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German Pages 142 [144] Year 1983
MEISTERWERKE DER
ENDSPIELKUNST
A.S. GURWITSCH W. S P E C K M A N N
MEISTERWERKE DER ENDSPIELKUNST Ausgewählte Schachstudien mit eingehenden Erläuterungen 2., verbesserte und erweiterte Auflage
w DE
_c WALTER DE G R U Y T E R • B E R L I N • NEW Y O R K 1983
CIP-Kurztitelaufnabme
der Deutschen
Bibliothek
Meisterwerke der Endspielkunst: ausgew. Schachstudien mit eingehenden Erl. / A. S. Gurwitsch; W. Speckmann. - 2 . , verb. u. erw. Aufl. - Berlin; New York: de Gruyter, 1983. ISBN 3-11-009841-5 NE: Gurvic, Abram S. [Mitverf.]; Speckmann, Werner [Mitverf.]
© Copyright 1963, 1983 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ubersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz, Druck und Bindung: Franz Spiller, Berlin. Einbandentwurf: Ulrich Hanisch, Berlin.
VORWORT Die Studie ist die „Hohe Schule" der Kombination. In ihr geschehen zauberhafte Dinge, die dem Schachspieler oft den Atem verschlagen. Sie ist deshalb geradezu dafür prädestiniert, der Liebling eines jeden Schachfreundes zu sein. Um so verwunderlicher ist es, daß sie in deutschen Landen so wenig kultiviert wird, ja beinahe in einen Dornröschenschlaf verfallen ist. Daß es sich so verhält, erklärt sich daraus, daß es in unserem Sprachraum kaum Literatur gibt, die sich grundlegender mit der Studie befaßt und dadurch den Zugang zu ihr eröffnet. Das vorliegende Buch will diesem Mangel abhelfen und ihr dadurch die Beachtung sichern, die sie auf Grund ihrer hohen Qualitäten verdient. Mit dem Autor der in diesem Buch enthaltenen Abhandlung „Poesie des Schachs", dem bekannten russischen Studienkomponisten A. S. Gurwitsch, ist der Unterzeichner auf dem Weltkongreß der Schachkomponisten in Moskau im September 1961 zusammengetroffen. Bei dieser persönlichen Begegnung ist der Plan entstanden und erörtert worden, der deutschen Schachwelt diese für die Studienkunst bedeutsame Abhandlung in etwas erweitertem Rahmen durch eine Übersetzung zugänglich zu machen. Sie bildet demgemäß den Hauptteil des vorliegenden Buches, während in weiteren Abschnitten durch den Unterzeichner Wesen und Geschichte der Studie beleuchtet und ausgewählte Kompositionen deutscher und österreichischer Verfasser vorgeführt werden. H A M M ( W E S T F . ) , IM HERBST 1 9 6 3
D R . W E R N E R SPECKMANN
Zur 2. Auflage Als ein „wirklich faszinierendes Buch" bezeichnete kürzlich ein Studienexperte dieses Werk, dessen erste Auflage nun seit etwa zehn Jahren vergriffen ist. Es ist dies ein Lob, das ich bedenkenlos zitieren darf, weil ja der wesentliche Teil des Buches in der Abhandlung von A. S. Gurwitsch besteht, und es eben dieser Eindruck war, der mich seinerzeit veranlaßt hatte, sie aus dem Russischen zu übersetzen. Den von mir verfaßten Teil „Deutsche Studienkunst" habe ich um einige weitere Studien und Nachträge erweitert. Dabei war es nicht meine Absicht, die Entwicklung der deutschen Studienkomposition bis in die Gegenwart zu verfolgen. HAMM, IM FRÜHJAHR 1 9 8 3
D R . W E R N E R SPECKMANN
INHALTSÜBERSICHT Zur Einführung A. S.
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GURWITSCH:
Poesie des Schachs
Zum Gedenken an A. S. Gurwitsch W.
SPECKMANN:
15 103
Deutsche Studienkunst
(52 Studien deutscher und österreichischer Verfasser)
105
Lösungen der 52 Studien
119
Nachträge
138
Verzeichnis der Studienverfasser
142
Zur Einführung Schach — das ist für viele gleichbedeutend mit dem Partiespiel. Wer aber eine Schachpartie spielt, will den Genuß, den der geistige Zweikampf vermittelt, die Befriedigung, die es bereitet, den Gegner in eine ungünstige Stellung hineinzumanövrieren oder sich aus einer schwierigen Lage durch geschickte Verteidigung wieder freizuspielen. Ob die Partie dann am Ende ein harmonisches Ganzes und damit auch künstlerisch von Wert sein wird — das interessiert die Parteien während des Kampfes nur am Rande und hängt zudem nicht nur von dem einzelnen Spieler, sondern ebenso sehr vom Gegner und damit weitgehend vom Zufall ab. Kampf und Zufall — das ist kein Nährboden, aus dem künstlerische Werte zu erwachsen pflegen. Um eine Idee vollkommen verwirklichen und ihr künstlerischen Ausdruck verleihen zu können, muß man vielmehr in der Lage sein, mit seinem Material frei zu walten und es nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Das Schach ist jedoch so vielgestaltig, daß es auch ein Gebiet umschließt, auf dem eine solche Freiheit des Schaffens gegeben ist. Es ist dies das Reich der S c h a c h k o m p o s i t i o n e n , worunter künstlich verfaßte Stellungen zu verstehen sind, die eine interessante schachliche Idee unter strenger Beachtung künstlerischer Grundsätze und vor allem des Ökonomiegebotes verwirklichen. Zu diesen Schachkompositionen gehören vor allem das Schachproblem und die — den Gegenstand des vorliegenden Buches bildende — Schachstudie. In beiden Kompositionsarten stellt der Verfasser dem Löser eine bestimmte Aufgabe; während im Schachproblem das Matt in einer bestimmten Zügezahl herbeizuführen ist, handelt es sich bei der Studie darum, je nach der gestellten Forderung den Gewinn oder das Remis zu erzwingen. Im S c h a c h p r o b l e m sind — weil es nur auf das kürzeste Matt ankommt — der Gewinn als solcher und später erzielbare Matts für die Lösung bedeutungslos. Diese Bindung an eine bestimmte Zügezahl ermöglicht es, Ideen von großer Tiefe darzustellen, die in der Partie niemals oder doch nur in sehr verharmloster Gestalt auftreten. Andererseits aber ist dies auch der tiefere Grund dafür, daß viele Schachspieler keine rechte innere Einstellung zum Schachproblem finden können. Sie sehen nicht ein, weshalb man sich bei ohnehin klar gewonnener Stellung noch den Kopf darüber zerbrechen soll, wie ein Matt in kürzester Zügezahl zu erzielen ist. Regelmäßig befremdet sie auch schon die Anfangsstellung des Problems, weil diese kaum jemals einer Partiestellung ähnelt und ihnen deshalb „unnatürlich" erscheint. Diese Vorurteile sind zwar ganz fehl am Platze, weil aus dem praktischen Denken der Partie hergeleitete Erwägungen hier keinerlei Berechtigung haben; aber sie führen doch dazu, 9
daß den meisten Schachfreunden die tiefen Schönheiten, die das Schachproblem zu bieten hat, auf immer verborgen bleiben. Weit mehr als das Schachproblem kommt deshalb die S t u d i e dem partiegemäßen Denken entgegen. Gewinn oder Remis als das zu erstrebende Ziel und eine Lösung, die den einzigen Weg zu diesem Erfolg bildet, das sind Gedankengänge, die der Zustimmung des Partiespielers gewiß sein dürfen. Hinzukommt, daß als Folge der partiegemäßen Forderung auch Materialverteilung und Anfangsstellung bei der Studie regelmäßig so beschaffen sind, als handele es sich um ein aus einer wirklich gespielten Partie hervorgegangenes Endspiel (wobei Ausnahmen auch hier die Regel bestätigen). Hält man sich dies vor Augen, so sollte man annehmen, daß die Studie sich großen Interesses nicht nur — wegen ihres künstlerischen Charakters — bei den Problemfreunden, sondern vor allem auch bei den Partiespielern erfreuen müßte. Für den Partiespieler ist es ein erhebendes Gefühl, wenn es ihm gelungen ist, in einer Partie eine schöne Kombination anzubringen oder gar das Spiel dadurch zu beenden. Wenn er sich regelmäßig mit Studien befaßt, wird sein Kombinationsgefühl immer mehr ausgebildet werden, und mancher zusätzliche Erfolg wird der praktische Lohn sein. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß sich unter den Studienkomponisten mancher bedeutende Schachmeister befindet, wobei vor allem Großmeister R É T I genannt werden muß, der hier Unvergängliches geschaffen hat. In manchen Ländern steht die „Kunst der Studie" demgemäß auch in hoher Blüte. Ganz besonders gilt das für die UdSSR, deren Komponisten heute unzweifelhaft eine führende Stellung einnehmen. Eine umfangreiche Studienliteratur ist der Beweis dafür, welche Resonanz die Studie dort in weiten Kreisen der Schachspieler findet. In Deutschland hingegen fristet die Studie ein recht kümmerliches Dasein. Es gibt hier nur wenige Studienverfasser von Rang. Auch der Kreis derer, die sich mit dem Lösen von Studien befassen, ist sehr beschränkt, und bis vor kurzem fehlte es fast gänzlich an einschlägiger Literatur. Es besteht jedoch Aussicht, daß die Studie künftig auch bei uns größeres Interesse finden wird. Erst kürzlich sind zwei Bücher herausgekommen, die sich mit ihr befassen: Das von dem Unterzeichneten aus dem Russischen übersetzte und mit Anmerkungen versehene Buch von E. I. UMNOW „Schachkompositionen — ein Vergleich zwischen Problem, Studie und Partie" (Walter Rau-Verlag, Düsseldorf 1961), das der Studie grundsätzliche Betrachtungen widmet; und ferner von Dr. H. STAUDTE „Aus der Welt der Schachstudie" (Schachverlag Heinz Loeffler, Bad Nauheim 1961), eine Zusammenstellung von 160 Studien mit ausführlichen Erläuterungen. Die hier vorgelegte Abhandlung „Poesie des Schachs" von A. G U R W I T S C H , einem der bedeutendsten russischen Studienkomponisten, bildete die Einleitung zu dem im Jahre 1955 in Moskau herausgekommenen großangelegten Sammelband „Sowjetische Schachstudien" (464 Seiten mit 650 Diagrammen); 10
in etwas erweiterter Fassung wurde der Aufsatz dann erneut in das 1961 erschienene Buch „A. GURWITSCH: Studien" aufgenommen. Schon daraus ergibt sich, welcher Wert ihm in der UdSSR, dem führenden Land auf dem Gebiet der Studie, beigemessen wird. Daß er auch dem deutschen Publikum sehr viel zu sagen haben wird, bedarf keiner weiteren Begründung. Dem Leser werden durch die Ausführungen, die oft von poetischem Schwung getragen sind und ihm genußreiche Stunden vermitteln werden, die Welt der Studie, ihr Wesen und ihre Probleme so nahegebracht, daß er künftig keine Scheu mehr verspüren wird, sich mit diesem reizvollen Gebiet des Kunstschachs zu befassen. Und ganz nebenbei wird er viele Juwele der Studienkunst kennen und in ihrer ganzen Schönheit verstehen lernen. Nach der Lektüre dieser Abhandlung wird der Leser sicherlich den Wunsch verspüren, sich einmal selbständig mit dem Lösen von Studien zu versuchen. Im Schlußteil dieses Buches hat deshalb der Unterzeichnete 48 dafür geeignete Aufgaben zusammengestellt. Dabei sind ausschließlich Studien deutscher und österreichischer Komponisten berücksichtigt worden, um gleichzeitig einen kleinen Überblick darüber zu geben, was „hierzulande" auf diesem Gebiet zu vermelden ist. Mit dieser Auswahl sollte aber nicht etwa ein „Rechenschaftsbericht", also eine Auslese des Besten und Gelungensten, geboten werden. Der oben herausgestellte Zweck dieser Zusammenstellung, den Leser zu eigenen Lösungsversuchen zu veranlassen, verbot es grundsätzlich, Aufgaben von zu großer Schwierigkeit und namenlich solche, die komplizierte Analysen erforderlich machen, zu verwenden. Es handelt sich deshalb ganz überwiegend um Studien mit verhältnismäßig kurzem und präzisem Lösungsverlauf, den aufzufinden auch der bloße Partiespieler hoffen darf; die einführenden Erläuterungen sollen ihm dabei weiter behilflich sein. Um möglichst viele Autoren zu berücksichtigen, sind im Hauptteil von jedem Verfasser in dieser Zusammenstellung grundsätzlich nur eine Komposition, von einigen hervorragenderen Verfassern auch deren zwei gebracht worden. *
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Zur Einführung erscheinen zunächst einige kurze Bemerkungen zur Ges c h i c h t e der Studie geboten. Künstliche Schachstellungen mit partiegemäßer (also Gewinn- oder Remis-) Forderung und studienhaftem Inhalt gibt es schon fast so lange wie das Schachspiel selbst. Bereits unter den arabischen Mansuben (vor Ende des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung) finden sich einige solcher Stellungen, die mehr sind als bloße Endspiele. Ebenso verhält es sich bei den Autoren des späten Mittelalters und der neueren Zeit (LUCENA 1497, DAMIANO 1512, GRECO 1619, ferner im 18. Jahrhundert vor allem STAMMA, DEL R I O , LOLLI, PONZIANI; von Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts sind die Namen MENDHEIM, JAENISCH, W A L K E R und LEWIS ZU erwähnen). Die bewußte Erkenntnis und Pflege der Studie als eigener Kunstform nimmt ihren Anfang 11
aber erst mit J . KLING und B. HORWITZ, zwei nach London übergesiedelten Deutschen, deren Buch „Chess Studies", London 1851 (dem J. KLINGS „The Chess Euclid", London 1849, vorangegangen war) durch seine zahlreichen Kompositionen von durchaus modern-studienhaftem Gehalt in höchstem Maße anregend wirkte. In der Folgezeit wurde die Trennung der Studie vom bloßen Endspiel immer bewußter und klarer vollzogen. Ganz besonders hat sich hier JOHANN BERGER aus Graz hervorgetan. Dieser hat nicht nur lange Zeit, bis Anfang des 20. Jahrhunderts, die führende Rolle im deutschen Problemschach gespielt, sondern auch die künstlerische Studie sehr intensiv gepflegt und gefördert, und in seinem in erster Auflage im Jahre 1890 erschienenen Standardwerk „Theorie und Praxis der Endspiele" sind zahlreiche solcher echten Studien enthalten. Im Jahre 1906 hat er der Ausschreibung eines Studienturniers durch die Zeitschrift „Bohemia" folgendes Geleitwort vorangestellt, das in wenigen Sätzen einen Eindruck von der damaligen Entwicklung vermittelt: „Es hat sich nach und nach eine Gruppe von Komponisten zusammengefunden, welche für die Darstellung des Gewinnes überhaupt (nicht des Matts im besonderen) und des Remis beziehungsweise des Patts ebenso eine Fülle ansprechender Ideen und eine gute Form zu ersinnen wissen, wie seit etwa sechzig Jahren die Darsteller des kurzen Matts (die sog. Problemkomponisten) für ihren Kompositionszweig. Wir verweisen auf die Namen AMELUNG, Brüder BEHTING, DURAS, Freiherr VON HOLZHAUSEN, JESPERSEN, Dr. NEUSTADTL, Brüder PLATOFF, R I N C K , SEHWERS, SEYBOTH, TROITZKY u. a. m., und auf die in den letzten zehn Jahren von diesen Autoren veröffentlichten Kompositionen, welch letztere bereits die Grundzüge einer Studienkompositionskunst oder -methode erkennen lassen. Dieser neuere Kompositionszweig ist der liebevollen Pflege um so mehr zu empfehlen, als die Autoren gewöhnlich unmittelbar an die Partie selbst ansetzen, d. h. zeigen, wie man in einer gegebenen Endstellung noch auf schöne oder feine Weise gewonnen oder sich vor Verlust bewahrt hätte. Dadurch wird diese Studienkomposition zugleich eine Schule für die Behandlung von Schlußspielen in der Partie." Die große Bedeutung, die TROITZKY für die Entwicklung der Studie zu einer eigenen Kunstgattung zukommt, wird dem Leser durch die Abhandlung A. GURWITSCH'S nahegebracht werden. Um aufzuzeigen, daß auch außerhalb Rußlands bedeutende Pioniere am Werk waren und es nicht so liegt, daß etwa erst mit den zwanziger Jahren eine neue Weiterentwicklung zu verzeichnen gewesen wäre, bringen wir noch einen Auszug aus einer — ebenfalls von J. BERGER verfaßten — Besprechung des im Jahre 1908 herausgekommenen Buches „150 Endspielstudien" von HENRI R I N C K , der in Frankreich zur Welt kam, die meiste Zeit aber in Spanien ansässig war (es erschienen insgesamt fünf Ausgaben der RiNCKSchen Studien, die letzte im Jahre 1950 mit 1414 Stellungen): 12
hat mit seinen geistreichen, formvollendeten Studien dieser neueren Kompositionsrichtung gewissermaßen den Weg vorgezeichnet, welchen sie zu wandeln hat. Die Brüder BEHTING hatten zwar bereits durch tiefgründige, über das Gebiet des Partieendspieles hinausragende Positionen das höchste Interesse der Schachwelt entfacht, und TROITZKY hatte durch viele geniale, überraschende Wendungen die Schachkreise entzückt, aber im wahren Sinne des Wortes Schule gemacht haben erst die Kompositionen von RINCK, deren Einfluß auf die neueren Werke aller Meister der Studienkomposition unverkennbar ist. RINCK hat, ähnlich wie einst BAYER auf dem Gebiete der Problemkomposition, gezeigt, daß es noch eine unerschöpfliche Fülle schöner und feiner Kombinationen gibt, die für die Studienkomposition verwertet werden können, und daß man nicht nötig hat, Partiewendungen aus dem Mittelspiel (mit Massenmaterial) heranzuziehen oder aber zu forschen, ob dem Partieendspiel (bei der systematischen Verwertung einer kleinen Übermacht) neue Reize abgewonnen werden können." Auch später ist auf dem Gebiet der Studie außerhalb Rußlands Bedeutsames geschaffen worden. Zutreffend aber stellt A. GURWITSCH fest, daß dann, in den letzten Jahrzehnten, die sowjetrussischen Komponisten hier die Führung an sich gerissen haben und diese noch heute innehaben. Die Studie genießt in Rußland die gleiche Wertschätzung wie das Schachproblem; zahlreiche bedeutsame Autoren haben darin gewetteifert, die Studienkunst auf einen immer höheren Stand zu bringen. Das mußte natürlich seine Früchte tragen. Viele geradezu phantastische Leistungen sind denn auch das Ergebnis dieses edlen, Jahrzehnte währenden Wettstreits. Die Abhandlung A. GURWITSCHS wird dem Leser ein deutliches Bild hiervon vermitteln. Wenn dieses Buch dem Leser von feinsinnigem geistigen Genuß erfüllte Stunden bereitet und ferner dazu beiträgt, daß in Deutschland — wo das Problemschach in hoher Blüte steht — künftig auch der Studie größeres Interesse zugewandt wird; wenn es vielleicht sogar dazu führt, daß bisher schlummernde Talente sich ihrer Begabung bewußt werden, so daß es neue Komponisten auf den Plan ruft, die auf internationaler Ebene ein Wort mitzusprechen in der Lage sind: wenn das durch dieses Buch auch nur in annähernder Weise erreicht werden sollte, so hat es seinen Zweck erfüllt. „ H E N R I RINCK
D r . WERNER SPECKMANN
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Hinweis Die Abschnitte I und II sind ungekürzt nach der russischen Originalarbeit Schachmatnaja poesija wiedergegeben. In den beiden letzten Abschnitten (III und IV) hingegen sind Streichungen vorgenommen worden; wo es hier geboten erschien, wurden zur Wahrung des Gedankengangs Zwischentexte des Übersetzers eingefügt, die sich durch das Schriftbild vom übrigen Text abheben.
A . S. GURWITSCH
POESIE DES SCHACHS I Kann im Zusammenhang mit der Schachkomposition überhaupt von „Kunst" die Rede sein? Wenn das Wesen der Kunst darin besteht, daß sie die Wirklichkeit körperlich oder sinnenhaft widerspiegelt: ist für sie dann überhaupt Raum in einem dem Vergnügen bestimmten Spiele, dessen Material gedrechselte Figuren sind, die sich nach für sie besonders ausgedachten schachlichen „Regeln" und auf einer Bühne von 64 Feldern bewegen, außerhalb deren Grenzen sie ihren ganzen Eigenschaften verlustig gehen und als einfache Holzklötze in einem Kasten liegen ? Noch eigenartiger berührt die Verbindung der Begriffe K u n s t und S c h a c h angesichts der Wahrheit, daß die künstlerische Betätigung doch eine besondere — ästhetische — Form der menschlichen Selbsterkenntnis ist. Das Wesen der Kunst und ihre Bedeutung für den Menschen: beides muß zu dem Schluß führen, daß das Schach irgendwo außerhalb des Bereiches der Kunst seinen Platz hat, mag es auch die erstaunlichste aller Unterhaltungen sein, mit denen das müßige Spiel seines Geistes den Menschen beschenkt hat. Als Spiel zu sehr Wissenschaft, als Wissenschaft zu sehr Spiel — dieser bekannte Aphorismus über das Schach läßt sich abwandeln, indem man das
aus dem Russischen mit Anmerkungen und Zwischentexten von Dr. W. Speckmann
Wort „Wissenschaft" durch das Wort „Kunst" ersetzt. Denn wenn man nach dem oben Gesagten das Schach auch dem müßigen Spiel des Verstandes zuschreiben muß, so wäre es doch ungerecht gegenüber dieser alten und weisen Erfindung, wollte man sie ausschließlich auf das Gebiet des bloß Abstrakten, des formal-logischen Denkens beschränken und in ihr keinerlei — wenn auch nur bedingt zum Ausdruck gebrachte — künstlerische Gestaltung menschlicher Lebenserkenntnisse erblicken. Es muß doch ein Grund dafür gegeben sein, daß von allen den geistigen Spielen, die in den verschiedenen Perioden der menschlichen Kultur einander abgelöst haben, das Schachspiel die Prüfung der Zeit am besten bestanden und, nachdem es einmal aufgekommen war, nicht nur nicht wieder untergegangen ist, sondern vielmehr im Laufe vieler Jahrhunderte immer mehr Boden gewonnen und immer breiteren und tieferen Eingang in das kulturelle Leben der Menschheit gefunden hat. Das Schachspiel spiegelt nicht, wie das bei den mathematischen Formeln der Fall ist, die Naturgesetze in ihrer abstrakten Gestalt wider; die Größen, die die Grundlagen des Schachs bilden, das Brett und die Figuren in allen ihren Eigenschaften sind vielmehr vom Menschen willkürlich erdacht und haben in der Natur keinerlei di15
rekte Entsprechung. Andererseits aber zeichnet sich das Schach dadurch aus, daß es — in höherem Maße als jedes andere Spiel — ein Kampfspiel ist, in dem sich auf eigenartige Weise zahlreiche Gesetze widerspiegeln und auswirken, denen der Mensch auf den verschiedenen Gebieten seiner praktischen Lebensbetätigung ebenfalls begegnet. Die Stellung des Menschen in seinen durch Raum und Zeit bestimmten Grenzen, die Koordinierung und Inbeziehungsetzung der verschiedenen ihm gegebenen Kräfte, die sich ständig ändert je nach den Zwecken, die er jeweils verfolgt, all dies ist auch in das „Wesen" des Schachspiels eingegangen und hat ihm seinen eigenartigen, dialektischen Charakter verliehen. Aber dieser eine — wenn auch schon sehr wesentliche und kennzeichnende —Gesichtspunkt kann allein die große Anziehungskraftdes Schachspiels nicht erklären. Das schachliche „Geschehen" spielt sich nicht in der Region der reinen Vernunft, sondern in der gespannten Atmosphäre lebendiger menschlicher Empfindungen ab. In dieser lautlosen Schlacht zwischen Schwarz und Weiß kommen all die verschiedenen Gefühle zur Geltung, denen wir in unserem lauten und vielfarbigen Leben ausgesetzt sind. Der Schachspieler erfährt im Verlauf des Kampfes in der Partie sowohl Freude wie Leid, er erlebt den Kampfesrausch ebenso wie die Verzweiflung. Eine Aufzählung der durch den schachlichen Kampf hervorgerufenen Empfindungen in allen ihren Nuancen ist ebenso unmöglich wie es das 16
Vorhaben wäre, den unerschöpflichen Reichtum und die unermeßliche Vielfältigkeit der auf dem Schachbrett denkbaren Stellungen oder überhaupt einen Gegenstand in allen seinen verschiedenartigen und subtilsten Eigenschaften zu erfassen. Unter den Empfindungen, die das Schach hervorruft, ist aber eine hervorzuheben, die unzweifelhaft alle anderen an Intensität und Tiefe übertrifft — es ist dies die Freude an dem Schönen: Das geistig Schöne ist von ganz besonders starker Intensität, es ruft in uns immer wieder ein lebhaftes Echo hervor. Dieses Gefühl triumphiert sogar über den sportlichen Enthusiasmus. Man denke nur an den spontanen, begeisterten Applaus der oft an die Tausend gehenden Menge von Zuschauern in russischen Turniersälen, wenn auf irgendeinem Brett die Partie durch eine effektvolle Opferkombination beendet wurde! Und diese Begeisterung erfaßte alle ohne Ausnahme, ohne Rücksicht auf die Person des Siegers oder des Unterliegenden. Wie hilflos waren doch in solchen Augenblicken die Schiedsrichter des Turniers, wenn sie den Versuch machten, die Ruhe im Saal wiederherzustellen; zudem mußten ja gerade sie, die doch selbst den Spezialpreis für die schönste Partie zu vergeben haben, für eine solche spontane Reaktion der Menge besonderes Verständnis empfinden. In den Schachturnieren ist dieser Spezialpreis wie ein Tribut, der von dem Sport der Kunst entrichtet wird — eben in Anerkennung der Macht des Schönen. Sind die Tage des Tur-
niers zu Ende gegangen, dann werden die Partien als geistige Werke bewertet, ohne daß sportliche Gesichtspunkte noch eine Rolle spielten, und die schönste Partie ist jetzt der kostbarste Schmuck des Turnierbuches; sie durchläuft die Schachpresse der ganzen Welt und überlebt lange Zeit alle übrigen Partien, mögen sie noch so gediegen sein. Sie lebt weiter — durch die in ihr verkörperte Schönheit. „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum" — man könnte meinen, dieser bekannte Ausspruch bezöge sich auf die schachliche Spekulation nur mit seiner „grauen Hälfte". Aber, hat man nicht eine glänzende Partie A N D E R S SENS geradezu als „immergrün" bezeichnet? Im Höhepunkt seiner schachlichen Schaffenskraft hat der geniale A. A. A L J E C H I N ausgeführt: „Für mich ist das Schach nicht Spiel, sondern Kunst. Ja, ich rechne das Schach zur Kunst, und ich empfinde ihm gegenüber alle die Verpflichtungen, die die Kunst ihren Jüngern auferlegt." Zugegeben, die sportlichen und ästhetischen Gefühle können im schachlichen Kampf nicht voneinander getrennt werden. Wie auf vielen anderen Gebieten menschlicher Tätigkeit ist es eine Eigenart des Schachspieles, daß das Schöne sich durch die Stärke beweist und deshalb mit dem Sieg bekränzt wird. Für A L J E C H I N war das Schach eine Kunst. Bekanntlich aber hatte er, der doch die Jagd nach Punkten verurteilte, gleichzeitig sich das Ziel gesetzt, Weltmeister zu werden. Wir meinen jedoch, daß A L J E C H I N seine größten Siege nicht nur seiner 2 Gurwitsch-Speckmann
Genialität, sondern in erheblichem Maße auch seiner hohen Auffassung von dem Wesen des Schach zu verdanken hat. Wir können uns deshalb nicht darauf beschränken, allein der Schachkomposition künstlerische Qualitäten zuzubilligen, vielmehr müssen wir auch einräumen, daß das in der praktischen Partie sich betätigende schachliche Denken ebenfalls künstlerische Momente aufweist. Genau genommen sind auch im Schaffen des Komponisten — selbst wenn man nur den Inhalt der von ihm dargestellten Kombination im Auge hat — ästhetische und sportliche Momente untrennbar miteinander verbunden. Auf die Wettbewerbe, die unter den Komponisten in den Problemturnieren stattfinden, wollen wir hierbei allerdings nicht anspielen. Der Verfasser einer Studie oder eines Schachproblems hat aber einen Gegner auch dann, wenn man nur die Komposition als solche in Betracht zieht. Sein Partner — ist der Schachfreund, der sich mit dem Lösen der Komposition befaßt. Mit ihm kämpft der Komponist im ganzen Bereich seiner schöpferischen Tätigkeit. Er versucht, das Geheimnis der ihm vorgelegten Stellung so tief wie möglich zu verbergen, er stellt ihn als Löser vor die größtmöglichen Schwierigkeiten und verlangt von ihm die höchste Anspannung seiner Kräfte. Hat der Komponist dann aber seine Idee dargestellt, so ist er frei von jeder Einmischung dieses Partners in den Ablauf des auf dem Schachbrett stattfindenden Kampfes, dieses Partners, der — wie A L J E C H I N mit Bedauern 17
festgestellt hat — in der Partie oft langem als die Poesie des Schachs bedurch schwache Züge die begeisternd- zeichnet wird, und daß A . A.TROITZKY, sten Pläne vereitelt. Und deshalb tritt der die Grundlagen der modernen bei der Komposition, die von solchen Studie gelegt hat und zugleich ihr Zufälligkeiten nicht abhängig ist, der größter Meister war, mit dem Titel künstlerische Charakter bedeutend eines verdienten Künstlers gewürdigt stärker hervor als in dem praktischen worden ist; auch wenn wir also alleSpiel, so daß ihr ein höherer Kunst- dem keine Bedeutung beimessen wollen, können wir doch nicht umhin, in wert zuzusprechen ist. Während in den Schachturnieren der der Schachkomposition ein feines und Preis für die schönste Partie nur ein scharfsinniges Spiel des Geistes zu „Spezial"-Preis und auf den Turnier- erblicken, das durch schöne Ideen, sieg ohne Einfluß ist, kennen die durch schöne Kombinationen erfreut. Komponisten in allen ihren Wett- Wo aber das Schöne den Gegenstand bewerben nur diesen einen Preis — bildet, da müssen notwendig auch ästhetische Kriterien vorhanden sein. den Schönheitspreis. Die Darstellung schöner Kombina- Welches sind nun diese Kriterien? tionen ist das einzige Ziel der Studien- Welche künstlerischen Grundsätze Komposition. Außer diesem Ziel gibt gelten also für unser Gebiet? es für den Komponisten nichts, was „Für das Schachproblem als künstseineBemühungen rechtfertigen könn- lerisches Erzeugnis tritt die Schachte. Die Schönheit ist auch das alleinige partie an die Stelle der Natur und des und allgemeingültige Kriterium für tatsächlichen Lebens. Wie die Natur die Bewertung seiner Erzeugnisse. — die Welt der Farben und der Laute „Ein schönes kleines Ding" — so — die Elemente und das Material für äußerte sich W. I . LENIN in einem die Werke der Malerei und der Musik Brief an seinen Bruder D. I. ULJANOW liefert, so entnehmen wir dem prakvom 10. Februar 1910 über eine der tischen Spiel die Elemente für das Studien von W. und M. PLATOW. Die- Schachproblem und das Material für se Worte kennzeichnen den ästheti- seine Komposition." schen Genuß, den die Schachkompo- Mit diesen Worten hat A. W. GAsition auch dem schärfsten und tiefsten LITZKY treffend zum Ausdruck geGeiste — wie bekannt, lehnte LENIN brächt, daß für die Schachkomposition alle gegenstandslosen und im Grunde der „Lebensquell" eben die Schachsinnlosen abstrakten Spekulationen partie ist, also der schachliche Kampf entschieden ab — zu bieten vermag. und der ganze Reichtum an Ideen, der Gleichzeitig ergeben sie, daß LENIN sich ständig in der Spiel- und Turnierdiesen Genuß durchaus zu scheiden praxis ansammelt. Würde man diese wußte von der Freude an den die Beziehung zur Schachpartie lösen, so Wirklichkeit widerspiegelnden Wer- müßte die Schachkomposition ihren ken der Kunst. Halt verlieren und verkümmern. Auch wenn wir davon absehen, daß Die Studie — wie auch das Schachdas Gebiet der Schachkomposition seit problem — haben der Schachpartie 18
bereits ihr Dasein zu verdanken. Ohne die praktische Partie würden auch die Studie und das Problem nicht existieren. Aber die Komponisten sind mit der Schachpartie nicht bloß äußerlich, also nicht nur durch die Regeln verbunden, die das „Leben" der Schachfiguren bestimmen. Eine gewaltige Anzahl von Menschen ist dem Schachspiel als geistigem Sport ergeben; wenn nun die Studienkomponisten nicht danach streben würden, diese Massen von Schachspielern für ihre Werke zu gewinnen, so daß sie sie lieben, verstehen können und Genuß an ihnen empfinden, was hätte da ihr Schaffen überhaupt für einen Sinn? Man kann keinen gesunden Geschmack erwerben, ohne daß man sich ständig in der großen Arena der Öffentlichkeit erprobt. Das Interesse, das eine Leistung bei der Masse erweckt, ist stets der wahre Maßstab für ihre Natürlichkeit und gesunde Zielrichtung und gleichzeitig ein Schutz vor allen subjektiven Abartigkeiten, da diese nie und nimmer ein breites Publikum finden können. Gerade weil sie nur ein begrenztes Gebiet schachlichen Schaffens darstellt und weil das sportliche Moment in ihr sehr zurücktritt, muß die Komposition daher um die Aufrechterhaltung einer engen Verbindung mit der Schachpartie bemüht bleiben und danach streben, ihren Inhalt eng dem Geschmack der großen Masse der Schachspieler anzupassen. Der Schachspieler wendet der Studie seine Aufmerksamkeit und sein Interesse nur dann zu, wenn er in ihr eine klare Verkörperung von solchen Ideen begeg2'
net, die ihn in der Partie in ihren Bann ziehen. Für ihn sind deshalb nur solche Kompositionen von Reiz, in denen ihm eine Kombination gezeigt wird, die durch ihre Schönheit vorbildlich ist und sein Wissen für das praktische Spiel bereichert. Bedeutet das nun, daß die Studie nichts enthalten darf, was einmalig, ausnahmehaft, unwahrscheinlich oder unglaublich ist? Diese Frage ist sogleich mit einem unbedingten „Nein" zu beantworten. Die Begründung hierfür folgt aus dem Wesen der Kompositionskunst, und zugleich ergibt sich aus ihr die eigenartige Beziehung, in der die Komposition zu der praktischen Partie steht. Studien sind nicht Hilfsmittel für die Endspiellehre; sie sind nicht etwa theoretische Ausarbeitungen zu den verschiedenartigen Schlußspielen der Fartie. Wenn das zuträfe, so wären sie nur Beispiele zur Verdeutlichung allgemeiner Grundsätze des Spieles und sie hätten dann ihren Platz in den Werken, die sich mit der Endspieltheorie befassen1). Die Bezeichnung „Poesie des Schachs" will aber gerade l)
In diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis geboten, daß der Begriff „Studie" nicht nur für die „Kunststudien", mit denen sich vorliegende Abhandlung befaßt, verwendet wird. Vielmehr spricht man von „Studien" auch bei gewissen Kompositionen auf dem Gebiet des Endspiels, die sich über die gewöhnlichen Lehrbeispiele dadurch erheben, daß sie besondere spielmäßige und theoretische Zusammenhänge verdeutlichen. Diese Art von Kompositionen bezeichnet man als theoretische (oder analytische) Studien, man trifft sie in großer Anzahl in jedem ausführlicheren Lehrbuch des Endspiels an. (Anm. d. Ubers.)
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schon von vornherein klar und eindeutig den Wesensunterschied herausstellen, der zwischen der Komposition und der Theorie besteht. Die Endspieltheorie befaßt sich im wesentlichen mit den positioneilen Problemen, während Gegenstand der Komposition die kombinatorischen Probleme sind. Dieser Unterschied ist aber — kein Gegensatz. Die Grenzlinie zwischen der Studie und dem theoretischen Endspiel ist keine starre Demarkationslinie. Jede Kombination beruht auf einer positioneilen Grundlage, von der sie nicht einen Augenblick lang getrennt werden kann. Die Studie hat sich aber in ihrer historischen Entwicklung zu einer besonderen Form des Kunstschachs von ganz spezifischer Art herausgebildet2).
Dem entspricht es, daß auch die Meister der Schachpartie, wenn sie in ihren Kommentaren zu den Partien angesichts einer schönen Kombination den Ausdruck „Studienhaft" verwenden, dabei niemals rein theoretische Feinheiten im Sinn haben. Nichtsdestoweniger ist die Studie auch für die Entwicklung der Spielstärke von großer Bedeutung. Sie ist in außerordentlichem Maße geeignet, den Blick für die Kombinationsmöglichkeiten zu schärfen. Die Studie ist eine künstlich zusammengesetzte schachliche Position, in der bei bestem Spiel beider Parteien die gestellte Aufgabe (Gewinn, Remis) nur auf eine einzige, alles andere als offensichtliche, also besonders eigenartige Weise erfüllt wird. Es ist daher klar,
) Zwischen der theoretischen und der Kunststudie gibt es — wie das bei fast jeder begrifflichen Abgrenzung der Fall ist — noch ein Grenzgebiet, in dem man im einzelnen Fall über die Einordnung streiten kann. In seinem Buch „Las Sorpresas de la Teoria", 111 Finales (Madrid 1947), das 111 Darstellungen des Kampfes zweier leichter Figuren gegen zwei Türme enthält, schreibt HENRI RINCK: „Diese (also die in seinem Buch vereinigten) Positionen wird man richtigerweise in die große Familie der „theoretisch-künstlerischen Studie" einordnen. Man hat sich sehr oft bemüht, das Wesen der „Kunststudie" klar zu definieren und sie namentlich vom Endspiel oder der theoretischen Studie zu unterscheiden. E s ist nun nicht immer leicht, gewisse Kompositionen in der einen oder der anderen Gruppe unterzubringen. Kein Zweifel ist dann begründet, wenn die Lösung durch unerwartete Züge entzückt oder durch subtile und versteckte Manöver überrascht, da das gerade den künstlerischen Charakter ausmacht. In dieser Gruppe, also bei den Kunststudien, besteht
das Material im allgemeinen aus Figuren und Bauern. Beschränkt sich hingegen der Kampf auf Figuren allein, also ohne Bauern, so verläuft das Spiel vielfach auf eine methodische, sozusagen wissenschaftliche Weise und macht dadurch den Eindruck eines theoretischen Beispiels. Doch gibt es auch hier, wie man bei der Prüfung verschiedener Arten moderner Studien feststellen kann — häufig Stellungen, die in uns ähnliche E m pfindungen und Gefühle hervorrufen wie die Kunststudie. Diese sehr zahlreichen Studien, in denen die Theorie sich eng an die Kunst anlehnt, bilden die große Familie, die ich als theoretisch-künstlerische Studie bezeichnet habe und die sich über das ganze Gebiet des Endspiels erstreckt . . . . " Die Beispiele, die GURWITSCH in seiner Abhandlung bringt, gehören sämtlich eindeutig zu den reinen Kunststudien; Beispiele für die „theoretisch-künstlerische" Zwischengattung wird der Leser unter den 48 Studien des Anhangs antreffen. (Anm. d. übers.)
