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German Pages 217 Year 1996
BOGENSBERGER I ZAPOTOCZKY (Hrsg.)
Menschengerechte Arbeitswelt
Sozialpolitische Schriften Heft 69
Menschengerechte Arbeitswelt Empirische Ergebnisse und Reflexionen
lIerausgegeben von
Hugo Bogensberger Klaus Zapotoczky
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Menschengerechte Arbeitswelt : empirische Ergebnisse und Reflexionen / hrsg. von Hugo Bogensberger; Klaus Zapotoczky. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Sozialpolitische Schriften ; H. 69) ISBN 3-428-08551-5 NE: Bogensberger, Hugo [Hrsg.]; GT
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0584-5998 ISBN 3-428-08551-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @)
Vorwort Ausgangspunkt für die vorliegende Publikation war eine empirische Studie des Instituts für kirchliche Sozialforschung (IKS) zu diesem Thema, und zwar eine Repräsentativbefragung der österreichischen Bevölkerung in bezug auf Einstellungen und Verhaltensweisen in einer im Wandel begriffenen Arbeitswelt. Diese Untersuchung wurde in den Jahren 1989 und 1990 geplant bzw. durchgeführt und diente der Vorbereitung des Sozialhirtenbriefes der Österreichischen Bischöfe. Ziel dieser Untersuchung war es, aus der Sicht der Betroffenen besonders dringliche Probleme der Arbeitswelt heute zu beschreiben, um Grundlagen für eine optimale Lösung dieser Probleme zu schaffen. In diesem Zusammenhang sollte auch die Bereitschaft zu ethisch begründeten Korrektiven in der Arbeits- und Wirtschaftswelt erkundet werden, indem Solidaritätsmaßnahmen als Lösungsstrategien zur Diskussion gestellt wurden. Das wissenschaftliche Neuland, das mit dieser Untersuchung betreten wurde, liegt vor allem im Bereich der ethisch motivierten Bereitschaft zu Veränderungen im Arbeits- und Wirtschaftsprozeß. Die Themenbereiche dieser Erhebung waren Lebensstil und Wirtschaftsziel, Probleme der Arbeitswelt, sozioökonomische Aspekte gesellschaftlicher Arbeitsorganisation und die wechselseitigen Beziehungen zwischen Kirche und Arbeitswelt. Wie sich als Untersuchungsergebnis herausstellte, ist Arbeit für die ÖSterreicher nach der Familie der zweitwichtigste Lebensbereich, noch vor Freizeit bzw. Freundschaftsbeziehungen und Politik: Nahezu vier von fünf Österreichem sind überzeugt, daß ihr Leben ohne Arbeit sinnlos ist. Da der IKSForschungsbericht (Nr. 159) über die Ergebnisse der Untersuchung nur eine erste beschreibende Darstellung der Einstellungs- und Verhaltensprofile der österreichischen Bevölkerung bzw. von Subgruppen beinhaltete (aufgegliedert nach sozialstatistischen Merkmalen und Kirchlichkeitsindikatoren), war es in Anbetracht der eminenten Rolle der Arbeit im Leben der ÖSterreicher naheliegend, die Untersuchungsergebnisse in Verbindung mit theoretischen Ansätzen im Vergleich mit anderen Untersuchungsergebnissen weiter zu reflektieren und zu analysieren. Die Ergebnisse dieser weiteren Bearbeitung liegen nun in diesem Band vor. Der erste Teil beginnt mit Überlegungen zu einer menschengerechten Arbeitswelt als permanentes Projekt und einer knappen Referierung der
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Vorwort
Ergebnisse aus dem oben zitierten Forschungsbericht (Klaus Zapotoczky). Es folgt die Behandlung der Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Martina Beham). Weiters werden Probleme von Behinderten und Arbeitslosen (Alfred Grausgruber), die Beziehungen von Kirche und Arbeitswelt (Heinz Holley) und Fragen eines Grundeinkommens ohne Arbeit (Klaus Zapotoczky) aufgrund der Forschungsergebnisse behandelt. Der zweite Teil umfaßt "Rahmenthemata" wie Beiträge zu einer Theologie der Arbeit (Ferdinand Reisinger), zur Frage der Funktion von Fest- und Feiertagen in der modernen Gesellschaft (Irmgard Herrmann-Stojanov), zur Bedeutung von empirischer Sozialforschung für pastorales Wirken von Bischöfen (Alois Riedlsperger), zur Frage der Anwendung von Erkenntnissen aus Gesellschaftsanalyse (Thomas M. Gannon), zur Lösung der Problematik, die sich aus dem Spannungsfeld zwischen Sachzwängen und persönlicher Verwirklichung für Arbeit ergibt (Johannes P. Schasching); ferner zur Mitarbeiterbeteiligung (Günther Ofner) und zu sozial- bzw. gesellschaftspolitischen Schlußfolgerungen (Hans Reithofer). Die Herausgeber danken den Autoren für ihre Beiträge und hoffen, mit dieser Publikation weitere Impulse für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeitswelt zu geben. Dank gebührt auch dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Österreichischen Bischofskonferenz, welche dieses Projekt ermöglicht bzw. unterstützt haben, dem Verlag Duncker & Humblot für die Bereitschaft, das Werk zu drucken sowie Frau Brandstetter und Frau Mag. Ortmair für die Erstellung und Gestaltung des Manuskripts. WienlLinz, Juli 1995
Hugo Bogensberger Klaus Zapotoczky
Inhaltsverzeichnis L Empirische Befunde
Klaus Zapotoczky Menschengerechte Arbeitswelt. Herausfordenmg eines permanenten Projektes .... 11
Martina Beham Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Herausfordenmgen für eine menschengerechte Arbeitswelt ................................. 43
Alfred Grausgrober Behinderte und Arbeitslose in einer menschengerechten Arbeitswelt: Ausgrenzung oder Integration? ............................................................................ 57
Heinz Holley Kirche und Arbeitswelt. Erwartungen an die Kirche und vermutete Kompetenzen bei der Gestaltung einer menschengerechten Arbeitswelt ............................... 93
Klaus Zapotoczky Grundversorgung ohne ElWerbsarbeit ................................................................ 119
n. Reflexionen Ferdinand Reisinger Eingangsschritte zu einer Theologie und Spiritualität der Arbeit ........................ 129
Irmgard Herrmann-Stojanov Wenn ein Tag wie alle ist... Zeitsoziologische Anmerkungen zur Bedeutung von Fest- und Feiertagen in der modemen Gesellschaft - am Beispiel des Sonntags ............................................................................................................ 141
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Alois Riedlsperger Die empirische Untersuchung ,,Menschengerechte Arbeitswelt" im Zusammenhang mit dem Sozialhirtenbrief-Projekt der Katholischen Bischofskonferenz .... 165 Thomas M. Gannon Gesellschaftsanalyse und Erkenntnisverwertung - zwei Modelle ....................... 175 Johannes P. Schasching Arbeit zwischen Sachzwängen und persönlicher Verwirklichung ...................... 181 Hans Reithofer Arbeitsweltstudie - Sozial- und gesellschaftspolitische Schlußfolgerungen ........ 189 Günther Ofner Mitarbeiterbeteiligung und neue Formen betrieblicher Partnerschaft - Modelle fiir die Zukunft ................................................................................................. 205 Verzeichnis der Mitarbeiter .................................................................................... 215
I. Empirische Befunde
Menschengerechte Arbeitswelt Herausforderung eines permanenten Projektes Von Klaus Zapotoczky I. Einleitung Seit Max Weber wissen wir, daß es einen Zusammenhang zwischen der konkreten Gestaltung des Alltags und der Weltanschauung der Menschen oder spezieller, zwischen der Art der Wirtschaftstätigkeit und der ethischen Haltung gibt (Weber 1965). Neue amerikanische Studien haben an die These von Max Weber angeknüpft und in empirischen Studien die Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen, speziellen Merkmalen der Personen, Gruppenangehörigkeit bzw. Bezugsgruppen, Selbstkonzepten und religiösen Variablen (wie weltanschauliche Normen und Werte, pastorale Einflüsse, religiöses Verhalten und religiöse Überzeugungen) einerseits und der Einschätzung der Arbeit andererseits untersucht (DavidsonlCaddell 1994). Die beiden (bereits verstorbenen) amerikanischen Autoren James C. Davidson und David P. Caddell haben auf viele internationale Studien selektiv Bezug genommen und es scheint wichtig, die theoretischen Ansätze, die vor allem auf die Austauschtheorie und den symbolischen Interaktionismus zurückgehen, weiter zu entwickeln und auch die Bemühungen um empirische Studien in diesem Bereich zu stützen, weil nur so langfristig systematisch geprüft werden kann, welche Zusammenhänge es zwischen den oben genannten Variablen und weiteren Variablen, die z. T. in dieser Publikation auch angesprochen werden, gibt. Dafür ist es notwendig, die Bedeutung von Arbeit fiir die Lebensqualität der Menschen ebenso einzubeziehen, wie auf die Bedeutung von anderen Variablen, die auf das Sich-Wohl-Fühlen in der Arbeit einwirken, aufmerksam zu machen. Nur eine Gesamtsicht ist geeignet, eine menschengerechte Arbeitswelt gestalten zu helfen. ll. Überlegungen zum Menschenbild Für jeden Lebensbereich ist entscheidend, welches Selbstbild und welches Fremdbild die Einzelnen, die bedeutenden gesellschaftlichen Gruppen und die
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Gesamtgesellschaft von den zu dem jeweiligen Interaktionsfeld gehörenden Menschen haben, ob es hier grundsätzliche Ungleichheiten zwischen den "eigenen" und den "fremden" Personen gibt, wodurch diese allenfalls legitimiert werden und was die persönlichen, gruppeneigenen und gesellschaftsspezifischen Konsequenzen daraus sind. Wenn es auch unmöglich und vielleicht auch nicht wünschenswert ist, die Menschen eines begrenzten Gesellschaftsbereiches und noch mehr diejenigen ganzer Gesellschaften oder Regionen tatsächlich gleichzumachen, ist doch die prinzipielle Gleichwertigkeit aller Menschen anzustreben, auch dann, wenn die Verwirklichung dieser Gleichwertigkeit unsere Möglichkeiten in der Regel übersteigt. Es wird uns nie gelingen, zwei Personen wirklich gleich zu behandeln und trotzdem muß es immer unser Bemühen sein, keinen Einzelnen, keine Gruppe und erst recht nicht ganze Völker und Gesellschaften zu diskriminieren. Bei diesem Bemühen kann es hilfreich sein, daß wir uns der Kant'schen Frage "Was ist der Mensch?" zuwenden (Buber 1961) und versuchen, auf die vorgeschlagenen drei Teilschritte einzugehen, die helfen sollen, diese Gesamtfrage reflektiert, moralisch motiviert und weltanschaulich entschieden zu beantworten und so über Zufallsantworten aus dem Diktat der Situation, der Üblichkeiten, der Umwelt und den zeitgebundenen Selbstverständlichkeiten herauszugelangen. Im folgenden wollen wir diesen drei Detailfragen nachgehen: 1. Was kann ich wissen?
Diese Frage nennt Kant die Frage nach der Metaphysik und es stellt für jeden persönlich eine wichtige Frage dar, was wir über den Menschen und über die Menschenbilder wissen können. Die Auffassungen vom Menschen sind sehr unterschiedlich, die verschiedenen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Systeme haben sehr unterschiedliche Sichtweisen entwickelt und praktiziert, die von der Auffassung des Menschen als Ebenbild Gottes, aber auch verschiedener Versuche der Vergangenheit und Gegenwart, den Menschen an die Stelle Gottes zu rücken, sei es als Übermensch, sei es als Gott ebenbürtiges Wesen, sei es als übermächtiger Herrscher (eventuell auch von Gottes Gnaden), der in der Welt (in allen ihren Dimensionen: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur) Gott repräsentiert und daher als absoluter Monarch und eventuell als Diktator über alle und alles entscheidet, bis hin zur Vorstellung vom Menschen, wie sie etwa von Johann v. Tepl im Ackermann von Böhmen (v. Tepl 1951) vertreten wurde, daß der Mensch nicht mehr sei, als ein kleines Häufchen Materie oder, wie Tepl sich deftig ausdrückt, ein Kübel Dreck, der bedeutungslos ist. Immer wieder war in der Geschichte auch eine dichotome Auffassung hinsichtlich der Menschen anzutreffen, die die "eigene Gruppe" (wie immer diese definiert wurde), mit positiven Attributen belegte und die "fremde Gruppe" verteufelte. Ein Sonderfall dieser prinzipiell möglichen Auffassung ist auch bei Sartre zu finden, der "die anderen" als die Hölle bezeichnet hat.
