Max Weber-Gesamtausgabe, Band II/8: Briefe 1913-1914 3161479203, 9783161479205

Die Edition der bislang unveroffentlichten Briefe Max Webers aus den Jahren 1913 und 1914 gibt insbesondere Einblick in

192 108 7MB

German Pages 902 [937] Year 2003

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1913 – 1914
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
Einleitung
Briefe 1913 – 1914
Anhang
1. Stoffverteilungsplan für das „Handbuch der politischen Ökonomie“, Mai 1910
2. „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“ des „Grundriß der Sozialökonomik“
Verzeichnisse und Register
Personenverzeichnis
Verwandtschaftstafeln der Familien Fallenstein und Weber
Register der Briefempfänger
Personenregister
Ortsregister
Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe. Abteilung II: Briefe
Bandfolge der Abteilung I: Schriften und Reden
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Max Weber-Gesamtausgabe, Band II/8: Briefe 1913-1914
 3161479203, 9783161479205

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I

II

Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von

Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann †

Abteilung II: Briefe Band 8 1. Halbband

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

III

Max Weber Briefe 1913–1914

Herausgegeben von

M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit

Birgit Rudhard und Manfred Schön

1. Halbband

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

IV Redaktion: Karl-Ludwig Ay – Edith Hanke Die Herausgeberarbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Freistaat Bayern, den Ländern Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

ISBN 3-16-147920-3 Leinen / eISBN 978-3-16-157765-9 unveränderte ebook-Ausgabe 2019 ISBN 3-16-147922-X Hldr Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2003 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer-tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde gesetzt und gedruckt von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier.

V

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1913–1914 . . . . . . . . Siglen, Zeichen, Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Briefe 1913–1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang:

19

1. Stoffverteilungsplan für das „Handbuch der politischen Ökonomie“, Mai 1910 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“ des „Grundriß der Sozialökonomik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwandtschaftstafeln der Familien Fallenstein und Weber . . Register der Briefempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe. Abteilung II: Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bandfolge der Abteilung I: Schriften und Reden . . . . . . . . . . .

VII XI

808 817

827 870 875 878 889

893 900

VII

Vorwort

Der nachfolgende Band des Briefwerks schließt an den 1998 in zwei Halbbänden erschienenen Band MWG II/7 an, der die Jahre 1911 und 1912 umfaßte. Er führt die Edition der Briefe bis in das erste Jahr des Ersten Weltkriegs hinein. Angesichts der schwierigen Überlieferungslage war wiederum eine lange Vorbereitungszeit erforderlich. Es sei darauf hingewiesen, daß es, von den Briefen an Familienangehörige abgesehen, keinen zentralen Briefbestand im Nachlaß Max Webers gibt; vielmehr befinden sich die uns erhaltenen Briefe verstreut in zahlreichen Archiven, Nachlässen und privaten Sammlungen und mußten daher vielfach mit großem Aufwand aufgespürt werden. Darüber hinaus war die zuverlässige Transkription der oft schwer lesbaren Originale sehr arbeitsaufwendig. Das gleiche kann für die Recherchen in zahlreichen öffentlichen und privaten Archiven gesagt werden, die erforderlich waren, um wie bisher eine sachgerechte Kommentierung der Briefe zu erstellen. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Korrespondenz, die im Zusammenhang mit Webers Anteilnahme an den Lebensverhältnissen und Prozessen von Frieda Gross entstanden ist. Im Rahmen des Briefwerks ist Wolfgang J. Mommsen für die Korrespondenz wissenschaftlichen und politischen Inhalts, einschließlich der Briefe an Alfred Weber, zuständig, M. Rainer Lepsius für die Briefe an die Familienangehörigen sowie die Briefe an Frieda Gross, Mina Tobler und Franziska Gräfin zu Reventlow, außerdem zu Teilen auch für Briefe an Edgar Jaffé und Hans W. Gruhle. Die Editionsarbeit wurde von zwei Arbeitsstellen durchgeführt, zum einem der Arbeitsstelle am Historischen Seminar der Universität Düsseldorf, die inzwischen in der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften residiert, zum anderen der Arbeitsstelle am Institut für Soziologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Erstere steht unter der Leitung von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Manfred Schön, letztere unter der Leitung von M. Rainer Lepsius in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard. Die Transkription der handschriftlichen Originale wurde für die Briefe wissenschaftlichen und politischen Inhalts von Manfred Schön, für die Briefe an die Familienangehörigen von Diemut Moosmann vorgenommen. Manfred Schön brachte erneut seine umfassenden Kenntnisse der Geschichte der Geistes- und Sozialwissenschaften in die Edition ein. Die Herausgabe auch dieses Bandes wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Institutionen und der Eigentümer zahlreicher Privatnachlässe nicht

VIII

Vorwort

möglich gewesen. Diese können hier nicht sämtlich namentlich genannt werden, obschon wir ihnen allen zu großem Dank verpflichtet sind. Besonders erwähnt zu werden verdienen Professor Eduard Baumgarten (†) und Dr. Max Weber-Schäfer (†) sowie ihre Erben, die uns die in ihrem Besitz befindlichen Korrespondenzen bereitwillig zur Verfügung stellten, ferner Dr. theol. (h.c.) Georg Siebeck, der uns die Bestände des Verlagsarchivs Mohr Siebeck zugänglich machte. Erwähnt sei schließlich auch Professor Mario Einaudi (†), der uns die Briefe an Robert Michels zur Verfügung stellte, sowie Professor Wolfgang Gruhle. Wir danken ferner den Mitarbeitern zahlreicher Archive und Bibliotheken, von denen ausdrücklich genannt seien das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, die Bundesarchive Koblenz und Berlin, das Generallandesarchiv Karlsruhe, das Staatsarchiv Basel-Stadt, das Universitätsarchiv Heidelberg, das Universitätsarchiv Gießen, die Fondazione Luigi Einaudi Turin, die Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Berlin, die Bayerische Staatsbibliothek München, die Universitätsbibliothek der Heinrich Heine Universität Düsseldorf, die Universitätsbibliotheken Bielefeld, Heidelberg und Leipzig sowie die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek in Kiel. Ohne die Großzügigkeit, mit der sie ihre einschlägigen Bestände zur Verfügung gestellt und die Arbeit der Editoren mit ihrem Rat und zahlreichen Hinweisen unterstützt haben, hätte auch dieser Band nicht erstellt werden können. Die Arbeiten an diesem Bande wurden wiederum von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen der Forschungsförderung der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften gefördert. Federführend war dabei die Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter dem Vorsitz von Professor Knut Borchardt. Unentbehrliche Unterstützung erhielten die Herausgeber wiederum von der Heinrich Heine Universität Düsseldorf und der Ruprecht Karls Universität Heidelberg. Großen Dank schulden die Herausgeber wiederum Karl-Ludwig Ay und Edith Hanke von der Arbeitsstelle der Max Weber Gesamtausgabe an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, welche die Manuskriptvorlagen in mehreren Durchgängen sorgfältig geprüft und zahlreiche sachdienliche Hinweise gegeben haben. Professor Horst Baier prüfte die Druckvorlagen mit großer Sorgfalt und kritischem Blick und steuerte viele nützliche Hinweise bei. Margret Schön danken wir erneut für tatkräftige Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlagen und der Durchführung der Korrekturarbeiten. Tanja Blum und Marc Woltring sei gedankt für ihre Mitarbeit an der Erstellung der Verzeichnisse der Briefe wissenschaftlichen und politischen Inhalts, Christoph Schneider an der Arbeitsstelle Heidelberg für die Erstellung der Druckvorlagen und der Verzeichnisse der Briefe an die Familienange-

Vorwort

IX

hörigen. Unser Dank gilt weiterhin Ingrid Pichler von der Arbeitsstelle der Max Weber-Gesamtausgabe an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften für die Mitwirkung an der Satzkorrektur und für die Erstellung der Register. Heidelberg und Düsseldorf im November 2002

M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen

X

XI

Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1913 – 1914

Datum

Ort

Empfänger

Seite

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Paul Siebeck Soziologisches Kränzchen Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Edgar Jaffé Johann Plenge Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Johann Plenge Paul Siebeck Paul Siebeck Karl Bücher Georg von Lukács Paul Siebeck Paul Siebeck Ferdinand Tönnies

19 23 25 42 43 45 46 47 48 52 54 56 57 59 60 62 63 64 65 67

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Ferdinand Tönnies Johann Plenge Paul Siebeck Paul Siebeck Ferdinand Tönnies Ferdinand Tönnies Heinrich Rickert Paul Siebeck Georg von Lukács Paul Siebeck Ferdinand Tönnies Edgar Jaffé Paul Siebeck Teilnehmer der Leipziger Besprechung

73 74 75 76 78 81 83 86 88 90 91 93 94

1913 2. Januar 3. Januar 4. Januar 7. Januar 7. Januar 15. Januar 16. Januar 21. Januar 21. Januar 23. Januar 25. Januar 25. Januar 26. Januar 28. Januar 28. Januar 28. Januar 29. Januar 29. Januar 29. Januar 29. Januar nach dem 30. Januar 1. Februar 2. Februar 4. Februar 6. Februar 6. Februar 7. Februar 8. Februar 11. Februar 17. Februar 18. Februar 22. Februar 22. Februar 22. Februar

95

XII

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

28. Februar 28. Februar 1. März 6. März 6. März 8. März 9. März 10. März 10. März 10. März 12. März vor dem 14. März 17. März 18. März 18. März 22. März 22. März 22. März 23. März vor dem 24. März vor dem 24. März 25. März 26. März 27. März 28. März 28. März 29. März 30. März 31. März 1. April 1. April 2. April 2. April 3. April 5. April 6. April 7. April 8. April 9. April 10. April 11. April 12. April

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Friedrich Blanck Paul Siebeck Else Baumgarten Georg von Lukács Alwine (Wina) Müller Hans W. Gruhle Karl Wolfskehl Georg von Lukács Heinrich Sieveking Marianne Weber Marianne Weber

99 101 103 107 109 112 115 116 118 120 122

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Johann Plenge Ferdinand Tönnies Johann Plenge Johann Plenge Heinrich Herkner Georg von Lukács Johann Plenge Heinrich Rickert

124 126 130 133 134 135 137 140

Heidelberg

Arthur Salz

143

Heidelberg Zürich Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona

Arthur Salz Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Paul Siebeck Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Robert Wilbrandt Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Franz Boese

145 146 147 149 151 152 154 156 159 162 163 164 165 167 168 170 171 172 173 174 175 176

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XIII

Datum

Ort

Empfänger

12. April 13. April 14. April 14. April 15. April 16. April 17. April 18. April 19. April 20. April 21. April 22. April

Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona oder Locarno Ascona Ascona Ascona

Marianne Weber Helene Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Ferdinand Tönnies

177 178 180 181 184 185 187 189 191 192 193 196

Marianne Weber Paul Siebeck Marianne Weber

198 199 200

o.O. Ascona Freiburg i.Br. Freiburg i.Br. Freiburg i.Br.

Johann Plenge Marianne Weber Frieda Gross Hermann Kantorowicz Paul Siebeck

201 203 204 207 208

Heidelberg

Karl Jaspers

209

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Karl Jaspers Johann Plenge Franz Boese Johann Plenge Heinrich Sieveking Hans W. Gruhle Johann Plenge Marianne Weber Marianne Weber Paul Siebeck Marianne Weber Frieda Gross Hans W. Gruhle Karl Jaspers Karl Jaspers Robert Michels Oskar Siebeck Otto von ZwiedineckSüdenhorst Emil Lask

212 213 214 215 217 219 220 222 224 226 233 234 237 239 241 244 245

22. April 23. April 23. April vor dem 24. April 24. April 26. April 26. April 26. April nach dem 26. April nach dem 26. April 27. April 29. April 1. Mai 1. Mai 2. Mai 2. Mai 3. Mai 4. Mai 5. Mai 5. Mai 18. Mai 18. Mai 19. Mai 21. Mai 23. Mai 23. Mai 23. Mai 8. Juni

Heidelberg

Seite

246 247

XIV

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

8. Juni 8. Juni 21. Juni 24. Juni 29. Juni 29. Juni 30. Juni vor dem 1. Juli 3. Juli nach dem 3. Juli 6. Juli 6. Juli 10. Juli 11. Juli nach dem 11. Juli 18. Juli 19. Juli 20. Juli 26. Juli 26. oder 27. Juli 28. Juli 30. Juli 1. August 2. August 2. August 5. August 5. August 8. August 8. August 9. August 11. August 14. August 18. August 20. August 22. August 5. September 5. September 6. September 10. September 11. September

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Rudolf Leonhard Paul Siebeck Georg von Lukács Hermann Kantorowicz Oskar Siebeck Heinrich Sieveking Gisela Michels-Lindner

249 250 251 252 253 254 256

o.O. Heidelberg

Oskar Siebeck Heinrich Rickert

259 260

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O.

Heinrich Rickert Edgar Jaffé Karl Jaspers Gisela Michels-Lindner Willy Hellpach

261 263 264 268 270

o.O. Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Karl Jaspers Georg von Lukács Karl Jaspers Willy Hellpach Helene Weber Helene Weber Hans W. Gruhle Robert Michels Helene Weber Karl Jaspers Arthur Weber Franz Boese Karl Loewenstein Edgar Jaffé Karl Jaspers Karl Loewenstein Johann Plenge Franz Boese Ernst J. Lesser Johann Plenge Helene Weber Heinrich Rickert Paul Siebeck Johann Plenge Helene Weber Friedrich von GottlOttlilienfeld Clara Mommsen

272 274 275 276 279 283 285 288 289 292 294 297 298 299 300 302 303 311 312 316 317 318 321 322 324

11. September

Heidelberg

Seite

327 328

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XV

Datum

Ort

Empfänger

Seite

25. September 1. Oktober 3. Oktober 3. Oktober 19. Oktober 23. Oktober 29. Oktober 3. November 4. November 4. November 6. November 6. November 6. November 6. November 7. November 8. November 8. November 8. November 9. November 9. November 9. November 9. November 9. November 11. November 11. November 12. November 15. November vor dem 17. November

Siena Assisi Rom Rom Rom Rom Basel Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Paul Siebeck Georg von Lukács Paul Siebeck Hans Delbrück Gustav von Schmoller Johann Plenge Paul Siebeck Johann Plenge Paul Siebeck Paul Siebeck Franz Eulenburg Georg von Lukács Paul Siebeck Georg von Lukács Karl Jaspers Hans W. Gruhle Johann Plenge Emil Lederer Robert Michels Johann Plenge Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Johann Plenge Johann Plenge

333 334 335 336 337 339 342 343 345 347 348 350 352 353 354 355 357 359 361 364 366 367 371 373 376 378 379

o.O.

18. November 19. November 19. November 21. November 22. November 22. November 24. November 25. November oder davor 25. November 25. November 26. November 29. November ca. Ende November

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O.

Gerhart von SchulzeGaevernitz Robert Michels Paul Siebeck Paul Siebeck Frieda Gross Frieda Gross Robert Michels Paul Siebeck Paul Siebeck

381 382 383 385 386 394 396 397 399

o.O. o.O. Heidelberg Heidelberg o.O.

Franz Eulenburg Emil Lask Paul Siebeck Frieda Gross Heinrich Rickert

401 402 404 405 408

XVI

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

1. Dezember 2. Dezember 3. Dezember 5. Dezember am oder nach dem 6. Dezember 8. Dezember

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Heinrich Sieveking Werner Sombart Gustav von Schmoller Vorstand der DGS

412 414 418 421

o.O. Heidelberg

423

12. Dezember 18. Dezember 20. Dezember 20. Dezember 21. Dezember vor dem 25. Dezember vor dem 25. Dezember 25. Dezember 29. Dezember 29. Dezember 29. Dezember 30. Dezember 30. Dezember

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Gustav von Schmoller Mitherausgeber des Handbuchs Paul Siebeck Paul Siebeck Robert Michels Werner Sombart Heinrich Sieveking

424 429 430 431 432 436

o.O.

Hans W. Gruhle

438

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Arthur Salz Emil Lask Hermann Kantorowicz Karl Loewenstein Karl Weber Walter Jellinek Paul Siebeck

439 440 442 444 445 446 448

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber

451 455 457 458 460

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Emil Lask Edgar Jaffé Paul Siebeck Hermann Beck Paul Siebeck Hermann Beck Werner Sombart Edgar Jaffé Frieda Gross Frieda Gross Otto Pellech Friedrich Gundolf

461 465 467 469 473 475 477 478 484 489 490 497

1914 3. Januar 3. Januar 4. Januar 6. Januar 6. Januar nach dem 9. Januar 10. Januar 16. Januar 17. Januar 19. Januar 20. Januar 20. Januar 22. Januar 29. Januar 29. oder 30. Januar 30. Januar 1. Februar

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XVII

Datum

Ort

Empfänger

Seite

3. Februar nach dem 4. Februar 4. Februar 11. Februar 11. Februar 12. Februar 15. Februar 15. Februar 18. Februar vor dem 20. Februar 23. Februar 24. Februar 25. Februar 25. Februar 26. Februar 1. März 3. März 5. März 8. März 8. März 8. März 11. März 14. März 15. März 16. März 17. März 18. März 18. März vor dem 20. März 20. März 21. März 21. März 22. März 26. März 29. März 30. März 31. März 1. April 2. April 2. April 3. April 4. April

Heidelberg

Hans W. Gruhle

499

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Frieda Gross Paul Siebeck Otto Pellech Paul Siebeck Frieda Gross Gustav Radbruch Paul Siebeck Frieda Gross

500 501 502 506 508 512 513 515

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Helene Weber Heinrich Rickert Paul Siebeck Edgar Jaffé Paul Siebeck Frieda Gross Frieda Gross Frieda Gross Frieda Gross Frieda Gross Edgar Jaffé Paul Siebeck Edgar Jaffé Frieda Gross Paul Siebeck Frieda Gross Marianne Weber Paul Siebeck Marianne Weber

523 524 526 527 531 532 534 536 538 541 545 547 548 549 552 555 557 558 560

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona

Otto Groth Paul Siebeck Frieda Gross Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Paul Siebeck Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber

561 562 571 573 575 576 577 580 581 583 586 589 591 592

XVIII

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

5. April 6. April 7. April 7. und 8. April 9. April 10. April 11. April 11. April 12. April 12. und 13. April 14. April 15. April 16. April 17. April 17. April 18. April 20. April 21. April 21. April 22. April 23. April 25. April 26. April 26. April 2. Mai 4. Mai 5. Mai 5. Mai 5. Mai 7. Mai vor dem 8. Mai

Ascona Ascona Zürich Zürich Zürich Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Ascona Basel Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Marianne Weber Marianne Weber Frieda Gross Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Paul Siebeck Marianne Weber Helene Weber Marianne Weber Marianne Weber Paul Siebeck Paul Siebeck Robert Michels Marianne Weber Marianne Weber Gustav Radbruch Paul Siebeck Helene Weber Paul Siebeck Paul Siebeck Frieda Gross Frieda Gross Robert Michels Otto Pellech Frieda Gross Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck

594 597 599 602 605 608 610 612 614 619 621 623 625 627 628 630 632 634 636 638 639 641 644 646 647 652 654 656 657 658

o.O.

8. Mai 11. Mai 14. Mai vor dem 16. Mai 16. Mai 18. Mai oder davor 18. Mai 18. Mai 19. Mai 21. Mai 22. Mai

o.O. Heidelberg Heidelberg

Franziska Gräfin zu Reventlow Frieda Gross Frieda Gross Frieda Gross

660 661 662 664

o.O. Heidelberg o.O.

Paul Siebeck Frieda Gross Paul Siebeck

667 668 673

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Otto Pellech Paul Siebeck Frieda Gross Frieda Gross Paul Siebeck

674 676 677 680 684

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XIX

Datum

Ort

Empfänger

Seite

25. Mai 29. Mai 30. Mai 30. Mai 30. Mai 31. Mai 31. Mai 2. Juni 2. Juni 4. Juni 4. Juni 4. Juni 6. Juni 8. Juni 11. Juni 12. Juni 13. Juni 14. Juni 14. Juni 16. Juni 16. Juni 17. Juni 19. Juni 21. Juni 21. Juni 24. Juni 26. Juni

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

27. Juni 30. Juni 3. Juli 3. Juli 8. Juli 10. Juli 10. Juli

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

11. Juli 15. Juli 19. Juli 21. Juli vor dem 22. Juli 24. Juli oder davor 24. Juli

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Frieda Gross Paul Siebeck Robert Michels Axel Ripke Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Robert Michels Ferdinand Tönnies Robert Michels Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Robert Michels Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Honigsheim Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Georg von Below Paul Siebeck Frieda Gross Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg Paul Siebeck Friedrich Naumann Frieda Gross Paul Siebeck Frieda Gross Georg von Below Armin Oswald Frhr. von Campenhausen Edwin Leonhard Edgar Jaffé Paul Siebeck Paul Siebeck

751 758 767 768 770

o.O. o.O.

Paul Siebeck Edgar Jaffé

771 772

Heidelberg

Paul Siebeck

773

685 686 688 690 692 694 695 696 699 701 703 704 706 707 708 710 712 714 716 717 718 720 721 723 726 728 730 744 745 746 747 748 750

XX

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

25. Juli 27. Juli 30. Juli zwischen 30. Juli und 4. August 1. August 28. August 28. August 31. August Anf. September 7. September 7. September 8. September 9. September oder danach 14. September 9. Oktober 12. Oktober 14. Oktober 15. Oktober 8. November 3. Dezember 5. Dezember 10. Dezember 18. Dezember 27. Dezember

Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck

774 775 777

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Paul Siebeck Karl Oldenberg Paul Siebeck Hans W. Gruhle Mina Tobler Paul Siebeck Mina Tobler Lili Schäfer

780 781 782 783 784 785 787 789 791

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Mina Tobler Mina Tobler Friedrich Gundolf Friedrich Gundolf Friedrich Gundolf Ferdinand Tönnies Paul Siebeck Paul Siebeck Robert Michels Edgar Jaffé Robert Michels Paul Siebeck

794 795 796 797 798 799 800 801 802 803 804 805

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

앚: :앚 >

[]

O A1, A2, A3 a , b, c a … a, b … b

Einschub Max Webers Textersetzung Max Webers Von Max Weber gestrichene Textstelle Im edierten Text: Hinzufügung des Editors Im Briefkopf: erschlossenes Datum oder erschlossener Ort Im textkritischen Apparat: unsichere oder alternative Lesung im Bereich der von Max Weber getilgten oder geänderten Textstelle Ein Wort oder mehrere Wörter nicht lesbar und Paragraph siehe Indices bei Anmerkungen Max Webers Indices bei Sachanmerkungen des Editors Original der edierten Textvorlage Edierte Textvorlagen bei paralleler Überlieferung Indices für Varianten oder textkritische Anmerkungen Beginn und Ende von Varianten oder Texteingriffen

a.a.O. Ab.Bl. Abt. a.D. Ad. AFLE AfSSp AL Alfr. Allgem. a.M. a.N. Anm. a.o. a.S. Aufl. Aug.

am angegebenen Ort Abendblatt, Abendausgabe Abteilung außer Dienst Adolf Archivio della Fondazione Luigi Einaudi Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Alsace-Lorraine Alfred Allgemeine am Main am Neckar Anmerkung außerordentlicher an der Saale Auflage August

b. BA BA/MA b.Aut. Bayer. Bd., Bde. beantw.

bei Bundesarchiv Bundesarchiv/Militärarchiv beim Autor Bayerischer Band, Bände beantwortet

[??] & §



1), 2), 3) 1, 2, 3

XXII

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

bearb. Berl. Ber.Umf. betr. bezügl. bezw., bzw. Bg. BGB BK Bl. b.M.W. BSB Bücher, Entwicklungsstufen

bearbeitet Berlin, Berliner Bereichsumfang betreffend, betrifft bezüglich beziehungsweise Bogen Bürgerliches Gesetzbuch Briefkopf Blatt bei Max Weber Bayerische Staatsbibliothek Bücher, Karl, Volkswirtschaftliche Entwicklungsstufen, in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 – 18

ca, ca., cca Cap. cf, cf. C.G. Ch. Co, Co. ct., cts.

circa Kapitel confer Carl Gustav Charlottenburg Compagnie currentis

d. DDP dergl., dgl. ders. Dez. DGS d. h. D. H. d. i. d. J. d. kap. Landwirtsch. DLA DLZ d. mod. gew. Technik d. mod. Verkehrsbed. d. priv.wirtsch. Dr, Dr. Dr. jur. Dr. jur. utr. Dr med., Dr. med. Dr. oec. publ. Dr phil., Dr. phil. Dr. rer. nat. Dr. rer. pol. Dr. sc. pol. DVP

der, des Deutsche Demokratische Partei dergleichen derselbe Dezember Deutsche Gesellschaft für Soziologie das heißt David Herbert das ist des Jahres, dieses Jahres der kapitalistischen Landwirtschaft Deutsches Literaturarchiv Deutsche Literaturzeitung der modernen gewerblichen Technik der modernen Verkehrsbedingungen des privatwirtschaftlichen Doktor doctor iuris doctor iuris utriusque doctor medicinae doctor oeconomiae publicae doctor philosophiae doctor rerum naturalium doctor rerum politicarum doctor scientiarum politicarum Deutsche Volkspartei

Siglen, Zeichen, Abkürzungen ebd. Erg. erw. Esslen, Bodenpreis

XXIII

etc. evtl., eventl. Exc. excl. Expl. Ez

ebenda Ergänzung erweitert Eßlen, Joseph Bergfried, Der Bodenpreis und seine Bestimmungsgründe, in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 125 – 130 et cetera eventuell Excellenz exclusive Exemplar Ezechiel

f., ff. f. F. Fasz. Febr. Fr. Fr. Freundschaftl. Frhr. Frl. FVP FZ

folgende für Ferdinand Faszikel Februar Franken Freund Freundschaftlich Freiherr Fräulein Fortschrittliche Volkspartei Frankfurter Zeitung

gänzl. umgearb. Aufl. GdS geb. Geh. gel. Gesch. Gesch. d. zünftigen, städt. u. staatl. Gewerbepolitik gew. GLA G.m.b.H. Gothein, Bergbau

GStA

gänzlich umgearbeitete Auflage Grundriß der Sozialökonomik geborene Geheimer geliefert Geschichte Geschichte der zünftigen, städtischen und staatlichen Gewerbepolitik gewerblichen Generallandesarchiv Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gothein, Eberhard, Bergbau, in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 282–349 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von, Wirtschaft und Technik, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 199 – 381 Großherzoglichen Grünberg, Karl, Agrarverfassung. I. Begriffliches und Zuständliches, in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 131 – 167 Geheimes Staatsarchiv

H., Hbg, Hdlb. H.B.d.S.Ö. h. c.

Heidelberg Handbuch der Sozialökonomik honoris causa

v. Gottl, Wirtschaft und Technik Großh. Grünberg, Agrarverfassung

XXIV Heid. Hs. Herkner, Arbeit und Arbeitsteilung Hettner, Geographische Bedingungen herzl. hg., Hg. Hirsch, Organisation und Formen des Handels Hr. Hs. Hurwitz, Otto Gross

Siglen, Zeichen, Abkürzungen Heidelberger Handschrift Herkner, Heinrich, Arbeit und Arbeitsteilung, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 165 – 198 Hettner, Alfred, Die geographischen Bedingungen der Wirtschaft, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 – 31 herzlich, herzlichen, herzlichst, herzlichsten herausgegeben, Herausgeber Hirsch, Julius, Organisation und Formen des Handels und der staatlichen Binnenhandelspolitik, in: GdS, Abt. V, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1918, S. 39 – 235 Herr, Herrn Handschrift Hurwitz, Emanuel, Otto Gross. Paradies-Sucher zwischen Freud und Jung. – Zürich/Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979

i.B., i.Br. i.d.mod. Wirtsch. i.d. Landw. i. e. incl. insbes.

im Breisgau in der modernen Wirtschaft in der Landwirtschaft id est inclusive insbesondere

Jaffé, Englisch-amerikanisches Bankwesen

Jaffé, Edgar, Das englisch-amerikanische und das französische Bankwesen, in: GdS, Abt. V, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915, S.191 – 222 Januar Jahrgang junior

Jan. Jg. jun., jr. kap. Kg., kg k. J. K. K., k. k. Kor KP Kr. Kubitschek, Reventlow k. u. k. k. W. L. LA Landwirtsch. Lederer, Sozialversicherung Lederer/Marschak, Arbeiterschutz

kapitalistisch Kilogramm kommendes Jahr kaiserlich königlich Korinther Kommunistische Partei Kronen Kubitschek, Brigitta, Franziska Gräfin zu Reventlow. Leben und Werk. – München: Profil Verlag 1998 kaiserliche und königliche kommende Woche Liebe, Lieber, Liebes Landesarchiv Landwirtschaft Lederer, Emil, Sozialversicherung, in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 320 – 367 Lederer, Emil und Marschak, Jakob, Arbeiterschutz, in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 259 – 319

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

XXV

Lederer/Marschak, Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt

Lederer, Emil und Marschak, Jakob, Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Organisationen, in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 106 – 258 Lederer/Marschak, Neuer Lederer, Emil und Marschak, Jakob, Der neue Mittelstand, Mittelstand in: GdS, Abt. IX, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926, S. 120 – 141 Leist/Nipperdey, Leist, Alexander, Die moderne Privatrechtsordnung und Privatrechtsordnung der Kapitalismus. Bearbeitet von Hans Nipperdey, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 27 – 48 Leitner, Betriebslehre Leitner, Friedrich, Betriebslehre der kapitalistischen Großindustrie, in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 83 – 135 Leitner, Privatwirtschaftlicher Leitner, Friedrich, Elemente des privatwirtschaftlichen BeBetrieb triebes, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 90 – 110 lic. phil. licentiatus philosophiae Lic. theol. licentiatus theologiae L. Fr. Lieber Freund L. Schn. Liebe, Lieber Schnauzel, Liebes Schnauzele LZB Literarisches Zentralblatt M, M., Mk, Mk., MK M. masch. Mauer, Agrarkredit

Mark Max maschinenschriftlich Mauer, Hermann, Agrarkredit. Nach dem Tode des Verfassers durchgesehen und ergänzt von Eduard Wegener, in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 193 – 230 MdprAH Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses MdprHH Mitglied des preußischen Herrenhauses MdprL Mitglied des preußischen Landtages MdR Mitglied des Reichstages m. E., m. E.s meines Erachtens Michels, Antikapitalistische Michels, Robert, Psychologie der antikapitalistischen Massenbewegungen Massenbewegungen, in: GdS, Abt. IX, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926, S. 241 – 359 Michels, Wirtschaft und Michels, Robert, Wirtschaft und Bevölkerung. II. Wirtschaft Rasse und Rasse, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 97 – 102 Mo.Bl. Morgenblatt, Morgenausgabe Mombert, Bevölkerungslehre Mombert, Paul, Wirtschaft und Bevölkerung. I. Bevölkerungslehre, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 32 – 96 Monsieur Mr Mscr., MS Manuscript m. W. meines Wissens M. W., M. Weber Max Weber MWG Max Weber-Gesamtausgabe MWG I/15 Max Weber-Gesamtausgabe, Abt. I, Bd. 15: Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914 – 1918, hg. von Wolf-

XXVI

MWG I/22 – 1

MWG I/22 – 2

MWG II/5

MWG II/6

MWG II/7

Siglen, Zeichen, Abkürzungen gang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984 Max Weber-Gesamtausgabe, Abt. I, Bd. 22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilband 1: Gemeinschaften. Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Michael Meyer. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2001 Max Weber-Gesamtausgabe, Abt. I, Bd. 22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilband 2: Religiöse Gemeinschaften. Hg. von Hans G. Kippenberg in Zusammenarbeit mit Petra Schilm unter Mitwirkung von Jutta Niemeier. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2001 Max Weber-Gesamtausgabe, Abt. II, Bd. 5: Briefe 1906– 1908, hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1990 Max Weber-Gesamtausgabe, Abt. II, Bd. 6: Briefe 1909– 1910, hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1994 Max Weber-Gesamtausgabe, Abt. II, Bd. 7: Briefe 1911 – 1912, hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1998

Nachm. NB ND neugearb. Nl. N.L. No, Nr. Nov. NSDAP n. W. N.Y. NZZ

Nachmittag notabene Nachdruck neugearbeitete Nachlaß Niederlausitz Numero, Numéro, Nummer November Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nächste Woche New York Neue Zürcher Zeitung

O o. g. o. J. Okt. Oldenberg, Konsumtion

Original oben genannt ohne Jahr Oktober Oldenberg, Karl, Die Konsumtion, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 103–164 Oberlandesgericht ohne Ort ordentlicher Professor

OLG o. O. o. Professor

Siglen, Zeichen, Abkürzungen p. PA Paq. P.D. Phil. Fak. v. Philippovich, Systeme und Ideale

XXVII

Priv.Doz. Prof. PS. P.S., PS. PSt

pagina Personalakte Paquet Privatdozent Philosophische Fakultät Philippovich, Eugen von, Entwicklungsgang der wirtschafts- und sozialpolitischen Ideale. I. Die Entwicklung bis zum Kriege. Nach dem Tode des Verfassers durchgesehen von Eduard Heimann, in: GdS, Abt. I, Teil 1, 2., erweiterte Aufl. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1924, S. 125 – 183 Privatdozent Professor Paul Siebeck Postscriptum Poststempel

R.A. Rep. resp.

Rechtsanwalt Repositur respektive

S. s. Salz, Kapitalbildung

Seite siehe Salz, Arthur, Kapital, Kapitalformen, Kapitalbildung, Kapitaldynamik, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 209 – 257 Salz, Arthur, Vermögen und Vermögensbildung in der vorkapitalistischen und in der modernen kapitalistischen Wirtschaft, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 160 – 208 [Buch] Samuel Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (Schmollers) Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich Kosename von Marianne Weber: Schnauzel, Schnauzele Schulze-Gaevernitz, Gerhart von, Die deutsche Kreditbank, in: GdS, Abt. V, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915, S. 1–189 Schumpeter, Joseph, Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 19 – 124 Schwiedland, Eugen, Der Wettkampf der gewerblichen Betriebsformen, in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 24 – 53 Sektion senior September Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Sieveking, Heinrich, Entwicklung, Wesen und Bedeutung des Handels, in: GdS, Abt. V, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1918, S. 1–38

Salz, Vermögensbildung

Sam SBPK SchmJb Schn. v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte Schwiedland, Gewerbliche Betriebsformen Sekt. sen. Sept. SHLB Sieveking, Entwicklung des Handels

XXVIII Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

s. Z., s. Zt.

Sieveking, Heinrich, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen und der zünftigen, städtischen und staatlichen Gewerbepolitk, in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 – 23 Signora Signore [Buch] Sirach siehe oben sogenannt Sollumfang Sombart, Werner, Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 1 – 26 Sozialpolitik des modernen Staates Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sankt Staatsarchiv Steiermärkisches Landesarchiv Steinitzer, Erwin, Bedarfsdeckung und Erwerbswirtschaft, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 111 – 159 Stenographische Berichte des Reichstags Strafgesetzbuch straße Stadt- und Landesbibliothek Swart, Otto [eigentlich: Friedrich], Innere Kolonisation, in: GdS, Abt. IX, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 33 – 78 seiner Zeit, seinerzeit

TH Tit.

Technische Hochschule Titel

u. u. a., u. A. UA u. ä. UB u. dgl. U.H. umgearb. u. ö. usw., u.s.w.

und und andere, und Andere, unter anderem, unter Anderem Universitätsarchiv und ähnliches Universitätsbibliothek und dergleichen Universität Heidelberg umgearbeitet und öfters und so weiter

v. VA verd... verfl...

von Verlagsarchiv verdammt verflucht

Sigra Sigre Sir s. o. sog. Sollumf. Sombart, Eigenart des modernen Kapitalismus Soz.pol. d. mod. Staates Sp. SPD St. StA Steierm. LA Steinitzer, Bedarfsdeckung und Erwerbswirtschaft Sten.Ber.RT StGB str. StuLB Swart, Innere Kolonisation

Siglen, Zeichen, Abkürzungen Verhandlungen 1910

Verhandlungen 1912

V. Fr. u. C. vgl. V. H. C. v. H. z. H. Vogelstein, Finanzielle Organisation

Vorm.Verz.

XXIX

Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages vom 19. – 22.Oktober 1910 in Frankfurt a.M. Reden und Vorträge von Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Max Weber, Werner Sombart, Alfred Ploetz, Ernst Troeltsch, Eberhard Gothein, Andreas Voigt, Hermann Kantorowicz und Debatten. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1911 Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentages vom 20. – 22. Oktober 1912 in Berlin. Reden und Vorträge von Alfred Weber, Paul Barth, Ferdinand Schmid, Ludo Moritz Hartmann, Franz Oppenheimer, Robert Michels und Debatten. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1912 Verehrter Freund und College vergleiche Verehrter Herr College von Haus zu Haus Vogelstein, Theodor, Die finanzielle Organisation der kapitalistischen Industrie und die Monopolbildungen, in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 187 – 246 Vormundschaftsverzeichnis

W West Weber, Alfred, Standortslehre Weber, Alfred, Industrielle Standortslehre (Allgemeine und kapitalistische Theorie des Standortes), in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 54 – 82 Weber, Marianne, Die Frau Weber, Marianne, Die Frau und die objektive Kultur, in: und die objektive Kultur Logos, Bd. 4, Heft 3, 1913, S. 328 – 363 Weber, Marianne, Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926 (Nachdruck = 3. Aufl. – Lebensbild3 Tübingen 1984) Weber, Max, Kategorien der Weber, Max, Über einige Kategorien der verstehenden Soverstehenden Soziologie ziologie, in: Logos, Bd. 4, Heft 3, 1913, S. 253 – 294 (MWG I/12) Weber, Max, Redaktionelles Weber, Max, Redaktionelles Nachwort, in: AfSSp, Bd. 38, Nachwort Heft 2, 1914, S. 539 – 550 (MWG I/13) Weber, Max, Vorwort [Weber, Max], Vorwort, in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. zum GdS Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. VII – IX Weber, Max, Zu dem Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft redaktionellen Geleitwort 1914, S. 539f. gegen Herrn Prof. Dr. Sander in Prag, in: im Märzheft 1914 AfSSp, Bd. 39, Heft 1, 1914, S. 227 – 252 (MWG I/13) Weber, Max, Zur Erklärung Weber, Max, Zur Erklärung der Prager Rechts- und Staatsder Prager Rechts- und wissenschaftlichen Fakultät Bd. 39, S. 567, in: AfSSp, Staatswissenschaftlichen Bd. 41, Heft 4, 1916, S. 927f. (MWG I/13) Fakultät Weyermann, Gewerbliche Weyermann, Moritz Rudolf, Die ökonomische Eigenart der Technik modernen gewerblichen Technik, in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 136 – 186 Wiedenfeld, Transportwesen Wiedenfeld, Kurt, Transportwesen, in: GdS, Abt. V, Teil 3. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1930

XXX

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

v. Wieser, Theorie der gesell- Wieser, Friedrich Frhr. von, Theorie der gesellschaftlichen schaftlichen Wirtschaft Wirtschaft, in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 125 – 444 Wilbrandt, Konsumenten Wilbrandt, Robert, Kapitalismus und Konsumenten. Konsumvereinspolitik, in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 411 – 456 Wygodzinski, Landwirtschaft Wygodzinski, Willy, Landwirtschaft und Absatz, in: GdS, und Absatz Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 231 – 240 Wygodzinski/Totomianz, Wygodzinski, Willy und Totomianz, Vahan, GenossenGenossenschaftswesen schaftswesen, in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 79 – 105 z. B. Ziegelh. Landstr. ZStA z.T., z.Tl. zw. v. Zwiedineck, Arbeitsbedarf und Lohnpolitik

v. Zwiedineck, Lohnpreisbildung z. Z., z. Zt., zr. Zt.

zum Beispiel Ziegelhäuser Landstraße Zentrales Staatsarchiv zum Teil zwischen Zwiedineck-Südenhorst, Otto von, Arbeitsbedarf und Lohnpolitik der modernen kapitalistischen Industrien, in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 247 – 281 Zwiedineck-Südenhorst, Otto von, Die Lohnpreisbildung, in: GdS, Abt. IV. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S.316 – 353 zur Zeit



Max Weber als Militärisches Mitglied der Reserve-Lazarettkommission Heidelberg 1914/1915

Einleitung

1

Einleitung

1. Allgemeine Bemerkungen In diesem Band werden die überlieferten Briefe Max Webers aus den Jahren 1913 und 1914 veröffentlicht. In den Teilnachlässen von Max und Marianne Weber fand sich kein geschlossener Briefbestand. Ausgangsbasis der Edition bilden die Sammlung von Briefen, die Marianne Weber nach dem Tod Max Webers zusammengetragen hat, sowie die von ihr aufbewahrte Korrespondenz mit ihrem Mann. Hinzu treten die Archivbestände des Verlages Mohr-Siebeck mit der Korrespondenz zwischen Max Weber und Paul Siebeck. In jahrelangen und intensiven Recherchen der Herausgeber und ihrer Mitarbeiter konnten in öffentlichen Archiven und privaten Nachlässen zahlreiche weitere Briefe gefunden werden. Dennoch ist uns nur ein Bruchteil der Briefe erhalten, die Max Weber in diesen Jahren geschrieben hat. Insgesamt vermitteln die überlieferten Briefe einen repräsentativen und aufschlußreichen Eindruck von der wissenschaftlichen Arbeit Max Webers‚ seinen intellektuellen Beziehungsnetzen und seinen persönlichen Lebensverhältnissen.

2. Der „Grundriß der Sozialökonomik “ und „Wirtschaft und Gesellschaft“ Im Zentrum der wissenschaftlichen Arbeiten Max Webers standen in den Jahren 1913 und 1914 wie schon in den vorhergehenden Jahren einerseits die Organisation und Redaktion des „Handbuchs der politischen Ökonomie“, das 1914 definitiv den Namen „Grundriß der Sozialökonomik“ erhielt, und andererseits die Ausarbeitung seiner eigenen Beiträge zum Abschnitt „Wirtschaft und Gesellschaft“. Über beide Arbeitsfelder wurde schon in den Einleitungen zu den Editionen der Briefe von 1909 bis 1910 und von 1911 bis 1912 berichtet.1 Ursprünglich sollte das Handbuch in drei Bänden im Jahre 1912 erscheinen, dann wurde der Druckbeginn auf Oktober 1913 verschoben, doch auch dieser Termin konnte nicht eingehalten werden. Zahlreiche Autoren lieferten ihre Manuskripte verspätet ab, einige schieden ganz aus. Weber mußte eine umfangreiche Korrespondenz führen, die nur teilweise überliefert ist. Er diskutierte mit den Autoren die Anlage ihrer Bei1 Vgl. MWG II/6, S. 2 – 4, und MWG II/7, S. 1f.

2

Einleitung

träge und die gegebenenfalls erforderlichen Umarbeitungen, sandte dazu eigene Ausarbeitungen und mahnte die rechtzeitige Ablieferung der Manuskripte an. Die Umsetzung des ursprünglichen Konzepts des „Grundriß der Sozialökonomik“, welches eine umfassende Darstellung des Forschungsstands der Sozialwissenschaften des deutschsprachigen Raums, insbesondere der zeitgenössischen Nationalökonomie, bieten sollte, wie es Weber im Stoffverteilungsplan von 19102 ins Auge gefaßt hatte, gestaltete sich unter diesen Umständen zunehmend schwieriger. Die Zeiten, in denen er frohgemut ein groß angelegtes Gesamtkonzept ausgearbeitet hatte, das eine Zusammenführung der theoretischen und der historischen Schule der Nationalökonomie anstrebte, lagen in der Vergangenheit; nunmehr ging es darum, beständig aufs neue die Lücken und Risse auszufüllen, die, sei es durch den Ausfall von strategisch wichtigen Autoren, sei es infolge von deren „Minderleistungen“, aufgetreten waren, und gegebenenfalls für bestimmte Themen in letzter Minute neue Autoren zu gewinnen. Die Frustration, die damit verbunden war, war hoch, und Weber war über die mangelnde Kooperation zahlreicher Kollegen zunehmend erbittert. Zugleich fiel ihm nunmehr immer stärker auch die unangenehme Aufgabe zu, namentlich bei Manuskripten, welche die ihnen ursprünglich zugewiesene Länge überschritten hatten, strikte Umfangsbeschränkungen zu exekutieren. In einigen Fällen setzte er sich selbst daran, Beiträge, die er grundsätzlich für bedeutsam hielt, eigenhändig zu kürzen. Vor allem aber kam es immer wieder zu Verzögerungen der Manuskriptablieferung, die dazu führten, daß die ursprünglichen Erscheinungstermine hinausgeschoben werden mußten, zum Unmut mancher Autoren, die ihre Beiträge fristgerecht geliefert hatten und nun bisweilen mit der Zurückziehung und anderweitigen Veröffentlichung ihrer Texte drohten. Besonders enttäuscht war Weber von dem erst Ende Januar 1913 eingehenden Artikel von Karl Bücher über „Volkswirtschaftliche Entwicklungsstufen“, der das Gesamtwerk einleiten sollte. Er hatte wohl eine typologisierend verdichtete Entwicklungsgeschichte der Wirtschaft erwartet; stattdessen lieferte dieser nur eine knappe Zusammenfassung der von ihm in seinen Essays über die Stufen der Volkswirtschaft bereits veröffentlichten Thesen. Auch ein zweiter zentraler Beitrag, die Darstellung der Wirtschaftstheorie durch Friedrich von Wieser, bereitete Max Weber große Sorgen, da er erst Anfang 1914 vorlag. Schließlich sagte im November 1913 Johann Plenge seine Artikel über „Geld und Kredit“ und „Konjunkturen und Krisen“ nach langen Verhandlungen definitiv ab. Weber schrieb ihm: „Meine Lage ist allerdings die schlimmst-denkbare“.3 In der Tat

2 Siehe den Abdruck im Anhang 1, unten, S. 808 – 816. 3 Brief an Johann Plenge vom 4. Nov. 1913, unten, S. 345.

Einleitung

3

handelte es sich um zentrale Beiträge, für die nur schwer Ersatz zu finden war. Für Max Weber wurde die Fertigstellung des Handbuchs zu einer Frage seiner professionellen Reputation und persönlichen Ehre. Er empfand die Arbeit für das Handbuch als eine schwere Bürde und bedauerte, sie je angefangen zu haben. Dies zeigte sich deutlich in seinen erbitterten Auseinandersetzungen mit Bernhard Harms über die Umstände der Herausgabe des Handbuches der politischen Ökonomie.4 Es ging dabei darum, ob der „Grundriß der Sozialökonomik“ als Neuauflage des Schönbergschen Handbuchs zu sehen sei und die Erben Schönbergs demgemäß Entschädigungsansprüche geltend machen könnten.5 Max Weber stellte sich in dieser Frage vor seinen Verleger Paul Siebeck. Besonders erregte ihn der Umstand, daß Bernhard Harms seinen Gesundheitszustand, der ihn hindere, richtig zu disponieren, bei diesen Auseinandersetzungen ins Spiel gebracht hatte. Er fühlte sich in seiner persönlichen Ehre so tief getroffen, daß er Harms am 26. Dezember 1912 spontan zum Duell forderte. Als Harms eine sofortige Austragung unter Vorwänden ablehnte, zog er die Duellforderung wieder zurück, kämpfte aber weiterhin mit Nachdruck um „seinen guten Namen“. Zu seiner großen Irritation schaltete sich das „Soziologische Kränzchen“, ein Diskussionskreis von Kieler Hochschullehrern unter maßgeblicher Beteiligung von Ferdinand Tönnies, in den Konflikt ein und suchte Harms in einer förmlichen Erklärung zu verteidigen. Weber antwortete darauf voller Erbitterung im Januar und Februar 1913 mit umfänglichen Erklärungen zur Sache, um seinen Standpunkt zu wahren. Deren Erstellung nahm einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft in Anspruch. Max Weber war dabei bemüht, Paul Siebeck so weit wie möglich aus der Schußlinie der Kritik der Erben Schönbergs herauszuhalten und diese auf sich selbst zu ziehen. Zeitweilig kam es darüber zu einem offenen Zerwürfnis auch mit Ferdinand Tönnies. In beständiger Zusammenarbeit mit dem Verleger Paul Siebeck suchte Weber immer wieder aufs neue, Lösungen für die entstandenen Schwierigkeiten sachlicher und persönlicher Art zu finden. Schließlich wurde von beiden beschlossen, das Gesamtwerk in Abteilungen zu gliedern, die zeitlich gestreckt in Lieferungen erscheinen sollten. Dadurch konnte Zeit für die Fertigstellung einiger Beiträge, darunter auch für seinen eigenen Beitrag „Wirt4 Vgl. die Editorischen Vorbemerkungen zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, unten, S. 19 f., und, in deren Folge, auch mit Ferdinand Tönnies sowie Webers ausführliche Stellungnahme im Schreiben an das Soziologische Kränzchen vom 4. Jan. 1913, unten, S. 25 – 41. 5 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief vom 5. Mai 1912, MWG II/7, S. 522 – 525, sowie die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, unten, S. 19 f.

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schaft und Gesellschaft“, gewonnen und dennoch mit den Drucklegungen begonnen werden. So gelang es, noch im Jahre 1914 drei Bände zu veröffentlichen: die I. Abteilung „Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft“ mit Beiträgen von Karl Bücher, Joseph Schumpeter und Friedrich von Wieser, die II. Abteilung „Die natürlichen und technischen Beziehungen der Wirtschaft“ mit Beiträgen von Alfred Hettner, Paul Mombert, Robert Michels, Karl Oldenberg, Heinrich Herkner und Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld sowie die VI. Abteilung „Industrie, Bergwesen, Bauwesen“ mit Beiträgen von Heinrich Sieveking, Eugen Schwiedland, Alfred Weber, Friedrich Leitner, Moritz Rudolf Weyermann, Theodor Vogelstein, Otto von Zwiedineck-Südenhorst, Eberhard Gothein und Adolf Weber. Alle diese Beiträge hat Weber lektoriert und zum Teil mit den Autoren brieflich ausführlich diskutiert. 1915 folgte ein weiterer Band, der von Weber betreut worden war, der Teilband „Bankwesen“ aus der Abteilung V mit Beiträgen von Gerhart von Schulze-Gaevernitz und Edgar Jaffé. Damit hatte er nicht ganz vier der geplanten neun Abteilungen des „Grundriß der Sozialökonomik“ noch vor Ausbruch des Krieges auf den Weg gebracht. Die in diesem Band veröffentlichten Briefe zeigen die Mühe, die damit verbunden war. Schon im Januar 1913 sprach er von dem Handbuch als dieser „gottverfluchten Tretmühle, die mich allein an Briefen ein Lebensjahr gekostet hat […], von der ich besser nie gehört hätte“.6 Kurz vor Kriegsausbruch schrieb er an Paul Siebeck voller Verzweiflung: „Ich habe diese Arbeit – das Unglück meines Lebens, denn sie zog mich von Dingen ab, die ich glatt erledigt hätte, Bücher und – Ihnen zu liebe ahnungslos übernommen. Jeder neue Beitrag schiebt mir neue Aufgaben zu, die der Mitarbeiter unerledigt gelassen hat. Ich bin ‚Mädchen für Alles‘. Seit nun drei Jahren arbeite ich nur aus diesem Grunde und nur dafür, unter Einsetzung meiner Gesundheit (das ist nicht zu viel gesagt).“7 In der erhaltenen Korrespondenz lassen sich die Motive verfolgen, die Weber in steter Zusammenarbeit mit Paul Siebeck dazu veranlaßten, dem „Grundriß der Sozialökonomik“ nunmehr eine neue Struktur zu geben. Im Frühjahr 1914 entstand eine neue „Einteilung des Gesamtwerks“, die den geänderten Gegebenheiten Rechnung tragen sollte.8 Sie wurde dann Anfang Juni 1914, zusammen mit einem neuen Vorwort, nach zeitraubenden Auseinandersetzungen über die Frage, ob in diesem auf „Schönberg’s Handbuch“ Bezug genommen werden solle oder nicht, im ersten Band des „Grundriß der Sozialökonomik“ veröffentlicht.9 Durch diese neue Disposition war nunmehr größerer Spielraum für Webers eigene Beiträge gewonnen. 6 Brief an Johann Plenge vom 21. Jan. 1913, unten, S. 50. 7 Brief an Paul Siebeck vom 27. Juli 1914, unten, S. 776. 8 Die „Einteilung des Gesamtwerks“ und das „Vorwort“ lagen dem Verlag am 15. April 1914 vor. Vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 15. April 1914, unten, S. 623f. 9 Hier im Anhang, unten, S. 817 ff., abgedruckt.

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Allein, die Hoffnung, daß diese nun zügig zum Abschluß gebracht werden könnten, erfüllte sich nicht, obwohl Weber hart daran gearbeitet hat, freilich unterbrochen durch sein Engagement für Frieda Gross und seine Unterstützung für Arthur Salz in dessen Konflikt mit der Prager Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät.10 Am 15. März 1914 hieß es in einem Brief an den Verleger „auf mich werden Sie jetzt noch gründlich warten müssen.“11 Am 8. Dezember 1913 verschickte Max Weber ein Rundschreiben an die Autoren des Handbuchs, in dem er über die aufgetretenen Schwierigkeiten informierte und um Verständnis für die Verzögerung des Erscheinens bat. Angesichts des „fast völligen Ausfalls mehrerer besonders wichtiger Beiträge“, so schrieb er, habe er geglaubt, „für das Werk, um ihm ein anderweitiges Äquivalent zu liefern und so seine Eigenart zu heben, unter Opferung anderer, mir weit wichtigerer Arbeiten in dem Abschnitt ,Wirtschaft und Gesellschaft‘ eine ziemlich umfassende soziologische Erörterung liefern zu sollen, eine Aufgabe, die ich sonst in dieser Art niemals übernommen hätte“.12 Mit der Qualität seines eigenen Beitrages, so rechtfertigte Weber die Aufnahme seines umfangreichen Manuskripts, sollten die Defizite des Sammelwerkes kompensiert werden. Zum Jahresbeginn 1913 kündigte er optimistisch gestimmt seinem Verleger einen „großen Beitrag (Wirtschaft und Gesellschaft – incl. Staat und Recht)“ für die nächste Zukunft an und fügte hinzu: „Übrigens wird er, hoffe ich, zu den besseren oder besten Sachen gehören, die ich schrieb. Er giebt eigentlich eine vollständige soziologische Staatslehre im Grundriß und hat heißen Schweiß gekostet, das kann ich wohl sagen.“13 Am Jahresende 1913 zog er eine Bilanz seiner Arbeiten und schrieb dem Verleger, er habe „eine geschlossene soziologische Theorie und Darstellung ausgearbeitet, welche alle großen Gemeinschaftsformen zur Wirtschaft in Beziehung setzt: von der Familie und Hausgemeinschaft zum ‚Betrieb‘, zur Sippe, zur ethnischen Gemeinschaft, zur Religion (alle großen Religionen der Erde umfassend: Soziologie der Erlösungslehren und der religiösen Ethiken, – was Tröltsch gemacht hat, jetzt für alle Religionen, nur wesentlich knapper)[,] endlich eine umfassende soziologische Staatsund Herrschafts-Lehre. Ich darf behaupten, daß es noch nichts dergleichen giebt, auch kein ,Vorbild‘“.14

10 Vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 19. Juli 1914, unten, S. 769, in dem es heißt, daß er seit fünf Wochen ganz durch Prozesse und die Salz-Affäre in Anspruch genommen worden sei. 11 Brief an Paul Siebeck vom 15. April 1914, unten, S. 623. 12 Rundschreiben Max Webers an die Mitherausgeber des Handbuchs vom 8. Dez. 1913, unten, S. 427. 13 Brief an Paul Siebeck vom 23. Jan. 1913, unten, S. 52. 14 Brief an Paul Siebeck vom 30. Dez. 1913, unten, S. 449 f.

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Im Zusammenhang mit der editorischen Arbeit am „Grundriß der Sozialökonomik“ nahmen auch Max Webers eigene Beiträge schrittweise konkrete Gestalt an. Bekanntlich hat er am Ende von den vierzehn von insgesamt einundachtzig ursprünglich im Stoffverteilungsplan von 1910 vorgesehenen ‚Beiträgen‘, die er anfänglich für sich reserviert hatte, nur einen Teil tatsächlich verfaßt, jene Beiträge, die dann unter dem Abschnittstitel „Wirtschaft und Gesellschaft“ zusammengefaßt wurden. Jedoch wuchsen sich diese in der Folge zu einer umfassenden soziologischen Theorie aus, welche am Ende das ursprüngliche Konzept sprengte. Über die Entstehung dieser autoreigenen Texte enthält die uns überlieferte Korrespondenz nur wenige, aber strategisch bedeutsame Informationen. Sie geben Hinweise auf die Entstehungsgeschichte der älteren Schichten von „Wirtschaft und Gesellschaft“. Bereits seit der zweiten Jahreshälfte 1912 hatte Max Weber den Umfang seiner Beiträge beträchtlich erweitert. War er im Kontext des Stoffverteilungsplanes von 1910 zunächst von 6 Bogen ausgegangen, so sprach er Ende Dezember 1913 von 25 und kurz darauf von 30 Bogen. Damit hatte er den Rahmen der Artikel für den Grundriß bei weitem überschritten. Aus den drei knappen Beiträgen Wirtschaft und Recht, Wirtschaft und soziale Gruppen und Wirtschaft und Kultur (Kritik des historischen Materialismus) des Stoffverteilungsplanes von 1910 war „eine geschlossene soziologische Theorie und Darstellung“ geworden. Insbesondere war im Jahre 1913 die „Religionssoziologie“ hinzugekommen. Der Passus über die religiösen Ethiken aller großer Religionen der Erde in seiner Selbstaussage vom Jahresende 1913 verweist überdies auf die später gesondert veröffentlichten Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“, die zu Teilen schon 1913 niedergeschrieben wurden.15 Daneben entstand auch ein Manuskript über das antike Judentum, von dem uns nur ein größeres Fragment erhalten ist.16 Weber muß vor Kriegsausbruch im August 1914 vor einem enormen Manuskriptbestand von etwa 1000 Seiten im Format des „Grundriß der Sozialökonomik“ gestanden haben. Er hatte, wie das überlieferte Typoskript zur „Rechtssoziologie“ zeigt, seine Manuskripte beständig erweitert und auch terminologisch überarbeitet. Die zunehmende Verzögerung der Fertigstellung der Beiträge für „Wirtschaft und Gesellschaft“ hatte nicht nur äußere, sondern auch inhaltliche Gründe. Seine theoretischen Ansichten hatten sich verändert. Die entwicklungsgeschichtliche Perspektive war zunehmend von einer systematischen Analyse sozialen Verhaltens überlagert worden. So schrieb er an Johann Plenge im August 1913: „Meine persönlichen Ansichten über diesen Punkt

15 Vgl die Einleitung zu MWG I/20, S. 7. 16 Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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[die Stufentheorien] sind z.Z. in starkem Wandel begriffen“.17 Die Analysen des Rationalisierungsprozesses in allen Lebensfeldern, in der Wirtschaft, im Recht und in den Herrschaftsverhältnissen, war zur Leitidee geworden. Hinzu kam sein Programm einer „verstehenden Soziologie“, wie er sie im Herbst 1913 in seinem Aufsatz „Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie“ niederlegte.18 Im Laufe der Jahre 1913 und 1914 hatten sich die Problemstellungen und seine begrifflich verdichteten Konzeptionen verändert. Er war zu einem Soziologen geworden und sprach jetzt auch von seinem Beitrag als von „meine[r] ,Soziologie‘, denn dazu wird der Abschnitt annähernd“.19 Doch mit dem erreichten Stand der Texte war er unzufrieden. Er schrieb an Paul Siebeck: „Wenn ich außer Gesundheit und Lebensfreude auch noch meinen guten Namen in dieser Sache lasse, – und das kann passieren! es sind die heikelsten und umstrittensten Dinge unsrer Disziplin und der Soziologie! – dann allerdings würde ich das Ihnen nie vergeben. Und Das tritt ein, wenn ich gedrängt werde.“20 Bei Kriegsausbruch wurde die Fertigstellung des „Grundriß der Sozialökonomik“ und damit auch seiner eigenen Beiträge über „Wirtschaft und Gesellschaft“ auf unabsehbare Zeit vertagt, aus äußeren, aber doch wohl auch aus inneren Gründen. Weber meinte, er selbst werde auch nach dem Ende des Krieges mindestens ein Jahr lang arbeitsunfähig sein. In gewissem Sinn war dies eine Art von Befreiungsschlag, hatten sich doch auf dem dornigen Weg zur Fertigstellung dieses großen Werkes vor ihm immer größere Hürden aufgetürmt, nicht zuletzt solche konzeptioneller Art, zumal ihn, wie man annehmen darf, der Zustand der älteren Manuskripte nicht länger befriedigte. Max Weber hinterließ ein umfangreiches Konvolut von zum überwiegenden Teil fragmentarischen Manuskripten, die dann nach seinem Tod von Marianne Weber als „Zweiter“ und „Dritter Teil“ der von ihr veröffentlichten Fassung von „Wirtschaft und Gesellschaft“ publiziert worden sind. Webers großer Beitrag zum „Grundriß der Sozialökonomik“, dem er sich in den Jahren 1913 und 1914 unter größter Anstrengung gewidmet hatte, war unvollständig geblieben. Erst nach dem Ende des Krieges griff er wieder auf die Manuskripte zurück. Die von ihm noch bis Juni 1920 zum Druck gegebenen Teile stellen eine wesentlich knappere und begrifflich geschärfte Neufassung dar.

17 Brief an Johann Plenge vom 11. Aug. 1913, unten, S. 305. 18 Vgl. Weber, Max, Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: Logos, Band 4, 1913, S. 253 – 294 (MWG I/12). 19 Brief an Paul Siebeck vom 6. Nov. 1913, unten, S. 349. 20 Brief an Paul Siebeck vom 27. Juli 1914, unten, S. 776.

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3. Zum akademischen Kontext Neben seiner Tätigkeit als Herausgeber – Weber bezeichnete sich nur als Schriftleiter – des großen Handbuchs war Weber auf vielfältige Weise in akademische Kontexte eingebunden. Zwar hatte er keine amtliche Funktion in seiner Fakultät, doch im Februar 1913 wurde er in eine „Kommission für den Universitätsunterricht in Psychologie und Pädagogik“ an der Philosophischen Fakultät in Heidelberg kooptiert. Weber setzte sich für die Errichtung des Faches Psychologie ein, hingegen hielt er die Pädagogik, die sein Bruder Alfred Weber präferierte, für ein „hybrides“ Fach. War die Psychologie als ein selbständiges Fach anerkannt, ergab sich für Karl Jaspers die Möglichkeit, sich an der Philosophischen Fakultät zu habilitieren. Weber unterstützte diese Absicht. Er wünschte eine Etablierung der Psychologie in doppelter Ausrichtung, als „verstehende“ Psychologie unter Einschluß von soziologischen Problemstellungen und als experimentelle Psychologie, die er von Hans Gruhle in der naturwissenschaftlichen Fakultät vertreten sah. Zum Verein für Sozialpolitik hielt Weber weiterhin engen Kontakt. Ihm lag besonders daran, über den Werturteilsstreit, der immer wieder ausbrach, einmal intensiv und gründlich vorbereitet zu diskutieren. Auf seine Anregung hatte Gustav von Schmoller im November 1912 zu einer Ausschußsitzung eingeladen, auf der ohne Öffentlichkeit und aufgrund schriftlich eingereichter Stellungnahmen eine Debatte erfolgen sollte. Dazu legte Weber im Sommer 1913 ein umfangreiches und systematisches Memorandum vor. Außerdem entschloß er sich dazu, sein Manuskript „Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie“, von dem Teile schon seit geraumer Zeit vorlagen, erheblich zu erweitern und noch im Sommer 1913 in der Zeitschrift „Logos“, Band 4, 1913, zu veröffentlichen.21 Es lag ihm offenbar daran, nicht nur seine Stellung zur Werturteilsfreiheit, sondern darüber hinausgehend seine grundsätzliche theoretische Position noch vor der Tagung des Vereins für Sozialpolitik darzustellen. Die Sitzung des Vereins für Sozialpolitik fand am 5. Januar 1914 in Berlin statt. Max Webers Memorandum wurde dann 1917 in überarbeiteter Form unter dem Titel „Der Sinn der ,Wertfreiheit der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften‘ veröffentlicht. Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) verlor hingegen für Weber an Interesse. Schon nach dem 2. Deutschen Soziologentag im Oktober 1912 hatte Weber im Anschluß an den Eklat über die Werturteilsfrage seine Funktion als Rechner niedergelegt. Im Januar 1914 trat er ganz aus der Gesellschaft für Soziologie aus. Der unmittelbare Anlaß war die am 3. Januar 1914 erfolgte Wahl von Rudolf Goldscheid als Nachfolger von Georg Simmel in den Vorstand der Gesellschaft. Schon bei der Gründung der DGS im 21 Vgl. Brief an Heinrich Rickert vom 5. Sept. 1913, unten, S. 318.

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Jahre 1909 hatte sich Weber entschieden gegen die Vorstellungen Goldscheids gewandt und dessen Plädoyer für Wertungen bekämpft. Dessen Wahl in den dreiköpfigen Vorstand mußte er als Affront empfinden. Doch 1913 erfüllte Weber wie bisher seine Pflichten als Schriftführer, gab die Verhandlungen des 2. Deutschen Soziologentages heraus und erstellte den Geschäftsbericht für 1912. Für den Fortgang der von ihm angeregten Untersuchung des Zeitungswesens fühlte er sich weiterhin verantwortlich. 1914 kündigte er dann auch seine Mitwirkung an den Arbeiten über die Presseenquete, allerdings mit der Maßgabe, daß er auch weiterhin „zu privater Beratung der neuen Leitung bereit“ und in dieser Eigenschaft „zu erheblicher Arbeitslast“ geneigt sei.22 Dem Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik blieb er weiterhin als Herausgeber verbunden. Solange er Schriftführer der Deutschen Gesellschaft für Soziologie war, hatte er sich dafür eingesetzt, das Archiv zugleich zum Organ der DGS zu machen. Auch hatte er Paul Siebeck für die Publikation der Tagungsberichte der DGS gewinnen können. Nun gab ihm die Entwicklung in der DGS einen Anlaß, – wie schon 1912 – sein Ausscheiden aus der Redaktion des Archivs zu begründen, weil er der Kooperation des Archivs mit der DGS nicht im Wege stehen wollte. Diese kam dann jedoch nicht zustande, und Max Weber blieb weiterhin im Herausgeberkollegium. Über die institutionellen Bindungen hinaus stand Max Weber mit vielen Menschen in engem Kontakt. Die überlieferten Briefe repräsentieren nur einen kleinen Teil der betreffenden Persönlichkeiten, unter anderem Georg von Below, Robert Michels, Friedrich Naumann, Johann Plenge, Heinrich Rickert, Werner Sombart, Ferdinand Tönnies. Hinzu treten aus dem Heidelberger Bekanntenkreis Hans Gruhle, Friedrich Gundolf, Karl Jaspers, Emil Lask, Georg von Lukács, Gustav Radbruch und viele andere. Aus dem Kreis der gelegentlichen Besucher ist ein bemerkenswerter Brief an Ernst J. Lesser vom August 1913 erhalten, in dem Weber seine Einschätzung der Chancen des Zionismus darlegt.23 Wie auch in früheren Jahren, setzte sich Weber für jüngere Kollegen ein, so immer wieder für Franz Eulenburg und mit scharfen Worten für Arthur Salz bei der Abwehr des gegen diesen erhobenen Plagiatsvorwurfs. Daraus entwickelten sich lange persönliche Auseinandersetzungen.

22 Brief an Hermann Beck vom 20. Jan. 1914, unten, S. 475. 23 Brief an Ernst J. Lesser vom 18. Aug. 1913, unten, S. 312 – 315.

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4. Zur privaten Lebenssphäre Max Webers Lebensführung wurde durch seinen stets labilen Gesundheitszustand stark beeinflußt, der jedoch seit der zweiten Jahreshälfte 1912 relativ stabil war. Weber war seitdem arbeitsfähig und leistungswillig. Marianne Weber berichtete ihrer Schwiegermutter: „Max ist letzthin recht schreibfleißig“ (25. Januar 1913), „Max arbeitet so intensiv, wie lange nicht und hat täglich eine Tippmamsell“ (17. Februar 1913), „Max arbeitet sehr stark“ (1. Juni 1913), „Max arbeitet von früh bis spät, daß mir oft bang wird“ (4. September 1913), „Max arbeitet sehr intensiv, hoffentlich ist er im Herbst fertig mit dem Handbuchartikel“ (6. Juni 1914). Er selber klagte nur gelegentlich über Erschöpfungszustände, meistens vor den Erholungsreisen. Sein Arbeitspensum für die Redaktion des „Grundriß der Sozialökonomik“ und seine Produktivität für seinen Beitrag „Wirtschaft und Gesellschaft“ waren enorm. Unter großer Anspannung lebend und, wie Marianne notierte, viele Medikamente nehmend, war er leicht erregbar. Dies kam Anfang 1913 in den Auseinandersetzungen über die Angriffe von Bernhard Harms in den Briefen an Ferdinand Tönnies und ebenso in den Briefen über die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Bruders Arthur im Sommer 1913 zum Ausdruck. Seine Nervosität spiegelt sich auch in den Briefen an Paul Siebeck vom Juli 1914. Die übliche Erholungsreise im Frühjahr führte Weber 1913 nach Ascona, und auch im Jahre 1914 wählte er Ascona. Dort lebte Frieda Gross, eine enge Jugendfreundin von Else Jaffé, zusammen mit dem Anarchisten Ernst Frick. Sie war mit dem drogenabhängigen Psychoanalytiker Dr. Otto Gross verheiratet, der nach mehreren Entziehungskuren ein unstetes Leben führte. Weber hatte sie 1907 in Heidelberg näher kennengelernt und schon damals die Theorien von Otto Gross mit Entschiedenheit abgelehnt.24 Im Frühjahr 1913 wurde er in Ascona mit ihrer bedrängten Lebenslage vertraut. Bei aller Distanz gegenüber ihrer Lebensführung respektierte er doch ihre Persönlichkeit. Seine Unterstützungsbereitschaft wurde gefordert, als Frieda Gross fürchten mußte, ihr Schwiegervater, der bekannte Kriminologe Prof. Hans Gross in Graz, werde ihr den Sohn wegnehmen. Diese Gefahr war eingetreten, nachdem ihr Mann Otto Gross Ende 1913 von seinem Vater interniert und unter „Wahnsinns-Kuratel“ gestellt worden war. Nun beanspruchte Hans Gross auch die Vormundschaft über seinen Enkel. Max Weber engagierte sich für die Sache von Frieda Gross, beriet sie ausführlich auch juristisch-prozessual und versuchte, sie überdies persönlich zu stützen. Ein umfangreicher Briefwechsel mit Frieda Gross und dem von Weber

24 Vgl. Brief an Else Jaffé vom 13. Sept. 1907, MWG II/5, S. 393 – 403.

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besorgten Anwalt in Wien zeigt ihn als versierten Advokaten. Er kämpfte unermüdlich für die Rechte der Mutter an ihren Kindern, eine Position, die auch von Marianne Weber unterstützt wurde. Er verfaßte umfangreiche Schriftsätze für den Rechtsanwalt, bemühte sich um Zeugen, welche die Erziehungskompetenz von Frieda Gross bestätigen sollten, und stellte sich auch persönlich als Zeuge für die Respektabilität von Frieda Gross zur Verfügung. Dem von ihm mehrfach instruierten Anwalt in Wien gelang es schließlich 1915, den Vormundschaftsanspruch von Hans Gross abzuwehren. Dazu hatte Weber bis zum Kriegsausbruch wesentlich beigetragen. Sein Engagement ist um so bemerkenswerter, als er zur gleichen Zeit mit der Arbeit für den „Grundriß für Sozialökonomik“ überlastet war. 1914 lernte er in Ascona auch die Gräfin zu Reventlow kennen, die seinen Rat erbat in der Frage, wie ihr Sohn aus der deutschen Staatsbürgerschaft entlassen werden könne, um keinen Militärdienst leisten zu müssen. Schließlich war er seit dem Herbst 1912 beratend und direkt eingreifend am Ehescheidungsprozeß seiner Cousine Lilli Hermann beteiligt, der im Juni 1914 durch die Feststellung der Nichtigkeit der Ehe zu einem vorläufigen Ende kam. Auch in einem Rechtsstreit von Marie Luise Gothein über Verlagsrechte engagierte er sich, woraus persönliche Konflikte mit dem Repräsentanten des Verlags entstanden, der Frau Gothein falsche Informationen hatte zukommen lassen. Weber war also in diesen Jahren immer wieder in juristische Verfahren zugunsten von Frauen aus seiner Verwandtschaft und Bekanntschaft verwickelt, die ihm viel Energie und Zeit kosteten. Marianne Weber meinte allerdings: „[…] der Kampf als solcher regt ihn an, vermittelt ihm das Leben und bietet ihm Entspannung von bloßer Denkarbeit“.25 Zweifellos faszinierte Max Weber die „Fabelwelt“ in Ascona, „diese Welt voller Zauberweiber, Anmuth, Tücke und Glücksbegier“.26 Auch Else Jaffé gehörte für ihn zu den „Zauberweibern“. Er weigerte sich, ihr bei Frieda Gross in Ascona zu begegnen, zu tief waren die Verletzungen, die er durch sie bei der Trennung um den Jahreswechsel 1909/1910 erfahren hatte. Über die persönlichen Schicksale hinaus interessierte ihn die generelle Frage: Wie beeinflußt der ethische Gehalt der Lebensführung die Persönlichkeit? Er unterschied zwischen „normativer Schuld“ und subjektiver Respektabilität vor allem in erotischen Beziehungen. Die Frage diskutierte er auch in den Briefen an Karl Jaspers und Emil Lask aus dem April und Mai 1913 angesichts der sexuellen Beziehung Lasks zur Ehefrau des befreundeten Gustav Radbruch. Marianne Weber schrieb: „Durch das einfühlende Anschauen der konkreten Schicksale ringender Menschen, verschiebt sich

25 Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild, 3. Aufl. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984, S. 455 (hinfort Weber, Marianne, Lebensbild3). 26 Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, unten, S. 604.

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seine eigene innere Stellung zum Handeln des Einzelnen“. Und: „Er sieht jetzt weniger auf ihr leidenschaftsbedingtes Tun als auf ihr Gesamtsein, und wo immer er dies zu bejahen vermag, interessieren ihn jetzt mehr dessen Schutz und Entfaltung als die Frage, wie weit der Abstand ihres Handelns von der ‚sittlichen Forderung‘ bleibt“.27 Die Frühjahrsreisen dienten der Entspannung, der Entwöhnung von toxischen Beruhigungsmitteln und – ohne sichtbaren Erfolg – der Gewichtsabnahme. Die große Herbstreise 1913 führte Max und Marianne Weber nach Italien und für einige Wochen nach Rom. Dort hatte Weber in den Jahren 1901 und 1902 seine schwere Depression schrittweise überwunden. Beide erfreuten sich der vertrauten, aber seither stark veränderten Stadt und ihrer Umgebung. Weber war entspannt und angeregt durch Gespräche im Kreise von Heidelberger Freunden. Zur geplanten Herbstreise 1914 ist es infolge des Kriegsausbruchs nicht mehr gekommen. In Heidelberg belebten die Pianistin und Freundin Mina Tobler und die engeren Freunde Hans Gruhle, Emil Lask, Paul Honigsheim, Georg von Lukács, Karl Jaspers sowie zahlreiche Besucher, darunter auch Stefan George, den arbeitsamen Alltag. Marianne Weber schrieb 1913 ihren bedeutenden Aufsatz „Die Frau und die objektive Kultur“,28 in dem sie sich mit der Unterscheidung Georg Simmels zwischen „objektiver“ und „subjektiver“ Kultur und deren Zuschreibung auf die Geschlechter kritisch auseinandersetzte. Mit Stolz bemerkte sie, erstmals sei der Aufsatz einer Frau in der philosophischen Zeitschrift „Logos“ veröffentlicht worden. Marianne Weber unternahm zahlreiche Vortragsreisen im Dienste der Frauenbewegung und machte sich im Jahre 1914 – wenn auch widerstrebend – mit dem Gedanken vertraut, als Nachfolgerin von Gertrud Bäumer zur Vorsitzenden des Bundes deutscher Frauenvereine gewählt zu werden. Auch sie war in ein festes Arbeitsprogramm eingebunden und betreute überdies viele rat- und hilfsbedürftige Frauen. Max Weber bedurfte nicht mehr der Fürsorge seiner Frau, beide lebten in sich überschneidenden, aber jeweils eigenen Welten, die in den sonntäglichen „jours“ zusammentrafen.

5. Die Zäsur des Kriegsausbruchs 1914 Ende Juli 1914 war Weber mit der Redaktion der ersten Lieferungen des „Grundriß der Sozialökonomik“ voll beschäftigt, auch arbeitete er intensiv an seinen Manuskripten für den Abschnitt „Wirtschaft und Gesellschaft“. Er hatte sich außerdem in die Kontroverse über den Plagiatsvorwurf gegen Ar27 Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 391. 28 Erschienen in: Logos, Band 4, 1913, S. 328 – 363.

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thur Salz eingeschaltet und beriet Frieda Gross in ihren Zivilprozessen. In dieser Situation erlebte er den Kriegsausbruch. Die überlieferte Korrespondenz enthält keine Äußerungen Webers zu den Juli-Ereignissen. Marianne Weber beschrieb die Stimmung beim „jour“ am letzten Sonntag des Juli: „Seit einem Jahrzehnt drohendes Unheil steht zu Häupten. Aber noch wendet der Geist die verschiedenen Möglichkeiten des Weltverlaufs hin und her; das Kriegsgewölk hing ja schon öfter ebenso tief und wurde immer wieder verteilt, vielleicht auch diesmal“.29 Nach der Mobilmachung meldete sich Weber, fünfzigjährig, sofort freiwillig beim Garnisonskommando. Er beklagte, nicht frontdiensttauglich zu sein: „was einem doch sehr hart ankommt. Denn einerlei was der Erfolg ist, – dieser Krieg ist groß und wunderbar“.30 Er dürfte wohl die Stimmung geteilt haben, über die seine Frau an Helene Weber berichtete: „Alle sind so ganz erfüllt in dem Bewußtsein, daß wir gerecht und mit reinem Gewissen in diesen Krieg ziehen, daß es ein heiliger Verteidigungskrieg ist“.31 Das Gemeinschaftsgefühl des ganzen Volkes und die Einsatzbereitschaft der Soldaten beeindruckten Weber tief. Der „Geist der Truppen ist von strahlender Herrlichkeit“.32 Bereits am 2. August wurde er der Heidelberger Reserve-Lazarettkommission als Militärisches Mitglied zugeordnet. Improvisierend und bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit arbeitend, baute er in großer Eile mehrere Reservelazarette in Heidelberg auf, in die auch bald die ersten Verwundeten eingeliefert wurden. Gegen Ende des Jahres 1914 konzentrierte sich seine Tätigkeit auf die Behandlung von Disziplinarverstößen. Er verfaßte mehrere Berichte über Disziplinarfragen an das Stellvertretende Generalkommando in Karlsruhe,33 wurde zum Hauptmann der Reserve befördert und stand als Disziplinoffizier den 42 Lazaretten des Bezirks Heidelberg vor. Diese Arbeit befriedigte ihn wenig,34 so daß er nach einer anderen Verwendung suchte, ohne sie jedoch zu finden. Aus dem Familien- und Freundeskreis standen viele Männer an der Front, sein Schwager Hermann Schäfer war als Reserveoffizier schon am 26. August 1914 gefallen und Paul Siebecks Sohn Robert am 2. September 1914. Webers Bruder Arthur, Berufsoffizier, hatte Ende September das Eiserne Kreuz erhalten, sein Bruder Alfred war als Hauptmann der Landwehr in die

29 Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 525 f. 30 Brief an Karl Oldenberg vom 28. Aug. 1914, unten, S. 782. 31 Brief von Marianne Weber an Helene Weber, 4. Aug. 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 32 Brief an Paul Siebeck vom 7. Sept. 1914, unten, S. 788. 33 Vgl. MWG I/15, S. 26 – 32. 34 Vgl. Webers abschließenden Erfahrungsbericht über seine Tätigkeit als Mitglied der Karlsruher Reserve-Lazarett-Commission, ebd., S. 33 – 48.

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Kämpfe im Oberelsaß verwickelt und auch der dritte Bruder, Karl, hatte sich freiwillig gemeldet; er fiel am 22. August 1915. Marianne Weber engagierte sich bei den Kriegshilfsdiensten für Frauen, und der Salon in Webers Wohnung diente der Unterbringung von genesenden Soldaten. Der Krieg unterbrach den gewohnten Lebensrahmen abrupt.