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daß es ihrem Wesen entspricht, ständig jede Schablone und Routine im schachlichen Denken ad absurdum zu führen und sich über die selbstverständlichstenundselbstzufriedenen Gewohnheiten des „gesunden Menschenverstandes" lustig zu machen, daß sie somit zu einer ganz eingehenden und völlig unbefangenen Betrachtung der Position, zur Erfassung ihrer tiefverborgenen, unerwarteten Möglichkeiten zwingt, daß sie also den Scharfblick des Spielers unablässig bereichert und so zur Entwicklung seines Kombinationsgefühls und seiner kombinatorischen Fähigkeiten beiträgt. Um die enge Beziehung zwischen P a r t i e u n d S t u d i e aufzuzeigen, werden gewöhnlich Stellungen angeführt, die sich in einer Partie ergeben und die dann einem Komponisten als Anregung für eine Studie gedient haben. Umgekehrt beruft man sich auch auf Fälle, in denen ein Schachspieler nach seiner eigenen Erklärung in einer Partie nur deshalb eine interessante Kombination ausgeführt hatte, weil ihm die Idee aus einer Studie, die ein analoges Spiel aufwies, bekannt war. Eine derartige gegenseitige Entlehnung von Ideen ereignet sich aber doch recht selten, und nicht dies ist die Beziehung zwischen den beiden Schaffensgebieten, die wir hier im Auge haben. Der Hinweis auf solche Fälle vermittelt zwar eine recht anschauliche, aber doch nur oberflächliche und wenig belangvolle Vorstellung von der schöpferischen Wechselwirkung, die Partie und Komposition aufeinander ausüben. Die überwältigende Mehrzahl der wahrhaft künst-
lerischen Studien ist ohne unmittelbare Entlehnung aus Partiekombinationen entstanden, und es kann dennoch nicht in Abrede gestellt werden, daß auch diese Kompositionen echte schachliche Ideen enthalten I Die Verwandstschaft zwischen Studie und Partie muß daher tiefer begründet sein, als in solchen zufälligen gegenseitigen Einwirkungen zum Ausdruck kommt. Aus dem, was oben ausgeführt wurde, ergibt sich nun, daß die Kunststudie nur dann einen wirklich tiefen Einfluß auf die Schachspieler auszuüben vermag, wenn sie geeignet ist, ihre Fähigkeit zu vervollkommnen, die in einer Stellung verborgene Kombination zu erkennen. Die Studie ist zwar kein Lehrbeispiel, aber dennoch ist sie für den Schachspieler von praktischem Wert, weil sie ihm ein feineres Empfinden und Verständnis für die schachlichen Vorgänge und ihre Schönheit vermittelt. Ihre Bedeutung besteht nicht so sehr darin, daß sie die Kenntnisse des Spielers auf dem Gebiet der Kombination bereichert, als darin, daß sie in ihm nach und nach ein ständig waches Kombinationsempfinden ausbildet. Sie übt Einfluß aus auf die Art seines Denkens, auf den Geist, der seine schachliche Aktivität bestimmt. Damit sie dieser Aufgabe gerecht werden kann, ist erforderlich, daß die Studie ein in sich geschlossenes und harmonisches Gebilde darstellt. Andernfalls bliebe sie nicht im Gedächtnis haften und verginge, ohne eine Spur zu hinterlassen. Hierauf also muß der Komponist vor allem achten, wenn er seine Idee in künstlerische Form gießt. 21
Und dafür gilt in erster Linie unverändert das, was W . MAJAKOWSKI wie folgt ausgedrückt hat: „Bedenket stets, daß in der Kunst das Gesetz der Ö k o n o m i e die unverbrüchliche, wichtigste Regel für jede Hervorbringung ästhetischer Werte darstellt." Unter den Klassikern der Studienkomposition findet sich kein einziger, der nicht sein Hauptaugenmerk auf diese Regel gerichtet hätte.Man darf sagen, daß gerade dieses Kriterium für das Entstehen und die weitere Entwicklung der Schachstudie von entscheidender Bedeutung gewesen ist. A . TROITZKY, W . PLATOW, L . K U B BEL, G . MATISSON, R . RÉTI, H . RINCK
und andere Große auf dem Gebiet der Studienkomposition haben ungeachtet der gewaltigen Unterschiede, die ihr künstlerischer Stil aufwies, sämtlich einmütig die Reinheit und Ökonomie als unverbrüchlichen und wichtigsten Grundsatz ihres künstlerischen Schaffens, als die Grundlage, auf der die Schachkomposition beruht, hervorgehoben. Bei der Bearbeitung irgendeiner schachlichen Idee, mag sie aus einer Partie, einer anderen Studie oder einem Problem entlehnt oder selbständig gefunden sein, ist der Meister der Studie bemüht, sie in ihrer ganzen Tiefe und gleichzeitig in kristallner Reinheit darzustellen. Indem er die Stellung von all dem befreit, was zur Darstellung der betreffenden Idee nicht unentbehrlich ist, und indem er die Lösung nicht in einer ungeordneten Anhäufung von Figuren verbirgt, sondern sich aus der harmo22
nischsten Wechselwirkung des verwendeten Materials entfalten läßt, gelingt es ihm, die größte Wirkung mit dem geringsten Aufwand an Mitteln zu erzielen. Es versteht sich von selbst, daß bei einer solchen Handhabung das in der Studie dargestellte schachliche„Schauspiel" im Laufe des Kompositionsprozesses seine charakteristischen Eigenarten und die in ihm liegenden Möglichkeiten nach und nach immer klarer zum Ausdruck bringen wird. Je leerer das Brett, desto schwieriger ist es, die wenigen darauf befindlichen Figuren lange genug im Zustand gegenseitiger Abhängigkeit zu halten, desto leichter sind sie in der Lage, sich unmittelbaren (direkten) und erst recht mittelbaren (indirekten) Angriffen zu entziehen. Es zeugt deshalb von einer meisterlichen Beherrschung der Kompositionskunst, wenn in einer sparsam gebauten Studie ein geistvolles, elegantes und vielleicht sogar das ganze Brett ausfüllendes Spiel stattfindet. Ein schwungvolles Spiel ist für die Komposition immer ein Vorzug. Ein echter Kampf unter vollem Einsatz auf beiden Seiten ist stets mit größeren räumlichen Operationen verbunden, sie benötigen also die Weite eines „Schlachtfeldes". Studien, in denen die Figuren sich plump und schwerfällig auf engem Raum bewegen, sind wenig eindrucksvoll und daher langweilig. Langweiligkeit aber ist etwas, das die Studie nicht verträgt, was sie „kurzatmig" macht. Also freier Lebensraum für beide Seiten I Mag daher im Verlauf des
Kampfes der Gegner erdrückt, an den Brettrand zurückgedrängt, in einer Ecke abgeschnürt werden oder mitten im Gefecht in ein Matthetz geraten — wertvoll wird ein solcher Sieg in der Studie nur sein, wenn zu Anfang die Stellung des Unterlegenen frei und ungefährdet erschien und nichts auf den Untergang hindeutete. Zu sehen, wie ein Gegner, der schon von vornherein an Händen und Füßen gebunden ist, unter Ausnutzung dieser Situation überwältigt wird, ist ein wenig anziehender Anblick; wie auch sollte man an einem solchen Kampf Freude empfinden können? Oft wird die Frage aufgeworfen, ob die Studie — wenn man sie in Beziehung zu den Stellungen der praktischen Partie setzt — noch eine normale schachliche Begebenheit darstellt oder aber als ein „Ausnahmetatbestand" anzusehen ist. Von den Vertretern der mechanistischen, gekünstelten Richtung wird der Studie gern einAusnahmecharakterzugesprochen. Von unserem Standpunkt aus lautet die Antwort wie folgt: Ist eine Studie von mechanischer, gekünstelter Struktur (für uns bedeutet das: schlecht), dann kommt ihr tatsächlich ein Ausnahmecharakter zu. Entspricht sie aber den von uns formulierten künstlerischen Anforderungen, so hält sie sich wie die gewöhnlichen Endspiele im Rahmen des normalen Schachs, und sie hat dann nichts von einem Ausnahmefall an sich. Wenn von einer natürlichen Anfangsstellung aus eine kaum zu bemerkende Schwäche bei bestem Spiel beider Seiten zu einer Position führt, die durch ihre Ungewöhnlichkeit über-
rascht, dann bedeutet das nicht etwa, daß hier die gewöhnlichen Schachregeln ad absurdum geführt werden, sondern im Gegenteil, daß diese Gesetze sich gerade mit besonderer Intensität ausgewirkt und die volle Kraft ihrer unerbittlichen Logik entfaltet haben. Gerade das Nebeneinander von ungewöhnlichem Schluß und ungezwungener Ausgangsstellung läßt also die Tiefe und die Kraft der schachlichen Gesetze besonders klar in Erscheinung treten. Denn eben diese natürliche und ihre „Achillesferse" verbergende Anfangsstellung macht ja deutlich, daß ein solcher verblüffender Schluß sehr wohl aus einem normalen Spiel hervorgehen kann und daher durchaus mit der gewöhnlichen Schachpartie vereinbar ist, also keineswegs eine Ausnahmestellung einnimmt. Und daraus ergibt sich umgekehrt: Je weniger einfach und ungezwungen die zu der überraschenden Pointe hinführende Anfangsstellung jst, je mehr sie also schon äußerlich den ungewöhnlichen Schluß mutmaßen läßt, desto weniger Beweiskraft kommt ihr dafür zu, daß das in der Studie sich abspielende dialektische Geschehen der schachlichen Gesetzmäßigkeit entspricht, und desto mehr handelt es sich hier um eine Ausnahme von dem gesunden Menschenverstand im Schach. Wir haben nunmehr zweierlei festgestellt: Zunächst einmal haben wir gesehen, daß die Studie etwas anderes ist als ein bloßes Endspiel. Je erheblicher sie sich von den theoretischen Endspielen unterscheidet, desto charakteristischer hebt sie sich von ihnen als 23
eine eigene Gattung ab, und desto fruchtbarer ist der Einfluß, den sie auf die Ausbildung des Kombinationsvermögens des Schachspielers auszuüben vermag. Die klassischen Komponisten, die die moderne Studie geschaffen haben, waren sich dieser Beziehung der „Poesie des Schachs" zur Schachpartie sehr wohl bewußt, und vielleicht haben sie eben aus diesem Grunde das, was den spezifischen Charakter der Studie ausmacht, so genau empfunden und so eifersüchtig ihre Grenzen zu wahren gesucht. Je mehr sie die Selbständigkeit der Studie verteidigten, um so mehr festigten sie damit aber gleichzeitig auch die natürliche Verbindung, die zwischen ihr und der Partie besteht. Zweitens stellten wir fest: Der Studienkomponist kann die eigenartigsten Positionen und unwahrscheinliche, ganz außergewöhnliche und einzigartige Kombinationen und Schlußspiele darstellen, ohne dabei zu einer unnatürlichen, mechanischen Konstruktion greifen zu müssen. Der berühmte Schachmeister und Komponist R . R É T I hat einmal gesagt : „Es gibt zwei Arten von Komponisten, a) solche, die interessante, einfache Stellungen erforschen, aus ihnen herausholen, was besondere Aufmerksamkeit verdient, und dem Ganzen dann künstlerische Form verleihen, indem sie es ökonomisch und sauber ausgestalten, und b) solche Komponisten, die von irgendeiner ungewöhnlichen Stellung (z. B. Matt-, Patt-,Zugzwangsstellungen) ausgehen und ihr ein einleitendes Spiel vorbauen. Ich bin kein Anhänger dieser zweiten Methode, habe allerdings in 24
dieser Beziehung auch schon gelegentlich ein wenig gesündigt . . . " Hinzufügen wollen wir noch, daß R É T I gleichzeitig die „Ungewöhnlichkeit des Inhalts" als das Hauptmerkmal der Studie bezeichnet hat. Die Auffassung RÉTIS in dieser Frage interessiert uns vor allem deshalb, weil er als hervorragender Großmeister und bedeutender Komponist gleichsam eine lebendige Verkörperung der Verbindung von Studie und Partie darstellte. Was seine obige Äußerung betrifft, so will uns jedoch scheinen, daß es bei einer Studie, die den künstlerischen Prinzipien entspricht, belanglos ist, welche Methode bei ihrer K o m p o s i t i o n angewandt wurde. Inwiefern sollte es von Bedeutung sein können, in welcher Reihenfolge sich während der Komposition der Studie die Ideen bei dem Komponisten eingestellt haben, wenn wir als Endergebnis eine ungezwungene Anfangsstellung vor uns sehen, aus der sich in einem interessanten Spiel ein außergewöhnlicher Inhalt entfaltet? Kann denn eine künstlerisch vortreffliche Darstellung deshalb unkünstlerisch sein, weil sie auf eine bestimmte Weise entstanden ist? Die bei der Komposition angewandte Methode ist deshalb nicht für den Wert einer Studie, sondern lediglich für die Frage von Bedeutung, in welcher Weise sich junge Talente die erforderliche Kunstfertigkeit verschaffen sollen, und hierbei erscheinen uns beide Verfahren gleicherweise gesetzmäßig, fruchtbar und zweckmäßig. Die klassische Richtung der russischen Studie hat den Meistern ihres
Faches in dieser Beziehung keinerlei Beschränkungen auferlegt und sich auch aller Empfehlungen enthalten; sie hat vielmehr ausschließlich von dem Ergebnis her geurteilt, weil sie der Auffassung war, daß es stets der Erfolg ist, der die Methode rechtfertigt. Das wahre künstlerische Geschick äußert sich ja gerade darin, daß das fertige Werk keinerlei Spuren der bei der Herstellung angewandten Methode mehr aufweist. Dadurch, daß in der Wahl der Vorwürfe und der Mittel zu ihrer Verwirklichung volle Freiheit gewährt ist, wird das dem Komponisten offenstehende Betätigungsfeld ganz außerordentlich ausgedehnt. Jedem Studienkomponisten ist damit die Möglichkeit gegeben, bei seinem Schaffen völlig seinen persönlichen Neigungen und seiner besonderen Begabung zu folgen. Dem Komponisten aber, der sich nach seiner Veranlagung auf nur eine der möglichen Methoden nicht beschränken kann oder will, wird so ein wahrhaft unbegrenztes Betätigungsgebiet für seine Phantasie eröffnet. Das war auch der Grund, weshalb das gewaltige Talent A. TROITZKYS, des Ahnherrn der modernen Studie und ältesten Recken unseres klassischen Dreigestirns A. TROITZKY — W . PLATOW — L . K U B -
BEL, sich derart schrankenlos und umfassend entwickeln konnte. Wenn wir hier TROITZKY als den Ahnherrn der modernen Studie bezeichnen, so müssen wir allerdings hinzufügen, daß auch schon vorher die Studie als besondere Kompositionsgattung vorhanden war. Sie war erwachsen aus dem Schaffen von Autoren der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts,
w i e K . JÄNISCH, J . KLING u n d B . HORWITZ, J . B E R G E R , F . AMELUNG u n d v o r
allem K. und J. B E H T I N G . Wenn aber davon die Rede ist, welchen Platz die Studie innerhalb des Schachspiels eingenommen hat und weiter einnimmt, dann muß man feststellen, daß sie ihren jetzigen Rang in erster Linie A. A. TROITZKY verdankt. TROITZKY stürzte sich mit solchem Eifer auf die Erforschung ihm noch verborgener Gebiete, daß er beinahe das ganze Feld des Schachs aufwühlte und eine gewaltige Menge dort verborgener Schätze ausfindig machte. Er arbeitete mit einer derartigen Begeisterung und Inbrunst, einem Forschergeist und einer Fruchtbarkeit, daß er für Jahrzehnte im voraus die Thematik derStudienkunst bestimmte. Was er damals mit freigebiger Hand gesät hat, trägt noch bis in die heutige Zeit reiche Frucht. TROITZKY war in seiner Art ein Kolumbus, der Entdecker eines neuen Kontinents auf dem Planet „Studie", auf dem noch alles neu war, so daß jede originelle Kombination zugleich auch einen Staunen erregenden Fund darstellte. So ist es denn auch nicht verwunderlich, daß damals von verschiedenen Verfassern neben vollendeten Studien auch solche erschienen sind, die nur als Entwürfe oder Skizzen angesehen werden können. Zugleich führten Freude und Staunen über die ersten Funde dazu, daß manche Komponisten, ohne Bedenken hinsichtlich der Neuheit der Darstellungen zu empfinden, ihre Motive in einer unnötigen Anzahl von Variationen ausarbeiteten. Das ist verständlich aus der geistigen 25
Haltung der ersten Entdecker, die von Begierde erfüllt waren, ihre Funde nach allen Seiten hin zu untersuchen. So reich jedoch auch die uns von den Klassikern hinterlassene Erbschaft war, es folgte dennoch eine Zeit, in der eine neue stürmische Entwicklung der Studienkunst einsetzte — und noch A. TROITZKY selbst konnte sich in seinen letzten Lebensjahren an den überragenden Leistungen neuer sowjetischer Komponisten erfreuen, die gegen Mitte der zwanziger Jahre weithin von sich reden machten. Die junge Generation der sowjetischen Studienkomponisten stellte sehr bald einige glänzende Vertreter ihres Faches. Sie eröffnete eine neue Epoche der Studienkunst, und sogleich auch wurde ihre Bedeutung in der ganzen Schachwelt anerkannt. Die im Ausland erschienenen Sammlungen ausgewählter Studien sind angefüllt mit Arbeiten sowjetischer Autoren. Das Buch von A. HERBSTMAN „Die Schachstudie in der UdSSR" (1934) erschien im Ausland mit folgenden Worten M. EUWES (auf dem Umschlag) : „Ein Triumph des slawischen Genies auf dem Gebiet der Schachstudie". Im Vorwort dieser Ausgabe schrieb A. A L J E C H I N : „Der Geist M. J. TSCHIGORINS lebt in seinen jungen Nachfolgern weiter, auf dem Gebiet der Schachkomposition aber haben die jungen russischen Meister den Taten ihrer Vorgänger neuen Glanz verliehen." Dieses Buch war „mehrere Monate lang meine ständige Lektüre" — erklärt er weiter und äußert die Überzeugung, daß jeder Leser von dem hier vor ihm ausgebreiteten 26
Schaffen der russischen Studienkomponisten begeistert sein werde. Die sowjetischen Studienkomponisten sind sich aber bewußt, daß die Arbeit ihrer Vorläufer nicht ohne zähen Kampf gegen Tendenzen fortgesetzt werden kann, die weitgehend im Widerspruch zu den künstlerischen Grundsätzen der klassischen Schule der Schachstudie stehen. Neben den von A. TROITZKY, W. P L A TOW und L. KUBBEL herausgearbeiteten und von ihren Nachfolgern verteidigten künstlerischen Prinzipien wurden — wie wir unten zeigen werden — auch andere Grundsätze aufgestellt, die die bisher anerkannten ästhetischen Grundlagen der Studie mehr oder weniger in Frage stellten oder sogar verneinten. Es ist leicht, in allgemeinen Wendungen von den beiden Richtungen zu sprechen, die sich heute auf dem Gebiet der Studie gegenüberstehen. Verhältnismäßig leicht ist es auch, die hauptsächlichen künstlerischen Prinzipien aufzuzeigen, die für die Studie schlechthin maßgebend sein müssen und über die auch fast allgemein Einigkeit besteht. Schwierig jedoch wird es, wenn es darum geht — was für die richtige Beurteilung erst entscheidend ist — diese allgemeinen Prinzipien auf das einzelne Werk richtig anzuwenden. Hierbei muß man stets beachten, daß eine noch so tiefschürfende Kritik niemals brauchbar und fruchtbar sein kann, wenn von ihr die allgemeinen Grundsätze verabsolutiert und als unverbrüchliche Dogmen aufgefaßt werden. Denn bei den allermeisten Studien ist es ja nicht so, daß sie jeweils voll und ganz dieser
oder jener Richtung zugerechnet werden können. Oft sind in einer und derselben Studie organische und mechanistische Elemente miteinander vermengt. Es kommt auch vor, daß Mängel und Vorzüge voneinander untrennbar sind und geradezu einander bedingen oder daß die Schönheit des Inhalts es geboten erscheinen läßt, über gewisse Mängel hinwegzusehen. Auch darf man schließlich nicht übersehen, daß es keinen schöpferischen Komponisten gibt, der nicht schon mal einer von Zeit zu Zeit aufkommenden Mode seinen Tribut gezollt hätte. Trotz alledem aber ist es erforderlich, genau das Wesen der verschiedenen Meinungen zu ergründen und sich ferner darüber klar zu werden, wo sich für die weitere Entwicklung der Studie günstige Perspektiven eröffnen und auf welchem Wege sie andererseits, wenn sie sich von der allgemeinen Entwicklung des schachlichen Denkens isoliert, unvermeidlich in eine Sackgasse geraten muß. II Um zum tieferen Verständnis der Studie vorzudringen, wollen wir damit beginnen, daß wir an Hand von drei klassischen Werken ihre ästhetischen Grundlagen klarstellen. Ein solches Vorgehen zeigt nicht nur auf, welche Forderungen wir an unsere Komponisten zu stellen haben, sondern es weist zugleich auch darauf hin, welchen Weg wir in Zukunft einschlagen müssen. Beim ersten Blick auf die Diagramme Nr. 1, 2 und 3 fallen die Einfachheit der Stellungen und die Tatsache auf, daß in allen drei Aufgaben das Ma-
terial identisch ist. In allen drei Studien steht dem Läufer und Springer als den weißen Figuren ein furchterregender Bauer gegenüber, der im Begriff ist, sich in eine Dame umzuwandeln und damit den Sieg für Schwarz sicherzustellen. Aber nicht diese äußere Ähnlichkeit hat uns veranlaßt, die drei Aufgaben hier nebeneinander zu stellen. Dafür war vielmehr ihre innere Verwandtschaft maßgebend. Zwar kommt es in jeder von ihnen zu einer ganz verschiedenen Kombination, und diese Kombinationen führen zu den drei völlig verschiedenen Ergebnissen (Gewinn der Dame, Matt und positionelles Remis); in ihnen allen aber offenbart sich gleicherweise ein feiner künstlerischer Geschmack und die wunderbar leichte Hand des Meisters. 1. W . u n d M . P L A T O W Rigaer Tageblatt, 1909 1. Preis
Weiß gewinnt
Studie Nr. 1 von W. und M. PLATOW ist — das „schöne kleine Ding", das W. I . L E N I N SO gefallen hat. Sie weist im ganzen 4—5 Züge auf, aber wie scharf und genau muß man doch 27
überlegen, um sie zu finden. Man stelle sich vor, diese Stellung habe sich in einer Partie ergeben, in der der Spieler ja nicht im voraus weiß, daß ein Gewinnweg vorhanden ist. Nach dem einzig in Frage kommenden Zug 1. Lf6 und der selbstverständlichen Entgegnung 1. — d4 erkennt der Spieler, daß sein materielles Übergewicht wegen der unvermeidlichen Umwandlung des sB in eine D illusorisch ist, sofern es ihm nicht gelingt, durch eine Kombination die neuentstehende D zu erobern. Gewiß spielt er nun 2. Sf3, und nach 2. — alD erwidert er triumphierend 2. Ld4:f Dd4: 3. Sd4: Kd4:. Nachdem er so verhältnismäßig leicht die Hauptgefahr beseitigt hat, wird unser Schachspieler mit Vergnügen feststellen, daß der Gegner noch ein Tempo durch das Schlagen des Bd3 verlieren muß, was es ihm ermöglicht, den sBh7 zu beseitigen und darauf seinen h-Bauern zur Dame zu führen. Nach 5. Kg4 Kd3: 6. Kg5 Ke4 7. Kh6 Kf5 8. Kh7: Kf6 stellt er dann aber zu seiner Überraschung fest, daß er nicht mehr gewinnen kann, weil auf 9. h6 (sonst geht der B verloren) 9. — Kf7 folgt und der wK eingesperrt ist. Mit diesem Versuch enthält die Stellung somit zunächst einmal eine gewöhnliche und schablonenhafte Kombination, die aber nicht zum Ziele führt. So aber ist die — kühne und tiefe -— Idee nicht beschaffen, die in dieser Position versteckt liegt. Nach 1. Lf6 d4 folgt nämlich 2. Se2!, ein Zug, der unserem Spieler wie ein Scherz anmutet. Denn damit erfüllt der S doch 28
genau dieselbe Aufgabe wie auf f3 — er ermöglicht ein zweimaliges Schlagen auf d4, nur daß er von dem sK genommen werden kann, was wegen 3. Ld4: jedoch praktisch bedeutungslos ist. Nach 2. — alD spielt jetzt Weiß aber 3. Sei!! — scheinbar gegen jede Vernunft, denn damit gibt er das rettende Ld4:f auf, außerdem aber versetzt er durch das erneute Ziehen des S der „Weltanschauung" des schablonenhaft denkenden Schachspielers einen schweren Schlag. Was hat Weiß damit aber erreicht? Nimmt die sD den S, dann gewinnt 4. LgSf ersatzlos die sD. Und wenn der S nicht geschlagen wird? Dann stellt sich heraus, daß bei der Stellung des S auf cl der Zug des L nach g5 nicht nur ein Schachgebot, sondern Matt bedeutet! Ein völlig unerwartetes, fast unglaubliches Matt in der Brettmitte. Schwarz am Zuge kann nun den K oder die D ziehen. Zieht aber der K auf die einzig mögliche Weise, durch 3. — Kd2, aus dem Mattnetz, so verliert Schwarz die D durch den Gabelangriff 4. Sb3f. Auf 3. — Da5 — den einzigen Zug, der das Mattfeld deckt — folgt 4. Ld4:t, und auch darauf fällt, gleich ob der sK den L nimmt oder nach d2 zieht, die sD dem Gabelangriff 5. Sb3f zum Opfer. Welch reicher Schatz von schönen Gedanken verbirgt sich doch in dem vierzügigen Spiel dieser einfachen leichten Position: ein Matt, das wie eine Fata Morgana wirkt, so unerwartet tritt es auf, und vier verschiedene Damengewinne, von denen keiner bereits in der Anfangsstellung ins Auge fällt. Wieviel schwieriger ist es
doch, die zwei wundertätigen Züge 2. Se2 und 3. Sei zu finden, als etwa eine zehnzügige Remiskombination bis zu Ende durchzurechnen. Und wenn irgend jemand das Glück hätte, in einer praktischen Partie diese Stellung zu erreichen, sie zu ergründen und durch die oben erörterte Kombination zu seinem Vorteil zu beenden — welche der „immergrünen" Partien könnte sich dann mit dieser Partie in eine Reihe stellen? E . L A S K E R hat sich einmal zu diesem Meisterwerk der Brüder P L A T O W wie folgt geäußert: „Jeder Schachspieler muß das allergrößte Vergnügen an dieser Studie empfinden. Und weshalb? Vielleicht, weil der Gewinn bei strengster Ökonomie der Mittel erzielt wird? Oder etwa, weil die große Freiheit und Widerstandskraft der schwarzen Figuren bei allen Versuchen, wie durch einen Zauber, ein Opfer der schwachen weißen Figuren wird? Oder vielleicht, weil Weiß um jeden Preis das Remis zu vermeiden bestrebt war? Das mag alles zutreffen, in erster Linie aber freut es uns hier doch zu sehen, wie das Banale und Gewöhnliche der Kraft des Geistes unterliegt." Diesen Worten kann nichts entgegengehalten werden. Wie aber, mit welcher Gesetzmäßigkeit läßt sich das zauberhafte Geschehen erklären, das in dieser Studie stattfindet? Wie kommt es, daß die schwachen weißen Figuren die starke schwarze Partei, deren Figuren eine so große Freiheit und Widerstandskraft aufweisen, zu besiegen vermögen? Warum kann der Sieg mit so geringen Mitteln erzielt werden?
Diese Fragen werden uns bei jeder künstlerisch starken Komposition entgegentreten. Und es wird stets nur eine Antwort geben: Das schachliche Wunder — ist ein Wunder der Logik. Das Wunderbare wird hier Wirklichkeit, weil die erfolgreiche Partei die größtmögliche Koordinierung i h r e r W i r k u n g s k r ä f t e herbeiführt. Es findet eine unablässige wechselseitige Hilfe und Unterstützung zwischen den für sich gesehen nur schwachen Kräften statt. Dadurch werden ihre Werte im Endergebnis nicht lediglich addiert, sondern geradezu miteinander multipliziert. In der PLATOwschen Studie opfert sich der S, damit der L die D gewinnen kann, während sich der L seinerseits wieder zum Opfer bringt, damit der S die D erobert. Jede dieser leichten Figuren leistet dank dieser Wechselwirkungen eine dreifache Arbeit. Der L setzt matt, gewinnt die D oder opfert sich für den Sieg seiner Partei; noch mehr vollbringt der S: nicht nur, daß er das Mattnetz schließt, dreimal die sD durch einen Gabelangriff erobert oder sich für den Sieg opfert, sondern dieser ungeschützte S versperrt auch der sD den Weg nach el und g l , wo sie sonst schachbieten könnte. Eigenartigerweise könnte der S nicht derart viele Aufgaben gleichzeitig erfüllen, wenn er in seiner entscheidenden Position (auf c l ) gedeckt wäre. Gerade seine Verwundbarkeit verleiht ihm dort eine so vielseitige Wirkung. Hierin offenbart sich ein sehr tiefes schachliches Gesetz, dessen Wirksamkeit wir in vielen bedeutenden Studien und gerade in ihren Höhepunkten, 29
wo sie uns den größten Genuß bereiten, feststellen werden. Das Gesetz nämlich, daß das Prinzip der größtmöglichen Koordinierung und das der strengsten Ökonomie beide am vollkommensten verwirklicht sind, wo sie zu einer Einheit verschmelzen. Es ist klar, daß die äußerste Ökonomie der Mittel dann erreicht ist, wenn die Angriffsfigurengleichzeitigeinanderauch verteidigen, so daß es liierfür keines zusätzlichen Materials bedarf. Das ist der Grund, weshalb in vielen modernen Studien gerade die indirekte gegenseitige Verteidigung der Figuren eine so gewaltige Rolle spielt. Die i n d i r e k t e V e r t e i d i g u n g ist vorteilhafter als die direkte, weil bei ihr die betreffende Figur sich gleichsam auf zwei oder mehr Feldern gleichzeitig befindet. Eine solche Figur verfügt über eine größere Aktionsfähigkeit als eine, die durch eine direkte Verteidigung gebunden ist. Der Unterschied zwischen direkter und indirekter Verteidigung kann charakterisiert werden als einfache und komplizierte oder als „äußere" und. .innere" Verbindung der Figuren. In ihm äußert sich auch der Gegensatz zwischen einem an der Oberfläche haftenden und einem tiefen Spiel; die einen Spieler bemerken nur die direkten Drohungen und Paraden, die andern aber sehen auch das, was in der Stellung indirekt verborgen enthalten ist. In der mit Nr. 1 fast materialgleichen Studie von L. KUBBEL (Nr. 2) geht der Kampf offensichtlich ebenfalls um die Öffnung der großen Diagonalen, damit der wL den Punkt al unter Kontrolle nehmen kann, wo 30
2 . L . I. K U B B E L
m
Schachmatny Listok, 1922
w
ü
m Weiß gewinnt
wiederum ein sB sich in eine Dame umzuwandeln droht. Aber die inhaltliche Verwandtschaft beschränkt sich nicht auf diese Äußerlichkeiten, vielmehr führt auch hier, wie in der Studie von PLATOW, der Kampf um die Eroberung des Punktes d4 zu einem völlig anderen, tief versteckten Erfolge. Die Tätigkeit, die entfaltet wird, um das ins Auge fallende Ziel zu erreichen, bezweckt in der Hauptvariante in Wirklichkeit nur, eine solche Umgruppierung der Kräfte herbeizuführen, die es Weiß ermöglicht, im entscheidenden Augenblick völlig unerwartet von dem scheinbar verfolgten banalen Plan abzuspringen. Aufgehalten werden kann der sB nicht, aber 1. Sc6! verhindert sein sofortiges Vorgehen (wegen 2. Sb4f); 1. — Kc6:, der K muß nehmen, sonst wird Bd4 geschlagen. Der sK ist jetzt von der Verteidigung des Punktes d4 weggelenkt, und Weiß kann deshalb erneut das Vorgehen des a-Bauern verzögern: 2. Lf6 Kd5 (nicht 2. — Kc5 wegen 3. Le7f). Was soll aber weiter geschehen, wie kann der sB an
der Umwandlung gehindert werden? Für Weiß scheint es keine Rettung zu geben, sogar ein Remis ist nicht mehr ersichtlich I In dieser scheinbar völlig hoffnungslosen Stellung macht Weiß den seltsamen stillen Zug 3. d3!. Schwarz sieht darin nur völlige Resignation und zieht daher gleichmütig 3. — a2. Darauf folgt aber 4. c 4 f 1. Das Schlagen des B (en passant) verbietet sich wegen 5. Lc3: mit leichtem Gewinn. Der K hat jedoch noch ein — wenn auch einziges — Feld zur Verfügung, von dem aus er den Punkt d4 sicher verteidigen kann: 4. — Kc5. Jetzt scheinen die weißen Verteidigungsmöglichkeiten aber endgültig erschöpft zu sein. Die Umwandlung des sB in eine D, und noch dazu mit Schach, läßt sich nicht mehr verhindern. Das „Wunder" in dieser Studie besteht nun darin, daß das sozusagen Unvermeidliche in ihr nicht eintritt: 5. Kb7, und ganz plötzlich hat sich das Blatt gewendet. Wenn Schwarz jetzt 5. — alD spielt, so setzt ihn Weiß durch Le7 matt; ein ebenso unerwartetes und noch schöneres Matt mitten auf dem Brett wie in der PLATOwschen Studie I Macht sich Schwarz aber keine Dame, sondern zieht er den K aus dem Mattnetz heraus, dann gibt er das Feld d4 auf und nach 6. Ld4: hat der sBa2 ausgespielt. Wer hätte in der Anfangsstellung so etwas vermutet? Worin besteht nun das Geheimnis des weißen Sieges ? Unter Ausnutzung der Bindung des sK an den Punkt d4 gelang es Weiß, seine sehr bescheidenen Kräfte umzugruppieren und sie dadurch zu verdreifachen, daß sie durch ein und dieselben Manöver gleich-
zeitig drei Aufgaben erfüllten: sie stellten ein Mattnetz her, versetzten den sK in Zugzwang und sicherten schließlich die Öffnung der großen Diagonalen für den Fall, daß der cBauer en passant geschlagen wurde. Dieses dreifache Motiv dient dem glänzenden KuBBELschen Stück nicht nur zur Zierde, es ist mit ihm vielmehr gleichzeitig so organisch verbunden, daß es einen natürlichen Bestandteil der dargestellten Kombination bildet, die sonst gar nicht in einer so ökonomischen Form zu verwirklichen gewesen wäre. Wie in Nr. 1 entsteht auch in Nr. 2 die hoffnungslose Lage für Schwarz mit dem Erscheinen einer sD auf dem Brett, und auch hier kann diese machtvolle Figur nichts mehr unternehmen, um das Verhängnis abzuwenden. Wir kommen jetzt zu einem weiteren „schönen kleinen Ding" aus unserem klassischen Erbe. In der Remisstudie v o n
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3. A . A .
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Sadacschi i Etjudi, 1928 3. Preis
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Weiß macht remis
Stellung für Weiß zu Anfang noch unangenehmer als in den beiden vori31
Weg in die Freiheit über die g-Linie versperren: 4. Lg3. In dieser Stellung befinden sich alle weißen Figuren ohne Ausnahme in der Rolle „gegenseitiger Garanten". Nach 3. Lei deckte der L den K gegen das Schach, selbst wurde er vom S, dieser von dem Be2 und letzterer indirekt wieder durch eben diesen S gedeckt. Nach 3. — Dg2 4. Lg3 ist der L nun von dem Bh2 gedeckt, und 1. Lb4f, nutzt die indirekte Deckung diesen schützt der S, was notwendig des L durch den S; denn auf 1. — ist für den Fall, daß der wL durch Kb4: folgt 2. Sd3f Kc3 3. Sf2: fe Dhl weggelenkt wird. Schwarz kann 4. Se4f Kd3 5. Sf2f Ke3 6. Sg4f, zwar noch 4. — Kc3 spielen, um den und Schwarz muß entweder den Be2 Gabelangriff unmöglich zu machen; aufgeben oder ewiges Schach zulas- dasführt aber nur zu einerVerbes serung sen. Daher 1. — Kb3!, der stärkste der weißen Stellung, denn nach 5. Kdl Zug 1 Weiß scheint endgültig verloren Df(h)lf 6. Lelf K ~ 7. Kd2 kann zu sein. Und doch gibt es in dieser die sD weder mehr über die 1. Reihe schönen Studie noch eine Rettungs- noch über die g-Linie ins Freie gemöglichkeit. Was Weiß jetzt zieht, langen. scheint jedoch nur geeignet zu sein, den Untergang hinauszuzögern. 2. Stärke mit Anmut gepaart, g e w a l t i g e i n n e r e K r a f t bei l e i c h t e s t e r Sf3:ü f l D f 3. L e i . K o n s t r u k t i o n — das macht die Sehen wir uns aber dennoch diese Schönheit aller dieser drei Studien Stellung etwas genauer an. Was soll aus. Ganz besonders überraschend Schwarz tun? Wie kann er die Dame wirkt diese Verbindung von äußerster ins Spiel bringen? Die sD hat drei Kraft und unerbittlicher Notwendigweiße Felder zur Wahl: e2, g2 und keit mit Leichtigkeit und Eleganz der hl. Das letztere ist aussichtslos. Das Darstellung in der letzten Studie, in Schlagen auf e2 verbietet sich wegen der Weiß sich sozusagen eine Festung des Gabelangriffs des S auf d4. Also erbaut. Festung und Eleganz, ist das wieder eine indirekte Deckung! Und nicht eine paradoxe Zusammenstelzwar wurde diese Gabel möglich lung? durch den ersten Zug von Schwarz, Nunmehr wollen wir sehen, wie die der dort die stärkste Erwiderung war heutigen sowjetischen Kompound sich jetzt als Schwäche erweist. n i s t e n das Werk ihrer Wegbereiter Aber es gibt ja noch das Feld g2, von fortgesetzt, wie sie ihrerseits dem dem aus der sD das ganze Brett ofzeitlosen, bedeutsamsten Gesetz für fensteht. jedes Hervorbringen künstlerischer Also 3. — Dg2. Nun kann jedoch der Werte, der Forderung nach strengster nicht mehr gefesselte wL der sD den Ökonomie der Mittel, gerecht ge-
gen Aufgaben. Dem sB ist das Umwandlungsfeld absolut sicher, und noch dazu — er droht, sich mit sofortigem Matt in eine Dame umzuwandeln. Die schwachen weißen Figuren sind deshalb genötigt, eine sofortige Rettung vor der tödlichen Drohung zu finden und mit äußerster Kraft und stärkster gegenseitiger Unterstützung zu kämpfen.