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Angesichts dieses Wissens von den unterschiedlichen Möglichkeiten der Auffassung und des Verständnisses vom Menschen ist es wichtig, die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft, Bildungs- und Erziehungswesen, Gesellschaft, Kultur, Gesundheitssystem und anderen Bereichen dazu zu bringen zu erklären, auf welchem Bild des Menschen sie ihre Tätigkeit aufbauen und zugleich auch darüber zu wachen, wie diese Verantwortlichen die Umsetzung dieses Bildes in der Praxis durchführen. Gerade in diesem Bereich ist eine möglichst große Deckungsgleichheit von Theorie und Praxis dringend erforderlich. 2. Was soll ich tun? Diese Frage nennt Kant die Frage nach der Moral und es ist offensichtlich, daß eine Beantwortung dieser Frage im Sinne eines alle Möglichkeiten Ausschöpfens nicht vertreten werden kann. Wir wissen aus der Geschichte und aus eigener Erfahrung, daß alle Menschen Handlungen setzen können, die für andere Menschen in ungerechtfertigter und nicht vertretbarer Weise Nachteile bringen, und Handlungen unterlassen können, die für andere Menschen lebenswichtig im weitesten Sinn des Wortes sind. Es wird daher notwendig sein, und zwar für jeden Einzelnen, für jede gesellschaftliche Gruppe, für die verschiedenen Gesellschaften, für eine europäische Gemeinschaft und für eine Weltgesellschaft jeweils verantwortungsbewußt sich der Frage zu stellen: "Was soll ich tun?" Die immer wieder gebrauchte Ausflucht von Einzelnen, verschiedenen Gruppen, aber auch von übergeordneten Einheiten, daß es auf sie ohnehin nicht ankäme, kann nicht akzeptiert werden, ebensowenig die Ausflucht, daß noch nicht völlig geklärt sei, was wirklich das Beste sei. Es ist notwendig, nach Abwägung aller jeweils verfügbaren Handlungs- bzw. Unterlassungsvarianten, das jeweils Optimale zu tun und zugleich bereit zu sein, eine entsprechende Revision der eigenen Handlungsweise und Position bei besserem Wissen vorzunehmen. Dabei wird es wichtig sein, die Zusammenhänge, die schwerwiegend sind, und die Entscheidungen, die irreversibel sind, besonders gut und mit anderen gemeinsam zu überlegen und dabei auch auf Gegenpositionen entsprechend zu achten. 3. Was dar/ich hoffen? Diese Frage nennt Kant die Frage nach der Religion und er meint dies in einem umfassenden Sinn: was den Menschen die letzten Bindungen vermittelt, worauf er sich stützt und woraufhin er lebt. Das hat mit formalen Aspekten eines zu einer bestimmten Konfession Zählens und mit einem Set von dogmatisierten Glaubensbestandteilen relativ wenig gemeinsam. Die Hoffnungen und Befürchtungen, Wunschträume und Ängste der Menschen heute sind trotz vieler Meinungsumfragen gerade auch zu diesen Themenbereichen
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relativ wenig ausgelotet, weil viele Umfragen, die für solche Themenstellungen notwendigen Tiefendimensionen (Gurvitch 1967: 157ff) nicht erreichen können und daher sowohl Fragen als insbesondere auch Antworten relativ oberflächlich bleiben (müssen). Besonders in pluralistischen demokratischen Gesellschaften kommt der Selbständigkeit eines Menschen und der damit eng zusammenhängenden Selbstfindung eine zentrale Rolle zu und zugleich braucht dieser selbständige Mensch in der Regel eine Einbettung in gesellschaftliche Gruppen und in die Gesamtgesellschaft, die von allgemein verbindlichen Grundsätzen getragen sein muß. Kolakowski (1973) ist der Ansicht, daß diese notwendigen Gemeinsamkeiten und tragfähigen Grundsätze nur durch die Akzeptanz eines persönlichen Gottes garantiert und verwirklicht werden können und daß eine religionslose und gottlose Welt trotz aller gegenteiligen Bemühungen und Warnungen zum Scheitern verurteilt ist (Hirschberger 1976:526). Die Verantwortung, die Religionen und Kirchen bei einem solchen Grundverständnis für das Funktionieren von Gesellschaften tragen, werden selten diskutiert (Metz 1994) und noch seltener gesellschaftswirksam aktiviert. Die Zukunft jeder Religion in jedem Land, in Europa und in der ganzen Welt gehört verantwortungsbewußten Menschen, die auf der Basis ihrer je unvollkommenen persönlichen, gruppenspezifischen und gesellschaftsgeprägten Geschichte ständig neu die Aufgaben der Selbstformung, Gruppengestaltung und Gesellschaftsbildung angehen und nicht in Hoffnungslosigkeit, Pessimismus und Immobilismus verfallen. Zusammenfassend muß gesagt werden, daß für alle gesellschaftlichen Bereiche, insbesondere aber für die Gestaltung der Arbeitswelt sowohl das theoretische Verständnis von Mensch-Sein und Person-Sein von größter Bedeutung ist, als auch die Fähigkeit, der Wille und die Begeisterung, die für richtig gehaltene Form des Mensch- und Person-Seins ins tägliche Leben persönlich und mit anderen in allen Lebensbereichen umzusetzen. ill. Zum Wandel der Lebensverhältnisse
J. Zur historischen Entwicklung der modernen Lebensverhältnisse
Die Lebensverhältnisse der Menschen haben sich im Lauf der Geschichte immer wieder verändert, aber in den letzten 150 Jahren ist es in den sogenannten Industrieländern zu einer gewaltigen und grundlegenden Veränderung der Lebensverhältnisse der Menschen vor allem dadurch gekommen, daß die Lebenserwartung der Menschen gewaltig zugenommen hat und viel mehr Menschen alt werden als jemals früher (Imhof 1992). Karl Marx hat die historische Entwicklung der Lebensverhältnisse der Menschen als eine Geschichte von Klassenkämpfen interpretiert (Landshut 1968:525) und gemeint, daß eine den jeweiligen Produktivkräften entsprechende Entwicklung der
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Gesellschaft nach einer Veränderung dieser Produktivkräfte von einer neuen Gesellschaftsformation abgelöst werde, wobei aber letztere sich durchaus wieder durch eine Teilung der Gesellschaft in eine (relativ kleine) Herrschaftsklasse und eine die jeweiligen Massen der Bevölkerung umfassende abhängige Klasse aufgliedere. Die jüngste von Marx eingehender beschriebene Gesellschaftsformation ist die typische Klassengesellschaft, geformt von Kapitalisten auf der einen Seite und abhängigen Proletariern auf der anderen Seite. Marx und Engels ignorierten nicht, daß es neben diesen durch die materiellen Verhältnisse und durch die Produktivkräfte gestalteten Lebensbedingungen der Menschen auch eine Beeinflussung des Zusammenlebens durch geistig-spirituelle Kräfte gäbe, haben diesen Bereich der jeweiligen Gesellschaften aber als den Überbau der materiellen Basisbedingungen bezeichnet und ihn dem wirtschaftlichen Bereich untergeordnet, ihm also keine Eigenständigkeit zugebilligt. Max Weber hat durchaus in Anerkennung der großen Bedeutung der ökonomischen Verhältnisse für das Zusammenleben der Menschen, eine Gegenthese entwickelt (Weber 1965), in der er zu zeigen versuchte, daß die religiös-weltanschaulichen Überzeugungen der Menschen ihr gesamtes Verhalten und insbesondere auch das Wirtschaftsverhalten und die Wirtschaftsethik der Menschen nachweislich und deutlich prägen. Historische Studien belegen, daß die Lebensweisen der Menschen in allen Gesellschaften immer auch von außerökonomischen Gegebenheiten und Regelungen nachhaltig geprägt und mitgestaltet wurden und daß durchaus nicht von einer Dominanz der wirtschaftlichen Gegebenheiten allein gesprochen werden kann. 2. Der Übergangsprozeß vom Mittelalter zur Neuzeit
Erst im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, insbesondere nach der Französischen Revolution, begannen sich jene Denkweisen, Lebensgestaltungsprinzipien, Wirtschaftsweisen und Produktivkräfte in Europa zu entwickeln, die in der Folge die Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse in allen sogenannten Industriestaaten grundlegend veränderten und bis heute die Wirtschafts- und Lebensverhältnisse der Menschen in diesen Ländern prägen. Es kann in diesem Zusammenhang nicht näher auf die Faktoren und prägenden Einflüsse hinsichtlich des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit eingegangen werden, aber die entscheidenden Elemente dieser grundlegenden Veränderungen, die sich, vom 15. Jahrhundert ausgehend, immer mehr gestaltend bemerkbar machten und bis heute die moderne Lebens- und Wirtschaftsweise entscheidend mitprägen, dürften zumindest folgende fünf Hauptaspekte gewesen sein (Goetz 1932):
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a) Renaissance und Humanismus als Mitverursacher moderner Lebensweise Im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit hat sich - mitbedingt durch den Exodus vieler Fachleute aus dem Zentrum der damaligen Kultur- und Geisteswelt, nämlich aus Konstantinopel (das lange Zeit von den Türken bedrängt, 1453 erobert wurde) - in den sich entwickelnden wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Zentren Europas eine neue Denk- und Lebensweise entwickelt, die als Wiederaufleben antiken Geistes und Bejahung des Wertes des Menschen bezeichnet wurde, eine Geisteshaltung, in der die zentrale Bedeutung des Einzelmenschen und nicht nur seine Einbindung in religiös-weltanschauliche, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gruppierungen betont wurde. Dieser Eigenwert des Menschen, stark geprägt von der antiken Geisteskultur, hat sich im Laufe der Jahrhunderte weitgehend und nicht nur in den Vereinigten Staaten von dieser antiken bzw. altgriechischen Grundprägung entfernt. Die "Modernisierung", z.B. des österreichischen Schulwesens und die Abkehr von einer klassischen "humanistischen Bildung" können als Beispiele dieser Modernisierung angegeben werden, aber es haben sich darüber hinaus Tendenzen entwickelt, die eine "Rückbindung" des Menschen an ihn Transzendierendes, vor allem an Gott und die Mitmenschen, prinzipiell in Frage stellten, Religion als zweitrangige Privatsache diffamierten und u. a. eine "Gott-ist-tot-These" entwickelten, die die bisherigen Ordnungs- und Orientierungsinstanzen aus dem Leben der Einzelnen, der Gruppen und der Gesellschaften zu beseitigen trachteten. Setzen sich diese Tendenzen fort und werden sie nicht durch eine "übermenschliche" Anstrengung der Menschen, vielleicht im Sinne Nietzsches durch ein Zurückfinden der Menschen zu Transzendenz und ein Wiederfinden von Weltordnung und damit zugleich zu einem Wiedererringen von Fähigkeiten, Grenzen in jede Richtung zu transzendieren, überwunden, dann läuft die moderne Gesellschaft Gefahr, in einen anomischen Zustand zu kommen (Durkheim 1977:410), der eine zukunftsträchtige Entwicklung erschwert, wenn nicht verhindert. Diese hier angedeuteten Überlegungen spielen bisher bei den später behandelten Humanisierungsbemühungen in der Arbeitswelt noch kaum eine Rolle, sodaß vielleicht erst dann die Arbeitswelt menschengerecht gestaltet werden kann, wenn diese hier angedeuteten Dimensionen mit den Humanisierungsbestrebungen in der Arbeitswelt verknüpft werden. Einige Anregungen auch in diese Richtung werden in einigen Beiträgen gegeben und es scheint keinen anderen Weg zu geben, daß der Mensch sich selbst wiederfindet. In manchen Augenblicken fühlen sich Menschen wie neu geboren, bei anderen Gelegenheiten bezeichnen sie sich als ganz zerschlagen, zerknirscht, gebrochen oder zu Boden gedrückt und es ist eine wichtige Grundaufgabe aller Menschen, eine Gesellschaft und eine Welt aufzubauen, in der die Ent-
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faltung der Menschen als Einzelne, Gruppen oder Teilgesellschaften, in politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Einheiten ermöglicht und begünstigt wird. Ein entscheidender Weg dahin ist nach Metz die Erinnerungsfähigkeit der Menschen an das Leid anderer Menschen. Diese Memoria passionis kann die Basis eines pluralismusfähigen Monotheismus darstellen (Metz 1995). Von der Vereinzelung des Menschen, von einem auf sich allein zurückgeworfen sein, unter dem heute viele Menschen leiden, ausgehend, könnte sich eine neue Lebenshaltung der Freude am Leben, an der Natur, an den Mitmenschen und an Gott entwickeln, die allein lebenserhaltend ist und auch lebensprägend wirkt. Diese neue Lebenshaltung wird nicht mehr die klassische Haltung von Renaissance und Humanismus sein können, die den großen Aufstieg Europas rnitgeprägt hat, sondern diese Lebenshaltung wird anders beschaffen sein müssen, aber an dem Aufbau einer solchen Haltung, vielleicht als Kennzeichen eines neuen Europa und eines neuen europäischen Geistes, wird gearbeitet werden müssen. Die Voraussetzungen dafür sind bei vielen jungen Menschen gegeben, die Resignation der Alten und die geringe Belastbarkeit der Jungen dürfen aber nicht dazu führen, daß Resignation und Demotivierung obsiegen, sondern es ist in allen Lebensbereichen, und insbesondere auch in der Arbeitswelt, eine neue Lebenssinndimension zu suchen, aufzuzeigen und zu vermitteln, damit alle oder möglichst viele diese gemeinsame Aufgabe sehen und ihren Beitrag dazu leisten. Denn in Zukunft sind Leben und Überleben keine Einzelangelegenheiten mehr (von einzelnen Menschen, einzelnen Gruppen oder einzelnen Staaten) sondern können Leben und Überleben nur mehr global und für alle Menschen gemeinsam verwirklicht werden. b) Reformation als Wegbereiter einer pluralistischen Gesellschaft Die Übergangsperiode vom Mittelalter zur Neuzeit war auch durch die Tatsache geprägt, daß nicht nur wie bisher schon eine Trennung von Kirchen erfolgt ist, wie durch die Trennung der Ostkirche von der Westkirehe 1054, die auf beiden Seiten zu einer Isolation und damit Verarmung einerseits und zu einer intensiveren Entfaltung der eigenen Besonderheiten andererseits geführt hat, sondern diese Kirchenspaltung ging mitten durch Europa und brachte innerhalb der verschiedenen Gemeinwesen intensive religiös-weltanschauliche, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Trennungen und Spannungen mit sich. Die Versuche des Augsburger Religionsfriedens (1555) durch das Prinzip "cuius regio eius religio" in sich homogene und geschlossene Einheiten zu schaffen, ist in den deutschsprachigen Fürstentümern mit ihrer kleinräumigen Struktur nicht geglückt und hat immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt, so insbesondere zu dem gewaltigen europäischen Krieg von 1618 - 1648. Es kann hier nicht darauf eingegangen werden, was die großen Bemühungen der sog. katholischen Länder, vor allem der Habs2 Bogensberger/Zapotoczky
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burger, im Zuge der Gegenreformation tatsächlich bewirkt haben. Ziel war es, eine einheitliche religiös-weltanschauliche Haltung der Untertanen zu erzielen, aber die Tatsache einer Aufsplitterung im religiösen Denken und einer Differenzierung der Weltanschauungen dürfte für das Entstehen einer pluralistischen Gesellschaft mit ausschlaggebend gewesen sein. Bis heute ist diese Öffnung der Gesellschaft, die Karl Popper bis auf das kritische Denken und die Demokratie in Athen zurückführt (Popper, 1980) für die Menschen schwer verkraftbar und finden sich immer wieder Ansätze zu fundamentalistischen Verengungen und werden auch in Mitteleuropa und nicht nur in den islamischen Ländern unerwünschte gesellschaftliche Entwicklungen als Folgen von Wert-, Traditions- und Religionsverlust angesehen. Hier muß die Frage gestellt werden, was läßt den Menschen leben, was gibt ihm Hoffnung, worauf stützen die Einzelnen, die verschiedenen Gruppen und die Gesellschaften ihr Leben und Zusammenleben, was ist dafür notwendig und wie können diese Grundlagen erhalten, ständig neu geschaffen und verlebendigt werden. In einer pluralistischen Gesellschaft wird es unterschiedliche Ansätze geben, muß ständig über diese Grundlagen reflektiert werden (Schelsky 1965) und dürfen sich die Träger solcher Reflexionen nicht verschweigen bzw. ihr Mitwirken nicht verweigern (Zapotoczky 1979). Philosophie, Musik, Literatur und Bildende Kunst dürfen also nicht als Rahmenprogramme mißverstanden, sondern sollen als Lebenselexier jeder Gesellschaft und auch aller Einzelmenschen verstanden werden, und auch Religion und Weltanschauung sind für jede Gesellschaft und jeden Einzelnen lebenswichtig (Heins 1990). Die heute so notwendige Identitätsfindung von Einzelnen, verschiedenen Gruppen, ganzen Gesellschaften, Großregionen wie Europa oder der gesamten Welt wird ohne eine Selbstfindung von Religionen und Kirchen, Kultur- und Kunstschaffenden, Wissenschaftlern und Kulturträgern, insbesondere aber auch von Kommunikations- und Informationsträgern, nicht gelingen. Dabei darf nicht primitiv gemeint werden "Der Weg ist das Ziel", sondern sollte es das Bemühen aller oder möglichst vieler sein, die lebenserhaltenden, lebengebenden Ziele ausfindig zu machen, mitzuteilen und anzustreben, damit der Geist es sein kann, der lebendig macht, und nicht das Geld oder andere Mittel der Gesellschaften, die kulturellen Ziele ersticken. Freilich dürfen auch die besten Ziele und schon gar nicht die bestgemeinten Ziele mit allen Mitteln angestrebt werden, denn niemals können die Ziele und Zwecke die Mittel heiligen, sondern immer sollte den Menschen bewußt sein, daß bestimmte Mittel unerlaubt sind und nicht praktiziert werden dürfen. Wenn es auch schwer ist, einen richtigen Weg zu finden zwischen Zielen, die uns blind machen, und Zielen, die uns verlocken können, zu jedem Mittel zu greifen, bleibt doch zu hoffen, daß die offene Auseinandersetzung, das Bekenntnis zu bestimmten Zielen und zu gangbaren Wegen zu ihnen und das