6. Zur Überlieferung und Edition Die Grundsätze, welche die Herausgeber bei der Edition des Briefwerks geleitet haben, sind in der Einleitung zu Band II/5 der Max Weber-Gesamtausgabe erörtert, auf sie sei hier verwiesen.35 Dort ist auch dargelegt worden, welche Konsequenzen sich für die Edition aus der fragmentarischen Überlieferung des Briefwerks ergeben, einschließlich des Verzichts auf die Mitteilung der nur im Ausnahmefall überlieferten Korrespondenda. Die Herausgeber und ihre Mitarbeiter waren bemüht, alle systematischen Wege, die zur Auffindung oder Erschließung von Briefen Max Webers führen konnten, zu verfolgen. Es darf davon ausgegangen werden, daß die erhaltenen Briefe nahezu vollständig in die Edition eingegangen sind. Briefe, die sich noch nach der Drucklegung finden sollten, werden in einem Anhang zum letzten Band dieser Edition abgedruckt. Dennoch ist das hier vorgelegte Briefwerk der Jahre 1913 und 1914 lückenhaft. Die Herausgeber waren bemüht, durch eine angemessene Kommentierung und editorische Vorbemerkungen die Lücken der Überlieferung nach Möglichkeit zu schließen und dem Leser den jeweiligen Kontext bzw. Hintergrund, dessen Kenntnis zum Verständnis der Briefe erforderlich ist, aufzuschlüsseln. Angesichts der Überlieferungslage blieb den Editoren nur die Möglichkeit, sich auf den Abdruck der Briefe Max Webers zu beschränken und auf die Aufnahme der an ihn gerichteten Briefe zu verzichten. Die Briefe Max Webers sind vollständig aufgenommen worden. Auch Briefkonzepte wurden berücksichtigt, gleichgültig, ob die entsprechenden Briefe abgegangen sind oder nicht. Briefe, die nicht überliefert, aber nachgewiesen sind, werden im Apparat verzeichnet. Soweit Korrespondenda vorliegen, deren Kenntnis für das Verständnis des Briefes erforderlich ist, wird der Leser in den Editorischen Vorbemerkungen auf diese hingewiesen und gegebenenfalls der Sachverhalt paraphrasiert wiedergegeben. Ansonsten sind Korrespondenda, soweit diese überliefert sind, im Anmerkungsapparat nachgewiesen. Die Briefe werden in chronologischer Abfolge präsentiert. Im Briefkopf werden zunächst der Adressat, dann die Datierung und der Ort der Nieder35 MWG II/5, S. 10 – 14.

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schrift, die Art des Textzeugen und schließlich der Fundort mitgeteilt. Sofern die Datierung aus dem Poststempel erschlossen worden ist, wird dies mit der vorangestellten Sigle PSt kenntlich gemacht. Sollte die Datierung eines Briefes nicht oder nur unvollständig möglich sein, so wird dieser am Ende des fraglichen Zeitraums abgedruckt. Sofern der Ort der Niederschrift nur aus dem vorgedruckten Briefkopf erschlossen ist, wird dies durch die vorangestellte Sigle BK kenntlich gemacht, sofern sich dies aus dem Poststempel ergibt, wird dem Ort der Niederschrift die Sigle PSt vorangestellt. Von den Herausgebern erschlossene Datierungen sind in eckige Klammern gesetzt und die Datierung in der Editorischen Vorbemerkung begründet. Dort werden gegebenenfalls auch weitere Angaben über die Eigenart und den Zustand des Textzeugen mitgeteilt. Dabei wird zwischen Briefen, Karten und Telegrammen sowie Abschriften und Abdrucken unterschieden: Letztere sind dem Druck nur dann zugrunde gelegt worden, wenn die Originale nicht überliefert sind. Die Datumszeile reproduziert Max Webers eigenen Text; die vorgedruckten Teile des jeweiligen Briefkopfes – z. B. die Namen von Hotels – sind kursiv wiedergegeben, um sie von dem eigentlichen Text unterscheiden zu können. Die Textpräsentation behält die Orthographie, Interpunktion und Grammatik der Originale bei und emendiert nur dort, wo dies für das Textverständnis unabdingbar ist. Einschübe im Text sind kenntlich gemacht, Streichungen und Textersetzungen im Apparat annotiert. Mit Ausnahme der in der Datumszeile, in den Anrede- und Schlußformeln verwendeten Abkürzungen werden unübliche Abkürzungen im Text aufgelöst und die Ergänzungen durch eckige Klammern kenntlich gemacht; ansonsten sei auf das Abkürzungsverzeichnis verwiesen. Bei Max Weber durch Asterisken gekennzeichnete Zusätze bzw. Anmerkungen werden in arabischer Zählung unter dem Text wiedergegeben. Die Asterisken werden durch Ziffern mit runder Klammer ersetzt. Eindeutig falsche Schreibweisen werden emendiert und im Apparat annotiert. Satzzeichen werden dann, wenn sie für das Textverständnis notwendig sind, in eckigen Klammern ergänzt. In den Abschriften, die in aller Regel auf Marianne Weber zurückgehen, werden offensichtliche Abschreibefehler stillschweigend korrigiert, z. B. de fakto > de facto; ebenso wird hier vom Nachweis handschriftlicher Korrekturen an maschinenschriftlichen Vorlagen abgesehen. Datierungsfehler werden nur dann emendiert, wenn sich die richtige Datierung zweifelsfrei nachweisen läßt. Im übrigen wird auf die Editionsregeln hingewiesen, die am Ende dieses Bandes wiedergegeben sind. Im Sachkommentar werden Sachverhalte, deren Kenntnis für das Verständnis der Briefe erforderlich ist, erläutert. Alle Personen, die in den Briefen nur mit ihrem Vornamen erwähnt werden, werden im Anmerkungsapparat unter Angabe des Nachnamens identifiziert. Von dieser Regel werden die

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nächsten Anverwandten Max Webers ausgenommen, und zwar seine Frau Marianne Weber, geb. Schnitger, seine Mutter Helene Weber, geb. Fallenstein, seine Geschwister Alfred Weber, Karl Weber, Arthur Weber, Clara Weber, verheiratete Mommsen, und Lili Weber, verheiratete Schäfer. Die Schwäger und Schwägerinnen Max Webers, nämlich Ernst Mommsen, Hermann Schäfer und Valborg Jahn, verheiratete Weber, werden hingegen jeweils durch Mitteilung des Nachnamens im Anmerkungsapparat identifiziert. Das Personenverzeichnis gibt ergänzende biographische Hinweise auf die in den Briefen erwähnten Personen; im Sachkommentar werden daher nur solche Erläuterungen zu Personen gegeben, die für die betreffende Briefstelle aufschlußreich sein können. Um die weitverzweigten und teilweise sich kreuzenden Verwandtschaftsbeziehungen im Zusammenhang sichtbar zu machen, werden dem Personenverzeichnis Übersichten über die Nachkommen von Georg Friedrich Fallenstein, dem Großvater Max Webers, und Carl David Weber, dem Bruder des Vaters von Max Weber und Großvater von Marianne Weber, angefügt. Das Register der Briefempfänger sowie Orts- und Personenregister gewähren zusätzliche Möglichkeiten der Erschließung des Briefbestandes. In einem Anhang werden der Stoffverteilungsplan für das „Handbuch der politischen Ökonomie“ vom Mai 1910 sowie Vorwort und Einteilung des Gesamtwerkes des „Grundriß der Sozialökonomik“, erschienen in: GdS, Abt.I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. VII – XIII, abgedruckt.

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Briefe 1913 – 1914

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2. Januar 1913

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Paul Siebeck 2. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Im Mittelpunkt dieses Briefes sowie eines Großteils der Korrespondenz mit Paul Siebeck bis zum 28. Februar 1913, unten, S. 101, der Schreiben an Ferdinand Tönnies vom 29. sowie nach dem 30. Januar 1913, der beiden vom 6. Februar und der vom 18. Februar, 17. März und 22. April 1913, unten, S. 67 – 72, 73, 78 – 80, 81 f., 91f., 126 – 129 und 196 f., sowie des umfangreichen Schreibens an das Kieler sog. „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Januar 1913, unten, S. 25 – 41, steht die Auseinandersetzung zwischen Bernhard Harms und Paul Siebeck bzw. Max Weber um die Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“, des späteren „Grundriß der Sozialökonomik“ (hinfort zitiert als GdS). Da die wichtigsten Einzelheiten dieses Konflikts schon in der Editorischen Vorbemerkung zum Brief an Harms vom 5. Mai 1912 (MWG II/7, S. 522 – 525) dargelegt worden sind und Weber selbst in seinem Schreiben an das „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Januar 1913, unten, S. 25 – 41, Grund und Hergang des Streits aus seiner Sicht ausgiebig erläutert, soll an dieser Stelle der Verlauf der Kontroverse nur in groben Zügen skizziert werden. Die genaue Rekonstruktion der Auseinandersetzung ist insofern schwierig, als der größte Teil der einschlägigen Dokumente von Paul Siebeck zwecks eventueller gerichtlicher Verwendung als Aktenstücke ausgesondert wurde und heute im Verlagsarchiv Mohr/Siebeck in Tübingen nicht mehr auffindbar ist. Die dokumentarischen Lücken werden allerdings teilweise durch den Bestand „Vorliegender Schriftwechsel in Sachen Verlag Siebeck/Handbuch Schönberg und Professor Max Weber“ in dem in Privatbesitz befindlichen Nl. Bernhard Harms ersetzt. Der Konflikt zwischen Harms und Paul Siebeck (und indirekt Max Weber) hatte mit Harms’ Vorwürfen gegen den Verleger seinen Ausgangspunkt genommen, der Verlag habe bei der Herausgabe des Schönbergschen Handbuchs der Politischen Ökonomie seine sowie die Rechte der Erben Schönbergs mißachtet bzw. er (Harms) sei „als Adlatus Schönbergs verdrängt worden, damit der Verlag auch von den Schönberg’schen Erben loskomme“ (Brief von Harms an Siebeck vom 25. April 1912, zitiert in dem Antwortschreiben Paul Siebecks vom 4. Mai 1912; vgl. MWG II/7, S. 522). Die sich hieran anschließende Auseinandersetzung des Verlags bzw. Max Webers mit Harms wurde gegen Ende des Jahres 1912 dadurch entscheidend verschärft, daß letzterer seine Vorwürfe in Kiel der dortigen Ortsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, einer informellen Diskussionsvereinigung (dem sog. „Soziologischen Kränzchen“), zur Kenntnis brachte und dadurch der daran beteiligte Otto Baumgarten, ein Vetter Max Webers und Autor des Verlags Mohr/Siebeck, zeitweise in eine prekäre Vermittlersituation bzw. in nicht geringe Loyalitätskonflikte geriet. Von Baumgarten davon unterrichtet, hat Weber diesem seine Sicht der Auseinandersetzung brieflich dargelegt, was dann auch jeweils den Teilnehmern des „Soziologischen Kränzchens“ zur Kenntnis gebracht wurde. Aufgrund der Abfolge der einander ablösenden Zirkulare von Weber und Harms an die Teilnehmer eskalierte der Konflikt so weit, daß Weber, nachdem ihm von Harms in dessen Brief an Otto Baumgarten vom 18. Dezember 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) „grobe Unwahrheit“ und „schamlose Ehrabschneiderei“ vorgeworfen worden war, diesem durch seinen Kartellbruder Fritz Keller am 26. Dezember 1912 (ebd.) eine Forderung auf Säbel für den 4. oder 5. Januar 1913 in Kiel zukommen ließ. Diese wurde von Harms einen Tag später angenommen (ebd.), jedoch mit der Einschränkung, daß er erst in den Osterferien dafür zur Verfügung stehen könne. Über die Verschiebung des Termins verärgert, hat Weber Fritz Keller am 30. Dezember 1912

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2. Januar 1913

(MWG II/7, S. 813) mitgeteilt, daß er nunmehr „jede weitere Erörterung eines Waffenganges mit Herrn Harms“ ablehne. Dieses Schreiben führte allerdings noch zu einem Nachspiel: In einem Brief an Keller vom 4. Januar 1913 wies Felix Rachfahl (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) auf verschiedene Formfehler bei der Vorgehensweise Webers hin und beantragte die Bildung eines Ehrengerichts, weil „durch eine einfache Verzichtleistung des Herrn Professor Weber die Sache [...] nicht als erledigt betrachtet werden kann.“ Daraufhin ließ Weber diesem durch Fritz Keller am 5. Januar 1913 (Abschrift masch.; ebd.) ausrichten, „daß diese Angelegenheit für ihn erledigt sei und [er] es abgelehnt [habe], von dem Inhalte“ seines [d. h. Rachfahls] „Briefes Kenntnis zu nehmen.“ Diese Duellangelegenheit hatte noch ein weiteres Nachspiel: Drei Teilnehmer des „Soziologischen Kränzchens“, nämlich Moritz Liepmann, Felix Rachfahl und Ferdinand Tönnies, sahen sich veranlaßt, Harms am 15. Januar 1913 eine Ehrenerklärung abzugeben, in welcher diesem ausdrücklich bestätigt wurde, daß er sich korrekt verhalten habe: „Wir wollen kein Urteil abgeben über die Ihrem Streit mit Herrn Professor Max Weber – Heidelberg zu Grunde liegende Siebeck’sche Verlagsangelegenheit. Überzeugt davon, daß beide Teile in gutem Glauben an das Recht der von ihnen vertretenen Sache in die Erörterung jener Angelegenheit eingetreten sind, zweifeln wir insbesondere nicht, daß Sie aus rein sachlichen Motiven und nur aus Rücksicht auf die Interessen der Schönberg’schen Erben sich in die Angelegenheit eingemischt haben. Vor allem aber haben wir das Bedürfnis, Ihnen zu sagen, daß Sie in der Behandlung der Duellangelegenheit korrekt und taktvoll vorgegangen sind, – gleichviel ob wir Anhänger oder Gegner des Duells sind. Dadurch, daß Sie die mit der Forderung von Herrn Weber gestellte Bedingung, das Duell auf Waffen einer studentischen Verbindung in Kiel auszutragen, nicht annahmen, haben Sie einen Universitätsskandal und eine schwere Erschütterung des Ansehens des Lehrkörpers unsrer Hochschule verhindert“ (ebd.). Diese, Weber Ende Januar 1913 zur Kenntnis gebrachte Erklärung führte zu einer längeren schärferen Korrespondenz mit Tönnies, die jedoch versöhnlich endete; vgl. dazu den Brief an Tönnies vom 22. April 1913, unten, S. 196 f. Über seinen Streit mit Harms hat Weber am 4. Januar 1913, unten, S. 25 – 41, eine aktenmäßige Darstellung geliefert, die sowohl den Kieler Teilnehmern als auch Paul Siebeck zur Kenntnis gebracht wurde. Siebeck selbst hat durch seinen Stuttgarter Rechtsanwalt Ernst Kielmeyer ein nicht nachgewiesenes Gutachten in Sachen Schönberg erstellen lassen. Aus dem Begleitschreiben Kielmeyers an Siebeck vom 17. Januar 1913 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 349) läßt sich entnehmen, daß das Gutachten sich strikt auf das Verhältnis zwischen Verlag und Schönbergschen Erben beschränkte, „um auch damit darzutun, daß vom juristischen Standpunkt aus die Rolle des Herrn Harms eine völlig nebensächliche war.“ Zum weiteren Vorgehen vermerkte Kielmeyer, daß zwar wegen Überschreitung der dreimonatigen Antragsfrist eine Beleidigungsklage verjährt sei, jedoch eine Klage wegen Kreditschädigung nach § 824 BGB in Betracht kommen könne, falls Harms seine Anschuldigungen wiederholen sollte. Da jedoch Harms diesbezüglich sich weiterer Invektiven gegen den Verlag enthielt, ist es zu keinem zivilrechtlichen Prozeß gekommen; die Kontroverse wurde nicht weiter fortgesetzt.

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Heidelberg 2. I. 13a Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Auf ein :neues: Cirkular des Herrn Harms1 mit persönlichen Schmähungen gegen mich forderte ich ihn auf Säbel, auszutragen am 4./5. Januar in Kiel.2 Er erklärte, seiner „Berufspflichten“ wegen vor den Osterferien (!) nicht antreten zu können.3 Darauf habe ich natürlich geantwortetb, daß ich einem um ein Dutzend Jahre jüngeren Herren, der so wenig Gewicht auf seine eigenen Beschimpfungen lege, die Waffenehre verweigere.4 Ich werde nun noch seiner Aufforderung, die Akten-Belege zu bringen, nachkommen. Sie erhalten das Cirkular,5 welches nichts als die nackten Thatsachen enthält und auf seinen Briefwechsel von 1907 mit Ihnen verweist, den ich Otto Baumgarten senden werde zur Einsicht für die Herren des Soziolog[ischen] Zirkels, in einigen Tagen. Damit ist die Sache dann endlich zu Ende. Sie hat mich nicht nur diese Ferien, sondern unerhört viel Zeit gekostet. Bitte Vorstehendes streng vertraulich, gegen Jedermann. Gegen Sie kann ja H[arms] nicht das Geringste machen. Lassen Sie Sich die Sache gar nichts mehr angehen. Klagenc will er, wie er erklärt, überhaupt nicht, des „Skandals“ wegen.6

a O: 12

b O: erklärt geantwortet

c

1 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz). Darin hatte Harms Weber u. a. „grobe Unwahrheit“ und „schamlose Ehrabschneiderei“ vorgeworfen. 2 Die Duellaufforderung findet sich in dem Schreiben von Fritz Keller an Bernhard Harms vom 26. Dez. 1912 (ebd.). 3 Bernhard Harms an Fritz Keller vom 27. Dez. 1912 (Abschrift masch.; ebd.). 4 So die Erklärung im Brief von Fritz Keller an Bernhard Harms vom 30. Dez. 1912 (ebd.). 5 Gemeint ist das Schreiben an das „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Jan. 1913, unten, S. 25 – 41. 6 Harms hatte in seinem Schreiben an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1) als einen der Gründe, gegen Weber keinen Beleidigungsprozeß anzustrengen, angegeben, daß es ihm widerstrebe, „die Verantwortung für einen Prozeß zu übernehmen, der einer sensationslüsternen Öffentlichkeit reiche Befriedigung gäbe und dem Ansehen der deutschen Professoren schaden müßte.“

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Jetzt endlich geht es wieder an das „Handbuch“. Bücher hat meinen letzten Brief7 nicht beantwortet. Ich schreibe ihm also, daß ich jetzt an andre Herren mich wende.8 Daß sich das Handbuch verzögert, ist ja – da eben das „Wörterbuch“ wieder kommt,9 – buchhändlerisch nicht schlimm, und auch den Schönberg’schen Erben10 gegenüber ganz gut; man kann jetzt schon von einer „Continuität“ in keinem Sinn mehr reden. Aber ich wäre gern bald mit Allem im Reinen und fertig. Morgen mehr! Herzliche Grüße Ihr Max Weber

7 Möglicherweise bezieht sich Weber auf seinen Brief an Karl Bücher vom 4. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 775). Darin hatte Weber u. a. angefragt, ob Bücher wegen der Neuvergabe des GdS-Abschnitts über „Handel“ bei den in Aussicht genommenen Autoren Johannes Hanisch und Eugen Schmalenbach schon Resultate erzielt habe. 8 Ein entsprechender Brief ist im Nl. Karl Bücher in der UB Leipzig nicht nachgewiesen. 9 Weber bezieht sich hier auf das mehrbändige „Wörterbuch des deutschen Staatsund Verwaltungsrechts“. Begründet von Prof. Dr. Karl Freiherr von Stengel. 2., völlig neugearb. u. erw. Aufl., hg. von Prof. Dr. Max Fleischmann. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1911ff. Zu Charakter und Umfang dieser Neubearbeitung vgl. die Rezension von Edgar Loening anläßlich der Veröffentlichung des ersten Bandes, erschienen in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Bd. 42, 1911, S. 844 – 846, ebd., S. 845: „Das Werk bedurfte, um wieder als zuverlässiges Nachschlagewerk brauchbar zu werden, einer gänzlich neuen Be- und Umarbeitung [...]. Der neue Herausgeber hat sich aber nicht damit begnügt, dem alten Werke ein neues Gewand zu geben, er hat nach verschiedenen Richtungen hin den Plan des Werkes erweitert und ausgestaltet.“ Insbesondere habe der Herausgeber Max Fleischmann dafür Sorge getragen, daß „aus einem Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts ein Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts geworden“ sei. Sodann seien „die einzelnen Artikel des ersten Bandes [...] zum größten Teil neubearbeitet, wie sie auch meist von anderen Verfassern herrühren, als die entsprechenden Artikel der ersten Auflage. [...] So darf in der Tat das Werk nicht sowohl als zweite Auflage eines älteren, sondern als ein neues Werk bezeichnet werden, das nur auf den alten Fundamenten und mit einzelnen Bausteinen des älteren Werkes aufgebaut ist.“ Ebd., S. 846. 10 Gemeint sind die Kinder von Gustav von Schönberg: der Sohn Gustav Schönberg jr. sowie die Töchter Elsa und Marie-Leonore Schönberg.

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Paul Siebeck 3. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief steht zum größten Teil in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung wegen der Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“, des späteren GdS, zwischen Bernhard Harms und dem Verleger Paul Siebeck und Max Weber; zu Entstehung und Verlauf dieses Konflikts vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f.

Heidelberg 3. I. 13 Verehrtester Herr Doktor Siebeck!

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Nochmals: lassen Sie Sich die Sache Harms nicht das geringste mehr angehen. Sie bekommen am Montag meine aktenmäßige Darstellung,1 die nach Kiel geht und die Sache absolut erledigt. Klagen kann er darauf nicht, da sie sich jeder „Beleidigung“ in der Form enthält. Im Übrigen ist sie für ihn vernichtend. Damit ist dann Alles aus. Über sein Benehmen auf meine Forderung hin mache ich mich dann in einem Brief an Otto Baumgarten lustig, den ich Ihnen ebenfalls (vertraulich) schikke.2 An diesen gehta auch von den Akten:3 Ihr Brief an Schönberg vom 19/V 06, der Vertrag vom 22. V. 06, Auszug aus Ihrem Brief an mich vom 25. Mai 06 (die letzten 5 Sätze)[,]4 Ihre Correspondenz mit Harms von 1907, der letzte Absatz Ihres Briefs an mich vom 1. VIII.

a Alternative Lesung: gehen 1 Gemeint ist Webers Darlegung an das „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Jan. 1913, unten, S. 25 – 41. 2 Ein entsprechender Brief an Otto Baumgarten ist weder im Nl. Baumgarten in der SHLB Kiel noch (als Abschrift) im VA Mohr/Siebeck, Tübingen, nachgewiesen. 3 Um den Apparat zu entlasten, werden bei der folgenden Aufstellung Max Webers lediglich die noch vorhandenen Dokumente annotiert. 4 Gemeint ist die Passage aus dem Brief Paul Siebecks an Max Weber vom 25. Mai 1906 (MWG II/5, S. 96, Anm. 3): „So gehe ich denn jetzt an Schumacher. Lehnt er ab, so muß ich Tröltsch fragen. Will auch er nicht, dann kann ich die Cabinettsbildung in Sch[önberg]’s Hände zurückgeben und mich frei machen – so allein käme ich auch um die Bindung an die Weiterführung des Titels ‚Schönbergs Handbuch‘ herum und könnte Sombart etwas ganz Neues machen lassen.“

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08,5 mein Brief an v. Wieser (Juni 1909), :der Schlußpassus meines Briefs vom 20. VIII. 09:[,]6 der „Stoffverteilungsplan“,7 die beiden Briefe des Dr G[ustav] Schönberg vom 14. III. 128 und 4. VI. 12 und Ihre Briefe (auch der „persönliche“ vom 4. V. 12) an Harms aus dem Jahre 1912[.]9 Sonst nichts. Das ist genug[,] um jeden Blinden zu überzeugen. Dabei lasse ich es dann. Bitte schicken Sie mir die Stenogramme der Diskussionen des Soziologentags,10 nachdem Sie den Gesammtumfang kalkuliert haben, eingeschrieben her. Herzliche Neujahrswünsche Ihr Max Weber

5 Gemeint ist die Passage aus dem Brief Paul Siebecks an Max Weber vom 1. Aug. 1908 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446; MWG II/5, S. 648, Editorische Vorbemerkung): „Für eine neue Auflage des Schönberg’schen Handbuchs hält es sehr schwer, einen Herausgeber zu finden. Ich neige immer mehr dazu, ein ganz neues Handbuch zu bringen, das nicht mehr unter Schönberg’scher Flagge segeln würde. Wären Sie eventuell bereit, die Redaktion eines neuen Werkes zu übernehmen?“ 6 Die Schlußpassage dieses Briefes an Paul Siebeck vom 20. Aug. 1909 (MWG II/6, S. 230) lautet: „Erneut schlage ich vor, das Gesammtwerk: ‚Siebeck ’s Handbuch der Sozialökonomik’ (oder, in Gottes Namen, der ‚Pol[itischen] Ökonomie‘) zu nennen. Es ist das Richtigste und für Neuauflagen Beste . Ich figuriere jedenfalls nicht als ‚Herausgeber‘, sondern nur als ‚Schriftleiter‘ im Vorwort . Das folgt aus gewissen ‚Prinzipien‘, die ich nun mal habe[. ]“ 7 Der gedruckte Stoffverteilungsplan des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“, des späteren GdS, aus dem Jahre 1910 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) ist wiedergegeben in: MWG II/6, S. 766 – 774, sowie in Anhang 1, unten, S. 808 – 816. 8 Brief von Gustav Schönberg jr. an Paul Siebeck vom 14. März 1912 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Anfrage, wie weit die Neubearbeitung des Handbuchs seines Vaters gediehen sei; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 22. März 1912 (MWG II/7, S. 485). 9 Die Briefe, auf die Weber hier Bezug nimmt, nämlich die beiden Schreiben Paul Siebecks an Harms vom 4. Mai 1912 sowie dasjenige vom 18. Mai 1912, befinden sich im Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz. 10 Gemeint ist das Stenogramm der Diskussionen des Zweiten Deutschen Soziologentages. Obgleich nicht mehr Ausschußmitglied bzw. Rechner der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (hinfort zitiert als DGS), betreute Max Weber weiterhin die Veröffentlichung des Tagungsbandes. Dieser ist erschienen unter dem Titel: Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentages vom 20. – 22. Oktober 1912 in Berlin. Reden und Vorträge von Alfred Weber, Paul Barth, Ferdinand Schmid, Ludo Moritz Hartmann, Franz Oppenheimer, Robert Michels und Debatten. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1913 (hinfort zitiert als: Verhandlungen 1912).

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Soziologisches Kränzchen 4. Januar 1913; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz Der Brief steht in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung wegen der Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“, des späteren GdS, zwischen Bernhard Harms und dem Verleger Paul Siebeck sowie Max Weber; zu Entstehung und Verlauf dieses Konflikts vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f. Um den Kommentar zu entlasten, wird auf den Nachweis der von Weber zitierten, heute aber nicht mehr vorhandenen Schriftstücke verzichtet. Am Briefkopf findet sich der maschinenschriftliche Vermerk: „Abschrift.“

Heidelberg, den 4. Januar 1913.

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Der ausdrücklichen Aufforderung des Herrn Prof. Harms: noch nachträglich aktenmäßige Belege zu bringen, folge ich hiermit.1 Ich tue dies, um ein Ende zu machen, für die ganze Herrn Harms betreffende Angelegenheit, indem ich die darauf bezüglichen mir vom Verlag eingesendeten Abschriften und Auszüge, auch einige aus dessen inzwischen von mir durchgesehenen Korrespondenzen mit mir, bei meinem Vetter, Prof. Baumgarten, niederlege und die entscheidenden Stellen rot anstreiche. Ich zitiere also nur Dokumente, die Herr Harms teils selbst besitzt, teils auch seinerseits nachprüfen kann. Die zwischen uns gewechselten Briefe besitzt nur er und mag sie gefälligst vorlegen. Daß dies Material zu einer wesentlich ungünstigeren Beurteilung seines Verhaltens führen muß, als meine bisherigen Briefe, kann ich nicht ändern. Es wäre vielleicht klüger gewesen[,] meinen „bloßen“ Worten – wie ich es unter Vorbehalt menschlicher Irrtümer allerdings beanspruchen darf – zu glauben. Ich muß es jetzt aber den Freunden des Herrn Harms selbst überlassen, diese Erörterungen, die nicht ich begonnen habe, mit ihm allein fortzusetzen, wenn sie ihrer nicht müde sind. Ich meinerseits ignoriere fortan alle und jede private direkt oder

1 Weber bezieht sich auf eine Stelle in dem Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz): „Herr Weber erkühnt sich zu der Mitteilung, es gehe aus meinen Briefen hervor, daß ich mit einem Nichtzustandekommen einer Neuauflage nach Schönbergs Tode gerechnet hätte. Dies ist eine krasse Unwahrheit. Er bringt dafür nicht ein Zitat bei. Ich fordere ihn auf, dies nachträglich zu tun.“

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indirekt von ihm stammende Zuschrift und bin – nachdem man mich zur Vorlegung der Papiere genötigt hat – nur noch zu agerichtlicher Feststellunga aller nachstehenden Tatsachen bereit, wenn sie verlangt wird. Ich gehe alle Punkte einzeln durch, da ich mit völlig offenen Karten spiele.

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I. Davon, daß Herr Harms jetzt die von mir (kurz und keineswegs vollständig) angedeuteten Tatsachen aus den Beziehungen des Verlags zu Herrn v. Schönberg zugesteht,2 nehme ich Akt. Dieser Punkt kann also, vorausgesetzt daß auch alle erneuten Ehrenkränkungen gegen den Verlag unterbleiben, ganz ausscheiden. Nur stelle ich fest: daß Herr Harms in seinem ersten Zirkular trotz dieser seiner Kenntnis den Anschein zu erwecken suchte, als behaupte ich Unwahres.3 Sachlich ist hinzuzufügen: daß die „Idee“ des Handbuchs nachweislich nicht etwa von Schönberg, sondern auf Anregung eines Dritten vom Verlag ausging,4 daß erweislich auch der Verlag die höchst umfangreichen Vorarbeiten für die zuletzt geplante Neuauflage: Einholung wissenschaftlicher Gutachten, eingehende eigene Exposés usw., seinerseits fast ganz ohne Unterstützung Schönbergs geleistet hatte.

a gerichtlichen Feststellungen > gerichtlicher Feststellung 2 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1): „Ich will die ‚Enthüllungen‘ des Herrn Weber über das[, ] ,was zwischen dem Vorbesitzer der Firma und Herrn von Schönberg und was überhaupt während dessen Herausgeberschaft [...] sich denn tatsächlich ereignet hat‘, vermeiden. Ich gebe offen zu, daß hier manches (wenn auch nichts Ehrenrühriges) vorgekommen ist, was im Interesse des Schönberg’schen Andenkens besser nicht an die Öffentlichkeit kommt.“ Harms bezieht sich hierbei auf einen Passus in Webers Brief an Otto Baumgarten vom 11. Nov. 1912 (MWG II/7, S. 741 – 743). 3 Harms hatte allerdings in seinem Schreiben an Otto Baumgarten vom 22. Nov. 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) lediglich Webers „Drohungen“ moniert, im Falle einer Gerichtsverhandlung Dinge vorzubringen, die dem Andenken Schönbergs schaden könnten. Dazu vermerkt Harms: „Solches Verhalten zu charakterisieren, fehlen mir die richtigen Worte. […] Derlei Drohungen richten sich selbst. Sollte aber Herr Weber in dieser Weise fortfahren, so muß er sich darauf gefaßt machen, daß ich gleichfalls ‚rücksichtslos‘ gegen ihn vorgehen werde. Die Zeitungen werden dann eine Götterspeise im Gerichtssaal serviert erhalten.“ 4 Ein diesbezüglicher Hinweis oder eine entsprechende Bezugnahme fehlt in der uns vorliegenden Verlagskorrespondenz.

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Herr Harms behauptet hartnäckig, einen Kontrakt mit dem Verlag gehabt zu haben.5 Zwei Arten des Zustandekommens eines solchen gibt er an: A. Er sei mündlich mit Schönberg und dem Verlag eingegangen. – Die Akten ergeben: Inb dem Redaktionsvertrag vom 22. Mai 1906 wurde Herrn von Schönberg laut § 2 „in der Person des Herrn …“ (der Name ist dauernd offen geblieben) ein „Mitherausgeber“ beigeordnet, „dessen Funktionen in einem zwischen dem Herrn Staatsrat v. Schönberg, Herrn … (offen geblieben) und der Verlagshandlung abzuschließenden Redaktionsvertrag näher festgestellt werden“. Das (nicht festgestellte) Honorar des Adlatus sollte der Verlag tragen (§ 3). Am 15. Oktober 1907, d. h.: nach jener mündlichen Besprechung, die den Vertragsschluß gebracht haben soll (denn nachher hat eine solche nicht mehr stattgefunden)[,] schrieb der Verlag an Herrn Harms: „Ich muß daher umso größeren Wert darauf legen, daß ich über die Auswahl der Mitarbeiter von Fall zu Fall gehört werde und daß mir dieses Recht im Redaktionsvertrag gewahrt wird“, – der also schon hiernach als nicht c abgeschlossen dgalt. Ohned jene der Sachlage ja auch genau entsprechende Bemerkung zu beanstanden, schickte Herr Harms dann mit Brief vom 18. Oktober dem Verlag sein „Exposé“ über die Gestaltung der geplanten Neuauflage. Am 19. Oktober bemerkte darauf Herr Dr. Siebeck unter Empfangsbestätigung u. a. ausdrücklich: daß er sich „vorbehalte, von unseren vorläufigen Vereinbarungen über die Veranstaltung einer neuen Auflage zurückzutreten, wenn es Ihnen nicht gelingen sollte, solche Mitarbeiter zu gewinnen, mit denen ich eine neue Auflage unternehmen zu können glaube“. Erneut werden hier, genau der Sachlage entsprechend, die stattgehabten Erörterungen als unverbindliche Vorverhandlungen behandelt, ohne daß – selbstverständlich – Herr Harms dagegen irgendwie zu remonstrieren versucht hätte. Am 30. November schrieb alsdann Herr Harms: daß seine Mitarbeit „sehr in Frage gestellt“ sei, da er mit Prof. K[arl] Bücher „total zerfallen“ sei. Er wünsche aus menschlichen Gründen, daß sein, innerlich

b In Abschrift: 1. In

c Unterstreichung eigenhändig.

d galt, ohne > galt. Ohne

5 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 22. Nov. 1912 (wie Anm. 3).

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festbeschlossener, Rücktritt „von der Sache“ nicht zu Lebzeiten des (damals schon leidenden) Herrn v. Schönberg erfolge. Das billigte der Verlag ausdrücklich und dabei blieb es. Dies ist der „einfache Sachverhalt“. B. Herr Harms hat nun außerdem in seinem ersten Zirkular6 sehr nachdrücklich behauptet: nach Schönbergs Tode sei er „stillschweigend“ in den Vertrag eingetreten und habe dann in Gemeinschaft mit dem Verlag (unterstrichen) Mitarbeiter geworben. Daran ist kein einziges wahres Wort. Schon die (freilich ebenfalls unrichtige) Behauptung des Herrn Harms in seinem zweiten Schreiben:7 der Verlag habe sich nach Schönbergs Tode e„sofort“ an mich gewendete, ist damit unvereinbar, wie denn überhaupt (ich bitte sich zu überzeugen!) jeder Brief des Herrn Harms den „einfachen Sachverhalt“ anders darstellt. – Die Akten ergeben: der letzte über die Gestaltung einer Neuauflage zwischen dem Verlag und Herrn Harms überhaupt gewechselte Brief ist nach Auskunft des ersteren derjenige vom 28. Dezember 1907, von dessen Inhalt noch zu reden sein wird. Schönberg starb fam 3. Januarf 1908. Auch nicht das allergeringste ist nach seinem Tode zur Verwirklichung der geplant gewesenen Neuauflage verhandelt worden oder geschehen. Die Angelegenheit ist vielmehr allseitig als erledigt behandelt worden. Ausdrücklich waren ja auch in allen seit dem 15. Oktober vor dem Tode Schönbergs zwischen den Parteien gewechselten ausführlicheren Briefen, insbesondere auch denen vom 30. November, 21., 22. u. 28. Dezember 1907 die bisherigen Verhandlungen nochmals von beiden Teilen als in keiner Weise, „auch nicht moralisch“, verpflichtend erklärt worden. Die vom Verlag noch vorbehaltene mündliche Aussprache hat nicht stattgefunden. Erst annähernd 5/4 Jahre nach dem Tode Schönbergs hat g nach Auskunft des Verlags Herr Harms in Tübingen bei diesem einmal wieder persönlich vorgesprochen, aber in einer anderen Angelegenheit. Inzwischen hatte, Januar 1909, der Verlag mit mir schon persönlich in Tübingen über die Grundzüge des neuen Werks verhandelt.8 e „sofort an mich gewendet“ > „sofort“ an mich gewendet Januar g In Abschrift: ist

f im Januar > am 3.

6 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 22. Nov. 1912 (wie Anm. 3). 7 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1). 8 Die Verhandlungen hatten am 14. Januar 1909 stattgefunden; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 12. Jan. 1909 (MWG II/6, S. 27).

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C. Keine Spur in der Korrespondenz deutet darauf hin oder macht es wahrscheinlich, daß Herr Harms bei der Erklärung, mit dem Tode Schönbergs von den Erörterungen zurücktreten zu wollen, oder vorher oder nachher, als seine „Voraussetzung“ irgendwie zum Ausdruck gebracht hätte: daß ein anderer als Herausgeber einer Neuauflage an seine Stelle trete. Ausdrücklich hat gerade umgekehrt und entgegen den stets wiederholten Versicherungen des Herrn Harms :Herr Dr Siebeck: in dem erwähnten letzten überhaupt über die Neuauflage gewechselten Brief vom 28. Dezember 1907 als seinen von Anfang an feststehend gewesenen Eindruck wiedergegeben: „daß eine neue Auflage auf große Schwierigkeiten stoßen werde“ und weiterhin noch hinzugefügt: „Wenn ich mir die Freiheit meiner Entschließung h… vorbehalten habe …h, so ist das ein Ausfluß, des oben erwähnten Skeptizismus, mit dem ich einer neuen Auflage des Handbuchs a priori gegenüberstand.“ Diese Skepsis war nach Lage der Dinge selbstverständlich, denn Herr Harms war bereits der vierte (1. Max Weber, 2. H[ermann] Schumacher, 3. L[udwig] Bernhard i),9 an den sich Schönberg und der Verlag mit einem formellen Antrag in ihren jahrelangen Bemühungen um das Zustandebringen der Neuauflage gewendet hatten, im Erfolg stets vergeblich, und alle möglichen anderen Vorschläge waren mit Prof. Bücher und anderen Autoren des Verlags durchberaten und schließlich ungangbar gefunden worden. Nach eigener brieflicher Mitteilung des Herrn Harms vom 22. Dezember 1907 hatte auch Prof. Bücher ihm Zweifel an der Möglichkeit einer Neuauflage ausgesprochen, mit dem Zusatz: „Auch Bücher haben ihre Zeit“ (Bücher war vorher eifrig bemüht gewesen, den Verlag für die Neuauflage zu beraten). Wie angesichts dessen die von mir schon zitierte Bemerkung des Herrn Harms in seinem oben erwähnten Brief vom 30. November 07 an den Verlag: „Schönberg“ (der damals schwer leidend war) „hängt mit seltener Zähigkeit an seinem Lebenswerk, wir haben deshalb alle Ursache ihn vor Enttäuschungen zu bewahren“, anders zu verstehen sein soll als so: daß Schönberg für den Fall des (in diesem selben Brief angekündigten) Rücktritts des Herrn Harms jenes „Lebenswerk“ ge-

h Auslassungszeichen in Abschrift.

i Werner > Bernhard

9 Vgl. dazu die Briefe an Paul Siebeck vom 13. April 1907 (MWG II/5, S. 279f.) sowie an Otto Baumgarten vom 12. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 791, Anm. 11).

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fährdet sehen müsse, mag er entscheiden. Die Wahrheit ist: auch er hat s. Zt. ganz gut gewußt, daß, wie ich schrieb: „mit der Möglichkeit des Nichtzustandekommens einer Neuauflage zu rechnen sei.“10 Um etwaige Ansprüche der Schönbergschen Erben hat er sich damals überhaupt nicht gekümmert. Er war – obwohl Herr Dr. Siebeck ihm (Brief vom 22. Dezember 07) eine Aussprache angeboten hatte – zur Beerdigung Schönbergs im Januar 1908 in Tübingen, ohne irgendwie nach dem Schicksal des Handbuchs Nachfrage zu halten. Nach alledem möge die Behauptung bewertet werden: er habe nur um des willen fünf Jahre lang geschwiegen, weil er die Ansprüche der Erben gesichert geglaubt habe. Von Vorbereitungen für das neue Werk aber könnte er frühestens anderthalb Jahre später etwas gehört haben, denn erst damals begann die Korrespondenz. Daß er trotzdem die Erben Schönbergs, und zwar anscheinend auch noch auf deren Anfrage im Frühjahr 1912 hin, in dem Glauben gelassen hat, es bestehe ein mit ihm geschlossener Vertrag, auf Grund dessen eine Neuauflage durch einen anderen in Vorbereitung sei, mag er mit ihnen ausmachen. Die ausdrücklich von dieser schon juristisch seltsamen Annahme ausgehende, auf jenen angeblichen Vertrag mit Herrn Harms bezugnehmende Anfrage des Herrn Dr. G[ustav] Schönberg vom 14. März 191211 erregte das gerechte Befremden des Verlags. – Der Verlag hatte s. Zt. (1905) gutachtlich feststellen lassen, daß er zu einer Neuauflage nicht verpflichtet sei und hat dann wiederholt erwogen, ob er mit Herrn v. Schönberg eine Neuauflage oder bei den großen Schwierigkeiten einer solchen, welche auch in der Art des Mitarbeiterkreises lagen, ohne ihn ein ganz neues Werk herausgeben lassen solle. Er entschloß sich zunächst zu dem Versuch einer Neuauflage, lediglich auf Zureden aus dem Kreise seiner Autoren, wie dies Herrn Harms ja bekannt ist (Brief vom 28. XII. 07). Die erste noch ganz unverbindliche Andeutung des Verlags mir gegenüber: er neige jetzt dazu ein „ganz neues“ und also auch „nicht unter Schönbergs Flagge segelndes“ Werk zu unternehmen: ob ich vielleicht dafür zu gewinnen sei? (August 1908) nahm ebenfalls ausdrücklich auf jene einer Neuauf-

10 Das nicht ganz wörtliche Zitat findet sich im Brief an Otto Baumgarten vom 12. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 791). 11 Brief von Gustav Schönberg jr. an Paul Siebeck vom 14. März 1912 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446); vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 22. März 1912 (MWG II/7, S. 485).

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lage des alten Werks im Wege stehenden Schwierigkeiten Bezug.12 Davon, daß Herr Harms von dem Stoffverteilungsplan des neuen Werkes sich keine Kenntnis verschafft hat, obwohl er einem,j von ihm erwähnten Brief des Verlags an Herrn Dr. G[ustav] Schönberg, wie darin gesagt ist, beilag, nehme ich mit begreiflichem Erstaunen Akt, – da er doch gewissenhafterweise nur auf Grund mindestens dieses einen Aktenstücks über die Frage: ob irgend ein Zusammenhang des neuen Werks mit dem alten vorliege, überhaupt hätte urteilen dürfen. An von ihm geführte Verhandlungen mit in Aussicht genommenen Mitarbeitern ist von mir nirgends angeknüpft worden, ebensowenig wie an das alte Werk überhaupt. So viel zur aktenmäßigen Feststellung der Rechts- und Tatsachenlage in der Grundfrage. Nun zu dem Verhalten des Herrn Harms in dem jetzigen Streit. III.

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Herr Harms leugnet,k durch sein Verhalten, wie ich ihm vorhielt,13 eine sonst mögliche sachliche Verhandlung mit den Erben unmöglich gemacht zu haben und behauptet vielmehr: im ausdrücklichen Auftrag dieser letzteren, die ihn um l“Äußerung“l ersucht habenm (Brief vom 25. April 1912)[,] seine „Aktion“ unternommen zu haben:14 1. Der erste Brief des Herrn Harms an den Verlag vom 25. April 1912, welcher u. a. unzweideutig, an der von mir s. Zt. zitierten Stelle,15 den Vorwurf betrügerischen Vorgehens enthält, spricht für sich selbst. j einen > einem, m hat > haben

k Komma eigenhändig.

l Anführungszeichen eigenhändig.

12 Weber bezieht sich auf den Brief Paul Siebecks vom 1. Aug. 1908 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446); darin hatte dieser vom Stand der Bemühungen um die Neuauflage des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“ berichtet: „Für eine neue Auflage des Schönberg’schen Handbuchs hält es sehr schwer, einen Herausgeber zu finden. Ich neige immer mehr dazu, ein ganz neues Handbuch zu bringen, das nicht mehr unter Schönberg’scher Flagge segeln würde. Wären Sie eventuell bereit, die Redaktion eines neuen Werkes zu übernehmen?“ Vgl. dazu den Antwortbrief an Paul Siebeck vom 27. Aug. 1908 (MWG II/5, S. 648f.). 13 Brief an Otto Baumgarten vom 11. Nov. 1912 (MWG II/7, S. 744f.). 14 So die Darstellung in Bernhard Harms’ Brief an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1). 15 Weber hatte in seinem Brief an Otto Baumgarten vom 12. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 797) die Bemerkung von Harms zitiert, „er (Herr Harms) sei ‚ juristisch betrachtet (sic!) unter recht eigenartigen Verhältnissen zu einem Schritt (seinem Rücktritt) gedrängt worden, dessen Konsequenzen ihm in keiner Weise klar gewesen seien‘.“

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Der Verlag wies am 4. Mai 1912 diese Verdächtigungen eingehend begründet zurück16 und Herr Dr. Siebeck schrieb Herrn Harms in einem sehr konzilianten persönlichen Privatbrief am gleichen Tage:17 auch er habe Mitgefühln mit dem Schicksal der Töchter Schönbergs, aber die von Herrn Harms beliebte Art des Vorgehens führe o„nicht zum Ausgleich, sondern zum Auseinander“o. 2. Der Brief des Herrn Dr. G[ustav] Schönberg an den Verlag vom 4. Juni 1912 lehnt die Verantwortung für den Inhalt der Briefe des Herrn Harms, insbesondere ausdrücklich für die Hereinziehung persönlicher Dinge in eine rein geschäftliche Angelegenheit, unzweideutig ab.

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IV. Herr Harms leugnet[,] auf mein Verhalten als Quelle angeblicher Ansprüche der Erben Bezug genommen zu haben. Sein eben erwähnter Brief vom 25. April 1912 tut dies fast in jedem Satz ganz ausdrücklich und erklärt u. a.: daß der Verlag die Konsequenzen meines Verhaltens nicht ablehnen dürfe: ich hätte mit Mitarbeitern über eine „Neuauflage“ verhandelt, wofür er „Beweise“ habe. Die „Beweise“ sind trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden und auf das Rundschreiben des Verlags an die Mitarbeiter18 hat sich kein Mensch gemeldet. Die Sache selbst aber ging mich mindestens ebenso an wie den Verlag.

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V. leugnet,p

unter Beschimpfungen gegen mich, meine VorHerr Harms haltung: daß er die in seinem Briefe an den Verlag enthaltenen ehrenrührigen Behauptungen nicht rückhaltlos wieder gutgemacht habe.19 –

n mitgefühlt > Mitgefühl händig.

o Anführungszeichen eigenhändig.

p Komma eigen-

16 Brief von Paul Siebeck an Harms vom 4. Mai 1912 (Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz). 17 Ebd. 18 Gemeint ist das Rundschreiben von Weber und dem Verlag an die „Mitherausgeber“ des Handbuchs vom 15. Juni 1912 (MWG II/7, S. 563). 19 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1): „Herr Weber behauptet, daß ich von vornherein durch den Ton meines ersten Briefes und die Weigerung, ‚Kränkungen wieder gut zu machen‘ ein Verhandeln unmöglich gemacht hätte. Dies ist eine bewußte Unwahrheit.“ Es folgt hierauf Harms’ Hinweis auf seinen Brief vom 11. Mai 1912.

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Sein von ihm als „Ehrenerklärung“ bezeichneter zweiter Brief an den Verlag vom 11. Mai 191220 enthält: 1. die unrichtige Behauptung, er habe sich (in seinem ersten leider gänzlich unzweideutigen Brief!) nur falsch ausgedrückt, – 2. die Erklärung: seine Behauptung, er sei „juristisch betrachtet unter eigenartigen Verhältnissen aus seiner Stellung gedrängt worden“ beziehe sich nicht auf mich, – also, wie ihm Herr Dr. Siebeck sofort vorhielt: auf den Verlag, denn wer kam sonst in Frage? – 3. endlich die für jeden Menschen von gesundem Empfinden schwer kränkende Behauptung: der Verlag verfolge sein Geschäftsinteresse auf Kosten jener „Gefühle“, welche Herr Harms demgegenüber vertreten müsse: in der Sache offensichtlich nur eine Wiederholung der gleichen Verdächtigung: man habe die qRechte der Erben kränkenq wollen und deshalbr ein neues Werk geschaffen. Und dies trotz des persönlichen Briefs Dr. Siebecks vom 4. Mai 1912. Nur ein ganz subaltern denkender Mensch könnte das als eine Ehrenerklärung hinnehmen und Herr Dr. Siebeck hat denn auch von der Beseitigung dieser immer noch aufrecht erhaltenen verletzenden Unterstellungen jede weitere Verhandlung abhängig gemacht (Brief vom 18. Mai 1912).21 Die überaus entgegenkommende Tonart sowohl dieses Schreibens wie des erwähnten persönlichen Briefs des Herrn Dr. Siebeck gab Herrn Harms volle Gelegenheit, ungezwungen so zu handeln, wie es ein echter und ritterlich denkender Mensch in einem solchen Falle tut, nämlich offen und rückhaltlos zu sagen: „ich habe Sie in der Übereilung ungerecht beurteilt, vergessen Sie was ich geschrieben habe und lassen Sie uns nun sachlich von der Sache reden“. Auch diesem jungen Herrn hätte in meinen Augen ein solches Verhalten besser angestanden als sein seitheriges Betragen und erst recht hätte es, wie ihm der persönliche Brief des Herrn Dr. Siebeck zeigen mußte, den Interessen der Erben entsprochen. – Statt dessen hat Herr Harms in Kiel in einem Kreise von Unorientierten,22 dens die Sache garnichts anging,

q Rente an die Erben sparen > Rechte der Erben kränken s denen > den händig.

r Unterstreichung eigen-

20 Brief von Harms an Paul Siebeck vom 11. Mai 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz). 21 Brief von Paul Siebeck an Harms vom 18. Mai 1912 (Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz). 22 Gemeint sind die Teilnehmer des sog. „Soziologischen Kränzchens“ in Kiel.

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nach dem Bericht meines Vetters23 im wesentlichen die gleichen Angriffe ausgesprochen und öffentlich wiederholen zu wollen angekündigt, von denen er jetzt zu behaupten wagt: er habe sie gut gemacht! Ich wiederhole daher: daß ihn allein die Verantwortung für die Unmöglichkeit, die Notlage der Töchter Schönbergs24 in Betracht zu ziehen, trifft. Mit den Erben allein wäre, wie der früher erwähnte Brief des Herrn Dr. Schönberg zeigt, rein geschäftlich und sachlich zu verhandeln gewesen und ich hatte dies auch meinerseits für mich von Anfang an ausdrücklich angeboten.25 Die Erben würden sich von der Unbegründetheit ihrer Annahme zweifellos leicht überzeugt haben und dadurch wäre die Möglichkeit geschaffen worden, so wie es der Verlag nachweislich gewünscht hat, der Lage der Töchter Schönbergs mit Rücksicht auf die alten Beziehungen des Rechtsvorgängers26 zu ihmt Rechnung zu tragen, ohne ihrer Würde zunahe zu treten. Allein Herr Harms hat nicht die Ritterlichkeit und, wie ich wiederhole, auch nicht den Mut gefunden, seinen falschen Schritt glatt aus der Welt zu schaffen.

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VI. Ich habe im Anschluß an diesen klaren Sachverhalt gesagt und wiederhole hier: der entscheidende Fehler des Herrn Harms lag darin, mit seinem „in Anspruch genommenen edlen Zweck“ (nämlich: Herrn Dr. Siebeck „eine nach seiner subjektiven Meinung“ – deren Gutgläubigkeit ich, wie mein Schreiben unzweideutig ergibt, dabei nicht angetastet habe – „bestehende moralische Verpflichtung vor Augen zu führen“) seine „kleinen persönlichen Gekränktheiten verquickt“ zu haben.27 Herr Harms leugnet das unter ungenauer Wiedergabe des Sinnes meiner Äußerung und Beschimpfungen gegen mich.28 Diese t ihnen > ihm 23 D. h. Otto Baumgarten. 24 Gemeint sind Elsa und Marie-Leonore Schönberg; beide waren unverheiratet und finanziell nicht versorgt. 25 Brief an Paul Siebeck vom 6. Mai 1912 (MWG II/7, S. 531). 26 Gemeint ist Gustav Koetzle, Inhaber der Laupp’schen Buchhandlung und langjähriger Verleger des Schönbergschen Handbuchs. 27 Weber bezieht sich hier auf seinen Brief an Otto Baumgarten vom 12. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 799). 28 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1): „Herr Professor Weber behauptet, daß mein Vorgehen gegen Dr. Siebeck nur angeblich im Interesse der Schönberg’schen Erben erfolgt sei; in Wirklichkeit stecke ‚kleine

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letzteren, welche mir lediglich neben seinen schon früher gerügten Qualitäten sein übles Gewissen in diesem Punkt zu verraten scheinen, fallen mit voller Wucht auf ihn zurück. Er selbst sprach in seinem Briefe vom 11. Mai 1912 ausdrücklich davon, daß er schwer gekränkt gewesen sei,29 – was eben mit der verhandelten Sache auch nicht das allermindeste zu schaffen hatte – und auch sonst liegen die Tatsachen ja einfach auf der Hand. Denn was hatten die durch niemanden und nichts provozierten Unterstellungen über die „Verdrängung“ des Herrn Harms aus seiner „Stellung“, was die Behauptung (in dem zurückgeschickten Brief an mich, den er vorzulegen hat): Prof. Bücher habe dabei mit „wenig einwandfreien“ Mitteln mitgewirkt, was die andere: der „junge Jenenser Extraordinarius“ sei uzum Herausgeber ungeeignetu befunden worden, was die beleidigenden Unterscheidungen der Eigenart der Herren Dr. Siebeck sen. und jun. (in dem von mir zurückgeschickten Brief), was das Zitat meiner (mir z. Zt. nicht erinnerlichen) Äußerung über ihn gegenüber der Kieler Fakultät, – was in aller Welt hattev und hat, frage ich, dieser ganze Tratsch, den ausschließlich die Briefe des Herrn Harms in diesew Sache hineingetragen haben, mit den vermeintlichen Rechten der Erben Schönbergs zu tun? Die Akten ergeben: daß er ganz einfach die Fortsetzung des aus dem Briefwechsel vom Jahre 1907 ersichtlichen damaligen Verhaltensx des Herrn Harms ist. Schon damals hat er sich durch die gleiche, in der Art ihrer Äußerung kleinlich wirkende, von ihm in dem Brief vom 11. Mai 1912 ausdrücklich zugestandene, persönliche Gekränktheit aus genau dem gleichen Anlaß zu ganz gleichartigen Entgleisungen auf das Ge-

u In Abschrift: nicht zum Herausgeber geeignet > nicht zum Herausgeber ungeeignet v In Abschrift: hatten w dieser > diese x Verhalten > Verhaltens persönliche Gekränktheit‘ dahinter (‚hier der Schlüssel zu allem andern‘). Da kann ich nur sagen: Pfui Teufel! [...] Herr Weber ist offenbar garnicht imstande, sich auch nur vorzustellen, daß man auch aus andern als persönlichen Motiven eine Sache verfechten kann. Sein Vorwurf zeigt eine moralische Gesinnung, deren Beurteilung ich meinen Freunden überlassen kann. Ich selbst erkläre diese Äußerung für schamlose Ehrabschneiderei.“ 29 Brief von Bernhard Harms an Paul Siebeck vom 11. Mai 1912 (wie Anm. 20): „Es hat mich damals sehr enttäuscht, daß Sie – und vor allem Ihr Herr Sohn [d. h. Oskar Siebeck] – infolge solcher Einflüsse [nämlich derjenigen von Karl Bücher und Weber] Ihr Benehmen gegen mich total änderten und zu dem ‚jungen Herrn‘ (Weber) nicht mehr das nötige Vertrauen hatten. Ob Sie hier auf dem richtigen Wege gewesen sind, wird die Zukunft lehren – persönlich mußte mich solches Verhalten aber kränken.“

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biet persönlicher Verdächtigungen hinreißen lassen. Da er jetzt ausdrücklich zu leugnen unternimmt, – wie er sich ausgedrückt hat: – „hinter dem Rücken“ Karl Büchers absprechende Bemerkungen über diesen gemacht zu haben,30 so muß ich meinerseits ausdrücklich aus den Akten feststellen: die Ablehnung, welche dieser um Jahrzehnte harter Arbeit ältere hervorragende Gelehrte demy Versuch, ihn zur Zusammenarbeit mit Herrn Harms zu gewinnen, entgegensetzte, veranlaßte diesen damals wohl kaum mehr als dreißigjährigen Herrn, dem Verleger Büchers, Herrn Dr. Siebeck, über ihn am 30. November 1907 zu schreiben: er (Bücher) habe sich „moralisch“ (unterstrichen) nicht einwandfrei benommen, handle vermutlich aus nicht sachlichen Motiven, man erkenne seinen „wahren Charakter“ jetzt auch in Leipzig und habe ihn daher „trotz heißen Bemühens“ nicht in den Senat gewählt, er „schwindle“ vermutlich wieder u. dergl. Als der Verlag dies seiner „Erregung“ zugute zu halten erklärte, behauptete er ausdrücklich (Brief vom 22. Dezember 07): er könne jedes Wort „beweisen“, – worauf der Verlag den Wunsch ausdrückte, daß diese Diskussion geschlossen werde. Ich stelle fest: so verhielt sich derselbe Herr, welcher mit Bezug auf eine erweislich wahre, von ihm inkorrekt wiedergegebene Angabe sich die Bemerkung erlaubte: sie enthalte „schamlose Ehrabschneiderei“.31 Hier ist im übrigen nicht zu erörtern, ob Herr Harms vielleicht Grund hatte sich gekränkt zu fühlen. Es wird sicher viele Leute geben, die z. B. mit mir nicht zusammen arbeiten würden, ohne daß mich dies irgendwie alterierte. Indessen es mag ja sein. Sicherlich aber gehörte die Wiederaufwärmung dieser alten persönlichen Gekränktheiten nicht in eine solche Verquickung mit den sachlichen Interessen Dritter hinein, wie sie Herr Harms sehr zum Schaden dieser letzteren vorgenommen hat.

y den > dem 30 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1) mit dem Bemerken, daß er gegenüber Bücher „nicht etwa hinter dessen Rücken absprechende Äußerungen über sein Verhalten in jener Angelegenheit getan habe, sondern ihm von Jena aus“ seine „Meinung offen“ mitgeteilt habe. 31 Weber bezieht sich auf diejenige Äußerung von Harms in dessen Brief an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1), die den Auslöser für seine Duellforderung bildete; zum Wortlaut vgl. die in Anm. 28 zitierte Schlußpassage.

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Ich habe 1. lediglich das Verhalten des Herrn Harms in dieser Angelegenheit kritisiert und dabei 2. unfreundliche Äußerungen Dritter über ihn nicht hineingezogen. Dies bitte ich nachdrücklich feststellen zu dürfen. Herr Harms hat in fast jedem seiner Briefe in äußerst subalterner Art rein persönliche nach seiner Meinung mich kränkende, Bemerkungen, die außerhalb der Sache liegen, angebracht, insbesondere aber private Äußerungen Dritter über mich wiedergegeben. Neben angeblichen, nach Mitteilung meines Vetters ihrem wesentlichen Sinn nach entstellt wiedergegebenenz Äußerungen dieses letzteren32 gehört dahin, wie erinnerlich, vor allem eine angebliche abfällige Äußerung des Herrn v. Schönberg über meine „Disziplinlosigkeit“. Schönberg habe auf Grund derselben im Fall meiner Mitarbeit seinerseits lieber auf eine Neuauflage verzichten zu wollen erklärt. (sic!) Dadurch sei Herr Harms daran gehindert worden, mir einen Abschnitt (Agrarpolitik) in der geplanten Neuauflage zur Bearbeitung anzubieten und daran habe er (Herr Harms), mit Rücksicht auf seinen Lehrer[,] festhalten müssen, was dann den äußeren Grund für den Bruch zwischen Herrn Harms und Herrn Dr. Siebeck abgegeben habe.33 So wurde schon in dem ersten von mir zurückgeschickten Brief an mich berichtet, in dem Brief an Herrn Dr. Siebeck vom 11. Mai 1912 und in dem ersten Zirkular des Herrn Harms ist hinzugefügt (was, wenn ich z In Abschrift: wiedergegebene 32 Harms hatte in seinem Brief an Otto Baumgarten vom 22. Nov. 1912 (wie Anm. 3) sein Erstaunen darüber geäußert, daß dieser sich nicht – wie beabsichtigt – mit Paul Siebeck, sondern mit seinem Vetter in Verbindung gesetzt habe: „Ich habe [...] nicht annehmen können, daß Sie sich mit Herrn Prof. Weber ins Benehmen setzen würden, denn kurz vor jener Debatte hatten Sie mir erzählt, daß zwischen Ihnen und ihm die Beziehungen abgebrochen seien, weil er Ihnen einen diskreten Hinweis auf seine Nervosität übelgenommen habe.“ Des weiteren hatte Harms auf eine Äußerung über Weber in seinem Brief an Siebeck vom 11. Mai 1912 rekurriert, derzufolge er diesen „nur für beschränkt zurechnungsfähig“ halte und ergänzend dazu mitgeteilt: „Dies ist auch heute noch mein Standpunkt [...]. Sie selbst [...] haben sich ja früher mir gegenüber ähnlich über Ihren Vetter geäußert.“ 33 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 22. Nov. 1912 (wie Anm. 3): „Zum äußerlichen Bruch kam es dann durch die folgende Tatsache. Dr. Siebeck wollte um jeden Preis Prof. Weber als Mitarbeiter. Schönberg hatte jedoch früher erklärt, daß er einen Mann von ‚solcher Disziplinlosigkeit‘ nicht wolle und lieber auf die Neuauflage verzichte. An diesem Standpunkt habe ich Herrn Dr. Siebeck gegenüber festgehalten, zumal er ganz meiner Auffassung entsprach. Dr. Siebeck wollte aber unter keinen Umständen auf Prof. Weber verzichten.“

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nicht sehr irre, in dem Brief an mich, den Herr Harms vorzulegen hat, fehlte), daß jene Stellungnahme Schönbergs auch der eigenen Auffassung des Herrn Harms entsprochen habe.34 Mich interessiert diese Sache nicht um ihrer selbst willen, wie ich schon gesagt habe, wohl aber kommt sie aus folgendem Grunde in Betracht: Diese ganze betrübende von opferbereiter Pietät des Herrn Harms gegen Schönberg zeugende Geschichte ist ja, wie leicht ersichtlich, vornehmlich zu dem Zwecke dreimal reproduziert worden, dabei jene Ansichten Schönbergs über mich reproduzieren zu können. Denn sonst hat sie ja mit der Sache als solcher garnichts zu schaffen. Allein an ihr ist – außer der politisch motivierten Abneigung des Herrn Harms gegen meine Mitarbeit, die ich garnicht beanstande, – nachweislich akein einziges wahres Worta, wie nunmehr aktenmäßig festzustellen ist: 1. Schönberg hat mir die Mitherausgeberschaft der Neuauflage angeboten und zwar mir zuerst!b 35 2. Nach meiner Ablehnung hat Schönberg mir causdrücklich noch eben jenen selben Abschnittc (Agrarpolitik) zur Bearbeitung anbieten lassen!d 36 3. Dies ist Herrn Harms, der sich (10. Oktober 1907) ausdrücklich lediglich von sich aus, und zwar ausdrücklich lediglich aus politischen Gründen, dagegen sträubte, mir diesen Abschnitt (den ich schon früher abgelehnt hatte, auch im neuen Sammelwerk nicht übernehme) anzubieten, am 15. Oktober 1907 brieflich vom Verlag ausdrückliche mitgeteilt worden!f 4. Daraufhing hat Herr Harms in seinem Exposé vom 18. Oktober 1907 mich unter die aufzufordernden Mitarbeiter, wenn auch ungern, ausdrücklich aufgenommen. 5. Die als von Schönberg herrührend kolportierte Äußerung („Disziplinlosigkeit“) figuriert in dem Schreiben des Herrn Harms vom 11. Mai 1912 als eine a Unterstreichung eigenhändig. b Punkt eigenhändig durch Ausrufungszeichen ersetzt. c Unterstreichung eigenhändig. d Punkt eigenhändig durch Ausrufungse Unterstreichung eigenhändig. f Punkt eigenhändig durch zeichen ersetzt. g Unterstreichung eigenhändig. Ausrufungszeichen ersetzt. 34 Äußerungen dieser Art finden sich in Bernhard Harms’ Brief an Paul Siebeck vom 11. Mai 1912 – zum Wortlaut vgl. Anm. 37 – sowie in seinem Schreiben an Otto Baumgarten vom 22. Nov. 1912 (wie Anm. 3), nicht jedoch im Brief an Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1). 35 Tatsächlich war es Max Weber, dem als erstem die Mitherausgeberschaft einer Neuauflage des Schönbergschen Handbuchs angetragen worden war; vgl. dazu die Briefe Webers an Paul Siebeck vom 19. Mai 1906 (MWG II/5, S. 93, Anm. 4) sowie an Otto Baumgarten vom 12. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 791, Anm. 11). 36 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 3. Jan. 1909 (MWG II/6, S. 15f.).

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Wendung hdieses letzterenh.37 6. Trotz jener angeblichen Pietätspflicht war Herr Harms, wie ich schon feststellte,38 :an sich: bereit an einer sogar von mir redigierten vermeintlichen Neuauflage teilzunehmen, und zwar wie er schreibt, imit Rücksicht i auf das Andenken an seinen Lehrer Schönberg!k Ich habe diese Feststellungenl erst nach meinem letzten Briefe39 machen können. Ich füge ihnen nichts hinzu als die Bemerkung: Gedächtnistäuschungenm ist jeder Mensch unterworfen und auch mir sind solche, wie ich aus meinen eigenen alten Briefen mich überzeuge, passiert.n oHerr Harms aber besitzt o die unter No. 3 und 4 (und natürlich: 5) zitierten Schriftstücke und hatte, wie er Herrn Dr. Siebeck in seinem Brief vom 11. Mai 1912 p ausdrücklich mitteilte, die alten Korrespondenzen qad hoc nachgelesenq. Hier haben ralso ganz andere Dinge eine schlimme Roller gespielt: Ich bitte die Herren sich zu erinnern, in welcher Art dieser junge Herr die Wahrheitsliebe anderer s (Karl Bücher, Dr. Siebeck und jetzt: ich selbst) anzutasten gewagt hat. –t Einen in allen Punkten so völlig klarliegenden Tatbestand, wie er hier vorliegt, zum Schaden des Ansehens der Standesgenossen noch durch Anrufung der Gerichte feststellen zu lassen, verschmähe ich. Indem ich lediglich erneut auf das verweise, was ich in meinem letzten Zirkular40 in der Sache scharf, in der Form aber ruhig gesagt habe, lasse ich Herrn Harms seinen Freunden gegenüber das letzte Wort und bemerke nur noch:

h Unterstreichung eigenhändig. i Unterstreichung eigenhändig. k Punkt eigenl In Abschrift: Feststellung m Unterhändig durch Ausrufungszeichen ersetzt. n Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: NB! in streichung eigenhändig. nichts [zweifach unterstrichen] hier zur Sache Wichtigem! o Unterstreichung eigenp In Abschrift: 1911 q Unterstreichung eigenhändig. r viele andere händig. Dinge einen schlimmen [Einfluß] > also ganz andere Dinge eine schlimme Rolle s Unterstreichung eigenhändig. t Gedankenstrich eigenhändig. 37 Im Anschluß an die in Anm. 29, oben, S. 35, zitierte Passage aus dem Brief von Harms an Paul Siebeck vom 11. Mai 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) heißt es weiter: „Der äußerliche Grund des Bruchs war dann schließlich die Mitarbeiterschaft Webers, die Schönberg unter keinen Umständen gewollt hatte und die auch ich bei der völligen Disziplinlosigkeit dieses Mannes für ein Lehrbuch für nicht wünschenswert hielt. Dieser Meinung bin ich übrigens heute noch.“ 38 Brief an Otto Baumgarten vom 12. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 791). 39 D. h. nach dem Brief an Otto Baumgarten vom 12. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 788ff.). 40 Gemeint ist der Brief an Otto Baumgarten vom 12. Dez. 1912 (wie Anm. 39).

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Die rein persönlichen Ungezogenheiten gegen mich habe ich natürlich wie bisher, so auch diesmal ganz aus dem Spiel gelassen. Vielleicht überzeugen sich aber die Herren einmal an der aktenmäßigen Darstellung dieses Spezialfalles, daß, wenn :ich: gegen jemanden scheinbar unnötig scharf werde, ich triftige Gründe dazu zu haben pflege, wie ich dies für jeden anderen Fall, in dem, wie ich wohl weiß, gelegentlich ein solcher Schein entstanden ist, ganz ebenso nachzuweisen mich erbiete. Es sind stets Dinge ganz bestimmten und stets desselben Charakters – den ich hier lieber nicht näher kennzeichne – welche mein Empfinden aufbringen. Damit soll gewiß nicht gesagt sein, daß ich dabei keinerlei Fehler beginge. Allerdings aber darf ich in Anspruch nehmen: wo immer ich mich zu Ungunsten eines Menschen geirrt und ihm Unrecht getan habe, – und gewiß ist mir auch das mehrfach passiert, – habe ich Ritterlichkeit genug besessen die Konsequenzen zu ziehen. Zu einem unritterlichen und subalternen Herumwühlen im Privatleben eines andern aber, zumal in seinen Gesundheitsverhältnissen, habe ich mich unoch nie herabgewürdigtu, auch nicht in der schärfsten Polemik. Und vielleicht machen die Freunde des Herrn Harms ihm deutlich, daß er – nach dem Charakter seines Vorgehens und der Verantwortung, die er auf sich geladen hat, bei dem immer gleich sicheren Ton seiner sich dabei immer erneut gegenseitig widersprechenden Schriftstücke und vollends nach der Art seines Umgehens mit klaren Tatsachen und mit der Ehre von bejahrten Männern, wie Bücher und Dr. Siebeck, deren spezifisches Gewicht – das darf hier wohl gesagt werden – denn doch noch etwas größer ist als das seinige, – daß er nach dem und manchem anderen doch wohl kaum der Mann ist, der von einer v„Krankhaftigkeit“v :oder „Disziplinlosigkeit“: des Betragens anderer w zu sprechen oder diese gar „pädagogisch“ zu beeinflussen berufen ist.41 Er wird die Erfahrung machen müssen, damit wenigstens bei mir kein Glück zu haben.

u Unterstreichung eigenhändig. chung eigenhändig.

v Anführungszeichen eigenhändig.

w Unterstrei-

41 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (wie Anm. 1): „Ich habe Grund zu der Annahme, daß ein gelegentlicher Hinweis auf sein krankhaftes Betragen Herrn Weber nur nützen, d. h. erzieherisch auf sein gesellschaftliches Benehmen einwirken kann. Eben deshalb trug ich kein Bedenken, dies zu tun.“

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In einemx von Herrn Harms in seinem Brief an den Verlag vom 11. Mai 1912y berührten, freilich ebenfalls nicht zur Sache gehörigen Punkt muß ich ihm – das möchte ich zuletzt ganz offen auch an dieser Stelle ausgesprochen haben – im wesentlichen Recht geben: es wäre wohl richtiger gewesen, wenn ich die Redaktion des neuen Werkes nicht übernommen hätte.42 Es geschah aus Freundschaft für Herrn Dr. Siebeck und in concreto als Gegendienst gegen ein Opfer für das Jaffésche Archiv für Sozialwissenschaft und auf das anhaltende Drängen geachteter Kollegen hin.43 Aber es war dennoch ein Fehler. Diese selben Kollegen ließen nachher das Werk teils im Stich, teils erkrankten sie, es ist dadurch eine Unmasse Zeit verloren und ich bin in ungebührlichem Maß der mir adäquaten Art des Arbeitens entzogen worden, während meine Arbeitskraft sich zugleich in diesen Jahren einmal wieder unerwartet verschlechterte. Die Schwierigkeiten wuchsen dadurch gewaltig. Wenn das Werk schließlich erscheint, so werde ich meinerseits die Verantwortung für seine in der ersten Auflage sicher bedeutenden Mängel natürlich gern auf meinen Rücken nehmen und will nur hoffen, daß der Verlag keine Enttäuschung erlebt. Aber eben weil dies immerhin recht möglich ist, so gehörte es sich, daß ich dreiste Angriffe auf dessen Ehre so zurückwies, wie es geschehen ist. z(gez.) Max Weber z

x Unterstreichung eigenhändig. händig.

y In Abschrift: 1907

z Unterzeichnung eigen-

42 Weber bezieht sich auf folgende Passage des Briefes von Harms an Paul Siebeck vom 11. Mai 1912 (wie Anm. 20): „Wenn Herr Weber nicht die nötige Dispositionsfähigkeit in geschäftlichen Dingen besitzt, durfte er eben ein solches Amt nicht übernehmen.“ 43 Gemeint ist in erster Linie Karl Bücher.

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7. Januar 1913

Paul Siebeck 7. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Drucklegung der Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentages.

Heidelberg 7a. 1. 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! In Sachen der Soziolog[ischen] Gesellsch[aft] möchte ich Sie um Präzisierung Ihrer Vorschläge bitten. Das vorige Mal zahlten Sie das Stenogramm, wie Sie Sich erinnern.1 Welchen Entgelt zahlen Sie der Gesellschaft dieses Mal?2 Ich bitte Sie ferner – wenn ich es nicht schon that – mir nach Calculation des Umfangs der Diskussion die Stenogramme meiner Diskussionsreden zur Durchsicht zu schicken.3 Erfahrungsgemäß pflegt, da ich sehr schnell spreche, das was ich sage, in abscheulicher Art entstellt zu werden. Herzlichen Gruß! Max Weber

a [6] > 7 1 Dies war in § 5 des Verlagsvertrags für den Druck des ersten Tagungsbandes: Verhandlungen 1910, formell festgelegt worden: „Das Honorar für die stenographische Aufnahme der Verhandlungen im Betrag von M. 500,– [...] trägt die Verlagsbuchhandlung.“ (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.02). 2 Dazu vermerkt Paul Siebeck in seiner Antwort vom 8. Jan. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß er die Stenogrammkosten wie beim ersten Tagungsband erneut bis zu einer Höhe von 500 Mk. übernehmen werde. 3 Laut Antwort Siebecks vom 8. Jan. 1913 (wie Anm. 2) belief sich der Umfang des Stenogramms der Diskussionen auf 12 bis 13 Seiten.

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Paul Siebeck 7. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 7. I. 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Sie werden aus meiner Liste1 gesehen haben, daß ich nichts aus der Hand gegeben habe, was nicht ganz zweckmäßiger Weise schon jetzt auch Herrn Harms bekannt wird. Sie sollen keinesfalls gegen H[arms] vorgehen. Es ist wünschenswerth, daß H[arms], wenn überhaupt, dann nur gegen mich zu klagen genötigt ist, damit Sie als Zeuge bekunden können, was Sie wissen und was nötig ist. Ich habe an Bücher und – wegena zweier der Unterabschnitte vom „Handel“ – an Schumacher geschrieben.2 Dieser wird übrigens auch erst Ende der Osterferien abliefern.3 Ich werde mir dieser Tage einige Mscr. ausbitten, um mit deren Durcharbeitung zu beginnen. Inzwischen aber bitte ich Sie: 1. mit Sieveking1) den Verlagsvertrag über „Universelle Stellung, bGeschichte, Aufbau und Bedeutungb des Handels“4 (2 Bogen, Termin: 1)

Prof. Dr H[einrich] S[ieveking] Zürich

a tung

b Betriebsformen und Organisation > Geschichte, Aufbau und Bedeu-

1 Gemeint ist die Aufstellung derjenigen Akten bzw. Aktenauszüge, die Weber laut seinem Brief an Paul Siebeck vom 3. Jan. 1913, oben, S. 21, seinem Vetter über den Streit mit Harms zur Kenntnisnahme zusenden wollte. 2 Die entsprechenden Briefe an Karl Bücher und Hermann Schumacher sind nicht nachgewiesen. 3 Hermann Schumacher hatte den GdS-Beitrag über „Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen“ übernommen; der Artikel ist jedoch nie erschienen. 4 Der Aufsatz von Heinrich Sieveking ist erschienen unter dem Titel: Entwicklung, Wesen und Bedeutung des Handels, in: GdS, Abt. V, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1918, S. 1 – 38 (hinfort zitiert als: Sieveking, Entwicklung des Handels).

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7. Januar 1913

Ende April) abzuschließen. Über: Epochenc der Gewerbepolitik5 (1 Bogen) ist mit ihm doch schon abgeschlossen? Ich vermisse in der Liste die Notiz darüber.6 Er wollte das im Oktober d. J. abliefern, hat es aber noch nicht gethan, obwohl er fertig ist. 2. mit Lederer ist wohl über: „Sozialpolitik“ (fünftes Buch) No VII Unterabschnitt: 3 (Arbeitsmarkt, Arbeitsvertrag, Lohnkämpfe und Klassenorganisation) auch noch nicht abgeschlossen? Er hat es übernommen und liefert ebenfalls Ende April ab.7 Herzliche Grüße! Ihr Max Weber

c Entwicklung > Epochen 5 Gemeint ist Heinrich Sievekings Beitrag: Geschichte der gewerblichen Betriebsformen und der zünftigen, städtischen und staatlichen Gewerbepolitik, erschienen in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 – 23, sowie als 2., neubearb. Aufl., ebd., 1923, S. 1 – 24 (hinfort zitiert als: Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen). Ein diesbezüglicher Verlagsvertrag mit Sieveking war schon 1910 zustande gekommen; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Sieveking vom 20. April 1910 (MWG II/6, S. 477). 6 Die entsprechende Aufstellung des Verlags ist nicht nachgewiesen. 7 Das GdS-Manuskript Emil Lederers lag zwar 1913 vor, ist jedoch erst vierzehn Jahre später mit wesentlichen Änderungen und unter der Beteiligung von Jakob Marschak veröffentlicht worden: Lederer, Emil und Marschak, Jakob, Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Organisationen, erschienen in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 106 – 258; zu Lederers GdS-Beiträgen vgl. Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, unten, S. 229 f., Anm. 23.

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Paul Siebeck [15. Januar 1913]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Datierung ist erschlossen aus der Antwort Paul Siebecks vom 16. Januar 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit dem Hinweis auf Webers „gestrigen Brief“. Bezug: Brief Paul Siebecks vom 13. Januar 1913 (ebd.). Darin berichtet Siebeck, daß Heinrich Sieveking angefragt habe, wer als weiterer Bearbeiter des GdS-Abschnitts „Handel“ vorgesehen sei. Außerdem habe Sieveking für sein Thema den Titel „Allgemeine Bedeutung des Handels, Epochen seiner Geschichte, Stellung in der modernen Wirtschaftsorganisation“ vorgeschlagen.

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Auf den Titel kommt ja nichts an (bei Sieveking), sondern auf den Inhalt. Ich werde ihm den andren Bearbeiter nennen, sobald er feststeht. Z. Z. verhandle ich – nach Einholung verschiedener Gutachten – mit Priv. Doz. Dr Jul[ius] Hirsch (Cöln), den Schumacher empfiehlt.1 Sch[umacher] selbst hat abgelehnt, ist überhaupt krank und braucht noch Ausstand.2 Es ist ein Elend! An Plenge schreibe ich dieser Tage noch einmal, bisher antwortete er nicht.3 Inzwischen mit bester Empfehlung Ihr Max Weber Bitte um einige Expl. des Stoffverteilungsplans. 1 Tatsächlich hat Julius Hirsch den GdS-Artikel über Binnenhandel und Binnenhandelspolitik übernommen und veröffentlicht; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 16. Jan. 1913, unten, S. 46, Anm. 1. 2 Hermann Schumacher hatte den GdS-Beitrag über „Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen“ übernommen; der Artikel ist jedoch nie erschienen. 3 Brief an Johann Plenge vom 21. Jan. 1913, unten, S. 48 – 51; der vorhergehende Brief Webers ist im Nl. Plenge in der UB Bielefeld nicht nachgewiesen, jedoch die Antwort Plenges vom 16. Jan. 1913 (ebd.). Johann Plenge hatte seine GdS-Manuskripte über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ sowie über „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ – obwohl vom Termin her längst überfällig – immer noch nicht abgeliefert. Webers Bemühen, Plenge zur Fertigstellung und Ablieferung seiner zentralen Beiträge zu bewegen, zieht sich wie ein roter Faden durch einen Großteil seiner Korrespondenz mit Plenge im Jahre 1913. Webers Befürchtung wurde dann im November 1913 bestätigt, als Plenge definitiv auf die Ablieferung seiner Artikel verzichtete bzw. sich als nicht imstande erklärte, sie fertigzustellen; vgl. dazu den Brief an Plenge vom 4. Nov. 1913, unten, S. 345 f. Der Artikel über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ ist in der Folgezeit zunächst von Franz Gutmann, dann Ende der 1920er Jahre von Friedrich August von Hayek übernommen worden, jedoch nie erschienen. Der Artikel „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ ist von Emil Lederer unter dem Titel: Konjunktur und Krisen, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 354 – 413, veröffentlicht worden.

