphern Rätsel implizieren, passt mit der in der Poetik ausgesprochenen Warnung zusammen, dass ein ausschließlicher Gebrauch von Metaphern zur totalen Rätselhaftigkeit des sprachlichen Ausdrucks führt. Der in der Rhetorik vertretene Umkehrschluss erschließt sich nur teilweise: in Rätseln sollen geeignete, also gut formulierte, Metaphern zu 39

Vgl. RAPP, Kommentar, 845. Rapp bemerkt, dass ȥȣȤȡંȞ selbst eine Metapher ist (ursprünglich „kühl“/„frostig“), Aristoteles den Begriff aber wohl selbst aus der Tradition übernommen, die Metapher also nicht selbst geschaffen hat. 40 All dies sind dichterische Stilmittel, die in der Poetik auch durchaus einen sinnvollen Platz haben, in der Rhetorik jedoch unangemessen sind.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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finden sein (Vgl. Arist.rhet. III 2, 1405b). Natürlich findet man in manchen Rätseln Metaphern, jedoch bleibt fraglich, ob diese den aristotelischen Anforderungen gerecht werden oder sie nicht derart verhüllend wirken, dass sie das Primat der Verständlichkeit verletzen. Für die Metaphernforschung besonders wichtig – und immer wieder missverstanden – ist die von Aristoteles durchgeführte Verhältnisbestimmung von Metapher und Vergleich bzw. Gleichnis (griechisch İੁțȫȞ, wörtlich „Bild“). Aristoteles definiert den Vergleich folgendermaßen: „Auch das Gleichnis ist eine Metapher; denn der Unterschied ist nur geringfügig. Wenn man nämlich [zu Achill] sagt: ‚wie ein Löwe stürzte er (auf ihn)‘, ist es ein Gleichnis, wenn aber ‚ein Löwe stürzte (auf ihn)‘, ist es eine Metapher. Weil beide nämlich tapfer sind, sprach er, indem er eine Übertragung vornahm, von Achill als von einem Löwen.“ (Arist.rhet. III 4, 1406b.)41 Diese Textpassage lieferte für verschiedenste Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker das Paradebeispiel einer – zugegebenermaßen heute nicht mehr sonderlich zugänglichen – Metapher.42 Es führte auch zu dem Missverständnis, Aristoteles habe die Metapher als eine Art elliptischen Vergleich aufgefasst und sei somit Vertreter einer strikten Vergleichstheorie.43 Dabei wird sehr schnell ersichtlich, dass er nicht die Metapher vom Vergleich her definiert, sondern den Vergleich von der Metapher.44 Die Hierarchie ist genau umgekehrt. Obwohl der (formale) Unterschied zwischen beiden laut Aristoteles nur gering ist, ist der Gebrauch durchaus verschieden: Im Gegensatz zur Metapher hat der Vergleich eher poetischen Charakter, weshalb er in der Rede zwar nützlich sein kann, aber nur viel eingeschränkter als die Metapher, nur an ausgewählten Stellen gebraucht wird (Vgl. Arist.rhet. III 4, 1406b). Dieser Abschnitt wird gern überlesen,45 rückt

41

Eckige Klammern markieren fremde Einfügungen im Text, runde Klammern Ergänzungen in der Übersetzung. 42 Interessanterweise wird das Beispiel von Aristoteles selbst kaum analysiert. 43 Eckard Rolf zeigt in seiner Typologie der Metapherntheorien richtigerweise auf, dass diese Zuordnung unzutreffend ist und geht dabei auch ausführlich auf den entsprechenden Satz der Rhetorik ein. (Vgl. ROLF, ECKARD, Metapherntheorien. Typologie, Darstellung, Biographie, Berlin/New York: De Gruyter 2005, 28–30.) Stattdessen ordnet er Aristoteles der „Analogietheorie“ zu. (Vgl. a.a.O. 30f. und 77–84.) Er bleibt dabei m.E. aber zu stark der Definition der Poetik verhaftet und beachtet zu wenig die weiteren Ausführungen, auch die in der Rhetorik. Obwohl seine Zuordnungen teils fragwürdig sind, ist ihm doch positiv anzurechnen, dass er die antiken Autoren Aristoteles, Cicero und Quintilian soweit differenziert, dass er sie jeweils unterschiedlichen Metapherntheorien zuordnet. 44 Vgl. auch STATHI, Aristotle, 18. 45 So z.B. auch von Rapp in seinem Kommentar.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

den Vergleich aber von der Verwendung her näher an Glossen, zusammengesetzte Ausdrücke usw. Merkwürdigerweise wird der Vergleich in der aristotelischen Poetik aber nicht einmal erwähnt.46 Wenn der Vergleich jedoch laut Aristoteles gebraucht wird, dann aufgrund des genannten geringfügigen formalen Unterschieds auf dieselbe Weise und in denselben Zusammenhängen wie die Metapher. Aristoteles gibt eine Vielzahl von Beispielen für Gleichnisse und schließt mit der Bemerkung: „Alle diese Beispiele können nämlich sowohl wie Gleichnisse als auch wie Metaphern formuliert werden, so dass alle diese (Formulierungen), die, wenn sie als Metaphern gesagt werden, gut ankommen, offensichtlich auch Gleichnisse sein werden und die Gleichnisse Metaphern, wenn die Erklärung fehlt.“ (Arist.rhet. III 4, 1407a.) Hier wird offenbar noch ein weiteres Unterscheidungsmerkmal benannt: In einem Vergleich wird die Art der Verbindung zwischen zwei Dingen oder Worten explizit gemacht, in der Metapher dagegen nicht. Auffällig ist die Betonung, dass Metaphern, die gut ankommen, zu Vergleichen werden können. Dies liegt möglicherweise daran, dass eine gemeinsame Hinsicht bzw. ein Vergleichspunkt in solchen Fällen definitiv gegeben ist.47 „Das scheint jedoch nicht notwendiges Merkmal des Gleichnisses zu sein, denn Aristoteles selbst führt im vorliegenden Kapitel Beispiele an, in denen eine solche Vergleichshinsicht nicht ausdrücklich entwickelt wird. Dagegen ist es für das Vorliegen einer Metapher notwendige Bedingung, dass solche Hinsichten nicht entwickelt werden.“48 Nach einigen Kapiteln Unterbrechung kommt Aristoteles wiederum auf die Metapher zu sprechen. Dabei erfolgt nun eine deutliche Akzentverschiebung von der äußeren Form und normativen Vorgaben hin zur Wirkung der Metapher auf die Hörenden. Im zehnten Kapitel geht es um „Formulierungen, die geistreich sind (IJ੹ ਕıIJİ૙Į) und gut ankommen (İ੝įȠțȚȝȠ૨ȞIJĮ)“.49 Dies ist zwar nicht ausschließlich, aber vermehrt bei Metaphern der Fall. Als Konsequenz dieser beiden Eigenschaften ergibt sich für die Zuhörenden ein leichtes und somit angenehmes Lernen. Aristoteles betrachtet, welche etwas bezeichnenden Nomina einen Lernprozess in Gang setzen können: Da die gewöhnlichen Ausdrücke bereits bekannt und die Glossen fremdartig sind, scheiden diese beiden aus. Am ehesten geeignet ist hingegen die Metapher (Vgl. Arist.rhet. III 10, 1410b): „Gemeint sein muss, dass die Metapher erkenntniserweiternd ist, indem sie das, worauf sie referiert, zugleich metaphorisch beschreibt und so in

46

Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 27.119. Eine mögliche Erklärung, die Stanford angibt, ist, dass ein zweites Buch der Poetik existierte, das nun verloren ist, in dem aber die poetische Verwendung von Vergleichen dargelegt wurde. 47 Vgl. RAPP, Kommentar, 851f. 48 A.a.O. 852. 49 Vgl. a.a.O. 883.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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ihrer semantischen Binnenstruktur eine ganze Aussage enthält.“50 Die Metapher bewirkt einen Erkenntnisfortschritt, indem sie die Hörenden auf eine Suche nach der Verbindung zwischen den beiden Begriffen, zwischen denen eine Übertragung stattfindet, schickt und indem sie eine Sache durch eine andere und somit in anderem Licht darstellt. An dieser Stelle der aristotelischen Metapherntheorie gibt es sogar Anknüpfungspunkte für die spätere Interaktionstheorie. Interessant ist das Beispiel, das Aristoteles in diesem Zusammenhang gibt: „Wenn nämlich einer das Alter eine Stoppel nennt, bewirkt er das Lernen und das Verstehen durch die Gattung; beides nämlich ist Verblühtes.“ (Arist.rhet. III 10, 1410b.) Diese Metapher funktioniert nach Aristoteles nicht aufgrund einer Analogie, sondern dadurch, dass beide Ausdrücke, „Alter“ und „Stoppel“ Arten sind, die derselben Gattung, dem „Verblühten“, zugeordnet werden. Man wird sie auch aus der Perspektive der modernen Metaphernforschung nicht als Metonymie, sondern als Metapher im engeren Sinne auffassen. Auch wenn die in der Poetik für die Darstellung der ersten drei Typen von Metaphern verwendeten Beispiele eher metonymischen Charakter haben, kann, wie sich hier zeigt, nicht angenommen werden, dass Aristoteles mit diesen Typen ausschließlich Metonymien und Synekdochen meint. In den beiden Werken scheinen unterschiedliche Definitionen von „Gattung“ vorausgesetzt zu sein. Rapp hält fest: Beim engeren Begriff von ‚Gattung‘, der entweder der zoologischen Taxonomie vollständig entspricht oder sich diese zum Vorbild nimmt, lässt sich aufgrund der Invarianz eines solchen Art-Gattungs-Gefüges leicht und verbindlich feststellen, ob zwei bestimmte Dinge in derselben Gattung sind oder nicht. Sind sie es nicht, kommt als gattungsüberschreitende Ähnlichkeitsbeziehung nur noch die Analogie in Frage. Im weiteren Sinne von ‚Gattung‘ dagegen, in dem aus jeder Gemeinsamkeit zwischen verschiedenartigen Dingen ein Gattungsbegriff gewonnen werden kann, besteht keine prinzipielle Grenze, die Rolle, die zwei analoge Dinge in ihrem Bereich spielen, auf einen gemeinsamen Begriff zu bringen, und dann von diesen Dingen zu sagen, sie fielen unter dieselbe ‚Gattung‘.51

Auch wenn diese Beobachtung prinzipiell korrekt ist, sehe ich Rapps Äußerung, dass jede Gemeinsamkeit zu einer Gattungsbezeichnung werden kann, kritisch. Sie ist meines Erachtens zu generalisierend – Aristoteles gibt dafür bei weitem zu wenige Beispiele. Dennoch ist der Gattungsbegriff in dieser Stelle der Rhetorik weiter, als es in der Poetik den Anschein hat – doch möglich ist, dass Aristoteles auch dort schon mit einem solchen weiten Begriff operierte, die von ihm verwendeten Beispiele dies nur nicht deutlich machten. Jedenfalls ist es richtig, dass durch das Beispiel der Stoppel für das Alter die Metapherntypen drei und vier aneinander gerückt werden. Man könnte die hier angeführte Metapher auch durch Analogie verstehen. Die nah verwandte analoge Metapher des Lebensabends, die Aristoteles in der Poetik expliziert (21, 50 51

A.a.O. 886. A.a.O. 891.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

1457b), könnte umgekehrt auch anhand eines solchen weiten Gattungsbegriffs analysiert werden.52 An dieser Stelle bleiben Fragen offen. Man muss jedoch davor warnen, die ersten drei Typen des aristotelischen Schemas als Metonymien abzutun. Das Verständnis, dass Metaphern anhand von übergeordneten Gattungen produziert und verstanden werden, ist ein ganz anderer Interpretationsansatz als das Analogieprinzip und kommt dem späteren Class-InclusionAnsatz sehr nahe.53 Auch in diesem Zusammenhang erwähnt Aristoteles die Vergleiche, wobei er sie gleich durch ein Genitivattribut den Dichtern zuordnet. Sie könnten, wenn sie gut formuliert sind, ebenfalls einen Lernerfolg bewirken. Er wiederholt, dass das Gleichnis eigentlich eine Metapher ist, „die sich nur durch die Form der Behauptung unterscheidet. Deswegen ist es weniger angenehm, weil länger; auch behauptet es nicht, dass dieses jenes sei; folglich sucht auch die Seele nicht danach.“ (Arist.rhet. III 10, 1410b.) Die bereits angeführte Hierarchisierung wird hier nochmals verschärft. Der Vergleich ist weniger „geistreich“.54 Um nun zu einem Lernerfolg zu führen, sind laut Aristoteles drei Dinge hilfreich: erstens die Metapher, die nicht schwierig oder seltsam und auch nicht zu oberflächlich ausfallen darf, sondern gerade im Eigentümlichen, in weit voneinander entfernten Dingen das Ähnliche erkennt und sich möglicherweise den Erwartungen widersetzt (Vgl. Arist.rhet. III 11, 1412a), zweitens die Entgegensetzung oder Widersprüchlichkeit zweier Begriffe (z.B. Frieden und Krieg, auch dieses kann in einer Metapher erfolgen und macht sie dann noch ansprechender) und drittens das lebendige Vor-Augen-Führen (Vgl. Arist.rhet. III 11, 1410b). Dieses Vor-Augen-Führen, das erst später definiert wird, steht in engem Zusammenhang mit dem Geistreichen und dem, was beim Publikum gut ankommt.55 Der Metapher nach Analogie, die bereits in der Poetik viel Platz beansprucht hat, kommt eine ausdrückliche Vorrangstellung zu (Vgl. Arist.rhet. III 11, 1411a). Im Folgenden führt Aristoteles eine Vielzahl von Beispielen an, in denen er immer wieder das Vor-Augen-Führen als Charakteristikum, manchmal, so scheint es, sogar als entscheidendes Erkennungsmerkmal erwähnt. Im nächsten Kapitel erläutert er schließlich, was er damit meint: „Ich sage nämlich von allem dem, dass es vor Augen führt, was etwas in einer Aktivität Befindliches bezeichnet“ (Arist.rhet. III 11, 1411b). Rapp erläutert dies folgendermaßen: 52

Vgl. a.a.O. 890f. Dazu s.u., Abschnitt 2.8. 54 Vgl. RAPP, Kommentar, 892. 55 Vgl. a.a.O. 904. Da es sich bei antiken Texten um solche handelt, die zumeist laut vorgetragen wurden, ist das Vor-Augen-Stellen möglicherweise auch durch Gesten unterstütz worden. Zur Bedeutung von Gesten im antiken Vortrag vgl. BOEGEHOLD, ALAN L., When a Gesture Was Expected. A Selection of Examples from Archaic and Classical Greek Literature, Princeton: University Press 1999. 53

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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Insgesamt versteht man das Vor-Augen-Führen im Zusammenhang mit der Rhetorik am besten als eine lern-verstehenspsychologische Qualität, die der beherrschenden Kategorie des Klaren untergeordnet ist. Die besondere Pointe der Verbindung mit dem Begriff der Aktivität […] dürfte die sein, dass beim Vor-Augen-Führen die beschriebenen Dinge als präsent, nahe, lebendig präsentiert werden und die einzelne Metapher, die über diese Qualität verfügt, dadurch zugleich größere, dem Rezipienten vertraute Handlungszusammenhänge vergegenwärtigt.56

Aristoteles führt Beispiele an: Bezeichnet man einen guten Menschen als „Quadrat“, ist dies eine Metapher (beides ist vollkommen), es fehlt jedoch an Aktivität. Bezeichnet man hingegen einen wütenden Menschen als „losgelassenes Tier“, ist dies eine Metapher, die eine Aktivität impliziert und somit etwas vor Augen stellt (Vgl. Arist.rhet. III 11, 1411b). Das Vor-Augen-Stellen wird also hauptsächlich durch den Gebrauch von dynamischen Verben erreicht.57 Auch das Lebendig-Machen von ansonsten Unbelebtem, also die Personifikation, erzeugt das Vor-Augen-Führen (Vgl. Arist.rhet. III 11, 1411b). Die Metaphern, die vor Augen führen, sind aus Sicht des Aristoteles besonders bedeutsam, insbesondere in der Redekunst, wo sie vermehrt zum Lernen und Erkennen anregen, da sie zu stärkerer Involviertheit führen und plausibler sind.58 Man könnte aus diesen Metaphern eine eigene Kategorie bilden, auch wenn Aristoteles dies nicht ausdrücklich tut. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass das Bildhafte laut Aristoteles nicht zwingend die Metapher ausmacht. Zudem ist davor zu warnen, das Vor-Augen-Führen automatisch mit inneren Bildern o.Ä. gleichzusetzen, weil Aristoteles in seiner Metapherntheorie von Begriffen ausgeht.59 In den folgenden Abschnitten wiederholt Aristoteles nochmals das bisher Gesagte und gibt viele Beispiele. Zum Ende seiner Äußerungen über die Metapher bezeichnet er auch Übertreibungen und Sprichwörter als Metaphern, letztere charakterisiert er näher als Metaphern von der Art auf die Art (Vgl. Arist.rhet. III, 11, 1413a). Mit diesen beiden Zuordnungen zeigt sich wiederum, dass Aristoteles die weitläufige Verbreitung und Alltäglichkeit gewisser Metaphern durchaus annimmt. Neben der Berücksichtigung in der Dicht- und Redekunst hat Aristoteles auch im Zusammenhang von philosophischen und wissenschaftlichen Diskursen den Wert der Metapher bestimmt.60 Das Ergebnis mag zunächst verwundern: Die Metaphern seien nicht klar genug, hätten eher verhüllenden Charakter und gehörten daher nicht in die Philosophie. Die scheinbare Widersprüchlichkeit zu dem in der Poetik und Rhetorik Gesagten löst sich auf, wenn man

56

RAPP, Kommentar, 905. Allerdings nicht ausschließlich, vgl. a.a.O. 907. 58 Vgl. a.a.O. 906. 59 Vgl. a.a.O. 909f. 60 Vgl. a.a.O. 927–929. 57

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

den jeweiligen Anlass und das jeweilige Publikum berücksichtigt. Die vollkommene Sprachform wurde bereits in der Poetik und der Rhetorik unterschiedlich bestimmt und eine wiederum andere Bestimmung liegt im philosophischen Diskurs vor. Hier muss die Klarheit und Präzision in jedem Fall überwiegen. Die Rezipierenden einer wissenschaftlichen Abhandlung bedürfen zudem nicht des zusätzlichen Anreizes durch das Fremdartige. Wenn Metaphern also in solchen Kontexten gebraucht werden, dann, so Aristoteles, nicht ohne weitere Erklärung oder Übersetzung61 – und die umschreibenden Erklärungen der von ihm aufgeführten Metaphern legt nahe, dass Aristoteles diese generell für übersetzbar hält. Dennoch bleibt eine Gemeinsamkeit zwischen denen, die Philosophie betreiben, und denen, die Metaphern schaffen: beide müssen Ähnlichkeiten und Zusammenhänge in voneinander weit entfernten Dingen finden. Auch blieb Aristoteles selbst hinter seinen Anforderungen zurück und benutzte Metaphern auch in philosophischen Zusammenhängen. Das Metaphernverständnis des Aristoteles ist, wie diese Ausführungen zeigen, komplex und heterogen. Dies liegt teilweise daran, dass es auf zwei Schriften und einige Bemerkungen in weiteren Werken – beachtenswert ist vor allem die offenbar durch Genre und Thema bestimmte starke Skepsis der Metapher gegenüber in Topik VI 2, 139b und Analytica posteriora II 13, 97b – verteilt ist. Im Hinblick auf die beiden Hauptwerke lassen sich deutliche Unterschiede im Grundansatz feststellen: „Während er in der Poetik die unterschiedlichen Möglichkeiten, etwas mit einem Wort zu bezeichnen, das eigentlich als Bezeichnung für etwas anderes gebraucht wird, untersucht, geht es ihm in der Rhetorik vor allem um den Erkenntniswert der Metapher.“62 Beides muss zusammengelesen werden, um kein verzerrtes Bild zu erhalten. Aus einer unzulänglichen Lektüre resultierte eine ganze Reihe von Missverständnissen. Die Annahme, dass Aristoteles ein Vertreter der Vergleichstheorie sei, der Metaphern als verkürzte Vergleiche ansehe, entstand daraus, dass in der AristotelesRezeption das Verständnis anderer antiker Rhetoriker auf ihn zurück projeziert wurde.63 Aristoteles vertritt auch keine Substitutionstheorie in ihrer starken Form, wie weiter unten64 gezeigt werden wird. Seine Äußerungen sind so vielfältig, dass es durchaus Anknüpfungspunkte für die Interaktions- und Verbalopposition-Theorie gibt, die sonst eher als sich von Aristoteles abgrenzend wahrgenommen werden. Die meisten Vorwürfe, die man Aristoteles macht, haben ihren Ursprung darin, dass er nicht genau genug gelesen wurde. Es gibt 61

Vgl. a.a.O. 928f. SCHMITT, Kommentar, 626. Dennoch ist eine absolut stringente Trennung wohl nicht durchzuhalten, wie schon die aristotelische Herangehensweise selbst zeigt: In seinen Erörterungen zur Metapher in der Rhetorik zitiert Aristoteles viele poetische Beispiele. Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 6. 63 Vgl. RAPP, Kommentar, 922. 64 Abschnitt 1.2.1. 62

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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jedoch einen Schwachpunkt, der auch durch noch so genaue Lektüre nicht ausgeräumt werden kann: die Begrenzung auf das Wort.65 Zwar ist es in der Forschung umstritten, ob Aristoteles lediglich Ein-Wort-Metaphern oder auch prädikative Metaphern anführt,66 meines Erachtens kann aber kein Zweifel bestehen: Selbst wenn Aristoteles einige prädikative Beispiele anführt, sieht er doch die Metapher niemals als aus dem ganzen Satz, sondern aus dem einzelnen, übertragenen Begriff bestehend. Diese Annahme war über einen langen Zeitraum für die Metaphernforschung prägend. Es ist der Verdienst der neueren Metaphernforschung, den Satz bzw. die Gesamtaussage als Ort der Metapher darzustellen und damit ganz neue Funktionsweisen und Interpretationsansätze zu eröffnen. 1.1.3. Cicero Wenn in metapherntheoretischen Werken überblicksartig das Metaphernverständnis der Antike dargestellt wird, so erfolgt zumeist eine Fokussierung auf Aristoteles und Quintilian. Cicero findet, wenn überhaupt, nur beiläufig Erwähnung. Dennoch ist er als eine Art Verbindungsglied zwischen den beiden anderen Autoren wichtig, um eine Entwicklung des antiken Metaphernverständnisses grob skizzieren zu können. Außerdem bemerkt Stanford: Cicero frequently gives a more systematic and more lucid argument than Aristotle, while Quintilian has constantly to acknowledge his debts to his republican predecessor. Cicero’s supreme mastery of terminology combined with his Latin precision of thought made him in the problems of metaphor […] an admirable interpreter of the rather untidy and free-andeasy doctrines of the Greek.67

Die umfassendste Darstellung der Metapher durch Cicero findet sich im dritten Buch von De Oratore, dessen allgemeines Thema Stilfragen sind. Lucius Licinius Crassus, der Wortführer in diesem fiktiven Lehrdialog, geht dabei von den Stiltugenden des Aristoteles-Schülers Theophrast aus.68 Die bereits oben erwähnten aristotelischen Merkmale Klarheit und Originalität wurden von Theophrast zu einem Viererkanon erweitert: Korrektheit, Klarheit, Angemessenheit und Schmuck. Nachdem Crassus die ersten beiden abgehandelt hat und 65

Bereits bei den von Aristoteles angeführten Metaphern, gerade bei den von Aristoteles bevorzugten analogischen, kommt es zu Problemen: Beim „Lebensabend“ wird die Metapher durch beide Wortbestandteile getragen. Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 8. 66 Vgl. zum Forschungsdissens RAPP, Kommentar, 888f. Rapp will das Problem lösen, indem er beides mehr oder weniger gleichsetzt, da jede Ein-Wort-Metapher eine prädikative Struktur voraussetze. M.E. verkennt er damit den Kern der Debatte: Die Frage, ob die Metapher auf der Wort- oder Satzebene vorliegt, ist damit nicht gelöst. 67 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 35. 68 Vgl. WISSE, JAKOB/WINTERBOTTOM, MICHAEL/FANTHAM, ELAINE, M. Tullius Cicero. De oratore libri III. A Commentary on Book III, 96–230 (Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern), Heidelberg: Winter 2008, 177.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

von der Erörterung des Stils abgekommen ist, kommt er nach Aufforderung des Gesprächsteilnehmers Sulpicius auf die verbleibenden beiden Merkmale, beginnend mit dem Schmuck (ornatus), zurück. Er weist darauf hin, dass er sich auf die „Urheber und Erfinder“ (Cic.de.orat. III, 148)69 diesbezüglicher Theorien bezieht. Gemeint sind hiermit Aristoteles und Theophrast, möglicherweise auch Isokrates.70 Dabei sind der Umfang und die Art der Benutzung nicht ganz klar. Lange Zeit wurde eine direkte Benutzung etwa aristotelischer Quellen verneint, doch gerade eine Kenntnis der Rhetorik scheint plausibel, wenn auch nicht beweisbar. Ciceros Umgang mit seinen Quellen ist jedoch frei: „Aristotle and Theophrastus are clear presences in the last part of book 3; but however that came about, they were sources of inspiration for Cicero rather than sources in the strict sense.“71 Der Hinweis auf die Hinzunahme von Quellen senkt die Erwartungen bei den fiktiven Zuhörern und realen Rezipierenden und steigert die Überraschung über den doch unorthodoxen Ansatz.72 Die Erörterung des ornatus erfolgt auf drei an Theophrast angelehnten, aber zu Ciceros Zeit eher ungebräuchlichen Ebenen: der des einzelnen Wortes (Cic.de.orat. III, 149–170), der Wortkombinationen (Cic.de.orat. III, 171–198) und der Stilfiguren (Cic.de.orat. III, 202–207).73 Auf der Einzelwort-Ebene kann der Redner auf dreierlei Weise seiner Rede Schmuck verleihen: durch ungewöhnliche, meist altertümliche Worte, durch Neubildungen und durch übertragene Worte, also Metaphern (aut inusitatum verbum aut novatum aut translatum, Cic.de.orat. III, 15274). Diese Auflistung erinnert an Aristoteles, es fällt jedoch auf, dass Cicero Neubildungen und ungewöhnliche Ausdrücke in der Redekunst deutlich positiver deutet. Durch die Einordnung wird klar, dass auch Cicero Aristoteles’ Schwäche teilt, da auch für ihn die Metapher eindeutig auf der Wortebene liegt. Was Aristoteles in der Rhetorik lediglich angedeutet hat, wird bei Cicero weitaus stärker ausgeführt: dass die Metaphern weitverbreitet sind und auch eher ungebildete Leute sie benutzen (Vgl. Cic.de.orat. III, 155). Zudem führt er den Grund für ihre Entstehung an: „Sie hat der Zwang des Mangels und der Enge hervorgebracht, dann aber das Vergnügen und der Reiz vermehrt.“ (Cic.de.orat. III, 157.) Cicero stellt den Vergleich mit Kleidern an, die zunächst 69

Hier und im Folgenden wird De Oratore zitiert aus der Übersetzung von Harald Merklin (CICERO, De oratore/Über den Redner, Lateinisch-Deutsch, hg. und übersetzt von Harald Merklin, Stuttgart: Reclam 52003.) 70 Vgl. WISSE/WINTERBOTTOM/FANTHAM, Commentary, 174f. 71 A.a.O.175. 72 Vgl. a.a.O. 177. 73 Vgl. a.a.O. 178f. 74 Cicero gebraucht die etablierten termini technici transferre und translatum für ȝİIJĮijȠȡȐ und ȝİIJĮij੼ȡİȚȞ. Wie die griechischen Termini auch haben diese Begriffe eine teilweise recht weite Bedeutung, werden aber meist im Sinne des modernen Terminus „Metapher“ verwendet. Vgl. WISSE/WINTERBOTTOM/FANTHAM, Commentary, 189.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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den Körper wärmten, ihn dann aber zusätzlich schmückten. Aufgrund dieser beiden Funktionen scheint Cicero eine Unterscheidung zu treffen zwischen den Übertragungen, die nur „Anleihen“ (mutuationes) sind und aus Wortmangel entstehen (im heutigen Fachjargon Katachresen) und solchen, die „kühner“ sind und schmückende Funktion haben (eigentliche Metaphern). (Vgl. Cic.de.orat. III, 156.) Es folgt das, was einer Definition der Metapher bei Cicero am nächsten kommt: Es handelt sich dabei um die Kurzform eines Gleichnisses, das sich in einem einzigen Wort konzentriert; denn wenn ein Wort an einer anderen Stelle steht, als stünde es an seiner eigentlichen, so wirkt es reizvoll, falls man die Analogie erkennt, doch man verschmäht es, wenn es keinerlei Entsprechung zeigt. (Cic.de.orat. III, 157)75

Gerade die Authentizität dieser Passage, durch die Cicero als Vertreter der Vergleichstheorie identifiziert wurde, ist jedoch umstritten.76 Der Satz ist in sich inkonsistent und fügt sich weder inhaltlich noch grammatikalisch gut in den Zusammenhang. Durch seine Auslassung wird nichts zerstört, sondern im Gegenteil die Verbindungslinie wieder hervorgehoben. Selbst wenn man den Satz als authentisch ansieht, ist eine Reduktion auf die Vergleichstheorie nicht angebracht, da zumindest eine Art von Substitution mitgedacht wird. Cicero bzw. Crassus fährt damit fort, darzustellen, zu welchem Zweck man Übertragungen verwenden soll, nämlich um etwas zu veranschaulichen (hierunter fallen auch Personifikationen), ein Gesamtbild genauer auszuführen oder um eine optimale Prägnanz zu erreichen (Vgl. Cic.de.orat. III, 157f.). Im Folgenden äußert er die für ihn seltsame Beobachtung, dass den Leuten uneigentliche Ausdrücke besser gefallen als eigentliche (Vgl. Cic.de.orat. III, 159). Offenbar in Anlehnung an Aristoteles, nennt er vier mögliche Gründe dafür, wobei die ersten drei in einem Zusammenhang stehen und der vierte eine hervorgehobene Bedeutung genießt:77 1) Es ist ein Zeichen von Genie, weit hergeholte Zusammenhänge aufzuzeigen und Naheliegendes zu vermeiden. 2) Es ist reizvoll für die Zuhörenden, in eine andere Richtung, aber gleichzeitig nicht fehl geführt zu werden. 3) Es ist reizvoll, dass in einem Wort ein gesamter Vergleich bzw. eine gesamte Wirklichkeit prägnant zusammenkommt. 4) Die Metapher aktiviert in einzigartiger Weise die Sinne, insbesondere den Gesichtssinn (Vgl. Cic.de.orat. III, 160).78 Interessant und beinahe modern ist,

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Im Original: Similitudinis est ad verbum unum contracta brevitas, quod verbum in alieno loco tamquam in suo positum, si agnoscitur, delectat, si simile nihil habet, repudiatur. 76 Vgl. WISSE/WINTERBOTTOM/FANTHAM, Commentary, 204f. 77 Vgl. a.a.O. 211. 78 Es stimmt, dass Parallelen zu Aristoteles klar ersichtlich sind, allerdings ist aus meiner Sicht vor einer vorschnellen Gleichsetzung des vierten Punkts mit dem aristotelischen VorAugen-Führen zu warnen. Cicero sagt darüber einfach zu wenig. Er könnte auch bloße geistige Bilder meinen, die dem aristotelischen Verständnis nicht gerecht werden.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

dass Cicero bzw. Crassus davon ausgeht, dass prinzipiell alle Worte zu Metaphern werden können: „Aus derselben Quelle, aus der man ein Gleichnis ableiten kann – man kann es aber überall –, läßt sich auch ein einzelnes Wort gewinnen, das ein Element der Ähnlichkeit enthält und dessen übertragene Anwendung Klarheit in die Rede bringen kann.“ (Cic.de.orat. III, 161.) Gerade weil theoretisch alles Potential zur Metapher hat, ist es notwendig, einige Regeln zu beachten, und mit diesen schließt Cicero/Crassus seine Aussagen zur Metapher im eigentlichen Sinn (Vgl. Cic.de.orat. III,162–165): Sowohl eine Metapher mit fehlender Ähnlichkeit (dissimilitudo) als auch mit zu weit hergeholter Analogie bzw. Ähnlichkeit ist zu vermeiden, ebenso alles, was einen abstoßenden Eindruck auf den Gesichtssinn hinterlässt. Die Metapher sollte weder zu stark noch zu schwach sein und das uneigentliche Wort darf nicht enger ausfallen als das eigentliche, das ersetzt wird. Schließlich sollte die Metapher nicht zu hart klingen und nicht zu abrupt in den Zusammenhang eingeschoben sein. Gegebenenfalls muss sie durch Markierungen abgemildert werden. Ohne deutliche Überleitung geht Cicero/Crassus auf die mit der Metapher verwandten Stilmittel ein. Die Allegorie wird dabei als eine Art Anhäufung von Metaphern gesehen, als Übertragung eines Zusammenhangs auf einen anderen, was die Einzelwortebene transzendiert und weshalb die Allegorie eigentlich zum ornatus auf Satzebene gehört, wie mehrfach betont wird (Vgl. Cic.de.orat. III, 166f.). Sie wird als besonders bedeutsam hervorgehoben und der Metapher übergeordnet.79 Sie wird aber schnell zum Rätsel, wenn die Übertragung nicht gänzlich gelingt. Schließlich behandelt Cicero/Crassus noch Metonymien und Synekdochen, die er aber offenbar als weniger wirkungsvoll ansieht. Seine Aussage „man versteht in jedem Fall darunter nicht das, was gesagt ist, sondern was gemeint ist“ (Cic.de.orat. III, 168) rückt in auffällige Nähe zur modernen Sprechakttheorie.80 Die Art, wie Cicero hier die sprachlichen Mittel unter dem generellen Übertragungsbegriff behandelt, lässt auf die Benutzung der aristotelischen Werke und eine Abgrenzung von anderen zeitgenössischen Ansätzen schließen.81 Rund ein Jahrzehnt nach De Oratore, unter geänderten politischen (Herrschaft Caesars) und stiltheoretischen Voraussetzungen (Auseinandersetzungen

79

Vgl. WISSE/WINTERBOTTOM/FANTHAM, Commentary, 185. S.u., Abschnitt 1.2.9. 81 Vgl. WISSE/WINTERBOTTOM/FANTHAM, Commentary, 178: „When Cicero […] groups allegory, metonymy, synecdoche and catachresis together under one heading with metaphor, he is, consciously, very close to Aristotle […]; this should mean that this grouping differs from the standard accounts.“ 80

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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zwischen Attizismus und Asianismus) greift Cicero im Orator das Thema Metapher wieder auf.82 Dabei ist zu beachten, dass dieses Werk im Gegensatz zum Vorläufer keine Vorschriften oder Schulregeln aufstellt, sondern sich eher im platonischen Sinne mit der Idee des Redners und der vollkommenen Rede beschäftigt.83 Cicero „wendet sich den fünf Arbeitsgängen des Redners zu“,84 wobei der Schwerpunkt deutlich auf der elocutio und darin wiederum auf der Rhythmisierung der Rede liegt.85 Gemäß diesem Grundanliegen der Schrift spielt die Metapher nur eine untergeordnete Rolle und wird eher in Parenthesen behandelt.86 Für Ciceros Metapherntheorie ergibt sich daher inhaltlich nicht viel Neues. Interessant ist jedoch der Kontext, in dem Metaphern behandelt werden. In Anlehnung an Theophrast87 unterscheidet Cicero drei Stilarten, den einfachen, mittleren und hohen Stil (genus tenue, medium und grande) und ihre jeweilige Beziehung zum ornatus (Vgl. Cic.orat. 76–99). Der einfache Stil, der wohl den Forderungen des Attizismus am ehesten gerecht wird (Vgl. Cic.orat. 76), aber auch nicht gänzlich mit ihm gleichzusetzen ist,88 kann rhetorische Schmuckmittel nur auf sehr begrenzte Weise nutzen. Jedoch sind ihm Metaphern, die auch im alltäglichen Sprachgebrauch, zum Beispiel im Kontext der Landwirtschaft, verwendet werden, möglich: „Das alles ist zwar ziemlich kühn. Aber es besteht entweder eine Ähnlichkeit mit dem, woher man es entlehnt, oder aber es ist, falls die Sache selbst keinen eigenen Namen besitze, zur Verdeutlichung übernommen, nicht aus Spielerei.“ (Cic.orat. 82.)89 Freilich ist der Redner des einfachen Stils, im Gegensatz zu dem des mittleren oder erhabenen, auf „die einfachsten Metaphern“ (Cic.orat. 85) beschränkt. Im mittleren Stil ist der Redner freier, er kann alle Stilmittel nutzen und kühnere Metaphern wagen: „Seine Rede gleitet ruhig und gelassen dahin, es zieren sie aber gleichsam wie Sterne einige übertragene beziehungsweise veränderte Ausdrücke“

82

Vgl. KYTZLER, BERNHARD, Einführung, in: Cicero, Orator/Der Redner, LateinischDeutsch, hg. v. Benrhard Kytzler, München: Heimeran 1995, 223–234. Hier: 223–225. 83 Vgl. a.a.O. 226f. 84 A.a.O. 229. 85 Vgl. a.a.O. 229f. 86 Vgl. SANDYS, JOHN E., [Explanatory Notes], in: Cicero, Ad Marcum Brutum Orator. A Revised Text with Introductory Essays and Critical and Explanatory Notes by John Edwin Sandys, Hildesheim/New York: Olms 1973, 91.103. 87 Vgl. SANDYS, JOHN E., Introduction, in: Cicero, Ad Marcum Brutum Orator. A Revised Text with Introductory Essays and Critical and Explanatory Notes by John Edwin Sandys, Hildesheim/New York: Olms 1973, i–xcix. Hier: lxx. 88 Vgl. KROLL, WILHELM, [Erklärungen], in: Cicero, Orator, erklärt von Wilhelm Kroll, Dublin/Zürich: Weidmann 51971, 85. 89 Hier und im Folgenden wird Orator zitiert aus der Übersetzung von Bernhard Kytzler (CICERO, Orator/Der Redner, Lateinisch-Deutsch, hg. v. Benrhard Kytzler, München: Heimeran 1995.)

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

(Cic.orat. 92),90 wobei mit „übertragenen“ Ausdrücken Metaphern, mit „veränderten“ Metonymien gemeint sind, eine Unterscheidung, die in De Oratore noch nicht so deutlich ausgefallen ist. Cicero verweist an dieser Stelle auch ausdrücklich auf den weiten Metaphernbegriff des Aristoteles, auf den er sich wohl auch in seinem Vorwerk bezogen hat. Der hohe Stil ist nun noch einmal in seiner Schmuckhaftigkeit gesteigert. Der ideale Redner ist jedoch nicht allein Vertreter des hohen Stils, sondern er beherrscht alle drei Arten und wählt je nach Anlass den richtigen aus. Mehrmals betont Cicero, wie wichtig es ist, die Sprache an die Gegebenheiten, etwa den Anlass, die Adressierten etc. anzupassen (Vgl. z.B. Cic.orat. 108.123). Man könnte sagen, dass die Sprache laut Cicero je nach Genre variiert. Dass dies Auswirkungen auf die verwendeten Metaphern hat, wurde oben schon deutlich: Die Metaphern im einfachen Stil sind weniger kühn, vermutlich konventioneller und erfüllen auch eine andere Funktion als die in den anderen beiden Stilen. An dieser Stelle nimmt er bereits Aspekte des 2(GR)AMS-Ansatzes von Andrew Goatly91 vorweg. Im Zusammenhang des vollkommenen Redners werden Metaphern außerdem noch einmal an herausgehobener Stelle gelobt: „Er [der vollkommene Redner, S.N.-R.] wird Metaphern jeder Art redlichst benutzen, weil diese aufgrund der Ähnlichkeit den Geist hin und her führen und ihn hierhin und dorthin leiten – eine gedankliche Bewegung, die infolge ihrer Schnelligkeit schon an und für sich selbst erfreut.“ (Cic.orat. 134.) Insgesamt haben Ciceros Ausführungen, trotz einer gewissen Abhängigkeit von Aristoteles, sehr individuelle Züge. Er gibt keine richtige Definition der Metapher und auch keine Typisierung, sondern nennt in De Oratore hauptsächlich praktische Anweisungen, in die er Aussagen über das Wesen der Metapher einstreut.92 Seine Metapherntheorie ist jedenfalls zu komplex, um sie als Vergleichstheorie zu klassifizieren,93 zumal der Satz, auf der diese Klassifizierung beruht, umstritten ist. Cicero in der Analyse antiker Metapherntheorien zu übergehen, ist bei allen möglichen Schwächen seiner Theorie ebenfalls nicht gerechtfertigt, da er einige sehr interessante, teilweise modern erscheinende Einsichten darstellt, etwa über die Ubiquität der Metapher (sowohl was den alltäglichen Sprachgebrauch der Menschen als auch was das Potential aller Worte, zu Metaphern zu werden, betrifft), über die Herkunft der Metapher, ihre verschiedene Ausprägung in unterschiedlichen Genres und ihre Popularität. Er 90 Im Original: cuius oratio cum sedate placideque liquitur, tum inlustrant eam quasi stellae quaedam translata verba atque immutata. 91 S.u., Abschnitt 1.2.3. 92 Vgl. WISSE/WINTERBOTTOM/FANTHAM, Commentary, 183. 93 Gegen z.B. Rolf, der ein Kapitel überschreibt: „Vergleichstheorie der Metapher: Nicht Aristoteles – Cicero ist ein Vertreter dieser Theorie“. (ROLF, Metapherntheorien, 21) Er geht auf Ciceros generelle Überlegungen zur Metapher jedoch kaum ein und bleibt bei der Verhältnisbestimmung von Metapher und Vergleich stehen. Es scheint, als werde hier Aristoteles zum Nachteil Ciceros aufgewertet.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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fokussiert sich auf die Reaktion des Publikums und schafft damit bereits so etwas wie eine „Psychologie der Metapher“.94 Richtig ist auch, was Wisse, Winterbottom und Fantham bemerken: Cicero macht von Metaphern und verwandten Stilmitteln selbst in De Oratore reichlich Gebrauch, etwa wenn er als Fazit bemerkt, dass die Verwendung von Metaphern „eine Rede ganz besonders, gleichsam wie im Sternenglanz, erstrahlen läßt“ (Cic.de.orat. III, 170). Cicero bzw. Crassus gibt eine le‫ذ‬on par l’exemple.95 Möglicherweise ist es gerade dies, was Stanford dazu verleitet, seine Argumentation „more lucid“96 als die des Aristoteles zu nennen. 1.1.4. Quintilian Wie bereits erwähnt, ist Quintilian neben Aristoteles die zweite Größe in der üblichen Darstellung antiker Metapherntheorien. Dies liegt vor allem an der Monumentalität seiner zwölf Bücher umfassenden Institutio oratoria, die eine enorme Auswirkung „auf das abendländische humanistische Bildungsleben bis in unsere Zeit“97 hat. Es wurde ebenfalls schon angedeutet, dass Quintilian Cicero viel verdankt und sich häufig auf ihn bezieht. Jedoch zeigt er auch vielfältige eigene Ansatzpunkte, so dass man die Institutio oratoria wohl am besten als „Neubegründung und Ergänzung des cieronischen [sic] Bildungsideals“98 verstehen kann. Quintilians Metaphernverständnis wird im achten Buch entfaltet. Nachdem in Buch III bis VI die Entwicklung des Redegedankens und in Buch VII die Anordnung des Redestoffs erörtert worden waren,99 geht es nun um Stilfragen, um die Lehre vom Ausdruck (elocutionis ratio), den, worüber unter Rhetorikern Einigkeit besteht, schwierigsten und entscheidenden Teil (Vgl. Quint.inst. VIII Vorrede, 13). Da hieran das Gelingen der Rede hängt, muss dieser Aspekt eifrig geübt werden. Dies bedeutet jedoch nicht eine übertriebene Künstlichkeit – der Stil soll maßvoll und angemessen ausfallen. Da zu weit hergeholte Ausdrücke den Sinn verdunkeln sowie unnötig lang und schwammig sind, ist es ratsam, bei der naheliegenden Ausdrucksweise zu bleiben (Vgl. Quint.inst. VIII Vorrede, 23–25). Ebenso wie Cicero unterscheidet Quintilian die elocutio für Einzelwörter und Wortverbindungen (Vgl. Quint.inst. VIII 1, 1). In den Kapiteln 1 bis 5 geht er auf verschiedene Aspekte der elocutio ein: auf die Tatsache, dass die benutzten Worte echt römisch und durchsichtig, also in ihrem 94

Vgl. WISSE/WINTERBOTTOM/FANTHAM, Commentary, 184. Vgl. a.a.O. 199f. 96 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 35. 97 RAHN, HELMUT, Nachwort, in: Quintilianus, Ausbildung des Redners, Zwölf Bücher, herausgegeben und übersetzt von Helmut Rahn. Zweiter Teil, Buch VII-XII (Texte zur Forschung 3), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 21988, 805–839. Hier: 805. 98 A.a.O. 834. 99 Vgl. a.a.O. 835. 95

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

eigentlichen Sinne gebraucht werden sollen, auf den Wortschmuck, den er als „männlich, kräftig und rein“ (Quint.inst. VIII 3, 6)100 charakterisiert, Steigerungen und Abschwächungen sowie Sentenzen. Dabei lässt sich Quintilians Devise leicht zusammenfassen: „jedes Wort, das weder das Verständnis fördert, noch den Schmuck, kann fehlerhaft genannt werden.“ (Quint.inst. VIII 3, 55.) Metaphern kommen in diesem Abschnitt nur vereinzelt und am Rande vor. Ähnlich wie bei Aristoteles und Cicero werden Worte in eigentliche (d.h. durchsichtige), künstliche (also Neubildungen) und übertragene (also Tropen generell oder Metaphern speziell) unterteilt (Vgl. Quint.inst. VIII 3, 24). So scharf diese Abgrenzung auch klingen mag, sie ist es, wie Quintilian an anderer Stelle deutlich macht, nicht: Da es nicht für alles eine eigentliche Bedeutung gibt, ist die Katachrese unumgänglich und „[a]uch der übertragene Gebrauch (die Metapher), in dem ja wohl der wichtigste Schmuck der Rede besteht, macht Worte für Dinge passend, die es eigentlich nicht sind.“ (Quint.inst. VIII 2, 6.) So kommt Quintilian zu dem Schluss: „Auch was treffend übertragen gebraucht ist, pflegt ‚eigentlich‘ genannt zu werden.“ (Quint.inst. VIII 2, 10.) Weiterhin relevant für das Verständnis seiner Metapherntheorie ist Quintilians Behandlung der Gleichnisse (similitudines), „[e]ine herrliche Erfindung […], die Dinge ins hellste Licht zu rücken“ (Quint.inst. VIII 3, 72). Man kann diese auch in der Alltagssprache vorkommenden Phänomene in zwei Gruppen teilen: die, die zur Beweisführung gebraucht werden und die, die verwendet werden, „um das Bild der Dinge deutlich herauszubringen.“ (Quint.inst. VIII 3, 72.) Gerade beim ersten ist die Wirkung überraschender, wenn der Vergleichspunkt weit hergeholt ist. Dabei ist jedoch stets auf Verständlichkeit zu achten sowie darauf, dass der Vergleichspunkt klarer ist als das, was verglichen wird. Die Beispiele, die Quintilian anführt, sind aber nicht alle Vergleiche im engen Sinn, was bereits die bei ihm vorliegende unscharfe Trennlinie zwischen Metapher und Vergleich andeutet. Im sechsten und letzten Kapitel schließlich kommt Quintilian auf das zu sprechen, wofür er insbesondere bekannt wurde: die Tropen. Er definiert: „Ein Tropus ist die kunstvolle Vertauschung der eigentlichen Bedeutung eines Wortes oder Ausdrucks mit einer anderen.“ (Quint.inst. VIII 6, 1.) Quintilian gibt zu, dass er sich auf umstrittenes Gebiet begibt, und kündigt an, sich auf die am weitesten verbreiteten und bekanntesten Tropen zu beschränken.101 Er beginnt

100

Hier und im Folgenden wird die Institutio oratoria zitiert aus der Übersetzung von Helmut Rahn. (QUINTILIANUS, Ausbildung des Redners, Zwölf Bücher, herausgegeben und übersetzt von Helmut Rahn. Zweiter Teil, Buch VII-XII [Texte zur Forschung 3], Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 21988.) 101 Insbesondere die Unterscheidung zwischen Tropen und Figuren ist oft problematisch, wie auch Quintilian selbst zugesteht. Er legt fest (Quint.inst. IX 1, 4): „Es ist also ein Tropus eine Redeweise, die von ihrer natürlichen und ursprünglichen Bedeutung auf eine andere übertragen ist, um der Rede zum Schmuck zu dienen, oder, wie die Grammatiklehrer meist

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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mit den Tropen auf Wortebene, genauer mit der Metapher (translatio) als häufigstem und schönstem Tropus und stellt fest: „Sie ist uns zwar schon von der Natur selbst so weit zu eigen gemacht, daß auch Menschen ohne Schulung und ohne es zu merken oft von ihr Gebrauch machen, wirkt aber auch so erfrischend und strahlend, daß sie, auch wenn sie in einem noch so glänzenden Rede-Zusammenhang erscheint, doch noch ein eigenes Licht verbreitet.“ (Quint.inst. VIII 6, 4.) Zwei Aspekte treten hier in den Vordergrund, die bereits von Aristoteles und Cicero konstatierte Ubiquität der Metapher im Alltagsleben und die trotzdem bestehende Schönheit der Metapher in der Rede. Ganz offenbar werden verschiedene Konventionalitätsgrade wahrgenommen, auch wenn dies nicht explizit gemacht wird. Quintilian nennt drei Gründe für den Gebrauch von Metaphern, aus Zwang (etwa wenn man einen Menschen aus Mangel an Worten „hart“ nennt), zur Verdeutlichung (z.B. „zornentbrannt“) oder zur Verschönerung (z.B. „Blitz der Beredsamkeit“; interessanterweise führt er in dieser letzten Kategorie nur Genitivmetaphern an, vgl. Quint.inst. VIII 6, 5f.). Hierauf folgt die Aussage, die dazu führte, Quintilian als Hauptvertreter der Vergleichstheorie darzustellen: Im ganzen aber ist die Metapher ein kürzeres Gleichnis und unterscheidet sich dadurch, daß das Gleichnis einen Vergleich mit dem Sachverhalt bietet, den wir darstellen wollen, während die Metapher für die Sache selbst steht. Eine Vergleichung ist es, wenn ich sage, ein Mann habe etwas getan ‚wie ein Löwe‘, eine Metapher, wenn ich von dem Mann sage: ‚er ist ein Löwe‘. (Quint.inst. VIII 6, 8f.)102

Es ist natürlich richtig, dass Quintilian die Metapher als kürzeren Vergleich bezeichnet, jedoch bedeutet das nicht, wie dies meist angenommen wird, dass er sie als elliptischen Vergleich, dem nur das Wort „wie“ fehlt, ansieht. Dies macht das Beispiel deutlich, da hier, anders als im aristotelischen Beispiel, keine direkte Umwandlung von Vergleich zu Metapher oder umgekehrt möglich ist, denn die verwendeten Verbformen sind unterschiedlich. Beim Vergleich ist vom „Tun“ die Rede, bei der Metapher vom „Sein“. Wie die Ausführungen bei Aristoteles zeigen, wäre es kein Problem, ein Beispiel zu finden, bei dem nur durch das Wegstreichen des Wörtchens „wie“ aus einem Vergleich eine Metapher wird – das aristotelische Achill-Löwe-Beispiel ist dem Quintilians schließlich sehr ähnlich. Dass Quintilian ein solches nicht gewählt hat, definieren, ein Ausdruck, der von der Stelle, bei der er eigentlich gilt, auf eine Stelle übertragen ist, wo er nicht eigentlich gilt. Eine Figur ist, wie es ja schon der Name erkennen läßt, eine Gestaltung der Rede, die abweicht von der allgemeinen und sich zunächst anbietenden Art und Weise.“ Bei Tropen handelt es sich also um Wortübertragungen, bei Figuren werden die Worte in ihrer eigentlichen Bedeutung und Wortstellung gebraucht. Zum Verhältnis von Tropen und Figuren vgl. auch LAUSBERG, HEINRICH, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, Stuttgart: Franz Steiner 31990, 308 §601. 102 Im Original: In totum autem metaphora brevior est similitudo, eoque distat quod illa comparatur rei quam volumus exprimere, haec pro ipsa re dicitur. Comparatio est cum dico fecisse quid hominem „ut leonem“, tralatio cum dico de homine „leo est“.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

wird beabsichtigt gewesen sein. Meines Erachtens sieht er die Metapher nicht bloß als elliptischen Vergleich, sondern beides ist auf leicht verschiedenen Ebenen verortet, wobei die Metapher viel stärker die Seins-Ebene betrifft, der Vergleich jedoch nur einzelne Eigenschaften. Dies rückt Quintilian eher in die Nähe der Substitutionstheorie (wie er ja selbst sagt, dass die Metapher für ein anderes Wort steht).103 Neben diesem Abschnitt wurden auch Quintilians vier Kategorien von Metaphern bzw. Gebiete der Wirkungsentfaltung häufig rezipiert: eine Übertragung vom Belebtem zum Belebten, vom Unbelebten zum Unbelebtem, vom Belebtem zum Unbelebten und vom Unbelebten zum Belebtem (Vgl. Quint.inst. VIII 6, 9f.). Gerade die letzte Kategorie, die nach moderner Klassifizierung Personifikationen umfasst, wird von Quintilian aufgrund ihrer erhabenen Wirkung hervorgehoben. Schließlich gibt er, wie seine Vorgänger, einige Hinweise zum richtigen bzw. Mahnungen vor dem falschen Gebrauch (vgl. Quint.inst. VIII 6, 14–17): Wie alle anderen Stilmittel sollen Metaphern maßvoll gebraucht werden. Niedrige, unanständige oder hässliche Metaphern sind zu vermeiden, ebenso wie zu „harte“ Metaphern, die auf nur entfernter Ähnlichkeit beruhen. Ebenfalls mit Aristoteles und Cicero gemein ist ihm die starke Unterscheidung zwischen Poesie und Prosa. Seine normativen Aussagen gelten, wie es der Titel seines Werkes sagt, für die Redekunst; in der Dichtkunst ist man, was die Metapher und auch viele andere Phänomene betrifft, weitaus freier. Anders als Aristoteles und Cicero geht Quintilian in gewissem Maße auf ein Zusammenspiel von Metaphern ein, wenn auch auf teilweise widersprüchliche Art: Er warnt vor zu vielen Metaphern, gerade wenn sie gleicher Art sind (vgl. Quint.inst. VIII 6, 16), merkt aber an, dass man zwei Metaphern kombinieren kann, was „diese schöne Wirkung noch verdoppelt“ (Quint.inst. VIII 6, 12), hält später eine Kombination von Metapher, Allegorie und Vergleich für eine liebreizende Art zu reden (Vgl. Quint.inst. VIII 6, 49), warnt aber aufs Strengste vor Metaphernvermischungen bzw. inkonsistenten Allegorien (Vgl. Quint.inst. VIII 6, 50). Insgesamt sind es jedoch meist nur randläufige Bemerkungen, die auf Metaphernkombinationen verweisen. Zum Schluss fasst Quintilian seine Ausführungen prägnant zusammen: „die Metapher muß entweder einen freien Platz einnehmen, oder wenn sie auf einen Platz kommt, der einem anderen gehört, mehr leisten als das, was sie verdrängen will.“ (Quint.inst. VIII 6, 18.) Hier wird nochmals die Affinität zur Substitutionstheorie deutlich. Nachdem Quintilian die Erörterung der Metapher bereits abgeschlossen hat und zum nächsten Tropus übergegangen ist, kommt er in einem Nachsatz noch 103 In der Tat ordnet Rolf etwa Quintilian der Substitutionstheorie zu, nicht, wie Cicero, der Vergleichstheorie. Sein Verständnis der Substitutionstheorie ist allerdings auch komplexer als das, was z.B. von Black (s.u., Abschnitt 1.2.1.) vertreten wird. (Vgl. ROLF, Metapherntheorien, 93–126.)

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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einmal auf sie zu sprechen: „Denn die Metapher ist größtenteils dazu erfunden, auf das Gefühl zu wirken und die Dinge deutlich zu bezeichnen und vor Augen zu stellen“ (Quint.inst. VIII 6, 19). Hier kommen zwei ganz neue Aspekte, Emotionalität und Verbildlichung,104 zur Sprache, werden jedoch nicht weiter ausgeführt. Im Anschluss an die Metapher, anders als bei Cicero und Aristoteles allerdings deutlich von ihr abgesetzt, behandelt Quintilian die weiteren Tropen auf Wortebene: Synekdoche, Metonymie, Antonomasie, Onomatopoiie, Katachrese und Metalepsis. Die Reihenfolge, in der Synekdoche vor Metonymie steht und die Katachrese von der Metapher ziemlich weit weg gerückt ist, ist dabei eigentümlich. Ebenfalls seltsam scheint, dass die Katachrese hier viel deutlicher von der Metapher getrennt wird als noch bei der Darstellung der Metapher: „Hiervon [von der Katachrese, S.N.-R.] ist alles, was zur Art der metaphorischen Übertragung gehört, fernzuhalten; denn um Katachrese handelt es sich da, wo eine Benennung fehlte, um Metapher, wo sie eine andere war.“ (Quint.inst. VIII 6, 35.) Danach widmet sich Quintilian den Tropen auf Textebene: Epitheton, Allegorie, Ironie, Periphrase, Hyperbaton und Hyperbel. Sowohl das Epitheton als auch die Hyperbel kann durch Metaphern geschmückt sein. Besonders interessant ist jedoch Quintilians Darstellung der Allegorie. Er wählt eine sehr breite Definition: „Die Allegorie, die man im Lateinischen als inversio (Umkehrung) bezeichnet, stellt einen Wortlaut dar, der entweder einen anderen oder gar zuweilen den entgegengesetzten Sinn hat.“ (Quint.inst. VIII 6, 44.) Sie umfasst damit also das, was aus heutiger Sicht als Allegorie verstanden wird, und auch die Ironie als Untergattungen. Eine Allegorie im engeren Sinn kann aus Metaphern bestehen, muss es aber nicht. Wie schon Cicero unterscheidet Quintilian Allegorien, die vollständig auf übertragenen Worten beruhen, und solche, die auch Worte enthalten, die im eigentlichen Sinn gebraucht werden. Letztere sind in der Rede verbreiteter und auch in der Alltagssprache vorhanden (Vgl. Quint.inst. VIII 6, 45–50). Insgesamt zeigt sich bei Quintilian noch stärker als bei Aristoteles und Cicero eine deutliche praktische Ausrichtung. Aus der Institutio oratoria spricht Quintilians zwanzigjährige Lehrtätigkeit.105 Die ihm vorausgehenden Rhetoriktheorien „beschäftigen seinen Geist nie als Theorien um der Probleme willen, sondern nur als Fülle der Tradition, die ihn in den Stand setzt, aus einem möglichst großen Vorrat die Auswahl dessen zu treffen, was sich in der Praxis

104

Ob damit das aristotelische Vor-Augen-Führen gemeint ist, ist fraglich. Zwar erwähnt Quintilian ijĮȞIJĮı઀Į und ਥȞ੼ȡȖİȚĮ kurz (Quint.inst. VIII 3, 85f.), ohne dass jedoch eine Relevanz für die Metapher deutlich würde. Hier scheint es lediglich um das Bewirken geistiger Bilder zu gehen. 105 Vgl. RAHN, Nachwort, 803.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

am besten bewährt hat oder bewähren kann.“106 Das zeigt die häufige Äußerung, dass manche Details nicht erörtert werden müssten, da sie für die Praxis irrelevant seien. Es erklärt außerdem einige Widersprüchlichkeiten in seinen Ausführungen. 1.1.5. Fazit Die obigen Ausführungen umfassen keinesfalls alle antiken Aussagen zu Metaphern, jedoch die drei einflussreichsten. Es zeigt sich, dass sie jeweils sehr komplex sind und immer wieder neue Aspekte aufgegriffen werden. Allerdings scheint die Komplexität der Gedankengänge von Aristoteles bis Quintilian nachzulassen. Deutlich ist dennoch, dass eine einfache Zuordnung zu einer reduktionistischen Substitutions- oder Vergleichstheorie nicht möglich ist. Es gibt zwar Andeutungen, die man in diesem Sinne verstehen kann, aber gerade die Gleichsetzung antiker Metapherntheorie mit Vergleichstheorie ist, wie gezeigt wurde, nicht unproblematisch. Die Fülle und Komplexität der antiken Äußerungen ist meines Erachtens bemerkenswert und legte den Grundstein für die vielfältigen späteren Theorien. Allerdings zeigen sich auch einige Schwachpunkte, die ihrerseits wiederum den Grundstein für eine lange Folge von Missverständnissen legten. Man merkt den antiken Theorien ihre starke rhetorische und praktische Ausrichtung an, die manche blinde Flecken für andere Sichtweisen aufweist. Stanford, der die antiken Metapherntheoretiker durchaus lobt, kommt zu drei generellen Kritikpunkten: first, the general inability or disinclination to regard words as things in themselves, that is, something eventually irreducible to terms of logic and grammar; secondly the general reluctance to consider Metaphor from anything but a literary point of view, to the exclusion of most etymological, psychological, or physiological, considerations; thirdly a tendency to ignore colloquial usages entirely and to focus all their attention on literary and mannered usages.107

Er gibt selbst zu, dass es Ausnahmen gab. Ich denke, dass der zweite Kritikpunkt teilweise zu generalisiert ist, da man zumindest bei Cicero und teilweise auch bei Quintilian die psychologische Deutung stark machen kann. Der dritte Punkt ist zurückzuweisen: Obwohl der Fokus jeweils natürlich klar auf der Redekunst liegt, erwähnen alle drei antiken Metapherntheoretiker auch die Alltäglichkeit und Ubiquität metaphorischer Sprechweisen. Der größte Schwachpunkt liegt meines Erachtens auf der Begrenzung der Metapher auf Einzelwörter, wie dies bereits Mark Johnson im Hinblick auf Aristoteles angemerkt hat. Bei Cicero und Quintilian wird dies dadurch noch verschärft, dass sie die Tropen auf Einzelwortebene denen auf Textebene entgegen setzen. Diese Sichtweise greift aus heutiger Sicht deutlich zu kurz. 106 107

A.a.O. 825. (Hervorhebung im Original) STANFORD, Greek Metaphor, 78. (Hervorhebung im Original)

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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1.2. Metapherntheorien der Gegenwart Für die folgenden Abschnitte wird nun ein zeitlicher Sprung von mehreren Jahrhunderten vorausgesetzt. Dieser liegt im Fokus des weiteren Forschungsinteresses begründet und will keinesfalls implizieren, dass in der Zeit zwischen Quintilian und dem 20. Jahrhundert keine theoretische Beschäftigung mit Metaphern stattfand. Auch im Mittelalter und der frühen Neuzeit erfolgten entsprechende Auseinandersetzungen, die hier jedoch nicht vorrangig von Belang sind und auf die daher nicht weiter eingegangen werden kann. Verwiesen sei an dieser Stelle für das Mittelalter auf das Werk von Ulrich Krewitt,108 für das 18. Jahrhundert auf den von Elena Agazzi herausgegebenen Sammelband,109 darin insbesondere auf den Beitrag von Katrin Kohl.110 Im Folgenden wird jedoch der Schwerpunkt auf relevante Ansätze der Gegenwart gelegt. Dabei zeigt sich einerseits, dass heutige Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker den aufgeführten Autoren der Antike einiges zu verdanken haben, da sie an deren Ansätze anknüpfen und sie weiterdenken. Andererseits, und vielleicht häufiger, dient das antike Metaphernverständnis auch als Folie, von der es sich abzugrenzen gilt, wobei es mitunter zu Simplifizierungen kommt. Die aufgeführten Metapherntheorien der Gegenwart weisen zudem eine große Heterogenität auf, vor allem was die Erklärung der Funktionsweise von Metaphern betrifft. Jede Theorie enthält Stärken und Schwachpunkte, die bei der Darstellung jeweils mitberücksichtigt werden sollen. An einigen Stellen bestehen direkte Widersprüche zwischen den einzelnen Theorien, in anderen Fällen können aber die unterschiedlichen Blickwinkel und Schwerpunkte durchaus bereichernd sein und ein umfassendes Metaphernverständnis fördern. 1.2.1. Substitutionstheorie Der Begriff „Substitutionstheorie“ geistert durch die Veröffentlichungen zum Thema Metapherntheorie, zumeist als unspezifischer Sammelbegriff und immer als etwas, wovon sich die jeweiligen Autorinnen und Autoren abgrenzen. Er fand dadurch Verbreitung, dass er einen der drei Grundtypen der Metapherntheorien nach Max Black darstellt (neben der von ihm klar favorisierten 108 KREWITT, ULRICH, Metapher und tropische Rede in der Auffassung des Mittelalters (Mittellateinische Jahrbuch. Beihefte 7), Ratingen 1971. 109 AGAZZI, ELENA (Hg.), Tropen und Metaphern im Gelehrtendiskurs des 18. Jahrhunderts (Archiv für Begriffsgeschichte Sonderheft 10), Hamburg: Meiner 2011. 110 KOHL, KATRIN, Die Metapher im wissenschaftlichen Diskurs des 18. Jahrhunderts: Theoretische Ansätze, in: Elena Agazzi (Hg.), Tropen und Metaphern im Gelehrtendiskurs des 18. Jahrhunderts (Archiv für Begriffsgeschichte Sonderheft 10), Hamburg: Meiner 2011, 13–24. Ausschnittsweise wird auch in dieser Arbeit auf Metapherntheorien des 18. Jahrhunderts im Rahmen der Erörterung des Begriffs mixed metaphor eingegangen. S.u., Abschnitt 2.1.2. des zweiten Kapitels.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

und mitbegründeten Interaktionstheorie und der Vergleichstheorie). Die Substitutionstheorie versteht Metaphern somit als uneigentlich gebrauchte Wörter, die eigentlich gebrauchte Wörter ersetzen: Statt einen Menschen mutig zu nennen (eigentliche Bedeutung), nennt man ihn einen Löwen (uneigentlicher Gebrauch).111 Die Metapher ist demnach eine nicht erforderliche Substitution, die übersetzbar ist. Dieses Kriterium der Übersetzbarkeit ist für Black sehr wichtig: Ihm zufolge entspricht es auch der Substitutionstheorie, wenn ein ganzer Satz, der eine Metapher beinhaltet, als durch mehrere wörtliche Sätze ersetzbar angesehen wird.112 Gemäß dieser Theorie haben Metaphern zwei Funktionen: Sie werden gebraucht, um Wortlücken zu schließen bzw. um zu langatmige Ausdrucksweisen abzukürzen (Katachrese) und sie dienen der stilistischen Schönheit, der Erfreuung der Rezipierenden.113 Die Skizzierung der Substitutionstheorie greift, wie unschwer auffällt, einige Aspekte antiker Metapherntheorien auf. Tatsächlich wird sie heute meist als Sammelbegriff antiker Vorstellungen gesehen und dabei mitunter mit der Vergleichstheorie vermischt.114 Es ist natürlich richtig, dass gewisse Aspekte antiker Theorien ihren Niederschlag in der Substitutionstheorie finden, etwa die beiden vorrangigen Funktionen der Metapher, Schließung von Wortlücken und Redeschmuck (auf die sich die antiken Autoren wohl deshalb konzentrierten, weil sie sich in einer Betrachtung der Metapher im Zusammenhang der Redekunst aufdrängten), oder die Definitionen von Aristoteles und Quintilian. Quintilians Ansatz wird, um so wichtige Punkte wie das Verhältnis zum Vergleich und seine Klassifizierung der Metapher reduziert, tatsächlich wohl noch am besten durch die Substitutionstheorie beschrieben. Der Ansatz von Aristoteles beinhaltet zwar auch Elemente der Substitutionstheorie, ist aber, wie die obigen Ausführungen zeigen, deutlich komplexer. So ist es wenig verwunderlich, dass die Aristoteles-Forschung sich gegen eine Darstellung des Aristoteles als Substitutionstheoretiker wehrt. Schmitt stellt fest, dass der Substitutionstheorie ein naives Sprachverständnis zugrunde liegt:115 Jedes Wort entspricht einem realen Ding; wird es zu Benennung dieses Dings gebraucht, so 111

Black arbeitet mit dem Beispiel „Richard is a lion“, das Anklänge an die oben aufgeführten Beispiele von Aristoteles und Quintilian hat. Er übernimmt es aber nur, weil er selbst bereits Diskussionen zu dieser Aussage kennt und es für verbreitet hält, bezeichnet es jedoch als „unfortunate“ (BLACK, MAX, Metaphor, in: Mark Johnson [Hg.], Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 63–82. Hier: 69.) Die Kritik führt er weiter aus: „Can we imagine anybody saying this nowadays and seriously meaning anything? I find it hard to do so. But in default of an authentic context of use, any analysis is liable to be thin, obvious and unprofitable.“ (A.a.O. 80 EN 9) 112 Vgl. a.a.O. 68. 113 Vgl. a.a.O. 69f. 114 Vgl. z.B. JÄKEL, OLAF, Wie Metaphern Wissen schaffen. Die kognitive Metapherntheorie und ihre Anwendung in Modell-Analysen der Diskursbereiche Geistestatigkeit, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion (Philologia 59), Hamburg: Dr. Kovac 2003, 85–88. 115 Vgl. SCHMITT, Kommentar, 628–633.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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wird es „eigentlich“ gebraucht, wenn nicht, so ist sein Gebrauch „uneigentlich“. Aristoteles teilt ein solches Verständnis jedoch nicht: „In der Poetik versteht Aristoteles unter einem ‚eigentlichen‘ (kyrion) Wort eindeutig das, was die Mehrheit einer Sprechergemeinschaft mit diesem Wort meint (und nicht dasjenige Verbum proprium, das ‚von Natur aus‘ einem Ding zukommt, gleichsam anhaftet).“116 Wenn man so will, kann man also eine starke und eine schwache Form der Substitutionstheorie unterscheiden: Der starken Form zufolge wird ein verbum proprium durch einen übertragenen Ausdruck ersetzt, der schwachen Form gemäß erfolgt lediglich eine Abweichung vom dominanten Sprachgebrauch. Teile (!) der aristotelischen Metapherntheorie lassen sich damit der schwach ausgeprägten Substitutionstheorie zuordnen. Die Einwände gegen die Substitutionstheorie liegen auf der Hand: Metaphern liegen nicht nur auf der Einzelwort-Ebene und dienen nicht nur dem Schmuck, sondern fördern Erkenntnis (was Aristoteles durchaus auch so sieht). Auch wenn es Metaphern gibt, die offenbar eine bloße Substitution darstellen, sind doch die meisten Metaphern nicht so leicht in „eigentliche“ Sprache übersetzbar. Andrew Goatly merkt an, dass die Substitutionstheorie beinahe nur für inaktive, also im alltäglichen Sprachgebrauch nicht vollkommen neuartige, nach dem Schema „X ist Y“ konstruierte Metaphern funktioniert.117 Allerdings ist die Substitutionstheorie bei all ihrer scheinbaren Einfachheit auch schwer fassbar. Dies liegt vor allem darin, dass sie als „Theorie“ eigentlich nie richtig begründet wurde. Sie ist vielmehr eine Reduktion einzelner antiker Metapherntheoretiker, die zu allem Überfluss nicht immer korrekt verstanden wurden.118 In neuerer Zeit, spätestens durch Max Blacks Beitrag zur Metaphernforschung, wurde sie zu etwas, von dem es sich abzugrenzen, das es zu überwinden galt, „zum Inbegriff aller derjenigen Beschreibungsversuche, die die Leistung der Metapher nicht nur systematisch unterschätzen, sondern ihre Wirkung außerdem auf den theoretisch relativ langweiligen Aspekt des Schmuckes einengen.“119

116

A.a.O. 632. Vgl. Goatly, Andrew, The Language of Metaphors, London/New York: Routledge 2 2011, 117. 118 Ein ernsthafter Vertreter dieser Theorie, der für die Biblische Theologie bis heute bedeutsam ist, ist Adolf Jülicher (Vgl. JÜLICHER, ADOLF, Die Gleichnisreden Jesu, Bd. 1, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1976, 52ff.) Er schreibt den Metaphern jedoch zusätzlich die Funktion zu, Sachverhalte zu tarnen und verdunkeln, weshalb er sie strikt von den „erhellenden“ Vergleichen und Gleichnissen trennt – eine Entscheidung, die für die Gleichnistheorie lange Zeit prägend war. Auch in der (englischsprachigen) Rhetorik des 18. Jahrhunderts wird die Metapher häufig auf eine reduktionistische Weise definiert, die der Substitutionstheorie nahekommt. S.u., Abschnitt 2.1.2. des zweiten Kapitels. 119 RAPP, Kommentar, 888. 117

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

1.2.2. Vergleichstheorie Die Vergleichstheorie stellt die zweite der von Black angeführten Kategorien dar. Er bringt ihren Unterschied zur Substitutionstheorie folgendermaßen auf den Punkt: „the comparison view provides a more elaborate paraphrase, inasmuch as the original statement is interpreted as being about lions as well as about Richard.“120 Im Gegensatz zur Substitutionstheorie sieht er in der Vergleichstheorie also ein Zusammenspiel der beiden Metaphernbestandteile gegeben, auch wenn noch keine Interaktion stattfindet. Trotz dieses Zugeständnisses greift die Vergleichstheorie seiner Meinung nach also noch viel zu kurz. Der Begriff wurde in der einschlägigen Literatur seither immer wieder verwendet, wobei es zu gewissen Doppeldeutigkeiten und Unschärfen kam. Man muss mindestens drei verschiedene Verständnisse der „Vergleichstheorie“ unterscheiden. Aus dieser Differenzierung erklärt sich teilweise die sehr unterschiedliche Einordnung der Theorie in den Kontext anderer Metapherntheorien.121 Das erste Verständnis der „Vergleichstheorie“, das meist von ihren Gegnerinnen und Gegnern angeführt wird, ist eine ziemlich strenge Sichtweise: Die Metapher ist ein elliptischer Vergleich, ein Vergleich, dem nur das Wörtchen „wie“ (oder eine ähnliche Vergleichsindikation) fehlt. Statt des Vergleichs „Achill ist wie ein Löwe“ steht die Metapher „Achill ist ein Löwe“.122 Um diese Sichtweise von den anderen Arten der „Vergleichstheorie“ abgrenzen zu können, nenne ich sie im Folgenden „Ellipsistheorie“. Die Ellipsistheorie wird auf Cicero und Quintilian zurückgeführt. Wie jedoch gezeigt wurde, ist diese Zuschreibung keineswegs unproblematisch. Beide scheinen ein solch simples, reduktionistisches Metaphernverständnis nicht vertreten zu haben. Auch Aristoteles wird manchmal als Vertreter dieser Theorie angeführt, allerdings verstand er die Metapher nicht als Vergleich, sondern leitete umgekehrt den Vergleich aus der Metapher ab. Für die Ellipsistheorie kann er daher nicht ins Feld geführt werden, wohl aber, aufgrund seiner generellen Annahme, dass eine gewisse Verbindung zwischen Metapher und Vergleich besteht bzw. dass die Metapher auf Ähnlichkeit beruht, für die beiden weiter gefassten Verständnisse. Die Ellipsistheorie wird in der heutigen Forschung, selbst von Vertreterinnen und Vertreter der anderen „Vergleichstheorien“, durchweg abgelehnt. 120

Vgl. BLACK, Metaphor, 71. Black geht weiterhin von dem Beispiel „Richard is a lion.“

aus.

121

Black selbst stellt sie trotz des genannten Unterschieds in die Nähe der Substitutionstheorie, ihre Befürworterinnen und Befürworter hingegen eher in die Nachbarschaft von Blacks eigener Interaktionstheorie. Vgl. GOATLY, Language, 121. 122 Dieses offenbar an eine Mischung aus Aristoteles und Quintilian angelehnte Beispiel, das nicht, wie fälschlicherweise oft angenommen, wörtlich auf einen der beiden antiken Autoren zurückgeht, taucht in der Darstellung der engsten Form der Vergleichstheorie beinah standardmäßig auf, wobei gelegentlich der Personenname variiert wird, so auch von Black, s.o.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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Während das erste Verständnis überaus eng ist, ist das zweite überaus weit. In diesem Sinne umfasst Vergleichstheorie jegliche Auffassung, der zufolge die Metapher auf Ähnlichkeit beruht. Diese Auffassung vertritt unter anderem Aristoteles. Der Verständlichkeit halber nenne ich sie „Ähnlichkeitstheorie“. Problematisch daran, sie als „Vergleichstheorie“ zu bezeichnen, ist nämlich, dass eine Ähnlichkeit nicht zwangsläufig durch einen Vergleich ausgedrückt werden muss. Zudem kommt es hier oft zu einer Vermischung von Ähnlichkeit und Analogie, die meines Erachtens nicht äquivalent sind. Khatchadourians Unterscheidung der resemblance und der analogy view kann an dieser Stelle hilfreich sein.123 Für das dritte Verständnis ist die Bezeichnung „Vergleichstheorie“ im Kontext des modernen Metapherndiskurses wohl am zutreffendsten. Die Grundprämisse besteht hier schlicht darin, dass Metapher und Vergleich Phänomene sind, die analog verstanden werden können. Das bedeutet nicht „that a simile makes the same kind of apparent assertion or has the same initial effect as its equivalent metaphor, but simply that, interpretively, the simile and metaphor will be equivalent.“124 Vergleiche machen also die interpretativen Vorgänge explizit, die bei Metaphern verborgen sind. Natürlich spielt auch hier das Konzept der Ähnlichkeit eine sehr bedeutende Rolle, jedoch gekoppelt an seinen sprachlichen Ausdruck im Vergleich. Man kann die Vergleichstheorie daher als eine Unterkategorie der Ähnlichkeitstheorie auffassen.125 Ein moderner Vertreter einer modifizierten Vergleichstheorie ist Goatly, dessen Ansatz im folgenden Abschnitt dargelegt wird. Wie lässt sich diese Vergleichstheorie im eigentlichen Sinn nun beurteilen? Für sie spricht zunächst, dass sie Metaphern auf relativ einfache und zugängliche Weise erklärt und dass die Ähnlichkeit tatsächlich in vielen Fällen als Basis von Metaphern angesehen werden kann.126 Die Vergleichstheorie ist zudem geeignet, Metaphern mit verschiedenen Konventionalitätsgraden zu erklären, was nicht für jede Metapherntheorie gilt.127 Da auch Vergleiche unterschiedlich komplex und ausdrucksstark sind, bedeutet ein Verständnis von Metaphern in Analogie zu Vergleichen nicht zwingend eine Simplifizierung.128 Ein weiteres Argument für die Vergleichstheorie besteht darin, dass in der Literatur Metaphern und Vergleiche oft in Kombination auftreten, also analog gebraucht

123

Vgl. MOOIJ, Study, 62f. GOATLY, Language, 121. 125 Analog dazu ist es auch möglich, die Ellipsistheorie als Unterkategorie der Vergleichstheorie anzusehen. 126 Vgl. JOHNSON, Introduction, 25–27. 127 Vgl. GOATLY, Language, 121. Natürlich verliert dieses Argument an Schlagkraft, wenn man davon ausgeht, dass konventionalisierte Metaphern keine Metaphern im eigentlichen Sinn mehr sind. 128 Vgl. MOOIJ, Study, 170. 124

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

werden.129 Auf diesen Punkt wird an anderer Stelle noch detaillierter eingegangen werden.130 Vertreterinnen und Vertreter anderer Theorien haben sehr genau die Schwachstellen und blinden Flecken der Vergleichstheorie aufgeführt. Sie beziehen sich dabei zumeist vorrangig auf den Aspekt der Ähnlichkeit. So konstatiert Black: „It would be more illuminating in some of these cases to say that the metaphor creates the similarity than to say that it formulates some similarity antecedently existing.“131 Zudem ist das Ähnlichkeitsprinzip sehr vage, da sich theoretisch zwischen zwei beliebigen Dingen eine Ähnlichkeit herstellen lässt. Eine Menge von Metaphern basieren nicht einmal auf Ähnlichkeiten. So geht die konzeptuelle Metapherntheorie132 von der menschlichen Erfahrung als Basis der meisten Metaphern aus. Zudem unterminiert die Betonung der Ähnlichkeit die Differenz und das Spannungsmoment, die ebenfalls eine wichtige Rolle in der Metapher spielen.133 John Searle, der Metaphern im Sinne seiner Sprechakttheorie interpretiert,134 hat angemerkt, dass die Vergleichstheorie Metaphern wie „Sally ist ein Eisklotz“ nicht erklären kann, da hier keine tatsächliche Ähnlichkeit gegeben ist.135 Auch Monroe Beardsley hat sich intensiv und kritisch mit der Vergleichstheorie auseinander gesetzt und unter anderem bemängelt, dass diese zu einer zwanghaften Suche nach einem Vehicle, das heißt nach einem hinter der Metapher liegenden Bild,136 führt sowie dazu, dass Metaphern im Hinblick auf ihre „Angemessenheit“ beurteilt wurden.137 Allerdings hat Jan Mooij gezeigt, dass Beardsleys Kritikpunkte nicht immer angemessen sind und sich oft nicht gegen die Theorie an sich, sondern gegen eine übereifrige bzw. unreflektierte Anwendung wenden.138 Mark Johnson fasst die herrschende Kritik sehr eindrücklich zusammen: „Comparison theorists make at least two mistakes: First, they assume that because similarity often plays a role in our comprehension of a metaphor, it is therefore the essence of the meaning of the metaphor; and, second, they take similarity as the sole basis for the act of comprehension“.139 129

Vgl. a.a.O. 135–152. S.u., Abschnitt 4.2. dieses und 2.3.1. des zweiten Kapitels. 131 BLACK, Metaphor, 72. 132 S.u., Abschnitt 2.6. 133 Vgl. JOHNSON, Introduction, 25–27. 134 S.u., Abschnitt 2.9. 135 Vgl. SEARLE, JOHN R., Ausdruck und Bedeutung. Untersuchungen zur Sprechakttheorie, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1982, 117ff. 136 Zur terminologischen Unklarheit vgl. Abschnitt 2. 137 Vgl. BEARDSLEY, MONROE C., The Metaphorical Twist, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 105–122. Hier: 107f. 138 Vgl. MOOIJ, Study, 55–59. 139 JOHNSON, Introduction, 27. 130

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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Die aufgeführten Defizite scheinen auf überwältigende Weise zu zeigen, dass Ähnlichkeit als Basis für Metapher nicht ausreicht, was die Ähnlichkeitstheorie im Generellen und die Vergleichstheorie im Speziellen schwer trifft. Zwar gibt es Metaphern, die auf Ähnlichkeit beruhen, eine Generalisierung ist jedoch nicht möglich. Besonders schwer wiegt meines Erachtens auch, dass in der Ähnlichkeits- und Vergleichstheorie die Spannung der Metapher weitestgehend ausgeblendet wird, die ich aber, wie die Überschrift dieses Kapitels zeigt, für konstitutiv halte. Schließlich hängt die Beurteilung der Vergleichstheorie auch daran, wie man das Verhältnis von Metapher und Vergleich im Hinblick auf ihre Funktionsweise und Wirkung allgemein bestimmt. Dies wird an anderer Stelle noch ausgeführt.140 1.2.3. 2(GR)AMS-Ansatz (Genre-Relevance, Graded-Risk Approach to Metaphorical Scalarity), Andrew Goatly Andrew Goatlys Ansatz, wie er in seinem Buch The Language of Metaphors formuliert wird, soll hier kurz dargelegt werden, da Goatlys Darstellungen zum Zusammenspiel von Metaphern im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch bedeutsam sein werden. Wie bereits angedeutet, kann man Goatly als modernen Vertreter der Vergleichstheorie ansehen.141 Ähnlichkeit und Analogie sind ihm zufolge die – offenbar einzigen – Mechanismen, auf denen die Metapher aufbaut.142 Vergleich und Metapher funktionieren seiner Meinung nach gleich, was daraus ersichtlich wird, dass er beide auf austauschbare Weise in seinen Beispielen anführt. Allerdings ist Goatlys Ansatz auch keine „einfache“ Vergleichstheorie. Er entwirft einen sehr komplexen Bezugsrahmen, der starke Bezüge zur Pragmatik aufweist. Insgesamt ist er außerdem sehr linguistisch orientiert. Goatly bemüht sich, wie der Titel des Buches schon zeigt, die sprachliche Form der Metapher, deren Behandlung in anderen, zumeist psychologisch oder philosophisch ausgerichteten, Ansätzen defizitär ist, in den Vordergrund zu rücken.143 Dabei spielen neben verschiedenen Wortarten und Satzkonstruktionen insbesondere Pragmatik und die soziale Verwendungssituation eine bedeutende Rolle. Wie leicht deutlich wird, ist Goatlys Ansatz also sehr umfassend und kann hier daher nur grob skizziert werden. Dennoch soll im Folgenden zunächst Goatlys Metapherndefinition diskutiert werden, um dann darzustellen, was der Genre-Relevance, Graded-Risk Approach to Metaphorical Scalarity aussagen will. 140

Abschnitt 4.2. Zu seiner eigenen Präferenz dieses Ansatzes vgl. GOATLY, Language, 121; ebenso 107: „metaphor is best conceived as an invitation to make comparisons.“ 142 Vgl. z.B. a.a.O. 328: „Speaking metaphorically involves making comparisons or analogies.“ Andere Mechanismen werden nicht erwähnt. Vgl. ebenfalls die Definition der Metapher (s.u.). 143 Vgl. a.a.O. 5. 141

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Goatlys Definition ist umfangreich und komplex: A metaphor occurs when a unit of discourse is used to refer to an object, concept, process, quality, relationship or world to which it does not conventionally refer, or colligates with a unit(s) with which it does not conventionally colligate; and when this unconventional act of reference or colligation is understood on the basis of similarity or analogy involving at least two of the following: the unit’s conventional referent; the unit’s actual unconventional referent; the actual referent(s) of the unit’s actual colligate(s); the conventional referent of the unit’s conventional colligate(s).144

Goatlys pragmatisches Metaphernverständnis wird an seinen Formulierungen sehr schnell ersichtlich. Auch ist klar ersichtlich, dass seine Definition nicht allein Phänomene auf Wortebene zulässt. Durch den Begriff „world“ wird etwa die metaphorische Gestalt ganzer Romanwelten etc. mit einbezogen. Beachtenswert ist die Unterscheidung, die in der zweiten Hälfte des ersten Satzes anklingt. Goatly differenziert hier zwei Grundformen von Metaphern, die er später145 konkret als Referential und Colligational Metaphors ausführt. Referential Metaphors liegen dann vor, wenn sich der unkonventionell gebrauchte Bestandteil der Metapher (Goatly verwendet hierfür den Begriff Vehicle bzw. V-term) direkt auf den konventionell gebrauchten (das Topic bzw. T-term) bezieht, wie in dem famosen Beispiel „Achill ist ein Löwe“. Colligational Metaphors hingegen beruhen nicht auf diesem direkten In-Beziehung-Setzen, sondern auf einer Art ungewöhnlichen Kollokation.146 Goatly verdeutlicht diesen Typus am Beispiel „Winds stampeding the fields“. Hier liegt eine ungewöhnliche Verbindung (colligation) der Begriffe „winds“, „stampeding“ und „the fields“ vor. Um diese Metapher zu verstehen ist es laut Goatly notwendig, jeweils gebräuchlichere Kolligate zu aktivieren: „Understanding involves supplying the conventional colligate for stampeding cows/horses, thereby extending the V-term, and also supplying a term for the actual referent (the Topic), perhaps blowing over.“147 Aus dieser auch „vehicle construction“ genannten Ergänzung der Metapher ergibt sich dann der Ground, also die Ähnlichkeit oder Analogie, auf der die Metapher basiert, in diesem Fall: „perhaps the tossing of the corn resembles the bucking and rearing of horses or the rippling of their manes“.148 Schon aus Goatlys Sprechweise (wiederholtes „perhaps“, zwei mögliche colligates für „stampeding“) wird deutlich, dass hier vieles spekulativ wird, da sich aus den metaphorischen Andeutungen meist kein genaues Bild

144

A.a.O. 109. Vgl. a.a.O. 111. 146 Vgl. a.a.O. 9: „Collocation is any kind of co-occurence of words in the text, but colligation is a syntactic relationship between the two words.“ 147 A.a.O. 111. (Hervorhebungen im Original) 148 A.a.O. 112. 145

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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ergibt. Goatly selbst gibt zudem zu, dass Referential und Colligational Metaphors nicht strikt voneinander zu trennen sind, sondern sich in einzelnen Metaphern meist beide Typen finden.149 Im zweiten Teil von Goatlys Definition wird noch einmal die Prominenz von Ähnlichkeit und Analogie in seinem Ansatz deutlich. Es ist jedoch anzumerken, dass laut Goatly Ähnlichkeiten und Analogien nicht zwingend bereits existieren müssen. Alternativ „they [similarities and analogies, S.N.-R.] may be constructed in the making of the metaphor“.150 Mit diesem Zugeständnis greift er die Kritik Max Blacks (s.o.) auf. Die abschließende Auflistung bezieht sich auf die verschiedenen möglichen Bestandteile der Metapher, die sich aus Goatlys Ausführungen zur Colligational Metaphor ergeben. Je nach Kombination dieser Bestandteile ergeben sich sieben verschiedene Arten von Metaphern bzw. „pathways through the definition“,151 die Goatly im Folgenden weiter erläutert, die meines Erachtens aber unscharf bleiben und für das Weitere unerheblich sind. Goatlys 2(GR)AMS-Ansatz enthält bereits im Titel die Schlagworte „GenreRelevance“, „Graded-Risk“ und „Metaphorical Scalarity“, mit denen sich Goatly von anderen Metapherntheoretikerinnen und -theoretikern abhebt. Durch sie wird deutlich, dass Goatly Metaphern weniger isoliert betrachtet als versucht, sie in ein komplexes Geflecht von allgemeinen Sprachtheorien einzubinden.152 Der „Genre-Relevance“-Faktor kommt schon bei der Darstellung der Ähnlichkeit, die Goatly als Grundlage des metaphorischen Ausdrucks ansieht, zum Tragen. Dem israelischen Kognitionswissenschaftler Amos Tversky folgend definiert Goatly: „the similarity between entitites a and b is a function of the features shared by A and B and the weighting given to them, less the features possessed by A and not by B and the weighting given to them, less the features possessed by B and not by A and the weighting given to them.“153 Um das in dieser Definition immer wieder rekurrierende Prinzip der Gewichtung (weighting) zu erklären, bedarf es nun der Relevanztheorie.154 Goatly bezieht sich auf den Begründer und die Begründerin der Relevanztheorie, Dan Sperber und Deirdre Wilson, denen zufolge die Höhe der Relevanz dem Quotienten von kontextuellen Effekten (Contextual Effects) und Verarbeitungskosten (Processing Effort) gleichzusetzen ist.155 Ein kontextueller Effekt liegt vor, wenn eine Aussage in einem gewissen Kontext Implikationen mit sich zieht, Vorannah149

Vgl. ebd. A.a.O. 129. 151 Ebd. 152 Vgl. a.a.O. 8. 153 A.a.O. 122. 154 Vgl. a.a.O. 123. 155 Vgl. a.a.O. 143. 150

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

men bestärkt oder diesen Vorannahmen widerspricht und somit zu deren Suspendierung führt. Die Verarbeitungskosten wiederum bezeichnen einfach die Zeit und Energie, die benötigt wird, um einen kontextuellen Effekt zu erzielen. Wie bei allen anderen kontextabhängigen Sätzen auch kann man bei Metaphern den Vorgang, der in den Rezipierenden abläuft, anhand einer Reihe von teilweise voneinander abhängigen Implikaturen nachvollziehen. Goatly führt einige, zumeist adaptierte Beispiele an,156 wobei die Komplexität mit sinkendem Konventionalitätsgrad der Metapher zunimmt. Diese Implikaturen führen zu der Annahme, dass metaphorischer und nicht wörtlicher Sprachgebrauch vorliegt und dass Metaphern auf Ähnlichkeiten oder Analogien beruhen. Davon ausgehend werden diese Analogien oder Ähnlichkeiten dann durch die Implikaturen hergestellt. Obwohl die Relevanztheorie also auf Metaphern anwendbar ist, wie Sperber und Wilson gezeigt haben, gibt es laut Goatly einen entscheidenden Kritikpunkt: „Relevance only becomes meaningful if we can decide on the answer to the question ‚relevant to what?‘ We have to locate this principle of communication in social space as part of a genre which reflects purposeful human activity.“157 Aus „relevance“ muss folglich „genre-relevance“ werden. Aus diesem Grund greift er sowohl die Register-Theorie von Michael Halliday und Ruqaiya Hasan als auch Faircloughs Modell der Textinterpretation auf. Letzteres modifiziert Goatly, um ein Analysemodell für Metaphern zu gewinnen. Dabei müssen von den Rezipierenden auf vier textimmanenten Ebenen die Oberfläche der Aussage, die Bedeutung des Satzes und der Aussage, die lokale Kohärenz sowie die Textstruktur und -argumentationsweise, auf zwei Kontextebenen der intertextuelle und situative Kontext interpretiert werden. Die Relevanz liegt dabei auf der Ebene der Bedeutung der Aussage und der lokalen Kohärenz, die Registertheorie kommt auf der letzten Ebene des situativen Kontexts zum Tragen.158 Register wird mit Halliday und Hasan als „configuration of meanings that are typically associated with a particular situational configuration of Field, Mode and Tenor“.159 Dabei bezieht sich grob gesagt das Field auf die soziale Aktion, die geschieht, der Tenor auf die beteiligten Akteure und ihr Verhältnis zueinander und der Mode auf die Rolle, die die Sprache dabei spielt. Auf die Relevanz von Metaphern angewendet, stellt Goatly eine Reihe von Hypothesen auf. Erstens: „the detection (disambiguation) of a metaphorical meaning as opposed to literal meaning will depend on the principle of Relevance in relation to the contents associated with Field.“160 Goatly wendet sich dagegen, dass in Vgl. a.a.O. 146–150. A.a.O. 153. 158 Vgl. a.a.O. 310f. 159 HALLIDAY, MICHAEL/HASAN, RUQAIYA, Language, Context, And Text. Aspects of Language in a Social-Semiotic Perspective, Victoria: Deakin University 1985, 38f. Zitiert in: GOATLY, Language, 307. 160 GOATLY, Language, 307. 156 157

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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vielen Theorien ausschließlich die semantische Abweichung in der Metapher hervorgehoben wurde: „in fact metaphors are deviant in their reference, and this deviance occurs because they do not conventionally refer to the contents of the Field.“161 Zweitens erfüllen Metaphern je nach Genre bzw. Register durchaus unterschiedliche Funktionen.162 Da die unterschiedlichen Funktionen auch an verschiedene Arten von Metaphern gekoppelt sind,163 lässt somit das Genre bzw. Register gewisse Schlüsse im Hinblick auf die verwendeten Metaphern zu. Gleiches gilt für das Zusammenspiel bzw. die Kombination von Metaphern: Journalism is notorious for its Mixing, suggesting that we should process quickly and easily, ignoring metaphors, their original Vehicles and their attendant ambiguities as much as possible. […] Literary texts […] usually control carefully the interplay between metaphors. Even when they are mixed, or diverse, successful literature often manages the transitions effectively by various ambiguities and the sharing of Grounds.164

Drittens, und damit stark zusammenhängend: „the amount of Processing Effort as part of the value of Relevance will depend upon the time available for processing within each genre.“165 Verarbeitungskosten hängen also von der Verarbeitungszeit ab, und davon wiederum die Komplexität und Konventionalität der Metaphern. In Konversationen etwa, in denen naturgemäß nur wenig Zeit für das Produzieren und Verarbeiten von Metaphern besteht, werden eher einfache, bekannte und konventionalisierte Metaphern erwartet. Auf der Grundlage dieser Hypothesen analysiert Goatly sechs verschiedene Genres (Konversationen, Nachrichtenberichte, populärwissenschaftliche Berichte, Werbung, Romane und Lyrik) hinsichtlich der in ihnen verwendeten Metaphern.166 Die anderen Bestandteile von Goatlys Ansatz sind weniger komplex. „Graded-Risk“ bezieht sich auf die Tatsache, dass „metaphor is a risky communicative strategy, not always easily interpretable“.167 Der metaphorische Prozess kann folgendermaßen beschrieben werden:168 1) Ein Produzent oder eine Produzentin bemerkt eine Ähnlichkeit zwischen a und b auf der Grundlage gewisser Merkmale x. 2) Er/sie benutzt A mit Bezug auf b. 3) Eine Rezipientin oder ein Rezipient bemerkt, dass A sich nicht auf a bezieht und geht darum 4) davon aus, dass es sich auf c beziehen muss. 5) Sie/er stellt eine Ähnlichkeit zwischen a und c auf der Grundlage von gewissen Gemeinsamkeiten y auf. Im Idealfall

161

A.a.O. 317f. Für eine Übersicht vgl. a.a.O. 321. 163 Vgl. a.a.O. 176f. 164 A.a.O. 330. 165 A.a.O. 331. 166 Vgl. a.a.O. 333–339. 167 A.a.O. 178. 168 Vgl. a.a.O. 179. 162

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

sind natürlich b und c sowie x und y deckungsgleich. Metaphorische Kommunikation muss aber nicht gelingen. Auf Stufen 3 bis 5 kann es zu Schwierigkeiten kommen: Es kann sein, dass die Metapher nicht als solche erkannt wird, dass das falsche zugrunde liegende Konzept oder die falsche Ähnlichkeit angenommen wird. Um diese Risiken zu minimieren, können Produzierende von Metaphern verschiedene Mittel anwenden: Sie können metaphorischen Sprachgebrauch durch Marking signalisieren sowie das Topic und die Grounds spezifizieren. Jeder dieser Maßnahmen zur Risikominimierung widmet Goatly ein eigenes Kapitel. Auch der Risikoaspekt hängt mit dem Genre zusammen. In manchen Genres, etwa der Poesie, wird ein hohes Risiko toleriert, weshalb innovative, unmarkierte und unspezifizierte Metaphern akzeptabel sind. In Genres mit niedriger Risikotoleranz, etwa in populärwissenschaftlichen Sachbüchern, hingegen, sind innovative Metaphern nur dann annehmbar, wenn sie stark markiert und spezifiziert sind und daher immer noch relativ leicht und schnell verarbeitet werden können.169 Das Prinzip der „Metaphorical Scalarity“ zielt auf die Tatsache ab, dass metaphorischer und wörtlicher Sprachgebrauch nicht strikt voneinander trennbar sind, sondern eher ein Kontinuum mit Abstufungen darstellen. Goatly nennt fünf Arten von „Gefällen“ (clines), durch die Metaphorizität abgebildet und analysiert werden kann:170 1) annähernde vs. entfernte Ähnlichkeit (approximative vs. distant similarity) 2) Konventionalität vs. Unkonventionalität 3) bestehendes vs. nicht vorhandenes Marking 4) Nicht-Widersprüchlickeit vs. Widersprüchlichkeit (non-contradictoriness vs. contradictoriness) 5) (interpretative)171 Deutlichkeit vs. Undeutlichkeit (explicitness vs. inexplicitness). Das erste Gefälle bezeichnet die Nähe zwischen dem Genannten und Gemeinten. Wird zum Beispiel auf einen Menschen als Topic ein pflanzliches Vehicle bezogen, so ist eine weitere Entfernung gegeben, als wenn ein Mensch durch ein Tier beschrieben wird. Das Konventionalitätsgefälle ist bereits bekannt und dürfte soweit einleuchten. Goatly verdeutlicht durch einen senkrechten Strich im Kontinuum, dass zwischen lexikalisierten und innovativen Metaphern ein qualitativer Unterschied besteht. Mit dem dritten cline verweist er auf eine seiner Methoden zur Risikominimierung. Damit überlappt sich teilweise die Frage, inwieweit eine Spannung im metaphorischen Ausdruck wahrgenommen wird (Gefälle 4). Schließlich bezieht sich das letzte cline auf „the degree to which its interpretation is made explicit by the co-text“.172 An einem Ende des dritten und fünften Gefälles lassen sich explizite Vergleiche verorten, am anderen Ende offene Metaphern.173 Die Gefälle greifen in Teilen Aspekte des 169

Vgl. a.a.O. 338f. Vgl. a.a.O. 39. 171 Die Charakterisierung der Deutlichkeit als „interpretative“ kommt im Laufe seiner Ausführungen hinzu. Vgl. a.a.O. 340. 172 A.a.O. 40. 173 Vgl. ebd. 170

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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„Graded-Risk“ mit auf und sind von den jeweiligen Genres abhängig. Die drei Aspekte des Genre-Relevance Graded-Risk Approach to Metaphorical Scalarity sind somit stark miteinander verzahnt. Eine – freilich sehr vereinfachte – Zusammenfassung von 2(GR)AMS lautet: „Metaphor will be used in ways relevant to its functioning in different genres, and the riskiness of using metaphor will be graded accordingly by degrees of signalling and Specification.“174 Goatlys Ansatz ist sehr lobenswert im Hinblick darauf, dass er den Sprachcharakter der Metapher, der tatsächlich in der Metapherntheorie häufig zurücktritt, in den Vordergrund rückt und dabei Metapherntheorie nicht isoliert betreibt, sondern mit verschiedenen umfassenderen linguistischen Theorien kombiniert. Auch seine Betonung der Bedeutsamkeit des jeweiligen sozialen Kontexts oder sprachlichen Genres ist interessant. Dabei bleibt jedoch offen, was genau als Genre definiert wird und nach welchen Gesichtspunkten Abgrenzungen zwischen Genres erfolgen können. Zudem kann Goatly für die jeweiligen Genres nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit voraussagen, welche Arten von Metaphern hier auftreten können – er kann kein Ausschlusskriterium für andere Metaphern geben und seine Theorie darf nicht in diese Richtung verstanden werden. Problematisch an seinem Ansatz ist meines Erachtens die Tatsache, dass er Vergleich und Metapher in zu starke Nähe zu einander rückt und Analogie und Ähnlichkeit als die einzigen Grundlagen der metaphorischen Verbindung ansieht. Hier ist sein Blick zu eng. Das Moment der Spannung und Widersprüchlichkeit wird bei Goatly zwar als ein cline benannt, tritt aber gegenüber dem Ähnlichkeits- bzw. Analogieprinzip in den Hintergrund. Zudem ist das Prinzip der „vehicle construction“, das sich auch sonst in Vergleichstheorien häufiger findet, zu kritisieren. An dieser Stelle greift die bereits genannte Auffassung Beardsleys, dass durch diese Konstruktion etwas in die Metapher hineingelesen wird, was höchstens als Andeutung mitschwingt, aber keineswegs explizit ist. Goatly begeht diesen Fehler mehrmals, sieht ihn sogar als für die Interpretation mancher Metaphern notwendig an, weshalb seine Metapherninterpretationen teilweise weit hergeholt erscheinen. Auch wirkt die implikatorische Analyse von Metaphern nach der Relevanztheorie sehr komplex. Es gibt in diesem Fall einfachere und einleuchtendere Vorschläge, wie man sich die Verarbeitung von Metaphern vorstellen kann. Insgesamt halte ich viele Aspekte von Goatlys Theorie für interessant, sehe es aber als problematisch an, dass er sich der Vergleichstheorie anschließt. Meines Erachtens ist diese Theorie auch nicht mit allen Aspekten seines Ansatzes kompatibel.

174

A.a.O. 340.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

1.2.4. Interaktionstheorie, I.A. Richards, Max Black Der Name Max Black ist in den bisherigen Ausführungen bereits mehrfach gefallen. Seine im Aufsatz „Metaphor“ (1954/55) dargestellten Überlegungen gelten als Kehrtwende im metapherntheoretischen Diskurs.175 Auch die Unterscheidung verschiedener metapherntheoretischer Ansätze, die in Abschnitt 1.2.1 und 1.2.2 aufgegriffen wurde und sehr einflussreich war und ist, geht auf ihn zurück. Neben der Substitutions- und der Vergleichstheorie führt er als dritte Größe die Interaktionstheorie an, die er selbst vertritt. Allerdings hat er diese Theorie nicht ganz eigenständig entwickelt, sondern beruft sich auf I.A. Richards, der schon knapp zwanzig Jahre zuvor in The Philosophy of Rhetoric (1936) die wegweisende Richtung einschlug; Black erweiterte seine Hinweise bedeutend und baute sie aus. Richards kritisiert die aristotelische Metapherndefinition – bzw. seine Lesart davon – und insbesondere ihre Konsequenz der Unterscheidung zwischen „normalem“ und „abweichendem“ Sprachgebrauch. Er schlägt alternativ vor: „In the simple formulation, when we use a metaphor we have two thoughts of different things active together and supported by a single word, or phrase, whose meaning is a resultant of their interaction.“176 Hier wird deutlich, woher der Name der Theorie stammt. Auffällig gegenüber der antiken Metapherntheorie ist – und das ist, was Richards und Black als größte Errungenschaft angerechnet wird, die die moderne Metapherntheorie überhaupt einleitete –, dass hier die Metapher nicht aus einem Wort besteht, sondern aus zwei Gedanken, wodurch sie auf eine ganz andere, Sprache transzendierende Ebene erhoben wird.177 Zudem führt Richards mit den Begriffen Tenor und Vehicle178 eine für weitere Metapherntheorien bedeutsame Terminologie ein, die zun Beispiel auch von Andrew Goatly adaptiert wurde.179 Richards stellt klar, „that the vehicle is not normally a mere embellishment of a tenor which is otherwise unchanged by it but that vehicle and tenor in co-operation give a meaning of more varied powers than can be ascribed to either.“180 Er wendet sich somit strikt gegen die Substitutionstheorie und plädiert für die Unübersetzbarkeit metaphorischer Ausdrücke. Das Zusammenspiel von Tenor und Vehicle, das die Metapher ausmacht, kann dabei je nach Metapher sehr unterschiedlich ausfallen. Eine Unterscheidung 175

Vgl. dazu JOHNSON, Introduction, 19: „Black’s essay, „Metaphor“, is perhaps the landmark by which we may orient ourselves in attempting to understand recent work on the subject.“ (Hervorhebung im Original) 176 RICHARDS, IVOR A., Lecture V. Metaphor, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 48–62. Hier: 51. 177 Vgl. dazu auch Johnsons Lob: JOHNSON, Introduction, 18f. 178 Vgl. RICHARDS, Metaphor, 52. 179 Goatly ersetzt „Tenor“ durch „Topic“, vermutlich um einer Verwechslung mit dem „Tenor“ in Halliday und Hasans Theorie, die er ebenfalls anführt, vorzubeugen. 180 RICHARDS, Metaphor, 55.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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von Metaphern nach Konventionalitätsgrad sieht Richards skeptisch.181 Gregory Dawes, der Richards rezipiert, fasst seine Theorie sehr prägnant zusammen, wodurch Richards’ Ablehnung der Metapher als abweichender Sprachgebrauch deutlich zum Ausdruck kommt: „The interinanimation of words, which characterizes all language use and establishes all ‚meaning‘ is simply particularly clear in the case of metaphors.“182 Blacks Metapherntheorie beginnt in seinem wegweisenden Aufsatz „Metaphor“ (1954/55) mit der kritischen Auseinandersetzung mit der Substitutionsund Vergleichstheorie und geht dann dazu über, eigene Begrifflichkeiten zu etablieren. Der Bestandteil einer Aussage, der nicht zu dem Rest passt, also metaphorisch oder auf „uneigentliche“ Weise gebraucht wird, heißt focus, der Rest der Aussage frame. Da seiner Meinung nach die Begrifflichkeiten Tenor und Vehicle häufig einen Rückfall auf die Vergleichstheorie implizieren, schlägt er vor, stattdessen vom principal bzw. primary und subsidiary bzw. secondary subject183 zu sprechen.184 Mit dieser terminologischen Darstellung, dass in der Metapher zwei Subjekte vorliegen, will sich Black bewusst von der Substitutionstheorie abgrenzen.185 Durch die Verbindung der beiden Subjekte kommt es zu einer Bedeutungserweiterung186 durch die Aktivierung und Interaktion der systems of associated commonplaces.187 Damit sind die Annahmen gemeint, die bei der Nennung eines Begriffs quasi automatisch assoziiert werden. Dies verdeutlicht Black am Beispiel: „Man is a wolf“: A suitable hearer will be led by the wolf-system of implications to construct a corresponding system of implications about the principal subject. But these implications will not be those comprised in the commonplaces normally implied by literal uses of ,man‘. The new implications must be determined by the pattern of implications associated with literal uses of the word ,wolf‘. Any human traits that can without undue strain be talked about in ,wolf-language‘ will be rendered prominent, and any that cannot will be pushed into the background. The wolf-metaphor suppresses some details, emphasises others – in short, organizes our 181

Vgl. a.a.O. 56. DAWES, GREGORY W., The Body in Question. Metaphor and Meaning in the Interpretation of Ephesians 5:21,33 (Biblical Interpretation Series 30), Leiden/Boston/Tokyo: Brill 1998, 27. 183 Black benutzt in „Metaphor“ die Begriffe principal und subsidiary subject, revidiert diese Terminologie jedoch in „More about Metaphor“ (1977) und spricht dann von primary und secondary subject. Vgl. BLACK, MAX, More about Metaphor, in: Dialectica 31 (1977), 431–457. Hier: 441. 184 VAN NOPPEN, JEAN-PIERRE, Einleitung: Metapher und Religion, in: Ders. (Hg.), Erinnern, um Neues zu sagen. Die Bedeutung der Metapher für die religiöse Sprache, Frankfurt a. M.: Atheneum 1988, 7–51. Hier: 33. 185 Vgl. BLACK, Metaphor, 77. 186 Vgl. a.a.O. 73. 187 Später favorisiert Black den Ausdruck implicative complex anstelle von system of associated commonplaces, da letzterer u.a. durch Ricœur kritisiert wurde. Vgl. BLACK, More about Metaphor, 442. 182

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

view of man. […] We can say that the principal subject is ,seen through‘ the metaphorical expression – or, if we prefer, that the principal subject is ,projected upon‘ the field of the subsidiary subject.188

Mithilfe der Metapher wird also unsere Weltsicht organisiert, sie funktioniert wie ein Filter oder eine Blende. Interessanterweise benutzt Black hier selbst Metaphern – und zwar mehrere verschiedene – um das Phänomen zu beschreiben. Außerdem ist Black das Charakteristikum, dass Metaphern manche Eigenschaften des principal subjects (und damit gleichzeitig auch des subsidiary subjects) hervorheben und zugleich andere in den Hintergrund drängen, sehr wichtig.189 Es ist festzuhalten, dass dabei nicht aus dem „realen“ subsidiary subject, im Beispiel aus dem realen Wolf, die Übertragung vorgenommen wird. Die associated commonplaces sind gerade deshalb „Gemeinplätze“, weil sie von den meisten Metaphernrezipierenden mit dem subsidiary subject verbunden werden: „the important thing for the metaphor’s effectiveness is not that the commonplaces shall be true, but that they should be readily and freely evoked.“190 Dies impliziert, dass Metaphern im Großteil der Fälle kulturabhängig sind. Neben der Evozierung von commonplaces können Metaphernproduzierende einen Implikationsrahmen ad hoc kreieren,191 womit Black besonders „kühne“ Metaphern erklärt. Zudem ist es möglich, dass im Implikationszusammenhang einer Metapher weitere Metaphern auftauchen, so dass eine Art Hierarchie entsteht.192 Ein weiterer wichtiger Aspekt der Interaktionstheorie, der in der Rezeption oft als das entscheidende Charakteristikum angesehen wird, ist die Tatsache, dass zwar in der Metapher vorrangig das principal subject durch das system of associated commonplaces des subsidiary subjects organisiert wird, diese Übertragung jedoch nicht einseitig verläuft, sondern es eine Art Rückkopplung gibt, durch die auch das Bild des subsidiary subjects beeinflusst wird. In dem Beispiel „Man is a wolf“ erscheint somit nicht nur der Mensch wölfischer, sondern in gewissem, wenngleich vergleichsweise viel geringerem Umfang, der Wolf auch menschlicher.193 Dieser Aspekt, der oft, wenn auch nicht unbedingt immer greift, wird häufig in der Darstellung der Theorie in den Vordergrund gerückt und als Angriffspunkt genutzt,194 spielt bei Black selbst allerdings nur

188

BLACK, Metaphor, 75. (Hervorhebungen im Original) Vgl. auch a.a.O. 78: „The metaphor selects, emphasizes, suppresses, and organizes features of the principal subject by implying statements about it that normally apply to the subsidiary subject.“ (Hervorhebung im Original) 190 A.a.O. 74. 191 Vgl. a.a.O. 77. 192 Vgl. a.a.O. 76. Eine genauere Darstellung der Metapherninterdependenzen bei Black erfolgt in Abschnitt 2.1.3. des zweiten Kapitels. 193 Vgl. VAN NOPPEN, Einleitung, 31. 194 Vgl. z.B. GOATLY, Language, 119f. 189

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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eine randläufige Rolle195 und sollte daher nicht als eigentlicher Kern der Interaktionstheorie angesehen werden. Gegen Ende seines Aufsatzes trifft Black noch eine Aussage, die man als Relativierung seiner Metapherntheorie lesen kann: Er gesteht ein, dass diese nicht unbedingt alle Metaphern erklären kann und sogar in manchen Fällen die Substitutions- oder Vergleichstheorie einen besseren Erklärungsrahmen bieten. Davon ausgehend unterscheidet Black je nach Theorie drei verschiedene Arten von Metaphern, wobei aber nur die interaction-metaphors für die Philosophie relevant sind, da sie nicht ohne Verlust des kognitiven Inhalts in wörtliche Sprache zu übersetzen sind.196 The literal paraphrase inevitably says too much, and with the wrong emphasis. One of the points I most wish to stress is that the loss in such cases is a loss in cognitive content; the relevant weakness of the literal paraphrase is not that it may be tiresomely prolix or boringly explicit – or deficient in qualities of style; it fails to be a translation because it fails to give the insight that the metaphor did.197

Dies schließt jedoch keinesfalls aus, dass die Metapher erläutert werden kann. Rund 25 Jahre nach seinem bahnbrechenden Aufsatz ergänzt Black in „More about Metaphor“ seine Interaktionstheorie, revidiert Teile davon und verteidigt sie gegen Kritikpunkte (unter anderem von Monroe Beardsley, dem Hauptvertreter der Verbal-opposition-Theorie). Neben den oben erwähnten terminologischen Änderungen macht Black besonders deutlich, dass die Metapher trotz ihres ungewöhnlichen Effekts nicht wirklich vom „normalen“ Sprachgebrauch abweicht: A successful metaphor is realized in discourse, is embodied in the given ,text‘, and need not be treated as a riddle. So the writer or speaker is employing conventional means to produce a non-standard effect, while using only the standard syntactic and semantic resources of his speech community. Yet the meaning of an interesting metaphor is typically new or ,creative‘, not inferrible from the standard lexicon. A major task for theorists of metaphor, then, is to explain how such an outcome – striking for all its familiarity – is brought about.198

Das Element der Widersprüchlichkeit in der Metapher wird hier sehr schön deutlich. Zudem kritisiert Black die Kategorie der „toten“ Metapher, da diese seiner Meinung nach keine wirkliche Metapher ist. Stattdessen präferiert er die Unterscheidung zwischen „starken“ und „schwachen“ Metaphern.199 Konstitu-

195

Er ist etwas ausgeprägter in „More about Metaphors“, wo er zumindest in einer der fünf zentralen Behauptungen benannt wird. Vgl. BLACK, More about Metaphor, 442. 196 Vgl. BLACK, Metaphor, 78f. 197 A.a.O. 79. (Hervorhebungen im Original) 198 BLACK, More about Metaphor, 436. 199 Vgl. a.a.O. 439.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

tiv für die erste Gruppe sind zwei neu von Black eingeführte Kriterien, emphasis200 und resonance. Emphasis bezieht sich darauf, dass aus Sicht der Produzierenden nur die verwendeten Worte und keinerlei Abweichungen in Frage kommen, dass die Implikationen aufgedeckt und daher eine Zusammenarbeit mit den Rezipierenden erforderlich ist.201 Resonant sind „metaphorical utterances that support a high degree of implicative elaboration.“202 Beide Aspekte sind mitunter voneinander abhängig. Das Problem der Substitutions- und Vergleichstheorie ist laut Black, dass beide Metaphern als etwas „Unemphatisches“, also Übersetzbares und Ersetzliches behandeln und somit nur auf schwache Metaphern anwendbar sind. Mit der Vergleichstheorie bzw. der Unterscheidung von Metapher und Vergleich setzt sich Black noch eingehender auseinander, indem er klarstellt, dass Metaphern zwar Vergleiche implizieren können, dies aber nicht mit einer Gleichsetzung verwechselt werden darf,203 und dass Metaphern einen „flash of insight“204 ausdrücken, der weit über einen gewöhnlichen Vergleich hinausgeht. Neu ist außerdem der Begriff „isomorph“, den Black zur Beschreibung der Verhältnisse der beiden systems of associated commonplaces bzw. implicationcomplexes nutzt,205 sowie das In-Beziehung-Setzen von Metaphern und Modellen, das er bereits 1962 in seinem Werk Models and Metaphors vorgeschlagen hat: „Every implication complex supported by a metaphor’s secondary subject […] is a model of the ascription imputed to the primary subject: every metaphor is the tip of a submerged model“.206 Gerade durch Letzteres wird die Metapher von einem nochmals anderen Blickwinkel betrachtet, der zudem eine Zugangsweise aus beispielsweise naturwissenschaftlicher Sicht einfacher gestaltet. Schließlich ist gerade gegenüber anderen Metapherntheoretikerinnen und theoretikern, wie etwa Goatly, positiv hervorzuheben, dass Black die Verbindung von principal bzw. primary und subsidiary bzw. secondary subject nicht allein aufgrund von Ähnlichkeit und Analogie, sondern vielschichtiger sieht: „the relations between the meanings of the corresponding key words of the two implication-complexes can be classified as (i) identity, (ii) extension, typically ad hoc, (iii) similarity, (iv) analogy, or (v) what might be called „metaphorical coupling“ (where, as often happens, the original metaphor implicates

200

Das Merkmal emphasis klang jedoch bereits an, als Black darauf hinwies, dass untergeordnete Metaphern weniger emphatisch sind, s.o. 201 Vgl. BLACK, More about Metaphor, 440. 202 Ebd. 203 Vgl. a.a.O. 445. 204 A.a.O. 446. 205 Vgl. a.a.O. 442. 206 A.a.O. 445. Vgl. auch DAWES, Body, 33–35.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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subordinate metaphors).“207 Im letzten Fall liegt dann eine Metaphernkombination vor. Blacks Ansatz wurde in der Metaphernforschung vielfach gewürdigt. Er bietet den Vorteil, dass Metaphern in semantischen Systemen gesehen werden, anstatt als isolierte Wortverbindung auf rein syntaktischer Ebene, dass Metaphern als kognitiv erhellend und unübersetzbar gewertschätzt werden und dass ihre Funktionsweise nicht auf Ähnlichkeit oder Analogie beschränkt wird. Zudem führt Black eine Vielzahl von Beispielen an, die im Gegensatz zu den abgegriffenen Beispielen, die Black kritisiert, relativ lebensnah und nicht nur auf Kopula-Konstruktionen beschränkt sind. Der meines Erachtens stärkste Kritikpunkt, dass die Metapher nicht immer und zwangsläufig Auswirkungen auf das subsidiary subject hat, wurde bereits oben erwähnt, verliert jedoch dadurch an Gewicht, dass auch bei Black selbst dies eher ein Nebenphänomen ist. Aus diesem Grund ist Blacks Theorie auch nach über sechzig Jahren durchaus relevant. 1.2.5. Verbal-opposition-Theorie, Monroe Beardsley Die Verbal-opposition- oder Spannungstheorie208 nach Monroe Beardsley steht in einer gewissen Verwandtschaft zu Blacks Interaktionstheorie,209 auch wenn es von Seiten der Spannungstheorie durchaus Anfragen gibt (Beardsley sagt über Black lapidar, er habe „some valuable things to say“210), insbesondere im Hinblick auf die Frage, wie Metaphern erkannt werden können. Zum ersten Mal behandelt Beardsley Metaphern im Rahmen seines Hauptwerks Aesthetics. In diesem Kontext sind sie jedoch nicht sein zentrales Anliegen. Sie dienen ihm vielmehr als „test case“211 im Zusammenhang seiner Abhandlung über Explikationen bzw. über die Frage, ob Explikationen möglich sind. Ähnlich wie Black führt er zunächst verschiedene Typen von Theorien an – Emotive, Supervenience und Literalist Theory212– um anschließend seine eigene Controversion Theory hervorzubringen. Hierfür geht er von Attributionen aus, durch die ein Wort (subject) durch ein anderes (modifier) modifiziert 207

BLACK, More about Metaphor, 444. (Hervorhebung im Original) Das Metaphern inhärente Moment der Spannung wurde nicht nur von Beardley bemerkt, sondern beispielsweise auch von Harald Weinrich, Christian Strub, Paul Ricœur und Douglas Berggren. Da seine Theorie aber um die Spannung herum aufgebaut ist, eine interessante Deutung des Verstehens von Metaphern zulässt und verhältnismäßig einflussreich war, soll sie hier bevorzugt behandelt werden. 209 Vgl. GOATLY, Language, 120; allerdings ist Goatlys Annahme, die Spannungstheorie baue auf der Interaktionstheorie auf, aus Beardsleys eigener Darstellung nicht zu rechtfertigen. 210 BEARDSLEY, MONROE C., Aesthetics. Problems in the Philosophy of Criticism, New York u.a.: Harcourt, Brace & World 1958, 161. 211 A.a.O. 134. 212 Vgl. a.a.O. 134–138. 208

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

wird (in „große Hunde“ etwa ist „Hunde“ subject und „große“ modifier). Nun gibt es logically empty attributions, nämlich einerseits self-implicative attributions, die tautologisch sind, da die Aussage des modifiers eigentlich schon im subject enthalten sind und andererseits self-contradictory attributions, „in which the modifier designates some characteristic incompatible with the characteristics designated by the subject.“213 Natürlich ist es möglich, dass diese Selbstwidersprüchlichkeit aus Versehen geschehen ist und darum bedeutungslos ist, but when the modifier connotes some characteristic that can be meaningfully attributed to the subject, the reader jumps over the evident self-contradiction and construes it indirectly, on the principle that the writer knows he is contradicting himself and wouldn’t utter anything at all unless he had something sensible in mind. Then the expression becomes a significant self-contradiction.214

Mit der significant self-contradiction ist somit ein Charakteristikum für Metaphern gefunden, jedoch wird dadurch nur eine Teilmenge von Metaphern erklärt. Als weitere Kategorie führt Beardsley daher die offensichtliche Absurdität oder Falschheit des Satzes bzw. der Aussage an. Dies liegt daran, dass Worte immer mit gewissen presuppositions in Verbindung stehen. Werden diese durch die Attribution verletzt, aber bestehen dennoch sinngebende Konnotationen, ist dies eine weitere Erklärung von Metaphern. Die Controversion Theory lässt sich somit folgendermaßen zusammenfassen: a metaphor is a significant attribution that is either indirectly self-contradictory or obviously false in its context, and in which the modifier connotes characteristics that can be attributed, truly or falsely, to the subject. […] The more difficult it is to work out connotations of the modifier that can be attributed to the subject, the more obscure is the metaphor – but this obviously depends upon the powers of the reader.215

Beardsley zufolge zeichnet sich die Theorie insbesondere dadurch aus, dass sie das Phänomen erklärt, dass Metaphern neue kontextuelle Bedeutungen erschließen können: Sometimes we have an idea and search for a metaphor to mean it – though even in this case we don’t know fully what we shall decide to mean until we find the metaphor. But sometimes we invent, or hit upon, a metaphor and find that it gives us a new idea. The reason is that the connotations of words are never fully known, or knowable, beforehand, and very often we discover new connotations of the words when we see how they behave as modifiers in metaphorical attributions. The metaphor does not create the connotations, but brings them to life.216

213

A.a.O. 140. A.a.O. 140f. (Hervorhebung im Original) 215 A.a.O. 142f. 216 A.a.O. 143. 214

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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Zu seiner Ausgangsfrage nach der Explikation zurückkommend stellt Beardsley fest, dass die Metapher ein Modell für jegliche Form der Explikation darstellt.217 Dabei gelten zwei Prinzipien, das Principle of Congruence – das Vorhandensein logisch und physikalisch funktionierender Konnotationen – und das Principle of Plenitude – die Aktivierung aller vorhandenen Konnotationen, „it means all it can mean, so to speak.“218 Ebenso wie Black geht Beardsley davon aus, dass man Vergleiche im Sinne von Metaphern verstehen bzw. sie in solche umwandeln kann, jedoch nicht umgekehrt,219 und dass „tote“ Metaphern im Grunde genommen keine Metaphern mehr sind.220 Interessant ist, dass er Metaphern dem Self-Controverting Discourse zuordnet, also solchen Diskursen, in denen ein Sprecher oder eine Schreiberin eine Aussage macht, dabei aber eigentlich etwas anderes meint, wie in Witzen oder Ironie.221 Hier vertritt er einen pragmatischen Ansatz, der Nähen zur Sprechakttheorie222 aufweist. Beardsleys Ansatz wird von ihm in späteren Aufsätzen – insbesondere „The Metaphorical Twist“ (1962) sowie „Metaphorical Senses“ (1978) – fortgesetzt und forciert. Er unterscheidet nun stark zwischen der Object-comparison- und der Verbal-opposition-Theorie. Während erstere behauptet, dass die Metapher auf reale Dinge, Personen etc. rekurriert und somit einen Vergleich als Grundlage der Metapher annimmt, sieht die zweite, von Beardsley selbst vertretene Theorie den Vollzug der Metapher auf sprachlicher Ebene, durch die Konnotationen der benutzten Worte. Bereits durch die gegenüber Aesthetics stärkere Wortwahl, was die Bezeichnung seiner Theorie betrifft („opposition“ statt „controversion“), wird deutlich, dass die Widersprüchlichkeit der Metapher als ihr Erkennungsmerkmal in den Vordergrund gerückt wird. Trotz dieser Widersprüchlichkeit muss die Aussage aber bedeutungsvoll sein. Dies erklärt Beardsley durch die schon in Aesthetics angedeutete Unterscheidung verschiedener Arten von Attributen.223 Auf der einen Seite stehen die „defining, or designated, properties“,224 gleichsam die Lexikonbedeutung von Wörtern. Diese führen in Metaphern zur Widersprüchlichkeit. Um diese Widersprüchlichkeit aufzuheben, werden die Rezipierenden genötigt, nach anderen Bedeutungen des Wortes, Randbedeutungen zu suchen: den Konnotationen. Die Konnotationen der in der Metapher beteiligten Worte stellen schließlich die Verbindung zwischen den ansonsten widersprüchlichen Bestandteilen her. „A metaphorical attribution, then involves two ingredients: a semantical distinction between two 217

Vgl. a.a.O. 144. Ebd. (Hervorhebung im Original) 219 Vgl. a.a.O. 137f. 220 Vgl. a.a.O. 159. 221 Vgl. a.a.O. 138. 222 S.u., Abschnitt 1.2.9. 223 Vgl. BEARDSLEY, Metaphorical Twist, 111f. 224 A.a.O. 111. 218

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

levels of meaning, and a logical opposition at one level.“225 Es ist aus diesen Ausführungen wenig verwunderlich, dass das Oxymoron bei Beardsley eine zentrale Stellung einnimmt und als mit der Metapher eng verwandt angesehen wird. Allerdings wird nicht deutlich, inwieweit sich die direkte Widersprüchlichkeit des Oxymoron von der indirekten der Metapher abgrenzen lässt.226 Neben der angeführten Präzisierung und Zuspitzung seiner Theorie liegt der Schwerpunkt in Beardsleys späteren Aufsätzen auch darauf, einige kritische Anfragen zu beantworten und kleine Modifizierungen bzw. Ergänzungen vorzunehmen. So wurde häufig eingewendet, dass die Verbal-opposition-Theorie „frische“, also innovative Metaphern nicht hinreichend erklären kann. Beardsley führt demgegenüber an, dass ein Wort, das sich auf ein Objekt bezieht, viele verschiedene Attribute besitzt (potential range of connotations), von denen jeweils aber nur einige (staple connotations) aktiviert und auch in konventionellen Metaphern realisiert werden.227 Die anderen sind aber für die Verwendung innovativer Metaphern zugänglich. Was geschieht aber, wenn zum Beispiel ein bestimmtes Adjektiv noch nicht genügend brauchbare Attribute behält, etwa, weil es bisher nur auf Menschen und nicht auf etwas Unbelebtes bezogen wurde (Beardsley führt als Beispiel die Adjektivmetapher „inconstant moon“ an)? In diesem Fall, so Beardsley, wird man sich das Adjektiv als Menschen beschreibend anschauen und von dort aus Rückschlüsse ziehen, so dass „inconstant“ selbst anschließend neue Attribute besitzt: „the metaphor transforms a property (actual or attributed) into a sense. […] In this way the metaphors would not only actualize a potential connotation, but establish it as a staple one.“228 Auch die konkrete Form oder Spezifizierung der Metapher versucht Beardsley durch eine Art Zusammenspiel oder Rückübertragung zu erklären,229 was jedoch teilweise gezwungen wirkt. Auf jeden Fall wird im Laufe seiner Beschäftigung deutlich, dass Beardsley von einer rein semantischen Betrachtungsweise, wie er sie zum Teil proklamiert hat, abrückt und verstärkt pragmatische Elemente einbezieht.230 Wie aber bereits oben angeführt wurde, ist ein impliziter pragmatischer Einschlag schon in seinen Ausführungen in Aesthetics vorhanden. Kritikerinnen und Kritiker haben der Verbal-opposition-Theorie gegenüber vielfach Beispiele von Metaphern angeführt, für die das Spannungsmoment nicht konstitutiv ist, etwa Aussagen, die doppeldeutig sowohl wörtlich als auch metaphorisch zu verstehen sind, solche, die allein durch den Kontext zu Metaphern werden, oder verneinte metaphorische Aussagen (z.B. „No man is an 225

A.a.O. 112. Vgl. DAWES, Body, 44. 227 Vgl. BEARDSLEY, Metaphorical Twist, 112f. 228 A.a.O. 114f. (Hervorhebungen im Original) 229 Vgl. BEARDSLEY, Metaphorical Senses, 13. 230 Vgl. DAWES, Body, 48. 226

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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island“).231 Binkley konstatiert: „Although an obviously false or nonsensical literal interpretation may make the metaphoricalness conspicious, such a clue is neither a necessary ingredient in the making nor an essential aid in the understandig of a metaphor.“232 Teilweise unternahm Beardsley daraufhin Versuche, die Beispiele ebenfalls in seine Theorie zu inkorporieren oder die Theorie zu modifizieren, jedoch nicht immer mit einem überzeugenden Ergebnis. Nicht nur das Spannungsmoment kann in einzelnen Beispielen problematisch sein. Ich denke, dass auch die Aktivierung von Konnotationen in manchen Fällen schwieriger ist als in den von Beardsley hinzugezogenen Beispielen. Vermutlich sind Metaphern, die abstrakte Begriffe als Vehicle beinhalten, nur mit einiger Mühe durch die Verbal-opposition-Theorie erklärbar, ebenso wie solche, in denen das Vehicle nicht aus einem Substantiv, sondern einem Verb, Adjektiv o.ä. besteht. Mooij merkt kritisch an, dass eine Theorie, wie sie Beardsley vertritt, besagen müsste, dass es für jeden metaphorischen Satz eine wörtliche, bedeutungsgleiche Entsprechung gibt.233 Man könnte den metaphorischen Ausdruck einfach durch die relevante Konnotation ersetzen. Allerdings würde dies natürlich den Verlust der Spannung oder Widersprüchlichkeit bedeuten, die in Beardsleys Theorie eine sehr zentrale Stellung einnimmt. Von wirklich synonymen Sätzen kann daher nicht mehr die Rede sein. Möglicherweise kann man mit Beardsley sogar so weit gehen, zu konstatieren, dass die Spannung selbst bedeutungstragend ist. Was jedoch tatsächlich an der Verbal-opposition-Theorie problematisch ist, ist das Konzept der Konnotationen bzw. der Abgrenzung zwischen zentraler Bedeutung und Randbedeutung.234 Wie lässt sich beides voneinander trennen? Gibt es so etwas wie eine zentrale Bedeutung überhaupt? Was zur Randbedeutung gezählt werden kann und was nicht, ist schließlich unüberprüfbar.235 Zudem ist das Problem gänzlich innovativer Metaphern trotz Beardsleys Erklärungsversuche immer noch nicht vollständig gelöst. Wie kann es sein, dass in der innovativen Metapher eine neue Bedeutung entsteht, also eine neue Konnotation erzeugt wird? „[W]hat can it mean to say that a word has a ,connotation‘ which nobody knows? If a ,connotation‘ is by definition one of the meanings which is associated with a word and if the meaning of a word is a function 231 Vgl. BINKLEY, TIMOTHY, On the Truth and Probity of Metaphors, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 136–153. Hier: 140; COHEN, TED, Figurative Speech and Figurative Acts, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 182–199. Hier: 184f.191f. 232 BINKLEY, Truth and Probity, 140. 233 Vgl. MOOIJ, Study, 101–111. 234 Vgl. BEARDSLEY, MONROE, Art. Metaphor, in: The Encyclopedia of Philosophy 5 (1967), 284–289. Hier 286. 235 Vgl. MOOIJ, Study, 99.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

of the ways in which it is used, does it make sense to speak of a word's previously unknown connotations?“236 Beardsley lässt außerdem meines Erachtens die Rolle des Topics weitestgehend unberücksichtigt. Allerdings ist es entscheidend dafür, welche Konnotationen des Vehicles aktiviert werden. Wenn sich beispielsweise das Vehicle Schlange auf eine Person bezieht, muss eine andere sinnstiftende Konnotation abgerufen werden, als wenn es sich auf eine Straße bezieht. Dieses Zusammenspiel von Topic und Vehicle – im Übrigen auch für Metaphernkombinationen sehr bedeutsam – wird von Beardsley nicht erschöpfend erklärt, obwohl Blacks Theorie eine gute Vorarbeit leistet. Ein letzter möglicher Kritikpunkt deutet sich bereits in Beardsleys Scheidung von Metapherntheorien in Object-comparison- und Verbal-oppositionTheorien an. Beardsley geht nicht davon aus, dass die Elemente der Metapher direkt auf reale Dinge verweisen, sondern dass Metaphern rein auf sprachlicher Ebene funktionieren. Dies kann insofern problematisch werden, als dadurch die kognitive Bedeutung von Metaphern fraglich wird. Strukturieren Metaphern also überhaupt nicht unser Denken (wie es etwa Lakoff und Johnson annehmen, s.u.), haben sie hier keinerlei Funktion? Möglicherweise lässt sich dieses Problem durch Modifikationen der Theorie umgehen, indem man nicht mehr von den rein semantischen Bestandteilen der Metapher ausgeht, sondern von dahinter liegenden Ideen oder Prototypen. Statt von Denotationen und Konnotationen könnte dann von primären und sekundären Attributen die Rede sein. Wie sich durch die Darstellung der Kritikpunkte zeigt, ist Beardsleys Theorie noch nicht vollständig ausgereift. Es bleiben einige offene Fragen. So zeigt sich, dass sie nicht jede Metapher erklären kann. Da Metaphern aber eine insgesamt sehr umfangreiche und heterogene Gruppe bilden, ist fraglich, inwiefern dies überhaupt bei irgendeiner Theorie der Fall ist. Was in jedem Fall für Beardsleys Theorie spricht, ist eine große Plausibilität für eine Vielzahl von Beispielen. Zudem wird durch Beardsleys Ansatz ein Perspektivwechsel von Ähnlichkeiten hin zu Widersprüchlichkeiten in Metaphern vollzogen – eine Anschauung, die auch und gerade für biblische Metaphern sehr wichtig ist. 1.2.6. Conceptual Theory Ähnlich wie der Aufsatz „Metaphor“ von Max Black leitete auch die Conceptual Theory des Linguisten John Lakoff und des Philosophen Mark Johnson, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht in ihrem Buch Metaphors We Live By, eine Wende im Metapherndiskurs ein. Dabei verlagerte sich der Schwerpunkt vom rein sprachlichen zum kognitiven Phänomen und von der auffälligen, innovativen zur unspektakulären Alltagsmetapher. Allerdings ist dies historisch gesehen nicht das erste Mal, dass allgemeiner Sprachgebrauch 236

DAWES, Body, 44.

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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relevanter wurde als bestimmte stilistische Rafinessen: Bereits im Zuge der New Philology, die Ende des 18. Jahrhundert aufkam und sich insbesondere mit den Sprachverwandtschaften und der Rekonstruktion des Protoindoeuropäischen beschäftigte, konnte man ähnliche Tendenzen erkennen.237 Lakoff und Johnson gehen davon aus, dass unser Konzeptsystem, nach dem wir im Alltag handeln, im Kern metaphorisch geprägt ist, uns dies jedoch nicht bewusst ist. Beispielsweise wird das Konzept „Argumentieren“ durch die konzeptuelle Wurzelmetapher ARGUMENTIEREN IST KRIEG geprägt.238 Diese Wurzelmetapher manifestiert sich wiederum in vielen verschiedenen sprachlichen Metaphern, wie zum Beispiel „einen Punkt angreifen“, „Schieß los!“ etc. Allerdings prägt sie nicht nur die Weise, wie wir vom Argumentieren sprechen, sondern auch, wie wir es allgemein wahrnehmen – nämlich als verbalen Kampf – und dementsprechend, wie wir handeln. Diese konzeptuelle Metapher ist kulturell bedingt. Als Gegenpol führen Lakoff und Johnson eine fiktive Kultur an, in der das Konzept „Argumentieren“ durch die Metapher eines Tanzes beschrieben wird.239 Insgesamt lässt sich also festhalten: „The essence of metaphor is understanding and experiencing one thing in terms of another.“240 In der Metapher werden also zwei verschiedene Bereiche aktiviert, nämlich source domain und target domain, also Herkunfts- und Zielbereich, wobei ersterer meist konkreter und einfacher zu erfassen ist.241 Lakoff und Johnson unterscheiden verschiedene Arten von konzeptuellen Metaphern: structural metaphors, wie in ARGUMENTIEREN IST KRIEG oder ZEIT IST GELD,242 orientational metaphors wie KRANKHEIT UND TOD IST UNTEN oder MEHR IST OBEN,243 ontological metaphors, „that is, ways of viewing events, activities, emotions, ideas, etc., as entities and substances“,244 etwa DER MENSCHLICHE GEIST IST EINE MASCHINE,245 container metaphors, etwa das GESICHTSFELD IST EIN GEFÄß/BEHÄLTER246 usw. Die Ursache für diese sehr weite Verbreitung von Metaphern in der menschlichen Denkstruktur liegt darin begründet, dass bereits Kinder erlernte Bildschemata auf andere Bereiche und Prozesse übertragen. Dies gilt insbesondere für orientational und container 237

Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 79f. Vgl. LAKOFF, GEORGE/JOHNSON, MARK, Metaphors We Live By, Chicago/London: University of Chicago Press 2003, 4. Im Original ARGUMENTS ARE WAR. Der Darstellung von Lakoff und Johnson folgend werden konzeptuelle Metaphern in Kapitälchen angegeben. 239 Vgl. a.a.O. 4f. 240 A.a.O. 5. (im Original kursiv) 241 FEYAERTS, KURT/BOEVE, LIEVEN, Introduction, in: Dies. (Hg.), Metaphor and GodTalk (Religions and Discourse 2), Bern u.a.: Peter Lang 1999, 7–14. Hier: 9. 242 Vgl. LAKOFF/JOHNSON, Metaphors We Live By, 14. 243 Vgl. a.a.O. 14f. 244 A.a.O. 25. 245 Vgl. a.a.O. 27. 246 Vgl. a.a.O. 29f. 238

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

metaphors. Wenn Kleinkinder beispielsweise Klötzchen aufeinander stapeln, kommen sie zu der Grundannahme „mehr ist oben“, die als konzeptuelle Metapher auf andere Bereiche übertragen wird.247 Die Entstehung konzeptueller Metaphern ist somit entwicklungspsychologisch bedingt und wird kulturell weitervermittelt. Einer der größten Kritikpunkte an der Conceptual Theory besteht darin, dass sie sich auf konventionelle Metaphern bezieht, innovative Metaphern jedoch nur sehr schwer erklären kann. Viele Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker betonen allerdings, dass konventionelle Metaphern keine Metaphern im eigentlichen Sinn mehr darstellen.248 So folgert Dawes: The weakness of Lakoff and Johnson’s book is that they assume that all such metaphorical expressions are still living metaphors. Therefore they claim that such expressions can shape our thought in ways of which we may be unaware. But we will see […] that what we will call hidden ,metaphors‘ will shape our thought only if they are living metaphors, retaining their metaphoric power. Not all metaphors are still ,alive‘.249

Er versteht konzeptuelle Metaphern zudem eher als Modelle im Sinne von Blacks späterer Modelltheorie. Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Conceptual Theory in weiten Teilen unbelegbar ist, empirische Forschungsergebnisse sogar teilweise gegen sie sprechen.250 Dennoch ist die Theorie, gerade wegen des durch sie eingeleiteten Paradigmenwechsels, nach wie vor einflussreich. 1.2.7. Blending Theory Die Blending Theory, entwickelt von Gilles Fauconnier, Mark Turner sowie ihren Schülerinnen und Schülern, zeigt deutliche Nähen zur Conceptual Theory, geht jedoch eher von individuellen, zumeist relativ innovativen Metaphern aus.251 Statt der domain ist hier aber der mental space die zentrale Begrifflichkeit, „a partial and temporary representational structure which speakers construct when thinking or talking about a perceived, imagined, past, present, or Vgl. insbesondere a.a.O. 14–21 und auch SULLIVAN, KAREN, Mixed Metaphors. Their Use and Abuse, London u.a.: Bloomsbury Academic 2019, 31–36. 248 S.u., Abschnitt 5.2. 249 DAWES, Body, 37. 250 Vgl. z.B. GLUCKSBERG, SAM/MCGLONE, MATTHEW S., When Love Is Not a Journey: What Metaphors Mean, in: Journal of Pragmatics 31 (1999), 1541–1558. (S.u., Abschnitt 1.2.8.) 251 Vgl. GRADY, JOSEPH/OAKLEY, TODD/COULSON, SEANA, Blending and Metaphor, in: Raymond W. Gibbs/Gerard Steen (Hg.), Metaphor in Cognitive Linguistics. Selected Papers from the Fifth International Cognitive Linguistics Conference, Amsterdam, July 1997 (Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science. Series IV, Current Issues in Linguistic Theory 175), Amsterdam/Philadelphia: J. Benjamins 1999, 101–124 (online zugänglich: http://markturner.org/blendaphor.html, abgerufen am 14.06.2018). Hier: 101. 247

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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future situation“.252 Der mental space ist somit konkreter als die domain und von ihr abhängig: „spaces represent particular scenarios which are structured by given domains.“253 Während in der Conceptual Theory mit target und source domain allein zwei Bereiche aktiv sind, sind es in der Blending Theory zudem vier mental spaces,254 zwei input spaces, die sich auf die target und source domain beziehen, sowie ein generic space, der die konzeptuelle Struktur umfasst, die beiden input spaces inhärent sind (von Goatly als Ground bezeichnet255), und ein blended space, in dem eine Interaktion der beiden input spaces stattfindet. Dieser zusätzliche mental space ist laut den Vertreterinnen und Vertretern der Blending Theory notwendig, weil sonst die Aussage vieler Metaphern nicht erfasst werden kann. Am besten lässt sich dies an dem wohl berühmtesten Beispiel „This surgeon is a butcher“ verdeutlichen. Der generic space umfasst die generellen Kategorien „Akteur/Akteurin“, „Rezipient/Rezipientin“, „scharfes Instrument“, „Ziel“ usw. In einem input space werden diese konkretisiert als „Chirurg“, „Patient“, „Skalpell“, „Heilung durch Chirugie“, usw., in dem anderen als „Metzger“, „Tier“, „Hackbeil“, „Fleischzerteilung durch Metzgerei“ usw. Im blended space treffen nun diese Konzepte aufeinander: „In the blended space, the means of BUTCHERY have been combined with the ends, the individuals and the surgical context of the SURGERY space.“256 Aus dieser Inkongruenz erwächst eine der zentralen Aussagen der Metapher: dass der Chirurg inkompetent ist. Laut den Vertreterinnen und Vertretern der Blending Theory ist diese Aussage ohne die Annahme des blended space nicht aus der Metapher ableitbar, da die Inkompetenz keinem der beiden input spaces inhärent ist und sich auch nicht aus irgendeiner Ähnlichkeit ableiten lässt. Die Blending Theory sieht sich jedoch nicht als Gegenpart oder Konkurrenz zur Conceptual Theory, sondern versteht beide Theorien als komplementär.257 Kritikerinnen und Kritiker führen an, dass die Blending Theory mit der Annahme des vierten mental space über das Ziel hinausschießt.258 Auch andere Metapherntheorien könnten eine Metapher wie „This surgeon is a butcher“ mit der dahinter liegenden Implikation der Inkompetenz erklären – etwa durch das Aufeinanderprallen der beiden Berufsgruppen und ihrer jeweiligen Assoziationen in der Aussage: So ist es zwar richtig, dass einige Assoziationen geteilt werden (etwas das scharfe Instrument, das beide Personen benötigen), ein Unterschied besteht jedoch dahingehend, dass der Chirurg äußerst präzise arbeiten muss, mit dem Ziel der Lebenserhaltung, während ein Schlachter grob arbeitet 252

A.a.O. 102. Ebd. 254 Vgl. a.a.O. 103. 255 Vgl. GOATLY, Language, 120. 256 GRADY/OAKLEY/COULSON, Blending and Metaphor, 106. 257 Vgl. a.a.O. 120. 258 Vgl. GOATLY, Language, 121. 253

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

und der Tod des Tiers vorausgesetzt wird. Gerade die Spannung der Assoziationen „Leben“ und „Tod“ sind in dieser Metapher sehr stark. Damit ist zudem fraglich, ob die Inkompetenz des Chirurgen wirklich die Hauptaussage der Metapher ist. Allerdings bleibt positiv anzumerken, dass auch die Blending Theory die Bedeutung des Topics in der metaphorischen Aussage hervorhebt. 1.2.8. Class-Inclusion-Theorie Der Class-Inclusion-Ansatz oder die „attributive category“ theory, die in Abgrenzung zur Conceptual Theory steht, weist deutliche Nähen zum einen zur Substitutionstheorie und zum anderen zur Vergleichstheorie (im weiteren Sinne) auf. Goatly sieht die Verwandtschaft zu ersterer als so stark an, dass er die Class-Inclusion-Theorie als Variante der Substitutionstheorie auffasst.259 Dabei werden Metaphern auf Diskursebene betrachtet, also in „non-contemplative, speeded, maximally-efficient language processing“.260 Die beiden Psychologen Sam Glucksberg und Matthew McGlone gehen in ihrer Darstellung der Theorie davon aus, dass die Metapher im Grunde auf einem Vergleich, einer Ähnlichkeit basiert und dass in den meisten Fällen eine Metapher ohne Bedeutungsverlust in einen Vergleich umgewandelt werden kann (nicht aber ein wörtlicher Vergleich in eine Metapher).261 Die für die Autoren relevante Frage ist, wie die Ähnlichkeit spezifiziert werden kann, denn schließlich kann, wie bereits in der Kritik der Vergleichstheorie deutlich wurde, zwischen beliebigen Konzepten eine Ähnlichkeit erkannt werden. Wie können geeignete die Metapher konstituierende Eigenschaften festgestellt werden? Glucksberg und McGlone stellen zwei Alternativen dar: property-matching und property attribution. In der ersten Alternative werden gemeinsame Eigenschaften von Topic und Vehicle als Grundlage der Metapher ausgemacht. Laut den Autoren scheitert dies jedoch daran, dass in manchen Metaphern die Eigenschaften des Topics unklar sind. In dem einfachen Beispiel „Sam is a pig“ können Hörende, die Sam selbst nicht kennen und daher auch nicht seine Eigenschaften beschreiben können, gemäß des property-matching die Metapher gar nicht verstehen.262 Da dem aber meist so ist, eignet sich die Erklärung der property attribution besser. Hier wird die Ähnlichkeit in Metaphern analog zu anderen Vergleichen darin gesehen, dass sowohl Topic als auch Vehicle der gleichen Überkategorie zugeordnet werden: „When someone says that ‚my job is a jail‘, job and jail are cast into a common category, viz. situations that are confining, difficult to get out of, unpleasant etc.“263 Wie in der Substitutionstheorie steht also auch in der Class-Inclusion-Theorie das Vehicle stellvertretend für etwas anderes. Um 259

Vgl. a.a.O.118. GLUCKSBERG/MCGLONE, When Love Is Not a Journey, 1557. 261 Vgl. a.a.O. 1541f. 262 Vgl. a.a.O. 1542. 263 Ebd. 260

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

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die Bedeutung der Metapher zu erfassen, muss vom Vehicle selbst abstrahiert werden,264 denn „the vehicle term […] has two potential referents: the literal referent (e.g. actual jails), and the category of things or situations that the metaphor vehicle exemplifies (e.g. situations that are confining, oppressive, etc.).“265 Zusammenfassend funktionieren Metaphern nach der Class-Inclusion-Theorie also folgendermaßen: a metaphor vehicle, in the context of a specific metaphor topic, acts as a cue for the speaker to infer or construct a relevant category to which both topic and vehicle belong, with the following important constraints. The metaphor vehicle must, to some degree, epitomize or symbolize that category.The metaphor topic, by virtue of being assigned to that category, is characterized along one or more relevant dimensions. Thus, the specific literal, taxonomic category of the metaphor vehicle can be quite irrelevant.266

Wird die erste Voraussetzung jedoch nicht erfüllt, so fällt die Deutung der Metapher äußerst heterogen aus oder misslingt gänzlich.267 Im Grunde genommen geht in dieser Darstellung die Metapher in einer abstrakteren Form von Metonymie auf. Glucksberg und McGlone sehen einen Vorteil ihrer Theorie gegenüber der Conceptual Theory darin, dass sie umfassender ist, insofern sie Sätze besser erklären kann, die zwar dasselbe Vehicle, aber verschiedene Topics aufweisen und in denen durch die verschiedenen Topics unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden.268 Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Theorie durch in dem Aufsatz angeführte Studien auch empirisch plausibel erscheint. Das Hauptproblem besteht jedoch ganz klar darin, dass sich der Ansatz allein auf Metaphern des Typs „X ist Y“ beschränkt. Bereits Genitivmetaphern sind so nicht erklärbar, geschweige denn Verbmetaphern oder Ähnliches. Der Blick auf das Phänomen ist somit hochgradig eingeschränkt.269 Zudem wird von der Ähnlichkeit als Basis von Metaphern mit einer Selbstverständlichkeit ausgegangen, die nicht immer gegeben ist. Schließlich ist negativ anzumerken, dass das gewählte Beispiel „Sam is a pig“ gerade darum allgemeinverständlich ist, weil die Metapher hochgradig konventionalisiert ist. 1.2.9. Die Metapher in der pragmatischen Sprechakttheorie Einer der wichtigsten Vertreter der Sprechakttheorie, John Searle, geht in seinen Ausführungen auch auf die Metapher ein und grenzt sich von anderen Theoretikerinnen und Theoretikern insofern ab, als er die Doppeldeutigkeit von 264

Vgl. GOATLY, Language, 117. GLUCKSBERG/MCGLONE, When Love Is Not a Journey, 1542. 266 A.a.O. 1546. 267 Vgl. a.a.O. 1556. 268 Vgl. ebd. 269 Vgl. auch GOATLY, Language, 118. 265

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Metaphern nicht auf semantischer, sondern auf pragmatischer Ebene, im Gebrauch der jeweiligen Aussage, ansiedelt.270 Eine ähnliche Beobachtung stellt Donald Davidson in etwa zeitgleich in seinem sehr einflussreichen Aufsatz „What Metaphors Mean“ an: I depend on the distinction between what words mean and what they are used to do. I think metaphor belongs exclusively to the domain of use. It is something brought off by the imaginative employment of words and sentences and depends entirely on the ordinary meanings of those words and hence in the ordinary meanings of the sentences they comprise.271

Genauso unterscheidet Searle zwischen word/sentence meaning und speaker’s utterance meaning, wobei die „metaphorische Bedeutung“ stets letzteres bezeichnet.272 Einfach gesprochen liegen also Metaphern dann vor, wenn ein Satz „S ist P“ geäußert wird (sentence meaning), jedoch „S ist R“ bedeutet (speaker’s utterance meaning).273 Searle geht also davon aus, dass metaphorische Sätze grundsätzlich in wörtliche Sprache (in der sentence meaning und speaker’s utterance meaning identisch sind) übersetzbar sind, auch wenn er zugesteht, dass eine solche Übersetzung nicht immer unproblematisch ist.274 Diese Definition von Metapher rückt das Phänomen sehr in die Nähe anderer pragmatischer Phänomene, die in der Sprechakttheorie beschrieben werden, etwa Ironie und indirekte Sprechakte (z.B. „Können Sie das Fenster öffnen?“, was eher als Aufforderung denn als Frage nach der Fähigkeit verstanden wird).275 Um eine Metapher nun decodieren zu können, muss der Rezipient (oder die Rezipientin) laut Searle mindestens drei Schritte durchlaufen: First, he must have some strategy for determining whether or not he has to seek a metaphorical interpretation of the utterance in the first place. Second, when he has decided to look for a metaphorical interpretation, he must have some set of strategies, or principles, for computing possible values of R, and third, he must have a set of strategies, or principles, for restricting the range of Rs – for deciding which Rs are likely to be the ones the speaker is asserting of S.276

Für Stufen 2 und 3 nennt Searle verschiedene Strategien bzw. Prinzipien, ohne dass er damit einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Beispiele sind etwa

270 Vgl. SEARLE, JOHN, Metaphor, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 248–285. Hier: 249. 271 DAVIDSON, DONALD, What Metaphors Mean, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 200–220. Hier: 202. 272 Vgl. SEARLE, Metaphor, 250. 273 Vgl. a.a.O. 255. 274 Vgl. a.a.O. 254f.283. 275 Vgl. z.B. Searles graphische Darstellung, a.a.O. 284. 276 A.a.O. 274. (Hervorhebungen im Original)

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

81

„Things which are P are by definition R“277 (Prinzip 1) oder „Things which are P are contingently R“278 (Prinzip 2). Searles – und Davidsons – Einsicht in die Notwendigkeit der Berücksichtigung der pragmatischen Ebene bildet einen für die Metaphernforschung sehr wichtigen Beitrag. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch frühere Theoretikerinnen und Theoretiker, etwa Beardsley, bereits in ähnliche Richtung dachten. An Searles Ansatz ist problematisch, dass er einer Übersetzbarkeit der Metapher trotz gewisser Einwände noch ziemlich positiv gegenüber steht und seine Formulierungen beinahe an die Substitutionstheorie erinnern. Ist es aber immer möglich, ein R für P zu finden? Hier liegt eine Schwierigkeit zudem darin, dass er fast ausschließlich von Kopula-Metaphern ausgeht, selbst wenn er selbst vorgibt, auch andere grammatikalische Ausformungen anzudenken. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass in Searles Theorie S bzw. dem Topic eine verhältnismäßig große Bedeutung in der Entschlüsselung der Metapher zugesprochen wird. 1.2.10. Fazit Eine tabellarische Übersicht soll an dieser Stelle dazu dienen, die wichtigsten Aspekte der vorgestellten Metapherntheorien, ihre jeweiligen Vorzüge und Schwachstellen, zusammenzufassen.

277 278

A.a.O. 276. (Hervorhebungen im Original) Ebd. (Hervorhebungen im Original)

BegründerinKurzdarstellung nen/Begründer bzw. prominente Vertreterinnen und Vertreter Tabelle 1: Übersicht der behandelten Metapherntheorien Substitutions(Rhetorik/ FremdzuschreiMetapher als Ersatz eines „eiursprüngliBegründerintheorie Stilistik) bung, keine eigens Kurzdarstellung gentlichen“ Wortes durch ein che/vorran- begründete nen/Begründer Theo„uneigentliches“ (schwächere gige Diszibzw.inprominente rie; Teilen von Form: Abweichung vom domiplin Vertreterinnen Rhetorikern der nanten Sprachgebrauch); überund Vertreter Antike und des setzbar Substitutions(Rhetorik/ FremdzuschreiMetapher als Ersatz eines „ei18.–19. Jahrhuntheorie Stilistik) bung, keine eigens gentlichen“ Wortes durch ein derts vertreten; begründete Theo„uneigentliches“ (schwächere meist aber mit eirie; in Teilen von Form: Abweichung vom dominer deutlichen Rhetorikern der nanten Sprachgebrauch); überSimplifizierung Antike und des setzbar verbunden 18.–19. JahrhunVergleichstheorie derts vertreten; „Ellipsistheorie“ (Rhetorik/ FremdzuschreiDie Metapher entspricht einem meist Stilistik) bung; aber wird mit auf eiCielliptischen Vergleich (ohne ner cerodeutlichen und Quinti„wie“ o.Ä.). Simplifizierung lian zurückgeverbunden führt, was jedoch Vergleichstheorie mit einer deutli„Ellipsistheorie“ (Rhetorik/ FremdzuschreiDie Metapher entspricht einem chen Reduktion Stilistik) bung; wird auf Cielliptischen Vergleich (ohne ihrer Metapherncero und einherQuinti„wie“ o.Ä.). theorien lian geht zurückgeführt, was jedoch mit einer deutlichen Reduktion ihrer Metapherntheorien einhergeht

ursprüngliche/vorrangige Disziplin

Tabelle 1: Übersicht der behandelten Metapherntheorien

sehr einseitige Sichtweise; MetaKritikpunkte phern werden auf Wortebene verortet, nicht auf Satzebene; die Leistung der Metapher wird unterschätzt (Erkenntnis- nicht nur reine Schmuckfunktion); Übersehr einseitige Sichtweise; Metasetzbarkeit oft nicht gegeben phern werden auf Wortebene verortet, nicht auf Satzebene; die Leistung der Metapher wird unterschätzt (Erkenntnis- nicht nur reine Schmuckfunktion); Übersetzbarkeit oft nicht gegeben stark reduktionistisch

stark reduktionistisch

(vermeintlich) einfach; erVorzüge klärt einzelne Metaphern, vor allem Katachrese und stark konventionalisierte Ausdrücke





(vermeintlich) einfach; erklärt einzelne Metaphern, vor allem Katachrese und stark konventionalisierte Ausdrücke

Kritikpunkte

Vorzüge

82 Kapitel 82 1: Die Metapher Kapitel 1:–Die zwischen Metapher Widerspruch – zwischenund Widerspruch Ähnlichkeitund Ähnlichkeit

Jan Mooij, Andrew Goatly (in modifizierter Form, s.u.)

Andrew Goatly



Linguistik

Vergleichstheorie i.e.S.

2(GR)AMSAnsatz

Aristoteles

(Rhetorik/ Stilistik)

„Ähnlichkeitstheorie“

Spielart der Vergleichstheorie; Ähnlichkeit und Analogie als Grundprinzipien der Metapher; starke Orientierung an der sprachlichen Form der Metapher; Einbettung in allgemeine Sprachtheorien; Betonung der GenreRelevanz und des Risikos, das mit Metapherngebrauch einhergeht; „wörtliche“ und „metaphorische“ Sprache als Kontinuum

Metaphern und Vergleiche können in analoger Weise verstanden werden (Unterkategorie der Ähnlichkeitstheorie)

Extrem weit gefasst: Metapher beruht auf Ähnlichkeit

Metapher wird nicht als isoliertes Phänomen betrachtet, sondern ihr Sprachcharakter betont; sozialer Kontext und Genre werden berücksichtigt

Auf Metaphern unterschiedlicher Konventionalitätsgrade übertragbar; Metapher und Vergleich kommen oft in Kombination vor

Ähnlichkeit ist wesentliches Merkmal vieler Metaphern; einfache und zugängliche Erklärung

aufgrund der Weite unspezifisch; Ähnlichkeit und Analogie werden nicht differenziert; Ähnlichkeit ist nicht in allen Metaphern direkt gegeben und kann nicht als konstitutives Element der Metapher angesehen werden; das Moment der Spannung wird wenig beachtet Ähnlichkeit ist nicht in allen Metaphern direkt gegeben und kann nicht als konstitutives Element der Metapher angesehen werden; das Moment der Spannung wird wenig beachtet starke Nähe von Vergleich und Metapher; Ähnlichkeit und Analogie betont, Widerspruch/Spannung nur wenig berücksichtigt; problematisches Vorgehen der „vehicle construction“

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

83

Monroe Beardsley Monroe Beardsley

George Lakoff, George Lakoff, Mark Johnson Mark Johnson

Philosophie Philosophie

Kognitive Kognitive Linguistik/ Linguistik/ KognitionsKognitionswissenwissenschaften schaften (Philoso(Philosophie) phie)

Verbal-oppositionVerbal-oppositionTheorie Theorie

Conceptual Conceptual Theory Theory

InteraktionsInteraktionstheorie theorie

BegründerinBegründerinnen/Begründer nen/Begründer bzw. prominente bzw. prominente Vertreterinnen Vertreterinnen und Vertreter und Vertreter I.A. Richards, I.A. MaxRichards, Black Max Black

ursprüngliursprüngliche/vorranche/vorrangige Diszigige plin Disziplin (Literatur(Literaturkritik/ kritik/ Rhetorik), Rhetorik), Philosophie Philosophie

Schwerpunkt auf Metaphern als Schwerpunkt aufAlltag Metaphern als kognitivem, den struktukognitivem, den Alltag strukturierendem Phänomen (structural, rierendem Phänomen (structural, orientational, ontological metaorientational, ontological metaphors); kulturell vermittelte konphors); vermittelte konzeptuellekulturell Metaphern beeinfluszeptuelle Metaphern beeinflussen die Wahrnehmung der Welt sen die Wahrnehmung der Welt

Metaphern liegen nicht auf der Metaphern liegen auf der Wort-, sondern aufnicht der Satzebene Wort-, sondernsich auf der bzw. beziehen auf Satzebene hinter den bzw. beziehen sichKonzepte; auf hinter Teden Worten liegenden Worten Konzepte; Tenor und liegenden Vehicle bzw. principal nor Vehiclesubject bzw. principal und und subsidiary interagieund subsidiary subject interagieren miteinander und schaffen so ren schaffen so neuemiteinander Bedeutung;und Vehicle/subsineue Vehicle/subsidiary Bedeutung; subject als eine Art diary subjectaber als eine Linse/Filter, auchArt dieses Linse/Filter, aber auch dieses wird durch die Metapher neu gewird sehendurch die Metapher neu gesehen Metaphern als widersprüchliche, Metaphern als widersprüchliche, aber bedeutungsvolle Aussagen aber bedeutungsvolle Aussagen (Fokus liegt auf der sprachlichen (Fokus auf der sprachlichen Form); liegt Konnotationen der MetaForm); Konnotationen derVerMetaphernelemente stellen die phernelemente stellen Verbindung zwischen den die widerbindung zwischen den widersprüchlichen Bestandteilen her sprüchlichen Bestandteilen her

Kurzdarstellung Kurzdarstellung

Unterscheidung von DenoUnterscheidung von Denotationen und Konnotationen tationen und Konnotationen sowie Aktivierung letzterer sowie Aktivierung letzterer in Metaphern einleuchtend in einleuchtend undMetaphern für viele Beispiele plauund viele Beispiele plausibel;fürdeutliche Betonung sibel; deutliche Betonung von Widersprüchlichvon Widersprüchlichkeit/Spannung (Perspektivkeit/Spannung (Perspektivwechsel) wechsel) Metaphern werden als allgeMetaphern werden als allgegenwärtig wahrgenommen, genwärtig wahrgenommen, nicht als sprachliche Besonnicht alssie sprachliche Besonderheit; prägen auf bederheit; prägen besondere sie Weise das auf menschsondere Weiseund dasHandeln menschliche Denken liche Denken und Handeln

Einbettung in semantische Einbettung in Beschränkung semantische Systeme statt Systeme statt Beschränkung auf Einzelworte; kognitive auf Einzelworte; kognitive Bedeutung der Metapher, Bedeutung der Metapher, komplexe Funktionsweise komplexe Funktionsweise (statt Beschränkung auf (statt Beschränkung auf Ähnlichkeit/Analogie) Ähnlichkeit/Analogie)

Vorzüge Vorzüge

Es gibt Metaphern ohne (starkes) Es gibt Metaphern ohne Spannungsmoment, etwa(starkes) in verSpannungsmoment, etwa in verneinten Sätzen; Identifizierung neinten Sätzen; Identifizierung von Konnotationen tlw. schwievon Konnotationen schwierig; Abgrenzung vontlw. Denotatiorig; von Denotationen Abgrenzung und Konnotationen tlw. unnen Konnotationen tlw. unklar;und Fokus auf der Metapher als klar; Fokus auf der Metapher sprachliches Phänomen kann als sprachliches Phänomen kann in kognitive Rolle der Metapher kognitive Rolle der Metapher in den Hintergrund drängen den Hintergrund starker Fokus aufdrängen konventionalistarker Fokus auf konventionalisierten Metaphern, die von andesierten Metaphern, die von anderen Metapherntheoretikerinnen ren und Metapherntheoretikerinnen -theoretikern nicht mehr als und -theoretikern nicht mehrwerals Metaphern wahrgenommen Metaphern wahrgenommen werden; auf innovative Metaphern den; aufübertragbar; innovative Metaphern schwer keine einschwer eindeutigenübertragbar; empirischenkeine Belege deutigen empirischen Belege

manche Metaphern erklären sich manche Metaphern besser durch andereerklären Theoriensich besser durchselbst andere Theorien (wie Black zugibt); nicht (wie Black zugibt); nicht immer wirdselbst die Sicht auf das immer wirdsubject die Sicht auf die dasMesubsidiary durch subsidiary subject durch die Metapher maßgeblich beeinflusst tapher maßgeblich beeinflusst

Kritikpunkte Kritikpunkte

8484 Kapitel Kapitel 1: 1: Die Die Metapher Metapher – zwischen – zwischen Widerspruch Widerspruch und und Ähnlichkeit Ähnlichkeit

Sam Glucksberg, Matthew McGlone

Psychologie

Philosophie

Class-InclusionTheorie

Metaphernverständnis in der pragmatischen Sprechakttheorie

John Searle/ Donald Davidson

Gilles Fauconnier, Mark Turner

Kognitive Linguistik/ Kognitionswissenschaften

Blending Theory

Metaphern als Phänomen der Pragmatik (ähnlich wie z.B. Ironie); „S ist P“ wird gesagt, ist jedoch als „S ist R“ zu verstehen

versteht sich als eine Art Ergänzung zur Conceptual Theory; Annahme von vier mental spaces, darunter der blended space, in dem Aspekte der unterschiedlichen input spaces neue Bedeutung generieren der Fokus liegt bei Metaphern auf der Diskursebene; Topic und Vehicle der Metapher sind derselben übergeordneten Kategorie zuzuordnen; im Grunde sind Metaphern abstraktere Formen der Metonymie der pragmatische Zugang eröffnet eine neue Perspektive; das Topic der Metapher ist für die Aussage relevant

kann manche Phänomene besser erklären als die Conceptual Theory; in einer von Glucksberg/McGlone durchgeführten Studie empirisch plausibel

Blending bzw. Vermischung als inhärentes Charakteristikum der Metapher; Topic ist für die metaphorische Aussage bedeutsam extrem eingeschränkt auf Kopula-Metaphern, kann somit nicht die Fülle metaphorischer Formen beschreiben; Ähnlichkeit wird unreflektiert als (alleinige) Basis der Metaphern angenommen; angeführte Beispiele tlw. sehr konventionalisiert Übersetzbarkeit muss prinzipiell möglich sein, ist aber praktisch schwierig; schwer auf andere Metaphern als Kopula-Metaphern anwendbar

Annahme des blended spaces scheint nicht notwendig zu sein, die entsprechenden Beispielmetaphern lassen sich auch anders interpretieren

1. Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze

85

86

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Die Darstellung der unterschiedlichen Theorien zeigt klar, wie sehr Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker durch die Disziplinen oder spezifischen Schwerpunkte (etwa kognitive Linguistik oder Sprechakttheorie), in denen sie verortet sind, beeinflusst werden. In allen Theorien geht es mehr oder weniger stark darum, wie Metaphern funktionieren, welche Abläufe bei der Konstruktion und umgekehrt bei der Rezeption von Metaphern notwendig sind. Dabei ist jedoch zu beobachten, dass philosophisch verortete Metapherntheorien (etwa von Black und Beardsley) in der Regel allgemeinere Überlegungen anstellen, während solche aus der Linguistik (etwa von Lakoff/Johnson und Goatly) spezifischer auf die erforderlichen Mechanismen eingehen. Sowohl innerhalb eher philosophisch als auch innerhalb eher linguistisch ausgerichteter Metapherndiskurse gibt es allerdings, wie gezeigt wurde, erhebliche Unterschiede und Widersprüche. Dabei beinhalten alle hier vorgestellten Metapherntheorien jedoch zugleich Aspekte, die durchaus plausibel erscheinen. Auf die Beispiele, die die Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker anführen, sind die jeweils formulierten Theorien klar anwendbar, nicht jedoch unbedingt auf Beispiele, die von anderer Seite aufgeführt werden. Das zeigt möglicherweise, dass die Metapher kein klar definiertes Phänomen darstellt, sondern es unterschiedliche Untergruppen gibt, deren Struktur und konkrete Funktionsweise verschieden ausfallen können. Die Metaphernforschung der letzten Jahrzehnte hat die Metapher einerseits deutlich aufgewertet und andererseits aus der Begrenzung auf einen bestimmten (poetischen oder rhetorisch ausgeschmückten) Stil befreit. Lässt sich bis ins 19. Jahrhundert hinein eine gewisse Metaphernskepsis, die mit einer starken Reglementierung dieses Stilmittel einhergeht, feststellen,279 so zeigt etwa der Ansatz von Max Black, dass es sich bei der Metapher nicht um einen einfachen, monodirektionalen Übertragungsvorgang handelt, sondern die Interaktion von Vehicle und Topic deutlich komplizierter ist. Dass es sich bei Metaphern um komplexe Gebilde und Prozesse handelt, ist eine Einsicht, die die allermeisten heutigen Metapherntheorien teilen. Seit Lakoff und Johnsons Ansatz ist zudem die metaphorische Prägung der Alltagsprache und unserer allgemeinen menschlichen Denkstruktur wieder stärker ins Bewusstsein der Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker gerückt. Man kann hier von einem „cognitive turn in metaphor studies“280 sprechen, der dazu geführt hat, dass inzwischen mitunter Sprechweisen, die kaum direkt als Metaphern erkennbar sind, im Fokus der Forschung stehen und weniger die als „kühn“ oder „poetisch“ bezeichneten Metaphern. Beide Aspekte, Komplexität und Ubiquität,

279

Dies lässt sich ansatzweise unten, Abschnitt 2.1.2 des zweiten Kapitels, erkennen. STEEN, GERARD, Chapter 6: Mixed Metaphor Is a Question of Deliberateness, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 113–132. Hier: 113. 280

87

2. Die Bestandteile der Metapher

wurden im letzten Jahrhundert wieder entdeckt, sind aber, wie sich gezeigt hat, bereits im Metaphernverständnis der Antike angelegt.

2. Die Bestandteile der Metapher – eine terminologische Klärung 2. Die Bestandteile der Metapher

Wie die Ausführungen der bisherigen Kapitel zeigen, gibt es in den unterschiedlichen Metapherntheorien eine Vielzahl von Termini, die gebraucht werden, um die Metapher und ihre Bestandteile zu beschreiben. Da dies zu erheblicher Verwirrung führen kann, ist eine umfassende Klärung nötig. Anhand der Kopula-Metapher „Julia ist die Sonne“ (aus Shakespeares Romeo und Julia) soll die folgende Übersicht281 die verschiedenen Sprechweisen verdeutlichen: Tabelle 2: Unterschiedliche Bezeichnungen für die Bestandteile der Metapher A „Julia“

B „Sonne“

Richards Black

tenor principal subject bzw. revidiert primary subject

vehicle subsidiary subject bzw. revidiert secondary subject

Beardsley

subject

modifier

Weinrich282 Lakoff/Johnson (und andere Vertreter der kognitiven Metapherntheorie) Goatly

Bildempfänger target concept/domain

Bildspender source concept/domain

mapping (scope), correspondence

Topic/T-Term

Vehicle/V-Term

Ground

281

C [„schön“, „warm“, „lebensspendend“,…] ground das, was in den systems of associated commonplaces (bzw. revidiert implicative complexes) geteilt wird von subject und modifier geteilte connotations

Aus: KOHL, KATRIN, Metapher, Stuttgart/Weimar: Metzler 2007, 35, adaptiert und erweitert. 282 Obwohl Weinrich in dieser Arbeit nicht eingehends thematisiert wird, wird seine Terminologie hier zur Veranschaulichung ergänzt, da sie im deutschsprachigen Raum relativ weit verbreitet ist. Vgl. Weinrichs generelle Aussagen zu Bildfeldern und Metaphern (WEINRICH, Sprache, 283–341). Die grundlegenden Begrifflichkeiten werden insbesondere auf S. 284 eingeführt (bildspendende und bildempfangene Felder), die entsprechenden Substantive im Kontext der Metapherndiskussion ab S. 297 verstärkt verwendet.

88

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Neben den Termini principal und subsidiary subject führt Black eine zweite Unterscheidung ein, zwischen frame und focus, wobei frame den Gesamtzusammenhang der Metapher bezeichnet und focus den Bestandteil, der in Spannung zum Rest der Äußerung steht, also den Gesamtzusammenhang „stört“ und somit die Aufmerksamkeit auf sich zieht (fokussiert). Während in vielen Metaphern – auch im obigen Beispiel – sich frame und principal subject sowie focus und subsidiary subject decken, meinen sie doch unterschiedliche Dinge und sind nicht von vornherein gleichzusetzen: „Frame and focus designate only the contextual setting – say, the sentence as a whole – and the term which is the bearer of the shift of meaning, whereas tenor and vehicle designate the conceptual import and its pictorial envelope.“283 Beardsley entwirft zu frame und focus analoge Termini, nämlich metaphorical sequence und metaphorical segment.284 Richards’ Terminologie ist die älteste und einflussreichste, jedoch auch sehr umstritten. Sie wurde insbesondere von Vertreterinnen und Vertreter anderer Theorien dafür kritisiert, dass sie einen Rückfall auf die Vergleichstheorie darstelle bzw. dass implizit angenommen werde, bei der Metapher handele es sich um einen Vergleich.285 Das Problem liegt hier darin, dass zwar in einfachen Kopula-Metaphern wie dem obigen Beispiel klar ist, was mit dem Vehicle gemeint ist, nicht aber in komplexeren Metaphern anderer Wortarten. Und: Sind es die jeweils in der Metapher genannten Worte, die als Tenor und Vehicle bezeichnet werden oder die dahinter liegenden Konzepte bzw. realen Gegenstände, auf die die Worte verweisen?286 Ist etwa in dem Beispiel „Meine Gedanken fließen“ das Wort „fließen“ das Vehicle oder etwa ein Fluss? Wenn letzteres der Fall ist, so bedeutet das, dass das Vehicle in einigen Metaphern rekonstruiert – oder eher erfunden – wird. Dies geschieht etwa in der von Goatly durchgeführten „vehicle construction“. Vor einem derartigen Vorgehen warnt meines Erachtens zu Recht Beardsley,287 da dies ein erhebliches Eingreifen in die Metapher mit sich bringt, was notwendigerweise das Bedeutungsspektrum einengt – neben Flüssen fließen etwa auch Bäche. Auch Strom und Blut fließen – wobei bereits in diesen Fällen – konventionalisierte – Metaphern vorliegen. Und was wäre das Vehicle im Falle des Beispiels „Meine Gedanken schweben“? Trotz dieser offensichtlichen Schwierigkeiten halte ich Richards’ Terminologie an sich für sinnvoll, zumal Blacks und Beardsleys Alternativen ihrerseits durch den Terminus „Subjekt“ irreführend sind, da dieser in der Linguistik und 283 Z.B. RICŒUR, PAUL, The Metaphorical Process as Cognition, Imagination and Feeling, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 228–247. Hier: 235. 284 Vgl. BEARDSLEY, Metaphorical Senses, 3. 285 Vgl. z.B. VAN NOPPEN, Einleitung, 30 und BEARDSLEY, Metaphorical Twist, 295. 286 Vgl. BEARDSLEY, Aesthetics, 159. 287 Vgl. BEARDSLEY, Metaphorical Twist, 295.

3. Wörtlicher und metaphorischer Sprachgebrauch

89

in der Alltagsgrammatik bereits anders belegt ist. Als problematisch sehe ich jedoch den Begriff Tenor an, der unter anderem als „Sinn“ oder „wesentlicher Inhalt“ übersetzt werden kann und dementsprechend dahingehend fehlinterpretiert werden kann, dass hiermit die tatsächliche Aussageabsicht der Metapher wiedergegeben wird oder das Vehicle allein verschleiernde Wirkung hätte. Ich werde daher in meinen Ausführungen Goatly folgen und die Begriffe Topic, Vehicle und Ground verwenden, zumal sich dies aus praktischen Gründen anbietet, da ich auf Goatlys verschiedene Arten der Metaphernkombination Bezug nehmen werde. Daneben unterscheidet Goatly meines Erachtens sinnvoll zwischen Topic und Vehicle als abstrakten Konzepten und den spezifischen in der Metapher vorhandenen Begriffen, die er als T-Term und V-Term bezeichnet. Topic und T-Term sowie Vehicle und V-Term können in den jeweiligen Metaphern inhaltlich deckungsgleich sein, müssen es aber nicht zwingend. Obwohl ich nicht Goatlys genereller Metapherntheorie folge, ist diese Unterscheidung sinnvoll, da insbesonder der Gebrauch des Terminus V-Term die Doppeldeutigkeit des Begriffs Vehicle vermeidet. Wenn von Metaphern im Einzelnen die Rede ist, verwende ich daher die Begriffe T-Term und V-Term. Diese beziehen sich dabei streng auf die in der Metapher verwendeten Worte. Folglich ist nach meiner Terminologie das Wort „fließen“ in „Meine Gedanken fließen“ der V-Term. Es ist das Wort, das die metaphorische Spannung erzeugt. Der Ausdruck „meine Gedanken“ bildet demgegenüber den T-Term. Wie sich somit zeigt, müssen T- und V-Term nicht aus einzelnen Wörtern bestehen, sondern können ganze Phrasen, Satzteile o.Ä. beinhalten. Den Begriff Ground verwende ich als abstrakten Begriff für das, was eine Verbindung zwischen Topic und Vehicle herstellt, zum Beispiel im Sinne von Beardsleys Theorie die von beiden geteilten Konnotationen. Jedoch ist anzumerken, dass der Ground oft schwer bis gar nicht bestimmbar ist. Wenn von den verschiedenen Bereichen die Rede ist, aus denen Topic und Vehicle stammen, verwende ich den Ausdruck „semantisches Feld des Vehicles bzw. Topics“.

3. Wörtlicher und metaphorischer Sprachgebrauch oder: Wie erkennt man eine Metapher? 3. Wörtlicher und metaphorischer Sprachgebrauch

In der Darstellung der verschiedenen metapherntheoretischen Ansätze ist die Frage nach der Identifizierung von Metaphern bereits mehrfach angeklungen und verschiedentlich beantwortet worden. Sie ist eng mit der Frage verbunden, inwieweit metaphorische Sprache sich von „wörtlicher“ unterscheidet und damit weiterhin mit dem Problem der Ungreifbarkeit des Konzepts „wörtlicher Sprachgebrauch“. In der antiken Metapherntheorie spielt die Identifizierung der Metapher noch keine große Rolle. Den jeweiligen Autoren scheint klar zu sein, wie man

90

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

eine Metapher erkennt, und dieses Vorverständnis wird auch für die Rezipierenden vorausgesetzt. Die häufiger aufgestellte Behauptung, dass unglückliche Metaphern das Verständnis erschweren, kann jedoch in die Richtung gelesen werden, dass die Metapher gar nicht erst als solche (sondern beispielsweise als Rätsel) aufgefasst wird. Auch das aristotelische Beispiel der „Schale ohne Wein“, in der ein Attribut negiert und somit eine Spannung oder Widersprüchlichkeit aufgebaut wird, enthält Anklänge an Identifikationsmerkmale späterer Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker. Insgesamt erscheint das antike Sprachverständnis als durch eine gewisse Stabilität zwischen Bezeichnung und Bezeichnetem geprägt zu sein. So betrachtet scheint die Metapher dadurch erkennbar zu sein, dass sie eine Destabilisierung darstellt.288 Zentral wird die Frage nach Identifikationskriterien in der modernen Metapherntheorie, wobei die in der Antike angedeuteten Aspekte relevant bleiben. Zu Beginn seines Buches hält Mooij fest, Metaphern seien daran erkennbar, dass sie nicht-wörtlichen, aber dennoch bedeutsamen (d.h. nicht unsinnigen) Sprachgebrauch darstellen.289 Obwohl dies eine auf den ersten Blick sinnvolle Eingrenzung ist, stellt Mooij gleich darauf fest, dass sie nicht hinreichend ist. Für die Identifikation von Metaphern bleibt sie zu schwammig. Die Tendenz vieler Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker geht daher in die Richtung, ein Spannungsmoment auf syntaktischer oder semantischer Ebene als Erkennungsmerkmal geltend zu machen. Dabei erweist sich der syntaktische Ansatz als wenig fruchtbar: „syntactic deviance would seem to be neither a necessary nor a sufficient condition of metaphor – metaphorical utterances may take any mood […] and they may be as syntactically well formed as any other kind of utterance“.290 Die semantische Abweichung oder ein Verstoß gegen Kollokationsregeln liefern somit eine bessere Erklärung. Von einem solchen Ansatz geht Beardsley aus, der die Frage nach der Identifizierung oder Diagnose von Metaphern zur Grundfrage und zum Ausgangspunkt seiner gesamten Theorie gemacht hat. Wie oben erläutert wurde, stellt er die semantische Spannung als Erkennungsmerkmal in den Vordergrund, was jedoch innerhalb der Metapherntheorie nicht immer auf Zuspruch stieß, da verschiedene Beispiele gefunden wurden, für die eine solche Spannung nicht konstitutiv ist. Black, der Beardsleys Versuch, ein Diagnosekriterium anzuführen, besonders heftig kritisiert, nennt als Beispiele für weitere Indikatoren „the banality of the reading’s truth, its pointlessness, or its lack of congruence with the surrounding text and non-verbal setting“.291 Obwohl Theoretikerinnen und Theoretiker also häufig den Metaphern inhärenten Konflikt bzw. etwas, was aus dem Kontext heraus-

288

Vgl. KOHL, Metapher, 22. Vgl. MOOIJ, Study, 3. 290 JOHNSON, Introduction, 21. 291 BLACK, More about Metaphor, 450. 289

3. Wörtlicher und metaphorischer Sprachgebrauch

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tritt oder eine Wendung einleitet, als Charakteristika anführen, die es bei „wörtlicher“ Sprache so nicht gibt,292 bleiben solche Versuche der Formulierung von Identifikationsmerkmalen zumeist unbestimmt und unscharf. Johnson hält fest: any adequate account of the identification and comprehension of a metaphor must explain the complex interaction of both extrasential and extralinguistic knowledge. We apprehend an utterance as metaphorical, not because of its literal falsity (though that may be a clue), but, more generally, because of a tension between the literal reading and its context (of which literal falsity is one instance).293

Paul Ricœur schlägt daher in Rekurs auf Jean Cohen den sehr breiten Terminus der „semantic impertinence“ vor.294 Allerdings ist dieses Kriterium, wie Black anmerkt, wenn es denn tatsächlich hilft, Metaphern von „wörtlicher“ Sprache zu unterscheiden, ungeeignet, um sie von anderen Tropen, etwa von Oxymoron oder Hyperbel abzugrenzen.295 Es ist teilweise lediglich ein Kriterium zur Identifizierung „uneigentlicher“ Sprachformen. Schließlich ist die Wahrnehmung einer gewissen Spannung stark von der jeweiligen Formulierung und nicht zuletzt von den Rezipierenden abhängig.296 Aufgrund dieser Probleme plädieren die Vertreterinnen und Vertreter der pragmatischen Metapherntheorie, wie zum Beispiel Loewenberg und Searle, für eine stärkere Berücksichtigung des generellen Kontexts: Any sentence can be provided contexts […] in which it can receive either literal or metaphorical interpretations […] apparently deviant sentences can be ,literalized‘ by odd, but actual, states of affairs. […] It is also the case that apparently nondeviant sentences can be uttered in contexts in which only a metaphorical interpretation can be given, as well as, of course, in standard contexts.297

Loewenberg geht von einer starken Interdependenz von competence und performance sowie von linguistischem und nicht-linguistischen Wissen aus und hält daher eine Beschränkung auf semantische Widersprüchlichkeiten für verkürzt.298 Laut Loewenberg müssen Metaphernrezipierende für die Identifizierung der Metapher mindestens zwei Stufen durchlaufen: Zunächst müssen sie feststellen, dass die Aussage, wenn man sie als Behauptung auffasst, falsch ist: „The hearer takes into account the context (linguistic and situational) in which the utterance was made as well as his judgement of the beliefs and intentions

292

Vgl. MOOIJ, Study, 18f. JOHNSON, Introduction, 21. 294 Vgl. DAWES, Body, 53. 295 Vgl. BLACK, More about Metaphor, 450. 296 Vgl. MOOIJ, Study, 18f. 297 LOEWENBERG, INA, Identifying Metaphors, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 154–181. Hier: 161. 298 Vgl. a.a.O. 165–170. 293

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

of the speaker.“299 Die Rezipierenden können dann die Aussage als wörtlich auffassen und davon ausgehen, dass der Sprecher oder die Sprecherin hier den Sprechakt der Behauptung vollzieht. In diesem Fall ist die Behauptung falsch. Oder sie gehen davon aus, dass es sich um eine nicht-wörtliche Aussage handelt, „in which case the utterance fails as an assertion.“300 Es ist also eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende, Bedingung von Metaphern, dass sie als Aussage verstanden falsch sind. Wenn die Hörenden die Aussage als nichtwörtlich ansehen, muss sie also als etwas anderes als eine Behauptung verstanden werden, nämlich als „a proposal that certain things be viewed or understood in a certain way.“301 Die Aussage hat somit keinen Wahrheitswert, wohl aber heuristischen Wert. „By this I mean that the speaker considers his utterance suggestive, revealing or insightful, while, for his hearer, it is either that or misleading, confusing, distorting“.302 Insgesamt sind die notwendigen und hinreichenden Bedingungen zur Identifizierung von Metaphern folgende: „(1) The utterance is of a well-formed indicative sentence; (2) the utterance is an assertion if and only if it is false; (3) the utterance is not an assertion.“303 Für Bedingung (2) ist zu beachten, dass dabei der Kontext mit berücksichtigt wird oder sogar eine tragende Rolle spielt. Der Einwand vieler Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker, dass zum Beispiel eine verneinte Metapher sowohl „wörtlich“ als auch metaphorisch verstanden werden kann, greift hier nicht, da der Kontext eine Beschränkung auf eine der beiden Optionen festlegt. Dennoch gibt es immer noch Metaphern, die sich den Bedingungen widersetzen, etwa das in der Metapherntheorie häufiger angeführte Glashaus-Beispiel.304 Nehmen wir an, dass eine Person tatsächlich in einem architektonisch ungewöhnlichen Gebäude, das gemeinhin als „Glashaus“ bezeichnet wird, lebt, so ist der metaphorisch gebrauchte Satz „Sie sitzt im Glashaus“ nicht wörtlich falsch – Loewenbergs zweite Bedingung wird somit nicht erfüllt. Zugegebenermaßen trifft ein solches Beispiel jedoch nur eine absolute Minderheit metaphorischer Aussagen und ist wohl eher unter allgemeine Ambiguität zu fassen. Dass Loewenberg den Kontext und allgemeinen Wissenshorizont von Produzierenden und Rezipierenden so stark macht, ist durchaus richtig und wichtig, allerdings schließt es meines Erachtens eine der metaphorischen Aussage inhärente Spannung noch nicht aus. Schließlich ist es der Kontext, der semantische Restriktionen, die durch die Metapher verletzt werden, überhaupt erst festlegt. 299

A.a.O. 173. Ebd. (Hervorhebungen im Original) 301 A.a.O. 175. (Hervorhebung im Original) 302 Ebd. Zum Wahrheitswert der Metapher bzw. dem Verhältnis von Metapher und Wirklichkeit vgl. weiterhin Abschnitt 8. 303 A.a.O. 176. 304 Vgl. z.B. BLACK, More about Metaphor, 450. 300

3. Wörtlicher und metaphorischer Sprachgebrauch

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Searle, der wie Loewenberg aus der pragmatischen Metapherntheorie den Versuch der Benennung von Identifikationsmerkmalen unternimmt, stellt fest, dass in wörtlicher Sprache sentence meaning und speaker’s utterance meaning übereinstimmen, es also, um den Wahrheitsgehalt der Aussage zu entschlüsseln, lediglich der im Satz angelegten Informationen bedarf: „In order to understand the utterance, the hearer does not require any extra knowledge beyond his knowledge of the rules of language, his awareness of the conditions of utterance, and a set of shared background assumptions.“305 Metaphern sind daran erkennbar, dass dies allein für ihr Verständnis nicht ausreicht, sondern es noch etwas darüber hinaus braucht. Was genau dieses „etwas“ ist, bleibt allerdings unbestimmt. Searles Aussage ist somit zwar durchaus zutreffend, als Diagnosekriterium jedoch nur bedingt brauchbar. Neben diesen eher generellen Versuchen, allgemein festzuhalten, woran eine Metapher erkennbar ist, gibt es aus literaturwissenschaftlicher Perspektive auch Versuche, ausgehend von bestimmten Werken, Autoren oder Autorinnen die Frage, ob eine bestimmte Aussage metaphorischer Natur ist, zu beantworten. Grundfragen sind hier: Gibt es parallele Metaphern im Werk des jeweiligen Verfassers bzw. der jeweiligen Verfasserin und, wenn ja, welche Rückschlüsse lassen sich aus den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der jeweiligen Formulierungen schließen? In welcher Reihenfolge oder zeitlichen Nähe zueinander entstanden sie? Neigt der Autor/die Autorin eher zu impliziten oder expliziten Metaphern oder eher zu Vergleichen? usw. Szondi führt als Beispiel die erste Strophe von Hölderlins „Friedensfeier“ an, in der von manchen Auslegerinnen und Auslegern eine Metapher gesehen wird, die einer expliziten Metapher in seinem Gedicht „Brod und Wein“ entspricht. Andere Interpretinnen und Interpreten sehen aber gerade darin, dass in „Brod und Wein“ eine eindeutige Gleichsetzung erfolgt, in „Friedensfeier“ jedoch nicht, ein Gegenargument. Sie führen an, dass implizite Metaphern in Hölderlins Gesamtwerk nicht vorkommen.306 Problematisch an beiden Argumentationsweisen ist, dass höchstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür angegeben werden kann, dass ein metaphorischer Gebrauch vorliegt, jedoch keine zuverlässigen Diagnosekriterien, und selbst die Wahrscheinlichkeit kann trügerisch sein. Selbst wenn ein Autor oder eine Autorin ansonsten in seinem/ihrem Gesamtwerk implizite Metaphern vermeidet oder gänzlich auf Metaphern verzichtet und Vergleiche bevorzugt, heißt dies noch nicht, dass im konkreten Fall keine Metapher vorliegt, zumal der Gebrauch von Metaphern durchaus unbewusst erfolgen kann. Auch die Formulierung analoger Metaphern kann Rückschlüsse erlauben, muss

305

SEARLE, Metaphor, 256. Vgl. SZONDI, PETER, Über philologische Erkenntnis, in: Ders., Hölderlin-Studien. Mit einem Traktat über philologische Erkenntnis, Frankfurt a. M.: Insel Verlag 1967, 9–30. Hier: 14–22. 306

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

es aber nicht. Ähnliche Metaphern sind eher geeignet, die Interpretation in eine bestimmte Richtung zu lenken bzw. einzuschränken. Vor einigen Jahren hat die „Pragglejaz“-Gruppe, ein Zusammenschluss von zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen, von denen viele in der heutigen Metaphernforschung wichtige Größen darstellen, eine „metaphor identification procedure“ (MIP) vorgestellt, die die Diagnose von Metaphern vereinfachen und vereindeutlichen soll.307 Das vorgeschlagene Verfahren gliedert sich in vier Schritte.308 Zunächst soll der gesamte zu untersuchende Text gelesen werden, damit festgelegt werden kann, worum es insgesamt geht. Danach werden die lexikalischen Begriffe (lexical units) bestimmt, wobei meistens lexikalische Begriffe mit Einzelwörtern gleichzusetzen sind (von einigen Ausnahmen wie Eigennamen und festgefügten Ausdrücken abgesehen). Der dritte Schritt ist der komplexeste, der wiederum drei Unterschritte umfasst. Zuerst soll für jeden lexikalischen Begriff die jeweilige Bedeutung im Kontext des vorliegenden Textes ermittelt werden (contextual meaning). Anschließend wird danach gefragt, ob die lexikalischen Begriffe eine andere, grundlegendere Bedeutung haben (basic meaning). Die basic meaning kann konkreter, präziser, historisch älter etc. sein, muss sich aber nicht mit der am meisten verbreiteten Bedeutung des Begriffs decken. Dann geht es darum, das Verhältnis von contextual und basic meaning zu klären: „If the lexical unit has a more basic current-contemporary meaning in other contexts than the given context, decide whether the contextual meaning contrasts with the basic meaning but can be understood in comparison with it.“309 Ist dies zu bejahen, so ist dieser bestimmte lexikalische Begriff im vierten Schritt als metaphorisch zu markieren. Die Autorinnen und Autoren der MIP geben selbst zu, dass das beschriebene Vorgehen aufwändig und langsam ist.310 Sie räumen außerdem ein, dass sie untereinander in der Bestimmung einzelner metaphorischer Ausdrücke nicht immer einig waren, und das andere Anwenderinnen und Anwender wiederum zu abweichenden Ergebnissen kommen können.311 Dementsprechend ist es fraglich, inwieweit das vorgeschlagene Verfahren wirklich die objektive Identifizierung von Metaphern befördern kann. Während die Berücksichtigung des Kontexts in der MIP positiv hervorzuheben ist, besteht doch ein großes Problem darin, dass sich auf metaphorisch gebrauchte Worte konzentriert wird, wie bereits der Titel des Beitrags der Pragglejaz Group nahelegt. Es entsteht so der Eindruck, dass einzelne Worte 307

Vgl. PRAGGLEJAZ GROUP, MIP: A Method for Identifying Metaphorically Used Words in Discourse, in: Metaphor and Symbol 22 (2007), 1–39. Die Autorinnen und Autoren geben als Ziel an „to create an explicit, reliable and flexible method for identifying metaphorically used words in spoken and written language.“ (A.a.O. 2.) 308 Vgl. a.a.O. 3f. 309 A.a.O. 3. 310 Vgl. a.a.O. 36. 311 Vgl. a.a.O. 13.

3. Wörtlicher und metaphorischer Sprachgebrauch

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Metaphern bilden, was einen Rückschritt hinter die Einsichten der Interaktionstheorie darstellen würde. Wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich werden sollte, wird meist zur Identifizierung der Metapher eine Abgrenzung von „wörtlicher“ Sprache vorgenommen. Teilweise wird die Abhängigkeit metaphorischer Sprache vom „wörtlichen“ und somit unabhängigen Sprachgebrauch stark gemacht: „The understanding of the word’s metaphorical use is dependent upon a prior understanding of the word’s literal sense.“312 Wie genau sich die metaphorische Bedeutung allerdings aus der wörtlichen ergibt, ist unklar: „The metaphorical meaning is somehow constructed out of literal meaning, but not according to any function. […] Whatever it is that a metaphor means, it is not in general true that this meaning can be calculated functionally from the literal meaning“.313 Wörtlicher oder primärer Sprachgebrauch wird meist als rein deskriptiv empfunden. Demnach gibt es viele Konnektoren, Präpositionen und die Kopula „sein“ nur im wörtlichen, jedoch nicht im metaphorischen Sinn.314 Allerdings hat die Conceptual Theory gerade die metaphorische Herkunft vieler präpositionaler Ausdrücke herausgestellt. Das Problem in der Abgrenzung von metaphorischen Ausdrücken ist, dass nicht geklärt ist, was „wörtliche“ Sprache ist oder ob es sie überhaupt gibt. Bedeutet „wörtliche Sprache“, dass es für jeden Begriff ein Konzept gibt, auf das es verweist, und einen Kontext, mit dem es fest verankert ist? Geht eine solche Grundannahme nicht von einem naiven Sprachverständnis aus? Kurz stellt fest, dass die „wörtliche“ Bedeutung als die erscheint, die sofort verstanden wird, weil sie keiner vorherigen Interpretation bedarf. Er bemerkt aber sofort richtigerweise: In Wahrheit haben wir den Eindruck einer unabhängigen Bedeutung, weil ein interpretativer Akt schon stattgefunden hat, aber so in die Verstehenserwartung eingepaßt ist, daß er nicht als ein solcher erscheint. Es gibt keine vom Verstehen unabhängige Bedeutung. Der Unterschied von wörtlicher und allegorischer Bedeutung ist also nicht einer zwischen uninterpretierter und interpretierter Bedeutung, sondern der zwischen interpretierter Bedeutung, die als solche nicht mehr, und interpretierter Bedeutung, die als interpretierte bewußt ist.315

Dazu passen auch die Einsichten der Conceptual Theory, die ebenfalls dazu beigetragen haben, die Grenze zwischen „wörtlicher“ und „metaphorischer“ Sprache aufzuweichen. Wenn man den Anteil konzeptueller, zumeist konventionalisierter Metaphern in der von den meisten Menschen als wörtlich empfundenen Alltagssprache betrachtet, wird eine solche Unterscheidung mehr als

312

Vgl. DAWES, Body, 54 (mit Rekurs auf Peter Macky). COHEN, Figurative Speech, 183. 314 Vgl. MOOIJ, Study, 19. 315 KURZ, GERHARD, Metapher, Allegorie, Symbol, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 52004, 33. 313

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

fraglich. Ähnlich verhält es sich mit der Katachrese, also der notwendigen Metapher, die Begriffslücken schließt und die ebenfalls zumeist eher als wörtlich empfunden wird.316 Wenn man also eine Unterscheidung von „wörtlicher“ und „metaphorischer“ Sprache vornehmen will, so muss dies erstens vor dem Hintergrund des Verständnisses der unbewusst bzw. bewusst interpretierten Sprache geschehen. Zweitens darf diese Unterscheidung nicht als Dualität aufgefasst werden, sondern als Kontinuum, wie Goatly es vorschlägt. Die Eigentümlichkeit der Metapher besteht darin, dass sie sich je nach Konventionalitätsgrad in diesem Kontinuum bewegt. Aufgrund dieser Schwierigkeiten mit dem Konzept „wörtlicher“ Sprache wird es im Folgenden, wie bereits an einigen vorherigen Stellen, in Anführungszeichen gesetzt. Die Unterscheidung der Pragglejaz Group zwischen contextual und basic meaning kann möglicherweise dabei hilfreich sein, ein dualistisches System von „wörtlicher“ und „metaphorischer“ Sprache aufzubrechen. Was aber genau die basic meaning umfasst und wo ihre Grenzen liegen, lässt sich schwer ausmachen. So entsteht die Gefahr, mit basic meaning lediglich ein Synonym für „wörtliche Sprache“ zu schaffen. Schließlich muss also mit Max Black festgehalten werden, dass es sich im Grunde genommen mit der Metapher verhält wie allgemein mit jedem Fall von Doppeldeutigkeit: „And just as there is no infallible test for resolving ambiguity, so there is none to be expected in discriminating the metaphorical from the literal.“317 Es bliebe zwar die Möglichkeit, dass die Produzierenden einer Metapher diese als solche kenntlich machen,318 aber letztlich ist auch dies kein endgültiges Erkennungsmerkmal, da auch eine solche Markierung metaphorisch gebraucht werden könnte.319 Black fasst zusammen: „Every criterion for a metaphor’s presence, however plausible, is defeasible in special circumstances“.320 Van Noppen kommt zu einer vergleichbaren Schlussfolgerung: Auch wenn die verschiedenen Theorien für die Identifizierung der Metapher ihre jeweiligen Vorteile haben mögen, scheint es doch keinen unfehlbaren Test zu geben, der das Metaphorische vom Wortwörtlichen trennt, es sei denn, man hat von Anfang an eine Vorstellung davon, was eine Metapher ist. Jedes Kriterium für das Vorhandensein einer Metapher, wie einleuchtend es auch immer sein mag, erweist sich am Ende als unter bestimmten Umständen anfechtbar.321

Die obigen Ausführungen zeigen, dass diese Grundannahme, es gebe kein Diagnosekriterium für Metaphern, insoweit zutreffend ist, als für jeden Versuch, 316 Vgl. auch JÜNGEL, EBERHARD, Metaphorische Wahrheit. Erwägungen zur theologischen Relevanz der Metapher als Beitrag zur Hermeneutik einer narrativen Theologie, in: Eberhard Jüngel/Paul Ricœur (Hg.), Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache (Evangelische Theologie Sonderheft), München: Kaiser 1974, 71–122. Hier: 100f. 317 BLACK, More about Metaphor, 450. 318 Sog. Marking, s.u., Abschnitt 6. 319 Vgl. BLACK, More about Metaphor, 450. 320 Ebd. 321 VAN NOPPEN, Einleitung, 24f.

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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ein solches zu finden, Gegenbeispiele gefunden wurden. Die Metapher ist ein derart vielgestaltiges Phänomen, das in so verschiedenen grammatikalischen Ausformungen, Aussagearten und Kontexten auftritt, dass es unmöglich erscheint, ein auf alle Fälle zutreffendes Kriterium zu seiner Identifizierung auszumachen. Dennoch denke ich, dass aus den in diesem Kapitel angeführten Kriterien zwei als in besonders vielen Fällen zutreffend herausfallen. Sie sollen in dieser Arbeit als Hilfestellung bei der Identifizierung von Metaphern dienen, wenn sie auch eine eindeutige Zuordnung zum oder Abgrenzung vom Tropus Metapher nicht leisten können. Diese beiden Kriterien sind 1. eine Spannung auf a) semantischer oder b) pragmatischer Ebene, oder c) auf beiden Ebenen und 2. die Tatsache, dass mit der Aussage mehr gemeint ist als das, was auf der Satzebene vorgegeben wird (bzw. unvorsichtiger gesagt: dass sie über das „Wörtliche“ hinausgeht). Wie schon gesagt, sind dies keine letztgültigen Kriterien und sie sind auch nicht in jedem Fall, wohl aber in den meisten, zutreffend. Es soll nicht verschwiegen werden, dass sie in mancher Hinsicht nicht ganz unproblematisch sind. Eine Schwierigkeit, die man aber wohl angesichts der komplizierten Identifizierung in Kauf nehmen muss, ist, dass diese Merkmale auch auf viele andere Tropen, wie Hyperbel und Oxymoron (nicht aber auf Vergleiche) zutreffen. Im folgenden Kapitel soll es darum gehen, Verwandtschaften zu und Trennlinien von unterschiedlichen sprachlichen Phänomenen aufzuzeigen.

4. Die Metapher im Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen 4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

Während der Darstellung der verschiedenen Metapherntheorien und Identifikationsmerkmale wurde bereits auf Ähnlichkeiten und Abgrenzungen der Metapher zu anderen sprachlichen Figuren, insbesondere zum Vergleich, indirekt eingegangen. Im folgenden Abschnitt soll noch einmal eine systematische Betrachtung erfolgen. Dabei ist hervorzuheben, dass die jeweiligen Trennlinien sehr stark vom vorausgesetzten Metaphernverständnis abhängig sind. So würde Aristoteles mit seinem relativ weiten Metaphernbegriff eine solche Abgrenzung weitaus weniger nachvollziehbar finden als die meisten zeitgenössischen Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker.322 Gerade weil das Verständnis davon, was eine Metapher eigentlich ist, was sie ausmacht und wie man sie erkennt, sehr schwammig ist, sind die Ausführungen dieses Kapitels jedoch notwendig. Denn die Abgrenzung von anderen Phänomenen kann dazu beitragen, einer Definition der Metapher selbst näher zu kommen – oder sie hilft zumindest sich der Metapher negativ anzunähern, indem klar wird, was sie gerade nicht ist. 322

Vgl. SCHMITT, Kommentar, 639f.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

4.1. Tropus Der Terminus „Tropus“ als eine Art übergeordneter Begriff sämtlicher Stilmittel war gerade in antiken Diskursen im Zusammenhang mit der Metapher relevant und hat bis heute einen gewissen Einfluss.323 Aristoteles kennt den Begriff nicht. Wegen seines weiten Metaphernverständnisses behauptet Lausberg, dass Aristoteles mit dem Begriff ȝİIJĮijȠȡȐ eigentlich Tropen im Allgemeinen meint, die spätere Spezifizierung jedoch nacharistotelisch ist.324 Stanford kommt zu einem ausgeglicheneren Urteil: „Aristotle […] makes little attempt to discriminate between metaphor and trope, because logically they are indistinguishable“325 – und die aristotelische Ausrichtung ist nun einmal grundsätzlich eher logischer als etwa sprach- oder literaturwissenschaftlicher Natur. Allerdings ist es allgemein problematisch, bei Aristoteles nach einer Verbindung zweier Begriffe zu suchen, von denen Aristoteles einen überhaupt nicht nennt. Die Zu- und Unterordnung der Metapher zu den Tropen erfolgt erst bei Cicero und Quintilian.326 Bei Tropen handelt es sich somit um Stilmittel, bei denen eine Bedeutungsverschiebung oder -übertragung stattfindet bzw. Worte in einer ungewöhnlichen Funktion oder einem unüblichen Zusammenhang stehen.327 Weitere Beispiele für Tropen sind Katachrese, Metonymie und Antonomasie. Demgegenüber stehen die Figuren, bei denen lediglich eine Veränderung der Form oder Reihenfolge erfolgt, wie etwa beim Anakoluth oder Asyndeton.328 Hervorzuheben ist, dass bei Tropen zumeist die Schmuckfunktion im Vordergrund steht. Daraus, und aus der Tatsache, dass die Metapher häufig als Prototyp bzw. schönstes Beispiel für Tropen genannt wird, ergibt sich eine weitere – seltenere – Verwendung des Begriffs Tropus für eine bestimmte Unterart der Metapher: „So Catachresis is metaphor pressed into a purely utilitarian use, just as Trope is often metaphor used for pure ornamentation and variety.“329

323

Vgl. z.B. KOHL, Metapher, 8. Vgl. LAUSBERG, Handbuch, 283f. § 554f. 325 STANFORD, Greek Metaphor, 19. (Hervorhebung im Original) 326 Und auch hier werden Tropus und verbum translatum nicht immer klar voneinander getrennt. Vgl. LAUSBERG, Handbuch, 283 § 554. Eine erstmalige ausführliche Auflistung von Tropen findet sich in dem Tryphon zugeschriebenen Werk Peri Tropon. Vgl. a.a.O. 285 § 557. 327 „Ein Tropus ist die kunstvolle Vertauschung der eigentlichen Bedeutung eines Wortes oder Ausdrucks mit einer anderen.“ (Quint.inst. VIII 6, 1. S.o., Abschnitt 1.1.4.) 328 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 19f. Dabei gibt es Grenzfälle, bei denen eine Zuordnung zu Tropen oder Figuren umstritten ist. Vgl. LAUSBERG, Handbuch, 285 § 557. 329 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 38. 324

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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4.2. Vergleich Die wohl umstrittenste und zentralste Verhältnisbestimmung ist die zwischen Metapher und Vergleich, wie sich bereits in der Darstellung der metapherntheoretischen Zugänge herausgestellt haben sollte. Dabei ist der deutsche Begriff „Vergleich“ mehrdeutig, was zu einer zusätzlichen Verkomplizierung führt. Er umfasst das, was im Englischen als simile und comparison ausdifferenziert wird: „Similes are figures of speech in which two things that are not normally perceived to be alike are said to be alike for some rhetorical purpose. Similes must therefore be distinguished, not only from metaphors, but also from comparisons between two things that really are alike, i.e. that have something in common“.330 Während beispielsweise der Satz „Bill ist wie sein Vater“ ein comparison ist, ist „Bill ist wie eine Zwiebel“ ein simile.331 Problematisch ist jedoch, dass die Unterscheidung graduell ist. Schließlich haben jede beliebigen zwei Dinge etwas gemeinsam, und gerade in similes muss dies der Fall sein, da sonst gar keine Ähnlichkeit ausgedrückt werden könnte. Ob also etwas als comparison oder simile aufgefasst wird, hängt stark von den Rezipierenden und ihrer Wahrnehmung der ausgedrückten Ähnlichkeit ab. Dennoch ist die generelle Unterscheidung im gegebenen Kontext durchaus sinnvoll, da dadurch deutlich wird, dass es similes sind, also relativ ungewöhnliche, innovative Vergleiche, deren Verhältnis zu Metaphern näher beleuchtet werden soll. Ralph Müller hat eine Unterscheidung zwischen „eigentlichen“ und „uneigentlichen“ Vergleichen, die den englischen Termini comparison und simile entsprechen, vorgeschlagen.332 Ihm zufolge liegen uneigentliche Vergleich dann vor, wenn „Mitglieder derselben Kategorie hinsichtlich eines uneigentlichen Maßstabs verglichen werden“333 oder wenn die miteinander verglichenen Textwelt-Referenten aus sehr verschiedenen Bereichen stammen. Auch diese Unterscheidung ist letztlich unscharf. Zudem halte ich die verwendeten Begrifflichkeiten für problematisch: Abgesehen davon, dass diese Unterscheidung zu einer Art Hierarchisierung sprachlicher Ausdrücke geführt hat, in der metaphorische Ausdrücke sekundär sind, sind Vergleiche ohnehin nicht „uneigentlich“. Dadurch, dass sie im Gegensatz zu Metaphern keine Identifizierung, sondern lediglich ein Ähnlichkeitsverhältnis ausdrücken, das ohnehin zwischen beliebigen Begriffen auf irgendeiner Ebene gegeben ist, muss es sich in jedem Fall um „eigentliche“ Rede handeln. Hiermit ist bereits ein Unterscheidungsmerkmal von Metaphern und Vergleichen erwähnt. 330 HANKS, PATRICK/GIORA, RACHEL, Introduction, in: Dies. (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. II: Typology of Figurative Language (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 1–11. Hier: 3. 331 Vgl. ebd. 332 Vgl. MÜLLER, RALPH, Die Metapher. Kognition, Korpusstilistik und Kreativität (Protogenesis 7), Paderborn: Mentis 2012, 87–90. 333 A.a.O. 89.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Es ist zunächst jedoch danach zu fragen, warum die Unterscheidung dieser zwei Phänomene derart zentral und problematisch ist. Eine Erklärung hierfür ist vermutlich, dass die Verhältnisbestimmung von Metapher und Vergleich (gemeint ist hier und im Folgenden der simile)334 in den einflussreichen antiken Metapherntheorien eine wichtige Rolle einnahm. Hierauf wurde bei der Darstellung der jeweiligen Theorien bereits ausführlich eingegangen,335 weshalb auf eine erneute Wiedergabe an dieser Stelle verzichtet wird. Weiterhin relevant ist natürlich die Erkenntnis, dass Vergleiche und Metaphern – jedenfalls bestimmte Arten von Metaphern – formal fast identisch sind und Metaphern ebenfalls – zumindest zum großen Teil – auf Ähnlichkeiten basieren. Diese Einsichten sind die Grundlage der Vergleichstheorie, die innerhalb der Metapherntheorie vielfach rezipiert wurde und wird – sei es aus Übereinstimmung, sei es aus Abgrenzung. Neben diesen sehr offensichtlichen Nähen zwischen (bestimmten) Metaphern und Vergleichen werden von vielen Autorinnen und Autoren die Unterschiede betont. Max Black hebt hervor, dass, selbst wenn eine Metapher auf einer Ähnlichkeit oder einem Analogieprinzip beruht bzw. dies impliziert, dies noch nicht bedeutet, dass beides eigentlich dasselbe ist: „Implication is not the same as covert identity.“336 Wie bereits angedeutet, kann man Vergleiche der „wörtlichen“ Sprache – bei aller Vorsicht gegenüber einer solchen doch recht unbestimmten Kategorie – zuordnen.337 Selbst wenn der formale Unterschied allein durch das Wörtchen „wie“ oder einen ähnlichen Ausdruck besteht, sind die Auswirkungen doch enorm. Dadurch wird nämlich ausgesagt, dass ein Ähnlichkeitsverhältnis bei gleichzeitiger Nicht-Identität besteht.338 Bei der Metapher wird jedoch gerade eine Identität zweier Konzepte postuliert, was zu der ihr inhärenten Spannung führt. Zudem ist ein Ähnlichkeitsverhältnis auf irgendeiner Ebene immer gegeben, so dass Davidson richtigerweise folgert: „The most obvious semantic difference between simile and metaphor is that all similes are true and most metaphors are false.“339 Das Spannungsmoment, das von vielen Metapherntheoretikerinnen und -theoretikern als zentral angenommen und als Identifikationskriterium genannt wird, fehlt daher bei Vergleichen.

334 Zu beachten ist jedoch, dass nicht alle hier aufgeführten Autorinnen und Autoren diese Begrifflichkeit gebrauchen. Mooij spricht etwa von comparisons, meint damit aber auch das, was gemeinhin als simile bezeichnet wird. 335 Vgl. Abschnitt 1.1. 336 BLACK, More about Metaphor, 445. 337 Vgl. auch HENLE, PAUL, Metaphor, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 83–104. Hier: 91: „Simile is differentiated in that it contains no terms with figurative senses.“ 338 Vgl. KOHL, Metapher, 74. 339 DAVIDSON, What Metaphors Mean, 212.

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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Metaphern und Vergleiche werden intuitiv unterschiedlich wahrgenommen. So wirkt der Vergleich schwächer und scheint den Rezipierenden eine „geringere imaginative Leistung“340 abzuverlangen. Metaphern dagegen treffen offensichtlich meistens stärkere Aussagen und sind tiefgründiger.341 Verschiedene empirische Studien342 haben versucht, dieses Phänomen zu klären. Zharikov und Gentner unterstützen die Hypothese, dass durch Metaphern eher relationale Verhältnisse zwischen Topic und Vehicle ausgedrückt werden und durch Vergleiche eher attributionale.343 Zudem sei das Vehicle in Metaphern eher konventionell als in Vergleichen. Dies legt die von Gentner entwickelte „Career of Metaphor“-Theorie nahe, derzufolge Metaphern mit unkonventionellem Vehicle interpretiert werden, indem Topic und Vehicle verglichen werden, solche mit konventionellem aber gemäß dem Class-Inclusion-Ansatz,344 indem das Vehicle als eine Art Überbegriff aufgefasst wird.345 Daraus ergibt sich eine Präferenz, ungewöhnliche Kombinationen als Vergleiche zu formulieren, während mit zunehmender Konventionalisierung die metaphorische Ausdrucksweise vorgezogen wird. Das Problem an dieser Theorie ist jedoch, dass sie eine Vielzahl genuin hochgradig innovativer Metaphern nicht angemessen erklärt und auch viele der oben erwähnten starken Unterschiede zwischen Vergleich und Metapher nicht berücksichtigt werden. Auch Chiappe, Kennedy und Smykowski kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass es weniger die Konventionalität des Vehicles als die Angemessenheit des Vehicles, das Topic zu beschreiben, ist, was die Präferenz der Metapher beeinflusst. Zudem stellen sie fest, dass das Verständnis von Metaphern deutlich stärker von einer Umkehrung von Topic und Vehicle betroffen ist als das von Vergleichen.346 Als mögliche Erklärung hierfür bietet sich die dem Class-Inclusion-

340

KOHL, Metapher, 75. Vgl. ZHARIKOV, SERGEY S./GENTNER, DEDRE, Why Do Metaphors Seem Deeper Than Similes?, in: Patrick Hanks/Rachel Giora (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. II: Typology of Figurative Language (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 15–25. Hier: 15. 342 Problematisch an fast allen empirischen Studien zu Metaphern ist die Zusammensetzung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen: Es handelt sich beinahe ausschließlich um junge Studierende, Freiwillige aus Psychologie- oder Linguistik-Kursen. Repräsentativität ist damit kaum gegeben. 343 Vgl. a.a.O. 16f. Ein Beispiel für ersteres ist „Das Fernsehen ist (wie) ein Magnet“, da beides eine Anziehungskraft ausübt, für letzteres „Die Sonne ist (wie) eine Orange“, da beide dieselbe Farbe und Form haben. 344 Vgl. Abschnitt 1.2.8. 345 Vgl. ZHARIKOV/GENTNER, Metaphors Deeper Than Similes, 16. 346 Vgl. CHIAPPE, DON/KENNEDY, JOHN/SMYKOWSKY, TIM, Reversibility, Aptness and the Conventionality of Metaphors and Similes, in: Patrick Hanks/Rachel Giora (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. II: Typology of Figurative Language (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 26–46. 341

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Ansatz verbundene Theorie an, dass Metaphern, wie es ihre oberflächliche Formulierung andeutet, als „category claims“ aufzufassen sind, Vergleiche jedoch als „similarity claims“.347 Während ein Satz wie „X ist (ein) Y“ nahelegt, dass X in die Kategorie Y gehört, dass X also alle wichtigen Merkmale aufweist, die es zu einem Y machen, impliziert eine Aussage wie „X ist wie (ein) Y“ lediglich, dass beide irgendwelche Merkmale teilen. Dies kann zeigen, warum Metaphern als stärker wahrgenommen und zur Steigerung von Vergleichen gebraucht werden. Während diese Theorie an sich sehr plausibel ist, möchte ich sie dahingehend modifizieren, dass (einige) Metaphern und Vergleiche nicht von ihrer Natur her als category und similiarity claims anzusehen sind – für eine solche Annahme enthält der Class-Inclusion-Ansatz zu viele Schwachpunkte –, sondern auf der oberflächlichen Ebene vorgeben, solche zu sein. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Metapher und Vergleich besteht darin, dass Metaphern in weitaus facettenreicheren Formulierungen möglich sind. Nur einige Metaphern (meist beschränkt sich die Forschung auf solche der Form „X ist Y“) weisen die oft attestierte offenkundige Ähnlichkeit zu Vergleichen auf. Für die Mehrheit ist dies jedoch nicht festzustellen. Vergleiche sind in ihrer möglichen Ausdrucksweise eingeschränkter und expliziter. Dennoch gilt auch für sie, dass sie variantenreicher sind, als dies zumeist angenommen wird. Bereits Quintilian nahm Differenzierungen von Vergleichen auf formaler und stilistischer Ebene vor (Vgl. Quint.inst. VIII 3, 77). Auch Black betont, dass das Wörtchen „wie“ selbst sehr unterschiedliche Bedeutungen und Funktionen haben kann, die von „wörtlichen“ Vergleichen bis hin in die Nähe zu metaphorischen Ausdrücken reichen können.348 Mooij macht sehr deutlich, dass es sich bei Vergleichen um ein sehr komplexes Feld handelt und sich daher die Vergleichstheorie, die er selbst vertritt, nicht simplifizierend auf Metaphern auswirkt: Apart from differences in their verbal make-up, in their elaboration and in their explicit context, still other mutual differences between comparisons should be mentioned. There are trivial and bold comparisons, worn-out comparisons and comparisons throwing a new and surprising light on a subject, comparisons that are easy and comparisons that are difficult to grasp. More especially, it would be incorrect to think that comparisons are necessarily less daring or original than metaphors.349

Mit der letzten Aussage steht er im direkten Widerspruch zu den Ergebnissen von Zharikov und Gentner. Vermutlich lassen sich beide Aussagen jedoch durch die Präzisierung harmonisieren, dass dieselbe Grundaussage in der Metaphern-Form tiefsinniger wirkt als in der Vergleichs-Form, dass es aber grundsätzlich innovative Vergleiche gibt, die origineller sind als eher konventionelle Metaphern. 347

A.a.O. 29. Vgl. BLACK, More about Metaphor, 446. 349 MOOIJ, Study, 170. 348

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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Beardsley unterscheidet deutlich zwischen „offenen“ (open) und „geschlossenen“ (closed) Vergleichen – eine Differenzierung, die auch sonst in der Forschung vermehrt vorkommt. Nur bei geschlossenen Vergleichen wird die Hinsicht, in der die beiden Vergleichsgegenstände einander ähneln, bzw. werden die von beiden geteilten Merkmale, angeführt oder benannt.350 Sie funktionieren wie Metaphern und können auch leicht zu solchen umformuliert werden, in der umgekehrten Richtung lassen sich hingegen nicht alle Metaphern als geschlossene Vergleiche ausdrücken. Auch als offene Vergleiche können Metaphern laut Beardsley nicht aufgefasst werden, da die Funktion des Kontexts jeweils anders ist: „The open simile is empty and uncontrolled without a context: A is like B, but in what relevant respects the context has to inform us. The metaphor is full and rich, apart from any context; indeed, the function of the context is rather to eliminate possible meanings than to supply them“.351 Auch Stanford geht von verschiedenen Arten von Metaphern und Vergleichen aus, insbesondere von verschiedenen Stilhöhen beider Phänomene.352 Er kommt zu dem Schluss, dass zwar Beispiele wie „Achilles, der Löwe“ und „Achilles wie ein Löwe“ im Grunde genommen austauschbar sind, diese aber die jeweils niedrigsten Stilformen repräsentieren und eine Austauschbarkeit nicht mehr gegeben ist, sobald Metaphern und Vergleiche auf höherer künstlerischer Ebene angesiedelt sind. Hier kommt er zu einer sehr eindrücklichen Darstellung der Verschiedenheit von Metapher und Vergleich, der generell zuzustimmen ist: while the simile expresses more, the metaphor implies more […] The difference between the two is very like that between prose and poetry. Simile, like prose, is analytic, metaphor, like poetry, is synthetic; simile is extensive, metaphor intensive, simile is logical and judicious, metaphor illogical and dogmatic; simile reasons, metaphor apprehends by intuition […] Simile aims at explicitness and definition […] Metaphor defies reason and yet prevails […] Like poet and scientist they eternally disagree about methods and eternally agree about ultimate realities.353

Ganz ähnlich argumentiert Black, der betont, dass ein Zusammenrücken von Vergleich und Metapher die Funktion und spezifische Effektivität von (guten) Metaphern verhüllt, die mehr leisten als eine bloße Ähnlichkeit zu attestieren.354

350

Vgl. BEARDSLEY, Aesthetics, 137. A.a.O. 138. 352 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 28f. 353 Ebd. (Hervorhebungen im Original) 354 Vgl. BLACK, More about Metaphor, 445f. 351

104

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Diese relativ strikte Trennung von Vergleich und Metapher ist bei allen formalen und oberflächlichen Gemeinsamkeiten meines Erachtens zutreffend. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Vergleiche kein metaphorisches Potential hätten: „a simile may be an invitation to metaphoric thought.“355 4.3. Metonymie und Synekdoche Neben dem Vergleich ist die Metonymie (vom griechischen Begriff ȝİIJȦȞȣȝȓĮ, aus ȝİIJȐ, „mit“, „mittels“ und ੕ȞȠȝĮ, „Name“) das zentrale Phänomen, das es von der Metapher abzugrenzen gilt. Auch ihr kommt in der Forschung erhöhte Aufmerksamkeit zu. Die Frage, ob es sich bei Metapher und Metonymie um ähnliche, verwandte oder distinkte sprachliche Mittel handelt, wurde kontrovers diskutiert. Während Aristoteles offenbar beides noch nicht merklich voneinander trennt, nehmen später Cicero und Quntilian hier eine Unterscheidung vor. Auch das Verhältnis von Metonymie und Synekdoche (Griechisch ıȣȞİțįȠȤȒ) ist nicht gänzlich geklärt. Obwohl in der modernen Forschung die Synekdoche zumeist als Untergattung der Metonymie angesehen wird, stellte Quintilian, der als einer der ersten diese Tropen systematisierte, die Synekdoche vor die Metonymie und trennte sie somit sehr deutlich voneinander, attestierte ihnen jedoch zugleich eine „nachbarliche Berührung“ (Quint.inst. VIII 6, 28). In seiner einflussreichen Definition erklärt er die Metonymie von ihrer Etymologie her: „die Setzung einer Benennung für eine andere, [deren Bedeutung darin liegt, statt dessen, wovon man spricht, den Grund einzusetzen, weswegen man davon spricht]“ (Quint.inst. VIII 6, 23).356 Beispielsweise werden Erfindende anstelle des Erfundenen genannt, das Behältnis anstelle des Inhalts, Bewirkende anstelle des Bewirkten usw. Liegt dagegen eine Synekdoche vor, so sollen die Rezipierenden – wiederum von der Etymologie her – „bei einem Ding an mehrere denken, bei einem Teil an das Ganze, bei der Art an die Gattung, bei dem Vorausgehenden an das Folgende oder auch bei alldem umgekehrt“ (Quint.inst. VIII 6, 19). Synekdochen erfüllen laut Quintilian die Funktion, Abwechslung in die Rede zu bringen. Noch stärker als bei Metaphern mahnt er jedoch den sinnvollen Gebrauch an und konstatiert, dass sie sich eher für die Prosa eignen. Synekdochen sind zudem auch im Alltag gebräuchlich (Vgl. Quint.inst. VIII 6, 19–22). Diese grundlegenden Annahmen wurden, mit der Modifizierung, dass die Synekdoche der Metonymie untergeordnet wird,357 bis in die Gegenwart hinein 355

HENLE, Metaphor, 91. Der Inhalt der eckigen Klammern ist textkritisch unsicher (mögliche Interpolation). 357 Eine Ausnahme bildet z.B. Halliday, der Synekdochen und Metonymien getrennt betrachtet. Vgl. GOOSSENS, LOUIS, Metaphtonomy. The Interaction of Metaphor and Metonymy in Expressions for Linguistic Action, in: Patrick Hanks/Rachel Giora (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. II: Typology of Figurative Language (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 77–98. Hier: 78; Radden und Kövecses dagegen 356

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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rezipiert. Dabei ist ein häufig angeführtes Beispiel für Metonymien etwa „Eine Flasche trinken“, in der das Gefäß für den Inhalt genannt wird,358 für Synekdochen „Die Polizei verfolgt mich“, in der die Gesamtheit der Polizei für einzelne Beamtinnen und Beamte oder Einheiten steht. Da aus den Beispielen eine deutliche Verwandtschaft ersichtlich wird, subsumiere ich im Folgenden ebenfalls die Synekdoche unter der Metonymie. Eine weitere Unterkategorie ist die Antonomasie, in der statt eines Personennamens ein mit der Person verbundenes Attribut, eine Tätigkeit oder Zugehörigkeit benannt wird oder umgekehrt, wie in der Bezeichnung Hitlers als „der Führer“.359 Metaphern und Metonymien weisen einige Gemeinsamkeiten auf: „both violate truth conditions, both are commonly involved in semantic change, both can achieve true figure-of-speech status.“360 Dennoch bestehen einige gravierende Unterschiede, so dass die meisten Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker eine Trennung von Metonymie und Metapher als gegeben sehen.361 In der Praxis ist diese aber nicht immer leicht umsetzbar. So können bestimmte Personifikationen entweder metaphorisch oder metonymisch aufgefasst werden:362 Die Personifikation „Der Wald schläft ein“ wirkt zwar zunächst metaphorisch, könnte jedoch auch beispielsweise durch den Satz „Der gesamte Tierbestand des Waldes schläft ein“ paraphrasiert werden und somit eine Metonymie darstellen. Auch in anderen Fällen sind die Übergänge von Metapher und Metonymie fließend.363

sehen Synekdochen nur dort gegeben, wo ein Teil für das Ganze steht. RADDEN, GÜNTER/ KÖVECSES, ZOLTÁN, Towards a Theory of Metonymy, in: Patrick Hanks/Rachel Giora (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. II: Typology of Figurative Language (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 99–136. Hier: 111. 358 Lausberg führt fünf verschiedene Beziehungen an, die Metonymien zugrunde liegen: Person-Sache-, Gefäß-Inhalt-, Grund-Folge-, Abstraktum-Konkretum- und Symbol-Beziehung. (Vgl. LAUSBERG, Handbuch, 292–294 § 568.) Während hierdurch die wichtigsten Kategorien abgebildet sind, lässt sich die Liste beliebig erweitern, auch indem Unterkategorien angeführt werden. 359 Vgl. KOHL, Metapher, 81f. 360 WARREN, BEATRICE, An Alternative Account of the Interpretation of Referential Metonymy and Metaphor, in: Patrick Hanks/Rachel Giora (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. II: Typology of Figurative Language (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 157–170. Hier: 167. Allerdings gilt die „violation of truth-conditions“ laut Warren bei der Metonymie nur für bestimmte, prototypische Metonymien, die sie als „referential“ bezeichnet und „propositionalen“ Metonymien gegenüber stellt. Zudem sind Metonymien nicht so offenkundig „falsch“ wie Metaphern. Vgl. a.a.O. 158. 361 Einzelne Autorinnen und Autoren sehen allerdings Metonymien als Unterkategorien von Metaphern oder grenzen beide Phänomene nicht klar ab. Vgl. z.B. SEARLE, Metaphor, 279f. und MOOIJ, Study, 22. 362 Vgl. MÜLLER, Metapher, 94f. 363 Vgl. auch LAUSBERG, Handbuch, 295 § 571.

106

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Was unterscheidet nun die Metonymie von der Metapher? Ein Erklärungsversuch besagt, dass Metonymien im Unterschied zu Metaphern notwendigerweise konventionell sind. „Diese These geht davon aus, dass die Metonymie die uneigentliche Beziehung zwischen Wort und Textwelt-Referent immer schon voraussetzt, was die Metapher erst durch Ähnlichkeit oder Analogie herstellt.“364 Dagegen spricht hingegen die oben aufgeführte Schwierigkeit, Metonymien und Metaphern klar voneinander zu scheiden, ebenso wie die Tatsache, dass die in der Metonymie ausgedrückten Beziehungsverhältnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Weiterhin wurde das Wesen der Metonymie in einer Verkürzung gesehen, ähnlich der Annahme, die Metapher sei ein verkürzter Vergleich (Ellipsistheorie, s.o.).365 Das oben genannte Beispiel „eine Flasche trinken“ wäre somit beispielsweise die Verkürzung von „eine Flasche Wasser trinken“. Ähnlich wie die Ellipsistheorie bei der Metapher wirkt allerdings auch dieser Ansatz zu simplifizierend und lässt noch einige Fragen offen. „Insbesondere müsste immer noch erklärt werden, wie man auf die zu erschließende Auslassung in der Metonymie gekommen ist.“366 Oft wird die Meinung geäußert, dass die Substitutionstheorie zwar für Metaphern nicht ausreicht, Metonymien jedoch hinreichend charakterisiert: Hier liege schlichtweg ein Ersatz von Begriffen auf rein sprachlicher Ebene vor.367 In vielen einfachen Fällen von Metonymie ist diese Annahme zutreffend, denn oft wird tatsächlich schlicht der Inhalt durch das Gefäß ersetzt, Konkretes durch Abstraktes usw. Dagegen haben Radden und Kövecses auf sehr eindrückliche Weise deutlich gemacht, dass es konzeptuelle Metonymien ebenso wie konzeptuelle Metaphern gibt und dass die von Lakoff und Johnson entworfene Theorie auf dieses sprachliche Alltagsphänomen leicht übertragbar ist.368 Ihre Ausführungen legen nahe, dass unser Denken und unsere Wahrnehmung auch metonymisch geprägt sind. Ein weiteres häufig vertretenes Unterscheidungskriterium besagt, dass Metaphern auf Ähnlichkeit beruhen, während diese Basis in Metonymien durch 364

MÜLLER, Metapher, 95. Vgl. ebd. Als Vertreterin dieser Theorie kann Beatrice Warren angeführt werden. Sie unterscheidet: „Metaphor is basically a property-transferring semantic operation whereas metonymy is basically a syntagmatic construction, more precisely a modifier-head combination in which the head is implicit.“ (WARREN, Alternative Account, 160) und spitzt diese Aussage wenig später weiter zu: „metonyms are basically abbreviated noun phrases“. (A.a.O. 162.) Allerdings sind sie offenbar dennoch ein wenig mehr, denn: „interpreting metonyms involves combining source and target to form a referring unit“. (Ebd.) Warren zufolge erfolgen Metonymien eher auf syntaktischer, Metaphern auf semantischer Ebene. (Vgl. a.a.O. 160) 366 Ebd. 367 Vgl. z.B. RICŒUR, Metaphorical Process, 231. 368 Vgl. RADDEN/KÖVECSES, Towards a Theory of Metonymy, 99–136. Z.B. „Metonymy does not simply substitute one entity for another entity, but interrelates them to form a new, complex meaning.“ (A.a.O. 100.) 365

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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eine gewisse nachbarschaftliche Verbindung zweier Begriffe gegeben ist.369 Diese nachbarschaftliche Verbindung wird als in der realen Welt gegeben angesehen, etwa auf kausaler, lokaler oder temporaler Ebene.370 Ullmann gebraucht für das Phänomen den etwas breiteren Begriff der contiguity, der seither in der Forschung sehr einflussreich war und im Grunde genommen alle Beziehungsassoziationen, die nicht auf Ähnlichkeit beruhen, umfasst.371 Ein Problem dieses Ansatzes besteht aber zum einen darin, dass, wie bereits mehrfach betont wurde, Ähnlichkeit nur für einige, nicht für alle Metaphern als Basis in Frage kommt, zum anderen durch den sehr unbestimmten Begriff der Nachbarschaftlichkeit bzw. contiguity. Es gibt genügend Beispiele für Begriffe, die zwar in der realen Welt nah beieinander liegen, sich aber für Metonymien nicht eignen.372 Die beste Erklärung für den Unterschied zwischen Metapher und Metonymie liefert meines Erachtens derzeit die Conceptual Theory von Lakoff und Johnson. Sie betonen, dass in der Metonymie Begriffe aus ein und demselben konzeptuellen Bereich – bzw. semantischen Feld – miteinander in Verbindung gebracht werden, während in der Metapher Begriffe aus verschiedenen konzeptuellen Bereichen – bzw. semantischen Feldern – verbunden werden.373 Diese simple Erklärung leistet viel. Insbesondere kann sie auch deutlich machen, warum sich Metapher und Metonymie manchmal doch nicht klar voneinander unterscheiden lassen: Die Grenzen zwischen konzeptuellen Bereichen verlaufen nicht immer trennscharf.374 Allerdings bleibt in der Forschung häufig 369

Vgl. z.B. RICŒUR, PAUL, Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache, in: Eberhard Jüngel/Paul Ricœur (Hg.), Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache (Evangelische Theologie Sonderheft), München: Kaiser 1974, 45–70. Hier: 46. 370 Vgl. KOHL, Metapher, 77. 371 Vgl. GOOSSENS, Metaphtonomy, 78. 372 Vgl. RADDEN/KÖVECSES, Towards a Theory of Metonymy, 110. Im Verlauf ihres Artikels (S. 123–131) führen Radden und Kövecses selbst Prinzipien auf kognitiver und kommunikativer Ebene an, nach denen Metonymien gebildet werden können, gestehen jedoch ein, dass diese Restriktionen nicht gänzlich geklärt werden können. Zudem ist hervorzuheben, dass Radden und Kövecses vorrangig an Alltagsmetonymien interessiert sind, die die meisten Menschen nicht als Metonymien erkennen. Auffällige, eher poetische Metonymien stechen gerade deshalb hervor, weil sie einige dieser Prinzipien verletzen. 373 Vgl. z.B. KOHL, Metapher, 77f.; MÜLLER, Metapher, 96f.; GOOSSENS, LOUIS, Metonymy in the Pipeline. Another Way of Looking at the Container Metaphor, in: Patrick Hanks/ Rachel Giora (Hg.), Metaphor and Figurative Language. Vol. II: Typology of Figurative Language (Critical Concepts in Linguistics), Abingdon: Routledge 2012, 69–76. Hier: 69. Die Terminologie für „konzeptuelle Bereiche“ ist dabei sehr unterschiedlich. Radden und Kövecses bevorzugen beispielsweise den Begriff „idealized cognitive model“ (ICM) und definieren: „Metonymy is a cognitive process in which one conceptual entity, the vehicle, provides mental access to another conceptual entity, the target, within the same idealized cognitive model.“ (RADDEN/KÖVECSES, Towards a Theory of Metonymy, 102.) 374 Vgl. auch GOOSSENS, Metaphtonomy, 79.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

noch unklar, was konzeptuelle Bereiche nun eigentlich sind und wie man sie theoretisch greifbar machen kann.375 Neben dieser grundsätzlichen Unterscheidung fallen noch viele weitere kleinere Unterschiede auf: So lassen sich Metaphern, gerade aufgrund der erweiterten semantischen Felder, weitaus besser ausbauen als Metonymien oder Synekdochen376 (weshalb sich die Frage nach Metaphernkombinationen deutlicher stellt als die nach Kombinationen von Metonymien377). Auch die Funktion von Metapher und Metonymie ist unterschiedlich. Metonymien „eignen sich besonders für die konkretisierende Fokussierung und selektive Hervorhebung von Merkmalen, Funktionen und hierarchischen Verhältnissen.“378 Offenbar sind Metonymien auch in den verfügbaren Wortarten weitaus eingeschränkter als Metaphern: Sie treten vorrangig in nominalen Ausdrücken auf. Dies wird insbesondere auffällig, wenn man die Interaktion von Metaphern und Metonymien in den Blick nimmt: „As will appear from the instantiations for the mixed cases, it is usually (but not always) the integration of a nominal element into the verbial or adjectival that is responsible for the metonymic ingredient in an otherwise metaphorical context.“379 Außerdem sind Metonymien häufig reversibel, was für Metaphern im Großteil der Fälle nicht gegeben ist.380 Da Metonymien meistens nur auf einer einzelnen Beziehung basieren, Metaphern jedoch auf verschiedenen Charakteristika oder Verbindungslinien aufbauen können, sind letztere außerdem offener und suggestiver. Zudem ist bemerkenswert, dass metonymische und nicht-metonymische Zuschreibungen in einer Aussage kombiniert werden können, ohne dass ein Zeugma entsteht. Dies ist bei Metaphern nicht möglich.381 Schließlich ist zu beachten, dass Metonymien oft weitaus weniger auffallen als Metaphern. Dies liegt daran, dass die für Metaphern konstitutive Spannung bei Metonymien nicht oder nur abgeschwächt auftritt, was wiederum darauf zurückzuführen ist, dass nur ein semantischer Bereich aktiviert wird.

375

Vgl. auch WARREN, Alternative Account, 167. Vgl. HENLE, Metaphor, 90; WARREN, Alternative Account, 159. 377 Zu beachten sind jedoch Forschungen zu Metonymy-Ketten oder inklusiven Metonymien. Vgl. WARREN, Alternative Account, 160. 378 KOHL, Metapher, 78. 379 GOOSSENS, Metaphtonomy, 85. Auf Forschungsbeiträge, die sich dezidiert mit der Interaktion von Metonymie und Metapher sowie mit Hybridformen beschäftigen, wird im zweiten Kapitel weiter eingegangen. 380 Vgl. RADDEN/KÖVECSES, Towards a Theory of Metonymy, 132. 381 Vgl. WARREN, Alternative Account, 160. 376

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

109

4.4. Allegorie Das Phänomen der Allegorie wird zumeist als mit der Metapher eng verwandt angesehen. Dabei wird es teilweise als erweiterte Metapher, teilweise als Metaphernreihung verstanden und zuweilen mit einer bestimmten Funktion verknüpft.382 Etymologisch betrachtet besteht der Begriff „Allegorie“ aus ਙȜȜȠȢ („anders“) und ਕȖȠȡİ઄Ȧ („in der Versammlung bzw. auf der Agora, d.h. ggf. öffentlich reden“).383 Eine Übersetzung in „Anders-Rede“384 ist möglich, verkürzt jedoch auch teilweise das Bedeutungsspektrum der griechischen Wortbestandteile. Die Etymologie legt aber nahe, dass es sich hier um eine wie auch immer geartete „abweichende“ Rede handelt und verweist auf eine situative und möglicherweise damit verbundene das Genre betreffende Einschränkung. Wie bereits erwähnt,385 ist Quintilians Allegoriebegriff noch sehr weit und umfasst neben dem, was im modernen Sinne als Allegorie bezeichnet wird, auch Ironie (Vgl. Quint.inst. VIII 6, 44).386 Dabei gesteht er selbst zu, dass Kritik an einer solchen Zuordnung nicht ganz unberechtigt ist. Allegorien im engeren Sinne können laut Quintilian auf Metaphern beruhen, müssen es aber nicht zwingend. Teilweise stehen daher metaphorische und wörtliche Begriffe nebeneinander (so genannte gemischte Allegorie).387 „Hierbei kommt die Schönheit des Ausdrucks von den entlehnten Wortbildern, die Verständlichkeit des Gemeinten von den eigentlichen Bezeichnungen.“ (Quint.inst. VIII 6, 48.) Eine modernere Definition wie die von Katrin Kohl zeigt, dass in den aktuellen Diskursen der Begriff häufig enger gefasst und die Verbindung zur Metapher hervorgehoben wird: „Die Allegorie konstituiert sich wie die Metapher aus zwei konzeptuellen Bereichen, wobei der bildlich konkrete Herkunftsbereich narrativ ausgestaltet wird und mit seinen Elementen einer ebenfalls kohärenten Sinnfolge im abstrakteren Zielbereich entspricht.“388 Der Aspekt der narrativen Zusammenhänge ist dabei besonders bedeutsam. Oft werden im narrativen Modus lediglich die Aspekte des semantischen Bereichs des Vehicles

382

Ein weiterer Gebrauch des Begriffs Allegorie zur Bezeichnung von „Personifikationen, die einem Abstraktum konkrete Gestalt verleihen“ (KOHL, Metapher, 87.), wie z.B. der Justitia, wird hier nicht weiter aufgegriffen und ist meiner Meinung nach irreführend. Vgl. dazu auch KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 61. 383 Vgl. auch KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 34. 384 A.a.O. 33. 385 Vgl. Abschnitt 1.1.4. 386 Vgl. auch LAUSBERG, Handbuch, 441f. § 895f. 387 Vgl. auch KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 43: „In der reinen Allegorie wird die allegorische Bedeutung implizit zu verstehen gegeben, in der gemischten Allegorie wird explizit angegeben, was die allegorische Bedeutung ist.“ und LAUSBERG, Handbuch, 442 § 897, der die beiden Typen „vollkommen“ und „unvollkommen“ nennt. 388 KOHL, Metapher, 87.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

benannt, so dass es Aufgabe der Rezipierenden ist, auf den semantischen Bereich des Topics zu schließen. „Der sprachliche Text wird damit zu einer Art ‚Chiffre‘, deren Dechiffrierung ein esoterisches Wissen von den geheimen, verborgenen Dingen und Bedeutungen verlangt.“389 Teilweise wird die Decodierung jedoch auch den Rezipierenden abgenommen, indem sie explizit gemacht wird.390 Ebenso begegnen Mischformen. Gerade wenn der semantische Bereich des Topics nicht benannt wird, wird ein deutlicher Unterschied zur Metapher ersichtlich: „Spannung ist das Kennzeichen der Metapher […], wohingegen eine nicht-wörtliche Äußerung, in der alle Elemente metaphorisch sind, d.h. in der nicht ein einzelner metaphorischer Begriff die Textisotopie zerstört, als Allegorie oder Parabel einzustufen ist.“391 An dieser Stelle setzt Kurz seine striktere Unterscheidung zwischen Allegorie und Metapher an: Metaphern sind aufgrund dieser Spannung meist unverständlich, wenn das Gesagte wörtlich genommen wird. Die Rezipierenden werden aufgrund der Unsinnigkeit der Metapher direkt auf einen übertragenen Sinn verwiesen.392 Während es bei der Metapher um die Identifizierung zweier Elemente aus verschiedenen Bedeutungsbereichen geht, sind die beiden Bedeutungszusammenhänge in der Allegorie verhältnismäßig eigenständig. Zusammengefasst bedeutet das: „Bei der Metapher liegt eine Bedeutungsverschmelzung vor, bei der Allegorie eher ein Bedeutungssprung.“393 Darum ist die Allegorie auch, anders als die Metapher, doppeldeutig.394 Auf dieses Moment der subtilen Ambiguität in Allegorien geht auch Sullivan ein, die dies positiv bewertet und in dieser Offenheit gerade eine ansprechende Herausforderung an die Rezipierenden sieht: When a lengthy text or speech is technically ambiguous but designed to be interpreted metaphorically, this is called allegory. In allegorical texts, ambiguity adds subtlety. Allegorical texts don’t throw the metaphor in the reader’s face. The reader has to figure out the metaphoric meaning, which can make the reader more engaged in the text. More than this, allegory allows a writer to leave the metaphoric intepretation open, so that multiple readings of the text are possible. This openness can make the reader think about all the possible targetdomain meanings of the text.395

389

A.a.O. 88. Die Unterscheidung von impliziter und expliziter bzw. implikativer und explikativer Allegorie, die ähnlich schon bei Quintilian auftritt, ist im Allegoriediskurs bedeutsam, wobei die verwendete Terminologie variiert. In der Tat ist die Unterscheidung nicht ganz unbedeutend, da explikative Allegorien eher als Substitutionen gesehen werden, implikative eher als Identifikationen, die somit dem Wesen der Metapher näher stehen. (Vgl. KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 44.) Eine etwas andere Unterscheidung trifft Goatly mit den Begriffen Allegory proper und Quasi-Allegory, vgl. GOATLY, Language, 283–287. 391 VAN NOPPEN, Einleitung, 33. (Hervorhebungen im Orignal) 392 Vgl. KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 36. 393 A.a.O. 36. 394 Vgl. a.a.O. 39. 395 SULLIVAN, Mixed Metaphors, 103. 390

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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Problematisch an einer scharfen Unterscheidung von Metapher und Allegorie ist, dass die Identifizierung zweier aus unterschiedlichen Bereichen stammenden Elemente nur dann als Wesensmerkmal von Metaphern angesehen werden kann, wenn diese auf Nominalmetaphern beschränkt werden. Andere Metaphern wie Verbalmetaphern fügen sich weitaus weniger leicht in diese Definition. Zudem gibt es natürlich auch Metaphern, die doppeldeutig sind (man denke etwa an das zuvor erwähnte Glashaus-Beispiel) sowie Allegorien, die zwar nicht in sich Spannungen aufweisen, die denen von Metaphern vergleichbar wären, die aber wohl in Spannung zum Kontext stehen. Allegorien sind keine Metaphern, sie bauen jedoch wohl auf Metaphern auf, wie auch Kurz bemerkt, der die Allegorie auch als „narrative oder deskriptive Durchführung einer Metapher“396 bezeichnet. Auf welche Weise nun Allegorien auf Metaphern aufbauen, ob es sich bei ihnen um Metaphernerweiterungen oder -reihungen handelt, ist, wie gesagt, strittig.397 Beide Annahmen für sich genommen sind einerseits zutreffend und greifen andererseits zu kurz. Eine Kombination beider Ansätze ergibt jedoch ein vollständiges Bild: Allegorien verknüpfen durch mehrere konsistente Metaphern zwei Bereiche miteinander und bilden somit eine komplexe Gesamtmetapher. Kohl hält eine Unterscheidung von Metapher und Allegorie für unnötig, da prinzipiell jede Metapher zur Allegorie werden kann.398 Diese Aussage ist allerdings meines Erachtens einzuschränken, da nicht jede Metapher narrativ ausgestaltbar ist. Die Allegorie stellt aber eine bestimmte Form dar, wie Metaphern miteinander interagieren. Daher wird sie an späterer Stelle399 wieder aufgegriffen werden. Stanford sieht eine Nähe zwischen Allegorie und Rätsel, da in beiden Fällen „the primary and secondary meanings are so interwoven and interdependent that one cannot stand without the other.“400 Allerdings sind Allegorien wie Me-

396

KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 39. Vgl. auch BANSCHBACH EGGEN, RENATE, Gleichnis, Allegorie, Metapher. Zur Theorie und Praxis der Gleichnisauslegung (Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter 47), Tübingen: Francke 2007, 264. Für Lausberg, Goatly und Stanford ist die Allegorie eine Art Untergruppe der Erweiterten Metapher. (Vgl. LAUSBERG, Handbuch, 441f. § 895; GOATLY, Language, 281–289; STANFORD, Greek Metaphor, 24.) Dagegen vertritt Hans Weder die Ansicht, dass Allegorien aus aneinandergereihten Metaphern bestehen, weshalb er sie sehr strikt von Gleichnissen trennt, die seiner Meinung nach in ihrer Grundform eine einzige Metapher darstellen. (Vgl. WEDER, Gleichnisse, 70f.) Boucher betont, dass die Allegorie eine erweiterte Metapher ist und sieht den Fehler von Jülicher sowie seinen Schülerinnen und Schülern darin, dass sie die Allegorie als Metaphernreihe auffassten. (Vgl. BOUCHER, MADELEINE, The Mysterious Parable. A Literary Study [Catholic Biblical Quarterly Monograph Series 6], Washington, D.C.: Catholic Biblical Association 1977, 20.) 398 KOHL, Metapher, 89. 399 S.u. Abschnitt 2.4.5. des zweiten Kapitels. 400 STANFORD, Greek Metaphor, 23. 397

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

taphern und Vergleiche Phänomene, die in vielerlei Gestalt auftreten. Eine derart starke Vernetzung der beiden in der Allegorie wirksamen Bereiche ist nur in einigen Fällen gegeben. Auch die Annahme einer moralisch-didaktischen Zielsetzung401 halte ich, obwohl sie häufig vorhanden ist, für kein entscheidendes Merkmal der Allegorie. Ein Grund, weshalb die – durchaus gegebene – Verbindung von Allegorie und Metapher gerade im theologischen Bereich so stark wahrgenommen wird, besteht in Jülichers über lange Zeit sehr einflussreicher These, derzufolge das Gleichnis als erweiterter Vergleich der Allegorie als erweiterter Metapher gegenübersteht. Auf diese Theorie wird an anderer Stelle402 ausführlicher eingegangen werden. 4.5. Analogie Der Begriff „Analogie“ (von ਕȞĮȜȠȖȓĮ, „Proportion“, „Verhältnis“) ist in Abschnitt 1.1.2., bei der Behandlung des aristotelischen Metaphernverständnisses, bereits mehrfach gefallen. Er bezeichnet einerseits einen Mechanismus, nach dem Metaphern gebildet werden können, und kann andererseits auch unabhängig von metaphorischen Ausdrücken stehen. Kohl stellt fest: „Die Analogie setzt eine Gleichheit der Verhältnisse voraus. Beim ‚Analogieschluss‘ wird von der Übereinstimmung zweier Dinge in einem oder mehreren Punkten auf die Übereinstimmung auch in anderen Punkten geschlossen“.403 Es handelt sich also um ein formal-logisches Prinzip, das deshalb in wissenschaftlichen, insbesondere naturwissenschaftlichen Kontexten, angesehen ist.404 Quintilian sieht die Analogie als nicht-bildhafte Form des Vergleichs, die darum zwar zur rationalen Überzeugung taugt, nicht aber zur poetischen Ausdrucksweise.405 Übertragen auf die Metapher, kann die Analogie, vor allem nach Aristoteles, aus Produzierendensicht als Mittel zur Bildung von Metaphern und aus Rezipierendensicht als Mittel zu ihrer Entschlüsselung gesehen werden: Da sich A zu B wie C zu D verhält, ist es möglich, zwischen beiden Querverbindungen herzustellen. Wie aber bereits Aristoteles selbst betont, ist dies nur eine – wenn auch aus seiner Sicht die beste – Möglichkeit, Metaphern zu bilden. Gerade komplexe und innovative Metaphern lassen sich so nicht erklären.406 In der Theologie wird die „Beziehung zwischen der göttlichen Realität und der menschlichen Sprache“407 häufig durch Analogien beschrieben, wobei 401

Vgl. a.a.O. 24; KOHL, Metapher, 88. Abschnitt 4.7. 403 KOHL, Metapher, 73. (Hervorhebung im Original) 404 Vgl. a.a.O. 76f. 405 Vgl. a.a.O. 76 mit Verweis auf Quint.inst. V 11, 22 und VIII 3, 75). 406 Vgl. ebd. 407 VAN NOPPEN, Einleitung, 11. 402

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

113

solch ein Vorgehen nicht immer unbestritten bleibt. Hier können Parallelen zum Metapherndiskurs gesehen werden.408 Eine biblische Analogie, die zudem mit dem Tod Jesu in indirekter Beziehung steht, liegt in Joh 16,20–22 vor. Jesus setzt hier die Situation der Jüngerinnen und Jünger zu der einer gebärenden Frau ins Verhältnis. Wie die Frau unter der Geburt Schmerzen und Angst durchstehen muss, so werden die Schülerinnen und Schüler unter Traurigkeit leiden. Der Freude, wenn das Kind geboren ist, ist analog zur Freude der Jüngerinnen und Jünger bei einem Wiedersehen mit Jesus. 4.6. Symbol Der Terminus Symbol, der in der Theologie durchaus beliebt ist, wobei oft keine klare Grenzziehung zu anderen Phänomenen wie der Metapher vollzogen wird,409 ist mehrdeutig. Er „kann ein arbiträres, konventionelles Zeichen, aber auch das Gegenteil, ein durch Analogie oder durch einen Sachzusammenhang motiviertes Zeichen bedeuten.“410 Schon die Etymologie des Begriffs, ı઄Ȟ („mit“, „zusammen“) und ȕȐȜȜȦ („werfen“), ist ambig, so dass bereits in der Antike verschiedene, einander widersprechende Deutungsmöglichkeiten auftreten: „Der griechische Symbolbegriff umfaßt […] schon die drei Merkmale, die in späteren Symboltheorien immer wieder begegnen: Symbol als Zeichen, Symbol als Empirisches, das als Empirisches eine Bedeutung trägt, und Symbol als Zusammenhang.“411 In modernen Definitionsversuchen ist wichtig, dass Symbole zwar durch Sprache ausgedrückt werden können, aber in erster Linie auf dinglicher Ebene anzusiedeln sind, was sie von Metaphern als vorrangig sprachlichen (oder ggf. konzeptuellen) Phänomenen abhebt.412 Dies wird auch in Kohls Definition deutlich: „Der Begriff Symbol bezeichnet tendenziell ein konkretes Objekt – beziehungsweise eine wirkliche Handlung, einen geographisch bestimmbaren Ort, eine manuelle Geste usw. –, dem eine über seine unmittelbare Funktion hinausführende Bedeutung zugesprochen wird, ohne dass ihm damit die konkrete Identität genommen würde.“413 Dabei ist jedoch anzumerken, dass Kohl selbst durch das Wort „tendenziell“ eine Abschwächung vornimmt, die der Tatsache Rechnung trägt, dass eine genaue Zuweisung des Symbols auf Objektoder Begriffsebene nicht immer möglich ist. Symbole sind einerseits wie Allegorien mehrdeutig und bedürfen daher einer Deutung. Andererseits haben sie

408

Vgl. ebd. Vgl. BEARDSLEY, Metaphor, 287. 410 KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 71. 411 A.a.O. 73. 412 Vgl. z.B. a.a.O. 77; STANFORD, Greek Metaphor, 95 Fn 1. 413 KOHL, Metapher, 99. (Hervorhebung im Original) 409

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

häufig eine repräsentative Funktion, indem sie auf etwas Allgemeineres hindeuten.414 Symbole verweisen, indizieren.415 In vielen, aber keineswegs allen Fällen, sind Symbole stark konventionalisiert und somit traditions- und kulturgebunden.416 Die in der bisherigen Darstellung gefallenen Schlagworte wie „Analogie“, „weiterführende Bedeutung“, „repräsentative Funktion“ und „Verweis auf das Allgemeinere“ zeigen auf, dass die Basis bzw. Motivation des Symbols, wie Ralph Müller richtig bemerkt, „im Grenzbereich zwischen Metonymischen und Metaphorischem“417 oder, nach Gerhard Kurz, zwischen Synekdochischem und Analogischem,418 liegt. Symbole basieren auf dem Metaphorischen, insofern sie auf einen weiteren Bedeutungszusammenhang verweisen oder Analogien zwischen zwei semantischen Feldern herstellen. Sie basieren auf dem Metonymischen, insofern sie einen größeren, allgemeineren Zusammenhang repräsentieren, bzw. zusammenfassen. Man kann daher zwar zwischen eher metaphorischen und eher metonymischen Symboltypen unterscheiden.419 Wichtiger ist jedoch das Zusammenspiel beider Motivationen im Symbol.420 Wenn Symbole nicht willkürlichen Deutungen offen stehen sollen, müssen sie eine ausreichende Repräsentanz aufweisen, also metonymisch motiviert sein. Demgegenüber ist die metaphorische Motivation eher ergänzend oder sekundär.421 Obwohl Symbole also mitunter metaphorisch motiviert sind oder teilweise auf ähnlichen Mechanismen wie Metaphern beruhen (Analogien), besteht, wie gesagt, ein zentraler Unterschied darin, dass Symbole auf der Gegenstandsebene operieren. Damit verbunden wird in der Forschung betont, dass Symbole, anders als Metaphern, ihre eigentliche Referenz behalten.422 Vergleicht man Kopula-Metaphern wie „X ist Y“ (z.B. „Gerechtigkeit ist eine Waage“), in denen X den T-Term und Y den V-Term bezeichnet, mit korrespondieren Symbolen, so wird im Symbol nur der V-Term benutzt oder dargestellt. Dadurch tritt der semantische Bereich des Topics in den Hintergrund, wohingegen der des Vehicles konkreter ausgeführt und hervorgehoben wird.423 Auch die aufgrund der Ambiguität bzw. doppelten Referenz bestehende Verbindung zur Allegorie ist zu relativieren: Während in der Allegorie stets zwei separate 414

Vgl. MÜLLER, Metapher, 98f. Vgl. KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 81. 416 Vgl. KOHL, Metapher, 99–101. 417 MÜLLER, Metapher, 97. 418 Vgl. KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 72. 419 Vgl. a.a.O. 85. 420 Vgl. a.a.O. 75f. 421 Vgl. MÜLLER, Metapher, 99f. 422 Vgl. KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 77 (Kurz sieht diese Unterscheidung lediglich als eine graduelle an); MÜLLER, Metapher, 99; KOHL, Metapher, 100. 423 Vgl. KOHL, Metapher, 100; BANSCHBACH EGGEN, Gleichnis, Allegorie, Metapher, 273 (mit Verweis auf R.W. Funk). 415

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

115

Bedeutungszusammenhänge verbunden werden, ist dies im Symbol aufgrund der teils ausgeprägten metonymischen Motivation häufig nicht eindeutig. Oft gehört das Symbolisierte „demselben raum-zeitlichen Erfahrungsfeld“424 an wie das Symbol. Auch Kohl merkt an: „Je dinglicher beziehungsweise wirklicher der Signifikat und je weniger konventionalisiert die Bedeutung, desto weiter entfernt sich das Symbol von der Allegorie.“425 Auf der Textebene können Symbole jedoch Bestandteile von Allegorien sein.426 Schließlich ist gerade im Hinblick auf Metaphernkombinationen festzuhalten, dass Symbole durch den Gebrauch von Metaphern entstehen können. Wenn eine Metapher in einem bestimmten Werk oder kulturellen Zusammenhang immer wieder genau oder ähnlich wiederholt wird, kann sie zum Symbol werden.427 Ähnlich sieht es Goatly, der Symbolismus als Konsequenz von Literalisierung, etwa dadurch, dass in einem Werk oder Kontext dasselbe Wort in seiner metaphorischen und „wörtlichen“ Bedeutung gebraucht wird, ansieht.428 Symbole können also infolge von Metaphernkombinationen entstehen, insbesondere durch Wiederholungen und Modifikationen. 4.7. Gleichnis und Parabel429 Die Gleichnisse des Neuen Testaments werden, wenn sie überhaupt explizit einer Gattung zugeordnet werden, als ʌĮȡĮȕȠȜ੾ bezeichnet, weshalb der deutsche Begriff „Gleichnis“ als Übersetzung des griechischen Terminus „Parabel“ angesehen werden kann. Allerdings ist es in der Gleichnisforschung, im Anschluss an Adolf Jülicher, verbreitet, beides voneinander zu trennen (und noch als weitere Kategorie die Beispielerzählung430 anzuführen). Jülicher definiert die Parabel als erzählende Form des Gleichnisses und sieht zudem zwischen beiden Formen inhaltliche Unterschiede: Das Gleichnis rekurriert auf Alltägliches, Bekanntes, die Parabel eher auf Einmaliges, Erdachtes. Dies schlägt sich auch in den jeweils verwendeten Erzähltempora nieder.431 Der Begriff „Fabel“

424

KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 81. KOHL, Metapher, 100. 426 Vgl. KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 81. 427 Vgl. BEARDSLEY, Aesthetics, 407. Kurz dagegen erklärt, dass weniger Symbolhaftigkeit in einem Text möglich ist, je mehr Metaphern dieser enthält und umgekehrt. (Vgl. KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 77.) Diese Ansicht halte ich jedoch für nicht nachvollziehbar. Sie ergibt sich m.E. nicht aus seinen vorherigen Ausführungen. 428 Vgl. GOATLY, Language, 290–298. Ebenso: MOOIJ, Study, 143 (mit Verweis auf Wellek und Warren). 429 Die folgenden Ausführungen beziehen sich schwerpunktmäßig auf neutestamentliche Gleichnisse, sind aber zum Großteil auch auf andere Kontexte anwendbar. 430 Jülicher nennt nur vier Fälle von Beispielerzählungen, die ausschließlich im Lukasevangelium vorkommen. Vgl. JÜLICHER, Gleichnisreden, 112–114. 431 Vgl. a.a.O. 92–94. 425

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

kann synonym zur Bezeichnung der Parabel verwendet werden.432 Diese bis heute einflussreiche Unterscheidung433 wurde in jüngerer Zeit kritisiert, da die biblischen Texte selbst keine solchen Gattungsdifferenzierungen vornehmen und die entscheidenen Kriterien oft nicht klar gegeben sind.434 Für die Verhältnisbestimmung des Gleichnisses zur Metapher sind solche Untergattungen aber in den meisten Fällen ohnehin irrelevant, weshalb ich im Folgenden den Begriff „Gleichnis“ in einem weiten Sinn verwende, so dass auch „Parabeln“ und „Beispielgeschichten“ miteingeschlossen sind. Ein Gleichnis in diesem weiteren Sinn kann somit definiert werden als eine vorwiegend kurz gehaltene Geschichte, die einen Sachverhalt A schildert, der auf einen meist abstrakteren Sachverhalt B übertragen werden kann.435 Es hat somit eine veranschaulichende und häufig moralisch-didaktische Funktion.436 Dabei ist in vielen, aber nicht allen Fällen, kenntlich gemacht, dass sich A auf B bezieht, etwa durch eine Einleitung, in der ein expliziter Vergleich oder eine explizite Identitfikation vorkommt. Aus etymologischer Sicht fällt für den deutschen Terminus „Gleichnis“ sofort die Verwandtschaft zum Vergleich ins Auge, für das griechische ʌĮȡĮȕȠȜ੾ (aus ʌĮȡȐ „bei“, „neben“ und ȕȐȜȜȦ, „werfen“)437 liegt interessanterweise eine Nähe zum Symbol vor. Für die Verhältnisbestimmung von Metapher und Gleichnis sind, wie für die Unterscheidung der verschiedenen Typen von Gleichnissen, die Äußerungen Jülichers von erheblicher Bedeutung gewesen. Ausgehend von seinem Grundanliegen, dem „Kampf gegen die allegorisierende Auslegung von Jesus-‚Parabeln‘“,438 unterscheidet er sehr streng zwischen Metapher und Vergleich, denen er als erweiterte Formen die Allegorie und das Gleichnis zuordnet. Jesus verstand, Jülicher zufolge, seine Gleichnisse als eigentliche, vergleichende Rede.439 Er begründete auch keine eigene neue Sprachform, sondern bediente sich der bereits in den jüdischen Heiligen Schriften und in anderen hebräischen 432

Vgl. a.a.O. 98. Dies wird allein dadurch deutlich, dass sie von den Standardwerken der Form- und Gattungskritik vertreten wird. Vgl. z.B. BULTMANN, RUDOLF, Die Geschichte der synoptischen Tradition, hg. v. Gerd Theißen (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 29 = N.F. 12), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 51979, 188; BERGER, KLAUS, Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg: Quelle und Meyer 1984, 51– 56. Letzterer bezeichnet die Parabeln als Gleichniserzählungen, meint aber dasselbe. 434 Vgl. ZIMMERMANN, RUBEN, Die Gleichnisse Jesu. Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: Ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 22015, 3–46. Hier: 17–23. 435 Vgl. auch Bouchers Definition: „It is a structure consisting of a tropical narrative, or a narrative having two levels of meaning; this structure functions as religious or ethical rhetorical speech.“ (BOUCHER, Mysterious Parable, 23. Hervorhebung im Original) 436 Vgl. KOHL, Metapher, 82. 437 Vgl. JÜLICHER, Gleichnisreden, 31. 438 A.a.O. 50. (Hervorhebung im Original) 439 Vgl. a.a.O. 42–49. 433

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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Texten vorliegenden Form der meschalim.440 Von diesen sind Metaphern laut Jülicher ausgeschlossen, da meschalim auf Rede- oder Satzebene zu finden sind, Jülicher Metaphern jedoch allein auf der Begriffsebene verortet.441 Obwohl Jesus allgemein sowohl Metaphern als auch Vergleiche verwendete,442 stehen seine Gleichnisse eindeutig in der meschalim-Tradition und bauen auf Vergleichen auf. Die Redaktoren dieser Gleichnisse fassten sie hingegen als uneigentliche Rede vergleichbar mit der hellenistischen parabole, auf: „nicht blos eine vergleichende Rede, sondern eine, die ausserdem dunkel ist, der Deutung bedarf“.443 Sie sahen die Gleichnisse als Allegorien an und strukturierten sie teilweise zu solchen um. Wie Gleichnisse auf Vergleichen aufbauen, bestehen Allegorien aus Metaphern. Für dieses Verständnis und den verhüllenden Charakter von Allegorien bezieht sich Jülicher auf die antike Rhetorik.444 Jesus selbst habe Allegorien nicht oder nur sehr selten benutzt, da es sich hierbei um eine sehr künstliche Redeform handelt, die auch didaktisch weniger sinnvoll ist.445 Gleichnisse sind also strikt von Allegorien zu trennen, weil sie etwas verbildlichen und verdeutlichen, nicht verdunkeln oder verhüllen. Zudem tritt bei ihnen statt einer Abfolge von Bildern lediglich ein Bild, statt der Verbindung verschiedener Erzählelemente nur ein tertium comparationis hervor.446 Gleichnisse deuten daher selbst, sie bedürfen keiner Deutung, die für Allegorien und Metaphern nötig sind, sondern höchstens einer Anwendung.447 Jülicher, der als ein Begründer moderner Gleichnistheorie gilt, hat mit diesen Ausführungen das Verhältnis von Metapher und Gleichnis in der Exegese bis in die Gegenwart hinein geprägt. Beide werden dabei als distinkte Phänomene wahrgenommen, die keineswegs miteinander vermischt oder verwechselt werden dürfen. Dabei gibt es einige Schwierigkeiten bei dieser Verhältnisbestimmung. Zunächst beruft sich Jülicher zwar auf antike Metapherntheorien, rezipiert diese jedoch nicht umfassend, sondern lediglich auf Einzelaspekte beschränkt, was ein verzerrtes Gesamtbild ergibt. Viele der von mir in Abschnitt 1.1 erwähnten Gesichtspunkte bleiben unberücksichtigt. Zudem ist Jülichers Metaphernverständnis allgemein defizitär. Er setzt den Begriff voraus, ohne ihn genauer zu definieren. Offenbar vertritt Jülicher eine Art von erweiterter Substitutionstheorie, die in sich an einigen Stellen Inkonsistenzen aufweist. Dabei sind seine Grundannahmen weitaus beschränkter als die antiker Rhetoriker. Dass Metaphern allein auf Wortebene agieren, stimmt zwar mit antiken Rhetoriken überein, ist allerdings vor dem Hintergrund moderner Theorien Vgl. a.a.O. 31–33. Vgl. a.a.O. 38. 442 Vgl. a.a.O. 53f. 443 A.a.O. 42. (Hervorhebung im Original) 444 Vgl. a.a.O. 51f. 445 Vgl. a.a.O. 63f. 446 Vgl. a.a.O. 70.105. 447 Vgl. a.a.O. 56.87. 440 441

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

nicht mehr haltbar. Zudem müsste aus der Tatsache, dass Allegorien auf Metaphern aufbauen und verhüllenden Charakter haben, folgen, dass auch Metaphern Sachverhalte verdunkeln. Obwohl dies manchmal der Fall sein kann, widerstrebt diese Annahme doch den meisten Menschen intuitiv – so auch Jülicher, der feststellt: „Die Vergleichung nimmt der Leser, wie sie ihm gegeben wird, aus der Metapher soll er selbstständig etwas machen; jene erleichtert ihm das Verständnis des Vorliegenden, diese, fast sagte ich, erschwert es ihm – doch das wäre nicht allgemein richtig, setzt bei ihm schon Verständnis voraus, sie deutet kurz an, statt zu zeigen“.448 An Jülichers Zaudern und auch daran, dass er die Metapher im Anschluss als bereichernd, anregend und interessant beschreibt,449 wird deutlich, dass ihm selbst gewahr wurde, dass er das Wesen der Metapher nicht zutreffend beschrieben hat. Er hat daraus letztlich jedoch keine Konsequenz gezogen. Auch von anderer Stelle wurde Jülichers Konzept kritisiert, etwa aufgrund des unangemessenen Nebeneinanders von hebräischer und hellenistischer Rhetorik.450 Zudem wurde hervorgehoben, dass die meschalim auch Allegorien und Metaphern umfasst haben, auch mysteriös sein können und ursprünglich Symbole bezeichnen.451 Obwohl Jülichers Auffassung lange Zeit beherrschend war und teilweise immer noch nachwirkt,452 gibt es neuere Ansätze, die das Verhältnis von Metapher und Gleichnis als ein engeres bestimmen. Dazu beigetragen hat mitunter die Vergleichstheorie, durch die die Diskrepanz zwischen Metapher und Vergleich und somit auch zwischen Metapher und Gleichnis relativiert wurde. Wie bereits erwähnt wurde, sieht van Noppen ein Unterscheidungsmerkmal von Metapher und Gleichnis darin, dass hier, wie bei der Allegorie, keine Spannung vorhanden ist.453 Diese Auffassung wurde von anderen Autorinnen und Autoren nicht geteilt, die Spannung lediglich auf eine andere Ebene verlagert. So sieht Ricœur, der Gleichnisse und Metaphern einander annähert, ohne sie jedoch gleichzusetzen,454 die Spannung bei ersteren als nicht zwischen Wörtern oder Sätzen bestehend, sondern „zwischen der Szene und der Wirklichkeit des 448

A.a.O. 56. Vgl. a.a.O. 57. 450 Vgl. RICŒUR, Stellung und Funktion, 62. 451 Vgl. BOUCHER, Mysterious Parable, 5–7. 452 Vgl. z.B. KOHL, Metapher, 82. Auch Stanford ordnet die Parabel gemeinsam mit dem Sprichwort dem Vergleich zu, während Allegorie und Rätsel zur Metapher gehören. Seiner Ansicht nach besteht der Unterschied darin, dass letztere durch ihre Doppeldeutigkeit konstituiert werden, erstere jedoch nicht: „a Parable or a Proverb has a complete factual and existential validity whether one applies it metaphorically or not […] So Parable and Proverb are only by application and not by nature metaphorical; they are little more than plain Examples or Illustrations. […] Parable and Proverb do not depend on verbalism at all.“ (STANFORD, Greek Metaphor, 22f.) 453 Vgl. VAN NOPPEN, Einleitung, 33. 454 Vgl. RICŒUR, Stellung und Funktion, 55; BANSCHBACH EGGEN, Gleichnis, Allegorie, Metapher, 289. 449

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

119

alltäglichen Lebens“.455 Sie bestehe in einer Extravaganz oder Unglaubwürdigkeit, die den common sense verletze und darauf hindeute, dass mehr als das in der Erzählung Beschriebene gemeint sei.456 Allerdings ist eine derartige Extravaganz nicht in allen neutestamentlichen Gleichnissen ausgeprägt, sonden eher Charakteristikum der als „Parabeln“ bezeichneten Passagen. Hans Weder, der sich stark auf Ricœur und Jüngel bezieht, geht noch einen Schritt weiter. Für ihn sind Metapher und Gleichnis „analoge Sprachphänomene“,457 denn die „Grundform der Metapher S – K – P (Subjekt, Kopula, Prädikat) ist auch im Gleichnis vorhanden: ‚Basileia – K – Gleichniserzählung‘“.458 Die primäre Spannung im Gleichnis besteht somit zwischen der erzählten Welt und der Basileia. Erst sekundär kann dies auch zu einer Spannung zwischen erzählter Welt und Alltagswelt führen.459 Dadurch ist es Weder möglich, das Spannungsmoment in allen Arten von Gleichnissen, nicht nur in Parabeln, zu erhalten. Aufgrund der Verwandtschaft von Metaphern und Gleichnissen hält er letztere ebenfalls für nicht übersetzbar, wohl aber für umschreibbar.460 Trotz aller Nähen formuliert Weder basierend auf Ricœurs Ausführungen drei Diskrepanzen zwischen Metaphern und Gleichnissen: Erstens bestehe die Spannung, wie gesagt, in der Gesamtkomposition. Zweitens hätten Metaphern länger Bestand, seien weniger auf den Augenblick gerichtet. Drittens merkt Weder an: „Während die Metaphern Weltliches dem Weltlichen prädizieren, prädizieren die Gleichnisse Jesu Weltliches Gott.“461 Die beiden letztgenannten Punkte halte ich jedoch für wenig überzeugend. Zum einen zeigt sich in der Popularität der Gleichnisse ihre Langlebigkeit wie auch eine gewisse inhärente Zeitlosigkeit. Zum anderen gibt es genug Metaphern, die Weltliches Gott prädizieren, ohne dass sie deswegen Gleichnisse sein müssen; man denke nur an verschiedene Gottesprädikate, wie Vater, Herr, Bräutigam usw. Interessant ist, dass Weder zwar das Verhältnis von Gleichnis und Metapher positiv bestimmt, Allegorie und Gleichnis jedoch strikt voneinander unterscheidet: Bei ihr [der Allegorie, S.N.-R.] gibt es kein Element S, das durch K mit P verbunden wäre. Es gibt also kein übergeordnetes Subjekt, mit dem die Allegorie als Ganze in eine prädikative Beziehung treten würde. Vielmehr besteht die Allegorie aus verschiedenen Einzelzügen, von denen jeder die Grundform einer Metapher hat. Dabei ist der Bezug der Einzelzüge aufeinander nur dadurch gegeben, daß die von ihnen vertretenen Subjekte […] untereinander in einem Zusammenhang stehen.462 455

RICŒUR, Stellung und Funktion, 65. Vgl. a.a.O. 68. 457 WEDER, Gleichnisse, 59. (Hervorhebung im Original) 458 A.a.O. 61. 459 Vgl. ebd. 460 Vgl. a.a.O. 64f. 461 A.a.O. 62. 462 A.a.O. 71. (Hervorhebungen im Original) 456

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Diese Unterscheidung halte ich für fraglich. Wenn die Einzelzüge und die „eigentlich“ gemeinten Subjekte jeweils im Zusammenhang untereinander stehen, ist es auch kein Problem, aus diesen Zusammenhängen einen übergreifenden Bedeutungszusammenhang zu abstrahieren. Es scheint eher, als wolle Weder dem Vorwurf vorbeugen, er befinde sich in der Nähe der seit Jülicher verpönten allegorisierenden Gleichnisauslegung. Offenbar ist der Ansatz, das Verhältnis von Metapher und Gleichnis positiv, das von Gleichnis und Allegorie hingegen negativ zu bewerten, in der Gleichnistheorie nach Jülicher relativ verbreitet.463 Insgesamt weist Weders Ansatz einige Schwachstellen auf. Zunächst ist die von Weder so festgelegte „Grundform“ der Metapher problematisch. Sicherlich galt die Kopula-Metapher in der Metaphernforschung lange Zeit – und teilweise bis heute – als Prototyp oder Urform. Allerdings wird zunehmend betont, dass sie nur eine von verschiedenen Metaphernformen darstellt, und dabei nicht einmal die am weitesten verbreitete. Zudem verwischt Weder die Grenze von Metapher und Vergleich und stellt heraus, dass eine solche Unterscheidung hinfällig ist.464 Diese Ansicht ist manchen Metapherntheorien zufolge berechtigt, sie wird aber von Weder einfach unreflektiert vorausgesetzt, weshalb auch die Folgen einer solchen Gleichsetzung nicht mitbedacht werden. Auch Banschbach Eggen findet in Weders Ausführung einige Inkonsequenzen und Widersprüchlichkeiten.465 Insbesondere kritisiert sie Weder wie auch andere Gleichnistheoretikerinnen und -theoretiker für die Vermischung zweier Konzepte: „Zum einen gilt die Metapher als Bestandteil von Gleichnissen, zum anderen wird das Gleichnis vom Wesen der Metapher her bzw. werden Metapher und Gleichnis als analoge Sprachphänomene aufgefaßt“.466 Beides sei aber strikt voneinander zu trennen, da hier verschiedene Metapherntypen gemeint seien – bei ersterem handele es sich um implizite, bei letzterem um explizite Metaphern.467 Gegen Jülicher ist die Wirkung impliziter Metaphern Banschbach Eggen zufolge vom Wissenstand der Rezipierenden abhängig – sie können sowohl erhellende als auch verdunkelnde Funktion haben.468 Banschbach Eggens ausführliche Darstellung macht deutlich, dass die Anwendung des Metaphernbegriffs auf Gleichnisse unter verschiedenen Einfallswinkeln erfolgen und zu sehr verschiedenen, teils widersprüchlichen Ergebnissen führen kann.469 Sie kommt zu dem Schluss, dass der Metaphernbegriff vor allem zur

463

Vgl. BOUCHER, Mysterious Parable, 8. Vgl. WEDER, Gleichnisse, 61f. 465 Vgl. BANSCHBACH EGGEN, Gleichnis, Allegorie, Metapher, 287–293. 466 A.a.O. 254. 467 Zu dieser Unterscheidung vgl. Abschnitt 5.4. 468 Vgl. BANSCHBACH EGGEN, Gleichnis, Allegorie, Metapher, 260. 469 Vgl. a.a.O. 299–301. 464

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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Beschreibung der Wirkung von Gleichnissen sinnvoll, allerdings aufgrund der verworrenen Forschungslage nur vorsichtig zu gebrauchen sei.470 Meiner Meinung nach besteht ein Problem der Verhältnisbestimmung darin, dass Gleichnisse als eine zu homogene Gruppe gesehen werden. Die Gleichnisse Jesu sind in vielerlei Hinsicht jedoch unterschiedlich, kurz oder umfangreich, mit der Identifizierung zweier Bedeutungszusammenhänge oder einem expliziten Vergleich (oder keinem von beiden) versehen, mehr oder weniger spannungsreich. Ähnlich wie Boucher471 denke ich, dass man manche Gleichnisse als auf Vergleichs-, andere als auf Metaphern- und wiederum andere (gerade die von Jülicher aufgeführten Beispielgeschichten) als auf Synekdochebasis operierend ansehen kann. Vergleich, Synekdoche, Metapher und Allegorie liegen nämlich auf einer anderen Ebene als das Gleichnis. Letzteres lässt sich am besten als Genre auffassen, erstere als „device[s] of meaning“472 oder Tropen, die in verschiedenen Genres aktiv sein und diese jeweils prägen können. Daraus folgt, dass manche Gleichnisse ihrem Wesen nach auf Allegorien aufbauen oder mit diesen analog gesetzt werden können. Boucher bemerkt, dass sogar solche Gleichnisse, in deren Einleitung ein expliziter Vergleich vorkommt, allegorische Züge aufweisen können.473 Dies liegt meines Erachtens daran, dass auch in diesen Gleichnissen nur bestimmte Bestandteile explizit verglichen werden, das Verhältnis anderer Aspekte jedoch nicht geklärt wird. Eine allegorische Deutung mancher Gleichnisse prinzipiell abzulehnen oder Allegorien generell als sekundär abzutun, heißt daher meiner Meinung nach von vornherein Entscheidungen zu treffen, die den Deutungshorizont deutlich einengen. 4.8. Rätsel Der Begriff des Rätsels tauchte insbesondere in der Antike im Umfeld der Metapher auf.474 Dabei bezeichnet Rätselhaftigkeit eine normalerweise in der Rhetorik nicht erstrebenswerte Redeform, weil sie bei weitem zu unklar ist, um zu überzeugen. Da ein übermäßiger Gebrauch von Metaphern zu Rätselhaftigkeit führen kann, kann umgekehrt das Rätsel als eine Reihe von Metaphern angesehen werden, was es wiederum in Verwandtschaft zur Allegorie setzt. So definiert auch Lausberg: „Das aenigma ist eine nichtironische […] Allegorie, deren Beziehung zum gemeinten Ernstsinn besonders undurchsichtig ist.“475 Dies 470

Vgl. a.a.O. 302f. Vgl. BOUCHER, Mysterious Parable, 21–23. Ich teile jedoch nicht einige ihrer generalisierenden Bemerkungen, z.B. „Any parable which has both a literal and a metaphorical meaning is an allegory.“ (A.a.O. 21. Im Original hervorgehoben) 472 A.a.O. 20. 473 Vgl. a.a.O. 21. 474 Vgl. Abschnitt 1.1. 475 LAUSBERG, Handbuch, 444 § 899. 471

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

kann daran liegen, dass die verwendeten Metaphern in keinem Zusammenhang zueinander stehen oder besonders weit hergeholt bzw. kühn sind.476 Somit ist es aber auch möglich, dass einzelne sehr „dunkle“ Metaphern Rätsel darstellen oder zu solchen werden. Insgesamt kann dieser Auffassung zufolge das Rätsel als eine – intendiert oder nicht intendiert – misslungene Allegorie oder Metapher angesehen werden. Jülicher merkt jedoch auch – etwas inkonsequent – an, dass Rätsel auf (impliziten) Vergleichen beruhen und den meschalim insoweit verwandt sind, dass beide gerade auf Seite der Rezipierenden Weisheit erfordern.477 In jedem Fall ist festzuhalten, dass diese Verhältnisbestimmung von Metapher, Allegorie und Rätsel von einem ganz bestimmten Rätseltyp ausgeht. Daneben gibt es, gerade aus moderner Sicht, viele andere Arten, Rätsel auszudrücken, die nicht zwingend mit Metaphern verbunden werden müssen. Im Umfeld der Metapher taucht der Begriff des Rätsels vermutlich auch deshalb fast nur in antiken oder stark auf antiken Autoren aufbauenden Theorien auf.478 In modernen Metapherndiskursen spielt er so gut wie keine Rolle. Obwohl das Rätsel gemäß seiner klassischen Definition als Reihe von Metaphern eine Metaphernkombination darstellt, kommt es im zu untersuchenden Korpus nicht vor, weshalb hierauf nicht weiter Bezug genommen wird. 4.9. Oxymoron Das Oxymoron erklärt sich durch seine Etymologie: Es leitet sich aus der Zusammensetzung von ੒ȟ઄Ȣ („scharf“, im übertragenen Sinne „scharfsinnig“) und ȝ૵ȡȠȢ („stumpfsinnig“/„dumm“) ab, in ihm werden also zwei einander widersprechende Begriffe kombiniert.479 Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen, etwa, wie beim Oxymoron selbst, durch eine Wortkombination oder -verschmelzung von Begriffen derselben Wortart, oder durch die Kopula-Form wie in dem Beispiel „Krieg ist Frieden“. Lausberg definiert auf treffende Weise: „Das oxymoron ist die gerafft-enge syntaktische Verbindung widersprechender Begriffe zu einer Einheit, die dadurch eine starke Widerspruchsspannung enthält“.480 Eine besonders verbreitete Unterart ist die Contradictio in adiecto, eine widersprüchliche Adjektiv-Substantiv-Verbindung, wie in „schwarze Milch“. Hierbei wird der Widerspruch oft nicht ganz so deutlich, da er durch die unterschiedlichen grammatikalischen Funktionen der beteiligten Worte weniger stark gespürt wird oder da nicht das Gegenteil eines Gesamtbegriffs an-

476

Vgl. JÜLICHER, Gleichnisreden, 58f. Vgl. a.a.O. 37f. 478 Neben Jülicher vgl. etwa STANFORD, Greek Metaphor, 22f. 479 Vgl. auch DUDENREDAKTION (Hg.), Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Berlin: Dudenverlag 92019, 1328. 480 LAUSBERG, Handbuch, 398 § 807. 477

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

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geführt wird, sondern nur das einer seiner Eigenschaften. In den Metapherndiskursen wird das Oxymoron allgemein selten angeführt. Allerdings erhält es in der Verbal-Opposition-Theorie Monroe Beardsleys eine zentrale Funktion und wird durch seine Spannung als mit der Metapher eng verwandt angesehen: „in oxymoron we have the archetype, the most apparent and intense form, of verbal opposition.“481 Diese Einschätzung ist meines Erachtens sehr sinnvoll, zumal eine inhärente Spannung von vielen Metapherntheoretikerinnen und theoretikern als ein – wenn auch nicht ganz zuverlässiges – Erkennungsmerkmal angesehen wird.482 In einem Großteil der Metaphern gibt es eine Widersprüchlichkeit, in Oxymora ist diese nur besonders stark ausgeprägt, bis hin zur völligen Gegensätzlichkeit. Daher ist es meiner Meinung nach sinnvoll, Oxymora als Unterkategorie von Metaphern zu betrachten. Die am weitesten verbreitete Form des Oxymoron, die Contradictio in adiecto, kann somit als einen Teil der Adjektivmetaphern ausmachend angesehen werden, aber auch andere grammatikalische Formen des Oxymoron lassen sich beispielsweise als Genitiv- oder Kopula-Metaphern auffassen.483 Es ist jedoch zu beachten, dass viele Oxymora durch Konventionalisierung nicht sehr auffällig sind (etwa das Sprichwort „Eile mit Weile“) und ähnlich konventionalisierten Metaphern ihre Widersprüchlichkeit zum Großteil eingebüßt haben.484 4.10. Personifikation Anders als das Oxymoron wird die Personifikation, also die Vermenschlichung von Unbelebtem oder von Tieren, häufig als mit der Metapher verwandt angesehen, unter sie subsumiert und mit ihr gemeinsam behandelt. Teilweise, gerade in der antiken Metapherntheorie, wird sie gar nicht als eigenes Phänomen von der Metapher unterschieden. Aristoteles nennt einige Beispiele von Personifikationen unter denjenigen Metaphern, die vor Augen führen und bei Quintilian gehören sie zur Unterkategorie der Übertragung von Belebtem auf Unbelebtes.485 Auch er betont, dass Personifikationen eine besonders versinnlichende Funktion besitzen.486 Personifikationen werden also nicht explizit von der Metapher geschieden, gehören jedoch zu denjenigen Metaphern, die von antiken Metapherntheoretikern besonders positiv hervorgehoben wurden. Diese hohe Wertschätzung wird auch von einigen modernen Metapherntheoretikerinnen und -theoretikern geteilt, gerade wenn Emotionen oder abstrakte Kon-

481

BEARDSLEY, Metaphorical Twist, 298. S.o., Abschnitt 3. 483 Vgl. Abschnitt 5.1. 484 Vgl. Abschnitt 5.2. 485 S.o., Abschnitt 1.1.4. 486 Vgl. auch LAUSBERG, Handbuch, 287 § 559c. 482

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

zepte personifiziert werden und somit „eine vorstellbare und sprachlich darstellbare Form“487 erhalten. Auch Black scheint Personifikationen einen besonderen Stellenwert einzuräumen, wenn er anmerkt, dass man einem Kind am ehesten anhand von Beispielen, die streng genommen Personifikationen sind, erklären würde, was Metaphern sind.488 Daraus kann man zweierlei ableiten. Erstens handelt es sich bei Personifikationen um eine einfachere Art von Metaphern – einfach deshalb, weil verhältnismäßig leicht entschlüsselt werden kann, was mit ihnen „gemeint“ ist und weil der semantische Bereich des Vehicles in jedem Fall das Menschliche ist. Zweitens sind sie besonders schnell und deutlich als Metaphern erkennbar. Dies liegt vermutlich daran, dass die inhärente Spannung schnell erfasst wird. Wie das Oxymoron in vielen, aber nicht in allen Fällen, eine Unterkategorie der Adjektivmetapher darstellt, so ist die Personifikation häufig, aber nicht immer den Verbmetaphern zuzuordnen. Dabei steht oft ein nicht-menschliches Substantiv in Verbindung mit einem Verb, dessen Konnotationen es normalerweise mit einem menschlichen Subjekt verbinden, so wie etwa in „Der Wind bläst“ – wobei in diesem Fall die Verbindung durch Konventionalisierung bereits weniger spannungsreich wirkt. Obwohl die Behauptung, dass manche Personifikationen sowohl metaphorisch als auch metonymisch verstanden werden können,489 durchaus zutreffend ist, gilt das doch nicht für alle Personifikationen (z.B. nicht für das gerade genannte Beispiel), weshalb ich das metaphorische Verständnis auch in den Grenzfällen für einleuchtender halte. Die Formulierung von Kurz, „daß (viele) Personifikationen auf dem Wörtlichnehmen metaphorischer Bedeutung beruhen“,490 halte ich deswegen für problematisch, weil alle Metaphern – zunächst – „wörtlich“ genommen werden, ansonsten würde sich die charakteristische Spannung nicht ergeben. Dies führt dazu, dass neben Personifikationen viele andere Metaphern und Oxymora anfangs „unsinnige“ geistige Bilder erzeugen. 4.11. Katachrese Der griechische Begriff țĮIJȐȤȡȘıȚȢ (abgeleitet von țĮIJĮȤȡȐȦ) und seine lateinische Übertragung abusio legen zunächst etwas Abwertendes nahe: den übermäßigen Gebrauch oder Missbrauch.491 Gemeint ist damit im klassischen Sinn, dass ein bereits anderweitig etablierter Begriff zur Bezeichnung einer noch unbezeichneten Sache „missbraucht“ wird. Dieser Auffassung zufolge dient die

487

KOHL, Metapher, 90. Vgl. BLACK, Metaphor, 64. 489 S.o., Abschnitt 4.3. 490 KURZ, Metapher, Allegorie, Symbol, 62. 491 Gegen eine auf dieser Etymologie basierenden rein abwertenden Auffassung der Katachrese wendet sich z.B. Black. Vgl. BLACK, Metaphor, 80 EN 8. 488

4. Verhältnis zu anderen sprachlichen Phänomenen

125

Katachrese ausschließlich der Schließung von Lücken im Wortschatz. Quintilian unterscheidet sie stark von Metaphern, „denn um Katachrese handelt es sich da, wo eine Benennung fehlte, um Metapher, wo sie eine andere war.“ (Quint.inst. VIII 6, 35.) Eine derart scharfe Trennung ist jedoch gemeinhin nicht verbreitet, da es als eine klassische Funktion der Metapher angesehen wird, Wortlücken zu schließen. Obwohl auch in moderner Sicht die Katachrese als etwas angesehen wird, das einen Wortmangel behebt492 (ein zeitgenössisches Beispiel für Katachrese wäre etwa die Computer-Maus), kommt, wie Lausberg anmerkt, verstärkt der Aspekt der Vitalität von Ausdrücken hinzu: So kann ein durchaus schon vorhandener eigentlicher Ausdruck durch eine Metapher verdrängt werden, wenn er selbst aus irgendeinem Grunde (etwa durch Homonymie usw.) ‚schwach‘ geworden ist oder wenn die Metapher durch ihren affektischen Gehalt eine expansive Kraft entfaltet.493

Die Katachrese wird damit zu einem häufigen und wichtigen erkenntnisschaffenden Phänomen. Dabei stammen Katachresen vorrangig aus für den Menschen relevanten Bereichen und neigen dazu, das Abstrakte durch konkretere Begriffe zu ersetzen.494 Von einem anderen Blickwinkel aus lässt sich die Katachrese auch als maximal konventionalisierte Metapher definieren.495 Beide Ansätze widersprechen einander nicht, denn da die Katachrese genutzt wird, um Unbenanntes zu benennen oder um eine schwache Benennung eines relevanten Sachverhalts zu ersetzen bzw. zu ergänzen, bürgert sie sich schnell als fester Begriff ein, oder wie Black es ausdrückt: „It is the fate of catachresis to disappear when it is successful.“496 Durch stetige Literalisierung ist die Katachrese bald nicht mehr als solche zu erkennen. Somit stellt die Katachrese im Allgemeinen eine Unterkategorie der Metapher dar und bezieht sich hier auf stark konventionalisierte Metaphern, die eine bestimmte Funktion erfüllen. Allerdings gibt es auch Fälle von metonymischsynekdochischer Katachrese.497 Interessant ist, dass das Konzept der Katachrese durchaus machtvoll ist, denn es kann die Auffassung, dass Metaphern zum „unnormalen“ oder abweichenden Sprachgebrauch gehören, auf den Kopf stellen. Wenn viele der allgemein verbreiteten Ausdrücke auf Katachrese zurückzuführen sind, ist das – neben der Conceptual Theory – ein weiteres Argument dafür, dass unsere Sprache in weiten Teilen metaphorisch geprägt ist.498

492

Vgl. z.B. BLACK, Metaphor, 69. LAUSBERG, Handbuch, 289f. § 562. 494 Vgl. a.a.O. 290. 495 Vgl. a.a.O. 297. 496 BLACK, Metaphor, 69. 497 Vgl. LAUSBERG, Handbuch, 297f. § 577. 498 Vgl. JÜNGEL, Metaphorische Wahrheit, 100f. 493

126

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

5. Klassifizierungen von Metaphern 5. Klassifizierungen von Metaphern

Bereits in den frühesten uns erhaltenen Metapherntheorien wurde der Versuch unternommen, Metaphern zu klassifizieren und Gruppenzugehörigkeiten herauszustellen. So finden sich sowohl bei Aristoteles als auch bei Quintilian vier verschiedene Untergattungen der Metapher je nach Art der Übertragung – wobei beide auf sehr unterschiedliche Weise, mit verschiedenenen Schwerpunkten Klassifizierungen vornehmen. Hinzu kommen zumindest bei Aristoteles weitere Arten von Metaphern, die man als eigene Kategorie hinzufügen könnte, obwohl dies nicht explizit gemacht wird. Es wird also schnell ersichtlich, dass es sehr verschiedene Arten gibt, ein so heterogenes Phänomen wie das der Metapher zu kategorisieren. Dabei können sowohl inhaltliche als auch formale Kriterien eine Rolle spielen. Im Folgenden werden vier verschiedene Arten der Klassifizierung vorgestellt, die entweder in der einschlägigen Forschung weit verbreitet oder für die weiteren Ausführungen hilfreich sind.499 Anzumerken bleibt jedoch, dass die Grenzen zwischen den jeweiligen Unterkategorien meist unscharf sind und eine eindeutige Zuordnung darum nicht immer möglich ist. 5.1. Klassifizierung nach Wortarten Eine naheliegende Möglichkeit der Klassifizierung liegt darin, die in Metaphern verwendeten Wortarten als Kriterium anzuführen.500 Hierbei kann theoretisch sowohl die Wortart des T-Terms als auch die des V-Terms in Betracht gezogen werden, meist liegt der Fokus jedoch auf dem V-Term, der allgemein auffälliger ist. In der Forschung stehen seit der Antike Nominalmetaphern der Kopula-Form „X ist Y“ im Vordergrund. Allerdings gibt es schon für Nominalmetaphern weitaus vielfältigere Ausdrucksweisen als allein die KopulaForm, etwa Genitivkonstruktionen oder Attribute. Daneben wurden bereits Verbmetaphern, zu denen Personifikationen zählen können, wie auch Adjektivmetaphern, unter die bestimmte Formen des Oxymoron fallen, erwähnt. Ebenso kann der V-Term aus einem Adverb oder einer Präposition bestehen. Dabei stellt Goatly eine Art Hierarchisierung auf: Nominalmetaphern sind meist am auffälligsten und ausdruckstärksten, gefolgt von Verbal- und Adjektivmetaphern, während Adverbial- und Präpositionalmetaphern häufig unauffällig und konventionell sind.501 Die Vorrangstellung der Nominalmetaphern begründet er folgendermaßen: „Because they are referring expressions, in the 499 Daneben gibt es natürlich noch eine Reihe weiterer Einteilungen, etwa die Unterscheidung zwischen epiphorischen und diaphorischen Metaphern (Vgl. BERGGREN, DOUGLAS, The Use and Abuse of Metaphor, I, in: The Review of Metaphysics 16 [1962], 237–258. Hier: 241f. und VAN NOPPEN, Einleitung, 36.) und zwischen indication- und descriptionmetaphors. (Vgl. MOOIJ, Study, 130.) 500 Vgl. auch GOATLY, Language, 80. 501 Vgl. a.a.O. 81.