32
worden sind. Wir beginnen mit einigen Studien, in denen diese Ökonomie in einer ihrer eindrucksvollsten Erscheinungsformen — in Gestalt der indirekten gegenseitigen Verteidigung, bei der die Figuren also scheinbar ohne jede Stütze operieren, sich äußert. 4. G . N.
SACHODJAKIN
Schachmatny I.istok, 1930 1. Preis
Weiß macht remis
Nr. 4: 1. g7f Sg7: (auf 1. — Kg8 folgt 2. Sg4, und Weiß erobert entweder den Bf2 oder gewinnt nach 2. — g l D durch 3. Sf6f) 2. Sf7f Kg8. Jetzt stehen beide weiße Figuren ein. Weiß muß sie retten und gleichzeitig den sie angreifenden K in eine ungünstige Stellung abdrängen. Das gelingt durch 3. Lc5!, was die sofortige Umwandlung des sB erzwingt und dem sK das Feld f8 nimmt: 3. — f l D 4. Sh6f, und der K muß nach dem Eckfeld h8 ziehen. Auf 4. — Kh8 macht Weiß den stillen Zug 5. Ld6ü, der eine gewaltige Kraft in sich konzentriert; würde Weiß sofort mit 5. Ld4 den S fesseln, so verlöre er durch 5. — Dc4f nebst 6. — Dd4:, 3 Gurwitsch-Speckmann
und zu dem gleichen Ergebnis führt auch 5. La3? wegen 5. — Dc4f 6. Kbl Se6 7. Lb2f Sd4. Jetzt aber, nach 5. Ld6, ist für Weiß das positioneile Remis gesichert. Sehen wir uns einmal diese interessante Stellung genauer an. Der sD steht sozusagen das ganze Brett offen, sie kann z. B. in zwei Zügen den L oder den B gewinnen oder durch ein Schachgebot auf e2 das Feld e5 unter Kontrolle nehmen, um darauf durch einen Zug des sS ihren K zu befreien. All dies erweist sich aber als nutzlos, weil sämtliche drei Felder — d6, e5 und g5 — durch die Springergabel (Sf7f) indirekt gedeckt sind. Der Leser wird erkennen, daß diese Studie sozusagen ein „Abkömmling" der Komposition TROITZKYS (Nr. 3) ist. Ungeachtet der im einzelnen festzustellenden diametralen Gegensätze (in der einen ist am Schluß die Dame eingesperrt und der König in Freiheit, in der anderen aber umgekehrt der König eingesperrt und die Dame frei beweglich) besteht zwischen beiden Studien eine enge Verwandtschaft. Die dynamische Remisposition wird mit gleichartigen Mitteln, die in Nr. 4 von SACHODJAKIN jedoch mit neuem Glanz erfüllt werden, erzielt. Wie bei TROITZKY „sichert" in der Studie von SACHODJAKIN der S das Leben von L und B; das geschieht nun aber statt auf zwei sogar auf drei Feldern und stets auf indirekte Weise, und dadurch wirkt hier die Remisstellung konstruktiv ganz besonders leicht und elegant. Bemerkenswert ist, daß das — eine der Grundvoraussetzungen schachlichen „Lebens" darstellende — Zusammenwirken der Figuren in dieser 33
Studie in zweifacher, zugleich positiver und negativer Weise, in Erscheinung tritt, was einen effektvollen künstlerischen Kontrast hervorruft. Einerseits verleiht dieses Zusammenwirken den schwachen Figuren eine gewaltige Kraft; auf der anderen Seite erweist sich die stärkste Figur, die Dame, trotz größter Freiheit als hilflos, mit dem ungeschützten wK fertig zu werden, weil sie keinen Partner hat, mit dem sie zusammenwirken könnte. Auch die mächtigste Figur kann also allein gegen den isolierten König des Gegners nichts ausrichten; wie stark sind aber demgegenüber selbst die schwächsten Figuren, wenn sie sich in enger „Gemeinschaft" befinden! 5. M . S. LIBURKIN , M " 1930 1. Preis
Weiß gewinnt
Betrachten wir nunmehr die Studie M . L I B U R K I N S (Nr. 5): 1. Tc7f Kb8! 2. T b 7 t Ka8 3. Le8 Sc6: 4. Tb6:. Der S ist gefesselt, er wird zweimal angegriffen, ist aber nur einmal verteidigt. Unzureichend ist hier 4. — Ka7 wegen 5. Tbl Ka6 6. Tal. In dieser schwierigen Stellung findet 34
Schwarz einen bemerkenswerten Ausweg, der zu einer spannungsgeladenen Stellung führt: 4. — Sb4! Beide Figurenpaare stehen jetzt wechselseitig unter Schlagangriff, alle vier Figuren sind daher sozusagen paralysiert. Schlägt Weiß eine gegnerische Figur, so verliert er eine eigene. Durch den starken Zug 5. Lf7! rettet sich Weiß jedoch aus dieser prekären Situation, indem er die Drohungen des Gegners beseitigt, die eigene aber aufrechterhält. Schwarz befindet sich nun in der schwierigsten Lage; der doppelt angegriffene S darf sich nicht von der Stelle rühren, weil Weiß dann mit 6. Ta6 den L erobert. Wieder aber findet Schwarz, der in diesem Kampf kein Opfer scheut, einen prächtigen Gegenschlag; er spielt 5. — Le8!, und stellt damit die frühere Spannung wieder her. Schlägt Weiß jetzt den S, so verliert er den L, während er durch Schlagen des L die Kontrolle über das Feld d5 verliert und damit die Eroberung des Tb6 mittels der Springergabel ermöglicht. Zum zweiten Male also sind die Chancen ausgeglichen, weil beide Figurenpaare sich gleichsam über einen Abgrund hin gegenseitig Halt gewähren. Weiß findet aber doch noch einen Weg, die zum Zerreißen gespannte Atmosphäre zu entladen und, obwohl das Figurenverhältnis ein Remis sicher erscheinen läßt, den Schwarzen vor neue Schwierigkeiten zu stellen: 6. Kb4: Lf7: 7. Th6!, und nun zeigt sich, daß der sL auf dem völlig freien Brett nur ein einziges Feld (d5) zur Verfügung hat, auf dem er nicht einem Schach oder einer Fesselung zum Opfer fällt; nach dem somit allein verbleibendem 7. —
Ld5 kann sich aber der wK mit Tempogewinn dem sK nähern: 8.Kc5 L ~ 9. Kb6 und gewinnt. 6. T . B . G O R G I E W Meisterschaft der UdSSR 1929 4. Platz
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Ü Ü s P ip WW
•TB §/ i WIPF Weiß gewinnt
Neben diesem Prachtstück muß von Rechts wegen die durch ihre Eleganz und ihren beachtlichen Inhalt hervorstechende Miniatur von GORGIEW (Nr. 6) gezeigt werden, die früher als die Studie LIBURKINS erschienen ist. Zu Anfang ist das Spiel in beiden Studien ziemlich ähnlich, was durch die Gleichheit des Materials und die verwandte Stellung bedingt ist. 1. Lf6f Kh7 2. Tg7f Kh6 3. Tf7. Wie bei L I B U R K I N (nach dem 4 . Zug von Weiß) ist jetzt der diagonal gefesselte sS zweimal durch dieselben Figuren angegriffen und auch nur einmal, durch den L, verteidigt. Doch nun zeigt sich, wie sehr diese Positionen voneinander abweichen und wie originell sie im Verhältnis zueinander sind. Es folgt 3. — Kg6 (auf 3. — Sc6 gewinnt 4. Ld8: Sd8: 5. Td7 Se6 6.Td6)4. Tf8; derwTmuß den Angriff auf den S aufgeben, sein Zug hebt aber 3*
die Spannung nicht auf, sondern verstärkt sie sogar noch. In dieser verzweifelten Lage wartet Schwarz mit einem ganz überraschenden und prachtvollen Gegenplan auf; jedem gesunden Menschenverstand zuwider zieht er 4. — Sc6! 5. Ld8:. Jetzt hat Weiß einen Turm mehr, jedoch auf 5. — Kg7 muß der angegriffene T den L gedeckt halten, 6. Te8, und nach dem erneuten Angriff durch 6. — Kf7 bleibt allein der Zug 7. Th8. Der sK läßt ihm jedoch keine Ruhe, 7. — Kg7, worauf der T offenbar wieder nach e8 muß, und Schwarz will schon triumphieren. Aber dieses so glücklich gefundene positionelle Remis wird plötzlich durch eine Gegenkombination zerstört, durch die die bislang bestehende direkte gegenseitige Verteidigung, die die beiden Figuren aneinander kettete, in eine indirekte übergeht, die ihnen wieder ihre Freiheit verschafft! 8. Lf6f!. Den T deckt nun der ungeschützte L, der seinerseits aber wieder durch den T geschützt ist, da nach 8. — Kf6: auf 9. Th6f der S verloren geht. Wie groß ist doch die Anzahl von verschiedenartigen in schnellem Wechsel sich organisch auseinander entfaltenden Vorgängen, die in dieser Miniatur anzutreffen sindl In der folgenden Studie (Nr. 7) sehen wir, wie Weiß — obwohl Schwarz ein zum Sieg ausreichendes Ubergewicht besitzt und seine Figuren weitgehende Möglichkeiten haben, sich gegenseitig auf indirekte Weise zu verteidigen — einen Weg findet, sich zu retten, indem er unsichtbare Schwächen der Stellung des Gegners ausnutzt. 35
7. A . O . HERBSTMAN u n d W . A . KOROLKOW Trud, 1935 4. Preis
Weiß macht remis
Durch den Zug seines K nach e4 könnte Weiß eine Figur erobern, wenn sein T nicht einstände. Folglich muß der T mit Tempogewinn fortziehen. 1. T h 7 f ! Kf8. Jetzt kann 2. Ke4 immer noch nicht erfolgen, weil der dem ursprünglichen Schlagangriff entzogene T der Springergabel auf g5 zum Opfer fiele, daher 2. Th8f Kf7:. Hiernach wäre 3. Ke4 noch verfrüht, da der sS seinen Aktionsbereich überraschend bis nach h8 ausdehnen würde: 3. Ke4? Se5: 4. Kf4: Sgöfl nebst 5. — Sh8:. Es geschieht daher 3. e 6 f l Ke6:. Erst jetzt zieht Weiß 4. Ke4, wobei er sich durch die versteckte Drohung des Schwarzen, den T zu gewinnen, nicht mehr abschrekken läßt, weil seine Hoffnung auf Remis durch eine ganz neue Idee genährt wird. 4. — Se5, womit er gleichzeitig den L zu verteidigen glaubt. Weiß zieht darauf 5. d4!, und alle drei schwarzen Figuren sind angegriffen. Schwarz pariert durch 5. — Tc4, der T entzieht sich damit dem Angriff und fesselt den den S bedro36
henden B, während der S seinerseits indirekt den L schützt. Eine erstaunliche Stellung 1 Noch erstaunlicher aber ist, daß der wT, der sich zu Beginn des Kampfes dem direkten Angriff entzogen und dadurch einem indirekten Angriff ausgesetzt hatte, jetzt umgekehrt aus einer Stellung, in der er indirekt bedroht ist, in eine solche zieht, in der er direkt geschlagenwerden kann. Es geschieht 6. Th6f und Weiß ist überraschend gerettet. Der L muß den T nehmen, da er sonst vom wK geschlagen wird, 6. — Lh6:, und vor uns ist nun eine reine ökonomische Pattstellung in der Brettmitte mit gefesseltem Bauern entstanden I 8. A . O . HERBSTMAN 5. Meisterschaft der UdSSR, 1960
Weiß macht remis
Auch ein ganz gewöhnliches Patt kann jedoch den Abschluß eines schönen und originellen Manövers bilden. Schon mit einem Blick auf die Anfangsstellung der Studie Nr. 8 wird der erfahrene Schachspieler erkennen, daß der wBaö keine Gefahr für Schwarz darstellt, andererseits aber einer der sehr günstig stehenden schwarzen Bauern unaufhaltsam zur
Dame vorrücken wird. Er wird auch bald zu dem Ergebnis gelangen, daß Weiß sich nur durch ein Patt zu retten vermag. Und es ist sogar unschwer vorauszusagen, wie dieses Patt aussehen wird: offensichtlich muß Weiß — nachdem auf dem Damenflügel beide Seiten einen Bauern verloren haben und der zweite sB sich in eine Dame umgewandelt hat — seinen Turm derart opfern, daß er durch die neuerstandene Dame auf der zweiten Reihe geschlagen wird. Wie aber ist das zu erreichen? Das ist die einzige Frage, die sich dem Löser stellt und deren Beantwortung den ganzen Reiz dieser Studie ausmacht. Ein nicht wieder gutzumachender Fehler wäre das voreilige 1. a7, denn auf 1. — Kb7 ist Weiß genötigt, 2. Tf7f zu spielen, mit der Folge, daß er sich nach 2. — Ka8 3. Tc7 b3 in Zugzwang befindet; er muß nun den Ba7 ersatzlos aufgeben und geht ruhmlos unter. Interessant ist jedoch, daß der Zugzwang hier auf beiden Seiten auftritt: wäre in dieser Stellung Schwarz am Zuge, so würde, wie wir noch sehen werden, Weiß sein Ziel erreichen. Damit stellt sich die Frage, ob Weiß es fertig bringen kann, diese Stellung in der Weise herbeizuführen, daß das „Vorrecht" des Ziehens dem Gegner überlassen bleibt. Die Antwort hierauf gibt die Lösung: 1. Tf6f! Kc7 2. a7 Kb7 (nicht 2. — c l D 3. a8D Dc3f 4. D(T)f3, und Weiß gewinnt sogar). Was hat sich nun für Weiß geändert im Vergleich zu der Stellung, die sich nach dem fehlerhaften 1. a7 ergab? Scheinbar nichts oder doch so gut wie
nichts. Und dennoch besteht ein entscheidender Unterschied: Weiß kann nämlich jetzt ein interessantes Turmmanöver ausführen, 3. Ta6! Ka8 4. Tc6 b3 5. Tc7!, und nunmehr haben wir die bereits bekannte beiderseitige Zugzwangsstellung vor uns, aber jetzt mit Schwarz am Zuge. Auf das erzwungene 5. — b2 erwidert der „kluge" T mit einer letzten „Feinheit", 6. Tc8fl, womit er den sK zwingt, die a-Linie zu öffnen. Nach 6. — Ka7: wird dann das Schlußspiel, dessen Beschaffenheit wir bereits aus der Anfangsstellung erraten hatten, tatkräftig zur Ausführung gebracht: 7. Tc2: blD 8. Ta2f K ~ 9. Tb2f Db2: — patt! Der Genuß an der Lösung wird zweifellos noch durch eine thematische Verführung erhöht, die inhaltlich völlig mit der obigen ideegemäßen Hauptvariante übereinstimmt. Wenn Weiß im 3. Zuge nicht 3. Ta61 sondern 3. Tc6? spielt, so kommt es nach 3. — b3 4. a8Df Ka8: zu einem interessanten Manöver von wT und sK, das aber schließlich mit dem Sieg von Schwarz endet: 5. Tc7 Kb81 (5. — b2? führt, wie aus der Lösung bekannt, zum Patt) 6. Tc3 mit der Hoffnung, durch ständige Wiederholung dieser Züge das Remis zu erreichen; es erfolgt jedoch 6. — Ka7 7. Tc6 Kb7 8. Tc3 Ka6 9. Tc5 Kb6 10. Tc3 Ka5 11. Tc4 Kb5, und Schwarz gewinnt. In Nr. 9 muß Weiß sich trotz gleicher Kräfteverteilung sehr anstrengen, um remis zu machen, weil sein Läufer angegriffen steht und das zu seiner Rettung erforderliche Tempo dem Schwarzen Gelegenheit gibt, seine 37
9. G . M . K A S P A R J A N Schachmaty w SSSR, 1949 1. Preis
Weiß macht remis
Stellung bedeutend zu verstärken. 1. Ld7 b4 (auf 1. — Sa4 gewinnt 2. Kd6 durch Zugzwang) 2. Kc5 b3 3. Kb4. Weiß erobert jetzt den wichtigen Bb3 und damit scheint der Kampf beendet zu sein. Aber nach 3. — Sa4! 4. Sb3: Lb3: zeigt sich unerwartet, daß Weiß mit einer Figur in Rückstand bleibt, weil beide schwarze Figuren indirekt geschützt sind: der L ist wegen der Springergabel auf c5 unverletzlich, und der S darf nicht genommen werden, weil nach einem Abtausch auf a4 der sK beide wB schlagen kann, worauf der Bf7 sich ungehindert umwandelt. In dieser kritischen Stellung findet Weiß aber einen auf sehr weite Sicht berechneten Zug, der eine glänzende Remiskombination einleitet. 5. Lc6! L d l 6. f6!: versperrt dem sK den Ausgang über e7 und g7 und droht 7. La4:, weil dem sK in dem folgendem Bauernendspiel die für den Gewinn erforderlichen Tempi fehlen würden. 6. — Sb6 7. Kc5. Hier zeigt sich, weshalb der wL nach c6 gezogen hatte — der 38
sS kann jetzt nicht nach a8 und später auch nicht — nach h l . Auf 7. — Sc8 aber erzwingt 8. Ld7 Sa7 9. Kb6 das Remis. Der S muß also wieder zurück. 7. — Sa4f 8. Kb4 Sb2 9. Kc3. Was soll Schwarz jetzt tun? Er zieht 9. — La4!, mit indirekter Verteidigung seiner Figuren und Freimachung des Feldes dl für den S. Es folgt 10. Lf3!, ein Zug, der auf der anderen Brettseite (von der Diagonale al — h8 aus gesehen) die gleichen Funktionen erfüllt wie zuvor der Zug des L nach c6. Wie er zuvor die Punkte a4, a8 und d7 gedeckt hatte, kontrolliert der L jetzt die Punkte d l , hl und g4. 1 0 . — S d l t l l . K d 2 S f 2 1 2 . Ke3 S d l f : . Der S muß wieder zurück, weil er auf hl geschlagen wird und auf 12. — Sh3 das Remis wieder auf die schon bekannte Weise erzwungen wird: 13. Lg4 S g l 14. Kf2. Also 13. Kd2 Sb2 14. Kc3 L d l ! 15. Lc6! usw. Ein positionelles Remis — in Gestalt eines ewigen und bei der Verfolgung der schwarzen Figuren mit weiten Schwingungen ausschlagenden Pendels, das mit der zwingenden Kraft eines unabänderlichen Rhythmus funktioniert. In den letzten Studien erstanden vor uns erstaunliche Stellungen — leicht gesponnen und doch fest gefügt, zerbrechlich wirkend und doch stark infolge der tiefen inneren Verbindung der Figuren untereinander. Es verhält sich hier gleichsam wie bei einer Hängebrücke, deren dünne und elastische Seile dennoch größte Belastungen aushalten. Diese Vereinigung von Eleganz und luftiger Konstruktion mit gewaltiger Widerstandskraft bereitet uns einen ästhetischen Genuß. Denn diese Widerstandskraft ist nicht
in den Stützpfeilern begründet, die Ursache liegt vielmehr darin, daß die „nicht vorhandene Masse" sich in sich selbst verstärkt durch das harmonische Zusammenwirken der sie zusammensetzenden Teile. Man beachte, wie auch in den zuletzt vorgeführten Kompositionen alles auf die subtilste Weise ins Gleichgewicht gebracht ist. Nicht nur in den Ideenvarianten, sondern auch in fast allen Nebenspielen wird das Ziel mit dem geringstmöglichen materiellen oder positionellen Übergewicht verwirklicht, unter strengster Wahrung des Grundsatzes: notwendig, aber auch ausreichend. Die indirekte Verteidigung ist aber nicht das einzige Mittel, mit dem in der Schachkomposition größtmögliche Wirkungen mit maximaler Ökonomie der Mittel erzielt werden können. Es gibt noch manche andere Methoden, durch die eine gegenseitige Unterstützung der auf dem Schachbrett wirkenden Kräfte erreicht wird, und diese tragen ebenfalls dazu bei, daß der Studienschatz ständig durch neue Kostbarkeiten vermehrt wird. Solche andersartige Methoden, die häufig Anwendung finden, werden durch die folgenden Studien verdeutlicht. Die w e i t r ä u m i g e n F i g u r e n w i r k u n g e n erreichen in diesen Beispielen geradezu die äußerste Grenze des Möglichen, und das erklärt die große ästhetische Wirkung, die von ihnen ausgeht. An den Anfang setzen wir ein Werk v o n A . TROITZKY, dem E n t d e c k e r der
meisten Studienmotive. Äußerst selten nur stößt man in der Schachliteratur auf Stellungen, in denen die Forderung, zu gewinnen, so
10. A . A .
TROITZKY
Meisterschaft der UdSSR, 1929 7. Platz
Weiß gewinnt
unglaublich wirkt wie in N r . 10. Bei einem ausgeglichenen Verhältnis bescheidenster Kräfte befinden die beiderseitigen Figuren sich dazu noch in weitester Entfernung voneinander. Es ist auch nichts ersichtlich, was auf gegenseitige Abhängigkeiten schließen lassen könnte, denn alle ursprünglich vorhandenen Kräfte können sich auf dem Brett frei betätigen. Wäre es aber nicht trotzdem möglich, daß in diesem hoffnungslos nach Remis aussehenden Endspiel vielleicht doch ein Geheimnis verborgen ist? Kaum begreiflich! Aber dennoch: 1. L h 6 ! , und plötzlich ist der sK einer Mattdrohung ausgesetzt. Wenn er nicht unverzüglich seine Ecke verläßt und Schwarz statt dessen den L oder B zieht, dann entsteht ein Mattnetz, und zwar buchstäblich in zwei Raten. Z. B. 1. — c5 (oder 1. — Lb7 2. Se4) 2. Sb5 und nun gewinnt 3. Sd6!, was den s K unter „Hausarrest" auf den Feldern h8 und g8 hält, so daß der w K gerade noch rechtzeitig zur Hinrichtungsstätte gelangt: 3. — L ~ 4. Kc2 K g 8 39
5. Kd2 Lf3 6. Ke3 Lc6 (g2) 7. Kf4 c4 8. Ke5 c3 9. Kf6 Ld7 (es drohte 10. Sf5 (c8) nebst 11. Se7f) 10. Se4 c2 11. Ke7 L ~ (11. — clD 12. Sf6f Kh8 13. Lei: L ~ 14. Kf8) 12. Sf6f Kh8 13. Kf8 und 14. Lg7+; oder 9. — Lh3! 10. Se4 c2 11. Ke7 clD 12. Sf6f Kh8 13. Lei: Kg7 14. Sh5f Kg6 15. Sf4f und gewinnt. Folglich ist Schwarz, um keine Zeit zu verlieren, gezwungen, 1. — Kg8 zu spielen und nach 2. Se4, solange es noch nicht zu spät ist, den K ins Freie zu bringen. Nach 2. — Kf7 aber ändert Weiß seinen ganzen Plan von Grund auf und verlegt nun seinen Angriff von der Ecke h8 nach a81 Wir sahen bereits, wie Weiß, wenn sofort der L oder der c-Bauer zogen, den gegnerischen K und den h-Bauern schnell lahmzulegen vermochte. Nunmehr aber, nachdem Schwarz für die Flucht des K zwei Tempi verloren hat, werden mit 3. Sc5 mit einem Male La8 und Bc6 festgelegt. Der wS kämpft also kraftvoll an zwei Fronten, indem er sich im kritischen Moment jeweils dorthin wendet, wo der Gegner nicht mehr rechtzeitig eingreifen kann. Weiß will jetzt den sL gewinnen, und um dieses Ziel zu erreichen, muß er gleichzeitig drei strategische Aufgaben erfüllen: 1. er muß den sK daran hindern, seinem L zu Hilfe zu kommen, 2. er darf dem sK keine Möglichkeit geben, den wS zu vertreiben und dadurch die Stellung zu öffnen, und 3. muß er die starke Gegenchance zerstören, die für Schwarz in dem Vorrücken des sBh7 besteht, der jetzt berufen ist, die Rolle des „Befreiers" 40
zu spielen, zu der früher der c-Bauer berufen war. 3. — Kg6. Nutzlos wäre 3. — Ke8, weil Schwarz dann nach 4. Lg5 h5 5. Lh4 unter Verlust von zwei Tempi in die Hauptvariante einlenken muß. Auf 4. — h6 kann Weiß sogar den B schlagen, weil nach dem Vorrücken des sK nach c8 der L von f4 aus die Felder b8 und c7 unter Kontrolle hat. In dieser Stellung kann sich der sL aus seinem Gefängnis auch nicht durch den Zug nach b7 befreien: das Feld c8 ist ihm durch den eigenen K geblockt, a6 wird durch den wS beherrscht, und wie in den Mattvarianten der eingesperrte K nur zwischen den Feldern g8 und h8, kann jetzt der eingesperrte L, so lange sich ihm der wK noch nicht genähert hat, lediglich zwischen a8 und b7 hin- und herpendeln. In der linken Ecke ist also jeder Widerstand hoffnungslos. Der sK könnte seinem L hier nur zur Hilfe kommen, wenn es ihm gelänge, über das ganze Brett hinweg nach b6 zu gelangen, wonach der L über b7 und c8 die Freiheit gewänne. 4. Lf8 h5! 5. Kc2 Kf5 6. Ld6! Kg4 7. Kd2 Kf3 8. Kel Kg2. Der erbitterte Kampf wird damit in die dritte Ecke des Brettes verlagert. 9. Le7 Kg3 10. K f l Kf3. Schwarz muß die Hoffnung, den h-Bauern durchzubringen, aufgeben, er versucht nun noch einen, jetzt aber letzten Weg: 11. Ld6 Ke3 12. Le5!, damit der K nicht über d4 nach c4 gelangt. 12. — Kd213. Kg2 Kc214. Kh3 Kbl; der sK ist erneut auf der Suche nach einem Schlupfloch, das ihn zu dem „eingesperrten" L führt. 15. Kh4 Ka2 16. Kh5: Ka3. Die letzte Hoffnung,
jedoch 17. Lc3!, und Schwarz wird auch in der vierten Ecke des Brettes niedergehalten. Er muß seinen K auf seinem trostlosen Weg zurückkehren lassen, ohne daß dieser sich seinem todgeweihten L auch nur auf Kanonenschußweite zu nähern vermöchte, weil der wL stets im entscheidenden Augenblick die vielzügigen Manöver des sK zunichte macht, während der wK sich ungehindert dem Felde a8 nähert. Eine grandiose Studie! Mit seinen äußerst beschränkten Kräften spannt Weiß ein stählernes Netz über das ganze Brett und stellt sich dem Gegner überall zum Kampf — in der Brettmitte wie am Brettrand, wobei er sich stets überlegen erweist. Dazu das Spiel mit seiner Koordinierung der Wirkungskraft des K mit der von nur zwei leichten Figuren auf freiem Brett — ein wahrhaft unübertreffliches Werk. 11. M . A . EISENSTAT A . A . TROITZKY
und
Schachmaty w SSSR 1940
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Weiß gewinnt
Nur schwer findet man sich auch bereit, die Forderung der Studie Nr. 11
ernstzunehmen. Weiß soll gewinnen?! Treiben die Autoren da nicht ihren Scherz mit uns? Man erinnert sich verschiedener mathematischer Probleme, mit denen man sich vergebens abgemüht hat, um dann beim Nachschlagen der Lösung zu lesen „die Aufgabe ist unlösbar". Aber diese Studie wurde weder in einer märchenschachlichen noch einer schachhumoristischen Rubrik veröffentlicht. Weiß gewinnt tatsächlich, und zwar wie folgt: 1. Sc7f Kb8 2. Sb5! (blockt den sB) Ka8. Auf 2. — Kc8 geschieht 3. Sa7:f K ~ 4. Sb5, und Weiß gewinnt, wie TROITZKY in seinen bekannten Untersuchungen über das Endspiel 2S gegen B nachgewiesen hat. Auf dieser Erkenntnis gründet sich der ganze Kampf in der vorliegenden Studie. Schwarz darf deshalb den L nicht aufgeben, und der K ist genötigt, in die Ecke zurückzukehren. Im Ergebnis hat Schwarz bis jetzt noch keinen einzigen Zug gemacht, während Weiß schon den dritten ausführt, der nun allerdings völlig widersinnig erscheint — 3. Sei!, er begibt sich an die dem Kampfplatz entgegengesetzte Seite. 3. — Lb8 4. Sd3. Jetzt hat der L auf der großen Diagonale nur ein einziges Feld, 4. — Lh2, nach 5. Kg2 muß er jedoch wieder zurück: 5. — Lb8. Der zweimalige Marsch des L über das ganze Brett von Rand zu Rand hebt diese Studie deutlich ab von den zahlreichen anderen Darstellungen, in denen mit scharfsinnigen weißen Manövern eine beengte Stellung des Gegners ausgenutzt wird. Eine langzügige Figur frei f ortzieheu lassen und sogleich wieder zurücktreiben — die41
ses Motiv verleiht der Studie einen besonderen, einmaligen Reiz. 6. Kh3!, wie schon 3. Sei wieder ein sehr aktiver Zug, der vom Ort des Geschehens wegführt. Schwarz ist in Zugzwang, und ihm bleibt nichts als die Rückkehr des L in seine Höhle. 6. — La7, komisch und kläglich. Weiß macht schon seinen siebten Zug, während Schwarz noch keinen einzigen hat anbringen können. 7. Sb(f)4 Lb8 8. Sd5! La7, wieder muß er in sein Loch. Nach 8. — Le5 scheint es, als seien dem Weißen die Felle davongeschwommen, aber er antwortet 9. Sb6:f Kb8 10. Sd7f und erobert den L, worauf die beiden S gegen den Bb7 gewinnen; dieses Nebenspiel gereicht der Studie sehr zur Zierde. Weiß macht nun seinen neunten Zug, Schwarz aber steht noch immer wie angenagelt auf seinem ursprünglichen Platz. 9. Kg4 (g2, h4) Kb8! (selbstverständlich nicht 9. — Lb8 wegen 10. Sb6:+) 10. Sf6! Ka8 11. Sd7!, elf Züge gegen nicht einen! Jetzt ist dem sK der Ausgang versperrt, und nach dem einzig möglichen Zug 11. — Lb8 setzt Weiß durch 12. Sb6: matt. Was sich hier abgespielt hat, war geradezu eine Tragikomödie auf der schachlichen Bühne. Die Zusammenarbeit zwischen der alten und der neuen Komponistengeneration hat in dieser Studie einen glänzenden Erfolg gezeitigt. Diese Zusammenarbeit erschöpfte sich hier nicht in dem direkten Beitrag A. TROITZKYS, der der schon vielzügigen Studie M . EISENSTATS noch zwei wirklich bedeutsame Züge hinzufügte; das war nur der letzte geniale Pinsel42
strich des Meisters in dem Gemälde seines Schülers. Vielmehr ist die Studie auch im übrigen von Anfang bis Ende ganz und gar von dem Gedankengut A. TROITZKYS durchdrungen. Wie wir schon erwähnt haben, waren es die Forschungen A. TROITZKYS, auf denen die Erkenntnis vom Gewinn zweier Springer gegen gegnerische Bauern beruht, die der Lösung zugrundeliegt. Und ferner: das hier angewandte Verfahren, die Wirksamkeit schwarzer Figuren zu beschränken und gleichzeitig den wS so heranzuziehen, daß er dem sK ein Feld abschneidet und damit den L zwingt, es zu blocken und so das Matt zu ermöglichen — diese ganze Kombination ist nur die prachtvolle Weiterentwicklung einer bekannten Miniatur A. TROITZKYS („500 Schachstudien", 1924 — Kg5 Sg2 Bf4 — Kg8 Lh7 Bf5; Weiß gewinnt: 1. Kh6 Kh8 2. Sh4! Kg8 3. Sf3 Kh8 4. Se5 Kg8 5. Sc6 (d7) Kh8 6. Sei (f8) Lg8 7. Sg6+). 12. A . A . TROITZKY Deutsche Schachzeitung, 1914 1
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Weiß gewinnt
Die folgende Studie (Nr. 12) zeigt uns ebenfalls, in welch hohem Maße
es der Begründer der Studienkunst bereits vermocht hat, die größte künstlerische Ausdruckskraft in eine Darstellung hineinzulegen, die die Gefangennahme einer langzügigen Figur auf freiem Brett zum Inhalt hat. 1. b6 Kd6 2. Sf5f Kd7. 2. — Kc6? 3. Se7f und der L geht verloren; bald werden wir sehen, in welch vielfachen Variationen dieses Gabelthema auftritt und wie unentbehrlich es für die Lösung wird. 3. Se7ü, ein zauberhafter Zug 1 Die bescheidenen weißen Streitkräfte bemächtigen sich des Brettes und lähmen das ganze schwarze Spiel. Der S kann wegen 4. b7 nicht geschlagen werden, also muß der L fortziehen. Wohin aber? Auf 3. — Lh7 folgt 4. e3, und Schwarz hat keinen ausreichenden Zug mehr: entweder muß der L sich opfern oder der K den wB vorrücken lassen. Der L ist deshalb gezwungen, auf der großen Diagonale zu bleiben. Aber auch hier findet er keinen sicheren Zufluchtsort. Auf f7 und e6 geht er nach 4. b7 Kc7 5. Sc6! verloren, weil der sK den B nehmen muß und darauf der L der S-Gabel von d8 aus zum Opfer fällt; ein analoges Spiel verwehrt dem L die Felder b3 und c4 — die Springergabel von a5 aus führt zu dem gleichen Ergebnis. Der S beherrscht den Königs- wie den Damenflügel, mit einzigartiger Gewandtheit wendet er sich nach rechts wie nach links! So bleibt dem L als einzige Rettung der am weitesten entfernte Punkt, 3. — La2. Aber auch hier wird er seines Lebens nicht froh. 4. Kd2 (natürlich nicht 4. Kdl Lb3f nebst 5. — La4) Lbl 5. K c l ! La2, auch von dieser Seite her findet sich also auf der Dia-
gonale bl — h7 für den sL kein „Platz in der Sonne". Der eigene Bauer ist für Schwarz der Knochen im Hals, und der arme Kerl von Läufer muß widerwillig umkehren. 6. Kb2; der L wird auf die Diagonale zurückgetrieben, wo er sich nur noch dasjenige der verminten Felder auswählen kann, auf dem er in die Luft gesprengt werden will: 6. — L ~ 7. b7 Kc7 8. Sc6! Kb7: 9. Sa5 (d8)f, und das Spiel ist aus. Wer hätte das gedacht, daß in dieser luftigen Stellung der weitzielende Läufer nicht aus der Falle entrinnen kann, daß auf beiden langen Diagonalen mit ihren zwölf Feldern nicht eines ihm Zuflucht gewährt, und daß, doppelt bitter für Schwarz, gerade der einzige rettende Platz — das dreizehnte Feld, durch den eigenen Bauern geblockt ist! All dies ist vor allem der beherrschenden Stellung des „in Bereitschaft stehenden" wS zu verdanken. Man erinnere sich hier des ebenfalls in einer solchen Bereitschaftsstellung befindlichen Springers in der Studie von W.
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PLATOW ( N r . 1) u n d
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alles, was dort über die kolossale Macht gesagt worden ist, die ihm seine „unverteidigte Position" verleiht. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß auch diese glückliche Idee in späteren Arbeiten sowjetischer Komponisten erneut ihren Niederschlag gefunden hat. Eines der besten Beispiele ist Nr. 13, die die reichhaltigen Möglichkeiten, die in diesem Vorwurf verborgen sind, besonders schön zum Ausdruck bringt. Mit ihrer Stellung, die den Anschein erweckt, als sei sie aus einer 43
1 3 . S. M . K A M I N E R Schachmaty 1927, 5. Preis
Weiß gewinnt
Partie entstanden, erfüllt diese Komposition vollkommen die Forderung L. K U B B E L S , daß die Studie in ihrer Anfangsstellung wie eine „photographische Wiedergabe der Natur" sein solle. In dieser Hinsicht verfügte der tiefveranlagte S. K A M I N E R über ein außergewöhnliches Gefühl für Gleichgewicht, Harmonie und Natürlichkeit, und alle seine Studien wirken wie Endspiele aus tatsächlich gespielten Partien. In Nr. 13 hatte sich der Autor die Aufgabe gestellt, durch Gabelangriffe beide Läufer des Gegners nacheinander zu erobern wobei es ihm vor allem darauf ankam, daß die Läufer „freiwillig", also ohne Anwendung so kräftiger Mittel wie des Abtauschens oder Schlagens von Figuren und dergl., die gefährdeten Felder betraten. Sie sollten ganz einfach im Verlauf des Kampfes und als dessen Ergebnis sich dorthin begeben müssen, wo der hinterlistige Springer ihrer wartete. 1. Se51! Ein Zug, der an den 3. Zug in der 44
vorhergehenden Studie A. T R O I T Z K Y S (Ke7ü) erinnert. Auch hier die gegenseitige Beziehung zwischen der „in Bereitschaft stehenden" Figur und dem Bb6. Demgemäß auch hier der an seinen Platz gebannte sK. Allerdings sind nun zwei sL vorhanden und keiner von ihnen ist von dem S angegriffen, aber beide sind nach dem ersten Zug in ihrer Bewegungsfreiheit äußerst beschränkt: der eine direkt, der andere indirekt durch potenzielle Gabelangriffe. Damit dehnt der ungeschützte Springer seinen Wirkungsbereich gleichzeitig nach drei Fronten aus. Schwarz ist jedoch am Zuge, und er muß so spielen, daß er das hinterlistige Manöver 2. Lg8, das Weiß im Schilde führt und wonach auf einen beliebigen schwarzen Zug 3. Sc4f Kc6 4. Ld5f I mit Gewinn erfolgen würde, berücksichtigt. Demgemäß muß 1. — Lh5 geschehen, damit nach 2. Lg8 die weiße Kombination mit 2. — Le2 durchkreuzt werden kann. Den Zug 2. Ld5 braucht Schwarz wegen 2. — Le3 3. Sc4f (3. hl La7) Kd5 4. Se3:f Kc6 mit Remis nicht zu fürchten. 2. K f l ! , Weiß muß Le2 verhindern, und zwar gerade von diesem Felde aus, wie sich bald zeigen wird. 2. — L d l ; Schwarz läßt nicht zu, daß Weiß sein geplantes Manöver verwirklicht, auf 3. Lg8 würde jetzt 3. — Lb3 mit Remis folgen. Die scharfe Diskussion mit ihren geistvollen Argumenten hält aber weiter an. 3. L d 5 ü , zwei einstehende Figuren in der Brettmitte I Weiß droht mit 4. Sf7f den Gegner zu vernichten. Befände sich der wK jetzt auf f2, so würde 3. — Lb2: 4. b7 Ld4f nebst 5. — La7 oder 4. Sc4f
Kd5: 5. b7 Kc4: zum Remis führen. Die Drohung 4. Sf7f muß pariert werden, also 3. — Le3. So lautlos und ohne starkem Zwang ausgesetzt gewesen zu sein, haben im Lauf der Auseinandersetzung die schwarzen Läufer diejenigen Stellungen bezogen, in denen sie dem weißen Springer zum Opfer fallen, worauf Weiß mit einer Figur mehr verbleibt, die zum Gewinn reicht: 4. Sc4f Kd5: 5. Se3 :f Kc6 6. Sdl:. Der Rest ist dann — Sache der Technik. 14.