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Paul Siebeck 16. Januar [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „18.I.13.“ sowie Briefinhalt.

Heidelberg 16/1 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Ich bitte Sie, Herrna Privatdozenten Dr Julius Hirsch, Cöln, Handelshochschule[,] den Verlagsvertrag für „Handel“, No 2 (Titel bam besten:b Binnenhandel und Binnenhandelspolitik) zur Vollziehung zu senden.1 Termin: Ende April. (Er ist Spezialist dafür und kann deshalb, da er die Sachen fertig liegen hat, so bald liefern). Umfang: 2 Bogen. Es ist nach manchem Hin und Her und allerhand Verhandlungen die relativ beste Lösung. Jetzt vergebe ich noch die kleinen Splitter:c 1) internationaler Zwischenhandel und: 2) Arten der Handelsgeschäfte (ad 2 hoffentlich Wüstendörfer).2 Plenge werde ich sofort nochmals schreiben3 und eventuell hinreisen. Denn Das wäre direkt vernichtend für die Sache, wenn der nicht lieferte! Hier wäre alle Kunst zu Ende. Bücher will die „Einleitung“ in wenigen Wochen liefern.4 Ich bin begierig, wie sie aussehen wird.5 Herzliche Grüße Max Weber a

b jetzt: > am besten:

c

1 Die Arbeit von Julius Hirsch ist erschienen unter dem Titel: Organisation und Formen des Handels und der staatlichen Binnenhandelspolitik, in: GdS, Abt. V, Teil I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1918, S. 39 – 235, sowie 2., völlig neubearb. Aufl. in einem Separatband, ebd., 1925 (hinfort zitiert als: Hirsch, Organisation und Formen des Handels). 2 Die Vergabe dieser Artikel, u. a. an Hans Wüstendörfer, ist unterblieben. Julius Hirsch hat in seinem umfangreichen Beitrag von 1918, der weit über die ursprünglich vereinbarte Bogenzahl hinausging, diese Themen z.T. mitbehandelt. 3 Weber hat an Johann Plenge erst am 21. Jan. 1913, unten, S. 48 – 51, – als Antwort auf dessen Brief vom 16. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) –, geschrieben. Es geht hierbei um die Fertigstellung der GdS-Beiträge Plenges; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 15. Jan. 1913, oben, S. 45, Anm. 3. 4 Gemeint ist der Beitrag von Karl Bücher, Volkswirtschaftliche Entwicklungsstufen, erschienen in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 – 18 (hinfort zitiert als: Bücher, Entwicklungsstufen). 5 Das Manuskript Karl Büchers erhielt Max Weber am 28. Januar 1913; vgl. dazu die Briefe an Paul Siebeck und Bücher vom gleichen Tage, unten, S. 60 f. und 62.

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Edgar Jaffé 21. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz

Heidelberg 21/1 13 Lieber Jaffé!

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Wie steht es mit Ihrem Bank-Aufsatz?1 – Ich muß gestehen, daß es mich nachgerade schwer reizt, zu sehen, wie ein Teil der Herren Collegen glaubt, sich mit den Interessen des Verlags und mit meiner dabei engagierten Ehre einen Spaß erlauben zu dürfen. 21/2 Jahre ist für diesen Artikel reichlich Zeit. Die Mehrzahl der Manuskripte ist da, der Rest steht in fester Aussicht für die allernächste Zeit. Ich muß diese Sachen jetzt haben, denn endlich einmal muß ich anfangen können, meinerseits zu sehen, wo Lücken sind und noch etwas zu thun ist. Ich habe es satt, daß Jeder sich nach wie vor auf den Andren beruft und ziehe in der schärfsten Form gegen jeden die Consequenzen, der mich zum Narren hält. Ich muß Sie bitten, zu entschuldigen, wenn ich nachgerade unangenehm werde. Aber Alles hat seine Grenzen. Eingegangene Verpflichtungen sind schließlich auch dazu da, gehalten zu werden. Ich möchte Sie dringend um eine präcise Antwort bitten. Mit collegialem Gruß Max Weber

1 Max Webers Frage gilt der Fertigstellung von Jaffés GdS-Beitrag. Dieser ist erschienen unter dem Titel: Das englisch-amerikanische und das französische Bankwesen, in: GdS, Abt. V, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915, S. 191 – 222 (hinfort zitiert als: Jaffé, Englisch-amerikanisches Bankwesen).

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Johann Plenge 21. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Der Brief steht in Zusammenhang mit Johann Plenges ausstehenden GdS-Beiträgen über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ sowie über „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“; zu diesem Problem vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 15. Januar 1913, oben, S. 45, Anm. 3.

Heidelberg 21/1 13 Verehrtester Herr College! Ich verstehe Alles; Ihre Bemerkung: ich könne frei verfügen, das würden Sie mir nicht übel nehmen, ist aber doch fast Spott und Hohn!1 Die Manuskripte zum Handbuch werden im April, spätestens in den ersten Maitagen d. J. alle hier sein, 4/5a sind schon jetzt hier, die Collegen beginnen wegen des Drucks zu drängen. Daß ich Sie mit Ihrem wichtigen – in gewisser Hinsicht: wichtigsten – Artikel2 nicht mehr ersetzen könnte, wenn ich wollte (und nicht ersetzen wollte, wenn ich könnte) liegt auf der flachen Hand. Verzögert sichb Ihr Artikel unabsehbar, dann gehe ich den schwersten Tagen meines Lebens entgegen: denn ich bin dem Verlag und den Autoren mit meiner Ehre engagiert. Ich schicke Ihnen dieser Tage :hinter dem anliegenden Brief her: auch einige Schriftstücke. Daraus werden Sie ersehen, daß ich einen

a 2/5 > 4/5

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1 Plenge hatte in seinem Brief vom 16. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) einen festen Termin für die Ablieferung seiner Beiträge nicht nennen können und war nach längeren Ausführungen über seine Gründe zu dem Fazit gelangt: „Halten Sie die Lage für zu unsicher, so decken Sie sich, wie Sie können, ich nehme es Ihnen keinen Augenblick übel, wenn Sie mir meine Beiträge abnehmen, sondern arbeite ruhig weiter und schreibe mein Geld als separates Buch für Siebeck. Ich will ehrlich hinzusetzen, daß das für das Handbuch vielleicht einen Vorzug haben kann, weil meine geschlossene und durchkonstruierte Theorie wie ein harter Fremdkörper wirken könnte. So stelle ich alles Ihrer Entscheidung anheim und weiß dabei, daß unsere persönlichen Beziehungen so oder so unverändert bleiben.“ 2 Gemeint ist der Artikel über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“.

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Collegen (Herren Harms in Kiel) gefordert hatte,1) 3 weil er die Nachricht verbreitet hat: er (H[arms]) sei :zu unlauteren Zwecken, um die Erben Schönberg’s4 zu benachteiligen: „aus seiner Stelle verdrängt worden“ (er war nämlich früher einmal von Schönberg als Adlatus :für dessen Handbuch: engagiert, :brachte aber die Sache nicht zu stande:) und mit Hohn und Spott über meine Krankheit hinzugefügt hatte: „wenn diese Krankheit c mich hindre, richtig zu disponieren, so hätte ich diese Funktion :(als Schriftleiter): aber nicht übernehmen sollen.“5 Es hängt an Ihnen und nur an Ihnen, ob dieser unritterliche Schuft recht behalten wird. Denn das wird allerdings die Ansicht der Collegen sein, wenn die Situation so wird, wie Ihr Brief fast befürchten läßt. „Ultra posse nemo obligatur“.6 Daß Sie diesend mich :s. Z.: sehr beunruhigenden Nervenanfall hatten, ferner diesen Prozeß7 und die

1)

Ich billige natürlich, daß Sie die Forderung dieses elenden Zahnkünstlers ablehnten und greife selbst nur in Notfällen zu den Waffen.8

c hin > Krankheit

d O: diese

3 Zum Konflikt Webers mit Bernhard Harms vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, oben, S. 19 f. 4 D. h. Gustav Schönberg jr. sowie Elsa und Marie-Leonore Schönberg. 5 Der zitierte, nicht ganz wörtlich wiedergegebene Passus – von Krankheit als Hinderungsgrund ist nicht die Rede – findet sich im Brief von Harms an Paul Siebeck vom 11. Mai 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz); vgl. dazu den Brief an das sog. „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Jan. 1913, oben, S. 41, Anm. 42. 6 Eine Umformulierung des auf Publius Iuventius Celsus zurückgehenden Rechtsprinzips: „Impossibilium nulla obligatio [est]“, zitiert in: Digesten, 50, 17, 185. 7 Laut Plenges Brief vom 16. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) war er wegen Beleidigung verklagt, dem Tenor des Schreibens zufolge jedoch vom Richter für straffrei erklärt worden. Zum Sachverhalt siehe die folgende Anm. 8. 8 Vgl. dazu den Bericht Plenges in einem Brief an Oskar Siebeck vom 4. Dez. 1912 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 337). Es habe sich dabei um einen „Proceß, à la Weber,“ [gehandelt,] „den mir eine merkwürdige Duplizität der Fälle beschert hat. Ich war von einem Zahnarzt wegen Beleidigung verklagt, der mich gefordert hatte, weil ich ihm eine kleine Zurechtweisung gegeben hatte, nachdem er nach dreimaliger Aufforderung seine Zigarre im Nichtraucherabteil immer noch nicht löschte. Natürlich habe ich ihm meine Karte verweigert. Dann hat der Kerl nach genau drei Monaten geklagt und mir, der ich allein war, Äußerungen vorgeworfen, die ich nicht getan hatte, für die er aber einen ihm bekannten Rechtsanwalt als Zeugen anführte. Also gewiß eine fatale Situation, wenn man sich weder um eines solchen Menschen willen verurteilen lassen wollte, noch ihm in einer Abbitte ein unverdientes Zeugnis des Wohlverhaltens aus-

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Auseinandersetzung mit Bücher9 (ich hatte immer gehofft, diese Sache zöge sich noch wieder :ganz: zusammen, aber allerdings verstand Bücher, wie ich mich :mehrfach: überzeugte, gar nicht, was vorlag) – dafür können Sie gar nichts. Auf :die Zusendung: Ihres geistvollen Amerika-Aufsatzes10 und andre, kleinere, Sachen habe ich s. Z. geschwiegen – weil ich dachte: das Alles geht doch auf Kosten des „Handbuchs“ – dieser gottverfluchten Tretmühle, die mich allein an Briefen ein Lebensjahr gekostet hat, fruchtlos, die mich mit Schande bedecken wird, wenn Sie versagen,e von der ich besser nie gehört hätte. – Verehrtester College, als ein Mann von tadelloser Ehre dürfen Sie mich :jetzt: nicht im Stich lassen, koste es Sie was immer. Äußerstenfalls müssen Sie die Sache mit einem Notdach abschließen, so gut es geht, Sie beherrschen ja die Materie beispiellos. Aber in infinitum dürfen Sie diese Sache nicht vertagen. Und andre Dinge, seienf sie welche immer, auch die kleinsten, auch die persönlichsten,g müssen zurückstehen. Die Lage, in die sonst der Verlag kommt, ist ja unausdenkbar. Resultat: Ich nehme an 1. daß thatsächlich diese Arbeit bei Ihnen Allem Andren vorgeht, – 2. daß Sie äußerstenfalls sie in den nächsten Monaten so abschließen, wie es eben nach Lage der Dinge möglich ist, einerlei ob die Form und die Details Sie voll und restlos befriedigen.

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stellen. Ich bin trotz des Zeugen glänzend freigesprochen und habe gestern die erfreuliche Mitteilung bekommen, daß die Berufung, das bekannte Vergleichsmanöver, zurückgezogen sei.“ Plenge hatte Weber in seinem Brief vom 16. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) von diesem Prozeß berichtet. 9 Ein Auslöser für seinen Bruch mit Karl Bücher war nach Plenges Ansicht dessen Verhalten während einer gemeinsamen Italienreise: „Ich habe Bücher in Sizilien die niedrigsten Krankenpflegerdienste gern und willig geleistet. Zum Dank hat er geglaubt, ich warte nur auf seinen Tod, hat mich auf der Heimreise mit rücksichtsloser Nichtachtung behandelt, und in Lugano, bei der Frage der Versorgung des Instituts im Falle seiner Behinderung, die Freundespflicht und die Pflicht gegen Universität und Studenten in gleicher Weise verraten.“ Brief Plenges an Hans Delbrück vom 17. März 1913 (SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück, Fasz. Plenge, Bl. 33f.). Ein weiterer Grund für das Zerwürfnis resultierte aus Büchers Reaktion auf eine Denkschrift Plenges für die Leipziger Nichtordinarienvereinigung, in der für die Nichtordinarien das Promotionsrecht gefordert worden war; vgl. Brief an Plenge vom 22. März 1913, unten, S. 138, Anm. 7. 10 Plenge, Johann, Die Zukunft in Amerika, in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, Bd. 1, 1912, S. 431 – 500.

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Ich bereue schwer, diese ganze Redaktionsstellung auf Büchers Verlangen, ihm und dem Verlag zu Liebe, gegen alle meine Neigung übernommen zu haben und nun andre Collegen, deren Situation ich nur zu gut verstehe, :„anbetteln“ u.: „drängen“ zu müssen. Es war der schwerste Fehler meines Lebens. – Aber ich muß nun ausharren – und darf Sie bitten, das Gleiche zu thun. Meine persönliche Meinung von Ihnen ist Ihnen bekannt und ich könnte Ihnen Beweise für deren unverminderten Fortbestand liefern – die hier nicht hergehören. Wird diese Schätzung von Ihnen irgendwie erwiderth, – dann bitte ich Sie, und vertraue fest, daß Sie, sei es auch auf Kosten anderer Verpflichtungen, der Situation dergestalt gerecht werden, wie es notwendig ist. Sie geben mir zu: ich habe bis in diese allerletzte Zeit nie auch nur den leisesten Druck zu üben versucht. Jetzt mußte ich Ihnen sagen, wie die Dinge liegen. – Bücher ist mit dem „Handel“ desertiert.11 Das ist nach Möglichkeit durch Zerschlagung in lauter kleine Artikel ersetzt worden.12 Sein Einleitungsartikel („Stufen“) soll in acht Tagen hier sein.13 – Wollen sehen, wie er ausgefallen ist. Hätte ich das vorausgesehen, wie er handeln würde – denn er hat, statt an das „Handbuch“ zu denken, diese Allotria über die „Titel“ und die Dresdner Universität geschrieben14 – so hätte ich mich anders zu ihm gestellt, das muß ich offen sagen. – Ich bitte, nehmen Sie den etwas erregten Ton dieses Briefes nicht übel. Aber Sie können Sich schwer in meine Lagei versetzen. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr Max Weber

h O: erwiedert

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11 In Wirklichkeit hatte das Problem darin bestanden, daß Bücher trotz zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit sich lange Zeit nicht zu einem Verzicht auf diesen Artikel verstehen konnte; erst nach langem Zögern hat er seinen GdS-Beitrag über Handel abgetreten; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 28. Okt. 1912 (MWG II/7, S. 725). 12 Tatsächlich wurde Büchers Beitrag durch zwei Artikel ersetzt: Sieveking, Entwicklung des Handels, sowie Hirsch, Organisation und Formen des Handels. 13 Das Manuskript zu: Bücher, Entwicklungsstufen, ging Weber am 28. Januar 1913 zu; vgl. dazu Brief an Karl Bücher vom gleichen Tage, unten, S. 62. 14 Gemeint ist Bücher, Karl, Eine Titelfrage. – Leipzig: Johannes Wörner 1912. Darin polemisiert Bücher gegen die gerade in Deutschland weit verbreitete Unart umfangreicher Buchtitel sowie irreführender bzw. überflüssiger Untertitel. Des weiteren bezieht sich Weber auf Büchers Broschüre: Ein Votum zur Dresdener Universitätsfrage, ebd., 1912, die sich mit dem von lokalen Interessen geförderten Projekt einer Universitätsgründung in Dresden auseinandersetzt.

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Paul Siebeck 23. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 23/1 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Ich habe Plenge einen ebenso freundlichen und herzlichen wie ganz kolossal energischen Brief geschrieben,1 auf den er nun reagieren muß. Ich habe ihm dabei die Sache mit H[arms] erzählt und gesagt: der Verlag und ich und also auch er selbst sei mit seiner Ehre engagiert. Wenn nämlich er diese Sache nicht macht, sind wir einfach „aufgeschmissen“, ich bin absolut außer stande, jetzt ihn zu ersetzen[,] und was dann? Von Herrn Dr J[ulius] Hirsch hatte ich einen eingehenden, einen sehr guten Eindruck machenden Brief. Obwohl Schumacher Schmalenbach2 hoch stellt (nur sei er höchst anmaßend), glaube ich, fahren wir doch besser mit H[irsch].3 Das Urteil Ihres Herrn Sohnes über Hanisch hat sich, nicht ganz einstimmig, aber doch überwiegend, leider bestätigt.4 Darnach begreife ich nicht, wie Bücher ihn empfehlen konnte. Eine neue Karte B[ücher]’s stellt seinen Beitrag in 10 – 14 Tagen in Aussicht (Einleitung).5 Dann werde ich sehen, ob ich Ihnen meinen :großen: Beitrag (Wirtschaft und Gesellschaft – incl. Staat und Recht) jetzt in nächster Zukunft oder auch erst Ende April zusenden kann. Denn davon hängt das ab. Übrigens wird er, hoffe ich, zu den besseren

1 Brief an Johann Plenge vom 21. Jan. 1913, oben, S. 48 – 51. 2 Gemeint ist Eugen Schmalenbach. 3 Es handelt sich um die Vergabe des Artikels: Organisation und Formen des Handels. 4 Brief Oskar Siebecks an Max Weber vom 6. Nov. 1912 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er die größten Bedenken gegenüber der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit von Johannes Hanisch äußerte. Dieser war ihm von seiner Leipziger Studienzeit her bekannt. 5 Bücher, Entwicklungsstufen.

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oder besten Sachen gehören, die ich schrieb. Er giebt eigentlich eine vollständige soziologische Staatslehre im Grundriß und hat heißen Schweiß gekostet, das kann ich wohl sagen. Herzliche Grüße an Sie, Ihre Gattin und Ihren Sohn6 Ihr Max Weber Ich habe Otto Baumgarten etwas energisch :(aber freundlich): den Standpunkt klar gemacht.7 Schreibt er an Sie, so thun Sie es doch auch. Es schadet ihm nichts, er ist so ein „sanftlebiges Fleisch“ wie Carlstadt von Luther sagt.8

6 Gemeint sind Thekla und Oskar Siebeck. 7 Vermutlich bezieht sich Weber auf einen nicht überlieferten Brief an Otto Baumgarten, dessen Quintessenz dieser in einem Schreiben an Paul Siebeck vom 24. Jan. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 346) wiedergibt. Darin sinniert Baumgarten darüber, ob er Bernhard Harms vor die ihm von seinem Vetter, d. h. Max Weber, vorgeschlagene Alternative stellen solle: „‚Mit Schelten ist jetzt nichts mehr getan, entweder Sie klagen, oder Sie halten Ihren Mund, tun Sie keines von beiden, sodann sind wir geschiedene Leute.‘“ 8 Der Ausdruck stammt nicht von Andreas Bodenstein, gen. Karlstadt, sondern von Thomas Müntzer: Er findet sich in dessen Pamphlet von 1524: „Hochverursachte Schutzrede und Antwort wider das geistlose sanft lebende Fleisch zu Wittenberg“.

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Paul Siebeck 25. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 25/1 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Darf ich Sie bitten, unter der nötigen Versicherung den Aufsatz von v. Schulze-Gävernitz (Creditbanken)1 an Jaffé nach München zur Information zu schicken? Ich habe ihn jetzt kategorisch an die Fertigstellung seines Artikels gemahnt,2 halte es aber für gut, wenn er jenen Aufsatz kennt. Mit herzlichen Grüßen Ihr Max Weber Zusätze: 1. Plenge will sich jetzt gänzlich und ausschließlich der Fertigstellung des „Handbuch“-Artikels widmen, ein höchst energischer Brief von mir scheint gewirkt zu haben,3 er gelobt einen förmlich asketischen Lebenswandel an, um fertig zu werden.4 Er ist der Einzige, der diese Partien machen kann und ich kann unmöglich zu einem Andern rathen. 2. Das Gutachten Ihres Anwalts5 enthält erstens einige Fehler. Das neue Werk sollte 2 (nicht: 3) Bände haben, auch über meine früheren Ratschläge bzw. die Angebote an mich stimmen die Angaben nicht. Dann ist der Anschein erweckt, als ob schon die letzte (beabsichtigte) Auflage des alten Werks ein „neues“ Werk gewesen sei, was Ihre Po-

1 Gemeint ist der Artikel von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz, Die deutsche Kreditbank, erschienen in: GdS, Abt. V, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915, S. 1 – 189 (hinfort zitiert als: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank). 2 Brief an Edgar Jaffé vom 21. Jan. 1913, oben, S. 47. 3 Brief an Johann Plenge vom 21. Jan. 1913, oben, S. 48 – 51. 4 So Plenge in seiner Antwort an Weber vom 24. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge). 5 D. h. das Gutachten Ernst Kielmeyers über die Eigenständigkeit des GdS gegenüber dem alten Schönbergschen Handbuch. Das Gutachten ist im VA Mohr/Siebeck in Tübingen nicht nachgewiesen.

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sition schwächt. Und vor Allem fehlt der leicht zu erbringende Nachweis, daß, was ich mit den Mitarbeitern verhandelt habe, Sie nichts angeht. Sonst müßte nämlich das von Harms brieflich :s. Z.: bereits als fest gemeldete Engagement von Oldenberg ebenfalls Sie gebunden haben: Aber weder Harms noch Oldenberg noch Sie noch ich haben es so behandelt: Beweis genug, daß 1) Harms nur vorbereitend thätig war, also kein :contraktliches: Recht hatte, – 2) auch die Art, wie ich :mit: Mitarbeitern correspondiert habe, Sie nicht bindet und verpflichtet (wie Harms behauptet), sondern allein der Contrakt der Mitarbeiter mit Ihnen entscheidet. Kurz: Ihre Lage ist weit besser noch als dies Gutachten annimmt, welches sonst ja ganz gut ist. Aber diese Anwälte arbeiten alle nicht exakt. Legen Sie bitte diese Dinge immer auch mir vor der Verwendung vor, Sie werden das nicht zu bereuen haben. Ich war bei einem Juden (v. Simson)6 in der Lehre, die arbeiten exakter. Hoffentlich hat Ihrem Sohn nur eine Erkältung gefehlt und ist er wieder wohl?7 Herzlichen Gruß! Max Weber

6 Es handelt sich um den Berliner Rechtsanwalt August v. Simson, bei dem Weber während seiner Referendarzeit 1886 – 1890 arbeitete. 7 Gemeint ist Oskar Siebeck, der eine Woche lang – offensichtlich wegen eines grippalen Infekts – das Bett hatte hüten müssen.

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Paul Siebeck 25. Januar 1913; Heidelberg Telegramm VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Telegramm steht in Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Bernhard Harms und Paul Siebeck sowie Max Weber über die Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“, des späteren GdS; zu Entstehung und Verlauf dieser Kontroverse vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f. Bezug: Brief Paul Siebecks vom 24. Januar 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Mitteilung, daß er das Gutachten seines Rechtsanwalts, Ernst Kielmeyer, zur Stellung des GdS zum alten Schönbergschen Handbuch an Otto Baumgarten geschickt habe.

bitte gutachten nicht versenden1 = weber +

1 Dazu schreibt Siebeck in seiner Antwort vom 25. Jan. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Auf Ihre heutige Depesche hin habe ich den Brief an Dr. Schönberg in Basel nicht abgeschickt und Otto Baumgarten telegraphiert: ‚Max Weber wünscht, daß Sie das unterwegs befindliche Gutachten meines Rechtsanwalts ganz für sich behalten.‘“

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Johann Plenge 26. Januar [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 26/1 Lieber Kollege, –

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verzeihen Sie den eiligen Zettel! – es ist Sonntag und in meinem sehr unordentlichen Schreibtisch kein Papier aufzutreiben! Ich danke Ihnen für Ihren Brief und Ihre Gesinnung, – obwohl ich zweifle, ob ich das Prädikat „netter Mensch“ von Vielen zuerkannt bekomme.1 Das ist ja eine drakonische Askese[,] die Sie da zusagen[,]2 und sie ist ja so wörtlich nicht gemeint. Nur freilich: uns, Siebeck und mir, steht das Wasser am Halse und wir müssen die erste Hypothek auf Ihre volle Arbeitskraft haben, das ist richtig und daß Sie da auf uns eingehen, danke ich Ihnen dauernd. Daß Ihre Gesundheit Hauptsache ist, – davon kein Wort, das versteht sich. Aber in der That, ich glaube, wenn Ihre energische Natur sich entschließt, einmal die beiden Aufsätze3 je hinter einander herunterzuschreiben wie es kommt, und 5 grade sein läßt, – es wird vorzüglich und nachher leicht ausfeilbar. Es ist ja doch der centrale Aufsatz, um den es sich handelt. – Ich lasse Ihnen in ca 14 Tagen bis 3 Wochen den Aufsatz von v. Schulze-Gävernitz4 – Jaffé hat ihn jetzt, ich habe ihn noch gar nicht gesehen! – zugehen, damit Sie wissen, was der gemacht hat.

1 Brief Plenges vom 24. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) mit der Eingangsbemerkung: „Der erste und stärkste Eindruck Ihres Briefes vom 21. Jan. war, verzeihen Sie, wenn ich das als so viel Jüngerer so ehrlich sage: was ist Max Weber doch für ein lieber, netter Mensch.“ 2 Wie Anm. 1: „Ich verspreche feierlich, für diese Monate keine Zeitschrift, kein Buch zu lesen, ja selbst keine Tageszeitung, wenn die internationale Lage jetzt wie es scheint, etwas ruhiger wird. Ich werde an keiner Sitzung teilnehmen, keine Gesellschaft besuchen, auch kein Konzert hören. Ich werde keine Kritik und keinen Aufsatz schreiben und meine Korrespondenz auf das schlechterdings notwendige reduzieren.“ 3 D. h. die beiden von Plenge übernommenen GdS-Beiträge über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ sowie „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“. 4 v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank.

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Bücher, um dessentwillen und auf dessen immer wiederholtes Ersuchen hin allein ich dies verfl… Geschäft übernahm, hat diese Sache sehr gewissenlos behandelt.5 Und seine schwere Schuld gegen Sie kenne ich in vollem Umfang.6 Aber – er ist krank und sieht dem öden Alter entgegen, wer weiß wie man selbst wird, wenn das kommt und so kommt. Ich erkläre Vieles damit und thun Sie es doch möglichst auch. Lassen Sie ihn, er ist ein innerlich ganz gebrochener Mensch! In bekannter Werthschätzung Ihr Max Weber

5 Nicht zuletzt dank Karl Büchers Ermutigung hatte Max Weber 1908 die Aufgabe der Herausgabe des „Grundriß der Sozialökonomik“ (damals noch „Handbuch der Politischen Ökonomie“) übernommen. Siehe MWG I/22 – 1, S. 16. 6 Vgl. dazu Brief an Plenge vom 21. Jan. 1913, oben, S. 9, Anm. 50.

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Paul Siebeck 28. Januar 1913; Heidelberg Telegramm VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 27. Januar 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er sich darüber unschlüssig zeigt, ob er gegen Bernhard Harms Klage erheben solle.

bleiben sie jedenfalls aus der sache = weber +

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Paul Siebeck 28. Januar [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „beantw. 29.I.13.“ sowie Briefinhalt.

Heidelberg 28/1 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! 1. Harms:1 Sie müssen jetzt doch natürlich die Klage der Erben2 abwarten. Die Vorwürfe gegen Sie sind so vage gefaßt, daß daraufhin formal eine Klage gar nicht möglich ist. Ich habe das Otto B[aumgarten] geschrieben3 und ihn gebeten, sich auf sachliche Diskussionen gar nicht einzulassen. :2. Handbuch:: Darf ich Sie bitten, das Mscr. von Wilbrandt 4 an Herrna Priv. Doz. Dr Julius Hirsch in Cöln zu schicken (zur Kenntnisnahme). Es entstehen sonst Collisionen bei den Consumvereinen. Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber

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wenden! Eben geht ein sehr dürftiger Einleitungs-Artikel Büchers ein,5 37 Quartseiten lang, also schwerlich mehr als 1 – 11/4 Bogen! Jetzt muß ich in diese Bresche springen! Das kostet 2 Monate mindestens, also ist mein Artikel im Mai fertig.

a 1 Zu Ursache und Verlauf des Konflikts zwischen Bernhard Harms und Paul Siebeck sowie Max Weber vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, oben, S. 19 f. 2 D. h. der Erben Schönbergs. 3 Der Brief an Otto Baumgarten ist nicht nachgewiesen. 4 Das Manuskript von Robert Wilbrandt ist erschienen unter dem Titel: Kapitalismus und Konsumenten. Konsumvereinspolitik, in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 411 – 456 (hinfort zitiert als: Wilbrandt, Konsumenten). 5 Bücher, Entwicklungsstufen.

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Bücher schreibt dabei: jetzt wolle er auch noch den „Handel“ schreiben!! Nachdem eben Alles vergeben ist! Ich werde höflich antworten.6 Nochmals herzl. Gruß!

6 Brief an Karl Bücher vom gleichen Tage, unten, S. 62.

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Karl Bücher 28. Januar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Leipzig, Nl. 181 (Karl Bücher)

Heidelberg 28/1 13 Hochverehrter Herr Geheimrath! Verbindlichsten Dank! Da Ihr Artikel1 ja der erste von Allen sein soll, mußte er da sein, damit ich sehen konnte, was ich etwa noch anderweit zu vergeben hatte. Im Übrigen werden die noch ausstehenden Mscr. wohl erst im Mai eingehen. Zeit wäre also. Aber: mit Ihrer Zustimmung habe ich ja den Artikel Handel zum größten Teil anderweit schon vergeben. Mit Sieveking ist über Geschichte, Organisation und universelle Stellung des Handels und grade jetzt mit Dr J[ulius] Hirsch (Cöln) über die Organisation des Binnenhandels und die Binnenhandelspolitik ein Verlagsvertrag abgeschlossen. Es ist mir höchst fatal, daß ich nun höre, daß Sie doch eventuell uns etwas gegeben hätten oder noch geben würden. :Denn Sie wissen, wie wichtig Das gewesen wäre!: Gestatten Sie mir, daß ich zunächst einmal mit Sieveking und Hirsch correspondiere und Ihnen in wenigen Wochen spätestens schreibe: wie die Sache bei diesen stehta und dann den Versuch mache, Sie vielleicht doch noch zu gewinnen. Das wäre ja glänzend! Ich konnte ja mit der Vergebung dieser Artikel nicht länger warten. Mit herzlichem Dank und in bekannter großer Verehrung Ihr Max Weber

a Alternative Lesung: stehe 1 Bücher, Entwicklungsstufen.

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Georg von Lukács PSt 29. Januar 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 6

Telefon 1401 Verehrtester Herr Doktor!

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Falls Sie morgen (Donnerstag) gegen 3/4 6 Uhr auf ein paara Stunden Zeit haben, würde ich Prof. Tröltsch herunterbitten.1 Darf ich um telefonische Nachricht bitten? Auf Wiedersehen, in bekannter Wertschätzung Ihr ergebenster Max Weber

a O: par 1 Ernst Troeltsch wohnte im selben Hause ein Stockwerk über Max Weber.

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Paul Siebeck 29. Januar 1913; Heidelberg Telegramm VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

schiedsgericht ganz ausgeschlossen1 versendung des gutachtens nicht ratsam2 = weber +

1 Paul Siebeck hatte Weber am 28. Jan. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von einem Telegramm Otto Baumgartens vom gleichen Tage in Kenntnis gesetzt. Baumgarten hatte depeschiert, daß ihm in einem Gespräch mit einem Kollegen „,der Gedanke gekommen‘“ sei, „,Harms die Unterwerfung seiner Vorwürfe unter ein Schiedsgericht von Sachverständigen zuzumuten, da ich die Zurückweisung der Zumutung einer gerichtlichen Klage voraussehen muß.‘“ Eine Idee, die bei Siebeck auf strikte Ablehnung stieß: „Ich habe keine Lust, mich mit einem so wenig loyalen Gegner, wie Harms es ist, auf dem Boden eines Schiedsgerichts zu treffen, nach meinem Gefühl ist das ausgeschlossen.“ 2 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 28. Jan. 1913 (wie Anm. 1) erneut in Erwägung gezogen, das Gutachten seines Rechtsanwalts, Ernst Kielmeyer, über den GdS an Gustav Schönberg jr. zu senden. Dazu heißt es im Anschluß an die zuletzt zitierte Briefpassage in Anm. 1: „Dagegen erwäge ich, ob ich nicht doch das Kielmeyer’sche Gutachten, nachdem es revidiert ist, Herrn Dr. G[ustav] Schönberg mit der in höflichster Form gestellten Alternative zusenden soll, er möge nun entweder mich verklagen oder aber seinerseits dafür sorgen, daß Herr Professor Harms jede weitere Verleumdung meiner Person oder meiner Firma unterlasse.“ Zur früheren Ablehnung dieses Vorschlags von seiten Webers vgl. dessen Telegramm an Paul Siebeck vom 25. Jan. 1913, oben, S. 56.

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Paul Siebeck PSt 29. Januar 1913; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 aHeidelberg,

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Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Ich schrieb Otto B[aumgarten] sehr freundlich, sagte ihm aber, daß eine Verständigung mit Ihnen über meinen Kopf nach Lage der Dinge ihre Consequenzen haben würde.1 Ich telegrafierte ihm schon vorher: er möge doch einfach die ihm richtig scheinenden Consequenzen aus der Wiederholung aktenmäßig unwahrer Vorwürfe ziehen, ohne Herrn H[arms] eine Klage zuzumuthen.2 Es geht ja keinesfalls an, daß Sie Sich noch mit H[arms] befassen. Sie hat er ja jetzt gar nicht erneut verleumdet, sondern nur seine Verleumdungen s. Z. so „zurückgenommen“ bzw. modifiziert, daß esb ihm die Hinterthür offen läßt zu sagen: „eigentlich habe er nichts zurückgenommen“. Da können Sie nichts machen. :Das schrieb ich Otto ebenfalls. –: Nun zu dem Gutachten Kielmeyers.3 Soll es „revidiert“ werden, dann bitte mit meiner Zuziehung. Denn :1): es fehlen ja verschiedene Dinge[,] die grade die „Pointe“ sind. – 2) enthält es falsche Thatsachen, die direkt dem Gegner Material liefern (u. A.: das neue Werk habe 3 Bände) – 3) enthält es eine Sachdarstellung, die Ihr Recht lange nicht scharf genug hervortreten läßt. – Ich will gern :bei der Revision: mitthun, obwohl es mich Zeit und Kraft kostet. Aber Herr Dr Schönberg würde Ihnen auf die Aufforderung hin, die Sie an ihn richten wollen, antworten: 1) jetzt kann ich ja gar nicht klagen, sondern eventuell nach Erscheinen

a Ort und Datum von dritter Hand eingesetzt.

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1 Der Brief an Otto Baumgarten ist nicht nachgewiesen; vermutlich gilt Webers Kritik dem von Baumgarten gemachten Vorschlag eines Schiedsgerichts; vgl. dazu das Telegramm an Paul Siebeck vom 29. Jan. 1913, oben, S. 64. 2 Das Telegramm an Otto Baumgarten ist nicht nachgewiesen. 3 Gemeint ist das Gutachten Ernst Kielmeyers über den GdS bzw. die Klageaussichten der Erben Schönbergs.

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2) für die Briefe des Herrn Harms habe ich die Verantwortung abgelehnt. Mit beidem hätte er m. E. recht. Lassen also Sie für Sich diese Sache, die zu einem rein persönlichen Streit von Harms mit mir geworden ist, Sich nichts mehr angehen. Sie sind jetzt ganz aus dem Spiel und es ist ein recht dummer Streich des guten Otto, daß er Ihnen solche Zumutungen stellt. Es ist ihm halt lästig, die Consequenzen zu ziehen, die er mir selbst in Aussicht gestellt hat. Seien Sie sicher, daß ich „säuberlich“4 mit ihm verfahre. Mit herzlichen Grüßen Ihr Max Weber

4 Anspielung auf die Worte Davids an seine Heerführer: „Fahret mir säuberlich mit dem Knaben Absalom“: 2 Sam 18,5.

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Ferdinand Tönnies 29. Januar 1913; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 2 – 5 Der hier abgedruckte Brief sowie die nachfolgenden Schreiben an Ferdinand Tönnies, nach dem 30. Januar, die beiden vom 6. Februar 1913 und diejenigen vom 18. Februar, 17. März und 22. April 1913, unten, S. 73, 78 – 80, 81f., 91f., 126 – 129 und 196 f., stehen in Zusammenhang mit der Stellungnahme von Mitgliedern des Kieler sog. „Soziologischen Kränzchens“ zu der Duellaffäre Max Weber – Bernhard Harms, die aus der Auseinandersetzung zwischen Harms und Paul Siebeck bzw. Weber wegen der Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“ resultierte; zu Entstehung und Verlauf dieses Konfliktes vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f.

Heidelberg, den 29. 1. 13. Lieber F. Tönnies!

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Vielen Dank! – Ihre formalen Bedenken1 sind aber haltlos. 1.) Ausdrücklich war bei Erlaß der Forderung sofortiger Austraga verlangt und in der ganzen Welt erledigen Kavaliere2 unseres Alters solche Dinge sogleich – oder garnicht. Für schimpfende Professoren gibt es in Sachen der Ehre kein Privileg. Ich konnte mir – zumal nach dem was inzwischen die Untersuchung der Akten ergab – nicht für Monate den a Austritt > Austrag 1 Die Bedenken von Tönnies, auf die Weber im folgenden eingeht, geben zum großen Teil die Einwände wieder, die Harms in seinem Schreiben an Fritz Keller vom 31. Dez. 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) vorgebracht hatte. Denn in dem Brief von Harms heißt es im Anschluß an seine Feststellung, daß er die Forderung Webers „in vollem Umfange“ angenommen habe: „An mir, dem Geforderten, lag es, den Termin zu bestimmen. Daß ich diesen bis Anfang März hinausschob (also um 8 Wochen), hatte seinen Grund einfach darin, daß es einen öffentlichen Skandal gegeben hätte, wenn ich unter Umständen aus diesem Anlaß gezwungen gewesen wäre, meine Vorlesungen wochenlang ausfallen zu lassen. Zu diesem Entschluß bin ich nach eingehender Rücksprache mit Herrn Prof. Rachfahl, dem einzigen, der aus meinem Munde von dieser Angelegenheit etwas erfahren hat, gekommen. Ich bin mir bewußt, nicht nur korrekt, sondern auch pflichtgemäß gehandelt zu haben. Überdies hätte sich auch sachlich die Austragung des Waffenganges nicht in so kurzer Zeit erledigen lassen. Denn selbstverständlich wäre ich nur auf Cavalierwaffen [gemeint sind Säbel oder Pistole, d. Hg.] angetreten, da es ein Ding der Unmöglichkeit ist, daß zwei ältere Professoren bei einer studentischen Verbindung ‚belegen‘.“ 2 Mit Kavalieren ist jener Personenkreis gemeint, der den Ehrenkodex des Duells für sich als verbindlich geltend betrachtete.

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Mund durch eine unerledigt schwebende Herausforderung verbieten lassen. 2.) Auf die schwarzen „Philister“waffen3 meiner Couleur4 haben Leute jeden Standes, auch z. B. Offiziere gefochten. Ausdrücklich waren Philisterwaffen und im Beruf stehende Kavaliere bestellt. Es gibt auch :da: keine Privilegien für schimpfende Professoren. Mit deren prätendiertemb „Ansehen“ hat das nichts zu tun. Aber diese Sache war innerhalb 24 Stunden zu erledigen, noch nachdem ich zum Austrag der Sache dort gewesen wäre. – 3.) Ein „Skandal“ entsteht doch nur im Falle der Indiskretion[.] Kein Beteiligter hätte aber eine solche bei Ehrenwort begehen dürfen, das pflegt stets ausdrücklich ausgemacht zu werden, wie jedermann weiß. Daß Herr Harms von dieser Sache jetzt gesprochen und sogar geschrieben hat an ganz Unbeteiligte, wie Sie z. B., gereicht ihm zum Vorwurf. Ich mußte dann meinen Vetter5 veranlassen[,] das Gleiche zu tun. Nur diesem, der mein Vertreter in Kiel war, hatte ich davon csub sigilloc geschrieben. 4.) Wenn ein Professor, oder was er sei, sich derart entrüstet gebärdet und schimpft wie Herr H[arms], wenn er vollends behauptet, eine notwendige Forderung unterlassen zu haben, weil der andere „krank“ sei6 – wissend daß dies jenend nicht hinderte! – und dann sich noch auf seine „Berufspflichten“ beruft7 und jetzt Atteste dafür, daß er das dürfe, von Kollegen einfordert oder sich geben läßt – so lege ich seinen Worten niemals wieder jenes Gewicht bei[,] welches nötig ist, um zu den Wafb In Abschrift: prätendierten

c In Abschrift: subsicillo

d jene > jenen

3 „Philisterwaffen“, d. h. Waffen der „alten Herren“ einer Verbindung, waren Säbel oder, weniger gebräuchlich, Pistole. „Schwarze“ Waffen waren diese insoweit, als sie von Nichtangehörigen der betreffenden Verbindung „belegt“, d. h. in Anspruch genommen werden konnten. 4 Weber gehörte von 1882 bis 1918 der „Burschenschaft Allemannia zu Heidelberg“ an. 5 Gemeint ist Otto Baumgarten. 6 Weber bezieht sich auf eine Passage im Brief von Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz), in der jener seine Gründe für die Nichtforderung angibt, allerdings ohne daß expressis verbis das Wort „krank“ fällt: „Endlich habe ich mir noch überlegt, ob ich Herrn Weber fordern solle. Doch auch davon bin ich, obwohl prinzipiell Anhänger des Duells, abgekommen. Ich will, um mich Herrn Weber gegenüber nicht wieder einer ,unfeinen Anspielung‘ schuldig zu machen, auf die Darlegung der Gründe hierfür verzichten.“ 7 So Harms in seiner abschließenden Stellungnahme an das Soziologische Kränzchen vom 9. Jan. 1913 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz): „Ich war auch der Ansicht, daß es mit meinen Pflichten als Professor nicht vereinbar war zu einer Zeit loszugehen, da die Folgen mich möglicherweise an der Erfüllung meiner amtlichen Pflichten gehindert hätten“.

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fen gegen ihn zu greifen. Ich reagiere als „Kavalier“ auf nichts mehr[,] was er tut. Und ich muß sagen: auch das Hineinzerren meiner Krankheit – in der Ansicht und Absicht mich zu kränken – war etwas[,] was ein Kavalier nicht tut. Das wenigstens hätten die Herren dort sehen müssen!! – 5.) Zu Unrecht nehmen Sie an, der „Ehrenkodex“ sei für mich Grund und Richtlinie meines Verhaltens. Ich pfeife auf ihn! Ich würde z. B. Herrn Major Endelle – Posen nie mit der Waffe Genugtuung geben,8 obwohl ihm der Kaiser den Offiziersrock gelassen hat – und wenn die ganze Welt mich einen Feigling schölte. Und so noch manchen „Satisfaktionsfähigen“. Biete ich jemand einen ritterlichen Waffengang an – und das tue ich nach meinem Ermessen – und er lehnt ihnf, obwohl die dem allgemeinen Usus entsprechenden zeitlichen Bedingungen[,] unter denen ich ihn fordern lassen mußte (denn da sprechen allerdings noch andere, menschlich zwingende Gründe mit)[,] für ihn möglich sind, dennoch ab – so ist die Sache zu Ende. – Ein Ehrengericht ist mir niemals vorgeschlagen worden.9 Glaubte Herr Harms sich in Wahrheit zu Unrecht von mir des Hineintragens von persönlichen Ressentiments in diese Sache beschuldigt, so mochte er die Kollegen veranlassen mir zu sagen: daß ein solches darüber vorgeschlagen werde. Statt dessen schimpfte er und hatte dann „Berufspflichten“ –. Das Unerhörte an dieser ganzen Angelegenheit ist ja, daß sie von diesem Herrn vor das Forum seiner dortigen, durch Rücksicht auf ihn gebundenen Kollegen gezerrt wurde,10 die mich und Herren Siebeck e In Abschrift: von Endell

f

8 Weber bezieht sich hier vermutlich auf die Affäre Curt v. Willich / Ernst August Endell von 1902/03 in Posen. Der dortige Landrat v. Willich hatte das Geschäftsgebaren des Leiters des Bundes der Landwirte, des Majors a.D. Endell, kritisiert, was dieser mit einer Duellforderung beantwortete. v. Willich lehnte dies wegen mangelnder Satisfaktionsfähigkeit seines Gegners ab, da gegen diesen ein ehrengerichtliches Verfahren durchgeführt und ein entsprechendes Urteil ergangen sei. Dieses Urteil wurde später von höherer Stelle abgemildert. Die fortlaufende gesellschaftliche Ächtung v. Willichs führte letztlich zu seinem Freitod im Januar 1903. Vgl. dazu Grabowski, Sabine, Deutscher und polnischer Nationalismus. Der Deutsche Ostmarken-Verein und die polnische Straz· 1894 – 1914. – Marburg: Herder-Institut 1998, S. 151f. 9 Tatsächlich hatte Felix Rachfahl in seinem Schreiben vom 4. Jan. 1913 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) an Fritz Keller, den Vertreter Webers, ein solches vorgeschlagen, jedoch wurde von Weber die Kenntnisnahme dieses Briefes verweigert, da für ihn die Duellangelegenheit nach der Weigerung von Harms, diese unverzüglich auszutragen, beendet war. 10 D. h. den Mitgliedern des „Soziologischen Kränzchens“.

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nicht kennen, nicht Auge in Auge hören und sehen können und die natürlich keine Lust verspüren, die Akten – auch nur den Teil[,] den Baumgarten hat[,] – sich vorlegen zu lassen und unbefangen mit den beiderseitigen Schriftstücken zu vergleichen. Ich würde, wäre es verlangt worden – dennoch eben diese Kollegen als Ehrengericht seinerzeit akzeptiert haben, um sie zu überzeugen, daß von bona fides in verschiedenen Punkten keine Rede sein kann, so weitgehend ich auch mit der Möglichkeit von Übereilungen und Erinnerungs-Täuschungen rechne, die ja jedem passieren. – Zu einer Klage – noch dazu einer Sensationsklage mit den üblichen Presseberichten vor dem Schöffengericht [–] würde ich trotz aller Bedenken schreiten und wäre Herr Siebeck geschritten, wenn dadurch die Feststellung des entscheidenden Streitpunkts: das Handbuch betreffend zu erzielen wäre. Das ist nicht der Fall. 1.)g Was mich anlangt, so erklärt Herr H[arms] er mache mir keinen Vorwurf. Also kommt die eigentliche Sache nicht zur Sprache. 2.) Was Herrn Siebeck anlangt, so wurden die Vorwürfe teils so zurückgenommen, daß zwar jeder Unbefangene sie als substanziell aufrecht erhalten ansehen mußte11 und: sollte – aber daß darauf eine Klage nicht zu gründen war. Eben dies gereicht Herrn H[arms] zum Vorwurf. – Ich habe mich erboten – um ein Übriges zu tun – meine Vorwürfe gegen Herrn H[arms] so zu formulieren, daß eine Strafklage möglich ist (soweit dies bisher nicht der Fall sein sollte)[,] und absolut loyal zur Aufklärung der Sache unter Unterlassung jeder Widerklageh beizutragen. Damit: basta. – Die Zustimmung der Kieler Kollegen zu gewinnen ist für mich ausgeschlossen. Diese Herren kennen mich nicht, sehen und hören mich nicht, Herrn Siebeck erst recht nicht – und tragen die schwere Verantwortung[,] seinerzeit auf die gänzlich einseitige Behauptung des Herrn H[arms] hin diesen in seinem Vorgehen noch ermutigt zu haben, wie mein Vetter, der selbst ebenfalls ganz blindlings ihnen geglaubt hat, seinerzeit schrieb. Es bleibt also nur die Abwartung der Klage der Erben gegen den Verlag.12 Der Verlag wird dann beweisen: g Fehlt in Abschrift; 1.) sinngemäß ergänzt.

h In Abschrift: Wiederklage

11 Vgl. dazu Schriftsatz an das „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Jan. 1913, oben, S. 33, Anm. 20. 12 Zu einer Klage der Erben von Gustav v. Schönberg Gustav Schönberg jr., Elsa und Marie-Leonore Schönberg gegen den Verlag ist es nicht gekommen.

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1.) daß er, obwohl ihm von fast allen Seiten gesagt wurde, daß er etwas neues, anderes machen solle, obwohl Schönberg sich geradezu unerhört und gegen die guten Sitten verstoßend benommen hatte,13 in seinen Archiven ganze Stöße von Schriftstücken hat, die ausschließlich dem vergeblichen Versuch dienten[,] aus Ritterlichkeit gegen Schönberg doch eine Neuauflage zu machen. 2.) daß die Neuauflage unmöglich wurde aus sachlichen Gründen, trotz seiner besten Absicht. Die Kollegen, mit der einzigen Ausnahme des Herrn H[arms], und schließlich auch der Verlag selbst mußten zu der Ansicht gelangen: daß die radikale Streichung jeder Zeile aus der Feder Schönbergs unumgänglich war. Ging das in einer Neuauflage? Vor allem aber: es mußte in jeder Hinsicht etwas anderes als dies alte Sammelwerk gemacht werden.14 Gelingt der jetzt gemachte Versuch[,] so wird ja jeder sehen, was dies andere ist. Ob er gelingt garantiere ich nicht. Es steht nicht in meiner Hand …i Nicht nur Professoren[,] lieber Freund, sondern auch ein Geschäftsmann hat Ehre und es ist empörend, wie Professoren unter Umständen glauben damit umgehen zu dürfen …k Genug. Von hier aus Leute in Kiel zu überzeugen ist aussichtslos, aber ich mußte es versuchen. – Sehr zu Unrecht haben Sie eine Schädigung des Ansehens der Professoren von einem ehrlichen Zweikampf befürchtet. Was nun noch kommen kann – denn ich lasse auf Siebeck nichts sitzen! – kann unendlich viel schlimmer werden. – Daß ich bei dieser Gelegenheit erfahre, daß Herr Harms, wie es seine Pflicht war, für Ihr Ordinariat eingetreten ist,15 freut mich. Aber, lieber Freund, andere haben unter sehr schwie-

i Auslassungszeichen in Abschrift.

k Auslassungszeichen in Abschrift.

13 Weber bezieht sich hier vermutlich auf den § 6 des alten Verlagsvertrags zwischen Gustav v. Schönberg und dem Verlag H. Laupp, der die zukünftige Alimentierung der Erben Schönbergs regelte und den er in seiner gutachtlichen Äußerung an Paul Siebeck vom 26. Nov. 1905 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446; MWG II/4) als „gradezu ungeheuerlich“ charakterisiert hatte; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 3. Jan. 1909 (MWG II/6, S. 15f.). 14 Vgl. dazu die entsprechende Passage im Vorwort des GdS, Abteilung I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. VII – IX, ebd. S. IX; in diesem Band abgedruckt in Anhang II, unten, S. 819. 15 Tatsächlich hatte sich Bernhard Harms Ende 1908 erfolgreich dafür eingesetzt, daß Tönnies, der seit 1881 Privatdozent in Kiel war, das dort vakant gewordene etatmäßige Extraordinariat für Nationalökonomie erhielt; vgl. dazu Brief an Edgar Jaffé vom 30. Dez. 1908 (MWG II/5, S. 707, Anm. 2).

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rigen Verhältnissen sich auch ganz rückhaltlos für Sie eingesetzt. Nur spricht nicht jeder davon! Nicht jeder Ordinarius ist :30: wie es allerdings manche sind. Mit herzlichem Gruß Ihr Max Weber.

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Ferdinand Tönnies [nach dem 30. Januar 1913]; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 7 Die Datierung ist erschlossen aus dem Inhalt des Schreibens, demzufolge Weber einen „Kollektivbrief“ aus Kiel erhalten habe. Diesen Brief hatte Otto Baumgarten als Anlage – die heute nicht mehr vorhanden ist – seinem Brief an Max Weber vom 30. Januar 1913 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 6) beigegeben. Wie der vorhergehende Brief an Tönnies vom 29. Januar 1913, oben, S. 67 – 72, stehen das hier abgedruckte Schriftstück wie die folgenden beiden vom 6. Februar 1913 und die Schreiben vom 18. Februar, 17. März und 22. April 1913, unten, S. 78 – 80, 81 f., 91 f., 126 – 129 und 196 f., in Zusammenhang mit der Stellungnahme von Mitgliedern des Kieler sog. „Soziologischen Kränzchens“ zu der Duellaffäre Max Weber – Bernhard Harms, die aus der Auseinandersetzung zwischen Harms und Paul Siebeck bzw. Weber wegen der Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“ resultierte; zu Entstehung und Verlauf dieses Konfliktes vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f.

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Baumgarten schickte mir inzwischen Ihren Kollektivbrief,1 den ich unglaublich finde! Wie können drei Kollegen dokumentarisch unwahre Tatsachen (ich hätte studentische Waffen als Bedingung gestellt) ohne Nachprüfung der Briefe[,] die doch vorliegen, zum Anlaß einer gegen mich gerichteten Aktion benützen?2 Wie konnten Sie ohne Nachprüfung das unterschreiben? Ich diktiere morgen früh eine Antwort ab.3 Sehr höflich und rücksichtsvoll – mit dem Vorschlag, gerade diesen mir so feindseligen Herren Kollegen persönlich, Auge in Auge, den ganzen Fall aktenmäßig darzulegen. Da Sie sich als auch mit mir befreundet bezeichnen, mute ich Ihnen die Teilnahme nicht zu. In bekannter Wertschätzung Max Weber.

1 Gemeint ist der von Moritz Liepmann, Felix Rachfahl und Ferdinand Tönnies unterzeichnete Brief an Bernhard Harms vom 15. Januar 1913; zum Wortlaut vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, oben, S. 20. 2 Tatsächlich war in dem Kollektivbrief wohl mißverständlich davon die Rede, daß das Duell „auf Waffen einer studentischen Verbindung in Kiel“ ausgetragen werden solle. Doch hatte Tönnies der Waffenfrage keine sonderliche Bedeutung beigemessen. Vgl. dazu den Brief von Tönnies an Weber vom 5. Febr. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 3 Die Antwort Webers ist nicht nachgewiesen. Es handelt sich offenbar um das im Brief von Tönnies an Weber vom 5. Febr. 1914 (wie Anm. 2) erwähnte „typirte Schreiben“, das er auch Baumgarten und Liepmann übermittelt habe.

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1. Februar 1913

Johann Plenge 1. Februar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Heidelberg 1. 2. 13 Lieber Herr Kollege, – Vielen Dank!1 – Bei allen Berufungen der letzten Jahre habe ich, wenn gefragt, mich rückhaltlos für Sie eingesetzt. So noch eben (unter uns!) in Münster, schriftlich und in mündlicher langer Conferenz mit einem Vertrauensmann.2 Aber die wollen einen Historiker und ich bin nicht sicher, ob mein Hinweis auf das eminent „Entwicklungshistorische“ Ihrer Arbeitsweise nützen wird. Ich vermuthe, daß Sieveking oder ein ähnlich gearteter Gelehrter berufen wird (auch von Weyermann war allerdings die Rede, und der Regierungscandidat scheint Hesse zu sein).3 In Breslau habe ich Niemand, den ich kenne. (Wenckstern steht mir absolut fern).4 Hoffentlich geht Alles gut! Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber .

1 Plenge hatte Weber in seinem Brief vom 30. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) mitgeteilt, daß er von Julius Wolf nach dessen Berufung an die TH Berlin ein Schreiben bekommen habe mit der Bitte, einen wissenschaftlichen Lebenslauf „zwecks Benutzung für die Breslauer Berufungsliste“ zu schicken. 2 Webers Vertrauensmann in Münster war der Jurist Rudolf His; Korrespondenzen Webers mit His sind nicht nachgewiesen. 3 Weder Heinrich Sieveking noch Moritz Rudolf Weyermann und Albert Hesse wurden auf der Berufungsliste berücksichtigt; vgl. dazu den Brief an Plenge, vor dem 14. März 1913, unten, S. 124, Anm. 1. Letztlich wurde doch Johann Plenge nach Münster berufen. 4 Adolf v. Wenckstern gehörte im Verein für Sozialpolitik zum äußersten rechten Flügel.

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Paul Siebeck 2. Februar 1913; Heidelberg Telegramm VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks an Weber vom 31. Januar 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der erfreuten Feststellung: „Daß Sie zu einer Besprechung über das Kielmeyer’sche Gutachten bereit wären, will ich noch heute Herrn Dr. Kielmeyer mitteilen.“

Nächste Zeit unmöglich schreibe morgen1 Weber

1 Weber äußerte sich zu dem Vorschlag Paul Siebecks erst am übernächsten Tag, nämlich in seiner Stellungnahme vom 4. Febr. 1913, unten, S. 76 f.

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4. Februar 1913

Paul Siebeck 4. Februar [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „7.II.13.“ sowie Briefinhalt.

Heidelberg 4./II Die beiden anliegenden Schreiben in der HarmsAngelegenheit bitte zurück!1 M.W.

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Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! 1. Anbei das „Vorwort“ Kaufmanns2 mit einigen „formalen“ Correkturen, – wenn Sie sie so bezeichnen, wird er wohl darauf eingehen, – welche das Ganze wohl auch inhaltlich Ihnen akzeptabel machen. Auf ein – sei es auch nur die Hauptsachen und Hauptautoren enthaltendes – Register würde ich an Ihrer Stelle nicht verzichten. Mehr weil esa dem Absatz des Buches nützlich ist als weil es viel benützt wird – das ist bei diesem Werk nicht wahrscheinlich. 2. Nun zu Herrn Harms:3 ich kann jetzt nicht schon wieder die Arbeit unterbrechen,4 verehrter Herr Siebeck, sonst komme ich zu gar nichts. Es kostet mich meha 1 Um welche Schriftstücke es sich hier handelt, ist unbekannt. 2 Paul Siebeck, der von dem russischen Nationalökonomen Aleksandr Kaufman gebeten worden war, das Vorwort zu dessen Statistikbuch nachzuprüfen, hatte dieses am 25. Jan. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) weiter an Max Weber geschickt. Bei dem Buch handelt es sich um: Kaufmann, Alexander, Theorie und Methoden der Statistik. Ein Lehr- und Lesebuch für Studierende und Praktiker. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1913. Weber hatte sich 1911 für die deutsche Ausgabe des Buches eingesetzt; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 9. Juni 1911 (MWG II/7, S. 229). 3 Zum Konflikt von Bernhard Harms mit Paul Siebeck und Max Weber vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, oben, S. 19 f. 4 Es geht hierbei um ein eventuelles Zusammentreffen mit Siebeck und seinem Anwalt, Ernst Kielmeyer, um über dessen Gutachten zum GdS zu konferieren. Die Zusammenkunft sollte in der Anwaltskanzlei Kielmeyers in Stuttgart stattfinden; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Telegramm an Paul Siebeck vom 2. Febr. 1913, oben, S. 75.

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rere Tage, Alles nochmals durchzusehen und soeben habe ich mich in der Anlage zu Dem erboten, was Sie daraus ersehen. Da Otto Baumgarten ja jetzt rückhaltlos für Sie eintritt,5 muß die Sache etwas Zeit haben, denn nach Stuttgart und Hannover6 kann ich einfach nicht fahren, jetzt wenigstens nicht. Da Otto Baumgarten die meisten meiner Akten hat, so werde ich eventuell um nochmalige Abschrift einiger Stücke ersuchen müssen. Thatsächlich hat Ihnen gegenüber Herr Harms ja völlig den Rückzug angetreten. „Moralische Verpflichtungen“ – das Einzige, was er Ihnen zuschiebt – 7 erkennen Ihre Freunde und Alle[,] die die Akten kennen, für Sie nicht an. Das genügt doch schließlich! Ich lege in Hannover die Briefe, :auf die ich mich beziehe:[,] nur Otto Baumgarten :in vollständiger Abschrift: vor, wo es etwa verlangt wird. Mit angelegentlichsten Empfehlungen Ihr Max Weber

5 Otto Baumgarten hatte am 30. Jan. 1913 in einem sehr moderaten Brief an Bernhard Harms (Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) jeden weiteren Kontakt mit diesem für unmöglich erklärt. 6 In Hannover sollte es zu einer Aussprache zwischen Weber und Kieler Vertretern von Harms kommen; dieses Zusammentreffen hat aber nicht stattgefunden; vgl. dazu Brief an Ferdinand Tönnies vom 18. Febr. 1913, unten, S. 91 f. 7 So Harms in seinem Brief an Otto Baumgarten vom 22. Nov. 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) mit der Bekräftigung seines Standpunktes gegenüber Siebeck: „Ob er juristisch haltbar ist, will ich im Augenblick nicht untersuchen, zumal ja jetzt allem Anscheine nach eine Änderung des Titels vorgenommen werden soll. Moralisch aber liegen die Dinge so, daß mit den Töchtern Schönbergs in irgend einer Weise ein Abkommen hätte getroffen werden müssen.“

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Ferdinand Tönnies [6. Februar 1913]; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 8 Die Datierung ist erschlossen aus dem Antwortbrief von Ferdinand Tönnies vom 10. Februar 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) mit dem Hinweis darauf, daß er das, was Weber „am 6ten ad 1.“ geschrieben habe, seinen Kollegen Moritz Liepmann und Felix Rachfahl mitteilen werde. Die Abschrift ist von Marianne Weber irrtümlich auf den „31.1.13.“ datiert. Wie die vorhergehenden Briefe an Tönnies vom 29. und nach dem 30. Januar 1913, oben, S. 67 – 72 und 73, stehen das hier abgedruckte Schriftstück, der zweite Brief vom 6. Februar sowie die nachfolgenden Schreiben an Tönnies vom 18. Februar, 17. März und 22. April 1913, unten, S. 81 f., 91 f., 126 – 129 und 196 f., in Zusammenhang mit der Stellungnahme von Mitgliedern des Kieler sog. „Soziologischen Kränzchens“ zu der Duellaffäre Max Weber – Bernhard Harms, die aus der Auseinandersetzung zwischen Harms und Paul Siebeck bzw. Max Weber wegen der Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“ resultierte; zu Entstehung und Verlauf dieses Konfliktes vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f..

Heidelberg, den 31. 1. 13. 1.) Die drei Herren haben erklärt sich des Urteils zu enthalten.1 Nach dieser ausdrücklichen Bemerkung verstehe ich nicht, wie Sie oder sonst einer von Ihnen die Schlußbemerkung als eine „Drohung“ gegen sich auffassen könnena.2 Dieselbe konstatiert, wie ich mich

a kann > können 1 Gemeint ist der entsprechende Passus in der Kollektiverklärung von Moritz Liepmann, Felix Rachfahl und Ferdinand Tönnies an Bernhard Harms vom 15. Jan. 1913: „Wir wollen kein Urteil abgeben über die Ihrem Streit mit Herrn Professor Max Weber – Heidelberg zu Grunde liegende Siebeck’sche Verlagsangelegenheit“; zum gesamten Wortlaut der Erklärung vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, oben, S. 20. 2 Dies bezieht sich auf einen eigenhändigen Zusatz Webers zu seiner (offiziellen) nicht überlieferten Stellungnahme zu dem Kollektivbrief vom 15. Jan. 1913. Dazu heißt es in Tönnies’ Antwort vom 5. Febr. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Was Sie mit der handschriftlich hinzugefügten Bemerkung noch bezwecken, ist mir unverständlich. Wenn ich guten Grund zu haben glaubte, eine Sache für wahr zu halten, und ferner Grund zu haben glaubte, sie bekannt zu machen, so würde mich Ihre Drohung nicht davon abhalten. Die Zumutung, daß man ‚Verleumdungen‘ verbreiten sollte, muß ich mir erlauben, wenn auch ohne alles Pathos, für ebenso ‚unglaublich‘, ‚unerhört‘ und ‚befremdend‘ zu erklären, wie Sie nun schon so manches erklärt haben.“

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eventuell in Zukunft zu denen verhalten werde, die künftig anders handeln sollten, als hier in Aussicht gestellt war. 2.) wer prinzipieller Duellgegner ist,3 darf sich, glaube ich, billigerweise nicht beschweren, wenn ich sein Urteil über die bei einer Herausforderung gestellten Bedingungen als durch diesen – von mir als solchen geachteten – Standpunkt mitberührt ansehe, mag der Betreffende das wissen oder nicht. 3.) Niemand hat eine Pflicht des Akten-Studiums – außer wenn er sich in einen Streit einmischt, dessen Beurteilung ein solches voraussetzt.4 Trotzdem habe ich die allgemeine Vertrauenskundgebung ohne solches Studium aus kollegialen Beziehungen zu verstehen die Objektivität gehabt. Was ich vermisse ist: die Mißbilligung der zweifellosen Tatsache, daß ehrenrührige Vorwürfe gegen einen Verlag vor ein Forum gezogen wurden, welches ganz begreiflicher Weise durchweg die Pflicht, sie aktenmäßig nachzuprüfen, für sich ablehnt. Dafür haben die Herren kein Wort gefunden! 4.) Was ich ferner in einem Schriftstück, welches von „Takt“ spricht[,]5 vermisse, ist die Abweisung des – hier nicht nochmalsb näher zu qualifizierenden Betragens: über Krankheiten von Kollegen in Schriftstücken, welche einem Kreise von solchen zugestellt werden, nicht nur zu reden, sondern sie breitzutreten und damit, vom ersten in

b 3 Möglicherweise bezieht sich dieser Passus auf einen der Unterzeichner der Erklärung vom 15. Jan. 1913, Moritz Liepmann, der an der Spitze der Anti-Duell-Liga in Kiel stand. 4 Zur Frage des Aktenstudiums hatte Tönnies an Weber am 5. Febr. 1913 (wie Anm. 2) geschrieben: „Mir ist Schönberg und sein Handbuch, und ist der Verleger Siebeck schlechthin gleichgültig. Wenn ich nicht etwa als Mitglied eines Ehrengerichtes dazu genötigt werde, so halte ich meine Zeit für zu kostbar, um alle die Akten und Urkunden so sorgfältig zu prüfen, wie es notwendig wäre, um sich ein unabhängiges Urteil zu bilden. Wenn Sie Herrn Siebeck für einen Ehrenmann erklären, so wiegt das für mich schwer genug, um zu glauben, daß Harms’ Bezichtigung gegen ihn objektiv nicht hinlänglich begründet war, wenigstens nicht, sofern sie dem genannten Herrn eine unehrenhafte Handlungsweise unterstellt hat. Ob und inwieweit das geschehen, ist mir noch nicht völlig klar geworden.“ 5 In der Kollektiverklärung vom 15. Jan. 1913 war Harms darüber Anerkennung gezollt worden, daß er „in der Behandlung der Duellangelegenheit korrekt und taktvoll“ vorgegangen sei.

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dieser Affäre abgegangenen Brief an,6 so zu operieren, wie es geschehen ist.7 Die Herren haben dafür kein Wort gefunden. Danach muß ich bei voller Anerkennung der subjektiven optima fides der Herren – wie ich sie schon wiederholt aussprach –c durchaus ablehnen dies Schriftstück als von einer objektiv unparteiischen inneren Position aus erlassen anzusehen. Haben Sie den leisesten Grund zu der Annahme, daß bezüglich Punkt 1 ähnliche Mißverständnisse noch bei einem der anderen beiden Herren entstanden sind, dann darf ich erwarten, daß Sie diesen Brief dem betreffenden Herrn sofort zugänglich machen.

c 6 Gemeint ist Harms’ Brief an Paul Siebeck vom 11. Mai 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) mit der Beurteilung von Webers psychischer Verfassung, daß dieser, „infolge seines krankhaften Zustandes, nur für beschränkt zurechnungsfähig“ gehalten werden könne. 7 Vgl. dazu Schriftsatz an das Kieler „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Jan. 1913, oben, S. 40, Anm. 41.

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Ferdinand Tönnies [6. Februar 1913]; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 9 – 11 Der Brief dürfte direkt im Anschluß an das vorherige Schreiben vom 6. Februar 1913, oben, S. 78 – 80, geschrieben worden sein. Die Abschrift ist von Marianne Weber irrtümlich auf den „31.1.13.“ datiert.

Heidelberg, den 31. 1. 13.

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Dem mehr offiziellen Briefe1 schicke ich einige nur für Sie bestimmte persönliche Bemerkungen nach, nur für Sie wie gesagt. 1.) Nie hätte ich mich in einem Fall wie diesema einem Ehrengericht über die Duellfrage unterworfen, obwohl ich dies sonst prinzipiell für ganz ebenso geboten halte wie Sie. Denn wenn ein Mensch zuerst den Ausdruck „Schurke“, den ich gegen den Urheber der Verleumdung des Verlags (noch nicht wissend, daß Harms die letzte Quelle war) brauchte2 – auf sich sitzen läßt, und dann sagt, aus Mitleid fordere er mich nicht – und dann noch zögerte mir sofort mit der Waffe zu Gebote zu stehen, so ist er erledigt. Mein Vertrauensmann3 hier war absolut der gleichen Ansicht. Ich schlage mich doch nicht nach Monaten mit kaltem Blut, ohne Leidenschaft[,] weil ein „Comment“ oder „Ehrenkodex“ das verlangt? Pfui Teufel! über die Professorenschaft, wenn sie da ihren elenden Spezial-Dünkel [–] andere Leute haben doch auch ihren Beruf! – glaubt mitreden lassen zu dürfen. Daß jemand in solchen Fällen nach Berufspflichten fragt, nach möglichem „Skandal“[,] der noch nie durch das Stattfinden eines doch geheim zu haltenden Duells, sondern durch das Affichieren solcher Dinge entstanden ist – dies geht über meinen Horizont. Ebenso, daß er sich dann solche Atteste von anderen ausstellen läßt: ich habe noch niemals von anderen mir bescheinigen lassen, daß ich mich in Ehrensachen richtig verhalten habe und dieser Unterschied des Verhaltens allein genügt mir, um die rein konventionelle, subalterne, nur um den „Schein“ sich ängstigende Natur dieses Herrn erneut bestätigt zu finden. 2.) die Unterzeichnung jenes Schriftstücks (der Inhalt im Einzelnen interessiert mich nicht) wird unsere Beziehung nicht trüben. Ich sage Ihnen ala In Abschrift: diesen 1 Gemeint ist der vorhergehende Brief vom gleichen Tage, oben, S. 78 – 80. 2 Brief an Bernhard Harms vom 5. Mai 1912 (MWG II/7, S. 526). 3 Gemeint ist Webers Kartellbruder Fritz Keller.

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lerdings offen: daß ich in gleichem Falle einen solchen Akt der Parteinahme nicht begangen hätte. – Denn das ist er. Ich darf es mir von den Kieler Herren höflich verbitten, daß sie meine bona fides mit der dieses eitlen Lügners gleichwerten. Versehen passieren jedem, auch wie ich gern zugebe, mit den Briefen vor Augen. Aber diese dreist und boshaft erfundene Schwindelgeschichte mit Schönbergs Stellungnahme zu mir4 – da ist von Irrtum keine Rede. Das ist gehässig erlogen. – Was mich allerdings sehr befremdet ist dies: wären Sie ein so schwer leidender Mensch wie ich, so würde mein elementarstes Ritterlichkeitsgefühl sich gegen einen pöbelhaften Burschen empören, der das in Zirkularen an Dritte in einen Streit zerrte, und das ließe ich auch einem Menschen, dem ich noch so verpflichtet wäre[,] nicht ungestraft durchgehen. Diese Garantie kann ich Ihnen geben. Ich stelle aber an andere diesen Anspruch nicht, denn ich bin nachgerade gewohnt, auf diesem Gebiet auf Unverständnis zu stoßen. 3.) Ihr ganzes „Kränzchen“ trägt eine sehr schwere Verantwortung, daß Sie dem Herren nicht verdeutlicht haben, daß man solche Ehrabschneiderei wie hier gegen den Verlag, nicht vor einenb Kreis Unbeteiligter bringe. Das dem Herrn zu sagen war – mochten Sie sonst noch so neutral bleiben – allerdings die Pflicht und Schuldigkeit von Herren, welche diesemc elenden Kerl eine Ehrenerklärung gaben. – Aber auch diesen Anspruch stelle ich nicht. Denn auch die Unritterlichkeit dieses Vorgehens ist den Herren offenbar nicht zu verdeutlichen. Ein Ehrengericht in der Sache – nicht über die Frage: ob Duell oder nicht – hätte ich seinerzeit akzeptiert. Der Fehler[,] den ich machte[,] war, daß ich diesend von mir, wie ich gestehe, unsäglich geringgeschätzten Kerl überhaupt forderte. Ich vergab mir etwas dadurch, darin hatten meine Freunde hier ganz recht. Aber ich dachte: vielleicht hat er doch etwas ehrliche Leidenschaft in seiner Streberseele, dann hätte er den Teufel nach den Ansichten seiner Kollegen gefragt. Genug. Wir werden uns offenbar nicht einigen. Aber seien Sie sicher: ich bin das gewohnt und unsere Beziehung bleibt die alte, mir wertvolle. Herzliche Grüße Ihr Max Weber. b In Abschrift: einem

c In Abschrift: diesen

d In Abschrift: diesem

4 Vgl. dazu Schriftsatz an das Kieler „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Jan. 1913, oben, S. 38, Anm. 35, und S. 39, Anm. 37.

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Heinrich Rickert 7. Februar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 74 – 75 Der Brief steht in Zusammenhang mit der geplanten Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik, auf welcher über die Problematik der Werturteile im allgemeinen sowie in der Wirtschaftswissenschaft im speziellen diskutiert werden sollte. Die Anregung dazu war von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz – in Abwesenheit von Max Weber – während der Ausschußsitzung des Vereins vom 12. Oktober 1912 ausgegangen. Er hatte bei der Diskussion über die zu behandelnden Themen für die geplante nächste Generalversammlung, die im Frühjahr 1914 in Düsseldorf stattfinden sollte, den Antrag eingebracht, „das Verhältnis von Wirtschaftspolitik und Nationalökonomie, insbesondere auch im Betriebe unserer Universitäten, zum Verhandlungsgegenstand [...] zu machen.“ Dazu heißt es weiter im Ausschußprotokoll: „In der anschließenden Debatte wird der Inhalt dieses Antrags größtenteils als gleichbedeutend mit der Frage nach der Stellung der Werturteile in der Nationalökonomie behandelt. Herr Diehl spricht sich für diesen Antrag aus. Herr v. Schmoller hält diesen theoretischen Gegenstand nach den in Wien gemachten Erfahrungen zur Verhandlung in einer so großen Versammlung nicht für geeignet, weil die Diskussion sich wahrscheinlich in unzählige Seitenwege verlieren würde; er empfiehlt, über diese Frage einmal im Schoße des Ausschusses zu diskutieren. Herr v. Philippovich will es auch unter allen Umständen vermieden sehen, daß eine ungeordnete Debatte entstünde; aber wenn ein solches Thema diskutiert würde, dann müßte das öffentlich, in der Generalversammlung, nicht im Ausschusse geschehen. [...] Herr Eulenburg warnt vor einem solchen Verhandlungsgegenstand; die darin enthaltenen Fragen seien philosophischer Art, und die Nationalökonomen seien zumeist nicht in der Lage, etwas Maßgebliches darüber zu sagen. Er würde es, wenn überhaupt theoretische Fragen erörtert werden sollten, für richtiger halten, andere Probleme zu diskutieren. Herr v. Schmoller ist der Ansicht, man müsse die Frage, ob eine solche Diskussion in der Generalversammlung vorgenommen werden solle, heute noch offen lassen, wohl aber könne man beschließen – und er stelle diesen Antrag –, daß der Ausschuß im Laufe des nächsten Jahres in einer Ausschußsitzung neben seinen gewöhnlichen Geschäften eine solche Diskussion vornehme. Die Mitglieder des Vorstandes müßten diese Diskussion vorbereiten. Am Schlusse dieser Ausschußsitzung sei dann zu beschließen, ob und was man in der Generalversammlung tun werde.“ Hier zitiert nach dem Protokoll: Sitzung des Ausschusses am 12. Oktober 1912 in Berlin im Preußischen Herrenhause (BA Koblenz, Nl. Max Sering, Nr. 104). Laut Protokoll wurde bei der folgenden Abstimmung dem Vorschlag Schmollers beigepflichtet: „Der Vorstand wird also für die nächste Ausschußsitzung eine Diskussion über die Werturteilsfrage vorbereiten“. Späterhin wurden interessierte Vereinsmitglieder sowie Außenstehende (wie Heinrich Rikkert, siehe unten) aufgefordert, zur Vorbereitung der Diskussion, schriftliche Stellungnahmen, Thesenpapiere etc. (zwecks vorheriger Drucklegung) frühzeitig einzureichen. Webers eigener Beitrag findet sich in der Broschüre: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o. O., 1913, S. 83 – 120 (MWG I/12), in veränderter Form veröffentlicht unter dem Titel: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12). Zur weiteren Vorbereitung dieser Diskussionsveranstaltung sowie zur Drucklegung von Webers Beitrag von 1913 vgl. die Schreiben an Heinrich Herkner vom 22. März 1913, unten, S. 134, Heinrich Rickert vom 23. März 1913, unten, S. 140 – 142, Franz Boese vom 12. und 29. April sowie 5. und

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14. August 1913, unten, S. 176, 214, 297 und 311, und Gustav v. Schmoller vom 23. Oktober 1913, unten, S. 339 – 341. Die Werturteilssitzung fand am 5. Januar 1914 in Berlin statt und wurde unter besonderen Kautelen, die letztlich auf Gustav v. Schmoller zurückgingen, durchgeführt. Dazu heißt es lapidar in: Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 4. Januar 1914 im Preußischen Herrenhause zu Berlin (BA Koblenz, Nl. Max Sering, Nr. 108): „Einem früheren Beschlusse des Ausschusses zufolge ist für den folgenden Tag, den 5. Januar 1914, am gleichen Orte die Werturteilsdiskussion angesetzt worden [...]. Bezüglich dieser Diskussion beschließt der Ausschuß, kein Stenogramm aufzunehmen und die Verhandlungen nicht zu veröffentlichen. Weiter wird beschlossen, die zur Diskussion eingelieferten schriftlichen Beiträge, die gedruckt und zu einem Heftchen vereinigt waren, nicht in die Vereinsschriften aufzunehmen“.

Heidelberg 7. II. 13 Lieber Rickert! Der Verein f[ür] Sozialpolitik will im Herbst nicht-öffentlich folgende Fragen für die eigne :(nationalökonomisch-soziologische): Disziplin und für Geschichte und Philosophie zur Diskussion stellen: 1. Stellung des sittlichen Werturteils 2. Verhältnis der Entwicklungstendenzen zu praktischen Wertungen 3. Bezeichnung wirtschafts- und sozialpolitischer Zielpunkte 4. Verhältnis der allgemeinen methodologischen Grundsätze zu den besonderen Aufgaben des Unterrichts. Alles in Allem: 1) Wertung :und Wertbeziehung als Objektsabgrenzung: – 2) praktische Wertung (sittlicher und andrer Art) – 3) sog. „entwicklungsgeschichtliche Notwendigkeit“ (No 2) „evolutionistische Wertung“1) in Wissenschaft und Unterricht. a) in den empirischen Disziplinen b) in der Philosophie (und Jurisprudenz) Man wünscht kurze Thesen-artige schriftliche Aufstellungen, die dann – 2– 3 Bogen etwaa – gedruckt verteilt werden sollen (Einliefe-

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oder wie man diesen Unsinn sonst formuliert!

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rung bis 1. April), um die Diskussion vorzubereiten, – wenn aber der Betreffende Lust hat, auch ganze „Denkschriften“. Würden Sie unter irgend welchen Umständen bereit sein, mitzuthun? Dann schreibe ich Näheres, wenn nötig. Worum es sich handelt, ist Ihnen ja ohnedies bekannt. Es wäre schon sehr gut, wenn Sie Sich entschließen könnten. Denn die Confusion ist gewaltig. Und Sie könnten da ja Alles, was Sie neulich mir mündlich entgegenhielten (übrigens war ich an dem Tage in der That wenig „up to date“), mit sagen. Sie stecken ja doch ganz in den Sachen grade jetzt! Herzliche Grüße Ihr Max Weber

Über „Frau und Beruf“1 ein ander Mal! Ich gestehe, etwas unnötig heftig gewesen zu sein. Ich kenne eben zu viel Frauen dieser Art, an denen ich mir die Freude nicht verderben lassen kann und darf.

1 Vermutlich war über dieses Thema in dem im Brief erwähnten Gespräch Webers mit Rickert diskutiert worden; Näheres dazu ist aus den diversen Korrespondenzen von Weber und Rickert nicht zu ermitteln.