5. Klassifizierungen von Metaphern

127

strictest sense, noun phrases reveal very strongly the clashes between conventional and unconventional reference“.502 Sie sind daher leicht vorstellbar, erzeugen lebhafte Bilder und lassen sich gut einprägen.503 Mit Beardsleys Terminologie könnte man sagen, dass Nominalmetaphern zwar auf Konnotationen beruhen, jedoch weniger stark als Adjektive und Verben. Die Verbalmetapher „Der Wind bläst“ wird etwa nur dadurch als Personifikation verstanden, dass das verwendete Verb als eigentlich von Menschen ausgeführt konnotiert wird. Teilweise entstehen mentale Bilder bei diesen Metaphern erst dadurch, dass ein größerer Teil des semantischen Feldes des Vehicles durch die Konnotationen aktiviert wird.504 Die Konnotationen von Adverbien und Präpositionen sind dagegen häufig sehr weitläufig und somit schwer festlegbar. Hinzu kommt, dass ihr metaphorischer Gebrauch derart konventionalisiert ist, dass er nur selten auffällt. Sie sind am ehesten Ausdruck der konzeptuellen Metaphern nach Lakoff, Johnson und ihren Anhängerinnen und Anhängern. So lässt sich etwa die Warnung „nicht geeignet für Kinder unter drei Jahren“ als Ausdruck der Wurzelmetapher MEHR IST OBEN bzw. ihres Gegenstücks WENIGER IST UNTEN ansehen.505 Obwohl die Hierarchie von Metaphern nach unterschiedlichen Wortarten des V-Term einleuchtet, ist sie doch relativ. Hiermit kann höchstens eine generelle Tendenz beschrieben werden, denn es gibt genug Beispiele von unauffälligen Nominalmetaphern und auch hochgradig innovative Präpositionalmetaphern sind durchaus denkbar. Eine Klassifizierung nach Wortarten kann dennoch sinnvoll sein, da die Metaphern dementsprechend unterschiedliche Wirkungen entfalten und teilweise verschieden funktionieren. Immerhin wurde bereits oben dargestellt, dass viele metapherntheoretische Ansätze lediglich Nominalmetaphern – oder bestimmte Typen von Nominalmetaphern – erklären können. Schließlich macht diese Klassifizierung auch die Vielfalt metaphorsicher Ausdrucksweisen deutlich. 5.2. Klassifizierung nach Konventionalitätsgrad („tote“, „schlafende“, „lebendige“ Metaphern) Die Klassifizierung von Metaphern nach ihrem Konventionalitätsgrad ist die in der Forschung am weitesten verbreitet, wenn auch nicht unumstritten. Bereits bei den antiken Theoretikern findet sich eine zumindest implizit vorhandene Unterscheidung von gemeinhin gebräuchlichen und außergewöhnlich-poetischen Metaphern. Obwohl das bezeichnete Phänomen stets dasselbe ist, ist die Terminologie im heutigen Diskurs sehr variantenreich. Die poetische, auf-

502

Ebd. Vgl. ebd. 504 Vgl. auch a.a.O. 85, jedoch mit einer anderen Erklärung des Phänomens. 505 Vgl. auch a.a.O. 89f. 503

128

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

fällige Metapher, die als solche sofort hervorsticht, wird als „kühn“, „innovativ“, „lebendig“, „kreativ“ bezeichnet, die alltägliche, unauffällige, der man ihr metaphorisches Wesen nicht oder kaum anmerkt als „konventionell“, „lexikalisiert“ oder „tot“.506 Gerade im englischsprachigen Bereich, durch die Rezeption jedoch auch in Deutschland, wird die Bezeichnung „tote Metapher“ bzw. dead metaphor häufig gebraucht, die selbst wiederum eine Metapher darstellt. Ich halte sie allerdings für unglücklich, da sie einerseits einen stark pejorativen Unterton hat und weil damit andererseits den gemeinten Metaphern ein Urteil gesprochen wird, dessen Endgültigkeit keineswegs feststeht. Daher bevorzuge ich den Begriff „konventionelle“ oder „konventionalisierte“ Metapher mit seinem Gegenstück, der „innovativen“ Metapher. In der Conceptual Theory liegt der Schwerpunkt eher auf konventionellen Metaphern, da diese alltäglichen Äußerungen Ausdruck der unserem konzeptuellen System zugrunde liegenden Wurzelmetaphern sind. Die meisten anderen Metapherntheorien sind demgegenüber an innovativen Metaphern interessiert und streben es an, diese zu erklären, während konventionelle Metaphern weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Teilweise werden konventionalisierte Metaphern sogar ganz aus dem Diskurs ausgeschieden, indem ihnen die Metaphorizität selbst abgesprochen wird.507 So hält Black fest: „a so-called ‚dead metaphor‘ is not a metaphor at all, but merely an expression that no longer has a familiar metaphorical use.“508 Und Beardsley bezeichnet sie als „an attribution that has passed from a metaphorical to a literal state because some of its former connotations have become fixed as part of its current designation.“509 Tatsächlich weisen konventionelle Metaphern das ansonsten charakteristische Spannungsmoment nicht oder nur in sehr abgeschwächter Form auf und erfüllen zudem meist andere Funktionen als innovative Metaphern bzw. wirken sich anders auf die Rezipierenden aus. Interessant sind in diesem Zusammenhang Erkenntnisse aus der Hirnforschung.510 Fasst man die Ergebnisse vereinfacht zusammen, so sind konventionelle Metaphern quasi als lexikalische Einheiten im Gehirn „gespeichert“. Um sie zu verarbeiten, ist die linke Gehirnhälfte aktiv. Für innovative Metaphern bedarf es eines weitaus komplexeren Vorgangs, bei dem auch die rechte Gehirnhälfte aktiviert wird. Hieraus lässt sich zwar einerseits schließen, dass konventionelle und innovative Metaphern tatsächlich sehr unterschiedliche Phänomene sind; umgekehrt lässt sich jedoch auch argumentieren, dass wir sie als unterschiedliche Phänomene wahrnehmen, weil unser Gehirn auf unter506

Für eine weiterführende, systematische Auflistung der Begrifflichkeiten vgl. KOHL, Metapher, 57. 507 Vgl. z.B. HENLE, Metaphor, 92. 508 BLACK, More about Metaphor, 439. 509 BEARDSLEY, Aesthetics, 159. 510 Vgl. KOHL, Metapher, 59.

5. Klassifizierungen von Metaphern

129

schiedliche Weise mit ihnen umgeht. Aufschlussreich ist zudem, was mit konventionellen Metaphern geschieht, die innovativ gebraucht werden, etwa, indem sie in einen ungewöhnlichen Kontext gestellt werden. Auch in diesen Fällen wurde rechtsseitige Gehirnaktivität festgestellt. Viele konventionelle Metaphern haben also durchaus Potential dazu, reaktiviert zu werden: „Wenn eine ‚tote‘ Metapher imaginativ ‚belebt‘ wird, so gründet der Effekt nicht in einer neuartigen Verwendung, sondern in der kontextspezifischen Verbindung mit anderen Wörtern, die eine über die automatische Verarbeitung des Lexems hinausgehende Interpretation anregt.“511 Ein Spannungsmoment ist somit wiederum gegeben. Um diesem Potential mancher konventioneller Metaphern Rechnung zu tragen, schlagen einige Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker eine Unterscheidung vor, die über die zwei genannten Klassen hinausgeht. So benennt Black drei Kategorien, extinct, dormant und active metaphors: expressions whose etymologies, genuine or fancied, suggest a metaphor beyond resuscitation (a muscle as a little mouse, musculus); those where the original, now usually unnoticed, metaphor can be usefully restored (obligation as involving some kind of bondage); and those, the objects of my present interest, that are and are perceived to be actively metaphoric.512

Allerdings verwirft er diese Unterscheidung sogleich wieder und zieht seine Differenzierung in „starke“ und „schwache“ Metaphern vor. Dawes greift Blacks Dreiteilung auf und führt als vierte Kategorie zusätzlich hidden metaphors an,513 wodurch letztlich jedoch wieder eine Zweiteilung erfolgt. Goatly führt sogar fünf Untergruppen an: dead, dead and buried, sleeping, tired und active metaphors, wobei er in den folgenden Ausführungen dead und dead and buried metaphors zusammenfasst und die schwer voneinander abgrenzbaren sleeping und tired metaphors unter die Überschrift inactive metaphors stellt – womit er im Grunde Blacks Unterscheidung entspricht. Interessant ist aber, wie er dead und inactive metaphors voneinander abgrenzt: „The difference between Dead and Inactive metaphors ist that the dead ones are perceived by language users as homonyms, as though there are no wires connecting them at all, no possible Grounds for a metaphor […] But with Inactive metaphors the metaphorical connections are in place and may be switched on, in which case the user perceives the word as polysemous.“514 Diese Unterscheidung ist zwar theoretisch durchaus sinnvoll, im weiteren Verlauf allerdings in praktischer Hinsicht irrelevant, weshalb ich auf eine Benennung für eine dritte Kategorie verzichte. Mit „konventionellen“ Metaphern meine ich ausschließlich solche, die als polysem aufgefasst werden können.

511

A.a.O. 61. BLACK, More about Metaphor, 439. 513 Vgl. DAWES, Body, 76. 514 GOATLY, Language, 33f. 512

130

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Eine tiefergreifende Untersuchung von Homonymen, die auf Metaphern basieren können, führt schnell zu etymologischen Spekulationen. Goatly stellt außerdem Diagnosekriterien vor, um festzustellen, ob eine Metapher innovativ oder konventionell ist.515 Zunächst kann man die erwartbare Reaktion auf eine Aussage betrachten, die eine Metapher enthält. Ist eine innovative Metapher enthalten, wird diese Reaktion vermutlich weder aus einer direkten Zustimmung noch aus einer direkten Ablehnung bestehen, sondern eher aus einem Satz wie „Ich verstehe, was du meinst“. Ebenso lassen sich Aussagen mit stark konventionellen Metaphern in verneinte Fragen und Ja-/NeinFragen umformen, sehr innovative jedoch nicht. Je mehr dieser drei Möglichkeiten praktikabel sind, umso konventioneller ist die Metapher. Die Unterscheidung von Metaphern nach Konventionalitätsgrad stieß unter Metapherntheoretikerinnen und -theoretikern nicht nur auf Befürwortung. Richards nennt sie „a device which is very often a hindrance to the play of sagacity and discernment throughout the subject.“516 Ich denke aber, dass dieser Einwand dann unberechtigt ist, wenn die Unterscheidung, wie bei Goatly, keine polarisierende, sondern eine graduelle ist.517 Metaphern nach Konventionalitätsgraden zu unterscheiden, ist wichtig, um, wie in Goatlys Ansatz, die Verwendung von Metaphern in verschiedenen Genres beschreiben zu können. Zudem ist diese Differenzierung für die Analyse von Metaphernkombinationen äußerst bedeutsam. Einerseits können nämlich Metaphernvermischungen dann auftreten, wenn eher konventionelle Metaphern miteinander unbewusst verknüpft werden, da sie den Produzierenden als Metaphern gar nicht mehr auffallen. Andererseits können eher konventionelle Metaphern durch eine ungewöhnliche Kombination innovatives Potential entfalten. 5.3. Klassifizierung nach Grounds Schließlich können Metaphern aufgrund ihrer Grounds unterschieden werden, also nach der Art, wie eine Verbindung zwischen Topic und Vehicle hergestellt werden kann. Zunächst kann formal unterschieden werden, ob der Ground explizit erwähnt wird oder nicht. Ist ersteres der Fall, können weitere Unterscheidungen vorgenommen werden. Goatly unterscheidet verschiedene Grade der Assoziation des genannten Grounds mit Topic und Vehicle.518 Die genannte Eigenschaft kann für Topic und Vehicle jeweils per definitionem notwendig, erwartbar oder möglich (necessary, expected oder possible) sein, woraus sich insgesamt neun verschiedene Kombinationsmöglichkeiten ergeben. Goatly

515

Vgl. a.a.O. 37f. RICHARDS, Metaphor, 56. 517 Vgl. GOATLY, Language, 39, wobei Goatly festhält, dass es eine „qualitative difference in processing between Inactive and original metaphors“ gibt. 518 Vgl. GOATLY, Language, 244–246. 516

5. Klassifizierungen von Metaphern

131

kommt zu dem Schluss, dass die Metaphern am häufigsten und bei den Rezipierenden am erfolgreichsten sind, deren genannter Ground für Topic und Vehicle erwartbar ist oder vom Vehicle erwartbar und für das Topic möglich. Explizite Grounds, die für das Vehicle nur möglich sind, führen dagegen eher zu für Rezipierende unbefriedigende Metaphern und sind allgemein seltener.519 Wie Goatly jedoch selbst bemerkt, geht die Unterscheidung von notwendigen, erwartbaren und möglichen Assoziationen auf „untested intuition“520 zurück. Des Weiteren unterscheidet Goatly explizite Grounds danach, ob sie vor oder nach dem Vehicle genannt werden (pre-posed und post-posed Grounds) und welche Wortart oder grammatikalische Form sie annehmen.521 Dabei kann gerade die Stellung des Grounds einen Unterschied machen, da die Spannung der Metapher weitaus größer ausfällt, wenn der Ground erst nach dem V-Term genannt wird, es also erst zu einer verzögerten „Auflösung“ kommt.522 Metaphern mit expliziten Grounds stellen allerdings eine Minderheit dar. Wie kann man mit den verschiedenen impliziten Grounds umgehen? Ein Problem vieler Metapherntheorien ist, dass sie nur wenige Arten von Grounds zulassen, sich teilweise lediglich auf eine Ähnlichkeit beschränken. Wie ich jedoch bereits mehrfach betont habe, müssen mindestens Ähnlichkeit und Analogie unterschieden werden. Eine Klassifizierung von Metaphern nach Grounds ist sinnvoll, weil sie unterschiedliche Funktionen haben und verschieden auf Rezipierende wirken können. Black nennt neben Ähnlichkeit und Analogie noch drei weitere Arten von Grounds: Identifizierung, Extension und „metaphorical coupling“.523 Auch Searle ist um Differenzierung bemüht und schlägt acht Prinzipien vor, nach denen Metaphern operieren.524 Er geht aber ebenfalls lediglich von Arten aus, wie Ähnlichkeit ausgedrückt werden kann, und beschränkt sich auf die Kopula-Form. Zudem bleiben einige seiner Aufteilungen sehr vage. Überzeugend hingegen ist die Klassifizierung von Wheelwright, die Berggren rezipiert. Er unterscheidet pictorial, structural und textural Grounds.525 Dabei entsprechen die ersten beiden im Grunde genommen Ähnlichkeit und Analogie: pictorial Grounds verweisen auf leicht einsehbare Gemeinsamkeiten, structural Grounds auf Verhältnisrelationen nach dem Schema A:B::C:D. Textural grounds sind „based on a common emotional charge, emotion-like feel or ‚texture‘, which is felt to pervade diverse things, sensa or relations (as

519

Vgl. a.a.O. 266. A.a.O. 245. 521 Vgl. a.a.O. 246–266. 522 Vgl. a.a.O. 256. 523 S.o., Abschnitt 1.2.4. 524 Vgl. SEARLE, Metaphor, 276–281. 525 Vgl. BERGGREN, Use and Abuse, 241. Vgl. auch VAN NOPPEN, Einleitung, 34f. Van Noppen übersetzt die Begriffe mit „bildhaft“, „strukturell“ und „textural“. 520

132

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

in ‚brooding mountains‘, ‚echoing light‘ or ‚the height of nobility‘)“.526 Van Noppen führt ergänzend aus: „Die Grundlage für texturale Metaphern bilden Eigenschaften, die empathischen, synästhetischen oder kinästhetischen Charakter haben, wobei diese Assoziationen zu einem großen Teil kulturell bedingt sein können“.527 Ich halte diese dritte Kategorie für eine gute Möglichkeit, diejenigen Metaphern zu erklären, für die ein Ground durch Ähnlichkeit oder Analogie nur auf sehr unbefriedigende Weise konstruiert werden kann. Ferner erklärt diese Schematisierung, wie unterschiedliche Metaphern verschiedene Funktionen erfüllen, etwa, dass Metaphern mit textural Grounds eher auf die Emotionen der Rezipierenden abzielen, solche mit pictorial Grounds eher auf die bildliche Vorstellung. Zudem ist somit auch eine Vorliebe in der Verwendung innerhalb verschiedener Genres erklärbar: Während Metaphern mit textural Grounds eher in der Poesie gebraucht werden, eignen sich solche mit structural Grounds unter anderem gut für Wissenschaft und Philosophie.528 5.4. Zur Frage nach expliziten und impliziten Metaphern Eine weitere, eher formale Klassifizierung, die in der Forschung weniger häufig vertreten wird, wird von Banschbach Eggen vorgeschlagen, die sich wiederum auf Kubczak beruft.529 Sie unterscheiden explizite und implizite Metaphern. In expliziten Metaphern werden Topic und Vehicle benannt, so zum Beispiel in Kopula-Metaphern oder der Adjektivmetapher „blaues Abendläuten“.530 In impliziten Metaphern hingegen ist nur das Vehicle genannt, das Topic wird höchstens impliziert. Solche impliziten Metaphern, die z. B. als Bestandteil von Gleichnissen vorkommen können, besitzen zwei Eigenschaften: „1) Die implizite Metapher besitzt eine doppelte Referenz. 2) Zum Verstehen einer impliziten Metapher bedarf es einer zusätzlichen Information.“531 Erst durch diese Information kann das Topic erkannt werden. Sie ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem die Metapher verwendet wird, weshalb implizite Metaphern stärker als explizite kontextabhängig sind. Gerade durch die doppelte Referenz wird die implizite Metapher zudem stark in die Nähe des Symbols und der Allegorie gerückt. Meines Erachtens ist eine strikte Unterscheidung von impliziten und expliziten Metaphern meist wenig hilfreich, da die Abwesenheit des Vehicles im Sinne der „vehicle construction“ aufgefasst werden kann. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle können in einer metaphorischen Aussage T-Term und VTerm ausgemacht werden, auch wenn eine solche Identifikation nicht immer 526

BERGGREN, Use and Abuse, 241. VAN NOPPEN, Einleitung, 34. 528 Vgl. BERGGREN, Use and Abuse, 241. 529 Vgl. BANSCHBACH EGGEN, Gleichnis, Allegorie, Metapher, 256. 530 Vgl. a.a.O. 278. 531 A.a.O. 257. 527

6. Markierung und Signalisierung

133

einfach und eindeutig ist. Allerdings gibt es Metaphern bzw. Metaphernkombinationen, die allein auf der Vehicle-Ebene operieren und deren metaphorischer Gehalt sich nur durch den Kontext und das Vorwissen der Rezipierenden erschließt. Dies ist in besonderem Maße bei Erweiterten Metaphern, insbesondere bei Allegorien der Fall. Es kann auch für Gleichnisse oder „Bildworte“ gelten, weshalb „implizite“ Metaphern im Zusammenhang des Neuen Testaments teilweise eine Rolle spielen.

6. Markierung und Signalisierung von Metaphern 6. Markierung und Signalisierung

Metaphern zu formulieren und zu verwenden ist, wie Goatly herausstellt, ein risikoreiches Unterfangen, da die Gefahr besteht, dass sie nicht als Metaphern erkannt werden – Abschnitt 3. hat gezeigt, wie schwierig es ist, ein sicheres Diagnosekriterium für Metaphern zu finden – und somit falsch oder gar nicht verstanden werden. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, besteht darin, Metaphern als solche zu markieren. Goatly zählt eine ganze Reihe von Arten auf, wie diese Signalisierung konkret gestaltet werden kann:532 Explicit Markers, in denen auf den metaphorischen Gehalt der Aussage direkt verwiesen wird (etwa „ein metaphorischer X“, „metaphorisch/figürlich gesprochen“), Ausdrücke wie „sozusagen“, Intensifiers (wie „tatsächlich“, „ganz und gar“, „wörtlich“), Hedges or Downtowners (wie „in gewisser Weise“, „beinahe“) oder Semantic Metalanguage (etwa „in beiden Bedeutungen“, „in jeglichem Sinn“). Weiterhin können Metaphern dadurch kenntlich gemacht werden, dass in der Nähe des V-Terms ein Begriff aus dem Feld der Mimetik oder des Symbolismus gebraucht wird, etwa „Bild“, „Modell“, „Zeichen“, „symbolisch“. Die Überordnungskonstruktionen „eine Art von“ ist ebenfalls ein verbreitetes Mittel zur Signalisierung von Metaphern. Ebenso können Modalverben und Konditionalsätze dazu beitragen, die Allgemeingültigkeit oder den Wahrheitsanspruch einer Aussage zu relativieren, was man ebenfalls als Markierung auffassen kann. Auf formaler Ebene dienen verschiedene Satzzeichen, etwa Anführungszeichen, der Signalisierung. Gerade im Bereich literarischer Werke können kognitive, verbale und perzeptive Prozesse von Charakteren beschrieben werden, wodurch der metaphorische Gehalt einer Aussage deutlich werden kann. Ebenso können hier Metaphern dadurch gekennzeichnet werden, dass sie als Sinnestäuschung, zum Beispiel als Illusion oder Halluzination bezeichnet werden. Schließlich fasst Goatly auch verschiedene Arten von Vergleichen unter die Arten der Markierung, eine Auffassung, die ich jedoch nicht teile, da ich Metapher und Vergleich als distinkte Phänomene ansehe. Auch Goatly gibt

532

184f.

Vgl. für das gesamte Kapitel GOATLY, Language, 182–205; für einen Überblick vgl.

134

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

zu: „the ‚metaphors‘ […] are signalled out of existence, sometimes to the extent of becoming a literal comparison or simile“,533 womit er implizit – gerade durch den Gebrauch der Anführungszeichen – einer strikteren Trennung zustimmt. In seiner sehr umfassenden Untersuchung bezieht Goatly die verschiedenen Arten der Signalisierung auf verschiedene Konventionalitätsgrade und Metaphern mit verschiedenen Auswirkungen auf die Rezipierenden. So kommt er etwa zu dem Schluss, dass Hedges or Downtoners eher bei innovativen Metaphern gebraucht werden, Intensifiers eher bei konventionellen, und dass viele dieser Markierungen dazu beitragen, die Subjektivität der Metapher hervorzuheben. Zudem betrachtet er, welche Auswirkungen der Gebrauch von Markierungen auf die Metaphern selbst hat. In den meisten Fällen wird die Metapher dadurch abgeschwächt, teilweise bis zu dem Punkt, dass sie als Metapher gar nicht mehr wahrgenommen wird. Dies liegt daran, dass es nun einmal der Sinn von Markierungen ist, den Gehalt der Metaphern leichter zugänglich zu machen, was notwendigerweise die Spannung, eines der charakteristischen Merkmale, reduziert. In einigen Fällen, gerade bei den Intensifiers, kann jedoch umgekehrt die Metapher verstärkt werden und gerade konventionelle Metaphern können durch Markierungen überhaupt wieder als Metaphern wahrgenommen werden. Insgesamt lässt sich schwer voraussagen, welcher Effekt im einzelnen Fall auftritt, da der Kontext eine entscheidende Rolle spielt. Die vorgestellten Arten der Markierung und Signalisierung sind meines Erachtens in der Forschung noch sehr wenig berücksichtigt. Sie sind keineswegs mit Kriterien für das Aufspüren von Metaphern zu verwechseln. Viele der genannten Formulierungen tauchen auch in ganz anderen „wörtlichen“ Zusammenhängen auf, wo sie keine Markierungsfunktion erfüllen.534 Außerdem gibt es sehr viele Metaphern, die nicht markiert sind. Goatly bemerkt: „The need to signal metaphors, especially derived and Inactive ones, will depend upon whether the social or situational context or the co-text rule out a literal interpretation.“535 Gerade diese Fragestellung ist auch für Metaphernkombinationen relevant, weshalb Markierungen in diesem Zusammenhang bedeutsam sein können.

7. Funktionen und Auswirkungen von Metaphern 7. Funktionen und Auswirkungen

Die Wirkungen und Auswirkungen von Metaphern auf Rezipierenden und die Funktionen, die Produzierende durch den Gebrauch von Metaphern erfüllt sehen wollen, sind außerordentlich vielfältig. Es ist sogar bis zu einem gewissen 533

A.a.O. 179. Vgl. a.a.O. 183. 535 A.a.O. 180. 534

7. Funktionen und Auswirkungen

135

Grad möglich, allein durch diese verschiedenen Funktionen Metaphern zu klassifizieren.536 Umgekehrt lassen sich zum Teil aufgrund der Formulierung einer Metapher Schlüsse im Hinblick auf ihre Auswirkungen ziehen. In der Antike standen vorrangig – wenn auch nicht ausschließlich – zwei Funktionen der Metapher im Vordergrund: das Schließen von Wortlücken und die poetische Ausschmückung, „to give language color and nuance“.537 Metaphern vermögen somit mehr als „eindeutige“ Sprache. Sie tragen der Tatsache Rechnung, dass das menschliche Vokabular nicht für alles auf der Welt Vorhandene ausreicht,538 oder anders: „they provide a possibility of extending the area of what can be expressed by means of language.“539 Zudem bilden Metaphern Alternativen, wenn die vorhandenen Begriffe als nicht schön, aussagekräftig, mächtig oder subtil genug angesehen werden.540 Eine Metapher erfüllt aber nicht nur aufgrund der Schönheit der verwendeten Worte eine schmückende Funktion, sondern auch durch die häufig mit der Metapher verbundenen Schaffung innerer Bilder, der „Sichtbarmachung“ von auf physischer Ebene Unsichtbarem.541 Somit kann die Metapher auf zweierlei Weise die Sinne ansprechen: „first the direct appeal to the senses in the shape and sound of words, secondly the vicarious enjoyment of sensuous images and impressions in the imagination and memory.“542 Ein weiterer pragmatischer Vorzug der Metapher liegt in ihrer Kürze und der durch sie erfolgenden Fokussierung.543 Sie sind eine ökonomische Möglichkeit, komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. Im Zusammenhang mit dieser Eigenschaft formuliert van Noppen die in der modernen Metapherntheorie zentrale „strukturgebende[…] Vermittlungsrolle zwischen Kognition und Sprache“:544 Die bildhafte Sprache erlaubt aufgrund ihrer Kompaktheit, eine Menge komplexer Informationen in einer einzigen Äußerung zu verdichten und durch sie zu vermitteln; ihre Fähigkeit, durch Zusammenstellung, Kombination und Interaktion vertrauter Elemente neue Bedeutung zu schaffen, erlaubt es ihr, die Grenzen des Bekannten oder Ausdrückbaren zu überschreiten.545

Gerade im jüngeren Metapherndiskurs sticht die Eigenschaft der Metapher heraus, neu begegnende Sachverhalte durch bereits Bekanntes zu beschreiben oder 536 Goatlys Darstellung der unterschiedlichen Funktionen weist in diese Richtung. Vgl. a.a.O. 153–177. 537 HENLE, Metaphor, 83. 538 Vgl. MOOIJ, Study, 13. 539 A.a.O. 9. 540 Vgl. a.a.O. 13. 541 Vgl. KOHL, Metapher, 18 und auch MOOIJ, Study, 157. 542 STANFORD, Greek Metaphor, 45. (Hervorhebungen im Original) 543 Vgl. FEYAERTS/BOEVE, Introduction, 9f.; MOOIJ, Study, 154–156; KOHL, Metapher, 66f. 544 KOHL, Metapher, 64. 545 VAN NOPPEN, Einleitung, 23.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

neue, bisher unberücksichtigte Aspekte eines bekannten Sachverhalts zu entdecken oder hervorzuheben.546 So stellen Metaphern Ähnlichkeiten, Analogien oder allgemeine Verbindungslinien zwischen ansonsten unverbundenen Dingen dar, ja, wie Black betont, teilweise konstituieren sie sogar eine neue Ähnlichkeit oder Verbindung.547 Neben der „Erschließung geistiger Territorien“548 sind Metaphern allgemein auf verschiedenen Ebenen intellektuell stimulierend. Das intellektuelle Vergnügen, das Metaphern bei Rezipierenden hervorrufen kann, erwächst aus: „Animation, Verisimilitude and Vividness, Grandeur, Dignity, Majesty, an Exotic or Foreign Quality, Epigrammatic Point or Paradox, Brevity, Persuasiveness, Emphasis, Illumination or Illustration, and general quality of Charm and Pleasure.“549 Insgesamt betont Stanford, dass Metaphern eher eine intensivierende Wirkung haben und die Aufmerksamkeit verstärkt auf einen bestimmten Sachverhalt lenken. Sie sind daher weniger zur generellen Ablenkung oder Entspannung geeignet.550 Neben der pragmatischen, der schmückend-veranschaulichenden und der intellektuellen Ebene ist auch die emotionale Ebene zu beachten.551 Metaphern können einerseits benutzt werden, um Emotionen der Produzierende, die nicht anders ausgedrückt werden können, zu transportieren und können andererseits teils sehr individuelle Reaktionen bei den Rezipierenden auslösen. Damit verbunden können Metaphern weiter dazu dienen, den Rezipierenden bstimmte moralische Werte zu vermitteln oder sie zu bestimmten Handlungen zu motivieren.552 Sowohl Kohl als auch Goatly führen die Funktionen von Metaphern listenartig auf,553 wobei Kohl anmerkt, dass ihre Darstellung kaum erschöpfend ist und sich die angeführten Funktionen nicht gegenseitig ausschließen.554 Eine der umfangreichsten Darstellungen der neueren Metapherntheorie bilden Goatlys Ausführungen. Er geht von Hallidays drei Metafunktionen „ideational“, „interpersonal“ und „textual“ aus und ordnet diesen dreizehn ausdifferenzierte Funktionen zu, wobei Überlappungen gegeben sind: das Füllen von Wortlücken; Erklärung und Modellierung (was sich hauptsächlich auf die Nähe der 546

Vgl. MOOIJ, Study, 14: „metaphors are powerful tools whenever we are exploring, describing, interpreting or elucidating new situations, because metaphors enable us to describe, interpret and elucidate these situations in terms of what we have described, interpreted and elucidate before“ und 17: „Hence, metaphors are conducive not only to the development of new views, but also to the demolition of old ones.“ 547 Vgl. BLACK, Metaphor, 72. 548 KOHL, Metapher, 67. 549 STANFORD, Greek Metaphor, 39. Stanford nennt zusätzlich die jeweils zugehörigen griechischen Begriffe. 550 Vgl. a.a.O. 128. 551 Vgl. a.a.O. 45; KOHL, Metapher, 68f. 552 Vgl. KOHL, Metapher, 70–72. 553 Vgl. a.a.O. 64–72; GOATLY, Language, 153–176. 554 Vgl. KOHL, Metapher, 64f.

7. Funktionen und Auswirkungen

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Metapher zum wissenschaftlichen Modell bezieht); die Rekonzeptualisierung bereits bekannter Sachverhalte; Argumentation durch Analogie; Ideologie; das Ausdrücken emotionaler Haltungen; Dekoration, Verschleierung und Übertreibung; das Herstellen von Intimität; Humor und Spiele; metaphorische Aufrufe zum Handeln oder zum Problemlösen; Textstrukturierung; Fiktion und schließlich die Steigerung der Einprägsamkeit und Aussagekraft sowie die Hervorhebung von Einzelaspekten. Die meisten dieser Funktionen wurden schon erwähnt, einige sind neu und bedürfen einer kurzen Erläuterung. Dass Metaphern bestimmte Ideologien transportieren können, lässt sich aus vielerlei bereits aufgeführten Aussagen ableiten, wird hier jedoch erstmals explizit dargelegt. Es ist ein Schwerpunkt Goatlys, der zu dem Thema ein eigenes Buch verfasst hat.555 Dabei bezieht er sich hauptsächlich auf konzeptuelle Metaphern nach Lakoff und Johnson und deren Ausgestaltung in konventionellen Alltagsmetaphern, sowie auf das Bild, das dadurch implizit von manchen Sachverhalten gezeichnet wird. Die humorvolle Funktion der Metapher sieht Goatly besonders in dem Grenzbereich zwischen Metapher und Rätsel oder Wortspiel gegeben. Besonders interessant im Kontext dieser Darstellung sind Goatlys Verweise auf die Herstellung von Intimität und Textstruktur durch Metaphern. Intimität wird dadurch hergestellt, dass zum Verständnis bestimmter Metaphern ein quasi esoterisches Wissen nötig ist: „It is as though, because the meaning of the metaphorical expression lies in the knowledge of the speaker rather than directly in the expression itself, the hearer has to penetrate into this knowledge, explore the mind of the speaker and activate in his own mind the implicated assumptions he thinks are in the speaker’s.“556 Dies schafft eine Art Gemeinschafts- oder Zugehörigkeitsgefühl. Die Einsicht darin, dass Metaphern dazu beitragen können, Texte zu strukturieren, ist an sich banal, wird aber in der Forschung weitestgehend nicht oder nur kaum berücksichtigt. Sie ist aber gerade deshalb im vorliegenden Zusammenhang bedeutsam, weil in dieser Funktion Metaphernhäufungen und das Zusammenspiel verschiedener Metaphern zentral sind.557 Hier leistet Goatly einen wichtigen Beitrag zur Spannbreite der Funktionen von Metaphern, indem er auch Funktionen, die den Text und seine Struktur betreffen, mit einbezieht. Auch die Tatsache, dass Metaphern nicht nur veranschaulichende, sondern teils auch verhüllende Funktion haben, hebt Goatly richtig hervor und schafft so ein insgesamt sehr differenziertes Bild. Im Allgemeinen und insbesondere in religiösen Verwendungszusammenhängen bleibt anzumerken, dass, wie auch immer die Intention der Produzierenden ausfällt, eine Metapher verhältnismäßig hohe Risiken birgt, von den Rezipierenden nicht richtig verstanden zu werden. In diesem Fall kann die 555 Vgl. GOATLY, ANDREW, Washing the Brain. Metaphor and Hidden Ideology, Amsterdam: John Benjamins 2007. 556 GOATLY, Language, 169. 557 Vgl. a.a.O. 173.

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Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Funktion oder Auswirkung der Metapher gänzlich konträr zu der sein, die eigentlich intendiert wurde. Eine Metapher kann nicht erkannt oder missverstanden werden, von den Lesenden zu weit entfernt sein und somit von ihnen als bedeutungslos zurückgewiesen werden.558 Gerade bei biblischen Metaphern besteht die Gefahr, dass diese aus dem eigentlichen Kontext gerissen und mit persönlichen Vorstellungen überfrachtet werden.559 Dies ist vor allem bei einem so sensiblen und glaubenszentralen Thema wie den Deutungen des Todes Jesu zu berücksichtigen.

8. Metapher und Wirklichkeit 8. Metapher und Wirklichkeit

Können Metaphern wahr sein? Können sie die Wirklichkeit abbilden? Diese miteinander verbundenen Fragen werden in der Metaphernforschung kontrovers diskutiert und zumeist zusätzlich mit der Frage verbunden, ob Metaphern ohne Bedeutungsverlust in wörtliche Sprache übersetzt werden können.560 Wie die jeweiligen Antwortversuche ausfallen, hängt stark von dem vorausgesetzten Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis ab. Dieses sehr komplexe Feld kann hier nur ansatzweise skizziert werden. Teilweise herrscht große Skepsis darüber, Metaphern überhaupt die Möglichkeit des Wahrheitsanspruches zuzuerkennen, da diese „wörtlicher“ Sprache vorbehalten wird.561 Allerdings hat nicht zuletzt die Conceptual Theory von Lakoff und Johnson gezeigt, dass auch das, was wir im Alltag als „wörtliche“ Sprache bezeichnen, stark metaphorisch geprägt ist, auch wenn uns diese Metaphorizität durch Habitualisierung zumeist nicht bewusst ist. Fraglich ist zudem, ob die Annahme, nur „eigentliche“ Sprache könne wahr sein, nicht von einem naiven Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis ausgeht, das Wirklichkeit als eindeutig beschreibbar ansieht. Loewenbergs Verständnis ist demgegenüber insofern differenzierter, als sie die Zurückweisung des Wahrheitsanspruches von Metaphern aufgrund ihrer Natur begründet: Metaphern würden gar keine Aussage über eine Verbindung von sonst Unverbundenem treffen, sondern formulierten lediglich einen Vorschlag, wie die beiden Bestandteile der Metapher zu sehen seien.562 „In other words, metaphorical ‚seeing-as‘ is not the same as ‚seeing that‘ something is the case.“563 Obwohl diese These für Vergleiche durchaus zutreffen mag, spricht meines Erachtens im Fall von – schwach oder gar nicht markierten – Metaphern die strikte grammatikalische Form gegen sie. 558

Vgl. VAN NOPPEN, Einleitung, 42–45. Vgl. auch a.a.O. 43f. 560 Vgl. z.B. JOHNSON, Introduction, 35. 561 Vgl. a.a.O. 35–38. 562 Vgl. a.a.O. 36. 563 A.a.O. 37. 559

8. Metapher und Wirklichkeit

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Dieser Ablehnung des Wahrheitswerts „uneigentlicher“ Rede gegenüber gehen einige Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker davon aus, dass „wörtliche“ und „metaphorische“ Wahrheit voneinander zu trennen sind, dass Metaphern also, wenn sie die Wirklichkeit denn abbilden, dies anders tun als „eigentliche“ Sprache. Dieser Trennung folgend konstatiert Goodman: „The oddity is that metaphorical truth is compatible with literal falsity.“564 Ganz ähnliche Gedankengänge waren für die Diagnose von Metaphern von Relevanz, auch wenn sie sich als nicht hinreichend erwiesen haben.565 Denn aus Goodmans Festellung lässt sich nicht schließen, dass jede Metapher, wörtlich genommen, unwahr ist, wie das Glashaus-Beispiel zeigt. Bei einigen Metapherntheoretikerinnen und -theoretikern scheint sich Nietzsches allgemeine Skepsis der Wahrheit und dem Vermögen von Sprache gegenüber durchgesetzt zu haben: Alle Worte sind Übertragungen, also Metaphern, und haben als solche nur auf sehr indirekte Weise Zugang zur Wirklichkeit.566 Schließlich ist die Wirklichkeit nicht objektiv, sondern nur aus der jeweiligen persönlichen Perspektive erschließbar, weshalb Wahrheit ebenfalls eine rein subjektive Angelegenheit ist. Diesem konstruktivistischem Ansatz scheint Kohl zu folgen, wenn sie konstatiert: „Diese Wirklichkeit ist so wenig stabil wie unser Denken, unsere Sprache und unser Leben. Die Leistung der bildlichen Sprache besteht in ihrer Fähigkeit, aus diesen unstabilen Bezügen Bedeutung zu schaffen.“567 Ähnlich sieht es auch Black: „some metaphors enable us to see aspects of reality that the metaphor’s production helps to constitute. But that is no longer surprising if one believes that the ,world‫ ދ‬is necessarily a world under a certain description – or a world seen from a certain perspective. Some metaphors can create such a perspective.“568 Das Problem dieser an sich einfach und verlockend klingenden Zugangsweise ist, dass sie schnell zu Relativismus führt und gerade in der Theologie nicht weiterhilft, in der ein objektiver Wahrheitsanspruch nur schwer zu umgehen ist. Als Antwort auf diese konstruktivistischen Ansätze kann Ricœurs Verständnis aufgefasst werden, der sich wiederum auf Husserl und Heidegger bezieht und verschiedene Ebenen der Wirklichkeit unterscheidet. Seine Ausführungen beziehen sich auf poetische Sprache im Allgemeinen, für die die Metapher jedoch charakteristisch ist: Auch die dichterische Sprache redet von der Wirklichkeit, aber auf einer anderen Ebene als die wissenschaftliche Sprache. Sie zeigt keine Welt, die schon da ist wie die beschreibende oder die didaktische Rede; aber in dem Maße, wie dieser Verweisungsbezug erster Ebene zerstört wird, wird eine andere Macht des Sagens von Welt freigelegt, aber auf einer andern 564

GOODMAN, NELSON, Metaphor as Moonlighting, in: Critical Inquiry 6 (1979), 125– 130. Hier: 125. 565 S.o., Abschnitt 3. 566 JÜNGEL, Metaphorische Wahrheit, 84–86. 567 KOHL, Metapher, 18. 568 BLACK, More about Metaphor, 454. (Hervorhebung im Original)

140

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

Ebene von Wirklichkeit. Die Husserlsche Phänomenologie hat diese Ebene als Lebenswelt bezeichnet und Heidegger als ‚In-der-Welt-sein‘. Verbergung der objektiv manipulierbaren Welt und Entbergung der Lebenswelt, des nicht manipulierbaren In-der-Welt-Seins – das scheint mir im Tiefsten die ontologische Tragweite der dichterischen Sprache zu sein.569

Husserls Phänomenologie, auf die hier verwiesen wird, antwortet auf den Konstruktivismus, indem er zurückkehrt zu einer Betrachtung der Dinge, allerdings in der Form, wie sie uns gegeben sind oder uns erscheinen. Der von ihm entwickelte Begriff der Lebenswelt bezeichnet das, was nach der phänomenologischen Reduktion übrig bleibt, also nachdem sämtliche subjektiven Dispositionen des Wahrnehmens abgezogen wurden.570 Wie Ricœur selbst feststellt, bestehen hier Nähen zu Heideggers In-derWelt-Sein. Heidegger spricht Sätzen an sich den Wahrheitsanspruch ab: Sie können zwar richtig oder falsch sein, nicht aber wahr. Wahrheit sieht er als UnVerborgenheit des Seins an.571 Durch die Technisierung, Mathematisierung und Objektivierung der Welt ist diese zunehmend seinsvergessen. Wahrheit vollzieht sich in der Lichtung des Seins, also dann, wenn sich in der seinsvergessenen Welt das Sein offensichtlich macht. Dies geschieht unter anderem in der nicht manipulierbaren und objektivierbaren Kunst, unter die auch die Poesie fällt. Die Poesie setzt Wahrheit ins Werk. Sie tut dies, indem sie die Einheit in der Vielfalt darstellt, die auf das verweist, was allem Seienden gegeben ist. Dies ist in besonderem Maße bei der Metapher der Fall.572 Die Metapher drückt daher laut Heidegger gerade Wirklichkeit aus, was sich aber durch objektiv manipulierbare Zugänge nicht erschließt. Mit der Frage nach der Wahrheit und dem Wirklichkeitsbezug stellt sich umgekehrt auch die Frage, ob eine Metapher falsch sein kann. Goodman unterscheidet metaphorical truth und metaphorical falsity,573 was ich jedoch als problematisch ansehe. Kann eine Metapher überhaupt falsch sein – wenn es nicht intendiert ist? Black schlägt vor, anstatt danach zu fragen, ob Metaphern wahr oder falsch sein können, lieber danach zu fragen, ob sie darstellen können, „how things are“.574 Aus dieser Perspektive heraus ist es seines Erachtens sinnvoller, davon zu sprechen, dass sie korrekt oder inkorrekt, zutreffend oder 569

RICŒUR, Stellung und Funktion, 53. Vgl. zur transzendentalen Reduktion ausführlich ZAHAVI, DAN, Husserls Phänomenologie, Stuttgart: UTB/Mohr Siebeck 2009, 6–45. 571 Vgl. GARBRECHT, OLIVER, Rationalitätskritik der Moderne. Adorno und Heidegger, München: Utz Verlag 1999, 223f. Zum Begriff der Un-Verborgenheit vgl. HEIDEGGER, MARTIN, Sein und Zeit, Tübingen: Max Niemeyer 111967, 219. 572 „Das Metaphorische gibt es nur in der Metaphysik.“ (HEIDERGGER, MARTIN, Der Satz vom Grund, Pfullingen: Günther Neske 1957, 89.) Vgl. auch BUNTFUß, MARKUS, Tradition und Innovation. Die Funktion der Metapher in der theologischen Theoriesprache (Theologische Bibliothek Töpelmann 84), Berlin/New York: De Gruyter 1997, 41–45. 573 GOODMAN, Metaphor, 125f. 574 BLACK, More about Metaphor, 456. 570

9. Zusammenfassung

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unzutreffend sind. Mit Heidegger können jedoch selbst solche Metaphern, die uns in der materiellen Welt als unzutreffend erscheinen, Wahrheit ausdrücken, indem sie eine Wirklichkeit ausdrücken, die sich uns sonst nicht erschließt und die Einheit in gänzlich Unverwandtem aufzeigt.

9. Zusammenfassung: Das in dieser Arbeit vertretene Metaphernverständnis 9. Zusammenfassung

Für ein Verständnis der Metapher im Rahmen der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu und der damit verbundenen Kombinationen von Metaphern sind unterschiedliche Aspekte der vorgestellten Metapherntheorien von Bedeutung. Die Auseinandersetzung mit antiken Theorien zeigt, dass bereits vor und im zeitlichen Umfeld der Abfassung neutestamentlicher Schriften die Metapher als Phänomen erkannt und erörtert wurde. Dabei wurde deutlich, dass sie nicht nur als simples Stilmittel angesehen wurde, sondern es durchaus Ansatzpunkte einer komplexen Betrachtung gab. Die antiken Autoren deuten vielfach an, dass mit der Metapher auch ein Erkenntnisgewinn verbunden sein kann, dass Metaphern allgemein gebräuchlich sind und es doch solche gibt, die in besonderer Weise hervorstechen, und dass es verschiedene Mechanismen gibt, nach denen Metaphern funktionieren können. Selbst die Zuordnung der Metapher zu „fremdartigen“ Ausdrücken, das Element der Fremdheit, das durch die Metapher in die Rede eingefügt wird und das gerade Aristoteles stark macht, kann aus heutiger Sicht bereichernd sein, wenn man es mit dem Konzept der Verfremdung in Verbindung bringt. Die dargestellten gegenwärtigen Metapherntheorien zeigen eine große Vielfalt unterschiedlicher Zugangsweisen auf, aus denen wertvolle Aspekte für die weitere Arbeit mit Metaphernkombinationen und in der Übertragung auf die neutestamentliche Rede vom Tod gewonnen werden können. Für die Ausrichtung des weiteren Vorgehens sind eher philosophische als linguistische Ansätze vorrangig interessant. Das liegt daran, dass weniger die Funktionsweise der Metapher selbst und die Frage, durch welche Mechanismen sie verstanden wird, von Interesse ist, als wie sie wirkt und welche Aussagekraft sie hat. Was sagt sie über die Wirklichkeit aus, bzw. wie schafft sie Wirklichkeit? Wie macht sie das eigentlich Unsagbare zugänglich? Obwohl diese Fragen eher in philosophischen Kontexten diskutiert werden, bieten die stärker linguistisch orientierten Theorien wertvolle Ergänzungen und Vertiefungen, nicht zuletzt weil eine Diskussion unterschiedlicher Metaphernkombinationen vorrangig in der Linguistik stattfindet. Wie der Titel dieses Kapitels deutlich macht, sehe ich in Metaphern ein Zusammenspiel von Widerspruch und Ähnlichkeit. Da diese beiden Konzepte sich gegenüberstehen und normalerweise unvereinbar sind, ist die Metapher

142

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

ein höchst spannungsgeladenes Phänomen. Dies bringt Fiona MacArthur treffend auf den Punkt: In one sense, all metaphorical utterances ௅ whether they are novel or quite conventional among members of a language-speaking group ௅ can be regarded as erroneous, for metaphor regularly violates the rules that hold for denotational reference, or the cooperative conversational maxim of telling the truth. However, […] although a metaphor violates normality, it does so in such a way that it makes sense575.

Viele Metapherntheorien, insbesondere die unterschiedlichen Spielarten der Vergleichstheorie, betonen den Aspekt der Ähnlichkeit stark, gehen auf den Widerspruch jedoch kaum ein. Deswegen ist die Verbal-Opposition-Theorie nach Beardsley in diesem Kontext so gewinnbringend. Sie betont meines Erachtens zu Recht die Spannung und Widersprüchlichkeit als konstitutives Element der Metapher. Eine Metapher ist zunächst eine widersprüchliche Aussage, denn Achill ist ja in Wirklichkeit kein Löwe, Sally kein Eisblock und Jesus kein Lamm. In vielen Fällen macht diese Widersprüchlichkeit es erst möglich, eine Metapher als solche zu erkennen. Durch diese Spannung werden Rezipierende angehalten, Ähnlichkeiten zu suchen oder Verbindungslinien herzustellen. Dementsprechend ist Beardsleys Idee, das Verständnis der Metapher beruhe auf den Denotationen der einzelnen Bestandteile, die aktiviert werden, wenn Konnotationen offensichtlich zu kurz greifen, schlüssig. Allerdings greift seine Erklärung wohl nicht für alle Metaphernarten und in der Darstellung seines Ansatzes wurden einige Schwachpunkte deutlich. Er kann auch dazu verleiten, die Metapher als rein sprachliches Phänomen zu sehen, das wenig Aussagekraft über die Wirklichkeit besitzt. Zudem geht es in Beardsleys Theorie eher darum, wie Metaphern verstanden werden, und weniger darum, wie und warum sie produziert werden. Die Beantwortung dieser Fragen muss durch andere Theorien ergänzt werden. Insbesondere zu der Frage nach dem Warum liefern Lakoff und Johnson eine sinnvolle, wenn auch simple Erklärung: Wir gebrauchen Metaphern, weil wir gar nicht anders können, weil unser Denken und unsere Sprache von Grund auf metaphorisch geprägt sind. Metaphern werden vor allem dann wichtig, wenn etwas Neuartiges ausgedrückt werden soll oder etwas, das durch „wörtliche“ Sprache nicht ausgedrückt werden kann. Dies ist gerade für den Tod Jesu und seine Bedeutung relevant. In Metaphern wird ein (meist komplexer und abstrakter) Sachverhalt durch einen anderen (meist konkreteren) Sachverhalt dargestellt. Die (bewusst oder unbewusst) produzierte Beziehung zwischen disparaten Elementen regt neue Deutungsprozesse an, die Auswirkungen auf beide Sachverhalte (also Topic und Vehicle) haben können (s. Blacks Interaktionstheorie). Eine wichtige durch 575 MACARTHUR, FIONA, Chapter 7: When Languages and Cultures Meet: Mixed Metaphors in Discourse of Spanish Speakers of English, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 133–154. Hier: 135.

9. Zusammenfassung

143

Black vermittelt Erkenntnis ist zudem, dass es in den meisten Fällen unsachgemäß wäre, von einzelnen Worten als Metaphern zu sprechen, sondern dass Metaphern stets auf der Ebene grammatikalischer Strukturen oder ganzer Sätze liegen. Daneben gibt es weitere Elemente der Conceptual Theory nach Lakoff und Johnson, die für den Metapherndiskurs fruchbar gemacht werden können. So werden Metaphern, die stark konventionalisiert sind und kaum als Metaphern wahrgenommen werden, in den Vordergrund gerückt, was eine sinnvolle Erweiterung des Blickwinkels auf Metaphern darstellt. In der hier vorliegenden Untersuchung interessieren sehr stark konventionalisierte Metaphern weniger, und doch stellen konzeptuelle Metaphern eine Bereicherung dar: Man kann durch sie grundlegende Metaphern formulieren, durch die der Tod Jesu verstanden und ausgedrückt wird, die Deutungskomplexe dominieren, sprachlich jedoch auf ganz unterschiedliche Weise artikuliert werden können. In Kapitel 3.6.2 werden drei dieser konzeptuellen Metaphern genauer erklärt: JESU TOD IST EIN LOS- BZW. FREIKAUF (Z.B. AUS SKLAVEREI, GEFANGENSCHAFT), JESU TOD IST EIN KULTISCHES OPFER und JESU TOD IST EINE REINIGUNG.576 Damit sind jedoch die Metaphern, die auf Jesu Tod Bezug nehmen keineswegs vollständig kategorisiert. Die Einzelmetaphern, die auf diese konzeptuellen Metaphern rekurrieren, können dabei sehr unterschiedliche Ausprägungen besitzen. So setzt vermutlich das Motiv der Besprengung mit dem Blut Jesu (vgl. 1Petr 1,2; Hebr 12,24) die konzeptuelle Annahme des Todes Jesu als Opfer voraus. In 1Petr 1,18f. dagegen wird die Gleichsetzung Jesu mit einem Opferlamm sehr deutlich artikuliert. Auch in narrativen Zusammenhängen können derartige konzeptuelle Metaphern eine Rolle spielen. So liegt der Ausgestaltung der Johannespassion offensichtlich die konzeptuelle Metapher JESUS IST EIN PASSALAMM zugrunde. Es ist in dem hier vorliegenden Zusammenhang daher sinnvoll, konzeptuelle Metaphern als eine Art Oberkategorie zu gebrauchen, der unterschiedliche Einzelmetaphern zugeordnet werden können, aber nicht unbedingt müssen. Goatlys Unterscheidung von Vehicle und V-Term, Topic und T-Term kann hilfreich dabei sein, die beiden Ebenen der abstrakteren konzeptuellen Metaphern einerseits und der einzelnen Metaphern andererseits zu unterscheiden, obwohl dies nicht ganz dem Gebrauch dieser Begrifflichkeiten bei Goatly selbst entspricht. Auch Goatlys Ansatz bietet gute Anknüpfungspunkte, wenn auch die Nähe von Metapher und Vergleich, die er konstatiert, meines Erachtens unzutreffend ist. Sinnvoll ist natürlich, dass in seinem Ansatz Metaphernkombinationen bereits enthalten sind.577 Er bettet die Metapher in allgemeine Zusammenhänge ein, betrachtet etwa die Relevanz des jeweiligen Genres bzw. der Gattung, was S.u., Abschnitt 6.2.1.–6.2.3. des dritten Kapitels. Die entsprechenden Kategoriserungen in Abschnitt 2.4. des zweiten Kapitels beruhen zum Großteil auf seiner Einteilung. 576 577

144

Kapitel 1: Die Metapher – zwischen Widerspruch und Ähnlichkeit

deshalb auch in den nachfolgenden Analysen zumindest mit angedacht werden soll.578 Auch für die Kombination von Metaphern kann das Genre ausschlaggebend sein. So gibt es Genres, in denen Metaphernvermischungen eine zentrale Rolle spielen: „the pervasive mixing of metaphor is almost expected within wine reviews as a discursive practice“.579 Für Weinkritikerinnen und -kritiker gehören Metaphernvermischungen somit zum standardisierten Sprachgebrauch, während diesen in anderen Genres weitaus kritischer entgegenegetreten wird. Der Gedanke Goatlys, dass der Gebrauch einer Metapher mitunter ein „riskantes“ Unterfangen darstellt und Produzierende dementsprechend (oftmals unbewusst) abwägen müssen, inwieweit sie von den Rezipierenden verstanden werden, wenn sie Metaphern gebrauchen, ist bereichernd. In diesem Zusammenhang bringt Goatly mit der Markierung von Metaphern einen Aspekt ein, der in der sonstigen Metaphernforschung oft unberücksichtigt bleibt, gerade für die Analyse von Metaphernkombinationen jedoch gewinnbringend sein kann. Auch die anderen diskutierten Ansätze bringen beachtenswerte Einsichten. Die pragmatische Sprechakttheorie betont die Bedeutung des Kontexts bzw. der Situation, in der eine Metapher gesprochen wird. Auch im Neuen Testament erklären sich nicht alle Metaphern ohne den konkreten Anlass, in dem sie gesprochen sind. In Joh 1,29 macht nur die Situation deutlich, dass hier metaphorisch von Jesus gesprochen wird. Ähnlich verhält es sich bei den Einsetzungsworten zum Abendmahl. Um den metaphorischen Gehalt der Aussage zu verstehen, ist eine Kenntnis der konkreten Situation nötig. In der Metaphernstruktur selbst werden die T-Terms durch Pronomen bestimmt (bei Mk und Mt in beiden Einsetzungsworten, bei Lk und in 1Kor nur im Brotwort). Um diese Pronomen und damit die Gesamtmetapher sinnvoll zu füllen, ist eine Bezugnahme auf den narrativen Rahmen wichtig. Auch die Nähe der Metapher als Sprechakt zu Phänomenen wie Lüge und „So-tun-als-ob-Szenarien“ (pretence) ermöglicht eine Erweiterung des Blickwinkels. In der Blending Theory wiederum klingt an, dass der Prozess einer Vermischung in der Metapher möglicherweise schon selbst angelegt ist, ein Aspekt, auf den ich an anderer Stelle ausführlicher eingehen werde.580

578

S.u., Abschnitt 1. des dritten Kapitels GIBBS, RAYMOND W., Introduction, in: Ders. (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, VII–XIV. Hier: XIIf. Vgl. ausführlich auch PARADIS, CARITA/HOMMERBERG, CHARLOTTE, Chapter 9: We Drink with Our Eyes First: The Web of Sensory Perceptions, Aesthetic Experiences and Mixed Imagery in Wine Reviews, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 179–201. 580 S.u., Abschnitt 2.2. des zweiten Kapitels. 579

9. Zusammenfassung

145

Ich gebrauche die Bezeichnung „Metapher“ relativ offen und weit gefasst. Die Ausprägung von Metaphern kann sehr unterschiedlich sein. Obwohl Substantiv- bzw. Kopulametaphern in ihrer Struktur am einfachsten darzustellen sind, muss beachtet werden, dass ein Großteil von Metaphern eben nicht diese einfache Struktur aufweist. Bereits bei Verbmetaphern steht die Analyse vor größeren Herausforderungen. Zudem sollte der Konventionalitätsgrad von Metaphern beachtet werden, da von diesem abhängig gemacht werden kann, inwiefern die der Metapher inhärente Spannung von den Rezipierenden überhaupt wahrgenommen wird. Das heißt also, dass die Metapher an sich ein weit gefasstes, aber auch vielseitiges Phänomen ist, weshalb man bei der jeweiligen Analyse Besonderheiten beachten muss. Auch die Grenzen zu anderen Phänomenen sind unscharf: Oxymoron und Personifikation können als Unterkategorien der Metapher angesehen werden, die Allegorie als Form der Metaphernkombination. Mit der Analogie ist ein möglicher Funktionsmechanismus der Metapher benannt. Eine Abgrenzung nehme ich jedoch zum Vergleich vor, da in diesem eine Spannung oder ein Widerspruch weitaus weniger stark gegeben ist. Geht man von der Kopula-Form aus, so handelt es sich bei einer Metapher um eine Gleichsetzung, beim Vergleich hingegen nur um ein In-BeziehungSetzen. Auch in Metonymien kann der Widerspruch weniger deutlich werden. Die Grenze zwischen Metapher und Metonymie lässt sich aber nicht immer klar ziehen, da sie davon abhängt, wie eng oder weit man ein relevantes semantisches Feld fasst. Meines Erachtens ist wesentlichster Effekt der Metapher, dass ein Sachverhalt durch den „Filter“ eines anderen gesehen wird (auch dies ist ein Aspekt, der in der Theorie Blacks aufkommt). Dementsprechend werden einzelne Elemente des Topics hervorgehoben oder überhaupt erst sichtbar gemacht. Das Vehicle verdeutlicht im Topic Aspekte, die sonst nur wenig Berücksichtigung finden oder gar nicht erkannt werden. Gerade in theologischer Hinsicht ist hier relevant, dass Dinge, die unsagbar erscheinen, auf kreative Weise ausgedrückt werden bzw. dass sich ihnen wenigstens angenähert wird. Wenn bestimmte Elemente durch die Metapher hervorgehoben werden, heißt das im Umkehrschluss auch, dass andere in den Hintergrund treten. Hierin liegt bereits ein Grund für das Aufkommen von Metaphernkombinationen: Durch unterschiedliche Metaphern können verschiedene Aspekte desselben Sachverhalts beleuchtet werden.

Kapitel 2

Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität Nachdem im ersten Teil dieser Studie die diversen Ansätze zum Verständnis von Metaphern und das komplexe Feld der Metaphernforschung sowie das dieser Arbeit zugrundeliegende Metaphernkonzept vorgestellt wurden, werden im zweiten Teil die Kombination von Metaphern und das Verhältnis von Metapher und Hybridität in den Blick genommen. Dazu ist es zunächst nötig, die sehr eng beieinanderliegenden Termini „Mischung“, „Hybridität“ und „Kombination“ und ihre jeweilige Begriffsgeschichte kurz darzustellen. Im sich daran anschließenden Hauptteil dieses Kapitels soll zunächst betrachtet werden, welche Arten von Metaphernkombinationen in der Metaphernforschung bereits berücksichtigt wurden und welche Forschungsdefizite bzw. Engführungen hier bestehen. Dabei ist es von besonderem Interesse, die Entstehung und Verbreitung des Terminus „mixed metaphor“ zu skizzieren und zu untersuchen, inwiefern das Phänomen in der Metaphernforschung einerseits und in Alltagszusammenhängen andererseits thematisiert wird. Im Anschluss daran stelle ich die These auf, dass Hybridität ein Grundcharakteristikum jeder Metapher darstellt und dass somit Metaphernkombinationen als Potenzierung von Metaphorizität gesehen werden müssen – ein Ansatz, der meines Wissens sonst in der Forschung wenig Beachtung gefunden hat. Abschließend werden verschiedene Arten, wie Metaphern mit anderen Stilmitteln oder untereinander kombiniert werden, sowie ein Analyseraster, das die den Metaphern inhärente Hybridität und ihr Kombinationspotential würdigt, vorgestellt.

1. Begriffe und Konzepte 1. Begriffe und Konzepte

Die Begriffe „Mischung“, „Hybrid/Hybridität“ und „Kombination“, bzw. die jeweils zugehörigen Verben, werden in vielen Forschungsbereichen austauschbar gebraucht. Irmela Schneider spricht im Kontext der Hybridisierung von

1. Begriffe und Konzepte

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„Mischungen und Durchdringungen“1 und von „Phänomene[n] der Vermischung und Grenzüberschreitung“.2 Auch Christine Galster bezeichnet die Hybridisierung als „die Überschreitung von Grenzen und die daraus folgende Vermischung von bislang Getrenntem“3 und nennt gleichzeitig „Mischformen“4 und die „Kombination von ehemals als heterogen empfundenen und säuberlich voneinander getrennten Bereichen der Alltagswelt“.5 Ebenso stellt Kien Nghi Ha „Hybridisierung, Vermischung und (Re-)Kombinierung“6 eng nebeneinander. Andererseits sind die Begrifflichkeiten alltagssprachlich unterschiedlich konnotiert und nicht in allen Kontexten ist eine begriffliche Gleichsetzung möglich. Deswegen werden sie im Folgenden getrennt voneinander betrachtet. Da der Gebrauch der Termini in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen diese maßgeblich geprägt hat, ist es erforderlich, auch diese spezifischen Verwendungszusammenhänge zu berücksichtigen. 1.1. Mischung Von den drei Begriffen bzw. Begriffskomplexen, die hier genauer untersucht werden, ist der Begriff der Mischung derjenige, der im allgemeinen Sprachgebrauch die weiteste Verbreitung hat, wobei er oft in Komposita-Strukturen auftaucht (z.B. Farbmischung, Pralinenmischung, Promenadenmischung usw.). Teilweise erhält der Terminus dadurch einen trivialen, manchmal – so im dritten Beispiel – auch abwertenden Unterton. Die allgemeine Gebräuchlichkeit des Begriffs lässt sich auch darauf zurückführen, dass er, anders als die beiden anderen Termini, deutscher wirkt (von mittelhochdeutsch „mischunge“ und althochdeutsch „miscunga“, bzw. für die Verbform von mittelhochdeutsch „mischen“, althochdeutsch „misken“), also weniger wie ein Fachausdruck, obwohl seine Wurzeln ebenfalls im Lateinischen liegen (miscere/mixtum).7 Daneben setzt sich seit dem 20. Jahrhundert zunehmend die germanisierte Form

1

SCHNEIDER, IRMELA, Einleitung, in: Irmela Schneider/Christian Thomsen (Hg.), Hybridkulturen. Medien. Netze. Künste., Köln: Wienand 1997, 7–12. Hier: 7. 2 A.a.O. 12. 3 GALSTER, CHRISTIN, Hybrides Erzählen und hybride Identität im britischen Roman der Gegenwart (Regensburger Arbeiten zur Anglistik und Amerikanistik 45), Frankfurt a.M./ New York: Peter Lang 2002, 15. 4 A.a.O. 16. 5 Ebd. 6 HA, KIEN NGHI, Hype um Hybridität. Kultureller Differenzkonsum und postmoderne Verwertungstechnicken im Spätkapitalismus, Bielefeld: transcript-Verlag 2005, 12. Ähnlich: 40. 7 Vgl. DUDENREDAKTION (Hg.), Duden, das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache, Berlin: Dudenverlag 52014, 564.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

des englischen Äquivalents, „Mix“, durch.8 Der Begriff „Mischung“ ist dabei doppeldeutig: Er kann auf der einen Seite den Prozess des Mischens, auf der anderen Seite das Produkt, Gemisch, bezeichnen, wobei letztere Verwendung häufiger vorkommt. Im zweiten Sinn lässt sich „Mischung“ laut Duden allgemein folgendermaßen definieren: „etwas, was [noch deutlich erkennbare] Bestandteile, Elemente, Eigenschaften von Verschiedenem, Gegensätzlichem, normalerweise nicht zusammen Vorkommendem enthält, aus Gegensätzlichem besteht“.9 Durch die Einklammerung und Aufzählungsketten wird der vage Gehalt dieser Definition ersichtlich. So urteilt dann auch Kapitza: „Das Wort Mischung hat im heutigen Sprachgebrauch keinen Bezugspunkt, von dem aus es einen fest umrissenen Bedeutungsgehalt bekäme. Es ist einer unbegrenzten Verwendung fähig, und zwar überall dort, wo man eine Vereinigung mehrerer Bestandteile – gleich welcher Art – ausdrücken will, nicht aber die genaue Verhältnisbestimmung dieser Teile.“10 Diese Problembestimmung macht deutlich, dass die Einheit der durch das Mischen entstandenen Größe nicht im Vordergrund steht, und passenderweise fehlt diese auch in der Definition des Dudens. Die einzelnen Teile der Mischung hängen hauptsächlich äußerlich zusammen, sind disparat. Es entsteht eher eine Akkumulation von bekannten Bestandteilen als ein innovatives Neues. Hieraus lässt sich ableiten, warum der Begriff im Kontext der Philosophie oder genereller geistiger Betätigung negativ konnotiert ist: „Das Gemischte ist das Sekundäre, Abgeleitete, mithin also das weniger Originale, das weniger Reine.“11 Besonders erhellend ist die Begriffsverwendung in der Chemie, durch die auch der allgemeine Sprachgebrauch beeinflusst wurde. Die Disziplin Chemie, die sich in der Neuzeit zur mit ihrer heutigen Ausprägung vergleichbaren Naturwissenschaft herausbildete, lässt sich laut Kapitza vorrangig durch die Tätigkeiten Mischen und Scheiden charakterisieren.12 Allerdings betont Kapitza, dass der chemische Terminus „Mischung“ im Sprachgebrauch seines Untersuchungszeitraums, der Frühromantik, eher mit dem heutigen Begriff „Verbindung“ gleichgesetzt werden könne, somit eindeutig positiv besetzt sei und – entgegen der obigen Ausführung – eine neue Einheit evoziere.13 Kapitza ist 8 Vgl. a.a.O. 567: „Das Verb mit der Bed. „mischen“ (z.B. einen Cocktail) wurde im 20. Jh. aus gleichbed. engl. to mix entlehnt. Das engl. Verb ist aus engl. mixed (älter mixt) ‚gemischt‘ rückgebildet, das über afranz. mixte auf lat. mixtus, das Part. Perf. von lat. miscere ‚mischen‘ zurückgeht.“ (Hervorhebungen im Original) 9 DUDENREDAKTION, Universalwörterbuch, 1220. 10 KAPITZA, PETER K., Die frühromantische Theorie der Mischung. Über den Zusammenhang von romantischer Dichtungstheorie und zeitgenössischer Chemie (Münchener Universitäts-Schriften. Philosofische Fakultät 4), München: Max Hueber 1968, 11. 11 Ebd. 12 Vgl. a.a.O. 23. 13 Vgl. a.a.O. 12f. Als negativer Terminus wird demgegenüber das Gemenge angeführt. Vgl. a.a.O. 145–147.

1. Begriffe und Konzepte

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vorrangig daran interessiert, wie der chemische Terminus der Mischung im metaphorischen Sinn von den frühromantischen Autoren zur Beschreibung literarischer und philosophischer Zusammenhänge gebraucht wurde. Hierbei sei die Erkenntnis treibend, dass die Schönheit des Ganzen sich nicht allein aus der Zusammensetzung schöner Einzelteile ergibt, dass es also tatsächlich der Fusion zu etwas Neuem bedarf.14 Den Frühromantikern und der zeitgenössischen Chemie zufolge ist für die Mischung eine gewisse Anziehung der einzelnen Elemente notwendig. Dies ist aber nur bei Unähnlichem der Fall, da Gleichartiges nicht nach Vereinigung strebe, sondern eher nach oberflächlicher Ko- oder Adhäsion:15 „In der zeitgenössischen Lehre von der chemischen Verwandtschaft ist eingeschlossen, daß eine chemische Verbindung oder Mischung nur zwischen qualitativ verschiedenen, also heterogenen Stoffen zustande kommt.“16 Zudem sei anzumerken, dass die an der Mischung beteiligten Stoffe ggf. ihren Zustand ändern müssten (eine Mischung fester Stoffe ist nicht möglich) und Mischungen in der Regel nicht von sich aus geschehen, sondern der – menschlichen – Intervention bedürften.17 Teilweise seien auch Kräfte der Vermittlung möglich, die zu den zu vermischenden Stoffen affin sind, wenn die Affinität dieser Stoffe zueinander nicht vorliegt oder nicht ausreicht.18 Das Ergebnis der Mischung zeichne sich schließlich durch völlige gegenseitige Durchdringung der beteiligten Stoffe aus.19 Es sei anders als die Komponenten, aus denen es bestehe, und diese seien nicht mehr unterscheidbar.20 Somit bezeichne die Mischung der Frühromantik – sowohl im chemischen Grundsinn als auch als metaphorisch erweiterter Terminus – ein neues, homogenes und ausgewogenes Ganzes, das zumeist als qualitativ höherwertig eingestuft wird als die „einfachen“ Bestandteile.21 Nicht zuletzt zeichne sie sich durch einen höheren Grad an Individualität und Originalität aus. Während in der Frühromantik die Mischung mit der Verbindung, also einer Art des Reinstoffs, gleichgesetzt wird, versteht die heutige Chemie eine Mischung bzw. ein Gemisch als etwas, das aus mehreren Reinstoffen zusammengesetzt ist. Damit wird stärker deutlich, dass unterschiedliche Elemente zusammenwirken. Möglicherweise erklärt sich hieraus die Konnotation der Disparität und der teilweise vorhandene negative Unterton, wenn in der Alltagssprache von einer Mischung die Rede ist. Der Terminus ist jedoch nicht immer klar definiert und verfügt über eine bewegte Begriffsgeschichte. Gleiches gilt auch für den Hybriditätsbegriff. 14

Vgl. a.a.O. 35. Vgl. a.a.O. 44f. 16 A.a.O. 69. 17 Vgl. a.a.O. 94. 18 Vgl. a.a.O. 126f. 19 Vgl. a.a.O. 106. 20 Vgl. a.a.O. 137–139. 21 Vgl. a.a.O. 176. 15

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

1.2. Hybrid/Hybridität/Hybridisierung In der derzeitigen Debatte um Mischformen und -verhältnisse kommt man um den Terminus „Hybridität“ mit seinen verschiedenen Derivaten nicht herum, der gerade in den Kulturwissenschaften und damit auch in der Literaturwissenschaft und Linguistik in den vergangenen Jahren einen erheblichen Aufschwung erlebt hat.22 Im Gegensatz zu dem teils pejorativ-trivialen Beigeschmack des Begriffs der Mischung hat der Hybriditätsbegriff eine zumeist sehr positive, moderne, intellektuell anspruchsvolle Konnotation, was vor allem durch seine Verbreitung im technischen Bereich (z.B. „Hybridtechnologie“) begünstigt wird. Durch derartige Verwendungen gewann der Begriff auch in der Alltagssprache an Einfluss, wobei er konnotativ deutlich von der einfacheren „Mischung“ oder dem „Mix“ unterschieden wird. Zudem scheint im Gegensatz zu diesen Ausdrücken stärker die Einheitlichkeit des Produkts, eine Neuschöpfung, impliziert zu sein, was die positiveren Anklänge erklären kann.23 Von Vorteil ist bei diesem Terminus, dass eine stärkere Differenzierung möglich ist. Die verschiedenen Bedeutungen, die „Mischung“ haben kann, werden durch unterschiedliche Begriffe beschrieben: „Hybridisierung“ bezeichnet den Prozess, „Hybridität“ dann das Ergebnis im abstrakten und „Hybrid“ im konkreten Sinn, also beispielsweise bezogen auf eine Person oder eine bestimmte Sache.24 Trotz dieser stärkeren begrifflichen Klarheit birgt der Ausdruck, gerade weil er sich in letzter Zeit immer weiter verbreitet und damit in sehr verschiedenen Bereichen Verwendung gefunden hat, neben vielen Chancen auch einige Risiken: Aufgrund seines weit gefaßten, mit unterschiedlichen Inhalten assoziierbaren Charakters verfügt es [das Konzept der Hybridität, S.N.-R.] über großes theoretisches Erkenntnispotential. Gleichzeitig unterliegt der Terminus Hybridität aber gerade aufgrund seiner Flexibilität der Gefahr, zu einem schwammigen Modebegriff zu werden, der über mangelnde Differenzierung hinweg täuschen soll.25

22 Dies zeigt bereits der Titel von Kien Nghi Has einschlägiger Studie auf eindrucksvolle Weise: „Hype um Hybridität“. (s.o.) 23 Die Duden-Definition macht dieses jedoch nicht deutlich. Der Begriff „Hybrid“ steht hier mit „Mischung; Gebilde aus zwei od. mehreren Komponenten“ synonym. DUDENREDAKTION, Universalwörterbuch, 913. 24 Vgl. auch GALSTER, Hybrides Erzählen, 34. Natürlich ist eine derartige Differenzierung auch beim Mischungsbegriff theoretisch möglich, wenn man etwa den Prozess als „Mischen“ und das Ergebnis als „Gemisch“ bezeichnet. In der Praxis kommt diese Ausdifferenzierung aber außerhalb des naturwissenschaftlichen Bereichs sehr selten vor. 25 A.a.O. 35.

1. Begriffe und Konzepte

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Da der Begriff eine bewegte Geschichte besitzt, die nicht nur, wie in heutiger Zeit, positiv konnotiert ist, soll diese kurz skizziert werden.26 „Hybrid“ stammt vom lateinischen „hybrida“ bzw. „hibrida“ ab, was wiederum eine etymologische Verwandtschaft zum griechischen ੢ȕȡȚȢ (hybris) nahelegt.27 Letzteres kann einerseits als „Übermut, Frevelmut, Hochmut“, andererseits als „(frevelhafte) Untat, Gewalttätigkeit, Misshandlung, Beschimpfung, Kränkung gegen jem.“28 übersetzt werden. Der Terminus „Hybris“ ist in der Antike insofern bedeutsam, als er denjenigen menschlichen Zug charakterisiert, durch den der Mensch sich selbst ins Verderben führt. „Im Gegensatz zu den äußeren Gefahren der Natur symbolisiert sie [die Hybris, S.N.-R.] als Sinnbild die selbstverschuldete Gefährdung des Menschen durch seine innere Natur, die sich selbst existentiell bedroht, indem sie metaphysische Ordnungen in Frage stellt.“29 Seit Aristoteles wird damit die Eigenschaft des tragischen Helden bezeichnet, die zu seinem schlussendlichen Untergang führt.30 In der Hybris ist somit gleichsam eine Grenzüberschreitung impliziert, sei es gegenüber den Gottheiten, der Natur oder den von Menschen gesetzten Regeln. Durch die Hybris wird der Mensch dazu verleitet, seinen ihm in der Welt zugewiesenen Platz zu verlassen, was schließlich fatale Konsequenzen nach sich zieht. Eine ähnliche Grenzüberschreitung stellen in der Mythologie die sexuelle Vereinigung verschiedenartiger Fabelwesen und die aus solchen Verbindungen resultierenden Abkömmlinge dar. So wird der lateinische Begriff hybrida vorrangig für derartige Mischwesen verwendet, die in mythischen Texten häufig als Gegner und – gerade wenn sie einen menschlichen Anteil haben – als hässlich oder furchterregend dargestellt werden.31 Der Hybridbegriff bzw. mit ihm etymologisch verwandte Begriffe waren also in der Antike prägend, verloren aber anschließend deutlich an Relevanz. Obwohl die mit ihnen bezeichneten oder assoziierten Sachverhalte nach wie vor bedeutsam waren, wurden andere Termini, vor allem der des „Bastards“ bzw. der „Bastardisierung“ vorgezogen, auch im metaphorischen Sinne, etwa auf Gedankenstrukturen bezogen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts tauchen „Hybrid“ und verwandte 26

Vgl. dazu Kien Nghi Has Einschätzungen: „Die derzeitige Popularität sowie die Aufund Umwertung von Hybridität ist ein Vorgang, der in einem eigentümlichen Gegensatz zu ihrer bisherigen Kulturgeschichte steht.“ und „Der Umschlag von einem negativen Sinnbild zu einem faszinierenden catch word mit einem produktiven Image, der seine unheimliche Seite verdrängt, ist jedoch erst in jüngster Zeit zu beobachten.“ (HA, Hype um Hybridität, 17.14.) 27 Vgl. GEORGES, KARL-ERNST, Der Neue Georges. Ausführliches Handwörterbuch Lateinisch-Deutsch, bearbeitet v. Tobias Dänzer, hg. v. Thomas Baier, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2013, 2346. 28 GEMOLL/VRETSKA, Gemoll, 809. Vgl. auch LIDDELL/SCOTT/JONES, Greek-English Lexicon, 1841. 29 HA, Hype um Hybridität, 17. 30 Vgl. a.a.O. 18. 31 Vgl. ebd.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Begriffe nur vereinzelt auf32 und wenn sie begegnen, sind sie noch nicht rassistisch geprägt, wenngleich sie bereits Anfang des 19. Jahrhunderts vereinzelt auf Menschen bezogen gebraucht werden.33 Offenbar leitete Gregor Mendels 1866 veröffentlichtes Werk Versuche über Pflanzenhybride, das um 1900 verstärkte Aufmerksamkeit auf sich zog, eine Renaissance des Hybridbegriffs ein und löste zumindest in der Biologie den Terminus „Bastard“ ab.34 Auch Charles Darwins On the Origins of Species (1859) enthält ein Kapitel zu „hybridism“.35 Von der Biologie aus erhielt der Begriff somit wiederum Einzug in die damals aktuellen Kolonialismusdiskurse und damit verbundene „Rassentheorien“. „Anders als der Fortschrittsglaube es nahe legt, wurde mit der Verwissenschaftlichung die angstbesetzte Negativbedeutung des Hybriden in religiösen und ‚rassischen‘ Kontexten nicht korrigiert, sondern verstärkt auf wissenschaftliche und kulturelle Diskurse übertragen.“36 Im 19. Jahrhundert wurde der Hybriditätsbegriff also nun wieder verwendet, allerdings erneut – oder immer noch – mit stark negativen, bedrohlichen Konnotationen: Als rassistisch geprägte Argumentationsfigur und zugleich angstbesetztes und verführerisches Phantasma sexueller Kontakte zwischen verschiedenen Rassen – häufig galten „Mischlinge“ als die schönsten Menschen überhaupt – findet sich Hybridität in den Debatten über die Sklaverei, in der Typenlehre und Eugenik sowie in antisemitischen und nationalsozialistischen Texten.37

Hybridität impliziert somit ganz eindeutig Unreinheit. Die Frage bleibt also, wie es zur Umdeutung in ein Modewort mit positiven Assoziationen gekommen ist. Hierfür sind drei Entwicklungen bedeutsam: Zunächst die – positive – Verwendung des Ausdrucks in den Naturwissenschaften und in der Technik, dann – wohl davon beeinflusst – die Ummünzung des Terminus im Zuge des Postkolonialismus und schließlich das Aufkommen der Postmoderne. Obwohl Hybridität ein inzwischen gängiges Konzept der Kulturwissenschaften ist, rührt die Verbreitung des Begriffs, wie oben angeführt, aus seiner Dominanz im naturwissenschaftlichen Bereich her, wobei er inzwischen nicht nur in der Biologie, dem ursprünglichsten Bereich, verwendet wird, sondern in diversen Disziplinen, von der Chemie bis hin zur Gentechnik.38 Vgl. a.a.O. 18–20. ACKERMANN, ANDREAS, Das Eigene und das Fremde: Hybridität, Vielfalt und Kulturtransfers, in: Friedrich Jaeger/Jörn Rüsen (Hg.), Handbuch der Kulturwissenschaften, Bd. 3: Themen und Tendenzen, Stuttgart/Weimar: Metzler 2004, 139–154. Hier: 141. 34 Vgl. HA, Hype um Hybridität, 29f. Die Gleichsetzung dieser beiden Begriffe lässt sich auch daran erkennen, dass sie jeweils in lateinischen und deutschen Pflanzennamen äquivalent gebraucht werden. 35 Vgl. YOUNG, ROBERT J.C., Colonial Desire. Hybridity in Theory, Culture and Race, London/New York: Routledge 1995, 11. 36 HA, Hype um Hybridität, 30. 37 ACKERMANN, Das Eigene und das Fremde, 141. 38 Vgl. HA, Hype um Hybridität, 40. 32 33

1. Begriffe und Konzepte

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Als technisch-naturwissenschaftlicher Terminus bezeichnet ,hybrid‘ meist Prinzipien oder Modelle, in denen mindestens zwei verschiedene, vormals voneinander getrennte Systeme, Organismen, Bereiche oder Entitäten miteinander kombiniert oder gemischt werden, die dann ein neues, in sich differenziertes Ganzes ergeben. Durch diese Vorgehensweise können dynamische Strukturen und nicht festgelegte Formen des Uneinheitlichen konstruiert werden, die sich aus unterschiedlichen Anteilen zusammensetzen und immer wieder neu konfiguriert werden können.39

Aus dieser naturwissenschaftlichen Definition wird ersichtlich, dass deutlich das „neue Ganze“, das durch die Hybridisierung entsteht, in den Vordergrund gerückt wird. Gerade im naturwissenschaftlich-technischen Bereich steht das Hybride für das Innovative, das durch Kombination bekannter Ressourcen entsteht und damit neue, aufregende Möglichkeiten bietet. Dies erklärt leicht die positiven Implikationen des Begriffs, die damit auch auf die Alltagssprache, sowie auf die Fachsprache im kulturwissenschaftlichen Bereich, überschwappt: „Durch die naturwissenschaftliche Brille lernt die Gesellschaft den abstrakten Begriff ‚hybrid‘ als ahistorisches Gebilde mit technologischen Sinnbezügen kennen. Mittels der vermittelten Inhalte und Bilder werden positive Assoziationsketten aufgebaut, die dem Hybridbegriff ein bestimmtes Bedeutungsprofil oder Image verleihen.“40 Das positive Aufgreifen des Hybriditätsbegriffs im Postkolonialismus ist deshalb relevant, weil er dadurch Einzug in andere kulturwissenschaftliche Disziplinen, insbesondere in die Literaturwissenschaft, fand.41 Wie oben bereits erwähnt, wurde der Ausdruck bereits früh in kolonialen Kontexten verwendet, wohin er durch die Biologie gelangte, jedoch vorrangig mit negativen Implikationen, im Kontext von „Rassenvermischung“. Eine Ummünzung fand der Begriff dann in den Postkolonialismusstudien ab ca. 1980, gemeinsam mit den Beinahe-Synonymen Kreolisierung und Synkretismus.42 Insbesondere Homi Bhabha, einer der wichtigsten Vertreter der Postcolonial Studies, ge-

39

Ebd. Bemerkenswert ist wiederum die in der Formulierung dieses Zitats dargestellte Nähe von Kombination, Mischung und Hybridität. 40 A.a.O. 41. 41 Vgl. GALSTER, Hybrides Erzählen, 18.29. Noch vor der Verwendung des Terminus in den Postcolonial Studies wurde er laut Ackermann in kulturwissenschaftlichen Zusammenhängen erstmals von Robert Ezra Park verwendet. In seinem Buch Human Migration and the Marginal Man (1928) beschreibt er den titelgebenden marginal man gerade als ein hybrides Wesen. Dabei steht das Werk im Kontext der Stadt- und Migrationssoziologie. Auf die Verbreitung des Hybriditätsbegriffs in den Kulturwissenschaften hatten Parks Ausführungen jedoch weitaus weniger Einfluss als die Postcolonial Studies. (Vgl. ACKERMANN, Das Eigene und das Fremde, 141f.) 42 Vgl. GALSTER, Hybrides Erzählen, 30. Zum Hybriditätsbegriff in den Postcolonial Studies vgl. ferner GOETSCH, PAUL, Funktionen von „Hybridität“ in der postkolonialen Theorie, in: Literatur in Wissenschaft und Unterricht 30 (1997), 135–145.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

braucht in seinen Werken den Begriff Hybridität als Leitwort zu „Identitätsformationen und Identitätskonstruktionen innerhalb des kolonialen Diskurses“.43 Dabei ist der Begriff bei Bhabha aus unterschiedlichen Gründen schwer fassbar. Zunächst liefert Bhabha keine präzise Definition: Passagen, in denen der Begriff Hybridität explizit definiert wird, sind sehr selten in Bhabhas Text, dafür wird Hybridität sehr häufig als Qualität anderen Konzepten zugeschrieben. Auf diese Weise kommt es dazu, dass sich Hybridität eher in Kontexten eingebunden findet und weniger eine Sache an und für sich darstellt, so dass wenig Raum für aktive Gerichtetheit verbleibt. Hybridität, so signalisiert es Bhabhas Grammatik, ist eine Art Oberflächenstruktur, die die Situationalität ihrer Existenzzusammenhänge vorbestimmt.44

Außerdem scheint Hybridität bei Bhabha nicht synonym mit Mischung zu sein, sondern beschreibt eher eine „gegenseitige Kontaminierung“45 oder ist analog zu einer chemischen Reaktion.46 Sie steht in enger Verbindung zu Bhabhas Konzepten der Ambivalenz47 und des „Dritten Raums“.48 Bhabha betont zudem: „Hybridisierung ist […] für mich ein Prozess, eine Bewegung und dreht sich nicht um multiple Identitäten“.49 Gerade diese Dynamik macht das Konzept jedoch schwer greifbar. Fludernik und Nandi kommen zu dem Schluss, dass Hybridität bei Bhabha mindestens zwei verschiedene Bedeutungsebenen besitzt: a) Hybridität als Zustand (post?)kolonialer Kultur und kolonialer Diskurse und b) Hybridität als Funktion, die an bestimmten Orten und Schauplätzen tätig wird, jedoch nicht an diese gebunden ist. In der letztgenannten Verwendung ist das Konzept der Hybridität zugleich ein Zustand des Gespaltenseins und ein Agens, das die Spaltung am Ort seiner (vorläufigen?) Lokalisierung bewirkt.50

Die Schwierigkeiten, den Begriff der Hybridität bei Bhabha zu fassen, und seine Vielschichtigkeit zeigen auf eindrückliche Weise, welche Problematik 43 BABKA, ANNA/POSSELT, GERARD, Vorwort, in: Homi K. Bhabha, Über kulturelle Hybridität. Tradition und Übersetzung, hg. und eingeleitet von Anna Babka und Gerald Posset, Wien/Berlin: Turia + Kant 2012. Hier: 8. 44 FLUDERNIK, MONIKA/NANDI, MIRIAM, Hybridität. Theorie und Praxis, in: Polylog 8 (2001), 7–24. Hier: 14. (Hervorhebung im Original) 45 A.a.O. 11. 46 Vgl. ebd. Dazu auch Bhabha selbst: „Hybridisierung heißt für mich nicht einfach Vermischen, sondern strategische und selektive Aneignung von Bedeutungen, Raum schaffen für Handelnde, deren Freiheit und Gleichheit gefährdet sind.“ („Migration führt zu ‚hybrider‘ Gesellschaft. Homi K. Bhabha im Interview mit Lukas Wieselberg, ORF-Science.“ zitiert in: BABKA/POSSELT, Vorwort, 13.) 47 Vgl. a.a.O. 15. 48 BABKA/POSSELT, Vorwort, 9. 49 BHABHA, HOMI K., Round-Table-Gespräch, in: Ders., Über kulturelle Hybridität. Tradition und Übersetzung, hg. und eingeleitet von Anna Babka und Gerald Posset, Wien/ Berlin: Turia + Kant 2012, 61–77. Hier: 66. 50 FLUDERNIK/NANDI, Hybridität, 16.

1. Begriffe und Konzepte

155

und Ungenauigkeit mit dem Hybridtätskonzept in der Kulturwissenschaft verbunden sein kann. Gleichzeitig offenbart sich hierin sein Reiz, insbesondere in den Postkolonialismusstudien. Seine Befürworter und Befürworterinnen gebrauchen den Terminus in einer zu seiner Geschichte konträren Funktion, um Homogenisierungstendenzen aufzubrechen sowie um die Vielschichtigkeit und Ambivalenz jeglicher Kultur aufzuzeigen. Der Hybriditätsbegriff „artikuliert die Erfahrungen einer Gesellschaft, in der die Verschiedenheiten der sich in sie einspeisenden Kulturen, ihre différance, nicht assimiliert wird, sondern in der diese gleichzeitig nebeneinander existieren, einander durchdringen und bereichern. […] Hybride Gesellschaften verweigern sich einer kulturell-ideologischen Homogenisierung.“51 Bereits im 19. Jahrhundert implizierte Hybridität Unreinheit – nun wird dieser Begriff gerade genutzt, um gegen unzureichende und simplifizierende Reinheitsvorstellungen zu polemisieren.52 Denn: Da keine Kultur von der globalen Zirkulation von Menschen, Dingen, Zeichen und Informationen unberührt geblieben ist, ist Kultur heutzutage generell hybrid und wird zum Ort des Widerstreits zwischen Repräsentationen von Identität und Differenz. Daher das Interesse der postkolonialen Theorie an Übergängen und Brüchen mehr als an Ursprung und Einheit, an Differenz statt Identität.53

Damit zeigen sich die Postcolonial Studies als Kind ihrer Zeit. Besonders beliebt – wenn nicht gar charakteristisch – sind das Konzept und damit auch der Begriff der Hybridität nämlich in der Postmoderne,54 die die grundsätzliche Komplexität, Fragilität und Uneindeutigkeit von Identität in den Vordergrund rückt. Der Hybriditätsbegriff ist dabei Ausdruck der positiven Neubewertung von Differenz: Alternativ zu den tradierten Ideen der europäisch geprägten Moderne baut Hybridisierung nicht auf ausschließliche Prinzipien wie Singularität und Totalität auf, sondern geht von einer irreduziblen Differenz und Uneinheitlichkeit aus. Statt mit ausschließenden Gegensatzpaaren und binären Mustern zu operieren, werden liminale Konzepte der Grenzauflösung und third spaces favorisiert. Mit dem Wandel der Wahrnehmungsweise ist eine Neuorientierung verbunden, die statt von der fiktiven Bewahrung imaginärer Einheit und Authentizität nun von der Dynamik der Vermischung ausgeht. Dieses veränderte Verhältnis zur Differenz, das den Anderen nicht mehr per se außerhalb des Selbst verortet und ausgrenzt, könnte weitreichende und widersprüchliche Folgewirkungen auslösen.55

51

Vgl. GALSTER, Hybrides Erzählen, 30. Vgl. ACKERMANN, Das Eigene und das Fremde, 143. Ähnlich 148: „Der Begriff der Hybridität erscheint in diesem neuen Zusammenhang seiner einstmals biologistischen Bedeutung nun völlig entkleidet und wird zusehends politisch und ideologisch aufgeladen, zum Element einer herausfordernden und antagonistischen Gegenkultur uninterpretiert.“ 53 ACKERMANN, Das Eigene und das Fremde, 147. 54 Vgl. HA, Hype um Hybridität, 13.64. 55 A.a.O. 56. (Hervorhebung im Original) 52

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Auch allgemeine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen wie zunehmende Mobilität, Globalisierung, mediale Vernetzung und anspruchsvolles Konsumverhalten führen zur stärkeren Anerkennung und Selbstverständlichkeit von Heterogenität, was sich wiederum in einer Aufwertung des Hybriden widerspiegelt.56 Gleichzeitig mit der Verbreitung des Hybriditätsbegriffs lassen sich in der (Pop-)Kultur vermehrt Phänomene entdecken, in denen verschiedene Elemente bewusst vermischt werden, bis hin zum DJ-Remix und zum Fusion-Cooking.57 Obwohl hier kein direkter Zusammenhang besteht, lässt sich doch ausmachen, dass der „Hype um Hybridität“ nicht nur ein kulturwissenschaftliches Phänomen ist, sondern auch im Alltag begegnet. Dennoch stößt die postmoderne Betonung des Hybriden gerade beim Kulturbegriff an Grenzen: „Wenn man […] von der Annahme ausgehen muss, dass alle Kulturen immer schon hybrid waren, folgt daraus zugleich, dass der Begriff der Hybridbildung letztlich tautologisch ist: Die gegenwärtige Globalisierung wäre dann nichts anderes als eine Hybridbildung aus bereits hybriden Kulturen.“58 Insgesamt lässt sich also feststellen, dass sich der Terminus „Hybridität“ heute in der Kulturwissenschaft wie auch in der Alltagssprache überaus großer Beliebtheit erfreut und dabei stark positiv konnotiert wird, er aber aufgrund seiner Geschichte nicht unproblematisch ist und wegen der Vielfalt seiner Verwendungszusammenhänge Unklarheiten offen lässt.59 In vielen Fällen wird er äquivalent zum Ausdruck „Mischung“ gebraucht, wirkt dabei jedoch eloquenter und intellektuell anspruchsvoller. Zudem ist der Aspekt des Neuen, das durch die Zusammenstellung verschiedener Elemente im Prozess der Hybridisierung entsteht, vorrangig.60 Besonders interessant ist der Begriff allerdings, weil er anders als „Mischung“ eine Grenzüberschreitung und die – in jeglicher Wortbedeutung – spannende Einheit von Verschiedenem impliziert. Dabei ist stets zu beachten, dass sich der Sachverhalt, der durch den Terminus beschrieben wird, in selbigem abbildet: H[ybridität] ist selbst ein bewusst hybrid gefasster Begriff und damit ebenso wie die Phänomene, die er hervortreiben soll, schwer zu lokalisieren und immer wieder neu zu verhandeln: Er oszilliert zwischen einem stärker integrativ konzipierten multikulturellem und einem dekonstruktiven Verständnis. Als subversive Kategorie ist H[ybridität] zudem argumentativ

56

Vgl. GALSTER, Hybrides Erzählen, 16. Vgl. ACKERMANN, Das Eigene und das Fremde, 148 Fn 27. 58 A.a.O. 152f. 59 Vgl. HA, Hype um Hybridität, 12. 60 Vgl. SEIBEL, KLAUDIA, Art. Hybridisierung, in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie5 (2013), 314.: „allg. bezeichnet der aus der Biologie entlehnte Begriff die Vermischung zweier oder mehrerer deutlich verschiedener Elemente, die zusammen ein Neues ergeben.“ 57

1. Begriffe und Konzepte

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angewiesen auf den Gegenpol stabiler Identitäten, Nationen, Kulturen und Ethnien, also auf das, was viele Anhänger einer Theorie der H[ybridität] zu überwinden suchen.61

1.3. Kombination Auch wenn der Begriff „Kombination“, wie oben dargestellt wurde, häufig neben „Mischung“ und „Hybridität“ gestellt wird, scheint er im allgemeinen Sprachverständnis neutraler und weiter gefasst zu sein. In den meisten Fällen ist „Kombination“ weder positiv noch negativ konnotiert. Zudem verweist der Ausdruck eher auf das Zusammenspiel und -wirken unterschiedlicher Komponenten, ohne dass festgelegt wird, wie genau diese interagieren. In einer Kombination können, anders als in einer Mischung oder in einem Hybrid, die einzelnen Elemente auch bloß nebeneinanderstehen, ohne dass sie einander direkt berühren oder miteinander verschmelzen (etwa bei einer Zahlenkombination), obwohl auch dies nicht ausgeschlossen ist, von der Grundbedeutung sogar naheliegt. Etymologisch stammt der Begriff nämlich vom Lateinischen combinatio („Vereinigung“) bzw. der entsprechenden Verbform combinare. Hierin enthalten ist das Lateinische bini, weshalb die Ursprungsbedeutung „je zwei zusammenbringen“ lautet, in einer Kombination also zunächst die Vereinigung lediglich zweier Bestandteile angedacht war.62 Obwohl „Kombination“ also die „zweckmäßige[] Verbindung zu einer Einheit“63 bezeichnen kann, wird im Alltagsgebrauch eine Neuschöpfung oder ein neues Ganzes weniger impliziert; dafür scheint das Distinkte der einzelnen Teile stärker im Fokus zu bleiben. Dies legt auch die Verwendung des Begriffs „Kombination“ in der Mode oder im Sport nahe, wo man ihn mit Begriffen wie „Zusammenstellung“ oder „Zusammenspiel“ übersetzen kann.64 Dabei wird zwar durchaus eine Einheit angedacht, in der aber die einzelnen Kleidungskomponenten oder Sportdisziplinen an sich noch klar erkennbar bleiben. Allerdings liegt der Kombination eine Art Plan zu Grunde. Während eine Mischung auch chaotisch und disparat sein kann, ist die Kombination eher durchdacht, klug zusammengestellt. Die einzelnen Bestandteile sind meistens nicht wahllos ausgesucht, sondern aufeinander abgestimmt. Darüber hinaus kann der Begriff „Kombination“, abgekürzt als „Kombi“ und so teilweise alleinstehend, teilweise als erster Wortbestandteil (z.B. „Kombizange“) auf eine Mehrverwendbarkeit des beschriebenen Gegenstands weisen.65 Schließlich hat der Begriff noch eine zweite Bedeutung: „die

61

GRIEM, JULIKA, Art. Hybridität, in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie5 (2013), 314f. Hier: 315. 62 Vgl. DUDENREDAKTION, Herkunftswörterbuch, 465. 63 Ebd. 64 Vgl. a.a.O. 465f. 65 Vgl. a.a.O. 466.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

gedankliche Zusammenstellung verschiedener Möglichkeiten, ihre Untersuchung und die daraus resultierende Schlussfolgerung bzw. Vermutung.“66 Diese ist aber im hier beschriebenen Zusammenhang nachrangig. 1.4. Fazit Sowohl der Begriff „Vermischung“ als auch der Terminus „Hybridität“ sind durch ihre Verwendung in unterschiedlichen Debatten aufgeladen. Ersterer hat eher einen negativen, zweiter zumeist einen positiven Unterton. Demgegenüber wird der Begriff der Kombination in vielfältigen Zusammenhängen gebraucht und ist somit mit weniger konkreten Assoziationen verbunden. Sowohl „Metaphernvermischungen“ (bzw. mixed metaphors) als auch „hybride Metaphern“ (bzw. hybrid metaphors) sind bereits besetzte Begriffe, obwohl sie keineswegs einheitlich gebraucht werden. Auf den Terminus mixed metaphor wird in Abschnitt 2.1. noch sehr ausführlich eingegangen. An ihm soll exemplarisch gezeigt werden, wie umstritten Metaphernkombinationen waren und teilweise noch sind, und wie komplex eine theoretische Betrachtung dieses Phänomens ist. Fiona MacArthur gebraucht den Begriff hybrid metaphors, um solche Fälle zu beschreiben, in denen Metaphern der Muttersprache die Metaphernbildung in der Zweitsprache beeinflussen, so dass in der Zweitsprache „falsche“ Metaphern entstehen.67 Dies ist jedoch nicht die einzige Verwendung dieses Ausdrucks: The term ‚hybrid metaphor‘ has been used in different ways by other researchers. For example, it has been used to describe a particular type of visual metaphor, where the source and target are fused in one object […], or to describe the conceptually incoherent metaphors that may emerge in a given language as a result of the similarity between an autochnonous [sic] metaphor and one which has been calqued from another language68.

Ein weiterer verwandter Terminus, der in der Metaphernforschung teilweise gebraucht wird, ist der des metaphor clusters, der selbst metaphorische Anklänge hat, auch wenn der Begriff „Cluster“ im heutigen Sprachgebrauch allgemein geläufig erscheint. Man kann sich darunter bildlich eine Anhäufung oder Gruppierung von Metaphern vorstellen. Dabei wird jedoch suggeriert, dass das Zusammenwirken von Metaphern über einen weiteren Kontext hinweg nicht weiter berücksichtigt wird. „Kombination“ ist insgesamt ein offenerer und nicht wertender Begriff, der zudem auch noch nicht durch andere Disziplinen oder Diskurse belegt ist und dabei ungefähr Goatlys interplay/„Zusammenspiel“ entspricht. In der Metaphernforschung wird der Terminus „Metaphernkombination“ kaum gebraucht. In der neuesten Monographie zur mixed metaphor von Karen Sullivan wird er 66

A.a.O. 465f. Vgl. MACARTHUR, When Languages and Cultures Meet, 134. 68 A.a.O. 134 Fn 1. 67

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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einige Male in sehr generellem Sinn verwendet, um solche Metaphernzusammenstellungen zu beschreiben, die nicht im engen Sinne „vermischt“ sind, was Sullivan eher negativ bewertet, sondern in denen die einzelnen Metaphern auf sinnvolle Weise zusammenwirken: „Metaphor combinations produce structures that aren’t found in either of their component metaphors, so it’s sometimes necessary to let metaphors combine.“69 Ich gebrauche den Begriff hier nicht in einem engen Sinn und auch nicht in Abgrenzung zur Metaphernvermischung. Der Begriff der Kombination und dementsprechend auch der Metaphernkombination wird im Folgenden bevorzugt und, ähnlich wie Goatlys interplay, als wertfreier Oberbegriff verwendet, der unterschiedliche Einzelphänomene abdeckt. Metaphernvermischungen konstituieren dann eins dieser Einzelphänomene, während Hybridität ein grundlegendes Merkmal von Metaphern insgesamt und auch von einigen Arten der Metaphernkombination darstellt.

2. Mischungen/Hybridität/Kombinationen in der Metapherntheorie 2. Mischungen in der Metapherntheorie

Im folgenden umfangreichen Kapitel sollen die in Kapitel 1 diskutierten Metapherntheorien und das sich daraus resultierende Metaphernverständnis in Verbindung mit Konzepten der Hybridität und Kombination gebracht werden. Dazu ist es vor allem relevant, zu beachten, was im Speziellen zum Phänomen der mixed metaphor gesagt wird, da es sich hierbei um die Metaphernkombination handelt, die am meisten Beachtung (und Kritik) gefunden hat und die trotz einiger Unschärfen begrifflich noch am am klarsten definiert ist. Wer sich mit der Kritik an der mixed metaphor beschäftigt, erkennt, dass sich diese mit Einwänden gegen die Metapher insgesamt zum Teil deckt. Hybridität kann somit als etwas gesehen werden, das nicht nur die Vermischung von Metaphern maßgeblich leitet, sondern in der Metapher selbst angelegt ist. Abschließend werden in Anlehnung an Goatly unterschiedliche Kombinationsarten dargestellt und es werden Kriterien zur Analyse von Metaphern entwickelt, die Leitlinien des hier formulierten Verständnisses von Metaphern und ihres Zusammenwirkens festhalten. 2.1. mixed metaphor – Theoriegeschichte und Forschungsstand Obwohl Metaphernvermischungen und -kombinationen interessante Phänomene darstellen, die neue Sichtweisen auf die Metapher als solche ermöglichen, wurden sie in der Geschichte der Metapherntheorie und werden sie auch 69 SULLIVAN, Mixed Metaphors, 148. Der Ausdruck „metaphor combinations“ kommt noch an einigen anderen Stellen in Sullivans Ausführungen vor.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

in der heutigen Metaphernforschung randläufig behandelt. Die verhältnismäßig übersichtlichen Äußerungen zu diesem Thema werden im folgenden Abschnitt skizziert, wobei wiederum sowohl auf antike als auch auf neuere Metapherntheorien eingegangen wird. Dabei ist es im englischsprachigen Bereich vor allem der Begriff „mixed metaphor“, durch den die Verbindung und Verflechtung von Metaphern – im positiven wie im negativen Sinne – thematisiert wird und für den es kein deutsches Äquivalent gibt.70 Der mixed metaphor gegenüber gibt es durch die letzten Jahrhunderte hindurch und bis heute große stilistische Bedenken. Um diese besser verstehen zu können, ist es sinnvoll, sich das Aufkommen des Begriffs mixed metaphor im 18. Jahrhundert, insbesondere im Zuge des Scottish Enlightenments, vor Augen zu führen. Einige Aussagen damaliger Rhetoriker werden bis heute, meist unkritisch, übernommen und können für das schlechte Ansehen, dass die mixed metaphor bisweilen genießt, verantwortlich gemacht werden. Neben dem terminus technicus mixed metaphor sind in jüngeren Jahren im Englischen, vor allem in eher populärwissenschaftlichen Zusammenhängen, neue Begrifflichkeiten entstanden: „Mixaphor“, „Blendaphor“ und „Malaphor“. Auch auf diese Neologismen, die wiederum (noch) keinen Einzug ins Deutsche gefunden haben und dort keine Parallele aufweisen, soll kurz eingegangen werden. Es ist zu beachten, dass der Begriff mixed metaphor einige Unschärfen aufweist. Insbesondere in historischer Perspektive kann der Terminus auch auf Metaphernkombinationen allgemein abzielen, etwa auf rasch aufeinander folgende Metaphern, die nach den von mir aufgeführten Untergruppierungen jedoch als Diversifikation71 zu verstehen sind. Gerard Steen betrachtet, was auf einschlägigen Internetseiten als „mixed metaphor“ gesammelt wird.72 Er kommt zu dem Schluss, dass dabei meist Redewendungen miteinander kombiniert oder entgegen ihrer eigentlichen Aussage gebraucht werden. „These cases are therefore not just a matter of mixing metaphors but of mixing idioms that happen to be metaphorical.“73 Dies bezeichnet dann eher eine Unterkategorie der Metaphernvermischung, für die sich zumindest teilweise auch der Ausdruck Malaphor etabliert hat.74 Auch Elena Semino beschäftigt sich mit dem Alltagsgebrauch des Begriffs mixed metaphor und geht dabei davon aus, dass es sich hierbei zunächst um ein „,folk’ 70 Im Deutschen gibt es keinen vergleichbaren, derart feststehenden Begriff, der mit dem Phänomen verbunden ist. (Google ergibt für „Metaphernvermischung“ und „MetaphernVermischung“ jeweils acht Treffer und für „vermischte Metapher“ 29, von denen sich aber einige auf Übersetzungen von Kames’ Elements of Criticism [s.u., Abschnitt 2.1.2.] beziehen; für „mixed metaphor“ werden dagegen ca. 162.000 Ergebnisse angezeigt. Stand: 13.02.2020) 71 S.u., Abschnitt 2.4.3. 72 Vgl. STEEN, Question of Deliberateness, 114f. 73 A.a.O. 114. 74 S.u., Abschnitt 2.1.5.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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concept“75 handelt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass drei unterschiedliche semantische Verbindungen in der Alltagssprache durch den Ausdruck mixed metaphor beschrieben werden: eine Spannung zwischen zwei verschiedenen source domains, eine Spannung innerhalb derselben source domain, und eine unpassend erscheinende Verbindung bzw. Überlappung zwischen source domain und Topic.76 Nur der erste Fall bezeichnet aber das, was in der Metapherntheorie gemeinhin als mixed metaphor verstanden wird. Das zweitgenannte Phänomen habe ich als Metapherninkonsistenz77 angeführt, und auch einige Beispiele der dritten Kategorie könnten als Sonderfall der Inkonsistenz bewertet werden. Semino kommt bei der Untersuchung ihrer Daten zu dem Ergebnis „that prototypical cases of mixed metaphor occur in just under a third of instances.“78 Das heißt, was im Alltag von Menschen außerhalb des metapherntheoretischen Diskurses als mixed metaphor bezeichnet wird, deckt sich nur zu einem relativ kleinen Teil mit dem, was die Forschung so nennt. Zudem untersucht Semino, in welcher Nähe zwei unterschiedliche Metaphern stehen müssen, um als vermischt wahrgenommen zu werden. Obwohl in der Metaphernforschung davon ausgegangen wird, dass die Bestandteile der mixed metaphors mindestens im gleichen Satz, wenn nicht sogar im gleichen Satzteil vorkommen müssen, zeigen ihre Ergebnisse, dass im alltäglichen Sprachgebrauch – zu einem kleineren Teil – auch Metaphernverbindungen über Satzgrenzen hinweg als „vermischt“ wahrgenommen werden können.79 Daher stellt sie insgesamt infrage, „whether ‚mixed metaphor‘ can be made into a viable and operationalizable technical term.“80 Karen Sullivan schließt sich, obwohl sie am Begriff mixed metaphor festhält, Seminos Einschätzungen generell an: „For most English speakers […] the definition of mixed metaphors has been extended to encompass individual metaphors that are simply hard to imagine […] and those that are internally inconsistent“.81 Sie betrachtet demnach unter dem Stichwort mixed metaphors ebenfalls drei unterschiedliche Phänomene, die denen, die Semino ausgemacht hat, sehr ähneln: 1. Two or more metaphors that combine, but result in contradictions, inconsistencies, or strange scenarios that are hard to imagine, like ‚wielding an axe to cement a position‘ […].

75 Vgl. SEMINO, ELENA, Chapter 10: A Corpus-Based Study of „Mixed Metaphor“ as a Metalinguistic Comment, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 203–221. 76 Vgl. a.a.O. 211. 77 S.u., Abschnitt 2.4.7. 78 SEMINO, Corpus-Based Study, 219. 79 Vgl. a.a.O. 215f. 80 A.a.O. 221. 81 SULLIVAN, Mixed Metaphors, 3.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

2. One metaphor that is internally inconsistent or hard to imagine, such as lightning that looks like a drunken ballerina […]. 3. One metaphor that results in contradictions, inconsistencies, or ambiguities with non-metaphoric concepts, such as when a restaurant advertises, ‚order anything from our menu and we’ll step on it!‘82

Meines Erachtens ist es aber höchst fragwürdig, alltagssprachlichen Beschreibungen eine derart große Relevanz beizumessen und damit die Grenzen eines Fachbegriffs aufzuweichen. Es ist schwer vorstellbar, in anderen Disziplinen ein ähnliches Vorgehen auszumachen. „Besitz“ und „Eigentum“ etwa werden alltagssprachlich synonym gebraucht, im juristischen Sinne aber unterschieden.83 Es würde wohl keinem Juristen und keiner Juristin einfallen, diese Distinktion aufgrund der Alltagssprache aufzugeben. Dementsprechend fasse ich die mixed metaphor enger und meine darunter das bei Semino und Sullivan lediglich unter dem ersten Punkt beschrieben Szenario. Die anderen beiden Fälle werden unter anderen Metaphernkombinationen behandelt. Zudem ist eine syntaktische Verbindung, wenn auch nicht unbedingt das Vorliegen von mehreren Metaphern in einem Satzteil, meines Erachtens für das Vorliegen einer Metaphernvermischung konstitutiv. Wie sich jedoch zeigen wird, wird eine derart enge Bestimmung der mixed metaphor nicht von allen Autorinnen und Autoren durchgehalten. Ferner ist zu beachten, dass das dritte von Sullivan angeführte Szenario gar keine Metaphernkombination im engen Sinn darstellt, da nicht mehrere Vehicles involviert sind. Es kommt hier vielmehr zu einer Spannung zwischen den semantischen Feldern von Topic und Vehicle bzw. den damit verbundenen Assoziationen. 2.1.1. Metaphernvermischungen und verwandte Phänomene in der Wahrnehmung der Antike Es ist auffällig, dass Metaphernkombinationen in der Theorie des Aristoteles und anderer griechischer antiker Rhetoriker offenbar keine Rolle spielen.84 Dies ist umso interessanter, da gerade die aristotelische Metapherntheorie stark normativ geprägt ist und in späterer Zeit Regeln zum korrekten Gebrauch der Metapher den Ort darstellen, an dem Metaphernkombinationen am häufigsten thematisiert werden. In der antiken griechischen Dichtung scheinen Metaphernvermischungen jedenfalls nicht unüblich gewesen zu sein und es wurde offenbar kein Anstoß an ihnen genommen.85 Anders verhält es sich bei Quintilian. Er mahnt an einer Stelle eindrücklich an, eine Metapher auch zu Ende zu bringen bzw. verschiedene Metaphern oder Allegorien nicht miteinander zu vermischen. Es handelt sich nur um eine sehr 82

A.a.O. 8. Für dieses analoge Beispiele danke ich herzlich Andrea Siedhoff. 84 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 32. 85 Vgl. a.a.O. 33. 83

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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kurze Bemerkung, die aber in der Folgezeit oftmals aufgegriffen und zitiert wurde: „Denn auch darauf gilt es vor allem sein Augenmerk zu richten, daß man die Art der Metapher, mit der man begonnen hat, auch zu Ende führe. Viele aber hören, wenn sie als Anfang ein Unwetter genommen haben, mit einem Brand oder Einsturz auf – der scheußlichste Verstoß gegen die sachliche Folgerichtigkeit!“ (Quint.inst. VIII 6, 50.) Allerdings lässt eine etwas früher getroffene Einschätzung Quintilians darauf schließen, dass er stilistische Hybride nicht gänzlich ablehnen kann: „Bei weitem am schönsten aber ist die Art zu reden, in der der Liebreiz von drei Ausdrucksmitteln sich verschmolzen hat, Gleichnis, Allegorie und Metapher.“ (Quint.inst. VIII 6,49.) Als Beispiel führt er eine Passage aus Ciceros Rede pro Murena an (17, 35): Welche See, welcher an wechselnden Strömungen überreiche Kanal, glaubt ihr, ist so reich an Bewegungen, an so gewaltigen und so mannigfachen Aufrieben, Umschlägen und Flutströmungen, wie der Verlauf der Wahlversammlungen mit seinen mächtigen Wirbeln und mächtigen Brandungen? Ein Tag oder eine Nacht genügt, um alles durcheinanderzuwirbeln, und so genügt zuweilen der leichte Hauch eines Gerüchtes, um eine Meinung völlig umschlagen zu lassen. (Quint.inst. VIII 6,49.)86

Hier scheinen zwei Voraussetzungen dazu zu führen, dass verschiedene Bewertungen vorgenommen werden: Erstens geht es Quintilian offenbar weniger um die stilistische Einheit als darum, dass eine logische Integrität der Bilder bzw. Gedankengänge besteht. Zweitens unterscheidet er zwischen solchen Vermischungen, die ein neues Ganzes entstehen lassen, und solchen, deren einzelne Teile klar ersichtlich sind und sich zueinander disparat verhalten. Von den genannten zwei Zitaten wurde jedoch nur das erste von Rhetorikerinnen und Rhetorikern späterer Generationen verstärkt aufgegriffen. Es wird in den folgenden Ausführungen noch an einigen Stellen begegnen.

86 Es handelt sich ganz eindeutig um eine stark erweiterte Metapher, wobei durch den Aspekt des „leichten Hauchs“ als Bestandteil einer Genitivmetapher ein Element eingebracht wird, das sich nicht ganz in den Gesamtzusammenhang fügt und vom semantischen Feld des Wassers abweicht.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

2.1.2. Das Aufkommen und die Verbreitung des Begriffs „mixed metaphor“ im 18. Jahrhundert87 Wer im Internet den Begriff mixed metaphor recherchiert, erhält die Information, dass dieser Terminus erstmals um 1790–180088 bzw. laut dem MerriamWebster online-Wörterbuch etwa im Jahr 1748 verwendet wurde.89 Allerdings muss dieser Zeitpunkt nach vorne korrigiert werden, da der Begriff mindestens seit 1710 im Umlauf ist. Das Interesse an dem Phänomen, das sich im 18. Jahrhundert im englischsprachigen Raum herausbildete, wenn auch nicht der Terminus selbst, ist möglicherweise auf den Einfluss einiger französischer Rhetoriker zurückzuführen. Einer von ihnen war der Jesuit Dominique Bouhours (1628–1702). In seinem in Dialogform gehaltenen Werk La manière de bien penser (1687) lässt er die Gesprächspartner im vierten Diskurs auf Klarheit in der Rede eingehen und darauf, wie Unklarheit entstehen kann. Eine Möglichkeit besteht in zu weit hergeholten Metaphern oder Vergleichen. Bouhours fährt fort: Plusieurs métaphores entassées les unes sur les autres font aussi ce mauvais effet; & nous pouvons dire de la pensée ce que Quintilien a dit du discours. Comme la métaphore rend le discours clair, quand on l’emploie à propos, & qu’on s’en sert peu; elle l’obscurit dés qu’elle est frequente; & fait des énigmes, si on en use continuellement. La raison est que tant d’images étrangéres meslées ensemble produisent de la confusion dans l’esprit des lecteurs ou des auditeurs. Il arrive même que deux métaphores qui ne sont pas dans le même genre, étant jointes, diminuënt quelque chose de la clarté d’une pensée.90

87

Nur am Rand sei hier bemerkt, dass auch das lateinische Äquivalent, „metaphora mixta“ gelegentlich als Fachbegriff verwendet wurde. Er begegnet bereits ab 1700, sogar im Kontext exegetischer Erörterungen. (Vgl. BRAUN, JOHANNES, Selecta Sacra. Libri Quinque, Amsterdam: H. Westenius 1700, 120; VITRINGA, CAMPEGIUS [D.Ä.], Commentarius in Isaiam, Bd. 2, Leuwarden: J. N. Andreae 1722, 229.) Daneben taucht er, deutlich später, auch in der Diskussion antiker griechischer Schriftsteller auf (Vgl. z.B. BAILEY, JACOBUS, Glossarium in Hermesianacten, in: Ders. [Hg.], Hermesianactis Poetæ Elegiaci Colophonii Fragmentum. Notis et Glossario et Versionibus, London: R. and J.E. Taylor 1839, 23–69. Hier: 42; GORAM, OTTO, Pindari translationes et imagines, in: Philologus. Zeitschrift für das klassische Altertum 14 [1859], 241–280.478–498. Hier: 269.) Wiederum etwas später begegnet der Ausdruck zuweilen auch in deutschsprachigen Veröffentlichungen. Vgl. etwa LAMPEN, WILLIBRORD, Thiofrid von Echternach. Eine philologisch-historische Untersuchung, Breslau: R. Nischkowsky 1920, 62. Der Begriff bezeichnet hier jedoch Genitivmetaphern, etwa „somatis tabernaculum“ oder „antidoto parsimoniae“ und wird somit ganz anders gebraucht als der Terminus mixed metaphor. Auch allgemein scheint der lateinische Ausdruck weitaus weniger verbreitet gewesen zu sein als sein englisches Pendant. 88 [ANONYM], Art. mixed metaphor, in: Dictionary.com Unabridged (http://www.dictionary.com/browse/mixed-metaphor), abgerufen am 07.02.2020. 89 [ANONYM], Art. Mixed Metaphor, in: Merriam-Webster (https://www.merriam-webster.com/dictionary/mixed metaphor), abgerufen am 07.02.2020. 90 BOUHOURS, DOMINIQUE, La manière de bien penser dans les ouvrages d’esprit. Dialogues, Paris: S. Mabre-Cramoisy 21688, 514f.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Das Phänomen wird hier jedoch eher beschrieben als mit einem Fachterminus bezeichnet. Bouhours diskutiert die vermischte Metapher anhand des Beispielsatzes „Le goût est une harmonie, un accord de l’esprit & de la raison.“91 1728 erschien eine Adaption von La manière de bien penser durch John Oldmixon (1673–1742) unter dem Titel The Arts of Logick and Rhetorick. Oldmixon übersetzt darin nicht nur die Gedankengänge Bouhours’, sondern versieht sie mit eigenen Kommentaren und Beispielen aus der englischen Literatur. Seine Übersetzung der relevanten Passage lautet folgendermaßen: SEVERAL Metaphors heap’d one upon another, have also a very ill Effect; and what Quintilian said of Discourse, may be said about Thought. […] As a Metaphor renders a Discourse clear when ‘tis us’d à propos, so it obscures it when ‘tis too frequent, and becomes an Enigma if continually repeated. The reason of it is, that so many Foreign Images being mingled together, cause confusion in the Mind of the Reader or Hearer. Two Metaphors that are not in the same Kind being joyn’d, lessen something of the Clearness of Thought.92

Obwohl hier nicht wörtlich von der mixed metaphor die Rede ist, ist doch mit dem Verb „mingle“ ein Synonym zu „mix“ gegeben und auch der Ausdruck „heap’d one upon the other“ deutet in eine ähnliche Richtung. In der Diskussion des von Bouhours aufgeführten Zitats spricht Oldmixon dann auch von einem „Huddle of two Metaphors“.93 Interessanterweise lobt er Bouhours dafür, dass ihm ein solcher Stilbruch auffällt, und kommt zu dem Schluss, dass man in Frankreich sensibler für Metaphernvermischungen sei als in England: How little is this Delicacy understood by English Writers and Readers? The heaping or huddling of Metaphors, is generally taken for the Beauty of Amplification. When they come from Preachers or publick Orators, they are reckon’d extremely fine; and I question whether there are here Criticks in England that would be shock’d at them. Collier was entirely ignorant of his Defect in Thought and Expression […] His Essays are cramm’d with them, and yet those very Essays are the Admiration of Academicks, Gentlemen, Ladies, and others that think like them.94

In den folgenden Jahrzehnten werden jedoch die hier postulierte englische Toleranz gegenüber Metaphernvermischungen deutlich ab- und die Kritik ihnen gegenüber zunehmen. Als weiterer französischer Einfluss kann François de Salignac de la MotheFénelon (1651–1715) gelten. In seinen noch vor Bouhours’ La manière de bien penser, etwa um 1678–1685 entstandenen, aber erst postum um 1717–1718

91

A.a.O. 516. OLDMIXON, JOHN, The Arts of Logick and Rhetorick, London: J.Clark/R. Hett/J. Pemberton/R. Ford/J. Gray 1728, 397. (Hervorhebungen im Original) 93 Ebd. 94 Ebd. (Hervorhebungen im Original) 92

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

veröffentlichten95 Dialogues sur l’éloquence en général et sur celle de la chaire en particulier betont der katholische Geistliche die Wichtigkeit der Einfachheit und Natürlichkeit in der Rhetorik und die Relevanz antiker rhetorischer Auffassungen.96 Obwohl sich die Schrift, wie der Titel bereits andeutet, hauptsächlich an predigende Kleriker wendet, sind die darin getroffenen Aussagen auf die Rhetorik in ihrer ganzen Bandbreite übertragbar und wurden sehr einflussreich: „Fénelon contributed to the eighteenth century most significantly by providing a clear, eloquent, and impassioned restatement of the best of ancient theory.“97 Zu Fénelons Zeiten war ein sehr ausgeschmückter rhetorischer Stil mit vielen Stilmitteln verbreitet, der sich aus dem Einfluss der rhetorischen Theorie von Peter Ramus, der Logik und Rhetorik trennte, ergab.98 Diese Art der Rhetorik wurde jedoch, auch aufgrund des Aufkommens eines verstärkten wissenschaftlichen Interesses, mit der Zeit unzweckmäßig: „The rhetorical ideas of Fénelon – with their turn away from ornamentation toward a classical emphasis on clarity, naturalness, simplicity, and a combined logical and emotional appeal – were better suited not only to the eighteenth-century rhetor but also to the eighteenth-century scientist.“99 In diesem Sinn kann das Werk Fénelons als Übergangswerk angesehen werden,100 in dem erstmals etwas formuliert wurde, das dem modernen Verständnis von Rhetorik nahekommt.101 Als solches war es auch im englischsprachigen Raum sehr einflussreich, insbesondere auf solche rhetorischen Größen wie John Lawson, Adam Smith oder Hugh Blair.102 Der generelle Einfluss Fénelons auf die englischsprachigen Rhetoriker des 18. Jahrhunderts ist also sehr groß. Seine Bemerkung zu Metaphernvermischungen hingegen ist gegenüber der Bouhours’ noch beschränkter, wenngleich die Wortwahl interessant ist. Im Zuge der Kritik an Tertullians Stil bemerkt Fénelon: „il a beaucoup de pensées fausses et obscures, beaucoup de métaphores dures et entortillées“.103 In Fénelons Worten sind derartige Metaphern also nicht „vermischt“, sondern „verwickelt“. In der Übersetzung durch 95

Vgl. HOUFF, KATHY M., François de Salignac de la Mothe-Fénelon, in: Michael G. Moran (Hg.), Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/London: Greenwood Press 1994, 80–88. Hier: 81. 96 Vgl. ebd. 97 A.a.O. 83. 98 Vgl. a.a.O. 81f.84. 99 A.a.O. 82. 100 Vgl. a.a.O. 83. 101 Vgl. a.a.O. 86f. 102 Vgl. a.a.O. 83. Lawson besaß eine Ausgabe von Fénelons Werk bzw. der englischen Übersetzung (Vgl. a.a.O. 85.) und Blair lobte ihn in seinen Lectures on Rhetoric and Belle Lettres. (Vgl. a.a.O. 82.) 103 FÉNELON, FRANÇOIS DE SALIGNAC DE LA MOTHE-, Dialogues sur l’éloquence en général et sur celle de la chaire en particulier, in: Ders., Œvres Complètes. Précédées de son Histoire Littéraire. Bd. VI, hg. v. M. Gosselin, Genf: Slatkine Reprints 1971, 567–605. Hier: 601. Den Ausdruck „métaphore dure“, jedoch ohne den Zusatz „entortillé“, gebraucht

2. Mischungen in der Metapherntheorie

167

William Stevenson, die erstmals 1722 in London und nochmals 1750 in Glasgow erschien,104 heißt es: „He has many false and obscure Notions; many harsh and perplex’t Metaphors“.105 Auch hier zeigen sich deutliche Nähen zum terminus technicus mixed metaphor. Fénelon und Bouhours waren also in der Hinsicht bedeutend, dass zum einen der natürliche, wenig schmuckvolle Stil propagiert und die Bedeutung der antiken Rhetorik betont wurde und dass zum anderen das Phänomen der Metaphernvermischung stärker ins englische Bewusstsein gerückt wurde. Der Terminus mixed metaphor taucht in den englischen Übersetzungen ihrer Werke jedoch nicht auf. Seine möglicherweise erste Erwähnung findet er 1710 in Soliloquy, Or, Advice to an Author, einem Werk von Anthony Ashley Cooper, Third Earl of Shaftesbury (1671–1713). Shaftesburys Stil und Auffassung von Rhetorik steht dabei im klaren Kontrast zu Fénelon auf der einen und den Vertretern des Scottish Enlightenments auf der anderen Seite, die allesamt einen natürlichen, einfachen Stil vertreten: „Figurative, recursive, indirect, and ironic – Shaftesbury’s style is the antithesis of Fénelon auch einige Male in dem 1713 entstandenen und 1716 veröffentlichten Lettre à l'Académie française, seinem zweiten rhetorischen Hauptwerk. (Vgl. HOUFF, François de Salignac de la Mothe-Fénelon, 81f.) Auch hier bezieht sich der Ausdruck hauptsächlich auf Tertullians Werk, wobei Fénelon diesen in der Hinsicht entschuldigt, dass sein Stil dem Geschmack der Zeit entsprach. Vgl. FÉNELON, FRANÇOIS DE SALIGNAC DE LA MOTHE-, Lettre à M. Dacier, secrétaire perpétuel de l’Académie française, sur les occupations de l’Académie, in: Ders., Œvres Complètes. Précédées de son Histoire Littéraire. Bd. VI, hg. v. M. Gosselin, Genf: Slatkine Reprints 1971, 615–648. Hier: 624. Der Abschnitt ist auch in dem Stück des Lettre à l'Académie française enthalten, das von Stevenson ins Englische übertragen wurde. Stevenson übersetzt auch hier mit „harsh Metaphors“. (FÉNELON, FRANÇOIS DE SALIGNAC DE LA MOTHE-, Dialogues Concerning Eloquence in General; And Particularly That Kind Which Is Fit For the Pulpit. By the Late Archbishop of Cambray, With His Letter to the French Academy Concerning Rhetoric, Poetic, History, And a Comparison betwixt the Ancients and Moderns. Translated by William Stevenson, London: J. Walthoe 1722, 239.) 104 Vgl. HOUFF, François de Salignac de la Mothe-Fénelon, 81. 105 FÉNELON, FRANÇOIS DE SALIGNAC DE LA MOTHE-, Dialogues concerning Eloquence, 178. Diese Wortwahl scheint John Holmes (1703–1759) in seinem Werk The Art of Rhetoric Made Easy (1739) aufzugreifen. Er schreibt zu Tropen im Allgemeinen (unter die er aber dezidiert Metaphern als „Standardtropen“ zählt): „Of Tropes perplext, harsh, frequent, swoln, fetch’d-far, Ill-representing, forc’d, low, lewd, beware.“ (HOLMES, JOHN, The Art of Rhetoric Made Easy. Or, The Elements of Oratory Briefly Stated, And Fitted for the Practice of the Studious Youth of Great Britain and Ireland, London: A. Parker 1739, 55. Hervorhebungen im Original). Fénelon wird auch tatsächlich häufiger in Holmes’ Werk zitiert, das sich insgesamt stark an der Rhetorik Ciceros orientiert und insofern besonders ist, als es für Schuljungen in Holmes’ grammar school (sowie für andere Schüler Großbritanniens) verfasst wurde und den Stoff dementsprechend elementarisiert. Holmes geht dabei sehr intensiv (fast einseitig) auf Tropen und Stilfiguren ein und hält sie für einen der wichtigsten Bestandteile der Redekunst. Vgl. FERRARIO, LARRY, John Holmes, in: Michael G. Moran (Hg.), Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/London: Greenwood Press 1994, 118–122.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

‚plain‘.“106 Obwohl Shaftesburys Abhandlungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts mehrfach aufgelegt und auch übersetzt wurden und gerade beim jüngeren Publikum beliebt waren, wurden sein Stil und seine Theorie unter anderem von Smith, Campbell und Blair, den Vertretern einer neuen, einfachen Rhetorik, abgelehnt, so dass sie sich nicht durchsetzten.107 Immerhin in der Kritik an Metaphernvermischungen scheinen Shaftesburys Nachfolger aber mit ihm übereinzustimmen, wenn er auch auf das Phänomen nur en passant eingeht. Shaftesbury stellt fest, dass die britischen Musen, als Personifikationen der britischen Literatur, noch in den Kinderschuhen stecken: They lisp as in their Cradles: and their stammering Tongues, which nothing but their Youth and Rawness can excuse, have hitherto spoken in wretched Pun and Quibble. Our Dramatick SHAKESPEAR, our FLETCHER, JOHNSON, and our Epick MILTON preserve this Stile. And even a latter Race, scarce free of this Infirmity, and aiming at a false Sublime, with crouded Simile, and mix’d Metaphor (the Hobby-Horse, and Rattle of the MUSES) entertain our raw Fancy, and unpractis’d Ear; which has not as yet had leisure to form it-self, and become truly musical.108

Diese Feststellung, in sich bereits stark metaphorisch und ein sehr gutes Beispiel für Shaftesburys ausufernde Ausdrucksweise, stimmt mit der Beurteilung Oldmixons überein, derzufolge in der britischen Literatur derartige Stilbrüche noch zu wenig bemerkt und geahndet würden. Möglicherweise hat Shaftesbury den Terminus mixed metaphor geprägt. Er führt ihn allerdings nicht weiter aus oder erklärt ihn durch Beispiele, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass schon Shaftesbury den Ausdruck als feststehend kannte. Sicher jedoch ist, dass es sich um eine der ganz frühen Erwähnungen des Phänomens unter dieser Bezeichnung handelt. Eine genauere Darlegung dessen, was unter mixed metaphor zu verstehen ist, allerdings nicht unter genau diesem Terminus, sondern unter der Bezeichnung mixture of metaphors, findet sich vier Jahre später, in der Ausgabe Nr. 595 der Londoner Zeitschrift Spectator vom 17. September 1714. Dabei ist der Einfluss der Zeitschrift keineswegs zu unterschätzen: „It is likely that no single

106

GRIFFIN, SUSAN, Anthony Ashley Cooper, Third Earl of Shaftesbury, in: Michael G. Moran (Hg.), Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/London: Greenwood Press 1994, 191–196. Hier: 192. 107 Vgl. a.a.O. 192.195. 108 SHAFTESBURY, ANTHONY ASHLEY COOPER, Soliloquy, Or, Advice to an Author, in: Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of, Standard-Edition. Complete Works, Selected Letters and Posthumous Writings. I,1 Aesthetics, hg. v. Gerd Hemmerich und Wolfram Benda, Stuttgart: Frommann-Holzboog 1981, 34–301. Hier: 122.124. (Hervorhebungen im Original) Die Begriffe „crouded Simile“ und „mix’d Metaphor“ tauchen nochmals an anderer Stelle in direkter Abfolge auf (a.a.O. 154). Zudem steht kurz darauf der Ausdruck „multiplicity of Metaphors“ (a.a.O. 156).

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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collection of eigtheenth-century prose has been oftener reprinted than the Spectator, at least during its own century and the nineteenth.“109 Der Spectator erreicht nicht nur in London ein breites Publikum,110 sondern darüber hinaus im gesamten Vereinigten Königreich und Irland.111 Die Zeitschrift wurde zunächst in den Jahren 1711 und 1712 von Joseph Addison (1672–1719) und Richard Steele (1672–1729) herausgegeben, die einen Großteil der Beiträge selbst verfassten oder zusammenstellten. Nach anderthalbjähriger Pause belebte Joseph Addison von Juni bis Dezember 1714 die Zeitschrift, die nun drei Mal pro Woche erschien, wieder und gab sie ohne Steele, dafür unter Hilfe seiner Assistenten Eustace Budgell und Thomas Tickell heraus. Zusätzlich wurden die gesammelten Beiträge in insgesamt acht Bänden (sieben für die erste Serie, der achte für die zweite) herausgegeben, wodurch der Einfluss des Spectators in Großbritannien und darüber hinaus langanhaltend gesichert wurde.112 „The number of reprints and editions, the many imitations, the translations into French, Dutch, and German, and the countless adaptations and reworkings of individual essays – all testify to the world-wide success of this most popular of all eigtheenth-century periodical essays.“113 Thematisch deckte der Spectator dabei eine große Bandbreite ab. Die relevante Ausgabe vom 17. September 1714 ist der zweiten Serie („Spectator II“114) zuzuordnen, die – von Addisons Beiträgen abgesehen – generell als dem Original unterlegen eingestuft wurde.115 Im Gegensatz zur Originalserie weisen die Artikel der zweiten Serie außerdem keine Signaturen auf, so dass die Urheberschaft nicht immer zweifelsfrei geklärt werden kann. Aufgrund eines Manuskriptentwurfs im Nachlass von Tickell können aber die meisten Beiträge zugeordnet werden.116 Demnach stammt Nr. 595 von Thomas Tickell (1685–1740) selbst, dem persönlichen Assistenten Joseph Addisons, der, nachdem sowohl Addison als auch Budgell durch zunehmende politische Tätigkeiten in Anspruch genommen wurden, die Herausgeberschaft des Spectators maßgeblich übernahm.117 Es handelt sich um

109

BOND, DONALD F., Preface, in: The Spectator, Bd. 5, hg. v. Donald F. Bond, Oxford: Clarendon Press 1965, v–ix. Hier: v. 110 Vgl. BOND, DONALD F., Introduction, in: The Spectator, Bd. 5, hg. v. Donald F. Bond, Oxford: Clarendon Press 1965, xiii–cix. Hier: lxxxiii. 111 Vgl. a.a.O. lxxxv. 112 Vgl. a.a.O. xliii. 113 A.a.O. xcvi. 114 Vgl. a.a.O. lxxiii. 115 Vgl. a.a.O. lxxxii. 116 Vgl. a.a.O. lxxvi f. mit Bezug auf Hodgart, der den entsprechenden Entwurf 1954 veröffentlicht hat. Vgl. HODGART, MATTHEW J.C., The Eighth Volume of the Spectator, in: The Review of English Studies 5 (1954), 367–387. Insbes. 372f. 117 Vgl. BOND, Introduction, lxxiv f.; HODGART, Eighth Volume, 378–380.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

den ersten von insgesamt 26 Beiträgen Tickells.118 Da er jedoch offenbar Material von Addison übernahm und verarbeitete,119 kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Grundidee des Beitrags noch von Addison stammt. Dies wäre insofern pikant, als einige Gedichtzeilen Addisons bei späteren Rhetorikern zu den Hauptbeispielen für mixed metaphors zählten. Der Spectator Nr. 595 geht jedenfalls ganz in der Kritik an Metaphernmischungen auf und beginnt sofort mit den Worten: If ordinary Authors would condescend to write as they think, they would at least be allow’d the Praise of being intelligible. But they really take Pains to be ridiculous; and, by the studied Ornaments of Style, perfectly disguise the little Sense they aim at. […] What I mean is, the Mixture of inconsistent Metaphors, which is a Fault but too often found in learned Writers, but in all the unlearned without Exception.120

Tickell fährt damit fort, die Metapher zu definieren, und zwar als „a Simile in one Word, which serves to convey the Thoughts of the Mind under Resemblances and Images which affect the Senses.“121 Nun kann eine Sache mit verschiedenen anderen verglichen werden, so dass sie aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird. In den Termini der heutigen Metaphernforschung kann ein Topic mit verschiedenen Vehicles kombiniert werden. Darin allein sieht Tickell kein Problem. But the Mischief is, that an unskilful Author shall run these Metaphors so absurdly into one another, that there shall be no Simile, no agreeable Picture, no apt Resemblance, but Confusion, Obscurity and Noise. Thus I have known a Hero compared to a Thunderbolt, a Lion, and the Sea; all and each of them proper Metaphors for Impetuosity, Courage or Force. But by bad Management it hath so happened, that the Thunder-bolt hath overflowed its Banks; the Lion hath been darted through the Skies, and the Billows have rolled out of the Lybian Desert.122

Da Metaphern stark mit Sinneseindrücken verbunden sind, liegt ein Hauptproblem darin, dass durch Metaphernvermischungen verschiedene Sinne, etwa Hör- und Sehsinn, gleichzeitig und auf inkonsistente Weise aktiviert werden. Zudem sei es problematisch, wenn eine Sache in der Metapher über Fähigkeiten oder Attribute verfüge, die nicht der Realität entsprächen. Tickell empfiehlt daher, sich die metaphorischen Ausdrücke als gemaltes Bild vorzustellen. Denn: „I believe, by this very Rule, a Reader may be able to judge of the Union of all Metaphors whatsoever, and determine which are Homogeneous and which Heterogeneous; or to speak more plainly, which are Consistent and 118

Vgl. BOND, Introduction, lxxviii. Vgl. a.a.O. lxxv. 120 [ANONYM = TICKELL, THOMAS], Spectator No. 595, in: The Spectator, Bd. 5, hg. v. Donald F. Bond, Oxford: Clarendon Press 1965, 34–36. Hier: 34f. (Hervorhebung im Original) 121 A.a.O. 35. 122 Ebd. (Hervorhebung im Original) 119

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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which Inconsistent.“123 Im Anschluss warnt Tickell vor übertriebenen, bzw. zu weit geführten Allegorien und schließt den Beitrag mit dem Zitat eines Briefes, in dem es von Metaphernvermischungen nur so wimmelt und der als abschreckendes Beispiel dienen soll. Im genuin englischsprachigen Bereich sind die Ausführungen des Spectators möglicherweise die ersten, in denen das Phänomen der Metaphernvermischung ausführlicher beschrieben wurde, auch wenn nicht explizit der Terminus mixed metaphor auftaucht, sondern, wie im obigen Zitat, von einer Mixture of inconsistent Metaphors bzw. an einer Stelle von „clashing Metaphors“124 die Rede ist und auch wenn das Phänomen gesondert, nicht im Rahmen einer umfassenderen Rhetorik behandelt wurde. Das zugrundeliegende Metaphernverständnis, in dem die Metapher auf Wortebene angesiedelt und als in eigentliche Sprache übersetzbar angesehen wird, ist aus heutiger Sicht freilich überholt. Insbesondere der Test auf Kongruenz der Metaphern durch bildliche Vorstellung findet sich in späteren Äußerungen zur mixed metaphor immer wieder, wobei es nicht immer klar, angesichts der immensen Verbreitung des Spectators häufig aber wohl anzunehmen ist, dass die späteren Autoren diesen Essay Tickells kannten.125 Sicher ist dies beim späteren Oxford Professor for Poetry, Joseph Spence (1699–1768), in seinem 123

A.a.O. 36. A.a.O. 35. 125 Es ist gut möglich, dass die bei späteren Autoren aufkommende Bezeichnung „Addison’s rule“ für das Vorgehen, sich Metaphern als Bild gemalt vorzustellen, um ihre Konsistenz zu überprüfen, auf diesen Abschnitt des Spectators rekurriert. Demnach führten einige Rezipierende diesen Artikel auf Joseph Addison zurück. Addison, der gerade in der Originalserie einen Großteil der Essays beisteuerte, wurde generell als Autor des Spectators identifiziert, bzw. der Spectator mit einem Werk Addisons gleichgesetzt. (Vgl. BOND, Introduction, xcviii.) Die Bezeichnung „Addison’s rule“ kommt zunächst bei Alexander Jamieson vor, wobei auffällig ist dass er die Zuschreibung gegenüber seiner Vorlage durch Blair hinzufügt. (Vgl. JAMIESON, ALEXANDER, A Grammar of Rhetoric and Polite Literature. Comprehending the Principles of Language and Style, The Elements of Taste and Criticism; With Rules for the Study of Composition and Eloquence: Illustrated by Appropriate Examples, Selected Chiefly from the British Classics, For the Use of Schools, Or Private Instruction. The First American, From the Last London Edition, New Haven: A.H. Maltby 1820, 155f.) Blair hatte an dieser Stelle nur passivisch formuliert: „a good rule has been given“. (BLAIR, HUGH, Lectures on Rhetoric and Belles Lettres, Bd. 1, London: A. Strahan/T.Cadell/W. Creech 31787, 391.) Dennoch ist es gut möglich, dass auch Blair den Spectator Nr. 595 kannte. In seinen Lectures bewundert er Addisons Prosastil und diskutiert einige Ausgaben des Spectators, was dem guten Ruf der Zeitschrift in den folgenden Jahrzehnten überaus zuträglich war. (Vgl. BOND, Introduction, xcix.) Auch die späteren Lehrwerke von Pullen und Lacey, die Jamieson aufnehmen (s.u.), übernehmen den Ausdruck „Addison’s rule“. Später nimmt auch John Walker Vilant Macbeth in seinem Werk The might and mirth of literature (1875) darauf Bezug, wenn auch mit etwas anderen Worten: „Addison himself has given us an excellent test to try metaphors by.“ (MACBETH, JOHN WALKER VILANT, The Might and Mirth of Literature. A Treatise on Figurative Language. In Which Upwards of Six Hundred Writers Are Referred to and Two Hundred and Twenty 124

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

1726/27 erschienenen Essay on Pope’s Odyssey. Er gibt den Spectator Nr. 595 als Quelle an, wenn er bemerkt: „and by the way, it may be a very good Rule that is given, to try mixt Metaphors at any time; by forming in one’s Mind a Picture, from what is said; and considering how the Parts of it would agree, were they delineated upon Canvass.“126 Diese Aussage steht im Zusammenhang einer Kritik an Epitheta, in denen metaphorische Anteile bestehen und die somit eine lächerliche Spannung erzeugen. Auffällig ist, dass hier der Terminus mixt metaphor im Gegensatz zum Spectator gebraucht wird und dass dieser auch an anderen Stellen des Essays auftaucht.127 Dennoch ist das Konzept der Vermischung bzw. des „mixing“, selbst in Verbindung mit Metaphern bei Spence nicht gänzlich negativ besetzt. So heißt es im Essay on Pope’s Odyssey im Bezug auf Epitheta auch: I need not mention the peculiar fitness and strength, which they may acquire from the occasions on which they are us’d, or the Light they are set in: That Substantives are sometimes us’d as Epithets; and sometimes Epithets as Substanstives: Sometimes the Metaphor is convey’d this way with a good Grace; and at others, two Thwarting Ideas are mixt together in a very agreeable manner.128

Daraufhin fragt der fiktive Dialogpartner: „Do You not mean that particular sort of Metaphor, when some strange quality in a thing, is turn’d into an Epithet, and directly applied to it?“, woraufhin erwidert wird: „Either that; or else Figures Illustrated, New York: Harper 1875, 194.) Er diskutiert ebenfalls das von Blair angeführte Beispiel aus Addisons Letter from Italy. Da Macbeth in diesem Abschnitt dezidiert auf den Spectator Nr. 595 hinweist (Vgl. ebd.), ist davon auszugehen, dass er diesen Artikel auf Addison zurückführt und daher die dort geschilderte Regel als die Addisons annimmt. Macbeths Ausführungen wiederum werden von Arnold Tompkins aufgegriffen, der ebenfalls von „Addison’s rule“ spricht. (Vgl. TOMPKINS, ARNOLD, The Science of Discourse. A Rhetoric for High Schools and Colleges, Boston/London: Ginn & Co 1897, 312.) Auch bei Luther Tracy Townsend kommt „Addison’s rule“ vor. (Vgl. TOWNSEND, LUTHER TRACY, The Art of Speech. In Two Volumes. I. Studies in Poetry and Prose, New York: Appleton 1880, 153.) 126 SPENCE, JOSEPH, An Essay on Pope’s Odyssey. In Which Some Particular Beauties and Blemishes of That Work are Considered. Teil 2, London: S. Wilmot 1727, 30f. 127 „confus’d Allegories and mixt Metaphors“, a.a.O. 84. „Such is the continued Simile, which is very liable to the great Fault of mixt Metaphors, when a Writer, to lengthen a comparison, carries it beyond the Likeness.“ a.a.O. 176. (Hervorhebungen im Original) Das letztgenannte Phänomen wird anhand eines Zitats von Dryden erläutert. Auch in seinem rund zwanzig Jahre später erschienenen Hauptwerk Polymetis (1747) kommt die mixed metaphor im Zusammenhang einer Kritik an Drydens Virgil-Übersetzung zur Sprache, wobei Spence nicht klar zwischen Metaphernvermischung und einer zu weit getriebenen bzw. mit „wörtlicher“ Sprache vermischten Allegorie unterscheidet. Vgl. SPENCE, JOSEPH, Polymetis. Or, An Enquiry Concerning the Agreement between the Works of the Roman Poets. And the Remains of the Antient Artists. Being an Attempt to Illustrate Them Mutually from One Another, London: R. and J. Dodsley 21755, 310–312. 128 SPENCE, Essay, 20f. (Hervorhebungen im Original)

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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some strange Circumstance applied in the same manner: in both ‘tis the Novelty and the Surprize, that please us.“129 Während Spence sich mit Popes Homer-Übertragung auseinandersetzt und diese trotz manch kleiner Kritikpunkte, unter die auch die teilweise bestehenden Metaphernvermischungen fallen, generell lobt, geht Alexander Pope (1688–1744) selbst fast zeitgleich sehr harsch mit seinen zeitgenössischen Dichterkolleginnen und -kollegen ins Gericht. In seinem unter dem Pseudonym Martinus Scriblerus erschienenen Essay Peri Bathous, Or the Art of Sinking in Poetry (1727) macht er sich auf ironisch-sarkastische Weise über die Dichtkunst seiner Zeit lustig, indem er die von Pseudo-Longinus aufgestellten Regeln in dessen Werk Peri hypsous (Über das Erhabene) auf den Kopf stellt. Ebenso wie Pseudo-Longinus geht auch Pope dabei auf Stilfiguren ein, die, anders als in der Vorlage, bei ihm aber gerade keinen erhabenen Effekt erzielen.130 Popes satirischer Rat zum Gebrauch von Metaphern ist zweigeteilt: „The first rule is to draw it from the lowest things; which is a certain way to sink the highest […] Secondly, that whenever you start a Metaphor, you must be sure to run it down, and pursue it as far as it can go.“131 Bereits hier zeichnet sich eine Tendenz zur Metaphernvermischung ab. Explizit wird diese, jedoch etwas genereller unter der Bezeichnung „Mixture of Figures“, erst im darauffolgenden Absatz gesondert untersucht: „The MIXTURE OF FIGURES, which raises so many images, as to give you no image at all. But its principal beauty is, when it gives an idea just opposite to what it seem’d meant to describe. Thus an ingenious artist painting the Spring, talks of a Snow of Blossoms, and thereby raises an unexpected picture of Winter.“132 Es folgt ein weiteres Beispiel für besagte Vermischungen, aus Richard Blackmores Epos Prince Arthur, aus dem, ebenso wie aus den anderen Werken Blackmores, Pope einen Großteil seiner Negativbeispiele rekrutierte. Pope kommentiert die zitierten Zeilen: „What a noble Confusion? clouds, lakes, brimstone, flames, sunbeams, gaping, pouring, sickening, drowning! all in two lines.“133 Damit enden seine Ausführungen zu Metaphern bereits, die im Gegensatz zu anderen stilistischen Mitteln oder Ausdrucksweisen vergleichsweise knapp ausfallen. Obwohl der Begriff mixed metaphor auch hier nicht wörtlich gebraucht wird, wird Popes Essay dazu beigetragen haben, die Wahrnehmung des Phänomens in den folgenden 129

A.a.O. 21. (Hervorhebungen im Original) Vgl. COWLER, ROSEMARY, Introduction [zu ȆǼȇǿ ǺǹĬȅȊȈ], in: Alexander Pope, The Prose Works. Vol. II: The Major Works, 1725–1744, hg. v. Rosemary Cowler, Oxford: Archon Books 1986, 173–182. Hier: 174. 131 SCRIBLERUS, MARTINUS [=POPE, ALEXANDER], ȆǼȇǿ ǺǹĬȅȊȈ: Or Martinus Scriblerus His Treatise of the Art of Sinking in Poetry, in: Alexander Pope, The Prose Works. Vol. II: The Major Works, 1725-1744, hg. v. Rosemary Cowler, Oxford: Archon Books 1986, 186–234. Hier: 207. (Hervorhebungen im Original) 132 A.a.O. 208. (Hervorhebungen im Original) 133 A.a.O. 209. 130

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Jahren zu verstärken und er wurde von einigen späteren Autoren aufgegriffen.134 Spence und Pope beschäftigen sich noch vorrangig mit Metaphernvermischungen in der Poesie. In den folgenden Jahren rückt jedoch der Metapherngebrauch in der Rhetorik stärker in den Vordergrund. So äußerte sich John Constable (1676/8–1743), ein Jesuit und katholischer Apologet,135 in seinen Reflections upon Accuracy of Style, die 1731 veröffentlicht wurden, aber deutlich früher, um 1705–1712 entstanden, zu dem Thema. Es ist gut möglich, dass Constable Dominique Bouhours’ Werk kannte, der wie er Jesuit war. Wie Bouhours präsentiert auch Constable seine Ansichten in der Form eines Dialogs, an dem bei ihm drei Gesprächspartner beteiligt sind: Eudoxus, der Constables eigene Sichtweise eines einfachen, klaren und natürlichen Stils, welcher sich stets an den Vorgaben der antiken Rhetoriker orientiert, repräsentiert, sowie Cleander und Critomachus, die einen pompöseren Stil bevorzugen und nacheinander im Laufe der Gespräche von Eudoxus überzeugt werden. Auch hierin folgt er Bouhours, der ebenfalls einen Dialogpartner mit Namen Eudoxe angeführt hatte. Gegenstand und Ausgangspunkt der Diskussion ist ein Werk von „Callicrates“ – gemeint sind die Essays Upon Several Moral Subjects von Jeremy Collier (1697)136 – das von Cleander und Critomachus zunächst bewundert, von Eudoxus jedoch wegen seines stark metaphorisch aufgeladenen Stils kritisiert wird. Im dritten Diskurs hat sich Eudoxus – in Anlehnung an Aristoteles und andere antike Rhetoriker – bereits gegen den übermäßigen Gebrauch von Fremdworten, altertümlichen und zusammengesetzten Worten gewendet, bevor er, sofort in kritischem Tonfall, auf Metaphern zu sprechen kommt: „they are certainly grown excessively frequent, and unpardonable in several of those I call new-style Authors. And I fear we shall soon be, or already are reduced to the circumstances which made Quintilian say, that all the grace of Metaphors was lost, or worn away, by the too frequent use and liberty of them.“137 Obwohl Constable also offenbar der Metapher an sich nicht feindlich gesinnt ist, wendet er sich deutlich gegen eine Häufung von Metaphern. Diese wird umso schlimmer, wenn sie zu einer Aneinanderreihung mit häufigem Bilderwechsel wird, wie Constable anhand eines eindrücklichen Vergleichs darstellt: A perpetual rolling of Metaphors I take also to be something like the changing of scenes upon stages. They are to be changed sometimes for the pleasure of the eye, and to help the plot. But if every moment you shift from palaces to woods, from woods to temples, from 134

Unter anderem von Hugh Blair, der die Schrift jedoch Swift zuordnet. Vgl. BLAIR, Lectures, 343. 135 Vgl. BEVILAQUA, VINCENT M., The Rhetorical Theory of John Constable’s Reflections upon Accuracy of Style, in: Rhetorica: A Journal of the History of Rhetoric 2 (1984), 63–73. Hier: 64f. 136 Vgl. a.a.O. 66. Collier wird auch in Oldmixons Bouhours-Übertragung negativ erwähnt, s.o. 137 CONSTABLE, JOHN, Reflections upon Accuracy of Style, London: H. Lintot 1731, 98.

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them to tents and from tents to seas, and so round again; I am more displeased with your forcing me to such sudden turns in my imagination, and with your shuffling and unavoidable bungling, than I am pleased with the variety. […] if continually heap’d upon a subject, they obscure it, hinder requisite attention to the main point, and the reader is more displeased with the confusion and jumbling, than pleased with the multiplicity of your notions, and his own.138

Hier zeigt sich eine Variation der Regel des Spectators, die besagt, dass Metaphern als Bilder gemalt Sinn ergeben müssen. Die Vorgaben zur Konstruktion von Metaphern, die Constable andeutet, ähneln denen, die spätere Rhetoriker anführen. Unter ihnen kritisiert er auch das Phänomen, das anderswo als mixed metaphor bezeichnet wird: „joining different metaphors in the same period, or making a pretended sequel of discourse with one kind of them in the beginning, and ending with another.“139 Ebenso wie Bouhours führt Constable an dieser Stelle Quintilians Auffassung an. Insgesamt beschreibt er das Phänomen aber eher, als dass er es terminologisch fasst. Was genau er kritisiert, verdeutlicht er anhand eines Zitats aus besagten Essays von Collier, das er anschließend diskutiert.140 Dies entspricht insgesamt dem Vorgehen Constables in seinen Reflections, in denen er weniger konkrete Stilregeln darbietet als gelungene und nicht geglückte Beispiele diskutiert.141 Constable macht jedoch deutlich, dass solche Inkonsistenzen im Metapherngebrauch seiner Meinung nach ein Symptom einer zu lebhaften Imagination sind, die es nicht schafft, sich hinreichend zu fokussieren.142 Auch den positiven Gebrauch der Metapher erörtert Constable anhand eines ausführlichen Beispiels, in dessen Diskussion die folgende Bemerkung fällt: „A metaphor thus carried on, with so little mixture of any disparate or odd Ideas, is either no constraint to the mind, or keeps it upon so easy a bent, that the attention is led on as pleasingly and naturally as can be wish’d.“143 Dies ist die einzige Stelle, in der bei Constable ein Derivat des Verbs „mix“ im Kontext von Metaphern gebraucht wird. Auch wenn er also andere Begrifflichkeiten, wie das Wort „jumbling“ im oben angeführten Zitat, gebraucht, ist Constable einer der frühesten englischsprachigen Rhetoriker, die das Phänomen in einiger Ausführlichkeit beschreiben. Die Aufmerksamkeit für das Phänomen der Metaphernvermischung wie auch der Terminus mixed metaphor waren also bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Großbritannien bekannt. Zu größerer Verbreitung gelangten sie hingegen erst in den folgenden Jahrzehnten und vor allem durch die Rhetorik des Scottish Enlightenments, als deren erster Vertreter der Ökonom Adam Smith (1723–1790) gilt, der auf Einladung unter anderem von Henry 138

A.a.O. 99. A.a.O. 103. 140 Vgl. a.a.O. 104. 141 Vgl. BEVILAQUA, Rhetorical Theory, 67. 142 Vgl. CONSTABLE, Reflections, 104. 143 A.a.O. 105. 139

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Home, Lord Kames ab 1748 in Edinburgh Vorlesungen über „Rhetorick and Belles Lettres“ hielt.144 Obwohl das Original-Manuskript seiner Vorlesungen offenbar kurz vor seinem Tod nach eigenem Wunsch vernichtet wurde,145 entdeckte John M. Lothian 1958 Aufzeichnungen von Studenten aus dem Winter 1762/63, die er 1963 veröffentlichte.146 Diese offenbar von mehreren Beteiligten weitestgehend aus dem Gedächtnis reproduzierten Verschriftlichungen beziehen sich jedoch nicht auf Smiths Vorlesungen in Edinburgh, sondern auf seine Lehrtätigkeit in Glasgow, wo er ab 1751 die Professur für Logik und ab 1752 die Professur für Moralphilosophie innehatte. Während er Moralphilosophie unterrichtete, war das Thema der Rhetorik zwar nicht mehr in Smiths öffentlichen Vorlesungen dominant, er wählte es aber für seine „private class“, aus der die Manuskripte stammen.147 Die Verschriftlichungen scheinen inhaltlich genau zu sein, sind aber natürlich nicht mit Originalen vergleichbar und es ist unklar, inwieweit sie auch das abbilden, was Smith in Edinburgh unterrichtet hat: „Although evidence suggests that Smith’s lectures on rhetoric and belles lettres from 1762 to 1763 follow his Edinburgh lectures closely and that the students’ notes are quite faithful representations of the lectures, readers should keep in mind the nature of the text that has come down to us.“148

144

Vgl. ULMAN, H. LEWIS, Adam Smith, in: Michael G. Moran (Hg.), EighteenthCentury British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/London: Greenwood Press 1994, 207–218. Hier: 208. Constables Reflections upon Accuracy of Style waren zu Smiths Schulzeiten sehr populär. Inwieweit Smith jedoch selbst direkt von Constable beeinflusst war, ist unklar. Jedenfalls urteilt Bevilaqua: „While popular in its own day, the Reflections does not seem to have had either considerable or direct impact on ensuing British rhetorical theory. Adam Smith did not list a copy of the Reflections in his extensive library of the belles lettres, nor does Smith’s own theory of the metaphorical style reflect Constable’s thinking. Likewise Henry Home, Lord Kames, does not cite Constable in his broad ranging and highly eclectic Elements of Criticism (1762). Nor is the mark of Constable’s thought to be found in the succeeding rhetorics of George Campbell, Joseph Priestly or Hugh Blair, although, as a mid-eighteenth century attempt to ,explode false ornament‘, the Reflections is a precursor of Blair’s Lectures on Rhetoric and Belles Lettres (1783).“ (BEVILAQUA, Rhetorical Theory, 64f.) Allerdings lassen sich in den Vorgaben zum Gebrauch von Metaphern und in der Diskussion von Metaphernvermischungen m.E. deutliche Parallelen zwischen Constable auf der einen und Smith, Blair und Kames auf der anderen Seite erkennen, wobei diese nicht zwingend auf eine direkte Beeinflussung zurückgeführt werden müssen. 145 Vgl. ULMAN, Adam Smith, 208. 146 Vgl. BRYCE, JOHN C., Introduction, in: Adam Smith, Lectures on Rhetoric and Belles Lettres, hg. v. John C. Bryce (The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith IV), Oxford: University Press 1983, 1. 147 Vgl. ULMAN, Adam Smith, 208. 148 Ebd.

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Hauptgegenstand der Vorlesung ist die Darlegung von Smiths Vorstellung von Rhetorik, die ganz im Zeichen der „perspicuity“ (Deutlichkeit/Verständlichkeit der Sprache) steht.149 In seiner sechsten Vorlesung, die laut Mitschrift am 29. November 1762 abgehalten wurde, geht er auf „Tropes and Figures of Speech“ ein, wobei er die Bedeutung des Themas von Anfang an klein hält und die antiken Rhetoriker in ihrer Behandlung des Stoffes abwertet: Diese hätten lediglich all das, was nicht in ihre krude und zu oberflächliche Grammatik gepasst hätte, als Stilmittel bezeichnet. Laut Smith sind diese jedoch im Grunde genommen überflüssig: „They have no intrinsick worth of their own.“150 Entsprechend kritisiert er rhetorische Abhandlungen, die sich zu sehr auf sie fokussieren.151 Smith zufolge sollen die Grundprinzipien der Rhetorik sehr einfach ausfallen, weshalb sprachliche Stilmittel nicht um ihrer selbst willen, sondern immer im Verhältnis zu Anlass und Kontext aussagekräftig sind: „it is not figures themselves but their relations to the sentiments, characters, and circumstances of speakers that make such expressions agreeable and effective.“152 Auch der Unterscheidung von Tropen und Figuren und der Unterteilung der Stilmittel an sich steht Smith kritisch gegenüber. Dennoch geht er darauf in seiner Vorlesung ein und orientiert sich, anders als es die anfängliche Kritik an den antiken Rhetorikern nahelegt, an den Metapherntheorien von Aristoteles und Quintilian. Dabei scheint er, ähnlich wie Tickell, ein sehr einfaches Metaphernverständnis zu vertreten, das von der Substitution von Worten aufgrund von Ähnlichkeit oder Analogie ausgeht.153 Zugleich betont er mehrmals die Nähe von Metapher, Metonymie und Allegorie, die dazu führt, dass eine konkrete Abgrenzung der einzelnen Stilmittel nicht möglich ist. Ebenso wie seine antiken Vorgänger verweist Smith auf normative Vorgaben zum korrekten Gebrauch von Metaphern: Diese müssten adäquat gewählt sein und dürften nicht zu pompös oder zu unbedeutend, also lächerlich sein. In diesem Zusammenhang bemerkt Smith: One thing farther we may observe is that two Metaphors should never be run and mixed together as in that case they can never be both just. Shakespear is often guilty of this fault, as in the line immediately following that before cited, where he goes on, or bravely arm ourselves and stem a sea of troubles. Here there is a plain absurdity as there is no meaning in ones putting on armour to stem the seas.154

149

Vgl. BRYCE, Introduction, 14f. SMITH, ADAM, Lectures on Rhetoric and Belles Lettres, hg. v. John C. Bryce (The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith IV), Oxford: University Press 1983, 26. 151 Vgl. ULMAN, Adam Smith, 211. 152 Ebd. 153 Vgl. SMITH, Lectures, 28. 154 A.a.O. 30f. 150

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Eine Ergänzung im Manuskript („Hand B“) fügt an dieser Stelle noch hinzu: „Shakespears sea of troubles has been converted in a late Edition into a Siedge, but the former reading is so like Shakespears manner that I dare to say he wrote it so.“155 Mit der Korrektur in der „late Edition“ ist Popes Verbesserung in seiner Werkausgabe von 1725 gemeint.156 Auch bei Adam Smith findet sich nicht der terminus technicus, obwohl die Begriffe „mix“ und „metaphor“ im Kontext nah zusammen stehen. Dennoch ist die Passage aus zweierlei Gründen relevant: Zum einen waren Smiths Lectures extrem einflussreich und vermutlich lenkte er die Aufmerksamkeit auf das Phänomen, das von seinen Nachfolgern dann genauer untersucht wurde, zum anderen wird hier – möglicherweise erstmals – das Zitat aus Hamlets berühmtem Monolog (Hamlet, Akt III, Szene 1) als Beispiel für das beschriebene Phänomen angeführt. Es wird sich in späteren Erörterungen der mixed metaphor – bis in die Gegenwart hinein – immer wieder finden.157 Neben dem 155

A.a.O. 31. Vgl. ebd. Fn 16. 157 Vgl. z.B. SEEGMILLER, LAUREN, Mixed Metaphors Are Serious Business (Here’s How to Avoid Them), in: Renegade World (http://www.renegadeword.com/how-to-write/ mixed-metaphors-are-serious-business-heres-how-to-avoid-them), abgerufen am 17.05. 2018; CRYSTAL, DAVID, On Mixing Metaphors, in: DCBlog (http://david-crystal.blogspot. de/2007/05/on-mixing-metaphors.html), abgerufen am 07.02.2020. Interessanterweise wird das Shakespeare-Beispiel heutzutage häufig als positive Ausnahme angesehen, etwa weil hier die Metaphernvermischung dem Seelenzustand und der Verwirrtheit Hamlets entspricht – was wohl auch einer anderen Grundeinstellung Shakespeare gegenüber geschuldet ist. Im 18. Jahrhundert wurde Shakespeare jedenfalls häufiger für seine Metaphernvermischungen kritisiert. William Warburton (1698–1779) kommentiert bereits in der Shakespeare-Ausgabe von Theobald (1733), zu der er einige Anmerkungen beiträgt, folgende Metapher aus Love’s Labour’s Lost: „This is the flow’r that smiles on everyone.“ und bemerkt dazu: „What the Criticks call the broken, disjointed, and mixt Metaphor are very great Faults in Writing.“ (THEOBALD, LEWIS, The Works of Shakespeare: In Seven Volumes, Bd. 2, London: A. Bettesworth/C. Hitch/J. Tonson/F. Clay/W. Feales/R. Wellington 1733, 163; Hervorhebungen im Original. Vgl. VICKERS, BRIAN [Hg.], William Shakespeare. The Critical Heritage. Vol 2: 1693–1733, London: Routledge/Kegan Paul 1974–81, 532.) Allerdings erklärt er sie damit, dass eine der Metaphern zu Shakespeares Zeit konventionalisiert war, nicht aber für die Leserinnen und Leser des 18. Jahrhunderts. Das Warburton-Zitat ist übrigens ein weiterer sehr früher Beleg für den Begriff mixed metaphor. Auch John Upton (1707–1760) urteilt in seinen Critical Observations on Shakespeare (1746/21748): „The crouding and mixing together heterogeneous metaphor is doing a sort of violence to the mind; for each new metaphor calls it too soon off from the idea which the former has rais’d: ’tis a fault, doubtless, and not to be apologized for; and instances are very numerous in Shakespeare.“ (UPTON, JOHN, Critical Observations on Shakespeare, London: G. Hawkins 2 1748, 397f.) Ein besonders harscher Kritiker Shakespeares ist Tobias Smollett (1721– 1771), der den Barden in einer Artikelserie des Titels An Introduction to the Study of the Belles Lettres (1762) in seinem British Magazine mehrfach als Negativbeispiel anführt. So bemerkt er unter der Überschrift „Upon Taste“ im Anschluss an allgemeine Anmerkungen zu Metaphern: „Over and above an excess of figures, a young author is apt to run into a 156

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Shakespeare-Beispiel nennt Smith zusätzlich den Anfang von Thompsons Seasons. Er diskutiert die Stelle und schließt mit der Bemerkung: „These lines which I believe few understand are generally admired and I believe because few take the pains to consider the authors reall meaning or the significance of the severall expressions, but are astonished at these pompous sounding expressions.“158 Hieraus lässt sich ableiten, dass die allgemeine Wahrnehmung und Problematisierung von Metaphernvermischungen trotz der Ausführungen des Spectators und der anderen bereits aufgeführten Autoren zum Zeitpunkt der Vorlesung noch nicht sonderlich ausgeprägt waren. Dies änderte sich aber im Laufe der Zeit erheblich, vermutlich auch, weil viele nachfolgende Rhetoriker direkt oder indirekt durch Smith beeinflusst waren. Smiths Vorlesungen über Rhetorik sind in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. So urteilt Howell: „Adam Smith’s lectures gave [the] new rhetoric its earliest and most independent expression.“159 Und Ulman bemerkt ebenfalls: „Clearly, to read Smith’s lectures is to examine a pivotal point in the history of rhetoric.“160 Dies gilt wohl auch im Hinblick auf die Ausführungen zur mixed metaphor. In Edinburgh gehörten einige angesehene Gelehrte zu den Zuhörern von Smiths Vorlesungen, darunter auch Hugh Blair (1718–1800) und Henry Home,

confusion of mixed metaphors, which leave the sense disjointed, and distract the imagination: Shakespeare himself is often guilty of these irregularities.“ (SMOLLETT, TOBIAS, The British Magazine. Or Monthly Repository for Gentlemen & Ladies, Bd. 3, London: J. Fletcher 1762, 186.) Direkt nach dieser Bemerkung, die Smiths ähnlich ist, konstatiert er: „The soliloquy in Hamlet, which we have so often heard extolled in terms of admiration, is, in our opinion, a heap of absurdities.“ (A.a.O. 186f.) Smollett fährt damit fort, diesen Monolog kleinschrittig unter verschiedenen Aspekten zu kritisieren, wobei natürlich auch die Metaphernvermischungen eine Rolle spielen. Dabei wird auch die von Smith angeführte Passage erwähnt, die jedoch, anders als bei Smith, nicht besonders hervorgehoben wird, sondern von Smollett als eine von vielen Inkonsistenzen bewertet wird. Er schreibt dazu: „Neither can any figure be more ridiculously absurd than that of a man taking arms against a sea, exclusive of the incongruous medley of slings, arrows, and seas, justled within the compass of one reflection.“ (A.a.O. 317.) Metaphorische Sprache wurde in den Shakespeare-Ausgaben des 18. Jahrhunderts zudem häufig (fälschlich) korrigiert oder verändert, etwa durch Pope oder Johnson. Dadurch wurden auch einige Metaphernvermischungen „korrigiert“. George Steevens etwa schlug vor, in dem Hamlet-Beispiel das Wort „sea“ durch „assay“ zu ersetzen. (Vgl. CLEMEN, WOLFGANG, The Development of Shakespeare’s Imagery [Routledge Library Editions. Shakespeare IX], London: Routledge 21977, 12f.) Insgesamt wurde Shakespeare im 18. Jahrhundert zwar allgemein geschätzt, sein Stil aber aufgrund mangelnder Schlichtheit kritisiert. (Vgl. a.a.O. 10f.) Erst im Zuge der Romantik wurden auch Shakespeares Bilderreichtum und seine Verwendung von Metaphern wieder gewürdigt. (Vgl. a.a.O. 13.) 158 SMITH, Lectures, 31. 159 HOWELL, WILBUR S., Eighteenth-Century British Logic and Rhetoric, Princeton: University Press 1971, 541. Hier mit Modifikation zitiert in: ULMAN, Adam Smith, 207. 160 ULMAN, Adam Smith, 217.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Lord Kames (1696–1782).161 Beide schrieben rhetorische Abhandlungen, in denen sie auch auf die mixed metaphor eingehen – nun auch unter genau dieser Bezeichnung. Sowohl Blair als auch Kames standen aber nicht nur unter dem Einfluss Smiths, sondern auch im regen Austausch miteinander, was sich in einigen Gemeinsamkeiten ihrer rhetorischen Ausführungen niederschlägt.162 Besonders einflussreich war das Werk Blairs, der bereits zu Lebzeiten nicht nur „the most popular preacher in Scotland“163 (unter anderem in der prestigeträchtigsten St. Giles Kirche in Edinburgh), sondern auch ein überaus angesehener Gelehrter war: „Contemporaries believed him brilliant.“164 Ab 1759 hielt Blair an der Universität von Edinburgh Vorträge zum gleichen Themenkomplex wie Smith einige Jahre vor ihm und lieh sich für die eigenen Vorbereitungen sogar dessen Manuskript.165 Aus seiner Lehrtätigkeit heraus ergab sich eine weitere akademische Laufbahn: „In 1760 the Edinburgh Town Council appointed Blair Professor of Rhetoric, and in 1762 King George III designated him the first Regius Professor of Rhetoric and Belles Lettres at the University of Edinburgh, where he taught a popular course that attracted over fifty students a session.“166 Nachdem er 1783 in den Ruhestand ging, veröffentlichte Blair seine Vorlesungen unter dem Titel Lectures on Rhetoric and Belles Lettres – ein immenses Werk von über eintausend Seiten.167 Bei der Veröffentlichung war ihm wiederum Henry Home, Lord Kames, behilflich.168 Blairs Lectures waren überaus populär und über einen langen Zeitraum sowohl in Großbritannien als auch in weiten Teilen Europas (Ausgaben gab es auch in Frankreich, Deutschland, Italien, Russland und Spanien169) und den USA einflussreich: „Schmitz has listed twenty-five British and thirty-five American complete editions of the Lectures, but the contents of Blair’s Lectures were also reprinted, abridged, adapted, and cited at length in a variety of publications and books – including schoolbooks and readers – throughout the eighteenth and nineteenth centuries.“170 Die meisten auf Blair folgenden Publikationen zum Thema Rhetorik nahmen auf dieses Standardwerk in irgendeiner Form 161

Vgl. a.a.O. 208. Vgl. FERREIRA-BUCKLEY, LINDA, Hugh Blair, in: Michael G. Moran (Hg.), Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/London: Greenwood Press 1994, 21–35. Hier: 26. 163 A.a.O. 21. 164 A.a.O. 22. 165 Vgl. BRYCE, Introduction, 17. 166 FERREIRA-BUCKLEY, Hugh Blair, 23. 167 Vgl. ebd. 168 Vgl. DESMET, CHRISTY, Henry Home, Lord Kames, in: Michael G. Moran (Hg.), Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/London: Greenwood Press 1994, 132–141. Hier: 133. 169 Vgl. FERREIRA-BUCKLEY, Hugh Blair, 32. 170 Ebd. 162

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Bezug, das somit einen Rang einnahm, das dem Quintilians in seiner Zeit ähnelt.171 Somit war Blair gleichzeitig auch das Medium, durch das Adam Smiths Vorstellung von Rhetorik in seiner Zeit einer größeren Öffentlichkeit zugänglich wurde, denn dass Blair in vielerlei Hinsicht von Smith abhängig war, ist offensichtlich: „Blair’s Lectures resemble those of Adam Smith, on which they are based, although Blair’s are much expanded so as to outline a general philosophy of language.“172 Dies wird auch am schieren Ausmaß von Blairs Ausführungen ersichtlich. Was für die Rhetorik insgesamt gilt, ist auch für die Aussagen zur Metapher zutreffend. Blair hat Nähen zu Smith, behandelt die Metapher aber ausführlicher und widmet ihr die gesamte Vorlesung XV. Auch er sieht die Metapher als verkürzten Vergleich, hält sie aber gleichzeitig für schöner als diesen, lobt sie als Stilmittel und betont ihre Ubiquität.173 Ebenso wie Smith führt Blair Regeln zum richtigen Gebrauch der Metaphern an, wobei er jedoch stärker differenziert und insgesamt sieben verschiedene Punkte anführt. In den ersten drei Punkten geht es generell um die Angemessenheit der Metapher. Diese soll zum Thema, Anlass und zur Art der Rede passen und nicht vulgär oder anstößig sein. Auch die ausgedrückte Ähnlichkeit soll klar erkennbar sein. Zudem warnt Blair vor Marking, etwa durch den Ausdruck „as it were“. In den Regeln vier bis sechs geht es dann um unterschiedliche Arten von Mischungen und Kombinationen. Zunächst rät Blair davon ab, eine Metapher vorschnell abzubrechen und wieder abrupt zum „wörtlichen“ Sprachgebrauch überzugehen: „In the fourth place, it must be carefully attended to, in the conduct of Metaphors, never to jumble metaphorical and plain language together; never to construct a period so, that part of it must be understood metaphorically, part literally: which always produces a most disagreeable confusion.“174 Blair führt Beispiele an, die er als „inconsistent“ und „unnatural mixtures“ bezeichnet.175 Anschließend geht er dazu über, Metaphernvermischungen im engen Sinne zu diskutieren. If it be faulty to jumble together, in this manner, metaphorical and plain language, it is still more so, IN the fifth place, to make two different Metaphors meet on one object. This is what is called mixed Metaphor, and is indeed one of the grossest abuses of this figure.176

Auch er zitiert Hamlets Monolog und kommentiert dann: „This makes a most unnatural medley, and confounds the imagination entirely.“177 Gegenüber

171

Vgl. ebd. A.a.O. 24. 173 Vgl. BLAIR, Lectures, 372f. 174 A.a.O. 385. 175 A.a.O. 386. 176 A.a.O. 388. 177 Ebd. 172

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Smith benutzt Blair also deutlichere Worte und gebraucht den terminus technicus. Verglichen mit der ersten Form von Vermischung ist eine deutliche normative Steigerung erkennbar. Blair greift auch Quintilians Bemerkung über die klare Fortführung der Metapher auf und ergänzt weitere Beispiele, darunter einige aus Shakespeares Werken und folgende Zeilen aus Joseph Addisons Letter from Italy: I bridle in my struggling muse with pain That longs to launch into a bolder strain.178

Auch diese Verse gehören zu den klassischen Beispielen, die in späteren Rhetoriken immer wieder bei der Diskussion von Metaphernvermischungen aufgegriffen wurden. Die Kritik daran besteht darin, dass die Muse durch die Assoziationen der verwendeten Begriffe zunächst als Pferd und dann als Schiff vorgestellt wird. Auch der bedeutende Literaturkritiker Samuel Johnson (1709– 1784) erkannte in seinem „Life of Addison“ (Bestandteil seines Werks Lives of the Most Eminent English Poets, 1779–1781) dieses Problem und nutzte die Bezeichnung „broken metaphor“,179 die sich als Synonym zum Terminus mixed metaphor ebenfalls verbreitete, jedoch nicht so einflussreich wie letzterer war. Das Hauptargument, das Blair und Johnson gegen solche Inkonsistenzen anführen, ist, dass das durch die Metapher erzeugte Bild nicht kohärent ist und somit die bildliche Vorstellung verwirrt wird. Dementsprechend nennt Blair, ganz ähnlich wie der Spectator, als Methode, um festzustellen, ob eine Metapher gut gelungen oder vermischt ist, dass man sich das von ihr erzeugte Bild wie von einem Stift gemalt vorstellen soll. Nur wenn es sich als Ganzes fügt, ist auch die Metapher makellos.180 Als letzte Art der Metaphernkombination führt Blair Metaphernhäufungen an: „As Metaphors should never to be mixed, so in the sixth place we should avoid crowding them together on the same object. Supposing each of the Metaphors to be preserved distinct, yet, if they be heaped on one another, they produce a confusion somewhat of the same kind with the mixed Metaphor.“181 Auch hier liegt der Grund dafür in der schwierigen bildlichen Vorstellung: Das 178

A.a.O. 390. JOHNSON, SAMUEL, The Lives of the Poets. Bd. 2, hg. v. John H. MIDDENDORF (The Yale Edition of the Works of Samuel Johnson 22), New Haven/London: Yale University Press, 651. Johnson gebraucht diesen Begriff auch noch an anderer Stelle (z.B. JOHNSON, SAMUEL, The Lives of the Poets. Bd. 3, hg. v. John H. MIDDENDORF [The Yale Edition of the Works of Samuel Johnson 23], New Haven/London 2010, 1242; Life of Pope). Dabei entwickelt er ihn jedoch nicht näher und beschreibt nicht, was genau er damit meint. Der Gebrauch des Terminus und die damit einhergehende Abwertung des Phänomens wird aber auf nachfolgende Kritiker und Rhetoriker einen nicht zu unterschätzenden Einfluss gehabt haben. 180 Vgl. BLAIR, Lectures, 391f. 181 A.a.O. 392. 179

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mentale Vermögen des Menschen habe Schwierigkeiten damit, viele verschiedene Bilder in schneller Abfolge zu verarbeiten.182 Als letzte Regel für den korrekten Gebrauch der Metapher legt Blair fest, dass diese nicht zu weit verfolgt werden soll, dass also das vermieden wird, was er „straining a Metaphor“183 nennt und die Metapher in die Nähe der Allegorie rückt. An sich sind die Regeln, die Blair anführt, nicht neu. Sie treten vereinzelt auch bei früheren Autoren auf. Bei Blair und ebenso bei Kames werden sie aber auf übersichtliche Weise zusammengefasst. Blair sieht somit Kombinationen und Hybridformen, die die Metapher betreffen, auf drei Ebenen als problematisch an: Die Vermischung figurativer mit „wörtlicher“ Sprache, die Vermischung von Metaphern untereinander und die gehäufte Aneinanderreihung an sich distinkter Metaphern. Bei Henry Home, Lord Kames kommt noch eine weitere Ebene hinzu. Sein beliebtes Werk Elements of Criticism wurde 1762, also rund 20 Jahre vor Blairs Vorlesungen, veröffentlicht, weshalb es gut möglich ist, dass Blairs Auffassung zur mixed metaphor von Kames’ Anmerkungen diesbezüglich beeinflusst war.184 In historischer Perspektive war Kames vor allem darum bedeutsam, weil er Smith und Blair förderte. In his own era, however, Kames was well known as an author. The Elements of Criticism […] was highly regarded and widely read. Between 1762 and 1823 the book went through eight English editions and four American editions; it was also translated into German. […] Kames’s work was also popular in America, where it influenced textbooks of rhetoric and composition.185

Die Metapher betreffend zeigen sich im Vergleich zu Blair deutliche Parallelen in Inhalt und Aufbau. Kames führt jedoch noch mehr Beispiele an, wobei auch er gern auf Shakespeare zurückgreift. Auch Kames sieht die Metapher in starker Nähe zum Vergleich und stellt sieben Regeln zur geglückten Verwendung auf, die denen, die Blair nennt, sehr ähneln. Er behandelt allerdings Metapher und Allegorie gemeinsam und unterscheidet generell zwei Kategorien von Regeln: „those of the first kind concern the construction […] and ascertain what are perfect and what are faulty: those of the other kind concern the propriety of 182

Vgl. a.a.O. 393. Vgl. a.a.O. 394. 184 So urteilt Desmet: „The influence of Kames’s Elements can be detected in the work of Hugh Blair and Joseph Priestley and perhaps in George Campbell’s Philosophy of Rhe toric.“ (DESMET, Henry Home, Lord Kames, 133.) Da Blairs Veröffentlichung jedoch das Resultat einer langjährigen Tätigkeit ist und er bereits 1759 Vorträge über Stil und Rhetorik hielt, kann nicht genau geklärt werden, von wem der Einfluss ausging. Dies wird noch dadurch verkompliziert, dass beide Rhetoriker miteinander in Kontakt standen und sich austauschten. Theoretisch ist es sogar möglich, dass Smith in der uns vorliegenden Vorlesung bereits auf Kames’ Veröffentlichung rekurriert und das Shakespeare-Zitat von ihm übernommen hat. 185 DESMET, Henry Home, Lord Kames, 133. 183

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

introduction, in what circumstance these figures may be admitted, and in what circumstances they are out of place“,186 wobei im Groben die ersten vier Regeln unter die erste Kategorie fallen und Regel fünf bis sieben, in denen es hauptsächlich um Vermischungen geht, unter die zweite. Die ersten beiden Regeln fordern die passende Ähnlichkeit und angemessene Proportion, die dritte kann in ihrer Forderung nach Kürze und wenigen Details mit Blairs siebter Regel verglichen werden. Interessant ist Kames’ vierte Regel, die sich vom Wesen her noch mit der Konstruktion der Metapher beschäftigt, hier jedoch eine Art von Vermischung aufzeigt, die bei Blair keine Parallele hat: „in constructing a metaphor, the writer ought to […] make use of such words only as are applicable literally to the imagined nature of his subject. Figurative words ought carefully to be avoided; for such complicated figures; instead of setting the principal subject in a strong light; involve it in a cloud.“187 Kames wendet sich hier also gegen eine Art metaphorische Verschachtelung, in der in der Metapher selbst wiederum metaphorische Ausdrücke gebraucht werden. Die nachfolgenden Regeln fünf bis sieben entsprechen Blairs Regeln vier bis sechs, wobei die Reihenfolge jedoch eine andere ist. Kames beginnt mit der Behandlung des Phänomens „commonly called a mixt metaphor“188 und führt ebenfalls Quintilians Äußerungen und das Beispiel aus Hamlets Monolog an. Darauf folgt seine Behandlung von Metaphernketten, der er eine sehr ähnliche Wirkung wie Blair zuschreibt: „when the imagination is put on such hard duty, its images are too faint to produce any good effect.“189 Zuletzt geht er auf die Vermischung von metaphorischer und „wörtlicher“ Sprache ein bzw. rät dazu, jede einmal begonnene Metapher auch zu Ende zu führen. Insgesamt ist nicht ganz klar, ob die von Kames aufgestellten Regeln mit aufsteigender Reihenfolge auf immer schwerer wiegende Vergehen gegen den Stil hinweisen. Jedenfalls wertet er, im Gegensatz zu Blair, die Vermengung von „wörtlichen“ und metaphorisch gebrauchten Ausdrücken als schlimmer als die Anhäufung und Hintereinanderreihung distinkter Metaphern.190 Der Einfluss von Blair und Kames auf das Konzept mixed metaphor, sowohl in Großbritannien als auch in den USA, war immens. So übernimmt die dritte Auflage der Encyclopædia Britannica (1797) – selbst ein Produkt des Scottish Enlightenments und in Edinburgh herausgegeben – in ihrem Artikel „Metaphor“ zum Großteil wortwörtlich die Aussagen Kames’ im entsprechenden Abschnitt, inklusive seiner Regeln zum korrekten Metapherngebrauch, wozu unter anderem seine Ausführungen zur mixed metaphor sowie das Beispiel aus 186 KAMES, HENRY HOME, Elements of Criticism, Bd. 3, London/Edinburgh: A. Millar/A. Kinkaid and J. Bell 1762, 116. 187 A.a.O. 121. 188 A.a.O. 123. Auch Kames geht von einem bereits etablierten Fachbegriff aus. 189 a.a.O. 124. 190 Vgl. a.a.O. 125: „It is still worse to jumble together metaphorical and natural expression“.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Hamlets Monolog zählten.191 Durch einen Raubdruck wurde die dritte Auflage der Encyclopædia Britannica in Amerika ebenfalls verbreitet.192 Auch in der vierten Auflage von 1810 und in der sechsten Auflage von 1823 wurde der identische Text abgedruckt.193 Blairs Ausführungen zur mixed metaphor erfuhren ebenfalls durch die Aufnahme in andere Werke große Verbreitung. Alexander Jamieson (1782–1850), der ebenfalls Schotte war und selbst angab, von Blair und Kames beeinflusst zu sein,194 veröffentlichte 1818 sein Lehrwerk A Grammar of Rhetoric and Polite Literature. Beim Thema der Metapher übernimmt er zum Großteil die Ausführungen Blairs, meist wortwörtlich. Durchgängig macht er die Struktur von Blairs Argumentation durch mehr Absätze und die Benennung des Vorgehens in diesen Abschnitten deutlich. An manchen Stellen nimmt er kleinere Änderungen oder Kürzungen vor, teilweise ergänzt er auch zusätzliche Beispiele. In den Ausführungen zur mixed metaphor ist er etwas freier als in den meisten anderen Bereichen der Metapherndiskussion. So übernimmt er zwar die Definition der mixed metaphor im Wortlaut von 191

Vgl. [ANONYM], Art. Metaphor, in: Encyclopædia Britannica3 11 (1797), 475–480. Insbes.: 478. 192 Vgl. STEWART, DONALD E./KENT, CHRISTOPHER HARDY WISE/LEVY, MICHAEL, Art. Encyclopædia Britannica, in: Encyclopædia Britannica (https://www.britannica.com/topic/ Encyclopaedia-Britannica-English-language-reference-work), abgerufen am 06.04.2018. 193 In der ersten Auflage der Encyclopædia Britannica war der Artikel zur Metapher noch deutlich kürzer und beschränkte sich eher auf eine Definition des Phänomens. Auch in der elften Auflage von 1911, der ersten Auflage, die in einem wirklich weiten Rahmen Verbreitung fand, ist der Artikel sehr viel knapper als in der dritten Auflage. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass auch in ihm das Phänomen mixed metaphor benannt wird: „The ,simple‘ metaphor […] becomes the ,continued‘ metaphor when the analogy or similitude is worked out in a series of phrases and expressions based on the primary metaphor; it is in such ,continued metaphors‘ that the solecism of ,mixed‘ metaphors is likely to occur.“ ([ANONYM], Art. Metaphor, in: The Encyclopædia Britannica11 18 [1911], 224.) Dies lässt sich vermutlich aufgrund der Geschichte des Artikels erklären. Selbst in der aktuellen online-Version der Encyclopædia Britannica wird die mixed metaphor im Artikel zur Metapher erklärt: „A mixed metaphor is the linking of two or more disparate elements, which can result in an unintentionally comic effect produced by the writer’s insensitivity to the literal meaning of words or by the falseness of the comparison.“ Auch hier wird das Shakespeare-Beispiel genannt, interessanterweise im selben Umfang wie bei Kames und somit in der dritten Auflage der Enzyklopädie. Allerdings wird dieses Zitat als positives Beispiel genannt: „A mixed metaphor may also be used with great effectiveness“. Zwar fährt der Artikel damit fort, die Vermischung im Hamlet-Zitat korrigierend zu erklären („A strictly literal completion of the metaphor would demand the use of a word such as host instead of sea.“), er endet aber in einer erfrischend positiven, weil nicht-normativen Bewertung der mixed metaphor: „But the power of a mixed metaphor – like all metaphors – is its ability to delight and surprise readers and to challenge them to move beyond notions of ‚correct‘ or ‚incorrect‘ metaphors.“ (Zitate aus: THE EDITORS OF ENCYCLOPAEDIA BRITANNICA, Art. Metaphor, in: Encyclopædia Britannica [https://www.britannica.com/art/metaphor], abgerufen am 06.04.2018.) 194 JAMIESON, Grammar, iv.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Blair, ebenso das Hamlet-Beispiel, den Verweis auf Quintilian und zwei weitere Beispiele aus Shakespeares Werkcorpus.195 Das Addison-Zitat, das Jamieson ebenfalls rezipiert, diskutiert es jedoch stärker als Blair.196 Zudem schließt Jamieson mit diesem Beispiel und lässt die weiteren von Blair angeführten Zitate von Horaz und Pope unbeachtet.197 Jamiesons Lehrbuch war extrem populär und erlebte viele Auflagen, darunter auch zahlreiche in Amerika. Es gehörte hier zu den Standardwerken, gerade in der Ausbildung junger Mädchen und Frauen.198 Ebenso wie Blair durch Jamieson in großen Teilen wörtlich aufgenommen wurde, wurde Jamieson von anderen Lehrwerken kopiert. In P.H. Pullens Lehrbuch The Mother’s Book (1820) werden Jamiesons Aussagen zu Metaphern nochmals komprimierter, aber in beinah identischem Wortlaut wiedergegeben.199 Noch deutlicher wird die Tatsache, dass Jamieson als Vorlage diente, in William B. Laceys Lehrbuch An Illustration of the Principles of Rhetoric, in dem auch die detailliertere Analyse des Addison-Zitats übernommen wurde.200 Die wörtliche Aufnahme von Kames und Blair in der Encyclopædia Britannica und diversen Lehrwerken sorgte dafür, dass ihre Ausführungen zur mixed metaphor, inklusive der von ihnen diskutierten Beispiele von Shakespeare und Addison, über lange Zeit die normativen Vorgaben zu diesem Phänomen dominierten und zum Teil bis heute nachwirken. Neben Smith, Blair und Kames gehört George Campbell (1719–1796) zu den wichtigsten Rhetorikern des Scottish Enlightenment. Obwohl er zu diesen ein freundschaftliches Verhältnis pflegte und zeitweise an ihrem Wirkungsort Edinburgh Theologie studierte, war er selbst in Aberdeen, am Marischal College tätig. In seiner Philosophy of Rhetoric – zuerst 1776 erschienen, aber über einen längeren Zeitraum von ca. 1750 an entstanden – setzt er dann auch einige andere Schwerpunkte als seine Zeitgenossen.201 Dies gilt auch für seine Behandlung der mixed metaphor. Er geht auf das Phänomen interessanterweise 195

Vgl. a.a.O. 154f. Vgl. a.a.O. 155f. 197 Vgl. BLAIR, Lectures, 391f. 198 Vgl. KELLY, CATHERINE E., Reading and the Problem of Accomplishment, in: Heidi Brayman Hackel/Catherine E. Kelly (Hg.), Reading Women. Literacy, Authorship, and Culture in the Atlantic World, 1500–1800, Philadelphia: University of Philadelphia Press 2008, 124–149. Hier: 129. Neben Jamieson wurden weiterhin Kames, Addison und vor allem Blair verwendet. 199 Vgl. PULLEN, P. H., The Mother’s Book. Exemplifying Pestalozzi’s Plan of Awakening the Understanding of Children in Language, Drawing, Geometry, Geography and Numbers, London: W. Clowes 1820, 248–251. 200 Vgl. LACEY, WILLIAM B., An Illustration of the Principles of Rhetorick. Designed for High Schools, Female Seminaries, and Private Students, Pittsburgh: Patterson, Forrester and Co. 21837, 103–114. Diskussion des Addison-Zitats auf S. 111. 201 Vgl. HORNER, WINIFRED BRYAN/ALEY, SHELLEY, George Campbell, in: Michael G. Moran (Hg.), Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/London: Greenwood Press 1994, 52–64. Hier: 52f. 196

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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nicht im dritten Buch ein, in dem er sich generell mit Tropen beschäftigt, sondern im zweiten Buch, im Kontext der Verständlichkeit bzw. Deutlichkeit (perspicuity) und unter der vielsagenden Kapitelüberschrift „What is the Cause that Nonsense so often escapes being detected, both by the Writer and by the Reader?“202 Dieses Kapitel thematisiert sowohl „the immoderate use of metaphors, which, by-the-way, is the principal source of all the nonsense of orators and poets“203 als auch den unklaren Gebrauch komplexer und somit mehrdeutiger Begrifflichkeiten, der etwa dann problematisch wird, wenn über Politik geschrieben wird,204 und „the abuse of very general and abstract terms“,205 der nach Campbell vor allem in Theologie und Metaphysik vorkommt. Die mixed metaphor ist hier also eins von drei sehr unterschiedlichen Phänomenen, denen aber dieselbe Wirkung zugeschrieben wird. Der unsachgemäße Gebrauch von Metaphern bezieht sich bei Campbell zunächst darauf, dass diese exzessiv genutzt werden und dass Metaphern zu weit fortgesetzt werden, in missglückte Allegorien, obwohl sowohl Metaphern als auch Allegorien von ihm grundsätzlich positiv gewertet werden.206 Dann ist eine Inkongruität auf der wörtlichen Ebene problematisch, was bei der mixed metaphor der Fall ist, „a thing not uncommon even in good writers“.207 Die von Campbell angeführten Beispiele stammen unter anderem von Addison und Lord Bolingbroke, unterscheiden sich aber von den Zitaten der anderen Rhetoriker des Scottish Enlightenments. Schließlich geht Campbell auf Metaphern, oder eher Allegorien, ein, die zwar auf wörtlicher Ebene konsistent sind, bei denen eine figurative Entsprechung jedoch fehlt, wie wenn der menschliche Geist mit einer Landschaft gleichgesetzt wird, die einzelnen aufgeführten Bestandteile wie unterschiedliche Regionen, Wildnis, fruchtbares Land etc. aber mit nichts im menschlichen Geist in Verbindung gebracht werden können.208 Mit dem letztgenannten Aspekt setzt Campbell gegenüber den anderen zeitgenössischen Rhetorikern einen eigenen Akzent. Es ist interessant, dass Campbell mixed metaphors problematisiert, obwohl er dem Menschen generell die Fähigkeit zur Hybriditätsbildung zugesteht: The mind, it must be owned, hath an unlimited power in moulding and combining its ideas. It often produceth wonderful forms of its own, out of the materials originally supplied by

202 CAMPBELL, GEORGE, The Philosophy of Rhetoric. New Edition, New York: Harper 1868, 278. Im dritten Buch geht er auf Metaphern allgemein ein, etwa auch auf unterschiedliche Konventionalitätsgrade. Von einer mixed metaphor ist hier aber nicht die Rede. 203 A.a.O. 290. 204 Vgl. a.a.O. 290f. 205 A.a.O. 294. 206 Vgl. a.a.O. 288. 207 A.a.O. 289. 208 Vgl. a.a.O. 290.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

sense; forms, indeed, of which there is no exemplar to be found in nature; centaurs and griffons, Gorgons, and hydras, and chimeras dire.209

Die Einschränkung folgt allerdings sogleich: But still it must not attempt absolute impossibilities, by giving to its creatures contradictatory qualities. It must not attempt to conceive the same thing to be black and white at the same time, to be no more than three inches long, and yet no less than three thousand; to conceive two or more lines to be both equal and unequal, the same angle to be at once acute, obtuse and right.210

George Campbells Werk war sehr einflussreich: „His Philosophy of Rhetoric […] was widely used not only in Scotland but in England and the United States, as well. Between 1800 and 1825 Campbell’s Philosophy of Rhetoric was the second most commonly adopted textbook in American colleges, surpassed only by Hugh Blair’s popular Lectures.“211 In vielerlei Hinsicht war er seiner Zeit voraus,212 was auch das oben angeführte Zitat zu den Möglichkeiten des menschlichen Geistes zeigt. Im Hinblick auf die mixed metaphor wurden seine Ausführungen – wohl auch weil sie weniger lang und systematisiert sind als die Blairs und Kames – weniger stark rezipiert und waren weniger bedeutsam als die seiner Zeitgenossen. Auch einige bedeutende englischsprachige Rhetoriker außerhalb Schottlands setzten sich im 18. Jahrhundert mit dem Phänomen mixed metaphor auseinander. John Lawson (1709–1759), der am Trinity College in Dublin lehrte, einem weiteren wichtigen „center of rhetorical study“,213 teilte die Skepsis seiner Zeitgenossen gegenüber Tropen und Stilfiguren, die seiner Meinung nach nur spärlich zu gebrauchen sind.214 Konsequenterweise urteilte er in seinen Lectures Concerning Oratory (1758), nachdem er bereits das zu weite Verfolgen von Metaphern in fehlerhaften Allegorien abgeurteilt hatte: „A SECOND Danger attending the Use of Metaphor is, The mixing different and inconsistent.“215 Davon seien auch die besten Autorinnen und Autoren betroffen, wie Lawsons Beispiele, unter anderem von Cicero, illustrieren und weshalb er mit der rhetorischen Frage schließt: „Need I add that much Vigilance is required against a Fault, the Infection of which seems to have reached in some Degree even these Heroes?“216 Insgesamt sind Lawsons Ausführungen zu diesem 209

A.a.O. 285. Ebd. 211 HORNER/ALEY, George Campbell, 52. 212 Vgl. a.a.O. 62. 213 MORAN, MICHAEL G., John Lawson, in: Ders. (Hg.), Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/London: Greenwood Press 1994, 142–149. Hier: 142. 214 Vgl. a.a.O. 144f. 215 LAWSON, JOHN, Lectures Concerning Oratory, Dublin: G. Faulkner 21759, 265. 216 A.a.O. 266. 210

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Thema aber sehr knapp und stehen im Kontext einer Vorlesung, die eine Vielzahl an Stilmitteln behandelt.217 Demgegenüber sind Thomas Gibbons’ (1720–1785) Ausführungen zu dem Thema umfangreicher.218 Gibbons’ Werk Rhetoric; Or, A View of its Principal Tropes and Figures (1764) stellt, wie der Name schon darlegt, eine reduktionistische Sicht auf die Rhetorik dar, die sich hauptsächlich mit Stilmitteln beschäftigt.219 Diese werden dann in einiger Ausführlichkeit und anhand einer Vielzahl von Beispielen – sowohl positiven als auch negativen – behandelt. Trotz des einseitigen Schwerpunkts seines Werks warnt auch Gibbons davor, diese stilistischen Mittel zu exzessiv zu gebrauchen.220 Er beginnt seine Rhetoric mit einer generellen Definition und Betrachtung des Tropus. Dabei wird jedoch an dieser Stelle nicht ersichtlich, worin der Unterschied zwischen

217 Zur Bedeutung Lawsons: „Lawson should be viewed as an important transition figure in eighteenth-century rhetoric. By emphasizing the positive contributions of classical theory and practice, he demonstrated the importance of rhetorical theory to his own culture. He also brought classical systems to the attention of eigteenth-century rhetoricians and, thereby, encouraged them to see the limitations of those methods. But Lawson did not merely summarize classical theory; he also suggested some more modern directions for contemporary rhetoric to take: Consequently, Lawson pointed the way for the more important workt of the period. Finally, by publishing his lectures, he undoubtedly encouraged other professors of rhetoric – including Campbell, Blair, and Priestley – to do the same. While not a major theorist himself, he encouraged mayor theorists to write and publish their more significant work.“ (MORAN, John Lawson, 148.) 218 Gibbons wiederum gibt als seine Hauptquellen Anthony Blackwalls An Introduction to the Classics (1718) und John Wards A System of Oratory (1759) an. (Vgl. HARDEGREE, MAUREEN BYRNES, Thomas Gibbons, in: Michael G. Moran [Hg.], Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/ London: Greenwood Press 1994, 94–98. Hier: 95.) Die Ausführlichkeit, mit der Gibbons auf Metaphernvermischungen eingeht, hat er aus diesen Quellen jedoch nicht übernommen. Ward thematisiert in seinen Vorlesungen zu Tropen und Metaphern die mixed metaphor überhaupt nicht. (Vgl. WARD, JOHN, A Sytem of Oratory, Delivered in a Course of Lectures Publicly Read at Gresham College, London, Bd. 1, London: J. Ward 1759, 383–411.) Blackwall macht lediglich im Kontext von Allegorien eine kurze Bemerkung, die in die Richtung von Metaphernvermischungen deutet: „To prevent Confusion, and want of Consequence and Decorum in a Discourse, an Allegory must end as it began; and the same Metaphor which was chosen at first, be continued to the last. Several Allegories may be brought into one Discourse at a small Distance one from another; but every Particular must be in a Sentence distinct from the rest, entirely of a Piece, and must admit nothing foreign.“ (BLACKWALL, ANTHONY, An Introduction to the Classics. Containing, A Short Discourse on their Excellencies; And Directions how to Study them to Advantage, London: G. Mortlock/H. Clements/W. Cantrall 1718.155f.) 219 Vgl. HARDEGREE, Thomas Gibbons, 97. 220 Vgl. a.a.O. 96.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Tropus und Metapher liegt, auch wenn Gibbons sonst der antiken Rhetorik folgend den Tropus als Überbegriff gebraucht221 – die angeführten Beispiele sind Metaphern. So sind dann auch die Regeln, die er für Tropen generell anführt222 – nicht zu viele auf einmal, ein angemessenes Stilniveau, nicht zu unbekannte, fantastische oder obskure Tropen, sondern solche mit angemessener Analogie – problemlos auf Metaphern anwendbar. Sogar ein Auszug aus Popes Peri Bathous wird in diesem Abschnitt bei der Warnung vor zu vielen unterschiedlichen Tropen zitiert.223 Obwohl die generellen Ausführungen in Gibbons’ erstem Kapitel also an sich bereits den korrekten Metapherngebrauch einschließen, wird im folgenden Abschnitt noch einmal detailliert auf dieses Stilmittel eingegangen. Nach einer Definition der Metapher224 und ihrer Abgrenzung von Tropus und Vergleich führt Gibbons zuerst einige biblische Metaphern an und dann unterschiedliche antike und zeitgenössische Autoren, die die Metapher würdigen und als besonders schmückend herausstellen. Gleichzeitig bemerkt er jedoch: „as nothing is more pleasing than a good and well-regulated Metaphor; so there is nothing more disgustful than a Metaphor ill-chosen and illconducted“.225 Zunächst kritisiert Gibbons solche Metaphern, die er als „inconsistent“ bezeichnet: „After we have begun a Metaphor, we are to beware lest we spoil it, by introducing something repugnant and dissimilar to the first image.“226 Interessant ist das in diesem Kontext von Gibbons angeführte Beispiel: „Have not the merits of our blessed LORD been stiled the rock of salvation, on which we are to cast anchor? when the idea of casting anchor upon a rock is absolutely absurd; and were it attempted by a vessel in a storm, would end in its destruction.“227 Es ist hier ungewöhnlich, dass ein kirchensprachliches Beispiel verwendet wird. Von den inkonsistenten Metaphern grenzt Gibbons einen zweiten verwandten, aber distinkten Typus ab: „at the same time we should be careful to preserve an harmony in our Metaphors; and beware how we heap together in the same sentence discordant images“.228 Dabei differenziert Gibbons sehr genau. Wenn die unterschiedlichen Bilder in verschiedenen, grammatikalisch getrennten Sätzen oder im Zuge einer Aufzählung, bei denen auch 221

Vgl. GIBBONS, THOMAS, Rhetoric. Or, A View of Its Principal Tropes and Figures, London: J. & W. Oliver 1767, 22: „A Metaphor […] shews itself to be only a species of the Trope, by this property essential to its nature, that it is used upon account of Comparison. Was it not for this particularity, a Metaphor would not differ from the general nature of a Trope; but by this additional article in its definition, it is evidently only a particular sort of Trope.“ (Hervorhebungen im Original) 222 Vgl. a.a.O. 4–19. 223 Vgl. a.a.O. 7. 224 „A Metaphor is a Trope, by which a word is removed from its proper signification into another meaning upon account of Comparison.“ (A.a.O. 22.) 225 A.a.O. 28. 226 Ebd. 227 A.a.O. 29. (Hervorhebungen im Original) 228 Ebd.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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unterschiedliche Bezugspunkte genannt werden, vorkommen, so etwa in Jud 12f., ist dies nicht problematisch. Anstößig sind aber die bereits im Spectator angeführten Beispiele.229 Die Darlegung Tickells, inklusive des Rates, die Metapher als gemaltes Bild vorzustellen, wird dann auch ausgiebig zitiert.230 Gibbons führt eine Vielzahl an Beispielen an, die zeigen, dass selbst die besten Autoren und Autorinnen, unter anderem Addison und Cicero, teilweise auf dem Gebiet der Metapher Fehler begehen.231 Die Beispiele enthalten aber nicht die sonst so häufig rezipierten Zitate von Shakespeare und Addison. Um seine Kritik abzumildern, folgen darauf jedoch besonders gelungen Beispiele derselben Autoren.232 Schließlich beschreibt Gibbons den zweiten großen Fehler im Metapherngebrauch neben der Inkonsistenz, der darin besteht, dass Metaphern zu weit verfolgt werden, der Vergleich zu sehr ausgeschlachtet wird und die Metapher fehlinterpretiert wird.233 Gibbons gibt eine der ausführlichsten Darstellungen der mixed metaphor seiner Zeit, besonders in Bezug auf die vielfältigen Beispiele, ohne aber dabei diesen Terminus zu gebrauchen. Er bezieht sich deutlich auf Pope und Tickell, bei denen der Begriff ebenfalls nicht auftaucht. Allerdings kennt er den Begriff „Mixed Allegory“, mit dem er solche Allegorien bezeichnet, die auch „wörtliche“ Bestandteile aufweisen. Diese Bezeichnung ist allerdings nicht abwertend, sondern Gibbons hält vermischte Allegorien im Gegenteil für leichter zugänglich.234 Zugleich ist ihm klar, dass man „Mixed Allegories“ leicht in die Nähe zu den von ihm kritisierten inkonsistenen Metaphern rücken kann: If it should be suggested, that if our sentences should be thus made up of literal and allegorical language we shall hereby violate a rule that has been given, namely, to continue and carry on a Metaphor in the same manner it began, there is an easy answer to such an objection by observing that there is a very great and essential difference between the mixture of literal and allegorical expression, and the confusion arising from heterogeneous Metaphors. The mixture of literal and allegorical language is not the clustering of discordant Metaphors together, but the insertion of one and the same Metaphor in some parts of a sentence or paragraph, while plain expression makes up the remainder: whereas a confusion of Metaphors is the heaping such Metaphors together as are absolutely dissimilar, and contrary to another; or an attempt to make a coalescence where an impossibility in nature abhors the union.235

Auch mit dieser Abgrenzung der vermischten Allegorie von Metaphernvermischungen setzt Gibbons einen in der zeitgenössischen Rhetorik ungewöhnli-

Vgl. a.a.O. 31–33. Vgl. a.a.O. 33f. 231 Vgl. a.a.O. 36–40. 232 Vgl. a.a.O. 40–45. 233 Vgl. a.a.O. 45–50. 234 Vgl. a.a.O. 59–62. 235 A.a.O. 62. (Hervorhebungen im Original) 229 230

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

chen Schwerpunkt. Er sieht offenbar jedoch keinen Widerspruch zu seinen Regeln gegen inkonsistente Metaphern in Quintilians Aussage, der beste Stil sei der, in dem Vergleich, Allegorie und Tropus miteinander kombiniert werden, die er wörtlich aufnimmt.236 Ebenso wie Thomas Gibbons, der in der Mile End Academy tätig war,237 entstand auch das Rhetorik-Werk einer weiteren wichtigen Persönlichkeit an einer Nonkonformisten-Lehrstätte. Joseph Priestley238 (1733–1804), der heute eher als Wissenschaftler bekannt ist und zu Lebzeiten vorrangig als Dissenter und politischer Denker bedeutsam war,239 lehrte von 1761–1767 Sprachen und Rhetorik an der Warrington Academy, „one of the most important of the eighteenth-century Dissenting academies“.240 Zehn Jahre nach seiner dortigen Lehrtätigkeit veröffentlichte er sein Werk A Course of Lectures on Oratory and Criticism (1777), das hauptsächlich aus den wenig redigierten Manuskripten seiner Vorlesung besteht241 und ab 1762 entstand.242 Als seine Vorbilder nennt Priestley selbst sowohl Ward als auch Kames, und gibt zu, von letzterem einige Beispiele übernommen zu haben.243 Obwohl Kames also einen gewissen Einfluss auf Priestley hatte, geht er in vielerlei Weise eigene Wege: „While Priestley was familiar with the work of the Scottish rhetoricians and while Lectures reflect their influence, his rhetoric is based largely on assumptions different from theirs.“244 Was sein Werk heraushebt, ist sein Versuch, die Wirkweise von Rhetorik auf einer psychologischen Basis zu erklären.245 Auch seine Äußerungen zur Metapher generell und zur Metaphernvermischung im Besonderen setzen eigene Akzente. Der Gebrauch von Metaphern, der laut Priestley im Grunde genommen nichts anderes darstellt als die Neubenennung bestimmter Dinge,246 soll solchen Personen vorbehalten sein, die sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden und daher auf besonders lebhafte Weise sprechen müssen.247 Umgekehrt gilt: „Metaphors must […] be absurd, when a man’s 236

Vgl. a.a.O. 54.63. Vgl. GIBBONS, Rhetoric, 94. 238 Joseph Priestley äußerte sich auch zur metaphorischen Prägung des neutestamentlichen Sprechens vom Tod Jesu und deutet dabei bereits Metaphernkombinationen (nicht aber Vermischungen im engen Sinne an). S.o., Einleitung. 239 Vgl. MORAN, MICHAEL G., Joseph Priestley, in: Ders. (Hg.), Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Critical Studies and Sources, Westport/ London: Greenwood Press 1994, 175–185. Hier: 175. 240 A.a.O. 177. 241 Vgl. ebd. 242 Vgl. PRIESTLEY, JOSEPH, A Course of Lectures on Oratory and Criticism, London: J. Johnson 1777. i. 243 Vgl. a.a.O. iii; MORAN, Joseph Priestley, 178. 244 MORAN, Joseph Priestley, 179. 245 Vgl. a.a.O. 184. 246 Vgl. PRIESTLEY, Course of Lectures, 181. 247 Vgl. a.a.O. 188f. 237

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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ideas and sensations are not peculiarly vivid.“248 Wer gefasst ist, sollte also eher auf Vergleiche und Allegorien zurückgreifen, die sorgfältiger komponiert werden müssen, was in einem Zustand emotionaler Aufgewühltheit kaum möglich ist.249 Obwohl auch bei anderen Rhetorikern des 18. Jahrhunderts die Metapher teilweise mit starken Gefühlsregungen verbunden wird, ist Priestleys strikte Trennung der Stilmittel herausragend, wobei auch hier eine psychologische Ausrichtung, allerdings weniger auf Rezipierenden- als auf Produzierendenseite, gegeben ist. Trotz dieser Verbindung von Metapher und emotionaler Erregung müssen einige Regeln zum korrekten Metapherngebrauch eingehalten werden, worunter zunächst die Vermeidung von Vermischungen fällt: The most important rule respecting the choice of metaphors […] is, that different metaphors should not be confounded together in the same sentence: because, in this case, the sense, if it be realized in the imagination, will appear to imply an absurdity. And, since every new application of a word that hath the effect of a metaphor, doth raise an idea of the object to which it was primarily affixed, for the same reason that every scene presented to the mind of the reader should be, at least, possible, and consistent, these pieces of scenery, though ever so transient, should be so too; and when there is a manifest inconsistency in such little pictures, a reader of taste is justly offended.250

Aus den, wie Priestley schreibt, „numberless examples“,251 die diesen Fehler bezeugen, wählt er exemplarisch ein Shakespeare-Zitat aus, das nun nicht aus Hamlet sondern aus King John252 stammt. Priestley erklärt, dass die Metaphern für sich genommen durchaus gelungen sind, zusammen aber absurd werden. Ebenso sei das „intermixing“ von „wörtlicher“ und „metaphorischer“ Sprache zu vermeiden.253 In seiner Ablehnung dieser Vermischungen ist Priestley ein Kind seiner Zeit. Dennoch überrascht seine Position im Anbetracht der Tatsache, dass er erkennt, dass die Metapher selbst aus einem Zusammenprall verschiedener Bedeutungen heraus lebt: „in one respect, a metaphor gives a more sensible pleasure than a comparison. This arises from the harshness and impropriety there, for a moment, appears to be in the use of a metaphorical instead of a proper term; which increases the satisfaction we instantly receive from approving of the new application of the word.“254 Auch in manch anderer Hinsicht muten Priestleys Ausführungen beinahe modern an. So unterscheidet er sehr stark zwischen konventionalisierten und innovativen Metaphern.255 Dies 248

A.a.O. 189. Vgl. a.a.O. 195. 250 A.a.O. 189. (Hervorhebungen im Original) 251 Ebd. 252 „For by this knot thou shalt so surely tie/Thy now unsured assurance to the crown,/ That you green boy shall have no sun to ripe/The bloom that promises a mighty fruit.“ (King John, Akt II, Szene 1, 470–473.) 253 Vgl. PRIESTLEY, Course of Lectures, 190. 254 A.a.O. 182. 255 Vgl. a.a.O. 184–187. 249

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

wirkt sich auch auf seine Beurteilung von Metaphernvermischungen oder -inkonsistenzen aus. Wenn die verwendeten Metaphern geläufig oder stark konventionalisiert sind, ist eine Mischung zwar streng genommen inakkurat, das erzeugte mentale Bild ist aber, wenn überhaupt, nur sehr schwach und flüchtig. Es wird nur von wenigen Rezipierenden bemerkt. Daher folgert Priestley: When a figure is become absolutely evanescent, and long use hath made the metaphorical term more familiar than the proper name of the thing, or circumstance denoted by it, it is pains employed to very little purpose to trace out the long-forgotten allusion, in order to show its latent inconsistency with anything it is connected with. Who can expect that such phrases as these, fallen into an error, to spend time upon a thing, to be incensed at a person, etc., should be used with regard to the latent figure they contain? It is impossible however for any person to construct many sentences without exposing himself to the same censure; terms which are ultimately figurative abound so much in all languages, all our intellectual ideas are expressed in terms borrowed from sensible things; but who, in using them, attends to the sensible images they suggest? Or, whoever attends to ideas of local position, which every preposition implies.256

Obwohl Priestley also Mischungen von konventionalisierten Metaphern gegenüber nachgiebig ist, ist er umso strenger, wenn es sich um lebendige, innovative Metaphern handelt. Diese dürfen nicht nur nicht „intermixed“ werden, sondern sollen auch nicht rasch aufeinander folgen. Als Test, um festzustellen, ob die Metapher geglückt ist, nennt auch Priestley das Vorgehen, sich diese als gemaltes Bild vorzustellen.257 Er erwähnt dabei weder Addison noch den Spectator. Allerdings ist ihm Popes Peri Bathous bekannt, auf das er im Kontext der Regeln für den geglückten Metapherngebrauch zwei Mal zu sprechen kommt.258 Priestley gebraucht ebenfalls nicht den Terminus mixed metaphor, obwohl er klar das gleiche Phänomen behandelt, sondern bevorzugt es, von Inkonsistenzen zu sprechen. Teilweise benutzt er auch den verwandten Begriff „intermix“, den er jedoch nie als Partizip dem Term Metapher voranstellt. Seine Ausführungen sind zwar zum Großteil ebenso streng wie die seiner Zeitgenossen, stellenweise sogar strenger,259 im Hinblick auf Metaphernvermischungen aber insofern differenzierter, als Priestley zwischen konventionalisierten und nicht-konventionalisierten Metaphern unterscheidet. Insgesamt zeigt sich, dass außerhalb des Scottish Enlightenments der Begriff mixed metaphor weniger verbreitet ist, das beschriebene Phänomen von anderen Autoren aber sehr wohl beschrieben (und damit kritisiert) wird. Die von den Rhetorikern formulierten strengen Richtlinien zum korrekten Gebrauch von Metaphern spiegeln sich auch in der Praxis und in der Kritik an einzelnen A.a.O. 191–192. Vgl. auch: TUCKER, SUSIE I., Protean Shape. A Study in EighteenthCentury Vocabulary and Usage, London: University of London Press 1967, 164f. 257 Vgl. PRIESTLEY, Course of Lectures, 192. 258 Vgl. a.a.O. 189–191. 259 Anders als für Gibbons sind für Priestley etwa Allegorien mit „wörtlichen“ Bestandteilen um jeden Preis zu vermeiden. Vgl. a.a.O. 195. 256

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Autoren des 18. Jahrhunderts wider. So werden viele Metaphern sehr vorsichtig und geradezu apologetisch eingeführt – etwa durch Wendungen wie „if I may say so“ oder „if I may use the term“ –, die zumindest aus heutiger Perspektive nicht sonderlich kühn sind oder deren metaphorischer Gehalt kaum auffällig ist. Zu den Autoren, die derart vorsichtig formulieren, zählen auch Adam Smith und George Campbell.260 Obwohl Autoren wie Oldmixon, Smith und Pope noch bemängelten, dass in der englischsprachigen Literatur zu wenig auf den korrekten Gebrauch von Metaphern geachtet wurde, zeigt sich im Laufe des 18. Jahrhunderts eine extreme Steigerung der Achtsamkeit in diesem Bereich. Selbst das metaphorische Potential von aus dem Lateinischen abgeleiteten Worten war zu dieser Zeit präsent: „Eighteenth-century writers, aware of the older, more pictorial senses of words of Latin origin, used them as the starting point of metaphors, sometimes extended so far as to become little allegories.“261 Somit bestand eine höhere Sensibilität für konventionalisierte Metaphern: Diese wurden nicht als „tot“ oder als „eigentliche“ Sprache angesehen, sondern stärker als heute war ihr metaphorischer Gehalt, ihre Bildlichkeit reaktivierbar.262 Diese erhöhte Sensibilität führte auch zu einer stärkeren Kritik an Metaphern und Metaphernvermischungen, wie sich dies bei den aufgeführten Rhetorikern bereits gezeigt hat und in vielen weiteren Kritiken einzelner Textpassagen fortsetzt. Der Stil des 18. Jahrhunderts soll nüchtern, einfach und logisch sein. Unnötiger Schmuck oder komplizierte Formulierungen werden mitunter als „gotisch“ abgelehnt.263 Gerade Metaphern trifft diese Forderung nach dem Logischen, Natürlichen, verstandesmäßig Nachvollziehbaren hart, so dass Tucker urteilt: „Eigtheenth-century comments on poetic language are enlightening in their exposition (or betrayal) of ideals, of verbal associations and all too often of the critic’s insensitiveness and his fear of any flight of the imagination.“264 Ein Beispiel ist die Metapher „honied Spring“, die von einigen Kritikern, darunter auch Samuel Johnson, negativ bewertet wird. Während sich Johnson darauf beschränkt, die Konversion eines Substantivs (honey) in ein neu geschaffenes Adjektiv zu kritisieren, wenden sich andere gegen die Logik der Metapher: Da Honig nicht im Frühling, sondern vorwiegend im Sommer produziert wird, sei diese metaphorische Zusammenstellung unglücklich.265 Noch anfälliger für Kritik sind Metaphernkombinationen. So rügt eine Kritik in der Critical Review John Penns Sermons upon Various Subjects folgendermaßen: „The style is harsh, unpolished, and in many instances obscure. Words either obsolete, or illegitimate, are frequently used […] and where the author 260

Vgl. TUCKER, Protean Shape, 92f. A.a.O. 178. 262 Vgl. ebd. 263 Vgl. a.a.O. 154. 264 A.a.O. 162. 265 Vgl. ebd. 261

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

attempts to be animated, he loses himself in a mist of discordant metaphors.“266 John Pinkerton diskutiert in seinen Letters of Literature unter anderem „Dr Beattie’s Ode on Lord Hay’s birth-day“, die er generell äußerst lobt, deren Beginn er jedoch kritisch sieht. Hierbei bemerkt er auch: „Unstained with art is a mixed metaphor, one of the worst faults of composition“.267 Zuweilen können die negativen Beurteilungen von Metaphernvermischungen auch extreme und skurrile Formen annehmen: Langhorne was perverse in his depreciation of a Cambridge poem when he picks out metaphorical words and interprets them in their most prosaic sense. The poet has said ‚No more stern winter whitens every plain‘ – so Winter is ‚a white washer‘: ‚nor spreads the fetters of his frosts around‘ – so now he is ‚a gaoler‘; Spring is ‚a blacksmith‘, for his breath ‚breaks the icy chain‘, and then ‚a taylor‘ for he clothes in ‚fertility’s green robes the ground‘. This method would turn the laugh against some of the best poetry in the language.268

Metaphern und Metaphernkombinationen müssen also aus Sicht vieler Kritiker des 18. Jahrhunderts bis ins Detail klar kongruent formuliert sein und jede Einzelheit muss sich in das Bild, das vor dem geistigen Auge entsteht, einfügen. Es gibt jedoch auch Stimmen, die sich gegen eine solch genaue Rückführung aller metaphorischer Bestandteile auf ihren wortwörtlichen Sinn wehren, darunter durchaus prominente wie David Hume: Many of the beauties of poetry, and even of eloquence, are founded on falsehood and fiction, on hyperboles, metaphors, and an abuse or perversion of terms from their natural meaning. To check the sallies of the imagination and to reduce every expression to geometrical truth

266 [ANONYM], [Review zu Sermons upon Various Subjects von John Penn], in: The Critical Review; Or Annals of Literature, Extended and Improved by a Society of Gentlemen, A New Arrangement. Bd. 6, London: A. Hamilton 1792, 556–559. Hier: 559. Gekürzt auch zitiert in: TUCKER, Protean Shape, 166. 267 HERON, ROBERT [=PINKERTON, JOHN], Letters of Literature, London: G.G.J. and J. Robinson 1785, 36. Auch sonst beurteilt er häufig Metaphern, sowohl positive als auch negative. 268 TUCKER, Protean Shape, 163f. (Hervorhebung im Original) Gemeint ist John Langhorne, der wie der Scriblerus Club um Pope und Swift unter dem Pseudonym Martinus Scriblerus in der Monthly Review eine Kritik zu der Gedichtsammlung der University of Cambridge mit dem Titel Gratulatio Academiae Cantabrigiensis: in pacem Augustissimi Principis Georgii III. Magnae Britanniae regis auspiciis Europae feliciter restitutam (1763) verfasst. Dabei kritisiert er eine Reihe weiterer Metaphern auf ähnliche Weise. Der Gesamttenor ist, wie bei den Schriften der Scriblerus-Gruppe um Swift, der Langhorne offenbar nacheifert, sarkastisch gehalten. Vgl. SCRIBLERUS, MARTINUS [= LANGHORNE, JOHN], [Review zu Gratulatio Academiae Cantabrigiensis: in pacem Augustissimi Principis Georgii III. Magnae Britanniae regis auspiciis Europae feliciter restitutam.], in: The Monthly Review; Or, Literary Journal, by Several Hands. Bd. 29, London: R. Griffiths 1763, 37–46. Insbes.: 39f.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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and exactness, would be the most contrary to the laws of criticism; because it would produce a work, which, by universal experience, has been found the most insipid and disagreeable.269

Zudem wird die Tatsache, dass viele Metapherninkonsistenzen und -vermischungen auf konventionalisierte Metaphern zurückgehen, die möglicherweise gar nicht mehr als Metaphern gesehen werden können, bereits stellenweise im 18. Jahrhundert festgestellt, unter anderem von Warburton und Priestley,270 wie oben ausgeführt wurde. Selbst die von Blair und Johnson kritisierten Zeilen Addisons finden in der Critical Review von 1798 durch Arthur Browne einen Verteidiger, der die betroffenen Metaphernbestandteile „launch“ und „bridle“ für konventionalisiert und inaktiv hält.271 Obwohl in den dargestellten Ausführungen der Ausdruck „mixed metaphor“ selbst nicht immer vorkommt, wird doch deutlich, wie sensibel das 18. Jahrhundert für dieses Phänomen wurde – möglicherweise als Folge der einflussreichen Rhetoriken von Blair und Kames. Umgekehrt betrachtet erklären sie auch das Klima, in dem diese Rhetoriken selbst entstanden sind. Dabei ist nicht nur die Metapher strikten normativen Vorgaben ausgesetzt: Poetische Sprache darf darüber hinaus keine neuartigen Wortschöpfungen und keine ungeeigneten oder uneleganten Ausdrücke (zu denen übermäßig archaische, technische oder alltägliche Termini zählen) enthalten.272 Diese Regeln sind jedoch keineswegs neu. Sie zeigen, trotz der innovativen Richtungen, die die Rhetorik im 18. Jahrhundert, insbesondere im Zuge des Scottish Enlightenments, einzuschlagen versuchte, die noch immer bestehende – möglicherweise auch unbewusste – starke Verhaftung an antiken Rhetorikern wie Aristoteles und Quintilian. 2.1.3. Metaphernkombinationen in den gegenwärtigen Metapherntheorien Obwohl Metaphernkombinationen, insbesondere Metaphernvermischungen, im Alltag weit verbreitet sind, und obwohl in Stilbüchern bis heute davor gewarnt wird, Metaphern zu vermischen, hat die Metaphernforschung bisher nur wenig Interesse an diesem Phänomen gezeigt.273 Gibbs kommentiert dazu: „There is great irony, for me, in that the most notable belief about metaphor, 269

HUME, DAVID, Of the Standard of Taste, in: Ders., Essays Moral, Political, and Literary. Bd. 1, hg. v. Thomas H. Green und Thomas H. Grose, London: Longmanns, Green and Co. 1882, 266–284. Hier: 269f. Verkürzt auch zitiert in: TUCKER, Protean Shape, 164. 270 Vgl. TUCKER, Protean Shape, 164f. 271 Vgl. a.a.O. 165. 272 Vgl. a.a.O. 166f. 273 Vgl. GIBBS, Introduction, VIIf. Gibbs gibt einige Beispiele aus zeitgenössischen Stilbüchern bzw. Schreibanleitungen und führt eine von ihm durchgeführte Befragung von Studierenden an, von denen etwa 40% auf die Frage, was sie über Metaphern wüssten, spontan antworteten, dass diese nicht zu vermischen seien. Dieses Verbot von Metaphernvermischungen wird offenbar an vielen amerikanischen Highschools explizit unterrichtet.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

namely that we should not mix metaphors together, is a topic which is rarely studied in the interdisciplinary world of metaphor scholarship.“274 Bereits in der obigen Darstellung zum Aufkommen des Terminus sind einzelne Erklärungen darüber vorhanden, was die mixed metaphor sein soll, wie sie entsteht und was sie problematisch macht. Insgesamt sind diese Überlegungen aber noch sehr verhalten und es dominieren eher normative Vorgaben. Die erste, die sich etwas ausführlicher und vor allem im Rahmen einer generell angelegten Theorie der Metapher mit dem Phänomen beschäftigte, war Gertrude Buck, in ihrem Werk The Metaphor: A Study in the Psychology of Rhetoric (1899). Buck will sich bewusst von der im 18. und 19. Jahrhundert verbreiteten rhetorischen Sichtweise auf Metaphern abgrenzen und schlägt stattdessen einen Neuansatz, der sich an Erkenntnissen zeitgenössischer Psychologie orientiert, vor.275 Wichtig ist ihr dabei eine Unterscheidung von Produzierenden- und Rezipierendensicht. „Radical metaphor is simply the expression in language of the earliest stage of perception, the stage which consists of the first vague sensuous impression of a situation.“276 Damit zeigt sich, dass Metaphern vorrangig ein Phänomen der Wahrnehmung sind und für die Produzierenden gar nicht als Metapher erkennbar. Diese erkennen nur einen Sachverhalt und merken nicht, dass zwei unterschiedliche Aspekte zusammengenommen werden. Erst von Seiten der Rezipierenden wird die Metapher erkannt und hergestellt, da diese mehr Abstand haben und stärker reflektieren können. Eine leichte Weiterentwicklung stelle die „poetische Metapher“ dar, die einen höheren Entwicklungsgrad, ein stärkeres Bewusstsein der Metapher beinhaltet, aber ansonsten ebenfalls relativ spontan aus der Wahrnehmung der Produzierenden heraus entsteht und kein künstliches Gebilde darstellt. Danach folgt als weitere Entwicklungsstufe der Vergleich und schließlich „wörtliche“ Sprache. Somit zeigt sich auch, dass nach Buck alle Sprache metaphorischen Ursprungs ist.277 Die Metapher ist also laut Buck insgesamt keine Abnormalität, sondern „a genuine expression of the normal process of thought at a certain stage in its development, consonant with the ordinary laws of psychology and interwoven with all our common experiences.“278 Buck nimmt damit Erkenntnisse vorweg, die später von der konzeptuellen Metapherntheorie aufgegriffen werden. Ein eigenes Kapitel widmet Buck den „pathological forms of metaphor“.279 Diese Bezeichnung sagt bereits viel darüber aus, wie Buck die entsprechenden 274

GIBBS, Introduction, VIII. BUCK, GERTRUDE, The Metaphor. A Study in the Psychology of Rhetoric (Contributions to Rhetorical Theory 5), Ann Arbor: Inland Press 1899. iii. 276 A.a.O. 68. 277 Vgl. a.a.O. 68f. 278 A.a.O. 69. 279 Vgl. a.a.O. 60–67. Buck gibt an, dass das Adjektiv „pathological“ zur Beschreibung missglückter rhetorischer Phänomene nicht von ihr selbst stammt: „The term ‚pathology‘ in its application to rhetorical processes has been borrowed from Dr. Fred Newton Scott, Junior 275

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Metaphernarten beurteilt. Diese lassen sich in zwei Gattungen mit jeweils zwei Unterkategorien einteilen: „Bad metaphor is of two varieties. The first we may call conceits or inverted metaphors; the second mixed or inconsistent metaphors.“280 „Conceits“ oder auch „strained metaphors“281 stellen künstliche, konstruierte Gebilde dar, die meist in Form Erweiterter Metaphern bzw. Allegorien auftreten. Ihnen fehlt das Element des Spontanen und Lebendigen,282 weshalb sie für die Rezipierenden wenig attraktiv sind.283 Anders als die anderen von ihr diskutierten Metaphern entspringen conceits nicht der Wahrnehmung, sondern der kognitiven Anstrengung der Produzierenden. Buck unterscheidet solche conceits, die gänzlich konstruiert sind, von denen, die als „echte“ Metapher beginnen, dann aber auf künstliche Weise erweitert werden. Auch die Metaphernvermischungen kann man ihr zufolge in zwei Gruppen einteilen: „Metaphor may be mixed with another metaphor or with a plain statement.“284 Aus Sicht heutiger Metaphernforschung ist nur das erstgenannte wirklich als mixed metaphor zu bezeichnen, während die Alltagssprache auch das zweite Phänomen darunter fassen kann.285 Beides sei aber auf denselben dahinterliegenden Prozess rückführbar: „If one wished to be paradoxical, he might say that metaphor is mixed for one reason only, because it has ceased to be a metaphor. Though maintaining the figurative form it has become, in the mind of the speaker, a literal statement.“286 Buck führt mehrere Beispiele an, darunter folgenden Satz aus einem studentischen Essay: „When the law becomes distorted … there is seething and discontent until the yoke has been discarded.“287 Laut Buck habe der Verfasser die Metaphorizität der Ausdrücke „distorted“ und „seething“ nicht mehr wahrgenommen, als er die Metapher „yoke“ verwendet habe. Die Metaphern seien im Moment ihrer Artikulation vielleicht als solche bewusst, würden dann aber im weiteren Verlauf der Äußerung von den Produzierenden als „wörtliche“ Rede wahrgenommen worden. Mixed metaphor takes place, we may say, whenever a writer, having used a metaphor, carries it in thought to plain statement and proceeds to develop this plain statement, which he has not expressed, by means of another metaphor, whose images jar with those of the first, […]

Professor of Rhetoric at the University of Michigan, who first used it in a paper entitled ‚Diseases of English Prose,‘ read before the annual meeting of the Modern Language Association, in December, 1896.“ (A.a.O. iii.) 280 A.a.O. 60. 281 A.a.O. 63. 282 Vgl. a.a.O. 62. 283 Vgl. a.a.O. 64. 284 A.a.O. 64. 285 Zur begrifflichen Unschärfe s.o. Abschnitt 2.1. 286 BUCK, Metaphor, 64. 287 A.a.O. 66.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

The rapidity with which the figure is reduced to a literal idea and the writer’s forgetfulness of its earlier estate serve to bring about the mixture.288

Wie die radical metaphor wird auch die Metaphernvermischung nicht von den Produzierenden, sondern von den Rezipierenden wahrgenommen: „Mixed metaphor […] is not mixed from the writer's point of view. If it were he would be as incapable of making as is the reader of reconstructing it. It is always the reader who makes the mixed metaphor, not the writer. This statement is not intended as a defense but only as an explanation of the essential nature of this phenomenon.“289 Im Grunde gibt Buck damit aber bereits an, dass Metaphernvermischungen ganz analog zu „einfachen“ Metaphern funktionieren, ein Aspekt, den ich später noch weiter vertiefen werde.290 Auch Stanford, dem es in seinen Ausführungen vorrangig um die Darstellung der Metapher in der Antike geht, behandelt, wenn auch eher nebensächlich, Metaphernvermischungen. Er gibt zunächst eine relativ vage Definition: „A Mixed Metaphor consists in the incongruous juxtaposition of two or more images in one context.“291 Wiederum wird das Phänomen anhand einiger Beispiele näher erläutert, darunter das bekannte Zitat „to take arms against a sea of troubles“ aus Hamlet. Stanford meint, dass hierin gar keine „richtigen“ Metaphern vorliegen, die vermischt werden können, da der Konventionalisierungsgrad der Bestandteile sehr hoch sei: „neither ‚to take arms against‘ nor ‚a sea of troubles‘ is more than a non-imaginative cliché.“292 Es fehle die „original imaginative force.“293 In den anderen aufgeführten Beispielen wird deutlich, dass Stanford keine ganz strikte Abgrenzung der mixed metaphor vornimmt. Dies zeigt vor allem der folgende Satz: „We will burn our ships, and with every sail unfurled steer boldly out into the ocean of freedom.“294 Hier liegt kein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Vehicles vor, sondern die gesamten Ausführungen bleiben im selben semantischen Feld, der Seefahrt. Innerhalb dieses Feldes kommt es aber zu nicht unerheblichen Spannungen, da es sich als schwierig erweisen dürfte, mit verbrannten Schiffen in See zu stechen. In der unten aufgeführten Systematik würde die Aussage der Metapherninkonsistenz zugeordnet werden.295 Während viele dieser mixed metaphors laut Stanford unwillkürlich Humor erzeugen und offenbar versehentlich entstanden sind, gibt er auch an, dass es durchaus absichtlich konstruierte Fälle gibt, die einen spezifischen Effekt erzeugen sollen.296 Ebenso gibt es laut Stanford neben der 288

A.a.O. 67. Ebd. 290 S.u., Abschnitt 2.2. 291 STANFORD, Greek Metaphor, 32. 292 A.a.O. 33. 293 Ebd. 294 A.a.O. 32. 295 S.u., Abschnitt 2.4.7. 296 Vgl. STANFORD, Greek Metaphor, 32. 289

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Konventionalisierung der beteiligten Metaphern einen weiteren Grund dafür, dass Vermischungen entstehen. Dieser ist für ihn von zentraler Bedeutung, insbesondere bei der Betrachtung von mixed metaphors in den antiken Autoren: [T]he Mixed Metaphors of Pindar and Aeschylus are due to the other reason – exuberance of imagination. Their minds are so richly endowed with imaginative analogies and equations that they cannot limit themselves to a careful rule of one image per sentence. So they telescope, but do not mix, one image into another; image develops from image by such subtle associations that few but the poet can appreciate the modulation. The result is not confusion – as it would be if the metaphors were truly mixed – but rather in a kaleidoscopic effect, or like an intricately ornamented Indian rug. The Greek imagination was unusually nimble and sometimes its products puzzle the heavier Northern wits.297

Was Stanford hier anführt, ist dann aber weniger eine Metaphernvermischung im engen Sinn als eine rasche Abfolge von Metaphern, etwa im Sinne der Diversifikation.298 Auch hier zeigt sich, wie wenig klar der Begriff mixed metaphor zuweilen umrissen ist. Daneben ist Stanfords Aussage, bestimmte kulturelle und zeitgeschichtliche Faktoren hätten Einfluss auf unsere Wahrnehmung von Metaphernkombinationenen, beachtenswert.299 Die bekannten Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker des 20. und 21. Jahrhunderts, auf die auch im ersten Kapitel eingegangen wurde, gehen zumeist nur in knappen Bemerkungen auf die Kombination von Metaphern ein und setzten dabei auch sehr unterschiedliche Schwerpunkte. I.A. Richards thematisiert in der Philosophy of Rhetoric Metaphernkombinationen nicht, erwähnt aber zumindest die Metaphernvermischung an einer Stelle seines einige Jahre zuvor erschienen Werks Practical Criticism: Mixtures in metaphors (and in other figures) may work well enough when the ingredients that are mixed preserve their efficacy, but not when such a fusion is invited that the several parts cancel one another. That a metaphor is mixed is nothing against it; the mind is ambidextrous enough to handle the most extraordinary combinations if the inducement is sufficient. But the mixture must not be of the fire and water type300.

Auffällig ist hier zunächst die deutliche Aufwertung der mixed metaphor. Richards gesteht es dem menschlichen Geist zu, Metaphernkombinationen zu 297

A.a.O. 33f. S.u., Abschnitt 2.4.3. 299 Auch Jeremy Lawrence merkt an, dass die Beurteilung von Metaphernkombinationen stark von der allgemeinen Einstellung gegenüber sprachlichen Bildern und dem Gebrauch von Sprache insgesamt abhängig ist. Im Elisabethanischen Zeitalter und der Metaphysischen Dichtung sei man weitaus freier in der Anwendung von Metaphern und anderen sprachlichen Phänomenen gewesen. Vgl. LAWRENCE, JEREMY, Mix Me a Metaphor, London: Gentry Books 1972, 31. 300 RICHARDS, IVOR A., Practical Criticism. A Study of Literary Judgment, London: Kegan Paul, Trench, Trubner 1929, 196. 298

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

verstehen, auch wenn sie zunächst absurd wirken und die Kreativität der Rezipierenden deutlich herausfordern. Damit geht er auf die allgemeine Verständlichkeit der mixed metaphors ein, die in der Metapherntheorie später hervorgehoben wird (s.u.). Gleichzeitig nennt er aus stilistischer Sicht jedoch normative Vorgaben dahingehend, dass die Vermischung nicht mit zu disparaten Elementen erfolgen soll. Black wiederum geht knapp auf eine gewisse Hierarchisierung von Metaphern ein: „I would not deny that a metaphor may involve a number of subordinate metaphors among its implications. But these subordinate metaphors are, I think, usually intended to be taken less ,emphatically‘, i.e., with less stress upon their implications.“301 Mit anderen Worten gibt es ein Zusammenspiel unterschiedlicher Metaphern, die insoweit in einem hierarchischen Verhältnis stehen, als die Hauptmetapher im Vordergrund der Betrachtung steht und nicht alle Aspekte der von ihr abhängigen Nebenmetaphern aktiviert werden. Dabei besteht meist derselbe Bildzusammenhang. [P]rimary and subordinate metaphors will normally belong to the same field of discourse, so that they mutually reinforce one and the same system of implications. Conversely, where substantially new metaphors appear as the primary metaphor is unravelled, there is serious risk of confusion of thought (cf. the customary prohibition against ,mixed metaphors‘).302

Die mixed metaphor ist demzufolge das Resultat einer falschen Metaphernstrukturierung, bei der nicht dasselbe semantische Feld gewahrt bleibt und die hierarchische Ordnung somit zusammenfällt. Ricœur, der in seiner Metapherntheorie Black nahesteht, geht ebenfalls in einer kurzen Bemerkung auf Metaphernkombinationen ein, die er ௅ unter Ingebrauchnahme von Metaphern ௅ als „Netze“ oder „Büschel“ bezeichnet und die ihm zufolge auch in Spannung zueinander stehen können. Seine Ausführungen an dieser Stelle sind selbst stark durch metaphorische Sprache geprägt: „In der Tat kommt eine Metapher selten allein. Eine Metapher ruft nach einer anderen, und alle zusammen bleiben sie dank ihrer gegenseitigen Spannung und der Kraft einer jeden, das ganze Netz heraufzubeschwören, am Leben.“303 Eine genaue Übersicht über die Funktionsweise dieses Netzes oder die konkreten Beziehungen der Metaphern untereinander leistet er jedoch nicht. Auch Beardsley geht nicht auf die Gründe oder Funktionsweisen von Metaphernkombinationen ein, nennt sie aber an mehreren Stellen seines Werks Aesthetics. Zunächst diskutiert er das Beispiel „O frail steel tissues of the sun“. Die vorliegende Vermischung von Metaphern charakterisiert er dann folgendermaßen: „It is a multiple metaphor, and its total regional meaning is the resultant of a number of clashes and interlockings of words.“304 Hier klingt an, 301

BLACK, Metaphor, 76. (Hervorhebung im Original) A.a.O. 76f. 303 RICŒUR, Stellung und Funktion, 64. 304 BEARDSLEY, Aesthetics, 144. 302

2. Mischungen in der Metapherntheorie

203

dass manche Metaphernkombinationen einen Sinn haben, der über die Addition der Einzelmetaphern hinausgeht und gerade durch ein zusätzliches Spannungsmoment erzeugt werden. An anderer Stelle widmet Beardsley der mixed metaphor einen eigenen Abschnitt.305 Er stellt fest, dass diese per definitionem oft als schlecht dargestellt werden, dass jedoch zu fragen ist, ob man diese nicht eher neutral bewerten müsste. Zudem erkennt er, dass man das Phänomen gar nicht so eindeutig bestimmen kann – oft liegt seiner Ansicht nach lediglich ein schneller Wechsel von einer Metapher zur nächsten vor. Hinzu kommt, dass das Moment der Unmöglichkeit ein allgemeines Merkmal von Metaphern ist, also nicht zwangsläufig eine Vermischung vorliegen muss. Schließlich geht er auf einen Zusammenhang von Metapher und Symbol ein: „Suppose there is an object X, whose various characteristics are designated by the modifiers in a number of metaphorical attributions throughout the work. In other words, suppose the same object, or group of related objects, turn up in a number of metaphors. Then we can say that the series of metaphors has established a symbol.“306 Es zeigt sich, dass Metaphernwiederholungen und -kombinationen zur Genese von Symbolen beitragen können, ein Aspekt, der bei der Betrachtung von Topic-Vehicle- und Vehicle-Topic-Übertragungen noch weitergehend diskutiert werden wird.307 Diesen wenig zentralen Anmerkungen gegenüber kommt Metaphernkombinationen in der Conceptual Theory eine größere Bedeutung vor, wobei der Fokus eher auf konventionalisierten Metaphern liegt. Lakoff und Johnson gehen in Metaphors We Live By vor allem auf die Kohärenz und Konsistenz von Metaphern ein.308 Ausgangspunkt ist die konzeptuelle Metapher EINE ARGUMENTATION IST EINE REISE (AN ARGUMENT IS A JOURNEY), die sich sprachlich manifestiert in Aussagen wie „An diesem Punkt soll gezeigt werden…“ und „Unser Ziel ist es, zu beweisen, dass…“. Nun kann das Vehicle dieser konzeptuellen Metapher wiederum konzeptuell weiter definiert werden, etwa durch die konzeptuelle Metapher EINE REISE BESCHREIBT EINEN WEG (A JOURNEY DESCRIBES A PATH). Aus den beiden genannten konzeptuellen Metaphern ergibt sich als Ableitung EINE ARGUMENTATION BESCHREIBT EINEN WEG (AN ARGUMENT DEFINES A PATH, z.B. „der Argumentation nicht folgen können“), quasi als konzeptuelle Untermetapher. An dieser Stelle zeigen Lakoff und Johnson, dass Metaphernstrukturen hierarchisch angeordnet sein können und es häufig auch sind. Es ergeben sich Nähen zu Blacks Beobachtungen, wobei Lakoff und Johnson die Mechanismen weitaus detaillierter beschreiben und auf 305

Vgl. a.a.O. 257. A.a.O. 407. 307 S.u., Abschnitt 2.4.8. und 2.4.9. 308 Vgl. LAKOFF/JOHNSON, Metaphors We Live By, 87–105. Für ein leichteres Verständnis sind die Beispiele der deutschen Übersetzung entnommen: LAKOFF, GEORGE/JOHNSON, MARK, Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern (Systemische Horizonte), Heidelberg: Carl-Auer-Verlag 72011, 103–124. 306

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

die konzeptuelle Ebene beschränkt sind. Neben dieser Möglichkeit der Kohärenz innerhalb einer Metapher durch Hierarchisierung kann auch zwischen unterschiedlichen Metaphern, die sich sich auf dasselbe Konzept beziehen und unterschiedliche Aspekte davon artikulieren, eine Kohärenz bestehen. Neben der konzeptuellen Metapher EINE ARGUMENTATION IST EINE REISE können etwa die weiteren Metaphern EINE ARGUMENTATION IST EIN GEFÄß (AN ARGUMENT IS A CONTAINER, z.B. „Die Argumentation ist hohl“; „leere Argumente“) und EINE ARGUMENTATION IST EIN GEBÄUDE (AN ARGUMENT IS A BUILDING, z.B. „das Gerüst für eine solide Argumentation“) unterschieden werden. Sie alle heben unterschiedliche Teilbereiche des Konzepts hervor: EINE ARGUMENTATION IST EINE REISE bezieht sich vorrangig auf das Ziel und den Verlauf der Argumentation, EINE ARGUMENTATION IST EIN GEFÄß auf den Inhalt, EINE ARGUMENTATION IST EIN GEBÄUDE auf die Struktur. Im Grunde liegt hier also eine Diversifikation vor.309 Da unterschiedliche Teilbereiche des Konzepts abgedeckt werden, lassen sich kohärente Aussagen treffen, in denen auf unterschiedliche konzeptuelle Metaphern zurückgegriffen wird, etwa „An diesem Punkt ist seine Argumentation hohl“. Zwischen den unterschiedlichen Bereichen lassen sich aus Ableitungen auch Entsprechungen aufzeigen, etwa WENN WIR ARGUMENTIEREN, PRODUZUIEREN WIR OBERFLÄCHE (AS WE MAKE AN ARGUMENT, MORE OF A SURFACE IS CREATED). Diese Aussage lässt sich durch alle drei genannten konzeptuellen Metaphern inhaltlich füllen: Durch Reisen wird eine Wegstrecke und somit eine gewisse Fläche abgedeckt. Mehr Oberfläche kann zu einem größeren Gefäß und damit mehr Inhalt führen. Die Oberfläche eines Gebäudes wird durch Fundament und Außenmauern beschrieben. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Kohärenz, die durch gewisse Überschneidungen gegeben ist, und Konsistenz, einer fast völligen Entsprechung. Im Fall der genannten Metaphern kann nur Kohärenz erzeugt werden, da unterschiedliche Aspekte beleuchtet werden, man die konzeptuellen Metaphern aber nicht gleichsetzen oder direkt ineinander integrieren kann.310 So erscheint etwa die Aussage „Die Richtung der Argumentation ist ohne Substanz“ merkwürdig und unlogisch. Die unpassende Gleichsetzung konzeptueller Metaphern resultiert somit in einer Form von Metaphernvermischung. Neben der Überschneidung der Oberflächen-Genese lassen sich auch weitere Kohärenzen zwischen den Metaphern aufweisen. „Though such metaphors do not provide us with a single consistent concrete image, they are nonetheless coherent and do fit together when there are overlapping entailments, though not otherwise.“311 Ansonsten entstehen eben auffällige Metaphernvermischungen. Das Phänomen der kohärenten Metaphernverbindungen wurde in der Forschung weiter aufgegriffen, meist unter der Bezeichnung complex metaphors 309

S.u., Abschnitt 2.4.3. Vgl. LAKOFF/JOHNSON, Metaphors We Live By, 101. 311 A.a.O. 105. 310

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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oder compound metaphors. Sullivan nennt ein weiteres gängiges Beispiel für eine compound metaphor:312 Im englischsprachigen wie auch im deutschsprachigen Raum ist eine verbreitete konzeptuelle Metapher WUT IST HITZE (sprachlich erkennbar in Ausdrücken wie „zornentbrannt“, „cool bleiben“ etc.). Daneben gibt es die konzeptuelle Metapher DER KÖRPER IST EIN GEFÄß (FÜR EMOTIONEN) (etwa „voll Liebe/Hass sein“). „The structure of these two metaphors fit together neatly. The source domains (HEAT and CONTAINER) are compatible because substances can be physically inside containers. The target domains (ANGER and BODY) can also be combined, because human bodies can show signs of anger.“313 Zusammengenommen erklären die beiden konzeptuellen Metaphern Ausdrücke wie „vor Wut kochen“ oder „explodieren“. Michael Kimmel hat in seiner Studie auf die Conceptual Theory aufgebaut, ihre Beurteilung von metaphorischer Kohärenz gleichzeitig jedoch in Frage gestellt. In einer Untersuchung von Zeitungsartikeln zu einem spezifischen Thema stellte er fest, dass von den in ihnen enthaltenen Metaphern 39–62% (je nach Zeitung) innerhalb eines metaphor clusters vorkamen.314 Von diesen metaphor clusters lagen in 76% der Fällen Metaphernvermischungen vor.315 Es handelt sich bei der mixed metaphor in diesem Sinn also keineswegs um ein exotisches, sondern um ein ganz alltägliches Phänomen.316 Kimmel argumentiert nun aber, dass das von Lakoff und Johnson vorgeschlagene Prinzip der Metaphernkohärenz nicht in allen Fällen greift und dass konzeptuelle Metaphern das Zusammenspiel unterschiedlicher metaphorischer Ausdrücke nicht gänzlich erklären. „My key point is that on what basis a metaphor fits into its discourse slot (i.e. metaphor selection) need not explain what integrates several metaphors into a larger discourse unit (i.e. metaphor binding).“317 Einzelne konzeptuelle Metaphern sind nach Kimmel nicht dafür geeignet, längere und komplexere Textabschnitte zu strukturieren.318 In my view, we may think of a metaphor cluster in such a way that a given conceptual metaphor temporarily ‚flashes up‘ in the cognitive unconscious when the first metaphorical expression is processed. In some cases this activation ௅ whithout being expectational in the strict sense ௅ influences the selection of the subsequent metaphor(s), whereas in many other 312

Vgl. SULLIVAN, Mixed Metaphors, 36f. Ebd. 314 KIMMEL, MICHAEL, Why We Mix Metaphors (and Mix Them Well): Discourse Coherence, Conceptual Metaphor, And Beyond, in: Journal of Pragmatics 42 (2010), 97–115. Hier: 100. 315 Vgl. a.a.O. 102. Anders als der Anteil der metaphor clusters war der Anteil von Metaphernvermischungen in beiden Zeitungen ungefähr gleich. 316 Vgl. auch a.a.O. 113: „Inferring discourse fragmentation from mixed metaphors would rest on the flawed assumption that discourse coherence requires metaphoric coherence.“ 317 A.a.O. 99. 318 Vgl. a.a.O. 112. 313

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

cases this activation fades or is overridden by other discourse devices. […] We need to recognize conceptual metaphers in discourse for what they are, namely something limited as full explanatory concept, but without denying their legitimate cognitive role.319

Zudem stellt Kimmer die Hypothese auf, dass die Vermischung (konventionalisierter) Metaphern auch deshalb keine Verständnisprobleme bereitet, weil die Einzelmetaphern häufig in unterschiedlichen Satzteilen vorkommen, die temporal, kausal oder konditional in Beziehung zueinander stehen, aber auf verschiedenen Ebenen liegen.320 Kövesces knüpft an Kimmels Zahlen an, die die Häufigkeit von mixed metaphors belegen. Der Conceptual Metaphor Theory zufolge seien die meisten Metaphern im alltäglichen Gebrauch vermischt, aber trotzdem gut zu verstehen.321 Die konzeptuellen Metaphern seien soweit verinnerlicht, dass der metaphorische Gehalt kaum auffällt. Inkongruenzen seien zu einem gewissen Grad als natürlich anzusehen, „since we use different source domains to conceptualize different aspects of the target domain.“322 Die Frage, wann eine mixed metaphor als solche auffällt, hängt damit stark von der Konventionalisierung der gebrauchten Metaphern und dementsprechend von der Aktivierung konzeptueller Metaphern ab: I rely on and assume the validity of two propositions. One is that in the case of metaphor the various source domains and the metaphorical linguistic expressions that make them manifest are characterized by differing degrees of conventionality. Second, the various degrees of conventionalization for the source domains and source expressions are correlated with differing degrees of neural activation. Lower levels of conventionality and, hence, activation, do not produce consciously regognized incompatibility between source domains and their metaphorical expressions, while higher levels do.323

Der häufig attestierte (nicht intendierte) Humor in Metaphernvermischungen könne dabei als ein Indikator für den Grad an Aktivierung gesehen werden. Kövesces geht auch auf „cases of metaphorically entirely homogenous discourse“324 ein, also auf Erweiterte Metaphern und Allegorien, und führt als ein Beispiel das Gleichnis vom Sämann nach Mt 13,1–9 an.325 „What discourses such as the above show is that certain discourse functions (vividly making a point, teaching people) may provide fairly strong motivation for the use of a single consistent metaphorical image (unlike the typical case of metaphorically 319

A.a.O. 113. Vgl. a.a.O. 110f. 321 Vgl. KÖVESCES, ZÓLTAN, Chapter 1: A View of „Mixed Metaphor“ within a Conceptual Metaphor Theory Framework, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 3–15. Hier: 3. 322 A.a.O. 7. 323 A.a.O. 12. 324 A.a.O. 7. 325 Vgl. a.a.O. 8. 320

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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varied imagery, given less marked functions of discourse).“326 Damit verbunden ist mehr „Mühe“ und auch eine gewisse Absichtlichkeit oder Vorsätzlichkeit (deliberateness) in der Konstruktion der Metaphernkombination. An die Frage der deliberateness knüpft Steen an. Er kritisiert die Conceptual Theory dahingehend, dass sie behaupte, Metaphern würden automatisch und unbewusst kreiert werden, ähnlich wie man automatisch und unbewusst in grammatikalisch korrekter Syntax spreche. Gerade bei Metaphernvermischungen, die als solche erkannt und dementsprechend kritisiert oder als lächerlich empfunden werden, ist diese Annahme aus seiner Sicht fraglich: If metaphor use is automatic and unconscious, how can so many language and communication advisers spend so much time telling writers and speakers to avoid mixing metaphors? […] My basic claim will be that the experience of mixed metaphor arises when two metaphors conflict that are used deliberately as metaphors and that it is likely that all other cases of conceptual clashes between adjacent metaphors do not get recognized as mixed metaphor because they are not used deliberately as metaphors.327

Später relativiert er dies insofern, als mindestens eine Metapher „deliberate“, also bewusst bzw. absichtlich eingesetzt sein muss.328 Allerdings besteht laut Steen kein direkter Zusammenhang zwischen Absichtlichkeit und Konventionalitätsgrad. Auch eine konventionalisierte Metapher kann bewusst eingesetzt worden sein und nicht jede neuartige Metapher wurde automatisch absichtlicht erzeugt.329 Ob eine Metapher absichtlich gebraucht wurde, ist jedoch nicht immer klar erkennbar. Wie bereits von Kövesces angemerkt wurde, sind Erweiterte Metaphern und Allegorien ein klares Indiz, ebenso wie eine Signalisierung und Markierung der Metapher. Ein weiteres Kriterium, das aber weitaus unschärfer ist, ist das deutliche und plötzliche Abweichen des Sprachstils von den umliegenden bzw. vorausgehenden Ausführungen.330 Die mangelnde Verifizierbarkeit und auch die Unklarheit des Konzepts der deliberateness ist meines Erachtens ein deutliches Problem von Steens Ansatz. Auch seine Annahme, das „Verbot“ von mixed metaphors in Stilbüchern würde für eine gewisse Absicht sprechen, ist nur schwer haltbar. Denn diese Stilvorgabe kann ja eben auf der irrigen Annahme beruhen, mixed metaphors seien klar zu kontrollieren und damit zu vermeiden, wenn sie eigentlich unabsichtlich konstruiert werden und sich ein Stück weit menschlicher Kontrolle entziehen. Es ist aus meiner Sicht gut möglich, dass ein Teil der Metaphernvermischungen von „absichtlich“ verwendeten Metaphern Gebrauch macht, oder dass die gesamte 326

A.a.O. 9. Vgl. weiterhin a.a.O. 13: „Most cases of metaphorically homogeneous discourse have an added communicative or stylistic component (such as convincing, irony, humor, esthetic effect) in a way that is not present in discourse that fit the dominant pattern of metaphorically non-homogeneous discourse.“ 327 STEEN, Question of Deliberateness, 114. 328 Vgl. a.a.O. 118. 329 Vgl. a.a.O. 119.122. 330 Vgl. a.a.O. 125.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Vermischung bewusst hergestellt wurde. Das muss aber keineswegs für alle Metaphernvermischungen gelten. In der Blending Theory liegt eine Art von Vermischung bereits in der Metapher selbst vor. Durch unterschiedliche input spaces wird im blended space neue Bedeutung geschaffen. Allerdings wurde oben bereits angeführt, dass die Darlegung und die Schlussfolgerungen der Blending Theory nicht immer ganz nachvollziehbar sind, bzw. dass die jeweiligen Beispiele auch auf anderem Weg erklärbar sind. Wichtige Vertreter und Vertreterinnen der Blending Theory gehen eher indirekt auf Metaphernkombinationen ein. Während in der Conceptual Theory zunächst zwei Bereiche (source und target domain) miteinander in Verbindung gebracht werden können, gibt die Blending Theory an, dass dort auch mehr Dimensionen berücksichtigt werden können.331 Dadurch, dass eine Übertragung vieler Einzelaspekte stattfindet, die im generic space in abstrakter Form benannt werden, könnte man auch sagen, dass laut Blending Theory in jeder Metapher eine Art Allegorie implizit vorhanden ist. Zudem wurde die Theorie dazu verwendet, Erweiterungen und Hierarchisierungen von Metaphern zu erklären.332 In der Folge haben einige Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker den Bezug der mixed metaphor im Spezifischen zur Blending Theory ausgebaut. Charteris-Black etwa wendet die Blending Theory auf den metaphorischen Ausdruck „burning barbed wire pantyhose“ (im Deutschen etwa: „brennende Strumpfhose aus Stacheldraht“) an.333 Der Ausdruck „burning“ ist dabei dem ersten input space, Feuer, zugeorndet, der Ausdruck „barbed wire“ dem zweiten, scharfe Gegenstände. Beide gehören laut Charteris-Black zum selben generic space, den er als „capacity for harm“ (etwa: „Objekte mit (potentiell) schädigender Funktion“) bezeichnet. Demgegenüber sieht er einen zweiten, konfligierenden generic space, „capacity for protection“ (etwa: „Objekte mit [potentiell] schützender Funktion“), zu dem der dritte input space, Kleidung, gehört, und zwar spezifisch durch den Begriff „pantyhose“.334 Meines Erachtens ist aber die letztgenannte Zuordnung nicht wirklich zutreffend. Die Assoziation mit dem Konzept Strumpfhose ist nicht in erster Linie Schutz, und gerade im vorliegenden Beispiel scheint dies nicht zu passen. Die Strumpfhose ist ein extrem eng anliegendes Kleidungsstücke, in mancher Hinsicht eine „zweite Haut“. Sie kann auch ein gewisses Maß an Intimität implizieren. In der vorliegenden Metaphernkombination und im von Charteris-Black genannten Kontext von Interviews mit Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden, 331

GRADY/OAKLEY/COULSON, Blending and Metaphor, 101. Vgl. a.a.O. 108–113. 333 Vgl. CHARTERIS-BLACK, JONATHAN, Chapter 8: The ‚Dull Roar‘ and the ‚Burning Barbed Wire Pantyhose‘: Complex Metaphor in Accounts for Chronic Pain, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 155–176. Hier: 159f. 334 Vgl. a.a.O. 161 (Schaubild). 332

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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zeigt sich meiner Ansicht nach durch den Begriff, dass der Schmerz nicht direkt zum Körper gehört, aber von ihm kaum zu trennen ist. Er wird somit als unmittelbar und intensiv empfunden. Erneut zeigt sich hieran das Problem der Blending Theory, eindeutige input spaces und generic spaces festzulegen und beide wiederum klar voneinander abzugrenzen. Daher ist es sinnvoller, allgemeiner von semantischen Feldern oder auch Assoziationen bzw. Konnotationen zu sprechen. Im letzten Jahrzehnt hat das Interesse an der mixed metaphor deutlich zugenommen, was sich auch in einer Reihe von Veröffentlichungen zu diesem Thema erkennbar macht. Besonders hervorzuheben ist der von Raymond Gibbs herausgegebene Sammelband Mixing Metaphor von 2016. Auf einige der darin enthaltenen Einzelbeiträge, die sehr unterschiedliche Zugänge aufweisen und diverse Metaphernverständnisse voraussetzen, wurde bereits eingegangen. Es handelt sich, zumindest im englischsprachigen Bereich, um den ersten kompletten Band, der sich mit dem Phänomen eingehender beschäftigt und dabei häufig auch die positiven Seiten der mixed metaphor hervorhebt. Einzelne Beiträge beschäftigen sich im Rahmen von Studien damit, wie Metaphernvermischungen im Alltag wahrgenommen und verstanden werden. Lynne Cameron beschreibt das Phänomen aus der Sichtweise der „discourse dynamics“: Across my data sets of people engaged in spontaneous talk, it is not at all unusual to find multiple metaphor vehicles from different semantic fields occuring close to each other. It is, however, unusual to find people struggling to make sense of them, commenting on their semantic dissonance, or producing any paralinguistic feature, such as pausing, hesitation, or laughter, to suggest that they have even noticed the juxtaposition.335

Cameron gesteht jedoch auch zu, dass dies bei der Rezeption des geschriebenen Wortes anders aussehen kann, da der Text sichtbar ist und Lesen langsamer verläuft als die reine auditive Verarbeitung.336 Sie unterscheidet unterschiedliche Typen von Metaphernkombinationen:337 das Entstehen multipler Metaphern durch eine Fokusverschiebung, die Wiederaufnahme einer bereits verwendeten Metapher in Kombination mit einer anderen, Metapherkombinationen innerhalb eines metaphorischen Szenarios sowie „layered/embedded metaphors“. Letzteres bezeichnet im Grunde Fälle von Metaphernverkettung bzw. einer hierarchischen Struktur von Metaphern, in der eine von der anderen abhängig ist. In all diesen Fällen gibt es aber keine Probleme in der Interaktion:

335

CAMERON, LYNNE, Chapter 2: Mixed Metaphors from a Discourse Dynamics Perspectives: A Non-issue?, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 17–30. Hier: 17f. 336 Vgl. a.a.O. 18. 337 Vgl. a.a.O. 21–25.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

„The use of multiple metaphors in human understanding is necessary and inevitable; that our multiple metaphors sometimes seem to clash is mostly an illusion perceived from outside of discourse.“338 Während sich Cameron auf das Verständnis von Metaphernkombinationen in gesprochener Sprache konzentiert, legen Julia Lonergan und Raymond Gibbs Studien vor, die die Interpretation von geschriebenen Metaphernkombinationen erläutern.339 Probandinnen und Probanden wurden hierzu Ausschnitte aus der Kolumne „Block That Metaphor“ im New Yorker vorgelegt. In der entsprechenden Kolumne werden vermischte Metaphern und andere stilistische Eigenheiten gesammelt. Die Probandinnen und Probanden wurden gebeten, die Ausschnitte Stück für Stück zu erklären und eine Gesamtdeutung der Metaphernvermischungen vorzulegen. Dabei zeigten sich große Übereinstimmungen, so dass die Vermischungen ganz offensichtlich keine Verständnisprobleme bereiteten. Lonergan und Gibbs sehen dies zum einen als Beleg dafür, dass Metaphernvermischungen durchaus sinnvolle Aussagen treffen, haben aber aufgrund ihrer Daten Zweifel daran, dass die Conceptual Theory allein diese Vermischungen erklären kann. Stattdessen vertreten sie eine „source domain reasoning“ genannte Hypothese: people’s reasoning about source and target domain mappings extends beyond the single conventional parallel mappings typically seen in conceptual metaphors theory. There are other non-parallel systems operating concurrently with conceptual metaphors, such as affective and socio-cultural factors, which critically shape how people create and understand particular tropes.340

Charteris-Black wiederum zeigt in seiner Studie einige sehr interessante Erkenntnise zur Verwendung und zum Zweck einzelner Metaphernkombinationen auf. Er unterscheidet Metaphernwiederholungen, -vermischungen und zwei eng verwandte Phänomene, die er als „extended“ und „elaborated metaphor“ beschreibt.341 Diese decken sich einerseits mit den unten dargestellten Erweiterten Metaphern bzw. Allegorien, andererseits zum Teil mit dem Phänomen der Multivalenz, bzw. mit einer spezifischen Form der Multivalenz, bei der eine Intensivierung stattfindet. Charteris-Black untersucht, wie diese vier Phänomene in Interviews mit Menschen, die von chronischen Schmerzen betroffen sind, gebraucht werden. Dabei ist die Anwendung manchmal fraglich, da einzelne Metaphern unter sehr generellen Überbegriffen, etwa „container“-

338

Vgl. a.a.O. 29. Vgl. LONERGAN, JULIA E./GIBBS, RAYMOND W., Chapter 4: Tackling Mixed Metaphors in Discourse. New Corpus and Psychological Evidence, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 57–71. 340 A.a.O. 59. 341 Vgl. CHARTERIS-BLACK, Complex metaphor, 158–163. 339

2. Mischungen in der Metapherntheorie

211

Metaphern, subsumiert werden.342 Dadurch ergibt sich, dass vieles als extension oder elaboration angesehen wird, was aus anderer Perspektive vielleicht bereits in den Bereich der Vermischung fällt. Ungeachtet der Frage nach der Kategorisierung einzelner Metaphernkombinationen macht Charteris-Black die Beobachtung, dass Metaphernwiederholungen vor allem dann vorliegen, wenn die betreffenden Personen Situationen schildern, in denen sie sich als autonom und wirkmächtig empfinden. „There is, then, a clear correspondence between the communicative purpose of expressing control and repetition of metaphors: in this respect linguistic repetition of the same form signifies psychological control over the medical condition.“343 Die Metaphernvermischungen in diesem Kontext haben demgegenüber den gegenteiligen Effekt. Sie zeigen, dass sich der Schmerz der menschlichen Kontrolle entzieht. Gleichzeitig wird die Intensität der chronischen Schmerzen so gesteigert, und über diese Sprachform gelingt es möglicherweise, auch andere Menschen ansatzweise an der eigenen Erfahrung teilhaben zu lassen.344 The element of semantic violence involved in mixing a metaphor expresses the tensions arising from the lived experience of pain. Creative expressions of these tensions by mixed or blended metaphors, may be therapeutic in so far as it articulates the psychological and physical reality of chronic pain as well as potentially having the positive social effect of evoking an emphatic response from hearers.345

Auf die Effekte der mixed metaphor geht auch die neueste Monographie zu dem Thema ein. Sullivan führt auf Charteris-Black aufbauend an, dass Metaphernvermischungen auf Kontrollverlust, Chaos, Hilflosigkeit, überbordende Emotionen und Ähnliches hindeuten können, was manchmal passend ist, aber längst nicht immer. Ein möglicher Grund, warum Metaphernvermischungen vor allem Politikerinnen und Politikern angekreidet werden, könne daher darin liegen, dass es gerade bei diesen Personen, die wichtige Funktionen in der Gesellschaft innehaben, wichtig ist, sie so zu präsentieren, dass sie einen Plan haben und die Situation kontrollieren.346 Mixed metaphors könnten auch als Zeichen von Inkompetenz, Unwissenheit oder Unaufmerksamkeit seitens der Produzierenden interpretiert werden.347 Dennoch macht sie auch die positiven Effekte der Metaphernvermischungen deutlich. Out-of-control writing can convey the enormity of an emotional state such as love, anger, or outrage; the intensity of a physical experience, such as pain; or the chaos of a situation, such as a storm. Since mixed metaphors are normally associated with a lack of control, they can

342

Vgl. etwa die tabellarische Darstellung a.a.O. 169. A.a.O. 170. 344 Vgl. a.a.O. 157. 345 A.a.O. 161. 346 SULLIVAN, Mixed Metaphors, 16. 347 A.a.O. 17. 343

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

convey the impression that the writing has escaped the author’s supervision and is running wild.348

Die besondere Intensität dieser Metaphernverbindung und ihre Neigung dazu, sehr abstrakte Konzepte zu beschreiben, wird noch einmal an anderer Stelle betont: „Confusion, chaos and strangeness are all associated with mixed metaphors. They can evoke emotional intesity or other extreme experiences. The odd, otherworldly element of mixed metaphors can be useful, too – for describing the surreal, the strange and the shocking.“349 Gerade der letzte Gedanke ist insofern nützlich, als man ihn leicht um das Transzendente erweitern kann. Deutlich positiver als Metaphernvermischungen sieht Sullivan andere, nicht vermischte Metaphernkombinationen, etwa Diversifikationen.350 Sie nennt dann auch Faktoren, die dazu führen, dass man eine Kombination als vermischt ansieht und deren Berücksichtigung im Umkehrschluss dazu dienen kann, Metaphernvermischungen zu vermeiden. Diese Faktoren sind vorrangig die Nähe von metaphorischen Ausdrücken zueinander, ihre Ähnlichkeit im Hinblick auf Inhalt oder semantisches Feld sowie die Aktivität der Metapher bzw. deren Reaktivierung.351 Sullivan geht davon aus, dass wirklich tote oder schlafende Metaphern deutlich weniger zur Vermischung tendieren. Zudem können auch eine besondere Fülle an Metaphern und das Vorliegen langer, schlecht erweiterter Metaphern „Risikofaktoren“ sein.352 Daneben geht Sullivan auch auf bizarre source domains, seltsame Wort-Bild-Kombinationen und „unpassend“ gebrauchte Metaphern, bei denen mitunter unklar ist, ob man sie „wörtlich“ verstehen soll, ein.353 Damit entfernt sie sich aber von dem, was im engen Sinne als mixed metaphor verstanden wird und sorgt somit indirekt auch dafür, dass dieses Phänomen unscharf definiert wird. Ihr generelles Fazit zeigt, dass sie die mixed metaphor als eine Art doppelschneidiges Schwert ansieht, die deshalb nur mit Bedacht zu gebrauchen ist: „Mixed metaphors can be funny, incisive, or suprisingly vivid. Like any powerful tool, mixed metaphors should be treated with respect and set aside when they’re not the right implement for the job. Sometimes, however, a mixed metaphor is exactly what’s needed.“354 Insgesamt zeigt sich, dass viele Fragen der Metaphernforschung insgesamt in der Debatte um die mixed metaphors relevant werden. Wie sind Metaphern strukturiert? Wie werden sie als solche erkannt und rezipiert? Was macht eine „gute“ Metapher aus (und gibt es schlechte)? Wichtige Faktoren stellen zudem der Konventionalitätsgrad und die Absichtlichkeit der Metaphernproduktion 348

A.a.O. 171. A.a.O. 173. 350 Vgl. a.a.O. 148–151. 351 Vgl. a.a.O. 47–61. 352 Vgl. a.a.O. 63–72. 353 Vgl. a.a.O. 72–112. 354 A.a.O. 184. 349

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dar. Gibbs kommt daher zu folgenden Schluss: „I boldly suggest that one important test for any comprehensive theory of metaphor is its ability to explain both how mixed metaphors come into being and are ultimately interpreted by others. This ‚mixing metaphor test‘ should become one of the essential ways by which scholars evaluate the rigor and breadth of competing metaphor theories.“355 Wer versucht, Metaphernkombinationen zu verstehen, ist somit umgekehrt auch auf einem guten Weg, sich dem Phänomen Metapher an sich anzunähern. 2.1.4. Positive Sichtweisen auf Metaphernkombinationen Im Alltag ist der Begriff mixed metaphor im englischsprachigen Raum noch immer weitestgehend negativ besetzt. Menschen lernen in der Schule, dass Metaphernvermischungen zu vermeiden sind und dass Metaphern daher nur spärlich zu verwenden sind. Sullivan findet hierfür einen eindrücklichen Vergleich: „Students are taught to avoid mixing metaphors before they even know what metaphor is, just like in some schools they are taught abstinence without learning about sex.“356 Möglicherweise ist dies auch einer der Gründe dafür, dass alltagssprachlich der Begriff mixed metaphor unklar definiert ist und alle Metaphern bezeichnen kann, die seltsam wirken oder einen witzigen Effekt haben.357 Mit der Warnung vor Metaphernvermischungen geht aber häufig ein großer Mangel an Reflexion einher. „When people have an opinion and can’t explain why, it’s usually because they’ve been told to believe it and haven’t been given a good reason.“358 Diejenigen, die die mixed metaphor kritisieren, haben oft keine richtige Definition dieses Phänomens. Die Funktions- und Wirkweise der mixed metaphor wird nicht genauer erläutert, sondern es wird sich auf negative Zuschreibungen beschränkt.359 Damit ist jedoch bereits ein Ansatzpunkt für Kritik an dieser negativen Sichtweise und somit auch Raum für positivere Zuschreibungen gegeben. Mit einem in den letzten Jahren angestiegenen wissenschaftlichen Interesse an Metaphernkombinationen, insbesondere an der mixed metaphor, ging auch oft eine Aufwertung dieser Phänomene in der Metapherntheorie einher. Allerdings lassen sich schon vor dem 20. Jahrhundert einzelne Stimmen ausfinding machen, die Metaphernkombinationen aufwerten oder sich zumindest gegen ein zu striktes Verbot entsprechender Phänomene einsetzen. In dem Artikel „On the Use of Metaphors“ von einer nur mit „T.D.“ bezeichneten anonymen

355

GIBBS, Introduction, XIV. SULLIVAN, Mixed Metaphors, 147. 357 Vgl. a.a.O. 81. 358 Vgl. a.a.O. 187. 359 Vgl. a.a.O. 15. 356

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Person, der 1825 im einflussreichen Blackwood’s Magazine erschien,360 wird zunächst die Metapher insgesamt verteidigt. Ausgangspunkt ist eine Aussage, die Swift bzw. einer Person aus dem Freundeskreis Swifts zugeschrieben wird und die sinngemäß besagt, dass ein guter Stil ohne Metaphern auskommt, weshalb auch Swift selbst keine Metaphern verwende. „T.D.“ hingegen zeigt auf, dass keine noch so sachliche Sprache metaphernfrei ist und dass auch viele alltagssprachlich verwendendeten Ausdrücke auf Metaphern zurückgehen. „It is perhaps almost impossible to construct a language which shall be divested of metaphor.“361 Metaphern seien zudem nicht von Natur aus obskur oder würden dazu beitragen, die Rede undeutlich zu machen. Dies sei vielmehr das Resultat eines schlechten Metapherngebrauchs und liege nicht am sprachlichen Phänomen selbst, sondern vielmehr an den jeweiligen Verfasserinnen und Verfassern. Der Autor oder die Autorin362 fährt damit fort, die in einigen Passagen aus Swifts Schriften verwendeten, teils konventionalisierten Metaphern herauszustellen. Es werden hier einige modern anmutende Thesen aufgestellt, etwa zur Ubiquität der Metapher und der damit verbundenen Unmöglichkeit, Sprache ohne Metaphern zu schaffen. Gleichzeitig sind die Effekte der Metapher sehr limitiert. Sie soll die Aufmerksamkeit wecken und Bildhaftigkeit befördern. Auch die Definition der Metapher selbst ist sehr simpel gehalten und erinnert an die Substitutionstheorie: „A Metaphor may be defined to be the appellation of something by the name of some other thing, to which it has some similitude, or with which it has some quality in common.“363 Nachdem dargelegt wurde, wie umfassend Swift, wenn auch womöglich oft unbewusst, auf Metaphern zurückgreift, wendet sich „T.D.“ der Unterscheidung von „mixed“ und „unmixed“, „broken“ und „unbroken metaphors“ zu, die er kritisiert.364 Als Beispiel wird das bereits mehrfach angeführte AddisonZitat angeführt. „T.D.“ meint, es sei ein Leichtes, diese Zeilen als „broken“ zu charakterisieren, fügt aber mithilfe sarkastisch-gewitzer Vergleiche sogleich seine Kritik daran an: But what then? what anathema of Nature’s is there against changing a metaphor as often as a man pleases? Why is it of necessity to fill up a sentence or a period, or a paragraph, or any assignable space ௅ neither more nor less, like Shylock’s pound of flesh, on peril of cancelling the bond? […] Are we bound to run down the first similitude we start, like beagles, or be lashed in by some whipper-in of a pedagogue for taking up a cross scent? What law is there to compel us to let our first metaphor, like our first wife, die a natural death before we take 360

Vgl. [ANONYM, „T.D.“], On the Use of Metaphors, in: Blackwood’s Edinburgh Magazine Vol. 18 Nr. 57 (1825), 719–723. 361 A.a.O. 720. 362 Blackwood’s Magazine wurde auch so bekannt, weil George Eliot (eigentlich Mary Anne Evans) darin publizierte. Auch andere einflussreiche Frauen veröffentlichten in dem Magazin, so dass sich hinter den Initialen „T.D.“ durchaus eine Frau verbergen kann. 363 [ANONYM, „T.D.“], On the Use, 720. 364 Vgl. a.a.O. 721.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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a second? – or what canon is there thus coupling metaphor and matrimony, and insisting that our comparisons, like our wives, if we will have them, shall be pure and only one at a time? Has any critic shown the existence of such laws, either in reason or out of it? The forbiddance of broken metaphor is founded then upon assumption.365

„T.D.“ setzt dem entgegen, dass eine Fülle von Metaphern dazu führt, dass die beschriebenen Effekte der Metapher verstärkt werden.366 Metaphernkombinationen könnten zwar zu Unklarheiten führen, aber dies sei gänzlich von dem Geschick der Produzierenden abhängig: „obscurity arises out of the unskilful employment of metaphor, whether broken or unbroken.“367 Es wird weiterhin angeführt, dass die metaphorische Prägung von Sprache insgesamt als logische Konsequenz Metaphernkombinationen nach sich zieht, die aber aufgrund des hohen Konventionalitätsgrads vieler Alltagsmetaphern nicht weiter auffallen. Dies zeige die Inkonsequenz der „critics“, die Addisons Zeilen verurteilen, selbst aber konventionalisierte Metaphern frei kombinieren. Schließlich könne jedes Stilmittel durch falschen Gebrauch lächerlich gemacht werden. „If ridicule, therefore, is to be the test of propriety, we may reject figurative expressions altogether.“368 „T.D.“ beendet den Beitrag mit einer Ausführung des Hamlet-Zitats und sich damit beschäftigender Kommentare und Korrekturen, u.a. von Theobald, Warburton, Pope und Johnson.369 Hierdurch wird abschließend die Pedanterie dieser Kommentatoren beklagt. Ein gutes Jahrhundert später schließt sich Stanford, der den Artikel zitiert, diesem Urteil an: „sincerity and passion excuse all such superabundant imagery, and it is only the pedant who is ever on the prowl to detect some inconsistency in logic where meaning, conviction and enthusiasm are the true criteria.“ Wiederum ist jedoch zu beachten, dass unterschiedliche Metaphernkombinationen hier noch nicht klar voneinander abgegrenzt werden. Gerade die Grenze zwischen Diversifikationen oder schnell aufeinander folgenden Metaphern einerseits und Metaphernvermischungen im engen Sinne andererseits verschwimmt an dieser Stelle. Außerdem ist eine Kritik an den als pedantisch empfundenen Regeln der Metaphernkonstruktion noch nicht gleichzusetzen mit einer positiven Aufwertung von Metaphernvermischungen. Eine ähnliche Verteidigung von Metaphernkombinationen, wenn auch deutlich knapper und mit einer gewissen Fokusverschiebung, findet sich in einem Abschnitt aus Ernest Belfort Bax’ Werk Ethics of Socialism (1889). Das Buch, das sich insgesamt eher mit der Gesellschaftsstruktur im Marxismus und damit

365

A.a.O. 721f. In Teilen auch zitiert in: STANFORD, Greek Metaphor, 34. Vgl. [ANONYM, „T.D.“], On the Use, 722: „the effect of metaphors is increased by their frequency“. 367 Ebd. 368 A.a.O. 723. 369 Vgl. ebd. 366

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

verbundenen Fragestellungen beschäftigt, besitzt ein Kapitel mit dem vielsagenden Titel „On Some Forms of Modern Cant“.370 Dabei geht Bax auf ganz unterschiedliche Aspekte ein, die er als Heuchelei kategorisiert, unter anderem auch solche in der Literatur bzw. der Literaturkritik: „One of its forms is affected hunting after blemishes in style and the pedantry allied thereto.“371 Bax hält fest, dass diejenigen, die Rezensionen schreiben, an den Texten weniger Anstoß nehmen, als sie schlussendlich kundtun. Sie geben sich übermäßig kritisch und vertreten eine gekünstelte Ansicht von stilistischer Reinheit. Als konkretes Beispiel nennt er die Kritik an Metaphernkombinationen: „A great deal of pretended fuss made about confusion of metaphor is cant. All language is more or less metaphorical, and no one has ever shown the slightest rational ground why one should not pass from one metaphor to another, even in the same sentence.“372 Daran anschließend führt er an, dass er die Kritikerinnen und Kritiker für scheinheilig hält, da Metaphernkombinationen nur in manchen Fällen kritisiert, bei berühmten Autorinnen und Autoren jedoch sogar als besonders gut bewertet werden: „That the sensitivity of the ordinary ‚callow‘ critic on the subject is sham is proved by his admiration for Shakespeare’s confusions of metaphor. When a man can stand taking ‚arms against a sea of troubles,‘ he ought to be able to stand anything.“373 Hierin zeigt sich die Neubewertung von Shakespeares Bildkombinationen gegenüber früheren Kritikern, die sich auch in einer positiveren Beruteilung von Metaphernkombinationen insgesamt niederschlagen kann. Diese Argumentationslinie ௅ wenn Shakespeare Metaphern kombiniert, wird das Phänomen insgesamt schon nicht so schlecht sein ௅ wird auch in späterer Zeit weiter aufgegriffen. Bax geht schließlich kurz auf das Beispiel „nipping a tempest in the bud“ ein und erklärt dies als einen Fall von Metaphernverkettung: Etwas wird zunächst als Sturm imaginiert und der Sturm dann wiederum als Blüte. Er kommt zu dem Urteil: „The metaphor, although a little violent, is not illogical.“374 In neueren Metapherntheorien wurde, wie oben bereits angeklungen ist, die Kritik an Metaphernkombinationen ebenfalls relativiert. Richards, Beardsley und Ricœur machen allesamt deutlich, dass man das Zusammenspiel von Metaphern nicht generell verurteilen darf. Manche Metaphernkombinationen seien sinnvoll, andere unvermeidbar. Meist wird auf das Phänomen jedoch nicht ausführlich eingegangen. In der konzeptuellen Metapherntheorie wird, wie dargestellt, die Normalität und Ubiquität der Metapher insgesamt betont, 370 Vgl. BAX, ERNEST BELFORT, The Ethics of Socialism. Being Further Essays in Modern Socialist Criticism, etc. (Social Science Series 6), London/New York: S. Sonnenschein & co/C. Scribner’s Sons 31893, 90–98. 371 A.a.O. 94. 372 A.a.O. 94f; auch zitiert in BUCK, Metaphor, 67 Fn 1. 373 BAX, Ethics, 95. 374 A.a.O. 95 Fn 1.