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T r u d , 1947 2. Preis
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Ein glänzendes Beispiel dafür, wie eine bekannte Idee durch feines und geistvolles Spiel bereichert werden kann, ist Nr. 14, die damit über ihre Vorläuferin, eine schöne Miniatur G. KASPARJANS, hinausführt. 1. Tg7f Kb6 2. a 8 S f ü ; nur dies genügt, mit jeder anderen Fortsetzung gibt Weiß die Initiative aus der Hand. 2. — Ka6. Interessant, daß der sK sich schon jetzt einem Mattnetz gegenübersah; sowohl auf c6 wie auf a5
würde er sofort erledigt sein, wobei in dem Matt nach Kc6 der eigene Bd6, der auch an dem weiteren Kampf teilnehmen und dabei noch ein gewichtiges Wort mitsprechen wird, eine unglückliche Rolle spielt. 3. Sc7f Ka5!. Auf 3. — Kb6 folgt 4. Sd5f Ka6 (c6) 5. Sb4f 6. Sc2:, auf 3. — Ka(b)7 4. Se6f (nimmt das Feld g5 unter Kontrolle) nebst 5. Tgl mit Gewinn. 4. Tgl. Das scheint alles zu sein, der Kampf beginnt aber in Wirklichkeit jetzt erst. 4. — Lg5!. Droht die Umwandlung des B und zwingt Weiß zur Annahme des Opfers; was aber wird damit bezweckt? Der L wird ja mit Schach geschlagen, so daß der T sofort wieder nach g l zurückkehren kann. Doch sehen wir weiter. 5. Tg5:f d5f!. Das also ist das gewichtige Wort, das dieser Bauer hier zu sprechen hat. Auf das Schach antwortet Schwarz mit Gegenschach und zwingt dadurch Weiß, auch dieses Opfer mit 6. Td5:f anzunehmen, wonach der T nicht mehr auf die erste Reihe zurück kann, um den B aufzuhalten ( = römische Lenkung I). 6. — Ka4 (nicht 6. — Kb6 wegen 7. Tb5f Kc7: 8. Tc5f nebst 9. Kb5 (d5)). Der weiße Angriff scheint sich totgelaufen und Schwarz mit seinem einzigen B, dessen Umwandlung in eine Dame nicht mehr verhindert werden kann, sein Ziel erreicht zu haben. Weiß hat aber doch noch einen entscheidenden Trumpf auszuspielen. Nach 7. Sb5! c l D f ! beantwortet er seinerseits das Schach mit einem Gegenschach, das jetzt aber von durchschlagender Wirkung ist!. 8. Sc3fKa3 9. Ta5f Kb2 10. Ta2#. 45
Die Umwandlung eines B in einen S, Opfer schwarzer Figuren, römische Lenkung, Gegenschachs ( = Kreuzschachs) auf beiden Seiten und zum Schluß ein effektvolles Matt — es ist wunderbar, wie all das in dieser zauberhaften Miniatur in prachtvoller Weise zusammenwirkt. 15. A . W . u n d K . W . SARITSCHEW Schachmatny Listok, 1928 ehrende Erwähnung
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Weiß mache remis
Betrachten wir nun noch eine weitere „kleine" Studie von großem Format (Nr. 15). Diese Aufgabe ist von den Autoren selbst in folgender Fassung veröffentlicht worden: Kc8 Bb6 c6 f4 — Kf3 Ld6 g8 Bb7. Wir haben das einleitende Abtauschspiel 1. Kd7 Lf4: 2. c7 Lc7: 3. bc Lh7 fortgelassen, weil wir der Ansicht sind, daß dadurch der ästhetische Wert dieser hervorragenden Komposition nur beeinträchtigt wird. Weiß darf nicht 1. c8D spielen, weil dann Schwarz durch Lf5f die D gewinnt und zugleich seinen eigenen B verteidigt; auch 3. Kb6 hilft hier nicht, weil darauf dersK in den Kampf eingreift. Nutzlos ist auch 1. Ke6, weil 46
Schwarz danach durch einen Zug seines K auf der 4. Reihe den Punkt f5 erneut erobert. Die Lage scheint für Weiß völlig hoffnungslos zu sein und Remis — nur ein leerer Traum. Wie könnte man auch auf den Gedanken kommen, daß Weiß seinem Remisziel weit näher wäre als in der Anfangsstellung, wenn — der sB anstatt auf b7 auf b4 stände?! Daß also der sB, wenn er drei Reihen weiter vom wK entfernt steht,sich von diesem nicht nur nicht entfernt hat, sondern ihm sogar nähergerückt und erreichbar geworden ist? 1 Und doch ist es so! Stände der sB auf b4, so würde der wK nach d6 zielen, auf die danach notwendige Erwiderung Lf5 durch den Zug nach e5, der Schwarz zur Verteidigung des L zwingt, ein weiteres Tempo gewinnen, um dann auf d4 das Quadrat des „unerreichbaren" B zu betreten, was das Remis bedeutete. Aber all dies wäre eben nur, wenn ... In guten Studien ereignen sich jedoch die tollsten Dinge, und hier macht Weiß, um den oben bezeichneten Zweck zu erreichen, den wirklich prächtigen, einzigartig schönen Zug 1. Kc8ü, mit dem er sich seinen eigenen B blockt und dazu auch seinen K so weit wie möglich von dem sB, der sofort mit 1. — b5 einen Sprung nach vorn tut, entfernt. Der wK kehrt nun sogleich zurück, 2. Kd7!, und nach 2. — b4 (es drohte 3. Kc6) wird das geträumte „Wenn" Wirklichkeit: 3. Kd6 Lf5 4. Ke5 L ~ 5. Kd4 mit Remis. Bei dieser feinen Kombination ist ihr erster Zug zugleich ihr Höhepunkt, in ihm ist bereits alles weitere im Keim enthalten; deshalb war es durchaus sachgemäß, daß er nicht den An-
fang, sondern den Schluß unserer Erläuterungen bildete. In dem, was sich in dieser Studie abspielte, hat in künstlerisch klarer Form eines der wichtigsten Gesetze des schachlichen Kampfes seinen Ausdruck gefunden. Der König kämpft hier gleichzeitig nach zwei Fronten hin. An keiner der beiden Fronten allein wäre er in der Lage, ein positives Ergebnis zu erzielen, und er müßte unterliegen, wenn er sich auf nur eine von ihnen werfen, auf sie also seine ganzen Anstrengungen konzentrieren und die andere ignorieren würde. Nur dann gelingt es ihm, an einer der Fronten die Oberhand zu gewinnen und an der anderen das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten, wenn er sich sozusagen auf einer Mittelachse in der Weise bewegt, daß jeder seiner Schritte gleichzeitig zwei Ziele verfolgt. Jagst du einen Hasen — so wirst du ihn nicht schießen, jagst du aber zwei Hasen — dann wirst du einen von ihnen erlegen! 15a.
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Kagans Neueste Schachnachrichtea, 1921
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Weiß macht remis
Die erste künstlerische Darstellung einer solchen Koordinierung der
Wirkungskräfte des Königs nach zwei entgegengesetzten Richtungen hin findet sich in der bekannten Miniatur Nr. 15 a von R . R É T I , die bei ihrem Erscheinen eine wahre Sensation hervorrief, die Schachpresse der ganzen Erde durchlief und allgemeine Begeisterung erweckte. Der Gedanke, daß der wK hier den sB noch einholen oder rechtzeitig seinen B stützen und zur D führen könnte, erscheint absurd. Und dennoch wird eines dieser Ziele erreicht, wenn der K nur beide gleichzeitig verfolgt: 1. Kg7! Kb6 2. Kf6! h4 3. Ke5!, er läßt sich nicht nach einer Seite ablenken. 3. — h3 4. Kd6 h2 5. c7 Kb7 6. Kd7, remis. Oder 1. — h4 2. Kf6 Kb6 3. Ke5 bzw. 2. — h3 3. Ke6(7), ebenfalls remis. Der Herausgeber der RÉTischen Studien, A. M A N D L E R , schrieb an sich mit Recht, daß nicht eine der zahlreichen Bearbeitungen des gleichen Themas, die durch dieses Stück hervorgerufen worden sind, dessen Nieveau erreicht; und das gilt auch für R É T I selbst, der später (1928) die gleiche Idee unter Hinzufügung eines sL erneut dargestellt hat. Unsere — ebenfalls im Jahre 1928 veröffentlichte — Nr. 15 jedoch hat die ursprüngliche Darstellung R É T I S sowohl an Tiefe wie an Eindruckskraft übertroffen. Diese Überlegenheit verdankt sie allein ihrem ersten Zug, der ein neues überaus geistvolles und paradox wirkendes Moment in die bekannte Idee hineinbringt. Während in der Komposition R É T I S (wie auch in allen anderen uns bekannt gewordenen Variationen dieses Themas) der König sofort auf der „Mittelachse" dem Ziel zusteuert, macht er in Nr. 15 zunächst 47
einen sinnlos wirkenden Schritt in die entgegengesetzte Richtung und stellt damit eine Stellung her, in der ein Remis noch undenkbarer als zu Anfang erscheint. Auch bei der unten folgenden Studie Nr. 18 handelt es sich um die Bearbeitung eines fremden Fundes; doch liegt es hier so, daß die zugrundeliegende Idee nicht nach innen, sondern in die Breite entwickelt worden ist. Der Fortschritt besteht in diesem Fall darin, daß das Spiel nicht durch neue feine Motivationen, sondern vielmehr durch die Angliederung weiterer Motive bereichert worden ist. Diese Studie zeichnet sich dadurch aus, daß bei ihr — anders als bei fast allen derartigen synthetischen Studien — durch die Ideenverbindung der einheitliche Charakter der Darstellung nicht beeinträchtigt wird. Wir werden hier nicht nur durch das organische Zustandekommen der neuen Variante, sondern auch durch die Tatsache überrascht, daß die Einheitlichkeit des Inhalts durch die reiche Verzweigung des Spiels nicht nur nicht beeinträchtigt sondern geradezu besonders betont wird. Zunächst soll der Leser die beiden Kompositionen kennenlernen, die in Nr. 18 mit so großem Erfolg verarbeitet worden sind. Die erste davon, die sehr bekannte Nr. 16, nimmt schon seit langem einen festen Platz unter den besten klassischen Studien ein. Schwarz droht, den wL zu nehmen bzw. bei dessen Wegzug nach Abzugsschach durch den K mit dem Zug Ld4 einen der wS zu erobern. 1. Le2!, der einzige, tief berechnete Weg zum Ge48
16. M . W .
RATNER
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winn; alles übrige führt, wie die Lösung zeigt, nur zum Remis. 1. — Kb7f! 2. Kg2!, wiederum der einzige den Gewinn nicht auslassende Zug, wie sich später erweist. 2. — Ld4 3. Sb3 Le5: 4. Sa5f!. Jetzt sind dem sK wegen der Springergabeln auf c4 und c6 alle schwarzen Felder verwehrt, während 4. — Kc8 durch 5. Lg4f mit Gewinn des sL beantwortet wird. Hätte Weiß 1. Ld3 gezogen, so könnte sich Schwarz jetzt durch 4. — Kb6 5. Sc4f Kc5 6. Se5: Kd4 retten. Nun aber bleibt als einzige Antwort 4. — Ka8, und hierauf hat Weiß einen glänzenden Gewinnweg zur Verfügung 5. Sc6! Lf4 ( ~ ) 6. La6!. Ganz unerwartet ist der sK jetzt in der Ecke eingesperrt, und Weiß droht, nach Vorrücken seines K bis c8 mit dem L auf b7 mattzusetzen. Der schwarzfeldrige sL kann dieses Manöver, bei dem nur weiße Felder benutzt werden, nicht verhindern. Aber Schwarz hat ja noch den Bg7, und wenn dieser rechtzeitig nach g4 gelangen würde, könnte der wK nicht vorrücken und das Spiel wäre remis. Mit Rücksicht hierauf durfte Weiß mit dem K im
2. Zug wedere nach hl noch nach f l , vielmehr mußte er nach g2 ziehen; und deshalb durfte auch nicht 1. Lfl geschehen, weil dann wegen der Verstellung des L durch den K der Zug 4. — Kc8 nicht mit 5. Lh3f hätte beantwortet werden können. Es folgt 6. — g5 7. Kf3 Ld6 8. Kg4 (erforderlich, um den B noch einen Zug lang aufzuhalten) L ~ 9. Rf5 10. Ke6 g4 11. Kd7 g312. Kc8 g213. Lb7#. Und nun die zweite völlig anders geartete Studie (Nr. 17), die ebenfalls eine originelle Idee verkörpert. 1 7 . M . S. L I B U R K I N Tschigorin-Gedenlcturnier 1947
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mehr geschehen kann — jeder weißen Bewegung mit der Frage: „Was wird er jetzt wohl tun?" 3. Kf7!. Der einzige Zug des K, der dem sL nicht die Freiheit wiedergibt; andererseits aber blockt er dem S das Feld f7, so daß Schwarz ohne Gefahr 3. — Kb7 antworten kann. Ein Zwischenschach auf d8 schreckt ihn nicht. Was soll Weiß jetzt tun? Kehrt er mit dem K nach g6 zurück, um wie zuvor den L eingesperrt zu halten, so zieht auch der sK wieder nach a8. Er spielt jedoch überraschend 4. a8Df! Ka8: 5. Kg6!, und nun befindet sich Schwarz in Zugzwang I Ihm bleibt zwar noch der Zug 5. — Kb7, aber diese Stellung sollte ja gerade erreicht werden. Es folgt 6. Sd8f Kb6 7. Sf7, und die Falle ist geschlossen: Weiß kann jetzt den L nehmen und seinen eigenen B verteidigen. 18. T . B. GORGIEW Szachy, 1959
Weiß gewinnt
1. Sc6f Kb7!. Eine feine Erwiderung, die Weiß zu einer Reihe subtiler Züge zwingt. Auf 1. — Ka8 2. ba Kb7 würde Weiß mit Sd8f den wS unter Tempogewinn nach f7 führen und den sL gewinnen. Durch ein tiefes und elegantes Manöver gelingt es Weiß jedoch, diesen Erfolg auch nach 1. — Kb7 herbeizuführen. 2. ba Ka8!. Es hat den Anschein, als folge Schwarz nun vergnügt und übermütig — in dem Gefühl, daß ihm nichts 4 Gurwitsch-Speckmann
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Welche Beziehung besteht nun zwischen den beiden letzten Studien? Irgendwelche Berührungspunkte sind nicht ersichtlich. Nichtsdestoweniger hat aber T. G O R G I E W mit Nr. 18 nach49
gewiesen, daß eine enge Verbindung zwischen ihnen besteht, oder besser, er hat die Möglichkeit aufgezeigt, beide zu einer echten organischen Einheit zu verschmelzen. Eine der beiden angegriffenen Figuren muß hier unvermeidlich von der Arena verschwinden, und danach bleibt nur noch ein recht armseliges, remismäßiges Material übrig: zwei leichte Figuren gegen eine. Aber wir erinnern uns ja des Gewinnweges in Nr. 16, und diesen versuchen wir jetzt sofort durchzuführen. 1. Ld3 mit der Absicht, nach Schlagen des Sg7 durch den sL den sK pattzusetzen und dann nach Annäherung des wK das uns schon bekannte Matt zu geben. Dieser Plan kann scheinbar auch durch 1. Lf5 mit folgendem Lc8 verwirklicht werden, doch verliert Weiß dann durch die Räumung des Feldes c8 für seinen K einen Zug (La6), und dieser Tempoverlust würde den Sieg kosten. 1. — Lg7: 2. La6, und nun haben wir die gleiche Situation wie in Nr. 16 nach dem 6. weißen Zug. Wie dort muß Schwarz auch hier den L oder den B ziehen. Auf 2. — d4 folgt 3. Kg6! Lh8, der L muß unbedingt fortziehen, da er sonst geschlagen und dann der B durch den wL von e2 aus aufgehalten wird. Auf 3. — Lf8 aber folgt 4. Kf7 L ~ 5. Ke6 d3 6. Kd7 d2 7. Kc8 dlD 8. Lb7+, was insofern sogar effektvoller ist als in Nr. 16, als der B sich hier noch vor dem Mattzug in eine Dame umwandelt. 3. — Lh8 ist deshalb der einzige Zug, mit dem dieses Matt verhindert werden kann. Schwarz droht jetzt 3. — d31, um nach 4. Ld3: Kb7 zu spielen. Danach aber ändert Weiß 50
seinen Plan vollständig, und mit 4. Ld3!I springt er plötzlich in das Finale der Studie Nr. 17 über. Dieser Rückzug des L befreit zwar den sK aus der Umklammerung, bringt dafür aber den Gegner in eine tödliche Zugzwangslage : 4. — Kb7 5. Sd8f nebst 6. Sf7. Zwei bemerkenswerte Schlußspiele sind hier doch zweifellos sehr natürlich und organisch miteinander verbunden worden! Aber das ist noch nicht alles. Wenn Schwarz im 2. Zuge nicht den B, sondern den L zieht und ihn auf das günstigste Feld stellt, also 2. — Lc3 antwortet, dann spielt Weiß — da er in dieser Variante mit dem K nicht rechtzeitig nach c8 gelangt, weil Schwarz seinen B einen Zug früher umwandelt — 3. Kg4 mit der Folge 3. — d4 (er darf das Vorrücken des B nicht mehr hinausschieben) 4. Kf3 d3 5. Ke3! (auf das ungenaue 5. Kf2 würde Schwarz durch Ld2 nebst Lh6 den wK an den nach d2 vorziehenden B fesseln) d2 6. Ke21, und überraschend befindet sich Schwarz wiederum in Zugzwang, aber an einer anderen Seite des Brettes und bei anderer Figurenkonstellation. Diese zusätzliche Zugzwangvariante gereicht der Nr. 18 zur ganz besonderen Zierde. Wie es wohl nicht anders sein kann, gehen bei einer solchen I d e e n v e r b i n d u n g dem einzelnen Motiv, jedes für sich betrachtet, manche der ihm bei seiner alleinigen Darstellung eigenen Feinheiten verloren. Als Ganzes aber wirkt die Studie Nr. 18 wie ein schöner Blumenstrauß, der durch die harmonische Anordnung der einzel-
nen Blüten Freude bereitet. Sie atmet Frische und Ursprünglichkeit — mag auch der Kampf gegen den König in der einen und gegen den Läufer in der anderen Ecke mit Matt oder Figurengewinn bei gleichem Figurenmaterial und gleicher Rolle des Bauern an die dem Leser schon bekannte und in ihrer Strategie ähnliche Studie Nr. 10 von A. T R O I T Z K Y erinnern. Besonders verdient noch hervorgehoben zu werden, daß diese Vereinigung zweier Studien in einer Komposition nicht etwa die Verwendung von zusätzlichem Material erforderlich gemacht hat. Im Gegenteil, die Verbindung zweier achtsteiniger und bereits durch ihre ökonomische Konstruktion beeindruckender Studien ist hier sogar mit nur sieben Steinen, also in Miniaturfassung gelungen. Die Studien von B I R N O W (Nr. 14), den Brüdern S A R I T S C H E W (Nr. 15) und von G O R G I E W (Nr. 1 8 ) sind vorbildliche Beispiele dafür, wie aus älteren Studien gute neue Studien entstehen können. Werden bereits bekannte Ideen in einer Weise fortentwickelt, wie es hier geschehen ist, so ist gegen eine solche Bearbeitung nicht das Geringste einzuwenden. Wir wollen nun noch einige Studien betrachten, in denen die hilflose Lage, in die Schwarz gerät, ganz besonders unerwartet eintritt, weil in der Anfangsstellung kaum auch nur der geringste Hinweis auf eine positionelle Schwäche zu entdecken ist. Die von Weiß verwirklichten Ideen sind hier derart originell, daß das Auffinden der Lösung ganz besondere Schwierigkeiten bereitet, obwohl sie nur wenige Züge umfaßt und der Inhalt 4*
sich durch besondere Klarheit auszeichnet. 1 9 . M . S. L I B U R K I N Wettkampf Moskau—Prag 1946
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In der Ausgangsstellung der Nr. 19 kann Weiß den Verlust eines der S nicht verhindern. Welchen aber soll er aufgeben und wie und wo soll das geschehen? 1. Se3 Td3 2. Kc2!. Ein tiefgründiger Zug, dessen nächstes Ziel es ist — Schwarz zu zwingen, sofort den Se3 zu schlagen. Zugleich nähert sich der wK damit der Brettmitte, und dem Sb7 wird die d-Linie zugänglich. Auf diesen zunächst noch nicht in ihrer ganzen Tragweite erkennbaren Feinheiten beruht hier die Kombination, mit der Weiß sich vor dem Verlust rettet. 2. — Te3:. Jetzt folgt 3. Sd8M, und plötzlich ist Schwarz, dessen Figuren so überlegen waren und bisher ganz vortrefflich standen, an Händen und Füßen gefesselt. Was soll er nun tun? Auf 3. — e5 4. Sf7 muß er seinen B aufgeben oder dauernde Zugwiederholung zulassen. Der sK ist an seinen Eckplatz gebunden; wenn er zieht, so 51
wird dem T durch das Springerschach auf c6 das Feld e5 genommen, das für diesen sehr wichtig ist, weil der wK ihm mit unablässigen Angriffen auf der e-Linie droht. Also muß Schwarz versuchen, sich durch Manöver seines T zu befreien. 3. — Te2f 4. Kd3 Tel 5. Kd2 Te4 6. Kd3 Te5 7. Kc3!, und wieder steht Schwarz vor der Frage, was jetzt zu tun ist. Beliebige Züge des T auf der e-Linie setzen diesen erneut der Verfolgung durch den wK aus, und sobald er auf e5 steht, begibt sich der wK wieder nach c3. Schwarz zieht also 7. — Tc5f, was sehr stark aussieht, weil dadurch der wK aus dem Zentrum herausgedrängt wird. Aber auch dies hilft dem Schwarzen nicht. Nach 8. Kb4! ist das positionelle Remis wieder da: 8. — Te5 9. Kc3. Geradezu wie eine Hexereil Eine originelle paradox anmutende Idee in klarer Darstellung zeigt die Gemeinschaftsarbeit Nr. 20. 2 0 . F . S . BONDARENKO u n d M . S. LIBURKIN Allrussisches Komitee Fiskultura i Sport, 1950 2. Preis
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1. Sh4! Weiß sichert sich die Möglichkeit, durch ein Opfer des S den 52
gefährlichen Bh2 zu beseitigen. Dies ist der einzige Zug; weshalb das anscheinend gleichwertige 1. Sei? nicht genügt, werden wir nach Erörterung des Ideenspiels feststellen. 1. — K g l 2. Sf3f Kg2 3. Sh2: Kh2:4. e5! Wenn Weiß den e-Bauern stehen ließe und sofort den K nach a7 führte, um den sB zu schlagen und sich auf a8 eine Dame zu machen, so könnte Schwarz den wK einsperren; z. B. 4. Ke6 Kg3 5. Kd7 Kf4 6. Kc8 Ke5 7. Kb7 Kd6 8. Ka7: Kc7 und remis. Auf eben dieselbe Weise würde sich ein Remis ergeben, wenn nach 4. e5 ein Abtausch auf diesem Feld stattfände. Das ist der Grund, weshalb 4. — Le5: nicht mit 5. Ke5:, sondern ganz überraschend durch 5. Ke6ü beantwortet wird. Jawohl, der wK verschmäht den Läufer. Warum aber soll es denn besser sein können, eine feindliche Figur auf dem Brett zu lassen, wo ihr Schlagen weder einen Verlust an Zeit noch am Raum zur Folge hätte? Wer würde in dieser Stellung nicht instinktiv und ohne im geringsten zu überlegen den Läufer wiedernehmen? Wie wir jedoch bereits gesehen haben, wäre danach das Remis unvermeidlich. Jetzt aber, nach 5. — Kg3 6. Kd7 Kf4 7. Kc8, ist der sK durch den eigenen Läufer behindert, der ihm wie ein Schlagbaum den Weg zu dem rettenden Feld c7 versperrt. Daß der L verschont wurde, geschah also, damit Schwarz später das entscheidende Tempo verlor. Er geht also gerade an der Figur zugrunde, deren Vorhandensein für ihn ein erhebliches materielles Übergewicht bedeutete. Der tiefer denkende Schachspieler erblickt in dieser Tatsache etwas weit
Bedeutenderes und Sinnvolleres als einen „fatalen Zufall". Die klare Verkörperung, die hier eines der tiefgründigsten Gesetze des schachlichen „Lebens" gefunden hat, wird ihn veranlassen, über das Wesen dieser Erscheinung nachzudenken, und sein Denken wendet sich dabei unwillkürlich von dem gegebenen Einzelfall dem Allgemeingültigen zu. Die Tiefe des Ideengehaltes wird in der Studie Nr. 20 noch durch die zweite Variante unterstrichen, in der der sK seine Rolle mit dem L tauscht. Zu dieser Variante kommt es, wenn Schwarz sich entschließt, nach 4. e5 den B durch den L nicht sofort, sondern erst auf dem Felde e7 zu schlagen, und er daher 4. — Lc3(b2) spielt. Darauf folgt 5. e6 Lb4(a3) 6. Ke5 Kg3 7. Kd5 Kf4 8. Kc6 Ke5 9. Kb7 Kd6 10. e7l, und nun muß der sK, weil er jetzt seinerseits den L verstellt, den Be7 schlagen, wonach er wiederum das Feld c7 nicht rechtzeitig erreicht. Erst jetzt, nachdem der Inhalt der Ideenvarianten mit der gegenseitigen Behinderung der schwarzen Figuren vollständig klar geworden ist, können wir die ganze Feinheit der Verführung 1. Sei? erfassen. Nach diesem Zuge führt das zweite der Ideenspiele nicht zum Ziele, weil Schwarz darauf 1. — Lc31 antwortet und nach 2. Sf3 Kg2 3. Sh2: Kh2: 4. e5 Lb4! mit dem sL die Diagonale a3 — f8 einen Zug früher betritt, so daß er ihn auf 5. e6 nach f8 hinüber spielen kann. Da er nun das Feld e7 von dem anderen Ende der Diagonale aus kontrolliert, wird der sL auf d6 nicht mehr durch seinen K verstellt und das Spiel wird remis.
Dank dieser tiefgründigen Verführung ist das für sich gesehen recht unbedeutende Einleitungsspiel mit dem Abtausch des wS gegen den sB mit dem weiteren Ablauf des Geschehens eng verbunden. Den Inhalt der bisher erörterten Studien bildeten feine und paradox wirkende Effekte, die aber nichtsdestoweniger tiefe schachliche Gesetze in künstlerischer Weise verkörperten. Nunmehr wollen wir die Aufmerksamkeit des Lesers auf solche Kombinationen richten, die vom „schachphilosophischen" Standpunkt aus vielleicht weniger bemerkenswert sind, sich aber dennoch durch ihre Klarheit und durch ungewöhnliche Ausdruckskraft auszeichnen. Wir bringen zwei Musterwerke dieses Stils. Wenn auf dem Brett bei offener Stellung noch die Damen vorhanden sind, dann kann bei gleicher oder doch nahezu gleicher Kräfteverteilung angesichts der großen Widerstandskraft dieser Figuren keine der Parteien des Sieges sicher sein, sofern sie nicht eine mit ständigem Angriff verbundene 2 1 . A . S. SELETZKY Schachrmty w SSSR, 1933 1.Preis
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Gewinnkombination zur Verfügung hat. In der Studie Nr. 21, in der die Kräfte sonst völlig ausgeglichen sind, hat Weiß einen nur sehr kleinen Vorteil durch seinen weit vorgerückten, jedoch dem Untergang geweihten Bauern. Gerade dieser kurzfristige Vorteil gestattet es ihm aber, in dieser so labilen offenen Stellung durch den stillen und das erste Schachgebot dem Gegner überlassenden Zug 1. Dg5! einen stürmischen Mattangriff vorzubereiten. 1. — Ke6f (auf 1. — Ld7: folgt 2. Sf4 mit der unwiderstehlichen Drohung 3. Lh5f). 2. K g l ! , das einzige Feld, auf dem der wK vor Schachgeboten sicher ist. 2. — Kd7:; er darf nicht länger zögern, der wB droht sich sofort umzuwandeln. Weiß hat so seinen Vorteil eingebüßt, und auf freiem Brett sind gleiche Kräfte mit ungebändigten Damen übriggeblieben. Aber Weiß hat nun eine zwingende Kombination zur Verfügung, die wie ein vernichtender Orkan über die schwarze Stellung dahinbraust. 3. Sc5f Kc8. Auf 3. — Kd6 geschieht 4. Dg3f 1, und auf 4. — Kd5 5. Lc4f 1 Kc4: 6. D b 3 f ) bzw. 4. — Ke7 5. De5f Kf7 6. Lc4f Kg6 A. CHIRON hat dazu bemerkt, daß nach 6. (Db3t) Kc5: 7. Da3f Kb6 8. Df8: K b 7 der Gewinn noch nachgewiesen werden müsse, weil es nicht sicher sei, ob Schwarz nicht die Remisstellung Kb8 (a7) Lb7 Sd5 erreichen könne. —• Solche Unzulänglichkeiten, die zu ihrer Zeit dem Komponist, dem Preisrichter und den Lösern entgangen sind, werden nicht selten nachträglich bei manchem „Wunderwerk" von Studie ermittelt; je zahlreicher die Abzweigungen und hier die schwarzen Erwiderungen sind, um so leichter ist es möglich, daß irgendwo ein schwacher Punkt der Aufmerksamkeitentgeht. (Anm. d. Übers.)
7. Ld3f Kh6 8. Dh2f geht die sD durch Gabelangriff oder Damenschachs verloren. Um dem aus dem Wege zu gehen, zieht sich der sK in die Ecke in den Schutz seiner Figuren zurück, was aber zu seinem Verhängnis für ihn nicht minder gefährlich ist als es der Spießrutenlauf über das offene Feld gewesen war. 4. La6f Kb8 5. Dg3f Ka8 6. L b 7 f ! Lb7: 7. Sd7!. Ein Zug von gewaltiger Kraft mit vielen unwiderstehlichen Drohungen. Der scheinbar ebenso vernichtende Zug 7. Se6 wird durch 7. — Df7! widerlegt. Jetzt aber erfolgt auf den einzigen Zug, mit dem Schwarz die Dame rettet und gleichzeitig die Mattfelder b6 und b8 im Auge behält, nämlich 7. — Dd8, der Todesstoß durch 8. Db8f!l Db8: 9. Sb6t2 2 . E . N . SOMOW-NASSIMOWITSCH „64", 1939
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Weiß mache remis
Wenig bekannt geworden ist die hervorragende Studie Nr. 22. Der hier stattfindende abwechslungs- und opferreiche Kampf ist besonders beeindruckend dadurch, daß sich beide Seiten daran beteiligen. Mit steigen-
dem Entzücken verfolgen wir dieses prachtvolle ritterliche Turnier. Schwarz droht Matt auf hl. 1. e5! De5: 2. f8Df K g l ! , wie in der vorigen Studie findet der sK auf g l Ruhe vor Schachgeboten der wD. Weiß muß jetzt sogar zwei Mattdrohungen gleichzeitig parieren: 3. c3, die einzige, aber völlig ausreichende Verteidigung, nach der es den Anschein hat, als seien die Angriffsmöglichkeiten für Schwarz erschöpft, so daß er nichts mehr tun könne, als die Waffen niederzulegen. Aber das ist keineswegs der Fall! 3. — D e l f 4. L b l , und jetzt, nachdem das Feld bl geblockt ist, folgt der verblüffende Handstreich 4. — Dc3:ü. Offensichtlich darf das Damenopfer wegen Lc3:4= nicht angenommen werden. Wie schon im 3. Zuge muß Weiß jetzt gleichzeitig zwei Mattdrohungen (auf b2 und a5) abwehren, nur daß damals in dem Zug c3 eine leicht zu findende Verteidigung zur Verfügung stand, während jetzt der Weg, der zur Rettung führt, tief verborgen ist. Er besteht darin, daß Weiß mit einer ganzen Serie verblüffender Opfer antwortet: 5. T g 7 f l ! (das erste) Lg7: 2. D f l f ü (das zweite) K f l : 7. Ld3t'.!. Das dritte Opfer, das den Sinn der ganzen Kombination offenbart. Wenn die sD den L schlägt, ist Patt. Zieht der sK, so nimmt Weiß einfach die sD, weil das Feld bl ja wieder frei ist. Beides führt zum Remis. Und doch, obwohl der Höhepunkt der Schlacht bereits hinter uns liegt, ist der Kampf noch nicht zu Ende. Erneut arbeitet Schwarz mit verschmitzten Mattdrohungen, und wieder versteht es Weiß mit großem Geschick, Pattkombinationen anzu-
bringen. 7. — Kell 8. bc Kd2!, um nach Wegzug des wL den K einzuschließen und mit Lc3 mattzusetzen. Jedoch 9. Lc2!, und wiederum darf der L wegen Patt nicht geschlagen werden. 9. — K c l ! 10. Lb3! Lb3: — und Weiß ist patt. Ein schwindelerregender Kampf, in dem die Figuren selbstlos wetteifern, um der Sache willen den Tod zu erleiden, endet in einem friedlichem Ausklang. Damit aber wollen wir die Region der „zügellos waltenden Elemente" verlassen und uns in das Reich der Harmonie, der gehorsamen und gebändigten Kräfte, das aber in nicht geringerem Maße unsere Empfindungen anspricht, zurückbegeben. 23. A . P. KASANZEW 2. Meisterschaft der UdSSR, 1947/1948 A pl«»»
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i ü Weiß macht remis
Es wird stets als ein Ausdruck großer künstlerischer Gestaltungskraft angesehen, wenn eine Idee in einem Werk zur vollkommenen Entfaltung gelangt ist. In der einfachen Stellung der Nr. 23 — in der wir, nur mit umgekehrten Farben, wieder das klassische Figurenmaterial vorfinden, mit dem 55
wir unsere Betrachtungen begonnen hatten (Nr. 1—3) — ist von dem Verfasser mit einer solchen erschöpfenden Vollständigkeit eine Idee ausgearbeitet worden, die früher bereits teilweise durch den bekannten finnischen Komponisten K I W I dargestellt worden war. 1. d6. Die einzige Chance für Weiß, den sL dadurch zu überwältigen, daß dieser gleichzeitig zwei vorgerückte Bauern zu bekämpfen hat; bei unrichtigem schwarzen Spiel würde er damit auch Erfolg haben. 1. — Sb5 (auf die Erwiderung 1. — Sc4 wird unten eingegangen) 2. de. Nach 2. d7? Sd6f 3. K ~ Sb7 verliert Schwarz offenbar schnell. 2. — Ke5, der sK schützt den L und rückt ganz nahe an den wBeö heran. Jetzt werden die Umwandlungsfelder beider sB durch Schwarz kontrolliert: h8 durch den L, und e8 durch die drohende Springergabel auf d6; der sBa4 hingegen kann ungehindert vorrücken. Die Situation scheint danach eindeutig und sehr betrüblich für Weiß zu sein. Doch erfolgt nun die erste Uberraschung: 3. e8S! Die Bedeutung dieser Umwandlung des B in eine leichte Figur beschränkt sich nicht darauf, daß der neuerstandene S die S-Gabel unwirksam macht, vielmehr greift er darüberhinaus auch den sL an, der auf der großen Diagonale nur noch ein einziges Zufluchtsfeld hat, nämlich h8. Dieser Rückzug ist für Schwarz zwar noch kein Grund zur Verzweiflung, gerade ihm aber verdankt die Studie alle ihre weiteren Verwicklungen. 3. — Lh8 4. h7 a3 5. Kg8 Ke6: (5. — a2 führt nach 6. Kh8: alD 7. Kg8 zum Remis) 6. Kh8: Kf7! Wonach trachtet nun Weiß? Seine 56
Lage ist anscheinendvöllig hoffnungslos geworden. Alle seine Figuren sind eingesperrt. Sein Bauer ist aller Aussichten beraubt, während der schwarze nicht aufzuhalten ist. 7. Sd6fl. Weiß spekuliert nicht naiv auf das Patt nach 7. — Sd6:, sein Plan ist viel feiner und weiter berechnet. 7. — Kf8, Schwarz frohlockt, ein weiterer Widerstand von Weiß scheint in der Tat undenkbar. 8. Sb5: a2. Sollte die Studie doch noch nicht zu Ende sein? In dieser „ausweglosen" Position bezieht der S tatsächlich eine Stellung, von der aus er sowohl das Feld al wie auch f8 unter Kontrolle nehmen kann. 9. Sd4!. Und nun zeigt sich, daß der wS, obwohl er den sB nicht aufhalten konnte, ihm doch an der Umwandlung in eine Dame, die Weiß pattsetzen würde, hindert. Deshalb spielt Schwarz, damit es nicht zu spät wird, 9. — alT! in der Absicht, mit dem T mattzusetzen. Hätte Weiß versucht, mittels 9. Sc3 die Umwandlung seines B in eine D durchzusetzen, so würde das zu seiner Niederlage geführt haben, z. B. 9. — alT 10. Sb5 Kf711. Sc7 Ta7 12. Se8 Td7 13. Sd6f Kg6. Jetzt aber, nach 9. Sd4!, ist für Weiß noch eine Möglichkeit gegeben, sich auf „studienhafte" Weise zu retten. 10. Se6f Kf7 11. Sd8f, droht ewiges Schach, oder Schwarz muß den wK aus seinem Gefängnis heraus lassen: 11. — Kg6! Kg8, nutzt den Umstand, daß der S auf d8 die 8. Reihe sperrt und damit das Matt durch Ta8 verhindert. Dennoch aber 12. — Ta8. Und jetzt kann der dritte B nicht in eine D verwandelt werden 1 Weiß rettet sich aber nun zum Schluß noch auf die gleiche Art, wie er seine gran-
diose Kombination begonnen hatte: durch die Umwandlung des B in einen S, dessen Schach den Schwarzen, der aufs beste gespielt hatte, wie ein Verhängnis trifft. 13. h8Sf! Kh514. Shf7, und der Kampf endet mit Remis. Spielt Schwarz 1. — Sc4, dann kommt es nach 2. de Ke5 3. e8S Lh8 4. h7 a3 5. Kg8 Ke6:6. Kh8: Kf7 7. Sd6f! Kf8 8. Sc4: a2 9. Se51 alT 10. Sd7f Kf7 11. Se5f Kf6 12. Sd7f ebenfalls zum Remis, weil der sK sich jetzt den ständigen Schachangriffen des wS nicht entziehen kann, ohne den wK aus seinem Gefängnis herauszulassen. Eine außerordentliche Studie I Aus der einfachen, leichten und natürlichen Anfangsstellung, die nichts Außergewöhnliches vermuten läßt, entwickelt sich allmählich ein erlesenes Spiel, das sich durch reichen Inhalt und studienhafte Schönheit auszeichnet. Beide Parteien führen einen ideenreichen originellen Kampf unter Anwendung von Mattdrohungen und Pattverteidigungen, wobei drei Bauern in schwächere Figuren umgewandelt werden. Bemerkenswert ist, daß jede dieser Unterverwandlungen von der nächsten durch mehrere Züge getrennt ist — sie erfolgen im 3., 9. und 13. Zuge. Alle drei Umwandlungen sind so eng mit dem Kampfgeschehen verbunden, daß man sich ihrer Ungewöhnlichkeit kaum bewußt wird. Und wenn man ferner einen vergleichenden Blick auf die Ausgangs- und die Schlußstellung wirft, dann fällt es schwer, seinen Augen zu trauen. Eine vollständige Metamorphose hat sich ereignet. Auf dem Brett befinden sich jetzt ganz andere Figuren als zu Beginn des Kampfes!
