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German Pages 69 [72] Year 1959
Kleine Gesetzeskunde für die Krankenpflege
Von DR. O T T O H E L F E R Obermedizinalrat beim Senator f ü r Gesundheitswesen, Berlin
unter Mitarbeit von BERTA KABOTH Oberin am Stadt- Wenckebach-Krankenhaus, Berlin-Tempelhof
5., verbesserte und erweiterte Auflage
®
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. • B E R L I N 19 5 9
© Copyright 1955, 1957, 1959 by W a l t e r d e G r u y t e r Sc C o . , vormals G . J. Gösdien'sdie Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung
• Georg Reimer
• Karl J. Trübner
Veit k Comp. — Berlin W 35, Genthiner Straße 13 — Alle Redite, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photo medianischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung vorbehalten — Archiv-Nr.: 51 69 59 • Printed in Germany Satz und Drude: Thormann & Goetsch, Berlin-Neukölln
V o r w o r t zur 5. A u f l a g e Nachdem im September 1957 als Nachtrag zur 4. Auflage eine Einlage mit verschiedenen neuen Gesetzen und Verordnungen dem Buch beigefügt werden mußte, konnten nun in die 5. Auflage diese gesetzlichen Vorschriften eingearbeitet werden. Es wurden dabei auch die im Jahre 1958 erlassenen Gesetze über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten berücksichtigt sowie eine Anzahl notwendiger Änderungen und Ergänzungen auf Grund abgeänderter Bestimmungen. Wir bedauern, daß wir in dieser Auflage die in Vorbereitung befindlichen und noch nicht verabschiedeten Gesetze und Verordnungen, wie das Bundes-Atomgesetz und die Strahlenschutzverordnung, das Bundes-Seuchengesetz, die Reform zur Krankenversicherung und zur Unfallversicherung sowie das' neue Gesetz über die Tuberkulosehilfe noch nicht berücksichtigen können. Auch diese Bestimmungen sollen möglichst bald nach ihrer Verabschiedung und Veröffentlichung in unserem Buch erscheinen. An der Aufteilung und Abfassung der verschiedenen Kapitel wurde nichts geändert, da die kurzgefaßte sachliche Darstellung bisher immer begrüßt wurde. Wir hoffen nun, daß die „Kleine Gesetzeskunde für die Krankenpflege", nachdem sie nunmehr wieder auf den neuesten Stand der Gesetzgebung gebracht worden ist, auch weiterhin den Krankenpflegepersonen eine brauchbare Hilfe sein wird. Berlin, Februar 1959
Otto Berta
l'
Helfer Kaboth
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Inhalt Gesetz über die Ausübung des Berufs der Krankenschwester, des Krankenpflegers und der Kinderkrankenschwester (Krankenpflegegesetz) vom 15. 7.1957 Verordnung zur Abgrenzung der Berufstätigkeit der Hebammen von der Krankenpflege vom 19. 12. 1939
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Arbeitsrechtliche Bestimmungen und Arbeitszeit Arbeitsrecht Arbeitszeit — Tarifordnung der Krankenpflegepersonen (KrT) vom 2.12.1939
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Strafrechtliche Bestimmungen (StGB) Schweigepflicht Verlassen von Kranken, fahrlässige Tötung Körperverletzung Unterlassene Hilfeleistung Vergehen wider die Sittlichkeit Verbrechen wider das keimende Leben Abgabe von Gift oder Arzneien Auffinden und Beerdigung von Leichen Verletzung der Maßregeln zur Seuchenbekämpfung
12 14 14 14 15 15 15 15 15
Bürgerlich-rechtliche Bestimmungen (BGB) Rechtsfähigkeit Volljährigkeit Entmündigung Erbfähigkeit Geschäftsunfähigkeit Beschränkte Geschäftsfähigkeit Eingehung der Ehe Haftpflicht — Schadenersatz Das Testament Meldepflicht bei Geburts- und Todesfällen Totgeburten — Fehlgeburten
16 16 16 17 17 17 17 17 18 19 20
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Die
Sozialversicherung Sozialversicherungsgesetze — Allgemeines Krankenversicherung Unfallversicherung Rentenversicherung der Arbeiter Rentenversicherung der Angestellten
Der öffentliche Gesundheitsdienst Organisation Aufgaben Gesetze und Verordnungen zur Bekämpfung gemeingefährlicher und übertragbarer Krankheiten Preußisches Regulativ bei ansteckenden Krankheiten vom 8.8.1835 Reichsimpfgesetz vom 8.4.1874 Reichsseuchengesetz vom 30. 6.1900 Gesetz betr. die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 28.8.1905 Reichsgesetz zur Bekämpfung der Papageienkrankheit vom 3.7.1934 Verordnung über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 1.12.1938 Gesetz zur Ergänzung von Vorschriften über Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (SeuchenBekämpfungs-Ergänzungsgesetz) vom 8.11. 1951 Bazillenträger — Dauerausscheider Gesetz zur Bekämpfung vom 23. 7.1953
der
Geschlechtskrankheiten
Bekämpfung der Tuberkulose Krebsbekämpfung Fürsorgerechtliche Gesetze und Verordnungen Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht (Fürsorgepflichtverordnung) vom 13. 2.1924 Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt vom 9. 7.1922 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes vom 28. 8.1953 Gesetz über die Fürsorge für Körperbehinderte und von einer Köiperbehinderung bedrohte Personen (Körperbehindertengesetz) vom 27. 2.1957 Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mütter (Mutterschutzgesetz) vom 24.1.1952
Arznei- und Betäubungsmittel Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) vom 10.12.1929 Verordnung über das Verschreiben Betäubungsmittel enthaltender Arzneien und ihre Abgabe in den Apotheken vom 19.12.1930 Verkehr mit Lebensmitteln Reidisgesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen (Lebensmittelgesetz) v. 17. 1.1936 Verordnung zum Schutze gegen Infektion durch Erreger der Salmonella-Gruppe in Eiprodukten vom 17.12. 1956 Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes vom 21.12.1958 Reichsmilchgesetz vom 31. 7.1930 Verordnung gegen die Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch Personen in Lebensmittelbetrieben vom 17.4.1952 Desinfektion physikalische Maßnahmen diemisdie Maßnahmen Kurzer Uberblick Krankenpflege Abkürzungen
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über
die
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geschichtliche
Entwicklung
der
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Nocii im 19. Jahrhundert wurde die Krankenpflege vorwiegend von Angehörigen geistlicher Organisationen, in geringerem Umfange auch von weltlichen Genossenschaften ausgeübt. Nach dem Erlaß der Gewerbeordnung im Jahre 1869, die eine Berufsfreiheit sicherte, befaßten sich auch viele andere Personen mit der Ausübung der Krankenpflege, bis zum Anfang dieses Jahrhunderts B e r u f s o r g a n i s a t i o n e n der K r a n k e n s c h w e s t e r n die Einführung einer staatlich geregelten Ausbildung forderten. So entstanden 1907 die „Vorschriften über die staatliche Prüfung von Krankenpflegepersonen", die eine einjährige Ausbildung mit Prüfungsabschluß vorsahen. Eine wesentliche Änderung trat jedoch hierdurch nicht ein, da der Grundsatz der Berufsfreiheit bestehen blieb. Erst 1938 wurde durch das Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege die Berufsfreiheit in der Krankenpflege aufgehoben und die berufsmäßige Ausübung von der Ablegung der staatlichen Krankenpflegeprüfung abhängig gemacht. Diese gesetzlichen Bestimmungen waren bis zum Juli 1957 gültig. Mit Wirkung vom 15. 7. 1957 hat der Bundestag das Gesetz über die Ausübung des Berufs der Krankenschwester, des Krankenpflegers und der Kinderkrankenschwester (Krankenpflegegesetz) (BGBl. I S. 716) beschlossen, das vom Berliner Abgeordnetenhaus am 26. 7. 1957 übernommen wurde (GVB1. S. 855). Die §§ 1—5 dieses Gesetzes regeln die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnungen „Krankenschwester", „Krankenpfleger" und „Kinderkrankenschwester", soweit die Krankenpflege unter einer dieser Berufsbezeichnungen ausgeübt wird (§ 1 Abs. 1). Die Krankenpflege dieses Gesetzes umfaßt auch die Geisteskrankenpflege (§ 1 Abs. 2). 2«
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Die Ausbildung dauert insgesamt drei Jahre und erfolgt an staatlich anerkannten Krankenpflege- und Kinderkrankenpflegeschulen und in Anstalten, die unter der Aufsicht der Leitung der Krankenpflege- oder Kinderkrankenpflegeschule stehen und zur Ausbildung ermächtigt sind (§ 6 und § 12). Voraussetzung zur Teilnahme an einem Lehrgang sind: 1. Vollendung des 18. Lebensjahres; 2. abgeschlossene Volksschulbildung oder eine gleichwertige Schulbildung; 3. körperliche Eignung zur Ausübung des Berufs durch Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses; 4. einjährige hauswirtschaftliche Tätigkeit in eigener oder fremder Familie, in einer geeigneten Anstalt, einer hauswirtschaftlichen Schule oder einer Schwesternvorschule (§ 8).
Die Lehrgänge in der Krankenpflege und Kinderkrankenpflege dauern je zwei Jahre. Verkürzung um sechs bis zwölf Monate durch Anrechnung berufsverwandter Ausbildung ist vorgesehen (§ 9). Unterbrechung des Lehrgangs durch Ferien bis zu vier Wochen jährlich und wegen Erkrankung bis zur Gesamtdauer von zehn Wochen werden angerechnet (§ 10). Im § 11 Abs. 1 und 2 werden die einzelnen Lehrfächer aufgeführt. Die Lehrgänge umfassen theoretischen und praktischen Unterricht, der theoretische Unterricht umfaßt mindestens 400 Unterrichtsstunden (§ 11 Abs. 3). Im Anschluß an den zweijährigen Lehrgang ist die einjährige praktische Tätigkeit an derselben Krankenpflege- oder Kinderkrankenpflegeschule abzuleisten (§ 12). Die erfolgreiche Teilnahme an dem Lehrgang ist durch eine Prüfung vor staatlichen Prüfungsausschüssen nachzuweisen. Die Prüfung kann auch mit Genehmigung der Verwaltungsbehörde nach Ableistung der praktischen Tätigkeit abgelegt werden (§ 13). Der Bundesminister des Innern erläßt durch 8
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Ausbildungs- und Prüfungsordnungen (§ 14), die z. Z. in Vorbereitung sind; mit dem Erlaß der Prüfungsordnung ist im Sommer 1959 zu rechnen. Mit Gefängnis bis zu drei Monaten .und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer ohne die Erlaubnis nach § 1 zu besitzen, die Berufsbezeichnung „Krankenschwester" oder „Krankenpfleger" oder „Kinderkrankenschwester" führt und wer die Berufsbezeichnung „Säuglingsund Kinderschwester" führt, ohne als solche vor Inkrafttreten dieses Gesetzes staatlich anerkannt worden zu sein (§ 16). In den Übergangs- und Schlußbestimmungen ist festgelegt, daß eine vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilte staatliche Anerkennung als Krankenschwester oder Krankenpfleger oder Säuglings- und Kinderschwester als Erlaubnis nach § 1 gilt (§ 17 Abs. 1). Ferner ist sichergestellt, daß Personen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes die Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege mindestens fünf Jahre an einer Anstalt, die vom Gesundheitsamt überwacht wird, ausgeübt haben, ohne Teilnahme an einem Lehrgang zur Prüfung zugelassen werden, wenn sie sich binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Prüfung melden (§ 17 Abs. 2). Geisteskrankenpfleger und Geisteskrankenpflegerinnen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes mindestens zehn Jahre in der Geisteskrankenpflege tätig sind und eine Prüfung in der Geisteskrankenpflege abgelegt haben, erhalten die Erlaubnis nach § 1 ohne die vorgeschriebene Ausbildung und Prüfung, falls sie dies binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beantragen und kein Versagungsgrund nach § 3 (Fehlen der bürgerlichen Ehrenrechte, schwere Verfehlungen, körperliche Gebrechen) vorliegt. Sind solche Personen erst fünf Jahre in der Geisteskrankenpflege tätig, gilt das zu § 17 Abs. 2 Gesagte entsprechend (§ 17 Abs. 3). 9
Den Sanitätsdienstgraden der Bundeswehr u n d d e n Sanitätsbeamten des Bundesgrenzschutzes kann nach einer die gesamte Ausbildung abschließenden P r ü f u n g u n d einer anschließenden mindestens dreijährigen Dienstzeit im Sanitätsdienst die Erlaubnis nach § 1 erteilt werden, w e n n die Entlassung aus dem Dienst der Bundeswehr oder des Bundesgrenzschutzes nicht länger als zwei Jahre zurückliegt u n d kein Versagungsgrund nach § 3 vorliegt (§ 20). Am T a g e nach der Verkündung dieses Gesetzes traten u. a. außer Kraft: 1. das Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege vom 28. 9. 1938 (RGBl. I S. 1309), 2. die Krankenpflegeverordnung vom 28. 9. 1938 (RGBl. I S. 1310) in der Fassung vom 8. 12. 1942 (RGBl. I S. 678), 3. die Ausführungsverordnung vom 28. 9. 1938 (RGBl. I S. 1314), 4. die Ergänzungsverordnung vom 28. 9. 1938 (RGBl. I S. 1320), 5. die Verordnung zur Änderung der ersten und zweiten Verordnung über die berufsmäßige Ausübung der Krankenpflege und der Errichtung von Krankenpflegesdiulen vom 15.9.1939 (RGBl. I S. 1823), 6. die Verordnung zur Ergänzung der Krankenpflegeverordnung vom 6. 1. 1943 (RGBl. I S. 5), 7. die Säuglings- und Kinderpflegeverordnung vom 15. 11. 1939 (RGBl. I S. 2239) in der Fassung der Verordnung vom 19. 6. 1940 (RGBl. I S. 941), 8. die Säuglings- und Kinderpflege-Ausführungsverordnung vom 15. 11. 1939 (RGBl. I S. 2244), 9. die Verordnung zur Änderung der ersten und zweiten Verordnung über die berufsmäßige Ausübung der Säuglings- und Kinderpflege und die Errichtung von Säuglings- und Kinderpflegeschulen vom 23. 11. 1942 (RGBl. I S. 661). Hinsichtlich einer Abgrenzung der Berufstätigkeit der Kranken-, Säuglings- und Kinderschwestern gegenüber den H e b a m m e n wurde die „ V e r o r d n u n g z u r A b g r e n z u n g d e r B e r u f st ä t i gk e it der H e b a m m e n von der Krank e n p f l e g e " vom 19. 12. 1939 (RGBl. I S. 2458) erlassen. 10