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wodurch auch Metaphernkombinationen als alltäglich und unvermeidbar angesehen werden. Dieser Rückschluss ist jedoch vielleicht nicht immer bewusst. Die meines Wissens erste Monographie zu dem Thema der Metaphernvermischung trägt den Titel Mix Me a Metaphor (1972), der nahelegt, dass hier eine positive Sichtweise vertreten wird. Es handelt sich dabei allerdings insgesamt eher um eine Beispielsammlung als um eine genaue Erklärung der Metaphernvermischung, mit wenig wissenschaftlichem, sondern vorrangig illustrativem Anspruch (der Verfasser, Jeremy Lawrence, schreibt aus der Perspektive eines Journalisten). In seiner Beurteilung der mixed metaphor ist er zunächst Bax extrem ähnlich, und auch das Hamlet-Beispiel kommt bei ihm als positives Beispiel vor: Metaphors lie at the very foundation of the structure of language, and we are constantly mixing them, in one sense, whether we know it or not. Where, for that matter, would poets be without the mixed metaphor? It is practically the stock-in-trade of many of them, and we do not throw up our hands in horror when, for instance, Shakespeare talks of taking ‚arms against a sea of troubles‘.375

Allerdings sind die meisten von Lawrence aufgeführten Beispiele solche, die seine Kritik finden und dazu dienen sollen, zu einem besseren Stil anzuregen. Nur manche finden seine Zustimmung,376 so dass er zu einem zweischneidigen Urteil in Form eines bildhaften Vergleichs findet: „Indeed, a well-blended metaphor may have the refreshing appeal of a new and unfamiliar cocktail. If the ingredients are right, one can disapprove and appreciate at the same time.“377 James Wood sieht die Metapher als eine Art komprimierte Fiktion an: „Every metaphor or simile is a little explosion of fiction“.378 Auch Wood kennt die Kritik an Shakespeares „metaphorical extravagance“, wie sie etwa von Wittgenstein formuliert wurde, und die er vor allem in Vermischungen ausmacht. Dem setzt er allerdings entgegen: „metaphor is doing here what it is supposed to do; it is speeding us, imaginatively, towards a new meaning.“379 Was Menschen alltagssprachlich an mixed metaphors auszusetzen haben, ist laut Wood vor allem die Vermischung von Floskeln (clichés), also bereits relativ stark konventionalisierten Metaphern. Shakespeare aber etwa und auch andere große Autorinnen und Autoren würden nicht von derartigen metaphorischen Floskeln Gebrauch machen, sondern neuartige Metaphern schaffen und damit die Zuhörenden sowieso bereits herausfordern, Dinge in ganz neuem Licht zu sehen.380 375

LAWRENCE, Mix Me a Metaphor, 9. Vgl. a.a.O. 10. 377 Ebd. 378 WOOD, JAMES, How Fiction Works, London: Vintage 2008, 153. 379 Vgl. a.a.O. 154. 380 Vgl. a.a.O. 155. Beachtenswert ist, dass etwa Stanford die Metaphernvermischungen bei Shakespeare auf die Konventionalisierung der Einzelmetaphern zur damaligen Zeit zurückführt. Hier gibt es also sehr unterschiedliche Beurteilungen. 376

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Er diskutiert im Anschluss mehrere Metaphern mit demselben Topic (Feuer) aus unterschiedlichen literarischen Werken. Darunter befindet sich auch eine mixed metaphor, die er jedoch keineswegs abwertet.381 Insgesamt urteilt er: „often the leap toward the counter-intuitive, towards the opposite of the thing you are seeking to compare, is the secret of powerful metaphor.“382 Dies kann in größerem Maß auch in der mixed metaphor vorliegen, weshalb sie eine besondere Wirkmacht entfaltet. Neuere Beschäftigungen mit diesem Phänomen, insbesondere solche nach der Jahrtausendwende, zeichnen dementsprechend oft ein sehr positives Bild. Gibbs etwa hält fest: „mixing metaphors actually demonstrates people’s cognitive flexibility to think of abstract topics in a myriad of metaphorical ways.“383 Sullivan sieht diese Aufwertung als Reaktion auf die vorherigen normativen Vorgaben des Preskriptivismus, dem in neuerer Zeit mit einer radikal deskriptiven Ausrichtung begegnet wird, die ihrer Ansicht nach jedoch nicht immer gut ist. For hundreds of years, prescriptivist grammarians have condemned mixed metaphors as bad style. When linguists became interested in mixed metaphors, it was natural for them to disagree with the prescriptivists, simply because they’d be fighting prescriptivists for years. In this case, opposing precriptivism meant that some linguists were inclined to argue that mixed metaphor were a good thing.384

Demgegenüber wendet Sullivan jedoch ein, dass die Wahrnehmung von mixed metaphors in der Gesellschaft nach wie vor größtenteils negativ ist. „Unless there is a dramatic change in the public opinion of mixed metaphors, many speakers and writers cannot afford to ignore the negative effect these metaphors have on their audiences.“385 Das Problem ist aber, dass es sich hier um einen Zirkelschluss handelt. Die gesellschaftliche Ansicht von mixed metaphors wird niemals steigen, wenn sich Fachleute nicht für eine Akzeptanz des Phänomens stark machen. Das alltägliche Bild der Metaphernvermischung ist schlecht, weil es auf diese Weise seit Jahrhunderten vermittelt und in Schulen weitergegeben wurde, und weil es, zumindest im englischsprachigen Raum, offenbar kaum Wissensvermittlung über die Metapher gibt jenseits der Tatsache, dass diese nicht vermischt werden darf. Diese Ansicht beruht jedoch auf veralteten „Expertenmeinungen“. Die Einsichten der neueren Forschung diesbezüglich sind im Alltag – und somit auch in den Schulen – noch nicht angekommen. Wenn nun aufgrund der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz entgegen der überwiegenden Meinung aktueller Metapherntheoretikerinnen und theoretiker die mixed metaphor vermieden wird, ist kaum mit einem Fortschritt 381

Vgl. a.a.O. 156f. A.a.O. 157. 383 GIBBS, Introduction, VIII. 384 SULLIVAN, Mixed Metaphors, 13. 385 A.a.O. 14. 382

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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zu rechnen. Insgesamt kommt Sullivan zu dem Ergebnis, dass mixed metaphors sehr unterschiedliche Effekte haben können und dementsprechend zu verschiedenen Anlässen mehr oder weniger geeignet erscheinen. Mixed metaphors can be powerful rhetorical devices for expressing complex concepts such as chronic pain or despair, but they can also be suggestive of incompetence and ignorance. The potential problem with mixed metaphors is not that they are incomprehensible. As numerous linguistics researchers have observed, mixed metaphors are generally easy to understand. However, defending mixed metaphor on the basis of their comprehensibility is fighting a straw man. When speakers and writers want to convey competence, control, or emotional stability, mixed metaphors can undermine these goals.386

Menschen wollen mixed metaphors vermeiden, um einen guten Eindruck zu erwecken und um kompetent zu wirken.387 Wenn aber nur auf Grund gesellschaftlichen Drucks die mixed metaphor vermieden wird, ist dies letztlich wiederum Preskriptivismus. Sullivans Annahmen beruhen zudem auf einer ziemlich eingeschränkten Sicht auf mixed metaphors. Wenn man davon ausgeht, dass diese etwas ausdrücken, was mit einfachen Metaphern nicht erreicht werden kann, kann dies gerade darauf hinweisen, dass diejenigen, die solche Metaphernvermischungen produzieren, die Kontrolle über eine Situation gewinnen. Einige sehr interessante Beobachtungen, die auch aufschlussreich für die alltägliche Abwehr von Metaphernvermischungen sind, macht Dale Pesmen. Er geht davon aus, dass mixed metaphors ein bestimmtes Realitätsverständnis voraussetzen, das mit einer „ideology of coherence“388 verbunden ist. Die Warnung vor Metaphernvermischungen geht nach Pesmen von der Vorannahme aus, dass Metaphern generell „realistisch“ sein sollen. Daraus entsteht eine Erwartungshaltung, die mixed metaphors nicht erfüllen.389 In Wahrheit sei Realität (und damit auch Realismus) jedoch ein vages Konzept und letztlich Konstruktion.390 Man könne eher von einer „bricolage of realities“391 sprechen. In der mixed metaphor wird deutlich, dass etwa die Möglichkeit einer klaren Abbildung von Ähnlichkeitsverhältnissen letztlich Illusion ist.392 Das macht diejenigen, die sie gebrauchen, verdächtig, unehrlich oder moralisch schlecht zu sein.393 386

A.a.O. 20. Vgl. a.a.O. 188. 388 PESMEN, DALE, Reasonable and Unreasonable Worlds: Some Expectations of Coherence in Culture Implied by the Prohibition of Mixed Metaphor, in: James W. Fernandez (Hg.), Beyond Metaphor. The Theory of Tropes in Anthropology, Stanford: University Press 1991, 213–243. Hier: 213. 389 Vgl. a.a.O. 218. 390 Vgl. a.a.O. 218–224. 391 A.a.O. 224. 392 Vgl. a.a.O. 228. 393 Vgl. a.a.O. 229. 387

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Daneben geht Pesmen auch darauf ein, wie von Kritikerinnen und Kritikern über die mixed metaphor gesprochen wird und welche Metaphern wiederum gebraucht werden, um diese zu beschreiben. Einerseits geschieht dies teilweise in Anlehnung an eine Paarbeziehung, wobei auch sexuelle Untertöne eine Rolle spielen können. Die mixed metaphor ist dann etwa ein Zeichen von Untreue, weil man nicht bei einer Metapher bleibt, sondern die Einheitlichkeit des Bildes aufbricht.394 Eine weitere metaphorische Beschreibung der Metaphernvermischung geschieht durch Hybridwesen wie Meerjungfrauen oder Zentauren:395 „we as a culture seem to need to deny that we have use for these mythological beasts, except to classify them as marginal beings which, like medieval and age-of-exploration conceptions of creatures at the unimaginable fringes of the world, are in need of civilization.“396 Gerade durch diese Bilder wird der Hybriditätsaspekt in vermischten Metaphern natürlich besonders hervorgehoben. Der Effekt, den unpassende Metaphern auf Rezipierende haben, wird teilweise analog zur Übelkeit beschrieben. Angesichts der Tatsache, dass in Metaphernvermischungen Fokusverschiebungen vorliegen, die die Realität und Weltwahrnehmung insgesamt in Frage stellen, kann man diese Wirkung als „a kind of metaphorical motion sickness“ bezeichnen.397 Auch dazu, dass vermischte Metaphern oft lächerlich wirken, äußert sich Pesmen: „I would like to argue that the laughter in response to mixed metaphor is nervous laughter, laughter in response to a threat“.398 Diese Bedrohung bezieht sich eben darauf, dass die Realität und das überkommene Weltverständnis in Frage gestellt werden. Mixed metaphors verweisen auf unmögliche Welten und können möglicherweise auch mit Foucaults Konzept der Heterotopie beschrieben werden.399 Zusammenfassend legt Pesmen sein Verständnis folgendermaßen dar: „What is called mixed metaphor […] is the coming into consciousness of a mixing that goes on all the time, a consciousness that offends our sensibilities because it ‚calls attention to the device‘ and perhaps might reveal the inexplicable bases of our worldview.“400 Zieht man Pesmens Erwägungen hinzu, so ist Gibbs’ Beurteilung insgesamt zuzustimmen: „[M]ixed metaphors do not reflect cognitive errors or necessarily impede our understanding of what other people mean to communicate. […] In fact, the existence of mixed metaphor, both within and outside of language, offers testimony to the cognitive flexibility that is the hallmark of human intelligence and creativity.“401 Die menschliche Flexibilität und Kreativität zeigt 394

Vgl. a.a.O. 216. Vgl. a.a.O. 216.230f. 396 A.a.O. 231. 397 A.a.O. 225. 398 A.a.O. 214. 399 Vgl. a.a.O. 214f. 400 A.a.O. 243. 401 GIBBS, Introduction, IX. 395

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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sich aber gerade darin, dass das, was als real angesehen wird, in Frage gestellt und transzendiert wird. Dies ist ein vor allem in religiösen Kontexten höchst bedeutsamer Gedankengang. 2.1.5. Mixaphor – blendaphor – malaphor In den vergangenen Jahren haben sich im englischsprachigen Raum neben dem Terminus mixed metaphor, der, wie oben gezeigt wurde, bereits seit gut drei Jahrhunderten im Gebrauch ist, verschiedene andere Begriffe herausgebildet und verbreitet, die dasselbe oder ein nah verwandtes Phänomen beschreiben. All diese Termini haben gemein, dass sie selbst Hybridbildungen sind: Mixaphor stellt eigentlich nur eine komprimierte Form der mixed metaphor dar, blendaphor besteht aus den Wortbestandteilen „blend“ und „metaphor“ und malaphor aus „malapropism“ und „metaphor“ (obwohl sich das Lateinische malus als zusätzliche Bedeutungsnuance nahelegt).402 Der bei weitem am wenigsten verbreitete der drei Begriffe ist blendaphor. Möglicherweise entstand er oder erlangte er größere Bedeutung dadurch, dass der Kognitionswissenschaftler Mark Turner, der gemeinsam mit Gilles Fauconnier das Prinzip des conceptual blending auf Metaphern übertrug,403 den Aufsatz „Blending and Metaphor“ von Grady, Oakley und Coulson unter diesem Schlagwort auf seiner Homepage verlinkte.404 In dem Artikel selbst wird der Begriff jedoch nicht verwendet. Er findet sich allerdings auf zwei Internetseiten, sowohl auf urbandictionary.com als auch auf definithing.com, wobei der Wortlaut der Definition identisch ist: Blending two metaphorical expressions that have the same meaning, mainly to see if people are paying attention or to create an amusing visual. Randomly blending any two expressions that do not have the same meaning, or tacking on to the metaphorical expression with a rogue ending is a botched attempt at blendaphoring.405

Auch die Beispiele sind auf beiden Seiten identisch. Für „echte“ blendaphors werden etwa angeführt „That’s the way the cookie bounces.“406 (Aus „That’s the way the cookie crumbles“ und „That’s the way the ball bounces“ – beide

402

Das ist wohl der Hintergrund des Definitionsvorschlags für das online-Wörterbuch Collins „a bad metaphor“. [ANONYM, „TIKITAKA“], Art. Malaphor, in: Collins Dictionary. Submission (https://www.collinsdictionary.com/de/submission/18336/malaphor), abgerufen am 07.02.2020. 403 S.o. Abschnitt 1.2.7. des ersten Kapitels. 404 Vgl. GRADY/OAKLEY/COULSON, Blending and Metaphor. URL: http://markturner.org/blendaphor.html (abgerufen am 14.06.2018). 405 [ANONYM, „BLENDA THE GOOD WITCH“], Art. blendaphor, in: Urban Dictionary (https://www.urbandictionary.com/define.php?term=blendaphor; wortgleich auch: https:// definithing.com/blendaphor), abgerufen am 07.02.2020. 406 Ebd.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

mit der Bedeutung „Man kann nicht alles kontrollieren.“407) und „It’s not rocket surgery.“408 (Aus „It’s not rocket science.“ und „It’s not brain surgery.“ – beide mit der Bedeutung „Es ist wirklich nicht schwer.“). Ein Beispiel für die „botched blendaphor“ ist etwa „As American as killing two birds with one apple pie.“409 (eine – amerikanische – Variation des Sprichworts „to kill two birds with one stone“). Darüber hinaus findet sich zur blendaphor nicht viel. Die angeführten Beispiele entsprechen jedoch im Aufbau und teilweise sogar im Wortlaut denen, die zur Erklärung der geläufigeren Termini mixaphor und malaphor gebraucht werden. Der Begriff mixaphor wird häufig auf Theodore Menline Bernstein (1904– 1979), einen ehemaligen Herausgeber der New York Times und Professor für Journalismus an der Columbia University, zurückgeführt.410 Allerdings war er nicht der erste, der den Begriff verwendete. Bereits 1948 begegnet dieser im Beitrag „Adhecupod letters. 9 keep-in-mind attitudes for writing sales letters“ von Howard Dana Shaw in Printers’ Ink, einer amerikanischen Zeitschrift für Werbung und Marketing Management.411 Freilich hat der Artikel an sich nichts mit Metaphern zu tun. Der zweite Satz des Artikels, der auf die Frage „Did you ever hear of an adhecupod letter?“ folgt, lautet jedoch: „An Adhecupod letter is a sales letter which, to meet your mixaphors, will ring the bell and bring home the bacon.“412 Das angeführte Beispiel ist noch keine Metaphernvermischung, eher die rasche Abfolge zweier Metaphern bzw. Redensarten. Nur wenige Zeilen später fällt aber folgende Aussage: „I will almost guarantee you 407 Vgl. auch HATFIELD, DAVID, That’s the Way the Cookie Bounces, in: Malaphors (https://malaphors.com/2012/12/30/thats-the-way-the-cookie-bounces), abgerufen am 07. 02.2020. 408 [ANONYM, „BLENDA THE GOOD WITCH“], Blendaphor. 409 Ebd. 410 So bereits in einer Rezension zu Bernsteins Buch The Careful Writer von E.A. Chadwell aus dem Jahr 1965, dort jedoch mit kritischem Unterton: „Bernstein inconsistently injects his own fad of coining new expressions for old: […] mixaphors for mixed metaphors“. CHADWELL, E. A., Book Review. The Careful Writer, by Theodore Bernstein, in: IEEE Transactions on Engineering Writing and Speech 8 (1965), 81. (Hervorhebung im Original) Weiter z.B. BLOCK, MERVIN, Writing Broadcast News – Shorter, Sharper, Stronger. A Professional Handbook, Chicago: Bonus Books 1987, 165; JOHNSON, MARTHY, Write and Wrong. A Writer’s Desk Reference, Anchorage: Publication Consultants 62006, 47 SOMMER, ELYSE/WEISS, DORRIE, Metaphors Dictionary, Canton: Visible Ink 1996. viii: „When a metaphor draws its comparison from two illogical and opposite sources, it becomes what the late Theodore M. Bernstein (author and New York Times editor) aptly dubbed a ‚mixaphor‘.“ 411 Vgl. SHAW, HOWARD DANA, Adhecupod Letters. 9 Keep-In-Mind Attitudes for Writing Sales Letters, in: Printers’ Ink: The Magazine of Advertising and Marketing Management 222 (1948), 76–92. „Adhecupod“ ist ein Merkwort für die im Untertitel angekündigten neun Grundeinstellungen: „aim, direct, hero, enthusiasm, confidence, urgency, procedure, objections, decision“. (A.a.O. 78.) 412 A.a.O. 76.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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that you too can ring the bacon and bring home the bell.“413 Im Kontext des Artikels handelt es sich bei der Bemerkung lediglich um eine erheiternde Auflockerung. Durch die Art, wie der Ausdruck „mixaphor“ von Shaw gebraucht wird, scheint es sich allerdings um einen bereits etablierten Terminus zu handeln. Obwohl Bernstein folglich nicht als Urheber des Begriffs ausgemacht werden kann,414 haben seine Ausführungen doch zur Verbreitung des Terminus beigetragen, möglicherweise weil er ihn nicht nur nebenbei verwendet, sondern das Phänomen konkret beschreibt und in normative Zusammenhänge einbettet. Während er in Watch Your Language (1958) noch einen Abschnitt, der lediglich einige prägnante Beispiele enthält, mit „Crazy Mixed-up Metaphors“ überschreibt,415 geht Bernstein auf die Metaphernvermischung in The Careful Writer (1965) viel ausführlicher ein und gebraucht hier den Begriff mixaphor, wobei er die Herleitung deutlich macht: „If […] the writer does not stick to the image he has set up, he is in danger of creating a mixed metaphor, known here for short as a mixaphor.“416 Im Folgenden nennt er einige Beispiele, von denen ein Teil bereits in Watch Your Language vorkam. Dabei lässt er verschiedene Bilder in enger Nachbarschaft durchaus zu, wenn dabei die Distinktheit der unterschiedlichen Metaphern gewährleistet bleibt.417 Von besonderem Interesse ist noch ein Abschnitt zur Verbreitung dieses Stilbruchs: The mixaphor has on occasion trapped the greatest writers, but perhaps their very greatness has protected them. An obvious though little noticed Shakespearian example occurs in Hamlet’s soliloquy: ‚Or to take arms against a sea of troubles.‘ One does not reach for weapons to combat the sea, yet the discrepancy here is not obtrusive and the effect is certainly far from ludicrous.418

Bernstein kann das Hamlet-Beispiel nur als „little noticed“ bezeichnen, wenn ihm die enorme Kritik an selbigen, die spätestens mit Adam Smith einsetzte, unbekannt ist. Man erkennt auch in diesem Beispiel die bereits im 18. Jahrhundert verbreitete Beteuerung, dass von Metaphernvermischungen selbst die besten Autorinnen und Autoren betroffen seien, sowie die eher für das 20. und 21. Jahrhundert typische Feststellung, das Shakespeare-Beispiel sei als stilistisch 413

Ebd. Vor 1948 erschien nur Bernsteins Buch Headlines and Deadlines. Darin wird zwar auch kurz aufgeführt, dass figürliche Sprache zu Absurditäten führen kann, von mixaphors (oder auch nur Metaphern) ist jedoch nicht die Rede. Vgl. GARST, ROBERT E./BERNSTEIN, THEODORE M., Headlines and Deadlines. A Manual For Copy Editors, New York: Columbia University Press 41982, 134f. 415 Vgl. BERNSTEIN, THEODORE M., Watch Your Language. A Lively, Informal Guide to Better Writing, Emanating from the News Room of the New York Times, Great Neck, N.Y.: Antheneum 1958, 131f. 416 BERNSTEIN, THEODORE M., The Careful Writer. A Modern Guide to English Usage, New York: Atheneum 1965, 275. (Hervorhebung im Original) 417 Vgl. a.a.O. 275f. 418 A.a.O. 276. 414

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gar nicht schlecht einzustufen, sondern auch darin zeige sich das Genie des Barden. Auch Bernstein ist klar, dass mixaphors durch reaktivierte konventionalisierte Metaphern entstehen und rückt sie demnach folgerichtig in die Nähe von Clichés, die eine Zwischenstufe zwischen metaphorischer Rede und Alltagssprache darstellen.419 Sechs Jahre später, in Miss Thistlebottoms’ Hobgoblins (1971) gebraucht Bernstein den Begriff mixaphor noch einmal selbstbewusster, wenn seine Ausführungen zu dem Thema auch knapper ausfallen: „The mixaphor, known as the mixed metaphor heretaphor [sic, gemeint ist wohl heretofore, S.N.-R.], is too well known to require extensive illustration.“420 Dieses Mal beschreibt Bernstein besonders die Unterscheidung von Metaphernvermischung und Metaphernreihung oder -häufung. Auch in letzteren kann es zu Inkonsistenzen kommen, die aber nicht als so schwerwiegend anzusehen sind wie genuine mixaphors.421 Generell ist der Tenor von Bernsteins letztem Werk vorsichtiger und weniger normativ. So bezeichnet er die Stilbrüche, unter die die mixaphor fällt, eher als Angelegenheiten des persönlichen Geschmacks denn als Fehler im engsten Sinn und betont, dass er aus der Perspektive des Nachrichtenjournalismus schreibt, die Sachlage in anderen Genres, in denen weniger einfach und geradlinig geschrieben werden muss, auch ganz anders ausfallen kann.422 Seit Bernsteins Erläuterung des Phänomens findet sich der Begriff mixaphor in einigen Büchern und auf mancher Webseite, gerade im Zusammenhang der Warnung vor Metaphernvermischung und anderen Stilbrüchen oder im Zuge von Sammlungen lustiger Aussprüche.423 Es gibt sogar einen Twitter-Hashtag, mit dem Nutzer des Kurznachrichtendienstes entsprechende Sätze verbreiten und teilen.424 Von den drei Termini mit Abstand am weitesten verbreitet ist der Ausdruck Malaphor. Er wurde offenbar von Lawrence Harrison (1932–2015), der zu dem 419 Vgl. ebd. und a.a.O. 103: „Many of today’s clichés are likely to be tomorrow’s standard English, just as many of today’s standard words were yesterday’s metaphors: thunderstruck, astonish, cuckold, conclave, sanguine, and thousands of others that form a substantial part of any dictionary.“ (Hervorhebungen im Orignal) 420 BERNSTEIN, THEODORE M., Miss Thistlebottom’s Hobgoblins. The Careful Writer’s Guide to the Taboos, Bugbears, and Outmoded Rules of English Usage, New York: Farrar, Straus and Giroux 1971, 165. 421 Vgl. a.a.O. 166. 422 Vgl. a.a.O. 151f. 423 Vgl. z.B. NORDQUIST, RICHARD, Glossary of Grammatical and Rhetorical Terms: Mixed Metaphor, in: ThoughtCo. (https://www.thoughtco.com/what-is-a-mixed-metaphor1691395), aufgerufen am 07.02.2020; LAROQUE, PAULA, Keeping Nose to Grindstone When Choosing Metaphors, in: Quill. A Magazine by the Society of Professional Journalists (https://quill.spjnetwork.org/2005/02/03/keeping-nose-to-grindstone-when-choosingmetaphors), abgerufen am 07.02.2020. 424 [ANONYM], #mixaphor, in: Twitter (https://twitter.com/hashtag/mixaphor), abgerufen am 07.02.2020.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Zeitpunkt in der United States Agency for International Development tätig war,425 geprägt, in Harrisons Artikel „Searching for Malaphors“ für die Washington Post vom 6. August 1976.426 In dem Meinungskommentar stellt Harrison Stilblüten, die er gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen während seiner bis dahin zweijährigen Tätigkeit im AID Latin Bureau gesammelt hatte, zusammen, wobei er sie in verschiedene Themenbereiche einteilt (der menschliche Körper – die Kategorie mit den meisten Beispielen –, Wissenschaft und Technologie, Tiere, verschiedene Metaphern, Freudsche Versprecher).427 Dabei ist er der Meinung, dass gerade in Verwaltungszusammenhängen das entsprechende Phänomen gehäuft auftritt: „Bureaucratic language, whatever else its failing, is a treasure trove of figures of speech, filled with worms in cans, wax in balls, oranges, apples, chicken, and eggs. And each metaphor carries the seeds of its own destruction.“428 Allerdings relativiert er diese attestierte Dominanz von malaphors in bürokratischen Zusammenhängen gegen Ende seines Beitrags wieder und gibt zu, dass ähnliche Aussprüche auch in anderen Kontexten vorkommen können. Dennoch benennt er Gründe für die Häufung des Phänomens im Sektor größerer Organisationen: After all, the apt figure of speech impresses people, and in big organizations where it’s hard to know how competent someone really is, promotions are sometimes made on style as much as anything else. It may also be that the repetetiveness of circumstances and problems in large organizations encourages the evolution of a kind of figurative shorthand that is a convenience as well as a conceit.429

Von diesen Einsichten in die Gründe der Entstehung und Verbreitung von malaphors abgesehen, kommentiert Harrison seine Funde nur sehr wenig. Der gesamte, relativ kurze Artikel ist eher eine Sammlung von Aussprüchen als eine systematische Betrachtung des Phänomens. Dabei ist die Sammlung in sich wiederum heterogen, wie bereits Harrisons eigene Beschreibung des Terminus malaphor deutlich macht: „Most of our laughs have come from incorrect or mixed metaphors. Malapropisms, too, have contributed. I’ve coined the word ‚malaphor‘ to cover the range of bureaucratic fluffs.“430 In Harrisons Verständnis ist die malaphor also gar keine Mischung von (vermischter) Metapher und

425 Vgl. HATFIELD, DAVID, He Smokes Like a Fish and Other Malaphors (Unintentional Idiom and Word Blends), Wexfort: Malaphor King 2016. xvii. 426 Vgl. NORDQUIST, RICHARD, What are Malaphors. Definition and Examples, in: ThoughtCo. (https://www.thoughtco.com/malaphor-word-play-1691298), abgerufen am 07. 02.2020. 427 Vgl. HARRISON, LAWRENCE, Searching for Malaphors, in: Washington Post vom 6. August 1976. 428 Ebd. 429 Ebd. 430 Ebd.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Malapropismus, wie dies vielleicht naheliegen könnte, sondern ein Überbegriff, der beides, aber auch noch andere Beispiele umfasst. Die Freudschen Versprecher, die Harrison anführt, können etwa als eine eigenständige Kategorie angesehen werden. Auch Sätze wie Harrisons Beispiel „It was a Fiat accompli“431 – unabhängig davon, ob es sich hierbei um einen kreativen Akt oder einen Versprecher handelt – entsprechen nicht dem, was spätere Autorinnen und Autoren als malaphor im engen Sinn bezeichnen. Harrison bleibt vage und verzichtet – wohl aus Platzmangel – darauf, die von ihm gesammelten Beispiele in ihre einzelnen Teile zu zerlegen oder auf die in ihnen enthaltenen Sprichwörter zurückzuführen. Allerdings macht er im letzten Satz seines Kommentars darauf aufmerksam, dass jede konventionalisierte Metapher das Potential hat, zur malaphor zu werden: „as soon as a metaphor is well established, a malaphor cannot be far behind“.432 Tiefergehend analysiert wurde das Phänomen im Aufsatz „To Err is Human; To Study Error-Making is Cognitive Science“ (1989) von Douglas Hofstadter und David Moser.433 Die beiden Autoren sammeln, kategorisieren und analysieren darin eine ganze Reihe von Fehlern, hauptsächlich Sprech-, teilweise auch Schreib- oder Handlungsfehler. Dabei ist ihnen durchaus bewusst, dass die Zuschreibung „Fehler“ nicht immer adäquat ist: „it is surprisingly often a matter of perspective as to whether something should be categorized as an error or as a creative act. Both types of event result from just one process: the activation and interaction of images and concepts in the mind.“434 Dies machen sie auch an Beispielen eindrücklich fest: „What in one context is an interesting slip of the tongue (‚Reagan’s policy toward Vietnam – I mean Nicaragua...‘) is in another context merely a straightforward analogy (‚Nicaragua is another Vietnam‘). They both involve the perception of some high-level similarity between two situations that are, at the level of specific details, completely different.“435 Sie machen damit auch deutlich, wie das Unterbewusstsein dazu beitragen kann, Metaphern und auch Metaphernvermischungen zu kreieren und warum diese unbewussten Schöpfungen häufig so selten erkannt und so gut verstanden werden. Mit Bezug auf die malaphors ist von besonderem Interesse, dass Hofstadter und Moser diese von zwei weiteren Phänomenen abgrenzen, nämlich gerade der mixed metaphor und der „infelicitous metaphor“: A mixed metaphor is an utterance containing two metaphors in quick succession (usually within a single sentence), which evoke imagery that in some way is incompatible, as in the 431

Ebd. Ebd. 433 HOFSTADTER, DOUGLAS/MOSER, DANIEL, To Err is Human; To Study Error-Making is Cognitive Science, in: Michigan Quaterly Review 28 (1989), 185–215. 434 A.a.O. 186. 435 A.a.O. 196. 432

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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following utterance: ‚No matter which fork in the road we take, it’s not going to be clear sailing.‘ An infelicitous metaphor is an utterance containing just a single metaphor that evokes imagery that interacts with the context in an unintended manner. British radio announcer: ‚Welcome to Israel, a mecca for tourists!‘436

Beide „Metaphernfehler“ gehen laut Hofstadter und Moser darauf zurück, dass die verwendeten Metaphern an sich konventionalisiert sind, in bestimmten Zusammenhängen jedoch reaktiviert werden und in diesen Kontexten dann Inkonsistenzen oder gar eklatante Widersprüchlichkeiten erzeugen. Dabei ist es durchaus möglich, dass verschiedene Produzierende und Rezipierende unterschiedlich sensibel auf den metaphorischen Gehalt einer Aussage reagieren, so dass die entsprechenden „Fehler“ nicht immer offensichtlich sind. Die Tatsache, dass sie aber oftmals auffallen und dann einen komischen Effekt erzielen, deutet jedoch gleichzeitig darauf hin, dass selbst bei noch so konventionalisierten Metaphern der metaphorische Gehalt den Sprechende und Hörende zumindest auf einer unterbewussten Ebene gewahr sein muss, da sie ansonsten nicht in der Lage wären, den Zusammenprall unterschiedlicher Bilder zu erfassen.437 Die malaphor, wie Hofstadter und Moser sie fassen, funktioniert hingegen anders. Sie basiert nicht vorrangig auf der Konventionalisierung und Reaktivierung ihrer einzelnen Bestandteile, sondern auf dem Prinzip „spreading activation“ („Aktivierungsausbreitung“), das auch für eine Reihe anderer Sprechfehler wie der Vertauschung verwandter oder gegensätzlicher Begriffe (z.B. „lehren“ und „lernen“, „lesen“ und „schreiben“) verantwortlich ist. Im Hinblick auf malaphors beschreiben sie den damit verbundenen Prozess folgendermaßen: English speakers, like the speakers of any language, have at their disposal an enormous repertoire of stock phrases, linguistic chunks, metaphors, idioms, cliches, proverbs, and colorful images from which to draw. These phrases float around in ,semantic space‘, some clustered together in close proximity, others drifting isolated in the furthest reaches of linguistic limbo. Some share similar syntactic structure, others exploit a common pool of cultural myths and archetypes. Some have as key components words that, via homonymy, synonymy, antonymy, or any number of other types of associations, can link them to a host of other such phrases. Given the complexity of human experience and the time pressures of everyday speech, it is not surprising that often two or more of these phrases can bubble up in the mind and interact with each other in unexpected ways, as in the following example: ,That was a breath of relief‘ in which ,a breath of fresh air‘ and ,a sigh of relief‘ were inadvertently spliced together by the speaker. One can liken the production of a malaphor to someone who reaches into a cookie jar, grabs two cookies at once, and then, trying to pull both out at once through the narrow neck, breaks each of them in two. What emerges is a hybrid of two cookies. As far as real malaphors are concerned, often the two halves dovetail so seamlessly 436

A.a.O. 189. Die Bezeichnung „Mekka“ im zweiten Beispiel kann vielleicht besser als Synechdoche aufgefasst werden. (Der konkrete Pilgerort für Pilgerorte bzw. Orte mit besonderer Anziehungskraft im Allgemeinen.) Die Autoren nennen jedoch noch eine Vielzahl weiterer Beispiele, die das Phänomen oftmals besser beschreiben, etwa „I always like to beef up these vegetarian dishes with a little broccoli.“ (A.a.O. 191) 437 Vgl. a.a.O. 189f.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

that we are unaware of having grabbed two different linguistic ,cookies‘ or of having spliced them together.438

Die letzten Sätze zeigen einen weiteren Unterschied zwischen malaphors und mixed metaphors in der Systematik der Autoren auf. Metaphernvermischungen kommen zwar innerhalb eines Satzes vor, die beteiligten Metaphern stehen aber in distinkten Ausdrücken, die nur dadurch einen seltsamen Satz erzeugen, dass sie in unmittelbarer Nähe zueinander stehen. Bei malaphors hingegen verschmelzen die beteiligten Redensarten in einem einzigen Ausdruck, in einer Art neuen Phrase.439 Meistens besteht auch – bedingt durch spreading activation – eine weitaus stärkere semantische Verbindung bei malaphors als bei mixed metaphors, durch die diese Verschmelzung motiviert wird. Im oben genannten Beispiel „a breath of relief“ sind „breath“ und „sigh“ eng semantisch verknüpft. Ein anderes von Hofstadter und Moser angeführtes Beispiel, das in der Folge häufig als eine Art Standardbeispiel für malaphors verwendet wurde, ist der Satz „We’ll burn those bridges when we come to them.“440 aus „We’ll cross that bridge when we come to it“ und „Burning our bridges behind us“.441 Hier wird die Verschmelzung der Ausdrücke durch das in beiden Quellsätzen vorkommende Wort „bridge“ begünstigt. Auch ein deutsches Beispiel führen die Autoren an: „Da platzt mir der Hut!“ (aus „Da platzt mir der Kragen!“ und „Da geht mir der Hut hoch!“).442 In diesem Fall, ebenso wie bei den oben genannten Beispielen „That’s how the cookie bounces“ und „It’s not rocket surgery“, liegt eine Vermischung deshalb nahe, weil die jeweils beteiligten Redewendungen dasselbe aussagen. Neben Verschmelzungen von Redewendungen in eine neuartige Phrase führen Hofstadter und Moser auch Vermischungen auf Wortebene als weitere Unterkategorie von malaphors an. Beispiele sind etwa: „I didn’t like the insinuendos he was making“443 (aus „innuendos“ und „insinuations“) oder „He’s an easy-go-lucky fellow“444 (aus „happy-go-lucky“ und „easy-going“). Auch Hofstadter und Moser führen den Begriff „malaphor“ auf Lawrence Harrison zurück, betonen jedoch gleichzeitig, dass das Phänomen unter dem Namen „syntactic blends“ bereits ein Jahr zuvor von Gerald Cohen (Syntactic Blends in English Parole, 1987) ausgiebig beschrieben wurde.445 438

A.a.O. 196. Vgl. a.a.O. 197. 440 Ebd. Verbreiteter im Singular „We’ll burn that bridge, when we come to it.“ und auch in einigen anderen Variationen geläufig. Der Ausdruck erlangte durch das Lied „Burn That Bridge“ (1984) von Jimmy Buffett einige Bekanntheit. Vgl. HATFIELD, Malaphors, 18f. In dem Song von Buffett ist der Satz aber klar als kreatives Stilmittel anzusehen, nicht als menschliche Fehlleistung, auch wenn er darin möglicherweise seinen Ursprung hat. 441 HOFSTADTER/MOSER, To Err is Human, 198. 442 Vgl. a.a.O. 199. 443 Ebd. 444 Ebd. 445 Vgl. a.a.O. 196f. 439

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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In den letzten Jahren verdankte die malaphor die Aufmerksamkeit, die ihr entgegen gebracht wurde, vor allem der Tätigkeit David Hatfields. Hatfield, Richter im Ruhestand, sammelt laut eigener Angabe seit über dreißig Jahren malaphors, seit einer seiner Kollegen besonders häufig solche Vermischungen äußerte, die Hatfield dokumentierte. Im Jahr 2013 erläuterte er seine Sammelleidenschaft in einem Artikel in der Pittsburgh Post-Gazette mit dem Titel „Confessions of a Malaphiliac“.446 Hatfield, der sich gern als „Malaphor King“ bezeichnen lässt, betreibt seine eigene Homepage (www.malaphors.com) sowie eine Facebook-Seite, auf denen er eigene und von anderen Leuten eingeschickte Fundstücke veröffentlicht. Dabei werden die der Vermischung zugrunde liegenden Bestandteile benannt und Erklärungsversuche unternommen, wie es zu dem jeweiligen Ausspruch kommen konnte. Ein Ergebnis dieser Sammlung ist Hatfields 2016 im Eigenverlag erschienenes Buch He Smokes like a Fish and other Malaphors (Unintentional Idiom and Word Blends), das bisher einzige Buch, das malaphors auf ausführliche Weise unter diesem Terminus behandelt. Hatfield definiert das Phänomen folgendermaßen: „A malaphor is a mixture of two idioms, creating a sort of malaprop in metaphor form.“447 Im Gegensatz zu Harrison, auf den er sich bezieht, sieht er also sowohl Bestandteile von Metaphern als auch von Malapropismen gegeben – es handelt sich bei Hatfield nicht um einen Überbegriff. Im Gegenteil, er achtet streng darauf, den Begriff malaphor wirklich auf Wort- oder Sprichwortverschmelzungen zu beschränken und nicht auf andere Sprechfehler, etwa reine Malapropismen, auszudehnen.448 Wichtig ist ihm zudem, dass die Produktion von malaphors unintentional ist – es handele sich um „mental hiccups“.449 Während sich Hatfield hauptsächlich auf die Sammlung und Erklärung verschiedener malaphors spezialisiert und nur wenig die theoretischen Hintergründe beleuchtet, stellt er doch einige Hypothesen auf, woraus malaphors entstehen, wenngleich die Gründe unterschiedlich sind und man somit verschiedene Subkategorien unterscheiden kann.450 Zunächst können die betroffenen Sprichwörter sehr ähnlich klingen oder Worte mit ähnlichem Klang enthalten. Auch die Satzstruktur, etwa die Anzahl der Wörter oder die Verwendung von Pronomina, kann Parallelen aufweisen. Daneben gibt es malaphors, bei denen die beteiligten Idiome eine (nahezu) identische Bedeutung haben, eine Unterkategorie, die Hatfield „congruent conflations“ nennt: „They are perhaps the purest form as they are subtle and sound correct at first blush, but then cause the listener to think that something is not quite right. It’s like a nice photograph that is sligthly out of focus.“451 Oben bereits genannte Beispiele wie „It’s not 446

HATFIELD, Malaphors, xiii. A.a.O. xvii. 448 Vgl. a.a.O. xviii. 449 A.a.O. xvii. 450 Vgl. a.a.O. xvii f. 451 A.a.O. xviii. 447

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

rocket surgery“ oder „Da platzt mir der Hut!“ gehören in diese Kategorie. Hatfield betont, dass jeder und jede malaphors produziert, sieht aber ähnlich wie Harrison Bereiche, in denen sie besonders gehäuft auftreten. Anders als Harrison nennt er jedoch vorrangig Politik (insbesondere politische Reden) und Sport (sowohl Sportberichterstattung als auch z.B. Interviews mit Sportlerinnen und Sportlern bzw. Trainerinnen und Trainern), da hier viele Metaphern und Clichés verwendet werden.452 Hatfields Buch enthält einige Illustrationen, durch die offenbar der komische Effekt der gesammelten malaphors verstärkt werden soll, indem verdeutlicht wird, wie inkonsistent das durch die Verschmelzung entstandene Bild ist. Ein ähnliches Vorgehen wählt Livi Prendergast in einem Blog-Beitrag für Oxford Dictionaries.453 Abgesehen von Hatfields und Prendergasts Beiträgen gibt es im Internet eine Vielzahl von Seiten oder Foren, auf denen Beispiele für malaphors gesammelt werden und auch die malaphor besitzt einen eigenen Twitter-Hashtag.454 Es dürfte sich gezeigt haben, dass die drei hier skizzierten Termini – blendaphor, mixaphor und malaphor – zwar in der Alltagssprache verwendet werden, jedoch nicht klar definiert oder voneinander abgegrenzt sind. In einigen Zusammenhängen scheinen die drei Begriffe austauschbar zu sein, in anderen sind unterschiedliche Bedeutungsnuancen erkennbar. Auch das Verhältnis zum Begriff mixed metaphor ist meist unklar. Der Ausdruck mixaphor, der nur eine Verkürzung des Begriffs mixed metaphor darstellt, deckt dieses Phänomen noch am genauesten ab. In Harrisons Beschreibung der malaphor wurde deutlich, dass er diesen Terminus als Oberbegriff für alle möglichen Versprecher, die ihm auf der Arbeit begegnet sind, verwendet. Auch Sullivan kommt in ihrer Betrachtung dessen, was gemeinhin als malaphor bezeichnet wird, zu dem Schluss, dass es sich eher um einen Oberbegriff für diverse Phänomene handelt.455 Dieser beinhalte die seltsame Kombination oder Vermischung metaphorischer, aber auch nicht-metaphorischer Redewendungen. Ein Beispiel für eine derartige nicht-metaphorische Verknüpfung ist „Does the pope shit in the woods?“ (aus „Is the Pope Catholic?“ und „Does a bear shit in the woods?“, beides rhetorische Fragen, die eine Selbstverständlichkeit ausdrücken).456 Daneben werden auch „echte“ Malapropismen, wie Wortvertauschungen, die Sprechfehlern (speech errors) zuzuordnen sind, laut Sullivan mitunter als malaphor bezeichnet. 452

Vgl. ebd. PRENDERGAST, LIVI, What Is a Malaphor? It’s Not Rocket Surgery!, in: Oxford Dictionary Blog (https://blog.oxforddictionaries.com/2017/05/24/malaphors), abgerufen am 13.07.2018. 454 [ANONYM], #malaphor, in: Twitter (https://twitter.com/hashtag/malaphor?lang=de), abgerufen am 07.02.2020. 455 SULLIVAN, Mixed Metaphors, 124–129. 456 Vgl. a.a.O. 125. 453

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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Hofstadter und Moser trennen mixed metaphors und malaphors deutlich. Auch Hatfield nimmt auf seiner Facebook-Seite Bezug zu dem Thema: Malaphors are unintentional blends of idioms or phrases (or metaphors). Mixed metaphors are combinations of metaphors in succession, usually done intentionally. An example of a mixed metaphor is ,I knew enough to realize that the alligators were in the swamp and that it was time to circle the wagons.‘ (attributed to Rush Limbaugh) Another example of a mixed metaphor: ,Sir, I smell a rat; I see him forming in the air and darkening the sky; but I’ll nip him in the bud.‘ (attributed to Sir Boyle Roche, 1736–1807)457

Andererseits wird auf Urban Dictionary als eine mögliche Definition für malaphor „a mixed metaphor“458 angegeben. Auch sonst finden sich auf Internetseiten, die der mixed metaphor gewidmet sind, oftmals Beispiele, die auch die Sammlerinnen und Sammler von malaphors anführen.459 Die Abgrenzungen, die Hofstadter und Moser einerseits und Hatfield andererseits vorzunehmen versuchen, treffen meines Erachtens nicht den wesentlichen Kern der Unterscheidung. Hatfields Behauptung, mixed metaphors würden absichtlich produziert, widerspricht dem Großteil der wissenschaftlichen Betrachtungen des Themas, denen zufolge mixed metaphors meistens unbewusst entstehen. Auch die von ihm wie auch von Hofstadter und Moser konstatierte „Sukzession“ von Metaphern ist irreführend, denn in den meisten Fällen entsteht ja bei den Rezipierenden gerade nicht eine rasche Abfolge verschiedener Bilder, sondern ein in sich inkonsistentes Bild. Damit haben mixed metaphors und malaphors denselben Effekt. Es stimmt, dass malaphors in vie-

457

HATFIELD, DAVID, Post vom 23. Juni 2013, in: Facebook (https://www.facebook. com/Malaphors/posts/malaphors-vs-mixed-metaphors-following/614659085224593), abgerufen am 07.02.2020. 458 TODD, GERRY, Art. Malaphor, in: Urban Dictionary (https://www.urbandictionary. com/define.php?term=malaphor), abgerufen am 07.02.2020. 459 Das Cambridge Online Dictionary etwa bietet im Eintrag „mixed metaphor“ das Beispiel „The new job has allowed her to spread her wings and really blossom“. ([ANONYM], Art. mixed metaphor, in: Cambridge Online Dictionary (https://dictionary.cambridge.org/de/ worterbuch/englisch/mixed-metaphor#dataset-example), abgerufen am 07.02.2020.) Zumindest „spread one’s wings“ muss als idiomatische Wendung angesehen werden und auch „blossom“ ist hochgradig konventionalisiert. Mignon Fogarty nennt in ihrem Beitrag zu mixed metaphors sowohl „We’ll burn that bridge when we come to it.“ (im Text selbst und in abgewandelter Form auch im Untertitel) als auch Barack Obamas „green behind the ears“, beides prominente malaphor-Beispiele. (Vgl. FOGARTY, MIGNON, Mixed Metaphors. Burn Your Bridges When You Come to Them?, in: Quick and Dirty Tips. Do Things Better [https://www.quickanddirtytips.com/education/grammar/mixed-metaphors?page=1], abgerufen am 07.02.2020.) Interessant ist dabei, dass „green behind the ears“ im Englischen als Vermischung angesehen wird, während das Deutsche „noch grün hinter den Ohren sein“ eine akzeptierte Redewendung ist, wenngleich sie wohl auch auf einer malaphor beruht.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

len Fällen noch „vermischter“ wirken. Dies liegt daran, dass die darin enthaltenen idiomatischen Wendungen nicht mehr nebeneinander stehen, sondern ineinander übergehen. Da diese idiomatischen Wendungen hochgradig konventionalisiert sind, werden die einzelnen Bestandteile linguistisch kaum mehr unterschieden – idiomatische Wendungen verhalten sich somit als ein Bestandteil von formulaic language im Hinblick auf Produktion und Rezeption ganz ähnlich wie einzelne Wörter. Ihre Verschmelzungen sind daher verwandt mit Blends auf Wortebene, weshalb die gemeinsame Behandlung dieser beiden Phänomene bei Hofstadter und Moser naheliegend erscheint. Dennoch werden sie gerade durch die Vermischung in der malaphor in ihre Einzelbestandteile aufgebrochen. Ebenso wie die Vermischung konventionalisierter Metaphern dazu führt, dass ihre Bildlichkeit reaktiviert wird, sorgt die Vermischung idiomatischer Wendungen dafür, dass die Tatsache, dass sie aus mehreren semantischen Einheiten bestehen, deutlich wird. Gleichzeitig sind aber auch malaphors oft deutlich bildhafter als einfache Idiome, wie bereits erwähnt. Der Grund hierfür ist einfach: Ein Großteil von Sprichwörtern und Redewendungen basiert auf Metaphern und ist durch die tiefe Verankerung in der Alltagssprache soweit konventionalisiert, dass der metaphorische Gehalt wenig bewusst ist. Dementsprechend sind malaphors im Grunde genommen eine Unterart der mixed metaphor, nämlich die, in der mehrere konventionalisierte Metaphern, die sonst als idiomatische Wendungen zur formulaic language zählen, aufgrund von Bedeutungsgleichheit, gemeinsamer zentraler Begrifflichkeiten, spreading activation oder phonologischer bzw. syntaktischer Ähnlichkeiten miteinander interagieren, wodurch die sonst dominanten Sprachformeln aufgebrochen werden. Dabei ist keine klare Grenze zwischen der malaphor und anderen Formen der mixed metaphor zu ziehen, denn was als idiomatische Wendung und was als (reine) konventionalisierte Metapher klassifiziert werden kann, ist häufig subjektiv. Schließlich sei bemerkt, dass die Termini blendaphor, mixaphor und malaphor im Gegensatz zur mixed metaphor normalerweise in wissenschaftlichen Diskursen keine Rolle spielen, sondern eher in Stilhandbüchern oder in Sammlungen von Sprachkomik auftauchen. Hofstadter und Moser bilden hier eine große Ausnahme. Außerdem scheinen die Begriffe eher – aber nicht ausschließlich, wie unter anderem der Beitrag Prendergasts zeigt – im amerikanischen Englisch verbreitet zu sein. 2.2. Hybridität als Grundcharakteristikum der Metapher – Metaphernkombination als Potenzierung von Metaphorizität Die vorausgehenden Darstellungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass gerade Metaphernvermischungen in ihrer Struktur und ihrer Wirkweise der „einfachen“ Metapher überhaupt nicht unähnlich ist. In der Metapher prallen zwei Konzepte aufeinander, Topic und Vehicle. Disparate Dinge werden als Einheit

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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dargestellt, Ähnlichkeiten und Verbindungslinien dort produziert, wo man sie im Alltag nie vermuten würde. Etwas Ähnliches geschieht nun, wenn innerhalb eines engen Kontexts, besonders innerhalb einer syntaktischer Einheit, zwei unterschiedliche Metaphern aufeinandertreffen, bzw. zwei verschiedene Vehicles gleichzeitig auf dasselbe Topic bezogen werden. Auch hier wird zunächst eine Spannung erzeugt, womöglich eine noch größere als bei einer einzelnen Metapher. Diese Spannung kann zu Befremden auf Seiten der Rezipierenden führen. Gleichzeitig werden die Rezipierenden in einen Deuteprozess geworfen und neuere Studien zeigen, dass es ihnen relativ mühelos gelingt, der Metaphernkombination Sinn abzugewinnen, also die disparaten Metaphern inhaltlich zu integrieren. Daher ist Gibbs’ Beurteilung zutreffend: „Rather than being a deviation from proper metaphor use, mixed metaphors may be ideal reflections of people’s typical metaphorical experiences in language, thought, and communication.“460 In diesem Zusammenhang ist folgende Beobachtung von Cornelia Müller von Bedeutung: „Mixing metaphors is a consequence of shifting one’s attention to uncommon aspects of metaphoric meaning. By foregrounding what is being backgrounded in the standard reading of conventionalized metaphors the mixing of metaphors changes the semantic salience structure, creating different versions and degrees of activated metaphoric meaning.“461 Als ein Beispiel kann der Satz „The butter mountain has been in the pipeline for some time.“ dienen. Obwohl sich auf der wörtlichen Ebene hier ein Widerspruch ergibt, macht er auf metaphorischer Ebene durchaus Sinn und wird unter Berücksichtigung des Kontexts der ursprünglichen Aussage von Müller folgendermaßen paraphrasiert: „As a result of the overproduction of butter in the EU, huge amounts of it have been awaiting distribution for some time.“462 Müller kommt zu dem Schluss, dass der Urheber dieser Metapher, der ehemalige Präsident der britischen Farmer’s Union, auf die figurative Bedeutung fokussiert war und diese daher in den Vordergrund stellte, wohingegen die wörtliche Bedeutung unterdrückt wurde.463 Präziser wäre es aber wohl zu sagen, dass einzelne Aspekte bzw. Konnotationen der beteiligten Metaphern in den Vordergrund gerückt werden, die durchaus kompatibel sind – beim „butter mountain“ wäre das eben die große Menge, bei der „pipeline“ die Tatsache, dass es sich um ein Medium handelt, durch das große Mengen transportiert werden. Andere Eigenschaften hingegen, die eigentlich naheliegend, in der Metaphernvermischung jedoch widersprüchlich wären, werden vom Sprecher unterdrückt – etwa die Tatsache, dass sowohl Butter als auch Berge fest sind, die Pipeline allerdings 460

GIBBS, Introduction, XIV. MÜLLER, CORNELIA, Chapter 3: Why Mixed Metaphors Make Sense, in: Raymond W. Gibbs (Hg.), Mixing Metaphor (Metaphor in Language, Cognition, And Communication 6), Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2016, 31–56. Hier: 31f. 462 A.a.O. 41. 463 Vgl. ebd. 461

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

ausschließlich zum Transport von Flüssigem oder Gasförmigem geeignet ist.464 Müller schlussfolgert, „that the mixing of metaphors results from dynamic activations of uncommon aspects of metaphoric meaning“465 bzw. „in a selective foregrounding and backgrounding of aspects of metaphoric meaning“.466 Oder, noch einmal in anderen Worten: „They show dynamic activations of non-common aspects of meaning and unconventional ways of combining them.“467 Genau dies ist – wie Kapitel 1 dieser Arbeit zeigt – das Charakteristische der Metapher selbst: Sie hebt bestimmte Charaktereigenschaften bzw. Verbindungslinien von sonst Unverbundenem hervor, während andere Aspekte in den Hintergrund treten. Sie zeigt neue Bedeutungsdimensionen auf. Metaphernvermischungen machen also nichts Anderes als Metaphern selbst, nur auf einer anderen Ebene. Man kann sie somit als Potenzierung von Metaphorizität sehen. Diese Einsicht wird in manchen der beschriebenen Metapherntheorien durchaus angedeutet, so zum Beispiel von Buck, die feststellt, dass sowohl radical metaphors als auch mixed metaphors von den Rezipierenden konstruiert werden, nicht von denjenigen, die die Metaphern produzieren. In letzter Konsequenz wird aber die Bedeutung dieser Erkenntnis nur selten formuliert. Besonders treffende Worte findet Wood, auch wenn es sich bei ihm eher um eine Randnotiz in einem Werk handelt, das eigentlich eine ganz andere thematische Ausrichtung hat: „Actually, there is a way in which mixed metaphor is perfectly logical, and not an aberration at all. After all, metaphor is alread a mixing of disparate agents […] and so mixed metaphor can be said to be the essence, the hypostasis, of metaphor“.468 Jede Metapher ist hybrid, obwohl dies den meisten Menschen im Alltag – und auch vielen Metapherntheoretikerinnen und -theoretikern ௅ so nicht bewusst ist. Dementsprechend ist die Hybridität in Metaphernkombinationen, vor allem in mixed metaphors, für sich genommen nicht verwunderlich, aber sie fällt auf. Metaphernvermischungen führen also zum Kern der Metapher selbst und veranschaulichen deren entscheidenden Wirkmechanismus. In der Metaphernvermischung wird diese Wirkweise im Grunde doppelt angewendet, oder sogar noch häufiger. Einerseits wird dadurch deutlich, dass hier metaphorische Sprache vorliegt. Andererseits fordert die Metaphernvermischung die Rezipierenden auf eine Weise heraus, die in „einfachen“ Metaphern nicht vorliegt. Das muss nichts Schlechtes sein. Dass Metaphernvermischungen häufig als stilistisch minderwertig angesehen werden, kann schlicht ein Zeichen von Überforderung sein oder eine Reaktion auf die allzu offensichtliche Hybridität, die in einer Gesellschaft, in der „Reinheit“ un-

464

Vgl. dazu auch Müllers Schaubild a.a.O. 42. A.a.O. 49 466 Ebd. 467 A.a.O. 52. 468 WOOD, How Fiction Works, 155. 465

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terschwellig immer noch einen hohen Stellenwert besitzt, als abstoßend empfunden werden kann. Im Grunde zeigt die Metaphernvermischung aber nicht nur, wie die Metapher an sich funktioniert, sondern bringt den Erkenntnisgewinn, der in einer Metapher steckt, auf eine neue Ebene. Der ungewöhnliche Zugang zur Welt, der in einer einzelnen Metapher bereits vorhanden ist, wird durch die direkte Konfrontation mit einer anderen Metapher nochmals abstrahiert. Das ohnehin schon Unmögliche wird zum kaum Denkbaren. Dies verlangt den Rezipierenden einiges ab, eröffnet aber zeitgleich ganz neue Möglichkeiten, die Welt wahrzunehmen und Sinn herzustellen. Insbesondere im Kontext religiöser Sprache sind Metaphernkombinationen und vor allem Metaphernvermischungen deshalb gewinnbringende und wichtige Sprachformen. Zur Verwendung dieser Art von Kombinationen im religiösen Sprachgebrauch äußert sich auch van Noppen: Der Gebrauch einer Fülle von Metaphern wird die metaphorische Spannung vermutlich erhöhen (vor allem, wenn Metaphern, die verschiedene Aspekte einer Realität hervorheben, aus gegensätzlichen Kategorien ausgewählt werden und auf der Ebene des signifiant scheinbar aufeinanderprallen oder einander gar ausschließen) und damit den Leser ermutigen, eine Interpretation zu suchen, mit der dieser scheinbare Konflikt gelöst werden kann.469

Im biblischen Kontext ist aber nicht immer eine Interpretation sinnvoll, die diesen Konflikt auf einfache Weise löst, etwa, indem eine Interpretation vor dem Hintergrund sozialgeschichtlicher Umstände gesucht (oder in manchen Fällen eher konstruiert) wird. Die Metapher wird in Bibel und Theologie ohnehin verwendet, um das Unsagbare sagbar zu machen und sich dem Undenkbaren anzunähern. Dies ist in Metaphernkombinationen in noch höherer Intensität der Fall. Ihre Potenzierung der Metaphorizität kann dann nutzbar gemacht werden, wenn es um Gedankengänge geht, deren Spannweite und existentielle Bedeutung kaum mithilfe menschlicher Verbunft fassbar sind – wie etwa, wenn vom Tod Jesu und dessen Bedeutung für das Heil der Menschheit die Rede ist. 2.3. Kombination von Metaphern mit anderen sprachlichen Phänomenen Neben den unterschiedlichen Verbindungen von Metaphern untereinander, besitzen diese auch die Tendenz, sich mit anderen, aber verwandten Stilmitteln zu verbinden. Dabei sind die Übergänge fließend und mitunter ist nicht klar, ob es sich um eine Metaphernkombination im engeren Sinne oder um die Kombination einer Metapher mit einem anderen rhetorischen Phänomen handelt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Grenzen der Metapher unscharf sind, weshalb eine klare Scheidung, etwa von der Metonymie, oft nicht möglich ist.470 Der Effekt dieser Verbindung mit anderen sprachlichen Phänomenen ist 469

VAN NOPPEN, Einleitung, 41. Vgl. dazu auch meine Versuche der Abgrenzung der Metapher von anderen Stilmitteln in Abschnitt 4. des ersten Kapitels. 470

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

meist nicht so heftig wie bei Metaphernkombinationen im engeren Sinn, denn die so hervorgerufene Spannung wird aufgrund der unterschiedlichen Bestandteile als weniger extrem wahrgenommen. Im Folgenden werden die Grundtypen solcher Kombinationen, die in der Forschung durchaus in Einzelstudien näher beleuchtet wurden, kurz vorgestellt. 2.3.1. Metarison Jan Mooij führt an, dass metaphor und comparison, also Metapher und Vergleich, auf vielerlei Weisen und selbstverständliche Art zusammenfallen.471 Er nennt eine Vielzahl von Beispielen aus der Literatur, in denen Metaphern durch Vergleiche erklärt oder fortgeführt werden. Dies bezeichnet er als „metaphor cum comparison“ oder kurz „metarison“.472 Meiner Meinung nach können beide Begriffe genauer differenziert werden, als Mooij dies tut: Der erste Terminus impliziert eine Addition, beim zweiten liegt – wörtlich – eine Verschmelzung vor. Mooij expliziert dieses Phänomen hauptsächlich anhand eines Beispiels aus der Erzählung The Nigger of the ‚Narcissus‘ von Joseph Conrad: „Thunder squalls hung on the horizon, circled round the ship, far off and growling angrily, like a troop of wild beasts afraid to charge home“.473 Dieser Satz enthält bis zum Ausdruck „growling angrily“ eine Metapher, die dann durch einen mit dem Signalwort „like“ beginnenden Vergleich erweitert wird – es handelt sich also um einen Metarison. Nun kann man Mooij zufolge den Metarison leicht in eine Metapher umwandeln – indem man einfach den „like-Satz“ auslässt – und umgekehrt Metaphern in Metarisons, indem man sie durch einen angehängten Vergleich erweitert.474 Die Aussage bleibe dabei gleich, sie sei höchstens bei Metarisons noch etwas deutlicher bzw. plastischer. Hieraus leitet Mooij auch eine Nähe von Vergleich und Metapher ab, die wiederum eine Begründung für seine Spielart der Vergleichstheorie bzw. dualistic theory475 darstellt. Auffällig ist, dass die von Mooij angeführten Beispiele für Metarisons 471

Vgl. MOOIJ, Study, 135f. A.a.O. 136. 473 A.a.O. 135. 474 Mooij macht dies an einem weiteren Beispiel aus Conrads Erzählung deutlich, das eine einfache Metapher enthält und von ihm zu einem Metarison erweitert wird. Vgl. a.a.O. 136. 475 Mooij unterscheidet generell monistische Theorien (worunter insbesondere die Spannungstheorie Beardsleys fällt) und dualistische Theorien (insbesondere die Vergleichstheorie) mit dem entscheidenden Unterschied, dass gemäß dem Verständnis der dualistischen Theorien in der Metapher eine Referenz zur „eigentlichen“ Wortbedeutung und somit auch zur eigentlich bezeichneten Sache selbst bestehen bleibt, bei monistischen jedoch nicht, da hier die Referenz zwar bei Vergleichen gegeben sei, bei Metaphern aber lediglich Wortassoziationen aktiv seien. Somit sei es für monistische Theorien nicht möglich, Metarisons, insbesondere solche, die starke Vergleiche enthalten, zu erklären. Vgl. a.a.O. 137.141. 472

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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immer einen sehr ähnlichen Aufbau haben: Der von ihm benannte Metaphernteil setzt sich aus einem T-Term, der durch ein Nomen ausgedrückt wird (im obigen Beispiel „thunder squalls“) und einem V-Term, der in einem Verb oder mehreren – ggf. durch Adjektive, präpositionale Ausdrücke o.Ä. ergänzte – Verben besteht (im Beispiel etwa „circled […] growling angrily“), zusammen. Der Vergleich wiederum besteht aus einem Signalwort und einem Nomen.476 T-Term und Vergleichswort gehören also der gleichen Wortart an. Fraglich ist somit aber, ob es sich in diesen Fällen wirklich um mit Vergleichen erweiterte Metaphern handelt oder nicht eher um Vergleiche, die aufgrund ihres Satzbaus zunächst den Anschein erwecken, Metaphern zu sein. Das obige Beispiel ließe sich auch etwa folgendermaßen formulieren: „The thunder squalls hanging on the horizon were like a troop of wild beasts afraid to charge home, circling round the ship, far off and growling angrily.“ Ist der Satz auf solche Weise konstruiert, wird deutlich, dass es sich um einen Vergleich handelt. Das, was Mooij als metaphorischen Anteil bezeichnet, besteht nicht aus eigenem Recht, sondern gehört zum Vergleich, zieht ihn jedoch voraus. Es handelt sich nicht im engen Sinne um eine Vermischung oder Kombination von Metapher und Vergleich, sondern das, was wie eine Metapher erscheint, geht in einen Vergleich über und löst sich in ihm auf. Ist der Ausdruck Metarison dann aber gerechtfertigt? Das Phänomen ist zumindest nicht irrelevant, da bei den Rezipierenden zunächst der Eindruck entsteht, eine Metapher vor sich zu haben und da ein Teil des Ausdrucks wohl – zumindest für einen kurzen Moment – wie eine Metapher verarbeitet wird. Allerdings zeigt sich, dass solche Beispiele allein nicht geeignet sind, eine Vergleichstheorie zu untermauern, ganz davon abgesehen, dass es auch Kombinationen und Überschneidungen von Metaphern mit anderen Stilmitteln gibt, ohne dass sich daraus Metapherntheorien ableiten ließen. Zudem verkennt Mooij meines Erachtens das für das Wesen und die Wirkung der Metapher konstitutive Spannungsmoment, das bei seinen Metarisons fehlt, wenn er Metapher und Vergleich in ihrer Aussage gleichsetzt. Ein von Mooij angeführtes Beispiel fällt jedoch aus dem Rahmen. Er zitiert aus William Wordsworths Gedicht „Composed upon Westminster Bridge – September 3, 1802“ folgenden Satz: „This city now doth like a garment wear/The beauty of the morning.“477 Im Gegensatz zu den anderen Beispielen hängt der Vergleich hier nicht am Subjekt des Satzes, sondern am Objekt. Bereits das Subjekt des Satzes ist jedoch Teil eines metaphorischen Prozesses, genauer: einer Personifikation. Selbst durch eine Umstellung des Satzes, etwa „The beauty of the morning is like a garment, which the city wears now“, wird 476

Diese Struktur findet sich auch in folgenden von Mooij angeführten Beispielen: Iris Murdoch: „And with this the thought of Jessica winged its way across his mind, like a great black bird passing just above his brow.“; Louis Couperus: „(my words) fell between us like hard, round things“; Johann Wolfgang Goethe: „Wenn du, Suleika/[…] Deine Leidenschaft mir zuwirfst/Als wär’s ein Ball […]“; Zitiert a.a.O. 140f. 477 Zitiert a.a.O. 139.

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

kein einfacher Vergleich erzielt. Dieser Satz ist im Zusammenspiel von Metapher und Vergleich komplexer und verdient meines Erachtens eher als die von Mooij vorrangig angeführten Beispiele die Bezeichnung „Metarison“.478 Hier wird angedeutet, auf welch komplizierte und verwobene Weise Metapher und Vergleich zusammentreffen können. 2.3.2. Metaphtonomy Ähnlich wie Metarison beschreibt und verbildlicht das Hybridwort Metaphtonomy die Verschmelzung zweier rhetorischer Mittel, in diesem Fall der ohnehin schon schwierig voneinander abzugrenzenden479 Metapher und Metonymie. Goossens, der diesen Begriff prägte und ihn aus seiner Korpusuntersuchung relativ konventionalisierter und alltäglicher Metaphern bzw. Metonymien ableitet, benutzt ihn lediglich als Oberbegriff, da die jeweilige Interaktion von Metapher und Metonymie sehr unterschiedlich ausfallen kann.480 Er nimmt dabei an, dass Metapher und Metonymie distinkte Phänomene sind, die sich aber nicht gegenseitig ausschließen,481 und geht größtenteils von Lakoff und Johnsons Definitionen sowie ihrer Terminologie der verschiedenen domains aus: „the crucial difference between metonymy (as well as synecdoche) and metaphor is that in a metaphoric mapping two discrete domains are involved, whereas in a metonymy the mapping occurs within a single domain“.482 Da diese jedoch komplex und Grenzen unscharf sind, kommt es teilweise zur Überlappung von Metapher und Metonymie. Dabei gibt er zu, dass es in diesem Bereich noch zahlreiche ungeklärte Fragen gibt. Goossens analysiert sehr spezifische Daten, die er zeitgenössischen englischsprachigen Wörterbüchern entnimmt.483 Es handelt sich dabei um Alltagsmetaphern, bei denen die target domain sprachliche (Inter-)Aktion darstellt und sich die source/donor domain entweder auf Körperteile, Geräusche oder gewaltsame Handlungen bezieht.484 Bei der Analyse kommt Goossens zur Unterscheidung zweier Typen von Metaphtonomy, die sich wiederum jeweils in zwei Untertypen aufteilen, integrated Metaphtonomy und cumulative Metaphtonomy. Erstere kann sich als metaphor within metonymy und metonymy within metaphor, letztere als metaphor from metonymy und metonymy from metaphor manifestieren, wobei in den von Goossens analysierten Daten metaphor within 478 Interessanterweise gesteht Mooij ein, dass dieses Beispiel auch gemäß der monistischen Theorie erklärt werden kann. 479 S.o., Abschnitt 4.3. des ersten Kapitels. 480 Vgl. GOOSSENS, Metaphtonomy, 77f. 481 Vgl. a.a.O. 77. 482 A.a.O. 79. Zur konzeptuellen Metapherntheorie nach Lakoff und Johnson vgl. Abschnitt 1.2.6. des ersten Kapitels. 483 Vgl. GOOSSENS, Metaphtonomy, 81. 484 Vgl. a.a.O. 79f.

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metonymy nur selten und metonymy from metaphor gar nicht vorkam.485 Als Beispiel für metonymy within metaphor führt Goossens unter anderem „to bite one’s tongue off“ an, wobei „tongue“ metonymisch für das Sprechvermögen steht.486 Die weitaus seltenere metaphor within metonymy liegt zum Beispiel in dem Ausdruck „to be/get up on one’s hind legs“ vor. Würde hier „hind“ ausgelassen, so wäre es eine einfache Metonymie mit dem Sinn „aufstehen, um etwas (öffentlich) zu sagen“. Durch die Einfügung von „hind“ aber, das Assoziationen mit einem sich aufbäumenden Tier erweckt, kommt ein metaphorisches Element in den Ausdruck.487 Die ungleiche Häufigkeitsverteilung dieser beiden Phänomene lässt sich laut Goossens leicht erklären: „A metaphor inserted into a metonym would seem to metaphorise the whole, whereas a metonym integrated into a metaphor does not appear to have the power to metonymise the metaphor.“488 Metaphor from metonymy liegt in den Fällen vor, in denen source domain und target domain in einer derartigen Beziehung zueinander stehen, dass sie auch gemeinsam in ein komplexeres Gesamtbild integriert werden können (Goossens betont, dass sie nicht integriert werden müssen), ohne dass dies gezwungen wirkt.489 Dadurch stellen source und target domain dann eine Metonymie her, womit die Metapher aus einer Metonymie abgeleitet werden kann. Als Beispiel führt Goossens folgenden Satz an: „,Oh dear,‘ she giggled, ‚I’d quite forgotten‘“.490 Das Verb „giggle“ kann dabei unterschiedlich aufgefasst werden. Einerseits kann es, metonymisch, bzw. synekdochisch verstanden, implizieren, dass sie etwas sprach, während sie kicherte. Andererseits kann damit gemeint sein, dass sie redete, als ob sie kicherte, wodurch verschiedene domains aktiviert würden, was zu einer Metapher führt. Dabei bleibt jedoch der metonymische Hintergrund weiterhin bestehen. Goossens hat diese Art von metaphors from metonymy in seinem Korpus häufig dann vorgefunden, wenn die source domain auf Geräusche verweist, „precisely in those cases where sound hangs together with a human activity that can naturally co-occur with linguistic action.“491 Diese Metaphtonomys sind insoweit hybrid, als es vom Kontext abhängig ist, ob man sie als reine Metonymie, reine Metapher oder Mischform versteht. Zusammenfassend lassen sich metaphors from metonymy also als „metaphors for which there is a link with their metonymic origin“492 beschreiben. Hierzu kann beispielsweise auch der Ausdruck „to beat one’s breast“ gezählt werden, der im Englischen als Metapher zur Be-

485

Vgl. a.a.O. 77. A.a.O. 87. 487 A.a.O. 89. 488 A.a.O. 91. 489 Vgl. a.a.O. 89f. 490 A.a.O. 82. 491 A.a.O. 83. 492 A.a.O. 86. 486

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

schreibung eines starken, öffentlichen, eventuell teilweise gespielten Ausdrucks der Trauer gebraucht wird, dabei seine metonymische Herkunft aus der religiösen Praxis jedoch beibehält.493 Warum kommt dieses Phänomen durchaus vor, ist die umgekehrte Variante aber, metonomy from metaphor, die zwar theoretisch möglich ist, eher selten, wenn nicht gar unwahrscheinlich? Metaphor from metonymy implies that a given figurative expression functions as a mapping between elements in two discrete domains, but that the perception of ,similarity‘ is established on the basis of our awareness that A and B are often ,contiguous‘ within the same domain. This frequent contiguity provides us with a ,natural‘, experiential, grounding for our mapping between two discrete domains. Going from metaphor to metonymy is conceptually more difficult, because here it is implied that the two domains are in principle discrete. The case where the mapped elements in a basically metaphorical expression can be interpreted as belonging to the same (complex) domain is rare as it were by definition, because, if it were frequent, we would automatically get a metaphor from metonymy.494

Es ist also weitaus schwieriger, aus einem einzigen, umfassenden Kontext zwei unterschiedliche domains herauszuarbeiten und somit die Einheitlichkeit zu zerstören, als zwei ursprünglich distinkte domains in einen größeren Zusammenhang zu integrieren. Schließlich geht Goossens noch darauf ein, dass auch die Integration bestimmter Wortarten in einen durch andere Wortarten geprägten Kontext zu Metaphtonomy führen kann. Da, wie oben bereits angesprochen wurden, Metonymien im Bezug auf die Wortarten eingeschränkter sind und beinahe ausschließlich nominal auftreten, kann das Einfügen eines nominalen Ausdrucks in einen metaphorisch geprägten, von Verben oder Adjektiven dominierten Kontext zu einer der beschriebenen Vermischungen führen.495 Sullivan ergänzt, dass eine Kombination aus Metonymie und Metapher zu einer erhöhten Ambiguität führen kann, in dem Sinne, dass unklar ist, ob eine Aussage wörtlich oder metonymisch-metaphorisch zu verstehen ist.496 Als Beispiel führt sie die Zeitungsüberschrift „Red Tape holding up Bridges“ an. Der Ausdruck „red tape“ stellt dabei eine Metonymie dar und verweist auf die Bürokratie, da Rechtsdokumente früher mit rotem Band zusamengebunden wurden. Demgegenüber kann man „hold up“, was hier auf ein Hindernis oder eine Verzögerung verweisen soll, metaphorisch auffassen, auch wenn der Ausdruck weitestgehend konventionalisiert ist (selbiges gilt für das Deutsche „auf-hal-

493

Vgl. ebd. A.a.O. 91. 495 Vgl. a.a.O. 85. 496 Vgl. SULLIVAN, Mixed Metaphors, 93. 494

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ten“). Die Verbindung beider Elemente sorgt für eine verstärkte Doppeldeutigkeit: „Together, the metaphor and metonymy permit a literal reading that redcoloured tape is the only thing that’s keeping the bridges from falling apart.“497 2.3.3. Sonstige Kombinationen Neben diesen beiden am weitesten verbreiteten Kombinationen der Metapher mit anderen Stilmitteln, können auch andere Kombinationen vorkommen, bei denen Metaphern oder Untergattungen von Metaphern einen Bestandteil bilden. So bemerkt beispielsweise Nelson Goodman: „Two or more types of transfer are sometimes combined, as when an unreliable machine is called a true friend.“498 In diesem Fall wird eine bestimmte Art von Metapher, nämlich eine Personifikation, mit Ironie verbunden. Solche Fälle der Verbindung von Metapher und Ironie sind vergleichsweise häufig, etwa, wenn man jemandem gegenüber aussagt „Du bist ein Fuchs“, nachdem die betreffende Person etwas vollkommen Offensichtliches erkannt hat. Es lassen sich beliebige andere Verwendungssituationen anführen. Ähnlich gut lassen sich Metaphern mit Hyperbeln kombinieren, wie dies zum Beispiel das Sprichwort „tausend Tode sterben“, das starke Angstgefühle ausdrücken soll, belegt. Euphemismen werden häufig durch Metaphern ausgedrückt, können aber gleichzeitig mit Metaphern oder Metonymien, die nicht im strengen Sinne euphemistisch sind, verbunden werden, wie etwa in dem Satz „Er ist von uns gegangen und lebt in unseren Herzen weiter“. Die Beispiele zeigen, dass eine Kombination unterschiedlicher Phänomene nicht bewusst wahrgenommen wird, zum einen, weil diese Ausdrücke bereits stark konventionalisiert sind, zum anderen, weil die Grenzen zwischen den einzelnen Stilmitteln durchlässig sind. Grundsätzlich lassen sich sprachliche Phänomene beliebig kombinieren, so dass auch eine Vielzahl von Kombinationen, an denen Metaphern beteiligt sind, möglich ist. Diese Kombinationen sind interessant, weil sie die Abgrenzung zu anderen sprachlichen Phänomenen und die Bestimmung des eigentlich Metaphorischen auf die Probe stellen.

497

Ebd. GOODMAN, NELSON, Languages of Art, in: Mark Johnson (Hg.), Philosophical Perspectives on Metaphor, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, 123–135. Hier: 133. Dabei ist zu beachten, dass Goodman den Begriff der Metapher, bzw. des „transfers“, sehr weit fasst und darunter auch z.B. Ironie, Litotes und Hyperbel subsumiert, so dass es sich bei dem angeführten Beispiel in seinem Verständnis weniger um die Kombination einer Metapher mit einem anderen Stilmittel als um die Kombination verschiedener „Metaphern“ handelt, wie auch seine Wortwahl deutlich macht. 498

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

2.4. Arten von Metaphernkombinationen Im Folgenden werden unterschiedliche Arten von Metaphernkombinationen dargestellt. Die Bandbreite ist dabei groß und die Wirkung kann sehr unterschiedlich ausfallen. Eine Differenzierung ist daher nötig, um eine Pauschalisierung, wie sie beispielsweise durch die oben dargestellte Diskussion um die mixed metaphor erfolgt, zu vermeiden. Dabei beziehen sich die Ausführungen auf die Kategorisierungen nach Goatly, wobei zusätzliche Arten der Kombination, die nicht von ihm abgedeckt werden, aber für die Betrachtung der neutestamentlichen Metaphern relevant sind, ergänzt werden. Eine ausführliche Analyse von Beispielen erfolgt in Kapitel 4. An dieser Stelle wird demgegenüber die grundsätzliche Funktionsweise der Metaphernkombinationen beschrieben, um die entsprechende Klassifizierung transparent zu machen. 2.4.1. Wiederholung Metaphernwiederholungen liegen ganz einfach dann vor, wenn dasselbe Vehicle mehrfach gebraucht wird, um ein Topic zu bezeichnen. Es mag fraglich erscheinen, die Wiederholung derselben Metapher als „Kombination“ zu bezeichnen, da dieser Ausdruck das Zusammenwirken verschiedener Metaphern nahelegt. Auch in Goatlys Darstellung, die mit dem Titel „The Interplay of Metaphors“499 überschrieben ist, wirkt die reine Wiederholung zunächst deplatziert. Dennoch zeigt sich, dass durch die Wiederholung die Metapher Modifikationen erfährt, die sie in die Nähe zu „richtigen“ Kombinationen rücken. Goatly unterscheidet, wie bereits erwähnt, in seiner Theorie nicht streng zwischen Vergleichen und Metaphern. Somit bezieht er auch Beispiele mit ein, in denen zunächst ein Vergleich erwähnt wird, dessen Vehicle und Topic im weiteren Verlauf im Rahmen einer Metapher erneut auftauchen.500 In diesen Fällen müsste man vom Zusammenspiel eines Vergleichs mit einer Metapher sprechen, das, anders als beim Metarison, nicht in unmittelbarer Nachbarschaft oder sogar im gleichen Satz, sondern auf weitere Distanz besteht. Aber auch in Fällen, in denen alle wiederholten Elemente Metaphern darstellen, ist, wie Goatly feststellt, häufig zu beobachten, dass in der ersten Nennung die Verbindung von Topic und Vehicle sowie die Metaphorizität der Aussage deutlich stärker betont werden. Als Beispiel führt er eine Metaphernwiederholung aus dem Roman Darkness Visible von William Golding an. Bei der ersten Erwähnung wird die Metapher folgendermaßen ausgeführt: „It seemed* that a word was an object … round and smooth, a golf-ball of a thing that he could just about manage to get through his mouth.“501 Die Metapher wird als solche durch die Phrase „it seemed“ markiert und gleichzeitig abgeschwächt. Diese Form 499

GOATLY, Language, 271. Vgl. a.a.O. 274. 501 Zitiert a.a.O. 272. (Hervorhebungen von Goatly) 500

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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von Marking macht Goatly durch den auf den Ausdruck folgenden Stern deutlich. Das Topic bzw. der T-Term wird durch Unterstreichung, das Vehicle bzw. der T-Term durch Fettdruck hervorgehoben. Sehr auffällig ist die ausführliche Beschreibung des Grounds, die von Goatly kursiv gesetzt wird. Die Verbindung, die zwischen Worten und Golfbällen besteht, wird hier sehr genau beschrieben und explizit gemacht. Einige Seiten später in Goldings Werk wird die Metapher wieder aufgegriffen, nun jedoch weitaus weniger ausführlich: „The golf-balls emerged from his mouth.“502 Hier wird der zuvor erwähnte TTerm ausgelassen und auch auf den Ground wird nicht näher eingegangen.503 Beides wird durch die vorherige Metapher vorausgesetzt. Die Wirkung der zweiten Metapher, für sich genommen, ist daher viel stärker, ihre eigentliche Aussage erschließt sich aber nur durch Rekurs auf die erste. Obwohl keinesfalls für alle Wiederholungen von Metaphern dieser Prozess gilt, dass die Spezifizierung von Topic und Ground sowie die Markierung der Metapher mit weiteren Erwähnungen nachlassen, ist doch in vielen Fällen diese Tendenz erkennbar. Daraus lässt sich die Beobachtung ableiten, dass Metaphern durch Wiederholungen nicht nur konventionalisiert werden, sondern zunehmend Symbolcharakter entwickeln. Goatly stellt zudem fest, dass eine Abgrenzung der Metaphernwiederholung von anderen Arten der Metaphernkombination nicht immer ganz klar vorgenommen werden kann. So bestehen vor allem zu Multivalenz und Modifikation Nähen.504 Dies stellt eine zusätzliche Begründung dafür dar, bei der Analyse von Metaphernkombinationen auch auf Metaphernwiederholungen zu achten. 2.4.2. Modifikation Modifikationen gehen einen Schritt weiter als Wiederholungen. In ihnen wird das Topic durch verschiedene Vehicles beschrieben, die jedoch in einer lexikalischen Verwandtschaft stehen bzw. aus demselben semantischen Feld stammen.505 Zu ergänzen ist gegenüber Goatly, dass nicht nur der semantische Herkunftsbereich der Vehicles, sondern auch die Grounds, also die Verbindung zwischen Vehicle und Topic, identisch oder zumindest sehr ähnlich sind. Dies

502

Zitiert ebd. (Hervorhebungen von Goatly) Goatly geht nicht weiter darauf ein, dass sich die metaphorische Spannung nun verschiebt. In dem Satz „The golf-balls emerged from his mouth.“ ist „golf-balls“ V-Term und der Rest des Satzes „emerged from his mouth“ T-Term ௅ er verweist auf die „reale“ Handlung, dass etwas (Lautäußerungen) den Mund verlässt. Beachtenswert ist, dass dieses „aus dem Mund kommen“ in der vorherigen metaphorischen Äußerung auf der Ebene des Grounds liegt. Nun liegt aber eine klare Widersprüchlichkeit zwischen „golf-balls“ und „mouth“ vor, wodurch Letzteres als mit dem Topic verbunden angesehen werden muss. 504 Vgl. a.a.O. 274. 505 Vgl. a.a.O. 273. 503

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

unterscheidet sie von „Inkonstistenzen“, die ich weiter unten506 thematisiere. Goatly unterscheidet drei Unterkategorien der Modifikation: Erstens kann sie durch „lexical relations“ entstehen, indem das Verhältnis der verschiedenen Vehicles durch Synonymität, Polysemie, Hyponymie oder Hyperonymie charakterisiert wird.507 Ein Beispiel für diese Art der Modifikation stellt der Ausdruck „down the vaults, the cellerage of my mind“508 aus William Goldings The Spire dar. Auch in diesem Fall nennt Goatly weitere Beispiele, in denen die erste Erwähnung eigentlich ein Vergleich ist. Damit zeichnet sich zudem eine starke Gemeinsamkeit zu Metaphernwiederholungen ab, denn auch bei Modifikationen besteht eine Tendenz dahingehend, dass Ground und Topic in der ersten Nennung stärker dargestellt, in folgenden Erwähnungen hingegen vorausgesetzt werden. Teilweise werden diese Modifikationen von den Lesenden als bloße Wiederholungen wahrgenommen und sind möglicherweise von den Autorinnen und Autoren auch als leicht variierte Metaphernwiederholungen intendiert, die durch die Variation sprachlich ansprechender erscheinen. Gerade in den Fällen, in denen die Beziehung der verschiedenen Vehicles durch Hyponymie oder Hyperonymie gekennzeichnet ist, findet sich auch ein metonymisch-synekdochischer Einschlag, der jedoch oft nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Zweitens können Modifikationen vorkommen, in denen die Vehicles denselben „lexical sets“, also semantischen Feldern angehören.509 In diesen Fällen kann leicht ein Oberbegriff für die einzelnen Vehicles gefunden werden, der auf das semantische Feld hinweist. Zum Beispiel kann eine Person durch verschiedene Tiere beschrieben werden, die dabei aber sehr ähnliche Assoziationen wecken. Topic und Ground(s) bleiben in diesen Fällen identisch – oder im Fall der Grounds zumindest sehr ähnlich – und die Vehicles gehören dem gleichen lexical set, beispielsweise „Raubtiere“, an. Die dritte Unterkategorie nennt Goatly „scale and axis modification“.510 Sie kommt meines Erachtens nur äußerst selten vor, wird aber von Goatly als für den Stil William Goldings charakteristisch angesehen. Interessant ist hier wiederum, dass die Metaphernkombination auf der Grundlage von Metonymie oder Synekdoche funktioniert. Goatly erklärt dies anhand eines Beispiels aus Goldings Free Fall. Hier wird ein Wecker durch menschliche Züge dargestellt, wobei sich das Bild innerhalb des Abschnitts langsam wandelt: the Vehicle first applied to the clock is a human being, holding an umbrella, the bell, and standing on three short legs. But later in the extract this human being is expanded in scale, so that first the bell becomes a head, and then the clock itself, with the drawers below it, 506

Abschnitt 2.4.7. Vgl. GOATLY, Language, 279. 508 Zitiert ebd. (Hervorhebungen von Goatly) 509 Vgl. a.a.O. 280f. 510 Vgl. ebd. 507

2. Mischungen in der Metapherntheorie

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reviving a Dead metaphor, the chest […]. One might regard this kind of Modification as dependent on one particular kind of synecdoche or metonymy: the first Vehicle for the clock is the whole human being, the final Vehicle for the clock is the head, part of a human being.511

Laut Goatly liegt diese Art der Modifikation beispielsweise auch in elisabethanischen Texten vor, in denen auf metaphorische Weise vom Mikro- auf den Makrokosmos geschlossen wird. Für den Untersuchungsbereich der neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu ist sie meines Erachtens jedoch unerheblich. 2.4.3. Diversifikation Diversifikation liegt dann vor, wenn ein Topic mit verschiedenen Vehicles aus unterschiedlichen semantischen Feldern verbunden wird.512 Dieses Phänomen ist auch in der Bibel sehr verbreitet, wenn Gott (und analog dazu dann Jesus) verschiedentlich metaphorisch dargestellt wird zum Beispiel als Vater, König und Hirte. Goatly unterscheidet dabei zwei Arten von Diversifikation. Zum einen können die Grounds der jeweiligen Metaphern sich unterscheiden, wodurch jeweils verschiedene Aspekte des Topics in den Vordergrund gerückt (und andere zurückgedrängt) werden.513 Das Topic wird dadurch von verschiedenen Seiten beleuchtet und sein Facettenreichtum wird hervorgehoben. Dies ist bei den meisten Diversifikation der Fall, die in der Bibel auftreten, wenn Gott das Topic verschiedener Metaphern darstellt. Zudem kann eine Diversifikation dadurch motiviert sein, dass durch sie Wortlücken geschlossen werden.514 Als Beispiel hierfür nennt Goatly die verschiedenen Vehicles, die von dem Neandertaler Lok, aus dessen Perspektive Goldings Roman The Inheritors erzählt wird, gebraucht werden, um den „neuen Menschen“, homo sapiens, zu beschreiben (z.B. als Wolf, Feuer, Fluss, Winter).515 Sie spiegeln auf der einen Seite sein begrenztes Vokabular und auf der anderen Seite das Ringen um die Beschreibung von etwas völlig Fremden wider. Auch diese Beobachtung lässt sich auf die diversen Vehicles der Bibel in Metaphern mit Gott als Topic übertragen: Sie bringen die Schwierigkeit, das Göttliche mit den begrenzten Mitteln menschlicher Sprache zu beschreiben, zum Ausdruck. Auf der anderen Seite können die Grounds wiederum identisch oder sehr ähnlich sein, wodurch „a certain thematic unity“516 im Text hergestellt wird. Wenn das Vehicle „Vater“ bezogen auf Gott in seinem Verständnis soweit re-

511

A.a.O. 280. Vgl. a.a.O. 273.276. 513 Vgl. a.a.O. 276f. 514 Vgl. a.a.O. 279. 515 Vgl. a.a.O. 277 (tabellarische Übersicht). 516 A.a.O. 279. 512

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

duziert wird, dass es sich bei ihm um die Rolle eines Herrschers über den Haushalt handelt, könnte man sagen, dass Metaphern, die Gott als König und als Vater bezeichnen, denselben Ground teilen. In diesen Fällen könnte man jedoch auch von diesem gemeinsamen Ground abstrahierend beide Vehicles dem gleichen semantischen Feld – „Herrscher“ – zuordnen. Dadurch könnte man derartige Metaphernkombinationen auch als Modifikation auffassen – die Übergänge sind hier fließend. Ebenso bestehen Nähen der Diversifikation mit unterschiedlichen Grounds zur Vermischung,517 wenn die Einzelmetaphern eng aufeinander folgen oder syntaktisch miteinander verknüpft sind. 2.4.4. Multivalenz Die Multivalenz stellt das Gegenstück zur Diversifikation dar: Mehrere Topics werden mit demselben Vehicle metaphorisch verbunden. Dabei ist es auch hier möglich, dass die Grounds identisch bzw. sehr ähnlich oder verschieden sind. Eine Auswirkung besteht darin, dass eine Parallele oder Verbindung zwischen den verschiedenen Topics hergestellt wird, die sonst möglicherweise nicht so deutlich hervortreten würde.518 Goatly verdeutlicht dies anhand eines Beispiels aus Macbeth: Einerseits wird Macbeth von seiner Frau dazu aufgefordert, wie eine Schlange zu agieren, andererseits bezeichnet Macbeth selbst den toten Banquo als Schlange. Hierdurch wird eine Analogie zwischen beiden hergestellt: So wie Macbeth eine Gefahr für Duncan darstellt, stellt Banquo, bzw. nach seinem Tod sein Sohn Fleance, eine Gefahr für Macbeth dar.519 Auch Multivalenz kann dadurch entstehen, dass andere Worte zur Beschreibung fehlen, wodurch Vehicles auf verschiedene Topics angewendet werden müssen. Goatly verweist in diesem Fall ebenfalls auf den begrenzten Wortschatz des Golding-Charakters Lok und die daraus resultierende Multivalenz. Er zeigt zudem auf, dass aufgrund der limitierten Ausdrucksfähigkeit Loks in einzelnen Fällen aus der Multivalenz zusätzlich eine Diversifikation erwächst.520 Hierbei entstehen komplexe metaphorische Zusammenhänge, wobei teilweise das Topic einer Metapher zum Vehicle der nächsten wird. Dies deutet, jedoch beschränkt auf einen geschlossenen Metaphernkomplex, bereits das an, was ich als Topic-Vehicle- und Vehicle-Topic-Übertragung Goatlys Schema hinzugefügt habe.

517

Vgl. ebd. Vgl. a.a.O. 275. 519 Vgl. a.a.O. 275f. 520 Vgl. a.a.O. die Beispiele auf S. 275 und das Schaubild auf S. 276. 518

2. Mischungen in der Metapherntheorie

247

2.4.5. Metaphorische Erweiterung bzw. Erweiterte Metaphern Metaphorische Erweiterungen umfassen das, was gemeinhin als Allegorie bezeichnet wird. Hierbei werden zwar verschiedene Topics und Vehicles in mehreren Metaphern gebraucht, wobei aber die Topics und Vehicles jeweils einem gemeinsamen semantischen Feld angehören. Dabei bilden in der Regel die Vehicles zusammengenommen wiederum ein kohärentes Bild und die Topics und Vehicles interagieren auf widerspruchsfreie, logische Weise.521 Goatly unterscheidet generell zwischen „Lexical Extension“, in der die Termini, die für die Topics und Vehicles gebraucht werden, aus demselben lexical set stammen und „Articulated“ bzw. „Syntactic Extension“, in denen die T-Terms und V-Terms (zusätzlich) jeweils miteinander syntaktisch kompatibel sind.522 Als Beispiel für letzteres führt er folgendes Beispiel aus Macbeth an: Your wives, your daughter Your matrons and your maids, could not fill up The cistern of my lust.523

Lexical Extension und syntactically Articulated Extension können in konkreten Texten auch zusammenfallen und -wirken, wie Goatly an dem Gedicht „On Wenlock Edge“ von A.E. Housman verdeutlicht.524 Daneben grenzt Goatly die „eigentliche“, „richtige“ Allegorie („Allegory proper“) von der Quasi-Allegorie ab. Im ersten Fall werden Topics bzw. TTerms genannt, im zweiten werden sie jedoch nicht genauer spezifiziert. Hier wird die von Banschbach Eggen eingeführte Unterscheidung von expliziten und impliziten Metaphern525 relevant, so dass man auch generell von expliziten und impliziten Allegorien sprechen kann. Bei impliziten Allegorien bzw. Quasi-Allegorien bleibt es Aufgabe der Rezipierenden, auf die Topics zu schließen, wobei man sich teilweise ihnen lediglich ratend annähern kann.526 Damit bilden Quasi-Allegorien einen Übergang ins Symbolhafte. Interessanterweise ist bei Allegorien nicht unbedingt eine direkte Verbindung zwischen den einzelnen Topics und Vehicles gegeben, sondern die Beziehung zwischen den Topics kann in Analogie zu der Beziehung zwischen den Vehicles gesetzt werden. Der Ground besteht somit nicht zwischen einzelnen Topics und Vehicles, sondern aus der Zusammenstellung und Interaktion einer Topic- und einer Vehicle-Gruppe.527 Goatly, der Grounds als durch Ähnlichkeit, Analogie oder beides konstituiert sieht, kommt zu dem Schluss: 521

Vgl. a.a.O. 281. Vgl. a.a.O. 273. 523 Zitiert a.a.O. 282. (Hervorhebungen von Goatly) 524 Vgl. a.a.O. 283–285. 525 S.o., Abschnitt 5.4. des ersten Kapitels. 526 Vgl. GOATLY, Language, 286. 527 Vgl. a.a.O. 287. 522

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Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

We might conclude that in Extended metaphors some Vehicles and Topics are born similar, some achieve similarity through analogy, and some have analogy thrust upon them. In these latter kinds of Extended metaphors, the ,thrust upon‘ kind, the distinction between Ground and Vehicle can disappear. The Ground is provided by the Extension of the Vehicle or metaphor.528

Für die Darstellung der neutestamentlichen Erweiterten Metaphern ist es sinnvoll, diese Kategorie nicht nur auf Allegorien im engen Sinn zu beschränken, sondern auch generell logisch kohärente Metaphernkomplexe innerhalb eines engen kontextuellen Rahmens einzubeziehen. 2.4.6. Vermischung Wie bereits mehrfach angeklungen ist, ist es nicht immer ganz einfach, Metaphernvermischungen von anderen Arten der Metaphernkombination abzugrenzen. Der Blick in die Theoriegeschichte hat gezeigt, dass der Ausdruck mixed metaphor verschieden eng oder weit gefasst wurde. In Anlehnung an Goatly ist hier von Vermischungen die Rede, wenn unterschiedliche Vehicles mit einem Topic auf engem Raum in Verbindung gesetzt werden, die nicht miteinander kompatibel sind. Meistens geht dies damit einher, dass die Vehicles syntaktisch miteinander verbunden werden, was zur Folge hat, dass die jeweils mit ihnen verbundenen Assoziationen und Kollokationen aufeinander prallen.529 Theoretisch ist es auch möglich, dass in einer Vermischung mehrere Topics und mehrere Vehicles auftreten, wobei die Topics semantisch kompatibel, die Vehicles jedoch semantisch inkompatibel sind, wie Goatly dies zwar nicht in seinen Erläuterungen, aber in seiner Übersicht darstellt.530 Meines Erachtens sind aber in der gängigsten Form zwei disparate Vehicles auf dasselbe Topic bezogen oder ein Vehicle wird zum Topic einer neuen Metapher, mit einem widersprüchlichen zweiten Vehicle. Hier liegt dann eigentlich schon ein Fall von Compounding/Metaphernverkettung bzw. Vehicle-Topic-Übertragung vor, und beide Phänomene können nicht immer klar voneinander abgegrenzt werden. Goatly erklärt anhand eines Beispiels aus The Rainbow von D.H. Lawrence, wie die verschiedenen Konnotationen und semantischen Bezüge, die mit den einzelnen Vehicles verbunden werden, in Fällen von Metaphernvermischung einander widersprechen: „In the phrase ‚ragged fumes of light‘ two incompatible V-terms have close syntactic bonds, that is, the relation of noun head and premodifier. ‚Ragged‘ should be applied to a flexible solid substance of some kind, typically cloth. ‚Fumes‘ must apply to a gaseous substance.“531 Auf den ersten Blick wirkt es so, als ob sich beide V-Terms, „ragged“ und „fumes“, auf den gemeinsamen T-Term, „light“, beziehen. Allerdings könnte man 528

Ebd. Vgl. a.a.O. 288. 530 Vgl. a.a.O. 273. 531 A.a.O. 288. 529

2. Mischungen in der Metapherntheorie

249

den Ausdruck auch so auffassen, dass „fumes“ in einer Metapher als V-Term zu „light“ gehört, in einer weiteren Metapher jedoch wiederum den T-Term bildet, auf den sich „ragged“ als V-Term bezieht. Als einen Grund für Metaphernvermischungen sieht Goatly die Tatsache an, dass eine der verwendeten Metaphern oft bereits stark konventionalisiert und somit „inaktiv“ ist. Den Verfasserinnen und Verfassern fallen diese Metaphern nicht mehr als solche auf, weshalb sie leicht mit anderen verbunden und vermischt werden. Die Rezipierenden erkennen diese aber möglicherweise – abhängig von ihrer Sensibilität für Metaphern – und versuchen die verschiedenen vermischten Metaphern als eine logische Metaphernerweiterung zu interpretieren, was vermutlich missglückt.532 Aus diesen Beobachtungen leitet Goatly zwei Faktoren ab, die dazu beitragen, dass eine Metaphernvermischung von den Rezipierenden als solche wahrgenommen wird: „One is the strength of syntactic proximity between the two V-terms. The other is the degree of activity of the metaphor.“533 Im Hinblick auf den ersten Faktor kommt Goatly zu dem Schluss, dass im Englischen gerade eine Subjekt-Verb-Verbindung anfällig für Vermischungen sein kann.534 Es gebe allerdings drei Methoden, die eingesetzt werden könnten, um das Gefühl der Vermischung zu minimieren: „intitial verb, distance, and downranking“.535 Da die Verbform meistens auf ein weniger aktives, stärker konventionalisiertes Vehicle hinweist, kann es sinnvoll sein, dieses zuerst zu nennen. Zudem wird eine Vermischung weniger offensichtlich, wenn eine größere Distanz zwischen den einzelnen V-Terms geschaffen wird, im Englischen etwa mithilfe des of-Genitivs. In dem Satz „The trickle of smoke sketched a chalky line up the solid blue of the sky.“536 (aus Lord of the Flies von William Golding) hat der T-Term „smoke“ eine Art Scharnierfunktion. Beide V-Terms, „the trickle“ und „sketched“, lassen sich gut darauf beziehen. Obwohl das Subjekt zu „sketched“ eigentlich „the trickle“ darstellt, hat man so den Eindruck, dass es „smoke“ ist, wodurch die Vermischung weitaus weniger deutlich wird. Schließlich bezeichnet „downranking“ die Taktik, nach der einer der V-Terms auf eine syntaktisch andere Ebene versetzt wird, beispielsweise durch einen Relativsatz. All diese Techniken werden von den Autorinnen und Autoren nicht unbedingt bewusst angewendet. In englischen Passiv-Konstruktionen können all diese Methoden gebraucht werden, weshalb sie sich besonders gut dazu eignen, Metaphernvermischungen abzuschwächen. Auch Goatly betont, dass der Ausdruck mixed metaphor zumeist abwertend gebraucht wird, in dem Sinne, dass die betreffenden Autoren und Autorinnen 532

Vgl. ebd. Ebd. 534 Vgl. a.a.O. 289. 535 Ebd. 536 Zitiert ebd. (Hervorhebungen von Goatly) 533

250

Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

zu wenig auf die angemessene Verwendung und die Harmonie der Metaphern geachtet haben.537 Er verweist auf eine Studie, der zufolge Metaphernvermischungen tatsächlich häufiger in solchen Zeitungsartikeln vorkommen, die weniger bedacht geplant wurden. Dennoch betont er auch, dass Vermischungen und die damit verbundene „Unordnung“ auch bewusst gebraucht werden können, um einen bestimmten psychischen bzw. emotionalen Zustand oder die Gewalt bestimmter sinnlicher Eindrücke zu beschreiben, wie in dem oben aufgeführten Beispiel von D.H. Lawrence.538 Allerdings ruft meiner Meinung nach der widersprüchlich Ausdruck „ragged fumes“ ein sehr innovatives Bild hervor und besitzt damit eine besondere Aussagekraft, unabhängig vom Kontext. 2.4.7. Inkonsistenz Die Metaphernkombination, die ich als „Inkonsistenz“ bezeichne, bildet eine Erweiterung der Kategorisierung nach Goatly, findet sich aber in der Auflistung der Phänomene, die alltagssprachlich als mixed metaphor bezeichnet werden. Sie ist in mancher Hinsicht mit der Modifikation verwandt, hat aber eine gänzlich andere Wirkung auf die Lesenden. Bei der Inkonsistenz wird in mehreren Metaphern dasselbe Topic mit verschiedenen Vehicles kombiniert, wobei die Vehicles aus demselben semantischen Feld stammen. Soweit stimmt dieses Phänomen mit der Modifikation überein. Anders als bei der Modifikation, in der zusätzlich die Grounds identisch oder sehr ähnlich sind, sind diese bei der Inkonsistenz jedoch disparat. Die mit den Vehicles verbundenen Konnotationen oder Assoziationen sind unterschiedlich, obwohl sie aus demselben semantischen Feld stammen. Meistens nehmen diese Vehicles innerhalb des entsprechenden Feldes auch unterschiedliche Funktionen oder Rollen ein. Als Konsequenz daraus ergibt sich, dass das Topic, auf das sich die verschiedenen Vehicles beziehen, gleichzeitig mehrere, oftmals widersprüchliche Rollen und Funktionen erfüllen muss. Ein gutes Beispiel hierfür wird in Abschnitt 2.5.3. des vierten Kapitels weiter ausgeführt: Es handelt sich um das Nebeneinander des dritten und vierten prädikativen Ich-bin-Wortes im Johannesevangeliums, wenn Jesus sich sowohl als „Tür zu den Schafen“ (Joh 10,7) als auch als „guter Hirte“ (Joh 10,11) bezeichnet. Im Grunde genommen liegt hier eine Diversifikation mit unterschiedlichen Grounds vor. Dennoch wird durch den gemeinsamen Herkunftsbereich der Vehicles eine besondere Spannung erzeugt, die so bei der herkömmlichen Diversifikation nicht auftritt. Es entsteht der Eindruck einer Erweiterten Metapher, in der jedoch das Topic alle möglichen Funktionen gleichzeitig erfüllt. Die Erwartung einer Erweiterten Metapher, die bei den Rezipierenden entsteht, wird somit enttäuscht und sie müssen nach neuen Wegen suchen, einen Sinn aus der Metaphernkombination zu gewinnen. Diese Arten 537 538

Vgl. a.a.O. 287. Vgl. a.a.O. 289.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

251

von Metapherninkonsistenzen sperren sich zudem, ähnlich wie die Vermischungen, der bildlichen Vorstellungskraft, die sonst mit Metaphern verbunden wird: In dem Moment, wenn sich die Lesenden oder Hörenden ein inneres Bild gemacht haben, werden sie mit einem neuen Bild konfrontiert, das zwar mit dem ersten verwandt ist, diesem jedoch zuwiderläuft. Die erwähnte Spannung wird umso deutlicher, je enger der Kontext ist, in dem die Metaphern auftreten, also je schneller sie aufeinander folgen, und je unterschiedlicher die Rollen sind, die die Vehicles in dem semantischen Feld erfüllen. Im angeführten Beispiel aus dem Johannesevangelium folgen die beiden Einzelmetaphern relativ schnell aufeinander, sind aber syntaktisch unabhängig. Die Spannung wird nochmals deutlich erhöht, wenn die Inkonsistenz innerhalb desselben Satzes vorliegt. Damit sind dann auch solche Beispiele erfasst, die Semino und Sullivan als eine Art von mixed metaphor aufführen, weil sie umgangssprachlich als solche bezeichnet werden. Ein Beispiel hierfür ist der bereits oben zitierte, von Stanford angeführte Satz: „We will burn our ships, and with every sail unfurled steer boldly out into the ocean of freedom.“539 Auch hieran ist erkennbar, dass, je nach Ausprägung der Metapherninkonsistenz, Nähen zur Erweiterten Metapher bestehen. Ebenso ist sie von der Metaphernvermischung nicht immer klar zu trennen, da semantische Felder oft nicht eindeutig abgegrenzt werden können. Anders als in der klassischen Metaphernvermischung ist für eine Inkonsistenz aber nicht zwingend eine syntaktische Verbindung erforderlich. 2.4.8. Topic-Vehicle-Übertragung Auch die Topic-Vehicle-Übertragung ist eine Art von Metaphernkombination, die Goatlys Auflistung noch hinzuzufügen ist, auch wenn manche seiner Ausführungen bereits in diese Richtung gedeutet werden können. Eine Topic-Vehicle-Übertragung liegt dann vor, wenn das Topic einer Metapher zum Vehicle in einer anderen wird. Als Beispiel kann wiederum die eingeschränkte Sprache des Neandertalers Lok in Goldings The Inheritors angeführt werden. Dieser gebraucht das Vehicle Feuer vielfach, mit Bezug auf unterschiedliche Topics (Multivalenz). Unter anderem heißt es: „The farthest reaches of the river burst into flame.“540 Später ist der Fluss aber auch ein Vehicle, das sich innerhalb einer Metapher auf die „neuen Menschen“ bezieht.541 Der Effekt einer solchen Übertragung kann sein, dass das Topic der ersten Metapher im Nachhinein als weniger „wörtlich“ angesehen wird, und der Bestandteil der Metapher, in dem noch „eigentliche“ Sprache vorliegt, in Frage gestellt wird. Im Hinblick auf das angeführte Beispiel kann das bedeuten, dass dem Fluss von den Rezipierenden 539

STANFORD, Greek Metaphor, 32. Zitiert in: GOATLY, Language, 275. (Hervorhebungen von Goatly) 541 Vgl. ebd. und s.o., Abschnitt 2.4.3. 540

252

Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

ein gewisser Symbolcharakter zugesprochen wird. Topic-Vehicle-Übertragungen lassen sich weiter differenzieren. Einerseits kann der T-Term der ersten Metapher mit dem V-Term der zweiten Metapher identisch sein (starke Form). Andererseits können beide zwar nicht genau übereinstimmen, aber dermaßen stark semantisch oder assoziativ miteinander verbunden sein, dass der V-Term der zweiten Metapher von den Rezipierenden höchstwahrscheinlich mit dem T-Term der ersten Metapher in Verbindung gebracht wird, bzw. dass der erste T-Term durch den zweiten V-Term hervorgerufen wird (schwache Form). Teilweise lässt sich zudem beobachten, dass Topic-Vehicle- und Vehicle-TopicÜbertragung in Verbindung miteinander vorkommen, so dass derselbe Begriff oder dasselbe Konzept in metaphorischen Zusammenhängen mehrfach die Rolle wechselt. 2.4.9. Vehicle-Topic-Übertragung Wie der Name schon nahelegt, bildet die Vehicle-Topic-Übertragung das Gegenstück zur Topic-Vehicle-Übertragung. Hier bildet das Vehicle der ersten Metapher das Topic der zweiten. Im Gegensatz zur Topic-Vehicle-Übertragung kann in diesem Fall weiter im Hinblick darauf differenziert werden, ob die beiden Metaphern syntaktisch distinkt oder verbunden sind. Ist letzteres der Fall, können das Vehicle der ersten und das Topic der zweiten Metapher in demselben Satz durch dasselbe Wort repräsentiert werden, wodurch das sich daraus ergebende Konstrukt möglicherweise als Vermischung aufgefasst wird, wie oben bereits gezeigt wurde. Ferner kann wie bei der Topic-Vehicle-Übertragung unterschieden werden, ob der erste V-Term und der zweite T-Term komplett identisch oder nur sehr eng verbunden sind. Dementsprechend gibt es auch hier eine starke und eine schwache Form. Goatly nennt das Phänomen „Compounding of metaphors“542 und führt folgendes Beispiel aus The Rainbow von D.H. Lawrence an: „She seemed to snuggle like* a kitten within his warmth while she was at the same time elusive and ironical suggesting the fine steel of her claws.“543 Im letzten Teil des Satzes ist „fine steel“ V-Term und „claws“ T-Term, wobei letzteres selbst V-Term ist. Es steht in enger Verbindung zu „kitten“, das bereits vorher – in diesem Fall durch einen Vergleich – eingeführt wurde. Während sich „claws“ auf „kitten“ rückbezieht, verweist „her“ auf den eigentliche T-Term, „she“. Nur im letzten Teil des Satzes handelt es sich um eine Metaphernkombination im engen Sinne, da zuvor ein Vergleich genannt wurde, wobei wiederum deutlich wird, wie Vergleiche bestimmte Bilder zunächst vorsichtig etablieren, bevor sie dann mit der ganzen Kraft der Metapher erneut aufgegriffen werden. Dabei weist Goatly jedoch darauf hin, dass „Compounding“ genau dann vorliegt, wenn dasjenige Element der metaphorischen Aussage, das die Doppelfunktion von T-Term und V-Term erfüllt – 542 543

Vgl. GOATLY, Language, 289f. Zitiert a.a.O. 289. (Hervorhebungen von Goatly)

2. Mischungen in der Metapherntheorie

253

im Beispiel „claws“ – nicht unerwartet auftritt, wie dies bei Metaphernvermischungen der Fall ist, sondern direkt oder indirekt-assoziativ bereits im Kontext aufgegriffen wurde, was hier durch „kitten“ erfolgt. Allerdings ist fraglich, ob der entsprechende Satz nicht von einem Teil der Rezipierenden als Metaphernvermischung aufgefasst wird, eben wegen der syntaktischen Verbindung. Als ein weiteres Beispiel, um die Abgrenzung dieser beiden Kombinationsarten zu illustrieren, führt Goatly folgendes Macbeth-Zitat an: „Life’s but a walking shadow.“ Dies wirke auf den ersten Blick wie eine Metaphernvermischung. Betrachte man aber den Kontext der Aussage, wird schnell klar, dass sowohl „walking“ als auch „shadow“ zu übergeordneten Erweiterten Metaphern gehören, die die gesamte Passage durchziehen und an diesem Punkt zusammentreffen: „The juxtaposition of these two V-terms creates a hinge on which to hang the two Extended metaphors: time elapsing is walking; life is a shadow. Such Compounding of two already established metaphors is, in fact, one means of amalgamating extended or repeated metaphors.“544 Nach wie vor zeigt sich hier jedoch eine deutliche Nähe von Metaphernvermischung und Vehicle-Topic-Übertragung bzw. Metaphernverkettung/Compounding in Goatlys Verständnis. Ich verwende die Bezeichnung Vehicle-Topic-Übertragung aber auch, und vorrangig, für ein derartiges Zusammenspiel zweier Metaphern, die syntaktisch voneinander getrennt sind. 2.4.10. Tabellarische Übersicht In der folgenden Übersicht werden die einzelnen Arten von Metaphernkombinationen nochmals kurz zusammengefasst, veranschaulicht und mit Beispielen versehen.545 Als Beispiele werden Metaphernkombinationen aus dem Neuen Testament gewählt, um bereits hier zu zeigen, dass die Kategorisierung auf neutestamentliche Zusammenhänge anwendbar ist. Dabei werden vorrangig solche Texte genutzt, die keinen oder nur einen geringen Bezug zum Tod Jesu aufweisen und die nicht in Kapitel 4 eigens besprochen werden.

544 545

A.a.O. 290. Angelehnt an GOATLY, Language, 273, mit Ergänzungen und Erweiterungen.

254

Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Tabelle 3: Übersicht verschiedener Arten von Metaphernkombinationen Unterkategorien

Wiederholung (repetition) Modifikation (modification)

Diversifikation (diversification)

x Modifikation durch lexikalische Verwandtschaft (variierte Wiederholung) x Modifikation durch Zugehörigkeit zu demselben semantischen Feld x „scale and axis modification“ (selten) x Diversifikation mit identischen/sehr ähnlichen Grounds x Diversifikation mit verschiedenen Grounds

Multivalenz (multivalency)

x Multivalenz mit identischen/sehr ähnlichen Grounds x Multivalenz mit verschiedenen Grounds

metaphorische Erweiterung/ Erweiterte Metapher/ Allegorie (metaphoric extension)

1. x reine Form der Allegorie x Quasi-Allegorie 2. x Lexical Extension x syntactically Articulated Extension

Definition

Semantische Verbindung zwischen den Topics

Dasselbe Vehicle wird mehrfach für dasselbe Topic gebraucht.

notwendig, da identisch

Für dasselbe Topic werden mehrere Vehicles gebraucht, die demselben Begriffsfeld entstammen. Dabei sind die Grounds identisch oder sehr ähnlich.

notwendig, da identisch

Dasselbe Topic wird durch mehrere Vehicles aus verschiedenen Begriffsfeldern bestimmt, häufig, um zu verschiedenen Anlässen unterschiedliche Aspekte des Topics hervorzuheben. Dasselbe Vehicle wird genutzt, um mehrere Topics zu beschreiben; daraus resultiert häufig, dass die Topics auf eine Ebene bzw. in eine gewisse Verwandtschaft gerückt werden.

notwendig, da identisch

Die Topics und Vehicles gehören jeweils einem gemeinsamen Begriffsfeld an. Die Vehicles bilden somit ein kohärentes Bild oder Schema.

notwendig

möglich

2. Mischungen in der Metapherntheorie

255

Semantische Verbindung zwischen den Vehicles

Syntaktische Verbindung der Einzelmetaphern

Schaubild546

Beispiel

notwendig, da identisch

nicht gegeben

Topic A – Vehicle 1 Topic A – Vehicle 1

notwendig

parataktisch/ aufzählend möglich (selten)

Topic A – Vehicle 1 Ground Į Topic A – Vehicle 2 Ground Į

Joh 6,35.48: ਥȖઆ İੁȝȚ ੒ ਙȡIJȠȢ IJોȢ ȗȦોȢ („ich bin das Brot des Lebens“, mit direkter Wiederholung) Mt 11,30: ੒ Ȗ੹ȡ ȗȣȖંȢ ȝȠȣ ȤȡȘıIJઁȢ țĮ੿ IJઁ ijȠȡIJ઀ȠȞ ȝȠȣ ਥȜĮijȡંȞ ਥıIJȚȞ. („Denn mein Joch ist gut und meine Last ist leicht.“)

nicht gegeben (ansonsten Modifikation oder Inkonsistenz)

nur parataktisch/ aufzählend möglich (ansonsten Vermischung)

Topic A – Vehicle 1 Topic A – Vehicle 2

notwendig, da identisch

möglich (selten)

Topic A – Vehicle 1 Topic B – Vehicle 1

notwendig

nicht notwendig, aber möglich; in diesem Fall Unterkategorie der syntactically Articulated Extension

Topic A – Vehicle 1 Topic B – Vehicle 2

1Kor 3,9: șİȠ૨ ȖİઆȡȖȚȠȞ, șİȠ૨ ȠੁțȠįȠȝ੾ ਥıIJİ. („ihr seid ein Feld Gottes, ein Gebäude Gottes.“ Beide Metaphern werden im Kontext erweitert.) Vgl. auch Mt 5,13–15: Salz der Erde, Licht der Welt, Stadt auf dem Hügel. Joh 1,5 und 5,35: țĮ੿ IJઁ ij૵Ȣ ਥȞ IJૌ ıțȠIJ઀઺ ijĮ઀ȞİȚ („und das Licht scheint in der Dunkelheit“) ਥțİ૙ȞȠȢ ਷Ȟ ੒ Ȝ઄ȤȞȠȢ ੒ țĮȚંȝİȞȠȢ țĮ੿ ijĮ઀ȞȦȞ, […] ਥȞ IJ૶ ijȦIJ੿ Į੝IJȠ૨. („Jener [Johannes der Täufer] war eine brennende und scheinende Lampe; […] in seinem Licht.“) Da mit ij૵Ȣ und Ȝ઄ȤȞȠȢ verschiedene Begriffe gebraucht werden, liegt hier eher eine Multivalenz im weiteren Sinne vor. Dennoch fällt auch in 5,35 das Stichwrt ij૵Ȣ und beiden ist eine Form von ijĮȓȞȦ gemein. Beachtenswert sind zudem die Ausführungen in Joh 1,7f., dass es sich bei Johannes nicht um das Licht handele. Mt 5,13: ੥ȝİ૙Ȣ ਥıIJİ IJઁ ਚȜĮȢ IJોȢ ȖોȢ· ਥ੹Ȟ į੻ IJઁ ਚȜĮȢ ȝȦȡĮȞșૌ, ਥȞ IJ઀ȞȚ ਖȜȚıș੾ıİIJĮȚ; İੁȢ Ƞ੝į੻Ȟ ੁıȤ઄İȚ ਩IJȚ İੁ ȝ੽ ȕȜȘș੻Ȟ ਩ȟȦ țĮIJĮʌĮIJİ૙ıșĮȚ ਫ਼ʌઁ IJ૵Ȟ ਕȞșȡઆʌȦȞ. („Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz fade geworden ist, womit wird es wieder salzig gemacht? Zu nichts taugt es mehr außer hinausgeworfen zu werden, um von den Menschen zertreten zu werden.“) Vgl. auch z.B. Mt 7,16–20; Mk 4,3–8.14–20.

546 Die Schaubilder haben veranschaulichende Funktion, können aber die Komplexität und Vielfalt der entsprechenden Kombinationsarten nicht gänzlich abbilden.

256

Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Vermischung (mixing)

Unterkategorien

Definition

Semantische Verbindung zwischen den Topics

s. Schaubild

Verschiedene Vehicles werden auf dasselbe Topic bezogen, oder in einer Kette aneinandergereiht, wodurch eine Beziehung zwischen den Vehicles hergestellt wird, die der realen Beziehung widerspricht.

notwendig, da identisch

Für dasselbe Topic werden mehrere Vehicles gebraucht, die demselben semantischen Feld entstammen, wobei die Grounds jedoch verschieden sind. Die Metapher wird insofern „inkonsistent“, als das Topic mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen muss oder der Metaphernkomplex den Gesetzmäßigkeiten des durch das semantische Feld erzeugten Bildes widerspricht. Das Topic einer Metapher oder etwas, das semantisch sehr stark mit diesem Topic verknüpft ist, wird zum Vehicle einer weiteren Metapher.

notwendig, da indentisch

Das Vehicle der ersten Metapher oder etwas, das semantisch sehr stark mit diesem Vehicle verknüpft ist, wird zum Topic einer weiteren Metapher.

nicht gegeben

„Inkonsistenz“

Topic-VehicleÜbertragung

x starke Form: Identität von Topic A und Vehicle 2 x schwache Form: starke semantische Verbindung von Topic A und Vehicle 2

Vehicle-TopicÜbertragung

x sehr starke Form: Identität von Vehicle 1 und Topic B bei gleichzeitiger syntaktischer Verbindung (dasselbe Satzelement bezeichnet Vehicle 1 und Topic B) Æ wenn beide Metaphern (oder mindestens die erste) bereits im Kontext etabliert wurden oder weiter ausgeführt werden: Metaphernverkettung/compounding Æ anderenfalls: Art der Metaphernvermischung (s.o.) x starke Form: Identität von Vehicle 1 und Topic 2 ohne syntaktische Verbindung x schwache Form: deutliche semantische Nähe, jedoch keine Identität von Vehicle 1 und Topic 2

möglich

2. Mischungen in der Metapherntheorie

257

Semantische Verbindung zwischen den Vehicles

Syntaktische Verbindung der Einzelmetaphern

Schaubild546

Beispiel

nicht gegeben

notwendig

Topic A – Vehicle 1 + Vehicle 2 oder Topic A – Vehicle 1 = Topic B – Vehicle 2

notwendig

möglich, aber nicht notwendig

Topic A – Vehicle 1 Ground Į Topic A – Vehicle 2 Ground ȕ

1Kor 5,2: țĮ੿ Ȗ੹ȡ ਥȞ IJȠ઄IJ૳ ıIJİȞ੺ȗȠȝİȞ IJઁ ȠੁțȘIJ੾ȡȚȠȞ ਲȝ૵Ȟ IJઁ ਥȟ Ƞ੝ȡĮȞȠ૨ ਥʌİȞį઄ıĮıșĮȚ ਥʌȚʌȠșȠ૨ȞIJİȢ, („Denn auch in diesem seufzen wir und sehnen uns danach, unsere Behausung aus dem Himmel darüber anzuziehen.“) Sowohl das Motiv der Behausung als auch das des nackt/bekleidet Seins wird im Kontext ausgeführt und erweitert. Joh 10,7.11: ਥȖઆ İੁȝȚ ਲ ș઄ȡĮ IJ૵Ȟ ʌȡȠȕ੺IJȦȞ („ich bin die Tür zu den Schafen“,V. 7.) ਫȖઆ İੁȝȚ ੒ ʌȠȚȝ੽Ȟ ੒ țĮȜંȢ. („Ich bin der gute Hirte.“ V.11.)

möglich

nicht gegeben

Topic A – Vehicle 1 Æ Topic B – Vehicle 2 wobei gilt: Topic A = Vehicle 2

nicht gegeben

prinzipiell möglich (sehr starke Form, wird tlw. als Metaphernvermischung wahrgenommen)

Topic A – Vehicle 1 Æ Topic B – Vehicle 2 wobei gilt: Vehicle 1 = Topic B

1Kor 6,19; 12,27: IJઁ ı૵ȝĮ ਫ਼ȝ૵Ȟ ȞĮઁȢ IJȠ૨ ਥȞ ਫ਼ȝ૙Ȟ ਖȖ઀Ƞȣ ʌȞİ઄ȝĮIJંȢ ਥıIJȚȞ („euer Leib ist ein Tempel des heiligen Geistes in euch“, 6,19.) ੥ȝİ૙Ȣ į੼ ਥıIJİ ı૵ȝĮ ȋȡȚıIJȠ૨ („Ihr aber seid Leib Christi“, 12,27.) Mk 10,38; 14,23f.: į઄ȞĮıșİ ʌȚİ૙Ȟ IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ („Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke?“, Mk 10,38.) țĮ੿ ȜĮȕઅȞ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ […]țĮ੿ İੇʌİȞ Į੝IJȠ૙Ȣ· IJȠ૨IJં ਥıIJȚȞ IJઁ Įੈȝ੺ ȝȠȣ IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ IJઁ ਥțȤȣȞȞંȝİȞȠȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ʌȠȜȜ૵Ȟ. („Und [Jesus] nahm einen Kelch […] Und er sagte ihnen: Dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.“ Mk 14,23f.)

258

Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

2.5. Kriterien zur Metapheranalyse unter Berücksichtigung des Hybriditätscharakters von Metaphern und möglicher Kombinationen Der folgende Fragenkatalog soll eine Grundlage für die Analyse von Metaphern bereitstellen, in der die verschiedenen Aspekte, die in den ersten beiden Teilen diskutiert wurden, berücksichtigt werden. Insbesondere werden hierbei der allgemeine Hybriditätscharakter der Metapher und ihre Offenheit für unterschiedliche Kombinationen in den Blick genommen. Ein ähnliches Raster für die Analyse biblischer Metaphern hat Ruben Zimmermann vorgelegt.547 Dieses ist auch der Ausgangspunkt der folgenden Kriterien. Einzelmetapher 1. Identifizierung Wird die Metapher als solche erkannt? Für wen ist die Metapher erkennbar? Welche Voraussetzungen müssen Rezipierende dafür mitbringen? Wann wird die Metapher erkannt (beim ersten Lesen, erst bei näherer Betrachtung, erst im Nachhinein, nach Berücksichtigung des folgenden Kontexts)? Handelt es sich eindeutig um eine Metapher oder gibt es alternative Lesarten? Wodurch wird die Metapher erkannt? Wird die Metapher markiert? Welche Spannungsmomente und welche Art von Hybridität sind erkennbar? Gibt es im Umfeld weitere Metaphern oder andere Formen bildlicher Rede, die hier einen metaphorischen Sprachgebrauch nahelegen? 2. Kontext In welchem Kontext steht die Metapher? Lässt der Kontext Rückschlüsse auf die Funktion/Intention zu? Wie ist die Metapher in den Kontext eingebunden? 3. Analyse Auf welcher Ebene liegt die Metaphorisierung in erster Linie? (Wort, Satz, Text, Kontext, Situation) Wo liegt die Spannung bzw. die Hybridität des Bildes/der Aussage? Was ist T-Term/Topic? Was ist V-Term/Vehicle? Was ist – möglicherweise – Ground? In welcher hierarchischen Struktur stehen Topic, Vehicle (und Ground) zueinander?

547

Vgl. ZIMMERMANN, Metapherntheorie, 108–133.

2. Mischungen in der Metapherntheorie

259

Werden alle Bestandteile der Metapher explizit ausgeführt oder einige nur impliziert? Welche Aussage will der Autor oder die Autorin mit der Metapher wahrscheinlich treffen? Welche Interaktion zwischen Topic und Vehicle liegt vor? Ist das Zusammenspiel von Topic und Vehicle offensichtlich oder unterschwellig hybrid? Welchen Konventionalitätsgrad weist die Metapher auf? (für die damaligen/heutigen Rezipierenden) Wie spiegelt die Metapher die Lebenswelt von Verfassenden und Rezipierenden wider? T-Term/Topic Welche grammatikalische Funktion erfüllt der T-Term? Welcher Wortart gehört er an? Welche Assoziationen weckt der T-Term? Welche Aspekte des Topics werden durch die Metapher hervorgehoben? V-Term/Vehicle Welche grammatikalische Funktion erfüllt der V-Term? Welcher Wortart gehört er an? Was ist die Lexikonbedeutung des V-Terms (Denotationen)? Welche Konnotationen und Assoziationen treten in der Metapher in den Vordergrund? Welches Vorwissen ist zum Verständnis nötig? Ground Wird der Ground explizit genannt? Wenn ja, in welcher grammatikalischen Funktion? s.o.: Hervorhebungen, Konnotationen 4. Semantisches Feld (bzw. semantische Felder) Gibt es Parallelbeispiele? Liegt eine Motivtradition vor? Wenn ja, wie verhält sich die Metapher zu ihr? (Hier erneut: Konventionalitätsgrad) Welche semantischen Felder werden durch Topic und Vehicle bedient? 5. Funktion Erzielt die Metapher einen kognitiven Ertrag/Erkenntnisgewinn? Ist die Metapher bildhaft-veranschaulichend oder abstrakt-verhüllend? Welche Gefühle werden bei den Lesenden geweckt? Welche affektiven Elemente helfen dabei, diese Gefühle hervorzurufen? Erfüllt die Metapher eine Funktion in der weiteren Textstruktur? Welche Intention hatte der Verfasser oder die Verfasserin möglicherweise bei der Verwendung/Platzierung der Metapher?

260

Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

6. Theologische Aussage Inwieweit ist die Metapher theologisch relevant? Wie verweist sie auf das Göttliche? Welche theologische Botschaft transportiert sie? Drückt sie etwas aus, das auf andere Weise nicht ausgedrückt werden kann und schließt somit Wortlücken? Welches Potential hat sie, bis dahin unbekannte Dimensionen der Wirklichkeit aufzudecken? Welches Potential hat sie, Transzendenz auszudrücken? Wie erfolgreich wurde das Bild in der christlichen Tradition? Metaphernkombination und Kombination von Metapher und anderem Stilmittel 1. Identifizierung Ist die Kombination auffällig oder unauffällig? Wird die Kombination als solche erkannt? Wann wird die Kombination erkannt (beim ersten Lesen, erst bei näherer Betrachtung, erst im Nachhinein, nach Berücksichtigung des folgenden Kontexts)? Wodurch wird die Kombination erkannt? Ist das erste Bild markiert? Sind es die folgenden? Wird eine Spannung bzw. Hybridität deutlich, die über die Spannung/Hybridität einzelner Metaphern hinausgeht? 2. Kontext Wie ist die Kombination in den Kontext eingebunden? Stört die Kombination den Lesefluss oder fügt sie sich in ihn ein? Wie verbindet der Kontext die einzelnen Bestandteile der Kombination? 3. Analyse Liegt eine Kombination von Metaphern untereinander vor oder von einer Metapher und einem anderen Stilmittel? Welche Art von Kombination liegt vor? Wie ist das semantische und syntaktische Verhältnis der einzelnen Bestandteile zu beschreiben? In welcher Nähe bzw. Distanz zueinander stehen die einzelnen Teile? Sind die Bestandteile der Kombination hierarchisch angeordnet oder gleichberechtigt? Sind die Bestandteile zueinander widerspruchsfrei oder stehen sie in Spannung zueinander? 4. Semantische Felder Verweisen die Metaphern/Stilmittel auf dasselbe semantischen Feld oder verschiedene Felder bzw. Bildbereiche?

3. Zusammenfassung

261

Wenn verschiedene semantische Felder angesprochen werden – lassen sich diese integrieren oder stehen sie in Spannung zueinander? Wird durch die Kombination ein neuartiges Bild erzeugt? Hat das Auswirkungen auf die semantischen Felder? 5. Funktion Welche Funktion erfüllt die Kombination? Wird durch sie etwas erhellt oder verdunkelt, vereinfacht oder erschwert? 6. Theologische Aussage Welche theologische Funktion erfüllt die Kombination? Kommen durch sie neue Erkenntnisse zum Tragen? Kann sie als wirklichkeitserhellend angesehen werden?

3. Zusammenfassung 3. Zusammenfassung

Durch die Darstellung dieses Kapitels wurde deutlich, dass die Begriffe „Mischung“, „Hybridität“ und „Kombination“ ein weites Bedeutungsspektrum aufweisen und ihre Verwendung im wissenschaftlichen Kontext mit einer Reflexion ihrer Verwendungshistorie einhergehen sollte. Während der Terminus „Hybridität“ heute positiv konnotiert ist und vieles, was hybrid ist, als fortschrittlich und gewinnbringend angesehen wird, ist die mixed metaphor in der englischen Alltagssprache nach wie vor negativ besetzt. Ein Blick in die Geschichte dieses Ausdrucks zeigt jedoch, dass die Kritik an der Metaphernvermischung aus der ganz spezifischen Perspektive des 18. Jahrhunderts und insbesondere aus den stilistischen und rhetorischen Erwägungen des Scottish Enlightenments heraus entstanden ist. Dabei ist diese Kritik verbunden mit einer starken Fokussierung auf stilistische Einfachheit, mit einer großen Skepsis dem Bildhaften gegenüber sowie einer extrem kleinschrittigen und normativ ausgerichteten Analyse literarischer Texte. Die rhetorischen Vorlieben dieser Zeit und auch der Hang zum Preskriptivismus werden heutzutage nicht mehr geteilt. Dennoch hält sich die Pauschalverurteilung der mixed metaphor und die damit verbundene Skepsis allen Metaphernkombinationen gegenüber hartnäckig. In den vergangenen Jahren hat durch ein gestiegenes wissenschaftliches Interesse aber der Versuch der Rehabilitation eingesetzt. Auch Wortneuschöpfungen wie mixaphor, blendaphor und malaphor können – selbst wenn sie in wissenschaftlichen Zusammenhängen kaum oder gar nicht beachtet werden – dazu beitragen, eine stärkere Differenzierung vorzunehmen. Ein Problem, dass nämlich schon in der Alltagsverwendung des Terminus mixed metaphor sowie in seiner Begriffsgeschichte aufgekommen ist, besteht darin, dass die unterschiedlichen Metaphernkombinationen nur unzureichend voneinander abgegrenzt wurden und werden. Hier kann die Klassifizierung von Goatly, die ich erweitert habe, ein hilfreiches Werkzeug sein, um genau zu bestimmen, wovon eigentlich die Rede ist.

262

Kapitel 2: Metapher und Hybridität – Metapher als Hybridität

Metaphernkombinationen sind weitaus mehr als lustige kognitive Fehlleistungen. Die Ablehnung, die ihnen entgegenstößt, ist möglicherweise der Tatsache geschuldet, dass Metaphernkombinationen, insbesondere Vermischungen und Inkonsistenzen, auf eine unbequeme Weise Hybriditäten aufzeigen. Damit potenzieren sie aber nur etwas, was die Metapher von Natur aus leistet. Ohne Spannung und Widersprüchlichkeit, sei es innerhalb eines Satzes, sei es aufgrund von Kontext oder Situation, verliert die Metapher ein entscheidendes Grundcharakteristikum. Metaphern präsentieren zwei Sachverhalte als wäre es einer, suggerieren Identität in Differenz. Wenn Metaphernkombinationen Metaphorizität erhöhen, bedeutet dies gleichzeitig, dass sie eine neue Ebene des Unbeschreiblichen ausdrücken und gerade dann Anwendung finden können, wenn Metaphern allein nicht ausreichen. Es ist darum notwendig, Hybridität, Widerspruch und Ähnlichkeit in der Analyse von Einzelmetaphern selbst zu berücksichtigen und gleichzeitig stets das Zusammenspiel unterschiedlicher Metaphern im Blick zu behalten.

Teil II: Neutestamentliche Aktualisierung

Kapitel 3

Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament Bevor die Metaphern, die zur Deutung des Todes Jesu im Neuen Testament herangezogen werden, und die Arten, wie sie miteinander kombiniert werden, auf angemessene Weise dargestellt werden können, ist es zunächst erforderlich, die Sprechweise vom Tod Jesu in den neutestamentlichen Schriften insgesamt in den Blick zu nehmen. Dies ist vor allem deshalb zweckdienlich, da dadurch deutlich wird, welchen Anteil metaphorische Sprechweise und Metaphernkombinationen an den gesamten Erwähnungen des Todes Jesu haben, in welchen Kontexten sie gehäuft auftreten und welche Deutungsmuster sie forcieren. Für die hinreichende Analyse und Beurteilung einzelner Erwähnungen des Todes Jesu ist die Beantwortung einer Reihe von Fragen erforderlich: In welchem Genre oder in welcher Gattung ist diese Erwähnung zu verorten? Es macht für das Gesamtverständnis einen Unterschied, ob es sich hierbei um ein Streitgespräch, paränetische Ausführungen oder eine Homilie handelt. Wer erzählt oder spricht? Werden in diesem Erzählen oder Sprechen Traditionsgut oder Zitate verarbeitet, die von den jeweiligen Verfassern bzw. Verfasserinnen in modifizierter Form aufgegriffen wurden und somit ggf. intertextuelle Bezüge schaffen? Auf welche Weise wird vom Tod Jesu gesprochen – wird dieser direkt benannt oder eher durch euphemistische oder indirekt-metonymische Termini umschrieben? Steht der Tod Jesu als bloße Erwähnung, wird lediglich auf ihn verwiesen oder werden mit ihm weiterführende Deutungen verknüpft? Wenn eine Deutung vorliegt, zielt sie vorrangig darauf ab, die Notwendigkeit und Zwangsläufigkeit des Schicksals Jesu zu konstatieren oder benennt sie die soteriologische Funktion und Konsequenz des Todes Jesu (oder werden beide Linien gleichermaßen beachtet)? Liegt schließlich metaphorische Sprache vor und wenn ja, bildet Jesu Tod das Topic oder das Vehicle der metaphorischen Aussage? Deutungen des Todes Jesu und Metaphern werden dabei bewusst getrennt betrachtet. Dies ist insofern begründet, als in der Literatur häufig Metaphern angeführt werden, wenn es darum geht, Interpretamente des Todes Jesu zu benennen, ohne dass dabei aber die Metaphorizität der Aussage hinreichend reflektiert wird.1 Daraus folgt häufig, dass metaphorische Deutungen in solche 1

Bestes Beispiel ist die verbreitete Rede von Jesu Tod als „stellvertretendes Sühnopfer“ – eine moderne Verallgemeinerung und Abstraktion, die vom neutestamentlichen Befund her in dieser konkreten Ausdrucksweise nicht haltbar ist.

266

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

neutestamentlichen Aussagen hineininterpretiert werden, die an sich nicht metaphorisch und somit durchlässig für ganz andere Deutungshorizonte sind.2 Obwohl gesagt werden kann, dass jede Metapher auf gewisse Weise eine Deutung enthält, in dem Sinne, dass bestimmte Aspekte des beschriebenen Sachverhalts durch das verwendete Vehicle hervorgehoben werden und andere in den Hintergrund treten, gilt umgekehrt nicht, dass jede Interpretation des Todes Jesu metaphorisch ist – oder dass überhaupt jede Erwähnung des Todes Jesu eine Deutung enthält. Bevor die aufgeführten Fragen im Folgenden überblicksartig beantwortet werden, seien einige generelle Hinweise gegeben. Die nachfolgende Darstellung ist darum bemüht, möglichst nah an der Quellensprache zu bleiben und theologische „Beschreibungssprache“3 gering zu halten. Auf diese Weise sollen Fehlinterpretationen so gut wie möglich vermieden werden, wie etwa die vorschnelle Inanspruchnahme von Bibelstellen für bestimmte Deutungskategorien, die sich jedoch in den Texten selbst nicht sprachlich manifestieren, und eine damit einhergehende Dominanz einzelner Interpretamente zu Ungunsten anderer.4 Allerdings ist eine Beschreibung der neutestamentlichen Sprechweisen vom Tod Jesu ganz ohne jegliche übergeordnete Kategorie unmöglich, wenn nicht eine bloße Auflistung von Zitaten, sondern eine Analyse und Systematisierung des Befunds erfolgen soll. Grundlage der Darstellungsweise ist jedoch eine ausführliche Reflexion der Frage, „wie sich der quellensprachliche Befund so in deutende Kategorien überführen läßt, daß seine Substanz und

2 Ein Beispiel hierfür ist die Subsumierung der ਫ਼ʌȑȡ-Formeln (bzw. auch Formulierungen mit ʌİȡȓ, įȚȐ und ਕȞIJȓ, die vom Sinn her in dieselbe Richtung gehen) unter der Deutung der „stellvertretenden Sühne“ und damit einhergehend kultischen Deutungskategorien, wie sie etwa bei Gerhard Barth begegnet. (Vgl. BARTH, Tod Jesu Christi, 37–71; insbes. 41–47.) Freilich bleibt prinzipiell zu fragen, inwiefern Barths Bezeichnung der Deutungskategorie sinnvoll ist, da sie die Quellensprache nur sehr bedingt abbildet. 3 FREY, Probleme, 5. Frey spricht in diesem Zusammenhang von „Sprachverwirrung“ (a.a.O. 4). 4 So konstatiert Barth, es handele sich bei der „stellvertretenden Sühne“ um die im Neuen Testament „bei weitem verbreitetste Interpretation des Todes Jesu, die in verschiedenen Wendungen und Variationen weit über 50mal begegnet.“ (BARTH, Tod Jesu Christi, 38.) Dies ist jedoch der Tatsache geschuldet, dass er sämtliche ਫ਼ʌȑȡ-Formeln (und verwandte Aussagen) mit unter diese Deutung fasst. Vgl. auch STIEWE/VOUGA, Bedeutung und Deutungen, 30: „Der Tod Jesu Christi, von dem die neutestamentlichen Deutungen in einem offenen Sinn bekennen, dass Jesus ‚für uns‘, in unserem Interesse, gestorben ist, wurde seit Anselm fast automatisch als Stellvertretung für die sündige Menschheit interpretiert. In ähnlicher Weise wurde die Symbolik des Blutes als Metaphorik einer Opfertheologie gedeutet. Jede Analyse der neutestamentlichen Texte steht deshalb auch vor der Aufgabe, die Konformität der Auslegungstraditionen mit den neutestamentlichen Deutungen zu überprüfen, um die Relevanz der kanonischen Entwürfe besser zu verstehen.“

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

267

seine Differenziertheit gewahrt bleiben“.5 Daher erfolgt weitestgehend eine Orientierung an den griechischen Begrifflichkeiten. Die Deutungskategorien werden mit Vorsicht auf die konkreten Textpassagen angewendet und immer wieder in Frage gestellt. Daher unterscheiden sich die übergeordneten Begrifflichkeiten häufig von denen, die in der einschlägigen Literatur zu finden sind.6 Insbesondere wenn es um die Funktionsdeutungen des Todes Jesu geht, wird auf diese Differenzierung noch näher eingegangen. Zudem wird in diesem und im folgenden Kapitel bewussst vorsichtig formuliert, vor allem wenn es darum geht, Zuordnungen zu bestimmten Deutungskategorien vorzunehmen. Durch Ausdrücke wie „offenbar“, „eher“, „vermutlich“ usw. wird hervorgehoben, dass viele neutestamentliche Passagen uneindeutig sind und die vorgenommene Deutung lediglich die darstellt, die aus meiner Sicht am nächsten liegt. Des Weiteren sind in den nachfolgenden Darstellungen solche Aussagen ausgenommen, die nur die Auferstehung bzw. Auferweckung Jesu benennen, ohne dass noch einmal explizit der Tod Jesu thematisiert wird. Dabei ist selbstverständlich, dass Tod und Auferstehung zusammengehören und nicht klar voneinander trennbar sind und dass alle neutestamentlichen Texte, die den Tod Jesu behandeln, die fundamentale Grundlage teilen, dass „die Auferweckung bzw. Erhöhung Jesu die Voraussetzung dafür darstellt, seinem Tod positive Bedeutung zuzuschreiben.“7 Die Aussagen, die Jesu Tod explizit thematisieren, haben dennoch einen leicht anderen Schwerpunkt als diejenigen, in denen allein von der Auferstehung bzw. Auferweckung Jesu die Rede ist. Denn in ihnen kommt die Verarbeitung des unbegreiflichen Schocks angesichts der schmachvollen Kreuzeshinrichtung, mit dem sich die frühe Anhängerschaft Jesu konfrontiert sah, auf viel deutlichere Weise zum Tragen.8

5 SCHRÖTER, JENS, Sühne, Stellvertretung und Opfer. Zur Verwendung analytischer Kategorien zur Deutung des Todes Jesu, in: Jörg Frey/Jens Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181), Tübingen: Mohr Siebeck 2005, 51–71. Hier: 52. 6 Zum Teil entsprechen die gewählten Kategorien aber auch solchen, die in der Forschung verwendet werden. Mitvollzug/Partizipation, Vorbildhaftigkeit und die Offenbarung der Liebe Gottes sind etwa auch Schlagworte in der Systematisierung Barths, obwohl der Schwerpunkt in der Einzeldarstellung zum Teil abweicht. 7 SCHRÖTER, Sühne, Stellvertretung und Opfer, 52. 8 Anstelle eines Schocks kann auch von einem Trauma gesprochen werden. Man kann sagen, dass die Kreuzigung Jesu ein Trauma der Jesusanhängerinnen und -anhänger ausgelöst hat, das auch über die Zeuginnen und Zeugen des Geschehens hinweg weitergegeben wurde und somit eine transgenerationale Qualität entwickelt hat. In diesem Zusammenhang von Trauma zu sprechen ist – trotz der Problematik einer nachträglichen Diagnostik – insofern gerechtfertigt, als typische Traumaauslöser, nämlich die Konfrontation mit Gewalt und Tod und damit einhergehend auch die Gefährdung des eigenen Lebens, gegeben waren. Anerkennt man dies, so muss man gewahr werden, dass die Entstehung des Christentums zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ein Trauma zurück geht.

268

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Schließlich bleibt zu beachten, dass der Tod Jesu, obwohl er ein zentrales Moment des christlichen Glaubens ist, nicht in allen neutestamentlichen Schriften Beachtung findet. Obwohl der Großteil der Schriften ihm viel Raum widmen, wird er in Phlm, 2Thess, Jak, Jud und 2/3Joh, selbst im 2Petr gar nicht oder nur marginal behandelt. Während diese Leerstelle teilweise durch den spezifischen Anlass, die thematische Ausrichtung oder auch die besondere Kürze des Briefes erklärt werden kann (oder durch ein Zusammenspiel all dieser Faktoren), ist dies doch nicht in allen Fällen uneingeschränkt plausibel. Auch für frühchristliche Spruchquellen wie die Logienquelle (soweit rekonstruierbar) und das Thomasevangelium war der Tod Jesu offenbar kaum relevant.9

In den vergangenen Jahren wurde die Bedeutung der Traumatheorie für das Verständnis biblischer Texte erkannt, wobei jedoch ein deutlicher Fokus auf den jüdischen Heiligen Schriften lag. (Vgl. BECKER, EVE-MARIE/DOCHHORN, JAN/HOLT, ELSE K. [Hg.], Trauma and Traumatization in Individual and Collective Dimensions. Insights from Biblical Studies and Beyond [Studia Aarhusiana Neotestamentica 2], Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2014; BOASE, ELIZABETH/FRECHETTE, CHRISTOPHER G. [Hg.], Bible through the Lens of Trauma [Semeia Studies 86], Atlanta: Society of Biblical Literature 2016.) Einzelne Ansätze haben Trauma auch als Beschreibungskategorie für den Tod Jesu fruchtbar gemacht. (Vgl. etwa DUBE, ZORODZAI, Jesus’ Death and Resurrection as Cultural Trauma, in: Neotestamentica 47 [2013], 107–122; BIELER, ANDREA, Trauma und Erlösung: Mt 27,33–50 [51–54]: 29.3.2013; Karfreitag, in: Göttinger Predigt-Meditationen 67 [2013], 179–184.) Interessant ist auch, die Entstehungsprozesse des Urchristentums vor dem Hintergrund der Trauerarbeit und Schuldbewältigung zu betrachten. (Vgl. vor allem YOSHIDA, SHIN, Trauerarbeit im Urchristentum. Auferstehungsglaube, Heils- und Abendmahlslehre im Kontext urchristlicher Verarbeitung von Schuld und Trauer, Göttingen: V & R unipress 2013.) Insbesondere beachtenswert sind Yoshidas Äußerungen zur Überlebendenschuld („survivors’ guilt“) der Jüngerinnen und Jünger Jesu. (Vgl. a.a.O. 51–82). Er spricht in diesem Zusammenhang von einem „traumatischen Schuldgefühl“. (A.a.O. 53.) Traumata können stets als Resultat eines Überlebens von Situationen, die die menschliche Existenz und Integrität bedrohen, gesehen werden, so dass sich hier eine Verbindung ziehen lässt. Auch auf Sprache und Sprechweise können Traumata Auswirkungen haben. Bieler hält fest: „Traumatische Ereignisse eröffnen keinen unmittelbaren Zugang, in dem die Ursprungsszene eindeutig erinnert und von ihr erzählt werden könnte.“ (BIELER, Trauma und Erlösung, 179.) Sie spricht in diesem Zusammenhang von „gebrochenen Erzählungen“ (ebd.). Gerade im Hinblick auf den Tod Jesu sind diese Erwägungen relevant. Sie ermöglichen auch einen neuen Blick auf den Gebrauch von Metaphern im Allgemeinen und von (spannungsvollen) Metaphernkombinationen im Spezifischen. 9 Vgl. KARRER, MARTIN, Wie spricht das Neue Testament vom Tod Jesu? Lücken, Vielfalt, Schwerpunkte, in: Gerd Häfner/Hansjörg Schmid (Hg.), Wie heute vom Tod Jesu sprechen? Neutestamentliche, systematisch-theologische und liturgiewissenschaftliche Perspektiven, Freiburg i. Br.: Verlag der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg 2002, 53– 80. Hier: 55.

1. Genre/Gattung

269

Gab es also im Urchristentum Denkrichtungen, in denen der Tod Jesu weniger Gewicht hatte oder als soteriologisch weniger bedeutsam angesehen wurde?1 Angesichts der eher dürftigen Quellenlage und der Problematik, die immer besteht, wenn Rückschlüsse allein aus dem Fehlen von bestimmten Motiven gezogen werden, wird diese Frage sich nur schwer beantworten lassen. Fest steht jedoch: „In der Breite des christlichen Glaubens sind Deutungen des Todes Jesu, wiewohl ein wesentlicher, kein universaler Bestandteil.“2 Und: Nicht nur die Fülle und der Facettenreichtum der verschiedenen Arten, wie das Neue Testament vom Tod Jesu spricht, müssen in den Blick genommen werden, sondern auch das stellenweise vorherrschende Schweigen.

1. Genre/Gattung 1. Genre/Gattung

Das Sprechen vom Tod Jesu und entsprechende Deutungen liegen in allen Großgattungen des Neuen Testaments vor sowie in einer Vielzahl von kleineren Gattungen. Natürlich wird Jesu Tod in den Evangelien narrativ entfaltet, und es wird auch weissagend darauf verwiesen.3 In der Apostelgeschichte, die man vielleicht am ehesten als „historische Mongraphie“4 klassifizieren kann, wird Jesu Sterben dann nachträglich reflektiert, wobei meist das „Kontrastschema“ angewendet wird, also die Gegenüberstellung von Jesu Tod durch die Hand der Menschen mit seiner Erhöhung durch Gott. Darüber hinausgehende soteriologische Deutungen kommen hingegen nur vereinzelt vor (vor allem in Apg 20,28). Auch in der Briefliteratur wird ausführlich und vielgestaltig auf Jesu Tod Bezug genommen. Dabei ist jedoch die Differenz zwischen dem Brief zur Zeit des Neuen Testaments und dem heutigen Verständnis dieser Gattung zu beachten. Zudem ist in der exegetischen Forschung der genaue Charakter einiger Briefe nicht gänzlich geklärt. In einzelnen Fällen wurde die literarische 1 Vgl. auch BERGER, KLAUS, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, Tübingen/Basel: Francke 21995, 67: „Tod und Auferstehung werden nicht erwähnt in einem ganzen Block judenchristlicher Theologien des frühen Christentums: 2Petr, Jak, Jud, P Herm, ThomasEv. ௅ Man kann nicht einfach erklären, Tod oder Auferstehung Jesu seien in diesen Theologien schlicht vorausgesetzt. Es könnte doch sehr wohl sein, daß sie am Geschick des weisen Lehrers einfach uninteressiert waren.“ M.E. kann allerdings in 2Petr 1,9 und 2,1 nicht ausgeschlossen werden, dass durch die dort verwendeten Metaphern (äußerst indirekt) auf Jesu Tod verwiesen wird. Dennoch spielt er auch in dieser Schrift ௅ wenn überhaupt ௅ eine äußerst untergeordnete Rolle. 2 KARRER, Wie spricht das Neue Testament vom Tod Jesu?, 56. 3 Zum Evangelium als Gattung sui generis und zu möglichen Vorbildern und Parallelen vgl. SCHNELLE, UDO, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen/Bristol: Vandenhoeck & Ruprecht/UTB 92017, 196–205; BROER, INGO, Einleitung in das Neue Testament, Würzburg: Echter 42016, 34–42. 4 SCHNELLE, Einleitung, 338. (im Original kursiv) Ähnlich BROER, Einleitung, 177f.

270

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Integrität der Schrift bestritten, so dass manche Forscherinnen und Forscher hier von einer Briefsammlung oder einer Verschmelzung von Brief-Einzelteilen sprechen. In anderen Fällen, vor allem beim Hebräerbrief, sind nicht alle typischen Charakteristika der Gattung gegeben. Sie haben oberflächlich den Anschein eines Briefes, wobei es allerdings möglich ist, dass die Briefmerkmale, etwa der Schluss des Hebräerbriefs, erst sekundär angefügt wurden. Allerdings gibt es auch hier in der Forschung unterschiedliche und widersprüchliche Einschätzungen. Die echten Paulinen sind allesamt als richtige Briefe aufzufassen. Allerdings richtet sich nur der den Tod Jesu nicht weiter thematisierenden Philemonbrief vorrangig an eine Einzelperson, ansonsten an (im Fall des Römerbriefs sogar unbekannte) Gemeinden als Kollektiv.5 Allgemein blieben die Briefe nicht im privaten Raum, sondern wurden zumindest semi-öffentlich verlesen. Der Galaterbrief ist nicht an eine einzelne spezifische Gemeinde gerichtet und eher als Rundschreiben an mehrere Gemeinden in räumlicher Nähe zueinander vorzustellen.6 Dennoch muss auch bei den anderen Briefen bedacht werden, dass diese möglicherweise weitergeleitet wurden. Die allgemeine Gattung des Briefs kann zudem weiter differenziert werden. Betrachtet man die Untergattungen der antiken Briefliteratur, sind insbesondere der Freundschaftsbrief und der philosophische Brief relevant. Züge des Freundschaftsbriefs enthalten die Paulusbriefe, weil die Beziehung zwischen Paulus und der Gemeinde stets bedeutsam ist, Züge des philosophischen Briefs, weil lehrhafte und ethische Passagen miteinander kombiniert werden.7 „Als weitere Elemente der griechisch-römischen Brieftopik finden sich in den Paulusbriefen: Lob, Tadel, Ermahnung, Trost, Anklage und Verteidigung. Paulus übernimmt keine antike Briefgattung, sondern er lehnt sich an antike Briefkonventionen an und variiert sie zugleich eigenständig.“8 In diesem Sinn ist das Konzept der Gattungsmischung relevant, das von einer Flexibilität im Umgang mit rhetorischen Vorgaben zeugt, die auch für die Beurteilung von Metaphernkombinationen von

5 Die Auffassung, der Philemonbrief sei primär an eine Person gerichtet, stützt sich auf die durchgängige Anrede in der zweiten Person Singular. Allerdings ist er nicht darauf beschränkt, da weitere Adressatinnen und Adressaten in 1,2 benannt werden. Er richtet sich (zumindest sekundär) auch an Philemons Hausgemeinde. (So auch SCHNELLE, Einleitung, 59.) Möglicherweise ist die erweiterte Anrede intendiert und Paulus sieht in den Genannten „potentielle BündnispartnerInnen“ für sein Anliegen. (So LEUTZSCH, MARTIN, Apphia, Schwester!, in: Dorothee Sölle [Hg.], Für Gerechtigkeit streiten. Theologie im Alltag einer bedrohten Welt. [FS Luise Schottroff], Gütersloh: Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1994, 76–82. Hier: 79) 6 Vgl. auch SCHNELLE, Einleitung, 119. 7 Vgl. a.a.O. 55f. 8 A.a.O. 56.

1. Genre/Gattung

271

Bedeutung sein kann.9 Diese Freiheiten machen sich auch im Aufbau der Paulusbriefe bemerkbar, zum Beispiel in der von Paulus gebrauchten Mischform aus verschiedenen Präskriptvarianten.10 Der Kolosser- und Epheserbrief können als Rundbriefe bzw. Zirkularschreiben angesehen werden, die sich nicht vorrangig oder ausschließlich an eine Einzelgemeinde richten, sondern einen weiteren Empfängerkreis haben (vgl. etwa die ausdrücklich geforderte Weiterleitung des Briefs in Kol 4,13).11 Die drei gemeinhin als „Pastoralbriefe“ bezeichneten Schriften sind anders als die meisten anderen neutestamentlichen Briefe nicht an eine Gemeinde, sondern konkreter an Einzelpersonen, die die Gemeinde leiten, gerichtet. Besonders 1Tim und Tit können somit als „amtliche briefliche Instruktionen an Einzelpersonen“12 gesehen werden. Wegen seiner eher personalen Ausrichtung und des damit einhergehenden testamentarischen Charakters kann 2Tim näher als „testamentarische Mahnrede“13 bezeichnet werden. Auch wenn generell der Brief an eine Einzelperson gerichtet ist, können darin durch die Einzelperson vermittelte Anweisungen an die Gemeinde enthalten sein, so etwa die Aufforderung zum Gebet, in deren Kontext der metaphorische Verweis auf Jesu Tod in 1Tim 2,5–6 steht. Wie schon erwähnt, fehlen im Hebräerbrief, trotz seiner allgemeinen Bezeichnung als „Brief“, Hauptcharakteristika der antiken Briefliteratur, insbesondere im vorderen Teil. Ob der Briefschluss daher möglicherweise als sekundäre Ergänzung anzusehen ist, ist umstritten. Anstelle des Präskripts/Proömiums steht eine Art Exordium, in dem möglicherweise bereits auf den Tod Jesu indirekt eingegangen wird (1,3; im Zuge der Reinigung von Sünden). Obwohl der briefliche Schluss nicht unbedingt von einer zweiten Hand angefügt wurde, macht die Gesamtschrift eher den Eindruck, ursprünglich als Rede konzipiert zu sein. Möglicherweise wurde der Schlussteil vom Verfasser zu einem späteren Zeitpunkt angefügt. Es ist somit wohl treffender, von einer Mahnrede mit brieflichem Schluss zu sprechen.14 Die drei für den Tod Jesu relevanten „katholischen“ Briefe gehören für sich jeweils verschiedenen Gattungen an. Während alle durchaus Briefelemente aufweisen, kann nur 1Petr verhältnismäßig eindeutig als briefliches Rundschreiben charakterisiert weden.15 Demgegenüber treten die Briefelemente in den anderen beiden Schriften in den Hintergrund. 2Petr enthält daneben auch

9

Vgl. a.a.O. 56 Fn 89. Vgl. a.a.O. 57f. In diesem Zusammenhang wird häufig zwischen „griechischen“ und „orientalischen“ Präskripten unterschieden, wobei zu fragen bleibt, wie die Zuschreibung „orientalisch“ geographisch bzw. inhaltlich überhaupt gefüllt wird. 11 Vgl. SCHNELLE, Einleitung, 368.370.382–385. 12 A.a.O. 413. 13 A.a.O. 416. 14 Ähnlich auch Schnelle, vgl. a.a.O. 450. 15 Vgl. a.a.O. 485. 10

272

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Anleihen an die Gattung Testament.16 Für den 1Joh, dem (ähnlich wie Hebr) wichtige Briefelemente wie der Briefanfang fehlen, wurden sehr unterschiedliche Gattungsbezeichnungen vorgeschlagen. Berger zufolge kann 1Joh insgesamt als postconversionale Mahnrede angesehen werden.17 Schnelle klassifiziert die Schrift allgemeiner „als theologischer Diskurs (in einem Schreiben mit brieflichen Elementen)“.18 Bei der Offenbarung ist die entsprechende Obergattung bereits in der Bezeichnung des biblischen Buchs gegeben. Es handelt sich um einen apokalyptischen Bericht, der als Rundbrief stilisiert wurde.19 Dabei geht es vorrangig um die Darlegung von Visionen (visionärer Ich-Bericht). Betrachtet man die Mikrogattungen, die innerhalb der Großgattungen vorhanden sind, so lässt sich für die Evangelien zunächst grundsätzlich unterscheiden, ob durch die Erzählinstanz auf den Tod Jesu hingewiesen wird oder durch Jesus selbst.20 Der Tötungsbeschluss wird mehrfach erzählt und dabei in unterschiedliche Kontexte gerückt, so etwa auch in den erzählerischen Rahmen einer Wundergeschichte (Mk 3,6par). In eine ähnliche Richtung deuten die Verweise, dass Judas Jesus ausliefern wird (z.B. in der Berufung der Zwölf, Mk 3,19par oder in Joh 12,4). Gerade im Johannesevangelium findet sich eine Reihe von Kommentaren durch die Erzählinstanz (vgl. z.B. Joh 18,32), durch die das Geschehen kontinuierlich auf Jesu Tod ausgerichtet wird. Spricht Jesus selbst von seinem Tod, so geschieht dies am häufigsten durch allgemeine Weissagungen und Leidensankündigungen, in denen oft zusätzlich sehr indirekt gesprochen wird (z.B. Mk 8,31; 9,31; 10,33f.; 10,45; 14,21.41 [jeweils mit Parallelstellen]; Mt 26,2.18; Lk 13,31–34; 22,21f; 22,37; Joh 7,33f.; 8,21; 12,7). Teilweise sind diese Weissagungen bildhaft und dadurch noch schwerer zu „entschlüsseln“ (vgl. z.B. Mk 10,38f.par; 14,27; Lk 12,49f.; Joh 7,24; 14,1–7; 18,11). Ein Beispiel für eine bildhafte Weissagung, die dann durch die Erzählinstanz gedeutet wird, bildet das Wort von der Tempelzerstörung in Joh 2,18–22. Nur im Johannesevangelium begegnen auch Weissagungen durch Dritte (vgl. Joh 1,29.36 und 11,50–53). Jesu Todesweissagungen stehen teilweise wiederum im Kontext unterschiedlicher Gattungen, etwa häufiger innerhalb von Belehrungen der Jüngerinnen und Jünger (vgl. Mk 10,38f.45par; Joh 13,33; von der Funktion her ähnlich sind die Todesweissagungen im Zuge der johanneischen Abschiedsreden, die ebenfalls von Fragen der Jüngerinnen und Jünger gelenkt werden, vgl. etwa Joh 14,1–7.18f.28; 16,5–11.16–22.28). Als Weissagung innerhalb eines Schulgesprächs ist ferner Joh 3,14–16 zu betrachten. In Mk 14,9par, und in gewisser 16

Vgl. a.a.O. 505. Vgl. BERGER, Formgeschichte, 133f. 18 Vgl. SCHNELLE, Einleitung, 542. 19 Vgl. a.a.O. 608. 20 S.u., Abschnitt 2. 17

1. Genre/Gattung

273

Analogie dazu auch in den Deutungsworten des Abendmahls, wird vor den Jüngern und Jüngerinnen eine bestimmte Handlung durch Jesus als (prophetische) Zeichenhandlung bewertet. Steht der Verweis auf Jesu Tod im Zusammenhang einer Auseinandersetzung mit gegnerischen Gruppen, so ist die Sprache generell noch bildhafter geprägt, so etwa in der Frage nach dem Fasten (Mk 2,18–22par) und in der Zeichenforderung (Mt 12,40; 16,4par). In diesem Zusammenhang ist auch die Deutung des bevorstehenden Todes Jesu in dem Gleichnis Mk 12,1–9par zu sehen, und die erzählte Reaktion in V. 12 zeigt sowohl, dass die Hörenden das Gleichnis auf sich beziehen, als auch, dass dies den Tötungswunsch weiter befeuert. Daneben begegnen noch einzelne Passagen, die Kleingattungen zugeordnet werden können: Der Verweis auf Jesu Tod steht in Mk 14,36par im Kontext eines von Jesus gesprochenen Gebets, und bereits der vorausgehende Vers gibt ein solches indirekt wieder. Auch in Joh 17,11.13 wendet sich Jesus betend an Gott. Daneben kann Joh 10,11–17 am ehesten als eine Art metaphorische Rede aufgefasst werden und Joh 15,13 als allgemeine Sentenz. Am Ende des Lukasevangeliums wird das Schicksal Jesu im Zuge von Erzählungen der Begegnung mit dem Auferstandenen noch einmal retrospektiv von ihm gedeutet (Lk 24,25–27.44–47). In gewisser Weise können auch diese Gespräche als Jüngerbelehrungen aufgefasst werden. In der Apostelgeschichte kommen die Verweise auf den Tod Jesu in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle im Zusammenhang von (häufig öffentlichen) Reden vor. Diese haben einen größtenteils missionarischen Einschlag, wenn sich auch je nach Situation ebenfalls apologetische Elemente finden (vgl. z.B. Apg 2,23f.27 [Bezug des Psalmzitats auf Jesus].36; 3,15.18; 4,10.12; 10,39f.; 13,28–30). Klarer im Rahmen einer Verteidigungsrede steht 26,22f., während Apg 20,28 in einer Abschiedsrede verankert ist, die somit insgesamt eher testamentarische Züge trägt. Daneben begegnet der Tod Jesu vereinzelt in Bekehrungsgeschichten, bzw. in mit missionarischer Tätigkeit verbunden Lehr- und Offenbarungsdialogen21 (so vor allem in Apg 8,32–35 und auch 17,3). Auch in den zahlreichen Konflikterzählungen der Apostelgeschichte, in denen Mahnung und Schelte eine zentrale Rolle spielen, wird auf Jesu Tod Bezug genommen (vgl. insbesondere Apg 5,28–31, aber auch wiederum 17,3). Hinsichtlich der „echten“ Briefe des Neuen Testaments kann auf den Tod Jesu in allen drei Teilbereichen Bezug genommen werden, in Briefanfang, korpus und -schluss. Viele Exegetinnen und Exegeten nehmen eine weitere Unterteilung des Briefanfangs in Präskript, Proömium (briefliche Danksagung) und briefliche Selbstempfehlung, sowie des Briefschlusses in Schlussparänese und Postskript vor.22 Mit Broer ist jedoch zu beachten, dass gerade die Danksagung und briefliche Selbstempfehlung schwer abzugrenzen sind und ggf. 21 22

Vgl. BERGER, Formgeschichte, 249–256. Vgl. SCHNELLE, Einleitung, 57–63.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

auch als Teil des Briefkorpus angesehen werden können.23 Für die genuin paulinischen Briefe seien nur einige Beispiele angeführt, die zeigen, wie die Erwähnungen des Todes Jesu mit unterschiedlichen Briefteilen korrespondieren: In Gal 1,4 wird auf Jesu Tod innerhalb des Präskripts verwiesen, in 2Kor 1,5– 7 innerhalb des Proömiums. Für den Hauptteil der Briefe kann eine ganze Reihe von Beispielen angeführt werden. Hier kann man jedoch wiederum unterscheiden, ob die Erwähnung des Todes Jesu im Kontext von Belehrungen, Mahnungen, Tröstungen etc. erfolgen, womit jeweils eine Schwerpunktverschiebung einhergeht. Exemplarisch genannt sei die Forderung, den Bruder nicht in Schwierigkeiten zu bringen, für den Jesus gestorben ist, die sich gleich zwei Mal findet, in Röm 14,15 und 1Kor 8,11, und die eine klare ethisch-paränetische Ausrichtung besitzt. Ebenso können die Ausführungen genereller Art sein oder auf spezifische Missstände, Fragen oder Probleme in der Gemeinde bezogen sein. Gerade im 2Kor wird der Tod Jesu auch in apologetischen Zusammenhängen aufgegriffen. Ein Beispiel für die Erwähnung des Todes Jesu in der Schlussparänese bietet etwa 2Kor 13,4. Nicht in jedem Fall ist über die gesamte Brieflänge der Tod Jesu präsent. Während er in 2Kor und Gal sowohl im Anfangsteil, im Hauptteil und in der Schlussparänese erwähnt wird, kommt er im Röm nur im Mittelteil vor – hier jedoch auf sehr komplexe und vielfältige Weise. Schließlich ist zu beachten, dass Paulus ௅ ebenso wie die anderen Verfasser bzw. Verfasserinnen der neutestamentlichen Briefliteratur ௅ teilweise auch Texte mit Erwähnungen des Todes Jesu aufgreift und zitiert, die anderen Gattungen angehören und somit auch einen ursprünglich anderen Sitz im Leben aufweisen, wobei das Vorhandensein und der Umfang solcher Traditionen jedoch keineswegs eindeutig geklärt sind. Anzunehmen sind sie zumindest für den „Christushymnus“ im Philipperbrief wie auch für die Abendmahlstradition. Auch an anderer Stelle scheint die paulinische Sprache von Bekenntnissen beeinflusst zu sein.24 Auch in den nicht-paulinischen Schriften, die entweder tatsächliche Briefe darstellen oder als Briefe stilisiert wurden, lässt sich erkennen, dass die Erwähnung des Todes Jesu in allen Briefteilen und den entsprechenden Untergattungen auftauchen kann. Eine besonders umfassende Verteilung in unterschiedliche Bereiche ist dabei im 1Petr auszumachen. Hier lässt sich 1Petr 1,2 im Präskript verorten und 1,11 im Proömium (weitere Verweise auf Jesu Tod in Proömien finden sich etwa in Eph 1,7 und 2Petr 1,9; 2Tim 1,10 kann entweder dem Proömium oder der brieflichen Selbstempfehlung zugeordnet werden). Natürlich ist auch hier der Großteil der Anspielungen im Hauptteil auszumachen,

23 24

Vgl. BROER, Einleitung, 277. S.u., Abschnitt 3.2.

1. Genre/Gattung

275

den man wiederum in postconversionale Mahnrede und symbuleutische Argumentation aufteilen kann.25 Auch dann ist noch eine Unterscheidung in eine Reihe von Untergattungen möglich, etwa Martyriumsparänese, apologetische Argumentation, Makarismus, Aufforderung zum Bekenntnis und zur Leidensbereitschaft.26 Diese genaue Aufteilung ist jedoch nur für detaillierte Analysen spezifischer Passagen relevant. In der Schlussparänese (1Petr 5,1) kommt ebenfalls eine Erwähnung des Todes Jesu vor. Als ein weiterer wichtiger Kontext, der zugleich eine Gattungszuordnung konstitutieren kann, ist in den neutestamentlichen Briefen die Auseinandersetzung mit, Abgrenzung von und Warnung vor Irrlehren zu nennen.27 Dabei ist der Tod Jesu z.B. in Kol 2,12– 14.20; 2Petr 2,1 und 1Joh 5,6–8 relevant. Für den Kolosserbrief lässt sich beispielhaft feststellen, wie der Übergang von einer Gattung in eine andere auch mit einem Wandel im Sprechen vom Tod Jesu einhergeht. Während die Erwähnungen des ersten Kapitels (Kol 1,14.18.20.22) innerhalb oder im Zusammenhang einer Art Lobpreis bzw. eines Enkomions28 stehen (wie dies auch für Eph 1,7 gilt), sind die nachfolgenden Bezüge (Kol 2,12–14.20; 3,3) eben in die Abgrenzung von falschen Lehren und auch eine generelle symbuleutische Argumentation eingebunden (3,3 mit stärkerer paränetischer Ausrichtung). Dadurch rückt im hinteren Teil des Kol auch das Mitvollzugs-Motiv stärker in den Vordergrund, weshalb sich die Metaphern zu solchen wandeln, in denen Jesu Tod das Vehicle darstellt. Als letzte Kleingattung der neutestamentlichen Briefliteratur sei auf Ständeordnungen innerhalb der Gemeinde bzw. auf Haustafeln verwiesen. Innerhalb dieser Gattungen stehen Verweise auf den Tod Jesu in Eph 5,25–28; Tit 2,14 und 1Petr 5,1. Die Struktur antiker Briefe auf den Hebräerbrief zu beziehen, erscheint wenig gewinnbringend. Offensichtlich wurde diese Schrift nicht ursprünglich als Brief, sondern eher als eine Art Rede oder Predigt konzipiert. Dementsprechend können eher die unterschiedlichen Teile der antiken Rede als Untergattungen hinzugezogen werden: exordium, narratio, propositio, argumentatio, peroratio.29 Dabei sind Erwähnungen des Todes Jesu in all diesen Teilen zu finden. Hebr 1,3 würde diesem Schema folgend zum exordium gehören, 2,9– 18 zur narratio. „Die narratio mündet in die propositio, den Kernsatz, der sie bündelnd und einprägsam zusammenfasst und damit zugleich die Ausgangsbasis für den argumentativen Zentralteil darstellt.“30 Diese propositio sieht Backhaus in 4,14–16 gegeben, wobei mit 4,15 darin auch auf den Tod Jesu Bezug 25

Vgl. BERGER, Formgeschichte, 130–135.93–101. Vgl. a.a.O. 145–147.362.193.94. 27 Vgl. a.a.O. 144f. 28 Vgl. a.a.O. 344–346. 29 Vgl. auch BACKHAUS, KNUT, Der Hebräerbrief (Regensburger Neues Testament), Regensburg: Pustet 2009, 42–44. 30 A.a.O. 43. 26

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

genommen wird. Gleichzeitig bildet diese Passage die Überleitung zur argumenatio, die ab dort bis ins zehnte Kapitel folgt, und in der auf vielfache Weise, vor allem durch die sich hier entwickelnde Opferdeutung, auf die Funktion und Wirkung des Sterbens Jesu verwiesen wird. Ab 10,19 folgt die peroratio, die wiederum durch eine Passage eingeleitet wird, in der der Tod Jesu von zentraler Bedeutung ist. Hebr 10,19–25 zählt Backhaus ebenso wie 2,17f. zu den recapitulationes. „Solche ‚Ausgipfelungen‘ finden wir als christologische Kurzformeln gerade an Schlüsselstellen der Leserlenkung.“31 Auch im offenbar nachträglich angeführten Briefteil, in dem die Ausführungen auf die Lebenswelt der Rezipierenden bezogen werden, bleibt der Tod Jesu relevant. Die letzte Erwähnung des Todes Jesu im Hebräerbrief (in 13,20) steht im Zusammenhang der Bitte um Fürbitte bzw. des Segenswunsches. In der Apokalypse dominieren selbstverständlich Visionsberichte in der ersten Person. Darin enthalten ist aber eine Vielzahl an weiteren Gattungen. Besonders in hymnischen Stücken, im Sinne einer erzählten himmlischen Liturgie, tauchen Verweise auf den Tod Jesu gehäuft auf. Man kann diese Texte noch weiter unterteilen: So handelt es sich laut Berger bei Apk 1,18 um eine „Aretalogie im Ich-Stil“,32 die zugleich „Selbstvorstellung des Erscheinenden“33 ist. In 5,9f.12 wird auf Jesu Tod im Kontext von Axios-Akklamationen eingegangen und 12,11 kann näher als kommentierte Proklamation aufgefasst werden.34 Durch die Stilisierung als Brief findet sich auch in der brieflichen Einleitung der Apk, in 1,5–7, ein Hinweis auf Jesu Tod. Auch in der Botenformel im zweiten Sendschreiben, das die Selbstvorstellung des Briefstellers zu Beginn des Briefs beinhaltet, begegnet eine Erwähnung des Todes Jesu (2,8). Die zentrale Darstellung des „Lamms wie geschlachtet“ in 5,6 kann näherhin als Ekphrasis bezeichnet werden, die genuin epideiktisch ausgerichtet ist.35 In 11,8 wird Jesu Tod, der hier nur von untergeordneter Bedeutung ist, im Zusammenhang eines apokalyptischen Propheten- bzw. Märtyrerberichts erwähnt.36 Er hat hier kommentierende und erläuternde Funktion, da auf den Ort des Todes Jesu Bezug genommen wird. Dieser unvollständige Durchgang zeigt die Gattungsfülle der neutestamentlichen Schriften auf, und die Omnipräsenz des Todes Jesu durch verschiedenste Gattungen hindurch. Dabei sind klare Zuordnungen nicht immer möglich, und auch nicht immer notwendig. Je nach Gattung unterscheidet sich der ursprüngliche Verwendungszweck und Kontext einer Passage. Ziel und Zweck der Argumentationsführung, der Anlass, aus dem der Tod Jesu in den Zusammenhang eingebracht wird, verschieben sich so. Dies kann auch Auswirkungen auf die 31

Ebd. Vgl. BERGER, Formgeschichte, 242. 33 Vgl. a.a.O. 262. 34 Vgl. auch a.a.O. 242. 35 Vgl. a.a.O. 221. 36 Vgl. a.a.O. 295.303f. 32

2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen

277

Angemessenheit metaphorischen Sprechens haben. Aus diesem Grund ist bei einer gründlichen Analyse der Rede vom Tod Jesu die jeweilige Gattung ௅ und damit verbunden der Kontext und die Aussageintention ௅ im Blick zu behalten.

2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen 2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen

Die Frage, wer den Tod Jesu erzählt oder eine Deutung im Hinblick auf diesen vornimmt, wirkt auf den ersten Blick banal, scheint doch der Schwerpunkt auf dem zu liegen, was ausgesagt wird und nicht von wem. Dennoch lassen sich einige interessante Beobachtungen machen, wenn dieser Frage näher nachgegangen wird. So berichten in den synoptischen Evangelien die Erzählinstanzen zwar an einigen Stellen davon, dass die Gegner Jesu seinen Tod beschließen und planen, dass Jesus verraten wird und schließlich, dass Jesus am Kreuz stirbt (vgl. z.B. Mk 3,6.19; 14,1; 15,37–39, mit jeweiligen Parallelstellen).37 Auf die konkrete Bedeutung des Todes Jesu gehen sie jedoch nicht ein – sieht man einmal von der Deutung auf erzählerischer Ebene ab, wenn der Tod Jesu mit apokalyptisch anmutenden Begleitumständen und dem zeitgleichen Zerreißen des Tempelvorhangs geschildert wird. Die konkretere Aussage, dass Jesu Tod geschehen wird, ja, geschehen muss, und dass er in soteriologischer Hinsicht Relevanz besitzt, wird Jesus selbst in den Mund gelegt: in den Leidensankündigungen (Mk 8,31; 9,31; 10,33f.par38) sowie in den parallel dazu stehenden Weissagungen Mk 14,21.41par und Mt 26,18, in der Deutung einer Zeichenhandlung (Mk 14,8par), codiert als Gleichnis (Mk 2,19f.; 12,1–12par) oder Metapher (Mk 14,27; Mt 12,40; 16,4; Lk 12,49f.), mit soteriologischer Implikation im Lösegeldwort (Mk 10,45; Mt 20,28) und in der Abendmahlseinsetzung (Mk 14,22–24par). Dabei ist jedoch auffällig, dass Jesu Aussagen fast immer in irgendeiner Form indirekt sind. Entweder spricht Jesus zwar direkt davon, dass er getötet wird, nicht aber in der Ich-Perspektive. Stattdessen verweist er auf den „Menschensohn“ oder redet auf sonstige Weise von sich selbst

37 Besonders aussagestark ist das letzte Urteil von Jesu Gegnern bei Matthäus, Jesus sei des Todes schuldig (਩ȞȠȤȠȢ șĮȞ੺IJȠȣ ਥıIJ઀Ȟ; Mt 26,66). Dies findet sich in Mk 14,64 in indirekter Rede, bei Lk und Joh dagegen gar nicht ausdrücklich. In den Synoptikern spielt zudem das von der religiösen Führung angestachelte Volk eine Rolle, wenn es Pilatus zur Kreuzigung Jesu auffordert (Mk 15,13f.; Mt 27,22f.; Lk 23,21–23; bei Mt zusätzlich gesteigert durch die Aussage, dass Jesu Blut über es kommen möge, Mt 27,25). Bei Joh geht die Kreuzigungsaufforderung hingegen offenbar ausschließlich von den Hohepriestern aus (Joh 19,6.16). 38 Allerdings werden in Mk 8,31par und 9,31 (hier jedoch nicht in den Parallelstellen) Jesu Worte in indirekter Rede wiedergegeben.

278

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

in der dritten Person (so etwa in den Leidensankündigungen39). Oder Jesus spricht zwar in der ersten Person, drückt seinen bevorstehenden Tod aber auf indirekte Weise aus40 (so etwa in der Abendmahlseinsetzung oder in Mk 14,8: „zu meiner Bestattung“). Häufig liegt eine Verbindung beider Elemente vor, etwa im Lösegeldwort, im Ecksteinzitat Mk 12,10f.par, in der Ankündigung der Hinwegnahme des Bräutigams (Mk 2,20par) oder in der Metapher vom Geschlagen-Werden des Hirten (Mk 14,27). Daraus resultiert eine Diskrepanz zwischen den sehr deutlichen Worten, mit denen die synoptischen Erzählinstanzen den Tod Jesu durch die Schilderung des Tötungsbeschlusses von einem frühen Zeitpunkt aus vorankündigen, und der verhüllten Redeweise Jesu, die allerdings, im Gegensatz zu den nüchternen Erzählabschnitten, Horizonte und Verstehensangebote zur Deutung dieses Todes eröffnet. Die eigentümliche Weise, in der Jesus bei den Synoptikern auf seinen Tod Bezug nimmt – indirekte Sprechweise auf der einen Seite, tiefergreifende Deutungen auf der anderen Seite –, spiegelt womöglich einige ihrer Grundanliegen wider. So werden damit bestimmte Interpretamente des Todes Jesu – und die Interpretation seines Todes überhaupt – durch Rückführung auf ihn selbst legitimiert. Andererseits erscheint durch Jesu indirekte Sprechweise das – historisch wohl belegbare – Ereignis des Jüngerunverständnisses und der Jüngerflucht glaub- und verstehbarer.41 Etwas anders als bei den Synoptikern fällt die Aufteilung der Sprecherinnen und Sprecher im Johannesevangelium aus. Auch hier kündigt Jesus seinen Tod selbst an, wobei ihm direkte Begrifflichkeiten wie „sterben“ oder „getötet werden“ meistens nicht in den Mund gelegt werden (Ausnahme: Joh 12,24, das „Sterben des Weizenkorns“), sondern stattdessen auf vielfältige, indirekt-euphemistische Weise z.B. vom „Fortgehen“, der „Stunde“, der „Erhöhung“, dem „Einsetzen“ oder „Hingeben“ des Lebens und anderem mehr die Rede ist. Diese äußerst indirekte Sprechweise führt auf der Erzählebene sogar zu eklatanten Missverständnissen: „Die Juden und Jüdinnen“ interpretieren seine Ankündigung des Fortgehens als Andeutung einer intendierten Selbsttötung (Joh 8,22). Auch die Kombination von indirektem Sprechen und Sprechen in der dritten Person, die in den synoptischen Evangelien aufgefallen war, kommt etwa in Joh 2,18–22 (Abbrechen und Wiederaufrichten des Tempels) und 3,14– 16 (Erhöhung des Menschensohns und Geben des einzigen Sohns) vor, ist jedoch weniger dominant. Insbesondere nach dem dreimal erzählten Tötungsbeschluss (Joh 5,18; 7,1.25) durchzieht Jesu Ankündigung seines Fortgehens (in 39 Ausnahme ist Mt 16,21: Hier wird der markinische „Menschensohn“ in der indirekten Rede durch ein Pronomen ersetzt, wodurch der Bezug zu Jesus klar wird. 40 Zu den verschiedenen Weisen, wie der Tod Jesu indirekt ausgedrückt werden kann, s.u., Abschnitt 4.2. 41 Vgl. BARTH, Tod Jesu Christi, 8f.13–17. „Jüngerunverständnis“ und „Jüngerflucht“ werden hier als etablierte Termini verwendet, die nicht ausschließen, das etwa auch weibliche Jesusuanhängerinnen Unverständnis gezeigt haben und geflohen sein können.

2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen

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der ersten Person), mit Variationen weiterer indirekter Sprechweisen, das gesamte Evangelium. Durchbrochen wird es ab diesem Punkt nur noch von wenigen Passagen, in denen Jesus nicht in der ersten Person spricht, nämlich dem erwähnten „Sterben des Weizenkorns“ und dem „Hingeben des Lebens“, das sich in Joh 10,11–18 und 15,13 jeweils mit „für“-Aussagen verbindet und in dem der Hirte bzw. „einer“ Subjekt ist. Diese Aussagen gehören dann auch zu den deutlichsten im Johannesevangelium und unterstützen allesamt die Deutung, dass Jesu Tod in dem Sinne „für“ andere erfolgt, dass er zu ihrem Schutz oder einer anderen positiven Konsequenz führt. Dadurch, dass sich Jesus in 10,11 selbst im Ich-bin-Wort als der gute Hirte darstellt, ergibt sich in diesem Abschnitt eine Gleichsetzung, weshalb man hier noch am ehesten von einem direkten Verweis Jesu auf seinen Tod sprechen kann. Auch sonst macht es die im Vergleich zu den Synoptikern stärker ausgeprägte Metaphorizität einfacher, die indirekten Sprechweisen des johanneischen Jesus zu verstehen. Neben Jesus selbst werden – anders als bei den Synoptikern – auch weiteren Charakteren des Johannesevangeliums Deutungen des Todes Jesu zugeschrieben. Prominent ist hier besonders der Hohepriester Kajafas, der im Kontext des Tötungsbeschlusses durch den Hohen Rat konstatiert, es sei besser, wenn ein einzelner Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht (Joh 11,50). Auch die Bezeichnung Jesu als das „Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt“ durch Johannes den Täufer (Joh 1,29; Wiederholung des Titels „Lamm Gottes“ ohne zusätzliche Deutung in 1,36) muss wohl bereits als Verweis auf Jesu Tod gesehen werden.42 Interessant ist hierbei, dass auch Johannes in der dritten Person spricht, obwohl Jesus anwesend ist. Hierdurch entsteht eine Analogie bzw. ein Parallelismus zu Jesu Redeweise in Joh 2,18– 22 und 3,14–16. Zudem wird gerade durch die doppelte Bezeichnung Jesu als „Lamm Gottes“ das gesamte Johannesevangelium von Beginn an auf Jesu Tod ausgerichtet, wozu später Jesu eigene Verweise auf sein Fortgehen beitragen. Literaturwissenschaftlich kann dies als foreshadowing bezeichnet werden. Anders als bei den Synoptikern ist Jesu bevorstehender Tod bei Johannes nicht nur Jesus selbst (und den Gegnern, die diesen planen), sondern auch anderen Personen bekannt, die sogar von der soteriologischen Relevanz wissen. Zudem spielen Kommentare der Erzählinstanz im Johannesevangelium eine bedeutendere Rolle. Bei den Synoptikern beschränken sich Erzählabschnitte auf die Beschreibung der Tötungsabsicht und die Schilderung des Todes an sich. Demgegenüber kommen bei Johannes Verweise der Erzählinstanz auf den 42

Der Begriff „Lamm Gottes“ ist an sich bedeutungsoffen und der traditionsgeschichtliche Hintergrund ist unklar. Das Hinwegnehmen der Sünden muss nicht zwingend durch Jesu Tod geschehen (sondern z.B. durch den Zuspruch der Sündenvergebung oder die Nachfolge). Hier besteht die Gefahr, diese Verse vorschnell als Verweis auf Jesu Tod zu vereinnahmen. Gleichwohl sind die Assoziationen zum Tod innerhalb des Joh selbst und darüber hinaus (z.B. in Apk) stark.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Tod Jesu deutlich häufiger vor und zwar auf verschiedene Weise, mit unterschiedlicher Ausprägung. Zum einen strukturieren sie das Geschehen und wiederholen Jesu eigene Aussagen: So stehen vermehrt Hinweise auf das Kommen oder Nicht-Gekommen-Sein der Stunde (z.B. Joh 8,20 und öfter) und darauf, dass Jesus zu Gott fort- bzw. hinübergehen (Joh 13,1.3) wird. Wie schon die Weissagungen Jesu dienen diese Kommentare dazu, das Evangelium auf den Tod Jesu auszurichten und die Lesenden bzw. Hörerenden stetig an das Kommende zu erinnern. Zum anderen gibt es aber auch Kommentare, die die Erzählungen unterbrechen und auf eine andere Ebene versetzen. In literaturwissenschaftlicher Hinsicht liegt hierbei eine Pause in der Erzählzeit vor.43 Diese Kommentare dienen meistens der besseren Verständlichkeit oder der Verdeutlichung des Erzählten. So folgt auf die bereits erwähnte Aussage des Hohepriesters ein Kommentar der Erzählinstanz, der diese nochmals wiederholt und klarstellt, dass Kajafas nicht aus sich selbst spricht, sondern weissagt. Zudem wird seine Deutung in dem Sinne spezifiziert, dass der Tod Jesu nicht nur für das Volk erfolgt, sondern auch „um die zerstreuten Kinder Gottes zusammenzuführen“ (Joh 11,52). Häufiger noch folgen die Kommentare der Erzählinstanz auf Jesu Aussagen selbst. Wenn Jesus nach der Tempelaustreibung und der Aufforderung, ein Zeichen zu geben, die Zerstörung und Wiederaufrichtung des Tempels ankündigt (parallel zu Mk 14,58, was weniger explizit ist), woran die religiösen Eliten ungläubigen Anstoß nehmen, kommentiert die Erzählinstanz: „Er aber sprach von seinem Leib als Tempel“ bzw. „vom Tempel seines Leibes“ (Joh 2,21). Hierdurch wird Jesu indirekte Sprechweise in direkte überführt, die Metapher wird erklärt. Der Kommentar geht im nächsten Vers noch weiter und schildert proleptisch die nachösterliche Erkenntnis der Jüngerinnen und Jünger. Ähnlich wie in Joh 2,21f. erfolgt in 12,33 eine Erklärung zu Jesu Ankündigung (im vorherigen Vers), von der Erde emporgehoben zu werden: „Dies aber sagte er, um zu bezeichnen, welchen Tod er sterben würde.“ Auch in diesem Fall steht im Kontext (12,34) das Missverstehen der Hörerinnen und Hörer von Jesu Worten. Die Erzählinstanz durchbricht also an manchen Stellen die Erzählung und vermittelt die sonst in den Evangelien insgesamt und in Joh insbesondere typische indirekte Weise Jesu, von seinem Tod zu sprechen. Dadurch wird einerseits das Nicht-Verstehen der Umwelt plausibler, andererseits verschafft die Erzählinstanz den späteren Lesenden und Hörenden einen Wissensvorsprung, der verhindern soll, dass sie ähnlich Anstoß nehmen. In mancher Weise agiert die Erzählinstanz wie ein angelus interpres, der die Worte Jesu gemeinverständlich auslegt. Aber nicht nur die Worte Jesu 43

Vgl. EBNER, MARTIN/HEININGER, BERNHARD, Exegese des Neuen Testaments. Ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis, Paderborn: Schöningh 22007, 82: „Die Pause verringert das Erzähltempo bis hin zu einem Extremwert, d.h. die Geschichte und damit die erzählte Zeit stehen still. Erreicht wird das durch eingeschobene Beschreibungen, Kommentare oder Reflexionen des Erzählers“.

2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen

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werden von der Erzählinstanz – stellenweise – ausgelegt, sondern auch einige Geschehnisse in der Erzählung selbst, insbesondere in der Passionsgeschichte. Hier gibt es eine gewisse Verwandtschaft zu der Anführung von Erfüllungszitaten, wie sie insbesondere bei Mt zu finden ist. Die johanneische Erzählinstanz geht aber noch etwas darüber hinaus, so dass nicht nur die Erfüllung der Schrift, sondern zusätzliche Deutungshorizonte ersichtlich werden. So werden zum Beispiel die Textstellen, die möglicherweise das Interpretament nahelegen, Jesu Tod entspreche der Schlachtung eines Passalamms,44 von der Erzählinstanz selbst eingeführt. Sie situiert die Proklamation Jesu als König der Juden durch Pilatus am „Rüsttag des Passa, um die sechste Stunde“ (Joh 19,14).45 Zusätzlich legt sie die Tatsache, dass Jesus kein Knochen gebrochen wird, so aus, dass dadurch die Schrift erfüllt wurde (Joh 19,36), was auf die Regelungen zur Schlachtung des Passalamms in Ex 12,46/Num 9,12 LXX – oder auf Ps 33,21 LXX – hinweisen kann.46 Interessant ist also an dieser Stelle, dass eine mögliche Deutung des Todes Jesu als Passalamm im Johannesevangelium durch explizite Kommentare der Erzählinstanz evoziert wird. Dies stellt einen Unterschied zu den Synoptikern dar, in denen lediglich durch erzählerische 44 Dass diese Deutung nicht ganz unproblematisch und nicht die einzige Art ist, die vorliegenden Aussagen zu deuten, macht u.a. Christine Schlund deutlich: „Ob Johannes Jesu Tod als Tod eines Pesachlammes beschreiben wollte, läßt sich aus den vorhandenen Indizien nicht eindeutig belegen.“ (SCHLUND, CHRISTINE, Deutungen des Todes Jesu im Rahmen der Pesach-Tradition, in: Jörg Frey/Jens Schröter [Hg.], Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament [Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181], Tübingen: Mohr Siebeck 2005, 397–412. Hier: 406). Sie geht dennoch davon aus, dass der Bezug auf ein Passalamm durch die Strukturierung der letzten Kapitel des Johannesevangeliums wahrscheinlich ist, etwa durch die Verbindung der Ankündigung des Nahens von Jesu Stunde mit dem Heranrücken des Passafestest. Dabei sieht sie das Hauptmoment, das durch die Verbindung des Todes Jesu mit dem Passa gegeben ist, in dem daraus resultierenden Schutz der Gemeinschaft. (Vgl. a.a.O. 407–411.) 45 Sicherlich kann dies einfach als Zeitangabe zum besseren Verständnis des chronologischen Ablaufs gesehen werden. Die Genauigkeit der Angabe an dieser Stelle scheint aber zumindest eine Offenheit für weitere Assoziationen und damit tiefergreifende Deutungen zu bieten. Jedenfalls bezieht sich diese Zeitangabe, die eine Verbindung zwischen Jesu Schicksal und dem Schlachten der Passalämmer herstellt, nicht, wie teilweise fälschlich generalisiert wird, direkt auf den Tod Jesu, sondern lediglich auf die Proklamation durch Pilatus. Der Grund für diese Verbindung ist nicht genau geklärt. (Vgl. SCHLUND, Pesach-Tradition, 407.) 46 Vgl. a.a.O. 406f. Laut Schlund ist die Formulierung in Joh 19,36 mit Ex und Num nicht genau deckungsgleich. Hier passe Ps 33,21 besser. Dafür füge sich die Passatradition besser in die Gesamtkonzeption ein. Andererseits kann man m.E. aber auch geltend machen, dass vorher, in Joh 19,24 und Joh 19,28f., offenbar auf andere Psalmzitate zurückgegriffen wird, wodurch die Fortsetzung durch den Bezug auf Ps 33,21 stimmig sein würde. Vermutlich müssen die verschiedenen möglichen Bezüge einander aber gar nicht ausschließen und die Doppeldeutigkeit des Schriftzitats ist sogar intendiert. Vielleicht sah Johannes in Ps 33,21 auch einen Rückverweis oder ein Aufgreifen von Ex 12,46/Num 9,12.

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Momente wie die plötzliche apokalyptische Dunkelheit und das Zerreißen des Tempelvorhangs sowie durch den Verweis auf die generelle Erfüllung der Schrift implizit Deutungshorizonte eröffnet werden. In der Apostelgeschichte sind es hauptsächlich die Charaktere Petrus (z.B. Apg 2,23.36; 3,15.18; 4,10–12; 5,29–31; 10,39f.) und Paulus (Apg 13,28–30; 17,3; 20,28; 26,22f.), die von Jesu Tod sprechen. Die übrigen Apostel treten in diesem Zusammenhang nur als Chor gemeinsam mit Petrus auf (Apg 5,29). Eine interessante Abweichung von dieser apostolischen Dominanz ist die Nennung des Todes Jesu durch den Nicht-Christen Festus, der ihn im Kontext seines Berichts über die Anklage und Anhörung des Paulus Agrippa gegenüber erwähnt (Apg 25,19). Sprechen die Apostel jedoch, so wird – zumindest an einigen Stellen – deutlich, dass sie dies nicht nur aus eigener Motivation und Meinung heraus tun. So wird in Apg 4,8 explizit gesagt, dass Petrus erfüllt vom heiligen Geist spricht, was sich dann auch auf seine Aussagen zum Tod Jesu in 4,10–12 bezieht. Außerdem führen Petrus und Paulus an einigen Stellen aus, dass das, was sie sagen, den Worten der Prophetinnen und Propheten sowie des Mose entspricht (z.B. im Kontext von Apg 13,28–30 und 26,22f.). Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang Apg 3,18. Hier spricht zwar eigentlich Petrus, er bezieht sich jedoch auf eine Verkündigung „durch den Mund aller Propheten und Prophetinnen“, die er im Leiden (und Sterben) Jesu erfüllt sieht. Dass Petrus spricht, tritt also gegenüber der Weissagung der Prophetinnen und Propheten zurück. Anders ausgedrückt: Die Propheten und Prophetinnen sprechen hier primär, Petrus ist sekundärer Sprecher. Noch deutlicher wird dies ein Kapitel zuvor, in 2,27. Innerhalb der Pfingstrede geht Petrus in 2,23.36 selbst auf den Tod Jesu ein. Dazwischen, in V. 25–28, zitiert er ein längeres Stück aus Ps 16 (V. 8–11), das sich gerade in diesem Kontext wahrscheinlich auf Jesu Tod bezieht. Dabei ist insbesondere die Wendung „Seele im Hades“ in 2,27 relevant. Nun ist es aber nicht so, dass Petrus das Zitat einfach übernimmt, sondern er führt es mit den Worten ein „denn David sagt über ihn“ (Apg 2,25) und tritt somit wiederum – ähnlich wie in 3,18, aber noch deutlicher – als sekundärer Sprecher hinter David zurück. Primär spricht hier David vorausblickend von Jesu Schicksal. Eine letzte interessante und mit den genannten Beispielen verwandte Stelle liegt in 8,32–35, im Kontext der Bekehrung des Eunuchen von Äthiopien durch Philippus, vor. Obwohl Jesu Tod nicht direkt benannt wird, muss wohl davon ausgegangen werden, dass dieser hier anvisiert wird. Sprecherin ist in 8,32f. im engen Sinne die Schrift (nämlich der Abschnitt Jes 53,7f.), die laut vorgelesen wird, bzw. durch sie „der Prophet“ (Apg 8,34). Richtig auf Jesus hin ausgelegt wird diese dann aber erst durch Philippus (V. 35). Insgesamt lässt sich für die Apostelgeschichte – und somit für die erzählerische neutestamentliche Konstruktion des Urchristentums – ein Bestreben feststellen, das Sprechen vom Tod Jesu durch Autoritäten zu legitimieren. Dies geschieht zum einen durch die „Größen“ des Urchristentums, Petrus und Pau-

2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen

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lus, darüber hinaus aber durch den Rückbezug auf die Propheten und Prophetinnen sowie andere wichtige Personen der jüdischen Heiligen Schriften – bis hin dazu, dass diese selbst von Jesu Schicksal vorausschauend Zeugnis ablegen – und schließlich durch die Bemerkung, dass in den Aposteln (bzw. konkret in Petrus) der Heilige Geist spricht. Weniger vielfältig als in den Erzähltexten des Neuen Testaments gestaltet sich die Sprecher- bzw. Erzählsituation in der Briefliteratur. Doch auch hier muss hinreichend differenziert werden. Es erweckt den Anschein als seien es die Verfasser und Verfasserinnen47 selbst, die vom Tod Jesu sprechen und diesen deuten, konkret also Paulus, Mitglieder der paulinischen und johanneischen Schule und anonyme Autoren und Autorinnen. Dennoch muss, wie in den Erzähltexten, auch hier zwischen Verfasser und Erzählinstanz hinreichend differenziert werden. Dies wird gerade in den pseudepigraphen Schriften deutlich. Hier schreiben die jeweiligen Verfasser als Paulus bzw. Petrus. Es ist da47 Im Folgenden wird im Sinne besserer Lesbarkeit bei unklarer Autorenschaft in der Regel vom „Verfasser“ der neutestamentlichen Schrift gesprochen. Damit soll aber keine Geschlechtszuschreibung vorgenommen werden. Ross Kraemer zeigt etwa auf schlüssige Weise auf, dass für manche Frauen des Urchristentums eine für eine Autorenschaft ausreichende Bildung vorausgesetzt werden kann. (Vgl. KRAEMER, ROSS S., Women’s Authorship of Jewish and Christian Literature in the Greco-Roman Period, in: Amy-Jill Levine [Hg.], „Women like This“. New Perspecitves on Jewish Women in the Greco-Roman World [Early Judaism and Its Literature 1], Atlanta: Scholars Press 1991, 221–242.) Obwohl es nahezu keine frühchristlichen Schriften gibt, die eindeutig von Frauen verfasst wurden, wird es derartige Zeugnisse mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gegeben haben. Zudem legen die Grußlisten der Protopaulinen es nahe, dass zumindest in den frühesten Jahren des Christentums Frauen eine wichtige Rolle spielten. Besonders die Person der Priska hat dabei Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In Apg 18,26 wird etwa dargestellt, wie sie gemeinsam mit ihrem Mann Aquila Apollos unterweist (Vgl. auch a.a.O. 235). Unter anderem Adolf von Harnack hat Priska als mögliche Verfasserin des Hebräerbriefs angesehen. (Vgl. HARNACK, ADOLF VON, Probabilia über die Adresse und den Verfasser des Hebräerbriefs, in: Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde des Urchristentums 1 [1900], 16–41. Insbes. ab 32.) In jüngerer Zeit wird diese These etwa von Ruth Hoppins vertreten (Vgl. HOPPIN, RUTH, Priscilla’s Letter. Finding the Author of the Epistle to the Hebrews, San Francisco u.a.: Christian Universities Press 1997. S. auch WAGENER, ULRIKE, Der Brief an die HebräerInnen. Fremde in der Welt, in: Luise Schottroff/Marie-Theres Wacker [Hg.], Kompendium Feministische Bibelauslegung. Sonderausgabe, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 32007, 683–693. Hier: 683–685). Obwohl derartige Zuschreibungen aufgrund der fehlenden Beweislage hochgradig problematisch sind, bleibt doch zu beachten, dass bei anonymen oder pseudonymen Schriften ein männlicher Verfasser nicht gesetzt sein muss. Auch aufgrund von Sprache, Themen oder theologischen Schwerpunkten lässt sich schwerlich auf das Geschlecht eines Verfassers oder einer Verfasserin schließen – „wir können einfach nicht feststellen, wie ‚weibliches Schreiben‘ in der Antike auszusehen hätte.“ (WAGENER, HebräerInnen, 684.) Und schließlich bleibt zu fragen, ob es „weibliches Schreiben“ überhaupt gibt. Es bleibt festzuhalten: Die anonymen oder pseudepigraphen Schriften können von einer Person (oder einem Personenkreis) jeglichen Geschlechts verfasst worden sein.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

her sinnvoll, hier den Begriff der Persona zu verwenden. Die Etymologie dieses Begriffs beachtend, kann davon gesprochen werden, dass die Verfasser als Paulus bzw. Petrus „maskiert“ schreibem. Es ist davon auszugehen, dass dies eine Anspassung der theologischen Positionen und auch der sprachlichen Stilisierung nach sich zieht. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass die Verfasser in der jeweiligen Persona Ansichten formuliert haben, die zu ihren eigenen gänzlich konträr sind. Aber auch wenn man einen relativ hohen Grad der Identifikation annimmt, sind Verfasser und Erzählinstanz doch nicht deckungsgleich, die formulierten Positionen nicht zwingend auch die eigenen. Auch in den anonym verfassten Texten muss mit der Möglichkeit einer vom Verfasser abweichenden Erzählinstanz gerechnet werden. Selbst in den Protopaulinen wäre es zu einfach, die historische Persönlichkeit des Paulus als Stimme in den Briefen zu erwarten. Je nach Situation und adressierter Gemeinde verändert auch er die Rollen, in denen er schreibt. Paulus tritt einerseits als Apostel auf (z.B. Röm 11,12; 1Kor 9,5), andererseits als Sklave Jesu Christi (z.B. Röm 1,1; 1Kor 7,22) bzw. als einer, der sich jedermann zum Sklaven gemacht hat (1Kor 9,19). Ein Konvergenzpunkt beider Rollen besteht in der Bekräftigung, der geringste unter den Aposteln und des Titels nicht wert zu sein (1Kor 15,9). Daneben schreibt Paulus unter anderem in der Rolle eines alten Mannes und Gefangenen Jesu Christi (Phlm 1,9) und des – metaphorischen – Vaters der Gemeinde (1Kor 4,15). Abhängig von der jeweiligen Rolle unterscheiden sich Inhalt und Tonfall des Geschriebenen zum Teil erheblich. Die Sprechsituation in den Protopaulinen, Eph, Kol, den Pastoralbriefen und den katholischen Briefen wird stellenweise außerdem dadurch verkompliziert, dass sie zum Teil stark auf Zitate aus den jüdischen Heiligen Schriften rekurrieren, in denen und durch die (zusätzlich, meistens jedoch sekundär) andere Sprecherinnen und Sprecher im Text präsent sind. Hier seien nur einzelne Beispiele genannt: In Röm 9,33 wird eine Kombination aus Jes 8,14 und 28,16 angeführt. In beiden Zitaten ist im Ursprungstext Gott Sprecher. Dieselbe Zitatkonstruktion findet sich – um einen Verweis auf Ps 118,22 LXX erweitert – erneut in 1Petr 2,6–8. Ähnlich wird in Gal 3,13 darauf verwiesen, dass geschrieben steht: „Verflucht ist jeder am Holz Hängende“, was – wenn auch nicht ganz wörtlich – auf den Rechtstext in Dtn 21,23 verweist, der laut Dtn 10,12ff. Mose in den Mund gelegt wird. Mose wiederum fungiert als Sprachrohr Gottes, indem er seine Gebote verkündet. Weiter verkompliziert wird die Sprechsituation, wenn man den weiteren Kontext von Gal 3 hinzuzieht. Laut Gal 3,19 wurde das Gesetz (੒ ȞંȝȠȢ) – womit offensichtlich die Torah gemeint ist – von Engeln durch die Hand eines nicht weiter bestimmten Mittlers (įȚ’ ਕȖȖ੼ȜȦȞ ਥȞ ȤİȚȡ੿ ȝİı઀IJȠȣ) verordnet. Im folgenden Satz wird gerade diese Mittelbarkeit erneut aufgegriffen. Sie muss der Logik von Gal folgend auch für Dtn 21,23 gelten.

2. Erzählinstanz/Sprecher und Sprecherinnen

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In all diesen Fällen sind zwar in den Zitaten andere Sprecher vorhanden, anders als in z.B. Apg 2,25–28 und 3,18 werden diese jedoch nicht eigens eingeführt und kenntlich gemacht – allenfalls erfolgt ein genereller Verweis auf die Schrift (so in Gal 3,13 und 1Petr 2,6). Hier geht es also weniger darum, die Autorität und Legitimität von Interpretamenten durch die Urheber von Zitaten herauszustellen, wie dies in der Apg der Fall ist, als darum, diese so in den allgemeinen Argumentationszusammenhang der jeweiligen Verfasser einzufügen, dass ein kohärentes Ganzes entsteht. Einen expliziten anderen Sprecher gibt es nur in 1Kor 11,24f., in der Einsetzung des Abendmahls, bei der – analog zum Bericht der Synoptiker – Jesus selbst seinen Tod deutet. Auch hier ist jedoch durch die Einleitung die von Paulus zitierte Tradition als Erzählinstanz präsent. Etwas häufiger sind von der Erzählinstanz abweichende Sprecher im Hebräerbrief, der insgesamt sehr ausführlich und oft auf die jüdischen Heiligen Schriften rekurriert – sowohl indirekt-paraphrasierend als auch durch direkte Zitate. Natürlich liegen auch hier implizit andere Erzählerinnen und Erzähler in den Zitaten vor, wie dies bereits in den oben angeführten Beispielen der Fall war. Im Kontext des Abschnitts 9,15–22 wird das angeführte Zitat aus Ex 24,8 in 9,20 aber explizit Moses zugeschrieben. Noch interessanter sind zwei Abschnitte, in denen Jesus selbst Zitate aus den jüdischen Heiligen Schriften in den Mund gelegt werden: In Hebr 2,12f. wird der Ich-Erzähler einer Zusammenstellung verschiedener Texte mit Jesus identifiziert. Ganz ähnlich wird in Hebr 10,5–7 Ps 40,7–9 zitiert und dem auf die Erde kommenden Jesus zugeschrieben. Hier liegt damit eine Verschiebung gegenüber der sonstigen Verwendung der Schrift vor: Hat sie sonst zwar durchaus die Funktion, Aussagen Autorität zu verleihen, so wird sie vorrangig dazu herangezogen, Jesu Tod durch Prophezeiungen voranzukündigen. Dabei wird er lediglich von Dritten beschrieben. Im Hebräerbrief spricht Jesus selbst bereits in den Texten der jüdischen Heiligen Schriften und deutet so präexistent sein zukünftiges Schicksal. Alle drei für den Hebräerbrief angeführten Abschnitte mit abweichenden Sprechern stehen zudem im Kontext vielfältiger oder zentraler Deutungen und weisen reiche metaphorische Bezüge auf. Eine Auffälligkeit der Johannesapokalypse ist, dass häufig die Bezüge zum Tod Jesu nicht vom Ich-Erzähler selbst stammen, sondern anderen Personen in den Mund gelegt werden. So spricht Jesus selbst als Auferstandener in der Beauftragungsvision rund um Apk 1,18. Er stellt sich hier vor und charakterisiert sich selbst durch eine Reihe von Titeln. Diese Selbstcharakterisierung wird in Apk 2,8 wiederum von Jesus, der hier das Sendschreiben der Gemeinde in Smyrna diktiert, aufgegriffen. Zudem kommen gerade in den hymnischen Stücken häufig andere Sprecher und Sprecherinnen als der Ich-Erzähler vor. So sprechen bzw. singen in Apk 5,9f. die 24 Ältesten und in Apk 5,12 stammt der Würdig-Ruf von der Myriade von Engeln. Auch im Offenbarungsdialog rund um Apk 7,14 spricht einer der Ältesten und in Apk 11,8 ist offenbar weiterhin

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der nicht weiter charakterisierte „Jemand“ von Apk 11,1 Sprecher, während die Aussage in Apk 12,11 von einer „mächtigen Stimme aus dem Himmel“ stammt. Obwohl der Ich-Erzähler natürlich von all diesen anderen Sprecherinnen und Sprechern berichtet, kommt er explizit nur vergleichsweise selten zu Wort, wenn es um den Tod Jesu geht: in Apk 1,5–7 (briefliche Einleitung); Apk 5,6 (Ekphrasis) und Apk 13,8. Diese Vielfalt an sprechenden Charakteren zeigt, dass die Johannesapokalypse in dieser Hinsicht am ehesten mit den Erzähltexten verglichen werden kann, und hierbei insbesondere mit dem Johannesevangelium. Eine Differenz besteht jedoch darin, dass in der Apk deutlich das „Ich“ der Erzählinstanz präsent ist, wie dies sonst eher bei Briefen, insbesondere den Protopaulinen, der Fall ist.48 Welche Auswirkungen die Wahl der Erzählperspektive bzw. der Sprecherinnen und Sprecher auf die Leser– bzw. Hörerschaft haben kann, wurde bereits an einigen Stellen umrissen. Es wird im Folgenden noch zu betrachten sein, ob und wie die Wahl der Sprecher konkrete Auswirkungen auf die Sprechweise vom Tod Jesu, die damit verbundenen Deutungen und den Gebrauch von Metaphern hat.

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität 3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

Das Sprechen vom Tod Jesu und dessen Bedeutung für die Menschen, wie es im Neuen Testament abgebildet wird, entstand nicht im luftleeren Raum. Die frühen Christinnen und Christen konnten in den Heiligen Schriften des Judentums nach Deutungsmöglichkeiten suchen und bereits bestehende Sprachformen auf die neue Situation anwenden. Daneben fanden auch ältere mündliche Traditionen, in denen bereits Deutungsversuche unternommen wurden, ihren Niederschlag in der schriftlichen Reflexion des Todes Jesu. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Traditionen eine bestimmte Form und Funktion erfüllten, auch wenn umfassende Rekonstruktionsversuche nur im Bereich des Hypothetischen bleiben. Zumindest kann von einigen relativ fest geprägten Wendungen ausgegangen werden, teilweise wohl auch von Bekenntnissen und Liedern. Diese mündlich überlieferten Formeln erfüllen in den neutestamentlichen Schriften eine ähnliche Rolle wie Zitate aus den jüdischen Heiligen Schriften; sie stellen somit auch eine Art „Text“ dar und können unter dem Aspekt der Intertextualität subsumiert werden. Als eine letzte Form der Intertextualität, die in diesem Abschnitt jedoch nicht eigens thematisiert wird, sind literarische Abhängigkeiten der neutestamentlichen Schriften untereinander zu bedenken. So greifen Matthäus und Lukas auf das Markusevangelium zurück, 48

Wenn auch nicht so deutlich wie in der Apk, tritt das Ich der Erzählinstanz auch im lukanischen Doppelwerk an einigen Stellen hervor (vgl. Lk 1,1–4; Apg 1,1 und die sog. WirBerichte in Apg 16,10; 20,5; 21,1; 27,1). Es nimmt jedoch nicht Bezug auf den Tod Jesu.

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

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der Epheser- auf den Kolosserbrief. Auch das Phänomen des Selbstzitats, etwa in den echten Paulinen, kann in diesem Kontext als Beispiel benannt werden. Die Reflexion der Intertextualität in den Deutungen des Todes Jesu trägt dazu bei, die damit verbundene Sinngebung als einen komplexen Prozess mit unterschiedlichen „Stimmen“ und Argumentationsgängen zu sehen. 3.1. Aufnahme von Zitaten aus den jüdischen Heiligen Schriften Zunächst soll dargestellt werden, welche Aussagen der jüdischen Heiligen Schriften für die Deutungen des Todes Jesu maßgeblich sind. Dabei ist generell zu differenzieren zwischen expliziten Zitaten und impliziten Anspielungen, wobei eine exakte Unterscheidung nicht immer möglich ist, denn teilweise wird auf die Schrift verwiesen, ohne dass ein Zitat eindeutig identifizierbar wäre. Während wörtliche Zitate einfach auszumachen sind, ist die Lage bei Anspielungen weniger klar. Wie viele Übereinstimmungen muss es geben oder wie außergewöhnlich muss die Wortwahl sein, dass man von einem Verweis auf eine Schriftstelle ausgehen kann? Zudem kann im Fall impliziter Zitate nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Benutzung bewusst und absichtlich erfolgte. Wenn nur einzelne Worte oder kurze Phrasen mit Textausschnitten der jüdischen Heiligen Schriften übereinstimmen, ist dementsprechend sorgfältig abzuwägen, ob es sich wirklich um Anspielungen handelt. Dabei ist auch darauf zu achten, dass keine Rückübertragungen aus anderen neutestamentlichen Passagen erfolgen. In den folgenden Abschnitten werden zunächst zwei für die Deutung des Todes Jesu zentrale Texte der jüdischen Heiligen Schriften, Lev 16 und Jes 53, und ihre Rezeption im Neuen Testament betrachtet, bevor genereller auf andere intertextuelle Bezüge eingegangen wird. Beachtenswert dabei ist, dass die meisten Texte, die zur Deutung des Todes Jesu aus den jüdischen Heiligen Schriften hinzugezogen werden, aus der Tora, dem Psalter oder der prophetischen Literatur, insbesondere aus Jes, stammen. Eine umfangreiche Betrachtung der Bezüge zu den jüdischen Heiligen Schriften im Zusammenhang des Todes Jesu würde sich als Gegenstand eigener Studien eignen. Insbesondere der Hebräerbrief ist äußerst reich an unterschiedlichen Formen des Schriftgebrauchs, wobei ganz unterschiedliche Quelltexte zum Tragen kommen. Die folgende Darstellung ist dementsprechend nur eine grobe Skizze ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es erfolgt dabei zudem eine Beschränkung auf die Zitate oder Anspielungen, die wirklich eng mit dem Tod Jesu und seiner Ausdeutung verbunden werden. In den Einzelanalysen von Kapitel 4 wird dann gegebenenfalls ausführlicher auf den Schriftgebrauch eingegangen. 3.1.1. Lev 16 Obwohl das Geschehen am Jom Kippur und somit der Text von Lev 16 in der Rezeption eine teils starke Wirkung auf die Deutung des Todes Jesu hatte, zeigt

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sich bei näherer Betrachtung, dass abgesehen vom Hebräerbrief diese Textpassage im Neuen Testament beinahe keine Rolle spielt. Zwar ist an einigen Stellen des Neuen Testaments davon die Rede, dass Jesu Tod als „Opfer“ aufzufassen ist, doch wird dabei nicht expliziert, dass dies zwingend als Opfer im Zuge des Jom Kippur zu verstehen ist. Dementsprechend sollten diese allgemeinen Aussagen nicht vorschnell vor dem Hintergrund von Lev 16 gelesen werden, zumal die Argumentationsstruktur des Hebräerbriefs in vielerlei Hinsicht von der des übrigen Neuen Testaments abweicht und es sich insgesamt um eine verhältnismäßig junge Schrift handelt. Allgemeine „Opfer“-Deutungen sollten daher eher als generelle Anspielungen auf die Kultgesetze verstanden werden.49 Dass der Hebräerbrief aber auf Lev 16 rekurriert und diesen Text als Basis eines Großteils seiner Argumentation benutzt, ist unverkennbar. Bereits Hebr 2,17 kann auf diesen Bedeutungshintergrund hinweisen. Hier wird Jesus als Hohepriester eingeführt. Nach Lev 16 nimmt der Hohepriester eine bedeutende Rolle in den Handlungen des Jom Kippur ein, die nicht von anderen, „gewöhnlichen“ Priestern vollzogen werden können. Auch die Tatsache, dass Jesus als Hohepriester gekommen ist „zur Sühnung der Sünden des Volkes“ (İੁȢ IJઁ ੂȜ੺ıțİıșĮȚ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ IJȠ૨ ȜĮȠ૨), kann bereits ein Hinweis auf den Versöhnungstag sein (vgl. etwa die Wendung IJઁȞ ʌİȡ੿ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ IJઁȞ ʌİȡ੿ IJȠ૨ ȜĮȠ૨ in Lev 16,15 LXX), obwohl natürlich auch ein generelles Sündopfer o.Ä. angedacht sein kann. Mit Hebr 6,19f. wird der Bezug zum Jom Kippur deutlicher, wenn die Hoffnung als Anker in das Innere des Vorhangs beschrieben wird und dabei wiederum das Bild des Hohepriesters evoziert wird. Der Ausdruck IJઁ ਥıઆIJİȡȠȞ IJȠ૨ țĮIJĮʌİIJ੺ıȝĮIJȠȢ, der auf das hinter dem Vorhang Liegende, also das Allerheiligste verweist, entspricht dem Wortlaut von Lev 16,2.12.50 Dass der Hohepriester erst für die eigenen Sünden Opfer darbringen musste und dann für die des Volkes, wie in Hebr 7,27 betont und der Sündlosigkeit Christi gegenübergestellt wird, kann ebenfalls auf die Geschehensabfolge beim Jom Kippur (Lev 16,6.11.15) zurückgeführt werden. Insgesamt scheint an dieser Stelle aber eher das tägliche Opfer (țĮș’ ਲȝ੼ȡĮȞ) im Blick zu sein (vgl. z.B. Ex 29,38; Num 28,3), bei dem aber eben nicht von einer zuvor notwendigen Opferhandlung durch den Hohepriester die Rede ist und das auch nicht auf eine spezifisch sündentilgende Funktion festgelegt ist. An diesem Vers zeigt sich besonders eindrücklich, dass der Verfasser des Hebr die Kultgesetze aus rhetorischem und argumentativem Interesse verwendet und weniger darauf bedacht ist, sie voneinander getrennt und korrekt wiederzugeben.

49

S.u., Abschnitt 3.1.3. Allerdings steht der Ausdruck in 16,2 nicht allein, sondern ist eine nähere Bestimmung zu IJઁ ਚȖȚȠȞ. Zu anderen Deutungsmöglichkeiten und dem Schriftgebrauch insgesamt an dieser Stelle s.u., Abschnitt 2.5.1. und 2.5.4. des vierten Kapitels. 50

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

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In neunten und zehnten Kapitel wird der Jom Kippur nun einer der beherrschenden Deutungshintergründe für den Tod Jesu. Das neunte Kapitel beginnt mit einer umfangreichen Darstellung der Stiftshütte und ihrer Gerätschaften, die darin kulminiert, dass in 9,6 der allgemeine Priesterdienst mit den alltäglichen Opfern, in 9,7 die besonderen kultischen Praktiken am Jom Kippur beschrieben werden. Ab 9,11 wird dies nun auf das Christusgeschehen übertragen, bzw. dieses wird als die „alte Ordnung“ übertrumpfend dargestellt. Besonders in 9,25–28 wird Jesu Tod als das ultimative und endgültige JomKippur-Opfer stilisiert. Auf die jährliche Entsühnung des Volkes wird nochmals in Hebr 10,3f. hingewiesen, wobei sich Anklänge an Lev 16,34 finden. Gleichzeitig macht der Hebräerbrief jedoch sehr deutlich, dass eine Sündenvergebung durch Tierblut unmöglich ist, was das ab 10,5 folgende Zitat aus Ps 40,7–9 vorbereitet. Auch in 10,22 wird durch das Bild des Durchquerens des Vorhangs offenbar wiederum im Zuge der Deutung des Todes Jesu auf den Jom Kippur verwiesen. Als letzte Bezugnahme auf den Jom Kippur kann ggf. Hebr 13,11 gesehen werden. Der Verweis darauf, dass die Leiber der Opfertiere außerhalb des Lagers gebracht und verbrannt werden, entspricht Lev 16,27. Wörtliche Entsprechungen zur Septuaginta-Fassung dieses Verses gibt es hierbei durch die Wendung ਩ȟȦ IJોȢ ʌĮȡİȝȕȠȜોȢ („außerhalb des Lagers“) und Verbformen von țĮIJĮțĮȓȦ („vollständig verbrennen“). Vom Verbrennen der Leiber ist auch im Zuge des allgemeinen Sündopfers in Lev 6,23 die Rede, wobei an dieser Stelle jedoch kein spezifischer Ort genannt wird. Bei der genaueren Analyse der Anleihen von Lev 16 im Hebräerbrief zeigen sich teilweise wörtliche Entsprechungen, die auf den Gebrauch der Septuaginta-Fassung hinweisen. Stärker als wörtliche Bezüge fällt aber der Gebrauch des Jom Kippur als allgemeiner Deutungshintergrund auf, als ein Schema, das auf den Tod Jesu angewendet wird, wobei gleichzeitig die Defizite dieses Schemas deutlich gemacht werden, indem betont wird, dass Jesu Tod eine weitaus umfangreichere Bedeutung besitzt als der Jom Kippur selbst. Dabei dient die Bezugnahme auf den Jom Kippur vorrangig rhetorischen und argumentativen Zwecken. Das Bild wird somit nicht sauber ausgeführt, sondern der Jom Kippur wird mit anderen kultischen Praktiken vermischt. Er ist zudem eine Deutungskategorie neben anderen, die sich insofern überschneiden, als in allen ein kultisches Opfer eine zentrale Stellung einnimmt. Außerhalb des Hebräerbriefs kann nur für Röm 3,24f. eine klare Bezugnahme auf Lev 16 debattiert werden. Allerdings ist dies hier weitaus weniger eindeutig als im Hebräerbrief. Das Wort ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ in Röm 3,25 kommt im Neuen Testament nur hier und in Hebr 9,5 vor, wo es im Rückgriff auf Lev 16,13–15 LXX die Kapporet bezeichnet. Dadurch, dass in Röm 3,25 auch von Blut und Sündenvergebung die Rede ist, ist ein Rekurs auf Lev 16 möglich. Es ist jedoch keineswegs sicher, ob ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ hier diese Spezialbedeutung hat oder ob nicht vielmehr eine allgemeinere Bedeutung angenommen werden muss, zumal sonst im Römerbrief und den Protopaulinen insgesamt der Jom

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Kippur keinen spezifischen Deutungshintergrund für den Tod Jesu darzustellen scheint. Wenn hier auf Lev 16 verwiesen wird, hat dies natürlich Auswirkungen auf die Interpretation des Todes Jesu und auch auf die hier vorliegende Metaphorik, die jedoch so oder so nicht unkompliziert ist.51 Ein sehr genereller Verweis auf den Jom Kippur auf narrativer Ebene liegt möglicherweise vor, wenn das Zerreißen des Tempelvorhangs als Konsequenz des Todes Jesu berichtet wird (Mk 15,38par). Damit scheint das Allerheiligste für jedermann zugänglich zu sein, was in Kontrast zu dem exklusiven Zutritt des Hohepriesters laut Lev 16 steht. Da das Allerheiligste vor allem am Jom Kippur relevant ist, ist es naheliegend, diesen mit Mk 15,38par zu assoziieren. Es handelt sich jedoch nur um eine verhältnismäßig vage Anspielung. 3.1.2. Jes 53 Anders als bei Lev 16 sind Bezüge zum vierten Gottesknechtslied (Jes 52,13– 53,12) in einer Vielzahl von neutestamentlichen Schriften ausgemacht worden: in den Evangelien, der Apostelgeschichte, den Protopaulinen, 1Petr und 1Joh sowie im Hebräerbrief und der Apokalypse. Für das Urchristentum müssen viele Elemente dieses Textes dem Schicksal Jesu entsprochen haben und eine sinnvolle Erklärung für die Schmach seines gewaltsamen Todes und die Tatsache, dass dieser so gar nicht mit dem vom Messias Erwarteten übereinstimmte, geliefert haben. Die Benutzung von Jes 53 als Erklärungsmodell ist somit naheliegend. Allerdings sind nicht alle Passagen, in denen ein Bezug zu Jes 53 möglich ist, eindeutig. Die klarste Verwendung des Gottesknechtslieds liegt im direkten Zitat von Jes 53,7f. innerhalb der Bekehrung des Äthiopiers durch Philippus vor (Apg 8,32f.). Das Zitat wird ausdrücklich als solches eingeleitet (ਲ į੻ ʌİȡȚȠȤ੽ IJોȢ ȖȡĮijોȢ ਴Ȟ ਕȞİȖ઀ȞȦıțİȞ ਷Ȟ Į੢IJȘ) und entspricht dem Wortlaut der Septuaginta. Der Äthiopier versteht den Abschnitt nicht und fragt nach der Identität der genannten Person. Die Rezipierenden der Apostelgeschichte erhalten jedoch auch keine umfangreiche Erklärung. Es wird lediglich erzählt, wie Philippus diese Schriftstelle als Ausgangspunkt seiner ௅ offenbar sehr überzeugenden ௅ Predigt des „Evangeliums von Jesus“ nutzt (ਕȞȠ઀ȟĮȢ į੻ ੒ ĭ઀ȜȚʌʌȠȢ IJઁ ıIJંȝĮ Į੝IJȠ૨ țĮ੿ ਕȡȟ੺ȝİȞȠȢ ਕʌઁ IJોȢ ȖȡĮijોȢ IJĮ઄IJȘȢ İ੝ȘȖȖİȜ઀ıĮIJȠ Į੝IJ૶ IJઁȞ ੉ȘıȠ૨Ȟ; V. 35). Auch die Auswahl der zitierten Verse ist bemerkenswert. Durch sie wird die Erniedrigung Jesu und die Tatsache, dass er sie klaglos erduldete, betont. Der Aspekt einer Schuldübernahme für andere, der in Jes 53 mehrfach hervorgehoben wird, fehlt hingegen völlig. Dass Lukas Elemente des Gottesknechtslieds als Deutungsmodell für das Geschick Jesu sieht, zeigt sich bereits in dem direkten Zitat aus Jes 53,12, das er in Lk 22,37 Jesus in den Mund legt, der die vollständige Erfüllung der ihn betreffenden Prophezeiung betont. Hier ist es 51

Näheres s.u., Abschnitt 2.5.5. des vierten Kapitels.

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die Tatsache, dass Jesus zu Verbrechern gezählt wird, die aus der Schrift abgeleitet wird. Wiederum ist das Zitat deutlich als solches markiert, der Wortlaut unterscheidet sich jedoch etwas von der Septuaginta (ȝİIJ੹ ਕȞંȝȦȞ anstatt ਥȞ IJȠ૙Ȣ ਕȞંȝȠȚȢ), ohne dass dies merkliche Auswirkungen auf den Sinn hätte. Da Jes 53 als Erklärungsmodell etabliert ist, kann auch in der nachträglichen Deutung des Leidens und Sterbens durch den Auferstandenen, der die Schrifterfüllung erläutert (Lk 24,25–27.44–46), ein genereller Verweis hierauf gesehen werden. Bei den anderen Synoptikern werden andere Aspekte des Gottesknechtslieds in Gebrauch genommen, der Bezug ist aber auch weniger deutlich, da hier keine direkten Zitate vorliegen. Zunächst ist das Lösegeldwort Mk 10,45par zu erwähnen, das Lukas offenbar bewusst auslässt. Hier kann eine generelle Anspielung auf Jes 53,10–12 gesehen werden. Inhaltlich gibt es mit Sicherheit Berührungspunkte, in der Hinsicht, dass in beiden Abschnitten die Lebenshingabe für andere in den Blick genommen wird. Dieses Motiv findet sich zwar auch in den Märtyrerberichten der Makkabäerbücher, in den übrigen jüdischen Heiligen Schriften aber in dieser Ausprägung nur in Jes 53. Sprachliche Übereinstimmungen zwischen Mk 10,45 und Jes 53,10–12 sind jedoch nur verhältnismäßig vage erkennbar. Beiden Texten gemein ist die Wendung „das Leben hingeben“ ([ʌĮȡĮ]įȓįȦȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤȒȞ), jedoch in unterschiedlichen grammatikalischen Ausformungen. Die Phrase wirkt insgesamt so geläufig, dass diese Überschneidungen wenig aussagekräftig sind (vgl. weiterhin Sir 7,20; Apg 15,26)52 Auffälliger ist hingegen die Bezugnahme auf die „vielen“ in beiden Textabschnitten, zumal sich hierdurch die „für“-Aussage in Mk 10,45 von anderen entsprechenden Formeln des Neuen Testaments unterscheidet. Eine Parallele hingegen besteht zur Abendmahlseinsetzung in Mk 14,24, dem Vergießen des Blutes „für viele“, die daher möglicherweise in einer Linie mit Mk 10,45 liegt und ebenfalls auf Jes 53,11f. anspielt. Die Rekurrenz des Lösegeldworts auf Jes 53 zeigt sich somit als eine sehr allgemeine, im Sinne der Lebenshingabe für andere. Dabei sind auch auffällige Differenzen zwischen den Texten erkennbar. In Jes 53 spielen Sünden eine wesentliche Rolle, und die Lebenshingabe des Gottesknechts wird metaphorisch als Sündopfer charakterisiert. Dafür gibt es in Mk 10,45 keinen Anhalt. Stattdessen wird dort der Aspekt des Dienens hervorgehoben sowie die Metapher des Lösegelds eingesetzt, für die wiederum Jes 53 keine Vorlage bietet. Sowohl im Lösegeldwort als auch in der Abendmahlseinsetzung ist der Verweis auf die „vielen“ und damit auf Jes 53 bei Matthäus bewahrt. In letztgenannter Passage wird die Intertextualität noch dadurch verstärkt, dass die „Vergebung der Sünden“ in Mt 26,28

52

Vgl. auch BAUER, WALTER, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hg. v. Kurt und Barbara Aland, Berlin/ New York: De Gruyter 61988, 1242.

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angefügt wird, was einen deutlicheren Bezug zum Sündenmotiv in Jes 53,12 herstellt. Im Johannesevangelium kann die Bezeichnung Jesu als „Lamm Gottes“ (੒ ਕȝȞઁȢ IJȠ૨ șİȠ૨; Joh 1,29.36) auf Jes 53,7 verweisen. Ein Indiz hierfür könnte sein, dass dem Lamm in Joh 1,29 die Funktion des Sündentragens zugesprochen wird, was sich an Jes 53,12 annähert. Allerdings hat das Lamm in Jes 53,7 keine solche Funktion. Der Vergleich mit dem seinem Scherer gegenüber stummen Lamm soll die Fügung des Gottesknechts in sein Schicksal verdeutlichen. Zudem kann das Lamm auch etwa auf die in der Passionsgeschichte erwähnten Passalämmer verweisen, oder eben multiple Referenzpunkte besitzen. Ähnliches gilt auch für das „Lamm wie geschlachtet“ in Apk 5,6.8f.12 u.ö. Die Apk gebraucht dabei den Begriff ਕȡȞȓȠȞ, der keinem der beiden in Termini in Jes 53,7 (ʌȡȩȕĮIJȠȞ, ਕȝȞȩȢ) und auch nicht dem Sprachgebrauch von Joh 1 entspricht. Das Attribut „geschlachtet“ (ਥıijĮȖȝȑȞȠȞ) kann auf die „Schlachtung“ (ıijĮȖȒ) aus Jes 53,7 hinweisen, obwohl die Apokalypse die Verbform häufiger und in verschiedenen Kontexten gebraucht (etwa Apk 6,9f. und 18,24), die keinen Bezug zu Jes 53 vermuten lassen. Das Lamm als Symbol für Christus scheint somit auf unterschiedlichen Bedeutungshintergründen zu beruhen, von denen Jes 53 einer ist, jedoch nicht der entscheidende. Neben der Bezeichnung Jesu als Lamm kann noch in Joh 3,14 ein möglicher Bezug zum Beginn des Gottesknechtslieds Jes 52,13 gesehen werden, denn es ist möglich, dass die in Joh angesprochene Notwendigkeit der „Erhöhung“ des Menschensohns hierauf zurückgeht. Der Hauptfokus liegt allerdings beim Verweis auf Num 21,8 und dadurch implizit auf der Unheil abwendenden Funktion des Todes Jesu. In den Protopaulinen können insbesondere Röm 4,25 und 1Kor 15,3 als mögliche Anspielungen auf Jes 53 aufgefasst werden. Röm 4,25 präsentiert Jesus als denjenigen, der sich für die Übertretungen der Menschen hingegeben hat (੔Ȣ ʌĮȡİįંșȘ įȚ੹ IJ੹ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮIJĮ ਲȝ૵Ȟ). Sowohl die Verbform ʌĮȡİįંșȘ als auch die įȚȐ-Wendung haben Anklänge an Jes 53,12. Allerdings steht dort in der Septuaginta-Fassung ਖȝĮȡIJȓĮ, nicht wie bei Paulus ʌĮȡȐʌIJȦȝĮ. Beide Begriffe stehen aber in enger semantischer Verbindung und es ist durchaus möglich, dass Paulus sie als austauschbar ansah. Es scheint wahrscheinlich, dass hier ein indirektes Zitat aus Jes 53,12 gegeben ist. Ebenso scheint in sehr genereller Weise 1Kor 15,3 auf das Gottesknechtslied Bezug zu nehmen. Paulus gibt hier an, das an die Adressierten weitergegeben zu haben, was er selbst empfangen hat (ʌĮȡ੼įȦțĮ Ȗ੹ȡ ਫ਼ȝ૙Ȟ ਥȞ ʌȡઆIJȠȚȢ, ੔ țĮ੿ ʌĮȡ੼ȜĮȕȠȞ). Es ist somit klar, dass auf eine vorpaulinische Tradition verwiesen wird, obwohl nicht klar ist, ob diese wörtlich zitiert oder von Paulus paraphrasiert bzw. zusammengefasst wurde. Was Paulus als Überlieferung weitergibt, ist zunächst, „dass Christus starb für unsere Sünden nach den Schriften“ (੖IJȚ ȋȡȚıIJઁȢ ਕʌ੼șĮȞİȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ țĮIJ੹ IJ੹Ȣ ȖȡĮijȐȢ). Wiederum ist ein direktes Zitat nicht erkennbar, aber die Tatsache, dass hier explizit auf die Erfüllung der Schrift verwiesen wird, ermuntert dazu, einen Bezugspunkt in den jüdischen

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Heiligen Schriften zu suchen, der am ehesten in Jes 53 (vor allem in V. 5 und 12) gefunden werden kann, da das Thema des Sterbens für die Sünden anderer auch dort präsent ist. Auch hier zeigen sich in der Wortwahl jedoch Unterschiede, wodurch erkennbar ist, dass der LXX-Text nicht als direkte Vorlage gedient haben kann, sondern nur generalisierend-paraphrasierend aufgenommen wurde. Dies lässt sich z.B. daran erkennen, dass in 1Kor 15,3 ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ steht, in Jes 53 jedoch stets įȚ੹ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ (abgesehen von ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ als Spezialvokabel in Jes 53,10). Eine besonders ausführliche Bezugnahme auf Jes 53, die dann im Hinblick auf den Tod Jesu detailliert ausgedeutet wird, findet sich in Form einer Zitatcollage in 1Petr 2,21–25. Dabei wird weder chronologisch vorgegangen, noch werden die Zitate als solche kenntlich gemacht. Christi Leiden wird in 2,21 bereits eingeführt und als Vorbild für das Leiden der Angesprochenen dargestellt. Dies wird durch ein wörtliches Zitat aus Jes 53,9 untermauert: „der keine Sünde getan hat und in seinem Mund wurde kein Betrug gefunden“ (੔Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ Ƞ੝ț ਥʌȠ઀ȘıİȞ Ƞ੝į੻ İਫ਼ȡ੼șȘ įંȜȠȢ ਥȞ IJ૶ ıIJંȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨). Neben dem einleitenden Relativpronomen findet sich als Abweichung vom LXX-Text hier lediglich, dass ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ anstelle von ਕȞȠȝ઀ĮȞ gebraucht wurde, wobei beide Begriffe wiederum semantisch sehr eng verwandt sind. Das Thema wird noch einmal freier formuliert vertieft. Auch dass Jesus „unsere Sünden selbst getragen hat“ (IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਲȝ૵Ȟ Į੝IJઁȢ ਕȞ੾ȞİȖțİȞ; 1Petr 2,24) hat Anklänge an Jes 53, obwohl es keine absolute Entsprechung gibt. Insgesamt erinnert die Aussage stark an Į੝IJઁȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ʌȠȜȜ૵Ȟ ਕȞ੾ȞİȖțİȞ („er selbst trug die Sünden vieler“) in Jes 53,12. Die Wendung IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਲȝ૵Ȟ wiederum findet sich in 53,4. Offenbar wurde in 1Petr 2,24 das Grundzitat in Jes 53,12 um den Zusatz aus V. 4 ergänzt bzw. wurde frei auf den dort formulierten Gedanken zurückgegriffen. In 1Petr wird allerdings das „Tragen der Sünden“ dadurch fortgeführt und spezifiziert, dass es auf Jesu Leib bezogen und dadurch verbildlicht wird. Auch der Zielort dieses Tragens, das Holz, wird hinzugefügt und insgesamt wird die soteriologische Relevanz für die Adressierten ausgeführt. Dabei wird erneut ein Zitat aus dem Gottesknechtslied eingebracht, nämlich Jes 53,5: IJ૶ ȝઆȜȦʌȚ Į੝IJȠ૨ ਲȝİ૙Ȣ ੁ੺șȘȝİȞ („durch seine Wunde wurden wir geheilt“). Dieses Zitat wurde in 1Petr jedoch variiert, indem die erste Person Plural zur zweiten Person Plural umgewandelt wurde (IJ૶ ȝઆȜȦʌȚ ੁ੺șȘIJİ, „durch seine Wunde wurdet ihr geheilt“; 1Petr 2,24). Dadurch wird die Relevanz für die Rezipierenden und somit auch die Motivation zur Leidensnachfolge zusätzlich verstärkt. Die Umwandlung der Verbform findet sich auch im abschließenden Vers dieses Abschnitts, der offenbar wiederum auf Jes 53 Bezug nimmt und dabei V. 6 zitiert, also den direkten Anschluss an das vorherige Zitat. Aus ੪Ȣ ʌȡંȕĮIJĮ ਥʌȜĮȞ੾șȘȝİȞ („wie Schafe irrten wir umher“) wird in 1Petr 2,25 ਷IJİ Ȗ੹ȡ ੪Ȣ ʌȡંȕĮIJĮ ʌȜĮȞઆȝİȞȠȚ („ihr wart nämlich wie umherirrende Schafe“). Dennoch ist hier eine Benutzung von Jes 53 eindeutig, vor allem im Kontext des Vorausgehenden. Durch den Verweis auf die umherirrenden Schafe wird

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der Bezug zum Gottesknechtslied abgeschlossen. Insgesamt unterscheidet sich der Abschnitt 1Petr 2,21–25 stilistisch deutlich von den umliegenden paränetischen Ausführungen. Dementsprechend wurde in der Forschung davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine Art frühchristliches Lied oder „poetisch“ geprägtes Bekenntnis handelt. Im Vergleich zum Schriftgebrauch in Apg 8 zeigt sich, dass hier weitaus umfassender aus der Vorlage des Jesaja-Textes geschöpft wird. Nicht nur der Aspekt des stillen, demütigen Erduldens wird aufgenommen, der für die Vorbildfunktion Christi im vorliegenden Zusammenhang schon ausreichend gewesen wäre, sondern auch die sündentilgende und soteriologische Funktion des Todes Jesu. Zugleich zeigt sich ein freier Umgang mit dem Text, der sich in der Auswahl, Anordung, Kombination und Umwandlung der ausgewählten Zitate niederschlägt. Die Gesamtkomposition dient zur Verdeutlichung des Todes Jesu und dazu, dessen Aktualität für die Adressierten so herauszustellen, dass sie zur Leidensnachfolge motiviert werden. Weitaus weniger starke Anklänge lassen sich in 1Joh 3,5 finden. Hier gibt es lediglich inhaltliche Parallen. Jesus wird als derjenige dargestellt, der selbst sündlos ist und die Sünden wegnimmt. Dies erinnert insbesondere an Jes 53,4.11, wo jedoch die Sündlosigkeit des Gottesknechts weitaus weniger stark im Vordergrund steht. Zudem ist zu beachten, dass der Tod Jesu selbst in 1Joh 3,5 höchstens auf äußerst indirekte Weise zur Geltung kommt. Im Hebräerbrief spielt das vierte Gottesknechtslied eine erstaunlich geringe Rolle, verglichen mit der Zentralität einzelner Psalmaussagen und der JomKippur- sowie Bundesschlussthematik. Ein möglicher Bezug ist aber in Hebr 9,28 erkennbar. Dort wird die Hingabe Jesu „zum Aufheben der Sünden vieler“ (İੁȢ IJઁ ʌȠȜȜ૵Ȟ ਕȞİȞİȖțİ૙Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ) erwähnt. Wiederum ist das Stichwort der „Vielen“ auffällig und legt eine Abhängigkeit von Jes 53 nahe. Durch die Form von ਕȞĮijȑȡȦ bestehen weitere sprachliche Ähnlichkeiten zu Jes 53,12. Schließlich ist ganz generell danach zu fragen, inwieweit die Rezeption von Jes 53 zu der metaphorischen Deutung Jesu Tod ist ein kultisches Opfer beigetragen hat. Denn in 53,10 wird beschrieben, dass der Gottesknecht sein Leben als Schuldopfer gibt. Der hebräische Begriff lautet hier ʭ ʕˇ ʕʠ (’ƗšƗm), was in der Septuaginta-Fassung von Jes 53,10 durch ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ wiedergegeben wird. Dies ist eine Inkosequenz zum sonstigen Sprachgebrauch der LXX, denn normalerweise bezeichnet ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ das „Sündopfer“, im Hebräischen ʺʠ ʕ˔ ʔʧ (‫ۊ‬a‫ܒܒ‬Ɨ’t). Für ʭ ʕˇ ʕʠ werden in der Regel ʌȜȘȝȝȑȜİȚĮ (Lev 5,16), Formen von ʌȜȘȝȝİȜȑȦ (Lev 5,17.19) bzw. ʌİȡ੿ IJોȢ ʌȜȘȝȝİȜİ઀ĮȢ (Lev 7,1.5) gebraucht, wobei eine Übersetzung durch IJ੹ ʌİȡ੿ ਕȖȞȠ઀ĮȢ (Ez 42,13; ähnlich auch Ez 44,29) und durch ȕȐıĮȞȠȢ (1Sam 6,3f.8.17) ebenfalls stellenweise vorkommt. Zu beachten ist, dass in den Kultgesetzen zwischen den mit ʭ ʕˇ ʕʠ und ʺʠ ʕ˔ ʔʧ bezeichneten Opferformen (also „Schuldopfer“ und „Sündopfer“) klar unterschieden wird, auch wenn die beiden nebeneinander stehen. Entsprechend werden auch in der Septuaginta die jeweiligen termini technici normalerweise

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trennscharf verwendet (vgl. Lev 14,13f.21.24f; 19,22; Esr 10,19). In 2Kön 2,16 vertauscht die LXX-Übersetzung ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ und ʌİȡ੿ ʌȜȘȝȝİȜİ઀ĮȢ als Wiedergaben der jeweiligen hebräischen Begrifflichkeiten, die sich hier auf spezifische Geldarten beziehen. Dennoch werden auch hier zwei Termini gebraucht, durch die eine grundsätzliche Unterscheidung gegeben ist. Die Wiedergabe von ʭ ʕˇ ʕʠ mit ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ist meines Erachtens in der Septuaginta vollkommen unüblich. Demgegenüber nehmen Karrer und Kraus an, dass ʌİȡ੿ (IJોȢ) ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ auch ein Äquivalent zu ʭ ʕˇ ʕʠ bilden kann, und führen dazu Lev 5,7 an.53 Allerdings ist zu beachten, dass ʭ ʕˇ ʕʠ nicht nur die Spezialbedeutung des „Schuldopfers“ besitzt, sondern auch in generellem Sinn „Schuld“ oder „Sünde“ bezeichnen kann. Dies ist offenbar auch in Lev 5,7 der Fall, wo es heißt ʠ ʕʨ ʕʧ ʸ ʓˇʠʏ ʥ ʖʮ ʕˇʠʏ ʚʺ ʓʠ („für seine Sünde“). Das Personalsuffix und die ʸ ʓˇʠʏ Wendung sind dabei deutliche Indikatoren dafür, dass es um Schuld im Generellen geht, die im Hinblick auf das konkrete Vergehen spezifiziert werden soll. Dies spricht deutlich dagegen, hier einen terminus technicus für ein Opfer zu vermuten. Die Spezifizierung spiegelt sich auch in der LXX-Fassung wider: ʌİȡ੿ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ Į੝IJȠ૨ ਸȢ ਸ਼ȝĮȡIJİȞ. Es handelt sich somit nicht um einen fixen Ausdruck, sondern um eine allgemeine Formulierung, und ʌİȡȓ steht als generelle Präposition im Sinne von „für“. Zu beachten ist weiterhin, dass im Verlauf von Lev 5,7 durchaus das Sündopfer als spezifische Opferart angeführt wird. Dann steht aber im masoretischen Text ʺ ʕʠ ʕ˔ ʔʧ, in der Septuaginta ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ. In der Forschung ist umstritten, wo genau die Trennlinie zwischen Schuld- und Sündopfer verläuft und ob es zwei trennscharfe Opfertypen gegeben hat. Nichtsdestotrotz zeigt sich, vor allem in Lev, dass distinkte kultische Begriffe vorhanden waren und eine klare Abgrenzung vorgenommen wurde, sowohl im hebräischen Text als auch in der griechischen Übersetzung. Diese genaue Terminologie wird in der Septuaginta-Übersetzung von Jes 53,10 missachtet. Hinzu kommt, dass das Stichwort ਖȝĮȡIJȓĮ in Jes 53 ausgesprochen häufig verwendet wird und dabei als Übersetzung für unterschiedliche hebräische Begriffe steht. In V. 4 wird IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਲȝ૵Ȟ als Wiedergabe für ˒ʰʒʩʬʕ ʧʐ genutzt, wobei ʩ ʑʬʐʧ eher die Grundbedeutung „Krankheit“ oder „Trauer“ besitzt (vgl. auch V. 3). Die Septuaginta-Fassung nimmt hier also eine deutliche Schwerpunktverschiebung vor. Demgegenüber steht ਖȝĮȡIJȓĮ in V. 5f.11 als Übersetzung von ʯˣˆʕ , wofür der griechische Begriff deutlich passender ist. In V. 12 kommt ਖȝĮȡIJȓĮ im LXX-Text zwei Mal vor, einmal für ʠ ʍʨ ʒʧ und einmal offenbar für die hier verwendete Form von ʲ ʔˇ˝ʕ ௅ der Sinn des griechischen Textes weicht an dieser Stelle wiederum von der hebräischen Vorlage ab. Während ਖȝĮȡIJȓĮ in den meisten Fällen eine treffende Übersetzung für die jeweiligen hebräischen Ausdrücke darstellt, ist doch zu beobachten, dass sich hiermit 53

Vgl. BALTZER, KLAUS u.a., Esaias/Isaias/Das Buch Jesaja, in: Martin Karrer/Wolfgang Kraus (Hg.), Septuaginta Deutsch, Erläuterung und Kommentar. Bd. 2, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 2011, 2484–2695. Hier: 2668.

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im Griechischen ein Leitmotiv und Schlagwort ergibt, das im hebräischen Text keine Entsprechung findet. Dies wirkt sich auch auf den Ausdruck ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ aus, denn es ist so möglich, dass Rezipierende des griechischen Textes aufgrund der allgemeinen Dominanz des Stichworts ਖȝĮȡIJȓĮ hierin keinen terminus technicus mehr erkannten, sondern die Wendung eher als Variation von įȚ੹ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਲȝ૵Ȟ in V. 5 ansahen, also im generellen Sinn „für Sünden“. Jedenfalls ist auffällig, dass Zitate aus Jes 53 im Neuen Testament den Aspekt des Schuldopfers nicht mit aufnehmen, obwohl die metaphorische Deutung des Todes Jesu als Opfer in diesen Schriften oder bei den entsprechenden Autoren teilweise andernorts vertreten wird. Wenn das vierte Gottesknechtslied somit für die Generierung der konzeptuellen Metapher JESU TOD IST EIN KULTISCHES OPFER relevant war, dann wohl eher im hebräischen als im griechischen Text. Vermutlich handelt es sich dabei jedoch nicht um den entscheidenden Faktor, sondern unterschiedliche Ideen, Motive und Textpassagen der jüdischen Heiligen Schriften haben zur Entstehung der Metapher beigetragen. Es zeigen sich durch unterschiedliche neutestamentliche Schriften hindurch somit mehr oder weniger starke, direkte oder indirekte Bezüge zu Jes 53, wenn vom Tod Jesu die Rede ist. Das vierte Gottesknechtslied bietet dabei eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten, um das Sterben Jesu zu deuten, etwa das klaglose Erleiden des Schicksals, das schmähliche Lebensende unter Verbrechern oder das Sterben für die Sünden anderer. Nicht all diese Aspekte wurden dabei in allen Texten gleichermaßen aufgegriffen, sondern teilweise wurden nur einzelne Bezugspunkte ausgewählt, bis hin zu dem Punkt, dass der soteriologische Gehalt mehr oder weniger stark betont wurde. Manchmal sind nur einzelne Vokabeln (etwa die „vielen“) oder Motive (vor allem das Sterben für die Sünden anderer) Indizien dafür, dass Jes 53 bzw. von ihm abhängige Traditionen im Hintergrund der Deutungsansätze einzelner Textpassagen stehen. 3.1.3. Texte aus der Tora (abgesehen von Lev 16) Neben dem Spezialfall der Jom Kippur-Regelungen kommen in neutestamentlichen Schriften vermehrt Anspielungen oder (selten) Zitate aus der Tora vor, die dabei ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen können. Zunächst können im narrativen Rahmen Tora-Gesetze als Grund für den Beschluss, Jesus zu töten, eine Rolle spielen. In Mk 3,6par kann etwa eine Anspielung auf Ex 31,14 in der Form vorliegen, dass der Todesbeschluss der Nichteinhaltung des Sabbatgebots entspricht. Ein weiteres Beispiel bietet Joh 19,7, wo „die Juden und Jüdinnen“ auf ein mosaisches Gesetz verweisen, demzufolge Jesus des Todes würdig ist. Das angeführte Gesetz ist wohl Lev 24,16, das Gotteslästerung unter Todesstrafe stellt. An manchen Stellen wird das Todesgeschick Jesu mit Regeln oder Erzählungen aus der Tora so verbunden, dass diese entweder als Vorbild oder – häufiger – als etwas, das Jesu Schicksal gegenübergestellt wird und von diesem

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überboten wird, dienen. Das beste Beispiel bietet natürlich die In-GebrauchNahme von Lev 16 und anderen kultischen Texten im Hebräerbrief. Doch ähnliche Strukturen lassen sich auch andernorts und ohne kultische Prägung finden. So spielt Joh 3,14f. auf Num 21,8 und die von Mose in der Wüste aufgestellte Schlange an, die als Vorbild für die Erhöhung Jesu und deren Unheil abwendender Wirkung dient. Weniger deutlich ist der Bezug zur Tora in Jesu Antwort innerhalb der Salbungserzählung (Mk 14,7; Mt 26,12; Joh 12,8). Die Erklärung, dass es immer Arme geben wird, verweist auf Dtn 15,11. Dabei zeigt die Gegenüberstellung der Armen mit Jesus einerseits die Notwendigkeit der richtigen Prioritätensetzung auf, betont aber andererseits die Einmaligkeit der Noch-Anwesenheit und dann auch des Todes Jesu. Auch im Hebräerbrief finden sich einzelne Abgrenzungen und Entsprechungen, die jenseits der kultischen Ordnung auf die Tora verweisen. So scheint die in Hebr 9,27 formulierte Bestimmung des Menschen, einmal zu sterben, auf Gen 3,19 hinzudeuten. Dem entspricht in der folgenden Argumentation (Hebr 9,28) das einmalige Selbstopfer Christi. Zudem wird das Zeugnis des Blutes Jesu in Hebr 12,24 als dem Blut Abels gegenüber höherwertig eingestuft. Dies ist intratextuell ein Rückbezug auf Hebr 11,4 und beide sind intertextuelle Anspielungen auf Gen 4,10. Einen weiteren wichtigen Text der Tora stellt die Erzählung vom Bundesschluss am Sinai (Ex 24,1–11) und darin insbesondere der Vers Ex 24,8 dar. Er spielt in mehreren neutestamentlichen Schriften eine Rolle. Zunächst ist hier natürlich die Abendmahlseinsetzung in allen drei Synoptikern sowie in 1Kor 11 zu nennen. Auf sprachlicher Ebenene sind dabei die Fassungen von Markus und Matthäus deutlich näher am Exodus-Text, denn der dort vorhandene Ausdruck IJઁ Įੈȝ੺ ȝȠȣ IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ („mein Blut des Bundes“) entspricht vom Possessivpronomen abgesehen dem LXX-Text von Ex 24,8 und evoziert auch deutlich die hebräische Wendung ʺʩʸʑ ʍˎ ʔʤʚʭ ʣ. ʙ ʔ Dies ist in der anderen Wortfolge der Lukas- und Paulus-Fassung nicht gegeben, obwohl auch hier die Anspielung ziemlich deutlich ist.54 Einen weiteren möglichen Bezug zu Ex 24,8 stellt 1Petr 1,2 dar, wo von der „Besprengung mit dem Blut Jesu Christi“ (૧ĮȞIJȚıȝઁȞ Į੆ȝĮIJȠȢ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨) die Rede ist. Während das Motiv der Besprengung mit Blut an unterschiedlichen Stellen des Kultgesetzes eine Rolle spielt, etwa bei Opfern im Allgemeinen oder beim Jom Kippur, ist die Besprengung von Personen weitaus weniger verbreitet, was eine Anspielung auf den Bundesschluss hier wahrscheinlich macht, allerdings eher im Sinne eines generellen Verweises (in der LXX wird die Besprengung durch țĮIJĮıțİįȐȞȞȣȝȚ ausgedrückt). Vor allem im Hebräerbrief ist der Bundesschluss als bildspendender Bereich wiederum dominant. In Hebr 9,19 fasst der Verfasser Ex 24,3–8 zusammen, bevor er in V. 20 die Worte des Mose in Ex 24,8 direkt zitiert, wobei der Text von der Septuaginta-Fassung abweicht. Die zentrale Formulierung IJઁ 54

S. auch unten, Abschnitt 6.1.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

ĮੈȝĮ IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ („das Blut des Bundes“) ist aber auch hier zu finden. Der Bezug zum Tod Jesu wird nicht sofort ersichtlich, ergibt sich aber aus dem Vorausgehenden und Nachfolgenden. Denn auch in 10,29 und 13,20 ist vom „Blut des Bundes“ die Rede, was an dieser Stelle klar auf Jesus bezogen wird, der im Hebräerbrief auch als „Mittler“ oder „Bürge“ des Bundes auftritt. In den Protopaulinen gibt es, abgesehen von den bereits geschilderten ToraBezügen, zwei weitere interessante Passagen. Im Römerbrief macht Paulus zumindest in 8,32 deutlich, dass er das Schicksal Jesu in Analogie zur BeinaheOpferung Isaaks sieht. Er stellt Gott als denjenigen dar, „der seinen eigenen Sohn nicht verschonte“ (੖Ȣ Ȗİ IJȠ૨ ੁį઀Ƞȣ ȣੂȠ૨ Ƞ੝ț ਥijİ઀ıĮIJȠ). Dies zeigt deutliche Parallelen zur Segnung Abrahams, die dadurch begründet wird, dass Abraham zum Einsatz des Lebens seines Sohns bereit war (Gen 22,16). Dabei bestehen nicht nur inhaltliche Nähen, sondern auch solche zum Wortlaut der Septuaginta (Ƞ੝ț ਥijİ઀ıȦ IJȠ૨ ȣੂȠ૨ ıȠȣ). Eine weitere überaus deutliche Anspielung ist in 1Kor 5,7 zu finden. Bereits das Hinausschaffen des Sauerteigs und der Fokus auf dem „Ungesäuerten“ deuten klar auf die Passa- und Exodustradition (vgl. Ex 12,18–20; 13,7). Hierin fügt sich die Identifizierung des Todes Jesu als Schlachtung des Passalamms, wie sie in Ex 12,21 geschildert wird, nahtlos ein. Erneut lassen sich auch sprachliche Berührungspunkte zwischen der Septuaginta-Fassung von Ex 12,21 und 1Kor 5,7 finden (IJઁ ʌ੺ıȤĮ und Formen von șȪȦ). Weitere Verweise auf die Tora beziehen sich in der Regel auf kultische Regelungen und stehen überwiegend im Hebräerbrief. Ein Beispiel für einen Bezug auf das Kultgesetz außerhalb dieser neutestamentlichen Schrift bildet der in Eph 5,2 angeführte „Duft von Wohlgeruch“ (İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ), der mit der metaphorischen Darstellung des Todes Jesu als Opfer verbunden wird. Das Motiv dieses Geruchs findet sich etwa in Ex 29,18 und anderswo in den jüdischen Heiligen Schriften. Ganz allgemein ist die konzeptuelle Opfermetaphorik natürlich auf die mosaischen Kultgesetze bezogen und von ihr abgeleitet, ohne dass dafür jedoch immer ein bestimmter Text als Vorlage diente. Einige der Textpassagen, die im Hebräerbrief auf den Opferkult (außer Lev 16) Bezug nehmen und diesen auf Jesu Tod hin aktualisieren, sind der Einfachheit halber im Folgenden tabellarisch dargestellt. Tabelle 4: Bezugnahmen auf kultische Handlungen im Hebräerbrief Text der Tora

relevanter Inhalt

Ex 29,38; Num 28,3 Ex 29,4

tägliches Opfer

Ex 40,9; Lev 8,10f.

Eintritt in das Heiligtum nach vorheriger Waschung der Priester Einweihung des Heiligtums und der entsprechenden Gerätschaften

Aufnahme in Hebr 7,27 10,19–22 9,21f.

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität Text der Tora

relevanter Inhalt

Lev 6,23

Verbrennen des Sündopfers, dessen Blut im Heiligtum war Scharlach und Ysop als Mittel der Reinigung

Lev 14,4; Num 19,6 Lev 17,11 Num 19,9.17

Blut auf dem Altar als Mittel der Entsühnung Asche einer Kuh zur Reinigung

299

Aufnahme in Hebr 13,1155 9,19 9,13f.21 9,13

Es zeigt sich hier eindrucksvoll, dass ganz unterschiedliche Elemente der Kultordnung im Hebräerbrief geschildert und auf Jesu Tod übertragen bzw. als durch ihn überboten angesehen werden, zusätzlich zu den umfassenderen Deutungshorizonten des Jom Kippur und des Bundesschlusses. Teilweise bestehen auch Überlappungen zu Lev 16. So ist die Waschung des Hohepriesters am Versöhnungstag ebenfalls ein möglicher Hintergrund von Hebr 10,19–22 und Hebr 13,11–13 scheint mit seiner Betonung der Verbrennung außerhalb des Lagers auf Lev 16 zu verweisen. Schließlich kann anhand von Apk 7,14 demonstriert werden, wie Bezüge zur Tora dazu beitragen können, starke, metaphorisch anmutende Bilder zu erklären. Das befremdliche Bild des Waschens und weiß Machens im Blut scheint eine Art Vorbild in Gen 49,11 zu haben. Im Kontext des Segens Jakobs über Juda ist die Rede vom Waschen der Kleidung in Wein bzw. „Traubenblut“, was hier als ein Bild für Fülle verwendet wird. Trotz der offensichtlichen Diskrepanz ௅ das „Blut“ in Gen 49,11 ist Vehicle einer Metapher, während innerhalb der Symbolik der Apk tatsächlich an das Blut des „geschlachteten Lamms“ zu denken ist ௅ nimmt die Verwandtschaft der Aussagen dem Bild in Apk 7,14 etwas die Härte und bietet erste Deutungsansätze. Als weiterer intertextueller Deutungshorizont kann Ex 19,10 herangezogen werden, die im Kontext der Offenbarung am Sinai stehende Aufforderung Gottes an das Volk, sich zu heiligen und die Kleider zu waschen. 3.1.4. Psalmen56 Betrachtet man genauer, welche Psalmen im Kontext der Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament rezipiert werden, wird schnell ersichtlich, dass einigen Textpassagen eine ganz besondere Stellung zukommt, insbesondere bei den Fällen, in denen ein direktes Zitat vorliegt. 55 Für Hebr 13,11–13 können auch Lev 24,14 und Num 15,35 relevant sein, wo die Vollstreckung des Todesurteils an einem Verbrecher außerhalb des Lagers geschildert wird. 56 Bei abweichender Zählung in der Septuaginta, wie dies insbesondere im Psalter der Fall ist, wird im Folgenden zur leichteren Orientierung die Bibelstellenangabe geliefert, unter der die jeweilige Passage in den gängigsten deutschen Bibeln zu finden ist. Die Angabe der Septuaginta wird, sofern relevant, hinter der ersten Nennung der Stelle in Klammern beigegeben.

300

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Zunächst ist Ps 118,22 (Ps 117,22 LXX) zu nennen. V. 22f. wird in Mk 12,10f.par direkt zitiert, wobei durch das vorausgehende allegorisch geprägte Gleichnis ziemlich klar ersichtlich ist, dass der „verworfene Eckstein“ mit Jesus und offenbar auch mit seinem Tod in Verbindung zu bringen ist. Dies wird umso deutlicher, als in der ersten Leidensankündigung Mk 8,31 ebenfalls davon die Rede ist, dass der Menschensohn „verworfen“ wird. Sowohl hier als auch in Mk 12,10 und somit im Septuaginta-Text von Ps 118,22 (bzw. 117,22) wird das griechische Verb ਕʌȠįȠțȚȝȐȗȦ gebraucht. Eine sehr deutliche Anspielung, die allerdings freier formuliert ist als ein direktes Zitat, findet sich in Apg 4,11, wo der vom heiligen Geist erfüllte Petrus die Mitglieder des Hohen Rates direkt als die Bauleute identifiziert und wo somit die Deutungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei einer erneuten Einberufung vor den Hohen Rat in Apg 5,31 Petrus und die Apostel im Zusammenhang des Todes und der Auferstehung wiederum indirekt auf die Sprechweise von Ps 118 Bezug nehmen, nun jedoch auf das Motiv der Erhöhung zu Gottes Rechten, das in V. 16 ausgedrückt wird. Wiederum direkt zitiert wird Ps 118,22 in 1Petr 2,4–8, wo die Passage Teil einer umfassenderen Zitatencollage ist, die sich um das Stichwort „Stein“ gruppiert. Da sowohl Mk 12,1–12 als auch 1Petr 2,4–8 im vierten Kapitel einer Detailanalyse unterzogen werden, wird dort auch auf den Schriftgebrauch näher eingegangen.57 Ein weiterer für das Verständnis des Todes Jesu zentraler Psalm, der aber weniger bildhaft geprägt ist, ist mit Sicherheit Ps 22 mit seinem Wandel von der Gottverlassenheit hin zur Erhörung durch Gott. Die Relevanz dieses Psalms wird allein daraus ersichtlich, dass nach Mk 14,33 und Mt 27,46 die letzten Worte Jesu am Kreuz ein Zitat aus Ps 22,2 darstellen. Im Matthäusevangelium ist die gesamte Schilderung des Todes Jesu so angelegt, dass immer wieder Bezüge zu Ps 22 hergestellt werden (vgl. z.B. Mt 27,35.43), ähnlich wie die Johannespassion insgesamt so stilisiert ist, dass einige Zitate aus den jüdischen Heiligen Schriften erfüllt werden, darunter ebenfalls ein Bezug zu Ps 22,19 in Joh 19,24. Auch in Texten, die generell das Leiden und die Erhöhung Jesu als schriftgemäß bezeichnen, kann an Ps 22 als Referenzpunkt gedacht werden, so etwa in der Belehrung der Emmausjünger durch den Auferstandenen (Lk 24,25–27). Im Lukasevangelium entstammen die letzten Worte Jesu hingegen einem anderen Psalm. Sie sind ein direktes Zitat aus Ps 31,6 und beschreiben eher eine Souveränität Jesu und Unterordnung unter Gottes Willen, die der Anklage bei den anderen beiden Synoptikern klar als Kontrast gegenübersteht. Der johanneische Jesus betet am Kreuz keinen Psalm und bleibt ebenfalls in seinem Handeln souverän, beinahe gleichmütig.

57

S.u., Abschnitt 2.2.2. und 2.4.2. des vierten Kapitels.

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

301

Der Hebräerbrief zeichnet sich erneut durch eine besonders deutliche Bezugnahme auf Psalmen aus, die allesamt direkt zitiert werden und den Ausgangspunkt für weitere Argumentationslinien bilden. So wird in Hebr 2,6–8 aus Ps 8,5–7 zitiert und dies wird in V. 9 auf Jesu Tod bezogen, wobei der Wortlaut des Psalms auch in diesem Vers teilweise buchstäblich aufgenommen wird. Die Auslegung des Psalmzitats ist dann für die folgende Darstellung grundlegend. Ähnliches gilt auch für das in 5,6 wiedergegebene Zitat aus Ps 110,4, durch das das Motiv des „Priesters nach der Ordnung Melchisedeks“ eingeführt wird, das für die weitere Argumentation und Ausdeutung des Todes Jesu maßgeblich ist. Es wird an späterer Stelle erneut aufgegriffen, so etwa relativ deutlich in Hebr 6,19f. und bildet in gewisser Weise die Grundlage für die Ausführungen von Kap. 9f. Nochmals begegnet das Phänomen eines ausführlichen Psalmzitats als Basis der nachfolgenden Auslegung in Hebr 10,5– 10. Hier wird zunächst das Zitat aus Ps 40,7–9 in V. 5–7 relativ umfangreich wiedergegeben, bevor es erklärt und auf das Christusgeschehen bezogen wird, wobei besonders relevante Ausschnitte erneut angeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass das Psalmzitat selbst intertextuelle Bezüge zu Opfergeboten und -praktiken besitzt, die kritisiert bzw. in ihrer positiven Wirkung auf Gott infrage gestellt werden. Möglicherweise nimmt auch Eph 5,2 auf Ps 40,7 Bezug, da auch hier das Nebeneinander von ʌȡȠıijȠȡȐ und șȣıȓĮ („Gabe“ und „Opfer“) besteht, jedoch in der gegenüber Ps 40,7 umgekehrten Reihenfolge. Geht man von diesem Bezug aus, wäre Ps 40 und die daraus abgeleitete Etablierung eines „neuen Opfers“ in Christus ein Deutungshorizont, der im Urchristentum auch jenseits des Hebräerbriefs bekannt war. Neben den deutlichen direkten Zitaten finden sich in den neutestamentlichen Schriften noch eine Reihe von Psalm-Anspielungen, von denen hier nur jene mit deutlichem Bezug zum Tod Jesu aufgeführt werden. Im Zusammenhang der Pfingstpredigt des Petrus betont dieser in Apg 2,24, Gott habe Jesus von den „Wehen des Todes“ befreit (Ȝ઄ıĮȢ IJ੹Ȣ ੩į૙ȞĮȢ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ). Der Ausdruck ੩į૙ȞİȢ șĮȞ੺IJȠȣ findet sich dabei auch in der Septuaginta-Fassung von Ps 116,3 (114,3 LXX), und ähnlich in Ps 18,6 (Ps 17,6 LXX): ੩į૙ȞİȢ ઌįȠȣ („Wehen des Hades“). Dabei handelt es sich in der Septuaginta wohl um eine Fehlübersetzung der hebräischen Wendung ʺʓʥ ʕʮʚʩʒʬ ʍʡ ʓʧ, eigentlich „Fesseln des Todes“. Bemerkenswert ist, dass die hebräische Version des Ausdrucks sich besser in den Text von Apg 2,24 fügen würde: „Gott hat die Fesseln des Todes gelöst.“58 Auch in Eph 4,9 wird Jesu Tod bzw. sein Abstieg ins Totenreich so beschrieben, dass Anklänge an die Sprache der Psalmen erkennbar sind, in diesem Fall vor allem an Ps 63,10 (LXX 62,10). Eph 4,9 beschreibt, dass Jesus „in die Tiefen der Erde hinabgestiegen“ ist (țĮIJ੼ȕȘ İੁȢ IJ੹ țĮIJઆIJİȡĮ [ȝ੼ȡȘ] IJોȢ ȖોȢ). 58

Eine weitere Ebene der Intertextualität entsteht dadurch, dass Ps 18 (mit Variationen) auch in 2Sam 22 vorkommt. Dort steht, entgegen der Septuaginta-Fassung von Ps 18, ebenfalls ੩į૙ȞİȢ șĮȞ੺IJȠȣ in der griechischen Übersetzung.

302

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Dies erweckt Assoziationen zu dem eng verwandten Ausdruck İੁȢ IJ੹ țĮIJઆIJĮIJĮ IJોȢ ȖોȢ in der LXX-Fassung von Ps 63,10, der sich nur durch die Steigerungsform des substantivierten Adjektivs unterscheidet. Auch der Aspekt des Hineingehens in diese Tiefen ist in Ps 63 vorhanden, wird aber in der SeptuagintaFassung sprachlich anders wiedergegeben (durch eine Form von İੁıȑȡȤȠȝĮȚ). Dabei steht Eph 4,9 wiederum in einer Argumentationslinie, in der ein vorangestelltes Zitat aus Ps 68,19 (LXX 67,19) auf Christus bezogen, ausgedeutet und erklärt wird. Schließlich ist zu fragen, welchen Einfluss Ps 130 (LXX 129), insbesondere V. 7f., auf den Gedanken der Erlösung bzw. des Loskaufs durch Christus, gehabt hat. In Ps 130,7 finden sich die Stichwörter „Gnade“ und „Erlösung“ in relativ enger Nachbarschaft, was auch in Röm 3,24 der Fall ist. Nun sind beide Begriffe theologisches Grundvokabular, und daher kann diese Übereinstimmung rein zufällig sein. Zwischen der Septuaginta-Fassung von Ps 130,7 und Röm 3,24 finden sich keine direkten wörtlichen Übereinstimmungen. Inhaltlich ergiebiger ist Ps 130,8, der zusichert, dass Gott Israel von all seinen Verfehlungen erlösen wird (LXX: țĮ੿ Į੝IJઁȢ ȜȣIJȡઆıİIJĮȚ IJઁȞ ǿıȡĮȘȜ ਥț ʌĮı૵Ȟ IJ૵Ȟ ਕȞȠȝȚ૵Ȟ Į੝IJȠ૨). Das Motiv der Erlösung bzw. des Loskaufs begegnet in den neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu häufiger.59 Insbesondere in Tit 2,14 zeigen sich deutliche sprachliche Parallelen zu Ps 130,8, wenn es heißt, dass Jesus sich selbst hingegeben hat, „um uns von jeder Verfehlung zu erlösen/loszukaufen“ (੆ȞĮ ȜȣIJȡઆıȘIJĮȚ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਕȞȠȝ઀ĮȢ). An anderer Stelle wird diese Verbindung von Erlösung/Loskauf und Schuld ebenfalls vage aufgenommen, jedoch mit anderen Vokabeln (vgl. Apk 1,5). Jesus wird in den Synoptikern als Psalmbeter charakterisiert. Dies zeigt sich nicht nur durch das Gebet am Kreuz, sondern auch z.B. durch seine Sprache in Gethsemane (vgl. Mk 14,34–40par). Im Hebräerbrief wird das dadurch noch überboten, dass Christus als die ursprüngliche Stimme einzelner Psalmen identifiziert wird (vgl. z.B. Hebr 10,5). Insgesamt waren einige einzelne Psalmen oder darin enthaltene Aussagen für die Konzeptionalisierung der Bedeutung des Todes Jesu relevant. Sie dienten zudem dazu, nachzuweisen, dass sein Geschick in der Schrift angekündigt wurde. 3.1.5. Weitere Texte Neben den bisher angeführten intertextuellen Bezügen zu Tora, Psalmen und Jes 53, gibt es natürlich weitere Texte, die in den neutestamentlichen Schriften in Bezug zum Tod Jesu gesetzt werden. Der überwiegende Teil dieser Texte stammt aus der Prophetie, obwohl auch einzelne Bezüge zur Weisheitsliteratur vorliegen. Wiederum sei betont, dass hier nur solche Passagen aufgegriffen werden, bei denen die Verbindung zum Tod Jesu sehr deutlich wird. 59

S.u., Abschnitt 5.2.4. und 6.2.1.

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

303

Ein erster wichtiger Textabschnitt ist Jer 31,31–34 (LXX Jer 38,31–34), dessen Ankündigung eines neuen Bundes sowohl in den Abendmahlsworten als auch in der Bundesschlussthematik des Hebräerbriefs aufgegriffen wird. Auch das Motiv der Sündenvergebung ist im Zuge dieses neuen Bundes bei Jer 31 höchst relevant. Zu beachten ist jedoch für die Abendmahlsberichte, dass nur im Kelchwort in Lk 22,20 und 1Kor 11,25 explizit vom „neuen Bund“ (ਲ țĮȚȞ੽ įȚĮș੾țȘ) die Rede ist, was auch vom Wortlaut an die Septuaginta-Fassung der Jer-Stelle erinnert, während nur die Matthäus-Fassung (Mt 26,28) auf die Sündenvergebung eingeht. Dass der in Jer 31,31 angeführte neue Bund ein ewiger sein wird, wird in Jer 32,30 (LXX 39,30) angeführt und befeuert die Möglichkeit einer soteriologisch-eschatologischen Ausdeutung. Für die Kelchworte ist neben Ex 24,8 und Jer 31,31–34 vermutlich auch Sach 9,11 von Relevanz, da hier im Kontext eines messianischen Textes die Motive des Blutes und des Bundes verbunden werden und auf einen Befreiungsakt hin ausgedeutet werden. Nun zeigen wiederum vom Wortlaut her die Mk- und Mt-Fassung eine stärkere Verbindung, da auch hier der Bund als Genitivattribut auf das Blut bezogen wird. Sowohl Jer 32,40 als auch Sach 9,11 spielen eine Rolle in Hebr 13,20, denn die Wendung ਥȞ Į੆ȝĮIJȚ įȚĮș੾țȘȢ ĮੁȦȞ઀Ƞȣ liest sich wie ein Konglomerat beider Textpassagen. Der „neue Bund“, und damit eine Anspielung auf Jer 31,31, kommt auch in Hebr 9,15 vor, während Hebr 10,16f. ausführlicher aus Jer 31,33–34 zitiert, wobei einige Abweichungen vom SeptuagintaText zu beobachten sind. Darüber hinaus gibt es wenig direkte Zitate. Nach Mk 14,27 deutet Jesus selbst seine bevorstehende Festnahme bzw. seinen Tod und die damit einhergehende Flucht der Zwölf vor dem Hintergrund von Sach 13,7. Das Zitat wird als solches kenntlich gemacht, folgt aber nicht dem Septuaginta-Text, obwohl die ursprüngliche Aussage sprachlich korrekt wiedergegeben wird. Der Kontext des Ursprungstexts wirkt im Hinblick auf die Anwendung auf Jesu Schicksal unpassend. Vermutlich steht der allgemeine Sinn des sprichwortartigen Ausspruchs, dass sich eine Gruppe ohne Anführer oder Anführerin zerstreut, im Vordergrund. Ein weiteres direktes Zitat, das aber nicht als solches kenntlich gemacht wird und wenig auffällig ist, ist der Verweis auf das dreitägige Verweilen Jonas im Bauch des Fischs (Jon 2,1), das dem Wortlaut der Septuaginta entsprechend in Mt 12,40 wiedergegeben und in Analogie zum dreitägigen Verweilen Jesu im „Herz der Erde“ gesetzt wird. Dadurch, dass in Mt 16,4 die Zeichenforderung und das „Zeichen des Jona“ wieder aufgegriffen werden, stellt der Rückbezug ein weiteres indirektes Zitat dar. Eine Zitatcollage besteht in 1Petr 2,4–8, wo neben Ps 118,22 auch Teile aus Jes 8,14; 28,16 direkt wiedergegeben werden, und indirekt Dan 2,34.44 ebenfalls eine Rolle spielen kann.60 Eng verwandt hiermit ist das Zitat aus Ps 118,22 in Mk 12,10f., das

60

S.u., Abschnitt 2.4.2. des vierten Kapitels.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

zwar allein wiedergegeben wird, für das aber die aufgeführten Passagen ebenfalls als allgemeine Deutungshorizonte relevant sein können. Auch das vorausgehende Weinberggleichnis Mk 12,1–9 bietet eine Vielzahl indirekter Anspielungen: Die Anlage des Weinbergs erinnert deutlich an Jes 5,1, die Tötung der „Sklavinnen und Sklaven“ bzw. Prophetinnen und Propheten wird etwa in Jer 20,2;26,21–23 und Neh 9,26 beschrieben und der Beschluss, den Sohn zu töten, erweckt Anklänge an Gen 37,20.61 Daneben gibt es eine Reihe von impliziten Verweisen auf die jüdischen Heiligen Schriften, die meist eher im Sinne allgemeiner Anspielungen zu verstehen sind. So erinnern die Begleitumstände und die direkten Folgen des Todes Jesu in Mt 27,51–53 an Ez 37,12 (Öffnung der Gräber) sowie Jes 26,19 und Dan 12,2 (Totenauferweckung). Das in Joh 1,29 und Apk 5,6 erwähnte Lamm kann neben dem Verweis auf Jes 53 auch eine Anspielung an Jer 11,19 (einen Vergleich mit einem arglosen Lamm, das zur Schlachtung geführt wird) beinhalten. Die Berührungspunkte sind insgesamt jedoch relativ gering. Als Verbindung ist vor allem die Tatsache anzusehen, dass in beiden Fällen das Bild des Lamms auf einen Menschen übertragen wird, obwohl die jeweilige konkrete Ausdrucksform unterschiedlich ausfällt ௅ Vergleich in Jer 11,19, Metapher in Joh 1,29, Symbol in Apk 5,6. Die Gestalt des Lamms in der letzgenannten Stelle evoziert zudem Sach 4,10 (die sieben Augen des Herrn). Im Johannesevangelium gibt es noch mehr Anspielungen auf die jüdischen Heiligen Schriften, wenn vom Tod Jesu die Rede ist. Wenn Jesus sagt, dass er nur noch kurze Zeit da sein wird und zwar gesucht, aber nicht gefunden wird, deutet die zweite Satzhälfte auf eine Redewendung hin, die auch in Spr 1,28 vorkommt. Und die Hirtenrede (Deutungen des Todes Jesu vor allem in Joh 10,11.16) setzt die metaphorische Beschreibung Gottes als Hirten voraus, wie sie besonders eindrücklich in Ez 34,11–16 beschrieben wird. Auch die Voraussage des Kommens eines Hirten als Stellvertreter Gottes, wie sie in Ez 34,23;37,24 geschieht, ist hier natürlich höchst relevant. Der Lebenseinsatz des Hirten ist dabei freilich etwas, das erst durch die johanneische Bearbeitung des Motivs eingeführt wurde und höchstwahrscheinlich das Christusgeschehen retrospektiv betrachtet. Ez 37,23 ist möglicherweise auch für das Verständnis von Tit 2,14 von Bedeutung, da in beiden Texten das Thema der Reinigung in Verbindung mit der Aussonderung des Volkes vorkommt. In Tit 2,14 ist dies eine zentrale Funktion und Auswirkung des Todes Jesu. Ein weiterer möglicher indirekter Schriftverweis liegt in 1Petr 1,18f. vor, wenn man hier einen Bezug zu Jes 52,3 sieht.62 Eine nur sehr schwache Anspielung, wenn überhaupt, lässt sich in 1Joh 1,7 erkennen. Hier heißt es, das Blut Jesu reinige von aller Sünde (țĮșĮȡ઀ȗİȚ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ). Die Formulierung ist dabei der LXXFassung von Spr 20,9 sehr ähnlich, da auch dort eine Form von țĮșĮȡȓȗȦ mit 61 62

S.u., Abschnitt 2.2.2. des vierten Kapitels. Näheres dazu s.u., Abschnitt 2.5.2. des vierten Kapitels.

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

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ਕʌȩ und ਖȝĮȡIJȓĮ im Genitiv (hier im Plural) steht. Inhaltlich gibt es in den beiden Stellen sonst jedoch keine Überschneidungen. Ähnlich zu beurteilen ist wohl auch Hebr 1,3. Der Ausdruck țĮșĮȡȚıȝઁȞ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ („Reinigung der Sünden“) könnte an Hiob 7,21 in der Septuaginta-Fassung erinnern, wo ebenfalls eine Verbindung von Reinigung und Sünde durch ein Genitivattribut vorliegt, die Sünde allerdings im Singular steht. Wiederum sind die Verbindungslinien insgesamt sehr vage, und ob hier tatsächlich ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, kann nicht geklärt werden. Auch an anderer Stelle des Hebräerbriefs kommen solche eher vagen Anspielungen vor. Die Bezeichnung Christi als „treuer Hohepriester“ (ʌȚıIJઁȢ ਕȡȤȚİȡİȪȢ) erinnert an die Ankündigung einer solchen Person in 1Sam 2,35. Allerdings ist in diesem Text nur generell von einem Priester, nicht von einem Hohepriester die Rede. Die Bezeichnung Jesu als „Hirten der Schafe“ (ʌȠȚȝ੽Ȟ IJ૵Ȟ ʌȡȠȕ੺IJȦȞ) kann wiederum auf die reiche Hirten-Schaf-Metaphorik der jüdischen Heiligen Schriften hinweisen (s.o.). Ebenso greift der Verweis auf den durch Jesu Blut gewirkten ewigen Bund ein wiederkehrendes Motiv der Prophetenbücher auf (vgl. neben den oben ausgeführten Passagen noch Jes 55,3; 61,8; Jer 50,5, Ez 16,60; 37,26). Schließlich sind die Verweise auf die jüdischen Heiligen Schriften in Apk 1,5–7 erwähnenswert. Hier findet sich eine ganze Reihe unterschiedlicher Anspielungen, die in einem Konglomerat von Zitaten in V. 7 mündet. Dabei ist im Kontext des Todes Jesu vor allem Sach 12,10 relevant, woraus offenbar das Motiv des „Durchbohrens“ und der damit verbundenen Wehklage stammt. In Sach 12,10 ist zudem vom „Erstgeborenen“ die Rede, was möglicherweise in 1,5 seinen Niederschlag gefunden hat, wenn Jesus als „Erstgeborener aus Toten“ bezeichnet wird. 3.2. Aufnahme frühchristlicher Traditionen Die Feststellung, ob eine frühchristliche Tradition, etwa eine Formel oder ein Lied, in den neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu aufgegriffen wurde, gestaltet sich deutlich schwieriger als der Nachweis eines Zitats aus den jüdischen Heiligen Schriften, da es keine schriftliche Vorlage, keinen Bezugstext gibt, mit dem die fragliche Passage abgeglichen werden kann. Viele Rekonstruktionsversuche bleiben daher im hypothetischen Raum. Vielhauer nennt sieben Kriterien zur Identifizierung frühchristlichen Materials:63 1. das Vorhandensein von Zitationsformeln 2. das Herausfallen aus dem Kontext durch „Formelhaftigkeit oder poetische Stilelemente“64 3. eine andere Terminologie als die beim Verfasser sonst übliche 4. andere theologische Vorstellungen als sonst beim Verfasser üblich sind 63 Vgl. VIELHAUER, PHILIPP, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter (De Gruyter Lehrbuch), Berlin/New York: De Gruyter 31981, 12. 64 Ebd.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

5. dieselbe oder sehr ähnliche formelhafte Formulierungen bei verschiedenen Autoren (ohne dass eine literarische Abhängigkeit anzunehmen wäre) 6. „Gedanken, die über den Zusammenhang auffällig hinausgehen und besonders streng und geschlossen formuliert sind“65 7. grammatische Inkorrektheiten“66 und „stilistische Härten“.67

Vielhauer kommt zu dem Schluss: „Wenn ein Text zwei oder mehrere dieser Indizien aufweist, darf man mit einiger Sicherheit auf älteres, geprägtes Traditionsgut schließen.“68 Allerdings sind meines Erachtens nur die Kriterien 1 und 5 wirklich aussagekräftig. Das zweite Kriterium ist relativ. Formelhaftigkeit lässt sich – gerade mit einem zeitlichen Abstand von beinahe zweitausend Jahren – schwer definieren. Durch seine Analyse zur Poetik in der antiken Rhetorik hat Brucker zudem gezeigt, dass es für griechische und lateinische Texte nur ein ausschlaggebendes Kriterium gibt: „‚Poetisch‘ ist nur ein Text, der nach einem bestimmten metrischen Schema (d.h. regelmäßige Abfolge von langen und kurzen Silben) aufgebaut ist. Fehlt ein solches Schema, liegt Prosa vor.“69 Für die meisten neutestamentlichen Autoren ist das Textkorpus zu klein, als dass man von einer spezifischen Terminologie sprechen könnte. Selbst wenn das Korpus umfangreicher ist, wie bei Paulus, gibt es unterschiedliche Gründe für eine abweichende Terminologie, etwa die Anpassung an den Adressierten vertrautes oder von ihnen bevorzugtes Vokabular. Theologische Vorstellungen, die zu denen der Person, die eine neutestamentliche Schrift verfasst, gänzlich konträr sind oder die ihren Argumentationsgang stören, werden wohl kaum übernommen worden sein, selbst wenn sie im Kontext einer frühchristlichen Überlieferung stehen. Schwierige oder uneindeutige Passagen könnten übernommen, jedoch mit einem korrigierenden Kommentar versehen worden sein. Dies auszumachen ist allerdings oftmals schwierig. Möglicherweise lassen sich zwischen den theologischen Vorstellungen einer zitierten Tradition und dem zitierenden Verfasser einer neutestamentlichen Schrift kleinere Verschiebungen ausmachen. Was aber konkret die „theologische Vorstellung“ ausmacht, die in einem biblischen Buch – oder einem einzelnen Abschnitt – ausgedrückt wird, ist häufig Auslegungssache. Das sechste Kriterium ist extrem vage gehalten. Wie können wir beurteilen, welche Gedanken über den Zusammenhang hinausgehen? Woher sollen wir sicher sein, dass aus der subjektiven Wahrnehmung der verfassenden Person dieser Aspekt für den Gedankengang nicht hochgradig relevant ist? Oder ob sie ursprünglich vorhatte, ihn auszuführen, davon jedoch letztlich absah? Selbst wenn es sich um einen Exkurs handelt, 65

Ebd. Ebd. 67 Ebd. 68 Ebd. 69 BRUCKER, RALPH, „Christushymnen“ oder „epideiktische Passagen“? Studien zum Stilwechsel im Neuen Testament und seiner Umwelt (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 176), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997, 347. 66

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

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muss man auch dies den neutestamentlichen Autoren zugestehen. Auch was „besonders streng und geschlossen formuliert“ ist, bleibt hier offen. Vermutlich ließe sich dieses Kriterium auf eine ganze Reihe von Passagen der neutestamentlichen Briefliteratur übertragen, die aus heutiger Sicht unnötig oder exkurshaft wirken. Im Hinblick auf Inkonsistenzen in Grammatik und Stil muss einerseits den neutestamentlichen Autoren zugetraut werden, dass sie in der Lage sind, Traditionsgut angemessen in den Gesamtzusammenhang einzubinden. Andererseits muss man ihnen zugestehen, dass sie selbst Fehler begehen können. In diesem Sinne ist auch das letzte Kriterium nicht sonderlich aufschlussreich. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die uns vorliegende Gestalt einiger neutestamentlicher Schriften das Ergebnis einer langen Redaktion ist, durch die einige auffällige Fehler behoben worden ௅ und möglicherweise andere hinzugekommen ௅ sind. Auch wenn Vielhauer selbst sagt, dass ein einzelnes Kriterium nicht ausreicht, sondern mindestens zwei gegeben sein müssen, ist dies etwa für das Vorliegen der unscharfen Kriterien zwei und sechs problematisch. Obwohl es sich bei der Identifizierung frühchristlicher Überlieferungen an sich um ein sinnvolles Unterfangen handelt und die dahingehenden Bestrebungen verständlich sind, sind die dahinterliegenden Prämissen fragwürdig: Die neutestamentlichen Verfasser wären demzufolge in Gedankenführung, Theologie, Terminologie und Stil stets konsistent. Dass Stilwechsel aber in der antiken Stiltheorie unter bestimmten Bedingungen durchaus gefordert waren und in der Praxis antiker Autoren häufiger vorkamen, zeigt Brucker in seiner ausführlichen Darstellung,70 die auch für das Neue Testament berücksichtigt werden müsste. Auch in den anderen angeführten Bereichen muss von Vereinheitlichungen und Vereinfachungen abgesehen werden. Für eine Reihe von Erwähnungen des Todes Jesu wird angenommen, dass hier frühchristliche Überlieferungen wie Formeln und Lieder verarbeitet wurden. An manchen Stellen trifft die vermutete Verarbeitung solcher Traditionen mit Metaphernkombinationen zusammen, was noch einmal besondere Fragen aufwirft: Wurde eine Metaphernkombination vom Verfasser aus der Tradition übernommen? Wurde diese also bereits vor der Verschriftlichung überliefert? Oder entsteht die Metaphernkombination erst dadurch, dass ein Traditionsstück vom Verfasser einer neutestamentlichen Schrift erweitert oder in einen größeren, ebenfalls metaphorisch ausgestalteten Kontext eingebunden wurde? Stammen die kombinierten Metaphern dementsprechend aus verschiedenen Quellen und von unterschiedlichen „Stimmen“? So aufschlussreich eine Beantwortung dieser Fragen auch ist, so schwierig ist sie, wie die oben dargestellte Problematik der Identifizierung frühchristlichen Materials zeigt. Selbst wenn man verhältnismäßig sicher vom Vorliegen solcher Überlieferungen ausgehen kann, ist damit noch nicht unbedingt etwas über Art und Umfang der Verarbeitung gesagt: Wo beginnt und endet das Zitat? Wurde die Tradition 70

Vgl. a.a.O. 174–252.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

wörtlich übernommen oder vom Verfasser mit eigenen Worten umschrieben oder beides in unterschiedlichen Teilen der Überlieferung? Handelt es sich um ein einzelnes Traditionsstück oder um ein Konglomerat verschiedener Überlieferungen? Es ergibt sich somit das Dilemma, dass die Verarbeitung frühchristliche Traditionen berücksichtigt werden muss, die Grundlage hierfür jedoch häufig unzureichend ist. Daher wird hier folgendermaßen vorgegangen: Zunächst werden diejenigen Textabschnitte angeführt, für die eine Verarbeitung von Formel- oder Liedgut anzunehmen ist. Dies sind die Abschnitte, die Vielhauers Kriterien 1 und/oder 5 erfüllen. Meines Erachtens sind diese Kriterien so stark, dass auch nur die Erfüllung eines der beiden aussagekräftig ist. Anschließend werden relevante Passagen angeführt, für die in der Forschung zumindest teilweise eine Benutzung frühchristlicher Wendungen angenommen wird. Eine genauere Analyse der Abschnitte, in der sich ein mögliches Zitat auf das Verständnis der Metaphernkombination auswirkt, erfolgt jedoch erst in Kapitel 4. Mit ziemlicher Sicherheit kann davon ausgegangen werden, dass die unterschiedlichen „für“-Formulierungen darauf zurückgehen, dass in der Tradition entsprechende formelhafte Wendungen überliefert und dann variiert sowie in größere Argumentationszusammenhänge eingebettet wurden. Im Zuge dessen kam es dann auch zu Erweiterungen durch Metaphern. Die „für“-Aussagen sind ein besonders gutes Beispiel für das erste Erkennungsmerkmal urchristlicher Traditionen, denn sie tauchen in einer Vielzahl unterschiedlicher und zum Großteil voneinander unabhängiger neutestamentlicher Schriften auf. Daneben weist Paulus in 1Kor 15,3 ausdrücklich darauf hin, dass er etwas wiedergibt, was an ihn selbst weitergegeben wurde: „Ich habe euch nämlich vor allem weitergegeben, was auch ich empfangen habe: Dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften“ (ʌĮȡ੼įȦțĮ Ȗ੹ȡ ਫ਼ȝ૙Ȟ ਥȞ ʌȡઆIJȠȚȢ, ੔ țĮ੿ ʌĮȡ੼ȜĮȕȠȞ, ੖IJȚ ȋȡȚıIJઁȢ ਕʌ੼șĮȞİȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ țĮIJ੹ IJ੹Ȣ ȖȡĮijȐȢ).71 In der Forschung wird dabei oft generell unterschieden zwischen „Sterbeformeln“ und „Dahingabeformeln“, abhängig von der verwendeten Verbform, die mit einer „für“-Präposition verbunden wird. Daneben bestehen Auferstehungs- bzw. Auferweckungsformeln, die meistens im Kontext des Todes Jesu nicht besonders relevant sind, es jedoch werden können, wenn sie mit einem formelhaften Verweis auf Jesu Tod verbunden werden („kombinierte Formeln“). Beispiele für die Dahingabeformel bieten Röm 8,32; Gal 1,4;

71

Vielhauer führt 1Kor 15,3 als Beispiel für sein viertes Kriterium (abweichende Terminologie) an, da die hier verwendeten Pluralformen („Sünden“, „Schriften“) für Paulus ungebräuchlich seien. (Vgl. VIELHAUER, Geschichte, 12.)

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

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2,20f.; Eph 5,2.25,72 sie ist aber ௅ teilweise mit Abwandlungen ௅ auch im johanneischen Schrifttum vorhanden, so vor allem in Joh 3,16 und 1Joh 3,16.73 Doch auch die Hirtenrede greift im Grunde genommen das Motiv der Lebenshingabe auf, wenn es dort auch in bildlicher Sprache fortgeführt wird. Sterbeformeln begegnen etwa in Röm 5,6.8; 14,15; 1Kor 15,3; 1Thess 5,10 und 1Petr 2,21; 3,18.74 Sie klingen auch in Gal 2,21; 1Kor 5,14f. und 1Kor 1,13 an, wo sie von Paulus durch Modifikationen der eigenen Argumentationslinie nutzbar gemacht wurden.75 Von den erwähnten Dahingabe- und Sterbeformeln stehen zumindest Gal 2,20f.; Eph 5,2.25 und 1Petr 2,21 im Kontext komplexer metaphorischer Diskurse. Auferstehungsformeln im Zusammenhang der Deutungen des Todes Jesu bzw. kombinierte Formeln finden sich etwa in Röm 4,25; 8,34; 14,9; 1Thess 4,14 und Kol 2,12. Dabei ist jedoch strittig, inwieweit hier wirklich von einer vorpaulinischen Tradition ausgegangen werden kann oder es sich eher um von Paulus selbst stammende Formulierungen handelt, möglicherweise als Ergebnis der Reflexion von Sterbe- oder Dahingabeformeln und mit Anspielung an bekannte Auferweckungsformeln. Während Wengst in Röm 4,25 eine vorpaulinische kombinierte Formel ausmacht76 und in Röm 14,9; 1Thess 4,14 und Kol 2,12 Züge der urchristlichen Auferweckungsformel sieht,77 geht er in Röm 8,34 von einer Anspielung aus.78 Hieran zeigt sich auf eindrückliche Weise die Unmöglichkeit, klar zwischen direkt übernommenen urchristlichen Formeln und der freieren Bezugnahme auf sie zu unterscheiden. Gerade Röm 4,25 ist interessant, da hier nicht nur die Verbindung von Dahingabe und Auferweckung vorliegt, sondern ein zusätzlicher Verweis auf das Sterben „um unserer Sünden willen“, was wiederum auf Jes 53 hinweisen kann. Vielhauer führt diese Passage als Beispiel für sein zweites Kriterium, also für auffällige „Formelhaftigkeit“ bzw. einen stark „poetischen“ Stil.79 Dass dieses Kriterium jedoch unzureichend und vage ist, wurde oben hinreichrend dargestellt. Entscheidender ist das Vorhandensein ähnlicher Formulierungen, insbesondere der Dahingabeformel, an anderen Stellen des Neuen Testaments.

72 Vgl. auch WENGST, KLAUS, Christologische Formeln und Lieder des Urchristentums (Studien zum Neuen Testament 7), Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 21973, 55–62. 73 Vgl. a.a.O. 76. Unklar hingegen ist, ob auch die ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ-Formulierungen in 1Joh 2,2 und 4,10 als mit den anderen „für“-Formeln in Verbindung stehend angesehen werden müssen. S.u., Abschnitt 5.2.2. 74 Vgl. auch WENGST, Christologische Formeln, 78f.83–85; VIELHAUER, Geschichte, 16–18. 75 Vgl. WENGST, Christologische Formeln, 79. 76 Vgl. a.a.O. 101–103. 77 Vgl. a.a.O. 45f. 78 Vgl. a.a.O. 47. 79 Vgl. VIELHAUER, Geschichte, 15f.18–20.

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Dass die neutestamentlichen „für“-Aussagen, unabhängig von der verwendeten Verbform, in enger Verwandtschaft zueinander stehen, ist unumstritten. Wie man sich die Genese dieser Traditionen vorzustellen hat, ob die Dahingabeformel oder die Sterbensformel ursprünglich ist, bleibt letztlich hypothetisch.80 Sehr gut möglich ist, dass die Abendmahlsüberlieferung als (zumindest ein) Ursprung dieser Formeln angesehen werden kann oder dass sie für die Festigung und Verbreitung der „für“-Formulierungen konstitutiv war. Mit der Abendmahlsüberlieferung liegt zudem ein weiterer Komplex vor, bei dem mit Sicherheit von Traditionsgut gesprochen werden kann. Hierfür spricht nicht nur, dass sich die Kultformeln sowohl bei den Synoptikern als auch bei Paulus (1Kor 11,23–25) finden, wenn auch mit Schwerpunktverschiebungen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass man die Formulierungen bei Mk und Mt denen bei Lk und in 1Kor 11 gegenüberstellen kann, sondern auch die Tatsache, dass Paulus die Abendmahlsworte mit dem Hinweis auf eine bestehende Tradition einleitet: „Ich nämlich habe vom Herrn empfangen, was ich auch euch weitergegeben habe“ (ਫȖઅ Ȗ੹ȡ ʌĮȡ੼ȜĮȕȠȞ ਕʌઁ IJȠ૨ țȣȡ઀Ƞȣ, ੔ țĮ੿ ʌĮȡ੼įȦțĮ ਫ਼ȝ૙Ȟ). Die paulinische und die markinische Überliefeurng „stellen zwei literarisch voneinander unabhängige Fassungen derselben Tradition dar.“81 Wiederum kann eine Rekonstruktion der Ursprungsfassung nur annäherungsweise und nicht mit Sicherheit erfolgen. Die paulinische Verschriftlichung der Formel ist älter und der Ablauf der Geschehnisse, also die Trennung von Brot und Kelch durch das Mahl, scheint ursprünglicher zu sein.82 Ob dies jedoch auch für die Einsetzungsworte selbst gilt, bleibt fraglich. Auch 1Kor 10,16f. nimmt Bezug auf die Abendmahlstradition, wenn auch indirekt und ohne die Überlieferung als solche kenntlich zu machen. Ein weiterer Traditionskomplex, der in enger Verbindung zu den „für“-Formeln steht, ist das Lösegeldwort Mk 10,45par mitsamt der verwandten Passagen 1Tim 2,6 und Tit 2,14. Wiederum zeigt sich hier das starke Kriterium der Verbreitung einer Tradition in voneinander unabhängigen neutestamentlichen Texten ௅ in den Synoptikern Mk und Mt einerseits und den Pastoralbriefen andererseits. Insbesondere zwischen Mk 10,45par und 1Tim 2,6 bestehen deutliche Parallelen: Das Vorliegen von ਕȞIJ઀ȜȣIJȡȠȞ bzw. Ȝ઄IJȡȠȞ, die Verwendung einer Form von įȓįȦȝȚ und von „für“-Formulierungen (ਕȞIJ੿ ʌȠȜȜ૵Ȟ bzw. ਫ਼ʌ੻ȡ ʌ੺ȞIJȦȞ). Dennoch zeigen sich auch Unterschiede in der Wortwahl, die darauf hindeuten, dass hier eher das generelle Konzept des „Loskaufs für andere“ mit dem Tod Jesu verbunden wurde als spezifische und festgefügte Formulierungen. Die Passagen machen den Anschein, als sei eine Dahingabeformel mit der Loskaufmetapher verbunden bzw. durch sie erweitert worden, obwohl auch

80

Zu den „für“-Formeln s. auch unten, Abschnitt 5.2.1. VIELHAUER, Geschichte, 37. 82 Vgl. a.a.O. 36f. 81

3. Aufnahme von Zitaten und Traditionen/Intertextualität

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prinzipiell der umgekehrte Fall möglich ist, nämlich, dass die Loskauftradition auf die Dahingabeformel reduziert wurde. In einer Reihe weiterer Passagen ist weitaus weniger deutlich, ob bzw. in welchem Ausmaß von einer Verarbeitung urchristlicher Traditionen ausgegangen werden muss. Ein Streitfall ist etwa Röm 3,24f. Der Großteil der Exegeten und Exegetinnen geht davon aus, dass hier eine Art Formel verarbeitet wurde, aber der Umfang ist strittig und auch, wie genau der Text zu klassifizieren ist. Wengst bezeichnet die hinter dem Text liegende Tradition als „andere Sühneformel“, also als zu den Dahingabe- und Sterbeformeln parallele und doch davon abgehobene Formel.83 Nach Vielhauer gehört sie „nur unter Vorbehalt zu den Pistisformeln“.84 Er führt sie zudem für sein siebtes Kriterium an, da sie sich ihm zufolge stilistisch schlecht in den Gesamtzusammenhang einfügt.85 In Röm 6,3–11 kann der mehrmalige Verweis auf ein Wissen der Adressierten (im Griechischen ausgedrückt durch unterschiedliche Verbformen) ein Indiz dafür sein, dass hier auf bekannte Traditionen verwiesen wird. Allerdings ist nicht klar, ob wirklich aus einem spezifischen Bekenntnis oder Lied direkt zitiert wird, oder nicht eher auf allgemeine Glaubensgrundsätze eingegangen wird.86 Auffällig ist der so genannte „Philipperhymnus“, Phil 2,5/6–11, innerhalb dessen in Phil 2,8 auch eine Erwähnung des Todes Jesu vorkommt. Dabei wird an dieser Stelle weder auf eine Tradition hingewiesen, bzw. eine solche gekennzeichnet, noch bestehen auffällige Übereinstimmungen zu anderen neutestamentlichen Texten, obwohl es durch die Betonung der Erniedrigung und die Verbindung von Leiden und Gehorsam gewisse Berührungspunkte mit Hebr 2,9; 5,8 gibt. Für Vielhauer dient diese Textpassage als Illustration seiner Kriterien zwei und sechs, also für „poetische“ Sprache und für über den Argumentationsgang hinausgehende, eng formulierte Gedanken. In der Tat hebt sich die Passage stilistisch vom Kontext ab, doch ist fraglich, inwiefern heutige Auffassungen von stilistischer Integrität oder Inkonsistenz wirklich aufschlussreich sind. Zumindest kann nicht ausgeschlossen werden, dass Paulus selbst poetisch anmutende Textstücke verfasst hat, etwa um einen spezifischen rhetorischen Effekt zu erzielen. Der überwiegende Teil der Forschung geht jedoch davon aus, dass hier eine vorpaulinische Tradition verarbeitet wurde, wobei meist die Bezeichnung als Hymnus oder Lied bevorzugt wird ௅ Wengst etwa spricht spezifisch von einem „Weglied“.87 Ganz analog zu beurteilen ist der „Kolosserhymnus“ (Kol 1,15–20) und die darin vorkommenden Bezugnah83

WENGST, Christologische Formeln, 87–90. VIELHAUER, Geschichte, 22. 85 Vgl. a.a.O. 12. Für eine weitere Diskussion von Röm 3,24f., s.u., Abschnitt 2.5.5. des vierten Kapitels. 86 Für eine weitere Analyse der Passage, s.u., Abschnitt 2.1.4. des vierten Kapitels. 87 Vgl. WENGST, Christologische Formeln, 144. 84

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

men auf Jesu Tod in V. 18 und 20. Dieser Text wird von Wengst als „Schöpfungsmittler-Inthronisations-Lied“ bezeichnet und damit derselben Kategorie zugeordnet wie auch Hebr 1,3,88 worin möglicherweise ebenfalls eine Anspielung auf Jesu Tod enthalten ist, wenn auch äußerst indirekt. Gerade für den Hebräerbrief ist das Isolieren von Traditionen jedoch ein hochgradig schwieriges Unterfangen. Der Stil dieser neutestamentlichen Schrift zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er anspruchsvoll und wandelbar ist. Die häufig aufgegriffenen Anspielungen aus den Psalmen verleihen dem Text immer wieder eine „poetische“ Note. Daher fällt meines Erachtens Hebr 1,3 nicht hinreichend aus dem Kontext heraus, um das Vorliegen einer urchristlichen Tradition eindeutig zu begründen. Als weitere mögliche Lieder bzw. Liedfragmente, in denen der Tod Jesu eine Rolle spielt, werden Eph 1,3–14; Kol 2,9–15 und Hebr 5,5–10 angesehen.89 Bei allen drei Texten halte ich aber die Indizien, die dafür sprechen könnten, für nicht aussagekräftig genug. Auch der Versuch, aus 1Petr 1,20; 3,18.22 ein Lied oder Bekenntnis zu rekonstruieren,90 bleibt im rein hypothetischen Raum. Des Weiteren wird mitunter aufgrund des „hymnischen Stils“ auch in 2Tim 1,9f. ein Traditionsstück angenommen, wobei auch hier der Befund uneindeutig ist. In 2Tim 2,11 hingegen scheint auf eine Tradition verwiesen oder sie als solche eingeleitet zu sein. Zumindest erweckt die Formulierung ʌȚıIJઁȢ ੒ ȜંȖȠȢ („treu/glaubwürdig ist das Wort“) den Eindruck, dass dieses Wort im Folgenden zitiert wird und es sich dabei um etwas handelt, das den Adressierten bereits geläufig ist. Ob sich dieses „Wort“ auf den gesamten Abschnitt bis V. 13 bezieht und ob hier im Wortlaut oder sinngemäß zitiert wird, ist wiederum unklar. Die parallel formulierten Bedingungs-Folge-Konstruktionen erwecken jedenfalls den Eindruck fester Merksätze. Sicher ist hier, dass das Konzept der Partizipation am Tod (und Leben) Jesu vorausgesetzt wird.

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu 4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

Wenn in der exegetischen Literatur auf den Tod Jesu eingegangen wird, liegt der Fokus meistens – und verständlicherweise – darauf, wie dieser gedeutet wird. Ebenfalls relevant und oft vernachlässigt sind jedoch die Termini, mit denen auf Jesu Tod selbst verwiesen wird, denn hier ergeben sich bereits interessante unterschiedliche Akzente. Einerseits kann auf sehr direkte Weise vom

Vgl. a.a.O. 166–180. Vielhauer spricht für Kol 1,15–20 von einem „glossierten Lied“, das für ihn eindeutige Bezüge zum Taufritus aufweist. (Vgl. VIELHAUER, Geschichte, 43.) 89 Vgl. VIELHAUER, Geschichte, 47. Laut Wengst handelt es sich bei Kol 2,13–15 „nicht um ein Lied, sondern um ein Stück Taufliturgie“. (WENGST, Christologische Formeln, 186.) 90 Vgl. z.B. WENGST, Christologische Formeln, 161–163. 88

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

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Tod Jesu gesprochen werden, indem etwa Begriffe wie „Tod“ (șȐȞĮIJȠȢ), „sterben“ (ਕʌȠșȞ૊ıțȦ/șȞ૊ıțȦ) oder „töten“ (ਕʌȠțIJİȓȞȦ/șĮȞĮIJȩȦ) gebraucht werden.91 Auch die Rede vom „Kreuz“ (ıIJĮȣȡȩȢ) bzw. die Verbform „kreuzigen“ (ıIJĮȣȡȩȦ) können als direkte Sprachformen angesehen werden, wenn damit die besonders grausamen Umstände des Todes Jesu in drastischer Weise hervorgehoben werden. Es kann sich dabei aber auch um eher indirekte Rede handeln.92 Es lassen sich zudem bereits Unterschiede in der Verteilung dieser Begrifflichkeiten feststellen: So begegnet ਕʌȠșȞ૊ıțȦ häufig im Zusammenhang der ਫ਼ʌȑȡ-Formeln, während die Begriffe für „töten“ eher im Kontext der Erzählung der Todesbeschlüsse oder im sogenannten Kontrastschema des lukanischen Doppelwerks auftauchen.93 Man erkennt in den jeweiligen Termini zudem unterschiedliche Aspekte: Die Begriffe șȐȞĮIJȠȢ und ਕʌȠșȞ૊ıțȦ/șȞ૊ıțȦ sind neutral gehalten. Sie besagen, dass Jesus gestorben ist, wie ein jeder Mensch irgendwann stirbt, ohne näher auf die Umstände des Todes einzugehen: „Tod, Sterben und Todeszustand Jesu werden in die allgemein menschliche Erfahrung eingeordnet und zugleich gedeutet“.94 Demgegenüber betonen ਕʌȠțIJİȓȞȦ und șĮȞĮIJȩȦ (sowie analog ıIJĮȣȡȩȦ) die Tatsache, dass Jesu Tod gewaltsam und von Menschen verantwortet war. Neben diesen direkten, eindeutigen Bezugnahmen auf den Tod Jesu kennt das Neue Testament jedoch auch eine Vielzahl von indirekten Erwähnungen, in denen auf den Tod Jesu angespielt wird, ohne dass dieser explizit genannt wird. Beispiele hierfür sind etwa die Rede vom „Blut“ Jesu (ĮੈȝĮ) – vor allem, da Jesu Tod per se nicht als sonderlich blutig bezeichnet werden kann – oder von seinem „Leiden“ (meistens ʌȐıȤȦ), wenn hier der Tod als Endpunkt mitgedacht wird. Häufig liegen in Fällen dieser indirekten Rede Metonymien oder Euphemismen vor, mitunter wird aber auch nur durch Metaphern oder Gleichnisse vom Tod Jesu gesprochen. Gerade das macht die Unterscheidung von direkter und indirekter Sprechweise im Kontext dieser Arbeit interessant. Zudem führt eine Verbindung von indirekter und metaphorischer Sprechweise in einigen Fällen zum Phänomen der Metaphtonomy.

91

Detlev Dormeyer führt die Verteilung dieser Begrifflichkeiten im Neuen Testament aus: „Thánatos (gr. șȐȞĮIJȠȢ), der Tod, bezeichnet 114mal im Neuen Testament das Ende des Lebens, spezifisch für Jesus 28mal. Apothnésko (gr. ĮʌȠșȞȒıțȦ) [sic], sterben, kommt insgesamt 111mal vor, für Jesus 21mal (thnesko [gr. șȞȒıțȦ] [sic], sterben 9mal insgesamt, 3mal für Jesus). Der Zustand tot wird 127mal insgesamt angeführt, für Jesus 44mal. […] ‚Töten‘ (gr. ȐʌȠțIJİȓȞȦ, apokteíno 74mal insgesamt, 22mal für Jesus; gr. șĮȞĮIJȩȦ, thanatóo 11mal insgesamt, für Jesus 3mal)“. (DORMEYER, DETLEV, Art. Tod Jesu, in: WiBiLex [http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/54040/], abgerufen am 24.01.2017. Abschn. 1.) 92 S.u., Abschnitt 4.2.2. 93 Zum Kontrastschema s.u., Abschnitt 5.2.9. 94 DORMEYER, Tod Jesu, Abschn. 1.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Im Folgenden wird daher zunächst dargelegt, wie das Verhältnis von direktem und indirektem Sprechen im Hinblick auf den Tod Jesu in den verschiedenen neutestamentlichen Schriften bestimmt werden kann, bevor im Anschluss unterschiedliche indirekte Sprechweisen näher untersucht werden. 4.1. Verteilung von direktem und indirektem Sprechen vom Tod Jesu Insgesamt besteht in den neutestamentlichen Schriften ein heterogenes Bild darüber, ob vornehmlich direkt oder indirekt vom Tod Jesu gesprochen wird und welche Kombinationen von direkter und indirekter Redeweise ggf. vorliegen. In den meisten Fällen dominiert jedoch die indirekte Sprechweise quantitativ, wiewohl die direkten Verweise teilweise qualitativ gewichtiger erscheinen können. In den Synoptikern beschränken sich die direkten Verweise auf die Schilderung der Tötungsbeschlüsse von Seiten der Gegner und Gegnerinnen Jesu, die von der Erzählinstanz berichtet werden, und die Leidensankündigungen. Dabei werden fast durchweg Termini, die den gewaltsamen Tod Jesu betonen, verwendet, während (ਕʌȠ-)șȞ૊ıțȦ vermieden wird,95 mit der Ausnahme von Mk 15,44, wo Pilatus seine Verwunderung über Jesu frühen Tod ausdrückt. Im Hinblick auf den Tötungsbeschluss sind insbesondere Mk 3,6; 11,18 und 14,1 (mit jeweiligen Parallelen) relevant. Dabei stehen in Mk 3,6 und Mt 12,14 Formen von ਕʌȩȜȜȣȝȚ in hervorgehobener Stellung am Ende des Satzes, während Lk indirekter durch einen angehängten Fragesatz formuliert; ebenfalls steht in Mk 11,18 und der Parallele (nur bei Lk) ਕʌȩȜȜȣȝȚ. In Mk 14,1 und Mt 26,1 stehen hingegen Formen von ਕʌȠțIJİȓȞȦ, wohingegen Lukas eine Form von ਕȞĮȚȡȑȦ (wörtlich: „hochnehmen“, im übertragenen Sinne bedeutungsähnlich zu ਕʌȩȜȜȣȝȚ) benutzt, eine seiner Vorzugsvokabeln96 (Lk 22,1). Obwohl es zunächst den Anschein hat, als hätte Lk hier den anderen Synoptikern gegenüber vorsichtiger formuliert, wird dies dadurch relativiert, dass in Lk 13,31–33 ohne Parallele berichtet wird, dass Herodes plant, Jesus umzubringen (ਕʌȠțIJİȓȞȦ; 13,31) und dieser weissagt, dass ein Prophet nicht außerhalb Jerusalems umkommen kann (ਕʌȩȜȜȣȝȚ). Wie bereits oben97 angeklungen ist, sind die Leidensankündigungen, in denen außer den genannten Passagen als einziges bei den Synoptikern direkte 95 (ਕʌȠ-)șȞ૊ıțȦ begegnet dagegen häufiger im Zusammenhang des Schicksals anderer Menschen, z.B. Mk 5,35.39par; Mt 2,20; Lk 20,36; 7,12. 96 Vgl. die Änderung von ਕʌȠțIJİȓȞȦ in ਕȞĮȚȡȑȦ Lk 22,1. Von den 24 Erwähnungen im Neuen Testament stammen 21 aus dem lukanischen Doppelwerk. Lk benutzt das Wort wohl im Sinne von „töten“. Interessant ist auch, dass dieses Verb oft benutzt wird, um die Tötungspläne gegenüber Paulus (und auch den anderen Aposteln) zu beschreiben, wodurch die Schicksale von Paulus und Jesus miteinander in Verbindung gesetzt werden. Auch įȚĮȤİȚȡȓȗȦ begegnet neben Apg 5,30 nochmals in 26,21, wo es sich auf Paulus bezieht. 97 Abschnitt 2.