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offene Gespräch über diese Zielsetzungen und den Mitteleinsatz, die Menschen dazu bringt, miteinander auf einen richtigen Weg zum Ziel zu finden. Ein besonderes Problem stellt in diesem Zusammenhang die Tatsache dar, daß wir uns heute gewisse Irrtümer nicht mehr leisten können, weil wir sie nicht überleben würden, sodaß die seit Adam Ferguson üblich gewordene wissenschaftliche Vorgangsweise, mit Versuch und Irrtum den optimalen Weg zum Fortschritt zu finden, gewisse neue Einschränkungen erfährt. Dies ist aber für Menschen, die schon bisher der Ansicht waren, daß nicht alles, was möglich ist, auch ethisch vertretbar ist, keine so große Schwierigkeit, wie für von jeder Ethik unberührte Macher. c) Erfindungen und Entdeckungen als Triebfedern neuer Lebensweisen Die Periode des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit war, wie kaum eine Periode früher, eine Periode von vielen Erfindungen, für die beispielhaft vielleicht am besten Leonardo da Vinci stehen kann, und eine Periode von Entdeckungen vor allem fremder Länder und Menschen, für die wieder beispielhaft am besten die Entdeckung Amerikas angeführt werden kann, die 1992 von manchen gefeiert, von vielen aber als Anlaß genommen wurde, Fehlhaltungen der Europäer im Kontakt mit diesen fremden Menschen und Kulturen zu identifizieren und zu reflektieren (Holley/Zapotoczky 1993). Diese Reflexionen sind noch keineswegs abgeschlossen und es sollte weiterhin genau erhoben und mit möglichster emotionaler Neutralität geprüft werden, was die verschiedenen Kulturkontakte und Kulturbegegnungen den verschiedenen beteiligten Personen, Personengruppen und Gesellschaften tatsächlich gebracht haben. Häufig haben Entdeckungen koloniale Inbesitznahmen, Befreiungsaktionen und Freiheitskämpfe für die Beteiligten sehr unterschiedliche Konsequenzen gehabt (Senghaas 1976), aber kaum jemals wurde in nachvollziehbarer Weise systematisch erhoben, welche Konsequenzen tatsächlich einerseits von den verschiedenen Beteiligten beabsichtigt waren und andererseits in Wirklichkeit eingetreten sind. Häufig haben auch die entsprechenden Maßstäbe gefehlt und ist man auch noch Jahrzehnte nach den jeweiligen Ereignissen für die tatsächlichen Folgen blind geblieben. Die nationalen Geschichtsschreibungen in den Ländern Europas (z.B. Frankreich, Deutschland, Österreich) die gemeinsame Geschichte betreffend, zeigen deutlich, daß erst in jüngster Zeit Ansätze einer transnationalen Geschichtsschreibung existieren und daß ein so wichtiger Wissenschaftszweig wie die Geschichtswissenschaft lange Zeit nicht nach objektiven, international anerkannten Maßstäben vorgegangen ist, sondern daß eine national gefärbte, den beteiligten Wissenschaftlern weitgehend unbewußte, durch lange Traditionen verfestigte, jeweils einseitige Sicht der Zusammenhänge zur herrschenden Sichtweise hochstilisiert wurde. Diese Erfahrungen dürfen uns nicht in
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den Fehler verfallen lassen, die betroffenen Wissenschaften abzuwerten, ihnen quasi die Existenzberechtigung als echte Wissenschaften abzusprechen, sondern sie müssen dazu führen, diese Wissenschaften zu erneuern, ihr Wissenschaftsethos zu stärken und sie neu zu motivieren, damit sich Kultur- und Geisteswissenschaften neu entfalten können und insbesondere Europa und die europäische Wissenschaft nicht kultur- und geistlos wird. Diese Aufgabe ist schwierig, aber die neuen Ansätze sind ermutigend und verheißungsvoll. Eine ähnliche ehrliche Besinnung und Abschätzung der Vor- und Nachteile sollte bei den Erfindungen und deren praktischer Anwendung angelegt werden, weil auch hier typische und systematische Fehlentwicklungen eingetreten sind, die auf verschiedenen Ebenen liegen und bei denen eine einseitige und kurzfristige Beurteilung nach einem durchaus zweifelhaften Wirtschaftlichkeitskalkül die Zusammenhänge verfälschen. Heute wird zunehmend von Technikfolgen und Technikfolgenabschätzung gesprochen, es darf aber hier nicht Teilrationalitäten das Wort geredet werden, sondern es sollte das Bemühen gestärkt werden, die Gesamtzusammenhänge möglichst unvoreingenommen zu betrachten und insbesondere entsprechende Beurteilungsmaßstäbe, die auch den Menschen und die Entfaltung all seiner Fähigkeiten miteinschließen, zu entwickeln. Für eine zukunftsweisende Gestaltung der Lebensbereiche wird es sinnvoll sein, vor einer Darstellung von Technikfolgen und vor einer Technikfolgenabschätzung und vor Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Kosten-Nutzen-Kalkülen Parameter zu entwickeln, die als tragfähige Beurteilungsmaßstäbe menschlichen Handeins und Erfindens bzw. Verwertens von Erfindungen dienen können. Bei der Atomkraft und der Gentechnik bzw. ihren Anwendungen wird gegenwärtig in verschiedenen Ländern zum ersten Mal versucht, handlungsleitende, ethisch vertretbare Prinzipien zu entwickeln, ohne daß in irgendeinem Land diesen Ansätzen schon ein großer Durchbruch gelungen wäre. Jedenfalls scheint in diesen Bereichen klar zu werden, daß das Jahrhunderte alte und für die Menschen oft schmerzliche Lernprinzip "aus Schaden wird man klug" in den Bereichen keinen Sinn mehr haben kann, in denen diejenigen, die klug werden sollten, nach dem Schaden nicht mehr existieren. Damit ist der Mensch in manchen Bereichen menschlichen Handeins in eine völlig neue Dimension eingetreten, die mit Schädigungen früherer Perioden nicht mehr vergleichbar ist und eine neue Haltung zu und einen neuen Umgang mit Erfindungen notwendig macht. d) Entwicklung von Nationalstaaten auf territorialer Grundlage Das Territorialprinzip, wie es im Augsburger Religionsfrieden von 1555 und dem dort verankerten Prinzip "cuius regio, eius religio" deutlich zum Ausdruck kommt und auch vom Konzil von Trient für die Verfassung der Katholischen Pfarrgemeinden formuliert wurde, hat das gesamte Zusammen-
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leben der Menschen vom 16. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundert geprägt und sehr viele leidvolle Entwicklungen und Auseinandersetzungen bis hin zu den großen Weltkriegen zur Folge gehabt. Durch die Gründung von überregionalen Gemeinschaften und einer Weltgemeinschaft ist in Europa und in der Welt ein Ansatz zur Überwindung dieser einseitig nationalen und territorial bestimmten Gemeinschaften gesetzt worden und die Zukunft wird zeigen, ob dieser neue Ansatz gesellschafts- und wirtschaftstragend gestaltet werden kann. Eines ist zumindest in der Theorie schon klar geworden: Kein Einzelstaat (und sei es der mächtigste) und auch keine Einzelregion kann die Weltgestaltung für sich reklamieren, sondern es muß zu einer weltumspannenden internationalen Kommunikation und Kooperation kommen (Deutsch 1968). Welche Aufgaben in diesem Zusammenhang in nächster Zeit zu leisten sein werden, wird dadurch erahnbar, wenn wir uns vor Augen halten, daß dieser territorial verfaßte Staat in den modernen Gesellschaften nicht nur das Ordnungsmonopol besaß, äußere und innere Sicherheit garantierte, die für die modernen Gesellschaften so wichtigen demokratischen Prinzipien entwickelte und in dementsprechende Einrichtungen umsetzte, sondern auch lange Zeit das wirtschaftliche Geschehen weitgehend bestimmte, sodaß man einen wichtigen Teil der Wirtschaftswissenschaften als Nationalökonomie bezeichnete. Auch der Aufbau der sozialen Netze und der sozialen Sicherheit war vom Nationalstaat getragen, der als Sozialstaat oder Wohlfahrtsstaat bezeichnet wurde. Zunehmend müssen wir jedoch entdecken, daß politische, wirtschaftliche und soziale Probleme die Grenzen einzelner Staaten übersteigen und daß Probleme und Bedrohungen der Menschen globalen Charakter haben und dringend nach Instanzen verlangen, die überstaatliche Ordnungen zustande bringen können. Bei diesen notwendig werdenden Veränderungsprozessen wird es sehr darauf ankommen, ob und wie es gelingt, die Qualität der alten (staatlichen) Ordnungen und Strukturprinzipien mit den neuen Anforderungen und Bedürfnissen zu kombinieren, und neue Strukturen zu schaffen, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen freien Entfaltungsmöglichkeiten und gebotenen Bindungen garantieren (Dahrendorf 1979). e) Entwicklung einer neuen (rationalen) Wirtschaftsweise Von bescheidenen Anfangen in manchen europäischen Ländern ausgehend und gefordert durch den Übergang bzw. die Intensivierung der Geldwirtschaft entstand im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit eine neue, rational kalkulierende Wirtschaftsweise, die sich bis heute auf immer mehr Wirtschaftsbereiche und Lebensbereiche ausgedehnt hat und von manchen Bevölkerungsgruppen heute erstmals wieder in Frage gestellt wird. Diese Lebenshaltung läßt sich in Redensarten wie: "Was nützt mir das? Was habe ich davon? Zahlt sich das aus? Was bringt mir das?" festmachen und ist in den meisten europäischen Ländern auch in Lebensbereiche einge-
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drungen, wie etwa in die zwischenmenschlichen Beziehungen, wo solches Kalkül unsinnig ist, weil eine Vorteilsabwägung nach dem Nullsummenspiel in manchen Bereichen, jedenfalls aber im zwischenmenschlichen Bereich, häufig destruktiv ist, da etwa bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen auch für den, der in der Auseinandersetzung obsiegt, die zuvor bestehende (gute) Beziehung zerbrochen sein kann, sodaß von dieser Auseinandersetzung beide Beteiligten einen Nachteil haben und keine der Konfliktparteien, auch der vermeintliche Sieger nicht, tatsächlich einen Vorteil für sich buchen kann. Wahrscheinlich liegt einer der wesentlichen Nachteile dieses kalkulatorischen Vorgehens darin, daß wichtige menschliche und gesellschaftliche Werte bislang (zu Unrecht) nicht ziffernmäßig bemessen wurden, weil etwa die Kalkulation bestimmter Werte schwierig bzw. kaum möglich ist, dadurch aber tatsächlich so gehandelt wurde, als wären diese schwer oder nicht kalkulierbaren Werte gar nicht vorhanden. Jetzt zeigt sich in immer mehr Bereichen, daß diese (einseitige) Vorgangsweise Nachteile mit sich bringt, die - auf Dauer gesehen - gesellschaftsbeeinträchtigend oder gesellschaftszerstörend wirken. Es ist daher notwendig, ein neues Bewußtsein von Kalkulationswahrheit und Kalkulationsgerechtigkeit zu entwickeln und Wirtschaftskalküle um GeseIlschaftskalküle zu erweitern und dadurch grundlegend zu modifizieren, wenn Dauerschädigungen vermieden werden sollen. Auch die dichotome Entwicklung, die in früheren Jahrhunderten in vielen europäischen Ländern prägend war, zwischen Kapitalisten einerseits und Proletariern andererseits oder wenigen Wirtschaftstreibenden auf der einen Seite und vielen Lohnabhängigen auf der anderen Seite, ist einer viel differenzierteren Gestaltung des Wirtschaftsbereiches gewichen und weitere Veränderungen spielen sich zur Zeit ab (Natter et al. 1988). 3. Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels aufdie Arbeitswelt
Diese gewaltigen Veränderungen der Lebensweisen und Lebensverhältnisse der Menschen hat auch zu einer völligen Umgestaltung der Arbeitswelt in den letzten Jahrhunderten geführt und auch heute stehen wir mitten in einer grundlegenden Umgestaltung der Arbeitswelt. Diese Umgestaltung der Arbeitswelt hängt mit dem im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit aufkommenden rationalen Wirtschaftlichkeitskalkül zusammen, das sich zunächst langsam und dann immer schneller auf alle Wirtschaftsbereiche ausgedehnt hat. Die Umgestaltungen in der Arbeitswelt seit 1850 lassen sich am besten, Jean Fourastie folgend, an den Veränderungen in der Art der Erwerbstätigkeit ablesen (Fourastie 1969). Jean Fourastie und andere, die sich mit den Gesamtveränderungen der Industriegesellschaften auseinandergesetzt haben, haben am Beispiel der Veränderungen der Erwerbstätigkeit exakt aufgezeigt, welche Veränderungen bisher eingetreten sind und haben daraus eine
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Extrapolation in die Zukunft abgeleitet und dabei folgende Strukturveränderungen festgestellt bzw. prognostiziert, die für alle europäischen Staaten, abgesehen von gewissen nationalen Besonderheiten, Gültigkeit haben. In dieser Übergangsperiode, die nach Fourastie von ca 1850 bis ca 2050 dauert, ändert sich die Beschäftigungsstruktur nach Wirtschaftssektoren grundlegend und wird auch die Lebensweise der Menschen grundlegend umgestaltet. Vor 1850 existierte nach Fourastie eine agrarische oder primäre Zivilisation, in der der Anteil der im primären Sektor (vor allem in der Landwirtschaft) beschäftigten Bevölkerung mehr als 80 Prozent aller Erwerbstätigen umfaßte, während im sekundären Sektor (vor allem in der Industrie) und im tertiären Sektor (Dienstleistungsbereich) weniger als je 10 Prozent tätig waren. In der Startperiode, die ca. von 1850 bis 1900 dauerte, kamen diese Verteilungen der erwerbstätigen Personen dahingehend in Bewegung, daß die Anteile der im sekundären und tertiären Sektor Tätigen zunahmen und der Anteil der im primären Sektor Beschäftigten kontinuierlich abnahm. In der sogenannten Ausdehnungsphase der Übergangsperiode, die ca. von 1900 bis 2000 dauert, erreichte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg der Anteil der im sekundären Sektor Beschäftigten einen (je nach Ländern unterschiedlichen) Höhepunkt von bis zu ca 50 Prozent aller Beschäftigten und nahm anschließend kontinuierlich ab, während der Anteil der im tertiären Bereich Beschäftigten weiter anstieg und in dieser Ausdehnungsphase zum wichtigsten Beschäftigungssektor wurde, während der primäre Sektor weiterhin kontinuierlich abnahm. In der Endperiode der Übergangsperiode, die nach Fourastie von ca 2000 bis 2050 dauern wird, wird der Anteil der im tertiären Sektor Tätigen kontinuierlich ansteigen und im Jahr 2050 deutlich über 80 Prozent aller Erwerbstätigen umfassen, während die Anteile der im primären und sekundären Sektor Beschäftigten kontinuierlich abnehmen und im Jahr 2050 deutlich unter je 10 Prozent liegen werden. Nach dem Jahr 2050 wird die Übergangsperiode abgeschlossen sein und eine neue Dienstleistungszivilisation bestehen. Grob vereinfacht läßt sich für die drei Perioden von Fourastie folgende Verteilung der Beschäftigten auf die drei Wirtschaftssektoren angeben: Tabelle 1 Ent\\iddung der Übergangsperiode, am Beschäftigungssektor betrachtet Periode
Prozent der BesdJ.äftigten in den Wirtsd!.aftssektoren
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Beginn der Startperiode (ca 1850): über 80 Prozent AusddmlDl~eriode (Ö&erreidJ. 1981): 10 Prozent Ende der Übergan~eriode (ca 2050): lDlter 10 Prozent
lDlter 10 Prozent 43 Prozent lDlter 10 Prozent
lDlter 10 Prozent 47 Prozent über 80 Prozent
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Dabei muß darauf hingewiesen werden, daß sich der tertiäre Bereich intern sehr stark differenziert, sodaß es sinnvoll ist, diesen Bereich je nach spezifischen Tätigkeitsbereichen (z.B. Bildung, Informations- und Kommunikationsbereich) zu differenzieren. Diese Veränderungen der Beschäftigungsstruktur sind für Fourastie aber nur ein Indiz für viel umfangreichere Veränderungen, nämlich einen völligen Wandel der Lebenseinstellungen der Menschen und eine Veränderung ihrer Werthaltungen. Es ändert sich nicht nur die konkrete Berufstätigkeit, sondern die gesamte Lebenseinstellung der Menschen in den Industrieländern wird eine völlig andere. In dieser Übergangsperiode ändern sich also auch die Verhaltensweisen und Einstellungen der Menschen grundlegend und es entwickeln sich neue Lebensstile und Lebensauffassungen (Zapf 1987). Nichts hat mehr bleibende Gültigkeit, nichts mehr ist sicher, auf nichts mehr kann man sich völlig verlassen und diese Verunsicherungen prägen das Leben der Menschen, wozu noch neue Risken der modernen Gesellschaften kommen (Beck 1986). Zugleich gehen diese Veränderungen weder innerhalb der einzelnen Lebensbereiche noch zwischen den verschiedenen Lebensbereichen synchron vor sich, sondern kommt es zu typischen Diskrepanzen, von Ogburn theoretisch in seiner Theorie des "culturallag" dargestellt (Ogburn 1969). Der arbeitende Mensch ist so sehr in diese Veränderungen miteinbezogen und kann in der Regel so wenig Distanz zu seinem unmittelbaren Tun und Arbeiten entwickeln, daß ihm viele Zusammenhänge und Hintergründe dieser Veränderungen kaum zu Bewußtsein kommen. Es ist daher eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe, den arbeitenden Menschen an seinem Arbeitsplatz, aber auch in anderen Lebensbereichen in die Lage zu versetzen, zu seinem täglichen Tun eine kritische Distanz zu entwickeln, damit er seine spezifische Situation im jeweiligen Lebensbereich und insbesondere auch am Arbeitsplatz überdenken kann. Die arbeitenden Menschen sollen die Möglichkeit bekommen, sich als Arbeitsgruppen, als Menschen in gleicher und ähnlicher Arbeitssituation zu verstehen. Solche ähnliche Arbeitssituationen wird es in Zukunft weniger häufig geben, aber gerade deshalb soll auf mögliche Solidarisierungen bei gleichzeitiger Betonung der Subsidiarität großer Wert gelegt werden. Menschen, die im Arbeitsvollzug zusammenwirken sollen, müssen sich auch ihrer spezifischen Arbeitssituation bewußt werden können. Hiezu sind entsprechende Reflexionsmöglichkeiten zu entwickeln und muß noch viel Bewußtseinsbildungsarbeit geleistet werden.
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IV. Zum Stellenwert von "Arbeit" im Leben der Menschen
1. Zum Begriff''Arbeit'' Verbunden mit den oben dargestellten Veränderungsprozessen hat sich auch das, was die Menschen unter "Arbeit" verstanden haben und verstehen, stark gewandelt und muß uns zugleich bewußt sein, daß der Begriff" Arbeit" sehr vielfältig sein kann, heute aber in der Regel eingeschränkt, d.h. im Sinne von bezahlter Erwerbstätigkeit, verstanden wird. Die jeweilige Definition von "Arbeit" prägt meist unbemerkt das Selbstwertgefühl und das Selbstverständnis der arbeitenden Menschen stark mit. Daher ist es wichtig, diese Einschränkung von "Arbeit" auf "bezahlte Erwerbstätigkeit" nicht stillschweigend mitzuvollziehen, sondern zunächst nach den möglichen Grunddimensionen von "Arbeit" zu fragen. Im folgenden soll dies im Anschluß an Max Scheler (1960) geschehen. Scheler meint, daß bei der Betrachtung von Arbeit drei Bereiche unverzichtbar und daher unbedingt zu beachten seien: (1) Der Plan einer "Arbeit": Wir sagen z.B. "Ich nehme mir eine Arbeit vor, ich plane eine' Arbeit" . (2) "Arbeiten" als konkrete Tätigkeit. Wir sprechen z.B. davon folgendermaßen: "Meine tägliche 'Arbeit' besteht darin, daß ich unterrichte" (wenn ich ein Lehrer bin) oder "daß ich mit einem Straßenbahnzug fahre" (wenn ich ein Angestellter der Verkehrsbetriebe bin) oder "daß ich kassiere" (wenn ich Kassierin bin). (3) "Arbeit" als das Produkt einer Tätigkeit: Wir sprechen davon etwa folgendermaßen: "Haben Sie diese 'Arbeit' selbst gemacht?" oder: "Da ist mir eine schöne' Arbeit' gelungen!" Plan, Tätigkeit, Produkt und die Beteiligung der Menschen an diesen Arbeitsaspekten stehen aber nicht immer in einem ausgewogenen Verhältnis. Verschiedene Arbeitswertlehren und ihre praktischen Umsetzungen sind daran gescheitert, daß die Bewertung eines Produktes nicht allein dadurch geschehen kann, wieviel Tätigkeit in das Produkt "investiert" wurde. (Owen 1813). Auch heute stehen der Verkaufswert mancher Produkte und die in das Produkt investierte Arbeit nicht in einem ausgewogenen Verhältnis und es entstehen dadurch viele ökonomische und gesellschaftliche Probleme. Die Aspekte Plan, Tätigkeit und Produkt, die Mühen, die auf die verschiedenen Aspekte aufgewendet werden und die Wertschätzung, die den drei Aspekten gezollt werden, können weit voneinander abweichen. Manchmal gibt es einen guten Plan, der aber in keine konkrete Tätigkeit mündet und daher auch kein Produkt zur Folge hat. Ein anderes Mal gibt es zwar kaum einen Plan, aber vielleicht viel Tätigkeit und auch kein nennenswertes Produkt. Dann spricht man in der Regel von einer Art Beschäftigungstherapie.