Eine staatliche Anerkennung als Kranken-, Säuglings- und Kinderschwester und eine solche als Hebamme schließen sich gegenseitig aus (§ 1). Nach § 1 Abs. 2 dieser Verordnung erlischt mit der Anerkennung der Hebamme für diese die Berechtigung, als Kranken-, Säuglings- und Kinderschwester tätig zu sein. Bei einem Berufswechsel kann diese jedoch wieder erteilt werden, wobei die Anerkennung als Hebamme für ungültig erklärt wird. Außerdem dürfen Kranken-, Säuglings- und Kinderschwestern keine Pflege einer gesunden Wöchnerin oder eines gesunden Neugeborenen übernehmen, wenn sie in den letzten 3 Tagen vor Übernahme der Wochenpflege krankenpflegerische Tätigkeit ausgeübt haben (§ 2). Verstöße hiergegen können mit Gefängnis und Geldstrafen bestraft werden (§4). Arbeitsrechtliche Bestimmungen und Arbeitszeit Im allgemeinen sind Krankenpflegepersonen auf Grund eines Dienstvertrages tätig und stehen im AngestelltenVerhältnis. Für den Dienstvertrag gelten die Bestimmungen der §§ 611 bis 630 BGB. Der Dienstvertrag gewährt für eine vereinbarte Arbeitsleistung eine vereinbarte Vergütung. Das Dienstverhältnis kann beiderseits gelöst werden, ein befristetes Arbeitsverhältnis endet von selbst und bedarf keiner Kündigung. Eine Kündigungsfrist muß eingehalten werden bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auf Grund der Vereinbarungen des Dienstvertrages bzw. der Tarifordnungen. Eine fristlose Kündigung kann jedoch erfolgen bei Vorliegen eines „wichtigen Grundes" (§ 626 BGB) z. B. bei vertragswidrigem Verhalten, bei dienstlichen Vergehen, bei unsittlichem Verhalten usw. Für Krankheitsfall, Urlaub und Arbeitszeit bestehen die Bestimmungen der verschiedenen Tarifordnungen, insbesondere für die in den Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten der Länder, der Gemeinden und der Träger der Reichsversicherung beschäftigten Krankenpflegepersonen die Tarifordnung (KrT) 11
vom 2. 12. 1939 (RArbBl. 1940 IV S. 73). Hinsichtlich der im § 3 abgehandelten Arbeitszeit von höchstens 60 Stunden wöchentlich wird ergänzend ausgeführt, daß in der Allgemeinen Tarifordnung für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst (Okt. 1938) im § 8 die Arbeitszeit auf 48 Stunden festgesetzt ist. Neben diesen unmittelbaren Dienstverhältnissen gibt es eine große Gruppe von Krankenpflegepersonen, die in ein mittelbares Dienstverhältnis treten. Hierunter fallen vor allem Angehörige der RK-Schwesternschaften und der Diakonievereine, für die die Mutterhäuser einen Dienstleistungsvertrag z. B. mit den Krankenhausverwaltungen abschließen, so daß in diesen Fällen die einzelnen Schwestern selbst keine Verträge abschließen. Hier haben die Schwestern nach einer bestehenden Dienstordnung Ansprüche gegenüber dem Mutterhaus, dem sie auch disziplinar unterstellt sind. Im übrigen gibt es noch Tarifordnungen für das Hilfspersonal bei Medizinalpersonen, für die dem deutschen Caritasverband angeschlossenen Anstalten und für Anstalten und Einrichtungen der Inneren Mission der deutschen evangelischen Kirche. Strafrechtliche Bestimmungen Das S t r a f g e s e t z b u c h ( S t G B ) enthält die gesetzliche Regelung des Strafrechts. Es stellt die Tatbestände fest, die der Staat als strafbar ansieht und bestimmt Art und Maß der anzuwendenden Strafen. 1. S c h w e i g e p f l i c h t Krankenpflegepersonen müssen, um das uneingeschränkte Vertrauen der Kranken zu besitzen, verschwiegen sein. Diese Forderung ist durch Schaffung gesetzlicher Bestimmungen zur Pflicht geworden. § 300 SlGB bedroht neben anderen Berufsträgern auch den Arzt, Zahnarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, bei Verletzung der Schweigepflicht mit 12
Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit einer Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen (drittes Strafänderungsgesetz vom 4. 8. 1953, BGBl. I S. 735 und vom 10. 8. 1953, GVB1. S. 758). Unter die Schweigepflicht fallen z. B. Mitteilungen eines Kranken oder seiner Angehörigen zu der Vorgeschichte des Krankheitsfalles oder dem Inhalt von Krankengeschichten einschl. der Untersuchungsergebnisse, Diagnosen, Operationsergebnisse usw. Das Berufsgeheimnis und die Schweigepflicht des Krankenpflegepersonals erstrecken sich nicht nur auf die Angelegenheiten des Kranken, sondern auch auf die seiner Angehörigen und des Arztes. Das Berufsgeheimnis, das die Schweigepflicht einschließt, umfaßt nicht nur Mitteilungen, die der Kranke und seine Angehörigen der Krankenschwester oder dem Krankenpfleger gemacht haben, sondern auch eigene Wahrnehmungen. Ohne Erlaubnis und ausdrückliche Entbindung von der Schweigepflicht durch den Kranken oder seinen gesetzlichen Vertreter dürfen Pflegepersonen niemandem, auch nicht den nächsten Angehörigen (Ehegatten) und auch nicht vor Gericht Mitteilungen über Krankheitszustände oder sonstige Wahrnehmungen machen, durch deren Bekanntwerden der Kranke Nachteile erleiden könnte. Abgesehen von der Bedrohung mit Geld- und Gefängnisstrafe droht der Pflegeperson auch noch eine Zivilklage auf Ersatz des Schadens, der dem Betreffenden durch die unbefugte Preisgabe des Berufsgeheimnisses gegebenenfalls entsteht. Es liegt jedoch keine unbefugte Offenbarung des Berufsgeheimnisses vor, a) wenn sie in Erfüllung einer Rechtspflicht erfolgt, wie die Anzeigepflicht zur Verhinderung von Verbrechen (§§ 138, 139 StGB) und der gesetzlichen Meldepflicht über anstekkende Krankheiten, 13
b) wenn das Wissen über den Kranken dem behandelnden Arzt mitgeteilt wird, c) wenn die Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen eine Offenbarung erfordert, wie z. B. zur Verteidigung vor Gericht, d) wenn der Betroffene die Krankenpflegeperson von der Schweigepflicht entbindet. Im Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten bestehen entsprechende Strafbestimmungen. 2. S o n s t i g e s t r a f r e c h t l i c h e
Bestimmungen
a) V e r l a s s e n v o n K r a n k e n , F a h r l ä s s i g e T ö t u n g Nach §§ 221 und 222 StGB wird mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten bestraft, wer eine wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder Krankheit hilflose Person, die seiner Betreuung anvertraut ist, in hilfloser Lage vorsätzlich verläßt oder durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht. Bei Krankenpflegepersonen, die zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sind, ist eine höhere Gefängnisstrafe zu erwarten. b) K ö r p e r v e r l e t z u n g Die §§ 223—230 StGB umfassen die Bestimmungen über vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung, die in schwersten Fällen sogar Zuchthausstrafen vorsehen. c) U n t e r l a s s e n e H i l f e l e i s t u n g Nach § 330 c StGB wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not keine Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten ist ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten. 14
d) V e r g e h e n w i d e r d i e S i t t l i c h k e i t Mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten werden nach § 174 StGB u. a. Medizinalpersonen bestraft, die in Gefängnissen oder Anstalten zur Pflege von Kranken beschäftigt oder angestellt sind, wenn sie mit den zu betreuenden Personen unsittliche Handlungen vornehmen. e) V e r b r e c h e n w i d e r d a s k e i m e n d e L e b e n Der § 218 StGB bestimmt, daß eine Frau, die ihre Leibesfrucht abtötet oder die Abtötung durch einen anderen zuläßt, mit Gefängnis, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft wird. Mit den gleichen Strafen wird derjenige belegt, der die Abtötung vornimmt. Auch der Versuch ist strafbar. Ebenso ist die Bekanntmachung oder Abgabe von Abtreibungsmitteln strafbar. f) A b g a b e v o n G i f t o d e r A r z n e i e n Nach § 367 StGB Ziff. 3 u. 6 wird mit Geldstrafe bis zu 150,— DM oder Haft bestraft, wer ohne polizeiliche Erlaubnis Gift oder Arzneien — soweit der Handel mit ihnen nicht freigegeben ist — anderen überläßt sowie feuergefährliche und leicht entzündbare Materialien ohne Absonderung aufbewahrt. g) A u f f i n d e n u n d B e e r d i g u n g v o n L e i c h e n Mit Geldstrafe bis zu 150,— DM oder Haft kann nach § 367 StGB Ziff. 1 und 2 bestraft werden, wer ohne Wissen der Behörde einen Leichnam beerdigt oder beiseite schafft, besonders wenn Vermutungen vorliegen, daß jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist. Hierbei sind die polizeilichen und behördlichen Vorschriften zu beachten. h) V e r l e t z u n g d e r M a ß r e g e l n z u r S e u c h e n b ekämpfung Nach § 327 StGB wird mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu 2 Jahren bestraft, wer gegen Absperrungsvorschriften oder 15
Einfuhrverbote, die behördlich zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit angeordnet wurden, wissentlich verstößt. Bürgerlich-rechtliche Bestimmungen I. A l l g e m e i n e Bestimmungen Das B ü r g e r l i c h e G e s e t z b u c h ( B G B ) umfaßt die bürgerlichen Rechtsverhältnisse, insbesondere die Ordnung der Rechtsbeziehungen und Interessen des einzelnen im Verhältnis zum Mitmenschen, gegenüber dem öffentlichen Recht, das die Interessen des Staates und sonstiger Gemeinwesen regelt. 1. R e c h t s f ä h i g k e i t (§ 1) Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt. 2. V o l l j ä h r i g k e i t
(§§ 2 u. 3)
Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 21. Lebensjahres ein. Ein Minderjähriger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, kann durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts für v o l l j ä h r i g e r k l ä r t werden. Durch die V o l l j ä h r i g k e i t s e r k l ä r u n g erlangt der Minderjährige die rechtliche Stellung eines Volljährigen. 3. E n t m ü n d i g u n g
(§6)
Entmündigt kann werden: a) wer infolge von Geisteskrankheit oder von Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag; b) wer durch Verschwendung sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt; c) wer infolge von Trunksucht seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der 16
Gefahr des Notstandes anderer gefährdet. 4. E r b f ä h i g k e i t
aussetzt
oder
die
Sicherheit
(§ 1923)
Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des Erbfalles lebt. Wer zur Zeit des Erbfalles noch nicht lebte, aber bereits erzeugt war, gilt als vor dem Erbfalle geboren, ist also erbfähig. 5. G e s c h ä f t s u n f ä h i g k e i t
(§ 104)
Geschäftsunfähig ist: a) wer nicht das 7. Lebensjahr vollendet hat; b) wer sich in einem die freie Willensäußerung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist; c) wer wegen Geisteskrankheit entmündigt ist. 6. B e s c h r ä n k t e G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t (§ 106) Ein Minderjähriger, der das 7. Lebensjahr vollendet hat, ist in der Geschäftsfähigkeit beschränkt. 7. E i n g e h u n g d e r E h e ( § 1 des Ehegesetzes vom 20. 2.1946) Ein Mann soll nicht vor dem Eintritt der Volljährigkeit, eine Frau nicht vor der Vollendung des 16. Lebensjahres eine Ehe eingehen. Dem Mann und der Frau kann Befreiung von dieser Vorschrift bewilligt werden, dem Manne jedoch nur dann, wenn er das 18. Lebensjahr vollendet hat und nicht mehr unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht. II. B e s o n d e r e
Bestimmungen
1. H a f t p f l i c h t
—
Schadenersatz
Verstößt eine Krankenpflegeperson gegen die Sorgfalts- und Aufsichtspflicht, so kann dies neben strafrechtlichen auch zivilrechtliche Folgen haben. Der § 823 BGB verpflichtet den17
jenigen, der vorsätzlich oder fahrlässig Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstiges Recht eines anderen verletzt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens. Fahrlässigkeit liegt beim Außerachtlassen der Sorgfaltspflicht vor, z. B. bei Verwechslung oder falscher Dosierung und Verabreichung von Arzneimitteln ohne ärztliche Anordnung, bei Eintragung fingierter Messungen auf der Fiebertabelle, Verbrennung durch Heizkissen, Wärmeflaschen usw. Nach § 832 BGB ist zum Schadenersatz verpflichtet, wer seiner Aufsichtspflicht kraft Gesetzes über minderjährige oder geistig und körperlich Kranke nicht genügt, insbesondere wenn Dritten widerrechtlich Schaden zugefügt wird, wodurch bei Verletzung des Körpers und der Gesundheit auch Anspruch auf „Schmerzensgeld" gemäß § 847 BGB erhoben werden kann. 2. D a s T e s t a m e n t (Gesetz v. 31. 7.1938, RGBl. I S. 973) Ein Testament kann nur vom Erblasser errichtet werden, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat. Bis zum 21. Lebensjahr muß der gesetzliche Vertreter der Errichtung des Testaments zustimmen. Der Erblasser darf nicht entmündigt oder wegen Geistesschwäche oder Bewußtseinsstörung außerstande sein, die Bedeutung seiner Willenserklärung zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln. Ein Testament wird errichtet: a) vor einem Notar oder Richter; b) durch eine vom Erblasser eigenhändig geschriebene und mit Vor- und Familiennamen unterschriebene Erklärung, die Datum und Ortsangabe tragen muß; c) als Nottestament vor dem Bürgermeister der zuständigen Gemeinde, falls die Errichtung eines Testaments vor einem Richter oder einem Notar nicht rechtzeitig möglich ist. Der Bürgermeister muß zwei Zeugen hinzuziehen; d) in besonderen Fällen bei Vorliegen außerordentlicher Umstände und wenn nahe Todesgefahr besteht, durch eine 18
mündliche Erklärung vor drei Zeugen, die nicht der Ehegatte oder Verwandte oder Verschwägerte des Erblassers sein dürfen, auch nicht der im Testament Bedachte. In diesem Falle muß eine Niederschrift angefertigt werden. e) Ein Nottestament (c u. d) gilt als n i c h t errichtet, wenn seit seiner Errichtung 3 Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt. f) Ein gemeinschaftliches Testament kann nur von Ehegatten errichtet werden, das beide eigenhändig unterschreiben müssen. Wenn Krankenpflegepersonen ein Testament von einem Patienten zur Aufbewahrung erhalten haben, sind sie verpflichtet, dieses sofort nach dem Tode des Erblassers dem Nachlaßgericht zu übergeben. 3. M e l d e p f l i c h t b e i G e b u r t s - u. T o d e s f ä l l e n (Personenstandsgesetz in der Fassung vom 8.8.1957, BGBl. I S. 1125, GVBl. S. 1021) a) G e b u r t e n Binnen einer Woche muß die Geburt eines Kindes dem Standesbeamten, in dessen Bezirk die Geburt erfolgte, angezeigt werden. Zur Anzeigepflicht sind in nachstehender Reihenfolge verpflichtet: 1. Der eheliche Vater, 2. die Hebamme, die bei der Geburt zugegen war, 3. der Arzt, der bei der Geburt zugegen war oder von der Geburt aus eigener Wissenschaft unterrichtet ist, 4. jede andere Person, die bei der Geburt zugegen war, und 5. die Mutter, sobald sie dazu imstande ist. Demnach sind Krankenpflegepersonen zur Anzeige nur verpflichtet, wenn keine der unter 1—3 genannten Personen dazu in der Lage ist. 19