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Paul Siebeck 8. Februar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 8/II 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! 1. Die Harms-Affäre1 erregt mich nicht im Geringsten mehr. Otto Baumgarten bleibt fest2 und die Herren lenken ein: Einer schrieb mir in einem sonst wenig freundlichen Brief: für ihn stehe ja fest, daß H[arms] objektiv zu Unrecht Sie bezichtigt habe.3 Auf das Gutachten komme ich später zurück.4 Es fehlt vor Allem der Nachweis: daß Sie nicht durch Das, was ich verhandelt habe, gebunden und berührt sind. Davon später. 2. Soziologentag. Ich corrigiere die „Debatten“.5 Der Vortrag meines Bruders ist derjenige vom „Begrüßungsabend“.6 Welche Manuskripte haben Sie sonst? 3. Was fehlt jetzt noch von den „Handbuch“-Manuskripten? Ich möchte diesen Herren gern persönlich schreiben[.] v. Wieser7 liefert Anfang Mai ab. Er sei jetzt fast fertig. 1 Zu Ursache und Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Bernhard Harms und Paul Siebeck sowie Max Weber vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, oben, S. 19 f. 2 Otto Baumgarten hatte am 30. Jan. 1913 in einem Brief an Harms (Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) jeden weiteren Kontakt zu diesem abgebrochen. 3 Vermutlich bezieht sich Weber auf ein Schreiben von Ferdinand Tönnies vom 5. Febr. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446); vgl. dazu den Brief an Tönnies vom 6. Febr. 1913, oben, S. 79, Anm. 4. 4 Gemeint ist das Gutachten von Paul Siebecks Rechtsanwalt, Ernst Kielmeyer, über den GdS bzw. die eventuellen finanziellen Ansprüche der Erben Gustav v. Schönbergs. Eine spätere Äußerung Webers zu dem Gutachten ist nicht nachgewiesen. 5 Es geht hierbei um die Drucklegung der Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentages; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 3. Jan. 1913, oben, S. 24, Anm. 10. 6 Alfred Weber hatte am sog. Begrüßungsabend des Zweiten Deutschen Soziologentages, dem 20. Oktober 1912, die Einleitungsrede gehalten. Diese ist erschienen unter dem Titel: Der soziologische Kulturbegriff, in: Verhandlungen 1912, S. 1 – 20. 7 Es handelt sich um Friedrich Freiherr v. Wiesers Handbuchbeitrag: Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, erschienen in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 125 – 444, sowie in 2. Aufl. in: GdS, Abt. I, Teil 2, ebd., 1924 (hinfort zitiert als: v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft).

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Ich bin eifrig an der Arbeit. Ich hoffe, der große Artikel: „Wirtschaft, Gesellschaft, Recht und Staat“ wird das systematisch Beste, was ich bisher geschrieben habe, grade weil ich ihn jetzt Bücher’s8 wegen umarbeiten mußte und noch bis Anfang Mai damit zu thun habe (länger nicht). Bücher’s „Leistung“ schickte ich an v. Wieser zur Kenntnisnahme, damit nichts kollidiert. Herzliche Grüße Ihr Max Weber

8 Gemeint ist der von Weber als unzureichend betrachtete GdS-Artikel: Bücher, Entwicklungsstufen. Vgl. MWG I/22 – 1, S. 22.

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11. Februar 1913

Georg von Lukács [11. Februar 1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 8 Das Datum beruht auf einer handschriftlichen Notiz Wolfgang J. Mommsens aus dem Jahre 1958: „Heidelberg Dienstag Poststempel 12.2.13 über Habilitation Lask soll berufen werden, strengstens vertraulich das erleichtert alles“. Die Datierung ist heute nicht mehr möglich, da aus dem beiliegenden Briefumschlag zu dem undatierten Brief in Fasz. 22 Briefmarke und Stempel herausgeschnitten worden sind. Da der von Weber angegebene „Dienstag“ der 11. Februar war, wird der Brief an diesem Tage geschrieben und einen Tag später in den Postverkehr gelangt sein. Der Brief steht in Zusammenhang mit dem geplanten, sich jedoch noch Jahre hinziehenden Habilitationsvorhaben von Georg von Lukács in der Philosophischen Fakultät Heidelberg; über dessen letztlich gescheitertes Habilitationsverfahren im Jahre 1918 vgl. den instruktiven Artikel von Gerhard Sauder, Von Formalitäten zur Politik: Georg Lukács’ Heidelberger Habilitationsversuch, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Heft 53/54, 1984, S. 79 – 107.

Heidelberg, Dienstag Telefon 1401 Sehr verehrter Herr Doktor! Seien Sie unbesorgt. Ich werde sehr allgemein fragen.1 Weshalb ich so lange gewartet habe, hat diesen Grund: es bestand die Erwartung, daß es vielleicht gelingen würde, Simmel hierher auf die 2te Stelle zu berufen, die seit Jahrzehnten vakant ist.2 Das ist jetzt erledigt, es wird nichts daraus. aDagegen beantragt soeben Windelband, Lask ein Extra-

a – a Vertikaler Randstrich und eigenhändige Randbemerkung Max Webers: Dies natürlich strengstens vertraulich gegen Jedermann! 1 D. h. die Sondierung in der Philosophischen Fakultät – speziell bei Wilhelm Windelband – über die möglichen Habilitationsaussichten für Georg von Lukács. 2 Zu dieser angeblichen Vakanz heißt es in einem späteren Erlaß des badischen Kultusministers Franz Böhm an den Engeren Senat der Universität Heidelberg vom 30. Juli 1913 (Abschrift masch.; UA Heidelberg, H-IV-102/140): „Gegenüber dem von der Philosophischen Fakultät erhobenen Anspruch auf ein zweites Ordinariat für Philosophie machen wir darauf aufmerksam, daß ein alter Anspruch der Philosophischen Fakultät auf dieses Ordinariat nicht besteht, da das zweite Ordinariat für Philosophie nach einer Pause von 26 Jahren erst 1903 wieder geschaffen worden ist.“

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ordinariat zub geben und das wird die Fakultät mitmachen.a 3 Damit ist so zu sagen ein (potentieller) Philosoph weniger hier und Das erleichtert Alles – vielleicht. Es steht fest, daß W[indelband] nichts thut ohne Lask zu fragen. Auch ich werde ihn fragen. Daß er nicht gegen Ihre Habilitation ist, versteht sich von selbst. Aber es ist fraglich, ob es selbst ihm gelingen kann, W[indelband], der sehr gealtert ist und den Grundsatz hat: „Quieta non movere“,4 in Bewegung zu setzen. Beste Empfehlung Ihr Max Weber

b 3 Tatsächlich hat die Philosophische Fakultät dem Vorschlag Wilhelm Windelbands wenig später zugestimmt und durch den Engeren Senat an das badische Kultusministerium weiterleiten lassen. Laut „Allerhöchster Ministerial-Entschließung“ vom 31. März 1913 wurde Emil Lask „mit Wirkung vom 1. April“ 1913 zum etatmäßigen a.o. Professor ernannt. 4 Bekannt wurde die Redewendung durch eine Ansprache Fürst Bismarcks, die er am 14. April 1891 in Friedrichsruh an den Vorstand der Konservativen Partei in Kiel richtete: „Es gibt ein altes, gutes politisches Sprichwort: Quieta non movere, das heißt, was ruhig liegt, nicht stören, und das ist echt konservativ: eine Gesetzgebung nicht mitmachen, die beunruhigt, wo das Bedürfnis einer Änderung nicht vorliegt“, sowie an anderer Stelle: „Meine Wünsche sind nicht gegen die jetzige Regierung gerichtet, ich möchte nur, daß sie den erwähnten lateinischen Spruch Quieta non movere beachtete als einen der obersten staatlichen Grundsätze“. Penzler, Johannes, Fürst Bismarck nach seiner Entlassung. – Leipzig: Walther Fiedler 1897f., Bd. 2, S.86 f.; hier zitiert nach: Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes, gesammelt und erläutert von Georg Büchmann, 26. Aufl., neu bearb. von Bogdan Krieger (3., unveränderter Nachdruck). – Berlin: Haude & Spenersche Buchhandlung 1920, S. 574. In positiver Form findet sich der Spruch in der Schrift von Sallust, De coniuratione Catilinae 21, 1: „[…] quieta movere magna merces videbatur“. Ebd., S. 574.

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17. Februar 1913

Paul Siebeck 17. Februar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief von Paul Siebeck vom 15. Februar 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Mitteilung, daß Edgar Jaffé bei ihm angefragt habe, ob Bedenken gegen die Publikation seines GdS-Beitrages über englisches Bankwesen in französischer Übersetzung in der Brüsseler Revue internationale d’économie politique [!] 1913 bestünden. Nachdem Jaffés Anfrage – nach Webers Stellungnahme (siehe unten) – von Paul Siebeck negativ beantwortet worden war, hat jener in seinem Brief an Siebeck vom 20. Februar 1913 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 349) sich insofern korrigiert, als es sich bei der geplanten Übersetzung nicht um Teile seines GdS-Beitrags, sondern um „Vorträge über die englische Kreditorganisation und die englische Arbeiterfrage“ handele, die im Rahmen einer Vorlesungsreihe in Berlin gehalten worden waren und die bei Duncker & Humblot veröffentlicht werden sollten. Der Inhalt decke sich zwar „ziemlich“ mit seinem GdS-Artikel, der Form nach seien sie „allerdings vollkommen verschieden“, so daß er sich nicht an die Bestimmungen des GdS-Verlagsvertrags gebunden fühle: „Für die Form, in welcher mein Aufsatz bei Duncker & Humblot erscheint, muß ich mir auch das Übersetzungsrecht in fremde Sprachen vorbehalten.“ Dem hat Weber in seinem Brief an Paul Siebeck vom 28. Februar 1913, unten, S. 101, widerwillig zugestimmt. Der Artikel über englische Kreditorganisation ist allerdings nicht erschienen. Dagegen hat Jaffé einen anderen Aufsatz in französischer Sprache veröffentlicht: Tentatives de réformes bancaires en Amérique, erschienen in: Revue économique internationale, Bd. 4, Nr. 2, S. 244 – 275.

Heidelberg 17/II 13 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck! Ich meine, man soll Jaffé schreiben: „wir alle beide fänden, daß dies Verlangen mit der Natur dieses Werkes in Widerspruch stehe und keinem Mitarbeiter conzediert werden könne.“ Auch ich finde es nicht erfreulich, daß dies begehrt wurde.1 Herzlichen Gruß! Max Weber

1 Paul Siebeck hatte sich in seinem Brief an Weber vom 15. Febr. 1913 (wie oben, Editorische Vorbemerkung) sehr ungehalten über Edgar Jaffés Verlangen geäußert: „Erst läßt Herr Professor Jaffé uns sehr lange auf den Beitrag warten und dann verhandelt er, noch bevor das Manuscript abgeliefert ist, über die Veröffentlichung eines Teils in einer ausländischen Zeitschrift: das will mir nicht recht herunter.“

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Ferdinand Tönnies 18. Februar 1913; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 13 – 14 Wie die vorhergehenden Briefe an Tönnies vom 29. und nach dem 30. Januar sowie die beiden vom 6. Februar 1913, oben, S. 67 – 72, 73, 78 – 80 und 81 f., stehen das hier abgedruckte Schriftstück und die folgenden vom 17. März und 22. April 1913, unten, S. 126 – 129 und 196 f., in Zusammenhang mit der Stellungnahme von Mitgliedern des Kieler sog. „Soziologischen Kränzchens“ zu der Duellaffäre Max Weber – Bernhard Harms, die aus der Auseinandersetzung zwischen Harms und Paul Siebeck bzw. Weber wegen der Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“ resultierte; zu Entstehung und Verlauf dieses Konfliktes vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f.

Heidelberg, den 18. 2. 13.

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Auf Herrn F[elix] Rachfahl verzichte ich gern, da ich ihn nicht leicht zugänglich für Äußerungen von meiner Seite halten kann – alter Spänea halber.1 Erklärungen eines Kartellträgers2 in einem Ehrenhandel, den ich für abgeschlossen erklärt hatte,3 konnte ich, nachdem ich mich a In Abschrift: Spähne 1 Webers Vorbehalte gegenüber Felix Rachfahl, dem Vertrauensmann von Bernhard Harms in der Duellangelegenheit, resultierten aus einer früheren literarischen Kontroverse im Anschluß an seine Aufsätze über „Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus“, erschienen in: AfSSp, Bd. 20, Heft 1, 1904, S. 1 – 54, sowie ebd., Bd. 21, Heft 1, 1905, S. 1 – 110 (MWG I/9). Die Auseinandersetzung hatte begonnen mit Rachfahls Aufsatzreihe: Kalvinismus und Kapitalismus, erschienen in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, Jg. 3, 1909, Sp. 1217 – 1238, 1249 – 1268, 1287 – 1300, 1319 – 1334 und 1347 – 1366. Webers Antwort: Antikritisches zum „Geist“ des Kapitalismus, erschien in: AfSSp, Bd. 30, Heft 1, 1910, S. 176 – 202 (MWG I/9). Die Fortsetzung des Streits erfolgte mit Rachfahls Replik: Nochmals Kalvinismus und Kapitalismus, veröffentlicht wiederum in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, Jg. 4, 1910, Sp. 689 – 702, 717 – 734, 755 – 768 und 775 – 794. Weber beendete diesen Disput mit seinem Beitrag: Antikritisches Schlußwort zum „Geist des Kapitalismus“, erschienen in: AfSSp, Bd. 31, Heft 2, 1910, S. 554 – 599 (MWG I/9). 2 D. h. der Überbringer einer Aufforderung zum Duell mit Waffen, in diesem konkreten Fall Felix Rachfahl. 3 Weber hatte sich geweigert, den Brief Rachfahls an seinen Vertrauensmann in der Duellangelegenheit, Fritz Keller, vom 4. Jan. 1913 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) zur Kenntnis zu nehmen – so laut Mitteilung Kellers an Rachfahl vom 5. Jan. 1913 (Nl. Bernhard Harms, ebd.). In dem Schreiben vom 4. Jan. 1913 hatte Rachfahl Weber schwere formelle Inkorrektheiten in Sachen der Duellangelegenheit vorgeworfen und als Remedur die Einsetzung eines Ehrengerichts gefordert.

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zumal soeben mit einem umfangreichen Schriftstück4 gegen den beleidigenden Brief des Herrn Harms5 gewendet hatte und weiter wendete, nicht noch nachträglich entgegennehmen und habe daher auch heute noch keinerlei Kenntnis von dem Inhalt seines damaligen Briefes an Rechtsanwalt Keller, sondern nur von dessen Existenz, die mich nichts mehr anging. Das verstand sich von selbst. – Nach Ihrem Brief scheint es, daß den Herren[,] welche die Erklärung[,] ohne mich persönlich gehört zu haben b, abgaben,b – und ich gebe nicht gern alles was ich zu sagen hätte zu Papier, wenn ich nicht muß – ein persönliches Zusammentreffen mit mir eine Last ist.6 Ich wundere mich darüber an sich nicht, denn in der Tat ging die Herren ja der Streit, den Herr Harms vor dies Forum zog, garnichts an. Nur hätten sie auch dann nicht eingreifen dürfen in einer eben doch sehr parteiisch wirkenden und von mir – bei aller Selbstverständlichkeit der optima fides – als Unrecht empfundenen Art. Ich meinerseits wünsche nichts anderes, als eine Quittung über mein Angebot. Scheint es den Herren nicht nützlich oder nicht geboten oder ist es ihnen eine Last – was ich wie gesagt begreife – so bitte ich das deutlich zu sagen. Ich legte im Interesse des Verlags und aus anderen Gründen Gewicht auf meinen Vorschlag. Aber an sich ist mir diese Reise auch kein Bedürfnis oder Vergnügen. In bekannter Wertschätzung. Max Weber

b Fehlt in Abschrift; , abgaben, sinngemäß ergänzt. 4 Gemeint ist der Schriftsatz an das „Soziologische Kränzchen“ vom 4. Jan. 1913, oben, S. 25 – 41. 5 Brief von Bernhard Harms an Otto Baumgarten vom 18. Dez. 1912 (Abschrift masch.; Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz). 6 Gemeint ist die von Weber angeregte Aussprache mit Vertretern von Harms in Hannover, die jedoch nicht stattgefunden hat; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 4. Febr. 1913, oben, S. 77, Anm. 6.

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Edgar Jaffé 22. Februar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz

Heidelberg 22/II 13 Lieber Jaffé, –

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geht M[ichels] auf diesen Vertrag1 ein, – um so besser für Sie. Aber er wird doch „Vetorecht“ verlangen in der Art, wie es (formell) auch für uns Andre noch besteht. Das schiene mir eventuell ungefährlich, falls § 4 nur bestehen bleibt. Nach Mitteilung an Sie und wenn Sie nicht widersprechen, muß er wohl eventuell auch das Recht eines Engagements eines Beitrags haben.2 Collegiale Empfehlungen und Grüße! Ihr Max Weber

1 Es geht hierbei um den Vertrag mit Robert Michels als Mitherausgeber des AfSSp. Weder dieser noch die Herausgeberverträge Jaffés mit Werner Sombart und Max Weber sind überliefert. 2 Gemeint ist Michels’ Recht, die Aufnahme eigener oder fremder Beiträge in das AfSSp vorzuschlagen.

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Paul Siebeck 22. Februar 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 22/2 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! 1. D[eutsche] Ges[ellschaft] f[ür] Soziologie Ich bitte Sie, den Verlagsvertrag1 an Dr Beck zu schicken: 500 M Honorar, wie Sie vorschlugen,2 sonst wie früher. Das Stenogramm korrigiere ich. Es ist unvollständig. 2. Ich sprach Otto Baumgarten vorgestern hier[.]3 Die Sache in Kiel ist wohl erledigt. Selbst Harms erklärt, seine früheren Vorwürfe nicht mehr zu verbreiten. Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber

1 Es geht hierbei um den Verlagsvertrag über die Publikation der DGS: Verhandlungen 1912. Dieser wurde laut Begleitschreiben von Paul Siebeck am 28. Febr. 1913 (VA Mohr/Siebeck Tübingen, Nr. 346) dem DGS-Vorstand zur Unterzeichnung zugeschickt. Der Vertrag selbst ist nicht nachgewiesen. 2 Vgl. dazu den Brief an Siebeck vom 7. Jan. 1913, oben, S. 42, Anm. 2. 3 Otto Baumgarten hatte Max Weber auf der Rückreise von Stuttgart getroffen, wo er seinen schwerkranken Bruder, Fritz Baumgarten, besucht hatte.

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Teilnehmer der Leipziger Besprechung 22. Februar 1913; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen Max Webers SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.60 Das Rundschreiben steht in Zusammenhang mit der Planung und Vorbereitung einer Sozialpolitischen Kundgebung, die zunächst Ende Dezember 1912 in Frankfurt a.M. hätte stattfinden sollen und deren neuer, auf März 1913 anberaumter Termin – wie sich aus dem Rundschreiben ergibt – auf unüberwindliche Hindernisse stieß und auf ungewisse Zeit vertagt wurde; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Lujo Brentano, nach dem 26. August 1912 (MWG II/7, S. 645 f.). Ziel dieser Veranstaltung sollte die öffentliche Demonstration linksstehender bürgerlicher Kreise für die Fortführung, besser: Reaktivierung fortschrittlicher Sozialpolitik sein, da die staatliche Sozialpolitik in den letzten Jahren zum Stillstand gekommen war. Zur Vorbereitung dieser Kundgebung hatte am 19. Oktober 1912 eine Konferenz in Leipzig stattgefunden, an der neben Max und Alfred Weber noch Lujo Brentano, zeitweise auch Karl Bücher, sowie Robert Drill, Edgar Jaffé, Gerhard Keßler, Ferdinand Tönnies, Otto v. ZwiedineckSüdenhorst, Theodor Vogelstein und Robert Wilbrandt teilgenommen hatten. Bei der Besprechung war eine Kommission, bestehend aus Karl Bücher, Max Weber und Robert Drill, eingesetzt worden, die sich der Vorbereitung der geplanten Sozialpolitischen Demonstration widmen sollte. Jedoch war schon in Leipzig ein dunkler Schatten auf den weiteren Fortgang dieser Bemühungen gefallen, da sich Weber und Lujo Brentano wegen der Frage nach Hinzuziehung von Sozialdemokraten zu der projektierten Kundgebung zerstritten hatten, was zum Bruch zwischen den beiden führte, der bis zu Webers Übersiedlung nach München im Jahre 1919 andauerte. Ungeachtet der Initiative Webers ist die Sozialpolitische Kundgebung nicht zustande gekommen. Der hier abgedruckte Rundbrief liegt uns in zwei verschiedenen maschinenschriftlichen Exemplaren vor, nämlich in einer von Max Weber eigenhändig korrigierten Fassung vom 21. sowie einer Ausfertigung vom 22. Februar 1913. Die eigenhändigen Korrekturen und sonstigen Varianten werden im folgenden mit den Siglen A und B annotiert. Zugrunde gelegt wird die Ausfertigung vom 22. Februar 1913 (B); die von Weber korrigierte Vorlage (A) findet sich in: GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 15 – 17.

Heidelberg, den a22. Februara 1913. An die Herren Teilnehmer der Leipziger Besprechung. Sehr geehrte Herren!

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Der Abhaltung der Versammlung zu Anfang März haben sich leider unübersteigliche Hindernisse in den Weg gestellt. In der dann zunächst in Betracht kommenden Osterwoche ist ein Teil der Teilnehmer sicher nicht zur Verfügung. In den Pfingstferien finden die preußischen Ur-

a A: 21. Febr.

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wahlen statt1 und Herr Dr. Naumann schreibt mir, daß auch an Sonnabend und Sonntag nach Pfingsten noch unausgesetzte politische Arbeit alle Politiker an der Teilnahme hindern würde. Darnach wird eine Verschiebung bis auf zwei gelegene Tage nach Erledigung jener Wahlen unvermeidlich sein. Es fehlen bisher auch noch alle und jede Thesen von irgend einem Teilnehmer, was schon allein abermalige Korrespondenz und also die Verschiebung notwendig macht. Herr Prof.b von cSchulze-Gävernitzc hat für sich die Aufstellung von Thesen abgelehnt. Es steht zu hoffen, daß er die Frage noch einmal in Erwägung zieht, denn ohne speziellere Meinungsäußerung wenigstens von einigen hervorragenderen Seiten diskutieren wir ins blaue. Herr Dr. Naumann hat Thesen zugesagt, aber noch nicht formuliert. Seinen Namen hat Herr Prof. Eulenburg zur Verfügung gestellt2 und es darf wohld auf sein Kommen gehofft werden. Herr Prof. Plenge hat für jetzt abgelehnt.3 Die Korrespondenz mit Herrn Prof. Dietzel4 über seine Teilnahme ergab vorläufig ein negatives Resultat. Er fürchtet, meines Erachtens mit Unrecht, eine Schädigung des Vereins für Sozialpolitik und evt. eine Gegenorganisation. Auch insbesondere diese letztere Befürchtung kann ich nicht teilen. Eine mündliche Aussprache hat Herr Prof. Dietzel als möglicherweise zu bewerkstelligen mir in Aussicht gestellt. Die persönlichen Korrespondenzen werden fortgesetzt. Bezüglich der Zuziehung von Gewerkschaftsvertretern ist meine persönliche Ansicht nach wie vor die: daß sie im Augenblick noch nicht ratsam ist. Und zwar gerade deshalb, weil ganz unzweideutige Symptome für ein wachsendes Anschlußbedürfnis von jener Seite vorhanden sind. Im gegenwärtigen Moment wird, wie ich nach immer wiederholter Überlegung glauben möchte, dieses Bedürfnis weit besser gepflegt durch individuelle Fühlungnahme, z. B. durch Übernahme von

b A: Professor

c A, B: Schulze Gävernitz

d A: wol

1 Die Urwahlen zum preußischen Haus der Abgeordneten, d. h. die Wahl der Urwähler gemäß den Bestimmungen des preußischen Dreiklassenwahlrechts, fanden am 16. Mai 1913 statt. 2 Brief von Franz Eulenburg an Max Weber vom 8. Dez. 1912 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 3 Brief von Johann Plenge an Max Weber vom 15. Dez. 1912 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge). 4 Korrespondenzen Webers mit Heinrich Dietzel sind nicht nachgewiesen.

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Vorträgen, wie dies nach seiner Mitteilung Prof.e Alfred Weber auf Aufforderung von Gewerkschaftsbeamten gerade über die uns interessierenden Punkte zu tun beabsichtigt. Eine Versammlung, auf welcher die Gewerkschaftsbeamten vorläufig das Gefühl sicherf nicht loswerden würden, sich hüten zu müssen, um nicht die eigene Partei zu kompromittiereng, zu verraten oder mißtrauischh zu machen, wäre nach meiner persönlichen Meinung ein zu frühes Eskomptieren5 möglicher Zukunftschancen. Auch für das Bestehen intensiven Mißtrauens schon jenen jetzt vorhandenen Symptomen von Anschlußbedürfnis gegenüber innerhalb der sozialdemokratischen Partei bestehen ganz unzweideutige Kennzeichen. Eine etwaige Reichstagsauflösung vollends würde jeden vorher gemachten Versuch zu nichte machen und die spätere Anknüpfung sehr erschweren. Natürlich würde ich i, wie wir alle,i unsk anderen Ansichten, falls sie bei den Herren überwiegen sollten, sofort fügen. Jedenfalls aber muß die Versammlung noch besser vorbereitet sein, ehe die Einladungen an den weiteren Kreis ergehen. Alle Herren werden daher erneut um die Aufstellung von Thesen gebeten. Die Bitte des Herrn Prof.l Wilbrandtm an Herrn Geheimerat Brentano, an der Versammlung teilzunehmen,6 hat dieser in freundlicher Form abgelehnt. Ich werde Anfang Mai den Herren abermals Vorschläge für den Termin der Versammlung machen, ebenso dann die Liste der bis jetzt zur Einladung vorgeschlagenen nochmals vorlegen, von der ich bemerke, daß ihre Ergänzung durch Vorschläge geeigneter Praktiker, Zeitschriftenherausgeber und Zeitungsredakteure,n sozialpolitisch interessierter Rechtsanwälte und ähnlicher Herren nach wie vor sehr wünschenswert wäre. Freilich möchte ich mir die Bemerkung gestatten, daß die Einladung oso weito rechtsstehender Herren wie des Herrn

e A: Professor f A: sicherlich g A: komprommitieren h A: mißtrauig > mißl A: Professor m A: trauisch i A: Kommata eigenhändig. k A: und > uns Wilbrandts > Wilbrandt n A: Zeitungsredakteuren > Zeitungsredakteure, o A, B: soweit

5 Dasselbe wie „diskontieren“, d. h. insbesondere Wechsel vor der Verfallzeit gegen Abzug kaufen. 6 Brief von Robert Wilbrandt an Lujo Brentano vom 31. Dez. 1912 (BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 65).

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von Berlepsch,7 den ich gewiß ebenso hoch schätze, wie derjenige Herr, welcher ihn vorschlug,8 doch wohl jedep Einheitlichkeit unmöglich machen würde. Der genannte Herr und die ganze mit ihm verbundene Gruppe9 arbeiten in höchst verdienstlicher Art in einem vermittelnden und spezifisch gemäßigten Sinn. Ich möchte glauben, daß sie eher zu einer noch energischeren sozialpolitischen Stellungnahme angeregt werden würden, wenn links von ihnen eine Gruppe, von der sie wissen, daß sie ihnen nicht gegnerisch und erst recht nicht mit Konkurrenzabsichten gegenübersteht, sich bildet. Und am allerwenigsten möchte ich glauben, daß sie, wie der erwähnte Herr befürchtet, eine Nichteinladung als Kränkung empfinden könnten.q Ein solches Mißverständnis würde sich übrigens wohl sehr leicht aus dem Wege räumen lassen. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst rMax Weber r

p A: jeder > jede

q A: könnte. > könnten.

r A, B: Unterzeichnung eigenhändig.

7 D. h. der ehemalige preußische Handelsminister Hans Hermann Frhr. v. Berlepsch, der den Anstoß zu den kaiserlichen sozialpolitischen Erlassen von 1890 gegeben hatte. 8 Gemeint ist Ernst Francke; vgl. dazu die folgende Anmerkung. 9 Gemeint ist die von Ernst Francke geleitete „Gesellschaft für soziale Reform“.

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Friedrich Blanck 28. Februar PSt 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446 Das Jahresdatum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag sowie dem Briefinhalt erschlossen. Der folgende Brief bildet den Schlußpunkt im Konflikt Max Webers mit Adolf Koch. Weber hatte Koch in seinem umfangreichen Schreiben vom 25. Januar 1912 (MWG II/7, S. 395 – 406) neben der Anschuldigung, einen Artikel von Ernst Traumann plagiiert zu haben, im besonderen vorgeworfen, ein Gerücht über eine angebliche Duellabsage Webers durch einen journalistischen Mittelsmann, nämlich Otto Bandmann, in die Presse lanciert zu haben. Dieses Schreiben hatte Weber auch der Heidelberger Philosophischen Fakultät zukommen lassen (Brief an die Fakultät vom 25. Januar 1912; MWG II/7, S. 407f.). Diese leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren gegen Adolf Koch ein, das jedoch für die Zeit des Privatklageverfahrens Koch contra Weber ausgesetzt wurde. Am 25. Oktober 1912, nach der bedingungslosen Klagerücknahme Kochs, wurde die Disziplinaruntersuchung gegen ihn wieder aufgenommen, die damit endete, daß ihm durch Ministerialerlaß vom 28. Februar 1913 die Venia legendi entzogen wurde. Ausschlaggebend dafür war weniger das Verhalten Kochs gegenüber Weber gewesen, das lediglich als unkollegial gerügt wurde, als vielmehr der Tatbestand des Plagiats, was um so schwerer wog, als Kochs Lehrtätigkeit in erster Linie der akademischen Ausbildung künftiger Journalisten galt. Zu den Ursachen und zum Verlauf der Kontroverse Weber – Koch vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an die Redaktion der Dresdner Neuesten Nachrichten vom 11. Januar 1911 (MWG II/7, S. 31f.).

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Das Dekret über die Remotion Koch’s liegt dem Minister1 zur Unterzeichnung vor. Es stützt sich wesentlich auf den Fall Traumann, auf die andre Sache nur daneben – was mir angenehm ist. Es hatte sich nachträglich ergeben, daß Dr Bandmann2 schon einmal aus § 1863 verurteilt worden war, was wir nicht wußten.4 1 Gemeint ist der badische Kultusminister Franz Böhm. 2 Otto Bandmann hatte im Prozeß Adolf Koch – Max Weber als Zeuge ausgesagt, daß Koch ihn dazu veranlaßt habe, die Nachricht über eine (angebliche) Duellabsage Webers journalistisch zu verwerten. Dies war von Koch im Prozeß bestritten worden, demzufolge seine Äußerungen über Webers angebliche Duellablehnung eher beiläufig in einem Privatgespräch mit Bandmann gefallen seien. 3 § 186 StGB [Beleidigung]: „Wer in Beziehung auf einen Anderen eine Thatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Thatsache erweislich wahr ist, wegen Beleidigung mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn die Beleidigung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen ist, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.“ 4 Otto Schoch, der Anwalt von Koch, hatte in seinem Schriftsatz für das Großherzogli-

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Ich hätte gern gesehen, dem Mann wäre das erspart und er wäre von selbst gegangen. Sein Anwalt bot dem Rektor :(v. Lilienthal) in aller Form: an: er wolle zum Herbst „aus Gesundheitsgründen“ gehen. Der Rektor verlangte: daß :ihm: das Gesuch um Entlassung sofort zur :Beförderung: vorgelegt werde und stellte für diesen Fall Vertagung der Beratung der Sache durch den Senat in Aussicht. Aber das wollte er nicht. Nun ist die Entlassung sicher und dann kommt sicher die vorbereitete „Broschüre“5 und allerhand ekelhafte Erörterungen. „Wer Pech anfaßt …“ 6 Bitte für jetzt: „silentium“[.] Ihr aufrichtig ergebenster Max Weber

che Ministerium des Kultus und Unterrichts vom 19. Dez. 1912 (GLA Karlsruhe, 235/ 2195, S. 623 – 689) Otto Bandmann als „Sensationsjournalisten“ charakterisiert und dabei, was bislang nicht bekannt war, auf einen „Sensationsartikel“ vom 2. März 1912 in den Dresdner Neuesten Nachrichten hingewiesen, aufgrund dessen gegen Bandmann eine Geldstrafe von 100 Mk wegen öffentlicher Beleidigung verhängt worden war. Die Verurteilung fand im August 1912 statt; Schoch verwies als Beleg insbesondere auf eine entsprechende Notiz in der Handelszeitung der Leipziger Neuesten Nachrichten vom 27. August 1912, 5. Beilage, Nr. 238. Ebd., S. 677. Im ministeriellen Konzept vom 24. Dez. 1912 für das Begleitschreiben zu dem an den Engeren Senat weiterzuleitenden Schriftsatz Schochs findet sich ausdrücklich der von Victor Schwoerer, dem Dezernenten für das Hochschulwesen, stammende Zusatz: „Die uns bisher nicht bekannt gewesene [...] Tatsache, daß Dr. Bandmann wegen Beleidigung zu einer weiteren Geldstrafe verurteilt ist, bestätigt, daß sein Zeugnis mit besonderer Vorsicht aufzunehmen ist.“ Ebd., S. 713. 5 Die Befürchtung Webers wurde nicht bestätigt: eine entsprechende Broschüre Adolf Kochs ist nicht erschienen. 6 „Wer Pech angreift, besudelt sich“. Sir 13,1.

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1. Ich habe an die meisten der noch rückständigen Herren wegen des Handbuchs geschrieben[.] 2. Von Kiel habe ich nichts mehr gehört.1 Ich glaube nicht, daß dort noch Jemand etwas Übles von Ihnen denkt, Otto Baumgarten ist jetzt sehr fest und klar geblieben.2 Ich schreibe den Herren dieser Tage noch einmal einen (letzten) energischen und höflichen Brief.3 3. Jaffé. Ja, – gegen diese Übersetzung ist ja nichts zu machen.4 Man kann ihm nur schreiben: „wir setzten als selbstverständlich voraus, daß die beiden Darstellungen sich dem Wesen nach von einander unterscheiden würden, da dies doch seinen Vertragspflichten entspreche.“ – Viel Freude habe ich an dem Verhalten nicht, muß ich unter uns sagen, aber formell wird wohl nichts zu machen sein. Ich schreibe Jaffé auch noch persönlich in einigen Tagen.5 4. Das Stenogramm des Soziologentages6 hat Dr Beck zur Durchsicht durch den Vorstand eingefordert. Ich habe es druckreif gemacht und die Stellen angegeben, wo die Vorträge einzuschieben sind. Es fehlt dann nur noch die Inhaltsübersicht (nebst Rednerliste). Die kann ja noch etwas warten, bis zuletzt.

1 Zum Konflikt von Bernhard Harms mit Paul Siebeck sowie Max Weber vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, oben, S. 19 f. 2 Otto Baumgarten hatte am 30. Jan. 1913 in einem Brief an Harms (Nl. Bernhard Harms, Privatbesitz) jeden weiteren Kontakt mit diesem für unmöglich erklärt. 3 Ein entsprechender Brief ist nicht nachgewiesen. Möglicherweise handelt es sich um das dem Brief Webers an Ferdinand Tönnies vom 17. März 1913, unten, S. 126, beigegebene, nicht überlieferte Schreiben. 4 Zur Frage der französischen Übersetzung von Edgar Jaffés GdS-Artikel über englisches Bankwesen bzw. einer ähnlichen Publikation aus diesem Bereich vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 17. Febr. 1913, oben, S. 90. 5 Der entsprechende Brief an Edgar Jaffé ist nicht nachgewiesen. 6 Dies betrifft die DGS-Publikation: Verhandlungen 1912.

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5. Würden Sie dem Gedanken eines Verlagsvertrages über die Presse-Enquête7 wieder näher treten? Bisher hatte ich mit Herrn Dr Oskar Siebeck nur Pourparlers gepflogen und einen Brief ausgetauscht.8 Könnten Sie einen ausgearbeiteten Vorschlag machen?9 Mit herzlichstena Grüßen Ihr stets ergebenster Max Weber

a Ineinander geschriebene Korrektur: [vorzüglichsten] > herzlichsten 7 Weber war in den Jahren 1909/10 der entscheidende Initiator der Presse-Enquete der DGS gewesen, die er nicht nur durch detaillierte Arbeitspläne und konkrete Arbeitsvorhaben – z. B. den Vorbericht über eine vorgeschlagene Erhebung über die Soziologie des Zeitungswesens (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.08; MWG I/13) –, sondern auch durch die Beschaffung der dafür nötigen Geldmittel auf sichere Grundlagen zu stellen suchte; zum letzteren vgl. etwa seinen Brief an Wilhelm Windelband vom 9. Mai 1910 (MWG II/6, S. 501 – 504). Auf sein Betreiben hatte sich am 6. März 1911 in Heidelberg der DGS-Ausschuß über die Soziologie der Presse konstituiert, dessen Vorsitzender Eberhard Gothein wurde. Weber hatte aber seine Tätigkeit an diesem Unternehmen in den Jahren 1911/12 wegen seiner Prozesse mit Pressevertretern, die z.T. das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten bzw. das Redaktionsgeheimnis tangierten, ruhen lassen. Vgl. dazu Webers Stellungnahme in seinem Rechenschaftsbericht, erstattet auf dem Zweiten Deutschen Soziologentag, abgedruckt in: Verhandlungen 1912, S. 76 – 78. Zwar sind die von Weber und Gothein geförderten Einzelstudien zum größten Teil auch erschienen, jedoch nicht im Rahmen der DGS, sondern als Separatveröffentlichungen. Es hat zwar noch Versuche gegeben, das DGS-Projekt weiterzuführen, letztlich ist es dazu jedoch nicht gekommen. Vgl. die Briefe an den Vorstand der DGS vom 5. Dez. 1913, unten, S. 421f., an Hermann Beck vom 17. und 20. Jan. 1914, unten, S. 470 f. und 474 f., sowie das Schreiben an Werner Sombart vom 20. Jan. 1914, unten, S. 476. 8 Ein entsprechender Brief Webers an Oskar Siebeck ist im VA Mohr/Siebeck, Tübingen, nicht nachgewiesen. Möglicherweise handelt es sich hier um eine Gedächtnistäuschung Webers. Er hatte nämlich in einem Brief an Oskar Siebeck, vor dem 11. Jan. 1911 (MWG II/7, S. 28), anläßlich der Erörterung einer eventuellen Verlagsübernahme von DGS-Veröffentlichungen ausdrücklich festgestellt, daß außer über den Druck der Soziologentagsverhandlungen über „weitere Publikationen [...] jetzt kein Vertrag geschlossen werden“ könne. 9 In seiner Antwort vom 1. März 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) machte Paul Siebeck den Vorschlag, ihm zunächst eine Übersicht über den voraussichtlichen Gesamtumfang der Publikationen zur Presse-Enquete zugänglich zu machen, ehe er einen ausgearbeiteten Vertrag vorlegen könne. Eine Auflistung der im Gang befindlichen bzw. fast vollendeten Arbeiten sowie Angaben zu deren ungefährem Umfang finden sich in dem Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, unten, S. 226 f. Ein Verlagsvertrag ist indessen nicht zustande gekommen.

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Else Baumgarten 1. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Kondolenzbrief Max Webers an die Witwe seines Vetters Fritz Baumgarten, der am 26. Februar 1913 im 57. Lebensjahr an den Folgen einer Schilddrüsenoperation gestorben war.

Heidelberg 1/III 13 Meine liebe Else, –

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es ist nicht so ganz leicht in Worte zu fassen, was ich sagen möchte. Das teure Leben, was da so unerwartet zu Ende ging, war seit langem ein sehr schweres Leben; das weiß ich nach allen Erzählungen und Nachrichten, die indirekt von Euch zu uns gelangten. Der operative Eingriff, der vielleicht – ich weiß das ja noch gar nicht –, mit einer Reihe unglücklicher Zufälle verknüpft, mit dazu beigetragen hat, es abzukürzen, mußte ja – das wißt Ihr selbst gut – gemacht werden, denn sonst wäre nach allen Erfahrungen der Zustand bald unerträglich und nicht mehr lebenswerth geworden selbst für diese seelisch und körperlich mit so mächtiger Kraft ausgestattete wunderbare Natur. Aber natürlich: man hadert mit dem Geschick doch – wenigstens mein Empfinden – daß es, nach dem schweren Ereignis des vorigen Sommers,1 nicht ihm und Euch Allen eine Zeit schöner, voller Freude an dem neuen Amt2 vergönnt hat, ehe es seinen Lauf nahm. Er hätte, mit seinem Leben voll Mühe und Arbeit und vieler Sorge, darauf gerechteren Anspruch gehabt als wohl irgend ein Mensch, an den ich jetzt denken könnte. Indessen – lassen wir diese Gedanken jetzt und gedenken in tiefer Dankbarkeit des Toten. In einer Zeit, wo ich am allerunreifsten und unausgeglichensten, als das richtige frühreife und vorwitzige Großstadtkind in die entscheidenden Jugendjahre trat,3 ist er mir in Berlin zuerst im Elternhaus mit

1 Am 12. August 1912 war der 16jährige Sohn von Else und Fritz Baumgarten, Otto Baumgarten, in der Ostsee ertrunken. Max Weber kondolierte im Brief vom 7. September 1912 an Fritz Baumgarten. Vgl. MWG II/7, S. 654 f. 2 Seit 1912 war Fritz Baumgarten Direktor des Gymnasiums in Donaueschingen. 3 Gemeint ist das Jahr 1878, als Max Weber 14 Jahre alt wurde. Fritz Baumgarten studierte damals in Berlin Altphilologie und Geschichte.

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1. März 1913

seiner überwältigenden inneren Sicherheit, Freiheit, Offenheit und Liebe entgegengetreten. Ich habe ihm nachher noch Briefe4 – unglaublich unreife und törichte, das weiß ich noch, voll Blasiertheit und Wichtigthuerei – geschrieben, die er mit stets gleicher Geduld beantwortet hat. Rein äußerlich betrachtet, war er sicher sehr unzufrieden mit seinem Einflußa auf mich und dessen Erfolg. Denn ein junger Mensch, der in der Großstadt aufwächst, kennt Alles Andre, nur nicht: Ehrfurcht vor der überlegenen Erfahrung und Sicherheit des Erwachsenen und Vertrauen zu ihm. Aber in Wahrheit ist der Eindruck doch sehr stark und nachwirkend gewesen, wie ich heute noch fühle. Nur hatte ich damals noch kein Verständnis für die Bedeutung der scheinbaren „Einfachheit“ seines so fest geschlossenen und dabei so bescheidnen Wesens. Ich habe ihn dann in Straßburg5 kurz, dauernd aber erst in Freiburg6 wiedergesehen. Du weißt selbst am besten, liebe Else, mit welcher Überfülle unverdienter Liebe und Güte Ihr beide uns überschüttet habt, die für alle Zeit unvergessen bleibt. Davon brauche ich nicht zu sprechen. Aber von ihm möchte ich sagen: es ist mir kein Mensch, den ich kenne oder kannte, bekannt, der so wie er derselbe geblieben ist von seinen Studentenjahren in Berlin bis in die letzte Zeit, in der ich ihn überhaupt sah. Für mich ist zwischen dem Mann der 70er Jahre und dem der 90er und dann der spätern Zeit kein Unterschied. Er hat sein inneres Lebenb unermeßlich bereichert durch immer neue aufgenommene Inhalte und durch immer weitere Ausdehnung seines Wirkungskreises,7 – aber an ihm und seinem Wesen ging das Alles vorüber, ohne es zu ändern[,] und erst die schweren physischen Leiden der letzten Jahre a

b Wesen > Leben

4 Briefe Max Webers an Fritz Baumgarten aus der Zeit von September 1878 bis Dezember 1879 sind veröffentlicht in: Weber, Max, Jugendbriefe. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) [1936] (MWG II/1). 5 In Straßburg leistete Max Weber von 1883 bis 1884 als einjährig Freiwilliger seine Militärpflicht. In dieser Zeit hatte er engen Kontakt zur Familie Hermann Baumgartens, des Vaters von Fritz Baumgarten. 6 In Freiburg lebte Max Weber von 1894 bis 1896, Fritz Baumgarten lehrte seit 1893 am dortigen Bertholds-Gymnasium. 7 Fritz Baumgarten hatte archäologische und kunsthistorische Interessen, habilitierte sich 1903 und wurde 1911 neben seinem Lehramt am Gymnasium für Altphilologie, Geschichte und Geographie ordentlicher Honorarprofessor an der Universität Freiburg für Kunstgeschichte und Archäologie.

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machten ihn – wie man mir sagt – zu einem oft müden Mann. Ich kenne ihn als solchen nicht, und die menschlich schöne schlichte und große Art, wie er und Ihr das Leid des vorigen Sommers8 getragen habt, läßt mich wissen: auch das war eben nur Folge äußerer Umstände und innerlich war er ganz und gar der alte Mensch. Mit der dauernden Nachwirkung der großen tiefen Reinheit, die seine eigne Jugend und seine Lebensführung :grade: in den sonstc gefährdetsten Jahren auszeichnete und mit seinem immer jung gebliebenen Herzen, hat er in seinem Beruf den Sinn für Reinheit und Schlichtheit in sicher zahllose Herzen seiner Schüler gepflanzt. Es war sicher Niemandem möglich, seinem offenen, ruhigen und warmen Auge gegenüber falsche Posen und gespreizten Hochmuth zu bewahren; es ist sicher alles Echte und Grade in den jungen Menschen, mit denen er zusammentraf, im Schulraum oder in der Universität, geweckt worden[,] und es freut mich, auch in den öffentlichen Blättern9 von solchen, die unter seinem Einfluß gestanden haben, das Bekenntnis abgelegt zu sehen: was er ihnen bedeutet hat. Trotz einer herben und nüchternen, ganz illusionsfreien Ansicht vom Leben hat er sich stets died deutsche Innigkeit bewahrt: mit Freude und Rührung denke ich an die Erzählung, die er mir, vor nun so vielen Jahren, von Eurer Verlobung gab und, Du weißt ja, so ist es zwischen Euch geblieben. Wie Viele können sich dessen getrösten, daß auch hier einmal das Leben :und der „Alltag“: eine schöne große Liebe nicht klein zu machen vermocht haben. Das wird auch Dir, in Deinem großen Schmerz, für alle Zeit ein unverlierbar schönes sicheres Wissen bleiben. Er war vielleicht zu bescheiden, vielleicht zu wenig gewappneten :und gehärteten: Herzens manchem gegenüber, was das Leben bringt, deshalb war es vielleicht für ihn zuweilen schwer. Aber wenn man von der allerletzten Zeit quälenden Leidens absieht, – wie schön und einheitlich und werthvoll war Das, was Du – in aller vielen gemeinsamen Sorge, Schmerz und Mühsal – mit ihm geteilt hast! Sei unserer herzli-

c

d

8 Vgl. Anm. 1. 9 Vgl. die Todesanzeige und die Nachrufe im Donaueschinger Tageblatt vom 27. und 28. Febr. sowie vom 3. März 1913 und in der Freiburger Zeitung, Jg. 130, Nr. 57 vom 27. Februar 1913, Ab.Bl., S. 2. Die Akademischen Mitteilungen, Organ für die gesamten Interessen der Studentenschaft an der Albert Ludwigs-Universität in Freiburg i.Br. brachten am 6. Mai 1913 einen ausführlichen Nachruf.

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chen Liebe versichert und laß Dir in treuem Gedenken an Deinen Todten die Hand drücken. Dein Vetter Max Weber

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Georg von Lukács 6. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 10 – 11

Hbg 6. III. 13 Sehr geehrter Herr Dr v. Lukácsa!

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Der Überbringer dieses, Mr Gaston Riou, vom „Figaro“, Paris, Verfasser eines von Faguet eingeleiteten Buches über „Aux écoutes de la France à venir“1 und liiert mit den Leuten der „jeune-France“,2 Protestant, ist von seiner Zeitung nach Deutschland geschickt um eine ähnliche Arbeit über Deutschland zu schreiben, die wesentlich „Interviews“ abdrucken soll.3 Ihn interessieren die z. Z. schwebenden religiösen und religionsartigen Strömungen besonders. Ich habe noch nie mich „interviewen“ lassen, muß aber sagen, daß dieser sehr angenehme und aufmerksame Herr, den zu empfangen mir Tröltsch dringend empfahl (er ist auch bei Windelband, Wichert u. noch Andren gewesen), eine Ausnahme verdient: trotz meines haarsträubenden Französisch war die Unterhaltung wirklich angenehm. Nachdem ich ihm einiges Wenige, in meiner Beleuchtung gesagt hatte, war er darauf capriziert, Sie zu sehen – zufällig nannte ich Ihren Namen als einen der Typen deutschen „Eschatologismus“ u. als Gegenpol Stefan George’s. Ich halte es für möglich, daß es Ihnen nicht zu lästig fällt, ihm eine Stunde Unterhaltung zu schenken. Vor Allem um ihm zu sagen: welche jungen „Litteraten“ es sich lohnt in Deutschland aufzusuchen (man muß da ja etwas weitherzig sein, er muß auch den Durchschnitt sehen)b. Sie können ja, wenn Sie wollen, hindern, daß Ihr Name in diese Publikation kommt und Sich so

a O: Lukacz

b Klammer fehlt in O.

1 Riou, Gaston, Aux écoutes de la France qui vient. Avec une préface d’Emile Faguet. – Paris: Bernard Grasset 1913. 2 Die republikanisch-protestantische Gruppe, die sich nach dem Vorbild „Junges Deutschland“ „Jeune-France“ nannte, propagierte die internationale Kulturmission Frankreichs aus dem Geist des Protestantismus als der Quelle des neuzeitlichen Individualismus, eines Individualismus, der in der Revolution von 1789, so deren und Rious Auffassung, nur teilweise verwirklicht worden war. 3 Das Buch Rious bzw. der Abdruck der Gespräche ist nicht erschienen; zu Riou vgl. auch den Brief an Karl Wolfskehl vom 9. März 1913, unten, S. 115.

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reservieren, wie Sie wollen. Indessen, – warum? Ich entgehe natürlich dem Schicksal nicht, genannt zu werden. Mit bester Empfehlung, auf baldiges Wiedersehen Ihr ergebenster Max Weber

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Alwine (Wina) Müller 6. März 1913; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber. GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 22 – 24 Kondolenzbrief Max Webers an seine Cousine Wina Müller zum Tode ihres Mannes Bruno Müller am 6. März 1913.

Heidelberg, den 6. 3. 1913 Meine teure Wina!

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Gleichzeitig kommt ein von Bruno gestern an mich geschriebener Geschäftsbrief1 und diese erschütternde so absolut unerwartete Nachricht. Ich erwarte Marianne jeden Augenblick von der Reise2 zurück, dann erst kann ich telegrafieren oder schreiben[,] was wir tuen. Daß man die schlichte Sicherheit und die noble Güte dieses in dem feinen Stolz seiner Bescheidenheit so unendlich liebenswerten Seniors nicht mehr antrifft, wenn man Euer Haus betritt, ist noch unausdenkbar. Schön ist so ein Tod ohne Alter, Krankheit, Rückgang und Vereinsamung für den, dem er gegeben wird, auf der Höhe des Erfolgs und im Bewußtsein, daß es immer weiter aufwärts geht, die junge Generation auf den Schultern der alten steht und daher wieder weiter neues Leben schafft. Schön ist ein Leben, welches so abschließt[,] ohne Unglück, Mißverständnis, Enttäuschung, Kummer, Härte und Zwiespalt mit sich selbst jemals zu schwer haben kosten zu müssen, weil die eigene treue Natur und die unermeßliche Liebe, die ihm zur Seite stand und um ihn aufwuchs, alle solche Geister weit von ihm bannte. Und schön ist es zu denken, daß es hier einen Menschen gab, der sich sagen durfte, daß er sein Leben lang, niemals im Großen und im Kleinen den Geist der echtesten, einer echt bürgerlichen Ritterlichkeit verleugnet habe, der ihm schon als er zuerst vor mehr als 35 Jahren, ein junger Mann, in mein Elternhaus kam, die Herzen gewonnen – und wohl auch Dich ihm gewonnen hatte. Er war einer jener Männer, von denen 1 Geschäftliche Korrespondenzen ergaben sich dadurch, daß Marianne Weber nach dem Tod ihres Großvaters Carl David Weber Gesellschafterin der Leinenweberei in Oerlinghausen wurde, deren Geschäftsführer Bruno Müller war. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 3. Sept. 1907, MWG II/5, S. 385. 2 Vermutlich ist eine nicht genau datierbare Reise von Marianne Weber nach Freiburg gemeint, die diese im Brief an Helene Weber vom 17. März 1913 erwähnt, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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man wußte: niemand, er sei wer er wolle, hätte je gewagt, mit ihm oder in seiner Gegenwart auch in dem flüchtigsten Gespräch, unreine und zweideutige Dinge – in welchem Sinn immer – auch nur zu berühren oder selbst in seinen Gedanken dahin abzuirren. Eine solche Luft voll Reinheit des Herzens, des Körpers und des Geistes ging von ihm aus. Es war unmöglich – so sehr er sich immer, ganz absichtsvoll, viel zu sehr in den Hintergrund zu stellen bemüht war – es war unmöglich ihm durch unechte Mittel, durch Pose und Phrase, falsches Pathos und eitle Selbstinszenierung jemals zu imponieren. Das alles zerstob in den Wind vor seinem reservierten und ruhigen, aber darin äußerst sicheren Blick. Es ist nicht nachzurechnen natürlich – aber es ist sicher ganz unermeßlich viel, was er dadurch den Menschen um ihn, was er vor allem Euren Kindern dadurch gegeben hat. Denn wodurch erzwang er sich jenen bedingungslosen Respekt und jene – in ihrer Freiheit und Ungezwungenheit – mir immer so eindrucksvolle Pietät bei ihnen allen, die ihnen zu ihrem Heil und zu jedermanns Freude, so leicht und selbstverständlich war gegen ihn zu üben? Nicht durch „Worte“, nein in seiner schlichten Art hatte er gerade seine Ausdrucksfähigkeit in Worten und Reden überhaupt nicht gepflegt – er hatte das vielleicht fast zu sehr verschmäht und lebte still nur seiner Sache und seinen Pflichten. Nicht durch viele Worte und Konversation wirkte er, verständigte man sich mit ihm, kam sein Wesen zur Geltung. Sondern durch jenes Gefühl der völligen Geborgenheit und Sicherheit war man ihm nahe, welches man so unendlich selten bei einem Menschen hat und welches eben doch das letzte und höchste ist, was man finden kann, – denn wohin können Worte, auch die besten und feinsten schließlich führen als eben dahin? Mit ihm bedurfte man ihrer nicht – denn er war der Mensch, dem man vertraute, bedingungslos vertraute, schon ehe er das erste Wort gesprochen hatte, und ohne daß irgend ein Wort dies Vertrauen hätte steigern können. Was er durch diese Eigenschaft, die ja unersetzlich ist und wasa wie irgend eine Gnadengabe des Himmels, für Euch, auch für das stolze Unternehmen (welches man sich ohne ihn so gar nicht denken kann) gewesen ist, im äußerlichsten wie im innerlichsten Sinne, ist gar nicht abzuschätzen. Wenn mir Georg3 einmal erzählte, daß ein alter Geschäftsfreund als Resümé viea In Abschrift: war 3 Georg Müller, ältester Sohn von Alwine und Bruno Müller, war an der Geschäftsführung der Firma beteiligt.

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ler freundlicher Worte ihm den Wunsch ausgedrückt habe: „Alles in allem – werden Sie wie Ihr Vater, das ist alles was ich Ihnen wünsche“; – so beneidet man gewiß diesen Vater, ganz ebenso aber auch den Sohn, zu dem so etwas gesagt worden ist und mit Fug und Recht gesagt werden konnte. Zu Deines Vaters4 wundervoller alles erwägender und alles umfassender „Größe“ – denn man muß dies Wort brauchen, und zu :seines Sohnes: Karl5 prachtvoller unwiderstehlicher Tatkraft war Brunos unerschütterliche Sicherheit die unentbehrliche Ergänzung. In der ungebrochenen Reinheit seines Wesens ragte er aus einer Generation des deutschen Bürgertums, die viel mehr in sich barg an Charakter und Wert, als die Außenstehenden ahnen, in eine Gegenwart und eine Generation hinein, die nun ihr eigenes Leben nach eigener Art führen und in vielemb Einzelnen unvermeidlich anders sein müssen – da giebt es keine Wahl – als ihre Väter waren. Das geht uns allen so. Aber wenn wir alle das feste Vertrauen haben, daß sie in ihrer Art etwas ganz ebenso Wertvolles werden, unter schwierigeren äußerlich und innerlich zerrisseneren Lebensbedingungen sich auch mit Ehren behaupten und am Abend ihrer Tage auch so klaren und frohen Auges auf die Arbeit ihres Lebens zurückblicken werden können, wie er und Du es tun dürfen, so wollen wir nicht vergessen, daß neben der bezwingenden Macht Deiner Liebe und des zarten Verständnisses, die von Dir, liebe Wina, beglückend ausgehen, auch die tiefe Echtheit und Wahrhaftigkeit, die dieser Mann in seiner reinen Seele trug, ihren ebenbürtigen Anteil daran hatte[,] und uns an dem Segen freuen, der für immer auf seinem Andenken ruhen wird. Ich drücke Euch allen, Dir, Wilhelm,6 den Kindern,7 in herzlicher Treue die Hand im Geist und denke es bald persönlich zu tun,8 sei es in diesen nächsten Tagen, sei es bald nachher, wenn der erste Sturm des schweren Vermissens vorübergegangen ist. Euer getreuer Max Weber. a In Abschrift: vielen 4 Gemeint ist Carl David Weber, der Firmengründer. 5 Carl (Carlo) Weber, der Bruder von Alwine Müller, leitete mit Bruno Müller die väterliche Leinenweberei in Oerlinghausen. 6 Wilhelm Müller, Bruder von Bruno Müller. 7 Alwine und Bruno Müller hatten sechs Kinder. Vgl. Verwandschaftstafel, unten, S. 871. 8 Nur Marianne Weber fuhr zur Beerdigung nach Oerlinghausen. Max Weber besuchte Alwine Müller erst am 1. und 2. Januar 1914, vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, unten, S. 451 – 454.

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Hans W. Gruhle 8. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612

Heidelberg 8. III. 13 Lieber Herr Kollege, – ich würde an Ihrer Stelle, um jede Möglichkeit von schiefer Situation auszuschalten, beiden Ordinarien (Gothein und A[lfred] Weber) schreiben,1 – und auch Jedem mitteilen, daß dem Andren ebenfalls geschrieben sei: – 1) ob Bedenken gegen die Benutzung der Seminarräume (in geeigneter, :noch: zu vereinbarender :Bedenken ausschließender:, Art) bestünden, – 2) ob Aussicht bestehea, daß ein Anschlag am schwarzen Brett auch der Philos[ophischen] Fak[ultät] zugelassen werde, – ebenso 3) ein Anschlag :im (oder: „am“) Seminar. Dann können die Herren zu all diesen Einzelfragen „ja“ oder „nein“ sagen und Alles ist in Ordnung. (Großer Besuch ist ja recht unwahrscheinlich, da Sie nicht im Katalog stehen).2 Zu Ihrem Vortrag – er wird doch in irgend einer Form gedruckt?3 – hätte ich an sich gern auch sachlich Einiges gesagt, nur ist mir das

a O: beste 1 Das Folgende betrifft die Frage der Benutzung des Seminarraums der Nationalökonomen in der Philosophischen Fakultät sowie die entsprechende Ankündigung am „Schwarzen Brett“ für eine Lehrveranstaltung zum Thema „Angewandte Psychologie“; die entsprechenden Schreiben Gruhles an Eberhard Gothein und den damaligen Dekan Alfred Weber sind nicht nachgewiesen – die Dekanatsakte der Philosophischen Fakultät für das Jahr 1912/13 ist verschollen –, doch läßt sich einer erneuten Eingabe Gruhles an den seinerzeitigen Dekan Carl Neumann vom 14. Okt. 1913 (UA Heidelberg, H-IV-102/140) entnehmen, daß sein damaliger Antrag Erfolg hatte. 2 Gemeint ist das Heidelberger Vorlesungsverzeichnis. Laut: Anzeige der Vorlesungen der Großh. Badischen Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg für das SommerHalbjahr 1913. – Heidelberg: Universitätsbuchdruckerei von J. Hörning 1913, wurde keine Vorlesung von Gruhle angezeigt; vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 3. Mai 1913, unten, S. 223, Anm. 7. 3 Gemeint ist Gruhles von Weber besuchte „Probe-Vorlesung“ am 3. März 1913 zur Erlangung der Venia legendi bei der Medizinischen Fakultät über das Thema: Die Bedeutung des Symptoms in der Psychiatrie, unter gleichem Titel erschienen in: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. Originalien, Bd. 16, 1913, S. 465 – 486.

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Einzelne nicht mehr so gegenwärtig. Das Spezifische der „verstehenden“ Psychologie oder Psychopathologie aller Art (incl. Freud) und auch die spezifische Wandlung des „Symptom“-Begriffs liegt doch darin, daß[,] da eine „sinnhafte Bezogenheit“ des (psychischen) Geschehens vorliegt, das „Symptom“ etwas :Inhaltliches: „bedeutet“:4 ein Grundgegensatz gegen alle eigentlich „naturwissenschaftliche“ Begriffsbildung,5 einerlei ob sie Physisches oder Psychisches (durch „Selbstbeobachtung“ ermitteltes) Sichverhalten zum Objekt nimmt. Da liegt doch der Übergang zum „Symbol“-Begriff. Sie wollten das mit dem „Assoziations“-Begriff decken.6 Ich glaube, daß dieser in Wahrheit doch recht schwierige Begriff – schwieriger als er scheint – die Sache nicht deckt. Denn die Psychiatrie kann offenkundig nicht umhin, von „sinnlosen“ Assoziationen, „bloßen“ Klangassoziationen etc. zu sprechen. Es steckt also hierb der Begriff des „Sinnhaften“, sogar der (Werth-)Begriff des „Sinnvollen“ (was nicht dasselbe ist). Der „Sinn“ der Freud’schen Thesen liegt doch grade in der Behauptung: daß diese Spielart der „Symptome“ einen (verborgenen) „Sinn“ habe und weil und soweit sie diesen haben, sind sie „Symbole“.7 – Sie seb in ihr > hier 4 Genau dieser Aspekt charakterisiert nach Gruhle (wie Anm. 3), S. 475, die Freudsche Psychoanalyse: „[Die] Auffassung des Symptoms als eines Symbols, die Frage, was denn ein Symptom bedeute, ausdrücken wolle, was für ein Sinn sich unter dieser Veranschaulichung berge, das ist die Hauptfrage derjenigen psychopathologischen Anschauungsweisen, die an den Namen Freuds geknüpft sind.“ 5 Bei der Kausalauffassung der naturwissenschaftlich ausgerichteten Psychiatrie hat das Symptom lediglich eine generelle Indikationsfunktion. 6 „Echte Symbole“ sind nach Gruhle (wie Anm. 3), S. 483f., lediglich „jene Symbole, die auf Grund der allgemein verbreiteten Kenntnisse (Assoziationsreihen) dem durchschnittlichen Menschen rational verständlich, logisch sinnvoll erscheinen“. 7 Gerade dagegen hatte sich Gruhle in seinem Vortrag bzw. Artikel gewandt (wie Anm. 3), S. 482f. Bei der Erörterung der verschiedenen Bedeutungsnuancen des Freudschen Symbolbegriffs kritisierte er dessen Auffassung des Symbols bzw. Symptoms „als Anzeichen eines sinnhaften , bedeutungsmäßigen Zusammenhangs [...]. In der Tat kann das kaum der Fall sein, denn die Voraussetzung wäre dann eben das Vorhandensein einer solchen Beziehung beim Kranken. Es kann doch kein Symptom auf ein Erlebnis sinnhaft bezogen werden, wenn der Kranke erklärt, er habe diesen Sinn nie vollzogen, er lehne ihn ab. [...] Wenn bei einem Kranken zwei psychische Vorgänge auseinander [!] folgen, oder an eine seelische Regung sich eine Handlung anschließt, so werde ich diesen Zusammenhang doch nur dann ‚verstehen‘ können, wenn ihn der Kranke selbst versteht. Erklärt ihn ein Kranker selbst für unverständlich, [...] so werden wir diese Handlung vielleicht kausal auf irgend etwas zurückführen können, wir werden auch etwa auf Grund unserer allgemeinen Erfahrung sagen können: solche motivlosen Handlungen kommen bei dieser und jener Krankheit vor – wir

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hen, Sie kommen um die :spezifisch: „professorale“c Quittung über Ihre – sehr klare und gewandte, die Sprache glatt beherrschende – Darlegung nicht herum. Herzliche Grüße Max Weber

c werden die Tat aber eben niemals ‚verstehen‘ können. Vor allem müßte diese Erwägung aber auf den Fall einer Neurose oder Hysterie zutreffen [...]. In anderen Worten: Wenn ich zwischen Symptom und Trauma (Wunsch) einen Zusammenhang derart ‚finde‘, daß das Symptom ein Symbol für den Wunsch darstellt durch eine Vertretung, in die ich mich einfühlen kann, so muß sich der Kranke in diese vorgeschlagene Vertretung, diese Symbolisierung doch ebenfalls einfühlen können [...]. Was also dem Arzt in diesem Sinne ein Symbol ist, muß es für den Kranken auch sein. Aber gerade dies trifft bei Freud nicht zu: ‚Der Träumer erkennt dann den Sinn seiner Träume ebensowenig wie der Hysterische die Beziehung und Bedeutung seiner Symptome‘. Ja selbst wenn ihm Freud diesen Sinn aufzeigt, ist der Kranke oft keineswegs einverstanden, sondern sträubt sich dagegen (‚Widerstand‘).“

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Karl Wolfskehl 9. März [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446 (Fotokopie nach Original) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 9/III. Sehr verehrter Herr Doktor!

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Mr Gaston Riou vom „Figaro“ ist keina Interviewer gewöhnlichen Schlages, sondern ernst zu nehmen, Vertreter der „jeune-France“:1 antiklerikale religiöse Bewegung, die ich für aussichtslos halte, die aber zweifellos tüchtige und ehrliche Leute umfaßt. Ich habe ihm natürlich von Stefan George und seinen Gegnern gesprochen, von denen man in Paris doch sehr unklare Vorstellungen hat (man stellt ihn z. B. mit Rilke zusammen). Ich lasse mich sonst nie auf Unterhaltungen mit Journalisten ein. In diesem Fall habe ich es gethan und ihm versprochen, ihm einen Einführungsbrief an Sie bzu gebenb. Er hat den guten Willen, vorurteilslos zu sehen und den Respekt vor dem[,] was „echt“ ist. Mir schiene es daher doch der Mühe werth, ihn hier mit einigen Herren bekannt zu machen (namentlich den Neo-Metaphysikern Hegel’scher und verwandter eschatologischer Richtung).2 Was Sie für richtig halten ihm zu sagen[,] fällt, glaube ich, auf ganz guten Boden. Können Sie ihm Informationsquellen vermitteln, oder ihn Bekanntschaften machen lassen, um so besser. Es besteht in Paris eine unglaubliche Unkenntnis Dessen, was in Deutschland wirklich etwas bedeutet. Mit den angelegentlichsten Empfehlungen Ihr ergebenster Max Weber

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b O: gegeben

1 Zu Gaston Riou und der Gruppe „Jeune-France“ vgl. den Brief an Georg von Lukács vom 6. März 1913, oben, S. 107 f. 2 Gemeint sind in erster Linie Georg von Lukács und Ernst Bloch.

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Georg von Lukács 10. März [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 13 – 14 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Hbg 10/3. Sehr geehrter Herr Doktor! Am Mittwoch wäre es mir lieb, Sie um 5 Uhr sehen zu können, etwa bis 1/2 7 (dann muß ich mich umziehen, um Jemand zu besuchen). Meine Frau wird vor Sonnabend nicht da sein. Montag k.W. haben wir Gäste. Also wird man dann verabreden müssen. Heft 1 habe ich gelesen1 – d. h. durchflogen. Die Grundthese akzeptiere ich, so viel ich sehe.2 Was Fiedler anlangt, so hat er doch immerhin eine Art „Logik des Sichtbaren“ zu denken gesucht, also etwas Über-Erlebnishaftes.3 Nur giebt diese Beschränkung nie einen allgemeinen Begriff der „Kunst“. Daß, nachdem man Ästhetik vom „Standpunkt“ desa Rezipierenden, dann jetzt von dem des Schaffenden zu treiben versucht hat, nun endlich das „Werk“ als solches zu Wort kommt, ist eine Wohlthat. Riegl4 und Popper5 kenne ich nicht, zu meiner Schande sei es gesagt. a 1 Weber bezieht sich auf das Manuskript von Lukács’ erstem Teil seiner Philosophie der Kunst mit dem Titel: Die Kunst als „Ausdruck“ und die Mitteilungsformen der Erlebniswirklichkeit, posthum veröffentlicht in: ders., Heidelberger Philosophie der Kunst (1912 – 1914). Aus dem Nachlaß hg. von György Márkus und Frank Benseler (Georg Lukács Werke, Bd. 16). – Darmstadt und Neuwied: Luchterhand 1974, S. 7 – 41. 2 Wie Anm. 1, S. 9: „Die Ästhetik, welche ohne illegitime Voraussetzungen begründet werden soll, hat mit dieser Frage anzufangen: ‚es gibt Kunstwerke – wie sind sie möglich‘?“ 3 Gemeint ist Fiedler, Konrad, Über den Ursprung der künstlerischen Tätigkeit, in: ders., Schriften zur Kunst, Bd. 1, hg. von Hermann Konnerth. – München: R. Piper 1913, S. 183 – 368. 4 Lukács (wie Anm. 1), S. 39, rekurriert auf den von Alois Riegl in seinen Werken zur spätantiken Kunst und zur Ornamentik geprägten zentralen Begriff des „Kunstwollens“. 5 Gemeint ist der jung verstorbene Leo Popper, der in seinen Aufsätzen die „Homogeneität“ des in sich ruhenden Kunstwerks gegenüber der „Heterogeneität“ des Schaffens und Erlebens bzw. Rezipierens betont hatte. „Es ist Leo Poppers große Tat

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(Broder Christiansen6 habe ich auch noch nicht gelesen. Den zitieren Sie nicht. Rickert scheint viel von ihm zu halten). Ich bin begierig, wie es werden wird, wenn Ihr „Form“-Begriff auftaucht. „Geformtes“b ist ja nicht nur das Werthafte, das „über“ dem Erlebnishaften sich erhebt, sondern geformt ist auch das in die Tiefe und äußerstenc Winkel des „Kerkers“7 eintauchende Erotische. Es teilt das Schicksal des Schuld-Belasteten mit allem geformten Leben, steht in der Qualität seines Gegensatzes gegen Alles, was dem Reiche des „formfremden“ Gottes angehört, dem ästhetischen Sichverhalten sogar nahe. Sein geographischer Ort muß bestimmt werden und ich bin begierig, wo er bei Ihnen sich befindet. Die Darstellung ist klar, für mich wenigstens. Aber natürlich habe ich den Gedankengang schon halb wieder vergessen. Es ging zu schnell. Auf Wiedersehen. Ihr ergebenster Max Weber

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gewesen, daß er diese Grundtatsache der Kunst klar erkannt hat“. Lukács (wie Anm. 1), S. 40. 6 Vermutlich bezieht sich Weber auf das Buch von Broder Christiansen: Philosophie der Kunst. – Hanau: Clauss & Feddersen 1909. 7 Mit der Kerkermetapher beschreibt Lukács (wie Anm. 1) S. 24 und insbesondere S. 31f. das Problem des Solipsismus der Erlebniswelt. Dort heißt es: „Die Paradoxie in der Mitteilung der Erlebnisse zeigt sich [...] darin, daß jedes Ausdrucksmittel sich verselbständigt und eine eigene Gesetzlichkeit erhält: indem die einzige Möglichkeit, das wirklich Unmittelbare am Erlebnis mitzuteilen, die Suggestionskraft der Mitteilungsformen ist, bekommen diese ein eigenes Leben. Sie erhalten die Fähigkeit, Erlebnisse zu erwecken, eröffnen aber dadurch nicht den Kerker der Individualität für den Sich-Mitteilenden, denn seine Erlebnisintensität schafft nur in sich selbständige Formen, durchbricht jedoch seine Schranken nicht; und sie können für den Aufnehmenden nur seine eigene Welt bereichern, doch niemals – durch Einströmenlassen von fremder Qualität – ihr Abgeschlossensein aufheben. Dies ist das tiefe Elend und die unaufhebbare Vereinsamung des Menschen der Erlebniswirklichkeit; jede Annäherung an etwas ‚Allgemeines‘ im Ausdruck macht diesen von vornherein unmöglich“. Ebd., S. 31.

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Heinrich Sieveking 10. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz

Heidelberg 10/3 13 Verehrtester Herr Kollege! Das Wichtigste an Ihrem Artikel1 ist die 1) Evolution der Organisations-Formen: Also: Markt, Messe, Fondaco, Stapel, Convoy, Consulate, Hansen, Gilden, etc. etc., Handels-Privilegien etc. 2) der Betriebsformen: Entwicklung der „Rechenhaftigkeit“, der Buchführung, Stellung von Engros- und Detailhändler im Mittelalter etc. 3) der Handelsobjekte – der wichtigsten natürlich nur. 4) Wandlung der Arta der Handelswege (nicht natürlich: „Handelsgeschichte“ dieser Wege).b Damit zusammenhängend: 5) Wandlung der Prinzipien der Standorte des Handels in ihren typischen Gründen. Frühere und heutige Form der „ersten“ und „zweiten“ Hand im internationalen Handel. Wenn Sie auch die Evolution der „Händlerpsyche“ behandeln wollen – tant mieux – aber das Institutionelle ist ja, das nehme ich an, auch Ihnen die Hauptsache.

a O: zweifach unterstrichen.

b Klammer und Punkt fehlen in O.

1 Gemeint ist der GdS-Beitrag: Sieveking, Entwicklung des Handels.

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6) das Sombart’sche Problem: Provenienz der Händler und des Kapitals2 (die Dissertation, die Sie schickten – Zürich betreffend3 – ist sehr gut). Es sind ja Alles Sachen, die Sie im Colleg ohnehin vortragen und es ist nur nötig, sie so klar zu sagen, wie Sie sie im Colleg sagen, unter kurzem Nachweis der „Litteratur“ als Einleitung. Termin: Pfingsten.4 Ich hoffe herzlich, daß Sie uns nicht im Stich lassen. Der Artikel ist sehr wichtig[.] Auf den anderen (Gewerbe)5 freue ich mich schon jetzt ungemein. Hirsch behandelt nur Binnenhandel.6 Träfe ich Sie am 25. ca in Zürich? Inzwischen schreiben Sie mir aber bitte, wie Sie zu den vorstehendenc Bemerkungen stehen. Denn ich muß das ja wissen.d

c O: Vorstehenden

d Ende des Briefes ohne Schlußformel.

2 Weber bezieht sich hier auf Werner Sombarts schwankende Ansichten über die sozialen Trägergruppen der kapitalistischen Entwicklung. In seinem Buch: Der moderne Kapitalismus, Bd.1: Die Genesis des Kapitalismus. – Leipzig: Duncker & Humblot 1902, hatte Sombart die in die Städte gezogenen Grundbesitzer als die entscheidenden Initiatoren des Kapitalismus angesehen: „Jene Summen, mit denen in Italien und Flandern seit dem 13. Jahrhundert und noch früher, in den übrigen Ländern seit dem 14. Jahrhundert in größerem Stile Geld- und Handelsgeschäfte gemacht wurden, die also recht eigentlich als die Urvermögen anzusehen sind, aus denen sich das Kapital zu entwickeln vermochte: sie sind accumulierte Grundrente .“ Ebd., S. 291. In seinem Werk: Die Juden und das Wirtschaftsleben. – Leipzig: Duncker & Humblot 1911, sind an die Stelle der Grundbesitzer die Juden getreten, von denen laut Sombart der kapitalistische Entwicklungsprozeß ausgegangen sein soll. 3 Maliniak, J[ulian], Die Entstehung der Exportindustrie und des Unternehmerstandes in Zürich im XVI. und XVII. Jahrhundert (Zürcher Volkswirtschaftliche Studien, hg. von Heinrich Sieveking, Heft 2). – Zürich und Leipzig: Rascher & Cie 1913; darin speziell das Kapitel III: Zur Entstehung der Grossvermögen im mittelalterlichen Zürich, S. 32 – 58. 4 Der Termin wurde später auf den 1. September 1913 verschoben; vgl. dazu den Brief an Sieveking vom 1. Mai 1913, unten, S. 217 f. 5 Weber bezieht sich auf den GdS-Beitrag: Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen; zu diesem Artikel vgl. Webers Bemerkungen in seinem Brief an Sieveking vom 1. Mai 1913, unten, S. 217 f. 6 Hirsch, Organisation und Formen des Handels.

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Marianne Weber [10. März 1913; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief, dessen Schluß nicht überliefert ist, befindet sich auf der Rückseite eines Briefes von Lilli Wielandt an Marianne Weber vom 6., 7. und 8. März 1913. Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 12. März 1913, unten, S. 122 f. erschlossen. In diesem und in den späteren Briefen bezieht sich Max Weber auf die Lebensverhältnisse von Lilli Wielandt. Diese hatte sich, seitdem sie 1908 in Heidelberg in den Vorstand des Vereins Frauenbildung – Frauenstudium kooptiert worden war, eng an Marianne Weber angeschlossen. Als sie 1909 ihrem Mann auf eine Pfarrstelle in Niedereggenen, einem Dorf zwischen Müllheim und Kandern im Südschwarzwald, folgte, vermißte sie jede geistige Anregung. Als junge Frau im Alter von 25 Jahren konnte sie sich mit ihrem Leben als Hausfrau und Mutter zweier Kinder auf dem Land nicht abfinden. Sie fühlte sich von ihrem Mann unverstanden, und dieser konnte ihren Wunsch, Medizin zu studieren, nicht erfüllen. Sie schrieb an Marianne Weber mehrmals in der Woche Briefe, in denen sie ihre Unzufriedenheiten und Wünsche schilderte und Marianne Weber in ihrer Lebens- und Ehekrise um Rat fragte. Marianne Weber war von diesem Frauenschicksal sehr bewegt. Ihren Briefen an Max Weber legte sie mehrfach Briefe von Lilli Wielandt bei, auf die dieser in seinen Briefen vom 12. und 31. März, 1., 8. und 16. April 1913, unten, S. 123, S. 159, S. 162, S. 172 und S. 185. reagierte. Als Rudolf Wielandt 1914 eine Pfarrstelle an der Lutherkirche in Berlin erhielt, entspannte sich die Lebenslage von Lilli Wielandt.

Liebe Schnauzel, – entschuldige, ich war zu neugierig und öffnete den Brief. Es steht doch sehr schlimm um den armen Kerl.1 Da :– in der Eitelkeit –: liegt auch die Schuld daran, daß er „konservativ“ wird: „Autoritär“. Also ich habe Alles eingeladen2 (auch Schmidt’s, da Tröltsch verreist ist, bei denen ich heut zu Mittag aß: sie3 war sehr „gnädig“.). Vorgestern: der Franzose4 :dann: Dr Vogelstein (wegen Schönberg):,5 gestern: :bei 1 Gemeint ist der Ehemann von Lilli Wielandt, Rudolf Wielandt, Pfarrer in Niedereggenen bei Müllheim. 2 „Montag k. W. [17.3.] haben wir Gäste“, schrieb Max Weber an Georg von Lukács am 10. März 1913, oben, S. 116. 3 Gemeint ist Marta Troeltsch. 4 Gemeint ist Gaston Riou, ein Journalist der Pariser Zeitung „Figaro“, der Max Weber interviewte. Vgl. die Briefe an Georg von Lukács vom 6. März 1913, oben, S. 107 f., und an Karl Wolfskehl vom 9. März 1913, oben, S. 115. 5 Theodor Vogelstein hatte drei Beiträge für das „Handbuch der politischen Ökonomie“ übernommen, von denen nur einer unter dem Titel: Die finanzielle Organisation der kapitalistischen Industrie und die Monopolbildungen, in: GdS, Abt.VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 187 – 246, erschienen ist.

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Windelband, dann: der Franzose, Lukács, die Bernays (ich hatte sie eingeladen, sie war „selig“), recht interessant. Heut: der Franzose, Tröltsch. Morgen: die Bernays (um mit mir über Habilitation zu sprechen,6 sie fing davon :gestern: an und ich sagte ihr: nein, bestellte sie aufa morgen zur Rücksprache: sie nahm es gar nicht „tragisch“), dann Abends die Soscha S[alz]. Mittwoch: Lukács (brachte einen Teil seiner Arbeit),7 dann das Tobelkind.8 Sonst: viele Schönberg-Briefe9 und Arbeit (geht mäßig). Nächte: verschieden gut. Hoffentlich gehst Du mir nicht zu sehr drauf,10 liebes

a 6 Den seit längerem von Marie Bernays geäußerten Habilitationswunsch wollte Max Weber nicht unterstützen. Schon in seinem Brief an Alfred Weber vom 9. Nov. 1912 (MWG II/7, S. 740) hatte er geäußert, er werde ihr „solche Ideen hoffentlich endgültig ausreden“. 7 Gemeint ist die Arbeit an einer systematischen Ästhetik, an der Lukács in den Jahren von 1912 bis 1914 in Heidelberg schrieb, vgl. den Brief an Georg von Lukács vom 10. März 1913, oben, S. 116 f. 8 Mina Tobler. 9 Vgl. beispielsweise den Brief an Heinrich Sieveking vom 10. März 1913, oben, S. 118 f. 10 Gemeint sind die Anstrengungen während der Reise zur Beerdigung von Bruno Müller nach Oerlinghausen in der Zeit zwischen dem 6. und dem 14. März.