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

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Termini (immer Formen von ਕʌȠțIJİȓȞȦ, in der dritten Leidensankündigung in Mk und Mt auch șȐȞĮIJȠȢ) gebraucht werden, in ihrer Direktheit nicht ganz unproblematisch. Diese Worte werden Jesus in den Mund gelegt, wobei sie teilweise nicht als direkte wörtliche Rede wiedergegeben werden, sondern durch die Erzählinstanz vermittelt sind (dies ist der Fall in Mk 8,31; Mt 16,21; Lk 9,22 und Mk 9,31). Von allen Leidensankündigungen macht nur Mt 16,21 durch die Verwendung des Pronomens explizit deutlich, dass Jesus von sich selbst spricht. In allen anderen Fällen spricht er vom Menschensohn und somit in der dritten Person. Auch wenn diese Bezeichnung für Jesus in den Evangelien häufig vorkommt und den Lesenden bzw. Hörenden bekannt sein muss, hat diese Sprechweise doch zumindest ein gewisses Maß an Indirektheit zur Folge. In der Wiedergabe der Leidensankündigungen bei den Synoptikern gibt es zudem kleine Unterscheidungen: Die zweite Ankündigung in der lukanischen Variante (Lk 9,44) enthält weder Bezüge zum Tod noch zur Auferstehung und sagt lediglich aus, dass Jesus ausgeliefert werden wird. Hier wird also höchstens indirekt auf Jesu Tod angespielt. In Mt 20,18–19 wird statt ਕʌȠțIJİȓȞȦ (bei Mk und Lk) ıIJĮȣȡȩȦ verwendet. Da Lk in der Parallele die Tatsache auslässt, dass Jesus zum Tode verurteilt wurde, besteht die Möglichkeit, dass sowohl Mt als auch Lk die Wendungen „zum Tode verurteilen“ und „töten“ in der markinischen Vorlage als Doppelung ansahen und daher in ihren Fassungen Auslassungen bzw. Variationen vornahmen. Wie die gängige Bezeichnung in der Forschung nahelegt, ist, zumindest in der ersten und dritten Ankündigung, das Motiv des Leidens dominant. Während in Mk 8,31par explizit die Wendung ʌȠȜȜ੹ ʌĮșİ૙Ȟ fällt, wird dies in Mk 10,34par durch verschiedene Verbformen, die detailliert auf die Geißelung Jesu Bezug nehmen, umschrieben. Da das Motiv des Leidens für sich genommen eine indirekte Sprechweise des Todes Jesu darstellt, könnten diese Leidensankündigungen also auch als Instanzen der Verbindung von direkter und indirekter Redeweise angesehen werden. Von diesen wenigen und nicht immer ganz eindeutigen Stellen, in denen direkt auf Jesu Tod hingewiesen wird, abgesehen, wird in den Synoptikern ganz überwiegend und auf sehr vielfältige indirekte Weise vom Tod Jesu gesprochen.98 Natürlich liegen in allen synoptischen Evangelien Passionsberichte und somit auch Schilderungen des Todes Jesu selbst vor, die ebenfalls als direktes Sprechen gewertet werden können. Allerdings ist interessant, dass der Todesmoment selbst in allen Fällen indirekt-euphemistisch beschrieben wird: als „Aushauchen“ (ਥȟ੼ʌȞİȣıİȞ) bei Mk und Lk und als „Aufgeben des Geistes“ (ਕijોțİȞ IJઁ ʌȞİ૨ȝĮ) bei Mt. In der Apg wird, anders als in den Evangelien, häufig direkt und auf drastisch-nüchterne Weise vom Tod Jesu geredet. Das hängt damit zusammen, dass

98

S.u., Abschnitt 4.2.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

der Tod Jesu hier oft innerhalb des sogenannten Kontrastschemas und im Kontext der Anklage gegen die Bevölkerung Israels genannt wird. Zwar ist vom „Tod“/ șȐȞĮIJȠȢ (Apg 2,24; 13,28), „sterben“/ șȞ૊ıțȦ (Apg 25,19) und „töten“/ ਕʌȠțIJİȓȞȦ (Apg 3,15) im Kontext des Todes Jesu nur relativ selten die Rede, dafür werden aber häufiger die Termini „beseitigen“/ ਕȞĮȚȡȑȦ (Apg 2,23; 10,39; 13,28; ähnlich įȚĮȤİȚȡȓȗȦ in Apg 5,30) „kreuzigen“/ ıIJĮȣȡȩȦ (Apg 2,36; 4,10) oder „ans Holz hängen“/ țȡİȝȐȞȞȣȝȚ ਥʌ੿ ȟ઄ȜȠȣ (Apg 5,30; 10,39) bzw. „[ans Kreuz] schlagen“/ ʌȡȠıʌȒȖȞȣȝȚ (Apg 2,23, vgl. ferner 13,29: țĮșİȜંȞIJİȢ ਕʌઁ IJȠ૨ ȟ઄ȜȠȣ, „ihn abgenommen habend vom Holz“) gebraucht. Während die Rede vom „Kreuz“ bzw. „Holz“ in anderen neutestamentlichen Schriften eher indirekten Charakter hat, ist sie in der Apg meines Erachtens eher als direkte Rede zu bezeichnen, die die schmachvollen Umstände des Todes Jesu noch weiter betont – schließlich wird das Kreuz hier als Instrument der Todesstrafe angesehen und führt daher zwingend zum Tod hin. Zudem stellt die häufige Erwähnung des Holzes eine stetige Erinnerung zum ਥʌ੿ ȟ઄ȜȠȣ aus Dtn 21,22 LXX her, wodurch der Kontrast der menschlichen Verfluchung und göttlichen Erhöhung nochmals gesteigert wird. Interessant ist, dass an einigen Stellen gleich mehrere direkte Erwähnungen des Todes Jesu miteinander verbunden werden (etwa in Apg 2,23f. und 10,39), wodurch ein noch deutlicheres Bild entsteht. Insgesamt spricht die Apostelgeschichte also besonders direkt und schonungslos von Jesu Tod. Selbst wenn der Tod Jesu auf indirekte Weise zur Sprache kommt – und hierbei ist das Motiv des „Leidens“ Christi dominant – bleibt der Tenor nüchtern-realistisch. Nur sehr selten wird neben der direkten Sprechweise auch noch ein zusätzliches indirektes Element benannt, das aber, wie in 5,28–31, dann eher die Wirkung der drastisch-direkten Ebene noch verstärkt. Im Gegensatz zu den Synoptikern und der Apg (mit Ausnahme von Apg 25,19) ist im Johannesevangelium auch neutraler vom „Sterben“ Jesu (ਕʌȠșȞ૊ıțȦ) die Rede, jedoch nur in wenigen Fällen. So fällt diese Vokabel zweimal in der Weissagung des Kajaphas in 11,50f., jeweils in Verbindung mit ਫ਼ʌȑȡ-Formulierungen (ਫ਼ʌ੻ȡ IJȠ૨ ȜĮȠ૨ in 11,50; Variation ਫ਼ʌ੻ȡ IJȠ૨ ਩șȞȠȣȢ in 11,51; „für das Volk“). In einer Erklärung des Kajaphas in Joh 18,14 wird die Wendung ਕʌȠșȞ૊ıțȦ ਫ਼ʌ੻ȡ IJȠ૨ ȜĮȠ૨ nochmals wiederholt. Diese auch in vielen anderen neutestamentlichen Schriften vorkommende Kombination von ਕʌȠșȞ૊ıțȦ und ਫ਼ʌȑȡ-Formulierung greift auf frühchristliche Traditionen zurück, wobei bei Johannes offenbar eine etwas andere Ausrichtung auszumachen ist, indem das Sterben „für das Volk“ geschieht und damit ein anderer Kreis Adressierter beschrieben wird als im übrigen Neuen Testament. Das Verb ਕʌȠșȞ૊ıțȦ fällt des Weiteren in einer indirekten Sprechweise im Wort vom Weizenkorn (Joh 12,24). Durch die Personifizierung wird jedoch schnell deutlich, dass die Metapher über sich hinaus auf ein Lebewesen verweist. Auch die vorangehenden Worte Kajaphas’ und die Häufigkeit von jesusbezogener metaphorischer Sprache im Johannesevangelium helfen dabei, dieses Bildwort

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

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auf Jesus zu beziehen. Daneben begegnet ਕʌȠșȞ૊ıțȦ zusammen mit șȐȞĮIJȠȢ in zwei Kommentaren in 12,33 und 18,32, wenn angedeutet wird, „welchen Tod er sterben wird“. Dabei erklärt die Erzählinstanz in 12,33 die indirekte Rede Jesu, der von seiner Erhöhung spricht, wohingegen 18,32 sich darauf rückbezieht und auf Jesu Prophezeiung hinsichtlich seiner Todesart verweist. Schließlich steht das Verb auch in 19,7, wenn „die Jüdinnen und Juden“ den Tod Jesu mit Verweis auf die Gesetze fordern. Neben ਕʌȠșȞ૊ıțȦ und șȐȞĮIJȠȢ kommt ähnlich wie bei den Synoptikern auch ਕʌȠțIJİȓȞȦ mehrfach vor. So werden in 5,18; 7,1.25 auf ziemlich dichte Weise und ohne Unterbrechung von indirekten Bezügen die Tötungsabsichten der religiösen Eliten beschrieben. Parallel dazu wird der Tötungsbeschluss in 11,53 nach der Kajaphas-Prophezeiung wiederholt. Verwandt, jedoch ironisch verzerrt, ist der direkte Verweis auf Jesu Tod, der durch das Missverständnis in 8,21f. ausgedrückt wird, wo sich „die Juden und Jüdinnen“ angesichts der Ankündigung des Fortgehens Jesu fragen, ob sich dieser selbst töten will. Neben diesen direkten Bezügen sind allerdings auch im Johannesevangelium viele indirekte Sprechweisen vorhanden. Ganz ähnlich wie bei den Synoptikern wird auch hier das tatsächliche Sterben indirekt-euphemistisch als „Übergeben des Geistes“ (ʌĮȡ੼įȦțİȞ IJઁ ʌȞİ૨ȝĮ, Joh 19,30) geschildert. Insgesamt sind direkte Verweise auf Jesu Tod also durchaus etwas häufiger im Johannesevangelium als bei den Synoptikern – gerade durch die Kajaphas-Prophezeiung und die Kommentare der Erzählinstanz, also dadurch, dass nicht nur Jesus seinen bevorstehenden Tod deutet. Da Joh aber insgesamt auf den Tod Jesu stark ausgerichtet ist und es auch eine ganze Fülle indirekter Verweise gibt, ist der Anteil der direkten Anspielungen bei ihm jedoch nicht größer als bei den Synoptikern. Interessanterweise steht im Gegensatz zu der direkten Sprechweise in den Evangelien und der Apostelgeschichte bei Paulus der gewaltsame Tod Jesu weniger im Vordergrund. Das Verb ਕʌȠțIJİȓȞȦ begegnet im Kontext des Todes Jesu lediglich in 1Thess 2,15 – bemerkenswerterweise in der ersten uns überlieferten paulinischen Erwähnung des Todes Jesu und dem einzigen Fall, in dem in den Protopaulinen dieser explizit mit dem Prophetenschicksal verbunden wird. Auch unabhängig vom Tod Jesu benutzt Paulus ਕʌȠțIJİȓȞȦ nicht sonderlich häufig (Röm 7,11; 11,3 – hier mit Bezug auf die Tötung der Prophetinnen und Propheten – und 2Kor 3,6). Er präferiert das neutralere Sprechen mit dem Verb ਕʌȠșȞ૊ıțȦ und dem Substantiv șȐȞĮIJȠȢ. Häufig wird als Deutung des Todes Jesu ਕʌȠșȞ૊ıțȦ in einer Formel mit Präposition angeführt, wobei Paulus, ähnlich wie Johannes, ਫ਼ʌȑȡ-Wendungen bevorzugt (Röm 5,6–8; 14,15; 1Kor 15,3; 2Kor 5,14f.; 1Thess 5,10), wohingegen ਕʌȠșȞ૊ıțȦ įȚȐ nur in 1Kor 8,11 begegnet. Da sich entsprechende Formulierungen in unterschiedlichen, voneinander unabhängigen Schriften des Neuen Testaments finden, ist es sehr wahrscheinlich, dass Paulus bei diesen Formeln bereits vorhandenes urchristliches Traditionsgut benutzt, es aber bewusst in seine Argumentationen einfügt

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

und nach Bedarf modifiziert.99 Daneben begegnet ਕʌȠșȞ૊ıțȦ aber auch häufig außerhalb derartiger Formeln und ohne Präposition, etwa in Röm 7,6 – hier jedoch nicht mit direktem Bezug auf Jesus, da von der Partizipation am Tod bzw. dessen Mitvollzug die Rede ist – Röm 8,34; 14,9; Gal 2,21; 1Thess 4,14. Auch das Stichwort șȐȞĮIJȠȢ fällt relativ häufig: Röm 5,10; 7,5; 1Kor 11,26; 2Kor 4,11–12 – auch hier interessanterweise im Zuge des Mitvollzugsmotivs und begleitet vom Zusatz ʌĮȡĮįȚįંȝİșĮ įȚ੹ ੉ȘıȠ૨Ȟ („wir werden übergeben um Jesu willen“), was eine Umkehrung der üblichen Hingabeformel darstellt – Phil 2,8; 3,10. Abgesehen von diesen Termini gebraucht Paulus ferner șĮȞĮIJȩȦ (Röm 7,4; „hinrichten“) und ȞȑțȡȦıȚȢ (2Kor 4,10; „Tod“), um explizit auf Jesu Tod zu verweisen. Das Verhältnis von direkten Nennungen des Todes zu den Erwähnungen insgesamt fällt in den verschiedenen paulinischen Briefen sehr unterschiedlich aus. Während in 1Thess nur direkt von Jesu Tod gesprochen wird, kennt Gal nur eine direkte Erwähnung des Todes Jesu (Gal 2,21), der jedoch in 2,19–20 indirekte Beschreibungen vorausgehen. Auch in 1Kor wird weitaus häufiger indirekt als direkt auf Jesu Tod Bezug genommen. Hier gibt es nur in der zweiten Hälfte des Briefs und insgesamt nur drei direkte Erwähnungen, von denen zudem eine (1Kor 11,26) in indirekte Beschreibungszusammenhänge eingebettet ist. Demgegenüber ist in Röm, 2Kor und Phil das Verhältnis von indirekten zu direkten Erwähnungen ungefähr ausgewogen. In Röm finden sich direkte Bezüge besonders in Kap. 5–7 (häufig zusammen mit indirekten Anspielungen oder in deren Kontext) und am Ende (hier allein). In 2Kor stehen entsprechende Nennungen in Kap. 4 und 5. Sie sind also etwas konzentrierter vorzufinden als die indirekten Erwähnungen. Allgemein findet sich häufiger das Phänomen der Verbindung von direkter und indirekter Rede, so zum Beispiel in Röm 5,6–11; 7,4–6 und Phil 3,10. In den übrigen Schriften des Neuen Testaments überwiegen mit Ausnahme von 2Tim und eventuell Kol indirekte Sprechweisen. Wo auf direkte Art vom Tod Jesu gesprochen wird, werden dabei bestimmte Termini bevorzugt: ਕʌȠșȞ૊ıțȦ (Kol 2,20; 3,3; als Kompositum ıȣȞĮʌȠșȞ૊ıțȦ in 2Tim 2,11; Hebr 9,27, hier allerdings auf den Tod von Menschen bezogen, der parallel zum „Darbringen“ Jesu in 9,28 steht), șȐȞĮIJȠȢ (Kol 1,22; 2Tim 1,10; Hebr 2,9.14; 5,7; 9,15–16, Apk 1,18), ȞİțȡȩȢ (Eph 2,1.5; Kol 2,13; Apk 1,18; „tot“) sowie ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ ਥț IJ૵Ȟ Ȟİțȡ૵Ȟ („Erstgeborener aus Toten“) und ähnliche Formulierungen (Kol 1,18; 2,12; Hebr 9,17; 13,20; Apk 1,5). Der Ausdruck șĮȞĮIJȩȦ („hinrichten“) begegnet nur in 1Petr 3,18. Ähnlich wie in den Protopaulinen lässt sich also auch hier erkennen, dass nicht der gewaltsame Tod oder die Verantwortung von Menschen im Vordergrund stehen, sondern das Faktum des Todes Jesu.

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S.u., Abschnitt 5.2.1.

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

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In Kol und Eph ist zu beobachten, dass direkte Erwähnungen des Todes Jesu vorrangig im Kontext des Mitvollzugs-Motivs und daraus resultierend in Verbindung mit Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle auftauchen. Dieses Phänomen begegnet auch bei Paulus, wo es aber nicht ganz so stark das direkte Sprechen dominiert. Die Kombination von direkter Rede und Mitvollzugs-Motiv ist auch nur folgerichtig, wenn die dadurch ausgedrückte Metapher wirksam und aussagestark sein soll. Während die direkten und indirekten Erwähnungen des Todes Jesu in Kol ungefähr gleich häufig vorkommen und teilweise beides in Kombination auftritt, liegt in Eph eine deutliche Schlagseite zugunsten der indirekten Erwähnungen des Todes Jesu vor. Hier ist als direkt zu wertende Sprache nur die Wendung ੕ȞIJĮȢ ȞİțȡȠȪȢ („tot seiend“; Eph 2,1.5) erkennbar, die die Partizipation am Todesgeschick Jesu verdeutlicht. Diese Wortverbindung begegnet auch in Kol 2,13, in einem ganz ähnlichen Sinn, wobei zu beachten ist, dass die direkten Erwähnungen in Kol 2,12f. von zwei indirekten ergänzt bzw. eingerahmt werden. Ferner wird das Mitvollzugs-Motiv in Kol 2,20 und 3,3 mit ਕʌȠșȞ૊ıțȦ verbunden. Weitere direkte Erwähnungen gibt es in Kol 1,18 (ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ ਥț IJ૵Ȟ Ȟİțȡ૵Ȟ) und 1,22 (șȐȞĮIJȠȢ), in letztem Fall wieder mit einer indirekten Erwähnung kombiniert. Obwohl direkte und indirekte Erwähnungen rein statistisch ungefähr gleich häufig vorkommen, ergibt sich doch das Bild, dass die direkten Erwähnungen im Kolosserbrief dominieren, da die indirekten meistens zusätzlich zu direkten erfolgen. Die einzigen Fälle, in denen nur indirekte Erwähnungen vorkommen, sind Kol 1,20 (zwei miteinander kombinierte indirekte Sprechweisen, allerdings eingerahmt von den direkten in Kol 1,18 und 1,22) und – möglicherweise – Kol 1,14, wenn man diese Stelle auf Jesu Tod bezieht. Es lässt sich auch ein alternierendes Schema erkennen, das gegen Ende stärker direkt auf Jesu Tod Bezug nimmt. In den Pastoralbriefen ist auffällig, dass, während in 1Tim und Tit nur indirekt von Jesu Tod gesprochen wird, dies in 2Tim nur auf direkte Weise geschieht (eindeutig in 2,11; ıȣȞĮʌȠșȞ૊ıțȦ, und wenn von Jesu Tod ausgegangen wird auch in 1,10; șȐȞĮIJȠȢ). Möglicherweise spiegeln sich hier tendenzielle Nähen von 1Tim und Tit wider, die durch die Abfolge der Abfassung und die generelle Genrezuordnung begründet werden können, zumal die indirekten Sprechweisen dieser Schriften große Gemeinsamkeiten aufweisen. Es ist zudem bemerkenswert, dass in den katholischen Briefen fast ausschließlich auf indirekte Weise vom Tod Jesu gesprochen wird. Lediglich in 1Petr 3,18 liegt mit dem sonst relativ selten gebrauchten Verb șĮȞĮIJȩȦ auch eine direkte Erwähnung vor, jedoch in Kombination mit der indirekten Sprechweise vom „Leiden“. Auch im Hebräerbrief überwiegen die indirekten Erwähnungen des Todes Jesu ganz eindeutig. Nur in einzelnen Fällen ist auf direkte Weise von Jesu Tod die Rede und dann wird deutlich das Substantiv șȐȞĮIJȠȢ bevorzugt: in Hebr 2,9.14; 5,7 und 9,15–17 (wobei zusätzlich in V. 17 die Wendung ਥʌ੿ ȞİțȡȠ૙Ȣ fällt). Zudem steht in 9,27 explizit das Verb ਕʌȠșȞ૊ıțȦ,

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

jedoch mit Bezug auf das einmalige Sterben der Menschen, mit dem Jesu Geschick in Verbindung gebracht und verglichen wird. Auch in der letzten Erwähnung des Todes Jesu in 13,20 könnte man eine direkte Erwähnung sehen, da hier die Formulierung ੒ ਕȞĮȖĮȖઅȞ ਥț Ȟİțȡ૵Ȟ („der herausgeführt Habende aus Toten“) steht. Allerdings geht es an dieser Stelle nicht vordergründig um Jesu Tod. Interessanterweise stehen die direkten Erwähnungen somit relativ dominant am Anfang. In 2,9 ist gleich zwei Mal ausdrücklich vom „Tod“ die Rede, ebenso in 2,14. Obwohl die direkten Erwähnungen nach Kap. 2 nochmals im 9. Kapitel eine Spitze erreichen, spielen sie dann bis zum Ende der Schrift überhaupt keine Rolle mehr. Nimmt man 13,20 allerdings erneut als direkte Erwähnung, so ist eine Rahmung der gesamten, meist indirekt-metaphorischen Bezüge durch direkte Verweise auf Jesu Tod gegeben. Dadurch, dass durchgängig (außer in 9,27, hier aber mit anderem Subjekt) das Substantiv und nicht das Verb gebraucht wird, ist der Gesamteindruck etwas statischer als in den anderen neutestamentlichen Schriften. Dieses Phänomen lässt sich aber auch dadurch erklären, dass der Verfasser des Hebräerbriefs als Verbum „darbringen“ präferiert, was sich besser in die vorherrschende Bildsprache fügt. In allen Fällen des direkten Sprechens steht zusätzlich auch eine indirekte Erwähnung des Todes Jesu im gleichen Kontext. Als ähnlich indirekt ist auch das Sprechen vom Tod Jesu in der Apokalypse zu bewerten, was anhand des Bilder- und Symbolreichtums dieser Schrift wenig verwundert. Zudem liegen hier häufig multiple indirekte Sprechweisen vor und bei der direkten Rede vom Tod Jesu wird nicht immer ganz klar, wie weit sie reicht. Die Formulierung „Lamm wie geschlachtet“ ਕȡȞ઀ȠȞ ੪Ȣ ਥıijĮȖȝ੼ȞȠȞ (Apk 5,6.9f.12; 13,8) liegt zwischen den beiden Polen. Auf der Symbolebene (und als Symbol ist ਕȡȞ઀ȠȞ hier aufzufassen) ist es durchaus eine direkte Sprechweise und das verwendete Verb evoziert den Tod deutlich. Dennoch ist es ein symbolhaftes Sprechen. Gänzlich direkte Bezüge liegen nur in den ersten beiden Kapiteln vor, sowohl in der Selbstvorstellung Jesu in Apk 1,18 und 2,8 (ȞİțȡȩȢ; in 1,18 auch șȐȞĮIJȠȢ) ohne indirekte Zusätze, als auch in der Doxologie Apk 1,5 (੒ ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ IJ૵Ȟ Ȟİțȡ૵Ȟ), hier jedoch verbunden mit weiteren indirekten Sprechweisen. Nach Kap. 5 dominieren indirekte Sprechweisen dann gänzlich. Es liegt also eine deutliche Bewegung vor: von der einleitenden, starken, kombinierten Sprechweise in Apk 1,5, hin zu direkten Erwähnungen, hin zu solchen, die direkt oder indirekt aufgefasst werden können (ਕȡȞ઀ȠȞ ੪Ȣ ਥıijĮȖȝ੼ȞȠȞ in Kap. 5) bis hin zur Dominanz indirekter Erwähnungen in der restlichen Apokalypse. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass die Art und Weise, wie die neutestamentlichen Schriften auf den Tod Jesu Bezug nehmen, sehr stark variiert. Während in einigen das konkrete Benennen des Schicksals Christi eine wichtige Rolle spielt und drastisch geschildert wird, ist die Annäherung in anderen vorsichtiger. Wenn der Tod Jesu direkt angesprochen wird, ist ferner eine Betrachtung des verwendeten Vokabulars aufschlussreich: Werden Substantive,

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

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Adjektive oder Verben verwendet? Wird der Tod Jesu einfach nüchtern konstatiert oder wird die Gewalteinwirkung betont? Ist das Geschilderte dementsprechend dynamisch oder statisch, aktiv oder passiv, vollzieht es sich mit einem oder mehreren Akteuren und Akteurinnen? Die Autoren des Neuen Testaments setzen hier ihre je eigenen Schwerpunkte, indem sie von ihnen bevorzugtes Vokabular bemühen. Die Wirkung kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Auf die Gesamtanzahl der Nennungen des Todes Jesu gesehen, machen die indirekten quantitativ die meisten aus, was zunächst überraschen mag. Der Tod Jesu wird weniger häufig benannt als umschrieben, was mitunter umfangreiches Vorwissen und Transferleistungen der Lesenden bzw. Hörenden erfordert. Allerdings ist auch die Indirektheit einiger Aussagen relativ. Denn die Unterscheidung von direkter und indirekter Sprechweise ist nicht als polar anzusehen, sondern es besteht vielmehr ein Kontinuum, was nicht zuletzt durch die Kombination von indirekten und direkten Verweisen untermauert wird. Handelt es sich hierbei immer um einzelne Erwähnungen oder um eine umfassende? Ungeachtet dieser unvermeidbaren Unschärfen ist es, angesichts der Dominanz indirekter Sprechweise, erforderlich, diese genauer zu untersuchen. 4.2. Verschiedene indirekte Verweise auf Jesu Tod Bereits eine Analyse der verschiedenen direkten Sprechweisen hat die Vielfalt der Termini und der mit ihnen einhergehenden Wirkung aufgezeigt, und dies ist bei der Betrachtung der indirekten Sprechweisen nochmals um ein Vielfaches gesteigert. In den folgenden Abschnitten werden die im Neuen Testament häufigsten indirekten Motive aufgeführt – Blut, Kreuz, Leiden und Hingabe – bevor abschließend solche Sprechweisen genannt werden, die seltener vorkommen und gleichzeitig die ganze Bandbreite des indirekten Redens erkennen lassen. Dabei bleibt zu bemerken, dass auch verschiedene indirekte Redeweisen teilweise miteinander kombiniert werden. Für manche neutestamentlichen Schriften, etwa den Hebräerbrief und die Apokalypse, ist diese Sprechweise geradezu charakteristisch. Aber auch in anderen langen und dichten Textabschnitten findet sich dieses Phänomen, so etwa bei Paulus in Gal 2,19–21 und 1Kor 11,23–29. 4.2.1. Blut Eine häufige indirekte Sprechweise vom Tod Jesu ist die Rede von seinem Blut. Diese kann als eine Form von Metonymie bzw. der Unterart Synekdoche aufgefasst werden, in der nach dem Grundsatz pars pro toto das Blut als ein Bestandteil auf den gewaltsamen Tod Jesu insgesamt hinweist. Obwohl diese Lesart plausibel ist, bleibt dabei jedoch auch zu bedenken, dass die Hinrichtungsart der Kreuzigung keine genuin blutige ist – in dem Sinne, dass etwa der Tod durch Blutverlust eintritt – und dass dementsprechend die Metonymie

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

bzw. Synekdoche den Rezipierenden eine gewisse Abstraktionsleistung abverlangt. Während die Sprechweise vom Blut häufig mit opferkultischen Deutungen zusammengebracht wird,100 muss dies nicht zwingend der Fall sein. Michael Wolter führt als Beispiel hierfür 1Clem 55,1101 an, wo nicht vom Tod Jesu die Rede ist, sondern die Sprechweise im paränetischen Zusammenhang zur Motivation von Leidensbereitschaft aufgegriffen wird.102 Die Art der Rede zeigt dabei dennoch einige Parallelen dazu, wie im Neuen Testament vom Tod Jesu gesprochen wird. Im Kontext von 1Clem 55,1 wird die rettende und damit in gewisser Weise auch heilsbringende Funktion des Blutes keineswegs durch eine kultische oder analog-kultische Handlung erklärt, sondern den Bezugsrahmen bildet durchweg der beschriebene effective death zugunsten anderer. Auch in den neutestamentlichen Erwähnungen des Todes Jesu wird man daher vorsichtig sein müssen, von der Sprechweise des Blutes allein oder noch spezifischer von der Heilsfunktion des Blutes Jesu aus direkt auf kultische Vorgänge zu schließen. Vielmehr müssen die einzelnen Erwähnungen in ihrem jeweiligen Kontext betrachtet werden. Hierfür spricht auch der vielfältige Bedeutungshintergrund des Motivs „Blut“ in den jüdischen Heiligen Schriften und im frühen Judentum. Im profanen Kontext wird Blut auch hier metonymisch für gewaltsames Sterben gebraucht: „Die Erfahrung, daß ein Mensch infolge von Blutverlust stirbt, führt zur Identifizierung von Blut […] mit Tod und Blutvergießen […] mit Mord.“103 Während menschliches Blut – wie andere Körperflüssigkeiten – nach den Gesetzen der Tora zur Unreinheit der blutenden Personen und derjenigen, die mit ihr in Kontakt kommen, führen kann,104 hat Tierblut in kultischen Zusammenhängen reinigende Funktion, etwa bei der Heilung von Aussatz oder im Kontext der Priesterweihe.105 Das Motiv der 100 Frey sieht das Motiv einer (kultischen) Sühne dann gegeben, wenn „von der Heilswirkung des Blutes die Rede ist“. (FREY, Probleme, 21.) Darin stimmt er mit Barth überein, der weiter spezifiziert: „Dabei verbindet sich verschiedentlich der allgemeine Sühnegedanke mit dem speziellen des Sühnopfers.“ (BARTH, Tod Jesu Christi, 48.) 101 „Doch um sogar Beispiele von Heiden zu bringen: Viele Könige und Fürsten haben sich in einer Zeit des Unheils auf Befehl eines Orakels dem Tod übergeben, damit sie durch ihr Blut die Bürger retten.“ (Zitiert in: WOLTER, MICHAEL, Der Heilstod Jesu als theologisches Argument, in: Jörg Frey/Jens Schröter [Hg.], Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament [Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181], Tübingen: Mohr Siebeck 2005, 297–314. Hier: 300). 102 Vgl. ebd. 103 KNÖPPLER, THOMAS, Das Blut des Lammes. Zur soteriologischen Relevanz des Todes Jesu nach der Johannesapokalypse, in: Jörg Frey/Jens Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181), Tübingen: Mohr Siebeck 2005, 477–512. Hier: 491. 104 Vgl. a.a.O. 490f. Relevant ist hier vor allem der (zyklische oder außerzyklische) Blutfluss von Frauen. Vgl. Lev 15. 105 Vgl. KNÖPPLER, Blut, 492.

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

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Weihe und zusätzlich die Stiftung einer Gemeinschaft werden durch die Besprengung der Israelitinnen und Israeliten mit Blut beim Bundesschluss (Ex 24,3–8) symbolisiert.106 Insbesondere beim Blutritus des Jom Kippur, aber auch generell beim Sündopfer (ʺʠ ʕ˔ ʔʧ) wird die Funktion des Blutes als Sühnemittel deutlich. In diesem Zusammenhang ist auch Lev 17,10f. zu lesen, wo der Genuss von Blut generell verboten und damit erklärt wird, dass sich der Sitz des Lebens im Blut befinde und dies zur Versöhnung durch Gott gegeben sei. Diese Passage ist insgesamt von großer Bedeutung für das Verständnis der Opfervorschriften und -vorgänge: Weil das Blut zum einen Lebensträger und zum anderen Gottes heilvolle Gabe für den kultischen Vollzug ist, darum dient es als Sühnemittel. […] Hat Gott das Leben in sich bergende Blut für den Sühnekult gegeben […], dann ist das Opfer keine menschliche Vorleistung, um Gott gnädig zu stimmen.107

Auch die Gleichsetzung von Blut(vergießen) und gewaltsamem Tod im profanen Sprachgebrauch wird weiter dadurch plausibilisiert, dass das Blut als Ort des Lebens angesehen wird. Neben der reinigenden und sühnenden Funktion hat Blut auch apotropäische (Unheil abwendende) Wirkung, so etwa im Passaritus, zumindest in seiner älteren Form.108 Im vierten Makkabäerbuch (z.B. 4Makk 6,29; 17,22) zeigt sich, wie dies auch für die Sprechweise vom Blut Jesu anzunehmen ist, eine Vermischung unterschiedlicher Ebenen.109 Zunächst deutet der Terminus auf das gewaltsame Ende der Märtyrer hin. Dann aber wird dem Blut – stellvertretend für den gesamten Tod – eine weiterführende Funktion zugeschrieben. Es soll als Ersatz für das Blut des gesamten Volkes gesehen werden und die Sünden des Volkes tilgen, hat somit sühnende und rettende Wirkung. Auch eine apotropäische Funktion kann den Passagen, in denen in 4Makk vom Blut der Märtyrer die Rede ist, entnommen werden, da dadurch weiteres Unheil vom Volk abgewendet werden soll. Man kann hier möglicherweise auch Anklänge an opferkultische Sprache, etwa an die Regelungen des Jom Kippur, erkennen, wie dies Knöppler konstatiert: „Die Deutung profaner Situationen vollzieht sich […] auf dem Hintergrund kultischer Opfer- und Blutaussagen.“110 Allerdings ist zu bedenken, dass, obwohl in den Märtyrerberichten Anspielungen auf Opferriten zu finden sind und dieser Deutungshorizont für das Schicksal der Märtyrer somit präsent ist, das Blut weniger als „Sühnemittel“ dargestellt wird und generell eine marginale Rolle einnimmt. Der Fokus liegt auf dem gewaltsamen Tod, der durch die Benennung des Blutes noch deutlicher präsent wird. Gleiches gilt 106

Vgl. ebd. A.a.O. 494f. 108 Vgl. a.a.O. 496f. Später wurde auch das Passa im Sinne eines Opfers verstanden. Vgl. a.a.O. 498. 109 Vgl. a.a.O. 499. 110 A.a.O. 503, vgl. auch 499. 107

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

auch für die meisten Fälle, wenn im Neuen Testament vom Blut Jesu die Rede ist. Ein weiterer Grund dafür, dass die Rede vom „Blut“ (ĮੈȝĮ) Jesu häufig gebraucht wird, um indirekt von seinem Tod zu sprechen, ist, neben der Bedeutungsvielfalt und den unterschiedlichen Konnotationen des Terminus in den jüdischen Heiligen Schriften und in Texten des Frühjudentums, die Tatsache, dass er in einer zentralen liturgischen Feier des Urchristentums fest verwurzelt ist – dem Abendmahl. Dies wird dadurch noch bedeutsamer, dass die Einsetzung des Abendmahls – wenn auch nicht in der uns heute vorliegenden, von Paulus und den Synoptkiern wiedergegbenen Form, so aber wohl doch im Grundansatz – auf den historischen Jesus zurückgeht. In den synoptischen Evangelien sind daher die Abendmahlsworte (Mk 14,22–24; Mt 26,26–28; Lk 22,15–20) die zentralen Passagen, in denen ein Bezug zum Tod Jesu durch die Rede vom Blut hergestellt wird. Dabei besteht stets eine Verbindung mit „Leib“ (ı૵ȝĮ) und durch die Gleichsetzung mit Brot und Kelch eine Allegorie, wobei der Tod Jesu das Vehicle darstellt.111 Das Blut wird dabei weiter als „Blut des Bundes“ (Mk, Mt) bzw. der Kelch als „der neue Bund in meinem Blut“ (Lk) spezifiziert. Wie bereits erwähnt, hat das Blut beim Bericht des Bundesschlusses in Ex 24,3–8 weniger eine reinigende Funktion als dass es darauf abzielt, die Einheit des Volkes Israel sowie seine Zugehörigkeit zu Gott und seinen Geboten zu besiegeln. Eine ähnliche gemeinschaftsstiftende und mit Gott verbindende Funktion steht daher auch hier im Hintergrund. Durch den Zusatz „für viele“ (Mk, Mt) bzw. „für euch“ (Lk) werden aber auch zusätzliche soteriologische Deutungsmöglichkeiten eröffnet. Nur Mt legt dies jedoch explizit so aus, dass Jesu Tod zur „Vergebung der Sünden“ geschieht. Dadurch, dass Jesu Blut „vergossen“ wird, ist auch das Element des gewaltsamen Sterbens in den Einsetzungsberichten präsent. Eine Art Parallele zu diesen synoptischen Redeweisen von Jesu Leib und Blut bildet Joh 6,53–56. Hier wird im Kontext der Brotrede das Brot mit dem Fleisch (ı੺ȡȟ) Jesu gleichgesetzt und die Notwendigkeit des Essens des Brotes betont. Gleichzeitig wird auch das Trinken des Blutes gefordert, wobei jedoch keine weitere Gleichsetzung (etwa mit Wein/dem Kelch) erfolgt. Auch sonst ist die Aussagerichtung an dieser Stelle anders als bei den Einsetzungsworten. Es fehlt der Bezug zum Bund und auch der Aspekt des gewaltsamen Sterbens wird nicht so deutlich, da nicht davon die Rede ist, dass dieses „vergossen“ wird. Stattdessen wird vorrangig betont, dass das Essen des Fleisches und das Trinken des Blutes zur Teilhabe an Jesus führen. Während im Markusevangelium nur bei den Einsetzungsworten des Abendmahls und im Kontext der Heilung der blutflüssigen Frau überhaupt von ĮੈȝĮ die Rede ist, kommt der Begriff in den übrigen Erzähltexten – sowohl mit Be-

111

S.u., Abschnitt 6.1.

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

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zug zum Tod Jesu als auch ohne ihn – häufiger und mit großem Bedeutungsspektrum vor, was auch im Rückblick auf das Blut in den Einsetzungsworten interessant ist. Auch in neutestamentlichen Texten kann Blut ganz generell den gewaltsamen Tod bezeichnen bzw. diesen zusätzlich betonen, etwa in Mt 23,29–35 und der Parallele Lk 11,46–51, in Lk 13,1, Apg 22,20 und in der Beteuerung des Paulus, er habe an niemandes Blut Schuld (Apg 20,26). Auch die Bezeichnungen „Blutgeld“ (Mt 27,6) und „Blutacker“ (Mt 27,8; Apg 1,19) werden auf einen gewaltsamen Tod, nämlich den des Judas, zurückgeführt. Interessant dabei ist jedoch, dass hier der Tod nicht durch Dritte erwirkt wird, sondern sich Judas selbst das Leben nimmt (in der Fassung von Mt) bzw. durch einen Unfall auf besonders grauenvolle Weise umkommt (in der Apg). Zumindest für Mt 27 muss von einem metonymischen Gebrauch des Blutes ausgegangen werden, da bei dem in V. 5 geschilderten Suizid durch Erhängen – ebenso wie bei der Hinrichtung durch Kreuzigung – der Blutverlust eine höchstens untergeordnete Rolle spielt und keine primäre Todesursache darstellt. Die Apostelgeschichte erwähnt zudem mehrfach das Sich-Fernhalten bzw. Vermeiden von Blut als Bestandteil des Reinheitsgebots (Apg 15,20.29; 21,25). Daneben nennen Mt 16,17 und Joh 1,13 das Blut als Ausdruck des irdischen Seins, das im Kontrast zur göttlichen Existenz steht, und in Apg 2,19f. ist Blut ein apokalyptisches Zeichen. Im Hinblick auf Jesu Tod finden sich in den Erzähltexten neben den Abendmahlseinsetzungen nur verhältnismäßig wenige Erwähnungen von Jesu Blut. Verdichtet treten diese im Matthäusevangelium auf, wenn Judas es bereut, „unschuldiges Blut“ ausgeliefert zu haben (Mt 27,4) und Pilatus kurz darauf konstatiert, unschuldig am Blut Jesu zu sein (Mt 27,24), worauf das Volk fordert, das Blut Jesu möge über es kommen (Mt 27,25). Eine ähnliche Formulierung liegt auch in Apg 5,28 vor, wenn der Hohepriester den Aposteln vorwirft, es sei ihre Absicht, das Blut Jesu über den Hohen Rat bzw. das jüdische Volk zu bringen. Ähnlich verflucht Paulus die Juden und Jüdinnen, bevor er sich der Heidenmission widmet: „Euer Blut komme über euer Haupt“ (Apg 18,6), wobei hier freilich das eigene Blut gemeint ist, nicht die Schuld, die durch fremdes Blut aufgeladen wird. Schließlich tritt auf der Erzählebene in Joh 19,34 Blut in Verbindung mit Wasser aus Jesu Körper aus, was eine gewisse Parallele zu der sekundären Ausschmückung der Gethsemane-Perikope in Lk 22,44 besitzt. Die Paulus zugeschriebene Aussage, dass die Kirche Gottes durch sein eigenes Blut erworben sei (Apg 20,28), stellt schließlich eine der wenigen soteriologischen Deutungen des Todes Jesu im lukanischen Doppelwerk dar und ist neben den Einsetzungsworten zugleich die einzige Passage in den neutestamentlichen Erzähltexten, in der überhaupt das Blut mit einer weiterführenden Deutung versehen und nicht einfach als Ausdruck des gewaltsamen Geschicks verwendet wird. Interessanterweise liegt auch hier, ebenso wie bei der Abendmahlseinsetzung, eine Verbindung mit metaphorischer Sprache vor.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Überraschenderweise ist die indirekte Redeweise vom Blut Jesu in den echt paulinischen und Paulus zugeschriebenen Briefen nicht sonderlich dominant. In den Pastoralbriefen taucht der Terminus „Blut“ überhaupt nicht auf. Von den Protopaulinen ist die Redeweise vom Blut Jesu nur in Röm (3,25; 5,9) und 1Kor (10,16; 11,25.27) zu finden, in letzterem immer zusammen mit „Leib“ im Kontext der Abendmahlstradition und -praxis. In Röm 3,25 ist ein kultischer Kontext gut möglich, je nachdem, wie der Ausdruck ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ aufgefasst wird. Auch in Röm 5,9, wo davon die Rede ist, dass man durch Jesu Blut gerecht gemacht wird, scheint dieses eine reinigende, vielleicht auch eine versöhnende Funktion zu besitzen. Während in dieser Passage ein metaphorischer Kontext nicht eindeutig feststellbar ist, liegt in den anderen Fällen, in denen Paulus vom Blut Jesu spricht, eine Kombination mit einer Metapher vor. Auch unabhängig von der Rede vom Tod Jesu gehört ĮੈȝĮ nicht zu den Vorzugsvokabeln des Paulus. Im Sinne des gewaltsamen Todes begegnet es noch in Röm 3,15, wo das Vergießen von Blut als Ausdruck der Schuld und Schlechtigkeit der Menschen angeführt wird. In 1Kor 15,50 und Gal 1,16 wiederum wird Blut, ähnlich wie in Mt 16,17 und Joh 1,13, als Metonymie für das Irdische gebraucht. Diese Konnotation ist möglicherweise auch auf die Verwendung des Blutes zur Bezeichnung des Todes Jesu übertragbar und hier Ausdruck seines völligen Menschseins. Auch in den Deuteropaulinen Kol und Eph kommt das Blut Jesu als indirekter Verweis auf sein Sterben mit insgesamt drei Erwähnungen selten vor. Hier besteht keine Verbindung zum Abendmahl. In Kol taucht der Verweis auf das Blut insgesamt nur einmal auf (Kol 1,20), hierbei in Verbindung mit einem weiteren indirekten Verweis („durch das Blut seines Kreuzes“, įȚ੹ IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ıIJĮȣȡȠ૨ Į੝IJȠ૨), wodurch ein stärkerer Bezug zu Jesu Tod hergestellt wird. Auch in Eph wird nur in Passagen, die sehr indirekt vom Tod Jesu sprechen, das Reden vom Blut aufgenommen. Mit Eph 1,7 ist die erste Erwähnung des Todes Jesu dieses Briefs (wenn man denn hier von einem entsprechenden Verweis ausgeht) durch das Sprechen vom Blut gekennzeichnet. Die „Erlösung“ bzw. der „Loskauf“ durch sein Blut (IJ੽Ȟ ਕʌȠȜ઄IJȡȦıȚȞ įȚ੹ IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ Į੝IJȠ૨ – je nach Auffassung mit mehr oder weniger stark konventionalisierter Metapher) hat starke Anklänge an Jesu gewaltsames Ende, allein vom Terminus Blut und dem Kontext aus könnte jedoch theoretisch auch lediglich die Menschwerdung Jesu im Vordergrund stehen. Ähnlich verhält es sich in Eph 2,13. Hier kommen die Adressierten – angesprochen sind Heidenchristinnen und christen, vgl. 2,11 und auch 3,1; 4,17112 – durch das Blut Jesu den Judenchristinnen und -christen ganz nahe, wobei auch an diesem Punkt nicht deutlich wird, ob Tod oder Menschwerdung Jesu – oder beides – gemeint ist. Die Konnotationen des Begriffs ĮੈȝĮ machen prinzipiell beides möglich. In beiden

112

Vgl. auch SCHNELLE, Einleitung, 383.

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Passagen des Epheserbriefs steht das Heilshandeln bzw. die positive Auswirkung des Bluts auf die Adressierten jedoch eindeutig im Vordergrund. Von den Bezügen zum Tod Jesu abgesehen, taucht ĮੈȝĮ noch einmal in Eph 6,12 auf, wo es sich zusammen mit „Fleisch“ auf die irdische Existenz bezieht. Allerdings ist das, wovon es abgegrenzt wird, nicht etwas positiv Himmlisches, sondern bezeichnet das überirdisch Böse. In beiden Schriften wird die Versöhnungsfunktion des Todes Jesu betont. Innerhalb der übrigen neutestamentlichen Schriften taucht der Verweis auf Jesu Blut als indirekte Sprechweise je zwei Mal in 1Petr und 1Joh auf und ist dann sowohl im Hebräerbrief als auch in der Apokalypse besonders dominant. In 1Joh kommt ein entsprechender Bezug in der ersten und letzten Erwähnung des Todes Jesu (also in 1Joh 1,7 und 5,6–8) vor, und bildet somit eine Klammer um die übrigen Erwähnungen. In 1,7 ist die Rede vom Blut außerdem mit der einzigen expliziten Metapher des 1Joh verbunden, der paradox anmutenden Reinigung von Sünden durch das Blut, wobei auch in der letzten Erwähnung ein metaphorischer Hintergrund denkbar ist. Die Paarung von Wasser und Blut erinnert hier an Joh 19,34, wodurch ein Bezug zum Tod Jesu möglich wird. Auch die Betonung, er sei nicht nur im Wasser, sondern in Wasser und Blut gekommen, sowie der vorherige Verweis auf das Blut in 1Joh 1,7 legen dies nahe. Vom reinen Wortlaut des Textes her, ohne Berücksichtigung von Joh 19,34, könnte auch allein die Menschwerdung Jesu gemeint sein. Auch ein Hinweis auf liturgisch-sakramentale Praktiken ist hier möglich. In 1Petr stehen beide Erwähnungen des ĮੈȝĮ Jesu zu Beginn des Briefes, in 1,2 und 1,19, und in beiden Fällen in metaphorischen Zusammenhängen, in 1Petr 1,19 sogar im Rahmen einer zentralen Metaphernvermischung. Da in 1Petr 1,2 wohl die Besprengung von Personen durch das Blut gemeint ist, steht hier am ehesten der Bundesschlussgedanke im Hintergrund. In 1Petr 1,19 wird das Blut Jesu als das eines „makellosen, unbefleckten Lammes“ identifiziert, wodurch die Assoziation mit einem Opfer oder dem Passalammm aufgerufen wird. Sowohl in 1Petr als auch in 1Joh taucht der Begriff ĮੈȝĮ nur in Verbindung mit einem Bezug zum Tod Jesu auf. Im Hebräerbrief nimmt von den indirekten Erwähnungen, die nicht der Sammelkategorie „Sonstiges“ zuzuordnen sind, das Blut die größte Zahl an Belegen ein, was aufgrund der opferkultischen Deutungshorizonte der Schrift nicht weiter verwundert. Erstmals begegnet es in Kombination mit der direkten Erwähnung in Hebr 2,14 (hier zusammen mit „Fleisch“ und ganz eindeutig auch auf die irdische Natur Jesu abzielend), letztmals ebenfalls in Verbindung mit direkter Sprechweise in Hebr 13,20. Besonders dominant ist diese Art der indirekten Sprechweise in Kap. 9f. (Hebr 9,12.14.18–22.25; 10,19.29). Sie taucht auch in den Kap. 12f nochmals auf (Hebr 12,24; 13,11–12). Dabei wird die ganze Fülle des Blutmotivs ausgeschöpft: Blut ist für Opfer allgemein und für die Opfer des Jom Kippur im Speziellen erforderlich; Blut ist konstitutiv

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für den Bundesschluss; Blut hat reinigende und Versöhnung erwirkende Funktion. Auch auf die Rolle des Blutes beim Passaritus wird eingegangen (Hebr 11,28), wenn auch dieser nicht auf Jesu Tod bezogen wird. Im Komplex Hebr 9,15–29 ist allerdings zu beachten, dass hier nicht wirklich von Jesu Blut die Rede ist, sondern von fremdem bzw. Tierblut. Dieses wird jedoch mit Jesu Schicksal in Verbindung gebracht und verglichen, so dass hier ein Zusammenhang besteht und eine Rückübertragung geschieht bzw. bewusst intendiert wird. Zudem ist direkt zuvor in Hebr 9,12.14 von Jesu Blut die Rede. In besagtem Komplex liegt wiederum eine Verbindung mit direkter Sprechweise vor. Ferner steht ĮੈȝĮ in 2,14 und 10,19f. in Verbindung mit Fleisch (ı੺ȡȟ), in 10,29 und 12,24 in Verbindung mit der Bundesschluss-Thematik (Blut des Bundes) und somit mit Anklängen an Ex 24. Generell werden mit der Sprechweise des Blutes Opfer- und Ritualvorschriften verbunden. In der Apokalypse findet sich die indirekte Erwähnung durch das Motiv des Blutes Christi bzw. des Lamms bereits in 1,5 und dieses Bild zieht sich durch einen Großteil der Schrift bis ins zwölfte Kapitel. Dabei besteht, wie bereits erwähnt, in der Doxologie zu Beginn des ersten Kapitels eine Verbindung zur direkten Sprechweise sowie zur indirekten Sprechweise des „Durchbohrens“ und in 5,9f. zum „geschlachteten Lamm“. In diesen beiden ersten Erwähnungen besteht eine Beziehung zum „Erlösen/Freikaufen“ (ȜȪȦ; Apk 1,5) bzw. „Erkaufen“ (ਕȖȠȡȐȗȦ; Apk 5,9). In den übrigen beiden Erwähnungen in 7,14 und 12,11 bildet die Rede vom ĮੈȝĮ jeweils den einzigen Bezugspunkt zum Tod Jesu, jedoch beide Male in Kombination mit dem Symbol des Lamms. In 7,14 besteht zudem ein Zusammenhang mit dem – hier besonders paradox anmutenden – Reinigungsmotiv, während das Blutmotiv in 12,11 eigenständiger ist, aber wiederum eine eigene Funktion erfüllt: Dank des Blutes ist es den bedrängten Geschwistern möglich, ihren Ankläger selbst zu besiegen. Dabei folgen sie in ihrer Leidensbereitschaft Jesus nach. Auffällig ist, dass alle vier Erwähnungen des Blutes Jesu bzw. des Lamms in der Apokalypse mit einer metaphorischen Sprechweise verbunden sind. Auch in 19,13 wird das Blutmotiv in Verbindung mit Jesus erwähnt, wobei hier jedoch vor dem Traditionshintergrund relativ deutlich ist, dass es sich wohl nicht um sein eigenes Blut handelt.113 Daneben kommt das Blutmotiv häufiger in Apk vor, etwa bei der

113 Knöppler hält dies jedoch für möglich und weist generell auf die Schwierigkeit der Deutung dieses Bildes hin: „Nicht eindeutig zuordnen läßt sich die Aussage über den in 19,13 beschriebenen, in Blut getauchten Mantel […] des an der Spitze des himmlischen Heeres als Reiter wiederkommenden Christus. Es ist wohl kaum daran gedacht, daß das vergossene Blut der Märtyrer, Propheten und Heiligen am Mantel Christi klebt. Eher schon dürfte hier ein typisch apokalyptisches Kampfmotiv im Blick sein, das als solches den Märtyrertod von Christen voraussetzt. […] Von einer vorausgegangenen Schlacht, in der der wiederkommende Christus gekämpft hätte, weiß der Text freilich nichts. Darum ist letztlich nicht auszuschließen, daß Christi eigenes Blut, das Blut des geschlachteten Lammes, im

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Beschreibung der Plagen in 8,7f. Auch die Wendung „trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu“ zur Beschreibung der Hure Babylon in 17,6 ist eine interessante Parallele. Dementsprechend unterscheidet Knöppler drei Verwendungsarten des Begriffs ĮੈȝĮ in der Apokalypse: Neben dem Blut Jesu bzw. des Lamms seien „das vergossene Blut der Zeugen Jesu“114 bzw. der „Heiligen“ (noch in Apk 6,10; 16,6; 18,24; 19,2) und Blut als „Ausdruck einer typisch apokalyptischen Erscheinung“115 (noch in 6,12; 11,6; 14,20; 16,3f.) zu nennen. Dabei sei aber keine klare Abgrenzung der verschiedenen Blutaussagen möglich und nötig; vielmehr bestehe eine Verbindung zwischen ihnen. Dies wird schon daran deutlich, dass sie oft in unmittelbarer Nähe zueinander stehen. Daneben stellt der Deuteengel im Abschnitt Apk 16,3–6 einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Verwandlung der Gewässer in Blut und dem Blut der Propheten und zu Jesus Gehörenden her.116 Schließlich wird auch zwischen dem Lamm sowie den Zeuginnen und Zeugen Jesu nicht nur durch das Blut eine Verbindung hergestellt, sondern auch dadurch, dass der gewaltsame Tod der Märtyrer und Märtyrerinnen als „Dahinschlachten“ bezeichnet wird bzw. diese als „Geschlachtete“ (ਥıijĮȖȝ੼ȞȠȚ; Apk 6,9f.; 18,24) bezeichnet werden, was Anklänge an das „Lamm wie geschlachtet“ (ਕȡȞ઀ȠȞ ੪Ȣ ਥıijĮȖȝ੼ȞȠȞ; Apk 5,9) besitzt. Das Blutmotiv ist daher gerade dadurch in der Apokalypse so dominant, dass es auf verschiedenen Ebenen angesprochen wird. 4.2.2. Kreuz Wie bereits erwähnt wurde, ist, wenn vom „Kreuz“ Jesu die Rede ist, jeweils im Einzelfall zu entscheiden, ob es sich dabei um direkte oder indirekte Rede handelt. In manchen Fällen, gerade bei Paulus, erscheint das Kreuz als eine Art Chiffre, durch die der Tod Jesu eher in den Hintergrund rückt. In anderen neutestamentlichen Schriften, gerade in der Apostelgeschichte, wird aber durch diese Wendung das Geschick Jesu noch brutaler und radikaler ausgedrückt. Gegenüber den anderen, meist eindeutig direkten Sprechweisen, etwa vom „Tod“, „töten“ oder „sterben“, ist das Besondere an dieser Ausdrucksweise, dass die Kreuzigung eine Art Alleinstellungsmerkmal des Todes Jesu darstellt und weniger ein allgemein menschliches Schicksal.117 Selbst in den wenigen Fällen, in denen sich das Kreuz nicht direkt auf Jesus bezieht, ist die Verbindung mit ihm so stark, dass auch in diesen Fällen ein Verweis auf seinen Tod gegeben zu sein scheint. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, auf die Blick ist. In diesem Fall würde der mit Blut getränkte Mantel darauf hindeuten, daß der bevorstehende Endsieg im Tod Christi gründet.“ (KNÖPPLER, Blut, 490.) 114 A.a.O. 484. 115 Ebd. 116 Vgl. a.a.O. 486. 117 Vgl. DORMEYER, Tod Jesu, Abschn. 1.

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Kreuzigung Jesu zu verweisen, durch das Substantiv ıIJĮȣȡȩȢ („Kreuz“), das im Neuen Testament insgesamt 27mal genannt wird, und durch das Verb ıIJĮȣȡȩȦ („kreuzigen“), das mit 46 Erwähnungen deutlich häufiger vorkommt.118 Daneben begegnen in seltenen Fällen Verbformen mit Präfixen: ਕȞĮıIJĮȣȡȩȦ und ıȣıIJĮȣȡȩȠȝĮȚ. Dabei sind die Verteilungen durchaus unterschiedlich. Während in den Evangelien und bei Paulus beide Wortarten oft vorkommen, steht in Kol und Eph nur das Substantiv und das nur selten. In Hebr begegnet jeweils einmal das Substantiv und einmal die Verbform ਕȞĮıIJĮȣȡȩȦ, wohingegen in der Apk nur einmal die Verbform fällt, jedoch in einer eher flüchtigen Randbemerkung. In den Pastoralbriefen und den katholischen Briefen fällt das Schlagwort „Kreuz“ bzw. „kreuzigen“ überhaupt nicht. Insgesamt kommt sowohl die Verbform als auch das Substantiv mit Abstand am häufigsten in den Evangelien vor, hier jedoch meistens allgemein auf der Erzählebene und nicht als sonstiger indirekter Verweis auf Jesu Tod. Rein auf der Erzählebene, also auf die Forderung und Durchführung der Kreuzigung Jesu bezogen, steht das Substantiv in Mk 15,21.30.32; Mt 27,32.40.42; Lk 23,26 und Joh 19,17.19.25.31, das Verb in Mk 15,13.14.15.20.24.25.27; Mt 27,22.23.26.31. 35.38; Lk 23,21.23.33 und Joh 19,6.10.15.16.18.20.23.41. Außerdem gibt es einzelne Erwähnungen der Verbform, die etwas aus der Reihe fallen. So wird in Mk 16,6 Jesus vom Engel nach seiner Auferstehung mit der Partizipform, also als Gekreuzigter, bezeichnet. Auch in Lk begegnet die Form in Rückblicken, in Lk 24,7, in einer Art Retrospektive auf eine Leidensankündigung, an die Jesus die Emmausjünger erinnert (in den Leidensankündigungen bei Lk findet sich dieses konkrete Motiv sonst nicht) und nochmals in Lk 24,20. Bei Matthäus hingegen kündigt Jesus, anders als bei den anderen Synoptikern, seine Todesart direkt als Kreuzigung an, sowohl in der Leidenankündigung Mt 20,19, als auch nochmals in Mt 26,2. In beiden Fällen stehen im engeren oder weiteren Kontext dabei Begriffe, die gänzlich direkt auf Jesu Tod hindeuten (șȐȞĮIJȠȢ in 20,18; ਕʌȠțIJİȓȞȦ in 26,4). In Mt 23,34 hingegen bezieht sich der Ausdruck „töten und kreuzigen“ auf die Propheten und Prophetinnen. Durch die Rahmung mithilfe der beiden Ankündigungen aber wird hier eine Parallelität der jeweiligen Schicksale hergestellt. Als wirklich indirekter Verweis auf Jesu Tod durch die Rede vom Kreuz können in den synoptischen Evangelien nur die Passagen Mk 8,34; Mt 10,38; 16,24; Lk 9,23; 14,27 gesehen werden, in denen jeweils das Substantiv ıIJĮȣȡȩȢ vorkommt. An diesen Stellen wird das Kreuz nicht auf Jesus bezogen, sondern das Auf-sich-Nehmen des Kreuzes wird als Ausdruck der Nachfolge aufgeführt. Angesichts des Gesamtaufrisses der Evangelien und des Hintergrundwissens der Rezipierenden werden diese Abschnitte aber leicht auf Jesus übertragen. In diesem Fall ist das Kreuz dann das Vehicle in einer Metapher, die die Bereitschaft zur Annahme des eigenen

118

Dormeyer vertauscht in seinem Artikel die beiden Häufigkeiten.

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Schicksals mitsamt Leiden und Verfolgung durch die Anhängerinnen und Anhänger Jesu ausdrückt. Wie bereits in Abschnitt 4.1. erwähnt wurde, kommt das Sprechen vom Kreuz Jesu auch in der Apostelgeschichte in verschiedenen Ausprägungen mehrfach vor. Allerdings liegt in diesen Fällen eher direkte Sprache vor, weshalb hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Das Motiv des Kreuzes ist in vier protopaulinischen Briefen (1Kor, 2Kor, Gal, Phil) vorhanden und in zweien davon, 1Kor und Gal, dominant. Dagegen fehlt das Motiv in 1Thess und Röm jedoch vollständig. In 1Kor ist auffällig, dass das Kreuz in den ersten beiden Kapiteln sehr häufig erwähnt wird, wobei nur in der ersten Erwähnung eine Deutung vorgenommen wird: „Wurde etwa Paulus für euch gekreuzigt?“ (1Kor 1,13) Von Jesus selbst ist hier nicht die Rede, sein Tod steht nicht explizit im Vordergrund. Es handelt sich um einen der wenigen neutestamentlichen Fälle, in denen nicht Jesus syntaktisch mit dem Verb „kreuzigen“ verbunden ist. Natürlich ist Jesus aber das gedachte eigentliche Subjekt. Spannend ist an dieser Stelle weiterhin, dass gerade kein Mitvollzug genannt ist, der sonst bei Paulus häufig vorkommt (und in Gal auch mit dem Kreuz verbunden ist, s.u.), sondern dass sich von diesem sogar sehr dezidiert abgegrenzt wird. Vermutlich liegt der Unterschied gerade in dem „für euch“, das dem Mitvollzug entgegensteht. Ansonsten stehen im 1Kor, wie auch sonst bei Paulus, generelle Ausdrücke wie „Kreuz Christi“ (1Kor 1,17) oder „Wort des Kreuzes“ (1Kor 1,18), die eng mit der paulinischen Missionstätigkeit verbunden sind. Auch der Partizip-Titel „der Gekreuzigte“, der bereits im Hinblick auf Mk 16,6 erwähnt wurde, taucht mehrfach auf (1Kor 1,23; 2,2, daneben auch Gal 3,1). Viele dieser indirekten Bezüge zum Tod Jesu, die nicht weiter gedeutet werden, stehen im Kontext der Verkündigung. Ähnlichkeiten zur Redeweise der Apostelgeschichte weist z.B. 1Kor 2,8 auf, wo ebenfalls eher von einer direkten Sprechweise ausgegangen werden kann. Auch in Gal steht das Motiv des Kreuzes mehrfach ohne oder mit nur sehr indirekter Deutung (neben Gal 3,1 besonders in Gal 5,11). Im Gegensatz zu 1Kor gibt es hier aber auch solche Erwähnungen, in denen breitere Deutungshorizonte erwähnt und auch Metaphern genannt werden: Das Kreuz taucht in dem dichten Abschnitt Gal 2,19–21 in V. 19 auf, wobei das sonst seltene Verb „mitkreuzigen“ (ıȣıIJĮȣȡȩȠȝĮȚ) mit Bezug auf das Ich des Paulus verwendet wird, durch das sofort deutlich wird, dass an dieser Stelle eine Partizipation am Tod Jesu ausgedrückt wird. Auch am Ende des Briefs in 5,24 und 6,12.14 steht das Motiv des Kreuzes im Zusammenhang des Mitvollzugs. Wie bereits in Gal 2,19 ist auch hier Jesus nicht das einzige Subjekt der Kreuzigung: In Gal 5,24 „kreuzigen“ die zu Jesus gehörenden Menschen ihre Begierden. Gal 6,12–14 geht in eine ähnliche Richtung, wobei die Doppelung des Kreuzes in dieser Passage bemerkenswert ist: Durch das Kreuz Christi ist für Paulus die Welt gekreuzigt und umgekehrt. All diese Passagen des Galaterbriefs haben gemein, dass in ihnen der Hauptfokus nicht auf Jesu Tod liegt, sondern auf anderen Personen,

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die zu Handlungen der Nachfolge angeregt werden, welche sich wiederum durch das Motiv der Partizipation am Tod Jesu begründen lassen. Die Deutung des Todes Jesu selbst erfolgt dabei meist indirekt und ist sekundär, der metaphorische Gehalt dieser Aussagen ist jedoch sehr stark, gerade weil nicht generell vom Mitvollzug des Todes, sondern der Kreuzigung die Rede ist. In 2Kor steht die Verbform „kreuzigen“ einmal am Ende, in 13,4, als Ausdruck der Schwachheit, in der Jesus sein Leben beendet hat. Auch in Phil 2,8 hat das Kreuz (hier als Substantiv) den Sinn, die tiefste Erniedrigung auszudrücken. Allerdings liegt an dieser Stelle eine Verbindung mit direkter Rede vor, weshalb wohl der gesamte Abschnitt eher der direkten Rede zuzuordnen ist. Der Ausdruck „Feinde des Kreuzes“ in Phil 3,18 steht ohne Deutung und verweist offenbar ähnlich wie einige Nennungen des Kreuzesmotivs in 1Kor auf die Gesamtbotschaft des Evangeliums. Die indirekte Sprechweise mithilfe des Kreuzes ist in Kol und Eph ebenso häufig wie jene mithilfe des Bluts. In Kol steht das Kreuz, wie oben aufgeführt, einmal in Verbindung mit dem Blut (Kol 1,20). Einmal (Kol 2,14) ist das Kreuz eher Schauplatz eines aktiven Handelns (Anheften des Schuldbriefes) – hier steht es sehr deutlich eingerahmt vom Mitvollzugs-Motiv. In ähnlicher Form liegt in Eph 2,16 eine spannende Metaphernkombination vor, da hier einerseits Jesu Tod durch das Kreuz geschildert wird, andererseits aber auch die Feindschaft zwischen Angehörigen des Judentums und des Heidentums getötet wird. Wie bei der indirekten Sprechweise des Bluts ist auch hier das Versöhnungsmotiv dominant. Bemerkenswert ist demnach, dass das Kreuz immer auf irgendeine Weise mit einer anderen Sprechweise verbunden ist, um so den Tod Jesu deutlich zu machen, und dass dabei nicht das Kreuz selbst (ebenso wenig wie das Blut) im Vordergrund steht, sondern die Wirkung bzw. Konsequenz des Geschehens. In Hebr spielt die Rede vom Kreuz nur eine äußerst untergeordnete Rolle. Dies ist insofern nicht überraschend, als die Hohepriesterchristologie und der Deutungshorizont der Opferthematik einer ausgiebigen Beschäftigung mit dem Kreuz im Wege stehen. Zudem passen andere indirekte Sprechweisen, etwa die des Bluts oder Leidens, viel besser in die Theologie und in die Ausdrucksformen des Hebr. Dennoch gibt es ein paar bemerkenswerte Passagen: In Hebr 6,6 – hier durch die sonst nicht gebräuchliche Verbform ਕȞĮıIJĮȣȡȩȦ, die jedoch keinen gravierenden Bedeutungsunterschied zu der einfachen Verbform darstellt – steht die Rede vom Kreuz im Zusammenhang mit der vermutlich einzigen Metapher mit dem Tod Jesu als Vehicle im Hebräerbrief: Im Kontext der Ablehnung der zweiten Buße wird auf polemisch-absurde Weise formuliert, dass einmal bekehrte Menschen, die vom Glauben abfallen und dann wieder büßen, Jesus (den Sohn Gottes!) erneut ans Kreuz schlagen würden. Auch in 12,2 taucht das Kreuz auf, dieses Mal im Zusammenhang einer der wenigen Erwähnungen des Todes Jesu, die nicht metaphorisch aufgeladen sind. Es steht hier in Verbindung mit Schande (ĮੁıȤ઄ȞȘȢ) im paränetischen Teil zum Zweck

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der Leidensmotivierung. Hierbei ist sowohl die Vorbildfunktion Jesu relevant (Jesus als Anführer), als auch die Relativierung des Leidens angesichts der darauffolgenden Erhöhung und Verherrlichung. Das Motiv des Kreuzes bzw. die entsprechende Verbform „kreuzigen“ taucht in der Apk nur einmal auf, in 11,8. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine der wenigen Nennungen des Todes Jesu, die nicht metaphorisch oder symbolisch geprägt sind. Dabei geht es hier jedoch nur sehr beiläufig um Jesu Tod. Im eigentlichen Fokus sind die Märtyrer und Märtyrerinnen, die in gewisser Parallelität zu Jesus beschrieben werden. Der Kontext ist eine Kommentierung durch Erläuterungen, in der die Kreuzigungsstätte bzw. Todesstätte Jesu örtlich lokalisiert wird. Daher kann auch diese Stelle als eine Art direkte Sprechweise angesehen werden. Neben den Termini ıIJĮȣȡȩȢ und ıIJĮȣȡȩȦ gibt es noch eine weitere Weise, durch die im Neuen Testament auf die Kreuzigung Jesu Bezug genommen wird, nämlich durch die spezialisierte Rede vom „Holz“ (ȟȪȜȠȞ) in bestimmten Kontexten.119 Diese taucht besonders in der Apostelgeschichte auf (Apg 5,30; 10,39; 13,29), wo sie eher der direkten Sprechweise zuzuordnen ist. Daneben ist sie aber auch in Gal 3,13 vorhanden, wo das Schriftzitat von Dtn 21,23 aufgegriffen und ganz eindeutig auf Jesus bezogen wird. Möglicherweise steht dieser Schriftbezug auch im Hintergrund der Erwähnungen von ȟȪȜȠȞ in der Apg, da hierdurch – gerade in Anbetracht des in der Erzählung vorausgesetzten, mit der Tora vertrauten Publikums – die Gottverlassenheit sowie die besondere Schmach des Todes Jesu und damit verbunden der Kontrast mit der Intervention Gottes noch deutlicher hervortritt. Ähnliches ist auch für 1Petr 2,24 anzunehmen, wo in einer ausdrucksstarken Metapher davon die Rede ist, dass Jesus die Sünden der Menschen am eigenen Leib ans Holz hinaufgetragen hat – eine deutliche Verschärfung und Verbildlichung der Aussage, dass Jesus „für Sünden“ gestorben ist. Dieser Vers ist auch insofern interessant, als die Termini ıIJĮȣȡȩȢ und ıIJĮȣȡȩȦ in dieser neutestamentlichen Schrift sonst nicht vorkommen. 4.2.3. Leiden Auch die indirekte Rede vom Tod Jesu mittels des Motivs des Leidens kann im Griechischen durch verschiedene Termini ausgedrückt werden, vor allem durch das Verb ʌȐıȤȦ und das Substantiv ʌȐșȘȝĮ, das im Neuen Testament fast durchweg im Plural (ʌĮșȒȝĮIJĮ) vorkommt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass beide Begriffe insgesamt einen breiteren Bedeutungsrahmen haben und

119 Auch Louw und Nida sehen ȟȪȜȠȞ, das insgesamt eine große Bedeutungsvielfalt aufweist, in manchen Zusammenhängen als Quasi-Synonym zu ıIJĮȣȡȩȢ an. Vgl. LOUW, JOHANNES P./NIDA, EUGENE A., Greek-English Lexicon of the New Testament Based on Semantic Domains, Bd. 1, New York: United Bible Society 21989, 57 (6.28).

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nicht nur auf das „Leiden“ begrenzt sind. So kann das Verb auch generell „widerfahren“ oder „geschehen“ bedeuten (in dieser Bedeutung etwa in Apg 28,5), das Substantiv im Plural auch die Bedeutung „Leidenschaften“ haben (so in Röm 7,5). Neben diesen beiden Termini begegnen an einzelnen Stellen auch das Adjektiv ʌĮșȘIJȩȢ und die zusammengesetzte Verbform ıȣȝʌȐıȤȦ („mitleiden“). Die Rede vom Leiden Jesu ist insgesamt breiter aufgestellt als die von seinem Tod. Sie betont die Schmerzen und Qualen und damit auch die Menschlichkeit des Schicksals Jesu. Der Tod ist der Endpunkt des Leidens. Da dieses zwangsläufig auf ihn hinausläuft, kann es auch nicht isoliert gedacht werden. Wenn also im Neuen Testament von Jesu Leiden gesprochen wird, dann ist dies immer zugleich ein indirekter Verweis auf Jesu Tod. Wie auch bei den anderen hier betrachteten Motiven ist die Redeweise vom Leiden Jesu in den verschiedenen neutestamentlichen Schriften unterschiedlich dominant. Sie begegnet in den Synoptikern, bei Paulus, im Hebräerbrief und im ersten Petrusbrief, während sie im Johannesevangelium, in der übrigen neutestamentlichen Briefliteratur und der Apokalypse überhaupt nicht vorkommt, obwohl die jeweiligen Vokabeln – auf andere Personen bezogen – den jeweiligen Autoren teilweise durchaus bekannt sind (2Thess 1,5; 2Tim 1,12; 3,11; Kol 1,24; Apk 2,10). Gerade in den johanneischen Schriften ist ihr Fehlen aber auffällig. In den Evangelien begegnet nur das Verb ʌȐıȤȦ, das generell nicht nur für Jesus, sondern auch für andere Personen gebraucht werden kann (so z.B. in Mk 5,26; Mt 17,15; 27,19; Lk 13,2, auch Apg 9,16). Das Motiv des Leidens taucht verbunden mit dem direkten Verweis auf Jesu Tod in der ersten Leidensankündigung auf (Mk 8,31; Mt 16,21; Lk 9,22), sowie ohne Verbindung mit direktem Sprachgebrauch auch in weiteren Ankündigungen (Mk 9,12; Mt 17,12; Lk 17,25), die sich dadurch eher als Beispiele indirekten Sprechens qualifizieren. In Lk 22,15 steht die Ankündigung des Leidens auch ohne weitere direkte Verweise auf den Tod Jesu, jedoch direkt vor der Metapher des Abendmahls. Daneben gibt es noch solche Stellen, welche die (bevorstehende) Geißelung und somit den Leidensweg Jesu beschreiben, ohne dass darin aber konkret das Stichwort „Leiden“ fallen würde. Dies ist vor allem in der dritten Leidensankündigung der Fall (Mk 10,34; Mt 20,19; Lk 18,32–33). In der zweiten Leidensankündigung hingegen ist zwar von der Auslieferung und Tötung Jesu (letztere wird nur bei Mk und Mt benannt) die Rede, nicht jedoch explizit von Leiden, Geißelung oder Ähnlichem. Insgesamt wird das Motiv des Leidens bei den Synoptikern von Jesus selbst angeführt und immer auf irgendeine Weise mit einer Deutung der Notwendigkeit verbunden, sei es durch die einfache Feststellung, dass das Leiden geschehen „muss“ (įİ૙, z.B. Mk 8,31), durch einen Verweis auf die Schrift (z.B. Mk 9,12) oder durch eine Prophezeiung Jesu, die das Leiden als Geschehen, das eintreten wird, beschreibt (z.B. Mk 10,33f.). Diese Verbindung von Leiden und Notwendigkeit wird im lukanischen Doppelwerk auch nach Jesu Tod noch fortgesetzt (Lk 24,26.46; Apg 1,2; 3,18; 17,3;

4. Direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu

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26,22f.). Dabei steht generell das Verb ʌȐıȤȦ, in Apg 26,22f. jedoch das sonst im Neuen Testament nicht vorkommende Adjektiv ʌĮșȘIJȩȢ. Bei Paulus wird das Leiden Jesu auffällig selten zur Darstellung seines Todes herangezogen, obwohl das Verb ʌȐıȤȦ von ihm – auf andere Personen bezogen – durchaus verwendet wird (in 1Kor 12,26; 2Kor 1,6, Gal 3,4 mit weiterer, neutraler Bedeutung; in Phil 1,29, wo es um das Leiden für Christus geht; in 1Thess 2,14, wobei hier jedoch ein Bezug auf Jesu Tod im nächsten Vers folgt). Für den Verweis auf das Leiden Jesu gebraucht Paulus lediglich das Substantiv sowie in Röm 8,17 die Spezialvokabel ıȣȝʌȐıȤȦ („mitleiden“), die an anderer Stelle (1Kor 12,26) auch in einem Kontext, in dem nicht von Jesu Tod die Rede ist, gebraucht wird. Insgesamt ist die indirekte Sprechweise vom Leiden Jesu lediglich in Röm, 2Kor und Phil je einmal vertreten. In Röm 8,17 ist nur ein sehr indirekter Bezug gegeben, der jedoch metaphorisch ausgestaltet wird. Durch das Präfix wird sofort deutlich, dass diese Erwähnung im Licht des Mitvollzugs zu sehen ist. Auch in 1Kor 1,5–7 ist nicht ganz eindeutig, ob tatsächlich auf Jesu Tod angespielt werden soll, je nachdem, ob hier ein Genitivus subjectivus oder objectivus vorliegt. Ein Bezug zu Jesu Tod ist jedoch durch die anschließende Beschreibung der Todesnähe des Paulus naheliegend. Hier wird das Leiden ebenfalls mit dem Motiv des Mitvollzugs verbunden. Ebenso ist dies in Phil 3,10 der Fall (Teilhabe am Leiden, Gleichgestaltung im Tod), wo wiederum eine metaphorische Sprechweise vorliegt. Insgesamt ist somit erkennbar, dass selbst an solchen Stellen, an denen Paulus vom Leiden Christi spricht, dieses nicht im Vordergrund steht, sondern vielmehr seine Nachfolgerinnen und Nachfolger, die zur Partizipation aufgerufen sind. Am dominantesten ist die Rede vom Leiden Christi von allen neutestamentlichen Schriften im ersten Petrusbrief. Hier begegnen sowohl das Verb ʌȐıȤȦ als auch das Substantiv ʌȐșȘȝĮ mehrfach, sowohl auf Jesus als auch auf die Gemeinde bezogen. Von den Erwähnungen des Todes Jesu in 1Petr insgesamt nehmen diejenigen, die das Motiv des Leidens enthalten, ungefähr zwei Drittel ein. Diese ungemeine Dominanz entspricht einem wichtigen Aussageaspekt, der Motivation, angesichts der von den Adressierten erlebten Repressalien und Verfolgungen, Jesus im Leiden nachzufolgen. Auch im Text lässt sich dies leicht belegen, da sich hier die auf Jesus bezogenen Passagen (1Petr 2,21.22; 3,18; 4,1.13; 5,1) oft in unmittelbarer oder doch zumindest sehr enger Nähe zu solchen Abschnitten befinden, in denen das Leid der Angesprochenen thematisiert wird (1Petr 2,19.20; 3,14.17; 4,1.15.19; 5,9f.). Dabei wird in einigen Fällen ein unmittelbarer Bezug zwischen beidem hergestellt, so dass in etwa der Hälfte der Fälle, in denen vom Leiden Jesu die Rede ist, eine Verbindung mit der Vorbilddeutung vorliegt. Der Verweis auf das Leiden Jesu findet sich einmal im Proömium (1Petr 1,11), der einzigen Stelle, in deren Umfeld nicht vom Leiden der Gemeinde die Rede ist, und dann ab 1Petr 2,21 bis zum Ende des Briefs. Ab diesem Punkt liegen dann gar keine anderen Sprechweisen des Todes Jesu vor – es wird einzig indirekt durch Leiden darauf verwiesen. Nur

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in 1Petr 2,21–24 besteht dabei eine Verbindung mit metaphorischer Sprechweise. Hier wird zudem ein ganzer Leidenskomplex angeführt, der das grausame Schicksal Jesu detailliert beschreibt und die indirekte Sprechweise somit verstärkt und vertieft. Auch im Hebräerbrief ist neben der indirekten Sprechweise vom Blut Jesu auch die Leidensthematik dominant. Im Gegensatz zum ersten Petrusbrief wird die Terminologie jedoch nur an einer Stelle (Hebr 10,32) auf andere Personen übertragen – ansonsten bleiben die Begriffe ʌȐıȤȦ und ʌȐșȘȝĮ der Rede über Jesus vorbehalten. Das Leidensmotiv findet sich besonders konzentriert zu Beginn der Schrift, insbesondere im zweiten Kapitel, in Hebr 2,9.10.18, sowie in 4,15 – hier jedoch durch das sonst ungebräuchliche Verb ıȣȝʌĮșȑȦ („mitleiden“/„mitfühlen“), das auf andere Personen bezogen nochmals in 10,34 begegnet – und 5,8. Somit ist sie Bestandteil fast aller Erwähnungen des Todes Jesu im vorderen Teil der Schrift. Daneben kommt sie auch noch später, in 9,26, im Kontext eines komplexeren Abschnitts mit vielfältigen Erwähnungen des Todes Jesu, und gegen Ende in 13,12, kombiniert mit den indirekten Sprechweisen von Blut und Schmach, vor. Gerade in den ersten Kapiteln wird das Leiden als Mittel zur Vervollkommnung und zur abgeschlossenen Menschwerdung Jesu angesehen: In 2,9.10 wird erwähnt, dass Jesu Vollendung durch Leiden geschieht, was in 2,18 noch weiter dadurch expliziert wird, dass das Leiden hier auch bedeutet, dem Menschen gleichgestaltet zu sein. Was sich an dieser Stelle entfaltet, ist eine Art „umgekehrter Mitvollzug“: Nicht die Gemeinde nimmt (auf metaphorische Weise) Anteil am Sterben Jesu, sondern Jesus nimmt durch sein Leiden und seinen Tod Anteil an der Gesamtheit der menschlichen Existenz. In dieses Schema passt auch die Verbform ıȣȝʌĮșȑȦ in 4,15 sowie die Aussage in 5,8, dass Jesus durch das Leiden Gehorsam lernt. An diesen Stellen wird das Leiden Jesu etwas von dessen Kulminationspunkt im Tod abgerückt, da sich gerade im Leiden die tiefste Erniedrigung der menschlichen Existenz zeigt. Sowohl in 2,18 als auch in 4,15 liegt ferner eine Verbindung mit dem Motiv des Versuchens vor und sowohl in 2,9 und 2,18 als auch 5,8 wird das Leidensmotiv mit einer direkten Rede vom Tod Jesu verbunden. Die Stellen Hebr 4,15 und 2,10–13 sind deshalb relevant, weil sie zu den wenigen Stellen im Hebr gehören, in denen im engen Sinne keine Metaphern vorliegen. 4.2.4. Hingeben Das indirekte Sprechen vom Tod Jesu durch das Motiv der (Lebens-)Hingabe kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Zunächst muss gefragt werden, wer Subjekt und wer oder was Objekt der Hingabe ist. So kann a) Gott Jesus hingeben (wobei Gott Subjekt und Jesus Objekt ist), b) Jesus sich selbst hingeben (wobei Jesus im Zuge eines reflexiven Ausdrucks zugleich Subjekt und Objekt ist) und c) Jesus etwas (sein Leben etc.) hingeben (wobei Jesus Subjekt ist und

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ein mit Jesus verwandtes Objekt besteht – es gibt hier Nähen zu reflexiven Wendungen, ohne dass jedoch eine Bedeutungsgleichheit von b) und c) konstatiert werden könnte). In der Forschung wird häufig angenommen, dass Aussagen, die unter Kategorie a) fallen, am ursprünglichsten sind,120 was allerdings nicht zwingend für alle Ausprägungen des Motivs generalisiert werden kann. In Bezug auf die griechischen Termini kann unterschieden werden, ob das einfache Verb įȓįȦȝȚ verwendet wird oder das durch Präfix erweiterte ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ. Der Bedeutungsunterschied ist dabei an sich marginal, obwohl die Vorsilbe verstärkend wirken kann. In der Verwendung der beiden Verben gibt es aber kleine Unterschiede. In den Evangelien wird ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ verwendet, wenn vom Verrat an Jesus oder von seiner Auslieferung die Rede ist (Mt 10,4; 17,22; 20,18f.; 26,2.15f.21.23–25.45f.48; 27,2–4.18.26; Mk 3,19; 9,31; 10,33; 14,10f. 18.21.41f.44; 15,1.10.15; Lk 9,44; 18,32; 20,20; 22,4.6.21f.48; 23,25; 24,7.20; Joh 6,64.71; 12,4; 13,2.11.21; 18,2.5.30.35f.; 19,11.16; 21,20). Jesus ist dabei entweder grammatikalisches Objekt, wenn der Verrat und die Auslieferung durch Judas, die Jerusalemer Elite und Pilatus erzählt wird, oder es steht eine Passivformulierung, gerade in der wörtlichen Rede von Jesus selbst, in Ankündigungen seines Todes, etwa der zweiten und dritten Leidensankündigung. Neben der Verwendung in den Evangelien steht ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ in diesem Sinne noch in Apg 3,13, hier in der zweiten Person Plural, direkt an die Zuhörerschaft gerichtet,121 sowie in der Einleitung der Abendmahlsworte in 1Kor 11,23 („in der Nacht, in der er verraten/ausgeliefert wurde“). Dem Johannesevangelium sind Ankündigungen des Todes Jesu durch ihn selbst mit der Vokabel ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ fremd. Allerdings wird dieses Wort hier dafür verwendet, Jesu Tod selbst zu beschreiben: ʌĮȡ੼įȦțİȞ IJઁ ʌȞİ૨ȝĮ („er übergab den Geist“; Joh 19,30). Hierbei handelt es sich um eine Aussage, die unter die oben aufgeführte Kategorie c) fällt. Konkreter als „Hingabe“ verstanden wird ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ etwa in den Paulusbriefen. In Röm 4,25 steht es in einer Passivformulierung, wobei man sich wohl Gott als Subjekt des Handelns denken muss, der auch in der parallel gestalteten zweiten Satzhälfte die Auferweckung bewirkt. Ergänzt wird die Formulierung durch įȚ੹ IJ੹ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮIJĮ ਲȝ૵Ȟ („für/wegen unsere/r Verfehlungen“), was die Parallele bildet zur Auferweckung įȚ੹ IJ੽Ȟ įȚțĮ઀ȦıȚȞ ਲȝ૵Ȟ („für/wegen unsere/r Gerechtmachung“). Hingabe und Auferweckung stehen in derart enger Verbindung, dass unstrittig ist, dass hier – wenngleich indirekt – vom Tod Jesu die Rede ist. Auch in Röm 8,32 wird ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ mit Gott als Subjekt verbunden, wobei diesmal eine ਫ਼ʌȑȡ-Wendung folgt. Beide Stellen des Römerbriefs fallen somit unter Kate-

120

Vgl. VIELHAUER, Geschichte, 17. Die Apg verwendet sonst ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ in der Bedeutung „ausliefern“/„überantworten“ häufiger mit Bezug auf Paulus oder andere Größen des Urchristentums, wodurch eine Parallele zum Schicksal Jesu deutlich werden kann. 121

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gorie a). In Gal 2,20 schließlich taucht die Form von ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ in Verbindung mit einem Reflexivpronomen auf, wodurch Kategorie b) abgedeckt wird. Auch hier steht ਫ਼ʌȑȡ und außerdem wird gleichzeitig das Motiv der Liebe Christi betont. Genau diese Kombination findet sich ebenfalls in Eph 5,2 und Eph 5,25, wobei in ersterem zusätzlich Opfermetaphorik vorliegt. Daneben begegnet die Vokabel in 2Kor 4,11, hier jedoch ohne auf Jesus bezogen zu sein, sondern im Zusammenhang des Mitvollzugs-Motivs mit Bezug auf die Gemeinde, zu der sich Paulus auch selbst zählt. Interessant ist, dass auch an dieser Stelle (wie in Röm 4,25) passivisch formuliert wird und sich eine Verbindung mit įȚȐ anschließt – aber hier heißt es įȚ੹ ੉ȘıȠ૨Ȟ (häufig übersetzt als „um Jesu willen“). Schließlich begegnet ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ im Kontext des Todes Jesu noch in 1Petr 2,23. An dieser Stelle ist Jesus Subjekt und Gott Dativobjekt; die Verbform ließe sich an dieser Stelle am ehesten mit „anheimstellen“, „übergeben“ oder „überlassen“ übersetzen und bezeichnet damit nicht die „Hingabe“ im engen Sinn. Ansonsten bleibt anzumerken, dass ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ insgesamt eine sehr große Bedeutungsbreite hat, die sich auch im Neuen Testament widerspiegelt. So wird auch das „Übergeben“ des Wortes im Sinne der Überlieferung durch dieses Verb beschrieben. Noch genereller ist das Verb įȓįȦȝȚ, das in der Allgemeinbedeutung „geben“ extrem häufig im Griechischen und somit auch im Neuen Testament vorkommt. Im Hinblick auf den Tod Jesu wird die Vokabel an einigen Stellen gebraucht, etwa beim „Lösegeldwort“ Mk 10,45 (mit identisch formulierter Parallelstelle Mt 20,28, nicht bei Lukas). Hier liegt in der Formulierung įȠ૨ȞĮȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ Ȝ઄IJȡȠȞ ਕȞIJ੿ ʌȠȜȜ૵Ȟ die oben erwähnte Kategorie c) vor: Jesus gibt seine Seele bzw. sein Leben. Die Verbindung mit dem „Lösegeld für viele“ findet eine inhaltliche Parallele in 1Tim 2,6. Hier steht das Verb als substantiviertes Partizip (੒ įȠȪȢ/„der Gebende“), worauf ein doppelter Akkusativ mit dem Reflexivpronomen einerseits (ਦĮȣIJȩȞ – daher ist dieser Vers Kategorie b) zuzuschreiben) und dem Substantiv ਕȞIJ઀ȜȣIJȡȠȞ (mit den Bedeutungsmöglichkeiten „Lösegeld“/„Erlösung“) andererseits folgt. Die sich anschließende ਫ਼ʌȑȡ-Wendung (ਫ਼ʌ੻ȡ ʌ੺ȞIJȦȞ/„für alle“) erscheint als semantische Variation des ਕȞIJ੿ ʌȠȜȜ૵Ȟ von Mk 10,45. Weiterhin verwandt ist die Verwendung von įȓįȦȝȚ in Tit 2,14. Auch hier steht die Verbform in Verbindung mit einem Reflexivpronomen und einer ਫ਼ʌȑȡ-Formulierung (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ/„für uns“). Das Motiv des Loskaufens/Erlösens wird an dieser Stelle durch eine entsprechende Verbform (ȜȣIJȡઆıȘIJĮȚ) in einem sich anschließenden Finalsatz ausgedrückt. Bei Paulus kommt das einfache įȓįȦȝȚ mit Bezug auf die Lebenshingabe Jesu nur in Gal 1,4 vor. Ähnlich wie in 1Tim 2,6 steht auch hier ein Partizip in Verbindung mit Reflexivpronomen und ਫ਼ʌȑȡ-Wendung (įંȞIJȠȢ ਦĮȣIJઁȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ/„sich selbst gebend für unsere Sünden“), ein Loskauf-Motiv fehlt aber. Eine beachtenswerte Parallele, in der kein Bezug zu Jesu Tod besteht, ist 2Kor 8,5. Auch in diesem Vers steht įȓįȦȝȚ nämlich mit Reflexivpronomen, wobei in diesem Fall die Gemeinden Mazedoniens gemeint sind

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(vgl. 2Kor 8,1). Zudem ist zu beachten, dass įȓįȦȝȚ im Brotwort der lukanischen Abendmahlseinsetzung (Lk 22,19) vorkommt. Es steht an dieser Stelle im Partizip Passiv mit Bezug auf den Leib Jesu. Auch hier besteht eine Verbindung mit einer ਫ਼ʌȑȡ-Wendung (ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ). Betrachtet man die Verteilung des Hingabe-Motivs in den neutestamentlichen Schriften, ergibt sich ein heterogenes Bild. So taucht es in der Apk gar nicht auf. Bei Mk und Mt kommt es nur im Lösegeldwort vor, obwohl die Vokabel ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ, wie beschrieben, sonst häufig auf den Verrat an Jesus oder seine Auslieferung verweist. Im lukanischen Doppelwerk wird das Verb ausschließlich in diesem Sinne gebraucht. Von den Protopaulinen kennen nur Röm und Gal diese indirekte Sprechweise vom Tod Jesu (obwohl ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ in 1Kor 11,23 ähnlich wie in den Evangelien verwendet wird). In Gal steht sie mit Erwähnungen in 1,4 und 2,19–21 nah aneinander. Beide Male ist Variante b) (mit Reflexivpronomen) gegeben, wobei in Gal 2 ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ steht, in Gal 1,4 das Verb ohne Präfix. In beiden Fällen liegt eine Deutung vor, die jeweils eine ਫ਼ʌȑȡ-Formulierung umfasst. Dabei sind die Objekte aber jeweils unterschiedlich. In Röm 4,25 und 8,32 gibt Jesus sich nicht selbst, sondern ist Objekt (Variante a). Im ersten Fall liegt eine Passivformulierung vor, im zweiten wird Gott als Subjekt genannt. Zudem liegen in beiden Fällen Formen von ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ und Bezüge zu (verschiedenen) Texten der jüdischen Heiligen Schriften vor. In 8,32 folgt wieder ਫ਼ʌȑȡ, in 4,25, vermutlich in Anlehnung an den Septuaginta-Text von Jes 53,12, eine präpositionale Bestimmung durch įȚȐ. In Eph kommt die Rede von der Hingabe zwei Mal vor, womit es sich aber um eine der dominanten indirekten Redeweisen vom Tod Jesu (neben der vom Blut) handelt. Beide Male findet sich dieses Motiv am Ende des Briefs, in 5,1f. und 5,25–28, in ähnlichem Wortlaut durch eine Form von ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ und das Reflexivpronomen. Zudem sind beide Erwähnungen mit einer ਫ਼ʌȑȡ-Formulierung kombiniert und mit der Deutung des Vorbilds (im letzten Fall auch mit der der Heiligung) verbunden. Zumindest im ersten Fall liegt auch metaphorische Sprechweise vor. In den Pastoralbriefen 1Tim und Tit wird ausschließlich indirekt durch die Rede von der Hingabe Jesu auf seinen Tod verwiesen (während dies in 2Tim nur direkt geschieht). Wie oben gezeigt wurde, weisen die beiden Erwähnungen auch sonst einige Gemeinsamkeiten auf. Das johanneische Schrifttum nimmt in der Darstellung des Hingabegedankens eine Sonderstellung ein. Obwohl der Tod Jesu selbst durch eine Form von ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ umschrieben wird (s.o.), wird hier sonst die Wendung IJȓșȘȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤȒȞ gebraucht. Besonders dominant ist diese in Joh 10,11–18, wo sie insgesamt fünf Mal auftaucht (V. 11.15.17, zweimal in V. 18) und mit der übergreifenden Hirtenmetaphorik verbunden wird. Der Ausdruck wird zudem gebraucht, um die Macht und Autonomie Jesu in seinem Sterben zu betonen (so besonders V. 18). Außerdem begegnet die Wendung in Joh 15,13, wo sie im Zusammenhang der besonderen Liebeszuwendung an die Freunde steht. Sowohl in Joh 15,13 als auch in 10,11.16 folgt auf die Wendung zudem eine ਫ਼ʌȑȡ-

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Formulierung. Auch in 1Joh 3,16 liegt diese grammatikalische Struktur vor und ähnlich wie in Joh 15,13 wird hier der Liebesgedanke formuliert. Durch den dargestellten Gedankengang erhält der Tod Jesu zudem eine Vorbildfunktion. In den übrigen johanneischen Briefen kommt dieses Motiv jedoch nicht vor. Der Hebr kennt das Hingabe-Motiv, wie es im übrigen Neuen Testament vorkommt, ebenfalls nicht. Es gibt jedoch eine Redeweise, die als durch die starke Opfermetaphorik des Hebr überformte Hingabe interpretiert werden kann: ʌȡȠıijȑȡȦ ਦĮȣIJંȞ (etwa „sich selbst darbringen“). Sie bildet freilich eine Steigerung der Selbsthingabe und begegnet in 9,14 und 9,25 jeweils in enger Verbindung mit einer Nennung des Blutes. Zudem steht wenig später, in 9,28 dasselbe Verb auf Jesus bezogen in einer Passivformulierung.122 Eine Variante bildet ebenfalls Hebr 7,27, wo eine Form von ਕȞĮijȑȡȦ mit Reflexivpronomen verwendet wird. 4.2.5. Sonstige indirekte Sprechweisen Die oben angeführten Kategorien bezeichnen die häufigsten indirekten Erwähnungen des Todes Jesu. Sie genügen jedoch bei weitem nicht, um alle indirekten Verweise auf den Tod Jesu abzubilden. An einigen Stellen des Neuen Testaments muss wohl von einer euphemistischen Darstellung des Todes Jesu gesprochen werden, so etwa, wenn vom „Fortgehen“ Jesu die Rede ist, was im Griechischen häufig durch das Verb ਫ਼ʌȐȖȦ ausgedrückt wird und in den Selbstankündigungen Jesu im Johannesevangelium besonders dominant ist (z.B. in Joh 7,33; 8,14.21; 13,33.36; 14,4–5.28; 16,5.10.17, aber auch etwa in Mk 14,21par). Auch andere Ankündigungen Jesu in den Evangelien verweisen indirekt auf seinen Tod, z.B. „mich aber habt ihr nicht immer“ (ਥȝ੻ į੻ Ƞ੝ ʌ੺ȞIJȠIJİ ਩ȤİIJİ; Mt 26,11), „meine Zeit ist nahe“ (੒ țĮȚȡંȢ ȝȠȣ ਥȖȖ઄Ȣ ਥıIJȚȞ; Mt 26,18), „das wegen mir hat ein Ende“ (IJઁ ʌİȡ੿ ਥȝȠ૨ IJ੼ȜȠȢ ਩ȤİȚ; Lk 22,37), „es ist nur kurze Zeit und die Welt wird mich nicht mehr sehen“ (਩IJȚ ȝȚțȡઁȞ țĮ੿ ੒ țંıȝȠȢ ȝİ Ƞ੝ț੼IJȚ șİȦȡİ૙; Joh 14,19, ähnlich auch 16,16–22), „ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (ʌ੺ȜȚȞ ਕij઀ȘȝȚ IJઁȞ țંıȝȠȞ țĮ੿ ʌȠȡİ઄ȠȝĮȚ ʌȡઁȢ IJઁȞ ʌĮIJ੼ȡĮ; Joh 16,28), „und ich bin nicht mehr in der Welt“ (țĮ੿ Ƞ੝ț੼IJȚ İੁȝ੿ ਥȞ IJ૶ țંıȝ૳; Joh 17,11). Gerade im Johannesevangelium sind diese Ankündigungen häufig, wobei sie auch vereinzelt in Kommentaren der Erzählinstanz vorkommen, z.B. in Joh 8,20: „denn seine Stunde war noch nicht gekommen“ (੖IJȚ Ƞ੡ʌȦ ਥȜȘȜ઄șİȚ ਲ ੮ȡĮ Į੝IJȠ૨). Weitere Euphemismen in den Evangelien stellen etwa der Verweis auf den Verbleib im „Herz der Erde“ im Zuge der 122

Das Verb ʌȡȠıijȑȡȦ kommt mit Jesus als Subjekt noch in Hebr 5,7 (Jesus bringt Gott Gebete und Bitten dar), 8,3 (wie der Priester braucht Jesus etwas zum Darbringen) und 10,12 (Jesus hat ein Opfer für die Sünden dargebracht) vor. In diesen Fällen ist eine Parallele zur Hingabe jedoch nicht so deutlich. In 9,28 steht neben ʌȡȠıijȑȡȦ auch ਕȞĮijȑȡȦ, allerdings mit einer anderen Bedeutungsnuance. Auch ohne Bezug zu Jesus kommen ʌȡȠıijȑȡȦ und das zugehörige Substantiv häufig in Hebr vor.

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Jona-Analogie (Ƞ੢IJȦȢ ਩ıIJĮȚ ੒ ȣੂઁȢ IJȠ૨ ਕȞșȡઆʌȠȣ ਥȞ IJૌ țĮȡį઀઺ IJોȢ ȖોȢ IJȡİ૙Ȣ ਲȝ੼ȡĮȢ țĮ੿ IJȡİ૙Ȣ Ȟ઄țIJĮȢ; Mt 12,40), die Wendung „seine Seele verlieren“ (ਕʌȩȜȜȣȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨; z.B. Mt 16,24f. und Joh 12,25) oder der Ausdruck „in seine Herrlichkeit eingehen“ (İੁıȑȡȤȠȝĮȚ İੁȢ IJ੽Ȟ įંȟĮȞ Į੝IJȠ૨; Lk 24,26) dar. Auch die Schilderung des Todesmoments selbst ist in den Evangelien durchweg euphemistisch: „ausatmen“ bzw. „aushauchen“ (ਥțʌȞȑȦ; Mk 15,37; Lk 23,46), „den Geist aufgeben“ (ਕijȓȘȝȚ IJઁ ʌȞİ૨ȝĮ; Mt 27,50), bzw. „den Geist übergeben“ (ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ IJઁ ʌȞİ૨ȝĮ; Joh 19,30). Abgesehen von den Evangelien finden sich solche indirekt-euphemistischen Aussagen in den übrigen Schriften des Neuen Testaments kaum. Einzig in Eph 4,9 weist die Ausdrucksweise, dass Jesus „in die Tiefen der Erde hinabgestiegen“ ist (țĮIJ੼ȕȘ İੁȢ IJ੹ țĮIJઆIJİȡĮ [ȝ੼ȡȘ] IJોȢ ȖોȢ) eine gewisse Nähe zu den aufgeführten Wendungen auf. Diese Verteilung ist jedoch leicht erklärbar: In den Evangelien ist es meist Jesus selbst, der auf diese Weise seinen Tod ankündigt. Außerhalb der Evangelien ist Jesus hingegen nur sehr selten Sprecher. Außerdem stehen die euphemistischen Ausdrücke meist im Kontext von Ankündigungen. In der Apg oder der Briefliteratur hingegen wird der Tod Jesu als vergangenes Geschehen vorausgesetzt. Ein weiterer indirekter Verweis, der jedoch nur im Johannesevangelium vorkommt, ist durch die Rede von der Erhöhung Jesu gegeben (ausgedrückt durch das gr. Verb ਫ਼ȥȩȦ, Joh 3,14; 8,28; 12,32.34). Der Kommentar in 12,33 („Das sagte er, um zu zeigen, welchen Todes er sterben werde“) macht dabei deutlich, dass hier wirklich das Sterben Jesu, und wohl die spezifische Todesart der Kreuzigung, nicht seine Auferstehung im Fokus steht. Joh 3,14 macht zudem den Hintergrund von Num 21,8f. deutlich: Ebenso wie das an einer Stange befestigte und somit hoch erhobene Schlangenbildnis hat auch der gekreuzigte Jesus rettende Funktion. An manchen Stellen des Neuen Testaments ist zwar nicht explizit von Jesu Tod die Rede, aber von seiner Bestattung, was sein Sterben logisch voraussetzt. Dies ist vor allem in der Salbungsperikope in Mk 14,3–9; Mt 26,6–13 und Joh 12,1–8 zu beobachten (griechisches Substantiv ਥȞIJĮijȚĮıȝȩȢ bei Mk und Joh, Verb ਥȞIJĮijȚȐȗȦ bei Mt). In Apg 13,29 wird die bereits erwähnte Abnahme vom Kreuz mit dem Hineinlegen in das Grab (gr. ȝȞȘȝİ૙ȠȞ) kombiniert. In der Briefliteratur steht der Verweis auf die Bestattung nicht allein, sondern zusätzlich zu anderen indirekten und auch direkten Verweisen auf den Tod Jesu, so in Röm 6,4 und Kol 2,12 (durch das gr. Verb ıȣȞșȐʌIJȦ), wo beide Male der Mitvollzug der Gemeinde im Vordergrund steht. An einigen Stellen des Neuen Testaments wird durch die Rede vom Leib oder Fleisch Jesu auf seinen Tod verwiesen. Dies geschieht jedoch immer in Kombination mit einer anderen Redeweise, häufig mit der des Bluts. Hierfür sind zunächst die Abendmahslüberlieferungen zu nennen (Mt 26,26; Mk 14,22; Lk 22,19; 1Kor 11,24 mit Wiederholungen in V. 27 und V. 29, griechisch im-

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mer ı૵ȝ੺). Außerdem bildet bereits 1Kor 10,16 einen Verweis auf die Abendmahlstradition. In Röm 7,4 hingegen taucht das Blutmotiv nicht auf und der Leib steht eher als eine Metonymie für das Sterben Jesu, zumal diese Aussage im Kontext der Mitvollzugsdeutung verortet ist, wobei der Tod allgemein explizit angesprochen wird. Auch in 1Petr 2,24, wo beschrieben wird, wie Jesus die Sünden an seinem Leib ans Holz getragen hat, wird auf den Tod durch die indirekte Rede vom Leib angespielt. Hier gibt es aber ein Zusammenwirken mit dem Motiv des Holzes, wodurch deutlicher wird, dass der Leib im Zusammenhang des Todes Jesu zu sehen ist. Außerdem stehen im Kontext viele weitere indirekte Anspielungen. Noch deutlicher ist dies in Kol 1,22. Der „Leib des Fleisches“ wird hier kombiniert mit der direkten Rede vom Tod Jesu und der Funktion der Versöhnung (ਕʌȠțĮIJ੾ȜȜĮȟİȞ ਥȞ IJ૶ ıઆȝĮIJȚ IJોȢ ıĮȡțઁȢ Į੝IJȠ૨ įȚ੹ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ). Eine weitere metaphorische Ebene liegt an dieser Stelle jedoch nicht vor. Die Rede vom „Fleisch“ (ıȐȡȟ) ist dann ausgeprägter im Hebr. „Fleisch und Blut“ als Ausdruck der Menschlichkeit, die Vorbedingung für den heilsvollen Tod ist, der ebenfalls direkt erwähnt wird, findet sich in Hebr 2,14. In 5,7 deuten die „Tage seines Fleisches“ wohl eher auf die Inkarnation hin, die Wendung steht aber auch hier im Zusammenhang des explizit erwähnten Todes Jesu. In 10,20 schließlich ist das Fleisch metaphorisch mit dem Vorhang zum Allerheiligsten gleichgesetzt. Das Blut Jesu wird hier im vorherigen Vers erwähnt. „Fleisch“ und „Leib“ scheinen im Hebr austauschbar gebraucht zu sein. So ist einige Verse zuvor vom „Opfer des Leibes Jesu Christi“ die Rede (Hebr 10,10), was die Wendung des in 10,5 zitierten Ps 40,7 aufnimmt. Daneben gibt es eine Reihe von indirekten Bezugnahmen auf den Tod Jesu, die im Neuen Testament einmalig oder nur für ein bestimmtes biblisches Buch charakteristisch sind. In Apg 2,27 wird etwa mit Bezug auf den Tod Jesu Ps 16 zitiert, wo von der „Seele im Hades“ (IJ੽Ȟ ȥȣȤ੾Ȟ ȝȠȣ İੁȢ ઌįȘȞ) und der „Verwesung“ (įȚĮijșȠȡȐ) die Rede ist. Röm 8,32 redet in Verbindung mit der Dahingabeformel auch davon, dass Gott seinen Sohn „nicht verschonte“ (Ƞ੝ț ਥijİ઀ıĮIJȠ). In Kol 1,14 wird nicht zwingend deutlich, dass überhaupt vom Tod Jesu die Rede ist. Da die verwendeten Termini aber ähnlich zu denen sind, die sonst häufig gebraucht werden, um die Funktion des Todes Jesu zu deuten, ist dies jedenfalls naheliegend. Hier ist zunächst vom Lösegeld bzw. der Erlösung (ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ), dann von der Vergebung der Sünden (ਙijİıȚȢ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ) die Rede. Wie auch sonst bei ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ bzw. verwandten Begrifflichkeiten stellt sich jedoch die Frage, inwieweit es sich um eine konventionalisierte Metapher handelt. Wenn hier vom Tod Jesu die Rede ist, dann allein indirekt durch die Beschreibung der Auswirkung. Eine weitere interessante Sprechweise ist der Ausdruck „für uns zur Sünde machen“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ ʌȠȚȑȦ) in 2Kor 5,21. Hier steht diese indirekte Sprechweise alleine ohne weitere direkte und indirekte Bezüge. In die Nähe dazu rückt eine Sprechweise des Hebräerbriefs, wo an einigen Stellen die Begriffe Schmach (ੑȞİȚįȚıȝȩȢ) und Schande (ĮੁıȤȪȞȘ) auftauchen. Der erstgenannte Terminus begegnet etwa in Hebr

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13,13, wobei im vorherigen Vers vom Blut Jesu und seinem Leiden die Rede ist. V. 13 schließt daran die Aufforderung, seine Schmach aus dem Lager zu tragen, wodurch die Adressierten in das Geschehen um den Tod Jesu einbezogen werden und zugleich eine Anspielung auf Lev 16,27 gegeben ist. Der Vers ist außerdem ein Echo von Hebr 11,26, wo derselbe Begriff vorkommt, der hier durch den Genitiv noch stärker auf Christus bezogen wird. Allerdings ist der Verweis auf Jesu Tod hier weniger stark, da eigentlich von Mose die Rede ist, der laut Hebr seine Handlungen bereits im Wissen auf das Geschick Jesu ausrichtet. Das Wort ĮੁıȤȪȞȘ steht in Hebr 12,2 in Verbindung mit der Rede vom Kreuz. Auch sonst bietet der Hebräerbrief manch außergewöhnliche Sprechweise vom Tod Jesu. So ist zweimal hintereinander von der Versuchung Jesu die Rede (ausgedrückt durch das griechische Verb ʌİȚȡȐȗȦ), in Hebr 2,18 und 4,15, was jeweils mit dem Motiv des Leidens verbunden wird. Beide Male wird besonders die Nähe Jesu zu den Adressierten, die durch sein Leiden und Sterben konstituiert wird, betont. Die Wendung „sie kreuzigen den Sohn Gottes für sich [erneut]“ (ਕȞĮıIJĮȣȡȠ૨ȞIJĮȢ ਦĮȣIJȠ૙Ȣ IJઁȞ ȣੂઁȞ IJȠ૨ șİȠ૨) in Hebr 6,6 schließlich greift zwar das Motiv des Kreuzes auf, ist aber in dieser Form einzigartig im Neuen Testament. Auch in 1Joh finden sich, neben dem bereits erwähnten Einsatz des Lebens, einige sehr indirekte Bezüge, die nicht in die aufgeführte Typologie passen. So wird zweimal, in 1Joh 2,2 und 4,10, der Begriff ੂȜĮıȝંȢ angeführt, was häufig mit „Versöhnung“ übersetzt wird, generell aber auch in den Bereich der Opfersprache fallen kann. Auch hier ist die Frage zu stellen, ob es sich um eine bereits konventionalisierte Metapher handelt. Da nur dieser Terminus gebraucht wird, muss auch nicht unbedingt der Tod Jesu angedeutet sein – es könnte auch ganz allgemein von seinem In-die-Welt-Kommen die Rede sein. Ebenso verhält es sich mit 1Joh 3,5, wo beschrieben wird, dass Jesus erschienen sei, um die Sünden wegzunehmen (ijĮȞİȡઆșȘ, ੆ȞĮ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਙȡૉ). Auch diese Aussage könnte etwa auf die Inkarnation Jesu hindeuten, wobei aber durch die vorliegende Anspielung auf Jes 53 ein Verweis auf den Tod Jesu gut denkbar ist. Zudem werden in 1Joh 5,6–8 neben dem Blut auch Wasser und Geist benannt. Auch hier kann nur die Menschwerdung Jesu gemeint sein, obschon das Blutmotiv häufig auf Jesu Tod verweist. Die drei Elemente Wasser, Blut und Geist können zudem auf verschiedene Stadien des Wirkens Jesu auf Erden hinweisen, wie etwa Taufe, Tod und Epiphanie. In diesem Zusammenhang ist aber auch das Nebeneinander von Wasser und Blut in der Johannespassion zu beachten. In Apk 1,7 wird das zwei Verse zuvor erwähnte Blutmotiv erweitert und hier liefert ebenfalls die johanneische Passionsgeschichte eine Deutungsmöglichkeit. Durch den Ausdruck „durchbohrt“ (eine Form von țİȞIJȑȦ) wird eine Verletzung impliziert, die entweder durch ein Anschlagen am Kreuz oder im Sinne der durchstochenen Seite interpretiert werden kann.

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Weiterhin darf nicht vergessen werden, dass eine Vielzahl indirekter Sprechweisen vom Tod Jesu dadurch entstehen, dass rein auf metaphorischer Ebene oder durch Gleichnisse gesprochen wird. Dies ist sowohl in den Evangelien als auch in der Briefliteratur und der Apk zu beobachten. Bereits die erste Erwähnung des Todes Jesu im Markusevangelium – noch bevor der Tötungsbeschluss erzählt wird – ist Jesu Ankündigung, dass der Bräutigam fortgenommen werden wird (Mk 2,20par). Weitere metaphorische Verweise auf Jesu Tod stehen in Mk 12,1–12par, im Gleichnis „von den bösen Weingärtnerinnen und Weingärtnern“, das den Tod des einzigen Sohns erzählt sowie den „verworfenen Stein“ anführt, in Mk 14,27par im Zitat aus Sach 13,7, das das Schlagen des Hirten ankündigt, sowie in Mk 14,58par, in der von den Zeugen und Zeuginnen im Prozess vor dem Hohen Rat zitierten Ankündigung Jesu, den Tempel abzureißen. Da bereits zuvor jedoch angeführt wurde, dass die auftretenden Zeugen und Zeuginnen falsch aussagen, scheinen sich die Synoptiker von dieser Aussage zu distanzieren. In Joh 2,18–22 hingegen werden ähnliche Worte ausdrücklich von Jesus selbst gesprochen. Durch den Kommentar der Erzählinstanz in 2,21, dass es sich um den „Tempel seines Leibes“ handelte, und die anschließende Aussage, dass diese Worte nach dem Tod Jesu von seinen Jüngerinnen und Jüngern richtig verstanden wurden, wird dabei Jesu Aussage zusätzlich erklärt und „entschlüsselt“. Teilweise gibt es in den Evangelien metaphorische Motive, die auf den Tod Jesu hindeuten und häufiger vorkommen. Besonders deutlich wird dies beim Kelchmotiv,123 das möglicherweise von der Abendmahlstradition beeinflusst wurde. Auf die Anfrage der Zebedäus-Söhne hin verweist Jesus in Mk 10,38– 39 auf den Kelch, den er trinken muss (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ), und die Taufe, mit der er getauft werden muss (IJઁ ȕ੺ʌIJȚıȝĮ ੔ ਥȖઅ ȕĮʌIJ઀ȗȠȝĮȚ). Die Mt-Parallele nennt dabei nur das Kelch-Motiv, während in Lk 12,50 nur von der Taufe die Rede ist. Die Bitte, dass der Kelch an Jesus vorübergehe, findet sich in den Gethsemane-Perikopen aller drei Synoptiker. Eine Variante dieses KelchWorts, in der Jesus aber gemäß der allgemeinen Charakterisierung des Johannesevangeliums als sein Schicksal willig annehmend dargestellt wird, findet sich sogar in Joh 18,11. Eine weitere sehr indirekte Metapher im Hinblick auf Jesu Tod steht in Joh 12,35, in Jesu Ankündigung, dass das Licht nur noch kurze Zeit bei den Adressierten sei (਩IJȚ ȝȚțȡઁȞ ȤȡંȞȠȞ IJઁ ij૵Ȣ ਥȞ ਫ਼ȝ૙Ȟ ਥıIJȚȞ). Insgesamt lässt sich für diese metaphorischen Verweise auf den Tod Jesu in den Evangelien festhalten, dass sie – vom Tempelwort der Synoptiker und dem entsprechenden Kommentar der Erzählinstanz im Johannesevangeliums abgesehen – Jesus in den Mund gelegt werden. Die metaphorische Sprechweise ist dabei ein Mittel, plausibel zu machen, warum die Jünger und Jüngerinnen angesichts des Todes Jesu zunächst überrascht und erschrocken reagieren. Außerdem geht es in den Evangelien vorrangig darum, Jesu Tod anzukündigen. 123

S.u., Abschnitt 2.6.3. des vierten Kapitels.

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Eine Deutung ist höchstens äußerst explizit gegeben. Dies verschiebt sich in der Briefliteratur. Wenn hier vom Tod Jesu auf rein metaphorische Weise gesprochen wird, dann geschieht das allein durch ein Bild, das erklärt, warum der Tod Jesu nötig war. Dabei werden vorrangig Opfer- und Loskaufmetaphern gebraucht. Das Loskaufmotiv begegnet etwa in 1Kor 6,20 und 7,23. In beiden Versen wird Jesus nicht direkt erwähnt, sein Tod kommt nicht explizit zur Sprache. Es geht beide Male vorrangig darum, die Adressierten zu einem angemessenen Lebenswandel zu motivieren. Auch die Wortwahl ist identisch: die Verbform ਱ȖȠȡ੺ıșȘIJİ („ihr wurdet erkauft“) wird durch IJȚȝોȢ („teuer/für einen Preis“) weiter bestimmt, wobei die Wortstellung jeweils unterschiedlich ist. Dass es sich hierbei um einen Verweis auf den Tod Jesu handelt, wird lediglich durch den sonstigen Gebrauch des Loskaufmotivs deutlich und dadurch, dass es keine alternative Interpretation gibt. Eine verwandte Formulierung findet sich in 2Petr 2,1 wo Jesus indirekt als „der sie loskaufende Herr“ bezeichnet wird (੒ ਕȖȠȡ੺ıĮȞIJĮ Į੝IJȠઃȢ įİıʌȩIJȘȢ). Dadurch, dass hier anders als in den Erwähnungen in 1Kor keine Passivformulierung gebraucht wird, wird der Bezug zu Jesus deutlicher. Auch hier geht es jedoch nicht primär um den Tod Jesu. Das Faktum seines Freikaufs wird dafür verwendet, die Argumentationslinie zu stärken. Eine weitere verwandte Stelle ist Apk 14,3f., in der die Hundertvierundvierzigtausend erwähnt werden, die „erkauft“ sind. Zweimal wird auch in diesen Versen das Verb ਕȖȠȡȐȗȦ gebraucht, wie in 1Kor in Passivformen, wodurch der Bezug zum Tod Jesu in der ohnehin kryptischen Apk abgeschwächt wird. Ein rein metaphorischer Verweis mit kultischem Bedeutungshintergrund, ohne dass zusätzlich direkt oder indirekt auf Jesu Tod Bezug genommen wird, begegnet zunächst in 1Kor 5,7, wo Jesus als geopfertes Passa(lamm) bezeichnet wird (țĮ੿ Ȗ੹ȡ IJઁ ʌ੺ıȤĮ ਲȝ૵Ȟ ਥIJ઄șȘ ȋȡȚıIJંȢ). Der Ausdruck steht dabei im Kontext einer komplexen paränetischen Argumentation, die vor dem Hintergrund der Riten beim Passafest operiert.124 Daneben begegnet reine Opfermetaphorik an einigen Stellen des Hebr. Das semantische Feld wird dabei hauptsächlich durch den Jom Kippur bestimmt. Beispielhaft zu nennen sind Hebr 8,3; 9,25–28 (hier in Verbindung mit dem Leidensmotiv in V. 26); 10,5–10.11– 18.26. Dabei wird in 10,11 deutlich, dass auch das tägliche Opfer als zusätzlicher Bedeutungshintergrund mit angedacht wird. In diesem Zusammenhang nennenswert ist ferner Hebr 6,19–20. An dieser Stelle wird zwar der Opferaspekt nicht so deutlich, durch das beschriebene Hineintreten in das Allerheiligste wird aber ein ähnlicher Hintergrund geschildert und auch hier bleibt die Darstellung auf rein metaphorischer Ebene. Neben der Loskauf- und Opfermetaphorik kommt zumindest an zwei Stellen die Reinigung von Sünden ohne weiteren Bezug zum Tod Jesu vor. Obwohl 124 Zur Stellung des Passalamms zu Opferpraktiken und der damit verbundenen Problematik s.u., Abschnitt 6.2.4.

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die Vergebung der Sünden an sich nicht zwingend an Jesu Tod gekoppelt sein muss – schließlich taucht sie etwa in Mk 2,5par im Zuge einer Wundergeschichte ganz unabhängig von Jesu Sterben auf – legt die Reinigungsmetapher in der Briefliteratur dies zumindest nahe. Aber auch an diesem Punkt muss man vorsichtig sein: Obwohl Reinigung eine Funktion ist, die dem Tod Jesu im Neuen Testament zugeschrieben wird, ist sie auch etwa für die Taufe fundamental. Gerade in 2Petr 1,9 wird nicht ganz klar, auf welches heilsbringende Ereignis konkret angespielt wird. In Hebr 1,3 ist es durch den Bezug zur Person Jesu wahrscheinlicher, dass hier von seinem Tod die Rede ist. In beiden Fällen wird im Griechischen der grundlegende Ausdruck țĮșĮȡȚıȝઁȢ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ gebraucht. Eine besondere Unterkategorie des rein metaphorischen Sprechens vom Tod Jesu ist die Rede vom verworfenen Stein, die sich an drei sehr unterschiedlichen Stellen im Neuen Testament findet. Bemerkenswert daran ist, dass es sich nicht nur um eine Metapher, sondern auch um ein Zitat handelt. Das Zitat aus Ps 118,22f. (Ps 117,22f. LXX, nach der Septuaginta zitiert) steht zunächst in Mk 12,10f., wo es in der Rede Jesu das Gleichnis von den „bösen Weinbergpächterinnen und -pächtern“ ergänzt und weiter deutet. In Apg 4,11 wird es von Petrus, der laut V. 8 vom Heiligen Geist erfüllt vor dem Hohen Rat aussagt, vorgebracht, wobei Petrus das Zitat so modifiziert, dass er die angesprochenen Vertreter des Hohen Rats mit den den Stein verwerfenden Bauleuten gleichsetzt. In 1Petr 2,4–8 schließlich wird das Psalmzitat in einen komplexeren Argumentationsgang eingearbeitet. Es erfolgt in V. 4 zunächst eine Anspielung, worauf dann in V. 7 das direkte Zitat folgt. Die Steinmetaphorik wird auf vielfache Weise ausgebaut. Zu beachten ist zunächst die Aufforderung an die Adressierten, sich als lebendige Steine zu einem Bauwerk aufzurichten. Außerdem wird das Zitat aus Psalm 118 mit weiteren Schriftzitaten, nämlich aus Jes 28,16 und 8,14, kombiniert. Unter den rein metaphorischen Ausdrücken ist schließlich noch die Chiffre des Lamms bzw. des Schafs zu behandeln. In 1Petr 1,19 wird die Gleichsetzung von Jesus und dem Schaf explizit behandelt, dies ist aber keineswegs bei allen Erwähnungen des Neuen Testaments vorausgesetzt. Die Frage, ob es sich hierbei dann um eine direkte oder indirekte Sprechweise handelt, hängt sehr stark davon ab, wie bekannt oder unbekannt diese Chiffre für die Rezipierenden ist. Inwieweit ein Bezug zum Tod Jesu hergestellt wird, ist wiederum von der Wahrnehmung intertextueller Bezüge abhängig. Die Proklamation des Täufers, dass es sich bei Jesus um das Lamm Gottes handelt, das die Sünden der Welt trägt (੒ ਕȝȞઁȢ IJȠ૨ șİȠ૨ ੒ Į੅ȡȦȞ IJ੽Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ IJȠ૨ țંıȝȠȣ; Joh 1,29; Wiederholung in 1,36 ohne den Relativsatz), wird an dieser Stelle erst dann als ein Hinweis auf Jesu Tod interpretierbar, wenn die Rezipierenden wissen, dass laut Johannesevangelium die Verurteilung Jesu mit dem Schlachten der Passalämmer zusammenfällt, wenn sie diesen Ausruf vor dem Hintergrund von Jes 53 interpretieren oder wenn sie mit der sonstigen frühchristlichen Sprechweise

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von Jesus als Lamm/Schaf vertraut sind. Auch dass das Zitat aus Jes 53 in Apg 8,32–35 auf Jesu Tod übertragen wird, muss den Rezipierenden dieser Perikope bereits bewusst sein – direkt erklärt wird es nicht. Schließlich ist die Apk gar nicht richtig verständlich ohne das Vorwissen, dass das erwähnte Schaf (ਕȡȞȓȠȞ) als Jesus zu identifizieren ist. Wie bereits erwähnt, wird besagtes Schaf weiter durch das Attribut „wie geschlachtet“ (੪Ȣ ਥıijĮȖȝ੼ȞȠȞ, wiederholt im fünften Kapitel ab Apk 5,6 und nochmals in 13,8) charakterisiert, was ebenfalls je nach Bekanntheit der ਕȡȞȓȠȞ-Chiffre zwischen direkter und indirekter Redeweise changiert. Einen Sonderfall des indirekten Sprechens vom Tod Jesu im Neuen Testament bildet Apg 7,54–60, das Martyrium des Stephanus. Die Besonderheit dieser Passage liegt darin, dass hier nicht vorrangig der Tod Jesu im Blick ist, sondern der des Stephanus, der aber vor dem Hintergrund des Todes Jesu, wie er bei Lukas berichtet wird, gestaltet wird (imitatio mortis Christi). Stephanus muss sich wie Jesus vor dem Hohen Rat verantworten. Die Rede, die er zum Zeugnis seines Glaubens hält, geht jedoch weit über alles hinaus, was Jesus laut Lukas während seines Prozesses spricht. Es wird betont, dass Stephanus vom Geist Gottes erfüllt ist (Apg 7,55) oder engelgleich erscheint (Apg 6,15). Somit avanciert Stephanus zum Zeugen schlechthin, zum Prototyp des Märtyrers. Lukas zeigt in der Stephanusepisode mehreres: Das Martyrium ist offenbar vom Bekenntnis zum Evangelium des Auferstandenen getrieben, doch die Rede des Stephanus zeigt vor allem die Kontinuität dieser Botschaft zur Heilsgeschichte Israels auf. Der Heilige Geist ist – so wird es zumindest nahegelegt – als treibende Kraft hinter dem Bekenntnis, das in letzter Konsequenz in der Hingabe des Lebens mündet, erkennbar. Für den Tod des Märtyrers selbst ist dann das Sterben Jesu als Vorbild zu verstehen. Voraussetzung hierfür ist freilich, dass in der Darstellung des Todes Jesu selbst Möglichkeiten einer Vorbildfunktion gegeben sind. Dies ist in der lukanischen Passion der Fall. Während der markinische (und matthäische) Jesus scheinbar verzweifelt am Kreuz auf Ps 122 verweist, sind die letzten Worte des lukanischen Jesus ein Sinnbild für Vergebungsbereitschaft und Ergebenheit. Eben jene Worte werden nun von Stephanus angesichts seines Märtyrertodes aufgegriffen:125 Zunächst wird in Apg 7,59 angeführt, dass Stephanus den Herrn anruft, mit den Worten ț઄ȡȚİ ੉ȘıȠ૨, į੼ȟĮȚ IJઁ ʌȞİ૨ȝ੺ ȝȠȣ. („Herr Jesus, nimm meinen Geist.“) Hier scheint eine intertextuelle Anspielung auf die letzten Kreuzesworte Jesu intendiert zu sein. Auch in diesen liegt eine direkte Anrede bzw. Anrufung vor, wobei in Lk 23,46 Gott als Vater angesprochen wird (ʌ੺IJİȡ). In der Stephanusgeschichte 125

Die Parallelen sind auffällig und werden in der exegetischen Forschung im Allgemeinen herausgestellt, vgl. z.B. PESCH, RUDOLF, Die Apostelgeschichte. 1. Teilband: Apg 1–12 (Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament 5.1), Zürich u.a.: Benziger/ Neukirchener Verlag 1986, 264f. und JERVELL, JACOB, Die Apostelgeschichte (Kritischexegetischer Kommentar über das Neue Testament 3), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998, 253f.

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erscheint es folgerichtig, dass nun Jesus als Auferstandener angerufen wird.126 Zudem ist sowohl in Lk 23,46 als auch in Apg 7,59 das Stichwort IJઁ ʌȞİ૨ȝ੺ ȝȠȣ auffällig. Der Rest des Satzes wird jedoch jeweils unterschiedlich formuliert. In Lk 23,46 wird das Zitat aus Ps 31,6 (Ps 30,6 LXX) sehr deutlich. Jesus nimmt dabei eine aktive Rolle ein. Er ist derjenige, der seinen Geist übergibt, und zwar in Gottes Hände, was ein plastisches Bild erzeugt. Im Gegensatz dazu hat der sterbende Stephanus in Apg 7,59 eine passivere Rolle. Auch hier geht die Handlung von Jesus aus, der nun als Empfänger des Geistes vorgestellt wird. Der Ausruf ist schlichter gestaltet und konzentriert sich auf einen einzelnen Imperativ: įȑȟĮȚ („nimm“/„empfange“). In der Stephanusepisode wird der Verweis auf Ps 31,6 weniger deutlich. Stattdessen steht nun die Parallelität zu Jesu Gebet im Vordergrund. Während es sich bei Lk 23,46 um Jesu letzte Worte handelt, wird von Stephanus ein weiterer Ausruf mit einer zweiten Bitte berichtet, der wiederum stark an die lukanische Passion erinnert: ț઄ȡȚİ, ȝ੽ ıIJ੾ıૉȢ Į੝IJȠ૙Ȣ IJĮ઄IJȘȞ IJ੽Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ („Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an“). „‚Diese Sünde‘ ist die Ermordung des Stephanus, die den Mördern nicht zugerechnet werden soll.“127 Es besteht eine Parallele zu den vorherigen Worten des Stephanus dahingehend, dass erneut ein Imperativ vorliegt (nun in verneinter Form) und auch die Anrede ț઄ȡȚİ wiederholt wird. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass Jesus auch hier angesprochen wird, obwohl dies nicht eindeutig geklärt werden kann.128 Inhaltlich gibt es hier starke Überschneidungen mit Lk 23,34a:129 ʌ੺IJİȡ, ਙijİȢ Į੝IJȠ૙Ȣ, Ƞ੝ Ȗ੹ȡ Ƞ੅įĮıȚȞ IJ઀ ʌȠȚȠ૨ıȚȞ („Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“). Obwohl nur die Anrede und der Infinitiv als formale Berührungspunkte auffallen, erweckt die inhaltliche Nähe beider Ausrufe den starken Eindruck, dass Stephanus Jesus

126 Die Anrede ț઄ȡȚİ ੉ȘıȠ૨ wird dadurch hervorgehoben, dass sie bei Lukas nur an dieser Stelle begegnet. Vgl. auch PESCH, Apostelgeschichte, 264 Fn 22. Sie „ist auch eine Bestätigung der Auferstehung und Erhöhung“. (JERVELL, Apostelgeschichte, 254.) 127 PESCH, Apostelgeschichte, 265. 128 Jervell setzt voraus, dass Gott angesprochen wird, auch wenn er die Frage nicht eigens thematisiert. (Vgl. auch JERVELL, Apostelgeschichte, 254.) Pesch dagegen hält fest: „[D]a die Bitte der […] Bitte Jesu (Lk 23,34a) entspricht, dürfte jedoch eher an eine Anrufung Gottes selbst als des ‚Herrn‘ zu denken sein.“ (PESCH, Apostelgeschichte, 265.) Dieses Argument ist allerdings nicht besonders stark, da es ja bereits zuvor eine Variation in der Anrede gegeben hat. 129 Zu beachten ist, dass diese Worte textkritisch unsicher ist. „Dieser Vers stellt eines der größeren Textprobleme des Lukas-Evangeliums dar.“ (BOVON, FRANÇOIS, Das Evangelium nach Lukas. 4. Teilband: Lk 19,28–24,53 [Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament 3.4], Neukirchen-Vluyn/Düsseldorf: Neukirchener Verlag/Patmos 2009, 461.) Einige Gründe für die Ursprünglichkeit und spätere Ausscheidung der Worte bieten Bovon und Wolter. (Vgl. a.a.O. 461f.; WOLTER, MICHAEL, Das Lukasevangelium [Handbuch zum Neuen Testament 5], Tübingen: Mohr Siebeck 2008, 757.)

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imitiert.130 Eine zusätzliche Parallele zwischen Jesus und Stephanus wird dadurch erzeugt, das beide ihre letzten Worte mit lauter Stimme (ijȦȞૌ ȝİȖ੺Ȝૉ, Lk 23,46; Apg 7,60) äußern.131 Es ist anzunehmen, dass auch Erstrezipierende, die eine Kenntnis beider Teile des lukanischen Doppelwerks aufweisen, eine Verbindung zwischen beiden Todesschilderungen herstellen konnten und diese intendiert war. Stephanus’ Sterben wird durch die Linse des Todes Jesu gesehen. Nur sehr implizit wird damit auch etwas über Jesu Tod selbst gesagt. Zunächst wird an ihn rückerinnert, vor allem an seine Vergebungsbereitschaft und Unterordnung unter den väterlichen Willen. Daneben wird Jesu Tod selbst auf sehr indirekte Weise gedeutet: als Vorbild für Menschen, die den Märtyrertod auf sich nehmen. „Stephanus stirbt in der Nachfolge Jesu, der im Martyrium das Vorbild ist.“132 Der Tod Jesu bildet, so will es Lukas durch die parallele Gestaltung zeigen, das „Strukturmodell“133 nicht nur für das Schicksal dieses ersten christlichen Märtyrers, sondern für das der christlichen Gemeinde insgesamt.

5. Deutungen des Todes Jesu 5. Deutungen des Todes Jesu

Das Faktum des Todes Jesu stellte seine Anhänger und Anhängerinnen vor eine immense Herausforderung. Nicht nur der Schock, das Trauma, musste verarbeitet werden, sondern es mussten Wege gefunden werden, aus dieser Ungeheuerlichkeit – im Zusammenhang mit dem nicht minder staunenswerten Kerygma der Auferstehung – Sinn zu machen. Der Tod Jesu konnte nicht einfach so stehen bleiben, er musste eine Deutung erfahren. Es ist naheliegend, dass zuerst die Zwangsläufigkeit des Todes Jesu konstatiert wurde. Jesu Tod musste geschehen, er war Teil des göttlichen Ratschlusses oder bereits durch die Schrift angekündigt. Darüber hinaus wurde Jesu Sterben eine Funktion zugesprochen: Es geschah in irgendeiner Weise „für uns“ und erfüllte einen nicht auf den ersten Blick zu erkennenden Zweck, ja es ist sogar für das Heil der Menschen konstitutiv. Die Abfolge von Zwangsläufigkeits- und Funktionsdeutung ist sowohl aus psychologischer als auch aus logischer Perspektive nachvollziehbar: Jede Funktion impliziert bereits eine Zwangsläufigkeit, was hingegen nicht auch umgekehrt gilt. Allerdings kann nicht gesagt werden, wie rasch auf die Feststellung der Zwangsläufigkeit eine Darstellung der Funktion folgte und ob sich daraus verschiedene klar definierte Stadien der Verarbeitung 130

Vgl. auch JERVELL, Apostelgeschichte, 254: „Inhaltlich sagt er ungefähr dasselbe wie Jesus, drückt es aber in anderen Worten aus.“ 131 Vgl. PESCH, Apostelgeschichte, 265. 132 JERVELL, Apostelgeschichte, 254. 133 ROLOFF, JÜRGEN, Die Apostelgeschichte (Neues Testament Deutsch 5), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1981, 128. Zitiert bei: PESCH, Apostelgeschichte, 266.

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des Todes Jesu ableiten lassen. Dies erscheint fraglich. Noch unsicherer wird es, solche Stadien in den neutestamentlichen Schriften ausmachen zu wollen, die ohnehin in einem zeitlichen Abstand von mehreren Jahrzehnten zum Tod Jesu entstanden sind. Die folgende Einteilung in Zwangsläufigkeits- und Funktionsdeutung entspricht folglich logischen Kriterien, ohne dass sich daraus Aussagen zur Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte direkt ableiten ließen. 5.1. Zwangsläufigkeit In einer erstaunlich großen Zahl der neutestamentlichen Erwähnungen des Todes Jesu wird seine Zwangsläufigkeit betont, ohne dass eine genauere Funktion beschrieben wird. Allerdings ist die Verbreitung dieser Deutungsart unterschiedlich ausgeprägt. Während in den neutestamentlichen Erzähltexten die Betonung der Notwendigkeit des Todes Jesu im Vordergrund steht und nur vergleichsweise selten die Funktion des Todes Jesu explizit gemacht wird, ist in der Briefliteratur das gegenteilige Phänomen beobachtbar. In den Protopaulinen sowie in Kol und Eph wird die Zwangsläufigkeit des Todes Jesu nur an einzelnen Stellen direkt ausgeführt und dann immer in Verbindung mit einer weiteren, funktionalen Deutung des Todes Jesu. In den katholischen Briefen findet sich nur in 1Petr der Verweis auf die Tatsache, dass Jesu Tod zwangsläufig nötig war. Auch hier liegt in beiden Fällen eine Verbindung mit einer Funktionsdeutung vor. In den Pastoralbriefen und der Apk fehlen explizite bzw. eigenständige Zwangsläufigkeitsdeutungen völlig. Neben den Erzähltexten spielen sie lediglich im Hebr eine etwas größere Rolle. Dennoch ist auch die untergeordnete Verwendung der Rede von der Zwangsläufigkeit in der Briefliteratur beachtenswert. Denn selbst wenn eine historische Abfolge von Zwangsläufigkeits- und Funktionsdeutungen nicht gesichert ist, bereitet der Verweis auf die Notwendigkeit des Sterbens die Artikulation einer Funktion vor und gibt dem Sterben Jesu zusätzliches Gewicht. Im Folgenden werden daher verschiedene Arten, wie diese Zwangsläufigkeit ausgedrückt werden kann, genauer untersucht. Hierzu gehören Prophezeiungen und die griechische Wendung įİ૙ ebenso wie der Verweis auf Schrifterfüllung und Prophetenschicksal. 5.1.1. Prophezeiungen Wie bereits erwähnt wurde, halten sich die Evangelien damit zurück, dem Tod Jesu eine Funktion zuzuweisen. Derartige Deutungen kommen zwar vor, ihre Anzahl ist hier aber im Vergleich zu anderen neutestamentlichen Gattungen gering. Dennoch wird der Tod Jesu auch in den Evangelien häufig angedeutet – durch Ankündigungen vorwiegend von Jesus selbst, die sein Sterben prophezeien. Solche meist als vaticinia ex eventu zu betrachtenden Passagen finden sich etwa bei den Synoptikern in Mk 2,20par; 10,38f.par; 10,45par; 14,8.21.

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22–24.27.41.58par sowie den Leidensankündigungen Mk 8,31par (hier allerdings mit įİ૙ ausgedrückt); 9,31par und 10,33f.par. Die meisten dieser Weissagungen wurden von Mt und Lk (von letzterem aber in geringerem Umfang) aus Mk übernommen, auch wenn es zu kleinen stilistischen Änderungen kam. Aus Q dagegen scheint die Jona-Analogie in Mt 12,40par und 16,4 zu stammen. Mt ergänzt eine entsprechende Prophezeiung noch im Zusammenhang des finalen Plans zur Tötung Jesu (Mt 26,2) und in der Vorbereitung zum Passamahl (Mt 26,18). Lk fügt weitere Prophezeiungen in den Abschluss des Abendmahls (Lk 22,22) sowie in das der Gethsemane-Szene vorangehenden Jüngergespräch (Lk 22,37) ein. Auch Jesu Rede in Lk 13,32–34 kann als eine Art Prophezeiung verstanden werden, obwohl durch den vorausgegangenen Hinweis der Pharisäer auf Herodes’ Tötungsbeschluss der mögliche Tod bereits deutlich vor Augen steht. Der zeitliche Rahmen und die Deutung als Prophetenschicksal werden hier aber eingebracht. Es ist dem Charakter der Prophezeiung gemäß, dass diese Ankündigungen von Jesus selbst hervorgebracht werden. Nur den unzuverlässigen Zeugen und Zeuginnen in Mk 14,58 wird mit dem Hinweis auf die Tempelzerstörung und -neuerrichtung innerhalb von drei Tagen ebenfalls eine Art Prophezeiung zugeschrieben, obwohl auch diese angeben, eine Aussage Jesu zu zitieren. In den meisten Fällen handelt es sich zudem um indirekte Ankündigungen. Nur in seltenen Fällen spricht Jesus in diesem Zusammenhang von sich selbst in der ersten Person, etwa in den Einfügungen in die Mk-Vorlage Mt 26,18 und Lk 22,37, in der Antwort auf die Zebedaidenfrage in Mk 10,38f.par, im Zusammenhang der Abendmahlseinsetzung Mk 14,22–25par oder in der genannten Anschuldigung von Mk 14,58. Und selbst in diesen Fällen ist nicht direkt vom Tod oder Sterben die Rede, sondern es werden andere indirekte Ausdrücke verwendet. Meistens spricht Jesus jedoch von sich selbst in der dritten Person, wobei mehr oder weniger deutlich wird, dass Jesus sich selbst meint: So ist die wiederkehrende Rede vom Menschensohn leichter auf ihn übertragbar als das Bild vom Bräutigam (Mk 2,20par).134 Durch den hohen Grad der Indirektheit wird einerseits den mit dem Schicksal Jesu vertrauten Lesenden klar, dass damit auf den Tod Jesu angespielt wird, andererseits bleibt so jedoch auch die Überraschung der Jünger und Jüngerinnen plausibel. Eine besondere Dichte an Prophezeiungen weist das Johannesevangelium auf, wobei Art und Ausprägung der Prophezeiungen etwas anders sind als bei den Synoptikern. Bereits die Charakterisierung Jesu bei seinem ersten Auftreten als „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt“ (੒ ਕȝȞઁȢ IJȠ૨ șİȠ૨ ੒ Į੅ȡȦȞ IJ੽Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ IJȠ૨ țંıȝȠȣ), kann als prophetischer Verweis auf Jesu Sterben angesehen werden. Die Funktion des Propheten erfüllt dann Johannes der Täufer. Allerdings muss bemerkt werden, dass sich aus dem Text selbst hier noch 134 Vgl. die detaillierteren Ausführungen zur Erzählinstanz und zum indirekten Sprechen in Abschnitt 2. und 4.

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kein Zukunftsbezug ableiten lässt. In der Vielzahl der Fälle ist es aber Jesus selbst, der seinen Tod weissagt. Anders als in den Synoptikern spricht er dabei in der ersten Person, jedoch auf sehr indirekte Weise. Dabei ist vor allem das Motiv des Gehens bzw. Fortgehens relevant (Joh 7,33; 8,14.21; 13,33; 14,2– 4.28; 16,5.7.28; 17,11). Verwandt ist auch das Motiv des Verlassens der Welt, wie es etwa in 16,28 und 17,13 ausgedrückt wird. In Verbindung mit der Rede vom Fortgehen steht außerdem an einigen Stellen der Hinweis, dass Jesus gesucht, aber nicht gefunden werden wird (Joh 7,34; 8,21; 13,33). Daneben findet sich wiederholt die Weissagung, dass es einen Zeitpunkt in der Zukunft geben wird, an dem Jesus von der Welt bzw. von den Menschen nicht mehr gesehen werden wird (Joh 14,19; 16,10.16.19). An mehreren Stellen des Johannesevangeliums wird dargestellt, dass die Rezipierenden diese Weissagungen nicht verstehen. Joh 7,35f. und 8,22 berichten von Fehlinterpretationen der Aussagen Jesu, 16,17f. vom Unvermögen der Jüngerinnen und Jünger, die Worte zu begreifen. Während die Weissagungen in der ersten Person deutlich dominieren, gibt es auch einzelne Passagen, in denen Jesus die dritte Person verwendet. So weissagt er in 3,14, dass „der Menschensohn“ erhöht werden wird wie die Schlange des Mose in der Wüste. In 12,32 spricht Jesus wiederum von seiner Erhöhung, nun jedoch in der ersten Person Singular. Damit ergibt sich eine seltsame Inkontinuität zum weiteren Gesprächsverlauf. Das Volk nämlich fragt in 12,34 nach der Identität des Menschensohns und warum dieser nach Jesu Aussage erhöht werden muss. Jesus fügt eine weitere Weissagung an, die nun deutlich metaphorischen Charakter hat. Er spricht vom Licht, das noch eine kurze Weile da sein wird (Joh 12,35f.). Innerhalb der Erzählung selbst gibt das keine wirklich befriedigende Antwort auf die vorausgehende Frage. Die Rezipierenden des gesamten Johannesevangeliums dürften sich aber an Joh 1,4–9 zurückerinnert fühlen. Als ebenfalls metaphorisch aufgeladene Prophezeiung können Jesu Aussprüche innerhalb der Hirtenrede aufgefasst werden (Joh 10,11.15): Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe, und Jesus identifiziert sich selbst deutlich mit diesem Hirten. Weitere Weissagungen begegnen in Joh 12,7 (Interpretation der Salbung als Vorwegnahme der Bestattung) und 2,19 (Zerstörung des Tempels). In letztgenannter Passage wird zunächst wiederum das Unverständnis der Zuhörenden dargestellt (V. 20), bevor die Prophezeiung durch die Erzählinstanz mithilfe einer Genitivmetapher gedeutet wird (V. 21). Abschließend wird wiederum durch die Erzählinstanz vermittelt, dass die Jüngerinnen und Jünger diese Weissagung nach der Auferstehung in der Retrospektive richtig deuten konnten (V. 22). Diese erste johanneische Prophezeiung des Todes Jesu durch ihn selbst stellt somit auf eindrückliche Weise die Komplexität dieser Aussagen und des damit verbundenen Deutungsprozesses dar. Eine letzte Weissagung des Johannesevangeliums ist noch zu nennen, die sich von den übrigen abhebt. In Joh 11,50f. empfiehlt der Hohepriester Ka-

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japhas, dass ein einzelner Mensch (also Jesus) sterben sollte, da dies dem Untergang des ganzen Volkes vorzuziehen sei. Was kontextuell wie ein allgemeiner Ratschlag wirkt, wird durch die Erzählinstanz als Weissagung interpretiert: Kajaphas prophezeite, dass Jesu Tod für andere geschehen sollte (ਥʌȡȠij੾IJİȣıİȞ ੖IJȚ ਩ȝİȜȜİȞ ੉ȘıȠ૨Ȣ ਕʌȠșȞ૊ıțİȚȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJȠ૨ ਩șȞȠȣȢ, țĮ੿ Ƞ੝Ȥ ਫ਼ʌ੻ȡ IJȠ૨ ਩șȞȠȣȢ ȝંȞȠȞ ਕȜȜ’ ੆ȞĮ țĮ੿ IJ੹ IJ੼țȞĮ IJȠ૨ șİȠ૨ IJ੹ įȚİıțȠȡʌȚıȝ੼ȞĮ ıȣȞĮȖ੺Ȗૉ İੁȢ ਪȞ; Joh 11,51f.). 5.1.2. įİ߿ und verwandte Wendungen Durch das griechische įİ૙ wird insbesondere bei Lukas die Notwendigkeit des bevorstehenden oder bereits erfolgten Todes Jesu betont. Gerade wenn auf das Sterben Jesu zurückgeblickt wird, handelt es sich hierbei um die einfachste Zwangsläufigkeitsdeutung: Der Tod Jesu musste eintreten. Er war erforderlich. Es wird jedoch nicht weiter darauf eingegangen, warum dies so ist oder auf welcher Grundlage diejenigen, die das įİ૙ des Todes Jesu äußern, zu dieser Schlussfolgerung kommen ௅ anders als z.B. bei der Schrifterfüllung und dem Prophetenschicksal. Allerdings wird, wie erwähnt, das įİ૙ nicht nur zur nachträglichen Bestätigung der Notwendigkeit gebraucht, sondern auch, um den Tod Jesu bereits vorauszudeuten. Es wird in der ersten Leidensankündigung bei allen drei Synoptikern verwendet (Mk 8,31; Mt 16,21; Lk 9,22). Der Wortlaut ist dabei insgesamt relativ ähnlich, sowohl das Leidensmotiv als auch die Form ਕʌȠțIJĮȞșોȞĮȚ („getötet werden“) findet sich bei allen drei Evangelisten. Lk ändert gegenüber Mk nur Kleinigkeiten, lässt etwa Artikel wegfallen. Mt ergänzt das Gehen nach Jerusalem und lässt dafür das Motiv des VerworfenWerdens (im Griechischen durch den Infinitiv Passiv ਕʌȠįȠțȚȝĮıșોȞĮȚ) aus. Da Mt die Leidensankündigung in die direkte Rede setzt, wird diese auch direkt auf Jesus bezogen ௅ vom Menschensohn ist hier nicht die Rede. Bei Mk kommt neben der ersten Leidensankündigung įİ૙ mit direktem Bezug zum Tod Jesu nicht mehr vor.135 Es wird allerdings noch an einigen Stellen gebraucht, um Prophezeiungen auszudrücken (von Jesus in 13,7.10.14 mit Blick auf die Endzeit, von den Schriftgelehrten in 9,11). Mt gebraucht diese Art der Zwangsläufigkeit noch einmal in 26,54, wo es bei der Verhaftung Jesus selbst in den Mund gelegt und mit dem Verweis auf die Schrifterfüllung verbunden wird. Allerdings bezieht sich dies eher auf die Gefangennahme als auf den drohenden 135

Es begegnet nochmals in Mk 14,31 sowie in der Parallele Mt 26,35. Den Kontext bietet die Beteuerung des Petrus, die dann von den anderen Mitgliedern des Zwölferkreises bekräftigt wird: ਥ੹Ȟ į੼ૉ ȝİ ıȣȞĮʌȠșĮȞİ૙Ȟ ıȠȚ, Ƞ੝ ȝ੾ ıİ ਕʌĮȡȞ੾ıȠȝĮȚ („Wenn ich mit dir sterben müsste, ich werde dich nicht verleugnen“). Allerdings ist diese Stelle vom sonstigen Gebrauch des įİ૙ zu unterscheiden, da hier der Konjunktiv steht und sich die Aussage auch eigentlich auf das Schicksal des Petrus bezieht, wenngleich dieses durch die Vorsilbe des Verbs eng an das Jesu geknüpft wird. Dennoch bezeichnet diese konditionale Periode eine Möglichkeit, die der ansonsten durch įİ૙ ausgedrückten Zwangsläufigkeit entgegensteht.

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Tod, wobei natürlich beides eng miteinander verbunden ist. Im Lukasevangelium wird įİ૙ insgesamt häufiger verwendet. Es steht wie bei Mk im Zusammenhang von Prophezeiungen, wird aber auch gebraucht, um das Bewusstsein Jesu über das, was er auf Erden vollbringen soll, auszudrücken (vgl. 2,49; 4,43). In Lk 13,33 steht es zwar im Kontext der Todesgefahr, jedoch bezieht es sich hier streng genommen nur auf die Wanderschaft Jesu, die nötig ist, um den Todesort Jerusalem zu erreichen. Ansonsten stehen hier eher die Vollendung Jesu sowie das Prophetenschicksal im Vordergrund. Demgegenüber ist der Bezug zum Tod Jesu in Lk 17,25 deutlicher, wobei es sich hierbei nur um einen kurzen Einschub im Kontext der angekündigten Rückkehr des Menschensohns handelt: Dieser müsse zuvor viel leiden und verworfen werden. Der Wortlaut entspricht dabei dem der ersten Leidensankündigung. Auf den Tod Jesu zurückblickend wird laut Lk der Ausdruck įİ૙ zuerst von den zwei Männern am leeren Grab gebraucht (Lk 24,7). Sie erinnern dabei an die Ankündigungen Jesu, ohne seine Worte genau wiederzugeben. Das von ihnen aufgeführte Motiv der Überantwortung in die Hände der Menschen entspricht zwar sehr genau der zweiten Leidensankündigung (Lk 9,44), aber die beiden Männer verweisen auf die Notwendigkeit der Kreuzigung, was in den Lukasfassungen der Leidensankündigungen nicht erwähnt wird. Der Hinweis auf die Auferstehung am dritten Tag entspricht nicht wörtlich, aber in sehr ähnlicher Formulierung der dritten Leidensankündigung (Lk 18,33). In Jesu letztem richtigen Gespräch mit seinen Anhängerinnen und Anhängern vor der Gefangennahme betont er die Notwendigkeit seiner Todesart: „Dies Geschriebene muss an mir vollenedet werden“ (IJȠ૨IJȠ IJઁ ȖİȖȡĮȝȝ੼ȞȠȞ įİ૙ IJİȜİıșોȞĮȚ ਥȞ ਥȝȠ઀; Lk 22,37). Es folgt ein Zitat aus Jes 53,12. Hier liegt somit eine eindrückliche Verbindung zweier Notwendigkeitsdeutungen vor, der įİ૙-Wendung und der Schrifterfüllung. Auch der auferstandene Jesus selbst gebraucht bei Lk den Ausdruck įİ૙, zum ersten Mal den Emmaus-Jüngern gegenüber (Ƞ੝Ȥ੿ IJĮ૨IJĮ ਩įİȚ ʌĮșİ૙Ȟ IJઁȞ ȤȡȚıIJઁȞ țĮ੿ İੁıİȜșİ૙Ȟ İੁȢ IJ੽Ȟ įંȟĮȞ Į੝IJȠ૨; Lk 24,26). Wie in Lk 9,22 ist įİ૙ hier eng mit dem Leiden Jesu verbunden. Neu hinzu kommt das hiermit verbundene Eingehen in die Herrlichkeit. Im darauffolgenden Vers Lk 24,27 wird das įİ૙ dahingehend erklärt, dass mit der Schrift argumentiert wird, ohne dass allerdings ein konkretes Zitat genannt wird. In Lk 24,44 gebraucht es der auferstandene Jesus nochmals vor den Elf, wiederum um an seine Worte zu Lebzeiten zu erinnern. Das įİ૙ bezieht sich dabei auf die umfassende Schrifterfüllung, wobei die mosaischen Gesetze, die prophetischen Schriften und Psalmen explizit genannt werden. Ein solch umfangreicher Hinweis auf die Erfüllung der Schrift wird von Lukas beim vorösterlichen Jesus jedoch nicht erwähnt. Auch in Apg 17,3 wird įİ૙ im Rückblick auf Jesu Tod und in Verbindung mit dem Leiden und der Auferstehung verwendet. Diesmal werden die Worte Paulus zugeschrieben, der vor den Menschen in Thessalonich spricht. Eine interessante Parallele bietet zudem Apg 9,16: Hier wird įİ૙ ebenfalls in Verbindung mit ʌĮșİ૙Ȟ gebraucht, jedoch nicht auf Jesus, sondern auf Paulus bezogen.

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Auch im Johannesevangelium begegnet įİ૙ an einzelnen Stellen, zuerst in der Analogie von Joh 3,14: Der Menschensohn muss erhöht werden, wie Mose die Schlange erhöht hat. Eine schützende, Unheil abwendende Funktion des Todes Jesu wird dabei impliziert. Ein Echo dieser Aussage findet sich in der Frage der Volksmenge, was mit Jesu Aussage von der Notwendigkeit der Erhöhung gemeint sei (Joh 12,34). Außerdem wird es an einer Stelle bei der Schilderung der Osterereignisse verwendet (Joh 20,9), wobei es sich eher auf die Auferstehung als den Tod Jesu bezieht und mit dem Verweis auf die Erfüllung der Schrift verbunden ist. Die meisten Briefe des Neuen Testaments gebrauchen den Ausdruck įİ૙ in diesem Zusammenhang nicht. Einzige Ausnahme bildet der Hebr. Auch er nennt die Verbindung von įİ૙ und ʌĮșİ૙Ȟ in 9,26. Dominanter ist hier auch im unmittelbaren Kontext allerdings noch eine andere verwandte – und möglicherweise stärkere – Redeweise. Sowohl in 9,16 als auch in 9,23, also kurz vor dem genannten Gebrauch von įİ૙, ist von ਕȞ੺ȖțȘ die Rede. Dabei wird in V. 16 der Tod als die logische Notwendigkeit für das Inkrafttreten eines Testaments beschrieben, während in V. 23 das Erfordernis der Reinigungsrituale im „alten Bund“ zusammengefasst wird. Beides bezieht sich nicht streng genommen auf den Tod Jesu, sondern auf Phänomene, die mit ihm verglichen werden, bzw. durch die dieser erklärt werden soll. Auch durch den nachfolgenden V. 26 wird der Bezug zum Sterben Jesu verstärkt. Der Begriff ਕȞ੺ȖțȘ begegnet bereits in Hebr 7,12, wo er sich jedoch lediglich auf die Notwendigkeit der Änderung des Gesetzes bezieht, die mit der Änderung des Priestertums zur Ordnung Melchisedeks einhergeht. Eine Verbindung zum Tod Jesu ist hier höchstens sehr implizit gegeben. Deutlicher wird diese in der Verwendung von ਕȞ੺ȖțȘ einige Verse später in 7,27: Die Tatsache, dass es für Jesus als Hohepriester nicht mehr nötig ist, tägliche Opfer für sich und die Gemeinschaft darzubringen, wird hier direkt damit begründet, dass in Jesu Tod das ultimative Opfer geschehen ist. Eine verwandte Wendung findet sich zudem in Hebr 8,3, wo das Adjektiv ਕȞĮȖțĮ૙ȠȞ verwendet wird. Noch stärker als in Kap. 9 wird hier eine Analogie zwischen dem Tod Jesu und den mosaischen Opfergesetzen deutlich, denn es wird beschrieben, dass Jesus etwas zum Opfern braucht, ebenso wie der Hohepriester in den „alten“ Opfervorschriften. Es wird hier eine Formel erkennbar, die sich durch weite Teile des Hebr zieht und insbesondere in den Kap. 8 bis 10 hervortritt: „Wie x geschehen ist bzw. geboten war, so muss auch Jesus y, damit die Erlösung vollkommen wird.“ In eine ganz ähnliche Richtung geht 2,17, wobei wiederum eine andere Formulierung verwendet wird: Hier wird die Notwendigkeit bzw. die Verpflichtung Jesu, wie seine Geschwister zu werden, um als Hohepriester wirksam zu sein, durch das Verb ੑijİȓȜȦ (von der Grundbedeutung am ehesten „schuldig sein“) ausgedrückt. Es begegnet im Hebräerbrief nochmals in 5,3, jedoch auf den irdischen Hohepriester bezogen, und in 5,12, hier allerdings ohne Bezug zum Tod Jesu. Auch im Johannesevangelium und im ersten Johannesbrief wird der Begriff einige Male im Umkreis

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des Todes Jesu gebraucht. In Joh 19,7 wird er von „den Juden und Jüdinnen“ benutzt um die Notwendigkeit der Verurteilung zum Tode zu betonen. In 1Joh 3,16 und 4,11 (ähnlich auch in 2,6) steht ੑijİȓȜȦ, um die Nachfolge bzw. das Nachahmen der Liebe Jesu zu motivieren. Diese Liebe Jesu manifestiert sich aber wiederum darin, dass Jesus sein Leben „für uns“ gelassen hat. Insgesamt scheint ੑijİȓȜȦ eher eine moralische Verpflichtung auszudrücken als eine Notwendigkeit im Sinne einer Vorherbestimmung oder eines göttlichen Heilsplans, wie dies įİ૙ an den meisten Stellen nahelegt. Wiederum einen etwas anderen Schwerpunkt legt Hebr 2,10. Die hier gebrauchte Wendung „਩ʌȡİʌİȞ Į੝IJ૶“ (im Deutschen häufig übersetzt mit „es [ge]ziemte sich“) beschreibt zwar eine ähnliche Zwangsläufigkeit, wirkt aber weiter von įİ૙ entfernt als die anderen aufgeführten Parallelen des Hebr. 5.1.3. Erfüllung der Schrift und der Prophetie Dass der Tod Jesu in den jüdischen Heiligen Schriften bzw. durch die Propheten und Prophetinnen bereits angekündigt wurde und er deshalb erforderlich war, damit diese Prophezeiungen erfüllt werden, kann im Neuen Testament auf unterschiedliche Weise ausgedrückt werden. Neben dem einfachen Verweis, dass Jesu Sterben „nach der Schrift“ geschehen musste, können auch konkrete Schriftstellen zitiert werden, was jedoch weniger häufig vorkommt. Schriftstellen, die allgemein angeführt werden, ohne dass ihre Erfüllung im Tod Jesu durch zusätzliche Kommentare angezeigt wird, die nicht als solche kenntlich gemacht werden oder auf die im Text lediglich angespielt wird, werden an dieser Stelle nicht berücksichtigt.136 Meistens wird dieses Erfüllungs-Motiv durch den Verweis auf die Schrift (ȖȡĮijȒ) bzw. durch die Verwendung des entsprechenden griechischen Verbs ȖȡȐijȦ ausgedrückt. Teilweise werden die Urheber der entsprechenden Schriften angeführt, insbesondere die Propheten und Prophetinnen. Obwohl Erfüllungszitate besonders für das Matthäusevangelium charakteristisch sind, ist die Formulierung, dass Jesu Tod notwendig war, damit die Schrift erfüllt wird, vor allem im lukanischen Doppelwerk vertreten, wo sie teilweise mit der Wendung įİ૙ kombiniert wird.137 Auch Markus kennt diese Argumentation, obwohl sie bei ihm seltener vorkommt. In Mk 12,10–11par geht etwa die Frage Jesu, ob die Hohepriester, Schriftgelehrten und Älteste dieses Schriftwort nicht kennen würden (ȅ੝į੻ IJ੽Ȟ ȖȡĮij੽Ȟ IJĮ઄IJȘȞ ਕȞ੼ȖȞȦIJİ), im Kontext des im Gleichnis geschilderten Todes des Sohns, in die Richtung der Schrifterfüllung. Es handelt sich um einen der wenigen Fälle in den Evangelien, in denen ein konkretes Schriftwort benannt wird. Der erste Teil des Zitats aus Ps 118,22f. (LXX Ps 117,22f.), bei dem die Metaphorik des verworfenen Steins vorrangig ist, ist wie auch das vorausgehende Gleichnis im Aorist 136 137

Vgl. hierzu Abschnitt 3.1. für eine grobe Zusammenfassung. S.o., Abschnitt 5.1.2.

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gehalten. Dadurch wirkt es weniger wie ein Verweis auf etwas, das erst noch eintreten muss. Der zweite Teil des Zitats stellt allerdings einen stärkeren Aktualitätsbezug her. Die Aussage, dass dies vom Herrn erwirkt sei, erinnert hier an einen umfassenderen, göttlichen Heilsplan. Eine Erfüllung der Schrift im ganz engen Sinn wird an dieser Stelle nicht ausgesagt. Zudem ließe sich die Aussage, dass der Stein verworfen wird, isoliert auch auf die Ablehnung Jesu beziehen. Nur durch das vorausgegangene Gleichnis legt sich die Deutung nahe, dass hier Tod und Auferstehung gemeint sind. Auch in den beiden anderen Erwähnungen des Eckstein-Zitats im Neuen Testament scheint dies mit impliziert zu sein. Hier wird das Zitat aber nicht als solches kenntlich gemacht. Der zweite Verweis auf die Schrifterfüllung findet sich bei Markus in 14,21, wo möglicherweise eine vormarkinische Leidensankündigung verarbeitet ist. Hier wird allerdings weitaus genereller formuliert und eine konkrete Schriftstelle wird nicht genannt. Es heißt lediglich, dass der Menschensohn fortgeht, „wie von ihm geschrieben ist“ (țĮșઅȢ Ȗ੼ȖȡĮʌIJĮȚ ʌİȡ੿ Į੝IJȠ૨). Lukas ergänzt das Motiv der Schrifterfüllung bereits in seiner Fassung der dritten Leidensankündigung: Es müsse das vollendet werden, was von den Prophetinnen und Propheten geschrieben ist (IJİȜİıș੾ıİIJĮȚ ʌ੺ȞIJĮ IJ੹ ȖİȖȡĮȝȝ੼ȞĮ įȚ੹ IJ૵Ȟ ʌȡȠijȘIJ૵Ȟ IJ૶ ȣੂ૶ IJȠ૨ ਕȞșȡઆʌȠȣ; Lk 18,31). Eine ganz ähnliche Formulierung („das Geschriebene muss vollendet werden“; IJઁ ȖİȖȡĮȝȝ੼ȞȠȞ įİ૙ IJİȜİıșોȞĮȚ) findet sich in Lk 22,37. Während hier nicht explizit gesagt wird, von wem das entsprechende Schriftwort stammt, ist das auf diese Worte folgende wörtliche Zitat leicht als Ausschnitt aus Jes 53,12 zu identifizieren. Inhaltlich geht es darum, dass Jesus zu den Verbrechern und Verbrecherinnen gezählt wird. Obwohl dies für sich genommen noch nicht unbedingt auf den Tod verweist, macht die darauffolgende Aussage „das wegen mir hat ein Ende“ (IJઁ ʌİȡ੿ ਥȝȠ૨ IJ੼ȜȠȢ ਩ȤİȚ) dies mehr als wahrscheinlich. Auffällig ist die Verbindung der Schrifterfüllung mit įİ૙. Diese findet sich auch in den beiden weiteren Verwendungen der Schriftgemäßheit im Lukasevangelium, die vom auferstandenen Jesus angeführt werden. Der lukanische Auferstandene betont dieses Motiv dabei auf besondere Weise. So wird es vor den Emmausjüngern zweimal erwähnt: In Lk 24,25 werden zunächst die Propheten und Prophetinnen als Ankündiger des Jesus-Geschicks angeführt (hier mit einer Form von ȜĮȜȑȦ statt ȖȡȐijȦ). Dies wird kurz darauf in V. 27 deutlich erweitert: Hier ist von einem umfassenden Zeugnis bei Mose, allen Prophetinnen und Propheten und allen Schriften die Rede, denn dies sind die Belege, die Jesus den beiden Jüngern auslegt. Auch in der Erscheinung vor den Elf erfährt der Verweis auf die Erfüllung der Schriften mehrfache Erwähnung. Zunächst bezieht sich der Auferstandene auf das bei Mose, in den prophetischen Schriften und in den Psalmen Geschriebene (Lk 24,44). Anschließend kommentiert die Erzählinstanz, dass Jesus den Elf den Geist zum Verständnis der Schrift öffnet (įȚ੾ȞȠȚȟİȞ Į੝IJ૵Ȟ IJઁȞ ȞȠ૨Ȟ IJȠ૨ ıȣȞȚ੼ȞĮȚ IJ੹Ȣ ȖȡĮij੺Ȣ; V. 45), bevor in der darauffolgenden Rede Jesu erneut die Schrifterfüllung angeführt wird (Ƞ੢IJȦȢ

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Ȗ੼ȖȡĮʌIJĮȚ, „so steht geschrieben“; V. 46). In beiden Abschnitten verbindet der Auferstandene die Schrifterfüllung mit dem Leiden und macht sehr deutlich, dass er dies bereits zu Lebzeiten angekündigt hat. Insofern besteht eine Korrespondenz zum lukanischen Eingriff in die dritte Leidensankündigung. In der Apostelgeschichte kommt das Motiv der Schriftgemäßheit des Todes Jesu bzw. der Erfüllung von Prophetie durch diesen zwar vermehrt vor, es wird aber insgesamt weniger ausgeführt als im Lukasevangelium, sondern bildet eher einen Nebensatz in den Predigten der Apostel. Zunächst begegnet es in der Ansprache des Petrus als Reaktion auf die Heilung eines Gelähmten in Apg 3,18. Dabei wird das Leiden Christi als „von allen Propheten und Prophetinnen“ angekündigt bewertet. Anstelle einer Form von ȖȡȐijȦ steht hier die Wendung ʌȡȠțĮIJĮȖȖȑȜȜȦ įȚ੹ ıIJંȝĮIJȠȢ („ankündigen aus [dem] Mund“), was eine stärkere Mündlichkeit der Verkündigung nahelegt. Die Verbindung mit dem Leidensmotiv führt allerdings die Sprache des Auferstandenen fort. Auch Paulus führt die Schriftgemäßheit an zwei Stellen an. Zunächst handelt es sich um eine kleine Bemerkung in Apg 13,20: ੪Ȣ į੻ ਥIJ੼ȜİıĮȞ ʌ੺ȞIJĮ IJ੹ ʌİȡ੿ Į੝IJȠ૨ ȖİȖȡĮȝȝ੼ȞĮ („als sie das von ihm Geschriebene vollendet hatten“; gemeint ist dabei die Bevölkerung Jerusalems). Hier steht ähnlich wie in Lk 18,31 und 22,37 eine Form von IJİȜȑȦ. Etwas ausführlicher ist die Aussage von Paulus vor König Agrippa in Apg 26,22f. Die Schriftgemäßheit wird an dieser Stelle auf die Zeugnisse der Propheten und Prophetinnen sowie des Mose zurückgeführt und bezieht sich auch hier auf das Leiden Jesu sowie zusätzlich auf seine Auferstehung aus Toten. Wie in Lk 24,25 wird eine Form von ȜĮȜȑȦ gebraucht. Schließlich ist in diesem Zusammenhang Apg 8,32–35 zu nennen, was jedoch weniger deutlich in das Schema der anderen relevanten Passagen passt. Vor allem ist hier auffällig, dass die Schrifterfüllung stärker in einem erzählenden Text entfaltet wird und nicht nur in einer Rede argumentativ gebraucht wird. In dieser Perikope wird zunächst Jes 53,7–8 als die Textpassage zitiert, die der Eunuch liest und nicht versteht. Auf die Frage des Eunuchen, von wem dort die Rede ist, legt Philippus ihm von diesem Schriftwort ausgehend das Evangelium aus: ਕȞȠ઀ȟĮȢ į੻ ੒ ĭ઀ȜȚʌʌȠȢ IJઁ ıIJંȝĮ Į੝IJȠ૨ țĮ੿ ਕȡȟ੺ȝİȞȠȢ ਕʌઁ IJોȢ ȖȡĮijોȢ IJĮ઄IJȘȢ İ੝ȘȖȖİȜ઀ıĮIJȠ Į੝IJ૶ IJઁȞ ੉ȘıȠ૨Ȟ. Außer dem Begriff ȖȡĮijȒ gibt es hier wenig Gemeinsamkeiten zu den anderen Passagen des lukanischen Doppelwerks. Zudem fällt auf, dass der Tod Jesu nicht direkt angesprochen wird, sondern dass nur durch das Zitat auf ihn hingedeutet wird. In Verbindung mit Lk 22,37 zeigt sich, dass lediglich explizite Zitate aus Jes 53 bei Lukas zum Argument der Schrifterfüllung angeführt werden, obwohl eine umfassendere Bezeugung konstatiert wird. In der Johannespassion werden mehrere Details vor dem Hintergrund der Schrifterfüllung gedeutet. Dies wird jeweils durch die Wendung ੆ȞĮ ਲ ȖȡĮij੽ ʌȜȘȡȦșૌ (Joh 19,24.36) bzw. ੆ȞĮ IJİȜİȚȦșૌ ਲ ȖȡĮij੾ (Joh 19,28), beides mit der Bedeutung „damit die Schrift erfüllt würde“ angezeigt. An Joh 19,36 schließt sich eine weitere Schriftstelle an, die durch die Worte țĮ੿ ʌ੺ȜȚȞ ਦIJ੼ȡĮ

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ȖȡĮij੽ Ȝ੼ȖİȚ („und wiederum eine andere Schrift sagt“) eingeführt wird. Ein Großteil dieser Schriftstellen bezieht sich auf Handlungen, die von anderen Personen ausgeführt werden: Das Losen um die Gewänder Jesu wird von der Erzählinstanz der Johannespassion als Erfüllung von Ps 22,19 angesehen (Joh 19,24). Die Tatsache, dass Jesu Seite durchbohrt wird, seine Beine aber nicht gebrochen werden, wird vor dem Hintergrund von Ex 12,46 und Sach 12,10 gedeutet (Joh 19,36f.). Nur in Joh 19,28 ist Jesus selbst für die Erfüllung der Schrift verantwortlich, indem er seinen Durst ausdrückt und daraufhin mit Essig getränkt wird. Die Einführung dieser Schrifterfüllung wird sprachlich etwas anders ausgedrückt als die vorausgehende und nachfolgende. Zudem ist an dieser Stelle nicht klar, auf welche Passage angespielt werden soll. Auffällig gegenüber dem Motiv im Lukasevangelium ist außerdem, dass hier nicht Jesus selbst die Schriftgemäßheit seines Todes betont, sondern dies von der Erzählinstanz interpretiert wird. Die Spannweite der erwähnten Schriftstellen ist jedoch größer, da Lukas zumeist nur pauschale Hinweise gibt. In der neutestamentlichen Briefliteratur spielt die Schriftgemäßheit des Todes Jesu eine untergeordnete Rolle. Paulus zitiert in 1Kor 15,3 eine Tradition, nach der „Christus für unsere Sünden starb nach der Schrift“ (ȋȡȚıIJઁȢ ਕʌ੼șĮȞİȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ țĮIJ੹ IJ੹Ȣ ȖȡĮijȐȢ). Es wird jedoch nicht weiter ausgeführt, welche Schriftstelle konkret gemeint ist. Weniger klar ist die Verwendung des Zitats Dtn 21,23 (Verfluchung der Person, die am Holz hängt) in Gal 3,13. Dient dies der nachträglichen Deutung des Todes Jesu oder lässt sich auch hieraus die Zwangsläufigkeit nach der Schrift erklären? Die Einführung des Schriftzitats durch die Wendung ੖IJȚ Ȗ੼ȖȡĮʌIJĮȚ („wie geschrieben ist“) ähnelt jedenfalls der Art, wie die Schriftgemäßheit auch in anderen (meist späteren) neutestamentlichen Passagen ausgedrückt wird. Auch in Eph 4,8–10 ist die Schrifterfüllung weniger deutlich. V. 8 zitiert zunächst Ps 68,19, in dem jedoch lediglich vom Aufsteigen bzw. Auffahren (ਕȞĮȕĮȓȞȦ) die Rede ist. Der Autor des Epheserbriefs fährt jedoch in V. 9 mit der Erklärung fort, dass diesem logischerweise eine absteigende Bewegung (țĮIJĮȕĮȓȞȦ) „in die Tiefen der Erde“ (İੁȢ IJ੹ țĮIJઆIJİȡĮ [ȝ੼ȡȘ] IJોȢ ȖોȢ) vorausgegangen sein muss. Der Absteigende und Aufsteigende sind ein und dieselbe Person (V. 10). Ergänzt wird dieser Gedankengang durch den Zusatz ੆ȞĮ ʌȜȘȡઆıૉ IJ੹ ʌ੺ȞIJĮ („damit er alles erfülle“), wobei die Terminologie deutliche Parallelen zur Schrifterfüllung in der Johannespassion aufweist. Die Schrifterfüllung bezieht sich im Abschnitt Eph 4,8–10 also primär auf Jesu Auferstehung und Himmelfahrt, wobei der Autor klar hervorhebt, dass dies nicht ohne Jesu Tod denkbar ist. Im Hebräerbrief spielt die Notwendigkeit des Todes Jesu zur Erfüllung der Schrift eine gewisse Rolle, wenn auch nicht eine solch gewichtige, wie man anhand der Fülle der Zitate aus den jüdischen Heiligen Schriften, die in Hebr gebraucht werden, generell vermuten würde. Offenbar benutzt der Verfasser die Schriften generell zur Unterfütterung seiner Theologie und stellt vielfältige

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Bezüge her, er ist jedoch weniger auf die Schrifterfüllung als solche konzentriert. Am ehesten im Sinne der Schrifterfüllung zu verstehen ist Hebr 10,5– 7, wo Ps 40,7–9 und damit die Ablehnung kultischer Opfer wörtlich zitiert wird und es heißt: „in der Buchrolle steht von mir geschrieben“ (ਥȞ țİijĮȜ઀įȚ ȕȚȕȜ઀Ƞȣ Ȗ੼ȖȡĮʌIJĮȚ ʌİȡ੿ ਥȝȠ૨; V. 7). Hierbei handelt es sich gleichzeitig um eines der Zitate, die Jesus selbst als Sprecher zugeschrieben werden. Weniger explizit ist das Motiv der Schrifterfüllung in 10,11–18, wo sowohl das häufig im Hebräerbrief angeführte Zitat aus Ps 110 auftaucht (die Feinde als Schemel unter die Füße) als auch die Ankündigung des neuen Bundes in Jer 31,33–34. Wie genau der Bezug zum Tod Jesu gemeint ist, ist hier jedoch weniger klar – es scheint sich eher um eine argumentative Unterfütterung als eindeutig um die Erfüllung der Schrift zu handeln. Auf ähnliche Weise sind in Hebr 2,9 Zitate aus Ps 8 in die Darstellung des Todes Jesu eingewoben, scheinen aber auch hier eher eine illustrative Funktion zu haben. 5.1.4. Prophetenschicksal138 Manche Exegetinnen und Exegeten nehmen an, dass die Deutung, Jesu Schicksal stehe in der Nachfolge jener Propheten und Prophetinnen, die von Israel nicht erhört, misshandelt und getötet wurden, zu den ältesten Interpretamenten des Todes Jesu gehört.139 Im Neuen Testament selbst kommt dies aber nur verhältnismäßig selten zum Ausdruck. Wenn also von einer frühen Deutung gesprochen wird, müsste diese besonders vor der Verschriftlichung der Jesusüberlieferung dominant gewesen sein ௅ hierüber lässt sich dann aber nur spekulieren. Allerdings scheint für das frühe Christentum von Anfang an klar gewesen zu sein, dass Jesus eine gänzlich andere Stellung einnimmt als etwa Johannes der Täufer oder die Propheten und Prophetinnen vor ihm. Dementsprechend hat auch sein Tod eine andere Wirkmacht. Meines Erachtens wird die Deutung des Todes Jesu in Analogie zum Prophetenschicksal daher eher zur zusätzlichen Illustration oder Begründung von Argumentationsgängen gebraucht worden sein. Die früheste neutestamentliche Aussage, die sich in diese Richtung interpretieren lässt, ist wohl 1Thess 2,15. Hier wird die Tötung der Prophetinnen und Propheten durch „die Juden und Jüdinnen“ eng mit der Tötung Jesu verbunden, allerdings erst nach jener genannt. Ein Vergleich oder die Erklärung des Todes Jesu durch den Tod der Prophetinnen und Propheten bleibt dabei aus und die 138 Das Wort „Prophetenschicksal“ wird hier als etablierter Ausdruck verwendet, der jedoch nicht implizieren soll, das das so bezeichnete Geschick lediglich Prophezeiende männlichen Geschlechts ereilt. 139 Vgl. vor allem GUBLER, MARIE-LOUISE, Die frühesten Deutungen des Todes Jesu: Eine motivgeschichtliche Darstellung aufgrund der neueren exegetischen Forschung (Orbis Biblicus et Orientalis 15), Freiburg i. Üe./Göttingen: Universitätsverlag/Vandenhoeck & Ruprecht 1977, 10–94.

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Schilderung ist insgesamt neutral gehalten. Das Hauptaugenmerk liegt auf den zugefügten Misshandlungen, die mit dem Leiden der adressierten Gemeinde in Verbindung gebracht werden. Deutlicher, allerdings in einer Erzählung verschlüsselt, wird der Zusammenhang von Propheten- und Jesusschicksal im Gleichnis Mk 12,1–9par: Die Sendung der Sklaven und Sklavinnen durch den Weinbergbesitzer resultiert in deren Misshandlung oder Tötung und dem Entschluss, den Sohn zu schicken, dem es schließlich ebenso ergeht. Auch wenn die Kritik an der allegorischen Gleichnisauslegung in der Hinsicht begründet ist, dass sie bei vielen Gleichnissen zu kurz greift, wird hier doch deutlich, dass zumindest Teile der Geschichte als Allegorien aufzufassen sind: Die Bezeichnung des Sohns als „geliebt“ (ਕȖĮʌȘIJȩȢ) in der Mk-Version des Gleichnisses ist ein Echo der himmlischen Stimme bei der Taufe Jesu in Mk 1,11 und seiner Verklärung in Mk 9,7. Dadurch wird die Identifizierung des Sohns mit Jesus und im Umkehrschluss die Gleichsetzung des Weinbergbesitzers mit Gott nahegelegt. Die detaillierte Schilderung der Anlage des Weinbergs verweist auf Jes 5,2. Durch Jes 5,7 wird deutlich, dass der Weinberg an dieser Stelle ein Bild für Israel ist. Ein ähnliches Motiv findet sich auch in Ps 80. Rezipierende des Gleichnisses, die mit diesen Texten vertraut sind, werden daher leicht den verpachteten Weinberg mit Israel identifizieren. Schließlich ist der griechische Ausdruck für die im Gleichnis vorkommenden Sklaven und Sklavinnen įȠȪȜȠȢ, was in der Septuaginta eine mögliche Übersetzung des hebräischen Terminus ʣ ʓʡˆʓ (‘ævæd) darstellt.140 Die Bezeichnung als ʣ ʓʡˆʓ Gottes wird in den jüdischen Heiligen Schriften wiederum häufig für die Prophetinnen und Propheten im Allgemeinen oder Speziellen verwendet (allgemein z.B. Jer 7,25; Jer 25,4; Jer 29,19; Jer 35,15; 2Kön 17,23; 2Kön 21,10; 2Kön 24,2; Dan 9,6; Esr 9,11; speziell z.B. 1Kön 14,18; 1Kön 15,29; 2Kön 9,36; 2Kön 10,10; 2Kön 14,25).141 Hörende und Lesende des Gleichnisses, die mit den jüdischen Heiligen Schriften vertraut sind, werden daher auch die genannten Sklavinnen und Sklaven allegorisch entschlüsseln können. Dass es dem Sohn nun so ergeht wie einem Teil der Sklaven und Sklavinnen, lässt also leicht den Schluss zu, dass das Schicksal Jesu analog zu dem der Propheten und Prophetinnen verläuft. Allerdings ist diese Allegorie in der Markusfassung am deutlichsten. Bei Mt entfällt das Adjektiv ਕȖĮʌȘIJȩȢ (Mt 21,37), wodurch der Bezug zur Taufe Jesu und damit die Identifizierung Sohn/Jesus weniger offensichtlich wird. Ansonsten behält Mt aber trotz Straffungen die wichtigsten Parallelen bei. Anders verhält es sich bei Lk. Dieser streicht die Schilderung der Weinberganlage (Lk 20,9) und damit den Verweis auf Jes 5,2. Auch die Sendung der Sklaven unterscheidet sich: Es werden nur drei geschickt, und es erfolgt zwar eine Misshandlung, aber keine Tötung. Damit ist das Schicksal des Sohns jedoch auch 140

Vgl. HERMISSON, HANS-JÜRGEN, Art. Gottesknecht, in: WiBiLex (https://www. bibelwissenschaft.de/de/stichwort/19964/), abgerufen am 15.12.2018. Abschn. 1. 141 Vgl. a.a.O. Abschn. 2.1. und 2.2.

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nicht analog zu dem der Sklaven, sondern es findet eine deutliche Steigerung statt. Es bleibt daher fraglich, ob man die Lukasfassung ebenfalls als Allegorie auffassen darf oder ob Lukas ௅ bewusst oder unbewusst ௅ von diesem Stilmittel Abstand genommen hat. Dementsprechend ist auch das Motiv des Prophetenschicksals bei Lukas an dieser Stelle fraglich und, falls es gegeben ist, äußerst undeutlich ௅ denn Jesus würde ja nicht dasselbe erleiden wie die Propheten und Prophetinnen, sondern viel mehr. Generell lässt sich aber feststellen, dass in jeder der drei Fassungen des Gleichnisses der Sohn eine deutlich andere Stellung einnimmt als die Sklavinnen und Sklaven: Seine Sendung wird ausführlicher beschrieben, die Motivation zur Tötung durch die Pächterinnen und Pächter wird explizit gemacht und ist eine andere als bei den Sklavinnen und Sklaven. Auch die Tötung selbst erhält größeren Raum. Es entsteht eine Parallele zwischen den Sklavinnen und Sklaven auf der einen und dem Sohn auf der anderen Seite dadurch, dass alle zum selben Haushalt gehören und dass sie dasselbe Schicksal teilen. Die Ähnlichkeit ist aber oberflächlich. Der Wert des Sohns und die Beurteilung seiner Tötung nehmen eine ganz andere Dimension an, wie sich auch an der Reaktion des Weinbergbesitzers erkennen lässt. Dies ließe sich analog auch auf das Verhältnis der Prophetinnen und Propheten zu Jesus übertragen. Im Matthäusevangelium findet sich in der Rede gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten mit Mt 23,29–36 eine Passage, die die zurückliegende und auch noch eintretende Missachtung und Tötung von Prophetinnen und Propheten thematisiert. Da Jesus der Sprecher ist und an dieser Stelle seinen Tod nicht ankündigt, ist der Bezug nur äußerst indirekt: Ein Wort sticht aus der Passage heraus, nämlich das Verb ıIJĮȣȡઆıİIJİ („ihr werdet [die Prophetinnen und Propheten] kreuzigen“, Mt 23,34). Diese Tötungsart wird im Hinblick auf die Propheten und Prophetinnen der jüdischen Heiligen Schriften nirgendwo erwähnt. Sie ist eng mit dem Sterben Jesu, evtl. auch mit dem einiger seiner Anhängerinnen und Anhänger verbunden. Daher scheint an dieser Stelle eine Analogie des Todes Jesu zum Schicksal der Propheten und Prophetinnen zumindest angedeutet zu sein. Expliziter ist dies in Lk 13,33. Hier wird die Notwendigkeit der Wanderschaft Jesu (įİ૙, s.o.) von ihm damit begründet, dass ein Prophet in Jerusalem umkommen müsse. Auch im darauffolgenden Vers wird die Tötung der Prophetinnen und Propheten durch die Stadt Jerusalem wiederholt. Der lukanische Jesus sieht sich an dieser Stelle ausdrücklich als in der Nachfolge der in den jüdischen Heiligen Schriften vorkommenden Propheten und Prophetinnen befindlich, deren Ende er teilen muss. Von den neutestamentlichen Belegen der Deutung des Todes als Prophetenschicksal ist diese Stelle daher die deutlichste. Von diesen wenigen Passagen abgesehen spielt das Prophetenschicksal als Interpretationsmöglichkeit des Todes Jesu im Neuen Testament keine Rolle. Im Hebräerbrief, der sonst oftmals die Notwendigkeit des Todes Jesu attestiert, fehlt dieses Motiv völlig. Dies ist aber angesichts der Christologie des Hebr

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wenig verwunderlich, da diese Jesus nicht als Prophet, sondern als Sohn und Hohepriester versteht. Es darf demgegenüber jedoch nicht übersehen werden, dass es einzelne Passagen in den Evangelien gibt, in denen Jesus als Prophet charakterisiert wird. Am deutlichsten ist dies in Mk 6,4par, wo sich Jesus indirekt selbst als Prophet bezeichnet, der in seiner Heimat nicht wirkmächtig ist. Dies wird in der Lk-Parallele narrativ weiter ausgeführt, bis zu einem versuchten Mord an Jesus. Auch in Joh 4,44 ist die Selbstbezeichnung als Prophet enthalten, wenn auch nicht so deutlich wie bei den Synoptikern. Zudem wird Jesus vom Volk als Prophet angesehen (Mk 6,15par; 8,28par; Mt 21,11.46; Lk 7,16; Joh 6,14; 7,40). Im Johannesevangelium sind es mit der Samaritanerin (4,19) und dem geheilten Blinden (9,17) auch Einzelpersonen, die Jesus so bezeichnen. Von denen, die Jesus feindlich gesinnt sind, wird dieses Prophetendasein in Frage gestellt, so von den Pharisäern (Lk 7,39) und von denen, die Jesus geißeln und ihn dabei dazu auffordern, zu prophezeien, von wem die Schläge stammen (Mk 14,65par). Schließlich sind es in Lk 24,19 zwei Jünger selbst, die Jesus nach seinem Tod einen Propheten nennen. Angesichts dieser Stilisierung verwundert es wenig, wenn auch Jesu Tod als dem Geschick der Prophetinnen und Propheten gleichgestaltet angesehen wird. Allerdings kommt diese Deutung recht bald an ihre Grenzen, denn die Evangelien machen deutlich, dass Jesus mehr als ein Prophet ist. Dies klingt bereits in Mk 12,1–12par an, wenn dem Gleichnis das Ecksteinwort als weiteres Deutungsangebot beigefügt ist. 5.1.5. Sonstige Zwangsläufigkeitsdeutungen Neben den erwähnten, im Neuen Testament häufiger vorkommenden Möglichkeiten, die Notwendigkeit des Todes Jesu auszudrücken, gibt es in der Briefliteratur noch einige Ausdrucksweisen jenseits dieser Kategorien. Meistens geht es dabei darum, den göttlichen Heilsplan, der dem Sterben Jesu zugrunde liegt, auszudrücken. Beispielsweise wird die Zwangsläufigkeit des Todes Jesu im Philipperhymnus (Phil 2,8) durch den Gehorsam Jesu (griechisches Adjektiv ਫ਼ʌȒțȠȠȢ) nahegelegt, was eine Anweisung Gottes voraussetzt. Auch die Aussage in Röm 8,32, dass Gott seinen eigenen Sohn „nicht verschonte“ (Ƞ੝ț ਥijİ઀ıĮIJȠ), kann im Sinne einer Zwangsläufigkeit gedeutet werden. In Kol 1,18 ist Jesus als „Erstgeborener aus Toten“ die Voraussetzung für die Auferstehung aller. Hier wird jedoch eine Notwendigkeit aufgrund von göttlicher Vorsehung weniger deutlich. Weitere Varianten der Zwangsläufigkeitsdeutung finden sich im ersten Kapitel des ersten Petrusbriefs in enger Nachbarschaft. In 1Petr 1,10f. ist davon die Rede, dass der Geist Christi den Propheten und Prophetinnen im Voraus Zeugnis abgelegt hat, was eine Verwandtschaft zur Erfüllung der Schrift aufweist, allerdings nochmals einen anderen Schwerpunkt setzt. Die Metaphernkombination in 1,18f. wird in V. 20 durch den Hinweis ergänzt, dass

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Jesu Tod und dessen heiligende Funktion von Grundlegung der Welt dazu „ausersehen“ (ʌȡȠİȖȞȦıȝȑȞȠȣ; Partizip Perfekt von ʌȡȠȖȚȖȞȫıțȦ) war. Wie bereits erwähnt, wird die Zwangsläufigkeit in Hebr oft durch andere als die beschriebenen Kategorien bestimmt, wobei jedoch Überschneidungen, insbesondere mit dem „es musste geschehen“ gegeben sind.142 Darüber hinaus scheint teilweise ganz generell vom Willen Gottes oder einem bestimmten Heilsplan die Rede zu sein, so z.B. in Hebr 10,7–10 (mehrfache Benennung des Willens Gottes, mit Rekurs auf Ps 40, IJઁ ș੼ȜȘȝ੺, zusätzlich zur Schrifterfüllung). Ähnlich zu beurteilen ist auch 5,7–10, wo die Notwendigkeit der Vollendung Jesu durch das Lernen des Gehorsams anklingt, wodurch Jesus zum Urheber des Heils und zum Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks wird. In 9,15–22 wird die Notwendigkeit des Todes Jesu gleich auf vielfache Weise ausgedrückt, hierbei handelt es sich wohl – in diesem Bereich – um die dichteste Stelle. In 9,15 ist davon die Rede, dass „die Berufenen des ewigen Erbes die Verheißung erlangen“ (IJ੽Ȟ ਥʌĮȖȖİȜ઀ĮȞ Ȝ੺ȕȦıȚȞ Ƞੂ țİțȜȘȝ੼ȞȠȚ IJોȢ ĮੁȦȞ઀Ƞȣ țȜȘȡȠȞȠȝ઀ĮȢ), ohne dass hier explizit genannt wird, woher diese Verheißung kommt oder wo sie formuliert ist (der Vers nimmt vermutlich Bezug auf den neuen Bund laut Jer 31). Es folgen ਕȞ੺ȖțȘ-Formulierungen in 9,16f. Auch die wiederum darauffolgende Argumentation mit dem ersten Bundesschluss und den levitischen Opferritualen drückt eine Notwendigkeit des Todes Jesu aus (insbes. V. 18: auch der erste Bund wurde nicht ohne Blut gestiftet, und V. 22: fast alles wird mit Blut gereinigt, ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung). Hier werden offenbar allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten angeführt. Ähnlich wie in 8,3 liegt dahinter wohl der Zwang der Analogie. Es ist kein Wunder, dass diese Argumentationsform den Hebr beherrscht, ist sie doch für die Urbild-Abbild-Typologie geradezu grundlegend. Eine Spielart hiervon findet sich auch in 13,11f., wo ein Schluss von 11 auf 12 entsprechend einer solchen Gesetzmäßigkeit folgt. 5.2. Funktion Nicht nur die Notwendigkeit und Unausweichbarkeit des Todes Jesu wird im Neuen Testament auf verschiedene Weise betont, sondern im Großteil der neutestamentlichen Schriften wird auch darauf eingegangen, was Jesu Tod für seine Anhängerinnen und Anhänger bzw. für die Menschheit generell bedeutet. Die Wirkung seines Sterbens, seine Funktion wird dargelegt. Dabei gibt es wiederum eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze. Teilweise wird nur angegeben, Jesu Tod sei „für“ die Menschen, bzw. für spezifische Menschen geschehen, teilweise wird dieses „für“ inhaltlich stärker ausgebaut: Jesu Tod habe eine befreiende oder versöhnende Wirkung. Er zeige, wie sehr Gott die Menschen liebt oder wirke sich positiv auf menschliche Sünden aus. Man kann in den 142

S.o., Abschnitt 5.1.2.

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einzelnen neutestamentlichen Schriften (bzw. Schriftgruppen) teilweise Schwerpunktsetzungen erkennen. So sind beispielsweise in den Protopaulinen „für“-Formulierungen und die Mitvollzugsdeutung am häufigsten. In 1Thess dominiert ganz klar die „für Personen“-Deutung, während im Römerbrief die größte Deutungsfülle vorliegt (hier begegnet etwa einmalig in den Protopaulinen das Motiv der Offenbarung der Liebe Gottes). Demgegenüber ist die Vorbildfunktion in den katholischen Briefen vergleichsweise dominant. Dennoch schließen die verschiedenen Wirkungen sich keinesfalls gegenseitig aus, sondern ergänzen einander vielmehr. So stehen in den meisten neutestamentlichen Schriften ganz unterschiedlich akzentuierte Funktionen nebeneinander. Außerdem sind sie nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen, sondern weisen Überlappungen auf. Die folgende Kategorisierung ist dementsprechend als flexibles Bezugssystem aufzufassen. Dabei bieten die vorgeschlagenen Kategorien die Möglichkeit der Ein- und Zuordnung einzelner Passagen in einen Gesamtrahmen, sind aber im Hinblick auf die Fülle an Deutungen des Todes Jesu nicht erschöpfend. Dies wird allein daran deutlich, dass in Abschnitt 5.2.9. eine ganze Reihe „sonstiger“ Deutungen aufgeführt wird. Die Systematisierung hilft aber dabei, zu verstehen, auf welche Funktion durch metaphorische Sprache Bezug genommen wird. Gemeinsam bleibt natürlich allen Funktionsdeutungen, dass sie einen positiven Effekt auf die Menschen, bzw. spezifischer die Christusgläubigen haben. 5.2.1. „Für“ mit Personenbezeichnung (Wendungen mit ‫ބ‬ʌȑȡ, ʌİȡȓ, ܻȞIJȓ, įȚȐ und Personenbezeichnung) Wendungen, die aussagen, dass Jesus „für“ uns, „für“ alle etc. gestorben ist, kommen im Neuen Testament sehr häufig vor, auch wenn die sprachliche Ausgestaltung stark variiert. Einerseits werden nämlich unterschiedliche Präpositionen gebraucht (ਫ਼ʌȑȡ, ʌİȡȓ, ਕȞIJȓ und įȚȐ), andererseits unterscheiden sich die Personen(gruppen), die an die Präposition angeschlossen werden. Am dominantesten sind Wendungen mit der griechischen Präposition ਫ਼ʌȑȡ. In Verbindung mit einer Personenbezeichnung steht nur in Einzelfällen (Mk 10,45par; Mt 26,28; 1Kor 8,11) eine davon abweichende Präposition. Dabei kann die Präposition ਫ਼ʌȑȡ sehr unterschiedlich interpretiert und übersetzt werden: Von der ursprünglichen räumlichen Bedeutung „über – hinaus“ entwickelte sich „unter Zugrundelegung des Bildes vom deckenden Schutze […] die Bedeutung zugunsten von, zum Schutze von, für.“143 In diesem Sinn steht die Präposition 143

RIESENFELD, ERNST HARALD, Art. ਫ਼ʌȑȡ, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament 8 (1969), 510–518. Hier: 511. Vgl. auch HARRIS, MURRAY J., Prepositions and Theology in the Greek New Testament. An Essential Reference Resource for Exegesis, Grand Rapids: Zondervan 2012, 207: „The commonest meaning of this preposition (‚on behalf of‘) seems to have arisen from the image of one person standing or bending over another

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auch und besonders im Kontext des Opferns und der allgemeinen (Lebens-) Hingabe, worunter auch die Aussagen, die sich auf den Tod Jesu beziehen, fallen.144 In manchen Zusammenhängen kann die Bedeutung „zugunsten von“ in die Richtung gehen, dass eine Stellvertretung mitgedacht wird (etwa ausgedrückt durch „an der Stelle von“, „statt“, „im Namen von“), so etwa in paulinischen Aussagen zur Totentaufe.145 In diesen Fällen wäre ਫ਼ʌȑȡ im Sinne von ਕȞIJȓ (s.u.) zu interpretieren, und tatsächlich scheint ਫ਼ʌȑȡ in hellenistischer Zeit Bedeutungsaspekte von ਕȞIJȓ ௅ wie auch von ʌİȡȓ ௅ zu übernehmen.146 Auch eine kausale Bedeutung ist für ਫ਼ʌȑȡ möglich, was sich dann in einer Übersetzung mit „wegen“ oder „um - willen“ niederschlägt. Diese Sinnrichtung legt sich nahe in Verbindung „mit Verben und Ausdrücken des Leidens, wobei es sich um Christen handelt, die um ihres Glaubens willen Schwierigkeiten erdulden.“147 Da Jesu Tod „für Menschen“ jedoch an einigen Stellen als Argument angeführt wird, um zur Leidensbereitschaft zu motivieren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass in ਫ਼ʌȑȡ-Aussagen, die sich auf seinen Tod beziehen, auch diese Bedeutungsnuance mitschwingt. Es ist gerade für Abschnitte, die den Tod Jesu deuten, von großer Wichtigkeit, diese Bedeutungsvielfalt der Präposition ਫ਼ʌȑȡ zu berücksichtigen. Dementsprechend ist es nicht möglich, alle ਫ਼ʌȑȡ-Aussagen unabhängig von ihrem jeweiligen Kontext in die gleiche Richtung, etwa im Sinne einer Stellvertretung zu deuten. Allein ein Blick auf Joh 10 und 11 macht die Bedeutungsnuancen deutlich: Während in Joh 11,50 ziemlich deutlich der Substitutionsgedanke ausgedrückt wird,148 ist dies keine befriedigende Deutungsmöglichkeit für die ਫ਼ʌȑȡ-Wendungen in der Hirtenrede von Joh 10, wo der Lebenseinsatz vor allem generell zum Schutz der Schafe erfolgt und Ausdruck von Liebe ist. Es wird häufig angenommen, dass ਫ਼ʌȑȡ-Wendungen auf die Abendmahlsliturgie zurückgehen und dort ihren ursprünglichen Sitz im Leben haben,149 obwohl weiterführende Aussagen hierzu schwierig sind: „Wo die ਫ਼.[ʌȑȡ]-Wendung ihren urspr. Ort hat (Becher- und/oder Brotwort) und ob sie ein sekundäres Interpretament der Deuteworte darstellt, ist umstritten. Es spricht vieles da-

in order to shield or protect him, or of a shield lifted over the head that suffers the blow instead of the person.“ (Alle Hervorhebungen in den Originalen) 144 Vgl. RIESENFELD, ਫ਼ʌȑȡ, 511–515. 145 Vgl. a.a.O. 515f. 146 Vgl. a.a.O. 510. 147 A.a.O. 517. 148 Vgl. HARRIS, Prepositions, 212: „It is clear that ਫ਼ʌȑȡ here denotes substitution, not simply representation, since Caiaphas remarks that such a death ‚for the people‘ will ensure that ‚the entire nation‘ is not destroyed […]. That is, politically the death of the one (as a scapegoat) will be a substitute for the death of the many.“ 149 Vgl. PATSCH, HERMANN, Art. ਫ਼ʌȑȡ, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament3 3 (2011), 948–951. Hier: 949; RIESENFELD, ਫ਼ʌȑȡ, 513f.

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für, daß hier (vgl. noch Mk 10,45) der historische Quellort der urchristl. Soteriologie zu finden ist.“150 Meines Erachtens ist es gut möglich, dass die Aussage, dass Jesu Tod „für“ die Menschen geschah, eine frühe Erklärung und Deutung desselben darstellte, die zunächst isoliert sowie ohne genauere Explikation im Urchristentum tradiert und dann unterschiedlich ausgestaltet wurde. Eventuell wurde sie dann in einem nächsten Schritt dem historischen Jesus zugeschrieben und im Kern der christlichen Glaubenspraxis – dem Abendmahl – verankert. Wie auch immer die Historizität der Aussage zu beurteilen ist, fest steht, dass die Dominanz der ਫ਼ʌȑȡ-Wendungen (und dann dazu paralleler präpositionaler Aussagen) zu einem großen Teil durch die Verwendung im Abendmahl und die Rückführung auf den irdischen Jesus begründet ist. Ein Blick auf die vier verschiedenen Abendmahlsüberlieferungen des Neuen Testaments zeigt bereits eine Variabilität im Gebrauch der Präpositionen: Während in 1Kor 11,24, Mk 14,24 und Lk 22,19f. ਫ਼ʌȑȡ gebraucht wird, steht in Mt 26,28 ʌİȡȓ, obwohl der Wortlaut des Vorausgehenden weitestgehend dem bei Mk entspricht. Insgesamt lässt sich für das Neue Testament festhalten, dass die Bedeutungen von ਫ਼ʌȑȡ und ʌİȡȓ mit Genitiv zusammenfallen.151 In verschiedenen Handschriften und Parallelüberlieferungen werden die beiden Präpositionen und auch ਫ਼ʌȑȡ und ਕȞIJȓ austauschbar gebraucht, wobei offenbar keine Bedeutungsverschiebung stattfindet.152 Möglicherweise ist der Aspekt des „an die Stelle Tretens“ bei ਕȞIJȓ (mit der lokativen Grundbedeutung „gegenüber“, „entgegen“) stärker (s.u.), während bei ਫ਼ʌȑȡ und ʌİȡȓ das „Für“ des Sterbens Jesu neutraler gehalten ist. Die griechische Präposition įȚȐ scheint von der Bedeutung her etwas anders gelagert zu sein, wird aber an dieser Stelle mit behandelt. Eine Aussage mit įȚȐ und Personenbezeichnung, die den Tod Jesu deutet, kommt im Neuen Testament nur einmal vor und steht in Parallelität zu einer Passage, in der ਫ਼ʌȑȡ verwendet wird (s.u.). Fest steht, dass es sich bei den Aussagen, die Jesu Tod als „für“ Menschen geschehen bezeichnen, um solche handelt, die bereits vor der Verschriftlichung der neutestamentlichen Schriften überliefert wurden. Dafür spricht nicht nur, dass sich Paulus bei der Einführung der Abendmahlsworte auf frühchristliche Traditionen bezieht, sondern auch, dass die „für“-Wendungen in verschiedenen voneinander unabhängigen Texten überliefert sind. Fast alle Textgruppen, die den Tod Jesu anführen, beziehen sich in mehr oder weniger umfangreicher Weise auf diese Deutungsmöglichkeit. Einzige, jedoch bemerkenswerte, Ausnahmen bilden die Apostelgeschichte und die Apokalypse. Insbesondere in der Briefliteratur erfährt die „für“-Deutung ausführliche Bezeugung und Verwendung. 150

PATSCH, ਫ਼ʌȑȡ, 949. Vgl. KÖHLER, WILHELM, Art. ʌİȡȓ, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament3 3 (2011), 168–172. Hier: 168. 152 Vgl. PATSCH, ਫ਼ʌȑȡ, 949. 151

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In den synoptischen Evangelien hingegen kommt diese Funktionsdeutung nur selten vor. Am prominentesten sind natürlich hier die Einsetzungsworte zum Abendmahl. Der abweichende Gebrauch der Präposition ʌİȡȓ wurde bereits erwähnt. Auch sonst gibt es hier zwischen den Synoptikern einige kleine, aber wichtige Unterschiede. Markus und Matthäus verbinden die Aussage jeweils mit dem Kelchwort, wobei die Gesamtaussage hochgradig metaphorisch153 ist: „Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ (Mk 14,24: IJȠ૨IJં ਥıIJȚȞ IJઁ Įੈȝ੺ ȝȠȣ IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ IJઁ ਥțȤȣȞȞંȝİȞȠȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ʌȠȜȜ૵Ȟ; Mt 26,28: IJȠ૨IJȠ Ȗ੺ȡ ਥıIJȚȞ IJઁ Įੈȝ੺ ȝȠȣ IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ IJઁ ʌİȡ੿ ʌȠȜȜ૵Ȟ ਥțȤȣȞȞંȝİȞȠȞ). Matthäus ändert gegenüber Markus nicht nur die Präposition, sondern nimmt auch eine Wortumstellung vor und fügt eine weitere Deutung an: „zur Vergebung der Sünden“ (İੁȢ ਙijİıȚȞ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ; Mt 26,28). Lukas hingegen kannte offenbar die auch in 1Kor 11 zitierten Einsetzungsworte und stellt eine Synthese zwischen ihnen und der markinischen Fassung her. Bei ihm ist die ਫ਼ʌȑȡ-Aussage sowohl mit dem Brot- als auch mit dem Kelchwort verbunden. Das Brotwort Lk 22,19 ähnelt dabei sehr 1Kor 11,24 („Dies ist mein Leib für euch“/IJȠ૨IJં ȝȠ઄ ਥıIJȚȞ IJઁ ı૵ȝĮ IJઁ ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ), enthält aber davon abweichend eine Partizipform („Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird“/IJȠ૨IJં ਥıIJȚȞ IJઁ ı૵ȝ੺ ȝȠȣ IJઁ ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ įȚįંȝİȞȠȞ). Auch der Beginn des Kelchworts bei Lukas (Lk 22,20) entspricht fast wörtlich 1Kor 11,25 („Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut“/IJȠ૨IJȠ IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ਲ țĮȚȞ੽ įȚĮș੾țȘ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJ઀ ȝȠȣ). Analog zu Markus schließt sich hieran jedoch abweichend von 1Kor an „das für euch vergossen wird“/IJઁ ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ ਥțȤȣȞȞંȝİȞȠȞ. Im Hinblick auf die „für-Aussagen“ der Abendmahlsberichte lässt sich somit also festhalten, dass es sowohl Abweichungen hinsichtlich der verwendeten Präpositionen als auch der sich daran anschließenden Personenbezeichnung („für viele“/„für euch“) gibt. Selbst wenn man Paulus und Lukas auf der einen Seite sowie Markus und Matthäus auf der anderen Seite zusammenfasst, bestehen dennoch deutliche Unterschiede auch innerhalb dieser Gruppen. Wie später noch dargestellt werden wird, hat dies Auswirkungen sowohl auf die Art der Metaphernkombination als auch auf die Gesamtaussage. Die zweite relevante Passage in den Synoptikern ist das Lösegeldwort, das wortgleich in Mk 10,45 und Mt 20,28 überliefert ist, im Lukasevangelium jedoch trotz der Übernahme der Gesamtperikope ausgelassen wird. Dies und das Fehlen der „für“-Aussagen in der Apostelgeschichte könnte dazu verleiten, Lukas ein Widerstreben gegen diese Deutung zu unterstellen. Demgegenüber steht allerdings die Verdopplung der ਫ਼ʌȑȡ-Aussage in seiner Abendmahlsszene. Möglicherweise behält er die „für“-Deutung dementsprechend dem Herrenmahl vor. Außerdem kann es sein, dass ihm das offenbar aus frühchristlicher Überlieferung stammende Lösegeldwort im Kontext der Perikope Lk

153

S.u., Abschnitt 6.1.

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22,24–27 wie ein Fremdkörper vorkam, der über das hier eigentlich Auszusagende hinausgeht. Bei Markus und Matthäus steht jedenfalls das in diesem Zusammenhang nur hier vorkommende ਕȞIJȓ, das sich möglicherweise aufgrund einer Kollokation mit dem vorausgehenden Ȝ઄IJȡȠȞ (Lösegeld) nahelegt.154 Harris nennt drei grobe Bedeutungsbereiche für ਕȞIJȓ im Neuen Testament: – equivalence, where one entity is set over against another as its equivalent – exchange, where one object, opposing or distinct from another, is given or taken in return for the other – substitution, where one object, that is distinguishable from another, is given or taken instead of the other.155

Theoretisch sind in Mk 10,45par all diese drei Bedeutungen plausibel. Ohnehin sind keine scharfen Grenzen zwischen den Bedeutungsbereichen zu ziehen ௅ auch bei der Festlegung auf eine spezifische Sinnrichtung schwingen die übrigen Nuancen mit. Im hier gegebenen Kontext scheint aber durch das Wort Ȝ઄IJȡȠȞ eine Richtung für die Interpretation der Präposition gegeben zu sein: „What Ȝ઄IJȡȠȞ already implies, ਕȞIJȓ simply reinforces ௅ the idea of vicariousness. In this ransom saying the distinctive and predominant substiutionary sense of ਕȞIJȓ applies ௅ ‚for‘ in the sense of ‚in the place of‘“.156 Dies entspricht laut Harris auch der generellen Verwendung von ਕȞIJȓ im Neuen Testament.157 Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass dies automatisch für alle „für“Aussagen gilt, zumal nur an dieser einen Stelle ਕȞIJȓ gebraucht wird. Hinter der Präposition stehen die Nutznießer im Genitiv: ʌȠȜȜ૵Ȟ (viele). Hierdurch besteht ein Bezug zu den Kelchworten. Außerdem liegt in Mk 10,45/Mt 20,28 eine der häufigen Verbindungen der „für“-Wendung mit einer Form von įȓįȦȝȚ vor. Im Johannesevangelium kommen Formulierungen mit ਫ਼ʌȑȡ häufiger vor, setzen aber gegenüber den synoptischen Passagen andere Schwerpunkte. Zunächst begegnen sie im Kontext der Hirtenrede Joh 10,11–18. Bereits ganz zum Anfang macht Jesus deutlich, dass der gute Hirte sein Leben für die Schafe158 lässt (੒ ʌȠȚȝ੽Ȟ ੒ țĮȜઁȢ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ IJ઀șȘıȚȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ʌȡȠȕ੺IJȦȞ, Joh 154

Diese Wortkombination findet sich auch an einer Stelle in den Antiquitates des Josephus (Flav.Jos.Ant. 14.107f.). Vgl. HARRIS, Prepositions, 52. Vgl. ferner ਕȞIJ઀ȜȣIJȡȠȞ in 1Tim 2,6. 155 HARRIS, Prepositions, 49. (Hervorhebungen im Original) 156 A.a.O. 54. 157 Vgl. a.a.O. 56: „The analysis of the 22 NT uses of ਕȞIJȓ leads to the conclusion that apart from the six instances where this prepostition joins another word to form a virtual conjunction, it always expresses (15x) or alludes to (1x, Mt 17:27) a substitutionary exchange.“ 158 Auch wenn Schafe bzw. Kleinvieh nicht streng genommen unter das Stichwort „Personenbeschreibung“ fällt, wird diese Passage an dieser Stelle mit aufgenommen. Schließlich ist klar, dass hier eine ausführliche Metapher vorliegt und das Sterben für die Schafe nicht wörtlich gemeint ist.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

10,11). Diese Aussage wird in V. 15 wiederholt, wobei Jesus nun nicht mehr vom guten Hirten, mit dem er sich schon zu Beginn von V. 11 identifiziert hat, spricht, sondern direkt von sich selbst. Damit wird die Metaphorik an dieser Stelle ein Stück weit durchbrochen. Zwischen den beiden ਫ਼ʌȑȡ-Aussagen steht in V. 13 noch einmal ʌİȡȓ mit demselben Genitiv, jedoch in einem anderen Kontext. Hier soll ausgesagt werden, dass der angestellte Hirte sich im Gegensatz zum Besitzer der Herde nicht ausreichend um das ihm Anvertraute kümmert. Die Lebenshingabe kann dann als Höhepunkt der richtigen Fürsorge angesehen werden. Einen großen Bedeutungsunterschied zwischen ʌİȡȓ und ਫ਼ʌȑȡ an sich scheint es auch hier nicht zu geben. Letzteres ist aber offenbar weitaus enger mit dem Tod Jesu, insbesondere mit der Wendung IJ઀șȘȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੾Ȟ, die bei Johannes parallel zu dem sonst im Neuen Testament verwendeten Verb (ʌĮȡĮ-)įȓįȦȝȚ steht, verbunden. Diese Zusammenstellung findet sich erneut in Joh 15,13: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freundinnen und Freunde“ (ȝİ઀ȗȠȞĮ IJĮ઄IJȘȢ ਕȖ੺ʌȘȞ Ƞ੝įİ੿Ȣ ਩ȤİȚ, ੆ȞĮ IJȚȢ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ șૌ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ij઀ȜȦȞ Į੝IJȠ૨). Der Kreis derer, die von der Lebenshingabe profitieren, wird nun auf die Freunde und Freundinnen eingeschränkt. Eine Hierarchie, wie sie in der Hirtenrede durch das Beziehungsgefälle Hirte-Schafe nahegelegt wird, tritt hier in den Hintergrund. Der Aspekt der Fürsorge und Bezogenheit bleibt jedoch bestehen. Auch Petrus verwendet die Wortzusammenstellung IJ઀șȘȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੾Ȟ ਫ਼ʌȑȡ, um seine Nähe und Loyalität Jesus gegenüber auszudrücken, die dieser sogleich in Vorausnahme der Verleugnung des Petrus in Frage stellt (Joh 13,37f.). Zwischen diesen Passagen wird außerdem Jesu Sterben durch den Hohepriester Kajaphas als „für das Volk“ (ਫ਼ʌ੻ȡ IJȠ૨ ȜĮȠ૨) geschehend gedeutet (Joh 11,50). Als Alternative für das Sterben eines Menschen wird das Zugrundegehen (ਕʌȩȜȜȣȝȚ) des ganzen Volkes benannt. Der sich anschließende Kommentar der Erzählinstanz macht deutlich, dass Kajaphas’ Aussage als Weissagung aufzufassen ist, und wiederholt diese in der Variation ਫ਼ʌ੻ȡ IJȠ૨ ਩șȞȠȣȢ (Joh 11,51). Offenbar sind ȜĮȩȢ und ਩șȞȠȢ hier austauschbare Begriffe. In Joh 18,14 wird auf diese Ankündigung zurückgeblickt, als Hannas, der Schwiegervater des Kajaphas, eingeführt wird. An dieser Stelle steht erneut ਫ਼ʌ੻ȡ IJȠ૨ ȜĮȠ૨. Im Gegensatz zu den anderen drei ਫ਼ʌȑȡ-Wendungen im Johannesevangelium stehen die Aussagen in Joh 11,50f. und 18,14 verbunden mit dem Verb ਕʌȠșȞ૊ıțȦ („sterben“). Möglicherweise liegt auch in der Aussage ਫ਼ʌ੻ȡ Į੝IJ૵Ȟ ਥȖઅ ਖȖȚ੺ȗȦ ਥȝĮȣIJંȞ („Ich heilige mich für sie“; Joh 17,19) ein Verweis auf den Tod Jesu vor, wenn man davon ausgeht, dass hier ein „aus der jüdischen Kultsprache übernommene[s] Bild[]“159 vorliegt. Die Deutung durch die präpositionale Wendung „für mit Pronomen oder Personenname“ kommt in allen für den Tod Jesu relevanten Protopaulinen mit 159 RIESENFELD, ਫ਼ʌȑȡ, 513. Riesenfeld sieht eine Parallele zum Sprachgebrauch von Eph 5,26, gibt sonst aber keine ausführlichen Belege für seine Annahme kultischer Sprache.

5. Deutungen des Todes Jesu

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Ausnahme des Philipperbriefs vor. Sie ist zudem sehr häufig und macht zum Teil sogar mehr als ein Drittel der Deutungen in der jeweiligen Schrift aus. Dabei sind die genannten Personen sehr unterschiedlich: „für uns“ (Röm 5,8; 2Kor 5,21; Gal 3,13; 1Thess 5,10), „für uns alle“ (Röm 8,32), „für alle“ (2Kor 5,14f.), „für Gottlose“ (Röm 5,6), „für den Bruder“ (Röm 14,15; 1Kor 8,11), „für mich“ (Gal 2,20). Es gibt bei Paulus zudem zwei Fälle, in denen ein Sterben „für euch“ ausgedrückt wird und die aus dem Rahmen fallen: Eine Stelle ist die Abendmahlseinsetzung in 1Kor 11,24, die einzige paulinische Darstellung und Deutung des Todes Jesu, die Jesus selbst zugeschrieben wird. Die andere ist die polemische Frage in 1Kor 1,13, ob denn Paulus für die Adressierten gekreuzigt wurde (ȝ੽ ȆĮ૨ȜȠȢ ਥıIJĮȣȡઆșȘ ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ). Hier scheint Paulus die Tradition rhetorisch geschickt für seine Zwecke umzudrehen. Um den Tod Jesu geht es jedoch nur sekundär. Von den paulinischen „für“-Formulierungen stehen die meisten im Zusammenhang mit direkter Rede vom Tod Jesu durch das Verb ਕʌȠșȞ૊ıțȦ (Röm 5,6.8; 14,15; 1Kor 8,11; 2Kor 5,14, 1Thess 5,10), so dass von der Verarbeitung einer „Sterbeformel“ ausgegangen wird. An zwei Stellen jedoch ௅ Röm 8,32 und Gal 2,20 ௅ wird ਫ਼ʌȑȡ mit Genitiv in Verbindung mit dem Verb ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ verwendet, was wiederum auf die „Dahingabeformel“ hindeutet.160 Wie erwähnt, steht in 1Kor 1,13 ıIJĮȣȡȩȦ und in 1Kor 11,24 gar keine Verbform. Daneben begegnen mit 2Kor 5,21 und Gal 3,12 zwei Textabschnitte, in denen nur sehr indirekt durch den Ausdruck „zur Sünde bzw. zum Fluch machen“ auf den Tod Jesu verwiesen wird. In fast allen Fällen handelt es sich um Formulierungen mit ਫ਼ʌȑȡ. Die einzige Ausnahme bildet 1Kor 8,11, wo įȚȐ mit Akkusativ steht. Durch die starke Nähe dieser Passage zu Röm 14,15 muss jedoch wohl zumindest für diesen Fall (annähernde) Bedeutungsgleichheit dieser beiden Präpositionen angenommen werden.161 Häufig stehen die ਫ਼ʌȑȡ- (oder įȚȐ-) Wendungen im Kontext nicht-metaphorischer Sprache. Es wird schlicht ausgedrückt, dass Jesus „für uns gestorben ist“, wobei eine weitere Begründung oder Deutung ausbleibt. Ausnahme bilden zunächst die Abendmahlstradition in 1Kor 11 sowie 2Kor 5,21 ௅ wobei die Wendung „zur Sünde machen“ (ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ ʌȠȚȑȦ) in der letztgenannten Passage metaphorisch oder metonymisch aufgefasst werden kann. Auffällig ist außerdem, dass beide Erwähnungen dieser Deutung im Galaterbrief im Zusammenhang metaphorischer Sprache stehen: Während das „zum Fluch werden“ (ȖȓȖȞȠȝĮȚ țĮIJ੺ȡĮ) in Gal 3,13 analog zu 2Kor 5,21 zu beurteilen ist, geht Gal 2,20 eine Metapher mit Jesu Tod als Vehicle voraus. Analoge Wendungen finden sich auch im Epheserbrief, in relativer Nähe zueinander am Ende des Briefs (Eph 5,2 und 5,25). Beide Male stehen sie in ausschließlicher Verbindung mit der indirekten Sprechweise „hingeben“ durch 160

S.o., Abschnitt 3.2. Offenbar steht hier įȚȐ im Sinne von „on account of, because of, for the sake of“. (HARRIS, Prepositions, 72.) 161

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das Verb ʌĮȡĮįȓįȦȝȚ und mit der Präposition ਫ਼ʌȑȡ. Die Personengruppe, auf die sich das „Für“ der Hingabe Jesu bezieht, ist offenbar in beiden Fällen identisch gedacht, wird aber unterschiedlich bezeichnet: für uns (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ, 5,2) und für sie (ਫ਼ʌ੻ȡ Į੝IJોȢ, 5,25), womit die Kirche bzw. Gemeinde (ਥțțȜȘıȓĮ) gemeint ist. Die beiden Formulierungen ähneln einander auch darin stark, dass der Beschreibung der Lebenshingabe ein Verweis auf die Liebe Christi durch das Verb ਕȖĮʌȐȦ vorangeht. Zudem ist die Motivation zur Nachahmung Christi ௅ und damit seine Vorbildfunktion ௅ in beiden Abschnitten dominant. Dies wird besonders in 5,25 deutlich, wo Jesu Lebenshingabe im Kontext einer Haustafel dazu genutzt wird, die Liebe der Ehemänner zu ihren Frauen zu motivieren. Aber auch in 5,2 ist das Leben in Liebe vorrangig. In beiden Abschnitten des Epheserbriefs wird die ਫ਼ʌȑȡ-Deutung mit weiteren Funktionsdeutungen verbunden. Insbesondere in 5,2 ist zudem eine starke Metaphorisierung erkennbar: Jesu Hingabe wird spezifiziert „als Gabe und Opfer zu einem Wohlgeruch für Gott“ (ʌȡȠıijȠȡ੹Ȟ țĮ੿ șȣı઀ĮȞ IJ૶ șİ૶ İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ). In 5,25ff. ist es eher die weitere Funktion der Heiligung, die durch die Metapher der Reinigung erweitert wird. In den Pastoralbriefen ist die Deutung „für mit Personenbezeichnung“ die häufigste der hier aufgeführten Funktionsdeutungen. Sie steht in 1Tim und Tit mit der jeweils einzigen Erwähnung des Todes Jesu verbunden, was wiederum die Nähe der beiden Texte in diesem Bereich herausstellt. In beiden Fällen steht ਫ਼ʌȑȡ in Verbindung mit einer Form von įȓįȦȝȚ. Besonders 1Tim 2,6 weist deutliche Nähen zu Mk 10,45 auf, weshalb beide Stellen auf die gleiche Überlieferung zurückgeführt werden. Die Präposition ਫ਼ʌȑȡ steht dabei an Stelle des markinischen ਕȞIJȓ. Diese ist jedoch wiederum in 1Tim 2,6 als Präfix dem Wort ȜȪIJȡȠȞ (Lösegeld) vorangestellt. Anstelle des „für viele“ bei Mk steht in 1Tim die Variation ௅ und Überbietung ௅ „für alle“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ʌ੺ȞIJȦȞ). Tit 2,14 gebraucht das mit ȜȪIJȡȠȞ korrespondierende Verb ȜȣIJȡȩȦ in einem sich an die ਫ਼ʌȑȡWendung anschließenden Finalsatz, in dem als zusätzliche Deutung eine Reinigungsmetapher erwähnt wird. Die Wendung selbst lautet hier „für uns“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ). Die Wendung „ਫ਼ʌȑȡ mit Personenbezeichnung“ kommt im Kontext des Todes Jesu insgesamt drei Mal in den katholischen Briefen vor, zwei Mal in 1Petr (in aufeinander folgenden Erwähnungen des Todes Jesu) und einmal in 1Joh. Dabei sind die Personengruppen jeweils unterschiedlich: „für uns“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ; 1Joh 3,16), „für euch“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ; 1Petr 2,21), „für Ungerechte“ (1Petr 3,18 ௅ hier jedoch in einer etwas anderen Form als sonst im Neuen Testament: die ਫ਼ʌȑȡ-Aussage schließt sich nicht an das Verb an, sondern es folgt „der Gerechte für Ungerechte“, į઀țĮȚȠȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਕį઀țȦȞ). Die Formulierung in 1Joh ist dabei gut johanneisch: Sie greift den Ausdruck IJ઀șȘȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੾Ȟ („das Leben lassen“) auf, der sich auch im Johannesevangelium eng mit ਫ਼ʌȑȡ-Wendungen verbindet. Der Aspekt der Liebe, die sich gerade in dieser Lebenshingabe zeigt, wird hier ebenfalls ähnlich wie in Joh 15,13 stark gemacht. Besonders deutlich

5. Deutungen des Todes Jesu

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wird in Joh 3,16, dass das Handeln Jesu als Vorbild gemeint ist ௅ „wir“ sollen ebenso für die Geschwister das Leben lassen wie Jesus dies getan hat (auch hier: IJ઀șȘȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੾Ȟ). Auch im 1Petr werden die ਫ਼ʌȑȡ-Aussagen auffällig mit dem Vorbildgedanken verbunden. 1Petr 2,21 steht wie Eph 5,25 im Kontext einer Haustafel, bezieht sich hier aber auf die Sklavinnen und Sklaven. Die zweite Stelle in 3,18 begründet eine Mahnung an die gesamte Gemeinde, die einen Vers früher ausgedrückt wird. Außerdem wird in den ਫ਼ʌȑȡ-Wendungen des 1Petr weder direkt vom Sterben Jesu, noch indirekt durch die Lebenshingabe, wie dies sonst in der Briefliteratur häufig ist, sondern indirekt durch das Motiv des Leidens (gr. Verb ʌȐıȤȦ) gesprochen, was wiederum die Situation der Gemeinde stärker in den Blick nimmt und in der Logik des Vorbildgedankens sinnvoll erscheint. Die Passagen in 1Petr sind zudem mit der „für Sünden“-Deutung verbunden, was gerade in 3,18 deutlich wird. In 2,21 wird die Deutung, dass Jesu Tod die Tilgung von Sünden bewirkt, erst in den nachfolgenden Versen langsam ausgebaut. Im Kontext einer Metapher steht nur die Erwähnung in 2,21, wobei dort die eigentliche Metapher erst in V. 24 beginnt. Im Hebräerbrief findet sich die Funktionsdeutung „für mit Personenbezeichnung“ (immer durch die Präposition ਫ਼ʌȑȡ ausgedrückt) insgesamt drei Mal. Zuerst taucht sie in 2,9, als Einleitung des komplexeren Abschnitts 2,9–18 auf: „damit er durch Gottes Gnade für jeden den Tod probierte“ (੖ʌȦȢ Ȥ੺ȡȚIJȚ șİȠ૨ ਫ਼ʌ੻ȡ ʌĮȞIJઁȢ Ȗİ઄ıȘIJĮȚ șĮȞ੺IJȠȣ). Damit steht sie auch zu Beginn der ersten expliziten und detaillierten Auseinandersetzung des Hebr mit dem Tod Jesu und in Verbindung mit direkter Redeweise, wie es auch sonst in dieser Deutung häufig der Fall ist. Durch das Verb ȖİȪȦ („probieren“/„schmecken“) wird jedoch gleich eine metaphorische Dimension eröffnet. Zudem ist auffällig, dass zwar eine Form von ʌ઼Ȣ verwendet wird, wie dies auch an anderer Stelle vorkommt (2Kor 5,14f.; 1Tim 2,6), hier jedoch im Gegensatz zu diesen Stellen der Genitiv Singular ʌĮȞIJȩȢ gebraucht wird, wodurch möglicherweise noch ein stärker individueller Bezug betont werden soll. In den anderen beiden Passagen des Hebr steht jeweils „für uns“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ). Dabei ist der Ausdruck in Hebr 6,20 in der Umgebung sehr metaphorischer und indirekter Rede zu finden: „dort ist Jesus für uns als Vorläufer hineingegangen“ (੖ʌȠȣ ʌȡંįȡȠȝȠȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ İੁıોȜșİȞ ੉ȘıȠ૨Ȣ). Das Sterben und die Auferstehung Jesu werden nur abstrakt durch das Treten hinter den Vorhang des Allerheiligsten beschrieben. Der Bezug auf den Tod Jesu legt sich lediglich durch diese Metapher und durch die Bezeichnung Jesu als Vorläufer (ʌȡંįȡȠȝȠȢ), die in diesem Kontext häufiger vorkommt, nahe, sowie durch die ਫ਼ʌȑȡ-Wendung selbst. Sogar noch indirekter ist der Bezug in 9,24. Hier wird die Wendung ebenfalls mit dem Motiv des Hineingehens ins Heiligtum verbunden, steht aber bezogen auf Jesu Anwesenheit vor Gott: „um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen“ (Ȟ૨Ȟ ਥȝijĮȞȚıșોȞĮȚ IJ૶ ʌȡȠıઆʌ૳ IJȠ૨ șİȠ૨ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ). Der Tod Jesu wird jedoch in den nachfolgenden Versen (9,25–28) durch die Opferthematik wieder aufgegriffen. Eine interessante Parallele hierzu besteht noch in 5,1–3. Dort ist

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nicht direkt vom Tod Jesu, sondern tatsächlich von der „alten Ordnung“ die Rede, jedoch auf eine Weise, die die Deutung des Todes Jesu vorbereitet: Der Hohepriester wird „für Menschen“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਕȞșȡઆʌȦȞ; V. 1) eingesetzt, um „für Sünden“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ; V. 1) Opfer darzubringen. Er teilt aber die Schwachheiten der Menschen und muss daher wie für das Volk auch für sich selbst opfern (țĮșઅȢ ʌİȡ੿ IJȠ૨ ȜĮȠ૨, Ƞ੢IJȦȢ țĮ੿ ʌİȡ੿ Į੝IJȠ૨ ʌȡȠıij੼ȡİȚȞ; V. 3). Bemerkenswert an dieser Stelle ist auch die Verbindung von ਫ਼ʌȑȡ und ʌİȡȓ, die hier offenbar austauschbar sind. 5.2.2. „Für Sünden“ und Ausdrücke zur Tilgung von Sünden Neben der Verwendung einer der aufgeführten „für“-Präpositionen in Kombination mit einer Personenbezeichnung begegnen an einigen Stellen im Zusammenhang mit dem Tod Jesu Zusammenstellungen aus ਫ਼ʌȑȡ oder ʌİȡȓ und einer Form von ਖȝĮȡIJȓĮ (Sünde). Obwohl dies auf den ersten Blick wie eine Variation der ähnlich aufgebauten Aussagen mit Personenbezeichnung wirkt, ergibt sich bei näherer Betrachtung ein komplexeres Bild. Zunächst ist auffällig, dass Passagen, in welchen die Präposition ʌİȡȓ gebraucht wird, gegenüber Aussagen mit ਫ਼ʌȑȡ überwiegen. Insgesamt begegnet die Wendung ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ/ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ im Neuen Testament neun Mal im Singular (Joh 8,46; 15,22; 16,8.9; Röm 8,3; Hebr 10,6.8.18; 13,11) und fünf Mal im Plural (Hebr 5,3; 10,26; 1Petr 3,18; 1Joh 2,2; 4,10), teilweise mit, teilweise ohne Artikel, wobei Harris von keinem nennenswerten Bedeutungsunterschied ausgeht.162 Allerdings stehen nicht alle diese Aussagen mit Bezug zum Tod Jesu. Dies gilt vor allem für die vier ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ-Aussagen des Johannesevangeliums (Joh 8,46; 15,22; 16,8f.), die sich generell auf Sendung, Verkündigung und Auseinandersetzungen Jesu beziehen. Die Wendung ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ bedarf aber auch deshalb besonderer Aufmerksamkeit, weil mit ihr in der Septuaginta der hebräische Begriff ʺʠ ʕ˔ ʔʧ (‫ۊ‬a‫ܒܒ‬Ɨ’t; „Sündopfer“) wiedergegeben wird (etwa in Lev 7,27; 16,5; auch Ps 39,7).163 Auch sonst kommt diese Kollokation im Kontext des Opferkults mehrfach (laut Harris über 40 Mal164) in der Septuaginta vor. Diese Begrifflichkeiten finden sich dann auch in der LXX-Version des vierten Gottesknechtslieds, insbesondere in Jes 53,10165 ௅ hier aber als Übersetzung des heb-

162

Vgl. a.a.O. 182. Vgl. a.a.O. 183; RIESENFELD, ERNST HARALD, Art. ʌİȡȓ, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament 6 (1959), 53–56. Hier: 55. „Seltener ist die Hervorhebung der Substantivierung durch den davorgesetzten Artk: IJ੹ ʌİȡ੿ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ Lv 6,23; IJઁ ʌİȡ੿ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ 14,19.“ (Ebd.) 164 Vgl. HARRIS, Prepositions, 183. 165 Vgl. RIESENFELD, ʌİȡȓ, 55. 163

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räischen ʭ ʕˇ ʕʠ (’ƗšƗm), das im Deutschen meist als „Schuldopfer“ wiedergegeben wird (vgl. Lev 5,14–26).166 Dies ist darum zu beachten, weil das Gottesknechtslied einen nicht unerheblichen Deutungshintergrund des Todes Jesu darstellt. Da Hebr 10,6.8 ein Zitat aus Ps 39,7 LXX bietet, in dem ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ zur Bezeichnung des Sündopfers gebraucht wird, ist an dieser Stelle „der opferterminologische Sinn evident“.167 Es geht hier aber eher um die Ablehnung der levitischen Opfer und gerade um die Tatsache, dass diese Opfer für Sünden nicht Gottes Willen erfüllen, weshalb sie nicht heilswirksam sind. Da in diesem Zusammenhang aber auch von Jesu Tod die Rede ist, ist hier eine gewisse Rückübertragung gegeben. In Hebr 10,18.26 scheinen zwei klarere und vollständigere Verweise auf das Sündopfer gegeben zu sein: ʌȡȠıijȠȡ੹ ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ (10,18) bzw. ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ […] șȣı઀Į (10,26, beides in etwa „Gabe/Opfer für Sünde[n]“).168 In beiden Versen ist ein Verweis auf den Tod Jesu gegeben; sie beziehen sich zurück auf 10,12 (wo interessanterweise ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ steht, s.u.). Allerdings wird hier beide Male gerade ausgesagt, dass es kein weiteres Opfer gibt, wodurch die Einmaligkeit des Todes Jesu und seine definitive Heilswirkung betont werden. Vor dem Hintergrund dieser beiden Erkenntnisse ௅ der Verwendung von ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ als „Sündopfer“ im Psalmzitat in Hebr 10,6.8 und den „Langformen“ in 10,18.26 ௅ müssen wohl auch die verbliebenen beiden Ausdrücke im Hebräerbrief, in Hebr 5,3 und 13,11, bewertet werden. Hebr 5,3 beschreibt den Hohepriester der alten Ordnung, der „für sich für Sünden darbringt“ (ʌİȡ੿ Į੝IJȠ૨ ʌȡȠıij੼ȡİȚȞ ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ). Riesenfeld stellt plausibel dar, dass das doppelte ʌİȡȓ hier seltsam anmutet und es daher naheliegend ist, in ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ eine festgefügte Formel zu sehen, die entsprechend mit den Stellen in Hebr 10 korrespondiert.169 Interessant ist dabei auch, dass in 5,1 in einer ganz analogen Aussage ਫ਼ʌȑȡ gebraucht wird: ੆ȞĮ ʌȡȠıij੼ȡૉ į૵ȡ੺ IJİ țĮ੿ șȣı઀ĮȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ („damit er darbringe Gaben und Opfer für Sünden“). Sehr wahrscheinlich sind die beiden Präpositionen hier austauschbar und der Ausdruck ist ähnlich wie 10,26 als Langform zu verstehen. Auf diese Weise könnten auch die anderen ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ-Aussagen des Hebräerbriefs (s.u.) verstanden werden. Auch in Hebr 13,11 liegt es durch den Kontext nahe, ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ als kultischen terminus technicus aufzufassen. Hier wird ebenfalls zunächst auf die Vorschriften der jüdischen Heiligen Schriften verwiesen. Im Gegensatz zu 10,6.8 ist an dieser Stelle aber kein Kontrast gegeben, demzufolge die Opfer in ihrer Funktion und Wirksamkeit abgewertet werden; vielmehr steht das Opfer in V. 11 als Begründung für das, was 166

S.o., Abschnitt 3.1.2. Vgl. auch DAHM, ULRIKE, Art. Opfer (AT), in: WiBiLex (https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/24240), abgerufen am 18.12.2018. Abschn. 3.13. 167 RIESENFELD, ʌİȡȓ, 55. 168 Vgl. ebd. und HARRIS, Prepositions, 182. 169 Vgl. RIESENFELD, ʌİȡȓ, 55.

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in V. 12 von Jesus erzählt wird. V. 11 ist eine Art notwendige Voraussetzung für V. 12. Für den Hebräerbrief lässt sich also eine Übersetzung von ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ mit „Sündopfer“ durchaus rechtfertigen. „Im Anschluß hieran hat man sich zu fragen, ob nicht ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ auch an einigen anderen Stellen mit ,Sündopfer‘ wiederzugeben ist oder ob nicht wenigstens diese terminologische Bedeutung dort durchschimmert.“170 Harris nennt als ausschlaggebendes Kriterium den Gebrauch „in conjunction with a word denoting sacrifice or sacrificial suffering“.171 Dies ist ein an sich sinnvolles Vorgehen, muss jedoch noch konkretisiert werden. Betrachtet man den Gebrauch der Wendung im Hebräerbrief, erkennt man die Begriffe, die für das Wortfeld des Opferkults konstitutiv sind: Substantive wie șȣıȓĮ, ʌȡȠıijȠȡȐ, ੒ȜȠțĮȪIJȦȝĮ und į૵ȡȠȞ, die verschiedene Arten von Opfern ausdrücken, Formen des Verbs ʌȡȠıijȑȡȦ (darbringen), sowie ein Verweis auf das Blut von Opfertieren, das Heiligtum als Kultstätte und den Hohepriester als ausführenden Akteur. Ein Verweis auf das Leiden oder Sterben ist meines Erachtens nicht stark genug, um die Sündopfer-Deutung im Speziellen nahezulegen. Als zusätzliches Kriterium könnte noch eine starke Anlehnung an Jes 53,10–12 gesehen werden. Dieses Indiz ist allerdings weniger stark, da die hier verwendete Opfermetapher bereits in der SeptuagintaÜbersetzung weniger deutlich wird.172 Trotz der eindeutig kultischen Verwendung von ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ/ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ im Hebräerbrief darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Wendung im Johannesevangelium ausschließlich in nicht-kultischen Zusammenhängen vorkommt. Man kann also nicht fraglos die Opferdeutung auf alle Verwendungszusammenhänge übertragen. Die übrigen vier neutestamentlichen Passagen, in denen ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ/ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ vorkommt, sind dementsprechend genauer zu untersuchen. In Röm 8,3 ist nicht explizit vom Tod Jesu die Rede, sondern von seiner Sendung (durch das griechische Verb ʌȑȝʌȦ); eine Auffassung des Ausdrucks ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ als Sündopfer würde hier den Tod Jesu stärker in den Fokus rücken. Allerdings fehlen im Kontext spezifische Termini, die auf einen kultischen Zusammenhang hinweisen. Es ist lediglich vom „Fleisch“ (ıȐȡȟ) die Rede. Dieser Ausdruck wird aber wiederholt in Röm 8 gebraucht und verweist generell auf die Weltverfallenheit der Adressierten. Auch das Wort ਖȝĮȡIJȓĮ wird neben der Wendung mit ʌİȡȓ noch zwei weitere Male in 8,3 genannt ௅ Sünde ist ein wichtiges Thema und somit eine wiederkehrende Vokabel im Römerbrief. Auch ein Bezug auf Jes 53 lässt sich hier nicht erkennen. Schließlich nennt Paulus die Wendung ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ sonst nicht in seinen Briefen. In 1Kor 15,3 und Gal 1,4 begegnen Wendungen mit ਫ਼ʌȑȡ, die jedoch auch keinen kultischen Hintergrund implizieren (s.u.). Insgesamt ist es zwar möglich, dass die 170

Ebd. HARRIS, Prepositions, 183. 172 S.o., Abschnitt 3.1.2. 171

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Sündopfer-Deutung ௅ mit Riesenfelds Worten ௅ hier „durchschimmert“; sie kann nicht ausgeschlossen werden. Anhand des Kontexts finden sich aber keine überzeugenden Indizien dafür, so dass ich ௅ gegen Harris173 ௅ eine allgemeinere Deutung, die etwa mit „um der Sünde willen“ übersetzt werden könnte, vorziehen würde. Dann handelt es sich hier aber auch um eine Passage, die eher das In-die-Welt-Kommen Jesu thematisiert und nicht primär auf seinen Tod anspielt. Auch in 1Petr 3,18 ist kein klarer kultischer Zusammenhang erkennbar, obwohl interessanterweise wie in Röm 8,3 das Wort „Fleisch“ (ıȐȡȟ) gebraucht wird. Der Ausdruck ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ bezieht sich hier auf eine Form von ʌȐıȤȦ („leiden“), was nicht wirklich mit dem Bild eines Sündopfers korreliert, da ja im Tod, nicht im Leiden des Opfertiers die Heilswirkung liegt. Erst etwas später in dem Vers wird eine Passivform von șĮȞĮIJȩȦ („töten“) gebraucht, was wiederum eine Vokabel ist, die weniger im Zusammenhang von Opfern steht, sondern auf menschliche Hinrichtungen verweist. Auch zur Septuaginta-Fassung von Jes 53 gibt es in diesem Abschnitt keine wörtlichen Übereinstimmungen, obwohl das hier anklingende Motiv des Leidens des Gerechten „für“ Ungerechte (į઀țĮȚȠȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਕį઀țȦȞ) durchaus als mögliche inhaltliche Anspielung auf das Gottesknechtslied verstanden werden kann; insbesondere die Wendung įȚțĮȚ૵ıĮȚ į઀țĮȚȠȞ (den Gerechten gerecht machen) in Jes 53,11 enthält auch terminologische Berührungspunkte. Dies kann jedoch nicht als einziger möglicher Deutungshintergrund angenommen werden. Da in der Konstatierung des Leidens „für“ Ungerechte bereits die Präposition ਫ਼ʌȑȡ gebraucht wird, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das ʌİȡȓ lediglich eine Variante darstellt, die für sprachliche Abwechslung sorgt und eventuell dadurch bevorzugt wird, dass sich diese Präposition eher auf Sachen und weniger häufig auf Personen bezieht.174 Ein Indiz für die Sündopfer-Deutung wäre hingegen der Gebrauch von ਚʌĮȟ („einmal“, hervorhebend auch „ein für alle Mal“), der an die Betonung des einmaligen Opfers Jesu als Gegenüber zu den häufigen Opfern des mosaischen Gesetzes in Hebr 9,26–28 erinnert.175 Da der Hebräerbrief ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ als Sündopfer versteht, legt sich eine Übertragung dieser Spezialbedeutung auch auf 1Petr 3,18 nahe, etwa durch die Aufnahme und Verarbeitung ähnlicher Überlieferungen. Allerdings muss hervorgehoben werden, dass in Hebr 9,26–28 zwar sowohl von Opfern als auch von Sünde die Rede ist, der terminus technicus ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ an dieser Stelle jedoch nicht fällt. Insgesamt zeigt sich also, dass ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ in 1Petr 3,18 sich eher mit „Sündopfer“

173

Vgl. HARRIS, Prepositions, 182f. Vgl. a.a.O. 211: „Generally, ਫ਼ʌȑȡ is more common with persons and ʌİȡȓ with things.“ Harris führt 1Petr 3,18 als (einziges) Beispiel an. 175 Im Hebräerbrief kommt die Vokabel ਚʌĮȟ häufig vor, acht Mal von den insgesamt 14 Erwähnungen des Wortes im Neuen Testament, in Hebr 6,4; 9,7.26.27.28; 10,2; 12,26.27. 174

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

übersetzen lässt als in Röm 8,3, doch auch hier ist das Ergebnis unsicher, so dass eine allgemeinere Übersetzung vorzuziehen ist. Eine Besonderheit ist in der Verwendung von ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ („für unsere Sünden“, hier immer im Plural und durch das Possessivpronomen genauer bestimmt) im ersten Johannesbrief zu erkennen. Auch hier sind im weiteren Kontext keine wörtlichen Anspielungen auf Jes 53 gegeben. In 1Joh 1,7 wird jedoch dem Blut Jesu eine von Sünden reinigende Funktion zugeschrieben, was eine opferkultische Interpretation von 2,2 vorbereiten kann. Zudem steht die Wendung hier nicht isoliert bzw. auf eine Verbform bezogen, sondern in beiden Erwähnungen (1Joh 2,2 und 4,10) in Verbindung mit einer Form des im Neuen Testament nur hier begegnenden Substantivs ੂȜĮıȝȩȢ. Dieses steht in der LXX-Übersetzung von Ez 44,27 für das Hebräische ʺ ʕʠ ʕ˔ ʔʧ als Sündopfer, bildet also eine Alternative zu ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ. In diesem Sinn wird ੂȜĮıȝȩȢ auch in 2Makk 3,33 gebraucht. Damit liegt nahe, dass in 1Joh durch eine Verbindung der beiden Begriffe auf das Sündopfer verwiesen wird, bzw. diejenigen, die vom Opfer profitieren, durch die Wendung mit dem Possessivpronomen genauer bestimmt werden. In 1Joh 2,2 erfährt diese Bestimmung allerdings noch einmal eine Korrektur: Jesu ੂȜĮıȝંȢ geschieht nicht nur für die Sünden der Adressierten, sondern für die der ganzen Welt (o੝ ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਲȝİIJ੼ȡȦȞ į੻ ȝંȞȠȞ ਕȜȜ੹ țĮ੿ ʌİȡ੿ ੖ȜȠȣ IJȠ૨ țંıȝȠȣ). Diese direkte Korrektur könnte ௅ mit aller Vorsicht ௅ als Indiz dafür gewertet werden, dass der Ausdruck (ੂȜĮıȝȩȢ) ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ (eine Variante der Überlieferung von 1Kor 15,3?) als frühchristliche Wendung übernommen wurde. Hierfür würde auch sprechen, dass eine kultische Deutung des Todes Jesu im Kontext von 1Joh 2,2 und 4,10 nicht besonders stark ausgebaut ist. Allerdings kann das Motiv der Reinigung von Sünden in 1Joh 1,7 in diese Richtung verweisen. Dafür steht gerade im Umfeld von 4,10 die Betonung der sich offenbarenden Liebe Gottes im Vordergrund und die Deutung, dass Jesu Tod Sünden tilgt, ist in diesem Brief insgesamt dominant (s.u.). Es ist daher möglich, dass der kultische Aspekt der Wendung ੂȜĮıȝȩȢ ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ von den Erstrezipierenden nicht besonders stark wahrgenommen wurde – er wird es zumindest von heutigen Rezipierenden ohne spezielle Vorkenntnisse kaum. Eine Betrachtung der allgemeinen Verwendung des in der Septuaginta relativ seltenen Ausdrucks ੂȜĮıȝȩȢ zeigt sein großes Bedeutungsspektrum: Neben der bereits erwähnten Wiedergabe von ʺ ʕʠ ʕ˔ ʔʧ in Ez 44,27 wird er vereinzelt (Lev 25,9; Num 5,8) gebraucht, um das hebräische Wort ʸʗ˝ ʑ˗ (kipur) wiederzugeben. Die Bedeutung von ʸʗ˝ ʑ˗, „Versöhnung“ ist allgemeiner, die Zusammenhänge, in denen es gebraucht wird, sind allerdings auch hier kultisch geprägt und Jesu Tod als neuen „Jom Kippur“ aufzufassen ist ein zumindest im Hebräerbrief verbreitetes Motiv. Zudem wird ੂȜĮıȝȩȢ auch in Am 8,14 als Übersetzung von ʤ ʕʮˇʍ ʔʠ ('ašmâ) mit der Grundbedeutung „Sünde“ bzw. „Schuld“ verwendet, was im Kontext von 1Joh jedoch nicht naheliegt, wie sich allein in der Verwendung neben ਖȝĮȡIJȓĮ zeigt. Schließlich steht ੂȜĮıȝȩȢ in Ps 130,4 (LXX) und Dan 9,9

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für ʤ ʕʧʩ ʑʬʱʍ (sࢦlî‫ۊ‬â) und bezeichnet somit generell die (nicht-kultische) Vergebung. Obwohl es also aufgrund der Terminologie naheliegt, die Passagen aus 1Joh als Verweise auf ein „Sündopfer“ anzusehen, muss dies aufgrund des Kontextes und der Bedeutungsmöglichkeiten von ੂȜĮıȝȩȢ, das kultische und nicht-kultische, konkrete und abstrakte Vorgänge beschreibt, relativiert werden. Möglicherweise liegt hier eine ursprünglich kultisch-konkrete SündopferMetaphorik vor, die jedoch im Laufe der Zeit konventionalisiert und im Sinne der nicht-kultischen, abstrakten Bedeutungsdimension von ੂȜĮıȝȩȢ aufgefasst wurde, so dass die Metapher kaum mehr als solche wahrgenommen wird und eher generell eine „Versöhnung für unsre Sünden“ (so die Lutherübersetzung in der Revision von 2017) angesprochen wird.176 Neben den ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ-Aussagen gibt es im Neuen Testament eine Reihe von analogen Formulierungen mit ਫ਼ʌȑȡ, insbesondere im Hebräerbrief. Die Analyse von Hebr 5,1–3 hat bereits nahegelegt, dass beide Präpositionen im Hebräerbrief austauschbar gebraucht werden und sich auch ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ hier auf das Sündopfer bezieht. Diese Vermutung lässt sich durch eine genauere Betrachtung der restlichen entsprechenden Stellen bestätigen. In Hebr 7,27 wird dargestellt, dass Jesus durch sein einmaliges Selbstopfer nicht wie die „alten“ Hohepriester zunächst Opfer für seine eigenen Sünden darbringen muss (ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ੁį઀ȦȞ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ șȣı઀ĮȢ ਕȞĮij੼ȡİȚȞ). Der kultische Zusammenhang wird schnell durch die verwendeten Begrifflichkeiten deutlich und die ganze Wendung ist ähnlich wie 5,1 gestaltet. Bezugspunkt ist klar das in Lev 16,6.11 geschilderte Sündopfer des Hohepriesters am Jom Kippur. Die Tatsache, dass Jesus keiner eigenen Sündenvergebung bedarf, wird durch die Form von ੅įȚȠȢ hervorgehoben. Hebr 10,12 bildet einen Kontrast zu der Unfähigkeit der Opfer der alten Ordnung, Sünden zu vergeben, die im vorherigen Vers konstatiert wird (im Zusammenhang von Wiederholung und Einmaligkeit). Auch hier entsprechen die verwendeten Termini (Formen von ʌȡȠıijȑȡȦ und șȣıȓĮ) denen in 5,1 und 7,27. Zudem steht die Passage eingerahmt durch die ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢWendungen in 10,8 und 10,18, ohne dass ein Bedeutungsunterschied erkennbar wäre. Ansonsten begegnen entsprechende ਫ਼ʌȑȡ-Formulierungen nur noch bei Paulus. Insbesondere 1Kor 15,3 ist hier relevant. Durch den einleitenden Satz wird deutlich, dass Paulus hier eine frühchristliche Tradition zitiert, denn er gibt an, den Adressierten das zu übermitteln, was er selbst erhalten hat (ʌĮȡ੼įȦțĮ Ȗ੹ȡ ਫ਼ȝ૙Ȟ ਥȞ ʌȡઆIJȠȚȢ, ੔ țĮ੿ ʌĮȡ੼ȜĮȕȠȞ). Diese Überlieferung wird durch das griechische ੖IJȚ eingeführt und lautet: Christus ist für unsere Sünden nach den Schriften gestorben (ȋȡȚıIJઁȢ ਕʌ੼șĮȞİȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ țĮIJ੹ IJ੹Ȣ ȖȡĮijȐȢ). Die Formulierung nimmt damit eine interessante Stellung zwischen 176

Einheitsübersetzung (Rev. 2016) und Zürcher (Rev. 2007) übersetzen mit „Sühne“, wodurch sich eine kultische Deutung noch eher nahelegt. Schlachter (Rev. 1995) hat „Sühnopfer“.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

den ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ-Aussagen einerseits und den ਫ਼ʌȑȡ-Aussagen mit Personenangabe andererseits177 ein. Der Verweis auf die Schriften kann als Hinweis auf Jes 53 gewertet werden, wo das Stichwort ਖȝĮȡIJȓĮ ਲȝ૵Ȟ mehrfach fällt und der Gedanke des „Sterbens für“ insgesamt dominant ist. Möglicherweise ist konkret der Ausdruck ˒ʰʩ ʒʺ ʖʰˣʏˆ ʒʮ (mƝҵăwǀnǀt֕ ênû) in Jes 53,5 gemeint, der jedoch in der Septuaginta mit įȚ੹ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਲȝ૵Ȟ übersetzt wird (dem käme Röm 4,25 näher).178 Riesenfeld geht davon aus, dass die Präposition in 1Kor 15,3 durch den Einfluss anderer ਫ਼ʌȑȡ-Aussagen bei Paulus zu erklären ist.179 Es scheint jedoch noch sinnvoller zu sein, hier von einem summarischen Verweis auf das gesamte Gottesknechtslied auszugehen, für das ਖȝĮȡIJȓĮ ਲȝ૵Ȟ in der LXX ein charakteristischer Ausdruck ist. Allerdings kann der generelle Verweis auf die Schriften im Plural auch auf eine umfassende Schrifterfüllung ohne konkrete Nennung von Passagen hindeuten, wie sie sich in den Erzähltexten, besonders bei Lukas, findet. Dass hier ਫ਼ʌȑȡ wie im Hebräerbrief austauschbar mit ʌİȡȓ steht und daher ein Verweis auf das Sündopfer gegeben ist, halte ich für unwahrscheinlich. Theoretisch wäre eine Übersetzung mit „Christus ist als unser Sündopfer gestorben“ möglich, da auch in der Septuaginta ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ im Sinne von Sündopfer gelegentlich (vgl. z.B. Lev 9,7; 16,6.11.15) mit Possessivpronomen oder Genitivattribut steht. Es fehlen aber im Kontext hier ௅ wie auch in Gal 1,4 ௅ kultische Termini. In Jes 53 kommt ਖȝĮȡIJȓĮ ਲȝ૵Ȟ zwar häufig vor, in V. 10 steht ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ jedoch ohne Possessivpronomen. Wenn in der in 1Kor 15,3 zitierten Wendung somit auf Jes 53 angespielt wird, scheint damit eher das Tragen der Sünde „für uns“ im Vordergrund zu stehen als eine mögliche Opferkonnotation. Bei Paulus stehen ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ bzw. verwandte Aussagen stets mit dem Possessivpronomen (vgl. auch Röm 4,25, s.u.), wodurch sie in die Nähe der ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ-Passagen gerückt werden. Damit wird die Relevanz des Todes Jesu für die Adressierten unterstrichen und ein impliziter Handlungsappell gegeben. Dies würde bei einer Sündopfer-Deutung weitaus weniger stark zur Geltung kommen. Auch in Gal 1,14, der ersten Erwähnung des Todes Jesu im Galaterbrief, steht der Ausdruck ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ, hier jedoch nicht wie in 1Kor 15,3 verbunden mit einem direkten Verweis auf Jesu Tod, sondern mit der indirekten Rede von der Hingabe durch eine Form von įȓįȦȝȚ und Reflexivpronomen. Das Ziel dieser Lebenshingabe wird durch den Verweis auf die Befreiung bzw. Rettung der Gemeinde (ਥȟĮȚȡȑȦ) angegeben und vermerkt, dass dies nach dem Willen Gottes geschieht. Davon abgesehen wird kein Hinweis darauf gegeben, wie diese Hingabe „für unsere Sünden“ zu verstehen ist. Harris kommt zu dem Schluss, dass die Wendungen in 1Kor 15,13 und Gal 1,4 (und ebenso Hebr 5,1 und 7,27) nicht im 177 Mit diesen ist ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ jedoch keineswegs gleichzusetzen. So auch RIESENFELD, ਫ਼ʌȑȡ, 515. 178 Vgl. RIESENFELD, ਫ਼ʌȑȡ, 515. 179 Vgl. ebd.

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Sinne von „on behalf of/for the benefit of“ oder „because of/for the sake of“ oder „in the place of“ zu verstehen ist ௅ alles Deutungen, die er für die ਫ਼ʌȑȡAussagen mit Personenbezeichnung in Erwägung zieht ௅ sondern im Sinne von „concerning/in reference to“.180 Dabei merkt er an: „In some contexts the ‚reference‘ can conceal an aim, ‚with view to.‘“181 1Kor 15,3 ist ihm zufolge ein Beispiel hierfür. Harris schlägt daher als Übersetzung vor: „Christ died to deal with/to atone for our sins“,182 wobei durch das Verb „atone“ eine kultische Dimension prinzipiell denkbar ist, die hier aber offenbar nicht ausschlaggebend ist. Einen Sonderfall bietet die Wendung įȚ੹ IJ੹ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮIJĮ ਲȝ૵Ȟ in Röm 4,25. Sie unterscheidet sich einerseits durch die verwendete Präposition, andererseits dadurch, dass hier nicht die Vokabel ਖȝĮȡIJȓĮ verwendet wird, sondern das bei Paulus synonym gebrauchte ʌĮȡȐʌIJȦȝĮ (vgl. das Nebeneinander von ਖȝĮȡIJȓĮ und ʌĮȡȐʌIJȦȝĮ im Diskurs Röm 5,12–21). Außerdem ist sie Bestandteil einer größeren parallelen Struktur: ʌĮȡİįંșȘ įȚ੹ IJ੹ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮIJĮ ਲȝ૵Ȟ țĮ੿ ਱Ȗ੼ȡșȘ įȚ੹ IJ੽Ȟ įȚțĮ઀ȦıȚȞ ਲȝ૵Ȟ („er wurde hingegeben für/wegen unsere/r Sünden und er wurde auferweckt für/wegen unsere/r Gerechtigkeit“). Auch hier gibt es Anklänge an Jes 53, insbesondere an V. 5 (auch dort įȚȐ,), wenngleich dort in der LXX-Version der Begriff ਖȝĮȡIJȓĮ verwendet wird. Trotz der Austauschbarkeit der beiden Begriffe bei Paulus erscheint diese Abwandlung bei einem direkten Zitat doch merkwürdig, weshalb auch hier wohl besser von einer generelleren Anspielung auszugehen ist. Eine Loslösung vom Wortsinn von Jes 53 würde auch das „Dilemma“ der Übersetzung von įȚȐ an dieser Stelle entschärfen, „daß meistens entweder dem Parallelismus zuliebe, aber gegen den Grundtext von Js 53,5, schon der ersten Vershälfte finaler Sinn unterlegt oder aber bei kausaler Fassung derselben der Parallelismus zerstört wird.“183 Allerdings bleibt anzumerken, dass auch in ein und derselben Wendung Präpositionen durchaus in unterschiedliche Bedeutungsrichtungen weisen können, wie Oepke selbst erwähnt,184 und dass gerade zwischen kausaler und finaler Sinnrichtung nicht immer klar unterschieden werden kann. Schließlich zeigt die Parallele von 1Kor 8,11 mit Röm 14,15, dass Paulus zumindest stellenweise įȚȐ auf eine Weise gebraucht, die sich stark an ਫ਼ʌȑȡ annähert, so dass es möglich ist, Röm 4,25 in gewisser Analogie zu 1Kor 15,3 und Gal 1,4 zu verstehen. Neben diesen spezifischen präpositionalen Wendungen bietet das Neue Testament noch mehr Möglichkeiten, den Tod Jesu so zu deuten, dass dadurch eine Auswirkung auf menschliche Sünden erfolgt. Dabei ist die Ausprägung dieses 180

Vgl. HARRIS, Prepositions, 209f. A.a.O. 210. 182 Ebd. 183 OEPKE, ALBRECHT, Art. įȚȐ, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament 2 (1935), 64–69. Hier: 69. 184 Vgl. ebd. 181

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Motivs in den verschiedenen neutestamentlichen Schriften sehr unterschiedlich. Im Römerbrief ist die Sünde über mehrere Kapitel beherrschendes Thema und dementsprechend finden sich hier vermehrt Deutungen des Todes Jesu, die damit in Verbindung gebracht werden. Auch in der Hohepriester-Christologie des Hebräerbriefs sowie im ersten Johannesbrief ist diese Deutung dominant. Andere neutestamentliche Schriften gebrauchen sie nur gelegentlich oder an vereinzelten Stellen. In den Pastoralbriefen taucht sie gar nicht auf. Auch die sprachliche Ausgestaltung ist sehr heterogen. Auffällig ist an einigen Stellen die Verbindung mit dem griechischen Begriff ਙijİıȚȢ („Erlass“/„Vergebung“), etwa in der matthäischen Erweiterung der Abendmahlsworte (Mt 26,28), die offenbar die Art, wie das ʌİȡ੿ ʌȠȜȜ૵Ȟ hier gemeint ist, erklärt. In Lk 24,47 bezieht sich die Wendung ਙijİıȚȢ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ streng genommen auf die Verkündigung der Umkehr in Jesu Namen (țȘȡȣȤșોȞĮȚ ਥʌ੿ IJ૶ ੑȞંȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨ ȝİIJ੺ȞȠȚĮȞ), die jedoch eng mit der Schrifterfüllung seines Todes und seiner Auferstehung im vorausgehenden Vers verbunden ist. Auch in Apg 5,31 steht die ਙijİıȚȢ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ neben der ȝİIJȐȞȠȚĮ („Umkehr“) und verweist in erster Linie auf die Erhöhung Jesu, die jedoch im für die Apostelgeschichte typischen Kontrastschema mit der Tötung durch die Mitglieder des Hohen Rats (5,30) verknüpft ist. Der Ausdruck ਙijİıȚȢ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ („Vergebung von Sünden“) kommt in den Reden der Apostel noch an einigen Stellen vor (Apg 2,38; 5,31; 10,43; 13,38; 26,18) und es ist möglich, dass diese Verknüpfung auch dort mitgedacht werden kann, obwohl sie nicht explizit erwähnt wird. Daneben finden sich noch weitere ähnliche Bezüge in Kol und Eph. In Eph 1,7 steht ਙijİıȚȢ IJ૵Ȟ ʌĮȡĮʌIJȦȝ੺IJȦȞ, wobei wohl wie in Röm 4,25 von einer Synonymität der Begrifflichkeiten auszugehen ist. Hier steht die Wendung im Zusammenhang mit dem Blutmotiv sowie mit dem Ausdruck ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ („Loskauf“/„Erlösung“). Da mit ʌȜȠ૨IJȠȢ („Reichtum“) ein weiterer Begriff aus dem Bereich materieller Ressourcen im Kontext verwendet wird, ist es möglich, dass der metaphorische Gehalt von ਙijİıȚȢ (mögliche Bedeutung „Erlass“) reaktiviert wird. Eine ähnliche Kombination wie in Eph 1,7 liegt in Kol 1,14 vor: Auch an dieser Stelle steht ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ, daneben ਙijİıȚȢ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ. Der Tod Jesu wird hier jedoch weder direkt noch indirekt angesprochen. Durch die Parallele zu Eph 1,7 scheint ein Bezug hierzu jedoch zumindest gut möglich. Da der Epheser- aber vom Kolosserbrief abhängt, ist es auch möglich, dass Eph den generellen Erlösungsgedanken im Hinblick auf den Tod Jesu spezifiziert hat. Eine Variante des Sündenerlasses findet sich in Röm 3,25, wobei sowohl für ਙijİıȚȢ als auch für ਖȝĮȡIJȓĮ andere, allerdings eng verwandte Termini gebraucht werden: ʌȐȡİıȚȢ IJ૵Ȟ ʌȡȠȖİȖȠȞંIJȦȞ ਖȝĮȡIJȘȝ੺IJȦȞ („Erlass [hier wohl im Sinne des Ungestraft-Lassens] der vorausgegangenen Sünden“). Die Formulierung ist hier wiederum mit dem Blut und erneut mit dem Begriff ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ verbunden, der wohl im Sinne von „Loskauf“ zu verstehen ist, sowie mit dem Begriff ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ, durch den ein Opferbezug möglich wird.

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Es handelt sich um eine in vielerlei Hinsicht komplexe Stelle.185 Wie erwähnt, ist die „Sünde“ im Römerbrief ein dominantes Thema und so finden sich noch an weiteren Stellen Bezüge zum Tod Jesu, die das Motiv aufnehmen. Röm 5,8– 9 rekurriert vermutlich auf Röm 3,25, da auch hier vom „Blut“ die Rede ist (V. 9), das bei Paulus keinen gängigen Verweis auf Jesu Tod darstellt. Dass Jesu Tod die Funktion hat, Sünden zu beseitigen, wird hier nur dadurch deutlich, dass Jesus laut Paulus „für uns“ (ਫ਼ʌȑȡ-Wendung) starb, „als wir noch Sünder waren“ (਩IJȚ ਖȝĮȡIJȦȜ૵Ȟ ੕ȞIJȦȞ ਲȝ૵Ȟ). Im Kontext werden zusätzlich die Funktion der Versöhnung und Gerechtsprechung thematisiert. Auch im Abschnitt Röm 6,6–11 kommt die Verbindung von Sündenerlass und Tod Jesu mehrfach vor, hier im Zusammenhang der Mitvollzugsdeutung bzw. -metapher: Die Mitkreuzigung sorgt dafür, dass der Leib der Sünde abgeschafft wird (țĮIJĮȡȖȘșૌ IJઁ ı૵ȝĮ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ; V. 6), so dass der Sünde nicht mehr gedient wird (IJȠ૨ ȝȘț੼IJȚ įȠȣȜİ઄İȚȞ ਲȝ઼Ȣ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺; V. 6). Dies ist dadurch begründet, dass der, der stirbt, von Sünden befreit ist (੔ Ȗ੹ȡ ਕʌ੼șĮȞİȞ, IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ ਕʌ੼șĮȞİȞ ਥij੺ʌĮȟā ੔ į੻ ȗૌ, ȗૌ IJ૶ șİ૶; V. 7). Weil Jesus der Sünde gestorben ist (IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ ਕʌ੼șĮȞİȞ; V. 10), sind auch die Adressierten des Römerbriefs Tote für die Sünde (ȞİțȡȠȓ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺; V. 11). Auch Röm 7,4–6 formuliert vor dem Horizont des Mitvollzugs: Die Adressierten sind durch Christus für das Gesetz gestorben (ਫ਼ȝİ૙Ȣ ਥșĮȞĮIJઆșȘIJİ IJ૶ Ȟંȝ૳ įȚ੹ IJȠ૨ ıઆȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨; V. 4) und damit auch für die sündhaften Angelegenheiten (IJ੹ ʌĮș੾ȝĮIJĮ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ; V. 5). Röm 8,10 ist vom Gedankengang ähnlich: Wenn Christus in euch ist, ist der Leib tot um der Sünde willen (İੁ į੻ ȋȡȚıIJઁȢ ਥȞ ਫ਼ȝ૙Ȟ, IJઁ ȝ੻Ȟ ı૵ȝĮ ȞİțȡઁȞ įȚ੹ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ). Durch den darauffolgenden Vers wird dies auch mit dem Geschick Jesu verbunden. Von diesen Darlegungen im Römerbrief und den Wendungen in 1Kor 15,3 und Gal 1,4 abgesehen, begegnet das Sündenmotiv im Zusammenhang mit Jesu Tod in den Protopaulinen nur noch in 2Kor 5,21, dort jedoch in zweifacher Hinsicht: Gott hat den, der die Sünde nicht kannte (IJઁȞ ȝ੽ ȖȞંȞIJĮ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ) für uns zur Sünde gemacht (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ ਥʌȠ઀ȘıİȞ). Hier wird das Motiv der Sündlosigkeit Jesu sowie der vollständigen Sündenübernahme durch ihn erwähnt, das sonst bei Paulus kaum eine Rolle spielt. Die im Römerbrief deutlich hervortretende Verbindung der Auswirkungen des Todes Jesu auf Sünden mit dem Mitvollzugsmotiv findet sich vereinzelt auch im nachpaulinischen Schrifttum. Kol 2,13 drückt aus, dass die Adressierten in der Sünde tot waren (ਫ਼ȝ઼Ȣ ȞİțȡȠઃȢ ੕ȞIJĮȢ [ਥȞ] IJȠ૙Ȣ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮıȚȞ), dass sie nun aber mit Christus auferstehen werden und die Vergebung der Sünden erhalten. Bereits im vorausgehenden Vers wird erwähnt, dass sie in der Taufe mit Christus bestattet worden sind (ıȣȞIJĮij੼ȞIJİȢ Į੝IJ૶ ਥȞ IJ૶ ȕĮʌIJȚıȝ૶). Der erste Petrusbrief erwähnt ebenfalls die in 2Kor 5,21 beschriebene Sündlosigkeit Jesu in 1Petr 2,22 und schließt in 2,24 an diesen Gedanken an, dass er die 185

S.u., Abschnitt 2.5.5. des vierten Kapitels.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Sünden der Menschen in seinem Leib ans Holz getragen hat (IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਲȝ૵Ȟ Į੝IJઁȢ ਕȞ੾ȞİȖțİȞ ਥȞ IJ૶ ıઆȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨ ਥʌ੿ IJઁ ȟ઄ȜȠȞ). Dies führt dazu, dass die Menschen von der Sünde befreit werden, bzw. für sie sterben (੆ȞĮ IJĮ૙Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȚȢ ਕʌȠȖİȞંȝİȞȠȚ). Je nachdem, ob die Form von ਕʌȠȖȓȖȞȠȝĮȚ auch im Sinne von „sterben“ aufgefasst werden kann,186 ist der Mitvollzugsaspekt hier mehr oder weniger stark greifbar. Freilich ist der gesamte Abschnitt sehr stark metaphorisch aufgeladen. Während im Johannesevangelium eine Anspielung auf den Tod Jesu als sich auf die Sünde auswirkend lediglich in Joh 1,29 gesehen werden kann, wo Johannes Jesus als das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt (੒ ਕȝȞઁȢ IJȠ૨ șİȠ૨ ੒ Į੅ȡȦȞ IJ੽Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ IJȠ૨ țંıȝȠȣ), bezeichnet ௅ wobei der Bezug zum Tod Jesu hier nur durch die Kenntnis von Jes 53 oder die Tatsache, dass die Kreuzigung Jesu nach Joh 18,28; 19,31 und im Unterschied zu den Synoptikern am Rüsttag des Passa, also grob parallel zur Schlachtung der Passalämmer stattfindet, deutlich wird ௅ ist diese Deutung im ersten Johannesbrief zentral. Neben den bereits oben diskutierten Formeln dominiert die Rede von der Sünde weite Teile der ersten beiden Kapitel. Besonders eindrücklich ist dabei die Einleitung in die Thematik durch 1Joh 1,7, in der ausgedrückt wird, dass das Blut Jesu von allen Sünden reinigt (IJઁ ĮੈȝĮ ੉ȘıȠ૨ […] țĮșĮȡ઀ȗİȚ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ). Dies scheint zunächst ein opferkultisches Verständnis des Todes Jesu zu implizieren. Da in 1,6f. jedoch auch zweimal das Wort țȠȚȞȦȞȓĮ („Gemeinschaft“) fällt, das eng mit der beschriebenen Reinigung zusammenhängt, ist es allerdings auch möglich, einen Bezug zum Abendmahl herzustellen. Freilich müssen beide Deutungsansätze einander auch nicht ausschließen. Jedenfalls liegt hier eine klare Verbindung der Sündenbefreiung mit der Reinigungsmetaphorik vor. Diese wird nochmals im Finalsatz von 1,9 aufgegriffen: „damit er uns die Sünden vergibt und uns von allen Ungerechtigkeiten reinigt“ (੆ȞĮ ਕijૌ ਲȝ૙Ȟ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ țĮ੿ țĮșĮȡ઀ıૉ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਕįȚț઀ĮȢ). Das Stichwort ਖȝĮȡIJȓĮ fällt zur weiteren Explikation weitere zwei Mal in 1,8 und 1,9, die entsprechende Verbform in 1,10 und zweifach in 2,1, jedoch ohne konkreten Bezug zum Tod Jesu. Damit ist der Übergang zur oben diskutierten ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ-Wendung in 2,2 gegeben, die die Thematik vorläufig abschließt. Ohne direkten Bezug zum Tod Jesu wird nochmals in 2,12 dargelegt, dass die Vergebung der Sünden „um seines Namens willen“ geschieht (ਕij੼ȦȞIJĮȚ ਫ਼ȝ૙Ȟ Įੂ ਖȝĮȡIJ઀ĮȚ įȚ੹ IJઁ ੕ȞȠȝĮ Į੝IJȠ૨). Die Sündenthematik wird in 1Joh 3,4–9 erneut aufgegriffen. Dem wird wiederum das Motiv der Reinigung (hier durch die griechischen Termini ਖȖȞȓȗȦ und ਖȖȞંȢ ਥıIJȚȞ) beigestellt. Die Erscheinung Jesu ௅ jedoch nicht explizit sein Tod ௅ wird mit dem Ziel der Wegnahme von Sünden verbunden (ਥțİ૙ȞȠȢ ਥijĮȞİȡઆșȘ, ੆ȞĮ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਙȡૉ, 1Joh 3,5). Auch 186

Dies ist als spezifische Bedeutung des Verbs möglich. Es kann auch genereller „fern/ getrennt von etwas sein“ bedeuten. Vgl. LIDDELL/SCOTT/JONES, Greek-English Lexicon, 194.

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hier wird in diesem Zusammenhang angeführt, dass Jesus selbst sündlos ist (ਖȝĮȡIJ઀Į ਥȞ Į੝IJ૶ Ƞ੝ț ਩ıIJȚȞ). Die Erkenntnis Jesu und das „in ihm Sein“ sind mit sündhaftem Handeln nicht vereinbar (V. 6). Im Gegenteil: Wer sündigt, ist vom Teufel, dem Ursprung der Sünde (V. 8). Dementsprechend kann der Satz aus 3,5 noch einmal modifiziert und konkretisiert werden: Christus ist erschienen, um die Werke des Teufels aufzulösen bzw. zu zerstören (੆ȞĮ Ȝ઄ıૉ IJ੹ ਩ȡȖĮ IJȠ૨ įȚĮȕંȜȠȣ). Auch im Hebräerbrief finden sich neben den bereits angeführten ਫ਼ʌȑȡ- und ʌİȡȓ-Aussagen noch einige Stellen, in denen die Wirkung des Todes Jesu auf menschliche Sünden erklärt oder zumindest angedeutet wird. Bereits ganz zu Beginn der Schrift in Hebr 1,3 wird, ähnlich wie in 1Joh 1,7, festgestellt, dass Jesus eine Reinigung von Sünden erbracht hat (țĮșĮȡȚıȝઁȞ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ʌȠȚȘı੺ȝİȞȠȢ). Auf den Tod Jesu wird hier nicht explizit Bezug genommen. Es erscheint jedoch von dem Kontext ausgehend, in dem im übrigen Brief von Sünden die Rede ist, sinnvoll, auch hier eine Anspielung darauf anzunehmen. Gleich die nächste Nennung der Sünden, in 2,17, macht dies plausibel. Jesu Gleichwerdung mit den Menschen sorgt dafür, dass er Hohepriester vor Gott werden kann und dies wiederum hat zum Ziel, die Sünden des Volkes zu sühnen (İੁȢ IJઁ ੂȜ੺ıțİıșĮȚ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ IJȠ૨ ȜĮȠ૨). Wie bereits erwähnt, wird im Zuge der Opferthematik auch in 9,26.28 von einem Aufheben bzw. Wegnehmen der Sünde gesprochen. In 9,26 liegt dabei eine Verbindung mit dem Leidensmotiv vor. Jesu Erscheinen (im Griechischen ausgedrückt durch eine Form von ijĮȞİȡȩȦ) ist zur Beseitigung der Sünde (İੁȢ ਕș੼IJȘıȚȞ [IJોȢ] ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ) durch sein Opfer (įȚ੹ IJોȢ șȣı઀ĮȢ Į੝IJȠ૨) erfolgt. In anderen Worten wird in V. 28 nochmals betont, dass Jesus dargebracht wurde, um die Sünden vieler wegzunehmen (İੁȢ IJઁ ʌȠȜȜ૵Ȟ ਕȞİȞİȖțİ૙Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ). In diesem Zusammenhang wird die Einmaligkeit des Opfers betont. Jesu zweites Erscheinen ist dementsprechend nicht auf die Sünde gerichtet (ȤȦȡ੿Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ, V. 28), sondern auf die Rettung. Schließlich wird, auf die „alten“ Opfer bezogen, in Hebr 10,11 deutlich gemacht, dass diese nicht in der Lage sind, Sünden endgültig zu tilgen (Į੆IJȚȞİȢ Ƞ੝į੼ʌȠIJİ į઄ȞĮȞIJĮȚ ʌİȡȚİȜİ૙Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ). In der Johannesapokalypse kommen Sünden in Verbindung mit dem Tod Jesu nur einmal vor, allerdings an relativ prominenter Stelle im Eingangsteil. In Apk 1,5 wird Jesus zunächst metaphorisch als „der Erstgeborene aus Toten“ (੒ ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ IJ૵Ȟ Ȟİțȡ૵Ȟ) bezeichnet und weiter als derjenige spezifiziert, der „uns liebt und aus unseren Sünden erlöst/befreit hat in seinem Blut“ (ȉ૶ ਕȖĮʌ૵ȞIJȚ ਲȝ઼Ȣ țĮ੿ Ȝ઄ıĮȞIJȚ ਲȝ઼Ȣ ਥț IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨). Hier liegt eine Vielfalt an Funktionsdeutungen vor, die sowohl mit der Erstgeburts-Metapher als auch mit dem Blutmotiv verbunden ist. Der Tod als Ausdruck der Liebe ist nicht ganz so stark wie in anderen neutestamentlichen Stellen, bildet aber offenbar die Voraussetzung für das Folgende. Je nachdem, wie das Verb ȜȪȦ aufgefasst wird, auf das sich der präpositionale Ausdruck mit ਖȝĮȡIJȓĮ bezieht, ist zusätzlich die Versöhnungs- oder die Befreiungsdeutung

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(oder sind beide) gegeben. Im darauffolgenden Vers wird außerdem das Königund Priestertum aller Gemeindemitglieder mit dieser Sündenfreiheit begründet. 5.2.3. Versöhnung ࣓ Vergebung ࣓ Sühne Anders als die meisten anderen hier aufgeführten Funktionsdeutungen lässt sich die Deutung, dass Jesu Tod eine Versöhnung der Menschen mit Gott bewirkt, im Neuen Testament trotz verhältnismäßig häufigem Vorkommen nicht an einem einzelnen prägnanten Terminus oder einer spezifischen Wendung festmachen, weshalb sie zwangsläufig diffus ausfällt und schwer greifbar ist. Am ehesten als griechisches Pendant zum deutschen Wort „versöhnen“ ist das Verb (ਕʌȠ)țĮIJĮȜȜȐııȦ bzw. das entsprechende Substantiv țĮIJĮȜȜĮȖȒ anzusehen,187 wodurch jedoch nicht alle relevanten Passagen abgedeckt werden. Des Weiteren wird diese Deutung durch Anklänge an den Jom Kippur hervorgerufen. Auch genereller kann das Vorhandensein von Opfermetaphorik auf die Versöhnungsdeutung hinweisen, wenn man davon ausgeht, dass Opfer nicht nur dazu gedacht sind, eine Gottheit gnädig zu stimmen, sondern allgemeiner der Beziehung zu einer Gottheit eine positive Wendung zu geben. Daneben gibt es eine Reihe von Begriffen, die je nach Auslegung den Versöhnungsaspekt mehr oder weniger stark ausdrücken. Zudem lässt sich die Versöhnungsdeutung nicht ganz klar von anderen Funktionsdeutungen abgrenzen. Wenn man etwa Sünde als das definiert, was von Gott trennt und die Beziehung zu ihm stört, ist auch die Aussage, dass Jesus „für die Sünden“ gestorben ist, im Sinne einer Versöhnung zu deuten. Gerade wenn gesagt wird, dass Jesu Tod zur „Vergebung von Sünden“ (ਙijİıȚȢ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ, so insbesondere in Kol 1,14; ähnlich auch in Eph 1,7 und Hebr 10,18) geschah, liegt dies nahe. Ist Versöhnung synonym mit Vergebung oder Erlösung zu verstehen? Zunächst scheint es so, dass Versöhnung eher auf Gegenseitigkeit bezogen ist, während Vergebung und Erlösung einseitig geschehen und auf einer hierarchischen Struktur basieren. Allerdings wird im Gottesverhältnis schnell deutlich, dass auch Versöhnung als etwas gedacht werden muss, das von Gott aus geschieht und ohne seine Initiative unmöglich bleibt. Obwohl „versöhnen“ somit die Bedeutungsnuance stärkerer Zugewandtheit und persönlicher Gleichwertigkeit besitzt, werden in diesem Abschnitt auch solche Passagen mit aufgeführt, die ebenfalls die Herstellung einer positiven Gottesbeziehung thematisieren, deren Kernbegriffe jedoch im Deutschen meistens nicht mit „versöhnen“ wiedergegeben werden und die stärker das Erlösungsgeschehen betonen. Allerdings ist eine Frage bei der Versöhnung relevant, die sich bei den anderen Begrifflichkeiten so nicht stellt: Wer versöhnt wen mit wem? Ist also etwa Gott oder 187 Die Bedeutung „versöhnen“/„Versöhnung“ entstand auch hier vermutlich als metaphorische Erweiterung: Ursprünglich bezogen sich die Ausdrücke wohl auf das Geldwechseln, was auf den Wechsel zwischenmenschlicher Beziehungen (von Feindseligkeit zu Freundschaft) übertragen wurde. Vgl. LIDDELL/SCOTT/JONES, Greek-English Lexicon, 899.

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Christus die versöhnende Instanz? Zielt die Versöhnung auf die Gott-MenschBeziehung ab oder etwa auf die zwischenmenschliche Ebene? Der Versöhnungsbegriff eröffnet demnach insgesamt mehr Deutungsebenen und lässt sich daher gerade in paränetische Diskurse leicht einbringen.188 Betrachtet man zunächst die Verwendung von (ਕʌȠ)țĮIJĮȜȜȐııȦ und țĮIJĮȜȜĮȖȒ, so ist auffällig, dass diese Begriffe im Kontext des Todes Jesu nur in den Protopaulinen sowie im Kolosser- und Epheserbrief vorkommen, und dort auch nur in überschaubarem Umfang. Dabei steht in Kol und Eph stets die Verbform mit Präfix. In den echten Paulusbriefen ist zunächst Röm 5,10–11 relevant, wo die Verbform zweimal vorkommt, gefolgt von einer Erwähnung des Substantivs. Dass die Versöhnung durch Jesus (V. 11) bzw. durch seinen Tod (V. 10) geschieht, wird doppelt betont und ist somit zentral. Auch die von der Versöhnung betroffenen Parteien werden klar benannt, es sind Gott auf der einen Seite und die Adressierten, zu denen sich Paulus auch selbst zählt, auf der anderen Seite. Das Motiv der Versöhnung wird noch dadurch betont, dass diese geschah, als die Menschen „Feindinnen und Feinde“ (ਥȤșȡȠȓ) Gottes waren. Somit wird der Beziehungswandel, der durch Jesu Tod geschehen ist, weiter veranschaulicht. Gleichzeitig besteht eine Kontinuität zu der Aussage in V. 8, dass Jesus für die Menschen starb, als diese noch Sünderinnen und Sünder waren. Ähnlich wie in Röm 5,10–11 steht auch in 2Kor 5,18–20 eine Häufung der Versöhnungstermini. In diesen drei Versen taucht das Verb insgesamt dreimal, das Substantiv zweimal auf. Die Struktur der an der Versöhnung beteiligten Instanzen ist dabei sehr ähnlich zu Röm 5, mit einer kleinen Schwerpunktverschiebung: Obwohl auch hier deutlich wird, dass die Versöhnung durch Christus geschieht, wird betont, dass Gott in Christus handelt, was zu der zweifach erwähnten Schlussfolgerung führt, dass Gott sich selbst mit der Menschheit versöhnt (șİઁȢ ਷Ȟ ਥȞ ȋȡȚıIJ૶ țંıȝȠȞ țĮIJĮȜȜ੺ııȦȞ ਦĮȣIJ૶). Auf den Tod Jesu wird in diesem Abschnitt noch nicht verwiesen, dies folgt erst im nächsten Vers auf sehr indirekte Weise, durch den Hinweis darauf, dass Jesus zur Sünde gemacht wurde. Die Hervorhebung der Sündlosigkeit Jesu erinnert thematisch an die Aussage in Röm 5,8, wobei sie hierzu einen Gegenpol bildet. Insgesamt gebraucht Paulus in seinen Briefen den Ausdruck țĮIJĮȜȜȐııȦ auch zur Beschreibung zwischenmenschlicher Beziehungen, etwa der von Mann und Frau in 1Kor 7,11. Im Kolosser- und Epheserbrief erscheint die Versöhnungsdeutung verhältnismäßig dominant. So wird sie in Kol 1,20.22 zweimal direkt hintereinander gebraucht, beide Male mit anderen Funktionsdeutungen verbunden. Ähnlich 188

Vgl. EBERHART, CHRISTIAN, Art. Sühne (AT), in: WiBiLex (https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/34155), abgerufen am 04.01.2019. Abschn. 1: „Grundsätzlich zielt der Begriff ‚Versöhnung‘ auf die Überwindung einer Kluft zwischen zwei Parteien. Da sich eine solche Kluft einerseits in zwischenmenschlichen Beziehungen, andererseits in der Beziehung Gott-Mensch manifestieren kann, bezeichnet ‚Versöhnung‘ entweder ein Geschehen auf horizontaler oder auf vertikaler Ebene.“

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wie in 2Kor 5 scheint auch in Kol 1,20 Gott durch Jesus die Menschen mit sich zu versöhnen, während in 1,22 Christus offenbar sowohl Mittler der Versöhnung als auch an ihr beteiligt ist. Wie bereits in 2Kor angedacht, scheint auch hier eine Unterscheidung von Christus und Gott irrelevant zu werden. Der Vorgang der Versöhnung wird auch in diesem Abschnitt genauer ausgeschmückt und somit betont: In Kol 1,20 wird der Begriff des Versöhnens daran gekoppelt, dass Jesus durch das Blut des Kreuzes Frieden geschaffen hat (İੁȡȘȞȠʌȠȚ੾ıĮȢ įȚ੹ IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ıIJĮȣȡȠ૨ Į੝IJȠ૨). Dann wird der frühere Zustand der Adressierten als entfremdet und feindlich (ਕʌȘȜȜȠIJȡȚȦȝ੼ȞȠȣȢ țĮ੿ ਥȤșȡȠȪȢ) dargestellt, woraufhin nochmals die Versöhnung durch Jesu Tod erwähnt wird, die diesen Zustand in einen der Heiligkeit umwandelt. Auch in Eph 2,16 wird die Versöhnungsfunktion erwähnt, wobei es hier nicht nur um eine Versöhnung zwischen Menschen und Gott, sondern auch zwischen Angehörigen des Judentums und Heidentums geht: In Eph 2,14f. wurde bereits ausgeführt, dass Jesu Tod dazu geführt hat, die jüdischen Gesetzesvorschriften aufzulösen und damit das, was das Judentum vom Heidentum trennt und zwischen beiden Feindschaft (਩ȤșȡĮ) entstehen lässt. Christus lässt diese Parteien zu einem neuen Menschen werden „und er versöhnt die beiden in einem Leib mit Gott durch das Kreuz, indem er die Feindschaft in sich selbst tötet“ (țĮ੿ ਕʌȠțĮIJĮȜȜ੺ȟૉ IJȠઃȢ ਕȝijȠIJ੼ȡȠȣȢ ਥȞ ਦȞ੿ ıઆȝĮIJȚ IJ૶ șİ૶ įȚ੹ IJȠ૨ ıIJĮȣȡȠ૨, ਕʌȠțIJİ઀ȞĮȢ IJ੽Ȟ ਩ȤșȡĮȞ ਥȞ Į੝IJ૶; Eph 2,16). An dieser Stelle steht die Versöhnungsdeutung im Zusammenhang einer spannungsvollen Metaphernkombination. Das deutsche Verb „versöhnen“ stammt vom mittelhochdeutschen „versühnen“ ab und steht daher bereits etymologisch in engem Zusammenhang mit „Sühne“.189 Obwohl „Sühne“ im biblischen Sinn in den meisten Fällen in kultischen Zusammenhängen steht und das Konzept der Versöhnung somit weiter gefasst wird, kann beides doch eng zusammenhängen, wenn Sühne als das angesehen wird, was Versöhnung ermöglicht. Somit sollten die (wenigen) Abschnitte des Neuen Testaments, in denen Jesu Tod mit einem Terminus gedeutet wird, der im Deutschen mit „Sühne“ bzw. „sühnen“ wiedergegeben werden kann, an dieser Stelle ebenfalls thematisiert werden. Zunächst ist hier der Begriff ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ in Röm 3,25 zu nennen, der äußerst unterschiedlich übersetzt wurde und wird, wobei er einen konkreten Ort bzw. Gegenstand (etwa die Kapporet) oder einen abstrakten Sachverhalt („Sühne“ generell) bezeichnen kann. Versteht man den Ausdruck als Hinweis auf die Kapporet, so legt sich eine Anspielung auf den Versöhnungstag nahe. Auch wenn ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ generell als „Sühne“ aufgefasst wird, scheint durch das in dem Abschnitt dominante Begriffsfeld der Rechtsprechung und durch die Verwendung von ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ in V. 24 auch eine allgemeine Versöhnung mit angedacht zu sein.

189

Vgl. DUDENREDAKTION, Herkunftswörterbuch, 894.

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Etymologisch verwandt ist der Begriff ੂȜĮıȝંȢ, der im Neuen Testament nur in 1Joh 2,2 und 4,10 vorkommt, jeweils in Verbindung mit der „für Sünden“-Deutung.190 Auch hier ist nicht ganz klar, wie dieser Terminus auszulegen und zu übersetzen ist, wie bereits dargestellt wurde. In der Lutherübersetzung (Rev. 2017) wird er tatsächlich mit „Versöhnung“ wiedergegeben, wobei aber aufgrund möglicher kultischer Konnotationen, die gerade in 1Joh 2,2 möglich sind, „Sühne“ passender erscheint. Auch eine Deutung des Ausdrucks im Sinne der Opfermetapher, durch die dann die Versöhnungsdeutung jedoch sekundär werden würde, ist nicht auszuschließen. Eine weitere Variante findet sich in der Verbform ੂȜȐıțȠȝĮȚ, die als substantivierter Infinitiv in Hebr 2,17 vorkommt. Von seiner Grundbedeutung her kann dieses Wort auf Gottheiten bezogen „beschwichtigen“ heißen, auf Menschen bezogen aber auch im Sinne von „versöhnen“ stehen.191 Da sich das Akkusativobjekt „die Sünden des Volkes“ (IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ IJȠ૨ ȜĮȠ૨) jedoch darauf bezieht, ist eine Wiedergabe mit „sühnen“ hier passender. Jesus wird an dieser Stelle als Hohepriester eingeführt, der zu eben dieser Sühne und zur Hilfe für die Menschen ihnen gleichgestaltet wird. Der Abschnitt Hebr 2,14–18 ist insgesamt durch eine besondere Deutungsfülle geprägt, bei der verschiedene Motive anklingen. In 2,17 steht offenbar die Jom-Kippur-Typologie und damit verbunden die Opfermetaphorik im Hintergrund ohne an dieser Stelle bereits ausdrücklich realisiert zu werden. Dementsprechend ist die Versöhnungsdeutung hier nicht explizit ausgeführt, muss aber generell mit bedacht werden. An zwei weiteren Stellen verwendet der Hebräerbrief den Terminus „Vergebung“ (ਙijİıȚȢ). In Hebr 9,22 steht er ohne Genitivattribut, was sonst im Neuen Testament eher selten ist. Die Tatsache, dass Jesu Blut reinigende Kraft hat, die bereits in 9,14 beschrieben wurde, wird durch einen Rekurs auf den Bundesschluss und die Funktion des Blutes darin untermauert. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass nach dem Gesetz alles mit Blut gereinigt wird „und ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung“ (țĮ੿ ȤȦȡ੿Ȣ ĮੂȝĮIJİțȤȣı઀ĮȢ Ƞ੝ Ȗ઀ȞİIJĮȚ ਙijİıȚȢ). In Hebr 10,18 bezieht sich die Vergebung spezifischer auf die Sünden. Der Vers dient dazu, im Rückgriff auf das zuvor angeführte Zitat aus Jer 31 darzulegen, dass keine weiteren Opfer nötig sind, da in dem einmaligen Opfer Christi die Sündenvergebung bereits geschehen ist. Insgesamt lassen sich im Hebräerbrief also nur stellenweise mit der Versöhnung verwandte Begriffe bzw. Konzepte ausmachen. Allerdings stehen viele Abschnitte, insbesondere in Kap. 9f., vor dem Hintergrund des Jom Kippur und von daher muss angenommen werden, dass die Funktionsdeutung um die Begriffe Versöhnung, Vergebung und Sühne deutlich dominanter ausfällt, als dies auf der Wortebene den Anschein hat.

190 191

S.o., Abschnitt 5.2.1. Vgl. LIDDELL/SCOTT/JONES, Greek-English Lexicon, 828.

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Eine weitere Stelle, in der die Versöhnungsdeutung mit anklingt, die aber sprachlich keine Parallele im sonstigen Neuen Testament hat, stellt 1Petr 3,18 dar. Jesus hat als Gerechter für die Ungerechten gelitten, „damit er euch zu Gott bringt/führt“ (੆ȞĮ ਫ਼ȝ઼Ȣ ʌȡȠıĮȖ੺Ȗૉ IJ૶ șİ૶). Das Leiden und der Tod Jesu führen somit zu einer größeren Nähe zu Gott, ohne dass spezifiziert wird, wie dies gemeint ist. Dabei steht dieser Aspekt im Zusammenhang einer Fülle weiterer Deutungen: einer ਫ਼ʌȑȡ-Formulierung mit Personenangabe, dem Ausdruck ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ sowie der Vorbildfunktion. Schließlich changiert die Bedeutung von ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ („Loskauf“/„Erlösung“) je nach Auslegung zwischen der Versöhnungs- und der Befreiungsdeutung. In den Fällen, in denen durch den Kontext ersichtlich wird, dass der Begriff als aktive Metapher gebraucht wird, steht klar die Befreiungsdeutung im Vordergrund. Wenn jedoch auch eine Bewertung als konventionalisierte Metapher in Betracht kommt, kann „Erlösung“ auch eher in dem Sinne verstanden werden, dass eine positive Gottesbeziehung hergestellt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn im Kontext bereits andere Begrifflichkeiten vorkommen, die die Versöhnungsdeutung nahelegen. Stellen, an denen ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ möglicherweise (auch) im Sinne der Versöhnung gebraucht wird, sind vor allem Röm 3,24, Eph 1,7, Kol 1,14 und Hebr 9,15. In Röm 3,24 folgt das Schlagwort ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ, in den beiden Stellen aus Kol und Eph steht im direkten Umfeld der Begriff ਙijİıȚȢ, während dieser in Hebr 9,15 einige Verse später fällt. Auch in der Befreiung bzw. Erlösung von den Sünden, die in Apk 1,5 durch das Verb ȜȪȦ ausgedrückt wird, kann die Versöhnung zumindest als zusätzliche Bedeutung eine Rolle spielen. Insgesamt zeigt sich, dass die Versöhnungsdeutung sprachlich sehr unterschiedlich ausgestaltet werden kann, wodurch sie als Konzept vage und schwer abzugrenzen ist. Die Dominanz und Ausprägung des Motivs fällt in den neutestamentlichen Schriften sehr unterschiedlich aus. In den Erzähltexten und den Pastoralbriefen ist es nicht klar auszumachen. 5.2.4. Befreiung Auch die Deutung, dass Jesu Tod eine befreiende Wirkung hat, wird im Neuen Testament sprachlich auf verschiedene Weise ausgedrückt, ist aber insgesamt etwas leichter greifbar. Wie bereits angedeutet, gibt es Ausdrücke, die sowohl im Sinne der Versöhnung als auch der Befreiung gedeutet werden können. Auch sonst gibt es Berührungspunkte zu anderen Interpretamenten. Insbesondere die Deutung, dass Jesus „für Sünden“ bzw. zur Vergebung von Sünden starb, ist in diesem Zusammenhang zu nennen, wenn man diese Vergebung als einen Akt der Befreiung versteht. Zudem ist die Befreiung der nächstliegende Ground für die Loskaufmetaphorik. Daher werden hier die Stellen mit diesem Motiv ebenfalls angeführt, ohne dass die Metaphorik eingehender beleuchtet wird. Dies erfolgt weiter unten (Abschnitt 6.2.1.). Daneben gibt es jedoch noch

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einige Passagen, die die Befreiungsdeutung ausdrücken, ohne auf das Loskaufmotiv zurückzugreifen. Stark metaphorisch aufgeladen sind solche Abschnitte, in denen von einem Lösegeld (ਕȞIJȓ-)ȜȣIJȡȠȞ die Rede ist, also Mk 10,45; Mt 20,28 und 1Tim 2,6. Man wird hierbei wohl von einer frühchristlichen Überlieferung ausgehen, die zu den älteren Schichten der Todesdeutungen gehört. Anklänge an das Lösegeldwort bieten auch Passagen, in denen das korrespondierende Verb ȜȣIJȡȩȦ verwendet wird, nämlich Tit 2,14 und 1Petr 1,18f.192 Tit 2,14 weist dabei sprachlich deutliche Parallelen zum Lösegeldwort auf, da auch hier die Hingabe Jesu angesprochen wird und wie in 1Tim 2,6 eine ਫ਼ʌȑȡ-Wendung vorliegt. Der metaphorische Gehalt scheint jedoch weniger stark hervorzukommen. Das, wovon befreit werden soll, sind „alle Gesetzlosigkeiten“ (ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਕȞȠȝ઀ĮȢ). Dies steht neben der metaphorischen Funktion der Reinigung und Aussonderung des Volkes. Hierdurch scheint das Verb eher im Sinne einer konventionalisierten Metapher gebraucht zu sein, wodurch sich eine Übersetzung mit „erlösen“ an dieser Stelle nahelegt. Dabei können Aussagen über die Aktivität der Metapher nur anhand des Kontextes getroffen werden und sind dementsprechend nicht letztgültig. In 1Petr 1,18f. wird jedenfalls sehr deutlich, dass mit beiden Bedeutungen des Verbs, im metaphorischen und konventionalisierten Sinn, gespielt wird. Der aktive Teil der Metapher wird durch die Bezeichnung der Geldmittel in V. 18 hervorgerufen. Demgegenüber entfaltet der darauffolgende Vers mit dem Rekurs auf das Blut und das Lamm eher die Bedeutung „erlösen“. Offenbar ist zumindest ein Teil der beiden Verse ebenfalls aus frühchristlicher Tradition übernommen, wie der einleitende Verweis auf das Vorwissen der Adressierten nahelegt. Auch die Metaphernkombination ist bemerkenswert. In begrifflicher Nähe zu ȜȪIJȡȠȞ bzw. ȜȣIJȡȩȦ steht außerdem (ਕʌȠ-)ȜȪIJȡȦıȚȢ. Bei einigen Textpassagen hängt von der Auffassung dieses Wortes ab, ob eine Loskaufmetapher vorliegt oder nicht, denn noch stärker als bei den anderen Bedeutungen kann es im konventionaliserten Sinn „Erlösung“ gebraucht werden. Aus den meisten Erwähnungen dieses Begriffs im Neuen Testament lässt sich schließen, dass es sich um eine generell „schlafende“ Metapher handelt, die aber durch den Kontext leicht reaktivierbar ist. In Röm 3,23–25 etwa wird durch die im Kontext verwendete Begrifflichkeiten ਫ਼ıIJİȡȑȦ („ermangeln“), įȦȡİȐȞ („umsonst“) und ʌȐȡİıȚȢ („Erlass“) eine ökonomische Dimension ersichtlich, wodurch sich eine Interpretation von ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ (V. 24) als „Loskauf“ nahelegt. In Eph 1,7 und Kol 1,14 wird dies weniger deutlich. In beiden Fällen steht der Begriff, wie oben bereits erwähnt, im Zusammenhang 192 Das Verb begegnet zudem in Lk 24,21, drückt hier aber die enttäuschten Erwartungen der Emmausjünger an Jesus als den angekündigten Messias aus, die in ihren Augen angesichts seines Todes nicht erfüllt werden. Daher ist kein direkter Bezug auf sein Sterben gegeben.