Bei der Anzeige der Geburt sind anzugeben: 1. Die Vor- und Familiennamen der Eltern, ihr Beruf und Wohnort sowie im Falle ihres Einverständnisses ihr religiöses Bekenntnis, 2. Ort, Tag und Stunde der Geburt, 3. Geschlecht des Kindes, 4. die Vornamen des Kindes, 5. Vor- und Familienname des Anzeigenden, sein Beruf und Wohnort. Die Geburten in Anstalten werden durch den Leiter der Anstalt oder ausdrücklich dazu ermächtigte Angestellte dem Standesamt angezeigt. b) S t e r b e f ä l l e Der Tod eines Menschen muß dem Standesbeamten, in dessen Bezirk er gestorben ist, spätestens am folgenden Werktage angezeigt werden. Zur Anzeige in nachstehender Reihenfolge sind verpflichtet: 1. Das Familienhaupt, 2. derjenige, in dessen Wohnung sich der Sterbefall ereignet hat, 3. jede Person, die beim Tode zugegen war oder vom Sterbefall aus eigener Wissenschaft unterrichtet ist. Bei der Anzeige des Todesfalles sind anzugeben: 1. Vor- und Familienname des Verstorbenen, sein Beruf und Wohnort, Ort und Tag seiner Geburt sowie im Falle des Einverständnisses des Anzeigenden sein religiöses Bekenntnis; 2. Vor- und Familienname des Ehegatten oder ein Vermerk, daß der Verstorbene nicht verheiratet war; 3. Ort, Tag und Stunde des Todes; 20
4. Vor- und Familienname des Anzeigenden, sein Beruf und Wohnort. öffentliche Anstalten können die Anzeige schriftlich nach amtlichem Vordruck erstatten. Gemäß § 29 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes vom 12. 8.1957 (BGBl. I S. 1139, GVB1. S. 1030) gilt ein Kind im Sinne des § 24 des Personenstandsgesetzes als t o t g e b o r e n oder in der Geburt verstorben, wenn bei ihm nach der Scheidung vom Mutterleib weder das Herz geschlagen noch die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat, die Leibesfrucht jedoch wenigstens 35 cm lang ist. Hatte die Atmung jedoch eingesetzt, so gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Anzeige und Eintragung von Geburten. F e h l g e b u r t e n sind totgeborene Früchte, die weniger als 35 cm lang sind. Eine Beurkundung in den Personenstandsbüchern findet nicht statt. Die Sozialversicherung Die deutsche Sozialversicherung ist eine öffentlich-rechtliche Z w a n g s v e r s i c h e r u n g für die Gruppen der Bevölkerung, die gegenüber Notlagen des Lebens (Krankheit, Invalidität, Unfall, Alter, Tod des Ernährers, Berufsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit) keinen Rückhalt besitzen. Die Sozialversicherungsgesetze geben dem Versicherten und seinen Angehörigen einen R e c h t s a n s p r u c h auf die gesetzlich vorgeschriebenen oder durch Satzungen der Versicherungsträger festgelegten Leistungen im Falle eines derartigen Notstandes. Neben der Bestrebung — zu unterstützen — soll die Sozialversicherung auch eine umfassende Gesundheitsfürsorge (Frühbehandlung, Erfassung Gesundheitsgefährdeter, Förderung der Körperpflege und gesundheitsgemäße Lebensfüh3
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rung) zu ihren Aufgaben zählen. Sie soll also nicht nur gesundheitliche Schäden ausgleichen, sondern auch für die Vorbeugung gegen diese Schäden sorgen. In der Bezeichnung „Versicherungspflicht" äußert sich als Hauptmerkmal ihr Zwangscharakter, wonach bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen der Versicherungspflichtige unabhängig von seinem Willen versichert ist. Die Mittel werden durch die Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber neben Gewährung von Staatszuschüssen aufgebracht. Die gesetzliche Regelung der Sozialversicherung geht zurück auf die Kaiserliche Botschaft vom 17. 11. 1881. Die einzelnen Gesetze über die verschiedenen Versicherungen ( K r a n k e n - , U n f a l l - , I n v a l i d i t ä t s - und Altersversicher u n g ) wurden 1911 in der R V O zusammengefaßt. Daneben wurde für die Angestellten das A n g e s t e l l t e n v e r s i c h e r u n g s g e s e t z geschaffen. Neben einer K n a p p s c h a f t s v e r s i c h e r u n g für den Bergbau gibt es seit 1927 noch die A r b e i t s l o s e n v e r s i c h e r u n g . Maßgeblich hierfür ist z. Z. das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom' 2 3 . 1 2 . 1 9 5 6 (BGBl. I S. 1018, GVB1. 1957 S. 93) sowie verschiedene hierzu ergangene Rechtsverordnungen. Zur Anpassung der Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge wurde 1949 das S o z i a l versicherungsanpassungsgesetz erlassen, das —• inzwischen ergänzt durch Ländergesetze und seit 3. 12. 1950 auch in Berlin übernommen (VOB1. S. 542) •— neben wesentlichen Verbesserungen der Rentenleistungen eine Erhöhung der Beiträge gebracht hat. 1957 wurden Gesetze zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten sowie zur Neuregelung der knappschaftlichen Rentenversicherung erlassen. Die Sozialversicherungslasten erhöhten sich für den Arbeitnehmer jedoch im allgemeinen nicht, da die Versicherungsbeiträge jetzt von einzelnen 22
Ausnahmen abgesehen je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen werden (früher Arbeitnehmer V3). In der Ostzone und in Berlin wurde 1945 durch die Besatzungsbehörde eine Einheitsversicherung geschaffen, die sowohl Krankenversicherung als auch Renten- und Unfallversicherung umfaßt. Die auch in Westberlin zunächst vorhanden gewesene Einheitsversicherung (VAB) hatte später eine Auflockerung in Anlehnung an die Verhältnisse im Bundesgebiet erfahren, so daß vor allem eine Trennung in KVAB und LVAB unter Berücksichtigung von Versicherungsgrenzen herbeigeführt wurde. Im Jahre 1953 wurden zur Ergänzung der Reichsversicherungsordnung das S o z i a l g e r i c h t s g e s e t z und das A r b e i t s g e r i c h t s g e s e t z erlassen, die beide seither kleinere Gesetzesänderungen erfahren haben. Während das Sozialgerichtsgesetz die Schaffung ordentlicher Gerichte für Streitfälle aus der Kranken- und Angestelltenversicherung vorsieht, sind durch das Arbeitsgerichtsgesetz ordentliche Gerichte für Streitfälle aus der Arbeitslosenversicherung geschaffen worden. Durch das Gesetz zur Einführung der Selbstverwaltung auf dem Gebiete der Sozialversicherung und Angleichung des Rechts der Krankenversicherung im Land Berlin (Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungs-Angleichungsgesetz — SKAG Berlin —) vom 26.12.1957 (BGBl. I S. 1883, GVB1. 1958, S. 65) wurde die KVAB in eine Ortskrankenkasse im Sinne des § 225 der RVO umgebildet. Sie erhielt die Bezeichnung „Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin". Zugleich wurde den seit 1945 in Berlin stillgelegten Betriebs- und Innungskrankenkassen die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit ermöglicht. I. Die K r a n k e n v e r s i c h e r u n g hat die Aufgabe, Versicherte und ihre Angehörigen gegen Krankheit und dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit mit dem 3*
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Ziel der Wiederherstellung zu schützen und für diese Zeit wirtschaftlich zu unterstützen. Die Versicherungsträger sind in diesem Fall die Krankenkassen (Allgemeine Ortskrankenkasse, Betriebs-, Innungs- und Seekrankenkassen sowie Ersatzkassen). V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t ig sind nach § 165 RVO alle Personen, die in einem untergeordneten abhängigen Arbeitsverhältnis stehen, soweit nicht der Jahresarbeitsverdienst bestimmte Grenzen übersteigt (9000 DM). Sie müssen vom Arbeitgeber binnen 3 Tagen nach Beginn und Ende der- Beschäftigung bei der zuständigen Krankenkasse an- bzw. abgemeldet werden. V e r s i c h e r u n g s f r e i nach dem Gesetz sind u. a. vorübergehend Beschäftigte, in Ausbildung stehende Personen, Ehegatten, Beamte, Schwestern vom Roten Kreuz, Schulschwestern u. ä. Personen, wenn sie überwiegend gemeinnützig tätig sind und nicht mehr als freien Unterhalt oder geringes Entgelt beziehen. Diese Personen sind aber v e r s i c h e r u n g s b e r e c h t i g t , soweit ihr Einkommen nicht 9000 DM im Jahr übersteigt. Versicherte und Arbeitgeber tragen die Beiträge je zur Hälfte, freiwillig Versicherte zahlen ihren Beitrag jedoch allein. Die Beiträge betragen in der Regel 6 v. H. des Grundlohns. Die Krankenkassen gewähren unterschiedliche Versicherungsleistungen, getrennt nach Regel-, Ersatz- und Mehrleistungen. Regelleistungen : 1. K r a n k e n h i l f e für 26 Wochen; sie besteht in ärztlicher Behandlung, Lieferung von Arzneimitteln, Brillen, Bruchbändern und kleineren Heilmitteln. 2. K r a n k e n g e l d bei Arbeitsunfähigkeit in Höhe des halben Grundlohns. Es wird nach dem „Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung im Krankheitsfalle" vom 26. 6. 1957 (BGBl. I S. 649, GVB1. 24'
S. 729) für die ersten 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit von 5 0 % auf 6 5 % erhöht. Dazu treten für diese Zeit Familienzuschläge von 4 v. H. für einen und 3 v. H. für jeden weiteren Angehörigen. Von den bisher 3 Karenztagen kommt einer in Wegfall. Audi die restlichen 2 Karenztage fallen weg, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 2 Wochen dauert oder auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit beruht. Bei Krankenhauspflege wird ein Hausgeld gezahlt, das 25 v. H. des Krankengeldes beträgt und sich bei Vorhandensein von Angehörigen evtl. bis zum Betrag des Krankengeldes erhöhen kann. 3. W o c h e n h i l f e für weibliche Versicherte, die in den letzten 2 Jahren vor der Niederkunft mindestens 10 Monate, im letzten Jahr mindestens 6 Monate versichert waren; Hebammenhilfe, Wochengeld für 10 Wochen und Stillgeld für 12 Wochen. 4.
S t e r b e g e l d beim Tode des Versicherten in Höhe des 20fachen Grundlohns.
5.
Familienhilfe für Ehegatten und Kinder Wochenhilfe der Ehefrau und Töchter.
sowie
E r s a t z l e i s t u n g e n : An Stelle von Krankengeld (ärztliche Behandlung und Krankengeld) k a n n die Krankenkasse Krankenhauspflege gewähren, für Wochenhilfe sinngemäß Entbindungsanstaltspflege. M e h r l e i s t u n g e n : Verlängerung der Krankenhilfe, Erhöhung von Krankenhaus-, Entbindungs-, Still- und Sterbegeld, Verlängerung der Bezugsdauer usw. Der Versicherungsanspruch wird geltend gemacht durch das Lösen des K r a n k e n s c h e i n s und die Inanspruchnahme eines approbierten Arztes, Zahnarztes oder Dentisten, der von der Krankenkasse zugelassen ist. Die Krankenkasse bedient 25
sich bestimmter Vertrauensärzte und Kontrollpersonen, die die Arbeitsunfähigkeit überwachen. Eine Reform der Krankenversicherung befindet sich zur Zeit in Vorbereitung. II. Die U n f a l l v e r s i c h e r u n g hat die Aufgabe, Versicherte und ihre Angehörigen gegen Unfall und Berufskrankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung während der Erwerbsunfähigkeit oder nach dem Tod zu sichern. Als Versicherungsträger treten im allgemeinen B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n auf, und zwar für Krankenpflegepersonen die B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Zu dem großen Kreis der V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e n gehören u. a. alle auf Grund eines Dienst-, Arbeitsoder Lehrverhältnisses Beschäftigten und die im Gesundheitsund Veterinärwesen sowie in der Wohlfahrtspflege tätigen Personen und alle Beschäftigten in unfallgefährdeten Betrieben. Auf Grund der Verordnung über die Errichtung der Eigenunfallversicherung Berlin vom 4. 3. 1954 (GVB1. S. 85) wurde zur Durchführung der Unfallversicherung, für die Berlin Träger ist, die Eigenunfallversicherung Berlin errichtet. Alle in öffentlichen Behörden, Dienststellen, Körperschaften, Anstalten, Betrieben usw. des Landes Berlin auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten sind kraft Gesetzes gegen die Folgen von Arbeitsunfällen und "entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten bei der Eigenunfallversicherung (EUV) versichert. Alle anderen Personen sind bei den fachlich zuständigen Berufsgenossenschaften versichert. V e r s i c h e r u n g s f r e i sind Beamte, Rechtsanwälte, Ärzte und Angestellte, soweit ihnen Unfallfürsorge auf Lebzeiten gewährt ist, außerdem Schwestern von Diakonissen- oder gleichgerichteten Mutterhäusern sowie vom Roten Kreuz, soweit eine entsprechende Versorgung gewährleistet ist. 26
Beim V e r s i c h e r u n g s f a l l unterscheidet man zwischen Unfall- und Berufskrankheit, wobei der ursächliche Zusammenhang mit der Beschäftigung in einem versicherten Betrieb erwiesen sein muß. Man spricht dann von einem „Betriebsunfall", der auch auf dem Wege von und zur Arbeitsstätte anerkannt wird, falls kein Verschulden des Versicherten vorliegt. Zu den m e l d e p f l i c h t i g e n Berufskrankheiten gehören auch die Infektionskrankheiten, wenn sie bei Personen auftreten, die in Krankenhäusern, Heil- und Pflegeanstalten, Entbindungsheimen, in Einrichtungen des öffentlichten Gesundheitsdienstes oder in Laboratorien beschäftigt sind und sich dort bei der Berufsarbeit infiziert haben. Als Berufskrankheiten können Schädigungen, z. B. durch Arsen, Blei, Benzol, Phosphor u. a sowie durch Röntgenstrahlen anerkannt werden. Für die Beiträge hat ausschließlich der Arbeitgeber aufzukommen. Sie richten sich nach der Lohnhöhe und der Gefahrenklasse (Grad der Unfallgefahr) eines Betriebes. Als Versicherungsleistungen werden Krankenbehandlung, Anstaltspflege, Berufsfürsorge, Renten und Abfindung sowie Sterbegeld und Hinterbliebenenrente bei Unfalltod gewährt. Die Rente wird nach Wegfall des Krankengeldes der Krankenversicherung, also ab 27. Woche, in Form einer V o l l rente bei völliger Erwerbsunfähigkeit in Höhe von % des Jahresarbeitsverdienstes und als T e i l rente bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit gezahlt. Es wird unterschieden zwischen 1. einer v o r l ä u f i g e n Rente, deren endgültige Höhe bis 2 Jahre nach dem Unfall noch nicht bestimmbar ist; sie richtet sich nach dem Befinden des Verunglückten; 2. einer D a u e r rente, die entweder v o r Ablauf der 2 Jahre als solche ausdrücklich bezeichnet sein muß oder n a c h Ablauf der 2 Jahre. 27
Bei der H i n t e r b l i e b e n e n r e n t e erhält die Witwe eine Rente in Höhe von V 5 des Jahresarbeitsverdienstes, soweit sie über 50% erwerbsbeschränkt ist, 2 / 5 des Jahresarbeitsverdienstes. Jedes eheliche oder ihm gleichgestellte Kind erhält bis zum 18. Lebensjahr eine Rente in Höhe von 1 / 5 des Jahresarbeitsverdienstes. Für die Anmeldung des Versicherungsanspruchs sind bestimmte Vorschriften zu beachten. Der Berufsgenossenschaft muß auf vorgeschriebenem Meldeformular vom Betriebsunternehmer Anzeige erstattet werden. 1. M e l d u n g e i n e s B e t r i e b s u n f a l l e s : Jeder Betriebsunfall ist vom Betriebsunternehmer binnen 3 Tagen, nachdem er ihn erfahren hat, auf dem gelben Unfallanzeigeformular anzuzeigen, und zwar a) an die Ortspolizeibehörde des Unfallortes, b) an den zuständigen Versicherungsträger (für Krankenpflegepersonen: Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege). 2. M e l d u n g e i n e r B e r u f s k r a n k h e i t : Die Meldung muß binnen 3 Tagen auf dem grünen Anzeigeformular an die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege erfolgen. Zur Verhütung von Unfällen und Bekämpfung der Berufskrankheiten bestehen für Krankenpflegepersonen Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Die Bestimmungen müssen dem Unternehmer und dem Versicherten bekannt sein und daher für jeden im Betrieb Beschäftigten sichtbar ausliegen. Neben allgemeinen Bestimmungen über die Arbeitskleidung, Nahrung, Sauberkeit, Desinfektion, Betriebseinrichtungen und Gebraudisgegenstände bestehen auch besondere Vorschriften über die Infektionsverhütung und für den Arbeitseinsatz in der Tuberkulosepflege. 28