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Manchmal gibt es auch Produkte, z.T. auch bemerkenswerte Produkte, die ohne einen (expliziten) Plan entstanden sind. Gelegentlich ist auch niemand ausdrücklich auf das Produkt hin tätig geworden, es hat sich ein solches Produkt eher zufallig ergeben. Trotzdem ist festzuhalten, daß Plan, Tätigkeit und Produkt in der Regel in einem ausgewogenen Verhältnis stehen und daß alle drei Aspekte zusammenstimmen und optimal gestaltet werden sollen. Wenn den Menschen deutlicher bewußt gemacht werden soll, was "Arbeit" für sie bedeuten kann, dann müssen ihnen alle drei Aspekte, Plan, konkrete Tätigkeit und Produkt, nahe gebracht werden und muß auch eine entsprechende Beteiligung und Mitwirkung an allen drei Aspekten ermöglicht werden. Dabei ist wichtig, daß eine solche Mitwirkung und Mitbeteiligung nicht nur abstrakt und indirekt durch entsprechende Vertreter etwa auf überbetrieblicher Ebene geschieht, sondern daß sie auch konkret am Arbeitsplatz und möglichst durch jeden arbeitenden Menschen verwirklicht wird.
2. Recht auf"Arbeit" und Recht aufBeteiligung Was wir jeweils unter "Arbeit" verstehen, ist auch (mit)entscheidend dafür, wie eines der wichtigsten sozialen Grundrechte der Menschen, nämlich das "Recht auf Arbeit" verwirklicht werden kann. Trotz der Tatsache, daß es in den Industrieländern eine erhebliche Sockelarbeitslosigkeit gibt, darf das "Recht auf Arbeit" nicht auf die Arbeitsquantität, d. h. das Vorhandensein von Arbeit für alle Arbeitsfähigen beschränkt werden, sondern es muß auch eine entsprechende Arbeitsqualität gesichert werden. Jedenfalls erscheint dieses Recht auf Arbeit nur dann voll verwirklicht, wenn es sich auf alle drei Bedeutungsfelder von" Arbeit", nämlich Plan, Tätigkeit und Produkt erstreckt. Auch die Sozialenzyklika "Octogesima adveniens" reklamiert dies: "Es darf auf keinen Fall verzögert werden, daß immer mehr Menschen an der Vorbereitung von Entscheidungen, an den Entscheidungen selbst und an deren Ausführung beteiligt werden." (Papst Paul VI. 1971). Zugleich soll darauf hingewiesen werden, daß die Mitwirkung keines Gesellschaftsmitgliedes am Arbeitsprozeß und an anderen gesellschaftlichen Bereichen als unwichtig oder überflüssig bezeichnet werden darf. Ziel soll es sein, möglichst alle Gesellschaftsmitglieder aktiv an möglichst allen Gesellschaftsbereichen zu beteiligen. Insbesondere in den demokratischen Gesellschaften muß die Teilnahme an der Gesellschaft für alle gesichert werden, soll die Demokratiequalität auf Dauer erhalten werden. Es darf zu keiner Ausgliederung von Gesellschaftsmitgliedern kommen, eine "Zwei-Drittel-Gesellschaft" ist in keinem gesellschaftlichen Lebensbereich akzeptabel. Sehr viele Arbeitsplätze stehen mit diesen Anforderungen noch nicht in Einklang und daher wird es vieler innovatorischer Kraft bedürfen, damit für
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die verschiedensten Arbeitsfahigkeiten der Menschen entsprechende Arbeitsmöglichkeiten geboten werden. Dabei müssen wir uns bewußt sein, daß der "Normal-Arbeitsplatz", an dem bestimmte Tätigkeiten zu einer geregelten und immer gleichbleibenden Arbeitszeit ausgeführt werden, immer seltener den Normalfall darstellen und daß es viele unterschiedliche Arbeitsgestaltungsformen geben wird. Es kann niemandem gleichgültig sein, ob und wie die Gesellschaftsmitglieder am Arbeitsprozeß beteiligt werden, weil diese Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung direkt und indirekt auf die Lebensqualität und die Lebenschancen jedes einzelnen Gesellschaftsmitgliedes zurückwirkt. Arbeitsqualität ist somit ein wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil von Lebensqualität und daher müssen wir alles daransetzen, entsprechende Qualität für alle immer wieder zustande zu bringen und dürfen nicht bei einer bloßen Versorgung von arbeitslos Gewordenen stehenbleiben, so wichtig eine solche solidarische Haltung auch ist. 3. Zum Stellenwert von ''Arbeit'' im Leben der Österreicher
Fragen wir uns nun: Welchen Stellenwert hat "Arbeit" im Leben der Erwerbstätigen in ÖSterreich? Am Institut für Soziologie der Universität Linz wurde 1979 und 1987 der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert "Arbeit" im Leben der Österreicher hat. Jeweils wurde eine repräsentative Stichprobe aller unselbständig Erwerbstätigen in Österreich gezogen und für beide Untersuchungszeitpunkte konnte festgestellt werden, daß "Arbeit" nach "Familie" an der zweiten Stelle aller fünf untersuchten Lebensbereiche steht. Zwar ist die relative Bedeutung sowohl von "Familie" wie auch von "Arbeit" von 1979 bis 1987 zugunsten von Freunden und Freizeit zurückgegangen, während Politik relativ unverändert an der letzten Stelle verblieben ist, aber nach wie vor liegt "Familie" deutlich an erster und" Arbeit" deutlich an zweiter Stelle.
Das Arbeitsverständnis kann allerdings bei den Menschen unterschiedlich sein und der große Theoretiker der Arbeitsverhältnisse des 19. Jahrhunderts Karl Marx hat dieses ambivalente Arbeitsverständnis deutlich gemacht (Marx, 1951). Marx hat auf der einen Seite vom "Reich der Notwendigkeit" gesprochen und damit gemeint, daß der Mensch eine ihn unterdrückende Arbeit tun müsse, um überleben zu können und zur Zeit von Marx hat der Arbeitstag tatsächlich 14 bis 16 Stunden gedauert und hat der arbeitende Mensch in dieser Zeit kaum mehr verdient als er zum Leben brauchte. Auf der anderen Seite fordert Marx, daß dieses "Reich der Notwendigkeit" von einem "Reich der Freiheit" abgelöst werde, indem die Menschen freiwillig und freudig das tun und daran arbeiten können, was ihnen liegt, woran sie Freude haben.
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Marx meinte, daß ein erster Schritt zu diesem "Reich der Freiheit" die Verkürzung der Arbeitszeit darstellen würde, was sicher zu seiner Zeit eine unbedingte Notwendigkeit gewesen ist, damit den Menschen wenigstens etwas frei verfügbare Zeit gegeben würde. In den Ländern, die den Marxismus zur Staatsideologie erhoben haben, hat keineswegs eine Entwicklung zu einem "Reich der Freiheit" in der Arbeitswelt eingesetzt, vielmehr haben diese Länder vorwiegend wegen einer menschenfeindlichen Bürokratisierung und Zentralisierung aller vom Staat gelenkten Lebensbereiche nicht bestehen und haben insbesondere im wirtschaftlichen Bereich mit den Errungenschaften einer sozialen Marktwirtschaft nicht Schritt halten können. Trotzdem wird es notwendig sein zu beachten, daß erzwungene Tätigkeiten die Menschen in der Regel nicht zu einer größeren Entfaltung ihrer Möglichkeiten führen, daß also dem "Reich der Notwendigkeit" enge Grenzen gesetzt sind, vor allem dann, wenn die Menschen auch im Arbeitsbereich ihr Leben bewußt und selbstbewußt gestalten wollen. Zugleich aber wird ein "Reich der Freiheit" nicht in der Form eintreten, wie Marx dies angenommen hat. Aber die Chancen eines Handlungssystems, das auf Freiwilligkeit aufbaut, müssen in allen Lebensbereichen gesehen werden und es darf nicht jede Tätigkeit zu einer bezahlten Erwerbstätigkeit werden und zwar nicht nur deswegen, weil sich das keine Gesellschaft leisten kann, sondern auch deshalb, weil nicht alle Tätigkeiten bezahlbar sind oder gekauft werden können und die Austauschbasis bei solchen Tätigkeiten anderer Grundlagen bedarf als im "normalen Wirtschaftsleben". Es wird genau überdacht werden müssen, wie Tätigkeitsmöglichkeiten auf unentgeltlicher Basis als Freiwilligenarbeit in den verschiedenen Bereichen geschaffen und alle oder möglichst viele für ein solches Tätigwerden motiviert werden können. Hilfe leisten als Pflichttätigkeit kann (vorübergehend) organisiert werden, auf Dauer wird es anderer, vor allem intrinsischer Motive bedürfen, die aber nur dann tragfähig sein können, wenn sich die so tätigen Menschen nicht in ungerechtfertigter Weise ausgenützt vorkommen.
v. Zur Humanisierung der Arbeitswelt 1. Zum Wandel der theoretischen Ansätze, die arbeitenden Menschen betreffend Die oben angesprochenen Veränderungen in der Arbeitswelt lassen sich für die jüngste Zeit auch am Wandel der Theorien über den arbeitenden Menschen ablesen. Zu Beginn unseres Jahrhunderts dominierte die Theorie des "Economic man" von Taylor, in der das Bild vom Menschen, das hinter dieser
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Theorie stand, folgendermaßen umschrieben werden kann (Taylor 1977): Der Mensch wird in erster Linie durch ökonomische Anreize motiviert und bevorzugt jene Tätigkeiten, die ihm den größten wirtschaftlichen Gewinn bringen. Weil die ökonomischen Anreize der Kontrolle der Organisation unterliegen, ist der Mensch grundsätzlich manipulierbar und auch durch die Arbeitsorganisation motivierbar. Die menschlichen Gefühle sind vorwiegend irrational und es muß daher Vorsorge getroffen werden, daß die Gefühle die ökonomischen Interessen möglichst wenig beeinflussen. Die Arbeitsorganisationen müssen so aufgebaut sein, daß sie die Gefühle und das unvorhersehbare Verhalten der Menschen neutralisieren oder wenigstens kontrollieren. Der Mensch ist von Natur aus faul und muß daher durch äußere Anreize motiviert werden. Den Hauptanreiz des arbeitenden Menschen stellt die Bezahlung dar. Da manche Versuche, vor allem in den USA, durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen eine Steigerung der Produktivität herbeizuführen, scheiterten, wurde nach Untersuchungen in den Hawthorne Werken der Ansatz der "Human Relations-Bewegung" entwickelt und der arbeitende Mensch stärker auch als "Social man" begriffen (RoethlisbergerlDickson 1966). Die Vertreter dieses Ansatzes waren davon überzeugt, daß man dann eine höhere Produktivität erreichen könne, wenn man den Menschen ein angenehmes Gefühl beim Vollzug ihrer Arbeit vermitteln könne. Als Slogan wurde entwickelt: "Gebt ihnen das Gefühl glücklich zu sein und sie werden mehr arbeiten! " In den 60er Jahren wurde die Theorie des "Self-actualizing man" entwickelt (Schein 1965). Im Mittelpunkt dieses Theorieansatzes steht das Menschenbild eines sich selbst verwirklichenden Menschen. Dieser Ansatz wurde weiter entwickelt zum Theorieansatz des "Complex man", worunter man einen Menschen versteht, der sehr vielfaltig ist und nicht immer die gleichen Fähigkeiten mobilisieren kann bzw. will. Es ist für einen systematisierten Arbeitsvollzug wichtig, daß jeder verläßlich seine Tätigkeiten optimal ausführt. Edgar Schein umschreibt diesen "Complex man" folgendermaßen: -
Der arbeitende Mensch ist nicht nur ein komplexes, sondern auch ein höchst veränderliches und unterschiedliches Wesen. Der Mensch ist falüg, neue Motive durch seine Erlebnisse in der Arbeitsorganisation zu lernen. Da die Motivationsmuster der einzelnen Menschen verschieden sind, differieren die einzelnen Bedürfnisse von Person zu Person und von Arbeitsorganisation zu Arbeitsorganisation. Die jeweilige Aufgabe, die Arbeitsmöglichkeiten und die bisher gemachten Arbeitserfahrungen, aber auch der Einfluß der anderen in der Arbeitsorganisation tätigen Menschen sind Faktoren, die in vielfältiger Weise das individuelle Motivationsniveau bestimmen.
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Zusammenfassend läßt sich sagen, es gibt keine allgemeingültigen Führungsstile, die Menschen reagieren in unterschiedlichen Situationen und auf verschiedene Anforderungen in deutlich unterscheidbarer Weise
Damit wird deutlich, daß je nach der Grundauffassung, die sich die Verantwortlichen eines Betriebes hinsichtlich der in ihrem Bereich tätigen Menschen gemacht haben und machen, auch die konkreten Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitsbereich wesentlich beeinflußt werden.
2. Zur menschengerechten Gestaltung der Arbeitswelt Inwiefern kann in dieser Situation der Veränderungen in der Arbeitswelt für den konkreten arbeitenden Menschen und für den ganzen Arbeitsbereich etwas getan werden, was zu einer menschengerechten Gestaltung der Arbeitswelt beiträgt? Der christliche Sozialwissenschaftier Arthur Utz hat sich mit dieser Frage eingehend beschäftigt und den Terminus von der "Humanisierung der Arbeitswelt" geprägt (BernsdorflKnospe, 1984). Unter diesem Schlagwort einer "Humanisierung der Arbeitswelt" läßt sich aber Vieles und sehr Unterschiedliches verstehen. In unserem Zusammenhang sollen fünf Ansätze von Humanisierung herausgegriffen werden, um zu zeigen, wie sich die verschiedenen politischen und weltanschaulichen Richtungen mit dieser interessanten Thematik auseinandergesetzt haben (Frei et al. 1993). (1) Humanisierung als Strategie gegen Formen von Arbeit, die lebensverkür-
zend wirken und sich negativ auf die körperliche und/oder psychische Befindlichkeit des arbeitenden Menschen auswirken. Die Betriebs- und Arbeitsmedizin hat sich lange Zeit vorwiegend mit Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten beschäftigt und erst in letzter Zeit werden auch in Österreich Pläne entwickelt, die helfen sollen, den Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld (einschließlich der Werkskantine) gesundheitsfordernd zu gestalten und auch eine gesundheitserhaltende Lebensweise zu ermöglichen.
(2) Humanisierung als Strategie gegen eine einseitige rationalisierte und mechanisierte Arbeitsgestaltung, in der die Verhaltens- und Entscheidungsspielräume der Arbeiter gering sind. Diese gegen den Taylorismus gerichteten Ansätze wurden in erster Linie in den Vereinigten Staaten entwickelt und wurden auch bei uns unter den Schlagworten job-enrichment, jobenlargement, job-rotation u. a. bekannt. (3) Humanisierung durch Mitbestimmung: Die Mitbestimmung der unselbständig Erwerbstätigen kann auf verschiedenen Ebenen, vor allem auf überbetrieblicher, betrieblicher und auf der Ebene des Arbeitsplatzes erfolgen. Es ist vielleicht für die österreichischen Verhältnisse nicht untypisch, daß der Mitbestimmung am Arbeitsplatz tatsächlich nur geringe Bedeu-
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tung zukommt. Die Mitbestimmungspolitik des ÖGB ist umso entschiedener und auch erfolgreicher, je zentraler die Bezugsebene ist. (4) Humanisierung durch revolutionäre Aufhebung der Klassengesellschaft. Dies ist ein Ansatz, der vor allem von den Marxisten vertreten wurde und nach der Wende von 1989 in den Hintergrund getreten ist. (5) Humanisierung als utopische Vorstellung von einer herrschaftsfreien Gesellschaft, wie sie in manchen utopischen Schriften zu finden ist. So wichtig die Formulierung neuer Ansätze zur Humanisierung der Arbeitswelt ist und so vielfältig, je nach den unterschiedlichen Menschenbildern, diese Ansätze beschaffen sein können, so dringlich ist es auf der anderen Seite, konkrete, praktikable und für möglichst viele einsichtige Gestaltungsmöglichkeiten zu entwickeln, die rasch und ohne zentralisierte Planung umgesetzt werden können. Karl Martin Bolte hat für diese Aspekte einer Humanisierung der Arbeit folgende drei Ansätze vorgeschlagen (Bolte 1993): -
Gestaltung des Arbeitsplatzes Mitgestaltung der Techniken am Arbeitsplatz Mitgestaltung der unmittelbaren Arbeitsumwelt.