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der Sündenvergebung, was eher den generellen Sinn „Erlösung“ evoziert und die Ausführungen in die Nähe der Versöhnungsdeutung rückt. Allerdings muss beachtet werden, dass der hier verwendete griechische Terminus ਙijİıȚȢ auch den Schuldenerlass bezeichnen kann, was wiederum das semantische Feld der Wirtschaft ins Spiel bringt. Hinzu kommt in Eph 1,7 der Verweis auf den Reichtum (ʌȜȠ૨IJȠȢ) der Gnade Christi. Daher kann zumindest in Eph 1,7 von einer gewissen Aktivität der Metapher gesprochen werden. In Hebr 9,12.15 fällt der Begriff (ਕʌȠ-)ȜȪIJȡȦıȚȢ (in 9,12 ohne Präfix) im Kontext einer sehr dichten Passage, die von Opfermetaphorik dominiert wird. Da diese im Vordergrund steht, scheint der Terminus hier tendenziell im allgemeinen Sinn „Erlösung“ gebraucht zu sein, wodurch der Aspekt der Befreiung in den Hintergrund gerät und man die Aussage eher im Sinne von „Vergebung“ verstehen kann. Dennoch könnte das Verb İਫ਼ȡȓıțȦ (Grundbedeutung „finden“), mit dem ȜȪIJȡȦıȚȢ in V. 12 verbunden ist, auch im Sinne von „erwerben“ aufgefasst werden (so etwa die Lutherübersetzung Rev. 1984), wodurch der ursprünglich metaphorische Gehalt von ȜȪIJȡȦıȚȢ zumindest teilweise reaktiviert werden würde und somit auch die Deutung des Freimachens stärker zur Geltung kommen würde. Schließlich drückt auch das Verb ȜȪȦ, das auf den Tod Jesu bezogen in Apk 1,5 auftaucht, von der Grundbedeutung einen Akt der Befreiung aus. Ähnlich wie ȜȣIJȡȩȦ wurde auch dieser Begriff generalisiert und im übertragenen Sinn zur Beschreibung des Erlösungsgeschehens verwendet. Anders als die anderen bereits erwähnten Termini ist ȜȪȦ dabei von seiner Grundbedeutung her nicht auf das Zahlen von Lösegeld beschränkt, sondern kann auf verschiedene Arten der Befreiung verweisen. Dadurch, dass in Apk 1,5 das Verb mit der Wendung „von unseren Sünden“ (ਥț IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ) verbunden ist, scheint der Vers ähnlich angelegt zu sein wie Sätze, in denen die Vergebung (bzw. das Freimachen) von Sünden durch das Substantiv ਙijİıȚȢ ausgedrückt wird. In Apk 1,5 schwingen sowohl die Funktion der Befreiung als auch der Versöhnung mit und es kann nicht genau ausgemacht werden, welche dominiert. Neben dem geschilderten Begriffskomplex dient vor allem das Verb ਕȖȠȡȐȗȦ („kaufen“) dazu, die Loskaufmetapher im Neuen Testament auszudrücken. Obwohl dieser Terminus an sich generell und neutral gehalten ist, muss als Hintergrund der entsprechenden Aussagen wohl klar der Loskauf aus Sklaverei oder (Kriegs-)Gefangenschaft angesehen werden. Die Funktionsdeutung der Befreiung wird somit hier durch den metaphorischen Ground entfaltet, ist dadurch aber weniger offensichtlich als in den bereits behandelten Begrifflichkeiten. Mit Bezug auf den Tod Jesu kommt ਕȖȠȡȐȗȦ zunächst vor allem in den Protopaulinen vor. In 1Kor 6,20 und 7,23 wird das Verb jeweils durch IJȚȝોȢ (etwa „für einen Preis“/„teuer“) genauer bestimmt. Die Aussagen stehen jeweils im Zusammenhang paränetischer Aufforderungen. Dabei wird die Art des „Erkauft-Seins“ nicht genauer ausgeführt und auch auf Jesu Tod wird nicht

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detailliert eingegangen. Dies ist anders in Gal 3,13, wo Jesu Tod vor dem Hintergrund von Dtn 21,23 ausgedeutet wird. Hier wird das sonst weniger gebräuchliche ਥȟĮȖȠȡȐȗȦ verwendet. Das durch die Vorsilbe erzeugte Bild des „Herauskaufens“ referiert dabei stärker auf den Bedeutungshintergrund des Loskaufs als das einfache Verb. Ein Verweis darauf, dass Jesus die Menschen erkauft hat, findet sich unter Verwendung von ਕȖȠȡȐȗȦ auch in 2Petr 2,1. Ähnlich wie in 1Kor handelt es sich auch dort eher um eine Nebenbemerkung. Ein Bezug zum Tod Jesu wird nicht explizit ausgedrückt, erscheint aber vor dem Hintergrund der sonstigen Verwendung des Loskaufmotivs naheliegend. Auch in der Apokalypse taucht ਕȖȠȡȐȗȦ mehrfach auf. In Apk 5,9–10 wird die Schlachtung des Lamms damit verbunden, dass es Menschen für Gott erkauft hat. Ähnlich wie in Apk 1,5 liegt auch hier eine Verbindung mit dem Blutmotiv vor, da das Blut in Apk 5 die Funktion eines Zahlungsmittels einnimmt. Kontextuell ist diese Erwähnung in eine Akklamation („würdig“-Ruf) der 24 Ältesten eingebunden, das heißt das Lamm wird von diesen angesprochen. Wichtig ist an dieser Stelle die Multinationalität der Erkauften und dass diese durch diesen Akt in Königsherrschaft und Priestertum eingesetzt werden. In Apk 14,3–4 wird das Motiv der Erkauften bei gleichbleibender Terminologie wieder aufgegriffen. Da Formulierungen mit ਕȖȠȡȐȗȦ in verschiedenen neutestamentlichen Schriften vorkommen, scheint dieser Begriff in Verbindung mit dem Tod Jesu ebenfalls eine Sprechweise darzustellen, die bereits auf urchristliche mündliche Überlieferung zurückgeht, möglicherweise in Verbindung mit oder in Abhängigkeit vom Lösegeldwort. Dass frühchristliche Terminologie aufgegriffen wurde, bedeutet jedoch noch nicht, dass einzelne der oben aufgeführten Abschnitte wörtlich als Traditionsgut aufzufassen seien. Daneben begegnen im Neuen Testament einige Passagen, in denen die Deutung des Freimachens auf andere Weise ausgedrückt wird. Eine Möglichkeit, das in Apg 20,28 verwendete Verb ʌİȡȚʌȠȚȑȦ aufzufassen und zu übersetzen, ist „erwerben“, was wiederum das Loskaufmotiv und darin den Aspekt der Befreiung aufgreifen würde. Im Römerbrief hingegen wird die befreiende Wirkung des Todes Jesu auch unabhängig vom Loskaufmotiv ausgedrückt. Die beiden relevanten Stellen Röm 6,7 und 7,6 stehen relativ nah beieinander. In beiden Fällen ist zudem eine zusätzliche Deutung durch das Mitvollzugsmotiv sowie ein metaphorischer Kontext gegeben, bzw. das Verbum, das das Freisprechen ausdrückt, gehört einem spezifischen semantischen Feld an und kann selbst als metaphorisch angesehen werden. Paulus verwendet dabei in Röm 6,7 eine Form von įȚțĮȚȩȦ, was hier offenbar die Bedeutung „(rechtskräftig) freisprechen“ ausdrückt. Das, wovon befreit wird, ist auch an dieser Stelle die Sünde (įİįȚțĮ઀ȦIJĮȚ ਕʌઁ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ). Im Gegensatz dazu ist es in 7,6 das Gesetz, das als Fessel angesehen wird. Das Sterben Jesu und vor allem das metaphorische Mitsterben der Gemeindeglieder hat zur Folge, dass sie „vom Gesetz entbunden werden und im Hinblick darauf sterben“ (țĮIJȘȡȖ੾șȘȝİȞ ਕʌઁ

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

IJȠ૨ ȞંȝȠȣ ਕʌȠșĮȞંȞIJİȢ; țĮIJĮȡȖȑȦ hat eigentlich die Grundbedeutung „unbeschäftigt/nutzlos lassen“193). Dass das Gesetz die Menschen gefangen hält, wird im darauffolgenden Relativsatz durch das Verb țĮIJȑȤȦ nochmals unterstrichen. Daher gehört der Vers zu den Passagen, in denen das befreiende Moment des Todes am deutlichsten hervortritt. Auch im Kolosserbrief wird der Aspekt der Befreiung deutlich, wobei wie im Römerbrief die Erwähnungen in Verbindung mit der Mitvollzugsdeutung und mit Metaphern stehen, in denen der Tod das Vehicle darstellt. Am eindrücklichsten ist dabei die Passage Kol 2,12–14, insbesondere V. 14, wo die Befreiung aber weniger terminologisch greifbar ist als vielmehr narrativ und bildhaft umschrieben wird: ਥȟĮȜİ઀ȥĮȢ IJઁ țĮș’ ਲȝ૵Ȟ ȤİȚȡંȖȡĮijȠȞ IJȠ૙Ȣ įંȖȝĮıȚȞ ੔ ਷Ȟ ਫ਼ʌİȞĮȞIJ઀ȠȞ ਲȝ૙Ȟ, țĮ੿ Į੝IJઁ ਷ȡțİȞ ਥț IJȠ૨ ȝ੼ıȠȣ ʌȡȠıȘȜઆıĮȢ Į੝IJઁ IJ૶ ıIJĮȣȡ૶ (wörtlich: „ausgelöscht habend die Schuldhandschrift gegen uns durch die Gesetze, die gegen uns war, und er hat sie weggenommen aus der Mitte angenagelt habend sie an das Kreuz“). Dass diese Handlung eine befreiende Wirkung hat, legt sich zwar leicht nahe, muss aber noch von den Adressierten erschlossen werden. Thematisch gibt es hier Nähen zu der in Röm 6,7 formulierten Freisprechung. Auch im kurz darauf folgenden Vers Kol 2,20 klingt das Motiv der Befreiung an, jedoch nur indirekt durch die Frage „Warum unterwerft ihr euch Verordnungen wie solche, die in der Welt leben?“ (IJ઀ ੪Ȣ ȗ૵ȞIJİȢ ਥȞ țંıȝ૳ įȠȖȝĮIJ઀ȗİıșİ). Durch die beschriebene Tilgung der Schuld ist dies, so der Verfasser, nicht mehr notwendig, denn wer mit Jesus gestorben ist, ist vom menschlichen Gesetz befreit. Neben dem bereits erwähnten Vorhandensein von (ਕʌȠ-)ȜȪIJȡȦıȚȢ in Hebr 9 kommt die Funktion des Freimachens in besonders expliziter Form noch einmal zu Beginn des Hebräerbriefs, in Hebr 2,15 vor: Jesu Tod befreit diejenigen, die aus Furcht vor dem Tod ihr Leben lang versklavt sind. Das griechische Verb ਕʌĮȜȜȐııȦ drückt dabei die Befreiung deutlich aus ௅ es ist die Vokabel, die am ehesten als Pendant zum deutschen Verb „befreien“ gesehen werden kann. Gleichzeitig ist mit dem Wort įȠȣȜİȓĮ ein klarer Verweis auf die Sklaverei gegeben. Der Hintergrund ist also ein ganz ähnlicher wie bei der Loskaufmetaphorik, auch wenn hier etwas genereller formuliert wird. Diese Deutung ist hier die einzig explizite von mehreren Funktionsdeutungen. Auch Zwangsläufigkeitsdeutungen sowie verschiedene direkte und indirekte Sprechweisen liegen in diesem sehr dichten Abschnitt vor. Er ist insgesamt interessant, zumal durch das Motiv des Freimachens die Loskaufmetaphorik indirekt ins Spiel kommt (nicht, wie sonst, umgekehrt) und mit der wiederum indirekten Opfermetaphorik verbunden wird.

193

Vgl. LIDDELL/SCOTT/JONES, Greek-English Lexicon, 908.

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5.2.5. Mitvollzug ࣓ Partizipation Ähnlich wie die Deutung der Befreiung durch den Tod Jesu, sogar noch deutlicher, ist auch das Mitvollzugs-Motiv eng mit einer metaphorischen Sprechweise verbunden: mit Metaphern, in denen der Tod Jesu das Vehicle darstellt. Dies ist klar ersichtlich, denn die Aussage, dass Menschen „mit“ Jesus gestorben sind, bezieht sich durchweg auf Menschen, die noch am Leben sind, so dass dieses Sterben zwangsläufig auf metaphorischer Ebene gedeutet werden muss. Die Mitvollzugsdeutung ist vor allem bei Paulus sowie im Kolosser- und Epheserbrief dominant, taucht jedoch auch in allen anderen neutestamentlichen Textgattungen und -gruppen mit Ausnahme der Apostelgeschichte auf, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung. Wengst argumentiert ௅ allerdings im Kontext der Auferweckungsformeln ௅ dass möglicherweise eine Art von Mitvollzugs-Motiv aus den Mysterienreligionen übernommen wurde bzw. durch ihren Einfluss oder in Auseinandersetzung mit ihnen entstand: Der Gedanke, daß das Schicksal des Gottes am Gläubigen nachvollzogen wird und zwischen beiden Ereignissen ein Begründungsverhältnis besteht, ist in der religiösen Umwelt des Paulus vorgegeben, und zwar im Bereich der hellenistischen Mysterienreligionen. Hier wird das Schicksal des Kultgottes – zumeist dessen Tod und Wiederbelegung [sic!] – vom Mysten nacherlebt, der auf diese Weise wiedergeboren und vergottet wird, den Schicksalsmächten entnommen und eines besseren Loses im Jenseits gewiß ist.194

Dabei stellt er aber auch einen deutlichen Unterschied fest: „Gegenüber seiner Verwendung in den Mysterien zeigt sich bei Paulus eine Differenz in der Zeit: Was dort als in der Gegenwart verwirklicht gilt, ist bei ihm etwas für die Zukunft Erwartetes, d.h. er spannt das von den Mysterien übernommene Denkschema in einen eschatologischen Rahmen, wie es der jüdischen Erwartung entspricht.“195 Allerdings ist dies im Hinblick auf den Mitvollzug des Todes Jesu zu korrigieren. Während die Auferstehung etwas in der Zukunft Erhofftes ist, haben die Gläubigen laut Paulus schon jetzt Anteil an Jesu Sterben. Dies wird dann meist durch eine weitere Funktionsdeutung des Todes Jesu, etwa die Befreiung oder Versöhnung, erläutert, die bereits in der Jetztzeit für die Adressierten relevant ist. Sprachlich wird die Mitvollzugsdeutung oft durch die Präposition ıȪȞ („mit“) ausgedrückt, die entweder allein steht oder als Präfix mit einem Verb verbunden ist. Auch parallele Formulierungen, in denen etwa dieselbe Verbform auf Christus und die Gemeinde bezogen wird, machen das Motiv deutlich. Daneben kann es auch durch andere Wendungen ausgedrückt werden, die ıȪȞFormulierungen weiter verstärken oder bei konzeptueller Nähe ersetzen, oder

194 195

WENGST, Christologische Formeln, 39. A.a.O. 40.

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die Deutung wird allein durch eine Metapher mit dem Tod als Vehicle ausgedrückt. In den narrativen Texten der Evangelien ist die Deutung nicht so stark auszumachen, da im Großteil des Textbestands an Jesus als den Lebendigen erinnert wird. In einzelnen Formulierungen klingt sie jedoch an, etwa im Aufruf, sein Kreuz auf sich zu nehmen, und der Aussage, dass im Lebensverlust die eigentliche Rettung des Lebens enthalten ist (Mk 8,34–35par). Auch die Wiederholung der Verbformen in Mk 10,38–39 (eingeschränkter und nur auf den Kelch bezogen auch in der Parallele Mt 20,22–23) rückt diese Passage in die Nähe des Mitvollzugs: „Den Kelch, den ich trinke, werdet ihr trinken und mit der Taufe, mit der ich getauft werde, werdet ihr getauft werden“ (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ ʌ઀İıșİ țĮ੿ IJઁ ȕ੺ʌIJȚıȝĮ ੔ ਥȖઅ ȕĮʌIJ઀ȗȠȝĮȚ ȕĮʌIJȚıș੾ıİıșİ; Mk 10,39). Allerdings ist hier, wie auch in Mk 8,34–35, wohl der reale Tod der Jesusjünger angedacht, wodurch sich eine deutliche Differenz zur Verwendung des Motivs in der Briefliteratur abzeichnet. Man kann daher wohl an dieser Stelle treffender von Nachahmung und Nachfolge sprechen, vom Teilen des Schicksals Jesu und sogar von seinem Vorbildcharakter. Dies überlappt sich freilich auch mit dem Mitvollzug, ist jedoch nicht deckungsgleich damit. Klarer erkennbar ist diese Deutung in den Protopaulinen, wo sie eine sehr häufige funktionale Deutung des Todes Jesu darstellt. Im Römer-, Galater- und Philipperbrief ist sie jeweils mit etwa einem Drittel der Erwähnungen des Todes Jesu verbunden, während sie im zweiten Korintherbrief sogar in mehr als der Hälfte der Erwähnungen auftaucht. Umso überraschender ist die Tatsache, dass sie in 1Kor und 1Thess überhaupt nicht auftritt. Dies deutet darauf hin, dass diese Sprechweise für Paulus in manchen argumentativen Zusammenhängen sinnvoll erscheint, dies jedoch von der konkreten Situation der angesprochenen Gemeinde sowie von der paränetischen Intention des jeweiligen Briefs abhängt. In den relevanten Passagen des Römerbriefs, Röm 6,2–11; 7,4–6 und 8,17 liegt jedes Mal auch eine Metapher mit dem Tod als Vehicle vor. Der erste Abschnitt ist dabei der, in dem die Mitvollzugsdeutung im Neuen Testament am ausführlichsten dargestellt wird.196 Paulus will dadurch für die Abkehr von Sünden werben, dass er den Adressierten, zu denen er sich durch die Anrede auch selbst rechnet, versichert: „wir sind der Sünde gestorben“ (ਕʌİș੺ȞȠȝİȞ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺; 6,2). Wie ist dieser metaphorische Tod zustande gekommen? Durch die Taufe auf Christus, denn „in seinen Tod sind wir getauft worden“ (İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ Į੝IJȠ૨ ਥȕĮʌIJ઀ıșȘȝİȞ; 6,3 – in ganz ähnlichem Wortlaut wiederholt in 6,4). Der Mitvollzug des Todes wird dabei an dieser Stelle besonders bildhaft ausgemalt: Der alte Mensch „wurde mitgekreuzigt“ (ıȣȞİıIJĮȣȡઆșȘ; 6,6), so dass wir „mit Christus gestorben sind“ (ਕʌİș੺ȞȠȝİȞ ıઃȞ ȋȡȚıIJ૶; 6,8) und „mitbestattet wurden“ (ıȣȞİIJ੺ijȘȝİȞ; 6,4). Kurzum: „wir sind Zusammengewachsene geworden in der Gleichheit seines Todes“ (ı઄ȝijȣIJȠȚ ȖİȖંȞĮȝİȞ 196

S.u., Abschnitt 2.1.4. des vierten Kapitels.

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IJ૶ ੒ȝȠȚઆȝĮIJȚ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ Į੝IJȠ૨; 6,5). Hier wird eine weitere Metapher eingeführt, um den Sachverhalt zu verdeutlichen. Allerdings bleibt der Mitvollzug nicht auf das Sterben begrenzt, denn das Zusammenwachsen betrifft auch die Auferstehung und Paulus bestärkt die Hoffnung: „wir werden mit Christus leben“ (ıȣȗ੾ıȠȝİȞ Į੝IJ૶; 6,8). Am Ende des Abschnitts kehrt Paulus zum Ausgangspunkt zurück. Jesu Tod geschah einmalig. Er ist für die Sünde gestorben (IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ ਕʌ੼șĮȞİȞ ਥij੺ʌĮȟ; 6,10), in dem Sinn, dass er deren Wirkbereich einschränkt. Darum bedeutet der von ihm geschilderte Mitvollzug, dass auch die Adressierten für die Sünde tot sind ([İੇȞĮȚ] ȞİțȡȠઃȢ ȝ੻Ȟ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺; 6,11). Das Motiv des metaphorischen Sterbens wird in 7,4–6 erneut aufgegriffen, jedoch weitaus weniger ausführlich. Eine Akzentverschiebung findet dadurch statt, dass die Gläubigen nicht für die Sünden, sondern für das Gesetz sterben: „auch ihr seid gestorben für das Gesetz durch den Leib Christi“ (țĮ੿ ਫ਼ȝİ૙Ȣ ਥșĮȞĮIJઆșȘIJİ IJ૶ Ȟંȝ૳ įȚ੹ IJȠ૨ ıઆȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨; 7,4, ähnlich wiederholt in 7,6). Da das Gesetz aber in der paulinischen Argumentation der Sündenerkenntnis dient (vgl. Röm 7,7f. oder bereits 3,20), besteht ein enger Zusammenhang. Der Verweis auf Christi Leib stellt den Mitvollzug einerseits bildhafter dar und bildet gleichzeitig einen Bezug zum Abendmahl. Es wird deutlich, dass der Mitvollzug in den meisten Fällen mit der direkten Sprechweise vom Tod Jesu verbunden ist. Allerdings gibt es auch hierfür Ausnahmen, so z.B. in Röm 8,17, wo vom „Mitleiden“ (ıȣȝʌȐıȤȦ) die Rede ist, das mit der „Mit-Verherrlichung“ (ıȣȞįȠȟȐȗȦ) verbunden ist, wobei beides unter dem Vorzeichen steht, dass die Gläubigen „Miterben“ Christi (ıȣȖțȜȘȡȠȞંȝȠȚ ȋȡȚıIJȠ૨) sind. Der metaphorische Gehalt der Aussage ist dabei weitaus weniger stark, da das Leiden auch den Lebenden möglich ist. Auch zu Beginn des zweiten Korintherbriefs findet sich in 1,5 die indirekte Sprechweise durch den Verweis auf Jesu Leiden: „die Leiden Jesu sind für uns überreich vorhanden“ (ʌİȡȚııİ઄İȚ IJ੹ ʌĮș੾ȝĮIJĮ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ İੁȢ ਲȝ઼Ȣ). Wie auch in Röm 8,17 wird ein Bezug zum Tod Jesu lediglich angedeutet. Möglicherweise erklärt sich diese Stelle jedoch aus den nachfolgenden Passagen, in denen das Mitvollzugs-Motiv vorkommt. Überhaupt ist in 2Kor gegenüber Röm auffällig, dass diese Deutung, obwohl häufig, weitaus weniger stark ausgeführt und auf andere Weise ausgedrückt wird als durch ıȪȞ, das nur einmal vorkommt und dann auch nicht direkt auf Jesu Tod bezogen ist. In 2Kor 4,10 folgt zunächst eine starke Metapher, die vielleicht an 1,5 erinnern oder dies weiter erläutern soll: Um die Bedrängnis der Verkünderinnen und Verkünder des Christentums zu betonen, schreibt Paulus, dass sie „immer den Tod Jesu am Leib herumtragen“ (ʌ੺ȞIJȠIJİ IJ੽Ȟ Ȟ੼țȡȦıȚȞ IJȠ૨ ੉ȘıȠ૨ ਥȞ IJ૶ ıઆȝĮIJȚ ʌİȡȚij੼ȡȠȞIJİȢ). Dadurch soll aber auch gleichsam das Leben Jesu offenbar werden. Die Mitvollzugsthematik hat hier also keine genuin soteriologische Bedeutung, sondern steht im Kontext der Bezeugung von Tod und Auferstehung Jesu. Zudem macht sie das gegenwärtige Leiden der Christen und Christinnen erträglicher, ähnlich wie dies in manchen Stellen der Vorbilddeutung der Fall ist. Mit stärkerem soteriologischen Bezug steht

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2Kor 5,14, wo der Mitvollzug als eine Konsequenz des Todes Jesu ausgedrückt wird und mit einer ਫ਼ʌȑȡ-Wendung verbunden ist: „einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben“ (İੈȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ʌ੺ȞIJȦȞ ਕʌ੼șĮȞİȞ, ਙȡĮ Ƞੂ ʌ੺ȞIJİȢ ਕʌ੼șĮȞȠȞ). Die Sterbeformel mit ਫ਼ʌȑȡ wird im folgenden Vers noch einmal wiederholt und mit einer zweiten, positiven Funktion verbunden, der Tatsache, dass die Lebenshingabe dazu führt, dass die Lebenden nicht mehr für sich, sondern für Christus leben (੆ȞĮ Ƞੂ ȗ૵ȞIJİȢ ȝȘț੼IJȚ ਦĮȣIJȠ૙Ȣ ȗ૵ıȚȞ ਕȜȜ੹ IJ૶ ਫ਼ʌ੻ȡ Į੝IJ૵Ȟ ਕʌȠșĮȞંȞIJȚ țĮ੿ ਥȖİȡș੼ȞIJȚ). Einen Grenzfall stellt 2Kor 13,4 dar: Jesus „wurde gekreuzigt aus Schwachheit (ਥıIJĮȣȡઆșȘ ਥȟ ਕıșİȞİ઀ĮȢ), aber lebt aus der Macht Gottes (ਕȜȜ੹ ȗૌ ਥț įȣȞ੺ȝİȦȢ șİȠ૨). Denn auch wir sind in ihm schwach (țĮ੿ Ȗ੹ȡ ਲȝİ૙Ȣ ਕıșİȞȠ૨ȝİȞ ਥȞ Į੝IJ૶), aber werden mit ihm aus der Macht Gottes leben (ਕȜȜ੹ ȗ੾ıȠȝİȞ ıઃȞ Į੝IJ૶ ਥț įȣȞ੺ȝİȦȢ șİȠ૨)“. Die Parallelität der beiden Sätze ist klar erkennbar. Die zentralen Bezugspunkte sind jedoch die Schwachheit und das Leben, während Jesu Tod zwar mit der Schwachheit verbunden ist, aber nicht für die Charakterisierung des Mitvollzugs im Vordergrund steht. Das ıȪȞ betont dabei die Verbindung von Christus und den Menschen lediglich im Hinblick auf das Leben. In allen Erwähnungen des Mitvollzugs in 2Kor ist immer auch eine positive Komponente gegeben: der Tod wird mit dem Leben verbunden (4,10; 5,14–15; 13,4), das Leiden mit dem Trost (1,5). Alle drei Deutungen der Partizipation im Galaterbrief sind mit Metaphern verbunden, in denen Jesu Tod das Vehicle darstellt. In Gal 2,19–21 steht dies in einem größeren Deutungskomplex, der an die Ausführungen des Römerbriefs erinnert und ebenfalls von einem starken Nebeneinander von Sterben und Leben geprägt ist. In V. 19 erklärt Paulus zunächst den persönlichen Mitvollzug: „Denn ich bin durch das Gesetz für das Gesetz gestorben, damit ich für Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt worden“ (ਥȖઅ Ȗ੹ȡ įȚ੹ ȞંȝȠȣ Ȟંȝ૳ ਕʌ੼șĮȞȠȞ, ੆ȞĮ șİ૶ ȗ੾ıȦ. ȋȡȚıIJ૶ ıȣȞİıIJĮ઄ȡȦȝĮȚ). Das Konzept des Sterbens für das Gesetz ähnelt dabei den paulinischen Aussagen in Röm 7,4– 6, die Vokabel „mitkreuzigen“ fällt ebenfalls in Röm 6,6. Da die Datierung beider Briefe und die Abfolge der Abfassung unklar ist,197 kann nicht eindeutig gesagt werden, ob Paulus seine Ausführungen des Römerbriefs im Galaterbrief komprimiert oder umgekehrt die im Galaterbrief ausgedrückte Grundidee im Römerbrief weiter erklärt. Jedenfalls folgt auf die Mitvollzugsdeutung in Gal 2,19 in V. 20 eine genauere Darstellung des mitvollzogenen Lebens und dann eine stärkere Fokussierung auf den Tod Jesu selbst, der als Lebenshingabe „für mich“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਥȝȠ૨) verstanden wird. Abgeschlossen wird dieser Gedankengang damit, dass das Gesetz keine Gerechtigkeit bewirken kann, da der Tod Christi 197

Zumindest im deutschsprachigen Raum wird der Galaterbrief häufig auf ca. 55/56 datiert und angenommen, dass der Römerbrief als nächster protopaulinischer Brief kurz darauf folgt. Diese Auffassung ist jedoch keineswegs unumstritten. Zu unterschiedlichen Datierungsmodellen vgl. die Übersicht bei SCHLIESSER, BENJAMIN, Art. Corpus Paulinum, in: WiBiLex (https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/46928), abgerufen am 09.12. 2019. Abschn. 2.4.

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sonst vergebens geschehen wäre (Gal 2,21). Der gesamte Abschnitt wird beherrscht durch die Spannung von Tod und Leben und durch die Gegenüberstellung der Wirkung des Todes einerseits und der persönlichen Relevanz dieses Geschehens andererseits. Am Ende von Gal, in 5,24 und 6,14, liegt der Fokus dagegen ganz deutlich auf den noch Lebenden (Paulus und der Gemeinde). Von Jesu Tod selbst ist kaum die Rede, er ist jedoch dadurch präsent, dass das Sterben konkret als „Kreuzigen“ vorgestellt wird. In 5,24 werden die zu Christus Gehörenden angehalten, das „Fleisch“ mit seiner weltlichen Verfallenheit, und damit einen Teil ihrer selbst zu kreuzigen. Dies wird in 6,14 aufgegriffen, nun jedoch wechselseitig verstanden: Die Welt wird für Paulus gekreuzigt und er für die Welt. Auch in Phil 3,10 liegt der Schwerpunkt weniger auf dem Tod Jesu als auf der persönlichen Wirkmächtigkeit. Dabei wird der Mitvollzug auf zweifache Weise ausgedrückt, durch die „Teilhabe“ (țȠȚȞȦȞȓĮ) an Jesu Leiden sowie die Wendung „seinem Tod gleichgestaltet werdend“ (ıȣȝȝȠȡijȚȗંȝİȞȠȢ IJ૶ șĮȞ੺IJ૳ Į੝IJȠ૨). Im Kolosser- und Epheserbrief ist das Mitvollzugsmotiv ebenfalls dominant, allerdings nicht über die gesamte Länge der Briefe verteilt. Im Kolosserbrief kommen Bezüge zum Mitvollzug des Todes Jesu in 2,12–13.20 und 3,3 vor. Hier ist das Motiv verhältnismäßig komprimiert, in den letzten drei Erwähnungen des Todes Jesu, zu finden. Anders als bei Paulus legt Kol 2,13 jedoch nahe, dass der Tod durch die Verfehlungen der Menschen eingetreten ist. Dennoch werden sie durch Gott mit Christus lebendig gemacht hat (ıȣȞİȗȦȠʌȠ઀ȘıİȞ), wobei dies durch ein zusätzliches ıȪȞ als alleinstehende Präposition nochmals betont wird. Weniger der Mitvollzug des Todes Jesu als die Partizipation an der Auferstehung steht demnach im Fokus. Das mit-Christus-erweckt-Werden findet sich außerdem durch eine Form von ıȣȞİȖİȓȡȦ in Kol 2,12 (und später erneut in 3,1). Allerdings ist es hier mit der Aussage verbunden, dass die Adressierten durch die Taufe mit Christus bestattet worden sind (ıȣȞIJĮij੼ȞIJİȢ Į੝IJ૶ ਥȞ IJ૶ ȕĮʌIJȚıȝ૶). Zudem steht die in Kol 2,14 bildhaft beschriebene Befreiung von Schuld in starkem Bezug zu Jesu Tod. In Kol 2,20 wird dann auch direkt ausgedrückt, dass die Adressierten mit Jesus gestorben sind (ਕʌİș੺ȞİIJİ ıઃȞ ȋȡȚıIJ૶), was die Abkehr von der Welt zur Folge hat. Die Aussage des metaphorischen Todes wird in 3,3 wiederholt und erweitert: „und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott“ (țĮ੿ ਲ ȗȦ੽ ਫ਼ȝ૵Ȟ ț੼țȡȣʌIJĮȚ ıઃȞ IJ૶ ȋȡȚıIJ૶ ਥȞ IJ૶ șİ૶). Im Epheserbrief kommt die Partizipationsdeutung in nochmals konzentrierterer Form im zweiten Kapitel vor, in 2,1.5–6. Dabei entsprechen die Ausführungen teilweise bis in den Wortlaut denen des Kolosserbriefs, und auch hier liegt der Schwerpunkt auf dem Mitvollzug der Auferstehung Christi. Die Adressierten werden als tot bezeichnet (2,1), was aber auch hier nicht aufgrund des Sterbens mit Christus, sondern durch ihre Sündhaftigkeit begründet wird. Dies wird in 2,5 beinahe wortgleich wieder aufgegriffen, wobei sich der Ver-

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fasser nun explizit mit einbezieht. Trotz dieses Status des tot Seins in den Verfehlungen, hat Gott die Gläubigen mit Christus lebendig gemacht (ıȣȞİȗȦȠʌȠ઀ȘıİȞ; 2,5), mit ihm erweckt (ıȣȞ੾ȖİȚȡİȞ; 2,6) und mit ihm im Himmel eingesetzt (ıȣȞİț੺șȚıİ; 2,6). An den ersten beiden Verbformen zeigt sich die terminologische Nähe zu Eph 2,12f. Der Mitvollzug wird somit auch an dieser Stelle in der positiven Wendung des Todesgeschicks entfaltet und mehrfach betont, während der Tod selbst vom Schicksal Jesu losgelöst gesehen und allein als Konsequenz menschlicher Unzulänglichkeit dargestellt wird. Allerdings wurde schon in Eph 1,7 dargelegt, dass Jesu Tod die Funktion der Vergebung von (todbringenden) Übertretungen innehat. In allen Passagen dieser beiden Briefe, in denen die Mitvollzugsdeutung auftaucht, liegt eine Verbindung mit direktem Sprechen vom Tod Jesu und mit einer Metapher, in der Jesu Tod das Vehicle darstellt, vor. Im Gegensatz zur relativen Dominanz dieser Deutung in den Protopaulinen sowie in Kol und Eph findet sie sich in den Pastoralbriefen und den katholischen Briefen nur je einmal. In 2Tim 2,11 bildet das Mitvollzugsmotiv den Beginn einer viergliedrigen Abfolge von Sätzen, die mit İੁ („wenn“) eingeleitet werden: „wenn wir nämlich mitgestorben sind, werden wir auch mitleben“ (İੁ Ȗ੹ȡ ıȣȞĮʌİș੺ȞȠȝİȞ, țĮ੿ ıȣȗ੾ıȠȝİȞ). Durch das verwendete Vokabular wirkt diese Passage dabei wie eine komprimierte Fassung von Röm 6,8. Weder der Tod Jesu noch die Funktion des Mitvollzugs wird an dieser Stelle genauer ausgeführt. In 1Petr 4,13 werden die offenbar aktuell erduldeten Prüfungen der adressierten Gemeinden so verstanden, dass diese an den Leiden Christi teilhat (țȠȚȞȦȞİ૙IJİ IJȠ૙Ȣ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ ʌĮș੾ȝĮıȚȞ), was den Imperativ zur Freude begründet. Der Aussageschwerpunkt ist hier allerdings anders gelagert als in den meisten anderen Passagen, in denen der Mitvollzug ausgedrückt wird, da einerseits das Leiden im Vordergrund steht, was zum Tod führen kann, es im Fall der Adressierten jedoch nicht zwingend muss. Zum anderen ist der Mitvollzug bzw. die Teilhabe hier sehr real vorzustellen und das „Sterben“ wird nicht im Kontext einer Metapher gebraucht. Der Hebräerbrief bietet mit 13,13 eine Stelle, in der die Mitvollzugsdeutung explizit vorkommt. Sie steht relativ am Ende des Briefs in paränetischen Zusammenhängen. Dabei drückt sie das Motiv auf sehr bildhafte Weise aus und weicht damit von den meisten anderen erwähnten Passagen ab: „Daher lasst uns hinausgehen zu ihm außerhalb des Lagers und (dabei) seine Schmach tragen“ (IJȠ઀ȞȣȞ ਥȟİȡȤઆȝİșĮ ʌȡઁȢ Į੝IJઁȞ ਩ȟȦ IJોȢ ʌĮȡİȝȕȠȜોȢ IJઁȞ ੑȞİȚįȚıȝઁȞ Į੝IJȠ૨ ij੼ȡȠȞIJİȢ). Das Hinausgehen zu Jesus ist ein Akt der Solidarisierung, der durch das Tragen der Schmach hin zum Mitvollziehen desselben Schicksals gesteigert wird. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Opfermetaphorik, die indirekt durch das Leiden außerhalb des Lagers bzw. des Tores (13,12) ausgedrückt wird, sowie die Verbindung mit der Heiligungsdeutung im vorherigen Vers. Beides findet sich auch in Hebr 10,19–22, wo ausgedrückt

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wird, dass auch „wir“ durch Jesu Blut Zugang zum Heiligtum haben. Obwohl hier nicht das Mitvollziehen des Leidens oder Todes in den Blick gerückt wird, ist die Konsequenz des Todes Jesu für die Gemeinden doch im Sinne eines „mit ihm Gehens“ (und „durch ihn Gehens“, s. Vorhang-Metapher) konzeptionalisiert. Außerdem findet sich in Hebr 3,14 eine Art von Mitvollzug durch die Aussage „denn wir sind an Christus teilhaftig geworden“ (ȝ੼IJȠȤȠȚ Ȗ੹ȡ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ ȖİȖંȞĮȝİȞ), was hier jedoch ohne (konkreten) Bezug zum Tod Jesu steht. Eine bemerkenswerte Eigenart des Hebräerbriefs ist zudem, dass er eine Art umgekehrten Mitvollzug kennt, in dem Jesus derjenige ist, der mit den Menschen mitleidet, ihnen gleich wird usw. Dieses Phänomen wird unter den „sonstigen Funktionsdeutungen“ noch näher beschrieben. In der Apokalypse ist die Mitvollzugsdeutung nicht besonders ausgeprägt, wird jedoch möglicherweise vereinzelt mit angedacht. Die beiden relevanten Passagen befinden sich direkt hintereinander, in Apk 11,8 und 12,11. Bei 11,8 handelt es sich um den Märtyrerbericht, der mit Jesu Geschick verbunden ist und in dem Jesu Kreuzigung lokalisiert wird: „Und ihr Leichnam wird auf der Straße der großen Stadt sein, welche geistlich Sodom und Ägypten heißt, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde“ (țĮ੿ IJઁ ʌIJ૵ȝĮ Į੝IJ૵Ȟ ਥʌ੿ IJોȢ ʌȜĮIJİ઀ĮȢ IJોȢ ʌંȜİȦȢ IJોȢ ȝİȖ੺ȜȘȢ, ਸ਼IJȚȢ țĮȜİ૙IJĮȚ ʌȞİȣȝĮIJȚț૵Ȣ ȈંįȠȝĮ țĮ੿ ǹ੅ȖȣʌIJȠȢ, ੖ʌȠȣ țĮ੿ ੒ ț઄ȡȚȠȢ Į੝IJ૵Ȟ ਥıIJĮȣȡઆșȘ). Möglicherweise kann hier von einem Mitvollzug der Märtyrerinnen und Märtyrer gesprochen werden, vielleicht geht das jedoch bereits zu weit und man sollte eher von einer generellen Parallelität sprechen. Da das Motiv nicht weiter ausgeführt wird, fällt eine Beurteilung schwer. Auch in 12,11 ist der Bezug nicht völlig klar. Hier gewinnt das Blut Jesu und somit sein Tod eine gewisse instrumentelle Funktion. Dadurch, dass die Menschen durch das Blut des Lammes den Drachen selbst besiegen (Į੝IJȠ੿ ਥȞ઀țȘıĮȞ Į੝IJઁȞ įȚ੹ IJઁ ĮੈȝĮ IJȠ૨ ਕȡȞ઀Ƞȣ) und auch selbst nicht vor dem Tod zurückschrecken (Ƞ੝ț ਱Ȗ੺ʌȘıĮȞ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJ૵Ȟ ਙȤȡȚ șĮȞ੺IJȠȣ), ist zu fragen, ob hier eine Mitvollzugs- oder Vorbilddeutung (oder sogar beides) gegeben ist. Die Erzählung bleibt jedoch auch an diesem Punkt vage. 5.2.6. Vorbildhaftigkeit Mitunter wird im Neuen Testament der Tod Jesu als Vorbild für die Gemeinde dargestellt. Dabei wird dieser Gedanke sprachlich allerdings auf sehr unterschiedliche Weise ausgedrückt. Ein sprachliches Äquivalent zum deutschen Begriff „Vorbild“ oder „Vorgabe“ findet sich nur an einer Stelle, in 1Petr 2,21, wo der Terminus ਫ਼ʌȠȖȡĮȝȝȩȢ verwendet wird. Daneben können auch Formulierungen mit „wie“ (țĮșȫȢ, so in Eph 5) oder mit verstärkendem țĮȓ (auch) angeführt werden. Der Vorbildcharakter des Todes Jesu wird nur in einzelnen neutestamentlichen Schriften explizit hervorgehoben. Er wird in Eph, 1Petr und 1Joh ausführlicher thematisiert, während in Hebr nur eine Stelle zu nennen ist und er möglicherweise in einer undeutlichen Passage der Apokalypse eine

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Rolle spielt. Allerdings ist zu beachten, dass dieses Interpretament in anderen Deutungen mitschwingen oder impliziert sein könnte, so vor allem in der Deutung des Mitvollzugs. Auch als Bedeutungshintergrund oder Ground einzelner Metaphern kann sie in Betracht kommen. Weiterhin auffällig ist, dass die Vorbilddeutung im Epheser- und im ersten Johannesbrief immer und auf deutliche Weise mit der Offenbarung der Liebe Gottes verbunden ist. In Eph findet sich das Vorbildmotiv ausdrücklich erst im hinteren Teil, in 5,1–2 und 5,25–28, in paränetischer Ausrichtung, wie das schon vom Wesen des Motivs her sinnvoll ist. Beide Male liegt eine Verbindung mit der Hingabe-Formel mit ਫ਼ʌȑȡ vor und beide Aussagen sind parallel, nahezu wortgleich formuliert: Wie (țĮșȫȢ) Christus die Menschen geliebt und sich für sie hingegeben hat, so sollen auch sie lieben. Vorbildhaft ist also zunächst Jesu Liebe, die in der Lebenshingabe ihren Kulminationspunkt erreicht. Dabei hat Eph 5,1–2 eine generelle paränetische Ausrichtung, während 5,25–28 sich spezifischer auf die Liebe der Ehemänner zu ihren Ehefrauen bezieht. Zusätzlich zum Vergleichspartikel wird in Eph 5,1 durch eine Form des griechischen Verbs ȝȚȝȑȠȝĮȚ betont, dass man Gottes Liebe nachahmen soll. Im ersten Johannesbrief lassen sich einige Parallelen zur Vorbilddeutung im Epheserbrief feststellen. Neben der auch hier vorherrschenden engen Verbindung mit dem Liebesmotiv lässt sich in 1Joh 3,16 ebenfalls das Vorkommen neben einer ਫ਼ʌȑȡ-Wendung ausmachen. Der Verfasser macht deutlich: Was Jesus „für uns“ getan hat, das sollen wir „für die Geschwister“ tun. Dies wird durch țĮȓ im Sinne von „auch“ ausgedrückt und der Verpflichtungscharakter dieser Aussage durch eine Form von ੑijİȓȜȦ („gehalten sein, etwas zu tun“/ „müssen“) unterstrichen. Die hier formulierte Forderung reicht jedoch weiter als im Epheserbrief: Es geht nicht (nur) darum, zu lieben, sondern sein Leben zu geben (IJȓșȘȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤȒȞ). Gleich im Zusammenhang der nächsten Erwähnung des Todes Jesu wird erneut sein Vorbildcharakter herausgestellt, wobei nun jedoch, anders als in der vorausgegangenen Passage, aber ähnlich wie im Epheserbrief, die göttliche Liebe das entscheidende Bezugsmoment der Nachahmung darstellt. Die Terminologie ist indes in der Hinsicht vergleichbar mit 1Joh 3,16, dass auch hier eine Form von ੑijİȓȜȦ gebraucht wird. Der Gedankengang wird durch eine konditionale Periode ausgedrückt: „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen wir auch einander lieben (İੁ Ƞ੢IJȦȢ ੒ șİઁȢ ਱Ȗ੺ʌȘıİȞ ਲȝ઼Ȣ, țĮ੿ ਲȝİ૙Ȣ ੑijİ઀ȜȠȝİȞ ਕȜȜ੾ȜȠȣȢ ਕȖĮʌ઼Ȟ). Dabei bezieht sich das Ƞ੢IJȦȢ zurück auf die in 4,9–10 erwähnte sündentilgende Hingabe des Sohns. Im ersten Petrusbrief ist die Vorbilddeutung die stärkste Funktionsdeutung, wenn man von der Sammelgruppe „sonstiger“ Deutungen absieht. Sie liegt in vier aufeinander folgenden Erwähnungen des Todes Jesu (in 2,4f.; 2,21; 3,18 und 4,1) vor und dominiert somit einen Textabschnitt. Anders als in den anderen beiden genannten Briefen ist es hingegen nicht die im Tod offenbar werdende Liebe, die vorbildhaft ist, sondern das Leiden Jesu. Somit ist der Bezug zum Tod Jesu hier auch stärker gegeben. Dabei ist der Vorbildgedanke in der

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ersten Passage, die stark bildlich geprägt ist, noch nicht sonderlich deutlich formuliert. Die Angesprochenen sind in 1Petr 2,4 zunächst aufgefordet zu Jesus zu kommen, der als lebendiger Stein identifiziert wird. Dieser ist in Aufnahme von Ps 118 von Menschen verworfen, von Gott aber erwählt worden. V. 5 schließt sich mit verstärkendem țĮȓ an: țĮȓ Įਫ਼IJȠȓ („auch ihr“), was fortgesetzt wird durch einen inhaltlich zu V. 4 parallel verlaufenden Vergleich. Auch die Adressierten sollen „wie lebendige Steine“ sein und sich im Zuge einer metaphorischen Erweiterung zu einem „geistigen Haus“ aufbauen lassen.198 Die durch die Metapher von V. 4 ausgedrückte Verwerfung und Erwählung Jesu kann auch auf die Situation der Adressierten übertragen werden. Auch durch den Aufforderungscharakter der Passage insgesamt wird die Vorbildhaftigkeit des Todes Jesu angedeutet. In 1Petr 2,21 wird nun das „Vorbild“ des Leidens durch den griechischen Begriff ਫ਼ʌȠȖȡĮȝȝȩȢ direkt ausgedrückt. Kurz darauf wird dies noch auf bildhafte Weise verstärkt: Die Adressierten sind gehalten, Christi Spuren zu folgen (ਥʌĮțȠȜȠȣșȑȦ IJȠ૙Ȣ ੅ȤȞİıȚȞ Į੝IJȠ૨). Dass sich dies auf das Leiden bezieht, macht die davor stehende ਫ਼ʌȑȡ-Formulierung mit dem Verb ʌȐıȤȦ eindeutig klar. Es folgt in 1Petr 2,22–24 der metaphorische Komplex, der sich um Jesu Sündlosigkeit und das Tragen der Sünden bis ans Kreuz herum entfaltet. Die nächste Erwähnung der Vorbildhaftigkeit des Todes Jesu in 1Petr 3,18 rekurriert möglicherweise auf 2,21–24. In 3,17 steht zunächst die Aufforderung, um guter Taten willen zu leiden. Die Motivation hierzu bzw. Begründung hierfür schließt sich im nächsten Vers in „hymnisch-poetischer“199 Sprache an: „denn auch Christus hat einmal für Sünden gelitten, ein Gerechter für Ungerechte“ (੖IJȚ țĮ੿ ȋȡȚıIJઁȢ ਚʌĮȟ ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਩ʌĮșİȞ, į઀țĮȚȠȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਕį઀țȦȞ ਕį઀țȦȞ). Dabei wiederholen sich mehrere bereits in der vorherigen Passage erwähnte Elemente: Die ਫ਼ʌȑȡ-Wendung, die Tatsache, dass Jesu Tod sich auf Sünden auswirkt sowie die Tatsache, dass er selbst von den Menschen durch die Eigenschaft der Sündlosigkeit bzw. Gerechtigkeit abgehoben ist. In 1Petr 4,1 wird noch einmal auf andere Weise die Vorbildfunktion zur Sprache gebracht: „Christus hat für euch gelitten und ihr sollt dieselbe Einstellung vorbereiten“ (ȋȡȚıIJȠ૨ Ƞ੣Ȟ ʌĮșંȞIJȠȢ ıĮȡț੿ țĮ੿ ਫ਼ȝİ૙Ȣ IJ੽Ȟ Į੝IJ੽Ȟ ਩ȞȞȠȚĮȞ ੒ʌȜ઀ıĮıșİ). Im Fleisch zu leiden bedeutet in diesem Kontext, keine Sünde zu begehen, was sich aber wohl eher auf die Adressierten als auf Jesus selbst bezieht. In diesem Fall würde die Vorbilddeutung, nachdem sie in 2,21 und 3,18 im Verbund mit weiteren Funktionsdeutungen etabliert wurde, in 4,1 schließlich als einzige Funktion stehen.

198

Für eine detaillierte Analyse s.u., Abschnitt 2.4.2. des vierten Kapitels. Die Bezeichnung neutestamentlicher Sprache als „hymnisch“ oder „poetisch“ ist nicht unproblematisch, wie Brucker gezeigt hat. (S.o., Abschnitt 3.2.) Um diese Problematik bewusst zu machen, werden die entsprechenden Adjektive hier und im Folgenden in Anführungszeichen gesetzt. 199

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Ebenso wie in den anderen neutestamentlichen Schriften wird auch im Hebräerbrief die Vorbildfunktion passenderweise im Zusammenhang von paränetischen Kontexten verwendet. Die Erwähnung des Todes Jesu in Hebr 12,2 durch den indirekten Verweis auf das Kreuz wird von einigen Versen gefolgt, in denen an die Leidensbereitschaft der Adressierten appelliert wird. Der Zusammenhang wird besonders in 12,3 deutlich: Die Adressierten sollen an die Schwierigkeiten und Anfeindungen, mit denen Jesus konfrontiert war, denken (ਕȞĮȜȠȖȓȗȠȝĮȚ), um nicht erschöpft zu werden und nicht die Lebensenergie zu verlieren (੆ȞĮ ȝ੽ ț੺ȝȘIJİ IJĮ૙Ȣ ȥȣȤĮ૙Ȣ ਫ਼ȝ૵Ȟ ਥțȜȣંȝİȞȠȚ). Das physische Leiden und Sterben scheint hier weniger Bezugspunkt des Nachzuahmenden zu sein als der psychische Umgang mit Verachtung und „Schande“ (ĮੁıȤȪȞȘ), die in 12,2 neben dem Kreuz erwähnt wird. Gleichzeitig mit dem Vorbild wird auch die Verbindung mit etwas Positivem, also der Erhöhung benannt, denn neben Kreuz und Schande wird angeführt, dass Jesus an der rechten Seite des Gottesthrons Platz genommen hat, was die Anforderungen an die Gemeinde weniger gefährlich erscheinen lässt. Es liegt in diesem Abschnitt insgesamt sowohl die einzige Stelle im Hebräerbrief vor, in der die Rede vom Kreuz Jesu explizit angeführt wird, als auch eine der ganz wenigen Passagen, die auf Jesu Tod eingehen, ohne metaphorisch überformt zu sein. Der visionär-erzählerische Abschnitt um Apk 12,11 wurde bereits im Zuge der Mitvollzugsdeutung betrachtet.200 Wie genau die Erzählung hier zu verstehen ist, ist unklar. Sicher erscheint, dass durch das Blut des Lamms auf Jesu Tod verwiesen wird, und dieses zur Überwindung des Drachen erforderlich ist. Der Verweis darauf, dass die Menschen ihr Leben nicht geliebt haben und bis zum Tod gegangen sind (Ƞ੝ț ਱Ȗ੺ʌȘıĮȞ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJ૵Ȟ ਙȤȡȚ șĮȞ੺IJȠȣ), kann als eine Nachahmung des Christus-Geschicks und somit vor dem Licht der Vorbilddeutung verstanden werden. Andererseits ist dieser Lebenseinsatz auch unabhängig vom Blut des Lamms interpretierbar. Auf narrative Weise kommt die Vorbildhaftigkeit des Todes Jesu in der Steinigung des Stephanus (Apg 7,59f.) zum Ausdruck, die parallel zu Jesu Sterben gestaltet wird.201 5.2.7. Heiligung Die Deutung, dass Jesu Tod die Funktion hat, Menschen zu heiligen, findet sich explizit gehäuft im Hebräerbrief und vereinzelt in einigen anderen neutestamentlichen Schriften, nicht jedoch in den Erzähltexten. Doch kann sie ein Aspekt sein, der in anderen Deutungen, etwa dem Mitvollzug, mitgedacht werden muss. Heiligkeit ist zudem etwas, das mit kultischen Opfern und Gottesdienst in Verbindung gebracht wird. Häufig ist die Heiligungsdeutung außerdem mit der Metapher der Reinigung verbunden – so auch etwa in 2Kor 7,1, 200 201

S.o., Abschnitt 5.2.5. S.o., Abschnitt 4.1.

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wo Reinigung und Heiligung nebeneinander stehen, ohne dass jedoch auf Jesu Tod eingegangen wird. Die Deutung wird generell im Neuen Testament durch das Verb ਖȖȚȐȗȦ („heiligen“) oder das Adjektiv ਚȖȚȠȢ („heilig“) ausgedrückt. Sie kann auch durch den Kontext nahegelegt werden, etwa durch das Vorliegen der Reinigungsmetapher oder Termini aus einem Begriffsfeld, für das Heiligkeit charakteristisch ist. Dies ist in 1Kor 6,19f. der Fall, der protopaulinischen Passage, in der am ehesten von einer Heiligung die Rede ist. In 1Kor 6,19 wird der Leib gläubiger Christinnen und Christen metaphorisch als Tempel des heiligen Geistes (ȞĮઁȢ IJȠ૨ ਥȞ ਫ਼ȝ૙Ȟ ਖȖ઀Ƞȣ ʌȞİ઄ȝĮIJoȢ) dargestellt, wodurch unzüchtiges Verhalten und Sünde abgelehnt werden. Der Leib dient dazu, Gott Ehre zu erweisen. Diese Darstellung scheint auf 1Kor 3,16f. zurückzuverweisen, wo bereits der Mensch als Tempel und der Tempel als heilig bezeichnet wurde. Vor diesem Hintergrund kann das in 6,20 beschriebene „Kaufen“, das implizit wohl als durch den Tod Jesu geschehen gedacht werden muss, so gedeutet werden, dass dadurch eine Heiligung erreicht wurde. Auch in Röm 12,1 werden die Leiber als lebendiges, heiliges Opfer beschrieben. Die Funktion der Heiligung findet sich jeweils einmal in Eph und Kol. Zum Ende des Epheserbriefs, in 5,25–28, wird dieses Motiv in Verbindung mit einem ganzen Deutungskomplex verwendet. Im Vordergrund steht dabei die Vorbildfunktion, die zur Praktizierung von Liebe innerhalb der Gemeinde animieren soll. Das Vorbild zeigt sich deutlich in Jesu „Sterben für“, dass zu einer Heiligung der Gemeinde führt. Die Verbform ਖȖȚȐȗȦ steht dabei in V. 26 neben țĮșĮȡȓȗȦ („reinigen“), wodurch eine zusätzliche Betonung erfolgt. Weiter gesteigert wird dies noch im darauffolgenden Vers, da hier die Gemeinde wiederum als ਚȖȚȠȢ bezeichnet wird. Die Passage ist wohl von Kol 1,22 beeinflusst, da sie sowohl von der Verwendung des Heiligungsmotivs als auch von der Formulierung her diesem Vers sehr ähnlich ist. Auch hier wird das Adjektiv auf die Gemeinde bezogen. Im Titusbrief ist die Heiligungsdeutung nicht ganz so deutlich, da die entsprechenden Termini fehlen. Allerdings legt sich Heiligung als möglicher Bedeutungshintergrund in Tit 2,14 nahe, sowohl aufgrund der verwendeten Reinigungsmetapher als auch wegen der Beschreibung, dass Christus durch diese Reinigung ein bestimmtes Volk aussondert: țĮșĮȡ઀ıૉ ਦĮȣIJ૶ ȜĮઁȞ ʌİȡȚȠ઄ıȚȠȞ. Dies steht im Zusammenhang einer Hingabeformulierung mit ਫ਼ʌȑȡ und der Deutung des Loskaufs bzw. der Erlösung durch das Verb ȜȣIJȡȩȦ. Auch im 1Petr ist die Heiligungsdeutung nirgendwo ganz explizit auszumachen. Sie lässt sich andeutungsweise jedoch an zwei Stellen finden, beide Male im Zusammenhang mit Metaphern. In 1Petr 1,2 wird zunächst die Heiligung des Geistes angesprochen (ਖȖȚĮıȝȩȢ, als Substantiv nur hier auf Jesu Tod bezogen). Eher daneben steht dann die Besprengung (૧ĮȞIJȚıȝȩȢ) der Adressierten mit dem Blut Jesu, wodurch ein indirekter Verweis auf Jesu Tod gegeben ist. Die Besprengung scheint auf einen kultischen Kontext und das Umfeld

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des Heiligen zu verweisen. Dies legt auch die Aussage nahe, dass die Adressierten gemäß Gottes Vorsehung (țĮIJ੹ ʌȡંȖȞȦıȚȞ șİȠ૨) erwählt sind, also nach seinem Willen zu ihm gehören. Einige Verse später, in 1,15f. werden die Adressierten unter mehrfacher Verwendung des Adjektivs ਚȖȚȠȢ dazu aufgefordert, sich zu heiligen. Kurz darauf folgt in 1,18f. die Metaphernvermischung (Loskauf/Opfer), in der der Tod Jesu bildhaft angeführt und gedeutet wird. Diese Ausführung ist gewissermaßen eine Begründung des Appells zum heiligen Lebenswandel und dementsprechend ist die Heiligung hier nicht vorrangig als Funktion des Todes Jesu zu sehen. Eine weitere beachtenswerte Passage, in der eine Verbindung des Todes Jesu mit der Heiligung jedoch noch schwerer zu erkennen ist, liegt in 1Petr 2,4f. vor: Auf das Ecksteinzitat, das zumindest in Mk 12,10–11par einen klaren Bezug zum Tod aufweist, folgt die Aufforderung an die Gemeinde, ebenfalls zu „lebendigen Steinen“ zu werden, was für die „heilige Priesterschaft“ (ੂİȡȐIJİȣȝĮ ਚȖȚȠȢ) konstitutiv ist. Dies wiederum befähigt zur Darbringung geistiger Opfer (ʌȞİȣȝĮIJȚț੹ șȣı઀Į), was eine interessante Parallele zur Opfermetaphorik in 1,18f. darstellt. Wie erwähnt ist die Funktion der Heiligung im Hebräerbrief vergleichsweise dominant. Sie taucht jedoch nicht kontinuierlich über die Gesamtschrift verteilt auf, sondern steht gehäuft im Kap. 10, mit einer weiteren Erwähnung zum Abschluss der Schrift im Kap. 13 und einer eher indirekten Erwähnung, die sich auf die Opfer des ersten Bundes bezieht, in 9,13. In 10,10 und 10,14 steht die Heiligung in engem Zusammenhang mit der hier sehr dominanten Opferthematik bzw. -metaphorik (jeweils ausgedrückt durch ʌȡȠıijȠȡȐ) und beide Male im Partizip: ਲȖȚĮıȝ੼ȞȠȚ (10) und ਖȖȚĮȗȠȝ੼ȞȠȣȢ (14). Interessant ist ferner, dass in diesen Abschnitten lediglich auf metaphorische Weise, eben durch besagten Opferterminus, von Jesu Tod die Rede ist. In 10,19 folgt dann nochmals eine Erinnerung an die Heiligung der Adressierten, nun jedoch auf eher indirekte Weise, da hier der Mitvollzug des Eintritts in das Heiligtum (Ƞੂ ਚȖȚȠȚ) geschildert wird. Dass Jesus in das Heilige eintritt und dies eine für die Menschen erlösende Wirkung hat, wurde bereits in Hebr 8,12 erwähnt und erneut in 9,24 aufgegriffen. Der Abschnitt um 10,19 ist nicht ganz leicht verständlich, aufgrund der komplexen, spannungsvollen Metaphorik, und das Motiv der Heiligung tritt auf indirekte Weise in dieses Spannungsfeld ein. Auch die folgende Reinigungsmetapher in V. 22 hat deutliche Anklänge an eine Heiligung. Schließlich steht erneut eine Form von ਖȖȚȐȗȦ in 10,29, nun im Kontext der Ablehnung der zweiten Buße und in Verbindung mit dem „Blut des Bundes“ bzw. dem Bundesschluss-Motiv, das bereits in 10,16 präsent war. Überhaupt ist die Heiligungsdeutung im zehnten Kapitel immer mit dem Blut oder der indirekten Sprechweise durch die Metapher verbunden. Eine Verbindung mit Blut sowie mit Leiden und Schmach (letzteres im darauffolgenden Vers) liegt auch in 13,12 vor, wo ebenfalls Opfermetaphorik präsent ist, jedoch eher unterschwellig durch den Verweis auf Jesu Leiden außerhalb des Tores, was mit dem Verbrennen der Opfertiere außerhalb des Lagers parallelisiert wird.

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Hier wird wiederum das Verb ਖȖȚȐȗȦ verwendet. Die Gesamtausrichtung ist paränetisch mit der Kulmination in der Aufforderung zum Tragen von Jesu Schmach. Interessant ist schließlich in 9,13f. die Verbindung der Heiligungsdeutung mit der Reinigungsmetapher. Das Verb ਖȖȚȐȗȦ steht in Verbindung mit dem Blut von Böcken und Stieren, während țĮșĮȡȓȗȦ das Pendant im Zusammenhang des Blutes Christi darstellt. Hieran wird wiederum deutlich, dass eine enge Verbindung zwischen Heiligung und Reinigung (des Gewissens von toten Werken) gesehen wird, bzw. dass die Reinigung die Heiligung in diesem Fall möglicherweise sogar überbietet. Zudem ist auch an dieser Stelle die Verbindung mit dem Blut sehr deutlich. In jedem Fall ist die Heiligungsdeutung im Hebräerbrief immer eine von mehreren, einander ergänzenden Deutungen. In der Apokalypse gibt es zwei Stellen, in denen möglicherweise indirekt diese Funktionsdeutung anklingt. Zunächst ist die Reinigungsmetapher in Apk 7,14 zu nennen: „und sie haben ihre Kleider gewaschen und sie haben sie weiß gemacht im Blut des Lamms“ (țĮ੿ ਩ʌȜȣȞĮȞ IJ੹Ȣ ıIJȠȜ੹Ȣ Į੝IJ૵Ȟ țĮ੿ ਥȜİ઄țĮȞĮȞ Į੝IJ੹Ȣ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ IJȠ૨ ਕȡȞ઀Ƞȣ). Wie oben mehrfach erwähnt wurde, steht die Heiligung öfter in Verbindung mit der Metapher der Reinigung, die an dieser Stelle besonders bildhaft zur Geltung kommt. Allerdings steht hier nicht das Verb țĮșĮȡȓȗȦ, sondern andere, wenn auch verwandte Termini. Es ist zwar einerseits gut möglich, dass durch das aufgeführte Reinigungsbild die Heiligungsdeutung impliziert wird. Andererseits könnte es zu einer Rückübertragung kommen, die der eigentlichen Aussageabsicht nicht gerecht wird, denn in Apk ist ein Nebeneinander von Reinigung und Heiligung, wie es sonst im Neuen Testament zu beobachten ist, so nicht auszumachen. Die zweite Stelle, für die die Heiligungsdeutung eventuell in Betracht kommt, ist Apk 14,3–5. Hier ist zunächst nicht ganz klar, ob überhaupt ein Verweis auf Jesu Tod gegeben ist. Das verwendete Verb ਕȖȠȡȐȗȦ (kaufen), das sich im Passiv auf die Hundertvierundvierzigtausend bezieht, scheint dies jedoch nahezulegen. Dieses Erkauft-Sein wird in V. 4 noch einmal genauer ausgeführt: Die Hundertvierundvierzigtausend (das Pronomen Ƞ੤IJȠȚ bezieht sich auf sie zurück) sollen die Erstlingsgabe (ਕʌĮȡȤȒ) für Gott und das Lamm sein. Dieser Terminus erweckt zunächst und primär kultische Anklänge. Da Opfer, spezifisch die Erstlinge als die Ersten und somit Besten, jedoch für Gott bestimmt sind, werden sie somit in die Sphäre des Heiligen gehoben. In Ex 13,2 etwa wird besonders deutlich, dass die Erstlinge Eigentum Gottes sind, woraus sich der Imperativ, sie zu heiligen, ableitet.202 Der Aspekt der Aussonderung der Erstlinge wird durch Apk 14,5 noch verstärkt: Sie sind makellos (ਙȝȦȝȠȚ), also durch die beschriebene Reinigung als Opfergabe für Gott geeignet gemacht worden.

202 Vgl. vertiefend MICHEL, ANDREAS, Art. Erstlinge/Erstgeburt, in: WiBiLex (https:// www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/17676), aufgerufen am 03.01.2019.

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5.2.8. Offenbarung der Liebe Gottes Die Deutung, dass durch Jesu Tod Gottes Liebe offenbar wird, findet sich explizit nur vereinzelt im Neuen Testament. Implizit kann sie aber in einer Reihe anderer Deutungen enthalten sein, vor allem in den „für“-Aussagen. In diesem Abschnitt werden jedoch nur Passagen genannt, in denen eine Form von ਕȖȐʌȘ bzw. ਕȖĮʌȐȦ („Liebe“, „lieben“) enthalten ist. Diese finden sich vor allem im johanneischen Schrifttum. In Joh 3,16 steht etwa Jesu Ausspruch „so nämlich hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab“ (Ƞ੢IJȦȢ Ȗ੹ȡ ਱Ȗ੺ʌȘıİȞ ੒ șİઁȢ IJઁȞ țંıȝȠȞ, ੮ıIJİ IJઁȞ ȣੂઁȞ IJઁȞ ȝȠȞȠȖİȞો ਩įȦțİȞ). Dies geschieht ausdrücklich zur Rettung der Menschheit, wie in diesem und dem folgenden Vers mehrfach betont wird. Der Bezug zum Tod Jesu wird dabei nicht nur durch das auch sonst hierfür gebrauchte Verb įȓįȦȝȚ hergestellt, sondern auch durch den Kontext: In 3,14 wird die kommende Erhöhung Jesu, die wie die Erhöhung der Schlange in der Wüste rettende Funktion hat, angeführt. Weiter erläutert wird dies in der Aussage, dass es keine größere Liebe gibt als die, die darin besteht, sein Leben für die Freunde und Freundinnen zu geben (ȝİ઀ȗȠȞĮ IJĮ઄IJȘȢ ਕȖ੺ʌȘȞ Ƞ੝įİ੿Ȣ ਩ȤİȚ, ੆ȞĮ IJȚȢ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ șૌ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ij઀ȜȦȞ Į੝IJȠ૨, Joh 15,13). Sie steht im Kontext des generellen Liebesgebots und hat somit auch Vorbildcharakter. Ein expliziter Verweis auf Jesu Schicksal wird hier zwar nicht gegeben, doch der Ausdruck IJȓșȘȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤȒȞ („die Seele/das Leben geben“) erinnert stark an die Hirtenrede. Auch 1Joh 3,16 versteht dies offenbar so: Die Erkenntnis der Liebe erfolgt durch Jesu Lebenshingabe „für uns“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ). Gleichermaßen sind die Gemeindemitglieder aufgerufen, das eigene Leben „für die Geschwister“ (ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ਕįİȜij૵Ȟ) einzusetzen. Auch hier wird in beiden Fällen die Wendung IJȓșȘȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤȒȞ verwendet. Neben Joh 3,16 und 15,13 stehen noch an ein paar weiteren Stellen im Johannesevangelium der Tod Jesu und das Schlagwort Liebe nah beieinander, ohne dass ein direkter Bezug der beiden gegeben ist: Zum Abschluss der Hirtenrede wird in Joh 10,17 erwähnt, dass die Liebe des Vaters zu Jesus in dessen Lebenshingabe ihren Grund findet und in 13,1 stellt die Einleitung zur Fußwaschung die Liebe Jesu dar, die mit dem Wissen um sein nahendes Ende verbunden ist. Auch im ersten Johannesbrief ist die Liebe ein Stichwort, das immer wieder fällt, ähnlich wie der Sündenbegriff, zu dem sie eine Art Gegenpart bildet. Neben 1Joh 3,16, was bereits erwähnt wurde, stellt noch 1Joh 4,9 eine Verbindung zwischen göttlicher Liebe und Jesu Sterben her. Dieser Vers enthält deutliche Anklänge an Joh 3,16, denn auch hier fallen die Stichworte „sein einziger Sohn“ (੒ ȣੂȩȢ Į੝IJȠ૨ ੒ ȝȠȞȠȖİȞȒȢ) und „Welt“ (țȩıȝȠȢ). Die Liebe Gottes ist manifestiert (ijĮȞİȡȩȦ) in der Sendung seines Sohns (ਕʌȠıIJȑȜȜȦ). Dass dabei auch Jesu Tod mitgedacht werden muss, zeigt erst der nächste Vers, in der diese Sendung als ੂȜĮıȝઁȞ ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ spezifiziert wird, was auf

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Joh 2,2 zurückverweist und sowohl eine Anspielung auf Jesu Tod plausibilisiert als auch das Vorliegen von Opfer-Metaphorik möglich macht.203 1Joh 4,10 macht zudem deutlich, dass nicht die Liebe von Menschen, sondern die Liebe Gottes vorrangiges Thema ist. In V. 11 folgt dann die Motivation zur Nachahmung: Wie Gott die Menschen geliebt hat, sind auch jene gerufen, einander zu lieben. Insgesamt stehen die Sendung des Sohns und die Offenbarung der Liebe Gottes in diesem Abschnitt eindeutig im Vordergrund, wohingegen der Tod Jesu, der ohnehin nur sehr indirekt angesprochen wird, zurücktritt. In der Apokalypse findet sich die Verbindung des Todes Jesu mit einer Form von ਕȖĮʌȐȦ lediglich in Apk 1,5. Allerdings ist es hier Christus selbst, der Subjekt der Liebe ist, nicht Gott. Seine Liebe stellt die Voraussetzung für die „Erlösung von den Sünden durch sein Blut“ dar und steht daher auch eher neben dem Verweis auf Jesu Sterben als mit ihm verbunden. Von den Protopaulinen findet sich lediglich im Römerbrief ein expliziter Verweis darauf, dass in Jesu Tod Gottes Liebe erkennbar wird. Besonders deutlich wird dies in Röm 5,8: „Gott beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren“ (ıȣȞ઀ıIJȘıȚȞ į੻ IJ੽Ȟ ਦĮȣIJȠ૨ ਕȖ੺ʌȘȞ İੁȢ ਲȝ઼Ȣ ੒ șİંȢ, ੖IJȚ ਩IJȚ ਖȝĮȡIJȦȜ૵Ȟ ੕ȞIJȦȞ ਲȝ૵Ȟ ȋȡȚıIJઁȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ ਕʌ੼șĮȞİȞ). Ähnlich wie im Johannesevangelium wird auch hier das Motiv der Liebe mit einer ਫ਼ʌȑȡ-Aussage verbunden. Gerade die Tatsache, dass die Nutznießerinnen und Nutznießer des Todes sündhaft waren, ist das, worin Gottes besondere Liebe deutlich wird, wie die vorhergehenden Verse zeigen: Selbst für einen Gerechten wird kaum jemand sein Leben aufs Spiel setzten, Christus jedoch stirbt für eine Vielzahl sündhafter Menschen. Im Abschnitt Röm 8,31– 35 wird die Liebe eher indirekt deutlich: „Gott ist für uns“ (੒ șİઁȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ; 8,31), „er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont“ (IJȠ૨ ੁį઀Ƞȣ ȣੂȠ૨ Ƞ੝ț ਥijİ઀ıĮIJȠ; 8,32) ௅ offenbar ein intertextueller Bezug zu Gen 22,16, wo Gott Abraham für seine Bereitschaft, Isaak zu opfern, lobt. Hierdurch wird angedeutet, dass Gott mit der Hingabe seines Sohns „für uns“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ; 8,32) etwas für ihn höchst Kostbares eingesetzt hat, daher die Frage des Paulus: „Wie sollte er nicht mit ihm auch uns alles (ver)geben?“ (ʌ૵Ȣ Ƞ੝Ȥ੿ țĮ੿ ıઃȞ Į੝IJ૶ IJ੹ ʌ੺ȞIJĮ ਲȝ૙Ȟ ȤĮȡ઀ıİIJĮȚ; 8,32) Gott ist derjenige, der Recht spricht und gerecht macht (șİઁȢ ੒ įȚțĮȚ૵Ȟ; 8,33); der gestorbene Christus ist derjenige, der „für uns eintritt“ (੔Ȣ țĮ੿ ਥȞIJȣȖȤ੺ȞİȚ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ; 8,44). Erst in 8,35 ist von der Liebe Christi die Rede, von der die Gemeinde nicht zu trennen ist. Bereits vorher wird jedoch durch die Wortwahl und den Kontext indirekt deutlich, dass nicht nur Christus sich aus Liebe hingibt, sondern Gott den Menschen in Christus ein besonderes Geschenk macht, das Ausdruck seiner liebevollen Zuwendung ist.

203

S.o., Abschnitt 5.2.2.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Ansonsten findet sich die Deutung, der Tod Jesu zeige Gottes Liebe, nur noch implizit. So kann man sie auch in Eph 2,4, im Zusammenhang mit den nachfolgenden beiden Versen, angedeutet finden. Gottes Liebe (sowohl durch das Substantiv als auch durch das Verb ausgedrückt) und Barmherzigkeit (਩ȜİȠȢ) zu den Menschen werden dabei in Eph 2,4 deutlich hervorgehoben. Zudem werden die Adressierten als tot in den Sünden charakterisiert (੕ȞIJĮȢ ਲȝ઼Ȣ ȞİțȡȠઃȢ IJȠ૙Ȣ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮıȚȞ; 2,5). Allerdings wird dieser Tod selbst nicht als mit oder durch Christus geschehend gekennzeichnet. Der Mitvollzug der Gemeinde beschränkt sich an dieser Stelle auf die Erhöhung Jesu. Sowohl der Aspekt der Liebe als auch der Mitvollzug der Gemeinde in der Auferstehung Christi werden in Eph 2,4–6 somit deutlich hervorgehoben, Jesu Tod kommt hingegen nicht richtig zum Tragen. In Eph 5,2 und 5,25 ist es ähnlich wie in Apk 1,5 Jesu Liebe, die offenbar die Motivation für seine Lebenshingabe darstellt und ihr daher vorausgestellt wird. Der Wortlaut ist in den beiden Versen dabei nahezu identisch, der einzige nennenswerte Unterschied besteht in den unterschiedlichen Objekten der Liebe (wir, die Kirche), die jedoch auf dieselbe Menschengruppe abzielen. In beiden Fällen wird der Verweis auf Christi Liebe mit einer Hingabe-Formel mit ਫ਼ʌȑȡ kombiniert, die in 5,2 durch Opfermetaphorik erweitert wird, und durch „wie“ (țĮșȫȢ) eingeleitet ist. Damit wird deutlich, dass Jesu Liebe, die sich in seinem Tod auf unüberbietbare Weise ausdrückt, als Vorbild dienen und zur Nachahmung animieren soll. Es zeigt sich, dass das Liebesmotiv in verhältnismäßig wenigen neutestamentlichen Stellen explizit ausgeführt wird. In ganzen Schriftgruppen taucht es überhaupt nicht auf, etwas bei den Synoptikern, in der Apostelgeschichte und den Pastoralbriefen. Auch für die Deutungsvielfalt des Hebräerbriefs spielt es keine entscheidende Rolle. Wo es auftritt, steht es häufig in Verbindung mit der paränetischen Anregung, Jesu Liebe nachzuahmen. Zudem ist die Kombination mit ਫ਼ʌȑȡ-Aussagen zwar nicht in allen Fällen, aber doch bei einem Großteil gegeben. Daher ist es auch bei anderen neutestamentlichen „für“Wendungen möglich, dass diese Deutung hier mitschwingt. 5.2.9. Sonstige Funktionsdeutungen Im Neuen Testament gibt es eine Vielzahl von weiteren Funktionen des Todes Jesu, die sich nicht den oben angeführten Kategorien zuordnen lassen. Sie werden in Gesamtdarstellungen des Todes Jesu häufig übersehen oder marginalisiert.204 Es ist aber allein aus dem Grund, dass sie zusammen genommen quantitativ stark vertreten sind, äußerst sinnvoll, sie genauer zu betrachten. Zudem gibt es einzelne neutestamentliche Schriften, etwa die Apokalypse, in denen 204 Gerhard Barths Darstellung (Der Tod Jesu Christi im Verständnis des Neuen Testaments) etwa lässt kaum Platz für die meisten der hier aufgeführten Deutungsmuster, die weniger bildhaft geprägt sind und häufig eher allgemein gehaltene Aussagen zur Bedeutung des Todes Jesu treffen.

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die aufgeführten Deutungskategorien nur begrenzt anwendbar sind. Dabei macht die Fülle der Interpretamente es unmöglich, an dieser Stelle auf alle gesondert einzugehen, aber es können zumindest einige wiederkehrende Muster herausgestellt werden. Zu beachten ist weiterhin, dass die hier aufgeführten sonstigen Funktionsdeutungen häufig zusätzlich zu solchen aus einer der genannten Kategorien verwendet werden. In den Protopaulinen stehen in etwa zwei Dritteln der Fälle diese „sonstigen“ Deutungen nicht allein, sondern in Verbindung mit einer der obigen Deutungen, die sie weiter erklären und konkretisieren. Diese Zahl ist im Kolosser- und Epheserbrief sogar noch höher. Dabei zeigt sich auch oft eine Verwandtschaft der verschiedenen Deutungen oder es entstehen Überschneidungen. So lassen sich die Kindschaft und Erbschaft der Gemeinde bzw. der Gläubigen in Röm 8,17 ziemlich einfach aus der anderen Deutung des „Mitvollziehens“ ableiten. Auch die Tatsache, dass Gott uns „alles schenken“ will (Röm 8,32) hängt mit der im Kontext ausgeführten Deutung des Todes Jesu als Offenbarung der Liebe Gottes zusammen. In einigen Passagen (2Kor 5,14; Gal 2,20; Eph 5,2.25; 1Joh 3,16 und Apk 1,5) wird Jesu Sterben als Ausdruck seiner Liebe gesehen, was eine Variation der Deutung „Offenbarung der Liebe Gottes“ darstellt. Zugleich wird durch Jesu Liebe die Motivation für sein Sterben deutlich gemacht, und es bieten sich Anknüpfungspunkte für weiterführende Deutungen, wie insbesondere in Eph deutlich wird, wo sowohl die Vorbildhaftigkeit dieser Liebe herausgestellt wird als auch Reinigung und Heiligung als ihre Konsequenzen angegeben werden. Das Motiv der Verpflichtung in 2Kor 5,14 könnte wiederum als Steigerung des Vorbild-Gedankens gesehen werden. Dementsprechend kann eine Vielzahl der „sonstigen“ Deutungen als Unterkategorien oder Konkretisierungen betrachtet werden. Daneben begegnen jedoch auch eigenständige „sonstige“ Funktionen. Zunächst ist hier der Gedanke an die Schließung eines neuen Bundes zu nennen, wie er besonders eindrücklich in den Abendmahlsworten (Mk 14,22– 24par; 1Kor 11,23–29) formuliert wird und auch im Hebräerbrief präsent ist (Hebr 8,6; 9,15; 10,16.29; 12,24). Möglicherweise nehmen auch andere Passagen auf das Konzept des neuen Bundes indirekt Bezug (so vor allem 1Petr 1,2). Dieses Konzept weist einen deutlichen intertextuellen Bezug auf und ist auch metaphorisch aufgeladen. Es lassen sich zudem weitere Deutungen daraus ableiten, vor allem eine Aussonderung und Erwählung durch Gott. Gerade im Kontext von 1Kor (vgl. auch 1Kor 10,16f.) hat die Erwähnung des Mahls und damit verbunden des neuen Bundes die Funktion, zu Gemeinschaft und Einheit aufzufordern. Der „neue Bund“ kann auch als in ein größeres Themenfeld eingebettet gesehen werden: Mit Jesu Tod und Auferstehung kommt es zu einer neuen Ära. Die „alte Ordnung“ ist aufgehoben und wird durch eine neue ersetzt. In dieser Deutlichkeit kommt das nur im Hebräerbrief zur Sprache (vgl. Hebr 10,9 und auch die Melchisedek-Christologie, die sich durch die Gesamtschrift zieht und vor allem in 5,7–10 deutlich wird). Anklänge finden sich auch in der Ankündigung eines neuen Tempels in Joh 2,18–22 (diese wird in Mk

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

14,58 in ihrem Wert deutlich abgemildert, da sie dort den Jesus anklagenden Personen in den Mund gelegt werden, die als unzuverlässige Zeugen und Zeuginnen charakterisiert werden). Eine weitere Deutung des Todes Jesu stellt das sogenannte „Kontrastschema“ dar, das vor allem das Sprechen vom Tod Jesu in der Apostelgeschichte bestimmt. In den Reden der Apostel kommt dabei wiederholt die folgende ௅ vereinfachte ௅ Struktur vor: „Ihr habt (bzw. die Einwohnerinnen und Einwohner Jerusalems haben) Jesus getötet, Gott hat ihn auferweckt“ (Apg 2,23f.; 3,15; 4,10; 5,30; 10,39f.; 13,28–30; mit Variation in 2,36: Gott hat ihn zum Herrn und Gesalbten gemacht). Über die Wirkung des Todes Jesu sagt das nur indirekt etwas aus, vor allem zeigt sich die Differenz zwischen menschlicher Brutalität und Unzulänglichkeit auf der einen sowie Gottes Macht auf der anderen Seite. Die Angesprochenen werden als solche charakterisiert, die Gottes Sendung und Botschaft missverstanden und missachtet haben, denen Gott jedoch ein deutliches Zeichen entgegensetzt. Dabei tritt die Funktion des Todes Jesu selbst gegenüber der Allmacht Gottes in den Hintergrund, die sich durch den Tod Jesu jedoch deutlich manifestieren kann. Zu beachten ist, dass in Apg 4,11 im Anschluss an die Deutung durch das Kontrastschema klar auf Ps 118,22 (117,22 LXX) Bezug genommen wird. Der Wandel des Steins vom Verworfen-Sein zur zentralen Bedeutung entspricht dabei dem Schicksal Jesu, das im Kontrastschema deutlich wird. Während in Apg 4,11 nur verhältnismäßig knapp auf das Ecksteinzitat eingegangen wird, zeigt die ausführlichere Zitation in Mk 12,10f.par, dass die Einsetzung als Eckstein von Gott gewirkt ist. Dadurch entsteht auch die explizite Gegenüberstellung der Bauleute einerseits, die durch die Rahmenerzählung wohl mit der religiösen Führung Jerusalems identifiziert werden müssen, mit Gott andererseits. Der Kern des Kontrastschemas ist somit kein Alleinstellungsmerkmal der Apg, sondern bereits im Markusevangelium angelegt. Andeutungsweise findet sich das Schema auch in 1Petr 2,4–8, wo jedoch Jesu Tod eine eher untergeordnete Rolle spielt und auch die Scheidung von Gläubigen und Ungläubigen vorrangig ist, nicht von (ungläubigen) Menschen und Gott. Neben dem Kontrastschema ist in Apg 26,23 eine weitere interessante Deutungsnuance erkennbar. Verbunden mit dem Verweis auf die Schrifterfüllung wird argumentiert, der Tod Jesu hätte dazu geführt, dass dieser als erster auferstehen und somit sowohl den Angehörigen des Judentums als auch den Heidinnen und Heiden ein Licht verkünden konnte (İੁ ʌȡ૵IJȠȢ ਥȟ ਕȞĮıIJ੺ıİȦȢ Ȟİțȡ૵Ȟ ij૵Ȣ ȝ੼ȜȜİȚ țĮIJĮȖȖ੼ȜȜİȚȞ IJ૶ IJİ ȜĮ૶ țĮ੿ IJȠ૙Ȣ ਩șȞİıȚȞ). Dass Jesu Tod (und in der Folge Auferstehung) die Funktion einer Art Vorreiterrolle übernimmt, findet sich auch sonst häufiger im Neuen Testament: Joh 14,1–7 (fortgehen, um Wohnung bzw. Weg zum Vater zu bereiten), Kol 1,18 (Betonung, dass Jesus in allem der erste und Anfang ist, somit auch der Erstgeborene aus den Toten, vgl. Apk 1,5),205 etwas indirekter ist das Motiv 205

Vgl. auch generell die Erstgeborenen-Metaphorik; s.u., Abschnitt 6.2.4.

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des Anführers bzw. Urhebers des Heils in Hebr 2,10–13; 5,7–10. Wiederum ähnlich, wenn auch nicht ganz deckungsgleich sind die bildlicher geprägten Darstellungen Christi als Vorläufer in das Innere hinter den Vorhang (Hebr 6,19f.) bzw. als derjenige, der die Schlüssel zu Tod und Hölle besitzt (Apk 1,18). Gerade zu letztgenannter Passage bestehen auch Nähen in 2Tim 1,10, wo dargelegt wird, dass Jesu Sterben den Tod entmachtet hat. Zudem findet sich hier erneut das Motiv des Lichts wieder. Nähen bestehen auch zur eindrücklichen Passage Hebr 2,14–18, in der beschrieben wird, wie Jesus die Macht von Tod und Teufel bricht und die Menschen aus der Furcht vor dem Tod befreit. An einigen Stellen des Neuen Testaments wird besonders betont, dass im Tod Jesu die Begründung für einen neuen Lebenswandel von Seiten der Adressierten liegt. In diese Richtung weist die Beschreibung der Erlösten als Kinder bzw. Erben und Erbinnen in Röm 8,17, die Hinausnahme der Menschen aus der bestehenden bösen Welt in Gal 1,4 sowie der Hinweis in 2Kor 4,15, dass die Adressierten nicht mehr für sich selbst leben, sondern für den für sie Gestorbenen (vgl. auch ähnlich, aber metaphorisch ausgedrückt, 1Kor 6,19f.7,23). Dabei lässt sich teilweise eine Verbindung mit der Mitvollzugsdeutung erkennen. In 1Petr 1,18f. wird die Funktion der Befreiung konkretisiert als Herauslösung aus dem vorherigen (heidnischen) Lebenswandel. Auch das in 1Joh 4,9 angeführte Leben durch den Sohn scheint eine Wendung im Dasein zu implizieren. In der Apokalypse wird eine solche angedeutet durch die Zugehörigkeit zum Lamm (Apk 14,3f., jedoch nur mit indirektem Bezug zum Tod durch das Motiv des „erkauft“ Seins) und dadurch, dass die Menschen als Königinnen und Könige sowie Priesterinnen und Priester bezeichnet werden (Apk 1,5f. und 5,9f.). Insbesondere in den Protopaulinen ist eine verwandte Funktion die Tatsache, dass die Menschen durch Jesu Tod vor Gott gerecht gesprochen sind (vgl. Röm 5,9; 2Kor 5,21; auch 1Petr 2,24). Damit verbunden ist die Feststellung, dass das Gesetz ungültig bzw. unwirksam geworden ist (vgl. Gal 2,19– 21; 5,11; auch Kol 2,20), ebenso die Idee der Bewahrung vor Gottes Zorn bzw. Gericht (vgl. Röm 5,9; 1Thess 5,9f.). Steht in den Protopaulinen somit das Schaffen einer positiven Beziehung zwischen Menschen und Gott im Vordergrund, tritt im Epheserbrief die Versöhnung der Menschen untereinander, insbesondere die Einheit zwischen Menschen, die gebürtig dem Judentum angehören, und solchen, die dem Heidentum entstammen, hinzu (vgl. Eph 2,13.16; die friedenstiftende Funktion in Kol 1,20 dagegen scheint eher auf die GottMensch-Beziehung beschränkt zu sein). Ein weiterer Deutungskomplex kann ganz weit gefasst alle Passagen umfassen, die darauf eingehen, dass Jesu Tod die Voraussetzung für etwas Positives geschaffen hat, bzw. dass das Sterben und dieses Positive (das inhaltlich unterschiedlich gefüllt werden kann) untrennbar zusammengehören. Wird von einer notwendigen Voraussetzung ausgegangen, so kann dieser Aspekt auch in den Bereich der Zwangsläufigkeit fallen, doch meist ist in der Formulierung des

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Positiven auch eine Funktion des Todes Jesu erkennbar. Dieser Deutungsansatz findet sich schwerpunktmäßig im Johannesevangelium und in der Briefliteratur. Als prägnantes Beispiel kann das Bildwort in Joh 12,24 angeführt werden: Das „Sterben“ des Weizenkorns ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass es Frucht bringt. Ohne den Tod ist keine positive Folge möglich. Zugleich handelt es sich um eine Deutung, die allein auf metaphorischer Ebene liegt. Dieses Motiv der positiven Folge auf Jesu Tod findet sich vermehrt in den johanneischen Todesvoraussagungen und korrespondiert mit der hoheitlich-messianischen Jesusdarstellung. So findet sich in Joh 3,14–16 und ähnlich in 14,19 eine Verbindung des Todes Jesu mit dem ewigen Leben der Gläubigen, und in Joh 16,5–11 wird Jesu Fortgang als nötige Voraussetzung für das Kommen des Parakleten angeführt. Ebenso wird in Joh 16,20–22 mithilfe einer Analogie die Trauer der Anhänger und Anhängerinnen angeführt, die sich in Freude wandeln wird.206 Auch in den paulinischen und nachpaulinischen Briefen finden sich entsprechende Verbindunglinien häufiger. Am weitesten verbreitet ist dabei die Verbindung zwischen dem Tod Jesu und dem allgemeinen (ewigen) Leben (2Kor 4,10–12; 13,4; 1Thess 5,10; 2Tim 2,11; auf Jesu Lebendigsein begrenzt: 1Petr 3,18; Apk 1,18; 2,8) bzw. der Auferstehung, an der alle Gläubigen partizipieren (1Thess 4,14; Eph 2,5f.; Kol 2,12–14; vgl. auch Kol 3,3; auf Jesu Auferstehung begrenzt: Eph 4,9f.; Hebr 13,20). Im Großteil der Fälle spielt die Mitvollzugsdeutung eine entscheidende Rolle: Wenn die Christinnen und Christen mit Jesus sterben, werden sie auch mit ihm leben bzw. auferstehen. Daneben wird in 2Kor 1,5–7 die Anteilnahme an Christi Leiden fest mit dem Trost durch Christus verbunden und auch in 1Petr 4,13 wird der Teilhabe am Leiden eine positive Konsequenz entgegengestellt. In stark bildhaft geprägter Sprache wird in Apk 12,11 geschildert, dass die Menschen durch das Blut des Lamms imstande sind, selbst den Drachen zu besiegen. Auch die tiefgreifende Verbindung von Erniedrigung und Erhöhung in Phil 2,8 kann diesem Deutungsschema zugeordnet werden, wenn auch hier keine unmittelbare Auswirkung auf die Gemeinde beschrieben wird. Auf ähnliche Weise folgt in Hebr 12,2 auf den schmachvollen Tod die Erhebung Christi zur Rechten des Vaters, wodurch das Leid relativiert wird. In Apk 5,9f.12 ist die Schlachtung des Lamms die Voraussetzung dafür, dass es würdig ist, das Buch zu öffnen. An einzelnen Stellen ist ein enger Bezug zwischen dem Tod Jesu und der Verkündigung erkennbar. In den Protopaulinen klingt dies eher indirekt an, etwa in 2Kor 5,20f. oder Gal 3,14. Dabei zeigt letztgenannte Stelle die Bedeutung des Todes Jesu für die Mission der Heidinnen und Heiden auf. Demgegenüber greift 1Tim 2,6 das Stichwort „Zeugnis“ (ȝĮȡIJ઄ȡȚȠȞ) explizit auf. Noch deutlicher wird dies in 1Joh 5,6–8, wo jedoch der Tod Jesu nicht besonders deutlich hervorgehoben wird. 206

S.o., Abschnitt 4.5. des ersten Kapitels.

5. Deutungen des Todes Jesu

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Insbesondere im Hebräerbrief wird die Einmaligkeit und Endgültigkeit des Todes Jesu und seiner Wirksamkeit betont, was der Wiederholungsbedürftigkeit der Opfer „alter Ordnung“ gegenübergestellt wird (vgl. Hebr 7,27; 10,5– 18). Diese Einmaligkeit wird auch in 1Petr 3,18 hervorgehoben. Wie bereits angeklungen ist, beinhaltet der Hebräerbrief insgesamt eine enorme Deutungsfülle, wobei einige Schwerpunkte erwähnenswert sind, die nicht in die oben aufgeführten Deutungsbereiche fallen, jedoch dank häufiger Wiederholungen sich wiederum gut kategorisieren lassen. Von besonderer Bedeutung ist dabei ein Motiv, das als „umgekehrter Mitvollzug“ bezeichnet werden kann und mit dem Bild des Gleichmachens sowie der Geschwisterschaft verbunden ist. Grundgedanke ist hier nicht, dass Menschen den Tod Jesu mitvollziehen und so geheiligt oder erlöst werden, sondern dass Jesus den Tod erleiden muss und am Leiden zu partizipieren hat, um den Menschen gleich zu werden und sie schließlich befreien zu können. Auch hierin wird eine sehr starke Notwendigkeit bzw. Zwangsläufigkeit beschrieben. Die wichtigsten Passagen, in denen dieser „umgekehrte Mitvollzug“ zum Ausdruck kommt, sind Hebr 2,10–18; 4,15 und 5,7–10, in letzterer Passage aber eher implizit. Damit eng verknüpft ist auch die Vollendung durch Leiden, bzw. die Tatsache, dass das Leiden Jesus Gehorsam lehrt. Dieser Aspekt findet sich ebenfalls in Hebr 2,10–13 und 5,7–10, wobei auch das Motiv der Vollendung der Heiligung in 10,14 konzeptuelle Parallelen aufweist. Dass Jesu Sterben ein Ausdruck des Gehorsams gegenüber Gott ist, wird auch in Joh 14,28–31 angeführt. Im Hebräerbrief lässt sich auch die Dominanz bestimmter „sonstiger“ Deutungen innerhalb unterschiedlicher Briefabschnitte erkennen. Während z.B. der umgekehrte Mitvollzug und die Vollendung durch Leiden hauptsächlich im vorderen Teil vorkommen, sind der neue Bundesschluss und die Einmaligkeit des Opfers eher im hinteren Teil anzusiedeln. Schließlich sind in diesem Abschnitt auch noch solche Deutungen des Todes Jesu zu nennen, die zusätzlich oder sogar ausschließlich durch die Verwendung von Metaphern vorliegen, bzw. die aus diesen generiert werden müssen. Eine Funktion des Todes Jesu lässt sich in solchen Fällen lediglich aus dem Bild selbst ableiten, wozu wiederum ein eigener Deutungsprozess angestoßen werden muss. Ein gutes Beispiel hierfür bietet 1Kor 5,7, wo zwar keine explizite Deutung vorliegt, jedoch eine implizite durch die Analogie, die zwischen Jesus und dem Passalamm hergestellt wird. Auch in den nächsten beiden Kapiteln des 1Kor finden sich ähnliche Phänomene. Sowohl in 6,19f. als auch in 7,23 wird nur sehr indirekt durch die Metapher des „erkauft Seins“ überhaupt auf Jesu Tod verwiesen und allein durch diese metaphorische Bezugnahme wird ein Deutungsprozess bei den Rezipierenden angeregt. Auch in Gal 3,13 wird vorrangig durch die metaphorische Beschreibung, dass Jesus für die Menschen zum Fluch wurde, die Wirkung seines Todes angedeutet. Im 2Petr wird, wenn überhaupt vom Tod Jesu gesprochen wird, nur durch indirekte, metaphorische Wendungen hierauf verwiesen und dementsprechend erfolgt auch allein durch

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

die Metapher eine Deutung. Unklar ist vor allem der Bezug der Aussage in 2Petr 1,9, wo eine Reinigungsmetapher vorliegt. Deutlicher mit Jesu Tod in Verbindung gebracht werden kann 2Petr 2,1, aber auch hier wird, wenn überhaupt, nur beiläufig auf Jesu Sterben eingegangen. Die Verwendung der Loskaufmetapher an dieser Stelle deutet indirekt darauf hin, dass an eine Art Befreiung zu denken ist. Auch in 1Joh 1,7 wird eine Deutung vorrangig durch die Metapher der Reinigung vorgenommen, obwohl das Stichwort „Sünde“ hier auch noch weitere Hinweise zur Wirkung des Todes Jesu bietet. An dieser Stelle ist durch die Rede vom Blut auch sehr deutlich, dass von einem Bezug zum Tod Jesu ausgegangen werden muss. Aufgrund der Metaphernfülle des Hebr ist es wenig verwunderlich, dass in einzelnen Textteilen Deutungen des Todes Jesu durch die verwendeten Metaphern ausgedrückt werden, die so nicht explizit gemacht werden. Meistens handelt es sich dabei jedoch um zusätzliche Deutungsnuancen. Lediglich in 1,3, wo generell unklar ist, ob man von einer Rede über den Tod Jesu sprechen kann, liegt lediglich die Deutung durch die Metapher (und zwar erneut durch die Reinigungsmetapher) vor, wenn man denn von einem Bezug auf sein Sterben ausgeht. Weitere metaphorische Deutungen bestehen vor allem in 2,9 („Krönung durch Leiden“, „Schmecken des Todes“) und in den verwandten Abschnitten 6,19f. und 10,19–22 durch die Ausführungen zum Zutritt durch den Vorhang. Obwohl die Apokalypse insgesamt das in den Visionen Geschaute als in gewisser Weise „reale“ Ereignisse darstellt, regt gerade das drastische Bild des Waschens der Kleider im Blut des Lamms (Apk 7,14) die Rezipierenden zum Bedeutungstransfer an ௅ umso mehr, wenn ihnen vertraut ist, dass auch sonst in den neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu die Reinigungsmetapher eine Rolle spielt. Auch die symbolhafte Darstellung Christi als geschlachtetes Lamm (besonders 5,6.12; 13,8 u.ö.) kann zu einem vertieften Deutungsprozess führen.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu 6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

Nachdem nun annähernd dargestellt wurde, in welchem Rahmen das Sprechen vom Tod Jesu im Neuen Testament erfolgt, soll im Folgenden auf unterschiedliche Arten metaphorischen Sprechens eingegangen werden. Dadurch werden die grundlegenden Metaphern deutlich, deren Kombinationen Gegenstand von Kapitel 4 sind. Es ist Grundcharakteristikum der Metapher, dass sie – wenn auch in indirekter Weise – eine Deutung vornimmt. Schließlich verhilft sie dazu, einen Sachverhalt in einem ungewöhnlichen Licht zu betrachten und hebt bestimmte Aspekte hervor, während andere zurücktreten. Alle metaphorischen Bezugnahmen auf den Tod Jesu sind somit zugleich Deutungen des Todes Jesu, die in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle bildhaft darstellen, welche Wirkung der Tod Jesu auf die Menschen bzw. Gläubigen hat. Teilweise zeigen sich daher deutliche Überschneidungen zu den oben aufgeführten Interpretamenten,

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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etwa zwischen der Mitvollzugsdeutung und Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle oder der Funktion der Befreiung mit der konzeptuellen Metapher JESU TOD IST EIN LOS- BZW. FREIKAUF. Hier wird erneut die Schwierigkeit, metaphorische und „wörtliche“ Sprache voneinander abzugrenzen, deutlich, das, was Goatly als Metaphorical Scalarity bezeichnet und als zentralen Aspekt seines Ansatzes herausstellt.207 Dennoch ist davor zu waren, Funktion und bildhafte Darstellung vorschnell gleichzusetzen, da die Funktion auch in „eigentlicher“ Sprache ausgedrückt werden kann ௅ und wird. Obwohl andere Möglichkeiten, die Deutung auszudrücken, bestehen, lässt sich durch das Neue Testament hindurch beobachten, dass metaphorische Sprache eine große Rolle spielt und häufig vertreten ist. Auch hier bestehen jedoch zwischen den unterschiedlichen neutestamentlichen Schriften teilweise erhebliche Unterschiede. Als Extremfall seien 1Thess und Hebr genannt. Während erster ohne deutliche metaphorische Sprachmuster auskommt, ist es bei letztem schwierig, wenn nicht unmöglich, Passagen auszumachen, die nicht von bildhafter Sprache durchdrungen sind. Dieses Phänomen kann ebenfalls auf Goatlys Ansatz rückgeführt werden, in dem Sinne, dass im Hebräerbrief eine größere „Risikobereitschaft“ für den Einsatz von Metaphern besteht. Dabei ist gleichzeitig zu beachten, dass ein allgemein hohes Aufkommen von Metaphern innerhalb eines Textes paradoxerweise auch dazu führen kann, dass Einzelmetaphern einfacher erkannt und interpretiert werden können. Im Folgenden werden zunächst die Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle dargestellt, bevor die sprachlichen Manifestationen dreier zentraler konzeptueller Metaphern des Neuen Testaments sowie weitere Einzelmetaphern ausgeführt werden, in denen Jesu Tod das Topic bildet. 6.1. Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle Wenn von Metaphern mit Bezug auf Jesu Tod die Rede ist, dann denkt man meist zuerst an solche, in denen Begriffe, die auf diesen verweisen, das Topic darstellen, das auf bildhafte Weise näher erläutert und gedeutet wird. Es gibt jedoch eine Reihe von metaphorischen Aussagen, in denen der Tod Jesu den Hintergrund für den V-Term bildet oder durch diesen evoziert wird. Obwohl in metaphorischen Aussagen der Hauptschwerpunkt auf dem jeweiligen Topic liegt, das durch das Vehicle erhellt wird und somit eine bestimmte Deutung erfährt, sind auch solche Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle theologisch relevant. Auch durch diese erfährt der Tod Jesu eine indirekte oder rückwirkende Deutung bzw. wird eine bestimmte Deutung vorausgesetzt. Wenn Jesu Tod als Vehicle in einer Metapher gebraucht wird, dann muss dieser ja in einem bestimmten Licht gesehen werden, damit die Metapher argumentativ wirksam sein kann. 207

S.o., Abschnitt 1.2.3. des ersten Kapitels.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Es gibt zwei zentrale Themen, für die Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle relevant sind, die Abendmahlseinsetzung ௅ die unabhängig von der Frage nach der Realpräsenz in heutigen liturgischen Vollzügen sprachlich die Form einer Metaphernreihe hat und angesichts der Gegenwart des lebendigen Jesus in den Einsetzungsberichten schwerlich anders verstanden werden kann ௅ und der Mitvollzug. Weitere Beispiele bieten einzelne Stellen aus dem ersten Petrusund dem Hebräerbrief. Für die Abendmahlseinsetzung sind natürlich die jeweiligen Berichte in den Synoptikern (Mk 14,22–24; Mt 26,26–28 und Lk 22,19–20) und in 1Kor 11,24–25 relevant und daneben auch 1Kor 10,16f., was jedoch gesondert betrachtet wird. In allen Stellen wird auf den Tod Jesu nur indirekt angespielt, durch die Hingabe des Leibes und das Vergießen des Blutes und im Falle der Synoptiker natürlich durch den Kontext, der mit dem Todesbeschluss der religiösen Eliten und dem Verrat des Judas starke Vorgaben für die Interpretation des Geschehens liefert. Die metaphorische Struktur ist in den verschiedenen Fassungen unterschiedlich angelegt. Zunächst sollen die Versionen des Brotwortes verglichen werden: Tabelle 5: Metaphernstruktur der Brotworte T-Term V-Term

Genauere Bestimmung des V-Terms

Mk IJȠ૨IJં („dies“) IJઁ ı૵ȝ੺ ȝȠȣ („mein Leib“)

Mt IJȠ૨IJં („dies“) IJઁ ı૵ȝ੺ ȝȠȣ („mein Leib“)

Lk IJȠ૨IJં („dies“) IJઁ ı૵ȝ੺ ȝȠȣ („mein Leib“)

-

-

IJઁ ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ įȚįંȝİȞȠȞ („der für euch gegebene“)

1Kor 11 IJȠ૨IJં („dies“) ȝȠ઄ […] IJઁ ı૵ȝĮ („mein Leib“) IJઁ ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ („der für euch“)

Hier zeigen sich deutlichere Parallelen als im Kelchwort, gerade was die Termini betrifft, durch die die Metapher konstituiert ist. In 1Kor 11,24 steht lediglich das Possessivpronomen vor der Kopula, was jedoch keinen nennenswerten Bedeutungsunterschied ausmacht, obwohl der Bezug zum Substantiv des VTerms so weniger deutlich wird. Auf der grammatikalischen Ebene wird der TTerm durch ein Demonstrativpronomen ausgedrückt, das deutlich auf das Brot verweist. Der V-Term wird, wie erwähnt, durch ein Substantiv gebildet, das durch ein Possessivpronomen näher bestimmt wird. Im Markus- und Matthäusevangelium ist dies der gesamte Umfang der einfachen Kopula-Metapher, die lediglich durch das Possessivpronomen leicht erweitert wird. Es handelt sich also um eine nahezu prototypische Metapher. Der Bezug zum Tod Jesu wird hieraus allein nicht besonders deutlich. Es braucht das sich anschließende Kelchwort, um die Deutungsmöglichkeiten einzuschränken. Im Lukasevange-

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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lium und im ersten Korintherbrief wird der Leib analog zum Kelch weiter spezifiziert, durch eine einfache präpositionale Wendung in 1Kor 11,24 bzw. ein Partizip mit angeschlossener präpositionaler Wendung in Lk 22,19. Beide Erweiterungen werden durch den wiederholten Artikel mit dem eigentlichen VTerm verbunden. Sie spezifizieren die Funktion der metaphorischen Gleichsetzung und bieten damit ein Deutungsangebot. Durch die Einfügung des Aspekts des „Gebens“ bei Lukas ist zudem die Anspielung auf Jesu Tod stärker und die Parallelität zum Kelchwort wird deutlicher. Dieses weist in den unterschiedlichen Versionen Abweichungen auf, die sich stärker auf die Analyse der Metapher auswirken: Tabelle 6: Metaphernstruktur der Kelchworte Mk IJȠ૨IJં („dies“)

Mt IJȠ૨IJં („dies“)

Lk IJȠ૨IJȠ IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ („dieser Kelch“)

V-Term

IJઁ Įੈȝ੺ ȝȠȣ („mein Blut“)

IJઁ Įੈȝ੺ ȝȠȣ („mein Blut“)

ਲ țĮȚȞ੽ įȚĮș੾țȘ („der neue Bund“)

Genauere Bestimmung des V-Terms I Genauere Bestimmung des V-Terms II

IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ („des Bundes“)

IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ („des Bundes“)

ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJ઀ ȝȠȣ („in meinem Blut“)

IJઁ ਥțȤȣȞȞંȝİȞȠȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ʌȠȜȜ૵Ȟ („das für viele vergossene“)

IJઁ ʌİȡ੿ ʌȠȜȜ૵Ȟ ਥțȤȣȞȞંȝİȞȠȞ („das für viele vergossene“)

IJઁ ਫ਼ʌ੻ȡ ਫ਼ȝ૵Ȟ ਥțȤȣȞȞંȝİȞȠȞ („das für euch vergossene“)

T-Term

1Kor 11 IJȠ૨IJȠ IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ („dieser Kelch“) ਲ țĮȚȞ੽ įȚĮș੾țȘ („der neue Bund“) ਥȞ IJ૶ ਥȝ૶ Į੆ȝĮIJȚ („in meinem Blut“)

Wiederum sind die Fassungen bei Mk und Mt sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich lediglich in der Wortstellung und dem Gebrauch von (dem Sinn nach hier austauschbaren) Präpositionen.208 Allerdings ergänzt Mt eine weitere Funktion, die formal als präpositionale Wendung vom Partizip der zweiten genaueren Bestimmung des V-Terms abhängt: „zur Vergebung der Sünden“ (İੁȢ ਙijİıȚȞ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ). Die beiden genaueren Bestimmungen wirken sich auch auf die metaphorische Struktur aus: Durch den Verweis auf den Bund eröffnet sich streng genommen eine zweite, sekundäre Metapher ௅ Vehicle ist schließlich der Tod Jesu, worin sich das Blutvergießen leicht integrieren lässt, der Bund jedoch nicht ohne zusätzliche Übertragungsleistung ௅, die aber hinter dem Blutmotiv zurücksteht, zumal sich die zweite Spezifizierung wiederum direkt auf das Blut bezieht. Neben der generellen Rede vom Blut macht gerade die Verbform des 208

S.o., Abschnitt 5.2.1.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Partizips besonders deutlich, dass Jesu Tod den Hintergrund des Vehicles bildet. Gegenüber dem Brotwort wird auch die Relevanz des Geschehens für andere in der ਫ਼ʌȑȡ/ʌİȡȓ-Wendung thematisiert. Abgesehen von den Erweiterungen des V-Terms ist die metaphorische Struktur gänzlich parallel zu der der Brotworte bei diesen beiden Evangelisten. Der T-Term ist jeweils identisch, bezieht sich aber natürlich auf unterschiedliche Gegenstände. Leib und Blut entstammen dem gleichen semantischen Feld, so dass sich insgesamt ein kohärentes Bild ergibt. Dies ist in den anderen beiden Fassungen komplizierter. Hier wird zunächst das Topic dadurch deutlicher gemacht, dass kein Demonstrativpronomen gebraucht wird, sondern direkt der Kelch genannt wird. Daraus ergibt sich jedoch eine leichte Verschiebung. Auch wenn das Demonstrativpronomen im narrativen Rahmen der Mk- und Mt-Fassungen ebenfalls auf den Kelch bezogen wird, ist dies in der metaphorischen Aussage selbt nicht mehr so deutlich. Rezipierende werden hier leichter einen Verweis zum Inhalt des Kelches herstellen, der sich einfacher mit dem Blut auf metaphorischer Ebene identifizieren lässt. Diese Interpretationsmöglichkeit wird in den lukanischen und paulinischen Fassungen deutlich eingeschränkt. Zudem hat die Vertauschung von V-Term und erster genaueren Bestimmung des V-Terms gegenüber Mt und Mk erhebliche Auswirkungen. Anstelle der Identifizierung mit dem Blut, das durch das Genitivattribut „des Bundes“ näher bestimmt wird, steht bei Lukas und Paulus der Bund als V-Term und das Blut wird daran lediglich durch eine präpositionale Wendung angeschlossen. Was bei Mt und Mk sekundär ist, ist hier Bestandteil der Hauptmetapher, denn die metaphorische Spannung besteht zwischen Kelch und Bund, was dadurch besonders deutlich wird, dass auch hier die einfache Kopula-Metapher das Grundgerüst bildet. Das Blutmotiv wird erst sekundär hieran angeschlossen, wobei die Formulierungen in Lk und 1Kor leicht, jedoch nicht bedeutungsverändernd, voneinander abweichen. In Lk schließt sich analog zur Version der anderen beiden Synoptiker das Partizip mit ਫ਼ʌȑȡ-Wendung an, wobei der Anschluss an das Blut hier syntaktisch klarer ist. Anders als bei Mk und Mt handelt es sich bei der ਫ਼ʌȑȡ-Formulierung nicht um eine generelle Aussage, sondern sie bezieht sich ebenso wie beim lukanischen Brotwort direkt auf die Adressierten des Gesagten und somit auch indirekt auf die lukanische Gemeinde. Eine nochmals andere Struktur ist in 1Kor 10,16 erkennbar. Tabelle 7: Metaphernstruktur von 1Kor 10,16 T-Term Genauere Bestimmung des T-Terms durch Genitivattribut Genauere Bestimmung des T-Terms durch Relativsatz

Kelch ௅ 10,16a IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ („der Kelch“) IJોȢ İ੝ȜȠȖ઀ĮȢ („des Segens“)

Brot ௅ 10,16b IJઁȞ ਙȡIJȠȞ („das Brot“) -

੔ İ੝ȜȠȖȠ૨ȝİȞ („den wir segnen“)

੔Ȟ țȜ૵ȝİȞ („das wir brechen“)

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

V-Term Genauere Bestimmung des V-Terms durch Genitivattribut

Kelch ௅ 10,16a țȠȚȞȦȞ઀Į („Gemeinschaft“) IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ („des Blutes Christi“)

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Brot ௅ 10,16b țȠȚȞȦȞ઀Į („Gemeinschaft“) IJȠ૨ ıઆȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ („des Leibes Christi“)

Beide Sätze sind stark parallel aufgebaut, mit Ausnahme des Genitivattributs beim T-Term in 10,16. Gegenüber den „klassischen“ Abendmahlsworten fällt auf, dass die Reihenfolge von Kelch- und Brotwort vertauscht ist und dass das Topic jeweils ausführlicher beschrieben wird, wodurch es stärker an Gewicht gewinnt. Schwerpunkt scheint hier die liturgische Praxis des Abendmahls zu sein. Grammatikalisch liegt wiederum die Kopula-Metapher vor, die jedoch durch die Zusätze stärker ausgeführt wird. In diesem Fall werden beide Topics, Brot und Kelch, direkt genannt. Im Vergleich zu den anderen diskutierten Passagen wird wiederum ein anderer V-Term gebraucht, die Gemeinschaft, die durch die jeweiligen Genitivattribute in die Gemeinschaft des Leibes und des Blutes ausdifferenziert wird. Freilich ist der allgemeine V-Term sehr eng mit der näheren Bestimmung verknüpft. Dennoch ist die Aussage eine andere, als wenn die Genitivattribute direkt als V-Terms stehen würden, wie etwa in den Einsetzungsworten bei Mk und Mt, da hierdurch eine stärkere semantische Spannung erzeugt wird. Da der Begriff „Gemeinschaft“ abstrakt ist und keinem klaren Bild zugeordnet werden kann, schwächt dies die der Metapher inhärente Widersprüchlichkeit deutlich ab. Die zweite Gruppe von Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle bilden die, in denen jener als von den Gläubigen mitvollzogen dargestellt wird. Dies ergibt zwangsläufig ein Spannungsmoment, da die Personen, die das Topic darstellen, etwa Paulus selbst oder die Angehörigen der jeweils angesprochenen Gemeinde, offenkundig noch am Leben sind. Gerade bei Paulus kommt diese Metapher häufig vor, besonders im Römer-, Galater- und Philipperbrief, wo sie jeweils ein dominantes Motiv darstellt. Dabei ist es interessant, dass es in 1Kor, wo die Abendmahlsmetaphorik vorkommt, keine Mitvollzugsmetaphern gibt und umgekehrt die paulinischen Briefe, die Mitvollzugsmetaphern verwenden, nicht auch explizit solche mit Abendmahlsbezug aufweisen. Neben den echten Paulinen ist diese Metaphorik auch im Kolosser- und Epheserbrief sehr präsent. In der weiteren Briefliteratur sind nur noch 2Tim 2,11 und 1Petr 2,24 zu nennen, sowie in den Erzähltexten der Ausdruck „sein Kreuz auf sich nehmen“, der etwa in Mk 8,34par begegnet. Sprachlich gesehen sind die Mitvollzugsmetaphern schwerer zu fassen als die Abendmahlsmetaphern, da der V-Term zumeist aus einem Verb oder einer ganzen Phrase besteht. Diese Komplexität lässt sich gut anhand der Aussage von Mk 8,34 zeigen, die auch wortgleich in der Parallele Mt 16,24 und mit kleinen stilistischen Änderungen, die sich jedoch höchstens marginal auf die metaphorische Aussage auswirken, in Lk 9,23

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

vorkommt. Das Nehmen des Kreuzes verweist dabei auf die Leiden Jesu in der Passionsgeschichte und weniger deutlich auf den Tod selbst, wobei dieser natürlich den Kulminationspunkt der Passion darstellt. Als V-Term dieser Metapher muss wohl die gesamte Phrase ਕȡ੺IJȦ IJઁȞ ıIJĮȣȡઁȞ Į੝IJȠ૨ („er nehme sein Kreuz auf“), die nicht „wörtlich“ gemeint sein kann, angesehen werden. Die Bestimmung des T-Terms erweist sich als schwieriger. Eine metaphorische Spannung besteht zum Subjekt der Aussage, da bekannt ist, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die angedachten Personen die beschriebene Handlung ausführen. Gleichzeitig scheint die Wendung „sein Kreuz aufnehmen“ synonym zur Christusnachfolge samt der mit ihr verbundenen Konsequenzen und Risiken gebraucht zu sein oder zumindest konzeptuell in großer Nähe hierzu zu stehen. Dementsprechend liegt es nahe, die sich an den V-Term anschließende Wendung ਕțȠȜȠȣșİ઀IJȦ ȝȠȚ („er folge mir nach“) als T-Term anzusehen. Beide Möglichkeiten fallen dadurch zusammen, dass das Subjekt vorher bereits spezifiziert wurde: IJȚȢ ș੼ȜİȚ ੑʌ઀ıȦ ȝȠȣ ਕțȠȜȠȣșİ૙Ȟ („wer mir nachfolgen will“). Es liegt somit eine verstärkende Wiederholung des Nachfolgemotivs vor, da es zweimal direkt und einmal durch den V-Term beschrieben wird. Auch in der etwas anders formulierten weiteren Parallele in Mt 10,38 ist offenbar die Phrase ȜĮȝȕ੺ȞİȚ IJઁȞ ıIJĮȣȡઁȞ Į੝IJȠ૨ („er nimmt sein Kreuz“) V-Term und ਕțȠȜȠȣșİ૙ ੑʌ઀ıȦ ȝȠȣ („er folgt mir nach“) T-Term, wobei hier beide Wendungen dazu dienen, das Subjekt der Aussage gleichberechtigt zu charaktierisieren. Als alternative Deutung dieser Passagen wäre es möglich, ein abstraktes Topic zur Aussage „sein Kreuz aufnehmen“ unabhängig vom Text zu konstruieren, etwa „Leidensbereitschaft“. In der Briefliteratur werden Metaphern, in denen der Tod, speziell der Tod Jesu, das Vehicle stellt, und die den Mitvollzug dieses Todes durch die Gläubigen ausdrücken, sprachlich auf sehr unterschiedliche Art und in variierender Komplexität dargestellt. Am klarsten zu fassen sind auch hier solche Metaphern, die als eine Art Kopula-Metapher aufgefasst werden können. Hier fallen vier Stellen durch strukturelle und wörtliche Übereinstimmungen ins Auge:

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

423

Tabelle 8: Übersicht der ȞİțȡȠȪȢ-Metaphern Bibelstelle Röm 6,11

T-Term

V-Term

Erweiterung des V-Terms

ȞİțȡȠȪȢ („tot“/„Tote“)

IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ („der Sünde“)

Eph 2,1

ਫ਼ȝİ૙Ȣ/ ਦĮȣIJȠઃȢ („ihr“) ਫ਼ȝ઼Ȣ („euch“)

ȞİțȡȠȪȢ („tot“/ „Tote“)

Eph 2,5 Kol 2,13

ਲȝ઼Ȣ („wir“) ਫ਼ȝ઼Ȣ („euch“)

ȞİțȡȠȪȢ („tot“/ „Tote“) ȞİțȡȠȪȢ („tot“/ „Tote“)

IJȠ૙Ȣ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮıȚȞ țĮ੿ IJĮ૙Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȚȢ ਫ਼ȝ૵Ȟ („in/durch eure/n Übertretungen und Sünden“) IJȠ૙Ȣ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮıȚȞ („in den/durch die Übertretungen“) [ਥȞ] IJȠ૙Ȣ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮıȚȞ țĮ੿ IJૌ ਕțȡȠȕȣıIJ઀઺ IJોȢ ıĮȡțઁȢ ਫ਼ȝ૵Ȟ („in den Übertretungen und der Unbeschnittenheit eures Fleisches“)

Es ist leicht erkennbar, dass hier jeweils derselbe V-Term verwendet ist, der als Adjektiv oder Substantiv aufgefasst werden kann. Je nachdem ändert sich die Intensität der Aussage: Handelt es sich um ein Substantiv, so liegt eine Identifizierung mit dem T-Term vor. Fasst man ȞİțȡȠȪȢ hingegen als Adjektivform, lässt sich die Gesamtaussage auch eher im Sinne einer Eigenschaftszuschreibung interpretieren, was etwas schwächer ist. Beim T-Term handelt es sich stets um ein Pronomen im Akkusativ, das, abgesehen von Eph 2,5, in der zweiten Person Plural steht. Die Aussagen werden jeweils durch einen Verweis auf die Sünde(n) ௅ unter Verwendung unterschiedlicher Termini ௅ im Dativ ergänzt. Allerdings wird diese Erweiterung offenbar unterschiedlich verstanden. Während Röm 6,11 aussagt, dass durch den Tod die Wirkmacht der Sünde aufgehoben ist, scheinen die persönlich begangenen Sünden in den beiden Deuteropaulinen der Grund für den Tod zu sein. Dieser wird dann aber durch die Teilhabe an der Auferstehung Christi ins Positive gewendet. Dementsprechend ist streng genommen nur die protopaulinische Metapher eine, in der Jesu Tod als Vehicle fungiert, da der Tod im Verständnis der Deuteropaulinen zwar metaphorisch gesehen wird, aber selbstverschuldet ist. Die starken Übereinstimmungen in den Formulierungen deuten klar auf eine Verwandtschaft der Passagen hin. Ob hier dieselbe urchristliche Formulierung verwendet wird oder der Kolosser- und Epheserbrief eine paulinische Wendung zitieren, lässt sich dabei jedoch nicht ausmachen. Eine weitere Variante der Kopula-Metapher liegt in Röm 6,5 vor: ı઄ȝijȣIJȠȚ ȖİȖંȞĮȝİȞ IJ૶ ੒ȝȠȚઆȝĮIJȚ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ Į੝IJȠ૨ („wir sind Zusammengewachsene geworden in der Gleichheit seines Todes“). Der TTerm „wir“ ist dabei nur in der Prädikatsendung erkennbar, während der VTerm aus dem offenbar substantiviert gebrauchten Adjektiv ı઄ȝijȣIJȠȚ („Zusammengewachsene“) besteht, welches wiederum durch einen Dativ, der hier lokativ zu verstehen ist, ergänzt wird. Erst durch diese Erweiterung wird der metaphorische Hintergrund des Todes Jesu voll entfaltet, weshalb sie für das gänzliche Verständnis der Metapher konstitutiv ist. Inhaltlich und strukturell

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

ähnlich zu Röm 6,11 ist Phil 3,10: ıȣȝȝȠȡijȚȗંȝİȞȠȢ IJ૶ șĮȞ੺IJ૳ Į੝IJȠ૨ („gleichgestaltet [in] seinem Tod“). Auch hier ist der T-Term lediglich in der Personalendung des Vollverbs erkennbar, die in diesem Fall jedoch außerhalb der eigentlichen Metapher liegt (İਫ਼ȡİș૵, „ich werde gefunden“; V. 9). Anders als in Röm 6,5 bildet ein Partizip, kein Adjektiv, das Zentrum des V-Terms, der wiederum nicht ohne die Erweiterung im Dativ seine ganze metaphorische Fülle entfalten kann. Vorbereitet wird die Metapher durch die vorausgehende Wendung, die ebenfalls innerhalb der Mitvollzugsthematik steht: [IJ੽Ȟ] țȠȚȞȦȞ઀ĮȞ [IJ૵Ȟ] ʌĮșȘȝ੺IJȦȞ Į੝IJȠ૨ („die Teilhabe/Gemeinschaft an/in seinem Leiden“). Auch diese Wendung kann als leicht metaphorisch angesehen werden. Verbalmetaphern kommen weitaus häufiger vor und sind zugleich schwieriger fassbar, weil die Identifikation des T-Terms weniger offensichtlich ist. In diesem spezifischen Fall macht es Sinn, das Subjekt des Satzes bzw. das Bezugswort des Partizips als T-Term anzunehmen, was bedeutet, dass man dieselbe logische Struktur erhält wie in den oben aufgeführten Kopula-Metaphern. In nicht wenigen Fällen ist damit der T-Term nur in der Verbendung des Prädikats enthalten, da das Subjekt des Satzes im Griechischen nicht explizit genannt werden muss, was bedeutet, dass teilweise T-Term und V-Term in einem Wort zusammenfallen. Die für den V-Term verwendeten Verben variieren zudem, so dass der Bezug zum Tod Jesu mehr oder weniger deutlich wird, was sich jedoch nicht zwingend auf die Intensität der Metapher auswirkt. Am Beispiel veranschaulicht: Der Ausdruck „mitbestattet sein“ nimmt nur indirekt Bezug auf Jesu Tod, kann aber wegen seiner Bildhaftigkeit Teil einer starken Metapher sein. Die folgende Übersicht zeigt die Verwandtschaft der entsprechenden Verbalmetaphern im Kontext des Mitvollzugs auf, wobei nur solche aufgenommen sind, die sich deutlich auf den Mitvollzug des Todes, nicht den der Auferstehung, beziehen. Tabelle 9: Metaphern, die das Mit-Sterben durch Verbformen/Partizipien ausdrücken Bibelstelle Röm 6,2 Röm 6,4

T-Term (Subjekt/Bezugswort) Ƞ੆IJȚȞİȢ „diejenigen“

Röm 6,6

੒ ʌĮȜĮȚઁȢ ਲȝ૵Ȟ ਙȞșȡȦʌȠȢ („unser alter Mensch“)

Röm 6,8

Nur in der Verbendung

Nur in der Verbendung

V-Term ਕʌİș੺ȞȠȝİȞ („wir sind gestorben“) ıȣȞİIJ੺ijȘȝİȞ („wir wurden mitbestattet“)

ıȣȞİıIJĮȣȡઆșȘ („er wurde mitgekreuzigt“) ਕʌİș੺ȞȠȝİȞ („wir sind gestorben“)

Erweiterungen zum VTerm IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ („der Sünde“) Į੝IJ૶ („mit ihm“) įȚ੹ IJȠ૨ ȕĮʌIJ઀ıȝĮIJȠȢ İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ („durch die Taufe auf/in den Tod“) -

ıઃȞ ȋȡȚıIJ૶ („mit Christus“)

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu Bibelstelle Röm 7,4

T-Term (Subjekt/Bezugswort) ਫ਼ȝİ૙Ȣ („ihr“)

Röm 7,6

Nur in der Verbendung, hier: țĮIJȘȡȖ੾șȘȝİȞ („wir wurden befreit“); erweitert durch ਕʌઁ IJȠ૨ ȞંȝȠȣ („vom Gesetz“); vor dem Hintergrund von 7,4 kann man möglicherweise die gesamte Wendung als TTerm ansehen Nur in der Verbendung

Röm 8,17 Gal 2,19a

ਥȖȫ („ich“)

Gal 2,19b

Nur in der Verbendung

Kol 2,12

Nur in der Verbendung, hier: ʌİȡȚİIJȝ੾șȘIJİ („ihr wurdet beschnitten“; V. 11) Nur in der Verbendung

Kol 2,20

Kol 3,3 2Tim 2,11

Nur in der Verbendung Nur in der Verbendung

V-Term ਥșĮȞĮIJઆșȘIJİ („ihr seid tot gemacht worden“)

ਕʌȠșĮȞંȞIJİȢ („gestorben“)

ıȣȝʌ੺ıȤȠȝİȞ („wir leiden mit“) ਕʌ੼șĮȞȠȞ („bin gestorben“) ıȣȞİıIJĮ઄ȡȦȝĮȚ („ich bin mitgekreuzigt worden“) ıȣȞIJĮij੼ȞIJİȢ („mitbestattet“)

ਕʌİș੺ȞİIJİ („ihr seid gestorben“)

ਕʌİș੺ȞİIJİ („ihr seid gestorben“) ıȣȞĮʌİș੺ȞȠȝİȞ („wir sind mitgestorben“)

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Erweiterungen zum VTerm IJ૶ Ȟંȝ૳ („dem Gesetz“) įȚ੹ IJȠ૨ ıઆȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ („durch den Leib Christi“) -

įȚ੹ ȞંȝȠȣ („durch das Gesetz“) Ȟંȝ૳ („dem Gesetz“) ȋȡȚıIJ૶ („mit Christus“) Į੝IJ૶ („mit ihm“) ਥȞ IJ૶ ȕĮʌIJȚıȝ૶ („in der Taufe“) ıઃȞ ȋȡȚıIJ૶ („mit Christus“) ਕʌઁ IJ૵Ȟ ıIJȠȚȤİ઀ȦȞ IJȠ૨ țંıȝȠȣ („weg von den Elementen der Welt“) -

426

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Bibelstelle

T-Term (Subjekt/Bezugswort)

V-Term

1Petr 2,24b

Nur in der Verbendung, hier: ȗ੾ıȦȝİȞ („wir leben“)

ਕʌȠȖİȞંȝİȞȠȚ („abgestorben“, jedoch auch im Sinne von „befreit“ möglich, was die Metapher stark abschwächen würde; das zuvor genannte „Holz“ kann hingegen eine stärker metaphorische Deutung begünstigen)

Erweiterungen zum V-Term IJĮ૙Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȚȢ („den Sünden“)

Es bestehen fast durchgängig Aussagen mit Bezug auf die erste oder zweite Person Plural, mit den beiden Erwähnungen in Gal 2,19 (erste Person Singular) und Röm 6,6 (dritte Person Singular) als Ausnahmen. In letzterer Stelle wird jedoch durch das Possessivpronomen ebenfalls indirekt ein Bezug auf die erste Person Plural hergestellt. Während insgesamt unterschiedliche Verben verwendet werden, sind doch solche dominant, die den Tod direkt benennen, wie dies auch in den Kopula-Metaphern geschieht. Teilweise stehen die Verben mit ıȪȞ als Präfix, besonders wenn es sich um Verben handelt, die eher indirekt auf Jesu Tod verweisen. Auch als Präposition kann ıȪȞ in einer Erweiterung des V-Terms dazu dienen, den beschriebenen Tod mit dem Tod Jesu zu identifizieren. Dies kann jedoch auch auf sprachlich andere Art geleistet werden. Zusätzlich werden in manchen Passagen Angaben dazu gegeben, worauf sich das Sterben bezieht bzw. woraus es befreit. Röm 6,4 und Kol 2,12 spezifizieren zusätzlich, dass das mitbestattet Werden durch die Taufe vollzogen wird. Der Umfang von Erweiterungen ist dabei sehr unterschiedlich. In Röm 8,17; Kol 3,3 und 2Tim 2,11 besteht die Metapher tatsächlich nur aus einem einzelnen Wort, wobei dies in den ersten beiden Fällen wohl daher rührt, dass die Metapher bereits zuvor hinreichend etabliert wurde. Etwas aus dem Rahmen fallen zwei weitere Verbalmetaphern im Galaterbrief (Gal 5,24; 6,14). Dabei lässt sich die zweite Stelle noch eher analog zur obigen Systematik fassen: Tabelle 10: Metaphernstruktur von Gal 6,14 Bibelstelle Gal 6,14

T-Term (Subjekt/Bezugswort) țંıȝȠȢ („Welt“) țਕȖȫ („und ich“)

V-Term ਥıIJĮ઄ȡȦIJĮȚ („sie wurde gekreuzigt“)

Erweiterungen zum V-Term ਥȝȠȓ („mir“) țંıȝ૳ („der Welt“)

Dabei bilden das zweite Subjekt und die zweite Erweiterung eine gewisse Analogie zu ihren Entsprechungen in den bereits diskutierten Verbmetaphern, obwohl das Subjekt im Singular steht und auch die Dativ-Erweiterung inhaltlich

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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sonst nicht derart absolut gefasst wurde. Die eigentliche Primärmetapher hingegen, in der Subjekt und Dativ-Erweiterung vertauscht sind, hat keine Parallele in den anderen Briefen, in denen stets konkrete Personengruppen den TTerm bilden. Noch komplexer ist die Metaphernstruktur in Gal 5,24: Ƞੂ į੻ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ [੉ȘıȠ૨] IJ੽Ȟ ı੺ȡțĮ ਥıIJĮ઄ȡȦıĮȞ ıઃȞ IJȠ૙Ȣ ʌĮș੾ȝĮıȚȞ țĮ੿ IJĮ૙Ȣ ਥʌȚșȣȝ઀ĮȚȢ („Die des Christus [Jesus] [d.h. die zu Christus Gehörigen, S.N.-R.] haben das Fleisch mit den Leidenschaften und den Begierden gekreuzigt.“) Im Gegensatz zu den anderen Metaphern übernehmen die Gläubigen hier eine aktive Rolle. Zudem gibt es mit IJ੽Ȟ ı੺ȡțĮ („das Fleisch“) ein direktes Objekt. Subjekt und Akkusativ-Objekt hängen inhaltlich eng zusammen, denn man muss wohl davon ausgehen, dass das eigene Fleisch als Inbegriff des verhaftet-Seins in der Welt gemeint ist. Die metaphorische Spannung ist damit eine doppelte: Sie besteht einerseits zwischen den Christus Zugehörigen, die nie den Akt einer Kreuzigung vollzogen haben, und der Verbform, die dies behaupet. Andererseits ist auch das Verhältnis der Verbform zum entsprechenden Objekt, das einen Aspekt des Subjekts bezeichnet, spannungsvoll. Somit kann man den Großteil des Satzes, nämlich Ƞੂ į੻ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ [੉ȘıȠ૨] („die des Christus [Jesus]“) und IJ੽Ȟ ı੺ȡțĮ („das Fleisch“), woran wiederum der Ausdruck ıઃȞ IJȠ૙Ȣ ʌĮș੾ȝĮıȚȞ țĮ੿ IJĮ૙Ȣ ਥʌȚșȣȝ઀ĮȚȢ („mit den Leidenschaften und den Begierden“) angeschlossen ist, als T-Term der Metapher ansehen, während nur die Verbform als V-Term heraussticht. In drei komplizierteren Fällen spielt der Mitvollzugsgedanke indirekt eine Rolle, wird aber auf andere Weise ausgedrückt bzw. steht durch Andersartigkeit der Metapher nicht mehr im Fokus. Die relevanten Passagen, die inhaltlich Nähen zueinander aufweisen, sind Kol 2,14; Eph 2,16 und 1Petr 2,24a. Es ist aufgrund ihrer Parallelität sinnvoll, diese Abschnitte nebeneinander zu stellen: Tabelle 11: Gegenüberstellung der Struktur von Eph 2,16; Kol 2,14; 1Petr 2,24a Gesamttext

Eph 2,16 țĮ੿ ਕʌȠțĮIJĮȜȜ੺ȟૉ IJȠઃȢ ਕȝijȠIJ੼ȡȠȣȢ („und versöhne die beiden“) ਥȞ ਦȞ੿ ıઆȝĮIJȚ IJ૶ șİ૶ („in einem Leib mit Gott“) įȚ੹ IJȠ૨ ıIJĮȣȡȠ૨, („durch das Kreuz“) ਕʌȠțIJİ઀ȞĮȢ IJ੽Ȟ ਩ȤșȡĮȞ ਥȞ Į੝IJ૶. („getötet habend die Feindschaft in/an ihm.“)

Kol 2,14 ਥȟĮȜİ઀ȥĮȢ IJઁ țĮș’ ਲȝ૵Ȟ ȤİȚȡંȖȡĮijȠȞ IJȠ૙Ȣ įંȖȝĮıȚȞ („ausgelöscht habend die Schuldhandschrift gegen uns durch die Gesetze“) ੔ ਷Ȟ ਫ਼ʌİȞĮȞIJ઀ȠȞ ਲȝ૙Ȟ, („die gegen uns war“) țĮ੿ Į੝IJઁ ਷ȡțİȞ ਥț IJȠ૨ ȝ੼ıȠȣ („und er hat sie weggenommen aus der Mitte“) ʌȡȠıȘȜઆıĮȢ Į੝IJઁ IJ૶ ıIJĮȣȡ૶ā(„angenagelt habend sie an das Kreuz“)

1Petr 2,24a ੔Ȣ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਲȝ૵Ȟ Į੝IJઁȢ ਕȞ੾ȞİȖțİȞ („dieser hat unsere Sünden selbst hinaufgetragen“) ਥȞ IJ૶ ıઆȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨ („an seinem Leib“) ਥʌ੿ IJઁ ȟ઄ȜȠȞ („auf das Holz“)

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Handlungsverb(en)

Eph 2,16 ਕʌȠțIJİ઀ȞĮȢ („getötet habend“) V-Term

Objekt der Handlung(en)

IJ੽Ȟ ਩ȤșȡĮȞ („die Feindschaft“) T-Term

Nähere Bestimmungen des Objekts

௅ (teilweise in vorangegangen Versen)

Verweis auf Jesu Involviertheit

ਥȞ Į੝IJ૶ („in/an ihm“)

Verweis auf das Kreuz

įȚ੹ IJȠ૨ ıIJĮȣȡȠ૨ („durch das Kreuz“, gehört syntaktisch zum weniger relevanten ersten Teil des Satzes)

Kol 2,14 ਥȟĮȜİ઀ȥĮȢ („ausgelöscht habend“) ਷ȡțİȞ (ਥț IJȠ૨ ȝ੼ıȠȣ) („er hat sie weggenommen aus der Mitte“) ʌȡȠıȘȜઆıĮȢ („angenagelt habend“) IJઁ ȤİȚȡંȖȡĮijȠȞ („die Schuldhandschrift“) Į੝IJȩ („sie“) Į੝IJȩ („sie“) țĮș’ ਲȝ૵Ȟ („gegen uns“) IJȠ૙Ȣ įંȖȝĮıȚȞ („durch die Gesetze“) ੔ ਷Ȟ ਫ਼ʌİȞĮȞIJ઀ȠȞ ਲȝ૙Ȟ („die gegen uns war“) ௅

IJ૶ ıIJĮȣȡ૶ („an das Kreuz“)

1Petr 2,24a ਕȞ੾ȞİȖțİȞ („er hat hinaufgetragen“) V-Term

IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ („die Sünden“) T-Term

ਲȝ૵Ȟ („unsere“)

Į੝IJઁȢ („selbst“) ਥȞ IJ૶ ıઆȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨ („an seinem Leib“) ਥʌ੿ IJઁ ȟ઄ȜȠȞ („auf das Holz“) V-Term

Auffällig ist in allen drei Passagen, dass Jesus eine aktive Rolle zukommt. Es liegt ein metaphorischer Mitvollzug seines Todes vor, der sich aber insofern wiederum von den meisten anderen Mitvollzugsmetaphern unterscheidet, als nicht Personen, sondern Gegenstände bzw. abstrakte Konzepte, die Menschen belasten, mit Jesus in den Tod gehen. Insofern kann eine Parallele zu Gal 5,24 gesehen werden, obwohl dort die Handlungsträgerinnen und -träger andere sind. Dass nicht generell vom Tod, sondern spezifisch vom Tod Jesu die Rede ist, wird durch den in allen drei Abschnitten vorhandenen Verweis auf das Kreuz (bzw. Holz) deutlich und in Eph 2,16 und 1Petr 2,24a zusätzlich dadurch, dass die persönliche Involvierung Jesu in das Geschehen betont wird. Zumindest in diesen beiden Passagen ist die Metaphernstruktur in Analogie zu den bereits diskutierten Metaphern relativ leicht erkennbar: Die Objekte IJ੽Ȟ ਩ȤșȡĮȞ („die Feindschaft“) bzw. IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ („die Sünden“) bilden die TTerms. Da es sich dabei um abstrakte Begrifflichkeiten handelt, wird schnell klar, dass das, was mit ihnen geschieht, metaphorisch gemeint sein muss. Die entsprechenden Verbformen, ਕʌȠțIJİ઀ȞĮȢ („getötet habend“) und ਕȞ੾ȞİȖțİȞ („er hat hinaufgetragen“), was sinnvoll zu erweitern ist um ਥʌ੿ IJઁ ȟ઄ȜȠȞ („auf das Holz“), fungieren als V-Terms. Für die Rezipierenden am zugänglichsten

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und am klarsten zu erschließen ist die Metapher in 1Petr 2,24a. In den vorherigen Versen (2,21–23) wurde Jesu Tod zunächst auf indirekte Weise geschildert und gedeutet, bevor die Darstellung in der Metapher einen Kulminationspunkt erreicht. Dass Jesus die Sünden an seinem Leib ans Holz getragen hat, ist ein Vorgang, der stark bildhaft ist, sich aber mit anderen Deutungen des Todes Jesu deckt. In Eph 2,16 wirkt das Bild gebrochener, da Jesus hier als aktiv Tötender vorgestellt wird, was zu seiner Rolle als den Tod Erleidender in Konflikt steht. Da das Kreuz vorher, jedoch streng genommen in der Metapher an sich nicht genannt wird, wird der Eindruck zweier verwandter, aber nicht deckungsgleicher Ereignisse noch verstärkt. Die Divergenz zwischen dem Todesvollzug in der Metapher und dem des realen Geschehens kann als eine Form von Metapherninkonsistenz angesehen werden, obwohl hier streng genommen nicht unterschiedliche Metaphern in einen Konflikt geraten, sondern eher das metaphorische Szenario nicht zu den realen Geschehnissen passt.209 Gerade aufgrund dieser Spannung ergibt sich ein starkes Bild, das trotz der Parallelität zu 1Petr 2,24 zu einem noch intensiveren Deutungsvorgang anregt. Das Vorgehen, die Verbform als V-Term und das Objekt als T-Term anzunehmen, wäre auch in Kol 2,14 prinzipiell möglich. Allerdings wird schnell ersichtlich, dass IJઁ ȤİȚȡંȖȡĮijȠȞ („die Schuldhandschrift“) selbst metaphorisch bzw. metonymisch verwendet wird. Die gesamte Aussage ist hier weitaus stärker ausgeführt als in den anderen beiden Passagen und die einzelnen Bestandteile stehen in einem logisch sinnvollen Verhältnis zueinander. Auf der Ebene dieses Verses ist keine Spannung erkennbar, sondern sie entsteht, wenn der Kontext der Passage beachtet und das Vorwissen der Rezipierenden aktiviert wird. Ein klarer T-Term ist somit rein auf der Ebene des Textes nicht identifizierbar. Möglicherweise können Hörende oder Lesende aber auf eine bereits etablierte metaphorisch-metonymische Verbindung von Sünden mit Schulden zurückgreifen, die das Verständnis erheblich erleichtert. Das Annageln der Schuldhandschrift an das Kreuz stellt eine Verletzung des üblichen Gebrauchs beider Bildbestandteile dar. Zudem ist wiederum Jesus, der eigentlich ans Kreuz Geschlagene, in einer umgekehrten Funktion dargestellt, was Nähen zur Aussage in Eph 2,16 zeigt. Wichtig ist zudem zu beachten, dass die Passagen im Kontext anderer Mitvollzugsmetaphern stehen und mit diesen interagieren. Dies ist besonders in Kol 2,14 und 1Petr 2,24 relevant, da dort die Nachbarschaft eine unmittelbare ist. In Kol 2,12–13 wurde ausführlich der Mitvollzug der Adressierten durch die Sterbemetaphorik dargelegt, bevor eine Verschiebung des Fokus auf die Schuldhandschrift erfolgt, wodurch indirekt die Kreuzigung Jesu vertieft wird. Demgegenüber folgt in 1Petr 2,24 auf das metaphorische Hinauftragen der Sünden ans Holz direkt der Mitvollzug der Gemeinde. Obwohl die Wortwahl nicht dieselbe ist und sowohl die Schuldhandschrift als auch die Sünden durch 209

S.u., Abschnitt 2.5.3. des vierten Kapitels.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

die Zusätze stark mit den Gläubigen verbunden werden, erwecken die Zusammenstellungen doch den Anschein, als würde das Vehicle jeweils gleichbleiben, sich jedoch mit unterschiedlichen, wenn auch ähnlichen Topics verbinden. Im Falle von Eph 2,16 besteht mehr Abstand zu den Mitvollzugsdeutungen in Eph 2,1.5, doch auch hier können Lesende und Hörende an die vorausgegangenen Formulierungen leicht erinnert werden. Betrachtet man die Verteilung der Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle und mit Bezug zum Mitvollzug in den verschiedenen Schriften, so ergeben sich zusätzliche interessante Erkenntnisse. Im Römerbrief stehen diese Metaphern in einem sehr engen Kontext, in Kap. 6–8, und bauen argumentativ aufeinander auf, da das Motiv in Kap. 6 noch ausführlich entfaltet wird, danach jedoch weitaus weniger detailliert dargestellt wird, bis es in Röm 8,17 nur noch knapp erwähnt wird. Es dominieren hier Verbmetaphern, wobei in Röm 6 auch Kopula-Metaphern vorkommen. Zudem ist nicht ganz klar, wie die Taufe „auf/in den Tod“ (İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ), die in Röm 6,3–4 zweimal erwähnt wird, aufzufassen ist, denn auch sie erscheint zunächst metaphorisch. In Röm 6,3 erklärt die Wendung jedoch offenbar „auf/in Christus Jesus“ (İੁȢ ȋȡȚıIJઁȞ ੉ȘıȠ૨Ȟ), bzw. beides wird gleichgesetzt, so dass man den Ausdruck auch metonymisch verstehen kann.210 Im Galaterbrief sind Metaphern mit dem Tod als Vehicle vor dem Hintergrund des Mitvollzugs die dominante Metapherngruppe, die im Kontext des Todes Jesu steht und neben der nur eine weitere relevante Metapher aufzuführen ist. Hier gibt es ausschließlich Verbalmetaphern, von denen jedoch lediglich die ersten beiden das Muster der entsprechenden Metaphern im Römerbrief (und anderswo im Neuen Testament) erfüllen. Sprachlich nochmals anders gestaltet ist Phil 3,10, die einzige Metapher mit Bezug zum Tod Jesu in dieser Schrift. Insgesamt ist das Gewicht der Mitvollzugsmetaphern in den Protopaulinen also nicht zu unterschätzen. Dies gilt auch für den Kolosser- und Epheserbrief. Beiden Schriften gemein ist, dass die Metaphern unterschiedliche sprachliche Formen annehmen, wobei im Kolosserbrief häufiger Verbalmetaphern vorkommen. Gerade hier ist vor allem der Mitvollzug der Auferstehung relevant, was sich auch in Eph 2,5–6 wiederfindet. Während im Kolosserbrief eher im hinteren Teil Mitvollzugsmetaphern dominant sind, prägen sie im Epheserbrief eher den vorderen Abschnitt. Wie bereits aufgeführt, begegnen im Neuen Testament zwei zusätzliche Metaphern, in denen der jeweilige V-Term auf den Tod Jesu verweist, die jedoch keinen expliziten Bezug zum Abendmahl oder Mitvollzug aufweisen. Die erste dieser Stellen ist 1Petr 1,2. V-Term ist hier das Substantiv ૧ĮȞIJȚıȝȩȢ („Besprengung“), das durch das Genitivattribut Į੆ȝĮIJȠȢ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ („des Blutes Jesu Christi“) erweitert und auf den Bedeutungshintergrund des Todes Jesu gelenkt wird: Der Tod Jesu erscheint als Voraussetzung dafür, dass sein Blut 210

S.u., Abschnitt 2.1.4. des vierten Kapitels.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

431

zur Besprengung verwendet wird, insbesondere, wenn man Parallelen aus den jüdischen Heiligen Schriften berücksichtigt. Die Besprengung von Personen mit Blut findet sich dort vergleichsweise selten und erfüllt zudem sehr unterschiedliche Funktionen. Durch die Abendmahlstradition und die Ausführungen in Hebr 9,15–22 (vgl. Hebr 12,24) erscheint es naheliegend, an die Besprengung des Volkes Israel beim Bundesschluss (Ex 24,8) zu denken, was durch Indizien in 1Petr 1,1f. bestärkt wird. Allerdings spielt das Besprengen mit Blut auch bei der Einsetzung von Priestern eine Rolle (vgl. z.B. Lev 8,30), was, wenn allein die Passage im ersten Petrusbrief betrachtet wird, als Deutungshintergrund zumindest nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. z.B. auch den Hinweis auf das Priestertum in 1Petr 2,9). Daneben kann eine Person mit Blut besprengt werden, um die Heilung von Aussatz zu bestätigen (vgl. Lev 14,6), während die Besprengung des Altars im Kontext von Opferhandlungen, vor allem des Sündopfers sowie beim Jom Kippur, relevant ist.211 In allen Fällen erfordert der Akt der Besprengung jedoch den Tod eines Tieres. Die Identifizierung des T-Terms in 1Petr 1,2 erweist sich als schwieriger. Syntaktisch ist der V-Term dem Begriff ਫ਼ʌĮțȠȒ („Gehorsam“) nebengeordnet, was jedoch nicht wirklich zum semantischen Feld des V-Terms passt. Hier legt sich eher das Wort ਖȖȚĮıȝȩȢ („Heiligung“) nahe, das durch ein Genitivattribut mit dem Geist verbunden ist. Dies wiederum steht in Abhängigkeit von ʌȡȩȖȞȦıȚȢ ௅ der Vorsehung Gottes des Vaters ௅, welche die in V. 1 erwähnten Auserwählten (ਥțȜİțIJȠȓ) näher charakterisiert. Durch diese Begriffe scheint sich das Bild eines neuen Bundes zwischen Gott und seinen Ausgewählten zu ergeben, wenngleich sie sich ebenfalls in die Weihe einer neuen Priesterschaft integrieren ließen. Insgesamt ist dieser Abschnitt auch deshalb bedeutsam, weil zwar ૧ĮȞIJȚıȝȩȢ Į੆ȝĮIJȠȢ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ den V-Term darstellt, aber gleichzeitig eine Metapher impliziert wird, in der Jesu Tod das Topic darstellt und mit einer kultischen Opferung als Vehicle verbunden wird. Im Hebräerbrief findet sich nur eine Metapher, in der Jesu Tod das Vehicle bildet und auch diese steht weder im Kontext der Abendmahls- noch der Mitvollzugsthematik, sondern im Zusammenhang der Ablehnung einer zweiten Buße. Trotz ihrer Alleinstellung hat sie durch die verwendete Sprache eine starke Wirkung auf die Lesenden und Hörenden. Es handelt sich um die polemisch-absurde Erneut-Kreuzigung Jesu durch Menschen, die nach einem Abfall wieder zu ihm finden, in 6,6: ਕȞĮıIJĮȣȡȠ૨ȞIJĮȢ ਦĮȣIJȠ૙Ȣ IJઁȞ ȣੂઁȞ IJȠ૨ șİȠ૨ țĮ੿ ʌĮȡĮįİȚȖȝĮIJ઀ȗȠȞIJĮȢ („den Sohn Gottes erneut für sich selbst kreuzigend zur Schau stellend“). V-Term sind vorrangig die beiden Partizipien, vor allem das erste, das zusätzlich erweitert wird, so dass auch der gesamte Textteil als V-Term angesehen werden kann. Auch für den T-Term kommt eine größere

211 Vgl. EBERHART, CHRISTIAN, Art. Blut/Blutriten, in: WiBiLex (https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/15477), abgerufen am 23.01.2019.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Textmenge infrage, im Grunde der komplette Abschnitt Hebr 6,4–6a, in komprimierter Form: IJȠઃȢ ਚʌĮȟ ijȦIJȚıș੼ȞIJĮȢ […] țĮ੿ ʌĮȡĮʌİıંȞIJĮȢ, ʌ੺ȜȚȞ ਕȞĮțĮȚȞ઀ȗİȚȞ İੁȢ ȝİIJ੺ȞȠȚĮȞ („die einmal Erleuchteten […] und [dennoch] Abfallenden wieder zu erneuern zur Umkehr“). Die Metapher lässt sich folgendermaßen vereinfacht paraphrasieren: Die Möglichkeit, einmal Erleuchteten und Abgefallenen eine erneute Umkehr zu ermöglichen bzw. die Konsequenz dieser Möglichkeit (Topic) ist, dass diese Menschen Jesus erneut kreuzigen (Vehicle). Da es sich aber insgesamt um eine irreale, unzutreffende bzw. unmögliche Aussage handelt, ist auch die Metapher schwer greifbar. Die Stellung dieser Passage, ziemlich genau in der Mitte des Hebräerbriefs, in einem der paränetischen Einschübe, gibt der Aussage dabei besonderes Gewicht. Es ist zudem eine der wenigen Stellen (ansonsten nur noch in Hebr 12,2, im Kontext der Motivierung von Leidensbereitschaft), an denen von Jesu genauer Todesart durch das Kreuz die Rede ist, wodurch die sonst dominante Opferthematik durchbrochen und ergänzt wird. Insgesamt ist diese Art der Metapher mit Jesu Tod als Vehicle im Neuen Testament einmalig, zumal sie im Gegensatz zu den anderen nicht positiv konnotiert ist, sondern ein Ding der Unmöglichkeit bezeichnet und somit negativ wirkt. 6.2. Metaphern mit Jesu Tod als Topic Spricht man von metaphorischen Deutungen des Todes Jesu, fallen vorrangig solche ins Auge, in denen Jesu Tod das Topic darstellt, das durch verschiedene Vehicles erklärt und bildhaft dargestellt wird. Dies führt zu solchen Metaphern wie „Jesu Tod ist ein Loskauf aus Sklaverei“ oder „Jesu Tod ist ein kultisches Opfer“. Allerdings finden sich Aussagen, die genau dies aussagen, im Neuen Testament extrem selten. Die Metaphern werden sprachlich äußerst unterschiedlich ausgedrückt und häufig werden die Bilder, etwa des Loskaufs oder des Opfers, nur auf indirekte Weise evoziert. Dennoch werden sie bei den Rezipierenden als Voraussetzung, um die Einzelmetapher zu verstehen, aktiviert. Hier ist es daher sinnvoll, von der Theorie der konzeptuellen Metaphern nach Lakoff und Johnson auszugehen. Dementsprechend sind Ausdrücke wie JESU TOD IST EIN KULTISCHES OPFER als konzeptuelle Metaphern anzusehen, die der Systematik von Lakoff und Johnson folgend durch Kapitälchen als solche kenntlich gemacht werden. Für konzeptuelle Metaphern charaktieristisch werden sie in der Kopula-Form ausgedrückt. Die jeweils sprachliche Ausgestaltung dieser Metaphern kann mit dem Wortlaut der konzeptuellen Metapher übereinstimmen, aber auch ganz unterschiedliche Formen annehmen. Dennoch bestimmt die konzeptuelle Metapher den Hintergrund der Einzelmetaphern und dient dazu, die verschiedenen sprachlichen Realisierungen zu verarbeiten. Im Folgenden werden drei dieser konzeptuellen Metaphern, in denen Jesu Tod das Topic bildet, genauer untersucht, bevor weitere Einzelmetaphern angeführt werden.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

433

6.2.1. JESU TOD IST EIN LOS- BZW. FREIKAUF (Z.B. AUS SKLAVEREI, GEFANGENSCHAFT) Metaphern, die auf das Konzept JESU TOD IST EIN LOSKAUF zurückgreifen, sind in vielerlei Hinsicht interessant: Häufig verweisen sie nur äußerst indirekt auf Jesu Tod, zumeist nur durch die Metapher selbst. Zudem sind sie oft mit anderen Metaphern verbunden, so dass in vielen Fällen Metaphernkombinationen vorliegen. Dies mag daran liegen, dass die verwendeten Begrifflichkeiten als konventionalisierte Metaphern aufgefasst werden können – „loskaufen“, im erweiterten und übertragenen Sinne dann „erlösen“ – und dass die konventionalisierte Metapher schnell reaktivierbar ist (oder aber für moderne Lesende aktiver erscheinen als es für damalige Rezipierende der Fall war). Dass das Loskauf-Motiv sprachlich auf sehr verschiedene Weise ausgedrückt werden kann, wurde bereits oben dargestellt.212 Dies wirkt sich auch auf die metaphorische Struktur aus. Diese ist am klarsten in solchen Metaphern, in denen das Vehicle durch (ਕȞIJ઀-)ȜȣIJȡȠȞ („Lösegeld“) bestimmt wird, was aber nur in wenigen Passagen der Fall ist:

212

S.o., Abschnitt 5.2.4.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Tabelle 12: Metaphernstruktur von Mk 10,45 und 1Tim 2,6 Bibelstelle

T-Term

V-Term

Mk 10,45 und wörtliche Parallele in Mt 20,28 1Tim 2,6

[įȠ૨ȞĮȚ („geben“)] IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ („sein Leben/seine Seele“) [੒ įȠȪȢ („der Gebende“)] ਦĮȣIJȩȞ („sich selbst“) vom substantivierten Partizip abhängig

Ȝ઄IJȡȠȞ („Lösegeld“)

Erweiterungen des VTerms ਕȞIJ੿ ʌȠȜȜ૵Ȟ („für viele“)

ਕȞIJ઀ȜȣIJȡȠȞ („Lösegeld“)

ਫ਼ʌ੻ȡ ʌ੺ȞIJȦȞ („für alle“)

Obwohl es sich hier nicht um eine Kopula-Metapher handelt, ist die Gleichsetzung von T-Term und V-Term durch die Satzstruktur mit Akkusativobjekts und Objektsartangabe213 leicht für die Rezipierenden nachvollziehbar. Die Struktur der Aussage ist somit zu Kopula-Metaphern äquivalent. Allerdings könnte noch gefragt werden, ob die jeweilige Form von įȓįȦȝȚ („geben“) ௅ einmal als Infinitiv, einmal als substantiviertes Partizip ௅ noch mit als Bestandteil des TTerms gesehen werden kann, da dadurch der Bezug zu Jesu Lebenshingabe deutlich verstärkt wird. Gerade im Fall von 1Tim 2,6 besteht zudem eine enge Verbindung zwischen dem Partizip und dem Reflexivpronomen. Das Verb įȓįȦȝȚ steht aber gleichzeitig in semantischer Verbindung zum V-Term. Verwandt mit dem Lösegeldwort, insbesondere mit der Fassung von 1Tim 2,6, scheint Tit 2,14 zu sein. Die hierin vorkommende Aussage wird etwa von Vielhauer als Variation desselben Motivs angesehen.214 Tatsächlich weisen beide Passagen Ähnlichkeiten auf, vor allem, da beide durch Hingabeformeln mit ਫ਼ʌȑȡ-Konstruktion geprägt sind. Auf der Ebene der Metaphernstruktur gibt es jedoch Unterschiede. Während in 1Tim 2,6 die Lösegeldmetapher dominiert, scheint in Tit 2,14 die metaphorische Reinigung als Funktion des Todes Jesu im Vordergrund zu stehen. Allerdings könnten auch hier im Vorausgegangenen Anklänge an die Loskaufmetapher zu finden sein, denn die Hingabe Jesu wird durch die Formulieurng ੆ȞĮ ȜȣIJȡઆıȘIJĮȚ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਕȞȠȝ઀ĮȢ („damit er uns [durch Lösegeld] loskaufe/erlöse von jeder Gesetzlosigkeit“) gedeutet. Wie die Übersetzung bereits deutlich macht, ist nicht ganz klar, ob die Verbform (von ȜȣIJȡȩȦ) hier als konventionalisierte oder aktive Metapher aufzufassen ist. Es gibt einige Indizien, die für Letzteres sprechen: die Tatsache, dass ȜȣIJȡȩȦ konzeptuell stärker an das Bild des Lösegelds gebunden ist als das allgemeinere ȜȪȦ, die Nähe zu 1Tim 2,6 und eventuell auch die im Zuge der Reinheitsmetapher verwendete Vokabel ʌİȡȚȠȪıȚȠȢ (Grundbedeutung „wohlhabend“, auch „besonders“), die wirtschaftlichen Anklänge verstärken kann, wenn die Grundbedeutung von den Rezipierenden aktiviert wird. Geht man von 213

Vgl. SIEBENTHAL, HEINRICH VON, Griechische Grammatik zum Neuen Testament, Giessen/Basel: Brunnen Verlag/Immanuel-Verlag 2011, 362f. § 213a. 214 Vgl. VIELHAUER, Geschichte, 12.18.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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einer aktiven Metapher aus, stehen Loskauf- und Reinigungsmetapher an dieser Stelle sehr eng beieinander. Da die Loskaufmetapher in Tit 2,14 durch eine Verbform ausgedrückt wird, ist es wiederum schwieriger, die metaphorische Struktur zu erschließen. Ein Spannungsmoment scheint primär zwischen dem Verb und dem Objekt der Handlung, ਲȝ઼Ȣ („uns“), zu bestehen, da zwar nach Tit 2,9f. ein Teil der Gemeindemitglieder Sklavinnen und Sklaven war, jedoch keineswegs alle, und auch die hier angesprochenen Sklaven und Sklavinnen dazu aufgefordert sind, sich den Herren und Herrinnen unterzuordnen – von einem Freikauf ist dort nichts zu spüren. Auch zwischen Jesus als Subjekt und dem Verb besteht vor dem Hintergrund der tatsächlichen Ereignisse ein Widerspruch. Möglicherweise ist es am sinnvollsten, die gesamte erste Hälfte des Verses, in der beide Spannungsmomente angedeutet sowie der Hinweis auf Jesu Tod vorhanden ist, als T-Term der Metapher anzusehen: ੔Ȣ ਩įȦțİȞ ਦĮȣIJઁȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ („der sich selbst für uns gegeben hat“). Klar als V-Term erkennbar ist hingegen die Verbform ȜȣIJȡઆıȘIJĮȚ („er erlöst/kauft los“), der dadurch erweitert wird, dass der Zielbereich der Befreiung mit ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਕȞȠȝ઀ĮȢ („von aller Gesetzlosigkeit“) angegeben wird. Auch hierin zeigt sich eine Spannung, wenn man von einer aktiven Metapher ausgeht, denn es wird gerade kein erwartbarer Zielbereich, Sklaverei oder (Kriegs-)Gefangenschaft, erwähnt. 1Petr 1,18f. ist in dem Sinne mit Tit 2,14 verwandt, dass auch an dieser Stelle eine Form von ȜȣIJȡȩȦ vorliegt. Da es sich hierbei um eine zentrale Metaphernvermischung handelt, wird diese Stelle später215 eingehender analysiert. Die Metaphernstruktur ist hier besonders komplex. Da die Form ਥȜȣIJȡઆșȘIJİ („ihr wurdet erlöst/losgekauft“) im Passiv steht, ist es am ehesten naheliegend, das Subjekt des Satzes in der Verbendung als T-Term anzusehen, das dem VTerm im Verb selbst gegenübersteht. Dieser wird durch den Zusatz ਕȡȖȣȡ઀૳ ਲ਼ Ȥȡȣı઀૳ („mit Silber oder Gold“) verdeutlicht, wodurch klar wird, dass zumindest in einem Teilbereich der Metaphernkombination das Verb ȜȣIJȡȩȦ in der aktiv-metaphorischen Bedeutung aufgefasst werden muss. Wie in Tit 2,14 wird auch hier in einem weiteren Zusatz der Zielbereich des Loskaufs dargestellt: ਥț IJોȢ ȝĮIJĮ઀ĮȢ ਫ਼ȝ૵Ȟ ਕȞĮıIJȡȠijોȢ ʌĮIJȡȠʌĮȡĮįંIJȠȣ („aus eurem nichtigen, von den Vätern überlieferten Wandel“). Der Bezug zum Tod Jesu, der eigentlich auf der Ebene des T-Terms anzusiedeln ist, erfolgt an dieser Stelle durch die Wendung IJȚȝ઀૳ Į੆ȝĮIJȚ […] ȋȡȚıIJȠ૨ („durch das teure Blut Christi“), wobei auch in diesem Ausdruck durch das verwendete Adjektiv ein Eindringen des Vehicles erkennbar ist. Im zweiten Teil der Metapher scheint ȜȣIJȡȩȦ dann allgemeiner verstanden zu werden und keinen starken Bezug zum Loskauf mehr aufzuweisen. Somit sind die verschiedenen Bedeutungsebenen der Verbform offenbar die Grundlage der Metaphernvermischung. Die Struktur der Metapher wird durch die in diesem Abschnitt teilweise vorliegende Verneinung zusätzlich verkompliziert. 215

S.u., Abschnitt 2.5.2. des vierten Kapitels.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Besonders in den echten Paulinen und der Apokalypse, daneben noch in 2Petr 2,1, kommen Loskaufmetaphern vor, in denen der V-Term durch Formen von ਕȖȠȡȐȗȦ („erkaufen“) bzw. ਥȟĮȖȠȡȐȗȦ (nahezu bedeutungsgleich, eventuell verstärkt im Sinne von „herauskaufen“) konstituiert wird. Anders als die Formen von ȜȣIJȡȩȦ in Tit 2,14 und 1Petr 1,18f. oder von ȜȪȦ (s.u.), sind die Formen von (ਥȟ-)ĮȖȠȡȐȗȦ klar metaphorisch aufgeladen und lassen wenig Spielraum für Doppeldeutigkeit. Allerdings ist auch auffällig, dass diese Aussagen wenig ausgeführt werden. Der Bezug zum Tod Jesu wird oftmals nicht explizit gemacht, sondern es wird lediglich durch die metaphorische Ausdrucksweise selbst darauf angespielt (etwa in 1Kor 6,20; 7,23; Gal 4,5; 2Petr 2,1 und Apk 14,3–4), die wiederum die konzeptuelle Loskaufmetapher aktiviert. Für die Passagen, in denen der Tod Jesu nicht genauer angeführt wird, kann jedoch nicht sicher gesagt werden, dass dieser Hintergrund vom Verfasser intendiert und von den ursprünglichen Rezipierenden so verstanden wurde, auch wenn dies sehr wahrscheinlich ist. Wie bei allen Verbmetaphern ist es auch hier schwierig, die jeweiligen T-Terms klar auszumachen. In der folgenden tabellarischen Darstellung wird das Objekt des Kaufens jeweils als T-Term angeführt, da dies ermöglicht, auch die Passivformulierungen des ersten Korintherbriefs und aus Apk 14,3–4 mit in die Systematik zu integrieren, und da tatsächlich eine deutliche Spannung zwischen den erkauften Personen und der Handlung des Erkaufens besteht, wie bereits dargestellt wurde. Allerdings muss immer berücksichtigt werden, dass auch Jesus als Ausführender der Handlung nicht widerspruchslos mit dem Akt des Erkaufens vereinbart werden kann und dass eher das Verb als V-Term von einer Aussage eingerahmt wird,216 die insgesamt als T-Term gesehen werden kann. Tabelle 13: Übersicht der Metaphern mit (‫݋‬ȟ-)ĮȖȠȡȐȗȦ Bibelstelle 1Kor 6,20

T-Term (spezifiziert als Objekt des Erkaufens) Nur in der Verbendung

1Kor 7,23

Nur in der Verbendung

Gal 3,13

ਲȝ઼Ȣ („wir“)

Gal 4,5

IJȠઃȢ ਫ਼ʌઁ ȞંȝȠȞ („die unter dem Gesetz“) Į੝IJȠઃȢ („sie“)

2Petr 2,1

V-Term ਱ȖȠȡ੺ıșȘIJİ („ihr wurdet erkauft“) ਱ȖȠȡ੺ıșȘIJİ („ihr wurdet erkauft“) ਥȟȘȖંȡĮıİȞ („er hat losgekauft/herausgekauft“)

Erweiterungen des V-Terms IJȚȝોȢ („teuer“/„für einen Preis“) IJȚȝોȢ („teuer“/„für einen Preis“) ਥț IJોȢ țĮIJ੺ȡĮȢ IJȠ૨ ȞંȝȠȣ („aus dem Fluch des Gesetzes“)

ਥȟĮȖȠȡ੺ıૉ („er kauft los/heraus“) ਕȖȠȡ੺ıĮȞIJĮ („erkauft habend“)

216 Vgl. die Terminologie Blacks: focus und frame. S.o., Abschnitt 2.2.4. und 3. des ersten Kapitels.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu Bibelstelle Apk 5,9

Apk 14,3

Apk 14,4

T-Term (spezifiziert als Objekt des Erkaufens) ਥț ʌ੺ıȘȢ ijȣȜોȢ țĮ੿ ȖȜઆııȘȢ țĮ੿ ȜĮȠ૨ țĮ੿ ਩șȞȠȣȢ („[erg.: Menschen] aus jedem Stamm und jeder Zunge und jedem Volk und jeder Ethnie“) Įੂ ਦțĮIJઁȞ IJİııİȡ੺țȠȞIJĮ IJ੼ııĮȡİȢ ȤȚȜȚ੺įİȢ („die Hundertvierundvierzigtausend“) Ƞ੤IJȠȚ („diese“)

V-Term ਱ȖંȡĮıĮȢ („du hast erkauft“)

437 Erweiterungen des V-Terms IJ૶ șİ૶ („für Gott“) ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJ઀ ıȠȣ („in deinem Blut“)

Ƞੂ ਱ȖȠȡĮıȝ੼ȞȠȚ („die Erkauften“)

ਕʌઁ IJોȢ ȖોȢ („von der Erde“)

਱ȖȠȡ੺ıșȘıĮȞ („sie wurden erkauft“)

ਕʌઁ IJ૵Ȟ ਕȞșȡઆʌȦȞ („von den Menschen“) ਕʌĮȡȤȒ („als Erstlingsopfer“) IJ૶ șİ૶ țĮ੿ IJ૶ ਕȡȞ઀૳ („für Gott und das Lamm/Schaf“)

Trotz gewisser Parallelen, zeigen sich in den Metaphern der einzelnen neutestamentlichen Schriften auch einige Unterschiede. Im ersten Korintherbrief stehen die beiden relevanten Metaphern relativ nah beieinander. Zwischen beiden wird nicht auf andere Weise auf Jesu Tod Bezug genommen. Der Wortlaut der Passagen ist zudem, abgesehen von der Satzstellung, identisch. In 1Kor 6,20 steht zusätzlich zur Loskaufmetapher die nicht kongruente Metapher vom Leib der Gläubigen als Tempel, wodurch Reinheit impliziert wird. Der Galaterbrief ist die einzige Schrift, in der das Verb mit Präfix vorkommt. In Gal 3,13 wird das, woraus Jesu Loskauf befreit, genauer beschrieben: ਥț IJોȢ țĮIJ੺ȡĮȢ IJȠ૨ ȞંȝȠȣ („aus dem Fluch des Gesetzes“). Daran anschließend wird mit Verweis auf Dtn 21,23 erklärt, dass Jesus selbst durch seinen Tod „für uns“ zum Fluch geworden ist (ȖİȞંȝİȞȠȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ țĮIJ੺ȡĮ). Durch die „Doppelbesetzung“ des Fluchs in diesem Bild liegt eine Art von Metapherninkosistenz vor. Gal 4,5 scheint auf 3,13 zu rekurrieren, da neben derselben Verbform auch hier das Stichwort ȞȩȝȠȢ („Gesetz“) fällt. Es ist wiederum auffällig, dass bestimmte metaphorische Motive nur in einzelnen Paulusbriefen vorkommen, in den anderen dagegen keine Rolle spielen. Die Metapher in 2Petr 2,1 hebt sich dadurch von den übrigen ab, dass hier ein attributiv gebrauchtes Partizip verwendet wird, wodurch sie auch in Analogie zu einer Adjektivmetapher aufgefasst werden kann. Allerdings ist auch hier ein Objekt vom Partizip abhängig, das ansonsten kongruent zum Audruck IJઁȞ įİıʌંIJȘȞ („den Herrn/Herscher“) steht, wodurch Christus als ausführende

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Instanz hervogehoben wird. Insgesamt wird jedoch nur en passant, zur Verstärkung der Argumentation, auf Jesu Tod eingegangen, während der eigentliche Fokus des Abschnitts die Warnung vor Irrlehren darstellt. In der Apokalypse sticht besonders die erste Loskaufmetapher in 5,9 aus unterschiedlichen Gründen heraus. Sie steht in Kontext eines „würdig“-Rufs, der von den 24 Ältesten vorgetragen bzw. vorgesungen wird. Dabei wird Jesus als Lamm direkt angesprochen, was einen für das Neue Testament eher ungewöhnlichen Sprechakt darstellt, da Akklamationen und vergleichbare Phänomene normalerweise nicht mit dem Tod Jesu verbunden werden. Im Gegensatz zu anderen ähnlichen neutestamentlichen Aussagen, wird hier nicht dargelegt, woraus losgekauft wird, sondern dass das Ziel des Loskaufs darin besteht, dass Menschen für Gott ausgesondert werden. Eine Parallele zu 1Petr 1,18 besteht darin, dass auch hier vom Blut die Rede ist, weshalb Apk 5,9 ebenfalls als Metaphernvermischung angesehen werden kann. Da im ersten Teil des Verses zusätzlich davon die Rede ist, dass das Lamm geschlachtet wurde, ergibt sich ein plastischeres Bild, wodurch die Metaphernvermischung stärker hervortritt. Andererseits kann jedoch die Tatsache, dass es sich bei dem Lamm um ein wiederholtes Symbol der Apokalypse handelt, auch zur Abschwächung der Spannung zwischen den beteiligten Metaphern beitragen. Aufgrund des ähnlichen Vokabulars kann wahrscheinlich auch Apk 14,3f. vor dem Hintergrund von Apk 5,9 gedeutet werden, obwohl hier ein expliziter Bezug zum Tod Jesu jenseits der Metapher fehlt und der Fokus eher auf der Beschreibung, Charakterisierung und Aussonderung der Gefolgschaft des Lamms liegt. Von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass beide Verbformen im Passiv stehen. Bemerkenswert ist in Apk 14,4, dass der T-Term der Loskaufmetapher gleichzeitig den T-Term einer weiteren Metapher mit ਕʌĮȡȤȒ („Erstlingsopfer“) als VTerm darstellt, wodurch sich auch hier eine Metaphernvermischung ergibt. Einige Bibelübersetzungen geben Apg 20,28 in Analogie zu den aufgeführten Verbmetaphern wieder: ʌȠȚȝĮ઀ȞİȚȞ IJ੽Ȟ ਥțțȜȘı઀ĮȞ IJȠ૨ șİȠ૨, ਴Ȟ ʌİȡȚİʌȠȚ੾ıĮIJȠ įȚ੹ IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ੁį઀Ƞȣ („zu weiden die Gemeinde Gottes, die er sich erworben hat durch das Blut des eigenen [Sohns]“). Das hier verwendete Verb ʌİȡȚʌȠȚȑȦ hat zwar im Medium häufig die Bedeutung „(für sich) erwerben“, kann aber in der Grundbedeutung auch etwa „sichern“ oder „schützen“ heißen217 und steht in diesem Sinn auch in Lk 17,33. Generell scheint es im Neuen Testament eine breitere Bedeutung zu haben und nicht auf einen Akt, der mit dem Austausch von Gütern verbunden ist, festgelegt zu sein. Die breitere Bedeutung würde theoretisch auch an dieser Stelle zutreffen, womit dann aber kein Bezug zum Loskauf vorliegen würde und auch die metaphorische Bedeutung zumindest deutlich abgeschwächt wäre. Geht man davon aus, dass es sich hier um eine Metapher aus dem Bereich der konzeptuellen Loskaufmetapher handelt, so fällt gegenüber den Verbmetaphern mit ਕȖȠȡȐȗȦ vor allem auf, dass 217

Vgl. LIDDELL/SCOTT/JONES, Greek-English Lexicon, 1384.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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hier nicht Jesus, sondern Gott als Hauptakteur imaginiert wird. Das Objekt des Kaufs ist seine Gemeinde, das „Zahlungsmittel“ das Blut seines Sohns. Auch an dieser Stelle ergibt sich die Spannung zwischen Blut und Loskauf, die bereits in 1Petr 1,18f. und Apk 5,9 bemerkt wurde, dort jedoch umso deutlicher wurde, weil das Blutmotiv weiter ausgeführt wurde. Das zu ʌİȡȚʌȠȚȑȦ gehörende Substantiv ʌİȡȚʌȠȓȘıȚȢ („Bewahrung“/„Schutz“, bzw. „Erwerb“) begegnet im Zusammenhang des Todes Jesu zusätzlich in 1Thess 5,9, wo es sich jedoch auf die Gemeinde bezieht, die von Gott dazu bestimmt ist, die Rettung durch Christus zu erlangen (İੁȢ ʌİȡȚʌȠ઀ȘıȚȞ ıȦIJȘȡ઀ĮȢ įȚ੹ IJȠ૨ țȣȡ઀Ƞȣ ਲȝ૵Ȟ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨). Somit liegt an dieser Stelle keine klare konzeptuelle Verknüpfung des Todes Jesu mit dem Loskauf vor. Unklar im Hinblick auf Loskaufmetaphorik sind, wie bereits erwähnt wurde, solche Passagen, in denen das Wort ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ vorkommt, das sowohl mit „Freikauf/Auslösung“ als auch mit „Erlösung“ übersetzt werden kann, je nachdem als wie konventionalisiert (oder reaktiviert) die Metapher angesehen wird ௅ dass es sich bei „Erlösung“ um eine konventionalisierte Metapher handelt, ist auch im deutschen Begriff nachvollziehbar. Häufig wird ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ in Bibelübersetzungen im Sinne der konventionalisierten Metapher „Erlösung“ übersetzt, was nicht unzutreffend sein muss, aber einen möglichen metaphorischen Unterton der Aussage zugunsten theologischen Vokabulars überdecken kann. Im Hinblick auf den Tod Jesu ist daher in Röm 3,24; Kol 1,14; Eph 1,7 und Hebr 9,12.15 zu beachten, inwiefern auch hier Loskaufmetaphorik aktiviert wird. Sieht man ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ als V-Term einer Metapher, fällt es zudem schwer, den entsprechenden T-Term zu lokalisieren. Es scheint so, dass dieser in der konventionalisierten Bedeutung des Begriffs selbst enthalten ist, so dass die Doppeldeutigkeit von ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ gleichzeitig den metaphorischen Gehalt des Wortes konstituiert. Zumindest in Röm 3,24 und den beiden Passagen der Deuteropaulinen besteht zudem eine Spannung zwischen ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ als Freikauf und der Ergänzung ਥȞ ȋȡȚıIJ૶ ੉ȘıȠ૨ („in Christus Jesus“; Röm 3,24) bzw. ਥȞ મ („in ihm“; Kol 1,14 und Eph 1,7). Zudem würde auch in Eph 1,7 und Hebr 9,12 eine Spannung zwischen Loskauf und Blut bestehen. Für Röm 3,24 wurde bereits oben218 dargestellt, dass umliegende Begrifflichkeiten mit ökonomischen Bedeutungseinschlag es wahrscheinlich machen, dass ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ hier als aktive Metapher anzusehen ist oder zumindest die Metaphorizität reaktiviert wird. Syntaktisch hängt der Ausdruck įȚ੹ IJોȢ ਕʌȠȜȣIJȡઆıİȦȢ („durch den Loskauf/die Erlösung“) hier vom Partizip įȚțĮȚȠ઄ȝİȞȠȚ („gerecht gesprochen“) ab, wodurch zusätzlich der Gedanke des Gerichts metaphorisch anklingt. Durch den Verweis auf das ੂȜĮıIJȒȡȚȠȞ, gerade in Verbindung mit der Erwähnung des Bluts, kann zusätzlich Kultmetaphorik vorlie-

218

S.o., Abschnitt 5.2.4.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

gen, so dass sich insgesamt ein komplexes Metapherngebilde mit verschiedenen Vehicles ergibt, das an anderer Stelle219 noch einmal gesondert analysiert wird. Im Kolosser- und Epheserbrief gibt es keine expliziten Loskaufmetaphern und in den beiden relevanten Erwähnungen von ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ scheint der ursprünglich metaphorische Gehalt des Wortes nicht aktiv zu sein. Jedenfalls gibt es anders als in Röm 3,24 im Kontext keine Hinweise darauf. Beide Aussagen sind vom Wortlaut her sehr ähnlich, aber in Eph 1,7 ist der Bezug zum Tod Jesu durch den Verweis auf sein Blut weitaus deutlicher gegeben. In Kol 1,14 dagegen legt eher die Parallelität zu Eph 1,7 sowie die Tatsache, dass im Folgenden auf Jesu Tod Bezug genommen wird, es nahe, dass dies hier ebenso ist. Geht man davon aus, dass auch Kol 1,14 auf Jesu Tod verweist, so sind beide Stellen die ersten Erwähnungen seines Todes im jeweiligen Brief. Es spricht einiges dafür, die Metapher hier als konventionalisiert anzusehen, wobei ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ offenbar in etwa gleichbedeutend ist mit der nachfolgenden Phrase IJ੽Ȟ ਙijİıȚȞ IJ૵Ȟ ʌĮȡĮʌIJȦȝ੺IJȦȞ/ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ („die Vergebung der Verfehlungen/Sünden“). Sieht man hier eine aktive Metapher, könnte man diesen Ausdruck auch als T-Term annehmen, während ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ den V-Term darstellt. In Hebr 9,12.15 ist der Bezug zum Tod Jesu deutlich erkennbar, durch den Verweis auf das Blut (V. 12) sowie den Genitivus absolutus șĮȞ੺IJȠȣ ȖİȞȠȝ੼ȞȠȣ („nachdem der Tod geschehen ist“, V. 15). Es wird aber nicht erkennbar, dass (ਕʌȠ-)ȜȪIJȡȦıȚȢ hier im Sinne einer aktiven Metapher gebraucht wird. Im Gegenteil scheint das Adjektiv ĮੁȫȞȚȠȢ, das in V. 12 zur näheren Bestimmung des Begriffs herangezogen wird, eher ein abstrakteres Verständnis im Sinne von „Erlösung“ nahezulegen. In Hebr 11,35 wird zudem ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ, in Hebr 13,23 das korrespondierende Verb gebraucht, jeweils im Zusammenhang realer Befreiung, die hier jedoch eher als generelle Freilassung und weniger als Akt des Loskaufens imaginiert wird. Schließlich könnte für den konventionalisierten Sinn ebenfalls sprechen, dass Hebr 9,12.15 in einem Kontext steht, der stark von kultischer Sprache und Opfermetaphorik geprägt wird. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass im Neuen Testament mitunter Loskauf- und Opfermetaphorik miteinander verbunden werden, wie bereits oben gezeigt wurde. Analog zu den neutestamentlichen Aussagen mit ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ muss auch das substantivierte Partizip von ȜȪȦ in Apk 1,5b betrachtet werden: ȉ૶ ਕȖĮʌ૵ȞIJȚ ਲȝ઼Ȣ țĮ੿ Ȝ઄ıĮȞIJȚ ਲȝ઼Ȣ ਥț IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨ („dem uns Liebenden und uns Loskaufenden/Erlösenden von unseren Sünden in seinem Blut“). Auch in diesem Fall liegt eine Doppeldeutigkeit vor und der Grad an metaphorischer Aktivität lässt sich nicht bestimmen. Durch die Wendung ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨ („in seinem Blut“) besteht eine Parallele zu Apk 5,9, wo jedoch eine Verbform gewählt wird, durch die sich eine metaphorische Lesart 219

S.u., Abschnitt 2.5.5. des vierten Kapitels.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

441

weitaus stärker aufdrängt. Im Kontext von 1,5 gibt es keinen direkten Anhalt für aktive Metaphorizität, wobei allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass die ersten Rezipierenden die Passage als aktiv metaphorisch verstanden haben. In diesem Fall wäre sie analog zu den Aussagen mit ਕȖȠȡȐȗȦ aufzufassen, so dass auch hier die Verbform den V-Term und das Objekt ਲȝ઼Ȣ („uns“) den primären T-Term darstellen würden. Selbst wenn aber der Gebrauch von ȜȪȦ und ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ jeweils als konventionalisiert angesehen werden muss, kann er vor dem Hintergrund der Wurzelmetapher JESU TOD IST EIN LOSKAUF verstanden werden, da konzeptuelle Metaphern im Verständnis der Conceptual Theory gerade dazu dienen, Metaphern, die alltagssprachlich und somit kaum bewusst sind, zu erklären. Eine letzte Metapher, die als Realisierung dieser konzeptuellen Metapher gesehen werden kann, die sich aber im Hinblick auf Wortwahl und Struktur deutlich von den anderen in diesem Kapitel dargestellten Loskaufmetaphern unterscheidet, liegt in Hebr 2,15 vor: ਕʌĮȜȜ੺ȟૉ IJȠ઄IJȠȣȢ, ੖ıȠȚ ijંȕ૳ șĮȞ੺IJȠȣ įȚ੹ ʌĮȞIJઁȢ IJȠ૨ ȗોȞ ਩ȞȠȤȠȚ ਷ıĮȞ įȠȣȜİ઀ĮȢ („er befreite die, die durch die Furcht vor dem Tod das ganze Leben lang in Sklaverei gebunden waren“). Dadurch, dass die Sklaverei (įȠȣȜİȓĮ) explizit angesprochen wird, lässt sich leicht eine Verbindung zum Freikauf herstellen, wobei hier etwas genereller von Befreiung die Rede ist, was zu einer leichten Fokusverschiebung führt. Der Begriff įȠȣȜİȓĮ ist somit zentraler V-Term der metaphorischen Aussage. Allerdings hängt er eng mit dem Adjektiv ਩ȞȠȤȠȚ („gebunden“) zusammen, das ebenfalls bereits metaphorische Anklänge besitzt, so dass es sinnvoll ist, beides als Phrase zusammenzunehmen, die als V-Term fungiert: „gebunden in Sklaverei/der Sklaverei verhaftet“. Dies ist auch insofern vorteilhaft, als es ermöglicht, den Nebensatz als Kopula-Metapher mit dem Relativpronomen als TTerm aufzufassen. Eine alternative Deutungsmöglichkeit wäre die Gleichsetzung der „Furcht vor dem Tod“ mit der Sklaverei. Dies ist aber aus syntaktischen Gründen weniger naheliegend, da ijંȕ૳ șĮȞ੺IJȠȣ im Dativ steht und somit eher die Voraussetzung für das Gebundensein in Sklaverei darstellt. Obwohl die Freikauf-Metaphorik hier nicht direkt mit anderen Metaphern kombiniert wird, liegt doch kurz darauf in Heb 2,17 wiederum zumindest ein impliziter Bezug zur Opfermetaphorik vor, wodurch erneut das enge Nebeneinander verschiedener metaphorischer Konzepte in den neutestamentlichen Schriften verdeutlicht wird. Für die konzeptuelle Metapher JESU TOD IST EIN LOSKAUF gilt in besonderer Weise, dass der Konventionalisierungsgrad der ihr zugehörigen Einzelmetaphern häufig unklar ist. Selbst in Falle konventionalisierter Metaphern sind diese jedoch auf die konzeptuelle Metapher bezogen. An einigen Stellen ist der aktive Gehalt der Loskaufmetapher offensichtlich. An anderen kann eine Aktivität der entsprechenden Metaphern dazu führen, dass sich zusätzliche Spannungen zu umliegenden Metaphern ergeben.

442

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

6.2.2. JESU TOD IST EIN KULTISCHES OPFER Die Darstellung von Jesu Tod als (Selbst-)Opfer ist insbesondere für den Hebräerbrief prägend, doch auch in einigen anderen neutestamentlichen Passagen spielt die konzeptuelle Metapher eine Rolle. Allerdings lässt sich oft nicht eindeutig feststellen, ob eine Aussage tatsächlich auf konzeptuelle Opfermetaphorik rekurriert. Bedeutet die indirekte Sprechweise durch das Blut etwa, dass hier an ein Opfer Jesu gedacht werden muss? Meines Erachtens greift dies in den meisten Fällen zu weit und birgt die Gefahr einer vorschnellen Vereinnahmung. In diesem Abschnitt werden daher nur solche neutestamentlichen Passagen besprochen, die zum einen stark metaphorisch geprägt sind und in denen zum anderen sich die konzeptuelle Opfermetapher als Verständnishorizont deutlich nahelegt, indem entweder vom Opfer selbst die Rede ist oder von solchen Termini, die innerhalb des semantischen Felds kultischer Praktiken liegen. Dabei werden zunächst die relevanten neutestamentlichen Passagen außerhalb des Hebräerbriefs betrachtet, bevor anschließend die Opfermetaphorik dort eingehender beleuchtet wird. Außerhalb des Hebräerbriefs ist die deutlichste Stelle Eph 5,2: ੒ ȋȡȚıIJઁȢ […] ʌĮȡ੼įȦțİȞ ਦĮȣIJઁȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ ʌȡȠıijȠȡ੹Ȟ țĮ੿ șȣı઀ĮȞ IJ૶ șİ૶ İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ („Christus […] hat sich selbst für uns hingegeben als Gabe und Opfer für Gott zu einem Duft von Wohlgeruch“). Die Struktur der Aussage ähnelt dabei stark dem Lösegeldwort Mk 10,45par und ist dementsprechend verhältnismäßig leicht aufzulösen. Der V-Term ʌȡȠıijȠȡ੹Ȟ țĮ੿ șȣı઀ĮȞ („Gabe und Opfer“) steht als Artbestimmung des Objekts parallel zum T-Term ਦĮȣIJȩȞ („sich selbst“), das wiederum in enger Verbindung zum Subjekt des Satzes, Christus, steht. Das Nebeneinander der beiden den V-Term bestimmenden Substantive kommt in der Septuaginta an einzelnen Stellen vor, am eindrücklichsten in Ps 39,7, hier jedoch in umgekehrter Reihenfolge (vgl. auch z.B. Dan 3,38). Aus metapherntheoretischer Sicht lässt sich diese Zusammenstellung als Modifikation bestimmen, da beide Bestandteile in enger semantischer Verbindung stehen.220 Eine deutliche Ausführung der Metapher findet sich im Zusatz İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ („zu einem Duft von Wohlgeruch“), einer Wendung, die wiederum in einer Vielfalt von Passagen der Septuaginta auftaucht (z.B. Ex 29,18.25.41; Lev 2,12; 4,31; 8,21; 17,4.6; Num 15,7.13.24; 18,17; 28,2.6.8.24. 27; 29,2.6.8.11.13.36 u.ö.). Gerade durch diesen Zusatz wird die Metapher stark verbildlicht und hervorgehoben. Gegenüber Eph 5,2 schwieriger zu fassen sind die opfermetaphorisch relevanten Passagen der Protopaulinen. Hier ist zunächst 1Kor 5,7b zu betrachten: IJઁ ʌ੺ıȤĮ ਲȝ૵Ȟ ਥIJ઄șȘ ȋȡȚıIJંȢ („unser Passalamm wurde geopfert, Christus“). Auch hier ist die Gleichsetzung des V-Terms IJઁ ʌ੺ıȤĮ („das Passalamm“) mit

220

S.u., Abschnitt 2.1.3. des vierten Kapitels.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

443

dem T-Term Christus für die Rezipierenden leicht nachvollziehbar. Nun handelt es sich beim Passalamm nach der Vorstellung von Ex 12 nicht um ein Opfer im engen Sinn.221 Allerdings setzt die hier verwendete Form des Verbs șȪȦ, die ebenfalls zur Dimension des Vehicles gehört, es in diesen Deutungsbereich, obwohl es, wie der Sprachgebrauch der Johannesapokalypse zeigt, alternative neutrale Verbformen gäbe. Die in 1Kor 5,7 vorliegende Sprechweise entspricht dabei aber der Septuaginta-Fassung von Ex 12,21, so dass die Anklänge an Opfermetaphorik offenbar aus dem Bezugstext ௅ in der griechischen Übersetzung222 ௅ entnommen wurden. Die zweite relevante Stelle in den echten Paulusbriefen ist Röm 3,25: ੔Ȟ ʌȡȠ੼șİIJȠ ੒ șİઁȢ ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ įȚ੹ [IJોȢ] ʌ઀ıIJİȦȢ ਥȞ IJ૶ Į੝IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȚ („den Gott vorherbestimmt hat [oder: hingestellt hat] als Sühne [oder: Kapporet] durch [den] Glauben in seinem Blut“). Die Passage wird noch durch eine Reihe weiterer präpositionaler Wendungen ausgeführt. Wie bereits angemerkt, ist die Interpretation und Übersetzung dieser Passage in vielerlei Hinsicht schwierig. Zunächst ist die Verbform ʌȡȠIJȓșȘȝȚ mehrdeutig. Während die Mehrzahl der Auslegerinnen und Ausleger den Begriff hier als „(öffentlich) hinstellen“ übersetzt, kann er vor dem Hintergrund der weiteren Verwendung im Römerbrief auch auf eine Vorsehung Gottes hinweisen. Zentrale Schwierigkeit ist aber der Umgang mit dem Begriff ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ, der außer an dieser Stelle im Neuen Testament nur noch in Hebr 9,5 vorkommt, wo er in Anlehnung an die Terminologie der Septuaginta die Kapporet bezeichnet. Allerdings ist zu beachten, dass sowohl in Hebr 9,5 als auch in den meisten Erwähnungen der Kapporet in der Septuaginta mit der einzigen Ausnahme ihrer ersten Einführung in Ex 25,17 der Terminus ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ mit Artikel steht (vgl. Ex 25,18–22; 31,7; 35,12; 37,6–9; Num 7,89; im Zusammenhang des Jom Kippur: Lev 16,2.13–15; zur Bezeichnung des Altars in der Vision des zukünftigen Tempels: Ez 43,14.17. 20). Zumindest in 4Makk 17,22 gibt es, jedoch auch hier mit Artikel, ein Vorkommen von ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ, das eindeutig nicht in direktem Zusammenhang mit einem kultischen Ort steht, sondern generell die sühnende Funktion des Todes der Märtyrer bezeichnet. Auch hier besteht eine Verbindung mit dem Blutmotiv. Natürlich könnte auch diese Verwendung von ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ bereits als metaphorische Übertragung gesehen werden. Insgesamt ist ein kultischer Hintergrund, insbesondere ein Verweis auf den Jom Kippur, für Röm 3,25 also durchaus möglich, aber nicht eindeutig gegeben. In den im deutschsprachigen Raum

221 Daher wird diese Metapher weiter unten noch einmal gesondert und detaillierter aufgeführt. Vgl. Abschnitt 6.2.4. 222 Die hebräische Form stammt von der Wurzel ʨ ʔʧ ʕˇ mit der generelleren Bedeutung „töten“ bzw. „schlachten“.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

am meisten verbreiteten Bibelübersetzungen wird als Übersetzung für ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ der generelle Begriff „Sühne“ verwendet.223 Auf der Ebene der Metaphernstruktur kann ähnlich wie in 1Kor 5,7 von Seiten der Rezipierenden eine leichte Identifizierung der beiden Hauptbestandteile vorgenommen werden, da das Relativpronomen mit ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ syntaktisch gleichgesetzt wird. Die Rede vom Blut kann dazu dienen, die Metapher weiter auszuführen bzw. zu verstärken. Insgesamt kann Röm 3,25 also auf die konzeptuelle Metapher JESU TOD IST EIN OPFER zurückgreifen bzw. diese aktivieren, ohne dass letztgültig geklärt werden kann, ob dies tatsächlich so intendiert ist. Dabei steht die (unterschwellige) Opfermetaphorik in Interaktion mit Loskauf- und Gerechtsprechungsmetaphorik, die ebenfalls beide nur verhältnismäßig schwach ausgeprägt sind.224 Betrachtet man 1Kor 5,7 und Röm 3,25 gemeinsam, fällt auf, dass beide die Herstellung einer Bezugnahme auf die Septuaginta von Seiten der Rezipierenden provozieren und beide die erste Metapher mit Bezug zum Tod Jesu in den jeweiligen Briefen darstellen. Auch im ersten Petrusbrief scheint auf die konzeptuelle Opfermetapher rekurriert zu werden, ohne dass jedoch die hier verwendeten Metaphern eine direkte Gleichsetzung des Todes Jesu mit einem kultischen Opfer ausdrücken würden. Es handelt sich eher um Anspielungen. Zunächst ist hier die „Besprengung mit Blut“ (૧ĮȞIJȚıȝઁȞ Į੆ȝĮIJȠȢ) in 1Petr 1,2 zu beachten. Diese Wendung bildet den V-Term der Metapher, wohingegen die Erweiterung durch das Genitivattribut ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ („Jesu Christi“) am ehesten als T-Term angesehen werden kann. Möglicherweise kann auch der Verweis auf die Heiligung (ਥȞ ਖȖȚĮıȝ૶) als konzeptuelle Entsprechung angesehen werden. Wie bereits aufgeführt, kann eine Besprengung mit Blut im Verständnis der jüdischen Heiligen Schriften Teil eines Opferrituals sein. Da hier Personen besprengt werden, erscheint es am nächstliegenden, den Bundesschluss, eine Priesterweihe oder die Wiederherstellung von Reinheit als Deutungshorizont anzunehmen.225 Auch hierfür ist ein Opfer Voraussetzung, allerdings rückt es eher in den Hintergrund, weil die weitere Verwendung des Blutes den Hauptfokus der Aussage bildet. In 1Petr 1,19 wird die konzeptuelle Metapher stärker direkt angesprochen: Į੆ȝĮIJȚ ੪Ȣ ਕȝȞȠ૨ ਕȝઆȝȠȣ țĮ੿ ਕıʌ઀ȜȠȣ ȋȡȚıIJȠ૨ („durch das Blut Christi als eines untadeligen und unbefleckten Lammes“). Hier ist eine Gleichsetzung Christi mit dem Lamm offensichtlich, wobei das ੪Ȣ die Metapher sowohl markiert als auch abschwächt und in die Nähe eines Vergleichs rückt. Vor dem Hintergrund der Opferbestimmungen in der Septuaginta, in denen das Adjektiv ਙȝȦȝȠȢ häufig zur näheren Charakterisierung der zu opfernden Schafe verwendet wird (vgl. z.B. Ex 29,38; Lev 12,6; 23,18; häufig in Num 28–29 u.ö., nicht 223 So die Lutherübersetzung (Rev. 2017) und die Zürcher Bibel (Rev. 2007). Die Einheitsübersetzung (Rev. 2016) verwendet „Sühnemal“. 224 S.u., Abschnitt.2.5.5. des vierten Kapitels für eine ausführlichere Analyse. 225 S.o., Abschnitt 1.3. und 4.2.1.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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jedoch zur Beschreibung des Passalamms in Ex 12,5), wird deutlich, dass hier ganz offensichtlich ein opferkultischer Hintergrund intendiert ist. Dadurch, dass der gesamte Genitivkomplex, in dem Christus mit dem Lamm gleichgesetzt wird, als Genitivattribut zum Blut steht, wird der Opfergedanke noch weiter verstärkt. Je nachdem, wie man das Wort ੂȜĮıȝંȢ in 1Joh 2,2 auslegt, ist auch an dieser Stelle ein Opferbezug denkbar: țĮ੿ Į੝IJઁȢ ੂȜĮıȝંȢ ਥıIJȚȞ ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ („und er ist ein Opfer für unsere Sünden“ bzw. „unser Sündopfer“ oder generell „Versöhnung für unsere Sünden“). Wie bereits oben dargelegt,226 ist die Beurteilung dieser Passage nicht ganz klar. Es könnte ein Verweis auf das Sündopfer intendiert sein. Auch die Erwähnung der reinigenden Funktion des Blutes Jesu in 1Joh 1,6 könnte eine opferkultische Deutung hier begünstigen. Sollte dem so sein, würde hier eine klare Kopula-Metapher mit Įਫ਼IJȩȢ als TTerm und ੂȜĮıȝંȢ als V-Term vorliegen. Möglicherweise wäre diese Metapher dann in 1Joh 4,10 nochmals aufgegriffen. Ob man im Hinblick auf die Apk unreflektiert davon sprechen kann, dass hier Jesu Tod metaphorisch als Opfer dargestellt wird, ist fraglich. Zwar kann das Symbol des „geschlachteten Lamms“ Opferassoziationen erwecken. Allerdings ist das hier verwendete Verb ıijȐȗȦ generell gehalten und muss nicht dezidiert ein Opfergeschehen beschreiben. Auch innerhalb der Apokalypse selbst wird der Begriff nicht ausschließlich für den als Lamm dargestellten Christus verwendet (vgl. Apk 6,9; 13,3; 18,24). Insgesamt scheinen auch andere Deutungshorizonte möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, etwa der Hintergrund von Jes 53 oder eine Analogie zu den Passalämmern, wie sie auch in der Johannespassion anklingt. In diesen Fällen handelt es sich jedoch nicht explizit um Opfer, bzw. nicht um solche im eigentlichen Sinn. Die konzeptuelle Opfermetapher kann also bei den Rezipierenden (insbesondere bei heutigen?) aktiviert werden, es ist jedoch die Frage, ob sie auch als solche ursprünglich intendiert wurde. Zudem ergibt sich wie bei allen Visionsberichten der Apokalypse das Problem, dass die Schilderungen zwar symbolhaft aufzufassen, innerhalb der Vision jedoch real sind. Das Motiv des geschlachteten Lamms wird vom Ich-Erzähler selbst in Apk 5,6 erstmals angeführt, in der Darstellung dessen, was er schaut: ਕȡȞ઀ȠȞ […] ੪Ȣ ਥıijĮȖȝ੼ȞȠȞ („ein Lamm […] wie geschlachtet“). Durch das ੪Ȣ wird das Bild dabei an dieser Stelle noch deutlich abgeschwächt. Kurz darauf wird jedoch die Verbform im Lied der vierundzwanzig Ältesten nochmals wiederholt: ਥıij੺ȖȘȢ („du wurdest geschlachtet“; 5,9), wobei nun keine Abmilderung mehr stattfindet. In 5,12 steht schließlich die klare Bezeichnung IJઁ ਕȡȞ઀ȠȞ IJઁ ਥıijĮȖȝ੼ȞȠȞ („das geschlachtete Lamm“), die in Apk 13,8 nochmals wiederholt wird. Besonders auffällig daran, wie der Hebräerbrief die konzeptuelle Opfermetaphorik aufgreift, ist nicht nur die Menge an Verweisen, sondern vor allem die 226

S.o., Abschnitt 5.2.2.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Tatsache, dass im Gegensatz zu anderen neutestamentlichen Schriften, die meistens Opfermetaphern mit Substantiven verwenden, hier zu einem Großteil Verbmetaphern mit Formen von ʌȡȠıijȑȡȦ (einmal von ਕȞĮijȑȡȦ, beide in der Bedeutung „darbringen“) verwendet werden. Subjekt des Satzes ist dabei stets Christus. Tabelle 14: Übersicht der Metaphern mit ʌȡȠıijȑȡȦ/ܻȞĮijȑȡȦ im Hebräerbrief Bibelstelle Hebr 5,7 7,27 8,3 9,14 9,25 9,28

10,12

Objekt įİ੾ıİȚȢ IJİ țĮ੿ ੂțİIJȘȡ઀ĮȢ („sowohl Gebete als auch Bitten“) ਦĮȣIJંȞ („sich selbst“) (ȉȚ …), ੖ („[etwas]…, das“); ਦĮȣIJંȞ („sich selbst“) ਦĮȣIJંȞ („sich selbst“) - (Passivformulierung; syntaktisches Subjekt und gedankliches Objekt ist ੒ ȋȡȚıIJóȢ) ȝ઀ĮȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ șȣı઀ĮȞ („ein Sündopfer“)

Form von ʌȡȠıijȑȡȦ/ਕȞĮijȑȡȦ ʌȡȠıİȞ੼ȖțĮȢ („dargebracht habend“) ਕȞİȞ੼ȖțĮȢ („dargebracht habend“) ʌȡȠıİȞ੼Ȗțૉ („er bringt dar“) ʌȡȠı੾ȞİȖțİȞ („er hat dargebracht“) ʌȡȠıij੼ȡૉ („er bringe dar“) ʌȡȠıİȞİȤșİȓȢ („dargebracht“; Partizip Passiv) ʌȡȠıİȞ੼ȖțĮȢ („dargebracht habend“)

Innerhalb dieser Metaphern können die jeweiligen Verbformen bzw. Partizipien als V-Term aufgefasst werden, während in den meisten Fällen das jeweilige grammatikalische oder gedachte Objekt den zentralen T-Term bildet. Eine Ausnahme bildet dabei die letzte aufgeführte Metapher in 10,12, in der das Objekt ebenfalls zur Ebene des Vehicles gehört und somit die Hauptspannung zum Subjekt des Satzes besteht. Aus der tabellarischen Übersicht wird bereits zweierlei erkennbar: Zunächst zeigt sich, dass der Verweis auf die Selbstdarbringung eine zentrale Metapher im Hebräerbrief darstellt. Die Opfermetaphorik wird in dieser Schrift sonst in vielfältigen Variationen ausgedrückt. Nur diese Wendung wird mehrfach sehr ähnlich wiederholt. Durch sie wird die konzeptuelle Metapher allerdings auch weniger stark ausgedrückt als durch eine direkte Gleichsetzung in einer Substantivmetapher. Zum anderen ist auffällig, dass die Opfermetaphorik, wiewohl sie für die Gesamtaussage des Hebr besonders relevant ist, in einer bemerkenswerten Konzentration auftritt: Sie gewinnt an Dominanz ab Hebr 7,27 und ist dann für Kap. 9f. prägend, während sie ab da bis 13,11 kaum eine Rolle spielt. Bevor jedoch das Herzstück der Opfermetaphorik in Hebr genauer betrachtet wird, soll zunächst beleuchtet werden, wie vorher diese auf eher indirekte Weise vorbereitet wird.

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Der erste Vers, der die Opferthematik andeutet, ist 2,17, der in einem sehr dichten Abschnitt situiert ist, in dem auch eine Art Loskaufmotiv erarbeitet wird. Die primäre Metapher besteht in der Bezeichnung Jesu als „treuer Hohepriester“ (ʌȚıIJઁȢ ਕȡȤȚİȡİȪȢ), die hier erstmals eingeführt wird. Dabei wird auch die Rolle und Funktion des Hohepriesters genauer bestimmt: İੁȢ IJઁ ੂȜ੺ıțİıșĮȚ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ IJȠ૨ ȜĮȠ૨ („zum Sühnen der Sünden des Volkes“). Als Bedeutungshintergrund legt sich hier der Jom Kippur (oder eventuell allgemein das Sündopfer) nahe. Wie genau die Sünden gesühnt werden sollen, wird an dieser Stelle noch nicht gesagt. Rezipierende, die mit der Gesamtschrift vertraut sind, können diese Lücke jedoch möglicherweise aufgrund ihrer Kenntnis späterer Stellen füllen und auch hier bereits einen Hinweis auf Jesu Selbstdarbringung sehen. Während die Hohepriester-Metaphorik im Folgenden noch weiter ausgeführt wird, ist ein konkreter Bezug auf Opferpraktiken erst wieder in 5,7 gegeben, wo die erste ʌȡȠıijȑȡȦ-Metapher verwendet wird. Was hier von Jesus dargebracht wird, sind seine Gebete und Bitten, wobei durch den Zusatz ȝİIJ੹ țȡĮȣȖોȢ ੁıȤȣȡ઼Ȣ țĮ੿ įĮțȡ઄ȦȞ („mit starkem Geschrei und Tränen“) die Dramatik der Situation verstärkt wird. Auch ein klarer Bezug zum Tod Jesu ist erkennbar; er ist in der Beschreibung des Empfängers des Dargebrachten enthalten: ʌȡઁȢ IJઁȞ įȣȞ੺ȝİȞȠȞ ı૴ȗİȚȞ Į੝IJઁȞ ਥț șĮȞ੺IJȠȣ („zu dem, der ihn aus dem Tod retten kann“). Die Passage muss vor dem Hintergrund von 5,1–3 gelesen werden, wo zum ersten Mal die Regelungen der „alten Ordnung“ formuliert und dabei auch die relevanten Opfertermini eingeführt werden, die später auf den Tod Jesu bezogen werden. Die Argumentationsstruktur ist dabei für den Hebräerbrief typisch: Weil der Hohepriester Gaben und Opfer darbringen musste, muss dies auch für Christus als Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks gelten. Allerdings wird das, was von Christus geopfert wird, anders bestimmt als in den folgenden Kapiteln. Diese Passage stellt somit eine Ergänzung, wenn nicht sogar eine Art Gegenentwurf zum Selbstopfer Jesu dar.227 Ähnlich wie in 2,17 ist auch in 6,19–20 das Jom-Kippur-Motiv durch die Begriffe „Hohepriester“ (ਕȡȤȚİȡİȪȢ) und „Vorhang“ (țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ) deutlich präsent. Die Metaphorik wird jedoch noch dadurch verkompliziert, dass Jesus zusätzlich als „Vorläufer“ (ʌȡંįȡȠȝȠȢ) bezeichnet wird und dass in V. 19 durch die Metapher des Ankers (ਙȖțȣȡĮ) hinzukommt. Obwohl der Verweis auf den Jom Kippur hier deutlich ist und mit diesem Opferhandlungen verbunden werden, wird auf das Opfer an sich nicht eingegangen und somit auch nicht die konkrete Art spezifiziert. Bis zu diesem Punkt ist von einer Selbstdarbringung Jesu noch nicht die Rede. Das einzige, was er bis hierhin dargebracht hat, sind die in 5,7 geschilderten Gebete und Bitten. Dies ändert sich mit der ਕȞĮijȑȡȦ-Metapher in 7,27, der ersten Erwähnung von Jesu Selbstdarbringung. Möglicherweise ist die hervorgehobene Position dieser ersten Nennung des Motivs der Grund für die leichte Variation in der 227

S.u., Abschnitt 2.3.2. des vierten Kapitels.

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verwendeten Verbform. Ähnlich wie in Kap. 5 wird auch hier eine Abgrenzung von der früheren kultischen Ordnung vorgenommen, nun aber in weitaus komprimierterer Form. Die grundlegende Differenz zwischen den „alten“ Opfern und Jesu Selbstdarbringung besteht darin, dass letztere einmalig geschehen ist (ਥij੺ʌĮȟ), während bei ersteren eine stetige Wiederholung notwendig war. Auch an dieser Stelle könnte als Bedeutungshintergrund der Jom Kippur angesehen werden, wobei die Wendung țĮș’ ਲȝ੼ȡĮȞ es nahelegt, hier eher an täglich durchgeführte Opfer zu denken. Auf 7,27 bezieht sich offenbar auch die analoge Formulierung in 8,3, in der jedoch nur sehr vage ausgesagt wird, dass Jesus wie die anderen Hohepriester auch „etwas“ zum Darbringen braucht, wodurch die Notwendigkeit des Selbstopfers nochmals betont wird. In Kap. 9f. ist die Opferthematik extrem dominant, so dass es schwerfällt, einzelne Metaphern auszumachen. Der Gesamtkontext ist von dieser konzeptuellen Metapher durchdrungen. Daher werden im Folgenden nur solche Einzelmetaphern herausgegriffen, in denen die Gleichsetzung des Todes Jesu mit dem Opfer besonders deutlich zur Geltung kommt, während die dazwischenliegenden Abschnitte, die für den Deutungshintergrund relevant sind, zusammengefasst werden. Insgesamt lässt sich ausmachen, dass im Gegensatz zu 7,27 und 8,3 die Opfermetaphorik besonders in Kap. 9 nicht allein steht, sondern an einigen Stellen mit Reinigungs- und Loskaufmetaphorik verbunden wird, wobei letztere jedoch zum Großteil konventionalisiert wirkt. In Kap. 10 ist dann wieder eine stärkere Fokussierung auf die Opfermetapher allein gegeben, mit der Ausnahme von 10,19–22, wo die Reinigungsmetapher das Bild vom Opfer zurückdrängt. Die mit dem Opfer verbundenen Deutungen sind vielfältig, wobei die Einmaligkeit des Opfers, der neue Bund, die Heiligung und die Aufhebung von Sünden eine große Rolle spielen. Was die generelle Sprechweise vom Tod Jesu betrifft, so wird hier häufig allein durch die Opfermetaphorik auf den Tod Jesu eingegangen bzw. durch die Wendung „sich selbst darbringen“. Es begegnen jedoch auch Substantivmetaphern, wobei insbesondere 9,26 und 10,10 die konzeptuelle Metapher besonders stark ausdrücken. Auch das Blut spielt mehrfach eine Rolle. Direkt ist vom Tod in 9,15–17 sowie in 9,27 (hier aber in Bezug auf den Menschen) die Rede. Betrachtet man die Metaphern der beiden Kapitel in chronologischer Reihenfolge, so ist zunächst 9,12 relevant, wo das Selbstopfer Jesu jedoch eher angedeutet wird. Christus, der als Hohepriester dargestellt wird, geht in das Heilige hinein (İੁıોȜșİȞ […] İੁȢ IJ੹ ਚȖȚĮ), woraus sich ein Bezug zum Versöhnungstag ergibt. Dieses Hineingehen geschieht „nicht durch Blut von Böcken und Kälbern, durch sein eigenes Blut“ (Ƞ੝į੻ įȚ’ Į੆ȝĮIJȠȢ IJȡ੺ȖȦȞ țĮ੿ ȝંıȤȦȞ įȚ੹ į੻ IJȠ૨ ੁį઀Ƞȣ Į੆ȝĮIJȠȢ), wodurch eine klare Analogie zwischen Jesus und den Opfertieren hergestellt wird, ohne dass sprachlich eine Gleichsetzung ausgedrückt wird. Wie in 7,27 wird auch hier die Einmaligkeit der Handlung (ਥij੺ʌĮȟ) betont. Zudem liegt eine Verbindung mit (konventionalisierter) Los-

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kaufmetaphorik vor. Es folgt eine ʌȡȠıijȑȡȦ-Metapher in 9,14, die als Relativsatz wiederum in eine Reinigungsmetapher mit dem Blut Christi als T-Term und dem Verb als V-Term eingebettet ist. Durch den Zusatz ਙȝȦȝȠȞ IJ૶ șİ૶ („untadelig für Gott“) wird dabei die Identifizierung Jesu mit einem Opfertier weiter verstärkt. Das Adjektiv entspricht dem, das auch in 1Petr 1,19 gebraucht wird, und enthält somit Anklänge an die Beschreibung der für ein Opfer geeigneten Schafe in der LXX-Fassung der Tora (vgl. z.B. Ex 29,28; Lev 9,3; 12,6; 14,10; 23,18; Num 6,14; 28,3 u.ö.). In den folgenden Versen wird eher auf die Voraussetzungen des neuen Bundes eingegangen, wofür die Umstände eines Testaments erklärt werden und der Bundesschluss am Sinai summarisch erzählt wird. Die Bedeutung des Todes (Testament) und des Blutes (Bundesschluss) wird dabei besonders hervorgehoben. Dieser Abschnitt ist für das Folgende relevant, bezieht sich aber nicht direkt auf Jesu Tod. Eine Übertragung auf ihn erfolgt erst andeutungsweise in 9,23: Da das Irdische, was nur Abbild der himmlischen Ordnung ist, auf diese Weise gereinigt wurde, gilt dies auch für die himmlischen Dinge, nun jedoch „durch bessere Opfer als diese“ (țȡİ઀IJIJȠıȚȞ șȣı઀ĮȚȢ ʌĮȡ੹ IJĮ઄IJĮȢ). Was genau mit diesen Opfern gemeint ist, bleibt in dieser Passage offen, ergibt sich aber aus dem bereits Genannten und den folgenden Erklärungen. Auch hier steht die Opfermetaphorik innerhalb einer Reinigungsmetapher. In 9,25 folgt dann schließlich erneut eine ʌȡȠıijȑȡȦ-Metapher, die hier allerdings verneint wird, um auszudrücken, dass Jesu Opfer nicht wiederholt werden kann. Darin schließt sich im nächsten Vers als Gegenpol die erste dezidiert auf Jesus bezogene Substantivmetapher an. Den V-Term bildet dabei eine Form von șȣıȓĮ („Opfer“), die durch das Reflexivpronomen Į੝IJȠ૨ („sein“) spezifiert wird, was gleichzeitig den T-Term darstellt. Hier wird die Einmaligkeit des Opfers betont und dass dieses zur Aufhebung von Sünden dient. Beide Motive werden noch einmal in 9,28 wiederholt, wo sie mit ʌȡȠıijȑȡȦ in einer Passivformulierung verbunden sind. Nach einem weiteren Exkurs, in welchem die Opferriten der Tora weiter erklärt werden, findet sich in 10,10 wiederum eine Substantivmetapher, die strukturell mit der aus 9,26 vergleichbar ist: eine Form von ʌȡȠıijȠȡȐ (Gabe) ist V-Term, das Genitivattribut hierzu, IJȠ૨ ıઆȝĮIJȠȢ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ („des Leibes Jesu Christi“), der entsprechende T-Term. Die Metapher wird dabei ab V. 5 stark vorbereitet, da das Zitat aus Ps 40,7–9 angeführt und wiederholt wird, in dem die Schlagworte șȣıȓĮ, ʌȡȠıijȠȡȐ und ı૵ȝĮ bereits enthalten sind. Aus den weiteren Ausführungen von Kap. 10 lässt sich schließen, dass șȣı઀Į und ʌȡȠıijȠȡȐ im Verständnis des Hebräerbriefs austauschbar gebraucht werden. In 10,10 fällt außerdem die starke Verbindung mit der Funktion der Heiligung, die durch das Opfer geschieht, auf. Das Motiv des Opfers ௅ konkretisiert als Sündopfer ௅ wird auch in die kurz darauf folgende ʌȡȠıijȑȡȦ-Metapher in Hebr 10,12 als Objekt eingebracht. Jesu Selbstopferung wird dabei zwar nicht explizit benannt, erschließt sich jedoch aus dem Kontext. Dies gilt auch für 10,14: ȝȚઽ Ȗ੹ȡ ʌȡȠıijȠȡઽ IJİIJİȜİ઀ȦțİȞ İੁȢ IJઁ įȚȘȞİț੻Ȣ IJȠઃȢ ਖȖȚĮȗȠȝ੼ȞȠȣȢ

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(„denn durch ein Opfer hat er für immer die Geheiligten vollendet“). Dass hier eine Verbindung mit der Heiligungsdeutung vorliegt, ist offensichtlich. Hebr 10,19 erinnert dann an 9,12 (und 6,19–20), wobei eine Akzentverschiebung stattfindet: ਯȤȠȞIJİȢ Ƞ੣Ȟ, ਕįİȜijȠ઀, ʌĮȡȡȘı઀ĮȞ İੁȢ IJ੽Ȟ İ੅ıȠįȠȞ IJ૵Ȟ ਖȖ઀ȦȞ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ ੉ȘıȠ૨ („Habend nun, Geschwister, Freimut zum Eintritt in das Heiligtum im/durch das Blut Jesu“). Während in 9,12 noch Jesus selbst hinter den Vorhang getreten ist, haben nun die Gläubigen ebenfalls Zugang. Beides geschieht jedoch durch Jesu Blut. Die letzte Opfermetapher im zehnten Kapitel nimmt nur noch indirekt auf Jesu Tod Bezug, lässt sich aber aus dem Vorherigen hierauf beziehen. Im Zusammenhang der Ablehnung einer zweiten Buße heißt es, dass für diejenigen, die nach der Erkenntnis der Wahrheit wiederum sündigen, kein Sündopfer mehr übrigbleibt (Ƞ੝ț੼IJȚ ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਕʌȠȜİ઀ʌİIJĮȚ șȣı઀Į). Dies setzt das Wissen um das Sündopfer Jesu voraus, das einmal geschehen und nicht wiederholbar ist. Sprachlich zeigen sich deutliche Nähen zu 10,12. Nach dieser stark entfalteten und bildhaften Opfermetaphorik spielt sie im Rest des Briefes eine erstaunlich geringe Rolle. Lediglich in 13,11–12 wird sie noch einmal spürbar. Allerdings handelt es sich hierbei um keine Opfermetapher im engen Sinne, sondern eher um eine Erinnerung an sie in Form einer Analogie: Weil die Körper der Tiere, deren Blut für die Sünden vom Hohepriester in das Heiligtum gebracht wurden, außerhalb des Lagers verbrannt wurden, hat auch Jesus vor den Toren gelitten. Hier ist wiederum eine Anspielung auf den Jom Kippur naheliegend, und ebenso sind der Verweis auf das Blut und implizit die Funktion der Heiligung zu beachten. Daraus ergibt sich der metaphorisch aufgeladene Imperativ, auch vor das Lager (nicht vor die Tore!) zu ziehen und dabei Jesu Schmach zu tragen. Insgesamt zeigt sich im Hebräerbrief die Vielfalt der Möglichkeiten, Opfermetaphorik auszudrücken. Alledings muss dabei beachtet werden, dass die Opfermetaphorik selbst ein weites Feld an Deutungshintergründen bedient. Wenn der Hebräerbrief von Jesu Tod metaphorisch als Opfer spricht, so werden verschiedene Riten und Opfertypen angedacht. Obwohl die Jom-Kippur-Thematik weite Teile des Briefs prägt, können einige Passagen auch als allgemeine Verweise auf das Sündopfer gelesen werden. Des Weiteren werden auch das tägliche Opfer und das, welches zur Besiegelung des ersten Bundes diente, als Deutungshorizonte mit angeführt. Vor dem Hintergrund der anderen neutestamentlichen Stellen muss auch das Passalamm berücksichtigt werden, obwohl sich darüber streiten lässt, inwiefern dies als Opfer im engen Sinn gesehen werden kann. Die Charakterisierung des Lamms in 1Petr 1,19 als ਙȝȦȝȠȢ kann vor dem Hintergrund unterschiedlicher Opfertypen interpretiert werden. Bei der Auswertung der Opfermetaphorik ist diese deutliche Heterogenität zu beachten und nicht zugunsten eines stringenten Bildes aufzugeben.

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6.2.3. JESU TOD IST EINE REINIGUNG Die metaphorische Darstellung des Todes Jesu bzw. dessen Funktion als Reinigung kommt ebenfalls vorrangig im Hebräerbrief vor. Daneben finden sich nur einzelne relevante Abschnitte in anderen neutestamentlichen Schriften, vor allem in den nachpaulinischen Briefen: Eph 5,26–27; Tit 2,14; 2Petr 1,9 (wobei hier der Bezug zum Tod Jesu nicht gesichert ist); 1Joh 1,7 und Apk 7,14. Im Gegensatz zu den anderen hier vorgestellten konzeptuellen Metaphern lässt sich die Reinigungsmetapher in ihren sprachlichen Realisierungen leichter fassen, weil in der überwiegenden Zahl der Fälle entweder das Verb țĮșĮȡȓȗȦ („reinigen“; Eph 5,26; Tit 2,14; 1Joh 1,7, Hebr 9,14.22) oder das entsprechende Substantiv țĮșĮȡȚıȝȩȢ („Reinigung“; 2Petr 1,9; Hebr 1,3), in einem Fall (Hebr 10,22) auch das Adjektiv țĮșĮȡȩȢ („rein“) den V-Term darstellt bzw. an diesem beteiligt ist. Nur in Apk 7,14 weicht die Terminologie ab, doch auch hier wird mit dem Verb ʌȜȪȞȦ („waschen“) ein semantisch verwandter Begriff verwendet und diese Passage weist ohnehin eine andere Struktur auf, wie weiter unten gezeigt wird. Die beiden relevanten Erwähnungen von țĮșĮȡȚıȝȩȢ sind insgesamt etwas schwieriger zu fassen als etwa die Verbmetaphern. Zunächst wird nicht ganz klar, ob es sich hierbei wirklich um Verweise auf Jesu Tod handelt oder man die Abschnitte nicht eher als Hinweise z.B. auf Taufe oder Bekehrung werten müsste. Zumindest im Hebräerbrief wird jedoch ௅ wenn auch deutlich später ௅ die Reinigungsmetapher mit engem Bezug zum Tod Jesu entfaltet. Im 2Petr wird insgesamt lediglich auf metaphorische Weise vom Tod Jesu gesprochen, wenn die entsprechenden Metaphern überhaupt darauf Bezug nehmen. Außerdem ist es nicht so einfach wie in anderen Substantivmetaphern, die metaphorischen Strukturen von 2Petr 1,9 und Hebr 1,3 zu erfassen, da die Formen von țĮșĮȡȚıȝȩȢ keine Bestandteile von Kopula-Metaphern sind. Die stärkste Spannung zu umliegenden Begrifflichkeiten besteht zu den in beiden Passagen erwähnten Sünden. In Hebr 1,3 bildet IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ („der Sünden“) ein einfaches Genitivattribut, das direkt mit țĮșĮȡȚıȝȩȢ verbunden ist, wohingegen in 2Petr 1,9 dieselbe grammatikalische Struktur besteht, das Sündenmotiv jedoch stärker ausgeführt wird und dabei einen individuelleren Bezug aufweist: IJ૵Ȟ ʌ੺ȜĮȚ Į੝IJȠ૨ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ („seiner vorherigen Sünden“). Das Possessivpronomen bezeichnet dabei eine Person, der die Tatsache der beschriebenen Reinigung nicht mehr vor Augen steht. Das Verhältnis von Reinigung und Sünde scheint dabei den Schlüssel zum Verständnis der Metapher darzustellen, wenn man beides in ein Analogieverhältnis integriert. Dementsprechend würde die Reinigung hier eine semantische Lücke füllen: „Wie sich die Reinigung zum Schmutz verhält, so verhält sich X zu Sünden“. Die strukturelle Gleichheit von Reinigung und X lässt sich abstrakt als Tilgung, Entfernung oder Befreiung verstehen, was sich annäherungsweise als Topic der Metapher festlegen lässt. Diese metapho-

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rische Zusammenstellung ist jedoch keine sich im Neuen Testament neu ergebende Sprechweise, sondern ein Rückgriff auf bereits in der Septuaginta vorliegende Formulierungen (vgl. z.B. Ex 30,10; Lev 14,19; 16,30; Ps 18,14; 50,4; Spr 20,9; Hiob 7,21). Gerade das Auftauchen der Verbindung von Reinigung und Sünden in opferkultischen Zusammenhängen bzw. im Kontext des Jom Kippur eröffnet die Möglichkeit der Integration der neutestamentlichen Reinigungsmetaphern in die Opferthematik. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass derartige Formulierungen auch jenseits des Opferkults gebraucht wurden, weshalb eine einseitige Vereinnahmung nicht möglich ist. Eine Verbindung von Reinheitsmetaphorik, nun jedoch in einer Verbmetapher klarer ausgedrückt, und Sünden liegt auch in 1Joh 1,7 vor. Auch hier trägt die Erwähnung der Sünden zum Verständnis der Metapher bei, durch die andere Metaphernstruktur liegt allerdings nicht das Hauptaugenmerk auf diesen beiden Aspekten. Ganz ähnlich verhält es sich mit Hebr 9,14, wo aber nicht von Sünden, sondern der Reinigung „von toten Werken“ (ਕʌઁ Ȟİțȡ૵Ȟ ਩ȡȖȦȞ) die Rede ist. Auch an dieser Stelle dient der Zusatz der besseren Verarbeitung der Metapher. 1Joh 1,7 und Hebr 9,14 gehören zu vier Verbmetaphern, die strukturelle Ähnlichkeiten aufweisen, aber jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Da die Darstellung des jeweiligen Subjekts Auswirkung auf die Metapher hat, werden in der folgenden Übersicht sowohl Subjekt als auch Objekt des Verbs als T-Term angeführt. Tabelle 15: Übersicht der Metaphern mit țĮșĮȡȓȗȦ Bibelstelle Eph 5,26 Tit 2,14

1Joh 1,7

Hebr 9,14

T-Term (Subjekt/Objekt)

V-Term

Subjekt: Christus (V. 25) Objekt: ਕȣIJȒȞ („sie“)

țĮșĮȡ઀ıĮȢ („gereinigt habend“)

Subjekt: (Jesus) in der Verbendung Objekt: ȜĮઁȞ ʌİȡȚȠ઄ıȚȠȞ („ein eigenes Volk“) Subjekt: IJઁ ĮੈȝĮ ੉ȘıȠ૨ IJȠ૨ ȣੂȠ૨ Į੝IJȠ૨ („das Blut Jesu, seines Sohns“) Objekt: ਲȝ઼Ȣ („uns“) Subjekt: IJઁ ĮੈȝĮ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ („das Blut Christi“) Objekt: IJ੽Ȟ ıȣȞİ઀įȘıȚȞ ਲȝ૵Ȟ („unser Bewusstsein/Gewissen“)

țĮșĮȡ઀ıૉ („er reinigte“)

Erweiterungen des VTerms IJ૶ ȜȠȣIJȡ૶ IJȠ૨ ੢įĮIJȠȢ ਥȞ ૧੾ȝĮIJȚ („durch das Bad des Wassers im Wort“) ਦĮȣIJ૶ („für sich selbst“)

țĮșĮȡ઀ȗİȚ („es reinigt“)

ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ („von jeder Sünde“)

țĮșĮȡȚİ૙ („es wird reinigen“)

ਕʌઁ Ȟİțȡ૵Ȟ ਩ȡȖȦȞ („von toten Werken“) İੁȢ IJઁ ȜĮIJȡİ઄İȚȞ șİ૶ ȗ૵ȞIJȚ („zum Dienst am lebendigen Gott“)

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In den ersten beiden erwähnten Metaphern, in denen Jesus selbst das Subjekt der Aussage darstellt, wird der Bezug zum Tod Jesu aus der Metapher selbst nicht ersichtlich, wohl aber aus dem Kontext, in dem jeweils Hingabeformeln vorkommen. Eph 5,26 steht dabei innerhalb eines ganzen Komplexes von Deutungen des Todes Jesu, in dem auch die Vorbild- und Heiligungsfunktion sowie ein Verweis auf die Liebe Jesu stehen. Während streng genommen der Tod Jesu selbst nicht auf metaphorischer Ebene geschildert wird, wird die Darstellung der Auswirkung des Todes auf die Kirche von einer deutlich ausgeschmückten Reinigungsmetapher dominiert. Die Metapher wird in V. 26 zunächst durch die Phrase IJ૶ ȜȠȣIJȡ૶ IJȠ૨ ੢įĮIJȠȢ ਥȞ ૧੾ȝĮIJȚ („durch das Bad des Wassers im Wort“) stark bildhaft erweitert. Auch diese Wendung kann wiederum als Einzelmetapher angesehen werden, in der ૧੾ȝĮIJȚ den T-Term zu ȜȠȣIJȡ૶ bildet. Außerdem lässt sich eine starke Korrespondenz zwischen dem Prädikat des Satzes, einer Form von ਖȖȚȐȗȦ („heiligen“), und dem Partizip țĮșĮȡ઀ıĮȢ als V-Term der Metapher ausmachen, was angesichts der Tatsache, dass beides konzeptuell eng verbunden ist, wenig verwundert. Möglicherweise kann man sogar davon ausgehen, dass beides einander entspricht, so dass das Prädikat des Satzes als eigentlicher T-Term betrachtet werden kann, obwohl es kaum metaphorische Spannung zum V-Term erzeugt. Dies wird durch die Vertiefung der Metapher im darauffolgenden Vers weiter unterstützt. Hier wird die Gemeinde nach der Reinigung weiter charakterisiert: ȝ੽ ਩ȤȠȣıĮȞ ıʌ઀ȜȠȞ ਲ਼ ૧ȣIJ઀įĮ ਵ IJȚ IJ૵Ȟ IJȠȚȠ઄IJȦȞ („nicht habend einen Flecken oder eine Runzel oder irgendetwas Derartiges“). Dieser erweiterte V-Term bezieht sich zunächst auf IJ੽Ȟ ਥțțȜȘı઀ĮȞ („die Kirche“), scheint dann aber mit der nachfolgenden Erläuterung deckungsgleich zu sein: ਖȖ઀Į țĮ੿ ਙȝȦȝȠȢ („heilig und untadelig“). Die Metapher in Tit 2,14 ist demgegenüber weitaus schwächer ausgeprägt und weist im Vergleich zu den anderen Verbmetaphern weniger Besonderheiten auf. Auffällig ist hier, dass die Reinigung zur Bestimmung bzw. Aussonderung eines Gottesvolks dient, auf dem durch die weitere Charakterisierung hier ein besonderer Schwerpunkt liegt. Obwohl die Zusammenstellung ȜĮȩȢ ʌİȡȚȠȪıȚȠȢ („eigenes Volk“), die an den Bundesschluss erinnert, in der Septuaginta gelegentlich vorkommt (Ex 19,5; Dtn 23,22; Dtn 7,6; 14,2; 26,18), findet sich eine direkte Verbindung mit țĮșĮȡȓȗȦ dort nicht. Je nach Volksbegriff kann auch dieser Ausdruck als Teil einer Metapher aufgefasst werden, da die Gemeinschaft, die im Titusbrief als ȜĮȩȢ bezeichnet wird, sich nicht mit dem deckt, was etwa in der Tora damit gemeint ist. Diese Differenz wird dadurch verstärkt, dass das Volk laut Tit 2,14 für Jesus selbst bestimmt ist. Zudem ist in Tit 2,14 das Nebeneinander der Reinigung und einer (möglicherweise inaktiven) Loskaufmetapher bemerkenswert. 1Joh 1,7 und Hebr 9,14 sind strukturell und teilweise auch im Wortlaut derart ähnlich, dass in Betracht gezogen werden muss, beide auf ähnliches Traditionsgut zurückzuführen oder eine andere Form literarischer Abhängigkeit (etwa die Rezeption von Ex 30,10) anzunehmen. In beiden Passagen bewirkt

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nicht Jesus als Person die Reinigung, sondern sein Blut, wodurch sich ein starker Kontrast zwischen dem, was gemeinhin unter einer Reinigung verstanden wird, und dem hier beschriebenen Mittel der Reinigung ergibt, was sofort zu einem metaphorischen Deutungsprozess anregt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die griechischen Begriffe, die die Reinigung beschreiben, in der Septuaginta auch im Zusammenhang der Opfer verwendet werden, lässt sich das Bild jedoch leichter verstehen. Dies ist insbesondere für Hebr 9,14 relevant. Im ersten Johannesbrief handelt es sich hingegen um die einzige Metapher im Zusammenhang mit dem Tod Jesu und der Kontext gibt keine Hinweise darauf, wie genau diese zu interpretieren ist. Die begriffliche Zusammenstellung kann allerdings einen Hinweis auf Ex 30,10 und somit auf den Jom Kippur liefern. Die Reinigungsfunktion des Blutes während des Jom Kippur wird auch in Lev 16,19 angeführt. Daneben wird in 4Makk 6,29 Blut als Reinigungsopfer (țĮșȐȡıȚȠȞ) bezeichnet. Im Hebräerbrief wird die Verbmetapher deutlich stärker ausgeführt. Das Blut Christi als Subjekt des Satzes wird durch einen Relativsatz genauer bestimmt, in dem auch die Opfermetaphorik entfaltet wird. Zudem steht die Reinigung durch Jesu Blut im Kontrast zur Heiligung und Reinigung durch die Opfer der „alten Ordnung“ (V. 13), die hierdurch überboten werden. Die Aussage wird dabei in V. 12 und V. 15 von (impliziten) Loskaufmetaphern eingerahmt. In Hebr 9,22f. wird nochmals auf das Motiv der Reinigung zurückgekommen, wobei jedoch der Bezug zum Tod Jesu nur sehr implizit gegeben ist. Vorrangig wird in den vorherigen Versen der Bundesschluss thematisiert und die Rolle, welche die Blutapplikationen auf das Volk, die Stiftshütte und die Gerätschaften des Gottesdienstes dabei spielen, so dass in Hebr 9,22 zusammengefasst wird: țĮ੿ ıȤİįઁȞ ਥȞ Į੆ȝĮIJȚ ʌ੺ȞIJĮ țĮșĮȡ઀ȗİIJĮȚ țĮIJ੹ IJઁȞ ȞંȝȠȞ țĮ੿ ȤȦȡ੿Ȣ ĮੂȝĮIJİțȤȣı઀ĮȢ Ƞ੝ Ȗ઀ȞİIJĮȚ ਙijİıȚȢ („und fast alles wird nach dem Gesetz in/durch Blut gereinigt und ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung“). Auch hier ist das Blut für die Reinigung konstitutiv, so dass leicht ein Bezug zu V. 14 hergestellt werden kann. Zudem wird ausgedrückt, dass die Reinigung mit Blut eine Zwangsläufigkeit ist, was im darauffolgenden Vers weiter verstärkt wird, in dem auch das Verb țĮșĮȡȓȗȦ wiederholt wird. Da die irdischen Dinge, die lediglich ein Abbild des Himmlischen darstellen, so gereinigt wurden, ist dies auch für die himmlischen Dinge erforderlich, allerdings „durch bessere Opfer“ (țȡİ઀IJIJȠıȚȞ șȣı઀ĮȚȢ) als die beschriebenen. Für die Rezipierenden ist leicht ersichtlich, dass dies eine Anspielung auf die im Hebräerbrief bereits thematisierte Selbstdarbringung Jesu ist. In 10,2 wird nochmals die Reinigung von Sünden durch Opfer nach der „alten Ordnung“ thematisiert, ohne dass hierbei ein direkter Bezug zum Tod Jesu vorliegt. Die eindrücklichste Reinigungsmetapher im Hebräerbrief folgt in 10,22. Hier wird nicht nur eine Form von țĮșĮȡȓȗȦ gebraucht, die bereits einen relativ hohen Konventionalitätsgrad aufweisen kann, sondern die Metapher wird intensiver ausgeschmückt. Der Tod Jesu wird in den vorherigen Versen stark metaphorisch ausgebreitet, ist

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hier aber weniger präsent, da es um die Selbstaufforderung der Gemeinde geht. Als T-Term der Aussage kann am ehesten das Subjekt des Satzes angesehen werden, das in der Prädikatsendung und in den relevanten Partizipien enthalten ist: ૧İȡĮȞIJȚıȝ੼ȞȠȚ IJ੹Ȣ țĮȡį઀ĮȢ ਕʌઁ ıȣȞİȚį੾ıİȦȢ ʌȠȞȘȡ઼Ȣ țĮ੿ ȜİȜȠȣıȝ੼ȞȠȚ IJઁ ı૵ȝĮ ੢įĮIJȚ țĮșĮȡ૶ („besprengt in den Herzen weg von dem bösen Bewusstsein/Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser“). Der Hinweis auf das „reine Wasser“ lässt Berührungspunkte zu den anderen Reinigungsmetaphern erkennen, wobei das Partizip „gewaschen“ jedoch noch einmal einen anderen Akzent setzt. Es ist möglich, beides gemeinsam als V-Term der Metapher aufzufassen oder die Metaphernstruktur analog zu Eph 5,26 aufzufassen und ੢įĮIJȚ țĮșĮȡ૶ als Erweiterung anzusehen. Die Stärke der Metapher variiert zudem, je nachdem, wie man den Bedeutungshintergrund der Aussage auffasst. Handelt es sich hier um einen Hinweis auf die Taufe? In diesem Fall wäre eher eine Anspielung auf die Symbolhandlung gegeben und die Gesamtaussage wäre weniger metaphorisch als das vorausgehende Bild der Besprengung, das jedoch höchstens indirekt an eine Reinigung denken lässt und vor dem Hintergrund des Kontextes eher an den Bundesschluss erinnert. Da dieser jedoch bereits im vorherigen Kapitel als eine Art Reinigung gedeutet wurde, rücken die in den beiden Partizipien ausgedrückten Handlungen näher aneinander, als dies zunächst den Anschein hat. Die Waschung mit reinem Wasser kann aber auch einen Anklang an die laut Tora mit Opferungen einhergehenden rituellen Waschungen (so etwa in Ex 29,4; Lev 16,4, also auch in Verbindung mit dem Jom Kippur) darstellen. Interessant ist hier vor allem die in der Umgebung stehende Metapherninkonsistenz, die in V. 20 dadurch entsteht, dass der Vorhang mit Jesu Leib identifiziert wird, und die durch die Reinigungsmetapher nochmals verkompliziert wird. Möglicherweise legt sich auch aus der Vorhang-Metaphorik nahe, die Waschung hier eher vor dem Hintergrund der Jom-Kippur-Praktiken zu sehen. Dadurch, dass die Reinigung an dieser Stelle konkret als durch Wasser vollzogen vorgestellt wird, wie dies auch in Eph 5,26f. der Fall ist, ergibt sich insgesamt ein plastischeres Bild. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Reinigungsmetapher, von der ersten Erwähnung im Exordium, deren Bezug zum Tod Jesu ungesichert ist, im Hebräerbrief ausschließlich in Kap. 9f. relevant ist, wo sie ausschließlich mit mehr oder weniger stark ausgeprägter Opfermetaphorik verbunden ist und die Konsequenz bzw. Auswirkung des Opfers bezeichnet. Schließlich muss im Zusammenhang der Reinigungsmetaphorik Apk 7,14 erwähnt werden, auch wenn die Bezeichnung „Metapher“ für diesen Abschnitt nicht unbedingt treffend ist. Diese Passage hat einerseits mit Eph 5,26–27 und Hebr 10,22 gemein, dass die Reinigung auf äußerst bildhafte Weise beschrieben wird. Andererseits zeigen sich Nähen zu 1Joh 1,7 und Hebr 9,14.22 darin, dass die Reinigung durch das Blut bewirkt wird. Beides zusammen erzeugt eine besonders starke Spannung. Den Kontext bildet dabei die Vision einer Gruppe

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Ausgewählter in weißen Gewändern, die von einem der Ältesten folgendermaßen beschrieben wird: țĮ੿ ਩ʌȜȣȞĮȞ IJ੹Ȣ ıIJȠȜ੹Ȣ Į੝IJ૵Ȟ țĮ੿ ਥȜİ઄țĮȞĮȞ Į੝IJ੹Ȣ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ IJȠ૨ ਕȡȞ઀Ƞȣ („Und sie haben ihre Kleider gewaschen und sie haben sie weiß gemacht im Blut des Lamms“). Gerade der Kontrast zwischen dem „weiß Machen“ und den Assoziationen mit Blut ergibt ein starkes Paradoxon, das teilweise in die Nähe der Metapherninkonsistenz rückt, möglicherweise für heutige Rezipierende jedoch deutlicher ist als für die ersten Lesenden oder Hörenden der Johannesapokalypse. Zumindest ist in Gen 49,11 eine gewisse Parallele gegeben, wo im Zusammenhang des Segens über Juda und als Hinweis für das Leben in Fülle das Waschen von Kleidungsstücken in Wein bzw. Traubenblut angeführt wird. Eine metaphorische Struktur von Apk 7,14 herauszuarbeiten, erweist sich aufgrund der Vision als schwierig. Einfacher ist es, die Gesamtaussage auf der Symbolebene anzusiedeln. Dabei werden die weißen Gewänder als Gegebenheit in der Vision vorausgesetzt, so dass sie zwar, wie weite Teile der Apokalypse, symbolhaft sind, aber in der Wirklichkeit der Apk doch „eigentliche“ Sprache. Somit ist es wenig überzeugend, das Waschen und weiß Machen als V-Term anzusehen. Vom Kontext aus betrachtet würde sich hierfür eher das Blut anbieten, doch auch hier ist fraglich, ob nicht angesichts der Tatsache, dass die Johannesoffenbarung vom „geschlachteten Lamm“ spricht, auch dies (symbolhaft-)„wörtlich“ gemeint ist. Auch der Deutungshorizont der Metapher bleibt letztlich unklar. Dadurch, dass Heiligung und Reinigung oft nah beieinanderliegen und dass in Ex 19,10 die Aufforderung, die Kleider zu waschen, im Kontext der Offenbarung am Sinai steht, kann hier eine Heiligungsdeutung mit einfließen, ebenso wie das Entfernen von Sünden. Das Waschen der Gewänder ௅ jedoch ohne einen Verweis auf das Blut oder sonstige weitere Bestimmung ௅ findet sich erneut in Apk 22,14. Insgesamt zeigt sich, dass die Reinigungsmetapher neben der relativen Dominanz in Teilen des Hebräerbriefs nur an vereinzelten Stellen im Neuen Testament explizit auftaucht, wobei die Ausprägung der Bildhaftigkeit in den einzelnen Abschnitten sehr unterschiedlich ausfällt. Auch durch die Verwendung in der Septuaginta legt sich nahe, dass die entsprechenden Begrifflichkeiten wie țĮșĮȡȓȗȦ und țĮșĮȡȚıȝȩȢ in ihrem metaphorischen Gehalt bereits teilweise konventionalisiert sind und eine abstraktere Bedeutung, etwa im Sinne der Heiligung, aufweisen. Auffällig ist, dass Metaphern, deren Vehicles aus dem Bereich der Reinigung stammen und die auf Jesu Tod verweisen, in den Protopaulinen im engen Sinne nicht enthalten sind. Möglicherweise steht die Reinigung aber im Hintergrund von 1Kor 5,7, wo auch der Imperativ des Herausnehmens von allem Gesäuerten angeführt wird. Zudem steht in 1Kor 6,19 im Zusammenhang einer Anspielung auf Jesu Tod die Metapher des Leibs als Tempel (IJઁ ı૵ȝĮ ਫ਼ȝ૵Ȟ ȞĮઁȢ IJȠ૨ ਥȞ ਫ਼ȝ૙Ȟ ਖȖ઀Ƞȣ ʌȞİ઄ȝĮIJંȢ ਥıIJȚȞ), womit ein Ort höchster Heiligkeit und Reinheit evoziert wird. Allerdings sind dies nur äußerst implizite Anspielungen.

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6.2.4. Sonstige Metaphern Der folgende Abschnitt soll eine kurze Darstellung der Metaphern leisten, die in keine der oben aufgeführten Kategorien passen, aber dennoch in enger Verbindung zum Tod Jesu stehen. Da einige dieser Metaphern bereits an anderer Stelle thematisiert wurden (etwa im Zuge des indirekten Sprechens vom Tod Jesu oder „sonstiger“ Deutungen) oder Bestandteil einer ausführlicheren Analyse im Zuge der Betrachtung von Metaphernkombinationen sind, werden entsprechende Fälle an dieser Stelle nur knapp vorgestellt. Zunächst sind gerade innerhalb der Evangelien einige Gleichnisse bzw. Bildworte beachtenswert, die ohne Zweifel metaphorische Züge aufweisen, die jedoch soweit auf der Vehicle-Ebene bleiben, dass entweder nur Jesus nicht direkt als derjenige, der den Tod erleidet, identifiziert wird, oder auch das Sterben selbst zusätzlich nur auf bildhafte Weise ausgedrückt wird. Eine Auslegung auf Jesus bzw. seinen Tod hin ist somit vom Kontext und Vorwissen abhängig und stellt etwas dar, das die Rezipierenden selbt leisten müssen. Als umfangreiches Gleichnis mit allegorischer Prägung ist vor allem Mk 12,1–9par zu nennen. Hier wird eine gewaltsame Tötung zwar beschrieben, jedoch bleibt die Identifizierung des Sohns offen, auch wenn der unmittelbare Kontext (Jesu letzte Gespräche im Tempel, der in 12,12 formulierte Wille, Jesus zu ergreifen) ebenso wie die Wortwahl (der „geliebte“ Sohn als Bezeichnung Jesu durch Gott in der Tauf- und Epiphanieszene, möglicherweise auch die Selbstbezeichnung Jesu als „Menschensohn“) hier deutliche Hinweise geben. Das sich in Mk 12,10f. anschließende Ecksteinzitat verbleibt demgegenüber vollkommen auf der Bildebene.228 Ähnliches gilt ebenso für einzelne knappere Bildworte, bei den Synoptikern insbesondere für das „Fortnehmen des Bräutigams“ (Mk 2,19par) und das „Schlagen des Hirten“ (Mk 14,27). In all diesen Fällen kann man von „impliziten“ Metaphern sprechen, also von solchen, die allein die Vehicle-Ebene formulieren. Auch der Ausdruck „Bildwort“ kann für derartige Passagen treffend sein. Im Johannesevangelium finden sich ebenfalls vergleichbare Abschnitte, etwa in der Ankündigung in Joh 12,35, dass das Licht nur noch kurze Zeit da sein wird. Hier geben Jesu vorherigen Worte die Sinnrichtung vor, in der die Aussage verstanden werden muss, obwohl Jesus auch zuvor sehr indirekte Redeformen gebraucht und die Gesprächspartner mit Unverständnis reagieren. In gewisser Weise kann auch der Metaphernkomplex von Joh 14,1–7 in Analogie zu den bereits genannten Bildworten gesehen werden, vor allem der Hinweis darauf, dass Jesus fortgeht, um Wohnstätten vorzubereiten. Allerdings ist die Rede vom „Fortgehen“ ein für das Johannesevangelium nicht unüblicher Euphemismus und da Jesus von sich selbst spricht, liegt kein reiner Bezug auf die Vehicle-Ebene vor ௅ insbesondere das Ich-bin-

228

Für eine ausführlichere Analyse s.u., Abschnitt 2.2.2. des vierten Kapitels.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

Wort in diesem Kontext zeigt eine klare Gegenüberstellung von Topic und Vehicle. Deutlicher als Bildwort erkennbar ist die Aussage über das sterbende und dadurch Frucht bringende Weizenkorn in Joh 12,24. Der Kontext, insbesondere Jesu Ankündigung seiner nahenden Verherrlichung in V. 23, bereitet die Rezipierenden darauf vor, diesen Ausspruch auf Jesu Tod hin zu deuten. Auch auf der Ebene der Aussage selbst ist hier jedoch eine Spannung erkennbar, die darauf hinweist, dass metaphorische Sprache vorliegt: Dass ein Weizenkorn in die Erde fällt, ist vor dem Hintergrund des Alltagswissens und -sprechens verständlich. Dass es stirbt (im Griechischen liegt eine Form von ਕʌȠșȞ૊ıțȦ vor), deutet hingegen auf einen ungewöhnlichen Sprechakt hin. Der Prozess des Sterbens setzt eine gewisse Vitalität voraus, der für Menschen und Tiere wie auch für Pflanzen generell zutrifft, allerdings kaum für einzelne Samenkörner. Durch die Verwendung dieser Verbform wird das Weizenkorn personifiziert, so dass ein weiterer Deutungsprozess angeregt wird. Als letztes Bildwort des Johannesevangeliums sei hier auf die Ankündigung der Tempelzerstörung in Joh 2,18–22 verwiesen, das jedoch nicht allein stehen bleibt, sondern von der Erzählinstanz auf Jesu Tod hin gedeutet wird. Ohne Deutung hingegen bleibt die sehr ähnliche Ankündigung in Mk 14,58par, die aber durch den gänzlich anderen Kontext der (falschen) Anschuldigung nicht klar als Bildwort erkennbar ist. Neben diesen Gleichnissen und Bildworten, die klar eine ௅ wenn auch implizite ௅ Deutung hervorrufen, gibt es einzelne Metaphern im Neuen Testament, die eher den Tod selbst betreffen und diesen euphemistisch beschreiben. Das eindrücklichste Beispiel ist wohl Mt 12,40, also Jesu Ankündigung, dass er drei Tage lang „im Herz der Erde“ (ਥȞ IJૌ țĮȡį઀઺ IJોȢ ȖોȢ) sein wird, wobei hier die Verbindung einer Genitivmetapher mit euphemistischer Sprechweise erkennbar ist.229 In eine ganz ähnliche Richtung weist Eph 4,9, wo Jesu „Hinabsteigen“ präzisiert wird als „Hinabsteigen in die Tiefen der Erde“ (țĮIJ੼ȕȘ İੁȢ IJ੹ țĮIJઆIJİȡĮ [ȝ੼ȡȘ] IJોȢ ȖોȢ). Ein Gegenstück zu diesen eher euphemistischen Passagen bildet Apg 2,24. Hier findet eine bildhafte Dramatisierung statt, wenn bemerkt wird, dass Gott Christus aus den „Wehen des Todes“ befreit hat (Ȝ઄ıĮȢ IJ੹Ȣ ੩į૙ȞĮȢ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ). Neben diesen vorrangig formalen Betrachtungen weiterer Metaphern, die sich auf den Tod Jesu beziehen, lassen sich natürlich auch zusätzliche semantische Felder der Vehicle-Ebene erkennen. In einigen Passagen des Neuen Testaments lässt sich die konzeptuelle Metapher JESU TOD KONSTITUIERT EINEN NEUEN BUND erkennen, so in den Abendmahlsworten230 und im Hebräerbrief, insbesondere in Hebr 9,15–22; 10,29; 12,24 und 13,20. Es ist sinnvoll, die Bundesschlussmetapher von der Opfermetapher zu trennen bzw. beide als komple-

229 230

S.u., Abschnitt 1.3. des vierten Kapitels. S.o., Abschnitt 6.1.

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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mentär anzusehen, da für den Bundesschluss zwar ebenfalls Opferriten konstitutiv sind, hierauf jedoch nicht der eigentliche Schwerpunkt liegt, sondern auf der besonderen Aussonderung und dem innigen Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk. Da der Bund bzw. Bundesschluss insgesamt als relativ abstrakt angesehen werden kann ௅ er geht zwar häufig mit spezifischen Ritualen einher, aber ließe sich prinzipiell auch ohne solche bzw. durch andere Handlungen, etwa auf rein sprachlicher Ebene vollziehen ௅ und nicht direkt objektivierbar ist, muss man in diesen Abschnitten jedoch nicht zwingend von einer konzeptuellen Metapher ausgehen. Aus diesem Grund wurde der Bundesschluss auch bereits in den „sonstigen“ Deutungen angeführt.231 Während der Kelch in den Abendmahlsworten auf der Ebene des Topics liegt, gibt es in den Evangelien drei weitere Passagen (Mk 10,38f.; 14,36; Joh 18,11), in denen er den V-Term bildet und so sinnbildlich das nahende Todesgeschick Jesu bezeichnet.232 In Mk 10,38f. und der Lukasparallele übernimmt die Taufe eine analoge Funktion. Ein weiteres wichtiges semantisches Feld kann generell als „Haltung von Kleinvieh“ bezeichnet werden. Die konzeptuelle Metapher GOTT IST EIN HIRTE ist bereits in den jüdischen Heiligen Schriften verbreitet (vgl. z.B. Ps 23; Jes 40,11; Jer 31,10 u.ö.) und wird nun variiert zu JESUS IST EIN HIRTE. In Zusammenhang mit dem Tod Jesu steht diese etwa in Mk 14,27 oder, besonders deutlich, in Joh 10,11–18. Hier wird durch das Ich-bin-Wort, das die Struktur einer Kopula-Metapher aufweist, die konzeptuelle Metapher in auffälliger Klarheit ausgedrückt und zudem argumentativ weiter entfaltet. Daneben begegnet sie auch in Hebr 13,20. Gott wird hier charakterisiert als derjenige, „der den großen Hirten der Schafe von den Toten herausgeführt hat durch das Blut eines ewigen Bundes, unseren Herrn Jesus“ (੒ ਕȞĮȖĮȖઅȞ ਥț Ȟİțȡ૵Ȟ IJઁȞ ʌȠȚȝ੼ȞĮ IJ૵Ȟ ʌȡȠȕ੺IJȦȞ IJઁȞ ȝ੼ȖĮȞ ਥȞ Į੆ȝĮIJȚ įȚĮș੾țȘȢ ĮੁȦȞ઀Ƞȣ, IJઁȞ ț઄ȡȚȠȞ ਲȝ૵Ȟ ੉ȘıȠ૨Ȟ, IJઁȞ ț઄ȡȚȠȞ ਲȝ૵Ȟ ੉ȘıȠ૨Ȟ). Im Fokus der Aussage stehen zunächst Gott und seine Macht über den Tod. Die Auferstehung Christi steht im Vordergrund, ist aber durch das „Blut eines ewigen Bundes“ untrennbar mit seinem Tod verbunden. Hierin ist dann die Hirtenmetapher verwoben, die weniger auf den Tod Jesu selbst Bezug nimmt als seine Führungsrolle unter den Menschen betont. Der Hirtenmetapher gegenüberstehend, jedoch auf dasselbe semantische Feld verweisend, ist die Bezeichnung Jesu als Lamm in Joh 1,29.36 und durch die Apokalypse hindurch (besonders Apk 5,6.9f.12; 7,14; 12,11; 13,8). Im Johannesevangelium entsteht durch die Gegenüberstellung von Hirte und Lamm eine Spannung, die latent auch in der Apokalypse vorhanden ist, wenn das Lamm menschliche Rollen erfüllt, die dort jedoch ohne direkten Bezug zum Tod Jesu

231 232

S.o., Abschnitt 5.2.9. S.u., Abschnitt 2.6.3. des vierten Kapitels.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

stehen.233 Die Struktur der jeweiligen Aussagen in den beiden neutestamentlichen Schriften ist sehr unterschiedlich. Johannes der Täufer spricht beim Anblick Jesu vom „Lamm Gottes“. Die Metapher ist ohne den Kontext nicht richtig zu verstehen, da kein Topic genannt wird, innerhalb des Kontexts entsteht aber durch die konkrete Titulierung etwas, das einer Kopula-Metapher sehr nahekommt und dementsprechend einfach als Metapher identifizierbar ist. Das wird noch dadurch verstärkt, dass Johannes nach der Bezeichung Jesu als Lamm in Joh 1,29 weiter auf Jesu Rolle und Bedeutung eingeht, damit aber nicht mehr die vorausgegangene Metaphorik fortführt. In der Apokalypse hingegen findet eine explizite Gleichsetzung des Lamms mit Jesus nirgends statt, sondern dieses wird als Symbol verwendet, das von den Rezipierenden einen gewissen Grad an Hintergrundwissen fordert. Unklar ist bei den Lamm-Metaphern insgesamt der Bedeutungshintergrund. Liegt hier eine Anspielung auf Jes 53 zu Grunde, auf das Lamm als Opfertier allgemein oder das Passalamm (für das Johannesevangelium erscheint gerade dies vor dem Hintergrund der Stilisierung der Passion plausibel)?234 Welcher Ground, welches Charakterisitkum, das vom Lamm auf Jesus übertragen wird, lässt sich dementsprechend ausmachen ௅ Fügsamkeit, Wehrlosigkeit, Reinheit,…? Die Frage lässt sich aus der vorliegenden Metaphorik allein nicht ableiten, und vermutlich ist es sinnvoller, hier von einem Zusammenspiel unterschiedlicher Bedeutungshintergründe auszugehen. Zudem kann von einem bestimmten Bedeutungshintergrund in einer spezifischen neutestamentlichen Passage oder Ganzschrift aus nicht auf die Sinnrichtung anderer Lämmer im Neuen Testament geschlossen werden.235 An einer Stelle wird jedoch ganz deutlich, dass das Passamotiv als für den Tod Jesu sinnstiftend angesehen wird: „denn unser Passa(lamm) ist geopfert worden, Christus“ (țĮ੿ Ȗ੹ȡ IJઁ ʌ੺ıȤĮ ਲȝ૵Ȟ ਥIJ઄șȘ ȋȡȚıIJંȢ, 1Kor 5,7). Es ist klar ersichtlich, dass hier ȋȡȚıIJંȢ den T-Term und IJઁ ʌ੺ıȤĮ den V-Term einer metaphorischen Grundaussage bilden, wobei zwar keine Kopula-Form verwendet wird, sie aber dennoch analog zu einer Kopula-Metapher verstanden werden muss ௅ die Gleichsetzung wird sehr deutlich. Die Verbform ist jedoch ebenfalls auf der Ebene des Vehicles anzusetzen. Ganz offensichtlich soll hier auf Ex 12,21 angespielt werden. Obwohl eine Form von șȪȦ („opfern“) verwendet wird, wie sie auch in der Septuaginta-Fassung von Ex 12,21 vorkommt (dort: ș઄ıĮIJİ IJઁ ʌ੺ıȤĮ, vgl. auch Dtn 16,2.5; im Hebräischen steht dagegen ʨ ʔʧ ʕˇ in Ex 12,21 und ʧ ʔʡʕʦ in Dtn 16, beide mit der Grundbedeutung „schlachten“), zeigt die Art, wie die Passalämmer in Ex 12 getötet werden, deutliche 233

S.u., Abschnitt 2.5.3. des vierten Kapitels. Vgl. insgesamt die gute Übersicht bei NIELSEN, JESPER TANG, Art. Lamm/Lamm Gottes, in: WiBiLex (https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/51943), aufgerufen am 14.12.2019. 235 Vgl. auch SCHLUND, Pesach-Tradition, 397. Sie nimmt Bergers Warnung auf, nicht „alle neutestamentlichen Lämmer über einen Kamm zu scheren“. (Zitiert ebd.) 234

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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Unterschiede zu den in den jüdischen Heiligen Schriften beschriebenen kultischen Opfern: Es gibt nichts, was in direkter Form Gott dargebracht wird. Die Blutapplikation hat apotropäische Funktion und dient der Markierung bzw. Aussonderung (vgl. Ex 12,13), aber es wird nicht erkenntlich, dass das Blut als Sitz des Lebens Gott zukommt. Das Fleisch des Passalamms, das makellos sein muss (Ex 12,5) ௅ hier eine Parallele zu Opfertieren ௅ wird komplett von den Israelitinnen und Israeliten selbst verzehrt. Entscheidend ist zudem, dass nach Ex 12 die Tötung nicht an eine kultische Stätte gebunden ist und nicht ausschließlich von einer religiös ausgesonderten Gruppe durchgeführt wird, sondern jeder Hausvorstand individuell dafür Verantwortung trägt (vgl. Ex 12,3). Die Einsetzung des Passafests findet in der Chronologie der Tora statt, bevor es einen institutionellen Opferkult überhaupt gibt. Allerdings sind die Berichte über das Passa in den jüdischen Heiligen Schriften nicht einheitlich und zeigen deutlich eine Entwicklung in Richtung der Instutionalisierung: Dtn 16,2.5f. gibt im Zuge der Kultzentralisation spezifische Ortsvorschriften und beschränkt die Feier auf das Zentralheiligtum. Damit ergeben sich weiterführende Akzentverschiebungen: Die Perspektive hin auf eine Neuausrichtung des Kultes zeigt sich auch darin, dass man als Passa Schafe und Rinder schlachten soll (Dtn 16,2), Tiere, die für das Brandopfer vorgesehen sind (Lev 1,2f.10). Zudem haben die Verben ‚schlachten‘ (zbch, Dtn 16,2.4.6) und ‚kochen‘ (bšl, Dtn 16,7) einen ausgesprochenen Opfercharakter im Alten Testament. Das Passa wird also in den Opferkult des Heiligtums eingeordnet.236

Es zeigen sich somit ganz deutliche Unterschiede zwischen Dtn 16,1–8 einerseits und Ex 12 andererseits, wobei der erstgenannte Text das Passa unter die Opfer fasst, der zweite jedoch nicht. Der Eindruck entsteht, dass in Ex 12 eher der ursprüngliche, auf die Familie beschränkte Ritus enthalten ist, wohingegen in Dtn 16 eine spätere Ausrichtung auf den Tempel erfolgt. Ist jedoch Ex 12 der Priesterschrift zuzuordnen, wäre sie jüngeren Datums. Der Abschnitt kann dann möglicherweise als eine Korrektur bewertet werden, die die Praxis wieder auf ihren Ursprung zurückführen will.237 Die starke kultische Ausrichtung des Passafests in Verbindung mit entsprechenden Institutionalisierungstendenzen zeigen sich in besonderer Deutlichkeit auch in 2Chr (30;35). Hier kommt nun auch religiösen Amtsträgern explizit eine besondere Bedeutung zu. „Sie schlachten das Passa, und die Priester nehmen das Blut und sprengen es (2Chr 35,11; vgl. 2Chr 30,15f). Das Blut des Passatieres, das ursprünglich keinen Opfercharakter besaß (Ex 12,23), wird also wie das Blut aller Opfertiere am Altar ausgegossen.“238 Auch im Frühjudentum besteht die Auffassung, dass es

236 WEYDE, KARL WILLIAM, Art. Passa (AT), in: WiBiLex (https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/30031), abgerufen am 14.12.2019. Abschn. 3.1. 237 Vgl. a.a.O. Abschn. 4.1. 238 A.a.O. Abschn. 5.1.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

sich beim Passalamm um ein Opfer, wenn auch um ein besonderes, handelt.239 Die einzige explizite Bezugnahme auf das Passa als Deutungshintergrund des Todes Jesu, 1Kor 5,7, greift jedoch offenbar Ex 12 auf, wo gerade kein Opfer vorliegt, und dementsprechend wäre es unsachgemäß, die Passametapher unreflektiert unter der allgemeinen Opfermetaphorik zu subsumieren. Auch der Aussageschwerpunkt scheint in 1Kor 5,7 ein anderer zu sein als bei den neutestamentlichen Opfermetaphern. Durch die Darstellung des Passa in den jüdischen Heiligen Schriften zieht sich ein Leitmotiv: „Die Passafeier verbindet ein Stadium mit einem anderen oder sie führt neue Lebensbedingungen ein.“240 Dies lässt sich auch und in besonderer Weise für 1Kor 5,7 sagen. Durch Christus haben die Adressierten ihren alten Lebenswandel hinter sich gelassen und werden nun zu einem Dasein in besonderer Reinheit, d.h. moralischer Integrität aufgefordert.241 Gleichzeitig sind in diesem Zusammenhang auch die traditionelle „Gemeinschaft konstituierende Funktion“242 und die apotropäische Wirkung des Passa relevant. „Pesach begründet eine Gruppe von Menschen als zu Gott gehörige und dadurch vor dem Bösen bewahrte Gemeinschaft.“243 Hierin hat Unzucht keinen Platz, sondern bedroht im Gegenteil diesen spezifischen „Heils-Raum“.244 Schlund führt an, dass die Pessa-Metapher von Paulus unvermittelt eingeführt und nicht weiter erklärt wird, was darauf hindeuten könnte, dass sie in ähnlicher Form bereits den Adressierten bekannt war.245 Allerdings ist sie selbst, wenn sie unbekannt ist, aufgrund der hohen Bedeutung des Passafestes für Rezipierende, die mit diesem vertraut sind, wirkmächtig und verständlich. In den Protopaulinen gibt es noch weitere Metaphern, die den oben angeführten Kategorien nicht entsprechen. Verbunden mit dem Loskaufmotiv (ਥȟȘȖંȡĮıİȞ) steht in Gal 3,13, dass Jesus Christus zum Fluch wurde, wobei eine ਫ਼ʌȑȡ-Wendung hierin eingebunden ist (ȖİȞંȝİȞȠȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ țĮIJ੺ȡĮ). Es handelt sich dabei um eine sehr klare Substantivmetapher, bei der ȖȓȖȞȠȝĮȚ wie eine Kopulaform zu behandeln ist. Das Partizip bezieht sich auf das Subjekt des Satzes, Christus, das dementsprechend den T-Term bildet, während der abstrakte Fluch als V-Term aufzufassen ist. Dabei ist eine Art Paradoxie erkennbar: Christus kauft aus dem Fluch frei, indem er selbst zum Fluch wird. Dieser Sachverhalt wird durch ein sich anschließendes Schriftzitat weiter erklärt. Hauptfokus der Aussage ist die Tatsache, dass Jesu Tod die Macht des Gesetzes gebrochen hat, wodurch auch die Möglichkeit der Heidenmission eröffnet wird 239

Vgl. SCHLUND, Pesach-Tradition, 401. WEYDE, Passa, Abschn. 6. 241 Vgl. auch NIELSEN, Lamm, Abschn. 5.2.1. 242 SCHLUND, Pesach-Tradition, 404. 243 A.a.O. 405. 244 Ebd. 245 Vgl. a.a.O. 404. 240

6. Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu

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(Gal 3,14). Eine mögliche Parallele hierzu steht in 2Kor 5,21: Gott „hat denjenigen, der selbst keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht“ (IJઁȞ ȝ੽ ȖȞંȞIJĮ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ ਥʌȠ઀ȘıİȞ). Die Gemeinsamkeiten liegen auf der Hand: Jesus wird als etwas Negatives und zugleich Abstraktes verbildlicht, und diese Gleichsetzung durch das ਫ਼ʌȑȡ als den Gläubigen zugute kommend interpretiert. Auch die Metaphernstruktur ist wiederum verhältnismäßig einfach, da die Gleichsetzung durch einen doppelten Akkusativ erfolgt. Zu beachten ist jedoch, dass im unmittelbaren Kontext keine weiteren direkten oder indirekten Bezüge zum Tod Jesu stehen, so dass hier nicht mit absoluter Sicherheit eine Metapher vorliegt, die sich auf diesen bezieht. Allerdings wird in 5,14f. vom Tod Jesu gesprochen bzw. dieser im Sinne des Mitvollzugsmotivs in Gebrauch genommen. Ebenfalls strukturell auffällig ist die Aussage in 2Kor 4,10: „Wir tragen allezeit den Tod Jesu am Leib umher“ (ʌ੺ȞIJȠIJİ IJ੽Ȟ Ȟ੼țȡȦıȚȞ IJȠ૨ ੉ȘıȠ૨ ਥȞ IJ૶ ıઆȝĮIJȚ ʌİȡȚij੼ȡȠȞIJİȢ). In dieser ungewöhnlichen Metapher ist es schon schwierig, T- und V-Term zu ermitteln, da sowohl die Körper der Christinnen und Christen reale Gegebenheiten darstellen als auch der Tod Jesu als wirkliches Geschehen vorausgesetzt werden kann. Das, was hier am ehesten herausfällt, ist das Motiv des „Umhertragens“, was bei einem abstrakten Objekt wie dem Tod kaum vorstellbar ist. Die Metapher ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Eigenschaft der Bildhaftigkeit erfüllt sein kann, obwohl hier Elemente miteinander verbunden werden, die abstrakt sind und kaum verbildlicht werden können. Gleichzeitig wird hier erkennbar, dass es Metaphern gibt, die zwar intuitiv als solche erkannt werden, deren Struktur jedoch schwierig ist. Da es sich hier im Grunde um eine Spielart des Mitvollzugsmotivs handelt, kann es sinnvoll sein, auch den Hinweis auf den Tod Jesu der Vehicle-Ebene zuzuordnen. Im Hebräerbrief liegt ebenfalls eine Vielzahl an Metaphern vor, die nicht den aufgeführten Kategorien zuzuordnen sind, zum Teil aber eine Verbindung zu diesen aufweisen. Die Vorhang-Metaphorik von Hebr 6,19f. und 10,19f. steht ganz offensichtlich im Kontext der Jom-Kippur-Typologie und ist somit indirekt mit dem semantischen Feld kultischer Praktiken verknüpft. Beide Abschnitte stehen im Zusammenhang komplexer Metaphernkombinationen.246 Eine weitere starke Metapher findet sich in 2,9, wo vom „Schmecken des Todes“ die Rede ist, in Verbindung mit einer „für“-Aussage (ਫ਼ʌ੻ȡ ʌĮȞIJઁȢ Ȗİ઄ıȘIJĮȚ șĮȞ੺IJȠȣ). Hier liegt wiederum eine Verbmetapher vor. Die Notwendigkeit, am Todesgeschick der Menschen zu partizipieren, wird dabei durch den Verweis auf eine leibliche Erfahrung verdeutlicht. Gleichzeitig wurde im selben Vers zuvor ausgeführt, dass durch die Leiden des Todes Jesus mit Preis und Herrlichkeit gekrönt wurde (įȚ੹ IJઁ ʌ੺șȘȝĮ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ įંȟૉ țĮ੿ IJȚȝૌ ਥıIJİijĮȞȦȝ੼ȞȠȞ), wodurch von Anfang an auch die Perspektive auf etwas Positives

246

S.u., Abschnitt 2.5.1. und 2.5.4.

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Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

gerichtet ist. Dabei ist der Aspekt der Krönung wiederum metaphorisch aufgeladen. An einigen Stellen des Hebräerbriefs werden schließlich Aussagen, die per se nicht deutlich metaphorisch geprägt sind, mit bestimmten metaphorischen Bezeichnungen Jesu verbunden. So wird die Passage 2,10–13 dadurch metaphorisiert, dass die Menschen als Geschwister Jesu dargestellt werden. Das beste Beispiel hingegen bietet die Bezeichnung Jesu als Hohepriester. Exemplarisch sei Hebr 4,15 als eine eigentlich nicht-metaphorische Stelle genannt, die mit der Hohepriester-Metaphorik verknüpft wird. Für die Apokalypse ist noch die Schlüssel-Metaphorik von 1,18 ergänzend zu nennen. Jesus, der sich in der wörtlichen Rede selbst als Toter und Auferstandener charakterisiert, besitzt die Schlüssel zu Tod und Unterwelt (਩ȤȦ IJ੹Ȣ țȜİ૙Ȣ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ țĮ੿ IJȠ૨ ઌįȠȣ). Dabei wird die Funktion des Sterbens Jesu, dass die Macht des Todes gebrochen wird bzw. dass Christus über den Tod herrscht, verbildlicht. Das Schlüsselmotiv sowie das Bild des Aufschließens finden sich auch in Apk 3,7f., wo jedoch vom „Schlüssel Davids“ (IJ੽Ȟ țȜİ૙Ȟ ǻĮȣ઀į) gesprochen wird. Die Passage scheint genereller ausgerichtet zu sein und weist keinen direkten Bezug zum Tod Jesu auf. Eine letzte auffällige Metapher, die jedoch eher im Zusammenhang mit der Auferstehung als mit dem Tod steht, ist die des „Erstgeborenen aus den Toten“ (ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ ਥț IJ૵Ȟ Ȟİțȡ૵Ȟ), wie sie sich in Kol 1,18 und Apk 1,5247 findet (vgl. weiterhin ohne Bezug zum Tod Röm 8,29; Kol 1,15 und Hebr 1,6). Obwohl die Auferstehung bei dieser Genitivmetapher im Vordergrund steht, können Tod und Auferstehung hier nicht klar voneinander getrennt werden, da auch diese Metapher eine Funktion des Todes Jesu angibt: Nur durch Jesu Sterben war seine Auferstehung möglich, und Jesu Auferstehung als die erste dieser Art ermöglicht damit auch die Auferstehungshoffnung der Gemeinde. Zudem wird der Aspekt der Gottessohnschaft Jesu hervorgehoben. Gleichzeitig wird die Auferstehung als neue Geburt und zweites Leben charakterisiert, also auf eine Weise dargestellt, die menschlicher Lebenserfahrung entspricht. In der Apokalypse kann mit 14,4 eine gewisse inhaltliche Korrespondenz gefunden werden, da im Zuge der Loskaufmetaphorik die Hundertvierundvierzigtausend als „Erstlingsgabe“ (ਕʌĮȡȤȒ) für Gott und das Lamm bezeichnet werden. Die Parallelen zeigen sich dadurch, dass in beiden Begriffen eine deutliche Priorität anklingt und natürlich dadurch, dass die Erstgeburt traditionell als Erstlingsgabe für Gott angesehen wird. Ob in 14,4 wirklich auf Jesu Tod verwiesen werden soll, ist jedoch unklar. Wenn man einen Bezug hierzu sieht, liegt er allein in der verwendeten Loskaufmetapher vor. Die Erstgeborenen-Metapher steht zudem in enger Verwandtschaft mit der Bezeichnung Jesu als „Anführer“ (ਕȡȤȘȖȩȢ; z.B. Apg 3,15; 5,31; Hebr 2,10), als „Vorläufer“ (ʌȡંįȡȠȝȠȢ; Hebr 6,20) oder Ähnliches. Die Metaphorizität

247

Hier ist die Präposition ਥț allerdings höchstwahrscheinlich sekundär.

7. Zusammenfassung

465

dieser Zuschreibungen ist heutigen Rezipierenden vielleicht nicht immer bewusst. Dies kann in gewissem Maße auch für der Bezeichnung Jesu als „Retter“ (ıȦIJȒȡ) gelten (vgl. vor allem Eph 5,23, in Nachbarschaft zur Hingabedeutung in V. 25; 2Tim 1,10; Tit 2,13f.). Es zeigt sich hieran, wie schwierig es ist, von der Funktion und Bedeutung des Todes Jesu zu sprechen, ohne metaphorische Sprache zu verwenden.

7. Zusammenfassung 7. Zusammenfassung

Das vorausgegangene Kapitel kann nicht erschöpfend darstellen, wie das Neue Testament vom Tod Jesu redet, aber doch die Komplexität und Vielfalt dieser Rede aufzeigen. Die einzelnen Unterkapitel bieten Kategorien zur Analyse des neutestamentlichen Sprechens, die berücksichtigt werden sollten, wenn eine angemessene Betrachtung der Materie erfolgen soll. Dabei sind diese Kategorien jedoch nicht scharf voneinander trennbar und es zeigen sich teils deutliche Korrelationen, die aus logischer Sicht nachvollziehbar sind. So ist in der Gattung Evangelium häufig Jesus Sprecher und bezieht sich in Weissagungen auf seinen Tod, durch die bereits eine Notwendigkeit impliziert sind. Diese Weissagungen drücken den Tod dabei meist indirekt aus, wobei auch metaphorische Sprache eine Rolle spielen kann. Bei der Analyse von Einzelmetaphern ist der Kontext und damit auch die Aussageintention relevant. Dafür ist es lohnenswert, die Textgattung, in die ein Bezug zum Tod Jesu eingebunden ist, näher zu betrachten. In allen Großgattungen und vielen Untergattungen des Neuen Testaments spielt der Tod Jesu eine Rolle, wenn auch die konkrete Ausprägung sehr unterschiedlich sein kann. Ein Charakteristikum der neutestamentlichen Briefe und der in ihnen enthaltenen paränetischen Passagen ist etwa die Rede vom Mitvollzug des Todes Jesu, der häufig in Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle mündet. Auch „für-“Aussagen entwickeln in paränetischen Texten eine implizite Handlungsaufforderung. Zu den Kontextinformationen gehört auch, wer überhaupt vom Tod Jesu spricht. Obwohl dies auf den ersten Blick trivial erscheinen mag, sind damit doch Fragen der Autorität und Zuverlässigkeit einer bestimmten Darstellung oder Deutung des Todes Jesu verbunden. Das Sprechen vom Tod Jesu erfolgte nicht ohne Kenntnis anderer – mündlicher oder schriftlicher – Texte. Dabei kann oft, aber keineswegs immer von einer bewussten Inanspruchnahme dieser Texte ausgegangen werden. In der obigen Darstellung konnten nur einige wichtige Texte diskutiert werden, wobei sich bei den schriftlichen Quellen auf die Texte der jüdischen Heiligen Schriften beschränkt wurde. Für die zentralen Einzeltexte, insbesondere Lev 16 und Jes 53, zeigt sich eine sehr unterschiedliche Verbreitung der Aufnahme entsprechender Motive im Neuen Testament. Die Unterscheidung von direkten Zitaten und indirekten Anspielungen erweist sich als nützlich und zeigt, dass

466

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

an einigen Stellen nur durch einzelne Begriffe und Motive eine Bezugnahme angenommen wird, weshalb es schwierig ist, die Gesamtdeutung zu sehr auf dem Ausgangstext aufzubauen. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die neutestamentlichen Autoren zwar Deutungsangebote aus den jüdischen Heiligen Schriften nutzen, dabei jedoch auch eigene Schwerpunkte setzen und Akzentverschiebungen vornehmen. Insbesondere im Hinblick auf Jes 53 zeigt sich, wie unterschiedlich die Aspekte sind, die in den verschiedenen neutestamentlichen Schriften aufgegriffen werden. Für die Benutzung frühchristlicher mündlicher Traditionen, etwa in Form von Formeln, Bekenntnissen und Liedern, hat sich ergeben, dass die Kriterien zur Identifizierung in vielen Fällen vage und schwer anwendbar sind. Man kann dennoch davon ausgehen, dass Teile des neutestamentlichen Sprechens vom Tod Jesu durch entsprechende Traditionen, insbesondere durch die „für“-Wendungen geprägt sind. Auch die jeweiligen konzeptuellen Metaphern zum Tod Jesu entstammen offenbar allgemeinem frühchristlichen Deutungsinventar. Die jeweiligen Einzelmetaphern und auch dabei entstehende Metaphernkombinationen sind demgegenüber jedoch zum überwiegenden Teil den jeweiligen neutestamentlichen Verfassern zuzuordnen. Ein wichtiger Schwerpunkt des vorausgegangenen Kapitels, der sonst in der Forschung wenig Beachtung findet, ist die Differenzierung in direktes und indirektes Sprechen vom Tod Jesu. Dabei ist überraschend, wie häufig der Tod Jesu auf indirekte Weise umschrieben wird und welch unterschiedliche Darstellungsweisen es dabei gibt. Während die direkte Redeweise verhältnismäßig nüchtern und neutral auf das Geschehen blickt, wird der Blickwinkel in den indirekten Bezügen bereits in die ein oder andere Richtung gelenkt. So kann die Rede vom Kreuz die Grausamkeit der Hinrichtungsart besonders in den Vordergrund rücken, und auch die Rede vom Blut kann den Gewaltaspekt betonen, zugleich jedoch mitunter kultische Untertöne enthalten. Wird jedoch vom Leiden oder von der Lebenshingabe gesprochen, kann dies eher verharmlosend wirken. Die Sprechweisen sind unterschiedlich gut für die Verbindung mit spezifischen Deutungen geeignet. So findet sich die Rede vom Blut vergleichsweise häufig im Zusammenhang mit Opfer- oder Reinigungsmetaphorik und die Rede vom Leiden Jesu kann als Vorbild für die Leiden der Gemeinde dienen. Das Sprechen vom Tod Jesu im Neuen Testament ist aber auch nicht auf solche Zuordnungen beschränkt. Wichtig ist die Bewusstmachung indirekter Rede auch für die Beurteilung von Metaphern und Metaphernkombinationen, denn indirektes Sprechen bedeutet zumeist auch metonymisches Sprechen, wodurch es schnell zur Verbindung von Metapher und Metonymie kommen kann. Eine weitere, meines Erachtens sinnvolle, Differenzierung liegt in der Unterscheidung verschiedener Deutungsansätze und in der Trennung dieser Deutungen von metaphorischer Sprache. Gerade an dieser Stelle erweist sich eine

7. Zusammenfassung

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weitgehende Orientierung an der Terminologie der Texte selbst als gewinnbringend. Damit einher geht die weitestgehende Vermeidung heutiger Termini wie „Stellvertretung“ und „Sühne“, die zu Unschärfen und mancherorts zur Eintragung von Deutungen führen können, die im Text selbst nicht eindeutig vorliegen. Wichtig ist zum einen die Erkenntnis, dass nicht jede Erwähnung des Todes Jeus zusammen mit einer Deutung stehen muss, und zum anderen, dass sich innerhalb der Deutungen weitere Unterkategorien bilden lassen. Aus meiner Sicht hilfreich ist die Unterteilung in Zwangsläufigkeits- und Funktionsdeutungen, wobei eine klare Unterscheidung nicht immer möglich ist. Das sogenannte Kontrastschema etwa, das vor allem die Apostelgeschichte dominiert, enthält Aspekte beider Deutungsrichtungen bzw. kann im Sinne des einen oder anderen Zugangs gelesen werden. Auch die Analogie des Todes Jesu zum Prophetenschicksal, die oben den Zwangsläufigkeitsdeutungen zugeordnet wurde, setzt einen spezifischen Blick auf Jesu Wirken voraus. Es hat sich gezeigt, dass in den Evangelien die Zwangsläufigkeit des Todes im Vordergrund steht und Funktionen verhältnismäßig selten anklingen. In der Briefliteratur ist der Befund umgekehrt. An einigen Stellen lassen sich zudem Kombinationen zwischen Zwangsläufigkeits- und Funktionsdeutung erkennen. Die Analyse zeigt die Vielfalt an Deutungsmustern, von denen einige durch das Neue Testament hindurch vorkommen und andere für spezifische Schriften bzw. Schriftengruppen charakteristisch sind. In diese Vielfalt an Sprechweisen ist das metaphorische Sprechen vom Tod Jesu eingebettet. Es bezieht sich entweder auf den Tod Jesu selbst, ist also eine Unterart der indirekten Bezugnahme, oder regt eine bildhafte Deutung der Wirksamkeit dieses Todes an. Die meisten neutestamentlichen Metaphern mit Bezug zum Tod Jesu sind selbst (indirekte) Funktionsdeutungen. Die Analyse hat gezeigt, dass es deutliche Überschneidungen zwischen einigen Funktionsdeutungen und Metaphern gibt. So wird die Heiligungsdeutung oft durch die Metapher der Reinigung ausgedrückt oder die Befreiungsdeutung mit der Loskaufmetaphorik verknüpft. Dennoch ist es sinnvoll, beide voneinander abzugrenzen, und vor allem muss darauf geachtet werden, Funktionsdeutungen nicht allgemein metaphorisch zu überlagern. In die Diskussion aufgenommen wurden Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle, die im sonstigen Forschungsdiskurs meist nicht als solche erkannt werden und insgesamt wenig Beachtung finden. Auch sie stehen häufig in Korrelation zu einer bestimmten Funktionsdeutung, nämlich der Partizipation an Jesu Tod. Die Abendmahlsworte sind ebenfalls dieser spezifischen Metaphernart zuzuordnen, und durch die entsprechende Kategorisierung können sich neue Blickwinkel eröffnen. Im Hinblick auf die Metaphern mit Jesu Tod als Topic können drei zentrale konzeptuelle Metaphern ausgemacht werden, deren jeweilige sprachliche Ausprägungen unterschiedlich ausfallen und sich näher analysieren lassen. Daneben gibt es jedoch noch eine Vielzahl weiterer Einzelmetaphern, die jeweils ein bestimmtes Licht auf den Sachverhalt werfen und andere Aspekte dafür in

468

Kapitel 3: Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament

den Hintergrund drängen. Auch die Metaphernkomplexe lassen sich nicht immer genau voneinander unterscheiden. Insbesondere zwischen der Opfer- und der Reinigungsmetaphorik lässt sich ein Verwandtschaftsverhältnis ausmachen. Die Analyse zeigt insgesamt, dass metaphorisches Sprechen ein Element der komplexen neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu darstellt und mit anderen Rede- und Deuteweisen verbunden ist. Nicht jede Rede vom Tod Jesu ist (wenn man von konzeptuellen Basis-Metaphern absieht) metaphorisch geprägt und dennoch liefern die Metaphern einen integralen Bestandteil dieses Diskurses, da einige Deutungsmuster durch sie bildhaft veranschaulicht und somit den Rezipierenden näher gebracht werden und andere Deutungshorizonte durch sie erst eröffnet werden. Metaphern bringen das zum Ausdruck, was den Rahmen des Logischen sprengt und sprachlich wie gedanklich kaum fassbar ist. Gerade im Hinblick auf den Tod Jesu wird dies besonders deutlich.

Kapitel 4

Neutestamentliche Metaphernkombinationen mit Bezug zum Tod Jesu Im Folgenden werden die verschiedenen im Neuen Testament vorkommenden Metaphernkombinationen, geordnet nach den unterschiedlichen Typen der Kombination, die bereits in Abschnitten 2.3. und 2.4. des zweiten Kapitels thematisiert wurden, näher erklärt. Dabei wird das Vorkommen des jeweiligen Phänomens in den neutestamentlichen Schriften zunächst generell beschrieben. Im Anschluss werden einzelne Passagen, in denen die Kombinationen besonders deutlich werden und die einen hohen theologischen Aussagegehalt haben, detaillierter untersucht. Da in dieser Hinsicht nicht alle Metaphernkombinationen gleich relevant sind und die analysierten Texte in ihrer Länge variieren, unterscheidet sich der Umfang der jeweiligen Detailuntersuchungen. Für die Analyse von Metaphernkombinationen ist insbesondere der Mikrokontext relevant. Die Verbindung von verschiedenen Arten bildhaften Sprechens wird umso deutlicher, je enger der Rahmen ist, in dem die einzelnen Bestandteile stehen. Kombinationen, die innerhalb desselben Satzes oder desselben Gedankengangs stehen, sind somit nicht nur besonders auffällig, sondern im Hinblick auf die Aussageintention wirkmächtig. Dennoch ist auch die Interaktion verschiedener Metaphern über einen größeren Kontext zu beachten, vor allem, wenn die beteiligten Metaphern stark sind und den Lesenden oder Hörenden somit auch über einen größeren Zeitraum hinweg „im Gedächtnis“ bleiben. Die (modifizierte) Wiederholung von Metaphern kann dazu beitragen, im Text Kohärenz zu erzeugen. Multivalenz, Diversifikation sowie die Übertragung von Topic zu Vehicle und umgekehrt verschaffen neue Perspektiven auf die geschilderten Sachverhalte. Metaphernvermischungen dagegen sind per definitionem auf einen kleineren Kontext begrenzt und auch Inkonsistenzen werden mit zunehmendem Auseinanderliegen der Bestandteile weniger relevant. Obwohl also der Makrokontext nicht für alle Metaphernkombinationen von Bedeutung ist, bildet er in der folgenden Analyse die Bezugsgröße, das heißt Metaphern werden im Hinblick auf das Vorliegen von Kombinationen innerhalb der jeweiligen neutestamentlichen Schrift untersucht. Die literarische Integrität einer Reihe von neutestamentlichen Schriften, insbesondere der echten Paulinen, wurde jedoch in der Forschung angezweifelt. Daher sei an dieser Stelle auf Teilungshypothesen eingegangen, die, wenn sie zuträfen, sich

470

Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

natürlich auch auf das Vorhandensein oder den Umfang von Metaphernkombinationen auswirken würden. Mit der Ausnahme des Galaterbriefs wurde die Einheitlichkeit aller in diesem Zusammenhang relevanten Paulusbriefe mehr oder weniger stark in Frage gestellt. Am stärksten angezweifelt wurde sie in 2Kor, der mehrere „Kohärenzmängel“ aufweist und in dem eine umfangreichere, nicht mehr erhaltene Korrespondenz angedeutet wird.1 Es wurde vor allem eine Spannung zwischen Kap. 9 und 10 aufgezeigt und auch 2Kor 2,14–7,4 wurde teilweise als Einschub wahrgenommen, wodurch eine Aufteilung in zwei oder drei ursprünglich selbstständige Briefe in der Forschung am stärksten vertreten ist.2 Wie genau die Einteilung der Briefe bzw. Brieffragmente vorzunehmen ist, welchen Umfang sie haben und in welcher chronologischen Abfolge sie stehen, ist jedoch strittig. Auch in Phil 3,1 wird ein Bruch erkannt, der zur Annahme einer Kompilation aus zwei oder drei Briefen verleitet.3 Daneben wurden verschiedene Teilungshypothesen auch für 1Kor, Röm und 1Thess diskutiert, die in der gegenwärtigen Debatte allerdings zumindest für die beiden letztgenannten Briefe an Einfluss verlieren.4 Trotz des Zugewinns der literarkritischen Methode ist meines Erachtens vorsichtig damit umzugehen und stets zu prüfen, aufgrund welcher Prämisse sie jeweils angewandt wird. Dies ist insbesondere bei so gravierenden Eingriffen wie der Zerteilung neutestamentlicher Schriften unabdingbar. In der Praxis scheint aber der Wunsch nach einem widerspruchsfreien Text zu dominieren, der der Realität neutestamentlicher Texte nicht entspricht. Hier ist Schnelle zuzustimmen: Bei der Annahme von Teilungshypothesen werden oft überspitzte logische Anforderungen an den Text gestellt, ein textfremder Rationalismus präjudiziert die Erkenntnis, denn was ein literarkritisch verwertbarer Widerspruch ist, hängt wesentlich von der subjektiven Einschätzung des Exegeten ab. Trotz des überlegten Aufbaus und des hohen Reflexionsniveaus handelt es sich aber bei den Paulusbriefen um Gelegenheitsschreiben, nicht um stimmige (und sterile) Abhandlungen im neuzeitlichen Sinn. Deshalb ist eine sprunghafte Gedankenführung bei einer Persönlichkeit wie Paulus kein Argument für literarkritische Urteile.5

1

Vgl. BROER, Einleitung, 396. Vgl. SCHMELLER, THOMAS, Der zweite Korintherbrief, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 22013, 331–352. Hier: 337–341. 3 Vgl. BROER, Einleitung, 362–367; THEOBALD, MICHAEL, Der Philipperbrief, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 22013, 371–389. Hier: 373–381. Theobald präferiert eine Zweiteilung, während Broer angibt, die Dreiteilung sei bei den Kritikerinnen und Kritikern der Einheitlichkeit am häufigsten vertreten. Er selbst scheint vorsichtig in Richtung Einheitlichkeit zu tendieren, macht die Probleme aber bewusst. 4 Im Hinblick auf den Römerbrief gibt es jedoch textkritische Hinweise darauf, dass die letzten Verse des Briefs sekundär sind. 5 SCHNELLE, Einleitung, 93. 2

Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

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Die Erwartungen, die Exegetinnen und Exegeten von heute an die Kohärenz eines Textes stellen, müssen keineswegs mit denen der Antike übereinstimmen. Auch die Abfassungsbedingungen sind andere: Änderungen konnten weniger leicht vorgenommen werden, das Diktat stellte einen anderen Abfassungsmodus dar,6 der auch das Eingreifen der die mündlichen Formulierungen aufschreibenden Person in den Text nicht ausschloss. Plutarch bemerkt, dass der Aufbruch des Boten ihn davon abgehalten hat, einem seiner Texte den gewünschten Feinschliff zu geben.7 Neben der Berücksichtigung der Abfassungssituation ist vor allem die Tatsache, dass, von Röm 16,17–27 abgesehen, in den textlichen Überlieferungen kein Anhaltspunkt für eine Teilung der Texte gefunden werden kann, ein starkes Argument gegen entsprechende Hypothesen. Zudem lassen sich in der Umwelt offenbar keine Parallelen finden. Mehrere Studien zu Ciceros Briefen haben gezeigt, dass es dort zwar Kompilationen im Sinne von Briefadditionen gibt, aber keine Interpolationen („Verschmelzungen“) von Brieffragmenten, wie sie von den meisten Teilungshypothesen angenommen werden.8 Allerdings ist der Einwand berechtigt, dass die Briefe Ciceros nicht ohne Einschränkungen mit denen des Paulus verglichen werden können und dass die christliche Redaktion als erste ein solches Vorgehen entwickelt haben könnte.9 Umgekehrt lassen sich jedoch auch in den Briefen Ciceros, die als einheitlich anerkannt werden, Eigenarten und Spannungen erkennen, die hier aber mit den Umständen der Abfassung erklärt werden, etwa mit einer Abfassung über mehrere Tage hinweg, in denen Nachrichten eingetroffen sind, die im hinteren Teil des Briefs verarbeitet werden.10 Wiederum muss als Differenz angemerkt werden, dass Cicero Postskripte auch als solche kenntlich machte.11 Schließlich bleibt die Frage, was eine Redaktor (oder eine Redaktorin) mit einer Briefkompilation ௅ im Sinne einer Verschmelzung unterschiedlicher Brieffragmente ௅ bezwecken wollte. Diese Frage wird von Vertreterinnen und 6

Vgl. auch die bei Broer zitierte Bemerkung des Hieronymus. BROER, Einleitung, 403. Vgl. a.a.O. 402f. 8 Vgl. SCHREIBER, STEFAN, Briefliteratur im Neuen Testament, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 22013, 254–268. Hier: 262–264; SCHMELLER, THOMAS, Der erste Korintherbrief, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 22013, 308–330. Hier: 315. Vor dem Hintergrund der Briefe Ciceros könnte man ggf. in 2Kor von einer „addierende[n] Verschmelzung chronologisch geordneter Paulusbriefe“ ausgehen. „Allerdings wäre auch eine solche Verschmelzung unter anderen Bedingungen und mit anderen Zielen entstanden, als wir das bei den Cicerobriefen beobachten können.“ (SCHMELLER, Der zweite Korintherbrief, 340.) 9 Vgl. BROER, Einleitung, 403. 10 Vgl. SCHREIBER, Briefliteratur, 262–264; SCHMELLER, Der zweite Korintherbrief, 340. 11 Vgl. SCHMELLER, Der zweite Korintherbrief, 340. 7

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Vertretern der Teilungshypothesen meines Erachtens unzureichend beantwortet. Hat der Redaktor durch die Kompilation bewusst hingenommen, dass in seinem Text Spannungen vorliegen?12 Das erscheint fragwürdig, zumal es der Redaktion vermutlich ein Anliegen war, die Briefkompilation auf die Autorität des Paulus zurückzuführen und Kohärenzmängel dies untergraben würden.13 Folglich scheint für den angenommen Redaktor der Zusammenhang des Briefs kein oder zumindest kein schwerwiegendes Defizit aufgewiesen zu haben. Daraus ergeben sich dann jedoch weitere Fragen. Zunächst: „Kennen wir die Antike so gut, dass wir sagen können, das, was der Redaktor offensichtlich für angemessen und gut möglich hielt, ist in einem Brief z.B. stilistisch unmöglich und deshalb ein untrüglicher Hinweis auf das Vorliegen redaktioneller Überarbeitung?“14 Dann allerdings ௅ noch wichtiger: „Wenn dem Redaktor, der einen einheitlichen Brief der Nachwelt übergeben will, der Zusammenhang bzw. Nicht-Zusammenhang keine Probleme bereitete, warum kann dann nicht Paulus selbst für dieses, dem heutigen Leser offensichtlich Probleme bereitende Ensemble verantwortlich sein?“15 Broer beantwortet diese Frage mit einer Deutlichkeit, der zuzustimmen ist: „Kohärenzmängel, die man dem Redaktor erlaubt, kann man Paulus nicht verweigern!“16 Sicherlich ist es möglich, dass ein Redaktor gar keinen einheitlichen Brief hinterlassen wollte. Allerdings erscheint dies vor dem Hintergrund der Überlieferungsgestalt des Textes eher unwahrscheinlich ௅ keiner der Paulusbriefe enthält einen Hinweis darauf, dass man ihn anders verstehen soll als einen literarisch integren und von Paulus verfassten Brief. Das Argument, der Redaktor habe aufgrund einer zeitlichen Differenz zur ursprünglichen Abfassung (von etwa 40 bis 50 Jahren) in eine veränderte Situation hineingeschrieben und somit andere Kohäsionsprinzipien angewendet, hält Broer zu Recht für nicht überzeugend.17 Insgesamt scheinen Teilungshypothesen Spannungen bewusst zu machen, die vor allem heutigen Rezipierenden auffallen.18 Das bedeutet jedoch nicht gleichzeitig, dass die entsprechenden Passagen bereits für die ersten Lesenden oder Hörenden problematisch waren. In der Alten Kirche wurde die Kohärenz neutestamentlicher Schriften nicht bemängelt.19 Es ist aufgrund all dieser Argumente zu begrüßen, dass in der neueren Forschung die Annahme der Einheitlichkeit wieder stärker vertreten wird und die Prämisse dahingeht, von dieser soweit wie möglich auszugehen, eine Teilung

12

Vgl. BROER, Einleitung, 366. Vgl. a.a.O. 401. 14 A.a.O. 366. 15 A.a.O. 401f. 16 A.a.O. 402. 17 Vgl. a.a.O. 401. 18 Vgl. a.a.O. 366. 19 Vgl. a.a.O. 402. 13

Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

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demgegenüber nur dann in Betracht zu ziehen, wenn dies unumgänglich scheint.20 Metaphernkombinationen, insbesondere die Verbindung widersprüchlich erscheinender Metaphern, bieten kein Argument für Teilungshypothesen. Allerdings haben die am weitesten verbreiteten Theorien gegen die literarische Integrität einzelner Passagen wenig Auswirkungen auf die untersuchten Metaphernkombinationen. So befindet sich im literarkritisch umstrittenen hinteren Teil von Kap. 16 des Römerbriefs keine Erwähnung des Todes Jesu. Die relevanten Metaphern des 2Kor stehen vor allem in Kap. 4f., und diese Kapitel wären, zumindest entsprechend den geläufigsten Theorien, demselben Brieffragment zuzuordnen. Der Philipperbrief weist nur eine relativ einfache Metapher in 3,10 auf und ist demensprechend für die Diskussion von Metaphernkombination kaum interessant. Auch in 1Thess gibt es nur an einer Stelle (5,9– 10) eine leicht metaphorische Konnotation. Im Hinblick auf den Kolosser- und Epheserbrief sowie die Pastoralbriefe besteht bezüglich der literarischen Integrität weitgehend Konsens. Da im 2Tim wenig auf Jesu Tod eingegangen wird und nur einmal (2,11) auf metaphorische Weise, scheidet auch diese Schrift aus der folgenden Betrachtung weitestgehend aus. Beim Hebräerbrief ist der briefliche Schluss um 13,22–25 umstritten.21 Je nachdem, wie weit man den mutmaßlich sekundären Teil fasst,22 wäre die Metapher in 13,20 davon betroffen. Es gibt jedoch auch Stimmen, die diesen Abschnitt für ursprünglich halten.23 Auch 1Petr, 2Petr und 1Joh werden in der gegenwärtigen Forschung als einheitliche Texte angenommen,24 mit Ausnahme des umstrittenen Abschnitts 1Joh 5,14–21, der aber im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant ist. Die Apokalypse gibt der Forschung in einiger Hinsicht Rätsel auf, wird aber ebenfalls zumeist als einheitlich konzipiert

20

Vgl. SCHREIBER, Briefliteratur, 262–264; SCHNELLE, Einleitung, 93f. Vgl. KARRER, MARTIN, Der Hebräerbrief, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 22013, 480–501. Hier: 483f. 22 Broer hält es für sinnvoller, den Abschnitt 13,18–25 als Einheit anzusehen. Vgl. BROER, Einleitung, 584f. 23 So etwa Karrer. Vgl. KARRER, Hebräerbrief, 483f. 24 Vgl. GIELEN, MARLIES, Der erste Petrusbrief, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 22013, 517–527. Hier: 518–521; GIELEN, MARLIES, Der zweite Petrusbrief, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 22013, 528–535. Hier: 529–531; KÜGLER, JOACHIM, Der erste Johannesbrief, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 2 2013, 536–548. Hier: 537f.; BROER, Einleitung, 632f.662f.248f. 21

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

wahrgenommen, obwohl die Verarbeitung verschiedener Quellen angenommen wird.25 Selbst die Aussonderung der Sendschreiben in Kap. 2f. hat keine Auswirkung auf Metaphernkombinationen. Auch die synoptischen Evangelien sowie die Apostelgeschichte sind unproblematisch ௅ der sekundäre MkSchluss ist hier nicht weiter zu beachten. Komplexer ist die Lage in Bezug auf das Johannesevangelium, dem oft mangelnde Kohärenz vorgeworfen wurde und für das seit Bultmann häufig ein dreistufiges Modell mit einer ausführlichen Redaktion angenommen wird.26 Neben der möglichen Veränderung der Reihenfolge von Kap. 5–7 und dem Zusatz von Kap. 21, die für metaphorische Deutungen des Todes Jesu beide nicht weiter interessieren, werden vor allem die „Abschiedsreden“ in Kap. 15–17 als redaktioneller Einschub gewertet. Diese enthalten naturgemäß eine Vielzahl an Anspielungen auf den Tod Jesu und zumindest der Abschnitt 16,16–22 enthält Metaphern. Allerdings gibt es auch hier Exegetinnen und Exegeten, die von einer genuin johanneischen Bildung ausgehen. Schnelle etwa kommt zu dem Schluss: „Das Johannesevangelium kann bis auf Joh 21 und die textkritisch eindeutig sekundären Passagen Joh 5,3b.4; 7,53–8,11 und die Glosse Joh 4,2 als literarische Einheit verstanden werden.“27 Ein solches Urteil ist für die Analyse und Bewertung der Metaphernkombinationen im Johannesevangelium unproblematisch. Auch die Annahme, es handele sich bei Joh 15–17 um eine redaktionelle Zutat, hat noch relativ geringe Auswirkungen. Die Verarbeitung von Quellen kann ebenfalls Auswirkungen auf die Kombination von Metaphern gehabt haben. Widersprechen einander etwa zwei Metaphern bei Mt oder Lk, weil eine aus Mk, die andere aus Q übernommen wurde? Oder entsteht eine Kombination bei Johannes dadurch, dass ein Abschnitt der Semeia-Quelle entstammt, der andere aus dem Johannes vorliegenden Passionsbericht? Lassen sich Spannungen in den Metaphern der Briefliteratur dadurch erklären, dass sie aus unterschiedlichem Traditionsgut übernommen wurden oder teilweise aus frühchristlicher Überlieferung stammen und teilweise von den Verfassern selbst entwickelt wurden?28 Im Gegensatz zu den Erwägungen zur Einheitlichkeit oder redaktionellen Bearbeitung einzelner neutestamentlicher Schriften, ist zu beachten, dass eine Benutzung von Quellen für alle neutestamentlichen Schriften in mehr oder weniger großem Umfang 25 Vgl. SCHREIBER, STEFAN, Die Offenbarung des Johannes, in: Martin Ebner/Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart: Kohlhammer 22013, 566–593. Hier: 570; BROER, Einleitung, 688; SCHNELLE, Einleitung, 608f. 26 So auch von Broer. Vgl. BROER, Einleitung, 198–202. 27 SCHNELLE, Einleitung, 573. 28 Broer geht etwa davon aus, dass die vermehrt in 1Petr vorkommenden Brüche darauf zurückzuführen sind, dass hier umfangreich auf Traditionsmaterial zurückgegriffen wird, das aber nur geringfügig an den Kontext angepasst bzw. in diesen eingebettet wurde. Vgl. BROER, Einleitung, 632f.

Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

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relevant ist. Dabei können allerdings erhebliche Unterschiede darin bestehen, in welcher Form (mündlich oder schriftlich) diese Quellen vorlagen und inwieweit sie angepasst oder verändert wurden. Fest steht jedoch, dass die Benutzung von Quellen in der überwiegenden Zahl der Fälle29 ein bewusster Akt war. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass die neutestamentlichen Autoren etwas unverändert aus ihren Quellen übernommen haben, das ihnen widerstrebte oder den eigenen Auffassungen eklatant widersprach. Auch die dadurch entstandenen Metaphernkombinationen, insbesondere solche, die widersprüchlich erscheinen, sind somit mindestens in Kauf genommen worden, wenn sie nicht sogar intendiert waren. Aus all diesen Erwägungen ergibt sich, dass eine synchrone Analyse der neutestamentlichen Metaphernkombinationen nicht nur gerechtfertigt, sondern auch geboten ist. Diachrone Überlegungen werden daher nur in den ausführlichen Einzelanlaysen einbezogen und nur dort, wo entsprechende Hypothesen eine ausreichende Plausibilität besitzen. Die summarischen Darstellungen der Metaphernkombinationen erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, wenn auch das Bestreben dahingeht, einen umfassenden Befund zu liefern.

1. Kombinationen von Metaphern mit anderen sprachlichen Phänomenen 1. Kombination mit anderen sprachlichen Phänomenen

Bevor die unterschiedlichen Arten, wie Metaphern miteinander interagieren, genauer betrachtet werden, ist es lohnenswert, einen Blick auf das Zusammenspiel von Metaphern mit anderen stilistischen Mitteln zu verwerfen. Hierbei ist insbesondere die Interaktion mit Vergleichen und Metonymien interessant, aber auch die Verbindung mit anderen sprachlichen Phänomenen wie etwa Euphemismus und Symbol. Dabei werden nur solche Verbindungen berücksichtigt, bei denen die einzelnen Stilmittel in einem sehr engen kontextuellen Zusammenhang, vorrangig innerhalb derselben syntaktischen Einheit, vorkommen. Auch diese Kombinationen können zu Spannungen führen, die in besonderer Weise sinnstiftend sind. Da sie jedoch nicht den Hauptfokus dieser Arbeit bilden, erfolgt an dieser Stelle lediglich eine knappe und überblicksartige Darstellung entsprechender interessanter Passagen mit Bezug zum Tod Jesu im Neuen Testament.

29 Eine Ausnahme könnte in der unbewussten Wiedergabe stark internalisierten Formelguts bestehen.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

1.1. Metarison Im Neuen Testament werden Metaphern und Vergleiche mit Bezug zum Tod Jesu in der Regel klar voneinander getrennt, zumal Jesu Tod insgesamt weitaus häufiger durch Metaphern als durch Vergleiche ௅ charakterisiert durch die typische Einleitung mit Partikeln wie ੪Ȣ oder țĮșȫȢ ௅ bildhaft gedeutet wird. In Eph 5,1f. befindet sich jedoch eine Verbindung von Vergleich und Metapher in dem Sinne, dass eine (relativ starke) Metapher mit Bezug zum Tod Jesu in einen generelleren Vergleich eingebettet ist. Bereits in V. 1 wird ein Vergleich etabliert, wodurch der Grundtenor auch für das Folgende geschaffen wird: „Werdet also Nachahmerinnen und Nachahmer Gottes als geliebte Kinder“ (ī઀Ȟİıșİ Ƞ੣Ȟ ȝȚȝȘIJĮ੿ IJȠ૨ șİȠ૨ ੪Ȣ IJ੼țȞĮ ਕȖĮʌȘIJȐ). Im nächsten Vers schließt sich als zweite Aufforderung der Wandel in Liebe an (ʌİȡȚʌĮIJİ૙IJİ ਥȞ ਕȖ੺ʌૉ), der durch einen Vergleich mit der Liebe Christi begründet wird (țĮșઅȢ țĮ੿ ੒ ȋȡȚıIJઁȢ ਱Ȗ੺ʌȘıİȞ ਲȝ઼Ȣ). An diese Liebe angeschlossen und wohl als ihr höchster Ausdruck und Kulminationspunkt gedacht wird die Hingabe Christi für die Menschen (țĮ੿ ʌĮȡ੼įȦțİȞ ਦĮȣIJઁȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ). Und diese Hingabe wird wiederum mit einer Metapher verdeutlicht: „als Gabe und Opfer für Gott zu einem Duft von Wohlgeruch“ (ʌȡȠıijȠȡ੹Ȟ țĮ੿ șȣı઀ĮȞ IJ૶ șİ૶ İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ).1 Die Metapher steht somit in einer gewissen Distanz zu dem Vergleich. Dieser dient hauptsächlich dazu, die Gemeinde zur Liebe zu motivieren, die auf Christi Liebe zurückgeführt wird, während in der Metapher das Besondere seiner Liebe und ihre deutlichste Ausdrucksform hervorgehoben wird. Nur implizit lässt sich daraus ableiten, dass auch die Adressierten zu vergleichbaren hingebungsvollen Opfern aufgerufen werden. Vergleich und Metapher sind aufgrund unterschiedlicher Aussageschwerpunkte somit an dieser Stelle gut logisch vereinbar. Die stärkste direkte Interaktion von Vergleich und Metapher lässt sich möglicherweise im 1Petr aufweisen, in dem an einigen Stellen das Wort ੪Ȣ in ansonsten metaphorische Zusammenhänge eingefügt wurde, so dass die Aussagen den äußeren Anschein von Vergleichen annehmen. Dies ist in diesem Zusammenhang insbesondere in 1Petr 1,19 sowie in 2,2.5 beachtenswert.2 Allerdings ist fraglich, ob ੪Ȣ an diesen Stellen wirklich im Sinne eines Vergleichspartikels gebraucht wird. Laut Bauer steht zumindest in 1,19 und 2,2 ੪Ȣ als Einführung für bestimmte Eigenschaften, die im konkreten Zusammenhang relevant sind ௅ sie werden hierfür explizit als Beispiele angeführt.3 Diesem Urteil

1

Für eine genauere Analyse der Metaphernmodifikation s.u., Abschnitt 2.1.3. Beide Abschnitte werden noch im Zuge von Detailanalysen genauer untersucht. S.u., Abschnitt 2.4.2 und 2.5.2. 3 Vgl. BAUER, Wörterbuch, 1791. 2

1. Kombination mit anderen sprachlichen Phänomenen

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stimmt auch Schneider uneingeschränkt zu.4 Dementsprechend ist es vermutlich sinnvoller, von Konkretisierungen auszugehen als von in Metaphern geschachtelten Vergleichen, zumal in den angeführten Beispielen die Satzstruktur insgesamt komplex ist. Außerdem scheint ੪Ȣ im 1Petr auch die Funktion der Markierung von Metaphern zu übernehmen. Dies legt sich vor allem nahe, da dem Verfasser das Marking (und damit teilweise die Abschwächung der durch die Metapher hervorgerufenen Bilder) insgesamt wichtig zu sein scheint. Auch Goppelt bemerkt: „੪Ȣ zeigt übertragenen Sinn an: 1,19; 2,2.11.“5 Daher liegt auch in 1Petr kein „klassischer“ Metarison vor. Insgesamt ist diese Kombinationsart somit von geringer Relevanz, wenn im Neuen Testament auf bildliche Weise vom Tod Jesu gesprochen wird. 1.2. Metaphtonomy Im Gegensatz zu Vergleichen, die in Verbindung mit metaphorischen Deutungen des Todes Jesu nur selten vorkommen, ist eine Kombination von Metapher und Metonymie verhältnismäßig häufig auszumachen. Dies ist bereits daran erkennbar, dass die indirekte Rede vom Tod Jesu oft metonymisch geprägt ist. Die Rede vom Blut Jesu bezieht sich in vielen Fällen auf das gewaltsame Blutvergießen und somit auf Jesu Tötung. Das Leiden Jesu hat vor allem den Endpunkt dieses Leidens, Jesu Tod, im Blick. Auch in der Rede vom Kreuz steht das Tötungsinstrument metonymisch für Jesu Hingabe und Sterben und auch hier ist das Resultat der Kreuzigung von vorrangigem Interesse. Dementsprechend können alle Metaphern, die mit einer dieser indirekten Sprechweisen vom Tod Jesu verbunden sind, als Formen von Metaphtonomy gesehen werden, nach Goossens’ Einteilung spezifischer als Beispiele für metonymy within metaphor. Da die metonymisch-indirekte Sprechweise vom Tod Jesu aber bereits als stark konventionalisiert angesehen werden kann, ist die Interaktion zwischen Metonymie und Metapher in den meisten Fällen nicht sonderlich auffällig. Am ehesten können sich durch die Rede vom Blut Spannungen ergeben, zumal der Tod durch Kreuzigung nicht im engen Sinn „blutig“ ist. Vor allem eine Verbindung der indirekt-metonymischen Rede vom Blut mit der Metapher der Reinigung führt zu einem deutlichen Kontrast. Diese Zusammenstellung findet sich hauptsächlich in 1Joh 1,7 und Hebr 9,14, in symbolhaft aufgeladener Weise auch in Apk 7,14.6 Zumindest in Hebr 9,14 scheint der Bedeutungshintergrund kultischer Handlungen durch, und dieser macht auch in 1Joh 1,7, wo kontextuell weniger klare Hinweise vorliegen, wie diese Aussage zu ver-

4

Vgl. SCHNEIDER, GERHARD, Art. ੪Ȣ, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament3 3 (2011), 1216f. 5 GOPPELT, LEONHARD, Der erste Petrusbrief (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament 12.1), Göttingen 1978, 143 Fn 25. 6 S.o., Abschnitt 6.2.3. des dritten Kapitels.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

stehen ist, das Zusammenspiel von Metonymie und Metapher plausibler. Neben Hebr 9,14 gebraucht der Hebräerbrief, der verhältnismäßig selten auf direkte Weise vom Tod Jesu spricht, häufig die indirekte Sprechweise vom „Blut“ Jesu, insbesondere in den metaphorisch zentralen Kap. 9f., sowie z.B. in 12,24, 13,12 und 13,20. Dabei ist nicht immer klar erkennbar, ob es sich um einen metonymischen Bezug handelt oder ein Element der Opfermetaphorik gemeint ist. Damit ist an diesen Stellen eine Metaphtonomy im engen Sinne gegeben, und es wird außerdem deutlich, dass beide Phänomene eng verwandt und nicht immer klar voneinander abgrenzbar sind. Ein ganz ähnliches Phänomen des Zusammenfallens von Metapher und Metonymie findet sich in der polemischen Darstellung einer erneuten Kreuzigung durch die Möglichkeit einer zweiten Buße in Hebr 6,6. Die genannten Passagen seien nur exemplarisch genannt, um zu zeigen, wie die metonymisch-indirekte Redeweise mit Metaphern interagiert und dabei selbst je nach Verwendungszusammenhang metaphorische Züge annehmen kann. Eine weitere wiederkehrende Verbindung von Metapher und Metonymie findet sich in den neutestamentlichen Kelchmetaphern mit Bezug zum Tod Jesu.7 Die Aussage „der Kelch, den ich trinke“ (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ) in Mk 10,38f. (ähnlich auch in Mt 20,22) enthält sowohl einen klaren, wenn auch indirekten Hinweis auf Jesu Tod, als auch eine ganz klassische Metonymie: Das Gefäß steht hier für den Inhalt, denn es ist deutlich ersichtlich, dass nicht der Kelch selbst getrunken werden soll, sondern das, was sich darin befindet. Diese Metonymie scheint auch im Hintergrund der Kelchworte bei Mk und Mt zu stehen, bei denen das sich auf den Kelch zurückbeziehende Demonstrativpronomen mit dem Blut Jesu gleichgesetzt wird, jedoch kein dezidierter Hinweis auf den Inhalt des Kelchs gegeben wird. Dass eigentlich Wein und Blut in Beziehung gesetzt werden sollen, ist aufgrund eines starken Grounds ௅ beides sind rote Flüssigkeiten ௅ naheliegend.8 Da aber in der metaphorischen Gegenüberstellung selbst das Demonstrativpronomen gebraucht wird, ist hier die Metonymie weniger deutlich. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Metonymie in Mk 10,38f.par innerhalb des V-Terms einer Metapher und in den Abendmahlsworten im Zusammenhang des T-Terms relevant ist. Auch hier handelt es sich also um Fälle der metonymy within metaphor. Die Verwendung der Bezeichnung eines Gefäßes für den Inhalt als Unterkategorie der Metonymie

7

Für eine ausführliche Analyse s.u., Abschnitt 2.6.3. In Lk und 1Kor dagegen ist eine metonymische Deutung nicht zwingend erforderlich, da der zentrale V-Term ਲ țĮȚȞ੽ įȚĮș੾țȘ („der neue Bund“) ist, woran das Motiv des Bluts erst sekundär angeschlossen wird. Auch in den Gethsemane-Perikopen ist in der Rede vom Kelch (Mk 14,36par) keine Metonymie erkennbar. 8

1. Kombination mit anderen sprachlichen Phänomenen

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wurde bereits u.a. von Quintilian beschrieben, wobei auch bei ihm der Becher/Kelch als Beispiel angeführt wird,9 und bereitet bis in die heutige Zeit kaum Verstehensschwierigkeiten. Auch das in den jüdischen Heiligen Schriften breit belegte Bild von Gottes Zornesbecher bzw. vom Kelch als Symbol für das von Gott bestimmte Schicksal10 erleichtert zumindest für Mk 10,39f. das Verständnis erheblich. Insgesamt muss somit davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Rede vom Kelch um eine verbreitete, stark konventionalisierte Metonymie gehandelt hat, weshalb die Einbettung in metaphorische Zusammenhänge vermutlich den Rezipierenden wenig aufgefallen und die Auswirkung auf den metaphorischen Gesamtdiskurs gering geblieben ist. Auch in einzelnen anderen metaphorisch aufgeladenen Diskursen im Neuen Testament lassen sich Metonymien ausmachen. So scheint es in Röm 6,3 so, dass Paulus die Taufe auf Christus erklärt, indem er sie wie eine Metonymie auffasst, die er anschließend auflöst bzw. konkretisiert: ਲ਼ ਕȖȞȠİ૙IJİ ੖IJȚ, ੖ıȠȚ ਥȕĮʌIJ઀ıșȘȝİȞ İੁȢ ȋȡȚıIJઁȞ ੉ȘıȠ૨Ȟ, İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ Į੝IJȠ૨ ਥȕĮʌIJ઀ıșȘȝİȞ; („Oder seid ihr in Unkenntnis darüber, dass alle die wir auf Christus Jesus getauft sind, auf seinen Tod getauft sind?“) Wenn man davon ausgeht, dass Paulus hier den besonderen Schwerpunkt seiner Tauftheologie darlegen will, lässt sich dieser Satz folgendermaßen erklären: Den Adressierten ist bewusst, dass die Taufe auf (den Namen) Jesus Christus geschieht. Nach Paulus ist diese Taufformel metonymisch aufzufassen. Jesu Name bzw. der Verweis auf seine Gesamtexistenz deutet ihm zufolge in diesem Zusammenhang vor allem auf den Endpunkt seines Daseins und das damit verbundene Heilsereignis hin. Taufe auf Christus bedeutet Taufe auf seinen Tod. Im nächsten Vers spricht er wiederum von der „Taufe auf den Tod“ (įȚ੹ IJȠ૨ ȕĮʌIJ઀ıȝĮIJȠȢ İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ), wobei er nun nicht nur das Substantiv (ȕȐʌIJȚıȝĮ) anstelle des Verbs verwendet, sondern vom Tod generell spricht anstelle des spezifischen Todes Jesu. Diese Verschiebung wird rhetorisch bewusst begangen worden sein. Die Erklärung der Metonymie in der Taufformel steht im Umfeld einer Vielzahl unterschiedlicher Metaphern, die den Mitvollzug des Sterbens Jesu durch die Gläubigen beschreiben. Sie ist damit auch der Ansatzpunkt für den folgenden metaphorischen Diskurs, der darauf hinläuft, die Taufe selbst als (relationales) Sterben darzustellen.11 In dem Sinn ist die Auflösung einer Aussage als Metonymie an dieser Stelle ein geschicktes rhetorisches Mittel, das den Boden für die weiteren metaphorischen Ausführungen ebnet.

9

Vgl. Quint.inst. VIII 6, 24: „So ist es […] auch gebräuchlich, das Enthaltene (statt des Enthaltenden) zu verwenden in Fällen wie […] ‚dem ausgetrunkenen Becher‘“. Im Original: sicut ex eo, quod continetur, usus recipit […] ‚poculum epotum‘. 10 Vgl. z.B. LIESS, KATHRIN, Art. Becher, in: WiBiLex (http://www.bibelwissenschaft. de/stichwort/32606), abgerufen am 14.08.2019. 11 Für eine ausführlichere Analyse des Gesamtabschnitts s.u., Abschnitt 2.1.4.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

In Kol 2,14 kann, im Kontext eines umfangreicheren metaphorischen Abschnitts, eine Metonymie erkannt werden, in der etwas Konkretes stellvertretend für einen abstrakten Sachverhalt angeführt wird. Hier wird das Substantiv „die Schuldhandschrift“ (IJઁ ȤİȚȡંȖȡĮijȠȞ) verwendet, um auf die allgemeinen „Schulden“ bzw. Sünden der Gläubigen zu verweisen.12 Diese Konkretisierung ist notwendig, um das nachfolgende plastische Bild des Annagelns dieser Schuldschrift vorzubereiten.13 Es ergibt sich ein sehr starkes und auch spannungsvolles Bild, in dem die Metonymie der Schuldhandschrift zum einen der Visualisierung dient und zum anderen den Rezipierenden durch den klaren Bezug zum „eigentlich Gemeinten“ das Verstehen erleichtern. Je nachdem, wie man Hebr 10,20 auslegt, kann auch hier eine Metaphtonomy ausgemacht werden. Die Gleichsetzung vom Vorhang mit dem Fleisch Christi ist zunächst klar metaphorisch aufzufassen.14 Nun kann das Fleisch aber wiederum auf etwas Abstrakteres und Umfassenderes deuten, etwa auf Jesu gesamte irdische Existenz oder Versuchungen und Anfeindungen, denen er ausgesetzt war. Meines Erachtens ist es an dieser Stelle sinnvoll, von einem Hinweis auf Jesu Menschlichkeit auszugehen. Folgt man dieser Auslegung, würde auch hier etwas Konkret-Dingliches stellvertretend für etwas weitaus schwieriger Fassbares stehen. An dieser Stelle würde die damit einhergehende Verbildlichung aber auch zur Spannung innerhalb der Metaphorik beitragen. Es handelt sich insgesamt um eine komplexe Passage, und die Zuordnung zur Metaphtonomy ist nicht ganz eindeutig. Insgesamt zeigen sich in der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu einige Verbindungen von Metaphern und Metonymie, die insbesondere dann vorliegen, wenn indirektes Sprechen vom Tod Jesu mit starker Metaphorik verknüpft wird. Dabei sind die Metonymien jedoch meist leicht zugänglich, wie es auch allgemein dem Charakter von Metonymien entspricht, aufgrund der engen Verbindung des genannten mit dem gemeinten Terminus gut verständlich zu sein. Viele Metonymien fallen erst bei näherer Betrachtung als solche auf. In den meisten Zusammenhängen sorgt somit die Verbindung von Metonymie und Metapher eher dafür, dass die Verständlichkeit der Aussage erhöht wird. In einzelnen Fällen kann aber das Vorliegen einer Metonymie zusätzliche Spannung erzeugen.

12

Da von Schulden auf Sünden geschlossen werden muss, kann hier zugleich auch ein metaphorischer Prozess ablaufen. Daneben ließe sich der Zusammenhang von beiden auch metonymisch (konkret-abstrakt) verstehen. Hier zeigt sich wiederum, dass eine klare Abgrenzung von Metapher und Metonymie nicht immer möglich ist. 13 S. auch Abschnitt 6.1. des dritten und 2.5.3. dieses Kapitels. 14 S.u., Abschnitt 2.5.4.

1. Kombination mit anderen sprachlichen Phänomenen

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1.3. Sonstige Kombinationen Metaphorisches Sprechen vom Tod Jesu kann auch mit einer Reihe anderer stilistischer Mittel verbunden werden, wobei an dieser Stelle nur ein paar prägnante Passagen exemplarisch aufgeführt werden sollen. So lässt sich insbesondere in Mt 12,39f. ein Zusammenspiel von Euphemismus und Metapher erkennen. Jesus kündigt in Analogie zu Jona an: „so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein“ (Ƞ੢IJȦȢ ਩ıIJĮȚ ੒ ȣੂઁȢ IJȠ૨ ਕȞșȡઆʌȠȣ ਥȞ IJૌ țĮȡį઀઺ IJોȢ ȖોȢ IJȡİ૙Ȣ ਲȝ੼ȡĮȢ țĮ੿ IJȡİ૙Ȣ Ȟ઄țIJĮȢ; Mt 12,40). Mit dem „Herzen der Erde“ liegt hier einerseits eine Genitivmetapher vor, die dazu führt, dass die Erde personifiziert wird. Andererseits ist diese verhüllende Rede vom Tod Jesu stark verharmlosend und beschönigend.15 Auf das bereits in 12,39 anklingende „Zeichen des Jona“ wird auch in Mt 16,4 nochmals eingegangen, ohne dass die euphemisierende Erläuterung jedoch wiederholt wird. Auch in der Parallele Lk 11,29f. liegt sie nicht vor, und ohne Kenntnis der Mt-Passage ist ein Bezug zum Tod Jesu an dieser Stelle überhaupt unklar. Auch sonst ist die verhüllte Sprache, mit der in den Evangelien auf Jesu Tod hingedeutet wird, mehrfach euphemistisch, wobei auch Verbindungen mit metaphorischem Sprechen vorliegen können, beispielsweise in der Rede von Jesu „Fortgehen“ in Joh 14,2f. Aus Sicht der Rezipierenden geht der Euphemismus allerdings zumeist in der Metapher selbst auf, zumal Euphemismen allgemein häufig in Form von Metaphern vorkommen. Auch die indirekte Rede von Jesu „Hingabe“ (seines Lebens), die im Griechischen unterschiedlich ausgedrückt werden kann, kann als euphemistisch gewertet werden und steht dann zumindest in Mk 10,45par; Joh 10,11–16; Gal 2,19–21; Eph 5,1f.; 1Tim 2,6 und Tit 2,14 ebenfalls im Zusammenhang metaphorischer Sprache. In Joh 12,25 findet sich das Phänomen eines Paradoxons, das direkt auf das Bild vom sterbenden Weizenkorn (12,24) folgt, welches durch die Einleitung Jesu in 12,23 mit der Ankündigung der Verherrlichung des Menschensohns auch einen eindeutigen Bezug zum Tod Jesu aufweist. 12,24 hat bereits deutlich gemacht, dass nur das Sterben des Korns dazu führt, dass es Frucht tragen kann. Im folgenden Vers wird diese Paradoxie, die durch die natürlichen Gegebenheiten der Dinge noch nachvollziehbar ist, in der Anwendung auf das Verhalten der Menschen deutlich gesteigert: „Der, der sein Leben liebt, wird es verlieren, und der, der es in dieser Welt hasst, wird es zum ewigen Leben bewahren.“ (੒ ijȚȜ૵Ȟ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ ਕʌȠȜȜ઄İȚ Į੝IJ੾Ȟ, țĮ੿ ੒ ȝȚı૵Ȟ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ ਥȞ IJ૶ țંıȝ૳ IJȠ઄IJ૳ İੁȢ ȗȦ੽Ȟ ĮੁઆȞȚȠȞ ijȣȜ੺ȟİȚ Į੝IJ੾Ȟ.) Das Paradoxon regt somit zu einer Auseinandersetzung damit an, was mit Leben eigentlich

15

Als Hinweis auf die Bestattung bzw. das Im-Grab-Liegen Jesu ergibt sich im Makrokontext des Matthäusevangeliums eine Schieflage dadurch, dass nach Mt 27,60 Jesus in einem Felsengrab bestattet wird, also streng genommen nicht in oder unter der Erde liegt.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

gemeint ist. Der Diskurs hat sich verschoben vom Tod Jesu und dessen Wirkung hin zur grundlegenden Lebenseinstellung der Gläubigen. Somit ist der Bezug zum Tod Jesu selbst an dieser Stelle eher marginal. Durch die stark symbolhafte Sprache der Apokalypse kann hier teilweise von einer Kombination aus Symbol und Metapher gesprochen werden. Allerdings ist nicht immer klar, ob überhaupt die Symbolebene verlassen wird oder ob das Geschilderte nicht innerhalb der Vision selbst als „real“ geschehen angesehen werden muss. Das wohl deutlichste Symbol in der Apk ist die Rede vom „geschlachteten Lamm“. Möglicherweise ist das in 5,9f. und 14,3f. geschilderte „Kaufen“ von Menschen durch das Lamm metaphorisch zu verstehen, zumal die Loskaufmetaphorik auch sonst im Neuen Testament mit dem Tod Jesu verbunden wird. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Akt des Kaufens von Seiten des Lamms wirklich vorausgesetzt wird. Ebenso greift 7,14 auf das verbreitete Motiv der Reinigung durch das Blut Jesu zurück, wobei jedoch an dieser Stelle eine Konkretisierung dadurch erfolgt, dass weiße Gewänder aus der Waschung mit Blut resultieren. Wiederum ist nicht ganz klar, ob hier eine Verbindung von (Lamm-)Symbol und (Reinigungs-)Metapher vorliegt oder ob ௅ was vielleicht wahrscheinlicher ist ௅ das Gesamtgeschehen symbolisch gedacht ist.

2. Arten von Metaphernkombinationen 2. Arten von Metaphernkombinationen

Stärker als die Verbindung anderer, nicht immer klar abzugrenzender Stilmittel mit Metaphern ist im Zusammenhang dieser Studie von Interesse, wie Metaphern, die thematisch mit dem Tod Jesu in direkter Verbindung stehen, untereinander kombiniert werden. Die folgende Darstellung orientiert sich an den Kategorien, die Andrew Goatly für das Zusammenspiel von Metaphern vorschlägt und die mit mancher Erweiterung und Modifikation in Abschnitt 2.4. des zweiten Kapitels erläutert wurden. Dabei werden einzelne Kombinationsarten, die große Ähnlichkeiten aufweisen, bei denen die Trennlinien unscharf verlaufen oder deren Auswirkungen gleich sind, zusammen betrachtet. Aufgrund der Fülle entsprechender Metaphernkombinationen in der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu wird je Unterkapitel zunächst ein allgemeiner Überblick gegeben, bevor einzelne Textabschnitte als besonders aussagekräftige Beispiele intensiv analysiert werden. In der Regel wird daher nur für die exemplarischen Analysen Sekundärliteratur herangezogen. Teilweise lässt sich aber ein Transfer zu anderen, zuvor genannten Phänomenen herstellen, wobei natürlich die jeweilige Eigengestalt und Kontextbezogenheit der einzelnen Textpassagen zu beachten ist. Es zeigt sich zunächst, dass alle von Goatly aufgeführten Kombinationsarten in diesem spezifischen inhaltlichen Zusammenhang des Neuen Testaments vorkommen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Unabhängig davon, ob die Kombinationsmuster intendiert sind, zeigt

2. Arten von Metaphernkombinationen

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sich zudem, dass ihnen in den jeweiligen Argumentationszusammenhängen oft eine besondere Funktion zukommt. 2.1. Wiederholung und Modifikation Die Kombinationsarten Wiederholung und Modifikation liegen nah beieinander und die Übergänge zwischen beiden Phänomenen sind fließend, wie sich insbesondere in der Analyse konkreter Beispiele zeigt. Auch im Hinblick auf ihre rhetorische Funktion und Auswirkung auf die Rezipierenden sind sie einander sehr ähnlich, weshalb sie in diesem Abschnitt gemeinsam behandelt werden. 2.1.1. Überblick: Metaphernwiederholungen Metaphernwiederholungen sind im Hinblick auf ihre Aussagekraft und ihre theologischen Deutungsdimensionen weitaus weniger interessant als andere Metaphernkombinationen. Sie können aber dazu dienen, innerhalb eines Textes Kohärenz zu erzeugen oder Gedankengänge wieder aufzugreifen. Zudem wird die wiederholte Metapher und das oftmals mit ihr verbundene Bild durch die mehrfache Nennung natürlich betont. Außerdem stehen die neutestamentlichen Metaphernwiederholungen teilweise im Kontext weiterer Metaphernkombinationen. Im Zusammenhang des Todes Jesu ist in den Evangelien vor allem die wörtliche Wiederholung in Mk 10,38f. nennenswert. Jesu Frage an die ZebedäusSöhne: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke oder mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauft werde?“ (į઄ȞĮıșİ ʌȚİ૙Ȟ IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ ਲ਼ IJઁ ȕ੺ʌIJȚıȝĮ ੔ ਥȖઅ ȕĮʌIJ઀ȗȠȝĮȚ ȕĮʌIJȚıșોȞĮȚ) bejahen diese. Jesus erwidert: „Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauft werde“ (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ ʌ઀İıșİ țĮ੿ IJઁ ȕ੺ʌIJȚıȝĮ ੔ ਥȖઅ ȕĮʌIJ઀ȗȠȝĮȚ ȕĮʌIJȚıș੾ıİıșİ). Dabei sind ganze Satzteile (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ/IJઁ ȕ੺ʌIJȚıȝĮ ੔ ਥȖઅ ȕĮʌIJ઀ȗȠȝĮȚ) in beiden Aussagen völlig identisch. Auch Formen von ʌ઀ȞȦ und ȕĮʌIJȓȗȦ mit Bezug zu den Brüdern bilden eine Parallele der beiden Abschnitte, wobei die konkreten Formen (Infinitiv/Futur) in Abhängigkeit von der jeweiligen Satzart variieren. Die Wiederholung ersetzt auf der Textebene eine Bejahung durch Jesus und dient der Bestätigung der Zebedäus-Söhne, die im nächsten Vers jedoch relativiert wird. Darüber hinaus verstärkt sie den Hinweis auf das Schicksal der Fragenden und dessen Deutung als Jesusnachfolge. Auch von der Wiederholung abgesehen ist diese Passage von Parallelismen geprägt und stilistisch durchdacht. Die Frage Jesu ist chiastisch aufgebaut: Infinitiv ௅ Objekt mit Relativsatz // Objekt mit Relativsatz ௅ Infinitiv. Die Redeeinleitung beider Sätze ist zudem identisch (੒ į੻ ੉ȘıȠ૨Ȣ İੇʌİȞ Į੝IJȠ૙Ȣ/„Jesus aber sagte ihnen“) und auch die Redeeinleitung der Brüder steht dazu parallel (Ƞੂ į੻ İੇʌĮȞ Į੝IJ૶/„Sie aber sagten ihm“). Die nur aus einem

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Wort bestehende Antwort der beiden greift das Prädikat der Frage Jesu ebenfalls wieder auf. Zudem ist zu beachten, dass im Kelchwort eine Verbindung mit der neutestamentlich häufigen Metonymie „Gefäß für Inhalt“ besteht und im Taufwort zusätzlich das Stilmittel figura etymologica vorliegt. Dieser stark von Wiederholung und Parallelität geprägte Aufbau ist in der Matthäus-Fassung, in der zudem nur die Kelch-Metapher aufgegriffen wird, weitaus weniger deutlich. Die Frage wird leicht erweitert, so dass sie eher auf Zukünftiges deutet (į઄ȞĮıșİ ʌȚİ૙Ȟ IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ȝ੼ȜȜȦ ʌ઀ȞİȚȞ/„Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“) und die Wiederholung in der Erwiderung Jesu ist nun nicht mehr ganz wörtlich, da der Relativsatz durch ein Possessivpronomen ersetzt wird (IJઁ ȝ੻Ȟ ʌȠIJ੾ȡȚંȞ ȝȠȣ ʌ઀İıșİ/„Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken“). Durch die Verwendung von ȝȑȞ …, įȑ … („zwar …, aber …“) wird zudem ein stärkerer Bezug zur nachfolgenden Einschränkung hergestellt. Sowohl in Mk als auch in Mt interagiert dieser Abschnitt mit dem später folgenden Kelchwort der Abendmahlseinsetzung (Mk 14,23) und Jesu Gebet in Gethsemane (Mk 14,36).16 Dies gilt nicht für die Lukasparallele, in der lediglich von der Taufe die Rede ist und diese Metapher auch nicht wiederholt wird. Wenn man in Joh 1,29 davon ausgeht, dass eine Metapher vorliegt, die auf den Tod Jesu hindeutet ௅ was aufgrund der Konnotationen der Aussage und des Gesamtaufrisses des Evangeliums wahrscheinlich ist ௅ dann liegt auch hier wenige Verse weiter (1,36) eine Wiederholung vor. Der V-Term wird bei der ersten Erwähnung deutlicher ausgeführt, wodurch der Bezug zum Tod Jesu weitaus stärker hervortritt: ੒ ਕȝȞઁȢ IJȠ૨ șİȠ૨ ੒ Į੅ȡȦȞ IJ੽Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ IJȠ૨ țંıȝȠȣ („das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“). In Joh 1,36 hingegen wird der Relativsatz ausgelassen. Somit wird das bereits von Goatly beobachtete Phänomen deutlich, dass bei einer Wiederholung der Metapher diese weniger stark ausgeführt oder der Ground weniger klar benannt wird.17 Die hier so deutlich wiederholte Metapher setzt den Grundton für das Bild von Jesus, das über das gesamte Johannesevangelium hinweg gezeichnet wird. Eine fast wortgleiche Wiederholung, die auf Jesu Tod referiert, findet sich erneut in Joh 10,11 und 10,14f. Das Ich-bin-Wort, das Jesus metaphorisch mit dem guten Hirten identifiziert, wird zunächst in 10,11 genannt und auf identische Weise in 10,14 wiederholt (ਫȖઆ İੁȝȚ ੒ ʌȠȚȝ੽Ȟ ੒ țĮȜંȢ). Für die Deutung des Todes Jesu ist besonders die zweite Hälfte von V. 11 relevant: ੒ ʌȠȚȝ੽Ȟ ੒ țĮȜઁȢ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ IJ઀șȘıȚȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ʌȡȠȕ੺IJȦȞ („der gute Hirte gibt sein Leben ௅ bzw. seine Seele ௅ für die Schafe“). Diese findet ein Echo in V. 15, steht nun allerdings in der ersten Person Singular, da Jesus direkt von sich selbst spricht. Die Satzstruktur ist hier jedoch identisch (IJ੽Ȟ ȥȣȤ੾Ȟ ȝȠȣ IJ઀șȘȝȚ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ʌȡȠȕ੺IJȦȞ). Da durch das Ich-bin-Wort die Gleichsetzung des Hirten mit Jesus

16 17

S.u., Abschnitt 2.6.3. S.o., Abschnitt 2.4.1. des zweiten Kapitels.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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eindeutig gegeben ist, ist es sinnvoll, hier von einer Wiederholung, nicht von einer Multivalenz auszugehen. In der Apostelgeschichte wird vergleichsweise wenig auf Jesu Tod durch die Verwendung von Metaphern eingegangen. Umso deutlicher fällt auf, dass die Bezeichnung Jesu als „Anführer des Lebens“ (ਕȡȤȘȖઁȢ IJોȢ ȗȦોȢ), die in Apg 3,15 im Kontext des Todes Jesu steht, ohne Genitivattribut in einem sehr ähnlichen Zusammenhang in 5,31 nochmals vorkommt. In der zweiten Erwähnung wird die Metapher nicht nur verkürzt, sondern das Wort ਕȡȤȘȖȩȢ wird der weiteren Betitelung als ıȦIJȒȡ („Retter“) nebengeordnet. Dadurch wird die erste Einzelmetapher aber weniger deutlich. Mit Blick auf die Protopaulinen sind Metaphernwiederholungen am klarsten in 1Kor auszumachen. In 1Kor 6,20 und 7,23 steht jeweils dieselbe Form von ਕȖȠȡȐȗȦ (਱ȖȠȡ੺ıșȘIJİ/„ihr wurdet erkauft“) in Verbindung mit IJȚȝોȢ („teuer/ für einen Preis“). Lediglich die Wortstellung ௅ im Griechischen ohnehin flexibel ௅ ist umgekehrt und in 6,20 ist in die Aussage die Partikel ȖȐȡ („denn“) eingefügt. Beide Male wird nur äußerst indirekt durch die Loskaufmetapher selbst auf Jesu Tod eingegangen. Dass die Metaphern vor diesem Hintergrund verstanden werden, ist vor allem dadurch naheliegend, dass die verwandte Passage Gal 3,13 deutlich auf Jesu Tod verweist und dass alternative Deutungsmöglichkeiten fehlen. Sowohl 1Kor 6,20 als auch 7,23 stehen in paränetischen Zusammenhängen und werden von einem Imperativ gefolgt, der das Verhalten beschreibt, das aus diesem Erkauft-Sein laut Paulus resultieren soll. In der ersten Passage ruft Paulus die Adressierten dazu auf, Gott mit dem eigenen Leib zu preisen (įȠȟ੺ıĮIJİ į੽ IJઁȞ șİઁȞ ਥȞ IJ૶ ıઆȝĮIJȚ ਫ਼ȝ૵Ȟ). Dies rekurriert auf die in V. 19 formulierte Metapher des Leibs als Tempel des Heiligen Geistes, die dazu dienen soll, vor Unzucht zu warnen. Das Bild des Leibs als Tempel verdeutlicht das Argument, dass dieser nicht mehr für den Menschen selbst verfügbar ist, sondern nun Gott gehört. Die Zugehörigkeit zu Gott wiederum wird durch die Loskaufmetapher betont. Durch den Imperativ in 1Kor 7,23 warnt Paulus die Korinther und Korintherinnen davor, zu Sklaven und Sklavinnen von Menschen zu werden (ȝ੽ Ȗ઀Ȟİıșİ įȠ૨ȜȠȚ ਕȞșȡઆʌȦȞ). Damit bleibt die Aufforderung in der Bildwelt der Loskaufmetapher: Da Jesus die Menschen durch seinen Tod (den Preis) erkauft hat, wäre es widersinnig, wenn diese sich in menschlichen Systemen wiederum versklaven. Dabei ist der Kontext zu beachten, denn es geht ja tatsächlich um Versklavte und Freie in der korinthischen Gemeinde. Die Metapher mit anschließender Aufforderung bildet den Kulminationspunkt seiner paränetischen Ausführungen. Es zeigt sich somit, dass die beiden Metaphern von der Struktur und der argumentativen Funktion her sehr ähnlich operieren, jedoch eine jeweils leicht unterschiedliche Aussageabsicht bestärken. Im Vordergrund steht dabei stets die Betonung, dass die Adressierten zu Jesus bzw. Gott gehören und sich daraus eine bestimmte Haltung und Handlungsmaxime ableitet.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Eine weitere Wiederholung, nun allerdings mit Variation, liegt in 1Kor durch die beiden Abendmahlsmetaphern in Kap. 10 und 11 vor, die bereits oben ausführlicher diskutiert wurden.18 Die Grundbestandteile (Kelch, Blut, Brot, Leib) sind in beiden Passagen identisch und es wird in beiden Fällen klar ersichtlich, dass sich Blut und Leib auf Christus beziehen. Durch die Einfügung des Substantivs țȠȚȞȦȞ઀Į („Gemeinschaft“) als eigentlicher V-Term in 10,16 ergibt sich aber eine Verschiebung in der Metaphernstruktur. Ungewöhnlich ist, dass die erste Nennung der Metaphern in 10,16 knapper ausfällt als die ausführlichere Darstellung in 11,24f. Dies lässt sich aber insofern leicht erklären, als es sich hier nicht bloß um Metaphern auf der Textebene handelt, sondern um die Spiegelung ritueller Praktiken, die den Adressierten bereits vertraut sind. Wiederholungen mit kleineren Variationen kommen auch im Galaterbrief vor. Zunächst findet die metaphorische Mitkreuzigung des Paulus in Gal 2,19 (ȋȡȚıIJ૶ ıȣȞİıIJĮ઄ȡȦȝĮȚ) ein Echo in seiner Aussage in 6,14, dass er der Welt gekreuzigt ist (ਥȝȠ੿ țંıȝȠȢ ਥıIJĮ઄ȡȦIJĮȚ țਕȖઅ țંıȝ૳). Allerdings ist zu beachten, dass sich die Verbformen durch die Vorsilbe leicht unterscheiden und auch der Aussageschwerpunkt der beiden Verse jeweils etwas unterschiedlich gelagert ist. Gal 2,19 steht im Zusammenhang der ausführlichsten Darlegung des Mitvollzugsmotivs im Galaterbrief, in der auch die Hingabe Jesu eindrücklich dargestellt wird. Demgegenüber erinnert Gal 6,14 gegen Ende des Briefs noch einmal an das Motiv, das sich in beiden Stellen insbesondere auf Paulus selbst bezieht. Beide Abschnitte stehen im Kontext der generellen Rede von der Kreuzigung, die als eine Art Multivalenz angesehen werden kann.19 In Gal 3,13 wird die Loskaufmetapher durch das Verb ਥȟĮȖȠȡȐȗȦ ausgedrückt, wobei die Losgekauften als „wir“ identifiziert werden und das, woraus losgekauft wird, als „Fluch des Gesetzes“ (ਥț IJોȢ țĮIJ੺ȡĮȢ IJȠ૨ ȞંȝȠȣ). Durch den zweiten Teil des Verses wird klar, dass hier auf den Tod Jesu verwiesen wird, und zugleich entsteht hierdurch eine Spannung in der Metaphernkonstruktion. Einige Sätze später wird in Gal 4,5 die Metapher erneut aufgegriffen. Das Verb ist dabei dasselbe, als Objekt werden nun die unter dem Gesetz Stehenden (IJȠઃȢ ਫ਼ʌઁ ȞંȝȠȞ) angeführt, was aber das Motiv aus Gal 3,13 aufgreift und womit offenbar derselbe Personenkreis bezeichnet wird ௅ die erste Person Plural wird auch in 4,3 erwähnt. Die Metapher in Gal 4,5 ist weniger ausgeschmückt und auch ein Bezug zum Tod Jesu ist hier nur sehr indirekt gegeben. Dafür kommt der Hintergrund des Loskaufsmotivs durch den Begriff įİįȠȣȜȦȝ੼ȞȠȚ („versklavt“) in Gal 4,3 deutlicher zur Geltung. Demgegenüber sind die wiederholten Metaphern in Kol und Eph jeweils beinahe wörtlich identisch und somit klar erkennbar. In beiden Fällen handelt

18 19

S.o., Abschnitt 6.1. des dritten Kapitels. S.u., Abschnitt 2.3.1.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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es sich um Metaphern, in denen der Tod das Vehicle darstellt, und die wiederholten Metaphern stehen in einem verhältnismäßig kleinen Rahmen nah aneinander. In Kol 2,20 und 3,3 steht jeweils ਕʌİș੺ȞİIJİ („ihr seid gestorben“), was sich auf die (lebendigen) Adressierten bezieht und somit eine metaphorische Spannung erzeugt. Dabei ist die Verbindung mit Jesu Schicksal in der ersten Stelle durch die Wendung „mit Christus“ (ıઃȞ ȋȡȚıIJ૶) klarer gegeben, wodurch auch der Hintergrund der Metapher erkennbar wird. Die Wiederholung einige Sätze später macht dies weitaus weniger deutlich. Der Verweis auf Christus ist zwar auch hier vorhanden, steht jedoch erst in der sich an die Konstatierung des Todes anschließenden Aussage „euer Leben ist verborgen mit Christus“ (țĮ੿ ਲ ȗȦ੽ ਫ਼ȝ૵Ȟ ț੼țȡȣʌIJĮȚ). Dadurch, dass sich in Kol 3,3 ȖȐȡ („denn“) an ਕʌİș੺ȞİIJİ anschließt, wird die vorausgegangene Aussage nochmals ins Gedächtnis gerufen. In Eph 2,1 und 2,5 werden die Adressierten jeweils darauf aufmerksam gemacht, dass sie durch die Übertretungen tot waren, wobei sich lediglich die Wortstellung und die Bezugsworte leicht unterscheiden, da zunächst ein Pronomen der zweiten, dann eines der ersten Person Plural verwendet wird. Inhaltlich ist dies aber leicht erklärbar: Einmal werden die Adressierten direkter angesprochen und die Kritik an ihnen ist dementsprechend scharf. Anschließend bezieht sich der Verfasser hingegen mit in die Personengruppe ein, was auch den Gesamttenor der Aussage abmildert. Zudem wird in 2,1 geschildert, dass sich der beschriebene metaphorische Tod nicht nur durch Übertretungen, sondern auch durch die Sünden der Adressierten ergibt. Das Quasi-Synonym verstärkt den Fokus auf die Verfehlungen, die hier zudem durch das Possessivpronomen direkt mit den Angesprochenen in Verbindung gebracht werden. Davon abgesehen wirken sich die Unterschiede nicht auf die Metaphern aus. Auch die Funktion der Wiederholung lässt sich hier leicht erkennen: Nach der ersten Nennung der Metapher werden zunächst die Übertretungen und Sünden ausführlich geschildert. Die dann folgende Wiederholung der Metapher dient dann dazu, die Aufmerksamkeit auf die durch Jesus geschehene positive Wende zu lenken. Auch im 1Joh finden sich Metaphernwiederholungen. Obwohl die wörtlichen Übereinstimmungen in 1Joh 1,7.9 dazu verleiten, diese als Wiederholung anzusehen, macht die Veränderung des Subjekts es plausibler, von einer Modifikation auszugehen. Eine reinere Form der Wiederholung liegt demgegenüber in der Bezeichnung Jesu als ੂȜĮıȝંȢ ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ („Versöhnung für unsere Sünden“/„unser Sündopfer“) in 1Joh 2,2 vor, die nochmals in 4,10 aufgegriffen wird. Je nachdem, wie man den Ausdruck an dieser Stelle auffasst bzw. welche Übersetzung man bevorzugt,20 unterscheiden sich auch der Bedeutungshintergrund und die Intensität der metaphorischen Aussage, wobei jedoch beide Passagen gleich aufzufassen sind. In 2,2 eröffnet sich durch den vorausgegangenen Diskurs und insbesondere die Metaphern in 1,7.9 die 20

Für eine Diskussion der Möglichkeiten s.o., Abschnitt 5.2.2. des dritten Kapitels.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Möglichkeit einer kultischen Deutung. Ist dies der Fall, wäre die Metapher hier durch den Kontext gut vorbereitet und somit leichter zu interpretieren. Außerdem steht die Metapher in der Kopula-Form, wodurch sie verhältnismäßig einfach als solche erkannt und von den Rezipierenden verarbeitet werden kann. Zudem wird in 2,2 der Wirkungsbereich der Sündenvergebung ausführlicher geschildert. All diese Aspekte entfallen in der zweiten Nennung der Metapher. Den Kontext bildet hier die paränetische Aufforderung zur Liebe, die durch Gottes Liebe motiviert wird. Gott, nicht Jesus, steht im Vordergrund. Jesus ist zwar auch an dieser Stelle klar als Topic der Metapher identifizierbar, er wird jedoch von Gott her definiert (IJઁȞ ȣੂઁȞ Į੝IJȠ૨/„seinen Sohn“) und steht als Objekt einer von Gott veranlassten Handlung. Dementsprechend bildet der VTerm der Metapher eine Artbestimmung des Objekts, wodurch die metaphorische Struktur zwar weitestgehend gleichbleibt, sich der Fokus der Gesamtaussage aber verschiebt. Eine zusätzliche Ausführung der Metapher entfällt; der Diskurs entfaltet weiter die Liebe Gottes. Während die erste Nennung der Metapher diese also auf deutliche Weise einführt, bringt die zweite sie in einem anderen Kontext und mit anderem Aussageschwerpunkt wieder in Erinnerung. Aufgrund der Metaphernfülle des Hebräerbriefs ist es wenig verwunderlich, dass hier einige Wiederholungen vorkommen. Den Hintergrund der in diesem Zusammenhang relevanten Abschnitte bilden in weiten Teilen die Jom-KippurTypologie und der erste Bundesschluss. Hierauf wird mehrfach verwiesen, wobei jedoch häufig sprachlich variiert wird und wörtliche Entsprechungen noch verhältnismäßig selten sind. Als offensichtlichste durchgängige Metapher, die eng mit dem Verständnis des Todes Jesu verknüpft wird, ist die kontinuierliche Bezeichnung Jesu als Hohepriester (ਕȡȤȚİȡİȪȢ) zu nennen. Diese wird in 2,17 das erste Mal eingeführt und genauer erläutert. Durch die vielfältigen Gegenüberstellungen der Rolle Jesu mit denen der Hohepriester des „alten Bundes“ (z.B. 5,1–4; 7,27f.; 8,3; 9,7.25; 13,11) wird diese Metapher in den folgenden Erwähnungen (3,1; 4,14f.; 5,5.10; 6,20; 7,26; 8,1; 9,11) jedoch nicht nur wieder aufgegriffen, sondern auch jeweils weiter ausgeführt. Auch die bereits diskutierten21 ʌȡȠıijȑȡȦ-Formulierungen in 8,3; 9,14.25.28; 10,12 können als Wiederholungen angesehen werden, wobei das Objekt, abgesehen von Hebr 9,14.15, leichte Variationen erfährt. Die Begriffe șȣı઀Į (9,26; 10,12.26, impliziter bereits in 9,23) und ʌȡȠıijȠȡȐ (10,10.14) zur Bezeichnung des Opfers Jesu werden ebenfalls mehrfach verwendet. Für beide Begriffe ist zu beachten, dass die erste deutliche Benennung mit Bezug auf Jesu Tod durch eine Genitivmetapher ausgedrückt wird: įȚ੹ IJોȢ șȣı઀ĮȢ Į੝IJȠ૨ („durch sein Opfer“; 9,26) bzw. įȚ੹ IJોȢ ʌȡȠıijȠȡ઼Ȣ IJȠ૨ ıઆȝĮIJȠȢ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ („durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi“). Während bereits in 9,26 ein Zusammenhang der Aufhebung von Sünden mit dem Opfergedanken hergestellt wird, wird in 10,12.26

21

S.o., Abschnitt 6.2.2. des dritten Kapitels.

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das Opfer dezidiert als Sündopfer (mit Variationen in der verwendeten Präposition) bezeichnet. Eine Gemeinsamkeit der jeweils ersten Wiederholung in 10,12 und 10,14 besteht darin, dass beide Male die Einmaligkeit des Opfers wiederholt wird. Die Bezeichnung Jesu als „Mittler des Bundes“ (įȚĮș੾țȘȢ ȝİı઀IJȘȢ), die besonders im Kontext von 9,15 mit dem Tod Jesu verknüpft wird, findet sich ebenfalls in 8,6 und 12,24, wobei der Bund jedoch durch unterschiedliche, wenn auch semantisch verwandte Adjektive spezifiziert wird. Beachtenswert ist im Zusammenhang aller im Hebräerbrief wiederholten Metaphern, dass die zentralen Begriffe immer auch an anderer Stelle fallen, um vergangene kultische Regelungen u.Ä. zu beschreiben. Daher kommt es zu noch häufigeren Wiederholungen an der Metapher beteiligter Termini in anderen Kontexten. Trotz der unterschiedlichen Verwendungen besteht ein sachlicher Zusammenhang, so dass die jeweiligen Metaphern indirekt noch stärker unterfüttert und hervorgehoben werden. Ähnlich wie der Hebräerbrief ist im Hinblick auf die vorhandene Bilderfülle auch die Apokalypse zu bewerten. Allerdings wurde bereits mehrfach erwähnt, dass hier in den meisten Fällen keine Metaphern im eigentlichen Sinne vorliegen, sondern Symbole. Am deutlichsten ist die Wiederholung des Lamms als Symbol für Christus, das erstmals 5,6 eingeführt wird und dann bis zum Ende der Apk dominant ist (weitere Nennungen in 5,8.12f.; 6,1.16; 7,9f.14.17; 12,11; 13,8; 14,1.4.10; 15,3; 17,14; 19,7.9; 21,9.14.22f.27; 22,1.3). Dabei wird das Lamm bei der ersten Erwähnung ausführlich beschrieben, wodurch gleichzeitig deutlich wird, dass die Kategorie „Lamm“ hier sehr weit gefasst wird und das in der Offenbarung präsentierte Wesen nicht mit dem gleichzusetzen ist, was im allgemeinen Sprachgebrauch so benannt wird. Stattdessen muss man sich eher eine Art Fabelwesen vorstellen, wobei insbesondere die genannten sieben Augen den Rahmen des real Bekannten sprengen. Im Zuge dieser Beschreibung wird das „Lamm“ zudem als „geschlachtet“ bezeichnet, was zunächst in 5,6 im Rahmen eines Vergleichs geschieht und sich dann in späteren Erwähnungen (5,9.12; 13,8) als festes Attribut etabliert. Eine partielle Wiederholung findet sich zudem in der Darstellung der „Erkauften“ (Ƞੂ ਱ȖȠȡĮıȝ੼ȞȠȚ) in 14,3, die im folgenden Vers durch eine Passivform desselben Verbs nochmals charakterisiert werden. Hier ist jedoch die zweite Metapher in der Schilderung des Freikaufs ausführlicher. Beide Passagen verweisen möglicherweise zurück auf die Akklamation der vierundzwanzig Ältesten in 5,9, in der die Schlachtung des Lamms mit dem Freikauf verbunden wird. Da hier aber keine Zahl genannt wird, scheint die Aussage in 5,9 zunächst genereller gehalten zu sein. Allerdings liegt eine Beziehung der beiden Abschnitte aufgrund der Wortwahl nahe. Ist dem so, so wäre 5,9 als Konvergenzpunkt unterschiedlicher wiederholter Metaphern aufzufassen.

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2.1.2. Überblick: Metaphernmodifikationen Metaphernmodifikationen sind variierenden Wiederholungen sehr ähnlich, so dass sie von diesen häufig nicht klar abgegrenzt werden können. Was noch als Wiederholung oder bereits als Modifikation angesehen wird, liegt meist im Ermessen der Rezipierenden. Auch der Übergang zur Diversifikation mit identischen/ähnlichen Grounds ist fließend: Modifikationen zeichnen sich dadurch aus, dass nicht nur die verwendeten V-Terms in enger Verwandtschaft zueinander stehen, sondern auch, dass die Grounds der Einzelmetaphern weitestgehend deckungsgleich sind. Allerdings ist diese Ähnlichkeit wiederum eine sehr vage Größe, zumal Grounds ohnehin in den meisten Fällen nur schwer fassbar sind. Was für eine Person eine leichte Variation im Ground darstellt, kann für eine andere bereits auf einen gänzlich anderen Deutungshorizont hinweisen. Auch im Hinblick auf ihre Funktion und Wirkung steht die Modifikation zwischen Wiederholung und Diversifikation. Sie kann wie die Wiederholung kontinuierlich auf ein bestimmtes Bild Bezug nehmen, das sich wie ein Leitbild durch einen bestimmten Text zieht, wodurch die Variationen zum einen sprachliche Abwechslung und damit womöglich einen verbesserten Stil erzielen, zum anderen leicht unterschiedliche Perspektiven auf den Sachverhalt ermöglichen, durch die das Bild erweitert und teilweise sogar in Frage gestellt werden kann. In Goatlys Darstellung des Phänomens werden vorrangig Beispiele angeführt, in denen der jeweilige V-Term der Metaphern derselben Wortart angehört. Dies stellt auch die klarste Form der Modifikation dar und rückt diese weiter in die Nähe des Vergleichs. Allerdings ist es meines Erachtens auch gerechtfertigt, solche Metaphern unter diese Kategorie zu fassen, in denen die V-Terms unterschiedlichen Wortarten angehören, die jeweiligen Begriffe aber eng verwandt sind. Dies gilt z.B. für Metaphern mit ʌȡȠıijȠȡȐ und ʌȡȠıijȑȡȦ im Hebräerbrief. Man könnte eine Verbindung zwischen Metaphernmodifikationen und konzeptuellen Metaphern herstellen und argumentieren, alle Metaphern, die auf dieselbe konzeptuelle Metapher Bezug nehmen, seien Modifikationen voneinander. Allerdings ergibt sich daraus eine Schieflage, da auch Einzelmetaphern mit verschiedenen Topics zur selben konzeptuellen Metapher gehören können. Dies lässt sich leicht an den Beispielen veranschaulichen, die Lakoff und Johnson selbst anführen: Der konzeptuellen Metapher ARGUMENTE SIND KRIEG sind im Deutschen so unterschiedliche (konventionalisierte) Einzelmetaphern zuzuordnen wie „Schieß los.“ oder „Sie attackierte seine Position.“ Diese werden aber von Rezipierenden wohl kaum als Modifikationen derselben Aussage angesehen. Dementsprechend ist es wichtig festzuhalten, dass zwar Modifikationen auf dieselbe zugrunde liegende konzeptuelle Metapher hinweisen, umgekehrt aber nicht alle sprachlichen Manifestationen einer konzeptuellen Metapher als Modifikationen anzusehen sind. Auf die Metaphern, die auf Jesu Tod Bezug nehmen, angewandt, bedeutet das z.B., dass nicht alle Mani-

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festationen der Metapher JESU TOD IST EIN KULTISCHES OPFER in einer bestimmten neutestamentlichen Schrift automatisch auch Modifikationen darstellen, obwohl dies natürlich möglich ist. Im Hinblick auf die neutestamentlichen Metaphern vom Tod Jesu fällt insbesondere auf, dass vor allem die Mitvollzugsmetaphern häufig sprachlich variiert werden.22 In Gal 2,19 etwa sagt Paulus zunächst generell, dass er gestorben ist (ਕʌ੼șĮȞȠȞ). Dies wird im folgenden Satz konkretisiert: Er wurde mit Christus gekreuzigt (ıȣȞİıIJĮ઄ȡȦȝĮȚ). Beide V-Terms können demselben semantischen Feld zugeordnet werden, wobei ਕʌȠșȞ૊ıțȦ („sterben“) sowohl als Oberbegriff angesehen werden kann als auch weitaus neutraler konnotiert ist. Dieses Sterben kann auch auf eine natürliche Ursache zurückgeführt werden. Die zweite Verbform hingegen bezeichnet eine konkrete Hinrichtungsart. Auch wenn diese zwangsläufig zum Tod führt, liegt doch eine Fokusverschiebung vor, da die Todesart in den Vordergrund gerückt wird. Dieser Tod wird weitaus brutaler vorgestellt. Gleichzeitig ist die Kreuzigung fest mit Jesu spezifischem Schicksal verbunden, und die Verbindung von Paulus mit Jesu Tod wird nur durch diesen Satz richtig deutlich. Erst in 2,21 wird auch Jesu Tod mit einer Form von ਕʌȠșȞ૊ıțȦ angeführt. Ob man hier von einer Modifikation aufgrund lexikalischer Verwandtschaft ausgeht und die beiden verwendeten Verbformen als synonym ansieht, oder ob sie lediglich auf dasselbe semantische Feld verweisen, ist letztlich von der subjektiven Wahrnehmung der Rezipierenden abhängig. Die Funktion der Modifikation in der Argumentationslinie ist hingegen klar erkennbar: Der generellen Aussage, dass Paulus dem Gesetz gestorben ist, wird die stärkere Metapher beigefügt, die dieses Sterben auf Jesus hin ausrichtet und so erst den Mitvollzug vollständig entfaltet. Eine ähnliche Art der Modifikation des Mitvollzugs, nun allerdings in umfangreicherer Weise, begegnet in Kol 2,12f.20; 3,3. Die Aussagen beziehen sich allesamt auf die Adressierten und deren metaphorisches Sterben, wobei die V-Terms jedoch unterschiedlich ausfallen: ıȣȞIJĮij੼ȞIJİȢ („mitbestattet“; 2,12), ȞİțȡȠȪȢ („tot“ bzw. „Tote“; 2,13), ਕʌİș੺ȞİIJİ („ihr seid gestorben“; 2,20; 3,3). Dabei ist eine Variation der Wortarten insbesondere durch den VTerm von 2,13 zu beobachten. Bemerkenswert ist hier, dass ein ziemlich spezifischer Begriff zu Beginn der Reihe von Modifikationen steht und generelle Begrifflichkeiten folgen, die zudem eine engere Verwandtschaft zueinander aufweisen. Zudem ist es in logischer Hinsicht eigentümlich, dass die Bestattung vor dem Tod erwähnt wird. Der Hinweis auf die Beisetzung scheint hier aber durch den Bezug zur Taufe motiviert zu sein, ähnlich wie in Röm 6.23 Möglicherweise hat die Einführung der Metapher in 2,12 die zusätzliche Er-

22

Vgl. für eine detaillierte Analyse der Mitvollzugsmetaphern mit ihren Wiederholungen und Modifikationen im Römerbrief Abschnitt 2.1.4. 23 S.u., Abschnitt 2.1.4.

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läuterung durch 2,13 hervorgerufen, die das erste Bild nachträglich weiter erklärt. Die Bestattungs- und Todesmetaphern wirken je etwas unterschiedlich, und für mein Empfinden ist die Todesmetapher stärker, obwohl sie weniger bildhaft ist. Dennoch setzt die Bestattung den Tod logisch voraus, weshalb auch 2,12 als Modifikation zu den anderen Versen angesehen werden kann, wenn auch die übrigen Metaphern einander semantisch näherstehen. Eine Modifikation der konzeptuellen Loskaufmetaphorik lässt sich gegebenenfalls in der Apokalypse ausmachen, je nachdem wie man den Konventionalitätsgrad von ȜȪȦ interpretiert. Dieses Verb scheint in Apk 1,5 analog zu ਕȖȠȡȐȗȦ in 5,9 (das offenbar in 14,3f. wieder aufgegriffen wird) zu stehen, was eine aktive Metapher wahrscheinlich macht. In beiden Passagen steht ein expliziter Verweis auf das Blut Jesu, das die Befreiung bzw. den Loskauf möglich macht. Versteht man ȜȪȦ und ਕȖȠȡȐȗȦ in diesen Abschnitten als Quasi-Synonyme, so liegt eine Modifikation aufgrund lexikalischer Verwandtschaft vor. Eine ungewöhnliche Modifikation findet sich in 1Joh 1,7.9. Es lässt sich darüber streiten, ob man hier überhaupt von einer Modifikation sprechen kann, aber meines Erachtens ist dies die zutreffendste Kategorie. Der entscheidende Unterschied zu den anderen hier aufgeführten Metaphern ist jedoch, dass nicht der V-Term der Metaphern modifiziert wird (denn dieser bleibt identisch), sondern die T-Terms, zwischen denen eine enge Verwandtschaft besteht. Das Phänomen rückt also in die Nähe der Multivalenz, aber die T-Terms stehen in derart enger Verbindung, dass die Metaphern eher als Variationen denn als distinkte und unterschiedliche Metaphern wahrgenommen werden. In 1Joh 1,7 heißt es: „Das Blut Jesu, seines Sohns, reinigt uns von jeder Sünde“ (IJઁ ĮੈȝĮ ੉ȘıȠ૨ IJȠ૨ ȣੂȠ૨ Į੝IJȠ૨ țĮșĮȡ઀ȗİȚ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ). In stark paralleler Struktur folgt in V. 9: „er [d.h. Jesus, S.N.-R.] reinigt uns von jeder Ungerechtigkeit“ (țĮșĮȡ઀ıૉ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਕįȚț઀ĮȢ). Dabei sind Jesus und sein Blut stark miteinander verbunden, umso mehr, wenn man von der Vorstellung des Bluts als Sitz des Lebens ausgeht.24 Rezipierenden, die V. 9 hören oder lesen, werden ihn aller Wahrscheinlichkeit nach unter dem Eindruck von V. 7 verstehen und die beiden Metaphern als Modifikationen auffassen. Für sich betrachtet können die einzelnen Aussagen jedoch durchaus unterschiedlich aufgefasst werden. So kann Jesus als Akteur der Reinigung angesehen werden und das Blut als das Mittel, durch das Reinigung erwirkt wird. Eine metonymische Auffassung des Blutes als Verweis auf den Tod generell rückt die beiden Passagen jedoch wieder inhaltlich näher aneinander. Wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt wurde, wird der Tod Jesu im Hebräerbrief stark metaphorisch dargestellt, wobei immer wieder auf dieselben semantischen Felder Bezug genommen wird, wörtliche Wiederholungen aber nur verhältnismäßig selten vorkommen. Daraus folgt, dass Modifikationen in

24

S.o., Abschnitt 4.2.1. des dritten Kapitels.

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dieser neutestamentlichen Schrift häufig vorkommen. Eine leichte Modifikation, die auf einer starken lexikalischen Verwandtschaft der jeweiligen VTerms beruht, wurde bereits erwähnt: Gegenüber Hebr 9,14.25 und den anderen Darbringungsaussagen mit Bezug zu Jesus wird in Hebr 7,27 ਕȞĮijȑȡȦ, nicht ʌȡȠıijȑȡȦ gebraucht, was freilich nur eine minimale Bedeutungsverschiebung bewirkt. Ähnlich wären ȜȪIJȡȦıȚȢ und ਕʌȠȜ઄IJȡȦıȚȢ („Loskauf“/„Erlösung“) in 9,12.15 zu bewerten, wenn man diese als aktive Metaphern auffasst, was angesichts des Kontexts eher unwahrscheinlich ist. Auch hier besteht eine enge lexikalische Verwandtschaft der beiden Begriffe. Beide Fälle ௅ 7,27 zu 9,14.25 und 9,12 zu 9,15 ௅ liegen an der Grenze zur einfachen Wiederholung, da sich allein die Vorsilben unterscheiden. Gerade bei 9,12.15 ist die Modifikation vermutlich allein aufgrund einer sprachlichen Variation innerhalb eines relativ begrenzten Kontextes gegeben. Fasst man (ਕʌȠ)Ȝ઄IJȡȦıȚȢ hier als aktive Metapher, könnte eine zusätzliche Modifikation im Verhältnis zu 2,15 gesehen werden. Der Sachverhalt, der in 9,12.15 in einem Wort ausgedrückt wird, wäre dann an dieser Stelle weiter ausgeführt. Als Bezugspunkte würden vor allem die Form von ਕʌĮȜȜȐııȦ („befreien“) und der Hinweis auf die įȠȣȜİ઀Į („Sklaverei“) dienen, beides Konzepte, die in (ਕʌȠ)Ȝ઄IJȡȦıȚȢ impliziert sein können. Die Modifikation erfolgt dementsprechend aufgrund desselben semantischen Feldes. Nach dieser Lesart würde 2,15 das Bild etablieren, auf das in 9,12.15 auf modifizierte ௅ und das bedeutet vor allem: stark komprimierte ௅ Weise zurückgegriffen wird. Allerdings wurde bereits angemerkt, dass der Gebrauch von (ਕʌȠ)Ȝ઄IJȡȦıȚȢ in diesem Zusammenhang stark konventionalisiert erscheint. Trotzdem ist es natürlich möglich, dass der metaphorische Grundgehalt der Aussage reaktiviert wird, insbesondere, wenn die zugrunde liegende konzeptuelle Metapher bereits zuvor auf andere Weise ausgedrückt wurde. Daneben gebraucht der Hebräerbrief die Begriffe șȣı઀Į („Opfer“) und ʌȡȠıijȠȡȐ („Gabe“/„Opfergabe“) im Grunde austauschbar. Obwohl diese in der Septuaginta-Übertragung der Kultgesetze durchaus klar unterscheidbare termini technici darstellen,25 scheint dies dem Verfasser des Hebräerbriefs nicht bekannt oder für ihn nicht relevant zu sein. Beide Termini stehen nebeneinander im Psalmzitat von Hebr 10,5.8, gemeinsam mit zwei weiteren Opferbegriffen. Die folgende metaphorische Anwendung des Zitats auf Jesus gebraucht zunächst aber nur den Begriff ʌȡȠıijȠȡȐ (10,10). Kurz darauf wird jedoch Jesu Darbringung als „Sündopfer“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ […] șȣı઀ĮȞ, 10,12) bezeichnet, während anschließend wiederum von ʌȡȠıijȠȡȐ die Rede ist (10,14.18). Dabei erscheint vor allem der Ausdruck ʌȡȠıijȠȡ੹ ʌİȡ੿ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ (10,18) eine rein sprachliche Modifikation des Ausdrucks in 10,12 zu sein. Neben den fünf Erwähnungen im zehnten Kapitel fällt der Begriff ʌȡȠıijȠȡȐ sonst nicht im Hebräerbrief. Das Wort șȣı઀Į kommt weitaus häufiger vor, sowohl 25

S.u., Abschnitt 2.1.3.

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zur Beschreibung der kultischen Praktiken der „alten Ordnung“ als auch metaphorisch auf Jesu Schicksal bezogen (vgl. Hebr 5,1; 7,27; 8,3; 9,9.23.26; 10,1.11.26; 11,4; 13,15f.). In 5,1; 8,3 und 9,9 wird es statt mit ʌȡȠıijȠȡȐ mit į૵ȡȠȞ verbunden, jedoch stets im Rückblick auf die Opferungen irdischer Hohepriester. Sieht man ʌȡȠıijȠȡȐ und șȣı઀Į als Modifikationen an, ist es nur naheliegend, die auf Jesus metaphorisch bezogenen ʌȡȠıijȑȡȦ-Formulierungen (Hebr 5,7; 8,3; 9,14.25.28; 10,12 und analog die ਕȞĮijȑȡȦ-Formulierung in 7,27) als weitere Modifikation zu den beiden Termini anzusehen. Während die Verbindung zwischen ʌȡȠıijȑȡȦ und ʌȡȠıijȠȡȐ eindeutig in der lexikalischen Verwandtschaft besteht, ist die Beziehung zwischen ʌȡȠıijȑȡȦ und șȣı઀Į durch dasselbe semantische Feld gegeben und dadurch, dass beide häufig in Kollokationen zusammenstehen. Möglicherweise kann zudem ein Unterschied in der Intensität, mit der die Opfermetaphorik wahrgenommen wird, bei der Verwendung der einzelnen Begriffe ausgemacht werden: Für mein Empfinden drückt ʌȡȠıijȑȡȦ die Opfermetaphorik weitaus vorsichtiger aus als etwa das Substantiv șȣı઀Į, das deutlicher die rituelle Tötung von Tieren impliziert. Es ist jedoch zu fragen, inwieweit zeitgenössische Lesende und Hörende dies ebenso wahrgenommen haben. Generell erzielen aber Substantivmetaphern häufig eine stärkere Wirkung als Verbmetaphern. Geht man davon aus, so wäre der Gebrauch von Genitivmetaphern mit den Substantiven șȣı઀Į (ab 9,26) und ʌȡȠıijȠȡȐ (ab 10,10) die deutlichere Form der konzeptuellen Metapher JESU TOD IST EIN OPFER, die aber durch vorausgehende weniger starke Manifestationen mit ʌȡȠıijȑȡȦ vorbereitet wird und sich mit diesen abwechselt. Auch die konzeptuelle Reinigungsmetapher wird im Hebräerbrief auf verschiedene Weise ausgedrückt. Sieht man auch in Hebr 1,3 einen Bezug zum Tod Jesu, so wird die Reinigung hier durch das Substantiv țĮșĮȡȚıȝȩȢ ausgedrückt, während in der deutlich auf Christi Sterben bezogenen Aussage in 9,14 das Verb țĮșĮȡȓȗȦ („reinigen“) verwendet wird. Dies ist nur eine geringfügige Modifikation aufgrund lexikalischer Verwandtschaft. Zusätzlich relevant ist aber der Ausdruck ȜİȜȠȣıȝ੼ȞȠȚ IJઁ ı૵ȝĮ ੢įĮIJȚ țĮșĮȡ૶ („gewaschen am Leib mit reinem Wasser“), wobei das Adjektiv țĮșĮȡȩȢ wiederum in lexikalischer Verwandtschaft zu țĮșĮȡȚıȝȩȢ bzw. țĮșĮȡȓȗȦ steht, das Verb ȜȠȪȦ („waschen“) jedoch zusätzlich eine enge semantische Verbindung mit diesen Begriffen aufweist. Die Metapher in 10,22 führt die bereits etablierte Reinigungsmetapher somit auf bildhafte Weise aus. Da hier durch verschiedene Begriffe („waschen“ ௅ „Wasser“ ௅ „rein“) auf dasselbe semantische Feld rekurriert wird, wird die Metaphorizität der Aussage deutlicher als in den anderen Nennungen der Reinigungsmetapher. Auch andere Einzelmetaphern mit Bezug zum Tod Jesu werden im Hebräerbrief modifiziert. So scheinen die metaphorischen Bezeichnungen Jesu als „Anführer“ (ਕȡȤȘȖȩȢ; 2,10; 12,2) und „Vorläufer“ (ʌȡȩįȡȠȝȠȢ; 6,20, im Neuen Testament nur hier) einen sehr ähnlichen Ground zu besitzen und ähnlich semantisch konnotiert zu sein. Eventuell ebenfalls als Modifikation anzusehen

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ist die Charakterisierung Jesu als „Mittler des Bundes“ (įȚĮș੾țȘȢ ȝİı઀IJȘȢ) in 8,3; 9,15 und 12,24 auf der einen Seite und als „Bürge“ (਩ȖȖȣȠȢ) des Bundes in 7,22 auf der anderen Seite. Beides greift auf den gleichen Bedeutungshintergrund des Bundesschlusses zurück und in beiden Fällen wird deutlich, dass Jesus für die Menschen eintritt. Dennoch gibt es auch eine Sinnverschiebung: Während 7,22 die Sicherheit und Verlässlichkeit des Bundes betont, wird in den anderen Stellen eher die Rolle Jesu als vermittelnde Instanz in den Vordergrund gerückt. Insgesamt zeigt sich im Hebräerbrief ௅ wie auch in den anderen neutestamentlichen Schriften ௅ dass Modifikationen hauptsächlich dazu genutzt werden, auf eine bestimmte (konzeptuelle) Metapher kontinuierlich Bezug zu nehmen, ohne dass dabei ständige wörtliche Wiederholungen vorkommen. Durch die Modifikationen kann dabei aber auch eine leichte Erweiterung und Verschiebung des Aussagefokus entstehen. 2.1.3. Exemplarische Analyse der Metaphernmodifikation in Eph 5,2 Die Aussage ੒ ȋȡȚıIJઁȢ […] ʌĮȡ੼įȦțİȞ ਦĮȣIJઁȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ ʌȡȠıijȠȡ੹Ȟ țĮ੿ șȣı઀ĮȞ („Christus […] hat sich selbst für uns hingegeben als Gabe und Opfer“) kann als eine prototypische Modifikation angesehen werden. Der T-Term ਦĮȣIJȩȞ („sich selbst“), der eng mit dem Subjekt des Satzes, Christus, verbunden ist, wird durch die zwei V-Terms ʌȡȠıijȠȡȐȞ („Gabe“/„Opfergabe“) und șȣı઀ĮȞ („Opfer“) näher beschrieben, die nur durch eine Konjunktion miteinander verbunden werden, beide der gleichen Wortart angehören und aus demselben semantischen Feld stammen. Der Aussage wird somit besonderes Gewicht gegeben. Sie steht zudem an einer zentralen Stelle innerhalb des paränetischen Briefteils, weshalb ein Blick auf den Kontext lohnenswert ist. In vielen Kommentaren wird die syntaktische Einheit Eph 5,1–2 dem vorherigen Abschnitt von Ermahnungen ab 4,25 zugeordnet.26 Allerdings ist diese Gliederung keinesfalls eindeutig: „The two verses form either the climax of the preceding section, 4:17–32, or the headline for all that follows in 5:3ff. In either case they occupy a central position among the admonitions contained in the larger context, 4:17–6:9.“27 Dementsprechend ist es überzeugend, die beiden Verse nach Sellin als „Achse des ganzen paränetischen Briefteils“ (zu dem Sellin auch 4,1–16 rechnet) und damit „auch inhaltlich als Fundierung der ganzen 26

Vgl. z.B. POKORNÝ, PETR, Der Brief des Paulus an die Epheser (Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 10.2), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 1992, 190– 193; HAHN, EBERHARD, Der Brief des Paulus an die Epheser (Wuppertaler Studienbibel: Ergänzungsfolge der Reihe Neues Testament), Wuppertal: Brockhaus 1996.123–132; LINDEMANN, ANDREAS, Der Epheserbrief (Zürcher Bibelkommentare. NT 8), Zürich: Theologischer Verlag 1985, 87–91. 27 BARTH, MARKUS, Ephesians. Translation and Commentary on Chapters 4–6. (The Anchor Bible 34.A), Garden City, N.Y.: Doubleday 1974, 585.

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Paränese“28 anzusehen. Dafür könnte auch sprechen, dass das im Epheserbrief dominante Motiv der Liebe hier gleich drei Mal erwähnt wird29 ௅ auch als Deutungshorizont des Todes Jesu wird der Hinweis auf seine Liebe der Hingabe als Opfer vorausgestellt. In den Imperativen, die die erste Satzhälfte dominieren und an die die Deutung des Todes Jesu angeschlossen wird, wird die Liebe zwei Mal erwähnt. Sie bezieht sich hier auf Gott ௅ der die Menschen wie Kinder liebt ௅ und die Adressierten, die zur mitmenschlichen Liebe aufgefordert werden: „Werdet also Nachahmer Gottes als geliebte Kinder und wandelt in der Liebe“ (ī઀Ȟİıșİ Ƞ੣Ȟ ȝȚȝȘIJĮ੿ IJȠ૨ șİȠ૨ ੪Ȣ IJ੼țȞĮ ਕȖĮʌȘIJ੹ țĮ੿ ʌİȡȚʌĮIJİ૙IJİ ਥȞ ਕȖ੺ʌૉ). Hieran schließt sich der Vergleich mit Christi Liebe und Hingabe an. Strukturell treten somit drei Akteure auf (Gott, die Gemeinde, Christus), die alle mit einem Ausdruck der Liebe in Verbindung gebracht werden. Die Gemeindemitglieder stehen dabei in einem doppelten Appell zur Nachahmung: Sie sollen einerseits Gott nachahmen ௅ zumindest in Verwendung der MimesisTerminologie ist dies die einzige derartige neutestamentliche Aussage30 ௅ andererseits wird ihnen Christi Handeln als vorbildhaft dargestellt. Somit stehen die Gläubigen zwischen Gott und Christus.31 Die grundlegende syntaktische Struktur von Eph 5,1–2 ist mit der des direkt vorausgehenden Satzes in 4,32 identisch.32 In beiden Fällen liegt der Imperativ Ȗ઀Ȟİıșİ („werdet“) und ein Vergleich durch țĮșઅȢ țĮȓ („wie auch“) vor. Der Vergleich in 4,32 ist jedoch nur zweigliedrig, da die Adressierten hier dazu aufgerufen werden, zu vergeben, wie Gott ihnen vergeben hat. Doch auch hier ist Christus indirekt beteiligt, da Gottes Vergebung „in Christus“ (ਥȞ ȋȡȚıIJ૶) geschieht. Die parallele Struktur der beiden Sätze kann dazu verleiten, das in 5,2 beschriebene Opfer Christi vor dem Hintergrund von 4,32 zu lesen, also davon auszugehen, dass dieses Opfer der Vergebung Gottes mit den Menschen diente. Allerdings ist es meines Erachtens treffender, den Parallelismus als stilistisch bedingt anzusehen und die beiden Sätze ansonsten weitestgehend unabhängig voneinander zu lesen. Eph 5,1–2 drückt generalisierend und allumfassend das aus, was in 4,32 bereits in einem konkreteren Zusammenhang angedacht wurde. Der țĮșઅȢ-țĮȓ-Satz aus Eph 4,32 findet sich teilweise wortgleich in Kol 3,13b, woraus er übernommen wurde.33 Der Autor des Epheserbriefs hat diese Wendung dann dreifach verwendet, neben den schon genannten 28 SELLIN, GERHARD, Imitatio Dei. Traditions- und religionsgeschichtliche Hintergründe von Eph 5,1–2, in: Jan Kerkovský (Hg.), EPITOAUTO. Studies in Honour of Petr Pokorný on His Sixty-Fifth Birthday, Prag: Mlyn 1998, 298–313. Hier: 298. 29 Vgl. a.a.O. 298f. 30 Vgl. a.a.O. 301. 31 Vgl. auch GARUTI, PAOLO, La cohérence des images sacrificielles dans l’epître aux Éphésiens (Ep 2,16; 5,2), in: Revue Biblique 122 (2015), 592–608. Hier: 603. 32 Vgl. SELLIN, Imitatio Dei, 299. 33 Vgl. SELLIN, GERHARD, Der Brief an die Epheser (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament 8), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, 380f.

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Stellen nochmals in Eph 5,25b, mit großen Nähen zu Eph 5,2, aber ohne die dort verwendeten Metaphern. Während dem in Eph 5,1–2 ausgedrückten Gedanken der imitatio Dei in der exegetischen Forschung verhältnismäßig viel Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, wird die darin eingebettete und sie begründende Metaphernmodifikation weniger stark beachtet. Zunächst steht diese ganz offensichtlich im Zusammenhang einer (Selbst-)Hingabeformel, wie sie ௅ ohne explizite Opfermetaphorik ௅ häufig in neutestamentlichen Schriften begegnet.34 Der Verfasser greift offenbar auf die paulinische Gestalt dieser Formel zurück, wie sie insbesondere im Galaterbrief zu finden ist.35 Dort wird sie in Gal 2,20 auch mit der Liebe Jesu verbunden.36 Die beiden Akkusative ʌȡȠıijȠȡȐȞ und șȣı઀ĮȞ stehen als Artbestimmungen des Akkusativobjekts und nehmen damit eine ganz ähnliche Funktion ein wie ȜȪIJȡȠȞ („Lösegeld“) in Mk 10,45.37 So wie dort ist auch hier durch die Satzstellung eine einfache Gleichsetzung von T-Term und VTerm möglich, wodurch die Aussage analog zu einer Kopula-Metapher verarbeitet werden kann. Die Metaphernmodifikation ist insoweit nicht gänzlich auf die innovative Leistung des Epheserbriefs zurückzuführen, als das Nebeneinander von ʌȡȠıijȠȡȐ und șȣı઀Į auch in der Septuaginta stellenweise begegnet, so etwa in Ps 40,7 (Ps 39,7 LXX), der auch in Hebr 10,5.8 zitiert wird. Allerdings ist hier die Reihenfolge der beiden Begriffe vertauscht. Zudem stehen sie in Verbindung mit der Nennung zweier weiterer Opferarten. Dabei wird jedoch, wie im Zitat des Hebräerbriefs betont, dargelegt, dass Gott diese Opfer gar nicht will, sondern stattdessen das lyrische Ich zum richtigen Hören bewegt. Während dies in Hebr 10 aufgearbeitet wird, bleibt in Eph 5,2 eine inhaltliche Diskrepanz, wenn man von einem Zitat aus Ps 40 ausgeht. Neben der angeführten können noch einige weitere Septuaginta-Stellen zur Kombination von ʌȡȠıijȠȡȐ und șȣı઀Į aufgeführt werden, doch auch hier entspricht die Abfolge der von Ps 40: Auch in Dan 3,38/Od 7,38 (jeweils Septuaginta-Zählung) stehen die Begriffe im Zusammenhang einer Aufzählung von Opferarten (deren Darbringung derzeit nicht möglich ist), die sich allerdings nicht gänzlich mit der aus Ps 40 deckt. Ohne Verweis auf weitere Opferarten tritt die Kombination im Rundbrief Nebukadnezzars in Dan 4,37b (LXX) auf. In Sir 34,18 und 35,1 (LXX) wird ʌȡȠıijȠȡȐ mit dem Verb șȣıȚȐȗȦ verbunden, das entsprechende Substantiv fällt hingegen nicht. Lediglich in 1Esr 5,51 stehen die beiden Termini in der Reihenfolge von Eph 5,2, aber nicht in derart enger Verbindung. Zudem werden die mit dem Begriff șȣı઀Į beschriebenen Opfer hier durch Ge-

34

S.o., Abschnitt 4.2.4. des dritten Kapitels. Vgl. SELLIN, Epheser, 388. 36 Vgl. ebd. 37 Vgl. ebd. 35

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

nitivattribute näher bestimmt. Es zeigt sich somit, dass die Verbindung der Begriffe ʌȡȠıijȠȡȐ und șȣı઀Į, die hier die Modifikation konstituiert, zwar Anklänge an einzelne Septuaginta-Passagen aufweist, jedoch keineswegs ein direktes Zitat auszumachen ist. Die hebräischen Begrifflichkeiten, die in der Septuaginta-Fassung von Ps 40,7 wiedergegeben werden, sind ʧ ʔʡʓʦ (zæva‫ )ۊ‬für șȣı઀Į und ʤ ʕʧ ʍʰʮʑ (min‫ۊ‬Ɨh) für ʌȡȠıijȠȡȐ. Diese hebräischen Termini bezeichnen in den kultischen Vorschriften der Tora sehr unterschiedliche Opferarten: Mit ʧ ʔʡʓʦ wird ein Schlachtopfer bezeichnet, für das die Tötung eines Opfertiers konstitutiv ist.38 Das ʤ ʕʧ ʍʰʮʑ als „Speiseopfer“ dagegen besteht aus Mehl und Öl bzw. Erzeugnissen daraus (vgl. Lev 2). Es wird teilweise in Verbindung mit Tieropfern dargebracht (vgl. Num 15;28). Daneben begegnet der Begriff stellenweise auch, um generell Gaben für Gott zu beschreiben (vgl. 2Chr 32,23).39 Wenn man den Hintergrund dieser beiden Termini betrachtet, wird die Modifikation in gewisser Weise relativiert: Es handelt sich noch immer in beiden Fällen um Gaben, die für Gott bestimmt sind. Beide stammen aus demselben semantischen Feld und haben eine sehr ähnliche Funktion. Allerdings ist der Charakter der einzelnen Gaben sehr unterschiedlich. Metaphorisch auf Christus übertragen können die beiden Elemente darauf hinweisen, dass er nicht nur ein einfaches Opfer dargebracht hat, nicht nur eine einzelne Opferart abdeckt, sondern dass sein Tod als umfassende Opferung angesehen werden muss, in der ganz unterschiedliche Opfergaben präsent waren. Allerdings ist fraglich, ob diese Unterscheidung der Opferarten dem neutestamentlichen Verfasser auf der Grundlage der griechischen Termini überhaupt bewusst war. Barth geht davon aus, dass bereits im Exil die Grenze zwischen blutigen und unblutigen Opfern zunehmend terminologisch verschwommener wurde und folgert daraus: „It is probable that the same is true of Eph 5:2, and that the technical meaning of the two terms was forgotten.“40 Dies gilt zumindest für die Verwendung der Begriffe șȣı઀Į und ʌȡȠıijȠȡȐ im Hebräerbrief, die hier offenbar austauschbar gebraucht werden, was vor allem durch den Wechsel der Termini in Hebr 10,10–14 deutlich wird. Auch laut Louw und Nida lässt sich im neutestamentlichen Gebrauch kaum ein Unterschied zwischen den beiden Worten finden: ʌȡȠıijȠȡȐ ist „that which is offered to God in religious activity“,41 șȣı઀Į ist „that which is offered as a sacrifice“.42 Der Epheserbrief gibt an dieser Stelle keinen Hinweis darauf, wie die beiden Begriffe aufzufassen sind und inwieweit zwischen ihnen unterschieden 38

Vgl. DAHM, Opfer, Abschn. 3.12. Vgl. a.a.O. Abschn. 3.15. 40 Vgl. BARTH, Ephesians, 558. Barth geht von ʤʕʬˣʲ (‘ôlƗh), dem Brandopfer, als hebräischem Äquivalent zu șȣı઀Į aus. Dies passt nicht zur Verwendung der Begriffe in Ps 40. Auf die grundsätzliche Unterscheidung der Termini wirkt es sich jedoch kaum aus, da auch Brandopfer Tieropfer sind. 41 LOUW/NIDA, Lexicon, 534 (53.16). 42 Ebd. 39

2. Arten von Metaphernkombinationen

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werden muss, so dass sie auch hier als Quasi-Synonyme aufgefasst werden können. In dem Fall kann man die Modifikation als auf lexikalischer Verwantschaft beruhend ansehen. Werden damit hingegen unterschiedliche Opferarten beschrieben, ist von einer Modifikation aufgrund der Zugehörigkeit zum selben semantischen Feld auszugehen. Es ist zudem auffällig, dass die Opfermetaphorik im Epheserbrief nur an dieser Stelle vorkommt43 und daher auch der Kontext keine weiteren Deutungshinweise gibt. Somit wirkt Eph 5,2, vor allem in der Vehemenz, mit der die Metapher hier ausgedrückt wird, etwas deplatziert. Es ist eine Aussage, die eher vom Hebräerbrief zu erwarten wäre, zumal dort mit dem Zitat aus Ps 40,7 dezidiert ein Bezugspunkt gegeben ist. Ob hier eine Verbindung besteht, etwa durch die Aufnahme einer gemeinsamen Tradition, lässt sich aber nicht sagen.44 Die Metapher ist hier möglicherweise deshalb so stark formuliert, weil sie den Auftakt einer besonders eindrücklichen und generell formulierten Paränese bildet, in der die Adressierten als „Kinder des Lichts“ (V. 8) bezeichnet werden. Die Kindschaftsmetapher wird schon in V. 1 eingeführt, wo die Nachahmung Gottes hervorgehoben wird, die bereits in 4,32 anklingt. Auch in V. 2 ist die Vorbildfunktion Christi maßgeblich, die seine Hingabe motiviert. Hier soll offenbar ௅ im wahrsten Sinne des Wortes ௅ zu Opferbereitschaft aufgerufen werden, wobei weniger konkrete Leiderfahrungen im Vordergrund stehen als die Ausrichtung des gesamten Lebensvollzugs auf das, was gottgefällig ist. Dieser Lebenswandel wird in V. 3 im Horizont der Heiligkeit dargestellt, was vielleicht das Aufkommen der vorherigen Kultmetapher zusätzlich erklären kann. Die Metapher endet jedoch nicht mit den beiden die Modifikation bildenden V-Terms, sondern wird durch einen präpositionalen Ausdruck noch weiter fortgeführt und somit verstärkt: Jesu Gabe und Opfer ist „für Gott zu einem Duft von Wohlgeruch“ (IJ૶ șİ૶ İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ).45 Auch dieser Ausdruck nimmt die Sprache der jüdischen Heiligen Schriften auf, nun aber im direkten Zitat: „Das Syntagma ੑıȝ੽ İ੝Ȧį઀ĮȢ begegnet in der Septuaginta 51mal ௅ 22mal in der stereotypen Opferzweckbestimmung İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ (IJ૶) țȣȡȓ૳. T૶ țȣȡȓ૳ wird in Eph 5,2 durch IJ૶ șİ૶ ersetzt.“46 Der Gedanke, dass der Geruch von Brandopfern mit dem Rauch aufsteigt, von Gott wahrgenommen wird und dazu führt, dass dieser gnädig gestimmt wird, findet sich bereits in der NoahErzählung (Gen 8,21). In den Kultgesetzen gerät das „Riechen“ des Dufts 43

Garutis Versuch, auch in Eph 2,16 einen spezifischen Opferritus als Deutungshintergrund zu rekonstruieren, überzeugt wenig. (Vgl. GARUTI, Cohérence.) In Eph 2,16 liegt eine Metapher vor, eine kultische Ausdeutung wird hier jedoch nicht explizit nahegelegt. 44 Vgl. auch LINDEMANN, Epheserbrief, 90. 45 Die Übersetzung ist im Deutschen glücklicher, wenn der Genitiv adjektivisch übersetzt wird: „zu einem angenehmen/lieblichen Geruch“. (Vgl. auch SELLIN, Epheser, 389.) In dieser Gestalt findet sich der Vers auch in den meisten deutschen Bibelübersetzungen. 46 Ebd.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

durch Gott eher in den Hintergrund und der Hinweis auf den Wohlgeruch dient eher dazu, zu signalisieren, dass das Opfer auf Gott ausgerichtet ist und dass er es annimmt.47 „Schon im Alten Testament ist dieses Bild zum Epitheton eines inhaltlich gottgefälligen Opfers geworden“.48 Die Phrase İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ steht in der Septuaginta häufig in Verbindung mit dem als ੒ȜȠțĮȪIJȦȝĮ bzw. ੒ȜȠțĮȪIJȦıȚȢ bezeichneten Brandopfer, sie begegnet aber auch etwa in Num 15 im Kontext der Speiseopfer. Ohne die Präposition İੁȢ wird die Wendung ferner mit șȣı઀Į verbunden, so z.B. in Lev 1,9.13.17; 2,2; 6,14; 23,13.18 u.ö. Im Neuen Testament begegnet sie ausschließlich in metaphorischen Zusammenhängen. Neben Eph 5,2 bezeichnet Paulus in Phil 4,18 die Kollekte als „einen Duft von Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, wohlgefällig vor Gott“ (ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ, șȣı઀ĮȞ įİțIJ੾Ȟ, İ੝੺ȡİıIJȠȞ IJ૶ șİ૶). Daneben fallen die Begriffe ੑıȝȒ und İ੝ȦįȓĮ ௅ der erstgenannte mehrfach ௅ in 2Kor 2,14–16, stehen hier jedoch nicht in Verbindung miteinander.49 An dieser Stelle werden unter anderem die Gläubigen als Wohlgeruch Christi bezeichnet (ȋȡȚıIJȠ૨ İ੝Ȧį઀Į ਥıȝ੻Ȟ IJ૶ șİ૶), eine explizite Opfermetaphorik liegt hingegen nicht vor. Der Verweis auf Jesu Wohlgeruch in Eph 5,2 macht die Opfermetaphorik noch deutlicher und gestaltet sie bildhaft aus. Es muss durch diese Phrase allerdings nicht zwingend auf ein Brandopfer als Deutungshintergrund geschlossen werden, obwohl sich dies zunächst nahelegt. Vielmehr erscheint es so, dass İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ als verhältnismäßig stark konventionalisierter Ausdruck auf Gottes Wohlgefallen hinweisen soll. Er betont gleichzeitig, dass Opfer keine automatische Wirkung erzielen, denn: „sacrifice as such is no more than an offer. Unless God accepts what is offered, it does not fulfill ist purpose. Its success depends totally on him to whom it is brought. God is not bribed“.50 Somit wird die Metaphorik durch İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ verstärkt und zugleich wird betont, dass das Opfer Christi im Einvernehmen mit dem Willen Gottes geschah. Christus hat sich nicht nur selbst dargebracht. Diese Darbringung hat eine Wirkung auf das Gott-Mensch-Verhältnis. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Gebrauch der Modifikation an dieser Stelle zusätzlich zur Weiterführung der Metapher durch İੁȢ ੑıȝ੽Ȟ İ੝Ȧį઀ĮȢ dazu dient, das Bild besonders deutlich hervorzuheben ௅ nicht umsonst nennt Garuti diese Metapher im Eph „la plus vaste et la plus parlante“.51 Sie wird durch die Modifikation auf engem Raum und auf dichte Weise ausgeführt, obwohl es sich eher um eine Zwischenbemerkung innerhalb des paränetischen Abschnitts handelt. Gerade aufgrund der Deutlichkeit der Metapher wird diese

47

Vgl. LINDEMANN, Epheserbrief, 90. POKORNÝ, Epheser, 197. 49 Vgl. auch SELLIN, Epheser, 389. 50 BARTH, Ephesians, 559. 51 GARUTI, Cohérence, 603. 48

2. Arten von Metaphernkombinationen

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Zwischenbemerkung aber zur Grundlage der gesamten Ausführungen und damit zur Achse der Paränese. Gleichzeitig wird durch die verschiedenen Bestandteile der metaphorischen Aussage deutlich, dass Bezug auf die jüdischen Heiligen Schriften genommen wird, ohne dass dabei aber ein konkretes wörtliches Zitat erkennbar ist. Wie Sellin deutlich macht, liegt in Eph 5,1–2 „ein Kondensat von Traditionen, die sich auch sonst im Corpus Paulinum finden“,52 hier jedoch auf ungewöhnliche Weise verknüpft werden, vor. Der Verfasser spielt mit der Hingabeformulierung und der Opfermetaphorik, die er durch Termini der Septuaginta ausbreitet. Die Metapher ist auch dadurch im Epheserbrief dominant, weil Teile von Eph 5,2 beinahe wortgleich in 5,25 wiederholt werden, nämlich der Verweis auf Jesu Liebe und seine Selbsthingabe, der auch hier durch țĮșઅȢ țĮȓ eingeleitet wird, nun jedoch in einem konkreteren paränetischen Kontext steht. Die Opfermetaphorik fehlt dabei bzw. wird durch Reinigungsmetaphorik ersetzt. Dass Jesu Hingabe aber als Opfer verstanden werden soll, legt sich aufgrund der deutlichen Metaphorik in der vorausgegangenen Passage nahe, die auch hier nachklingt. 2.1.4. Metaphernwiederholungen und -modifikationen in Röm 6,1–11 Der Abschnitt Röm 6,1–1153 ist einer der neutestamentlichen Texte, in denen die meisten Wiederholungen und Variationen vorliegen. Dies wurde dem Abschnitt durch Jülicher sogar zum Vorwurf gemacht: „Nirgends im Römerbrief

52

SELLIN, Imitatio Dei, 300. Sowohl in Bibelausgaben als auch in exegetischen Auseinandersetzungen ist umstritten, ob ein Ende des Abschnitts in V. 11 oder V. 14 anzusetzen ist. Generell ist Haacker zuzustimmen, der „die erneute rhetorische Frage in V. 15 als das stärkere Gliederungssignal, verglichen mit dem resümierenden, zu einer Mahnung überleitenden Ƞ੣Ȟ in V. 12“ sieht. (HAACKER, KLAUS, Der Brief des Paulus an die Römer [Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 6], Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 32006, 141 Fn 9.) Die Verse 12–14 sind eine paränetische Folgerung des vorherigen Gedankengangs, wie bereits in V. 11 angedeutet wird. Sie gehören inhaltlich eher zu 6,1–11 als zu den anschließenden Ausführungen ab V. 15, setzen aber dennoch einen anderen Schwerpunkt. (Vgl. auch SCHMITHALS, WALTER, Der Römerbrief, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1988, 185; WILCKENS, ULRICH, Der Brief an die Römer. 2. Teilband: Röm 6–11 [Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament 6.2], Zürich/Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 31993, 7f.) Die Mehrheit der Exegetinnen und Exegeten betont, dass es sich bei 6,1–11 um einen geschlossenen Gedankengang handelt. Da in diesem die relevanten Metaphernwiederholungen und -modifikationen vorkommen, wird an dieser Stelle eine Zäsur vorgenommen, wohl wissend, dass die paränetische Anwendung noch nicht abgeschlossen ist und dass auch in den folgenden Versen semantische Bezüge zum Vorherigen bestehen. Diese sind vor allem der Verweis auf die Herrschaft der Sünde im sterblichen Leib (ȕĮıȚȜİȣ੼IJȦ ਲ ਖȝĮȡIJ઀Į ਥȞ IJ૶ șȞȘIJ૶ ਫ਼ȝ૵Ȟ ıઆȝĮIJȚ, V. 12) und die Bezeichnung der Adressierten als „aus Toten Lebende“ (ਥț Ȟİțȡ૵Ȟ ȗ૵ȞIJĮȢ, V. 13), die durch ੪ıİȓ („als ob“) abgeschwächt wird und auf die vorherigen Metaphern rückverweist. Durch den paränetischen Fokus ist nun jedoch nicht mehr der 53

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

so viele Worte über die gleiche Sache, ein so unklarer Fortschritt der Gedanken wie in Kapitel 6“.54 Die neuere Forschung geht hingegen mit Recht davon aus, dass die „vielen Worten über die gleiche Sache“ eher als rhetorisches Mittel dazu dienen, den von Paulus hier vorgebrachten Gedankengang besonders zu unterstreichen. Aufgrund der Komplexität des Textabschnitts, ist es sinnvoll, diesen zunächst vollständig wiederzugeben. 1

ȉ઀ Ƞ੣Ȟ ਥȡȠ૨ȝİȞ; ਥʌȚȝ੼ȞȦȝİȞ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺, ੆ȞĮ ਲ Ȥ੺ȡȚȢ ʌȜİȠȞ੺ıૉ;

2

ȝ੽ Ȗ੼ȞȠȚIJȠ. Ƞ੆IJȚȞİȢ ਕʌİș੺ȞȠȝİȞ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺, ʌ૵Ȣ ਩IJȚ ȗ੾ıȠȝİȞ ਥȞ Į੝IJૌ;

3

ਲ਼ ਕȖȞȠİ૙IJİ ੖IJȚ, ੖ıȠȚ ਥȕĮʌIJ઀ıșȘȝİȞ İੁȢ ȋȡȚıIJઁȞ ੉ȘıȠ૨Ȟ, İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ Į੝IJȠ૨ ਥȕĮʌIJ઀ıșȘȝİȞ; ıȣȞİIJ੺ijȘȝİȞ Ƞ੣Ȟ Į੝IJ૶ įȚ੹ IJȠ૨ ȕĮʌIJ઀ıȝĮIJȠȢ İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ, ੆ȞĮ ੮ıʌİȡ ਱Ȗ੼ȡșȘ ȋȡȚıIJઁȢ ਥț Ȟİțȡ૵Ȟ įȚ੹ IJોȢ įંȟȘȢ IJȠ૨ ʌĮIJȡંȢ, Ƞ੢IJȦȢ țĮ੿ ਲȝİ૙Ȣ ਥȞ țĮȚȞંIJȘIJȚ ȗȦોȢ ʌİȡȚʌĮIJ੾ıȦȝİȞ. İੁ Ȗ੹ȡ ı઄ȝijȣIJȠȚ ȖİȖંȞĮȝİȞ IJ૶ ੒ȝȠȚઆȝĮIJȚ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ Į੝IJȠ૨, ਕȜȜ੹ țĮ੿ IJોȢ ਕȞĮıIJ੺ıİȦȢ ਥıંȝİșĮā

4

5

6

7 8

9

10

IJȠ૨IJȠ ȖȚȞઆıțȠȞIJİȢ ੖IJȚ ੒ ʌĮȜĮȚઁȢ ਲȝ૵Ȟ ਙȞșȡȦʌȠȢ ıȣȞİıIJĮȣȡઆșȘ, ੆ȞĮ țĮIJĮȡȖȘșૌ IJઁ ı૵ȝĮ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ, IJȠ૨ ȝȘț੼IJȚ įȠȣȜİ઄İȚȞ ਲȝ઼Ȣ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ā ੒ Ȗ੹ȡ ਕʌȠșĮȞઅȞ įİįȚțĮ઀ȦIJĮȚ ਕʌઁ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ. İੁ į੻ ਕʌİș੺ȞȠȝİȞ ıઃȞ ȋȡȚıIJ૶, ʌȚıIJİ઄ȠȝİȞ ੖IJȚ țĮ੿ ıȣȗ੾ıȠȝİȞ Į੝IJ૶, İੁįંIJİȢ ੖IJȚ ȋȡȚıIJઁȢ ਥȖİȡșİ੿Ȣ ਥț Ȟİțȡ૵Ȟ Ƞ੝ț੼IJȚ ਕʌȠșȞ૊ıțİȚ, ș੺ȞĮIJȠȢ Į੝IJȠ૨ Ƞ੝ț੼IJȚ țȣȡȚİ઄İȚ. ੔ Ȗ੹ȡ ਕʌ੼șĮȞİȞ, IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ ਕʌ੼șĮȞİȞ ਥij੺ʌĮȟā ੔ į੻ ȗૌ, ȗૌ IJ૶ șİ૶.

Was sollen wir nun sagen? Sollen wir in der Sünde bleiben, damit sich die Gnade vermehrt? Niemals! Wie sollen wir, die wir der Sünde gestorben sind, noch in ihr leben? Oder seid ihr in Unkenntnis darüber dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, auf seinen Tod getauft sind? Wir sind also mit ihm bestattet durch die Taufe auf den Tod, damit, wie Christus auferstanden ist aus Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln. Denn wenn wir Zusammengewachsene geworden sind in der Gleichheit seines Todes, dann werden wir es aber auch in der Auferstehung sein. Und wir wissen dies, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt wurde, damit der Leib der Sünde abgeschafft wird, so dass wir der Sünde nicht mehr dienen. Denn der, der gestorben ist, ist von der Sünde freigesprochen. Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Und wir wissen, dass Christus, der von den Toten auferstanden ist, nicht mehr stirbt, sein Tod nicht mehr herrscht. Denn was gestorben ist, ist er einmalig der Sünde gestorben; was er aber lebt, lebt er für Gott.

Mitvollzug des Todes Jesu dominant. In V. 12–14 wird hingegen die konzeptuelle Vorstellung der Sünde als eine personifizierte über Menschen herrschende Macht, die bereits in V. 6 angedeutet wurde, weiter ausgeführt. 54 Zitiert in: WILCKENS, Römer 2, 7 Fn 3.

2. Arten von Metaphernkombinationen 11

o੢IJȦȢ țĮ੿ ਫ਼ȝİ૙Ȣ ȜȠȖ઀ȗİıșİ ਦĮȣIJȠઃȢ [İੇȞĮȚ] ȞİțȡȠઃȢ ȝ੻Ȟ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ ȗ૵ȞIJĮȢ į੻ IJ૶ șİ૶ ਥȞ ȋȡȚıIJ૶ ੉ȘıȠ૨.

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So auch ihr: Beachtet, dass ihr zwar für die Sünde tot seid, für Gott aber in Christus Jesus lebt.

Die sechs zentralen Metaphern, die den Mitvollzug der Gläubigen ausdrücken, sind hier durch Fettdruck hervorgehoben. Dabei sind teilweise wörtliche Wiederholungen, teilweise Modifikationen in unterschiedlichem Ausmaß erkennbar. Es handelt sich bei den hervorgehobenen aber keineswegs um die einzigen Metaphern im entsprechenden Abschnitt, sondern diese sechs Metaphern interagieren mit weiteren Aussagen, die als metaphorisch erkennbar oder zumindest deutbar sind. Zum Teil besteht zusätzlich eine Interaktion mit der wörtlichen Ebene einzelner Begriffe, die Bestandteile der Hauptmetaphern sind. Daher ist eine allgemeine Analyse der Passage erforderlich. Zunächst ist erkennbar, dass mit 6,1 insgesamt ein neuer Gesamtabschnitt beginnt, der sich in stilistischen Veränderungen widerspiegelt: „Die durchschnittliche Wortzahl pro Satz sinkt drastisch. Mehrfach taucht wieder die Frageform auf. Beides deutet auf Diskussionsstil, während 5,12–21 mehr den Eindruck eines monologischen Redeflusses macht.“55 Wolter erkennt im gesamten Abschnitt bis 8,39 einige Leitwörter und -motive, darunter den Verweis auf die Sünde und ihren metaphorischen Zusammenhang mit Sklaverei sowie den Gegensatz von Tod und Leben, der in 6,1–11 besonders dominant ist.56 Trotz dieser Abgrenzung besteht inhaltlich ein enger Zusammenhang mit Kap. 5.57 Der in Röm 6,1 formulierte Einwand in Frageform greift auf Paulus’ Aussage, dass durch das Gesetz die Sünde zunahm, damit sich auch die Gnade vermehrte, zurück. Hierzu gibt es Entsprechungen in einigen zentralen Schlagworten.58 Dabei lenkt der Einwand hin zu einer Erörterung der Auswirkungen auf den konkreten Lebenswandel aus den vorherigen theologischen Überlegungen.59 Diese eher ethische Ausrichtung bezieht sich zudem auf die Gegenwart, während es im vorherigen Kapitel eher um die zukünftige Perspektive ging.60 Die generelle Anfrage IJ઀ ਥȡȠ૨ȝİȞ in V. 1 und die entschiedene Verneinung ȝ੽ Ȗ੼ȞȠȚIJȠ in V. 2 haben eine Parallele in 3,5f. während in der Frage, ob man Böses tun soll, damit das Gute hervorkommt, zu 3,8 inhaltliche Nähen bestehen.61 Das Thema wurde also bereits einmal im Römerbrief angeschnitten, in diesem Kontext aber noch nicht umfassend behandelt. Die Frage IJ઀ ਥȡȠ૨ȝİȞ begegnet 55

HAACKER, Römer, 140. Vgl. WOLTER, MICHAEL, Der Brief an die Römer. Teilband 1: Röm 1–8 (Evangelischkatholischer Kommentar zum Neuen Testament 6.1 Neue Folge), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2014, 364. 57 Vgl. ebd. 58 Vgl. a.a.O. 368. 59 Vgl. a.a.O. 366; HAACKER, Römer, 140. 60 Vgl. HAACKER, Römer, 141. 61 Vgl. a.a.O. 140. 56

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

wiederum in 4,1; 7,7 und 9,14.30,62 wobei in 7,7 und 9,14 auch eine Verbindung zur entsprechenden Verneinung besteht. Es handelt sich somit um ein rhetorisches Mittel und Gliederungselement, das Paulus häufiger im Römerbrief gebraucht. Während die kontextuelle Bestimmung noch unstrittig ist, werden viele andere Aspekte dieses Abschnitts in der Forschung kontrovers diskutiert. Zunächst hat die Tatsache, dass in diesem Abschnitt dreimal auf das „Wissen“ der Adressierten Bezug genommen wird ௅ allerdings unter Verwendung verschiedener Verben (ਕȖȞȠȑȦ, V. 3; ȖȚȖȞȫıțȦ, V. 6; ȠੇįĮ, V. 9) ௅ Exegetinnen und Exegeten dazu veranlasst, hier die Verarbeitung einer urchristlichen, mündlichen Tradition anzunehmen. Dabei werden Art und Umfang einer solchen Tradition sehr unterschiedlich bestimmt. Während etwa Wengst an dieser Stelle nur eine generelle Anspielung auf die Auferstehungsformel sieht,63 ist Wilckens der Meinung, dass teilweise auf Traditionsgut zurückgegriffen wird, so vor allem in der „Taufe auf Christus“ (V. 3) und dem Verweis auf den Tod des alten Menschen (V. 6), sowie in Teilen von V. 9 und dem sentenzhaft anmutenden V. 7.64 Allerdings gab es auch Hypothesen, in denen eine noch deutlich umfangreichere Traditionsbasis angenommen und rekonstruiert wurde. Exemplarisch sei der Ansatz Schmithals’ skizziert: Er geht davon aus, dass Paulus in V. 3–11 kontinuierlich auf ein den Adressierten wohl bekanntes Taufcredo zurückgreift, was durch den dreimaligen Verweis auf das „Wissen“ kenntlich gemacht wird.65 Ein Indiz dafür meint er in dem Hinweis auf den „Glauben“ in V. 8 zu finden.66 „Paulus greift einzelne Elemente einer vorpaulinischen, seinen Lesern vertrauten Tauftheologie auf, um das Bekenntnis der Christenheit in einer bestimmten, den in V. 1b genannten Einwand widerlegenden Weise zu beleuchten und zu vergegenwärtigen.“67 Während die Antithese von „sterben“ und „auferstehen“ das gesamte Bekenntnis laut Schmithals dominiert, erkennt er in jedem der von ihm ausgemachten Argumentationsgänge ein spezifischeres Kompositum, das ihm zufolge ebenfalls aus der Tradition stammt: ıȣȞİIJ੺ijȘȝİȞ („wir wurden mitbestattet“; V. 4), ıȣȞİıIJĮȣȡઆșȘ („er wurde mitgekreuzigt“; V. 6), ıȣȗ੾ıȠȝİȞ („wir werden mitleben; V. 8).68 Der zunächst logisch eigentümlich erscheinende Ansatz „mitbestattet“ erklärt sich ihm zufolge dadurch, dass das zitierte Bekenntnis wie auch das gesamte Konzept des Mitsterbens und -auferstehens eng mit der Taufe verbunden ist.69 Zudem sieht Schmit-

62

Vgl. WILCKENS, Römer 2, 8. Vgl. WENGST, Christologische Formeln, 47. 64 Vgl. WILCKENS, Römer 2, 7f.11.17. 65 SCHMITHALS, Römerbrief, 185. 66 Vgl. a.a.O. 193. Dagegen aber z.B. WILCKENS, Römer 2, 18 Fn 65. 67 SCHMITHALS, Römerbrief, 190. 68 Vgl. a.a.O. 189. 69 Vgl. ebd. 63

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hals im Zusammenschluss von V. 3 und 8 ein zusammengehörendes Traditionsgefüge: „Jede der vier Zeilen dieses Textes besteht aus 5 griechischen Wörtern, wie sonst ein Hinweis auf ein festes Traditionsstück. Anscheinend haben wir es mit einem ‚Taufspruch‘ zu tun, vielleicht mit einem liturgischen Stück aus dem Taufgottesdienst, das etwa nach vollzogener Taufe von den Täuflingen gesprochen worden sein könnte.“70 Aus der festen Zusammengehörigkeit von V. 3 und 8 schließt Schmithals dann, dass V. 5 eine von Paulus gebildete Dublette sei, „um auch den mittleren der drei parallelen Argumentationsgänge unmittelbar mit einer traditionellen Bekenntnisaussage eröffnen zu können.“71 Dieser Satz ௅ bzw. die darin enthaltene Metapher ௅ diene vor allem der sprachlichen Variation. Schließlich sieht Schmithals in V. 7 eine „Randglosse späterer Hand“, welche „die einheitlich mystisch-mysterienhafte Argumentation“ störe.72 Bereits die Wiedergabe von Schmithals’ Überlegungen macht deutlich, wie viel daran hypothetisch ist und auf generellen Annahmen zum Verständnis des Abschnitts basiert. So wird V. 7 nur dann als Fremdkörper empfunden, wenn man wirklich von einer „mystisch-mysterienhaften“ Argumentationslinie ausgeht, was jedoch nicht gänzlich überzeugt. Sicher kann das Sprechen vom „Mitsterben“ und „Mitauferstehen“ die Auseinandersetzung mit Mysterienreligionen widerspiegeln, die mit hoher Wahrscheinlichkeit im Urchristentum stattgefunden hat. Allerdings ist es auch vor dem Hintergrund der Nachfolge der Jünger und Jüngerinnen zu verstehen, die ebenfalls als eine Art Schicksalsgemeinschaft angesehen wurde.73 Meines Erachtens passt V. 7 durchaus in die Argumentation, da er V. 2 begründet und ausführt.74 Eine Vorbereitung auf Röm 7,1, die Schmithals immerhin in Erwägung zieht,75 ist an dieser Stelle ebenfalls nicht abwegig. Auch was die Identifizierung von Tauftraditionen betrifft, scheint eher der Wille, solche Traditionen ausfindig zu machen, die Analyse zu leiten als die Textgestalt selbst. Inzwischen ist in der Forschung eine Aufnahme und Verarbeitung von (umfangreicheren) Tauftraditionen weithin aufgegeben worden.76 Richtig ist, dass Paulus im Römerbrief mehrfach an das Vorwissen der Adressierten appelliert und auf Traditionsmaterial anspielt, um seine eigene Position zu unterfüttern und darzulegen, dass er nichts Anderes lehrt als das Bekannte bzw. dass sich seine Lehre aus diesem ergibt.77 Dabei bleibt jedoch zu fragen, inwieweit tatsächlich festgefügte urchristliche Formeln

70

A.a.O. 191. A.a.O. 192. 72 Ebd. 73 Vgl. z.B. auch WILCKENS, Römer 2, 60f. 74 Ähnlich auch WOLTER, Römer 1, 380. 75 Vgl. SCHMITHALS, Römerbrief, 192f. 76 Vgl. WOLTER, Römer 1, 370f. 77 So auch Schmithals, der jedoch von konkreten Zitaten ausgeht. Vgl. SCHMITHALS, Römerbrief, 191f. 71

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o.Ä. zitiert werden, oder ob nicht eher an allgemeine Lehrinhalte und spezifische Schlüsselwörter erinnert werden soll. Gerade in jüngerer Zeit wird im Hinblick auf Röm 6,1–11 eher Letzteres vertreten. So beurteilt Haacker die Einleitung von V. 3: „Der Konsens, den Paulus mit der rhetorischen Frage ‚Wißt ihr nicht?‘ den Lesern suggerieren will, muß nicht auf einer geprägten Tradition beruhen, die Paulus im Folgenden zitiert.“78 Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommt auch Wolter, der in diesem Abschnitt keine für Paulus untypischen Formulierungen findet.79 Die Tatsache, dass sich in Röm 6,4 und Kol 2,12 mit der Verbindung des „Mitbestattens“ und der Taufe parallele Motive finden, deute ebenfalls nicht auf eine gemeinsame Tradition, sondern eher darauf, dass der Kolosserbrief Röm 6 kennt und hier verarbeitet.80 Während also eindeutig ein Vorwissen der Adressierten vorausgesetzt wird, ist unklar, auf was sich dies genau bezieht und welchen Umfang es ausmacht. Mir erscheint Wolters Ansatz am sinnvollsten, das Wissen in V. 3 vor allem auf die Taufe auf Jesus Christus zu beziehen, einen Ausdruck, der „eine Verdichtung der urchristlichen Rede vom ‚Taufen auf den Namen […] Jesu‘“81 darstellt und der im Folgenden von Paulus umgedeutet wird. Denn die chiastische Struktur von V. 3, in der jeweils ਥȕĮʌIJ઀ıșȘȝİȞ mit einer İੁȢ-Wendung verbunden wird, wirkt an dieser Stelle eigentümlich repetitiv, lässt sich aber gut erklären, wenn Paulus hier eine bestimmte Auffassung konkretisiert. Die teils wörtliche, teils strukturelle Wiederholung ließe sich dann als eine Art Metonymie auffassen: Die Taufe auf Christus meint die spezifische Verbindung mit seinem Todesschicksal. Nach diesem Verständnis würde Paulus die Metonymie als geschicktes rhetorisches Mittel nutzen, um seine eigene Taufauffassung, seine „tauftheologische Innovation“,82 nämlich den Mitvollzug des Sterbens in der Taufe, in enger Bindung an das bereits Bekannte argumentativ darzulegen. Auf die Frage, wie İੁȢ hier aufzufassen wäre ௅ räumlich, referentiell oder „als Rückverweis auf einen Grund oder Anlaß“83 ௅ muss wohl geantwortet werden: Aufgrund der generellen Parallelität der beiden Bestandteile im Chiasmus wird davon auszugehen sein, dass in beiden Teilen İੁȢ dieselbe Sinnrichtung ausdrückt. Vor dem Hintergrund ähnlicher İੁȢ-Formulierungen im Kontext von Taufe in Gal 3,27 und 1Kor 10,2 erscheint die referentielle Deutung 78

HAACKER, Römer, 144 Fn 27. WOLTER, Römer 1, 371. 80 Vgl. a.a.O. 373 Fn 32. 81 A.a.O. 371. 82 A.a.O. 372. 83 HAACKER, Römer, 145. Haacker vertritt diese von Delling vorgeschlagene Auffassung: „Paulus will danach betonen, daß die christliche Taufe den Tod Jesu voraussetzt und auf ihn und seine (inklusiv-stellvertretende) Bedeutung verpflichtet.“ (Ebd.) Schmithals geht dagegen von einem räumlichen Verständnis aus und führt diese Aussage auf die Christusmystik zurück. (Vgl. SCHMITHALS, Römerbrief, 189.) Wolter dagegen sieht hier eine referentielle Verwendung der Präposition. (Vgl. WOLTER, Römer 1, 371f.) 79

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somit bei weitem am überzeugendsten (so auch meine Übersetzung).84 Obwohl eine solche Auffassung die Aussage insgesamt weniger metaphorisch wirken lässt, als wenn İੁȢ hier räumlich aufgefasst wird, behält sie doch metaphorische Untertöne, die durch das Folgende, insbesondere den nächsten Vers, noch verstärkt werden. Geht man davon aus, dass Paulus in V. 3 durch eine Metonymie sein eigenes Taufverständnis einführt, so ist die Argumentationsstruktur des Gesamtabschnitts wohl als hauptsächlich paulinisch anzusehen. Das schließt natürlich nicht aus, dass Anspielungen auf Traditionsgut vorliegen oder einzelne Vokabeln daraus entnommen wurden. Das Verb ਕȖȞȠȑȦ in der Einleitung der rhetorischen Frage wurde vor dem Hintergrund der Annahme, dass Paulus hier nicht bloß auf Bekanntes verweist, sondern auch Neues einführt, mit „in Unkenntnis sein“ übersetzt (vgl. mit ähnlicher Sinnrichtung 1Kor 10,1; 2Kor 1,8). Das Verb besitzt insgesamt eine größere Bedeutungsvielfalt als das reine „Wissen“. Auch eine Wiedergabe mit „erkennen“ oder „verstehen“ wäre prinzipiell möglich. Die Frage, wie der Abschnitt gegliedert werden kann und somit, wie die Argumentationsstruktur zu verstehen ist, wird in der Forschung ebenfalls unterschiedlich beantwortet. Unstrittig ist dabei die Einleitung durch die kritische Anfrage in V. 1, die eine Sonderstellung in dieser Passage besitzt. Häufig wird eine Einteilung in zwei oder drei parallele Argumentationsgänge vorgenommen, da insbesondere V. 5–7 und 8–10 als formal ähnlich gesehen werden: Beide beginnen mit einem Bedingungssatz, worauf erst ein Verweis auf das Wissen der Adressierten und dann eine zusätzliche Begründung mit ȖȐȡ folgt.85 Fraglich ist dann, wie man mit V. 3f. umgeht: Sieht man darin einen dritten parallelen Gedankengang ௅ so etwa Schmithals, der in allen drei Unterabschnitten formale Ähnlichkeiten erkennt86 ௅ oder eine Begründung, die von den beiden anderen Teilen unterschieden werden muss ௅ so etwa Wilckens87? Oft werden V. 2 und 11 dann als Rahmung der Gesamtargumentation betrachtet.88 Allerdings übt Wolter gegen dieses Gliederungsprinzip berechtigte Kritik: „Die verbreitete Aufteilung von V. 5–7 und V. 8–10 in zwei parallele Gedankengänge […] wird dem Text nicht gerecht, weil sie die beiden Nebengedanken in V. 5 und V. 8 zu Leitaussagen macht und den Zusammenhang von V. 9– 10 mit V. 11 nicht ausreichend berücksichtigt.“89 Dies sind sinnvolle Beobachtungen. V. 11 hängt inhaltlich an V. 10. Die Verbindung, die zwischen V. 2 84

Vgl. WOLTER, Römer 1, 371. Vgl. etwa WILCKENS, Römer 2, 7. 86 Vgl. SCHMITHALS, Römerbrief, 184f. 87 WILCKENS, Römer 2, 7. 88 Anders Wilckens, für den ab V. 11 der paränetische Teil (bis V. 14) beginnt; die Abschnitte 1–10 und 11–14 seien formal und inhaltlich klar unterscheidbar. (Vgl. ebd.) Obwohl V. 11 eine gewisse Überleitungsfunktion zukommt, schließt er m.E. den Argumentationsgang von 1–10 ab und ist vom Vorgehenden zu trennen. 89 WOLTER, Römer 1, 368 Fn 9. 85

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und V. 11 hergestellt wird, ist vom semantischen Befund eher zwischen V. 2 und V. 10 zu sehen, da hier alle Schlagworte ௅ ਕʌȠșȞ૊ıțȦ (nicht die in V. 11 vorliegende Modifikation), ਖȝĮȡIJȓĮ und ȗȐȦ ௅ vorliegen. V. 5 drückt in anderen Worten, also auch unter der Verwendung einer anderen Metapher, und in komprimierter Form im Grunde genommen dasselbe aus, was bereits in V. 4 ausgeführt wurde. Selbiges gilt von V. 8. V. 5 und V. 8 weisen die stärkste Parallelität auf, da beide nicht nur inhaltlich sehr ähnlich sind, sondern auch der formale Aufbau der İੁ-Sätze identisch ist (Indikativ in der Protasis, Futur in der Apodosis).90 Die beiden Sätze als „Nebengedanken“ zu bezeichnen ist daher berechtigt; sie verstärken eher, als dass sie neue Argumente hinzubringen. Wolter schlägt eine andere Gliederung vor, die symmetrisch-chiastisch angeordnet ist.91 Er nimmt V. 2–4 als Einheit zusammen und stellt sie V. 9–11 gegenüber, da es in beiden um die „Ergehensentsprechung“ der Gläubigen mit Jesus sowohl im Tod als auch im Leben gehe. Davon grenzt er V. 6f. ab, in denen nur das Sterben im Vordergrund steht. Den Übergang zwischen beiden Abschnitten bilden die parallelen Verse 5 und 8. Obwohl auch in diesem Vorschlag sinnvolle Ansätze erkennbar sind, gibt es doch manche Probleme. Es ist insbesondere schwierig, V. 2–4 zusammenzunehmen, denn die Aussage in V. 2 ist weitaus allgemeiner und gibt das Thema des gesamten Abschnitts bzw. den Zielpunkt an, auf den die Argumentation hinläuft.92 Demgegenüber ist in V. 3f. durch die Verbindung mit der Taufe eine deutliche Akzentverschiebung auszumachen. Diese Verse dienen dazu, die in V. 2 formulierte Gegenthese zu stützen und können als erstes, als Hauptargument gesehen werden, da sie die Basis für das Folgende legen. Es ist außerdem nicht richtig, dass nur in V. 6f. ausschließlich vom Sterben die Rede ist. Dies ist auch in V. 3 erfolgt, bevor eine Erweiterung der Thematik im nächsten Vers stattfindet. Es ist meines Erachtens jedoch weitaus sinnvoller, V. 5 nicht als Neuansatz zu verstehen, sondern eher als Bestätigung des Vorherigen. Denn hier wird ja im Grunde nur mit anderen Worten, und das heißt in einer anderen, weniger stark erklärten Metapher, das in V. 4 Gesagte wiederholt. Weiter ist auffällig, dass in V. 3–5 das Stichwort ਖȝĮȡIJȓĮ nicht vorkommt, das sowohl in V. 2 als auch in 6f. sehr dominant ist. Zwischen den drei Versen besteht zudem eine Verbindung durch den Terminus șȐȞĮIJȠȢ, der erst wieder in V. 9 vorkommt. Wenn man von V. 5 als Nebengedanken ausgeht, erscheint es plausibler, darin den Abschluss von V. 3f. zu sehen. Analoges könnte dann von V. 8 gesagt werden. Neueinsätze in der Argumentation wären dann durch die Verweise auf das Wissen der Adressierten markiert. Allerdings bleibt zu beachten, dass die entsprechenden Verbformen in V. 6 und V. 9 Partizipien sind und hier keine neuen Sätze begonnen 90

Vgl. a.a.O. 367. Vgl. a.a.O. 367f.; Schaubild auf S. 368. 92 Vgl. auch HAACKER, Römer, 141. 91

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werden. Diese Partizipien können beiordnend verstanden werden und wurden entsprechend in meiner obigen Übersetzung wiedergegeben, um deutlicher zu machen, dass nun eine leichte inhaltliche Verschiebung erfolgt. Insgesamt wird so aber auch erkennbar, dass eine scharfe Trennung einzelner Argumentationsteile nicht vorgenommen werden kann. Es handelt sich eher um einen Argumentationsfluss, in dem unterschiedliche Aspekte teilweise hervorgehoben und neue Begründungen geliefert werden, die aber durch diverse Parallelismen und Wiederholungen im Gesamtzusammenhang verortet werden. Vielfach wurde Röm 6,1–11 in der Forschung als Schlüsselstelle für das Taufverständnis des Paulus und/oder für das Verständnis der neutestamentlichen ıȪȞ-Aussagen, insbesondere im Zusammenhang des Sterbens mit Christus, gesehen. Beiden Annahmen ist äußerst vorsichtig zu begegnen. So steht in 6,1–11 nicht vorrangig die Taufe im Mittelpunkt: Die Taufe ist hier nicht der Interpretationsgegenstand, sondern das Interpretationsmittel. Paulus will nicht die Bedeutung der Taufe erklären, sondern mit Hilfe der Taufe erklären, warum die christlichen Wir der Sünde gestorben sind und nicht mehr in ihr leben (V. 2). Weil jedoch nur ein bestimmtes Verständnis der Taufe diese Erklärung liefern kann, wird sie in V. 3 auch selbst zum Gegenstand der Interpretation.93

Auch aufgrund von Röm 6 den Sitz im Leben der Mitvollzugsdeutung in der Taufe zu sehen,94 ist problematisch, denn eine Verbindung von Taufe und Mitsterben findet sich explizit nur an dieser Stelle und somit in einem der jüngeren ௅ oder gar dem jüngsten ௅ Paulusbrief. Dafür, die Taufe auch in andere und ältere Passagen dieses Autors hineinzulesen, fehlt in den entsprechenden Texten der Anhaltspunkt.95 Fraglich ist auch, ob man dem Tod Jesu an dieser Stelle eine zusätzliche Bedeutung zukommen lässt, etwa indem man diesen Abschnitt vor dem Hintergrund anderer Aussagen des Römerbriefs über den Tod Jesu liest, insbesondere vor 3,24 und 5,6–11. Diese Richtung verfolgt etwa Wilckens: „In der Taufe sind wir mit Christus verbunden worden, so daß die Sühnewirkung seines Todes zu unserer leibhaftigen Teilhabe an seinem Geschick, abgekürzt gesagt: daß das ‚für uns‘ zum ‚mit Christus‘ wird.“96 Zusammengefasst wird eine solche Sichtweise zuweilen unter der sehr missverständlichen Bezeichnung „inklusive Stellvertretung“.97 Allerdings ist fraglich, inwieweit überhaupt irgendeine Aussage des Römerbriefs eindeutig und treffend unter dem Beschreibungsbegriff „Stellvertretung“ summiert werden kann. Zudem räumt sogar 93

WOLTER, Römer 1, 370. Ähnlich auch HAACKER, Römer, 141. So z.B. WILCKENS, Römer 2, 51.54. 95 Vgl. WOLTER, Römer 1, 373. 96 WILCKENS, Römer 2, 24. 97 So etwa HAACKER, Römer, 144. Ihm zufolge ist diese Stellvertretung im allgemeinen Taufverständnis und der Praxis der Kirche bereits vorhanden gewesen, wird von Paulus aber an dieser Stelle zur Verdeutlichung noch einmal zusammengefasst. 94

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Wilckens selbst ein, dass ein expliziter Hinweis auf „die Sühnekraft des Todes Christi“ hier fehlt, „sondern durch den allgemeinen Topos von V7 nur angedeutet ist.“98 Die Aussage in V. 7 ist jedoch derart allgemein gehalten, dass eine solche Andeutung, wenn man sie denn als solche sieht, kaum wahrnehmbar ist. Es ist mit Sicherheit richtig, dass Rezipierende von Röm 6,1–11 möglicherweise an die vorausliegenden Stellen, in denen der Tod Jesu gedeutet wird, erinnert werden. Dennoch ist Wolter Recht zu geben, dass sich in diesem Abschnitt selbst kein Anhaltspunkt dafür findet, dass Jesu Heilstod oder eine bestimmte Funktion seines Todes hier zentral ist. „Für die paulinische Argumentation an dieser Stelle ist vielmehr nur Jesu Tod als solcher von Bedeutung.“99 Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass durch das metaphorische Sprechen vom Mitsterben auch der Tod Jesu zumindest indirekt funktional gedeutet wird. Diese indirekte Deutung muss jedoch nicht mit den vorher erwähnten expliziten Deutungen deckungsgleich oder auch nur kompatibel sein, weshalb vermieden werden sollte, Röm 6,1–11 zu sehr von Passagen wie 3,24 oder 5,6–11 aus zu deuten. Ein analytischer Durchgang durch den Abschnitt Röm 6,1–11 macht deutlich, wie ausgeprägt die Metaphernwiederholungen und -modifikationen hier sind und in welch engem Zusammenhang mit anderen Wiederholungen und Modifikationen sie stehen. Auf den in V. 1 formulierten Einwand wird nach der phrasenhaften Verneinung direkt durch metaphorisches Sprechen die Gegenthese dargelegt: Wir können nicht mehr in der Sünde bleiben, weil wir der Sünde gestorben sind (ਕʌİș੺ȞȠȝİȞ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺). Es ist die erste von vier Verbmetaphern (die weiteren in V. 4.6.8), in denen stets das Subjekt, das bis auf V. 6 identisch ist, den T-Term bildet und die entsprechende Verbform ௅ stets als Vollverb, nicht als Partitzip ௅ den V-Term. Auffällig ist an dieser Stelle, dass bisher nur das Sterben generell, nicht das Sterben mit Christus, angeführt wird, wodurch die Metapher eine stärkere Wirkung entfalten kann. Allerdings wird durch den Zusatz „der Sünde“ (IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺) auch deutlich, dass ਕʌȠșȞ૊ıțȦ hier am besten im Kontext einer Metapher verstanden wird ௅ dass nicht das Sterben allgemein angedacht ist, sondern „relationales Sterben“.100 Wolter merkt an, dass das Verb mit Dativ als Bestandteil einer Metapher ausdrückt, „dass eine Beziehung definitiv beendet wurde“101 und dass die gesamte metaphorische Aussage somit darauf abzielt, die Bekehrung und den damit einhergehenden Bruch im Lebenswandel zu veranschaulichen. Obwohl diese Analyse generell zutreffend ist, besteht die Gefahr bei einer „Übersetzung“ der Metapher ௅ die sich ja ohnehin der metaphorischen Gesamtaussage nur annähern kann ௅ diese zu verallgemeinern und zu verharmlosen. Das Stichwort ਖȝĮȡIJȓĮ 98

WILCKENS, Römer 2, 18. WOLTER, Römer 1, 372. 100 So Wolters Bezeichnung. Vgl. a.a.O. 383. 101 A.a.O. 369. 99

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wird aus V. 1 wiederholt, was wiederum auf das Schlagwort in Röm 5,20 zurückgreift. Im Gebrauch dieses Begriffs kann jedoch zwischen V. 1 und V. 2 eine Akzentverschiebung ausgemacht werden. Während die Singularform in V. 1 „in metonymischer Weise die Gesamtheit der sündigen Handlungen“102 bezeichnet, ist sie ab V. 2 eher eine „Macht, von der die christlichen Wir losgekommen sind.“103 Dennoch ist hier meiner Ansicht nach eher eine leichte Verschiebung als ein grundsätzlicher Perspektivwechsel gegeben. Das Verb ਕʌȠșȞ૊ıțȦ begegnet erst wieder ab V. 7, wird dann allerdings häufiger wiederholt. Dazwischen werden andere, semantisch eng verwandte Begriffe gebraucht. Es ist auffällig, dass ਕʌȠșȞ૊ıțȦ sowohl im Zusammenhang von Metaphern als auch zur Bezeichnung realen Sterbens verwendet wird und diese beiden Verwendungsmöglichkeiten einander abwechseln. Während in V. 7 das substantivierte Partizip innerhalb einer allgemeingültigen Aussage steht, folgt in V. 8 eine Verwendung von ਕʌȠșȞ૊ıțȦ innerhalb einer Metapher. Diese bildet die stärkste Parallele zu V. 2, so dass diese beiden Aussagen als reine Metaphernwiederholungen angesehen werden können. Es gibt aber auch hier in den Erweiterungen der Metapher Unterschiede. In V. 9–10 fällt das Stichwort drei Mal, jeweils auf Jesus bezogen, so dass eine Verbindung zu seinem realen Tod hergestellt wird. Die generelle These in V. 2 wird nun durch den Verweis auf die Taufe erklärt, wobei es sinnvoll ist, dass Paulus die allgemeine Taufformel metonymisch auslegt, wie bereits erläutert wurde. Dadurch, dass hier der Tod (șȐȞĮIJȠȢ) erwähnt wird, besteht ein sehr enger semantischer Zusammenhang zu V. 2. Es wird ersichtlich, dass das Sterben der Gläubigen mit Jesu Tod zu tun hat und dass diese Verbindung in der Taufe ausgedrückt wird. Die Frage nach der Sünde rückt hier, wie auch in den nächsten beiden Versen, in den Hintergrund. Auch die Wendung „wir sind auf seinen Tod getauft“ (İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ Į੝IJȠ૨ ਥȕĮʌIJ઀ıșȘȝİȞ) kann metaphorische Anklänge besitzen, zumal die Präposition mehrdeutig ist. Der Ausdruck wird verkürzt und in Variation im nächsten Vers nochmals aufgegriffen: Aus dem Verb wird nun ein Substantiv, ein Possessivpronomen, das den Tod mit Jesus verknüpfen würde, fehlt. Diese Verbindung wird aus dem vorherigen Vers vorausgesetzt. In jedem der Verse 3–5 wird der Begriff șȐȞĮIJȠȢ verwendet, im Gegensatz zum Gebrauch von ਕʌȠșȞ૊ıțȦ immer mit Bezug zum Tod Jesu. Daneben begegnet șȐȞĮIJȠȢ in V. 9 als abstrakte und personifizierte Macht. Auch an dieser Stelle besteht jedoch eine deutliche Verbindung zu Jesu Schicksal. Das Wort wird hier nicht verwendet, um den Mitvollzug der Gläubigen direkt zu beschreiben. In den folgenden Versen 4–6 nimmt die Bildlichkeit der Aussagen deutlich zu, weshalb man sie als Herzstück der metaphorischen Darstellung ansehen kann. Zudem liegt in allen drei Metaphern ein Kompositum mit ıȪȞ vor, auch 102 103

A.a.O. 368. A.a.O. 369.

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wenn es sonst formale und inhaltliche Unterschiede gibt. Zunächst wird die Verbindung zwischen dem Schicksal Jesu und dem der Gläubigen durch den Hinweis auf das Mitbestattet-Sein hergestellt (ıȣȞİIJ੺ijȘȝİȞ Ƞ੣Ȟ Į੝IJ૶). Die Metapher dieses Verses stellt eine Verbindung zwischen der Gegenthese von V. 2 und der Begründung durch die Taufe in V. 3 her. Die Bestattung ist leicht mit dem Tod zu verbinden und stellt seine Folge dar; die semantische Verknüpfung ist stark. Darum kann V. 4 als Modifikation von V. 2 gesehen werden, freilich jedoch mit einer Akzentverschiebung bzw. Bedeutungserweiterung. Insbesondere der Mitvollzug wird hier erst deutlich. Die Reihenfolge der Metaphern ist etwas eigentümlich, denn im Folgenden wird das metaphorische Sterben weiter ausgeführt und es wäre logischer, das Mitbestattet-Sein als Endpunkt zu setzen, nicht relativ zu Beginn der Argumentation. Auch Wolter bemerkt: „Die metaphernspendende Wirklichkeit wird dabei arg strapaziert, denn normalerweise erfolgt die Bestattung nach dem Tod und nicht ‚durch‘ den Tod.“104 Allerdings sagt V. 4 überhaupt nicht, dass die Bestattung „durch“ den Tod erfolgt, sondern „durch die Taufe auf den Tod“ (įȚ੹ IJȠ૨ ȕĮʌIJ઀ıȝĮIJȠȢ İੁȢ IJઁȞ ș੺ȞĮIJȠȞ). Es besteht offenbar ein starker konzeptueller Zusammenhang zwischen Taufe und Bestattung und dieser kann dafür verantwortlich sein, dass die Metapher des „Mitbestattenss“ an dieser Stelle steht. Von einigen Auslegerinnen und Auslegern wurde vorgeschlagen, die Bestattung hier als Symbol für das Untertauchen in der Taufe zu sehen,105 was nicht abwegig erscheint, jedoch auch nicht verifizierbar ist. Unabhängig davon, ob das Untertauchen oder die gesamte Taufe hier im Blick ist, kann diese bildhafte Modifikation dazu dienen die vorherige Metapher von V. 2 zu verdeutlichen und sogar zu überbieten: „Wer getauft ist, ist nicht nur ‚der Sünde gestorben‘, sondern von ihr auch so getrennt, wie ein bereits begrabener Leichnam von den noch Lebenden getrennt ist.“106 In religionsgeschichtlicher Perspektive ist die gemeinsame Bestattung zudem ein „Zeichen besonders enger Verbundenheit“.107 Während schon in V. 3 die Verbindung mit dem Tod Jesu angedeutet wurde, wird in V. 4, ähnlich wie in V. 2, auch die Perspektive auf ein mit-ihm-Leben eröffnet. Die nächste Metapher in V. 5 fällt in der metaphorischen Gesamtargumentation insofern etwas aus dem Rahmen, als der zentrale V-Term nicht dem semantischen Feld Tod/Sterben zugeordnet werden kann. Dieses wird jedoch in der Erweiterung der Metapher IJ૶ ੒ȝȠȚઆȝĮIJȚ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ Į੝IJȠ૨ aktiviert, wodurch eine enge Verbindung zu den vorherigen Metaphern besteht. Zudem handelt es sich nicht um eine Verbmetapher, sondern ı઄ȝijȣIJȠȚ ȖİȖંȞĮȝİȞ kann 104

A.a.O. 373. Vgl. z.B. SCHMITHALS, Römerbrief, 189; WILCKENS, Römer 2, 11f. Anders WOLTER, Römer 1, 373. Er sieht eher einen Verweis auf die gesamte Taufe (nicht auf einen einzelnen Taufakt). 106 WOLTER, Römer 1, 373. 107 Ebd. 105

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analog zu einer Kopula-Metapher aufgefasst werden, wobei ıȪȝijȣIJȠȢ, „ein Verbaladjektiv mit passivischer Bedeutung, das von ıȣȝijȪİȚȞ (‚zusammenwachsen‘) abgeleitet ist“108 und den V-Term bildet, als Adjektiv oder substantivisch aufgefasst werden kann. T-Term bleibt das nur in der Verbendung ausgedrückte Subjekt „wir“. Das hier vorrangig relevante semantische Feld ist das der Biologie.109 Daher könnte man auch von einer Diversifikation mit sehr ähnlichem Ground sprechen. Allerdings macht Wilckens deutlich, dass ıȪȝijȣIJȠȢ bereits im klassischen Griechisch eher als konventionalisierte Metapher „verbunden mit“ aufgefasst wurde.110 Inwieweit man hier also von einer aktiven Metapher sprechen kann, ist aufgrund fehlender Parallelstellen fraglich. Da in der Diversifikation häufig unterschiedliche Aspekte desselben Sachverhalts beleuchtet werden, hier aber im Grunde das in V. 4 Gesagte nochmals auf andere Weise ausgedrückt wird, und da durch den Verweis auf den Tod dieser Bildbereich zumindest sekundär aktiviert wird, kann diese Metapher ebenfalls als Modifikation gesehen werden. Es muss dabei jedoch bewusst bleiben, dass es sich um einen Grenzfall handelt und die Beurteilung letztlich davon abhängt, als wie stark ı઄ȝijȣIJȠȚ wahrgenommen wird. In jedem Fall verdeutlicht diese Metapher nochmals auf stärkere Weise die enge Verbundenheit mit Jesus und seinem Schicksal. Auch wie der Ausdruck IJ૶ ੒ȝȠȚઆȝĮIJȚ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ Į੝IJȠ૨ genau zu verstehen ist, ist in der Forschung umstritten. Gelegentlich hat es Versuche einer Identifizierung etwa mit der Taufe oder der Kirche gegeben, die aber in jüngerer Zeit weithin aufgegeben wurden.111 Der Ausdruck wird nun vermehrt auf Jesu Tod selbst bezogen.112 Wolter geht von der Verwendung des Begriffs ੒ȝȠȓȦȝĮ in Röm 5,14 und auch sonst bei Paulus aus, wo er „ein Zugleich von Gemeinsamkeit und Differenz“113 ausdrückt. Konkret auf Röm 6,5 bezogen bedeutet das: „Mit ੒ȝȠȓȦȝĮ markiert Paulus darum die semantische Differenz zwischen dem alltagssprachlichen Verständnis von Sterben und Tod und der metaphorischen Charakterisierung der Taufe auf Jesus Christus als einen ‚Tod‘, den die Getauften ‚gestorben‘ sind.“114 Von einer analogen Überlegung muss auch Haacker ausgehen, der den Ausdruck in seiner Übersetzung durch den Einschub „im Bild gesprochen“115 wiedergibt. Diese Überlegungen sind prinzipiell plausibel. Allerdings ist etwas merkwürdig, dass ausgerechnet an dieser Stelle die semantische Differenz deutlich gemacht wird. 108

A.a.O. 375 Fn 43. Vgl. a.a.O. 375. 110 Vgl. auch WILCKENS, Römer 2, 13. 111 Vgl. auch SCHMITHALS, Römerbrief, 192. 112 Vgl. z.B. ebd. und WILCKENS, Römer 2, 13f. 113 WOLTER, Römer 1, 376. Anders Schmithals, der vor allem die Gleichheit betont, während der Unterschied für ihn hier keine Rolle spielt. Vgl. auch SCHMITHALS, Römerbrief, 192. 114 WOLTER, Römer 1, 376. 115 HAACKER, Römer, 139. 109

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Denn dies geschieht im restlichen Abschnitt ja nicht, obwohl die Metaphern ziemlich stark sind. Wenn Wolters und Haackers Beurteilung dennoch richtig ist, liegt dies eventuell daran, dass hier eine Metapher aus einem anderen semantischen Feld mit einbezogen wird. Oder der Satz soll die generelle Metaphorizität der Passage transparenter machen. Die dritte Metapher mit einem ıȪȞ-Kompositum liegt im Verweis auf die Mitkreuzigung des alten Menschen (੒ ʌĮȜĮȚઁȢ ਲȝ૵Ȟ ਙȞșȡȦʌȠȢ ıȣȞİıIJĮȣȡઆșȘ) in Röm 6,6 vor. Sie ist nun wieder deutlich mit der Befreiung von der Sündenmacht verbunden, was bereits in V. 2 angeklungen war. Die hier verwendete Verbform hat eine Parallele in Gal 2,19. Auch die Metapher in V. 6 ist deutlich als Modifikation, insbesondere zu V. 2.8.11, aufzufassen. Anstelle des generellen „Sterbens“ wird hier die spezifische Hinrichtungsart genannt, die eng mit Jesu Tod verbunden wird. Dadurch gewinnt auch diese Metapher an Bildlichkeit und Radikalität. Haacker betont, dass dies der einzige Verweis auf Jesu Kreuzigung im Römerbrief ist, was verwunderlich ist, da das Motiv in den anderen Paulinen deutlicher hervortritt.116 Auffällig ist, dass der T-Term im Gegensatz zur vorherigen und nachfolgenden Metapher wechselt: Nicht „wir“ werden mitgekreuzigt, sondern „unser alter Mensch“, die frühere Existenz. Durch das Possessivpronomen besteht dennoch eine so enge Verbindung der einzelnen T-Terms, dass eher eine Modifikation als eine Multivalenz anzunehmen ist. Durch den Wechsel des T-Terms wirkt die Aussage etwas abstrakter und weniger persönlich. Der Metapher wird so etwas die Schärfe genommen. Gleichzeitig wird der Wandel im Schicksal der Adressierten zusätzlich betont. Die Wendung IJઁ ı૵ȝĮ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ist prinzipiell mehrdeutig und kann sowohl den menschlichen Leib als auch den einer personifizierten Sünde meinen.117 Häufig wird der Ausdruck mit dem „alten Menschen“ gleichgesetzt, wodurch in dieser Satzhälfte dasselbe ausgesagt wird wie bereits zuvor: „Mit dem Ausdruck ‚Leib der Sünde‘ bezeichnet Paulus […] erneut in metonymischer Weise die gesamte vorbaptismale Existenz der Getauften. Der Begriff bezeichnet eine bestimmte Existenzweise und ist darum semantisch isotop mit ‚unser früherer Mensch‘.“118 Obwohl dies einleuchtend ist, erklärt sich so noch nicht, warum diese inhaltlich gleiche Aussage dann in einem Finalsatz mit ੆ȞĮ steht. Möglicherweise bezieht sich der Finalsinn eher auf den substantivierten Infinitiv IJȠ૨ ȝȘț੼IJȚ įȠȣȜİ઄İȚȞ ਲȝ઼Ȣ IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺, durch den deutlich werden soll, dass der metaphorische Mitvollzug des Todes die Sündenherrschaft beendet. Wenn IJઁ ı૵ȝĮ IJોȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ tatsächlich den sündhaften Leib und damit den alten Menschen bezeichnet, ist hier wiederum auffällig, dass der Begriff ਖȝĮȡIJȓĮ mehrere Bedeutungsschichten besitzt, denn im letzten Teil des Verses 116

Vgl. a.a.O. 146 Fn 40. Vgl. a.a.O. 146. Haacker will das Dilemma lösen, indem er IJઁ ı૵ȝĮ mit „das Ganze“ übersetzt. 118 WOLTER, Römer 1, 378. Ähnlich WILCKENS, Römer 2, 17. 117

2. Arten von Metaphernkombinationen

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wird die Sünde ohne Zweifel personifiziert. Das Verb įȠȣȜİȪȦ zeigt auf, dass die Menschen ௅ metaphorisch gesprochen ௅ der Sünde als Versklavte dienen. Durch diesen Hinweis kann, wenn auch auf sehr implizite Weise, die Loskaufmetaphorik aktiviert werden. Diese Darstellung der Sünde wird in V. 7 weitergeführt, einem allgemein gehaltenen Satz, der das Vorherige dadurch weiter ausführt bzw. begründet, dass die Gewalt der Sünde mit dem Tod erlischt. Der Grundgedanke ist keine Innovation des Paulus: „Wer das Sterben auf sich nahm, hat alles abgebüßt, ist aller Verbindlichkeit frei. Dahingehende Aussagen aus späteren rabbinischen Schriften variieren nur eine Sichtweise, die sich auch bei paganen Zeitgenossen des Paulus finden.“119 Mit der Form von įȚțĮȚȩȦ wird an dieser Stelle zudem ein Element der Gerichtsmetaphorik eingebracht. V. 8 ist im Hinblick auf Struktur und Aussage ein Echo von V. 5. Die darin enthaltene Metapher verweist allerdings zurück auf V. 2 und bildet die stärkste metaphorische Wiederholung innerhalb dieses Abschnitts. Auch die Antithese von ਕʌȠșȞ૊ıțȦ und ȗȐȦ bildet einen deutlichen Bezugspunkt zu V. 2 und wird dann wieder in dieser Deutlichkeit in V. 10 aufgegriffen. Nur in V. 8 besteht aber die ausdrückliche Verbindung mit dem Schicksal Jesu, woraus trotz der deutlichen Parallele zu V. 2 eine Schwerpunktverschiebung resultiert: Nicht das Sterben gegenüber der Sünde, die Tatsache, dass wir nicht mehr in ihr leben, steht im Vordergrund, sondern das Sterben und Leben mit Christus. In V. 9 besteht insofern ein Neueinsatz, als der Fokus hier nun weitaus stärker auf Christus liegt. Obwohl zunächst die Auferstehung erwähnt und mehrfach betont wird, dass der Tod keine Relevanz hat, rückt er doch durch die Wortwahl in den Vordergrund, denn das semantische Feld des Todes wird durch das Verb ਕʌȠșȞ૊ıțȦ und die Substantive ș੺ȞĮIJȠȢ und ȞİțȡȩȢ hier besonders deutlich bedient. Der Vers veranschaulicht, dass die Herrschaft des Todes beendet wurde. Dabei besteht durch das Verb țȣȡȚİȪȦ eine gewisse Parallele zwischen dem Tod in diesem Vers und der Sünde in V. 6, da beide metaphorisch als herrschende Instanzen dargestellt und damit auch personifiziert werden. Die Schilderung des Geschicks Jesu bleibt auch noch in V. 10 dominant. Eigentümlich ist hier die Doppelung der Verben ਕʌȠșȞ૊ıțȦ und ȗȐȦ, die jeweils einmal mit und einmal ohne Dativ stehen. Haacker fasst den Ausdruck IJૌ ਖȝĮȡIJ઀઺ ਕʌ੼șĮȞİȞ als Sterben „für die Sünde“ im Sinn des Loskaufs auf: „Für die ethische Fragestellung ist wichtig, daß der Tod Jesu ein Tribut an die

119

HAACKER, Römer, 147. Während Haackers Argumentations nachvollziehbar ist, ist die Ausdrucksweise „das Sterben auf sich nehmen“ euphemistisch und schwächt dadurch die Aussagekraft der Metapher ab. Diese Formulierung erweckt den Anschein, dass es sich bei dem Sterben um eine bestimmte (negative) Aufgabe oder Leistung handelt, die zu erledigen bzw. zu überwinden ist. Die Radikalität des Sterbens wird dadurch in den Hintergrund gerückt.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Sünde war (10a), womit die Deutung des Todes Jesu als Loskauf (vgl. ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ in 3,24) wieder aufgenommen ist.“120 Eine solche Ausdeutung könnte dadurch gestützt werden, dass das Konzept der Sünde als einer herrschenden Macht, der die Menschen wie Sklaven dienen, bereits zuvor, besonders in V. 6 angedeutet wurde. Dennoch wird die Loskaufmetaphorik hier nirgends direkt verwendet und auch in 3,24 ist sie nicht besonders stark. Zudem ist auffällig, dass die Verwendung von ਕʌȠșȞ૊ıțȦ/ȗȐȦ mit Dativ die Sprechweise von V. 2 und auch von V. 11 (hier in teilweise modifizierter Form) aufgreift. Die „terminologischen Überschneidungen mit V.2“121 sind somit in V. 10 deutlicher auszumachen, auch wenn in der Forschung meist eine größere Nähe zu V. 11 gesehen wird, was aus inhaltlichen Gründen, weniger aus solchen der Wortwahl naheliegt. Daher ist eher Wolter Recht zu geben: „In V.10 spricht Paulus zwar von Tod und Auferstehung Jesu, doch lässt die sprachliche Gestaltung der Verse erkennen, dass ihm bereits hier die Anwendung in V.11 vorschwebt. Was er dort über die doppelte Wirkung der Taufe sagen will, nimmt er hier christologisch vorweg, um das Geschick der Getauften als Ergehensgemeinschaft mit Jesus Christus erklären zu können.“122 Wolter spricht in diesem Zusammenhang davon, dass ਕʌȠșȞ૊ıțȦ und ȗȐȦ in diesem Vers zwei verschiedene Bedeutungen besitzen. Während die Verben ohne Dativ jeweils das reale Sterben Christi bezeichnen, sind die mit Dativ auch auf Jesus bezogen und wie sonst in diesem Abschnitt metaphorisch gebraucht, „um endgültige Trennung […] und unauflösliche Verbundenheit zu umschreiben.“123 Das würde bedeuten, dass an dieser Stelle auch eine Multivalenz vorliegen würde. Diese Argumentationslinie ist nachvollziehbar. Allerdings ist es schwierig, hier von einem metaphorischen Sterben Jesu auszugehen, denn Jesu Tod ist faktisch geschehen. Vielleicht ist es weniger missverständlich, davon auszugehen, dass in Jesu realem Tod das „relationale“ Sterben eingeschlossen ist und er sich damit dem metaphorischen Tod der Gläubigen angleicht. Dementsprechend würde Paulus folgendermaßen argumentieren: Das metaphorische Sterben ist ein relationales (V. 2). Es vollzieht sich durch die Taufe auf Jesu Tod (V. 3–5). Es ist somit als Mitsterben mit Christus charakterisiert, weshalb der Sünde die Macht genommen wird (V. 6–8). Auch Jesu Tod ist relational (V. 9–10). Was für Jesus gilt, das gilt durch das Mitsterben in der Taufe auch „in Christus“ für die Angesprochenen (V. 11). V. 11 ist somit nur die Anwendung dessen, was bereits in V. 10 formuliert wurde und damit die Bestätigung der These in V. 2. Demnach stellt die Metapher in V. 11 die klarste Modifikation mit der größten semantischen Nähe zu V. 2 dar – allerdings wechselt der T-Term gegenüber den vorherigen

120

Ebd. WOLTER, Römer 1, 383. 122 A.a.O. 382. 123 Ebd. 121

2. Arten von Metaphernkombinationen

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Metaphern, da nun nicht mehr die erste, sondern die zweite Person Plural angesprochen wird. Dadurch intensiviert sich der Aufforderungscharakter des Satzes, der ja ohnehin zur Paränese überleitet, an der Identifizierung der Adressierten ändert sich hingegen nichts. Die Ausdrücke ਕʌȠșȞ૊ıțȦ und ȞİțȡòȢ İੇȞĮȚ sind fast synonym. Erstes kann jedoch stärker den Prozess des Sterbens betonen, während zweites das Resultat und den Endzustand desselben in den Vordergrund rückt. Dies ist sinnvoll, da die Metapher den Gedankengang vorläufig abschließt. Vermutlich ist die Modifikation allerdings auch einfach dadurch zu erklären, dass ਕʌȠșȞ૊ıțȦ bereits zweimal im vorherigen Vers gebraucht wurde und nun eine sprachliche Variation angebracht erschien. Die Nähe zu V. 2 wird auch dadurch deutlich, dass in beiden Fällen eine Verbindung mit dem Dativ ਖȝĮȡIJ઀઺, nicht aber wie in den mittleren Metaphern mit ıȪȞ vorliegt. Formal ist die Metapher von V. 11 demgegenüber der in V. 5 ähnlicher, da auch sie eine Kopula-Metapher ist, deren V-Term als Adjektiv oder Substantiv aufgefasst werden kann. Der Terminus ȞİțȡȩȢ begegnete in dem Abschnitt bereits in V. 4 und 9, dort jedoch jeweils in nicht-metaphorischen Zusammenhängen. Insgesamt zeigt sich in Röm 6,1–11 ein stark durch Wiederholungen und Modifikationen geprägter Abschnitt. Dabei werden nicht nur die Metaphern modifiziert und wiederholt, sondern die an den Metaphern beteiligten V-Terms werden teilweise noch mehrfach in nicht-metaphorischen Kontexten benannt. Zusätzlich werden andere Metaphern, etwa die der Sünde und des Todes als herrschende und versklavende Mächte oder die der Rechtsprechung angeführt, allerdings in weitaus geringerer Intensität. Die größten Übereinstimmungen lassen sich zwischen den Metaphern in V. 2 und 8 aufgrund der wörtlichen Wiederholung, sowie in V. 2 und 11 aufgrund der inhaltlichen Aussage des „relationalen Sterbens“ ausmachen. Diese beiden Metaphern umrahmen den Abschnitt, während die mittleren vier den Mitvollzug des Todes Jesu veranschaulichen, der notwendig ist, um das relationale Sterben der Adressierten angemessen zu verstehen. Dabei sind die Metaphern in V. 4–6 besonders bildhaft und untermauern so die Argumentation auf anschauliche Weise. Obwohl nur in V. 3f. die Taufe explizit genannt wird und danach durch die ausgeprägte Todesmetaphorik leicht aus dem Blick gerät, ist es doch möglich, dass sie den gesamten Abschnitt beherrscht.124 Folgt man dieser Prämisse, kann die ganze Argumentationslinie in Röm 6,1–11 als Entfaltung der konzeptuellen Metapher TAUFE IST TOD angesehen werden, wie dies auch Wolter andenkt.125 Es sei nur kurz darauf verwiesen, dass das metaphorische Sterben der Adressierten auch an anderer Stelle des Römerbriefs vorkommt. In 7,4 heißt es „auch ihr wurdet dem Gesetz getötet durch den Leib Christi“ (țĮ੿ ਫ਼ȝİ૙Ȣ ਥșĮȞĮIJઆșȘIJİ

124 125

Vgl. a.a.O. 384. Vgl. ebd.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

IJ૶ Ȟંȝ૳ įȚ੹ IJȠ૨ ıઆȝĮIJȠȢ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨). Durch den Kontext der vorausgegangenen beiden Verse hat das Sterben hier den Unterton einer Befreiung und gleichzeitig wird angsprochen, dass hieraus eine neue Zugehörigkeit entsteht. Auch der gottesfürchtige Lebenswandel spielt hier eine Rolle, denn die Angesprochenen sollen Gott „Frucht bringen“ (੆ȞĮ țĮȡʌȠijȠȡ੾ıȦȝİȞ IJ૶ șİ૶). Die Verbform ist stärker als die meisten Ausdrücke in Röm 6,1–11, mit Ausnahme des Begriffs „mitkreuzigen“, da hier ein gewaltsames Todesgeschick in den Vordergrund tritt. Auffällig ist, dass Paulus in 7,4 in der zweiten Person Plural spricht, in Röm 6 aber, mit Ausnahme von V. 11, in der ersten Person. Auch ist an dieser Stelle streng genommen nicht vom Sterben mit Christus die Rede, sondern davon, dass dieses durch Jesu Leib geschieht, was ein plastischeres Bild erzeugt. Dennoch zeigen sich auch deutliche Korrespondenzene zwischen der knapperen Aussage in 7,4 und dem ausführlichen Diskurs von 6,1–11. Zudem wird in 8,17 das Leiden mit Christus angesprochen (ıȣȝʌ੺ıȤȠȝİȞ), das darin resultiert, dass die Gläubigen auch an seiner Herrlichkeit Anteil haben (ıȣȞįȠȟĮıș૵ȝİȞ). Die Aussage ist eingebettet in Kindschaftsmetaphorik, aus der abgeleitet wird, dass die Christinnen und Christen Miterbinnen und -erben (ıȣȖțȜȘȡȠȞંȝȠȚ) Christi sind. Im Gegensatz zu 7,4 wird der Mitvollzug hier sehr deutlich formuliert, eine Anspielung auf Jesu Tod kann der Passage hingegen nur indirekt entnommen werden. Stärker noch als 7,4 ist diese Aussage daher von den ausführlichen Darlegungen in 6,1–11 abhängig, erweitert diese jedoch zusätzlich durch die Kindschafts- und Erbschaftsmetaphorik. Die vielen Wiederholungen und Modifikationen in Röm 6,1–11 haben insgesamt vorrangig die Funktion der Betonung und Hervorhebung. Gerade durch die Metaphern in V. 4–6 wird das paulinische Taufverständnis auch besonders bildhaft veranschaulicht. Es soll der radikale Bruch, die „biographische Diskontinuität“126 und „Lebenszäsur“127 der Christen und Christinnen verdeutlicht werden, was sich an der Bekehrungstaufe festmacht und durch diese initiiert wird.128 Die Unterscheidung von „Vorher“ und „Nachher“ ist dabei so extrem, dass die Wandlung als Sterben in all seinen Facetten verstanden werden kann und dementsprechend metaphorisch ausgedrückt wird. Dabei sind die Sterbenden jedoch nicht allein. Sie vollziehen den Tod Jesu mit, werden durch das Geschehen von der Sünde befreit und leben in der Hoffnung auf Auferstehung. 2.2. Diversifikation Diversifikationen, also die Verwendung verschiedener Vehicles für dasselbe Topic, sind im neutestamentlichen Sprechen vom Tod Jesu vergleichsweise häufig, wie bereits die Darstellung verschiedener metaphorischer Sprechweisen vom Tod Jesu in Abschnitt 6.2. des dritten Kapitels angedeutet hat. Fasst 126

HAACKER, Römer, 142. Ebd. 128 Vgl. auch WOLTER, Römer 1, 383. 127

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man das Konzept der Diversifikation sehr weit, so kann man sagen, dass in beinah allen neutestamentlichen Schriften, in denen der Tod Jesu metaphorisch angesprochen wird, auch Diversifikationen vorliegen, weil Jesu Tod zumeist durch unterschiedliche (konzeptuelle) Metaphern beschrieben wird. Im folgenden Abschnitt werden vor allem besonders auffällige Diversifikationen ௅ entweder aufgrund eines engen Kontextes oder aufgrund der Stärke der beteiligten Bilder ௅ diskutiert und im Anschluss wird Mk 12,1–12 ausführlicher analysiert. Zu beachten ist außerdem, dass die Übergänge zwischen Modifikation und Diversifikation mit ähnlichen Grounds fließend verlaufen können, je nachdem, wo die Grenzen zwischen semantischen Feldern angesetzt werden. 2.2.1. Überblick Diversifikationen mit Bezug zum Tod Jesu kommen in allen neutestamentlichen Gattungen vor, sind jedoch besonders in den Erzähltexten auffällig. Allerdings stehen sie hier in einem größeren kontextuellen Rahmen, das heißt die Metaphern werden auf einen längeren Textabschnitt verteilt und es fällt somit weniger auf, dass unterschiedliche Bilder für denselben Sachverhalt gebraucht werden. Eine Ausnahme bildet dabei Mk 10,38f. Der „Kelch, den ich trinke“ (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ) und die „Taufe, mit der ich getauft werde“ (IJઁ ȕ੺ʌIJȚıȝĮ ੔ ਥȖઅ ȕĮʌIJ઀ȗȠȝĮȚ) sind streng parallel formulierte, aber klar unterscheidbare V-Terms. Man wird hier normalerweise zwei unterschiedliche semantische Felder erkennen, es sei denn, man geht davon aus, dass die Aussage eine Anspielung auf unterschiedliche Riten der urchristlichen Gemeinde darstellt, nämlich auf Taufe und Abendmahl. In diesem Fall kann auch von einem gemeinsamen semantischen Feld ausgegangen werden und diese Passage wäre dementsprechend als Modifikation zu werten. Mir erscheint dieser Ansatz jedoch zu sehr vom heutigen ௅ protestantischen ௅ Sakramentsverständnis geprägt, weshalb ich eher von einer Diversifikation ausgehe. Auch in den meisten aktuellen Kommentaren wird eine Verbindung zur sakramentalen Praxis ausgeschlossen.129 Dagegen wird betont, dass beide Metaphern auf aus den jüdischen Heiligen Schriften bekannte Sprechweisen bzw. Bilder Bezug nehmen.130 Die Grounds der beiden Metaphern sind dabei offenbar identisch und auch ihre Parallelität sowie die Gegenüberstellung mit „oder“ macht deutlich, dass beide auf dieselbe Aussage abzielen. Das Bild des Kelchs findet sich in den jüdischen Heiligen Schriften und in der frühjüdischen Literatur häufiger, 129 Vgl. GNILKA, JOACHIM, Das Evangelium nach Markus. Teilband 2: Mk 8,27–16,20. Studienausgabe (Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament 2.2), Neukirchen-Vluyn/Ostfildern: Neukirchener Verlag; Patmos 22015, 101. 130 Vgl. ebd.; ECKEY, WILFRIED, Das Markusevangelium. Orientierung am Weg Jesu, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 22008, 343; DSCHULNIGG, PETER, Das Markusevangelium (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 2), Stuttgart: Kohlhammer 2007, 284.

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wobei ausgedrückt werden soll, dass Gott über das Geschick der Menschen bestimmt und diese es ௅ mitsamt häufig negativer Konsequenzen ௅ annehmen müssen. In jüngeren Schriften kann es auch spezifischer auf das Schicksal von Märtyrern und Märtyrerinnen hinweisen.131 Demgegenüber findet sich eine ähnlich metaphorische Verwendung der Taufe nicht.132 Allerdings kommt das Symbol des Wassers, insbesondere des Untertauchens, häufiger in den jüdischen Heiligen Schriften vor, um Lebensbedrohung zu signalisieren.133 Beide Metaphern sollen somit offenbar nahendes Unheil ausdrücken, das konkreter als Martyrium verstanden werden kann. Ein Unterschied zwischen den Bildern liegt insofern vor, als beim Kelch häufig Gott als derjenige imaginiert wird, der diesen reicht, so dass auch die negativen Erfahrungen in ihm gegründet sind. In Mk 10,38f. fehlt jedoch ein entsprechender Hinweis. Die Diversifikation dient an dieser Stelle dementsprechend hauptsächlich dazu, die Radikalität des Schicksals Jesu, das einige Jünger und Jüngerinnen teilen werden, besonders hervorzuheben. Möglicherweise ist die hier vorliegende Doppelung dafür verantwortlich, dass von Mt und Lk nur jeweils eine der beiden Metaphern übernommen wurde, da diesen eine Betonung weniger wichtig war oder gar als störend empfunden wurde. Der Verweis auf Taufe und Kelch spiegelt ein Motiv wider, das auch sonst bei Markus häufiger auftritt: Jesus selbst kündigt seinen Tod an, aber auf sehr indirekte, verhüllende Weise durch Metaphern. Betrachtet man den weiteren Kontext, fällt hierunter zusätzlich das „Schlagen des Hirten“ (Mk 14,27; parallel Mt 26,31) ௅ wobei hier die zentrale Metapher darin besteht, dass Jesus als Hirte dargestellt wird134 ௅ sowie der Verweis auf den Abbruch des Tempels (Mk 14,58; parallel Mt 26,61; 27,40), der jedoch durch unglaubwürdige Zeugen vorgebracht wird und somit nicht dasselbe Gewicht hat wie die analoge Aussage im Johannesevangelium. Beide Abschnitte stehen in relativer kontextueller Nähe zueinander, wodurch den Rezipierenden womöglich deutlicher wird, dass unterschiedliche Metaphern verwendet werden. Gemeinsam mit den Verweisen auf Kelch und Taufe können sie als die zentralen Passagen des Markusevangeliums gesehen werden, in denen bildhaft-diversifizierend auf Jesu Tod verwiesen wird. Ein deutlich klarerer Bezug zum Tod Jesu liegt zunächst in den Metaphern von Mk 12,1–12 (s.u.) und vor allem im Lösegeldwort Mk 10,45par vor. In Letzterem ist vor allem eine Ausrichtung auf die Funktion des Todes besonders deutlich erkennbar. Es ist zu beachten,

131

Vgl. auch GNILKA, Markus 2, 101. Für eine ausführlichere Darstellung des Motivs s.u., Abschnitt 2.6.3. 132 Vgl. auch GNILKA, Markus 2, 101. 133 Vgl. z.B. ECKEY, Markusevangelium, 343; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 285. 134 Somit bestehen Ähnlichkeiten zu Mk 12,1–9. Auch hier beschreibt sich Jesus ௅ im Rahmen einer Erweiterten Metapher ௅ als Mensch (Sohn), dem tatsächlich etwas Negatives erfährt. Stärker als beim Hirtenbeispiel wird hier der Tod Jesu hervorgehoben. S.u., Abschnitt 2.2.2.

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dass eine derart ausgeprägte Form der Diversifikation bei Lk fehlt, der das metaphorische Sprechen vom Tod Jesu gegenüber seiner Vorlage generell stark reduziert. Bei ihm finden sich nur die metaphorische Taufe in Analogie zu Mk 10,38f. in Lk 12,50, das Winzergleichnis mit Ecksteinwort in Lk 20,9–19, die Abendmahlseinsetzung in Lk 22,15–20 sowie der Verweis auf den Kelch in Gethsemane in Lk 22,42. Von der Funktion her korrespondieren dabei am ehesten Lk 12,50 und 22,42, da in beiden Jesu Todesschicksal als etwas dargestellt wird, das Jesus fürchtet und womit er hadert. Auch die Apostelgeschichte ist vergleichsweise arm an Metaphern. Es gibt aber einzelne (teilweise nur leicht) metaphorische Bezeichnungen für Jesus, die nicht auf dessen Tod selbst verweisen, aber in dessen Kontext stehen und somit konzeptuell mit ihm verknüpft werden, etwa „Anführer“ (ਕȡȤȘȖȩȢ; Apg 3,15; 5,31) und „Retter“ (ıȦIJȒȡ; Apg 5,31), wobei vor allem die Verbindung beider Termini eine Diversifikation von Metaphern sichtbarer macht. Beide betonen die soteriologische Relevanz des Todes Jesu, die durch die verschiedenen Bezeichnungen stärker aufgefächert wird. Daneben begegnet die deutlich intensivere metaphorische Bezeichnung Jesu als Stein (Ȝ઀șȠȢ; 4,11). Dadurch dass im vorherigen Vers der Tod Jesu erwähnt wurde und dass in Lk 20 auf ähnliche Weise mit dem Eckstein-Zitat gearbeitet wird, muss davon ausgegangen werden, dass auch hier ein klarer Verweis auf Jesu Sterben vorliegt. Diese zwischen den anderen Bezeichnungen Jesu stehende Metapher stellt eine gewisse Spannung zu diesen her, da Jesus hier nun nicht nur in einer bestimmten Rolle gesehen wird, die er tatsächlich einnehmen kann und im Heilsgeschehen gewissermaßen auch einnimmt, sondern als etwas Unbelebtes, das rein passiv am Geschehen Anteil hat. Während die Grounds in Apg 3,15; 5,31 sehr ähnlich sind, führt die Diversifikation in 4,11 dazu, dass das Bild von Jesus und seinem Tod erweitert wird. Zudem steht nun nicht mehr die aktive Funktion Jesu im Vordergrund, sondern die Tatsache, dass er von Menschen getötet, von Gott jedoch dies zu einem zentralen Heilsereignis umgewertet wurde. Auch im Johannesevangelium werden sehr unterschiedliche Bilder gebraucht, mit denen Jesus im Zusammenhang seines Todes dargestellt wird. Wiederum sind es eher Bilder für Jesus selbst, weniger für das Sterben an sich, wobei natürlich eine enge Verbindung besteht. Die entsprechenden Metaphern erscheinen bildhafter und somit ausdrucksstärker als die in den synoptischen Evangelien, weshalb die Diversifikation auch auffälliger ist. Möglicherweise ist ein weiterer Grund hierfür, dass bereits zu Beginn Jesus mit einer Metapher charakterisiert wird, die zumindest Rezipierende, die das Gesamtevangelium kennen, mit seinem Tod in Verbindung bringen können: Jesus ist das „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt“ (੒ ਕȝȞઁȢ IJȠ૨ șİȠ૨ ੒ Į੅ȡȦȞ IJ੽Ȟ ਖȝĮȡIJ઀ĮȞ IJȠ૨ țંıȝȠȣ; Joh 1,29; verkürzt nochmals in 1,36). Kurz darauf folgt auf eine Zeichenforderung die Aufforderung zum Abbruch des Tempels, was von der Erzählinstanz gedeutet wird ௅ hier ist vom Leib Jesu die Rede (Joh 2,21). In ähnlicher Weise wird in 6,51 das Fleisch Jesu (ਲ ı੺ȡȟ ȝȠ઄) als vom Himmel

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

gekommenes Brot (ਙȡIJȠȢ) charakterisiert. Das Essen des Brotes hat dabei heilsbringende Bedeutung (V. 50), eine Parallele zum zuvor erwähnten Manna (V. 49) wird deutlich erkennbar. Dass hier ein Bezug zum Tod Jesu naheliegt, zeigt sich dadurch, dass eine Hingabe für das Leben der Welt angekündigt wird (੔Ȟ ਥȖઅ įઆıȦ […] ਫ਼ʌ੻ȡ IJોȢ IJȠ૨ țંıȝȠȣ ȗȦોȢ). Bereits zuvor hat sich der johanneische Jesus mit dem Brot des Lebens identifiziert (V. 35.48) und die Wiederholung bewirkt eine Verstärkung der Metapher, die auf eindrückliche Weise ausgeführt wird, bevor der Bezug zum Tod Jesu ersichtlich wird. Es schließen sich die metaphorischen Darstellungen Jesu als Hirte (Joh 10,11.15), als Weizenkorn (12,24) und als Licht (12,25) an. Dabei sind die Grounds der Metaphern sehr unterschiedlich und damit auch der Blickwinkel, aus dem der Tod Jesu gesehen wird bzw. die Rolle, die Jesus dabei einnimmt. Das Lamm trägt zwar die Sünden, es ist aber selbst eher im Geschehen passiv und „erleidet“ als Opfertier oder Bestandteil des Passarituals den Tod. Ähnlich passiv verhält sich das Weizenkorn, wobei hier eine natürliche Gesetzmäßigkeit beschrieben wird, nichts, was direkt die Gott-Mensch-Beziehung berührt. Das Vergehen des Weizenkorns entspricht dem Lauf der Dinge. Einen ähnlichen Eindruck macht zunächst auch die Lichtmetapher: Das Licht ist jetzt da, aber nicht immer, wie der Tag vergeht und der Nacht weichen muss. Die Aussage der beiden Metaphern ist dabei aber extrem unterschiedlich: Während das Sterben des Weizenkorns die Voraussetzung dafür darstellt, dass neues Leben entstehen kann, ist das Schwinden des Lichts und die Dominanz der Finsternis eher etwas, das als bedrohlich empfunden wird. Gerade in der Hirtenmetapher wird besonders deutlich, dass Jesus sein Leben bewusst und als Ausdruck der Liebe für andere hingibt, so dass er eine weitaus aktivere Rolle einnimmt. Auch die Aufforderung zum Tempelabbruch enthält insofern aktive Anklänge, als in Aussicht gestellt wird, dass Jesus diesen selbst wieder aufbauen wird. Damit wirkt er souverän im Hinblick auf seine eigene Auferweckung. Andererseits wird hier die Beteiligung anderer Menschen an seinem Tod indirekt hervorgehoben. Die Diversifikationen im Johannesevangelium sind somit gute Beispiele dafür, wie der Gebrauch verschiedener Vehicles dazu dienen kann, unterschiedliche Aspekte eines Sachverhalts hervorzuheben und andere eher in den Hintergrund zu rücken. Auch der Tod Jesu an sich wird teilweise im Johannesevangelium auf metaphorische Weise umschrieben und da dabei ebenfalls unterschiedliche Metaphern verwendet werden, liegen auch hier Diversifikationen vor, die jedoch möglicherweise weniger auffällig sind. Beispielhaft zu nennen sind in diesem Zusammenhang besonders Joh 14,2 (ʌȠȡİ઄ȠȝĮȚ ਦIJȠȚȝ੺ıĮȚ IJંʌȠȞ ਫ਼ȝ૙Ȟ; „ich gehe, um euch eine Stätte zu bereiten“) und 18,11 (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ į੼įȦț੼Ȟ ȝȠȚ ੒ ʌĮIJ੽ȡ Ƞ੝ ȝ੽ ʌ઀Ȧ Į੝IJં; „Den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich ihn etwa nicht trinken?“) zu nennen. In den echten Paulusbriefen kann eine Diversifikation vor allem im ersten Korintherbrief ausgemacht werden, da in den übrigen Briefen Metaphern mit

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Jesu Tod als Vehicle dominanter sind. Demgegenüber lässt sich eine metaphorische Verschiebung in 1Kor 5–7 klarer ausmachen. Hier wird Jesus zunächst in ziemlicher Deutlichkeit als Passa(lamm) dargestellt (IJઁ ʌ੺ıȤĮ ਲȝ૵Ȟ ਥIJ઄șȘ ȋȡȚıIJંȢ; 1Kor 5,7), eine Metapher, die innerhalb des generellen Bilds vom Passa steht, das hier gebraucht wird, um zur Entfernung jeglichen Sauerteigs, das heißt sämtlicher verfehlter Lebenspraktiken, und damit zu einem Leben in Reinheit zu motivieren. Die Metapher ist hier stark, jedoch eher ein Nebenargument in der Gesamtaussage. Welche Funktion Jesu Tod genau hat, wird nicht explizit gemacht, sondern kann lediglich aus dem Bedeutungshintergrund des Vehicles Passa erschlossen werden. Deutlich ist, dass Jesu Tod nicht der Hauptfokus des Gesamtabschnitts ist, sondern nur zur zusätzlichen Untermauerung des Arguments angeführt ist. Dies gilt noch in stärkerem Maße für die folgenden Loskaufmetaphern in 6,20 und 7,23, in denen Jesu Tod nur durch die Metapher und somit auf höchst indirekte Weise zur Sprache kommt. 1Kor 5,7 und die beiden folgenden Loskaufmetaphern aktivieren sehr unterschiedliche konzeptuelle Metaphern und zeigen dadurch verschiedene Funktionen des Todes Jesu ௅ am ehesten Schutz für die Passametapher, Befreiung oder Herrschaftswechsel für die Loskaufmetaphern ௅ auf. Beiden gemein ist, dass die Relevanz des Todes Jesu für seine Anhängerinnen und Anhänger in allen drei Abschnitten deutlich wird. Da jedoch in allen drei Fällen nicht Jesu Tod im Vordergrund steht, ist die Diversifikation weniger deutlich. Zudem bleibt anzumerken, dass auf der Satzebene die T-Terms der Einzelmetaphern unterschiedliche sind ௅ Christus in 5,7, das jeweilige Subjekt in 6,20 und 7,23. Es handelt sich hier somit nicht um die Diversifikation von sprachlichen Einzelmetaphern, sondern, wie erwähnt, um die Diversifikation konzeptueller Metaphern. Leichte Diversifikationen sind auch in der Charakterisierung Christi in Kol 1,14f. erkennbar. Ein Bezug zum Tod Jesu wird hier noch nicht explizit gemacht, sondern erst in 1,20. Der Verweis darauf, dass „wir in ihm Erlösung bzw. Loskauf haben“ (ਥȞ મ ਩ȤȠȝİȞ IJ੽Ȟ ਕʌȠȜ઄IJȡȦıȚȞ; V. 14) kann jedoch die konzeptuelle Loskaufmetaphorik aktivieren, obwohl an dieser Stelle nicht sicher gesagt werden kann, inwiefern ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ als aktive Metapher wahrgenommen wurde und wird. Jesus wird im Folgenden als „Bild des unsichtbaren Gottes“ (İੁțઅȞ IJȠ૨ șİȠ૨ IJȠ૨ ਕȠȡ੺IJȠȣ) und als „Erstgeborener aller Schöpfung“ (ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ ʌ੺ıȘȢ țIJ઀ıİȦȢ) genauer beschrieben, was eine klare Diversifikation darstellt, deren Bezug zum Tod Jesu aber nur höchst indirekt ist. Da Erlösung/Loskauf durch Christus erfolgt, hier jedoch sein Wesen selbst näher bestimmt wird, liegen unterschiedliche Ebenen vor. Das Bild des Erstgeborenen wird in V. 18 erneut aufgegriffen, wobei Jesus nun als „Erstgeborener aus den Toten“ (ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ ਥț IJ૵Ȟ Ȟİțȡ૵Ȟ) bezeichnet wird, was einen stärkeren Bezug zum Sterben Jesu herstellt. Allerdings wird eher seine Auferstehung in den Blick genommen. Insgesamt zeigt sich so für den Kolosserbrief, dass nur ansatzweise ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Vehicles erkennbar ist und dabei der Bezug zum Tod Jesu nicht besonders stark herauskommt.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Ähnlich wie in 1Kor ist auch das, was man im Epheserbrief als Diversifikation wahrnehmen kann, auf die Verwendung unterschiedlicher konzeptueller Metaphern zurückzuführen und weniger darauf, dass derselbe T-Term in unterschiedlichen Metaphern gebraucht wird. Unter Umständen lassen sich die Einzelmetaphern auch unter einem Gesamtkonzept vereinbaren. Relevant ist hier zunächst Eph 1,7, wo anders als in Kol 1,14 ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ durch den Zusatz „durch sein Blut“ (įȚ੹ IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ Į੝IJȠ૨) klar auf Jesu Tod bezogen wird. Dennoch bleibt auch hier ungewiss, ob man den Ausdruck als Bestandteil einer aktiven Metapher zu werten hat. Geht man von konzeptueller Loskaufmetaphorik aus, so steht diese neben der Opfermetapher in 5,2 sowie der metaphorischen Darstellung der Wirkung von Jesu Tod als Reinigung in 5,25–27. Aufgrund der Distanz zwischen 1,7 und den Metaphern von Kap. 5 sowie der Unschärfe des metaphorischen Gehalts von 1,7 ist jedoch fraglich, inwieweit hier eine Diversifikation wahrgenommen wird. Die Schwerpunkte der Einzelmetaphern sind unterschiedlich: Während 1,7 und 5,25–27 die Wirkung des Todes Jesu für die Menschen im Blick haben, diese aber durch unterschiedliche Bilder ausdrücken, wird dieser durch die Metapher in 5,2 selbst näher dargestellt. Soteriologische Erwägungen stehen somit neben christologischen. Wenn man ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ als „Erlösung“ auffasst, wäre die entsprechende Wendung „Erlösung durch sein Blut“ durchaus mit der Opfermetapher von 5,2 kompatibel, obwohl dennoch Anklänge an den Loskauf bestehen bleiben können. 5,2 hätte dann weniger die Funktion, ein alternatives Bild für das in 1,7 beschriebene Geschehen zu liefern als dieses weiter auszuführen. Auch die Reinigung in 5,25–27 kann prinzipiell mit dem Opfer zusammen gedacht werden, in dem Sinne, dass Opfer Reinigung bewirken können. Die spezifischen Termini, mit denen die Metapher weiter ausgeführt wird, lassen sich hingegen nicht in die Opfermetaphorik integrieren, vor allem der Hinweis darauf, dass diese Reinigung „durch das Bad des Wassers im Wort“ (IJ૶ ȜȠȣIJȡ૶ IJȠ૨ ੢įĮIJȠȢ ਥȞ ૧੾ȝĮIJȚ) erfolgt, wodurch zusätzlich die Reinigung eher als Vorbedingung der Heiligung verstanden wird, die primär mit dem Tod Jesu verknüpft wird. Es ist somit möglich, dass sich die primäre Reinigungsmetapher durch das Verb țĮșĮȡȓȗȦ aus dem Opferbild ergibt, die anschließende Vertiefung, die auch in V. 27 fortgeführt wird, jedoch zu einer Verschiebung des Bildes von der Reinigung führt, durch die es nicht mehr gänzlich mit der vorherigen Opfermetapher kompatibel ist. In Tit 2,14 ist wiederum eine Diversifikation von Einzelmetaphern mit VTerms derselben Wortart zu erkennen: Christus hat sich für uns hingegeben (਩įȦțİȞ ਦĮȣIJઁȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ), „damit er uns von aller Gesetzlosigkeit erlöse/loskaufe und für sich selbst ein eigenes Volk reinige“ (੆ȞĮ ȜȣIJȡઆıȘIJĮȚ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਕȞȠȝ઀ĮȢ țĮ੿ țĮșĮȡ઀ıૉ ਦĮȣIJ૶ ȜĮઁȞ ʌİȡȚȠ઄ıȚȠȞ). Die Metapherndiversifikation ist dabei durch die Formen von ȜȣIJȡȩȦ und țĮșĮȡȓȗȦ gegeben, die hier auf engem Raum einander beigeordnet sind. Während die kontextuelle

2. Arten von Metaphernkombinationen

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Nähe dafür sorgt, dass die Diversifikation leicht erkennbar ist, kann die Doppeldeutigkeit von ȜȣIJȡȩȦ wiederum dazu führen, dass die zweite Verbmetapher in den Vordergrund rückt und der metaphorische Gehalt der ersten Aussage kaum wahrgenommen wird. Tatsächlich ist es möglich, ȜȣIJȡȩȦ hier generell als „erlösen“ oder „befreien“ aufzufassen und somit nicht vom Zusammenspiel zweier (aktiver) Metaphern auszugehen. Die stark verwandte Passage 1Tim 2,6, in der ebenfalls von Jesu Hingabe mit einer ਫ਼ʌȑȡ-Formulierung die Rede ist, und wo das Stichwort ਕȞIJȓȜȣIJȡȠȞ fällt, macht es allerdings wahrscheinlich, dass ȜȣIJȡȩȦ hier als zumindest weitestgehend aktiver V-Term aufzufassen ist. Unabhängig vom Grad der Metaphorizität wird deutlich, dass der erste Teil des Finalsatzes als Bedingung für den zweiten gedacht wird. Geht man von aktiven Metaphern aus, so weisen beide in dieselbe Richtung. Durch die Erweiterung wird die ȜȣIJȡȩȦ-Metapher an die Reinigungsmetapher angeglichen, wohingegen der ursprüngliche Loskaufgedanke zurückgedrängt wird. Die Kombination der eigentlich sehr verschiedenen Metaphern dient demnach eher dazu, die Aussage zu betonen als unterschiedliche Elemente desselben Sachverhaltes aufzuzeigen. Zu beachten bleibt ferner, dass auch țĮșĮȡȓȗȦ in bestimmten Zusammenhängen als konventionalisierte Metapher angesehen werden kann. Dementsprechend werden hier zwei verhältnismäßig schwache Metaphern miteinander verbunden, weshalb die Diversifikation nicht sonderlich auffällig ist. In den katholischen Briefen lassen sich Diversifikationen hauptsächlich auf der Ebene unterschiedlicher konzeptueller Metaphern ausmachen. So interagiert im ersten Johannesbrief Reinigungsmetaphorik in Gestalt der Aussage „das Blut Jesu […] reinigt uns von jeder Sünde“ (IJઁ ĮੈȝĮ ੉ȘıȠ૨ IJȠ૨ ȣੂȠ૨ Į੝IJȠ૨ țĮșĮȡ઀ȗİȚ ਲȝ઼Ȣ ਕʌઁ ʌ੺ıȘȢ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ; 1Joh 1,7) mit der Bezeichnung Jesu als ੂȜĮıȝȩȢ ʌİȡ੿ IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ (1Joh 2,2 und 4,10). Wie bereits dargelegt wurde, ist unklar, wie genau die letztgenannte Aussage aufzufassen ist.135 Es besteht die Möglichkeit, sie als „Versöhnung für unsere Sünden“ wiederzugeben, was eine Metapher darstellt, die jedoch nicht besonders stark bildlich geprägt ist. Alternativ ist auch die Übersetzung als „Sündopfer“ möglich. Folgt man dieser Interpretation, so lässt sich die vorherige Reinigungsmetapher ebenfalls vor diesem Hintergrund deuten, denn das Blut als reinigende Kraft kann sich auf das Blut von Opfertieren beziehen. Von welcher Interpretation man auch ausgeht, in beiden Metaphern liegt ein deutlicher Bezug zu Sünden vor und damit auch ein gemeinsamer Ground in der Beseitigung von Sünden. 1Petr 1,18f. legt eine Verbindung der konzeptuellen Loskauf- und Opfermetaphorik dar, die auf syntaktischer Ebene derart eng ist, dass von einer Metaphernvermischung gesprochen werden muss.136 Dabei wird die konzeptuelle Opfermetapher bereits in 1,2 durch den Verweis auf die Besprengung mit Jesu 135 136

S.o., Abschnitt 5.2.2. des dritten Kapitels. S.u., Abschnitt 2.5.2.

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Blut aktiviert. Sie ist somit bereits präsent, bevor sie in die Loskaufmetaphorik von 1,18f. eingebracht wird. Während Loskauf und Opfer generell unterschiedliche Aussageschwerpunkte setzen, sind sie hier doch eng verbunden. Einen ganz anderen Ansatz bietet hingegen die Metapher, in der Jesus als „lebender Stein“ (ȜȓșȠȢ ȗ૵Ȟ; 2,4) bezeichnet wird, was in den folgenden Versen noch deutlich ausgeführt und metaphorisch erweitert wird.137 Ganz offensichtlich ist Ausgangspunkt dieser Metapher die Rückbindung an das Schriftzitat, auf das bereits in 2,4 hingedeutet und das nochmals in V. 7 verwendet wird. Dabei können auf der Ebene der Einzelmetapher vor allem diese Bezeichnungen Jesu als Stein sowie als unbeflecktes und fehlerfreies Lamm als relevant bewertet werden, da in beiden Substantivmetaphern mit dem inhaltlich selben Topic vorliegen. Allerdings gibt es auch hier Unschärfen, denn keine der beiden Aussagen ist eine klassische Kopula-Metapher und auch die spezifische Bezeichnung, mit der Jesus benannt wird („Christus“ in 1,7; ein im Sinne eines Demonstrativpronomens gebrauchtes Relativpronomen, das sich auf „der Herr“ in V. 3 bezieht, in 2,4), unterscheidet sich. Lamm und Stein besitzen sehr unterschiedliche Assoziationen und präsentieren damit Jesus in seinem Sterben aus verschiedenen Blickwinkeln. Beiden gemein ist aber die Verwendung von aus den jüdischen Heiligen Schriften bekannten Topoi. Durch den Zusatz, dass der Stein als lebendig beschrieben wird, wird deutlich signalisiert, dass hier eine Metapher vorliegt. Gleichzeitig rückt diese Aussage die beiden V-Terms Lamm und Stein insofern näher aneinander, als nun beide als belebte Wesen verstanden werden. Auch zwischen 1,2 und 1,18f. kann auf der Ebene der Einzelmetaphern eine diversifizierende Verbindung ausgemacht werden, die dadurch gegeben ist, dass in beiden Fällen das Blut einen Bestandteil des T-Terms ausmacht. Einmal ist es Mittel der Besprengung, einmal der Bezahlung, was durch das Adjektiv IJȓȝȚȠȢ zusätzlich betont wird. Vermutlich sind die Grounds der beiden Metaphern ähnlich, da beide Aussagen auf das Bewirken einer Art Aussonderung verweisen. Es ist möglich, dass aufgrund der Tatsache, dass auch in 1,18f. Opfermetaphorik eingebracht wird, die Diversifikation von Rezipierenden weniger stark wahrgenommen wird, und auch der Loskauf mit Blut bereits vor dem Hintergrund der Besprengung gesehen wird. Allen drei Metaphern im 1Petr ist gemein, dass Jesu Tod vor allem instrumentell, in seiner Wirkung, gesehen wird und dass Jesus sehr passiv dargestellt wird: Sein Blut dient der Besprenung und dem Loskauf ௅ ȜȣIJȡȩȦ steht in 1,18 im Passiv, was sich als passivum divinum eher auf Gott denn auf Jesus als Akteur beziehen lässt. Er ist ein Lamm, ein Opfertier und ein Stein ௅ wenn auch ein lebendiger ௅ mit dem nach Gutdünken der Menschen und Gottes verfahren wird. Im 2Petr kann lediglich die Loskaufmetapher in 2,1 (IJઁȞ ਕȖȠȡ੺ıĮȞIJĮ Į੝IJȠઃȢ įİıʌંIJȘȞ, „den Herrn, der sie erkauft hat“) mit gewisser Wahrscheinlichkeit auf Jesu Tod bezogen werden. Fraglich ist der Bezug dagegen in 1,9, 137

S.u., Abschnitt 2.4.2.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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wo von der „Reinigung einstiger Sünden“ (țĮșĮȡȚıȝȩȢ IJ૵Ȟ ʌ੺ȜĮȚ Į੝IJȠ૨ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ) die Rede ist. Bezieht man auch diesen Abschnitt auf Jesu Tod, so liegt zumindest eine Diversifikation unterschiedlicher konzeptueller Metaphern (JESU TOD IST EINE REINIGUNG und JESU TOD IST EIN LOSKAUF) vor. Allerdings kann 1,9 ebenfalls auf die Bekehrung oder Taufe anspielen, und gerade Letzteres legt sich vom Bildgehalt her durchaus nahe. Auch im Hebräerbrief liegt keineswegs einheitliche Metaphorik vor, obwohl die konzeptuelle Opfermetapher sehr dominant ist. Vor welchem Hintergrund genau das metaphorische Opfer allerdings betrachtet und gedeutet werden muss, unterscheidet sich und es treten zusätzlich andere konzeptuelle Metaphern auf, die zumeist ebenfalls unter die Kategorie kultischer Praktiken fallen, jedoch nicht mit der Opfermetapher gleichgesetzt werden können. Man kann auch in dieser neutestamentlichen Schrift vor allem Diversifikationen der konzeptuellen Metaphern erkennen, weniger in konkreten Einzelmetaphern. Aufgrund der metaphorischen Dichte des Hebräerbriefs kann hier nur eine grobe Skizze erfolgen. Wie das Opfer, das Jesus als Hohepriester in sich selbst darbringt, zu deuten ist, das heißt zum Beispiel welche Opferart und welcher Anlass zum Opfer hier vorliegt, ist nicht durchweg klar erkennbar. In einigen Passagen zeigt sich, dass sie vor dem Hintergrund des Jom Kippur zu deuten sind, etwa dadurch, dass darauf verwiesen wird, dass Christus als Hohepriester die Sünden des Volkes sühnt (İੁȢ IJઁ ੂȜ੺ıțİıșĮȚ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ IJȠ૨ ȜĮȠ૨; 2,17) oder dass durch den Vorhang der Zutritt ins Allerheiligste ermöglicht wurde (6,19–20; 10,19–20; vgl. 9,3).138 Auch die Betonung des Blutritus beim Jom Kippur in 9,7 deutet darauf hin, dass die folgenden Ausführungen vor dem Hintergrund dieses Versöhnungsgeschehens zu sehen sind. Es ist damit möglich, alle Fälle, in denen von Jesu Selbstopferung die Rede ist, vor allem die ʌȡȠıijȑȡȦ-Wendungen, als Hinweise auf den Jom Kippur zu sehen. Ein weiteres Indiz hierfür könnte darin bestehen, dass Christus durchgängig und spezifisch als Hohepriester bezeichnet wird. Allerdings ist zu beachten, dass nicht alle Äußerungen zu Opfern bzw. Opfermetaphorik im Hebräerbrief sich nahtlos in die Jom-Kippur-Typologie fügen. Das einmalige (metaphorische) Opfer Jesu wird stets betont, es steht aber teilweise täglichen Opfern gegenüber, so konkret in 10,11–12. Dabei kann dies auf die täglichen Morgen- und Abendopfer nach Ex 29,38 und Num 28,3 verweisen oder ganz generell darauf, dass in der Tora eine Vielzahl von Opfern vorgeschrieben werden, so dass die Priester täglich damit beschäftigt sind. Auch die Darstellung der Aufgaben des Hohepriesters in 5,1–3, die maßgeblich für die spätere Illustration der Aufgaben Jesu ist, muss nicht auf den Jom Kippur eingeengt werden. Schließlich ist selbst in Passagen, die gemeinhin vor dem Hintergrund des Versöhnungstags gesehen werden, zu beobachten, dass

138

Dies ist jedoch nicht gänzlich unumstritten. Zur Diskussion s.u., Abschnitt 2.5.4.

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hier Elemente einfließen, die in Lev 16 keine Rolle spielen, wie etwa der Verweis auf die „Asche einer Kuh“ (ıʌȠįઁȢ įĮȝ੺ȜİȦȢ) in 9,13. Man könnte also sagen, dass hier mindestens zwei unterschiedliche konzeptuelle Metaphern vorliegen, Jesu Tod als Opfer im Zuge des Jom Kippur und des täglichen Opfers, wobei aufgrund der identischen Wortwahl in den konkreten Einzelmetaphern nicht festgestellt werden kann, welcher Bedeutungshintergrund vorliegt, sondern dies vom Kontext auszumachen ist. Andererseits ist die Aussagerichtung des Hebräerbriefs meines Erachtens eine andere. Es geht hier ja gerade um die Betonung der Einmaligkeit, die dem jährlichen oder täglichen Opfervollzug gegenübergestellt wird, und auch darum, dass das Opfer eine Sünden tilgende Funktion hat. Jesu Selbstopfer überbietet jegliche Form von Opfer, die der „alte Bund“ festgelegt hat, so dass eine strikte Typologie nur begrenzte Aussagekraft hat. Für den Verfasser des Hebräerbriefs bietet der Jom Kippur einen guten Anknüpfungspunkt und es ist richtig, dass er in großen Teilen der Schrift sehr präsent ist. Allerdings scheint es so, dass für die Deutung des Todes Jesu insbesondere das Sündopfer an sich zentral ist, das in den Jom-KippurRitualen eine wichtige Stellung einnimmt. Statt von einer Diversifikation auszugehen, kann daher eher die generelle konzeptuelle Metapher JESU TOD IST EIN SÜNDOPFER ausgemacht werden, die sich dann ausdifferenziert in das Sündopfer beim Jom Kippur und das allgemeine Sündopfer. Meiner Ansicht nach ist der Verweis auf tägliche Opfer eher auf allgemeine Sündopfer bezogen als auf das Abend- und Morgenopfer. Zudem ist festzuhalten, dass der Verfasser des Hebräerbriefs sich mit den Opfergesetzen zwar insgesamt gut auskennt, aber verschiedene Rituale und Opfertypen nicht scharf voneinander trennt. Sie dienen einem rhetorischen Zweck und werden im Tod Jesu ohnehin überboten. Ein weiterer wichtiger Bedeutungshintergrund im Hebräerbrief ist der neue Bundesschluss. Für diesen kann die Opferdeutung weiterhin relevant sein, im Hebräerbrief wird Jesus allerdings als Mittler oder Bürge des neuen Bundes dargestellt, so dass es sinnvoll ist, beide metaphorischen Deutungen voneinander zu trennen. Insbesondere in Kap. 9f. kann beobachtet werden, wie von der einen konzeptuellen Metapher zur anderen übergegangen wird. Während der Abschnitt 9,11–14 Jesu Tod vor dem Bild des Jom Kippur deutet ௅ oder vor dem allgemeiner Opferpraktiken, denn ein Hinweis, dass hier ausschließlich der Jom Kippur gemeint sein kann, findet sich an dieser Stelle höchstens im Rückgriff auf V. 7 ௅ folgt in V. 15–22 eine Deutung durch einen zweiten Bundesschluss und durch Überlegungen zum Begriff įȚĮșȒțȘ („Bund“/„Testament“), wodurch vor allem die Notwendigkeit des Todes bzw. des Blutvergießens in den Vordergrund gerückt wird. Ab V. 23 verschiebt sich die Argumentation erneut hin zur Opferdeutung. Durch den Verweis darauf, dass das Opfer Jesu jährlich dargebrachten Opfern (țĮIJ’ ਥȞȚĮȣIJȩȞ; 9,25) gegenübersteht, scheint dieser Abschnitt nun klar auf den Jom Kippur zu blicken. Dies wird offenbar in den ersten Versen von Kap. 10 fortgesetzt, wo die Wendung țĮIJ’ ਥȞȚĮȣIJȩȞ noch zwei weitere Male wiederholt wird (10,1.3). Das folgende

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Psalmzitat hingegen geht generell auf Opferpraktiken und -arten ein und in 10,11 ist wieder von täglichen Opfern die Rede, während der Verweis auf den Vorhang in 10,19–20 erneut stark an den Jom Kippur erinnert. In 10,29 wird dann abermals der Bundesschlussgedanke aufgegriffen, durch die Wendung „das Blut des Bundes“ (IJઁ ĮੈȝĮ IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ), die auf die Abendmahlseinsetzung verweisen kann. Obwohl offenbar unterschiedliche Opferkontexte angeführt werden, bleiben die Grounds der Metaphern sehr ähnlich, so dass der Bundesschluss, vor allem in 15–22, aus dem Rahmen fällt. Er wird als Hintergrund für Metaphern außerdem in 12,24 und 13,20 aufgegriffen, wobei in beiden Fällen erneut eine Verbindung mit dem Blutmotiv vorliegt und in der letztgenannten Stelle eine ähnliche Formulierung wie in 10,29 vorliegt. Die Metaphern werden hier jedoch nicht noch einmal genauer erklärt, wie das in 9,15– 22 der Fall ist, und müssen wohl im Rückgriff auf diese Passage verstanden werden. Gerade in 9,15–22 scheint der Aspekt der Notwendigkeit des Todes durch die Bundesmetapher besonders deutlich hervorzukommen und wird damit in einen Abschnitt eingebunden, in dem sonst eher die soteriologische Funktion des Todes Jesu im Vordergrund steht. In der Gegenüberstellung von Alt und Neu gibt es allerdings eine klare Verbindung zwischen beiden konzeptuellen Metaphern: Aus der Anwendung und Überhöhung zentraler (kultischer) Vorschriften und Erzählungen der jüdischen Heiligen Schriften ergibt sich, wie der Tod Jesu gedeutet werden muss. Mit den kultischen Metaphern verbunden steht an einigen Stellen die Funktion der metaphorischen Reinigung. Obwohl man hier generell von einer Diversifikation sprechen kann, ist in den meisten Fällen der metaphorische Gehalt von Aussagen mit țĮșĮȡȓȗȦ und verwandten Termini nicht sonderlich ausgeprägt, sondern es handelt sich eher um konventionalisierte Ausdrücke, die sich in die konzeptuellen kultischen Metaphern einfügen. Eine Spannung darin, dass Blut oder Opfer als Mittel der Reinigung angeführt werden (vgl. Hebr 9,14.23), wird dementsprechend nur geringfügig wahrgenommen. Die Reinigungsmetapher wird sowohl im Zusammenhang relativ allgemein gehaltener Opfer in Hebr 9,13f., als auch im Kontext des Bundesschlusses (9,22f.) und offensichtlich auch des Jom Kippur (10,22) benutzt. Nur in der letztgenannten Passage wird die Metaphorizität durch die plastischere Schilderung des „Waschens mit reinem Wasser“ deutlich. Diese Konkretisierung lässt dann jedoch Zweifel aufkommen, inwieweit hier ein Bezug zur Heilswirkung des Todes Jesu hergestellt werden kann und nicht eher davon auszugehen ist, dass vorrangig an die Taufe gedacht ist. Der einzige Fall einer alleinstehenden Reinigungsmetapher liegt im Hebräerbrief in 1,3 vor, wobei aber nicht klar wird, ob an dieser Stelle wirklich vom Tod Jesu die Rede ist. Geht man allerdings davon aus, dann kann diese Stelle am ehesten als Diversifikation zu den Opfer- und Bundesschlussmetaphern angesehen werden, da an den anderen Stellen die Reinigungsmetapher in Abhängigkeit zu diesen steht bzw. diese weiter erklärt.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Neben den stark kultisch aufgeladenen Metaphern ist am ehesten die konzeptuelle Loskaufmetaphorik für die Betrachtung von Diversifikationen relevant, wobei diese jedoch in 9,12.15 höchstens sehr indirekt und schwach ausgeprägt ist. Deutlicher ist das eng verwandte Motiv der Befreiung aus Sklaverei in 2,15. Dies steht sowohl in enger Verbindung mit dem Tod Jesu (V. 14, indirekt auch in V. 18) als auch in Nachbarschaft zur Einführung der HohepriesterMetapher und der damit verbundenen Anspielung auf den Jom Kippur (V. 17). An dieser Stelle kann im Hebräerbrief am deutlichsten ein diversifizierender Übergang zwischen zwei verschiedenen Metaphern aus unterschiedlichen semantischen Feldern und Grounds beobachtet werden. Diese stehen hier nebeneinander und werden nicht direkt miteinander verbunden, wie dies sonst im Hebräerbrief teilweise vorkommt und was in einer Metaphernvermischung oder -inkonsistenz resultiert. Insgesamt zeigt sich, dass im Hebräerbrief Metapherndiversifikationen zwar vorkommen, die einzelnen Metaphern jedoch zu einem Großteil aus im weitesten Sinne kultischen Kontexten stammen, mit Ausnahme von 2,15. Auch die Grounds sind vielfach sehr ähnlich, allerdings mit Akzentverschiebungen in den Einzelmetaphern. Während meistens die Heilsrelevanz für die Gläubigen im Vordergrund steht, scheint die Bundesschlussmetapher vor allem die Notwendigkeit des Todes Jesu zu betonen. Es zeigt sich generell, dass die Diversifikation in dieser neutestamentlichen Schrift weniger anregend ist als die anderen Arten von Metaphernkombinationen, die vielfältigere und innovativere Beobachtungen ermöglichen. In der Apokalypse sind Diversifikationen im Zusammenhang mit Jesu Tod an zwei Stellen im Kontext einer ausführlichen Beschreibung Jesu gegeben. Zu Beginn der Darlegungen wird Jesus zunächst durch eine Reihe von Titeln im Nominativ charakterisiert, ähnlich wie Gott zuvor: „der Zeuge, der Treue, der Erstgeborene der Toten und der Herrscher der Könige und Königinnen der Erde“ (੒ ȝ੺ȡIJȣȢ, ੒ ʌȚıIJંȢ, ੒ ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ IJ૵Ȟ Ȟİțȡ૵Ȟ țĮ੿ ੒ ਙȡȤȦȞ IJ૵Ȟ ȕĮıȚȜ੼ȦȞ IJોȢ ȖોȢ; Apk 1,5). Darin ist natürlich vorrangig die Bezeichnung „Erstgeborener der Toten“ thematisch relevant. Es folgt eine weitere Charakterisierung im nächsten Satz, die nun im Dativ steht und bei der ein stärkerer Fokus auf das Verhältnis Jesu zu den Menschen gelegt wird: „dem uns Liebenden und uns von unseren Sünden erlöst/freigekauft Habenden durch sein Blut“ (ȉ૶ ਕȖĮʌ૵ȞIJȚ ਲȝ઼Ȣ țĮ੿ Ȝ઄ıĮȞIJȚ ਲȝ઼Ȣ ਥț IJ૵Ȟ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ ਲȝ૵Ȟ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨; Apk 1,5). Wie bei so vielen Loskaufmetaphern ist auch hier fraglich, inwieweit man das substantivierte Partizip als aktive Metapher ansehen kann. Geht man davon aus, dass die konzeptuelle Loskaufmetaphorik hier aktiviert wird, stehen vor allem die Bezeichnungen Jesu als „Erstgeborener“ und „freigekauft Habender“ nebeneinander, die beide auf Jesu Tod verweisen, jedoch unterschiedliche Aspekte dieses Geschehens in den Blick nehmen. Während die erste Metapher vor allem die Auferstehung Jesu in den Vordergrund rückt, erläutert die

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zweite eher die soteriologische Relevanz des Todes, die in der ersten nur angedeutet wird (dass einem „Erstgeborenen“ weitere Kinder folgen, ist plausibel, aber nicht zwingend erforderlich). Dem entspricht, dass die NominativTitel Jesus generell beschreiben, die Aussagen im Dativ jedoch auf seine Hinwendung zu den Menschen bezogen sind. Die Deutungen des Todes Jesu stehen dabei innerhalb genereller Beschreibungen seines Wirkens und seiner Bedeutsamkeit und nicht nebeneinander. Während der Hinweis auf Jesu Liebe noch als Voraussetzung für den Freikauf angesehen werden kann, bricht zumindest die Bezeichnung Jesu als Herrscher der Könige und Königinnen das Reden über Jesu Tod und Auferstehung auf. Ein ähnliches Phänomen der Diversifikation in der Aneinanderreihung von Titeln findet sich in Apk 5,5–6, wobei hier allerdings kein durchgängiger Bezug zu Jesu Sterben gegeben ist. Im Zusammenhang der Verzweiflung des IchErzählers gegenüber der Tatsache, dass niemand gefunden werden kann, der würdig ist, das Buch mit sieben Siegeln zu öffnen, weist einer der Ältesten auf „de[n] Löwe[n] aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids“ (੒ Ȝ੼ȦȞ ੒ ਥț IJોȢ ijȣȜોȢ ੉Ƞ઄įĮ, ਲ ૧઀ȗĮ ǻĮȣ઀į; Apk 5,5) hin, was für sich genommen bereits zwei sehr unterschiedliche Metaphern sind. Ein Bezug zum Tod Jesu fehlt hier noch. Im nächsten Vers jedoch wird in der Schau des Erzählers die Einführung des Lamms, das „wie geschlachtet“ ist, berichtet. Dies ist ein ab Apk 5,6 wiederkehrendes Symbol, das hier erstmals genauer geschildert wird. Wie bereits erwähnt, ist ein Symbol mit einer Metapher nicht ohne Weiteres gleichzusetzen, auch wenn es in der Funktion beider Phänomene Überschneidungen gibt. Im engen Sinn kann deshalb das Verhältnis des Symbols des Lammes und der vorherigen Metaphern nicht als Diversifikation bezeichnet werden. Allerdings entsteht eine interessante Spannung zwischen der Ankündigung des Ältesten und der tatsächlichen Erscheinung des Lamms, vor allem durch die Erwähnung eines siegreichen Löwen. Lämmer und Löwen sind in der Regel, auch in antiker Vorstellung, unterschiedlich, wenn nicht gegensätzlich konnotiert. Die Erwartung, die durch die Ankündigung geschürt wird, wird durch die tatsächliche Erscheinung des Lamms, noch dazu eines, das „wie geschlachtet“ ist, gebrochen. Gleichzeitig wird durch die metaphorische Einführung klar, dass von diesem Lamm mehr zu erwarten ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Dass dies kein gewöhnliches Lamm ist, wird auch durch das außergewöhnliche Äußere ௅ sieben Hörner und sieben Augen ௅ deutlich. Diese Stelle veranschaulicht auf eindrückliche Weise, wie unterschiedliche Bilder verschiedene Aspekte desselben Sachverhalts in den Vordergrund rücken. 2.2.2. Exemplarische Analyse von Mk 12,1–12 Als Beispiel einer Metapherndiversifikation wird im Folgenden das Nebeneinander von Gleichniserzählung und Psalmzitat in Mk 12,1–12 ausführlicher diskutiert. Dabei sei vorab bemerkt, dass es sich nicht um eine einfache Form

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

der Diversifikation handelt. Um eine reine Veranschaulichung dieser spezifischer Metaphernkombination zu leisten, sei auf klarer strukturierte Passagen, wie die in Abschnitt 2.2.1. angesprochenen Passagen Mk 10,38f. und Joh 10– 12 (Jesus als Hirte, Weizenkorn und Licht) verwiesen. Mk 12,1–12 stellt dagegen meines Erachtens ebenfalls einen eindeutigen Fall der Diversifikation dar, in dem jedoch gleichzeitig die potentielle Komplexität von Metaphernkombinationen erkennbar wird, da es eben keine einfachen Metaphern sind, die diversifizierend nebeneinandergestellt werden, sondern solche, die in narrative Strukturen eingebettet sind und reiche intertextuelle Bezüge aufweisen. Gerade aufgrund dieser Komplexität ist eine Analyse an dieser Stelle gewinnbringend. 1

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ȀĮ੿ ਵȡȟĮIJȠ Į੝IJȠ૙Ȣ ਥȞ ʌĮȡĮȕȠȜĮ૙Ȣ ȜĮȜİ૙Ȟā ਕȝʌİȜ૵ȞĮ ਙȞșȡȦʌȠȢ ਥij઄IJİȣıİȞ țĮ੿ ʌİȡȚ੼șȘțİȞ ijȡĮȖȝઁȞ țĮ੿ ੭ȡȣȟİȞ ਫ਼ʌȠȜ੾ȞȚȠȞ țĮ੿ ધțȠįંȝȘıİȞ ʌ઄ȡȖȠȞ țĮ੿ ਥȟ੼įİIJȠ Į੝IJઁȞ ȖİȦȡȖȠ૙Ȣ țĮ੿ ਕʌİį੾ȝȘıİȞ. țĮ੿ ਕʌ੼ıIJİȚȜİȞ ʌȡઁȢ IJȠઃȢ ȖİȦȡȖȠઃȢ IJ૶ țĮȚȡ૶ įȠ૨ȜȠȞ ੆ȞĮ ʌĮȡ੹ IJ૵Ȟ ȖİȦȡȖ૵Ȟ Ȝ੺ȕૉ ਕʌઁ IJ૵Ȟ țĮȡʌ૵Ȟ IJȠ૨ ਕȝʌİȜ૵ȞȠȢā

țĮ੿ ȜĮȕંȞIJİȢ Į੝IJઁȞ ਩įİȚȡĮȞ țĮ੿ ਕʌ੼ıIJİȚȜĮȞ țİȞંȞ. țĮ੿ ʌ੺ȜȚȞ ਕʌ੼ıIJİȚȜİȞ ʌȡઁȢ Į੝IJȠઃȢ ਙȜȜȠȞ įȠ૨ȜȠȞā țਕțİ૙ȞȠȞ ਥțİijĮȜ઀ȦıĮȞ țĮ੿ ਱IJ઀ȝĮıĮȞ.

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țĮ੿ ਙȜȜȠȞ ਕʌ੼ıIJİȚȜİȞā țਕțİ૙ȞȠȞ ਕʌ੼țIJİȚȞĮȞ, țĮ੿ ʌȠȜȜȠઃȢ ਙȜȜȠȣȢ, Ƞ੠Ȣ ȝ੻Ȟ į੼ȡȠȞIJİȢ, Ƞ੠Ȣ į੻ ਕʌȠțIJ੼ȞȞȠȞIJİȢ.

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਩IJȚ ਪȞĮ İੇȤİȞ ȣੂઁȞ ਕȖĮʌȘIJંȞā ਕʌ੼ıIJİȚȜİȞ Į੝IJઁȞ ਩ıȤĮIJȠȞ ʌȡઁȢ Į੝IJȠઃȢ Ȝ੼ȖȦȞ ੖IJȚ ਥȞIJȡĮʌ੾ıȠȞIJĮȚ IJઁȞ ȣੂંȞ ȝȠȣ.

Und er begann, zu ihnen in Gleichnissen zu Reden: Einen Weinberg pflanzte ein Mann und umzäunte ihn und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Landwirtinnen und Landwirte139 und ging fort. Und er schickte einen Sklaven zu den Landwirtinnen und Landwirten zur rechten Zeit, damit er von den Landwirtinnen und Landwirten nehme von den Früchten des Weinbergs. Und sie nahmen ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen weg. Und wiederum schickte er zu ihnen einen anderen Sklaven; und jenen schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Und einen anderen schickte er; und jenen töteten sie, und viele andere, die einen schlugen sie, die anderen töteten sie. Noch einen hatte er, einen geliebten Sohn; er schickte ihn zuletzt zu ihnen uns sagte: Sie werden sich scheuen vor meinem Sohn.

139 Die von mir gewählte Übersetzung an dieser Stelle ist eher unüblich. Meist ist von „Weingärtnerinnen und Weingärtnern“ oder „Winzerinnen und Winzern“ die Rede (und dabei auch häufig in der rein maskulinen Form). Im Griechischen steht jedoch ȖİȦȡȖȠȓ , was in der Grundbedeutung eher mit „Bauern und Bäuerinnen“ oder eben mit „Landwirtinnen und Landwirten“ wiederzugeben ist. Für heutige Lesende können die Begriffe „Weingärtnerinnen und Weingärtnern“ oder „Winzerinnen und Winzern“ falsche Assoziationen wecken, indem etwa verschleiert wird, dass die Bearbeitung des Weinbergs harte körperliche Arbeit bedeutet. Um das wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnis noch deutlicher herauszustellen, wird in der folgenden Betrachtung von „Pächterinnen und Pächtern“ gesprochen.

2. Arten von Metaphernkombinationen 7

8 9

ਥțİ૙ȞȠȚ į੻ Ƞੂ ȖİȦȡȖȠ੿ ʌȡઁȢ ਦĮȣIJȠઃȢ İੇʌĮȞ ੖IJȚ Ƞ੤IJંȢ ਥıIJȚȞ ੒ țȜȘȡȠȞંȝȠȢā įİ૨IJİ ਕʌȠțIJİ઀ȞȦȝİȞ Į੝IJંȞ, țĮ੿ ਲȝ૵Ȟ ਩ıIJĮȚ ਲ țȜȘȡȠȞȠȝ઀Į țĮ੿ ȜĮȕંȞIJİȢ ਕʌ੼țIJİȚȞĮȞ Į੝IJઁȞ țĮ੿ ਥȟ੼ȕĮȜȠȞ Į੝IJઁȞ ਩ȟȦ IJȠ૨ ਕȝʌİȜ૵ȞȠȢ. IJ઀ [Ƞ੣Ȟ] ʌȠȚ੾ıİȚ ੒ ț઄ȡȚȠȢ IJȠ૨ ਕȝʌİȜ૵ȞȠȢ; ਥȜİ઄ıİIJĮȚ țĮ੿ ਕʌȠȜ੼ıİȚ IJȠઃȢ ȖİȦȡȖȠઃȢ țĮ੿ įઆıİȚ IJઁȞ ਕȝʌİȜ૵ȞĮ ਙȜȜȠȚȢ.

10

ȅ੝į੻ IJ੽Ȟ ȖȡĮij੽Ȟ IJĮ઄IJȘȞ ਕȞ੼ȖȞȦIJİā ȜަșȠȞ ‫ݺ‬Ȟ ܻʌİįȠțަȝĮıĮȞ Ƞ‫ݨ‬ Ƞ‫ݧ‬țȠįȠȝȠࠎȞIJİȢ, Ƞ‫ފ‬IJȠȢ ‫݋‬ȖİȞ‫ޤ‬șȘ İ‫ݧ‬Ȣ țİijĮȜ‫ޣ‬Ȟ ȖȦȞަĮȢÂ

11

ʌĮȡ‫ ޟ‬țȣȡަȠȣ ‫݋‬Ȗ‫ޢ‬ȞİIJȠ Į‫ވ‬IJȘ țĮ‫ݏ ޥ‬ıIJȚȞ șĮȣȝĮıIJ‫݋ ޣ‬Ȟ ‫ݷ‬ijșĮȜȝȠ߿Ȣ ‫ݘ‬ȝࠛȞ; ȀĮ੿ ਥȗ੾IJȠȣȞ Į੝IJઁȞ țȡĮIJોıĮȚ, țĮ੿ ਥijȠȕ੾șȘıĮȞ IJઁȞ ੕ȤȜȠȞ, ਩ȖȞȦıĮȞ Ȗ੹ȡ ੖IJȚ ʌȡઁȢ Į੝IJȠઃȢ IJ੽Ȟ ʌĮȡĮȕȠȜ੽Ȟ İੇʌİȞ. țĮ੿ ਕij੼ȞIJİȢ Į੝IJઁȞ ਕʌોȜșȠȞ.

12

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Jene Landwirtinnen und Landwirte aber sagten zueinander: Dieser ist der Erbe. Auf, lasst uns ihn töten, und unser wird das Erbe sein. Und sie nahmen ihn, töteten ihn und warfen ihn aus dem Weinberg hinaus. Was [nun] wird der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Landwirtinnen und Landwirte vernichten und den Weinberg anderen geben. Habt ihr den nicht diese Schriftstelle gelesen: Der Stein, den die Bauenden verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden; vom Herrn ist dieses geschehen, und es ist wunderbar in unseren Augen? Und sie suchten ihn festzunehmen, und sie fürchteten die Menge; denn sie erkannten, dass er im Blick auf sie das Gleichnis gesagt hatte. Und sie verließen ihn und gingen weg.

Die Diversifikation ist durch die Parallelisierung des Sohns mit dem Stein gegeben. Jesus wird zunächst als „geliebter Sohn“ dargestellt, dessen Tötung auf eindrückliche Weise erzählt wird. Danach wird das Thema des Todes durch die Verwerfung des Steins wiederum aufgegriffen, nun aber durch die anschließende Aufwertung ins Positive gewendet. Dabei erwecken der Sohn und der Stein sehr unterschiedliche Assoziationen und Bilder. Allerdings haben die Metaphern hier insoweit eine Sonderstellung, als kein explizites Topic auf der Ebene des Textes vorhanden ist. Es ergibt sich aus dem Aufriss des Markusevangeliums und dem Vorwissen der Rezipierenden, dass die beiden V-Terms Sohn und Stein auf Jesus zu beziehen sind. Doch die Rede Jesu selbst bleibt ausschließlich auf der Vehicle-Ebene, so dass man von impliziten (erweiterten) Metapher sprechen kann. Im erzählerischen Rahmen wird lediglich damit ein Hinweis gegeben, dass die anwesenden Mitglieder des Synedriums die Worte auf sich beziehen. Dementsprechend ist es zwar sehr naheliegend, dass Jesus als Topic angenommen wird und man die beiden Metaphern als Deutungen seines Todes versteht, jedoch keineswegs eindeutig, und so hat es auch alternative Interpretationen gegeben (s.u.). Die hier relevanten Metaphern sind auch deshalb außergewöhnlich, weil sie nicht allein stehen. Die Sohn-Metapher ist Teil einer Allegorie und die Stein-Metapher Teil eines Zitats. Zudem besteht, wie bereits angedeutet, eine Vielzahl an intertextuellen Bezügen, sowohl innerhalb des Markusevangeliums als auch darüber hinaus durch unterschiedliche deutliche Anspielungen auf die jüdischen Heiligen Schriften. Die Perikope ist

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„mehrschichtig“ und „komplex“.140 Ihre Auslegung ist aus mehreren Gründen schwierig.141 Wieweit kann man die Allegorie führen? Kann man ein Stück echter Jesusverkündigung ausmachen oder ist sie „nur“ Gemeindebildung? Lässt sich durch die Betrachtung des sozialgeschichtlichen Hintergrunds die Erzählung plausibilisieren? Dies ist zu einem gewissen Grad möglich (s.u.). Deutet man aber die Allegorie aus sozialgeschichtlicher Perspektive, ergibt sich ein höchst ambivalentes Gottesbild. Hinzu kommt die unheilvolle Wirkungsgeschichte des Gleichnisses, dessen Auslegung allzu oft antijüdisch geprägt war. Mk 12,1–12 präsentiert damit eine der neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu, die mit den meisten Problemen verbunden sind. Markus lässt Jesus das Gleichnis mit Schriftwort an seinem dritten Tag in Jerusalem anführen, der ganz durch die Lehre Jesu geprägt ist.142 Die „Jerusalemer Streitgespräche“ werden von einem Teil der Exegetinnen und Exegeten als vormarkinische Sammlung angesehen, wobei strittig ist, ob Mk 12,1–12 dazugehörte oder erst von Mk eingefügt wurde. Grundmann plädiert für letztere Option: Das Gleichnis von den ‚bösen Weingärtnern‘ unterbricht den Gang der Jerusalemer Streitgespräche. Während Jesus in ihnen zurückhaltend bleibt, geht er hier zu einem direkten Angriff über, der sich gegen die Priester- und Gelehrtenmacht des Synedriums richtet. So ist anzunehmen: Das Gleichnis ist in die Überlieferung der Streitgespräche eingefügt; der Schlußsatz V. 12b […] ist der Schluß der Vollmachtsfrage gewesen.143

Allerdings ist diese Einschätzung nur teilweise zutreffend. Das Gleichnis fällt allein aufgrund seiner Gattung aus dem Rahmen, steht aber in engem Zusammenhang zur vorausgegangenen Frage nach der Vollmacht Jesu. Ein „direkter Angriff“ wird durch die Sprechweise im Gleichnis zumindest leicht verhüllt, auch wenn laut Mk 12,12 die Kritisierten die Kritik auf sich beziehen können. Ernst findet das Gleichnis im Kontext auch störend, rechnet es aber „wegen der

140 ERNST, JOSEF, Das Evangelium nach Markus (Regensburger Neues Testament), Regensburg: Pustet 1981, 343. 141 Vgl. hierzu auch das Urteil von Snodgrass: „All the questions germane to parable interpretation and many that are crucial to an understanding of the New Testament are raised by this parable.“ (SNODGRASS, KLYNE R., The Parable of the Wicked Tenants. An Inquiry into Parable Interpretation [Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 27], Tübingen: Mohr Siebeck 1983, 1.) Snodgrass nennt das Gleichnis „an enigma to modern interpretation“. (Ebd.) Für einen guten Überblick der neueren Forschungsgeschichte (ab Jülicher) mit verschiedenen Interpretationsansätzen, aus dem im Folgenden nur einige Stränge herausgegriffen werden können, vgl. COLLINS, ADELA YARBRO, Mark. A Commentary (Hermeneia), Minneapolis: Fortress Press 2007, 541–544. 142 Vgl. SCHENKE, LUDGER, Das Markusevangelium. Literarische Eigenart ௅ Text und Kommentierung, Stuttgart: Kohlhammer 2005, 259. 143 GRUNDMANN, WALTER, Das Evangelium nach Markus (Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 2), Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 81980, 319.

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inhaltlichen Korrespondenzen“144 zur vormarkinischen Sammlung: „Der vormk Redaktor, der eine klare thematische Konzeption vor Augen hatte, ist für die Gestaltung des Abschnitts und für die Aufnahme und Verarbeitung des Gleichnisses verantwortlich.“145 Pesch hat Mk 12,1–12 als Teil einer erweiterten vormarkinischen Passionsgeschichte angesehen.146 In der neueren Forschung wird der Passionsbericht aber eher auf Kap. 14–16 eingegrenzt. Auch in der Annahme einer Sammlung „Jerusalemer Streitgespräche“ ist man vorsichtiger geworden. Obwohl man annehmen kann, dass Markus hier auf irgendeine Form von Quelle zurückgreift, kann nicht klar gesagt werden, ob eine umfangreichere Materialsammlung vorlag oder er unterschiedliche Traditionen zusammengestellt hat. In jedem Fall steht das Gleichnis mit Psalmwort an einer sinnvollen Stelle innerhalb des Evangeliums und ist auch in den Mikrokontext passend eingearbeitet. Hier wird durch Jesus selbst auf sehr bildhafte Weise auf sein Todesgeschick hingewiesen und das an einem Punkt, an dem der Beschluss der Synedriums-Mitglieder immer konkretere Gestalt annimmt und Jesus leichter anklagbar und fassbar wird. Mk 12,1–12 gibt eine indirekte Antwort auf die vorausgehende Frage nach Jesu Vollmacht, die Jesus nicht beantworten wollte.147 Das Motiv der Angst vor der Menge findet sich neben Mk 12,12 auch in 11,32, wodurch eine zusätzliche Verbindung geschaffen wird. Aufgrund dieser Befürchtung lassen die Gegnerinnen und Gegner Jesu ihn zunächst unbehelligt, schicken jedoch in den nachfolgenden Perikopen andere, die ihn durch Anfragen in Bedrängnis bringen sollen. Die Auseinandersetzungen in Jerusalem sind geprägt von der Verhältnisbestimmung zwischen Jesus bzw. Jesusbewegung und Repräsentationen des Judentums: „Im gesamten Abschnitt geht es um die Beziehung Jesu zum konkreten Judentum, zu dessen Gottesglauben und eschatologischen Erwartungen, die von dessen führenden Gruppen verraten oder missdeutet worden sind, bei Jesus und in der Gemeinschaft seiner Jünger aber in schriftgemäßer Authentizität bewahrt und ausgelegt werden.“148 Es kann angenommen werden, dass diese Verhältnisbestimmung für die markinische Gemeinde besonders relevant war.149 In diesem Sinne kommt dem Gleichnis mit Psalmzitat eine Schlüsselfunktion in diesem Teil des Markusevangeliums zu.

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ERNST, Markus, 339. Ebd. 146 Vgl. auch SCHNELLE, Einleitung, 276. Diese Ansicht wurde z.B. von Dschulnigg geteilt. Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 309. 147 Vgl. auch DSCHULNIGG, Markusevangelium, 308; ECKEY, Markusevangelium, 376; KLAIBER, WALTER, Das Markusevangelium (Die Botschaft des Neuen Testaments), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2010, 222; BORING, M. EUGENE, Mark. A Commentary (The New Testament Library), Louisville/London: Westminster John Knox Press 2006, 328. 148 SCHENKE, Markusevangelium, 260. 149 Vgl. a.a.O. 261. 145

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Psalm 118 (117 LXX), der das Zitat in Mk 12,10f. liefert, wird auch bei der Begrüßung Jesu bei seinem Einzug in Jerusalem verwendet (Mk 11,9). Es ist jedoch unklar, ob ein bewusster Zusammenhang gestaltet wurde.150 Dennoch wird hier deutlich, dass der Psalm messianisch und damit christologisch gedeutet wurde. Zudem besteht in Mk 12,1–12 eine Wiederaufnahme der Leidensankündigungen,151 wobei insbesondere Korrespondenzen zur ersten Leidensankündigung dadurch bestehen, dass das Stichwort „verwerfen“ (ਕʌȠįȠțȚȝȐȗȦ) neben 12,10 auch in 8,31 vorkommt.152 Die Verwerfenden in 8,31 sind eindeutig die Ältesten, Schriftgelehrten und Hohepriester, an die auch nach 11,27 das Gleichnis mit Psalmzitat adressiert ist. Dieser Zusammenhang bestärkt die Annahme, dass Mk 12,1–12 vor dem Hintergrund des Todes Jesu zu lesen ist. In der Frage danach, ob man Mk 12,1–12 auf Jesus zurückführen kann oder es sich um „ein Stück Gemeindeverkündigung“153 handelt, war vor allem die Gleichnistheorie Jülichers prägend. Da das Gleichnis in seiner jetzigen Gestalt eindeutig als Allegorie aufzufassen sei, müsse es als Gemeindeverkündigung angesehen werden. So charakterisiert Grundmann es als „eine theologische Konstruktion aufgrund der deuteronomistischen Geschichtsschau mit allegorisierenden Zügen“154 und schreibt es der hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde zu. Bereits Jülicher hat aber zugegeben, dass in Mk 12,1–9 Erinnerungen an eine echte Jesus-Parabel enthalten sein können, obwohl diese nicht mehr genau rekonstruierbar ist.155 Der Fund eines vergleichbaren Gleichnisses im Thomasevangelium, das keine klaren allegorischen Züge aufweist, hat die Versuche eine ursprüngliche jesuanische Parabel zu rekonstruieren, indem man die Allegorie „abzieht“, weiter befeuert. Oft wird in diesem Zusammenhang die Thomas-Fassung als ursprünglich angesehen.156 Doch auch die Rekonstruktionsversuche stehen vor einigen Schwierigkeiten, insbesondere, wenn man den 150 Vgl. STOLLE, VOLKER, Das Markusevangelium. Text, Übersetzung und Kommentierung (unter besonderer Berücksichtigung der Erzähltechnik) (Oberurseler Hefte Ergänzungsbände 17), Göttingen: Edition Ruprecht 2015, 280. 151 Vgl. SCHENKE, Markusevangelium, 257. 152 Vgl. GRUNDMANN, Markus, 324. 153 ERNST, Markus, 339. 154 GRUNDMANN, Markus, 319. 155 Vgl. SNODGRASS, Parable, 4. Dem folgen auch z.B. Ernst und Grundmann. ERNST, Markus, 340: „Es ist vorstellbar, daß die von Jesus geformte Parabel in einfacherer Sprache einen christologisch ausgerichteten Durchblick hatte.“ Vgl. GRUNDMANN, Markus, 320. 156 Vgl. z.B. den Ansatz von Mann: MANN, CHRISTOPHER STEPHEN, Mark. A New Translation with Introduction and Commentary (Anchor Bible Commentary 27), New York/ London u.a.: Doubleday 1986, 460f.; Vgl. auch 361: „The beginning and the ending in the synoptic versions are clearly secondary, christological by intent, and give added weight to a process of allegorization already in being.“ Auch Kloppenburg sieht hinter den Gleichnissen bei Mk und Thomas eine Grundfassung, die deutlich näher an der des Thomas liegt. (Vgl. KLOPPENBORG, JOHN S., The Tenants in the Vineyard. Ideology, Economics, and Agrarian

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Verweis auf den Sohn als ursprünglich ansieht. Konnte Jesus sich selbst auf diese Weise darstellen? Einerseits kann dies nicht ausgeschlossen werden, wenn Jesus die Sohnschaft als besonders enge Verbindung zu Gott gesehen hat.157 Auch die Anrede Gottes mit „Abba“ durch Jesus, die höchstwahrscheinlich auf Jesus selbst zurückgeht, könnte in diese Richtung weisen. Oftmals wird diese Aussage aber als Vorbereitung von Jesu Selbstoffenbarung in 14,62 gesehen, die sich somit in den Gesamtaufriss des Markusevangeliums einfügt.158 Daneben gibt es Theorien, die den Sohn im jesuanischen Gleichnis mit Johannes dem Täufer identifizieren.159 Nach Mann hat erst die Allegorisierung der Gemeinde und die Beifügung des Zitats aus Ps 118,22 den Sinn der Aussage auf Jesus hin verändert. Diejenigen, die dafür votieren, dass es eine nicht-allegorische Grundfassung des Gleichnisses gegeben hat, gehen in der Regel davon aus, dass das Psalmzitat von der Gemeinde angefügt wurde. Bereits Jülicher hat dies angenommen.160 Ernst etwa erwägt, dass auch in der jesuanischen Verkündigung eine „verhüllte Aussage über seine Errettung“161 möglich gewesen ist, sieht aber V. 10f. als eindeutig sekundär, da darin „Bekenntnissprache“ anklingt: „Im Rückblick auf Tod und Auferstehung konnte die Gemeinde ‚in die Tiefe schauen‘ und mit Hilfe der Bekenntnissprache deutlicher formulieren.“162 Allerdings ist es wichtig, festzuhalten, dass allegorische Züge nicht zwingend auf spätere Entwicklungen rückführbar sind: „While later hands may tend to add or underline metaphorical significance, the very nature of parables assumes metaphorical significance from the outset.“163 Und: „allegory was a legitimate genre for Jesus to use.“164 Verschiedene Deutungsebenen des „Sohns“ im Gleichnis und auch die Frage danach, ob das Steinzitat nachträglich angefügt wurde, können natürlich Auswirkungen auf die Beurteilung der Metapherndi-

Conflict in Jewish Palestine [Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 195], Tübingen: Mohr Siebeck 2006, 272.) Seine Analyse beruht aber auf zweifelhaften Grundannahmen (s.u.). Ganz anders, und m.E. korrekt, urteilt Eckey: „Die Analyse dieser Version der Winzererzählung [der Thomasfassung, S.N.-R.] hat erbracht, daß es sich um eine sekundär von den zur Gleichniserzählung von Haus aus gehörenden allegorischen Zügen gereinigte Mischung von Elementen der synoptischen Tradition handelt, also nicht um die ursprüngliche Fassung der Gleichniserzählung.“ (ECKEY, Markusevangelium, 382.) 157 Vgl. GRUNDMANN, Markus, 322. 158 Vgl. ebd. 159 Erstmals durch Arthur Gray vorgeschlagen und u.a. von Lowe, Miller, Stern und Schmeller vertreten. (Vgl. KLOPPENBORG, Tenants, 86–88.) Daneben vgl. auch MANN, Mark, 462: „the parable’s primary reference on the lips of Jesus was to John the Baptizer.“ 160 Vgl. SNODGRASS, Parable, 4. Ähnlich auch MANN, Mark, 460f. 161 ERNST, Markus, 340. 162 Ebd. 163 SNODGRASS, Parable, 21. 164 A.a.O. 24.

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versifikation haben. In diesem Fall wäre die zweite Metapher angeführt worden, um die erste zu vertiefen. Gleichzeitig würde das Anfügen der zweiten Metapher dafür sorgen, dass die Deutung der ersten in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Im Fall der unter anderem von Mann vertretenen Theorie, dass sich der Sohn ursprünglich auf Johannes bezog, würde die zweite Metapher sogar dazu beitragen, das Topic der ersten Metapher zu verändern. Die Annahme, mit dem Sohn sei zunächst Johannes gemeint gewesen, ist jedoch, obwohl sie vielleicht durch den Kontext (Vollmacht der Johannestaufe) nahegelegt wird und möglicherweise die plausibelste Erklärung ist, wenn man die Rede vom Sohn in ein jesuanisches Urgleichnis integrieren will, aus vielerlei Gründen problematisch: The difficulty with such explanations is that they rely on a rather forced attempt to redirect the blame for John’s death from Herod to Jesus’ opponents or they ignore the lack of fit between the parable and what is known of John the Baptist. The particulars of the parable, however, do not point to John. There is no reason to think that John was ever identified as the ‚son‘ or that Jesus imagined that divine wrath would come as a result of John’s death, still less that he expected John’s vindication.165

In neueren exegetischen Veröffentlichungen wird eher davon abgerückt, Rekonstruktionsversuche vorzunehmen, was in den meisten Fällen dazu führt, dass der Text als Gemeindebildung betrachtet wird, obwohl festgehalten wird, dass die Art, eine Geschichte, die realistisch wirkt, dann in eine unerwartete Richtung zu lenken, in Gleichnissen häufiger vorkommt und jesuanisch sein kann.166 Die Zuordnung zur Gemeinde beruht vor allem darauf, dass man, wie gezeigt wurde, den Sohn schlecht aus der Erzählung entfernen kann, man aber skeptisch ist, was die Rückfühung dieses Motivs auf Jesus selbst betrifft. Es sei eher der nachösterlichen Gemeinde zuzuschreiben.167 Eckey sieht den Ursprung des Textes eindeutig im palästinischen Judenchristentum. Es sei eine Reflexion der Tatsache, dass die Missionsbemühungen am eigenen Volk nicht erfolgreich waren.168 Die Erzählung spiegelt ein gewisses Maß an Bitterkeit wider, die für eine solche Annahme sprechen kann. Letztlich kann jedoch für kein Jesuswort und kein Gleichnis mit absoluter Sicherheit ein jesuanischer Ursprung angenommen werden, sondern es kann nur eine Abwägung von Wahrscheinlichkeiten vorgenommen werden. Dabei ist es immer schwierig, bestimmte Redeweisen für Jesus von vornherein auszuschließen. Es wurde bereits dargelegt, dass die Annahme, jede Allegorie sei sekundär und könne nicht auf den historischen Jesus zurückgehen, eine unhaltbare Prämisse darstellt.169 Dementsprechend ist die Vermutung, die Aussendung der vielen weiteren 165

KLOPPENBORG, Tenants, 88. Vgl. KLAIBER, Markusevangelium, 225. 167 Vgl. ebd. 168 ECKEY, Markusevangelium, 372. 169 S.o., Abschnitt 4.4. des ersten Kapitels. 166

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Sklavinnen und Sklaven in V. 5 sei allein aufgrund des damit einhergehenden allegorisierenden Zugs sekundär,170 problematisch. Auch ist es prinzipiell möglich, dass sich Jesus als Sohn stilisiert hat, wenn diese Bezeichnung für ihn auch andere, weniger starke Implikationen gehabt haben kann als für die nachösterliche Gemeinde, und ebenso kann Jesus natürlich das Schriftwort auf sich bezogen haben. Für die weitere Diskussion sind diese Überlegungen jedoch letztlich unerheblich. Obwohl Allegorie und Schriftwort jeweils eigenständig stehen können und möglicherweise irgendwann gesondert existiert haben, scheinen sie doch eng aufeinander bezogen zu sein. Die Zusammenstellung war offenbar bereits Markus als solche bekannt171 und ist dementsprechend bereits relativ alt. Marcus betont dementsprechend: In terms of redaction history, the structure of parable (12:1–9) + scriptural interpretation (12:10–11) is probably original; it corresponds to the common rabbinic combination of mƗšƗl (parable) + nimšƗl (interpretation), the latter of which often consists simply of a proof text […], and the combination of the two is supported by the Gospel of Thomas parallel (65– 66).172

Zudem sind in der jetzigen Gestalt der markinischen Parabel zweifelsohne allegorische Züge erkennbar. Meines Erachtens ist es sinnvoll, in gewissem Maß auch von einer ursprünglich allegorischen Prägung auszugehen, aber im Fokus dieser Betrachtung steht ohnehin der Markustext, da alles, was davor gelegen haben könnte, im Bereich des rein Hypothetischen bleibt. Markus jedenfalls war sich der Allegorie sehr wohl bewusst und gibt Hinweise darauf, wie diese zu verstehen ist. Der Großteil der Exegetinnen und Exegeten geht davon aus, dass die Bezeichnung des Sohns als „geliebt“ (ਕȖĮʌȘIJȩȢ) markinisch ist,173 was innerhalb des Markusevangeliums sehr deutlich auf die Offenbarung bei Jesu Taufe (Mk 1,11) und Verklärung (Mk 9,7) verweist. Auch die Rahmung der Rede Jesu in V. 1a und 12 geht mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Evangelisten zurück,174 und damit auch der Hinweis, dass die Zuhörenden das Gleichnis auf sich beziehen. Damit lassen sich durch die markinische Redaktion zwei entscheidende Bezugspunkte für die Allegorie herleiten. In der Rahmung ist zudem ein Hinweis auf die genaue Art und Gattung des vorliegenden Textes enthalten. Jesus „begann zu ihnen in Gleichnissen zu sprechen“ (ਵȡȟĮIJȠ Į੝IJȠ૙Ȣ ਥȞ ʌĮȡĮȕȠȜĮ૙Ȣ ȜĮȜİ૙Ȟ; V. 1a) und die Zuhörenden „erkannten, dass er das Gleichnis auf sie hin sprach“ (਩ȖȞȦıĮȞ Ȗ੹ȡ ੖IJȚ ʌȡઁȢ Į੝IJȠઃȢ IJ੽Ȟ ʌĮȡĮȕȠȜ੽Ȟ 170

So z.B. GRUNDMANN, Markus, 322f. und ERNST, Markus, 341. Anders Eckey, der es für möglich hält, dass die Verbindung von Gleichnis und Psalmzitat markinisch ist. Vgl. ECKEY, Markusevangelium, 372. 172 MARCUS, JOEL, Mark 8–16. A New Translation with Introduction and Commentary (Anchor Yale Bible 27.A), New Haven/London: Yale University Press. 810. Auch Collins stellt ähnliche Überlegungen an. Vgl. COLLINS, Mark, 547f. 173 Vgl. z.B. GRUNDMANN, Markus, 322f. und ECKEY, Markusevangelium, 372. 174 Vgl. z.B. ERNST, Markus, 340 und ECKEY, Markusevangelium, 372. 171

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İੇʌİȞ; V. 12). Dabei lässt sich eine Diskrepanz im Numerus feststellen: V. 1 spricht von Gleichnissen im Plural, V. 12 von einem einzelnen Gleichnis. Die Mehrheit der Ausleger und Auslegerinnen geht davon aus, dass der Plural in V. 1 generalisierend gemeint ist und hier die Lehr- oder Redeweise Jesu insgesamt bezeichnet, nicht einzelne, spezfische Gleichnisse, die aufgezählt werden könnten.175 Demgegenüber geht Stolle tatsächlich vom Vorliegen zweier Gleichnisse aus, „Winzergleichnis“ und „Ecksteingleichnis“. Er sieht also V. 1–9 und 10f. als jeweils eigenständige Gleichnisse an und hält nicht den Plural von V. 1, sondern den Singular von V. 12 für generalisierend. Einen Anhaltspunkt sieht er darin, dass auch sonst im Markusevangelium Gleichnisse häufig paarweise vorkommen (z.B. die Gleichnisse von Licht und Maß in 4,21–24, von Saat und Senfkorn in 4,26–32, von Feigenbaum und Türhüter in 13,28– 37).176 Ein großer Vorteil dieser Einteilung besteht darin, dass beide Abschnitte so eine gewisse Gleichwertigkeit und Parallelität erlangen. Im Hinblick auf die Analyse der Metaphernkombination kommt auf diese Weise die Diversifikation deutlicher zur Geltung. Es bleibt jedoch fraglich, inwieweit das von Markus auch als solches kenntlich gemachte Schriftzitat von ihm als Gleichnis wahrgenommen wurde. In den anderen Gleichnispaaren lässt sich kein vergleichbares Phänomen ausmachen. Bei der Gattungsbestimmung bleiben die meisten Exegetinnen und Exegeten den Vorgaben von V. 1 und 12 verhaftet. Dschulnigg nennt den Text „ein relativ breites, erzählendes Gleichnis im weiteren Sinn […], das nur aus einem Rhema besteht und keine ausdrückliche Themenangabe enthält.“177 Kurz darauf nimmt er eine weitere Präzisierung vor und spricht nun von einem „Gerichtsgleichnis, das aber die Möglichkeit der Umkehr der Gegner gerade noch offen hält“.178 Meines Erachtens ist eine derarige Umkehrmöglichkeit hier jedoch nicht mehr erkennbar. Vielmehr spiegelt sich wider, dass die Bestrebungen, führende Kräfte des Judentums zu missionieren, als gescheitert aufgegeben wurden. Anstatt von einem Gleichnis zu reden, macht Schenke demgegenüber die Bezeichnung als Rätsel oder Rätselrede stark: „Die Erzählung Jesu ist nicht deshalb ein Rätsel für die Gegner, weil Jesus absichtlich unverständlich redet, sondern sie wird für sie zu einem Rätsel, weil sie ihre Prämissen nicht 175

Vgl. ERNST, Markus, 340; BORING, Mark, 328; MANN, Mark, 464; GRUNDMANN, Markus, 321. Grundmann führt als Parallele Mk 4,10 an, was jedoch nicht wirklich passend ist. Mk 4,10 rekurriert auf 4,2. Es wird vorausgesetzt, dass Jesus mehrere Gleichnisse erzählt, auch wenn im Anschluss das Sämann-Gleichnis besonders hervorgehoben wird und eine eigene Deutung erfährt. 4,2 scheint eine generelle Einleitung der Gleichnislehre zu sein, die ihren Abschluss in V. 34 findet und chronologisch durch eine einzelne Auslegung vor den Jüngerinnen und Jüngern durchbrochen wird. 176 Vgl. STOLLE, Markusevangelium, 278. Auch Marcus hält es für möglich, dass 10f. hier als eigenständige Parabel angeführt wird. Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 802. 177 DSCHULNIGG, Markusevangelium, 309. 178 A.a.O. 310.

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teilen, sondern verstockt ablehnen. […] Ihr beabsichtigtes Tun am Sohn, das Jeus mit der Geschichte ihnen jetzt voraussagt […], bleibt ihnen rätselfhaft.“179 Es ist wohl dem immer noch spürbaren Einfluss Jülichers zuzuschreiben, dass Mk 12,1–12 kaum direkt als Allegorie bezeichnet wird, obwohl diese Gattungszuordnung durchaus zutreffend ist und die allegorischen Züge von AuslAuslegerinnen meist hervorgehoben werden. Als Punkt, an dem deutlich wird, dass man es mit einer Allegorie zu tun hat, wird häufig die Entsendung des dritten Sklaven oder ௅ vor allem ௅ die Entsendung vieler Sklaven und Sklavinnen angegeben.180 Spätestens mit der Tötung des dritten Sklaven würde man einen Wechsel in der Strategie des Weinbergbesitzers erwarten.181 Eine weitere Steigerung ist dann in der Entsendung des Sohns zu sehen ௅ „[t]he absolute boundary of the unexpected“.182 Allerdings ist es nicht so, dass die Allegorie erst ab V. 5 als solche ersichtlich wird,183 und Grundmanns Aussage, die Erzählung beginne nicht als Allegorie,184 ist missverständlich. Bereits der Beginn des Gleichnisses zeigt schriftkundigen Rezipierenden, das hier von der Erzählung abstrahiert werden muss. Die Anlage des Weinbergs hat deutliche Anleihen an die Beschreibung zum Beginn des Weinberglieds in Jes 5,2, wobei zur Septuaginta-Fassung auch wörtliche Entsprechungen vorliegen. Sowohl das Stichwort ijȣIJİȪȦ („pflanzen“) als auch die Wendung ijȡĮȖȝઁȞ ʌİȡȚIJȓșȘȝȚ („umzäunen“) kommen in beiden Texten vor, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge. Auch die Anlage des Turms ist in gleicher Formulierung (ȠੁțȠįȠȝȑȦ ʌ઄ȡȖȠȞ) beiden Texten gemein. Lediglich der für die Kelter gebrauchte Terminus unterscheidet sich in Mk 12,1 leicht von der Septuaginta-Fassung von Jes 5,2 (ʌȡȠȜȒȞȚȠȞ in Jes 5,2; ਫ਼ʌȠȜ੾ȞȚȠȞ in Mk 12,1), das hiermit verbundene Verb ist jedoch wiederum identisch (ੑȡȪııȦ). Es kann insgesamt kein Zweifel bestehen, dass das Gleichnis von Mk 12 deutliche Assoziationen an das Weinberglied hervorrufen will. Damit werden jedoch zugleich auch Informationen zur Gattung und zu sinnvollen Interpretationsstrategien gegeben. Denn: „Das Weinberglied Jesajas ist eine Gerichtsparabel mit allegorischen Zügen.“185 Boring weist darauf hin, dass bereits zur Zeit der Abfassung des Evangeliums Jes 5 auch als Allegorie verstanden wurde: „In the Judaism of Mark’s time, the original parabolic ‚song‘ had already been allegorized and details had received particular meanings. The tower was understood to represent the temple, and

179

SCHENKE, Markusevangelium, 272. So etwa DSCHULNIGG, Markusevangelium, 311; ECKEY, Markusevangelium, 372; KLAIBER, Markusevangelium, 223; BORING, Mark, 329. 181 Vgl. ECKEY, Markusevangelium, 372. 182 BORING, Mark, 330. 183 Auch Boring spricht von vorausgegangenen Indizien. Vgl. a.a.O. 329. 184 GRUNDMANN, Markus, 321. 185 ECKEY, Markusevangelium, 377. 180

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the winevat the altar.“186 Wer Jes 5,1–7 kennt und die Bezugnahme in Mk 12 bemerkt, wird darauf vorbereitet, Mk 12,1–9 ebenfalls als Allegorie anzusehen, und wird zudem ganz ähnliche Identifizierungen vornehmen wie die, die das Weinberglied nahelegt: Der Weinbergbesitzer ist Gott, der Weinberg Israel. Es besteht die Erwartung, dass es ähnlich weitergeht wie in Jes 5, doch diese Erwartung wird im letzten Teil von V. 1 in doppelter Hinsicht enttäuscht. Der Weinbergbesitzer wartet nicht darauf, dass der Weinberg Früchte trägt, sondern geht fort187 und überlässt die weitere Bewirtschaftung Pächtern und Pächterinnen. Man kommt nicht umhin, den Weinbergbesitzer als Großgrundbesitzer anzusehen, was ihn vor dem sozialgeschichtlichen Hintergrund in zweifelhaftem Licht dastehen lässt. Durch die Pächterinnen und Pächter treten zudem neue Akteure auf, was zu einer Fokusverschiebung führt.188 Anders als in Jes 5 trägt der Weinberg sehr wohl Früchte (über deren Qualität jedoch nichts weiter gesagt wird). Das Vergehen bzw. Fehlverhalten liegt nicht bei den Reben, die schlechte Frucht tragen, sondern bei den Pächtern und Pächterinnen, die die Herausgabe der Ernte verweigern. Diese Fokusverschiebung ist für die Gesamtauslegung wesentlich.189 Obwohl an der allegorischen Gestalt des Gleichnisses wenig Zweifel bestehen kann, ist Jülichers Kritik an Allegorien auch noch Ende des 20. Jahrhunderts deutlich spürbar, wenn Ernst schreibt: „Die ursprünglich erhellende Intention der Redegattung ist durch die allegorische Überformung ver186 BORING, Mark, 329. Auch in diesem Zitat spiegelt sich Jülichers Beurteilung der Allegorie als sekundär deutlich wider, zeigt sich aber als simplifizierend. Die „Übersetzung“ von Turm und Kelter mag überspitzt sein, und doch wird man in dem Lied eine klare Allegorie ausmachen können, deren Bezüge in Jes 5,7 selbst aufgelöst werden: Gott ist der Weinbergbesitzer, Israel und Juda der Weinberg bzw. die darin enthaltenen Pflanzen, ein gottgefälliges Leben („Rechtsspruch“ und Gerechtigkeit“) wird als gute Früchte dargestellt, ein Leben, das Gott missfällt („Rechtsbruch“ und „Klage über Schlechtigkeit“), als schlechte Ernte. Zur Allegorisierung von Jes 5 vgl. ferner MARCUS, Mark 8–16, 802. 187 Viele Auslegerinnen und Ausleger meinen hier vorausgesetzt zu sehen, dass der Besitzer dauerhaft ins Ausland geht oder in der Stadt lebt oder beides (so z.B. bei ECKEY, Markusevangelium, 377: eine Stadt im Ausland). Der Text selbst sagt zum konkreten Aufenthaltsort des Weinbergbesitzers aber nichts Genaues. Es wird lediglich eine gewisse räumliche Distanz zum Weinberg impliziert (Vgl. auch KLOPPENBORG, Tenants, 279; SNODGRASS, Parable, 35f.) Klaiber nimmt eher eine Reise des Besitzers an, nicht unbedingt einen dauerhaften Aufenthalt im Ausland. (Vgl. KLAIBER, Markusevangelium, 223.) Vor dem Hintergrund des zeitlichen Rahmens, der in dem Gleichnis abgedeckt wird, erscheint eine Reise aber wenig glaubwürdig. 188 Dass ein Weinberg vom Eigentümer an Pächter und Pächterinnen gegeben wird, kommt hingegen in rabbinischen Gleichnissen mehrfach vor. Vgl. COLLINS, Mark, 545. 189 Marcus nennt Mk 12,1–12 „almost a parody of Isaiah 5“. (MARCUS, Mark 8–16, 815.). Dieses sehr starke Urteil basiert jedoch darauf, dass er die in Mk 12 formulierte Kritik auf ganz Israel bezieht, was m.E. nicht zutrifft. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass Mk 12 mit Jes 5 spielt und manche Erwartungen erfüllt, andere hingegen enttäuscht.

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drängt und dem faktischen Nichtverstehen der Draußenstehenden (4,11) angepaßt worden.“190 Allerdings ist anzumerken, dass die erzählten Zuhörenden das Gleichnis in 12,12 sehr wohl verstehen und auf sich beziehen können. Freilich gab es in der Forschung auch Versuche, jeden Einzelzug der Geschichte allegorisch zu deuten, die missverständlich sind und die Interpretationsmöglichkeiten unnötig einengen. So nimmt Mann etwa eine ganze Reihe von Gleichsetzungen vor, die auch klar antijüdische Tendenzen aufweisen: „the inevitable punishment = the ruin of Israel; the other tenants = the Gentile Church“.191 Die Abwesenheit des Besitzers bezieht er auf Gottes Unsichtbarkeit,192 und selbst den Hinweis auf die „rechte Zeit“ der Ertragseinforderung deutet er: „it is probable that the evangelist whished us to understand this term as ‚the time of salvation.‘“193 Diese Entschlüsselung von Einzelzügen geht mit Sicherheit zu weit. Dennoch lässt sich die Allegorie relativ klar aus den Informationen, die sich aus inter- und intratextuellen Bezügen geradezu aufdrängen, ableiten. Um allegorischen Deutungen zu umgehen bzw. alternative Interpretationsansätze zu eröffnen, wurden vielfach sozialgeschichtliche Hintergründe angeführt.194 In der Tat ergibt sich aus der Beachtung sozialgeschichtlicher Aspekte ein interessanter Perspektivwechsel und manche Handlungsmuster erscheinen so weniger unglaubwürdig. Der Weinbergbesitzer als Großgrundbesitzer profitiert von einem System, das von der strukturellen Ausbeutung sozial schlechter gestellter Personen, konkret der Pächterinnen und Pächter sowie Sklavinnen und Sklaven, profitiert.195 Es handelt sich demnach bei der beschriebenen Eskalation um einen „ökonomischen Konflikt“.196 Dass mit der Verwaltung des Vermögens betraute Sklaven uns Sklavinnen im Kontakt mit Pächtern und Pächterinnen standen, war nicht ungewöhnlich. Die Gewaltanwendung der Winzerinnen und Winzer ihnen gegenüber könne darauf rückführbar sein, dass sich diese in einer prekären ökonomischen Lage befänden. Möglicherweise verbündeten sich dabei die Pachtenden mit den örtlichen Behörden. Sowohl 190

ERNST, Markus, 340. MANN, Mark, 460. Mann entspricht in diesen Identifizierungen vollständig Joachim Jeremias, zu dessen Auslegung an dieser Stelle auch Collins bemerkt: „his reading is influenced by Christian anti-Jewish polemic.“ (COLLINS, Mark, 542.) 192 Vgl. MANN, Mark, 464. 193 Ebd. 194 Vgl. z.B. ausführlich KLOPPENBORG, Tenants, 278–345 mit ausführlichem Anhang, daneben SNODGRASS, Parable, 31–40; OLDENHAGE, TANIA, Spiralen der Gewalt (Die bösen Winzer) ௅ Mk 12,1–12, in: Ruben Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 22015, 352–366. Insbes. 356–359; sowie auch GRUNDMANN, Markus, 322f.; ECKEY, Markusevangelium, 377; KLAIBER, Markusevangelium, 223; COLLINS, Mark, 546f. 195 Vgl. hingegen MARCUS, Mark 8–16, 811. Marcus betont, dass es im Gleichnis selbst keine Indizien gibt, den Weinbergbesitzer negativ darzustellen. 196 ECKEY, Markusevangelium, 377. 191

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Konflikte mit Pachtenden als auch Probleme darin, Rechts- und Machtansprüche von Seiten des Besitzers durchzusetzen, sind in den Zenon-Papyri belegt. Das Insistieren des Großgrundbesitzers durch die Sendung weiterer Personen führe dann aus Verzweiflung zur Steigerung und Eskalation der Gewalt. Zu einem gewissen Grad kann auch die Sendung des Sohns plausibilisiert werden: „Der Sohn des Vaters ist im Unterschied zu den bisher entsandten Boten rechtsfähig wie sein Vater selbst. Er konnte vor dem Ortsgericht als Kläger auftreten.“197 Die Pächterinnen und Pächter könnten durch die Sendung des Sohns auf die Idee kommen, der ursprüngliche Besitzer sei verstorben und sein Sohn wolle nun das Erbe antreten.198 Offenbar gab es palästinische Rechtsbräuche, nach der herren- und erbloser Besitz frei in Anspruch genommen warden konnte. Ob die Bedingungen hierfür jedoch in der Gleichniserzählung gegeben sind, ist unklar. Das Problem ist, dass, wie vor allem Kloppenburgs Studie zeigt, den Bemühungen, das Gleichnis vor dem Hintergrund der sozialgeschichtlichen Umstände zu deuten, häufig die ௅ wiederum von Jülichers Annahmen maßgeblich beeinflusste und auf der Arbeit von Charles Harold Dodd aufbauende ௅ Prämisse zugrunde liegt, es handele sich bei den Gleichnissen Jesu um „realistic fiction“.199 Diese ist jedoch mehr als fraglich. Auch in Gleichnissen, die zunächst eine höhere Plausibilität aufzuweisen scheinen als Mk 12,1–9, finden sich Elemente, die durchaus unrealistisch sind. In Lk 15,4–7 wird offenbar vorausgesetzt, dass man selbstverständlich eine Schafherde zurücklässt, um ein einzelnes Tier zu finden ௅ ohne dass zuvor erzählt wurde, dass für die Sicherheit der verbliebenen 99 Tiere gesorgt wurde. Und im Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33/Lk 13,20f.) ist die Frage, inwiefern die Mehlmenge realistisch ist, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass von einem Knetvorgang nicht die Rede ist.200 Es ist richtig, dass Gleichnisse sich nicht vollkommen im Bereich des Fantastischen bewegen, aber das ist auch in Mk 12,1–9 nicht der Fall. Bis zur wiederholten Sendung von Sklaven und Sklavinnen ohne Strategiewechsel des Weinbergbesitzers wird die Erzählung zeitgenössischen Hörenden nicht unglaubwürdig erschienen sein, obwohl sie durch die Anspielung auf Jes 5 bereits auf ein allegorisches Verständnis vorbereitet sind. Allgemein sind die sozialgeschichtlichen Plausibilisierungsversuche zudem nur ein Stück weit tragfähig.201 Warum der Weinbergbesitzer immer wieder Sklavinnen und

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GRUNDMANN, Markus, 323. Vgl. BORING, Mark, 330. 199 Vgl. KLOPPENBORG, Tenants insgesamt, diese These wird zuerst auf S. 6 formuliert. 200 Vgl. auch ZIMMERMANN, Gleichnisse, 23. 201 Kloppenburg kommt zu dem Urteil, dass die Elemente, die Thomas und Markus gemeinsam haben, realistisch sind, diejenigen, die Markus alleine hat, jedoch nicht. Daher geht er davon aus, dass Thomas näher an der ursprünglichen Fassung des Gleichnisses liegt. (Vgl. KLOPPENBORG, Tenants, 278–284.) Daher seien auch die Bezüge zu Jes 5 in Mk sekundär. 198

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Sklaven schickt, bis keine mehr übrig sind, erschließt sich nicht. Bereits nach der missglückten Sendung des zweiten Sklaven hätte auffallen müssen, dass dieses Vorgehen wenig ertragreich sein wird. Dass nach vorherigen Tötungen der Sohn ohne jeglichen Schutz geschickt wird, ist ebenso wenig einleuchtend. Auch die geschilderte Rache des Besitzers kann unter Berücksichtigung historischer Faktoren nicht plausibilisert weden, sondern passt eher in das, was vor dem Hintergrund von Jes 5 erwartbar ist.202 Schließlich finden sich im Text keine Hinweise über die Motive der Gewaltanwendung bei der Sendung der Sklaven und Sklavinnen und somit wird auch keine ökonomische Notsituation erkennbar. Da Markus für eine Leserschaft (auch) außerhalb Palästinas schreibt, wäre eine entsprechende Erklärung anzunehmen. Man kann sich in die Pachtenden nicht wirklich hineinversetzen, sondern sie werden in einem Maß als schlecht und brutal dargestellt, das über das unter historischen Gesichtspunkten Verständliche hinausgeht.203 Dementsprechend ist Dschulniggs Urteil zuzustimmen: Die beschriebene Situation ist prinzipiell möglich, aber „überspannt“.204 Zudem sind die Hinweise, die dazu anregen, den Text als Allegorie aufzufassen, überdeutlich und lassen den Anspruch sozialgeschichtlicher Plausibiltät insgesamt zurücktreten. Sicherlich ist die Identifizierung Gottes mit einem (möglicherweise ausbeuterischen) Großgrundbesitzer nicht unproblematisch, aber sie wird vom Text nahegelegt und man darf nicht vergessen, dass Gott (bzw. Jesus) in den neutestamentlichen Gleichnissen insgesamt häufig als Machtperson mit absoluter Autorität (Hausherr ௅ Mt 24,45– 51par; Mt 25,14–30par, König ௅ vermutlich in Mt 18,23–35 und Mt 22,1–14, beides sind aber vorrangig Gotttesreichsgleichnisse, Richter ௅ Lk 18,1–8)205 (Vgl. a.a.O. 352). Allerdings ist, wie gesagt, nicht unbedingt das Realistische das Ursprüngliche und es ist fraglich, inwiefern man alle Jesusgleichnisse im Hinblick auf dieses Kriterium über einen Kamm scheren kann. In vielerlei Hinsicht (z.B. Länge, Anzahl der Handlungsträger bzw. Handlungsträgerinnen, Komplexität und Ungewöhnlichkeit der Handlung, Explizitheit der Deutungsangebote, etc.) sind die neutestamentlichen Gleichnisse nämlich eine sehr heterogene Gruppe. Vgl. hierzu auch SNODGRASS, Parable, 112: „one cannot lay down a hermeneutical grid or a concept of the ,form‘ of a parable to which the parables must be forced to conform. Rather, each of the parables must be approached on its own grounds and in the context of Jesus’ original hearers.“ Kloppenburg zufolge passt die Thomasfassung zudem besser zur von Jesus formulierten Wohlstandskritik. (Vgl. KLOPPENBORG, Tenants, 352.) Dass Gleichnisse aber auf der Bildebene sehr wohl auch auf Wohlstand und dessen Maximierung ausgerichtet sein können, zeigt auch das Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Mt 25,14–30). 202 Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 805. 203 Vgl. auch COLLINS, Mark, 546. 204 DSCHULNIGG, Markusevangelium, 309. 205 Auch für die angeführten Gleichnisse gibt es alternative Deutungen, in denen die Rolle Gottes als Autoritätsperson in Frage gestellt oder relativiert wird. Die Identifizierung Gottes mit der mächtigen Hauptperson des Gleichnisses präsentiert sich jedoch als naheliegend. Und auch wenn man die Gleichsetzung der Machtperson mit Gott ablehnt, wird doch

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stilisiert wird bzw. mit einer solchen verglichen wird. Diese Personen üben ihre Macht auf teils drastische Weise aus, was ௅ zumindest aus heutiger Sicht ௅ unbequem ist. Zudem weist Klaiber mit Recht darauf hin, dass in Mk 12,1–12 ein „Ineinander von Gleichnis und gemeinter Sache“206 die Gleichniserzählung beeinflusst, so etwa auch bei der Rache des Grundbesitzers, die juristisch nicht zulässig wäre.207 Betrachtet man die Perikope Stück für Stück, sind einige interessante Beobachtungen zu machen. Auf die anfängliche Bezugnahme auf Jes 5 wurde bereits ausführlich eingegangen. Mit der Sendung des ersten Sklaven in V. 2 wird das Stichwort ਕʌȠıIJȑȜȜȦ („senden“/„schicken“) eingeführt, das das Gleichnis bis einschließlich V. 6 dominiert und insgesamt fünf Mal vorkommt.208 Damit wird ein wichtiges Motiv etabliert und die Gleichförmigkeit der Sendung der unterschiedlichen Sklaven und Sklavinnen sowie des Sohns wird betont. Nach Lev 10,23–25 könnte der Hinweis auf die „rechte Zeit“ auf einen Zeitraum von fünf Jahren verweisen (die ersten drei Jahren galten demnach die Früchte als unrein, im vierten Jahr waren sie für Gott bestimmt und erst im fünften für die Ernte freigegeben).209 Setzt man diese Regelung hier voraus, wird der lange Zeitraum der Handlung betont wie auch die Tatsache, dass Pachtende und Besitzer offenbar in dieser Zeit keinen (nennenswerten) Kontakt pflegten. Der partitive Genitiv (ਕʌઁ IJ૵Ȟ țĮȡʌ૵Ȟ/„von den Früchten“) kann darauf hindeuten, dass der Weinbergbesitzer nur einen Teil des Ertrags einfordert und keine übertriebenen Forderungen stellt.210 Auch die Tatsache, dass hier von Früchten die Rede ist, kann metaphorische Untertöne haben und von den Rezipierenden möglicherweise ebenfalls in die Allegorie eingetragen werden: „In biblical narrative, ‚fruits‘ is often a loaded term, designating the reward God gives to the just or the form of human life that should grow out of a proper relationship with him (see, e.g., Ps 1:3; Isa 3:10; Matt 3:8–10//Luke 3:8–9; Gal 5:22; and cf. Isa 5:2, 4).“211 Die Reaktion der Pächterinnen und Pächter durch einen Akt der ௅ zumindest aus heutiger Sicht überraschenden ௅ Brutalität wird relativ ausführlich durch drei Verben (ȜĮȝȕȐȞȦ/„nehmen“, deutlich, dass hier eine autoritäre Struktur vorausgesetzt wird, die nicht kritisch hinterfragt wird. 206 KLAIBER, Markusevangelium, 224. 207 Vgl. a.a.O. 225. 208 Vgl. auch STOLLE, Markusevangelium, 280. 209 Vgl. ERNST, Markus, 340; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 310. Kloppenburg dagegen meint, der Weinbergbesitzer fordere sofort die Abgaben und sieht dies als unrealistischen Zug sowie als Zeichen einer negativen Charakterisierung des Besitzers. (Vgl. KLOPPENBORG, Tenants, 2.) Dies ist aber wohl eher eine Eintragung Kloppenburgs, die die s.E. unrealistischen Züge der Markusfassung erhöht. Vgl. auch seine Annahme, die Bezüge zu Jes 5 und damit die Errichtung eines neuen Weinbergs seien sekundär (a.a.O. 352.) 210 Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 802. 211 A.a.O. 811.

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įȑȡȦ/„schlagen“, ਕʌȠıIJȑȜȜȦ/„schicken“) erzählt.212 Dabei ist das letzte Verb eine Spiegelung der Handlung des Weinbergbesitzers. Bereits das Schicksal des zweiten Sklaven wird weniger umfangreich dargestellt, durch zwei Verben (durch die Form ਥțİijĮȜ઀ȦıĮȞ und das Verb ਕIJȚȝȐȦ/„entehren“). Der Ausdruck ਥțİijĮȜ઀ȦıĮȞ macht hier einige Schwierigkeiten, ist aber wohl am ehesten mit „sie schlugen (ihn) auf den Kopf“ wiederzugeben.213 „Die Rückkehr [des zweiten Knechts] zum Herrn bleibt unerwähnt, ist aber vorausgesetzt (Breviloquenz).“214 Die Reaktion auf die dritte Sendung wird nochmals knapper zusammengefasst, mit nur einem Verb, das aber die endgültige Eskalation eindrücklich markiert: ਕʌȠțIJİȓȞȦ/„töten“. Es folgt eine Art Summarium, in dem das Schicksal einer Vielzahl weiterer Sklaven und Sklavinnen beschrieben wird, denen wiederum unterschiedliche Grade an Gewalt durch die Pächtenden zukommen, bis hin zur Ermordung. Auch weil die Prophetinnen und Propheten in den jüdischen Heiligen Schriften mehrfach als Sklavinnen und Sklaven bezeichnet werden,215 legt sich im Gesamtkontext des Gleichnisses eine entsprechende Identifizierung nahe. Die geschilderte Verwerfung der Propheten und Prophetinnen basiert auf dem deuteronomistischen Geschichtsbild (vgl. etwa 2Chr 36,15f.; Neh 9,26).216 Eckey erklärt dieses anhand des folgenden Schemas: 1. Israels fortgesetzte Widerspenstigkeit gegen seinen Gott; 2. Gottes Langmut, die sich in der Sendung seiner Knechte, der Propheten, zeigt, die das Volk zum Gehorsam rufen; 3. Israels Verhärtung, die sich in der Ablehnung und Beschimpfung, ja sogar in der Tötung der Propheten manifestiert, ohne dass individuelle Prophetenschicksale bedacht werden; 4. Gottes Strafgericht am halsstarrigen Volk.217

212 Für die Analyse der Verbformen bei der Schilderung der Misshandlung der Sklaven und Sklavinnen vgl. auch KLOPPENBORG, Tenants, 228: „vv. 3–5a create an inverted symmetry between the escalating violence and the decreasing number of verbs used to describe this violence“. 213 Vgl. auch ERNST, Markus, 341. Er gibt an, dass hier möglicherweise ein „Motiv aus zeitgenössischen Märtyrererzählungen“ vorliegt. Andere Vorschläge beinhalten z.B. „kahlköpfig machen“ oder „umbringen“. Gerade letztes Beispiel scheint aber wenig sinnvoll, wenn man eine Steigerung der Gewalt annehmen will. Für eine ausführliche Diskussion verschiedener Lesarten und Deutungen des Verbs vgl. COLLINS, Mark, 540 Anm. a. Collins ergänzt die Möglichkeit einer unauffälligen Anspielung auf den Tod Johannes des Täufers, unter der Prämisse, dass die Sendung der Sklavinnen und Sklaven nicht die chronologische Reihenfolge der Prophetinnen und Propheten voraussetzt. (Vgl. a.a.O. 546.) 214 DSCHULNIGG, Markusevangelium, 311. (Hervorhebung im Original) 215 S.o., Abschnitt 3.1.5. und 5.1.4. des dritten Kapitels. 216 Vgl. z.B. KLOPPENBORG, Tenants, 220f. mit ausführlichen Belegen; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 311; STOLLE, Markusevangelium, 280; GRUNDMANN, Markus, 319. Diese Deutung findet sich auch sonst im Neuen Testament, ist jedoch eher in der Spruchüberlieferung verankert (vgl. insbesondere Mt 23,29–37par, dazu auch Lk 13,31–33). 217 ECKEY, Markusevangelium, 373. Er betont zudem, dass auch in der zwischentestamentlichen Zeit und im frühen Judentum, bei den Rabinnen und Josephus, diese Tradition

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Allerdings passt dieses Muster nicht vollständig auf den in Mk 12,1–12 geschilderten Sachverhalt. Der erste Sklave wird zu den Pächterinnen und Pächtern geschickt, bevor es ein Anzeichen ihrer „Widerspenstigkeit“ gibt. Zudem ist höchst fraglich, ob die Pachtenden mit Israel insgesamt gleichgesetzt werden können (s.u.). Nachdem die Schilderungen der Sklavenschicksale immer kürzer wurden, wird die Präsentation des Sohns „feierlich eingeleitet“218 und im Anschluss wird wieder ausführlicher erzählt. Dabei wird der Sohn nicht weiter charakterisiert und kommt im Gegensatz zum Weinbergbesitzer auch nicht selbst zu Wort. Der Verlauf der Geschichte zeigt, dass er lediglich Spielball in der gewalttätigen Auseinandersetzung ist. Das Adjektiv ਕȖĮʌȘIJȩȢ („geliebt“) stellt hier, wie auch in den anderen beiden Passagen bei Mk, möglicherweise eine Anspielung auf die Bezeichnung Isaaks in der Akeda-Perikope (Gen 22,2 LXX) dar,219 aber wenn dem so sein sollte, ist der Bezug nur äußerst blass. Die Überlegung des Besitzers, die zur (alleinigen!) Sendung des Sohns führen, sind auch unter Berücksichtigung der sozialgeschichtlichen Umstände nicht plausibel. Klaiber bietet eine Übersetzung des Gedankensgangs: „Sie werden merken, dass ich ihnen in meinem Sohn selbst gegenübertrete.“220 Diese ist aber meines Erachtens deutlich zu sehr von der Sachebene aus gedacht. Auch die Gedanken der Pachtenden werden an diesem Punkt des Gleichnisses (V. 7) dargelegt. Hierin lässt sich wiederum eine unauffällige Anspielung auf die jüdischen Heiligen Schriften finden. Die Wendung įİ૨IJİ ਕʌȠțIJİ઀ȞȦȝİȞ Į੝IJંȞ („Kommt, lasst uns ihn töten“) entspricht wörtlich dem Tötungsbeschluss der Brüder gegenüber Josef in Gen 37,20 LXX. Beachtenswert ist die Tatsache, dass die Brüder in der Josefsgeschichte mit ihrem Mordplan scheitern.221 Durch die Andeutung kann somit möglicherweise die Erwartungshaltung der Rezipierenden irregeführt werden. Einige Exegetinnen und Exegeten erkennen hier auch einen größeren typologischen Zusammenhang, da auch in der Josefsgeschichte eine Verbindung zwischen dessen (Pseudo-)Tod und der Rettung anderer Menschen besteht,222 bzw. zwischen der Absicht von Menschen und dem Handeln Gottes: „what they [the brothers, S.N.-R,] intended as evil God had transformed into good, to save many people.“223 Boring selbst fortlebt, dort jedoch häufig im Zuge der Selbstanklage, während es in entsprechenden neutestamentlichen Texten um Fremdanklage geht. (Vgl. a.a.O. 373f.) 218 A.a.O. 378. 219 Vgl. ERNST, Markus, 341; MARCUS, Mark 8–16, 803. 220 KLAIBER, Markusevangelium, 224. 221 Vgl. ECKEY, Markusevangelium, 379. 222 Vgl. ERNST, Markus, 342. 223 BORING, Mark, 330. Kloppenburg macht besonders den Bezug zwischen der Josefsgeschichte und dem Psalmzitat deutlich: „just as Joseph was vindicated and exalted before his brothers, so the ‚rejected stone‘ will become the ‚cornerstone‘.“ (KLOPPENBORG, Tenants, 283.) An der Stelle im Text könne man aus der Anspielung möglicherweise bereits

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betont jedoch, dass nur sehr aufmerkame Rezipierende diese Verbindung erkennen dürften. Die auf den Beschluss der Pachtenden erfolgenden Handlungen werden wiederum relativ ausführlich geschildert. Eine Parallelität zu dem Geschick des ersten Sklaven besteht in der durch drei Verben strukturierten Erzählung.224 Die hier verwendeten Verben sind ȜĮȝȕȐȞȦ/„nehmen“, ਕʌȠțIJİȓȞȦ/„töten“ und ਥțȕȐȜȜȦ/„hinauswerfen“. Neben der Sendung zeigt sich auch hierin, dass das Schicksal des Sohns dem der Sklavinnen und Sklaven entspricht. Wie der dritte Sklave und eine weitere, nicht näher spezifizierte Anzahl von Sklaven und Sklavinnen wird er getötet. Das Verb ȜĮȝȕȐȞȦ hingegen fand sich bereits in der ersten gewalttätigen Handlung der Pächterinnen und Pächter am ersten Sklaven. Zudem wurde dasselbe Wort in 12,2 zur Beschreibung der Intention des Weinbergbesitzers verwendet. „Die dramatische Umkehrung wird so sprachlich unterstrichen.“225 Anders als bei den Sklavinnen und Sklaven wird jedoch zusätzlich erwähnt, was mit der Leiche passiert: Sie wird nicht ordentlich bestattet, sondern einfach aus dem Weinberg entfernt und somit geschändet. Anders als bei Mt und Lk, wo bereits die Tötung außerhalb des Weinbergs stattfindet, wird diese Schändung in der Markusperikope betont.226 Boring hebt hervor, dass auch das Synhedrium sich nicht um Jesu Beerdigung kümmern wird.227 Der Abschluss des Gleichnisses erinnert wiederum an Jes 5. In Jes 5,3 werden die Angesprochenen aufgefordert, ein Urteil zu sprechen, woran sich im folgenden Vers eine Reihe rhetorischer Fragen anschließt. Das geforderte Urteil spricht Gott in Jes 5,5f. dann selbst und beschreibt ausführlich die Zerstörung des Weinbergs. Diese Struktur findet sich in komprimierter Form in Mk 12,9 durch die rhetorische Frage und die anschließende Beantwortung mit dem im Futur geschilderten kommenden Unheil ebenfalls. Das Verb, das zur Beschreibung des Schicksals der Pachtenden verwendet wird, ਕʌȩȜȜȣȝȚ („vernichten“), ist für sich genommen ziemlich unspezifisch.228 Im Kontext betrachtet wird hier jedoch dasselbe Wort verwendet, das in 11,18 im Zuge des Tötungsplans der Pharisäer und Schriftgelehrten gebraucht wird. „Hier wird also Drohung gegen Drohung gestellt.“229 Da das Gleichnis nicht nur mit der Vernichtung der Pächterinnen und Pächter endet, sondern zusätzlich die Notiz ent-

die Andeutung einer kommenden Erhöhung sich abzeichnen sehen. Demgegenüber betont Marcus, der die Bezüge ebenfalls nennt, eher die Differenzen zwischen der Josefsgeschichte und Mk 12,1–12. Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 813. 224 Vgl. ERNST, Markus, 342. 225 STOLLE, Markusevangelium, 279. 226 Vgl. ERNST, Markus, 342. 227 Vgl. BORING, Mark, 331. 228 Vgl. KLAIBER, Markusevangelium, 225. 229 STOLLE, Markusevangelium, 280.

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hält, dass der Weinberg anderen gegeben wird, und da sich insgesamt eine allegorische Deutung von Mk 12,1–12 nahelegt, hat sich die Frage ergeben, wer mit diesen anderen gemeint sein könnte. In der Forschung hat es hierzu ganz unterschiedliche Antwortversuche gegeben. Unter zeitgeschichtlichen Gesichtspunkten liegt es nahe, hier eine Anspielung auf die römische Herrschaft zu sehen.230 Mit Blick auf die weitere Entwicklung des Christentums käme jedoch eher die christliche Gemeinde in Frage,231 wobei besonders betont wird, dass es sich hierbei um eine vorwiegend heidenchristliche Gemeinde handelt.232 In theologischer Sicht könne hier auf von Jesus autorisierte Führungspersonen verwiesen werden, also vor allem auf die Zwölf.233 Der Text selbst gibt hier aber keine spezifischen Hinweise, und so ist es meines Erachtens sinnvoll, keine weitere Identifizierung vorzunehmen.234 Obwohl eine Allegorie vorliegt, ist es nicht nötig, für jeden Einzelzug „Übersetzungen“ zu finden ௅ man wird aus heutiger Sicht wohl auch für Turm und Kelter keine Entsprechungen suchen. Der Fokus der Erzählung liegt nicht bei den neuen Pächtern und Pächterinnen.235 Dass diese zum Schluss genannt werden, hat vor allem den Sinn, dass betont wird, dass der Weinberg nicht verloren gehen wird, sondern weiterhin beim ursprünglichen Besitzer bleibt, gepflegt und genutzt wird.236 Mit einer weiteren rhetorischen Frage, die ebenfalls einen vorwurfsvollen Unterton besitzt, leitet Jesus das Zitat aus Ps 118 ein, das er explizit als Schriftwort kenntlich macht. The quotation comes verbatim from the Septuagint, which suggests that this proof text had been in circulation among Diaspora Jewish Christians and Gentile Christian communities. But well known as the whole psalm was as a Jewish festival psalm, it is at least possible that Jesus had used parts of the psalm, or especially these verses, as part of an attack on the Jewish hierarchy in Jerusalem.237

230 Vgl. z.B. ECKEY, Markusevangelium, 379; BORING, Mark, 332. Boring unterscheidet verschiedene Deutungsebenen (Zeitgeschichte, Kirchengeschichte, Theologie). 231 So etwa SCHENKE, Markusevangelium, 25. 232 Vgl. MANN, Mark, 360: „Gentile Church“. Ähnlich auch BORING, Mark, 332 und MARCUS, Mark 8–16, 805.813f. In diese Richtung tendieren auch ECKEY, Markusevangelium, 379 (mit Verweis auf die Rolle von Nichtjuden beim Tod Jesu und das Zerreißen des Tempelvorhangs) und GRUNDMANN, Markus, 324. 233 So DSCHULNIGG, Markusevangelium, 312. Vgl. BORING, Mark, 333. 234 Zu diesem Urteil kommt auch STOLLE, Markusevangelium, 279. Grundmann, der am ehesten die heidenchristlichen Gemeinde als Bezugspunkt annimmt, bevorzugt eine Unbestimmtheit. (Vgl. GRUNDMANN, Markus, 324.) 235 So auch DSCHULNIGG, Markusevangelium, 312. 236 Zu einem ähnlichen Schluss kommen Stolle und Klaiber. Vgl. STOLLE, Markusevangelium, 279; KLAIBER, Markusevangelium, 225. 237 MANN, Mark, 466.

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Auch in der rabbinischen Literatur gab es Versuche, den genannten Stein mit einer bekannten Person, Abraham oder Mose, zu identifizieren.238 Ob es sich bei besagtem Stein um einen Eckstein, einen „tragende[…] Stützquader an der Mauerecke (vgl. Jer 51,26) des Bauwerks“,239 oder den Schlussstein, den „Scheitelstein des Gewölbes“,240 handelt, ist unklar. Beides ist lexikalisch möglich. Die meisten Übersetzerinnen und Übersetzer, Kommentatoren und Kommentatorinnen bevorzugen die Eckstein-Variante.241 Letztlich ist die genaue Übersetzung hier aber „für die Sache unerheblich“.242 „So oder so, ein verachteter Stein ist zu hohen Ehren gekommen.“243 Möglicherweise kann man den Psalm und somit das Ecksteinzitat auf Israel insgesamt beziehen. So deutet Marcus: „In its original context the psalm speaks of Israel besieged by hostile nations that surround it yet triumphant over them through the power of God; Israel itself, therefore, or its Davidic king, may originally have been the stone despised by the ‚builders‘ (of empires) but exalted to the central position in God’s temple.“244 Damit würde durch die Rezeption des Zitats ein deutlicher Wechsel gegenüber dem ursprünglich gemeinten Topic vorliegen. Im Fokus des Psalms ist allerdings ein Einzelschicksal. Natürlich ist es möglich, dass das Ich des Psalms auf Israel als Kollektiv verweisen soll oder so verstanden wurde. Allerdings macht es meines Erachtens mehr Sinn, hier zunächst von einem leidenden Gerechten auszugehen, den man natürlich (sekundär) mit dem Volk Israel identifizieren kann. Mit dem Zitat endet die Rede Jesu. Im Anschluss wird in V. 12, der überwiegend als markinische Redaktion angesehen wird, relativ ausführlich beschrieben, welche Reaktion auf das Gesagte erfolgt. Der „innere Zwiespalt“ der Zuhörenden „kommt durch die rein parataktische Anordnung der beiden Aussagen in V. 12a und b wirkungsvoll zum Ausdruck“245 Um wen es sich bei den erzählten Rezipierenden handelt, wird in der Perikope selbst nicht genannt. Aus dem Kontext erschließt sich jedoch, dass es sich um Mitglieder der in Mk 11,27 erwähnten Gruppen ௅ Hohepriester, Schriftgelehrte und Älteste ௅ han-

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Vgl. a.a.O. 467. ECKEY, Markusevangelium, 380. 240 Ebd. 241 Vgl. a.a.O. 372 und 380; SCHENKE, Markusevangelium, 256; BORING, Mark, 328; MANN, Mark, 456; COLLINS, Mark, 548. Für den Schlussstein vgl. GRUNDMANN, Markus, 318.324. Die Annahme Marcus’, bei dem Stein handele es sich um einen wesentlichen Bestandteil beim Bau eines neuen Tempels (vgl. MARCUS, Mark 8–16, 814f.), gibt das Psalmzitat allein in diesem Kontext nicht her. 242 ERNST, Markus, 343. 243 ECKEY, Markusevangelium, 380. 244 MARCUS, Mark 8–16, 808. 245 A.a.O. 381. 239

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delt, also Mitglieder der religiösen Führung Israels, die „Repräsentanten Jerusalems und des dorthin orientierten Judentums“.246 Möglicherweise muss man sich einen Konflikt Jesu mit dem Synedrium als Institution vorstellen, wobei der Text hier uneindeutig ist.247 Es sind jedenfalls Mitglieder wichtiger Gruppen, die die Auseinandersetzung mit Jesus eint. „The cleverness of Mark’s redaction consists in the fact that he hast he priestly and scribal opponents react with hostility to Jesus’ depiction of them as wicked tenants, but in doing so they align themselves precisely woth those tenants, in effect echoing the tenants’ statement, ‚Come let us kill him and the inheritance will be ours‘ (12,7).“248 Die Zuhörenden verstehen das von Jesus formulierte Gleichnis oder erkennen doch zumindest darin eine Kritik ihnen gegenüber. Im Fokus scheint dabei eher die Gleichniserzählung als das sich anschließende Schriftwort zu stehen. Widerspricht dieses Verständnis der in Mk 4,11f. formulierten Gleichnistheorie? Laut Dschulnigg ist das nicht der Fall, da das wahre Hören auch die darauffolgende Umkehr beinhalte.249 In eine ähnliche Richtung weisen Schenkes Überlegungen: „Wieder zeigt sich, dass Jesu Rätselrede nicht die Verstockung bewirkt, sondern aufdeckt; das Unverständnis folgt aus der Verweigerung.“250 Allerdings überzeugen solche Erklärungsversuche nur teilweise und es ist doch generell zu fragen, ob Markus überhaupt eine einheitliche Gleichnisauffassung und -theorie angestrebt hat. Jedenfalls zeigt sich aus der beschriebenen Reaktion, dass er die Geschichte trotz (oder gerade wegen?) ihres allegorischen Charakters für verständlich hält. Die Wirkung auf die Zuhörenden liefert zudem einen wichtigen weiteren Hinweis zur „Entschlüsselung“ der Allegorie: Offensichtlich müssen die angesprochenen Jerusalemer Autoritäten mit den Pächterinnen und Pächtern gleichgesetzt werden. Sie stehen somit im Fokus der Kritik, nicht ganz Israel (der Weinberg). In der neueren Forschung wird diese Auffassung weitestgehend geteilt,251 und es ist wichtig, die Differenzierung zwischen religiösen Autoritäten und Israel insgesamt zu betonen, 246

A.a.O. 385. Dadurch, dass sich die Adressierten nur aus der vorherigen Perikope ableiten lassen, zeigt sich erneut der starke Zusammenhang des Weinberggleichnisses mit der vorausgegangenen Vollmachtsfrage. 247 Mann etwa ist kritisch demgegenüber, die in 11,27 genannten Personen mit dem Synedrium gleichzusetzen. „This cannot mean the Sanhedrin, for Mark uses that technical expression when its mention is called for. We assume that this was a small and casually assembled group of all three orders.“ (MANN, Mark, 456.) 248 KLOPPENBORG, Tenants, 223. 249 Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 313. 250 SCHENKE, Markusevangelium, 258. (Hervorhebungen im Original) 251 Vgl. etwa DSCHULNIGG, Markusevangelium, 310: „Anders als im Weinberglied (Jes 5,1–7) verfehlt sich nicht Israel angesichts der Gesandten Gottes, sondern die Führung des Volkes, die deshalb auch allein bestraft wird, falls sie nicht umkehrt.“ Vgl. auch STOLLE, Markusevangelium, 279; GRUNDMANN, Markus, 319; BORING, Mark, 331; ECKEY, Markusevangelium, 337f. Eckey betont, dass die genannten Gruppen einen manipulativen Einfluss auf Jerusalem insgesamt haben, wie die Freigabe des Barrabas (Mk 15,6–15) zeigt.

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um den Text vor antijudaistischen Tendenzen zu schützen, für die er in Anspruch genommen wurde. Wie oben gezeigt wurde, enthält bereits die Einführung der Pachtenden gegenüber Jes 5 ein überraschendes Moment, das den Fokus und damit die Kritik von Israel selbst wegverschiebt. Selbst ohne die Reaktion der Hörenden wird kundigen Rezipierenden somit klar, dass Jes 5 nicht nur als Vorbild für das Gleichnis diente, sondern zugleich ein davon abweichendes Szenario entworfen wurde. Gegen die Gleichsetzung der Pachtenden mit der religiösen Führung (allein) könnten Details der Allegorie ins Feld geführt werden. Die Prophetinnen und Propheten seien schließlich an ganz Israel geschickt worden, nicht nur an eine eingegrenzte Personengruppe. Somit könnten die Pächterinnen und Pächter ebenfalls für Israel insgesamt stehen.252 Aber eine solche Deutung ist doch zu sehr an Einzelheiten interessiert, bzw. spricht diesen zu viel Gewicht zu. Der Vergleich mit Jes 5 zeigt, dass hier nicht Israel insgesamt kritisiert werden soll, sondern im Gegenteil letztlich bewahrt wird (V. 9). Ebensowenig wird „den Israelitinnen und Israeliten“ oder „dem Judentum“ hier insgesamt die Verantwortung für Jesu Tod zugesprochen. Vielmehr wird eine Kritik an den Gruppen geübt, die während des gesamten Wirkens Jesu als ihm feindselig gegenüberstehend charakterisiert werden (wobei Mk durchaus Ausnahmen zulässt, vgl. Mk 12,28.32.34; evtl. auch 15,43) und die seinen Tod von langer Hand planen. Auch wird hier kein Konflikt der Kirche mit Israel ausgedrückt. „[I]t is important to be clear that it is not ‚Judaism‘ that is replaced with ‚Christianity‘, but leadership of the continuing people of God that is taken away from unfaithful leaders and given to faithful ones.“253 Welcher Zusammenhang besteht nun aber zwischen dem Gleichnis in V. 1– 9 einerseits und dem Psalmzitat von V. 10f. andererseits? Zunächst scheint hier nur eine sehr lose Verbindung vorzuliegen.254 Bei näherer Betrachtung lassen sich aber Bezüge und Parallelen ausfinding machen. Stolle, der hier von einem Gleichnispaar ausgeht (s.o.), formuliert dazu: Beide Gleichnisse sind in der biblischen Tradition verankert, das erste nimmt ein prophetisches Gleichnis auf (Jes 5,1–7), das zweite zitiert ein Psalmwort (Ps 118,22f.). Jesus geht auf die schriftgelehrte Kompetenz seiner Gesprächspartner ein. Beide Gleichnisse sind aufeinander hin angelegt. Überschlägt sich das erste mit Verwerfungen, so erfolgt im zweiten ein Wechseln von Verwerfung zu Erwählung.255

252

Vgl. ERNST, Markus, 342. Ernst deutet an, dass Markus das ursprünglich auf ganz Israel abzielende Gleichnis und die darin enthaltene Kritik durch die kontextuelle Einbettung stärker differenziert hat. (Vgl. a.a.O. 343.) Auch Marcus meint, dass nicht nur die religiösen Identitäten gemeint sind, sondern Israel insgesamt in den Blick genommen wird. (Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 805f.814.) 253 BORING, Mark, 333. 254 Vgl. ERNST, Markus, 342. 255 STOLLE, Markusevangelium, 278.