So enthalten die UnfallverhütungsVorschriften im I. Teil allgemeine Vorschriften über Pflichten des Unternehmers und des Versicherten, insbesondere zur Befolgung aller im Interesse der Unfallvorbeugung erlassenen Anordnungen, ferner über allgemeine Anforderungen an Betriebsanlagen und Betriebsführung unter besonderer Berücksichtigung elektrischer Anlagen. Teil II enthält gesundheitsdienstliche Sondervorschriften über Infektionsverhütung und besondere Vorschriften für Bestrahlungsbetriebe, ferner Vorschriften für elektromedizinische Anlagen und für Betriebe der Zahnheilkunde. Teil III enthält Anweisungen über erste Hilfe und Verhalten bei Unfällen. In einem Anhang sind neben den „Verkehrsregeln", den „Richtlinien über Schutz gegen gefährliche Gase und Dämpfe", auch die vom Reichsgesundheitsamt herausgegebene „Anweisung zur Verhütung der Ansteckung mit Tuberkulose für in Anstalten tätige Krankenpflegepersonen" abgedruckt. In den Gebäuden und Räumen sind Treppen und Fußböden verkehrssicher zu halten, d. h. sie dürfen durch Einwachsen und Bohnern nicht glatt sein und sind — soweit möglich — abzustumpfen. Türvorleger sind zu beseitigen oder gefahrensicher zu befestigen. Elektrische Schalter müssen in unbeschädigtem Zustand sein. Steile Abstiege, Treppen und Kellertüren sind gefahrensicher abgeschlossen zu halten. Stehleitern müssen ordnungsmäßig aufgestellt und beiderseits der Wangen mit Ketten oder Gelenkeisen gesichert sein. Das Fensterputzen von außen darf nur von sicher angeseilten Personen ausgeführt werden. Bei allen Arbeiten, die erfahrungsgemäß Augenschädigungen verursachen können, z. B. bei Ultraviolett-Lampen, sind als Schutzmittel Brillen, Masken, Schirme usw. bereit zu halten und zu benutzen. Jede Pflegekraft ist für die Unfallverhütung mitverantwortlich. Mängel, die sie feststellt und nicht selbst sofort abstellen kann, sind unverzüglich der verantwortlichen Stelle zu melden. 29
Bei der Bedienung von elektrischen Apparaten (Röntgen, Diathermie usw.) ist zu beachten: Vorsicht beim Ein- und Ausschalten; keine provisorischen Leitungen; keine feuchten Hände; ggf. erst ausschalten ünd dann den Apparat anfassen. Bei der Anwendung von Röntgen- und Radiumbestrahlungen, die schwere Gesundheitsschäden verursachen können, sind besondere Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Jede Schädigung ist vermeidbar durch genügend strahlensicheren Bau des Röntgengerätes und richtiges Verhalten des Personals. Die Röntgenschwester soll die behördliche Genehmigung haben, den Beruf einer medizinisch-technischen Assistentin bzw. Gehilfin auszuüben. Andere Schwestern dürfen dort nicht röntgenologisch arbeiten. Insbesondere muß das direkte Strahlenbündel gemieden werden. Daher muß die Pflegeperson, die beispielsweise ein Kind zum Röntgen hält, mit langstulpigen Bleigummihandschuhen und der Bleischürze geschützt sein, damit sie weder von direkter noch indirekter Strahlung getroffen werden kann. Auf Grund der bisher auf Länderebene erlassenen Gesetze zur Regelung der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Anwendung der Kernenergie (Atomgesetze) wurden Strahlenschutzverordnungen erlassen, die auch die ärztliche Untersuchung und Überwachung der mit radioaktiven Stoffen beschäftigten Personen regeln. Ein Bundesatomgesetz und eine BundesStrahlenschutzverordnung befinden sich z. Z. in Vorbereitung. Leicht entzündliche, explosive, giftige und ätzende Stoffe dürfen nur in geeigneten Behältern an sicheren Stellen unter Verschluß, Aufsicht und besonderer Kennzeichnung aufbewahrt werden. Besonders Gift- und Ätzstoffe sind in Gefäßen zu verwahren, die durch ihre besondere Form und Farbe auffallen und daher ein Verwechseln mit Trinkgefäßen ausschließen. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege Hamburg 36, Holstenwall 8, hat 1949 „Richtlinien 30
zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten durch häufig vorkommende Betriebsgefahren" und 1951 „Richtlinien für die Verhütung von Berufskrankheiten und Unfällen bei der Krankenpflege (Krankenbehandlung) in Anstalten" sowie 1953 ein Merkblatt über „Verhütung der Ansteckung bei der Pflege und Betreuung Tuberkulosekranker in Anstalten" herausgegeben. Diese Richtlinien gelten neben den Unfallverhütungsvorschriften und evtl. landesrechtlichen Vorschriften. Ebenfalls ist auch die Anordnung der Berufsgenossenschaft vom 29. November 1938 über den A r b e i t s e i n s a t z in der T u b e r k u l o s e n p f l e g e noch nicht aufgehoben, jedoch muß in absehbarer Zeit im Hinblick auf die genannten Richtlinien von 1951 mit einer entsprechenden Änderung gerechnet werden. Diese Richtlinien schreiben vor: „In der Pflege und Betreuung ansteckungsfähiger tuberkulöser Kranker sind in erster Linie arbeitsfähige tuberkulöse Ärzte, Krankenpflegekräfte und sonstiges Personal zu beschäftigen. Für dieses tuberkulöse Personal sind jedoch gegenüber dem gesunden sinngemäß die gleichen hygienischen Schutzmaßnahmen zu treffen wie bei den übrigen Kranken. In zweiter Linie sind zu beschäftigen vorinfizierte (tuberkulinpositive) widerstandsfähige, konstitutionell geeignet erscheinende Personen. In dritter Linie sind zu beschäftigen konstitutionell geeignet erscheinende widerstandsfähige durch Tbc-Schutzimpfung nachweislich tuberkulinpositiv gewordene und gebliebene Personen. Der Erfolg der Tbc-Schutzimpfung ist mindestens 5 Jahre nach erfolgter Impfung nachzukontrollieren, gegebenenfalls die Impfung zu wiederholen. In der Pflege und Betreuung an geschlossener Tuberkulose Erkrankter sind zu beschäftigen entweder nichtansteckungsfähige tuberkulöse Ärzte, Krankenpflegekräfte und sonstiges Personal oder vorinfizierte (tuberkulinpositive) wider31
standsfähige, konstitutionell geeignet erscheinende Personen oder konstitutionell geeignet erscheinende durch TbcSchutzimpfung nachweislich tuberkulinpositiv gewordene und gebliebene Personen. Personal, das zur Pflege und Betreuung anderer Patienten eingesetzt wird, bei denen jedoch die Gefahr unerkannter, offener Tuberkulose vorliegt (z. B. Frischoperierte), ist auch als zur Pflege und Betreuung Tuberkulöser herangezogen zu betrachten. In der Pflege und Betreuung solcher Patienten sind zu beschäftigen entweder vorinfizierte (tuberkulinpositive), widerstandsfähige, konstitutionell geeignet erscheinende Personen oder konstitutionell geeignet erscheinende widerstandsfähige, durch Tbc-Schutzimpfung nachweislich tuberkulinpositiv gewordene und gebliebene Personen. In der Ausbildung stehendes, berufliches Heil- und Pflegepersonal darf nur nach vorgeschrittener Ausbildung, keinesfalls im 1. Lernjahr und nicht länger als 6 Wochen insgesamt auf Tbc-Station oder mit entsprechendem Material beschäftigt werden. Tuberkulinnegative oder konstitutionell ungeeignete Personen dürfen auch als Lernschwestern und dgl. unter keinen Umständen auf Tbc-Station arbeiten (auch nicht als Nachtwachen)." Hinsichtlich der gesundheitlichen Überwachung wird ausgeführt, daß „auf der Infektions-, der Tbc-Abteilung und dgl. sowie mit infektiösem Material arbeitende Personen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Tätigkeit laufend gesundheitlich zu überwachen sind". Im übrigen sind bei der Pflege Tuberkulosekranker die Weisungen des 1953 herausgegebenen Merkblatts „Verhütung der Ansteckung bei der Pflege und Betreuung ansteckungsfähiger Tuberkulosekranker" zu beachten. 32
Eine Reform der Unfallversicherung befindet sich z. Z. in Vorbereitung. III. D i e
Rentenversicherung
der
Arbeiter
— Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz — ArVNG — vom 23. 2. 1957 (BGBl. I S. 45), für Berlin vom 1. 3.1957 (GVB1. S. 203) hat die Aufgabe, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu erhalten, zu bessern oder wiederherzustellen und bei B e r u f s u n f ä h i g k e i t oder E r w e r b s u n f ä h i g k e i t Renten zu gewähren. Sie hat außerdem Altersruhegeld zu zahlen und an Hinterbliebene verstorbener Versicherter Renten zu gewähren, ferner die Förderung von Maßnahmen zur Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse in der versicherten Bevölkerung wahrzunehmen. Versicherungsträger sind die Landesversicherungsanstalten. V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g sind u . a . besonders alle Arbeiter, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind sowie alle Hausgewerbetreibenden und Heimarbeiter. V e r s i c h e r u n g s f r e i sind alle Beamten, soweit die Versorgung sichergestellt ist, und Soldaten der Bundeswehr sowie u. a. Ruhegeldbezieher und im Hochschulstudium zur Ausbildung für den künftigen Beruf stehende Personen. Die f r e i w i l l i g e V e r s i c h e r u n g ist nur in Form der Weiterversicherung möglich, wenn innerhalb von 10 Jahren während mindestens 60 Kalendermonaten Beiträge für eine rentenversicherungpflichtige Beschäftigung entrichtet wurden. B e r u f s u n f ä h i g ist der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen 33
Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Beruf stätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist. E r w e r b s u n f ä h i g ist der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Die Wartezeit für die Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit ist erfüllt, wenn vor Eintritt der Berufsoder Erwerbsfähigkeit eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten erfüllt ist. Altersruhegeld erhält der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist, d. h. wenn eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt ist. Der Beitragssatz für die Pflichtversicherten beträgt 14 v. H. der Bezüge des Versicherten, soweit diese die alljährlich vom Bundesminister für Arbeit festzusetzenden Beitragsbemessungsgrenzen nicht überschreitet. Die Pflichtbeiträge sind im allgemeinen •— von einigen Versichertengruppen abgesehen — je zur Hälfte vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu tragen. Die Beiträge werden vom Arbeitgeber entrichtet bzw. können vom Versicherten selbst durch Verwendung von Beitragsmarken entrichtet werden, die in die Versicherungskarte des Versicherten eingeklebt werden. 34
Zu den Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit gehören Heilbehandlung, Berufsförderung und soziale Betreuung. IV. D i e R e n t e n v e r s i c h e r u n g d e r A n g e s t e l l t e n — Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz — AnVNG — vom 23. 2.1957 (BGBl. I S. 88), für Berlin vom 1. 3. 1957 (GVBl. S. 237) hat die gleichen Aufgaben für Angestellten zu erfüllen wie die Arbeiterrentenversicherung für die Arbeiter. Versicherungsträger sind ebenfalls die Landesversicherungsanstalten. V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g sind alle Angestellten bis zu einem Jahresarbeitsverdienst von 15 000,— DM, darunter auch Angestellte in Berufen der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge, der Kranken- und Wohlfahrtspflege sowie u. a. selbständige Lehrer, Musiker, Artisten, Hebammen mit Niederlassungserlaubnis und in der Kranken-, Wochen- und Kinderpflege selbständig tätige Personen. V e r s i c h e r u n g s f r e i sind Angestellte mit einem Jahreseinkommen von über 15 000,— DM sowie u. a. Beamte, Richter, Geistliche, wenn die lebenslängliche Versorgung gewährleistet ist, Soldaten der Bundeswehr, Ruhegeldempfänger und im Hochschulstudium oder an einer Fachschule zur Ausbildung für den künftigen Beruf stehende Personen (Lernschwestern). Die Bestimmungen über die Regelleistungen, Beitragssätze und Entrichtung der Beiträge entsprechen im allgemeinen denen der Arbeiterrentenversicherung. Der öffentliche Gesundheitsdienst I. O r g a n i s a t i o n Durch das „ G e s e t z ü b e r d i e V e r e i n h e i t l i c h u n g d e s G e s u n d h e i t s w e s e n s v o m 3. J u l i 1934" (RGBl. I S. 531, 794) wurde auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens für das ehemalige Reichsgebiet eine 35
einheitliche Regelung geschaffen. 1945 wurden diese Aufgaben des Reichs von den einzelnen Landesregierungen übernommen. In einigen Ländern gehört das Gesundheitswesen zum Bereich des Innenministers, in anderen zum Bereich des Sozial-oder Arbeitsministers. In den Hansestädten Hamburg und Bremen bestehen Sonderverwaltungen für das Gesundheits-, wesen und auch in Berlin besteht eine eigene Senatsabteilung Gesundheitswesen. In den Ländern der Ostzone ist das Gesundheitswesen den Arbeits- und Sozialministerien angeschlossen. Auf Grund des genannten Gesetzes wurden in den Land- und Stadtkreisen in Anlehnung an die unteren Verwaltungsbehörden der Landratsämter staatliche Gesundheitsämter eingerichtet. Auch kommunale Gesundheitsämter konnten als staatliche anerkannt werden, wenn sie bisher schon die geforderten ärztlichen Aufgaben erfüllt hatten. Besonders war das in den Großstädten der Fall. In der britischen Besatzungszone sind die ehemaligen staatlichen Gesundheitsämter mit Ausnahme von Niedersachsen alle kommunalisiert worden, im Gegensatz zur amerikanischen und französischen Zone, wo die staatlichen Gesundheitsämter bestehen blieben und nur die Großstädte meist eine Ausnahme bilden. Den Gesundheitsämtern in Stadt- und Landkreisen mit einem Kreisarzt bzw. Amtsarzt an der Spitze ist als höhere Verwaltungsbehörde der Regierungspräsident mit seinem ärztlichen Dezernenten übergeordnet, der wieder der Aufsicht der Gesundheitsabteilung des zuständigen Ministeriums untersteht. Für Berlin, dessen Verwaltung 1948 von den östlichen Machthabern gespalten wurde, bestehen besondere Verhältnisse, zumal Berlin (Westberlin) gleichermaßen Stadt und Land ist. Da hier eine besondere Mittelinstanz als höhere Verwaltungsbehörde, die früher der Polizeipräsident vertrat, nicht vorhanden ist, werden die für diese Instanz zuständigen Aufgaben auch von der obersten Gesundheitsbehörde, dem Senator für Gesundheitswesen, wahrgenommen. Ihm unterstehen 36