Bevor wir zu dem folgenden — polemischen — Abschnitt unserer Abhandlung übergehen, wollen wir den Leser noch mit einem hervorragenden Werk bekannt machen, das einen würdigen Abschluß dieses Kapitels bildet. Es handelt sich um eine unübertreffliche Miniatur des berühmten lettischen Schachkünstlers H. MATTISON ( N r . 2 4 ) . 24. H . MATTISON Schflchmatny Lijtok, 1927 1.—2. Platz
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Weiß macht remis
Als Komponist bildete MATTISON seinen Stil und seine Meisterschaft in enger Verbindung mit den sowjetischen Komponisten aus. Nicht wenige seiner scharfpointierten Kompositionen, darunter auch die, welche wir hier dem Leser vorlegen, wurden in „Schachmatny Listok" veröffentlicht. Der Name dieses hervorragenden Studienverfassers darf daher völlig zu Recht in einer Untersuchung erscheinen, die die sowjetische Studienkomposition zum Gegenstand hat. Die Ergründung aller Ecken und Winkel dieser Studie, in denen sich der Autor zurecht finden mußte, ist 57
für sich allein eine ganze Lektion über die Kunst des Komponierens. Wir geben uns also der Hoffnung hin, daß derjenige, der diesen Weg mit uns zu gehen nicht scheut, die darauf verwandte Zeit nicht bedauert. Um jedoch den nach der Lösung begierigen Leser nicht auf die Folter zu spannen, wollen wir hier einmal von unserer sonstigen Gewohnheit abgehen und sogleich die Ideenvariante ohne jeden Kommentar mitteilen, um darauf die Lösung erneut im einzelnen durchzusprechen, wobei die Erläuterungen so abgefaßt sein werden, daß sie gleichzeitig dem Löser wie dem Komponisten zur Unterrichtung dienen. Also zunächst die „durchgehende Handlung" dieser Studie: 1. Kd2 Sei 2. Tb5f Ka2 3. Ta5f Kb3! 4. Tf5! Ld6(c7) 5. Tf3f Kb2 6. Tf2 Lb4(a5)f 7. Ke3 Lc5(b6)f 8. Kd2ü Lf2:, und Weiß ist patt. Schwarz kann im 5. Zuge anstatt Kb2 auch 5. — Ka4 spielen; dann folgt 6. Te3 Lf4 7. K e l l ! Le3:, und Weiß ist erneut patt. Nunmehr wollen wir untersuchen, wodurch hier die Unabwendbarkeit dieses in zwei Patts endenden Spiels sichergestellt wurde, mit welchen positioneilen Mitteln es also bei so wenigen Figuren ohne zusätzliches Material gelungen ist, alle möglichen Widerlegungen und Nebenlösigkeiten auszuschalten. In einer derart leicht und ökonomisch konstruierten Studie mußten hierzu in ganz besonderem Maße spezifisch „studienhafte" Mittel, indirekte Drohungen usw. verwendet werden. Die gegenseitigen Beziehungen der geringen Anzahl „wirkender Kräfte" waren vielseitig zu begründen und nach allen Seiten hin durchzu58
prüfen. Es mutet wie ein Wunder an, daß im Ergebnis jede der „freien" Bewegungen auf den freien Brett — und deren sind hier nicht wenige — sich als kraftlos erweist, diese gegenseitigen Abhängigkeiten zu stören, wobei zu berücksichtigen ist, daß jedes, auch das geringste Detail von Bedeutung ist, weil ohne dieses das ganze Gebäude einstürzen würde. So ist die Springergabel auf c3 nach 1. Ke2: allein schon für die Konstruktion der Anfangsstellung von Bedeutung; hinzu kommt, daß nach 1. Tb5f Kcl diese Gabel bestehen bleibt und der Be2 daher immer noch nicht genommen werden kann; und nach 2. Tc5f (ein weiterer Versuch, mit Schach der Springergabel zu entgehen) Kdl ist dann das Schlagen dieses B überhaupt nicht mehr möglich: all das verbindet die Figuren so eng miteinander, daß sie einen einheitlichen Komplex darstellen und eine größtmögliche Ökonomie der Mittel erzielt wird. Beide Parteien liegen auf der Lauer und hoffen auf ein unüberlegtes Schach des Gegners; von Beginn an ist die Stellung von einer Vielzahl gegenseitiger Pläne, von einer dynamischen Aktivität erfüllt. Aber das ist noch das Wenigste. Wenig deshalb, weil auch im übrigen in dieser Studie alles „klappt". Aus diesem Grunde bedurfte es ähnlicher „Zufälligkeiten" und glücklicher Umstände auch für das weitere Geschehen, damit bei jeder im Verlauf der Lösung sich ergebenden neuen Situation die Autorabsicht trotz der veränderten Figurenkonstellationen einwandfrei zur Ausführung gelangt. Nach 1. Kd2 darf der sS nicht mehr
nach c3 ziehen, um den T anzugreifen, weil nach 2. Td3 (droht den sS und nach dessen Wegzug den B zu nehmen) Lf4f 3. Kel der L nicht auf g3 schachbieten kann. Nach 1. -— Sei verbietet sich hingegen ein Angriff des T auf den S von c5 aus, weil nun das Feld g3 frei ist und Schwarz deshalb durch zwei Schachs des sL die Umwandlung des sB auf el erreicht. Sofortiges 1. — Lf4f im Vertrauen darauf, daß der B durch die S-Gabel geschützt ist, verbietet sich ebenfalls, weil Weiß jetzt nach 2. Ke2: Sc3f 3. Kf3(d3) Sd5: 4. Ke4l eine der Figuren erobert und damit gerettet ist; eine hübsche Zugabe, die eines von vielen Momenten ist, die die Korrektheit der Studie sicherstellen. Alles durchweg kristallklar, Studienhaft und elegant! Nach 1. — Sei, wonach die beiden Läuferschachs mit Umwandlung des B in eine D drohen, darf weder 2. Td4 (wegen der neuen Gabel auf b3) noch 2. Tf5 (wegen 2. — Lg3, worauf nicht 3. Tfl erfolgen kann) noch 2. Td3 (weil der S dann den T schlägt) noch schließlich 2. Tg5 wegen 2. — Lf4f erfolgen; jede dieser Widerlegungen ist für sich gesehen ziemlich einfach, aber daß sie hier alle nebeneinander vorhanden sind, wirkt wie Hexerei. Aber auch das ist bei weitem noch nicht alles. Nach 2. Tb5f Ka2 kann Weiß sich gegen die furchtbare Drohung der beiden Läuferschachs noch nicht mit 2. Tb4 verteidigen, weil darauf 2. — elDf 4. Kel: mit erneuter S-Gabel erfolgt. Erforderlich ist vielmehr 3. Ta5j\ Danach aber läßt der K den T nicht nach a4: 3. — Kb3!.
Interessant ist noch, daß auf 3. — Kb2 Weiß nur 4. Ta4! spielen darf, nicht aber 4. Tf5 wegen 4. — Sb3f! (4. — Lg3 5. Tf2I) 5. Ke2: mit neuer Gabel bzw. 5. Kel Sd4! (nicht jedoch 5. — Lg3f 6. Ke2: Sd4| 7.Kf3Sf5: 8.Kg4!, und wiederum greift Weiß nach Verlust des T beide schwarze Figuren an und erobert eine von ihnen; schon die nur einmalige Darstellung dieses Motivs würde als Inhalt einer Studie ausreichen) 6. Tg5, und zum sechsten Mal fällt Weiß der fatalen S-Gabel zu Opfer. Es bleibt also nur 4. Ta4. Hierauf darf nach 4. — Lc7 wegen 5. — La5f nicht sofort 5. Te4, vielmehr muß zunächst 5. Tb4f Ka3 geschehen, und nun ist der sS nicht verteidigt, so daß 6. Te4 mit Remis erfolgen kann. 4. Tf5. Jetzt ist dieser Zug möglich, weil das Feld b3 für den S unzugänglich ist. Gleichzeitig ist nunmehr wegen Tf3f dem L das Feld g3 genommen. Welch überraschende, ständig sich wandelnde und nirgends unterbrochene Wechselbeziehung!. 4. — Ld6(c7) 5. Tf3f, und wenn darauf 5. — Kb2, so 6. Tf2 Lb4(a5)t 7. Ke3. Infolge des 5. schwarzen Zuges und der weißen Erwiderung ist der sB nun gefesselt. Aber Schwarz kann jetzt den T gegen den L gewinnen, wonach dem Weißen scheinbar keine andere Wahl mehr bleibt als das Spiel aufzugeben. Aber auf 7. — Lc5(b6)f folgt 8. Kd2!!, und nach 8. — Lf2: ist Weiß patt. Aber damit sind wir noch immer nicht am Ende unserer Betrachtungen. Wenn nämlich Schwarz 5. — Ka4 spielt (5. — Kb4 sperrt die Diagonale, auf der der L schachbieten könnte, so daß 6. Tf2 sofort remis macht), dann 59
geschieht 6. Te3 (bei der Stellung des sK auf b2 ging das nicht wegen Lb4(a5)f). Jetzt aber, nach 6. — Lf4, hebt Weiß mittels 7. K e l l ! durch ein erneutes Opfer des T dessen Fesselung auf, und wiederum kommt es auf 7. — Le3: zu einer reinen ökonomischen Pattstellung. Geradezu geniall Wir scheuen uns nicht, ein so starkes Wort zu gebrauchen, weil wir der Ansicht sind, daß dieses Meisterwerk der Schachkunst schwerlich überbewertet werden kann. Es ist schwer zu sagen, wie H. MATTISON und auch andere Meister der Schachkomposition solche Werke zustandegebracht haben, in denen — wie im vorliegenden Fall — sich buchstäblich alles aufs idealste ineinanderfügt. Alles erreicht einen solchen Grad der Ausgewogenheit, wie es sonst nur in der Natur selbst, im lebenden Organismus angetroffen wird, wo nichts Uberflüssiges vorhanden und alles aufs Vollkommenste aufeinander abgestimmt ist. Komplizierte Einfachheit und Klarheit der Beziehungen, die ständig wechseln und sich vermehren und die bis zum Ende ihre volle Harmonie bewahren — nicht viele auch der besten Studien entsprechen diesen Anforderungen in so absoluter Weisel Wir haben nun eine größere Anzahl von Studien vorgeführt, in denen die verschiedenartigsten und kühnsten schachlichen Ideen in künstlerischer Form verwirklicht wurden. Die Weisheit des alten Orients verlangte von einem Kunstwerk, daß es vollkommen und geistvoll sei. Der Leser hat gesehen, daß diese Forde60
rung auch für die Schachkomposition zutrifft. In den folgenden Abschnitten wird er noch weitere hervorragende Erzeugnisse der Studienkunst kennenlernen, die ihrem Wert nach keineswegs hinter den bisher erörterten zurückstehen. Selbstredend haben wir die Beispiele nach unserempersönlichen Geschmack ausgewählt; doch kann niemand in Abrede stellen, daß sie durchweg originell im Inhalt sind und ein überraschendes, kühnes und feines Spiel, außerordentlich effektvolle Höhepunkte und außerdem höchst ökonomische und natürliche Ausgangsstellungen aufweisen. Alle diese Studien zeigen deutlich, daß es keine schachliche Idee gibt, die nicht mit strengster Ökonomie — dem obersten Gesetz für jede Hervorbringung ästhetischer Werte — zum Ausdruck gebracht werden kann; und dadurch ist jede echte Neuschöpfung, will sie diesen Namen verdienen, mit den besten Traditionen unseres kulturellen Erbes durch unlösbare Bande aufs engste verknüpft 4 ). *) In seiner Besprechung des Studienbuches von G U R W I T S C H schreibt J . A W E R B A C H (in Schachmaty w SSSR 1962 S. 116 ff.), der wesentliche Fortschritt, den die heutige sowjetische Studienkunst gegenüber derZeit T R O I T Z K Y S usw. zu verzeichnen habe, bestehe darin, daß man sich bemühe, dem Spiel der schwarzen Partei größere Bedeutung zu verleihen, indem es farbiger und initiativreicher gestaltet werde. Er weist zu Recht darauf hin, daß in den v o n GURWITSCH
als sein „Studienideal" an den Anfang gestellten Nr. 1 — 3 (von W . und M . PLATOW,
und T R O I T Z K Y ) das Spiel des Schwarzen sich lediglich auf Zwangszüge (Abwehr von Drohungen) beschränkt. Dem KUBBEL
III.
Dieser Abschnitt ist der Polemik gewidmet. Es wird hier eine in den zwanziger Jahren aufgekommene Richtung bekämpft, die bestimmte von ihr erarbeitete „neue" Ideen kultiviert und im Interesse dieser Ideen die oben für die Form der Darstellung entwickelten ästhetischen Prinzipien der klassischen Studie nicht oder nur noch bedingt anerkennt. A. Gurwitsch charakterisiert diese Richtung wie folgt: Sie lege mehr Gewicht auf originelle Schlußstellungen und eigenartige Figurenbewegungen als auf einen interessanten Kampf unter höchstmöglicher Ausnutzung der Figurenkräfte. Infolgedessen sei hier die Anfangsstellung — anders als bei den Studien im klassischen Stil, bei denen die Herausarbeitung aller nur erzielbaren Beziehungen der Figuren untereinander zu sparsamstem Materialverbrauch und zumeist luftigen Stellungen führe — fast immer mit vielen Steinen und zahlreichen in der Mehrzahl gestoppten Bauern bestückt, die oft nur dazu bestimmt seien,störende Brettstellt er als Gegenbeispiel für eine Studie, in der Schwarz seinerseits sehr aktiv wird, die Nr. 33 von LIBURKIN (der Leser wird in diesem Buch leicht noch weitere einschlägige Studien finden) gegenüber. J. AWERBACH meint: „Indem er nicht gebührend hervorhebt, daß der beiderseitige Kampf das hauptsächliche und unterscheidungskräftigste Charakteristikum der heutigen Studie bildet, verleitet der Autor den Leser unwillkürlich zu der unrichtigen Auffassung, daß die Studien unserer Vorläufer den Gipfel allen Schaffens auf diesem Gebiet darstellen und daß darüber hinaus eine Höherentwicklung nicht erfolgt und nicht möglich sei". — Wir geben unseren Lesern anheim, die in dieser Abhandlung gebrachten Studien auch einmal unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. (Anm; d. Übers.)
teile als „hölzerne Barrieren" abzutrennen; die Figuren seien weitestgehend festgelegt und in ihrer freien Entfaltung gehemmt; die Könige ständen vielfach ganz außerhalb des Geschehens, und zuwe'^en könne auch von einem relativen Gleichgewicht der Figurenverteilung keine Rede sein. Die Schlußstellung, auf die die Lösung hinauslaufe, liege in der Regel schon von Anfang an fast fertig vor, alles sei bereits von vornherein geblockt und festgelegt, und es bedürfe deshalb nur noch geringfügiger zusätzlicher Momente, um sie Zu vollenden. Demgemäß sei das Spiel, das ZU dieser das Thema bildenden Schlußstellung führe, meist gewaltsam und mit groben Mitteln erzwungen. A. Gurwitsch bekämpft von seinem grundsätzlichen Standpunkt aus in sehr eingehenden und mit zahlreichen Beispielen belegten Ausführungen diese nach seiner Auffassung unkünstlerische Richtung. Dabei wiederholt er sein uns bereits bekanntes Argument, daß eine unnatürliche" Anfangsstellung auch die aus ihr sich ergebende Kombination selbst widerlege. Nach seiner Ansicht kann ferner bei einem Kunstwerk die Idee nicht von der Form (ihrer Darstellung) getrennt werden; nur bei künstlerischer Form liege auch eine echte Idee vor, und eine „Idee", die keine künstlerische Darstellung zulasse, sei eine Totgeburt, auf sie könne leichten Herzens verzichtet werden. Die Veröffentlichung einer Studie, die eine neue Idee in unkünstlerischer Form darstelle, lasse sich auch nicht aus der Erwägung rechtfertigen, daß damit zunächst einmal ein Fortschritt erzielt sei und daß sich im Laufe der Zeit schon ein Komponist finden werde, der den Gedanken in besserer Darstellung verwirkliche; eine solche Betrachtungsweise sei mit dem Wesen der Kunst unvereinbar. Um die von ihm be61
kämpfte Richtung zu widerlegen, geht A. Gurwitsch immer wieder so vor, daß er Studien des von ihm abgelehnten „romantischen" und solche des klassischen Stils mit analogem Inhalt einander gegenüberstellt). ") Die Art, wie der Verfasser hier bei seiner Beweisführung vorgeht, hat — wie wir nicht verschweigen wollen — zu kritischen Äußerungen Anlaß gegeben. J. A W E R B A C H (in Schachmaty w SSSR 1962 S. 116 ff.) beanstandet, daß die als Meisterwerke vorgeführten Studien fast ausnahmslos nur wenige Steine aufweisen; da andererseits die in vorliegendem — polemischen — Abschnitt als Beispiele für unkünstlerische Studien gebrachten Kompositionen durchweg eine erheblichere Anzahl von Steinen enthalten, könne das den Leser zu der verfehlten Auffassung verleiten, als seien Studien mit größerer Steinezahl schon deshalb nicht vollwertig. Auch A. H E R B S T M A N hat (in Sahs 1961 S. 26 f.) hierauf hingewiesen. — Dieser Irrtum kann allerdings entstehen, obgleich A. GURWITSCH einen solchen Standpunkt sicher nicht vertritt. Doch hat er offenbar persönlich eine besondere Vorliebe für Studien mit sehr wenig Material, und das hat offensichtlich die von ihm in Abschnitt II getroffene Auswahl maßgeblich bestimmt. Unsere Leser werden sich hierdurch nicht beeinflussen lassen, sondern sich stets bewußt sein, daß es für den Wert einer Studie nicht auf die Menge des verwendeten Materials, sondern allein darauf ankommt, ob dieses Material durch die Idee und das Ökonomiegebot gerechtfertigt wird. Auch eine Studie mit mehr als 20 Steinen kann deshalb ein großartiges Werk sein! Abgesehen davon ist auch das unbedingte Verdammungsurteil, das A. G U R W I T S C H über Studien mit „unnatürlicher" Stellung und einem Spiel ohne kämpferischen Gehalt — bei denen also die eigentliche Idee in der Schlußstellung oder anderen äußerlichen Momenten begründet ist — auf Kritik gestoßen. (Anm. d. Übers.) 62
Für den deutschen Leser wird diese Polemik nicht in dem Maße von Interesse sein, daß es gerechtfertigt wäre, sie hier vollständig wiederzugeben. Wir wollen uns deshalb darauf beschränken, auszugsweise einige der Gegenüberstellungen von „romantischen" und im „klassischen" Stil gehaltenen Studien vorzuführen und vor allem die von A. Gurwitsch als vorzüglich bezeichneten Beispiele, bei denen es sich durchweg um wahre fuwele der Studienkunst handelt, mit seinen trefflichen Erläuterungen wiederzugeben. Wir beginnen mit den Studien Nr. 25 und 26. Die Lösung von Nr. 25 verläuft wie folgt: 1. Lf6:f ef 2. h4! hl (2. — gh 3. Sf3, und Weiß kann den vorgerückten sB aufhalten) 3. Kg2 (verlieren würde 3. Se2? wegen blDf 4. Kg2 Del) 3. — blD 4. Kf2 Db2f 5. Se2 Dal 6. Ke3 Del 7. h5 remis. A. Gurwitsch schreibt dazu: 25. F . M . SIMCHOWITSCH Schweizerische Schachzeicung, 1923 ehrende Erwähnung
ü 0 §§ H Ü • §§ ¡ü • II Hm. m i HP i ü Bmi ti mISm Ü HP H 8 • n is 0 T!? Weiß macht remis
In Nr. 25 benötigte der Autor, um den sK von der unteren Hälfte des Brettes fernzuhalten, so daß die künftige sD allein im weißen Lager verbleibt und damit jede Kraft einbüßt,
insgesamt 14 Bauern 1 Alle diese Bauern sind, mit Ausnahme von einem jeder Partei, wie Nägel in das Brett eingeschlagen. Und um auch den letzten sB noch festzulegen, wird im ersten Zug ein solches Mittel angewandt wie das Schlagen eines B, noch dazu mit Schach 1 Zu diesem Zweck wird der völlig aussichtslos stehende wL, der kein einziges Feld zur Verfügung hat, geopfert. Nach dieser „feinen" Einleitung haben die beiderseitigen Bauern, aber auch die Könige im weiteren Lösungsverlauf keinerlei Möglichkeit mehr, in Beziehung zueinander zu treten. Von Anfang an befinden sich also alle Figuren unter Bedingungen, durch die unterstrichen wird, daß zwischen ihnen etwas wie ein schachliches Spiel überhaupt nicht stattfinden kann. Was soll nun die neue Idee sein, die diesen großen Aufwand rechtfertigt? Offensichtlich — die Darstellung einer unangreifbaren Stellung (Festung), eine Idee, die in diesem Zeitpunkt aber bereits ein volles Jahrhundert hinter sich hatte. MICHELANGELO hat gesagt: „In jedem Stein ist eine schöne Skulptur eingeschlossen, man muß nur das Uberflüssige herausschlagen." Sollte es denn nicht möglich sein, unter Verwendung nur eines S den K und die D des Gegners so auszusperren, daß dieser Erfolg nicht sofort, sondern erst als Ergebnis eines interessanten Spielgeschehens und dazu noch bei leichtester Konstruktion eintritt? Aus der Reihe der uns zu diesem Thema bekannten Kompositionen zeigen wir als die gelungenste Dar-
stellung die Nr. 266), deren Gedanke 26. P. N . ILJIN Schachmaty w SSSR, 1947 Speziai preis
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in weniger vollkommener Form zuerst von W. L E I C K im Jahre 1930 verwirklicht worden ist. Statt 18 Figuren jetzt nur deren sechs, nicht weniger als 11 Bauern sind vom Brett verschwunden. 1. Se7f Kh7! Auf 1. — Kh5 folgt 2. Sf5 e2 3. Sg3, auf 1. — Kf7 antwortet Weiß 2. Sc6! e2 3. Se5f, und der sB wird aufgehalten. 1. — Kg5: •) Von hier an stimmen — wegen der im Text vorgenommenen Kürzungen — die Nummern der Aufgaben nicht mehr mit denen der Abhandlung von GURWITSCH in seinem Buch „Studien" überein. Wir stellen im folgenden die jeweiligen Zahlen einander gegenüber, wobei stets die erste die des vorliegenden Buches, die zweite die bei GURWITSCH i s t :
26 = 31 = 36 = 41 = 46 = 51 = 56 =
37, 40, 46, 54, 59, 64, 69.
27 = 26, 28 = 38, 32 = 34, 33 = 43, 37 = 47, 38 = 49, 4 2 = 55, 43 = 56, 47 = 60, 48 = 61, 52 = 65, 53 = 66, (Anm. d. Übers.)
29 = 34 = 39 = 44 = 49 = 54 =
28, 44, 50, 57, 62, 67,
30 = 35 = 40 = 45 = 50 = 55 =
39, 45, 51, 58, 63, 68,
63
wird unten erörtert. 2. g6f Kh8. Jetzt sind die Schachgebote erschöpft, der sB kann aber nicht mehr gestoppt werden. Nachdem der sK eingesperrt ist, stellt sich für Weiß die Aufgabe, mit seinen schwachen Kräften den schrecklichen Gegenspieler zu bändigen. 3. Kb4 e2 4. Kc5 elD 5. Kd6, und nun erweist sich, daß die „allmächtige" Dame, wie sie auch manövrieren mag, nicht in der Lage ist, den wK von der Verteidigung des S abzudrängen, während der B durch den S gesichert ist. Keine Kraft der Welt ist in der Lage, diese luftige Konstruktion einzureißen: alles einfach, elegant und bedeutend! Wenn Schwarz im ersten Zuge den wB mit 1. — Kg5: schlägt, dann erreicht Weiß das Remis auf folgende Weise: 2. Sc6! Kf4 (2. — e2 3. Sd4 elD 3. Sf3f) 3. Sb4 und nun a) auf 3. — Ke4 4. Kb2 e2 5. Sc2 Kf3 6. Kc3 g5 7. Kd2 g4 8. Seif Kf2 9. Sc2 g3 10. Sei Kfl 11. Sc2 g2 12. Se3f Kf213. Sg2:, b) auf 3. — Kf3 4. Kb2 e2 5. Sc2 Kf2 6. Kc3 elD 7. Sei: Kel: 8. Kd4, c) auf 3. — g5 4. Kb2 g4 5. Kcl g3 6. Sd3f Kf3 7. Kdl e2f 8. Kd2 g2 9. Seif, jedesmal mit Remis7). Ferner werden die Studien Nr. 27 und 28 einander gegenübergestellt. Nr. 27 hat folgende Lösung: 1. Ta4f Kb8 2. Ta8:f Ka8: 3. Dalf Kb8 4. Dh8:l Dh8: ') Diese Nebenvariante, die eine mühevolle und zeitraubende Analyse erfordert und dadurch vom Hauptspiel ablenkt, mindert etwas den Wert der Studie; es kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen Seite 98 darüber, worin die Schwierigkeit der Lösung bei der Studie bestehen soll und worin nicht, verwiesen werden. (Anm. d. Ubers.) 64
5. d4! Dd8 6. Lei (g3) Dh8 7. Lf2! remis. Zu diesen beiden Aufgaben führt A. Gurwitsch aus: 2 7 . F . M . SIMCHOWITSCH C h e » Amateur, 1924
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Weiß macht remis
In Nr. 27 fällt der Blick sofort auf die vier (I) Paare von Doppelbauern und auch auf den fest eingemauerten sL. Alle schwarzen und weißen Bauern sind mit einer Ausnahme unbeweglich. Man benötigt keines besonderen Scharfsinns, um zu sehen, daß nach Beseitigung des Sa8 und des Th8, auch unter großen Opfern, der naheliegende Zug d3 — d4 ausreichen wird, um alle schwarzen Figuren in dem Gefängnis einzusperren, in dem sie ja schon von vornherein sitzen und nur geduldig darauf warten, daß das Tor in die Freiheit geschlossen wird. Demgemäß erfolgt kurz und bündig das Schach durch den T, darauf ein zweites unter Schlagen des S, dann das Damenschach mit sofort anschließendem Schlagen des T. ... Dafür ein Aufwand von 19 Figuren — davon 13 tote, während 6 nur recht grobe Bewegungen ausführen — und
alles das nur, um uns die Schlußstellung zu zeigen, in der die toten Figuren den lebenden den Weg ins Freie versperren. Das Spiel — nichts, die Schlußstellung — alles, dieses Prinzip der „Romantiker" ist hier bis zur äußersten Konsequenz durchgeführt. Weil wir nichts von einer Charakterisierung der Studien nach der Schlußstellung halten und weil wir meinen, daß für eine vergleichende Bewertung auch Positionen mit verschiedenen Forderungen nebeneinandergestellt werden können, wenn sie nur in künstlerischer Beziehung hinreichende Berührungspunkte aufweisen, sehen wir es uns für berechtigt an, dieser Studie die Nr. 28 an die Seite 28.
G. N.
SACHODJAKIN
„ 6 4 " 1939/40 1.—2. Preis
Schach nicht entgehen; denn dafür müßte der wK nach f5 gelangen können. 3. — Dglf 4. Kf4 Df2f 5. Kg4! Dg2f 6. Kf51!. Er rettet sich aus dem ewigen Schach, aber zu sehr teurem Preis: 6. — Df3f 7. Ke6! Dd5f 8. Kf6 Dd4f 9. Kf7 Dh8: 10. Ld8! Kd711. c8Df Kc8:12. Lf6 h613. g6!, und die sD ist sozusagen „mattgesetzt". Welch prachtvolles, freies und feines Spiel, und welch effektvoller Schluß I Wie dynamisch ist doch diese Studie und wie statisch wirkt dagegen die Nr. 27. Bei der Studie Nr. 29 (1. Kc8 f5 2. Kd8 Tf7 3. Ke8 Tf6 4. Ke7 Tg6 5. Kf7 Tg5 6. Kf6 Th5 7. Kg6 Th4 8. Kg5 gewinnt), in der der sT vom wK auf treppenförmigem Wege verfolgt wird, bemängelt A. Gurwitsch, daß der Weg des sT hier ganz mechanisch — durch blockende Steine — festgelegt und seine Bewegung damit geradezu physisch erzwungen ist. Als Gegenbeispiele führt er Nr. 30 und 31 vor, die geigen sollen, wie auch derartige Verfolgungsmanöver ohne jede gekünstelte Konstruktion dargestellt werden können. Er schreibt da%u: 29. M . G.
KLJATZKIN
• • Bm m Schachmaty, 1925
Weiß gewinnt
zu stellen: 1. g7 h2. Wenn 1. — Tg8, so 2. Kh3:l Kc7: 3. Lf6! (nicht 3. Lf8? Kd7 4. Kg4 Ke8 5. Kh5 Tf8: mit Remis) Kd7 4. Kg4 Ke8 5. Kh5 Kf7 6. Kh6 Ta8 7. Kh7: Tc8 8. Lb2 9. g6 mit Gewinn. 2. ghD hlDf 3. Kg3!. Nach 3. — Kg4? folgt 4. De4f, und Weiß kann dem ewigen 5 Gurwitsch-Speckmann
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65
3 0 . S . M . KAMINER 1926, 3. Preis
Weiß gewinnt
In N r . 30 erfolgt 1. Lc4! Sc5f I.Wenn 1. — Sb8, so 2. Ke7f! Kh7 3. Lb5 c6 4. Lc4 c5 5. Kd6 6. Kc7 mit Gewinn. 2. Kd5! Sa4!. Auf 2. — Sb7 (d7) entscheidet 3. Kc6f. 3. Lb3 Sc3f. Auf 3. — Sb6f 4. Kc6f! K ~ 5. Kc7: a4 6. La2! oder 3. — Sb2 4. Ke5:f K ~ 5. Kd4 6. Kc3, und beidemal geht der S verloren. 4. Kc4 S b l ! 5. La2 Sa3:f!. 5. — Sd2 6. Kd3f 7. Kd2:. 6. Kb3! Sb5 7. Ka4f! und die Reise des S ist beendet! In dieser Studie findet wie in Nr. 29 eine treppenförmige Bewegung statt, die aber weit interessanter und schwieriger ist. Die ganze Batterie steigt auf der Diagonale von Stufe zu Stufe herab. Der wL und wK greifen abwechselnd den sS an, wobei sie geduldig bis zum entscheidenden Moment das die Lage klärende Abzugsschach zurückstellen. Fast jeder Zug beider Parteien ist tief berechnet und eines „ ! " würdig. Zudem welch einfache und natürliche Stellung — geradezu ein kleines Wunderl ... Wir verurteilen im übrigen durchaus nicht schlechthin ein erzwungenes 66
Spiel; wenn es sich mit frappierender Unvermeidlichkeit auf dem offenem Brett im Kampf zwischen wenigen Figuren entfaltet, so erfreuen wir uns sogar daran: mag der Zwang dann durch eine Serie von Schachgeboten oder darin begründet sein, daß der Gegner sich lediglichauf schmalemPf ade bewegen kann — erstreckt sich nur ringsumher der freie weite Raum, so ist es eben nicht mehr eine rohe äußere Kraft, sondern die innere Gesetzlichkeit des Kampfes, die die Notwendigkeit begründet. Als anschauliches Beispiel für eine solche erzwungene Marschroute inmitten eines freien Raumes möge Studie N r . 31 dienen. 31. M . S. LIBURKIN Schachmaty w SSSR, 1938 4. Preis
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Weiß gewinnt
Jeder der beiden Könige greift eine leichte Figur der anderen Partei an. Der weiße Plan geht dahin, seinen S durch Schachgebote von dem sK zu lösen, damit der sL dann ohne Gegenleistung geschlagen werden kann. 1. Sd4f Kc3 2. Sb5f Kc4I. Auf 2. — Kb4? folgt 3. T b l f , was den sS ohne
Tempoverlust verteidigt, nebst 4. Kel:. Dieses eigenartige Zusammenwirken von T und S muß nun der sK während des ganzen langen Weges, den er vor sich hat, im Auge behalten. Er kann niemals den S auf der Vertikalen angreifen, sondern darf sich ihm nur diagonal nähern, wobei er sich aber mit jedem Zug einem neuen Schach aussetzt. 3. Sd6f Kc5 4. Sb7f !• Nicht 4. Se4f, weil der sK sich dann durch das folgende Manöver den aufdringlichen Schachgeboten entziehen würde: 4. — Kd5 5. Sf6f Ke5 6. Sd7f Ke6 7. Sc5 (Sf8)f Kd5 (Kf7). Jetzt geschieht 4. — Kc6 5. Sd8t Kc7! 6. Se6f Kd7!. Die Marschrichtung hat sich geändert, aber was oben für die Bewegung des K gesagt wurde, gilt jetzt auch auf der Horizontalen; 6. — Kd6 verbot sich daher wegen 7. Ta6f. 7. Sf8f Ke7 8. Sg6f Kf7 9. Sh8f Kg7. Die Kette der Schachgebote ist abgerissen. Nach ununterbrochener Jagd auf seinen Verfolger hat der K den S in die Enge getrieben und scheinbar sein Ziel erreicht. In Wirklichkeit aber hat im Gegenteil der S den K in diese entfernte Ecke gelockt, und er opfert sich nun, damit zum Schluß der Turm triumphiert: 10. Tel: Kh8: 11. Thl. Jetzt ist das Endziel des originellen weißen Manövers klar: der sK mußte auf die Fesselungslinie gelenkt werden. Das Vorhandensein des sB, der mit 11. — g3 die gefesselte Figur verteidigt, stellt Weiß vor keine besonderen Probleme mehr. 12. Ke3! Kg7 13.Kf4 g214. Tgl Sil 15. Tg2:f K ~ 16. Tf2, und der S geht verloren. Welch romantische Effekte können also schon in der Miniatur erzielt
werden, wenn das Zusammenwirken der Figuren als bewegende Kraft hinzutritt I Besonders scharf verfährt A. Gurwitsch bei seiner Kritik mit der Studie Nr. 32, die wir dem Leser nicht vorenthalten wollen, weil sie uns inhaltlich sehr interessant erscheint. Die Lösung verläuft wie folgt: 1. Lgl ghD 2. Thl: f4f 3. Kh3! Lb3 4. h7 Le6f 5. Kh2 Kg6! 6. h8T! und gewinnt (6. h8D? Lg8ü remis). Da%u wird ausgeführt: 32. W . A . KOROLKOW Sadatschi i Etjudi, 1928 1. und Spezial-Preis
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Weiß gewinnt
In der Studie Nr. 32 von W. K O R O L KOW sind es die weißen Figuren, die anfangs patt gestellt, eingemauert, geblockt sind. Es herrscht ein furchtbares Gedränge, und die Schwüle ist unerträglich. Wie es sich für Studien dieses Stils gehört, droht Schwarz sofortiges Matt. Und da beginnen die weißen Figuren in ihrer Ecke, wo sie eng zusammengepfercht sind, zu krabbeln, um die eine unbequeme Stellung gegen eine andere auszuwechseln. Dieses ganze Theater aber „rechtfertigt" sich letzten Endes durch die Umwandlung des B in einen T statt 67
eine D zwecks Vermeidung eines positioneilen Remis oder Patt. Die Gesetzgeber der neuen Mode aber belohnten diese Studie mit drei Auszeichnungen^), sie fanden in ihr entschieden alles, was man von der vollkommenen Studie verlangen kann, und überboten sich gegenseitig mit Ausrufen des Entzückens. „Eine prächtige Studie. Ein modernes(!) Thema, außergewöhnlich pointiert und klar dargestellt" (Sadatschi i Etjudi Nr. 6/1929). „Weiß muß seinen B nach einem scharfpointierten Einleitungsspiel(PP) in einen T umwandeln, weil Schwarz ein positionelles Remis droht. Einer solchen Behandlung des positioneilen Remis begegnet man hier zweifellos zum ersten Mal. Sehr originell." (Sadatschi i Etjudi Nr. 7/1929.) Und noch fünf Jahre später, als der erste Schock doch schon überwunden sein mußte, nennt A . H E R B S T M A N diese Studie eine „interessante Verbindung der Ideen Einsperrung, positionelles Remis und Umwandlung" (Schachstudien in der UdSSR, 1934, Seite 95). Als Gegenbeispiel für eine Studie, in der eine geradezu paradoxe Schlußstellung aus einer gan% natürlichen Anfangsstellung entsteht, wird dann Nr. 33, die „glänzende Weiterentwicklung einer derfrüheren Skisgen A. Troitzkys", gebracht. Da%u schreibt A. Gurwitsch: In ihr ist das „Unwahrscheinliche" als völlig gesetzmäßig nachgewiesen; hier sehen wir, wie die weit verstreuten schwarzen Figuren als Ergebnis eines scharfen und feinen Spieles auf freiem Brett in die Enge getrieben werden. 68
3 3 . M . S. LIBURKIN 3. Meisterschaft der UdSSR, 1952 7. Platz
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Weiß macht remis
1. S g 3 f ! Erfolgt im Vertrauen auf die Springergabel von g3 aus sofort 1. Kb2P, so geschieht 1. — clDf 2. Kcl: hlD, und der S ist gefesselt. 1. — Kh4 1. Kb2 c l D f ! . Um zu gewinnen, muß Schwarz den feindlichen K unbedingt auf der ersten Reihe halten. 3. K c l : Le4l. Ein starker Zug! Die große Diagonale ist erobert, der S kann nicht entkommen, und der hBauer wird sich mit Schachgebot umwandeln. 4. ShlL Eine prachtvolle Entgegnung. Der S ist ohnehin dem Tode geweiht. Er opfert sich deshalb auf dem Eckfeld, auf dem Schwarz seinen B blockt und so ein Tempo verliert. Falsch wäre 4. Lf5? Lf5: 5. Shl Kh3 6. Kdl 1 Kg2 7. Ke2 Khl: 8. Kf2 Ld7I 9. Kfl Lc6 10. Kf2 Lb5 und Schwarz gewinnt. 4. — L h l : . Jetzt ist eine Stellung erreicht, in der Schwarz für die Umwandlung seines B nur zwei Züge, Weiß aber deren vier benötigt. Was ist da zu tun? Hier kommt dem Weißen nun eine Kombination zuhilfe, die gegen alle arithmetischen Gesetze verneint, daß zwei-
mal zwei gleich vier ist: 5. Lh3!! Lc6 6. Lg2! Lg2: 7. d7 h l D f 8. Kd2!, und Schwarz ist hilflos. Trotz erdrükkender Übermacht und obwohl er am Zuge ist, kann er nicht mit einem einzigen wB fertig werden. Der Käfig für die mächtige sD wird hier mit strengster Ökonomie der Mittel errichtet. Dazu mußten die schwarzen Figuren gezwungen werden, sehr fein und umsichtig zu spielen — um im Endergebnis sich selbst zu schädigen. Der sK besetzte das Feld h4, von wo aus das Feld d8 hätte unter Kontrolle genommen werden können, und gleichzeitig versperrte er hier der sD den Weg nach h8 und h6. Der sL versperrte der sD den Zugang zur großen Diagonale und damit zu den beiden Gewinnfeldern d5 und a8, zudem verhinderte er, daß von h2 aus Schach geboten werden konnte. Der wK seinerseits verwehrt der D den Zugang nach dl, und der Versuch, dieses Feld durch 8. — Lf3 zu erobern, um die neu entstandene wD durch 9. — Ddlf zu gewinnen, ist nutzlos, weil der wB sich mit Schach umwandelt. Dieses Schachgebot offenbart noch eine weitere mit der Stellung des sK auf h4 verbundene Schwäche. Das grundlegende Gesetz des schachlichen Kampfes — die Koordinierung der Kräfte — ist in dieser Studie sehr klar in seiner negativen Ausgestaltung verwirklicht. Weiß rettet sich, weil es ihm gelingt, eine ganz ungewöhnliche gegenseitige Selbstbehinderung der starken gegnerischen Figuren herbeizuführen! Eine solche maximale gegenseitige Unterstützung oder Selbstbehinde-
rung hinterläßt, wenn sie wie hier nach lebhaftem Spiel und unter Verwendung sparsamster Mittel eintritt, einen besonders starken ästhetischen Eindruck, und für den Komponisten ist sie gleichermaßen schwierig zu verwirklichen. In letzter Zeit haben übrigens verschiedene Komponisten den erfolgreichen Kampf schwacher Kräfte gegen eine neuentstandene sD dargestellt. Dieses Thema, bei dem wir an die zu Anfang erörterten berühmten Studien von W . und M. P L A T O W , L . KUBBEL u n d A . TROITZKY ( N r . 1
bis 3) erinnert werden, ist jetzt wieder in den Vordergrund getreten und hat uns im Laufe von zwei/drei Jahren eine Reihe echter Kunstwerke bescher eine Reihe echter Kunstwerke beschert. Die meisten und interessantesten Versionen dieses Themas führen zu Remisstellungen. Das Thema ist zur Mode geworden, und das war vielleicht eine gewisse Gefahr. Seinen weiteren Bearbeitungen kann nicht mehr das künstlerische Niveau zuerkannt werden wie den wertvollen Funden, die wir jetzt vorführen, um nachzuweisen, wie elegant, luftig und ökonomisch romantische Ideen sich darstellen lassen, wenn nicht Originalitätssucht die Hand führt, sondern stets die Verbindung zur Tradition gewahrt wird, die in der Kunst nicht ungestraft aufgegeben werden kann. In der Anfangsstellung der Nr. 34 kann der Bb3 nicht aufgehalten werden, und der erste Zug macht den Eindruck völliger Resignation. 1. L e i ! ! . Zwei Ausrufungszeichen für ein Figurenopfer, dessen Zweck unbegreiflich erscheint. Wie sollte der 69
gebracht oder sich soeben die Spielregeln angeeignet hat, ohne noch ihren Sinn zu begreifen. Was ist nun aber auf dem Brett als Ergebnis eines so kindlichen Spieles geschehen? Wie zufällig hat sich für Weiß die Möglichkeit ergeben, mit dem S auf e7 und g6 ewiges Schach zu bieten. Schwarz braucht also nur etwas gegen diese Bagatelle zu unternehmen, um dann sein gewaltiges Übergewicht zur Geltung zu bringen. Zu unserer Überraschung sehen wir jetzt aber, daß die sD weder von hl noch von e4 aus das drohende Schach Weiß macht remis verhindern kann, während das Feld cl Verlust des L die weiße Stellung ver- vom S geblockt ist, der auch den Zustärken können? Wäre es möglich, gang nach hl versperrt — letzteres daß Weiß durch ihn in seinem Kampf war somit der tiefe Sinn des scheinbar behindert wird? Das wäre doch wider- unsinnigen Opfers des wL im ersten sinnig I Wir wissen aber, daß ein zum Zügel Das starke wilde Tier ist also Ziele führender Zug um so tiefer und doch gebändigt und das ewige Schach gehaltvoller ist, je absurder er aus- durch 5. Se7f Kf(h)8 6. Sg6f usw. sieht. Einstweilen ist jedoch noch unabwendbar. nichts zu erkennen. 1. — S e i : 2. Se3!. Erst ganz zum Schluß zeigt sich hier Bisher wirkt das Spiel von Weiß kind- die Bedeutung der scheinbar „unsinlich und hilflos; als wolle er mit Ab- nigen" Züge, die jedoch auf nüchtersicht zu spät kommen. 2. — b2 ner und scharfsinnigerBerechnung be3. Sc4!. Auch jetzt ist noch nichts ruhten. Gerade der Abgrund, der klarer geworden. Weiß scheint von zwischen dem äußeren Schein und der einer fixen Idee befangen zu sein und verborgenen Absicht klafft, macht die sogar den schrecklichen B des Geg- Lösung dieser kurzzügigen Studie ners zu übersehen, der sich jetzt in besonders schwierig. eine mächtige, unzähmbare D ver- Thematisch mit dieser Studie nahe wandelt. 3. — blD. Ja, er sieht es verwandt ist die vortreffliche Nr. 35, nicht, und mit rührender Naivität deren Spiel jedoch einen ganz anderen läßt er seinen irrenden Ritter weiter Charakter aufweist. ziehen. 4. Sd6:!. Nun zeigt sich, auf 1. Se4!, zielt nach g3 für den Fall, welchem Bauer Weiß Jagd gemacht daß der B umgewandelt wird; 1. Sf5? hatte — nicht etwa auf den gefährlich mit demselben Ziel verliert nach 1. — drohenden, sondern auf einen völlig Kg4. 1. — Kh4.1. — Kg4? 2. Sf2f harmlosen. So spielt, wer gerade die 3. Shl. Jetzt muß Weiß scharf beerste schachüche Lektion hinter sich rechnen. Auf 2. Sf2 gewinnt 2. — 3 4 . S. M . BIRNOW Schachmaty w SSSR, 1956 (Verb.) 3. Preis
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35. W . W .