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Marianne Weber 12. März PSt 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahreszahl ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Heidelberg 12/3 Liebe Schnauzel, – bisher haben nur: Hettner, Jolly und Frau Jellinek zugesagt,1 Tröltsch (verreist), Gottliebs (verreist), G[eorg] B[enno] Schmidt’s (verreist) abgesagt. Sonst noch keine Antwort (von Klebs, Frau Dieterich, Nissl). Ich werde nun jedenfalls Carl Neumann einladen. August Hausrath2 (ist jetzt ausgezogen, Lili’s3 Möbel werden eben ausgepackt) wird Montag schon fort sein, sonst hätte ich ihn gebeten. Aber wen sonst? Gotheins? Braus? Beides hätte doch wenig Zweck. An die Bernays habe ich heute nochmal 8 Seiten geschrieben,4 nach der Unterhaltung von gestern,5 damit Alles klar ist. 1) „gerechterweise“ habe sie den Anspruch, – aber 2) ihr fehle die „Breite“, d. h. die Sicherheit des Gesammtüberblicks 3) sie müsse in die Welt hinaus, damit ihr etwas „einfalle“ 4) sie solle sich nicht da habilitieren, wo man sie kenne. Denn die Ansprüche an die erste Frau in der Nationalökonomie müßten hoch gestellt sein. U.s.w. Natürlich „spricht man vergebens viel um zu versagen“.6 Gestern bei Salz. Aber: die Mamsell 7 saß den gan1 Für den 17. März 1913 planten Marianne und Max Weber eine Einladung von Kollegen Webers. Vgl. den Brief an Georg von Lukács vom 10. März 1913, oben, S. 116. 2 Im Erdgeschoß des Hauses Ziegelhäuser Landstraße 17, dem Wohnort Webers, lebten Angehörige der Familie Hausrath, der das Haus gehörte. August Hausrath war ausgezogen, um seiner Schwester Lilli Hermann Platz zu machen, die zu ihrer Schwester Laura Hausrath gezogen war. 3 Lilli Hermann, geb. Hausrath, hatte sich von ihrem Mann getrennt und zog von Staufen nach Heidelberg in ihr Elternhaus zurück. 4 Brief nicht nachgewiesen. 5 Die Unterhaltung ging um eine eventuelle Habilitation, vgl. den Brief an Marianne Weber vom 10. März 1913, oben, S. 121. 6 „Man spricht vergebens viel, um zu versagen; Der andre hört von allem nur das Nein.“ So spricht Thoas im 1. Aufzug, 3. Auftritt zu Iphigenie, in: Iphigenie auf Tauris, vgl. Goethe, Werke, Weimarer Sophien-Ausgabe, Bd. 10. – Weimar: Hermann Böhlau 1889, S. 20. 7 Gemeint ist vermutlich ein Kinderfräulein für das Kind, das Sophie Salz erwartete. Beate Salz wurde am 27. April 1913 geboren.

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zen Abend mit dabei. Ich gehe nicht nochmals hin. Das hat ja keinen Zweck, so nett es sonst ist. Vorher: Lask und Bänsch. Heute Lukács :brachte 2 Kapitel seiner Arbeit,8 brennt darauf, Dich zu sprechen.:, dann etwas bei dem Tobelkind.9 Montag aß ich bei Tröltsch zu Mittag. Simmel kommt dieser Tage, ein Brief an ihn von seiner Frau liegt schon da. Von Blanck weiß ich nichts. Himmlisches Wetter! – Grüße die Örlinghäuser10 recht herzlich. Es war schön, liebes, daß Du ihnen noch etwas Zusammenhängendes hast sagen können. Das wird ihnen gut gethan haben. Hoffentlich ist jetzt Alles ruhig. Laß Dir doch Zeit bis Samstag. Gleich nach der Reise die Bernays zu haben, – natürlich doch furios trotz aller sehr verbindlichen Form des Gesagten und der vielen Anerkennung, die ich einfließen ließ – das ist doch zu viel. Denn Du mußt ihr ja noch sagen: daß sie erst persönlich „reifer“ werden müsse, sicher vor Entgleisungen ihres „motorischen Apparates“ – das ist ja absolut nötig. Ja, diese Niedereggener11 Sache ist schlimm. Wüßte man nur, ob die kleine Frau so ganz sicher in ihrer Zuverlässigkeit im Sehen ist. Laß Dich herzlich umarmen und bleibe gesund und froh für Deinen Max

8 Gemeint ist die Arbeit zur Ästhetik; vgl. die Briefe an Georg von Lukács und an Marianne Weber vom 10. März 1913, oben, S. 116 f. und S. 120 f. 9 Mina Tobler. 10 Alwine Müller und ihre Kinder, bei denen sich Marianne Weber nach der Beerdigung von Bruno Müller aufhielt. 11 Niedereggenen war von 1909 bis 1914 der Wohnort von Lilli Wielandt und Familie, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 10. März 1913, oben, S. 120.

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Johann Plenge [vor dem 14. März 1913]; o.O. Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Die Datierung ist erschlossen aus dem Antwortbrief Plenges vom 14. März 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge), in welchem er sich für Webers „tatkräftige Hilfe in Münster und Gießen“ bedankt.

Durchaus vertraulich natürlich!

Verehrtester Herr College! 1. Es ist gelungen, Sie in Münster Io Loco auf die Liste zu bringen. Leider nur Extraordinariat mit (eventuell) persönlichem Ordinariat. (Hinter Ihnen: Liefmann).1 2. Hoffentlich greift Gießen zu.2 Was geschehen konnte geschah, ich habe aber nichts gehört. Die Stelle ist nicht zu verachten[.] Collegiale Grüße und Empfehlungen Ihr Max Weber 1 Es geht hierbei um die Neubesetzung des Lehrstuhls für Nationalökonomie, der nach dem Tode Max v. Heckels am 30. Januar 1913 vakant geworden war. Auf der Vorschlagsliste der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät an das preußische Kultusministerium vom 12. März 1913 wurden an erster Stelle Johann Plenge, an zweiter Robert Liefmann genannt, bei letzterem mit dem ausdrücklichen Zusatz: „Allerdings geschieht dies nicht ganz ohne Bedenken wegen der hier vielleicht in stärkerem Maße als anderwärts bestehenden antisemitischen Stimmungen in der Studentenschaft.“ An dritter Stelle wurden pari loco Adolf Hasenkamp und August Skalweit angeführt (GStA Berlin, Rep. 76 Va, Sekt. 13, Tit. IV, Nr. 2, Bd. II, Bl. 206 – 207). Letztlich hat Plenge den Ruf erhalten und ihn angenommen; vgl. die Vereinbarung zwischen Ludwig Elster und Plenge vom 22. April 1913 (ebd., Bl. 209 – 210); die Bestallung zum persönlichen Ordinarius erfolgte am 12. Mai 1913 (ebd., Bl. 216 – 217), während seinem Münsteraner Kollegen Josef Schmöle das erledigte Ordinariat verliehen wurde (ebd., Bl. 223). 2 Dies betrifft die Neubesetzung des nationalökonomischen Ordinariats nach dem Tode von Magnus Biermer am 26. Februar 1913. Vor der Erstellung der definitiven Berufungsliste waren von der Berufungskommission diverse Gutachten von Karl Bücher, Hans Delbrück und Max Weber über mögliche Kandidaten angefordert worden. Trotz der positiven Stellungnahmen von Weber und Hans Delbrück über Johann Plenge scheinen andere, eher negative Auskünfte den Ausschlag für Plenges Nichtberücksichtigung gegeben zu haben. Plenge selbst führte dies in erster Linie auf Karl

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Büchers Brief an den Vorsitzenden der Berufungskommission, Otto Behaghel, vom 5. März 1913 (Abschrift; SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück, Fasz. Plenge, Bl. 35) zurück; zu dessen Wortlaut vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Plenge vom 18. März 1913, unten, S. 130. Für die Nichtberücksichtigung Plenges gab ebenfalls den Ausschlag, daß die Juristische Fakultät, die Alexander Leist als ihren Vertreter mit beratender Stimme in die Berufungskommission entsandt hatte, für den Lehrstuhl einen juristisch geschulten Ökonomen favorisierte. In dem von der Berufungskommission der Philosophischen Fakultät am 13. März 1913 erstatteten Gutachten (Abschrift, masch.; UA Gießen, PA Phil. 26 August Skalweit) heißt es über Plenge: „Der Ausschuß hat längere Zeit erwogen, ob er nicht den Leipziger außeretatsmäßigen Extraordinarius Johann Plenge an einer der ersten Stellen vorschlagen solle. Schließlich kam der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß Herr Plenge bei seiner ausgesprochenen konstruktiven Richtung nicht geeignet sei, als einziger Vertreter seiner Wissenschaft zu fungieren, insbesondere da auch der Vertreter der juristischen Fakultät in ihm nicht das zu finden glaubte, was die juristische Fakultät brauche. Der Ausschuß hegte keinen Zweifel, daß Herr Plenge ein außerordentliches Talent ist, aber da er den Bedürfnissen unserer Universität nicht entspricht, konnte er nicht auf die Vorschlagsliste gesetzt werden.“ In der Berufungsliste wurden Kurt Wiedenfeld, Otto v. Zwiedineck-Südenhorst, Arthur Spiethoff, Willy Wygodzinski und Robert Liefmann in Vorschlag gebracht. Da die ersten vier genannten alle ablehnten bzw. durch Dritte zu verstehen gaben, einem etwaigen Ruf nicht Folge leisten zu wollen, und da eine mögliche Berufung von Robert Liefmann auf erhebliche Widerstände stieß, wurde letztlich der Berliner Privatdozent August Skalweit, der im Sommersemester 1913 als Lehrstuhlvertreter in Gießen tätig war, am 26. Juli 1913 (ebd.) zum neuen Ordinarius ernannt.

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Ferdinand Tönnies 17. März 1913; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 27 – 29 Wie die vorhergehenden Briefe an Tönnies vom 29. und nach dem 30. Januar, die beiden vom 6. Februar und vom 18. Februar 1913, oben, S. 67 – 72, 73, 78 – 80, 81f. und 91f., stehen das hier abgedruckte Schriftstück sowie dasjenige vom 22. April 1913, unten, S. 196 f., in Zusammenhang mit der Stellungnahme von Mitgliedern des Kieler sog. „Soziologischen Kränzchens“ zu der Duellaffäre Max Weber – Bernhard Harms, die aus der Auseinandersetzung zwischen Harms und Paul Siebeck bzw. Weber wegen der Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“ resultierte; zu Entstehung und Verlauf dieses Konfliktes vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f.

Heidelberg, den 17. 3. 13. Lieber F. Tönnies! Der beifolgende Brief mußte geschrieben werden[,] um Doktor Siebeck eine Klage über den Hauptpunkt zu ermöglichen.1 Denn auch Sie haben sich auf mein eindringliches Befragen danach (speciell wie Sie sich zu den Verdächtigungen gestellt hätten) irgendwie skeptisch geäußert. (Ich weiß nicht wie, ob nicht „fair“ oder ähnlich, das ist ja auch einerlei). Was hilft dem gegenüber die Erklärung[,] es sei nicht „feindselig“ gemeint? Ich glaube[,] ich kenne alle Schritte des Verlegers und ihre Gründe[,] und die Ehre des Verlages ist in dieser Sache[,] in der ich, gegenüber der schnöden Treulosigkeit, Bummelei, Indifferenz und Rücksichtslosigkeit gerade der Kollegen[,] auf deren stets erneute Bitte ich diese unselige (für mich unselige) Sache übernahm, jetzt vor die Gefahr gestellt bin[,] mehr als nur meinen „wissenschaftlichen Namen“ (an dem mir niemals viel lag) einzubüßen, absolut identisch mit meiner Ehre. Bei geringer Überlegung müssen Sie das selbst sehen. – Ich verdenke Ihnen garnicht, daß Ihnen Ihre Zeit zu „kostbar“ war[,] um Akten zu lesen;2 auch nicht[,] daß Sie nicht glau1 Das Schreiben ist nicht nachgewiesen; möglicherweise handelt es sich um das gleiche Schriftstück, dem der Dank Paul Siebecks in seinem Brief an Weber vom 19. März 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) gilt, nämlich der Übersendung des „abschließenden Resumés in Sachen Harms“. 2 So Tönnies in seinem Brief an Weber vom 5. Febr. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446); zum Wortlaut vgl. den Brief an Tönnies vom 6. Febr. 1913, oben, S. 79, Anm. 4.

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ben wollen[,] daß Ihr neuer Freund ein innerlich subalterner Mensch ist, der seiner unritterlichen Taktlosigkeit und gekränkten Eitelkeit die Zügel schießen ließ bei einer Gelegenheit, wo sehr viel Takt nötig war; – auch nicht, daß Sie eine Erklärung, die mit sehr starken und törichten Worten („Skandal“, „Ansehen der Professoren“)3 gegen mich arbeitete[,] unterschrieben ohne den Wortlaut zu kennen. All’ so etwas kommt vor, wenn man eben blindlings „glaubt“[,] und dies getan zu haben ist kein ethischer Vorwurf. – Es ist mir nicht möglich[,] auf Ihren Schlußsatz „Ihre Wertschätzung habe ich nie gesucht“, dessen Zweck ich nicht einsehe, in ähnlicher Art zu antworten. Ihre Bemerkung über den „von Jugend auf durch Beifall, Verständnis, Erfolg getragenen Menschen“, (mich) zeigt, daß Sie zwar physisch unter meinem Dach waren,4 aber keine Augen hatten. – Sonst könnten Sie gerade mir so etwas nicht wohl schreiben. Allein Sie haben ein so tragisch schweres Leben hinter sich (ich habe das verstanden auch ohne Worte von Ihnen), daß ich begreife, daß Dinge, die für mich Glasperlen sind[,] mit denen man Neger abspeist, Sie blendeten. Jedenfalls aber: ich bin Ihnen ein völlig fremder Mensch geblieben; das ist kein Vorwurf, denn dafür können Sie nichts, aber die Tatsache steht fest, und wir wollen daraus ohne Rekriminationen und Gereiztheit schlicht und einfach die Konsequenz ziehen. – Ausdrücklich habe ich Ihnen zu danken dafür, daß Sie Ihrer Mitverantwortlichkeit in dieser Sache gerecht geworden sind, indem Sie sich bemühten[,] meinem Wunsch die Wege zu ebnen. Sie konnten, das bestätige ich Ihnen, jetzt nicht mehr tun. Aber all das schafft die Tatsache nicht aus der Welt, daß ich in einer Sache, die meine Ehre anging – und solche Sachen sind nicht ephemer, wie Sie glauben – Ihr Verständnis nicht fand. An diesem elenden „Handbuch“, dessen Redaktion ich auf stets erneutes Andrängen von Gelehrten übernahm, die mich dann schnöde und schamlos verließen und verrieten, lasse ich voraussichtlich wie gesagt nicht nur meinen wissenschaftlichen Namen (an dem hat mir so schrecklich viel nie gelegen), sondern dank dieser beiden Herren (Schönberg und Harms) auch meinen

3 Gemeint ist die gemeinsam unterzeichnete Erklärung von Moritz Liepmann, Felix Rachfahl und Ferdinand Tönnies an Bernhard Harms vom 15. Januar 1913; zu deren Wortlaut vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Jan. 1913, oben, S. 20. 4 Tönnies war während des Internationalen Philosophenkongresses 1908 in Heidelberg Max und Marianne Webers Logiergast gewesen.

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unbefleckten Ruf. Das schien Ihnen alles einerlei, so blind befangen waren Sie in dem Glauben: „wenn ein Professor einem Geschäftsmann etwas vorwirft – etwas wird wohl daran sein.“ Das kann ich nicht ignorieren. Meine Gesinnung bleibt unverändert, aber unsere Beziehung kann es nicht bleiben. Ich wünsche Ihnen also mit einem herzlichen Händedruck alles Gute für die Zukunft. Vor allem: daß Sie an Ihrer Stellung innerhalb der Fakultät mehr Freude erleben mögen als ich an der meinigen s. Zt.5 Und nur eins möchte ich noch gesagt haben: Sie erwähnen in einem Ihrer Briefe: Sie hätten keinen Anlaß zu glauben, daß Herr Professor Harms, das was er für Sie tut[,] aus unethischen Motiven tue. Ich habe nicht den geringsten Anlaß, ihm solche in diesem Fall unterzuschieben und habe dies mit keinem Wort getan. Aber nicht Jeder hat, wenn er für Sie eintrat, das Privileg genossen, daß ihm[,] wie es sich gehört, nur anständige Motive zugetraut wurden. Der Fall liegt viele Jahre zurück, daß Jemand[,] von dem ich das genau weiß, Sie gern als seinen Kollegen gehabt hätte; Antwort seiner Kommissionskollegen: „Professor T[önnies] ist ein vornehmer reservierter Gelehrter, leider in diesem Fall als Ergänzung für Sie nichts für uns“ oder auf deutsch: „Er ist kein Mann, der volle Häuser macht und wäre Ihnen wohl deshalb als Kollege bequem.“6 Nun der Betreffende 5 Webers Äußerung gilt dem Verhalten der Heidelberger Philosophischen Fakultät im Jahre 1903 anläßlich seines Ausscheidens aus dem Lehramt. Als ihn der Dekan der Fakultät für das Jahr 1915/16, Friedrich v. Duhn, im Januar 1916 bat, kriegsbedingt als Aushilfsdozent an der Universität zu wirken, lehnte er dies in einem nicht nachgewiesenen Schreiben an v. Duhn entschieden ab. Als Begründung nannte er u. a. – so die Wiedergabe in einem undatierten Brief an Heinrich Rickert vom Januar 1916 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2; MWG II/9) –, daß die Fakultät ihm seinerzeit „das Verbleiben in der Seminardirektion und die Annahme der staatlichen Pension durch ihr Verhalten bei“ seinem „Rücktritt unmöglich gemacht“ habe. „Jetzt sei“ er „kein Nationalökonom mehr, übrigens auch nicht bereit, jene Vorgänge jemals zu vergessen.“ Auch habe die Fakultät ihm „das Recht, an Promotionen beteiligt zu sein“, verweigert. „Die Art wie […] die Fakultät dies (mündlich) ablehnte und die Thatsache, daß sie es ablehnte, genügten, denke wenigstens ich!“ 6 Auf welchen älteren Berufungsvorgang Weber sich hier beziehen könnte, ist unbekannt. Jedoch gab es aus jüngerer Zeit einen ähnlichen Vorgang, auf den Weber möglicherweise anspielt, nämlich die vergeblichen Bemühungen von Robert Wilbrandt, Tönnies als Kollegen für Tübingen zu gewinnen, vergeblich allein deswegen, weil der Tönnies betreffende Berufungspassus der Eingabe der Staatswissenschaftlichen Fakultät an den Engeren Senat vom 18. Mai 1912 (Abschrift; UB Tübingen, 126/666 Stephinger) ein pro forma-Vorschlag war: „Professor Tönnies ist unstreitig ein hervorragender Soziologe von internationalem Ruf und wissenschaftlich wie menschlich eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Er wurde uns auch von auswärts von mehreren Seiten warm empfohlen [u. a. von Gustav Schmoller und Max Weber]. Allein während seine

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scheute keinerlei Odium, aber er wußte: die Sache war verloren, denn er wußte wie Professoren unter einander sich zu beurteilen pflegen, und er gab alle Versuche auf, denn eine Flut unausgesprochenen Mißtrauens wäre deren Folge gewesen und hätte alles unmöglich gemacht. Auch Sie, lieber Tönnies[,] sind ein – sicher auf Grund schwerer Erfahrungen – sehr zu Mißtrauen und dann wieder gelegentlich, in diesem klipp und klar liegenden Fall, zu ganz schrankenlosem Vertrauen auf verdächtigende Behauptungen Anderer – neigender Mensch. Herrn Siebeck haben Sie objektiv schwereres Unrecht angetan als Sie vermuten. Von mir mag ich nicht reden, denn Sie übersehen das nicht. – Leben Sie wohl, ich kann auch jetzt nur schreiben „in bekannter Wertschätzung“ Ihr Max Weber.

hohe wissenschaftliche Bedeutung außer Frage steht, ist nicht das gleiche in Bezug auf seine Lehrbefähigung und Lehrerfolge der Fall [...]. Außerdem ist er doch nicht eigentlich Nationalökonom, sondern Soziologe.“

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18. März 1913

Johann Plenge 18. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Bezug: Briefe Plenges vom 14. und 17. März 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge). Im ersteren hatte Plenge mitgeteilt, daß wegen „Bücher’s Niedertracht“ die Bemühungen Max Webers und Hans Delbrücks gescheitert seien, ihn auf die Vorschlagsliste in Gießen zu bringen. Dem zweiten Brief war eine Reihe von Briefabschriften zu seiner Auseinandersetzung mit Karl Bücher beigegeben, die zwar heute im Nl. Plenge fehlen, die aber gleichzeitig an Hans Delbrück übersandt wurden und sich in dessen Nachlaß in der SBPK zu Berlin befinden: darunter auch die Abschrift des Briefes von Karl Bücher an den Vorsitzenden der Gießener Berufungskommission Otto Behaghel vom 5. März 1913 (ebd., Fasz. Plenge, Bl. 35), von dessen Inhalt Plenge glaubte annehmen zu müssen, daß er für seine Nichtberücksichtigung auf der Berufungsliste den Ausschlag gegeben habe. In dem Schreiben Büchers heißt es u. a.: „Was Plenge betrifft[,] so wird mir die von Ihnen gewünschte Äußerung über ihn besonders schwer. Ich glaube aber Ihnen als altem Freunde die Erklärung dafür nicht vorenthalten zu können, die darin besteht, daß Plenge, nachdem er beinahe anderthalb Jahrzehnte intim mit mir verkehrt hatte, vor einigen Wochen ohne äußeren Anlaß ein schweres Zerwürfnis mit mir herbei geführt hat, unter dessen Eindruck ich in Bezug auf meine Person nicht als objektiver Beurteiler erscheinen kann. Darum nur soviel. Als Gelehrter ist Plenge sehr begabt und zweifellos befähigt hohes zu leisten. In seiner Stellung als außeretatsmäßiger Extraordinarius ist er natürlich hier unbefriedigt und geneigt, dem Ordinarius dafür die Verantwortung zuzuschieben. Er hat sich außerdem seit längerer Zeit fast ganz isoliert und es wäre nicht unmöglich, daß eine Verpflanzung in geänderte Verhältnisse einen wohltätigen Einfluß auf ihn ausüben würde. Es ist eine alte akademische Erfahrung, daß Menschen[,] die in einem Fache hervorragendes leisten[,] wohl selten bequeme Kollegen sind; aber ich meine, daß man[,] um einen Mann erster Art zu erhalten, schon einige persönliche Ekken in den Kauf nehmen kann. Eine bessere Besetzung der Stelle wird nach der wissenschaftlichen Seite nicht möglich sein. Als Dozent und Seminarleiter ist Plenge ebenfalls erfolgreich gewesen und verfügt nach beiden Richtungen über genügende Erfahrungen.“

Heidelberg 18/3 13 Lieber Herr Kollege! Ihr Urteil über Bücher’s Verhalten geht viel zu weit. Er ist im Unrecht. Aber ich weiß positiv, daß ihm nicht wirklich klar ist, wie sehr er Sie s. Z. gekränkt hat,1 trotz aller Ihrer Auseinandersetzungen. Er hat da

1 Gemeint ist der Zwischenfall in Lugano im Anschluß an die gemeinsame Italienreise von Karl Bücher und Plenge; vgl. dazu den Brief an Plenge vom 21. Jan. 1913, oben, S. 50, Anm. 9.

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kein Augenmaß, – aber „bewußt gelogen“ hat er nicht.2 Das werden Sie :mir: nicht glauben, aber es ist doch so. Man müßte das mündlich einmal bereden. Ich muß fürchten, daß Ihre sehr große Schärfe Ihnen bei den Herren in Gießen eher schadet. Der Brief Bücher’s nach Gießen ist kein „Urias-Brief“.3 Er hätte die Stelle von dem „unbequemen Collegen“ fortlassen sollen, – ich schrieb sofort heut noch einmal nach Gießen (wohl zu spät).4 Aber Leute von Temperament sind „unbequem“ (ich bin es ganz gewiß auch!) und für Bücher datiert der wirkliche Bruch eben erst seit „ein paara Wochen“, d. h. seit Januar. Er dachte eben, das Alte werde nun vergessen werden. Herzlich und dringend bitte ich Sie, die Sache nicht auf die Spitze zu treiben. Es ist übrigens grober Unfug, daß man Ihnen von Gießen aus vertrauliche Briefe geschickt hat.5 Das durfte nie geschehen! Wenn es bekannt wird, wird es dem, der das that, schwer schaden. In der Sache Wäntig c/a Bücher muß ich auf B[ücher]’s Seite sein.6 Dieser Dresdener Plan ist ein merkantilistischer Unfug. Über die Art des beiderseitigen Vorgehens will ich nicht urteilen; da mögen Fehler gemacht sein, – das wissen Sie besser als ich.

a O: par 2 Weber bezieht sich hier auf eine Passage in Plenges Brief vom 14. März 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge): „Man teilt mir aus Gießen wörtlich mit: ‚Bücher hat übrigens geschrieben, Sie [d. h. Plenge] hätten sich plötzlich, er wüßte nicht warum, von ihm zurückgezogen, und er könnte daher(!) ein objektives Urteil nicht über Sie abgeben.‘(!!) Wie Sie wissen, ist das eine ganz bewußte Lüge“. 3 Plenge hatte den Brief Karl Büchers vom 5. März 1913 in einem Schreiben an Josef Partsch vom 16. März 1913 als „kunstvollen Uriasbrief“ bezeichnet (Abschrift masch.; SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück, Fasz. Plenge, Bl. 36). 4 Der entsprechende Brief ist im Gießener Universitätsarchiv nicht nachgewiesen. 5 Vermutlich bezieht sich Weber auf die in Anm. 2 erwähnte Mitteilung aus Gießen. Den Gesamtinhalt des dort zitierten Schreibens von Karl Bücher hatte Plenge jedoch von diesem selbst erfahren. Weber hat dies Mißverständnis in seiner folgenden Karte an Plenge vom gleichen Tage, unten, S. 133, korrigiert. 6 Gemeint ist Karl Büchers Kritik an dem Plan von Heinrich Waentig sen. zur Errichtung einer Universität in Dresden. Plenge hatte in seinem Brief vom 17. März 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) auf die nicht gezeichneten Artikel Büchers „in der Frankfurter Zeitung vom 20. XI. 1912, 10. und 13. I. 1913“ als Ausdruck von „anonymen Perfidien gegen Exzellenz Wäntig in der Dresdener Universitätsfrage“ hingewiesen.

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Hoffentlich haben Sie :jetzt: nicht nach Münster korrespondiert. Das könnte nur schaden. Ich teile Ihnen :(natürlich: streng privatim) mit, daß ich mit His korrespondiert habe.7 – Ich hoffe herzlich und sehr dringend, daß so oder so der persönlichen Nähe von Bücher und Ihnen ein Ende gemacht wird. Daß B[ücher] in der Sache im Unrecht ist, habe ich nach Gießen geschrieben.8 Nochmals und dringend: lassen Sie Sich von der Erregung nicht übermannen. Ich bin sehr besorgt, das nehmen Sie [mir]b nicht übel. Es geschehen allzu leicht falsche Schritte, die Alles verderben. Mit herzlichem Gruß! Max Weber

b Lochung. 7 Korrespondenzen Webers mit dem Münsteraner Rechtshistoriker Rudolf His sind nicht nachgewiesen. Plenge hatte in seinem Brief vom 14. März 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) Weber um „die Namen“ seiner „unbekannten Freunde in Münster“ gebeten. 8 Der entsprechende Brief ist im Gießener Universitätsarchiv nicht nachgewiesen.

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Johann Plenge PSt 18. März 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

V. H. C.

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Meine Bemerkung über die Briefe aus Gießen war, wie ich sehe, ein Mißverständnis!1 Collegialen Gruß! Max Weber

1 Weber bezieht sich auf seinen Brief vom gleichen Tage, oben, S. 131, daß es „grober Unfug “ gewesen sei, ihm (d. h. Plenge) aus „vertrauliche[n] Briefe[n]“ Mitteilungen zu machen.

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Heinrich Herkner 22. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 193 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Drucklegung von Manuskripten, die der geplanten Werturteilsdiskussion in einer Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik als Grundlage dienen sollten; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert vom 7. Februar 1913, oben, S. 83 f.

Heidelberg 22/3 13 Verehrtester Herr Kollege! Zum 1. April könnte ich schlechterdings nichts für den Sammelband liefern.1 Ich bin sehr herunter und muß unbedingt jetzt 4 Wochen fort. Wann ist der absolut letzte Termin für Manuskripte? Und wann soll die Verhandlung sein?2 Oktober und letzte Septemberwoche könnte ich ganz unmöglich. Da bin ich auf einer unverschiebbaren Reise.3 Sondern nur: Mitte September. Oncken wird ja an Sie geschrieben haben.4 Mit Rickert’s Gesundheit stand es nicht besonders, rechtzeitig könnte er jedenfalls auch nicht liefern. Ich schreibe ihm soeben noch einmal.5 Mit collegialen Empfehlungen Ihr ergebenster Max Weber 1 Seinen Beitrag hat Weber mit dem Brief an Franz Boese vom 14. Aug. 1913, unten, S. 311, übersandt; der Artikel ist erschienen in der Broschüre: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o.O. 1913, S. 83 – 120 (MWG I/12), sowie in veränderter Form unter dem Titel: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12). 2 Die entsprechende Diskussionsveranstaltung fand am 5. Januar 1914 in Berlin statt. 3 Weber wollte zu dieser Zeit in Italien sein. 4 In der einschlägigen Akte des Vereins für Sozialpolitik in: Rep. 196, Nr. 76 im GStA Berlin befinden sich lediglich zwei Schreiben von Hermann Oncken an Franz Boese vom 30. März und 14. April 1913 (Bl. 187 und 184). Mit dem erstgenannten Schriftstück übersendet Oncken „die von dem Herrn Prof. Herkner (durch Vermittlung von Max Weber) gewünschten Ausführungen“ zur Werturteilsfrage, am 14. April 1913 bittet er um kurzfristige Rücksendung seines Manuskripts. Onckens Beitrag ist erschienen unter dem Titel: Über die Stellung des sittlichen Werturteils in der Geschichtsschreibung, in: Äußerungen zur Werturteildiskussion (wie Anm. 1), S. 37 – 44. Oncken selbst hat an der Diskussionsveranstaltung am 5. Januar 1914 nicht teilgenommen. 5 Brief an Heinrich Rickert vom 23. März 1913, unten, S. 140.

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Georg von Lukács 22. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 16

Hbg 22/3 13 Verehrtester Herr Doktor!

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Ich habe es nicht ermöglichen können, das zweite Heft1 nochmals ganz zu lesen, ehe ich abreise.2 Mein Gehirn leistet nichts mehr. Der „Sprung“ im 1. Heft ist für manchen Leser da, wo gesagt ist: wenn die Kunst adäquater Ausdruck der Erlebniswirklichkeit (doch :damit nocha: nicht notwendig: jeder!) wäre, dann wäre sie Mittel unmittelbarer Gotteserkenntnis.3 – Das Problematische der Kategorie: „Erlebniswirklichkeit[“] wird sich wohl nicht beseitigen lassen, das führt zu weit. Aber da liegt wohl das Unerledigte, was man spürt. Sonst finde ich diesmal Alles sehr geschlossen und konsequent aufgebaut, auch – im Gegensatz zu Lask’s Ansicht [–] nicht zu ausführlich, Manches („Teppich“)4 eher zu abstrakt. Sicher ist: je mehr vorgelegt wird, desto geringer die Schwierigkeiten, die an sich ja große sind.5 a Alternative Lesung: auch 1 Gemeint ist Lukács’ zweiter Teil seiner Philosophie der Kunst mit dem Titel: Phänomenologische Skizze des schöpferischen und receptiven Verhaltens, posthum veröffentlicht in: ders., Heidelberger Philosophie der Kunst (1912 – 1914). Aus dem Nachlaß hg. von György Márkus und Frank Benseler (Georg Lukács Werke, Bd. 16). – Darmstadt und Neuwied: Luchterhand 1974, S. 43 – 150. 2 Weber brach am 24. März zu seiner Reise in die Schweiz auf. 3 Weber bezieht sich auf Lukács’ Bemerkung in Teil I seiner Philosophie der Kunst: Die Kunst als „Ausdruck“ und die Mitteilungsformen der Erlebniswirklichkeit (wie Anm. 1), S. 7 – 41, ebd., S. 36f.: „Damit scheint die methodische Bedeutung unserer Untersuchung über den Mitteilungsprozeß in der Erlebniswirklichkeit klar geworden zu sein: wenn in diesem Prozeß eine adäquate inhaltliche Mitteilung möglich ist, so ist es denkbar, ja notwendig, daß sich eine allmählich steigernde Hierarchie von dem unmittelbaren Erlebnisausdruck zur unmittelbaren Gotteserkenntnis aufbaut, in der die Kunst, bestenfalls, ein Durchgangsstadium ist“. 4 Lukács behandelt den „Teppich“ als markantes Beispiel „reiner“ Form (wie Anm. 1), S. 92 – 101. 5 Die Bemerkung Webers gilt der beabsichtigten, aber nie zustande gekommenen Habilitation von Lukács in Heidelberg; vgl. dazu den Brief an Lukács vom 11. Febr. 1913, oben, S. 89 f.

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Zu einem Versuch, mich mit der Sache selbst auseinanderzusetzen, fehlt mir jetzt jede Kraft und Möglichkeit.1) Ich bin sehr „fertig“. Mit den besten Grüßen und Empfehlungen Ihr ergebenster Max Weber

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Mein Eindruck ist ein sehr starker und ich bin ganz sicher, daß die entscheidende Problemstellung definitiv die richtige ist, – endlich!

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Johann Plenge 22. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Heidelberg 22/3 13 Lieber Herr Kollege!

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Ich las eben die Korrekturen, die ich erhielt – vorerst die „Einleitung“.1 Mit großer Freude, wie Sie begreifen, was den Inhalt anlangt (selbst wo ich – wie bei der gänzlichen Eliminierung des „Goldkerns“2 – das Gefühl des Utopischen habe)3 – mit Resignation, weil immerhin diese weitschichtige Arbeit unsrem Unternehmen doch ein gut Teil Ihrer besten Kraft genommen hat. Auf Ihren Brief muß ich sagen: ich gebe Ihnen natürlich in vielem Recht, vor Allem sachlich in dem Hauptpunkt Ihres Confliktes mit B[ücher] vollständig4 (das schrieb ich letzten Dienstag schon nach-

1 Gemeint sind die Korrekturfahnen der 1912 unvollständig im Bank-Archiv erschienenen Aufsätze Plenges über die Reichsbank – vgl. dazu den Brief an Plenge vom 11. Aug. 1913, unten, S. 306, Anm. 14 –, die vermehrt und überarbeitet unter dem Titel: Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt, 1913 in Berlin bei Julius Springer veröffentlicht wurden; die Einleitung, ebd., S. 1 – 43. 2 Mit Goldkern wird von Plenge derjenige Bestand an Gold bezeichnet, der in der zentralen Notenbank (Reichsbank) gehalten wurde, um die jederzeitige Einlösung der ausgegebenen Noten zu gewährleisten. Bei der sog. Goldkernwährung sollten im Gegensatz zur Goldumlaufswährung keine Goldmünzen mehr zirkulieren; jedoch sollte das Publikum das Recht haben, Goldbarren zum festen Kurs zu kaufen, um sie z. B. im intervalutarischen Zahlungsverkehr zu verwenden. 3 Tatsächlich hatte Plenge selbst nur ganz vorsichtig die theoretische Möglichkeit einer Abschaffung der Goldkernwährung erwogen: „Vielleicht kommt einmal eine Zeit, in der auch die konzentrierten Goldbestände der Goldkernwährung überflüssig werden, wo der Verkehr die Garantie der Geldwertträger durch die massive Wertzusammenballung eines großen Goldreservoirs nicht mehr braucht, und wo man gelernt hat, die Wechselkurse zu stabilisieren, ohne auf die Saldierung der internativen Zahlverbindlichkeiten durch Gold zurückgreifen zu müssen. Das kann uns vorläufig als Utopie gelten, die nur als theoretische Möglichkeit ihr Interesse hat“. (Wie Anm. 1), S. 19. 4 Plenge hatte in seinem Brief an Weber vom 19. März 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) über Karl Bücher geschrieben, daß dieser in ihm „immer den kommenden Nebenbuhler gesehen“ habe, „den er nicht zu groß lassen werden durfte. Jetzt handelt er an mir, wie in dem alten Liede der Handwerksmeister, ich glaube ein Goldschmied soll es sein, der den liebsten Gesellen umbringt, weil er den Meister zu übertreffen droht.“

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drücklich nach Gießen).5 Aber ich sehe B[ücher] anders, trotz Allem. Es geht bei solchen Conflikten sehr selten ohnea [Selbst]widersprücheb und Ungenauigkeiten dessen, der den Fehler gemacht hat :(ich meine: B[ücher]’s):, ab. Das Entscheidende war: er war sich der Tragweite seines Verhaltens ganz und gar nicht bewußt,6 das merkte ich bei gelegentlicher Unterhaltung, wo er sicher aufrichtig war. Das ist sicherlich Schuld, daran soll nicht gerüttelt werden. Er selbst ist s. Z. schnöde behandelt worden – da ist es, wie bei den „alten Leuten“ gegenüber den „Rekruten“. Sie haben ihn sehr und treu geliebt, daher sind Sie jetzt viel zu schroff. Auch in dieser Leidenschaftlichkeit sind Sie mir menschlich sympathisch – ich mache es ja auch so, weiß aber auch, daß ich da oft Fehler beging. Das Ungünstige ist: in der Dissertations-Sache hatten Sie natürlich ganz recht, – aber Sie stoßen damit 90 % der Ordinarien vor den Kopf: „Klasseninteresse“.7 Wer sind übrigens in Leipzig die Herren, auf die Sie Sich verlassen können? Ich möchte künftig bei Anfragen über Sie oder Empfehlungen Ihrer Person gleich an diese als Auskunftspersonen verweisen können.8 Und nun: ich baue auf Ihr Wort, daß Sie dem „Handbuch“ die Treue halten.9 Mir ist :aber: Angst und Bange um Ihre Nerven, bei diesen a

b Lochung.

5 Der entsprechende Brief ist nicht nachgewiesen. 6 Gemeint ist der Streit Büchers mit Plenge in Lugano im Anschluß an eine gemeinsame Italienreise; zu dem (ungefähren) Inhalt dieser Auseinandersetzung vgl. den Brief an Plenge vom 21. Jan. 1913, oben, S. 50, Anm. 9. 7 Plenge hatte schon in seinem Brief vom 16. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) davon berichtet, daß die offenen Spannungen mit Bücher in erster Linie darauf zurückzuführen seien, daß er in einem Gutachten auf eine Rundfrage der Leipziger Nichtordinarienvereinigung hin die Gewährung des Promotionsrechts an die Nichtordinarien befürwortet habe. Dazu heißt es dann weiter in Plenges Brief an Weber vom 19. März 1913 (wie Anm. 4): „Auf die Bitte dafür einzutreten, daß ich für die von mir angeregten Dissertationen aus den Gebieten meines besonderen Wissens das Prüfungsrecht bekäme, hat er [d. h. Bücher] mir geantwortet: ‚Das heißt von mir die Abdankung verlangen‘“. 8 In seiner Antwort vom 25. März 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) schrieb Plenge, daß er „Auskunftspersonen“ in Leipzig nach persönlicher Rücksprache mit diesen erst „zu Anfang des Semesters angeben“ werde. Dies hat sich dann durch Plenges Berufung nach Münster erübrigt. 9 Webers Sorge gilt der Fertigstellung von Plenges GdS-Beiträgen über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ sowie „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“; zum Problem der Fertigstellung dieser Artikel vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 15. Jan. 1913, oben, S. 45, Anm. 3.

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Conflikten. Wollen Sie Schulze-Gävernitz’ Artikel10 lesen? Sie können ihn haben! Herzliche Grüße Ihr Max Weber Ich gehe jetzt an die ital[ienischen] Seen, bin sehr kaputtc. Briefe gehen mir nach. Verspätung entschuldigen Sie bitte.

c O: kaput 10 Gemeint ist das Manuskript des GdS-Beitrages von: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank.

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Heinrich Rickert 23. März 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 76 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Drucklegung von Manuskripten, die der geplanten Werturteilsdiskussion in einer Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik als Grundlage dienen sollten; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert vom 7. Februar 1913, oben, S. 83 f. Dem Brief ist als Beilage ein Rundschreiben: „An die Herren Mitglieder des Vereins für Sozialpolitik“ angefügt, ebd., Nr. 25, Bl. 77.

Heidelberg 23/3 13 Lieber Rickert! Da Sie s. Z. prinzipiell bereit waren[,]1 sende ich Ihnen anbei noch das „offizielle“ Schriftstück über die Veranstaltung des V[ereins] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik]. Sie sehen, daß es absolut in Ihrer Hand liegt, was und wie Sie es machen wollen. Ich habe Herkner geschrieben, daß der Termin (1. April) unmöglich eingehalten werden könne.2 Auch von mir nicht. Herzliche Grüße Ihr Max Weber.

1 Vermutlich hatte Rickert nach der Anfrage Webers vom 7. Febr. 1913, oben, S. 84 f., seine etwaige Bereitschaft bekundet, an der Werturteilsdiskussion mitzuwirken. Dies ist jedoch unterblieben. 2 Brief an Heinrich Herkner vom 22. März 1913, oben, S. 134.

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Beilage Berlin, im November 1912. An die Herren Mitglieder des Vereins für Sozialpolitik.

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Um den Diskussionen, welche in der nächsten Ausschuß-Sitzung (voraussichtlich vor Beginn des Winter-Semesters 1913/14) stattfinden sollen: 1. über die Stellung des sittlichen Werturteils in der wissenschaftlichen Nationalökonomie, 2. über das Verhältnis der Entwicklungstendenzen zu praktischen Wertungen, 3. über die Bezeichnung wirtschafts- und sozialpolitischer Zielpunkte und 4. über das Verhältnis der allgemeinen methodologischen Grundsätze zu den besonderen Aufgaben des akademischen Unterrichts, nicht nur eine möglichst freie Entfaltung, sondern auch eine gründliche Vorbereitung zu sichern, bittet der Vorstand die Herren Ausschuß-Mitglieder, die ihre Auffassung der bezeichneten Probleme zur Geltung bringen wollen, ihre Gedankengänge in möglichst knapper (höchstens a2 – 3 Druckseiten, thesenartiger Forma schriftlich auszuarbeiten und dem Herrn Schriftführer Boese (Berlin W. 62, Wormserstr. 13) bis spätestens 1. April 1913 einzusenden, die Absicht einer Einsendung bis spätestens 1. Februar mitzuteilen. Da in der Ausschuß-Sitzung der Wunsch ausgesprochen worden ist, auch Vereinsmitgliedern, die nicht dem Ausschusse angehören, die Teilnahme an diesen Verhandlungen zu ermöglichen, ergeht hiermit zugleich an die übrigen Vereinsmitglieder die Anfrage, ob sie eine Einladung zu erhalten wünschen. Wer diese Frage bis 1. Februar bejaht, wird ersucht, in ähnlicher Weise, wie die Ausschuß-Mitglieder, eine kurze schriftliche Meinungsäußerung bis 1. April an den genannten Herrn Schriftführer zu senden. Der Vorstand wird ferner versuchen, bkleine Denkschriftenb über den gegenwärtigen Stand der vorliegenden Probleme in einigen nahe verwandten Wissenschaften zu erhalten (cPhilosophie und Ethik, Geschichtec, Rechtswissenschaft).

a Eigenhändige Unterstreichung Max Webers sowie eigenhändige Randnotiz: 1) b Eic Eigenhändige Unterstreichung Max Wegenhändige Unterstreichung Max Webers. bers sowie eigenhändige, an die Randbemerkung „1)“ angebundene Randnotiz: oder: (für Sie allein in Betracht kommend: 2) 2 – 3 Druckbogen, wenn nötig. Je knapper, desto besser.

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Die eingehenden Äußerungen sollen, soweit sie wesentlich verschiedene Standpunkte vertreten, gedruckt und möglichst rasch den Interessenten übermittelt werden. Unter diesen Umständen dürfte es möglich sein, in der Sitzung auf mündliche Referate zu verzichten und sofort in die Aussprache einzutreten, nachdem zu Anfang der Sitzung über deren formelle Ordnung zwischen Ausschuß und Vorsitzendem ein Einverständnis erzielt worden sein wird. Die Vorsitzenden Schmoller. Herkner.

Die Schriftführer Boese. Geibel.

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Arthur Salz [vor dem 24. März 1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers (Fotokopie) Die Datierung ist nur annähernd zu bestimmen, da es in der Korrespondenz Webers keine genauen Hinweise darüber gibt, zu welchem Zeitpunkt er die im hier abgedruckten Brief erwähnten GdS-Manuskripte von Salz über „Kapitalbildung und Kapitalverwertung“ sowie über „Vermögenskategorien und Einkommensformen“ erhalten hat. Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf das noch ausstehende Manuskript des GdS-Beitrags über „Berufsgliederung“. Dieses ist Weber kurz vor seiner Abreise in die Schweiz vor dem 24. März 1913 übersandt worden; vgl. dazu den entsprechend datierten Brief an Salz, unten, S. 145.

Ziegelh. Landstr. 17 Lieber und verehrter College!

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Mit großem Vergnügen, aber auch steigender Sorge las ich Ihre „Kapitalbildung und Kapitalverwertung“.1 Nicht nur der Umfang (ca 150 – 160 Schreibseiten!) scheint die Einfügung in den Rahmen des Handbuchs völlig auszuschließen,1) 2 sondern es steht auch so: Abschnitt I (Was ist Kapital) wäre eine völlige Parallel-Arbeit zu Wieser.3 Abschnitt II ist eine Geschichte der kapitalistischen Gesinnung.4 Abschnitt III („Dynamik“) eine Theorie des Capitalismus[.]5 1)

Wir rechneten ungünstigenfalls auf 10% Überschreitung. Sonst wird die ganze Calkulation umgeworfen. 1 Es handelt sich um das Manuskript des Beitrages von Arthur Salz, Kapital, Kapitalformen, Kapitalbildung, Kapitaldynamik, erschienen in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 209 – 257 (hinfort zitiert als: Salz, Kapitalbildung). 2 Weber teilte Paul Siebeck in seinen Briefen vom 5. Mai und 3. Nov. 1913, unten, S. 228 und 342, mit, daß die Artikel von Salz vom Autor gerade gekürzt würden, und er wußte Siebeck am 30. Dez. 1913, unten, S. 448, zu berichten, daß Salz’ Beiträge nur ca. 2 Bogen überschreiten würden. 3 Gemeint ist der GdS-Artikel: v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 4 Im Kapitel II der Druckfassung, betitelt: Die Lehre von der Kapitalbildung (Entstehung und „Akkumulation“ des Kapitals) und der Kapitalverwertung (wie Anm. 1), S. 214 – 245, wird lediglich auf S. 227 – 235 auf die Genese der kapitalistischen Gesinnung eingegangen. 5 Vermutlich ist der Abschnitt III, wie er in der Druckfassung vorliegt: Die Dynamik des Kapitalismus (wie Anm. 1), S. 245 – 257, rigoros gekürzt worden. Ebd., S. 247, be-

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Abschnitt IV: eine empirische Geschichte des Capitalismus.6 Kein Abschnitt aber ist eine empirische Darstellung der Quellen, aus denen jeweils Kapital entsteht, nur der letzte Abschnitt betrifft auch diese Frage. Keiner ist eine Erörterung der Kapitalkategorien: ihrera Gliederung und ihresb Umschlags, – :nur: in Abschnitt III ist auch diese Frage :mit: berührt. Aber grade die Ihnen offenbar besonders lieben und mir sehr interessanten Abschnitte über die Geschichte der kapitalist[ischen] Gesinnung (über Ablaß7 u.s.w.) fallen absolut aus dem Rahmen heraus, ich weiß gar nicht wie es anfangen[,] sie, so lebhaft sie mich ansprechen, hier unterzubringen. Ich bin vorerst in einer sehr peinlichen Verlegenheit gegenüber einer so werthvollen Arbeit und weiß nicht was thun. Wir müssen uns ja ganz außerordentlich stark mißverstanden haben. – Bei der in jeder Hinsicht gleich ausgezeichneten Abhandlung über „Vermögen“8 liegt die Schwierigkeit wesentlich im Umfang (109 Schreibseiten) aber esc ist nicht so „unmöglich“ wie die andre um 45% längere Abhandlung. Nun bin ich auf die „Berufsgliederung“9 sehr gespannt. Aber wie das obige Problem zu lösen ist, sehe ich nicht ab. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber. a O: seiner

b O: seines

c

merkt Salz lapidar, daß es „an dieser Stelle kontingentierten Raumes unmöglich“ sei, „die Lehre von der Dynamik des Kapitals in seinen verschiedenen Formen als Geld, als produktives (industrielles), als Warenkapital zu behandeln. Es ist das um so bedauerlicher, als dieses eine wichtigste Bestandstück der ökonomischen Theorie von Marx (im II. Bande des Kapitals), zwar von vielen ‚bürgerlichen‘ Nationalökonomen anerkannt, aber in den Lehrbüchern der Nationalökonomie weiter nicht beachtet zu werden pflegt; für ganze Schulen bildet dieser Gegenstand überhaupt kein Problem.“ Der Abschnitt beinhaltet fast ausschließlich eine Auseinandersetzung mit Marxens „Kapital“. 6 Dieser Abschnitt ist in der Druckfassung (wie Anm. 1) entfallen. 7 Anmerkungen über Ablaß bzw. Ablaßbriefe finden sich im Artikel (wie Anm. 1), S. 231 f. 8 Der Artikel ist erschienen unter dem Titel: Vermögen und Vermögensbildung in der vorkapitalistischen und in der modernen kapitalistischen Wirtschaft, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 160 – 208 (hinfort zitiert als: Salz, Vermögensbildung). 9 Von Erhalt und Rücksendung des Manuskripts zum GdS-Beitrag über Berufsgliederung berichtet der folgende Brief an Salz, vor dem 24. März 1913, unten, S. 145. Der entsprechende Beitrag von Salz ist nie im GdS erschienen, jedoch wurde statt dessen später ein Artikel von Georg Neuhaus zu diesem Thema veröffentlicht: Die berufliche und soziale Gliederung der Bevölkerung im Zeitalter des Kapitalismus, erschienen in: GdS, Abt. IX, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926, S. 360 – 459.

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Arthur Salz [vor dem 24. März 1913; Heidelberg] Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers (Fotokopie) Die Datierung ist aus dem Hinweis auf das GdS-Manuskript von Salz über „Berufsgliederung“ erschlossen, das Weber vor seiner „Abreise“, d. h. vor seiner Fahrt in die Schweiz aus Sicherheitsgründen an diesen zurückgehen lassen wollte. Webers Abfahrt nach Zürich dürfte, der Karte an Marianne Weber vom 25. März 1913, unten, S. 146, nach zu urteilen, am 24. März 1913 erfolgt sein. Der Ort ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Verehrtester Herr College!

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Ich erhielt Ihr Mscr.1 Es ist gemeiner Pharisäismus, das weiß ich – aber dennoch macht mir die Handschrift Schwierigkeiten. Daher kann ich jetzt, vor der Abreise, nur sagen: mich erschreckt etwas 1) der Umfang – 2) das Zurücktreten des Empirischen beim „Beruf“, so außerordentlich mich die Berufsphilosophie begreiflicherweise interessieren wird. – Da ich verreise, ist mir das Lagern des Mscr. hier unheimlich. Es könnte doch etwas passieren. Daher wird meine Frau es Ihnen in den nächsten Tagen, wenn sie die Ihrige2 besucht, wieder mitbringen. Vielen Dank und collegiale Grüße und Empfehlungen Ihr Max Weber

1 Wie aus dem folgenden hervorgeht, handelt es sich hierbei um das Manuskript des GdS-Beitrags über Berufsgliederung. Salz’ Beitrag ist jedoch nie erschienen; vgl. dazu den vorangehenden Brief Webers an Salz, vor dem 24. März 1913, oben, S. 144, Anm. 9. 2 Gemeint ist Sophie („Soscha“) Salz.

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25. März 1913

Marianne Weber PSt 25. März 1913; PSt Zürich Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Am 24. März 1913 fuhr Max Weber nach Zürich und traf dort Mina Tobler. Am 25. März setzte er die Reise nach Ascona fort, wo er bis zum 24. April blieb. Am 26. April kehrte er nach einer Zwischenstation in Freiburg nach Heidelberg zurück.

Liebe Schnauzel, – es war gestern Abend sehr nett bei den beiden feinen Leuten, der sehr stillen Frau, die nach irgend Jemand oder etwas sucht, was ihr ihre natürliche Schwere nimmt, und dem noch so jungen (28 Jahre!) aber reifen und ernsten, amerikanisch anmutenden Manne.1 Man plauderte, namentlich über seinen „Moral“-Unterricht an Beispielen etc., der mir doch problematisch blieb, trotz Allem. Nun will das Tobelkind2 mir noch schnell die Hodlers3 zeigen, dann geht es weiter nach – denke ich – Ascona. So ganz klar bin ich immer noch nicht, das Wetter soll entscheiden. Du bekommst dann telegraphische Nachricht für die Briefe etc. Laß Dich herzlich küssen von Deinem nun schon 20 Jahre4 im Gebrauch befindlichen alten Max

1 Max Weber besuchte Mina Tobler bei ihrer Schwester Elsa Ott, die ebenfalls Musikpädagogin war. Deren Mann, Hans Ott, war Gymnasiallehrer für Mathematik und Naturwissenschaften in Zürich. Im Oktober 1912 erwarb er die von seiner Schwiegermutter Henriette Tobler, geb. Hattemer, gegründete Privatschule mit Mädchenpensionat in Zürich. Als Schulleiter hielt er den „Moral“-Unterricht (schriftliche Mitteilung von Dr. Achim Tobler vom 17. März 1992). 2 Mina Tobler. 3 Werke Ferdinand Hodlers befanden sich sowohl im 1910 gegründeten Kunsthaus von Zürich, als auch im Schweizerischen Landesmuseum. 4 Gemeint ist seit der Verlobung von Max und Marianne Weber am 23. März 1893.

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Marianne Weber PSt 26. März 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Als Max Weber nach Ascona kam, war das Dorf bereits ein beliebter Urlaubsort für Personen, die mit keiner der dort vertretenen Sub- und Gegenkulturen verbunden waren. So besuchten zur gleichen Zeit wie Weber auch der Heidelberger Anatom und Kollege Webers Hermann Braus und seine Frau Ascona, auch Ernst Troeltsch plante dort einen Erholungsurlaub, fuhr dann aber in das benachbarte Locarno. Ascona war um 1905 durch zum Teil skandalisierende Berichte über die Naturheilanstalt „Monte Verità“ bekannt geworden. Henri Oedenkoven, Sohn eines reichen Fabrikanten aus Antwerpen, war durch ein chronisches Magenleiden zum Vegetarier geworden und hatte 1900 Gelände auf einer Bergkuppe oberhalb von Ascona gekauft. Er gründete dort zusammen mit der Pianistin Ida Hofmann und einigen Freunden 1902 eine Kuranstalt. Sie erstrebten über den Vegetarismus hinaus durch Luft- und Sonnenbäder, Reformbekleidung und körperliche Gartenarbeit ein naturverbundenes Leben. Das Ziel war eine umfassende ethische Lebensreform, die insbesondere junge Menschen aus bürgerlichen Kreisen in Deutschland, die in Opposition zum großstädtischen Leben unter kapitalistischen Bedingungen standen, anzog. Literaten, Künstler, Vegetarier, theosophische Sinnsucher und Anhänger der „freien Liebe“ bildeten sich überschneidende Gruppen. Ascona war auch ein Treffpunkt von Anarcho-Syndikalisten, die sich um den stets hilfsbereiten Berliner Lungenfacharzt und sozialdemokratischen Stadtverordneten Raphael Friedeberg gruppierten. Dieser hatte sich dem Anarchismus zugewandt, war mit dem Züricher Arzt und Anarchisten Fritz Brupbacher befreundet, kannte Erich Mühsam und Ernst Frick, über diesen auch Otto Gross und dessen Frau Frieda Gross, mit der Max Weber in Ascona in engen Kontakt trat. Vgl. insbesondere Szeemann, Harald (Hg.), Monte Verità. Berg der Wahrheit. – Mailand: Electra Editrice 1978.

Liebe Schnauzel, –

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ich bin hier in Ascona, :(Schweiz): casa Abbondio (ein Rechtsanwalt u. Notar)[,] ganz gut und behaglich untergekommen. 30 Lire das Zimmer per Monat. Essen bei Quattrini,1 wo alle Welt ißt. Bei diesem zu logieren war nicht gut möglich, die Zimmerchen sind hübsch, aber zu kalt bei der jetzigen Witterung, die leider der mir bekannte SchneeHimmel ist, auch ohne Aussicht auf den See. Ich habe ein Gärtchen zur Benutzung, was am See liegt, das Haus selbst liegt an der hochgelegenen Straße mit recht schöner Aussicht. Absolute Ruhe: Niemand neben oder über mir, Alles abgeschlossen nach außen, im 3. Stock. Letzte Nacht schlief ich 12 Stunden brillant, wie gewöhnlich, ohne alle Nachhilfe. Jetzt wird es wohl anders kommen.

1 Hotel-Pension mit Restaurant in Ascona.

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26. März 1913

– In Zürich haben wir2 schnell, ehe ich abreiste, Dein Kleid3 gekauft, hoffentlich richtig! und dann die wunderbaren Hodler’s4 gesehen. Tausend schöne Grüße, es umarmt Dich Dein Max

2 Mina Tobler und Max Weber. Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 25. März 1913, oben, S. 146. 3 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 4 Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 25. März 1913, oben, S. 146, Anm. 3.

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27. März 1913

Marianne Weber PSt 27. März 1913; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Donnerstag“ erschlossen.

Ascona, Casa Abbondio Donnerstag. Liebes Schnauzele, –

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heut ist es kalt, aber etwas Sonne nach endlosem Regen gestern den ganzen Tag. Ich sitze, spät aufgestanden nach einer mittelguten Nacht, auf meiner großen Bude, 3 – eigentlich 4 – Stock hoch, mit Blick auf das steil ansteigende Gärtchen neben dem Haus und dem See. Im Zimmer sind 2 Betten, 1 Wandschränkchen, 1 Commode, 1 alter verfallener „Prahlhans“,1 1 großes Schlafsopha, 1 großer Tisch, Blechwaschtisch, Nachttisch und einige vorweltliche Polsterstühle, elektrische Lampe, keine Klingel (4 Treppen hoch!), uralte Öldrucke, 1 Spiegel[,] ein Kleiderständer, gelb getünchte Wand. Zum Zimmer gehören: 1 kleine Küche, 1 Abort nebst Badezimmer, das Ganze unter Etagenabschluß! Also ganz für ein „glücklich liebend Paar“ von Asconaer Naturmenschen,2 die höchstens einmal eine Hafergrütze kochen. Vor dem Haus ist die Chaussee, dann steigt man in ein kleines üppig blühendes, betäubend nach Veilchen duftendes Gärtchen am See hinunter, Hühnerhof u.s.w., kleiner Bootlandeplatz. – Der Mann,3 avvocato e notaioa, ist den ganzen Tag auf seinem Büreau in Locarno. Die Frau, sicher einst schön, noch jetzt sehr stattlich, hat den Typus der Großbäuerin, scheuert die Stube mit der serva zusammen, läuft im Trab zur Post, wenn nötig etc. etc., kurz ist ihrem „Stand“ nach dasselbe wie Sigra Quattrini in der Kneipe im Örtchen –

a O: notajo 1 Als „Prahlhans“ wurde ein Schrank mit verglastem Oberteil bezeichnet, in dem wertvolle Gegenstände, wie Gläser, Silber und Geschirr, zur Schau gestellt wurden. 2 Als „Naturmenschen“ galten in Ascona die z.T. im Anschluß an die Naturheilanstalt auf dem Monte Verità in Ascona lebenden Vegetarier. 3 Gemeint ist der Vermieter Giovanni Abbondio, Rechtsanwalt und Notar.

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27. März 1913

es ist ein richtiges dreckiges Italienernestchen, nur ist die Kneipe durch dieb hier wohnenden Gäste cultiviert. Die Küche ist eigentlich zu gut für mich. Morgens esse ich hier Biscuit und gedörrte Feigen, man bekommt die Sachen ganz gut in der Handlung für die Naturmenschen. Im Hause giebt es hier nichts. Heut will ich nochmal – schnell ehe die Bernays „begängig“c 4 ist – nach Locarno eine Zeitung lesen – man weiß ja rein nichts in der Welt! Es wäre mir doch lieb, Du schicktest so alle paar Tage die Abendblätter der Frankfurterin.5 Sonst ist man jad so abgeschnitten wie Wolfgang Gothein.6 Nun werde ich wohl nächstens meine „schlechte Nacht“7 haben und dann fängt die „Cur“ ja erst an. Was mag denn das Mädele gemacht haben? Jetzt vor 20 Jahren fuhr es nach Örlinghausen und ich nach Straßburg – Heidelberg.8 – Eben kommt das Mädchen das Bett machen, ein armes Ding mit einere Zahnfistel, da werde ich das Zimmer für einige Zeit räumen müssen. Laß Dirs gut gehen, Liebesf und sei froh. Es küßt Dich tausend Mal Dein Max

b

c Unsichere Lesung.

d

e Zahnfis > einer

f O: liebes

4 Begängig ist ein Schweizer Ausdruck für Begegnung. Marie Bernays hatte eine Reise nach Locarno angekündigt. 5 Gemeint ist die Frankfurter Zeitung. 6 Wolfgang Gothein, ein Sohn von Eberhard und Marie Luise Gothein, lebte zu dieser Zeit als Arzt in Peking. 7 Gemeint ist die Reaktion auf die Absetzung der Psychopharmaka, die Weber in Heidelberg genommen hatte. 8 Nach ihrer Verlobung am 23. März 1893 in Berlin fuhr Marianne Schnitger zu ihren Verwandten in Oerlinghausen, um diesen ihre Verlobung mitzuteilen. Max Weber besuchte in Straßburg seine Tante Ida Baumgarten, um ihr von seiner Verlobung zu berichten, wodurch Erwartungen auf eine Bindung zwischen ihm und deren Tochter Emmy Baumgarten beendet wurden. Anschließend fuhr Max Weber weiter nach Heidelberg, wo er am 8. April 1893 an der Doppelhochzeit seiner beiden Cousinen Emilie (Mila) Hausrath mit Philipp Jolly und deren Schwester Paula Hausrath mit Georg Schmidt teilnahm.

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Paul Siebeck 28. März [1913]; Ascona Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „3.IV.13.“ sowie Briefinhalt. Der folgende Brief steht in Zusammenhang mit der Drucklegung der Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentages.

Ascona 28/3 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Das von den Herren Simmel u. Sombart Gestrichene muß fortbleiben.1 Correkturen erbitte ich hierher, Ascona (Lago Maggiore) Casa Abbondio[.] An Herrn Prof. Schmid werde ich schreiben.2 Da jetzt Alles verreist ist, wird die Correktur wohl sehr langsam gehen. Mit vorzüglicher Hochachtung und den besten Grüßen Ihr Max Weber

1 Paul Siebeck hatte Weber am 26. März 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) berichtet, daß Georg Simmel und Werner Sombart „die Streichung einiger Teile der Diskussionen beantragt“ hätten und er diese Stellen „daher zunächst nicht setzen“ lasse. 2 Siebeck hatte in seinem Brief vom 26. März 1913 (wie Anm. 1) mitgeteilt, daß das Manuskript von Ferdinand Schmids Rede auf dem Soziologentag noch nicht eingetroffen sei. Der daraufhin von Weber an Schmid geschriebene Brief vom 30. März 1913 ist nicht überliefert, doch wird dessen Inhalt in Schmids Antwort vom 22. April 1913 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) wiedergegeben; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 26. April 1913, unten, S. 208, Anm. 1. Die Rede Schmids: Das Recht der Nationalitäten, ist erschienen in: Verhandlungen 1912, S. 55 –72.

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28. März 1913

Marianne Weber PSt 28. März 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Als Max Weber Ascona zum Urlaubsort wählte, wußte er, daß er dort Frieda Gross treffen werde. Er hatte sie anläßlich ihrer Besuche bei Else Jaffé in den Jahren 1907 und 1908 in Heidelberg kennengelernt (vgl. MWG II/5, S. 394 und S.431, Anm. 6). Frieda Gross war eine Jugendfreundin von Else Jaffé aus Freiburg und stand mit ihr seitdem in engem Kontakt. Weber kannte die Lebensgeschichte von Frieda Gross und kannte auch die psychoanalytisch angeleiteten Schriften ihres Mannes, des Psychoanalytikers Dr. Otto Gross, für eine – insbesondere sexuell – repressionsfreie Ethik zur psychophysischen Emanzipation des Individuums. Er hatte dessen Ansichten mit großer Schärfe in seinem Brief an Else Jaffé vom 13. Sept. 1907 (MWG II/5, S. 393 – 403) widersprochen. Otto Gross, seit 1903 mit Frieda Gross, geb. Schloffer, verheiratet, habilitierte sich 1906 für Psychopathologie an der Universität Graz. Er übersiedelte im gleichen Jahr nach München und spielte dort eine einflußreiche Rolle in der Bohème. In diese Zeit fallen auch seine Beziehungen zu den Schwestern Richthofen, Else Jaffé und Frieda Weekley, die später mit dem englischen Schriftsteller D. H. Lawrence zusammenlebte. Er veröffentlichte Aufsätze zu sexualethischen und neurophysiologischen Themen, setzte sich mit Sigmund Freud auseinander und begegnete 1908 bei seiner zweiten Entziehungskur in der Anstalt Burghölzli dem Psychoanalytiker C. G. Jung. Otto Gross war schon seit 1901 drogenabhängig, insbesondere von Kokain, und blieb dies trotz mehrerer Entziehungskuren bis zu seinem Tod 1920. Er führte ein unstetes Leben an wechselnden Aufenthaltsorten und verkehrte in anarchistischen Kreisen. Durch die Bereitstellung von Gift war er an zwei Selbstmorden von jungen Frauen, die zu ihm in sexualtherapeutischen Beziehungen standen, beteiligt, von Lotte Chattemer 1906 in Ascona und von Sophie Benz 1911 ebenfalls in Ascona. 1908 verzichtete er auf die Privatdozentur. Sein Vater, Hans Gross, zunächst Untersuchungsrichter, dann Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Prag, seit 1905 in Graz, unterstützte seinen Sohn finanziell und bemühte sich, ihn aus der Drogenabhängigkeit zu lösen, wieder in bürgerliche Lebensverhältnisse zu führen und vor der drohenden Kriminalisierung zu schützen. Schließlich glaubte er, nur noch über eine Zwangsinternierung des Sohnes und seine Einsetzung als Vormund seine Ziele erreichen zu können. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, unten, S. 386, sowie Hurwitz, Emanuel, Otto Gross. Paradies-Sucher zwischen Freud und Jung. – Zürich: Suhrkamp Verlag 1979; hinfort: Hurwitz, Otto Gross. Frieda Gross hatte sich von ihrem Mann getrennt und lebte seit 1909 mit Ernst Frick zusammen, einem Freund ihres Mannes. Aus dieser Beziehung stammte ihre 1910 geborene Tochter Eva Verena. Während Webers Aufenthalt in Ascona verbüßte Ernst Frick, gelernter Formgießer aus Zürich, Anarchist und zeitweilig Redakteur des Gewerkschaftsblattes „Der Weckruf“, seit dem 30. November 1912 eine einjährige Gefängnisstrafe. Er war beschuldigt worden, am 3./4. Juni 1907 an einem Überfall auf die Zürcher Polizeikaserne zur Befreiung eines dort gefangenen russischen Anarchisten beteiligt gewesen zu sein. Das Zürcher Schwurgericht sprach ihn mangels Beweisen 1907 frei. Auf Grund der Selbstanzeige eines an den damaligen Vorfällen Beteiligten, des ehemaligen Anarchisten Scheidegger, in einem deutschen Gefängnis im Dezember 1911, der die Mitwirkung Fricks behauptete und ihm die Beschaffung von Sprengstoff anlastete, betrieb die Staatsanwaltschaft Zürich im Mai 1912 ein Wiederaufnahmeverfahren, das zunächst vom Obergericht des Kantons Zürich, unter Vorsitz des sozial-

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demokratischen Richters Otto Lang, abgewiesen wurde. Daraufhin erhob die Bundesanwaltschaft vor dem schweizerischen Bundesstrafgericht erneut Anklage wegen Verbrechens gegen das eidgenössische Sprengstoffgesetz und verband damit eine zusätzliche Anklage wegen Verkehrsgefährdung. Denn Frick war von seinem Bruder und seinerzeitigen Mittäter, der religiösen Strömungen folgend Mitglied der Pfingstgemeinde in Ulm geworden war, beschuldigt worden, während eines Streiks im Oktober 1908 einen Straßenbahnzug durch Blockade der Gleise und Abschaltung des Stromes aufgehalten und überfallen zu haben. Frick wurde am 25. Juli 1912 erneut verhaftet und wegen des Besitzes von Sprengstoff und des Überfalls auf eine Straßenbahn zu einem Jahr Gefängnis ohne Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt. Frick leugnete die Beteiligung an beiden Vorfällen, doch hatten die Selbstbeschuldigungen der Mittäter, die aus Gewissensgründen erfolgt waren, sein Alibi erschüttert. Die Darstellung folgt der Anklageschrift der schweizerischen Bundesanwaltschaft vom 1. Oktober 1912 und der Urteilsbegründung des schweizerischen Bundesstrafgerichts vom 30. November 1912 sowie den Prozeßberichten in der Neuen Zürcher Zeitung vom 22. November bis zum 2. Dezember 1912. Die nachfolgenden Briefe an Marianne Weber aus Ascona vom März und April 1913 berichten über die gegenwärtigen Lebensverhältnisse von Frieda Gross, die mit ihren beiden Kindern, dem sechsjährigen Peter und der zweieinhalbjährigen Eva Verena, ein unruhiges und durch Inhaftierung ihres Lebensgefährten Ernst Frick beunruhigtes Leben führte. Sie fürchtete die Drohungen ihres Schwiegervaters, Otto Gross festnehmen zu lassen und ihr den Sohn wegzunehmen. Vgl. insbesondere die Briefe an Marianne Weber vom 31. März, 14. und 16. April 1913, unten, S. 160, 182 und 185 f., sowie an Frieda Gross vom 26. April 1913, unten, S. 204 f.

Liebe Schnauzel, –

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nichts Neues auch hier, Dank für Deine beiden Sendungen und Grüße. Es ist einsam und still hier. Von Ehrenberg1 keine Spur. Sigre Philipsa 2 saß am ersten Tag Abends bei Quattrini3 mit einem sehr hübschen Mädchen, ist aber auch scheints verduftet. Und die Frida4 wohnt[,] denke ich[,] oben am Berge, ich hier unten am See. Die Nächte sind mäßig, daher liege ich viel. Doch bin ich gestern gestiegen und in Locarno herumgelaufen. Der Kopf ist stumpf, vorerst geht also Alles nach Wunsch. Das Wetter könnte besser sein, es ist etwas kalt und bedeckt, Nachts viel Regen, auf den Bergen Schnee. Tausend Küsse von Deinem stumpfsinnigen Max a O: Philipps 1 Nach Hans Ehrenberg, Privatdozent für Philosophie in Heidelberg, erkundigte sich Marianne Weber auch in ihrem Brief an Max Weber vom 28. März 1913, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 2 Carlo Philips, Gymnasiallehrer und Schriftsteller, war ein Freund von Hans Ehrenberg. 3 Restaurant in Ascona. 4 Frieda Gross, vgl. die Editorische Vorbemerkung zu diesem Brief.

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Marianne Weber PSt 29. März 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Max Weber berichtete Marianne Weber mehrfach über Erzählungen von Frieda Gross über Franziska Gräfin zu Reventlow, die sie 1907 in München kennengelernt hatte und mit der sie in Ascona eng befreundet war. Franziska Gräfin zu Reventlow, seit 1896 zentrale Figur der Münchener Bohème, Übersetzerin und Schriftstellerin, war im November 1910 mit der Absicht nach Ascona gekommen, ihre permanenten Finanznöte durch eine Scheinehe mit dem dort wohnhaften Baron Alexander von Rechenberg-Linten zu beheben. Dieser war Alkoholiker und lebte von Zuwendungen seines Vaters, eines Balten und ehemaligen kaiserlich-russischen Gesandten in Madrid. Der 78 Jahre alte Vater drohte den Sohn zu enterben, wenn dieser nicht eine standesgemäße Heirat einginge. So war Alexander Baron von Rechenberg-Linten auf der Suche nach einer geeigneten Frau, um sich das Erbe zu sichern. Von diesem Sachverhalt wurde Franziska Gräfin zu Reventlow in München von Erich Mühsam informiert, der seinerseits mit Ernst Frick in Kontakt stand. Die Eheschließung zwischen Franziska zu Reventlow und Alexander von Rechenberg erfolgte am 16. Mai 1911, ohne daß ein gemeinsamer Hausstand begründet wurde. Der Ehekontrakt sah vor, daß Franziska zu Reventlow die Hälfte der Erbschaft zur freien Verfügung erhalten solle. Der Vater erkannte bald die Täuschung und setzte den Sohn auf das Pflichtteil. Doch auch dieses schien eine sichere Existenz zu ermöglichen. Der Erbfall trat im März 1913 ein, als sich Franziska zu Reventlow in Palma de Mallorca im Haus ihres Vetters Viktor von Levetzow aufhielt. Sie war daher zur Zeit des ersten Besuches von Max Weber nicht in Ascona. Vgl. Kubitschek, Brigitta, Franziska Gräfin zu Reventlow. Leben und Werk. – München: Profil Verlag 1998, S. 443 – 462 (hinfort: Kubitschek, Reventlow), sowie die Briefe von Franziska zu Reventlow an Paul Stern vom Herbst 1910, Januar 1911, Februar 1911, März 1911, Spätsommer 1911, Juni 1913 und Sommer 1913 sowie ihre Briefe an Friedrich und Friedel Kitzinger vom Januar, Februar, Juni 1911 und Frühjahr 1914, in: Reventlow, Franziska Gräfin zu, Briefe 1890 – 1917. – München–Wien: Albert Langen – Georg Müller Verlag 1975, S. 520 – 523, 527, 528, 531, 534, 559 – 562, 571 – 579. Nach seiner Rückkehr aus Ascona bemühte sich Weber, von Frieda Gross veranlaßt, um eine juristische Begutachtung der Erbansprüche von Franziska Gräfin zu Reventlow, vgl. Briefe an Frieda Gross vom 26. April 1913 sowie an Hans W. Gruhle vom 18. Mai und vor dem 25. Dezember 1913, unten, S. 204, S. 238 f. und S. 438. Auch war Marianne Weber bereit, die Rückreise der Gräfin von Mallorca finanziell zu unterstützen, vgl. Brief an Hans W. Gruhle vom 18. Mai 1913, unten, S. 234. Max Weber begegnete Franziska zu Reventlow erst anläßlich seines zweiten Aufenthaltes im April 1914. Vgl. seine Briefe an Marianne Weber vom 1. April 1914, unten, S. 583, Anm. 6, und an Frieda Gross vom 26. April 1914, unten, S. 645, Anm. 7.

Lieber Schnauzel, – als ich gestern von der Post kam, zu der ich Deine Karte1 brachte, kam mir von der Thür meines Hauses her eine blonde Frau entgegen mit

1 Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 153.

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einem blonden, einem schwarzen Kind, – natürlich Fr[ieda].2 Wir haben uns guten Tag gesagt, sie mir von der Gräfin3 erzählt – es geht ihr pekuniär gut, ihr Schwiegervater4 sei gestorben – und dann von ihren Kindern. Sie wohnt weiß Gott in meinem Hause, die Kinder mit dem Mädchen5 schräg gegenüber am Hafen. Aber man sieht sich nicht, wie das ja allein schon zeigt. Sie war etwas befangen, ist etwas :in der Erscheinung: „proletarisiert“, aber sonst wie immer. – Ganz gute Nacht nach einem Bad. Noch immer keine Katastrophe.6 Das Wetter ist jetzt mild bei völlig bedecktem Himmel, man sitzt draußen. Immerhin könnte es noch wärmer sein, wollen hoffen daß es so bleibt. Von Dir heute noch nichts, es kommt wohl noch ein Kärtchen. Nun Du Ruhe vor der Bernays hast, kannst Du Dich ja „ausleben“ – nicht? Schick mir doch per Kreuzband7 die „5 Stationen des Leidensa“ von diesem Philipsb.8 Ich bin doch neugierig, was das eigentlich ist und Gescheidtes thut der Kopf doch nicht. Aber er schickt Dir tausend Küsse. Dein stumpfsinniger Max

a O: Leides

b O: Philipps

2 Frieda Gross mit ihren Kindern Peter und Eva Verena. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f. 3 Franziska Gräfin zu Reventlow. 4 Gemeint ist der Vater von Alexander Baron von Rechenberg-Linten, mit dessen Tod der Erbfall eingetreten war, vgl. die Editorische Vorbemerkung zu diesem Brief. 5 Elise Höller, zunächst Dienstmädchen bei den Schwiegereltern Gross in Graz, besorgte Frieda Gross den Haushalt. 6 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 27. März 1913, oben, S. 150, Anm. 7. 7 Das Kreuzband bestand aus zwei rechtwinklig kreuzenden Streifbändern aus Papier oder dünner Pappe und diente zur Versendung von größeren Drucksachen zu ermäßigten Gebühren. 8 Philips, Carlo, Die fünf Stationen des Leidens. – Heidelberg: Richard Weissbach 1911. Es handelt sich um Betrachtungen in gebundener Sprache in Dialogform zwischen Mann und Frau über fünf Lebensstadien, Kindheit, Jugend, Reife, Mitte des Lebens und Alter.

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30. März 1913

Marianne Weber 30. März [1913]; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Ascona, casa Abbondio 30/3 Sonntag. Liebe Schnauzel, – gestern früh, als ich auf dem Gartenbänkchen an der Straße saß, erschien – statt in der Gegend in dem illustrierten „Guide“ herumgukkend, schon von ferne kenntlich, die Bernays. Erst auf dem Hinweg, dann auf dem Rückweg. Nun, ich hoffe, daß sie die Unrentabilität dieses Weges eingesehen hat – ich schickte sie die Chaussee entlang weiter und sie fand, die führe zu keinem Endpunkt – obwohl ich sehr freundlich war.1 Gott sei Dank sah sie nicht die Frieda2 bei mir sitzen, die bald hernach kam. Sie reist aber jetzt nach Zürich,3 so daß selbst diese Mittagsstunden – Morgens und den ganzen Nachmittag hat sie mit den Kindern zu schaffen (der Peter4 „lernt“ vorerst bei ihr) – nun erst einmal fortfallen. Sie war ganz zuthunlich, ist im Grunde die alte, mit recht gesundem Humor, etwas zerzottelt, die Schleiertücher etc. von Zigarettenfunken hie u. da durchgebrannt u.s.w., in der Erscheinung äußerst einfach, auch sonst innerlich stark vereinfachend stilisiert. Das jüngere Kind (Eva)5 höchst sensibel, schüchtern, ganz von der Mutter abhängig (weint bei jedem ernsten Wort von ihr), behütet wie ein Augapfel, – der Bengel (Peter) dem Vater6 gleichend, brutal und unliebenswürdig, bekommt von ihr Versprechungen (die schwerlich alle gehalten werden), wenn er sich „lieb“ verhalte, bleibt mürrisch, trotzig oder unbeherrscht, wird ihr (da er dem „Stiefvater“7 si1 Max Weber hatte erst kurz zuvor den Habilitationswunsch von Marie Bernays abgelehnt. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 12. März 1913, oben, S. 122. 2 Frieda Gross. 3 Frieda Gross besuchte Ernst Frick im Züricher Gefängnis, vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f. 4 Peter Gross. 5 Eva Gross. 6 Gemeint ist Otto Gross. 7 Gemeint ist Ernst Frick.