f a c h l i c h die Gesundheitsämter der Berliner Bezirke mit einem leitenden Amtsarzt und dem Bezirksstadtrat für Gesundheitswesen an der Spitze. II. A u f g a b e n Nach § 3 des Gesetzes haben die Gesundheitsämter u. a. folgende Aufgaben: 1. Die Überwachung der medizinalpolizeilichen Bestimmungen und deren Durchführung. 2. Die Mitwirkung bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und Kontrolle der allgemeinen Ortshygiene. 3. Die Eheberatung, gesundheitliche Volksbelehrung, Schulgesundheitspflege, Mütter- und Kinderberatung, die Fürsorge für Tuberkulose, Geschlechtskranke, Körperbehinderte, Siedle und Sonstige. 4. Die ärztliche Mitwirkung bei Maßnahmen zur Förderung der Körperpflege und Leibesübungen. 5. Die amts-, gerichts- und vertrauensärztliche Tätigkeit, soweit sie durch Landesrecht den Amtsärzten (Leiter der Gesundheitsämter) übertragen ist. Die Berufstätigkeit der ärztlichen Hilfskräfte unterliegt der Beaufsichtigung durch die Gesundheitsämter, unbeschadet der Dienstaufsicht des zuständigen Arbeitgebers. Gesetze und Verordnungen zur Bekämpfung gemeingefährlicher und übertragbarer Krankheiten I. P r e u ß i s c h e s R e g u l a t i v b e i a n s t e c k e n d e n K r a n k h e i t e n v o m 8. 8. 1835 (Pr. Ges. Slg. S. 240). Das im Lande Preußen erlassene Regulativ zur Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten und zu ihrer Bekämpfung diente s. Zt. teilweise den anderen Bundesstaaten als Vorbild. Die Seuchengesetzgebung war jedoch noch für viele Jahre in Deutschland uneinheitlich. 4
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II. D a s R e i c h s i m p f g e s e t z v o m 8. 4. 1874 (RGBl. I S. 31). Die Einführung eines Impfgesetzes wurde veranlaßt durch die nach dem Krieg 1871/72 in Deutschland aufgetretene sehr schwere Pockenepidemie, die über 100 000 Todesfälle forderte, zumal sich zeigte, daß das schutzgeimpfte Heer weitgehend von der Epidemie verschont blieb. Die Verordnungen und Erlasse zu diesem Gesetz behandeln die einzelnen Bestimmungen über die Herstellung des Impfstoffes und die Ausführung der Impfung. Die Kuhpockenimpfung ist die älteste aktive Immunisierung mit lebenden oder abgeschwächten Erregern eines Impfstoffes, der durch Benutzung von Kälbern gewonnen und in staatlichen Impfanstalten hergestellt wird. Jedes Kind soll nach dem Gesetz vor Ablauf des auf sein Geburtsjahr folgenden Kalenderjahres und jeder Schüler während des 12. Lebensjahres geimpft werden, falls nicht ein ärztliches Zeugnis Befreiungsgründe oder das Überstehen der natürlichen Pocken ausweist. Impfungen dürfen nur von approbierten Ärzten vorgenommen werden und werden im allgemeinen in öffentlichen Impfterminen durch Impfärzte ausgeführt. Bei der nach einer Woche erfolgenden Nachschau wird festgestellt, ob „mit Erfolg" oder „ohne Erfolg" geimpft wurde. War die Impfung erfolglos, so muß sie spätestens im nächsten Jahr, und falls sie auch dann erfolglos bleibt, im dritten Jahr wiederholt werden. Diese Impfungen sind unentgeltlich im Gegensatz zu Privatimpfungen, die auch erlaubt sind. Die unbegründete Nichtbefolgung der amtlichen Aufforderung zum Impftermin wird mit Geldstrafe belegt; jedoch darf körperlicher Zwang nicht ausgeübt werden. Impfschäden sind dem Amtsarzt zu melden, der ihre Ursachen zu erforschen, für Abstellung von Fehlern, aber auch für Auf38
klärung irriger Vorstellungen in der Bevölkerung zu sorgen hat. In einem Runderlaß des RMdl vom 19. 4. 1940 werden den Eltern oder Vormündern der Impfpflichtigen Merkblätter über die Pockenschutz-Erstimpfung und über die PockenschutzWiederimpfung bekanntgegeben. So ist u. a. vor der Impfung genau zu beachten, daß aus Wohngemeinschaften mit Personen, die an fieberhaften Krankheiten leiden, und aus einem Gehöft, in dem Maul- und Klauenseuche herrscht, kein impfpflichtiges Kind zum allgemeinen Impftermin oder Nachschautermin gebracht werden darf. Wenn ein Kind nicht ohne Gefahr geimpft werden kann, so ist es gemäß ärztlichem Zeugnis zurückzustellen. Uber den Gesundheitszustand des impfpflichtigen Kindes ist dem Impfarzt unaufgefordert Mitteilung zu machen, insbesondere, ob in seiner Umgebung ungeimpfte Personen an Hautausschlägen, eitrigen oder roseartigen Krankheiten leiden, oder ob der Impfling selbst hieran bzw. an Ohrenfluß, Augen- oder Augenlidentzündungen, Drüsenschwellungen, Rachitis, Krämpfen oder anderen Krankheiten des Nervensystems leidet oder gelitten hat. Die Kinder sind mit sauber gewaschenem Körper, reiner Wäsche und Kleidung zum Impftermin zu bringen. Nach erfolgreicher Impfung zeigen sich an den Impfstellen vom vierten Tage an Bläschen, die sich zum 7. Tag zu Impfpusteln entwickeln. Dabei können Fieber und Appetitlosigkeit auftreten. Nach der Verbreiterung des roten Entzündungshofes verschorfen die Impfpusteln, der Schorf fällt später von selbst ab. Jede Berührung der lange Zeit ansteckungsgefährlichen Impfstellen ist vor ihrer völligen Vernarbung zu vermeiden, sie sind vor Verschmutzung und Kratzen zu schützen. Die Impfstellen sind trocken zu halten, das Aufbringen von Öl, Fett oder Salbe ist zu unterlassen. Berührungen mit Kindern oder Erwach4*
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senen, die an ansteckenden Krankheiten, eiternden Geschwüren o. ä. leiden, sind zu vermeiden. Bei unregelmäßigem Verlauf der Impfpocken und jeder erheblichen Erkrankung ist der Impfarzt um Rat zu fragen. Der Impfschein ist sorgfältig aufzuheben. III. D a s R e i c h s s e u c h e n g e s e t z v o m 30. 6. 1900 (RGBl. I S. 306). Die schweren Epidemien, von denen alle Teile der Welt in früheren Jahrhunderten durch das Auftreten gemeingefährlicher Erkrankungen betroffen wurden, zuletzt noch im Jahre 1892 — Hamburg von einer Choleraepidemie, an der 18 000 Menschen erkrankten und 8605 starben, zeigten die Unzulänglichkeit der bestehenden Bestimmungen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Es ist als Verdienst von R o b e r t K o c h anzusehen, daß das genannte Gesetz zur Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten zustande kam, das Krankheiten zusammenfaßte, die wegen ihres seuchenhaften Auftretens eine Sonderstellung unter den übertragbaren Krankheiten einnehmen mußten. Dazu gehören Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken. Jede Erkrankung und jeder Todesfall an einer dieser Krankheiten, sowie jeder Fall, der den Verdacht einer dieser Krankheiten erweckt, ist unverzüglich zu melden, und zwar nach der Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 1.12.1938 dem zuständigen Gesundheitsamt, das die Meldung an die Ortspolizeibehörde weitergibt. Zu diesen Erkrankungen ist durch Verordnung vom 29.9. 1909 noch Milzbrand hinzugekommen, der jedoch im § 1 der Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 1. 12. 1938 unter den gemeingefährlichen Krankheiten nicht mehr aufgeführt wird und somit nicht mehr zu diesen zu rechnen ist. Zur Bekämpfung der übrigen ansteckenden Krankheiten erließ das Land Preußen das G e s e t z b e t r e f f e n d d i e 40
Bekämpfung übertragbarer Krankheiten v o m 28. 8.1905 (Pr. Ges. Slg. S. 373), das für Berlin durch das Seuchenbekämpfungs-Ergänzungsgesetz vom 8. 11. 1951 (s. V) außer Kraft gesetzt ist. IV. R e i c h s g e s e t z z u r B e k ä m p f u n g d e r P a p a g e i e n k r a n k h e i t v o m 3. 7. 1934 (RGBl. I S. 532). Die für den Menschen hochinfektiöse Krankheit der Papageien und Sittiche zeichnet sich durch hohe Sterblichkeit aus. Daher sind Zucht und Handel mit diesen Tieren zum Schutze der Allgemeinheit genehmigungspflichtig. Wie die Tierhalter beim Auftreten von Erkrankungs- und Todesfällen im Tierbestand anzeigepflichtig gegenüber der Polizeibehörde sind, besteht bei Erkrankung oder Verdacht der Erkrankung sowie Todesfall beim Menschen Anzeigepflicht beim zuständigen Gesundheitsamt. V. V e r o r d n u n g zur B e k ä m p f u n g übertragb a r e r K r a n k h e i t e n v o m 1.12.1938 (RGB1.I S. 1721). Diese Verordnung ergänzt das Seuchengesetz und gilt heute noch als die gesetzliche Grundlage für die Seuchenbekämpfung aller westdeutschen Länder. Ein neues Bundesseuchengesetz wird z. Z. vorbereitet. Mit Ausnahme von vereinzelten Erkrankungen an Fleckfieber sind im 20. Jahrhundert keine gemeingefährlichen Krankheiten in Deutschland aufgetreten. An melde- und nichtmeldepflichtigen übertragbaren Krankheiten erkranken jedoch jährlich viele Tausende. Auf Grund der seit 1938 gesammelten Erfahrungen auf dem Gebiet der Seuchenbekämpfung und -Verhütung hat der Senat von Berlin am 8. 11. 1951 zusätzlich ein „G e s e t z z u r E r gänzung von Vorschriften über Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (Seuchenbekämpfungs - Ergänzungsge41
s e t z — S E G —)" erlassen (GVB1. S. 1105) mit der Durchführungsverordnung vom 26. 3. 1952 (GVB1. S. 208). Dabei wurden zugleich die bisher gültigen Bestimmungen des Preußischen Gesetzes betr. die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 28. 8. 1905 (s. o.) durch Vorschriften ersetzt, die dem heutigen Stand der seuchenhygienischen Erkenntnisse angepaßt sind. Da sich die Liste der einer Regelung bedürftigen Krankheiten je nach dem Stand der hygienischen Wissenschaft ständig ändert, insbesondere dadurch, daß bestimmte Infektionskrankheiten neu erforscht werden, sind die Einzelkrankheiten nicht mehr im Gesetz aufgeführt, sondern in der Rechtsverordnung. Außerdem wird im Gesetz die Krankenhausbehandlungspflicht dahingehend erweitert, daß in der Durchführungsverordnung bestimmte Krankheiten genannt werden, für die eine Krankenhausbehandlungspflicht besteht. Im übrigen wird eine Beobachtung, der bisher nur Erkrankte, Erkrankungsverdächtige und Ausscheider unterworfen waren, jetzt auch auf Ansteckungsverdächtige und Ausscheidungsverdächtige erweitert. Hinsichtlich der Zwangsimpfung wird eine Entschädigungspflicht des Staates anerkannt. Auf die besondere Situation Berlins als „Stadtstaat" sind noch mehrere Bestimmungen abgestellt, nach denen Z.B.Schließung von öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsbeschränkungen bei Epidemien nur mit Zustimmung des Senators für Gesundheitswesen erfolgen können, sowie die Errichtung von Schutzzonen um Wasserwerke und Brunnenanlagen zur Abwehr bakterieller Verunreinigungen usw. B a z i l l e n t r ä g e r sind solche Personen, die Krankheitskeime aufgenommen haben und, ohne zu erkranken, sie nur vorübergehend ausscheiden. D a u e r a u s s c h e i d e r sind Personen, die nach überstandener Infektionskrankheit deren Erreger länger als zehn Wochen ausscheiden. 42
Anzeigepflicht Von den übertragbaren Krankheiten unterliegen jetzt nach dem SEG die folgenden Krankheiten, und zwar jede Erkrankung, jeder Erkrankungsverdacht und jeder Sterbefall der Anzeigepflicht: 12. Paratyphus 1. Aussatz (Lepra) 13. Pest 2. Cholera 14. Pocken 3. Fleckfieber 15. Rotz 4. Gelbfieber 16. Rückfallfieber 5. septisches Kindbettfieber (Puerperalfieber) (Recurrensfieber) 17. Ruhr a) bei oder nach standesamtlich meldea) Amöben-Ruhr pflichtiger Geburt b) Bakterien-Ruhr b) bei oder nach FehlInfektionen geburt 18. Tollwut (Lyssa) einschl. Bißverletzungen 6. übertragbare Kindera) Tollwut lähmung (Poliomyelitis) b) Bißverletzung durch 7. bakterielle Lebensmitteltollwütige Tiere vergiftung c) Bißverletzung durch a) Botulismus tollwutverdächtige b) SalmonellaTiere c) übrige Formen 19. Trichinose 8. Leptospirose 20. Tuberkulose a) Canicolafieber a) der Atmungsorgane b) Feldfieber b) der Drüsen c) Weil'sche Krankheit c) der Haut d) übrige Formen d) der Knochen und Ge9. Mikrosporie lenke e) aller übrigen Organe 10. Milzbrand (Anthrax) 21. Tularämie 11. Papageienkrankheit (Psittakose) 22. Typhus 43
Die unter der Ziffer 9 genannte Erkrankung wurde erstmals in die Liste aufgenommen und die unter den Ziffern 8, 16 und 19 aufgeführten Erkrankungen gehörten nach der Verordnung von 1938 zu den folgenden Krankheiten, bei denen nur jede Erkrankung und jeder Sterbefall anzeigepflichtig sind: 23. Brucellose a) Bang'sche Krankheit b) übrige Formen 24. Darmbrand (Enteritis necroticans) 25. Diphtherie 26. übertragbare Gehirnentzündung (Encephalitis lethargica) 27. übertragbare Genickstarre (Meningokokkeninfektion)
28. Keuchhusten (Pertussis) 29. Körnerkrankheit (Trachom) 30. Malaria a) Ersterkrankung b) Rückfall 31. Q-Fieber 32. Scharlach (Scarlatina) (Tetanus) 33. Wundstarrkrampf
In diese Zusammenstellung sind gegenüber der Verordnung von 1938 die unter den Ziffern 24, 31 und 33 genannten Krankheiten erstmals einbezogen worden. Außerdem unterliegt jede Person, die, ohne selbst erkrankt oder erkrankungsverdächtig zu sein, die Erreger der bakteriellen Lebensmittelvergiftung des Paratyphus, der Ruhr oder des Typhus dauernd oder zeitweilig ausscheidet, der Anzeigepflicht. Zur schriftlichen Anzeige an das für den Aufenthalt des Patienten zuständige Gesundheitsamt sind innerhalb 24 Stunden nach erlangter Kenntnis verpflichtet: 1. jeder behandelnde Arzt, 2. der Haushaltungsvorstand, 3. die berufsmäßig beschäftigte Pflegeperson, 44
4. jeder Wohnungsinhaber, bei dem sich Krankheit, Verdacht oder Tod ereignet hat, 5. der Leichenbeschauer (auf jeden Fall). E r m i t t l u n g der
Krankheit
Sodann hat das Gesundheitsamt in dem notwendigen Umfang Ermittlungen über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit anzustellen. Es sind Kontrollen der Wasserversorgung, der Abwässer- und Abortanlagen, der Milchwirtschaft und der Lebensmittel vorzunehmen sowie Untersuchungen der Personen aus der Umgebung des Kranken, die verpflichtet sind, sich den erforderlichen ärztlichen Untersuchungen und der Entnahme von Untersuchungsmaterial zu unterziehen. Schutzmaßnahmen Beim Auftreten ansteckender Krankheiten hat das Gesundheitsamt Schutzmaßnahmen anzuordnen, wobei unter Umständen auf Ersuchen die Polizeidienststellen Amtshilfe zu leisten haben. Zu diesen Maßnahmen gehören: 1. Absonderung und Beobachtung im Krankenhaus bei Erkrankung oder Verdacht, 2. Verkehrs- und Berufsbeschränkungen, 3. Schließung von Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen, 4.