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Das Psalmzitat ist offenbar dazu angelegt, das Schicksal des Sohns weiter auszuführen und fortzusetzen. Aspekte, die in Mk 12,1–9 viel Raum eingenommen haben, werden hier nicht weiter thematisiert, vor allem die vorausgegangene Sendung der Sklavinnen und Sklaven. Auf Jesus bezogen, stilisiert das Weinberggleichnis seinen Tod als Prophetenschicksal. Die Kontinuität zum vorausgegangenen Geschehen wird bewahrt und auch sprachlich hervorgehoben, obwohl dem Sohn natürlich eine Sonderstellung zukommt. Das Psalmzitat hingegen ist nur an einem Einzelschicksal, dem des „verworfenen Steins“, interessiert und stellt einen Wandel in dessen Geschick heraus. Damit verbunden ist auch der Unterschied zwischen menschlicher und göttlicher Beurteilung und den damit verbundenen Handlungen. Darin angelegt ist, auf Jesu Tod bezogen, bereits in gewisser Weise das Kontrastschema, das in der Apostelgeschichte das Sprechen von Jesu Tod dominiert. Psalm 118 insgesamt kann charakterisiert werden als „Danklied für wunderbare Rettung aus Lebensgefahr durch viele Feinde.“256 Es geht dabei um den leidenden Gerechten, der bereits am Rande des Todes stand, dann aber von Gott aus seiner Notsituation errettet wurde.257 „Indem diese Stelle an das Gleichnis von den bösen Weingärtnern angefügt worden ist, wird ein wichtiger Hinweis zu seinem Verständnis gegeben: die Geschichte leidender Gerechter wird erzählt, zu ihnen gehören die Boten und Knechte, zu ihnen der Sohn.“258 Das Zitat geht jedoch nach darüber hinaus. Der Psalm selbst wurde in einzelnen Aspekten von den Rabbinen messianisch gedeutet259 und das Ecksteinzitat ist ein wichtiger Bestandteil der urchristlichen Inanspruchnahme der jüdischen Heiligen Schriften (vgl. Apg 4,11; Eph 2,20; 1Petr 2,4–8). Es dient als Schriftbeweis für die Auferstehung Jesu bzw. für die Erhöhung des von den Menschen Erniedrigten durch Gott. Auch im Thomasevangelium wird das Schriftwort in verkürzter Form wiedergegeben. Es ist zwar dort formal isoliert und vom vorherigen Jesuswort getrennt, steht aber direkt nach dem Weinberggleichnis der Thomasfassung (EvThom 65f.).260 Auch hierdurch wird deutlich, dass die beiden Texte vermutlich schon früh aufeinander bezogen wurden. Dschulnigg grenzt sich in seiner Deutung bewusst von der Mehrzahl anderer Exegetinnen und Exegeten ab und geht nicht von einer Zufügung der Gemeinde aus: „Für die vorausgesetzten Hörer des Gleichnisses ist dies eine letzte Mahnung, auf ihre bösen Pläne zu verzichten, Jesus als Gerechten anzuerkennen und in den Lobpreis über das rettende Handeln Gottes durch ihn dankbar einzustimmen (vgl. Ps 118,1.29: Rahmenaussage).“261 Möglicherweise geht dies zu weit und 256

ECKEY, Markusevangelium, 380. Vgl. ebd und DSCHULNIGG, Markusevangelium, 312 mit besonderem Verweis auf Ps 118,20. 258 GRUNDMANN, Markus, 321. 259 Vgl. ECKEY, Markusevangelium, 380. 260 Vgl. auch GRUNDMANN, Markus, 321. 261 DSCHULNIGG, Markusevangelium, 312. 257

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man kann nicht erwarten, dass die Rezipierenden den Gesamttext des Psalms berücksichtigen. Auch angesichts des negativ wirkenden Tenors des Textes, der eine gewisse Endgültigkeit nahelegt, ist fraglich, ob die Möglichkeit zum Einstimmen in den Lobpreis überhaupt noch gegeben ist. Dennoch zeigt sich so, dass sich durch das Psalmzitat neue und wichtige Deutungshorizonte eröffnen. Die Verbindung der beiden Bilder beruht möglicherweise auf einem Wortspiel zwischen den hebräischen Wörtern für „Stein“ (ʯʡʠ) und „Sohn“ (ʯʡ), die sich im Klang sehr ähneln.262 Stimmt diese Annahme, wäre dies ein weiteres Indiz dafür, dass die Verbindung schon relativ alt ist und möglicherweise auf eine vorrangig Aramäisch sprechende Gemeinde zurückgeht.263 Zudem würde es die Gleichsetzung vom Sohn mit dem Eckstein weiter erleichtern, die allerdings ohnehin schon offensichtlich ist.264 Auch andere Berührungspunkte lassen sich zwischen Mk 12,1–9 einerseits und Mk 12,10f. andererseits ausmachen, wenn auch weniger offensichtliche. Stolle macht darauf aufmerksam, dass in beiden das Stichwort „Kopf“ fällt. In 12,4, bei der Beschreibung der Gewaltanwendung dem zweiten Sklaven gegenüber, ist es in der Verbform ਥțİijĮȜ઀ȦıĮȞ enthalten, die eine Entehrung impliziert. Demgegenüber wird der Stein in 12,10 wörtlich näher spezifiziert als İੁȢ țİijĮȜ੽Ȟ ȖȦȞ઀ĮȢ („zum Haupt der Ecke“). Die Bezeichnung betont hier die ehrenvolle Position, die dem Stein zuteil wird.265 Daneben kann auch das Stichwort ȠੁțȠįȠȝİ૙Ȟ („bauen“), das sowohl in V. 2 als auch in V. 10, wenn auch in unterschiedlichen Formen, vorkommt, als Verbindungslinie zwischen Gleichnis und Schriftwort gesehen werden.266 Grundmann wiederum weist darauf hin, dass das Nebeneinander von Bildworten aus Landwirtschaft und Hausbau auch andernorts vorkommt, etwa

262 Vgl. vor allem SNODGRASS, Parable, 113–118, daneben auch ERNST, Markus, 343; MARCUS, Mark 8–16, 808; COLLINS, Mark, 548. Snodgrass führt als Belege aus den jüdischen Heiligen Schriften vor allem Ex 28,9f. sowie die Parallele in Ex 39 an, daneben Klgl 4,1f.; Sach 9,16 und Jes 54,11–13. Des Weiteren nennt er weitere Beispiele aus Targumim, Talmud und sonstiger rabinnischer Literatur. Für besonders ergiebig hält er das Wortspiel bei Josephus, in seiner Geschichte des jüdischen Kriegs, V. 272. Er betont, dass trotz eines etwas anderen Vokabulars das Wortspiel auch für Aramäisch sprechende Menschen sinnvoll verständlich gewesen sein muss. Collins sieht ein weiteres mögliches Wortspiel in den hebräischen Worten für „Bauleute“ (ʭʩʥʡʤ) und „Denker“/„Weise“ (ʭʩʥʡ). (Vgl. COLLINS, Mark, 548.) Dies würde dann aber nicht für einen Zusammenhang zwischen Gleichnis und Schriftwort sorgen, sondern die Identifizierung der Bauleute vereinfachen. 263 Allerdings ist zu beachten, dass das Wortspiel im Hebräischen, nicht aber im Aramäischen funktioniert. Hier lautet das Wort für Sohn ʸʡ (gesprochen bar statt hebräisch ben). 264 Vgl. auch SCHENKE, Markusevangelium, 272: „Der ‚verworfene Stein‘ ist der getötete und aus dem Weinberg hinausgeworfene Sohn der Erzählung, das versteht jeder und somit können es auch die Gegner verstehen.“ (Hervorhebung im Orignal) 265 Vgl. STOLLE, Markusevangelium, 280. 266 Vgl. COLLINS, Mark, 544.548.

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in 1Kor 3,9.267 Unter der Berücksichtigung der Metaphernkombination steht jedoch eher der Sohn im Vordergrund und weniger das Bild vom Weinberg. Weinberg-Gleichnis und Psalmzitat sind somit stark aufeinander bezogen.268 Das Zitat kann auch als eine Art Kommentar zum Gleichnis verstanden werden.269 Möglicherweise lässt sich aus ihm auch eine zweite, korrespondierende Allegorie ableiten: Die Bauleute würden dann den Pächterinnen und Pächtern entsprechen, der Bauherr dem Weinbergbesitzer, der Stein dem Sohn und die Rechtfertigung des Steins der Strafe der Pachtenden.270 Allerdings buchstabiert das Psalmzitat nicht all diese Elemente explizit aus. Es wird nur nahegelegt, dass die Bauleute und der Stein in Analogie zu dem Vorausgegangenen zu verstehen sind. Natürlich schließt das nicht aus, dass andere Aspekte von den Rezipierenden, die bereits zuvor mit einer Allegorie umgegangen sind, ergänzt werden können. Vor allem aber gibt das Psalmzitat dem ganzen Abschnitt eine positive Wendung. In Mk 12,9 wird zwar eine Vergeltung und somit eine Art „Gerechtigkeit“ angekündigt, und es wird angedeutet, dass der Weinberg erhalten bleibt. An dem Schicksal des Sohns ändert dies aber nichts. Auf Jesus bezogen wird hier sein Tod und die Schuld, die Menschen daran tragen, in einiger Ausführlichkeit geschildert. Durch das Psalmzitat wird dann jedoch etwas in Aussicht gestellt, das auf der Bildebene des Gleichnisses nur schwer ausgedrückt werden kann: Jesu Auferstehung und Erhöhung. Beides gehört im Neuen Testament eng zusammen, wie schon die Leidensankündigungen nahelegen. Im Fall von Mk 12,1–12 weissagt Jesus, auch den Gegnerinnen und Gegnern, nicht nur den Jüngern und Jüngerinnen gegenüber, diese Geschehnisse, allerdings allein in verdeckter Weise.271 Jesus wird in Mk 12,1–12 durch zwei Vehicles dargestellt, die wiederum jeweils in komplexere Bildzusammenhänge eingebettet werden. Dabei sind der Sohn und der Stein zunächst ziemlich weit voneinander entfernt, lässt man einmal den Klang der hebräischen Begrifflichkeiten außer acht. Beiden gemein ist im Gesamtkontext jedoch ein großes Maß an Passivität. Der Sohn wird vom Weinbergbesitzer geschickt, von den Pächtern und Pächterinnen genommen und getötet. Ebenso wird der Stein von den Bauleuten verworfen, nimmt aber am Ende doch eine zentrale Funktion ein. Die Bezeichnung als Sohn ist zunächst einfacher auf Jesus zu beziehen. Hilfreich sind natürlich zum einen die 267 Vgl. GRUNDMANN, Markus, 321. 1Kor 3,9 ist tatsächlich ein eindrückliches Beispiel für das Phänomen der Diversifikation. 268 Anders Kloppenburg, für den der Metaphernwechsel hier künstlich und gezwungen wirkt: „with Mark 12,10–11 the metaphors abruptly shift from viticulture to architecture, from vineyard and tenancy to rejected and chosen stones, and these verses rather artificially supply a vindication from the son, who in the story proper is left dead.“ (KLOPPENBORG, Tenants, 2.) 269 ECKEY, Markusevangelium, 380. 270 Vgl. ebd. 271 Vgl. auch SCHENKE, Markusevangelium, 272.

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Tatsache, dass es sich bei diesen um einen Menschen handelt, und zum anderen die kontexteullen Hinweise im Markusevangelium, dass Jesus als Sohn Gottes aufzufassen ist. Demgegenüber ist der Stein ௅ dinglich und unbelebt ௅ weitaus abstrakter, und die Verbindung von Topic und Vehicle lässt sich in diesem Fall mühsamer herstellen. Da durch das Gleichnis aber ein vergleichbares Szenario bereits ausführlich dargestellt wurde, wird das Verständnis wiederum erleichtert. Die Assoziationen, die in den beiden Metaphern entstehen, und die damit verbundenen Aussagegehalte sind jeweils unterschiedlich. Wie erwähnt, teilen beide Bilder die Attribute von Passivität und Verworfenheit. Durch das Gleichnis wird nun das Motiv der Sohnschaft ausgeführt, das verbunden ist mit dem Gehorsam dem Vater gegenüber, mit Beautragung und Vollmacht (weshalb die kontextuelle Einbettung sehr treffend ist). Der Stein verweist demgegenüber für sich genommen auf Stabilität und Festigkeit, im Kontext gesehen deutet er auf einen Wert hin, der sich nicht sofort zeigt oder nicht allen Betrachterinnen und Betrachtern. Zudem wird betont, dass der Eckstein eine Art Schlüsselfunktion einnimmt und als wesentliches, tragendes Element in einem Ganzen fungiert. Durch die beiden (erweiterteten) Metaphern werden zudem zwei unterschiedliche Deutungen des Todes Jesu ergänzend nebeneinandergestellt. Das Gleichnis stellt Jesu Tod als Konsequenz des Gehorsams des Sohns und der Grausamkeit derjenigen, die den Mord an ihm planten, heraus. Gleichzeitig wird eine Beziehung zum Prophetenschicksal hergestellt und es wird betont, dass Gott diesen Tod nicht unbeachtet lassen wird, sondern die Verantwortlichen mit Folgen zu rechnen haben. Der Aspekt menschlicher Verfehlungen ist auch im Psalmzitat enthalten, wird hier aber in eine Art Kontrastschema eingezeichnet. Gottes Zorn wird seine Macht entgegengestellt. Zudem wird Jesu Erhöhung angedeutet, welche die drastische Schilderung des Todes im vorherigen Gleichnis ergänzt. Das Nebeinander der beiden Bilder kann somit als Versuch angesehen werden, möglichst umfangreich auf Jesu Tod und Auferstehung hinzuweisen. Dem Gesamtabschnitt gemein ist, dass das Sterben etwas ist, in dem Jesus keine wirklich aktive Rolle einnimt. Einen Unterschied bildet die Tatsache, dass der Sohn im Gleichnis tatsächlich stirbt, hier also nur eine Identifizierung von Jesus mit diesem nötig ist, während die Verwerfung des Steins rein auf der Ebene dieses Bildes bleibt und somit eine größere Interpretationsleistung erfordert. Während man in Mk 12,1–12 durchaus zwei Metaphern ausmachen kann, in denen unterschiedliche Vehicles auf Jesus als Topic bezogen werden, sind beide in komplexere Bildzusammenhänge eingebunden, weshalb es vielleicht hier sinnvoller ist, weniger von einer Diversifikation von Einzelmetaphern als vielmehr von Diversifikationen ganzer Allegorien oder Erweiterter Metaphern zu sprechen. Zudem lässt sich ein komplexer Schriftbezug ausmachen, einerseits durch das direkte Zitat und andererseits durch die vielfältigen, mehr oder weniger leicht erkennbaren, Anspielungen im Gleichnis. Es ist somit durchaus berechtigt, von Mk 12,1–12 als einem komplexen und vielschichtigen Text zu

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sprechen. Trotz mancher Problematik ist dieser, wie sich gezeigt hat, für die Kombination unterschiedlicher Metapher zur Deutung des Todes Jesu sehr ergiebig. 2.3. Multivalenz Metaphernmultivalenzen, also der Gebrauch desselben oder eines semantisch sehr ähnlichen Vehicles im Zusammenhang mit unterschiedlichen Topics, sind insbesondere deshalb interessant, weil durch sie ௅ vorausgesetzt sie werden erkannt ௅ eine Verbindung der Topics hergestellt wird. Für den hier relevanten Kontext heißt das, dass in den meisten Fällen eine Beziehung zwischen Jesu Tod und den Gläubigen geschaffen wird, die aber nur auf indirekte Weise durch die Metaphernkombination deutlich wird. Ein besonders beachtenswerter Fall ist hier das Verhältnis von Hebr 5,7; 13,15 und den anderen ʌȡȠıijȑȡȦ-Aussagen im Hebräerbrief. Diese Stellen werden daher im Anschluss an den generellen Überblick gesondert analysiert. 2.3.1. Überblick Multivalenzen, in denen solche Metaphern enthalten sind, die auf Jesu Tod Bezug nehmen, sind besonders in den Protopaulinen Röm und Gal, im Kolosserund Hebräerbrief sowie in der Apokalypse auffällig. Im Römerbrief kann unter Umständen eine Art multivalente Beziehung zwischen 3,25 und 12,1 hergestellt werden, allerdings abhängig davon, wie ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ aufgefasst wird. Übersetzt man diesen Terminus als „Sühnopfer“, ist eine deutliche semantische Verwandtschaft zur Wendung șȣı઀ĮȞ ȗ૵ıĮȞ ਖȖ઀ĮȞ İ੝੺ȡİıIJȠȞ IJ૶ șİ૶ („als lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer“) erkennbar. Beide Begriffe, ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ und șȣı઀Į stellen V-Terms von Metaphern dar, wobei in 3,24f. klar Jesus als Topic erkennbar ist und in 12,1 IJ੹ ıઆȝĮIJĮ ਫ਼ȝ૵Ȟ („unsere Leiber“) den T-Term bildet: Jesus wurde als Sühnopfer dargestellt; auch die Gläubigen sollen bereit zum Opfer sein. Die Darstellungsweise und damit verbundene Schwerpunktsetzungen sind jedoch unterschiedlich. Während in Röm 3,24f. Jesus von Gott (passivum divinum) als ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ „hingestellt/auserwählt“ wird, also passiv bleibt, handelt es sich in 12,1 um eine Aufforderung, in der die Angesprochenen als aktiv Handelnde dargestellt werden. Außerdem wird durch den Kontext deutlich, dass die Aussage in Röm 3,24f. in eine klar soteriologische Richtung weist, während der Fokus in 12,1 darauf liegt, dass das Leben der Adressierten nach Gottes Willen und nicht nach dem Verhaftetsein in der Welt gestaltet werden soll. Interessant ist die Fortführung des Gedankengangs in 12,4f., da auch hier der Leib ௅ im Plural TTerm der Metapher in 12,1 ௅ auftaucht, nun aber im Singular und als V-Term einer anderen Metapher: „wir sind als viele ein Leib in Christus“ (Ƞੂ ʌȠȜȜȠ੿ ਨȞ ı૵ȝ੺ ਥıȝİȞ ਥȞ ȋȡȚıIJ૶; 12,5). Es handelt sich somit um eine Form von TopicVehicle-Übertragung. Die Ausführung in 12,4f. kann jedoch auch ein Licht auf

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eine mögliche Verbindung der Metaphern in 3,24f. und 12,1 werfen: Die Einheit der Gläubigen „in Christus“ verweist indirekt auf eine enge Verbindung mit Christus selbst (der die Einheit erst ermöglicht und darum in ihr wirkt), die in der Anwendung ähnlicher V-Terms widergespiegelt wird. Allerdings beruht diese Multivalenz auf der Lesart, die in ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ einen Verweis auf eine konkrete Opferart sieht. Dies ist aber keineswegs eindeutig und eine Reihe von Exegetinnen und Exegeten sieht in dem Begriff eher eine generelle Anspielung auf Sühne als Abstraktum oder aber auf einen Sühneort, der als Kapporet spezifiziert werden kann. In Röm 3,24f. fällt eine Vielzahl verschiedener mehr oder weniger stark konventionalisierter Metaphern aus unterschiedlichen Bildbereichen zusammen, was die Deutung des Terminus zusätzlich erschweren kann. Dadurch, dass ein Verweis auf Jesu Blut in 3,25 gegeben ist, kann eine kultische Deutung durchaus naheliegend sein. Geht man davon aus, besteht durchaus ein inhaltlicher Zusammenhang zu 12,1, selbst wenn ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ nicht als konkretes Opfer verstanden wird. Beide V-Terms würden dann auf dasselbe semantische Feld verweisen. Es würde sich in diesem Fall allerdings nur noch um eine Multivalenz im weiteren Sinne handeln. Eine Form von Multivalenz, in der durch den sich wiederholenden V-Term auf Jesu Tod verwiesen wird, liegt durch die metaphorische Verwendung des Verbs (ıȣ-)ıIJĮȣȡȩȦ im Galaterbrief vor. Dies taucht zunächst in Gal 2,19 auf, wenn Paulus die Tatsache, dass er dem Gesetz gestorben ist, mit den Worten erklärt: ȋȡȚıIJ૶ ıȣȞİıIJĮ઄ȡȦȝĮȚ („Ich bin mit Christus gekreuzigt worden“). Der Mitvollzug des Todes Jesu und die damit verbundene befreiende Wirkung wird so durch ein eindrucksvolles Bild eingefangen. V-Term der Metapher ist die Verbform, T-Term ist das Subjekt, Paulus, das nur in der Verbendung enthalten ist. Ein sehr ähnlicher V-Term wird etwas später wieder aufgegriffen, in 5,24: Ƞੂ į੻ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ [੉ȘıȠ૨] IJ੽Ȟ ı੺ȡțĮ ਥıIJĮ઄ȡȦıĮȞ ıઃȞ IJȠ૙Ȣ ʌĮș੾ȝĮıȚȞ țĮ੿ IJĮ૙Ȣ ਥʌȚșȣȝ઀ĮȚȢ („Aber die zu Christus [Jesus] Gehörenden haben das Fleisch mit den Leidenschaften und den Begierden gekreuzigt“). Ähnlich wie im Vergleich von Röm 3,24f. und 12,1 ist auch hier zunächst erkennbar, dass die Handlung der ersten Metapher passiv, die der zweiten aktiv dargestellt ist. Deutlich wird ebenfalls in der zweiten Metapher eine stärkere paränetische Ausrichtung, die sich kontextuell in den beiden nachfolgenden Imperativen (5,25f.) widerspiegelt. Gekreuzigt wird hier nicht eine Person, sondern das „Fleisch“ als Inbegriff der zu überwindenden Verfehlungen. Dabei ist die Aussage wohl so aufzufassen, dass die eigene vorchristliche Existenz überwunden und der Weg zu einem gottgefälligen Leben eröffnet wurde. Somit ist offenbar das eigene „Fleisch“ gemeint, das metonymisch aufzufassen ist und im hinteren Teil des Verses weiter spezifiziert wird, weshalb man die Aussage als „Selbstkreuzigung“ charakterisieren kann und es sich daher wiederum, zumindest indirekt, um die Kreuzigung von Personen handelt. Dies rückt die beiden Metaphern in 2,19 und 5,24 näher aneinander. Dennoch bestehen unübersehbare Unterschiede. Von einem Mitvollzug des Schicksals Jesu ist in 5,24 nichts

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spürbar, nur die Todesart erweckt starke Assoziationen zum Tod Jesu. Wenn Rezipierende von 5,24 sich an 2,19 erinnern, dann werden sie vermutlich durch die Multivalenz eine Verbindung zwischen Paulus und den „zu Christus Gehörenden“ herstellen. Damit ist klar, dass Paulus ebenfalls dieser Gruppe zuzurechnen ist. Der Vorgang des Kreuzigens entfaltet in den beiden Passagen allerdings jeweils eine etwas andere Wirkung: In 2,19 verdeutlicht er die Trennung vom Gesetz, in 5,24 die Beseitigung einer weltlichen Orientierung, die das Verhältnis zu Gott stört. Beides erscheint Paulus jedoch als für das Christsein konstitutiv. Wenn eine Verbindung zwischen 2,19 und 5,24 hergestellt wird, wird zudem noch klarer, als es die Verwendung von ıIJĮȣȡȩȦ ohnehin schon macht, dass 5,24 vor dem Hintergrund des Christusgeschehens sowie der Partizipation an diesem zu sehen ist. Eine Brücke zwischen den beiden Metaphern kann Gal 6,14 darstellen, wo ebenfalls eine Form von ıIJĮȣȡȩȦ als VTerm verwendet wird. Paulus verweist an dieser Stelle auf Christi Kreuz įȚ’ Ƞ੤ ਥȝȠ੿ țંıȝȠȢ ਥıIJĮ઄ȡȦIJĮȚ țਕȖઅ țંıȝ૳ („durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“). Ähnlich wie in 5,24 wird hier ıIJĮȣȡȩȦ ohne Präfix gebraucht und bezieht sich die Aussage auf die Trennung der Christinnen und Christen von weltlichen Verfangenheiten. Eine Parallele zu 2,19 besteht darin, dass Paulus wiederum ausdrücklich von sich selbst spricht und dass passivisch formuliert wurde. Das Kreuz und die Kreuzigung sind in 6,14 auf unterschiedlichen Bedeutungsebenen präsent. Dabei ist das von Paulus angeführte Kreuz Christi zunächst ein direkter, nicht metaphorischer Verweis auf Jesu Tod und auch auf die Relevanz dieses Todes in der paulinischen Verkündigung. Die nachfolgende Wendung von ıIJĮȣȡȩȦ mit Dativ kann analog zu dem Verständnis von ਕʌȠșȞ૊ıțȦ mit Dativ interpretiert werden, das Wolter im Hinblick auf Röm 6 entfaltet.272 Dementsprechend drückt dies die Beendigung der Beziehung zwischen Paulus und der Welt aus, die umso deutlicher hervortritt, da sie durch die Gegenseitigkeit, ausgedrückt durch die doppelte Kreuzigung, besonders hervorgehoben wird. Die (metaphorische) Kreuzigung der Welt gegenüber Paulus und umgekehrt geschieht „durch“ (įȚȐ) das (nicht-metaphorische) Kreuz Christi, das heißt also sein Tod begründet die Beendung der Beziehung und ermöglicht somit die Neuorientierung der christlichen Lebensweise. Auch dies kann als eine Art Mitvollzug gewertet werden, wobei der Fokus gegenüber 2,19 ein anderer ist und es irreführend wäre, in 6,14 von einer Partizipation der Welt am Geschick Jesu zu sprechen. Insgesamt lässt sich bei weitestgehend gleichbleibendem V-Term durch eine Form von (ıȣ-)ıIJĮȣȡȩȦ in den drei Metaphern erkennen, dass drei unterschiedliche Objekte der Kreuzigung angeführt werden: das Ich des Paulus in 2,19 und 6,14, das Fleisch mit den Leidenschaften und den Begierden in 5,24, die Welt in 6,14. Während die ausführende Instanz in 2,19 und 6,14 unerwähnt bleibt, ist sie in 5,24 genannt. Die metaphorischen Kreuzigungen im Galaterbrief haben eine doppelte Funktion: Einerseits 272

S.o., Abschnitt 2.1.4.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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verdeutlichen sie den Mitvollzug des Schicksals Jesu, andererseits die Abwendung von der Welt. Dass beides für Paulus in Zusammenhang steht, ist auch vor dem Hintergrund von Röm 6,1–11 plausibel. Die metaphorische Kreuzigung steht zudem dem Verweis auf das reale Kreuzgeschehen gegenüber, das in 6,14 wie auch an einigen anderen Stellen im Galaterbrief (vgl. z.B. 3,1.13f.; 5,11) relevant ist. Eine weniger klare Art von Multivalenz mit zusätzlicher metaphorischer Verschachtelung kann im Aufeinderfolgen der Metaphern in Kol 2,12–14 gesehen werden. Die Bilder lassen sich aufteilen in die Teilhabe der Gläubigen am Tod in V. 12f. und die Schuldhandschrift-Metapher in V. 14. Gemeinsam ist ihnen, dass sie vor dem Hintergrund des Todes Jesu gesehen werden müssen, der somit als eine Art übergreifendes Vehicle aufgefasst werden kann. Wie in Röm 6,3f. ௅ und sehr wahrscheinlich in Abhängigkeit hiervon ௅ wird in 2,12 der Mitvollzug durch das Mitbestattet-Sein der Angesprochenen in der Taufe ausgedrückt (ıȣȞIJĮij੼ȞIJİȢ Į੝IJ૶ ਥȞ IJ૶ ȕĮʌIJȚıȝ૶). Auch im nächsten Vers wird der metaphorische Tod der Adressierten nochmals betont: ȞİțȡȠઃȢ ੕ȞIJĮȢ [ਥȞ] IJȠ૙Ȣ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮıȚȞ țĮ੿ IJૌ ਕțȡȠȕȣıIJ઀઺ IJોȢ ıĮȡțઁȢ ਫ਼ȝ૵Ȟ („tot seiend in den Übertretungen und der Unbeschnittenheit eures Fleisches“). Hier wird dieser Tod, ähnlich wie dann auch in Eph 2,1.6, jedoch eher mit den Verfehlungen der Angesprochenen in Verbindung gebracht, als dass an ein Mitvollzugsgeschehen gedacht wird. Die Partizipation am Geschick Jesu kommt vor allem im Moment des Mitlebens (ıȪȞ sowohl als Präfix als auch als Präposition) deutlich zum Tragen. Sie geschieht in Verbindung mit der Vergebung aller Übertretungen (ȤĮȡȚı੺ȝİȞȠȢ ਲȝ૙Ȟ ʌ੺ȞIJĮ IJ੹ ʌĮȡĮʌIJઆȝĮIJĮ). In V. 14 wird dieses Moment der Vergebung aufgegriffen und bildhaft ausgeführt, wobei es semantische Parallelen zu den vorherigen Aussagen gibt: ਥȟĮȜİ઀ȥĮȢ IJઁ țĮș’ ਲȝ૵Ȟ ȤİȚȡંȖȡĮijȠȞ IJȠ૙Ȣ įંȖȝĮıȚȞ ੔ ਷Ȟ ਫ਼ʌİȞĮȞIJ઀ȠȞ ਲȝ૙Ȟ, țĮ੿ Į੝IJઁ ਷ȡțİȞ ਥț IJȠ૨ ȝ੼ıȠȣ ʌȡȠıȘȜઆıĮȢ Į੝IJઁ IJ૶ ıIJĮȣȡ૶ („ausgelöscht habend die Schuldhandschrift gegen uns durch die Gesetze, die gegen uns war, und er hat sie weggenommen aus der Mitte, angenagelt habend sie an das Kreuz“). Dabei erinnert die Form von ਥȟĮȜİȓijȦ („auslöschen“, „zerstören“) an den zuvor genannten metaphorischen Tod der Adressierten, wobei das Verb mit der dinglichen Natur der Schuldhandschrift korrespondiert. Ein noch deutlicherer Bezug liegt durch die Phrase ʌȡȠıȘȜȩȦ IJ૶ ıIJĮȣȡ૶ („an das Kreuz nageln“) vor, die klar auf Jesu spezifische Todesart verweist und daher eine Parallele zu ıȣȞIJĮij੼ȞIJİȢ Į੝IJ૶ („bestattet mit ihm“) bildet. Sowohl die Adressierten als auch der Schuldschein sind am Tod Jesu beteiligt. Insbesondere die metaphorische Aussage in V. 14 ist dabei auf verschiedene Weisen eigentümlich. Es wurde bereits ausführlicher dargelegt,273 dass Jesu Rolle in der Kreuzigung an dieser Stelle vom passiv Erleidenden zum aktiv Handelnden gewandelt wird. Die Metapher zeigt, dass Jesu Tod soteriologische Relevanz hat und dass dies von Jesus selbst aktiv 273

S.o., Abschnitt 6.1. des dritten Kapitels.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

erwirkt wurde. Das erzeugte Bild steht in Spannung und Widerspruch zum realen Kreuzesgeschehen, was den Vers in die Nähe der Metapherninkonsistenz rückt bzw. eine Unterart der Inkonsistenz darstellt, in der sich auf der metaphorischen Ebene nur Spannungen ergeben, wenn ein Bezug zur Realität, das heißt hier zu den realen Todesumständen Jesu, hergestellt wird.274 Das Bild, eine Schuldhandschrift an das Kreuz zu nageln und somit symbolisch hinzurichten, erscheint für sich genommen zwar etwas eigentümlich, ist jedoch im Sinne einer Zeichenhandlung, welche die Unwirksamkeit jener Schuldschrift bekräftigen soll, zumindest denkbar. Schließlich ist zu beachten, dass die Rede von der Schuldhandschrift selbst als metonymisch-metaphorisch aufzufassen ist, da es sich hierbei nicht um einen real existierenden Gegenstand handelt. Die angenagelte Schuldhandschrift konkretisiert den abstrakten Sachverhalt, dass Jesu Tod zur Tilgung menschlicher Sünden geschah. Sie steht damit in sehr enger Verbindung zum Vergebungsgedanken am Ende von V. 13. Man kann den Zusammenhang sogar so interpretieren, dass V. 14 durch den V-Term ȤİȚȡંȖȡĮijȠȞ („Schuldhandschrift“) das ausdrückt, was in V. 13 mit ʌĮȡĮʌIJઆȝĮIJĮ („Übertretungen“) bezeichnet wird, so dass sich beide funktional entsprechen und letzteres als T-Term angesehen werden kann. Nicht nur der Aspekt des Ans-Kreuz-Nagelns, der dem Mitbestattet-Sein entspricht, ist somit metaphorisch, sondern die Gesamtaussage. Trotz der Parallelen in den unterschiedlichen Metaphern zeigt sich hier ein deutlicher Unterschied. Zudem ist die metaphorische Aussage in V. 14 inhaltlich vom Vorherigen, und somit auch von der vorausgegangenen Metapher abhängig. Im Verhältnis zu Röm 6,1–11 ist auffällig, dass wie dort die Abfolge von Kreuzigung und Bestattung nicht chronologisch geordnet ist. Da in Kol 2,12–14 eindeutig unterschiedliche Topics verwendet werden, erzeugt dies allerdings eine etwas weniger starke Spannung als in Röm 6, wo der „alte Mensch“ in der Kreuzigungsmetapher zwar prinzipiell auch ein anderer T-Term ist als der der vorherigen Bestattungsmetapher, jedoch eine deutliche Verbindung zwischen beiden besteht. In beiden Passagen weist die metaphorische Kreuzigung allerdings klar auf die endgültige Beendigung eines bestimmten Zustands hin. Neben der herausragenden Multivalenz in Hebr 5,7; 13,15 und den weiteren ʌȡȠıijȑȡȦ-Metaphern ist auch eine Betrachtung von 9,14 und 9,22–23 relevant. In 9,14 wird zunächst konstatiert, dass das Blut des sich selbst darbringenden Christus die Funktion hat, das Gewissen der Gläubigen von toten Werken zu reinigen (IJઁ ĮੈȝĮ IJȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ […] țĮșĮȡȚİ૙ IJ੽Ȟ ıȣȞİ઀įȘıȚȞ ਲȝ૵Ȟ ਕʌઁ Ȟİțȡ૵Ȟ ਩ȡȖȦȞ). Es folgt eine genauere Erörterung des Begriffs įȚĮșȒțȘ mit den Bedeutungsnuancen „Bund“ und „Testament“, die auch die Darlegung des ersten Bundesschlusses beinhaltet und mit der Aussage in V. 22 schließt, dass nach dem Gesetz „fast alles mit Blut gereinigt wird“ (ıȤİįઁȞ ਥȞ Į੆ȝĮIJȚ ʌ੺ȞIJĮ

274

S.u., Abschnitt 2.5.3.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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țĮșĮȡ઀ȗİIJĮȚ). Dabei ist der Hinweis auf „fast alles“ offenbar eine Zusammenfassung des Vorherigen und bezieht sich somit auf „das Buch“ (IJઁ ȕȚȕȜ઀ȠȞ), „das ganze Volk“ (ʌ੺ȞIJĮ IJઁȞ ȜĮȩȞ), „das Zelt“ (IJ੽Ȟ ıțȘȞȒȞ) sowie „alle Gerätschaften des Gottesdienstes“ (ʌ੺ȞIJĮ IJ੹ ıțİ઄Ș IJોȢ ȜİȚIJȠȣȡȖ઀ĮȢ). Aus dieser Darstellung der „alten Ordnung“ wird im nächsten Vers gefolgert, dass Entsprechendes auch für das himmlische Heiligtum gelten muss: „Es ist also notwendig, dass die Abbilder der Dinge im Himmel zwar dadurch [d.h. durch das Blut der Kälber und Böcke, Wasser, scharlachrote Wolle, Ysop, vgl. V. 19] gereinigt werden, die himmlischen Dinge selbst aber durch bessere Opfer als diese“ (ਝȞ੺ȖțȘ Ƞ੣Ȟ IJ੹ ȝ੻Ȟ ਫ਼ʌȠįİ઀ȖȝĮIJĮ IJ૵Ȟ ਥȞ IJȠ૙Ȣ Ƞ੝ȡĮȞȠ૙Ȣ IJȠ઄IJȠȚȢ țĮșĮȡ઀ȗİıșĮȚ, Į੝IJ੹ į੻ IJ੹ ਥʌȠȣȡ੺ȞȚĮ țȡİ઀IJIJȠıȚȞ șȣı઀ĮȚȢ ʌĮȡ੹ IJĮ઄IJĮȢ). Die nachfolgenden Verse machen deutlich, dass nur Christi Selbstopfer als ein entsprechendes „besseres Opfer“ in Frage kommt, was bereits vorher angedeutet wurde. Wie auch sonst im Hebräerbrief üblich, werden hier also zunächst aus den jüdischen Heiligen Schriften bekannte Vorgänge beschrieben, deren Gültigkeit insofern bestätigt wird, als ein Äquivalent dafür auch im Heilsereignis des Todes Jesu gefunden werden muss. Innerhalb eines relativ begrenzten Kontexts wird somit zunächst eine Reinigung menschlicher Gewissen und dann des himmlischen Heiligtums mitsamt Gerätschaften beschrieben, die beide als durch das Blut Jesu bewirkt imaginiert werden. Dabei ist die erste Reinigung weitaus abstrakter, während die Reinigung des himmlischen Heiligtums zwar weiterhin auf der metaphorischen Ebene wahrgenommen wird, aber zumindest bildlich vorstellbar ist. Mindestens für die zweite Metapher kann davon ausgegangen werden, dass sie in Anlehnung an den Sprachgebrauch der jüdischen Heiligen Schriften eine Heiligung ausdrücken soll und eher konventionalisiert ist. Die Reinigungen des Gewissens und des himmlischen Heiligtums müssen nicht im Widerspruch zueinander stehen, denn es ist durchaus denkbar, dass unterschiedliche Dinge durch Jesu Blut gereinigt werden, wie auch das Blut des ersten Bundesschlusses zu einer umfangreichen Reinigung unterschiedlicher Elemente verwendet wurde. Da aber in der ersten Metapher nicht die Adressierten selbst angesprochen sind, sondern abstrakter ihr Gewissen, ist doch eine gewisse Verschiebung der Ebenen erkennbar. Wie in den übrigen Multivalenzen kommt es auch hier zu einer indirekten Interaktion der beteiligten T-Terms: Die Reinigung in Hebr 9,14 kann durch das Folgende nachträglich ebenfalls als Heiligung verstanden werden. Die Reinigung des Gewissens drückt demnach aus, dass durch Jesu Tod ein Teil der glaubenden Person bereits Anteil an der himmlischen Sphäre hat. In der Apokalypse gibt es mehrere Multivalenzen bzw. hiermit verwandte Phänomene. Bereits in Apk 1,17f. ist etwas erkennbar, das zwar nicht im engen Sinn eine Multivalenz darstellt, aber eine sehr ähnliche Wirkung entfaltet: Angesichts der Erscheinung des Menschensohns berichtet Johannes davon, dass er ihm zu Füßen fällt „wie tot“ (੪Ȣ ȞİțȡંȢ). Seine Erschütterung und (Ehr-) Furcht dieser Offenbarung gegenüber wird durch den Vergleich besonders

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

bildhaft ausgedrückt. Christus reagiert darauf mit dem Aufruf, sich nicht zu fürchten, und mit einer Selbstvorstellung bzw. -charakterisierung, in der er sich als „der Lebendige“ (੒ ȗ૵Ȟ) bezeichnet. Darauf folgt jedoch die Aussage, dass diese Lebendigkeit aus dem Tod heraus entstanden ist: „ich war tot, und siehe, ich bin lebendig“ (ਥȖİȞંȝȘȞ ȞİțȡઁȢ țĮ੿ ੁįȠઃ ȗ૵Ȟ İੁȝȚ). Die Wiederholung des Begriffs ȞİțȡંȢ innerhalb weniger Sätze ist dabei auffällig. In keinem der beiden Fälle liegt eine Metapher vor. Die Aussage des Ich-Erzählers enthält einen Vergleich, während der Gebrauch des Wortes bei Jesus als „wörtliche“ Sprache aufzufassen ist. Dennoch wird durch die Wortwahl eine Art Parallelität erzeugt, wodurch eine Verbindung zwischen den beiden Sprechern erkennbar wird. Es entsteht der Eindruck, dass der Ich-Erzähler am Schicksal Jesu Anteil hat oder dieses nachvollzieht, umso mehr, da der hier beschriebene Tod nur ein scheinbarer ist, wie auch Jesus nicht im Tod geblieben, sondern ins Leben gegangen ist. Daneben ist das Spannungsfeld der Konzepte „Tod“ und „Leben“ insgesamt an dieser Stelle zu beachten. Auch die weitere Selbstcharakterisierung Christi in V. 18 ist bemerkenswert: „ich habe die Schlüssel des Todes und des Hades“ (਩ȤȦ IJ੹Ȣ țȜİ૙Ȣ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ țĮ੿ IJȠ૨ ઌįȠȣ). Eine ähnliche Schlüsselmetaphorik, wobei nun jedoch nur von einem Schlüssel die Rede ist, findet sich erneut zu Beginn des Sendschreibens der Gemeinde in Philadelphia in 3,7. Im Diktat des zuständigen Engels wird Jesus unter anderem als „der den Schlüssel Davids Habende“ (੒ ਩ȤȦȞ IJ੽Ȟ țȜİ૙Ȟ ǻĮȣ઀į) bezeichnet. Darauf bezieht sich offenbar auch das nachfolgende Attribut: „der Öffnende und niemand wird zuschließen, und Zuschließende, und niemand öffnet“ (੒ ਕȞȠ઀ȖȦȞ țĮ੿ Ƞ੝įİ੿Ȣ țȜİ઀ıİȚ țĮ੿ țȜİ઀ȦȞ țĮ੿ Ƞ੝įİ੿Ȣ ਕȞȠ઀ȖİȚ). Was genau mit dem Schlüssel Davids und der darauffolgenden kryptischen Aussage gemeint ist, bleibt unklar. Dementsprechend muss offenbleiben, ob es sich bei dem Zusammenspiel der beiden Schlüsselmetaphern um eine Multivalenz oder Modifikation handelt. Die interessanteste Multivalenz in der Apokalypse besteht jedoch darin, wie das Attribut ਥıijĮȖȝȑȞȠȢ („geschlachtet“) gebraucht wird. Neben der entsprechenden Bezeichnung bzw. näheren Bestimmung in Bezug auf das Lamm, wodurch symbolhaft auf Jesu Tod verwiesen wird, begegnet der Ausdruck außerdem in 6,9 und 18,24 einerseits, sowie in 13,3 andererseits. Apk 6,9 beschreibt im Zuge der Vision anlässlich des Öffnens des fünften Siegels die „Seelen der Geschlachteten“: „ich sah unterhalb des Altars die Seelen derer, die wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, an dem sie festhielten, geschlachtet wurden“ (ਫ਼ʌȠț੺IJȦ IJȠ૨ șȣıȚĮıIJȘȡ઀Ƞȣ IJ੹Ȣ ȥȣȤ੹Ȣ IJ૵Ȟ ਥıijĮȖȝ੼ȞȦȞ įȚ੹ IJઁȞ ȜંȖȠȞ IJȠ૨ șİȠ૨ țĮ੿ įȚ੹ IJ੽Ȟ ȝĮȡIJȣȡ઀ĮȞ ਴Ȟ İੇȤȠȞ). Ganz offensichtlich wird hier auf die christlichen Märtyrerinnen und Märtyrer angespielt. Dass eine Form von ıijȐȗȦ gebraucht wird, deutet darauf hin, dass die Grausamkeit und Brutalität ihres Todes besonders betont werden sollen. Hierauf verweist auch die Rede vom Blut, die in der wörtlichen Rede der „Seelen“ und deren Aufforderung an Gott, ihren gewaltsamen Tod zu bestrafen, aufkommt. Beides, sowohl die Form von ਥıijĮȖȝȑȞȠȢ, also auch das Blut, sind gleichzeitig Motive,

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die auch mit dem Lamm der Apk deutlich verbunden sind. Dementsprechend hilft die metaphorische Verwendung von ਥıijĮȖȝȑȞȠȢ an dieser Stelle dabei, nicht nur das gewaltsame Schicksal der Märtyrerinnen und Märtyrer zu illustrieren, sondern auch eine Art Parallele zum Lamm auszudrücken, wodurch eine Zugehörigkeit der „Geschlachteten“ zum Lamm etabliert wird. Ähnliches gilt auch für Apk 18,24: „und in ihr [offenbar gemeint ist die Stadt Babylon, vgl. V. 21] wurde das Blut der Propheten und Prophetinnen und Heiligen gefunden und aller Geschlachteten auf der Erde“ (țĮ੿ ਥȞ Į੝IJૌ ĮੈȝĮ ʌȡȠijȘIJ૵Ȟ țĮ੿ ਖȖ઀ȦȞ İਫ਼ȡ੼șȘ țĮ੿ ʌ੺ȞIJȦȞ IJ૵Ȟ ਥıijĮȖȝ੼ȞȦȞ ਥʌ੿ IJોȢ ȖોȢ). Zwischen den Aussagen in 6,9–10 und 18,24 gibt es einige deutliche Entsprechungen. So wird in beiden ਥıijĮȖȝȑȞȠȢ in substantivierter Form verwendet, beide beinhalten auch einen Verweis auf das Blut und machen die gewaltvolle Art des Todes deutlich. Allerdings stehen in 6,9 die „Geschlachteten“ stärker im Fokus, die im folgenden Vers zudem selbst zur Sprache kommen. In 18,24 handelt es sich um eine eher randläufige Bemerkung, den Abschluss einer ausführlicheren Beschreibung Babylons. Auch wird hier nicht ganz klar, ob nur christliche Märtyrerinnen und Märtyrer gemeint sind. Während der Begriff „Heilige“ in diese Richtung deutet, kann die Erwähnung der „Propheten und Prophetinnen“ eher auf die Gottesbotinnen und -boten der jüdischen Heiligen Schriften hinweisen. Ist dies zutreffend, so wären nicht nur die wegen des Glaubens getöteten Christen und Christinnen durch die Bezeichnung als „Geschlachtete“ mit Jesus parallelisiert, sondern indirekt stünde auch dessen Schicksal in Kontinuität mit dem der Propheten und Prophetinnen vor ihm. Insgesamt ist die Aussage in 18,24 weitaus breiter und weniger konkret gefasst. Diesen beiden Verwendungen von ਥıijĮȖȝȑȞȠȢ steht 13,3 deutlich gegenüber. In 13,1 wird ein Tier als Helfer des Drachens eingeführt, also ein weiterer Antagonist des Lamms und seiner Gefolgschaft. Auch dieses Monster wird ausführlich beschrieben. Im Zuge dessen heißt es (V. 3): „und einen von seinen Köpfen wie geschlachtet zum Tod, und seine tödliche Wunde wurde geheilt“ (țĮ੿ ȝ઀ĮȞ ਥț IJ૵Ȟ țİijĮȜ૵Ȟ Į੝IJȠ૨ ੪Ȣ ਥıijĮȖȝ੼ȞȘȞ İੁȢ ș੺ȞĮIJȠȞ, țĮ੿ ਲ ʌȜȘȖ੽ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ Į੝IJȠ૨ ਥșİȡĮʌİ઄șȘ). Offenbar verweist der Ausdruck ਥıijĮȖȝ੼ȞȘȞ hier auf eine schwere Verletzung, und die Wortwahl legt nahe, dass diese auf brutale Weise zugefügt wurde. Die Wendung ੪Ȣ ਥıijĮȖȝ੼ȞȘȞ erinnnert allerdings stark an das ਕȡȞ઀ȠȞ ੪Ȣ ਥıijĮȖȝ੼ȞȠȞ bei der Einführung des Lamms in 5,6. Dies wird noch umso deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass auch in 13,8, also kurz nach der Beschreibung des Tiers, nochmals vom „geschlachteten Lamm“ die Rede ist. Durch die Verwendung von ਥıijĮȖȝȑȞȠȢ wird somit eine Verbindung zwischen Lamm und Tier hergestellt und gleichzeitig ergibt sich ein deutlicher Kontrast, denn es werden Unterschiede zwischen beiden erkennbar: Während das ganze Lamm den Eindruck macht, geschlachtet zu sein bzw. mit diesem Attribut charakterisiert wird, ist beim Tier in 13,3 lediglich einer der insgesamt sieben Köpfe „wie geschlachtet“. Zudem wird dieser Zustand sofort wieder beseitigt, während das Lamm „geschlachtet“ bleibt. In 13,4 wird geschildert, dass sich die Menschheit

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über die Heilung des Tiers verwundert, und offenbar folgt sie ihm daher nach. Das Tier zeigt somit oberflächlich ähnliche Eigenschaften wie Christus ௅ ein Phänomen, das sich auch bei der Beschreibung des folgenden Tiers wiederholt, das „zwei Hörner hatte, gleich einem Lamm“ (İੇȤİȞ ț੼ȡĮIJĮ į઄Ƞ ੖ȝȠȚĮ ਕȡȞ઀૳; V. 11). Die Tatsache, dass die Verwundung in 13,3 geheilt wird, könnte nahelegen, dass es mächtiger ist als das Lamm, das stets in seinem versehrten Zustand bleibt. Der Verlauf der Apokalypse zeigt jedoch, dass dies eine Fehlannahme wäre, die die menschliche Oberflächlichkeit aufdeckt: Nur Christus ist am Ende siegreich. 2.3.2. Exemplarische Analyse von Hebr 5,7; 13,15f. und der anderen ʌȡȠıijȑȡȦ-Aussagen im Hebräerbrief Die auffälligste Multivalenz im Hebräerbrief besteht zwischen den unterschiedlichen Elementen, die auf metaphorische Weise als Opfer dargebracht werden. Die ʌȡȠıijȑȡȦ-Aussagen, mit denen Jesu Selbstopfer beschrieben wird, sowie andere Metaphern, die auf diesen Sachverhalt verweisen, meist durch die Substantive ʌȡȠıijȠȡȐ und șȣıȓĮ, wurden bereits ausführlicher dargestellt.275 Sie interagieren zum einen mit der Beschreibung „echter“ Opfer nach den levitischen Kultgesetzen, die der Hebräerbrief an einigen Stellen referiert und die sich mit der Anwendung auf Christus abwechseln. Zum anderen besteht eine Verbindung zu Hebr 5,7, wo ausgesagt wird, dass Jesus „Bitten und Flehen dargebracht hat“ (įİ੾ıİȚȢ IJİ țĮ੿ ੂțİIJȘȡ઀ĮȢ […] ʌȡȠıİȞ੼ȖțĮȢ), auch hier mit einer Form von ʌȡȠıijȑȡȦ, sowie zu 13,15f., wo die Adressierten zunächst zum Darbringen eines Lobopfers in Form der „Frucht der Lippen“ aufgerufen werden (ਕȞĮij੼ȡȦȝİȞ șȣı઀ĮȞ ĮੁȞ੼ıİȦȢ […] IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ țĮȡʌઁȞ ȤİȚȜ੼ȦȞ) und im Anschluss auch Wohltun und Gemeinschaft (İ੝ʌȠȚ૘ĮȢ țĮ੿ țȠȚȞȦȞ઀ĮȢ) als Opfer (șȣı઀ĮȚȢ) bezeichnet werden. Auf diese Weise ergibt sich ein komplizierter Metaphernkomplex, durch den unterschiedliche Verbindungslinien zwischen den einzelnen Topics hergestellt werden. Diese sollen im Folgenden durch eine Analyse der beiden Abschnitte 5,7 und 13,15f. aufgezeigt werden. In 5,7 wird zum ersten Mal im Hebräerbrief überhaupt das Verb ʌȡȠıijȑȡȦ auf Christus bezogen. Dieser Vers ist insgesamt nicht ganz unproblematisch und bietet Ansatzpunkte für unterschiedliche exegetische Debatten. Er lautet in Gänze: ੔Ȣ ਥȞ IJĮ૙Ȣ ਲȝ੼ȡĮȚȢ IJોȢ ıĮȡțઁȢ Į੝IJȠ૨ įİ੾ıİȚȢ IJİ țĮ੿ ੂțİIJȘȡ઀ĮȢ ʌȡઁȢ IJઁȞ įȣȞ੺ȝİȞȠȞ ı૴ȗİȚȞ Į੝IJઁȞ ਥț șĮȞ੺IJȠȣ 275

der in den Tagen seines Fleisches (oder: in seinen Tagen des Fleisches) sowohl Bitten als auch Flehen zu dem, der ihn aus dem Tod retten konnte,

S.o., Abschnitt 6.2.2. des dritten Kapitels.

2. Arten von Metaphernkombinationen ȝİIJ੹ țȡĮȣȖોȢ ੁıȤȣȡ઼Ȣ țĮ੿ įĮțȡ઄ȦȞ ʌȡȠıİȞ੼ȖțĮȢ țĮ੿ İੁıĮțȠȣıșİ੿Ȣ ਕʌઁ IJોȢ İ੝ȜĮȕİ઀ĮȢ

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mit starkem Geschrei und Tränen dargebracht hat und erhört wurde wegen der Gottesfurcht

Der Vers steht im Kontext des Abschnitts Hebr 5,1–10, in dem es thematisch darum geht, zu erörtern, „was es biblisch bedeutet, Priester zu sein.“276 Mit Recht setzen einige Exegeten und Exegetinnen einen Schnitt zwischen V. 4 und V. 5: V. 1–4 bezieht sich dann auf die Darlegung der levitischen Ordnung, während V. 5–10 dies auf Christus und die Ordnung Melchisedeks überträgt, wobei Einzelaussagen einander in chiastischer Weise entsprechen.277 Diese Bezogenheit der beiden Textpassagen aufeinander legt meines Erachtens auch fest, wie ʌȡȠıijȑȡȦ an dieser Stelle verstanden werden muss, nämlich vor dem Horizont kultischer Opfer, da in V. 1 und 3 dasselbe Wort gebraucht wird, um die Opfer der „alten“ Hohepriester zu bezeichnen. Gelegentlich wurde in der exegetischen Forschung offengelassen, ob ʌȡȠıijȑȡȦ in diesem kultischen Sinn gebraucht wird oder eher als Teil einer (konventionalisierten) Metapher.278 Attridge spricht sich deutlich für letzteres aus: It has often been suggested that this is a particular point of comparison between Christ and the ordinary high priest, both of whom must make a sacrifice for themselves before sacrificing for the people. This understanding presses the comparison between Christ and the high priests too far, since, as already noted, Christ’s sinlessness precludes the necessity of his having to offer sacrifice for himself. The participle, then, is used here in its common metaphorical way.279

Gäbel führt eine gründliche Analyse des Verbs ʌȡȠıijȑȡȦ in der Septuaginta, der hellenistisch-jüdischen Literatur, der Profangräzität sowie in frühchristlichen Schriften durch und zeigt auf, dass zumindest in den letzgenannten beiden Bereichen das Verb in Verbindung mit „Bitten“ vorkommt und dabei einen nicht-opferkulitschen, also „übertragenen“ oder metaphorischen Sinn besitzt.280 Auch die Konstruktion, in der ein Adressat mit ʌȡȩȢ eingeführt wird, 276

BACKHAUS, Hebräerbrief, 195. Vgl. z.B. BACKHAUS, Hebräerbrief, 197. (mit Schaubild); GÄBEL, GEORG, Die Kulttheologie des Hebräerbriefs (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II 212), Tübingen: Mohr Siebeck 2006, 173f. (mit einem Schaubild zur chiastischen Anordnung und einem zur Gegenüberstellung von menschlichem Hohepriester und Christus); SCHUNACK, GERD, Der Hebräerbrief (Zürcher Bibelkommentare NT 14), Zürich: Theologischer Verlag 2002, 67f. („Erneut kommt in der wechselseitigen Beziehung von V. 1–4 und V. 5–10 die komparativische Hermeneutik, d.h. die Überbietung in der Entsprechung, zum Zug.“ A.a.O. 67); HEGERMANN, HARALD, Der Brief an die Hebräer (Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 16), Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1988, 117. 278 So z.B. von SCHUNACK, Hebräerbrief, 72. 279 ATTRIDGE, HAROLD W., The Epistle to the Hebrews (Hermeneia), Philadelphia: Fortress Press 1989, 149. 280 Vgl. GÄBEL, Kulttheologie, 176f. 277

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hält er für untypisch.281 Er übersieht dabei aber den unmittelbaren Kontext von Hebr 5,7: Selbst wenn die Verbform hier leicht metaphorisch aufgeladen erscheint ௅ ein Empfinden, das auch durch die Spannung zwischen dem Vorgang des Opferns und der beschriebenen Opfergabe erzeugt wird ௅ wird der ursprünglich kultische Sinn von ʌȡȠıijȑȡȦ durch die vorausgehenden Verse 1 und 3 bei den Rezipierenden klar aktiviert. Zudem ist ʌȡȠıijȑȡȦ überall im Hebräerbrief kultisch konnotiert.282 Auch die inhaltliche Schwierigkeit, die Attridge anspricht, lässt sich auflösen: Obwohl in V. 3 auch von Sündopfern die Rede ist, liegt der Schwerpunkt der ersten drei Verse vor allem auf der Menschlichkeit der Hohepriester sowie darauf, dass diese verständnisvoll für die Schwachheit der Menschen sind und mitfühlen können. Gerade der Aspekt von Mitgefühl und Schwäche wird in V. 7 auf Jesus angewendet und durch die Opfermetaphorik betont.283 Es ist somit sinnvoll, die Darbringung in V. 7 als Opfer des Hohepriesters Christus anzusehen, das der später dargestellten Selbstdarbringung Christi für die Sünden des Volkes vorausgeht. Das erste Opfer, für Christus selbst, ist jedoch nicht notwendig, weil dessen Schuld gesühnt werden müsste, sondern um die gänzliche Menschlichkeit Jesu zu etablieren und auszudrücken. Mit dem Bitten und Flehen opfert Jesus nichts Externes, sondern bringt einen Teil seines durch menschliche Anfeindungen charakterisierten Daseins vor Gott. Wenn diese Darbringung als Voraussetzung für das Priesteramt Jesu angesehen wird, dann in dem Sinn, dass nur ein menschlich-mitleidender Hohepriester zum echt sühneschaffenden Selbstopfer fähig ist. Aus dieser Perspektive besteht eine deutliche inhaltliche Verbindung zu Hebr 2,14–18, wo das Motiv der Solidarität mit den Menschen erstmals ausgeführt wird.284 Es ist 281

Vgl. a.a.O. 177f. Vgl. SCHUNACK, Hebräerbrief, 72. Auch Backhaus spricht von einem „deutlich kultischen Verb“, BACKHAUS, Hebräerbrief, 208. Anders wiederum GÄBEL, Kulttheologie, 178. Selbst wenn Gäbel kein weiteres Beispiel anführt, in dem in Hebr das Verb ʌȡȠıijȑȡȦ nicht-kultisch verwendet wird, hält er den Gebrauch von opferkultischer Terminologie auch in Hebr 10,5–10 für rein metaphorisch: „Diese übertragene Verwendung von ʌȡȠıijȠȡȐ (10,10) bzw. ʌȡȠıijȑȡİȚȞ (5,7) ist wesentlich für die theologische Intention des Hebr, am Beispiel des irdischen Jesus gerade den Gehorsam des in irdischer Profanität gelebten Lebens als Zugang zur himmlischen Herrlichkeit zu erweisen: Gerade dieser unkultische Gehorsam tritt, weil Gott wohlgefällig, an die Stelle des irdischen Opferkults.“ (Ebd.) Diese Deutung ist stark von dem Anliegen Gäbels getrieben, den irdischen (menschlichen, gehorsamen) Jesus vom himmlischen Hohepriester zu trennen. Gerade die kultischen Ausdrücke machen dies aber aus meiner Sicht schwierig. Wenn die Intention des Hebr so ausfällt, wie von Gäbel beschrieben, ist zumindest die Umsetzung problematisch. Auch für Erstrezipierende wird sich ein opferkultischer Hintergrund bei den von Gäbel für rein metaphorisch gehaltenen Stellen aufgedrängt haben. 283 Ähnlich HEGERMANN, Hebräer, 120f. 284 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 196; HEGERMANN, Hebräer, 120f.; GRÄßER, ERICH, An die Hebräer. 1. Teilband: Hebr 1–6 (Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament 17.1), Zürich/Neukirchen-Vluyn: Benziger/Neukirchener Verlag 1990, 300f. 282

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jedoch fraglich, inwieweit man von Hebr 2 aus Elemente in diesen Abschnitt eintragen darf, wie dies etwa Schunack tut, der feststellt, dass „zumindest mitzuhören, wenn nicht betont [ist], dass Jesus im Leiden der Situation preisgegeben ist, die zum Ungehorsam und Unglauben verführt, und in seinem Gebet nicht eigentlich für sich selbst bittet, sondern für die eintritt, die in der Angst vor dem Tod dieser Versuchung zum Unglauben ausgesetzt sind.“285 Davon, dass Jesus nicht für sich selbst, sondern für andere betet, ist in Hebr 5,7 nichts zu spüren. Es würde zudem die hier betonte Menschlichkeit Jesu stark relativieren, womit freilich nicht ausgeschlossen ist, dass das eigene Gebet auch das Schicksal der Menschheit insgesamt mit einschließen kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Verfasser nicht intendiert hat, dass sich den Adressierten in Jesu Situation der Verzweiflung eine Identifikationsmöglichkeit bietet. Im Gegenteil ist Backhaus in diesem Fall zuzustimmen, der die Aussagen in 5,7f. vor dem Horizont der allgemein paränetisch-parakletischen Ausrichtung des Hebräerbriefs sieht: „Die ihrerseits Gehorchenden sind in den gleichen Lernprozess gestellt: in Gefahren und wohl auch in verzweifeltem Gebet ௅ und doch dürfen sie zuversichtlich sein, dass ein milder Mittler sie begleitet. So gewinnen sie die Zuversicht, dass jenes grenzenlose Heil am Ziel auf sie wartet, das er durch seinen Gehorsam eröffnet hat.“286 Teilweise, gerade in der älteren Exegese dieses Abschnitts, wurde die Verarbeitung eines Hymnus bzw. eines nicht näher bestimmten Traditionsstücks in V. 7–10 angenommen.287 In der neueren Forschung wird diese Ansicht jedoch eher zurückgewiesen. Attridge bezeichnet den Abschnitt als „a bit of elaborate festive prose that gives expression to the author’s fundamental themes“,288 was meines Erachtens eine treffende Beschreibung ist und zudem die irreführende Bezeichnung „hymnisch“289 vermeidet. Auch Backhaus hält fest: „Wortbestand und Vorstellung weichen hier zwar in mancher Hinsicht vom übrigen Schreiben ab; aber dieser Umstand lässt sich auch dadurch erklären, dass der Vf. auf geprägte Gebetssprache, vor allem die der Psalmen, zurückgreift und gewissermaßen mit ihr malt.“290 Dabei schließt er nicht aus, dass ein 285

SCHUNACK, Hebräerbrief, 72. BACKHAUS, Hebräerbrief, 197. 287 So etwa Braun, der von einer Tradition, die jünger als Gethsemane ist, ausgeht. (Vgl. BRAUN, HERBERT, An die Hebräer [Handbuch zum Neuen Testament 14], Tübingen: Mohr Siebeck 1984, 141.) Auch Hegermann fragt: „Wie soll man die Aussage von Gebet und Schreien Jesu in Todesnot mit den eben erklungenen Christus-Prädikationen verbunden denken? Hat der Autor ein Textfragment schlecht eingearbeitet? Sonst aber ist Komposition eher seine besondere Stärke!“ (HEGERMANN, Hebräer, 120.) Er verwirft diesen Gedanken jedoch. Vgl. auch BACKHAUS, Hebräerbrief, 198. 288 ATTRIDGE, Hebrews, 148. 289 Diesen Begriff verwendet z.B. Hegermann: „Elemente hymischer Stilgebung“. (HEGERMANN, Hebräer, 121.) 290 BACKHAUS, Hebräerbrief, 198. 286

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Hymnus o.Ä. als Inspirationsquelle gedient haben könnte, wie es auch sonst seiner Ansicht nach gut möglich ist, dass der Verfasser Gebetstraditionen aufgenommen haben kann. Die Basis dieser konkreten Gebetstradition sei aber nicht rekonstruierbar. Zumindest die Melchisedek-Christologie, und somit auch die Einbettung spezifischer Traditionen in diese, sieht er als eine Erfindung des Hebräerbriefs an.291 Dass der Verfasser hier auf Psalmensprache zurückgreift, ist vom Großteil der Exegetinnen und Exegeten anerkannt. Braun führt detailliert auf, welche Begriffe dieses Verses Entsprechungen im Psalter bzw. in der sonstigen Gebetssprache der Septuaginta aufweisen, kommt jedoch zu dem Schluss, dass dies für einen Großteil der Worte, nicht aber für alle der Fall ist.292 Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass eine spezifische Tradition verarbeitet wurde, sondern eher, dass die Begrifflichkeiten der Psalmen relativ frei aufgenommen wurden. Der Autor des Hebr „macht die ihm vertraute Gebetssprache der Psalmen einer seiner scharfsinnigen theologischen Aussagen dienstbar, seiner oft belegten Gewohnheit entsprechend, den biblischen Psalmen christologische Gottesaussagen und Christusworte zu entnehmen.“293 Darin zeigt der Abschnitt aber eine für den Hebräerbrief ganz typische Vorgehensweise. Mit der Frage nach Traditionsgut eng verbunden und auch in der gegenwärtigen Forschung umstritten ist ebenfalls, ob in der geschilderten klagenden Bitte Jesu, die in die Opfermetapher eingetragen wird, ein Verweis auf Gethsemane zu sehen ist. Bei heutigen, in den Synoptikern bewanderten Lesenden ist eine Assoziation hierzu naheliegend, was auch für zeitgenössische Rezipierende vermutet werden kann, sofern sie mit entsprechenden Berichten vertraut waren. Falls der Verfasser hier explizit auf Gethsemane verweisen will, wird jedoch häufig angenommen, dass er auf eine außer- oder sogar vor-synoptische Fassung anspielt.294 Hegermann, der eine Verbindung zu Gethsemane als besonders wahrscheinlich annimmt, deutet die Passage vor diesem Hintergrund folgendermaßen: „Bevor Jesus sich im vollkommenen Gehorsam im Geiste Gottes untadelig selbst opferte, hatte er in ungemilderter menschlicher Schwachheit Versuchungen von letzter Tiefe und Gewalt zu bestehen, und er

291

Vgl. ebd. Vgl. BRAUN, Hebräer, 141. 293 HEGERMANN, Hebräer, 121. 294 Für die generelle Möglichkeit eines Bezugs auf Gethsemane: Vgl. z.B. BACKHAUS, Hebräerbrief, 198; STROBEL, AUGUST, Der Brief an die Hebräer (Neues Testament Deutsch 9.2), Göttingen/Zürich: Vandenhoeck & Ruprecht 41991, 58; ATTRIDGE, Hebrews, 148. Für eine mögliche außer-synoptische Überlieferung: Vgl. z.B. SCHUNACK, Hebräerbrief, 71f. und auch BACKHAUS, Hebräerbrief, 198. Für eine vorsynoptische Überlieferung: Vgl. z.B. HEGERMANN, Hebräer, 121 mit Verweis auf Joh 12,28 als Parallele. 292

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bestand sie, indem er für sich selbst und seine eigene Errettung demütiges Bitten und Flehen vor Gott brachte.“295 Diese Deutung erscheint für sich genommen schlüssig. Allerdings wird die Verarbeitung einer Gethsemane-Überlieferung nur als Möglichkeit angenommen. Viele Ausleger und Auslegerinnen halten jedoch andere Deutungsmöglichkeiten für wahrscheinlicher. Dafür spricht insbesondere, dass der Verfasser des Hebräerbriefs sonst kein Interesse an biographischen Details hat.296 Der Verweis auf die „Tage seines Fleisches“ könnte eher auf Jesu gesamte Existenz hinweisen und nicht auf eine bestimmte Situation oder ein spezifisches Gebet,297 so dass generell von einem „Passionssummarium“298 die Rede sein kann. Auch die Schilderung der Bitten und Flehen Jesu können vor dem Hintergrund der Psalmtradition gesehen werden, wobei insbesondere Ps 22299 und 116300 als Bezugstexte angegeben werden. Allerdings erscheint es auch hier sinnvoller, generell von der Sprache der Psalmen, insbesondere der Klage- und Leidenspsalmen auszugehen und nicht von einem spezifischen Psalm.301 Die Begleitumstände der metaphorischen Darbringung, lautes Schreien und Tränen, sind typische Motive in Klage- und Bittgebeten.302 Obwohl die Gottesprädikation einen Anhaltspunkt bietet, wird der Inhalt des Gebets Jesu nicht genauer spezifiziert,303 wodurch einerseits die Möglichkeit besteht, den Aspekt der Fürbitte hierin zu inkludieren und andererseits den Adressierten die Möglichkeit eröffnet wird, diese Leerstelle individuell zu füllen.304 Das, was in der Metapher dargebracht wird, wird als įİ੾ıİȚȢ IJİ țĮ੿ ੂțİIJȘȡ઀ĮȢ („sowohl Bitten als auch Flehen“) bezeichnet. Die Grundbedeutung beider Begriffe ist dabei nahezu identisch, da beide auf eine bittende Handlung verweisen, wobei ੂțİIJȘȡȓĮ jedoch etwas stärker betont ist (etwa „flehentliches Bitten“).305 Die Metapher weist somit zwei T-Terms auf, die in sehr enger semantischer Nähe zueinander stehen, so dass man von einer Art „Modifikation der

295

HEGERMANN, Hebräer, 122. So auch BACKHAUS, Hebräerbrief, 198. Anders Hegermann: Der Verfasser würde auch sonst Jesustraditionen kennen und verarbeiten. (Vgl. HEGERMANN, Hebräer, 122.) 297 Vgl. GRÄßER, Hebräer 1, 278f. 298 A.a.O. 296. Attridge hält einen Verweis auf unterschiedliche Gebete Jesu für möglich, etwa auch auf das Gebet am Kreuz. (Vgl. GRÄßER, Hebräer 1, 148.) 299 Vgl. z.B. HEGERMANN, Hebräer, 121. 300 Vgl. z.B. SCHUNACK, Hebräerbrief, 71f. und STROBEL, Hebräer, 58f. 301 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 199 und GRÄßER, Hebräer 1, 298: „Die Gattung Klagepsalm hat in toto Pate gestanden, wobei Hebr bloß die Sitte des lauten Schreiens und Weinens als besonderes Charakteristikum hervorhebt“. 302 Für Belegstellen vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 208. 303 Attridge bestimmt es generell als „personal deliverance in some sense“. (ATTRIDGE, Hebrews, 150.) 304 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 209. 305 Vgl. GRÄßER, Hebräer 1, 299. 296

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T-Terms“ sprechen kann. Der Begriff ੂțİIJȘȡȓĮ kommt dabei im Neuen Testament nur an dieser Stelle vor, ist sonst aber durchaus gebräuchlich. Das Nebeneinander der beiden Substantive begegnet noch in Hiob 40,22 LXX und darüber hinaus im klassischen Griechisch sowie bei Philon.306 Es ist somit „a cliché of Greek-speaking Judaism“307 bzw. ein „bereits formelhaft gewordener Doppelbegriff“.308 Dies erklärt die zunächst eigentümliche Wiederholung. Zudem steht diese Doppelung den Darbringungen des levitischen Hohepriesters in 5,1 gegenüber: į૵ȡ੺ IJİ țĮ੿ șȣı઀ĮȢ (ਫ਼ʌ੻ȡ ਖȝĮȡIJȚ૵Ȟ) („sowohl Gaben als auch [Sünd-]Opfer“). Die beiden durch IJİ țĮȓ verbundenen Doppelbegriffe sorgen für eine verstärkte Parallelität zwischen den realen Opfern der „alten Ordnung“ und dem von Jesus dargebrachten Opfer im übertragenen Sinn309 ௅ ein weiteres Indiz dafür, dass ʌȡȠıijȑȡȦ hier durchaus als „(kultisch) darbringen“ verstanden werden soll. Das Motiv, die Kommunikation mit Gott durch Bitten, Gebet, Dank, Flehen und Ähnliches als (spirituelle) Opfer anzusehen, findet sich in einer Reihe von Psalmen (z.B. Ps 50,14.23; 141,2) und war auch im Frühjudentum verbreitet.310 Obwohl sprachlich deutliche Parallelen zu V. 1 bestehen, zeigen sich an dieser Stelle entscheidende inhaltliche Differenzen: Jesus „opferte für sich selbst kein Sündopfer, sondern, wie die leidenden Gerechten der Psalmen, Gebete und Flehen aus Todesnot“.311 Wie das eigene Sündopfer Voraussetzung für den Hohepriester ist, um das sühnende Ritual für das Volk durchzuführen, so ist die Darbringung von Bitten und Flehen Voraussetzung für Jesu sündentilgendes Selbstopfer, da hierin seine Menschlichkeit in der Tradition leidender Gerechter erkennbar wird, die für das Hohepriesteramt nach Auffassung des Hebräerbriefs konstitutiv ist. In der Metapher laufen somit unterschiedliche Argumentationsgänge zusammen und verdichten sich. Die Exegese dieses Verses hat sich an einer Reihe weiterer Probleme und Fragen abgearbeitet. Hierzu gehört zunächst, ob ਥț șĮȞ੺IJȠȣ verstanden wird als „vor dem (bevorstehenden) Tod“ oder „aus der Todesmacht/-sphäre“. „The latter is certainly the most natural understanding and conforms to the most common use of the phrase ıȫȗİȚȞ ਥț. If the language of the psalm has influenced this phrase, saving ‚out of‘ death would also be the expected sense here.“312 Damit indirekt verbunden ist die Frage nach einem möglichen Widerspruch, wenn davon die Rede ist, dass Jesus „erhört“ wurde (İੁıĮțȠȣıșİíȢ). Vor dem Hintergrund der Gethsemane-Perikope oder allgemein der Passion erscheint diese Aussage so fraglich, dass die Konjektur eines eingeschobenen 306

Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 150. Ebd. 308 GRÄßER, Hebräer 1, 299. 309 So auch STROBEL, Hebräer, 58. 310 Vgl. HEGERMANN, Hebräer, 121. 311 A.a.O. 117. 312 ATTRIDGE, Hebrews, 150. So urteilen auch z.B. BRAUN, Hebräer, 141f. und GRÄßER, Hebräer 1, 300f. 307

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Ƞ੝ț („nicht“) vorgeschlagen wurde. Selbst wenn man von der Verarbeitung einer Gethsemane-Tradition ausgeht, ist ein solch drastischer Schritt nicht gerechtfertigt, da diese Spannung auf unterschiedliche Weise plausibel gemacht werden kann. Zunächst ließe sich sachlich zwischen einer konkreten Erhörung und der allgemeineren Antwort Gottes bzw. dem positiven Ausgang des Geschehens differenzieren.313 Des Weiteren ließe sich die Erhörung auch als in der in V. 9 geschilderten Erhöhung inkludiert sehen.314 Schließlich ist es möglich, dass eine hier wahrgenommene Spannung zu sehr vom Gedanken der Gethsemaneerzählung bestimmt ist, in der keine direkte Antwort erfolgt und Jesus sich Gottes Willen unterordnet. Liest man auch diese Aussage vor dem Hintergrund der Klagepsalmen, kann sie als kondensierte Form der darin enthaltenen Bewegung von Gottverlassenheit zu Gottesbegegnung gesehen werden, wie sie etwa in Ps 22, insbesondere in der spannungsvollen Beschreibung von Gottes (Nicht-)Hören in V. 2f. und V. 25 zu finden ist.315 Eine letzte Schwierigkeit in Hebr 5,7 besteht darin, wie der Begriff İ੝ȜȐȕİȚĮ hier aufzufassen ist, ob im Sinn „Angst“/„Furcht“, was vor dem Hintergrund von 2,14–18 eine starke Verknüpfung zwischen Jesus und den Menschen erzeugen würde, oder im Sinn „Gottesfurcht“/„Frömmigkeit“. Je nach Auffassung verändert sich die Bedeutung des gesamten letzten Satzteils: Wurde Jesus „aus der Angst“ erhört oder „aufgrund seiner Gottesfurcht“? Diese Ambiguität „liegt an der Uneindeutigkeit a) des Wortsinns, b) der Satzkonstruktion und c) des Sinnzusammenhangs.“316 Gräßer kommt unter Berücksichtigung aller drei Perspektiven zu dem Schluss, dass die Bedeutung „Gottesfurcht/Frömmigkeit“ sinnvoller ist.317 Hierfür kann außerdem sprechen, dass İ੝ȜȐȕİȚĮ bzw. İ੝ȜĮȕȑȠȝĮȚ in Hebr 11,7 und 12,28 jeweils eine ähnliche Bedeutung besitzen. Insgesamt stellt Hebr 5,7 somit einen mehrdeutigen und auf verschiedenen Ebenen nicht unproblematischen Textabschnitt dar. „In V. 7f. kommt so deutlich wie nirgends sonst das Verhalten des geschichtlichen Jesus zur Sprache, freilich nicht in der Perspektive historischer Wissenschaft, sondern im Licht des Verständnisses Gottes.“318 Christus wird hier nicht als überhöhter Hohepriester dargestellt, sondern als mit allen Schwachheiten zutiefst menschlich.319 Gerade daraus ergibt sich jedoch erst Jesu Eignung für das Amt des himmlischen Hohepriesters. Ebenso wie der Gedankengang ist auch der sprachliche Ausdruck für den Hebräerbrief eher ungewöhnlich. Obwohl die Darbringungs-

313

Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 150. Vgl. GRÄßER, Hebräer 1, 298. 315 Vgl. HEGERMANN, Hebräer, 123. 316 GRÄßER, Hebräer 1, 302. 317 Vgl. a.a.O. 302–305. 318 SCHUNACK, Hebräerbrief, 68. 319 Ein Ausdruck der Schwachheit kann auch der Verweis auf das „Fleisch“ sein. Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 148f. 314

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metapher in der konkreten Gestalt der Selbstdarbringung später häufig vorkommt, markieren die hier verwendeten T-Terms įİ੾ıİȚȢ IJİ țĮ੿ ੂțİIJȘȡ઀ĮȢ einen deutlichen Unterschied. Manche Exegetinnen und Exegeten identifizieren diese unspezifischen Bitten mit dem gesamten Leben Jesu und setzen damit die Darbringung der Gebete mehr oder weniger explizit mit der Hingabe der gesamten Person gleich. So schreibt Backhaus, es handele sich „um Jesu irdisches Dasein als eine einzige existentielle Darbringung“320 und fährt fort: „Jesu Erdendasein wird als Ganzes zu einem Gebet aus ‚Fleisch und Blut‘ und richtet sich so ganz nach jenem Gott des Lebens aus, der sich gerade in der tiefsten Todesnot als Retter zeigt (vgl. z.B. Ps 56,14; 116,8f.).“321 Gäbel betont: „So stehen Gebet und Flehen synekdochisch für Christi ganze Existenz in Schwachheit und Leiden, und mit ʌȡȠıijȑȡİȚȞ wird seine Selbsthingabe zum Ausdruck gebracht.“322 Auch Gräßer spricht bereits an dieser Stelle von Jesu Sühnopfer.323 Dies greift aus meiner Sicht aber zu weit voraus bzw. liest diesen Vers vor dem Hintergrund der nachfolgenden Kapitel. Davon, dass sich Jesus selbst hingibt, ist an dieser Stelle noch nichts spürbar und es gibt auch keine ausreichenden Indizien, die eine metonymische Deutung, nach der Bitten und Flehen als Verweis auf Jesu gesamtes Dasein gesehen werden müssen, nahelegen. Die Passage auf diese Weise auszulegen, bedeutet die Multivalenz zu verwischen. Jesus opfert zunächst Bitten und Flehen und erst an anderer Stelle sich selbst. Wie aber bereits dargelegt wurde, können beide Opfer in die Vorlage der Jom-Kippur-Rituale eingetragen werden. Der Hohepriester muss erst für die eigenen Sünden und dann für die des Volkes opfern. Christus braucht nicht für eigene Sünden zu opfern und dennoch geht eine andere Darbringung seinem Selbstopfer voraus, durch das er überhaupt erst die Voraussetzung für das Amt des Hohepriesters ௅ nämlich Schwachheit und damit die Fähigkeit zum Mitgefühl ௅ erfüllen kann. Dabei greift der Verfasser auch auf die bereits vorliegende Vorstellung von Gebeten als Opfergaben zurück, die der Sache nach naheliegt: „Mit dem Beten schwingen sich die Vernunft, das Herz, der Wille in jenen Lebensstrom zwischen Gottheit und irdischer Sphäre ein, für den kultisch das Opfer stand.“324 Zwischen Hebr 5,7 und 13,15 kann eine enge Korrespondenz ausgemacht werden, insbesondere, wenn man die metaphorische Struktur beider Verse in

320

BACKHAUS, Hebräerbrief, 208. Ebd.; vgl. thematisch auch a.a.O. 206. 322 GÄBEL, Kulttheologie, 175. (Mit Verweis darauf, dass es sich bei der synekdochischen Deutung um die Mehrheitsdeutung handelt.) 323 Vgl. GRÄßER, Hebräer 1, 299. Dort auch: „Jesus bringt sich selbst als Opfer für Sünden dar.“ 324 BACKHAUS, Hebräerbrief, 211. 321

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den Vordergrund rückt. Dieser Zusammenhang wird aber nur von verhältnismäßig wenigen Autorinnen und Autoren erkannt.325 Dies mag an der schwierigen Stellung liegen, die Kap. 13 innerhalb der Hebräerbrief-Exegese einnimmt. Mit dem Einsetzen dieses Kapitels geht zugleich ein Gattungswechsel einher: Die Rede ist beendet, nun folgt ein brieflicher Teil. Damit erfolgt auch ein Stilwechsel. Dies hat in der Forschung zu Irritationen hinsichtlich der Frage geführt, wie sich beide Abschnitte zueinander verhalten. Dabei wurde unter anderem angenommen, Kap. 13 sei später und/oder von anderer Hand hinzugefügt worden.326 Backhaus fasst die Problematik eindrücklich zusammen: „Kap. 13 ist ein Stiefkind der Exegese, und zwar kein geliebtes: Die rednerische Eleganz sinkt dahin, die großen Perspektiven schwinden, die katalogische Paränese wirkt kleinkariert und autoritär, die Sorge scheint nur auf den gemeindlichen Binnenraum gerichtet, das Verhältnis zum Redekorpus ist unklar, die Abfassungsverhältnisse sind umstritten.“327 Er warnt jedoch davor, den Briefteil zu negativ zu bewerten. Er habe vielmehr seine Berechtigung, da es dem Verfasser wichtig sei, den Lebensweltbezug der Schrift aufzuzeigen.328 Aufgrund semantischer und inhaltlicher Parallelen zwischen Rede- und Briefteil329 und weil ein Zusammenhang mit Kap. 12 erkennbar ist,330 gehen die meisten neueren Auslegungen davon aus, dass beide Abschnitte von derselben Person stammen. Obwohl das Sprachniveau insgesamt im letzten Kapitel des Hebräerbriefs etwas niedriger ist und der theologische Anspruch zurücktritt, zeigen einzelne Formulierungen, darunter auch V. 15f., die „gewohnte rhetorische und theologische Brillanz“.331 Dennoch ist es möglich, dass der briefliche Abschluss etwas später entstanden und erst beim Versenden der Rede angefügt wurde.332 Wie bereits festgestellt wurde,333 war der Autor des Hebräerbriefs mit urchristlicher, insbesondere paulinischer Paränese vertraut, imitierte diese aber nicht bloß, sondern setzte auch eigene Schwerpunkte.334 Der erste Abschnitt von 325 So aber von SCHUNACK, Hebräerbrief, 72 (mit der Betonung, dass das Gebet dort gerade als Gott wohlgefälliges Opfer charakterisiert wird) und von GRÄßER, Hebräer 1, 299f. 326 S.o., Einleitung zu Kapitel 4. 327 BACKHAUS, Hebräerbrief, 459. 328 Vgl. ebd.: „Weit davon entfernt, ein moralisierendes Anhängsel zu sein, machen die Weisungen – gerade in ihrer hausbackenen Emsigkeit, aber auch in ihrer Neigung zu bunter Bildsprache – die hohe Theologie für die Niederungen des Gemeindealltags fruchtbar.“ 329 Vgl. ebd. 330 Vgl. SCHUNACK, Hebräerbrief, 218; GRÄßER, ERICH, An die Hebräer. 3. Teilband: Hebr 10,19–13,25 (Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament 17.3), Zürich/Neukirchen-Vluyn: Benziger/Neukirchener Verlag 1997, 344. 331 BACKHAUS, Hebräerbrief, 459. 332 So etwa Backhaus. (Vgl. ebd.) In dieselbe Richtung weist folgende Beurteilung Gräßers: „c. 13 wirkt nachgeschoben, aber nicht als Ganzes unecht.“ (GRÄßER, Hebräer 3, 344; im Original kursiv). Gräßer sieht aber V. 22–25 als Zusatz einer zweiten Hand. 333 S.o., Einleitung zu Kapitel 4. 334 Vgl. SCHUNACK, Hebräerbrief, 218.

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Kap. 13 (V. 1–17) kann thematisch bestimmt werden als „eine exemplarische und maßgebliche Konkretion des Gott wohlgefälligen Gottesdienstes der Gemeinde, also eine paränetische und parakletische Aktualisierung des Aufrufs in 12,28“.335 Auch hierin zeigt sich deutlich der Zusammenhang zwischen Rede- und Briefteil.336 Schunack stellt die Opfermetaphorik ins Zentrum des Abschnitts: Höchst beachtlich ist nun, dass im zusammenfassenden Rückbezug auf die Interpretation des Heilsgeschehens als Jesu Christi hohepriesterliches ‚Opfer seiner selbst‘ kultische Sprache in neuer, christologisch übertragener Bedeutung auch für die Paraklese fruchtbar gemacht, also ins Existenzielle übersetzt wird. Der Vorzug kultischer Sprache ist ja, Sprache einer gemeinschaftlichen Gottesbeziehung und eines gemeinschaftlichen Gottesdiensts zu sein. In diesem Sinn wird die Paraklese und deren christologische Begründung im zentralen Mittelteil V. 9–16 kultmetaphorisch konkretisiert.337

Diese metaphorischen Anspielungen auf den Opferkult sind nicht auf V. 15f. beschränkt, sondern ab V. 10 beherrschend.338 Hier wird die Metaphorik erstmals durch die Rede vom „Altar“ (șȣıȚĮıIJ੾ȡȚȠȞ) aufgegriffen. In V. 11–13 bleibt dann zwar das semantische Feld bestehen, aber es wird eine Bewegung weg vom Altar beschrieben: Während das Blut der Opfertiere vom Hohepriester in das Heiligtum hineingebracht (und am Altar appliziert) wird, werden die Körper der Tiere außerhalb des Lagers verbrannt (V. 11). Daher hat auch Jesus, dessen Blut ebenfalls eine heiligende Wirkung hatte, vor den Toren gelitten (V. 12).339 Die Darstellung dieser Parallele gipfelt in der (Selbst-)Aufforderung, aus dem Lager heraus zu Jesus zu treten und dabei seine Schmach zu tragen, 335

Ebd. Vgl. auch ATTRIDGE, Hebrews, 384: „Of particular importance for the authenticity of the chapter is the large central section (vss 7–19), where there are obvious thematic continuities with the preceding chapter. The pericope does not simply repeat what has come before, but focuses and clarifies certain key themes and thus provides a basis for their climactic hortatory application.“ 337 SCHUNACK, Hebräerbrief, 219. (Hervorhebungen im Original) 338 Vgl. auch SCHUNACK, Hebräerbrief, 226–228. Gräßer sieht 13,10–16 als Zentrum von Kap. 13, wegen des stärker zusammenhängenden Gedankengang und der unterschiedlichen Argumentationstechnik. (Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 366.) Die Kontinuität der Metaphorik, die Elemente des Redeteils mit aufnimmt, ist noch zu ergänzen. Aber die Passage ist nicht unproblematisch: „Umstrittener und rätselhafter als unser Abschnitt sind im Neuen Testament nur wenige Texte. Den Grund dafür sieht man darin, daß Hebr in gedrängter Kürze noch einmal formuliert, was vorher in seinem Mahnschreiben breit entfaltet worden war.“ (A.a.O. 376.) Allerdings beziehen sich die meisten Probleme auf V. 10 und werden hier daher nicht weiter dargestellt. 339 Die Parallelität der beiden Sätze geht inhaltlich nicht ganz auf, weil Tiere ja im Lager geopfert wurden und erst danach ihre Körper außerhalb des Lagers geschafft wurden, Jesus aber gänzlich „vor den Toren“ gestorben ist. Dieses Detail scheint den Verfasser aber nicht zu interessieren, da es lediglich um die Entsprechung beider Sachverhalte geht. So auch GRÄßER, Hebräer 3, 383. 336

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also sein Schicksal mitzuvollziehen und sich mit ihm zu solidarisieren (V. 13). Die beiden Ebenen (das „Vorbild“ der wohl im Kontext des Jom Kippur situierten340 Tieropfer, und das damit parallelisierte Geschick Jesu) vermischen sich dadurch, dass auch im Imperativ von V. 13 vom Hinaustreten aus dem Lager ௅ nicht: vor die Tore ௅ die Rede ist (ਥȟİȡȤઆȝİșĮ ʌȡઁȢ Į੝IJઁȞ ਩ȟȦ IJોȢ ʌĮȡİȝȕȠȜોȢ). Bemerkenswert ist, dass Jesu Leiden (und damit implizit sein Tod) an dieser Stelle gerade nicht am Altar oder im Heiligen verortet wird, sondern im zutiefst Profanen. Nach der Bekräftigung, dass die Christinnen und Christen nicht dem Irdischen verhaftet sind, sondern nach der „zukünftigen Stadt“ streben, was offenbar den Auszug aus dem Lager begründen soll (V. 14),341 wird die Kultthematik in den hier besonders interessierenden Versen 15f. erneut aufgegriffen, nun jedoch in eine wiederum andere Richtung gelenkt. 15

16

ǻȚ’ Į੝IJȠ૨ [Ƞ੣Ȟ] ਕȞĮij੼ȡȦȝİȞ șȣı઀ĮȞ ĮੁȞ੼ıİȦȢ įȚ੹ ʌĮȞIJઁȢ IJ૶ șİ૶, IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ țĮȡʌઁȞ ȤİȚȜ੼ȦȞ ੒ȝȠȜȠȖȠ઄ȞIJȦȞ IJ૶ ੑȞંȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨. IJોȢ į੻ İ੝ʌȠȚ૘ĮȢ țĮ੿ țȠȚȞȦȞ઀ĮȢ ȝ੽ ਥʌȚȜĮȞș੺Ȟİıșİā IJȠȚĮ઄IJĮȚȢ Ȗ੹ȡ șȣı઀ĮȚȢ İ੝ĮȡİıIJİ૙IJĮȚ ੒ șİંȢ.

Durch ihn [also] lasst uns Gott allezeit ein Lobopfer darbringen, das ist eine Frucht der Lippen, die seinen Namen preisen/bekennen! Vergesst aber nicht das Wohltun und die Gemeinschaft! Denn durch solche Opfer wird Gott zufrieden gestellt.

Obwohl die Metaphern hier generell zugänglich sind, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass ihre Struktur komplex ist. Die Phrase ਕȞĮij੼ȡȦȝİȞ șȣı઀ĮȞ („lasst uns Opfer darbringen“) in V. 15 kann als zentraler V-Term angesehen werden. Das Substantiv wird in V. 16 nochmals wiederholt, nun jedoch im Plural (IJȠȚĮ઄IJĮȚȢ șȣı઀ĮȚȢ). Es stellt sich aber bereits die Frage, wie die genauere Bestimmung des Opfers in V. 15 aufzufassen ist, das heißt ob der Genitiv ĮੁȞ੼ıİȦȢ auf der Topic- oder Vehicle-Ebene zu verorten ist. Einerseits ist es möglich șȣı઀ĮȞ ĮੁȞ੼ıİȦȢ als Genitivmetapher und dementsprechend ĮੁȞ੼ıİȦȢ als primären T-Term anzusehen.342 Die Metapher würde sich dann der Aussage „Lob ist ein Opfer“ annähern. Andererseits kann der Genitiv auch noch mit zum V-Term dazugehören, im Sinne des „Lobopfers“.343 Dann könnte der TTerm erst in der zweiten Vershälfte identifiziert werden. Zur Beschreibung einer spezifischen Opferart begegnet die Zusammenstellung șȣı઀Į ĮੁȞ੼ıİȦȢ in der Septuaginta-Fassung von Lev 7,13.15 (mit Artikel vor ĮੁȞ੼ıİȦȢ auch in 7,12), hier noch weiter spezifiziert durch ıȦIJȘȡ઀Ƞȣ (vgl. auch 1Makk 4,56). 340

Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 382f. Vgl. a.a.O. 386. In dieser Lesart schwenkt das Bild vom Wüstenlager wieder zurück zur befestigten Stadt. 342 So z.B. ATTRIDGE, Hebrews, 401. 343 Diese Deutung präferiert u.a. Gäbel. (Vgl. GÄBEL, Kulttheologie, 452.) 341

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Der entsprechende hebräische Begriff dieses Dankes- bzw. Lobopfers ist ʤ ʕʣˣˢ (tôdƗh). Dieser Terminus kommt in den jüdischen Heiligen Schriften nur vergleichsweise selten vor und bezeichnet, wie die deutsche Übersetzung nahelegt, ein „Opfer zur Abtragung einer Dankesschuld“.344 In der Septuaginta fällt auf, dass die Kombination șȣı઀Į ĮੁȞ੼ıİȦȢ viermal im Psalter Verwendung findet (Ps 50,14.23/49,14.23 LXX; 107,22/106,22 LXX; 116,17/115,8 LXX). Während es in den beiden letztgenannten Passagen prinzipiell möglich ist, auch an Tieropfer im Sinne von Lev 7 zu denken, zeigt Ps 50 deutliche Züge der „Kultkritik“ (im Sinne einer Kultrelativierung bzw. -ersetzung) oder der „Spiritualisierung von Opfern“, so dass hier bereits vom Vorliegen einer Genitivmetapher ausgegangen werden muss. Das wird besonders durch den Kontrast von V. 13 und 14 ersichtlich: Nicht das Fleisch und Blut von Opfertieren ist von Gott gewollt, sondern Lob, Dank und die Erfüllung von Gelübden. Angesichts dieses Befundes bleibt die Bestimmung der metaphorischen Struktur an dieser Stelle ambig. Da schon in Hebr 10 mit dem Zitat aus Ps 40 Kritik am Opferkult angeklungen ist und an einigen Stellen ௅ Hebr 5,7 samt Kontext wurden als Beispiel oben diskutiert ௅ Psalmensprache durchschlägt, scheint es sinnvoller, bereits in ĮੁȞ੼ıİȦȢ einen T-Term anzusetzen. Doch auch wenn man șȣı઀Į ĮੁȞ੼ıİȦȢ zunächst ganz auf der Ebene des Vehicles belässt, wird spätestens durch den zweiten Satzteil der metaphorische Gehalt der Aussage deutlich: Das Lobopfer ist eine „Frucht der Lippen“ (țĮȡʌઁȞ ȤİȚȜ੼ȦȞ). Damit ergibt sich als (zweiter) T-Term eine weitere, wenn auch offenbar relativ stark konventionalisierte Genitivmetapher. Die Wendung țĮȡʌȩȢ ȤİȚȜ੼ȦȞ findet sich auch in Hos 14,2 (LXX: 14,3) und PsSal 15,3. In Hebr 13,15 wird sie durch die sich anschließende Partizipialkonstruktion genauer bestimmt. Dabei ist ੒ȝȠȜȠȖȑȦ doppeldeutig und kann sowohl „preisen“ als auch „bekennen“ bedeuten.345 Meines Erachtens spielen beide Bedeutungsebenen in diesem Kontext eine Rolle, wobei die Sinnrichtung „preisen“ eine stärkere Verbindung zum Lobopfer aufweist. Spätestens am Ende von V. 15 wird somit deutlich, dass als gedachtes Topic der metaphorischen Aussage Lobpreis und Dank anzunehmen sind, die in Form von Gebeten vor Gott gebracht werden. Wie dies inhaltlich zu füllen ist, bleibt vom Text her offen und wurde in der Forschung unterschiedlich bestimmt. Hegermann sieht das Lobopfer in konkreten „christologischen Bekenntnisliedern“,346 die der Hebräerbrief zitiert oder thematisch aufgreift. Dies erscheint aber vor dem Hintergrund der sehr generellen Aussage zweifelhaft, wie auch die Rekonstruktion entsprechender Lieder umstritten ist. Auch seine Aussage, dass man hier „die Befreiung aus Todesherrschaft und Schuldverfallenheit mitzuhören“347 habe (mit Verweis auf Hebr 2,14f.), ist vom 344

DAHM, Opfer, Abschn. 3.4. Vgl. HEGERMANN, Hebräer, 278. 346 Ebd. 347 Ebd. 345

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Gesamtaufriss des Hebr möglich, legt sich aus dem Text selbst aber nicht direkt nahe. Es ist daher sinnvoller, generell vom „Dank für die Erfahrung der Gnade“348 auszugehen und die Aussage vor dem Hintergrund des Vorherigen zu lesen: Das Lobopfer bezieht sich auf Jesu Leiden und Sterben, das zur Heiligung des Volkes führt und die Partizipation an seinem Schicksal ermöglicht. Möglicherweise kann hier auch an eine Nachfolge des Gehorsams Christi gedacht werden, wie dies Gäbel tut: „Es handelt sich um den lebensprakischen Gehorsam (einschließlich Gebet und Lobpreis), von dem schon in 10,5–10 die Rede war.“349 Schunack erkennt die Metaphorizität dieses Verses und versucht die Metapher aufzulösen: Gebete seien als Opfer dargestellt. Die Verbindung von beiden bestehe darin, dass etwas dargebracht werden soll.350 Dies trifft den Kern der Aussage jedoch nicht gänzlich und ist insofern problematisch, als auch ਕȞĮijȑȡȦ in den Bereich kultischer Sprache und somit des V-Terms fällt. Schunack nähert sich dem Ground der (konzeptuellen) Metapher dadurch an, dass er kultische Sprache als „die traditionell vorgegebene Sprache gemeinschaftlicher Gottesbeziehung“351 bestimmt. Beide Elemente der Metapher beziehen sich auf eine Kommunikation mit Gott, wobei keine Gleichberechtigung der am Dialog beteiligten Parteien besteht und die Initiative von der niedriger gestellten Seite – dem Menschen – ausgeht, die jedoch auf ein allgemeines Gebot oder eine Handlung Gottes reagiert. Dass sich dabei auch Differenzen bzw. Schwerpunktverschiebungen ergeben, liegt in der Natur der Metapher.352 So wird das metaphorische „Lobopfer“ nicht mehr nur von einzelnen (Priestern), sondern allen Gläubigen vorgebracht, wodurch keine Hierarchie und Arbeitsteilung mehr vorliegt. Gleichzeitig ist das Darbringen von Opfergaben konstitutiv für „priesterliche[s] Hinzutreten zu Gott“,353 so dass die Gemeinde insgesamt in eine dem Hohepriester Christi nachfolgende Priesterschaft integriert wird (vgl. auch den allgemeinen Zutritt zum Allerheiligsten in 10,19f.). Das metaphorische Opfer ist auch weniger stark an einen institutionellen Rahmen mit klaren Orts- und Zeitvorschriften gebunden. Und seine Funktion ist eingeschränkt ௅ eine sühnende Wirkung wird damit ausgeschlossen. Die Opfermetaphorik wird im folgenden Vers 16 fortgeführt. Nun sind es İ੝ʌȠȚǸĮ („Wohltun“) und țȠȚȞȦȞȓĮ („Gemeinschaft“), die als Opfer bezeichnet werden und somit als T-Terms fungieren. Während İ੝ʌȠȚǸĮ neutestamentlich nur hier vorkommt und wohl generell „Wohltun“, möglicherweise im Sinne

348

SCHUNACK, Hebräerbrief, 230. GÄBEL, Kulttheologie, 452. 350 Vgl. SCHUNACK, Hebräerbrief, 229. 351 Ebd. 352 Zu den Unterschieden generell vgl. SCHUNACK, Hebräerbrief, 229f. 353 HEGERMANN, Hebräer, 277. 349

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von „Wohltätigkeit“,354 bedeutet, handelt es sich bei țȠȚȞȦȞȓĮ um ein „Allerweltswort“,355 das im Hebräerbrief jedoch nur an dieser Stelle vorkommt.356 Einige Kommentatoren und Kommentatorinnen lesen das Wort analog zu Röm 15,26 als materielle Zuwendung an (christliche) Bedürftige.357 Andererseits werden Bedeutungen wie „Gemeinsinn, Mitteilsamkeit, Selbstlosigkeit“358 oder „Gemeinschaftsdienst“359 vorgeschlagen. Meines Erachtens sind beide Begriffe in V. 16, wie auch der „Lob/Dank“ bzw. die „Frucht der Lippen“ in V. 15 bewusst offen und allgemein gehalten. Es liegt kontextuell kein Hinweis auf eine rein materiell ausgerichtete Interpretation vor. Im Gegenteil ist es berechtigt, generell von „Gemeinschaft“ zu sprechen (s. meine Übersetzung) und sich damit auf den friedlichen Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb des Alltagslebens und der gottesdienstlichen Praxis der christlichen Gemeinde zu beziehen.360 Freilich ist die Armenfürsorge hierin eingeschlossen. Nur wenn eine Engführung der Begriffe İ੝ʌȠȚǸĮ und țȠȚȞȦȞȓĮ auf Armenfürsorge durch Geld oder Naturalien vorausgesetzt wird, kann man die Wendung als synonym ansehen.361 In diesem Sinne läge eine Art Modifikation von T-Terms vor. Allerdings scheinen zwei unterschiedliche, komplementäre Aspekte christlichen Handelns angedacht zu sein, die beide als Opfer präsentiert werden. Somit ist in der Aussage selbst eine Multivalenz enthalten, was nicht ausschließen muss, dass es semantische Überschneidungen gibt. Eine weitere Multivalenz ergibt sich aus dem Verhältnis von V. 15 und 16: Es werden insgesamt drei bzw. vier (wenn man ĮੁȞ੼ıİȦȢ mitzählt) unterschiedliche T-Terms angeführt, während der V-Term șȣıȓĮ gleichbleibt. Dass dies nicht zu schwerwiegenden Irritationen oder Verständnisschwierigkeiten von Seiten der Rezipierenden führt, ist dem semantischen Feld geschuldet, aus dem der V-Term stammt: Es gibt unterschiedliche Opferarten und auch verschiedene Opfergaben (Tiere, Lebensmittel), das heißt das Konzept des Opfers ist nicht auf einen bestimmten Vorgang beschränkt. Auch der Ground bleibt im Grunde der oben Beschriebene. Dennoch macht Attridge eine Fokusverschiebung zwischen V. 15 und 16 aus: „The ‚offering‘ of vs 15, though not a bloody sacrifice, was still an act of worship. At this point [V. 16] it is the non-cultic activities of mutual love and 354

So BACKHAUS, Hebräerbrief, 476. GRÄßER, Hebräer 3, 392. 356 Paulus gebraucht es relativ häufig und mit unterschiedlichen Bedeutungsnuancen. Daneben begegnet es in Apg und 1Joh. 357 So etwa Schunack, der hier den Spezialsinn „Almosen“ sieht. (Vgl. SCHUNACK, Hebräerbrief, 231.) Auch laut Strobel bezeichnet es „die materielle Unterstützung des notleidenden Mitmenschen, vor allem natürlich im Rahmen der christlichen Gemeinschaft“. (STROBEL, Hebräer, 181.) 358 GRÄßER, Hebräer 3, 392. (im Original kursiv) 359 BACKHAUS, Hebräerbrief, 476. 360 Vgl. auch Attridges Übersetzung „fellowship“. (ATTRIDGE, Hebrews, 390.401.) 361 So STROBEL, Hebräer, 181. 355

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service that are designated ‚sacrifices‘“.362 Das heißt auch: V. 15 beschreibt einen Akt, der sich direkt auf die Kommunikation mit Gott bezieht, V. 16 aber auf das Verhalten der Menschen untereinander, das dennoch indirekt dieselbe Funktion hat, vielleicht, weil es gelebter Ausdruck des Danks und Lobs ist. Die Aussage in 13,15f. wird meist vor dem Hintergrund der Relativierung oder Ersetzung des Kultes bzw. der „Spiritualisierung“ von Opfern gesehen ௅ was interessanterweise für die Deutung von Hebr 5,7 kaum eine Rolle spielt, obwohl auch hier Bitten und Flehen, also Konkretionen einer Kommunikation mit Gott, metaphorisch dargebracht werden. Schunack konstatiert, dass sich in 13,15f. eine „‚Enteignung‘ und Entleerung kultischer Sprache und die Aufhebung allen Kultischen“363 vollziehe, eine Formulierung, die die Metapher zu einseitig fasst. Sicherlich ergibt sich im Gedankengang des Hebräerbriefs eine deutliche Verschiebung, in der kultische Handlungen neu interpretiert und levitische Opferpraktiken überboten werden. Die metaphorische Aussage bietet eine andere Deutung, die selbst ganz im kultischen Denken verhaftet ist, aber dieses zugleich übertrifft.364 Das Phänomen der „spirituellen“ Opfer findet sich sowohl in den jüdischen Heiligen Schriften, etwa in einzelnen Psalmen, von denen Ps 40 auch vom Autor des Hebräerbriefs aufgegriffen wird, und im Frühjudentum, als auch im paganen Bereich wieder,365 weshalb hier auch keine direkte Abgrenzung vom Judentum oder von paganen Kulten vorgenommen wird: „Der metaphorische Gebrauch kultischer Sprache stellt einen Grundzug antiker Frömmigkeit dar, sofern diese die objektive Kulthandlung mit der subjektiven Kulthandlung zu verbinden sucht und in der persönlichen Hingabe den Kern der Kommunikation mit der Gottheit sieht.“366 Auch die herkömmlichen Bezeichnungen des Phänomens als „Kultkritik“ oder „Spiritualisierung“ erscheinen problematisch. Der Begriff „Kultkritik“ impliziert die Intention, den Kult komplett abzuschaffen oder abzulösen. Gebete und ethische Handlungsweisen werden in den meisten Bezugstexten nicht als reiner Opferersatz angesehen, sondern als etwas, das zusätzlich geleistet werden soll, so dass „das 362

ATTRIDGE, Hebrews, 401. SCHUNACK, Hebräerbrief, 229. 364 Wenn man Kult sehr allgemein definiert, als gemeinschaftliche, oft handlungsgeleitete, kultur- und religionsspezifische Form des In-Beziehung-Tretens mit dem Göttlichen, ist fraglich, ob man die Topics in Metaphern, in denen „Opfer“ das Vehicle darstellt, wirklich als „ganz und gar unkultisch“ (so SCHUNACK, Hebräerbrief, 229) bezeichnen kann. Ähnlich Gräßer: In kultischer Sprache sei ein unkultischer Gedankengang ausgedrückt. (Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 390.) 365 Vgl. z.B. SCHUNACK, Hebräerbrief, 229f.; STROBEL, Hebräer, 180; ATTRIDGE, Hebrews, 401; BACKHAUS, Hebräerbrief, 474f. mit Angabe der Belegstellen. Zum Opferritus als soziales Kommunikationsmedium und -instrument vgl. ferner DAHM, ULRIKE, Opfer und Ritus. Kommunikationstheoretische Untersuchungen (Religionswissenschaftliche Reihe 20), Marburg: Diagonal-Verlag 2003. Insbes. 177–181. 366 BACKHAUS, Hebräerbrief, 474. 363

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Ethos dem Ritus entspreche“,367 obwohl sie in der Diaspora und nach der Tempelzerstörung auch teilweise als Alternative zu kultischen Handlungen betrachtet wurden.368 Auch der Ausdruck „Spiritualisierung“ kann missverständlich sein, wenn er dazu verleitet, den Akt des metaphorischen Opfers als etwas komplett Vergeistigtes anzusehen und dabei ausblendet, dass auch die hier vorgestellten „Opfer“ konkrete, lebensweltbezogene Handlungen der Gotteskommunikation und Mitmenschlichkeit bezeichnen. Bezogen auf Hebr 13,15f. hält Backhaus daher fest: „Statt von Spiritualisierung ist von einer personalen Aneignung der im Kreuzestod radikal verleiblichten Kultanschauung in der Lebenswelt der Glaubenden zu sprechen.“369 Obwohl sich 13,15f. somit in einem Traditionskontinuum bewegt, erfolgt durch die Einleitung įȚ’ Į੝IJȠ૨ („durch ihn“) eine Neuausrichtung.370 Damit wird an Jesu Selbsthingabe, wie sie vor allem in Kap. 9f. ausgeführt wurde, erinnert, und es wird deutlich, dass die in 13,15f. beschriebenen (metaphorischen) Opfer durch ein anderes (ebenfalls metaphorisches) Opfer verstanden werden müssen, dass sie nur daraus überhaupt ihre Wirksamkeit erfahren: „Nachdem die Selbsthingabe Jesu Christi alle Sakralität an sich gezogen hat, sind für den Glaubenden keine anderen Opferakte mehr möglich als solche, die durch den Gekreuzigten auf hohepriesterliche Weise vermittelt werden (vgl. 1 Petr 2,4f.).“371 Die Heiligung der Gemeinschaft, die durch Jesu Leiden vor den Toren etabliert wurde, ist für die Möglichkeit menschlicher Gebetsopfer konstitutiv, womit gleichzeitig ausgeschlossen ist, dass die Einmaligkeit des Opfers Jesu angetastet wird oder dass die menschlichen „Opfer“ selbst sühnewirksam wären.372 Die einleitende Präposition įȚȐ ist dabei weder streng kausal noch instrumental zu verstehen, sondern vereint beide Sinnrichtungen373 bzw. liegt inhaltlich dazwischen: „Indem Jesus Ursächer unseres Lobopfers ist […], vermittelt er es zugleich hohepriesterlich an Gott“.374 Dabei klingt auch das Motiv Christi als „Gebetsmittler“ an, wie es etwa in Röm 1,8 und Kol 3,17 begegnet. Zusammenfassend lassen sich für den Hebräerbrief somit Metaphern mit unterschiedlichen Topics ausmachen, die allesamt auf das Vehicle „kultisches Opfer“ verweisen, was sich auch auf sprachlicher Ebene dadurch zeigt, dass in allen drei Abschnitten eine Form von ʌȡȠıijȑȡȦ bzw. ਕȞĮijȑȡȦ gebraucht wird. Die zentrale Metapher, in der Jesu Tod als Selbstdarbringung dargestellt wird, wird umrahmt von zwei Abschnitten, in denen Jesu Bitten und Flehen sowie Lob, Wohltun und Gemeinschaft der Christinnen und Christen die T367

Ebd.; Vgl. auch SCHUNACK, Hebräerbrief, 229f. Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 474f. 369 A.a.O. 474f. 370 Vgl. auch a.a.O. 475; STROBEL, Hebräer, 180. 371 BACKHAUS, Hebräerbrief, 475; vgl. auch STROBEL, Hebräer, 180. 372 Vgl. SCHUNACK, Hebräerbrief, 229. 373 Vgl. ebd. 374 GRÄßER, Hebräer 3, 390. 368

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Terms bilden. Dies könnte eine Spannung erzeugen, insbesondere zwischen Hebr 5,7 und den späteren Selbstdarbringungsaussagen, die zu einer Art Inkonsistenz führen kann. Auch für Hebr 13,15f. ist angesichts der Betonung der Einmaligkeit von Jesu Opfer zu fragen, wie dann andere metaphorische Opfer ins Bild passen. Allerdings ergibt eine genauere Betrachtung und Analyse der entsprechenden Passagen, dass sie durchaus aufeinander bezogen sind und sich Hebr 5,7 und 13,15f. vor dem Hintergrund der zentralen konzeptuellen Metapher JESU TOD IST EIN SELBSTOPFER, welche sich meist in ʌȡȠıijȑȡȦ-Aussagen und teilweise in Substantivmetaphern ausdrückt, auslegen lassen. Jesu Darbringung von Bitten und Flehen ist als Ausdruck seiner Menschlichkeit Voraussetzung für seinen Dienst als Hohepriester, im Zuge dessen das endgültige Selbstopfer steht. Hebr 13,15f. steht im Zusammenhang einer Spielart des Mitvollzugs, wie auch die vorausgehende Aufforderung, vor das Lager zu treten und Jesu Schmach zu tragen, nahelegt. Lob und Dank des Gemeindeopfers sind auf Jesu Selbstopfer bezogen und können nur dadurch ermöglicht werden. Es ist bemerkenswert, dass hier zum letzten Mal im Hebräerbrief die Opfermetaphorik aufgegriffen wird, und doch passt die Verschiebung der Metapher zur Gesamtausrichtung von Kap. 13: Es geht hier um die paränetische Aktualisierung des zuvor Geschilderten und somit darum, die Metapher von Jesu Selbstopfer für das Handeln der christlichen Gemeinde in praktische und lebensweltbezogene Zusammenhänge zu übertragen. Die Metapher ist stärker als in 5,7, da nicht nur die Verbform verwendet wird, die theoretisch konventionalisiert sein kann, sondern auch das Substantiv șȣı઀Į, und das sogar zweimal. Durch die „interne“ Multivalenz, die unterschiedlichen T-Terms, die in 13,15f. als șȣı઀Į bezeichnet werden, wird die Umfänglichkeit des metaphorischen Gemeindeopfers betont, während die zweite Metapher „Frucht der Lippen“ eine zusätzliche Komplexität erzeugt. Bemerkenswert ist ferner in 13,16 das Nebeneinander zweier Begriffe (İ੝ʌȠȚǸĮ und țȠȚȞȦȞȓĮ), was wiederum mit der Verbindung von įȑȘıȚȢ und ੂțİIJȘȡȓĮ in 5,7 und somit auch mit der von į૵ȡȠȞ und șȣı઀Į in 5,1 korrespondiert. Die Verwendung des Verbs ਕȞĮijȑȡȦ in 13,15 hingegen verweist auf 7,27, die einzige andere Stelle im Hebräerbrief, in der dieser Begriff vorkommt. Somit bildet die erste explizite Erwähnung des Selbstopfers Jesu einen Rahmen mit der ersten und einzigen Stelle, an der von metaphorischen Gemeindeopfern die Rede ist und die gleichzeitig die letzte Passage ist, in der Opfermetaphorik überhaupt eine Rolle spielt. In semantischer Hinsicht besteht eine enge Verbindung zwischen den Topics in 5,7 und 13,5. Sowohl „Bitten und Flehen“ als auch „Lob“ bzw. die „Frucht der Lippen“ stellen konkrete Kommunikationsvorgänge dar, die in beiden Fällen auf Gott bezogen werden. Allerdings ist die emotionale Ausrichtung des jeweils Bittenden bzw. Lobenden gegensätzlich. Gerade die Psalmen zeigen jedoch, dass klagende Bitte, Lob und Dank nicht immer weit auseinanderliegen müssen. Kommunikation bzw. In-Beziehung-Treten mit Gott scheint in beiden Fällen auch einen wichtigen Aspekt des Grounds der Metaphern darzustellen. Nicht nur

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kontextuell, sondern auch inhaltlich hängt 13,16 enger mit diesen Metaphern als mit der Selbstdarbringungsmetapher zusammen, da in diesem Fall eine abstrakte Handlung als Opfer verbildlicht wird und sich nicht eine Person selbst opfert. Es ergibt sich insbesondere aus 5,7 und 13,15 somit eine Verbindung zwischen Jesus und den Gläubigen, die durch Analogie und Differenz geprägt ist. Wie Jesus ist die Gemeinde aufgefordert, Gebete als Opfer darzubringen. Obwohl sie wie Jesus möglicherweise Anfeindungen und Gefahren ausgesetzt ist und Not leidet, womit sie seine Menschlichkeit teilt, hat sein Selbstopfer doch die entscheidende Wende eingeleitet, so dass die Gemeinde nun Lob und Dank (sowie ethisches, gemeinschaftliches Handeln) darbringen kann. Indirekt wird durch die Metaphernmultivalenz auch nahegelegt, dass die Gläubigen Anteil am Hohepriesteramt Christi haben. Backhaus ist mit der Rede von Opfermetaphern im Hebräerbrief insgesamt vorsichtig, da er zu einer beachtenswerten Erkenntnis gelangt: In gewisser Weise ist jedes Opfer außer dem Christi für ihn [d.h. den Autor des Hebräerbriefs, S.N.-R.] entweder ‚uneigentlich‘ oder Teilhabe am Opfer Christi. Die levitischen Tieropfer waren bildhafte Vorausschattungen des eigentlichen und endzeitlichen Kultes. […] Kirchliche Opfer sind also entweder antwortende und dankbare Teilhabe an Christi Opfer oder sie sind theologisch überhaupt keine Opfer. Sie besitzen keinen Eigenwert; sie liegen im Echoraum des Kreuzes und leben – auch hier setzt 12,28 den Horizont – aus dem Empfangen und der Dankbarkeit.375

Obwohl dies den Schwerpunkt des Hebräerbriefs auf eindrückliche Weise hervorhebt, muss doch stets bedacht werden, dass die levitischen Opfer nicht nur „Vorausschattungen“, sondern vor allem auch Voraussetzungen dafür sind, das Christusgeschehen angemessen zu deuten. 2.4. Erweiterte Metapher Das Konzept der Erweiterten Metaphern bzw. der Metaphorischen Erweiterung ist unschärfer gefasst als die vorher behandelten Phänomene. Es umfasst einerseits echte Allegorien, also Metaphernreihen, in denen die Topics und Vehicles jeweils demselben semantischen Feld entstammen, die aber in der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu nur verhältnismäßig selten vorkommen, als auch allgemeiner gefasst alle möglichen Metaphernkomplexe, die innerhalb eines engen kontextuellen Rahmens stehen und in sich logisch bzw. geschlossen erscheinen. Abgesehen vom Hebräerbrief spielen Erweiterte Metaphern im Neuen Testament nur eine untergeordnete Rolle.

375

BACKHAUS, Hebräerbrief, 475f.

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2.4.1. Überblick Die wohl bekannteste Allegorie im Hinblick auf den Tod Jesu findet sich in den Einsetzungsworten zum Abendmahl, die bereits an anderer Stelle ausführlicher diskutiert wurden.376 Die Begriffe ਙȡIJȠȢ („Brot“) und ʌȠIJȒȡȚȠȞ („Kelch“) sind dem semantischen Feld des Mahls zuzuordnen und stehen in metaphorischer Spannung zu ı૵ȝĮ („Leib“) und ĮੈȝĮ („Blut“), die auf den Bereich des (menschlichen) Körpers verweisen. Zumindest bei Mk und Mt besteht außerdem eine starke Parallelität beider Aussagen, wenn auch die Kelchmetapher deutlich stärker ausgeführt wird und damit weitere Deutungshorizonte eröffnet. Allerdings ist die Bezeichnung der Abendmahlseinsetzungen als Allegorien mit einigen Einschränkungen verbunden: Zunächst enthält die Kelchmetapher offensichtlich auch eine Metonymie,377 die zumindest aus heutiger Sicht die Stringenz abschwächt. Eine direkte Gleichsetzung von Wein und Blut würde nicht nur den Ground transparenter machen (eine rote Flüssigkeit), sondern auch das semantische Feld auf (Grund-)Nahrungsmittel einschränken. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Erzählungen eine zeichenhafte Handlung beinhalten, die metaphorische Spannung aber dadurch abgeschwächt ist, dass nicht Brot und Leib sowie Kelch und Blut direkt gleichgesetzt werden, sondern das jeweilige Topic in der metaphorischen Aussage selbst durch ein Demonstrativpronomen dargestellt wird. Es braucht somit den Kontext, um die Einzelmetaphern und somit auch die Allegorie richtig zu verstehen. Eine Ausnahme in der Hinsicht, dass das gemeinte Topic direkt genannt wird, liegt in den Kelchworten bei Lk und in 1Kor vor. Hier besteht allerdings keine Allegorie im engen Sinne mehr, da Brot und Leib zwar gleichgesetzt werden, der V-Term zu ʌȠIJȒȡȚȠȞ aber in ਲ țĮȚȞ੽ įȚĮș੾țȘ („der neue Bund“) besteht und zwar konstatiert wird, dass dieser Bund im Blut besteht, das Blut jedoch in der Metaphernstruktur selbst nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die zentrale Spannung entsteht durch die explizite Gleichsetzung von ʌȠIJȒȡȚȠȞ und įȚĮș੾țȘ, und da letzteres nur schwerlich demselben semantischen Feld zugeordnet werden kann wie ı૵ȝĮ, wird die Allegorie an dieser Stelle ein Stück weit aufgebrochen. Als eine ähnlich indirekte Allegorie können auch die Aussagen in 1Kor 10,16 angesehen werden. Obwohl hier Kelch und Brot direkt als T-Terms angeführt werden, ist der zentrale V-Term țȠȚȞȦȞ઀Į („Gemeinschaft“), der in beiden Aussagen wiederholt wird, und erst durch Genitivattribute werden Leib und Blut mit eingeführt. Da beide Sätze parallel gestaltet sind, legt es sich nahe, hier von einer Allegorie auszugehen (und dies deutlicher als in den Kelchworten von Lk und 1Kor), wobei diese durch den „eigentlichen“ V-Term gebrochen wird, der ௅ soweit man die Spezifizierung durch Genitivattribute auslässt ௅ in beiden Metaphern identisch ist. 376 377

S.o., Abschnitt 6.1. des dritten Kapitels. S.o., Abschnitt 1.2.

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Zudem weisen die Synoptiker mit Mk 12,1–9par eine Deutung des Todes Jesu innerhalb einer Allegorie auf.378 Dabei gibt es in Form und Ausprägung der Allegorie wiederum Unterschiede innerhalb der drei Evangelien. Im Markusevangelium weist vorrangig die Bezeichnung des Sohnes als „geliebt“ (Mk 12,6) durch intertextuelle Bezüge zu Mk 1,11 und 9,7 darauf hin, dass Jesus mit diesem gleichzusetzen ist. Wer den vorausgegangenen Inhalt des Markusevangeliums kennt, weiß zudem, dass bereits in Mk 4,3–9 ein Gleichnis vorgelegt wurde, dessen Einzelzüge in Mk 4,13–20 allegorisch ausgelegt wurden, so dass es naheliegend ist, hier analog zu verfahren. Daneben werden Rezipierende auch durch die generell allegorisch geprägte Struktur des Gleichnisses, die sich bereits in der Einleitung durch die starke Anspielung auf das Weinberglied zeigt, dazu angeregt, nach einer allegorischen Entsprechung für den Sohn des Weinbergbesitzers zu suchen. Bei Lukas findet sich dieselbe Charakterisierung des Sohns, die intertextuellen Hinweise zur Identifizierung fallen jedoch weniger stark aus: Die Stimme aus dem Himmel, die Jesus als „geliebter Sohn“ bezeichnet, wird hier nur von Jesus selbst gehört und in der Verklärung wird er statt als geliebter als „auserwählter“ (ਥțȜİȜİȖȝ੼ȞȠȢ) Sohn betitelt. Bei Mt fehlt eine genauere Beschreibung des Sohns, was die Identifizierung mit Jesus erschweren kann. Mit Mt teilt Lukas die Tatsache, dass gegen Markus der Sohn außerhalb des Weinbergs getötet wird (Mt 21,39; Lk 20,15), was ganz offenbar eine Parallelität zu Jesu Sterben außerhalb der Stadtmauern von Jerusalem darstellen soll. Da bei Lk die Einleitung stark verkürzt ist und somit eine Anspielung auf Jes 5 fehlt, ist die Allegorie nicht sofort erkennbar und kann somit erst im Verlauf der Geschichte gegebenenfalls rekonstruiert werden. Insgesamt weisen die drei Fassungen somit sehr unterschiedliche allegorische Elemente auf, wodurch das Verständnis je nach Vorwissen der Rezipierenden erleichtert oder erschwert werden kann. Der Abschnitt Joh 14,1–7 weist streng genommen keine Allegorie auf, wohl aber eine Erweiterte Metapher im Sinne eines Metaphernkomplexes bzw. einer Aneinanderreihung von Metaphern, die sich inhaltlich und logisch auseinander ergeben. Jesus spricht hier euphemistisch von seinem Tod durch das Verb „weggehen“ (ʌȠȡİȪȠȝĮȚ; V. 2f./ਫ਼ʌȐȖȦ; V. 4). Dieses Fortgehen dient dem Zweck, dass Jesus für die Jüngerinnen und Jünger „eine Stätte (bzw. einen Raum) bereitet“ (ਦIJȠȚȝȐȗȦ IJંʌȠȞ; V. 2f.). Es besteht also eine gewisse Notwendigkeit für Jesu Tod, der somit die Möglichkeit einer bleibenden Gemeinschaft eröffnet. Das „Bereiten der Stätte“ bezieht sich zurück auf eine weitere Metapher in V. 2: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen“ (ਥȞ IJૌ Ƞੁț઀઺ IJȠ૨ ʌĮIJȡંȢ ȝȠȣ ȝȠȞĮ੿ ʌȠȜȜĮ઀ İੁıȚȞ).379 Es lässt sich also festhalten, dass hier 378

Vgl. ausführlicher oben, Abschnitt 2.2.2. Der Begriff IJȩʌȠȢ ist an sich sehr weit gefasst und kann Orte im weitesten Sinn meinen. Die Spezialbedeutung „Raum“/„Stätte“ legt sich aber aus dem Kontext der vorherigen Haus-Metapher nahe. 379

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bereits eine Erweiterte Metapher durch das Begriffsfeld um ȠੁțȓĮ, ȝȠȞȒ, IJȩʌȠȢ gegeben ist, wobei Wohnstätten beschrieben sind, die zunehmend kleiner werden. Interessant ist das für das Johannesevangelium häufiger auftretende eher symbolhafte als metaphorische Sprechen: In den Aussagen selbst ist keine Spannung enthalten. Dass Jesus die Jünger und Jüngerinnen verlässt, um bei einem (menschlichen) Vater Wohnraum herzurichten, ist prinzipiell denkbar. Erst durch den Kontext wird deutlich, dass verschleiert (und somit metaphorisch) gesprochen wird. Jesus kommt in V. 4 auf das Motiv des Fortgehens zurück: „Und wohin ich gehe, ihr wisst den Weg“ (țĮ੿ ੖ʌȠȣ [ਥȖઅ] ਫ਼ʌ੺ȖȦ Ƞ੅įĮIJİ IJ੽Ȟ ੒įંȞ). Thomas stellt diese Aussage in Frage (V. 5): Wenn doch die Jüngerinnen und Jünger gar nicht wissen, wohin Jesus fortgeht, woher sollen sie dann den Weg dorthin kennen? Jesus antwortet mit dem sechsten absoluten Ich-bin-Wort „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (ਥȖઆ İੁȝȚ ਲ ੒įઁȢ țĮ੿ ਲ ਕȜ੾șİȚĮ țĮ੿ ਲ ȗȦ੾; V. 6). Wie in allen Ich-bin-Worten handelt es sich dabei um eine spannungsvolle Substantivmetapher. Durch den anschließenden erklärenden Satz schließt sich der Kreis wieder vollständig, da das Motiv des Zum-Vater-Gehens erneut aufgegriffen wird, nun jedoch in allgemeiner Form und nicht nur allein auf Jesus bezogen, da dieser als Mittel und Weg spezifiziert wird: „Niemand kommt zum Vater, wenn nicht durch mich“ (Ƞ੝įİ੿Ȣ ਩ȡȤİIJĮȚ ʌȡઁȢ IJઁȞ ʌĮIJ੼ȡĮ İੁ ȝ੽ įȚ’ ਥȝȠ૨; V. 6). Beide Elemente, sowohl der Haus-Metaphernkomplex als auch die Ich-bin-Metapher, finden ihren Bezugspunkt in der euphemistischen und damit auch (leicht) metaphorischen Rede vom Fortgehen Jesu. Zunächst wird der End- und Zielpunkt dieses Fortgehens beschrieben, woraus auch indirekt ersichtlich wird, warum Jesu Tod erforderlich ist. Danach verschiebt sich der Fokus hin zu den Jüngern und Jüngerinnen, die diesen Zielpunkt ebenfalls erreichen sollen. Das Mittel hierfür wird im Ich-bin-Wort geschildert. Dabei nimmt der Tod Jesu nur eine eher geringfügige Rolle ein ௅ streng genommen ist er nur in den ersten drei Versen konkret mit angedacht. Dass Jesus im Ich-bin-Wort aber als Leben identifiziert wird, bedenkt zumindest indirekt auch sein Sterben und bildet einen Kontrast dazu. Auch in 1Kor 5,6–8 steht eine konkrete Metapher, die den Tod Jesu beschreibt, im Zusammenhang eines umfangreicheren Metaphernkomplexes. Paulus führt in die Thematik mit der rhetorischen Frage ein, ob die Adressierten nicht wüssten, dass wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuere (Ƞ੝ț Ƞ੅įĮIJİ ੖IJȚ ȝȚțȡ੹ ȗ઄ȝȘ ੖ȜȠȞ IJઁ ij઄ȡĮȝĮ ȗȣȝȠ૙; V. 6). Das Bild von wenig Sauerteig, der eine große Menge Mehl beeinflusst, kann auch positiv besetzt sein, wie das Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33; Lk 13,20f.) zeigt. Der Fortgang der Argumentation zeigt jedoch eindeutig, dass das Konzept an dieser Stelle im negativen Sinn verwendet wird. Im nächsten Vers fordert Paulus dazu auf, den Sauerteig auszusondern, genauer „hinaus zu fegen“ (ਥțțĮș੺ȡĮIJİ IJ੽Ȟ ʌĮȜĮȚ੹Ȟ ȗ઄ȝȘȞ; V. 7) und der darauffolgende Finalsatz enthält eine starke (zwei-

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

teilige) Kopula-Metapher: „damit ihr ein neuer Teig seid, geradeso wie ihr ungesäuert (oder: ungesäuerte Brote) seid“ (੆ȞĮ ਷IJİ Ȟ੼ȠȞ ij઄ȡĮȝĮ, țĮșઆȢ ਥıIJİ ਙȗȣȝȠȚ; V. 7). Diese Metapher, durch die die Reinheit und moralische Integrität der Adressierten gefordert wird, wirkt zumindest aus heutiger Sicht eher befremdlich. Spätestens mit der Begründung durch eine weitere Substantivmetapher wird der Bedeutungshintergrund aber klar: „denn unser Passalamm ist geopfert worden, Christus“ (țĮ੿ Ȗ੹ȡ IJઁ ʌ੺ıȤĮ ਲȝ૵Ȟ ਥIJ઄șȘ ȋȡȚıIJંȢ; V. 7). Die Gesamterörterung ist vor dem Hintergrund des Passafestes ௅ und somit der Exoduserzählung ௅ zu sehen, wobei dem Tod Jesu eine zentrale Rolle zukommt. Der soteriologischen Einsicht entspricht die paränetische Aufforderung zu einem dazu korrespondierenden Lebenswandel. Passa und Exodus dienen dazu, die entsprechende Bereitschaft (im Sinne einer Art „Aufbruchsstimmung“) zu veranschaulichen und gleichzeitig zu verdeutlichen, dass damit eine bestimmte, intensive Form von Reinheit verbunden wird. Wie der Exodus ein einschneidendes Ereignis in der Geschichte Israels darstellt, so wird hier impliziert, dass auch der Tod Jesu und der damit begründete Lebenswandel der Gemeinde einen Wendepunkt markieren. Die metaphorischen Ausführungen enden mit der Aufforderung zu feiern (ਦȠȡIJȐȗȦȝİȞ; V. 8), jedoch nicht mit altem Sauerteig, der durch eine Genitivmetapher mit zwei semantisch eng verwandten T-Terms weiter spezifiziert wird: „nicht mit dem Sauerteig der Schlechtigkeit und Bosheit“ (ਥȞ ȗ઄ȝૉ țĮț઀ĮȢ țĮ੿ ʌȠȞȘȡ઀ĮȢ). Die Alternative hierzu, mit der gefeiert werden soll, wird ganz analog ausgedrückt: „sondern mit ungesäuerten Broten der Reinheit und Wahrheit“ (ਕȜȜ’ ਥȞ ਕȗ઄ȝȠȚȢ İੁȜȚțȡȚȞİ઀ĮȢ țĮ੿ ਕȜȘșİ઀ĮȢ). Es ergibt sich eine Spannung zu V. 7, in der noch die Adressierten selbst als „ungesäuert“ bzw. „ungesäuerte Brote“ bezeichnet wurden ௅ im Griechischen steht jeweils derselbe Begriff. Nun sind es nicht die Adressierten selbst, sondern Reinheit und Wahrheit, also Tugenden, die diese üben sollen, welche als T-Term in der Metapher verwendet werden. Es liegt im Grunde eine Multivalenz vor, die impliziert, dass die Adressierten zum Inbegriff der Wahrheit werden sollen. Insgesamt ist die metaphorische Bezeichnung Christi als Passalamm also in einen Komplex unterschiedlicher, teils auch leicht widersprüchlicher Sauerteig-Metaphern integriert. Sie sticht heraus und ist dennoch thematisch eng mit den umliegenden Metaphern verbunden, so dass sie als Teil einer Erweiterten Metapher zu werten ist. Zudem bietet die Passalamm-Metapher den endgültigen Hinweis, vor welchem Hintergrund der Gesamtkomplex zu deuten ist, und die Begründung, warum die Neuausrichtung des Lebenswandels möglich und erforderlich wird. Der Hebräerbrief kann über weite Teile als aus Erweiterten Metaphern bestehend angesehen werden. Dies zeigt sich einerseits durch die Verbindung sprachlich unterschiedlicher Metaphern aus dem Bereich des Opferns, andererseits durch das wiederkehrende Motiv der Überbietung der „alten“ Ordnung. Gleichzeitig wird das Neue aus dem Alten abgeleitet, so dass an einigen Stellen eine Art Analogieschluss entsteht. Dabei werden unterschiedliche Elemente

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aus der levitischen Ordnung auf Christus übertragen, was zu einer Reihe eng verwandter Metaphern führt, die auf dasselbe semantische Feld verweisen. Interessant ist dabei zu beobachten, wie zwischen Ähnlichkeit und Differenz variiert und changiert wird. Ein Beispiel hierfür wurde bereits ausführlicher diskutiert:380 Jesus wird im Hebräerbrief nicht nur generell als Hohepriester bezeichnet, sondern in 5,1–10 wird er auch mit seinen zentralen Eigenschaften ௅ Einsetzung durch Gott, Menschlichkeit und Mitgefühl, die Darbringung eines Opfers für sich selbst ௅ versehen. Dabei zeigt der Argumentationsgang, in dem die Darstellung des Hohepriesters in chiastischer Weise mit der Anwendung auf Christus korrespondiert, die enge Verbundenheit der beiden Bereiche. Insbesondere die Darbringung wird dabei metaphorisch ausgedeutet. Die Typologie, die insgesamt wohl als durch den Jom Kippur bestimmt gesehen werden muss, lässt sich folgendermaßen veranschaulichen: Tabelle 16: Hohepriester-Typologie des Hebräerbriefs Levitische Ordnung Hohepriester Opfer für eigene Sünden Opfer für das Volk

Christusgeschehen Christus Bitten und Flehen zum Aufweis der Menschlichkeit eigener Tod (stilisiert als Selbstdarbringung)

Wichtig dabei ist, dass das Christusgeschehen in der Sprache der levitischen Ordnung geschildert wird und dass dabei eine kontinuierliche Übertragung unterschiedlicher Merkmale stattfindet, durch die man die Darstellung tatsächlich als eine Allegorie werten kann, bei der jedoch der Herkunftsbereich explizit ausgeführt wird und die darauf abzielt, die Überbietung der metaphorischen Anwendung deutlich zu machen.381 In diesem Sinne bildet die HohepriesterOpfer-Allegorie im Hebräerbrief eine Art Rahmen, in den weitere Metaphernkombinationen eingebunden sind. Das Schema der Entsprechung von levitischen Kultopfern, insbesondere vom Jom Kippur, und Christusgeschehen, beziehungsweise die Überbietung des ersten durch das zweite, findet sich nicht nur in Kap. 5, sondern es durchzieht weite Teile des Hebr und wird besonders in 9,1–14.24–28; 10,11–14 (hier offenbar auf das tägliche Opfer bezogen) und 13,11–13 deutlich. Jedes Mal folgt der Schilderung der „alten“ Ordnung eine Übertragung auf Jesus. Nicht nur einzelne Metaphern werden aus diesem Komplex generiert, sondern ein großer Teil von Einzelelementen findet seine meta-

380

S.o., Abschnitt 2.3.2. Auch hier ist Backhaus’ Einwand zu beachten, dass nur die Selbstdarbringung Jesu das einzig wahre Opfer darstellt und alle anderen in irgendeiner Form „uneigentlich“ sind. (S.o., Abschnitt 2.3.2.) 381

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

phorische Entsprechung. Dabei decken sich die Handlungsabläufe nicht vollständig, sondern es werden durchaus Lücken und Differenzen deutlich. Ein prominentes Beispiel ist etwa die Gegenüberstellung der jährlichen Wiederholung des Jom Kippur mit dem einmaligen Opfer Christi (z.B. Hebr 9,25f.). Bei genauerer Betrachtung zeigt sich zudem, dass sich nicht nur aus dem JomKippur-Geschehen und dem Hohepriestermotiv Erweiterte Metaphern ergeben, sondern auch aus dem Bedeutungshintergrund des Bundesschlusses, wie er in Kap. 8 und vor allem in 9,15–23 angesprochen wird. Dementsprechend gibt es einige verschiedene Bereiche der „alten“ Ordnung, aus denen bzw. vor deren Hintergrund im Hebräerbrief Allegorien oder Erweiterte Metaphern generiert werden. Diese gehen auch ineinander über und vermischen sich. 2.4.2. Exemplarische Analyse von 1 Petr 2,4–8382 Der Abschnitt 1Petr 2,4–8 wird von einigen Exegetinnen und Exegeten als Allegorie angesehen.383 Allerdings ist diese Bezeichnung nicht ganz unproblematisch. Obwohl durchaus allegorische Elemente enthalten sind, ist es schwierig, hier eine „reine“ Allegorie auszumachen, wie die Detailanalyse zeigen wird. Die konkrete Zuordnung zur Allegorie wird auch dadurch erschwert, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Zitate aus den jüdischen Heiligen Schriften eingearbeitet worden ist. Es ist somit sinnvoller, von einer komplexen Metaphernerweiterung auszugehen. 4

ʌȡઁȢ ੔Ȟ ʌȡȠıİȡȤંȝİȞȠȚ Ȝ઀șȠȞ ȗ૵ȞIJĮ ਫ਼ʌઁ ਕȞșȡઆʌȦȞ ȝ੻Ȟ ਕʌȠįİįȠțȚȝĮıȝ੼ȞȠȞ, ʌĮȡ੹ į੻ șİ૶ ਥțȜİțIJઁȞ ਩ȞIJȚȝȠȞ

zu diesem [Rückbezug auf Ende V. 3: Herr] hinzukommend, dem lebendigen

382 Die Verse 1Petr 2,5.9 waren in der Wirkungsgeschichte als biblischer Beleg für das Priestertum aller Gläubigen relevant. In der neueren Forschung wird dieser Bezug jedoch zunehmend kritisch gesehen. Ein Hauptproblem liegt darin, dass die Metaphorizität der in diesen Versen geschilderten „Priesterschaft“ verkannt wird. Brox etwa kritisiert: „Das Stichwort ੂİȡȐIJİȣȝĮ (Priesterschaft) […] spielt […] in der Auslegung meistens eine völlig unverhältnismäßige Rolle und dominiert über allen anderen Bildern und Kategorien des Abschnitts, die dabei sämtlich in einen priesterlich-kultischen Zusammenhang aufgesogen werden.“ (BROX, NORBERT, Der erste Petrusbrief [Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament 21], Zürich/Neukirchen-Vluyn: Benziger/Neukirchener Verlag 41993, 107.) Er plädiert daher, m.E. zu Recht, dafür, die vorliegenden Metaphern einzeln zu betrachten. Die folgenden Ausführungen versuchen genau dies und beziehen sich dabei vorrangig auf den Komplex der Steinmetaphern, da diese, im Gegensatz zur PriesterschaftsMetapher, stärker mit dem Tod Jesu in Zusammenhang gebracht werden können. Auf V. 9f. wird aus diesem Grund nur am Rande eingegangen. 383 Vgl. VIELHAUER, PHILIPP, Oikodome. Aufsätze zum Neuen Testament. Bd. 2, hg. v. Günter Klein (Theologische Bücherei 65), München: Kaiser 1979, 137; BROX, Der erste Petrusbrief, 97. So auch SIEBENTHAL, Grammatik, 573 §295c; hier werden jedoch nur 1Petr 2,6–8 angeführt.

2. Arten von Metaphernkombinationen

5

țĮ੿ Į੝IJȠ੿ ੪Ȣ Ȝ઀șȠȚ ȗ૵ȞIJİȢ ȠੁțȠįȠȝİ૙ıșİ ȠੇțȠȢ ʌȞİȣȝĮIJȚțઁȢ İੁȢ ੂİȡ੺IJİȣȝĮ ਚȖȚȠȞ ਕȞİȞ੼ȖțĮȚ ʌȞİȣȝĮIJȚț੹Ȣ șȣı઀ĮȢ İ੝ʌȡȠıį੼țIJȠȣȢ șİ૶ įȚ੹ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨.

6

įȚંIJȚ ʌİȡȚ੼ȤİȚ ਥȞ ȖȡĮijૌā ‫ݧ‬įȠީ IJަșȘȝȚ ‫݋‬Ȟ ȈȚޫȞ ȜަșȠȞ ܻțȡȠȖȦȞȚĮ߿ȠȞ ‫݋‬țȜİțIJާȞ ‫ݏ‬ȞIJȚȝȠȞ țĮ‫ ݸ ޥ‬ʌȚıIJİުȦȞ ‫݋‬ʌ’ Į‫ރ‬IJࠜ Ƞ‫ ރ‬ȝ‫ ޣ‬țĮIJĮȚıȤȣȞș߲.

7

ਫ਼ȝ૙Ȟ Ƞ੣Ȟ ਲ IJȚȝ੽ IJȠ૙Ȣ ʌȚıIJİ઄ȠȣıȚȞ, ਕʌȚıIJȠ૨ıȚȞ į੻ ȜަșȠȢ ‫ݺ‬Ȟ ܻʌİįȠțަȝĮıĮȞ Ƞ‫ ݨ‬Ƞ‫ݧ‬țȠįȠȝȠࠎȞIJİȢ, Ƞ‫ފ‬IJȠȢ ‫݋‬ȖİȞ‫ޤ‬șȘ İ‫ݧ‬Ȣ țİijĮȜ‫ޣ‬Ȟ ȖȦȞަĮȢ

8

țĮ੿ ȜަșȠȢ ʌȡȠıțިȝȝĮIJȠȢ țĮ‫ ޥ‬ʌ‫ޢ‬IJȡĮ ıțĮȞį‫ޠ‬ȜȠȣÂ Ƞ‫ ݪ‬ʌȡȠıțިʌIJȠȣıȚȞ IJࠜ ȜިȖ࠙ ܻʌİȚșȠࠎȞIJİȢ İ‫ݧ‬Ȣ ‫ ݺ‬țĮ‫݋ ޥ‬IJ‫ޢ‬șȘıĮȞ.

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Stein, der bei Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar ist, lasst auch euch selbst als lebendige Steine als ein geistliches Haus aufbauen zu einer heiligen Priesterschaft, darzubringen geistliche Opfer, die Gott angenehm sind, durch Jesus Christus. Denn es ist enthalten in einer Schriftstelle: Siehe, ich lege in Zion einen Stein, der an der äußersten Ecke liegt, auserwählt, kostbar, und der, der an ihn glaubt, wird keineswegs zuschanden werden Euch nun [gehört] die Wertschätzung, den Glaubenden, für die Nichtglaubenden aber ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein geworden und ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses; die, die dem Wort nicht gehorchen, stoßen an ihn, wozu sie auch bestimmt sind.

1Petr 2,4–10 wird teilweise als für die Gesamtschrift zentral angesehen. So sieht Frankemölle hierin den „Dreh- und Angelpunkt des ganzen Briefes“.384 Stilistisch und im Hinblick auf den Gebrauch von Bildern ist ein Wechsel erkennbar, selbst wenn kein starker thematischer Bruch vorliegt.385 Die Kontinuität zum Vorherigen ist schon allein daran erkennbar, dass V. 4 durch einen relativen Satzanschluss und eine Partizipialkonstruktion an den vorherigen

384 FRANKEMÖLLE, HUBERT, 1. Petrusbrief, 2. Petrusbrief, Judasbrief (Die neue EchterBibel: Kommentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung 18 u. 20), Würzburg: Echter 21990, 43. Er führt dafür mehrere Gründe an: Er stehe „am Ende der innergemeindlichen kerygmatischen und paränetischen Ausführungen“ (ebd.) und wende sich an die Christen als Minderheit, denen er das gegenwärtige Heil zuspreche. Daneben liege ein Schwerpunkt auch auf missionarischen Aufgaben bzw. der Orthopraxie, ebenso wie auf Unglaube/ Glaube und entsprechenden Personengruppen, wobei dies stets im Verhältnis zu Jesus bestimmt wird. Die Adressierten werden dazu aufgefordert, bei Jesus zu bleiben, und dabei häufig direkt angesprochen. Zur Bedeutung des Abschnitts vgl. auch SNODGRASS, KLYNE R., 1 Peter II. 1–10: Its Formation and Literary Affinities, in: New Testament Studies 24 (1977), 97–106. Hier: 97: „the fundamental indicative for the whole epistle“. 385 Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 94.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Vers angeschlossen ist.386 Brox sieht in der Passage 2,4–10 den Abschluss der „Grundparänese“, der ab 2,11 deutlich spezifischere Anweisungen folgen.387 Die Struktur des Gesamtabschnitts (bis einschließlich V. 10) ist deutlich erkennbar.388 Die Zitate in V. 6–8 beziehen sich zurück auf V. 4, wo bereits entsprechende Stichworte enthalten sind. In analoger Weise beziehen sich V. 9f. auf V. 5 und entfalten die dortige Aussage. Während V. 4.6–8 christologisch ausgerichtet sind und der Gedankengang um den Begriff „Stein“ entfaltet wird (der Terminus Ȝ઀șȠȢ taucht in jedem der Verse 4–8 auf), beziehen sich die V. 5.9–10 eher auf die Ekklesiologie, die mithilfe der Metapher von der Priesterschaft und dann später durch den Begriff „Volk“ ausgeführt wird.389 Allerdings ist beides nicht strikt voneinander zu trennen, denn in V. 5 wird die Steinmetapher ausführlich auf die Gemeinschaft der Christen und Christinnen bezogen ௅ was dann ja zur Erweiterung der Metapher führt ௅ und auch der Begriff „erwählt“ (ਥțȜİțIJȩȢ) durchzieht den gesamten Abschnitt, womit er sowohl für Kontinuität zwischen den unterschiedlichen Bildern als auch für eine Verbindung zwischen Christus und der Gemeinde sorgt.390 Es ist wichtig, V. 4f. als einleitende These in den Gesamtabschnitt anzusehen, als „vorweggenommene Interpretation und Quintessenz“391 der nachfolgenden Schriftworte. Schon die Tatsache, dass diese Verse durch die Sprache der Zitate geprägt sind, macht 386 Vgl. FELDMEIER, REINHARD, Der erste Brief des Petrus (Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 15/I), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2005, 88. In exegetischen Kommentaren wird die Abgrenzung des Abschnitts unterschiedlich vorgenommen. Teilweise wird der Beginn mit 2,1, teilweise mit 2,3 angesetzt. Zum Neueinsatz mit V. 1 vgl. VAHRENHORST, MARTIN, Der erste Brief des Petrus (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 19), Stuttgart: Kohlhammer 2016, 97: „Mit Vers 1 beginnt ein neuer Argumentationsgang, der die Adressaten in unterschiedlichen Bildern dazu auffordert auf dem Weg weiterzugehen, auf den sie gesetzt worden sind.“ Wie auch an anderer Stelle sei dies durch „nun“ markiert. (Vgl. a.a.O. 97 Fn 179) Während zumeist ein erneuter Einschnitt nach V. 10 erfolgt, wird seltener V. 4–8 gesondert betrachtet. Im Folgenden wird 2,4–10 als inhaltliche Einheit vorausgesetzt, der Schwerpunkt aber auf V. 4–8 gelegt. V. 1–3 sind aufgrund der dortigen Bildlichkeit jedoch ebenfalls relevant. 387 Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 95 und auch MICHAELS, J. RAMSEY, 1 Peter (World Biblical Commentary 49), Waco: Word Books 1988, 113. 388 Einen gänzlich anderen Gliederungsvorschlag macht Eduard Schweizer. Er betont, dass es sich bei V. 1–6 um eine syntaktische Einheit handelt, die sich jedoch in zwei parallel aufgebaute Teile (V. 1–3; 4–6) mit je vier Schritten aufteilt. Mit V. 7 sei ein neuer Einschnitt erkennbar, wobei auch hier die vier Schritte inhaltlich gegeben sind, formal aber weniger deutlich hervortreten. (Vgl. SCHWEIZER, EDUARD, Der erste Petrusbrief (Zürcher Bibelkommentare NT 15), Zürich: Theologischer Verlag 41998, 40f.48.) Im Hinblick auf die Metaphorik von V. 4–8 ist eine solche Einteilung weniger hilfreich. Die hierin aufgezeigte Parallelität zu den vorausgehenden Versen ist jedoch beachtenswert. 389 Vgl. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 42. 390 Vgl. ebd. und auch BROX, Der erste Petrusbrief, 103.94: „die ganze Einheit dieses Passus ist an den beiden biblischen Kategorien der Erwählung und der Heiligkeit orientiert.“ 391 BROX, Der erste Petrusbrief, 95.

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deutlich, dass die Interpretation durch die Zitate erfolgt und diese nicht als nachträglicher „Schriftbeweis“ dienen, auch wenn dies auf den ersten Blick so wirkt.392 Allgemein fällt die starke theozentrische Ausrichtung des Abschnitts auf. Dies wird vor allem durch die Zitate deutlich, zeigt sich aber auch an der Satzstruktur der Einleitung, die durch den Imperativ Passiv ȠੁțȠįȠȝİ૙ıșİ („werdet aufgebaut“, mit eher medialer Färbung „lasst euch aufbauen“) dominiert wird und somit klar die Initiative Gottes betont.393 Dennoch bleibt auch das Handeln der Adressierten relevant,394 denn auch das einleitende Partizip hat wie sonst in 1Petr eher imperativischen Sinn.395 Trotz des christologischen Einschlags gerade in den ersten Versen des Abschnitts zeigt sich, dass er insgesamt auf die Situation der Adressierten hin ausgerichtet ist: Ihr „Verworfen-Sein“ durch die Umwelt wird auf das „Verworfen-Sein“ Jesu zurückgeführt, die Trennung von der Umwelt wird als notwendig dargestellt und zugleich wird die herausragende Stellung der Gemeinde verdeutlicht.396 „Mit einer Reihe von Bildern aus Bibel und Tradition der Juden werden Ernst und Konsequenz des Glaubens klargemacht.“397 Durch all dies wird die Standfestigkeit der Gläubigen gefördert. Die Stein-Metaphorik hat dabei eine zentrale argumentative Funktion: An den Zitaten wird deutlich, dass die Erwählung durch Gott mit einer Aussonderung aus der Welt einhergeht. Dies wird einerseits an Christus verdeutlicht, dann aber auch auf die Gemeinde übertragen.398 „Insgesamt ist der Passus also aufgrund seiner theozentrischen, christozentrischen, ekklesiologischen und ethischen Ausrichtung stark durchreflektiert und theologisch außerordentlich dicht.“399 Wie erwähnt, sind die in dieser Passage angeführten Zitate aus den jüdischen Heiligen Schriften für die Hauptargumentation und auch für die Erweiterung der Metapher konstitutiv.400 Es wird in V. 6 explizit darauf hingewiesen, dass 392

Vgl. auch a.a.O. 94. Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 89. Laut Frankemölle und Vahrenhorst lässt sich hier auch indikativisch übersetzen. (Vgl. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 41; VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 101.) Michaels bevorzugt die indikativische Übersetzung des Partizips, hält aber am Imperativ des Prädikats fest. „The participle is […] best understood as a kind of summary of the Christian mission (particularly in Asia Minor): ‚as more and more of you come to him.‘“ (MICHAELS, 1 Peter, 97.) 394 Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 89. 395 Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 96. 396 Vgl. auch a.a.O. 95. 397 A.a.O. 94. 398 Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 88f. „Die Wesensbestimmung der Gemeinde zwischen Aussonderung durch Gott und Ausgrenzung aus der Gesellschaft erhält so eine christologische Grundlage.“ (A.a.O. 89) 399 FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 42. 400 Michaels sieht als Schwerpunkt des Abschnitts 2,4–10 eine Midrasch, die vor allem auf Jes 28,16 und sekundär auf den anderen Schriftstellen beruht. Es ist jedoch fraglich, 393

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

nun Zitate folgen: įȚંIJȚ ʌİȡȚ੼ȤİȚ ਥȞ ȖȡĮijૌ („denn es ist in einer Schrift[-stelle] enthalten“). Diese spezifische Einleitung des Schriftwortes liegt nur hier im Neuen Testament vor, begegnet aber sonst häufiger im Griechischen.401 Mit įȚંIJȚ hat 1Petr aber bereits zuvor (1,16.24–25) auf die Schrift verwiesen.402 Unterschiedliche Steinzitate, die auch sonst im Neuen Testament häufig auf Christus bezogen werden, finden sich nun in besonderer Fülle.403 Neben Ps 118,22 (117,22 LXX), dem Vers, der durch seine Verwendung in Mk 12,10f. par und Apg 4,11 nahelegt, auch hier einen Verweis auf Jesu Tod zu sehen ist, wenn auch nur einen sehr indirekten, werden Jes 28,16 und 8,14 zitiert ௅ ähnlich wie dies in Röm 9,32f. der Fall ist. Während das Zitat aus Ps 118 eindeutig nach der Septuaginta-Fassung wiedergegeben wird (wie auch sonst überall im Neuen Testament404), zeigen die Jesaja-Zitate deutliche Abweichungen, bei gleichzeitiger Nähe zum Text von Röm 9,33.405 „Since the exact forms of Isa. viii. 14 and xxviii. 16 in the NT are not paralleled in any other source, one is tempted to argue for literary dependence by one of the NT authors, and in fact many in both past and present have argued for the dependence of the author of I Peter on the text of Romans.“406 Diese Annahme kann noch dadurch bestärkt werden, dass in beiden Briefen kurze Zeit später ein ähnlicher Verweis auf Hos 2,23 folgt.407 Es zeigt sich aber bei näherer Betrachtung, dass eine solche literarische Abhängigkeit eher unwahrscheinlich ist. In diesem Zusammenhang ist vor allem bemerkenswert, dass die beiden Jesaja-Zitate in Röm 9,33 ineinander

inwieweit Jes 28,16 wirklich eine derart von den anderen Zitaten abgehobene Stellung einnimmt. Zutreffend ist aber die von Michaels in diesem Zusammenhang beschriebene Auswirkung der Textcollage: „to assign to the Gentile communities to which Peter is writing an essentially Jewish identity and responsibilty“. (MICHAELS, 1 Peter, 95.) 401 Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 105. 402 Vgl. MICHAELS, 1 Peter, 93.102. 403 Vgl. SNODGRASS, 1 Peter II. 1–10, 97. 404 Vgl. MICHAELS, 1 Peter, 105. 405 Für eine Gegenüberstellung der verschiedenen Texte vgl. SNODGRASS, 1 Peter II. 1– 10, 98. Für eine knappe Auflistung zentraler Unterschiede vgl. auch MICHAELS, 1 Peter, 103.106. Besonders der Beginn des Zitats aus Jes 28,16 weicht ab, „wobei der 1Petr einen Text bietet, der dem des masoretischen Textes nahesteht, aber nicht mit ihm identisch ist“. (VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 105.) Der zweite Teil des Textes entspricht dann der LXX-Fassung. (Vgl. auch ebd.) Im Hinblick auf Jes 8,14 ist besonders die Wendung „Fels des Ärgernisses“ eine Gemeinsamkeit von 1Petr 2,8 und Röm 9,33 gegen den Septuaginta-Text. (Vgl. a.a.O. 107.) Bei allen Entsprechungen auf der Wortebene darf nicht vergessen werden, dass die Funktion und Ausrichtung der Zitate je unterschiedlich ist: „The difference between Paul’s use of Isaiah and Peter’s is that what is laid ‚in Zion‘ for Paul is a ‚stone of stumbling and a rock to trip over‘ (i.e. for the Jewish people), while for Peter it is a ‚choice and precious stone, a cornerstone‘ (i.e. for Christian believers, v 7a).“ (MICHAELS, 1 Peter, 103.) 406 SNODGRASS, 1 Peter II. 1–10, 98f. 407 Vgl. a.a.O. 99.

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verschachtelt sind, während sie in 1Petr 2 vollständiger und voneinander getrennt wiedergegeben werden und zusätzlich das Psalm-Zitat eingeschoben wird. Besonders die Ergänzung der Zitate scheint bei bestehender Abhängigkeit von Röm unwahrscheinlich.408 Snodgrass hat gezeigt, dass ein Zusammenhang der beiden Jesaja-Passagen wohl schon vorchristlich gegeben war und bereits in Jesaja selbst eine Beziehung hergestellt wurde, die durch die LXXÜbersetzung noch verstärkt wurde.409 Es erscheint insgesamt einleuchtender, davon auszugehen, dass Röm 9,32f. und 1Petr 2,4–8 auf dieselbe Textbasis rekurrieren, als dass sie voneinander abhängig sind. Dies kann auf einen griechischen Text verweisen, der von der Septuaginta-Übersetzung abweicht und eher dem Aquilas ähnelt,410 oder, meines Erachtens überzeugender, auf eine „ältere Textcollage“.411 Für den Verfasser sind die Aussagen der jüdischen Heiligen Schriften auf Christus und die Gemeinde hin übertragbar, ohne dass dabei eine Typologie vorliegt oder sie die Funktion der Erfüllung einer Weissagung einnehmen sollen.412 „1 Petr denkt ganz biblisch, ohne die Schrift christlich zu Beweiszwecken zu degradieren.“413 In der Forschung umstritten ist, ob insgesamt ein urchristliches Florilegium bzw. eine Testimoniensammlung zum Bild vom Stein verwendet wurde.414 Für diese Annahme kann die Tatsache sprechen, dass auch

408 Vgl. auch a.a.O. 100. Auch eine Abhängigkeit von Eph 2,19f. oder von Stein-Passagen in den Qumran-Schriften wurde in der Forschung gelegentlich angenommen. Snodgrass zeigt, dass es zwar offensichtliche Parallelen gibt, sich daraus eine literarische Abhängigkeit jedoch nicht plausibel ableiten lässt. (Vgl. a.a.O. 101f.) 409 Vgl. a.a.O. 99. 410 Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 107; MICHAELS, 1 Peter, 106. Michaels sieht auch in den Übersetzungen von Symmachus und Theodotion Parallelen. 411 VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 107. Vgl. auch MICHAELS, 1 Peter, 94. 412 Vgl. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 44. 413 A.a.O. 41f. 414 Für ein Florilegium und somit die vollständige Aufnahme einer urchristlichen Tradition votiert z.B. Feldmeier, der die ungewöhnliche Metapher des „lebendigen Steins“ darauf zurückführt. Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 89. Von einem Florilegium spricht auch Vahrenhorst (VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 106), der jedoch betont, dass der Verfasser immer wieder von der Zitatencollage abweicht und eigene Schwerpunkte setzt. Von einer Testimoniensammlung, auch in der konkreten Gestalt eines Testimonienbuchs (mit dem Sitz im Leben in Apologetik oder der Unterweisung Neugetaufter) geht auch Michaels aus. (Vgl. MICHAELS, 1 Peter, 94.) Dementsprechend ist er der Ansicht, dass das Bild des „Hauses aus lebendigen Steinen“ nicht vollständig auf den Verfasser des 1Petr rückführbar ist. (Vgl. a.a.O. 96.) Problematisch ist, dass Florilegium und Testimoniensammlung/buch nicht gänzlich klar definierte Begriffe sind bzw. nicht eindeutig festlegen, welchen Anteil der sie verwendende Autor an der Endgestalt des Textes hat. Sie können sowohl auf eine lose Materialsammlung als auch auf einen festgelegten, direkt zitierten Text verweisen. Wenn von einer losen Zitatensammlung ausgegangen wird, ist der Begriff „ȜȓșȠȢ-Komplex“, wie ihn Elliot verwendet, besser geeignet. (Vgl. ELLIOTT, JOHN H., The Elect and the Holy.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

in Lk 20,17f. und Mt 21,42–44 das Zitat aus Ps 118 weiter ausgeführt wird, wobei Anspielungen auf Dan 2,34.45 und ggf. auch auf Jes 8,14f. erkennbar sind. Auch hier liegt somit offenbar eine Tendenz vor, unterschiedliche SteinZitate zusammenzustellen. Eventuell boten insbesondere die Daniel-Passagen die Möglichkeit einer messianischen Deutung des Steins und wirkte sich auch der ähnliche Klang der hebräischen Worte für „Stein“ und „Sohn“ begünstigend aus.415 Die deutlichen Nähen zu Röm 9,32f. gegenüber der SeptuagintaFassung können ebenfalls als Indiz für eine entsprechende Sammlung angesehen werden. Allerdings ist fraglich, inwieweit der Wortlaut von 1Petr 2,4–8 auf eine Tradition rückführbar ist. Während es durchaus sinnvoll sein kann, von einer Art Zitatensammlung auszugehen, die durch das Motiv des Steins geprägt ist und dieses auf Christus bezieht, kann das konkrete Arrangement und die Ausdeutung dieser Zitate gut vom Verfasser des 1Petr stammen, wie Brox im Hinblick auf den Kontext der Passage und den Fortgang des Briefes anmerkt.416 Wie der Vergleich der neutestamentlichen Texte zeigt, ist die SteinChristus-Metapher ganz offensichtlich auf eine frühchristliche Überlieferung zurückzuführen, wobei zu beachten ist, dass bereits im Judentum eine ähnliche Tradition das Steinbild messianisch-eschatologisch aufgeladen hat,417 wie auch in Qumran Jes 28,16 auf die Gemeinde bezogen wurde.418 Ob die konkrete sprachliche Ausgestaltung von 1Petr 2,4–8 aber auf urchristliche Überlieferung zurückgeht, bleibt fraglich. Insbesondere die Beurteilung von Snodgrass ist in diesem Zusammenhang überzeugend. Er geht davon aus, dass der Autor des ersten Petrusbrief die biblischen Texte selbst gut kannte, gleichzeitig aber auch auf traditionelles Material zurückgegriffen hat.419 Dieses Material wurde von ihm nach eigenem Bedürfnis arrangiert und interpretiert. Dabei kann eine festgefügte Gestalt der Tradition, etwa in Form eines Testimonienbuches oder gar eines Hymnus, nicht ausgemacht werden, und es ist auch unklar, ob es sich um eine schriftliche oder mündliche Überlieferung gehandelt hat, obwohl die Übereinstimmungen mit Röm 9,32f. auf eine schriftliche Quelle verweisen können.420 Offenbar war die Steinmetaphorik im Urchristentum relativ stark verbreitet und von hohem Gewicht. Dafür spricht die (literarisch unabhängige) Überlieferung in unterschiedlichen neutestamentlichen Schriften wie auch die Tatsache, dass Paulus das Steinbild einer ihm weitestgehend unbekannten Gemeinde gegenüber gebraucht, ohne es weiter zu erklären oder aufzulösen.421 An Exegetical Examination of 1 Peter 2: 4–10 and the Phrase basileion hieráteuma (Novum Testamentum: Supplements 12), Leiden: Brill 1966. Z.B. 138–141.) 415 S.o. Abschnitt 2.2.2. Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 91. 416 Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 95. 417 Vgl. a.a.O. 100 und SNODGRASS, 1 Peter II. 1–10, 100. 418 Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 91. 419 Vgl. SNODGRASS, 1 Peter II. 1–10, 103. 420 Vgl. a.a.O. 105f. 421 Vgl. a.a.O. 105.

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Sowohl im Römer- als auch im ersten Petrusbrief nimmt die Steinmetaphorik zudem eine zentrale Stellung ein, womöglich, weil sie eine Vielfalt an Anknüpfungspunkten und Deutungsmöglichkeiten eröffnet: „The stone testimonia were used to help the church express her Christology, her understanding of Christ’s rejection and exaltation, her soteriology, her ecclesiology, and her understanding of judgement.“422 Dabei überdeckt die In-Gebrauch-Nahme der entsprechenden Passagen teilweise den ursprünglichen Aussagegehalt. Gerade in 1Petr ist auffällig, dass der Kontext der jeweiligen Zitate nur eine äußerst untergeordnete Rolle spielt, was besonders an Jes 28,16 deutlich wird. Es handelt sich dabei ursprünglich um eine „Gerichtsankündigung, welche gegen die Priester und Propheten Jerusalems gerichtet ist“,423 was auch im Zusammenhang von 1Petr 2 passend erscheint. Im dortigen Kontext wirkt die Aussage jedoch weniger bedrohlich als vielmehr ermutigend, da Christus als Stein eine positive Funktion für die Adressierten erfüllt.424 Im Folgenden soll nun die Metaphorik von 1Petr 2,4–8 Schritt für Schritt erläutert werden. Dazu ist es zunächst interessant, auf die Bildhaftigkeit des Vorausgehenden zu achten. In V. 2 werden die Adressierten als „neugeborene Kinder“ (ਕȡIJȚȖ੼ȞȞȘIJĮ ȕȡ੼ijȘ) bezeichnet, die dazu aufgefordert werden, „die geistige, unverfälschte Milch“ (IJઁ ȜȠȖȚțઁȞ ਙįȠȜȠȞ Ȗ੺ȜĮ) zu ersehnen. Auf das Bild trinkender Säuglinge wird durch das Verb ȖİȪȦ („schmecken“) im nachfolgenden Vers weiter verwiesen.425 Recht abrupt426 wandelt sich das Bild zu dem des Hausbaus aus lebendigen Steinen und später zur Priesterschaft. Die Adressierten werden somit zunächst als Säuglinge (V. 2), dann als „lebendige Steine“ und insgesamt als „geistliches Haus“ und „heilige Priesterschaft“ (V. 4) dargestellt. Es liegen Diversifikationen vor, die durch die Nähe zueinander Spannungen erzeugen, was die Konsistenz des Bildes betrifft. Vor allem der Übergang von Neugeborenen zu Steinen erscheint hart. Auch zwischen dem „Schmecken“ und der metaphorischen Bezeichnung Jesu als „Stein“ besteht ein deutlicher Kontrast. Möglicherweise lässt sich die Härte des Bildübergangs aber ein Stück weit relativieren. Man kann den Bau des Hauses hier als „etwas

422

Ebd. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Beobachtung von Michaels, dass in der Rede Jesu in den synoptischen Evangelien an einigen Stellen und in verschiedenen Zusammenhängen Baumetaphorik vorkommt, so dass ein Bezug zum historischen (oder von der frühesten Gemeinde erinnerten) Jesus hergestellt werden könnte: „the building metaphor may have played a significant role in his self-consciousness and his vision of the future.“ (MICHAELS, 1 Peter, 97.) 423 FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 91. 424 Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 100. Für den ursprünglichen Kontext von Ps 118,22 vgl. auch a.a.O. 101. 425 Vgl. auch VIELHAUER, Oikodome, 137. 426 So auch BROX, Der erste Petrusbrief, 96.

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lebendig wachsendes [sic]“427 ansehen, womit sowohl Assoziationen zum deutschen „Körperbau“ als auch zur Rede vom Leib Christi geweckt werden.428 Michaels hält dementsprechend fest: „In 1 Peter, as in Ephesians, the metaphor of growth is closely associated with the metaphor of building.“429 Die Milch, die Neugeborene aufnehmen, dient nicht nur dem Lebenserhalt, sondern ist auch Katalysator des kindlichen Wachstums. Dieses individuelle Wachstum korrespondiert im weiten Sinn mit dem Wachstum der Gemeinschaft aus einzelnen, das durch die Hausbaumetaphorik ausgedrückt wird. Auch die Angewiesenheit der Adressierten auf Jesus und ihre Passivität, obwohl imperativisch formuliert wird, ist in beiden Bildbereichen auffällig. Trotz dieser inhaltlichen Bezüge bleibt der Bilderwechsel schroff, ist aber deswegen nicht rhetorisch ungeschickt. Es werden unterschiedliche Aspekte des christlichen Daseins beleuchtet, wobei ab V. 5 insbesondere die Gemeinschaft der Gläubigen ௅ auch gegen eine feindliche Umwelt ௅ in den Vordergrund rückt. Mit einigem interpretativen Abstand ist auch Michaels’ Einschätzung begründet: „his close juxtaposition of the growth metaphor with that of building, and of drinking a mother’s milk with that of coming to the living Stone, allows the first set of imagess to illumine and enrich the second.“430 Ob dies jedoch auch für Erstrezipierenden zutreffend ist, bleibt fraglich. V. 4 beginnt mit einer klar ersichtlichen Substantivmetapher. Der T-Term, das Relativpronomen ੔Ȟ, das sich rückbezieht auf ੒ ț઄ȡȚȠȢ („der Herr“) in V. 3, wird zunächst gleichgesetzt mit dem V-Term Ȝ઀șȠȞ („Stein“). Die Metapher gewinnt allerdings dadurch an Komplexität, dass der V-Term durch ein Partizip, ȗ૵ȞIJĮ („lebend“/„lebendig“), näher bestimmt wird, und dies eindeutig in Spannung zum V-Term steht.431 Der Status dieses Partizips kann auf unterschiedliche Weise aufgefasst werden, wobei es stets wie ein Adjektiv behandelt wird. Es ist zunächst möglich, darin eine zweite Metapher auszumachen, so dass eine Metaphernverkettung vorliegt, in der eine Adjektivmetapher an eine Substantivmetapher angehängt ist. Gleichzeitig kann ȗ૵ȞIJĮ eine Form von Marking darstellen. Es verweist auf einen Prozess der Personifizierung und zeigt dadurch, dass kein gewöhnlicher Stein gemeint ist, sondern man diese Aussage als metaphorisch aufzufassen hat. Schließlich ist das Partizip mit dem T-Term der Metapher kompatibel, nicht aber mit dem V-Term. Obwohl beide Auffassungen einander nicht ausschließen, erscheint es vor dem Gesamtkontext sinnvoll, von einer Abschwächung und Auflösung der Metapher durch eine Metaphernmarkierung auszugehen, wie sie der Verfasser hier häufiger verwen427

SCHWEIZER, Der erste Petrusbrief, 42. Vgl. ebd. 429 MICHAELS, 1 Peter, 93. 430 A.a.O. 99. 431 So auch a.a.O. 98: „ȜަșȠȞ ȗࠛȞIJĮ has the effect of a paradox or deliberate contradiction in terms“ (Hervorhebung im Original). 428

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det. Auch Michaels urteilt, im Anschluss an eine Reihe von Exegeten und Exegetinnen, ȗ૵ȞIJĮ sei hier „a characteristic signal (like ȜȠȖȚțȩȞ in v 2 or ʌȞİȣȝĮIJȚțȩȢ in v 5) that he is using the word ‚stone‘ in a metaphorical rather than a literal sense“.432 Es ist zugleich möglich, in diesem Attribut eine Anspielung auf die Auferstehung Jesu zu sehen433 oder auf seine lebensspendende Kraft.434 Meines Erachtens können all diese Nuancen hier eine Rolle spielen, obwohl die Markierung der Metapher am auffälligsten ist und sich eine lebensspendende Wirkung nur sehr indirekt ableiten lässt. Weiterhin ist zu beachten, dass das Attribut „lebendig“ für den Verfasser nicht untypisch ist und bereits an zwei Stellen in 1,3.23 gebraucht wurde.435 Zudem kann es der Kontinuität zu den vorausgehenden Versen dienen, in denen die Neugeborenen-Thematik auch auf Leben und Wachstum verweist.436 Neben dem sich direkt an das Substantiv anschließenden Partizip wird der V-Term durch zwei weitere Wendungen näher bestimmt, die im Gegensatz zueinander stehen: ਫ਼ʌઁ ਕȞșȡઆʌȦȞ ȝ੻Ȟ ਕʌȠįİįȠțȚȝĮıȝ੼ȞȠȞ („von Menschen zwar verworfen“) und ʌĮȡ੹ į੻ șİ૶ ਥțȜİțIJઁȞ ਩ȞIJȚȝȠȞ („von Gott aber auserwählt, kostbar“). Dabei besteht eine komprimierte Bezugnahme auf die in V. 6f. folgenden Zitate aus den jüdischen Heiligen Schriften, wobei die Anspielungen in umgekehrter Reihenfolge vorliegen. ਥțȜİțIJઁȞ ਩ȞIJȚȝȠȞ entspricht dabei im Wortlaut dem Zitat aus V. 6, dass diese Bewertung des Ecksteins nicht objektiv ist, sondern durch Gott geschieht, ist aber zusätzliche Interpretation, die eine Gegenüberstellung mit dem Zitatausschnitt aus Ps 118 erleichtert. Bemerkenswert ist, dass die beiden Begriffe im Zitat selbst metaphorisch aufgeladen sind, „,choice and precious‘ in the sense of well-hewn and valuable for building“,437 was wenig auffällig ist, wenn man Jesus als Topic im Blick hat. Durch die Ausrichtung auf Gott erhalten die Attribute nun einen spezifisch theologischen Sinn.438 Der Umgang mit dem Zitat aus Ps 118 ist nochmals etwas freier: Das Tempus wird vom Aorist ins Perfekt umgewandelt und die Bauleute werden ௅ im Zuge einer vorausgreifenden Deutung ௅ generell als „Menschen“ identifiziert.439 Die Generalität der Aussage und der Gebrauch des Perfekts deuten auf den Bezug zur Lebenssituation 432

A.a.O. 98. (Hervorhebung im Orignal) Ähnlich BROX, Der erste Petrusbrief, 96. So z.B. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 101f. 434 So MICHAELS, 1 Peter, 98. Zu den verschiedenen Interpretationen vgl. auch BROX, Der erste Petrusbrief, 96 Fn 321. 435 Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 88 und MICHAELS, 1 Peter, 98. 436 Vgl. MICHAELS, 1 Peter, 98. 437 A.a.O. 99. 438 Vgl. ebd. 439 Vgl. auch BROX, Der erste Petrusbrief, 97; MICHAELS, 1 Peter, 99. Die Identifizierung dieser Menschen als „the pagan enemies of Jew and Christian alike in Roman society“ mag vor dem historischen Hintergrund des 1Petr sinnvoll erscheinen, resultiert nach dem Wortlaut des Textes, der nur generell von „Menschen“ spricht, jedoch in einer (doppelten) Engführung. 433

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der Adressierten, der hier insgesamt, auch in den christologischen Aussagen, höchst relevant ist. An diesem Punkt wird deutlich, dass anders als in den synoptischen Evangelien und bei Paulus die Steinmetaphorik und insbesondere das Zitat aus Ps 118 nicht dafür genutzt wird, die Ablehnung (und Tötung) Jesu durch führende religiöse Kreise des Judentums zu deuten.440 Selbst wenn daran gedacht wird, ist dies zumindest nicht vorrangig relevant. Es geht vielmehr um die gegenwärtige Ablehnung Jesu und damit auch der Gläubigen. Daher ist auch der Tod Jesu, der an anderer Stelle stark mit der Steinmetapher verbunden ist, hier eher nebensächlich. Er klingt durch das Wort „verworfen“ an und wenn man im „lebendigen Stein“ einen Verweis auf Jesu Auferstehung sieht, ist er auch dafür die Voraussetzung. Doch dies sind alles sehr indirekte Bezüge. Die anderen neutestamentlichen Steinpassagen sind vor allem am Stein selbst, seinem Schicksal und seiner Wirkung interessiert, während in 1Petr ein klarer Bezug zur Gemeinde vorliegt.441 „Der 1Petr interpretiert mit dieser Schriftcollage kein historisches Phänomen, sondern eine gegenwärtige Erfahrung.“442 Der erste Vers leitet somit in komprimierter und interpretierender Form die Schriftzitate ein, aber auch ohne die nachfolgenden ausführlicheren Zitate wird deutlich, „daß es um eine eindeutige Stellungnahme zu dem umstrittenen Christus geht: Zwischen (den) Menschen und Gott ist das Urteil schroff gegensätzlich.“443 Möglicherweise lässt sich das den Vers einleitende Partizip, das zum Kommen zu Jesus aufruft, auch in dem Sinn interpretieren, dass für Jesus Partei ergriffen und sich mit ihm solidarisiert werden soll.444 In V. 5 wird nun durch die Fortsetzung der Metaphorik eindeutig eine Verbindung zwischen den Adressierten und Jesus hergestellt. Das Bild des leben-

440

Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 102f. Vgl. VIELHAUER, Oikodome, 139. 442 VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 102f. Das bedeutet auch, dass 1Petr 2,4– 8 nicht als genuin antijüdische Polemik aufgefasst werden kann, wie Vielhauer dies tut. (Vgl. VIELHAUER, Oikodome, 140.) Dies mag für die anderen neutestamentlichen Steinzitate gelten, aber hier lässt sich im Gesamtabschnitt erkennen, dass von Israel gar nicht die Rede ist und somit auch keine Abgrenzung der (heiden-)christlichen Gemeinde vom Judentum stattfindet. Der Autor ist nur an der Gegenwart der Gemeinde interessiert, die in „Kontinuität und Identität“ (FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 44) mit den Aussagen der jüdischen Heiligen Schriften gesehen wird. Michaels fasst dies m.E. sehr treffend zusammen: „There is no trace of polemic in this practice […], but only a curious appearance of naïvete. Nowhere in 1 Peter are the readers addressed as a new Israel or a new people of God, as if to replace the Jewish community. The titles of honor are used with no awareness or recognition of an ‚old‘ Israel, as if they were applicable to Christians alone and had never had any other reference. If there is ‚anti-Jewish polemic‘ here, it is a polemic that comes to expression simply by pretending that the ‚other‘ Israel does not exist.“ (MICHAELS, 1 Peter, 107. Hervorhebungen im Original) 443 BROX, Der erste Petrusbrief, 97. 444 So ebd. 441

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digen Steins, das in V. 4 entwickelt wurde, wird nun auf die Gläubigen übertragen, wobei auch hier eine klare Gleichsetzung des Pronomens Įਫ਼IJȠȓ („euch selbst“) mit Ȝ઀șȠȚ ȗ૵ȞIJİȢ erfolgt. Es liegt also eine Form von Multivalenz vor, die eine starke Verbundenheit und damit auch Schicksalsgemeinschaft impliziert. Durch das eingefügte ੪Ȣ wird die Metapher hier jedoch markiert und somit abgeschwächt ௅ ähnlich wie in V. 2 die Gleichsetzung der Angesprochenen mit neugeborenen Kindern durch dieses Wort relativiert wird. Gemeinsam mit der Tatsache, dass das Attribut „lebendig“ auch hier als Markierung der Metapher gesehen werden kann, zeigt dies, dass der Verfasser trotz der starken Bilder sehr darum bemüht ist, zu verdeutlichen, dass das Gesagte nicht „wörtlich“ zu verstehen ist. „Ob und wie das parallele Attribut ‚lebendig‘ ausdrücklich anzeigen soll, daß die Christen ihr Leben von Christus haben, gibt der Text nicht zu erkennen.“445 Der Hauptfokus bleibt auf der Parallelität von Jesus und den Gläubigen. Was das konkret bedeutet, wird hier noch nicht direkt deutlich. Es wird nicht ausgedrückt, dass auch die Christen von Menschen verworfen sind,446 obwohl dies durchaus impliziert sein kann. Auch die Erwählung durch Gott spielt erst später eine Rolle. Der Verfasser bleibt nicht bei den „lebendigen Steinen“, sondern führt das Bild rasch fort: „Only momentarily does he focus attention on Christian believers individually (i.e., as a plurality of ‚stones‘), for his real interest is in their corporate identity.“447 Die „lebendigen Steine“ sollen sich „aufbauen lassen zu einem geistigen Haus“ (ȠੁțȠįȠȝİ૙ıșİ ȠੇțȠȢ ʌȞİȣȝĮIJȚțóȢ). Vielhauer spricht von den Versen 4f. als „sekundäre Allegorien“,448 die sich aus den primären Schriftzitaten ableiten lassen. Brox greift diesen Gedankengang auf, wenn er schreibt: „Das Bild wird ausgemalt. Das ‚Erbauen‘ eines ‚Hauses‘ ist hier reine Allegorie, die aus dem Argumentieren mit den folgenden Schrifttexten entstanden ist (und vom Verfasser mit der Stein-Allegorie verbunden wird).“449 Diese Aussage hat einen negativen Unterton. Auch Feldmeier bemerkt, dass das Bild des Baus aus lebendigen Steinen „im katechetischen Interesse strapaziert“450 wird. Dabei ist meines Erachtens die Tatsache, dass das Bild aus den Schriftzitaten entwickelt wurde, kein Makel. Es zeigt sich an dieser Stelle vielmehr, wie kreativ der Verfasser die vorgegebenen Bilder fortführt, um sie der eigenen Sache nutzbar zu machen. Hierin liegt der innovative Ansatz, der gleichzeitig den Kern der Erweiterten Metapher bildet. Ob man das entstehende Bild als „strapaziert“ oder „gebrochen“ auffasst, ist stark subjektiv ௅ und auch ein solches Bild hat noch eine ganz eigene rhetorische Kraft. Für mein Empfinden ist die Baumetaphorik logisch und passend. Vor dem Hintergrund der anderen Vorkommnisse von ȠੁțȠįȠȝȑȦ im Neuen 445

Ebd. Vgl. ebd. 447 MICHAELS, 1 Peter, 99. 448 VIELHAUER, Oikodome, 137. 449 BROX, Der erste Petrusbrief, 97. 450 FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 89. 446

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Testament ist es möglich, dieses Verb als zum „urchristlichen sakralen Vokabular“451 gehörend zu interpretieren. Allerdings kann es auch einfach als naheliegende Weiterentwicklung des erzeugten Bildes452 und als durch den Einfluss von Ps 118 motiviert interpretiert werden. Die in V. 7 explizit angeführten, den Stein verwerfenden Menschen werden ebenfalls durch das Verb ȠੁțȠįȠȝȑȦ charakterisiert. Hierin ist das Bild des Hauses schon angelegt. Ps 118,22 erweckt somit implizit das Bild von Menschen beim Häuserbau, die einen bestimmten Stein ௅ den „lebendigen Stein“ in der Interpretation von 1Petr ௅ verwerfen. Dem setzt der Autor nun ein anderes Bild gegenüber: ein von Gott gebautes Haus (passivum divinum), das gänzlich aus „lebendigen Steinen“ besteht. Die in V. 4 bereits erkennbare Gegenüberstellung von Gottes- und Menschenwirken wird hier weiter ausgeführt. Dass das Haus als „geistlich“ (ʌȞİȣȝĮIJȚțóȢ) bezeichnet wird, hat zunächst eine ähnliche Funktion wie das Attribut „lebendig“ zuvor: die Metapher wird als solche kenntlich gemacht. Die Wendung ȠੁțȠįȠȝİ૙ıșİ ȠੇțȠȢ steht ohne direkt entsprechenden T-Term und führt die Ȝ઀șȠȚ-Metapher auf der Ebene des Vehicles als Erweiterung fort. Durch das Adjektiv ʌȞİȣȝĮIJȚțóȢ wird aber daran erinnert, dass der Diskurs auf der Vehicle-Ebene abläuft und auch auf einen anderen Sachverhalt verweisen soll. Wie bei dem „lebendigen Stein“ kann auch dieses Attribut zusätzlich inhaltlich bestimmt werden: „Pneumatikos betont […] die Entsprechung der so bezeichneten Menschen oder Gegenstände zur Welt Gottes ௅ und schafft zugleich eine Distanz zur Welt, wie wir sie kennen. Das Gebäude entspricht als ‚geistliches Gebäude‘ Gott selbst.“453 Der Fortgang des Verses sorgt nun dafür, dass die bis dahin relativ klare und logisch strukturierte Metaphorik durchbrochen wird, denn die Adressierten sollen sich als geistliches Haus aufbauen lassen „zu einer heiligen Priesterschaft, darzubringen geistige Opfer, die Gott angenehm sind, durch Jesus Christus“ (İੁȢ ੂİȡ੺IJİȣȝĮ ਚȖȚȠȞ ਕȞİȞ੼ȖțĮȚ ʌȞİȣȝĮIJȚț੹Ȣ șȣı઀ĮȢ İ੝ʌȡȠıį੼țIJȠȣȢ șİ૶ įȚ੹ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨). Aus dem Kontext wird klar, dass neben den Steinen und dem Haus auch die Priesterschaft auf eine Metapher verweist.454 Die Inanspruchnahme dieses Verses in der Geschichte seiner Rezeption für das Priestertum aller Gläubigen wird somit dem Ursprungstext nicht gerecht. Durch die Gleichsetzung der Adressierten mit Steinen (individuell) bzw. einem Haus (kollektiv) einerseits und mit einer Priesterschaft (kollektiv) andererseits lässt sich hier eine Diversifikation ausmachen ௅ unterschiedliche Vehicles werden auf dassselbe Topic, die christliche Gemeinde, bezogen. Auch die Priesterschaftsmetapher ist strukturell nicht einfach, sondern enthält eine Erweiterung durch den 451

VIELHAUER, Oikodome, 138. Aufbau und Fragestellung der Arbeit Vielhauers legen dies nahe. 1Petr 2,4–8 nimmt darin nur eine kleine Rolle ein und die Deutung wird teilweise durch andere Bibelstellen beeinflusst. 452 Das zieht auch Vielhauer zumindest in Erwägung. Vgl. ebd. 453 VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 103. (Hervorhebung im Original) 454 Vgl. auch FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 45.

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Verweis auf die Darbringung „geistiger Opfer“. Dabei stellt das Adjektiv ʌȞİȣȝĮIJȚțóȢ eine deutliche Verbindung zwischen den beiden Bildern her: Sowohl das Haus wird als „geistig“ bezeichnet als auch die von der Priesterschaft dargebrachten Opfer. Auch hier kann erwogen werden, ob das Attribut allein der Markierung der Metapher dient oder eine zusätzliche inhaltliche Bedeutung relevant ist, etwa in dem Sinne, dass sie durch Gottes Geist gewirkt werden.455 Frankemölle sieht in dem Gebrauch des Adjektivs einen Schwerpunkt der verfassenden Person,456 wobei auch denkbar ist, dass es lediglich zur Stiftung von Kohärenz zwischen zunächst unterschiedlichen Bildern dienen soll. Was genau auf metaphorische Weise als Opfer bezeichnet wird, wird aus dem Text selbst nicht deutlich. Es könnte sich um Lobpreis und Dank handeln, wie er in 1Petr 1,3 formuliert wird.457 Gerade die Tatsache, dass die Opfer durch Jesus vor Gott Gefallen finden, lässt eine Parallele zu Hebr 13,15f. erkennen, wodurch man geneigt ist, auch hier einen Verweis auf Lob und Dank zu sehen. Aus dem Kontext von 1Petr 2,4–8 lassen sich die Opfer aber auch sozialethisch auffassen, so dass sie im Kontrast zu den in 2,1.8 geschilderten Verfehlungen den rechten Lebenswandel bezeichnen.458 Als dritte Möglichkeit meint Michaels in der Wendung IJ੹Ȣ ਕȡİIJ੹Ȣ ਥȟĮȖȖİ઀ȜȘIJİ IJȠ૨ ਥț ıțંIJȠȣȢ ਫ਼ȝ઼Ȣ țĮȜ੼ıĮȞIJȠȢ in V. 9b eine Entsprechung zu sehen: „The first (‚to offer up spiritual sacrifices acceptable to God‘) is metaphorical in a way that the second (‚to sound the praises of him who called you‘) is not. The second is appropriately regarded as a dissolving of the metaphor and therefore as an interpretation of the first.“459 Dementsprechend wäre am ehesten die Verkündigung, das heißt wohl die Missionspredigt, durch die Metapher bezeichnet. Die Begrifflichkeiten in der zweiten Hälfte von V. 5 greifen auf die Zitate in V. 9f. zurück und durchbrechen insofern die erweiterte Steinmetaphorik, etablieren aber auch selbst einen Metaphernkomplex. Die Bilder vom Hausbau und der Priesterschaft scheinen ziemlich schnell und direkt aufeinanderzuprallen, was V. 5 in die Nähe einer Metaphernvermischung rückt. Allerdings gibt es Interpretationsansätze, die diese Spannung abmildern. Einige Exegetinnen und Exegeten sehen in dem Haus einen Verweis auf den Tempel, da ȠੇțȠȢ in der Septuaginta und auch bei den Synoptikern als Bezeichnung für den Jerusalemer Tempel verwendet wurde.460 Auch das entsprechende Verb könne für

455

So SCHWEIZER, Der erste Petrusbrief, 43. Vgl. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 42. 457 Vgl. SCHWEIZER, Der erste Petrusbrief, 43. 458 Vgl. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 42; FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 90. 459 MICHAELS, 1 Peter, 110. 460 Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 103. 456

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den Kontext des Tempels belegt werden.461 Bereits Vielhauer geht ganz selbstverständlich davon aus, dass mit dem Haus der Tempel gemeint ist,462 allerdings im Sinne einer „Kollektivbezeichnung unter dem Gesichtspunkt der Heiligkeit“.463 Das heißt, dass der Verfasser eine schon verhältnismäßig stark konventionalisierte Metapher übernommen hat, in der ȠੇțȠȢ zunächst auf den Tempel verweist, und dieser wiederum auf eine Gemeinschaft, die Gott nahesteht. Die Einbettung dieser Metapher in den Kontext führe dann zu einer Reaktivierung: „Es schwebt dem Verf. des 1Petr nicht das Bild eines Tempels vor, das er auf die Gemeinde überträgt; sondern er gibt dem zur Kollektivbezeichnung spiritualisierten Bilde vom ‚geistlichen Haus‘ wieder den ursprünglichen eigentlichen Sinn (Gebäude), um ihm alsbald wieder mit einer sakralen Kollektivbezeichnung (Priesterschaft) zu vertauschen.“464 Dabei hilft, dass ȠੇțȠȢ doppeldeutig ist und sowohl das Haus als Gebäude als auch den Haushalt bzw. die Hausgemeinschaft bezeichnen kann. Die häufig vertretene Identifizierung des Hauses mit dem Tempel deutet die Passage analog zu Stellen wie 1Kor 3,16; 6,19 und vor allem Eph 2,20–22.465 In diesen Fällen ist jedoch explizit vom ȞĮȩȢ die Rede, einer Vokabel, die 1Petr generell nicht verwendet. Die Deutung des Hauses als Tempel ist an dieser Stelle prinzipiell denkbar, aber dies kann nicht letztgültig geklärt werden. Nur in 1Petr 4,17 ist noch vom „Haus Gottes“ (IJȠ૨ Ƞ੅țȠȣ IJȠ૨ șİȠ૨) die Rede und auch hier sind prinzipiell beide Deutungen möglich. Der 1Petr bietet also keinen Anhaltspunkt dafür, das Haus hier mit dem Tempel gleichzusetzen, aber es gibt auch kein Indiz dafür, dass eine solche Deutung ausgeschlossen werden muss. Meines Erachtens zeigt sich aber in der Tempeldeutung ein Bestreben dahin, die Einzelmetaphern und dahinter liegenden semantischen Felder in Einklang miteinander zu bringen und somit die Spannung zu lösen. Diese Harmonisierung gelingt jedoch nur mäßig, denn die Annahme eines umfassenden semantischen Felds für V. 5 führt zwangsläufig zu einer Metapherninkonsistenz, wie auch Schweizer bemerkt: „Aber wäre dann die Gemeinde der Tempel und zugleich die Priesterschaft darin?“466 Und dass der Autor zu einem raschen Bilderwechsel durchaus in der Lage ist, hat der oben geschilderte Übergang von Säuglingen zu Steinen bereits gezeigt. Eine in eine gänzlich andere Richtung gehende Interpretation liefert Brox. Er beurteilt die „überall vertretene“467 Gleichsetzung des Hauses mit dem Tempel als Eintragung aus anderen neutestamentlichen Stellen, wohl vor allem aus 461

Vgl. SCHWEIZER, Der erste Petrusbrief, 42. Vgl. VIELHAUER, Oikodome, 137. 463 A.a.O. 138. Diesen Gedankengang greift auch Feldmeier auf. Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 90. 464 VIELHAUER, Oikodome, 138. 465 Vgl. z.B. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 90 Fn 275. 466 SCHWEIZER, Der erste Petrusbrief, 42. 467 BROX, Der erste Petrusbrief, 98. 462

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Eph 2, und vom Begriff ੂİȡ੺IJİȣȝĮ her. Ihm zufolge haben alle Grundbestandteile von V. 4f. eine Entsprechung in den nachfolgenden Schriftzitaten. Dies müsse also auch für das „Haus“ gelten. Im Ausschlussverfahren kommt dafür nur das Wort ȕĮı઀ȜİȚȠȞ von V. 9 in Frage, das Brox nicht adjektivisch als Attribut zu ੂİȡ੺IJİȣȝĮ versteht („königliche Priesterschaft“), sondern als eigenständiges Substantiv im Sinne des „Königshauses“. „Anders wäre ȠੇțȠȢ ʌȞİȣȝĮIJȚțઁȢ in VV 4f die einzige selbstständige Metapher, die keinen Anlaß in den nachfolgenden Bibeltexten hätte.“468 Allerdings ist diese Einschätzung nicht wirklich zutreffend. Zunächst findet sich nirgends in den angeführten Schriftzitaten die Beschreibung des Steins als „lebendig“, die jedoch in V. 4f. maßgeblich ist und eine zusätzliche metaphorische Spannung erzeugt. Auch für die Darbringung „geistiger Opfer“, die für Brox „nichts weiter als eine Verlängerung der Metapher ‚Priesterschaft‘ darstellt“,469 lässt sich nur mühsam und mit einigem interpretatorischen Aufwand ein Pendant in den nachfolgenden Versen finden. Außerdem spricht nichts dagegen, dass hier eine (selbst eine einzelne) selbstständige Metapher vorliegt, im Gegenteil. Wie oben bereits dargelegt, setzt sich der Verfasser interpretativ mit den Schriftzitaten auseinander, und zwar indem er die dort vorhandene Metaphorik aufgreift, kombiniert und fortführt. Insgesamt erscheint es mir an dieser Stelle am sinnvollsten, die weite Bedeutung „Haus“ beizubehalten.470 Dennoch sind in diesem Zusammenhang zwei Beobachtungen wichtig. Zunächst muss davon ausgegangen werden, dass der Wechsel von der Haus- zur Priesterschaftsmetapher den griechischsprachigen Erstrezipierenden aufgrund der Doppeldeutigkeit von ȠੇțȠȢ weniger abrupt vorgekommen sein muss als dies aus heutiger Perspektive den Anschein hat.471 In V. 5 wird zunächst ganz klar das Bild eines Gebäudes evoziert. In dem verwendeten Begriff ist aber auch der Horizont der Hausgemeinschaft enthalten, der aktiviert wird, wenn zum nächsten Bild, der Priesterschaft übergegangen wird. Dementsprechend kann durchaus mit Vielhauer vom Wechsel von einer Kollektivbezeichnung zur nächsten gesprochen werden. Zweitens erfährt die Hausmetapher, selbst wenn man hier noch nicht direkt von einem Tempel ausgeht, durch das hinzukommende Element der Priesterschaft eine Modifizierung in dem Sinne, dass nun die erste Metapher im Licht der zweiten gesehen wird: „Die Rede von der heiligen Priesterschaft stammt aus der Welt des Kultes. Blickt man von ihr her auf das zuvor beschriebene Gebäude, so wird der Bau

468

Ebd. BROX, Der erste Petrusbrief, 99. 470 So auch ELLIOTT, Elect, 157–159; MICHAELS, 1 Peter, 100. 471 Vgl. VIELHAUER, Oikodome, 139; auch VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 103. 469

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

zum Tempel“.472 Auch Michaels hält fest: „it is difficult to imagine a house intended for priesthood as being anything other than a temple of some sort.“473 Für die Erweiterte Metapher sind vor allem V. 4f. von zentraler Bedeutung. Dennoch eröffnen auch die nachfolgenden Verse noch einige interessante Perspektiven. Ab V. 6 wird die Gedankenwelt des Kultes, die mit dem Verweis auf Priesterschaft und Opfer evoziert wurde, zunächst wieder verlassen.474 Auch auf die Christen und Christinnen als lebendige Steine oder das Bild vom Haus wird nun nicht mehr eingegangen, sondern es erfolgt vielmehr eine Erläuterung der Aussagen von V. 4.475 Das Zitat aus Jes 28,16 wird direkt als Schriftzitat eingeführt und kenntlich gemacht und teilt mit V. 4 die Stichworte Ȝ઀șȠȞ, ਥțȜİțIJȩȢ und ਩ȞIJȚȝȠȞ. Es ist inhaltlich noch ziemlich generell gefasst und sagt gegenüber V. 4 nicht viel Neues, obwohl ੒ ʌȚıIJİ઄ȦȞ („der Glaubende“) als wichtiges Stichwort für das Folgende fungiert. „Dann unterbricht der Verfasser mit einer (midraschartigen) erklärenden Glosse sein Zitieren und gibt in der Sprache des gewählten Bildes einen Hinweis auf die Bedeutung Christi für die Gemeinden“,476 das heißt es wird zu Beginn von V. 7 explizit deutlich gemacht, was das Zitat für die Angesprochenen bedeutet, die nun ebenfalls als „Glaubende“ bezeichnet werden.477 Das hier gebrauchte Wort IJȚȝȒ ist mit ਩ȞIJȚȝȠȢ verwandt, was im vorherigen Zitat zur näheren Bestimmung des Steins verwendet wurde. Es bildet neben der Bezeichnung der Glaubenden somit den zweiten Bezugspunkt zwischen Zitat und nachfolgender Erläuterung. Dabei kann IJȚȝȒ sowohl „Ehre“ oder „Wertschätzung“ bedeuten ௅ der Glaube an und die Zugehörigkeit zu Christus sorgen für Ehre vor Gott478 ௅ als auch „Wert“ oder „Kostbarkeit“: „Die Kostbarkeit, der hohe Wert des ‚lebendigen Steins‘ Christus ist für die Gläubigen und nur für sie.“479 Beide Sinnrichtungen sind vom Kontext her prinzipiell möglich und vielleicht soll auch beides hier angedeutet sein. Es folgt ein starker Kontrast,480 da nun neben den angesprochenen Gläubigen auch die Ungläubigen eingeführt werden und beide Gruppen klar vonei472

VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 104. MICHAELS, 1 Peter, 100. 474 So auch VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 105. 475 Anders beurteilt es Brox: „Durch die vorwegnehmende Deutung in V 5, der die Christen mit Christus unter dieselbe Metapher zusammennimmt, war die Stein-Allegorese allerdings auch in die ekklesiologische Interpretation einbezogen worden, für welche diese Texte vom Stein an sich ungeeignet sind, da sie nicht den Plural von Steinen zur Errichtung eines Hauses als Metapher einer Gemeinschaft meinen, sondern mit ihrem Singular rein christologische gewendet waren.“ (BROX, Der erste Petrusbrief, 102.) 476 A.a.O. 101. 477 Vgl. auch MICHAELS, 1 Peter, 104. 478 So z.B. SCHWEIZER, Der erste Petrusbrief, 45. 479 BROX, Der erste Petrusbrief, 101. 480 Vgl. ebd. 473

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nander abgegrenzt werden. Dieser Aufteilung entspricht dann auch die Zuordnung der Zitate: Während sich das Zitat in V. 6 auf die Gläubigen bezieht, dienen die Zitate aus V. 7–8 dazu, das Schicksal der Ungläubigen, die hier offenbar mit den den Stein verwerfenden Bauleuten gleichgesetzt werden, zu illustrieren, für die der „Stein“ Jesus nicht nur unbedeutend ist, sondern sogar gefährlich wird.481 Die Ausschnitte aus Ps 118,22 und Jes 8,14, die auf die Ungläubigen bezogen sind, stehen in enger Verbindung zueinander und werden nur durch țĮȓ miteinander verbunden. Das Anführen von Jes 8,14 ist als Pointe erforderlich, da Ps 118,22 hier nicht per se negativ aufgeladen ist. Dabei konzentriert sich das Zitat aus Ps 118,22 ganz auf die Verwerfung des Steins.482 Auf den positiven Aspekt des Ecksteins wird anders als bei den Synoptikern nicht weiter eingegangen,483 sondern dieser lässt sich allein aus dem Vorherigen ableiten. Durch das Zitat aus Jes 8,14 wird in den Metaphernkomplex nun auch eine Art Modifikation eingebracht: Ȝ઀șȠȢ ʌȡȠıțંȝȝĮIJȠȢ țĮ੿ ʌ੼IJȡĮ ıțĮȞį੺ȜȠȣ („ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses“) bietet zwei eng verbundene Genitivmetaphern, in denen sowohl die T-Terms als auch die VTerms semantisch eng miteinander verknüpft sind. In der zweiten Hälfte von V. 8 wird die Zitatcollage nun verlassen und es erfolgt eine erneute Erklärung bzw. Anwendung.484 Hier zeigt sich in besonderer Deutlichkeit: „das Schicksal des einzelnen entscheidet sich an Christus“.485 Dabei sind die Worte eben nicht an die Ungläubigen selbst gerichtet, sondern an die als gläubig charakterisierte Gemeinde, das heißt auch die Darstellung der vom „Stein“ ausgehenden Gefahr dient dazu, diese in ihrem Glauben weiter zu bestärken.486 Nur kurz bemerkt sein soll, dass auch in V. 9f. weitere Metaphern verwendet werden, die nun mit der Priesterschafts-Opfer-Metaphorik korrespondieren: „V 5 is largely focused in the single metaphor of ‚priesthood‘ or ‚spiritual sacrifices,‘ while v 9 introduces a broader range of metaphors for the Christian community: a ‚race‘, a ‚nation,‘ and a ‚people,‘ as well as a ‚priesthood.‘“487 Insgesamt zeigt sich, dass die Metaphernstruktur von 1Petr 1,4–8 sehr dicht und vielseitig ist. Der gesamte Abschnitt ist durch eine ganze Reihe reiner oder partieller Wiederholungen geprägt.488 Auch eine Vielzahl an Metaphernkombinationen lässt sich hier ausmachen: Multivalenz, Diversifikation bis an die Grenze der Metaphernvermischung (bzw. je nach Auslegung -inkonsistenz)

481

Vgl. ebd. Vgl. auch VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 106; MICHAELS, 1 Peter, 105. 483 Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 92. 484 Vgl. auch BROX, Der erste Petrusbrief, 101; VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 107. 485 BROX, Der erste Petrusbrief, 102. 486 Vgl. ebd. 487 MICHAELS, 1 Peter, 108. 488 Für eine detaillierte Auflistung vgl. ELLIOTT, Elect, 17f. 482

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und Modifikation. Für die Erweiterte Metapher sind insbesondere V. 4f. relevant, auch wenn die nachfolgenden Verse das Bild vom Stein und seiner spezifischen Funktion noch weiter ausführen. Es zeigen sich hier streng genommen zwei Erweiterte Metaphern ௅ vom Haus und von der Priesterschaft. Die erste, die hier vorrangig behandelt wurde, erklärt Vahrenhorst folgendermaßen: „Die Gemeinde wird mit einem Gebäude verglichen, die Glieder mit den Steinen, aus denen sich das Gebäude zusammensetzt. Sie kommen zu einem Stein hinzu, der vor ihnen schon da war, und werden dann zu einem Gott selbst entsprechenden Gebäude zusammengebaut.“489 Christus bildet dementsprechend die tragende Grundlage des Gebäudes.490 Brox dagegen bemerkt: „Nirgends ist übrigens gesagt, daß Christus Grundstein desjenigen Hauses sei, das aus den Christen erbaut ist; die Metaphern sind hier nicht pedantisch ausgearbeitet, sondern skizzieren mit großzügigen Strichen.“491 Dennoch kann das auffordernde Partizip zu Beginn von V. 4 implizieren, dass auch Christus wesentlicher Teil des imaginierten Baus ist. Trotzdem hat Brox damit Recht, dass man die Aussagen in 1Petr 2,4–8 nicht in eine klare Allegorie bringen kann, ohne dass dies eine negative Beurteilung mit sich bringt,492 denn die Rezipierenden können die Metaphern sehr gut verstehen, auch wenn ௅ und gerade weil ௅ unterschiedliche Bilder zur Verdeutlichung herangezogen werden und von einem zum nächsten übergegangen wird. Diese unterschiedlichen und nicht immer ins letzte Detail logisch angewendeten Bilder haben eine klare argumentative Funktion. Sie stellen Christus als entscheidende Heilsinstanz dar und verdeutlichen gleichzeitig den besonderen Erwählungscharakter der Gemeinde.493 Das dient dazu, sie zu motivieren und in ihrer Entscheidung für Christus zu bestärken. Ganz offensichtlich sind die Adressierten Verfolgungen und Ausgrenzungen ausgesetzt. In diesem Kontext ist die Parallelisierung und Verbindung mit Christus, wie sie im Gebrauch desselben Vehicles in V. 4f. ausgedrückt wird, besonders wichtig.494 Auch der Gemeinschaftsaspekt wird implizit durch die Erweiterte Metapher besonders betont: „Ein Stein alleine macht kein Haus, dazu braucht man mehrere Steine. Ebenso verhält es sich mit dem Glauben, man braucht dazu andere.“495 All diese komplexen und zentralen Argumentationsgänge werden durch Bilder, die offenbar auf Traditionsgut zurückgehen, illustriert und untermauert: „Mit traditionellen Topoi der frühchristlichen Propaganda, Paränese und Apologetik wird hier der Not des zeitgenössischen 489

VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 103. Vgl. a.a.O. 105. 491 BROX, Der erste Petrusbrief, 98. 492 Brox’ Beurteilung klingt dagegen eher abwertend: „Mit der Metapher ‚lebendiger Stein‘ setzt dann sehr abrupt eine neue Bildersprache ein, die in sich uneinheitlich ist und eine Reihe von Metaphern bringt.“ (A.a.O. 96) 493 Vgl. a.a.O. 108. 494 Vgl. ebd. 495 VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 105. 490

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Christentums begegnet.“496 Der Tod Jesu scheint dabei nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Lediglich die Tatsache, dass der Stein „verworfen“ wurde, dass er als „lebendig“ bezeichnet wird und dass Ps 118,22 in anderen neutestamentlichen Zusammenhängen vorkommt, weisen auf ihn hin. Allerdings ist er insofern für den Argumentationsgang konstitutiv, als ohne Christi Sterben (und seine Auferstehung) seine Erwählung durch Gott weit weniger erkennbar wäre und der Hoffnung der Gemeinde die Grundlage fehlen würde. 2.5. Metaphernvermischung und Metapherninkonsistenz Metaphernvermischungen stellen die Kombinationsmöglichkeit von Metaphern dar, die normativ am stärksten bewertet ௅ und das heißt: verurteilt ௅ wurden, wie ein Blick in die Forschungs- und Begriffsgeschichte zeigt. Sie entstehen, wenn in einer syntaktischen Einheit unterschiedliche Vehicles für dasselbe Topic gebraucht werden und dies nicht durch Beiordnung geschieht (in dem Fall läge eine Diversifikation vor) oder wenn das Vehicle einer Metapher innerhalb derselben syntaktischen Einheit zum Topic einer zweiten Metapher wird, im Sinne einer Metaphernverkettung, wobei die beiden Einzelmetaphern logisch nicht kompatibel erscheinen. Wie oben dargelegt wurde, besteht jede Metapher bereits aus einer Mischung disparater Elemente, so dass der damit verbundene Prozess der Sinnfindung durch Metaphernvermischungen fortgeführt und intensiviert wird. Gerade für neutestamentliche Passagen ist dies theologisch sehr aufschlussreich. Die neutestamentlichen Metaphernvermischungen werden hier gemeinsam mit einem anderen Phänomen behandelt, der Metapherninkonsistenz, bei der zwar die Elemente der Vehicle-Ebene, anders als bei der Vermischung, aus demselben semantischen Feld stammen, das Topic aber auf dieser Ebene verschiedene, disparate Funktionen einnehmen muss. Dabei muss im Gegensatz zur Metaphernvermischung nicht zwingend eine syntaktische Verbindung bestehen. Der Grund, warum hier beide Kombinationsarten gemeinsam angeführt werden, besteht zum einen darin, dass in beiden Formen besonders starke Spannungen erzeugt werden, zum anderen darin, dass es einige Grenzfälle gibt, in der die Interpretation eines zentralen Begriffs den Ausschlag gibt, ob die Gesamtaussage primär als Metaphernvermischung oder -inkonsistenz aufzufassen ist. Ein Beispiel dafür wurde im vorherigen Abschnitt diskutiert, die Formulierung in 1Petr 2,5: țĮ੿ Į੝IJȠ੿ ੪Ȣ Ȝ઀șȠȚ ȗ૵ȞIJİȢ ȠੁțȠįȠȝİ૙ıșİ ȠੇțȠȢ ʌȞİȣȝĮIJȚțઁȢ İੁȢ ੂİȡ੺IJİȣȝĮ ਚȖȚȠȞ („lasst auch euch selbst als lebendige Steine als ein geistliches Haus aufbauen zu einer heiligen Priesterschaft“). Die Gemeinde wird zu zwei unterschiedlichen Dingen „aufgebaut“, zum Haus und der Priesterschaft. Dies spielt mit den Bedeutungsnuancen von ȠੁțȠįȠȝȑȦ, einmal im „wörtlichen“ Sinn, was auch mit den zuvor genannten

496

BROX, Der erste Petrusbrief, 108.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Steinen korrespondiert, einmal im „übertragenen“ Sinn. Wie bereits ausführlicher dargestellt, liegt eine Metaphernvermischung vor, wenn ȠੇțȠȢ als „Haus“ verstanden wird, eine Inkonsistenz, wenn man es als Verweis auf den Tempel versteht. Ähnlich strukturiert sind weitere neutestamentliche Beispiele, von denen Röm 3,24f. das prominenteste darstellt. In der exegetischen Forschung geht die Tendenz dazu, den fraglichen Begriff so zu verstehen, dass er dabei in das bestehende semantische Feld bzw. in das dominierende mentale Bild passt. Dabei wird jedoch oft übersehen, dass auch dann noch Spannungen bestehen können. 2.5.1. Überblick: Metaphernvermischungen Reine bzw. eindeutige Metaphernvermischungen kommen im Zusammenhang des Todes Jesu im Neuen Testament verhältnismäßig selten vor, von der deutlichen Passage 1Petr 1,18f. abgesehen. In den meisten Fällen besteht zumindest eine gewisse Doppeldeutigkeit, vor allem, wenn unklar ist, inwieweit ein Teil der beteiligten Metaphern als konventionalisiert angesehen werden muss. Dies ist insbesondere bei Metaphernkombinationen mit ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ, ȜȪȦ und ähnlichen Termini der Fall. So ließe sich die Aussage in Eph 1,7 ਩ȤȠȝİȞ IJ੽Ȟ ਕʌȠȜ઄IJȡȦıȚȞ įȚ੹ IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ Į੝IJȠ૨ („wir haben den Loskauf/die Erlösung durch sein Blut“) als Metaphernvermischung verstehen, wenn ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ hier als Bestandteil einer aktiven Metapher im Sinn von „Loskauf“ verstanden wird. Diese Metapher würde dann in Spannung stehen zum angeführten „Zahlungsmittel“ bzw. zu dem, was den Loskauf bewirkt, nämlich Jesu Blut, ein weiterer metonymisch-metaphorischer Verweis auf seinen Tod. Versteht man ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ hingegen konventionalisiert als „Erlösung“, entfällt diese Spannung, da lediglich das Blut auf eine „nicht-wörtliche“ Deutung verweist, jedoch eher im Sinn einer Metonymie verstanden wird. Vom Prinzip ähnlich verhält sich Hebr 9,12.497 Auch hier wird Erlösung/Loskauf (ȜȪIJȡȦıȚȢ) konzeptuell mit dem Blut Jesu verbunden, wobei durch den Kontrast mit dem Blut von Böcken und Kälbern deutlich wird, dass das Blut als Ergebnis einer kultischen Opferung angesehen werden muss. Wird ȜȪIJȡȦıȚȢ an dieser Stelle als Bestandteil einer aktiven Metapher verstanden, so ist die Vermischung weitaus deutlicher als in Eph 1,7, weil das Blut nicht bloß als metonymischer Verweis aufgefasst werden kann, sondern sich explizit auf Opfermetaphorik bezieht. Auch hier wird allerdings die Spannung nivelliert, wenn die Loskaufmetapher als konventionalisiert angesehen wird. Loskauf- und Opfermetaphorik mit Bezug zum Tod Jesu klingen auch in 2,14–17 deutlich an. Während das Loskaufmotiv (im Sinne des Freikaufs aus Sklaverei) durch die Begriffe ਕʌĮȜȜȐııȦ („befreien“) und įȠȣȜİȓĮ („Sklaverei“) ziemlich stark aktiviert wird (wobei streng genommen 497

ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ in Hebr 9,15 steht zwar im unmittelbaren Kontext von Opfer-, Reinigungs- und Bundesmetaphorik und wirkt hier eigentümlich. In diesem Vers selbst lässt sich aber keine Vermischung feststellen, selbst wenn man von einer aktiven Metapher ausgeht.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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bemerkt werden muss, dass von einem „Kaufen“ nirgends die Rede ist und die Befreiung auch anders imaginiert werden kann), wird der Gedanke eines Opfers eher impliziert, durch ਕȡȤȚİȡİȪȢ („Hohepriester“) und den substantivierten Infinitiv IJઁ ੂȜ੺ıțİıșĮȚ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ IJȠ૨ ȜĮȠ૨ („das Sühnen der Sünden des Volkes“). Es ist zwar naheliegend, dass diese Sühnung durch Opfer erfolgt, und dass hier insbesondere an den Jom Kippur gedacht wird, aber es ist nicht eindeutig. Die Auswirkung auf die Gläubigen steht im Vordergrund, wie dies bereits durch die vorherige Befreiungsmetapher ausgedrückt wurde. Was geopfert wird, bzw. dass hier an ein Selbstopfer gedacht wird, wird nicht ersichtlich. Obwohl die Bildhaftigkeit der beiden Metaphern vergleichsweise stark ausgeprägt ist, stehen sie doch eher nebeneinander und sind syntaktisch getrennt. Auch der erläuternde Satz in V. 16 schafft Distanz zwischen beiden Bildern. Dementsprechend ist hier von einer Metaphernabfolge, nicht von einer Vermischung im engen Sinn, zu sprechen. Teilweise wird im Hebräerbrief auch Reinigungsmetaphorik im Zusammenhang der Opfermetaphern angeführt, was per se zu Metaphernvermischungen führen kann, so etwa in 9,14.22f., weniger ausgeprägt auch in 10,19–22. Die Reinigung ergibt sich dabei jedoch als Folge des Opfers, wie dies auch im bildspendenden Bereich bereits angelegt ist. Auch vor dem Hintergrund des Jom Kippur erscheint dies passend. Versöhnung oder Heiligung wird dabei metaphorisch als Reinigung verstanden. Die Metaphern sind somit in sich kohärent. Man könnte sogar so weit gehen, die Reinigungsmetapher als Erweiterung der Opfermetapher anzusehen. Insgesamt zeigt sich, dass insbesondere in der dichten Metaphorik des Hebräerbriefs die verwendeten semantischen Felder sehr nah aneinander liegen, so dass weniger das Gefühl einer Metaphernvermischung als einer Metapherninkonsistenz erzeugt wird. Die obigen Ausführungen zeigen, dass zwar einzelne Metaphernkombinationen in die Nähe der Vermischung rücken, diese jedoch nicht gänzlich repräsentieren. Ein deutlicher Fall von Metaphernvermischung liegt hingegen in Hebr 6,19f. vor: 19

20

਴Ȟ ੪Ȣ ਙȖțȣȡĮȞ ਩ȤȠȝİȞ IJોȢ ȥȣȤોȢ ਕıijĮȜો IJİ țĮ੿ ȕİȕĮ઀ĮȞ țĮ੿ İੁıİȡȤȠȝ੼ȞȘȞ İੁȢ IJઁ ਥıઆIJİȡȠȞ IJȠ૨ țĮIJĮʌİIJ੺ıȝĮIJȠȢ, ੖ʌȠȣ ʌȡંįȡȠȝȠȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ İੁıોȜșİȞ ੉ȘıȠ૨Ȣ, țĮIJ੹ IJ੽Ȟ IJ੺ȟȚȞ ȂİȜȤȚı੼įİț ਕȡȤȚİȡİઃȢ ȖİȞંȝİȞȠȢ İੁȢ IJઁȞ Įੁ૵ȞĮ.

Diese [bezieht sich zurück auf „Hoffnung“, V. 18] haben wir als einen Anker der Seele, der sicher und fest ist und in das hinter dem Vorhang hineingeht, wohin als Vorläufer für uns Jesus hineingegangen ist, der nach der Ordnung Melchisedeks Hohepriester geworden ist für die Ewigkeit.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Die Metaphernstruktur in V. 19a ist noch relativ deutlich erkennbar: ਙȖțȣȡĮȞ („Anker“) als V-Term498 wird mit ਴Ȟ („diese“/„welche“), was sich auf ਥȜʌȓȢ („Hoffnung“) in V. 18 rückbezieht, als T-Term gleichgesetzt. Die dadurch entstehende Spannung wird durch die Markierung mit ੪Ȣ („wie“/„als“) etwas abgemildert, wodurch die Aussage eher in die Nähe zu Vergleichen gerückt wird. Der V-Term wird nun noch weiter bestimmt, zunächst durch das Genitivattribut IJોȢ ȥȣȤોȢ („der Seele“), das ebenfalls in Spannung mit dem V-Term steht und eher auf die Ebene des Topics verweist, dann durch die Adjektive ਕıijĮȜો IJİ țĮ੿ ȕİȕĮ઀ĮȞ („sicher und fest“), die dem semantischen Bereich des Vehicles angehören und das Bild vom Anker verstärken, jedoch zusätzlich als Ausdruck juridischer Sprache verstanden werden können.499 Eine dritte nähere Bestimmung des V-Terms wird hieran direkt durch țĮȓ angeschlossen und besteht aus einem Partizip mit präpositionaler Wendung. Der Anker wird somit näher bestimmt als in das hinter dem Vorhang Liegende hineingehend. Das hier verwendete Verb İੁıȑȡȤȠȝĮȚ kann eher statisch als „hineinreichen“ aufgefasst werden, wodurch der Anker eine Verbindung herstellt. Von der Grundbedeutung her ist es jedoch dynamisch und es wird im nachfolgenden Vers auf diese Weise für Jesus gebraucht.500 „Although it is not necessary to see the anchor as a symbol of Christ himself, the analogy established between Christ and the anchor of hope is certainly intentional and significant.“501 Der Vorhang502 weckt starke Assoziationen an das Allerheiligste und damit an den Jom Kippur, auch wenn dieses Bild hier noch nicht umfassend etabliert wird.503 Dies wird noch dadurch verstärkt, dass Jesus in V. 20 als Hohepriester dargestellt wird, der in das Allerheiligste hineintritt. Auch zwischen der festen Verankerung und dem dynamischen „Vorläufer“ (ʌȡંįȡȠȝȠȢ),504 durch den auch eine Bewegung der Addressierten hervorgerufen wird, entsteht hier eine Spannung.505 Zudem entstammt dieser Begriff ebenfalls nicht rein kultischer Bildersprache, sondern 498 Es handelt sich um die einzige Anker-Metapher der Bibel und auch im Frühjudentum kommt sie nicht vor, dagegen aber häufiger in der hellenistisch geprägten Welt. (Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 183; GRÄßER, Hebräer 3, 383.) 499 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 251. 500 Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 183f. 501 A.a.O. 184. 502 Ich gehe davon aus, dass der hier gemeinte Vorhang derjenige ist, der zum Allerheiligsten führt, obwohl der Begriff an sich auf verschiedene Vorhänge am Tempel verweisen kann. Die Argumente, die Gane und Young hierfür vorbringen, halte ich für überaus schlüssig. Vgl. GANE, ROY E., Re-Opening „Katapetasma“ („Veil“) in Hebrews 6:19, in: Andrews University Seminary Studies 38 (2000); YOUNG, NORMAN H., Where Jesus Has Gone as a Forerunner on Our Behalf (Hebrews 6:20), in: Andrews University Seminary Studies 39 (2001), 165–173. 503 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 251. 504 Möglicherweise ist die ʌȡંįȡȠȝȠȢ-Metapher wie die Anker-Metapher hellenistisch geprägt. (Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 185.) 505 BACKHAUS, Hebräerbrief, 246.

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deutet „auf die Aufgabe des Pioniers oder Bahnbrechers hin, etwa auf die Vorhut im Militärwesen“506 oder im athletischen Bereich.507 Implizit kann insbesondere in V. 20 auch ein Verweis auf Opfermetaphorik gesehen werden, wobei bis zu dieser Stelle noch nicht von Jesu Selbstopfer, wohl aber vom Opfer seiner Bitten,508 die Rede war. Insgesamt kann hier von einer Art Metaphernverkettung gesprochen werden, in der der Anker als Bild aus der Nautik in die Jom-Kippur-Metaphorik eingetragen wird. Doch wie gezeigt wurde, fügen sich auch die Begriffe ਕıijĮȜો, ȕİȕĮ઀ĮȞ und ʌȡંįȡȠȝȠȢ nicht nahtlos in diese Bilder. Backhaus erklärt die Vermischung vorrangig dadurch, dass der Verfasser die Kultmetaphorik mit Bildern aus der alltäglichen Erfahrungswelt der Rezipierenden veranschaulichen wollte: „Es scheint, als habe Vf. sich im Bemühen, biblische Tradition und alltägliche Anschauung bildsprachig zu vernetzen, hier ein wenig übernommen. Vermutlich sind seine Vorstellungen selber im Fluss.“509 Auch Attridge nennt die Anker-Metapher „incongruous“,510 „strained“511 und schließlich „broken“.512 Versuche mancher Kommentatoren und Kommentatorinnen, die Spannung dadurch aufzulösen, dass das Partizip İੁıİȡȤȠȝ੼ȞȘȞ auf das einleitende Relativpronomen, nicht auf ਙȖțȣȡĮȞ zu beziehen sei, lehnt er jedoch als künstlich und gezwungen ab.513 Letztlich missachten die Versuche einer Harmonisierung ebenso wie die negative Bewertung der Metaphernkombination als rhetorisch ungeschickt, dass die zeitgenössischen und auch heutigen Rezipierenden das Bild durchaus sinnvoll verstehen können: Die Hoffnung ist bei Gott, im Allerheiligsten verankert. Zu diesem Bereich hat Christus Zutritt, und er ermöglicht dies auch allen, die glauben, wie hier bereits anklingt und in 10,19f. ausgebreitet wird.514 Auch wenn das Bild vom Anker im Allerheiligsten zunächst seltsam erscheint, entfaltet es eine deutliche rhetorische Kraft, die dadurch erhöht wird, dass der Anker einen klaren Symbolcharakter hat. Auch die Tatsache, dass die Aussagen bildlich vorgestellt werden können, ist nicht störend und zeigt eher, dass eine einzelne Metapher oder ein einzelnes semantisches Feld hier nicht ausreichend ist, um die Komplexität des zu schildernden Sachverhalts darzustellen. Möglicherweise ist die Vielschichtigkeit des hier etablierten Bildes der Tatsache geschuldet, dass Hebr 6,19f. als eine Art Schlüsselstelle gesehen werden kann, die die folgenden 506

A.a.O. 251. Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 185. Gräßer führt noch eine Reihe weiterer Bereiche an. Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 386 Fn 111. 508 Vgl. auch den Zusammenhang der beiden Textpassagen 5,9f. und 6,19f., den Backhaus betont. (BACKHAUS, Hebräerbrief, 250f.; ähnlich ATTRIDGE, Hebrews, 185.) 509 BACKHAUS, Hebräerbrief, 251. 510 ATTRIDGE, Hebrews, 183. 511 A.a.O. 184. 512 Ebd. 513 Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 184 Fn 73. 514 S.u., Abschnitt 2.5.4. 507

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Gedankengänge vorbereitet und in komprimierter Form vorausnimmt: „So leitet 6,19f die kulttheologische Argumentation der Kp. 7–10 ein und impliziert bereits die wichtigsten theologischen Aussagen jenes zweiten Hauptteils des Hebr.“515 Die Fälle, in denen man in der Apokalypse von Metaphernvermischung sprechen kann, sind thematisch ähnlich zu Eph 1,7 und Hebr 9,12 (und somit auch zum später näher analysierten Abschnitt 1Petr 1,18f.), die Vermischung kommt in ihnen jedoch stärker zum Tragen, weil die zentrale Begrifflichkeit abweicht und nicht doppeldeutig ist: Es werden Formen von ਕȖȠȡȐȗȦ gebraucht. Eine besonders deutliche Nähe zu Eph 1,7 und Hebr 9,12 besteht in Apk 5,9, da hier auch das Motiv des Blutes als „Zahlungsmittel“ angeführt wird. Die vierundzwanzig Ältesten sprechen das Lamm direkt an: ਥıij੺ȖȘȢ țĮ੿ ਱ȖંȡĮıĮȢ IJ૶ șİ૶ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJ઀ ıȠȣ („du wurdest geschlachtet und hast für Gott erkauft in deinem Blut/durch dein Blut“). Das Objekt „Menschen“, das im Folgenden näher bestimmt wird, ist dabei zu ergänzen. Es handelt sich vorrangig um eine Verbmetapher, mit ਱ȖંȡĮıĮȢ als zentralem V-Term. Allerdings wird erst durch den Kontext ersichtlich, dass das Verb hier im Zuge einer Metapher steht. Zunächst ist das Lamm als Handlungsträger des Kaufs ungewöhnlich, aber da es Symbolcharakter hat, ist dies für sich genommen noch nicht sonderlich auffällig. Eine stärkere Spannung besteht, wenn man auch das zuvor gebrauchte Verb im Passiv beachtet. Dass offenbar metaphorisches Sprechen vorliegt, wird erst richtig deutlich durch den Verweis auf das Blut. Dieser wiederum korrespondiert mit dem Verb ıijȐȗȦ („schlachten“) und kann angesichts der vorausgegangenen Beschreibung in V. 6, in der ebenfalls eine Form von ıijȐȗȦ verwendet wird, durchaus der (symbolhaften) „realen“ Ebene der Vision zugeordnet werden. In Verbindung mit der Freikauf-Metapher ergibt sich so aber eine Bildvermischung. Verwandt mit Apk 5,9 ist 14,4, in dem Sinne, dass auch hier eine bestimmte Personengruppe als „erkauft“ imaginiert wird: Ƞ੤IJȠȚ ਱ȖȠȡ੺ıșȘıĮȞ ਕʌઁ IJ૵Ȟ ਕȞșȡઆʌȦȞ ਕʌĮȡȤ੽ IJ૶ șİ૶ țĮ੿ IJ૶ ਕȡȞ઀૳ („Diese wurden erkauft aus den Menschen als Erstling [Singular; im Sinn von Erstlingsfrucht oder Erstlingsopfer] für Gott und das Lamm.“). Hier ist nicht das Mittel des Kaufs relevant, auf das gar nicht weiter eingegangen wird, sondern eine spannungsvolle Beziehung findet sich zwischen der auf den T-Term Ƞ੤IJȠȚ („diese“) bezogenen Verbform als erstem V-Term und dem zweiten V-Term ਕʌĮȡȤȒ („Erstling“), der als Substantiv mit dem T-Term gleichgesetzt wird. Beide V-Terms können nur gezwungen in ein umfassendes semantisches Feld integriert werden, vor allem, wenn man hinter ਕʌĮȡȤȒ auch kultische Bedeutungsnuancen durchschimmern sieht. Trotz der Spannung ist die Metaphernkombination zugänglich und aussagestark: Die Gekauften sind Erstlingsfrucht oder Erstlingsopfer in chronologischer Perspektive und besonders im Hinblick auf ihre hervorgehobene Aussonderung für Gott. Damit wird zugleich deutlich, 515

GÄBEL, Kulttheologie, 228.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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dass das Erkaufen nicht vorrangig in absolute Freiheit führt, sondern in eine neue Zugehörigkeit. 2.5.2. Exemplarische Analyse von 1Petr 1,18f. Neben der oben bereits ausführlicher diskutierten Passage 1Petr 2,4–8 bietet 1,18f. ein weiteres eindrückliches Beispiel der Bildersprache dieser neutestamentlichen Schrift und gleichzeitig den wohl deutlichsten Fall einer Metaphernvermischung auf engem Raum in den neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu, obwohl es in der Forschung immer wieder Versuche gab, diese Vermischung zu relativieren. Der Abschnitt steht relativ zu Beginn des Briefkorpus, der mit 1,13 beginnt und auf Präskript (1,1f.) und Proömium (1,3–12) folgt.516 Die meisten Auslegerinnen und Ausleger grenzen den Abschnitt 1,13– 21 als kleinere, den Briefkorpus einleitende Einheit ab.517 Diese Passage wird durch das Stichwort „hoffen“ umschlossen (Imperativ ਥȜʌ઀ıĮIJİ in V. 13; Substantiv ਥȜʌ઀įĮ in V. 21).518 Brox betont einen Einschnitt zwischen V. 16 und V. 17.519 Dies ist insofern begründet, als V. 17–21 im Griechischen einen einzigen Satz bilden und stärker einen Grund zur Motivation angeben. Beide Abschnitte bleiben jedoch aufeinander bezogen. Grundsätzlich handelt es sich bei dieser ersten Paränese des 1Petr520 um einen klaren Aufruf an die Gemeinde, der zugleich „warnend und werbend“521 geprägt ist: Die Angesprochenen sollen ihren alten Lebenswandel hinter sich lassen und in ihrem Dasein der Heiligkeit Gottes entsprechen. Der Übertritt zum Glauben an Christus soll eine dauerhafte Wandlung des gesamten Menschen mit all seinen Lebensvollzügen mit sich bringen. Programmatisch für die Gesamtpassage ist der Infinitiv in

516

Vgl. die Grobgliederung des 1Petr bei VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 58. Vgl. z.B. a.a.O. 84; MICHAELS, 1 Peter, 51; FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 36; HOLMER, UWE/BOOR, WERNER DE, Die Briefe des Petrus und der Brief des Judas (Wuppertaler Studienbibel), Wuppertal: Brockhaus 21978, 47; GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 114. 518 Vgl. GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 114 und FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 36. 519 BROX, Der erste Petrusbrief, 78. Daneben grenzt Michaels V. 18–21 ab. Sie seien „a resumption of Peter’s celebration of the hope itself and of the work of God by which the hope came into being“. (MICHAELS, 1 Peter, 52.) Frankemölle nennt diese Verse eine „christologische Vertiefung“. (FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 38.) Diese begründe den Aufruf zur Heiligkeit, der zuvor theozentrisch erklärt wurde, nun aus christozentrischer Perspektive. (Vgl. a.a.O. 37.) Die syntaktische Einheit mit V. 17 sollte jedoch nicht übersehen werden. Bei einer Abgrenzung von V. 18–21 bleibt der Status von V. 17 unklar, da demgegenüber meist V. 13–16 zusammengenommen werden. 520 BROX, Der erste Petrusbrief, 78. 521 A.a.O. 73. 517

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

V. 13. Die diesen umgebenden Partizipien können ebenfalls imperativisch aufgefasst werden.522 Es wird deutlich, dass zu einer bestimmten Haltung und damit einhergehenden Handlungsvollzügen motiviert werden soll.523 Bereits ganz zu Beginn des Hauptteils, in 1,13, begegnet eine seltsam anmutende Metapher: ਕȞĮȗȦı੺ȝİȞȠȚ IJ੹Ȣ ੑıij઄ĮȢ IJોȢ įȚĮȞȠ઀ĮȢ ਫ਼ȝ૵Ȟ („gürtet [oder: gegürtet habend] die Hüften eures Denkens“). Eine Verständnisschwierigkeit kann hierbei dadurch bestehen, dass das abstrakte Denken bzw. der Verstand als T-Term der Metapher so stark personifiziert werden muss, dass sogar Hüften vorgestellt werden müssen, um die damit verbundene metaphorische Handlung nachzuvollziehen. Auch eine Spannung zwischen der traditionellen Lokalisierung des Verstandes im menschlichen Körper (im biblischen Kontext zumeist im Herzen524) und den hier erwähnten Hüften kann aufkommen. Allerdings wird häufig angenommen, dass das Gürten der Hüften in 1,13 eine konventionalisierte Metapher darstellt, was durch die Verwendung des Motivs auch in Spr 31,17; Jer 1,17; Lk 12,35525 und Eph 6,14 bestärkt wird,526 und somit der heute wahrgenommene Widerspruch zeitgenössischen Rezipierenden weitaus weniger stark bewusst war. Brox betont die Anschaulichkeit des Bildes: „Weil man das lang und weit geschnittene antike Kleid zum Gehen oder für eine Arbeit in der Taille gürtete, konnte diese Geste des Gürtens ein Bild für Bereitschaft allgemein sein.“527 Die Verbindung mit dem Denken ist zwar eigentümlich, wenn man das Bild genau nimmt, die Metapher an sich ist jedoch verständlich, betont sie doch, dass die Bereitschaft vor allem im Sinne einer kognitiven Ausrichtung verstanden werden muss. Sie „malt die gespannte Aufmerksamkeit des Menschen aus, der wach und entsprechend gerüstet in eine Situation geht, die ihn besonders fordert.“528 Auch Feldmeier nennt die Metapher zunächst „holprig“,529 fährt dann jedoch fort: „Durch diese eigenwillige Kombination von Metapher und Sachaussage ௅ offenbar ein vom 1Petr ge-

522

Vgl. z.B. a.a.O. 73f. Vahrenhorst bevorzugt die Wiedergabe als Partizipien, die Vorausgehendes oder Begleitumstände schildern. (Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 85.) 523 Die durch Imperative geprägte Struktur des Abschnitts wird von einer Vielzahl von Auslegern und Auslegerinnen betont. (Vgl. z.B. GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 110; FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 36.) 524 Holmer und de Boor verweisen darauf, dass įȚȐȞȠȚĮ in der Septuaginta als Übersetzung des Hebräischen ʡʒʬ (lev; „Herz“) verwendet wird. Vgl. HOLMER/BOOR, Briefe, 49. 525 Michaels hält 1Petr 1,13 für von Lk 12,35 abhängig, wenn auch nur in relativ weitem Sinne. (Vgl. MICHAELS, 1 Peter, 54.) M.E. ist diese Annahme jedoch unbegründet, da das Motiv insgesamt verbreitet war und eine Übertragung auf die Gemeinde naheliegend erscheint. 526 Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 75. 527 A.a.O. 74. 528 Ebd. 529 FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 67.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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schätztes stilistisches Mittel ௅ erreicht der Verfasser eine eindringliche Präzision.“530 Michaels erklärt weiter: „The genitive […] makes it obvious even to the most literal-minded of readers that he is speaking metaphorically, and at the same time interprets the metaphor“.531 Dementsprechend ist das, was zu einer scheinbaren Vermischung unvereinbarer Konzepte führt, eigentlich etwas, das das Verständnis der Metapher erleichtert. Teilweise wurde in der Forschung ein Verweis auf Ex 12,11 und somit auf die Passa-/Exodustradition gesehen,532 der auch für die folgenden Verse geltend gemacht wurde. Allerdings spricht die allgemeine Verbreitung dieses bildhaften Ausdrucks dagegen,533 denn in den anderen biblischen Belegen lässt sich ein entsprechender Bezug nur schwerlich ausmachen. Auch der Wortlaut von 1Petr 1,13 ist nicht völlig mit dem von Ex 12,11 deckungsgleich: anstelle einer Form von ʌİȡȚȗȫȞȞȣȝĮȚ wird ਕȞĮȗȫȞȞȣȝȚ verwendet, die Präfixe unterscheiden sich also. 1Petr 1,13 entspricht damit eher dem Sprachgebrauch von Spr 31,17. Es ist somit von einer konventionalisierten Metapher auszugehen, zu deren Genese oder Verbreitung Ex 12,11 möglicherweise beigetragen haben kann. Es zeigt sich an dieser Stelle, ähnlich wie bereits in 2,4–8, dass der Verfasser Metaphern auf durchaus innovative Weise einführt oder kontextuell einbindet und dabei auch nicht vor der Verbindung widersprüchlich erscheinender Elemente zurückschreckt. Eine weitere Steigerung erfährt dieses Vorgehen in 1,18f., wo nun die Heilsrelevanz des Todes Jesu thematisiert wird:534 18

İੁįંIJİȢ ੖IJȚ Ƞ੝ ijșĮȡIJȠ૙Ȣ, ਕȡȖȣȡ઀૳ ਲ਼ Ȥȡȣı઀૳, ਥȜȣIJȡઆșȘIJİ ਥț IJોȢ ȝĮIJĮ઀ĮȢ ਫ਼ȝ૵Ȟ ਕȞĮıIJȡȠijોȢ ʌĮIJȡȠʌĮȡĮįંIJȠȣ

„wissend, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, Silber oder Gold, losgekauft/erlöst wurdet aus eurem nichtigen, von den Vorfahren überkommenen Wandel,

530 Ebd. Die Wortwahl ist hier jedoch etwas unglücklich. Statt von einer „Kombination von Metapher und Sachaussage“ sollte eher, wie oben geschehen, von widersprüchlich kombinierten T- und V-Terms gesprochen werden. Schließlich ist IJોȢ įȚĮȞȠ઀ĮȢ ਫ਼ȝ૵Ȟ auch Bestandteil der Genitivmetapher. Als Beispiel für ein vergleichbares Phänomen nennt Feldmeier die bereits kurz angeführte Wendung IJઁ ȜȠȖȚțઁȞ ਙįȠȜȠȞ Ȗ੺ȜĮ von 1Petr 2,2. (Vgl. ebd. Fn 172.) 531 MICHAELS, 1 Peter, 54. 532 Vgl. z.B. HOLMER/BOOR, Briefe, 50; FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 37. Auch Reicke hält dies vor dem Hintergrund der Annahme eines Taufkontextes für möglich. (Vgl. REICKE, BO, The Epistles of James, Peter, and Jude. Introduction, Translation and Notes (The Anchor Bible 37), Garden City, N.Y.: Doubleday 21982, 83.) 533 So auch BROX, Der erste Petrusbrief, 75. 534 Trotz der Einbettung in die Satzperiode in V. 17–21 genügt es in diesem Zusammenhang, sich auf V. 18f. zu konzentrieren, da letztere thematisch und sachlich weitestgehend unabhängig sind.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen ਕȜȜ੹ IJȚȝ઀૳ Į੆ȝĮIJȚ ੪Ȣ ਕȝȞȠ૨ ਕȝઆȝȠȣ țĮ੿ ਕıʌ઀ȜȠȣ ȋȡȚıIJȠ૨

sondern mit dem kostbaren Blut Christi als eines tadellosen und unbefleckten Lammes“

Die Passage zeigt nochmals den entscheidenden Einschnitt im Leben der Adressierten auf und fügt dem Vorausgehenden nun noch eine zusätzliche christologische Perspektive an. Wie so häufig, wenn Metaphern im Neuen Testament inkonsistent wirken, wurde auch an dieser Stelle eine Verarbeitung einer oder mehrerer urchristlicher Traditionen angenommen. Michaels etwa konstatiert: „In few other places is the character of 1 Peter as an epistle composed out of earlier traditions better demonstrated than in vv 13–21, but the recovery of the individual units out of which the section is composed is now virtually impossible.“535 Als Beleg für ein Vorliegen von Traditionsmaterial wird dabei, neben der Bildervermischung, das einleitende İੁįંIJİȢ angeführt, also der generelle Hinweis auf das „Wissen“ der Adressierten. Aus dieser Bemerkung wird jedoch nicht deutlich, ob damit bloß eine generelle Bezugnahme auf allgemeine Lehrinhalte vorliegt, oder ob tatsächlich mehr oder weniger stark fixierte Formeln verwendet werden. Da sowohl die Loskaufmetapher als auch die Bezeichnung Jesu als Lamm in anderen neutestamentlichen Schriften vorkommen, handelt es sich um eine Kombination aus Traditionsgütern im weiten Sinne: um die Verwendung bereits verbreiteter Metaphern zur Deutung des Todes Jesu. Anhaltspunkte für konkrete Zitate aus einem Hymnus oder Bekenntnis lassen sich meines Erachtens hier nicht festmachen. Auch Brox ist der Ansicht, dass kein Gesamtzitat vorliegt, wobei sein Argument der stilistischen Uneinheitlichkeit nur bedingt überzeugt.536 Am ehesten als Hymnusfragment wurde V. 20 identifiziert und etwa von Bultmann an den Anfang eines in 3,18f.22 fortgesetzten Liedes gestellt.537 Allerdings bleibt dies, wie die allgemeine Annahme eines Hymnusfragments, rein hypothetisch,538 und V. 20 ist für die hier diskutierte Fragestellung nicht vorrangig von Interesse. Die Metaphorik von V. 18 ist für sich genommen klar verständlich. Es ist von einem Loskauf die Rede ௅ dass das Verb ȜȣIJȡȩȦ hier in diesem Sinn verwendet wird, liegt nahe, weil mit ਕȡȖȣȡ઀૳ ਲ਼ Ȥȡȣı઀૳ ein Zahlungsmittel genannt wird. Die Tatsache, dass es sich bei der Loskauf-Aussage um eine Metapher handelt, wird zunächst daraus ersichtlich, dass es sich bei den Adressierten höchstwahrscheinlich nicht (ausschließlich) um ehemalige Versklavte oder 535

MICHAELS, 1 Peter, 54. Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 79. 537 Vgl. BULTMANN, RUDOLF, Bekenntnis- und Liedfragmente im ersten Petrusbrief, in: Ders., Exegetica. Aufsätze zur Erforschung des Neuen Testaments, hg. v. Erich Dinkler, Tübingen: Mohr Siebeck 1967, 287–297. Zu den „Christusliedern“ vgl. auch GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 121. 538 Vgl. auch BROX, Der erste Petrusbrief, 79.83. 536

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Kriegsgefangene handelt. Zudem wird der Bereich, aus dem losgekauft wurde, benannt. Dieser wird weder als Sklaverei noch als Gefangenschaft bezeichnet, sondern bezieht sich abstrakter auf den ehemaligen, präkonversionalen Lebenswandel. Sowohl das nur in der Verbendung enthaltene Subjekt der Aussage als auch die präpositionale Wendung ਥț IJોȢ ȝĮIJĮ઀ĮȢ ਫ਼ȝ૵Ȟ ਕȞĮıIJȡȠijોȢ ʌĮIJȡȠʌĮȡĮįંIJȠȣ verweisen somit auf die Ebene des Topics, während die Form von ȜȣIJȡȩȦ selbst den zentralen V-Term der Metapher darstellt. Dabei ist ਥȜȣIJȡઆșȘIJİ offenbar als passivum divinum aufzufassen.539 Die Charakterisierung des Lebenswandels, aus dem die ௅ ganz offensichtlich (überwiegend) heidenchristlichen ௅ Adressierten „losgekauft“ wurden, ist aufschlussreich für den Gesamttenor des Briefes. Mit dem Prädikat ȝȐIJĮȚȠȢ ‚eitel‘, ‚nichtig‘, ‚ohne Wahrheit‘, ‚aussichtslos‘ qualifizieren die Septuaginta und in ihrem Gefolge das Frühjudentum wie das Urchristentum jede Daseinsund Handlungsorientierung, bei welcher der Mensch seine Abhängigkeit von Gott leugnet und damit der Vergänglichkeit und Vergeblichkeit ausgeliefert ist. Zugleich ist es Synonym für die Götter der Umwelt und damit für eine verkehrte religiöse Orientierung.540

Das Prädikat wirkt sich mit seinem stark negativen Bedeutungsgehalt prägend auf die zweite nähere Beschreibung durch ʌĮIJȡȠʌĮȡȐįȠIJȠȢ aus. „Der Verfasser des 1Petr ist dabei der erste Christ, soweit wir wissen, der das in der nichtchristlichen Überlieferung unbedingt positive und ehrwürdige Adjektiv ʌĮIJȡȠʌĮȡȐįȠIJȠȢ (‚von den Vätern überliefert‘) nun umgekehrt zur negativen Apostrophierung des im schlechten Sinn ‚alten‘ Lebensstils wählte, von dem sich die Christen befreit wußten.“541 Damit ist der immense Bruch, den Heidenchristinnen und -christen durch ihre Konversion vollzogen, betont und veranschaulicht. Er drückt sich in der Abwendung von dem geschätzten mos maiorum (den Gebräuchen der Vorfahren) aus. Daraus, dass ansonsten gesellschaftlich akzeptierte Normen nicht mehr anerkannt werden, resultieren Fremdheitserfahrungen.542 Christsein bedeutet somit auch eine völlige Neubewertung des vormals Gültigen als Nichtigkeit. Die Betonung der Tatsache, dass das Zahlungsmittel eben nicht vergänglich ist, veranschaulicht durch Silber und Gold, zeigt gemeinsam mit dem passivum divinum, dass dieser Wandel durch die Konversion nicht als etwas Weltliches geschieht oder von Menschen steuerbar wäre, sondern allein von Gott gegeben wird und somit überweltlich ist.543 In der Verbindung von ȜȣIJȡȩȦ und 539 Vgl. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 38; HECKEL, THEO K., Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes und Judas (Neues Testament Deutsch 10), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2019, 95; GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 121 (und dort auch Fn 48). Goppelts Argument, Gott sei auch in Jes 52,3 Subjekt, ist dabei jedoch nicht auschlaggebend, s.u. 540 FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 77. 541 BROX, Der erste Petrusbrief, 81. Vgl. auch HECKEL, Briefe, 95. 542 Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 90f.; FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 77. 543 Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 78f.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

ਕȡȖȪȡȚȠȞ erkennt eine Vielzahl von Kommentatoren und Kommentatorinnen eine Anspielung auf Jes 52,3.544 Dort heißt es: „ihr wurdet umsonst verkauft und ihr werdet nicht mit Silber losgekauft werden“ (in der Septuaginta: įȦȡİ੹Ȟ ਥʌȡ੺șȘIJİ țĮ੿ Ƞ੝ ȝİIJ੹ ਕȡȖȣȡ઀Ƞȣ ȜȣIJȡȦș੾ıİıșİ). Der Deutungshorizont hierfür wird durch den nachfolgenden Vers eröffnet: Gedacht ist einerseits an die Sklaverei in Ägypten und andererseits das Exil. Genaue sprachliche Überschneidungen zu 1Petr 1,18 gibt es hier jedoch nicht. Dass die Verbform in Jes im Futur, in 1Petr im Aorist steht, ließe sich inhaltlich durch das Heilsgeschehen in Christus erklären. Auch dass einmal mit instrumentalem Dativ und einmal durch eine präpositionale Wendung formuliert wird, ist zunächst kein großer Unterschied. Dennoch relativiert sich dadurch die Auffälligkeit einer möglichen Anspielung. Dazu kommen inhaltliche Verschiebungen zwischen Jes 52,3 und 1Petr 1,18, wie Michaels, der selbst von einer expliziten Bezugnahme ausgeht, feststellt: „Where Isaiah’s point was redemption without the payment of a price, Peter’s is redemption at a price far beyond silver or gold.“545 Für Michaels ist ein entscheidendes Argument, dass das Verb sonst in der LXX meist ohne Benennung eines Preises verwendet wird,546 aber ȜȣIJȡȩȦ bzw. ȜȪIJȡȠȞ und ਕȡȖȪȡȚȠȞ stehen auch in Lev 25,51; 27,15.19 und Num 3,48f. in Verbindung miteinander, wie Michaels selbst bemerkt. Obwohl die Ähnlichkeiten zu 1Petr 1,18 an diesen Stellen weitaus schwächer ausfallen als bei Jes 52,3, muss doch bemerkt werden, dass die Verbindung von Loskauf und Silber bzw. Geld naheliegend ist. Die Nähen von 1Petr 1,18 zu Jes 52,3 wird dadurch relativiert, und meines Erachtens muss eine Anspielung nicht zwingend gegeben sein. Weiterhin ist zu fragen, inwieweit ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen 1Petr 1,18 und dem Lösegeldwort in Mk 10,45 besteht.547 Damit verbunden ist jedoch die grundsätzliche Beurteilung von Mk 10,45, insbesondere die Frage, ob die Aussage auf den historischen Jesus zurückgeht. Goppelt geht davon aus, dass hier „eine von dem Logion herkommende Tradition ausgearbeitet [wurde]. Es wurden gleichsam beide Seiten der Aussage ausgebaut.“548 D.h., dass im Grunde 1Petr 1,18f. die Aussage von Mk 10,45 fortsetzt und weiter reflek-

544 Vgl. z.B. BROX, Der erste Petrusbrief, 81; HOLMER/BOOR, Briefe, 60. Feldmeier sieht eine „eine relativ deutliche Anspielung“. (FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 77.) Michaels spricht vorsichtiger von einer „reminiscence“. (MICHAELS, 1 Peter, 63.) 545 MICHAELS, 1 Peter, 63. Er führt diese Orientierung am Preis auf eine Abhängigkeit von Mk 10,45par zurück. 546 Vgl. ebd. 547 Für Michaels z.B. ist ein solches klar gegeben, und er sieht Mk 10,45 für die Ausprägung von 1Petr 1,18f. als wichtiger an als den Bezug auf Jesaja. (Vgl. a.a.O. 63f.) Feldmeier hält eine Abhängigkeit für möglich, insbesondere durch den Bezug zum „Opfertod“ Jesu, der S.E. in beiden Passagen anklingt. (Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 77.) Brox schließt sie hingegen aus. (Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 81.) 548 GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 122.

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tiert, die laut Goppelt auf Jesus selbst zurückgeht und wiederum eine Auseinandersetzung mit Jes 53,10–12 darstellt.549 Auch zu Tit 2,14 bestehen Nähen, da dort ebenfalls vom Loskauf die Rede ist. Es ist meiner Meinung nach sinnvoll, generell von der Verarbeitung einer gemeinsamen Tradition im weitesten Sinne in all diesen Stellen auszugehen. Dieses urchristliche Gemeingut besteht in einer konzeptuellen Metapher, JESU TOD IST EIN LOSKAUF AUS SKLAVEREI/KRIEGSGEFANGENSCHAFT, die sprachlich jeweils unterschiedlich ausgedrückt wird. Ob es sich bei Mk 10,45 um den Ursprung oder die reinste Form dieser Metapher handelt, kann hingegen nicht eindeutig geklärt werden. Nimmt man den Text von 1Petr 1,18f. für sich, ist er auch unabhängig von möglichen Anspielungen gut verständlich, so dass es sinnvoll sein kann, von einem Loskauf generell auszugehen. Dann bietet sich die hellenistische sakrale Sklavenbefreiung als Deutungshorizont an. Daneben wäre auch ein Bezug zu dem in Lev 25,47–55 vorgeschrieben Freikauf von Israeliten aus der Sklaverei möglich. Auch die Befreiungserfahrungen des Volkes Israel können hier eine Rolle spielen. Die in 1Petr 1,18 vorliegende Verbindung von ȜȣIJȡȩȦ und ਥț wird schließlich in der Septuaginta stellenweise verwendet, wenn von der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten die Rede ist (z.B. Dtn 7,8; 1Chr 17,21), auch wenn diese Kombination keineswegs darauf beschränkt ist.550 Die Exodustradition kann also auch unabhängig von Jes 52,3 durchaus relevant sein. Insgesamt kommen somit allein für die Loskaufmetapher in V. 18 diverse Deutungshorizonte in Frage, und auch ein Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Aspekte ist durchaus denkbar: Es ist nicht eindeutig zu entscheiden, ob alle drei Motive (Sklavenloskauf, Befreiung aus dem Exil und Sühne durch Jesu Tod) dem Verfasser des 1Petr beim Schreiben jener Zeilen präsent waren, und noch weniger wissen wir, was die Adressaten beim Hören/Lesen genau assoziierten. Aber diese Vielfalt der einander nicht ausschließenden Anspielungen kann durchaus beabsichtigt sein, haben doch alle hier begegnenden Motive den Aspekt der Befreiung aus Abhängigkeit und Verlorenheit gemeinsam und verstärken sich so in ihrer Aussagewirkung.551

Hinzu kommt die Möglichkeit, dass der Bedeutungshintergrund von Rezipierenden anders wahrgenommen werden kann, als er vom Verfasser intendiert

Vgl. ebd. Allerdings ist zu beachten, dass sich die Überschneidungen von Jes 53,10– 12 und Mk 10,45 darauf beschränken, dass in irgendeiner Weise vom „Geben des Lebens“ (įȓįȦȝȚ IJ੽Ȟ ȥȣȤȒȞ) und von den „vielen“ die Rede ist. Doch weder kommt in Jes 53,10–12 ein Lösegeld vor, noch heißt es in Mk 10,45, dass der Tod explizit für Sünden geschieht. 550 Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 90. 551 FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 77f. Auch Brox lässt offen, ob hier der sakrale Freikauf aus Sklaverei angedacht ist oder die Befreiung aus Ägypten bzw. aus dem Exil als „Thema jüdischer Heilserwartung“. (BROX, Der erste Petrusbrief, 81.) 549

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

war, konkret, dass ursprünglich Anspielungen auf die Schrift beabsichtigt waren, diese jedoch von den Adressierten im Licht des sakralen Sklavenloskaufs gesehen wurden.552 In V. 19 wird die Loskaufmetapher nun auf eine Weise erweitert, die zur Vermischung führt. Zunächst wird die Verneinung von V. 18 weitergeführt, indem dargelegt ist, welches Zahlungsmittel für den Loskauf relevant ist, wenn Vergängliches, Gold und Silber, ausgeschlossen werden: ਕȜȜ੹ IJȚȝ઀૳ Į੆ȝĮIJȚ („sondern mit [dem] kostbaren Blut“). In dieser Gegenüberstellung sieht Feldmeier den eigenen Akzent der verfassenden Person, die somit betont, dass das Erlösungsgeschehen auf einer höheren Ebene agiert und nicht mit dem IrdischVergänglichen vergleichbar ist.553 Während das Adjektiv IJȓȝȚȠȢ noch gut in den Bildbereich des Loskaufs passt ௅ und möglicherweise intratextuelle Bezüge zu 2,4–6 aufweist ௅, wird mit dem Begriff ĮੈȝĮ ein zweiter metaphorischer Bereich eröffnet. Daran schließt sich ein komplexes Genitivattribut an, in dem Christus mit einem Lamm gleichgesetzt wird. Das Wort ੪Ȣ dient dabei dazu, diese Identifizierung sprachlich möglich zu machen und signalisiert zugleich, dass hier eine weitere Metapher vorliegt.554 Dabei wird zunächst der V-Term ausführlich beschrieben, bevor der T-Term, Christus, angeführt wird, ein Vorgang, der im Deutschen nicht wiedergegeben werden kann, jedoch rhetorisch geschickt ist. Er erzeugt einen „dramatic effect by witholding as long as possible the identification of the one being described“.555 Die Tatsache, dass Christus erst zum Schluss erwähnt wird, kann auch dazu beitragen, den Übergang der unterschiedlichen Metaphern fließender zu gestalten: „there is an ascending progression from the thought of ransom (v 18), to ransom by blood sacrifice (v 19), to ransom by the blood sacrifice of Christ.“556 Auch die Beschreibung des Lamms ist durch stilistische Mittel geprägt. Die Wendung ਕȝȞȠ૨ ਕȝઆȝȠȣ țĮ੿ ਕıʌ઀ȜȠȣ ist aufgrund der ähnlichen Endungen und der Alliteration besonders einprägsam.557 Diese Beobachtungen zeigen, dass der Ver-

552

Vgl. BROX, Der erste Petrusbrief, 81 Fn 247 mit Verweis auf Kelly. Ähnlich auch FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 38f. 553 Vgl. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 78. 554 So auch BROX, Der erste Petrusbrief, 82; MICHAELS, 1 Peter, 57. Vgl. ferner VAN UNNIK, WILLEM C., The Redemption in 1 Peter I 18–19 and the Problem of the First Epistle of Peter, in: Ders., Sparsa collecta. The Collected Essays. Part Two (Supplements to Novum Testamentum 30), Leiden: Brill 1980, 3–82. Hier: 18: „According to Kühl ੪Ȣ does not express a simple comparison but a truly existing relationship.“ 555 MICHAELS, 1 Peter, 66. Vgl. auch HECKEL, Briefe, 95: „Das abschließende Wort ‚Christi‘ gehört zu ‚Blut‘; so umklammert die Bezeichnung ‚Blut Christi‘ das eingeschobene Bild vom Opferlamm.“ 556 MICHAELS, 1 Peter, 63. 557 Vgl. a.a.O. 66.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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fasser durchaus mit einer gewissen Sorgfalt formuliert hat, so dass es unwahrscheinlich ist, dass die Metaphernvermischung lediglich auf eine unsaubere oder hastig erdachte Formulierung zurückgeht. Auch die Frage, welcher konkrete Bedeutungshintergrund für das erwähnte Lamm angenommen werden muss, wurde in der Forschung unterschiedlich beantwortet. Wer den Bezug zu Jesaja bereits im vorherigen Vers betont hat und auch hier stark macht, wird eine Anspielung auf Jes 53,7 sehen.558 Tatsächlich fällt in der LXX-Fassung dieses Verses das Wort ਕȝȞંȢ, jedoch ohne weiterführende Beschreibung. Das Blut jenes Lammes spielt aber keine Rolle ௅ es wird geschoren und verstummt dabei vor denjenigen, die diesen Vorgang durchführen, das heißt es ergibt sich fügsam in sein Schicksal. Michaels selbst gibt zu, dass der Vergleichspunkt hier ein anderer ist559 ௅ Stummheit und Fügsamkeit in Jes 53,7, Fehlerlosigkeit in 1Petr 1,19 ௅ meint aber, dass der Verfasser beides in Zusammenhang bringt oder gleichsetzt, wie 1Petr 2,22f. zeigt.560 Allerdings ist in dieser Passage die Fügsamkeit mit moralischer Integrität verbunden, während Fehlerlosigkeit bei Tieren eher mit deren Eignung zur Opfergabe assoziiert wird. In 1Petr 2,22f. liegt ganz offensichtlich ein Verweis auf Jes 53 vor, jedenfalls wird in V. 24 aus Jes 53,5 zitiert. Demgegenüber ist eine Bezugnahme in 1,18f. weitaus weniger klar. Eine weitere Deutungsmöglichkeit besteht darin, hier eine Anspielung auf das Passalamm zu sehen, insbesondere, wenn man das Exodusmotiv bereits in 1,13 gegeben sieht. Goppelt etwa zieht eine Anspielung auf das Passalamm einem Verweis auf Jes 53,7 deutlich vor: „Im Kontext unserer Stelle steht die Befreiung aus Gefangenschaft, nicht wie in Jes 53 aus Sündenschuld, im Blick.“561 In Ex 12,5 ist von einem Jungtier die Rede, das auch näher charakterisiert wird, aber in der Septuaginta steht hier ʌȡંȕĮIJȠȞ IJ੼ȜİȚȠȞ. Obwohl es inhaltliche Nähen zu 1Petr 1,19 gibt, unterscheidet sich die konkrete Terminologie somit deutlich.562 Dabei gibt es die Verbindung von ਕȝȞંȢ und ਙȝȦȝȠȢ in der Septuaginta verhältnismäßig häufig, wobei sie fast immer (Ausnahme: Ez 46,4) zusätzlich durch das Adjektiv ਥȞȚĮȪıȚȠȢ („einjährig“) ergänzt wird, das zwischen den beiden Begriffen steht.563 Die so bezeichneten Tiere werden im Zuge des täglichen Opfers als Brandopfer dargebracht (Ex 29,38; Num 28,3; auch in der Neuordnung des Kultes in Ez 46,13), sowie als zusätzliche Opfer am Sabbat (Num 28,9; auch Ez 46,4) und am ersten Tag des Monats (Num 28,11). Daneben sind sie Bestandteil der Opfer zur Begehung religiöser Feste: zu Schavuot (Lev 23,18; Num 28,27), Passa (Num 28,19), Rosch ha Schana (Num 29,3), Jom 558

So z.B. a.a.O. 63. Diese Kritik äußert auch VAN UNNIK, Redemption, 33. 560 Vgl. a.a.O. 63. 561 GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 123. 562 So auch MICHAELS, 1 Peter, 66. 563 Dass dieses Adjektiv hier nicht übernommen wird, ist leicht verständlich, da es sich kaum sinnvoll auf das Topic, Jesus Christus, beziehen lässt. 559

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Kippur (29,8), täglich an Sukkot (Num 29,13.17.20.23.26.29.32.36). Auch hier ist stets das Brandopfer die Darbringungsform. Die Opferung „fehlerloser Lämmer“ wird somit vorrangig in die Rhythmisierung des Lebens eingebunden. Darüber hinaus begegnen sie nur vereinzelt: im Zuge des ersten Opfers Aarons (Lev 9,3), als Bestandteil eines Reinigungsrituals (von Wöchnerinnen in Lev 12,6 und in Bezug auf von Aussatz Betroffene in Lev 14,10) sowie bei der Einlösung der Gelübde Gottgeweihter (Num 6,14). Die Opfervorgänge, in die der ਕȝȞંȢ ਙȝȦȝȠȢ in der Septuaginta eingebunden ist, sind eher gewöhnlicher Natur und stechen kaum heraus. Außer im Zusammenhang der TamidOpfer ist das Lamm nur eins von verschiedenen Opfertieren. Zudem bemerkt Vahrenhorst: „Opferrituale, die sühnende Qualität haben, werden nicht mit Lämmern vollzogen.“564 Dies kann auf die Sprechweise von Jesus als Lamm im Neuen Testament insgesamt Auswirkungen haben. Allerdings wird laut Num 6,14 zumindest die weibliche Form, die ਕȝȞȐȢ ਙȝȦȝȠȢ, als Sündopfer dargebracht. Vermutlich verweist der Ausdruck ਕȝȞંȢ ਙȝȦȝȠȢ in 1Petr 1,19 generell auf Opfervorschriften und -praktiken, ohne dass dabei ein bestimmter Kontext besonders in den Blick gerät.565 Feldmeier etwa spricht vom Lamm als „Opfer par excellence“.566 Darüber hinaus ist es auch hier, wie beim Loskauf in V. 18, möglich, dass unterschiedliche Bedeutungshintergründe zusammenspielen. „The ‫ސ‬Ȣ ܻȝȞȠࠎ, e.g., recalls Isa 53:7 and Isaiah’s suffering servant; the theme of deliverance from slavery recalls the Passover; the ‚faultless and flawless‘ character of the lamb recalls the sacrificial system generally […] In 1 Peter, as probably in Paul, it is the blending of these several strands that determines the choice of language, and not just one.“567 Meines Erachtens bleiben dabei die Bezüge zu Opferpraktiken generell aufgrund der verwendeten Terminologie am stärksten. Das Lamm wird noch durch ein zweites Adjektiv näher beschrieben: ਙıʌȚȜȠȢ. Dieser Begriff begegnet nicht in der Septuaginta und nur vereinzelt in der sonstigen frühjüdischen Literatur, im Neuen Testament aber noch in 1Tim 6,14; Jak 1,27 und 2Petr 3,14.568 Hier scheint es eine stärker sittliche Ausrichtung zu haben (d.h. ਙıʌȚȜȠȢ wird im Sinne einer konventionalisierten

564

VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 91. So auch z.B. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 39; BROX, Der erste Petrusbrief, 82; HOLMER/BOOR, Briefe, 60: „Die Urgemeinde hat sich überhaupt nicht auf einzelne Bibelstellen festgelegt, sondern ganz allgemein den atst blutigen Opferdienst als Typos, als Vorschattung auf Jesus Christus hin gesehen.“ 566 FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 79. 567 MICHAELS, 1 Peter, 66. (Hervorhebung im Original) Ähnlich auch HOLMER/BOOR, Briefe, 60. 568 Vgl. auch VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 91. Die Vokabel kommt in der Übersetzung von Symmachus in Hiob 15,15 vor. (Vgl. VAN UNNIK, Redemption, 35; HECKEL, Briefe, 96.) 565

2. Arten von Metaphernkombinationen

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Metapher gebraucht), so dass es möglicherweise die körperliche Makellosigkeit von ਙȝȦȝȠȢ ergänzt.569 Christus als Lamm ist somit den im „alten“ Bund geopferten Lämmern noch weiter überlegen.570 Zugleich wird die Unschuld Christi betont und damit die Tatsache, dass sein Tod unverdient war.571 Es zeigt sich, dass bereits in V. 18 und V. 19 für sich genommen Einzelmetaphern vorhanden sind, deren Bedeutungshintergrund nicht gänzlich geklärt werden kann bzw. als multipel oder mehrdimensional angesehen werden muss. Diese Metaphern werden nun auf eine Weise kombiniert, die zu einer Vermischung führt. Dass dies der Fall ist, wird von einigen Auslegerinnen und Ausleger erkannt, jedoch keineswegs immer näher analysiert. Brox spricht davon, dass in 1Petr 1,18f. „mehrerlei Bildsprache miteinander vermischt zu sein [scheint], möglicherweise nämlich die der sakralen Sklavenbefreiung in der hellenistischen Umwelt (Loskauf) und die der (in sich wieder mehrere Motivschichten verbindenden) atl. Opfervorstellung (Blut, Lamm).“572 Frankemölle nennt das Phänomen eine „Variation“, nämlich die Einbindung der Opfervorstellung in die Loskaufthematik.573 Heckel beschränkt sich auf den Ausdruck IJȚȝ઀૳ Į੆ȝĮIJȚ [੪Ȣ] ਕȝȞȠ૨ den er als ein Beispiel der für den Stil des 1Petr typischen „Metaphernverschränkungen“ anführt.574 Bereits 1910 nannte Schmitz 1Petr 1,18f. „das klassische Beispiel für die Verschmelzung der beiden Bilder vom Loskauf und vom Opfer“.575 Gründe für die Vermischung werden meist nicht genannt und sie wird nicht weiter erklärt. Dafür gibt es Versuche, die Kombination der Bilder durch ein gemeinsames semantisches Feld zu plausibilisieren.576 Eine Möglichkeit besteht darin, den Auszug aus Ägypten als übergreifenden Deutungshintergrund anzunehmen. Dabei ist Gott derjenige, der aus Sklaverei und Gefangenschaft befreit. Diese Befreiung kann als Loskauf verbildlicht werden, und wird es auch stellenweise in der Septuaginta (s.o.). Innerhalb des Narrativs kommt der Schlachtung des Passalamms ௅ und dessen Blut ௅ eine zentrale Rolle zu. Die Aussage, dass der Loskauf durch das Blut geschieht, ist somit möglich. Besonders Goppelt betont die Exodustradition als umfassenden Bezugsrahmen: Neben dem „Gürten der Hüften“ verweise das 569

So auch VAN UNNIK, Redemption, 35. Eine ähnliche Zusammenstellung der Begriffe ਙıʌȚȜȠȢ und ਙȝȦȝȠȢ liegt im Protevangelium des Jakobus vor (4,3). Hier ist allerdings ein kultischer Kontext vorhanden. Dass ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden Schriften besteht, ist jedoch eher unwahrscheinlich. (Vgl. auch a.a.O. 36; HECKEL, Briefe, 96.) 570 Vgl. HOLMER/BOOR, Briefe, 61. 571 Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 91. 572 BROX, Der erste Petrusbrief, 81. 573 Vgl. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 38f. 574 Vgl. HECKEL, Briefe, 101. 575 SCHMITZ, OTTO, Die Opferanschauung des späteren Judentums und die Opferaussagen des Neuen Testamentes. Eine Untersuchung ihres geschichtlichen Verhältnisses, Tübingen: Mohr Siebeck 1910, 236. Zitiert in: VAN UNNIK, Redemption, 25. 576 Für weitere Erklärungsansätze, die jedoch teilweise nicht sehr verbreitet sind, vgl. VAN UNNIK, Redemption, 24.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Loskaufmotiv auf Ex 13,3 und das Lamm auf das Passalamm in Ex 12,5.577 In 13,3 ist allerdings zwar vom ȠੇțȠȢ įȠȣȜİ઀ĮȢ („Haus der Sklaverei“) die Rede, aus dem Gott befreit hat, nicht aber vom Loskauf im Spezifischen. Auch sonst hat die bisherige Analyse gezeigt, dass es kaum terminologische Überschneidungen mit dem Exodusbericht gibt. Hätte der Verfasser hierauf anspielen wollen, hätten ihm deutlichere Vokabeln zur Verfügung gestanden. Auch inhaltlich gibt es Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion eines solchen Bedeutungszusammenhangs, wie van Unnik feststellt: „Now, it is difficult to claim that Israel was redeemed, or rather ransomed, from Egypt for, or through, the blood of the Paschal lamb. On the contrary: in the O.T. we read time and time again that Israel was delivered by the powerful hand of God. The eating of the Paschal lamb was an attendant circumstance.“578 Somit ist Vahrenhorst zuzustimmen: Eine Bezugnahme auf den Exodus ist zwar prinzipiell möglich, man kann es jedoch nicht mit Sicherheit sagen oder den Deutungshorizont der Passage darauf beschränken.579 Einen anderen Erklärungsansatz legt vor allem van Unnik ausführlich dar. Sein Ausgangspunkt ist dabei die Unzufriedenheit mit der gängigsten Deutung dieser Passage, nach der hier eine Art metabasis eis allo genos, also ein unzulässiger Übergang von einem Begriffsfeld in ein anderes, vorliege. Er fragt: „Is not the fact that such a ‚metabasis‘ is assumed proof that no way to interpret the text as it stands is found?“580 Auch die damit unterstellte Unfähigkeit der Person, die 1Petr verfasst hat, kritisiert er scharf: „Until we have some evidence to the contrary we would do well to accept the fact that the author knows perfectly well what he is writing about and how he is expressing it.“581 Er sucht nach einem Opfer, das im Kontext des Übergangs von einem Lebenswandel in einen anderen steht582 und meint dies im Proselytenopfer zu finden.583 Menschen, die nicht ins Volk Israel geboren wurden, aber zum Judentum konvertieren wollten, mussten demnach drei Dinge erfüllen Taufe, Beschneidung und Opfer, wobei letzteres nur bis zur Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Chr.

577

Vgl. GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 113. Frankemölle sieht einen Exodusbezug vor allem in 1,13 (Vgl. FRANKEMÖLLE, 1. Petrusbrief, 37), Michaels in V. 13–16, wobei dieser Bezug auch im Folgenden noch aufrecht erhalten bleibe. (Vgl. MICHAELS, 1 Peter, 52f.) Er verweist zudem darauf, dass ʌĮȡȠȚț઀Į („Aufenthalt in der Fremde“) in V. 17 einerseits auf den Aufenthalt in Ägypten verweisen kann, andererseits aber auch auf das Leben auf der Erde generell, bzw. darauf, dass Konversion Fremdheit bedeutet. (Vgl. a.a.O. 62.) 578 VAN UNNIK, Redemption, 40f. 579 VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 90. 580 VAN UNNIK, Redemption, 26. 581 A.a.O. 29. 582 Vgl. a.a.O. 41. 583 Für die Darstellung von van Unniks Hypothese, die im Folgenden knapp zusammengefasst wird, vgl. a.a.O. 41–51.

2. Arten von Metaphernkombinationen

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möglich war.584 Laut van Unnik stellte das Opfer dabei den Endpunkt und das Entscheidende dar, denn nur durch das Opfer wurde die Reinigung und somit auch die Konversion abgeschlossen. Gegenpositionen, nach denen nur Taufe und Beschneidung konstitutiv waren und das Opfer lediglich zur Teilnahme an kultischen Handlungen berechtigte, weist er zurück. Das Opfer war spezifisch als ein Brandopfer aufzufassen, in dem minimal Tauben dargebracht wurden, gängiger Ochsen oder Lämmer. Von essentieller Bedeutung für den Akt war das Besprenkeln mit Blut. Zumindest zeitweise konnte das Opfer wohl auch durch Geld ersetzt werden, wenn gerade keine Möglichkeit zum Opfern bzw. kein Zutritt zum Tempel bestand. Dennoch besteht hier ein praktisches Problem, das van Unnik nicht weiter adressiert: Die Notwendigkeit des Opfers setzt eine Pilgerreise nach Jerusalem voraus. Gerade in der Diaspora wird dies schwerlich von allen Konversionswilligen leistbar gewesen sein. Nach der Zerstörung des Tempels wurde das Proselytenopfer laut van Unnik allerdings aufgegeben und nur noch Taufe und Beschneidung waren zur Konversion nötig. Van Unnik sieht alle Elemente der Bildsprache von 1Petr 1,18f. im Deutungshorizont des Proselytenopfers abgebildet. Die Tatsache, dass hier gerade ein Lamm erwähnt wird und kein anderes ebenfalls für das Proselytenopfer zugelassenes Opfertier, sieht er darin begründet, dass das Lamm bereits als christliche Redeform etabliert war. Vor diesem Hintergrund kann 1Petr 1,18f. laut van Unnik folgendermaßen erläutert werden: The readers are exhorted as true Christians to live in fear under a holy God as holy ones. They have passed from paganism to Christianity, from a life that was ‚futile‘ and destined to damnation, to the life with God, ıȦIJȘȡȓĮ, salvation. In order to clarify how this passing has taken place the author refers to the great moment of the transition from paganism to Judaism. The proselyte had to bring an offering, a stainless lamb, for example, if he wanted to enjoy in full the rights of the Covenant, and ‚precious‘ blood had to be sprinkled, for which no corrupt gift could be brought nor money given since that was not ‚pleasing to the Lord‘ and did not redeem from damnation. In such a way did the Christians enter the Covenant with God, but this did not take place through cattle but through Christ himself who once (N.B. the verb in the aorist) let his blood flow in Jerusalem. The readers must know this!585

Van Unnik zufolge führt seine Deutung zudem dazu, dass das Problem gelöst wird, dass der Autor von 1Petr, der sonst in gutem Griechisch schreibt, plötzlich auf sehr umständliche und undeutliche Weise formuliert.586 „Rather than speak of an ill-formed construction we must admit that we have before us rather an ingenious one ௅ a chiasmus: corrupt gifts as against a gift which complies with the requirements; gold and silver, which can never save from death, as 584

Problematisch ist hier natürlich, dass alle drei Bedingungen nur von Männern erfüllt werden können, da nur sie beschnitten werden. Diese Schwierigkeit thematisiert van Unnik nicht weiter. Es ist dann aber doch zu fragen, ob wirklich alle drei Bedingungen als normativ gelten konnten. 585 A.a.O. 48. 586 Vgl. a.a.O. 50.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

against precious blood, which can do so.“587 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass Metaphernvermischungen im 1Petr keine Seltenheit sind, wie bereits gezeigt wurde ௅ und außerdem sind sie nicht gleichzusetzen mit schlechtem Stil. Auch anderswo in 1Petr findet van Unnik Anklänge an Proselytismus, gerade dann, wenn es um die Situation der Adressierten und das Werk Christi sowie dessen Auswirkung auf die Menschen geht.588 Er nennt insgesamt fünfzehn Punkte, die sich durch den gesamten Brief ziehen.589 Allerdings lassen sich einige dieser Bezüge nur nachvollziehen, wenn man seine Deutung von 1Petr 1,18f. bereits teilt. Aus der Auslegung dieser Passage leitet van Unnik auch Informationen zu den Einleitungsfragen des 1Petr ab. Sie ist ihm zufolge vor allem entscheidend für die Datierung des Briefs. Wenn hier ein Verweis auf das Proselytenopfer gegeben ist, macht dieser nur Sinn zu einer Zeit, als die Darbringung noch möglich war, das heißt vor 70 n. Chr.590 Gerade aufgrund der Datierung hält van Unnik eine Abfassung durch Petrus, ggf. unter Mitwirkung des Silvanus, nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich. Demgegenüber wird in der neueren Forschung mehrheitlich angenommen, dass es sich beim 1Petr um ein pseudepigraphisches Schreiben handelt, auch wenn dies nicht unumstritten ist.591 Auch die Abfassungszeit wird inzwischen meist später angesetzt, sogar wesentlich später, um die Jahrhundertwende, da einige Themen und Begrifflichkeiten des Briefs nicht recht zur Zeit vor 70 passen.592 Die Argumentationsweise van Unniks ist hier außerdem nicht überzeugend, denn theoretisch ist es möglich, die Erinnerung an vergangene Opferpraktiken aufzunehmen und zur metaphorischen Deutung zu gebrauchen. Schließlich nimmt der Hebräerbrief Bezug auf die Opfer zur Zeit des Tempels und sogar der Stiftshütte, obwohl er höchstwahrscheinlich entstanden ist, nachdem Jerusalem zerstört wurde. Als Adressierte nimmt van Unnik seiner Auslegung von 1Petr 1,18f. folgend Gottesfürchtige an, die sich zunächst im Umfeld der Synagoge befanden und dann zum Christentum konvertierten. The author’s objective in this work is to show that the ‚godfearers‘ […], who always stood just outside Judaism and could never share fully in the covenant because they had not been circumcised, have now been accepted, and, through Christ’s work, can now participate fully in what Judaism had taught them to regard as an unreachable ideal. They themselves have

587

Ebd. Vgl. a.a.O. 68. 589 Vgl. a.a.O. 53–68. 590 Vgl. a.a.O. 70. 591 Vgl. SCHNELLE, Einleitung, 479f.; BROER, Einleitung, 639. 592 Vgl. SCHNELLE, Einleitung, 481; BROER, Einleitung, 640f. 588

2. Arten von Metaphernkombinationen

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become a priesthood which can offer to God (ii 5), something which was out of the question even for a full proselyte.593

Die Verfolgungen, von denen in 1Petr die Rede ist, erfolgen laut van Unnik nicht durch die heidnische Umwelt oder Obrigkeit, sondern durch die Synagoge selbst.594 Auch diese Annahmen widersprechen jedoch der heutigen Mehrheitsexegese. Es ist fraglich, ob eine offenbar umfassende Ausgrenzung, wie sie hier beschrieben wird, und die damit einhergehende Fremdheitserfahrung ausschließlich von der jüdischen Minderheit bewerkstelligt werden kann. Zudem gibt es unabhängig von der Auslegung von 1Petr 1,18f. kaum einen Anhaltspunkt, dass (nur) ehemalige Gottesfürchtige angesprochen sein sollen. Die Identifizierung des Deutungshorizontes von 1Petr 1,18f. mit dem Proselytenopfer, die von van Unnik so ausführlich dargelegt wurde, wurde in der weiteren Forschung vereinzelt aufgegriffen, etwa von Reicke.595 Dennoch war sie teils scharfer Kritik ausgesetzt, wie sie eine Aussage von Brox eindrücklich zusammenfasst: „Bei der bloßen Wiedergabe dieser Erklärung fällt bereits deren begrifflicher und inhaltlicher Überhang gegenüber dem auszulegenden Text auf. Das sind Assoziationen ohne soliden Anhalt in dem prägnanten Satz, der erklärt werden soll und letztlich auf derlei minutiöse religionsgeschichtliche Ableitungen auch verzichten kann, ohne rätselhaft zu werden.“596 Dieser Einschätzung ist zuzustimmen. Van Unnik macht in seiner Darstellung selbst geltend, dass er von dem Bestreben getrieben ist, die Metaphernvermischung durch seine Erklärung aufzulösen und den Stil des 1Petr zu rehabilitieren. Dieses Grundanliegen sorgt dann aber dafür, dass der Text selbst in den Hintergrund tritt. Zudem sind van Unniks Belege für die geschilderte Praxis insgesamt eher spärlich und es ist fraglich, inwieweit man das Proselytenopfer als gängige (und auch tatsächlich regelmäßig erfüllte) Norm im ersten Jahrhundert annehmen kann – auf die praktischen Schwierigkeiten wurde bereits hingewiesen. Am sinnvollsten ist dementsprechend immer noch die in der Exegese am meisten verbreitete Aussage, dass hier zwei unterschiedliche Metaphern miteinander kombiniert werden. Dabei geht es einerseits um den Loskauf aus Sklaverei oder Gefangenschaft, wobei vor allem der sakrale Sklavenloskauf eine Rolle gespielt haben wird, vielleicht auch Befreiungserfahrungen des Volkes Israel, und andererseits um das jüdische Opferkonzept, wobei kein bestimmtes Opfer im Blick gewesen ist, sondern eher kultische Handlungen insgesamt angedacht werden ௅ zumal der 1Petr mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Zeit verfasst wurde, als der Opferkult nicht mehr praktiziert werden konnte. Hypo-

593

VAN UNNIK, Redemption, 77. Vgl. a.a.O. 79. 595 Vgl. REICKE, Epistles, 85f. 596 BROX, Der erste Petrusbrief, 82f. 594

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

thesen zu den Fragen, wie und warum genau es zu dieser Metaphernvermischung kommen konnte, werden nicht gegeben. Teilweise wird damit argumentiert, dass der Verfasser mit bekannten Traditionen gearbeitet und dadurch das inkonsistente Bild, das durch die Verbindung der Metaphern entstand, nicht mehr gesehen hat.597 Andererseits wird zum Teil darauf verwiesen, dass der Autor solche Metaphernverbindungen häufiger verwendet.598 Beide Beobachtungen weisen in die richtige Richtung, wenn sie auch noch keine umfangreiche Erklärung bieten. Die Tatsache, dass kühne Metaphernkombinationen in 1Petr mehrfach vorkommen, ist zutreffend, wie bereits dargestellt wurde.599 Es ist angesichts des eigentlich guten Stils des Briefs wenig wahrscheinlich, dass diese jedes Mal durch Unachtsamkeit entstanden sind. Offenbar hat der Verfasser kein Problem mit den erzeugten Bildern und unterstellt auch den Adressierten, dass diese sie angemessen verstehen können. Im Fall von 1Petr 1,18f. ist ziemlich deutlich erkennbar, dass zwei für das Verständnis des Todes Jesu im Urchristentum grundlegende konzeptuelle Metaphern vorausgesetzt und miteinander verbunden werden: JESU TOD IST EIN LOSKAUF und JESU TOD IST EIN KULTISCHES OPFER.600 Dabei wird die Opfermetapher in gewisser Weise in die Loskaufmetapher eingetragen, so dass eine Art Metaphernverkettung vorliegt. Das Bild vom Opfer wird aber im Folgenden so dominant, dass es eher als eigenständige Metapher neben dem Loskauf wahrgenommen wird. Die Verschränkung wird noch dadurch intensiviert, dass das Blut nicht nur als alternatives Zahlungsmittel eingeführt, sondern auch als „wertvoll“ bezeichnet wird. Da beide konzeptuellen Metaphern wohl bekannt und verbreitet sind, ist von einer gewissen Konventionalisierung auszugehen, durch die es natürlich vorkommen kann, dass die Bildervermischung nicht mehr auffällt. Im vorliegenden Fall ist es jedoch kaum denkbar, dass hier derart nachlässig formuliert wurde. Meines Erachtens ist es wahrscheinlicher, dass die Metaphern bewusst verbunden wurden und ein Schlüssel hierfür scheint mir die Doppeldeutigkeit des Verbs ȜȣIJȡȩȦ zu sein, das im Deutschen sowohl mit „loskaufen“ als auch mit „erlösen“ wiedergegeben werden kann. Bereits Goppelt bemerkt: Der Sinn des Verbums oszilliert an unserer Stelle zwischen diesen beiden Bedeutungen. V. 18 nennt einen Kaufpreis und legt dadurch die griech. Grundbedeutung ‚loskaufen‘ nahe. Jedoch paßt zu dem at. Hintergrund der Stelle, Jes 52,3 und vor allem zu der Vorstellung

597

Vgl. VAN UNNIK, Redemption, 24 (mit Verweis auf Knopf). Vgl. HECKEL, Briefe, 101f. 599 S.o., Abschnitt 2.4.2. 600 Eine Verknüpfung dieser beiden Metaphern kann auch andernorts im Neuen Testament vorliegen, etwa in Röm 3,24f. (s.u., Abschnitt 2.5.5.). Nirgends ist sie aber so deutlich wie hier, denn dadurch, dass der Kaufpreis explizit genannt wird, kann sichergestellt werden, dass die Loskaufmetapher nicht in konventionalisierter Bedeutung gebraucht wurde. 598

2. Arten von Metaphernkombinationen

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vom sühnenden Opfer in V. 19 besser die religiöse Bedeutung ‚erlösen‘, die sich in der LXX und im Urchristentum mit dem Wort verbunden hat.601

Im Griechischen (und auch im Hebräischen) wird weitaus weniger stark zwischen diesen Bedeutungen unterschieden als wir es tun, wenn wir dafür unterschiedliche Begriffe einsetzen.602 Allein der Kontext macht die konkrete Bedeutung klar. Dabei ist zu beachten, dass „erlösen“ ௅ auch im Deutschen ௅ im Sinn einer konventionalisierte Metapher gebraucht wird, die auf der Grundidee des Freikaufs basiert und diesen abstrahiert. Der Verfasser spielt mit den beiden Bedeutungsnuancen von ȜȣIJȡȩȦ: Das Loskaufmotiv hängt an der Grundbedeutung des Verbs, die Opfermetaphorik an der abstrakteren, religiösen Bedeutung. Sicherlich ist richtig, dass ȜȣIJȡȩȦ in der Septuaginta nicht gebraucht wird, um die Wirkung von Opfern zu beschreiben.603 Doch hier geht es auch nicht um ein normales Opfer, sondern um das Blut Christi, das sehr wohl als „erlösend“ bezeichnet werden kann. Es darf nicht vergessen werden, dass sich das Blut primär auf Christus bezieht und die Gleichsetzung mit dem Lamm sich erst daran anschließt, auch wenn die Wortreihenfolge aus rhetorischen Gründen umgekehrt ist. Auch an anderer Stelle zeigt die sprachliche Ausgestaltung der Verse diesen Übergang der Wortbedeutungen: „The use of the dative in vv 18–19 as in legal passages in the LXX (e.g., Exod 34:20; Lev 19:20, Num 18:15), rather than the genitive of price […], as in 1 Cor 6:20; 7:23, and the Hellenistic inscriptions, signals the blending of sacrifical language with that of the ransoming of slaves.“604 Die Vermischung in 1Petr 1,18f. ist also auf eine Verbindung der sprachlichen Konkretisierungen zweier verbreiteter konzeptueller Metaphern zurückzuführen, und diese Verbindung wird vermittelt durch die unterschiedlichen Bedeutungsnuancen von ȜȣIJȡȩȦ. Obwohl das Bild nicht in sich geschlossen ist, erzeugt es doch eine große Kraft und kann gerade daher als rhetorisch besonders wirkmächtig bewertet werden. Schließlich lässt sich festhalten, dass sich der Verfasser an dieser Stelle sehr knapp hält. Die Metaphern werden offenbar bewusst nur erwähnt und nicht bis ins Detail ausgeführt. Dazu bemerkt auch Brox: Seinen Gemeinden ist es konventionell geläufig, daß geopfertes Blut spezielle Kraft hat, und sie haben bereits gelernt, Jesu Bedeutung für die Menschen über das Theologumenon von Opfer und Stellvertretung zu verstehen, denn das liegt ja hier zu Grunde […] Fragen und

601

GOPPELT, Der erste Petrusbrief, 121f. Ein Bezug zu Jes 52,3 ist jedoch weniger eindeutig, wie oben dargelegt. Auch von einem „sühnenden“ Opfer zu sprechen, ist hier nicht unbedingt glücklich, zumal das Stichwort „Sühne“ im Neuen Testament so kaum vorkommt. Ansätze einer Doppeldeutigkeit erkennt auch Vahrenhorst. (Vgl. VAHRENHORST, Der erste Brief des Petrus, 90.) 602 Vgl. auch VAN UNNIK, Redemption, 49. 603 Vgl. auch a.a.O. 40. 604 MICHAELS, 1 Peter, 65.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Reflexionen, warum Opfer notwendig war, wer ein Lösegeld verlangte, wer in Unfreiheit hielt etc., sind hier offenbar durch die elementare Aussage selbst erübrigt.605

2.5.3. Überblick: Metapherninkonsistenzen Im Gegensatz zu Metaphernvermischungen, die sich durch ein Aufeinanderprallen verschiedener, nicht miteinander kompatibler semantischer Felder auszeichnen, bleibt das übergreifende Feld in Metapherninkonsistenzen bestehen. Hier können prinzipiell zwei Kategorien unterschieden werden, wobei es sich im ersten Fall nicht um Metaphernkombinationen im engen Sinn handelt. Da der Effekt jedoch häufig ähnlich ist und beide Phänomene, gemeinsam mit den Metaphernvermischungen, oft zusammen betrachtet werden,606 soll hier auf diese Art der Inkonsistenz ebenfalls kurz eingegangen werden. Dabei besteht eine Spannung zwischen einem realen und dem geschilderten metaphorischen Geschehen, bzw. ein Widerspruch zwischen den ursprünglichen Assoziationen der an der Metapher beteiligten Elemente. Das Zusammenwirken von Topic und Vehicle scheint also unstimmig, nicht das von verschiedenen Vehicles untereinander. Drei Fälle hiervon wurden bereits ausführlicher thematisiert: Eph 2,16, Kol 2,14 und 1Petr 2,24a.607 Die Stärke der Inkonsistenz bzw. der Wahrnehmung eines Widerspruchs zum real geschehenen Tod Jesu (soweit man diesen aus den Passionsberichten und unter Berücksichtigung genereller historischer Umstände rekonstruieren kann) variiert dabei jedoch. In 1Petr 2,24a heißt es, dass Jesus selbst die menschlichen Sünden an seinem Leib ans Holz hinaufgetragen hat (੔Ȣ IJ੹Ȣ ਖȝĮȡIJ઀ĮȢ ਲȝ૵Ȟ Į੝IJઁȢ ਕȞ੾ȞİȖțİȞ ਥȞ IJ૶ ıઆȝĮIJȚ Į੝IJȠ૨ ਥʌ੿ IJઁ ȟȪȜȠȞ). Während das Verb ਕȞĮijȑȡȦ („hinauftragen“) und der Verweis auf Jesu Leib ein konkretes Bild evoziert, das nicht ganz mit den abstrakten Sünden vereinbar zu sein scheint, lässt gerade dieser Grad der Abstraktheit zu, dass die Schilderung noch mit dem wirklichen Todesgeschehen in Einklang gebracht werden kann. Menschliche Sünden per se sind nicht sichtbar, ihre Gegenwart im Kreuzesgeschehen ist somit vorstellbar. Auch das Objekt in Eph 2,16, Feindschaft (਩ȤșȡĮ), ist an sich abstrakt, was potenziell dazu führen kann, dass die Vereinbarkeit mit umliegenden metaphorischen Aussagen erhöht wird. Allerdings wird sie zunächst personifiziert, da sie insofern lebendig dargestellt wird, als sie getötet werden kann (ਕʌȠțIJİȓȞȦ). Vor allem die Tatsache, dass Jesus als aktiv ausführende Instanz präsentiert wird, und zwar im Zuge des Kreuzesgeschehens, führt zu einer deutlichen Spannung zu den wirklichen Todesumständen Jesu. Die Passage ist vielmehr geleitet von dem Interesse, Jesus in seinem Tod nicht als passiv Erleidenden, sondern als aktiv Handelnden vor-

605 BROX, Der erste Petrusbrief, 82. Schwierig ist aber die Rede von der Stellvertretung an dieser Stelle, die im Text selbst keinen Anhaltspunkt hat. 606 S.o., Abschnitt 2.1. des zweiten Kapitels. 607 S.o., Abschnitt 6.1. des dritten Kapitels.

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zustellen und die Bedeutung des Todes für das Leben der Adressierten zu aktualisieren. Dies muss auch für Kol 2,14 als beherrschend angesehen werden, wo die Inkonsistenz noch einmal deutlicher zum Tragen kommt, da hier ein konkret-dingliches Objekt der Handlung angeführt wird, die Schuldhandschrift (ȤİȚȡંȖȡĮijȠȞ), die Jesus „auslöscht“ (ਥȟĮȜİ઀ȥĮȢ), „wegnimmt“ (਷ȡțİȞ), und ௅ was die deutlichste Spannung ergibt ௅ „ans Kreuz nagelt“ (ʌȡȠıȘȜઆıĮȢ Į੝IJઁ IJ૶ ıIJĮȣȡ૶). Auch die Handlung selbst ist an dieser Stelle weitaus konkreter und bildlicher dargestellt. Im Gegensatz etwa zu Eph 2,16 wird nicht generell von einem (metaphorischen) Tod gesprochen, sondern vom sehr plastischen Vorgang des Annagelns an das Kreuz. Dieser Prozess ist äußerst eng mit der Vorstellung vom Tod Jesu verbunden, wodurch aber auch eine stärkere Diskrepanz zum „realen“ Geschehen besteht als in den anderen vergleichbaren Texten. Hinzu kommt, dass mit dem Element der Schuldhandschrift eine weitere metonymisch-metaphorische Ebene eröffnet wird, denn sie verbildlicht auf konkrete Weise einen an sich abstrakten Sachverhalt. Im Grunde soll die Passage die sündentilgende Wirkung des Todes Jesu veranschaulichen. Dadurch, dass Jesus nun nicht mehr der ist, der das Annageln ans Kreuz erdulden muss, sondern der, der selbst diese Aufgabe übernimmt, entsteht eine starke Spannung, die aber theologisch äußerst fruchtbar gemacht werden kann. Sie gibt dem äußerst negativen Schicksal Jesu eine positive Wende und Jesus als Akteur eine weitaus größere Handlungsfreiheit. Von den drei Texten 1Petr 2,24a; Eph 2,16 und Kol 2,14 ist in letztgenanntem somit die Inkonsistenz, das heißt der Widerspruch zum Tod Jesu, wie er wirklich geschehen ist, am offensichtlichsten, weil er die konkretesten Bilder zeichnet. Gleichzeitig ist er aber gerade dadurch auch am aussagestärksten. Einen vergleichbaren, wenn auch nicht identisch zu bewertenden Abschnitt stellt Apk 7,14 dar: ਩ʌȜȣȞĮȞ IJ੹Ȣ ıIJȠȜ੹Ȣ Į੝IJ૵Ȟ țĮ੿ ਥȜİ઄țĮȞĮȞ Į੝IJ੹Ȣ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ IJȠ૨ ਕȡȞ઀Ƞȣ („sie haben ihre Gewänder gewaschen und sie weiß gemacht im Blut des Lammes“). Die Spannung in dieser Aussage besteht hauptsächlich darin, dass die alltäglichen, ursprünglichen Assoziationen mit „Blut“ sich nicht mit der Funktion decken, die es hier einnehmen soll. Insbesondere der Kontrast mit dem „weiß Machen“ ist offensichtlich, da dies deutlich der normalerweise mit Blut assoziierten Farbe widerspricht. Doch auch der wesentliche Widerspruch zur Funktion der Reinigung genügt, um ein inkonsistentes Bild zu erzeugen. Der Abschnitt ist allerdings wiederum trotz des Zusammenprallens unterschiedlicher Konnotationen für die Rezipierenden gut verständlich: Das Blut des Lamms, das metonymisch-metaphorisch auf Jesu Tod verweist, erwirkt eine Reinigung, also eine Heiligung und Aussonderung. Weiterhin zeigt die Inkonsistenz, dass das Blut kein gewöhnliches Blut und das Lamm kein gewöhnliches Lamm ist. Wie bei vielen anderen Passagen der Apk muss der allgemeine Symbolcharakter der Schrift beachtet werden, durch den die Aussagen etwas von ihrer Metaphorizität einbüßen. Auch wenn diese Tatsache berück-

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sichtigt wird, ist die Spannung in dem dargestellten Bild dennoch unverkennbar. Zu beachten ist weiterhin, dass es intratextuelle Bezüge gibt, wie sich insbesondere in Apk 19,8.13f. zeigt. Die Braut des Lamms wird aufgerufen, sich in feinem, glänzendem, reinem Leinen zu kleiden (ȕ઄ııȚȞȠȞ ȜĮȝʌȡઁȞ țĮșĮȡંȞ), wobei dieses Leinen im Anschluss durch eine Kopula-Metapher direkt mit den gerechten Taten der Heiligen identifiziert wird (ȕ઄ııȚȞȠȞ IJ੹ įȚțĮȚઆȝĮIJĮ IJ૵Ȟ ਖȖ઀ȦȞ ਥıIJ઀Ȟ). Eine Parallele zu den gewaschenen und weiß gemachten Kleidern von Apk 7,14 ist unverkennbar, obwohl dort die heilswirksame Funktion des Todes Jesu im Vordergrund zu stehen scheint und hier die Menschen selbst eine aktivere Rolle einnehmen, was freilich durch das Waschen auch in 7,14 anklingt. Nur einige Verse nach der Referenz auf das reine Leinen, jedoch in einer anderen Vision, wird Christus in 19,13 als in den Krieg ziehender Reiter dargestellt, „bekleidet mit einem in Blut getauchten Mantel“ (ʌİȡȚȕİȕȜȘȝ੼ȞȠȢ ੂȝ੺IJȚȠȞ ȕİȕĮȝȝ੼ȞȠȞ Į੆ȝĮIJȚ), wobei aber nicht geklärt wird, von wem das Blut stammt. Der Verweis darauf, dass Christus „die Kelter des Weines tritt“ (ʌĮIJİ૙ IJ੽Ȟ ȜȘȞઁȞ IJȠ૨ Ƞ੅ȞȠȣ; V. 15), verstärkt die Tatsache, dass die Farbe Rot evoziert wird. Demgegenüber sind die den Reiter begleitenden „Heere der Himmel“ (IJ੹ ıIJȡĮIJİ઄ȝĮIJĮ [IJ੹] ਥȞ IJ૶ Ƞ੝ȡĮȞ૶) „bekleidet mit feinem, weißen, reinen Leinen“ (ਥȞįİįȣȝ੼ȞȠȚ ȕ઄ııȚȞȠȞ ȜİȣțઁȞ țĮșĮȡંȞ; V. 14), was die Kleidung der Braut wiederum aufgreift. Auch hier zeigt sich somit der klare Kontrast von Rot und Weiß ௅ Blut als Attribut Christi, weiße Kleidung als Zeichen der geheiligten Gemeinschaft, wobei auch diese Heiligung durch Christus erwirkt wird. Apk 7,14 verbindet dies auf besonders plastische Weise, und das Bild bleibt gerade darum besonders im Gedächtnis, weil es auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint. Eine Metapherninkonsistenz im engen Sinne liegt hingegen dann vor, wenn dasselbe Topic in verschiedenen Metaphern verwendet wird, bei denen die VTerms aus demselben semantischen Feld stammen, aber in diesem sehr unterschiedliche Rollen oder Funktionen einnehmen. Ein eindrückliches Beispiel dafür stellt das Verhältnis von Joh 1,29.36 einerseits und Joh 10,11.14f. andererseits dar.608 Bei der Einführung Jesu wird dieser zweimal als „Lamm Gottes“ (੒ ਕȝȞઁȢ IJȠ૨ șİȠ૨) bezeichnet, wobei in der ersten Nennung auch seine sündentilgende Funktion erläutert wird, die offenbar auf seinen Tod zu beziehen ist. Dadurch, dass hier Jesus erstmals auf narrativer Ebene charakterisiert wird, und durch die Wiederholung ist zu vermuten, dass das Bild den Rezipierenden besonders im Gedächtnis bleibt. Einige Zeit später wird der Lamm-Metapher 608

Zu dieser Metapherninkonsistenz vgl. auch meine knappen Ausführungen in: NIESOPHIA, Jesus als Metapher. Bildhafte Jesus-Transformationen im NT und darüber hinaus, in: Richard Janus u.a. (Hg.), Jesus-Transformationen, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2019, 34–48. Hier: 37f. Auch Zimmermann erkennt die Spannung zwischen Joh 10,7–10 und Joh 10,11–18, deren Verhältnis er als „sich wechselseitig bedingende Zusammenballung verschiedener Metaphern“ charakterisiert. (ZIMMERMANN, „Du wirst noch Größeres sehen …“, 100.) PERT-RUMEL,

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jedoch eine andere, sehr deutliche Metapher aus demselben semantischen Feld entgegengestellt: „Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe“ (ਫȖઆ İੁȝȚ ੒ ʌȠȚȝ੽Ȟ ੒ țĮȜંȢ. ੒ ʌȠȚȝ੽Ȟ ੒ țĮȜઁȢ IJ੽Ȟ ȥȣȤ੽Ȟ Į੝IJȠ૨ IJ઀șȘıȚȞ ਫ਼ʌ੻ȡ IJ૵Ȟ ʌȡȠȕ੺IJȦȞ; Joh 10,11). Auch diese Metapher wird einige Verse später mit Modifizierungen wiederholt und somit hervorgehoben. Da sich Hirte und Schaf in ihren Rollen gegenüberstehen und aufeinander beziehen, wird der Kontrast besonders deutlich. Eine weitere Ebene der Inkonsistenz wird noch dadurch eröffnet, dass in 10,7 Jesus sich selbst als „die Tür zu den Schafen“ (ਥȖઆ İੁȝȚ ਲ ș઄ȡĮ IJ૵Ȟ ʌȡȠȕ੺IJȦȞ) bezeichnet ௅ auch hier steht eine (verkürzte) Wiederholung der Metapher in V. 9. Diese Metapher besitzt jedoch keine direkte Verbindung mit dem Tod Jesu. In dem hier verwendeten semantischen Feld der Kleinviehhaltung nimmt Jesus unterschiedliche, einander widersprechende Rollen ein. Er ist der Hirte, er ist die Tür zum Gehege, und schließlich wird er auch selbst als eine spezifische Art Schaf vorgestellt. Es wirkt, als sei der Versuch einer Erweiterten Metapher misslungen, da Jesus alle Einzelmetaphern dominiert. Die Diskrepanz zwischen der Lamm- und der Hirten-Metapher wird auf unterschiedliche Weisen relativiert. Zunächst stehen sie textlich in einiger Entfernung zueinander. Auch die Sprecher, die diese Metaphern anführen, sind jeweils unterschiedlich. Schließlich unterscheiden sich die griechischen Begrifflichkeiten, durch die auf die Schafe verwiesen wird (ਕȝȞȩȢ, ʌȡȩȕĮIJȠȞ). Diese Faktoren führen dazu, dass die Inkonsistenz hier weniger stark wahrgenommen wird. Sie gelten jedoch nicht für die Tür- und Hirtenmetapher. Es ist richtig, dass die beiden Ich-bin-Worte einen jeweils unterschiedlichen Gedankengang einleiten, doch dieser besteht eher in einer Akzentverschiebung, und eine Kontinuität lässt sich klar erkennen. Hier wird deutlich, dass die Rolle, die Jesus für die Gläubigen (die Schafe) einnimmt, nicht in einer einzelnen Metapher bedeutungsvoll ausgedrückt werden kann. Es bedarf innerhalb des Gesamtbildes unterschiedlicher Einzelbilder, um die Relationsbestimmungen treffend darzustellen. Auch das Verhältnis von Kol 3,3 zu 3,5 kann als eine Art Metapherninkonsistenz gesehen werden. In V. 3 werden die Adressierten als solche bezeichnet, die (metaphorisch) gestorben sind (ਕʌİș੺ȞİIJİ ȖȐȡ), was im Kontext als Mitvollzug des Todes Jesu gedeutet werden muss ௅ 2,20 enthält eine explizite ıȪȞAussage. Kurz darauf wird dazu aufgefordert, die „Glieder auf der Erde“ zu töten (ȃİțȡઆıĮIJİ Ƞ੣Ȟ IJ੹ ȝ੼ȜȘ IJ੹ ਥʌ੿ IJોȢ ȖોȢ), womit unterschiedliche irdische Laster gemeint sind, die in der Folge aufgezählt werden. Die logische Schwierigkeit besteht natürlich darin, dass diejenigen, die gestorben sind, aktiv als Tötende imaginiert werden. Eine gewisse Parallele zu 1Petr 2,24a, Eph 2,16 und Kol 2,14 ist erkennbar, da auch hier das passive Geschick des Sterbens in eine aktive Handlung, die eine Vernichtung impliziert, umgewandelt wird. Der entscheidende Unterschied zwischen Kol 3,3.5 und den anderen Passagen besteht jedoch darin, dass Jesu Sterben als real geschehen vorausgesetzt wird, das (Mit-)Sterben der Adressierten hingegen selbst eine Metapher darstellt. Auch

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hier lässt sich die Spannung aber teilweise auflösen: Das Sterben wird in 3,3 näher expliziert durch die Wendung „euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott“ (ਲ ȗȦ੽ ਫ਼ȝ૵Ȟ ț੼țȡȣʌIJĮȚ ıઃȞ IJ૶ ȋȡȚıIJ૶ ਥȞ IJ૶ șİ૶). Daran schließt sich gedanklich in V. 4 an, dass dementsprechend die Gläubigen ebenso am Offenbar-Werden Christi partizipieren (țĮ੿ ਫ਼ȝİ૙Ȣ ıઃȞ Į੝IJ૶ ijĮȞİȡȦș੾ıİıșİ). Der Argumentationsgang bleibt somit nicht beim Sterben stehen, sondern zielt auf das Eingehen in die Herrlichkeit ab. Die Adressierten werden nicht mehr vorrangig als Gestorbene vorgestellt. In diesem Sinne ist die sich anschließende Aufforderung zum symbolischen Töten der Laster einfacher vorstellbar. Zu beachten bleibt jedoch, dass das Offenbar-Werden in V. 4 im Futur steht, während sich V. 3 und 5 eher auf die Gegenwart beziehen. Es ist wenig verwunderlich, dass in den neutestamentlichen Schriften mit der höchsten Bilderdichte, das heißt in diesem Fall Hebr und Apk, auch am häufigsten Metapherninkonsistenzen vorliegen. Dadurch, dass im Hebräerbrief der kultische Hintergrund dominant ist, kommt es zu Inkonsistenzen dergestalt, dass Jesus verschiedene einander widersprechende Funktionen übernimmt. Ein besonders eindrückliches Beispiel hierfür stellt Hebr 10,20 im Kontext der anderen Metaphern umliegender Verse und Kapitel dar. Auf diese Stelle wird in der exemplarischen Analyse noch ausführlicher eingegangen. Allerdings ist allein die Tatsache, dass Jesus als der himmlische Hohepriester imaginiert wird, der sich selbst darbringt, bereits als Inkonsistenz zu werten, die auch logisch zu Schwierigkeiten führt, da Opfernder und Opfergabe in der Person Christi zusammenfallen. Besonders deutlich wird dies in den Passagen, in denen ʌȡȠıijȑȡȦ bzw. ਕȞĮijȑȡȦ mit dem Reflexivpronomen ਦĮȣIJંȞ verbunden werden, so dass ausgesagt wird, dass Christus „sich selbst darbringt“ (Hebr 7,24; 9,14.25). Doch auch in den meisten anderen ʌȡȠıijȑȡȦ-Metaphern des Hebräerbriefs (Hebr 8,3; 9,28; 10,12) wird dieses Bild, in dem Jesus zugleich Subjekt und Objekt ist, vorausgesetzt bzw. werden die Rezipierenden an die vorhergehenden Reflexivaussagen erinnert. Noch keine Inkonsistenz liegt allerdings in der ersten ʌȡȠıijȑȡȦ-Metapher in Hebr 5,7 vor, wo das Objekt der Darbringung anders gefüllt wird, indem eine generelle Verbindung mit Jesus, aber keine Gleichsetzung mit ihm stattfindet. Wie oben bereits dargelegt wurde, lässt sich dieser Wandel inhaltlich durchaus erklären, wenn man davon ausgeht, dass die in Hebr 5,7 geschilderten Opfer zur Einsetzung des Hohepriesters nötig waren, indem sie seine Menschlichkeit bezeugen.609 Allerdings lässt sich auch eine gewisse Bewegung innerhalb des Hebräerbriefs erkennen: Die Bilder werden immer weiter ausgeführt und Jesus übernimmt dabei zunehmend mehr Funktionen. Wird er anfangs als Hohepriester eingeführt und dargestellt, ist im Verlauf die Bedeutung seines Selbstopfers betont. Schließlich, in 10,20, wird er auch mit dem Vorhang in Verbindung gebracht. Das Bild des Jom

609

S.o., Abschnitt 2.3.2.