So einfach diese Forderungen zunächst aussehen, müssen wir doch festhalten, daß eine überlegte Neugestaltung des Arbeitsplatzes deswegen schwierig ist und hiefür keine allgemeingültigen konkreten Überlegungen angestellt werden können, weil es zu einer zunehmenden Differenzierung der Arbeitsplätze kommt und weil es zum Teil sehr schwierig ist, Plan-, Produktions- und Produktebene zu verbinden und die arbeitenden Menschen daran zu beteiligen. Schlagwortartig kann aber gesagt werden: nicht produktionsgerechte Menschen, sondern menschengerechte Produktionen, keine produktadäquaten Konsumenten, sondern konsumentengerechte Produkte sind anzustreben. Tendenzen in diese Richtung sind schon sichtbar, wenn etwa in der Computerindustrie mit der Benutzerfreundlichkeit bestimmter Computer geworben wird. Es muß in allen Bereichen umgedacht werden, der Mensch muß im Mittelpunkt der Überlegungen stehen und der gesamte Arbeitszusammenhang muß zugleich so gestaltet werden, daß er langfristig sowohl menschengerecht ist als sich auch rechnet. Bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes spielt auch die Gestaltung der Arbeitszeit eine erhebliche Rolle, wobei nicht nur an Pausengestaltung, Nachtarbeit und Schichtarbeitsregelung zu denken ist, sondern auch an flexible Arbeitszeit, Teilzeitarbeit und, langfristig betrachtet, auch an Neugestaltungen der Lebensarbeitszeit (Bretschneider 1985).
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Auch bei der Gestaltung der Techniken am Arbeitsplatz sind die arbeitenden Menschen stärker miteinzubeziehen und hat dies nicht nur den Aspekt, daß sich auf diese Weise die arbeitenden Menschen wohler fühlen und entsprechend der Ansätze der Human-relations-Bewegung produktiver arbeiten werden, sondern die von den unmittelbar betroffenen Menschen gemachten Vorstellungen werden eine Reihe von Rationalisierungsgewinnen erzielen, worauf neue Ansätze industrieller Produktionsphilosophien aufmerksam gemacht haben (Litzlbauer 1994). Bei der Gestaltung der Arbeitsumwelt stellen die Probleme des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsvorsorge im Betrieb einen wichtigen Teilaspekt dar und kommt neuen Ansätzen der Arbeitsmedizin, vor allem in wichtigen Schlüsselunternehmen, größte Bedeutung zu. Im weiteren Sinn gehören auch die verschiedenen Lebensbereiche, in denen die Menschen Freude und Leid, Erfolge und Mißerfolge erleben, zum Arbeitsumfeld und wird die Arbeitswelt von diesem Umfeld wesentlich mitgestaltet (Euler 1989). Menschengerechte Arbeitsplatz- und Arbeitsweltgestaltung darf nicht als zusätzliche und kostenintensive Sozialaktion von Unternehmen mißverstanden werden, sondern muß die schwierige Gradwanderung zwischen Entfaltung der einzelnen Menschen und Beibehaltung bzw. Verbesserung des Betriebsergebnisses zustande bringen, um auf Dauer verwirklichbar und wirksam zu sein. VI. Untersuchungsschwerpunkte der Erhebung: "Menschengerechte Arbeitswelt" Die von Hugo Bogensberger, Alois Riedlsperger und Klaus Zapotoczky initiierte und konzipierte Untersuchung zum Thema "Menschengerechte Arbeitswelt" stellte eine repräsentative, österreichweite Befragung dar, deren Einzelergebnisse im folgenden überblicksartig dargestellt werden. Die Feldforschung für diese Untersuchung führte das Fessel & GfK-Institut durch, die Einzelergebnisse werden im folgenden in acht Themenbereiche zusammengefaßt. In den folgenden Beiträgen, insbesondere in denen von Beham, Grausgrober, Holley und Zapotoczky, wird spezifischen Aspekten dieser im folgenden nur überblicksartigen Darstellung eingehender nachgegangen. 1. Zur Bedeutung einer umweltschützenden Produktion
Den Befragten wurde eine Reihe von wirtschaftspolitischen Zielsetzungen vorgelegt und sie wurden gefragt, ob in diesem Bereich genug getan werde. Bei der Zielsetzung "Umweltschützende Produktion" war eine große Mehrzahl der Befragten der Meinung, daß zu wenig getan werde (77 Prozent). Weitere
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Bereiche, in denen eine Mehrzahl meinte, daß zu wenig getan werde, waren: Schaffung von mehr Arbeitsplätzen für behinderte Arbeitnehmer (66 Prozent), Bekämpfung von Steuerhinterziehung (65 Prozent), Bekämpfung von Arbeitslosigkeit vor allem in regionalen Krisengebieten (60 Prozent). Das größte Defizit wurde also bei einer umweltschützenden Produktion gesehen. Daß den Befragten die Umweltproblematik besonders wichtig ist, ist auch aus der Tatsache zu sehen, daß der Aussage: "Es ist verantwortungslos, wie wir durch unser Umweltverhalten die Zukunft unserer Kinder gefahrden" 92 Prozent zustimmten. 2. Mindestlohn und Grundeinkommen Drei Viertel der österreichischen Bevölkerung sprach sich für die Einführung eines Mindestlohnes aus, wobei es kaum Unterschiede nach Sozialvariahlen wie Geschlecht, Berufstätigkeit und Schulbildung gibt. Lediglich nach dem Alter unterscheiden sich die Meinungen: je jünger die Befragten sind, desto häufiger sind sie für die Einführung eines Mindestlohnes. Dies dürfte sicher auch deshalb der Fall sein, weil die Lohnunterschiede zwischen jungen und alten Arbeitnehmern erheblich sind. Die Ansichten bezüglich der Höhe eines Mindestlohnes differieren sehr stark und eine erhebliche Minderheit von 10 Prozent meint, die Höhe des Mindestlohnes nicht beurteilen zu können. 19 Prozent waren für einen Nettomindestlohn von bis zu 6.000,-- öS, 38 Prozent hielten eine Höhe zwischen 6.000,-- und 8.000,-- öS für richtig, weitere 29 Prozent sind für einen Mindestlohn zwischen 8.000,-- und 10.000,-- öS und die restlichen 4 Prozent waren für einen Mindestlohn von mindestens 10.000,-- öS. Bezüglich eines Grundeinkommens (ohne Arbeit) ist der Wissensstand der Österreicher gering. Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) gaben an, über das Grundeinkommen nichts zu wissen. Von den restlichen 27 Prozent "die schon einmal vom Grundeinkommen gehört oder gelesen haben" sind ebenfalls fast drei Viertel eher schlecht oder sehr schlecht informiert (74 PrO.05; Unter stailitischer Kmtrolle vm so2i.aldemographischen Merkmalen (Fußnde 6) IDld Wertorientienmgen (Fußnde 8).
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Eine nicht berufstätige Person ist - unabhängig sonstiger persönlicher Merkmale und Einschätzungen - dann signifikant häufiger der Ansicht, bei der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen für behinderte Arbeitnehmer wurde bisher zu wenig getan, wenn die hier geäußerte Kritik in eine allgemein kritische Haltung zu arbeitsmarkt- bzw. gesellschaftspolitischen Maßnahmen eingebettet ist. Die Einschätzung der Frage, ob für die Schaffung von Arbeitsplätzen für behinderte Arbeitnehmer bereits genug getan wurde oder nicht, wird von der österreichischen Bevölkerung also unabhängig von der jeweiligen sozialen Stellung gesehen. Sie ist vielmehr bei der nicht-berufstätigen Bevölkerung bis zu einem bestimmten Ausmaß in ein Netz differenzierter sozial- und gesellschaftspolitischer Zielvorstellungen und Wertorientierungen eingebunden. Bei den Berufstätigen wird diese Anbindung an Wertvorstellungen allerdings weitgehend von den breit gestreuten individuellen Arbeitssituationen überlagert und gemildert, wobei allerdings der je vorgefundenen Arbeitsqualität kein direkter Einfluß auf die Einschätzung der Problemstellung nachgewiesen werden kann. Die zweite Frage, welche Hinweise auf die Einstellung zur Ausgrenzung oder Integration von Behinderten in die Arbeitswelt liefert, lautet folgend: "Für Leute, die aus gesundheitlichen oder psychischen Belastungen regulären Arbeitsanforderungen nicht gewachsen sind, sollte man angemessene Arbeitsplätze bereitstellen." Gemessen wurde Zustimmung (völlig oder eher) bzw. Ablehnung (eher oder völlig). Auch hier zeigt sich zunächst wiederum eine große Bejahung dieser Aussage: 54 Prozent stimmen stark zu, 38 Prozent stimmen eher zu, nur insgesamt 7 Prozent lehnen diesen Vorschlag ab (6 Prozent lehnen eher ab, 1 Prozent lehnen völlig ab), 1 Prozent gab keine Antwort. Dieses Statement ist zwar in eine ganze Reihe von ähnlichen teils gesellschaftspolitischen teils Werthaltungen repräsentierenden Aussagen eingebettet, ein direkter Vergleich mit der Zustimmung zu anderen Items ist aber nur in einem Fall sinnvoll. Dies deshalb, weil nur diese Aussagen ebenfalls eine spezifische Maßnahme für eine bestimmte Problemgruppe am Arbeitsmarkt fordert. Diese Ansicht lautet: "Jeder Gastarbeiter, der bereits längere Zeit in Österreich beschäftigt ist, soll auch bei steigender Arbeitslosigkeit das gleiche Recht auf Arbeit haben wie ein Österreicher." Hier stimmen nur 25 Prozent voll zu, 31 Prozent stimmen eher zu, 27 Prozent lehnen diesen Vorschlag eher ab und 15 Prozent sind völlig dagegen (2 Prozent entzogen sich einer Antwort). Es ist hier leicht ersichtlich, daß eine klare Rangordnung möglicher Maßnahmen für Problemgruppen am Arbeitsmarkt gegeben ist: Zuerst angemessene Arbeitsplätze für Behinderte und dann erst gleiche Rechte für ausländische Arbeitnehmer.
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Auch bei dieser Frage soll überprüft werden, mit welchen Merkmalen eine Zustimmung bzw. eine Ablehnung dieser Forderung verknüpft ist bzw. von welchen Faktoren sie letztlich abhängig ist. Zunächst aber ist die Beziehung zur vorigen Frage nach dem Manko bei der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen für behinderte Arbeitnehmer zu untersuchen. Es zeigt sich zwar ein systematischer, insgesamt jedoch ein sehr moderater Zusammenhang: bei jenen, welche einen Bedarf bei der Schaffung von Arbeitsplätzen sehen, stimmen 59 Prozent der Forderung nach Bereitstellung angemessener voll und 36 Prozent eher zu (bei 5 Prozent Ablehnung), unter denen, deren Ansicht nach bereits genug getan wurde, stimmen immerhin auch 42 Prozent stark und 45 Prozent eher zu, 12 Prozent lehnen diese Aussage ab. Dieses Antwortmuster läßt mehrere Interpretationen zu. So dürfte die Forderung nach Bereitstellung angemessener Arbeitsplätze für gehandicapte Personen vielfach als eine allgemeine gesellschaftspolitische Norm verstanden worden sein. Die Frage nach dem Ausmaß der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen für Behinderte stellt hingegen eine Beurteilung dar und als Grundlage dafür gilt die Forderung nach Bereitstellung angemessener Arbeitsplätze. Abgesehen von persönlichkeitsinternen Unstimmigkeiten bei der Beantwortung der beiden Fragen ist es nun verständlich, warum immerhin 42 Prozent meinen, es sei hinsichtlich der Arbeitsplatzbeschaffung für behinderte Arbeitnehmer zwar bereits genug getan worden, trotzdem aber auch der allgemeinen Forderung nach Bereitstellung angemessener Arbeitsplätze zustimmen. Aus der Sicht dieser Befragten ist an der Richtigkeit der sozialpolitischen Norm nicht zu rütteln, die aus der Norm abzuleitenden Maßnahmen sind allerdings bereits erfüllt worden. Wie schon bei der ersten Frage so zeigen sich auch bei der vorliegenden Aussage keine signiftkanten Unterschiede, wenn die Antworten nach zentralen soziodemographischen Merkmalen der Befragten aufgeschlüsselt werden. Zwischen gesellschaftspolitischen Orientierungen und der Forderung nach behindertengerechten Arbeitsplätzen können bis auf drei Ausnahmen (stärkere Verbindung und Zusammenarbeit mit dem Ausland, Sicherung der Pensionen und Bekämpfung der Steuerhinterziehung) folgende Beziehungen identiftziert werden: Die Feststellung eines Verwirklichungsdeftzits der entsprechenden gesellschaftspolitischen Ziele geht mit einer signiftkanten - insgesamt aber eher moderaten - Zustimmungsintensität einher. Keinesfalls überraschend sind weiters die festgestellten Zusammenhänge mit anderen gesellschaftspolitischen Grundhaltungen. Auch hier kann festgehalten werden, daß eine besondere Sensibilisierung für Probleme der Gastarbeiter, für die gegenwärtige und zukünftige Stellung der Kinder sowie für eine wirkliche Chancengleichheit der Frauen mit einer signiftkant deutlicheren Zustimmung zur
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Forderung nach entsprechenden Arbeitsplätzen für gehandicapte Personen einhergeht. Auch bei der vorliegenden Frage wurden zur Überprüfung der Zusammenhänge und zur Identifizierung von Einflußgrößen multivariate Analysen durchgeführt, jeweils getrennt für Nicht-Berufstätige und für Berufstätige. Bei der Auswertung der Antworten der Nicht-Berufstätigen wurden die bereits erwähnten sozialdemographischen Merkmale sowie die gesellschaftspolitischen Orientierungsmuster und Werthaltungen berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen, daß der Forderung nach entsprechenden Arbeitsplätzen für gehandicapte Personen umso deutlicher zugestimmt wird, wer bei dieser Frage generell ein Verwirklichungsdefizit sieht, wer weiters ein Defizit bei der Bekämpfung eines ungerechtfertigten Bezugs von Sozialleistungen ortet, wer gegenüber Problemen der Gastarbeiter offen ist und wer gegenüber Behinderten allgemein eine Sensibilität für deren Probleme aufweist. Sonstige direkte Zusammenhänge konnten nicht festgestellt werden. Tabelle 3 EinßuDfaktoren der Ansicht: "Für Leute, die aus gesundheitlichen oder psychischen Belastungen regulären Arbeitsanforderungen nicht gewachsen sind, sollte man angemessene Arbeitsplätze bereitstellen. ": Nlchtberufstätige Erklärte generalisierte StreUlDlg: 17 Prozent KIIT.Kodlizient* Manko: .. SdJ.affimg yen Arbeitsplätzen fiir Behinderte + 0,14 Bekämpfung des lDlgeredJ.tfe:rtigten Bezngs yen SozialleistlDlgen + 0,14 Sensibilität gegenüber Gastarbeitern + 0,11 + 0,18 Sensibilität gegenüber Behinderten *p>O.05. Unter statisti.sdJ.er Kentrolle yen sozialdemographisdJ.en Merkmalen (Fußnote 6) lDld Wertorientiertmgen (Fußnote 8).
Die Analyse jener Strukturen, welche die Antworten der Berufstätigen bei dieser Frage bestimmen, bringt folgende Einflußfaktoren ans Licht (Tabelle 4). Teilweise noch stärker als bei den nicht berufstätigen Personen wird hier der Einfluß der gesellschaftspolitischen Werthaltungen sichtbar. Der Aussage "Für Leute, die aus gesundheitlichen oder psychischen Belastungen regulären Arbeitsanforderungen nicht gewachsen sind, sollte man angemessene Arbeitsplätze bereitstellen" wird unabhängig sonstiger Merkmale dann signifikant stärker zugestimmt, wenn eine erhöhte Sensibilität für die Belange der Gastarbeiter vorhanden ist, wenn eine erhöhte Sensibilität gegenüber der gegenwärtigen und zukünftigen Stellung der Kinder gegeben ist, parallel dazu eine erhöhte Sensibilität für Behinderte allgemein vorhanden ist, wenn dem Beruf im Prinzip Vorrang vor der Familie eingeräumt wird. Weiters stimmen Männer eher dieser Aussage zu als Frauen.
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Tabelle 4 Einflußraktoren der Ansicht: "Für Leute, die aus gesundheitlichen oder psychischen Beiastuneen reeuIären Arbeitsanforderuneen nicht eewachsen sind, sollte man aneemessene Arbeitsplätze bereitstellen. ": Berufstätiee Erklärte genera1isierte StreulUlg: 18 Prozent Sensibilität fur Probleme vrn. GlIWirbeitem Sensibilität gegenüber Kindern Sensibilität gegenüber Bdlinderten Vorrang der Berufsarbeit vor Familie
GesdJledJ.t
Korr .Koeffizient*
+0,11 +0,11 + 0,16 + 0,10 +0,10
• p>O.05. Unter statistisdJ.er Krn.trol1e vrn. sozialdernographisdlen Merkmalen (Fußnote 6 Wertorientiertmgen (Fußnote 8) lUld Arbeitssituatirn. (Fußnote 9).