Schutzimpfung,
5.
Desinfektion,
6. Ausschluß aus Lebensmittelbetrieben, 7. Kontrolle des Trinkwassers und der Badeanstalten, 8.
Schädlingsbekämpfung. 45
Entschädigungsansprüche richten sich nach den Vorschriften des Reichsseuchengesetzes. Die Kosten für behördliche Maßnahmen der Seuchenverhütung und Seuchenbekämpfung, die im Interesse der Allgemeinheit durchgeführt werden, werden aus öffentlichen Mitteln bestritten. Im Falle der Weigerung, die angeordneten Maßnahmen durchzuführen, kann das Gesundheitsamt Strafantrag gemäß § 327 StGB stellen oder Zwangsgelder bis zu 150 DM festsetzen, im Nichtbeitreibungsfall Zwangshaft bis zu zwei Wochen. Gegen die Verwaltungsmaßnahmen kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde erhoben werden. Für das Verhalten von Jugendlichen, die selber krank sind oder in der Umgebung ansteckender Kranker leben und Schulen besuchen oder in Heimen untergebracht sind, gelten die Vorschriften gegen die Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch Schulen, Kinderheime und ähnliche Einrichtungen (Schulseuchenerlaß), RdErl. d. Min. des Innern vom 30. 4. 1942 (RMBliV S. 951). Um in Kinderheimen einem gehäuften Auftreten von Infektionskrankheiten vorzubeugen, müssen vor der Verschickung der Kinder und während des Aufenthalts im Kinderheim bestimmte Maßnahmen beachtet werden, die im Erlaß zur Verhütung der Einschleppung übertragbarer Krankheiten in Kinderheimen vom 30. 6. 1939 (RMBliV. S. 1387) geregelt sind. Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. 7.1953 (BGBl. I S. 700) und vom 3. 8 . 1 9 5 3 (GVB1. S. 740) Geschlechtskrankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind Syphilis (Lues), Tripper (Gonorrhoe), weicher Schanker (Ulcus molle) und Venerische Lymphknotenentzündung (Lymphogranulomatosis inguinalis Nicolas und Favre), ohne Rücksicht darauf, an welchen Körperteilen die Krankheitserscheinungen auftreten. 46
Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten umfaßt Maßnahmen zur Verhütung, Feststellung, Erkennung und Heilung der Erkrankung sowie die vorbeugende und nachgehende Gesundheitsfürsorge. Zu diesem Zweck werden die im Grundgesetz anerkannten Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Freiheit der Person eingeschränkt. Die Durchführung dieser Aufgabe obliegt den Gesundheitsämtern. Wer an einer Geschlechtskrankheit leidet und dies weiß oder den Umständen nach annehmen muß, ist verpflichtet, sich unverzüglich von einem in Deutschland bestallten oder zugelassenen Arzt untersuchen und behandeln zu lassen oder sich in ein geeignetes Krankenhaus zu begeben, wenn das Gesundheitsamt dies anordnet, weil er sich der Behandlung entzogen hat oder die Einweisung zur Verhütung der Ansteckung erforderlich ist. Von Geschlechtskranken sowie Personen, die dringend verdächtig sind, geschlechtskrank zu sein und Geschlechtskrankheiten weiter zu verbreiten, kann das Gesundheitsamt ein ärztliches Zeugnis über ihren Gesundsheitszustand fordern. Die Befolgung dieser Vorschriften kann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. W e r sich weigert, der Anordnung des Gesundheitsamtes, sich in einem Krankenhaus zur Behandlung oder Beobachtung aufnehmen zu lassen, nachzukommen, ist sofort, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Amtsgericht mit dem Antrage auf zwangsweise Einweisung in ein Krankenhaus vorzuführen. W e r nach zwangsweiser Einweisung ohne Erlaubnis des leitenden Arztes das Krankenhaus verläßt, wird mit Gefängnis bis zu 1 Jahr und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Wer an einer Geschlechtskrankheit leidet, hat sich des Geschlechtsverkehrs zu enthalten und ist außerdem verpflichtet, auch wenn er zu irgendeiner Zeit an Syphilis gelitten hat, sich vor der Eheschließung ärztlich daraufhin untersuchen zu lassen, ob er die E h e unbedenklich eingehen kann. Bestehen keine Bedenken, so ist ihm hierüber ein Zeugnis auszustellen. 47
Kann das Unbedenklichkeitszeugnis nicht erteilt werden, so ist er verpflichtet, vor Eingehung der Ehe dem anderen Teil über seine Krankheit Mitteilung zu machen. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, wird mit Gefängnis bis zu 3 Jahren und mit Geldstrafe oder einer dieser Strafen bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Wer, ohne Arzt zu sein, Geschlechtskranke oder Personen, die von Krankheiten oder Leiden der Geschlechtsorgane befallen sind, behandelt, wird mit Gefängnis bis zu 2 Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Der Arzt ist verpflichtet, untersuchte und behandelte Personen über die Art der Krankheit und Ansteckungsfähigkeit sowie über die strafrechtlichen Folgen bei Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen zu belehren, möglichst durch Aushändigung amtlich genehmigter Merkblätter. Ein Geschlechtskranker ist von dem behandelnden Arzt namentlich dem Gesundheitsamt zu melden, wenn er Beginn oder Fortsetzung der Behandlung verweigert, durch seine Lebensweise eine ernste Gefahr der Übertragung auf andere bildet, falsche Angaben über die Ansteckungsquelle oder über die durch ihn gefährdeten Personen macht oder das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und sittlich gefährdet erscheint. Ferner sind dem zuständigen Gesundheitsamt unverzüglich die als mutmaßliche Ansteckungsquelle oder als gefährdet bekanntgegebenen Personen zu melden, die nicht erreichbar sind oder der Aufforderung, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, nicht nachkommen. Wird als Ansteckungsquelle eine Person angegeben, bei welcher der dringende Verdacht auf Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern besteht, so hat der Arzt ebenfalls diese Person dem Gesundheitsamt zu melden. Eine Frau, die geschlechtskrank ist, darf kein fremdes Kind stillen und ihre Milch nicht abgeben. Ein an Tripper erkranktes Kind darf von einer anderen Person als der Mutter 48
nur dann gestillt werden, wenn diese zuvor durch einen Arzt über die Krankheit des Kindes und die gebotenen Vorsichtsmaßnahmen unterwiesen wurde. Ist das Kind an Syphilis erkrankt, so darf es nur durch die Mutter gestillt werden. Wer ein geschlechtskrankes Kind in Pflege gibt, muß den Pflegeeltern zuvor von dieser Krankheit Mitteilung machen. Wer an einer Geschlechtskrankheit leidet oder zu irgendeiner Zeit an Syphilis gelitten hat, darf kein Blut spenden. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, wird mit Gefängnis bis zu 1 Jahr und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Will eine Frau ein fremdes Kind stillen, so hat sie ein ärztliches Zeugnis darüber beizubringen, daß bei ihr keine Geschlechtskrankheit nachweisbar ist. Wer ein Kind von einer anderen Person als der Mutter stillen läßt, muß im Besitz eines ärztlichen Zeugnisses darüber sein, daß eine Gesundheitsgefahr für die Stillende nicht besteht. Außerdem bestehen noch Strafbestimmungen für die Ankündigung und den Vertrieb von Mitteln und Gegenständen zur Verhütung, Heilung oder Linderung von Geschlechtskrankheiten oder von Krankheiten oder Leiden der Geschlechtsorgane. Die Kosten für die Untersuchung und Behandlung geschlechtskranker Personen werden je nach dem Fall vom Träger der Krankenversicherung oder dem zuständigen Rentenversicherungsträger oder aus öffentlichen Mitteln getragen. Auf die Bestimmungen der Schweigepflicht wird hingewiesen. Ein Fall unbedingter Offenbarung liegt nicht vor, wenn sie von einem in dem Gesundheitsamt oder in der Beratungsstelle tätigen Arzt oder auf Weisung eines solchen Arztes an eine Person gemacht wird, die mit der Durchführung der aus diesem Gesetz erwachsenden Aufgaben betraut ist. Bei der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten haben die Gesundheitsämter mit den Fürsorgeverbänden, den Jugendämtern, den Versicherungsträgern und der freien Wohlfahrts49
pflege zusammenzuarbeiten. Zur Feststellung, Untersuchung und Beratung geschlechtskranker Personen haben die Gesundheitsämter Beratungsstellen für Geschlechtskranke einzurichten. Sie haben außerdem die Aufgabe, die Bevölkerung über das Wesen und die Gefahren der Geschlechtskrankheiten aufzuklären und zu belehren. Einen Monat nach der Verkündung dieses Gesetzes sind alle entgegenstehenden Bestimmungen außer Kraft getreten, insbesondere das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 18. 2.1927 (RGBl. I S. 61) mit seinen Hechts- und Durchführungsverordnungen sowie alle in der Nachkriegszeit erlassenen Ländergesetze und -Verordnungen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. In der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten" vom 28. 12. 1954 (BGBl. I S. 523, GVB1. 1955 S. 231) wird auf Grund des § 25 des Gesetzes die Ausstellung ärztlicher Zeugnisse, Erfassung und namentliche Meldung von Geschlechtskranken geregelt. In der „Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten" vom 5. 7. 1955 (BGBl. I S. 402, GVB1. S. 737) werden auf Grund des § 17 Abs. 2 Satz 2 die ärztlichen Eingriffe bezeichnet, die nur mit Einwilligung des Kranken vorgenommen werden dürfen. Die Bekämpfung der Tuberkulose Ein Reichsgesetz zur Bekämpfung der Tuberkulose gibt es nicht. Im § 61 der 3. DVO. zum „Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 3. 7. 1934" (RGBl. I S. 531) sind die ärztlichen Aufgaben der Gesundheitsämter (Tuberkulosefürsorgestellen) hinsichtlich der Ermittlung Tuberkulosekranker und bezüglich der Maßnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung der Tuberkulose geregelt, während die hygienisch-vorbeugenden Maßnahmen, wie Ab50
sonderung, Berufsbesdiränkung und Desinfektionen aus der „Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 1. 12. 1938" (RGB1.I S. 1721) hervorgehen. Eine Vereinheitlichung in der Tuberkulosebekämpfung stellt die „Verordnung über die Tuberkulosehilfe vom 8. 9. 1942" (RGBl. I S. 549) dar, durch die Hilfsmaßnahmen, wie Heilbehandlung, Absonderung, Pflege und Beobachtung sowie wirtschaftliche Hilfe für den Kranken und seine Familie bestimmt sind. Die Tuberkulosehilfe wird gewährt, wenn das steuerpflichtige Jahreseinkommen des Kranken den Betrag von 7200,— DM nicht übersteigt und die erforderliche Hilfe nicht durch Träger der Sozialversicherung übernommen wird. Der Betrag erhöht sich für den Ehegatten des Kranken um 1200,— DM und für jedes weitere Familienmitglied um 600,— DM. Die Tuberkulosehilfe kommt besonders den Tuberkulosekranken zugute, die durch die Sozialversicherung nicht ausreichend geschützt sind. Unfallverhütungsvorschriften (Sondervorschriften für TbcKrankenanstalten oder -abteilungen sowie Lungenfürsorge- und Beratungsstellen) und ein Merkblatt der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege müssen alle Personen, die mit der Betreuung Tuberkulosekranker zu tun haben, zur Kenntnis nehmen und beachten. Ein Gesetz über die Tuberkulosehilfe befindet sich schon seit längerer Zeit in der parlamentarischen Beratung. Die Krebsbekämpfung Irgendwelche gesetzliche Grundlagen zur Bekämpfung des Krebses bestehen vorläufig noch nicht. Daß es sich hierbei jedoch um ein vordringliches Problem handelt, geht schon daraus hervor, daß die Krebserkrankungen heute den zweiten Platz in der Todesursachenstatistik einnehmen und die Todesfälle das Vierfache derjenigen an Tuberkulose betragen. Wenn auch diese Zunahme z. T. durch die Verlängerung der durchschnittlichen Lebensdauer und eine bessere diagnostische Er51