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Kippur wird somit zunehmend verbreitert, die Inkonsistenzen werden dadurch aber auch ausgeprägter. Je nach Wissensstand der Rezipierenden können diese auch Inkonsistenzen dadurch wahrnehmen, dass im Hebräerbrief verschiedene Erweiterte Metaphern aus ähnlichen, aber doch unterschiedlichen semantischen Feldern miteinander kombiniert werden. Dies wird insbesondere in Kap. 9 deutlich, dessen Wandel unterschiedlicher Bilder bereits an anderer Stelle ausführlicher beschrieben wurde.610 Grundsätzlich kann hier von einer Diversifikation ausgegangen werden, aber die angesprochenen Bedeutungshintergründe ௅ Jom Kippur und Bundesschluss ௅ stehen alle unter dem Vorzeichen kultischer Handlungen und werden auch innerhalb des Textes nicht klar voneinander abgegrenzt. Gedanklich bewegt sich der Abschnitt vom Jom Kippur zum Bundesschluss und wieder zurück, wobei beides klar aufeinander bezogen bleibt, es jedoch zu einzelnen Verschiebungen im Detail kommt. So erfüllt das Blut im Zuge des Jom Kippur die Funktion, Zutritt zum Allerheiligsten zu erlangen, und steht offenbar auch in Verbindung mit dem Bewirken von Erlösung (oder Loskauf, ȜȪIJȡȦıȚȢ, Hebr 9,12). Innerhalb der Bundesschluss-Metaphorik hat Christi Blut die Wirkung, das himmlische Heiligtum umfassend zu reinigen (Hebr 9,22f.), wobei auch hier das Moment der Vergebung mitgedacht wird. Gemeinsam ist beiden Fällen, dass einerseits eine Wirkung auf der Bildebene beschrieben wird ௅ Zugang zum Allerheiligsten und Reinigung des himmlischen Tempels ௅, diese aber gleichzeitig mit einem abstrakteren Konzept ௅ Erlösung, Vergebung ௅ verbunden wird, das die Relevanz der Handlung auf das Leben der Adressierten überträgt. Unabhängig von diesen Einzelbeobachtungen kann auch die Inklusion der Bundesschluss-Metaphorik innerhalb der beherrschenden Jom-Kippur-Thematik generell als inkonsistent empfunden werden, wie auch der Verweis auf tägliche Opfer in 10,11f. insofern eigentümlich erscheint, als bereits in 9,25f. die Einmaligkeit des Opfers Jesu durch eine Gegenüberstellung mit den levitischen Opfern betont wird, wobei hier offenbar das jährliche Opfer anlässlich des Jom Kippur gemeint ist. Der Verfasser gebraucht die levitischen Gesetze somit auf äußerst umfangreiche Weise als Vorbild für das und zugleich als Abgrenzung vom Erlösungsgeschehen in Christus. Einzelelemente, die sich argumentativ anwenden lassen, werden gebraucht. Diese stammen zum Großteil, aber eben nicht ausschließlich, aus dem Bild des Jom Kippur. Andere Elemente, die in diesen Bildbereich eintreten, können als „störend“ oder inkonsistent empfunden werden, wobei dies auch davon abhängig ist, inwieweit den Rezipierenden überhaupt bewusst ist, dass auf unterschiedliche Bedeutungshintergründe angespielt wird. Die Tatsache, dass immer wieder die „alte Ordnung“ referiert wird ௅ so auch der Bundesschluss in 9,18–22 ௅ erleichtert jedoch die Zuordnung.

610

S.o., Abschnitt 2.2.1.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

In der Apokalypse bestehen (weitere) Metaphern- bzw. Symbolinkonsistenzen vor allem darin, dass das „geschlachtete Lamm“ Handlungen und Funktionen übernimmt, die nicht seinem Wesen als Lamm entsprechen bzw. diesem sogar widersprechen. Dies wird insbesondere in Apk 7,17 deutlich. Der Vers steht in Nachbarschaft der bereits erwähnten Inkonsistenz von 7,14, wo Blut als Reinigungsmittel vorgestellt wurde. Die dort beschriebenen weiß Gekleideten stehen weiterhin im Fokus. V. 16 legt dar, dass sie vor Hunger, Durst, Sonne und Hitze geschützt sind. Dies wird in V. 17a begründet: „Denn das Lamm in der Mitte des Throns wird sie weiden und wird sie zu Quellen des Wassers des Lebens führen“ (੖IJȚ IJઁ ਕȡȞ઀ȠȞ IJઁ ਕȞ੹ ȝ੼ıȠȞ IJȠ૨ șȡંȞȠȣ ʌȠȚȝĮȞİ૙ Į੝IJȠઃȢ țĮ੿ ੒įȘȖ੾ıİȚ Į੝IJȠઃȢ ਥʌ੿ ȗȦોȢ ʌȘȖ੹Ȣ ਫ਼į੺IJȦȞ). Das Lamm widerspricht mit seinem Verhalten den Assoziationen eines Weidetiers und übernimmt Aufgaben, die normalerweise einem Hirten zugesprochen werden. Dabei ist besonders auffällig, dass diejenigen, die hier geweidet werden, als Menschen vorgestellt werden. Es kommt also zu einer Art Umkehrung der Verhältnisse. Der Abschnitt zeigt klare Parallelen zu der Lamm-Hirten-Inkonsistenz im Johannesevangelium. Zugleich gibt es aber auch einige deutliche Unterschiede: Zunächst sind in Apk 7,17 die beiden disparaten Elemente ௅ das Lamm und die Tätigkeit des Weidens ௅ in derselben Aussage enthalten, während im Johannesevangelium zwei unterschiedliche und vor allem räumlich distanzierte Metaphern vorliegen, die zudem von unterschiedlichen Sprechern vorgebracht werden. Dadurch ist naturgemäß die Spannung in Apk 7,17 erhöht. Gleichzeitig gilt es jedoch zu bedenken, dass dort, anders als im Johannesevangelium, nirgends eine Metapher vorliegt, in der Jesus als Lamm identifiziert wird. Dass das Lamm symbolhaft auf Jesus hindeutet, wird vielmehr vorausgesetzt. Die Etablierung des Lamms als festes Symbol bedeutet gleichzeitig eine Abschwächung der metaphorischen Spannung. Damit korrespondiert die Tatsache, dass das Bild des Weidens (ʌȠȚȝĮȞİ૙) wortgleich auch in 19,15 auf den in den Krieg ziehenden Reiter übertragen wird, nun jedoch mit deutlich gewalthaltigeren Untertönen als in Apk 7,17. Ein weiterer Fall, in dem das Lamm den Rahmen dessen verlässt, was mit einem Lamm ursprünglich assoziiert wird, liegt in der Beschreibung seiner Hochzeit, wie sie vor allem in 19,7–9 und 21,9 anklingt, vor. An dieser Stelle wird jedoch das semantische Feld der Kleinviehhaltung verlassen, bzw. es wird ein weiteres Feld eröffnet. Dementsprechend ist die Inkonsistenz hier eher dem ersten Typus zuzuordnen, das heißt die Metapher wird auf eine Weise präsentiert, die den realen Assoziationen der Einzelelemente zutiefst widerspricht. Auch hier ist allerdings der Symbolcharakter des Lamms beachtenswert. Sowohl das Weiden als auch die Hochzeit machen dieses Symbol in gewisser Weise durchsichtig, so dass durchscheint, wer mit dem Lamm eigentlich gemeint ist: Jesus Christus als Mensch. Dies wird besonders dadurch befördert, dass Bilder für Jesus als Hirte und Bräutigam aus anderen Kontexten bereits bekannt sind ௅ vermutlich auch schon für die Erstrezipierenden, wenn auch

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nicht unbedingt in der konkreten Gestalt, die heutigen Lesenden vertraut sind (für den Hirten: Joh 10,11; möglicherweise auch Lk 15,4–7par ௅ und vielfache bildhafte Darstellungen oder sonstige Rezeptionsformen; für den Bräutigam: etwa Mk 2,19f.par und Mt 25,1–13). Ganz allgemein ist zu beachten, dass sich das Lamm in der Apk nicht so verhält, wie man es normalerweise von einem Tier seiner Art erwarten würde, und dass es auch äußerlich einige Besonderheiten aufweist. Dies schwächt die Wahrnehmung und Wirkung von Inkonsistenzen deutlich ab. Eine Art von Inkonsistenz kann auch bereits in der diversifizierenden Einführung des Lamms in Apk 5,6 gesehen werden. Dieses wird im vorherigen Vers als Löwe (੒ Ȝ੼ȦȞ) bzw. Spross/Wurzel (ਲ ૧઀ȗĮ) angekündigt, wobei in beiden Fällen eine weitere Spezifizierung (ein Bezug auf den Stamm Juda und David) vorliegt, durch die auch der metaphorische Gehalt der Aussage offensichtlich wird. Es erscheint aber weder ein Löwe noch ein Spross, sondern eben das geschlachtete Lamm, das in seinem Aussehen ௅ sieben Hörner und sieben Augen ௅ jedoch von gewöhnlichen Schafen abweicht. Gerade zwischen dem Löwen und dem Lamm besteht eine Spannung, da beides Tiere bezeichnet, die aber in ihren Konnotationen sich klar unterscheiden. Dabei ist insbesondere der Charakter des Löwen als Raub- und des Lamms als (potenzielles) Beutetier bemerkenswert. Wiederum ist hier aber der Symbolgehalt des Lamms und die Tatsache, dass es sich um kein Tier im herkömmlichen Sinn handelt, zu beachten. 2.5.4. Exemplarische Analyse von Hebr 10,19f. Der Abschnitt Hebr 10,19f. zeigt Parallelen zur bereits kurz besprochenen Passage 6,19f., da es sich um die einzigen ausführlichen Beschreibungen des „Vorhangs“ (țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ) im Hebräerbrief handelt, in denen dieser als soteriologisch relevant dargestellt wird (vgl. noch die Erwähnung des „zweiten Vorhangs“ in 9,3 bei der Beschreibung des Stiftzeltes). Auch insgesamt gibt es deutliche begriffliche Überschneidungen beider Passagen.611 Diese Verbindung zu 6,19f. ist auch deswegen bemerkenswert, weil bereits dort mit der Rede vom Vorhang eine Metaphernvermischung verbunden ist. Die Rede vom Vorhang ist somit im Hebräerbrief in eine komplexe Bildersprache eingebunden, die das Verständnis erschwert. Außer im Hebräerbrief kommt der Begriff țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ im Neuen Testament lediglich in der Erzählung vom Zerreißen des Vorhangs zur Todesstunde Jesu (Mk 15,38par) vor. Ob hier eine gemeinsame Tradition oder ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, ist unklar. In keiner der beiden Stellen des Hebr entsteht der Eindruck, dass der Vorhang nicht intakt wäre. Sowohl im Hebräerbrief als auch bei den Synoptikern dient der Verweis auf den Vorhang jedoch dazu, zu verdeutlichen, dass ein Hindernis im 611

Für eine Gegenüberstellung vgl. z.B. YOUNG, Where Jesus has Gone, 172.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Zugang zur Gottesgegenwart überwunden wurde, und meines Erachtens wird dies in beiden Fällen durch den Tod Jesu erwirkt. In der Forschungsgeschichte wurde für den „himmlischen Vorhang“ teilweise ein gnostischer Hintergrund angenommen, so etwa von Käsemann und Gräßer.612 Diesem Ansatz ist Hofius ausführlich begegnet. Auch er geht davon aus, dass mit dem Vorhang ein bereits bekanntes Bild verwendet wird, da der Vorhang nur nebenbei erwähnt und nicht weiter erklärt wird.613 Er zeigt auf detaillierte Weise Parallelen im Frühjudentum auf614 und kommt dadurch zu dem Schluss, das Motiv entstamme „der Märkhaba-Esoterik des antiken Judentums“.615 Die von ihm angeführten und als relevant erachteten Texte beschreiben den Vorhang vor dem himmlischen Gottesthron, ein Konzept, das wohl auf den Vorhang vor dem Allerheiligsten zurückzuführen ist,616 wie dies auch in Hebr ganz offensichtlich der Fall ist. Eine Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass die von Hofius angeführten Texte jünger sind als der Hebräerbrief. Für ihn ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Pargod-Vorstellung selbst älter ist und in Hebr verarbeitet wurde: Das Schweigen der uns erhaltenen älteren Quellen könnte rein zufällig sein, kann aber auch damit zusammenhängen, daß der Vorhang Gegenstand esoterischer Geheimtradition war, deren schriftliche Fixierung anfangs weiterhin vermieden wurde. Der Hebräerbrief liefert uns nun mit 6,19 f. und 10,19 f. die frühesten Belege für die altjüdische Anschauung vom Pargod, die somit bis in die 2. Hälfte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts zurückverfolgt werden kann.617

Obwohl Hofius gezeigt hat, dass das Bild vom Vorhang nicht gnostischer Tradition vorbehalten war, bleibt die Vergleichbarkeit mit den von ihm diskutierten Texten fraglich. Ob für die Passage ein gnostischer Hintergrund angenommen wird, hat Auswirkungen auch auf die Frage, ob hier eine Inkonsistenz vorliegt. Meines Erachtens gibt es dafür keinen zwingenden Grund. Auch der Hintergrund der Merkaba-Mystik ist jedoch nicht gänzlich überzeugend. Eine Schwachstelle beider Argumentationslinien besteht darin, dass sie die Verortung des Vorhangs im Himmel über Gebühr betonen. Während im Hebräerbrief generell natürlich ein himmlisches Heiligtum imaginiert wird, ist zu beachten, 612 Gräßer urteilt vorsichtig, hält eine gnostische Ausrichtung aber für durchaus möglich und sieht insgesamt im Hebr auch Zeichen für ein Zusammenspiel von Vorstellungen aus den jüdischen Heiligen Schriften bzw. dem Frühjudentum einerseits und aus der Gnosis andererseits. (Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 15f.) Deutlicher ist Braun: „Die Gnosisnähe liegt auf der Hand.“ (BRAUN, Hebräer, 308.) 613 Vgl. HOFIUS, OTFRIED, Der Vorhang vor dem Thron Gottes. Eine exegetisch-religionsgeschichtliche Untersuchung zu Hebr 6,19 f. und 10,19 f. (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 14), Tübingen: Mohr Siebeck 1972, 49. 614 Vgl. a.a.O. 4–27. 615 A.a.O. 95. 616 Vgl. a.a.O. 17–19. 617 A.a.O. 75.

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dass weder in 6,19f. noch in 10,19f. der Himmel eine wesentliche Rolle spielt. Gerade die Rekonstruktion eines (gnostischen) Vorhangs zwischen Himmel und Erde ist damit kaum haltbar. Auch das Argument, das Motiv des Vorhangs sei zu unvermittelt eingeführt worden, ist zumindest für 10,19f. nicht besonders stark, denn in 9,3 wurde ja verdeutlicht, welcher Vorhang hier offenbar gemeint ist. Im gesamten Hebräerbrief und insbesondere in Kap. 9 ist das Thema des Jom Kippur beherrschend. In Lev 16 hat das Allerheiligste und damit auch der dieses abtrennende Vorhang einen zentralen Stellenwert. Wenn der Verfasser die Vorgänge beim Jom Kippur auf das Christusgeschehen überträgt, ist es wenig verwunderlich, dass auch der Vorhang innerhalb der bildhaften Argumentationslinie aufgegriffen wird. Von daher ist fraglich, ob überhaupt ein anderer Bedeutungshintergrund als der Jom Kippur selbst angenommen werden muss. Kontextuell gesehen nehmen viele Exegetinnen und Exegeten mit 10,19 einen Einschnitt und somit den Beginn eines neuen Hauptabschnitts vor.618 Teilweise wird ein Bezug zu 4,14–16 hergestellt,619 wo ebenfalls die Selbstaufforderung dominiert und mit dem Motiv des Hohepriesters begründet wird. Auch das auffällige Stichwort ʌĮȡȡȘıȓĮ („Freimut“/„freier Zugang“) fällt dort bereits, wenn auch in einer etwas anderen Sinnrichtung.620 Trotz der mit 10,19 einhergehenden Zäsur darf nicht übersehen werden, dass ein starker Rückverweis auf das in Kap. 9 Geschilderte stattfindet.621 Backhaus urteilt hierzu: „Hat der Zentralteil den Einzug Christi in das Allerheiligste beschrieben, so geht es für den Glaubenden jetzt darum, auf solchen Spuren selbst den Gottesbezug zu

618

Der Abschnitt leitet laut Backhaus den „glaubenspraktischen Schlussteil“ ein. (BACKHebräerbrief, 355.) Schunack sieht in 10,19 den Beginn des dritten Hauptteils (bis 13,25; vgl. SCHUNACK, Hebräerbrief, 114f. mit ausführlicher Begründung), ebenso Gräßer (bei ihm bis 13,21; vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 9). Strobel gliedert kleinschrittiger, sieht aber ebenfalls in 10,19 den Beginn eines neuen (vierten) Hauptteils, der sich bis 12,29 erstreckt. (Vgl. STROBEL, Hebräer, 125.) Allerdings gibt es auch andere Gliederungsmodelle, die etwa eine entscheidende Zäsur nach 10,31 vornehmen. (Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 9.) Dies befürworten z.B. Hegermann (Vgl. HEGERMANN, Hebräer, 202.215) und Karrer. (Vgl. KARRER, MARTIN, Der Brief an die Hebräer. Kapitel 5,11–13,25 [Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament 20.2], Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2008, 237.) Für Buchanan gehört der Abschnitt in die große Sektion von 5,1–10,39. (Vgl. BUCHANAN, GEORGE W., To the Hebrews. Translation, Comment and Conclusion [Anchor Bible Commentary 36], Garden City, N.Y.: Doubleday 21978, 92.67.) Attridge sieht ihn als Teil einer „transitional section“. (ATTRIDGE, Hebrews, 283.) Karrer betont, dass die unterschiedlichen Gliederungsmodelle „die Vorliebe des Hebr für gleitende Übergänge“ unterstreichen. (KARRER, Der Brief an die Hebräer, 213.) 619 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 355; SCHUNACK, Hebräerbrief, 144f.; GRÄßER, Hebräer 3, 9; KARRER, Der Brief an die Hebräer, 211. 620 Vgl. HEGERMANN, Hebräer, 203. 621 So auch ATTRIDGE, Hebrews, 284f. HAUS,

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

realisieren. Denn der himmlische Hohepriester hat diesen Weg als Pionier geebnet (6,19f.).“622 Wichtig ist zudem der Zusammenhang mit 9,8, wo auch vom Weg die Rede ist:623 Hier wird dargestellt, dass der Weg ins Heilige bzw. Allerheiligste noch nicht zugänglich ist, während das erste Zelt besteht (ȝ੾ʌȦ ʌİijĮȞİȡ૵ıșĮȚ IJ੽Ȟ IJ૵Ȟ ਖȖ઀ȦȞ ੒įઁȞ ਩IJȚ IJોȢ ʌȡઆIJȘȢ ıțȘȞોȢ ਥȤȠ઄ıȘȢ ıIJ੺ıȚȞ). Dies bildet offenbar einen Kontrast zu dem durch Jesu Blut frei zugänglichen Weg von 10,19. Syntaktisch gehören V. 19f. in einen größeren Zusammenhang: „Der Abschnitt V. 19–25 ist eine einzige Satzperiode, kunstvoll gegliedert, logisch durchsichtig und rhetorisch ebenso ansprechend wie zielstrebig strukturiert.“624 V. 19–21 bilden eine stark ausgeführte Partizipialkonstruktion, an die sich in V. 22–25 drei kohortative Imperative anschließen, in denen sich die Trias Glaube-Hoffnung-Liebe widerspiegelt und von denen insbesondere der erste und dritte syntaktisch erweitert werden.625 Weil der zweite Teil des Gesamtabschnitts im vorliegenden Zusammenhang nur wenig relevant ist, seien hier nur die Verse 19–21 wiedergegeben: 19

20

21

ਯȤȠȞIJİȢ Ƞ੣Ȟ, ਕįİȜijȠ઀, ʌĮȡȡȘı઀ĮȞ İੁȢ IJ੽Ȟ İ੅ıȠįȠȞ IJ૵Ȟ ਖȖ઀ȦȞ ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ ੉ȘıȠ૨, ਴Ȟ ਥȞİțĮ઀ȞȚıİȞ ਲȝ૙Ȟ ੒įઁȞ ʌȡંıijĮIJȠȞ țĮ੿ ȗ૵ıĮȞ įȚ੹ IJȠ૨ țĮIJĮʌİIJ੺ıȝĮIJȠȢ, IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ IJોȢ ıĮȡțઁȢ Į੝IJȠ૨, țĮ੿ ੂİȡ੼Į ȝ੼ȖĮȞ ਥʌ੿ IJઁȞ ȠੇțȠȞ IJȠ૨ șİȠ૨

Habend also, Geschwister Freimut zum Eintritt in das Heilige im/durch das Blut Jesu, welchen neuen und lebendigen Weg er uns eröffnet/eingeweiht hat durch den Vorhang, das ist sein Fleisch, und einen großen Priester über das Haus Gottes

V. 19 und 21 machen vom Verständnis her wenig Probleme. Auf das Partizip, das den Satzteil bestimmt, sind zwei Objekte bezogen, ʌĮȡȡȘıȓĮ („Freimut“) und ੂİȡİȪȢ ȝȑȖĮȢ („großer Priester“, inhaltlich wohl mit dem ਕȡȤȚİȡİȪȢ, „Hohepriester“ gleichzusetzen, vgl. Lev 21,10 LXX626). Durch die Erwähnung des Blutes Jesu ist es äußerst naheliegend, hier einen Bezug zum Tod Jesu herzustellen, und die Rezipierenden werden durch die Wortwahl angeregt an Vorausgehendes zurückzudenken. V. 19 erinnert tatsächlich stark an 9,12, so dass es sinnvoll sein kann, die dort erwähnte „ewige Erlösung“ (oder den „ewigen Loskauf, ĮੁȦȞ઀ĮȞ Ȝ઄IJȡȦıȚȞ) mit dem nun auch den Menschen möglichen Zugang zur göttlichen Gegenwart gleichzusetzen. Der Gebrauch unterschiedlicher Präpositionen, also dass in 10,19 ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ ੉ȘıȠ૨ steht und in 9,12 įȚ੹ 622

BACKHAUS, Hebräerbrief, 357. Vgl. BUCHANAN, Hebrews, 168. 624 SCHUNACK, Hebräerbrief, 145. 625 Zur Struktur vgl. auch HEGERMANN, Hebräer, 203. 626 Vgl. auch KARRER, Der Brief an die Hebräer, 216. 623

2. Arten von Metaphernkombinationen

643

[…] IJȠ૨ ੁį઀Ƞȣ Į੆ȝĮIJȠȢ, scheint keinen großen Bedeutungsunterschied zu machen (vgl. z.B. ਥȞ Į੆ȝĮIJȚ ਕȜȜȠIJȡ઀૳ im sehr ähnlich strukurierten Vers 9,25). Auch die Darstellung Jesu als Hohepriester ist an diesem Punkt bereits wohlbekannt und somit problemlos verständlich. V. 20 dagegen bietet erhebliche Schwierigkeiten, so dass Backhaus sogar konstatiert: „Kein Vers des Hebr dürfte so viel exegetisches Unbehagen bereiten wie der Relativsatz V. 20.“627 Allerdings gilt auch für V. 20, dass ein Großteil des Satzteils verhältnismäßig einfach zu deuten und in den Gesamtzusammenhang einzuordnen ist. Der Relativsatz bezieht sich zurück auf İ੅ıȠįȠȞ ௅ das Bezugswort wird durch das in Apposition stehende ੒įȩȞ sogar partiell (und generalisierend) wiederholt.628 Dieser Weg wird als „neu“ und „lebendig“ näher charakterisiert. Die Verbindung von ੒įȩȢ mit dem adjektivisch gebrauchten Partizip ȗ૵ıĮ muss hier bereits als metaphorisch angesehen werden,629 auch wenn die Metapher nicht sonderlich stark ist. Gemeint ist nämlich wohl, dass der Weg eine lebensspendende Wirkung entfaltet bzw. auf das ewige Leben in Christus bezogen ist, nicht, dass er in personifizierender Weise selbst lebendig ist.630 Schunack meint, dass in dem Vers „ein hermeneutischer Übergang von kultmetaphorischer zu existenzbezogener Sprache stattfindet.“631 Dies sei besonders in der Verbform ਥȞİțĮ઀ȞȚıİȞ zu beobachten. Der Weg sei „in kultischer Hinsicht eingeweiht, in existenzieller eröffnet – das verwendete Verb hat diese zweifache Bedeutung.“632 Wie genau man sich den Akt einer kultischen Einweihung vorzustellen hat, wird an dieser Stelle nicht gesagt. Sowohl eine Lesart vor dem Hintegrund von 6,19f. als auch vor den Ausführungen von Kap. 9 ist möglich, und es kann sinnvoll sein, beides zusammenzudenken. Einerseits kann die Tatsache, dass Jesus Vorläufer ist, den Weg gebahnt haben, andererseits ist offenbar auch der kultische Aspekt der Einweihung durch Blut, der im Hebr zuvor bei der Beschreibung des Bundesschlusses anklingt, relevant:633 „As the old covenant had been sacrally and solemnly inaugurated by the blood of animals, so Christ inaugurated the new way of more intimate and interior relationship to God with his own blood.“634 Dies wird vor allem vor dem Hintergrund von 9,18 deutlich, wo im Kontext des ersten Bundesschlusses sowohl vom „einweihen“ als auch vom Blut die Rede ist und somit zentrale Termini aus 10,19f. 627

BACKHAUS, Hebräerbrief, 357. Gräßer betont, dass die Schwierigkeit bereits in der Geschichte der Auslegung eine Rolle gespielt hat. (Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 14.) 628 Vgl. auch KARRER, Der Brief an die Hebräer, 210 Fn 3. 629 Vgl. auch ATTRIDGE, Hebrews, 285. 630 Vgl. zur Metapher vom lebendigen Weg ausführlicher HEGERMANN, Hebräer, 204. Er sieht auch einen Bezug zu Hebr 6,20, wenn man den Vorläufer als „Wegbereiter“ versteht. 631 SCHUNACK, Hebräerbrief, 147. 632 A.a.O. 146. 633 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 357f. Ähnlich auch Gräßer, der die Relevanz des Blutritus besonders hervorhebt. (Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 15.) 634 ATTRIDGE, Hebrews, 285.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

vorweggenommen werden.635 Dass der Weg zum Allerheiligsten durch den Vorhang führt, ist vom Bild her weiterhin einleuchtend. Der Vorhang ist weder in 6,19f. noch hier als etwas absolut Negatives dargestellt, sondern er markiert schlicht eine Grenze, die jedoch durch das Handeln Christi durchlässig geworden ist.636 Mit Backhaus ist er „die Seinsschranke […], die die Menschen von der Heiligkeitssphäre des lebendigen Gottes getrennt hatte und die erst in der Heilstat Christi geöffnet worden ist.“637 Bis hierher sind Bild und Gedankengang klar. Erst der folgende Zusatz IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ IJોȢ ıĮȡțઁȢ Į੝IJȠ૨ („das ist sein Fleisch“) bringt eine Spannung in den Text, die dann (je nach Auslegung) auch zu einer Metapherninkonsistenz führt. Attridge spricht hier von einer „boldness of this juxtapposition of veil and flesh“638 und „its paradoxical quality“.639 Die Schwierigkeit der Phrase hat einige dazu verleitet, sie als Glosse auszuklammern, wie dies Holsten vorgeschlagen hat und noch im Apparat der 26. und 27. Auflage der Nestle/AlandRekonstruktion aufgegriffen wurde.640 In der heutigen Forschung wird sie jedoch überwiegend als zum Ursprungstext gehörend angenommen, und eine Streichung käme einer unsachgemäßen Glättung des Textes gleich.641 Mit dem „störenden“ Zusatz muss also umgegangen werden, wobei es sehr unterschiedliche Ansätze gibt, sowohl was den Inhalt als auch was die syntaktische Struktur des Relativsatzes betrifft. Zunächst gibt es verschiedene Hypothesen, auf was sich der Zusatz beziehen kann. Drei Möglichkeiten kommen dabei in Betracht, wobei davon abhängig weitere Entscheidungen getroffen werden können, die wiederum zu unterschiedlichen grammatikalischen Erklärungen führen. Die IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ-Phrase kann sich auf den Weg, auf die Gesamtsaussage

635

Allerdings steht der Bundesschluss neben dem beherrschenden Bild des Jom Kippur und bildet nicht den alleinigen Deutungshintergrund, s.u. 636 Gegen Gäbel, der den Vorhang „nicht als Zugang, sondern gerade als Hindernis auf dem Weg in das himmlische Allerheiligste“ auffasst. (GÄBEL, Kulttheologie, 205.) M.E. handelt es sich eher um ein Hindernis, das zum Zugang wird. 637 BACKHAUS, Hebräerbrief, 358. 638 ATTRIDGE, Hebrews, 285. 639 Ebd. 640 Vgl. a.a.O. 283 Fn 2; GRÄßER, Hebräer 3, 16 Fn 45. 641 Buchanan hält eine Glosse für möglich und verweist auf die allegorische Natur der Aussage. (Vgl. BUCHANAN, Hebrews, 168.) Attridge hält die Annahme einer Glosse jedoch für unsinnig: „The bold metaphor is, however, comprehensible in the light of the preceding development.“ (ATTRIDGE, Hebrews, 283 Fn 2.) Gräßer urteilt zwar: „Dürfte man sie [die Aussage 20b, S.N.-R.] als Glosse streichen, gäbe es kein Interpretationsproblem.“ (GRÄßER, Hebräer 3, 16f.) Aber auch: „Klärung durch Streichung ist kein gutes exegetisches Verfahren.“ (A.a.O. 16 Fn 45). Auch Braun sieht hier keine „fremde Reflexion“ zweiter Hand. (BRAUN, Hebräer, 308.) Zu einem ähnlichen Urteil kommen Hegermann (Vgl. HEGERMANN, Hebräer, 206) und Karrer. (Vgl. KARRER, Wie spricht das Neue Testament vom Tod Jesu?, 215 Fn 4.)

2. Arten von Metaphernkombinationen

645

oder auf den Vorhang beziehen, wobei ein Bezug auf țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ am nächstliegenden ist, jedoch vielfach bestritten wurde, um eine gnostische Deutung abzuwehren. Daneben muss der grammatikalische Status von IJોȢ ıĮȡțઁȢ Į੝IJȠ૨ definiert werden ௅ handelt es sich hierbei um eine Apposition, ein Genitivattribut oder eine verkürzte präpositionale Bestimmung? Die unterschiedlichen Ansätze sollen im Folgenden kurz diskutiert werden.642 Dabei ist auch relevant, wie die „Gleichsetzungsformel“643 IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ sonst im Hebräerbrief verwendet wird (in 2,14; 7,5; 9,11; 11,16; 13,15).644 Je nach Auslegung verändert sich die Metaphernstruktur, und eine Inkonsistenz im engen Sinne liegt nur dann vor, wenn eine enge Verbindung zwischen Fleisch und Vorhang angenommen wird. Dem ersten Ansatz zufolge bezieht sich IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ IJોȢ ıĮȡțઁȢ Į੝IJȠ૨ zurück auf ੒įȩȞ („Weg“) und bildet insofern eine Parallele zu 5,7, als eine analoge Genitivverbindung vorliegt, die Jesu „fleischliche Existenz“ bezeichnet. „The construal yields a possibly meaningful and appropriate image, Christ’s ‚flesh‘ as the way.“645 Diese Deutung wird unter anderem von Backhaus präferiert646 und auch Gräßer hält sie für die plausibelste Deutung, wenn man einen gnostischen Bedeutungshintergrund ausschließen will (was er jedoch nicht tut).647 Gäbel nennt diese Lesart die „ungezwungendste und einleuchtendste Auflösung der Schwierigkeit“.648 Er nennt vor allem inhaltliche Gründe wie den Fortgang der Argumenation, die für sie sprechen. Die Schwierigkeit der inhaltlichen Ausdeutung anderer Möglickeiten ist jedoch als Begründung kaum tragfähig. Zudem erscheint diese Deutung unter Berücksichtigung des Vergleichs mit anderen IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ-Formulierungen weniger wahrscheinlich. Es ist zwar im Hebräerbrief durchaus möglich, dass das, was durch IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ eingeführt wird, nicht direkt hinter dem Bezugswort steht, sondern es eine größere textliche Distanz gibt. Dies ist auch in 7,5 und 13,15 der Fall. Aber in

642

Vgl. auch die Zusammenfassungen bei BACKHAUS, Hebräerbrief, 358; GRÄßER, Hebräer 3, 17–19; ATTRIDGE, Hebrews, 285f.; GÄBEL, Kulttheologie, 203–206. Das Problem insbesondere bei Backhaus und Gräßer besteht darin, dass sie die zunächst grammatikalische Frage dadurch verzerren, dass sie bereits auf inhaltlicher Ebene bestimmte Auslegungen als pro oder contra gnostisch interpretieren. Hilfreich dagegen ist der Aufsatz von Young: YOUNG, NORMAN H., ȉȅȊȉ’ ǼȈȉǿȃ ȉǾȈ ȈǹȆȀȅȈ ǹȊȉȅȊ: (Heb. x. 20): Apposition, Dependent or Explicative?, in: New Testament Studies 20 (1973), 100–104. 643 BRAUN, Hebräer, 307. 644 Vgl. auch Youngs Analyse. (YOUNG, ȉȅȊȉ' ǼȈȉǿȃ.) 645 ATTRIDGE, Hebrews, 286. Buchanan präferiert diese Deutung: „‚The way‘ which ‚went through the curtain‘ into the holy of holies was the gift which Jesus offered, ‚his flesh‘.“ (BUCHANAN, Hebrews, 168.) Er hält einen Bezug auf den Vorhang allerdings auch für generell möglich. 646 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 358. 647 GRÄßER, Hebräer 3, 18f. 648 GÄBEL, Kulttheologie, 206.

646

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allen fünf anderen Fällen leitet die Wendung eine Apposition ein, die naturgemäß im selben Kasus steht.649 Dass hier die Einführung eines Genitivattributs vorliegt, und dann über diese Entfernung, ist dementsprechend kaum denkbar. In der Hypothese Hofius’ bezieht sich die IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ-Phrase auf das Verb ਥȞİțĮ઀ȞȚıİȞ bzw. auf den gesamten vorausgehenden Satzteil. Es wäre somit das Verb auch in dieser Phrase zu ergänzen: „das heißt eingeweiht durch sein Fleisch“.650 Nach Hofius enthält der Ausdruck gleich mehrere Stilmittel:651 Zunächst liegt eine Brachylogie vor. Das heißt, die Präposition įȚȐ, die vor IJȠ૨ țĮIJĮʌİIJ੺ıȝĮIJȠȢ steht („durch den Vorhang“), muss erneut vor IJોȢ ıĮȡțઁȢ Į੝IJȠ૨ ergänzt werden („durch sein Fleisch“). Nun haben beide Präpositionen jedoch nicht dieselbe Sinnrichtung. Während „durch den Vorhang“ klar lokal gesehen werden muss, wie sich aus dem Bild des Wegs und Zugangs ergibt, hat das zu ergänzende įȚȐ laut Hofius instrumetale Bedeutung. Es handele sich um inkonzinnen Gebrauch der Präposition, wie er ähnlich bereits in Hebr 9,11f. begegnet. Schließlich sei V. 20 chiastisch strukturiert. Inhaltlich bietet die Wendung dann eine Parallele zu ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ ੉ȘıȠ૨ („im/durch das Blut Jesu“) in V. 19. Hofius’ Grundannahmen, vor allem die Konstruktion unterschiedlichster stilistischer Mittel, wirken gezwungen und wurden in der Forschung kritisch betrachtet ௅ Hegermann etwa spricht von einer „Verlegenheitslösung“652 ௅, obwohl es durchaus auch Unterstützer und Unterstützerinnen der Theorie gibt. Die chiastische Struktur ist schwer nachvollziehbar und, um mit Attridge zu sprechen, ein „unlikely construal“.653 Backhaus übt auch inhaltlich Kritik an dieser Lösung. Sie sei „sachlich insofern schwierig, als sie lediglich eine (in Hebr sonst nicht anzutreffende) Variation zu ‚kraft des Blutes‘ bieten würde.“654 Inhaltlich sehe ich hier kein großes Problem. Blut und Fleisch setzen

649

Vgl. auch YOUNG, ȉȅȊȉ' ǼȈȉǿȃ, 103; ATTRIDGE, Hebrews, 286; BRAUN, Hebräer,

307f.

650

Vgl. auch HEGERMANN, Hebräer, 206. Vgl. HOFIUS, Vorhang, 81f.; ausführlicher: HOFIUS, OTFRIED, Inkarnation und Opfertod Jesu nach Hebr 10,19f., in: Ders., Neutestamentliche Studien (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 132), Tübingen: Mohr Siebeck 2000, 210–219. Hier: 214– 216; Zusammenfassung mit Anführung von Kritikpunkten und Gegenpositionen auch bei MOFFITT, DAVID M., Unveiling Jesus’ Flesh: A Fresh Assessment of the Relationship between the Veil and Jesus’ Flesh in Hebrews 10:20, in: Perspectives in Religious Studies 37 (2010), 71–84. Hier: 71f. Moffit schließt sich generell der Auslegung Hofius’ an, setzt aber noch einen anderen Schwerpunkt dadurch, dass er die körperliche Auffahrt in den Himmel als Leitmotiv des Hebr betont und als Voraussetzung für den „himmlischen Opferkult“ sieht. (Vgl. a.a.O. 72.76.) 652 HEGERMANN, Hebräer, 206. Auch Gäbel hält das Vorliegen einer Kombination von Brachylogie und inkonzinnem Präpositionsgebrauch innerhabl derselben Aussage für unwahrscheinlich. (Vgl. GÄBEL, Kulttheologie, 205.) 653 ATTRIDGE, Hebrews, 286. 654 BACKHAUS, Hebräerbrief, 358. 651

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sachlich schon leicht unterschiedliche Akzente, und selbst wenn die angesprochene Variation nur an dieser Stelle vorliegen würde, wäre dies noch kein Ausschlusskriterium. Eine entscheidende Schwierigkeit liegt aber darin, dass bei einem inkonzinnen Gebrauch der Präposition zu erwarten wäre, dass diese wiederholt wird, wie dies in 9,11f. eben auch der Fall ist.655 Schunack nimmt die Kritik dergestalt auf, dass er zwar von einer Brachylogie ausgeht, aber einen inkonzinnen Gebrauch ablehnt. Neben dem Argument der wiederholten Präposition führt er an, dass dies nicht zur Sprache des Hebr passen würde.656 Wenn aber die Präposition von der Sinnrichtung her gleich bleibt, liegt im Grunde hier wiederum eine Gleichsetzung mit dem Vorhang vor. Inhaltlich lässt sich dieser Ansatz dann nicht von der dritten Möglichkeit, țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ als Bezugswort, unterscheiden. Auch der sonstige Gebrauch von IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ im Hebr spricht gegen diese Lösung. Es zeigt sich, dass die Versuche, den IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ-Satz an etwas Anderem festzumachen als an țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ, zwar prinzipiell möglich sind, aber doch syntaktisch stark konstruiert wirken. In beiden Fällen würde man die Wiederholung eines Wortes erwarten, entweder von ੒įȩȞ oder von įȚȐ. Das Bestreben der Vertreterinnen und Vertreter dieser Positionen geht dahin, Jesu Fleisch vom Vorhang konzeptuell zu trennen. So betont Moffit etwa: „Jesus’ flesh is not the veil.“657 Das Unbehagen in Bezug auf diesen Zusammenhang ist jedoch rein inhaltlich begründet, etwa dadurch, dass man einen gnostischen Hintergrund ablehnt oder argumentiert, der Hebr sei nicht leibfeindlich.658 Allerdings ist fraglich, ob man, wenn man das Fleisch auf den Vorhang bezieht, wirklich davon ausgehen muss, dass die „Fleischlichkeit des Menschen“ die „Seinsschranke“ darstellt, die es ganz im Sinne der Gnosis zu überwinden gilt.659 Auch ob der Vorhang und das Fleisch negativ oder positiv bewertet werden müssen, ist nicht von vornherein festgelegt, sondern kann unabhängig betrachtet werden. Wenn man aber vom Inhalt absieht, und eine rein grammatikalische Analyse vornimmt, ist es bei weitem am plausibelsten, den Bezug zu țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ herzustellen, und so urteilt auch die heutige Mehrheitsexegese.660 Theoretisch wäre es dann möglich, den Ausdruck entweder als Apposition oder als Genitivattribut aufzufassen. Auf die Metapher hätte dies wenig Auswirkungen, da Jesu Fleisch und der Vorhang in jedem Fall gleichgesetzt werden würden, entweder im Sinne einer Genitivmetapher oder durch die Apposition analog zu 655 Vgl. ausführlich zur Kritik auch GRÄßER, Hebräer 3, 18. Ähnlich, aber knapper, BRAUN, Hebräer, 307f. 656 SCHUNACK, Hebräerbrief, 147. Auch Strobel ergänzt ein zusätzliches „durch“ in seiner Übersetzung, ordnet sich aber keiner der verschiedenen Auslegungsrichtungen zu. (Vgl. STROBEL, Hebräer, 126.) 657 MOFFITT, Unveiling, 72. 658 Vgl. etwa BACKHAUS, Hebräerbrief, 358. 659 So Backhaus. Vgl. a.a.O. 358. 660 Vgl. GRÄßER, Hebräer 3, 17 Fn 46; MOFFITT, Unveiling, 71f.

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einer Kopula-Metapher. Da aber sonst IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ in Hebr stets mit Apposition steht, ist dies auch im Fall von 10,20 am wahrscheinlichsten.661 Auch als Apposition verstanden ist es möglich, dass die Erwähnung des Fleisches hier eine Parallele zum Verweis auf das Blut im vorherigen Vers darstellt.662 Gräßer spricht von einer „bis zur Unverständlichkeit verkürzte[n] Apposition“.663 Wenn man den Bezug zu țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ voraussetzt, ist die syntaktische Struktur jedoch wenig problematisch. Schwierigkeiten bereitet vielmehr, wie man die Gleichsetzung des Vorhangs mit dem Fleisch Jesu inhaltlich zu füllen hat. „The grammatical grounds for taking IJોȢ ıĮȡțઁȢ Į੝IJȠ૨ as an appositional explicative to țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ are coercive […]. Why then do we find from time to time that scholars balk at this conclusion? Mainly because the ‚daring, poetical touch‘ is for modern minds often found too daring.“664 Dieses Unverständnis bringt exemplarisch Gäbel zum Ausdruck: „Fallen die gnostische und die altkirchlich-dogmatische Interpretation […] aus, so ergibt die Vorstellung eines durch sein eigenes Fleisch als durch einen trennenden Vorhang hindurchschreitender Christus schlechterdings keinen Sinn.“665 Es bleibt aber doch zu fragen, ob hier nicht eine metaphorische Komplexität vorliegt, die, wie Young darlegt, heutigen Lesenden mehr Schwierigkeiten bereitet als Erstrezipierenden. Somit zeigt sich: Die Versuche, den IJȠ૨IJ’ ਩ıIJȚȞ-Satz an ein anderes Bezugswort anzubinden, sind auch durch das Bestreben motiviert, die hier vorliegende Metapherninkonsistenz zu nivellieren. Wenn eine Gleichsetzung von Vorhang und Fleisch vorliegt, ist die Bedeutung von įȚȐ vorranig als lokal anzusehen,666 auch wenn unter dem Einfluss der eher instrumental ausgerichteten Phrase ਥȞ IJ૶ Į੆ȝĮIJȚ ੉ȘıȠ૨ im vorherigen Satz nicht auszuschließen ist, dass unterschwellig eine instrumentale Sinnrichtung ebenfalls eine Rolle spielt.667 Nachdem nun die grammatikalische Schwierigkeit des Abschnitts geklärt wurde, ist auf einige inhaltliche Unklarheiten einzugehen. Young fasst zwei besonders relevante Aspekte zusammen: „The hermeneutical difficulties are over whether ıȐȡȟ refers to the incarnation or crucifixion and whether țĮIJĮʌȑIJĮıȝĮ is to be understood as a hindrance or a means of access.“668 Mit der letzten Frage ist zugleich verbunden, ob dem Fleisch eine positive oder negative Bedeutung zukommt. Dementsprechend ist es für die Beantwortung beider 661

Vgl. auch YOUNG, ȉȅȊȉ' ǼȈȉǿȃ, 103. Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 285. 663 GRÄßER, Hebräer 3, 16. 664 YOUNG, ȉȅȊȉ' ǼȈȉǿȃ, 104. 665 GÄBEL, Kulttheologie, 204f. 666 Der lokale Sinn wird insbesondere von Braun betont. (Vgl. BRAUN, Hebräer, 308.) 667 Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 286, der die Doppeldeutigkeit der Präposition stark betont. Young ist vorsichtiger und rekurriert auf Gardiners Werk von 1888. Demzufolge wäre der Gedankengang des Verfassers von der lokalen zur instrumentalen Bedeutung abgeglitten. (Vgl. YOUNG, ȉȅȊȉ' ǼȈȉǿȃ, 104.) 668 A.a.O. 100 Fn 4. 662

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Fragekomplexe relevant, die Verwendung von ıȐȡȟ im Hebräerbrief zu untersuchen. Der Begriff kommt neben 10,20 fünf Mal vor (2,14; 5,7; 9,10.13; 12,9; das zugehörige Adjektiv begegnet in 7,16). Dabei kann in 9,10.13 und 12,9 kein direkter Bezug zu Jesus hergestellt werden. In 12,9 dient der Ausdruck „Väter des Fleisches“ zur Bezeichnung der leiblichen Väter, die dem himmlischen Vater gegenübergestellt werden. Auch in 12,13 ist der Begriff „Fleisch“ Teil einer Gegenüberstellung: Wie die unterschiedlichen Opfer und kultischen Praktiken der „alten Ordnung“ zur „Reinheit des Fleisches“ geführt hat, so soll das Blut Christi das Gewissen der Gläubigen reinigen (12,14). Auch die in 9,10 genannten „Satzungen des Fleisches“, die als summarischer Sammelbegriff die Gesetze bezeichnen, sind im Bereich der levitischen Ordnung verortet. In allen drei Fällen steht ıȐȡȟ als Genitivattribut (ebenso in 5,7). Die beiden übrigen Vorkommnisse stellen einen Bezug zu Jesus selbst her. Dabei ist in 2,14 interessant, dass hier bereits eine Verbindung von Blut und Fleisch vorliegt, wie sie ähnlich auch in 10,19f. angedeutet wird: Es sind die Attribute, die mit den „Kindern“ (Menschen, bzw. spezifischer Christusgläubigen) verbunden werden. Der Vers sagt aus, dass, da die „Kinder“ von Blut und Fleisch sind, Jesus auf ähnliche Weise an diesen Eigenschaften Anteil hat. Dies scheint auf die Inkarnation hinzuweisen. Allerdings wird in einem angeschlossenen Finalsatz sogleich ein Bezug zum Tod Jesu hergestellt. Jesu Anteilnahme an Fleisch und Blut geschah, damit er durch seinen eigenen Tod die allgemeine Macht des Todes brechen konnte. Auch in der bereits näher untersuchten Stelle 5,7 beschreiben die „Tage seines Fleisches“ zunächst Jesu irdische Existenz mitsamt der damit verbundenen Anfeindungen, wobei aber ebenfalls sogleich ein Bezug zu Jesu Tod hergestellt wird. Die Tatsache, dass in den anderen Passagen des Hebr, in denen von der ıȐȡȟ Jesu die Rede ist, stets diese auch mit seinem Tod verbunden wird, wird von Befürworterinnen und Befürworter der These, hier sei (ausschließlich) von der Inkarnation die Rede, oft (bewusst?) übersehen,669 und diese These wird dabei teilweise als argumentatives Mittel gebraucht, um Lesarten, die nicht der Mehrheitsexegese entsprechen, zu bestärken.670 Korrekt ist hingegen Brauns Beobachtung: „ıȐȡȟ als Menschwerdung ist im Hb immer mit Jesu Todverfallenheit und Opfertod verbunden“.671 Dementsprechend ist eine endgültige Entscheidung im Sinne einer „entweder-oder“-Option an dieser Stelle gar nicht notwendig. Es ist begrifflich zwar zunächst die Inkarnation im Blick, die aber auf den Tod hingerichtet ist. Durch den Kontext und insbeson669 Exemplarisch hierfür seien HOFIUS, Inkarnation und Opfertod, 217 und JENNINGS, MARK A., The Veil and the High Priestly Robes of the Incarnation: Understanding the Context of Heb 10,20, in: Perspectives in Religious Studies 37 (2010), 85–97. Hier: 88, angeführt. Später will Hofius auch einen Bezug auf den Opfertod Jesu nicht mehr ausschließen, obwohl er noch immer die Inkarnation vorzieht. (Vgl. HOFIUS, Vorhang, 82.) 670 Diesen Eindruck macht vor allem Jennings’ Auslegung. 671 BRAUN, Hebräer, 308.

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dere die vorherige Nennung des Blutes gewinnt der Bezug zum Tod Jesu deutlich an Dominanz. Es ist schwer vorstellbar, den Vers auf eine Weise zu deuten, die den Tod Jesu gänzlich ausblenden würde. Auch Attridge urteilt: What the image of ‚flesh‘ refers to is certainly Christ’s death. That this decisive act is in view is clear from the parallel with ‚blood’ in the previous verse, which, after the multiple references to sacrificial blood in the previous chapter, can have no other reference. Christ’s sacrificial death, of course, presupposes his incarnation, but it is the sacrificial act by which the new covenantal way is inaugurated, not the fact of incarnation, that is central.672

Die Verwendung des Begriffs ıȐȡȟ im Hebr zeigt, dass das Fleisch einerseits eng mit dem Irdischen verbunden wird, es jedoch andererseits auch nicht rein negativ aufzufassen ist. Schunack hat zwar dahingehend Recht, dass ĮੈȝĮ („Blut“) und ı૵ȝĮ („Leib“) im Hebr diejenigen Termini sind, an denen das Heilsgeschehen hauptsächlich festgemacht wird. Aber das bedeutet nicht, dass ıȐȡȟ allein „eine defizitäre Existenzweise“ bzw. „kreatürliche Schwachheit, Versuchtsein, Anfechtung“ beschreibt.673 Das Konzept des „Fleisches“ ist vielmehr ambivalent.674 Wie insbesondere 2,14 deutlich macht, ist das Menschsein Jesu, zu dem die „fleischliche“ Existenz gehört, konstitutiv dafür, dass er als Hohepriester wirken kann, und damit auch indirekte Voraussetzung für das Heilsgeschehen.675 Es ist aber nichts, was per se überwunden werden muss. Dementsprechend ist es schwierig, Auslegungen wie die zu stützen, die Braun im folgenden Satz zusammenfasst: „So läßt Jesus, ins himmlische Heiligtum auf dem Weg durchschreitend, sein Fleisch wie den ersten Zeltteil und den Vorhang hinter sich. Sie sind heilshindernd, nicht heilsfördernd.“676 Diese Interpretation steht zwar durchaus in einer Linie mit gnostischem Denken, ist aber am Text selbst nicht verifizierbar. Insbesondere ist es wichtig, dass hier nicht der Zutritt Jesu vorrangig relevant ist, sondern der der Gläubigen. Zwar wurde der Weg von Jesus eröffnet bzw. eingeweiht, doch es ist der Eintritt der Gemeinde, der durch den Relativsatz spezifiziert wird, das heißt ihr Weg steht im Vordergrund und dieser führt durch den Vorhang, der mit Jesu Fleisch identifiziert ist. Es ist nicht das Bild von Jesus selbst, der durch sein Fleisch geht, das hier hervorgehoben wird. Um sein Hineingehen hinter den Vorhang als „Vorläufer“ ging es in 6,19f. Auch von einer negativen, heilshindernden Funktion des Vorhangs sagen die beiden Stellen 6,19f. und 10,19f. nichts. Der Vorhang wird ja eben nicht 672

ab.

673

ATTRIDGE, Hebrews, 287. Auch einen Bezug zur Eucharistie lehnt Attridge zu Recht

SCHUNACK, Hebräerbrief, 147. Ähnlich urteilt auch GRÄßER, Hebräer 3, 17f. So auch ATTRIDGE, Hebrews, 287. Die von ihm konstatierte enge Verbindung von ıȐȡȟ und ı૵ȝĮ ist jedoch problematisch, wie Jennings richtig bemerkt. (Vgl. JENNINGS, Veil, 88.) 675 Ähnlich auch HEGERMANN, Hebräer, 206. 676 BRAUN, Hebräer, 308. 674

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beseitigt oder zerstört, sondern der lebendige Weg führt durch den Vorhang hindurch. „From what has been said in Hebrews, it is possible to understand the veil as simply the point of entry to God’s presence, rather than as a means of exclusion from that presence.“677 Der Vorhang ist somit in Hebr nicht (nur) eine Grenze oder Barriere, sondern markiert (vor allem) für die Gläubigen den Zugangspunkt zur göttlichen Gegenwart. Der Verweis auf das Fleisch kann dann nochmals darauf hinweisen, „daß Christus das Opfer nicht leicht gebracht hat, sondern unter Anfechtung und Kampf sowie letzten Endes durch Gehorsam (s. 5,7).“678 Dabei muss jedoch weiterhin berücksichtigt werden, dass es der Zutritt der Adressierten ist, der im Vordergrund steht. Man kann die Aussage so interpretieren, dass das Bild vom Vorhang nicht mehr im Zentrum steht, sondern eher als Symbol den Zugang zur göttlichen Wirklichkeit beschreibt, und dass dieser Zugang durch die Menschlichkeit des Hohepriesters bewirkt wird, dadurch, dass er sich auf dieselbe Ebene mit den Menschen begibt und diese so, als dem Hohepriester gleichgestellt, an dessen besonderem Zugangsrecht partizipieren. So ansprechend diese Deutung ist, sie erfordert doch einen hohen Interpretationsaufwand. Es zeigt sich allerdings eindeutig, dass es möglich ist, die Gleichsetzung von Fleisch und Vorhang auch nichtgnostisch zu erklären. Ein letzter inhaltlicher Aspekt, der im Hinblick auf 10,19f. geklärt werden muss, ist die Frage des Bedeutungshintergrunds. Im Großteil der Forschung wird angenommen, dass hinter der Formulierung ein Verweis auf den Jom Kippur auszumachen ist, während es einzelne Exegeten und Exegetinnen gibt,679 die hier eher einen Bezug zur Tempel- bzw. Stiftszelteinweihung und damit verbunden zum Bundesschluss sehen. Für letztere Theorie werden zwei zentrale Gründe angeführt, einerseits die ௅ berechtigte ௅ Beobachtung, dass das Allerheiligste nicht nur zum Jom Kippur vom Hohepriester betreten wurde, sondern dass bereits vor der Einsetzung eines Hohepriesters das gesamte Heiligtum und damit auch das hinter dem Vorhang Liegende durch Mose geweiht wurde (Ex 40,1–9; Lev 8,10–12; Num 7,1).680 Nur weil also vom Zutritt zum Allerheiligsten die Rede ist, muss dies nicht automatisch und ausschließlich auf den Jom Kippur verweisen. Allerdings muss beachtet werden, dass der Zutritt zum Allerheiligsten in Lev 16 deutlich stärker betont wird, als dies in den 677 ATTRIDGE, Hebrews, 287. Ganz ähnlich HEGERMANN, Hebräer, 205; STROBEL, Hebräer, 127. Strobels Bezeichnung des Vorhangs als „Stelle des sühnenden Blutvergießens“ ist jedoch für das erzeugte Bild unzutreffend. 678 STROBEL, Hebräer, 127. Ähnlich spricht Attridge von seiner „obedient bodily response to God’s will.“ (ATTRIDGE, Hebrews, 287.) 679 Exemplarisch seien im Folgenden Davidson und Jennings angeführt, deren Grundannahmen ähnlich sind, deren Gesamtinterpretationen sich dann jedoch klar unterscheiden. 680 Vgl. DAVIDSON, RICHARD M., Christ’s Entry „within the Veil“ in Hebrews 6:19–20: The Old Testament Background, in: Andrews University Seminary Studies 39 (2001), 175– 190. Hier: 177.

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Darstellungen der Einweihung durch Mose der Fall ist. Die zweite Begründung liegt in der Annahme, dass der Verfasser des Hebr in der gesamten Schrift die Sprache der Septuaginta präzise aufgreift, die in 10,19f. verwendeten Begriffe aber nicht denen des Jom Kippur, sondern denen der Einweihung bzw. des Bundesschlusses entsprechen. Gerade in der Grundannahme, der Hebr verwende passgenau die Sprechweise der LXX, liegt jedoch der entscheidende Schwachpunkt der Gesamtargumentation.681 Diejenigen, die den Bedeutungshintergrund Weihe/Bundesschluss annehmen, geben zu Bedenken, dass der in 10,19 gebrauchte Begriff ਚȖȚĮ in der Septuaginta und auch sonst im Frühjudentum nirgends zur Bezeichnung des Allerheiligsten, sondern für das „Heilige“ oder das Heiligtum generell verwendet wird.682 Damit verbunden ist dann teilweise die Annahme, es sei unzutreffend, hier vom Allerheiligsten auszugehen, sondern der in 10,19f. erwähnte Vorhang sei der erste Vorhang, durch den der Zutritt zum Heiligtum allgemein erfolgt. Dies vermeide auch die Spannung, die daraus resultiert, dass alle Gläubigen den Zutritt in das Allerheiligste erhalten.683 Der zweite Terminus, der nicht zur Sprache des Jom Kippur nach der Septuaginta passe, sei das Verb ਥȖțĮȚȞȓȗȦ, das stets zur Beschreibung einer Einweihung gebraucht werde und somit dieses semantische Feld aktiviere.684 Allerdings ist die Sprache des Hebräerbriefs nicht so genau an der der Septuaginta ausgerichtet, wie dies konstatiert wird. Bereits oben685 wurde dargelegt, dass die Begriffe șȣı઀Į („Opfer“) und ʌȡȠıijȠȡȐ („Gabe“/„Opfergabe“) im Hebräerbrief austauschbar gebraucht werden, 681 Zur ausführlichen Kritik an Davidson vgl. auch den Aufsatz von Young. (YOUNG, NORMAN H., The Day of Dedication or the Day of Atonement? The Old Testament Background to Hebrews 6:19–20 Revisited, in: Andrews University Seminary Studies 40 [2002], 61–68.) Young setzt dabei jedoch noch andere Schwerpunkt als ich. Er führt etwa an, dass Mose bei der Inauguration des Heiligtums nicht als Hohepriester dargestellt wird und dass in den entsprechenden Passagen auch das „hinter den Vorhang Gehen“ keine zentrale Rolle spielt. (Vgl. a.a.O. 62.) Auf Youngs Kritikpunkte hat Davidson in derselben Ausgabe direkt im Anschluss reagiert (DAVIDSON, RICHARD M., Inauguration or Day of Atonement? A Response to Norman Young’s ‚Old Testament Background to Hebrews 6:19–20 Revisited‘, in: Andrews University Seminary Studies 40 [2002], 69–88.) Seine Gesamtargumentation bleibt m.E. jedoch nicht überzeugend. 682 Vgl. DAVIDSON, Christ’s Entry, 180f. Im Gegensatz zu Jennings geht Davidson davon aus, dass der zweite Vorhang gemeint ist, wie er in seinem späteren Aufsatz betont. (Vgl. DAVIDSON, Inauguration or Day of Atonement, 73.) Ein Verweis auf den zweiten Vorhang sei jedoch nicht mit einem Verweis auf den Jom Kippur gleichzusetzen. (Vgl. a.a.O. 73 Fn 9.) Außerdem bleibt er kritisch gegenüber der Identifizierung von ਚȖȚĮ mit dem Allerheiligsten. (Vgl. a.a.O. 79 Fn 23.) 683 So JENNINGS, Veil, 90. 684 Vgl. a.a.O. 89 und DAVIDSON, Christ’s Entry, 179f. Davidson führt zusätzlich die griechischen Begriffe für „Kalb“ (ȝȩıȤȠȢ) und „Bock“ (IJȡȐȖȠȢ) an, die in 9,12 verwendet werden, wo ebenfalls ein Eingehen Jesu in das Heilige beschrieben wird. Der Begriff IJȡȐȖȠȢ wird nicht in Lev 16, wohl aber in Num 7 gebraucht. (Vgl. a.a.O. 183–185.) 685 S.o., Abschnitt 2.1.2. und 2.1.3.

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obwohl sie in der Septuaginta sachlich unterschiedliche Dinge bezeichnen. Auch an anderer Stelle lassen sich solche Inkonsequenzen im Hebr feststellen, meines Erachtens auch in Bezug auf ਚȖȚĮ, das entgegen dem Gebrauch der Septuaginta auch das Allerheiligste bezeichnet, wie ein Durchgang durch relevante Passagen des Hebr zeigt: In 9,2f., in der Darstellung des Heiligtums nach dem ersten Bund, wird zwischen dem Heiligen und Allerheiligsten terminologisch unterschieden, wobei die in der Septuaginta verwendeten Begrifflichkeiten aufgegriffen werden. Die beiden Begriffe werden durch Ȝ੼ȖİIJĮȚ („es wird genannt“) und ਲ ȜİȖȠȝ੼ȞȘ („das so genannte“) eingeführt, was möglicherweise ein Hinweis darauf sein kann, dass hier traditionelle Bezeichnungen, nicht die des Verfasse, gebraucht werden.686 In 9,6f. geht er dann auch von diesen Termini weg und spricht stattdessen vom ersten und zweiten Zelt. Dabei macht er deutlich, dass die Priester allzeit das erste Zelt betreten (įȚ੹ ʌĮȞIJઁȢ İੁı઀ĮıȚȞ Ƞੂ ੂİȡİ૙Ȣ), das zweite Zelt hingegen nur einmal im Jahr (ਚʌĮȟ IJȠ૨ ਥȞȚĮȣIJȠ૨) und allein für den Hohepriester zugänglich ist, der „nicht ohne Blut“ kommt (Ƞ੝ ȤȦȡ੿Ȣ Į੆ȝĮIJȠȢ). Von der Beschreibung her ist klar, dass es sich um den Jom Kippur handeln muss, und dass das erste und zweite Zelt mit dem Heiligen bzw. Allerheiligsten gleichzusetzen sind. In 9,12, wo dann das Eingehen Jesu in das Heilige (İੁȢ IJ੹ ਚȖȚĮ) beschrieben wird, wird zum einen betont, dass dies einmalig stattfindet, wobei ਥij੺ʌĮȟ verwendet wird, ein mit ਚʌĮȟ von V. 7 eng verwandter Begriff. Zum anderen wird die Rolle des (eigenen) Blutes hervorgehoben. Damit sind zwei Elemente gegeben, die einen starken Bezug zu V. 7 erkennen lassen.687 Dass Blut eine Rolle für den Eintritt ins allgemeine Heiligtum spielt, wird in Hebr nicht gesagt. Ein weiterer Beleg dafür, dass IJ੹ ਚȖȚĮ in Hebr auch das Allerheiligste bezeichnen kann, findet sich in 9,25. Hier heißt es, dass Jesus sich nicht oftmals darbringen muss, „wie der Hohepriester jährlich in das Heilige hineingeht mit fremdem Blut“ (੮ıʌİȡ ੒ ਕȡȤȚİȡİઃȢ İੁı੼ȡȤİIJĮȚ İੁȢ IJ੹ ਚȖȚĮ țĮIJ’ ਥȞȚĮȣIJઁȞ ਥȞ Į੆ȝĮIJȚ ਕȜȜȠIJȡ઀૳). Es ist an dieser Stelle kaum vorstellbar, dass țĮIJ’ ਥȞȚĮȣIJȩȞ anders wiederzugeben ist als mit „jährlich“ bzw. „in jedem Jahr“, wodurch eine Parallele zu 9,7 hergestellt wird. Auch das Blut nimmt hier erneut eine wichtige Funktion ein. Dann aber macht es keinen Sinn, von einem anderen Bedeutungshintergrund auszugehen als vom Jom Kippur, und dementsprechend muss sich IJ੹ ਚȖȚĮ auf das Allerheiligste beziehen. Auch dass hier explizit vom Hohepriester die Rede ist, nicht von Priestern im Allgemeinen (wie in V. 6) spricht für diese These. Wie V. 6 betont, kann das Heilige von allen Priestern betreten werden, und das nicht nur einmal jährlich, sondern ständig. In V. 26 wird nochmals die Einmaligkeit des Opfers

686

So HOFIUS, Vorhang, 56. Diese wiegen m.E. deutlich stärker als der Begriff IJȡȐȖȠȢ, den Davidson als zentrales Argument dafür anführt, diese Stelle auf den Bundesschluss zu beziehen. 687

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Christi betont und dem jährlichen Opfer entgegengestellt. Dabei wird wiederum der Begriff ਚʌĮȟ verwendet.688 Der Hebräerbrief gebraucht also ganz offenbar IJ੹ ਚȖȚĮ abweichend vom Sprachgebrauch der Septuaginta und des sonstigen Frühjudentums. Der zweite Terminus, das Verb ਥȖțĮȚȞȓȗȦ, wird im Hebräebrief jedoch nur an einer anderen Stelle gebraucht, in 9,18, und hier liegt ein ganz klarer Bezug zum ersten Bundesschluss vor ௅ diese Beobachtung von Jennings und Davidson ist zutreffend. Dass diese Vokabel auf den Bundesschluss verweist, wurde oben bereits dargestellt und ist eine Ansicht, die von einer ganzen Reihe von Kommentatoren und Kommentatorinnen geteilt wird. Nun ist aber das, was in 10,19f. beschrieben wird, kein Jom Kippur im klassischen Sinne. Dies wäre eher für die Darstellung von 6,19f. zutreffend, wo Jesu Einzug in das Allerheiligste geschildert wird. In 10,19f. erfährt das Motiv aber eine entscheidende Wendung. Zwar ist vom Allerheiligsten und vom Vorhang die Rede, und das Bild vom Jom Kippur wird meiner Ansicht nach klar produziert. Aber das, was Vertreterinnen und Vertreter eines Bundesschluss-Hintergrunds als störend annehmen können, dass alle Menschen Zugang zum Allerheiligsten gewinnen, ist gerade die Innovation dieses Bildes. Während in 6,19f. noch die Hoffnung hinter dem Vorhang verankert wurde, gewinnen die Gläubigen nun selbst den unmittelbaren Zugang zur göttlichen Gegenwart. Sie können ohne Furcht, freimütig, vorangehen. Das ist gerade etwas, das dem „herkömmlichen“ Jom Kippur entgegensteht. Dass dieser Zutritt möglich geworden ist, liegt aber daran, dass Jesus ௅ und hier ist der Jom Kippur im „klassischen“ Sinn wieder ganz präsent ௅ in seinem (metaphorischen) hohepriesterlichen Selbstopfer eine vollständige und endgültige Fortnahme der Sünden bewirkt hat. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, von einer „Einweihung“ des neuen Wegs durch den Vorhang zu sprechen, denn dieser war tatsächlich zuvor noch nicht vorhanden, jedenfalls noch nicht in dem Sinn allgemeiner Zugänglichkeit. Eine spezifische Form der Inauguration wird somit in das Bild, das vorrangig durch den Jom Kippur beherrscht wird, eingetragen. Durch die Wortwahl kann es sein, dass das Bild vom Bundesschluss bei den Rezipierenden aktiviert wird, und dass dies sogar intendiert ist. Es liegt jedoch nicht allein dieses Motiv als Hintergrund vor, 688

Auch Young führt unterschiedliche Passagen des Hebr auf, in denen der Jom Kippur geschildert wird. Die sprachlichen Parallelen zum Christusgeschehen wären ein Indiz dafür, dass dieser auch dort als Bedeutungshintergrund besonders relevant sei. (YOUNG, The Day of Dedication or the Day of Atonement, 64f.) Er schreibt andernorts und im Hinblick auf 6,19f. ebenfalls: „The phrase ‚the innermost place from the veil‘ cannot be dissociated from the contextual terms ‚high priest‘ and ‚entered‘; and these terms are not the language of the Abrahamic covenant.“ (YOUNG, Where Jesus has Gone, 171.) Und: „Any first-century Jew who read Hebrews’ language of an annual entrance of the high priest by means of blood through the veil into the sanctuary, would think of the Day of Atonement. This was the only occasion when all these acts occurred at one time.“ (A.a.O. 172. Hervorhebungen im Original)

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sondern eher müsste von einer Verbindung des Jom Kippur und des Bundesschlusses oder der Einfügung des letzteren in ersteren gesprochen werden, wodurch sich hier ein gänzlich neuartiges Geschehen ergibt, dessen Hauptmerkmal die uneingeschränkte Zugänglichkeit göttlicher Gegenwart ist. Jennings selbst führt in Bezug auf Cortez und Stökl Ben Ezra aus, dass der Jom Kippur im Hebräerbrief nicht eins zu eins abgebildet wird, wobei die Tatsache, dass die Sprache des Hebr metaphorisch geprägt ist, eine entscheidende Rolle spielt: Cortez rightly shows how any attempt to press the Day of Atonement language too forcibly onto any text in Hebrews fails to appreciate how the author employs such imagery as a metaphor for conveying the change that has occured from the old covenant to the new. Cortez makes a strong argument for showing how throughout Hebrews, the Day of Atonement ist not employed as a typology for Christ’s death, but rather as a parable depicting the movement from the old age to the new age. Similarily, Daniel Stökl Ben Ezra […] highlights how the author’s use of Day of Atonement imagery throughout Hebrews is incomplete, often lacking central elements.689

Dabei ist Jennings allerdings nicht bewusst, dass dies eher ein Argument gegen seine Theorie ist als für sie. Ähnlich erkennt Davidson, dass es Passagen mit „double meaning“690 gibt: „Hebrews 9:23 appears to be intentionally ambiguous, including references to both inaugural and Yom Kippur cleansing.“691 Er sieht dabei jedoch nicht, dass dies auch sehr wohl in Hebr 10,19f. der Fall sein kann. Beide Autoren betonen, dass im Hebräerbrief eine Vielzahl unterschiedlicher Bilder vorkommt.692 Während diese Einschätzung generell berechtigt ist und man Vorsicht walten lassen muss, um Aussagen des Hebräerbriefs nicht vorschnell unter der Jom-Kippur-Metaphorik zu subsumieren und sie dadurch zu verfälschen, ist doch nicht zutreffend, dass alle Bilder gänzlich gleichberechtigt sind. Dadurch, dass die Hohepriester-Metaphorik derart ausgeprägt ist, gewinnt auch die Sündenvergebung am Jom Kippur als wichtigste Aufgabe des Hohepriesters deutlich an Zentralität. Insgesamt ist wohl Youngs Beurteilung zuzustimmen, dass der Tod Jesu im Hebräerbrief weniger aus den Texten der

689

JENNINGS, Veil, 90 Fn 21. DAVIDSON, Christ’s Entry, 187. 691 A.a.O. 188. 692 Vgl. JENNINGS, Veil, 92: „The author of Hebrews conceives of Christ’s death on the cross in a myriad of ways.“; DAVIDSON, Christ’s Entry, 190: „there is a complex of motivs revealing the superiority of Jesus (and the gospel realities brought about by him) over the shadows of the OT cultus.“ Auch Young wertschätzt diesen Aspekt: „Davidson has rightly reminded us that Hebrews contrasts Jesus’ death with a range of OT cultic events.“ (YOUNG, The Day of Dedication or the Day of Atonement, 67.) Er würdigt, dass das Moment der Weihe bzw. des Bundesschlusses so stärker hervorgehoben wird, betont jedoch auch, dass es als alleiniger Bedeutungshintergrund nicht ausreicht. 690

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jüdischen Heiligen Schriften heraus interpretiert wird, sondern dass der Verfasser Elemente hieraus so ausgewählt hat, dass bestimmte Eigenschaften oder Funktionsweisen dieses Todes hervorgehoben werden: Hebrews uses the OT language of the Day ot Atonement and other sacrifices as a means of conveying a profound theology about the achievement of the death of Jesus. The writer […] is not interested in the details of the heavenly sanctuary, but emphasizes the heavenly realm to encourage harassed Christians to look beyond their present trauma to the glorified and triumphant Christ.693

Die bisherigen Ausführungen zeigen klar die Komplexität des Abschnitts Hebr 10,19f., der in Spannung zu vorher etablierten Bildern dieser neutestamentlichen Schrift steht, neue Perspektiven eröffnet und mit der Gleichsetzung vom Vorhang mit Jesu Fleisch ein rätselhaftes, schwer in den Gesamtkontext zu integrierendes Element einbringt. Der Versuch, die Spannungen zu minimieren, führte zu einigen eher exotisch anmutenden Auslegungen.694 Meines Erachtens besteht ein Problem der Auslegung darin, dass zu häufig davon ausgegangen wird, dass vor allem Jesus als derjenige dargestellt wird, der durch den Vorhang tritt, während 10,19f. selbst primär den Weg der Gläubigen im Fokus hat, der natürlich von Jesus vorbereitet wurde. Auch dass an dieser Stelle Unbehagen besteht und Widersprüche hervortreten, weil Metapherninkonsistenzen vorliegen, wird nur selten erkannt. Immerhin bemerkt Buchanan: „There is a rather complex metaphorical imagery used here.“695 Das Bild war bereits vorher inkonsistent, wie auch Buchanan sieht: „Since Jesus was both the high priest and the offering, he both brought the gift for the people’s cleansing into the holy of holies where the Lord was present and was himself the gift through which the people were cleansed.“696 Die Zusammenführung von Opfer und Opferndem ist auch deshalb schwierig vorstellbar, weil Jesus mit dem eigenen Blut ins Allerheiligste geht, wie in 9,12 ausgesagt wird und auch in 10,19 anklingt. Es ergeben sich logische Widersprüche, die freilich vor dem Horizont der Auferstehung Jesu relativiert werden: Obwohl Jesus sich selbst geopfert 693

YOUNG, The Day of Dedication or the Day of Atonement, 68. Karrer etwa meint, dass wie der Vorhang im irdischen Heiligtum durch Motive und Ornamente geschmückt war, die Stelle 10,19f. aussagt, dass auf dem himmlischen Vorhang das Symbol vom Fleisch Jesu sichtbar wird, gleichsam „eingewebt“ ist. Dabei übernimmt der Vorhang eine positive Funktion im Sinne eines „Leitsystems“. (Vgl. KARRER, Der Brief an die Hebräer, 217f.) Auch Jennings bezieht sich auf das Webmuster des Tempelvorhangs, betont aber, dass dieses mit dem der hohepriesterlichen Roben identisch ist. Er sieht hier einen Verweis darauf, dass Jesus in der Inkarnation die entsprechend gemusterten hohepriesterlichen Gewänder angelegt hat. (Vgl. JENNINGS, Veil, 93–95.) 695 BUCHANAN, Hebrews, 168. 696 Ebd. Buchanan präferiert es, das Fleisch auf den Weg zu beziehen, bedenkt aber wenigstens auch die hier vorgezogene Lösung: „Another less likely interpretation would be to consider ‚the curtain‘ to be ‚the curtain of his flesh‘ […] through which believers must go to enter the holy of holies.“ (Ebd.) 694

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hat, also gestorben ist, ist er in der Lage, sein Blut ins Allerheiligste zu tragen. Auch in Hebr 10,19f. ist das Opfer Jesu weiterhin präsent. Von ihm war zuletzt in 10,12.14 die Rede und auf ihn wird auch in 10,19 durch den Verweis auf das Blut rekurriert. Wie in 9,7.12.25 ist das Blut für den Eintritt in das Allerheiligste konstitutiv. Nun kommt jedoch ein weiteres Element hinzu. Die Gläubigen können nicht nur dank Jesu Blut in das Allerheiligste eintreten, sondern sie tun dies durch den Vorhang, und das bedeutet: durch Jesu Fleisch hindurch. Offenbar verkompliziert dies nicht nur das Bild, sondern setzt auch einen inhaltlich anderen Schwerpunkt. Während das Blut auf das sühnende Geschehen in Jesu Tod hinweist, bezieht sich das Fleisch auf Jesu Menschlichkeit, die aber gerade auf diesen Tod hingerichtet wird. Diese macht auch ein neues Menschsein der Christusgläubigen möglich. Noch schwieriger wird der Metaphernzusammenhang dadurch, dass Jesus in V. 21 als „großer Priester“ bezeichnet wird. Jesus bzw. integrale Aspkete von Jesus nehmen innerhalb der übergreifenden Jom-Kippur-Metapher an dieser Stelle gleich drei Funktionen ein: die der Opfergabe bzw. des daraus resultierenden Blutes, die des Hohepriesters und die des Vorhangs. Der „neue“, himmlische Jom Kippur unterscheidet sich somit vom „alten“ vorrangig dadurch, dass alle wesentlichen Bestandteile von Jesus selbst erfüllt werden. Die Bilder lassen sich nicht ohne Schwierigkeiten integrieren, sind aber auf der Sachebene durchaus verständlich. Jesus stellt sowohl das Mittel dar, durch das die göttliche Gegenwart erfahrbar wird, als auch die Instanz, die dieses Mittel überbringt, als auch den Zugang zu ebenjener Wirklichkeit selbst. Hinzu kommt in diesem Abschnitt die Interaktion zweier konzeptueller Metaphern, der des Jom Kippur und der des Bundesschlusses. Gerade wegen der aufgeführten Widersprüche wird das Neue des in Christus bewirkten Heilsgeschehens herausgestellt. Die Passage ist somit theologisch hochgradig relevant und gehört zu den ausdrucksstärksten des Hebräerbriefs. 2.5.5. Grenzfälle am Beispiel von Röm 3,24f. Um zu verdeutlichen, wie kompliziert die Bestimmung und Abgrenzung von Metaphernkombinationen im Einzelfall sein kann, soll auf Röm 3,24f. eingegangen werden, wo unklar ist, ob man von einer Metaphernvermischung oder -inkonsistenz, oder von einem Zusammenwirken beider Phänomene sprechen muss. Bei der Passage handelt es sich um einen sehr facettenreichen Text, der nicht zuletzt aufgrund seiner Relevanz für die Rechtfertigungslehre in der Forschung intensiv diskutiert wird. An dieser Stelle können nur einzelne Deutungslinien aufgezeigt werden, mit dem Schwerpunkt auf der mehrdeutigen metaphorischen Struktur. Da sich V. 24f. syntaktisch nicht aus den umliegenden Versen lösen lassen, sei hier V. 23–26 insgesamt wiedergegeben: 23

ʌ੺ȞIJİȢ Ȗ੹ȡ ਸ਼ȝĮȡIJȠȞ țĮ੿ ਫ਼ıIJİȡȠ૨ȞIJĮȚ IJોȢ įંȟȘȢ IJȠ૨ șİȠ૨

Denn alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes

658 24

25

26

Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen įȚțĮȚȠ઄ȝİȞȠȚ įȦȡİ੹Ȟ IJૌ Į੝IJȠ૨ Ȥ੺ȡȚIJȚ įȚ੹ IJોȢ ਕʌȠȜȣIJȡઆıİȦȢ IJોȢ ਥȞ ȋȡȚıIJ૶ ੉ȘıȠ૨ā ੔Ȟ ʌȡȠ੼șİIJȠ ੒ șİઁȢ ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ įȚ੹ [IJોȢ] ʌ઀ıIJİȦȢ ਥȞ IJ૶ Į੝IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȚ İੁȢ ਩ȞįİȚȟȚȞ IJોȢ įȚțĮȚȠı઄ȞȘȢ Į੝IJȠ૨ įȚ੹ IJ੽Ȟ ʌ੺ȡİıȚȞ IJ૵Ȟ ʌȡȠȖİȖȠȞંIJȦȞ ਖȝĮȡIJȘȝ੺IJȦȞ ਥȞ IJૌ ਕȞȠȤૌ IJȠ૨ șİȠ૨, ʌȡઁȢ IJ੽Ȟ ਩ȞįİȚȟȚȞ IJોȢ įȚțĮȚȠı઄ȞȘȢ Į੝IJȠ૨ ਥȞ IJ૶ Ȟ૨Ȟ țĮȚȡ૶, İੁȢ IJઁ İੇȞĮȚ Į੝IJઁȞ į઀țĮȚȠȞ țĮ੿ įȚțĮȚȠ૨ȞIJĮ IJઁȞ ਥț ʌ઀ıIJİȦȢ ੉ȘıȠ૨.

und werden umsonst gerecht gemacht durch seine Gnade durch den Loskauf/die Erlösung in Christus Jesus den Gott (öffentlich) hingestellt/vorherbestimmt hat als ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ697 durch den Glauben in seinem Blut zum Aufzeigen seiner Gerechtigkeit wegen des Erlasses [wohl im Sinne des Ungestraft-Lassens] der vorausgegangen Sünden in der Nachsicht Gottes, zum Aufzeigen seiner Gerechtigkeit zum jetzigen Zeitpunkt, damit er gerecht ist und den aus dem Glauben an Jesus [erg. Lebenden/Seienden] gerecht macht.

Schon die Wiedergabe im Deutschen zeigt, dass es an einigen Stellen Schwierigkeiten und unterschiedliche Möglichkeiten der Übersetzung gibt, die deutliche Auswirkungen auf das Gesamtverständnis des Abschnitts und der darin enthaltenen Metaphern haben. V. 24–25b bilden auf semantischer Ebene das Kernstück einer ringförmig angeordneten Komposition mit einem äußeren und einem inneren Rahmen.698 Auf der syntaktischen Ebene sind die einzelnen Teile jedoch eng verwoben, wie vor allem V. 25f. zeigen. Die Wiedergabe wirkt im Deutschen holprig, weil auf den Relativsatz ੔Ȟ ʌȡȠ੼șİIJȠ ੒ șİઁȢ ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ acht (!) Pröpositionalwendungen folgen, die unterschiedliche Bezugspunkte aufweisen.699 Dass hier ein äußerst komplexer Sachverhalt geschildert wird, lässt sich somit rein auf sprachlicher Ebene bereits erkennen. Die Ausrichtung des Abschnitts ist stark theozentrisch.700 Auch wenn vom Tod Jesu und dessen Wirkung die Rede ist, liegt die Initiative für dieses heilsbringende Ereignis ganz bei Gott selbst. Seit Bultmann geht der überwiegende Teil der Exegeten und Exegetinnen davon aus, dass hier ein frühchristliches Traditionsstück verarbeitet wurde. Dafür werden eine Reihe von Gründen aufgeführt:701 der überladene Stil des Abschnitts, das Vorliegen einiger Hapaxlegomena (ʌȐȡİıȚȢ und die Zusammenstellung ʌȡȠȖİȖȠȞંIJĮ ਖȝĮȡIJȘȝ੺IJĮ kommen sonst nirgends im Neuen Testament vor; ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ lediglich in Hebr 9,5) und für Paulus ungewöhnliche 697 Wegen der sehr unterschiedlichen Auffassungen, was mit ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ an dieser Stelle gemeint ist, bleibt der Ausdruck hier zunächst unübersetzt. S.u. 698 Vgl. WOLTER, Römer 1, 243. 699 Für eine ausführliche Darstellung und Auflösung der syntaktischen Struktur an dieser Stelle vgl. a.a.O. 243f. 700 Vgl. auch a.a.O. 265. 701 Vgl. a.a.O. 245; KRAUS, WOLFGANG, Der Tod Jesu als Heiligtumsweihe. Eine Untersuchung zum Umfeld der Sühnevorstellung in Röm 3,25–26a (Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 66), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1991, 16.

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Wendungen (etwa die Rede vom Blut, der Paulus normalerweise das Sprechen vom Kreuz vorzieht ௅ vgl. aber Röm 5,9! ௅; der Gerechtigkeitsbegriff scheint in V. 25 ein anderer zu sein als der sonst von Paulus gebrauchte; zum Teil wird hier auch der Begriff ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ angeführt, der meines Erachtens aber für Paulus gut genug belegt ist ௅ er begegnet auch in Röm 8,23 und 1Kor 1,30), vermutete Zusätze, die den Zusammenhang stören (įȦȡİ੹Ȟ IJૌ Į੝IJȠ૨ Ȥ੺ȡȚIJȚ und įȚ੹ [IJોȢ] ʌ઀ıIJİȦȢ) sowie ganz allgemein „stilistische und syntaktische Redundanzen und Inkohärenzen“.702 Hinzu kommt, dass das Relativpronomen zu Beginn von V. 25. als für die Einleitung frühchristlicher Traditionen charakteristisch angesehen wird. Während somit gewisse Indizien für ein Vorliegen von Traditionsgut vorhanden sind, ist umstritten, wie umfangreich eine entsprechende Formel oder Ähnliches ausfällt. Wird bereits in V. 24 oder gar 23 mit dem Zitieren eines Traditionsstücks begonnen? Inwieweit gehört noch V. 26 dazu? Unterschiedliche Rekonstruktionsversuche kamen zu divergierenden Ergebnissen bezüglich der Bestandteile einer möglichen ältesten Traditionsschicht,703 wobei Einigkeit darüber besteht, dass die Wendung ੔Ȟ ʌȡȠ੼șİIJȠ ੒ șİઁȢ ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ, möglicherweise mit kleinen grammatikalischen Angleichungen, zum Kern des Stücks gehört, vielleicht in Verbindung mit dem Verweis auf das Blut Jesu. Derzeit besteht weitgehender Konsens in der Forschung darin, dass V. 25 ௅ abgesehen von kleinen paulinischen Einfügungen ௅ vorpaulinisch ist. Wenn man von einer festen Formel oder Bekenntnis ausgeht, macht es aus meiner Sicht Sinn, den Beginn von V. 26 (ਥȞ IJૌ ਕȞȠȤૌ IJȠ૨ șİȠ૨/„in der Nachsicht Gottes“) in diese zu inkludieren, da sich die Wendung stark auf das Vorherige bezieht. Die Argumente, die gegen eine paulinische Verwendung des Begriffs ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ („Erlösung“/„Loskauf“, V. 24), sprechen, halte ich aber für zu schwach, so dass mir V. 24 eher genuin paulinisch erscheint. Die Annahme eines umfangreichen Zitats hat auch Auswirkungen auf die Ausdeutung von Metaphernkombinationen. Allerdings ist hier generell Vorsicht geboten. Davon abgesehen, dass sich eine vorpaulinische Formel kaum rekonstruieren lässt, ist überhaupt fraglich, ob eine solche „in einem texthaften Aggregatzustand übernommen wurde“.704 Wolter diskutiert die oben angeführten Argumente für die Verarbeitung einer konkreten Tradition und kommt dabei zu dem Schluss, dass keines wirklich stichhaltig ist.705 „Man wird sich vielmehr mit der Annahme begnügen müssen, dass Paulus in Röm 3,24–25 Deutungen 702 WOLTER, Römer 1, 245. Auch Vielhauer nennt Röm 3,24 als Beispiel für sein siebtes Kriterium zur Identifizierung frühchristlichen Materials, also für „grammatische Inkorrektheiten“ und „stilistische Härten“ (VIELHAUER, Geschichte, 12) und in der Tat ist die Länge und Komplexität des Satzes auffällig. 703 Vgl. z.B. KRAUS, Heiligtumsweihe, 18.20; SCHMITHALS, Römerbrief, 121; WENGST, Christologische Formeln, 88; ähnlich STUHLMACHER, PETER, Der Brief an die Römer (Neues Testament Deutsch 6), Göttingen/Zürich: Vandenhoeck & Ruprecht 21998, 55. 704 WOLTER, Römer 1, 245. 705 Vgl. a.a.O. 245f.

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des Todes Jesu wiedergibt, die in der frühen Christenheit schon vor und auch neben ihm verbreitet waren.“706 Die Komplexität der Satzstruktur und der darin enthaltenen Gedanken kann gerade darauf hinweisen, dass hier eher eine Collage unterschiedlicher, mehr oder weniger frei aufgegriffener Traditionen besteht als ein konkreter zitierter Text. Auch Finlan hält fest: „The texts as we have them represent Paul’s theology, and can profitably be examined as such.“707 Dass der Abschnitt metaphorisch aufgeladen ist, ist unstrittig. Allerdings bestehen einige Fragen im Hinblick auf Anzahl und Kohärenz der Metaphern. Entscheidend ist vor allem die Frage, wie die Ausdrücke ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ (V. 24) und ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ (V. 25) aufzufassen sind. Im ersten Fall ist zu fragen, ob eine aktive oder inaktive Metapher verwendet wird, ob also von Loskauf oder Erlösung die Rede ist. In den meisten Übersetzungen wird „Erlösung“ als deutschsprachige Entsprechung gewählt,708 was nahelegt, dass die Metapher gemeinhin als konventionalisiert verstanden wird. Auch Wolter betont: Paulus verwendet diese Metapher gänzlich abgelöst von den Bildfeldern des Freikaufs von Sklaven, von Kriegsgefangenen oder von Schuldnern. Ebensowenig will ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ auf Israels Herausführung aus Ägypten oder auf seine Befreiung aus dem babylonischen Exil anspielen. Paulus verwendet den Begriff hier vielmehr in einem allgemein soteriologischen Sinn, um Heil als Befreiung von Unheil zu akzentuieren […]. Darüber hinaus macht es der Kontext in V. 23a […] und in V. 25c (‚um des Erlassens der Sünden willen, die davor geschehen sind‘) wahrscheinlich, dass ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ hier einfach nur die Befreiung von den Sünden bezeichnen soll.709

Für Wolter liegt hier dementsprechend kein Bezug zum Tod Jesu im engen Sinne vor, sondern es soll vorrangig ausgedrückt werden, wie sich das Schicksal der Adressierten durch die Sündenvergebung zum Positiven gewendet hat.710 Demgegenüber gibt es meines Erachtens mindestens einen Hinweis, der dafür spricht, hier zumindest einen gewissen Aktivitätsgrad oder auch eine Reaktivierung der Metapher zu sehen: Im Umfeld des Terminus ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ stehen Begrifflichkeiten, die ebenfalls auf ökonomische Beziehungen verweisen. In relativer Nachbarschaft steht das Adverb įȦȡİȐȞ („umsonst“, „kostenlos“ oder „geschenkehalber“). Dies kann in Spannung zum Loskaufgedanken gesehen werden, für den ein Austausch von Gütern konstitutiv ist. Andererseits kann durch die Verbindung dieser Konzepte auch ausgedrückt werden, dass die entsprechende Handlung für die Adressierten „umsonst“ ist, da der „Preis“ 706

A.a.O. 246. FINLAN, Background, 149. (Hervorhebung im Original) 708 So in der Lutherbibel (Rev. 2017), der Einheitsübersetzung (Rev. 2016) und der Zürcher Bibel (Rev. 2007), um nur die in Deutschland am weitesten verbreiteten Übersetzungen anzuführen. Die Übersetzung „Loskauf“ oder „Freikauf“ haben hingegen das Münchener Neue Testament (92010) und die Bibel in gerechter Sprache (32007). 709 WOLTER, Römer 1, 254. 710 Vgl. a.a.O. 254f. 707

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durch Gott bzw. Jesu übernommen wird. Außerdem kann so auch die Metaphorizität der ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ-Aussage transparent gemacht werden, da betont werden würde, dass es sich nicht um einen Freikauf im herkömmlichen Sinn handelt. Ein weiterer Begriff, der diesem semantischen Feld zuzuordnen ist, ist ʌȐȡİıȚȢ, was in der ursprünglichen Bedeutung auf den (finanziellen) Schuldenerlass abzielt und erst in metaphorischer Übertragung die Nicht-Beachtung oder Nicht-Ahndung von Verfehlungen bezeichnet.711 Auch wenn es sich um eine konventionalisierte Metapher handelt, kann die Nähe zu anderen Ausdrücken aus demselben ursprünglichen semantischen Feld die Bedeutung reaktivieren. Es ist also prinzipiell durchaus denkbar, dass ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ hier im Rahmen einer aktiven Metapher gebraucht wird und dementsprechend auch auf Jesu Tod verweist. Selbst wenn eher an eine konventionalisierte Metapher zu denken ist, besteht die Möglichkeit, dass die Grundbedeutung „Loskauf“ durch die umliegenden ökonomisch konnotierten Begriffe hervorgerufen wird und dass zumindest Erstrezipierende diese hier wahrgenommen haben. Wenn ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ aber als V-Term einer aktiven Metapher aufzufassen ist, ist die Frage, wie man das Verhältnis zur nachfolgenden Metapher beurteilen soll, in der Christus als ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ dargestellt wird. Vermutlich muss man dann von einer Metaphernvermischung ausgehen. Doch wie man den Metaphernbestandteil ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ auffassen soll und was dementsprechend eine angemessene Übersetzung wäre, ist wiederum eine komplexe Frage.712 In der einzigen anderen neutestamentlichen Stelle, in der dieser Begriff vorkommt, Hebr 9,5, bezeichnet ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ eindeutig die Kapporet, die Deckplatte der Bundeslade. Dies entspricht der überwiegenden Verwendung des Begriffs in der Septuaginta. Wie in Hebr 9,5 nehmen einige Exegetinnen und Exegeten auch für Röm 3,25 eine Anspielung auf den Jom Kippur an. Wer hiervon ausgeht, „stellt vor allen Dingen eine typologische oder metaphorische Entsprechung zu dem in Lev 16,15–17 beschriebenen großen Blutritus am Versöhnungstag her, mit dem der Hohepriester den Tempel von den Sünden Israles reinigt, indem er das Blut eines Ziegenbocks auf den Deckel der Lade spritzt.“713 Möglicherweise kann die Rede vom Blut ein Anhaltspunkt für diese Deutung sein, auch wenn das auf metaphorischer Ebene zu Widersprüchen führt (s.u.). Im Zusammenhang von Röm 3,25 gibt es keine weiteren Hinweise auf Lev 16; die Metapher wird nicht weiter erklärt oder ausgeführt. Es wird darum auch nicht klar, warum Christus ausgerechnet mit der Kapporet gleichgesetzt wird. Aus heutiger Perspektive erscheint dies etwas merkwürdig, aber 711

Vgl. a.a.O. 260f. für eine Diskussion des Wortgebrauchs in der hellenistisch-jüdischen und paganen Literatur. 712 Vgl. zu den unterschiedlichen Deutungen a.a.O. 256–259. Wolter führt auch jeweils die Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Hypothesen an. Eine ähnliche, aber ausführlichere Darstellung findet sich auch bei FINLAN, Background, 124–135. 713 WOLTER, Römer 1, 258.

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es ist denkbar, dass dahinter eine Anspielung auf ein umfassenderes Deutungsmuster steckt, das nicht mehr rekonstruiert werden kann. Problematisch ist es jedoch, Röm 3,25 gänzlich von Hebr 9 aus zu lesen. Als eine alternative Deutung wird ein Verständnis von ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ vor 4Makk 17,21f. angeführt. Es ist die einzige Stelle in der griechisch-jüdischen Theologie, in der dieser Begriff mit dem Tod von Menschen (konkret mit dem Martyrium des Eleazar und der sieben Brüder) verbunden wird, was eine Parallele zu Röm 3,25 darstellt. Der Terminus wird hier offenbar synonym zu ਕȞIJȓȥȣȤȠȢ/ਕȞIJ઀ȥȣȤȠȞ gebraucht, das ein stellvertretendes Sterben bezeichnet.714 Auch in 4Makk 17,21f. ist von Sünden die Rede und wird neben der direkten Sprechweise vom Tod der Märtyrer von ihrem Blut gesprochen. Vertreterinnen und Vertreter dieses Bedeutungshintergrunds „schreiben Paulus eine Deutung des Todes Jesu zu, die der Vorstellung vom Tod der Märtyrer zur Befreiung Israels von seinen Sünden entspricht.“715 Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Begriff als Synonym zu ਕȞȐșȘȝĮ zu sehen, eine Sprechweise, die bei Josephus und auch in paganen griechischen Schriften in der Umwelt des Urchristentums vorkommt. Eine treffende Übersetzung wäre dann „Weihegeschenk“. „Es handelt sich um einen Gegenstand oder eine Inschrift, die von Menschen gestiftet wurde, die auf diese Weise der Gottheit danken oder eine Bitte um Hilfe unterstützen wollen, um sie gnädig zu stimmen bzw. sich ihnen geneigt zu machen.“716 Diese Praxis würde Paulus dann „in paraxoder Inversion“717 aufgreifen, da ja in Röm 3,25 nicht die Menschen das Weihegeschenk aufstellen, sondern Gott selbst. Schließlich wird von einem Teil der Exegetinnen und Exegeten angenommen, „dass Paulus mit ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ nicht einen bestimmten Vorstellungshintergrund aufnimmt, sondern eher unspezifisch auf allgemeine Entsündigungsvorstellungen zurückgreift.“718 In diesem Fall wäre „Sühne“, verstanden als „Entsündigung“ die zutreffendste Übersetzung. Es ist somit zu entscheiden, ob ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ hier etwas Konkretes ௅ die Kapporet oder ein Weihegeschenk ௅ oder etwas Abstraktes ௅ im Sinne von 4Makk 17,21f. oder gänzlich unspezifisch ௅ bezeichnet. Daran hängen weitere Fragen. Auch das Verb ʌȡȠ੼șİIJȠ ist mehrdeutig und kann einerseits als „hinstellen“, etwa im Sinne von „öffentlich einsetzen“ verstanden werden. Dieser Sinn würde natürlich am ehesten mit einem konkreten Gegenstand korrelieren. Andererseits ist auch die Interpretation „vorherbestimmen“ möglich, was sowohl zu einem konkret als auch zu einem abstrakt verstandenen ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ passen würde. Vom Abstraktionsgrad ist auch abhängig, wie das Zusammenwirken 714

Vgl. FINLAN, Background, 166. WOLTER, Römer 1, 258. 716 A.a.O. 257. 717 A.a.O. 258. 718 Ebd. 715

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mit der ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ-Metapher aufgefasst wird, wenn diese als aktiv oder aktiviert angesehen wird. Aufgrund der bildlichen Vorstellung wird beim Vorliegen eines konkreten „Sühnemahls“, „Sühneortes“ oder „Sühneopfers“ vermutlich die Metaphernvermischung stärker wahrgenommen, als wenn abstrakt von „Sühne“ die Rede ist. Konzeptuell lässt sich die Vorstellung eines Loskaufs aus Sklaverei oder Gefangenschaft aber mit keinem der vorgeschlagenen Bedeutungshintergründe wirklich in Einklang bringen. Zuletzt ist im Hinblick auf die metaphorische Struktur der Verse zu fragen, wie das Verhältnis des in V. 25 erwähnten Blutes zum ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ zu bestimmen ist. Lässt sich hier ein kohärentes Bild gewinnen? Wie auch sonst im Neuen Testament stellt die Sprechweise vom Blut Jesu einen metonymischen Bezug zu seiner gewaltsamen Tötung her, muss jedoch nicht zwingend einen kultischen Unterton besitzen.719 Ist ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ abstrakt zu verstehen, als Sühne allgemein, so gibt es vermutlich wenig Schwierigkeiten, die Erwähnung des Bluts hiermit in Einklang zu bringen. Man wird das Blut ebenso eher auf abstrakter Ebene sehen, so dass der metonymische Verweis auf Jesu Tod in den Vordergrund gerückt wird und das Bild des Blutes selbst keine große Wirkung entfaltet. Wenn Rezipierende hingegen ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ als etwas Konkretes, als Kapporet oder Weihegeschenk verbildlichen, sind sie geneigt, auch das Blut als konkretes Element in dieses Bild zu integrieren. Hieraus ergibt sich dann eine deutlich größere Spannung. Im Falle der Deutung von ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ als Kapporet, also der Annahme des Jom Kippur als umfassenden Bedeutungshintergrund für Röm 3,25, entsteht hier eine Metapherninkonsistenz.720 Jesus stellt gleichzeitig sowohl die Kapporet dar als auch das Opfertier, dessen Blut ௅ den Blutritus vorausgesetzt ௅ darauf appliziert wird. Wie im Hebräerbrief würde Jesus auch hier in den Ritualen des Jom Kippur unterschiedliche inkompatible Rollen und Funktionen einnehmen, wobei mit der Kapporet ein Element angesprochen wäre, dass im Hebräerbrief nicht metaphorisch auf Jesus bezogen wird. Wolter versucht das Vorliegen einer Metapherninkonsistenz an dieser Stelle abzuwehren.721 Er nimmt aufgrund der sonst bei Paulus kaum vorkommenden Rede vom Blut Jesu an, dass eine Anspielung auf Lev 16,15–17 vorliegt. Bei der Bezeichnung des Todes Jesu, oder auch der Märtyrer in 4Makk 17,21f., als ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ handele es sich aber um eine sekundäre Metapher. Diese ist von der primären Metapher abhängig, welche in der griechischen Übersetzung des Kapporet-Begriffs mitsamt seiner Etymologie (von ʸʴʫ/„bedecken“) angelegt ist. „Wenn in der Septuaginta der Deckel auf der Lade ੂȜĮı719

Vgl. auch a.a.O. 256 mit Verweis auf die Paralle in Röm 5,9 und a.a.O. 255. Versteht man ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ als Weihegeschenk, so wird man ebenfalls kaum ein kohärentes Bild erzeugen können. Hier liegt dann entweder eine Metaphernvermischung oder ௅ für den Fall, dass bei der Einrichtung des Weihegeschenks kultische Opfer vorausgesetzt werden ௅ ebenfalls eine Metapherninkonsistenz vor. 721 Vgl. WOLTER, Römer 1, 258f. 720

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IJ੾ȡȚȠȞ genannt wird, so handelt es sich […] genauso um eine Funktionsmetapher wie bei der Bezeichnung der Weihegeschenke als ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ, denn die Bezeichnung eines Gegenstandes wird hier wie dort von seiner Funktion her bestimmt.“722 Laut Wolter will Paulus mit der Bezeichnung Jesu als ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ anders als der Hebräerbrief keine Typologisierung vornehmen: „Er bezeichnet mit diesem Begriff nicht ein Konkretum, sondern ein Abstraktum, und durch den Ausdruck ‚in seinem Blut‘ bringt er den Tod Jesu in eine funktionale Analogie zum Blutritus über der kapporet am Versöhnungstag. Das tertium comparationis ist die jeweilige Wirkung: die Beseitigung der Sünden.“723 In eine ähnliche Richtung geht auch Finlans Argumentation. Er hält es für möglich, dass ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ in Röm 3,24f. zunächst auf die Kapporet verweist, der eigentliche Referenzpunkt aber die etymologisch ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist – „place of atonement“.724 Zudem sieht er hier eine Synekdoche gegeben, so dass ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ nicht auf einen Teil der Tempeleinrichtung verweist, sondern in genereller Hinsicht gebraucht wird „for the atonement or purification process“.725 Der gesamte Tempel mitsamt den dort stattfindenden Ritualen und kultischen Praktiken würden evoziert.726 Meines Erachtens sind diese Argumentationslinien jedoch nicht schlüssig. Vielleicht sind sie zu sehr von dem Bestreben geleitet, an der Deutung von Röm 3,25 vor dem Hintergrund von Lev 16,15–17 festzuhalten, ohne eine Metapherninkonsistenz zuzulassen. Offenbar wird das Vorliegen einer Inkonsistenz als Schwäche in der Annahme des Bedeutungshintergrunds oder in der stilistischen Darstellung des Briefs wahrgenommen. Wenn man die Kapporet und den Jom Kippur als Hintergrund der ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ-Metapher ansieht, dann geht das nicht anders als auf konkrete Weise. Wenn ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ als Abstraktum verstanden wird, dann liegt zumindest kein unmittelbarer Bezug zu Lev 16 vor. Natürlich werden durch die Erwähnung der Kapporet bei Rezipierenden, die wissen, in welchem Kontext diese vorkommt, auch weitergehende Assoziationen hervorgerufen. Dennoch bleibt es dabei, dass in der Metapher selbst Jesus mit dem ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ gleichgesetzt wird und mit nichts anderem. Die Analyse der Passage zeigt deutlich, wie schwierig es ist, hier eindeutige Aussagen zur Art der vorliegenden Metaphernkombination zu treffen. Wenn ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ als Teil einer aktiven Metapher verstanden wird, liegt eine Metaphernvermischung vor. Bezieht man ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ auf die Kapporet, ist zusätzlich eine Metapherninkonsistenz gegeben. Ist ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ als Abstraktum aufzufassen und ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ in seiner Grundbedeutung aktiviert, kann es wiederum zu einer Metaphernvermischung zwischen den Konzepten des Loskaufs 722

Ebd. (Hervorhebung im Original) A.a.O. 259. 724 FINLAN, Background, 126. 725 A.a.O. 128. 726 Vgl. a.a.O. 155f. 723

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und des Bluts kommen. Nimmt man ੂȜĮıIJ੾ȡȚȠȞ als Bezug zum Weihegeschenk, ist das Verhältnis zur nachfolgenden ĮੈȝĮ-Aussage vielleicht auch eher als Metaphernvermischung denn als Inkonsistenz zu werten. Keine der Lesarten lässt sich letztlich verifizieren. Die Komplexität der Metaphernkombination sollte aber kein Kriterium sein, um bestimmte Deutungsmuster auszuschließen, denn dass durchaus widersprüchliche Metaphern im Neuen Testament vorkommen und dass diese einem theologischen oder rhetorischen Zweck dienen können, hat die vorausgegangene Analyse gezeigt. So oder so muss eigentlich noch das Vorliegen eines weiteren semantischen Felds in dieser Passage angenommen werden. Die Verbform įȚțĮȚȩȦ, die in der Passage zweimal vorkommt (V. 24 und 26) wurde mit „gerecht machen“ übersetzt, bezieht sich aber ursprünglich aus die Rechtsprechung im juristischen Sinn. Heutigen Rezipierenden fällt dies kaum auf, aber auch die Rede von der Rechtfertigung an sich basiert auf einer metaphorischen Übertragung. Der in Röm 3,23–26 vorkommende Begriffe įȚțĮȚȠıȪȞȘ (V. 25 und 26) verweist ebenfalls auf dieses ursprüngliche semantische Feld, ebenso wie ʌȐȡİıȚȢ, das neben ökonomischen auch juristische Konnotationen haben kann. Erneut kann nicht klar gesagt werden, inwieweit diese Begriffe von den Rezipierenden als Bestandteile einer Rechtsprechungsmetaphorik wahrgenommen wurden. Geht man von einem hohen Aktivitätsgrad der Metaphern in Röm 3,24f. aus, sind hier daher mindestens drei verschiedene semantische Felder aktiv, wie Finlan betont: „In Rom 3:24–25 we have justification, redemption, and place of atonement – a conflation of judicial, economic, and sacrificial imagery.“727 An anderer Stelle bringt er das Zusammenspiel unterschiedlicher (konzeptueller) Metaphern nochmals treffend auf den Punkt: „No one of Paul’s metaphors is able to capture the whole of his thinking. He has to chain them together to make his points, but he is not chained by any of them.“728 Insgesamt lässt sich nicht genau sagen, wie die in Röm 3,24f. vorhandenen Metaphernkombinationen von den Erstrezipierenden empfunden und angenommen wurden, inwieweit Spannungen zwischen den einzelnen Metaphern oder Metaphernbestandteilen wahrgenommen wurden. Dies hängt vor allem von der Frage nach dem Aktivitätsgrad einzelner Metaphern und auch nach dem jeweiligen Bedeutungshintergrund ab. Für heutige Rezipierende ist die Wahrnehmung von Metaphernkombinationen in ähnlicher Weise von der jeweiligen Übersetzung und dem Vorwissen abhängig. Finlan hält es für gut möglich, dass die einzelnen Konzepte auch von zeitgenössischen Rezipierenden unterschiedlich verstanden und verschiedene Deutungshorizonte ange-

727 FINLAN, Background, 5 und nochmals ähnlich a.a.O. 168. Finlan hält es für möglich, die einzelnen Metaphern etwa durch einen abstrakten Prozess der Transaktion, der sie verbindet, ein Stück weit zu harmonisieren. (Vgl. a.a.O. 168f.) 728 A.a.O. 153.

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nommen wurden, etwa abhängig davon, ob Menschen mit juden- oder heidenchristlichen Hintergrund die Aussage rezipierten.729 Damit zeigt sich eine gewisse Subjektivität in dem, was als Metaphernvermischung und -inkonsistenz bezeichnet wird. Auch die Grenzen zwischen beiden Phänomenen kann fließend verlaufen, je nachdem, ob man für zwei Vehicles dasselbe semantische Feld annimmt oder sie distinkten semantischen Bereichen zuordnet. Nur als Randbemerkung sei darauf verwiesen, dass Röm 3,24f. nicht der einzige Fall neutestamentlicher Metaphernkombinationen ist, bei dem die Zuordnung uneindeutig und von der Gesamtdeutung abhängig ist. In Gal 3,13 findet sich ein ganz ähnliches Phänomen. Die Aussage „Christus hat uns vom Fluch des Gesetzes erlöst/erkauft, indem er für uns zum Fluch wurde“ (ȋȡȚıIJઁȢ ਲȝ઼Ȣ ਥȟȘȖંȡĮıİȞ ਥț IJોȢ țĮIJ੺ȡĮȢ IJȠ૨ ȞંȝȠȣ ȖİȞંȝİȞȠȢ ਫ਼ʌ੻ȡ ਲȝ૵Ȟ țĮIJ੺ȡĮ) ist ein metaphorisches Paradoxon. Es liegt eine Metapherninkonsistenz vor, da Jesus gleichzeitig als derjenige vorgestellt wird, der vom Fluch befreit, und als Fluch selbst. Abhängig davon, wie man den Konventionalitätsgrad von ਥȟĮȖȠȡȐȗȦ hier beurteilt und als wie stark man den Bezug zum Loskaufmotiv empfindet, liegt zusätzlich auch eine Metaphernvermischung vor.730 2.6. Topic-Vehicle- und Vehicle-Topic-Übertragung Als letzte Art der Metaphernkombination werden die beiden eng verwandten Phänomene der Übertragung vom Topic auf das Vehicle und vom Vehicle auf das Topic diskutiert. Gemeint sind damit Fälle, in denen das Topic einer Metapher in einer folgenden Metapher das Vehicle darstellt oder umgekehrt. In enger syntaktischer oder kontextueller Nähe kann dies zu Metaphernvermischungen führen, wobei dies auch davon abhängig ist, inwieweit die Metaphern bereits vorher etabliert wurden. Hier werden allerdings vor allem solche Abschnitte betrachtet, in denen eine größere Distanz zwischen den einzelnen Metaphern besteht. Unterschieden werden kann zudem zwischen solchen Fällen, in denen der konkrete T-Term bzw. V-Term von einer Metapher in die nächste übernommen wird, und solchen, in denen lediglich ein hinter diesen stehendes abstraktes Topic oder Vehicle erkennbar wird. Natürlich ist die Verbindung zwischen den Metaphern im ersten Fall deutlicher, während der zweite jedoch verbreiteter ist. Es stellt sich im hiesigen Kontext vorrangig (aber nicht ausschließlich; vgl. die Kelchmetaphern) die Frage, wie sich Metaphern mit Jesu Tod als Topic zu solchen mit Jesu Tod als Vehicle verhalten. Während in manchen neutestamentlichen Schriften nur ein Wechsel vom Topic zum Vehicle erkennbar ist, ist auch eine Übertragung, die anschließend wieder umgekehrt

729

Vgl. a.a.O. 142f. und 167f. Auch Finlan sieht hier eine Metaphernvermischung: „we have a cultic metaphor conflated with an economic one“. (A.a.O. 102.) Er interpretiert den Ausdruck „zum Fluch werden“ als Verweis auf den Sündenbock. M.E. ist dies jedoch keine gesicherte Deutung. 730

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wird, möglich und für unseren Untersuchungsgegenstand sogar häufiger belegt. Dies ist in besonderer Deutlichkeit bei einem Teil der Synoptiker in den Kelchmetaphern erkennbar, die daher exemplarisch analysiert werden. Eine reine Vehicle-Topic-Übertragung, die nicht wieder umgekehrt wird, kommt in der neutestamentlichen metaphorischen Rede vom Tod Jesu hingegen höchstens an einer Stelle vor, je nachdem, wie man den Aktivitätsgrad der vorherigen Metapher bewertet. 2.6.1. Überblick: Topic-Vehicle-Übertragungen Übertragungen vom Topic einer Metapher zum Vehicle einer oder mehrerer folgender Metaphern liegen im Neuen Testament in dem abstrakteren Sinne vor, dass innerhalb einer Schrift Jesu Tod selbst erst metaphorisch beschrieben wird und im Anschluss daran dieser Tod auf wiederum metaphorische Weise von den Gläubigen mitvollzogen wird. Dies liegt beispielsweise im Verhältnis von Röm 3,24f. zu den im Römerbrief darauf folgenden Metaphern vor. So unklar die Metaphernstruktur in Röm 3,24f. auch ist,731 deutlich wird zweifelsohne, dass hier etwas über den Tod Jesu selbst und seine Auswirkung auf die Adressierten gesagt werden soll, und zwar durch bildhafte Sprache. Innerhalb des Römerbriefs handelt es sich zudem um die erste Passage, in der ein deutlicher Bezug zum Tod Jesu hergestellt wird. Im restlichen Brief dominieren nüchtern-direkte Verweise auf Jesu Tod (Röm 5,6.8.10; 8,34; 14,9.15) – teilweise in Verbindung mit „für“-Aussagen (5,6.8; 14,15) oder Hingabe-Formulierungen (4,25; 8,32), die beide nicht in metaphorische Zusammenhänge eingebunden sind, oder Aussagen, in denen der Tod Jesu als Vehicle fungiert und die Partizipation der Gemeinde an Jesu Schicksal ausdrückt (6,3–11; 7,4–6; 8,17). Der Tod Jesu und seine Funktion werden somit zunächst, möglicherweise in Aufnahme von Traditionsgut, in 3,24f. bildhaft eingeführt und dann in 5,6–11 noch einmal ausführlicher in „eigentlicher“ Sprache dargelegt, bevor sie dann auch auf das Leben, bzw. den durch Konversion und Taufe bewirkten Lebenseinschnitt bezogen werden, was in 6,3–11 ausgeführt und an späterer Stelle nur noch angedeutet wird.732 Auch im ersten Korintherbrief lässt sich eine allgemeine Bewegung von Metaphern mit Jesu Tod als Topic hin zu solchen mit Jesu Tod als Vehicle feststellen, wobei allerdings eine gewisse textliche Entfernung zwischen den Einzelmetaphern zu beachten ist. In den ersten Kapiteln ist zwar mehrfach vom Kreuz oder von Christus als Gekreuzigtem die Rede (1Kor 1,13.17.18.23; 2,2.8), metaphorische Ausdeutungen des Kreuzesgeschehens werden jedoch erst in Kap. 5–7 vorgenommen. Hier wird Jesu Tod sowohl als Schlachtung des Passalamms (5,7) als auch als Loskauf (6,20; 7,23) vorgestellt. Nach einer 731 732

S.o., Abschnitt 2.5.5. S.o., Abschnitt 2.1.4.

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wenig betonten „für“-Aussage in 8,11 folgen in 10,16f. und 11,23–29 Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle, die sich allerdings nicht auf den Mitvollzug der Gemeinde richten, sondern die Abendmahlstradition aufgreifen. Auch hier gilt jedoch, dass die metaphorische Explikation des Todes Jesu dafür hilfreich ist, die Bedeutung der Vergegenwärtigung dieses Todes im Abendmahl zu unterstreichen. Im Kolosserbrief findet sich ebenfalls eine ähnliche Struktur, wobei hier noch deutlicher das Gewicht auf den Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle liegt. Diese dominieren den hinteren Teil des Briefes in dem Sinne, dass sie die einzigen Referenzen zu Jesu Tod überhaupt darstellen und dementsprechend nicht durch „eigentliche“ Rede unterbrochen werden. Allerdings sind die Metaphern mit Jesu Tod als Topic im vorderen Teil des Briefs nicht sonderlich stark. Im Fall von Kol 1,14 ist fraglich, ob man hier ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ als Bestandteil einer aktiven Metapher ansehen kann. Zudem wird, wenn überhaupt ein Verweis auf Jesu Tod vorliegt, nur durch diesen Begriff darauf Bezug genommen. Vor allem der Kontext deutet darauf hin. In 1,18 folgt die zweite Metapher, in der Jesu Tod als Topic eine Rolle spielt: Jesus wird der Erstgeborene aus den Toten (ʌȡȦIJંIJȠțȠȢ ਥț IJ૵Ȟ Ȟİțȡ૵Ȟ) genannt. Allerdings ist hier zu beachten, dass primär die Auferstehung dargestellt und bildlich beleuchtet werden soll. Der Tod Jesu bildet dafür natürlich die Voraussetzung, ist hier jedoch weniger zentral, und das Bild von der Erstgeburt steht dem Tod diametral entgegen. In 1,20.22 werden der Tod Jesu und seine Wirkung nun noch in eher „eigentlicher“ Sprache und auf direktere Weise thematisiert. Die in 2,12–14.20; 3,3 folgenden Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle (und teils unterschiedlichen Topics) stehen dementsprechend in stärkerer Verbindung mit dieser Schilderung als mit den eher vagen vorherigen Metaphern. Eine Sonderstellung nehmen einzelne Abschnitte der Apk ein. Hier ist jedoch zu beachten, dass nicht Jesu spezifischer Tod als Vehicle von Metaphern dient, sondern der Tod generell. Dennoch ist auffällig, wie Begriffe aus der Darstellung des Todes Jesu, die ihrerseits in metaphorische Zusammenhänge eingebettet sind, im späteren Verlauf erneut aufgegriffen werden und nun gänzlich andere Funktionen erfüllen. Zentral ist dabei die Stelle Apk 1,18. Bereits zuvor, in 1,5–7, wurde auf Jesu Tod und dessen Wirkung ausführlicher eingegangen, wobei in V. 5 wiederum die Erstgeborenen-Metapher aufkommt. In 1,18 nun heißt es: „und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in die Ewigkeiten der Ewigkeiten, und ich habe die Schlüssel des Todes und des Hades“ (țĮ੿ ਥȖİȞંȝȘȞ ȞİțȡઁȢ țĮ੿ ੁįȠઃ ȗ૵Ȟ İੁȝȚ İੁȢ IJȠઃȢ Įੁ૵ȞĮȢ IJ૵Ȟ ĮੁઆȞȦȞ țĮ੿ ਩ȤȦ IJ੹Ȣ țȜİ૙Ȣ IJȠ૨ șĮȞ੺IJȠȣ țĮ੿ IJȠ૨ ઌįȠȣ), wobei die Schlüssel als symbolisch-metaphorisch aufzufassen sind. Während der Besitz der Schlüssel zum Hades noch als auf der Ebene der Vision real angesehen werden kann, ist dies auf den abstrakten Tod bezogen schwerlich möglich. Der erste Teil der Aussage, der Übergang der Attribute tot und lebendig, wird sinngemäß in 2,8 nochmals wiederholt. Diese Zuschreibung wird in 3,1 aufgegriffen und umgekehrt, wobei das

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„tot-Sein“ nun als V-Term einer Metapher fungiert. Die Einleitung des Sendschreibens an die Gemeinde in Sardes lautet: „ich kenne deine Werke, dass du den Namen hast, dass du lebst, und (doch) bist du tot“ (Ƞੇį੺ ıȠȣ IJ੹ ਩ȡȖĮ ੖IJȚ ੕ȞȠȝĮ ਩ȤİȚȢ ੖IJȚ ȗૌȢ, țĮ੿ ȞİțȡઁȢ İੇ). Ganz offensichtlich sind die Adressierten nicht „wörtlich“ gestorben, sondern befinden sich in einer Haltung der Schwäche. Dazu passt der Aufruf im folgenden Vers, das zu stärken, was im Begriff war zu sterben (ıIJ੾ȡȚıȠȞ IJ੹ ȜȠȚʌ੹ ਘ ਩ȝİȜȜȠȞ ਕʌȠșĮȞİ૙Ȟ). Metaphorisches Sterben wird hier nicht positiv im Sinne der Partizipation am Schicksal Jesu verstanden, sondern als etwas Negatives, das es zu überwinden gilt. Im Vergleich zu 1,18 und 2,8 werden in 3,1 zwar dieselben Termini benutzt ௅ Formen von ȗȐȦ und ȞİțȡȩȢ, die Umkehrung zeigt jedoch einen klaren Kontrast und verdeutlicht so auch, dass die Gemeinde von Sardes keinen Lebenswandel führt, der dem Auferstandenen gerecht werden würde. Auch zu der Erwähnung von Tod und Hades in Apk 1,18 findet sich später eine interessante Parallele. In Apk 6,8 wird der Tod personifiziert als Reiter dargestellt, der vom ebenfalls personifizierten Hades begleitet wird. Die Begrifflichkeiten entsprechen dabei denen von 1,18. Dabei sorgen die Personifikationen für eine gewisse Spannung zur vorherigen Schlüsselmetaphorik, für deren Verständnis vorausgesetzt wird, dass Tod und Hades als Orte oder Ähnliches vorgestellt werden müssen. Eine weitere Personifikation des Todes liegt in Apk 9,6 vor, wo von seiner Flucht berichtet wird. 2.6.2. Überblick: Topic-Vehicle- und Vehicle-Topic-Übertragungen in Kombination In einigen neutestamentlichen Schriften wird Jesu Tod sowohl als Topic als auch als Vehicle von Metaphern gebraucht, die einander abwechseln. Dabei geht die Bewegung häufiger vom Topic zum Vehicle und wieder zurück als umgekehrt. Eine solche „doppelte“ Übertragung lässt sich zunächst im Galaterbrief finden. Einzig in Gal 3,13 stellt Jesu Tod, der mit indirektem Verweis auf die Kreuzigung als „zum Fluch Werden“ dargestellt wird, das Topic einer Metapher dar, denn hier wird die Funktion des Todes als Loskauf (durch das Verb ਥȟĮȖȠȡȐȗȦ) verbildlicht. Die Aussage ist eingerahmt von den übrigen metaphorischen Aussagen, die sich auf Jesu Tod beziehen: Gal 2,19 einerseits und 5,24; 6,14 andererseits. All diesen Passagen ist gemein, dass auch sie auf die Kreuzigung Bezug nehmen, nun sogar direkt durch entsprechende Verbformen. Sie verweisen jedoch nicht primär auf Jesu Tod, sondern nutzen den Ausdruck, um den Mitvollzug mit ihm anzudeuten, bzw. um darzustellen, dass durch Jesu Tod auch eine entscheidende Wende im Leben der Christusgläubigen eingetreten ist. In diesem Sinne stellt der Tod Jesu hier das Vehicle dar. Somit kann man sagen, dass im Galaterbrief eine Vehicle-Topic-Übertragung (durch das Verhältnis von 2,19 und 3,13) und eine Topic-Vehicle-Übertragung (durch die Beziehung von 3,13 zu 5,24 und 6,14) vorliegt. Die konkreten T-

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Terms der Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle sind dabei zwar verwandt, aber dennoch unterschiedlich. Der Schwerpunkt des Diskurses liegt offenbar darauf, die Aktualität des Todes Jesu für die Adressierten herauszustellen und vor allem sie zu motivieren, ein Leben zu führen, das radikal durch das in Jesu Tod manifestierte Heilsgeschehen motiviert ist. Daher dominieren die Metaphern mit der Kreuzigung als Vehicle. Diese Aussage ist jedoch nur dann stark, wenn auch klar ist, wie dieses Heilsgeschehen zu fassen ist. Dies stellt die Metapher mit Jesu Tod als Topic klar, und auch der Verweis auf Jesu Kreuz in „eigentlicher“ Sprache von Gal 3,1 erinnert daran. Auch im Hebräerbrief gibt es nur eine Stelle, in der Jesu Tod als Vehicle dient, und zwar in Hebr 6,6, also ziemlich genau in der Mitte des Briefs. Dabei unterscheidet sich die Passage durch die polemische Art, in der die irreale Annahme einer erneuten Kreuzigung ausgedrückt wird, jedoch deutlich von den anderen neutestamentlichen Metaphern mit Jesu Tod als Vehicle. Zuvor kam der Tod Jesu schon mehrfach zur Sprache, auch in Aussagen, in denen sich metaphorische Bezüge feststellen lassen können (evtl. 1,3; 2,9.14–18; 5,7f.), die allerdings noch nicht sehr stark ausgeprägt sind. Übergeordnete Metaphernkomplexe, die ab der zweiten Hälfte des Hebr dominant werden, werden hier bereits angedeutet oder vorbereitet, aber noch nicht explizit ausgeführt. Dies zeigt sich insbesondere in 2,14–18, wo neben dem Loskauf- bzw. Befreiungsmotiv auch erstmals die Jom-Kippur-Thematik etabliert wird, oder in 5,7, wo, offenbar in Vorbereitung des Folgenden, Jesus ein anderes Opfer darbringt als später im Hebräerbrief. Auf die knappe Metapher mit Jesu Tod als Vehicle folgen relativ bald wieder Darlegungen des Todes Jesu, die diesen auf metaphorischer Ebene beschreiben. Bereits durch die Metaphernvermischung in 6,19f., die dadurch entsteht, dass ein Anker hinter den Vorhang, also offenbar in das Allerheiligste führt, wird das Bild des Jom Kippur wieder aufgegriffen, wenn auch der Bezug zum Tod Jesu hier nicht sonderlich ausgeprägt ist. Spätestens mit Hebr 7,27 wird dann die Opfermetaphorik dominant. Der Epheserbrief stellt in diesem Zusammenhang einen Grenzfall dar. Wenn Eph 1,7 als aktive Metapher anzusehen ist, im Sinne der Loskaufmetaphorik, würde in diesem Brief ein ähnliches Phänomen wie im Galater- und Hebräerbrief vorliegen. Allerdings ist dies unsicher; ਕʌȠȜȪIJȡȦıȚȢ könnte hier auch quasi-synonym zu ਙijİıȚȢ stehen (was wiederum im Sinn „Vergebung“ eine konventionalisierte Metapher darstellt). Auch der anschließende Bezug zum metaphorischen Sterben in 2,2.5 scheint anders gelagert zu sein als etwa im Kolosserbrief oder in den Protopaulinen. Die Auferstehung und Erhöhung Jesu wird hier zwar im Sinne des Mitvollzugs ausgedeutet, nicht aber der Tod Jesu selbst. Der beschriebene metaphorische Tod scheint hier vielmehr durch die Übertretungen der Adressierten hervorgerufen worden zu sein, wohingegen die darauffolgende Partizipation an der Auferstehung Jesu die positive Wende bringt. In 2,16 wird geschildert, dass durch das Kreuz an Jesu Leib die Feind-

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schaft getötet wurde. Auch dies stellt in gewisser Weise eine weitere ungewöhnliche Metapher mit Jesu Tod als Vehicle dar. Mit Eph 5,1f. setzt wieder klare Opfermetaphorik mit Jesu Tod als Topic ein, wobei bereits 4,9f. metaphorische Anklänge hat. Die Bewertung der Metaphernstruktur im Epheserbrief hängt also stark von der Beurteilung der Einzelmetaphern ab, vor allem von der Frage, inwieweit in 2,2.5 auch eine Partizipation an Jesu Tod angedacht ist und als wie stark konventionalisert man 1,7 ansieht. In jedem Fall liegt durch die Kombination von 2,16 und 5,1f. eine Übertragung von Vehicle auf Topic vor, und wenn man 1,7 als konventionalisiert ansieht, ist es im hier diskutierten Themenfeld die einzige. Allein im ersten Petrusbrief lässt sich eine Bewegung des Todes Jesu vom Vehicle zum Topic und wieder zurück zum Vehicle ausmachen. In der Aussage, dass die Adressierten auserwählt sind „zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi“ (૧ĮȞIJȚıȝઁȞ Į੆ȝĮIJȠȢ ੉ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨; 1Petr 1,2) lässt sich erkennen, dass Jesu Tod der Vehicle-Ebene zugeordnet wird. Was im eigentlichen Fokus steht und hierdurch hervorgehoben werden soll, ist die Aussonderung und Heiligung der Gemeinde. Gleichzeitig setzt das Bild der Besprengung die Annahme eines zuvor geschehenen und hierfür konstitutiven Opfers voraus. Die konzeptuelle Gleichsetzung des Todes Jesu mit einem Opfer wird hier also bereits geleistet, so dass der Übergang zu 1,18f., wo Jesu Tod das Topic in einer Metaphernvermischung darstellt, vorbereitet wird. Es folgt mit 2,4–8 ein weiterer, jedoch inhaltlich abweichender Metaphernkomplex. Daran schließt sich in 2,24 eine Mitvollzugsmetapher, also eine Metapher mit Jesu Tod als Vehicle, an, welche die Entfernung der Angesprochenen von den Sünden noch dadurch hervorhebt, dass Jesus diese ans Kreuz getragen hat. Diese Metapher steht im Anschluss an einen Abschnitt (2,21–23), in dem Jesu Leiden betont und dessen Vorbildcharakter herausgestellt wird. Insgesamt zeigt sich in den ersten beiden Kapiteln des 1Petr eine große Fülle und Bandbreite an Bildern, während in den folgenden Kapiteln Jesu Tod und dessen Wirkung eher nüchtern beschrieben wird. 2.6.3. Exemplarische Analyse der synoptischen Kelchmetaphern Ein gutes Beispiel für die Übertragung vom Vehicle zum Topic und wieder zurück findet sich in den bei den Synoptikern vorliegenden Metaphern, die auf Jesu Tod Bezug nehmen und einen Verweis auf den „Kelch“ bzw. „Becher“ (Gr. ʌȠIJȒȡȚȠȞ)733 als Bestandteil besitzen. Die Übertragung wird besonders deutlich, weil jeweils dasselbe Wort verwendet wird. Eine doppelte Übertragung, Vehicle-Topic und Topic-Vehicle, liegt dabei in Mk und Mt vor, während 733 Die beiden Begriffe „Kelch“ und „Becher“ werden hier austauschbar gebraucht und beschreiben dieselbe hebräische bzw. griechische Vokabel. Insgesamt wird „Kelch“ vorrangig in religiösen oder metaphorischen Kontexten gebraucht, Becher eher in alltäglich-profanen. (Vgl. auch BETZ, OTTO, Art. Kelch, in: Calwer Bibellexikon2 1 [2006], 727.)

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Lk nur letzteres aufweist. Zunächst soll der Fokus auf dem Markusevangelium liegen. 10,38f.

੒ į੻ ੉ȘıȠ૨Ȣ İੇʌİȞ Į੝IJȠ૙Ȣā Ƞ੝ț Ƞ੅įĮIJİ IJ઀ ĮੁIJİ૙ıșİ. į઄ȞĮıșİ ʌȚİ૙Ȟ IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ ਲ਼ IJઁ ȕ੺ʌIJȚıȝĮ ੔ ਥȖઅ ȕĮʌIJ઀ȗȠȝĮȚ ȕĮʌIJȚıșોȞĮȚ; Ƞੂ į੻ İੇʌĮȞ Į੝IJ૶ā įȣȞ੺ȝİșĮ. ੒ į੻ ੉ȘıȠ૨Ȣ İੇʌİȞ Į੝IJȠ૙Ȣā IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ ਥȖઅ ʌ઀ȞȦ ʌ઀İıșİ țĮ੿ IJઁ ȕ੺ʌIJȚıȝĮ ੔ ਥȖઅ ȕĮʌIJ઀ȗȠȝĮȚ ȕĮʌIJȚıș੾ıİıșİ

14,23f.

14,36

țĮ੿ ȜĮȕઅȞ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ İ੝ȤĮȡȚıIJ੾ıĮȢ ਩įȦțİȞ Į੝IJȠ૙Ȣ, țĮ੿ ਩ʌȚȠȞ ਥȟ Į੝IJȠ૨ ʌ੺ȞIJİȢ. țĮ੿ İੇʌİȞ Į੝IJȠ૙Ȣā IJȠ૨IJં ਥıIJȚȞ IJઁ Įੈȝ੺ ȝȠȣ IJોȢ įȚĮș੾țȘȢ IJઁ ਥțȤȣȞȞંȝİȞȠȞ ਫ਼ʌ੻ȡ ʌȠȜȜ૵Ȟ. țĮ੿ ਩ȜİȖİȞā ĮȕȕĮ ੒ ʌĮIJ੾ȡ, ʌ੺ȞIJĮ įȣȞĮIJ੺ ıȠȚā ʌĮȡ੼ȞİȖțİ IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ IJȠ૨IJȠ ਕʌ’ ਥȝȠ૨ā ਕȜȜ’ Ƞ੝ IJ઀ ਥȖઅ ș੼ȜȦ ਕȜȜ੹ IJ઀ ı઄.

Jesus aber sagte ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr fragt. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke oder mit der Taufe, mit der ich getauft werde, getauft werden? Sie aber sagten ihm: Wir können (es). Jesus aber sagte ihnen: Den Kelch, den ich trinke, werdet ihr trinken und mit der Taufe, mit der ich getauft werde, werdet ihr getauft werden Und [Jesus] nahm einen Kelch, sprach das Dankgebet und gab ihn ihnen, und alle tranken aus ihm. Und er sagte ihnen: Dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Und er sagte: Abba, Vater, alles ist dir möglich; gib diesen Kelch an mir vorbei; aber nicht was ich will, sondern was du (willst).

Alle drei hier relevanten Passagen stehen im engen Zusammenhang mit Jesu bevorstehendem Leiden und Sterben, und stets spielen die Zwölf eine wichtige Rolle. Mk 10,38f. ist kontextuell eingebettet in die Anfrage der Zebedäussöhne, die wiederum direkt auf die dritte Leidensankündigung folgt und zu deren Abschluss das Lösegeldwort (Mk 10,45) wiedergegeben wird. Die Passage zeigt das Unverständnis der beiden Jünger, die trotz der vorausgehenden (und bereits zuvor mehrmals erfolgten) Todesweissagung an der eigenen Machtstellung interessiert sind. Zugleich ist Jerusalem als Endpunkt Jesu irdischen Wirkens fast erreicht ௅ lediglich mit der Heilung von Bartimäus (10,46–52) wird noch ein Beispiel positiver Jüngerschaft angeführt und die Tatsache, dass er sein Sehvermögen zurück erhält, kann auch so verstanden werden, dass eine angemessene Beurteilung des Schicksals Jesu erfolgt. Mk 14,23f. und 14,36 liegen dann innerhalb des Passionsberichts selbst. Die Einsetzungsworte zum letzten Abendmahl geben den vorher durch Jesus erfolgten Hinweisen eine neue Dimension. Jesu Tod wird nun nicht nur durch Worte angekündigt, sondern in besonderer Weise durch Brot und Wein erfahrbar gemacht. Wiederum wird lediglich der engste Jüngerkreis angesprochen. In Mk 14,36 spricht Jesus das Gebet zwar allein, eingebettet ist der Vers jedoch in eine Erzählung vom erneuten Versagen der Zwölf. Wiederum sind es Johannes und Jakobus, über die hier im Spezifischen berichtet wird, gemeinsam mit Petrus. Sie schlafen

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ein, obwohl Jesus ausdrücklich zum Wachen aufruft, und nehmen dementsprechend auch nicht vollumfänglich an seinem Gebet Anteil. Gemeinsam mit der anschließend berichteten Flucht liegt hier der Höhepunkt des Solidaritätsbruchs der Zwölf mit Jesus vor, und die Einsamkeit, in denen sich Jesus in seinen letzten Stunden befindet, wird greifbar. Es kann darüber gestritten werden, inwieweit die drei Passagen derselben Quellenbasis zugeordnet werden können. Zumindest 10,38f. lässt sich nicht dem vormarkinischen Passionsbericht zuordnen. Allerdings ist insgesamt umstritten, welche Perikopen Bestandteile eines solchen Berichts gewesen sein könnten und welchen Anteil die markinische Redaktion hatte. Auch die Integrität der einzelnen relevanten Perikopen wurde in Frage gestellt, mit Auswirkung auf die Kelchaussagen. Bultmann etwa hat 10,38f. als sekundäres Element angesehen. Ihm zufolge sind die beiden aufeinanderfolgenden Antworten Jesu seltsam: V. 38f. würden den Zusammenhang des Redegangs stören und die umliegenden Verse würden eher eine Einheit bilden.734 10,38f. sei demnach als vaticinium ex eventu hinzugekommen.735 Für Dibelius ist auch V. 40 noch sekundär, eine Auffassung, die jedoch aufgrund der Themenverschiebung von V. 35–37 zu V. 41–44 in der Forschung wenig Anklang gefunden hat.736 Pesch dagegen hält es für möglich, dass V. 39f. sekundär hinzugekommen ist, nach dem Tod von Jakobus.737 Auch Gnilka teilt diese Position: „[D]ie älteste Geschichte umfaßte 35–38, ein biografisches Apoftegma, das im Blick auf eine geschichtliche Erfahrung, den Martertod der Zebedäiden, nachträglich um 39f erweitert wurde, vielleicht von demselben Redaktor, der auch die Jüngerbelehrung einbrachte.“738 In diesem Zusammenhang sei es gut möglich, dass die anfragenden Jünger nicht namentlich erwähnt wurden und dieser Vorgang erst später Jakobus und Johannes zugeschrieben wurde.739 Collins hingegen sieht es als denkbar an, dass die Perikope einheitlich verfasst wurde: „The double answer […] may be original. The first (vv. 38–39) makes the point that suffering is the characteristic of Jesus that calls for emulation, not his glorious greatness; it also probably alludes to the death of James and perhaps also that of 734

BULTMANN, Geschichte, 23.Vgl. hierzu auch COLLINS, Mark, 494. Auch nach Marcus sind V. 38f. evtl. aufgrund des markinischen Vokabulars als redaktionell anzusehen. (Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 751.) 735 Vgl. DIBELIUS, MARTIN, Formgeschichte des Evangeliums, hg. v. Günther Bornkamm, Tübingen: Mohr Siebeck 61971, 48.57f. Daneben auch GNILKA, Markus 2, 99. Er führt die ähnliche Position Braumanns an, derzufolge V. 38f. eine ursprünglich isolierte Einheit dargestellt hat, die dann in die umliegenden Verse eingefügt wurde. Gnilka kritisiert jedoch, dass die Verse für sich genommen wenig sinnvoll sind und es unwahrscheinlich ist, dass sie allein überliefert wurden. 736 Vgl. auch ebd. Fn 3. 737 Vgl. ebd. Diese Meinung wird auch von Eckey vertreten. Vgl. ECKEY, Markusevangelium, 342. 738 GNILKA, Markus 2, 99. 739 Vgl. ebd.

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John.“740 Auch bei den Einsetzungsworten des Abendmahls liegen im Grunde genommen zwei Sprüche den Kelch bzw. Wein betreffend vor, V. 23f. und V. 25, deren Verhältnis zueinander nicht gänzlich geklärt ist.741 Für die Gethsemane-Perikope742 kann es als auffällig angesehen werden, dass in V. 35 von der „Stunde“, in V. 36 jedoch vom „Kelch“ die Rede ist, und somit durch zwei unterschiedliche indirekte Sprechweisen direkt hintereinander auf Jesu Tod hingedeutet wird.743 Vogt schließt daraus: „Es kann vermutet werden, daß Mk hier zwei vorliegenden Traditionen durch ihre Zusammenfügung seinen eigenen Akzent gibt.“744 Während dies an dieser Stelle natürlich möglich ist, ist darauf hinzuweisen, dass unterschiedliche Metaphern zur Beschreibung desselben Sachverhalts keineswegs widersprüchlich sein müssen, sondern sogar eine wichtige illustrative Funktion erfüllen können. Zudem liegt auch in Mk 10,38f. eine Doppelmetapher vor, ohne dass diese Spekulationen über die literarische Einheit des Textes befeuern würde.745 Auch andere mögliche Indizien, die für eine literarkritische Scheidung von V. 35 und 36 sprechen könnten, wie 740

COLLINS, Mark, 494. Vgl. auch a.a.O. 656. 742 Die Einheitlichkeit oder Uneinheitlichkeit der Gethsemane-Perikope ist insgesamt Gegenstand exegetischer Debatten. Gnilka nennt insgesamt drei Möglichkeiten: 1. Die Perikope wurde in ihrer jetzigen Gestalt als geschlossenes Ganzes abgefasst. 2. Die Perikope wurde aus zwei ursprünglichen Erzählungen zusammegeführt (als Argument hierfür gelten die häufigen Wiederholungen). 3. Ein Grundbestand wurde sekundär erweitert. Er kommt insgesamt zu dem Schluss: „Die Einheitlichkeit der Überlieferung zu behaupten, dürfte nicht möglich sein. Ihre Dekomposition aber ist extrem schwierig, wie die unterschiedlichen Resultate der Einzelbemühungen unter Beweis stellen.“ (GNILKA, Markus 2, 256.) Allerdings müssen die Wiederholugen und Doppelungen nicht für einen komplexen Überlieferungsprozess sprechen, sondern können bewusst aus rhetorischen Gründen gewählt worden sein, zumal die Perikope von einer emotional extrem angespannten Situation berichtet. Zur Diskussion literarkritischer Erwägungen vgl. ausführlich FELDMEIER, REINHARD, Die Krisis des Gottessohnes. Die Gethsemaneerzählung als Schlüssel der Markuspassion (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II 21), Tübingen: Mohr Siebeck 1987, 70–112. Auch Feldmeier kommt zu dem Schluss: „Die gegen die Einheitlichkeit der Perikope Mk 14,32–42 vorgebrachten Einwände vermochten nicht zu überzeugen. Der Versuch, den Text auf verschiedene Quellen zurückzuführen, mutet gewaltsam an und wird diesem nicht gerecht. Es ließ sich auch nicht erkennen, daß die Erzählung in ihrer vorliegenden Gestalt vom Evangelisten entscheidend redigiert oder gar weitgehend gebildet worden wäre.“ (A.a.O. 111.) 743 Da beide Aussagen metaphorische Anklänge besitzen, kann man hier außerdem von einer Diversifikation sprechen. Möglicherweise lässt sich die Stunden-Aussage auch als eine Art Synekdoche auffassen. (Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 977: „a synecdoche […] for the appointed time of death“.) Allerdings verläuft die Linie zwischen Metapher und Metonymie/Synekdoche in diesem Fall nicht trennscharf. 744 VOGT, THEA, Angst und Identität im Markusevangelium. Ein textpsychologischer und sozialgeschichtlicher Beitrag (Novum testamentum et orbis antiquus 26), Freiburg i. Üe.: Universitätsverlag 1993, 193. 745 Das erkennt auch Feldmeier richtig. Vgl. FELDMEIER, Krisis, 87. 741

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etwa das Nebeneinander direkter und indirekter Rede oder etwaige inhaltliche Diskrepanzen, sind letztlich nicht tragfähig.746 Auch wenn nicht gänzlich auszuschließen ist, dass die einzelnen Kelchmetaphern unterschiedlichen Traditions- bzw. Redaktionsstufen zuzuordnen sind, bleibt festzuhalten, dass ihr Nebeneinander von der Endredaktion offenbar bewusst in Kauf genommen wurde, wenn nicht sogar intendiert war. Der Zusammenhang dieser Metaphern wird in der Forschung zumeist wahrgenommen, aber nicht immer hinreichend interpretiert.747 Dabei ist die Interaktion sehr deutlich. Inhaltlich lassen sich klare Parallelen zwischen 10,38f und 14,36 aufweisen, die dadurch begründet sind, dass in beiden Fällen der Kelch den VTerm der Metapher darstellt und ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Bezug zum Trinken durch Jesus gegeben wird. Offenbar soll die Metapher hier ungefähr dasselbe aussagen. 14,23f. fällt zwar dadurch aus dem Rahmen, dass der Kelch hier real vorhanden ist und das Topic der Aussage darstellt. Aber die räumliche Nähe zu 14,36 ermuntert auch in diesem Fall die Rezipierenden dazu, Bezüge zu diesen Metaphern herzustellen. Den Metaphern in 10,38f. und 14,36 ist gemein, dass nicht direkt ersichtlich ist, was Topic bzw. T-Term der Aussage ist (implizite Metaphern). Mit anderen Worten wird aus den Passagen selbst heraus nicht unbedingt deutlich, dass es sich um Metaphern handelt und nicht von einem real vorhandenen Kelch die Rede ist, aus dem getrunken wird. Lediglich aus den jeweiligen Kontexten wird Vgl. ausführlich a.a.O. 84–93. „Nirgends erscheint eine literarkritische Dekomposition weniger berechtigt als bei diesem in indirekter und direkter Rede wiedergegebenen Gebet Jesu: In der doppelten Wiedergabe aus der Perspektive des Betrachters wie des Betroffenen, von ‚außen‘ und ‚innen‘ gewissermaßen, werden sein Gewicht und seine Dringlichkeit zum Ausdruck gebracht, wird für Hörer und Leser der erste Schwerpunkt der Erzählung unterstrichen.“ (A.a.O. 93.) 747 Exemplarisch sei hier die Diskussion des Motivs in Collins’ Kommentar angeführt: In ihrer Analyse von Mk 10,38f. schreibt sie: „The image of the cup […] here may be related to the scene of the Last Supper, in which Jesus takes a cup […] and, after the disciples have drunk from it, declares that it is his blood of the covenant“. (Vgl. COLLINS, Mark, 496.) Sie geht dann aber dazu über, die Passage vor dem Hintergrund des „Zornesbechers“ zu interpretieren. In ihrer Betrachtung von 14,36 fährt sie fort: „The request addressed to God ‚remove this cup from me‘ […] recalls the question the Markan Jesus put to the sons of Zebedee in 10:38.“ (A.a.O. 680.) Auch hier geht sie von einem Bezug auf den „Zornesbecher“ aus und trägt dann eine Art Stellvertretungsdeutung in die Passage ein: „Thus, the image of drinking a cup in V. 36 suggests that Jesus, though innocent, will take upon himself the wrath that others deserve. This idea, which may already have been present in the pre-Markan passion narrative, is analogous to the interpretation of Jesus’ death in the second part of the cupsaying in V. 24. It is also analogous to the ransom saying in 10:45.“ (Ebd.) Sie sieht durch diese stellvertretende Übernahme des göttlichen Zorns also einen losen Zusammenhang der drei Textstellen, wobei ein leichter Widerspruch dadurch entsteht, dass sie 10,38f. von den Abendmahlsworten abrückt, in 14,36 aber den Bezug herstellt. M.E. geht die Interpretation vor allem am Aussagegehalt von 10,38f. vorbei und nimmt eine starke Deutung des Todes Jesu vor, wo Mk selbst nur Andeutungen macht (s.u.). 746

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klar, dass hier „uneigentliche“ Rede vorliegt. In 10,38f. gibt es neben der Kelchmetapher mit der Rede von der Taufe eine weitere Metapher. Diese scheint das Gleiche auszusagen und kann daher möglicherweise Aufschluss darüber geben, worauf genau der Kelch verweisen soll.748 Allerdings ist die Taufmetapher gleichermaßen kryptisch. Auch der Kelch in 14,36, der offenbar analog zu 10,38f. zu verstehen ist, gibt keinen weiteren Aufschluss darüber, worauf genau dieses Bild hindeuten soll ௅ es erschließt sich nur aus dem Kontext. Es ist daher sinnvoll, nach Kelchmetaphorik im Neuen Testament selbst sowie in seinem Umfeld, das heißt in der Septuaginta und den übrigen frühjüdischen Schriften, zu suchen. Eine Parallele außerhalb der Synoptiker bietet Joh 18,11. Diese Stelle scheint aber in Abhängigkeit zur Gethsemane-Perikope zu stehen, bzw. eine bewusste Korrektur des dortigen Jesusbildes darzustellen.749 Während Jesus in Mk 14,36 darum bittet, dass der Kelch an ihm vorübergehe, stellt der johanneische Jesus die polemisch an Petrus gerichtete Frage, ob er den vom Vater gereichten Kelch denn nicht trinken solle (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ੔ į੼įȦț੼Ȟ ȝȠȚ ੒ ʌĮIJ੽ȡ Ƞ੝ ȝ੽ ʌ઀Ȧ Į੝IJં;). Er wendet sich damit gegen die von Petrus unternommenen Versuche, gewaltsam bei Jesu Festnahme zu intervenieren. Stärker noch als in Mk 14,36 ist das Bild vom Kelch hier mit Jesu Verhaftung verbunden. Es verweist dabei auf etwas, das vom Vater her stammt und von Jesus widerstandslos und selbstverständlich hingenommen wird. Für das neutestamentliche Umfeld zeigt sich: „New Testament authors built upon a rich set of traditions when they refashioned metaphors involving the word ‚cup‘ (Gk. ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ).“750 Am eindrücklichsten ist hier die Tradition des „Zornesbechers“ oder „Taumelbechers“, der mehrfach in den jüdischen Heiligen Schriften vorkommt, vor allem im Zuge der Prophetie. Dieser ist ein Bild für das von Gott verhängte Gericht über Israel selbst oder über andere Völker. Auf Mk 14,36 angewendet wird daher von einigen Exegetinnen und Exegeten angenommen, dass hier die Vorstellung erzeugt wird, Jesus würde den „Zornesbecher“ und damit das Urteil Gottes stellvertretend für andere entgegennehmen müssen.751 Eine genauere Betrachtung der entsprechenden Stellen muss jedoch prüfen, inwieweit diese Deutung sinnvoll und zulässig erscheint. Der Kelch als Unheilmotiv752 kommt vor allem in Ez 23,31–34; Jes 51,17– 23; Jer 25,15–29; 49,12; Klgl 4,21; Hab 2,15f. und Ps 11,6; 75,8f. vor. Er lässt 748

Vgl. auch GNILKA, Markus 2, 101. Vgl. auch Joh 12,27 für dasselbe Phänomen (nun auf die Stunde bezogen). 750 KNAST, JENNIFER W., Art. Cup II. New Testament, in: Encyclopedia of the Bible and Its Reception 5 (2012), 1162–1164. Hier: 1162. 751 Die Zornesbecher-Deutung wird unter anderem von Feldmeier ausführlich begründet (Vgl. FELDMEIER, Krisis, 176–185.) und auch z.B. von Collins vertreten. (Vgl. COLLINS, Mark, 496.680.) 752 Für die Darstellung des „Zorneskelchs“ vgl. auch: LÉGASSE, SIMON, La passion comme „coupe“. Essai sur la genèse d’une métaphore, in: Michel Quesnel/Yves-Marie Blanchard/Claude Tassin (Hg.), Nourriture et repas dans les milieux juifs et chrétiens de 749

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sich somit zeitlich begrenzt in spätvorexilischen und exilischen Texten finden (wobei die Datierung der Psalmen jedoch meist unklar ist).753 In den meisten Fällen wird explizit gesagt, dass der Kelch von Gott gegeben wird (Ps 75,8f.; Ez 23,31f.; Jes 51,17.23; Hab 2,16). In Jer 25,17 wird er an den Propheten überreicht, der ihn wiederum an die unterschiedlichen Nationen weitergibt und somit zum Agenten Gottes wird. Auch wo die den Kelch gebende Instanz nicht explizit erwähnt wird, scheint vorausgesetzt zu sein, dass er von Gott stammt (so vor allem Jer 49,12 und Klgl 4,21). In den jüdischen Heiligen Schriften wird nicht überall erklärt, was genau es mit dem Bild vom Kelch auf sich hat. So lässt sich gerade in kürzeren Passagen, in denen das Motiv nur erwähnt, aber nicht ausgeführt wird, nur aus dem Kontext schließen, dass damit eine Bestrafung einhergeht (auch hier Jer 49,12 und Klgl 4,21; daneben auch Hab 2,16 und Ps 75,8f.). In anderen Fällen wird das Bild erklärt, was Rückschlüsse auf die knapperen Erwähnungen erlaubt: Jes 51,17 spricht in Genitivmetaphern von dem „Kelch des Zornes“ (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ IJȠ૨ șȣȝȠ૨ in der LXX) bzw. dem „Kelch des Falls“ (daher der „Taumelbecher“, in der LXX IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ IJોȢ ʌIJઆıİȦȢ; so auch in V. 23). Auch in der hebräischen Fassung von Jer 25,15 wird der Kelch mit Zorn in Verbindung gebracht (die Septuaginta-Fassung spricht nur von „unvermischtem Wein“, IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ IJȠ૨ Ƞ੅ȞȠȣ IJȠ૨ ਕțȡ੺IJȠȣ IJȠ઄IJȠȣ; Jer 32,15 LXX). Demgegenüber werden in Ez 23,33 weniger die Bedeutung und der Anlass des Kelchs als seine Konsequenzen betont, wenn vom „Kelch der Zerstörung“ (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ਕijĮȞȚıȝȠ૨, LXX) die Rede ist. Alle genannten Texte zeigen ein sehr ähnliches Muster. Der Kelch wird mit einer Bestrafung durch Gott assoziiert und ist Ausdruck seines Zorns. Teilweise wird er mit der Funktion Gottes als Richter verbunden. Dabei kann der Zorn Gottes in Gestalt des Kelches das Volk Israel selbst treffen (in Ez 23,31–34 geht er an Oholiba als Personifizierung von Jerusalem; Jerusalem ist auch in Jes 51,17 Rezipientin, bevor der Kelch an die Feinde weitergegeben wird und Israel gehört zu den in Jer 25 genannten Nationen; vgl. Jer 25,18) als auch andere Völker (vgl. dazu vor allem Jer 25,19–26, sowie den Verweis auf Edom in Jer 49,12 und Klgl 4,21). Zum Teil werden die Empfängerinnen und Empfänger des Kelches auch unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit definiert als Personen mit gestörtem Gottesverhältnis, so vor allem in Ps 75,8f. Dabei ist stets deutlich, dass die Personen, die den Kelch empfangen, etwas getan haben, um Gottes Zorn und sein Gericht auf sich zu ziehen. Obwohl noch nicht eindeutig geklärt wurde, woher die Metapher des „Zorneskelches“ in der jüdischen Bibel ursprünglich kommt oder welcher Bedeutungshintergrund dafür angenommen

l’antiquité. Mélanges offerts au professeur Charles Perrot (Lectio divina 178), Paris: Cerf 1999, 173–179. Hier: 174f. 753 Vgl. LIESS, Becher, Abschn. 2.

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werden kann,754 ist ein besonderer Aspekt dieses Bildes, dass der Kelch (mitsamt seinem Inhalt ௅ auch hier liegt eventuell eine Metonymie vor, so dass eigentlich der Wein im Vordergrund steht, wie vor allem die Auswirkungen des Kelchs nahelegen) zwar von Gott gereicht wird, aber von den Schuldigen getrunken wird: „The image of drinking judgement from a cup suggests that although YHWH’s retribution is unavoidable, the guilty must concede to drink from the cup, thereby participating in their punishment“.755 Wenn die Konsequenzen des Trinkens aus dem Becher genannt werden, dann fast ausschließlich in Analogie zu den Auswirkungen exzessiven Alkoholkonsums: Trunkenheit, Entblößung, Verspottung, Entehrung, Schande, Erbrechen, Wahnsinn (vgl. Ez 23,32f.; Klgl 4,21; Hab 2,16; Jer 25,16).756 Insofern korrespondieren die Kelchpassagen mit anderen Abschnitten der Gerichtsprophetie, in denen das Bild des Trinkens bzw. der Trunkenheit gebraucht wird (vgl. z.B. Jer 51,39.57; Obdj 16; Nah 3,11; ferner Ps 60,5). Daneben werden stellenweise noch andere, deutlich harschere Konsequenzen erwähnt: Ez 23,33f. erzählt von Qual und Vernichtung, bildhaft verdeutlicht durch die Wunden der Oholiba, die durch die Scherben des Kelchs entstehen. Auch in Jer 51,19 werden Hunger und Gewalt erwähnt, jedoch nicht mehr in direktem Zusammenhang mit dem Kelch selbst. Ähnlich scheint auch in Jer 25,16.29 das dort genannte Schwert Gottes etwas zu sein, das zusätzlich und in relativer Unabhängigkeit vom Kelch auftritt. Dementsprechend ist der Kelch ein Bild für das Gericht und die Strafe Gottes, die mit irgendeiner Form des Leidens für die Trinkenden einhergeht, jedoch keineswegs zwingend zum Tod führt. Das Bild des „Zorneskelches“ Gottes erfährt eine Variation in Jer 51,7. An dieser Stelle wird Babel metaphorisch mit einem goldenen Kelch gleichgesetzt. Auch hier befindet sich der Kelch in Gottes Hand und die Konsequenz für die daraus trinkenden Nationen ist wiederum Trunkenheit und von-Sinnen-Sein. Ein entscheidender Unterschied besteht jedoch darin, dass der Kelch nicht als Abstraktum verstanden wird, als Verbildlichung des Behältnisses für Gottes Urteil, sondern dass konkret Babel als Instrument für die Bestrafung durch Gott 754

Vgl. für eine Zusammenstellung verschiedener Möglichkeiten GNILKA, Markus 2, 101f.; KLAUSER, THEODOR, Art. Becher, in: Reallexikon für Antike und Christentum 2 (1954), 37–59. Hier: 47–49; MAYER, GÜNTER, Art. ʱˣ˗ kôs, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament 4 (1986), 107–111; LIESS, Becher, Abschn. 2. 755 ERICKSON, AMY, Art. Cup I. Hebrew Bible/Old Testament, in: Encyclopedia of the Bible and Its Reception 5 (2012), 1161f. Hier: 1162. Mit etwas anderem Akzent GOPPELT, LEONHARD, Art. ʌȓȞȦ, ʌȩȝĮ, ʌȩıȚȢ, ʌȩIJȠȢ, ʌȠIJȒȡȚȠȞ, țĮIJĮʌȓȞȦ, ʌȠIJȓȗȦ, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament 6 (1959), 135–160. Hier: 138: „Das Bild des Trinkens kann ausdrücken, daß die Betroffenen dieses Gericht durch verblendetes Handeln selbst an sich vollstrecken.“ 756 Vgl. COLLINS, Mark, 496: „The cup of divine wrath that must be drunk to the dregs is a graphic image of intoxication that expresses in a vivid and analogous way the effects of calamities on human beings.“

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gesehen wird. Konzeptuell sehr ähnlich ist Sach 12,2 aufzufassen, wo Jerusalem als „Schale des Taumelns“ für die umliegenden Völker angesehen wird. Allerdings werden hier sowohl im hebräischen Text als auch in der Septuaginta andere Begrifflichkeiten verwendet. Der „Zorneskelch“ wird in der Apk zunächst auf eine Weise aufgegriffen, die den Verwendungen in den jüdischen Heiligen Schriften absolut entspricht. Der dritte Engel droht in Apk 14,10 damit, dass die Person, die in die Gemeinschaft des Tiers eintritt, „von dem Wein des Zornes Gottes trinken wird, der unvermischt eingeschenkt ist in den Becher seines Zorns“ (ʌ઀İIJĮȚ ਥț IJȠ૨ Ƞ੅ȞȠȣ IJȠ૨ șȣȝȠ૨ IJȠ૨ șİȠ૨ IJȠ૨ țİțİȡĮıȝ੼ȞȠȣ ਕțȡ੺IJȠȣ ਥȞ IJ૶ ʌȠIJȘȡ઀૳ IJોȢ ੑȡȖોȢ Į੝IJȠ૨). Dabei wird das Motiv durch die Genitivverbindungen sehr deutlich ausgeführt, so dass die Deutungsrichtung klar ist. Das Bild wird auch kurz darauf, in 14,19, wieder aufgenommen, wo, im semantischen Feld des Weins bleibend, von der „Kelter des Zorns Gottes“ (IJ੽Ȟ ȜȘȞઁȞ IJȠ૨ șȣȝȠ૨ IJȠ૨ șİȠ૨) die Rede ist. In Apk 16,19 wird zudem berichtet, dass Babylon von Gott „der Kelch des Weins seines ärgerlichen Zorns“ (IJઁ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ IJȠ૨ Ƞ੅ȞȠȣ IJȠ૨ șȣȝȠ૨ IJોȢ ੑȡȖોȢ Į੝IJȠ૨) gereicht wird. Allerdings bleibt das Bild nicht völlig auf diesen Bedeutungshintergrund festgelegt, es wird vielmehr damit gespielt. Denn in Apk 17,4 wird Babylon auf personifizierte Weise dargestellt, wobei sie einen goldenen Becher hält, der jedoch nicht mit dem Zorn Gottes, sondern mit den „Abscheulichkeiten und Unreinheiten ihrer Unzucht“ gefüllt ist (਩ȤȠȣıĮ ʌȠIJ੾ȡȚȠȞ ȤȡȣıȠ૨Ȟ ਥȞ IJૌ ȤİȚȡ੿ Į੝IJોȢ Ȗ੼ȝȠȞ ȕįİȜȣȖȝ੺IJȦȞ țĮ੿ IJ੹ ਕț੺șĮȡIJĮ IJોȢ ʌȠȡȞİ઀ĮȢ Į੝IJોȢ). Auch das Motiv der Trunkenheit wird hier aufgegriffen: In Apk 17,6 heißt es, dass die Frau „betrunken war vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu“ (ȝİș઄ȠȣıĮȞ ਥț IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ IJ૵Ȟ ਖȖ઀ȦȞ țĮ੿ ਥț IJȠ૨ Į੆ȝĮIJȠȢ IJ૵Ȟ ȝĮȡIJ઄ȡȦȞ ੉ȘıȠ૨) und bereits in V. 2 wird berichtet, dass sie die Erdbevölkerung mit dem Wein ihrer Unzucht betrunken gemacht hat (ਥȝİș઄ıșȘıĮȞ Ƞੂ țĮIJȠȚțȠ૨ȞIJİȢ IJ੽Ȟ ȖોȞ ਥț IJȠ૨ Ƞ੅ȞȠȣ IJોȢ ʌȠȡȞİ઀ĮȢ Į੝IJોȢ). In gewisser Weise werden Apk 16,19 und 17,2–6 zusammengeführt, wenn in 18,3 erwähnt wird, dass alle Völker „vom Wein des Zorns ihrer Unzucht“ (ਥț IJȠ૨ Ƞ੅ȞȠȣ IJȠ૨ șȣȝȠ૨ IJોȢ ʌȠȡȞİ઀ĮȢ Į੝IJોȢ) getrunken haben. Damit zeigt sich, dass in der Apokalypse einerseits das „klassische“ Motiv des „Zorneskelchs“ übernommen wird, andererseits jedoch in einer Weise transformiert wird, die in den jüdischen Heiligen Schriften keine Parallele besitzt. Kann nun der Kelch in Mk 10,38f. und 14,36 auch als Verwendung des Motivs vom „Zornesbecher“ Gottes verstanden werden? Die Angaben im Umfeld der Metaphern im Markusevangelium sind nur äußerst knapp. In 10,38f. wird auf ein Trinken des Kelches eingegangen, dass sowohl durch Jesus selbst erfolgt als auch in Zukunft durch die Zebedäussöhne. Demgegenüber steht in 14,36 lediglich die Bitte, der Kelch möge an Jesus vorbeigehen. Es fehlen nähere Informationen, wofür der Kelch selbst Sinnbild sein soll, etwa in Form eines Genitivattributs, wie es in Apk 16,19 vorliegt. Aus dem Kontext lässt sich ableiten, dass auf Jesu Leiden und insbesondere auf seinen Tod verwiesen

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wird. Die Konsequenzen des Trinkens aus dem Kelch werden nicht explizit angeführt, und offenbar ist der Text hieran auch nicht interessiert. Vor allem ist von Trunkenheit als Folge des Kelchs nicht die Rede. Natürlich ließe sich generell der Kelch in 14,36 als Bild für den Zorn und die Strafe Gottes auffassen, die Jesus stellvertretend für andere Menschen auf sich nimmt ௅ denn er selbst hat sich ja nichts zu Schulden kommen lassen, das diese Strafe verdient hätte. Allerdings scheint der dafür notwendige Interpretationsaufwand unverhältnismäßig groß zu sein. Denn in 14,36 selbst steht ja nichts davon, dass das Trinken des Kelchs einer Stellvertretung entspricht, und höchstens die Aussage „für viele“ in Mk 10,45 und in der Abendmahlseinsetzung könnte in diese Richtung gedeutet werden, doch auch sie bleiben insofern blass, als nicht genau beschrieben wird, wie dieses „für“ konkret zu fassen ist. Auch ist fraglich, ob die Aufforderung Jesu an Gott, den Kelch an ihm vorüber zu geben, dazu passt, dass es hier nicht vorrangig um Jesu individiuelles Schicksal, sondern um eine Stellvertretung geht. Schließlich steht die Kelchmetapher auch parallel zur Rede von der „Stunde“ in V. 35. Dies wird durch die Verwendung von Verben mit derselben Vorsilbe, ʌĮȡȑȡȤȠȝĮȚ in V. 35 und ʌĮȡĮijȑȡȦ in V. 36, noch weiter verstärkt. Es gibt jedoch keinen Anlass, davon auszugehen, dass die „Stunde“ etwas Anderes meint als Jesu Todesschicksal.757 Noch problematischer ist die Anwendung des stellvertretenden Trinkens des „Zorneskelchs“ auf 10,38f., denn hier wird der Kelch ja nicht nur Jesus zuteil, sondern auch den beiden Jüngern.758 Obwohl das Versagen und die Schwäche der Jünger und Jüngerinnen Jesu, insbesondere der Zwölf, im Markusevangelium betont wird, findet sich kein Anhaltspunkt dahingehend, dass sie den besonderen Zorn oder die Strafe Gottes auf sich ziehen würden. Zudem ist explizit die Rede davon, dass sie den(selben) Kelch trinken, den Jesus trinkt. Sollte dies bedeuten, dass auch sie die Strafe Gottes stellvertretend auf sich nehmen?759 Das mutet doch theologisch sehr kühn an und man hätte erwartet, dass es in irgendeiner Form 757

Neben der Schicksals- oder Todesstunde kann die Stunde auch auf die Endzeit, das jüngste Gericht verweisen. (Vgl. GNILKA, Markus 2, 261.) Dies scheint hier jedoch nicht der Fall zu sein. 758 Vgl. auch LÉGASSE, Coupe, 178: „Mais comment concevoir que les disciples, d’après Mc 10,38–39, puissent être associés à cette œuvre qui relève de la mission propre de Jésus?“ 759 Collins scheint dies zumindest in eingeschränkter Form für möglich zu halten. (Vgl. COLLINS, Mark, 497.) Sie bezieht sich aber weniger auf das Gericht oder den Zorn Gottes als auf die Kreuzesnachfolge und das Sterben „für Christus“ oder „für die Kirche“. Das ist dann aber ein deutlich anderer Schwerpunkt! Collins vermischt insgesamt in ihren Ausführungen das Leiden Jesu als Teil des Heilsplans generell mit der spezifischen Deutung, Jesu habe stellvertretend den Zorn Gottes auf sich genommen. Vgl. ihre Erläuterung zu 10,38f: „Rather than the scene of the Last Supper, the image of the cup in V. 38 is related to the prayer of Jesus in Gehtsemane […] Here it is clear that the cup represents the suffering that Jesus is about to endure and that this suffering is part of the divine plan. In 10:38, Jesus makes this suffering real and vivid for James and John by using the traditional image of the cup of wrath.“ (A.a.O. 496.)

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weiter erklärt wird. Umgekehrt ist problemlos verständlich, dass Johannes und Jakobus Jesu Todesschicksal oder zumindest sein Leiden teilen.760 Insgesamt ist die völlige Übertragung des „Zornesbechers“ auf die Kelchmetaphern des Markusevangeliums somit problematisch. Die Texte in den jüdischen Heiligen Schriften (und auch in der neutestamentlichen Apokalypse) beziehen sich durchweg auf eine Gabe des Kelchs an Menschen mit gestörter Gottesbeziehung und sie geht mit einer Strafe, nicht aber vorrangig mit dem Tod einher. Von einer stellvertretenden Übernahme des Kelchs durch vor Gott gerechte Personen, die dann zum Tod führt, ist nirgends die Rede.761 „Der Becher in 14,36 läßt sich von daher traditionsgeschichtlich nicht eindeutig als Strafbecher Gottes deuten. Bei einer derartigen Interpretation wird die Vorstellung des stellvertretenden Sühnetodes Jesu mit dem Becherbild vermischt. Diese Zusammenschau läßt sich aber traditionsgeschichtlich nicht aus dem AT ableiten.“762 Auch eine „stellvertretende Sühne“ ௅ insgesamt ein Sprachgebrauch heutiger Theologie ௅ klingt bei Mk höchstens vage an.763 Meines Erachtens ist es sinnvoller, die Kelchmetaphern in 10,38f. und 14,36 von ihrem Bedeutungshintergrund her weiter zu fassen. Der Kelch würde demnach allgemein auf Leiden und Tod verweisen, vielleicht gerade im Sinne eines Martyriums, auf das ja zumindest in 10,38f. deutlich angespielt wird.764 Bereits

760 Vgl. auch LÉGASSE, Coupe, 178; SCHENKE, Markusevangelium, 251: „Der Becher, den er trinken muss, ist sein Leiden, das ihm bevorsteht (vgl. 14,36; TestJes 5,13), und die Taufe ist sein Tod, den er sterben wird (vgl. 8,31; 9,31). Das versteht jeder christliche Leser sofort, und die Fortsetzung zeigt, auch Jakobus und Johannes verstehen Jesus so.“ (Hervorhebungen im Orignal) Als gesichert kann nur der Märtyrertod von Jakobus angenommen werden. Aus historischer Sicht ist es durchaus möglich, dass Johannes eines natürlichen Todes gestorben ist, wodurch die Prophezeiung nicht vollständig erfüllt wäre, was ein Indiz dafür wäre, dass es sich hier eben nicht um ein vaticinium ex eventu handelt. (Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 285.) Dschulnigg selbst merkt jedoch an, dass der Kelch hier nicht auf das Martyrium beschränkt sein muss, sondern auch allgemein auf Leiden (in der Christusnachfolge) verweisen kann. (Vgl. ebd. Fn 230.) Zudem ist nicht eindeutig geklärt, ob Johannes wirklich nicht als Märtyrer gestorben ist. Schenke etwa geht eindeutig davon aus, dass der Tod beider Zebedaiden nach dem Markusevangelium vorausgesetzt wird, auch wenn es kirchengeschichtlich hier Unklarheiten gibt. (Vgl. SCHENKE, Markusevangelium, 228.252.) Ähnlich urteilt Vogt in ihrer Betrachtung der Gethsemane-Szene, in der sie den Tod aller drei dort ausgesonderten Jünger (also auch den des Petrus) voraussetzt. (Vgl. VOGT, Angst und Identität, 186 Fn 368.) 761 Vgl. auch VOGT, Angst und Identität, 196. 762 Ebd. 763 Vogt ist ebenfalls vorsichtig, diese Deutungskategorie für Mk 10,45 zu eröffnen, und sieht auch die Möglichkeit, dass in der Aussage Jesu an dieser Stelle die „christologische Motivation für ein herrschaftsfreies Miteinander und für prosoziales Verhalten“ (a.a.O. 197) gegeben ist. 764 Vogt meint etwa, dass es zur Abfassungszeit des vormarkinischen Passionsberichts (den sie auf die 40er Jahre datiert) bereits christliche Märtyrer und Märtyrerinnen gab. Dies

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

in Ps 11,6 und Ps 16,5 wird eine Verbindung zwischen dem Kelchmotiv und dem Schicksal hergestellt. In 11,6 wünschen die Psalmbeter und -beterinnen den Frevlerinnen und Frevlern: „Glutwind sei das Los ihres Bechers“ und in 16,5 wird Gott selbst mit dem Kelch bzw. Kelchanteil gleichgesetzt, wobei gleichzeitig betont wird, dass er allein das Schicksal des lyrischen Ichs bestimmt.765 Für die Unterscheidung von „Zornesbecher“ und „Leidenskelch“ war Goppelts Beitrag im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament maßgeblich.766 Er stellt fest: „Die Näherbestimmung des Begriffes durch das Demonstrationspronomen bzw den Relativsatz legt nahe, daß Kelch für sich hier [d.h. in Mk 10,38f. und 14,36, S.N.-R.] lediglich die Bedeutung Geschick (vor allem im schlimmen Sinn), Verhängnis hat. In dieser Bedeutung begegnet das Becherbild im AT am Rande und in der Umwelt des Urchristentums.“767 Für die Umwelt des Urchristentums kann insbesondere ein Abschnitt des Martyriums Jesajas relevant sein. In MartJes 5,13 wird berichtet, wie Jesaja seine Mit-Propheten bzw. Prophetenjüngern768 kurz vor seiner Hinrichtung dazu auffordert, die Flucht zu ergreifen: „Er hatte aber den Propheten bei ihm vor seiner Zersägung gesagt: Geht in die Gegend von Tyrus und Sidon! Denn mir allein hat Gott den Becher gemischt.“769 Es wird hier einerseits deutlich, dass der Kelch an einen absolut Gerechten gegeben wird, und gleichzeitg findet sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass er auf eine stellvertretende Übernahme von Strafe verweist. Vielmehr bezeichnet er Jesajas von Gott bestimmtes Todesschicksal oder, wie Norelli formuliert „un destino individuale e tragico, diversamente dall‘ AT ma come in Mt 26,39“.770 Die Datierung und der Hintergrund der Schrift sind allerdings unklar. Während ein großer Teil der Forscherinnen und Forscher davon ausgeht, das der Kernbericht von MartJes (die Kapitel 1– 5) auf das erste Jahrhundert v. Chr. datiert werden kann und somit angenommen wird, dass es ursprünglich jüdischer Herkunft ist, stellt die heute vorliegende Fassung eine christliche Überarbeitung dar, in der die Himmelfahrt Je-

habe den Bericht geprägt. Jesus soll dabei als Vorbild fungieren. Der Kelch in Gethsemane verweise dementsprechend auf den Märtyrerkelch. (Vgl. a.a.O. 197.) 765 Dass die Kelchmetaphorik in den jüdischen Heiligen Schriften nicht nur auf den „Zornesbecher“ festgelegt ist, zeigen auch Ps 23,5 und Ps 116,13 ௅ neben 16,5 weitere Beispiele, in denen der Becher positiv konnotiert ist. 766 Vgl. GOPPELT, ʌȓȞȦ, 149–153. 767 A.a.O. 152f. 768 Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 284. 769 Norelli, der die maßgebliche Ausgabe im Corpus Christianorum verantwortet, übersetzt: „E ai profeti che erano con lui aveva detto, prima di essere segato: ‚Andate nella refione di Tiro e Sidone, perché per me solo il SIGNORE ha mesciuto il calice.‘“ (NORELLI, ENRICO [Hg.], Ascensio Isaiae. Commentarius [Corpus Christianorum Series Apocryphorum 8], Turnhout: Brepols 1995, 301.) 770 Ebd.

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sajas (AscJes) ergänzt wurde und weitere christliche Interpolationen vorliegen.771 Es ist dementsprechend möglich, dass es sich auch bei der Kelchmetapher um eine solche Interpolation handelt. So urteilt Norelli: „Senza dipendere necessariamente dall’uso evangelico, l’Ascensione di Isaia si situa dunque entro una tradizione che utilizza l’immagine della coppa (ispirandosi a un detto autentico de Gesù?) per indicare la testimonianza dei martiri perseguitati a causa del Cristo, e nella tensione verso la sua venuta.“772 Es lässt sich somit nicht sagen, ob MartJes 5,13 wirklich als vorchristliche Parallele für die Kelchmetapher im Sinne des individuellen Märtyrerschicksals in Frage kommt, oder nicht doch eher (direkt oder indirekt) von der Kelchmetapher der GethsemanePerikope abhängig ist. Als eine weitere Parallele kann der „Todesbecher“ genannt werden, der sich an zwei Stellen des Targum Neofiti I findet, bei Gen 40,23 und Dtn 32,1, ebenso im Targum Yerushalmi und im Fragmententargum zur erstgenannten Passage.773 Auch hier ist der Kelch generell mit dem Tod verknüpft, nicht jedoch mit einer Strafe Gottes. Dass in frühchristlichen Schriften der Kelch sinnbildlich als Hinweis auf das Martyrium in der Christusnachfolge verstanden wurde, zeigt etwa eine Passage aus dem Martyrium des Polykarp (14,2).774 Dort wird allerdings der Kelch eindeutig mit dem Schicksal Jesu in Verbindung gebracht, an dem Polykarp nun Anteil hat. Somit handelt es sich vermutlich um eine frühe Rezeption von Mk 14,36. Es zeigt sich aber auch hier, dass das frühe Christentum das Bild vom Kelch eher als allgemein auf Jesu Tod hinweisend wahrgenommen und hiermit nicht eine spezifische Deutung, etwa im Sinne einer Stellvertretung, verbunden hat. Goppelts Differenzierung zwischen dem „Zornes-“ und dem „Leidenskelch“ war und ist für die Exegese der Kelchmetaphern im Markusevangelium maßgeblich. Eine Reihe von Autoren und Autorinnen nimmt eine strenge Trennung 771 Vgl. BÜLLESBACH, CLAUDIA, Art. Martyrium Jesajas (AT), in: WiBiLex (http:// www.bibelwissenschaft.de/stichwort/22440), abgerufen am 19.11.2019. Abschn. 1. 772 NORELLI, Ascensio Isaiae, 301.Auch Légasse sieht den Ausdruck als christliche Interpolation an und verweist darauf, dass es für das Motiv des „Mischens des Kelchs“ keine andere Parallele gibt als Apk 18,6. (Vgl. LÉGASSE, Coupe, 176.) Allerdings ist es dort ja gerade nicht Gott, der den Kelch befüllt, sondern zunächst das personifizierte Babylon und in der Folge das Volk Gottes. Dies ist doch ein nicht unerheblicher Unterschied. 773 Vgl. LÉGASSE, Coupe, 175f.; SPEIER, SALOMON, „Das Kosten des Todeskelches“ im Targum, in: Vetus Testamentum 13 (1963), 344f. Goppelt sieht an dieser Stelle keine eigentliche Parallele, weil anders als im Markusevangelium der Kelch durch ein Genitivattribut näher bestimmt wird, so dass insgesamt eine Genitivmetapher entsteht. (Vgl. GOPPELT, ʌȓȞȦ, 153 Fn 39.) Während er rein sprachlich gesehen natürlich Recht hat, sind die sachlichen Parallelen nicht von der Hand zu weisen. Teilweise wird auch das Testament Abrahams (Test Abr 16,12) als Beleg einer dem Markusevangelium vorausgehenden Tradition des Todeskelchs hinzugezogen. (Vgl. LÉGASSE, Coupe, 176 und ebd. Fn 3. Légasse datiert die Schrift um ca. 100 n. Chr.) Hier ist jedoch die Datierung, ebenso wie der jüdische Ursprung der Schrift, unsicher. 774 Vgl. LÉGASSE, Coupe, 177; GOPPELT, ʌȓȞȦ, 153.

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

vor und sieht in Mk 10,38f. und 14,36 lediglich einen Verweis auf den „Leidenskelch“ gegeben.775 Andere machen explizit oder implizit deutlich, dass sie an diesen Stellen eine Vermischung bzw. ein Zusammenspiel der beiden Traditionen sehen.776 Teilweise gibt es Versuche, beide Aspekte vor demselben Sachzusammenhang zu sehen: Der Kelch wird als Sinnbild für das Schicksal verstanden, das sowohl positiv als auch negativ aufgefasst werden kann. Eine besondere Spielart des negativen Geschicks ist dann der „Zornesbecher“.777 Allerdings wird dabei verkannt, dass zwischen Schicksal und Strafe ein deutlicher Unterschied besteht. Beides ist zwar von Gott bestimmt, jedoch geht der Strafe und dem Zorn Gottes eine negative Handlung des Menschen voraus. Der „Zornesbecher“ ist stets eine Reaktion auf menschliches Handeln und somit weitaus konkreter. Mir erscheint es dementsprechend wenig sinnvoll, den „Zornesbecher“ als Unterkategorie eines „Schicksalsbechers“ anzusehen, zumal in den jüdischen Heiligen Schriften die Verbindung von Kelch und Schicksal nur am Rand vertreten ist. Es ist wahrscheinlicher, dass der „Schicksalskelch“ bzw. konkreter der „Todes-“ oder „Leidenskelch“ eine Art Abstraktion darstellt und aus dem „Zornesbecher“ erwachsen ist, oder dass beide Konzepte auf dieselben Bedeutungshintergründe zurückzuführen sind. Für die Genese des „Leidenskelchs“ kommen mehrere Faktoren in Frage, die möglicherweise auch zusammenspielen. Neben der Verallgemeinerung des „Zorneskelchs“ ist zunächst relevant, dass die Verknüpfung des Kelchmotivs mit dem Schicksal in der Metaphorik der hellenistischen Umwelt vorkommt.778 Möglicherweise hat diese Metaphorik ihren Ursprung in ganz praktischen, lebensweltlichen Bezügen: „Die Tatsache, daß der Hausvater in eigener Person die B[echer] seiner Angehörigen füllt, führt zur figürlichen Rede, wonach der Inhalt des B[echer]s das einem jeden beschiedene Schicksal bedeutet.“779 Légasse nennt zwei weitere Einflussfaktoren:

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KLAUSER, Becher, 51. Explizit: GNILKA, Markus 2, 102.260; eher implizit: ECKEY, Markusevangelium, 343.361f.; auch von Goppelt selbst angedeutet. Collins erwägt beides als distinkte Möglichkeiten: „It is not clear whether Mark, or the author of the pre-Markan passion narrative (with regard to 14:36) adopted a symbol from the Old Testament, the cup of wrath, or whether 10:38 and 14:36 reflect the emergence of a new symbol, the cup of suffering.“ (COLLINS, Mark, 680.) Sie gibt jedoch schließlich der erstgenannten Möglichkeit den Vorzug. Demgegenüber zieht Dschulnigg, vor allem mit Blick auf die Anfrage der Zebedäus-Söhne, den Kelch als Verweis auf das Martyrium vor, wie er auch in MartJes vorkommt. (Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 284.) Schenke nennt überhaupt nur den Leidenskelch. (Vgl. SCHENKE, Markusevangelium, 251.326.) 777 So z.B. MARCUS, Mark 8–16, 747 (in der Deutung von Mk 14,36 geht Marcus jedoch vom Zornesbecher aus, vgl. a.a.O. 985); BORING, Mark, 301. 778 Vgl. KLAUSER, Becher, 50. 779 FRITZ, VOLKMAR, Art. Becher, in: Neues Bibellexikon 1 (1991), 254. 776

2. Arten von Metaphernkombinationen

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L’une est celle de l’expression ‚goûter la mort‘. Cette expression est greffée sur l’usage métaphorique du verbe ‚goûter‘ au sens de ‚faire l’expérience de‘ quelque chose. […] L’usage est bien attesté en grec profane. Son application à la mort manque dans l’Ancien Testament. On la trouve en revanche dans le judaïsme apocalyptique, dans le Targum, les Midrashim, le Nouveau Testament et L’Évangile de Thomas (log. 18–19). L’autre influence qu’il est permis de conjecturer est celle de la coupe de poison offerte aux condamnés dont le thème est sous-jacent à l’expression ‚poison de mort‘ […] présente dans les targums, la Mishna et la Gemara, un usage qui se reflète dans le nom de Sammaël, ‚poison de Dieu‘, que porte l’ange de la mort dans l’ancien judaïsme.780

Unabhängig vom Hintergrund der Metapher ist jedoch festzuhalten, dass die Kelchmetaphorik in Mk 10,38f. und 14,36 auf den Tod Jesu sowie den einiger seiner Anhängerinner und Anhänger verweist als etwas, das in (teilweise naher) Zukunft bevorsteht781 und das sich der Kontrolle der Betroffenen entzieht. Dabei verweist sie zwar auf das individuelle (Todes-)Schicksal, kann aber auch nicht vom Willen Gottes getrennt werden. „Jesus will receive the cup from the hand of his Father, not from some dark impersonal fate; he is not the tragic hero of Greek drama.“782 Eine Erklärung, warum dies der Wille Gottes ist, wird nicht gegeben, sondern es wird einfach vorausgesetzt. Auch eine Deutung wird durch die Metapher allein nicht vorgelegt. So urteilt auch Légasse: „En parlant de ‚coupe‘, de coupe à boire, Jésus laisse entrevoir sa mort prochaine. Ce disant, il ne lui donne pas un sens mais l’exprime seulement en recourant à une métaphore connue en milieu juif.“783 Deutungen des Todes Jesu finden sich, obwohl sie keine prominente Rolle spielen, im Markusevangelium jedoch an anderer Stelle, vor allem im Lösegeldwort Mk 10,45, auf narrative Ebene beim Zerreißen des Tempelvorhangs zur Todesstunde Jesu ௅ und eben in den Deuteworten des Abendmahls, wo wiederum dem Kelch eine zentrale Bedeutung zukommt. Es ist zunächst sinnvoll, die generelle Darstellung des Abendmahls bei Markus zu beachten. Jesu letztes Mahl wird hier als Sedermahl stilisiert.784 Das Vorgehen Jesu, Deutungen zu Brot und Kelch anzubieten, entspricht dabei der allgemeinen Praxis während des Sedermahls. „Wie beim jüdischen Paschamahl alle Speisen auf dem Tisch Bedeutung haben und im Verlauf des Mahles gedeutet werden, so auch beim Mahl Jesu. Wies das Paschamahl auf die Erlösung Israels zurück, so symbolisiert das Jüngermahl die Erlösung der Vielen (=aller) 780 LÉGASSE, Coupe, 177f. mit Nachweisen. Den Giftkelch als Hinrichtungsinstrument sieht auch Vogt als möglichen Bedeutungshintergrund. (Vgl. VOGT, Angst und Identität, 198.) 781 Die Gegenwartsformulierung in Mk 10,38f. ist als prophetisches Präsens aufzufassen. (Vgl. LÉGASSE, Coupe, 179 Fn 1.) 782 BORING, Mark, 399. 783 LÉGASSE, Coupe, 179. 784 Ob dies historisch zutreffend sein kann, soll hier keine Rolle spielen. Im Vordergrund steht die Darstellung bei Mk. (Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 956f.)

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durch das Sterben Jesu.“785 Allerdings gibt es auch einige Abweichungen im Hinblick auf die gängige Praxis des Passafestes. Von einem Passalamm oder sonstigen Speisen ist hier nicht die Rede, im Fokus stehen ganz Brot und Wein. Möglicherweise ist auch die Darreichung des Kelchs unüblich, wenn man davon ausgeht, dass sonst beim Passa Einzelkelche verwendet wurden.786 Allerdings ist die konkrete Praxis strittig787 und es gibt wenig Belege für Sederfeiern im ersten Jahrhundert.788 Auch die Abfolge der Handlungen kann, gerade wenn man Brot- und Kelchwort vergleicht, als etwas merkwürdig hervorstechen. „Auffallend wird hier das Deutewort zum Becher nicht beim Austeilen, sondern erst nach dem Trinken gesprochen. Man kann diese Umstellung als Hysteron proteron (das Spätere wird früher genannt) verstehen, vielleicht dient sie auch dazu, die Anstoß gebende Vorstellung des Blutgenusses beim letzten Mahl erst nachzutragen.“789 In einem Umfeld, das Blutgenuss strikt verneint und das Blut im Rahmen kultischer Praktiken allein Gott zuspricht, muss dieses Wort bzw. die entsprechende Handlung in der Tat als problematisch empfunden worden sein. Neben ungesäuertem Brot ist Wein wichtiger Bestandteil des Passamahls.790 Im Verlauf des Essens werden insgesamt vier Kelche gereicht und in dieser Abfolge wird der Abendmahlskelch vom Großteil der Ausleger und Auslegerinnen als dritter Kelch und somit Segensbecher identifiziert.791 Ganz offensichtlich hat der Kelch hier metonymische Funktion (Behälter für Inhalt) und es ist vorrangig der Wein, der in Beziehung zum Blut gesetzt wird ௅ was sich aufgrund der ähnlichen Beschaffenheit (rote Flüssigkeit) nahelegt. Eine Verbindung von Blut und Wein ist auch in den jüdischen Heiligen Schriften bezeugt, etwa wird Wein in Gen 49,11 und Dtn 32,14 als „Traubenblut“ bezeichnet (vgl. auch Sir 39,26; 50,15; Apk 14,20).792 Das Blut wird jedoch noch näher spezifiziert: es handelt sich um bundesstiftendes Blut, was einen deutlichen Anklang an Ex 24,8 (bzw. auf Sach 9,11, das von dieser Stelle abhängig ist) besitzt. Die Deutung des Blutvergießens wiederum erinnert an Jes 53,11f., wobei anzumerken bleibt, dass lediglich die „vielen“ (ਫ਼ʌ੻ȡ ʌȠȜȜ૵Ȟ) einen direkten Bezugspunkt bilden und somit der Zusammenhang relativ blass bleibt.793 Mk 14,23f. zeigt sich aber insgesamt als eine Stelle, die reiche und vielfältige 785

SCHENKE, Markusevangelium, 320. (Hervorhebung im Original) Vgl. auch MARCUS, Mark 8–16, 956f. 786 Vgl. ECKEY, Markusevangelium, 452f.; ähnlich KLAUSER, Becher, 49. 787 Vgl. GNILKA, Markus 2, 244. 788 Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 957. 789 DSCHULNIGG, Markusevangelium, 365. 790 Vgl. MARCUS, Mark 8–16, 957: „Wine played an important role in Second Temple Passover rituals, though it is not mentioned in the OT Passover accounts.“ 791 Vgl. z.B. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 365; GNILKA, Markus 2, 244. 792 Vgl. auch MARCUS, Mark 8–16, 958. 793 Vgl. auch ebd.

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intertextuelle Bezüge herstellt. „The ‚pouring out‘ or ‚shedding‘ of blood is biblical idiom for death.“794 Es besteht somit kein Zweifel daran, dass hier Jesu (gewaltsamer) Tod angedeutet wird. Der Hinweis ist noch stärker als im Brotwort. Beide Deuteworte, sowohl das Brot- als auch das Kelchwort, weisen auf eine Partizipation der Jüngerinnen und Jünger am Sterben Jesu hin, auch wenn dies nicht so deutlich gemacht wird wie beispielsweise in der Rede vom Mitsterben.795 Im Kelchwort wird jedoch der Gemeinschaftscharakter noch besonders betont.796 Vom Kelch wird ausdrücklich gesagt, dass alle aus ihm tranken. Haben die Jünger damit den Kelch getrunken, den Jesus selbst ebenfalls trinken wird (vgl. 10,38ff)? Sind sie in die Leidensnachfolge Jesu eingetreten? Denn der Kelch enthält Jesu eigenes Bundesblut, das er ‚für alle‘ vergossen hat (!). Die symbolische Handlung des Essens und Trinkens nimmt den Tod Jesu wirksam vorweg, wie die Salbung seine Bestattung (vgl. 14,8). Also nimmt es auch die spätere Leidensnachfolge der Jünger symbolisch vorweg. Und ebenso können die Leser durch Essen und Trinken von Brot und Wein symbolisch am Heilstod Jesu partizipieren.797

Auch die Tatsache, dass V. 25 das letztmalige Weintrinken Jesu betont,798 kann diesen Gemeinschaftscharakter weiter herausstellen. Zudem ist zu beachten, dass die Deuteworte zwar den Tod Jesu hervorheben, V. 25 demgegenüber aber zusätzlich einen positiven Ausblick auf seine Auferstehung ergänzt.799 Wer den Zusammenhang zwischen Mk 10,38f. und 14,23f. sieht, erkennt, dass die Zwölf hier aus einem Kelch mit Jesus trinken und das dieses Trinken eine spezifische soteriologische Relevanz besitzt. Dennoch versagen sie in der Passion, wie die Gethsemane-Perikope besonders eindrücklich zeigt. Hier ringt Jesus allein mit seinem Todesschicksal. Dass hier wiederum das Kelchmotiv vorkommt, zeigt, die widersprüchliche Dynamik der Nachfolge und des Mitvollzugs seines Todes, die bereits in der kritischen Anfrage Jesu und der selbstbewussten Erwiderung der Zebedäus-Söhne in Mk 10,38f. anklingt. 794

BORING, Mark, 391. Collins spricht hier von „technical sacrificial language“ (COLMark, 565), wie sie auch sonst in den Abendmahlsworten deutliche „sacrificial connotations“ (Ebd.) wahrnimmt. M.E. ist ein Opferbezug weitaus weniger stark gegeben. Sowohl der Passabezug als auch eine Anspielung an den Bundesschluss sind klarer erkennbar und in beiden spielen Opfer höchstens eine marginale Rolle. 795 Vgl. auch die Bekräftigung der Zwölf, dass sie bereit sind, mit Jesus zu sterben, Mk 14,31. 796 Manche Exegetinnen und Exegeten stellen heraus, dass nicht explizit davon die Rede ist, dass Jesus selbst aus dem Kelch trinkt. (Vgl. etwa COLLINS, Mark, 496.) Allerdings wird ja durchaus deutlich, dass es sich um Jesu Kelch handelt und dass diejenigen, die daraus trinken, an ihm (und seinem Schicksal) Anteil haben. 797 SCHENKE, Markusevangelium, 320. (Hervorhebung im Original) Als schwierig erachte ich hingegen Schenkes spätere Rede vom „stellvertrenden Sühnetod“ und somit die Eintragung sehr abstrakter Begriffe an dieser Stelle. 798 MARCUS, Mark 8–16, 958f. 799 Vgl. COLLINS, Mark, 657. LINS,

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Betrachtet man die markinischen Kelchmetaphern insgesamt, ist auffällig, dass in diesen auch stets Metonymien vorliegen: Der Kelch steht sinnbildlich für den nicht näher definierten Inhalt, der getrunken werden muss (Mk 10,38f. und 14,36), bzw. wird in metaphorische Relation mit Blut gesetzt, was wiederum nahelegt, dass hier eher der Wein als vorrangiges Topic gedacht wird (Mk 14,23f.). Allen drei Passagen ist weiterhin gemein, dass stets Doppelmetaphern vorliegen: Neben dem Trinken des Kelchs ist in Mk 10,38f. von der Taufe die Rede, dem Kelchwort in Mk 14,36 geht die Rede von der Stunde voraus. In beiden Fällen ist der Topic-Bezug offenbar jeweils derselbe und soll durch die Metapher augenscheinlich auch dasselbe ausgesagt werden. Es handelt sich somit um Diversifikationen mit identischen oder sehr ähnlichen Grounds. Demgegenüber steht das Kelchwort im Kontext des Abendmahls neben dem Brotwort. In beiden Fällen stammen Vehicles und Topics aus demselben semantischen Feld, weshalb man hier von einer Allegorie sprechen kann. Jedes Mal ist die Doppelung hilfreich, um die Bedeutungsmöglichkeiten der Metaphern einzuschränken und die Interpretation zu lenken. Dennoch ergeben sich natürlich Unterschiede in den Metaphern. Vor allem wird deutlich, dass in Mk 14,23f. jeweils die Metaphern durch die Kopula-Form sehr klar ausgedrückt werden, und T- und V-Term dadurch eindeutig identifizierbar sind. Bei den anderen beiden Metaphern ist es weitaus schwieriger, ein konkretes Topic auszumachen. Dies ergibt sich eher aus dem Kontext und ist möglicherweise auch vom Vorwissen der Rezipierenden abhängig. Zudem können die Passagen auch das Verständnis der jeweils anderen verbessern. Sie sind aufeinander bezogen. Natürlich fällt die Kelchmetapher im Abendmahlswort etwas aus dem Rahmen, da hier der Kelch (stellvertretend für den enthaltenen Wein) als Topic dient. Gerade dadurch ergeben sich spannende Interaktionsprozesse. Einerseits kann die Nachbarschaft der anderen beiden Kelchmetaphern (insbesondere der in der Gethsemaneerzählung) dazu führen, dass Rezipierende den Kelch im Deutewort als eine Art Symbol wahrnehmen. Dass der Kelch ein eschatologisches Motiv ist, kann dann auch hier spürbar werden.800 Der umgekehrte Prozess ist der der Literarisierung: Dadurch, dass es auch einen real vorhandenen Kelch gibt, der eine wesentliche Rolle im Evangelium einnimmt, ist es möglich, dass die Metaphorizität der beiden Metaphern mit dem Kelch als Vehicle weniger stark in den Vordergrund tritt. Zusätzlich liegt hier vielleicht eine Erklärung dafür, dass in manchen Kommentaren801 die in Mk 14,23f. angedeutete Interpretation des Todes Jesu auch auf die anderen Passagen, vor allem auf Mk 14,36, übertragen wird. Bei den übrigen Synoptikern ist das Zusammenspiel der Kelchmetaphern jeweils etwas anders ausgeprägt. Matthäus hält sich hier relativ eng an die Markusvorlage, aber hat in Mt 20,22f. nicht die parallel gestaltete Taufmetapher 800 801

Vgl. auch MARCUS, Mark 8–16, 957. Vgl. z.B. die Auslegung von Collins, s.o.

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und somit auch an dieser Stelle keine Diversifkation. Das Kelchwort in Mt 26,27f. findet sich in ganz ähnlicher Gestalt wie bei Mk, weist jedoch noch eine stärkere Deutung der Sündenvergebung auf. Auch in der Gethsemaneerzählung wird die parallele Metapher, hier die der Stunde, nicht weiter aufgegriffen. Das Gebet Jesu in Mt 26,39 ist jedoch der Markusfassung sehr ähnlich. Bemerkenswert ist, dass auf den Kelch auch beim zweiten Gebet Jesu in Mt 26,42 Bezug genommen wird. Statt einer Diversifikation liegt hier also eine Art Metaphernwiederholung vor, wobei der Kelch nicht explizit genannt, sondern durch das Demonstrativpronomen (IJȠ૨IJȠ) ersetzt wird. Ähnlich wie bei Markus ist der Kelch zumindest in Mt 20,22f. und 26,27f. als metonymisch anzusehen. Auch die Reihenfolge und sich daraus ergebende Abhängigkeiten sind sehr ähnlich. Wie bei Markus dient der Kelch auch bei Matthäus zunächst als Vehicle einer Metapher, dann als Topic und dann wieder als Vehicle, wobei diese letzte Metapher nochmals verkürzt wiederholt wird. Lukas hingegen weicht von dieser Abfolge ab. Er hat die erste Kelchmetapher nicht übernommen (wohl aber in abgeänderte Form die Taufmetapher in Lk 12,50). Damit ist für die Kelchmetapher in der Gethsemane-Perikope (Lk 22,42) keine weitere Deutungshilfe gegeben. Auch die Abendmahlseinsetzung hat bei Lukas eine andere Gestalt. Der Kelch wird direkt als T-Term der Kopula-Metapher angeführt, es wird nicht nur durch das Demonstrativpronomen kontextabhängig auf diesen verwiesen. Als Vehicle steht der neue Bund im Vordergrund, nicht das Blut, das bei Lukas nur sekundär angefügt wird. Dementsprechend scheint auch der Inhalt des Kelchs, der Wein, keine zentrale Bedeutung zu haben und der Kelch hat weniger metonymischen Gehalt. Wie auch bei Mt fehlt in der Gethsemane-Perikope der Verweis auf die Stunde. Sonst wird hier ganz ähnlich formuliert wie bei Markus, obwohl die lukanische Fassung insgesamt stark verkürzt ist zugunsten der Hoheit Jesu und einer positiveren Darstellung der Zwölf. Die Kelchmetapher in Lk 22,42 steht deutlich isolierter da als die parallele Passage in Matthäus und vor allem in Markus, da eben keine vergleichbaren Metaphern vorliegen. Sie ist für die Interpretation auf sich selbst gestellt ௅ oder auf das Abendmahlswort angewiesen. Im Lukasevangelium liegt somit nur eine Topic-Vehicle-Übertragung vor. Die Analyse zeigt, dass Metaphern in bedeutungsvoller Verbindung stehen können, auch wenn sie nicht Vehicle oder Topic direkt teilen, sondern ein Begriff den V-Term in der einen und den T-Term in einer anderen Metapher darstellt. Auch wenn von der kontextuellen Nähe der Einzelmetaphern und der Aufmerksamkeit der Rezipierenden abhängig ist, inwieweit Verbindungslinien erkannt werden, sind Prozesse der Literalisierung und Symbolisierung erwartbar. Besonders im Markusevangelium hat sich jedoch zusätzlich gezeigt, dass die zu berücksichtigenden Kelchmetaphern auch stets in relevanten Verbindungen mit anderen Metaphern stehen. Hier zeichnet sich bereits ab, wie Metaphernkombinationen wiederum untereinander interagieren und kombiniert

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

werden, und wie auch Metonymien in Metaphernkombination integriert werden können

3. Zusammenfassung und theologische Reflexion 3. Zusammenfassung und theologische Reflexion

Die Darstellung und Analyse zeigen, dass alle zuvor aufgeführten Kategorien zur Kombination von Metaphern in mehr oder weniger großem Umfang im Neuen Testament abgebildet sind, wenn vom Tod Jesu die Rede ist. Für alle Kombinationsarten wurden besonders eindrückliche Beispiele gefunden. An diesen lässt sich auch erkennen, dass die Metaphernkombinationen in ihrem jeweiligen Kontext keine reinen Zufallsprodukte darstellen. Selbst wenn nicht eindeutig gesagt werden kann, ob diese Verbindungen absichtlich produziert worden sind, erfüllen sie doch jeweils einen spezifischen Effekt, wenn auch möglicherweise auf unbewusster Ebene. Je nach Metaphernkombination spielen dabei unterschiedliche Funktionen eine Rolle. Metaphernwiederholungen und -modifikationen sind teilweise eng verbundene Phänomene und in ihrer Wirkweise ähnlich. Sie dienen vor allem dazu, bestimmte Aspekte hervorzuheben und besonders zu betonen. Durch häufiges Wiederholen kann eine Metapher auch als nicht mehr genuin metaphorisch angesehen werden und sich daher zum Symbol entwickeln. Sie wird zu einem Stück Realität. Weil manche sich auf den Tod Jesu beziehenden Metaphern, etwa die Opfermetaphorik, so häufig wiederholt wurden (etwa in der Bibel selbst, der Liturgie usw.), werden diese von vielen heutigen Christinnen und Christen kaum mehr als Metaphern wahrgenommen. In der spezifischen Metaphernmodifikation von Eph 5,1–2, in der die beiden verwandten Vehicles in unmittelbarer Nachbarschaft zueinanderstehen, liegt der Schwerpunkt offenbar darauf auszudrücken, dass Jesus sämtliche Bereiche des angeführten semantischen Felds umfassend darstellt. Er ist Gabe und Opfer zugleich. Beide Begriffe können prinzipiell wie Synonyme aufgefasst werden, anderseits aber auch auf unterschiedliche Opferpraktiken verweisen, wobei es abhängig von dem Vorwissen der Rezipierenden ist, inwiefern dieser Hintergrund aktiviert wird. Obwohl nur eine leichte Verschiebung zwischen den Begrifflichkeiten vorliegt, wird möglicherweise die Metaphorizität der Aussage auch relativiert. Jesu Tod ist eben nicht ein Opfer im engen Sinn, weil er zugleich auf Opfer und Gabe verweist. Die Bedeutung des Todes ist so stark, dass ein einzelnes Vehicle nicht ausreicht. Er bedient das erzeugte mentale Bild auf umfassendere Weise, so dass die Relevanz und Komplexität des Themas stärker zur Geltung kommen. Im Fall der Metaphernwiederholungen und -modifikationen von Röm 6 zeigt sich, wie diese Kombinationsarten in der Lage sind, einen längeren Diskurs zu strukturieren und hierin Kohärenz zu erzeugen. Wenn im Folgenden auf die entsprechende Metapher erneut rekurriert wird

3. Zusammenfassung und theologische Reflexion

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(Röm 7,4; 8,17) genügt eine Kurzform, um den gesamten vorherigen Gedankengang erneut hervorzurufen. Darüber hinaus werden durch die Wiederholung und Modifikation der vorliegenden Metaphern die Thematik und Argumentationslinie des Abschnitts deutlich hervorgehoben. Es geht um den entscheidenden Lebenseinschnitt der Angesprochenen, der durch die radikale Metapher des Sterbens mit Christus verbildlicht wird. Wie sehr sich das Bekenntnis zu Christus auf den Lebenswandel und die existentielle Grundlage der Adressierten auswirkt, wird an dieser zentralen paränetischen Stelle besonders betont. Dieses paränetische Interesse findet sich auch in vielen anderen Passagen, in denen Metaphernkombinationen vorliegen. Die Partizipation am Schicksal Jesu ist von zentraler Bedeutung. In der Erweiterten Metapher von 1Petr 2,4–8 ist der Tod Jesu zunächst zweitrangig, obwohl die Rezeption des Zitats aus Ps 118,22 darauf hindeutet, dass er mit angedacht wird. Im Zentrum steht die Aufforderung, zu dem von Menschen verworfenen Stein als „lebendige Steine“ hinzuzukommen, um ein „geistiges Haus“ aufzubauen. Auf dieser Aufforderung, und damit ganz im paränetischen Interesse, liegt der Fokus des Abschnitts, und hier liegt auch die Erweiterung der Metapher: Zu dem einen Stein kommen weitere hinzu, bis ein Bau daraus komplettiert wird. Auch die Zitatensammlung der Verse 6–8 ist ein weiterer Faktor, der die Komplexität der metaphorischen Struktur an dieser Stelle erhöht, wobei hier wiederum weniger der Tod Jesu eine Rolle spielt als die Tatsache, dass sich an Jesus das Schicksal der Menschen je nach ihrem Glauben entscheidet. Natürlich kann auch dies indirekt mit dem Tod Jesu zusammenhängen. Schließlich lässt sich neben der erweiterten Stein-Metapher auch ein weiterer Metaphernkomplex um das semantische Feld des Priestertums erkennen. Den Adressierten wird somit ein weiterer Identifikationspunkt gegeben. Es liegt eine Diversifikation Erweiterter Metaphern vor, die durch die Nähe beider Bilder teilweise an eine Vermischung grenzt. Erweiterte Metaphern und Allegorien stehen im Ruf, bewusst geplant und aus einem spezifischen rhetorischen, vielleicht auch didaktischen Interesse eingesetzt worden zu sein, und genau das ist hier offenbar der Fall. Wie auch in Röm 6,1–11 beherrscht spezifische metaphorische Sprache einen gesamten Diskurs. Lag in Röm 6 der Schwerpunkt auf der in der Vergangenheit liegenden Bekehrung und somit der Entscheidung für Christus (und den Mitvollzug seines Todes), einen Entschluss, der in der Gegenwart der Adressierten ins Gedächtnis gerufen werden soll, wird in 1Petr 2,4–8 eher noch zu dieser Entscheidung und dem damit einhergehenden Lebenswandel aufgerufen. Die Adressierten sollen sich mit Jesus vereinigen, um etwas Neues zu schaffen. Durch die Erweiterung der Metapher, werden sie in gewisser Weise auf seinen Status gehoben und mit ihm verbunden. Wenn in der Zitatcollage davon die Rede ist, dass sich am Stein das Schicksal der Menschen entscheidet, dann kann die vorausgegangene Erweiterte Metapher implizieren, dass auch die zu Christus Gehörenden entscheidend sind. An ihnen stoßen sich Men-

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

schen, aber sie sind von Gott gewollt. Der Tod Jesu und somit auch die Partizipation der Gläubigen an ihm klingt dabei nur unterschwellig an, muss aber wohl mitgedacht werden. Die im Hebräerbrief aufgeführten Multivalenzen zeigen, dass auch über einen größeren Kontext hinweg Metaphernkombinationen eine wichtige Rolle spielen können. Auch hier lässt sich eine klare Ausrichtung auf die Gemeinde hin erkennen. Dadurch, dass die Adressierten ganz zum Schluss, in einer paränetischen Anwendung der sonst sehr theoretisch-homiletisch geprägten Schrift, zur Darbringung von Opfern in Form von Lob, Gebet und guten Taten aufgefordert werden (Hebr 13,15f.), werden sie durch die gewählte Metapher mit Jesus parallelisiert. Dies ist umso eindrücklicher, da es entsprechende Parallelen im Hebräerbrief nur verhältnismäßig selten gibt, die Mitvollzugsdeutung nur eine äußerst untergeordnete Relevanz aufweist (sie begegnet nur noch relativ offensichtlich kurz zuvor in Hebr 13,13 und kann sonst aus den Darlegungen von Hebr 10,19–22 erschlossen werden). In weiten Teilen des Hebräerbriefs wirkt Jesus durch die Hohepriester-Metaphorik wie eine überhöhte und unnahbare Instanz. Durch den paränetischen Abschlussteil werden aber Möglichkeiten deutlich, mit ihm in Beziehung zu treten, ihm nachzueifern. Hierfür ist besonders die Darbringungs-Passage in 5,7 relevant, denn Jesus opfert hier etwas, das ganz parallel zu den in 13,15f. geforderten Gaben steht, jedoch eine deutlich negativere Szene suggeriert. Jesus ist in dieser Schilderung zutiefst menschlich, noch nicht der abstrakte Hohepriester späterer Kapitel. Die Multivalenz der ʌȡȠıijȑȡȦ-Aussagen zeigt somit eine Bewegung von der Opferung als Ausdruck einer menschlichen Kommunikation mit Gott hin zur einmaligen Opferung als soteriologisches Geschehen und wieder zurück, wobei zum Schluss die Adressierten ausdrücklich aufgefordert werden, vor dem Hintergrund der Beziehung Jesu mit Gott in diese Kommunikation einzustimmen. In einem breiteren Kontext stehen auch die synoptischen Kelchmetaphern, wobei vor allem die entsprechenden Metaphern im Markusevangelium betrachtet wurden. Auch hier spielt das Thema der Jüngerschaft eine entscheidende Rolle. Eine zentrale Frage besteht darin, wer in der Lage ist, den Kelch zu trinken. Durch die umliegenden Metaphern, in denen der Kelch das Vehicle darstellt, wird das Trinken aus dem Kelch während des letzten Mahls Jesu symbolisch aufgeladen. Die Zwölf (und somit offenbar auch Judas), so wird es suggierert, nehmen am Schicksal Jesu Anteil. Damit wird auch nahegelegt, dass der Kelch „einfach“ als (von Gott bestimmtes) Schicksal anzusehen ist, und wohl in Mk 14,36 nicht von einem stellvertretenden Trinken des „Zorneskelchs“ die Rede ist. Dennoch ist er nichts, was Jesus furchtlos hinnimmt, und seine sehr menschliche Portraitierung in Gethsemane, die dennoch in der Annahme seines Todes mündet, wird den Adressierten als Vorbild präsentiert. Die tiefergehend analysierte Passage, die am wenigsten Bezug zur Relevanz des Todes Jesu für die Gläubigen herstellt, ist Mk 12,1–12. Hier steht wirklich das Geschehen des Todes Jesu an sich im Vordergrund. Die Diversifikation an

3. Zusammenfassung und theologische Reflexion

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dieser Stelle dient dazu, unterschiedliche Deutungsmuster zu transportieren und erweitert somit den Horizont, vor dem der Tod Jesu betrachtet wird. Während die Identifizierung Jesu mit dem Sohn im Weinberggleichnis vor allem die Brutalität des Todes sowie die Unrechtmäßigkeit derer, die ihn hinrichten (lassen) betont, und eine deutliche Parallele zu den Sklavinnen und Sklaven hergestellt wird, die durch die Allegorie als Propheten und Prophetinnen identifiziert werden können, wird durch die Darstellung Jesu als verworfener Stein wiederum ein positiver Ausblick ergänzt. Die Erwählung durch Gott und somit die Auferstehung kommen hier in den Blick und mindern dabei das düstere Ende des Gleichnisses ab. Die beiden Deutungsmuster des Prophetenschicksals und des Kontrasts zwischen menschlichem Versagen und göttlicher Erwählung werden hier ergänzend nebeneinandergestellt. Der Fokus liegt auf der Beschreibung des Todesschicksals Jesu und nicht auf dessen Wirkung für die Menschen. Vielleicht ist hier die Tatsache, dass Metaphern schwammig und wenig konkret sein können, sich nicht auf eine Deutung festlegen, relevant, denn insgesamt sind die Synoptiker in den Funktionsdeutungen des Todes Jesu eher verhalten. Sowohl in 1Petr 2,4–8; Mk 12,1–12 als auch in den synoptischen Kelchmetaphern ist erkennbar, dass nicht nur eine einzelne Metaphernkombination vorliegt, sondern dass gleich mehrere Kombinationsarten miteinander interagieren. Zudem lassen sich auch intertextuelle Bezüge ausmachen, so dass insgesamt komplexe Deutungsmuster entstehen. Besonders aufschlussreich sind Metaphernvermischungen und -inkonsistenzen. Sie zeigen, dass eine einzelne Metapher nicht ausreicht, um aus dem Tod Jesu Sinn zu gewinnen, und auch nicht die geordnete Abfolge distinkter Metaphern, sondern nur die Zusammenschau eigentlich disparater Elemente. Besonders am Ineinander der Loskauf- und Opfermetaphorik in 1Petr 1,18f. wird dies deutlich. Hier werden die zwei konzeptuellen Metaphern, die am häufigsten mit dem Tod Jesu in Verbindung gebracht werden, ineinander verwoben, wodurch sich neue Deutungsebenen eröffnen. Auch wenn die Rezeption einer solchen Metapher zunächst herausfordernd erscheint, lässt sich die Metaphernkombination doch ohne größere Probleme verstehen. Sie zeigt die Vielschichtigkeit des Themas auf anschauliche Weise. Bemerkenswert ist auch hier ein Kontext, in dem die paränetische Dimension erkennbar wird. Die Bereitschaft der Adressierten wird durch die Metaphernvermischung motiviert. Ähnliche Mechanismen weisen auch Metapherninkonsistenzen auf. Wenn Jesus gleichzeitig Lamm, Hirte und Tür ist oder zugleich als Hohepriester, Opfer und Vorhang zum Allerheiligsten vorgestellt wird, dann wird daran deutlich, dass seine Bedeutung so hoch ist, dass er innerhabls eines Bildes gleich mehrere Rollen übernehmen muss. Er dominiert das gesamte erzeugte Bild in allen unterschiedlichen Aspekten. Die Auswirkung ist sehr ähnlich wie bei der Metaphernvermischung, was vielleicht auch der Grund ist, warum die beiden Phänomene in der englischen Alltagssprache unter demselben Begriff – mixed metaphor – verbreitet sind. Zum einen wird eine große Spannung erzeugt. Den

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Kapitel 4: Neutestamentliche Metaphernkombinationen

Rezipierenden wird vermutlich eher deutlich, dass hier eine Metapher vorliegt und dennoch werden sie möglicherweise eine bildhafte Vorstellung anstreben, die nicht gelingt, weil man Jesus nur schwer in alle Bereiche der Vehicle-Ebene eintragen kann. Es entsteht der Eindruck einer missglückten Erweiterten Metapher. Hier kann auch ein Unterschied zur Metaphernvermischung vorliegen: Während in dieser eine bildhafte Vorstellung zumeist noch möglich ist, das so entstehende Bild aber seltsam oder vielleicht auch lustig erscheint, ist eine Metapherninkonsistenz manchmal gar nicht mehr vorstellbar. Die Trennlinie zwischen beiden Kombinationsarten ist aber nicht ganz klar, wie Grenzfälle, z.B. Röm 3,24f., zeigen. In jedem Fall wird aber das jeweilige Topic, hier der Tod Jesu und seine Auswirkung auf die Menschen, durch die besondere Form der Metaphernkombination als etwas dargestellt, das überaus komplex und kaum denkbar ist. Metaphernvermischungen und -inkonsistenzen sind somit Versuche, das Unfassbare und höchst Bedeutsame sprachlich auszudrücken. Dies ist insbesondere im religiösen Kontext der Fall. Möglicherweise lässt sich hier eine Verbindung zum kognitiven Ansatz in den Bibelwissenschaften herstellen, der die Bedeutung kontraintuitiver und paradoxer Elemente für die Genese und Entwicklung des christlichen Glaubens herausstellt.802 So halten Czachesz und Theißen fest: „Nach empirischen Studien können Motive und Begriffe, die nicht in unser kognitives Muster passen, oft besser erinnert werden als Informationen, die zu unseren kognitiven Mustern passen.“803 Gerade das, was in einem Text aus heutiger Sicht als störend heraussticht, kann dazu beigetragen haben, dass die relevante theologische Botschaft transportiert wurde und sich eingeprägt hat. In diesem Rahmen kann nur andeutungsweise auf den kognitiven Ansatz verwiesen werden und seine Vorzüge und Grenzen können nicht eigens thematisiert werden.804 Vielleicht bietet sich mit ihm aber ein übergreifendes Deutungsmodell, um das Vorliegen und Überdauern805 komplexer Metaphernkombinationen und auch inkongruenter Bilder im Neuen Testament zu 802 Vgl. den Sammelband von Theißen, Chan und Czachesz, der dies bereits im Titel deutlich macht: THEIßEN, GERD/CHAN, COMMON LUNG PUN/CZACHESZ, ISTVÁN, Kontraintuitivität und Paradoxie. Zur kognitiven Analyse urchristlichen Glaubens (Beiträge zum Verstehen der Bibel 29), Berlin: Lit Verlag 2017. 803 CZACHESZ, ISTVÁN/THEIßEN, GERD, Kognitive Ansätze in der Exegese. Ihr Beitrag zur Erforschung der Bibel, in: Gerd Theißen/Common Lung Pun Chan/István Czachesz, Kontraintuitivität und Paradoxie. Zur kognitiven Analyse urchristlichen Glaubens (Beiträge zum Verstehen der Bibel 29), Berlin: Lit Verlag 2017, 31–65. Hier: 41. 804 Aus meiner Sicht ist die christliche Religion in besonderer Weise von Kontraintuitivität und Paradoxie geprägt – Christus ist zugleich Mensch und Gott, der Messias stirbt am Kreuz, Erhöhung erfolgt durch Erniedrigung usw. In anderen Religionen sehe ich – aus der Außenperspektive – entsprechende Elemente weniger deutlich. Wenn diese Beobachtung zutrifft, hätte der kognitive Ansatz diese Diskrepanz zu erklären. 805 In den meisten spannungsvollen Metaphernkombinationen gibt es textkritisch keine oder nur geringe Anhaltspunkte für Überarbeitungs- oder Verbesserungsversuche, die diese

3. Zusammenfassung und theologische Reflexion

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erklären.806 Jedenfalls steht durch die Forschung im Bereich der kognitiven Exegese fest: „Kontraintuitive Elemete wecken Aufmerksamkeit, fordern unser Verstehen heraus und beschäftigen uns deshalb in besonderem Maße.“807 All dies ist bei der Analyse von Metaphernkombinationen zu berücksichtigen. Es bleibt wichtig, die unterschiedlichen und auch spannungsgeladenen Metaphern des Neuen Testaments wahrzunehmen und angemessen zu würdigen. Denn: „Das Unvermögen, verschiedene oder widerstreitende Bilder zuzulassen, wird in einer einseitigen und unvollständigen Sicht der Realität münden, die ausgedrückt werden soll.“808 Dies ist nicht das einzige Problem, dass mit einer zu einseitigen Verwendung von Metaphern einhergeht. Wird nur immer eine Metapher gebraucht, kann dies dazu führen, daß die von einer bestimmten Metapher abgeleiteten Bedeutungen zu weit ausgedehnt werden, weit über den Bereich der beabsichtigten Analogie hinaus. Wenn die ‚Ähnlichkeit‘, ‚Anwendbarkeit‘ oder ‚Assimilation‘ zwischen tenor und vehicle zu stark betont wird, wird das vehicle möglicherweise nicht als ‚Wegweiser‘ zu einer anderen Realität als seiner eigenen betrachtet, sondern als strukturelle Reduzierung dieser Realität, sozusagen als ein mimetisches ‚maßstabsgetreues Modell‘ Die volle konzeptuelle, lexikalische oder syntaktische Struktur des vehicle kann auf den tenor projiziert werden und sogleich wieder Verzerrung oder Missverständnis hervorrufen.809

Möglicherweise war den neutestamentlichen Autoren – unterbewusst – dieses Risiko bekannt. Ihre Verwendung multipler Metaphern und auch spannungsgeladener Metaphernkombinationen diente dazu, sich auf keine Interpretation festzulegen, sondern darzulegen, dass keine Deutung den Kern der Sache richtig treffen kann. Auch im heutigen Sprechen über den Tod Jesu sollte vermieden werden, dass eine Metapher eine Art Monopolstellung einnimmt. Metaphernkombinationen kommen zudem überwiegend dann vor, wenn die Relevanz des Todes Jesu für die Menschen dargestellt wird und sich daraus auch konkrete praktische Handlungsanweisungen ableiten lassen. Es geht weniger darum, den Tod Jesu als abstraktes Geschehen zu beschreiben, als darum, zu zeigen, was dieser im Leben der Gläubigen bewirken kann.

Spannung auflösen würden. Es sind vor allem heutige Exegetinnen und Exegeten, die entsprechende Harmonisierungsversuche unternehmen – sei es durch Konjekturen, grammatikalische Bezüge oder spezifische religionsgeschichtliche Deutungshorizonte. 806 Der kognitive Ansatz betont hingegen auch, dass kontraintuitive und paradoxe Elemente für eine optimale Einprägsamkeit nur in einem bestimmten Maße vorliegen dürfen. Inwieweit dieses Maß für die angeführten Metaphernkombinationen nicht überstiegen wird, wird im Einzelnen zu fragen sein. 807 CZACHESZ/THEIßEN, Kognitive Ansätze, 42. 808 VAN NOPPEN, Einleitung, 43f. 809 A.a.O. 44.

Fazit und Ausblick Ein wichtiges Anliegen dieser Studie ist es, Komplexitäten aufzuzeigen ௅ und dies in mehreren Hinsichten. Komplex ist zunächst das Phänomen der Metapher an sich, das Theoretikerinnen und Theoretiker seit nunmehr über zwei Jahrtausenden Kopfzerbrechen bereitet. Wie schwierig es ist, die Metapher sinnvoll und vollständig zu erklären, zeigen die sehr unterschiedlichen Metapherntheorien, von denen in dieser Arbeit nur ein Bruchteil diskutiert werden konnte. Die Metapher kann einerseits als schmückendes Element poetischer Sprache gesehen werden, andererseits aber auch als konzeptuelle Leitlinie, die unser Alltagsdenken und -sprechen maßgeblich prägt. Manchmal fällt sie den Produzierenden und Rezipierenden sofort als das auf, was sie ist, und manchmal gebrauchen wir sie, ohne uns dessen auch nur im Entferntesten bewusst zu sein. Sie stellt einerseits Ähnlichkeiten und Analogien heraus, die sonst vielleicht gar nicht beachtet werden, besteht aber für sich genommen in einer höchst spannungsreichen und widersprüchlichen Aussage. Es gibt keine einheitliche Form der Metapher, sondern sie kann vielmehr auf ganz unterschiedliche Art grammatikalisch ausgedrückt werden. Man kann sie nicht immer von anderen sprachlichen Phänomenen abgrenzen. Wer sich in Theologie und Exegese mit Metaphern beschäftigt, muss sich diese enorme Bandbreite vor Augen führen. Dies geschieht am einfachsten dadurch, dass man verschiedene Metapherntheorien kritisch und reflektiert betrachtet und ein eigenes Metaphernverständnis entwickelt, das auch unabhängig von führenden Metapherntheorien sein kann oder eine Art Synkretismus unterschiedlicher Ansätze darstellt. Ich habe oben1 ein solches Metaphernverständnis zu skizzieren versucht, das möglicherweise für weitere Forschung im Bereich biblischer Metaphern genutzt werden kann, aber natürlich keine letzte Gültigkeit besitzt ௅ ebenso wenig wie irgendeine andere der vorgestellten, weit komplexeren Metapherntheorien. In jeder der aufgeführten Theorien ließen sich Schwachpunkte finden, Beispiele, die nicht erklärt werden konnten. Die Metapher entzieht sich immer wieder theoretischer Betrachtung. Daher drängt sich der Gedanke auf, dass es die Metapher in einer festen Form vielleicht gar nicht gibt.2 Der Begriff „Metapher“

1

Abschnitt 9. des ersten Kapitels. Im biblisch-theologischen Kontext kann es Sinn machen, hier eine Analogie zum (mit der Metapher verwandten) Gleichnis zu sehen. Auch hier lassen sich, von einigen sehr vagen 2

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wäre dann ein Oberbegriff für ähnliche, aber heterogene Phänomene. Je nach Ausprägung der jeweiligen Einzelmetapher wäre dementsprechend die eine oder andere Metapherntheorie mehr oder weniger gut zur Analyse und Erklärung zu gebrauchen. Welche Theorie gewählt, welches Metaphernverständnis vorausgesetzt oder konstruiert wird, ist dann stark abhängig von Textkorpus und Forschungsinteresse. In dem von mir vertretenen Metaphernverständnis sind einige Punkte besonders hervorzuheben. Zunächst ist die Identifizierung bestimmter konzeptueller Metaphern durchaus berechtigt und gewinnbringend, führt aber in der Analyse konkreter Einzelmetaphern nur ein Stück weit. Daher ist zwischen konzeptuellen Metaphern und ihren sprachlichen Manifestationen zu unterscheiden, und für letzteres sind zusätzliche Analysekriterien heranzuziehen. Daneben ist es meines Erachtens wichtig, die Widersprüchlichkeit der metaphorischen Aussage herauszustellen. Es handelt sich bei Metaphern um ௅ in ihrem jeweiligen Kontext gesehen ௅ unwahre Aussagen, die trotzdem in den meisten Fällen nicht als Lügen wahrgenommen werden, sondern im Gegenteil als etwas, das eine wesentliche Realität ausdrückt. Die Metapher ist eben eine Sprachform, die die Grenzen der Sprache selbst angeht und sich dem annähert, was jenseits dessen liegt, was normalerweise sprachlich fassbar gemacht wird. Gerade deswegen ist sie für die Theologie so fruchtbar. Nur durch die Spannung in der Aussage werden Metaphern überhaupt als solche erkannt und nur dadurch entfalten sie ihr volles Potential, neue Zugänge zur Wirklichkeit zu eröffnen. Deswegen grenze ich Metaphern relativ deutlich von Vergleichen ab, was nicht bedeutet muss, dass es nicht auch Kontexte geben kann, in denen man beide als eng verwandte Phänomene betrachten kann. Die Widersprüchlichkeit der metaphorischen Aussage ist zudem wesentlicher Bestandteil meiner in Abschnitt 2.2. des zweiten Kapitels aufgeführten Darstellung der Metapher als hybrides Gebilde. Metaphern führen (mindestens) zwei Bilder oder Gedanken in einem gemeinsamen Rahmen zusammen und erfüllen damit klar die Voraussetzung für Hybridität. Das bedeutet aber auch, dass Kombinationen von Metaphern, insbesondere Metaphernvermischungen, nichts weiter tun, als die in der Metapher selbst bereits angelegten Mechanismen nochmals auf eine andere Ebene zu heben ௅ sie potenzieren somit Hybridität als der Metapher inhärentes Grundmerkmal. Vermutlich ist dies einer der Gründe dafür, warum Metaphernvermischungen normalerweise problemlos verstanden werden (selbst wenn sie mitunter unfreiwillig komisch wirken). Wenn unser Denken, wie Lakoff und Johnson herausgestellt haben und inzwischen gemeinhin angenommen wird, grundlegend metaphorisch geprägt ist, dann gehört die Erstellung hybrider Konzepte Kriterien abgesehen, verhältnismäßig wenig konkrete Merkmale fassen, die auf alle entsprechenden Texte passen. Auch hier besteht in vielerlei Hinsicht eine außerordentliche Heterogenität. Zudem ist im Einzelfall teilweise umstritten, welcher Text zu den Gleichnissen zählt und welcher nicht.

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zu den basalen Strategien, die Welt zu erfassen. In Metaphernkombinationen wird dies teilweise bewusst erfahrbar, und das Gewahrwerden dieser grundlegenden und strukturellen Hybridität kann ein Grund sein, warum gerade Metaphernvermischungen oft mit Befremden begegnet wird. Das von mir vorgeschlagene Metaphernverständnis ist eines, das bereits darauf angelegt ist, dass Metaphern miteinander kombiniert und auch vermischt werden. Das Phänomen der Metaphernkombinationen ist kein sekundäres, sondern bereits im Wesen der Metapher selbst angelegt. Eine Übersicht über Fragestellungen zur Metapher, die deren meiner Ansicht nach wichtigsten Charakteristika ௅ Ähnlichkeit/Analogie, Widersprüchlichkeit/Spannung und Hybridität ௅ berücksichtigt und die Analyse auch auf Metaphernkombinationen hin öffnet, ist in Abschnitt 2.5. des zweiten Kapitels zu finden und kann möglicherweise weitere Forschung auf diesem Gebiet inspirieren und antreiben. Noch eine Beobachtung im Hinblick auf metapherntheoretische Erwägungen ist relevant: Die heutige Rezeption antiker Metapherntheorien zeigt eine deutliche Tendenz dahingehend, dass diese stark simplifiziert werden. Häufig werden die Ausführungen von Aristoteles, Cicero oder Quintilian unter dem Stichwort der Substitutions- oder Vergleichstheorie zusammengefasst, womit meist eine deutliche Abwertung einhergeht. Tatsächlich gibt es Aspekte der antiken Theorien, die aus heutiger Sicht, vor allem, wenn die Fülle gegenwärtiger Metaphernverständnisse bewusst ist, sehr vereinfacht scheinen. Hierzu gehört vor allem der Fokus auf einzelnen Wörtern als Metaphern, der aus heutiger Sicht meist zugunsten einer stärkeren Kontext- und Aussagebezogenheit überwunden wurde. Allerdings sind auch heutige Metapherntheoretikerinnen und -theoretiker nicht ganz frei von dieser Problematik der Beschränkung von Metaphern auf einzelne Begriffe.3 Auch die starke Einbettung metapherntheoretischer Erwägungen in strikte normative Vorgaben lässt sich mit heutigen Metapherntheorien, die vorrangig deskriptiv ausgerichtet sind, kaum vereinbaren. Andererseits sollte die obige Darstellung gezeigt haben, dass das Vorgehen der aufgeführten antiken Metapherntheoretiker durchaus vielschichtig ist und manche Aspekte dort bereits vorweggenommen werden, die erst in neuerer Zeit wiederentdeckt und stark gemacht wurden. So geht Aristoteles sowohl im Rahmen seiner Poetik als auch in der Rhetorik auf Metaphern ein und macht damit deutlich, dass der Metapherngebrauch abhängig vom jeweiligen Genre ist. In seiner Theorie ist auch die vielfältige Gestalt von Metaphern bereits angelegt, sowie die Tatsache, dass diese nicht nur auf Ähnlichkeit beruhen, sondern es vielfältigere Mechanismen gibt. Auch die Tatsache, dass alle Menschen Metaphern produzieren und diese in unserem Alltag unabdingbar sind, wurde bereits von den antiken Autoren erkannt. Dementsprechend kann festgehalten

3 Vgl. vor allem PRAGGLEJAZ GROUP, MIP. Die Begrenzung auf die Wortebene klingt bereits im Titel deutlich an. S.o., Abschnitt 3. des ersten Kapitels.

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werden, dass die Metapher bereits zur Zeit der Abfassung der neutestamentlichen Schriften als facettenreiches Phänomen bekannt war. Natürlich muss nicht vorausgesetzt werden, dass die neutestamentlichen Autoren mit diesen Ansätzen vertraut waren ௅ es ist im Gegenteil eher unwahrscheinlich. Allerdings zeigt sich, dass die neutestamentlichen Metaphern und Metaphernkombinationen in einem Umfeld entstanden sind, in dem diese Phänomene bereits bekannt waren, dass also nicht nur heutige Ideen auf die biblischen Texte übertragen werden. Wie die Metapher ist auch die Hybridität ein Konzept, das multiperspektivisch betrachtet werden kann und von unterschiedlichen Disziplinen in Gebrauch genommen wird. Erstaunlich ist, dass Hybridität allgemein in der gegenwärtigen Gesellschaft überwiegend positiv wahrgenommen wird, während Hybridität in der Kombination von Metaphern einen nach wie vor eher schlechten Ruf hat. Dies geht zurück auf normative Vorgaben, die über mehrere Jahrhunderte verbreitet wurden, jedoch meist mit schlechter Begründung, die aber nach wie vor rezipiert und weiterverbreitet werden. Möglicherweise liegt diesem Prozess eine immer noch bestehende Angst oder Abscheu vor dem, was als „unrein“ empfunden wird, zugrunde. Eine weitere Erklärung besteht darin, dass unbewusst die Einstellung besteht, dass Hybridität an sich ja schön und gut ist, das menschliche Denken ௅ und damit die Weise, wie wir die Welt wahrnehmen und selbst gestalten ௅ aber doch nach klaren Strukturen und Bildern von statten gehen möge. Die Metapher an sich und Metaphernkombinationen im Besonderen stellen diese Ansicht grundsätzlich in Frage. Gerade im englischsprachigen Raum ist die Kritik an Metaphern-Hybridität ganz eindeutig mit dem Begriff der mixed metaphor verbunden. Dabei zeigt sich jedoch, dass dieser Terminus keineswegs klar definiert ist und in der Alltagssprache zur Klassifizierung ganz unterschiedliche Beispiele herangezogen wird. Meines Erachtens ist es hier sinnvoll, eine klarere Abgrenzung vorzunehmen und entsprechende Phänomene individuell zu benennen. Während im Alltag mixed metaphors nach wie vor meist verpönt sind, haben Metapherforscherinnen und -forscher neues Interesse an ihnen gefunden, was zu einer begrüßenswerten Aufwertung geführt hat. Nachdem die Ubiquität der Metapher spätestens seit Lakoff und Johnsons Forschungsbeitrag Konsens ist, wird nun auch erkannt, dass Metaphernvermischungen allgegenwärtig sind und keine Verstehenshindernisse darstellen – ja dass man sich ohne sie überhaupt kaum ausdrücken kann. Mixed metaphors können zudem, wie „starke“ Metaphern überhaupt, die Produktivität und Kreativität menschlichen Denkens hervorheben. Außerdem zeigt sich, dass die Kritik an mixed metaphors sich meist auf einen bestimmten Subtyp bezieht, der zum Teil als Malaphor benannt wird und eher eine Kombination von (metaphorischen) Redewendungen als von Metaphern im Allgemeinen darstellt. Manchmal werden auch andere Metaphernkombinationen angesprochen, etwa rasch aufeinander folgende Diversifikationen oder „missglückte“ Allegorien. Es ist aber nötig, hier ausreichend zu differenzieren.

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Auch wenn die Diskussion derzeit sehr stark auf Metaphernvermischungen fokussiert ist, ist es meines Erachtens gewinnbringender, auch andere Formen der Metaphernkombination wie Diversifikation, Multivalenz und Topic-Vehicle-Übertragung eingehend zu untersuchen. Während sich Metaphernvermischungen (und häufig auch Metapherninkonsistenzen) auf einen relativ engen Kontext, etwa einen Satz oder einen Abschnitt beziehen, können die anderen diskutierten Phänomene dazu beitragen, in einem größeren Zusammenhang Verbindungslinien aufzuzeigen. Die Anwendung auf die neutestamentliche Rede vom Tod Jesu hat gezeigt, dass all diese Metaphernkombinationen spezifische rhetorische Funktionen erfüllen – wenn auch die Vermischungen und Inkonsistenzen vielleicht auf besonders eindrückliche Weise zeigen, wie durch diese Sprechweisen neue Bedeutungsebenen eröffnet werden. Zu beachten bleibt aber stets, dass die aufgeführten Kategorien keinesfalls eine vollständige Abbildung der Arten, wie Metaphern miteinander interagieren können, leisten können. Daneben können sie auch nicht immer streng voneinander getrennt werden, sondern es bestehen vielfach Grenzfälle und Mischformen. Ob eine Metaphernkombination vorliegt, und manchmal auch, um welche Art der Kombination es sich handelt, ist oft subjektiv und kann auch abhängig vom Vorwissen oder von der Sensibiltät der Rezipierenden sein. Ebenso wenig wie Metaphern selbst sind Metaphernkombinationen eine simple Angelegenheit. Als komplex stellt sich auch die Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament heraus. Die in Kapitel 3 aufgeführten Unterpunkte können dazu dienen, diese Redeweisen auf eine systematische Weise zu untersuchen, die ganz unterschiedliche Aspekte berücksichtigt und dabei versucht, nah am Originaltext selbst zu bleiben. Die Darstellung erfolgt größtenteils auf der Ebene des Textes in seiner heutigen Gestalt, da alles, was davor liegt, im Hypothetischen bleibt. Demgegenüber sind intertextuelle Bezüge und auch die Gattungszuordnung der entsprechenden Texte beachtenswert. Eine wichtige Erkenntnis der Untersuchung neutestamentlichen Sprechens vom Tod Jesu besteht darin, dass nur verhältnismäßig selten auf direkte Weise vom Tod Jesu die Rede ist. Demgegenüber steht eine Fülle verschiedener indirekter Sprechweisen, die häufig auch eine metaphorisch-metonymische Ausrichtung besitzen. Neben der Unterscheidung von indirekter und direkter Rede über den Tod Jesu ist es meiner Ansicht nach sinnvoll zu differenzieren zwischen bloßen Erwähnungen des Todes Jesu und solchen Texten, die eine Deutung vornehmen. Dabei kann diese Deutung mehr oder weniger explizit ausgedrückt werden und sich eher auf die Notwendigkeit des Todes Jesu oder eine inhaltliche Funktion seines Sterbens beziehen. Hier zeigt sich eine große Fülle unterschiedlicher Schwerpunkte wie auch die Tatsache, dass in ein und derselben neutestamentlichen Schrift mehrere Zugänge genutzt werden, um den Tod Jesu zu beschreiben und ihm Sinn zuzuschreiben. Es ist wichtig festzuhalten, dass Metaphern, die sich auf den Tod Jesu beziehen, zumeist als Untergruppierung der Funktionsdeutung anzusehen sind. Dadurch wird ein bestimmter Fokus gesetzt, der wichtig ist, damit

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die Ausrichtung nicht verzerrt ist. Man sollte nicht von bestimmten Metaphern, zum Beispiel der Opfermetapher, ausgehen und dann alle möglichen Funktionsdeutungen, etwa auch die „für“-Aussagen, dieser Kategorie zuordnen, es sei denn, es gibt dafür wirklich plausible Gründe. Die neutestamentlichen Autoren nutzen sowohl „eigentliche“ wie auch metaphorische Sprache, um sich auf das Sterben Jesu zu beziehen. Ein Charakteristikum metaphorischer Sprache ist, dass, abgesehen von ganz einfachen oder stark konventionalisierten Metaphern, diese stets eine Deutung impliziert. Die Metapher „zwingt“ geradezu in einen Deutungsprozess, da sie ganz unterschiedliche Sachverhalte in einem neuen Rahmen zusammenführt. Die Untersuchung ergab, dass sich mehrere größere Metaphernzusammenhänge erkennen lassen, die man als konzeptuelle Metaphern bezeichnen kann. Besonders auffällig sind die Konzepte JESU TOD IST EIN LOSKAUF AUS SKLAVEREI/KRIEGSGEFANGENSCHAFT und JESU TOD IST EIN OPFER, sowie, häufig in Verbindung mit letzterem, JESU TOD IST EINE REINIGUNG. Daneben ließen sich aber auch weitere konzeptuelle Metaphern ausmachen, etwa JESU TOD IST EIN (NEUER) BUNDESSCHLUSS oder JESUS IST EIN PASSALAMM. Während die letztgenannte konzeptuelle Metapher nur einmal im Neuen Testament explizit genannt wird (1Kor 5,7) – die Bezeichnungen Jesu als Lamm sind, wie sich gezeigt hat, uneindeutig – scheint sie die narrative Struktur ganzer Textpassagen, insbesondere der Johannespassion, zu beeinflussen. Die Untersuchung von solchen konzeptuellen Metaphern innerhalb der narrativen Texte des Neuen Testaments konnte im Rahmen dieser Untersuchung höchstens angedeutet werden und stellt ein Forschungsdesiderat dar. Neben den erwähnten konzeptuellen Metaphern, die in unterschiedlichen sprachlichen Formen in einer ganzen Reihe von neutestamentlichen Schriften relevant sind, gibt es zusätzlich eine nicht unbeträchtliche Anzahl weiterer Einzelmetaphern, deren Wirkungsgrad limitierter ist. Auch diese sind jedoch für das Gesamtbild wichtig, das im Neuen Testament über den Tod Jesu vorherrscht. Wesentlich ist die Einsicht, dass es sich bei einer ganzen Reihe der neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu um Metaphern handelt. Jesu Tod ist etwa kein Opfer im „eigentlichen“ Sinn, sondern wird im Neuen Testament metaphorisch als solches bezeichnet bzw. stilisiert. Das Opfer bot sich den ersten Christinnen und Christen als Kategorie an, um seinem Sterben Sinn zu geben. Damit soll nicht gesagt sein, dass diese Metaphern unwahr oder nicht hilfreich sind. Sie sind vielmehr wesentliche Möglichkeiten, das Geschehen zu verstehen und auch sprachlich fassbar zu machen. Nur weil der Tod Jesu kein Opfer im „eigentlichen“ Sinn war, heißt dies nicht, dass die Aussage, Jesu Tod sei ein Opfer, nicht „metaphorisch real“ sein kann. Angesichts der Fülle und Zentralität von Metaphern, die auf Jesu Tod Bezug nehmen, ist es kein Wunder, dass diese Metaphern auf vielfältige Weise kombiniert werden. In keinem neutestamentlichen Text liegt eine „einfache“ Meta-

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phorik vor, etwa ein stringentes System von kohärenten Bezugnahmen auf dieselbe konzeptuelle Metapher. Wenn auf Jesu Tod verwiesen wird – was nicht in allen neutestamentlichen Schriften der Fall ist – dann geschieht dies durch unterschiedliche Sprechweisen, und wenn metaphorische Bezüge vorliegen, dann werden dabei vielfältige semantische Felder und metaphorische Strukturen bedient. Metaphernkombinationen sind kein Zeichen dafür, dass Inkonsequenzen vorliegen, aufgrund welcher literarkritische Scheidungen vorgenommen werden müssen. Vielmehr erfüllen sie spezifische Funktionen im jeweiligen Textzusammenhang. Während Metaphernwiederholungen und -modifikationen vorrangig dazu dienen, Kohärenz herzustellen und wesentliche Aspekte besonders hervorzuheben, zeigen Diversifikationen etwa, dass es notwendig ist, unterschiedliche Bilder auf den Tod Jesu zu übertragen, um überhaupt ein annäherungsweise adäquates Verständnis von dem Geschehen und seiner Bedeutung für die Menschen zu gewinnen.4 Multivalenzen hingegen weisen oft darauf hin, dass die Gläubigen am Geschick Jesu partizipieren, dass sie ihm gleich werden und dieselben Bedingungen für sie gelten. Eine ähnliche Funktion können auch Topic-Vehicle- oder Vehicle-Topic-Übertragungen erfüllen, während Erweiterte Metaphern vielschichtige Bezüge zwischen Topic- und Vehicle-Ebene ermöglichen, was meist dazu beiträgt, einen komplizierten Sachverhalt anschaulicher und verständlicher darzustellen. Hier kann auch eine didaktische Funktion im Hintergrund stehen. Möglicherweise am interessantesten sind Metapherninkonsistenzen und -vermischungen. Während viele Forscherinnen und Forscher hier entweder einen schlechten Stil annehmen, möglicherweise aufgrund emotionaler Erregung der Verfasser, oder Hypothesen aufstellen, wie der Text gewachsen sein könnte, sind diese meiner Meinung nach Resultate eines komplexen Deutungsprozesses. Diese Metaphernkombinationen bringen die Rezipierenden nicht nur dazu, den Tod Jesu im Licht eines anderen Sachverhalts zu sehen. Sie nötigen sie geradezu dazu, gleich mehrere 4 Im Hinblick auf die paulinische Sprechweise vom Tod Jesu bemerkt auch Finlan: „No one image communicated everything Paul wanted to say about the death of Jesus; from martyrology he draws heroic suffering for others; by blending this with the judicial image, he gets the idea of a penal substitute; by adding the cultic, this penal victim can carry away curse and sin, as though they have never existed.“ (FINLAN, Background, 228.) Dabei hält Finlan fest, dass dies zu Spannungen und Widersprüchlichkeiten führen kann, die aber stets einer spezifischen Argumentationsstruktur dienlich sind: „His metaphors draw together different and even competing concepts of God into vivid and sustained argument.“ (A.a.O. 228f. Hervorhebung im Original) Mit Bezug auf die christologisch relevanten Bilder und Metaphern im Johannesevangelium kommt Zimmermann zu dem Urteil: „Auch wenn jedes Teilbild seinen Eigenwert oder diachron betrachtet seine eigene Geschichte besitzt, schafft die Zusammenfügung der Einzelbilder zu einem Gesamtkunstwerk ein Neues, das mehr ist als die Summe der einzelnen Teile.“ (ZIMMERMANN, „Du wirst noch Größeres sehen …“, 110.) Diese Aussage lässt sich ohne Modifikation auch auf die neutestamentlichen Deutungen des Todes Jesu übertragen.

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solcher Deutungsprozesse gleichzeitig zu vollziehen, mit allen Spannungen, die darin enthalten sind. Dadurch zeigt sich, dass das, was in Tod und Auferstehung geschehen ist, sich menschlicher Sprache und Logik vollkommen entzieht. Es ist in der Theologie anerkannt, dass man sich Gott und dem Göttlichen sprachlich nur durch Metaphern annähern kann. Doch manchmal gerät man an den Punkt, an dem eine einzelne Metapher nicht mehr ausreicht und auch nicht das Nebeneinander verschiedener Metaphern, sondern erst das Ineinanderwirken unterschiedlicher Bilder – in ihrer potenzierten Metaphorizität – das Unsagbare fassbar machen und somit zu einem Erkenntnisgewinn führen kann. An manchen neutestamentlichen Textstellen zeigt sich, dass die Autoren diese potenzierte Metaphorizität nutzen, um ein Geschehen auszudrücken, das zugleich eine schmachvolle unfassbare Hinrichtung, ein Sieg der Ungerechtigkeit, ist und ein fundamentales soteriologisches Ereignis, etwas, das ihnen selbst und den Menschen rund zweitausend Jahre später kaum begreifbar bleibt. Metaphernkombinationen, insbesondere solche, die starke Spannungen erzeugen, können somit auch für das noch heute stattfindende Ringen um ein sinnvolles Verständnis des Todes Jesu relevant sein. Vielleicht ist es möglich, diese aktiv in den Gebrauch zu nehmen um komplizierte theologische Konzepte auf kreative Weise auszudrücken. Das setzt natürlich voraus, dass der Preskriptivismus, der im Zusammenhang mit der mixed metaphor noch immer vorherrscht, zumindest in Teilen überwunden wird, und mit der vorliegenden Arbeit wird hoffentlich ein Beitrag dazu geleistet. In jedem Fall zeigen die besprochenen Metaphernkombinationen aber, dass auch Menschen, die Jesu Tod zeitlich viel näher standen als wir es heute tun, diesen nur durch vielfältige, nicht-lineare und auch nicht immer kompatible Deutungszugänge beschreiben konnten. Eine Analyse von Metaphernkombinationen im Neuen Testament wäre auch im Hinblick auf andere Sachverhalte mit Sicherheit gewinnbringend, etwa bezogen auf die Rede von Gott und Christus allgemein, auf Auferstehung und Gottesreich, auf die Darstellung der entstehenden christlichen Gemeinschaft und die Lebenswende von Menschen, die sich zu Christus bekennen. Hier wären weitere Untersuchungen wünschenswert, ebenso wie eine Ausweitung der vorgelegten Analyse auf apokryph gewordene Schriften. Zudem wäre es höchst ergiebig, zu untersuchen, wie Metaphernkombinationen untereinander wiederum in einem größeren kontextuellen Rahmen miteinander kombiniert werden. In den Einzelanalysen zu einigen Passagen aus dem Hebräerbrief sowie in der Darstellung der synoptischen, insbesondere der markinischen, Kelchmetaphorik konnten bereits einzelne Andeutungen diesbezüglich gemacht werden. Eine tiefergreifende Analyse wäre hier jedoch erstrebenswert. Die Metapher zeigt sich als komplexes Phänomen, das in seiner Hybridität sowohl anziehend als auch abschreckend wirken kann. Metaphernkombinationen steigern diese Komplexität noch, sofern sie eine Potenzierung dieses hyb-

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riden Charakters und somit der Metaphorizität insgesamt veranlassen. Sie bringen Rezipierende damit an den Rand des Vorstellbaren. Gerade dadurch erweisen sie sich aber als wertvolles und notwendiges Mittel, um auf das facettenreiche und existentiell relevante Geschehen des Todes Jesu sinnstiftend Bezug zu nehmen.

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Stellenregister In allen Registern verweisen kursive Seitenangaben auf Erwähnungen in Fußnoten.

Jüdische Heilige Schriften (inkl. Septuaginta) Genesis 3,19 4,10 8,21 22,2 22,16 37,20 40,23 49,11 Exodus 12,3–5 12,11 12,13 12,18–20 12,21–23 12,46 13,2–7 19,5 19,10 24,3–8

25,17–22 28,9f. 29,4 29,18 29,25 29,28 29,38 29,41 30,10

297 297 499 548 298, 409 304, 548 683 299, 456, 686

443, 445, 460–462, 623, 626 617 461 298 298, 443, 460f. 281, 359 298, 407, 626 453 299, 456 285, 297, 323f., 297, 303, 328, 431, 686 443 555 298, 455 298, 442 442 449 288, 298, 444, 527, 623 442 452–454

31,14 39 40,1–9 Leviticus 1,2f. 1,9.13.17 1,10 2 2,2 2,12 4,31 5,7 5,14–26 6,14 6,23 7,1–5 7,27 8,10–12 8,21 8,30 9,3 9,7 10,23–25 12,6 14,4–6 14,10 14,13f. 14,19 14,21–25 15 16

296 555 298, 651

465 504 465 502 504 442 442 295 294, 374f. 504 289, 299 294 374 298, 655 442 431 453, 628 380 550 448f., 453, 628 299, 431 453, 628 294f. 456 294f. 322 287–290, 297, 299, 343, 374, 379f., 447, 456, 458f.,

726

17,4–6 17,10f. 7,12–15 19,20 19,22 21,10 23,13 23,18 24,14 24,16 25,9 25,47–55 27,15–19 Numeri 3,48f. 5,8 6,14 7 7,1 7,89 9,12 15 18,15 19,1–17 21,8 28–29 28,3

Deuteronomium 7,6 7,8 10,12f. 15,11 16,1–8 21,22f. 23,22 32 32,1 1. Samuel 2,35 6,1–18

Stellenregister 469, 531f., 645, 652, 655f., 665–668 442 299, 323 581f. 635 294f. 646 504 448f., 453, 504, 627f. 299 296 378 624f. 624

620 378 449, 624 652 651 443 281 299, 442, 498, 500 631 299 292, 397, 341 444, 498, 623f. 288, 298, 449, 527, 623

453 621 284 297 460f. 284, 316, 333, 359, 393, 437 453 10 683

305 294

2. Samuel 22

301

1. Könige 14,18 15,29

361 361

2. Könige 2,16 9,36 10,10 17,23 21,10 24,2 14,25

295 361 361 361 361 361 361

1. Chronik 17,21

621

2. Chronik 30,15f. 32,23 35,11 36,15f.

461 498 461 547

Esra 5,51 9,11 10,19

497 361 295

Nehemia 9,26

304, 547

1. Makkabäer 4,56

577

2. Makkabäer 3,33

378

Hiob 7,21 15,15 40,22

305, 452 624 572

Psalmen 1,3 8 11,6 (10,6 LXX) 16 (15 LXX)

546 301, 360 676, 682 282, 342, 682

727

Stellenregister 18,6 (17,6 LXX) 18,14 22 (21 LXX) 23 (22 LXX) 31,6 (30,6 LXX) 33,21 (32,21 LXX) 40,7–9 (39,7–9 LXX)

301 452 300, 359, 571, 573 459, 684 300, 348 281

285, 289, 301, 342, 360, 364, 374f., 442, 449, 497f., 578, 581 50,4 (49,4 LXX) 452 50,14.23 572, 578 56,14 (55,14 LXX) 574 60,5 (59,5 LXX) 678 63,10 (62,10 LXX) 301f. 68,19 (67,19 LXX) 302, 359 75,8f. (74,8f. LXX) 676f. 80 (79 LXX) 361 107,22 (106,22 LXX) 578 110 (109 LXX) 360 110,4 301 116 571 116,3 (114,3 LXX) 301 116,8f. (114,8f. LXX) 574 116,13 (115,4 LXX) 684 116,17 (115,8 LXX) 578 118,22 284, 300, 303, 346, (117,22 LXX) 356, 403, 412, 537, 550, 553f., 594– 596, 599f., 602, 607, 609, 691 122 (121 LXX) 347 130,4 (129,4 LXX) 378 130,7f. 302 141,2 (140,2 LXX) 572 Sprüche 1,28 20,9 31,17

304 304, 452 616f.

Sirach 7,20 34,18

291 497

35,1 39,26 50,15 Jesaja 5,1–7

5,9 8,14 26,19 28,16 40,11 51,17–23 52,3 52,13–53,12

54,11–13 55,3 61,8 Jeremia 1,17 7,25 11,19 20,2 25,4 25,15–29 (32,13–29 LXX) 26,21–23 (33,21–23 LXX) 29,19 (nicht LXX) 31,10 (38,10 LXX) 31,31–34 32,30 (39,30 LXX) 32,40 35,15 (42,15 LXX) 49,12 (30,6 LXX) 50,5 (27,5 LXX) 51,7 (28,7 LXX) 51,19.39.57 51,26

497 686 686

304, 361, 541f., 544–546, 549, 553f., 586 553 284, 303, 346, 594, 596, 607 304 284, 303, 346, 594– 597, 606 459 676f. 304, 620f., 630, 633 282, 290–296, 304, 309, 339, 343, 346f., 354, 357f., 374–378, 380f., 384, 445, 460, 465f., 621, 623, 686 557 305 305

616 361 304 304 361 676–678 304 361 459 303, 360, 364, 389 303 303 361 676f. 305 678 678 551

728

Stellenregister

Klagelieder 4,1f. 4,21

555 676–678

Ezechiel 16,60 23,31–34 34,11–16.23 37,12 37,23–26 42,13 43,14–20 44,27 44,29 46,4.13

305 676–678 304 304 304f. 294 443 378 294 623

Daniel 2,34.44f. 3,38 4,37 9,6 9,9 12,2

303, 596 442, 497 497 361 378 304

Hosea 2,23 (2,25 LXX) 14,2 (14,3 LXX)

594 578

Amos 8,14

378

Obadja 16

678

Jona 2,1

303

Nahum 3,11

678

Habakuk 2,15f.

676–678

Sacharja 4,10 9,11 9,16 12,2 12,10 13,7

304 303, 686 555 679 305, 359 303, 344

Pseudepigraphe und apokryphe Schriften 4. Makkabäer 6,29 17,21f.

323, 454 323, 443, 662–664

Martyrium Jesajas 5,13 681–683 Psalter Salomos 15,3

578

Antike griechische und römische Autoren Aristoteles Poetik 21,1457b 22 22,1459a Rhetorik III 1, 1404a

26–28 28 28f.

30

III 2, 1404b–1405a III 3, 1405b–1406b III 4, 1406b III 4, 1407a III 10, 1410b III 11, 1411a– 1412a III 11, 1413a

30–33 32 33f. 34 34–36 36f. 37

729

Stellenregister Cicero De oratore III, 148 III, 149–170 III, 152 III, 155–161 III, 162–165 III, 166–168 III, 170 III, 171–198 III, 202–207

40 40 40 40–42 42 42 45 40 40

Orator 76–99 82 85 92 108 123 134

43 43 43 43f. 44 44 44

Theaitetos 180a

24f.

Institutio oratoria V, 11, 22 VIII Vorrede, 13 VIII Vorrede, 23–25 VIII, 1–5 VIII, 1, 1 VIII, 2, 6.10 VIII, 3, 6.24.55.72 VIII, 3, 75 VIII, 3, 77 VIII, 3, 85f. VIII, 6, 1 VIII, 6, 4–10 VIII, 6,12–18 VIII, 6, 19–22 VIII, 6, 23.28 VIII, 6, 24 VIII, 6, 35 VIII, 6, 44 VIII, 6, 45–50 VIII, 6, 48 VIII, 6, 49f. IX, 1, 4

24

Plato Politeia X, 601a X, 602c–608b

24f.

Quintilian

Isokrates Euagoras 9

X, 606d–607b

24f. 25

112 45 45 45f. 45 46 46 112 102 49 46, 98 47f. 48 49, 104 104 479 49, 125 49, 109 49 109 48, 163 46

Neues Testament Matthäus 2,20 5,13 7,16–20 10,4 10,38 11,30 12,14 12,39f. 13,1–9 13,33

16,4 314 255 255 337 330, 422 255 314 273, 277, 303, 341, 351, 458, 481 206f. 544, 587

16,17 16,21 16,24f. 17,12 17,15 17,22 17,27 18,23–25 20,18f. 20,22f.

273, 277, 303, 351, 481 325f. 278, 315, 334, 353 330, 341, 421 334 334 337 369 545 315, 330, 334, 337 396, 478f., 688f.

730 20,28 21,11 21,39 21,42–44 21,46 22,1–14 23,29–37 24,45–51 25,1–13 25,14–30 26,1f. 26,6–13 26,15f. 26,18 26,21–23 26,26–28

26,31 26,35 26,36–46 26,48 26,54 26,61 26,66 27,1–8 27,18f. 27,22–26 27,31–50 27,51–53 27,60 Markus 1,11 2,5 2,18–22 3,6 3,19

Stellenregister 277, 338, 368f., 391, 434f. 363 586 596 363 545 325, 330, 362, 547 545 639 545 272, 314, 330, 337, 351 297, 340f. 337 272, 277, 340, 351 337 144, 291f., 303, 324, 337, 341, 365– 368, 382, 418–420, 585, 689 520 353 337, 682, 689 337 353 520 277 325, 337 334, 337 277, 325, 330, 337 300, 330, 341, 361, 520 304 481

361, 539, 586 346 273, 277f., 344, 350f., 457, 639 272, 277, 296, 314 272, 277, 337

4,3–9 4,10 4,11f. 4,13–20 5,26 5,35 5,39 6,4 6,15 8,28 8,31 8,34f. 9,7 9,11f. 9,31 10,33f. 10,38f.

10,45

11,9 11,18 12,1–12

12,28–34 13,7–14 14,1 14,3–9 14,10f. 14,18–21

255, 586 540 552 255, 586 334 314 314 363 363 363 272, 277, 300, 315, 334, 351, 353 330, 396, 421 361, 539,586 334, 353 272, 277, 315, 337, 351 272, 277, 315, 334, 337, 351 257, 272, 344, 350f., 396, 459, 478f., 483f., 519– 521, 532, 671–690 272, 277, 291, 310, 338, 350, 365, 367– 369, 372, 391, 434, 442, 481, 497, 520, 620f., 672, 680, 685 536 314 273, 277f., 300, 303f., 344, 346, 356, 361, 363, 406, 412, 457, 520, 531– 558, 586, 594 553 353 277, 314 272, 277f., 297, 341, 350 337 272, 277, 337, 340, 350

Stellenregister 14,22–24

14,27 14,31 14,32–42

14,44 14,58 14,64 14,65 15,1 15,10 15,6–15 15,13–15 15,20–32 15,37–39 15,43f. 16,6 Lukas 1,1–4 7,12 7,16 7,39 9,22f. 9,44 11,29f. 11,46–51 12,35 12,49f. 13,1f. 13,20f. 13,31–34

144, 257, 277, 291, 310, 324, 341, 351, 367f., 411, 418– 420, 484, 585, 671– 690 277f., 303, 344, 351, 457, 459, 520 353, 687 272f., 277, 300, 302, 337, 351, 478, 484, 671–690 337 280, 344, 351, 411f., 458, 520 277 363 337 337 552 277, 330, 337 330 277, 290, 315, 341, 639 314, 553 330

286 314 363 363 315, 330, 334, 353f., 421f. 315, 337, 354 481 325 616 272, 277, 344, 520f., 689 325, 334 544, 587 272, 314, 351, 355, 358, 361, 547

14,27 15,4–7 17,25 17,33 18,1–8 18,31–33 20,9–19 20,20 20,36 22,1–6 22,15–20

22,21f. 22,24–27 22,37 22,42–44 22,48 23,13–25 23,21–23 23,24 23,33f. 23,46 24,7 24,19f. 24,21 24,25–27

24,44–47

Johannes 1,4–9 1,5 1,7f. 1,13 1,29

731 330 544, 539 334, 354 438 545f. 334, 337, 354, 357 361f., 521, 586, 595f. 337 314 314, 337 144, 303, 310, 324, 334, 339, 341f., 367f., 418–420, 521, 585 272, 337, 351 368f. 272, 290f., 340, 351, 354, 357f. 325, 521, 689 337 330, 337 277 348 330, 348 315, 341, 347–349 330, 337, 354 330, 337, 363 391 273, 291, 300, 334f., 341, 354, 357f. 273, 291, 334f., 354, 357f., 382

352 255 255 325f. 144, 272, 279, 292, 304, 346, 384,

732

1,36 2,2 2,18–22 3,14–16

4,2 4,19 4,44 5–7 5,3f. 5,18 5,35 6,14 6,35 6,48–51 6,53–56 6,60–71 7,1 7,24f. 7,33–36 7,40 7,53–8,11 8,14 8,20 8,21f. 8,28 8,46 9,17 10–12 10,7–9 10,11–18

Stellenregister 459f., 484, 521, 634f. 272, 279, 292, 346, 459, 484, 521, 634f. 408 272, 278–280, 344, 352, 411f., 458, 521 272, 278f., 292, 297, 308f., 341, 352, 355, 372f., 408f., 414 474 363 363 474 474 278f. 255 363 255, 522 255, 521f. 324 337 278f. 272, 278f. 272, 340, 352 363 474 340, 352 280, 340 272, 278, 340, 352 341 374 363 532 250f., 257, 634f. 250f., 257, 273, 279, 304, 339f., 352, 366, 369f., 408, 459, 481, 484f., 522, 634f., 638f.

11,50–53 12,1–11 12,24f. 12,27 12,28 12,32–34 12,35f. 13,1–3 13,11 13,21 13,33 13,36–38 14,1–7

14,18f. 14,28–31 15–17 15,13 15,22 16,5–11 16,16–22 16,28 17,11–13 17,19 18,1–5 18,11 18,14 18,28–40 19,6–16 19,17–37

19,41 20,9 21

272, 279f., 352f., 366, 370 272, 297, 337, 341, 352 278, 316, 341, 344, 414, 458, 481, 522 676 570 280, 341, 352, 355 352, 457 280, 337 337 337 272, 340, 352 340, 370 272, 340, 352, 412f., 457, 481, 522, 586 272, 340, 352, 414 272, 340, 352, 415 474 273, 279, 339f., 370, 372f., 408 374 272, 352, 374, 414 113, 272, 352, 414, 474 272, 340, 352 273, 340, 352 370 337 272, 344, 459, 522, 676 316, 370 272, 337, 384 277, 281, 296, 330, 337, 356 281, 300, 317, 325, 327, 330, 337, 341, 358f., 384 330 355 474

733

Stellenregister 21,20 Apostelgeschichte 1,1 1,2 1,19 2,19f. 2,23f. 2,25–28 2,36 2,38 3,13–18

4,8–12 5,28–31

6,15 7,54–60 8,32–35 9,16 10,39f. 10,43 13,20 13,28–30 13,38 15,20 15,26 15,29 16,10 17,3 18,6 18,26 20,5 20,26 20,28

337

286 334f. 325 325 273, 282, 301, 316, 412, 458 273, 282, 285, 342 273, 282, 316, 412 382 273, 282, 285, 316, 334f., 337, 358, 412, 464, 485, 521 273, 282, 300, 316, 346, 412, 521, 554 273, 282, 300, 314, 316, 325, 333, 382, 412, 464, 521, 594 347 347–349, 404 273, 290, 294, 347, 358 334, 354 273, 282, 316, 333, 412 382 358 273, 282, 316, 333, 341, 412 382 325 291 325 286 273, 282, 334f., 354 325 283 286 325 269, 273, 282, 325, 393, 438

21,1 21,25 22,20 25,19 26,18 26,21 26,22f. 27,1 28,5 Römer 1,1 1,8 3,20 3,23–25

4,25 5–7 5,6–11

5,12–21 6,1–11

7,1 7,4–6

7,7f. 7,11 8,3 8,10f.

286 325 325 282, 316 382 314 273, 282, 334f., 358, 412 286 334

284 582 397 289f., 302, 311, 326, 382f., 388, 390f., 439f., 443f., 558f., 610, 630, 657–666, 667, 694 292, 309, 337–339, 380–382, 667 318 309, 317f., 326, 371, 383, 387, 409, 413, 658f., 663, 667 381, 510f., 513 311, 341, 383, 393f., 396–398, 400, 423–426, 430, 479, 491, 501–518, 560–562, 667, 690f. 505 318, 334, 342, 383, 393f., 396–398, 425, 517f., 667, 690f. 397 317 374, 376–378 383

734 8,17

8,23 8,29 8,31–35

9,32f. 11,3 11,12 12,1 14,9 14,15 15,26 16,17–27 1. Korinther 1,5–7 1,13 1,17f. 1,23 1,30 2,2 2,8 3,9 3,16f. 4,15 5,2 5,6–8

5,14 6,19f.

7,11 7,22

Stellenregister 335, 397, 411, 413, 425f., 430, 518, 667, 690f. 659 464 308f., 318, 337, 339, 342, 363, 371, 409, 411, 667 284, 594–596 317 284 3, 405, 558f. 309, 318, 667 274, 309, 317, 371, 381, 667 580 471

335 309, 331, 371, 667 331, 667 331, 667 659 331, 667 331, 667 255, 555f. 405, 604 284 257 298, 345, 415, 442– 444, 456, 523, 587f., 667, 701 309 257, 345, 392f., 405, 413, 415, 436f., 456, 460, 462, 485, 523, 604, 667 387 284

7,23

8,11 9,5 9,19 10,1f. 10,16f.

11,23–29

12,26 12,27 15,3

15,9 15,50 2. Korinther 1,5–7 1,8 2,14–7,4 2,14–16 3,6 4–5 4,10–12 4,15 5,14f. 5,18–20 5,21 7,1 8,1–5 9–10

345, 392f., 413, 415, 436f., 485, 523, 667 274, 317, 365, 371, 381, 667f. 284 284 506f. 310, 326, 342, 411, 418, 420f., 486, 585, 668 144, 285, 297, 303, 310, 318, 321, 326, 337, 339, 341f., 367f., 371, 411, 418–420, 486, 585, 668 335 257 285f., 308f., 317, 359, 376, 378–381, 383 284 326

274, 335, 397f., 414 507 470 500 317 318, 473 318, 338, 397f., 414, 463 413 317, 371, 373, 397f., 411, 413, 463 387f., 414 342, 371, 383f., 414, 463 404f. 338f. 470

Stellenregister 13,4 Galater 1,4 1,16 2,19–21

3,1 3,4 3,12–14

3,19 3,27 4,3–5 5,11 5,22 5,24 6,12–14

Epheser 1,3–14 1,7

2,1–6

2,11–13 2,14–17

2,19–22 3,1

274, 332, 398, 414

274, 308f., 338f., 378, 380f., 383, 413 326 308f., 318, 321, 331, 338f., 371, 398f., 411, 413, 425f., 481, 486, 491, 497, 514, 559– 561, 669f. 331, 561, 670 335 284f., 333, 359, 371, 393, 414f., 436f., 462f., 485f., 561, 666, 669f. 284 506f. 436f., 486 331, 413, 561 546 331, 399, 426–428, 559–561, 669f. 331, 399, 426f., 486, 560f., 669f.

312 274f., 326, 382, 386, 390–392, 400, 439f., 524, 610, 614, 670f. 318f., 399f., 410, 414, 423, 430, 487, 561f., 670f. 326, 400, 413, 561f. 332, 388, 413, 427– 430, 499, 610f., 632f., 635, 670f. 554, 595, 604f. 326

4,8–10 4,17 4,32 5,1f.

5,23 5,25–28

6,12 6,14 Philipper 1,29 2,5–11 3,1 3,10 3,18 4,18 Kolosser 1,9–14

1,15–20

1,22 1,24 2,12–14

735 301f., 341, 359, 414, 458, 671 326, 495 495f. 298, 301, 308f., 338f., 371f., 401f., 410f., 442, 476, 481, 495–501, 524, 671, 690 465 275, 308f., 338f., 370, 371–373, 401f., 405, 410f., 451–453, 455, 465, 496f, 501, 524 327 616

335 311, 318, 332, 363, 414 470 318, 335, 399, 423f., 430 331 500

275, 312, 319, 342, 386, 390–392, 439f., 523f., 668 275, 311f., 318f., 326, 332, 363, 382, 388, 412f., 464, 523, 668 275, 318f., 342, 388, 405, 668 334 275, 309, 318f., 332, 341, 384, 394, 399, 414, 423, 425f., 427–429,

736

2,13–15 2,20

3,1–3

3,5 3,13 3,17 4,13 1. Thessalonicher 2,14f. 4,14 5,9f. 1. Timotheus 2,5f.

6,14 2. Timotheus 1,9f. 1,12 2,11–13 3,11

Stellenregister 480, 491f., 506, 561f., 632f., 635, 668 312 275, 318f., 394, 399, 413, 425, 487, 491, 635, 668 275, 318f., 399, 414, 425f., 487, 491, 635f., 668 635f. 496 582 271

Hebräer 1,3

317, 335, 360f. 309f., 318, 414 309, 317, 371, 413f., 439, 473

3,1 4,14–16

1,6 2,6–8 2,9–18

5,1–4 271, 310f., 338, 369, 372f., 391, 414, 434f., 481, 525 624f.

274, 312, 318f., 413, 465 334 312, 318f., 400, 414, 421,425f., 473 334

5,5–10

5,12 6,4–6 6,19f.

Titus 2,9f. 2,14

Philemon 1,9

325 275, 302, 304, 310, 338, 372, 391, 405, 434-436, 451–453, 456, 481, 524f., 621

284

7,5 7,12 7,16 7,22–24

275, 305, 312, 346, 385, 416, 451, 494, 529, 670 464 301 275f., 285, 288, 311, 318–320, 327f., 336, 342f., 355f., 360, 373, 385, 389, 394, 412f., 415f., 441, 447, 463f., 488, 493f., 530, 568f., 578f., 610f., 645, 649f., 670 488 275f., 336, 343, 401, 415, 463, 488, 641 355, 373–375, 379– 381, 447, 488, 494, 568, 583, 589 301, 311f., 318f., 336, 340, 342, 364, 411–413, 415, 446f., 488, 558, 562, 566–584, 589, 636, 645, 649, 651, 670, 692 355 332, 343, 377, 431f., 478, 670 288, 301, 343, 373, 412f., 416, 447, 450, 463f., 488, 494, 611–614, 639– 644, 650f., 654, 670 645 355 649 495, 636

Stellenregister 7,27

8,1–3

8,6 8,12 9,1–10 9,5 9,6f. 9,9 9,11–14

9,15–22

9,23f. 9,25–28

10,1–4 10,5–10

288, 298, 340, 355, 379–381, 415, 446– 448, 488, 493f., 583, 670 340, 345, 355, 364, 446, 448, 488, 494f., 636 411, 489 406 589, 639, 641f., 649, 653 289f., 443, 658, 661f. 289, 377, 488 494 289, 299, 327f., 340, 389, 392, 406f., 439f., 446, 448–455, 477f., 488, 493f., 529f., 562f., 589, 610f., 614, 636f., 642f., 645–647, 653, 656f. 285, 297–299, 303, 318f., 327f., 355, 364, 389f., 392, 411, 431, 439f., 448f., 451, 454f., 458, 489, 495, 529f., 562f., 590, 610f., 636f., 654 373, 406, 494, 529, 562f., 590, 637, 655 289, 294, 297, 318– 320, 327f., 336, 340, 345, 373, 377, 385, 446, 448f., 488, 494, 589f., 636f., 642f., 653f., 657 289, 377, 454, 494 285, 289, 301f., 342, 343, 360, 364,

10,11–18

10,19–25

10,26 10,29 10,32–34 11,4 11,7 11,14–16 11,26–28 11,35 12,2f. 12,9 12,13f. 12,24

12,25f. 12,28 13,10–16 13,11–13

737 374f., 379, 406, 415, 448f., 488, 493f., 497f., 568, 578f. 303, 340, 343, 360, 374f., 379, 385f., 389, 406, 411, 415, 446, 449f., 488f., 493f., 498, 589, 636f., 657 276, 289, 298f., 327f., 400f., 406, 416, 448, 450f., 454f., 463, 480, 494, 529, 579, 611, 613, 636f., 639– 657, 692 343, 374f., 488f., 494 327f., 406, 411, 458 336 494 573 297, 645 328, 343 440 332f., 343, 404, 414, 432, 494 649 649 143, 297, 327f., 411, 431, 458, 478, 489, 494 377 573, 575f., 584 576 289, 299, 327, 336, 342f., 364, 374– 376, 400, 406f., 446, 450, 478, 488, 576f., 589, 692

738 13,15f.

Stellenregister

13,23

3, 494, 558, 562, 566–584, 603, 645, 692 276, 303, 318, 320, 327, 414, 458f., 478 440

Jakobus 1,27

624

13,20

1. Petrus 1,1f.

1,3–12 1,3 1,7 1,10f. 1,13–21 1,13 1,15f. 1,18f.

1,20 1,23–25 2,1f. 2,4–8

2,9f. 2,19f. 2,21–25

143, 274, 297, 327, 405f., 411, 430f., 444, 525f., 615, 671 615 599, 603 526 274, 335, 363 615f., 618 616f. 406, 594 143, 304, 327, 346, 363, 391, 406, 413, 435f., 438f., 444f., 449f., 476f., 525f., 610, 614–632, 671, 693 312, 363, 618 594, 599 476f., 603, 617 284f., 300, 303, 346, 402f., 406, 412, 476f., 526, 554, 590–610, 615, 622, 628f., 671, 691–693 431, 591f., 603– 605, 607 335 293f., 309, 333, 335f., 338, 342, 372f., 383, 401– 403, 413, 421, 426–

3,14 3,17 3,18f.

3,22 4,1 4,13–15 4,17 4,19 5,1 5,9f. 2. Petrus 1,9 2,1 3,14 1. Johannes 1,6 1,7

1,8–10 2,1f.

2,6 2,12 3,4–9 3,16 4,9–11

5,6–8

430, 623, 632f., 635, 671 335 335 309, 312, 318f., 335, 372–374, 377f., 390, 402f., 414f., 618 312, 618 335, 402f. 335, 400, 414 604 335 275, 335 335

269, 274, 346, 415f., 451, 526f. 269, 275, 345, 393, 415f., 436–438, 526 624

445 304f., 327, 378, 384f., 416, 451– 453, 455, 477f., 487f., 492, 525 384, 487f., 492 309, 343, 374, 378, 384, 389, 445, 487, 525 356 384 294, 343, 384f. 308f., 340, 356, 372, 402, 408, 411 309, 343, 356, 374, 378, 389, 402, 408f., 413, 445, 487, 525 275, 327, 343, 415

Stellenregister 5,14–21

473

Judas 12f.

190f.

Apokalypse 1,5–7

1,17f.

2,8 2,10 3,1 3,7f. 5,5f.

5,8–10

5,12f.

6,1 6,8 6,9f. 6,12 6,16 7,9f.

276, 286, 302, 305, 318, 320, 328, 343, 385f., 390, 392f., 409–413, 440f., 464, 492, 530f., 668f. 276, 285, 318, 320, 413f., 464, 563f., 668f. 276, 285, 320, 414, 668f. 334 668f. 464, 564 276, 286, 292, 304, 320, 347, 416, 445, 459, 489, 531, 565, 639 276, 285, 292, 320, 328f., 393, 413f., 437–441, 445, 459, 482, 489, 492, 614f. 276, 285, 292, 320, 414, 416, 445, 459, 489 489 669 292, 329, 445, 564– 566 329 489 489

7,14

7,16f. 8,7f. 9,6 11,1 11,6 11,8 12,11

13,1–4 13,8 13,11 14,1–5

14,10 14,19f. 15,3 16,3–6 16,19 17,2–6 17,14 18,3 18,6 18,24 19,2 19,7–9 19,13–15 21,9–27 21,9 22,1–3 22,14

739 285f., 299, 328, 407, 416, 451, 455f., 459, 477, 482, 489, 633f., 638 489, 638 328f. 669 285f. 329 276, 285f., 333, 401 276, 285f., 328, 401, 404, 414, 459, 489 445, 564–566 286, 320, 347, 416, 445, 459, 489, 565 566 345, 393, 407, 413, 436–438, 464, 482, 489, 492, 614 489, 679 329, 679, 686 489 329 679 329, 679 489 679 683 292, 329, 445, 564– 566 329 489, 634, 638f. 328, 634, 638 489 638f. 489 456

Personenregister Ackermann, Andreas 152–155 Aristoteles 21, 25–39, 50, 52f., 55, 83, 97f., 112, 123, 126, 151, 698 Attridge, Harold W. 567–573, 580f., 612f., 641–651

Collins, Adela Yarbro 542f., 547, 555, 673–680, 684, 687f. Constable, John 174–176 Coulson, Seana 76–78, 208, 221 Czachesz, István 694

Backhaus, Knut 275f., 567–575, 580– 584, 589, 612f., 641–647 Banschbach Eggen, Renate 120f., 132f. Barth, Gerhard 266f., 322, 410 Barth, Markus 498–500 Bax, Ernest Belfort 215–217 Beardsley, Monroe 22f., 56, 69–74, 83, 87f., 90, 103, 128, 142, 202f., 216 Berger, Klaus 269, 272, 276, 460 Berggren, Douglas 69, 126, 131f. Bernstein, Theodore M. 222–224 Bhabha, Homi K. 53–155 Binkley, Timothy 73 Black, Max 21, 51–54, 56, 64–69, 84, 86–88, 90f., 96, 100, 102f., 124f., 128f., 131, 136, 139–143, 145, 202 Blackwall, Anthony 189 Blair, Hugh 166, 168, 171f., 176, 179– 186, 188, 197 Boring, M. Eugene 541–553, 684–687 Boucher, Madeleine 111, 116, 118–121 Bouhours, Dominique 164–167, 174 Broer, Ingo 470–474 Brox, Norbert 590–609, 615–625, 629– 632 Brucker, Ralph 306f., 403 Buck, Gertrude 198–200, 234 Bultmann, Rudolf 474, 618, 658, 673

Davidson, Donald 80f., 85, 100 Davidson, Richard M. 651–655 Dibelius, Martin 673 Dille, Sarah J. 9f. Dormeyer, Detlev 313, 330 Dschulnigg, Peter 540, 545–547, 552– 554, 681–686

Campbell, George 168, 186–188 Charteris-Black, Jonathan 208–211 Cicero 21, 39–45, 50, 54, 82, 98, 471, 698

Eckey, Wilfried 537–543, 547–556 Elliott, John H. 595f. Ernst, Josef 534–555 Fauconnier, Gilles 85 Feldmeier, Reinhard 595, 616f., 620, 624, 674, 676 Fénelon, François de Salignac de la Mothe- 165–167 Finlan, Stephen 5, 11f., 660–666, 702 Frankemölle, Hubert 591–595, 600, 603, 615, 625f. Frey, Jörg 11, 266, 322 Gäbel, Georg 567f., 574, 579, 644–646, 648 Gane, Roy E. 612 Garuti, Paolo 499f. Gibbons, Thomas 189–192 Gibbs, Raymond W. 197f., 210, 213, 218, 220f., 233 Glucksberg, Sam 78f., 85 Gnilka, Joachim 519f., 574f., 680, 684– 686

Personenregister Goatly, Andrew 53, 57–63, 78, 83, 87– 89, 96, 110, 115, 126f., 129–131, 133f., 136f., 143f., 242–257, 417, 482, 484 Goodman, Nelson 139f., 241 Goossens, Louis 238–241 Goppelt, Leonhard 477, 620f., 623, 625f., 630f., 682–684 Grady, Joseph 76–78, 208, 221 Gräßer, Erich 571–577, 580–582, 612f., 640–650 Grundmann, Walter 534–544, 554–556 Ha, Kien Nghi 147, 151–157 Haacker, Klaus 501, 503–516 Harris, Murray J. 365f., 369, 374–377, 380f. Harrison, Lawrence 224–226, 228, 230 Hatfield, David 229–232 Heckel, Theo K. 622, 625, 630 Hegermann, Harald 569–573, 578f., 641–646 Heron, Robert [=Pinkerton, John] 196 Hofius, Otfried 640f., 646f., 649 Hofstadter, Douglas 226–228, 231f. Holmes, John 167 Hulster, Izaak J. de 10, 12 Hume, David 196f. Isokrates 24 Jamieson, Alexander 171f., 185f. Jennings, Mark A. 649–657 Jervell, Jacob 347–349 Johnson, Mark 21f., 29, 50, 56, 74–76, 84, 86f., 90f., 107f., 127, 142f., 203– 205, 432, 490f., 697f. Johnson, Samuel 179, 182, 195 Jülicher, Adolf 53, 111, 115–122, 501f., 536f., 541f. Kames, Henry Home 176, 180, 183– 186 Kapitza, Peter K. 148f. Karrer, Martin 295, 656, Kimmel, Michael 205f. Klaiber, Walter 542, 546–550 Kloppenborg, John S. 536–549, 556 Knöppler, Thomas 322f., 328f.

741

Kohl, Katrin 51, 87, 109–115, 135f., 139 Kövesces, Zóltan 206f. Kurz, Gerhard 95, 109–115, 124 Lakoff, George 21f., 74–76, 84, 86f., 107f., 127, 142f., 203–205, 432, 490f., 697f. Lausberg, Heinrich 98, 105, 109–111, 121–123, 125 Lawrence, Jeremy 201, 217 Lawson, John 166, 188f. Légasse, Simon 680–685 Loewenberg, Ina 91–93 Macbeth, John Walker Vilant 171f. Mann, Christopher Stephen 536–538, 543, 550, 552 Marcus, Joel 539–555, 673f., 684–688 Michaels, J. Ramsey 593–607, 615–626 McGlone, Matthew S. 78f., 85 Moffitt, David M. 646f. Mooij, Jan Johann 23, 54–56, 73, 83, 90f., 102, 135f., 236–238 Morgan, Thomas 3 Moser, Daniel 226–228, 231f. Müller, Cornelia 233f. Müller, Ralph 99, 114 Oakley, Todd 76–78, 208, 221 Oldmixon, John 165, 168 Pesch, Rudolf 347f., 535, 673 Pesmen, Dale 219–221 Platon 24f. Pope, Alexander 173f. Pragglejaz Group 94, 698 Priestley, Joseph 3, 192–194 Quintilian 21, 39, 45–50, 52, 54, 82, 98, 102, 104, 109f., 112, 162f., 174f., 192, 698 Reicke, Bo 629 Reimarus, Hermann Samuel 3 Richards, Ivor A. 21, 64f., 84, 87–89, 130, 201f., 216 Ricœur, Paul 69, 91, 118f., 140, 202, 216

742

Personenregister

Riesenfeld, Ernst Harald 365f., 370, 374–377, 380 Schenke, Ludger 534–536, 540f., 552, 555, 681–687 Schlund, Christine 281, 462 Schmithals, Walter 504–507, 513 Schmitz, Otto 625 Schnelle, Udo 272, 470, 474 Schröter, Jens 266f. Schunack, Gerd 567–582, 641–650 Schweizer, Eduard 592, 603f. Searle, John 56, 79–81, 85, 93, 131 Sellin, Gerhard 495f., 501 Semino, Elena 160–162, 251 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of 167f. Shaw, Howard Dana 222f. Smith, Adam 175–181, 183, 195, 223 Smollett, Tobias 178f. Snodgrass, Klyne R. 534–537, 543– 545, 555, 594–596 Spence, Joseph 171–173 Stanford, W. Bedell 20f., 24–27, 34, 38f., 50, 98, 103, 111f., 118, 135f., 162, 200f., 215 Stathi, Katerina 26f., 31 Steen, Gerard 160f., 207f. Stiewe, Martin 266 Stolle, Volker 536, 540, 549f., 553, 555 Strawn, Brent A. 10, 12 Strobel, August 580–583, 641, 647, 651 Strub, Christian 22, 69 Sullivan, Karen 110, 158f., 161f., 204f., 211–213, 218f., 230, 240f.

Szondi, Peter 93 Theißen, Gerd 694 Theobald, Lewis 178 Theobald, Michael 470 Tucker, Susie I. 195–197 Turner, Mark 85 Upton, John 178f. Vahrenhorst, Martin 592–608, 615– 626, 631 van Noppen, Jean-Pierre 65f., 96, 110, 118, 131f., 135, 235, 695 van Unnik, Willem C. 622–631 Vielhauer, Philipp 305–312, 590, 600– 605, 659 Vogt, Thea 674, 681, 685 Vouga, François 266 Ward, John 189 Warren, Beatrice 105–108 Weder, Hans 6, 111, 119–121 Weinrich, Harald 6, 22, 69, 87 Wengst, Klaus 309–312, 395, 504 Wilckens, Ulrich 501–514 Wolter, Michael 322, 348, 503–518, 560, 658–664 Wood, James 217f., 234 Young, Norman H. 612, 639, 645–648, 654–656 Zimmermann, Ruben 5, 10f., 17, 116, 258, 634, 702

Sachregister Abendmahlsworte 144, 368, 418–421, 585, 671–690 Ähnlichkeit 18, 28f., 42, 54–63, 78f., 99–103, 106f., 131f., 142 Allegorie 42, 49, 109–112, 116–122, 247f., 531–558, 584–590, 691–693 Allerheiligstes 288–290, 527, 612, 641f., 651–657 Analogie 26–29, 35f., 57–60, 112–114, 247f., 451f. Auferstehung 267, 354–359, 395–399, 414, 464, 515–518, 530f., 556, 668, 670f., 693 Auferstehungsformel 308f., 504 Besprengung 143, 297, 405f., 430f., 444, 525f., 671 Bildspender 87 Bildempfänger 87 Blendaphor, siehe Metaphernkombination Bundesschluss 297f., 327f., 406, 430f., 449–459, 528f., 637, 651–655, 701 Dahingabeformel 308–311, 318, 342, 371, 497 Erstgeborener 305, 363, 385, 464f., 523, 530f., 668 Erzählinstanz 272, 277–286 Fabel 115f. Focus 65, 88 Frame 65, 88 Gattung/Genre 26f., 35, 59–63, 143f. 269–277 Gerechter, leidender 337, 551, 554, 572 Gleichnis 115–121, 531–558

Ground 58f., 87–89, 130–132 Hirte 278f., 304f., 352, 369f., 459f., 484f., 635, 638f. Hohepriester 288–290, 305, 355f., 447f., 488f., 527, 567–576, 582–584, 589f., 610–612, 636, 641–643, 650– 657, 692f. Hybridität 150–159, 699, siehe auch Metapher, als Hybridität Hybrid metaphors 158 Ich-bin-Wort 250, 279, 457–459, 484f., 587, 634f. Intertextualität 286–312 Jom Kippur 287–290, 378f., 388f., 443f., 447–450, 454f., 527–530, 589f., 611–614, 637, 639–657, 661– 664 Kapporet 289f., 388, 443f., 559, 657– 666 Katachrese 27f., 40f., 49, 96, 124f. Kelch 344, 396, 478f., 483f., 519–522, 671–690, 692f., siehe auch Abendmahlsworte Kontrastschema 313, 382, 412f., 467, 554 Lamm – siehe auch Passa – als Opfertier 623f., 626f. – Gottes 279, 292, 346f., 351f., 384, 459f., 484, 521f., 634f. – wie geschlachtet 276, 292, 299, 320, 328f., 347, 393, 414, 438, 445, 489, 531, 564–566, 614, 638f.

744

Sachregister

Leidensankündigung 272, 300, 314f., 330, 337, 353f., 350f., 357f. Malaphor, siehe Metaphernkombination Metapher – siehe auch Focus, Frame, Ground, Tenor, Topic, T-Term, Vehicle, VTerm – als Hybridität 232–235, 258–260, 697–699 – Definition 141–145 – explizite 93, 132f., 247 – Funktionen 134–138, 259 – Identifizierbarkeit 89–97, 258, 260 – implizite 93, 132f., 247 – Klassifikation 126–133 – lebendige, siehe Metapher, Konventionalisierung – Konventionalisierung 124f., 127– 130 – Markierung 62, 133f., 477, 598–603 – Realitätsbezug 138–141 – schlafende, siehe Metapher, Konventionalisierung – Signalisierung, siehe Metapher, Markierung – tote, siehe Metapher, Konventionalisierung) Metaphernkombination – Blendaphor 221f. – Diversifikation 245f., 254f., 518– 558 – Erweiterte Metapher 247f., 254f., 584–609, siehe auch Allegorie – Inkonsistenz 160f., 200, 250f., 256f., 427–429, 609f., 632–666, 693f., 700 – Kombination (Begriff) 157–159 – Malaphor 224–232 – Metaphtonomy 238–241, 477–480 – Metarison 236–238, 242, 476f. – Mischung (Begriff) 147–149 – Mixaphor 222–224, 230, 232 – Mixed metaphor 158–162, 164–221, 226f., 231f., 248–251, 261, siehe auch Metaphernkombination, Vermischung – Modifikation 243–245, 250, 254f., 490–518

– Multivalenz 246, 254f., 558–584, 692, 702 – Topic-Vehicle-Übertragung 251f., 256f., 558f., 666–690 – Vehicle-Topic-Übertragung 248, 252f., 256f., 666f., 669–690 – Vermischung 162f., 248–250, 256f., 609–632, 657–666, siehe auch Metaphernkombination, mixed metaphor – Wiederholung 242f., 254f., 483– 489, 501–518 Metapherntheorie – 2(GR)AMS-Ansatz 44, 57–63, 83 – Ähnlichkeitstheorie 55, 83 – antike 23–50, 162f. – Blending Theory 76–78, 85, 208f. – Class-Inclusion-Theorie 36, 78f., 85, 101f. – Conceptual Theory 22, 74–79, 84, 95f., 106–108, 125, 127f., 138, 143, 203–207, 432, 441 – Ellipsistheorie 54, 82, 106 – Interaktionstheorie 21, 64–69, 84, 142f. – Pragmatische Sprechakttheorie 71, 79–81, 85, 91–93, 144 – Substitutionstheorie 29, 38, 48, 50– 53, 78, 82, 106, 117, 214 – Verbal-opposition-Theorie 22, 38, 69–74, 84, 123, 142f. – Vergleichstheorie 33, 38, 41, 47, 50, 54–57, 63, 65, 68, 78, 83, 102, 236f. Metaphtonomy, siehe Metaphernkombination Metarison, siehe Metaphernkombination Metonymie 27, 35, 104–108, 145, 238– 241, 313, 321f., 477–480, 484, 507, 585, 688 Mixaphor, siehe Metaphernkombination Mixed Metaphor, siehe Metaphernkombination Nachfolge 293f., 330–332, 347–349, 396, 421f., 483f., 505, 680–687 Oxymoron 19, 71f., 122f., 126 Parabel, siehe Gleichnis

Sachregister Passa 143, 281, 298, 345, 442–445, 460–462, 523, 587f., 617, 623–626, 685f., 701 Personifikation 41, 48, 105, 123f., 126, 669 Rätsel 32f., 42, 111f., 121f., 137, 540f. Rechtsprechung 388, 443f., 517, 664f. Spannung 19f. Stein 300, 344, 346, 356f., 402f., 406, 412, 521, 526, 531–558, 590–610, 691 Stellvertretung 7, 266, 365f., 466f., 509f., 675–683 Sterbeformel 308–311, 371, 398 Stunde 278, 280f., 340, 674f., 680, 688f. Sühne 7, 266, 322f., 379, 388f., 443f., 467, 662f., siehe auch Tod Jesu, Deutungen, Versöhnung Symbol 113–115, 203, 292, 320, 445, 482, 638f. Synekdoche 27, 42, 104–108, 244f., 321f., 664 Taufe 344, 361, 396, 424–426, 479, 483f., 501–521, 561, 626f. Tenor 64f., 87–89 Tod Jesu Deutungen – Befreiung 385f., 390–394, 413, 416f., 467, 610f. – įİ૙ 334, 353–357, 362 – Für Personen 279, 308–311, 365– 374, 377, 408, 465f., 680, 701 – Für Sünden 292–294, 374–386, 445, 451f., 487 – Heiligung 404–407, 411, 448–450, 453f., 456f., 467, 563 – Liebe Gottes 267, 378, 402, 408– 411, 488 – Mitvollzug 267, 318, 341, 395–401, 410, 465, siehe auch Tod Jesu, Metaphern vom, Mitvollzugsmetaphern – Prophetenschicksal 317, 360–363, 467, 554, 557, 693 – Prophezeiung 272, 290f., 316f., 350–353, 370

745

– Schrifterfüllung 281f., 292f., 353f., 356–360, 380, 412 – Versöhnung 332, 342, 386–390, 392, 611 – Vorbildhaftigkeit 267, 293f., 372f., 396f., 401–405 Metaphern vom – Loskauf 302, 310f., 345, 390–394, 433–441, 485f., 492, 515f., 523–527, 530f., 610f., 618–632, 658–666, 669f. – Mitvollzugsmetapher 421–427, 465, 479, 491f., 501–518, 559–561, siehe auch Tod Jesu, Deutungen, Mitvollzug – Opfer 442–450, 454, 493–501, 527– 529, 558f., 566–584, 589f., 623–626, 630–632, 701 – Reinigung 384f., 404–407, 434f., 448f., 451–456, 467f., 494, 524f., 529, 563, 611, 633f., Rede vom – Blut 297f., 321–329, 332, 341–343, 443–445, 448–450, 454–456, 477f., 492, 610, 622–625, 630f., 633f., 642–665, siehe auch Abendmahslworte – direkt/indirekt 312–321, 340–349 – Hingabe 336–340, 365f., 481 – Kreuz/kreuzigen 313, 316, 329–333, 343, 396–399, 427–429, 477f., 559– 562 – Leiden 293f., 333–336, 353f., 357f., 377, 397f., 400–404, 415, 466, 477, siehe auch Leidensankündigung Topic 58, 64, 87–89, 259 Tötungsbeschluss 272, 278f., 314, 317, 351 Traditionen, frühchristliche 305–312, 367, 379f., 466, 504–507, 569f., 596, 618, 621, 658–660 Tropus 46f., 98, 167, 189f. T-Term 58, 87–89, 259 Vehicle 58, 64f., 87–89, 259 V-Term 58, 87–89, 259 Vergleich 33f., 47f., 99–104, 145, 236– 238, 402f., 476f., 496, 697, siehe

746 auch Metapherntheorie, Vergleichstherorie Versöhnungstag, siehe Jom Kippur Vorhang 277, 281f., 288–290, 455, 480, 611–614, 639–657, 685

Sachregister Weihe 322f., 431, 444, 652f. Weihegeschenk 662–665 Weizenkorn 278f., 316f., 414, 458, 522, 532 Widerspruch 18–20