Wir können somit zusammenfassend festhalten, daß die Zustimmung zur Forderung nach entsprechenden Arbeitsplätzen für gehandicapte Personen sowohl bei den Nicht-Berufstätigen als auch bei den Berufstätigen beinahe ausschließlich von gesellschaftspolitischen Einschätzungen bzw. Werthaltungen abhängig sind. Und zwar dergestalt, daß einerseits bezüglich der Verwirklichung gesellschaftspolitischer Ziele Defizite bemängelt werden, andererseits gerade gegenüber gesellschaftlich benachteiligten Gruppen eine erhöhte allgemeine Sensibilität zu bemerken ist. Dabei ist allerdings zu erwähnen, daß diese Zusammenhänge relativ moderat sind. Die Haltung zur Frage einer gezielten Einbindung von Behinderten in die Arbeitswelt zeigt sich allerdings ebenso unabhängig von den je vorgefunden Soziallagen wie von der konkreten Konfrontation mit einer unterschiedlichen Arbeitsqualität bei den Berufstätigen. Wurden bisher relativ allgemeine und unverbindliche Meinungsaspekte der Einstellung zur Förderung bzw. Integration behinderter Arbeitnehmer erfaßt, so geht es bei den folgenden Fragen um die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Behinderten. Zunächst wurde erhoben, ob und wieviele Behinderte im Betrieb der befragten Personen arbeiten und wenn ja, ob sie mit diesen unmittelbar zusammenarbeiten oder ob die behinderten Kolleginnen in einem anderen Bereich tätig sind. Jene Befragte, bei denen keine behinderten MitarbeiterInnen im Betrieb beschäftigt sind, wurden weiters gefragt, ob sie prinzipiell bereit wären, mit einem Behinderten zusammenzuarbeiten. Aus den Antworten auf diese Fragen wurde zur weiteren Auswertung die Typologie der beruflichen Kontakte und Kontaktbereitschaft erstellt. Schließlich wurde in einer offenen Frage noch nach den Argumenten gegen eine Zusammenarbeit nachgegangen. Wie bereits bei der Beschreibung der gegenwärtigen Situation von Behinderten in der Arbeitswelt aufgezeigt wurde, gibt es nur ganz wenige Betriebe, in denen nicht-behinderte Berufstätige mit Behinderten zusammenarbeiten.
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In der vorliegenden Untersuchung gaben von den 454 antwortenden Berufstätigen 5,5 Prozent an, daß eine, und 22,2 Prozent, daß mindestens zwei behinderte Personen im Betrieb beschäftigt seien. Fast drei Viertel der befragten berufstätigen ÖsterreicherInnen berichten somit, daß in ihrem Betrieb keine Behinderten beschäftigt sind. Diese Zahlen sind aber mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, denn da Behinderte überwiegend in größeren Betrieben beschäftigt sind, ist die Tatsache behinderter KollegInnen oft nur den engen Mitarbeitern bekannt. Von den insgesamt 126 Berufstätigen mit behinderten KollegInnen im Betrieb arbeiten 25 (19,8 Prozent) unmittelbar mit diesen zusammen und 101 (80,2 Prozent) gaben an, daß die Behinderten in einem anderen Bereich tätig sind. Unter denjenigen 420 ArbeitnehmerInnen, bei denen kein Behinderter im Betrieb beschäftigt ist bzw. die nicht unmittelbar mit einem Behinderten zusammenarbeiten, wären 86,4 Prozent (363 Personen) eigenen Aussagen zufolge bereit mit behinderten KollegInnen zusammenzuarbeiten, 13,7 Prozent (57 Befragte) möchten dies nicht. Diesen Befunden zufolge besteht bei den österreichischen ArbeitnehmerInnen nur in wenigen Fällen eine Ablehnung von behinderten KollegInnen im Betrieb. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß es sich hier um verbale Äußerungen handelt, die bei gegebenem Anlaß nicht unmittelbar auch im Verhalten umgesetzt werden müssen. Als Argumente für diese persönlich ablehnende Haltung wird von fast jedem zweiten angeführt, daß eine Zusammenarbeit berufsbedingt nicht möglich sei, fast jeder Fünfte meint, er habe zuwenig Geduld. Hauptsächlich sind folgende vier Motivbündel dafür mitverantwortlich, daß Leute nicht bereit sind, mit Behinderten zusammenzuarbeiten: befürchtete Belastungen und Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit Behinderten (17 Prozent); die Meinung, Behinderte seien nicht bei allen Arbeiten einzusetzen bzw. hätten eine geringere Leistungsfahigkeit (13 Prozent); Berührungsängste (8 Prozent) und Unwissenheit sowie mangelnde Erfahrung im Umgang mit Behinderten (9 Prozent); schließlich Vorurteile (9 Prozent) und (offene) Ablehnung (7 Prozent) von behinderten Mitarbeitern. Da die entsprechenden Fallzahlen sehr gering sind, werden die Begründungen für eine Ablehnung Behinderter nicht weiter ausgewertet.
Für die weitere Analyse der berichteten Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Behinderten wurde aus den obigen Fragen - ausgenommen die Begründungen für eine Verweigerung einer Zusammenarbeit - eine Typologie beruflicher Kontakte bzw. Kontaktbereitschaft zu behinderten ArbeitskollegInnen (n=454 Berufstätige) gebildet.
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Typ 1: Keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit (n=66; 14,5 Prozent) Typ 2: Bereitschaft vorhanden, keine Behinderten im Betrieb (n=267; 58,8 Prozent) Typ 3: Bereitschaft vorhanden (Behinderte im Betrieb) bzw. bereits gegenwärtig Zusammenarbeit mit Behinderten (n=121; 26,7 Prozent) Analog zur bisherigen Vorgehensweise wird auch hier mittels multivariater Analysen überprüft, ob die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Behinderten quer durch die verschiedenen Arbeitnehmergruppen gleich verteilt ist oder ob es soziodemographische Unterschiede gibt, weiters ob Wertorientierungen bzw. die jeweilige Arbeitssituation im weiteren Sinn auf diese Bereitschaft einwirkt. Die Befunde (Tabelle 5) weisen mit aller Deutlichkeit auf, daß im Gegensatz zu den Ansichten zu gesellschafts- bzw. sozialpolitischen Maßnahmen zur Integration Behinderter in das Berufsleben die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit behinderten Arbeitnehmerlnnen - mit Ausnahme des Altersfast ausschließlich von spezifischen Merkmalen der Arbeitssituation bestimmt wird, allgemeine Wertorientierungen hingegen bei dieser Frage ebenso völlig in den Hintergrund getreten sind wie auch soziodemographische Faktoren. Tabelle 5 EinßuOfaktoren auf die Venwieerune einer Zusammenarbeit mit behinderten Arbeitnehmern: Berufstätige Erklärte gmeralisierte StreulDlg: 39 Prozent Korr.Koeffizimt* +0,13 Mitarbeiterbewgme Arbeitsorimtier\Dlg +0,09 Extrinsisdte Arbeitsmerkmale Intrinsisdte Arbeitsmerkmale - 0,10 - 0,17 Mitarbeiterbewgme Arbeitsmerkmale +0,09 Aher * p>O.05. Unter &atistisd:J.er Koo.trolIe voo. sozialdemographisd:J.m Merkmalm (Fufnote 6 Wertorimtier\Dlgm (Fußnote 8) IDld Arbeitssituatioo. (Fufnote 9).
Im Detail zeigen die Analysen, daß die Ablehnung einer Zusammenarbeit unabhängig anderer Faktoren um so größer ist, je weniger extrinsische, je mehr interaktionsdominierte Merkmale der Arbeitssituation berichtet werden, je unzufriedener die antwortende Person mit dem gegenwärtigen Beruf bzw. der Tätigkeit ist, weiters je weniger Bedeutung den sozialen Beziehungen bei der Arbeit beigemessen wird und schließlich je älter die antwortenden ArbeitnehmerInnen sind. Die Ergebnisse zeigen somit deutlich, daß eine insgesamt wenig zufriedensteIlende berufliche Tätigkeit, die einerseits durch eher geringe Verdienstmöglichkeiten, einen ungesunden und unsicheren Arbeitsplatz, andererseits aber durch ein gutes Betriebsklima und befriedigende Beziehungen zu den
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gegenwärtigen ArbeitskollegInnen gekennzeichnet ist, mit einer ablehnenden Haltung gegenüber behinderten ArbeitskollegInnen einhergeht. Möglicherweise sind diese befriedigenden Kontakte zu den KollegInnen im sonst eher frustrierenden Arbeitsalitag jener wichtige Bereich, der durch eine befürchtete eher schwierige Zusammenarbeit mit Behinderten nicht beeinträchtigt werden soll. Oder positiver formuliert: nur eine "streßfreie", zufriedenstellende Tätigkeit bietet offenbar jene Grundlage, die für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit behinderten ArbeitnehmerInnen ausschlaggebend ist, egal welche sonstigen Einstellungen und Werthaltungen bei einer Person anzutreffen sind. IV. Arbeitslose zwischen Ausgrenzung und Integration I. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur Integration von arbeitslosen Menschen
In zahlreichen Studien über die wichtigen Voraussetzungen für einen guten Arbeitsplatz wird sehr häufig "ein sicherer Arbeitsplatz" ganz vorne genannt (z.B. IKS 1990:49f; Grausgruber-Berner/Grausgruber 1990: 34f). Aber auch bei der Frage nach den wichtigsten politischen Aufgaben rangiert ArbeitsplatzsicherheitiArbeitsplatzbeschaffung an vorderster Front (Plasser/Ulram 1991:128). Diesem Wunsch wird in der gegenwärtigen Wohlstands- und Wohlfahrtsgesellschaft auch in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik besonderer Stellenwert eingeräumt. Im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung aus dem Jahr 1990 wird "... als oberstes Ziel der Beschäftigungspolitik ... die Sicherung der Vollbeschäftigung mit Hilfe einer aktiven, effizient umgesetzten Arbeitsmarktpolitik" (Arbeitsübereinkommen 1990: 51 zit. in BMfAS 1993: 227) definiert. Besonderer Wert soll auf eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildung und Berufsorientierung gelegt werden. Besondere Hilfen am Arbeitsmarkt sollen Langzeitarbeitslosen, Frauen, älteren Arbeitnehmerlnnen und Behinderten zukommen. Mit Hilfe welcher konkreten Maßnahmen wird nun versucht, diese Ziele zu erreichen? Im Sozialbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS 1993:227-256) wird eine Übersicht über die vielfältigen Aktionsprogramme und Aktivitäten geboten, die im folgenden kurz dargestellt werden. Folgende Maßnahmen charakterisieren die gegenwärtigen Bemühungen um eine aktive Arbeitsmarktpolitik in ÖSterreich: - Das lange Zeit heftig diskutierte Arbeitsmarktservice wurde mit 1. Juli 1994 eine eigenständige Einrichtung der AMV. Für viele waren die "Arbeitsämter", welche die Vermittlung von Arbeitsuchenden und die
Behinderte wd Arbeitslose
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Besetzung offener Stellen zum Ziel hatten, die einzigen Einrichtungen, die im Rahmen der Arbeitsmarktverwaltung breitere Bekanntheit erlangten. Darüber hinaus gibt es jedoch noch folgende Einrichtungen und Maßnahmen, die meist jedoch nur Eingeweihten bzw. einzelnen Betroffenen bekannt sind: - Die Arbeitsmarktforderung ist durch folgende arbeitsmarktpolitische Instrumente gekennzeichnet: Eine Hauptaufgabe liegt bei den Maßnahmen der Arbeitsmarktausbildung, wo vor allem Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose finanziert werden. 1992 konnten rd. 31.500 solcher Förderungen geleistet werden. Einen zweiten Schwerpunkt bilden konkrete Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Hier können einerseits problemgruppenbezogene Aktivitäten, wie etwa die Aktion 8000 oder sozialökonomische Projekte für Langzeitarbeitslose, andererseits unternehmensbezogene Förderungen, wie Darlehen, (Zins-)Zuschüsse und Kurzarbeitsgeld aufgezählt werden. Darüber hinaus gibt es noch Lehrausbildungen für spezifische Personengruppen, insbesondere für besonders benachteiligte Jugendliche, sowie Förderungen zur Erhöhung der regionalen Mobilität für Arbeitsuchende bzw. Beschäftigte. - Als ein weiteres Bündel von Aktivitäten sind spezielle Maßnahmen und Initiativen für Frauen, Behinderte, ältere Arbeitnehmerlnnen sowie die sogenannten Arbeitsstiftungen zu nennen. Arbeitsstiftungen sollen bei Unternehmen, die einen Personalabbau im größeren Ausmaß vornehmen, den gekündigten Arbeitnehmerinnen durch spezielle Maßnahmen die Rückkehr auf einen adäquaten Arbeitsplatz ermöglichen. - Für den Zeitraum Juli 1993 bis Ende 1994 wurde schließlich ein Sonderprogramm der Bundesregierung zur Stabilisierung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung beschlossen, das vor allem der Ausbildung, der Modernisierung der berufsbezogenen Erwachsenenbildung, den Arbeitsstiftungen, der Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen sowie zur regionalspezifischen Förderung von Betrieben dienen sollte. Über die Einstellungen zu Arbeitslosen kann man zwar aus den Alltagsgesprächen in der Bevölkerung viele Eindrücke gewinnen, konkret verfügbare empirische Studien darüber sind allerdings rar. Obwohl nach wie vor in diesen Gesprächen das eigene Verschulden an einer Arbeitslosigkeit besonders betont wird, verschiebt sich das Hauptaugenmerk in letzter Zeit - wohl in Kenntnisnahme der vielfältigen Ursachen für eine Arbeitslosigkeit - in Richtung des Vorwurfs, Arbeitslose würden sich nicht länger ihrer Situation schämen, sondern sich auf dem hohen Arbeitslosengeld ausruhend, Angebote für eine Wiederbeschäftigung abschlagen. Man muß davon ausgehen, daß die Einstellungen zu Arbeitslosen vielfach von einem schwer entwirrbaren Bündel aus verallgemeinerten Einzelerfahrungen, Halbinformationen und persönlichen Ängsten und Vorurteilen bestehen.