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cher unerträglich sein muß) noch schwere Stunden machen. Frick kann man nicht nützlich sein. Damit er nicht Garn zu zupfen :brauchte:, sondern nach seinen Wünschen beschäftigt werden könnte, müßte er, nach dem unsozialen Schweizer Recht, die Gerichtskosten seines Prozesses haben zahlen können: 15000 Fr.! „Gott sei Dank, daß die Summe so hoch sei und man an ihre Aufbringung gar nicht :habe: denken können“. Sie sieht ihn, wie in der „Auferstehung“ bei Tolstoj,8 durch einen Schalter. Da der Staatsanwalt 15 Jahre Zuchthaus beantragt hatte, ist 1 Jahr Gefängnis für die Dummheit in der That gelinde, und gesundheitlich gehe es. – Der Gräfin9 hat Jaffé10 auf :ihre: Bitte 300 Mk geliehen, gegen Sicherstellung (!) beim Verleger11 auf ihr nächstes Übersetzungshonorar: dadurch (Anatole France)12 erwirbt sie sich :eignes: Geld (im Übrigen ist sie z.Z. sichergestellt durch den „Freund“13). Ohne jene Summe hätte sie nicht nach Mallorca14 kommen können. Sie habe eine wahnsinnige Angst vor :Allem vor dem: Altwerden, – :ebenso vor dem Tod: – die Ärzte hüllten sich (auch in München) alle in Schweigen, auch wegen des Operierens (offenbar hielte sie das nicht mehr

8 Gemeint ist die Szene, in der Fürst Nechljudow Katja Maslowa nach ihrer Verurteilung im Besucherraum des Gefängnisses durch die Gitterstäbe wiedersieht und sie um Verzeihung bittet. Vor zehn Jahren hatte er sie verführt und damit den Abstieg ihres Lebens zur Dirne verschuldet. Jetzt hatte er als Geschworener an ihrer Verurteilung mitgewirkt. Mit dem Roman: Tolstoi, Leo, Die Auferstehung, 3 Bände. – Jena: E. Diederichs 1900, hatte sich Max Weber schon früher auseinandergesetzt. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 13. oder 14. April 1906, MWG II/5, S. 75. 9 Franziska Gräfin zu Reventlow. 10 Edgar Jaffé gehörte in München zu den Freunden der Gräfin Reventlow. 11 Gemeint ist Albert Langen in München. 12 Bis dahin bekannt waren ihre Übersetzungen von: France, Anatole, Die Rote Lilie. – München: Langen 1899; ders., Revolutionsgeschichten. – München: Langen 1908; zuletzt ders., Der Statthalter von Judäa und anderes. – München: Langen 1910. Erst 1920 erschien im gleichen Verlag die Übersetzung von Anatole France: Madame de Luzy. 13 Möglicherweise handelte es sich um den Rechtsanwalt Mario Respini-Orelli aus Locarno, den die Gräfin 1911 kennenlernte. Vgl. hierzu Kubitschek, Reventlow, S. 480f. 14 Die Monate November 1912 bis Mai 1913 verbrachte Franziska Gräfin zu Reventlow mit ihrem Sohn in Palma de Mallorca, wohin sie ein alter Freund und Vetter, Victor von Levetzow, in sein Haus eingeladen hatte. Vgl. den Brief an Franz Hessel vom 10. Nov. 1912 und die Briefe an Paul Stern von Anfang November, November und Dezember 1912 sowie vom 25. März, 6. April und Juni 1913, in: Reventlow, Franziska, Gräfin zu, Briefe 1890 – 1917. – München – Wien: Albert Langen – Georg Müller Verlag 1975, S. 497f. und S. 552 – 560.

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aus) und empfählen „starke Nahrung“ (wegen der Schwindsucht):15 Da der alte Schwiegervater Rechenberg von dieser „Ehe“16 seines (versoffenen, hier in der Nachbarschaft wohnenden) Sohnes, der bisher von ihm nur „Taschengeld“ bekam, weiß, so wird er testamentarisch sicher Vorsorge getroffen haben, daß à conto dieser VersorgungsEhe (welche die Frieda stolz ist gestiftet zu haben) nichts an die Gräfin kommt. Immerhin kann sie doch suchen, im Notfall den „Ehemann“ (sie siezen sich nach wie vor, verkehren per „gnädige Frau“) anzuzapfen, denn etwas besser muß es dem ja gehen. Den Sohn17 hat er aber nicht adoptiert, weil die Gräfin das – aus „Gefühlsgründen“ – nicht gewollt hat. Ich finde, daß, wenn man einmal ein solches „Geschäft“ macht, – dann auch ganz! – So, das war das Wesentliche. Ich bewohne jetzt hier das frühere Zimmer Frick’s. Die Wohnung :schrägüber: am Hafen, wo die Kinder mit der dicken gutmütigen „Lisi“18 wohnen u. die Frieda ihre Mahlzeiten nimmt u. Nachmittags „lebt“, – Vormittags hier – ist gut heizbar, sonst in einem kleinen italienischen Schweineställchen, muß man schon sagen. – Eben kamen die „Frankfurter“, gestern Deine liebe Sendung; bekommen habe ich bisher Alles. Schönsten Dank und viele schönste Frühlingsgrüße, es ist leidlich warm, der Schlaf mäßig, aber die sehr starke Unruhe vom vorigen Jahre nicht da. Natürlich wird die ungünstige Zeit erst noch kommen. Es umarmt Dich Dein Max

15 Im Sommer 1907 berichtet Franziska Gräfin zu Reventlow von dem „nicht endenwollenden Kranksein“ und von einer Operation, vgl. Reventlow, Franziska Gräfin zu, Tagebücher 1895 – 1910, hrsg. von Else Reventlow. – München: Langen–Müller 1971, S. 424 und S. 430. 16 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 29. März 1913, oben, S. 154. 17 Gemeint ist Rolf Reventlow. 18 Elise (Lisi) Höller, Dienstmädchen von Frieda Gross.

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Marianne Weber 31. März [1913]; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Ascona, Montag 31/3 Liebe Schnauzel, –

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Die Quittung ist zurückgeschickt.1 Anbei der Brief von Frau W[ielandt] – Herr Gott! das geht nicht gut, aber welch’ ein prachtvoll leidenschaftliches Wesen. Ich sehe nur gar keinen Weg für sie, denn sie müßte ja in einer Universitätsstadt oder in nächster Nähe sein – also in Kehl oder bei Heidelberg – um jemals „studieren“ zu können.2 Aber zu machen ist gegen diese „überwerthige Idee“3 gar nichts. Ich fürchte, sie geht zu Grunde. – Mama schreibt nichts von Schäfer’s Finanzen.4 Das wüßte man doch gern. Ich schreibe ihr ein Kärtchen dieser Tage.5 Ich schlafe mit starken Unterbrechungen mein Teil zusammen, wenn ich lange genug liege. Es ist Alles totenstill und wie für mich geschaffen. Mittags bei Quattrini,6 morgens u. Abends den Vegetarierfraß: Haferbiskuits und Feigen, den man im Laden bekommt. Sollte es käl-

1 Gemeint ist die Erbschaftsquittung, die Max Weber, wie es Marianne Weber in ihrem Brief an Max Weber vom 30. März 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) gewünscht hatte, an Wilhelm Müller, der den Nachlaß seines am 6. März 1913 verstorbenen Bruders Bruno Müller ordnete, nach Oerlinghausen schickte. 2 Marianne Weber hatte ihrem Brief an Max Weber vom 30. März 1913 einen Brief von Lilli Wielandt beigelegt. Dieser Brief ist nicht nachgewiesen. Zur Lage von Lilli Wielandt vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 10. März 1913, oben, S. 120. 3 Der Ausdruck geht auf den Psychiater Carl Wernicke zurück und beschreibt u. a. die durch ein besonders erregendes Erlebnis hervorgerufene Vorstellung, die zu einer ‚fixen Idee‘ wird. Vgl. Wernicke, Carl, Grundriss der Psychiatrie in klinischen Vorlesungen. – Leipzig: Georg Thieme 1900. 4 Max Webers Schwester Lili Schäfer und ihre Familie lebten in beengten finanziellen Verhältnissen. Marianne Weber hatte in ihrem Brief mitgeteilt, daß sich die Aussichten auf einen Lehrstuhl für Architektur in Danzig für Hermann Schäfer zerschlagen hatten. Vgl. den den Brief an Helene Weber vom 13. April 1913, unten, S. 179. 5 Statt einer Karte schrieb Max Weber am 13. April 1913 einen Brief an Helene Weber, unten, S. 178 f. 6 Restaurant in Ascona.

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ter werden, würde die „Lisi“ der Frieda7 mir warmes Wasser für einen Citronen-Punsch bringen. Der Verkehr mit der Frieda selbst ist sehr begrenzt. Ich sitze sehr viel auf dem Bänkchen an der Straße über dem Gärtchen am See, dann plaudert sie mich an – über Gott und die Welt. Über Jaffé’s8 auch – ich antwortete: ich sei :moralisch durchaus: bereit, den Edgar J[affé] totzuschlagen, das sei ethisch nicht verwerflich, sondern das einzig Anständige, – leider verböten es unsre verrückten Gesetze u. etwas Andres könne ich Else9 nicht zu Liebe thun. Es sei besser gewesen und würde auch jetzt besser sein, die Sache weniger publik zu betreiben, denn das sei generöser. Damit „basta“. – Sie spricht viel von sich. Scheidung von Otto Gr[oss] (er hat dementia praecox)10 ist :rechtlich: unmöglich, da sie katholisch in Österreich getraut sind. Der Junge11 macht viel Sorgen und wird noch mehr machen, er lernt jetzt bei ihr, aber das geht ja nicht weiter. Sie ist absolut einsam hier und möchte wohl gern fort, nur ist es hier so billig (und sie: indolent). Die Gräfin12 bespricht sie auch fortwährend. Der Sohn13 scheint gänzlich zu mißrathen. Das sei kein Wunder, denn Alles werde vor ihm besprochen, in grober, zynischer Art an Allem gerüttelt, vor Allem moquiere sich die Mutter in seiner Gegenwart über Alles und Alle, die allernächsten Freunde nicht ausgenommen. In dem Jungen sei daher ganz naturgemäß aller und jeder Glaube an irgend etwas tot, kein Schatten von Güte und Ritterlichkeit adle sein brutales Wesen. – 7 Elise (Lisi) Höller war das Dienstmädchen von Frieda Gross. 8 Vermutlich bezog sich das Gespräch auf das Verhältnis zwischen Else und Edgar Jaffé, die bei getrennten Wohnungen und selbständiger Lebensführung die Ehe formal aufrecht erhielten. Edgar Jaffé hatte 1910, nachdem Else eine dauerhafte Beziehung zu Alfred Weber aufgenommen hatte, auf die Prätention einer fortbestehenden Ehe gedrängt und für den Fall der Scheidung gedroht, zwei der vier Kinder von Else Jaffé zu sich zu nehmen. Vgl. dazu die Briefe an Marianne Weber vom 11. März 1910 (MWG II/6, S. 426f.), 4. April 1910 (MWG II/6, S. 457 ff.), 5. April 1910 (MWG II/6, S. 460 f.), 8. April 1910 (MWG II/6, S. 465 – 467), 9. April 1910 ( MWG II/6, S. 468 – 470), 4. Mai 1910 (MWG II/6, S. 489 – 491), die Briefe an Edgar Jaffé vom 14. April 1910 (MWG II/6, S. 472f.), und vor oder am 25. April 1910 (MWG II/6, S. 480). 9 Else Jaffé. 10 Die Diagnose „dementia praecox“ hatte C. G. Jung, in dessen Behandlung sich Otto Gross in die Zürcher Irrenanstalt „Burghölzli“ (später Psychiatrische Klinik „Burghölzli“) begeben hatte, 1908 gestellt. Vgl. Hurwitz, Otto Gross, S. 159 f. Der Ausdruck geht auf Emil Kraepelin zurück, erstmals erwähnt in seinem Compendium der Psychiatrie.– Leipzig: Barth 1883, ausführlicher in der 5. Auflage 1896. Eugen Bleuler gab der Krankheit später den Namen „Schizophrenie“. 11 Peter Gross. 12 Franziska Gräfin zu Reventlow, mit der sie eng befreundet war. 13 Rolf Reventlow.

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Nun ja, das hat man sich ja gedacht: bitte sei Gruhle14 gegenüber vorsichtig mit der Wiedergabe, er nimmt es ihr sonst übel. Denn obwohl ihr die Gräfin sehr imponiert, gab sie Allem recht, was ich sagte (nun sie paßt sich ja auch an, aber in Einigem kam es aus ihr selbst). Die Gräfin wisse, daß ihr Leben in diesem Punkte ein Nichts sei und wehre sich dagegen. Jetzt sitzt sie in Mallorca, wartend ob der Spanier15 kommt oder nicht, – das sei dann im Augenblick immer Alles, was sie ausfülle, das jeweilige „Erlebnis“ – also ist sie doch auch nicht die kühle unbeteiligte „Technikerin des Amoureusen“, als welche sie sich in dem Buch16 giebt, – das versöhnt eher mit ihr. – Nun genug. – Ich lese allerhand und mache Notizen, denn heut ist es dichter Regen und Wolken auf dem See, während es die letzten Tage, bedeckt und mild, ganz wundervoll weiche Luft, ein wahres Sanatorium war und man gänzlich draußen lebte. – Was ist denn das mit Deinem plötzlichen schlechten Schlaf?17 Müßtest Du nicht vielleicht auch etwas fort? Denn es kommt doch wohl von der dem Nervensystem noch etwas ungewohnten Arbeit? Ist der Herzschlag dabei ruhig? Ich finde dies Intermezzo recht unnötig, mein Liebes. Eben trifft ein Camelien-Bouqueta der Bernays18 ein! Oh je! ich muß sie nun wohl heut Nachmittag in Locarno besuchen, um das damit abgemacht zu haben. Das desperate Frauenzimmer! Tausend Küsse und Grüße Dein Max a O: Bouquett 14 Hans Gruhle war mit Franziska zu Reventlow in seiner Münchener Studienzeit (1901 – 1904) eng befreundet und stand auch später zu ihr in einer vertrauensvollen Beziehung. 15 Franziska zu Reventlow befand sich vom November 1912 bis Mai 1913 in Palma de Mallorca auf Einladung ihres Vetters Viktor von Levetzow. Der Spanier ist vermutlich Francisco Galán, der Leiter des Laboratorio Biologico Marinoce Baleares, eines staatlichen Tiefsee-Forschungsinstituts, mit dem sie sich in Mallorca befreundet hatte, vgl. dazu Reventlow, Rolf, Kaleidoskop des Lebens, maschinenschriftliches Manuskript, Literatur Archiv der Münchener Stadtbibliothek, S. 28. 16 Vermutlich meinte Max Weber den Roman: Reventlow, Franziska Gräfin zu, Von Paul zu Pedro. Amouresken. – München: Albert Langen 1912. Die Autorin schildert darin sexuelle Abenteuer und Liebesbeziehungen als vorübergehende „Attraktionen“ und weist jede Problematisierung von Liebe als seelische Bindung zurück. 17 In ihrem Brief vom 30. März 1913 an Max Weber (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) schrieb Marianne Weber: „Gestern ging ich mit Frau Jellinek artig spazieren. [...] Dann schlief ich seltsamerweise unerhört schlecht – werde heute nicht arbeiten.“ 18 Marie Bernays war Max Weber am 29. März in Ascona begegnet, vgl. den Brief an Marianne Weber vom 30. März 1913, oben, S. 156.

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Marianne Weber [1. April 1913; Ascona] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort aus dem Briefinhalt und der Tagesangabe „Dienstag“ erschlossen.

Dienstag früh. Liebe Schnauzel, – nichts Neues, die Nächte sind mäßig, durch den Mund nehme ich nichts, abera „unten“ habe ich etwas thun müssen.1 Es ist jetzt etwas sonniger, aber kalt hier. Du bist nun hoffentlich auch wieder auf den Beinen und kannst Lukácsb etc. genießen. Die Briefe der kl[einen] Wielandt mißfallen doch fast etwas auf die Dauer.2 Sie nimmt sich halt wirklich sehr wichtig. Aber du lieber Gott! wie begreiflich ist Das in dieser Situation. Zuweilen natürlich fragt man sich wirklich: wenn nun diese Möglichkeiten (Universität) ihr überhaupt, rein formell, verschlossen wären, müßte es und würde es dann nicht gehen? Natürlich wird der Mann nun „reaktionär“! – Dieser Tage werde ich die :neue: Instruktion für Lili’s Anwalt abdiktieren.3 Von ihr hatte ich einen sehr netten Brief. Das arme Ding! Ich halte die Sache, wenn nur der Anwalt geschickt ist, für nicht ungünstig. Für heut tausend Grüße und Küsse Dein Max

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b O: Lukacz

1 Gemeint ist die Einnahme von Beruhigungszäpfchen. 2 Lilli Wielandt schrieb Marianne Weber zweimal wöchentlich. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 10. März 1913, oben, S. 120. 3 Der Brief an den Anwalt Eugen Fritschi ist nicht nachgewiesen. Es handelte sich um das Scheidungsverfahren von Lilli Hermann, geb Hausrath, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 11. Sept. 1912 (MWG II/7, S. 659) sowie die Karte an Marianne Weber vom 9. April 1913, unten, S. 173.

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Marianne Weber PSt 1. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Lieber Schnauzel, –

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eben kam zum 2ten Mal „Frankfurter“ und „die 5 Stationen des Leidens“1 – schönen Dank! Draußen strömt unermeßlicher Regen Tag und Nacht, der See ist ganz fort, aber die Luft vorerst noch weich und schön, auch nicht zu kalt; das wird wohl kommen, denn droben auf den Bergen ist der Regen natürlich = Schnee. Man kann keine 5 Minuten draußen gehen, ohne quatschnaß zu sein, daher liege ich viel auf dem großen Sopha und lese oder träume; und da das Schlafen immer nur in großen Intervallen geht, auch viel im Bett, um genug davon zu bekommen. Noch immer ist – nun nach einer „mittellosen“ Woche – der Collaps nicht da. Ausgehen thue ich nur zu Tisch. Der Schädel ist entlasteter und nicht mehr ganz so stumpf, er „denkt“ sogar Morgens im Bett und macht dann Notizen nötig. Freilich, was Rechtes ist es nicht. Ich werde dem Tobelkind2 schreiben, daß es mir die „Königliche Hoheit“ von Mann3 schickt, sie wollte sie mir eigentlich mitgeben[.] Das wird wohl das Rechte sein jetzt. Laß Gutes hören, mein Liebes, es küßt Dich Dein Max

1 Um die Zusendung des Buches: Philips, Carlo, Die fünf Stationen des Leidens. – Heidelberg: Richard Weissbach 1911, hatte Max Weber auf der Karte an Marianne Weber vom 29. März 1913, oben, S. 155, gebeten. 2 Ein entsprechender Brief an Mina Tobler ist nicht nachgewiesen. 3 Mann, Thomas, Königliche Hoheit. – Berlin: S. Fischer 1909.

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2. April 1913

Marianne Weber PSt 2. April 1913; Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona, casa Abbondio, Mittwoch. Lieber Schnauzel, – eben kam Brief und Karte und Zeitungen, – schönsten Dank. Die Nacht war wie gewöhnlich: ich liege 13 Stunden zu Bett, schlafe 6 mit Unterbrechung, bin begierig, was weiter wird. Die beiden letzten Tage goß es in Strömen, man war ganz auf das Zimmer angewiesen. Heut ist kein Regen, bedeckter Himmel, Wind, Kühle. Es könnte ruhig etwas wärmer sein. Zu erzählen ist nichts, Fr[ieda]1 habe ich natürlich nicht gesehen, obwohl ihr Zimmer 1/2 Treppe unter dem meinigen liegt. Aber sie weiß, daß ich alleine existieren muß. Hoffentlich kommst Du bald über das „Frühlingsfieber“,2 mein Liebes, Ruhe hast Du ja offenbar. Ja, – die Bernays3 werde ich wohl sitzen lassen. Ich wollte nur, falls ich mal nach Locarno fahre, sagen können, ich hätte sie besuchen wollen, wenn sie mich dabei attrappiert. Tausend Grüße und Küsse von Deinem Max

1 Frieda Gross. 2 In ihrem Brief vom 1. April 1913 an Max Weber sprach Marianne Weber von einer tüchtigen Erkältung. Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 3 Marie Bernays hatte Weber am 31. März 1913 einen Camelienstrauß schicken lassen, für den er sich ursprünglich mit einem Besuch bei ihr in Locarno bedanken wollte. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 31. März 1913, oben, S. 161.

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Robert Wilbrandt 2. April [1913]; Ascona Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 27, Bl. 4 Das Jahresdatum ist aus der Ortsangabe sowie dem Briefinhalt erschlossen. Dieser steht in Zusammenhang mit der Werturteilsdiskussion, die im Anschluß an eine Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik am 5. Januar 1914 in Berlin stattfand. Wilbrandt wollte offenbar seine Position in der Frage der wissenschaftlichen Werturteile mit Weber vorab klären. Der Brief Wilbrandts ist nicht überliefert.

Ascona (Tessin) 2/4 Verehrtester Herr College!

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Ich bin hier, sehr heruntergewirtschaftet, zur Abgewöhnung der Schlafmittel, die ich sehr stark anwenden mußte. Daher kann ich z. Z. keine „wissenschaftliche“ Korrespondenz führen, so sehr mich eine Auseinandersetzung locken würde. Aber es geht absolut nicht: „ultra posse nemo …“.1 Unsre Ansichten würden wohl, aglaube ich,a da auseinandergehen, wo Sie an eine Allgemeinlehre von den „Mitteln“ glauben: es ist mir übrigens nicht ganz deutlich geworden, wie (ungefähr) die aussehen könnte. Ich halte den unausgleichbaren Conflikt, also die Notwendigkeit steter Compromisse, für das die Werthsphäre Beherrschende; wie man die Compromisse machen soll, kann Niemand, es sei denn eine „offenbarte“ Religion, zwingend entscheiden wollen. Die Parallele bmit derb Medizin ist so bedenklich,2 weil für diese weniga unter > glaube ich,

b für die > mit der

1 „Ultra posse nemo obligatur“: Eine Umformulierung des auf Publius Iuventius Celsus zurückgehenden Rechtsprinzips: „Impossibilium nulla obligatio [est]“, zitiert in: Digesten, 50. 17, 185. 2 Der Vergleich von Nationalökonomie und Medizin findet sich später in dem Beitrag Robert Wilbrandts, Zur Frage der Werturteile in der Nationalökonomie, erschienen in: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o. O. 1913, S.129 – 134, insbesondere S. 130 f.: „Die Nationalökonomie muß […], um als Wissenschaft für die Praxis Werturteil, Norm, Maßstab und praktische Ratschläge objektiv beweisbar zu machen, von einer bestimmten, ausdrücklich anzugebenden Voraussetzung ausgehen; unter dieser gegebenen Voraussetzung wird sich eine Reihe hypothetischer Werturteile ergeben, die objektiv beweisbar sind. So wie beim Mediziner die wissenschaftliche Untersuchung, und nur diese allein, ergeben kann, ob gewisse Mittel für Heilung oder Verhütung von Krankheiten etwas wert sind, d. h. ob sie als Mittel für diesen vorausgesetzten Zweck geeignet

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stens ein konventioneller Begriff von „Gesundheit“ annähernd eindeutig construierbar ist, für uns doch aber nicht. Oder welcher? Also glaube ich auch nicht an ein autonomes Werthurteil wirtschaftlicher Art, selbst auf dem Gebiet der „Mittel“. Denn auch diese sind nur für konkret gegebene Zwecke eindeutig determiniert. Was ist „Menschenökonomie“ z. B.? (der Goldscheid’sche Begriff 3 scheint mir nur ein neues Wort für eine bekannte Sache). Welche Qualitäten des Menschen sollen durch sie entwickelt werden? Doch nicht nur physische. Aber dann: welche seelischen? Vielleicht doch auch solche, welche anti-ökonomischer Natur und Wirkung sind? Doch genug! Mein Gehirn leistet es nicht, ich bin zu wahnsinnig müde. Herzlichen Dank für Ihre Sendung und die besten collegialen Grüße Ihr Max Weber

sind, so daß sie jedem, der diesen Zweck (Gesundheit) will, zur Anwendung empfohlen werden können. […] Um wissenschaftlich begründete Werturteile, Ratschläge und allgemeine praktische Normen ergeben zu können, muß die Nationalökonomie sich besinnen auf ihr eigenes Grundprinzip. Es ist das der Wirtschaft. Aus ihm kann abgeleitet werden, was vom Standpunkt einer Gesellschaft […], wie im Leben der Privaten vom Standpunkt der einzelnen Privatwirtschaft als ökonomisch geboten zu bezeichnen ist. Ganz wie der Mediziner lediglich unter medizinischem Gesichtspunkt seine Ratschläge erteilt.“ 3 Der Begriff „Menschenökonomie“ ist entwickelt in dem Buch von Rudolf Goldscheid, Höherentwicklung und Menschenökonomie. Grundlegung der Sozialbiologie. I. (Philosophisch-soziologische Bücherei, Bd. 8). – Leipzig: Dr. Werner Klinkhardt 1911. Für den idealistischen Evolutionisten Rudolf Goldscheid gilt der Mensch als höchster Entwicklungswert einer zukünftigen Sozialökonomie, der „Entwicklungsökonomie“. Die dieser „zugrunde liegende Wertlehre, die Lehre vom ökonomischen Wert des Menschen für die Gesellschaft“ […] „führt“ […] „naturgemäß zur Menschenökonomie, das heißt zum Postulat, mit der unerhörten Verschwendung von Menschenleben, menschlicher Gesundheit und menschlicher Entwicklungskraft, wie sie auch in der gegenwärtigen Wirtschaft noch ganz allgemein ist, energisch zu brechen.“ Goldscheid, Rudolf, Entwicklungswerttheorie Entwicklungsökonomie Menschenökonomie. Eine Programmschrift. – Leipzig: Dr. Werner Klinkhardt 1908, S. 46.

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Marianne Weber PSt 3. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebe Schnauzel, –

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heut ist das Ereignis1 eingetreten, – die Nachrichten werden nun :3 Tage: etwas spärlich sein, da ich mich ganz zu Haus halten werde. Eben kamen Deine beiden Sendungen (Briefe und Frankfurter), schönen Dank! Die Fr[ieda]2 fährt jetzt nach Zürich,3 wir haben uns übrigens nur noch kurz gesehen, davon demnächst. Gestern tauchte Ehrenberg4 auf, geht aber jetzt auch fort. Tausend herzliche Grüße und Küsse Dein Max Ich denke, T[obel]chen5 schickt mir die „Königl[iche] Hoheit“.6 Das ist jetzt das Richtige.

1 Gemeint ist der „Collaps“ nach einer Woche ohne Medikamente. Vgl. Karte an Marianne Weber vom 1. April 1913, oben, S. 163, und Brief an Marianne Weber vom 27. März 1913, oben, S. 150, Anm. 7. 2 Frieda Gross. 3 In Zürich besuchte Frieda Gross Ernst Frick, vgl. den Brief an Marianne Weber vom 30. März 1913, oben, S. 156. 4 Nach Hans Ehrenberg hatte sich Marianne Weber erkundigt, vgl. Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 153. 5 Mina Tobler. 6 Roman von Thomas Mann, vgl. die Karte an Marianne Weber vom 1. April 1913, oben, S. 163, Anm. 3.

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Marianne Weber 5. April PSt 1913; Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona Samstag 5.4. Liebes Schnauzel, – schönen Dank für Frau Simmels Brief u. Deine Kärtchen. Hoffentlich hältst Du Dich weiter gut resp. besser als grade jetzt. Mir geht es „mittel“. Nächte mäßig (ohne Mittel bisher ausnahmslos), Tage Stumpfsinn. Wäre es nur warm, – statt dessen aber hat es wiederum frisch geschneit, tief die Berge herunter, und wird immer kälter! Das ist jedesmal das Scheußliche, wenn man nicht bis zur Riviera geht. Ich lebe von Hafer-Cakes, Datteln, Feigen, Orangen, gehe alle 2 Tage Mittags zu Quattrini. Aber abmagern thue ich bisher trotz Allem doch nicht! Die Frieda1 ist :– wie ich schrieb –: in Zürich, kommt erst Mitte der Woche wieder; ich bin begierig, mit was für einem Gesicht. Die Aussicht auf noch einen Prozeß hatte ihr doch arge Chocsa gegeben, wenn auch dem Mann2 nicht mehr sehr viel geschehen kann. Tausend herzliche Küsse, mein Liebes, Dein Max a Unsichere Lesung. 1 Frieda Gross. 2 Gemeint ist Ernst Frick. Zu dessen Prozeß vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f. Neue Befürchtungen vor einer Anklage wegen Mordversuchs ergaben sich durch die am 3. Mai 1913 erfolgte Verurteilung von Margaretha Hardegger, geschiedene Faas, Redakteurin anarchistischer Zeitschriften in Bern, wegen falschen Zeugnisses zugunsten von Ernst Frick. Diese hatte erklärt, Frick sei in der Tatzeit, der Nacht vom 3. zum 4. Juni 1907, bei ihr in Bern gewesen. Frick war daher nur wegen der Besorgung des Sprengstoffes, nicht aber wegen des Überfalles auf die Polizeikaserne und die Schüsse auf den Wachposten verurteilt worden. Auch Alfred Weber, der am 27. November 1912 im Prozeß als Zeuge der Verteidigung aufgetreten war, um die bürgerliche Respektabilität von Frick zu bestätigen, hatte diese Folge befürchtet. Er schrieb noch am selben Tag an Else Jaffé (Brief vom 27. Nov. 1912, BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Nr. 59): „In Bezug auf den Prozeß liegen die Dinge sehr, sehr schlecht. Das Schreckliche ist, tritt eine Verurteilung ein, so ist die Sache nicht zu Ende. Dann erfolgt zunächst die Verurteilung von Frau Faas und alsdann muß das Verfahren wegen des Schießens (Mordversuch), dessen Wiederaufnahme wegen der Aussage der Frau Faas vom Züricher Gericht abgelehnt war, wieder aufgenommen werden“. Der Prozeßbericht der NZZ, Nr. 330 vom 27. Nov. 1912, 3. Ab.Bl., S. 2, berichtete: „Die Gespräche [von Alfred Weber] mit Frick

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Das T[obel]chen3 schickt Züricher Kuchen. Sehr schön, aber steinhart, so daß nach jedem Stück der Kinnbacken lahmt. Ich habe ihr für diese Bändigung meiner Gefräßigkeit gedankt.4

bezogen sich nicht auf politischen Anarchismus, sondern mehr auf Fragen der physischen Gesundheit, Freudsche Anschauungen, psychische Deformationen usw. Sein Eindruck über Frick ist der, daß er […] ein eher melancholischer Reflexionsmensch sei […] kein Revolutionär.“ Gegen Frick wurde auch nach der Verurteilung von Margaretha Hardegger keine neue Anklage erhoben. 3 Mina Tobler. 4 Brief nicht nachgewiesen.

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Marianne Weber [6. April 1913]; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte trägt den Poststempel vom 7. April 1913. Laut Tagesangabe „Sonntag“ ist sie am 6. April geschrieben.

Sonntag.

Liebes Schnauzel! Eine recht mangelhafte Nacht. Sonst Alles in Ordnung, nichts Neues. Du liegst wohl jetzt auf der Nase? Hoffentlich bist Du dann um so frischer. Ich will mich heut ruhig halten. Es ist immer noch kalt und bedeckt, ich wollte es würde entweder Sonne oder warm. – Gestern ein ganz netter charakteristischer Brief vom T[obel]chen,1 den ich schikken oder mitbringen werde, ich hatte ihr für den Kuchen gedankt. Eben kamen Deine Zeitungen.2 Außerdem Correkturen von Alfred’s Soziologentagrede,3 die ich doch recht mäßig finde. Viel Worte und Geistreichigkeit, aber keine Gedanken. Hoffentlich bringt er später Anderes. Tausend Küsse und Grüße Dein Max

1 Mina Tobler. 2 Gemeint sind die Abendblätter der Frankfurter Zeitung, um deren Zusendung Max Weber in seinem Brief vom 27. März 1913, oben, S. 150, gebeten hatte. 3 Weber, Alfred, Der soziologische Kulturbegriff, in: Verhandlungen 1912, S. 1–20. Max Weber erhielt die Korrekturen in seiner Funktion als Redakteur der Schriften der DGS.

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Marianne Weber PSt 7. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebe Schnauzel, –

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heut kam Dein Briefchen1 und Zeitungen. Schönen Dank. Hier nichts Neues. Es ist etwas klarer, aber kalt. Käme doch endlich entweder volle Sonne oder warmer Regen, wie es zuerst war. So ist es nicht erquicklich. Gestern stieg wieder mal die Bernays vorbei. Ich sagte ihr, ich könne nicht nach Locarno kommen u. bedürfte der Einsamkeit.2 – Du hast wegen jenes in der That sehr seltsamen Versehens3 doch auch an Richard4 geschrieben? Das geht doch so nicht! Letzte Nacht: mittelmäßig. Hoffentlich heut gut. Tausend Grüße und Küsse, Dein Max

1 Der Brief ist nicht nachgewiesen. 2 Nach Erhalt eines Camelienstraußes von Marie Bernays wollte Max Weber ihr in Locarno einen Besuch abstatten. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 31. März 1913, oben, S. 161. 3 Marianne Weber hatte wahrscheinlich in einem nicht nachgewiesenen Brief vom 5. oder 6. April 1913 mitgeteilt, daß Arthur Weber aus dem Erbe von Ottilie Weber, der Schwester von Max Weber sen., versehentlich 3.600 Mark statt 3.000 Mark erhalten habe. Es handelte sich um eine Verwechslung der Beträge für die Kinder von Helene Weber von je 3.000 Mark mit demjenigen für Marianne Weber von 3.600 Mark; vgl. den Brief von Max an Helene Weber nach dem 7. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 787). 4 Richard Müller in Oerlinghausen verwaltete den Nachlaß.

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Marianne Weber PSt 8. April 1913; PSt Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

L. Schnauzel, – der Brief1 ist doch sehr krankhaft, da ist was nicht in Ordnung u. ich glaube, es geht nicht gut. Käme sie doch fort von da, in die Nähe von Freiburg z. B., nach Staufen oder so. – Mit Lilli’s Sache2 steht es jetzt recht fraglich. Weniger wegen Pollock’s Zeugnis, als wegen des „wahrscheinlich“ (statt: „sicher“) in Bulius’ schriftlicher Aussage. Ich muß sagen: dann hätte dieser Herr auch sich früher vorsichtiger ausdrücken können! wenn er sich jetzt so vorsichtig salvieren zu müssen glaubt!3 Daß die Sache grade in diese Tage fällt, ist mir kein Genuß, muß ich schon sagen, es kommt aber scheint es immer so. – Frieda Gr[oss] ist wieder sehr mit ihren Sachen beschäftigt: es droht dem Mann4 noch etwas, was ca. 2 Monate mehr ausmachen kann. Sie sucht daher sehr Anschluß. Jetzt ist sie fort, fragte aber, ob ich noch da sei, wenn sie wiederkäme. Leb wohl, liebstes, halt’ Dich gut! Tausend Mal küßt Dich Dein Max

1 Gemeint ist ein weiterer Brief von Lilli Wielandt. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 10. März 1913, oben, S. 120. 2 Gemeint waren die Aussichten von Lilli Hermann, geb. Hausrath, auf eine Scheidung von Fritz Hermann, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 11. Sept. 1912, MWG II/7, S. 659. 3 Das Scheidungsvorhaben stützte sich auf den Vorwurf, Fritz Hermann habe seine Frau mit einer verheimlichten vorehelichen Geschlechtskrankheit angesteckt. Nun hatte Marianne Weber in ihrem Brief an Max Weber vom 2. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) berichtet, daß nach der Diagnose von Dr. Pollock Fritz Hermann seine Frau durch eine voreheliche Geschlechtskrankheit nicht angesteckt haben könne. Bulius, der Arzt von Lilli Hermann, habe erklärt, Lillis Erkrankung sei höchstwahrscheinlich durch eine Infektion verursacht worden, sie könne aber auch ohne Infektion entstanden sein. 4 Gemeint ist Ernst Frick, vgl. dazu die Karte an Marianne Weber vom 5. April 1913, oben, S. 168, Anm. 2.

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Marianne Weber PSt 9. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

L. Schnauzel –

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so nun ist die kl[eine] Lilli erledigt.1 Auf einer Hetzjagd durch Locarno gestern trieb ich durch Vermittlung des Wirths der Bernays schließlich einen liebenswürdigen Geschäftsmann (Tapeten- u. Möbel-Großhändler) auf, der sich die ganze lange Sache deutsch in die Schreibmaschine diktieren ließ – mehrere Stunden harter Arbeit! Nun giebts ja wohl endlich Ruhe. Von „oben“ noch nichts genommen. Wetter: gestern schön – heut Regen und die verfluchte „Kühle“. Tausend Küsse und Grüße Dein Max

1 Max Weber hatte in der Scheidungsangelegenheit von Lilli Hermann einen Schriftsatz an deren Anwalt in Freiburg verfaßt. Das Schriftstück ist nicht nachgewiesen. Marianne Weber schrieb im Brief an Helene Weber vom 13. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), Max habe „noch ein großes Schriftstück in Lilis Sache verfaßt; er hofft doch die Sache zum guten Ende führen zu können, aber er ist es wieder, der statt des Anwalts seinen Scharfsinn einsetzt.“

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10. April 1913

Marianne Weber PSt 10. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebe Schnauzel, – schönsten Dank für Brief und Zeitungen. Wie freut es mich, daß Du von Lukácsa etwas hast! Ja, mit Bl[och], das wird schwierig werden! So nahe!1 – Nun die Frieda2 ist noch nicht wieder da, sie liege krank in Zürich, sagt das Mädchen.3 Heut habe ich dem Anwalt nochmal in riesengroßen Lettern eingehend Instruktion für den Termin in Straßburg geschickt,4 auch auf Grund Deiner Mitteilung. Denn er5 war constitutioneller schwerer Sexualneurastheniker.6 Das muß nun Alles festgestellt werden! Heut ist etwas Sonne, vielleicht mache ich einen Ausflug. Schlaf ist sehr schwierig. Tausend Grüße und Küsse Dein Max

a O: Lukacs 1 Ein Brief von Marianne Weber, der von einer Begegnung mit Georg von Lukács und über Ernst Bloch berichtete, ist nicht nachgewiesen. 2 Frieda Gross. 3 Elise (Lisi) Höller. 4 Im Nachgang zu dem Schriftsatz vom 9. April 1913, vgl. die Karte an Marianne Weber vom 9. April 1913, oben, S. 173, hatte Weber an den Anwalt von Lilli Hermann zu der vom Gericht angesetzten Vernehmung des früheren Arztes von Fritz Hermann, Dr. Georg Haensler, einen handschriftlichen Brief geschrieben, der nicht nachgewiesen ist. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 8. April 1913, oben, S. 172, Anm. 3. 5 Fritz Hermann. 6 Der Begriff der Sexualneurasthenie, einer Variante der Neurasthenie, geht auf den amerikanischen Psychiater George M. Beard, American Nervousness, Its Causes and Consequences, a Supplement to Nervous Exhaustion. – New York: G. P. Putman’s Sons 1881, zurück. Der Begriff wurde schnell in Europa, speziell in Deutschland, aufgenommen, wo Paul Julius Möbius zur Verbreitung beitrug. Mit Neurasthenie, Nervenschwäche, Nervosität wurden Störungen des gesamten Nervensystems, der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, eine abnorme Reizbarkeit und leichte Erschöpfbarkeit bezeichnet. Vgl. zur zeitgenössischen Begriffsbildung Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Aufl., Bd. 14. – Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut 1909, S. 528 – 530. Als Sexualneurastheniker bezeichnete Weber auch Emil Lask in seinem Brief an Karl Jaspers vom 21. Mai 1913, unten, S. 241.

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11. April 1913

Marianne Weber PSt 11. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Freitag früh. Liebes Schnauzel, –

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heut noch nichts von Dir. Gestern war ich per Schiff und zurück per Omnibus in Brissago am See, – eine ganz hübsche Partie, die mir nur eine etwas unruhige Nacht eintrug. Damit steht es nicht grade glänzend. Sonst geht es „mittel“ – nur werde ich trotz sehr geringen Essens keine Spur magerer. Gestern Abend schien es als wolle es klar werden, der Mond stand in kleiner Sichel am Himmel. Aber heut ist wieder der verdammte kühle Wind, der so unangenehm ist und gar nicht weichen will. Gäbe es doch einen brühheißena Sommer! Schön ist die große Einsamkeit. Von Fr[ieda] Schl[offer]1 noch nichts zu hören, sie ist offenbar noch fort. Ich lese etwas Goethe, sonst nichts. – Es scheint ja, als bliebe es Frieden!2 – Bleib froh, Kleines, und laß Dich küssen Dein Max

a O: brüheißen. 1 Frieda Schloffer war der Mädchenname von Frieda Gross. 2 Dies bezieht sich auf die Beendigung des 1. Balkankrieges der im Balkanbund verbündeten Balkanstaaten Serbien, Bulgarien, Rumänien und Griechenland gegen das Osmanische Reich, den die Großmächte vergeblich zu verhindern gesucht hatten. Am 5. April 1913 nahmen die Balkanstaaten und das Osmanische Reich den Vermittlungsvorschlag der Großmächte vom 22. März 1913 an. Darüber hatte die Frankfurter Zeitung am 10. April 1913 berichtet, worauf Weber sich vermutlich bezieht. Obwohl noch vereinzelt Kampfhandlungen vor allem um den Besitz von Skutari weitergingen, war damit die Grundlage für die Beendigung des 1. Balkankrieges gelegt. Allerdings kam es erst am 30. Mai 1913 aufgrund der Bemühungen der Londoner Botschafterkonferenz zum Abschluß eines Präliminarfriedens zwischen den Kombattanten, der dann aber bereits im Juni 1913 wieder zerbrach.

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12. April 1913

Franz Boese 12. April 1913; Ascona Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 185 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Terminplanung für die beabsichtigte Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik zur Werturteilsproblematik; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert vom 7. Februar 1913, oben, S. 83 f.

Heidelberg z.Z. Ascona, Lago Maggiore casa Abbondio 12. 4. 13 Verehrtester Herr Doktor! Verbindlichsten Dank für Ihren freundlichen Brief! Aber ich kann nicht jedes Jahr die Ferienerholung (die ich erst in kühler Jahreszeit antreten kann) dran geben und muß dies Mal die letzte Septemberwoche und den Oktober dafür unbedingt frei haben. Es heißt doch auch mich sehr überschätzen, wenn Sie schreiben: ohne daß grade ich dabei wäre, ginge es nicht! Glänzend wäre natürlich die Anberaumung auf die Neujahrszeit.1 Für Ausschußsitzungen war dies früher der eigentlich typische Termin und so sehr viel angenehmer als der Oktober! Dagegen wäre es doch schade, wenn die Generalversammlung schon Ostern abgehalten würde. Pfingsten ist doch ein besserer Termin und auch „historisch“ berechtigt. Und dann wäre doch von Weihnachten an fast 1/2 Jahr Zeit zur Vorbereitung! Aber unmöglich kann mein Wunsch maßgebend sein. Nur glaube ich, daß recht viele Leute ganz gern nacha Weihnachten nach Berlin kämen, denen eine andre Zeit nicht so paßt. Ich bitte Sie, mich Herrn Prof. v. Schmoller angelegentlich zu empfehlen. Mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebenster Max Weber a zu > nach 1 Am 4. Januar 1914 fand eine Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik statt, an die sich am 5. Januar 1914 die Sondersitzung über die Werturteilsfrage anschloß.

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Bildseite der Ansichtskarte von Max an Marianne Weber, 12. April 1913, Ascona.

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Marianne Weber PSt 12. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Abbildung zeigt Ascona am Lago Maggiore. Weber hat seinen Sitzplatz mit einem Pfeil bezeichnet.

Sonnabend L. Schn.

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Das kleine umgitterte Terräßchen ist mein täglicher Sitzplatz. Nach rechts liegt der See u. zieht sich nach vorn (Süden) zu in die Berge. – Nichts Neues hier, die Nacht war erträglich, Mittel habe ich – von „oben“ – noch immer nicht genommen. Heut ist wieder Alles zugezogen u. dabei doch keine rechte Wärme: das ist Das, was fehlt. – Schönen Dank für den Ch[arles]-L[ouis]-Philippe.1 Ich lese ihn langsam. Mir entgeht doch viel, dank meinem schlechten Französisch. Die Worte fehlen mir. Eben kamen Zeitungen. Schönen Dank, Liebes. Laß Dich küssen und herzen Dein Max

1 Philippe, Charles-Louis, Marie Donadieu. – Paris: Fasquelle 1904. Die Anregung zu dieser Lektüre geht wahrscheinlich auf Lukács zurück, der dem Autor Charles-Louis Philippe einen Essay gewidmet hatte, in: Lukács, Georg von, Die Seele und die Formen. – Berlin: Fleischel 1911, S. 197 – 227. Vgl. hierzu auch den Brief an Marianne Weber vom 14. April 1913, unten, S. 181.

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13. April 1913

Helene Weber 13. April [1913]; Ascona Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 231 – 232 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Ascona, Lago Maggiore casa Abbondio 13. 4. Liebe Mutter, – in diesem kleinen Nest, wo ich seit nun 2 1/2 Wochen den Frühling erwarte, der hier gar nicht kommen will – es regnet fast immer (was mir nicht unangenehm ist, wenn es warm wäre) – giebt es nur dies Papier und diese Tinte, um Dir die herzlichsten Wünsche zum Eintritt in Dein 70tes – ist es denn möglich? – Lebensjahr zu schicken.1 Du siehst nun selbst, liebe Mutter: das Alter hat Dir nichts an, und so wird es zu unser aller Glück und Freude bleiben, und wir können uns des Weges freuen, den wir noch miteinander zu gehen haben und all die immer neuen freudvollen und leidvollen Geschehnisse dieses bunten Lebens, die noch kommen werden, ebenso nehmen wie das, was es uns bisher davon zugemessen hat. Es wird sich so manche Sorge auch in diesem Jahr wieder freundlich lösen. Die Wehrvorlage2 kostet einen Aderlaß an Geld, das ist wahr. Aber dafür wird sie Arturs Carrière sehr verbessern;3 ich möchte freilich, er käme dabei von Berlin fort, wo doch immer die Versuchung mehr zu thun als der Geldbeutel erlaubt, allzu stark ist. 1 Helene Weber wurde am 15. April 1844 geboren. 2 Am 7. April 1913 fand im Reichstag die 1. Lesung der „Wehrvorlage“ statt (Sten. Ber. RT, S. 4512, 133. Sitzung vom 7. April 1913). Sie bezweckte eine erhebliche Erhöhung der Friedenspräsenzstärke des Heeres. Zur Finanzierung war eine einmalige Vermögensabgabe vorgesehen, der sog. „Wehrbeitrag“. Er wurde in gestaffelten Sätzen erhoben, die von 0,15% für Vermögen über 10.000 Mark bis zu 1,5% für Vermögen über 5 Millionen Mark reichten. Zum 3. Juli 1913 wurde der einmalige außerordentliche Wehrbeitrag als Sondersteuer eingeführt. Vgl. Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band IV, 2. Aufl. – Stuttgart Berlin Köln Mainz: Kohlhammer Verlag 1982, S. 559 – 563. Vgl. auch den Brief an Frieda Gross vom 18. Mai 1913, unten, S. 235, Anm. 4. 3 Gemäß der „Wehrvorlage“ sollten auch 4 000 Stellen für Offiziere neu eingerichtet werden, dadurch sah Max Weber die Beförderungschancen für seinen Bruder Arthur verbessert.

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Und Schäfer’s,4 für die mir die zerflossene Hoffnung auf Danzig auch recht leid gethan hat, bringen wir über diese paara Jahre, wo es noch schwierig ist, auch hinweg, ohne daß Dein Haus verkauft werden muß. Findet sich wirklich eine gute Gelegenheit und eine gute andre Wohnung – nun gut! aber dringlich ist das wirklich nicht, am allerwenigsten grade jetzt, das bitte ich Dich nur zu glauben. Marianne scheint die menschenlose Ruhe jetzt in Heidelberg sehr zu genießen und auch gut an der Arbeit zu sein.5 Ich bin begierig was sie macht, es ist das erste Mal, daß ich davon gar nichts Bestimmtes gesagt bekomme. Es kommt mir nach Vielem, was sie sagte, vor, daß sie sich zwar nicht immer körperlich, umso mehr aber sonst gut fühlt, auch der Menschenkreis erweitert sich doch nicht nur dem Umfang nach, sondern neustens auch um einige sehr werthvolle und tiefe jüngere Leute. Überhaupt: unter den Jungen erlebt man doch jetzt oft viel Freude, das muß ich sagen, verglichen mit früher. Auch Alfred scheint ja den gleichen Eindruck zu haben. Ich habe auch hier mit dem Prozeß der kleinen Lilli zu thun gehabt,6 der recht unsicher steht, und muß auf dem Rückweg auch noch den Anwalt sprechen. Es ist recht arg, wie würdelos und unwahr der Mann7 ist. Aber Gott sei Dank umso mehr, daß sie erst einmal auf eignen Füßen steht jetzt8 – das wäre ja später schrecklich geworden! Laß Dich viele Male umarmen, liebe Mutter, mit allen herzlichsten Wünschen für das neue Jahr! Dein – auch schon „alter“ – Max den 23ten fahre ich wieder heimwärts, hoffentlich in wirklichen Frühling! a O: par 4 Hermann Schäfer hatte gehofft, als Nachfolger seines Schwagers Karl Weber eine Professur an der Technischen Hochschule Danzig zu erhalten. 5 Marianne Weber arbeitete an ihrem Aufsatz, Die Frau und die objektive Kultur, der später in der Zeitschrift Logos, Bd. 4, 1913, S. 328 – 363 (hinfort: Weber, Marianne, Die Frau und die objektive Kultur), erschienen ist. 6 Gemeint sind Webers Schriftsätze an den Anwalt von Lilli Hermann in Freiburg, Eugen Fritschi. Vgl. die Karten vom 9. und 10. April 1913 an Marianne Weber, oben, S. 173 und S. 174 7 Fritz Hermann. 8 Lilli Hermann war im Dezember 1912 zu ihrer Schwester Laura Hausrath nach Heidelberg gezogen. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 11. Sept. 1912, MWG II/7, S. 659.

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14. April 1913

Marianne Weber PSt 14. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

L. Schn. – das ist ja eine Infamie mit dieser Zerstörung des Frühlings; hier ist es auch sehr kalt, aber :heut: klar und sonnig und ich denke es auszuhalten, liege ja Vormittags stets bis 11a im Bett, Abends von 8 an wieder. Da geht das schon. Hoffentlich wird es am Tage in der Sonne recht warm. Fr[ieda] Schl[offer]1 ist auch wieder da, ich sah sie gestern kurz auf ihrer Bude – ein wahnsinniges Durcheinander von Kinderspielzeug, Damenhüten, Geschirr, Büchern, Zigaretten, sie selbst in einem „Schlafrock“ von verschossenen grauen Bettgardinen – Du lieber Gott. Und sie verblüht jetzt doch, obwohl der Mund noch fein ist und auch das ganze Gesicht, das alte, schmaler geworden allerdings. Die Haare schlecht gemacht etc. Und alle „Probleme“ sehr vereinfacht. Davon nächster Tage mehr. Ich lese „Marie Donadieu“2 – es entgeht mir viel, aber es ist in der That sehr fein, und wie sehr ist es „Paris“ mit dem „Moulin de la Galette“! Nicht wahr?3 Sonst thue ich nichts, Mittel nehme ich von „oben“ gar nicht, von „unten“ täglich weniger. Aber allerdings sind die Nächte auch danach: Höchst unruhiger und sehr wenig Schlaf. Nun das ist ja kein Wunder! Die Finger sind arg steif vor Kälte, Du wirst es kaum lesen können. Der Mutter schrieb ich gestern.4 Ist die Geldsache mit Artur 5 in Ordnung? Tausend Küsse und Grüße Dein kalter Max a O: 11. 1 Schloffer war der Mädchenname von Frieda Gross. 2 Roman von Philippe, Charles-Louis, Marie Donadieu. – Paris: Fasquelle 1904. Der Roman behandelt eine komplizierte Dreiecksgeschichte. 3 Anspielung auf den gemeinsamen Aufenthalt in Paris im September/Oktober 1911. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 12. Nov. 1911, MWG II/7, S. 344. 4 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 13. April 1913, oben, S. 178 f. 5 Die Frage beantwortete Marianne Weber in ihrem Brief an Max Weber vom 19. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). „Ja, von Oerlinghausen höre ich daß jene 600 Mk wieder da sind – der Arthur hat mir nicht geschrieben.“ Vgl. auch die Karte an Marianne Weber vom 7. April 1913, oben, S. 171, Anm. 3.

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14. April 1913

Marianne Weber PSt 14. April 1913; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Montag“ erschlossen.

Ascona, Montag. Liebes Mädele, –

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schick mir doch das Lukács’schea Buch,1 ich kann es hier lesen. Die Marie Donadieu2 habe ich gelesen u. gab sie der Frieda,3 die mir dafür das neueste Buch der Gräfin4 gab: ein Schwabinger Schlüssel-Buch (mit St[efan] George, Wolfskehl, Graf Andrian, etc. und ihr selbst),5 gut geschrieben, aber doch nur für Schwabing-Interessenten und sehr indiskret. Die „Marie D[onadieu]“ ist ja prachtvoll geschrieben und mit Tiefe und Feinheit, ein sehr hohes Niveau von Kritik der Erotik – nur ist der Schluß etwas übers Knie gebrochen: das Reisen im persischen Golf u. dgl. ist doch kein :genügender: Ausdruck des Reichtums und der Größe des außererotischen Lebens. Ich werde das Buch aber nochmals lesen. Viel Einzelnes entgeht mir, denn mein französisches Vokabularium ist schwach, sehr schwach.

a O: Lukacz’sche 1 Gemeint ist Lukács, Georg von, Die Seele und die Formen, Essays. – Berlin: Egon Fleischel 1911. Darin, S. 197 – 227, ein Essay über Charles-Louis Philippe. 2 Philippe, Charles-Louis, Marie Donadieu. – Paris: Fasquelle 1904. 3 Frieda Gross. 4 Franziska Gräfin zu Reventlow, Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. – München: Albert Langen 1913. 5 Else Reventlow, die spätere Herausgeberin der Schriften von Franziska Gräfin zu Reventlow, entschlüsselt die Vorbilder der Personen im Roman. Demzufolge ist „der Meister“ Stefan George, „Professor Hofmann“ Karl Wolfskehl, „Andrian“ Oskar A.H. Schmitz, nicht der Graf Andrian. Vgl. Franziska Gräfin zu Reventlow, Romane, hg. von Else Reventlow. – München: Langen–Müller 1976, S. 102 f. – Das Vorbild für die Hauptfigur ,Herr Dame‘ soll Hans Gruhle gewesen sein, berichtet Kubitschek, Reventlow, in einer Bildunterschrift zu einem Foto von Hans Gruhle. Auch Alfred Weber mutmaßte in einem Brief an Else Jaffé vom Dezember 1913 (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Nr. 61) nach der Lektüre des Romans: „Herr Dame – man könnte meinen sei Gruhle.“

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14. April 1913

Bei der Hundekälte hier – ich schreibe mit blauen Fingern – saß ich gestern einige Stunden bei Frieda Schl[offer]6 am Kamin. Sie hat viel Aussprache-Bedürfnis. Dies Leben ist doch arg zerstört. Wie, ist schnell erzählt. Schon vor der Ehe mit Otto Gr[oss] war diesem dementia praecox diagnostiziert,7 das hatten die Eltern ihr verschwiegen. Dann kam es, wie Jaspers von Bl[och]8 prophezeite: sie wurde wahnsinnig geistig in Anspruch genommen, ganz „gefressen“, ohne alles Erbarmen und dazu die – sie gesteht es – seelisch furchtbar strapazante Polygamie. Wer damit anfing, ist ja einerlei: sie habe die Ansprüche des Mannes einfach nicht leisten können geistig, sei absolut nervös vernichtet gewesen und habe „das Andre“ haben müssen (aus umgekehrtem Grund also wie Else!9). Und mit Frick? Auch er hat den „religiösen“ Glauben an die eifersuchtfreie Zukunftsgesellschaft der wirklich „freien“ – innerlich befreiten – Liebe. Sie selbst theoretisierte auch etwas darüber, – aber als ich sagte: 1) nobles Handeln im Fall von Eifersucht sei eine schöne Sache, aber wie man es ritterlich finden könne, sich von einem Menschen, dem man so viel „schuldig geworden“ sei, „Alles gönnen zu lassen“? – 2) Ob nicht hier einer Schrulle zu Liebe eine wahnsinnige seelische Kraftverschwendung getrieben werde? – brach es heraus: ja. Es sei furchtbar und ganz aussichtslos. Und ihre Kräfte seien fertig, sie könne kaum noch. Und so ist es. Sie ist sehr neurasthenisch. Und dann diese Kinder: die beiden Väter werden als „Otto“ und „Ernst“ mit ihnen besprochen, der Junge10 paßt scharf auf und ist sehr wenig unbefangen, haßt Vater und Stiefvater, ist sehr pathologisch. Es war schon zum Jammern, das verblühte, aber immer noch feine Wesen so da sitzen zu sehen in diesem Kokotten-haft durchwühlten Raum. – Die letzten beiden monatlichen Besuche :– mehr als monatlich ist nicht erlaubt –: hatten sie die Gräfin11 zu Frick gehen lassen! – Der ist selbst ein schwerlebiger Mensch,

6 Frieda Schloffer ist der Mädchenname von Frieda Gross. 7 Bekannt ist nur, daß C. G. Jung im Laufe einer Analyse, die er bei Otto Gross 1908 in der Züricher Irrenanstalt Burghölzli durchführte, diese Diagnose stellte. Er diskutierte sie brieflich mit Sigmund Freud. Vgl. Freud, Sigmund/Jung, Carl Gustav, Briefwechsel. – Frankfurt a.M.: S. Fischer 1974, S. 167 – 174. 8 Die Aussage von Karl Jaspers über Ernst Bloch ist nicht nachgewiesen. 9 Else Jaffé. 10 Peter Gross. 11 Gemeint ist Franziska Gräfin zu Reventlow, die sich allerdings von Oktober 1912 bis Mai 1913 in Palma de Mallorca aufhielt.

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der nicht aus noch ein weiß. „Wüßte er nur, was mit seinem Leben anfangen, wenn er wieder draußen ist“. Offenbar ist diese Strafhaft = Ferien für sie und ihn. Immer wieder sprach sie von Übersiedlung nach München. Aber es ist schwierig: er12 ist Schweizer, würde als Anarchist sicher bald ausgewiesen aus Deutschland. Und sie ist apathisch und entschlußunfähig. Und: hierb ist es billig. Genug für heut. Ich fahre jetzt einmal nach Locarno, – die Luft ist ja rein – im Café zu sitzen, da es hier allzu öd ist bei der Kälte. Eben kamen Zeitungen. Tausend Dank! Behalte lieb Deinen erfrorenen Max Nächte sehr „mäßig“. Aber ich nehme nichts.

b Alternative Lesung: sie 12 Ernst Frick.

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15. April 1913

Marianne Weber PSt 15. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebes Mädele, – gestern Abend kam Dein Kärtchen. Schönen Dank. Halt nur die Bernays kurz!1 Hier nichts Neues. Ich war den Nachmittag in Locarno, (:Kursaal:Conzert, dann auf der „Madonna del Sasso“: = schöne Wallfahrtskirche). Das Wetter wäre wundervoll ohne den Wind u. bei 10 Grad höherer Temperatur! Man friert elend. Aber ich nehme nichts u. heize nicht, schlafe mäßig u. liege lange im Bett des Morgens. Laß Dich küssen von Deinem eingefrorenen Max

1 In ihrer Karte an Max Weber vom 13. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) erwähnte Marianne Weber die Besucher der folgenden Tage. Dazu gehörten Marie Bernays neben Mina Tobler, Emil Lask und Lisbeth Braus.

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16. April 1913

Marianne Weber PSt 16. April 1913; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Umschlag und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Ascona, Mittwoch früh Liebes Mädele, –

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schönen Dank für Deine Briefchen. Bitte schick doch den anliegenden Brief1 ab, nachdem Du aus dem „Wer ist’s?“ oder dem „Kürschner“ (beide stehen bei den Bädeker’s) die Straße und No beigefügt hast, ja? Schickst Du mir wohl den Lukács’schen Essay-Band?2 Oder wiegt er zu schwer für Kreuzband?3 Dann laß’ es. Ja, Frau Braus und das T[obel]chen,4 das ist zu viel, mein liebes. Und Dienstag die Bernays! Die kleine Wielandt wird Dich, fürchte ich, doch ganz auffressen. Auf die Dauer wirken diese Briefe doch monoton.5 Aber das arme Ding! Gestern saß ich mit der Frieda.6 Ich hatte ihr aus Locarno Klicker für die Kinder und Schokolade gebracht, auch für die Kinder, sie bezog es aber auf sich: „daß ihr Jemand etwas schenke“, sei so ungewohnt. Ihre Hauptsehnsucht ist: noch ein Kind. Aber der alte :Schwiegervater: Groß7 hat für diesen Fall dunkle Drohungen ausgestoßen. Er möchte den Otto8 gern entmündigen und sucht ihn festnehmen zu las-

1 Der Brief und der Adressat sind nicht nachgewiesen. 2 Lukács, Georg von, Die Seele und die Formen. Essays. – Berlin: Egon Fleischel 1911. 3 Kreuzband ist eine Versendungsart zu ermäßigter Gebühr, vgl. Karte an Marianne Weber vom 29. März 1913, oben, S. 155, Anm. 7. 4 Mina Tobler. 5 Zu den Lebensverhältnissen von Lilli Wielandt vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 10. März 1913, oben, S. 120. 6 Frieda Gross. 7 Hans Gross, vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f. 8 Otto Gross.

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sen. Bisher vergebens. Ihre Hauptangst ist: daß ihr der Peter9 genommen werden könnte. Dabei kam heraus: daß Else mit Jaffé,10 von Rom zurückkommend, hier erwartet wird (unsicher wann). Ich sagte: dann wolle ich für diese Tage fort, nach Orta. „Ob ich denn E[lse] noch böse sei?“ – es stellte sich heraus, daß E[lse] ihr Alles haarklein erzählt hatte. Ich sagte: das sei nicht die Kategorie. Aber 1) schicke es sich für mich, Alfred’s wegen, nicht, sie zu sehen, am wenigsten so durch meine Zulassung, – 2) sei ein Zusammentreffen für E[lse] peinlich. Sie würde mir anmerken, daß sie Schlimmes angerichtet habe und ich sähe keinen Zweck. Denn ich sei ihr so völlig fremd geworden und Beziehungen von der Art, wie die von mir zu ihr gewesen sei, seien ihr so inadäquat, ich auch so wenig zu einem Freund für sie geeignet, daß da wenig herauskäme, was Werth hätte.11 – Es kam dann eine theoretische Diskussion über Freud, nicht-erotische Beziehungen u.s.w. und dieser Punkt war erledigt. Sollte E[lse] kommen, so fahre ich 2 Nächte nach Orta (am Orta-See, wo wir damals, vom Simplon kommend, den furchtbaren Platsch erlebten u. nichts sehen konnten)a.12 Laß Dich tausend Mal küssen Dein Max Es ist klar und kalt. a Klammer fehlt in O. 9 Peter Gross. 10 Else Jaffé reiste mit Alfred Weber Mitte März 1913 für etwa vier Wochen nach Rom und Umgebung (Briefe Alfred Webers an Else Jaffé vom 25. Febr. und 13. April 1913, BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Nr. 62). Auf dem Hin- und Rückweg traf Else Jaffé ihre Schwester Frieda Weekley und deren Lebensgefährten D.H. Lawrence, die am 19. April 1913 nach München reisten und anschließend im Haus von Edgar Jaffé in Irschenhausen im Isartal wohnten. Vermutlich fuhren sie zusammen mit Else und Edgar Jaffé. Alfred Weber war bereits am 13. April 1913 wieder in Heidelberg. Zu Else Jaffés Besuch in Ascona kam es nicht. Am 21. April 1913 schrieb Else Jaffé an Marianne Weber (Privatbesitz): „Es war mir arg, diesmal an Friedel Schloffer vorbei fahren zu müssen – die Kombination mit meiner Schwester ließ nichts anderes daneben einfügen.“ 11 Das Verhältnis zwischen Max Weber und Else Jaffé war im Winter 1910/11 über der Beziehung zwischen Else Jaffé und Alfred Weber zerbrochen. Vgl. auch den Brief an Frieda Gross vom 26. April 1913, unten, S. 205 f., und die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 17. Jan. 1910 (MWG II/6, S. 367) sowie die Briefe an Marianne Weber vom 21. Jan. und vom 11. März 1911, MWG II/7, S. 56 und S. 135. 12 Im August und September 1901 verbrachten Marianne und Max Weber einige Wochen in Grindelwald und auf der Riffelalp bei Zermatt. Auf der Weiterreise nach Rom waren sie am Orta-See vorbeigekommen.

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Marianne Weber PSt 17. April 1913; Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona, Donnerstag Liebes Schnauzel,

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heut ist wieder warmes und dafür trübes Wetter hier, nachdem gestern ein sehr schöner Tag war. Vielleicht fahre ich einmal wieder nach Locarno hinüber, Conzert zu hören. Die Fr[ieda]1 zitierte mich gestern ans Bett, – sie ist arg mit neurasthenischen Sachen geplagt, m.E. auch weil sie zu viel raucht, schon vom Aufwachen an. Ich sollte den „besoffenen“ (legitimen) Ehemann2 der Gräfin R[eventlow] fortschaffen, wenn er käme, denn der poltert hier herum und will Rath in seinen Erb-Angelegenheiten, die noch völlig dunkel sind. Ich habe das Exemplar nicht zu sehen bekommen, denn er kam als ich zu Tisch war. – Ja mit ihrem Leben ist nicht mehr viel zu machen. :Sie sieht das im Ganzen ja wohl nicht so, nur in manchen Stunden …: Zürich haßt sie, in München ist es unsicher ob der Mann3 bleiben kann u. überall ist es teurer als hier, das ist wohl sehr wichtig. Sie ließ Dich übrigens jedesmal sehr grüßen, bei der Erinnerung an Freiburg4 wird sie immer etwas weich. Vorerst hat sie ja noch ihren Humor, der ganz amüsant und anmutig ist und oft höchst naiv und grotesk unbefangen.1)

so z. B. über ihre Beziehung zu L[ang]5 – und deren Ende! Davon mündlich. 1)

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1 Frieda Gross. 2 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 29. März 1913, oben, S. 154. 3 Ernst Frick. 4 In Freiburg lernte sie, gemeinsam mit ihrer Freundin Else Jaffé, geb. v. Richthofen, über ihren Onkel, den Philosophen Alois Riehl, 1894 Marianne Weber kennen. 5 Otto Lang, Vizepräsident des Obergerichts Zürich, hatte im Sommer 1912 die Ablehnung des Wiederaufnahmeverfahrens gegen Ernst Frick unterstützt. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f.

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Aber wenn die Kinder-Schwierigkeiten kommen, wird es anders werden. Helfen kann man ihr nicht, denn die Beziehung zu dem Mann entscheidet Alles. Sie paßt, so lange das dauert, in keinerlei bürgerliche Umgebung, nicht der Sache selbst wegen, sondern wegen all des Drum und Dran und weil nur das Chaos und die wechselnden Sensationen sie hochhalten. – Hab schönen Dank für Zeitungen und Briefe (gestern). Das T[obel]kind6 wollte mir den Th[omas] Mann („K[öni]gl[iche] Hoheit“) schikken, hat es aber scheints vergessen. Brausens sind noch nicht begängiga.7 Viel tausend herzliche Grüße und Küsse Dein Max

a Unsichere Lesung. 6 Mina Tobler. Vgl. Karte an Marianne Weber vom 1. April 1913, oben, S. 163, Anm. 3. 7 In ihrem Brief an Max Weber vom 1. März 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hatte Marianne Weber angekündigt, daß das Ehepaar Braus in Ascona Ferien machen wolle. Weber war ihnen jedoch noch nicht begegnet. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 27. März 1913, oben, S. 150, Anm. 4.

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Marianne Weber 18. April PSt 1913; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Ascona 18/4 Liebes Mädele,

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schönen Dank für den Lukács1 und Deinen Brief. Else2 kommt nicht, offenbar (obwohl sie andre Gründe angiebt) weil sie (durch Dich) weiß, daß ich hier bin, wie sie schreibt. Denn sonst war das fest verabredet, wie Fr[ieda]3 sagt. Mir ist es recht angenehm, nicht noch jetzt fortgehen zu müssen.4 Gestern kam die Frieda mit dem kleinen Mädel5 mit nach Locarno, wo sie etwas zu besorgen hatte. Wir saßen im Café. Und da war nun doch schreckenerregend, wie ur plötzlich dies zarte feine Wesen den vollkommensten Kokotten-Typus darstellte, – nur im Kontrast gegen die „bürgerlichen“ Frauen, die man da sah. Worin es liegt – in der etwas zotteligen hastigen Aufmachung (sie war innerhalb 10 Minuten, nachdem ich sie im Bett liegend verlassen hatte, kraft plötzlichen Entschlusses angezogen und an das Schiff gestürzt), in den Zigaretten, in der lauten Stimme oder der Kopfhaltung und Gesten – ich weiß nicht: aber die Nachbartische guckten und rümpften die Nase. Und wie das dann unbewußt auf sie zurückwirkte! der Trotz gegen die „Gesellschaft“, die Speisung des Selbstgefühles durch das „Pathos der Distanz“6 gegen sie und alle solche Empfindungen waren sofort da. Ich kann sie mir wohl in München-Schwabing, aber nicht in Heidelberg denken, sie fällt aus dem Ensemble. Und daher glaube ich nicht, daß – 1 Gemeint ist Lukács, Georg von, Die Seele und die Formen. Essays. – Berlin: Egon Fleischel 1911. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 14. April 1913, oben, S. 181, Anm. 1. 2 Else Jaffé. 3 Frieda Gross. 4 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 16. April 1913, oben, S. 186. 5 Gemeint ist die Tochter von Frieda Gross, Eva Verena. 6 Von Nietzsche geprägter Ausdruck: „der Wille, selbst zu sein, sich abzuheben – das, was ich Pathos der Distanz nenne“, in: Nietzsche, Friedrich, Götzendämmerung (Nietzsche’s Werke, Bd. 8), 3. Aufl. – Leipzig: C. G. Naumann 1895, S.148.

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wie Gruhle meint – man sie wieder „anpassen“ könne. Sie sollte nach Zürich ziehen. Da ist zwar jetzt eben ein Gesetz, welches den Concubinat für Ausländer, die sich nicht oder schwer scheiden lassen können, zulassen wollte, in Volksabstimmung verworfen worden. Aber daß die gesetzgebenden Körperschaften es beschlossen hatten, zeigt doch, daß man dort duldsam sein wird und sie wäre da nicht so „outlaw“. – Sonst nichts Neues. Es ist trüb und milde, nur noch zu kühl. Die grauen und stahlblauen Farben sind sehr schön. Schlaf mäßig (bei Mitteln nur „von unten“). Ich lese etwas, denke auch etwas und es fällt mir hin und wieder eine Kleinigkeit ein. Lillis Anwalt hat mir gar nicht geantwortet auf meine leserliche Anfrage: Ob er am 25ten Abends zu sprechen sei.7 Nun er schreibt wohl nach der heutigen Vernehmung des Dr Haensler.a Tobelchens Schwester8 schickte :Züricher: „Leckerli“! – ein furchtbares Zeug! ich war bei der ersten Sendung (des Kindes selbst) so unaufrichtig sie zu loben. Nun sie ersparen mir dadurch jedesmal 2 Abendessen und 1 Frühstück, denn man wird zum Platzen satt. Und mit Dir scheint es auch zuweilen nur „mittel“ zu gehen? Arbeite nicht zu athemlos, Liebes. – Ja mit der Bernays muß man „fest“9 bleiben. Hat sich denn Honigsheim10 wirklich gar nicht sehen lassen? Tausend Grüße und Küsse Dein Max Ist die Sache mit Arthur11 in Ordnung? a O: Hänseler 7 Max Weber beabsichtigte, Eugen Fritschi, den Anwalt von Lilli Hermann, geb. Hausrath, auf der Rückfahrt in Freiburg zu sprechen. Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 10. April 1913, oben, S. 174, Anm. 4, und die Karte vom 19. April 1913, unten, S. 191, Anm. 6. Im Scheidungsverfahren von Lilli Hermann sollte der frühere Hautarzt von Fritz Hermann in Straßburg vernommen werden. 8 Elisabeth (Elsa) Ott, die Schwester von Mina Tobler. 9 Dazu schrieb Marianne Weber an Max Weber am 17. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB, Ana 446): „Die Bernays war vorgestern ganz ,lieb‘, – aber sie macht sich nun einen großen Schmerz aus dem Verzicht auf die Privatdozentenhoffnung [...]. Nun kam ihr der wahrhaftig auch unmögliche Gedanke auf die Leitung der geplanten sozialen Frauenschule hier zu kandidieren und ich hatte den Nachmittag sehr klug zu lavieren, um diesem neuen Wunsche entgegenzuwirken, ohne sie allzutief zu deprimieren und zu kränken.“ 10 Paul Honigsheim gehörte zum engeren Freundeskreis von Max und Marianne Weber. Vgl. MWG II/6, S. 543f. 11 Vgl. dazu Karten an Marianne Weber vom 7. und 14. April 1913, oben, S. 171, Anm. 3, und oben, S. 180, Anm. 5.

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Marianne Weber PSt 19. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Sonnabend Mittag L. Schnauzel, –

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nichts Neues, es ist trübe und wärmer, ich lese und sitze herum. Eben kamen Deine Sendungen, schönen Dank! Dagegen ist von T[obel]chens1 Büchern (sie hatte mir „Königl[iche] Hoheit“2 geschickt) nichts zu ermitteln. Die Fr[ieda]3 lag gestern wieder im Bett, – dann sieht der immerhin schöne eindrucksvolle Kopf auch „vornehm“ aus, so ganz anders als in ihrem Aufzug für die „Promenade“. Sie hat immer Kopfweh, sicher von dem permanenten Zigaretten-Rauchen, schon im Bett Morgens, und der Nacht-Existenz, außerdem den ewigen psychischen Erregungen. Wir haben gestern ganz nett und offen über Manches geredet. Natürlich hat die Offenheit ihre Grenze, die man spürt. (Auch über die Beziehung zu L[ang] 4 sagt sie natürlich nur, was sie will)[.] Eben kam auch der Brief von Lilli.5 Ich suche also den Anwalt6 s. Z. auf. Nun laß Dirs recht gut gehen, liebes, in 8 Tagen sehen wir uns ja schon wieder und das ist schön. Hoffentlich ist dann auch etwas „frohes“ Wetter bei Euch. Tausendmal küßt Dich Dein Max

1 Mina Tobler. 2 Gemeint ist Mann, Thomas, Königliche Hoheit, – Berlin: S. Fischer 1909. 3 Frieda Gross. 4 Gemeint ist der Grad der Intimität zu Otto Lang. Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 17. April 1913, oben, S. 187, Anm. 5. 5 Lilli Hermann. 6 Gemeint ist Eugen Fritschi in Freiburg. Zur beabsichtigten Scheidung vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 11. Sept. 1912 (MWG II/7, S. 659) und die Karten an Marianne Weber vom 9. und 10. April 1913, oben, S. 173, Anm. 1, und S. 174, Anm. 4.

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Marianne Weber 20. April PSt 1913; Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona Sonntag 20. 4. Liebes Schnauzel, – nichts Neues. Die Nächte sind sehr verschieden gut, bald gut mit gar nichts, bald mäßig trotz Nachhilfe von unten, von „oben“ nehme ich nach wie vor nicht das Geringste. Eben kamen die Zeitungen, schönsten Dank, liebes. Das Wetter ist heut trüb und milde, es ist schön, die Linien und Flächen der Berge durch das Silbergrau zu sehen und noch schöner, in der langen Abenddämmerung die diskreten Abtönungen der Stahlgrau-untermalten Farben sich langsam verschieben zu sehen. Vielleicht fahre ich heut einmal nach Locarno – oder lasse es auch für morgen als „Geburtstagsfeier“1 denn, mein Gott! ich trete ja in mein 50tes Jahr! – ich kann es noch gar nicht recht glauben, denn man ist doch noch so seltsam jung! – oder ist es nur Deine Jugend, liebes, die mich so täuscht? – Wir wollen doch, als Geburtstagsgeschenk, die beiden Pfosten von Cement an der Brücke zum Garten oben mit Holzkästen krönen lassen, in die man einen schönen Topf stellen kann – das fällt mir hier plötzlich ein, ich weiß nicht warum? – Dem Tobelchen danke einstweilen schön für den „H[erman] Bang“,2 den sie schickte :u. den ich las:, ich schrieb nur eine Karte.3 – Von Braus’4 aber keine Spur bisher. – Wer wohl heut bei Dir ist? Laß Dich tausend Mal küssen von Deinem Max Wenn du dran denkst, schreib auch, wie es mit :dem Geld mit: Artur 5 steht. 1 Max Weber wurde am 21. April 1864 geboren. 2 Bang, Herman, Die Vaterlandslosen. – Berlin: S. Fischer 1912, ein Künstlerroman um einen Musiker. 3 Die Karte an Mina Tobler ist nicht nachgewiesen. 4 Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 17. April 1913, oben, S. 188, Anm. 7. 5 „Von Oerlinghausen höre ich, daß jene 600 Mk wieder da sind“, schrieb Marianne Weber in ihrem Brief vom 19. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 7. April 1913, oben, S. 171, Anm. 3.

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Marianne Weber 21. April PSt 1913; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt und dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Ascona 21/4 Mein liebes Mädele, –

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eben kam Dein lieber schöner Brief und der „Tristan“1 als Symbol. Ja, – es ist doch etwas, daß man nach 20 Jahren ihn „noch“ oder eigentlich erst recht und vielleicht mehr und tiefer als vor 20 Jahren ihn als solches empfindet! – Nun kann nichts mehr kommen, was darin etwas ändert. Mein liebes, all Das was Du da über mich sagst, ist ja eine schöne „Dichtung“ Deiner großen Liebe,2 – ich kann mich selbst nicht so mit großen und schönen Augen ansehen, wie Du das thust[,] und deshalb ist Das Alles mehr „aufgegeben“ als „gegeben“.3 Aber gleichviel – es ist jetzt nicht die Zeit zu untersuchen was davon wahr ist und was nicht, sondern sich der Schönheit zu freuen, die das möglich macht, daß solche „Dichtungen“ entstehen. Es wird mir hoffentlich immer möglich sein, sie wenigstens nicht zu desavouieren und Deiner Seele die Möglichkeit zu bewahren, immer neu zu „dichten“ – dann sind die Gedichte ja doch in dem Sinn „wahr“, wie Menschen auf dem Gebiet die Wahrheit beschieden ist. Erhalte mir Deine Liebe, trautestes „Mädele“ – denn Du bist ja noch so jung, daß man Dich nicht anders nennen mag. Dann wollen wir es nicht nur dies kommende Jahr, sondern

1 Marianne Weber hatte ihrem Geburtstagsbrief an Max Weber vom 19. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) das Buch: Bédier, Joseph, Der Roman von Tristan und Isolde, übertragen von Rudolf Binding, 8. Aufl. – Leipzig: Insel Verlag 1911, beigelegt. Sie bemerkt dazu: „Wunderbar, daß uns dies bloße Geschehen, [gemeint ist der Tristanstoff] das die Erlebnisse der Seelen noch kaum durchschimmern läßt, und das wir als ein so Fernes empfinden, uns doch so tief ergreift. Es ist wie das Land unsrer Kindheit.“ 2 In ihrem Geburtstagsbrief hatte Marianne Weber geschrieben: „Wie schön ist es an Dich gebunden zu sein, nicht durch ,Pflicht‘ – sondern nur durch das Schwergewicht Deines Wesens, das einem die Bahn vorzeichnet, wie die liebe warme Sonne ihrem Planeten.“ 3 Anspielung auf die Begriffe von Kant, vgl. Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft. – Halle: Otto Hendel 1899, S. 432 f.

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so viel Jahre als uns zugemessen sind, froh und immer vorwärtsschreitend mit einander so weiter treiben. – Hier nichts Neues. Ich bin lächerlicher Weise etwas erkältet, jetzt wo es warm wird. Der Frühling ist hier noch ganz zurück. Heut Nachmittag fahre ich nochmal etwas nach Locarno, was die Frieda4 benutzt, um auch mit und von da aus dann weiter zu fahren, für 2 Tage – wohin? wer weiß es? „Zu Jemand“ für einen einzigen Nachmittag, für den sie aber hin und zurück je 1 Tag fahren müsse. Gestern saßen wir hier in einer kleinen Kneipe am See auf der Straße nach Brissago. Sie sprach, wie immer, viel von sich und der Gräfin.5 Dann auch von Gruhle, an dem sie gar nichts findet, er sei gänzlich unbedeutend, die Gräfin finde das auch und sage ferner: sie wisse ja nie, wie sie (die Gräfin) eigentlich mit ihm stehe, habe das auch nie gewußt: „vielleicht lügt sie da“.6 Ich habe dann Einiges nachdrücklich gesagt. Dieses fehlende Augenmaß, nur, weil der Mann nicht „erotomorph“ ist! (auch Else7 sage und schreibe ähnlich über ihn). (Und die Gräfin ist eben einfach treulos und zynisch!) Sie erzählte dann auch von „Tante Sophie“8 und Schulze-Gävernitz9 (die Tante hatte s. Z. an seine Mutter geschrieben und sie fand deren Antwort im Schrank, sie selbst ist Sch[ulze] auf die Bude gerückt u.s.w.). – Ja, „kokottenhaft“ wirkt nur die äußere Geste: die Stimme, das Rauchen, die Art der Bewegungen und das Verknüllte und Unordentliche ihrer hastigen Toilette. Sonst nichts (bitte, wenn Du an Else schreibst, bedenke: Fr[ieda] hört jedes Wort, was sie angeht, wieder!). – Sonst ist ihr Plaudern anmutig und fein. Sie lebt noch im-

4 Frieda Gross. 5 Franziska Gräfin zu Reventlow. 6 Die Gleichgültigkeit der Gräfin Franziska zu Reventlow gegenüber Hans Gruhle war gespielt. Die Gräfin verband eine längere Freundschaft mit Hans Gruhle. Dies belegen auch 11 Schriftstücke an Hans Gruhle aus den Jahren 1904 bis 1914 im Nachlaß von Franziska Gräfin zu Reventlow im Literaturarchiv ‚Monacensia‘ in der Münchener Stadtbibliothek. Vgl. auch die Briefe an Marianne Weber vom 31. März 1913, oben, S. 161, Anm. 14, und vom 14. April 1913, oben, S. 181, Anm. 5. 7 Else Jaffé. 8 Frieda Gross hatte ihre Mutter in jungen Jahren verloren, ihre Tante Sophie Riehl betreute sie in der Freiburger Zeit. 9 Gerhart von Schulze-Gävernitz war seit 1893 Professor für Nationalökonomie in Freiburg. Frieda Gross, die ab 1894 in einem Freiburger Pensionat war, lernte den fast 30jährigen Professor mit 18 oder 19 Jahren kennen, vermutlich über ihren Onkel Alois Riehl. Schulze-Gävernitz heiratete 1897 die aus Mannheim stammende Johanna Hirsch, Tochter des Getreidegroßhändlers Emil Hirsch und seiner Frau Bertha, geb. Eberstadt.