JAKIMTSCHIK
Schachmaty v SSSR, 1957 1. Preis
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ewiges Schach ausnutzt: 6. Sg5f Kh2 7. Sf3f Kh3 8. Sg5f usw., remis. Die Gegner standen sich hier Mann gegen Mann im offenen Kampf gegenüber, während sie in der vorigen Studie jeder ihr Ziel hinter dem Rükken des andern verfolgten. Wir bringen nun noch eine Miniatur mit gleichartigem Schlußspiel, im übrigen aber völlig selbständigem Spielverlauf (Nr. 36). 36. W . A.
TSCHECHOWER
Schachmaty w SSSR, 1960
Weiß macht remis
S d l f 3. Sdl: h l D 4. Sc3 D c l f 5. Kd4 Dh6. 2. Shg5!. Anders als in der vorigen Studie ist die Zweckmäßigkeit des weißen Spiels offensichtlich, Weiß spielt hier nicht den Harmlosen. Der S nähert sich dem Kriegsschauplatz und schweift nicht irgendwo in der Ferne herum, als hätte er Scheuklappen an; durch eine indirekte Drohung verhindert er jetzt die Umwandlung des B, da nach 2. — h l D 3. Sf3f die Gabelangriffe auf f2 und g3 zur Verfügung stehen. Aber Schwarz kann sofort ohne Tempoverlust das Feld f2 unter Kontrolle nehmen und dadurch die Umwandlung sichern. 2. — Sdlf 3. Kf4 hlD, noch nicht zu spät! 4. Sf3f Kh3. Es scheint nun so, als sei die Gefahr vorüber und der Einsatz der weißen Kavallerie nutzlos gewesen. Aber sie macht noch einen Ausfall, 5. Sg3!, und nun versperrt der S, der dem B die Umwandlung ermöglicht hatte, der aus ihm entstandenen D den Weg in die Freiheit. Es bleibt nur 5. —Dg2, aber damit verstellt die D ihrem König das Feld g2, was Weiß durch
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Weiß macht remis
Mit der Umwandlung eines der sB wäre für Weiß die Niederlage besiegelt, er muß sie also, auch für den Preis seiner beiden Figuren, vernichten oder jedenfalls aufhalten. Wie läßt sich das aber erreichen? 1. Lc5!. Eine starke Verführung ist 1. Sc7, die wie folgt scheitert: 1. — Kf4l 2. Se6f (verlieren würde 2. Sb5 d3, oder 2. Ld4: Sd4: 3. Sd5f Kf3 4. Sb4 a3, oder schließlich 2. Lb8 Kf3) Ke5! 3. Sd4: Sd4: 4. Lc5 Kd5, und Schwarz gewinnt; z. B. 5. Lf8 Kc4 6. Kg6 Kb3 7. Kf6 Sc6 8. Kf5 Sb4 9. Lg7 a3 oder 5. La3 Kc4 6. Kg6 Kb3 7. Lei Se2 nebst a3. Alle Versuche, beide Figuren gegen die beiden sB zu 71
opfern, sind also zum Scheitern verurteilt. Mit dieser Feststellung ist aber noch nichts für die Frage gewonnen, was mit dem Zug 1. Lc5 bezweckt wird. 1. — d3 2. Sb61. Schlecht wäre 2. Sc7 Kf5 3. Lb4 a3 4. La3: d2 5. Sd5 Ke4. Durch den Zug des S nach b6 holt Weiß noch seine zweite Figur zur Verfolgung heran, aber auch mit zwei Jagdhunden können die beiden Hasen nicht gestellt werden. 2. — a3! 3. La3:!. Verlieren würde 3. Le7f Kf4 4. Sc4 a2 5. Lf6 Sg3 6. Kg6 Sf 1 nebst d2. 3. — d2 4. Sd5ü. Zum Verlust führt hier 4. Le7f Kf4 5. Sd5f Kf3 6. Se3 Ke3: 7. Lg5f Sf4. Wie schon in der obigen Verführung kann Schwarz dank der Aktivität seines S alle weißen Versuche zurückweisen, beide Figuren für die Bauern zu opfern. Was soll nun aber der letzte weiße Zug, und weshalb haben wir ihn sogar mit zwei Ausrufungszeichen versehen? Wie wir sehen werden, bildet er den Anfang einer schwarzweißen Magie! 4. — dlD 5. Le7f!. Jetzt kommt dieser Zug im rechten Augenblick. Der sK hat nur einen Zug, weil er auf den Feldern f5 und g4 einem Gabelangriff ausgesetzt wäre. Daher 5. — Kh5. Darauf erfolgt aber 6. Sf6f, worauf eine Rückkehr des sK nach g5 sinnlos wäre, weil ihn der wS mit Abzugsschach (Sd5f) wieder nach h5 zurücktriebe. Auf 6. — Kh4 geschieht aber 7. Se4fü, und die neue Gabel auf f2 zwingt den K zurück nach h5. Weiß läßt nun nicht mehr von dem Gegner ab, und 8. Sf6f stellt das Remis sicher. 72
Eine wunderschöne Studie I Die bekannte Idee ist hier durch die beiden Abzugschachs des S, deren Auswahl durch die Entgegnung des sK bestimmt wird, bereichert. Aber nicht nur darin, sondern in dem ganzen Verlauf des Spieles liegt das Verdienst dieser Studie. Die weißen Figuren tauchen auf der Königsseite auf, als kämen sie aus einem fernen Land. Räumlich und geistig gehörten sie einer anderen Welt an; ihre Aufgabe schien es zu sein, gegen die sB auf der Damenseite anzukämpfen. Aber das war nur ein Vorwand, eine Tarnung, unter deren Schutz sie sich dann unvermutet auf die andere Seite hinüberwarfen, um dort im freien Feld mit erstaunlicher Grazie den sK und die sD in auswegloser Gefangenschaft zu halten. Der Kampf gegen einen furchtbaren Bauern, der sich in eine D umwandelt, ist eines der reichhaltigsten und vielseitigsten Themen, das geradezu unerschöpflich ist und über welches sich endlos schreiben ließe. Wir haben uns hier auf einige der neuesten Darstellungen dieser Art beschränkt. Im Jahre 1912 hat A. TROITZKY einen äußerst originellen weißen Königsmarsch dargestellt, der so überraschend ist, daß er den Vergleich auch mit den extravagantesten Einfällen der neuen Studienkunst aushält (Nr. 37). Vor uns sehen wir eine Position, die schon auf den ersten Blick einen absoluten Gegensatz zu den verbauten romantischen Konstruktionen bildet. Deutet in dieser einfachen Stellung auch nur das geringste Anzeichen dar-
Ein glänzendes Opfer, das Schwarz annehmen muß. Auf 16. — Th8 erfolgt 17. Sd7f nebst 18. Sf8. Hätte Schwarz (statt Th6f) 15. — Thl ge3 7 . A . A . TROITZKY Bohemia, 1912 zogen, so würde Weiß durch 16. Sf6 Tel 17. Sd7f und 18. Se5 seinen B Müh WM ebenfalls dem Zugriff des T entzogen haben. Wie elegant werden doch bei diesem minimalenMaterial alle schwarÜÜ • i11 zen Verteidigungen widerlegt I 16. — Tf6:j\ Es zeigt sich nun, daß die ganze Wanderung des wK von f6 ab• wärts und dann über e2 die d-Linie hinauf nur deshalb erfolgte, um durch m. 1 dieses S-Opfer den T auf die f-Linie zu lenken. Und jetzt wandert der un1 ermüdliche wK wieder nach unten, Weiß gewinnt zwar nur noch im Besitz eines einzi1. de Tclf 2. Kf2l. Nach 2. Kg2? gen B, dessen Umwandlung nun aber Thl: 3. Khl: Kc6 kann Weiß seinen B gesichert ist. 17. — Kd5 Tf5f 18. nicht retten. 2. — Thl: 3. e7 Th2f. Kd4 Tf4f 19. Kd3 Tf3f 20. Ke2 und Der den Schachgeboten ausweichende gewinnt. wK muß nun immer berücksichtigen, Die Schönheit dieser Studie beruht daß er den sT nicht auf die e-Linie nicht nur auf der geometrisch klaren lassen darf; andererseits darf auch der Bewegung des wK, sondern vor allem wK diese Linie nicht betreten wegen darauf, daß dieses viermalige ManöTh5 nebst Te5f (bzw. Thl nebst ver das Ergebnis eines ununterbroT e l f ) . 4. Kf3 Th3f 5. Kf4 Th4| chenen scharfen Kampfes und nicht ein rein äußerer graphischer Effekt ist. 6. Kf5 Th5f 7. Kf6:. Der lästige B ist beseitigt, und nun- Aus einer offenen, natürlichen und mehr steigt der K wieder herab, um einfachen Ausgangsposition führt uns zur d-Linie hinüberzuwechseln. Wes- so die Logik des Kampfgeschehens halb aber zur d-Linie? Kann er sich mit innerer Notwendigkeit auf das vielleicht dort dem ewigen Schach entscheidende Manöver, dessen tiefe entziehen? Das Feld d7 nützt ihm Gesetzesmäßigkeit damit nachgewiedoch nichts, weil dann der T den S sen ist. schlägt und danach der B gefesselt ist. Nach weiteren grundsätzlichen AuseinDoch sehen wir zu: 7. — Th6f andersetzungen mit der von ihm bekämpf8. Kf5 Th5f 9. Kf4 Th4f 10. Kf3 ten „romantischen" Richtung, die gan% Th3f 11. Ke2 Kh2f 12. Kd3. Jetzt besonders von A. W. Korolkow geein neuer Aufstieg! 12. — Th3f pflegt wird, schreibt A. Gurwitsch: 13. Kd4 Th4f 14. Kd5 Th5f 15. Kd6 Wenn wir in unserer Kritik besonders Th6f, und nun 16. Sf61. streng mit W. K O R O L K O W verfuhren,
auf hin, daß hier etwas ganz Außergewöhnliches geschehen könnte?
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so deshalb, weil es uns besonders verdrießt, daß die zweifellos überragende Begabung dieses Komponisten sich selbst dadurch im Wege steht, daß er eigensinnig auf seinem abartigen Geschmack beharrt und so selten nur sich davon freimacht zugunsten der ihm ohne weiteres zugänglichen Weiträumigkeit des schachlichen „Realismus". Es ist schon schwer sich vorzustellen, daß ein mittelmäßiges Talent die wahren Schönheiten nicht empfindet, selbst wenn es aus Gewohnheit weiter der ungesunden Richtung huldigt. W. KOROLKOW aber hat vortreffliche Studien gebaut, die sich durch wahrhaft künstlerischen Geschmack auszeichnen, und diese Leistungen lassen die pseudoromantische Vorliebe des Komponisten noch unbegreiflicher erscheinen. 38. W . A . KOROLKOW Trud, 1935, 1. Preis
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1 iü m m m isiUp ü Weiß gewinnt
Die Studie Nr. 38, die 1935 den 1. Preis in der Zeitschrift „Trud" erhalten hat, ist die beste der besten Studien W. KoROLKOWS, mit ihr hat der Autor sich gleichsam selbst herausgefordert. Von Anfang bis Ende ist sie eine Wider74
legung der auf Originalität um jeden Preis eingestellten Richtung und eine lebendige Verkörperung der wertvollsten Vermächtnisse der klassischen Schule. Wie großartig ist sie darum, und wie romantisch im wahren Sinne des Wortes! In erster Linie muß bei dieser Studie hervorgehoben werden, daß sie keinerlei gewaltsame Figurenanordnung enthält. Die Stellung könnte aus einer Partie entstanden sein, in der Schwarz einen T geopfert hat, um seine Bauern weit nach vorn zu bringen, während der feindliche Bauer leicht von seinem K aufgehalten werden kann. Damit scheint die Entscheidung gefallen zu sein. Bis zu der vorliegenden Stellung hat sich offenbar etwas Interessantes abgespielt, und Schwarz ist es anscheinend gelungen, den Gegner zu überspielen. Aber der Schein trügt, denn die Hauptsache kommt nun erst. 1. d7 Ke7 2. Tb8!. Der wT legt sich in den Hinterhalt. 2. — Lg3:!. Auf 2. — f l D würde Schwarz durch 3. d8Df Kd8: den sK auf die 8. Reihe lenken und nach dem Abzugschach 4. La6f nebst 4. — Kc7 5. Lfl : Kb8: 6. gh wäre der wB nicht aufzuhalten. Diesen Plan zerstört Schwarz durch Schlagen des B. Jetzt braucht er das Abzugschach nicht zu fürchten, und er droht, durch Umwandlung des fBauern das Remis für sich sicherzustellen. Z. B. 3. Kg3:? f l D 4. d8Df Kd8: 5. La6f Kc7 6. Tb7f Kc8 7. Tb6f Kc7 8. Tb7f Kc8 9. Ta7:f Kb8 10. Tb7f Ka8. Aber Weiß verfolgt dennoch seinen Plan weiter, und den scharfsinnigen schwarzen Zug beantwortet er mit einem noch scharfsinnigeren.
3. Ta81. Jetzt ist nach dem Abzugsschach auf 3. — f l D der wT für den sK nicht erreichbar, aber nichtsdestoweniger 3. — f l D 4. d8Df Kd8: 5. La6f. Scheinbar hat Weiß sein Ziel erreicht, das Duell geht aber weiter und wird mit jedem Zug erbitterter und interessanter. 5. — Lb81. Ein prächtiges Gegenargument. Der sL bietet sich nachdrücklichst zum Opfer an, aber er darf auch jetzt nicht geschlagen werden, weil auf 6. Tb8:f Kc7 Weiß die D nicht nehmen kann, ohne daß der T verloren geht. 6. L f l : Kc7. Die Stärke des 5. schwarzen Zuges zeigt sich von einer neuen Seite: der wT ist in eine Falle geraten; Schwarz droht, ihn durch einen Zug seines K nach b7 zu erobern. Jedoch 7. La6! e2. Lenkt den wL noch rechtzeitig, bevor der wK nach f3 gelangt ist, von der Kontrolle des Feldes b7 ab. 8. Le2: Kb7. Der T geht also trotz allem verloren; aber Weiß hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen. 9. Lf3! Ka8: 10. Lc6:ii. Ein effektvolles Matt mit dem allein übriggebliebenen wL. So überraschend endete dieser elegante, schneidige Kampf, diese heiße Auseinandersetzung, die mit jedem Moment hitziger und begeisternder wurde! Weiß könnte hier dem Schwarzen erklären, was der unbesiegbare Schachspieler mit Recht selbst seinem stärksten Gegner sagen darf: Ich sehe alles, was Sie sehen, und — noch einen Zug mehr. Jetzt stellt sich die Frage: Würde dieser letzte Zug, dieser effektvolle Schluß für sich allein auf uns einen starken Eindruck auch dann machen, wenn seine Gesetzmäßigkeit nicht so
überzeugend durch eine normale Anfangsstellung und das aus ihr sich ergebende ungewöhnliche Spiel nachgewiesen wäre, wenn er nicht das letzte vernichtende Argument eines interessanten Zweikampfes darstellte, in dem die Figuren sich wirklich als Figuren mit vortrefflicher Ausnutzung ihrer Eigenschaften und Besonderheiten erweisen? Diese vor 25 Jahren entstandene Studie befriedigt die höchsten Ansprüche der schachlichen Ästhetik, und je mehr man sich in sie hineindenkt, um so größer wird der Genuß, den sie gewährt. Sie wird immer zu unserem wertvollsten Bestand gehören und noch viele der nicht nur schon vorhandenen, sondern auch (wenn solche noch entstehen) künftigen Trick- und „Rekord"-Studien überleben, die in der Regel nicht in Tagen, sondern bereits in Stunden veralten. Vor zehn Jahren erschien wiederum eine höchst elegante Studie W. KoROLKOWS, die ebenfalls überall Entzücken hervorrufen muß. Leider hat sich die Schaffensfreude, die den Autor bei der Komposition dieser Studie erfüllt haben wird, später in Enttäuschung verwandelt. Denn es hat sich herausgestellt, daß diese Kombination — wenn auch nicht in ganz vollkommener Form, aber doch schon vollständig — bereits früher durch den holländischen Komponisten J. SELMAN dargestellt worden war. Für uns ist das hier aber nur von nebensächlicher Bedeutung. Das Prioritätsrecht J. SELMANS ist nicht zu bestreiten. Die schöpferische Leistung unseres Komponisten wird dadurch aber um nichts geringer, und mit Genug75
tuung führen wir daher dem Leser diese Studie (Nr. 39)8) vor, durch die W. KOROLKOW mit eigener Hand der auf Originalität um jeden Preis bedachten Schule einen weiteren schweren Schlag versetzt hat. Eine Miniatur KOROLKOWS! Unglaublich, aber wahr. Das Kräfteverhältnis wie ein Endspiel der praktischen Partie, in der S und B einem T die Waage halten. Die Könige stehen völlig frei und sind in größtmöglicher Entfernung voneinander aufgestellt. 3 9 . J . SELMAN, 1 9 4 9 Fassung: W . A . KOROLKOW Lelo 1951, 1. Preis
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Weiß gewinnt
1. f7. In dem Vorrücken des B liegt für Weiß die einzige Chance. 1. — Ta6f. Nicht 1. — Tf6 2. Lb2 oder 8)
A . GURWITCSH gibt über dem Diagramm
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haben es für richtig gehalten, die Autorenbezeichnung der Prioritätslage anzupassen. Die Studie von J. SELMAN (Tidskrift 1949, 1. Preis) hat folgende Stellung: K c l L a l Sd4 Bf6 — K h 8 Te3 Lc8 Bg4; Weiß gewinnt: 1. Sf5 T e l f 2. K d 2 T a l : 3. f 7 Ta2f 4. K e l T a l f 5. K f 2 g 3 f 6. K e 3 Ta3f 7. K f 4 Ta4f 8. K g 5 T g 4 f 9. K h 6 . (Anm. d. Übers.) 76
1. — Tg8 2. fgDf Kg8: 3. Se7f mit Gewinn. 2. La3!. Nach 2. Kb2? Tf6 kann Weiß nicht 3. Lb2 ziehen, und 2. K b l ? entscheidet den Kampf zugunsten von Schwarz durch 2. — Lf5:f. 2.—Ta3:f 3.Kb2. Jetzt ist der sT von der 6. Reihe abgelenkt und der wB vor seinem Angriff auf der f-Linie durch den wS geschützt, während die 8. Reihe von dem sL versperrt wird. Es sieht so aus, als seien die Möglichkeiten für Schwarz erschöpft und die Studie gleichsam vor Beginn des Kampfes schon beendet. 3.—Ta2f! Einfach und überraschend. Der T darf nicht genommen werden, wegen Le6f mit Verlust des B. Der Widerstand von Schwarz wäre gleich zu Ende, hätte er nicht 3. — Ta2f, sondern mit derselben Absicht 3. — Tb3f gespielt, da dann nach 4. Ka2! der sT selbst den wK vor dem rettenden Schach des sL schützen würde. 4. Kcl I. Weiß muß sehr genau spielen, indem er den K auf Felder zieht, die Schwarz kein Schach des sL auf f5 unter Schlagen des wS oder auf e6 mit Gewinn des B ermöglichen. Der sT ist deshalb in der Lage, sich auf den vielen Feldern dieser beiden Diagonalen zu opfern. Außerdem muß der wK sich auch noch vor Schachgeboten des sL von d7 aus vorsehen, da danach der sT den B von der 8. Reihe aus aufhalten könnte. Auf 3. Kc3? folgt 3. — Tc2f, und der AK kann sich seinem Verfolger schon nicht mehr entziehen. 4. — T a l f ! 5. Kd2 Ta2f 6. Ke3 Ta3f 7. Kf4 Ta4f 8. Kg5. Der wK vermeidet alle Fallen, wechselt auf die andere Seite über und versteckt sich vor Schachgeboten hinter seinen S,
aber auch hier erreicht ihn der sT mit genommen worden ist, waren auch die einem letzten opferwilligen Schach- „ Ausgewählten Studien" von A. W. Kogebot: 8. — Tg4f 9. Kh6l. Der sT rolkow (Moskau 1958) herausgekomkonnte auch jetzt nicht geschlagen men. A. Gurwitsch stellt fest, daß Kowerden: 9. Kg4:? Lf5:f 10. Kf5: Kg7 rolkow sich mittlerweile in einigen seiner mit Remis. 9. — Tg8!. Andere Opfer Auffassungen den klassischen Idealen angedes T bringen nichts ein: 9. — Tg6f nähert habe, daß aber manches von ihm Aus10. Kg6: Lf5:f 11. Kh6 oder 9. — geführte noch unhaltbar oder widerspruchsTh4f 10. Sh4: und gewinnt. 10. Se7, voll sei. Er schreibt dann weiter: droht matt. Der T kann sich nicht Aber Streit hin, Streit her, denn der vom Fleck rühren; denn wenn er die wirkliche Standort und die wahren g-Reihe verläßt, geschieht 11. Sgö^, Entwicklungstendenzen eines Meiund bleibt er auf der g-Linie, so ver- sters offenbaren sich doch in seiner wandelt sich der B in eine D. 10. — Praxis. In den Diskussionen wird Le6. Das Feld g8 ist jetzt zweimal manchmal mit großem Nachdruck gedeckt, aber 11. fgDf Lg8:12. Sg6*. noch ein irriger Standpunkt verfochDen Schwarzen konnten die zahl- ten, wenn die tatsächliche Handhareichen listigen Opferangebote seines bung über ihn schon hinweggegangen T nicht retten; alle wurden abgelehnt, ist. Und so ist es auch in unserem Fall. und der Kampf endete mit einem rei- Deshalb kränkt es uns auch nicht sehr, nen ökonomischen Matt, wobei nur das W. KOROLKOW in seinen Ansichder wS und der sL noch vorhanden ten noch von uns abweicht; vielmehr sind und das Brett sonst leer ist. freuen wir uns über einige seiner Und wiederum ist dieses außerge- neuen Arbeiten, die er gemeinsam mit wöhnliche Schlußspiel nur deshalb so L . MITROFANOW verfaßt hat. Diese eindrucksvoll, weil es das Ergebnis entsprechen vollständig unserer Foreines beiderseits scharfen und gefahr- derung, daß schon die erste Darstelvollen Kampfes auf weiträumigem lung eines neuen Themas künstleriOperationsfeld war. Wir haben ge- schen Grundsätzen genügen muß. Wir sehen, wie fein und genau während könnten mehrere Beispiele vorführen, des gesamten Kampfablaufs der sT doch beschränken wir uns auf eines, und der sL ihre Maßnahmen aufein- das ganz besonders eindrucksvoll ist. ander abstimmten, und wie der wK Kann in der Stellung Nr. 40 Weiß mit unter geschickter Umgehung der zahl- seinem Mehrbesitz eines T die Umreichen verminten Felder das ganze wandlung des Bf3 in eine D verhinBrett durchwandert, um das entschei- dern? Die originelle Art, wie dieses dende Feld zu erreichen. Problem gelöst wird, muß jeden Die Abhandlung „Poesie des Schachs" war Schachspieler begeistern. ^mächst in dem Buch „Sowjetische Schach- 1. Se6fl. Alle Versuche mit dem T studien" (Moskau 1955) veröffentlicht führen bei richtigem schwarzen Spiel worden. Bis %um Erscheinen des Buches für Weiß zum Verlust. Hier und in der „Studien" von A. Gurwitsch (Moskau Folge ersparen wir uns einige analy1961), in das dieser Aufsaß erneut auf- tische Erörterungen und stellen dem 77
40. W . A . KOROLKOW L. A.
und
MITROFANOW
Tuwinsk. Komitee Fiskultura i Sport, 1958, 1. Preis
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Weiß macht remis
Leser anheim, diese selbständig anzustellen. 1. — Kd7!. Der Zug 1. — Kc8 würde Weiß seine Aufgabe erleichtern. 2. Sf8f. Die e-Linie darf vom K nicht betreten werden, wegen Te6f nebst T : S. Auf 2. — Kd8 entscheidet 3. Td6f und 4. Td2, womit der B aufgehalten ist. Bei Rückkehr des sK nach c7 zieht auch der wS mit Schachgebot nach e6 zurück. Es bleibt also nur 2. — Kc8 3. T c 6 f ! . Dieses für den weißen Verteidigungsplan wichtige Zwischenschach entfernt den sK weiter vom Zentrum, wodurch später sein Eingreifen erschwert wird. 3. — Kb7 4. Th6. Weiß will den B von der rechten Seite aus aufhalten, weil von links der sS das Umwandlungsfeld schützt. 4. — f2 5. T h l . Hier wie im ganzen Kampfverlauf muß sehr fein und umsichtig gespielt werden. Während bisher vorbereitende Schachs durch S und T erfolgen mußten, würde jetzt ein solches Schachgebot auf h7 das Gleichgewicht des von Weiß subtil aufgebauten Systems und damit auch das ret78
tende Schlußspiel zerstören. Z. B. 5. Th7f Kc8 6. Thl S B 7. Se6 Sgl 8. Th8f Kd7 9. Td8f Ke6: 10. Tdl S£3 11. Kc2 S e i f 12. Kd2 f l D 13. T e l : f D e l : f 14. K e l : Kf5, und Schwarz, der die Bauern auf b5 und b6 übrig behält, gewinnt leicht. 5. — Sf3!. Weiß darf nicht 6. T f l spielen, wegen der S-Gabel auf d2. Diese latente Drohung verschafft dem Schwarzen die Zeit, die erforderlich ist, um mit dem S das Umwandlungsfeld von el oder gl aus absperren zu können, jenachdem ob der T sich auf der K- oder der D-Seite befindet. Zusammen mit der erwähnten Gabel — ein sehr starkes, gehaltvolles und elegantes Gegenspiel! Dieser Zug bildet den Höhepunkt des auf Gewinn zielenden schwarzen Manövers. 6. Se6I. Der S zieht auf sein früheres Feld zurück, anscheinend hat Weiß die schreckliche Drohung des Gegners nicht bemerkt. Dieser Zug aber — der letzte des S, ist erforderlich, um die Vorbereitung des weißen Planes zu beenden. 6. — S g l ! . Da jetzt Schwarz die sofortige Umwandlung des B droht, muß Weiß seinen T auf die andere Seite der untersten Reihe hinüberwerfen, um von dort das Umwandlungsfeld zu kontrollieren. Er erreicht dies auf einem Umweg, wobei er Schachgebote als Sprungbrett benutzt. 7. T h 7 f Kc8. Hübsch ist die Widerlegung von 7. — Kc6: 8. Sd4fl Kc5 (Kd5 9. Sf5 Ke4 10. Th21) 9. Sf5! f l D 10. Tc7f Kd5 11. Se3f. Auch 7. — Ka6 genügt nicht wegen 8. Sc7f Kb7 (nach 8. — Ka5 setzt der wT auf a8 matt) 9. Sd5f und 10. Se3. Folglich bleibt nur der Zug des sK nach c8, aber gerade er gibt nun dem
wT Gelegenheit zu einem imponierenden Galopprennen. 8. Tc7j\ Schlecht wäre 8. Th8f Kd7 9. Td8f Ke6: 10. Tdl Sf3 und gewinnt. 8. — Kb8 9. T e l . Der wT hat so drei Seiten eines Quadrats durchlaufen und dabei nur ein Tempo verbraucht. 9. — Sf3, das entsprechende Gegenmanöver, es droht 10. — Sei. 10. T h l ! , auch die vierte Seite des Quadrats ist zurückgelegt. 10. — S g l . Die Stellung hat sich wiederholt und wird sich nun endlos wiederholen: 11. Th8f Kb712. Th7f Kc813. Tc7f Kb8 14. T e l usw. Um den B aufzuhalten, dessen Umwandlung immer wieder durch den die Linie sperrenden S „sichergestellt" wird, führt der T unermüdlich einen ausgedehnten Rechteckmarsch aus, wobei er fast das ganze Brett umkreist. Sehen wir uns nunmehr diese eindrucksvolle Studie genauer an. Was macht ihre Stärke und ihre Schönheit aus, worin äußern sich diese Eigenschaften? Zu Anfang sehen wir, wie der wT und der wS durch geschickte Zusammenarbeit auf dem freien Brett ihre Kraft vervielfachen, und das ermöglicht ihnen, den gegnerischen K auf das für Weiß erwünschte Feld zu zwingen. Hierbei macht sich dank der verhältnismäßigen Freiheit, die der sK noch genießt, der Tripelbauer nicht sehr bemerkbar. Im Anschluß daran entfalten der wT und der sS große Aktivität, und in einem zähen Zweikampf beweisen sie einander ihre Fähigkeiten. Der langzügige T macht gerade von dieser seiner Eigenschaft den umfassendsten Gebrauch. Der S wiederum nimmt unter Ausnutzung der ihm gegebenen Möglichkeiten drei
Felder auf einmal ins Korn, und zwar jedes mit Hilfe einer indirekten Drohung. Zu einer derart intensiven Ausnutzung der Eigenschaften der Figuren und ihrer gegenseitigen Beziehungen konnte es nur deshalb kommen, weil die Einfachheit und Leichtigkeit der Anfangsstellung dies notwendig machte und zugleich ermöglichte. Erst der daraus resultierende inhaltsreiche Kampf verleiht dem vortrefflichen Finale dieser Studie das Gewicht einer schachlichen Idee. Seine Gesetzmäßigkeit, seine Lebensfähigkeit ist damit erprobt und erwiesen. IV Welche Möglichkeiten gibt es nun, der Studienkunst zu weiterem Aufschwung zu verhelfen? Viele unserer Komponisten beschäftigen sich mit dieser Frage. Untersuchungen über Methoden, die Schachstudie zu beleben, sie inhaltlich zu bereichern und sie auf neue Grundlagen zu stellen, legen Zeugnis ab von der lebendigen, schöpferischen Aktivität der sowjetischen Studienkomponisten; sie zeigen, daß man sich niemals mit dem Erreichten zufriedengeben will und von einem unbedingten Streben nach Weiterentwicklung erfüllt ist. Eine solche Atmosphäre unermüdlichen Forschens ist bei einem Kreis von Studienkomponisten, die — wie allgemein anerkannt ist — den ersten Platz in der Welt einnehmen, durchaus natürlich. An konkreten Vorschlägen mangelt es nicht, aber es versteht sich von selbst, daß sie einer kritischen Betrachtung bedürfen, wobei man sich namentlich eingedenk sein muß, daß 79
die Kunst nichts so sehr fürchtet wie das „Rezept". Eine der hauptsächlichen Möglichkeiten, die Studienkunst weiterzuentwickeln, wird in der Komplizierung der Studie erblickt. A. Gurwitsch erörtert anschließend verschiedene bereits versuchte Verfahren, die Studie dadurch bereichern, daß in ihr verschiedenartige Ideen gleichzeitig dargestellt werden, und %war entweder hintereinandergeschaltet in einer Variante, oder nebeneinandergeschaltet in mehreren Varianten. Er verwirft diese Methoden aus der grundsätzlichen Erwägung, daß hier eine unverbrüchliche Bedingung jeder Kunst außer Acht gelassen werde: die Reinheit des Zieles, die erfordere, daß das Kunstwerk nur von einer Idee beherrscht sein dürfe, die den ganzen Inhalt durchdringen und bestimmen müsse. Er fährt dann fort: Wenn wir die Komponisten hier vor den eklektischen Spielereien warnen und sie zu selbständigem, eigenwüchsigem Schaffen ermahnen, so wollen wir damit nicht sagen, daß unbedingt etwas dargestellt werden müsse, was ganz und gar neu ist und ängstlich jede Beeinflussung durch andere Komponisten vermeidet, also wie der Vogel Phönix unvermittelt aus der Asche entsteht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß nicht wenige der wahrhaft neuen Studien das Ergebnis einer künstlerischen Reaktion auf schon bekannte ältere Studien sind. Darüber hinaus ist auch alles wirklich Neue und Originelle unvermeidlich mit den besten Traditionen der Vergangenheit verbunden und deshalb ebenfalls nur relativ neu. Die schachlichen Gedanken, die schachlichen 80
Kombinationen entwickeln sich in Jahrhunderten, in einem beständigen, niemals unterbrochenen kollektiven Prozeß. Deshalb gibt es auch keinen noch so originellen Fund, den der Komponist nicht denen verdankt, die vor ihm tätig waren. Oft ist dem Autor nicht bewußt, wodurch bei ihm diese oder jene Idee hervorgerufen worden war; sie wäre in ihm aber gar nicht entstanden, hätte nicht eine frühere Darstellung eine fruchtbare Gedankenassoziation bewirkt, die ihn auf etwas Ähnliches, Gegensätzliches oder in irgendeine andere als die vorher verfolgte Richtung leitete, und die dann in einer Weise schöpferisch bearbeitet wurde, welche es rechtfertigte, von etwas Neuem zu sprechen. Es wäre ein aussichtsloses Beginnen, alle diese Einflußmöglichkeiten aufzuzählen. Sie sind so vielfältig wie die schöpferische Phantasie grenzenlos ist. Es gibt nun eine Methode der Bereicherung bekannter Ideen, die stets die besondere Aufmerksamkeit der Komponisten auf sich gezogen hat und mehrmals schon in der Literatur behandelt worden ist. Wir denken hier an die V e r b i n d u n g gleicher oder g l e i c h a r t i g e r Ideen. Hierhin gehört jedes Verfahren, ein bestimmtes Thema zu variieren, sei es durch Echovarianten oder durch seine andersartige Hervorhebung oder Wiederholung. Anders als bei der Verbindung von verschiedenartigen Ideen handelt es sich bei der Synthese gleichartiger Ideen um eine gesetzmäßige, organische und allgemein anerkannte Darstellungsform. Die Wiederholung wird als Mittel zur Verstärkung des künstlerischen Eindrucks auf allen
Gebieten der Kunst angewandt. Auch bei einer Studie kann sich die Wirkung steigern, wenn eine schöne Kombination plötzlich noch zum zweiten Male neu auftritt. Sogar ein einfaches Motiv kann einen starken Eindruck machen, wenn es an verschiedenen Stellen wiederkehrt. Allerdings kommt gerade hier dem Empfinden für das rechte Maß, das jede künstlerische Tätigkeit bestimmen muß, ganz besondere Bedeutung zu. M. BOTWINNIK hat gesagt: „Ein Patt — schön, zwei — noch besser, drei — bereits fragwürdig." Selbstverständlich ist das nicht wörtlich zu nehmen, vielmehr sollte damit nur zum Ausdruck gebracht werden, daß der Komponist ein Gefühl für die Grenzen haben muß, über die hinaus eine quantitative Steigerung nicht gleichzeitig auch den Wert der Studie erhöht, sondern im Gegenteil ihre Wirkung schwächt. Wir sprechen hier noch nicht einmal von Rekorddarstellungen (Tasks), die von der sowjetischen Studienkunst angesichts ihres hohen künstlerischen Niveaus schon seit langem abgelehnt werden. So wird jetzt z. B . G. K A S P A R J A N seine plumpe Studie aus dem Jahre 1930, in der zahlreiche Patts gezeigt wurden, verwerfen und sich mit einem Lächeln von ihr abwenden. Die ungewöhnlich hohe Technik der sowjetischen Studie, die unseren besten Komponisten eigene Meisterschaft in der filigranartigen Ausarbeitung berechtigen uns, an diese Art der Synthese neue, ungleich höhere und strengere Maßstäbe anzulegen, als das früher geschah. 6 Gurwitsch-Speckmann
Ein so feinsinniger Schachkünstler wie R. R É T I hat in seinen Arbeiten nur mit großer Zurückhaltung zu Echovarianten gegriffen und sich ihrer stets enthalten, wenn er glaubte, daß durch die Wiederholung der Reiz der Studie vermindert und „Wasser in den Wein geschüttet" werde. Für die richtige Beurteilung kommt dem künstlerischen Takt des Komponisten nicht geringere Bedeutung zu als einer objektiven Analyse des Inhalts der Studie. Man muß über einen feinen Geschmack verfügen, um zu empfinden, wann eine Wiederholung der Idee der Studie abträglich statt von Vorteil ist. Zuweilen wird auch durch ein dreifaches Echo der Eindruck nicht beinträchtigt, sondern im Gegenteil gerade durch die dritte Wendung erst besonders nachhaltig vertieft; andererseits aber kann tatsächlich schon die nur zweimalige Wiederholung des Motivs selbst bei meisterhafter Ausführung den Gehalt der Studie mehr oder weniger stark „verdünnen". In jedem derartigen Fall sind alle Vorzüge und Nachteile, alle voneinander nicht zu trennenden Funde und Verluste nach ihrem ästhetischen Gewicht einander gegenüberzustellen, und nach dem hierbei sich ergebenden Verhältnis ist die Entscheidung zu treffen. Um darzutun, welch gewaltigen Sprung nach vorn die Studienkunst durch die Leistungen der großen Meister der Gegenwart getan hat, genügt es, das von ihnen auf dem Gebiet der Synthese Erreichte den Versuchen unserer Vorgänger gegenüberzustellen. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an den Artikel „Geschichte 81
eines Studienthemas", den seiner Zeit A. TROITZKY veröffentlicht hat („Die sowjetische Schachkomposition", gesammelte Aufsätze, Probleme und Studien, 1937). Das den Gegenstand dieses Aufsatzes bildende Thema wurde zuerst von A. TROITZKY, und zwar schon im
42. A . A TROITZKY Chess Amateur, 1916
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Jahre 1901, entdeckt (Nr. 41). Die Lösung dieser Studie verläuft wie folgt: 1. e8D De8:. Nachdem die sD so nach e8 abgelenkt ist, kann der wS sie von c7 und f6 aus angreifen, und Weiß nutzt auch sogleich diese Gelegenheit aus. 2. Df4f Kg6! 3. Dg4f Sg5. Schwarz vermeidet alle Gabelangriffe, und es hat den Anschein, als hätte Weiß sich verrechnet. Nun aber kommt wie ein Blitz aus heiterem Himmel 4. Dh5fü, und die sD geht verloren, weil 4. — Kh5: zum Matt führt — 5. Sf4+. Im Jahre 1916 stellte A. TROITZKY in Nr. 42 die Kombination mit etwas verändertem Material, namentlich einem L anstelle des S, erneut dar. Weiß bemüht sich durch Schachgebote, den sK auf die Diagonale bl — 82
Weiß gewinnt
h7 zu bringen, um die sD zu gewinnen. 1. Dd4f Kg5! 2. Df6f Kg4 3. Df3f Kg5! 4. Dg3f Lg4! Weiß scheint sich verrechnet und nur mit 4. Kf5 gerechnet zu haben. Aber mit 5. D h 4 f ! ! zwingt er den K, schließlich doch die für seine D verhängnisvolle Diagonale bl — h7 zu betreten, weil 5. — Kh4: mit 6. Lf6+ beantwortet wird. Nach 5. — Kf4 (auf 5. — Kf5 6. Df6f Ke4 7. Dd4| Kf5 8. Dd3f) 6. Df2f Lf3 7. Df3:f Kg5 8. Dg3f Kf5 9. Dd3f verliert Schwarz die Dame. In einer äußerst einfachen, natürlichen und freien Stellung hat A. TROITZKY hier in Miniaturrahmen meisterhaft Effekt und Eleganz vereinigt. Im Jahre 1925 hat auch L. K U B B E L die Kombination TROITZKYS dargestellt, wobei er das Damenopfer und das folgende Matt durch einen S noch weit effektvoller gestaltete (Nr. 43). 1. Se3f! Kg3 2. Dg4f Kf2 3. Df4f Ke2 4. D f l f . Der S ist indirekt verteidigt wegen Delf mit D-Gewinn. 4. — Kd2 5. Ddlf Kc3 6. Dc2f Kb4 7. Db2f Sb3. Sonst Matt in 2 Zügen.