fassung bedingt ist, so ist die Häufigkeit der Krebserkrankung doch alarmierend und damit eine gelenkte Bekämpfung begründet. Nach § 3 1 c des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens ist die gesundheitliche Volksbelehrung Aufgabe der Gesundheitsämter. Da diese hier nur sinnvoll ist, wenn neben der notwendigen Aufklärung über Wesen und Gefahren dieser Krankheit entsprechende Möglichkeiten zur Untersuchung vorhanden sind, haben heute die meisten Gesundheitsämter Krebsberatungsstellen eingerichtet. Diese Beratungsstellen führen kostenlose Untersuchungen durch und veranlassen bei bestehendem Verdacht die sofortige Uberweisung an einen Arzt. Bei guter Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Gesundheitsämtern kann durch Früherfassung des Krebses und entsprechender Frühbehandlung eine wirkungsvolle Bekämpfung ermöglicht werden. Fürsorgerechtlidie Gesetze und Verordnungen (öffentliche Fürsorge) 1. D i e R e i c h s v e r o r d n u n g ü b e r d i e F ü r s o r g e p f l i c h t (Fürsorgepflicht-Verordnung) v o m 13. 2. 1924 (RGBl. I S. 100). In der Verordnung wird die Bildung von Landesfürsorgeverbänden und Bezirksfürsorgeverbänden angeordnet. Zu deren Aufgaben gehören: a) die soziale Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene, b) die Fürsorge für Rentenempfänger, soweit sie nicht dem Versicherungsträger obliegt, und Kleinrentner, c) die Fürsorge für Schwerbeschädigte erwerbsbeschränkte, 52
und
Schwer-
d) die Fürsorge für hilfsbedürftige Minderjährige, e) die Wochenfürsorge, f) die Armenfürsorge, g) weitere Fürsorgeaufgaben, soweit solche notwendig werden. 2. D a s R e i c h s g e s e t z f ü r Jugendwohlfahrt v o m 9. lt. 1922 (RGBl. I S. 633) bestimmt die Durchführung der Jugendfürsorge und die Bildung von Jugendämtern im Hinblick darauf, daß jedes Kind ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit hat. Zu den Aufgaben des Jugendamtes gehören u. a. der Pflegekinderschutz, Schutzaufsicht und Fürsorgeerziehung sowie Mitwirkung im Vormundschaftswesen und Jugendgerichtshilfe. Nach dem G e s e t z z u r Ä n d e r u n g v o n V o r s c h r i f t e n d e s R e i c h s j u g e n d w o h l f a h r t s g e s e t z e s vom 28. 8.1953 (BGBl. I S. 1035, GVBl. S. 1012) besteht das Jugendamt aus dem Jugendwohlfahrtsausschuß und der Verwaltung des Jugendamtes. Dem Jugendwohlfahrtsausschuß muß u. a. auch ein Arzt des Gesundheitsamtes angehören. In Ergänzung dieser Bestimmungen hat das Berliner Abgeordnetenhaus das Gesetz zur Ausführung des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt vom 2. 7. 1954 (GVBl. S. 379) beschlossen, wonach in jedem Bezirk neben der Verwaltung des Jugendamtes ein Jugendwohlfahrtsausschuß mit einem Arzt des Gesundheitsamtes besteht und auf Landesebene neben der Verwaltung des Landesjugendamtes ein Landesjugendwohlfahrtsausschuß, dem u. a. mit beratender Stimme auch ein Vertreter der Senatsverwaltung für Gesundheitswesen angehört. 5
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Gesetz über die F ü r s o r g e für K ö r p e r b e h i n d e r t e und von e i n e r K ö r p e r b e h i n d e r u n g bed r o h t e P e r s o n e n (Körperbehindertengesetz) vom 27. 2. 1957 (BGBl. I S. 147) und vom 4. 3. 1957 (GVB1. S. 271). Die Begriffsbestimmung (§ 1) wird wörtlich zitiert: „Körperbehindert im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die durch eine Fehlform oder Fehlfunktion des Stütz- und Bewegungssystems oder durch Spaltbildungen des Gesichts oder des Rumpfes dauernd in ihrer Erwerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt sind oder in Zukunft voraussichtlich sein werden. Dieses Gesetz findet auch Anwendung auf Seelentaube und Hörstumme. Von einer Körperbehinderung bedroht im Sinne dieses Gesetzes sind Personen mit einem angeborenen oder erworbenen Leiden des Stütz- und Bewegungssystems, das voraussichtlich zu einer dauernden Fehlform oder Fehlfunktion führt und die Erwerbsfähigkeit auf die Dauer wesentlich zu beeinträchtigen droht." Ferner ist „Aufgabe der Fürsorge für Körperbehinderte nach diesem Gesetz, drohende Körperbehinderung durch rechtzeitiges Einschreiten zu verhüten, vorhandene zu beseitigen, insbesondere die Eingliederung der Körperbehinderten in das Erwerbsleben durch Erwerbsbefähigung oder eine ihren Fähigkeiten entsprechende Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung vorzubereiten" (§ 2). Eltern, Vormünder und Pfleger sind verpflichtet, diese Personen unverzüglich einem Arzt vorzustellen. Hebammen und Medizinalpersonen sowie Lehrer und Fürsorger haben bei der Wahrnehmung einer Körperbehinderung oder bei Anzeichen drohender Körperbehinderung die Sorgepflichtigen zur Erfüllung ihrer Verpflichtung anzuhalten; kommen die letzteren dieser nicht nach, sind die genannten Personengruppen verpflichtet, dem Gesundheitsamt Meldung zu erstatten (§ 3). 54
Innerhalb eines Landes ist ein Arzt als Landesarzt zu bestellen. Die Gesundheitsämter haben die ärztliche Beratung für Körperbehinderte nach bestimmten Gesichtspunkten durchzuführen (§§ 4 u. 5). Die Landesfürsorgeverbände haben beratende Arbeitsgemeinschaften mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen, den übrigen Trägern der Sozialversicherung und den mit der Durchführung des Schwerbeschädigtengesetzes beauftragten Stellen zu bilden. Ferner haben die Fürsorgeverbände die Aufgabe, die Versorgung mit Körperersatzstücken sowie größeren orthopädischen Hilfsmitteln sicherzustellen, Heilverfahren durchzuführen sowie Hilfen bei Schulausbildung, Fortbildung und Umschulung zu gewähren (§7). Alle entgegenstehenden Bestimmungen sind außer Kraft getreten, u. a. auch das Preußische Gesetz betr. die öffentliche Krüppelfürsorge vom 6. 5. 1920 mit Ausführungsanweisung und Durchführungsverordnungen. 4. G e s e t z z u m S c h u t z e d e r e r w e r b s t ä t i g e n M u t t e r ( M u t t e r s c h u t z g e s e t z ) vom 24. 1. 1952 (BGBl. I S. 69) und vom 24. 4. 1952 (GVBl. S. 292). Dieses Gesetz gewährt Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, während der Schwangerschaft und nach der Geburt folgenden Schutz: a) Während der Schwangerschaft und 4 Monate nach der Geburt darf keine Entlassung durch die Arbeitsstelle erfolgen. b) Während der Schwangerschaft dürfen keine Arbeiten gefordert werden, die Mutter und Kind gefährden. (Arbeiten mit Lasten von mehr als 5—10 kg Gewicht, Arbeiten im Stehen, Bedienung von Maschinen mit Fußantrieb usw.) 5'
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c) Mehrarbeit, Nacht- und Feiertagsarbeit sind für werdende und stillende Mütter unzulässig. d) In den letzten 4—6 Wochen vor der Niederkunft dürfen werdende Mütter nicht mehr beschäftigt werden; Wöchnerinnen dürfen bis zum Ablauf von 6 Wochen nach der Geburt, stillende Mütter bis zum Ablauf von 8 Wochen nicht beschäftigt werden. e) Stillende Mütter haben Anspruch auf Stillpausen während der Arbeitszeit ohne Lohnausfall. Dem Arbeitgeber sollen werdende Mütter ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag ihrer Niederkunft mitteilen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist. Das Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme ist auf Verlangen vorzulegen. Falls bei pflichtversicherten Frauen das Arbeitsentgelt nicht weiter gewährt wird, zahlt die Rentenversicherung Wochengeld (Wochenhilfe 3 Monate); für jeden Kalendertag wird ein Stillgeld von •—,75 DM gezahlt, solange die Frauen stillen, längstens bis zum Ablauf der 26. Woche nach der Niederkunft. Arznei- und Betäubungsmittel Beim Verkehr von Arzneimitteln wird grundsätzlich unterschieden zwischen Mitteln, die nicht apothekenpflichtig sind, also auch von Drogerien abgegeben werden dürfen, und solchen Mitteln, die als „apothekenpflichtig" nur den Apotheken zur Abgabe vorbehalten sind. Von diesen werden wieder Mittel unterschieden, die im Handverkauf abgegeben werden dürfen und Mittel, deren Abgabe ein Rezept voraussetzt. Von den rezeptpflichtigen Arzneien können Mittel zum inneren Gebrauch w i e d e r h o l t oder nur auf jedesmal e r n e u e r t e m Rezept abgegeben werden; zu den letzteren 56
gehören vor allem die Schlafmittel, die durch Gewöhnung häufig zum Schlafmittelmißbrauch führen. Für die Abgabe von Betäubungsmitteln gelten besondere gesetzliche Bestimmungen, deren Grundlage das „ G e s e t z über den V e r k e h r mit Betäubungsmitteln ( O p i u m g e s e t z ) v o m 10. D e z e m b e r 1929" (RGBl. I S. 215) mit Nachträgen und Durchführungsverordnungen bildet. Die Abgabe der Betäubungsmittel unterliegt daher der „Verordnung ü b e r das V e r s c h r e i b e n B e t ä u bungsmittel enthaltender Arzneien und i h r e A b g a b e i n d e n A p o t h e k e n v o m 19.12.1930" (RGBl. I S. 635). U. a. gehören dazu folgende Stoffe: Dicodid, Dilaudid, Dolantin, Eukodal, Heroin, Kokain, Morphium, Opium, Pervitin, Laudanon, Pantopon. Die in letzter Zeit bekannt gewordenen Betäubungsmittel Cliradon, Dromoran und Polamidon wurden durch eine Verordnung vom 16.6. 1953 (BGBl. I S. 402) und vom 5. 8 . 1 9 5 3 (GVB1 S. 724) mit Wirkung vom 10. 7. 1953 den Bestimmungen des Opiumgesetzes unterstellt. Diese Maßnahmen sind notwendig, da durch die Gewöhnung an Betäubungsmittel die Gefahr der Süchtigkeit besteht. Daher dürfen auch von Krankenpflegepersonen Betäubungsmittel n u r auf ärztliche Anordnung an die Patienten abgegeben werden, wobei Pflegepersonen eine besondere Verantwortung, auch sich selbst gegenüber, auferlegt wird. Insbesondere gehört die Morphiumspritze in die Hand des Arztes, nur in Ausnahmefällen darf sie erfahrenen Pflegepersonen, die das besondere Vertrauen des verantwortlichen Arztes besitzen, anvertraut werden. Für die Verwendung von Betäubungsmitteln und den Verbleibsnachweis in städtischen Krankenanstalten liegt eine besondere Dienstanordnung vor, die die Verantwortlichkeit der Aufsicht über den Vorrat und die Ausgabe regeln sowie die Führung der Betäubungsmittelbücher (Dbl. Teil V — 41 vom 22. 8. 1950). Hier wird u. a. vorgeschrieben: 57
Betäubungsmittel enthaltende Arzneien, die sich außerhalb der Anstaltsapotheke befinden, sind getrennt von anderen Arzneien aufzubewahren und unter ständigem Verschluß zu halten. Der ärztliche Direktor der Krankenanstalt oder für die einzelne Abteilung oder Station der leitende Abteilungsarzt (Chefarzt), beauftragt eine Schwester (einen Pfleger) mit der Aufsicht über den Vorrat und mit der Ausgabe. Nur dieser Beauftragte darf Betäubungsmittel aus dem Vorrat abgeben. Für die Zeit seiner Abwesenheit (Nachtdienst usw.) gibt er Betäubungsmittel aus, über deren Verwendung mit ihm abzurechnen ist1). Bezug und Verbrauch der Betäubungsmittel sowie den Bestand hat der mit der Aufsicht über den Vorrat und mit der Ausgabe Beauftragte in ein besonderes, mit fortlaufenden Seitenzahlen versehenes Betäubungsmittelbuch für Krankenanstalten einzutragen. Im ersten Teil des Betäubungsmittelbuches ist jede Anwendung nach Tag, Art, Zubereitungsform und Menge des Mittels mit Angabe des Kranken täglich einzutragen und von dem Arzt (Zahnarzt), der die Anwendung angeordnet, sowie von der Schwester (dem Pfleger), die die Anwendung durchgeführt hat, gegenzuzeichnen. Am Schlüsse eines jeden Monats ist die Gesamtmenge der verwendeten Betäubungsmittel, nach Art und Zubereitungsform getrennt, festzustellen und unter diesen Eintragungen zu vermerken. Im zweiten Teil des Betäubungsmittelbuches ist zu Beginn eines jeden Monats der Bestand an den einzelnen Betäubungsmitteln einzutragen, darunter laufend jeder Zugang nach Tag, Art, Zubereitungsform und Menge. In Anstalten, die nicht über eine Apotheke verfügen, hat der Arzt, der die Betäubungsmittel enthaltenden Arzneien verschrieben hat, die Angaben über den Zugang gegenzuzeichnen. 1)
Es ist üblich, daß mit dieser verantwortlichen Aufgabe die leitende Schwester betraut wird.