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mer ganz in diesem Prozeß,10 der sie offenbar bis zur Erschöpfung erregt hat – sie selbst wurde ja in so ordinärer Art hinein- und durch die Presse gezogen. Und nun laß Dich liebe- und dankerfüllt umarmen, mein liebes, ich denke schon an das Wiedersehen in 5 Tagen! Dein „alter“ Max aBitte

melde mich doch bei dem Zahnarzt Gäng an für Montag oder Dienstag. Es ist eine Plombe herausgefallen, die er gleich machen muß.a

a Der Zusatz ist durch doppelte Seitenstriche besonders gekennzeichnet.

10 Gemeint ist der Gerichtsprozeß, in dem es um die anarchistischen Aktivitäten von Ernst Frick ging und in dem dieser zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f.

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Ferdinand Tönnies 22. April 1913; [Ascona oder Locarno] Abschrift; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 61– 62 Da Weber sich am 22. April 1913 in Ascona und Locarno aufhielt – vgl. Karte an Marianne Weber vom 23. April 1913, unten, S. 200 –, ist die Ortsangabe Heidelberg in der Abschrift entweder irrtümlich erfolgt – möglicherweise wurde die Ortsangabe „Heidelberg z. Z. Ascona“ unvollständig wiedergegeben –, oder es wurde Briefpapier mit einem entsprechenden Briefkopf benutzt. Wie die vorherigen Briefe an Tönnies vom 29. und nach dem 30. Januar, die beiden vom 6. Februar 1913 sowie die Schreiben vom 18. Februar und 17. März 1913, oben, S. 67 – 72, 73, 78 – 80, 81f., 91f. und 196 f., steht der hier abgedruckte Brief in Zusammenhang mit der Stellungnahme von Mitgliedern des Kieler sog. „Soziologischen Kränzchens“ zu der Duellaffäre Max Weber – Bernhard Harms, die aus der Auseinandersetzung zwischen Harms und Paul Siebeck bzw. Weber wegen der Herausgabe des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“ resultierte; zu Entstehung und Verlauf dieses Konfliktes vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1913, oben, S. 19 f. Das Schreiben bildet den versöhnlichen Ausklang der zwischen Weber und Tönnies aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten.

dena 22.4.13. Lieber F. Tönnies! Ihren Brief voll Ritterlichkeit und vornehmer Gesinnung kann ich nicht ohne Echo lassen. Lassen wir die Sache selbst bei Seite. Vielleicht findet sich später einmal eine gute Stunde. Ich fühle mich nichtb in der Lage Ihnen, zumal nach dem was Sie sagen, :noch: Vorwürfe zu machen. Ich fühlte mich s. Zt. in der wirklich abscheulichen Lage[,] in die ich versetzt worden war, nicht verstanden, und da ich tatsächlich weiß, daß Doktor Siebeck, der mir hatte versprechen müssen, unter allen Umständen sich nicht mehr einzumischen, außer durch Klage – auch nicht das Mindeste getan hat, was „unfair“ war, so war mir Ihre, wie ich sehe, etwas zu schroff und unbedingt weiter gegebene Äußerung, wirklich schmerzlich. Natürlich ahnt Dr. S[iebeck] auch von dieser nichts. Für mich ist sie mit dem was Sie sagen völlig erledigt, und wenn ich Ihnen s. Zt. in der Erregtheit ungerechte Vorwürfe gemacht habe, wie Sie schreiben, so bedaure ich das herzlich. Meine große, Ihnen bekannte Hochachtung für Sie ist nicht einen Augenblick ins Wan-

a In Abschrift: Heidelberg, den

b eigentlich > nicht

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ken geraten – nur schien mir, daß wir einander fremd geworden seien: mehr wollte ich nicht sagen, und vielleicht war auch das schon zu viel. Sie wissen[,] ich bin ein oft sehr schroffer Mensch, – ich bilde mir ein[,] im allgemeinen nur da sehr schroff zu werden, wo ich Grund dazu hatte wie bei Herrn H[arms] ohne Zweifel. Halten Sie mir zu gut[,] wenn ich vielleicht – in Folge dieser, in jenem Fall kaum zu vermeidenden, Schroffheit im Zusammenhang damit gegen Sie – so wie ich es damals ansah – mich schärfer wehrte als objektiv möglicherweise richtig war. Ich hatte damals das Gefühl[,] mich in einem Kampf um meinen guten Namen zu befinden gegen einen ganz frivolen Angriff. Denn in Wahrheit wäre doch ich der Schuldige gewesen. Ihre herzlichen Wünsche erwidere ich ganz ebenso herzlich. Ich kann sie mehr brauchen als man mir anmerkt. Sie hoffentlich nicht. In bekannter großer Wertschätzung Max Weber.

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Marianne Weber 22. April PSt 1913; Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona, Dienstag 22ten IV So, liebes Mädele, jetzt nichts mehr hierher. Sondern schicke[,] bitte, die Post von Donnerstag und Freitag (bis Mittag) nach Freiburg, Zähringer Hof.1) Da bleibe ich Freitag Nacht u. „erhole“ mich von hier u. komme dann Samstag gegen Abend heim. Ich fahrea wahrscheinlich schon Donnerstag hier ab, bis Bellinzona, um nicht des Morgens so sehr früh fortzumüssen. Den Bédier’schen Tristan1 habe ich gelesen, er ist recht schön und man freut sich, diese Abenteuer, die in den mannigfachsten Formen die unzähligen alten und modernen Bearbeitungen erlebt haben, einmal geschlossen zusammen zu haben. Mit großer Sicherheit und Takt haben doch die alten Erzähler das Entscheidende herauszuheben und knapp zu gruppieren gewußt. – Heut habe ich mit Braus’ gegessen. Gestern attrappierte ich sie. Aber sie fliehen mich pflichtschuldigst.2 Gestern war ich mit der Frieda3 in Locarno, sie fuhr für 2 Tage fort und ich werde sie nur noch grade eben zu sehen bekommen. Von der Unterhaltung dann mündlich! Leb wohl, liebes, laß Dich tausend Mal küssen Dein Max 1)

Ich finde sonst so viel gleich zu Hause vor!

a In O folgt: hier 1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 21. April 1913, oben, S. 193. 2 Marianne Weber hatte in ihrem Brief an Max Weber vom 1. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) berichtet, Lisbeth Braus habe ihr gesagt, sie sei mit ihrem Mann 10 Tage in Ascona. „Du sollst nicht erschrecken, wenn sie in Ascona erschienen – sie würden Dich ganz in Ruhe lassen.“ 3 Frieda Gross.

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Paul Siebeck 23. April PSt 1913; Ascona Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona 23/4 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Correktur- und andre Sendungen erbitte ich jetzt wieder nach Heidelberg. Mit besten Grüßen und Empfehlungen Ihr Max Weber

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Marianne Weber PSt 23. April 1913; PSt Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Mittwoch. Liebe Schnauzel, – gestern war ich in Locarno, im „Conzert“, traf dann Braus’ (mit denen ich zu Mittag gegessen hatte hier) auf der Rückfahrt. Nachts hat es stark geregnet, jetzt ist es warm und verhängt, recht wohlthuend. Morgen Nachmittag reise ich. Schönsten Dank für Deinen gestrigen Brief und heutiges Kärtchen, und daß Du mir die ganze Zeit so getreu jeden Tag geschrieben hast. Ja – T[obel]chen1 ist knötterig, das merkte ich auch an ihrem Verstummen nach ein paar netten Briefchen. Ach je, – hoffentlich …! (aber ich glaube kaum noch). Heut ein langer Brief von Clara über Conrad,2 den sie aus dem Hause thun (das ist ganz gut!). Von der Mutter direkt nichts. – Die Nächte sind unruhig u. ein Mal nahm ich Brom. Aber im Ganzen geht es. Heut sehe ich die Fr[ieda]3 noch einmal, wenn sie zurückkommt. Dann „Schluß“! Ich hoffe recht sehr, daß ich Dich nicht als „Bett-Schönheit“ (ja, T[obel]chen, mit dem grünen Bändchen, macht sich ganz gut!)4 antreffe, mein liebes und trotz Deines Schnupfens (oder was ist’s?) küßt Dich tausend Mal Dein Max Laß bitte die Manuskripte5 von der Bank holen.

1 Marianne Weber erklärte die schlechte Laune von Mina Tobler in ihrem Brief an Max Weber vom 21. April 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) so: „Tobelchen schien mir mäßig erbaut über Deinen Umgang mit Frieda Schloffer und unser Interesse an ihr.“ Frieda Gross war eine geborene Schloffer. 2 Ernst und Clara Mommsen hatten seit einiger Zeit Erziehungsschwierigkeiten mit ihrem Sohn Konrad. Vgl. auch den Brief an Marianne Weber vom 24. Febr. 1912, MWG II/7, S. 434, Anm. 5. 3 Frieda Gross. 4 Anspielung auf die Erzählung Marianne Webers in ihrem Brief vom 21. April 1913 (wie Anm. 1), Mina Tobler habe scherzend vorgeschlagen, sie solle angesichts ihrer Erkältung Max Weber als „Bett-Schönheit“ empfangen, wie Frieda Gross. 5 Vermutlich hatte Max Weber für die Dauer seiner Abwesenheit Manuskripte von Beiträgen zum GdS im Schließfach seiner Bank deponiert.

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Johann Plenge [vor dem 24. April 1913]; o.O. Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Die Datierung ist erschlossen aus der im Brief geäußerten Frage bzw. Bitte Max Webers an Plenge, ihm seine eventuelle Berufung nach Münster mitzuteilen. Diese bzw. die entsprechende Vereinbarung zwischen Ludwig Elster und Plenge ist am 22. April 1913 (GStA Berlin, Rep. 76 Va, Sekt. 13, Tit. IV, Nr. 2, Bd. II, Bl. 209 – 210) erfolgt. Plenge beantwortete Webers Frage in seinem Brief vom 24. April 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge).

Lieber Herr Kollege!

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Sie geben mir doch Nachricht, falls Sie berufen werden? Nochmals: es ist bei Bücher nicht die „Angst“ vor dem Tode gewesen, die ihn so stumpf machtea, sondern das viel schlimmere Gefühl: „Du gehst geistig zurück“.1 Das kann dem Menschen jene „Wurschtigkeit“ gegen Alle und Alles geben, die sein Verfahren gegen Sie kennzeichnet. Ich kenne diese Gefahr aus eignen sehr schweren Erfahrungen :an mir selbst:, das möchte ich gesagt haben. Deshalb: mit Recht verletzt wie Sie sind, lassen Sie ihn! Es thut nicht gut, die Bitterkeit so wachsen zu lassen. Entrüstet bin ich übrigens stets aufs Neue, daß Eulenburg stets wieder außer Betracht bleibt, für den ichb auch schon oft, schon seit 10 Jahren, immer wieder vergebens eingetreten bin.2 „Jude“, „unbe-

a Alternative Lesung: macht

b O: ich mich

1 Vgl. dazu Brief an Plenge vom 26. Jan. 1913, oben, S. 58. Diese und die folgenden Bemerkungen Webers erfolgen vor dem Hintergrund der Kontroverse Plenges mit Karl Bücher. Zu diesem Konflikt vgl. auch das Schreiben an Plenge vom 18. März 1913, oben, S. 130 – 132. 2 So hatte Weber sich vergeblich bemüht, Franz Eulenburg auf entsprechende Berufungslisten bei Lehrstuhlvakanzen an der TH München und der Universität Freiburg i. Br. zu lancieren; vgl. dazu die Briefe an Richard Du Moulin-Eckart vom 4. Mai 1907 (MWG II/5, S. 289f.) sowie an Lujo Brentano vom 3. Juni 1908 (MWG II/5, S. 580 f.).

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quemer College“, „akadem[ischer] Nachwuchs“3 – fertig! Es ist unerhört. Herzliche Grüße Ihr Max Weber

3 Anspielung Webers auf Franz Eulenburgs Schrift: Der „akademische Nachwuchs“. Eine Untersuchung über die Lage und die Aufgaben der Extraordinarien und Privatdozenten. – Leipzig und Berlin: B. G. Teubner 1908. In dieser Enquete, die auf Beschluß des Ersten Deutschen Hochschullehrertages durchgeführt worden war, hatte Eulenburg auf die wachsende qualitative und quantitative Bedeutung der Extraordinarien und Privatdozenten im Universitätsleben bei gleichbleibender Exklusivität der Ordinarien in der universitären Selbstverwaltung hingewiesen. Seine Ergebnisse waren auf z.T. erbitterte Ablehnung gestoßen, u. a. von Lujo Brentano, und beeinflußten nach Webers Meinung entschieden in nachteiliger Weise Eulenburgs Berufungschancen.

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Marianne Weber PSt 24. April 1913; Ascona Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona Donnerstag Liebes Schnauzel, –

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noch einen letzten Gruß von hier vor der Abreise. Es regnet fast dauernd in Strömen, ist aber warm. Ich esse nachher noch mit Braus’ zusammen, dann noch eine Unterhaltung mit der Fr[ieda]1 – sie will noch sagen: was ich nicht von ihr denken und sagen soll – dann ist Schluß! Gestern kam in der Unterhaltung das noch so heraus: (zum Peter:)2 „ja ja Du wirst’s schon merken, wenn die Frauen ihre Kinder nicht mit Dir spielen lassen werden wegen …“3 (schon hier will die Frau des Anarchosozialisten – ! – Rafael Friedeberg aus Berlin ihre Kinder4 nicht mit den Gr[oss]’schen spielen lassen). Es geht so was eben immer auf Kosten der Kinder. Sie gefiel mir gestern wieder in ihrer „Ehrlichkeit“. Man lernt doch viel! – wenn es auch Alles Dinge sind, die sich von selbst verstehen. Eben kamen noch Deine Zeitungen.5 Hab vielen Dank, Du liebes. Ich treffe Dich Sonnabend 7 Uhr hoffentlich gesund und froh! Dein Max

1 Frieda Gross. 2 Peter Gross. 3 Gemeint ist wohl die Lebensführung von Frieda Gross. 4 Gemeint ist Elisabeth Lenz, die in freier Ehe mit Raphael Friedeberg lebte. Aus dieser Verbindung ging der am 28. Dezember 1907 geborene Sohn Harald hervor, der später von Friedeberg adoptiert wurde. Vgl. Bock, Hans Manfred und Tennstedt, Florian, Raphael Friedeberg: Arzt und Anarchist in Ascona, in: Szeemann, Harald (Hg.), Monte Verità. Berg der Wahrheit. – Mailand: Electra Editrice. 1978, S. 38 – 53. 5 Die Abendblätter der Frankfurter Zeitung, um deren Zusendung Max Weber seine Frau gebeten hatte.

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Frieda Gross 26. April 1913; BK Freiburg i.B. Brief; eigenhändig Bestand Max-Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Max Weber benutzte einen gedruckten Hotelbriefbogen, dessen Kopf eine Ansicht des Hotels wiedergab. Von dieser eigenhändig umkreisten Abbildung richtet sich ein Pfeil auf den Zusatz: „Welches ist doch der ‚technische‘ Ausdruck für Leute, die in so etwas wohnen?“

Hotel Sommer Zähringer Hof Freiburg i.B. den 26/4 13 Liebe Frau Frieda, –

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Gräfin.1

ich schrieb gestern wegen der Ich werde, wenn ich die amtliche Copie2 von Ihnen erhalte, eine Information aufsetzen, auf Grund deren der Anwalt, den Herr v. R[echenberg] nehmen muß – zahlen werde ich ihn – an den Haupterben oder Testamentsvollstrecker schreiben soll (im Auftrage R[echenberg]s). Auf sehr viel darf man sich nicht gefaßt machen, aber eine kleinea Rente für die Lebenszeit der Gräfin könnte schon herausspringen und ist besser als nichts. Übrigens: dieser „Baron“3 hat unter allem Schutt von Verkommenheit doch einen kleinen Rest „edelmännischen“ Wesens bewahrt: es ist ihm offenbar doch wirklich nur darum zu thun, daß seine „Ehefrau“ bei der Sache als solche behandelt und nicht unritterlich verkommen gelassen wird. – Und nun lassen Sie es Sich recht gut gehen, bis ich wieder einmal nach Ascona komme. Vor Allem: bessere Nerven! – denn die werden Sie noch oft brauchen. Zwar ist von den Schwierigkeiten, die Sie für

a niedrige > kleine 1 Gemeint ist Franziska Gräfin zu Reventlow, ein entsprechender Brief an sie ist nicht nachgewiesen. 2 Vermutlich ist die Kopie des Testamentes des im März 1913 gestorbenen Vaters von Baron Alexander von Rechenberg-Linten gemeint. Vgl. auch die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 29. März 1913, oben, S. 154. 3 Gemeint ist Baron Alexander von Rechenberg-Linten.

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künftig sehen, eine sicher sehr gering anzuschlagen. Professor Gross4 wird Ihnen sicher das Kind5 niemals nehmen und man wird ihn immer – in dieser Hinsicht – zur Raison bringen können. Nur pekuniär6 – und das ist unangenehm genug – kann er Sie schädigen. Dagegen in einem Punkt wird es für Sie schwer werden: wenn die Schule unvermeidlich wird,7 – und dann ist es mit Ascona wohlb zu Ende? – wird die Einordnung der Kinder unter ihre Altersgenossen nicht ohne für Sie schmerzhafte Reibungen abgehen, die Niemand sonst so fühlt und die Ihnen auch Niemand abnehmen kann. Es ist das schwere Loos der Frauen, in diesem Punkt alle Folgen von Conflikten mit den Ordnungen und Conventionen allein auf sich nehmen zu müssen. Ich wünsche Ihnen dafür ein festes und tapferes Herz: „Der Kerze gleich ...“ – Sie erinnern sich ja des Hafis’schen Gedichtes,8 welches Ihnen so gefiel. – Ich habe Sie gebeten, unsere Gespräche über Else J[affé] 9 als nicht für diese bestimmt anzusehen. Das bitte ich Sie nicht mißzuverstehen. Ich werde Ihnen nie Vorwürfe machen, wenn Sie darin anders handeln. Denn was ich gesagt habe, habe ich gesagt und Sie haben „Pflichten“ nur gegen Else, nicht gegen mich. Aber Sie werden wahrscheinlich selbst finden, daß es objektiv unrichtig wäre. Wenn ich Else J[affé] etwas zu sagen habe, müßte das direkt geschehen und nicht durch indirektes Reden zu einer Freundin. Umso weniger als ich über den entscheidenden Punkt in Elses Verhalten mir gegenüber zu Dritten : – wer sie auch seien – : nicht sprechen kann. Denn nicht wasc sie gesagt hat – sondern was sie nicht gesagt hat, (ich aber nur allzu gut weiß) ist das sehr Schlimme und Häßliche und ich kann nicht wün-

b ja > wohl

c

4 Hans Gross, Vater von Otto Gross. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 16. April 1913, oben, S. 185 f. 5 Gemeint ist Peter Gross. 6 Hans Gross hatte den Unterhalt für seinen Sohn Otto gezahlt, außerdem ein Erziehungsgeld für dessen Sohn Peter. Vgl. den Brief Webers an Otto Pellech vom 11. Febr. 1914, unten, S. 504. 7 Peter Gross wurde schulpflichtig. 8 Die Fortsetzung des Zitats lautet: „Der Kerze gleich/ Aufrecht beharr ich/ In meinem Brande/ Und wanke nicht.“ Hafis. Eine Sammlung persischer Gedichte von G. Fr. Daumer. Neu hrsg. von I. Stern. – Leipzig: Reclam [1906], S. 67. 9 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 16. April 1913, oben, S. 186.

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schen, daß sie in vollem Umfang sieht, was sie da angerichtet hat, nachdem sie nun einmal es nicht über sich gebracht hat, mir offen Gelegenheit zu einem offenen Abschied zu geben. Daß sie das nicht fertig brachte, beweist ja nur: daß ich kein geeigneter Freund für sie war und : also : nicht gut that, sie mir ans Herz wachsen zu lassen. Und dabei muß es bleiben. Bei der häßlichen Wendung ganz persönlich gegen mich muß ich es mir verzeihen, wenn mir die Freude an ihrem jetzigen Glück – so rührend Vieles daran ist – sehr vergällt wurde. Aber zu einem häßlichen Handeln hat mich dies nie gebracht. – Wie sie es sieht, weiß ich leider. Auch das muß so bleiben. Genug davon – Grüßen Sie die Lisi10 und die beiden Kinder, die ich ja gar nicht mehr sah. Sobald Geld für die Gräfin nötig ist, schreiben Sie ja. – Herzliche Grüße Ihr Max Weber (auch einen gelegentlichen achtungsvollen Gruß an Ihren Freund,11 bitte!)

10 Dienstmädchen bei Frieda Gross. 11 Ernst Frick.

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Herrmann Kantorowicz [26. April 1913]; BK Freiburg i.B. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 19, Bl. 19 Die Datierung ist erschlossen aus den Ortsangaben in diesem und dem vorherigen Brief an Frieda Gross vom 26. April 1913, oben, S. 200, sowie dem Briefinhalt, demzufolge sich Weber auf der „Durchreise“ befand. Laut Karte an Marianne Weber vom 24. April 1913, oben, S. 203, wollte Weber am „Sonnabend“, d. h. dem 26. April 1913, nach Heidelberg zurückkehren. Der Brief ist offenbar durch Boten zugestellt worden.

Hotel Sommer Zähringerhof Freiburg i. B. den 191 Verehrtester Herr College! 5

Kann ich Sie heute Vormittaga bei Ihnen treffen? Zu Tisch könnte ich – wie ich gleich vorausschicke – nicht gut :auch Nachm[ittags] nicht.:

a O: zweifach unterstrichen.

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Paul Siebeck [26. April 1913]; BK Freiburg i.B. Brief; eigenhändig VA Mohr Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Datierung ist erschlossen aus der gedruckten Ortsangabe „Freiburg i.B.“ im benutzten Briefbogen in Verbindung mit dem Brief an Frieda Gross vom 26. April 1913 [= Samstag], oben, S. 204. Das Schreiben trägt am Briefkopf den Verlagsvermerk vom Wochenanfang: „28.4.13.“ [= Montag] Der folgende Brief steht in Zusammenhang mit der Drucklegung der Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentages.

Hotel Sommer Zähringer Hof Freiburg i. B. den Soziologentag Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Mein Schreiben an Herrn Prof. Schmid war die Mahnung, sein Manuskript zu schicken1 (der Vortrag gehört in den ersten Verhandlungstag, Beginn der Nachmittagssitzung). Da er nicht antwortete, dachte ich, er wolle die Rede nicht publiziert haben. Wenn es noch möglich ist, die Rede einzufügen, so bitte ich seinen Brief von sich aus dahin zu beantworten: daß die vollen Reden publiziert werden und nicht ein Auszug.2 Ich überlasse gänzlich Ihnen, wie Sie Sich verhalten wollen. An sich wäre die Aufnahme natürlich erwünscht. Aber wenn es zu spät dazu ist, so kann sie eben nicht mehr erfolgen. Mit besten Grüßen Ihr ergebenster Max Weber 1 Weber hatte Ferdinand Schmid in einem nicht nachgewiesenen Brief vom 30. März 1913 um das Manuskript seines auf dem Soziologentag gehaltenen Vortrags über Nationalitätenrecht gebeten. In seiner verspäteten Antwort vom 22. April 1913 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) teilte Schmid Weber mit, daß er, da er „in Berlin plötzlich einspringen mußte“, den Vortrag nicht habe „niederschreiben können“ und erst in der Pfingstzeit imstande sein werde, dies nachzuholen. Die Rede von Ferdinand Schmid, Das Recht der Nationalitäten, ist erschienen in: Verhandlungen 1912, S. 55 – 72. 2 Dazu berichtet Paul Siebeck in seinem Brief vom 2. Mai 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß Ferdinand Schmid ihm laut Schreiben vom 29. April 1913 zugesagt habe, das Manuskript seines Vortrages in den Pfingstferien fertigzustellen und dem Verlag zuzusenden, was dann auch geschah.

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Karl Jaspers [nach dem 26. April 1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers Die Datierung ist zum einen erschlossen aus dem brieflichen Hinweis auf die Annahme eines Extraordinariats durch Emil Lask. Seine formelle Ernennung zum etatmäßigen außerordentlichen Professor war am 31. März 1913 „mit Wirkung vom 1. April“ 1913 erfolgt. Zum anderen aus der Heidelberger Telephonangabe in der Ortszeile des Schreibens. Demgemäß kann der Brief erst nach Webers Rückkehr aus Ascona bzw. Freiburg (26. April 1913) geschrieben worden sein. Der Brief steht in Zusammenhang mit dem Scheidungsprozeß von Lina und Gustav Radbruch. Die außerehelichen Beziehungen zwischen Emil Lask und Lina Radbruch führten zur Scheidung der Ehe von Gustav Radbruch am 3. Juli 1913. Zur Diskussion über das Verhalten von Emil Lask vgl. die weitere Korrespondenz mit Karl Jaspers, den nächstfolgenden Brief, ebenfalls nach dem 26. April 1913, und die Schreiben vom 19. und 21. Mai 1913, unten, S. 212, 239 f. und 241f., sowie den Brief an Emil Lask selbst vom 8. Juni 1913, unten, S. 247 f.

Telefon 1401 Samstag. Sehr verehrter Herr Doktor!

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Nachdem ich von meiner Frau hörte, worum es sich handelt – wenn ich recht verstehe, um die Frage, ob Sie L[ask]’s Namen zu nennen verweigern sollten,1 – möchte ich mir gestatten Folgendes zu sagen: Es schiene mir allerdings möglich, daß Sie dem Gericht sagten: Sie weigerten sich, den Namen des Beteiligten zu nennen, 1) weil dieser selbst, :wenn: als Zeuge vernommen, ja das Recht der Zeugnisverweigerung habe (Ehebruch ist strafbar)2 – 2) weil er ein „höherer Beamter“ sei,3 dem die Nennung seines Namensa seine Stellung kosten könne. – An eine Zeugniszwangshaft ist nicht zu denken. Dazu gehört 1) der Antrag einer der Parteien, 2) Kostenvorschuß derselben. Höchstens also – unwahrscheinlicher Weise – an eine Geldstrafe, welche Ihnen die, die

a 1 D. h. als Zeuge im Ehescheidungsprozeß Radbuch. 2 § 172 StGB [„Ehebruch“]: „(1) Der Ehebruch wird, wenn wegen desselben die Ehe geschieden ist, an dem schuldigen Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.“ Der § 172 ist erst 1969 abgeschafft worden. 3 D. h. etatmäßiger a.o. Professor.

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es angeht, ersetzen müssen. Sollte, gegen alle meine Annahmen, dennoch ein Haftbeschluß ergehen, so können Sie dann, ohne Sich zu nahe zu treten, in Aussicht stellen, den Betreffenden um die Ermächtigung zur Nennung zu ersuchen (was zu vermitteln ich bereit bin; die Ermächtigung versteht sich ja von selbst). Im Übrigen steht mein Zeugnis sehr gern zur Verfügung: 1) daß der ungenannte Beteiligte :auch: mir den Ehebruch in extenso eingestanden, – 2) daßb nach seiner Schilderung eine sehr heftige Auseinandersetzung mit R[adbruch] darüber stattgefunden, – 3) daß der Betreffende s. Z. Schritte gethan hatte, seine Stellung um dieser Schuld willen aufzugeben, und nur ich das verhindert habe (als zwecklos). Es hat für mich absolut nichts Peinliches, vernommen zu werden, wenn es sachdienlich ist und das Gericht es will. Sie können also mich als Jemand, der über die Sache ebenfalls aussagen kann, ruhig benennen. Vielleicht ist es nützlich. Ihnen dies zu schreiben veranlaßt mich nicht die Ansicht, daß für R[adbruch] oder Sie Anlaß bestände, L[ask]’sc zu „schonen“. Das ist nicht der Fall. Sondern dies: die jetzige Schwierigkeit ist z.T. Folge davon, daß R[adbruch], aus einer Ritterlichkeit gegen seine Frau, nicht gleich geklagt hat. Dann war die Lage klar. Jetzt hat L[ask] – nachdem er die ganze Zeit gegenüber Windelband’s sehr starkem Drängen sich strikt ablehnend verhalten hatte, – auf meinen Rath, der sachliche Gründe hatte (es wäre sonst wahrscheinlich etwas Törichtes passiert) – sich darauf eingelassen, das Extraordinariat anzunehmen. Es giebt also jetzt einen weit größeren Skandal, wenn er ausscheidet, als im vorigen Sommer, wo sein Ausscheiden geräuschlos abgegangen wäre (ich habe ihn damals daran gehindert, weil Niemand etwas genützt, die Verantwortung von Frau R[adbruch] noch erschwert und L[ask]’s Mutter4 die wesentlich Leidtragende gewesen wäre. – Was die Sache selbst anlangt, so würde ich mit L[ask] gebrochen haben, wenn er in seiner eignen Beurteilung seiner wahrlich schweren Schuld sich anders zu der Sache gestellt hätte als ich und wenn er im geringsten so unritterlich gewesen wäre, etwas von sich ab und auf die – wie wir Alle wissen, doch auch recht schuldige – Frau zu wälzen. So aber, und da er mir auch offen gesagt hat, daß und was an seinem Ver-

b

c O: L.’

4 Gemeint ist Cerline Lask.

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halten auch Ihrer Frau5 gegenüber tadelnswerth war (mit Einschluß seiner damaligen Äußerungen über uns!) – stehe ich auf dem Standpunkt, daß für mich das unbedingt Verpflichtende einer Freundschaft, wie sie zwischen uns bestand, durch die Schuld des Einen nicht aufgehoben wird. Mit besten Empfehlungen, auf Wiedersehen! Ihr Max Weber.

5 D. h. Gertrud Jaspers.

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Karl Jaspers [nach dem 26. April 1913]; o.O. Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers Die Datierung ist erschlossen aus dem Inhalt dieses Briefes in Verbindung mit dem zweiten und letzten Teil des vorhergehenden Schreibens an Karl Jaspers, nach dem 26. April 1913, oben, S. 210. Möglicherweise nimmt Weber in dem hier folgenden Schreiben Stellung zu der nicht nachgewiesenen Antwort Jaspers’ auf seinen vorherigen Brief.

Lieber Herr Doktor! Schönen Dank! Also bald einmal mündlich! Nur wollen wir festhalten: controvers ist nicht, ob das qu[ästionierte] Verhalten verdammenswerth ist. Das ist es im höchsten Grade, daran ist nicht zu rütteln u. daraus habe ich keinerlei Hehl gemacht. Sondern die Frage: „Handlung“ – „Persönlichkeit“. Ist diese mit einer „Todsünde“ „erledigt“ oder kann das anders sein und wann – wann nicht? Ich füge noch Eins hinzu: Daß L[ask] jetzt Extraordinarius wurde,1 war sachlich geboten, wenn er nicht ganz ausschied. Denn sonst würde es Driesch2 – das wäre m. E. nicht gut gewesen (obwohl ich ihn nicht so ablehne, wie manche es thun). Aber er verkehrte mit der Fakultät – das kam ihm sehr zu gute – L[ask] nicht. Windelband aber wollte unbedingt Einen der Beiden haben. Daher habe ich L[ask] veranlaßt, sich darauf einzulassen. Herzliche Grüße Ihr Max Weber

1 Die formelle Ernennung zum etatmäßigen Extraordinarius für Philosophie war am 31. März 1913 „mit Wirkung vom 1. April“ 1913 erfolgt. 2 Hans Driesch, zunächst Zoologe, war 1909 an der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät in Heidelberg für Naturphilosophie habilitiert und 1911 zum a. o. Professor ernannt worden. Am 25. Januar 1912 war er in die Philosophische Fakultät übergetreten.

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Johann Plenge PSt 27. April 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Lieber Herr Kollege!

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Gott sei Dank! und herzlichen Glückwunsch!1 Über das Andre in einigen Tagen.2 Ich [bin]a auch sehr müde soeben von der Reise zurückgekehrt und fand Ihren Brief hier vor. Mit collegialen Grüßen Ihr ergebenster Max Weber.

a Lochung. 1 Webers Glückwunsch galt der Mitteilung Plenges vom 24. April 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) über seine Berufung nach Münster. 2 Plenge hatte in seinem Brief vom 24. April 1913 (wie Anm. 1) um vertrauliche Information „über die Lage des Handbuchs“ und speziell über „die Druckdispositionen“ gebeten. Webers Antwort erfolgte am 1. Mai 1913, unten, S. 215 f.

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Franz Boese 29. April PSt 1913; Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 182 Die Karte steht in Zusammenhang mit der geplanten Werturteilsdiskussion in einer Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert vom 7. Februar 1913, oben, S. 83 f.

Sehr geehrter Herr Doktor! Ich danke verbindlichst für Ihre freundliche Mitteilung. Ich glaube, daß die Wahl der Weihnachtszeit von vielen Seiten sehr begrüßt werden wird.1 Ich sende unzweifelhaft im Verlauf spätestens des Juni, vielleicht früher, eine Ausarbeitung ein, je nachdem in kurzen Thesen oder etwas ausführlicher.2 Mit der Bitte angelegentlichster Empfehlung an Hrn Prof. v. Schmoller Ihr sehr ergebenster Max Weber Heidelberg 29/4

1 Die Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik fand am 4. Januar 1914 in Berlin statt, an die sich am 5. Januar 1914 die Werturteilsdiskussion anschloß. 2 Sein Manuskript hat Weber an Boese am 14. August 1913 übersandt; vgl. dazu das Begleitschreiben vom gleichen Tage, unten, S. 311. Der Artikel ist erschienen in der Broschüre: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o. O. 1913, S. 83 – 120 (MWG I/12), sowie in veränderter und überarbeiteter Form unter dem Titel: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12).

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Johann Plenge 1. Mai 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Heidelberg 1.V. 13 Lieber Herr Kollege!

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Ist die Stelle in Münster ein Ordinariat?1 – so stand es in der Zeitung, das würde mich sehr freuen! Andernfalls ist es ja auch eine Frage kurzer Zeit. Ja, die Gießener waren töricht. Auch der so anständige Leist, der persönlich für Sie viel Sympathie hatte.2 Nun werden sie wohl Wygodzinski bekommen, höchstens Spiethoff.3 Aber Sie paßten ain dera That nicht für das „Ideal“, welches man dort hat. Es ist fast immer schlimm, wenn Juristen mitzureden haben.

a Wiederholung von in der auf neuer Seite. 1 Wie Plenge in seiner Antwort vom gleichen Tage (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) berichtete, handelte es sich um ein persönliches Ordinariat. Vgl. dazu den Brief an Plenge vom 2. Mai 1913, unten, S. 220, Anm. 1. 2 Weber bezieht sich hier auf einen Kommentar Plenges in dessen – zunächst nicht abgesandtem – Brief vom 25. März 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge), der ihm zusammen mit dem Schreiben vom 24. April 1913 (ebd.) „als Stimmungsbericht der Vergangenheit“ zugegangen war. Darin schreibt Plenge über die Gründe seiner Nichtberufung nach Gießen: „Gießen ist außer an den persönlichen Dingen an dem Unverstand der dortigen Juristen gescheitert. Nationalökonomie soll in Gießen nur Hilfswissenschaft für die Ausbildung der Juristen sein, nach einem Nationalökonomen mit weiter gehendem Ehrgeiz besteht kein sachliches Bedürfnis. Das hat mich beinahe noch mehr empört, wie die Verleumdung Büchers. Denn wozu arbeitet man eigentlich und leistet etwas, wenn man nachher hören muß: Du hast nicht das Mittelmaß, das wir allein verlangen. Vom Standpunkt der Gießener Universitätspolitik ist es eine grenzenlose Dummheit. Als juristische Verbohrtheit namentlich bei Leist [gemeint ist der GdSMitarbeiter Alexander Leist] ganz verblüffend, der doch nach seiner Problemstellung etwas mehr von der Bedeutung dieser Hilfswissenschaft verstehen sollte.“ 3 Nachdem nacheinander Kurt Wiedenfeld, Otto v. Zwiedineck-Südenhorst und Arthur Spiethoff den an sie ergangenen Ruf abgelehnt hatten und Verhandlungen mit Willy Wygodzinski ebenfalls erfolglos verlaufen waren, wurde am 26. Juli 1913 der Privatdozent August Skalweit berufen (UA Gießen, PA Phil. 26: August Skalweit), der im Sommersemester 1913 als Lehrstuhlvertreter in Gießen tätig war.

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– Nun: Ihr Beitrag.4 Wir müssen Ihnen ja nun Nachfrist geben. Bitte schreiben Sie: ob der 15. September d. J. von Ihnen bestimmt als endgültiger Termin innegehalten wird. Dann muß eben Alles darauf eingerichtet werden. Daß alle Ihre anderen Arbeiten zurückstehen, bleibt doch bestehen! Und bitte: geben Sie mir eine kurze Übersichtb der Stoffdisposition Ihres Beitrags.5 Damit ich sehe, ob von Ihnen, Schulze, Jaffé6 auch das Gebiet erschöpft wird. Für heute nur herzliche Grüße! Ihr Max Weber

b 4 Gemeint ist Plenges projektierter GdS-Beitrag „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“. Zum Problem der Fertigstellung des Plengeschen Artikels, der letztlich nicht erschienen ist, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 15. Jan. 1913, oben, S. 45, Anm. 3. 5 Weber hat in seinem Brief an Plenge vom 11. Aug. 1913, unten, S. 310, die von diesem am 1. Mai 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) in Aussicht gestellte Inhaltsübersicht angemahnt, sie jedoch anscheinend nicht erhalten. 6 Gemeint sind die GdS-Beiträge: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank, sowie: Jaffé, Englisch-amerikanisches Bankwesen.

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Heinrich Sieveking 1. Mai 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz

Heidelberg 1.V. 13 Lieber Sieveking!

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Ich danke sehr für Ihren Beitrag.1 – Sie werden für die komplizierteren Entwicklungen des „Handels“2 wohl noch etwas Zeit brauchen. Und da Plenge nach Münster berufen ist, mußte ich ihm Nachfrist geben,3 so ungern es geschah. Daher kann ich auch Ihnen bis 1. September Zeit geben. Aber das ist das absolut Äußerste. Es ist schon höchst peinlich gegenüber denen, die abgeliefert haben, daß Alles sich so qualvoll hinzieht! Ich würde Sie sehr bitten, Änderungen in der Correktur nicht mehr zu machen. Ihr Mscr. steht Ihnen ja jetzt zur Verfügung. Da Sie direkt fragen, würde ich etwa rathen, die Darstellung vielleicht nochmals auf Wiederholungen etwas anzusehen. Einiges scheint mir von Derartigem vorzukommen. Und dann: der Zweck ist „didaktisch“. Wäre es nicht möglich, für die einzelnen Entwicklungsstadien etwas präciser :festzustellen:: 1) den centralen „Sinn“1) der jeweiligen Gewerbepolitik, ihr letztes „Ziel“ bzw. die mehreren „letzten Ziele“, die sie zu verbindena suchte,b und 2) die technischen Mittel[,] die sie verwendete, zusammenzufassen, sowie 3) die Interessenten, gegen die sich die jeweilige Politik richtete?c Es kommt mir vor, daß: – wer noch nicht weiß, was „Zunft-

1)

Z. B.: „Nahrungs“-Schutz – „Gleichheit der Chancen“, – „Qualitätsschutz“ – „Consumentenschutz“ – „merkantilistische“ Interessen – „fiskalische“ Interessen. a b c Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: Verleger Monopolisten Grundherren u.s.w. 1 Es handelt sich um den GdS-Beitrag: Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen. 2 Gemeint ist der GdS-Beitrag: Sieveking, Entwicklung des Handels. 3 Gemeint ist der Brief an Johann Plenge vom gleichen Tage, oben, S. 216.

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bann“, „Zunftzwang“ etc., die spezifischen Mittel der Reglementierung der Hausindustrie (die „Moderation“ in Calw4 u.s.w.) ist, es vielleicht doch nicht deutlich genug gesagt bekommt. Ich möchte, wenn Sie auf meine Bitte, Ihre Darlegung noch einmal daraufhin anzusehen, einzugehen bereit sind, mir den Vorschlag erlauben: daß Sie selbst Sich Ihre Darstellung erst etwas „objektiv“ werden lassen und sie dann, Sich, wie ich es thue, auf den Standpunkt des Lesers stellend, nochmal ansehen möchten. Vielleicht finden Sie einige Änderungen und Pointierungen nützlich. Sehr gern hätte ich Sie gesehen.5 Aber es ging nicht. Einstweilen Ihnen und Ihrer werthen Gattin6 von uns die herzlichsten Grüße! Ihr Max Weber

4 Zum Terminus „Moderation“ vgl. Troeltsch, Walter, Die Calwer Zeughandlungskompagnie und ihre Arbeiter. Studien zur Gewerbe- und Sozialgeschichte Altwürttembergs. – Jena: Gustav Fischer 1897, S. 80: „Für die Summe aller Beziehungen, die zwischen der Calwer Zeughandlungskompagnie und den von ihr abhängigen Webern bestanden, wird seit 1650 der technische Ausdruck der ‚Moderation‘, ‚Moderationsverfassung‘ gebraucht. Formalrechtlich bedeutet er die Vereinbarungen beider Teile über die gegenseitigen Rechte und Pflichten [...]. Ihrem Inhalt nach ist Moderation die Gebundenheit der Zeugmacher gewisser Distrikte an die Calwer Kompagnie.“ Das Institut der Moderation wird in Sievekings Aufsatz nicht erwähnt. 5 Weber hatte beabsichtigt, Sieveking auf der Reise nach Ascona in Zürich zu sprechen; vgl. den Brief an Sieveking vom 10. März 1913, oben, S. 119. 6 D. h. Rosa Sieveking.

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Hans W. Gruhle [2. Mai 1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612 Die Datierung ist aus dem Briefinhalt erschlossen in Verbindung mit dem folgenden Brief an Marianne Weber vom 3. Mai 1913, unten, S. 222.

Ziegelh. Landstr. 17 Freitag Lieber Herr College!

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Meine Frau mußte zur Beerdigung ihrer Tante1 (in Lemgo) reisen, die – zum Glück – schnell und sanft am Herzschlag gestorben ist. Sie bleibt wohl bis Mitte k. W. fort. Sie trug mir auf, etwaige Briefe von Ihnen zu öffnen, da sie vermutlich Vorschläge zu Unternehmungen enthielten, und zu beantworten. Sollten wir nicht noch einmal nach Schwetzingen? – es ist ja grade auch im Regen schön, wenn es nicht allzu eisig ist. (Oder besser später?). Ich kann morgen (Samstag) und Sonntag (wegen des „jour“) nicht, sonst aber jeden Tag. Frl. Bernays ist in Berlin, ich weiß nicht mehr, zu welchem Zweck, kommt aber sehr bald zurück und wird, denke ich, sehr froh sein mitmachen zu dürfen.2 Ich teile ihr dann das Nötige mit. Guten Erfolg. – Wenn Sie nicht ausflugslustig sind, so besuchen Sie mich doch wohl einmal. Ich habe mancherlei zu erzählen (Ascona). Herzliche Grüße Ihr Max Weber

1 Gemeint ist Marie Schnitger, die am 28. April 1913 verstorben war. 2 Marie Bernays sollte an einem Seminar Gruhles teilnehmen; vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 3. Mai 1913, unten, S. 223.

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Johann Plenge 2. Mai 1913; Heidelberg Karte; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Lieber Herr Kollege! Ich kann nur meine lebhafte Genugthuung erneut aussprechen: ob das ein „persönliches“ oder ein etatsmäßiges Ordinariat heißt ist ja wirklich völlig einerlei.1 Und mit einem so gutmütigen und anständigen Menschen wie Schm[öle] ist ja auszukommen. Vor allen Dingen der Wechsel des „ambiente“ ist doch Ihnen sicher schon rein an sich höchst erwünscht gewesen. Ich danke für Ihre Zusage, mit der ich nun rechne.2 Ich habe Alles auf diesen Zeitpunkt eingerichtet. – Korrekturen Ihrer Arbeit über die Reichsbank habe ich weiter nicht mehr erhalten.3 Sie wird mich sehr lebhaft interessieren, wenn sie erst vorliegt.4 Haben Sie – wie ich angeordnet hatte – den Beitrag von Schulze-Gävernitz5 zugesendet erhal-

1 In seiner Antwort vom 1. Mai 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) auf Webers Anfrage vom gleichen Tage, oben, S. 215, ob er in Münster ein Ordinariat erhalten habe, hatte Plenge geantwortet: „Münster ist persönliches Ordinariat mit voller Gleichberechtigung in der Fakultät [...]. Anwartschaft auf etatsmäßige Ordinariatseinnahmen in den nächsten Jahren. Münster hat bisher nur ein etatmäßiges Ordinariat und dahinein rückt Schmöle ein. [...] Elster hat mir außerdem 1200 M. für einen meiner hiesigen Studenten als inoffiziellen Assistenten bewilligt [...]. Das ganze kommt also einem Ordinariat so ähnlich, als man von einem etatmäßigen Extraordinariat verlangen kann.“ 2 Plenge hatte in seinem Brief vom 1. Mai 1913 (wie Anm. 1) zugesagt, seinen GdSBeitrag über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ bis zum 1. September 1913 abzuliefern; zum Problem der Fertigstellung des bzw. der Artikel Plenges, die letztlich nicht erschienen sind, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 15. Jan. 1913, oben, S. 45, Anm. 3. 3 Gemeint sind die Korrekturfahnen der 1912 unvollständig im „Bank-Archiv“ erschienenen Aufsätze Plenges über die Reichsbank „Von der Diskontpolitik zur Beherrschung des Geldmarktes“ – vgl. dazu den Brief an Plenge vom 11. Aug. 1913, unten, S. 306, Anm. 14 –; diese erschienen 1913 überarbeitet und vermehrt unter dem Titel: Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt, bei Julius Springer in Berlin als Buch. 4 Vgl. dazu Webers umfangreiche Stellungnahme in seinem Brief an Plenge vom 11. Aug. 1913, unten, S. 303 – 310. 5 Gemeint ist das GdS-Manuskript zu: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank.

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ten? Wenn ja, so werde ich Ihnen auch Jaffé’s (noch umzuarbeitenden, z.Z. recht „schwachen“!) Beitrag6 schicken, wenn es Ihnen recht ist. Herzliche Grüße Ihr Max Weber 5

Hbg 2. V. 13

6 D. h. der GdS-Beitrag: Jaffé, Englisch-amerikanisches Bankwesen.

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Marianne Weber PSt 3. Mai 1913; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Sonnabend“ erschlossen. Marianne Weber war nach dem Tode ihrer Tante Marie Schnitger am 28. April 1913, vermutlich am 29. April, für acht Tage nach Lemgo gefahren, um deren Nachlaß zu ordnen. Nach einem kurzen Besuch in Oerlinghausen kam sie am 8. Mai wieder nach Heidelberg.

Sonnabend Ja, liebstes Mädele, ich habe Dich arg warten lassen – d. h. Du hast doch meine Bemerkungen auf dem Brief :Rickerts1):, den ich Dir schickte, bekommen?1 Gestern, grade als ich schreiben wollte, kam das Sopha – ich packte es eigenhändig aus und wir stellten es gleich auf: es steht sehr schön da und paßt weit besser zu Ofen und Wand als man denken konnte. Fast könnte es noch länger sein. Dann konnte ich gestern so gut arbeiten, wie lange nicht, nach einer guten Nacht. Und da nichts zu melden war – denn weder Lukács, der am Donnerstag vorsprach und sitzen blieb (er hat immer noch eine Nikotin-Vergiftung), noch Lask, der nachher kam und die ganze Zeit von Ascona sich erzählen ließ – Ehrenberg2 hatte ihn schon informiert, der seinerseits von „Philips“a 3 über Frieda4

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Es stand darin, daß R[ickert] wieder Fieber hat – Nachschrift von Sophie,5 und daß Du s. Z. den Aufsatz6 nur schicken solltest, es sei freilich nicht sicher, ob er gleich abgedruckt werden könne. Hast Du das nicht bekommen? a O: Philipps 1 Der Brief von Heinrich und Sophie Rickert an Marianne Weber mit den Bemerkungen von Max Weber ist nicht nachgewiesen. 2 Auch Hans Ehrenberg hatte Ferien in Ascona verbracht. Vgl. Karte an Marianne Weber vom 3. April 1913, oben, S. 167. 3 Gemeint ist Carlo Philips, ein Freund Ehrenbergs, der gleichfalls in Ascona gewesen war. Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 153. 4 Frieda Gross. 5 Sophie Rickert. 6 Gemeint ist Weber, Marianne, Die Frau und die objektive Kultur.

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allerhand wußte –, haben etwas Erhebliches geredet; es war etwas stumpfsinnig, offen gestanden – so kam ich ganz um das Schreiben herum. Schönen Dank, daß Du mich generöser behandelt hast! Gruhle wollte mit Dir :Mittwoch: spazieren gehen und die Bernays für sein Seminar7 einladen. Ich schrieb ihm,8 er möge mich inzwischen besuchen und telefonierte die B[ernays] an, die aber noch fort zu sein scheint. (in Berlin?) Morgen ist also „jour“, ich bin begierig, wer kommt, es regnet jetzt fast beständig und ist kühl, da wird man drin sitzen müssen. Bertha9 ist heut auf „Louischen’s“10 Hochzeit, zur Kirche und zum Essen, zu ersterem waren auch Tröltsch’s gegangen. „Sie“11 ist schmelzend liebenswürdig und er sehr mit ihr zufrieden. – Sonst, wie gesagt, ist nichts zu berichten. (Die Disconto-Ges[ellschaft] hat 800 Mk hierher überwiesen, das weißt Du ja.). Hoffentlich habe ich heute wieder eine gute Nacht, es thut so gut, etwas arbeiten zu können. Was mag die kleine Wielandt12 schon wieder haben? Die andern Sachen, die ich nachschickte – Du hast sie doch bekommen? – schienen ja nicht von Belang. Alfred telefonierte: daß nach seinem Eindruck Mama gern Ende Juni/Anfang Juli hierher käme, im Anschluß an Örlinghausen; ob wir ihr nicht schreiben könnten, daß das passe?13 Das kann ja geschehen, denn es paßt doch? Tausend Grüße und Küsse Dein Max

7 Im Vorlesungsverzeichnis der Heidelberger Universität vom Sommersemester 1913 ist kein Seminar von Hans Gruhle angezeigt. Ein Hinweis im Wintersemester 1913/14, in dem Gruhle Angewandte Psychologie 2 ankündigte, läßt jedoch darauf schließen, daß er zuvor im Sommersemester eine Übung Angewandte Psychologie 1 hielt. 8 Vgl. den Brief an Hans Gruhle vom 2. Mai 1913, oben, S. 219. 9 Bertha Schandau. 10 Gemeint ist das Dienstmädchen von Ernst und Marta Troeltsch. 11 Gemeint ist Marta Troeltsch. 12 Gemeint ist Lilli Wielandt. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 10. März 1913, oben, S. 120. 13 Einen entsprechenden Vorschlag machte Marianne Weber ihrer Schwiegermutter in ihrem Brief vom 6. Mai 1913, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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4. Mai 1913

Marianne Weber PSt 4. Mai 1913; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Sonntag früh im Bett. Liebes Mädele, – es ist schon früh hell und schön, die Mädchen aber schlafen länger, da Linchen1 Abends noch auf Louischens2 Hochzeit war. – Gestern war ich beim T[obel]chen3 – recht hübsch in ihren umgestalteten Zimmerchen4 – sie spielte ein Chopin’sches Barcarole und sang ihre Liedchen, ist an einem neuen5 – da gab sich die Gelegenheit zu fragen: wie Bertha6 sich denn damals7 betragen habe[,] u. ich ergriff sie, auch damit sie sah, daß wir nicht davon mit B[ertha] geredet haben. Ich muß nun sagen: B[ertha] hat sich sehr wenig hübsch benommen. T[obelchen] hatte ihr einen sehr herzlichen Brief geschrieben, besonders neben dem Geschenk. Da fand sie dann in ihrem Briefkasten – ohne Marke, also durch Lina befördert – einen Brief: „Fräulein hätte sich nicht in Unkosten zu stürzen brauchen, denn ich hätte meine Pflicht als Dienstmädchen auch so :weiter: erfüllt“, während später Linchen sich „sehr verlegen“ mündlich bedankt habe. Es blieb mir da nichts übrig, als B[ertha] preiszugeben u. zu sagen: daß es mir sehr mißfalle und unangenehm sei, daß sie, im Bewußtsein, Fehler ge1 Lina, Haushaltshilfe bei Webers. 2 Luise Laurer war Dienstmädchen bei Ernst Troeltsch. 3 Mina Tobler. 4 Mina Tobler hatte in ihrer Wohnung eine Tür brechen und den Ofen verschieben lassen. Brief Marianne Webers an Max Weber vom 12. April 1913, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 5 Mina Tobler komponierte Lieder, verfaßte eine Klavierschule, ist aber mit ihren Kompositionen nicht an die Öffentlichkeit getreten (briefliche Mitteilung von Dr. Achim Tobler vom 17. März 1992). 6 Bertha Schandau, Dienstmädchen bei Webers. 7 Bertha Schandau begegnete den häufigen Besuchen von Mina Tobler bei Max und Marianne Weber mit Mißtrauen und fühlte sich durch eine Karte von Mina Tobler mit der Anschrift an das „Dienstmädchen“ gekränkt. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 14. Sept. 1912 (MWG II/7, S. 665, Anm. 10). Mina Tobler hatte versucht, durch Brief und Geschenk die Mißstimmung von Bertha Schandau zu überbrücken, was diese aber schroff zurückwies.

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macht :u. sich dumm betragen: zu haben und weil ich sie damals so sehr scharf darüber angelassen habe, nicht den „Dreh“ gefunden und es ihr nun nicht verzeihen könne, daß sie (B[ertha]) dumm gewesen sei. – Das Ganze ist nicht gut. Nicht für T[obel]chen – die natürlich sagte: „solche Leute sind eben so“ – sie weiß ja nicht, was B[ertha] Alles damals gesagt hat und weshalb sie (den andren Mädchen gegenüber) um ihres „Prestiges“ willen nicht zurück konnte – und erst recht nicht für B[ertha]. Diese ist von mir dezidiert freundlich behandelt worden, grade auch jetzt[,] u. ich habe sie auch gestern Abend nichts merken lassen, thue es auch jetzt nicht. Aber hübsch finde ich das Ganze nicht. Natürlich habe auch ich die Sache seinerzeit verkehrt gemacht: man hätte adiese Geschichtea eben, nach all den Auseinandersetzungen, einfach laufen lassen sollen und nichts davon sagen. Man hat B[ertha] darin unterschätzt, daß ein „Geschenk“ es bei ihr nicht thut, – im Übrigen aber ihren Takt doch auch stark überschätzt. – Dauernd wird es ja wohl mit B[ertha] so wie so nicht gehen, aber es thut mir für sie leid, daß dies Alles passiert ist. – Nun bin ich begierig, was heute der „jour“ bringt. – Es war neulich8 so amüsant, daß Lask doch nicht abwarten konnte, über die Fr[ieda] 9 zu sprechen, trotz Lukács’ Anwesenheit! Da allerdings Ehrenberg auch von deren Schicksalen wußte (wie Lask sagt) u. ihm davon gesprochen hat, so ist das ja gleich. – Ich bin doch begierig, ob sie einmal schreibt oder durch ihre (offenbare) Nikotinvergiftetheit dazu zu lethargisch ist. Nun laß Dirs gut gehen, liebstes Mädel. Wann kommst Du denn? Mittwoch? – Donnerstag? Tausend Grüße und Küsse Dein Max

a sie > diese Geschichte 8 Gemeint ist das Treffen am 1. Mai. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Mai 1913, oben, S. 222 f. Emil Lask hatte 1908 mit Frieda Gross eine Beziehung. 9 Frieda Gross.

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Paul Siebeck 5. Mai 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 5. V. 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck I. Soziologentag. 1. Ich nehme an, daß Herr Dr Beck Ihnen die Correktur meines Geschäftsberichts unter Einfügung der Zahlen der Mitglieder, Einnahmen etc. an den betr. Stellen wieder zugeschickt hat.1 Andernfalls bitte ich ihn per Postkarte zu mahnen. Ich schrieb ihm heute abermals,2 da er nicht antwortete. 2. Für die Presse-Publikationen der Gesellschaft3 stehen z. Z. zur Verfügung (druckfertig im Herbst): a) eine sehr gute Arbeit des Stuttgarter Redakteurs der „Frankf[urter] Zeitung“ über die Presse Württembergsa,4 ich schätze: 7 Bogen etwa. b) eine Arbeit des Mitinhabers der großen Conzern-Firma Huck, Dr W[olfgang] Huck, über die „kleine Anzeige“ in Deutschland5 (d. h. die Zeitungen vom Typus der „Württembergischenb Zeitung“ u.s.w. auf

a O: Würtembergs

b O: Würtembergischen

1 Zu diesem Zeitpunkt war die Fahnenkorrektur des Geschäftsberichts noch nicht in den Verlag gelangt, dies konnte Paul Siebeck erst in seinem Brief an Weber vom 17. Mai 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) bestätigen. Das korrigierte Resümee Max Webers ist erschienen unter dem Titel: Rechenschaftsbericht für die abgelaufenen beiden Jahre, in: Verhandlungen 1912, S. 75 – 79. 2 Der Brief ist in den noch vorhandenen DGS-Akten nicht nachgewiesen. 3 Zum Fortgang der Presse-Enquete vgl. die Schreiben an den Vorstand der DGS vom 5. Dez. 1913, unten, S. 421 f., an Hermann Beck vom 17. und 20. Jan. 1914, unten, S. 471 f. und 475 f, sowie an Werner Sombart vom 20. Jan. 1914, unten, S. 477; zum Verlauf der Presse-Enquete insgesamt vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 28. Febr. 1913, oben, S. 102, Anm. 7. 4 Groth, Otto, Die politische Presse Württembergs. – Stuttgart: Scheufele 1915. 5 Huck, Wolfgang, Die kleine Anzeige, ihre Organisation und volkswirtschaftliche Bedeutung. – Halle a. S.: Buchdruckerei des Generalanzeigers für Halle und die Provinz Sachsen 1914.

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Grund von Geschäftsbilanzen und Rentabilitätsrechnungen von eignen Zeitungen seiner Firma)c.6 Ich schätze: 3 – 4 Bogen. c) Für nächstes Jahr steht eine große Arbeit von Dr Landsberger, Berlin, über died Entwicklung des Feuilletons, ca 20 Bogen,e in Aussicht.7 Ich werde den Verband der Zeitungsverleger, dessen Chef (M[ax] Jänecke) gestorben ist, ersuchen, dessen Abmachungen mit mir zu erneuern.8 Dann würde, bei Gewährung von Vorzugsabnahme-Bedingungen, dieser Verband sicher für seine Mitglieder auf deren Bestellung hin einen :leidlich: festen Markt hergeben. Ebenso die Gesellschaft f[ür] Soziologie selbst. Nur könnte schwerlich so, wie in den Verträgen über die Congreß-Berichte, eine feste Abnahmepflicht für alle Mitglieder statuiert werden. Der Beitrag ist noch nicht hoch genug dafür und die Statistiker, die mit dazu zählen, würden sich wohl nicht als Abnehmer beteiligen. Es fragt sich nun also, welche Bedingungen man zu Grunde legen könnte?9 II. Handbuch. 1. Plenge ist Ordinarius in Münster. Er hat die feste Verpflichtung, keinerlei andre Arbeit vor Erledigung seines Beitrags zu übernehmen.

c Klammer fehlt in O.

d O: die die

e

6 Wolfgang Huck war Leiter des Zeitungskonzerns A. Huck, in welchem u. a. die „Nürnberger Nachrichten“, der „Breslauer Generalanzeiger“ und die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ erschienen. 7 Die entsprechende Arbeit von Artur Landsberger ist nie erschienen. 8 Die Abmachungen Webers mit dem verstorbenen Max Jänecke sind nicht nachgewiesen; dessen Nachfolger Robert Faber hat auf eine weitere Mitarbeit an der PresseEnquete verzichtet; vgl. dazu den Brief an den Vorstand der DGS vom 5. Dez. 1913, unten, S. 421 f. 9 Oskar Siebeck äußerte sich in seinem Schreiben vom 8. Mai 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zustimmend zu der baldigen Publikation von Arbeiten zur Presse-Enquete, dies um so mehr, als der Band: Verhandlungen 1912, nur etwa die Hälfte des Umfangs des ersten Verhandlungsbandes aufwies. „Kämen dazu die beiden ersten in Ihrem Briefe genannten Arbeiten der zweiten Serie im Druckumfang von 10 – 11 Druckbogen, so müßte die Gesellschaft im Vereinsjahre 1913 ihren Mitgliedern alles in allem nicht mehr Druckschriften zur Verfügung stellen, als im Vereinsjahre 1911.“ Die Arbeiten zur Presse-Enquete sind jedoch bei verschiedenen Verlagen erschienen, da die damalige DGS-Führung 1914 kein Interesse zeigte bzw. sich außerstande erklärte, die entsprechenden Arbeiten als vereinsinterne Schriften veröffentlichen zu lassen; vgl. dazu den Brief an Hermann Beck vom 17. Jan. 1914, unten, S. 472, Anm. 9.

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Aber ich mußte ihm Frist bis 15. September geben, infolge seiner neuen Pflichten.10 Sonst ging es nicht. 2. Sieveking, Gewerbegeschichte,11 ist in meinem Besitz. Er soll noch Einiges ändern,12 also behalte ich es hier. 3. Sieveking, Handel I13 (Geschichte, Betriebsformen, Gesetzgebung, Standort) mußte ich bis 15. September verlängern.14 4. Hirsch, Handel II15 (Außenhandel, Binnenhandel) bis 15. August.f 5. Sering ist krank, sagte im letzten Moment ab.16 Innere Colonisation mit 3 Bogen hat Dr Swart, Posen, Helenenstraße 2, – einer der allerbesten Kenner – übernommen.17 Frist: 15. September sicher[.] 6. Staatswirtschaft und g Kapitalismus (2 Buch, II, 2, zweite Hälfte) 1 Bogen, hat im Winter Prof. Dr Altmann, Mannheim[,] übernommen, in Verbindung mit: „Der öffentliche Betrieb :in der Gegenwart.:“18 (was einen Teil davon bildet) Frist: 1. August. 7. in meinem Besitz sind ferner: die Artikel von Salz (werden noch gekürzt – sehr gut)h 19 f Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: NB. jetzt 3 Bogen statt 2, weil er auch „Außenhandel“ übernahm, für den sich Niemand Geeignetes sonst fand, was ich Sie zu notieren bitte. H[irsch] arbeitet gut, nach dem was er mir mitteilt. g h Klammer fehlt in O. 10 Vgl. dazu den Brief an Johann Plenge vom 1. Mai 1913, oben, S. 216. 11 Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen. 12 Zu Webers Änderungsvorschlägen vgl. seinen Brief an Heinrich Sieveking vom 1. Mai 1913, oben, S. 217 f. 13 Sieveking, Entwicklung des Handels. 14 Vgl. dazu den Brief an Heinrich Sieveking vom 1. Mai 1913, oben, S. 217; darin ist als definitiver Termin für die Manuskriptabgabe der 1. September 1913 genannt. 15 Hirsch, Organisation und Formen des Handels. 16 Max Sering hatte die beiden Abschnitte: „Grenzen des Kapitalismus in der Landwirtschaft“ und „Innere Kolonisationspolitik“, übernommen; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 20. Sept. 1910 (MWG II/6, S. 618). Der erstgenannte Artikel, den dann Weber selbst übernahm, ist nie erschienen. 17 Der Beitrag von Friedrich Swart – in der Druckfassung Otto Swart genannt –, Innere Kolonisation, ist erschienen in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 33 – 78 (hinfort zitiert als: Swart, Innere Kolonisation). 18 Der Beitrag von Sally Altmann ist nicht erschienen. Der Artikel wurde später von Carl Brinkmann verfaßt, veröffentlicht unter dem Titel: Die moderne Staatsordnung und der Kapitalismus, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 49 – 67. 19 Gemeint sind die Artikel: Salz, Kapitalbildung, ders., Vermögensbildung, und ders., Berufsgliederung. Letzterer ist nie erschienen.

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der Artikel von Jaffé (muß noch geändert werden – schwach!)20 die Artikel von Gottl (noch zu kürzen, sind sehr viel zu groß, aber sehr gut.)i 21 der Artikel von Sombart (mäßig!)22 einer der Artikel von Lederer 23 (es muß noch eine neue Vereinbarung über den Umfang und den Inhalt getroffen werden, daher muß der Verlagsvertrag anders geschlossen werden und soll sich auch auf den Index beziehen,j den er übernimmt)k (eine große Erleichterung für mich!) i Klammer fehlt in O. j Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: wieviel Umfang soll der Index haben? Honorar? k Klammer fehlt in O. 20 Jaffé, Englisch-amerikanisches Bankwesen. 21 Gemeint sind die GdS-Beiträge: Wirtschaft und Technik, sowie zum Thema: Technische Grundlagen des modernen Kapitalismus, die Abschnitte 1) Betriebskräfte und Rohstoffe als spezifische technische Träger der modernen Wirtschaft, und 2) Die Maschine und die spezifischen Prinzipien der modernen Technik. v. Gottls GdS-Artikel wurden später zu einem einzigen Beitrag vereinigt; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 16. Jan. 1914, unten, S. 468. Der umfangreiche Beitrag von Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld ist erschienen unter dem Titel: Wirtschaft und Technik, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 199 – 381, als separater Band veröffentlicht in 2., neubearb. Aufl. in: GdS, Abt. II, Teil 2, ebd., 1923 (hinfort zitiert als: v. Gottl, Wirtschaft und Technik). Tatsächlich hat Weber zunächst auf drastischen Kürzungen bestanden; vgl. dazu den Brief an v. Gottl-Ottlilienfeld vom 11. Sept. 1913, unten, S. 327, sowie an Paul Siebeck vom 3. Nov. 1913, unten, S. 343. Er ist dann jedoch wegen der Originalität und Qualität des Beitrages anderen Sinnes geworden; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 30. Dez. 1913, unten, S. 449. Daher ist mit v. Gottl-Ottlilienfeld ein geänderter Verlagsvertrag abgeschlossen worden; vgl. dazu den Brief an Siebeck vom 15. März 1914, unten, S. 552. 22 Der Artikel von Werner Sombart, Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus, ist erschienen in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 1 – 26 (hinfort zitiert als: Sombart, Eigenart des modernen Kapitalismus). Zu Webers Beurteilung von Sombarts Beitrag vgl. auch seinen Brief an Paul Siebeck vom 21. Juni 1914, unten, S. 727. 23 Gemeint ist einer der drei von Weber unter der Rubrik „Sozialpolitik“ zusammengefaßten Artikel: 1) Arbeitsmarkt, Arbeitsvertrag, Lohnkämpfe und Klassenorganisation 2) Arbeiterschutz und 3) Arbeiterversicherung. Vgl. dazu den Brief Webers an Paul Siebeck vom 19. Mai 1910 (MWG II/6, S. 529). Emil Lederer, der ursprünglich lediglich die Aufgabe übernommen hatte, die entsprechenden Manuskripte des verstorbenen Verfassers dieser Beiträge, Robert Schachner, zu redigieren, hat diese Artikel 1913 völlig umgearbeitet bzw. neu verfaßt. Sie wurden jedoch erst in den 1920er Jahren – z.T. unter Mitwirkung von Jakob Marschak – veröffentlicht: Lederer, Emil und Marschak, Jakob, Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Organisationen, erschienen in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 106 – 258 (hinfort zitiert als: Lederer/Marschak, Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt); dies., Arbeiterschutz, ebd., S. 259 – 319 (hinfort zitiert als: Lederer/Marschak, Arbeiterschutz), sowie Lederer, Emil, Sozialversicherung, ebd., S. 320 – 367 (hinfort zitiert als: Lederer,

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Ich bin der Ansicht, daß am 15. Oktober der Druck beginnen kann.24 Schumacher fehlt noch[.]25 Wieser da – die Hauptsache.26 Grünberg hat um „kurze Nachfrist“ gebeten.27 Michels fehlt noch, ist angeblich so gut wie fertig.28 Vogelstein bat um Nachfrist (1. September).29 Ist Wiedenfeld da?30

Sozialversicherung). Daneben verfaßten Emil Lederer und Jakob Marschak den Artikel: Der neue Mittelstand, erschienen in: GdS, Abt. IX, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926, S. 120–141 (hinfort zitiert als: Lederer/Marschak, Neuer Mittelstand). 24 Der Druckbeginn am 15. Oktober 1913 erwies sich als illusorisch. In seinem Brief an Paul Siebeck vom 3. Nov. 1913, unten, S. 343, korrigiert sich Weber insofern, als er von der nunmehrigen Ablieferung der noch fehlenden Beiträge bis Weihnachten 1913 ausging und im Brief an Paul Siebeck vom 11. Nov. 1913, unten, S. 376 f., den Druckbeginn des GdS für Ende Februar 1914 anvisierte. 25 Der Beitrag von Hermann Schumacher, Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen, ist nie erschienen. 26 Vermutlich eine irrtümliche Annahme Webers, da er Robert Michels einige Tage später, am 23. Mai 1913, unten, S. 244, mitteilt, daß v. Wieser krank sei und sein Manuskript erst in den Ferien abliefern werde. Bei dem Artikel handelt es sich um: v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 27 Es handelt sich um den Beitrag von Karl Grünberg, erschienen unter dem Titel: Agrarverfassung. I. Begriffliches und Zuständliches, in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 131 – 167 (hinfort zitiert als: Grünberg, Agrarverfassung). Das Problem der Manuskriptablieferung Grünbergs durchzieht den Briefwechsel Max Webers mit Paul Siebeck bis zum Kriegsanfang, ja letztlich bis zu Webers Tod. Dies war um so mißlicher, als diese Arbeit als Einleitung für die übrigen Beiträge über Agrarwesen und Agrargeschichte vorgesehen war und ohne deren Vorliegen die anderen nicht gesetzt werden konnten. 28 Gemeint ist der Beitrag von Robert Michels, Wirtschaft und Bevölkerung. II. Wirtschaft und Rasse, erschienen in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 97 – 102 (hinfort zitiert als: Michels, Wirtschaft und Rasse). Zur Fertigstellung bzw. Ablieferung des Manuskripts vgl. die Briefe an Michels vom 23. Mai 1913, unten, S. 244, sowie an Paul Siebeck vom 9. Nov. 1913, unten, S. 367. 29 Es geht hierbei um den Artikel von Theodor Vogelstein, Die finanzielle Organisation der kapitalistischen Industrie und die Monopolbildungen, erschienen in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 187 – 246, sowie in 2., neubearb. Aufl., ebd., 1923, S. 383 – 445 (hinfort zitiert als: Vogelstein, Finanzielle Organisation). Vogelstein hat sein Manuskript erst im Sommer 1914 abgeliefert. 30 Der Beitrag von Kurt Wiedenfeld, Transportwesen, ist erschienen in: GdS, Abt. V, Teil 3. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1930 (hinfort zitiert als: Wiedenfeld, Transportwesen). Das Problem der Manuskriptablieferung hat sich bis zu Webers Tod hingezogen. Nach öfterem Drängen Webers und mehrmaligen Zusagen Wiedenfelds – vgl. u. a. die Briefe an Paul Siebeck vom 19. und vor oder am 25. Nov. 1913, 15. Febr. und 11. April 1914, unten, S. 384, 401, 514 und 611, – konnte Weber am 5. Mai 1914 die erste Hälfte des durchgesehenen Manuskripts an Siebeck schicken, unten, S. 656,

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Gothein ist angeblich „fast fertig“.31 Ich bin noch in scharfer Arbeit infolge von Bücher’s Versagen.32 Bitte schicken Sie mir: 1. die Artikel v[on] Leitner33 2. den von Weyermann.34 3. den von Wygodzinski35 4. den von Mauer36 5. den v[on] Herkner.37 die dann auch in Satz ging. Bedingt durch seine Tätigkeit im und nach dem Kriege sah sich Wiedenfeld außerstande, seinen Beitrag fortzusetzen bzw. vorerst fertigzustellen. Der Artikel über Transportwesen von 1930 ist der letzte im GdS erschienene Beitrag. 31 Der Beitrag von Eberhard Gothein, Bergbau, ist erschienen in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 282 – 349 (hinfort zitiert als: Gothein, Bergbau). Auch mit Gothein gab es Probleme mit der Manuskriptablieferung bzw. -kürzung; vgl. dazu die Briefe Webers an Paul Siebeck vom 3. und 9. Nov. 1913, unten, S. 344 und 368, jedoch konnte der Beitrag, trotz späterer Schwierigkeiten mit der Übersendung von Manuskriptergänzungen – vgl. dazu die Briefe an Siebeck vom 19. und vor dem 22. Juli 1914, unten, S. 768 und 771, – 1914 erscheinen. 32 D. h. Bücher, Entwicklungsstufen. Siehe auch den Brief an Paul Siebeck vom 8. Febr. 1913, oben, S. 87. 33 Es handelt sich um die Manuskripte der Artikel von Friedrich Leitner, erschienen unter dem Titel: Elemente des privatwirtschaftlichen Betriebes, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 90 – 110 (hinfort zitiert als: Leitner, Privatwirtschaftlicher Betrieb), sowie: Betriebslehre der kapitalistischen Großindustrie, erschienen in: GdS, Abt. VI, ebd., 1914, S. 83 – 135, sowie in 2., neubearb. Aufl., ebd., 1923, S. 87 – 147 (hinfort zitiert als: Leitner, Betriebslehre der Großindustrie). 34 Gemeint ist das Manuskript des Artikels von Moritz Rudolf Weyermann, Die ökonomische Eigenart der modernen gewerblichen Technik, erschienen in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 136 – 186, sowie in 2., neubearb. Aufl., ebd., 1923, S.148 – 202 (hinfort zitiert als: Weyermann, Gewerbliche Technik). 35 Vermutlich handelt es sich um das Manuskript des Artikels von Willy Wygodzinski, Landwirtschaft und Absatz, erschienen in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 231 – 240 (hinfort zitiert als: Wygodzinski, Landwirtschaft und Absatz). Ein weiterer Beitrag von Wygodzinsky, zusammen mit Vahan Totomianz – offensichtlich hat letzterer den Artikel von Wygodzinski nach dessen Tod überarbeitet, was seltsamerweise in der Druckfassung nicht erwähnt wird, – ist erschienen unter dem Titel: Genossenschaftswesen, in: GdS, Abt. IX, Teil 2. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 79 – 105 (hinfort zitiert als: Wygodzinski/Totomianz, Genossenschaftswesen). 36 Der Beitrag von Hermann Mauer (im Inhaltsverzeichnis des entsprechenden GdSBandes ist irrtümlich von Heinrich Mauer die Rede), nach dem Tode des Verfassers durchgesehen von Eduard (d. h. Leo) Wegener, ist erschienen unter dem Titel: Agrarkredit, in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 193 – 230 (hinfort zitiert als: Mauer, Agrarkredit). 37 Es handelt sich um das Manuskript von Heinrich Herkner, erschienen unter dem Titel: Arbeit und Arbeitsteilung, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 165 – 198, sowie in 2., neubearb. Aufl., in: GdS, Abt. II, Teil 1, ebd., 1923, S. 264 – 302 (hinfort zitiert als: Herkner, Arbeit und Arbeitsteilung).

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Hat Jaffé Ihnen den Artikel von Schulze-Gävernitz38 zurückgeschickt? Oder hat ihn Plenge schon erhalten? Wenn nicht, muß er ihn zur Einsicht bekommen.39 Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber

38 Gemeint ist: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank. 39 Oskar Siebeck bestätigte in seinem Brief vom 8. Mai 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß er das Manuskript des Beitrages von v. SchulzeGaevernitz an Johann Plenge weitergeleitet habe.

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Marianne Weber [5. Mai 1913; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort aus dem Inhalt des Briefes, in Zusammenhang mit den vorhergehenden Briefen und aus der Tagesbezeichnung „Montag“ erschlossen.

Montag. Oh, liebes,

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da hat Dich mein Sonnabend-Briefchen1 nicht Sonntag früh erreicht? Gestern schrieb ich nochmal (über Bertha2 und T[obel]chen3). Gestern Nachmittag war ein sehr kleiner „Jour“: nur Frl. Blaß (die doch arg trivial ist) und das T[obel]chen, die beide bald gingen, rücksichtsvoller Weise. Du siehst, liebes Mädele, wer der „Mittelpunkt“ ist? Frau Braus liegt mit Influenza. Wo die Andern stecken, weiß ich nicht. Die Sessel von Herrn Jäger4 sollen auch morgen früh kommen. Dann ist es schön. Das Sopha gefällt mir immer mehr, auch in der Farbe. – Ja, diese endlose Kette menschlicher Qual, die durch die lange Reihe der Jahrtausende geht und immer auf die jenseitige Macht bezogen ist! und heut sind die Qualen geringer, – aber für Leute wie Deinen Onkel Hugo5 giebt es nun gar keine Verbindungsbrücke mehr zur Gemeinschaft (des Leidens!) mit Andern und kaum etwas, was diese ihm sagen könnten, nicht nur Gott, auch die :Menschen sind: solchen Menschen stummer, von ihnen getrennter geworden. Das ist wohl wahr. Man hat es schon gut. Laß Dich tausend Mal küssen Dein Max 1 Vgl. den Brief vom 3. Mai 1913, oben, S. 222 f. Ein Antwortschreiben von Marianne Weber ist nicht nachgewiesen. 2 Bertha Schandau. 3 Mina Tobler. 4 Gemeint ist der Heidelberger Polsterer und Tapezierer Ferdinand Jäger. 5 Marianne Weber hatte sich nach dem Tod ihrer Tante Marie Schnitger mit den Briefen Verstorbener, u. a. auch mit denen des 1898 verstorbenen geisteskranken Onkels Hugo Schnitger, beschäftigt und über deren Glaubenszuversicht gesprochen, die ihnen ihr Leiden gedeutet und ertragbar gemacht habe. Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 6. Mai 1913, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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Frieda Gross 18. Mai [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist erschlossen aus der Tagesbezeichnung „Sonntag“ und dem Inhalt des Briefes, der zum Teil fast den gleichen Wortlaut hat wie der Brief an Hans Gruhle vom 18. Mai 1913. Der Brief ist unvollständig, es fehlt die Schlußformel. Der Brief bezieht sich auf die Erbansprüche von Franziska Gräfin zu Reventlow, vgl. dazu den Brief an Frieda Gross vom 26. April 1913, oben, S. 204 f.