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In einer empirischen Untersuchung (Zilian 1990) zu diesem Thema konnte beispielsweise herausgefunden werden, daß rd. drei Viertel der in der Studie befragten Personen die Höhe der Unterstützungszahlungen für Arbeitslose falsch einschätzten, und zwar fast ausnahmslos zu hoch (Zilian 1990: 188). Weiters zeigte sich, daß ungefahr ebenso viele eine weit verbreitete Arbeitsunwilligkeit vermuten (Zilian 1990:276). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß besonders auch unter den selbst von Arbeitslosigkeit betroffenen Arbeitern zwei Drittel an die Existenz von Arbeitsunwilligkeit glauben. Das Thema Bereitschaft zur Wiederaufnahme eines regulären Beschäftigungsverhältnisses wurde auch in der Europäischen Wertestudie aufgegriffen. Die Aussage "Arbeitslose sollten jede Arbeit machen müssen, die sie bekommen können" wurde beispielsweise sehr deutlich bejaht (ZulehnerlDenz et al. 1991:73). 2. Einstellung und Haltungen gegenüber Arbeitslosen
und zu gesellschaftlichen Integrationsmaßnahmen
Wie sieht nun die Haltung der österreichischen Bevölkerung zur Problematik der Arbeitslosigkeit aus, welche Meinungen werden bezüglich der Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Unterstützung für Arbeitslose geäußert? In der vorliegenden Untersuchung ging es nicht um Fragen, wie etwa um den vermuteten persönlichen Anteil an der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit, wie sie beispielsweise in der schuldzuweisenden Behauptung "Die Arbeitslosen sind selber Schuld an ihrer Situation!" zum Ausdruck kommt, sondern um folgende vier größere thematisch zusammenhängende Fragenkomplexe. Erstens: In welchem Ausmaß waren die Befragten bisher persönlich von Arbeitslosigkeit betroffen? Zweitens: Welchen Stellenwert nimmt Arbeitsplatzsicherheit im Rahmen persönlicher Arbeitswerte ein? Drittens: Werden Informationen darüber geboten, welche gesellschaftspolitischen Grundorientierungen bezüglich der Problematik Arbeitslosigkeit anzutreffen sind? Schließlich Viertens: In welchem Ausmaß ist Bereitschaft dazu vorhanden, einen persönlichen, solidarischen Beitrag zu arbeitsplatzsichernden Maßnahmen bzw. zur Unterstützung von Arbeitslosen zu leisten? Dabei wird zunächst gesondert der Frage nachgegangen, ob Betroffenheit von Arbeitslosigkeit auch zu einer anderen Haltung gegenüber der Problematik führt oder nicht. Weiters wird überprüft, ob die geäußerten Einstellungen und Haltungen gleichermaßen über die österreichische Bevölkerung verteilt sind und von welchen Einflußgrößen die entsprechenden Haltungen beeinflußt werden. Zweifellos gibt es verläßlichere Zahlen darüber, wieviele österreichische Arbeitnehmer bisher schon direkt von Arbeitslosigkeit betroffen waren bzw. gegenwärtig sind, als die hier vorliegenden Umfrageergebnisse, wie etwa die
Behinderte md Arbeitslose
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Daten der Arbeitsmarktstatistik. Die hier vorliegenden Individualdaten können jedoch miteinander verknüpft werden und so einen fundierteren Einblick in die persönliche Betroffenheit vermitteln und die damit einhergehenden Einstellungen zur Problematik Arbeitslosigkeit liefern. Trotz aller Vorbehalte gegenüber Selbstkundgaben bei diesem heiklen Thema soll der Ausgangspunkt der folgenden Darstellung die Frage nach den persönlichen Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit sein. Die Angabe von 10,7 Prozent der befragten Berufstätigen, sie seien in den letzten 5 Jahren einmal arbeitslos gewesen, weicht von einer aus den amtlichen Zahlen geschätzten Quote zwischen 13,5 bis 14 Prozent etwas ab und soll nur als ein Basisrichtwert :für die weiteren Auswertungen verstanden werden 12 • Höhere Anteile von Arbeitslosigkeit gibt es nach den eigenen Auskünften bei berufstätigen Frauen, von denen im Gegensatz zu den Männern (8 Prozent) rd. 14 Prozent von einer Arbeitslosigkeit in den letzten 5 Jahren berichten. Mit rd. 20 Prozent waren auch deutlich mehr als bei den anderen Berufsgruppen die unbzw. angelernte Arbeiter von Arbeitslosigkeit betroffen. Diese Befunde entsprechen weitgehend auch den offiziellen Angaben (BMfAS 1991:55f1). Überraschenderweise sind allerdings entgegen den Erwartungen keine signifikanten Unterschiede bezüglich Schulbildung und Alterskategorien nachweisbar. Die Konfrontation mit dem Phänomen Arbeitslosigkeit wurde darüber hinaus mit Hilfe zweier weiterer Fragen bezüglich der Kenntnis von Arbeitslosen aus dem Familienkreis bzw. aus dem Freundes- und Bekanntenkreis zu erfassen versucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß Arbeitslosigkeit offenbar eines jener Phänomene ist, welche gerne vertuscht, geleugnet oder bewußt nicht wahrgenommen wird. Anders ist das geringe Ausmaß an persönlicher Kenntnis von Arbeitslosen wohl schwer zu erklären, denn nur 13 Prozent geben an, daß im Familienkreis Personen mit der Erfahrung von Arbeitslosigkeit bekannt sind und noch weitere 15 Prozent berichten, daß sie solche Personen im Freundes- und Bekanntenkreis kennen. Die überwiegende Mehrzahl der befragten berufstätigen Österreicher (72 Prozent) kennt offenbar keine Person, die in den letzten Jahren längere Zeit arbeitslos gewesen war. Interessant sind die Unterschiede in der Kenntnis von (gegenwärtigen oder ehemaligen) Arbeitslosen im Freundes- und Bekanntenkreis. Personen, welche selber bereits von Arbeitslosigkeit betroffen waren, sind hier offensichtlich "sensibler": Sie geben mit 24 Prozent fast doppelt so häufig als die anderen an, auch andere von Arbeitslosigkeit bereits einmal betroffene Personen zu kennen. Dies mag u.a. darauf zurückfiihrbar sein, daß sie sich intensiver mit 12 Die Betrolfmheitsqude, d.h. die Zahl aller in einem Jahr vw Arbeitslosigkeit Bdroffenen in Prozmt des unselb!tändigen Arbeitskräftepdentials, lag 1992 bei 19,3 Prozmt (BMfAS 1993:63). Sie dürfte im Jahr 1989 - dem Erhebm~ahr - knapp 14 Prozmt bdragen haben (BMfAS 1991:44ff, 75t). Im entspredlenden Bericht wird 'Z!Nar eine Zahl vrn insgesamt 452.025 bdrolfenen Perscnen angefiihrt, eine Qude jedoch nicht eigens angegeben. Ein Gnmd fiir diese rtwas niedrigere Zahl mag darin zu suchen sein, daß Episoden der Arbeitslosigkeit "verdrängt" werden md/oder sich die Bdrolfenen weigem, diese Bdroffmheit gegenüber dem Interviewer zuzugeben.
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dieser Betroffenheit auseinandersetzen, so vermehrt auf "Fälle" stoßen, und sich dadurch möglicherweise psychologisch "absichern", nicht ein "pathologischer Einzelfall" zu sein, sondern viele Schicksalsgenossinnen zu haben, während die anderen möglicherweise dieses Thema bewußt oder unbewußt meiden. Eine Aufschlüsselung der Kenntnis von anderen Betroffenen nach sozialdemographischen Merkmalen zeigt in drei Fällen bemerkenswerte Differenzen. Alleinlebende Personen (48 Prozent) kennen ebenso wie Geschiedene (59 Prozent) - viele Geschiedene leben allein - signifikant häufiger als andere Menschen, die bereits einmal arbeitslos waren. Weiters zeigen die Befunde, daß Arbeitnehmer mit höherer schulischer Ausbildung deutlich häufiger bereits einmal von Arbeitslosigkeit Betroffene kennen als Befragte ohne weiterführende Schulbildung: Kenntnisquoten Pflichtschule 25 Prozent, FachschuleILehre 27 Prozent, Matura 37 Prozent, Universität 54 Prozent. In diesem Zusammenhang drückt sich sicherlich auch eine vermehrte Sensibilität und Offenheit von Personen mit höherer schulischer Qualifikation gegenüber dem Problem Arbeitslosigkeit aus. Die Einschätzung der persönlichen Arbeitsplatzsicherheit durch die Berufstätigen wurde mittels zweier Fragen erhoben und ein entsprechender Gesamtwert gebildet. Diese Befunde zeigen, daß lediglich 42 Prozent von einem völlig gesicherten Arbeitsplatz ausgehen, daß fast jeder Vierte sich als weitgehend abgesichert betrachtet, daß ebenso viele (23,5 Prozent) allerdings bereits Unsicherheitsfaktoren bemerken und 11 Prozent ihren Arbeitsplatz dezidiert als gefährdet bezeichnen. Diese Einschätzung der Arbeitsplatzsicherheit variiert nicht damit, ob jemand bereits einmal arbeitslos war oder nicht. Eine eher weniger ausgeprägte Arbeitsplatzsicherheit ist bei folgenden Gruppierungen anzutreffen: bei weiblichen Arbeitnehmerinnen, bei "Berufseinsteigern" (bis 25 Jahre) bzw. "Berufserfahrenen" (35 bis unter 50 Jahre) sowie bei Arbeitern und Angestellten. Während diese Befunde mehr oder weniger "erwartbar" waren, gibt es zwei weitere Ergebnisse, die vielleicht nicht so sehr ins gewohnte Bild passen: zum einen zeigt sich, daß geschiedene bzw. getrennt lebende Personen über eine größere Unsicherheit berichten, zum anderen ist festzustellen, daß sich die Einschätzung der persönlichen Arbeitsplatzsicherheit nach dem Niveau der schulischen Ausbildung nicht unterscheidet. Die Unsicherheit bei den Geschiedenen könnte auf eine generell pessimistischere Einschätzung der persönlichen Lebenssituation zurückzuführen sein, diese Haltung könnte aber auch eine Folge dessen sein, daß sich hier vor allem die schwierige Situation von eher weniger beruflich qualifizierten Frauen äußert, die infolge einer Scheidung nun auf einen eigenen Verdienst angewiesen sind und wegen geringerer Qualifikationen durch mit weniger sicheren Arbeitsverhältnissen Vorlieb nehmen müssen.
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Die Problematik eines eher unsicheren Arbeitsplatzes wird sicherlich dann verschärft, wenn sich diese Einschätzung mit einer Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes koppelt. Denn Ängste können in weiterer Folge zu verschiedensten persönlichen Beeinträchtigungen bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen fuhren. Obzwar die deutliche Mehrheit der österreichischen ArbeitnehmerInnen keine Angst vor einem Arbeitsplatzverlust verspürt, stimmen doch 9 Prozent der Aussage "Manchmal überkommt mich die Angst, ich könnte meinen Arbeitsplatz verlieren." völlig zu und weitere 13 Prozent eher zu. Nur die Hälfte der Befragten kann von sich behaupten, daß sie nie von solchen Gedanken geängstigt werden. Wie erwartet, ängstigt sich bereits ein Drittel jener Personen, die einmal arbeitslos waren, während sonst nur 21 Prozent der Aussage völlig bzw. eher zustimmen. Das Bekenntnis einer Angst nimmt weiters mit der vermuteten Unsicherheit des eigenen Arbeitsplatzes kontinuierlich zu. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, daß auch rd. 11 Prozent jener mit einem - eigener Einschätzung nach - völlig gesicherten Arbeitsplatz Ängste verspüren. Der entsprechende Anteil an Verängstigten steigt schließlich auf 52 Prozent bei jenen, welche ihren Arbeitsplatz als gefährdet bezeichnen. Weitere Auswertungen zeigen - im Einklang mit den Befunden zur Einschätzung der Arbeitsplatzsicherheit -, daß sich insbesondere Frauen (28 Prozent) eher als Männer (20 Prozent) hin und wieder verängstigt fuhlen (stimme völlig bzw. eher zu), weiters sowohl unter den "BerufseinsteigerInnen" (29 Prozent) als auch unter den "Berufserfahrenen" (27 Prozent) solche Ängste auftauchen sowie auch von den Arbeitern (26 Prozent) und Angestellten (25 Prozent) häufiger gemeldet werden. Bemerkenswert ist schließlich die Tatsache, daß sich auch Geschiedene (35 Prozent) häufiger verängstigt fuhlen als ledige oder verheiratete Arbeitnehmerlnnen. Dies ist insofern verständlich, als solche Personen - vielfach alleinstehend - nicht nur ihre Identität sondern auch ihre Existenz direkt auf eine Erwerbsarbeit aufbauen und fur sie Arbeitslosigkeit leicht zu einer Katastrophe ausufern könnte. Die Angaben bezüglich der Angst vor einem Arbeitsplatzverlust wurden auch mit zentralen Aspekten der jeweils konkreten Arbeitssituation, wie sie bereits oben beschrieben wurden, in Beziehung gesetzt, wobei allerdings nur in einem Fall signifikante Zusammenhänge festgestellt werden konnten: Vermehrte Arbeitsmerkmale "intrinsischer" Natur gehen einher mit weniger Ängsten und umgekehrt. Diese Konstellation könnte aber eine Folge davon sein, daß es sich bei jenen Arbeitsplätzen, die vermehrt Aspekte wie Anregung, Eigenverantwortung, Möglichkeiten zur Mitbestimmung etc. aufweisen, auch um jene "guten" Jobs in höheren Positionen handelt, welche nicht nur diese vielfach gewünschten Merkmale aufweisen, sondern eben zusätzlich eine relativ große Sicherheit vor Entlassung bieten.
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Eine multivariate Analyse, bei der zentrale soziodemographische Merkmale ebenso berücksichtigt wurden wie Aspekte der unmittelbaren Arbeitssituation, zeigt schließlich jene direkten Einflußgrößen auf, die zu einer erhöhten Ängstlichkeit führen (Tabelle 6). Tabelle 6 Einftußdetenninanten der Angst vor einem Arbeitsplatzvertust Erklärte generalisierte Streuung: 14 Prozent Korr.Koeffizient. * subjektive Arbei!sp1atzsicherheit - 0,19 Arbeitsbelastungen +0,09 Berufspositirn: Landwirte +0,10 * p>O.05. Unter statistischer Kmtrolle vrn sozialdemographischen Merkmalen (Fußnote 6) und Arbeitssituatim (Fußnote 9).
- Die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust ist bei Landwirten signifikant geringer als bei anderen Berufsgruppen. - Erhöhte Angst geht eindeutig mit einer überdurchschnittlich hohen Arbeitsbelastung einher und natürlich auch mit einer Einschätzung des Arbeitsplatzes als unsicher. Sonstige direkte Zusammenhänge bzw. Einflußfaktoren konnten nicht identifiziert werden. Dies bedeutet im Hinblick auf die vorher erwähnten Zusammenhänge insbesondere zwischen Geschlecht und Farnilienstand nicht, daß Frauen bzw. getrennt oder geschieden lebende Personen "von Natur aus" ängstlicher sind, sondern daß diese Gruppen verstärkt vor allem mit belastenden und unsicheren Arbeitsverhältnissen konfrontiert sind. Das bedeutet aber auch, daß sich jene, die bereits längere Zeit in einem Betrieb arbeiten, gegenüber jenen, die noch nicht so lange im Betrieb tätig sind, nicht mehr und nicht weniger ängstigen. Längere Betriebszugehörigkeit vermindert also die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust keineswegs. Welchen Stellenwert hat in den Vorstellungen der österreichischen Berufstätigen ein sicherer Arbeitsplatz für einen guten Job? Kann man nun davon ausgehen, daß eine unmittelbare Konfrontation mit dem Problem Arbeitslosigkeit die Bedeutung von Arbeitsplatzsicherheit erhöht? Ruft arn eigenen Leib erfahrene Arbeitslosigkeit eine andere Haltung bei gesellschaftspolitischen Grundorientierungen zur Thematik Arbeitslosigkeit hervor oder nicht? Ändert somit persönlich erfahrene Arbeitslosigkeit auch die Haltung zu dieser Problematik? In einer Gesellschaft, in der eine Erwerbstätigkeit so grundlegende, weitreichende und langfristig wirkende Konsequenzen hat, kommt natürlich einem gesicherten Arbeitsplatz bzw. einem schnellen Wiederfinden eines
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guten Jobs bei einer vorübergehenden Nichterwerbstätigkeit überragende Bedeutung zu. Dieser Umstand hat sich auch im Verständnis breiter Bevölkerungsschichten, insbesondere unter den unselbständig Erwerbstätigen, tief ins Bewußtsein eingeprägt. Zahlreiche Studien belegen die besondere Wichtigkeit eines sicheren Arbeitsplatzes 13 • Auch bei der vorliegenden Untersuchung wurde von den Berufstätigen - nach guten Verdienstmöglichkeiten (48 Prozent) und gutem Betriebsklima (42 Prozent) - von 40 Prozent der Befragten die Sicherheit des Arbeitsplatzes als eines der drei wichtigsten Voraussetzungen für einen guten Beruf bezeichnet. Weitere Analysen zeigen nun allerdings nur in einem Fall eine geringfügige Änderung im Stellenwert der Arbeitsplatzsicherheit bei unterschiedlicher Konfrontation mit Arbeitslosigkeit: Arbeitnehmerlnnen mit einem eher unsicheren Arbeitsplatz führen zu 42 Prozent, ArbeitnehmerInnen mit einem eher sicheren Arbeitsplatz nur zu 32 Prozent einen sicheren Arbeitsplatz als eine wichtige Voraussetzung für einen guten Beruf an. Die Einstellung zum Phänomen Arbeitslosigkeit äußert sich vor allem auch in der Haltung zu jenen Maßnahmen, die zur gesellschaftspolitischen Bewältigung dieses Problems beitragen sollen. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, vor allem in regionalen Krisengebieten, wird bei der Frage nach den dringliehst zu verwirklichenden Zielen nach "umweltschützender Produktion" (24,5 Prozent) und "Sicherung der Pensionen" (13 Prozent) mit 12 Prozent am dritthäufigsten angeführt. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird somit als eine der zentralen Aufgaben des gegenwärtigen Wohlfahrtsstaates verstanden. Dies geht auch aus entsprechenden politischen Umfragen laufend hervor l4 • Wenngleich nun die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung erste Priorität besitzt, wird doch ein erheblicher Mangel bei der Realisierung dieses Zieles festgestellt. Fast zwei Drittel der Befragten betonen nämlich, es werde hier zu wenig unternommen, 30 Prozent meinen es werde bereits genug getan und lediglich 4 Prozent beklagen, es werde zuviel getan. Die Haltung in dieser Frage wird von zwei Aspekten einer persönlichen Erfahrung bzw. Sensibilität bezüglich Arbeitslosigkeit geleitet. Personen mit einer fallweisen Angst vor einer Arbeitslosigkeit sehen deutlich häufiger (73 Prozent) als angstfreie (59 Prozent) ein Defizit bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, ebenso auch Personen, die bereits einmal arbeitslos waren (70 Prozent) im Gegensatz zu jenen, die noch nie mit dem Problem konfrontiert waren.
Z.B. Grausgruber-Bemer/Grausgruber (l990:34f) lDld die dort angefUhrten Studien. PlasserlUlram (l99l:130f) zeigen beispielsweise in ihrem Überblick über die wichtigsten AnforderlUlgen an das politische System in Ö&erreich auf, daß er& seit Mitte der 80er Jahre die SicherlDlg der Vollbeschäftigung von der F orderlUlg nach einem verbesserten Umweltschutz auf Platz 2 verdrängt wurde. 13 14
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Wie eine multivariate Auswertung (Tabelle 7) allerdings zeigt, schlägt sich diese unterschiedliche Betroffenheit nicht in einer differenzierten Einschätzung nieder, sondern wird primär offenbar von anderen Faktoren bestimmt. Tabelle 7 Einßußfaktoren auf die Einsc:hätzunE von Maßnahmen zur BekämpfunE der ArbeitslosiEkeit vor allem in re';onalen KrisenEebieten Erklärte generalisierte Strelllmg: 18 Prozent Korr.Koeffizient* + 0,09 Arbeitsbelrutungen UmweltsdJ.ützende Produktien + 0,12 + 0,12 Verbesserung der Arbeitsbedingtmgen Arbeitsplätze für Behinderte + 0,17 + 0,14 Individuenzentrierte Arbeitsplat2politik • p>O.05. Unter statistischer Kentrolle ven sozialdemographisdlen Merkmalen (Fußnde 6), Wertorientienmgen (Fußnde 8), Arbeitssituatien (Fußnote 9), Betroffenheit bzw. Erfabnmgen mit Arbeitslosigkeit tmd persäiliche Kenntnis ven Arbeitslosen.