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Am Schluß eines jeden Monats ist aus dem Bestand am Beginn des Monats, dem Zugang und Verbrauch während des Monats der rechnerische Bestand (Sollbestand) festzustellen und einzutragen, darunter der tatsächliche (Istbestand). Diese Eintragungen sind am Ersten eines jeden Monats vom ärztlichen Direktor oder, wenn sie eine einzelne Abteilung betreffen, vom leitenden Abteilungsarzt (Chefarzt) gegenzuzeichnen. Besondere Bestimmungen bestehen noch für die Abgabe von Arzneien durch Gemeindeschwestern vom 6. Nov. 1940 (RMBliV. S. 2071). Diesen ist es gestattet, in ihrer Berufstätigkeit zur Abwendung von Notständen und wenn ärztliche Anordnungen nicht eingeholt werden können, bestimmte Verbandstoffe und Arzneimittel anzuwenden und an Kranke u n e n t g e l t l i c h abzugeben: Keimfreie Verbandmittel ohne Zusatz von Desinfektionsmitteln, Alkohol, Wasserstoffsuperoxyd, Borsalbe, Zinksalbe oder -paste, Vaseline, Zinkpuder, Brustpulver, Anis-AmmoniakTropfen, zusammengesetzte Chinatinktur, Baldrian- und Hoffmannstropfen, Brust-, Kamillen-, Lindenblüten- oder Pfefferminztee, Leinsamen, Acetylsalicylsäure-, Aminophenacon-, Solvens-, Kohletabletten, Salmiakgeist, Brandbinden, Kresolseifenlösung, Formaldehydseifenlösung, Chloraminlösung, Chloraminpuder, Jodtinktur, Lebertransalbe, Glycerin, Rizinusöl, Olivenöl. Verbandstoffe und Arzneimittel müssen durch einen von dem Träger der Gemeindepflegestation beauftragten Arzt verschrieben und aus der nächstgelegenen Apotheke bezogen sein. Uber den Bezug und den Verbrauch der Arzneimittel hat die Gemeindeschwester genau Buch zu führen. 59
Verkehr mit Lebensmitteln I. R e i c h s g e s e t z über den Verkehr mit L e b e n s m i t t e l n und B e d a r f s g e g e n s t ä n d e n ( L e b e n s m i t t e l g e s e t z ) v o m 17. 1. 1936 (RGBl. I S. 17). Der Verkehr mit Lebensmitteln muß zum Schutz vor gesundheitlichen Schäden der Bevölkerung beaufsichtigt werden. Lebensmittel können einmal von vornherein gesundheitsschädlich sein, z. B. Milch von kranken Tieren, tuberkulöses oder trichinöses Fleisch usw., oder sie können durch unsachgemäße Behandlung, Verarbeitung und Lagerung gesundheitsschädlich werden. Es ist daher verboten: 1. Lebensmittel für andere derart zu gewinnen, herzustellen, zuzubereiten, zu verpacken, aufzubewahren oder zu befördern, daß der Genuß die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist. 2. Gesundheitsschädigende Gegenstände als Lebensmittel anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen. 3. Lebensmittel zum Zwecke der Täuschung nachzuahmen oder zu verfälschen. 4. Lebensmittel anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen, die verdorben, nachgemacht oder verfälscht sind, desgleichen solche, deren Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung irreführend sind. Zu diesem Gesetz wurden zahlreiche Durchführungsverordnungen erlassen, u. a. auch eine Verordnung über die Verwendung von Enteneiern, die wegen der Gefahr von bakteriellen Lebensmittelvergiftungen vor dem Gebrauch mindestens 10 Minuten zu kochen sind. 60
Außerdem wurde auf Grund dieses Gesetzes die „ V e r o r d nung zum S c h u t z e gegen I n f e k t i o n durch Err e g e r d e r S a l m o n e 11 a - G r u p p e i n E i p r o d u k t e n " vom 17. 12. 1956 (BGBl. I S. 944) und vom 8. 3. 1957 (GVB1. S. 274) erlassen, nach der es verboten ist, Eiprodukte ohne ausreichende Vorbehandlung (Abtötung der Bakterien) als Lebensmittel anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen. Wer Eiprodukte vorbehandeln will, bedarf hierzu der Genehmigung der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörde. Nach dem G e s e t z z u r Ä n d e r u n g u n d E r g ä n z u n g d e s L e b e n s m i t t e l g e s e t z e s vom 2 1 . 1 2 . 1 9 5 8 (BGBl. I S. 950, GVBl. 1959 S. 84) dürfen Lebensmitteln, die dazu bestimmt sind, gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht zu werden, bei der Gewinnung, Herstellung und Zubereitung fremde Stoffe unvermischt oder nach Vermischung nur zugesetzt werden, wenn sie hierfür ausdrücklich zugelassen sind. Als fremde Stoffe werden hiernach Stoffe bezeichnet, die keinen Gehalt an verdaulichen Kohlehydraten, verdaulichen Fetten, verdaulichem Eiweiß oder keinen natürlichen Gehalt an Vitaminen, Provitaminen, Geruchs- oder Geschmacksstoffen haben. Ferner dürfen Lebensmittel nur mit ionisierenden oder ultravioletten Strahlen behandelt werden, soweit dies ausdrücklich zugelassen ist. Falls fremde Stoffe als Zusatz zu Lebensmitteln oder die Behandlung der Lebensmittel mit ionisierenden oder ultravioletten Strahlen ausdrücklich zugelassen werden, besteht hierfür eine Kennzeichnungspflicht. Diese Vorschriften dienen dem Schutz des Verbrauchers, um einer Beschaffenheit von Lebensmitteln vorzubeugen, die geeignet ist, die menschliche Gesundheit zu gefährden. 61
II. R e i c h s m i l c h g e s e t z v o m 31. 7. 1930 (RGBl. I S. 421). Diesem Gesetz unterliegt der Verkehr mit Kuhmilch und den aus Kuhmilch gewonnenen Erzeugnissen. So darf Milch von kranken, besonders tuberkulösen und tuberkuloseverdächtigen Kühen nicht in den Verkehr gebracht werden. Personen, die an Typhus, Paratyphus, Ruhr oder Tuberkulose erkrankt sind, oder bei denen der Verdacht einer dieser Krankheiten besteht, dürfen nicht im Milchverkehr oder bei der Milchgewinnung sowie in Lebensmittelbetrieben beschäftigt werden. Dasselbe gilt für Dauerausscheider. Auch Personen, die an Geschwüren, Eiterungen, Ausschlägen und ekelerregenden Krankheiten leiden, dürfen im Milchverkehr nicht beschäftigt werden. Aus diesen Gründen werden die Personen in diesen Betrieben laufend amtsärztlich untersucht. Eine Tätigkeit bei der Milchgewinnung oder im Milchverkehr bedarf der Erlaubnis, die nur nach ärztlicher Untersuchung erteilt wird. Unter Aufhebung des § 38 des Reichsmilchgesetzes hat der Bundestag 1951 ein ergänzendes Gesetz über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten (Milch- und Fettgesetz) mit 3 Durchführungsverordnungen erlassen. In Erweiterung dieser gesetzlichen Vorschriften wurde für Berlin eine „ V e r o r d n u n g g e g e n d i e V e r b r e i t u n g übertragbarer Krankheiten durch Personen i n L e b e n s m i t t e l b e t r i e b e n v o m 17.4.1952" (GVBl. S. 299) auf Grund der §§6 und 13 des SeuchenbekämpfungsErgänzungsgesetzes vom 8. 11. 1951 (GVBl. S. 1105) erlassen. In dieser Verordnung sind alle Krankheiten genannt, die zu einem Tätigkeitsverbot durch Anordnung des Gesundheitsamtes führen, falls eine im Lebensmittelbetrieb beschäftigte Person daran erkrankt ist odér verdächtig ist, erkrankt zu sein. 62
Auch die Bestimmungen über die Wiederaufnahme der Tätigkeit nach Überstehen dieser Erkrankungen bzw. des Verdachts der Erkrankungen sowie über die sich daraus ergebende Untersuchungspflicht sind in dieser Verordnung festgelegt. Die Behandlung der Tabakwaren ist in die Bestimmungen für Lebensmittelbetriebe einbezogen. Desinfektion Die Desinfektion dient zur Vernichtung der Krankheitserreger sowie des Körpers- und Hausungeziefers (Entwesung). Wir unterscheiden bei der vorschriftsmäßigen Vernichtung der Krankheitserreger durch anerkannte physikalische und chemische Verfahren eine laufende Desinfektion und die Schlußdesinfektion. a) P h y s i k a l i s c h e
Maßnahmen:
1. Durch t r o c k e n e Hitze: Verbrennung wertloser Gegenstände, Einwirkung durch bewegte Heißluft (bei 160° Celsius Einwirkungszeit 2 Stunden). 2. Durch f e u c h t e Hitze: bei Siedehitze des Wassers (100° Celsius in 20 Min.), bei strömendem Wasserdampf (105° Celsius Einwirkungszeit 90 Min.). b) C h e m i s c h e
Maßnahmen:
W ä s c h e - und K l e i d e r d e s i n f e k t i o n •3%ige Formalinlösung •— Einwirkungszeit 4 Stunden. l,5%ige Formalinlösung — Einwirkungszeit 12 Stunden. Anwendbar bei allen übertragbaren Krankheiten einschließlich Tuberkulose. Bei Viruskrankheiten neben Formalin auch 5%ige Phenole u. a. Mittel z. B. Gevisol. 63
Zimmerdesinfektion 3%ige Formalinlösung — Einwirkungszeit 4 Stunden. Anwendbar bei allen übertragbaren Krankheiten einschließlich Tuberkulose. Wirksamstes Mittel zur Zimmerdesinfektion bei Tuberkulose! Im übrigen Phenole-Kresole-Chlorxylenole mit Seifenlösung in vorgeschriebenen Konzentrationen. Stuhldesinfektion 20%ige Kalkmilch: 1 Teil Stuhl und 2 Teile Kalkmilch — Einwirkungszeit 6 Stunden. Geformten Stuhl mit Holzstäbchen verteilen! Unwirksam bei Tuberkulose! Das Kalkverfahren ist vorwiegend für Krankenhäuser geeignet. Im Privathaushalt: 5%iges Alkalysol oder 5%iges Tb-Bacillol — Einwirkungszeit 6 Stunden. Geformten Stuhl mit Holzstäbchen verteilen! Anwendbar bei allen übertragbaren s c h l i e ß l i c h Tuberkulose.
5% 5% 5% 5% 5% 5% 5% 5%
Krankheiten
ein-
Auswurfdesinfektion Chloramin Rohchloramin Alkalysol Tb-Bacillol Einwirkungszeit 4 Stunden Baktolan Parmetol Aldokal Tb-Lysoform
1 Teil Auswurf und 2 Teile 5%ige Verdünnung der angeführten Mittel. Anwendbar bei allen übertragbaren Krankheiten einschließlich Tuberkulose. 64
Händedesinfektion a) H y g i e n i s c h e H ä n d e d e s i n f e k t i o n b e i ü b e r tragbaren Krankheiten 2 % Sagrotan 2% Neosept Einwirkungszeit 2 Minuten 2% Baktol u. a. b) H ä n d e e n t k e i m u n g reitung 1% Zephirol 1% Quartamon 2% Valvanol u. a.
zur
Operationsvorbe-
Einwirkungszeit 2—5 Minuten
Bei ständiger Anwendung Hautschutz durch Fettcreme. Desinfektion durch Auskochen Gewebe aus Baumwolle, Flachs, Hanf oder Nessel (Bett- und Weißwäsche) können bei nicht zu grober Verschmutzung durch Auskochen unter Zusatz von 1% Soda desinfiziert werden. Kunstfaser-, Seide- und Wollgewebe sind wegen einer möglichen Faserschädigung mit chemischen Mitteln zu desinfizieren (s. auch Wäsche- und Kleiderdesinfektion). Das Eßgerät und Eßgeschirr sind zweckmäßig durch Auskochen (eventuell durch Einlegen in 3%ige Formalinlösung während 4 Stunden) zu desinfizieren. Schlußdesinfektion Formaldehydverdampfung nach dem Verfahren von Flügge oder Befeuchten der Flächen mit 3%iger wäßriger Formalinlösung oder 3%iger Chloraminlösung. 65
Kurzer Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Krankenpflege Die Hilfsbereitschaft für den kranken Menschen hat sich aus weltanschaulichen und religiösen Einflüssen maßgeblich entwickelt. Diese Hilfsbereitschaft beschränkte sich zunächst innerhalb der Familie auf die erkrankten Familienangehörigen, solange sie zu Hause untergebracht waren. In einer fremden Umgebung jedoch mußten auch fremde Hilfskräfte herangezogen werden, so daß die Entwicklung der Krankenpflege eng mit der des Krankenhauswesens verbunden ist. Den bedeutendsten Einfluß auf die Entstehung einer Krankenpflege hatte die christliche Religion mit ihrem Gedankengut der selbstlosen Nächstenliebe, so daß die Sorge um die Kranken zur religiösen und sittlichen Pflicht wurde. Im Neuen Testament ist dieser Dienst mit dem Wort Diakonie bezeichnet. Die Arbeit in der Diakonie ging aber über die Ausübung einer Krankenpflege hinaus und bezog Gottesdienst und geistlichen Beistand ein. So entstand besonders in Gegenden, wo Klöster gegründet wurden, deren Insassen häufig die Heilkunde ausübten, eine Krankenpflege. Erst im Mittelalter, als das Krankenhauswesen sich stärker entwickelte, wurde das Bedürfnis auch nach weltlichen Krankenpflegepersonen größer. So bildeten sich im Anschluß an die Kreuzzüge ritterliche und weltliche Orden sowie Hospitalgemeinschaften, die sich teilweise aus Barmherzigkeit einer krankenpflegerischen Tätigkeit innerhalb und außerhalb von Krankenanstalten angenommen haben. Im 16. und 17. Jahrhundert konnte ein Fortschritt in dieser Entwicklung nicht festgestellt werden, besonders auch in Deutschland, so daß das Krankenpflegewesen noch im 18. Jahrhundert auf einer recht niedrigen Stufe stand. Vom 17. bis 19. Jahrhundert entwickelten sich von Frankreich aus über die Vincentinerinnen und Borromäerinnen zahlreiche katholische Schwesternorganisationen, die später auch in 66
Deutschland eigene Mutterhäuser gründeten und sich in der Anstalts- und Gemeindepflege betätigten. Im 19. Jahrhundert versuchte man, sich von der Anschauung freizumachen, daß Frauen, die die Krankenpflege ausüben wollten, einem geistlichen Orden angehören müssen; so bemühte sich nun auch die protestantische Kirche, ähnliche Einrichtungen zu schaffen. Während der napoleonischen Kriege bildeten sich in Deutschland Frauenvereine, die bereit waren, auf dem Gebiet der Krankenpflege zu wirken. 1836 wurde in Kaiserswerth ein Krankenhaus als Ausbildungsstätte für Diakonissinnen von dem Pfarrer Theodor F l i e d n e r eröffnet, dem als Begründer des Diakonissenwesens ein großer Verdienst zukommt. Das Kaiserswerther Diakonissenhaus als Mutterhaus bildete den Schwestern einen Ersatz für das aufgegebene Familienleben. Von hier aus verbreiteten sich die Mutterhäuser über Deutschland bis ins Ausland. Das Krankenhauswesen wurde dabei durch die Übernahme von Krankenhäusern sehr gefördert. Sehr wesentlichen Einfluß auf die weitere Entwicklung der Krankenpflege hatte Florence N i g h t i n g a l e aus England, die den Standpunkt vertrat, daß nicht nur konfessionelle Einrichtungen die Krankenpflege auszuüben brauchen; auch gelang es ihr, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß Krankenpflege eine Kunst sei und für diese Pflichten eine Ausbildung notwendig ist. Sie gründete 1860 die erste Ausbildungsstätte für Krankenschwestern ohne Ordensbindung in London. Bedeutende Impulse zu weiterem Ausbau der Krankenpflege gingen von Vereinigungen zur Förderung der Kriegskrankenpflege aus, inbesondere vom Roten Kreuz, dessen Begründer der Schweizer Henry D u n a n t war. 1864 war nach internationalen Konferenzen die Genfer Konvention zustandegekommen, nach der ein verwundeter und kranker Soldat nicht mehr als Feind angesehen werden sollte, sondern nur 67
noch als Gegenstand der Fürsorge. Dazu war es notwendig, daß im Kriege das gesamte Sanitätspersonal unter den Ausnahmebestimmungen der Neutralität stehen mußte. Die Genfer Konvention bestimmte auch die Neutralitätsflagge und das Abzeichen (rotes Kreuz auf weißem Grund). Die daraufhin entstandenen Landesvereine vom Roten Kreuz, die von den Regierungen sehr unterstützt wurden, förderten den Gedanken der Krankenpflege außerordentlich, zumal die Tätigkeit des Roten Kreuzes auch in Friedenszeiten bedeutende Aufgaben zu erfüllen hatte. So bildeten sich im 19. Jahrhundert neben den konfessionellen Vereinigungen zahlreiche beachtliche weltliche Krankenpflegevereine, die den Bedarf an Krankenschwestern bei dem ständigen weiteren Ausbau der Krankenanstalten decken mußten. Die Aufsplitterung und Spezialisierung in der Heilkunde brachte es mit sich, daß auch pflegerische Fachkräfte notwendig wurden, besonders in der Irrenpflege und Säuglingspflege. Erst in den letzten Jahrzehnten zeigte sich die Notwendigkeit, die Ausbildung in der Krankenpflege der privaten Initiative zu entziehen, da die steigenden Anforderungen im krankenpflegerischen Beruf eine Verlängerung und Vertiefung der Ausbildung erforderlich machten. Nur durch eine einheitliche Ausbildung und Prüfung mit staatlicher Anerkennung, wie sie zunächst durch das 1938 erlassene Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege und 1957 durch das neue Krankenpflegegesetz in Deutschland geregelt wurde, konnte die Voraussetzung zu einer ordnungsgemäßen Ausbildung in der Krankenpflege geschaffen werden. (Ausführlicher Unterrichtsstoff über die Geschichte der Krankenpflege ist zu finden im Berliner Gesundheitsblatt, 1950, Heft 9, 11 und 15, Verfasserin: Oberin B. K a b o t h ) .
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Abkürzungen AnVNG ArVNG BGB BGBl Dbl DVO GVB1 KrT KV AB LVAB Pr.Ges.Slg. RArbBI RdErl RGBl RMBliV RMdl RVO SEG StGB UVV VAB vo VW
BCG
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Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Dienstblatt des Senats von Berlin Durchführungsverordnung Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Krankenhaustarifordnung Krankenversicherungsanstalt Berlin Landesversicherungsanstalt Berlin Preußische Gesetzessammlung Reichsarbeitsblatt Runderlaß Reichsgesetzblatt Reichsministerialblatt für die innere Verwaltung Reichsminister des Innern Reichsversicherungsordnung Seuchenbekämpfungs-Ergänzungsgesetz Strafgesetzbuch Unfallverhütungsvorschriften Versicherungsanstalt Berlin Verordnung Volkswohlfahrt
Bacille Calmette-Guerin 69
Otto
Helfer - Berta
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Männer der Medizin Kurzbiographien Klein-Oktav. 66 Seiten. 1955. DM 2,60; 10—49 Expl.
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50 Expl.
DM 2,40
„Die Broschüre ,Männer der Medizin' ist für jeden jungen Menschen, der in der Ausbildung zu einem medizinischen Beruf steht, ein lehrreicher Lesestoff, denn sie gibt ihm Auskunft über das Leben und Lebenswerk der berühmten Ärzte, Chemiker, Physiker und Naturheilkundigen, deren Leben und Forschen wir den Hochstand unserer Naturwissenschaften, insbesondere der Medizin, verdanken."
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