43. L. I. KUBBEL 150 Schachstudien, 1925
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8. Da3fü Ka3: 9. Sc2+. Sogar die Tatsache, daß das Spiel durch unablässige Schachgebote erzwungen wird, kann unser Entzücken nicht mindern, so geistvoll ist die Motivierung für die Lenkung des K über das ganze Brett hinweg auf das für ihn verhängnisvolle Feld. Um die Mitte der dreißiger Jahre entbrannte von neuem das Interesse an d e m TROiTZKYschen Thema, u n d ge-
rade die Richtung, in der diese Bemühungen gingen, hat uns veranlaßt, dieses Beispiel auszuwählen. Die Komponisten waren auf den Gedanken gekommen, die Kombination zweifach an den beiden entgegengesetzten Seiten des Brettes darzustellen. Um die Bewältigung dieses Vorwurfs wetteiferten damals so hervorragende Komponisten wie A . T R O I T Z K Y , H . R I N C K und L. K U B B E L . Trotz aller Anstrengungen aber, die Entdeckung T R O I T Z K Y S um eine zweite Mattkombination zu bereichern, kamen künstlerisch wertvolle Erzeugnisse dabei nicht heraus. Wir empfehlen dem Leser, sich die Ergebnisse daraufhin einmal anzuschauen.
44. H. RINCK Schachmaty w SSSR, 1934 Spezialpfcis
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Nr. 44. 1. Dh5f! Kf4: (1. — Kh5: 2. Ldl*) 2. Lh6f Ke4 3. De2f Kd4: 4. Lg7f Kd5 5. Lb3f Kc6 6. De6f Kb5 7. Da6f Ka6: 8. Lc4*. 45. A . A . TROITZKY Tiow. Shakki, 1935 ehrende Etwähnung
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Nr. 45. 1. Dc3f Kf5: 2. Df3:f Kg6 3. Dg4f Sg5 4. Dh5f! Kh5: 5. Sf44:, oder 1. — Kd5:2. Dd4f Kc6 3. Dc4:f Sc5 4. Db5f! Kb5: 5. Sd4t83
4 6 . L . I. K U B B E L Schachmaty w SSSR, 1935
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Nr. 46.1. Da5f Kc6 (1. — Ka5: 2. Lc7*) 2. Dc7f Kd5 3. Dd7f Ke4 4. Dc6f Kf5 5. De6f Kg5 6. Dh6f! Kh6: 7. Lf4t. Sehr bezeichnend ist, daß die letzten drei Kompositionen (mit ihren 16 bis 20 Figuren) keinerlei Aufmerksamkeit erregt haben und dem Vergessen anheimgefallen sind, während die Studien Nr. 42 und 43 noch heute durch den Reiz ihrer Schönheit überzeugen. In seiner ganzen „Geschichte einer Studienidee" äußert A. T R O I T Z K Y nur einmal Worte des Entzückens, und zwar in bezug auf die Studie L. KUBB E L S aus dem Jahre 1925, in der die Kombination nicht verdoppelt, aber „das Thema um das Vielfache vertieft worden ist". Nicht einmal findet sich ein lobendes Wort über die Doppelsetzungen dieser Kombination, in denen in Wirklichkeit das Thema um das Vielfache verflacht worden ist. Die Weiterentwicklung seiner Kombination erblickte A. T R O I T Z K Y also nicht in der Synthese, sondern in dem Spiel, in „der erstaunlichen und genialen Einfachheit des Verfahrens", 84
mit der sie in der Studie L . K U B B E L S verwirklicht ist. Diese „Geschichte eines Studienthemas" könnte daher auch den Titel erhalten „Blüte und Niedergang eines Studienthemas" ... Heutzutage kann man sich schwerlich mehr vorstellen, daß eine solche „Fortentwicklung" eines Themas den Gegenstand des Wettstreits der besten Meister bilden, und noch weniger, daß eine derartige Weiterentwicklung als ein Fortschritt bezeichnet werden könnte. Natürlich haben auch die früheren Meister nicht selten künstlerisch einwandfreie Mehrfachsetzungen einer bestimmten Kombination dargestellt. Mit weit mehr Geschick aber haben sich die Meister unserer Zeit auf diesem Gebiet betätigt. Ein Beispiel für die hier erreichten Spitzenleistungen ist Nr. 47, in der sich eine und die4 7 . W . A . KOROLKOW u n d M . S. LIBURKIN 2. Meisterschaft der UdSSR, 1947/48, 5. Platz (Verb.)
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selbe Kombination dreimal auf verschiedenen Feldern wiederholt.
1. Th6j". Scheinbar genügt auch 1. Tgg7? zum Remis, weil 1. — Sa5f 2. Ka4 Tc7: in die Hauptvariante der Lösung einmündet. Jedoch gewinnt hier Schwarz durch 1. — Sc5f, weil dann Weiß anders als in der Lösung den S ohne gleichzeitiges Schachgebot schlägt. 1. — Kg5: 2. Thh7 Sa5f 3. Ka4 Tc7: 4. Tc7:. Jetzt muß sich Schwarz, wenn er gewinnen will, unbedingt sein materielles Ubergewicht erhalten. Um den S zu verteidigen, gibt es nun drei Möglichkeiten. 4. — Sc6l Im Vertrauen darauf, daß der S durch den Lh3 indirekt verteidigt wird. 5. Tc6: Ld7 6. Kb5 Lf2! 7. a4 Kf5. Um nach d5 zu gelangen und den gefesselten T zu erobern. 8. aS Ke5. Den scheinbar unvermeidlichen Untergang vor Augen macht der wK jetzt einen überraschenden Sprung zur Seite: 9. Ka6!, und nach 9. — Lc6: ist Weiß patt. Schwarz kann aber auch einen anderen Weg einschlagen, um den S indirekt zu verteidigen: 4. — Kg6! Jetzt haben die Läufer ihre Rollen vertauscht: die Fesselung des T nach 5. — Ka5: übernimmt nunmehr der schwarzfeldrige L, 5. — Ld8, während der weißfeldrige seinerseits auf 6. Kb6 das gegnerische Spiel durch den Zug 6. — Lg2 paralysiert. Und wieder kommt es zu einem analogen Spiel: 7. a4 Kf6 8. a5 Ke6 9. a6 Kd6. Schwarz ist es gelungen, mit dem K bis zu dem T vorzudringen, aber es erfolgt 10. Ka7!, und nach 10. — Lc7: hat sich die gleiche Pattstellung wie in der ersten Variante, jedoch mit sämtlichen Figuren auf Feldern der anderen Farbe, ergeben! Das Schlagen
des T durch den sK ändert nichts an dem Ergebnis. Um dem Weißen diese beiden Möglichkeiten, sich durch ein Patt zu retten, abzuschneiden, greift Schwarz nun zu einem völlig anderen Plan, indem er den Kampf in die andere Bretthälfte verlegt: 4. — Lei!. Der S wird nun direkt, anstatt indirekt, verteidigt. 5. Te7! 5. Tc5f? nebst 6. Ta5: führt nach 6. — Ld7f zum Verlust des T. 5. — Lc3 6. Tc7 Ld2 7. Tc5f Kf4! 8. Td5. Jetzt, wo der wT sich auf der d-Linie befindet, kann der Ld2 nicht mehr zur Verteidigung des sS auf der Diagonale el — h5 manövrieren, weil 8. — Lei (Lc3) mit 9. Tdl (Td3) beantwortet wird. Deshalb übernimmt nun umgekehrt der sS die Verteidigung des L. 8. — Sc4 9. Td4f Ke3! 10. Tc4:. Auch in dieser Variante mußte Schwarz den S aufgeben, aber noch hofft er auf Erfolg. 10. — Ld7f 11. Kb3 Le6. Zum dritten Male ist der T in die „verderbliche" Fesselung geraten. Aber erneut will es das Verhängnis, daß dem Schwarzen der Sieg entwischt, weil Weiß auch hier die gleiche Pattzuflucht findet: 12. Ka4! Lc4:. Eine prächtige Illustration des ungewöhnlich hohen Niveaus der Meistergilde unserer Zeitl Größtmögliche Ökonomie, ein interessantes Spiel, sehr eindrucksvoll die sich wiederholenden Schlußbilder — läßt es sich danach noch rechtfertigen, irgendein Thema in plumper Form darzustellen? Hier darf man ohne Vorbehalte feststellen, daß das dritte Patt den Eindruck der beiden ersten nicht nur nicht abschwächt, sondern sie im 85
Gegenteil gleichsam noch einmal nachdrücklich betont und dadurch den Akkord, in dem sie zusammenklingen, in seiner Wirkung verstärkt. Das beruht zum wesentlichen Teil darauf, daß beim letztenmal der gleiche Erfolg auf einem ganz neuen Wege erreicht wird, nachdem es zunächst den Anschein hatte, als sei es ausgeschlossen, daß auch hier dieselben glücklichen Umstände für Weiß wiederkehren könnten. Wir möchten die Gelegenheit nutzen und den Leser noch mit einer bei uns wenig bekannten wunderbaren alten Studie bekanntmachen.
Weiß gewinnt
nach a7 bringt. Und dennoch gewinnt Weiß mit jener erstaunlichen Einfachheit, in der sich die „Schönheit des Wahren" offenbart. 1. Db4!. Schwarz kann jetzt nur mit der D ziehen, und um die Fesselung des B aufrechtzuerhalten, stehen ihr auf der großen Diagonale vier Felder zur Verfügung: d5, f3, g2 und hl. 1. — Dd5 (oder 1. — Df3) 2. Da4f Kb6 3. Db3f!, hierin besteht das kombinatorische Motiv der Studie. Die Fesselung des B wird durch das Opfer der D aufgehoben, aber in der Weise, daß der dann mit Schach sich umwandelnde B die sD erobert: 3. — Db3: 4. b8Df nebst 5. Db3:. Oder 1. — Dg2 2. Da3f Kb6 3. Db2f!, die gleiche Situation. Schließlich 1. — Dhl! 2. Da3f Kb6 3. Db2-t", und jetzt kann Schwarz, um 3. — Ka6 4. Da2f Kb6 5. D b l f ! mit demselben betrüblichen Schluß zu vermeiden, 3. — Kc7 spielen; darauf folgt aber der prächtige Zug 4. Dh2f 1!, und dieses neue völlig unerwartete D-Opfer enthält wieder die gleiche Gewinnkombination, nur jetzt anstatt auf der Vertikalen auf der Diagonalen: 4. — Dh2: 5. b8Df 6. Dh2:.
In der fünfsteinigen Miniatur Nr. 48 scheint die Stellung remis zu sein, weil Schwarz allem Anschein nach dadurch, daß er mit der D auf der großen Diagonale bleibt, den B gefesselt halten kann, während er auf einen Zug des wK diesem unaufhörlich schachbietet oder den B gewinnt. Wegen der Fesselung des B und des möglichen ewigen Schachs hat Weiß auch nichts davon, wenn er seine D mit Schach
Schwarz kann sich der Opfer der wD nicht erwehren, das ist seine Tragik. In dem Augenblick aber, in dem das Leitmotiv dieser Studie schon allzu vertraut zu werden beginnt und uns der oben erwähnte Satz B O T W I N N I K S in Erinnerung kommt, wird dem Thema durch eine unvorhergesehene Variation frisches Leben eingehaucht. Um die verschiedenartigen Aspekte zu beleuchten, die die quantitative Steigerung der Kombinationsidee auf-
4 8 . L . VAN V L I E T Deutsche Schachzcitung. 1888
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weisen kann, betrachten wir noch die Studie Nr. 49. 4 9 . M . S. LIBURKIN Wettkampf Moskau—Leningrad 1933 2. Preis
Weiß gewinnt
Der Preisrichter des Wettkampfes, A. H E R B S T M A N , kennzeichnete das Thema dieser Studie wie folgt: „Zwei Matts in der Brettmitte auf verschiedenen Feldern mit leichten Figuren und Bauern; die Mattstellungen sollen rein und ökonomisch (also Modellmatts) sein". „Ich nahm bisher an", schreibt dann A. H E R B S T M A N , „daß dieses Thema kaum in künstlerischer Form verwirklicht werden könne. M. L I B U R K I N beweist hier, daß das doch möglich ist." In der Anfangsstellung muß Weiß mit den Drohungen 1. — Sc3f und 1. — Kd5:f rechnen. 1. La2f Kd4f 2. c4! Sc3f. Auf 2. — Ke5: folgt 3. cb Sc3f 4. Kd3 Sa2: 5. Kc4 Kd6 6. b6 und 7. Se6 mit Gewinn. 3. Kd2. Zieht der K auf ein anderes Feld, so folgt 3. — Ke5: 4. cb Sa2: 5. b6 Sb4 mit Remis. 3. — Lc4: 4. Lc4: fe. Auf 4. — Sd5: entscheidet 5. Ld5: Kd5:6. ef Ke5 7. Sh7.
5. Ld3! Sd5: (5. — e4 6. d6 und gewinnt) 6. Se64:. Das erste Modellmatt in der Brettmittel Schwarz kann im 2. Zuge auch sofort den B mit dem L nehmen — das führt zu der zweiten Ideenvariante. 2. — Lc4:f 3. Lc4: fe 4. Lb3! Falsch ist 4. La2? Sc3f 5. Kf2 Kc5I 6. Sd7 Kd6 7. Sf6 Sa2:, remis. 4. — Sc3f 5. Kf2! Sd5: 6. Se6f Ke4 7. Lc2+. Das zweite Modellmatt in der Mitte des Brettes! Den Worten HERBSTMANS läßt sich nichts entgegenhalten. Das scheinbar nicht zu erfüllende Thema ist erfüllt worden; allen Forderungen des Preisrichters ist genügt, die leichtfigurige Studie mit zwei Modellmatts in der Brettmitte hat das Licht der Welt erblickt. Weshalb aber hat diese bis heute in ihrer Art einzigartige Studie keine größere Popularität gewonnen? Weshalb gibt es Mattstudien mit leichten Figuren, die nur ein solches Matt in der Brettmitte oder auch nur am Brettrand zeigen, der Nr. 49 aber dennoch den Rang ablaufen und uns größeren Genuß bereiten? Womit ist das Urteil zu erklären, das die immer gerechte Zeit hier gesprochen hat? Vom künstlerischen Standpunkt aus ist bei dieser an sich bedeutenden Studie zu bemängeln, daß in ihr das Spiel ohne rechten Schwung und ziemlich kraftlos ist. Die ökonomische Ausgangsstellung und die Modellmatts sind durch ein langweiliges, schwächliches und uns nicht beeindruckendes Spiel miteinander verbunden. Die Figuren trippeln auf engem Raum hin und her und wagen nicht, sich von dem Ort zu entfernen, 87
an dem der Streit sich entspinnt und endet. Die Anfangsstellung ähnelt schon zu sehr der Endposition. Zwischen ihnen besteht nicht jenes „Mißverhältnis", jener Kontrast, der uns bei den letzterörterten Studien immer so in Erstaunen setzte. Auch treten im Lösungsverlauf von Beginn bis zum Ende keinerlei wesentlichere Umgruppierungen auf. Deshalb haben auch die Matts selbst nichts Unerwartetes an sich. Man erinnere sich demgegenüber der überraschenden, unvermuteten Matts in den Studien von W . u n d M . PLATOW u n d v o n L .
KUB-
BEL (Nr. 1 und 2). In Nr. 49 hingegen wuchsen diese Matts nicht erst aus einem wechselreichen Spiel heraus, sie wurden nicht sozusagen aus dem Nichts geschaffen, als vielmehr in einer flachen Mulde zurechtgestampft. Das Bild dieses der Akzente entbehrenden krafdosen Kampfes prägt sich der Erinnerung nicht ein. Als Gegenstück betrachte man Nr. 50, eine der prachtvollsten Miniaturen desselben Autors, die niemals dem Gedächtnis entschwinden wird, obgleich sie nicht zwei Mattstellungen vereinigt. Über vier Jahrzehnte hat sie ihre Frische bewahrt wie am ersten Tage, und wir freuen uns noch heute ihrer Schönheit, wie das bei ihrem Erscheinen der Fall war. 1. Ta2. Schwarz verliert danach eine Figur, 1. — Sfl 2. Kel oder 1. — Lgl 2. Tg2. Scheinbar endet die Studie damit, ohne recht begonnen zu haben. Von den beiden Möglichkeiten, die Figur zu verlieren, wählt Schwarz aber die zweite aus, weil er hier auf ein sehr fein berechnetes Manöver vertraut. 1. — Lgl 2. Tg2 Kf3! 88
5 0 . M . S. LIBURKIN
„64". 1935, 2.-3. Preis
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Weiß gewinnt 3. Tgl: Kf2. Dem T bleibt ein einziges Feld — 4. Tel, aber nun werden mit 4. — e4! die weißen Figuren eingesperrt, mit Ausnahme des S, der auch sogleich zur Hilfe herbeieilt. 5. Se6 e3. Es droht 6. — e2f 7. Kd2 Se4 (fl)f. Scheinbar kann Weiß dies leicht mit 6. Sd4 (f4) parieren. Aber Schwarz antwortet dann trotzdem 6. — e2f!, und nach 7. Se2: erreicht er durch den prächtigen Zug 7. —Sfl trotz des weißen Übergewichts um einen T das Remis, weil er nach 8. S ~ wegen der Bindung des wK an den wT mit dem S ewiges Schach geben kann. Auf dieses positionelle Remis, das allein als Inhalt einer vollwertigen Studie ausreichen würde, hat Schwarz also spekuliert. Für Weiß handelt es sich hierbei jedoch nur um eine sehr feine Verführung. Er geht ihr aus dem Wege und bereitet dem Gegner eine noch verblüffendere Überraschung. 6. Sc5ü e2f 7. Kd2 Sflf 8. Kellt Kel: 9. Sd3+. Die folgende hervorragende Studie Nr. 51 reicht zwar an dieses Prunkstück nicht heran, aber auch sie hin-
51. A . G . KUSNEZOW u n d B . A . SACHAROW 2. Mannschaftsmeisterschaft der UdSSR, 1956, 1. Brett 1. Platz
mx Weiß gewinnt
terläßt zweifellos einen nachhaltigeren Eindruck als der Zweimattrekord M .
LIBURKINS.
Der schwarze Mehrbauer wird offenbar mehr als kompensiert durch die bereitstehende weiße Batterie, die sofort abgefeuert werden kann. Wie aber soll das geschehen? 1. T d 6 f ! . Nichts ergibt hingegen das verlockende 1. Th5f Kc7 2. Th3: bc. 1. — Kb5!. Die beste Antwort, auf die beiden anderen K-Züge wird Schwarz kurz und hart, zugleich aber auf elegante Weise zerschmettert: 1. — Kc7 2. cbf Kd6: 3. ba bzw. 1. — Kc5: 2. Td5f Kc6 3. Ta5f. Wie gut fügt sich doch alles zum Vorteil von Weißl Solche einfachen Motive, die sich nebenher ergeben, wirken wie glückliche Zufälligkeiten, in Wahrheit aber sind sie — das Ergebnis großer Meisterschaft und zäher Arbeit, während derer die Figuren auf dem Brett immer wieder ihren Platz wechseln, bis schließlich dem Schwarzen auch das kleinste Schlupfloch versperrt ist. 2. cb. Der wB steht jetzt sehr drohend,
aber Schwarz findet einen geistvollen Gegenplan: 2.—Le6j\ Die 3. Reihe ist dem w K verwehrt, weil nach 3. — Ta3f der wL verloren ginge. Auf 3. Kb2 folgt 3. — Ta2f 4. Kbl Th2l 5. b7 Th8 mit Remis (2. — Tal statt 2. — L e 6 | hätte wegen 3. b7 Ka5 4. Kb2 zum Verlust geführt). Aber Weiß ist durch den starken schwarzen Zug nicht etwa überrumpelt worden. Es folgt jetzt ein geistreicher Zugaustausch, dessen Endergebnis, wie die Forderung der Aufgabe verrät, für Schwarz betrüblich sein wird. 3. Te6:. Solange der sT angegriffen steht, kann der L geschlagen werden, sofern dabei nur die Verteidigung des Bb6 noch aufrechterhalten wird. 3. — T b 7 ü . Sehr geistvoll! Der sT bietet sich dem L zum Schlag an, wobei er seinerseits den Umstand ausnutzt, daß auch der wT angegriffen steht. Wenn Weiß den Tb7 nimmt, so schlägt Schwarz den Te6 und dann fällt auch der Bb6, der durch den eigenen L geblockt wird. 4. Te5f. Jedoch auch auf diesen Ausfall hat Schwarz eine Antwort, 4. — d5!. Beide wetteifern weiter darin, sich gegenseitig an Scharfsinn zu überbieten. Der angreifende T ist verstellt und der wB befindet sich in tödlicher Umklammerung. Wird Bd5 vom T geschlagen, so nimmt der s K den Bb6, und es ist remis, weil ein Schach mit Abzugsangriff auf den sT dem Weißen nichts nutzt. Nimmt aber der wL auf d5, dann schlägt Schwarz den Bb6 mit dem T, und das Kräfteverhältnis reicht ebenfalls zum Remis. Und doch ist die geistvolle Polemik damit noch nicht abgeschlossen. 5. Ld5:! Tb6: 6. Lb74:!f. 89
Damit spricht Weiß sein letztes Wort. Die diagonale Batterie hat sich in eine horizontale verwandelt, und Weiß beendet den Kampf, wie er ihn begonnen hat, nämlich mit einem Abzugschach, das aber jetzt zugleich mattsetzt I Eine kristallklare, scharfsinnige Studie mit erbittertem, spannunggeladenem Kampf. Die Originalität der Motive, die Logik des Geschehens, die Findigkeit beider Gegner, der effektvolle Schluß, der unerwartet eintritt, als die Gefahr schon vorbei zu sein scheint— das ist es, was auch diese Studie der Vereinigung von zwei Mattfinalen überlegen macht, wenn diese wie bei Nr. 49 nur durch einen uninteressanten Kampfverlauf erzielt wird. Das äußerst hohe Niveau der heutigen Studienkunst zeigt sich auch an einem In den letzten Jahren sehr in den Vordergrund gerückten Typ von Studien, der jede Art von Wiederholungen, durch Echovarianten oder auf andere Weise, kultiviert. Wir meinen hier die Studien, die eine sogenannte „systematische Figurenbewegung" darstellen. Auf diesem Gebiet sind bedeutende, man kann schon sagen nie dagewesene Erfolge von G. K A S P A R J A N , M. L I BURKIN,
W.
KOROLKOW
und
W.
erzielt worden. Einige Studien dieser Art haben wir dem Leser bereits in anderem Zusammenhang vorgeführt. Nunmehr aber wollen wir uns mit diesem speziellen Thema zu dem Zweck befassen, daran aufzuzeigen, welche Wege die sowjetische Studie bei ihrer Weiterentwicklung beschreiten wird. TSCHECHOWER
90
Bei der Komposition von Studien dieser Art muß ganz besonders darauf geachtet werden, daß der Grat zwischen echter Kunst und bloßer Virtuosität nicht überschritten wird. Die Virtuosität drängt das Künstlerische in den Hintergrund, wenn die Meisterschaft zum Selbstzweck wird und man mehr dem Auge als dem Geist etwas bieten will. Diese Gefahr mag an Nr. 52 verdeutlicht werden. 52. M. S. LIBURKIN „64", 1934, 3. Preis
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Weiß gewinnt
1. Lc7 Kfl 2. Lb6. Schwarz darf nicht 2. — ab spielen wegen 3. a7. Es bleibt nur 2. — Lf2, wonach nun alle Figuren Schritt für Schritt einander folgen müssen: der sK und sL auf benachbarten Diagonalen, während der wK stufenweise fortschreitet. 3. Kh2 Ke2 4. Kg2 Le3 5. Kg3 Kd3 6. Kf3 Ld4 7. Kf4 Kc4 8. Ke4 Lc5 9. Ke5 Kb4 10. Kd5. Weiter kann der sL nicht ziehen, aber Schwarz kann noch versuchen, Weiß zu einem Fehler zu verleiten: 10. — Lgl. Nach 11. Lgl: folgt jetzt 11. — Ka5: mit Remis. 11. Kc6! jedoch stellt den Sieg sicher. Was war es wohl, das zur Kompo-
sition dieser Studie angeregt hat? Ausschließlich doch das graphische Bewegungsbild, das die beteiligten Figuren beschreiben. Es ist offensichtlich, daß nur dieses Bewegungsbild für sich und nicht auch irgendetwas anderes den Inhalt und die Idee der Studie bildet. Allerdings sind diese und ähnliche Studien nicht in eine Reihe mit den Erzeugnissen zu stellen, die zur Ermöglichung der „systematischen Figurenbewegungen" das Brett durch einen Zaun abgrenzen, wie wir sie im dritten Kapitel kennengelernt haben. Der Unterschied ist unverkennbar. Dort wurden die Bewegungsbilder auf gewaltsame Weise dadurch ermöglicht, daß man alle übrigen Wege ganz einfach durch physische Schranken versperrte, während hier die Figuren ihr teppichartiges Muster nicht auf einem eingeengten, sondern auf dem freien Brett wirken und es nur ihre Wechselbeziehungen sind, die die Bewegungen bestimmen. Die Studie LIBURKINS ist, wenn man von dem dritten wB auf der a-Linie absieht, leicht und einfach konstruiert. Auf den ersten Blick kann man sich nur schwer vorstellen, daß hier eine solche girlandenartige Kette geknüpft wird. Das alles ändert aber nichts daran, daß es sich hier um rein äußerliche Effekte handelt. Die Figurenbewegung verläuft eben ganz automatisch, und dadurch wirkt das Ganze ziemlich flach. Eine der Studien, bei denen geradezu ins Auge springt, daß die systematische Figurenbewegung den Selbstzweck der Darstellung bildet, ist u. E. die Nr. 53. Hier formieren die betei-
ligten Figuren im Lösungsverlauf eine Reihe von Rechtecken, die sich automatisch herausbilden, bis der Brettrand weitere Bewegungen nicht mehr zuläßt. 53. W . A. KOROLKOW Allrussisches Komitee Fiskultura i Spott, 1953/54 2. ehrende Erwähnung
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1. Lb4 Tb3 2. Td4 e5 3. Lc2 Tb2 4. Tc4 d5 5. La3 Ta2 6. Tc3 d4 7. Lbl Tal (7. — Tg2f 8. Kf3 Tgl 9. Tel usw.) 8. Tb3, und Weiß gewinnt. Die ausführliche Lösung findet man in der Sammlung „Sowjetische Schachstudien" (1955, Nr. 417) und in dem Buch W. A. KOROLKOWS „Ausgewählte Studien". Wir möchten das Augenmerk des Lesers hier darauf richten, wie der Verfasser den ästhetischen Gehalt dieser Studie erläutert: „Ein Rechteck in vertikaler Anordnung . . . " „das Rechteck um 90° gedreht..." „das Rechteck erneut vertikal angeordnet . . . " „das Rechteck ... wiederum in horizontaler Anordnung . . . " „das Rechteck wiederholt sich zum fünften Mal! Wie in der Anfangsstellung ist es vertikal angeordnet, aber im Vergleich mit der 91
ursprünglichen Stellung um zwei Diagonalfelder nach links unten verschoben." Der Komponist hebt also jede Verlagerung seines Rechtecks mit ungewöhnlichem Nachdruck hervor. Kein Stadium in der Fortbewegung seines Rechtecks bleibt unerwähnt. Was soll man zu solch einer geometrischen Begeisterung sagen? Sie als absonderlich bezeichnen? Und dennoch setzt dieser Kommentar uns durchaus nicht in Erstaunen, im Gegenteil will er uns als der alleinmögliche erscheinen. Was sollte man auch sonst als charakteristisch für den Gehalt dieser Studie erwähnen? Entweder enthält sie doch gar nichts, oder eben nur das, was KOROLKOW dazu bemerkt. Die pedantisch genaue Erläuterung zeigt eben das auf, was den ästhetischen Selbstzweck dieser Studie bildet. Wir wiederholen erneut, daß hier nur von solchen Studien die Rede ist, in denen ungewöhnliche Ideen an sich unseren künstlerischen Prinzipien entsprechend dargestellt sind. Wir befassen uns also mit wirklich virtuosen Erzeugnissen, in denen Form und „Inhalt" sich völlig entsprechen. Jedoch — wenn in den groben, wildoriginellen Studien die primitive Form jeden Inhalt ad absurdum führte, ihm nicht kongenial war, so kann man hier von einer Erscheinung gegenteiligen Charakters sprechen: daß nämlich mit einer vollkommenen, äußerst geschliffenen Form ein Inhalt verwirklicht wird, der sich fast allein in der Form erschöpft Man braucht nur vom Standpunkt der lebensvollen Partie aus diese „mechanischen" Studien zu betrachten, um 92
zu erkennen, welche unüberbrückbare Kluft zwischen diesen beiden schachlichen Erscheinungsformen besteht... Es erscheint uns sehr wichtig, die Aufmerksamkeit der Kenner und Liebhaber der Schachstudie auf diese Frage zu richten, die — wie auch unsere über die Ideenverbindungen entwickelten Gedanken — bisher noch niemals aufgeworfen wurde. Um die Diskussion möglichst fruchtbar zu gestalten, bringen wir noch einige ganz besonders gelungene Studien, an denen die beiden entgegengesetzten Standpunkte gemessen werden mögen. Es handelt sich hier nicht nur um verschiedene Arten von Studien, sondern vielmehr um verschiedene Tendenzen, verschiedene Auffassungen über den weiteren Entwicklungsgang der Studie; nach der einen Ansicht wird dadurch, daß für die Schachkomposition alle Arten schachlicher Vorgänge einschließlich der geometrischen Effekte erfaßt werden, eine grenzenlose schöpferische Freiheit gewonnen, während die andere hier nur ein absonderliches Betätigungsfeld erblickt, das die weitere Entwicklung lediglich auf Abwege zu führen geeignet ist. Die folgenden beiden Studien repräsentieren vortrefflich diese beiden Richtungen, wobei interessant ist, daß ungeachtet ihrer grundlegenden Verschiedenheit die zweite aus der ersten entstanden ist. Die Studie Nr. 54 hat auf die Freunde der Schachkunst starken Eindruck gemacht, und ihr Ruhm hat sich auch außerhalb der Fachkreise verbreitet. 1. Sg7!. Gibt sofort den Bh6 auf, der beim ersten Blick die einzige Ge-
54. G. M . KASPARJAN 1. Meisterschaft der UdSSR. 1946/47 1. Platz
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Weiß gewinnt
winnchance für Weiß zu sein scheint. Allerdings wird durch dieses Opfer der sT von der verwundbaren c-Linie abgelenkt, jedoch eröffnet sich danach auch für Schwarz eine günstige Möglichkeit. 1. — Th6: 2. Tc5f. Weiß gewinnt eine Figur, Schwarz erhält aber Gegenspiel dank der unglücklichen Stellung des wS, auf den er auch sofort sein Streben richtet. 2. — Kd4. Bis zu dem S ist es zwar noch ein weiter Weg, vor Wegnahme des L muß Weiß dem Gegner aber erst noch ein sehr wichtiges Tempo überlassen; denn auf sofortiges 3. Tc7: folgt 3. — Th2f mit Verlust des letzten B und damit der letzten Siegeschance. Deshalb muß erst der B durch ein Schachgebot gesichert werden. 3. Tc4f! Ke5 4. Tc7: Kf6 5. Se8f, einziger Zug. 5. — Kf7 6. Tc8, erneut erzwungen. Weiß ist es gelungen, seinen S zu verteidigen, aber seine Figuren können sich nun nicht so leicht aus ihrer bedrängten Lage befreien. Zwar kann Schwarz den S nicht mit 6. — Th8 gewinnen, wegen 7. Sd6f.