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Es sind dies einerseits das Ausmaß an Arbeitsbelastungen, dem jemand ausgesetzt ist, - höhere Belastungen führen hier häufiger zur Identifizierung von Defiziten. Es sind dies andererseits andere gesellschaftspolitische Forderungen, bei denen ein erhöhter Handlungsbedarf geortet wird. Und zwar: zu wenig Förderung für umweltschützende Produktion, ein Mangel bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, ein Nachholbedarf bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für Behinderte und eine individuelle Fähigkeiten und Interessen berücksichtigende Arbeitsplatzpolitik.
Am deutlichsten sind die Auswirkungen der unterschiedlichen persönlichen Konfrontation bei der Einschätzung der Bekämpfung des ungerechtfertigten Bezugs von Sozialleistungen, wie etwa Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, erkennbar: Je mehr Betroffenheit bzw. Sensibilität, um so zurückhaltender werden entsprechende Maßnahmen urgiert. Insgesamt sind mit 58 Prozent deutlich mehr als die Hälfte der Befragten der Ansicht, hier bestehe noch Handlungsbedarf, während 30 Prozent meinen, es werde genug getan und 12 Prozent bereits ein Zuviel erkennen. Unter den Berufstätigen mit einer Angst vor Arbeitslosigkeit entdecken nur 51 Prozent ein Defizit, sich nicht ängstigende Erwerbstätige sehen hingegen zu 61 Prozent die Notwendigkeit vermehrter Aktivitäten. Gleich sind auch die entsprechenden Zahlen wenn man die persönliche Kenntnis von Arbeitslosen berücksichtigt: In der Kategorie jener, die Arbeitslose aus dem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis kennen, meinen 51 Prozent, hier müsse noch etwas getan werden, bei denjenigen, die niemand kennen, steigt dieser Anteil auf 61 Prozent.
Diese Zusammenhänge bleiben weitgehend auch dann bestehen, wenn zahlreiche andere relevante Größen sozialdemographischer Art, Merkmale der
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Arbeitssituation sowie gesellschaftspolitische Grundorientierungen und Werthaltungen kontrolliert werden. Die multivariate Analyse (Tabelle 8) weist nach: Tabelle 8 FJnfIuOfaktoren auf die Einschätzung der Bekämpfung des ungerechtfertigten Bezugs von Sozialleistungen (LB. Arbeitslosengeid, Notstandshilfe) Erklärte generalisierte StreulDlg: 14 Prozent Korr.Koeffizient· Gesdllecht - 0,10 Angst ver Arbeitslosigkeit - 0,10 Betroffenheit vm Arbeitslosigkeit - 0,09 + 0,12 Individuenzentrierte Arbeitsplat2politik Ver&ändnis fiir Kinder - 0,10 Bekämpfimg vm SteuerhinterziehlDlg + 0,09 • pO.05. Unter statistischer Kentrolle ven sozialdemographischen Merkmalen (Fußnote 6) IDld Arbeitssituatirn (Fußnote 9).
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v. Diskussion und kritische Einschätzung der gegenwärtigen Situation
Der vorliegende Beitrag befaßt sich mit der Stellung von Behinderten und Arbeitslosen in einer menschengerechten Arbeitswelt. Ausgangspunkt war die Frage, ob eine Arbeitswelt - unabhängig der traditionellen Bemühungen um deren Humanisierung - überhaupt als menschengerecht bezeichnet werden kann, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen systematisch von der Arbeitswelt ausgeschlossen werden. Es ist Ziel dieser Arbeit, nachzuzeichnen, in welchem Ausmaß diesen bisherigen gesellschaftlichen Randgruppen die Integration in die Arbeitswelt in Österreich erleichtert bzw. erschwert wird. Die empirische Untersuchung von Integration bzw. Ausgrenzung erfolgt auf zwei eng verbundenen Ebenen: auf der Ebene gesellschaftlicher, struktureller Maßnahmen, Hilfen und Barrieren einerseits, und auf der Basis empirischer Befunde über Einstellungen und Meinungen zu dieser Problematik in der österreichischen Bevölkerung andererseits. Eine bewertende Beurteilung der gegenwärtigen Situation Behinderter muß zunächst darauf verweisen, daß Behinderungen sehr häufig mit sozialen Benachteiligungen verbunden sind, die nicht naturgesetzliehe Konsequenzen der körperlichen oder geistigen Schädigung darstellen, sondern Resultat vielfältiger sozialer Mechanismen sind, die diese Menschen an einer vollen gesellschaftlichen Teilnahme behindern. Als ein erstes folgenschweres Problem müssen die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Zahl der Betroffenen bezeichnet werden. Unterschiedlichste Formen und Verständnisse von Behinderungen, vielfältige und oft schwer überschaubare gesetzliche Grundlagen und damit verbunden unterschiedlichste Anspruchsvoraussetzungen für Hilfeleistungen sind zentrale Charakteristika und Probleme der gegenwärtigen Situation in ÖSterreich. Dies hat zur Folge, daß trotz der Tatsache, daß insbesondere in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen speziell zur beruflichen Integration von behinderten Menschen gesetzt wurden, nach wie vor die Gefahr besteht, Lücken in der Versorgung zu übersehen. Flexibilität hinsichtlich der Berücksichtigung der verschiedenen individuellen Bedürfnisse, Übersichtlichkeit und Durchschaubarkeit für die Betroffenen und gleiche Chancen auf eine Unterstützung für alle Gruppen von Behinderten insbesondere für die psychisch und geistig Behinderten müssen daher in Zukunft stärker bedacht werden. Im Bereich der Einstellungen und Werthaltungen zu Behinderten gibt es große Zustimmung zu sozial- und gesellschaftspolitischen Mcißnahmen zur Integration Behinderter in die Arbeitswelt. Die Schaffung von Arbeitsplätzen für behinderte Arbeitnehmer ist aus der Sicht der österreichischen Bevölkerung zwar ein wichtiges, aber nicht das wichtigste Ziel. Diese Haltung ist
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eingebettet in die Einschätzung einer Vielzahl weiterer gesellschaftspolitischer Probleme, bei denen ebenfalls Realisierungsdefizite bemängelt werden. Bei der Frage nach der persönlichen Bereitschaft zu einer konkreten Zusammenarbeit mit Behinderten wird verbal eine große Zustimmung bekundet, die allerdings im Gegensatz zu den Befunden früherer Untersuchungen stehen. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist nicht von Werthaltungen abhängig, sondern eindeutig von der konkreten Arbeitssituation bestimmt: Insbesondere bei unbefriedigenden Arbeitsbedingungen wird eine solche Zusammenarbeit offenbar als Belastung gesehen und abgelehnt. Sollen die Bereitschaftsbekundungen nicht leere Worte bleiben, dann ist die grundlegende positive Entwicklung einer Anerkennung von Bedürfnissen Behinderter durch entsprechende Maßnahmen abzusichern. Dies könnte beispielsweise in einem verstärkten Ausbau einer begleitenden Betreuung von berufstätigen Behinderten durch Arbeitsassistenzen erfolgen. Die Situation bei den Arbeitslosen ist ähnlich zu beurteilen. Ein Überblick über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zeigt ein breites Spektrum von Aktionen und Initiativen. Allerdings wird selbst von den zuständigen Stellen zugegeben, daß im internationalen Vergleich Österreich mit den Ausgaben für eine aktive Arbeitsmarktpolitik - 0,35 in Prozent des BIP - weit hinter den anderen europäischen Ländern hinterherhinkt (BMfAS 1993:233). In der zugrunde liegenden Studie wurde die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit, der Stellenwert eines sicheren Arbeitsplatzes, die Einschätzung des Bedarfs an arbeitsplatzschaffenden Maßnahmen sowie die Bereitschaft zu individuellen Solidarleistungen angesprochen. Obwohl sowohl in den amtlichen Unterlagen als auch in der vorliegenden Untersuchung ein großer Kreis von Betroffenen festgestellt werden kann, scheint Arbeitslosigkeit in der Öffentlichkeit - abgesehen von bösartigen Überzeichnungen - nicht sonderlich aufzufallen bzw. wahrgenommen zu werden. Lediglich höher Gebildete sowie allein Lebende nehmen dieses Problem im größeren Ausmaß wahr. Arbeitslosigkeit verursacht durchaus auch Angst. Sie ist neben der Einschätzung der persönlichen Arbeitsplatzsicherheit Folge der erlebten Arbeitsbelastungen. Deutlich wurde weiters: Betriebstreue schützt nicht vor Arbeitsplatzverlust, lange Beschäftigungsverhältnisse schützen nicht vor Angst. Eine persönliche Betroffenheit von Arbeitslosigkeit bzw. eine direkte Konfrontation mit dieser Thematik bewirken nur eher geringfügige Änderungen in der Problemsicht. Zwar werden von jenen Arbeitnehmern, die bereits einmal von Arbeitslosigkeit betroffen waren, deutlich weniger Defizite bei der Bekämpfung sog. Sozialschmarotzer gesehen, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen differieren die Ansichten allerdings nur unerheblich. Die Bereitschaft zur kollektiven Unterstützung von Arbeitslosen etwa durch einen persönlichen Verzicht auf Überstunden ist fast ausschließlich eine Frage des Ausmaßes an geleisteten Überstunden.
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Man findet bei den Einstellungen zum Phänomen Arbeitslosigkeit somit recht widersprüchliche Haltungen vor: Arbeitsplatzsicherheit hat einen großen Stellenwert in ÖSterreich, es wird auch kritisiert, daß hier zu wenig getan würde. Die Sicherung der Arbeitsplätze wird als eine wichtige Aufgabe des Staates gesehen, kollektive Solidaritätsaktionen oder individuelle Hilfen für Arbeitslose stoßen nicht überall auf Verständnis. Betrachtet man daher die Einstellungen zur Integration von Behinderten in die Arbeitswelt, so könnte man die anzutreffende Haltung als "Solidarität nach dem Floriani-Prinzip" bezeichnen: Hilfe wird weitgehend als gerechtfertigt und notwendig erachtet, es wird auch eine aktive Arbeitsmarktpolitik gewünscht, konkrete Hilfeleistung und Entgegenkommen sollen aber von anderen erbracht werden. Sowohl bei den Behinderten als auch bei den Arbeitslosen darf Integration nicht bloßes Lippenbekenntnis bleiben, sondern es müssen insbesondere auch im individuellen Bereich konkrete Handlungen folgen. Die gesellschafts- und arbeitsmarktpolitischen Bemühungen um eine berufliche Integration beispielsweise Behinderter müssen auch begleitet werden von der Bereitschaft, persönlich mit·Behinderten zusammenzuarbeiten. Sonst entstehen trotz bester sozialpolitischer Absichten und Voraussetzungen neue Ghettos, besteht die Gefahr einer weitergehenden Ausgrenzung und der Entwicklung zu einer entsolidarisierten Zwei-Drittel- oder Drei-Viertel-Gesellschaft, die letztlich immer weniger Menschen mit und in einer menschengerechten Arbeitswelt leben läßt.
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Alfred Grausgruber
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Kirche und Arbeitswelt Erwartungen an die Kirche und vermutete Kompetenzen bei der Gestaltung einer menschengerechten Arbeitswelt Von Heinz Holley
I. Kirche und Arbeitswelt: Rückblick auf ein belastetes Verhältnis Will man die Beziehung der Kirche zur Welt der Arbeit in der jüngeren Geschichte kennzeichnend beschreiben, so kann keinesfalls die benediktinische Regel "ora et labora" im Sinne einer harmonischen Ausgewogenheit von Transzendenz und Weltverbundenheit im LebensalItag zur Charakterisierung dieses Verhältnisses verwendet werden. Bei einer Behandlung der Thematik ,,Kirche und Arbeitswelt" ist daher zunächst in Erinnerung zu bringen, daß es der Kirche im vergangenen Jahrhundert nicht gelungen ist, Antwort und Orientierung auf die tiefgreifenden sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen zu finden. Die Entfremdung der Kirche dieser Zeit, vor allem von der Lebenswirklichkeit und den Problemen der Industriearbeiterschaft, hat für einen langen Zeitraum im Bewußtsein vieler (auch gläubiger) Menschen das negative Image der Kirche entstehen lassen, in Fragen der Arbeitswelt nicht kompetent zu sein. Der Kirche des 19. und angehenden 20. Jahrhunderts wurde von aktiven Kirchenmitgliedern wie auch von Fernstehenden der Vorwurf gemacht, sie hätte in der Wahrnehmung und Bewältigung der "Sozialen Frage" versagt! . Bemühungen der Kirche, die ihr verloren gegangene Arbeiterschaft zurückzugewinnen, blieben lange vergebens, da die Gräben, die mittlerweile schon entstanden sind, zu tief waren, als daß man sie mit einer Enzyklika2 oder einem Hirtenwort3 hätte überwinden können. Das Erscheinungsbild einer "politisierenden Kirche" wie es in ÖSterreich zwischen 1918 und 1938 entstanden ist, trug dazu bei, daß der Kirche von vielen Bürgern der Republik keine Orientierungskompetenz in sozialen Fragen oder Fragen der Arbeitswelt zugestanden worden ist. Die Christlich Soziale Partei mit Prälat Seipel an der Spitze, versuchte nach dem Wegfall des
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Vgl. dazn: J. Sd:J.asdUng, Die Soziale Brucb.aft der Kird:J.e, Einleitung, Innsbruck 1963. Papst Leo XIII, Enzyklika Rerum Novarum, 1891. Sozialhirtenbrief der Österreichisd:J.en Bischöfe 1955.
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Kaisertums als Schutzmacht der Kirche eine unversehrte katholische Gesellschaft wiederherzustellen. Zwischen Kirche und Partei bestand während dieser Zeit eine wechselseitige Identifikation: von der Kirche Wahlempfehlungen durch Hirtenbriefe ausgesprochen, oder Gebete für einen guten Wahlausgang angeordnet, die Partei trat umgekehrt für die Interessen der Kirche ein. In der Wiener Kirchenzeitung vom 16. Jänner 1919 stand etwa zu lesen: ,,Parteiarbeit ist Laienapostolat für die Seelsorge", Kritiker des Bundes zwischen Kirche und Partei wurden als Störer der Einheit des "christlichen Lagers" abqualifiziert. Die Sozialdemokratie schlug entsprechend zurück und bezeichnete die Priester als "Wahlschutztruppen für das Kapital'" . Als Seipel dieses Ziel, einen innerlich starken Staat, als verlängerter Arm der Kirche, der bei der "Sanierung der Seelen" helfen könnte, nicht erreichen konnte, begannen sich ständische Ideen und autoritäre Politik zu formieren. Dollfuß berief sich bei seiner autoritären Neuordnung das Staates auf die Sozialenzyklika Quadrogesimo anno, die von ihm allerdings fehlinterpretiert wurde, da die Enzyklika auf die sozialen Fragen der Zeit aufmerksam machen wollte, keinesfalls aber als Orientierung zur Errichtung eines katholischen Staatswesens intendiert war. In Österreich setzte in der Kirche nach 1945 basierend auf den bitteren Erfahrungen während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges eine Neubesinnung über ihre Stellung in Staat und Gesellschaft ein. Diese Neuorientierung fand ihren Höhepunkt beim Studientag des Österreichischen Katholikentages 1952 in Mariazell. Im Mariazeller Manifest wurde die neue Position der Kirche im Hinblick auf ihre Rolle in der Gesellschaft in der Überschrift: ,,Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft" zusammengefaßt'. In diesem Dokument wurde eine Absage an ein Staatskirchenturn früherer Jahrhunderte ausgesprochen und ebenso eine Rückkehr zum Protektorat einer Partei über die Kirche ausgeschlossen. Wörtlich wurde in diesem Dokument festgehalten: ,,Eine freie Kirche bedeutet aber nicht eine Kirche der Sakristei oder des katholischen Ghettos, eine freie, auf sich selbst gestellte Kirche heißt eine Kirche der weltoffenen Tür und ausgebreiteten Arme, bereit für die Zusammenarbeit mit dem Staat in allen Fragen, die gemeinsame Interessen berühren, also in Ehe, Familie, Erziehung; Zusammenarbeit mit allen Ständen, Klassen und Richtungen zur Durchsetzung des gemeinsamen Wohls; Zusammenarbeit mit allen Konfessionen auf der Grundlage des gemeinsamen Glaubens an den lebendigen Gott, Zusammenarbeit auch mit allen geistigen Strömungen, mit allen Menschen, wer immer sie seien und wo immer sie stehen, die gewillt sind, mit der Kirche für einen
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