Doch wird Weiß durch den listigen Zug 6. — Teöf! vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Die einzige Parade besteht in der äußerst feinen Erwiderung 7. K d l ü . Weiß braucht nur einen so natürlich aussehenden Zug wie 7. Kd2? zu machen, und Schwarz wäre gerettet. Der Sinn des Zuges 7. Kdl wird später klar werden. 7. — Tg6! 8. Sc7. Begibt sich sofort aus der schrecklichen Fesselung auf der 8. Reihe heraus, muß aber dafür eine Fesselung auf der c-Linie hinnehmen. 8. — Tc6l. Weiß ist scheinbar aus dem Regen in die Traufe gekommen. Es ist nicht ersichtlich, wie sein T oder S sich vom Platz werden rühren können, ohne daß eine dieser Figuren verloren geht. Schwarz frohlockt; gerade auf dem Feld c7, auf dem er eine Figur verloren hat, rächt er sich nun an dem Gegner. Es folgt aber 9. Kd2ü. Hier zeigt sich der tiefe Sinn des Zuges 7. Kdl. Befände sich der wK vor dem 9. Zuge schon auf d2, so könnte Weiß die Fesselung nicht aufheben, z.B. 9. d4 Tc4 10. d5 Kg6! oder 9. Kdl Tc3 10. Kd2 Tc6. Jetzt aber ist Schwarz am Zuge, und er kann nicht eine seiner Figuren straflos ziehen. Auf 9. — Tc5 geschieht 10. Tf8f Kf8:11. Se6f mit Gewinn. Auf 9. — e5 gewinnt 10. Sb5! Tc8: 11. Sd6f. Auf 9. — Kg6 schließlich erfolgt 10. Sd5; zum dritten Mal befreit sich Weiß wiederum auf ganz andere Weise wie zuvor. Eine bemerkenswerte Position, eine vortreffliche Studie! Beide Seiten spielen klug berechnend, fein und glänzend in allen Stadien des Kampfes. Besonders starken Eindruck macht 93
die tiefe Idee, die Weiß den Sieg bringt: mittels geschickt herbeigeführten Zugzwangs wird von einer direkten (statischen) gegenseitigen Verteidigung in eine indirekte (dynamische) umgeschaltet und gelingt es, sich aus der eng zusammengezogenen und scheinbar tödlichen Schlinge zu befreien. Eine genauere Analyse der Studie zeigt noch, daß in ihr auch ein schönes Manöver mit systematischer Figurenbewegung verborgen ist. Denn nach 9. — Kg6 kann Weiß sich statt durch das sofort entscheidende 10. Sd5 auch auf einem anderen längeren Weg befreien, auf dem weitere indirekte gegenseitige Verteidigungen der weißen Figuren möglich werden. Und zwar auf folgende Weise: 9. — Kg6 10. Tg8f Kf7 11. Sd5l e6! 12. Tg6! (es geht auch 12. Sb4) Tc5 13. Sf4 e5 14. Tg5 (oder 14. Tg7f) Kf6 15. Sh3 und gewinnt9). W .
KOROLKOW und M .
LIBURKIN
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ben nun aus dem inhaltsreichen Kampf der Studie dieses eine „systematische" Moment herausgelöst und sich bemüht, es zur zentralen Idee einer neuen Studie zu machen, in der die dreifache Wiederholung der Figurenkonstellation zum Selbstzweck erhoben wird. Wie W. K O R O L K O W schreibt, wurde „nach angestrengter, fast zweijähriger 9)
Dieser „andere" Weg ist aber ein „Dual", und im Hauptspiel ist ein solcher an sich wertmindernd; hier kann man aber wohl über die kleine Schwäche hinwegsehen, weil sie erst ganz am Schluß auftritt und zudem der Gewinn durch 10. Tg8f neben dem sofort entscheidenden 10. Sd5 doch recht weit hergeholt erscheint. (Anm. d Übers.) 94
Arbeit der beiden Studienkomponisten" die Stellung Nr. 55 erreicht. 55.
W . A . KOROLKOW
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M . S. L I B U R K I N 2. Meisterschaft der UdSSR, 1947/48 1. Platz
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Weiß gewinnt
1. Th6 Kg7 2. Sg5!, die Figuren sind indirekt geschützt. 2. — T d 5 : 3 . T h 7 f Kg6 4. Se4 f5 5. Th5!, die indirekte gegenseitige Verteidigung wiederholt sich auf der folgenden Horizontale. 5. — Td4 6. Sg3 f4 7. Th4 Kg5, Wiederholung der Figurenstellung zum dritten Mal. Jetzt aber spielt Weiß 8. f3 mit der Drohung 9. T g 4 f und erzwingt damit 8. — Kh4:, worauf 9. Sf5f Kh310. Sd4: Kg211. Kb3: Kf2 12. Kb4: Kel 13. Kc3 leicht gewinnt. Die Gegenüberstellung dieser Komposition mit der von G. K A S P A R J A N erfolgte, wie wir schon sagten, um prinzipielle Fragen zu beleuchten. Springt nicht zwischen diesen Kompositionen der Unterschied ins Auge, den wir früher mit dem Begriffspaar ,,Gemälde—Ornament' 'gekennzeichnet haben? Ist es nicht so, daß in der ersten das — von einem scharfen und
inhaltsreichen Kampf angefüllte — Geschehen uns mitreißt, in der zweiten aber nur „das schöne mit geometrischer Genauigkeit sich wiederholende Figurenmuster" uns lockt? Kann die automatische Dynamik in der Studie von KOR.OLK.OW und LiBURKIN irgendeinen Vergleich mit der im wahrsten Sinne grandiosen Beweglichkeit der Figuren in der Studie K A S P A R J A N S aushalten? Man kann uns entgegenhalten: diese beiden Studien seien verschieden in dem Thema, das die Verfasser sich gestellt haben, jede von ihnen sei aber schön auf ihre Art; sie seien eben nicht miteinander vergleichbar. Das ist an sich richtig, und wir hätten von einem solchen Vergleich auch abgesehen, wenn man nicht in theoretischen Abhandlungen und in Preisberichten auf Versuche stoßen würde, die kompliziert-mechanische Studie als den Gipfel der heutigen Studienkunst und als richtungweisend für die weitere Entwicklung zu erklären. Das ist denn auch die Folgerung, zu der W. KOROLKOW in seinem Uberblick „Die sowjetische Schachstudie" (in „Schach der Jahre 1947—1949") gekommen war: „In den besten Studien der letzten Jahre ist der Kampf komplizierter geworden — in ihm wird eine immer größere Menge von Figuren einbezogen, die unter sich in komplizierte Wechselbeziehung treten." Am Schluß seines Artikels betont der Verfasser erneut das „Prinzip der Wiederholung" und „der zunehmenden Anzahl kämpfender Kräfte" als anerkannte, unterscheidende und „leitende Tendenzen" in der Entwicklung der modernen Studie.
Wir müssen dem wohl zustimmen, wenn wir bedenken, daß in der 2. Meisterschaft der UdSSR die Studie Nr. 55 auf den 1. Platz gesetzt wurde, während die nun folgende ganz hervorragende Nr. 56 von G. K A S P A R J A N nur auf den 2. Platz kam: 1. c6 Se5!. Die beste Verteidigung, die auf Beseitigung des starken Bc6 hinzielt. Die folgenden Varianten zeigen, wie sehr dieser B die schwarze Stellung einengt: 1. — Sf6 2. Lh3f Kb8 3. Sc5 Lg3 4. Sa6:f Ka8 5. Lc8 6. Lb7+ oder 1. — Sb6 2. Lh3f Kb8 3. Sc5 Lg3 4. Sa6:f Ka8 5. a4 Lf4 6. a5 und gewinnt. 2. Lh3f Kb8 3. Sc5! Sc6: 4. Sd7f Kb7!. Auf 4. — Kc8 gewinnt 5. Se5f Kb7 6. Lg2. 5. Lg2 Lg3. Verteidigt gegen 6. Se5. Schwarz hat den lästigen B beseitigt, 56. G . M. KASPARJAN 2. Meisterschaft der UdSSR, 1947/48 2. Platz
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Weiß gewinnt
dabei ist aber sein S in eine Fesselung geraten, und Weiß strebt jetzt danach, diesen zu erobern. 6. Kc41. Der weiße Plan zum Gewinn des S und damit der Partie ist klar: der wK soll nach d7, wo jetzt noch der wS steht. 95
In dieser einfachen Stellung findet Schwarz aber einen äußerst originellen Verteidigungsplan, der auf folgende zunächst noch nicht verständliche Weise ins Werk gesetzt wird: 6. — a5ü 7. Sc5f Kb6 8. Sa4f Kb7. Der erste Teil des von Weiß verfolgten strategischen Planes ist verwirklicht : das Feld d7 ist für den K freigemacht und zugleich ist die Kontrolle über b6 aufrechterhalten. Es geschieht weiter 9. Kd3! Lf2 10. Ke2!. Selbstverständlich darf der K auf seinem Weg nach d7 nicht die große Diagonale betreten. Spielt Weiß aber 10. Ld5?, um schneller über e4 nach dem erstrebten Feld zu gelangen, so hat Schwarz eine raffinierte Kombination zur Verfügung: 10. — a61 11. Ke4 La7l 12. Kf5 Lb8 13. Ke6 Ka71 14. Lc6:, und alle fünf schwarzen Steine sind pattgestellt I Dieser schwarze Gegenplan ist deshalb so stark, weil er bei der geringsten Ungenauigkeit unabwendbar wird, Weiß muß also mit ihm bei jedem seiner Schritte rechnen. 10. — L g l 11. Ld5! a6!. Jetzt beginnt ein subtiles Manövrieren, mit dem bezweckt wird, den wK das Feld e4 erst betreten zu lassen, nachdem der sL nach a7 gezogen ist, da sonst die Pattverteidigung Erfolg haben würde. 12. Kf3 Ld4 13. Kf4! La7 14. Ke4!. Die Feinheit dieser Position besteht darin, daß Weiß jetzt deshalb gewinnt, weil Schwarz am Zuge ist. Müßte Weiß ziehen, so wäre das Remis unabwendbar, z. B. 15.Kf5 Lb8! 16. Ke6 Ka7 17. Lc6: patt — oder 16. Sc5f Ka7 17. Lc6: Kb6. Jetzt verstehen wir das ganze weiße Manöver vom 9. bis zum 14. Zuge; Weiß hat durch den Verlust eines Tempos 96
die Zugpflicht auf Schwarz abgewälzt und diesen in Zugzwang versetzt, um nicht selbst in eine Zugzwangsituation zu geraten. 14. — Lb815. Sc5f! Kb6, oder 15. — Ka716. Lc6: Kb6 17. Kd5 mit Gewinn. Diese Variante zeigt, warum der wK von e4 aus den wichtigen Punkt d5 bewachen muß. 16. Sd7f Kb517. a4f! Ka4:18. Lc6:f Kb3 19. Sb8: und gewinnt. Ein grandioses Werkl Welche Gedankenfülle! Ein strategischer Plan von Weiß, ein ungemein wirkungsvoller schwarzer Gegenplan, und gegen diesen wieder ein äußerst feiner Kontraplan des Weißen, der den Kampf auf eine neue Basis stellt und die scheinbar mit eiserner, unvermeidlicher Logik eintretende Pattstellung zerstört — welch tiefe hintergründige Motive bestimmen doch den gesamten Kampf, der sich in dieser Studie abspielt. Dieser Studie aber, in der alles Tiefe ist und die ganz neue Perspektiven für die Studienkomposition eröffnet, haben die Preisrichter eine Studie vorgezogen, bei der alles an der Oberfläche liegt. Das echte Erlebnis mußte hier den Sieg der Sensation überlassen ... Natürlich kann man von dem Studienkomponisten nicht fordern, daß er sich niemals mit derartigen Ideen befassen dürfte. Rein äußerliche graphische Effekte können, wie wir schon gesagt haben, recht hübsch wirken und durch ihre symmetrischen Muster das Auge erfreuen, sie nehmen mit Recht ihren Platz innerhalb der Schachkompositionen ein. Aber wenn man sie als die führende Richtung bezeichnet und beginnt, diese Art begeistert zu kultivieren und als zukunft-
weisend zu rühmen — dann läuft die Schachkomposition Gefahr, selbst „an den Brettrand" zu geraten und in eine Sackgasse zu münden ... Wenn wir hier der „kompliziertmechanischen" Richtung die Studie G. K A S P A RJANS gegenüberstellten, die zweifellos einen neuen bemerkenswerten Sprung in der Entwicklung unserer Kunst bedeutet, so müssen wir doch auf einen Gesichtspunkt hinweisen, der einer kritischen Beleuchtung bedarf — sofern wir als Erfordernis für die weitere Blüte der Studienkunst ansehen, daß sie möglichst noch breitere Massen qualifizierter Schachspieler für sich gewinnt. Die Studie K A S P A R J A N S ist äußerst schwer zu lösen. Wir gehen sicher nicht fehl, wenn wir sagen, daß kaum ein Schachspieler selbständig mit ihr zu Ende kommen wird. Bei allem Entzücken über diese Studie muß doch festgestellt werden, daß damit ein leichter Schatten auf sie fällt. Hiermit sind wir auf eine der wichtigsten Fragen gestoßen, die die Ästhetik der Schachstudie betreffen — die Frage der Lösungsschwierigkeit. Es versteht sich von selbst, daß die Studie notwendigerweise eine gewisse Schwierigkeit aufweisen muß. Das allzu leicht lösbare Rätsel gibt — wie andererseits auch dasjenige, in dem trotz aller Bemühungen kein Anhaltspunkt für die Lösung zu finden ist — dem forschenden Verstand keine Nahrung. Weder unfruchtbare Anstrengungen noch auch allzu leicht zu überwindende Hindernisse bereiten Genuß und sind geeignet, den Verstand zu schulen und seine Entwicklung zu fördern. Hieraus ergibt sich zunächst 7 Gurwitsch-Speckmann
einmal, daß außergewöhnlich schwierige Studien.es sofort mit ausführlichen Bemerkungen, die den Leser auf den ganzen verborgenen Reichtum ihres Inhalts hinweisen, veröffentlicht werden sollten. So wird es in den Schachzeitschriften ja auch mit den Partien großer Meister gehandhabt, namentlich mit solchen, die besonders gedankentief und damit einer selbständigen Analyse durch denNachspielenden kaum zugänglich sind. Ebenso bedürfen die besonders schwierigen Studien bei ihrer Veröffentlichung eines eingehenden Kommentars oder doch jedenfalls einer allgemeinen Charakterisierung mit Hinweisen, die den Löser auf den richtigen Weg führen. Zu dieser Art Studien gehört auch die Studie G . K A S P A R J A N S . Die Anwendung dieses Verfahrens bei derVeröffentlichung von „Studien, die man nicht löst" — wie sie N. D. G R I G O R I E W bezeichnet hat — wird bei den Lesern sicher großen Beifall finden. Aber die Veröffentlichung von Studien mit gleichzeitigem Kommentar sollte doch eine Ausnahme bleiben. Denn schachliche Publikationen sollen grundsätzlich ihr Material in einer Weise darbieten, die am geeignetsten und vorteilhaftesten ist, um das schachlicheVerständnis des Lesers so intensiv wie möglich zu fördern. Im übrigen besteht der eigentliche Zweck der Studie ja auch darin, daß sie selbständig gelöst wird. Wie schwierig darf also normalerweise die Lösung einer Studie sein? Eine Antwort auf diese Frage muß von der besonderen Stellung ausgehen, die die Studie innerhalb des Schachs als Kulturerscheinung einnimmt. Wie wir 97
schon zu Anfang unserer Ausführungen dargelegt haben, besteht ihre Bedeutung darin, daß sie den Sinn des Schachspielers für Kombinationen schärft, seine Fähigkeit ausbildet, kühne, tiefe und originelle Gedanken zu fassen, ihm die bloße Schablone und Routine verleidet und einen Eindruck davon vermittelt, wie in der Schachkombination Kraft und Schönheit eine Einheit bilden. Nicht jede Schwierigkeit aber ist eine solche von kombinatorischem Charakter. Um dem Wesen unserer Kunst bis auf den Grund zu gehen, müssen wir uns daher sehr genau der besonseren Art der Schwierigkeit bewußt werden, die die Studie ihrer Natur nach von der einer nichtstudienhaften Schachposition unterscheidet. In der Antwort hierauf wird — gleichsam wie in einem Brennpunkt — alles enthalten sein, was die besondere Eigenart der Studienkomposition begründet. Die von uns aufgeworfene Frage spiegelt demgemäß alle Probleme wieder, die wir in unserer Abhandlung erörtert haben. Auf die Frage, ob er die Studie schätze, hat einer unserer hervorragendsten Großmeister uns erwidert: nicht die sehr langzügigen und nicht die sehr originellen. Eine bemerkenswerte Antwort! In ihr äußerte sich ein feines Verständnis für das eigentliche Wesen der Schachstudie. Eine Schwierigkeit, die eine langwierige und erschöpfende Analyse erfordert, wobei dies und jenes zu versuchen ist, um den meistversprechenden Weg herauszufinden — eine solche Schwierigkeit ist für die Studie weder cha98
rakteristisch noch als ein Vorzug zu werten. Die Schwierigkeit der Studie ist nicht eine solche der Analyse, sondern in der Idee begründet, wobei nicht entgegensteht, daß auch eine Analyse nicht der Ideen ermangeln kann. Natürlich bedarf es auch beim Lösen der Studie einer kritischen Prüfung der Stellung; um aber ihre Lösung zu finden, muß man herauszubringen suchen, worin ihr eigentlicher Witz besteht. Man muß ihre Idee, wenn auch noch unklar und andeutungsweise, gleichsam voraussehen und erfühlen, ohnedem gleicht sie einem Text in einer unbekannten Sprache, deren Entzifferung auch dem hartnäckigsten Bemühen nicht gelingen will. Verfahren und Ergebnisse einer subtilen und komplizierten Analyse sind äußerst schwierig im Gedächtnis zu behalten und müssen daher genau aufgezeichnet werden. Eine elegante Studienkombination hingegen ist unvergeßlich. Sie ist es deshalb, weil in ihrem Mittelpunkt eine klare, wirkungsvolle, imponierend dargestellte Idee steht, die von allem gereinigt wurde, was ihr organisch fremd ist. In der Studie K A S P A R J A N S verbinden sich nun rein studienhafte Schwierigkeiten mit solchen, die eine analytische Ausarbeitung erfordern und leicht dem Gedächtnis entfliehen. Wir haben selbst beobachtet, wie begeisterte Verehrer dieses hervorragenden Werkes in Verwirrung gerieten, als sie die Lösung vorführen und die Manöver des wK erklären wollten, daß sie sich dabei irrten und widersprachen. Das gleiche Mißgeschick unterläuft sogar nicht selten den Kompo-
nisten selbst, wenn sie eine eigene Studie mit komplizierten Manövern vorführen. Niemand wird in der Studie G. KASPARJANS den originellen Gegenplan des Schwarzen vergessen, der zugleich das eigentliche Geheimnis dieser Position darstellt. In der Erinnerung verblaßt jedoch das langzügige vorsichtige Manövrieren des wK mit dem Ziel, die Zugpflicht auf Schwarz abzuwälzen. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet hat in Nr. 54 von G. K A S P A R J A N , die den 1. Platz in der I. Meisterschaft der UdSSR errang, das Wesen der Studie eine reinere Verwirklichung gefunden. Wer ihre Lösung kennengelernt hat, strauchelt nicht mehr. In ihr sind keine Momente enthalten, die dem Gedächtnis entschwinden. Hat man ihr Geheimnis entdeckt, so leitet es die Gedanken vom Anfang bis zum Ende ohne irgendwelche Störungen und mit zunehmender Intensität. Aus diesem besonderen Charakter, den die Schwierigkeit bei der Studie aufweisen muß, ergibt sich somit die Forderung nach einem klaren, anschaulichem Lösungsverlauf. Dieser ist eine der wichtigsten Bedingungen dafür, daß die Schönheiten einer Studienkomposition voll erfaßt werden. Absolut überzeugend muß, wie die Korrektheit der Ideenvarianten, auch die Widerlegung aller anderen Wege einschließlich der feinsten Verführungen sein. Nichts Unausgesprochenes also und keinerlei Unklarheiten — selbstverständlich in den durch den heutigen Stand der Theorie gezogenen Grenzen. 7
Komplizierte langzügige Analysen, die erforderlich werden, um die Unzulänglichkeit anderer Wege als des Ideenspiels nachzuweisen, ermüden den Löser und belasten seinen Geist mit nebensächlichen Berechnungen. Dadurch büßt er die Fähigkeit ein, die Idee unbefangen auf sich wirken zu lassen, und die Studie verliert für ihn viel von ihrem Reiz. Die Forderung nach Klarheit der Lösung steht in unmittelbarer Beziehung zu dem für die Schaffung aller künstlerischen Werte geltenden obersten Grundsatz — dem der strengsten Beachtung der Ökonomie, der ja auch nur bezweckt, die Idee so nachhaltig wie möglich zum Ausdruck zu bringen. Wie bei der Reinigung der Stellung von vermeidbaren die Studie belastenden Figuren handelt es sich auch bei der Ausmerzung von langatmigfaden, nicht energiegeladenen Varianten letzten Endes um nichts anderes als darum, „alles Überflüssige aus dem Stein herauszuhauen, in dem die großartige Skulptur verborgen ist". Für die künstlerisch gelungene Studie hat auch zu gelten, daß sie — ist ihre Lösung einmal gefunden — dem geistigen Auge sogleich als Einheit erscheint. Sie wird mit einem einzigen Blick, als etwas Ganzes und Unteilbares erfaßt. Dieser Ganzheitscharakter bedingt auch die „Länge" der Studie. Rechtes Maß und Schönheit sind untrennbar miteinander verbunden. Das „Maß für die Länge" der Studie kann nun aber nicht durch eine im voraus gesetzte Norm festgelegt werden. Es wird allein durch die potentielle innere Kraft der jeweiligen 99
Kombination, ihre Fähigkeit zur Selbstentwicklung bestimmt. Eine Studie kommt uns niemals lang vor, wenn alles in ihr mit der zentralen Idee organisch verbunden ist und dabei die beiderseitigen Manöver nicht wie ein flauer Disput, sondern wie eine scharfe Polemik auf uns wirken. Und sie erscheint uns niemals als zu kurz, wenn ihre Lösung eine unerwartete und radikale Abwendung von der gewöhnlichen schachlichen Denkweise erforderlich macht. Bei den Studien Nr. 1, 15, 20 und einigen weiteren — ist die Lösung zwar nur kurz, aber von großer Tiefe, und obwohl diese sich auf nur ein bis zwei Züge konzentriert, sind sie schwer zu lösen. Wiegt nicht ein solcher Zug ohne weiteres eine zehnzügige Kombination auf, die zu ihrer Lösung nicht erfordert, daß das Kombinationsvermögen des Lösenden qualitativ einen Sprung nach vorn macht? Darum also macht eine künstlerisch vollwertige Studie ungeachtet ihrer Zügezahl niemals den Eindruck, zu lang oder zu kurz zu sein. Ihren Umfang bestimmen eben das Gewicht des kombinatorischen Fundes und die Originalität der Mittel, mit denen das Ziel erreicht wird.... *
Die Verfasser der wirklich besten Kompositionen der letzten Jahre haben sich nicht auf moderne Themen beschränkt. Das würde unausweichlich zu einem bloßen Virtuosentum führen. Die freie und unbegrenzte Phantasie läßt sich in keinen Rahmen einspannen, und aufdringliche Ideen sind ihr zuwider. Die Epidemie des „positionellen Remis" und die Manie 100
der „geometrischen Verfolgung" haben nicht vermocht, die vielfältigen anderen Bereiche der Studie zu verdrängen. Auch die dynamische Schlußstellung konnte der statischen nicht den Rang ablaufen, sie ist nur neben sie getreten. Das schachliche „Leben" kann eben keine der aus seinem Boden erwachsenen Erscheinungen Verstössen oder begünstigen. Von der Gleichberechtigung der schachlichen Ideen legen in den letzten Jahren beredtes Zeugnis ab: bemerkenswerte Mattstudien; Studien mit überraschendem positionellen Remis und unausweichlichen Zugzwangsstellungen; prachtvolle mit Figurengewinn endende Kombinationen und im Gegensatz dazu unerwartete Siege ohne Vernichtung der überlegenen Kräfte des Gegners; einleitende Gemetzel mit dem Ziel, eine systematische Figurenbewegung in Gang zu bringen; schließlich auch Pattideen, die ihre ursprüngliche Frischebewahrt haben. Und alle diese verschiedenartigen Studien wirken ohne Rücksicht auf ihre Thematik auf uns mit gleich gebieterischer künstlerischer Macht, weil sie in sich Kraft und Eleganz, Natürlichkeit und Originalität, Einfachheit und Schwierigkeit, strengste Ökonomie der Mittel und reichhaltigen Inhalt vereinigen. Die verschiedenartigsten Motive haben gleiches Daseinsrecht deshalb, aber nur aus dem Grunde erworben, weil sie sich im Rahmen eines packenden Kampfes darboten. Also das Spiel, Spiel und nochmals das Spiel I Nur Reichtum und Originalität des Spieles sichern uns die
Möglichkeit, auf den 64 Feldern alle die wunderbaren Schönheiten und Geheimnisse des Schachspieles zu entfalten. Das ist der einzige Weg, auf dem die Komponisten sich ein breites „Auditorium" und der Studienkomposition einen Stamm neuer junger Autoren gewinnen können. Nur auf diesem Weg kann die Armee der Schachspieler den Komponisten nähergebracht werden, weil sich hier die für alle Schachliebhaber gleich bedeutsame, eigentliche und natürliche Funktion der „Schachkomposition" voll entfalten kann: Das S c h ö n e in
der K r a f t und die K r a f t im Schönen zu offenbaren. Aber die Zeit stellt neue, neueste Forderungen. Die weitere Entwicklung der Studienkunst wird auch davon abhängig sein, ob es uns gelingt, die ästhetischen Fragen in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen. Wenn wir heftig und leidenschaftlich streiten, dabei aber die Prinzipien nicht aus dem Auge lassen, so werden wir hinter das Geheimnis des Wortes kommen, daß „es nur einen einzigen Wert in unserer Kunst gibt, und das ist die S c h ö n h e i t des W a h r e n " .
101
ZUM GEDENKEN AN A. S. GURWITSCH Kurz bevor mit der Drucklegung dieses Buches begonnen wurde, ist Abram Solomonowitsch Gurwitsch — der Verfasser der vorhergehenden Abhandlung — am 18. November 1962 im Alter von 65 Jahren in Moskau verstorben. Gurwitsch war von Beruf Literatur- und Theaterkritiker, der großes Ansehen genoß. In einem Artikel wird ihm nachgerühmt, daß seine Ausführungen sich stets durch ihre geschliffene Darstellungsweise und kühne, oft überraschende Gedanken auszeichneten, und daß er zu den Menschen gehörte, bei denen, wenn sie sich mit einer Sache befassen, alles Komplizierte, Unruhige und Unklare in Ordnung und Harmonie einmündet. Was hier gesagt wurde, gilt ebenso für die Werke, die er als Studienkomponist geschaffen hat. Die Anzahl seiner Studien ist nicht groß — in seiner Sammlung sind deren 70 enthalten — aber fast jede davon ist von hohem und höchstem Wert. Da der Artikel „Poesie des Schachs" keine Studie von ihm enthält, soll hier eines seiner besten Werke — teilweise mit seinen eigenen Erläuterungen — vorgeführt werden. 57. A . S. GURWITSCH Schachmaty w SSSR 1955, 1. Preis 4. Meisterschaft der UdSSR 1955, 1. Platz
Weiß gewinnt
Weiß hat in Nr. 57 eine Figur mehr, aber seine beiden Springer sind angegriffen (Sb5 direkt, Sal indirekt wegen des drohenden T f l f ) . 1. Td2f Kc8! (nicht 1. . . . Ke7,8 wegen 2. Te2f nebst 3. Sc3, weil jetzt auf 3 Tflf 4. Tel erfolgen kann). 2. Sa7f Kb8 (Schwarz muß beide Springer angegriffen halten) 3. Sc6f Kc7. Einen seiner Springer muß Weiß jetzt aufgeben, und zwar gerade denjenigen, der am wirkungsvollsten zu stehen scheint. 4. Sc2! (nicht 4. Sb3? wegen 4. . . . Ta4 mit Verlust des Ba3)4. —Kc6:. „Worauf will Weiß
eigentlich hinaus? Auf dem Brett herrscht völliges Gleichgewicht der Kräfte. Die Figuren beider Parteien sind frei aufgestellt und haben, wie es scheint, nichts voneinander zu befürchten. Eine positionelle Schwäche der schwarzen Stellung, die Weiß zum Gewinn ausnutzen könnte, ist nicht ersichtlich. Und dennoch ist Schwarz zum Untergang verurteilt." 5. Sd4f Kb6, das einzige brauchbare Feld von sechs, das dem König zur Verfügung steht. 6. Tb2j\ Auf die c-Linie darf sich der s K wegen der Gabelangriffe nicht zurückbegeben, und auf 6 Ka5 folgt 7. Tb41, daher 6.—Ka7 7. Sc6f Ka8. Aus dem Freien ist der s K nun auf das Eckfeld gedrängt. 8. Tb6!, droht 9. Ta6:f, auf 8 S ~ folgt 9. Tb8+. 8. — Ta4 9. Kcl/2 Ta3:10. K b l ! Der einzige Zug; nach 10. Kb2 Ta4 wäre der wK — da Weiß keinen anderweitigen Wartezug hat — niemals mehr in der Lage, dem sT alle restlichen Felder der a-Linie zu nehmen. 10.—Ta4 11. Kb2, und jetzt ist es geschafft. Schwarz kann nur noch 11. — Ta5 versuchen; darauf gewinnt aber 12. Sa5: Sa5: 13. Ta6:f nebst 12. Ta5:. Eine durch ihren tiefen Gehalt und den klaren, gradlinigen Gedankengang bestechende Studie und zugleich eine Bestätigung dessen, was oben über den Verfasser — den der Schreiber dieser Zeilen im Jahre 1961 auf dem Weltkongreß der Schachkomponisten in Moskau kennengelernt und als sehr sympadsche Persönlichkeit in Erinnerung hat — gesagt wurde. D r . W . SPECKMANN
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DEUTSCHE STUDIENKUNST 52 Studien deutscher und österreichischer Verfasser ausgewählt und erläutert von Dr. W. Speckmann Zum Geleit An einer Studie kann sich auch erfreuen, wer sich mit dem bloßen Nachspielen der Lösung begnügt. Ungleich größer wird aber der Genuß für denjenigen sein, der der Studie zunächst durch eigene Versuche ihre Geheimnisse zu entlocken versucht und die Lösung erst nachschlägt, wenn er sie gefunden zu haben meint oder weitere Bemühungen aussichtslos erscheinen. Wer so vorgeht, darf für seinen Aufwand an Zeit und Mühe zusätzlich auch noch als weiteren Lohn erwarten, daß er allmählich zu einem starken Löser heranwächst und sich so eine nie versiegende Quelle geistiger Freuden erschließt. Um zu eigenen Versuchen anzureizen, sind die folgenden Studien grundsätzlich so ausgewählt, daß sie verhältnismäßig leicht zu lösen sind, und außerdem geben bereits die Bemerkungen unter den Diagrammen mancherlei Hinweise. Uber das beim Lösen einer Studie einzuschlagende Verfahren läßt sich hier nur allgemein sagen: Zunächst analysiere man eingehend die Stellung und das vorliegende materielle und positionelle Kräfteverhältnis. Dabei stelle man fest, welche beiderseitigen Stellungsmomente (zum Umwandlungsfeld strebende Bauern, gefährdete Figuren usw.) für die Lösung Bedeutung gewinnen können. Darauf überlege man sich, wie wohl das Ziel aussehen wird, das man anstreben muß, um die Forderung der Studie zu erfüllen. Der Gewinn und das Remis lassen sich ja auf vielerlei Weise sicherstellen: Der Gewinn z. B. durch Eroberung oder Einschließung einer Figur, durch Umwandlung eines Bauern, durch Mattsetzung; das Remis durch Selbstpatt oder Pattsetzung des Gegners, Blockade, Herbeiführung einer unangreifbaren Stellung, ewiges Schach usw. Alsdann suche man zu ermitteln, welche taktische Mittel (Weglenkung, Verstellung, Blockung, Fesselung und Entfesselung) zur Verfügung stehen könnten, um — mit Hilfe von Drohungen oder durch Zugzwang — das erstrebte Ziel zu erreichen. Indem man dabei vielerlei Versuche anstellt, gelangt 105
man dazu, die in der Position enthaltenen Möglichkeiten immer tiefer zu ergründen, bis schließlich das Auffinden der Lösung die Frucht allen Bemühens sein wird. — Näheres über diesen Fragenkomplex findet der Leser in dem bereits auf Seite 10 erwähnten Buch „Schachkompositionen". Die chronologische Reihenfolge, in der die folgenden 52 Studien (von 42 Verfassern) grundsätzlich angeordnet sind, vermittelt zugleich einen ungefähren Eindruck von dem historischen Werdegang der deutschen und österreichischen Studienkomposition. Den Anfang machen K L I N G und HORWITZ, die Begründer der modernen Studie, deren Anregungen zunächst besonders bei J. BERGER auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Um die Jahrhundertwende und zu Beginn dieses Jahrhunderts traten dann vor allem Dr. NEUSTADTL, KARSTEDT sowie die bekannten Problemkomponisten VON HOLZHAUSEN, SACKMANN und DEHLER hervor, auch Dr. L E W I T T kann noch in diesem Zusammenhang genannt werden. Unter den heutigen oder jedenfalls in die Gegenwart hineinragenden Studienkomponisten sind besonders Dr. W O T A W A , HERBERG, HEUÄCKER und BERNHARDT zu erwähnen. Die meisten anderen hier zu Worte gekommenen Verfasser haben sich nur vereinzelt mit Studien befaßt; viele von ihnen sind als Problemkomponisten oder Meister der Schachpartie bekannt geworden und haben — wie auch sonst noch mancher, der in dieser auf Vollständigkeit nicht bedachten Auswahl nicht zu finden ist — der Studie nur gelegentlich ihren Tribut gezollt. Zu denen, deren eigentliches Gebiet das Problemschach ist, gehört auch der Schreiber dieser Zeilen. Der Leser möge ihm deshalb nachsehen, daß er in den Lösungsbesprechungen öfters auf Fragen zu sprechen kommt, die das Verhältnis zwischen Studie und Schachproblem betreffen, wobei sich ihm vor allem eigene Kompositionen als Illustrationen anboten.
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III. J . BERGER
I. J . K L I N G u n d B . HORWITZ Chess Studies, 1851
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Theorie und Praxis der Endspiele, 1890
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Weiß macht remis
Weiß gewinnt I V . DT. H . NEUSTADTL Stratégie, 1897
I I . J . BERGER Chess Monthly, 1889
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8§
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Weiß gewinnt
Weiß gewinnt
/ endet mit einer pikanten Doppelwendung; man bedenke hier, daß nicht nur der Springer, sondern auch der Bauer einen Gabelangriff ausführen kann. In ihrer Not findet in II die tödlich bedrohte sD zwar noch ein Schlupfloch; von dort aus muß sie dann aber untätig zusehen, wie Weiß die Entscheidung auf einem anderen Teil des Schlachtfeldes herbeiführt.
rechten Flügel führen nicht rechtzeitig zum Ziel — nach einem starken Drohzug schaltet Weiß aber plötzlich um und erreicht das Remis auf sehr eigenartige Weise.
Der Ba6 kann in III nicht aufgehalten werden, und Bauernvorstöße auf dem
In IV kann Weiß nur durch ein Vorgehen seiner beiden Bauern gewinnen; der — hübsche — Schlüsselzug liegt deshalb nahe. Später muß Weiß dann aber nochmals „Studienhaft" spielen, was in zwei Abspielen echoartig geschieht. 107
V.
W . VON H O L Z H A U S E N
VII.
Berliner Lokalanzeiger, 1898
M.
KARSTEDT
Deutsches Wochenschach, 1904
Weiß macht remis
VI.
VIII.
W . VON H O L Z H A U S E N
Deutsches Wochenschach, 1909
M . KARSTEDT
Deutschet Wochenschach, 1911
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Weiß gewinnt
Die Umwandlung des a-Bauern läßt sich in V nicht verhindern; aber Turm und Springer sorgen dafür, daß die neuerstandene Dame nicht in Aktion tritt.
Ein neckisches Tauziehen der Läufer, bei dem schließlich dem schwarzen der Atem ausgeht, zeigt VII.
Wie aus einer Partie hervorgegangen wirkt VI; kurz und kräftig geht es zu, mit dem 3. Zug ist bereits alles zu Ende.
Einen weiten Umweg muß in VIII der weiße König ausführen, um das schon nah vor ihm liegende Ziel zu erreichen.
108
I X . O . DEHLER
XI.
Akad. Monatshefte f. Schach, 1908
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F . SACKMANN
Deutsche Schachblätter, 1909
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Weiß gewinnt
Weiß gewinnt
X . F . PLÖNNINGS
X I I . F. SACKMANN
Deutsche Schachzeitung, 1903
Akad. Monatshefte f. Schach, 1910
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WM
Weiß macht remis
Nicht leicht zu lösen wird IX sein: ein Pattmotiv rettet hier die schwarze Dame zwar vor dem Zugriff der weißen Kollegin, aber den Gabel- und Abzugsangriffen des wS kann Schwarz nur eine Zeitlang ausweichen.
X ist die wohl einfachste, aber sehr gelungene Darstellung einer hübschen Idee, und auch leicht zu lösen.
Weiß macht remis
In XI scheint der auf einem Umweg herangeführte sL im 2. Zug den wB aufgehalten zu haben, aber ein schöner weißer Zug macht dann alles zunichte. Daß zwei Türme überlastet sind, wenn sie neben ihrer eigentlichen Funktion auch noch ihre gegenseitige Deckung übernehmen müssen, wird in XII sehr schön demonstriert, und Weiß nutzt dies geschickt aus. 109
X I I I . H . RÜBESAMEN
X V . F. MÖLLER
Deutsche Schachblätter, 1913
Sydsvenska Dagbladet Snällposten, 1915 ehrende Erwähnung
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Weiß macht remis
X I V . D r . G . KISSLING Deutsches Wochcnschach, 1915
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