Heidelberg. Ziegelhäuser Landstr. 17 Sonntag 18/V Liebe Frau Frieda, – das Geld :(300 Mark): wird sofort bei der Bank zum Wechseln in französische oder spanische Valuta bestellt und geht dann – es kann Dienstag werden – durch Gruhle, denke ich, an die Gräfin ab.1 Ich füge hinzu: gern würde ich sagen: sobald es wieder nötig ist, wieder. Aber das liegt so. Dies Geld kann Marianne jetzt bequem geben aus ihrer Einnahme.2 Aber inzwischen haben wir uns für die Kinder meiner jüngsten Schwester3 dauernd :mit Geldzuschüssen: engagiert[,]

1 Frieda Gross hatte sich in einem nicht nachgewiesenen Brief an Max Weber gewandt, um für die Gräfin Franziska zu Reventlow 300 Mark zu bekommen. Das Geld sollte vermutlich für die Finanzierung der Rückreise von Mallorca nach Ascona, die im Mai erfolgte, dienen. Von Ascona aus wollte die Gräfin ihre Ansprüche aus dem Erbe des Schwiegervaters sichern. Vgl. dazu auch den Brief an Hans Gruhle vom 18. Mai 1913, unten, S. 238 f. Franziska Gräfin zu Reventlow schrieb in ihrem Brief an Paul Stern im Juni 1913 aus Ascona: „Man kommt aus der [finanziellen] Verlegenheit nicht heraus, in Mallorca war sie geradezu grotesk, und es gelang nur durch einen zufälligen Pump zu entfliehen.“ Reventlow, Franziska Gräfin zu, Briefe 1890 – 1917, hg. von Else Reventlow. – München: Langen–Müller 1975, S. 561. 2 Gemeint sind die Zinsen, die Marianne Weber als Gesellschafterin der Oerlinghäuser Leinenweberei bezog. 3 Nach dem Tod von Marianne Webers Tante Marie Schnitger (28. April 1913) ließen Max und Marianne Weber den bislang von diesen gezahlten jährlichen Zuschuß von 500 Mk der Schwester von Max Weber, Lili Schäfer, zukommen. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 6. Okt. 1912 (MWG II/7, S. 687, Anm. 6) und den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 6. Mai 1913, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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und dann kommt die große Kriegssteuer.4 Wird sie so hoch, wie es wahrscheinlich ist (und ich als Politiker auch wünschen muß), dann sind wir für dies Jahr „blank“ – denn das Vermögen :selbst: liegt fest in der Familienfabrik5 und Jeder kann nur die (schwankenden) Renten beziehen – und meine Schriftsteller-Einnahmen kommen erst wieder, frühestens, im Februar getröpfelt. Dann werde ich wieder :zahlen: können. Also bleibt das Problem, wie man inzwischen der Gräfin helfen kann. – Nach Dem, was Sie schreiben, steht nun m. E. fest, daß juristisch nichts aus dem Baron6 herauszubringen ist. Gar nichts,a fallsb er wirklich unter Kuratel steht: dann ist jeder Contrakt :null und: nichtig. Aber auch sonst nicht. Denn man weiß nicht, was das Testament sagt. Verstand ich :damals:7 recht, so ist bestimmt: 1) er erhält: das Pflichtteil = 1/4 des Erbkapitals = ca 20 000 Rubel als Kapital ausgezahlt, wenn er es verlangt. Dann aber nicht mehr als dies. – 2) er erhält die Zinsen seines vollen Erbteils, wenn er auf jene Auszahlung (No 1) verzichtet und :auch: das Pflichtteil den „Substituten“ – d. h. den andern Erben läßt und nur Zinsen verlangt. Sonst nicht. – So etwa pflegt man in solchen Fällen Testamente einzurichten und das stimmte auch mit Dem, was der Baron damals zusammenstotterte. – Nun dachte ich, man sollte den Erben :durch einen Anwalt: vorschlagen: 1) Zahlt der Gräfin lebenslang die Zinsen des Pflichtteils, dann :und nur dann: wird 2) der Baron das Kapital des Pflichtteils den „Substituten“ lassen, also das Testament anerkennen. Das wäre mit den Interessen der Familie gut vereinbar gewesen, denn sie hätten so dafür gesorgt, daß jene 20 000 Rubel ihnen verblieben. – Aber: es setzte voraus, daß der Baron, wie es ja schien, zu Allem bereit war, was die Gräfin wollte. Das ist nicht der Fall[,] und ich muß nach Ihrem Briefe annehmen, daß er wahrscheinlich, unter dem Einfluß der „baltischen Barone“ und seiner Kumpane in Ronco,8 das

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b Das Wort falls in betont deutlicher Schrift.

4 Gemeint ist der „Wehrbeitrag“. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 13. April 1913, oben, S. 178, Anm. 2. 5 Gemeint ist die vom Großvater von Marianne Weber gegründete Leinenweberei Carl Weber & Co in Oerlinghausen. 6 Gemeint ist Baron Alexander von Rechenberg-Linten. 7 Gemeint ist während Webers Aufenthalt in Ascona im März und April 1913. 8 Ort bei Ascona, in dem Baron Alexander von Rechenberg-Linten wohnte.

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Testament schon :bedingungslos: anerkannt hat. Denn das kann man nicht endlos hinausziehen. Ist das geschehen, dann ist überhaupt nichts mehr zu wollen. Denn dann hat er nur Zinsen. Was er und Andre reden, kann der Gräfin ganz egal sein. Aber sie wird nichts ausrichten und die Sache mit dem „Deponieren“ des Kapitals :bei einem „Baron“: für den Sohn9 ist :in der That: barer Unsinn. Wichtig in Ihrem Brief ist nur Eins: was hat es mit diesem „atto di legitimazione“10 auf sich? Ist dieser vollzogen? Wann? Wo? Ich glaubte zu verstehen, die Gräfin sei darauf nicht eingegangen. Ob der Akt „gültig“ ist, wenn er vollzogen wurde, ist eine Frage für sich – ich bezweifle es. Aber ist er vollzogen? Ich bin Alles in Allem der Ansicht: daß die Gräfin, wenn sie nicht aus andren Gründen aus Mallorca11 fort muß, :in der Erbschafts-Angelegenheit: nichts durch eine Umsiedelung gewinnt. Denn dies Schicksal des Testamentes und der Erbschaft ist inzwischen sicher längst entschieden, und sie wird von dem Baron nur das erhalten können, was diesem paßt. Für Sie wird es sich daher wohl empfehlen, nicht ganz mit ihm zu brechen, sondern ihn je nach seinem Benehmen „distant“ oder freundlich zu behandeln und für die Gräfin ebenfalls, – nun das weiß diese ja am allerbesten selbst. Auf jeden Fall aber hätte eine bloße Reise um dieser Sache willen gar keinen Zweck und brächte der Gräfin sicher nur Verdruß und Enttäuschung. Denn, was Sie schreiben, zeigt, daß die Familie entschlossen ist, nicht entgegenzukommen. Dann aber kann es sich nur fragen, wie weit sie durch Entgegenkommen gegen den Baron bei dauerndem Aufenthalt in seiner Nähe etwas von ihm erreicht. –

9 Gemeint ist Rolf Reventlow, der Sohn von Franziska Gräfin zu Reventlow. 10 Gemeint ist die von Baron Alexander von Rechenberg-Linten gewünschte Adoption des Sohnes der Gräfin zu Reventlow. 11 Die Gräfin zu Reventlow, die sich seit November 1912 in Mallorca aufhielt, schickte Ende 1913 zunächst nur ihren 15jährigen Sohn nach Zürich, um die Erbschaftsverhältnisse zu klären. Als sie den Eindruck gewann, daß der Baron von Rechenberg über Geldmittel verfügte, wollte sie in Ascona der Verschwendung dieser Gelder vorbeugen. Vgl. Reventlow, Rolf, Kaleidoskop des Lebens, maschinenschriftliches Manuskript im Literaturarchiv der Münchener Stadtbibliothek, S. 31f.

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Hans W. Gruhle 18. Mai 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612

Hbg. 18/5. 13 Lieber Herr College!

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Dem beifolgenden Brief der Frieda Gr[oss]1 entsprechend habe ich ihr (Frieda) mitgeteilt,2 1) daß meine Frau z. Z. in der Lage sei, die 300 Mk. der Gräfin3 zu schicken und daß sie, in französischer oder spanischer Währung, Dienstag an sie abgehen, – daß allerdings, wenn die große Kriegssteuer4 kommt, angesichts der inzwischen von uns für meine jüngste Schwester eingegangnen Pflichten,5 wir dann für dies Jahr „blank“ sind und ich erst, wenn ich meine Schriftsteller-Honorare bekomme, d. h. frühestens Februar, wieder etwas leisten kann, 2) daß juristisch bei dem Baron6 sicher nichts zu wollen ist, nach dem vermutlichen Inhalt des Testaments. Nun wäre uns lieb, wenn Sie es übernehmen könnten, Ihrerseits das Geld an die Gräfin zu übermitteln.7 (Oder sollen wir es an die Frieda schicken?) Denn wozu die Gräfin in die Lage setzen, mit ihr Unbekannten in Beziehung zu treten, womöglich zu „danken“ u. dgl.? Wir möchten gern darüber mit Ihnen reden, deshalb bat meine Frau Sie her. – Von unsrer neulichen Unterredung8 her ist mir nachträglich Eines unangenehm gewesen: Sie könnten glauben, daß die Frieda Gr[oss] 1 Der Brief ist nicht überliefert. 2 Vgl. Brief an Frieda Gross vom 18. Mai 1913, oben, S. 234 – 236. 3 Franziska Gräfin zu Reventlow; vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 29. März 1913, oben, S. 154. 4 Gemeint ist der „Wehrbeitrag“, vgl. den Brief an Helene Weber vom 13. April 1913, oben, S. 178, Anm. 2. 5 Nach dem Tod von Marianne Webers Tante Marie Schnitger am 28. April 1913 ließen Max und Marianne Weber der Schwester von Max Weber, Lili Schäfer, einen jährlichen Zuschuß von 500 Mk zukommen. 6 Gemeint ist Alexander Baron Rechenberg-Linten. 7 Hans Gruhle war ein alter Freund von Franziska Gräfin zu Reventlow. Er hatte sie zu Anfang seiner Studienzeit in München kennengelernt (1902) und stand zu ihr seither in einer Vertrauensbeziehung. 8 Weber hatte Gruhle gebeten, ihn in den ersten Maitagen zu besuchen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Mai 1913, oben, S. 223.

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über die Gräfin unfreundschaftlich mir gegenüber geredet hätte. Das war nicht der Fall. Sie ging mit ihr durch Dick und Dünn, und ich glaube, nächst Ihnen selbst hat die Gräfin schwerlich einen zuverlässigeren Menschen. Was sie preisgab, war der Sohn:9 darin bestätigte sie (bzw.: bestritt sie nicht) die „communis opinio Asconensis“, die etwa dahin ging: eine so „gute“ Mutter – und so ein Sohn. Bezüglich der Gräfin selbst hat sie Dinge, die ich genau wußte, nur deshalb abgeleugnet, weil sie glaubte, adaß diese ihr bei mir „schadeten“.a Ich muß dies sagen, weil ich auf Fr[ieda] Gr[oss], die ich, so Vieles ich bei ihr anders wünschte, doch gern habe, nichts kommen lassen darf, was sie nicht verdient. Für ihre Gesammtverfassung ist ja dieser Brief, der beiliegt, ein „document“ – auch mit den Dingen, die sie da wieder einmal nicht zugestehen möchte. Daß wir neulich anläßlich der Gräfin ausgerechnet einen Disput über Prinzipien der Pädagogik hatten, war ja fast grotesk. Denn natürlich hatten Sie von Ihrem Standpunkt aus auch „recht“. Ich möchte gern gesagt haben: nur Ihnen und Braus’10 gegenüber (die ja auch viel Sympathie mit der Gräfin haben) habe ich kein Bedenken getragen, diese Dinge in diesem Gesichtswinkel zu berühren, wie ich es ihr Fernstehenden gegenüber nicht thun würde. Denn Alles Gesagte ändert nichts an dem Respekt, den ich ihr entgegenbringe. Was mich interessiert, ist ein allgemeineres :ganz unpersönliches: Problem: inwieweit in jenenb „Ordnungen“, die Sie „Conventionen“ nennen – was sie in erster Linie und überwiegend auch sind – in verstümmelter Form andre, feste, innere Ordnungen des Lebens stecken, die, wenn man sich ihnen entzieht, ihre Rache nehmen und „objektiven“ Charakters sind, – :indem sie,: so wie jenes Unaussagbare, was das Kunstwerk zum Kunstwerk macht,c den „Menschen“ zum vollen „Menschen“ machen. Indem ich mich scheinbar gegen – und Sie infolgedessen sich für – die Gräfin ereiferten, entgleiste die Erörterung dieses allgemeinen Problems. Genug – auf Wiedersehen Ihr Max Weber a ihr damit bei mir zu „schaden“ > daß diese ihr bei mir „schadeten.“ gen> c

b so etwas 1 Gemeint ist Berta Jacobsohn, geb. Lask.

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Nur noch Weniges über die „Milde“, die Sie bei mir finden, und ihre Gründe. Natürlich dehne ich das „Recht“ der „ewigen“ Leidenschaft nicht über deren Bereich hin aus.2) Aber: die Dinge, die ich erlebte, zeigten mir freilich grade: daß die Macht des „Kleinen“ und „Häßlichen“ unerhört weit in den Ablauf solcherb Vorgänge hineinreicht, so weit, daß ich sagen möchte: wenn eine erotische Beziehung einmal ihren Lauf nimmt, dann ist es ihr Glück, und nicht: ihr Verdienst, wenn ihr erspart bleibt, brutal und direkt „häßlich“ zu werden. Und ich wiederhole: dies traf auf Beziehungen zu, die an ihren :eignen: „Ewigkeitswerth“ fest glaubten, zwischen feinen, innerlichen, schwungvollen Menschen, die nicht unerfahren waren und durch die Situation nicht eindeutig in ihrem Handeln „gezwungen“ waren. Besonders auch – nicht: nur – bei „reinen“ Menschen, :und: noch besonders leicht bei solchen, die auf Alles sich eine „Theorie“ machten. L[ask] ist :offenkundiger: Neurastheniker – ich muß vermuthen: Sexualneurastheniker3) 2 – und hat bestimmte Schicksale gehabt. (Auch das entzieht sich der Erörterung). – Ich sage mir ferner resp. muß mir sagen: Ob ich persönlich dem leidenschaftlichen Wollen einer schönen Frau :immer: Widerstand geleistet hätte oder leisten würde, in allen äußeren und inneren Situationen, – denn diese sind doch sehr entscheidend – – nun, ich weiß es nicht, sondern nur: daß ich das Gegenteil als schweres Unrecht und Unglück ansehen würde, daß ich hoffe (aber nicht: weiß), ich würde, wenn es dennoch geschehen wäre, in Manchem mich sehr anders verhalten als L[ask]. Indessen ich bin auch 15 – 18 Jahre ca älter als er – und nicht die „Weisheit“ des bald Fünfzigjährigen (trauen Sie mir davon nicht zu viel zu, ich habe nicht den Eindruck, daß die Jahre an sich die Menschen „weiser“ machen!), aber andre Dinge mäßigen doch Manches grade auf diesem Gebiet. 2)

Insbesondre nicht auf diesen Fall: der „todsündliche“ Punkt für mich ist ja derselbe wie für Sie. 3) dies nicht für Dritte natürlich! b dieser > solcher 2 Zum Ausdruck „Sexualneurastheniker“ vgl. die Karte an Marianne Weber vom 10. April 1913, oben, S. 174, Anm. 6.

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Genug, – und nur über das, was Sie das „Sich-unter-allen-Umständen-selbst-Behaupten“ nennen (auch mündlich berührten wir das), hoffe ich, sprechen wir noch einmal mündlich. Es steckt darin ein ganzes Knäuel von Werthproblemen und auch psychologischen Fragen, die es sich schon verlohnt zu erörtern. Auf Wiedersehen, herzliche Grüße auch an Ihre liebe Frau3 von Ihrem Max Weber

3 D. h. Gertrud Jaspers.

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23. Mai 1913

Robert Michels 23. Mai PSt 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 108 Das Jahresdatum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Hg 23/V Eilig! Lieber Freund! Machen Sie vor allen Dingen jetzt doch den Artikel: „Wirtschaft u. Rasse“a 1 fertig! v. Wieser ist krank u. liefert erst in den Ferien ab.2 Aber dies muß ich haben. Das Andre bis Ende der Ferien.3 Über das H[and-]W[örter]b[uch] in einigen Tagen.4 Herzl. Gruß! Max Weber a 1 Gemeint ist der GdS-Beitrag: Michels, Wirtschaft und Rasse. 2 D. h. v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 3 Weber bezieht sich hier auf den zweiten GdS-Artikel von Michels, später erschienen unter dem Titel: Psychologie der antikapitalistischen Massenbewegungen, in: GdS, Abt. IX, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926, S. 241 – 359 (hinfort zitiert als: Michels, Antikapitalistische Massenbewegungen). 4 Es geht hierbei um das von Michels konzipierte „Handwörterbuch der Soziologie“, zu dem Max Weber und andere GdS-Mitarbeiter, u. a. Emil Lederer, Beiträge beisteuern sollten, was sowohl bei Weber als insbesondere bei Paul Siebeck – jeweils aus verschiedenen Gründen – auf Bedenken stieß und bei Siebeck eine tiefe Verstimmung gegenüber Michels auslöste. Vgl. dazu die beiden Briefe an Paul Siebeck vom 6. Nov. 1913, unten, S. 349 und 353, an Emil Lederer vom 9. Nov. 1913, unten, S. 362, sowie an Michels vom 9. Nov. 1913, unten, S. 364 f. In den beiden darauffolgenden Briefen an Michels vom 18. und 22. Nov. 1913, unten, S. 382 und 396, begründet Weber seine und seiner Frau Marianne Weber Ablehnung, an dem Handwörterbuch als Autoren mitzuwirken. Das vor dem Kriege offensichtlich weit gediehene Unternehmen – ein gedrucktes Stichwortverzeichnis der Sachbegriffe und der behandelten Personen (u. a. Emile Durkheim, Georg Simmel, Vilfredo Pareto, Ferdinand Tönnies und Max Weber) befindet sich im AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Fasz. Ferdinand Tönnies – ist durch den Kriegsausbruch zum vollständigen Erliegen gekommen. Vgl. dazu Michels’ diesbezügliche Bemerkung in seiner Rezension von Vilfredo Pareto, Trattato di Sociologia generale, und Gino Borgatta, L’opera sociologica e le Feste giubilari di Vilfredo Pareto, erschienen in: AfSSp, Bd. 47, 1920/21, S. 555 – 560, insbes. S. 555.

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Oskar Siebeck 23. Mai [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „26.V.13.“ sowie Briefinhalt. Bezug: Brief Oskar Siebecks vom 9. Mai 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Mitteilung, daß Edgar Jaffé einen Vortrag von Rudolf Leonhard über „Landwirtschaft, Landindustrie, Aktiengesellschaften“ im „Archiv“ veröffentlichen wolle – bei gleichzeitigem Druck als Separatausgabe, was vom kaufmännischen Gesichtspunkt her auf keine allzu große Zustimmung bei Siebeck stieß. Siebeck verband diese Mitteilung mit der Anfrage, ob nicht Leonhard denjenigen der zwei GdS-Beiträge von Max Sering, der nach dessen krankheitsbedingtem Ausscheiden und der Neuvergabe des Artikels „Innere Kolonisation“ an Friedrich Swart unbesetzt geblieben war, nämlich den über „Grenzen des Kapitalismus in der Landwirtschaft“ übernehmen könne: „Hätte er Gelegenheit, seine Gedanken in etwas veränderter Form im ‚Handbuch‘ zur Darstellung zu bringen, so könnte er vermutlich leicht zu einem Verzicht auf die Separatausgabe des Aufsatzes im ‚Archiv‘ veranlaßt werden.“ Der Aufsatz von Rudolf Leonhard ist letztlich weder als GdS-Beitrag noch in den Ergänzungsheften des „Archivs“, so der von Edgar Jaffé im Namen von Paul Siebeck in seinem Brief an Leonhard am 24. Mai 1913 (UB München, Nl. Rudolf Leonhard) übermittelte Vorschlag, sondern – wie ursprünglich vorgesehen – als Zeitschriftenaufsatz veröffentlicht worden. Er ist erschienen unter dem Titel: Landwirtschaft – Landindustrie – Aktiengesellschaft. Eine Untersuchung über die Zukunft des landwirtschaftlichen Großbetriebs, in: AfSSp, Bd. 37, Heft 1, 1913, S. 88 – 130. Gleichzeitig wurde der Artikel bei J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) als Separatausgabe herausgebracht.

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Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Ich könnte mich über Herrn Dr Leonhard nur nach Einsicht in sein Referat entschließen. Denn an sich harmoniert das Thema nicht ganz. Den betreffenden Abschnitt wollte :für: diesmal ich schreiben1 (d. h. ein kurzes Surrogat), in der 2. Auflage danna Sering. Aber vielleicht ist L[eonhard] gut. Sonst ist es doch bedenklich, diese Situation zum Anlaß zu nehmen, ihn aufzufordern. Ich erbitte also ev. das Mscr.2 Mit besten Grüßen Ihr Max Weber a

1 Vgl. dazu MWG I/22 – 1, S. 18 f., ferner den Stoffverteilungsplan von 1910, unten, S. 814. 2 Das Manuskript wurde Weber per Begleitbrief von Paul Siebeck am 26. Mai 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zugesandt und wenig später auf des letzteren Wunsch hin an den Autor zurückgeschickt. Vgl. dazu den Brief an Rudolf Leonhard vom 8. Juni 1913 sowie die Karte an Paul Siebeck vom gleichen Tage, unten, S. 249 und 250.

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Otto von Zwiedineck-Südenhorst 23. Mai 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz

Heidelberg 23/V 13 Verehrtester College! Mit Recht sind Sie entrüstet.1 Aber was machen? Alles hängt an Wieser.2 Trotz zweimaligen langen Urlaubs für diese Arbeit ist er – krankheitshalber – noch nicht mit der Super-Redaktion des Mscr. fertig. Erst Ende Oktober, schreibt er, sei er sicher fertig.3 Ich bin ohne Schuld! Collegialen Gruß! Ihr Max Weber

1 Otto v. Zwiedinecks Unwillen richtete sich gegen die Druckverzögerung des GdS bzw. seiner eigenen GdS-Manuskripte, die seit längerem beim Verlag lagen. Von Otto v. Zwiedineck-Südenhorst stammen zwei Beiträge: Arbeitsbedarf und Lohnpolitik der modernen kapitalistischen Industrien, erschienen in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 247 – 281 (hinfort zitiert als: v. Zwiedineck, Arbeitsbedarf und Lohnpolitik), sowie: ders., Die Lohnpreisbildung, erschienen in: GdS, Abt. IV, ebd., 1925, S. 316 – 353 (hinfort zitiert als: v. Zwiedineck, Lohnpreisbildung). 2 Zum Problem der definitiven Manuskriptablieferung von v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 230, Anm. 26. 3 Die letzten Teile von v. Wiesers Korrekturen der Superrevision wurden erst Ende Februar 1914 abgeliefert.

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Emil Lask 8. Juni [1913]; Heidelberg Abschrift; von der Hand Marianne Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 6, Bl. 134 – 135 In der Datumszeile findet sich die Jahresangabe „1912“, über der sich ein mit Bleistift geschriebenes Fragezeichen befindet; das Jahresdatum 1913 ist aus dem Briefinhalt erschlossen. Am linken Rand der Orts- und Datumszeile findet sich der handschriftliche Vermerk Marianne Webers: „An Emil Lask“. Der Brief bezieht sich auf die Beurteilung der außerehelichen Beziehungen zwischen Emil Lask und Lina Radbruch; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Karl Jaspers, nach dem 26. April 1913, oben, S. 209.

Heidelberg 8. 6. 1913a Lieber Freund!

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Ich antworte doch mit ein paar Worten. Ob ich, wenn ungebunden, dem leidenschaftlichen Sehnen einer schönen und innerlich reizvollen Frau dauernd widerstanden hätte – das möchte ich lieber nicht zu genau untersuchen: ich glaube es nicht, es sei denn, daß ich, wie es an sich gewiß vorsichtiger ist, sofort definitiv ein Ende gemacht hätte. Daß es dieser Mann war[,] ist schlimm, schlimm auch, daß Sie nicht sofort Distanz herstellten. Sonst – zerstört ist ja nichts, was noch aufrecht hätte stehen können, – denn ohne Sie hätte sie etwas Andres, vielleicht Schlimmes, gesucht und gefunden. Und das große Hindernis, jetzt das längst allein würdige Ende zu machen: Kinder, fehlt ja hier. – Glauben Sie[,] es hat schon seine Gründe, wenn ich Jemandem, der weiß, was „Schuld“ ist, nicht moralistisch zusetze! Es muß ja doch nicht Alles, was „Frevel“ ist, auf dem speziellen Gebiet liegen, was hier in Rede steht. Ich habe Äußerstes an „Frevel“ auf mir gehabt – gewiß nicht ohne tiefe und dauernde Nachwirkung. Aber nicht wie Sie da schreiben: als „moralischen Bruch der nie wieder verheilen kann“. So etwas gibt es nur für ganz schwache Menschen. Was geschehen ist, ist geschehen, und es handelt sich darum[,] allmählich allen Beteiligten zu einem menschlich abschließenden Verstehen: – wie das Leben mit uns spielt – zu helfen. Das wird schon kommen und gelingen. Im Übrigen aber kann Schuld eine Kraftquelle werden, oder nicht, je nachdem wie

a In Abschrift: 1912

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man sie nimmt. Es wäre schlimm, wenn nur das „Integer vitae“1 uns zu Vollmenschen machte – und nicht auch das, richtig genommene, Gegenteil. Dann hätte jedenfalls ich auf volles Menschentum verzichten müssen. Wir lassen jetzt diese Dinge – es sei denn, daß irgend eine Einzelheit Ihnen Rat erwünscht erscheinen läßt – und reden miteinander in alter Art. Daß das beiderseits seit längerer Zeit doch anders war, müssen doch auch Sie bemerkt haben. Jetzt aber: wozu noch? Herzliche Grüße Ihres Max Weber.

1 Das Zitat stammt aus: Horaz, Carmina, Liber I, 22, 1: „Integer vitae scelerisque purus“.

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8. Juni 1913

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Rudolf Leonhard 8. Juni 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB München, Nl. Rudolf Leonhard Im folgenden geht es um das Manuskript eines umgearbeiteten Vortrages von Rudolf Leonhard, der letztlich trotz zeitweiligen Schwankens des Autors im AfSSp erschienen ist: Landwirtschaft – Landindustrie – Aktiengesellschaft. Eine Untersuchung über die Zukunft des landwirtschaftlichen Großbetriebs, ebd., Bd. 37, Heft 1, 1913, S. 88 – 130. Zur Frage des Publikationsorts dieser Arbeit vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Oskar Siebeck vom 23. Mai 1913, oben, S.245.

Heidelberg 8/VI 13 Sehr geehrter Herr College, –

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auf Ersuchen des Herrn Dr Siebeck sende ich Ihnen beifolgend Ihre Abhandlung zurück, die mich lebhaft interessiert hat und von der ich sehr bedaure, daß sie nicht im Archiv erscheint.1 Vielleicht wird aber in der That bei selbständiger Publikation die Diskussion darüber schneller in Fluß kommen. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

1 Oskar Siebeck hatte Weber am 4. Juni 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) gebeten, ihm das Manuskript von Rudolf Leonhard „so schnell wie möglich“ zurückzusenden, da der Autor beabsichtige, seine Arbeit nicht mehr im „Archiv“, sondern „als selbständige Schrift erscheinen zu lassen.“

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8. Juni 1913

Paul Siebeck 8. Juni PSt 1913; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Das Mscr. Leonhard1 habe ich an diesen Herrn direkt zurückgeschickt (eingeschrieben)[.]2 Mit vorzügl. Hochachtung u. bestem Gruß! Max Weber Heidelberg 8/6

1 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rudolf Leonhard vom gleichen Tage, oben, S. 249. 2 Vgl. dazu den Begleitbrief zur Manuskriptsendung an Rudolf Leonhard vom gleichen Tage, oben, S. 249.

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21. Juni 1913

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Georg von Lukács PSt 21. Juni 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 17

Verehrtester Herr Doktor!

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Also morgen um 4 – 4 1/4 wenn es Ihnen paßt? Sonst ein ander Mal. Herzlichen Gruß Ihr Max Weber

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24. Juni 1913

Hermann Kantorowicz PSt 24. Juni 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 19, Bl. 17a

Verehrtester Herr College! Ich bitte wenigstens um die wichtigsten Details.1 Ganz ohne sie kann ich nichts machen. Diskretion versteht sich von selbst, soweit Personen in Betracht kommen. Collegiale Empfehlung! Ihr Max Weber

1 Um was es hier und im folgenden geht, konnte nicht ermittelt werden. Die uns erhaltene, umfangreiche Korrespondenz Kantorowicz – Gustav Radbruch enthält dazu keinerlei Anhaltspunkte.

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29. Juni 1913

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Oskar Siebeck 29. Juni [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „2.7.13.“ sowie Briefinhalt. Bezug: Brief Oskar Siebecks vom 28. Juni 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Frage, ob die im Verlagsvertrag vereinbarten, vom Verlag zu zahlenden 500 Mk. für die stenographische Aufnahme der Verhandlungen des Zweiten Deutschen Soziologentags bzw. „für die Herstellung der Druckvorlage“ an Max Weber überwiesen werden sollten.

Hbg 29/6 Soziol[ogische] Gesellsch[aft] Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Mir scheint das Richtige, die 500 M. aufzurechnen gegen die Kosten für die Exemplare, die die Gesellschaft bezieht und dann per Saldo zu regulieren. Haben Sie das Mitgliederverzeichnis nach seinem Jetztstande? Sonst bitte ich Sie, es von Herrn Dr Beck1) einzufordern und :eventuell dabei: zu fragen, an welche Bank etwaige Zahlungen von Ihnen zu leisten seien. Mit bester Empfehlung Max Weber

1)

Berlin W 50 Spichernstr. 17.

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29. Juni 1913

Heinrich Sieveking 29. Juni [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 29/6 Verehrtester Herr College! Ich schicke anbei Ihr Mscr.1 auf Wunsch zurück.1) Bitte mißverstehen Sie es nicht, daß ich seinerzeit mir einige Bemerkungen gestattete.2 Ich fühlte mich als Leser, Publikum und fragte mich: wie wirkt die Darstellungsart auf mich? Und da schien mir: es wäre eine angenehme Nachhilfe für den Leser, wenn er die einzelnen Typena 3 in einer Form und „Stufenfolge“ vorgeführt erhielte, die sie ihm zunächst in ihrer typischen, consequentesten Form vor Augen stellt, obwohl sie, – das muß ich Ihnen natürlich völlig zugeben, – historisch in solcher „Reinheit“ sich eventuell nicht finden, jedenfalls aber – auch das gebe ich Ihnen völlig zu – durch politische (und noch andre) Bedingungen oft[,]b meist sogar, eine faktische Entwicklungsreihe erzeugt wird, welche mit der :theoretischen: „Stufenfolge“ der reinen Typen nicht harmoniert. Ich möchte glauben, daß es bei unvermeidlich so knappem Raum – da liegen ja die Schwierigkeiten, die nicht zu ändern sind – die Leser für jede solche Hilfe besonders dankbar sein werden, aber Sie allein können ermessen, ob Sie mir darin beistimmen können. Sehr dankenswerth wäre jedenfalls in sachlicher Hinsicht, wenn die großen Übergänge zur Epoche der Gewerbefrei1)

in 2 Hälften als je ein eingeschriebener Brief.

a

b Lochung: ,]

1 Es handelt sich um das Manuskript zu: Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen. 2 Vgl. dazu den Brief an Sieveking vom 1. Mai 1913, oben, S. 217 f. 3 Gemeint sind die verschiedenen Phasen der westeuropäischen Gewerberegulierung. Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen, behandelt diese in den Kapiteln: „II. Die mittelalterliche Zunft.“, ebd., S. 7 – 13, „III. Städtische und staatliche Gewerberegulierung.“, ebd., S. 14 – 18, sowie: „IV. Die Gewerbefreiheit.“, ebd., S. 18 – 23.

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29. Juni 1913

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heit, aus dem Mittelalter heraus, die charakteristische Politik der werdenden modernen Staaten, etwas breiteren Raum einnehmen könnten. Aber auch darin gestatte ich mir keinerlei Einmischung. Wieser4 liefert Ende Oktober d. J. ab. Vielleicht darf ich hoffen, noch etwas früher.5 Daher bitte ich Sie, auch Ihrerseits diesen Termin als spätesten ansehen zu wollen. Hoffentlich glückt es mir ein ander Mal, zu einer Zeit nach Zürich zu kommen, wo Sie dort sind. Inzwischen grüße ich Sie herzlich und bitte um Empfehlungen „höheren Ortes“[.] Stets Ihr Max Weber

4 Gemeint ist der GdS-Beitrag: v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 5 Die Ablieferung der letzten Teile der Superrevision von dessen Beitrag erfolgte erst Ende Februar 1914.

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30. Juni 1913

Gisela Michels-Lindner 30. Juni 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber Dieser wie der nachfolgende Brief an Gisela Michels-Lindner vom 10. Juli 1913, unten, S. 268 f., steht in Zusammenhang mit der Neubesetzung des durch den Tod von Theophil Kozak im März 1913 vakant gewordenen Lehrstuhls für Nationalökonomie und Statistik an der Universität Basel und der möglichen Berufung von Robert Michels. Vor der Erstellung der Berufungsliste waren durch die Berufungskommission diverse Gutachten über geeignete Kandidaten von Karl Bücher, Eugen v. Philippovich, Werner Sombart, Georg Friedrich Knapp und Max Weber eingeholt worden. Diese Gutachten sind im Staatsarchiv Basel-Stadt nach einer Mitteilung von lic. phil. Daniel Kress vom 4. August 1995 nicht mehr vorhanden. In dem Kommissionsbericht vom 15. Juli 1913 (StA Basel, Erziehung CC 21) wurden an erster Stelle Ladislaus v. Bortkiewicz und Franz Eulenburg genannt. Zu beiden Kandidaten hieß es jedoch: „Leider haben unsere Bemühungen, Herrn v. Bortkiewicz zu gewinnen[,] keinen Erfolg gehabt. Er stellt sich in Berlin so günstig wie wir ihn niemals stellen könnten und wünscht offenbar gar nicht, seine Berliner Tätigkeit aufzugeben. Was Herrn Eulenburg betrifft, der als Gelehrter Herrn von Bortkiewicz nicht viel nachstehen dürfte […], so steht seiner Berufung u. Ernennung der Umstand im Wege, daß er jüdischer Abstammung ist. Da bereits die Herren Bauer und Landmann der jüdischen Rasse angehören, so war unsere Kommission von Anfang an einstimmig der Ansicht, es gehe nicht an, auch als dritten Vertreter der Nationalökonomie einen Juden zu wählen. Aus dem gleichen Grunde wie Herrn Eulenburg haben wir eine Reihe anderer Namen ausgeschaltet, u. A. die Herren Proff. R. Liefmann und P. Mombert in Freiburg i. Br., Dr. Arthur Salz in Heidelberg und Andere.“ Als weitere Kandidaten wurden Othmar Spann, Werner Wittich und Robert Michels genannt. Uber Michels hieß es in dem Kommissionsbericht vom 15. Juli 1913 u.a.: „Herr Michels ist zweifellos von den genannten drei Herren der Begabteste und Vielseitigste, er darf in jeder Hinsicht als eine ungewöhnlich blendende und fascinierende Persönlichkeit bezeichnet werden. Bei allen, die ihn je gehört haben, geniesst er den Ruf eines ausgezeichneten Redners und glänzenden Dozenten, spricht mehrere Sprachen gleich sicher und hat bereits eine grosse Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen aufzuweisen. Auch er ist wie die Herren Spann und Wittich vorläufig noch etwas einseitiger Spezialist, seine Interessen gehörten bisher hauptsächlich der Soziologie einerseits, den modernen und sozialen Problemen […] anderseits. Immerhin umspannen seine Schriften sowohl wie seine Vorlesungen ein wesentlich weiteres Gebiet als diejenigen der Herren Spann und Wittich. Neben seinen zahlreichen Untersuchungen, die — in streng wissenschaftlichem Geiste — jenen modernen Problemen gewidmet sind […][,] hat er ein gescheites u. geistvolles Buch über die Soziologie des Parteiwesens, wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen über die Finanzen Piemonts im 18. Jahrhundert u.s.w. geschrieben. Für die Schätzung, deren er sich unter den deutschen Fachgenossen erfreut, spricht die Tatsache, dass der Verein für Sozialpolitik ihn mit einer umfassenden Untersuchung über die Preise der Industrieprodukte in Italien betraut hat und dass ihn vor Kurzem Männer wie Max Weber und Werner Sombart zur Leitung der führenden sozialwissenschaftlichen Zeitschrift Deutschlands, des Archivs für Sozialwissenschaft[,] herangezogen haben. Persönlich macht Michels einen ganz ungewöhnlich gewinnenden und sympatischen [!] Eindruck. Er hat sich bereit erklärt, einen Ruf nach Basel anzunehmen, falls ihm eine Anfangsbesoldung von Fr. 7 000 zugesichert würde.“ Die Berufung von Robert Michels auf den Basler Lehrstuhl für Nationalökonomie und Statistik erfolgte am 26. Juli 1913 (ebd.).

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Heidelberg 30a/VI 13 Liebe Frau Professor!

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Ich bin von Basel aus über Ihren Mann von amtlicher :Regierungs-: Stelle s. Z. gefragt worden (:meines Erinnerns: nicht von Herrn Mangold)1 – dies bitte vertraulich1). Daher kann ich ohne gefragt zu sein jetzt nicht gut mich dorthin wenden. Ihnen zu „rathen“ wäre nicht leicht. Denn ich kenne die pekuniären Situationen nicht, die doch vielleicht sehr wichtig sein könnten. Klar ist, daß Niemand Ihrem Mann garantieren kann, daß er von Basel so bald wieder fort kommt. Denn in Deutschland bleiben die Chancen in jedem Fall die denkbar ungünstigsten für ihn. Und Basel ist eine Patrizierstadt, – wie es mit der Collegfrequenz etc. steht, davon habe ich keinerlei Ahnung. Auf jeden Fall sollte er, wenn er sich prinzipiell bereit erklärt, sich persönliche Recherche an Ort und Stelle vorbehalten oder sie jetzt vornehmen. Ohne eignen Eindruck ist doch eine solche Entscheidung nicht zu treffen. Andrerseits, da die Anfrage vertraulich und unverbindlich ist, ist esb nicht leicht, jetzt so einfach nach Basel zu fahren. Ich würde also vermutlich antworten: „Ich sei prinzipiell recht wohl geneigt, aber man müsse begreifen, daß ohne persönlichen Eindruck von den Verhältnissen eine wirklich :definitiv: bindende Entscheidung nicht getroffen werden könne. :Ich sei geneigt, hinzukommen, um zu verhandeln, wenn dies gewünscht werde.“: Dies dann, wenn Ihr Mann und Sie nicht, wie es scheint, schon jetzt :halb und halb: entschlossen sind, nicht zu gehen. Dies könnte ich schon verstehen, nach der Italienisierung der Kinder, nach Allem Andren, was ich

1)

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Sonst denken die Leute dort, ich hätte Ihrem Mann davon etwas mitgeteilt. Ich habe Ihren Mann neben Bortkiewicz und Eulenburg als Nationalökonomen :(als solcher hat er ja wenig geschrieben): als „noch mehr im Werden“ (gegenüber beiden) bezeichnetc, andrerseits hervorgehoben, was für ihn zu sagen ist.

a 29 > 30

b das > es

c genannt > bezeichnet

1 Gemeint ist Fritz Mangold, der damalige Erziehungsdirektor des Kantons Basel.

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in Turin sah.2 Aber natürlich bedeutet das Bleiben in Turin, daß die Wahrscheinlichkeit, nach Deutschland zu kommen – geringd wie sie ist! – noch etwas geringer wird. Denn Basel ist immerhin näher, man rechnet ihn eher als „deutschen“ Professor etc. Nur – hoch wäre diese Chance nicht zu veranschlagen, das muß ich ausdrücklich sagen. Ich habe ja keine Ahnung, wie die Chancen Ihres Mannes in Italien eigentlich stehen. Gilt er nicht vielleicht dort doch als „Deutscher“? der deshalb hinter den „Landeskindern“ rangiert, ceteris paribus? Ich meine: Hingehen und die Sache ansehen sollten Sie beide. In diesem Sinn würde ich an Stelle Ihres Mannes antworten, so also, daß das nicht unmöglich gemacht wird, daß also dem Herrn Mangold der Brief es erleichtert, Ihren Mann nach Basel einzuladen. Mithin etwa so wie oben vorgeschlagen.2) Ohne prinzipielle Bereitschaft allerdings – d. h. wenn Sie schon negativ entschlossen sind – geht das nicht. Das aber können nur Sie wissen. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber

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Das Mscr. Ihres Mannes3 erhielt ich mit Dank. S. Z. mehr davon.

2)

Auf absolut unverbindliche, d. h. schlechthin jede Äußerung über die prinzipielle Bereitwilligkeit ablehnende Äußerungen hin würde M[angold] sicher nicht weiter reagieren.

d O: zweifach unterstrichen. 2 Weber bezieht sich hier auf seinen zwei Jahre zurückliegenden Besuch in Turin; vgl. dazu die Schreiben an Marianne Weber vom 20. und 22. April 1911 (MWG II/7, S. 196 und 199f.). 3 Es handelt sich um das Manuskript zu: Michels, Wirtschaft und Rasse.

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1. Juli 1913

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Oskar Siebeck [vor dem 1. Juli 1913]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck BSB München, Ana 446 Die Datierung ist erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „1.7.13 beantw.“

Handbuch d[er] Sozialökonomik Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Ich bitte Sie, mir von den Manuskripten noch 1) Leist1 2) Steinitzer2 3) alle von dem Teil „Gewerbe“3 4) alle vom letzten Buch (Sozialpolitik)4 zu senden, welche da sind und die ich noch nicht habe. Ich kann die Vorarbeit der Durchsicht immerhin beginnen. Mit bester Empfehlung Ihr ergebenster Max Weber

1 Gemeint ist das Manuskript von Alexander Leist, nach dessen Tod im Jahre 1918 bearbeitet von Hans Nipperdey, erschienen unter dem Titel: Die moderne Privatrechtsordnung und der Kapitalismus, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 27 – 48 (hinfort zitiert als: Leist/Nipperdey, Privatrechtsordnung). 2 Wie aus dem Begleitschreiben Oskar Siebecks vom 1. Juli 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zu seiner Manuskriptsendung an Weber hervorgeht, handelt es sich um den Beitrag von Erwin Steinitzer, der später unter dem Titel: Bedarfsdeckung und Erwerbswirtschaft, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 111 – 159, erschienen ist (hinfort zitiert als: Steinitzer, Bedarfsdeckung und Erwerbswirtschaft). 3 Aus dem Bereich „Gewerbe“ konnte Oskar Siebeck zum einen das Manuskript von Eugen Schwiedland zusenden. Der Beitrag von Schwiedland ist erschienen unter dem Titel: Der Wettkampf der gewerblichen Betriebsformen, in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 24 – 53 (hinfort zitiert als: Schwiedland, Gewerbliche Betriebsformen). Zum anderen handelte es sich um das Manuskript zu: v. Zwiedineck, Arbeitsbedarf und Lohnpolitik. 4 Im Stoffverteilungsplan von 1910 trägt das fünfte, letzte Buch den Titel: Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik des modernen Staates. An Manuskripten konnte Oskar Siebeck (wie Anm. 2) diejenigen zu: v. Zwiedineck, Lohnpreisbildung, zu: Wilbrandt, Konsumenten, und zu: Weber, Adolf, Wohnungspolitik, übersenden. Der Beitrag von Adolf Weber ist jedoch nie erschienen.

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3. Juli 1913

Heinrich Rickert 3. Juli 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 77

Heidelberg 3/VII 13 Lieber Rickert! Ich schreibe heut an Dr Kroner:1 1) ich möchte gern in einem Logos-Heft Raum für einen Aufsatz: „Zur Methodik der verstehenden Soziologie“.2 (eine ziemlich kurze Sache. Ich schätze 11/2 Bogen). 2) aber nicht, wenn ich dadurch der Aufnahme von Fr[iedrich] A[lfred] Schmid’s Aufsatz im Wege stehe.3 Schm[id] ist in so unangenehmer Lage und so verzweifelt über die Schwierigkeiten der Aufnahme, daß ich es nicht verantworten könnte, Raum in Anspruch zu nehmen, den er braucht. Denn diese Sache muß vorgehen und ich finde anderwärts – ev. im „Archiv“ – Platz. Machen Sie es doch möglich, daß Schm[id] genommen wird. Herzliche Grüße, ich höre mit Freude, daß es Ihnen – vor allem produktiv – so gut geht! Ihr Max Weber

1 Korrespondenzen Max Webers mit Richard Kroner sind nicht nachgewiesen. 2 Der Artikel Max Webers ist erschienen unter dem Titel: Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: Logos, Bd. 4, Heft 3, 1913, S. 253 – 294 (MWG I/12; hinfort zitiert als: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie). 3 Der Artikel von Friedrich Alfred Schmid, auf den sich Weber hier bezieht, ist erst ein Jahr später im Logos veröffentlicht worden, erschienen unter dem Titel: Sechs Betrachtungen über Möglichkeit und Gegenstand der Philosophie der Kunst, ebd., Bd. 5, Heft 1, 1914/15, S. 33 – 76.

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3. Juli 1913

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Heinrich Rickert [nach dem 3. Juli 1913]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 81 Die Datierung ist erschlossen aus dem Inhalt des Briefes in Verbindung mit dem Brief an Rickert vom 3. Juli 1913, oben, S. 260. Der folgende Brief Max Webers steht in Zusammenhang mit seiner Bemühung, für den Artikel von Friedrich Alfred Schmid, Sechs Betrachtungen über Möglichkeit und Gegenstand einer Philosophie der Kunst, einen baldigen Veröffentlichungstermin im „Logos“ zu erwirken. Vgl. dazu den Brief an Rickert vom 3. Juli 1913, oben, S. 260, Anm. 3.

Lieber Rickert!

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Fr[iedrich] Schm[id] versichert, der jetzige Umfang des als selbständigen Artikela frisierten 1. Teils (Alles mit Zustimmung der Redakteure!)1 sei „wenige Seiten über 2 Bogen“. Dann kann ihm doch, da die Arbeit vereinbart ist, rein formal die Aufnahme nicht verwehrt werden. Mein Artikel2 kann abgedruckt werden[,] wann die Redaktion es will. Keinenfalls darf er Schm[id] im Wege stehen. Das wäre entsetzlich peinlich. Schicken kann ich das Mscr., nach wenigen Correkturen, jederzeit innerhalb 8 Tagen von Aufforderung an. Machen Sie doch, daß Schm[id] „säuberlich“3 behandelt wird. Er hat mit größter Eile und Anspannung die Umarbeitung vorgenommen. Grade die Kant-Kritik hatte er sich ja zu streichen erboten, um so die

a O: Artikels 1 Redakteure des Logos waren Richard Kroner und Georg Mehlis. 2 D. h. Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie. 3 Anspielung auf die Worte Davids an seine Heerführer: „Fahret mir säuberlich mit dem Knaben Absalom“: 2 Sam 18,5.

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3. Juli 1913

2 Bogen + 3 – 4 Seiten herauszubringen. Ich freue mich sehr auf Ihre Systematik,4 schicke Ihnen dann als Gegengabe das Mscr. meiner Religionssystematik.5 Herzl. Gruß! Max Weber.

4 Dies bezieht sich vermutlich auf den Artikel Rickerts, Vom System der Werte, Logos, Bd. 4, Heft 3, 1913, S. 295 – 327, der später im gleichen Logos-Heft wie: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie, erschienen ist; Bemerkungen Webers zu diesem Aufsatz finden sich in seinem Brief an Rickert, ca. Ende Nov. 1913, unten, S. 408 – 411. 5 Das Manuskript zur „Religionssystematik“ bildete einen Teil von Webers GdS-Beitrag über „Wirtschaft und Gesellschaft“; es ist – soweit erhalten bzw. fertiggstellt – posthum erschienen unter dem Titel: Religionssoziologie (Typen religiöser Vergemeinschaftung.), in: Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft (GdS, Abt. III). – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 227 – 363 (MWG I/22 – 2, S. 121 – 447).

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6. Juli 1913

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Edgar Jaffé 6. Juli 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz

Heidelberg 6/VII 13 Lieber Jaffé!

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Ich beantrage die Aufnahme dieser auch von Herkner sehr empfohlenen Studie in das „Archiv“, obwohl ich nicht mit Allem einverstanden bin. Verfasser ist Herr Dr Wilhelm Kochmann (Techniker), Charlottenburg Grolmanstr. 57.1 – Auf Ihren Bank-Aufsatz-Entwurf komme ich bald zurück.2 Ich nehme an: das ist nur der „Entwurf “. Herzliche Grüße Max Weber Wenn Sie die Arbeit annehmen, bitte ich Sie den Verf[asser] zu benachrichtigen.

1 Die Arbeit von Wilhelm Kochmann ist erschienen unter dem Titel: Über das Verhältnis von Arbeitszeit und geistiger Aufnahmefähigkeit der Arbeiter, in: AfSSp, Bd. 37, Heft 3, 1913, S. 873 – 905. Ein weiterer Artikel dieses Autors wurde im „Archiv“ ein Jahr später publiziert: Das Taylorsystem und seine volkswirtschaftliche Bedeutung, ebd., Bd. 38, Heft 2, 1914, S. 391 – 424. 2 Gemeint ist das GdS-Manuskript von: Jaffé, Englisch-amerikanisches Bankwesen, das in seinem damaligen Zustand von Weber als „schwacher Artikel“ eingeschätzt wurde – so die entsprechende Beurteilung in seinen Briefen an Johann Plenge vom 2. Mai 1913 sowie an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 221 und 229. Die angekündigte kritische Stellungnahme gegenüber Jaffé selbst ist nicht nachgewiesen.

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6. Juli 1913

Karl Jaspers 6. Juli [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Dieser Brief sowie die folgenden Schreiben an Karl Jaspers, nach dem 11. Juli, vom 19. Juli, vom 2. und 8. August, sowie vom 8. November 1913, unten, S. 272 f., 275, 292 f., 300 f. und 355 f., stehen in Zusammenhang mit dem Habilitationsverfahren von Jaspers für das Fach Psychologie in der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg. Max Weber, der – möglicherweise aufgrund seiner Psychophysikaufsätze – neben Wilhelm Windelband, Franz Boll und Hermann Oncken Mitglied der „Kommission für den Universitätsunterricht in Psychologie und Pädagogik“ war, hat sich nachdrücklich für Jaspers’ Habilitationsvorhaben eingesetzt. Nachdem sich das formale Hauptproblem, nämlich Jaspers’ Promotion in der Medizinischen Fakultät, als irrelevant erwiesen hatte, reichte dieser am 21. Oktober 1913 (UA Heidelberg, H-IV-102/140) sein Habilitationsgesuch bei der Philosophischen Fakultät ein. Dieses wurde durch die gutachtlichen Äußerungen von Franz Nissl vom 4. November 1913 (ebd.) sowie von Wilhelm Windelband vom 7. November 1913 (ebd.) wärmstens befürwortet. So heißt es in dem Gutachten Windelbands: „Einer Habilitation für Psychologie, wie sie Herr Dr. Jaspers beantragt, steht principiell nichts im Wege, seitdem die philosophische Fakultät die Psychologie als ein eignes Fach anerkannt hat, für das eine besondere Professur neben den philosophischen in Aussicht genommen wird: nur wird die Fakultät auch hier dieselben Voraussetzungen erfüllt wissen wollen, die für einen neuen Lehrstuhl als erforderlich angesehen wurden. Es wird erwartet werden, daß der Psychologe in die eigentlich philosophische Lehrtätigkeit nicht eingreift, daß er aber für seine Person eine genügende philosophische Vorbildung besitzt, um die Psychologie nicht in einer einseitigen Richtung, insbesondre nicht bloß experimentell zu behandeln. Die Erfüllung dieser Bedingungen vereinigt sich bei Herrn Dr. Jaspers mit einer hervorragenden Befähigung für den wissenschaftlichen Betrieb der Psychologie in so glücklicher Weise, daß seine Habilitation in unsrer Fakultät lebhaft zu begrüßen ist. Herr Jaspers ist zur Psychologie, zu der viele Wege führen, seinerseits von der Psychiatrie aus gekommen: aber alle seine Arbeiten, von der Inauguraldissertation über ‚Heimweh und Verbrechen‘ bis zu seinem umfassenden Werke ‚Allgemeine Psychopathologie‘ sind nicht so sehr praktisch-therapeutisch, als vielmehr theoretisch orientiert, und sie verfolgen dabei weder hirnanatomische noch psychophysische Interessen, sondern ihre Hauptaufgabe liegt immer in der Richtung psychologischen Verständnisses und psychologischer Begriffsbildung. [...] Über Psychologie hat bisher außer mir nur gelegentlich Herr Prof. Driesch gelesen, der aber, soviel ich weiß, keineswegs die Absicht hat, auf diese Seite den Schwerpunkt seiner Wirksamkeit zu legen. Andrerseits ist es kein Mangel, daß Herr Jaspers nicht beabsichtigt, psychophysische Übungen abzuhalten oder dafür etwa ein Institut anzustreben: soweit dafür in der Studentenschaft Interesse besteht, wird es durch einen Docenten der medicinischen Fakultät, Herrn Dr. Gruhle, befriedigt. Hiernach beantrage ich, Herrn Dr. Jaspers zu den weiteren Habilitationsleistungen zuzulassen und sein Werk ‚Allgemeine Psychopathologie‘ als Habilitationsschrift anzuerkennen.“ Karl Jaspers wurde die Venia legendi am 13. Dezember 1913 im Anschluß an seine Antrittsvorlesung über: Die Grenzen der Psychologie, erteilt (ebd.).

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Ziegelh. Landstr. 17 Telefon 1401 6 / VII. Lieber Herr Dr Jaspers! 5

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Gestern war die Sitzung. Die Stimmung Windelbands ist Ihren Absichten prinzipiell günstig, ebenso hatte Oncken sofort ein sehr freundliches Urteil über Sie persönlich, dem W[indelband] selbst1) sich anschloß. Die etwaigen Schwierigkeiten sind formal: 1) Die Statuten enthalten nicht 앚:ausdrücklich:앚 die Vorschrift des Dr phil[.] 앚:wie wir gleich feststellten.:앚 Aber Boll meinte, die Fakultät werde doch wohl an der „Tradition“ festhalten[.] – 2) Nicht ganz sicher ist, ob eine Habilitation für „Psychologie“ allein jetzt in der Fakultät zulässig ist. (Es ist kein selbständiges 앚:Doktor-:앚Prüfungsfach, und man wird es wohl auch künftig dazu nur mit sehr großen Cautelen machen, um die Zahl der Einzelfächer nicht zu vermehren). – 3) W[indelband] sagte mir ausdrücklich, daß ihm Ihr Besuch angenehm sei. Er fügte hinzu, daß diea eventuell bevorstehende Berufung eines Psychologen auf ein zu schaffendes Extraordinariat1 Ihnen natürlich doch etwas „die Luft beengen“ werde. Ich sagte: das sei Ihre Sache, was er bejahte. – 1)

der sich Ihrer aus [dem]b Seminar erinnert.

a

b Lochung.

1 Es handelt sich um den Plan, den Basler Privatdozenten Paul Häberlin für einen Lehrauftrag für Psychologie und Pädagogik sowie für ein neu zu errichtendes Extraordinariat für Psychologie und Pädagogik zu gewinnen, allerdings mit der Maßgabe, „daß der Anspruch der philosophischen Fakultät auf ein zweites philosophisches Ordinariat durch dieses Vorgehen […] nicht tangiert“ würde. (Vgl. Antrag der Philosophischen Fakultät vom 22. Juli 1913, Abschrift masch., GLA Karlsruhe 235/ 3134.) Zwar erstellte Wilhelm Windelband am 29. Juli 1913 ein befürwortendes Gutachten (UA Heidelberg, H-IV-102/140), jedoch ging am 30. Juli 1913 ein Ministerialerlaß ein (ebd.), demzufolge „Mittel zur Honorierung eines Lehrauftrags für Psychologie und Pädagogik [...] für das Wintersemester 1913/14 nicht mehr zur Verfügung“ stünden. Der Berufung Häberlins haben sich in der Folgezeit unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg gestellt, so daß davon Abstand genommen worden ist; vgl. dazu Brief an Jaspers vom 8. Nov. 1913, unten, S. 355 f. Zwar hat die Kommission noch weiter getagt, ist aber zu keinem Ergebnis gelangt. Am 24. Juni 1914 benannte der damalige Dekan der Philosophischen Fakultät, Carl Neumann, für die nächste Fakultätssitzung am 4. Juli 1914 als einen zu behandelnden Tagesordnungspunkt, „den Auftrag der Kommission für einen Psychologischen Lehrstuhl für erloschen zu erklären“ (ebd., Bl. 333). Die Fakultät faßte daraufhin – laut Protokoll – einen entsprechenden Beschluß (ebd., Bl. 334 f.).

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6. Juli 1913

Kurz[,] die Sache steht an sich gut. Rathen müßte man Ihnen wohl, für alle Fälle gerüstet zu sein auf die Frage: 1) wenn der Dr phil. verlangt wird, was ist Ihre Dissertation (davon sprachen Sie mir ja schon)? – 2) wenn Habilitation als „Philosoph“ – aber mit der Pflicht, nur Psychologie zu lesen – verlangt wird, schreckt Sie das? Es bedeutet ja praktisch nichts, was Ihnen Schwierigkeiten macht.c Ich weiß nicht mehr, was 앚:von Ihren Arbeiten:앚 Sie a) als Doktor- b) als Habilitationsschrift vorlegen wollten.2 Doch das ist ja eine formelle Sache, die Sie allein wissen. Streng vertraulich: es ist möglich, daß man Häberlin (Basel) als Psychologen und Pädagogiker herzieht3 (ein Extraordinariat nur für Pädagogik findet keinen Anklang, daher die Combination mit „Psychologie“). Treibende Kraft ist mein Bruder, welcher in irgend welchen Ideenzusammenhängen jetzt sehr energisch sich für Pädagogik interessiert und jedenfalls einen Vertreter herholen möchte. – Nicht schrecken darf Sie, wenn W[indelband] den Namen L[ask]’s als seines Berathers nennt.4 L[ask] wird sachlich aus verschiedenen Gründen für die Habilitation eines Psychologen sein, persönlich aber in jeder Hinsicht jegliche „Distanz“ innehalten, welche die Umstände 앚:irgend:앚 gestatten, das sah ich, als ich Ihren Namen als möglichen Habilitationscandidaten – aus jenem Grunde absichtlich – ihm gegenüber erwähnte. Sie „verdanken“ ihm also keinesfalls etwas[,] und nur das Eine ist nicht ganz sicher, ob es ohne eine vielleicht etwas peinliche kurze Berührung gelegentlich abgeht. Aber die Peinlichkeit ist ja dabei gänzlich auf seiner Seite.

c 2 Als Dissertation hat er seine Schrift: Heimweh und Verbrechen. – Leipzig: Vogel 1909, wieder abgedruckt in: Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik, Bd. 35, 1909, S. 1 – 116, eingereicht, als Habilitationsschrift seine: Allgemeine Psychopathologie. – Berlin: Julius Springer 1913. 3 Siehe Anm. 1. 4 Zu den Spannungen zwischen Emil Lask und Jaspers vgl. die beiden Briefe an Jaspers, nach dem 26. April 1913, sowie die vom 19. und 21. Mai 1913, oben, S. 209 – 211, 212, 239 f. und 240 – 242.

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Ich habe die Sache W[indelband] und L[ask] als streng vertraulich bezeichnet, ebenso der Commissiond.5 Aber man kann Ihnen rathen, mit W[indelband] in die Erörterung einzutreten. Mit herzlichen Grüßen Max Weber.

d O: Comission 5 Gemeint ist die am 22. Februar 1913 eingerichtete Kommission in Sachen Errichtung einer psychologisch-pädagogischen Professur, der auch Weber angehörte.

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10. Juli 1913

Gisela Michels-Lindner 10. Juli 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber Der Brief steht im Zusammenhang mit der möglichen Berufung von Robert Michels auf den vakanten Lehrstuhl für Nationalökonomie und Statistik an der Universität Basel; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gisela Michels-Lindner vom 30. Juni 1913, oben, S. 256.

Heidelberg 10/VII 13 Liebe Frau Professor! Nochmals: eine Carriere in Deutschland ist für Ihren Mann – wenn nicht Zeichen und Wunder geschehen, mit denen man doch absolut nicht rechnen darf und kann – ganz ausgeschlossen. Wer das Gegenteil sagt, sagt ihm etwas Freundliches ohne Verbindlichkeit. Ich weiß doch, wie es in Baden läge, und da stehen die Dinge besser als sonstwo. Basel ist nicht zu verachten, nur so gänzlich anders als alles Italienische. Aber gelegentlich hatte ich doch den Eindruck: daß auch Ihnen Italien keine ganz reine Freude sei.1 Und als Deutscher hat Ihr Mann doch auch in Italien nicht die gleichen Chancen wie ein Italiener, denke ich. Das müssen aber Alles Sie wissen, und ich bin sehr gespannt auf das Resultat und hoffe herzlich, daß es so ausfällt, daß schließlich Sie beide dabei zufrieden sind. Ihr Mann gilt als Soziologe, nicht eigentlich als Fach-Ökonom, das erschwert auch in der Schweiz die Chancen der Carriere, wo ja sonst die „Partei“-Vergangenheit nicht so bedeutsam ist. Überall sucht man jetzt entweder „Privatwirtschaftslehre“ oder aber doch streng fachliche Ökonomen. Mir ist es gelungen, in Münster Plenge anzubringen, schon mit großer Mühe. Ob in Gießen ein gutes

1 So heißt es in einem Brief an Marianne Weber vom 22. April 1911 (MWG II/7, S. 200) nach einem Besuch in Turin bei Gisela und Robert Michels: „Beide doch sehr enttäuscht , daß im Grunde doch in der italienischen Universität die Sache auch so sei wie bei uns, soweit das Persönliche in Frage steht. Er offenbar sehr resigniert geworden politisch.“

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Resultat kommt – es handelt sich um Eulenburg, Liefmann und andre Juden – ist mir höchst fraglich.2 Überall Banausentum! Sehr viele herzliche Wünsche – wie sehr versteht meine Sehnsucht nach dem Süden, daß Ihnen das Herz sehr schwer ist bei dem Gedanken, von dort zu scheiden. Vielleicht arrangiert sich ja doch dort etwas! Das würde herzlich freuen Ihren Max Weber

2 Lehrstuhlnachfolger für den verstorbenen Magnus Biermer wurde am 26. Juli 1913 der Berliner Privatdozent August Skalweit; vgl. dazu den Brief an Johann Plenge, vor dem 14. März 1913, oben, S. 125, Anm. 2.

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11. Juli 1913

Willy Hellpach 11. Juli 1913; o.O. Brief; eigenhändig GLA Karlsruhe, Nl. Willy Hellpach, 69 N/296 In diesem wie in dem nächsten Brief an Willy Hellpach vom 20. Juli 1913, unten, S. 276 – 278, nimmt Max Weber Stellung zu den Erfolgsaussichten einer Habilitation Hellpachs für Psychologie in Heidelberg. Hellpach war damals Ordinarius für dieses Fach an der TH Karlsruhe. Der Habilitationsversuch Hellpachs ist unterblieben.

11/7 13 Streng vertraulich! Verehrtester Herr Kollege! Streng vertraulich teile ich ihnen mit: die Lage ist nicht günstig für Ihre Absicht, die ich sehr wohl verstehe. 1. Es hat sich Dr Gruhle für Psychologie habilitiert – medizin[ische] Fakultät,1 liest aber künftig auch in der philosophischen (experimentelle und pathologische)[.] 2. Es wird sich Dr Jaspers habilitieren und zwar für Psychologie in der philosophischen Fakultät.2 Wird Psychologie und Psychopathologie lesen – „verstehender“ Psychologe.a 3. Es wird ein Extraordinariat beantragt werden für einen Pädagogiker3 (der nebenher natürlich die nötige psychologische Bildung hat), möglichst einen durch eigne Erfahrung pädagogischer Art schon praktisch bewährten. Die Sache ist noch in der Commission.4 – a Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: Dies ist natürlich unbedingt vertraulich, die Sache ist erst eben bei Windelband perfekt gemacht und formell noch gar nicht anhängig, aber allerdings fest ausgemacht[.] 1 Hans W. Gruhle hatte sich am 3. März 1913 in der Medizinischen Fakultät habilitiert; vgl. dazu den Brief an Gruhle vom 8. März 1913, oben, S. 112. 2 Karl Jaspers habilitierte sich am 13. Dezember 1913 in der Philosophischen Fakultät; zu dessen Habilitation vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 264. 3 Dafür in Aussicht genommen war damals der Basler Privatdozent Paul Häberlin; vgl. dazu Brief an Karl Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1. 4 Gemeint ist die am 22. Februar 1913 gebildete Kommission in Sachen Errichtung einer psychologisch-pädagogischen Professur, der neben Wilhelm Windelband, Franz Boll und Hermann Oncken auch Max Weber angehörte.

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Bei den Habilitationsfragen betr. „Psychologie“ hat man auch von Ihnen gesprochen. Es war aber die Ansicht, daß keine Habilitation von auswärts her mehr wünschenswerth sei (man hat es den 2 Mannheimern konzediert,5 weil Bedarf war) und daß, da Gruhle und Jaspers sich jedenfalls habilitieren, der Bedarf gedeckt sei. In der That werden nun schon drei Psychologen hier sein,6 vier, wenn man Driesch rechnet, der das Fach ja ebenfalls liest (Windelband will es aufgeben, nachdem die Sache arrangiert ist). Ich könnte mir nach Lage der Sache leider einen Erfolg von Ihrer Seite nicht versprechen, und glaube selbst im Fall eines solchen, daß Sie nicht sehr große Freude daran erleben würden. Sonst hätte ich Ihnen ja natürlich irgend einen „Wink“ zukommen lassen. Ich bin Nachmittags und Abends bis incl. Montag ganz fest besetzt, könnte also nur Mittags 12 Uhr zur Verfügung stehen und würde, wenn Sie es für nützlich halten, um telefonischeb Anmeldung bitten, um da zu sein. Aber die obigen Dinge stehen nach meiner sehr genauen Information – man hat mich zugezogen – fest und nähere Angaben für No 3 kann ich nicht machen, da das „amtlich“ ist. (Da ich außerhalb der Fakultät stehe, habe ich keine beschließende Stimme). Mit dem allerbesten Dank für Ihre mich wie stets lebhaft interessierenden Sendungen und in collegialer Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber

b 5 Gemeint sind die beiden Nationalökonomen Sally Altmann und Hermann Levy. Altmann war 1909 hauptamtlicher Dozent, seit 1910 a.o. Professor an der Handelshochschule Mannheim, Levy dort seit 1907 hauptamtlicher Dozent. Gleichwohl hatten sich beide in Heidelberg – Altmann 1910, Levy 1907 – habilitiert. 6 D. h. Karl Jaspers, Hans W. Gruhle und Wilhelm Windelband.

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11. Juli 1913

Karl Jaspers [nach dem 11. Juli 1913]; o.O. Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers Die Datierung ist erschlossen aus dem brieflichen Hinweis auf ein Schreiben an Willy Hellpach, in welchem Weber sich zu dem in Aussicht genommenen Extraordinariat für Psychologie bzw. Pädagogik in Heidelberg geäußert hatte. Diese Mitteilung war am 11. Juli 1913, oben, S. 270 f., erfolgt. Der Brief steht in Zusammenhang mit dem Habilitationsverfahren von Karl Jaspers für das Fach Psychologie in der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 264.

Lieber Herr Doktor! Verwahrung muß ich gegen Eins einlegen: Sie „verdanken“ mir gar nichts. Denn es zeigte sich sofort, daß W[indelband] auf die Sache stets mit Vergnügen eingegangen wäre. Formale Schwierigkeiten werden schon noch kommen. Weshalb ich Gewicht darauf legte, daß in der Commissionssitzunga1 von Ihnen die Rede sein sollte, ehe Sie bei W[indelband] waren, hatte bestimmte taktische Gründe: es war gut, wenn Ihr Name zuerst 앚:auch:앚 von anderer Seite als der W[indelband]’s genannt wurde und es war angenehm, daß Oncken sofort e[??]ppte.b Und es war andrerseits gut, daß W[indelband] sich gleich – wie sicher vorauszusehen war, da einmal die ganze Frage in Fluß ist – „coram publico“c für Sie festlegte. Denn inzwischen ist eingetreten, was ich erwartete: ein Brief Hellpach’s an mich, von Külpe veranlaßt! Ich habe, ohne Unaufrichtigkeit und ohne Unfreundlichkeit, ihm sagen können, daß nun schon eine psychologische Habilitation amtlich erörtert sei und daß für das eventuelle Extraordinariat ein Pädagogiker gewünscht wäre.2 Sonst wäre, da s. Z. W[indelband] ihn (auf meine Bitte) in Karls-

a O: Comissionssitzung

b Lochung.

c In O folgt: sich

1 Gemeint ist die am 22. Februar 1913 eingerichtete Kommission in Sachen Errichtung einer psychologisch-pädagogischen Professur, der neben Wilhelm Windelband, Hermann Oncken u. a. auch Max Weber angehörte; die von Weber erwähnte Kommissionssitzung hatte am 5. Juli 1913 stattgefunden. 2 Brief an Willy Hellpach vom 11. Juli 1913, oben, S. 270 f.

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ruhe habilitiert hat,3 [er]d sehr schwer zu umgehen gewesen. (Dumm ist er ja nicht!) Einstweilen herzlichen Gruß! Ihr Max Weber Es freute mich, gestern ein sehr warmes Urteil auch von Wilmanns4 über Ihr Buch5 zu hören. Auch Gruhle, mit all seinen üblichen Vorbehalten, urteilt schließlich ebenso. Ich selbst schreibe Ihnen erst in einigen Wochen.6 Vorerst habe ich mit größtem Interesse Ei[nleit]unge und einige willkürlich gewählte Abschnitte gelesen.

d Lochung.

e Lochung.

3 Die Habilitation Willy Hellpachs für das Fach Psychologie an der TH Karlsruhe war 1906 erfolgt; vgl. dazu den Brief an Hellpach vom 20. Jan. 1906 (MWG II/5, S. 26, Anm. 4). 4 Gemeint ist der Heidelberger Psychiater Karl Wilmanns. 5 Gemeint ist: Jaspers, Karl, Allgemeine Psychopathologie. – Berlin: Julius Springer 1913. 6 Ein entsprechender Brief Webers an Jaspers ist in dessen Nachlaß im DLA Marbach a.N. nicht überliefert.

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18. Juli 1913

Georg von Lukács [PSt 18. Juli 1913]; [PSt Heidelberg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 2 Tages-, Monats- und Ortsangabe sind erschlossen aus einer von dem ehemaligen Editor von Max Webers wissenschaftlicher Korrespondenz, Hans Henrik Bruun, in den 1970er Jahren angefertigten Kartei der Briefe des Max-Weber-Nachlasses im damaligen ZStA Merseburg. Da eine entsprechende Datierung von Webers Hand fehlt, muß diese anhand des im Fasz. 22 beiliegenden Briefumschlags und des dazugehörigen Poststempels vorgenommen worden sein. Briefmarke und Stempel fehlen heute, so daß die Datierung nicht mehr möglich ist. Das Jahr ist aus dem Tages- und Monatsdatum in Verbindung mit dem im Brief erwähnten Wochentag „morgen, Sonnabend“ erschlossen.

Verehrtester Herr Doktor! Ich stehe morgen, Sonnabend, von 12 Uhr an sehr gern zur Verfügung. Mit angelegentlichster Empfehlung Ihr ergebenster Max Weber

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Karl Jaspers [19. Juli 1913]; o.O. Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf eine Fakultätssitzung, in der u. a. die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Basler Privatdozenten Paul Häberlin wegen eines Lehrauftrags mit anschließender evtl. Berufung nach Heidelberg beschlossen worden war. Laut Briefen von Alfred Weber an Else Jaffé vom 18. und 19. Juli 1913 (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Nr. 60) hat diese Fakultätssitzung am 19. Juli 1913 stattgefunden. Der Brief steht in Zusammenhang mit dem Habilitationsverfahren von Karl Jaspers für das Fach Psychologie in der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 264.

Vertraulich Lieber Herr Doktor!

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Ohne alle Schwierigkeiten und ohne Widerspruch hat die Fakultät heut beschlossen: 1) daß eine Habilitation für Psychologie allein zulässig ist, – 2) daß der Dr med. genügt, – 3) hat W[indelband] in Aussicht gestellt – unter Nennung Ihres Namens – daß er „wahrscheinlich“ Ihre „Psychopathologie“1 als genügende Habilitationsleistung ansehen werde – ebenfalls ohne Widerspruch. Das letzte (No 3) ist natürlich noch ganz unverbindlich. Im Übrigen wird mit Herrn Häberlin2 über Psychologie und Pädagogik (künftiges Extraordinariat) verhandelt werden, zunächst unverbindlich. Herzliche Grüße! Max Weber

1 Jaspers, Karl, Allgemeine Psychopathologie. – Berlin: Julius Springer 1913. 2 Zur Frage der Berufung des Basler Privatdozenten Paul Häberlin für einen Lehrauftrag sowie auf ein neu einzurichtendes Extraordinariat für Psychologie und Pädagogik vgl. den Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1.

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20. Juli 1913

Willy Hellpach 20. Juli 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GLA Karlsruhe, Nl. Willy Hellpach, 69 N/296 In diesem wie in dem vorhergehenden Brief an Willy Hellpach vom 11. Juli 1913, oben, S. 270 f., nimmt Max Weber Stellung zu den Erfolgsaussichten einer Habilitation Hellpachs für Psychologie in Heidelberg. Hellpach war damals Ordinarius für dieses Fach an der TH Karlsruhe. Der Habilitationsversuch Hellpachs ist unterblieben.

Heidelberg 20/7 13 Verehrtester Herr College, – Die sachlichen Schwierigkeiten bestimmen das hiesige Vorgehen. Die Situation ist die: daß hier und bei der Regierung 앚:für jetzt eben:앚 nur eine etatsmäßige Stelle für 앚:in erster Linie:앚 Pädagogik, nicht für Psychologie allein (oder auch nur vornehmlich) durchzusetzen war.1 Bei dieser Gelegenheit wird dann das Fach der „Psychologie“ als selbständiges Habilitationsfach von der Philosophie abgetrennt[,] und dadurch wird die Habilitation in diesem Fach (für Dr Jaspers) erst möglich,2 was bisher nicht der Fall war. Auf die neue Stelle (bis zum nächsten Etat nur Lehrauftrag) wird ein Pädagogiker, bei dem das entscheidende Gewicht auf die 앚:praktischen:앚 Lehr-Leistungen1) gelegt wird, berufen werden,3 nur sucht man sich einen solchen aus, der eben auch Psychologie lehrend zu vertreten sich im stande gezeigt hat. Es ist also eigentlich keine ain erster Liniea wissenschaftliche Vertretung der Psy1)

Er muß daher praktische Erfahrungen 1) als Pädagoge und 2) als Pädagogik-Lehrer hinter sich haben. Das geht Allem vor. a wirklich notwendige > in erster Linie 1 Die Gelder für diese Stelle wurden jedoch wenig später ausgesetzt; vgl. dazu den Brief an Karl Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1. 2 Karl Jaspers hat sich am 13. Dezember 1913 habilitiert; zur Psychologie als eigenständiges, von der Philosophie abgetrenntes Habilitationsfach vgl. auch Wilhelm Windelbands einschlägige Bemerkungen in seinem Habilitationsgutachten vom 7. Nov. 1913, wiedergegeben in der Editorischen Vorbemerkung zum Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 264. 3 Wunschkandidat war dabei der Basler Privatdozent Paul Häberlin; zu dem Versuch, diesen für Heidelberg zu gewinnen, vgl. den Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1.

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chologie 앚:als solcher:앚 garantiert, das ließ sich nicht machen. Für die Experimentalpsychologie ist ferner das Institut gar nicht in unserer Fakultät, sondern in der medizinischen, die sofort erklärte, daß sie2) dies Fach für sich in Anspruch nehme – es sind die Kräpelin’schen Apparate4 u. s. w. noch da und das wird nun ausgebaut. Der jetzt eingeschlagene Weg ist nur der „Weg“, nicht das Erreichen des Zieles, zur Schaffung einer eigentlichen rein wissenschaftlichen psychologischen Professur.3) Da Regierung und Landtag stets von „praktischen“ Gesichtspunkten ausgehen, ist es der einzig z. Z. mögliche Weg. Es muß uns hier 앚:vorläufig:앚 genügen, daß dadurch wenigstens ein offizielles Fach „Psychologie“, wenn auch in der nicht unbedingt gebotenen Verknüpfung mit Pädagogik, erst einmal creiert und tüchtigen Psychologen zur Habilitation die Möglichkeit gegeben wird. Auch steht zu hoffen, daß der zu Berufende auch als Psychologe qualifiziert sein wird, – nur für diesmal eben „auch“, nicht: in allererster Linie. Eine Stellung nur für Psychologie wäre diesmal nicht durchzusetzen gewesen. Auch lehrmäßig müßte ja – im Collegbetrieb – die Psychologie irgend eine Combination mit einem andren „Fach“ suchen, – nach meinem Wunsch: mit soziologischen Problemen, – um für sie eine Sonderprofessur grade an einer kleinenb Universität zu schaffen. Denn das sind wir eben doch. Und dann besteht hier, wie gesagt, die Complikation mit der medizinischen Fakultät, welche die Psychologie unvermeidlich in zwei Hälften: „experimentelle“ und „verstehende“ zerreißt und nur die letztere derc philosophischen Fakultät beläßt. In der medizinischen

2)

à conto dieses seit vielen Jahren schlafenden „Instituts“ Denn: etatsmäßigd wird keine Professur, auch diese nicht, sachlich festgelegt. Also kann künftig, wenn die Professur einmal da ist, bei Neubesetzung auch so verfahren werden und wird wahrscheinlich so verfahren werden: daß ein reiner oder soziologisch oder ethnographisch orientierter Psychologe sie bekommt und für Pädagogik ein besondrer Lehrauftrag gegeben wird. 3)

30

b O: zweifach unterstrichen.

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d

4 Gemeint sind die Apparaturen, die einstmals Emil Kraepelin für seine ergologischen und ergographischen Studien im psychologischen Seminar hatte anschaffen lassen.

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ist Dr Gruhle, in der philosophischen wird Dr Jaspers für diese beiden Hälften habilitiert5 (letzteres absolut vertraulich). Ich schreibe dies Alles, damit Sie sehen, daß die Sache, wie sie läuft, ratio hat, wenn auch lokal bedingte. Besonders in den zuletzt genannten Verumständungen 앚:(der Zweiteilung zwischen den Fakultäten):앚 liegt es begründet, daß das Resultat für den Moment sachlich die Interessen der Psychologie nicht ganz befriedigen kann. (All dies darf nie öffentlich verwerthet werden!) Mit den allerbesten Empfehlungen Ihr ergebenster Max Weber Mir sind alle Ihre Aufsätze für das „Archiv“ immer erwünscht und ich werde deren Aufnahme befürworten[.]

5 Vgl. dazu Webers Bemerkungen in seinem Brief an Hellpach vom 11. Juli 1913, oben, S. 270, Anm. 1 und 2.

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Helene Weber 26. Juli 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die folgenden Briefe Max Webers an seine Mutter, Helene Weber, und seine Geschwister, Arthur Weber und Clara Mommsen, vom 26. Juli, 26. oder 27. Juli, 1. und 2. August sowie 11. September 1913, unten, S. 279 – 282, 283 f., 289 – 291, 294 – 296 sowie 328 – 332, beziehen sich auf die Einkommensverhältnisse von Arthur Weber und dessen sorglose Wirtschaftsführung. Arthur Weber war Berufsoffizier bei den Garde Pionieren in Berlin und erhielt seit seiner Heirat mit Valborg Weber, geb. Jahn, der Tochter eines Zahnarztes aus Trondheim in Norwegen, 1903, zu seinem bescheidenen Gehalt von seiner Mutter einen Zuschuß in Höhe der Verzinsung seines Erbteils, durchschnittlich 3000 Mark. Dazu traten noch Sonderzuwendungen auch der Geschwister. Das gleiche Arrangement bestand auch für die Schwester Lili Schäfer, die mit vier Kindern von den 4000 Mark Gehalt ihres Mannes, eines Regierungsbaurates, nicht leben konnte. Auch die anderen Geschwister erhielten gelegentlich größere Darlehen. Webers Sorge war, daß der Kapitalbestand beständig verkleinert werde und dessen Zinserträge nicht mehr für die regelmäßigen Zuwendungen an Arthur Weber und Lili Schäfer sowie die Lebenshaltungskosten für Helene Weber ausreichten. Arthur Weber erwartete seine Beförderung zum Hauptmann und hatte dafür ein Pferd zu stellen, dessen Kaufpreis er von der Familie erhalten wollte. Max Weber war bereit, auf seinen Namen für seinen Bruder einen Kredit aufzunehmen unter der Voraussetzung, daß dieser seine Lebenshaltungskosten senke, um den Kredit innerhalb eines Jahres zurückzahlen zu können. Er mißtraute dessen Willen, den Lebensstandard den Einkommensverhältnissen anzupassen und sah weitere Unterstützungsforderungen auf die Familie zukommen. Daher wollte er Mutter und Geschwister veranlassen, gegenüber den Forderungen von Arthur Weber unnachgiebig zu sein und diesen dadurch zu zwingen, eine sparsamere Lebensführung zu beginnen.

Heidelberg 26/7 13 Liebe Mutter, –

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vielen Dank für Deinen lieben Brief. Der Grundirrtum bei Artur ist: daß mit bloßen „Einschränkungen“ etwas zu machen sei.1 Wenn Artur Hauptmann ist,2 bekommt er zwar 1 Arthur Weber hatte am 21. Juli 1913 auf einen nicht überlieferten Brief von Max Weber vom 19. oder 20. Juli 1913 geantwortet (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Darin hatte er einerseits die finanziellen Zwänge anerkannt und versichert, mit dem Zuschuß von 3 600 Mark auskommen zu wollen, andererseits aber sich dagegen gewehrt, für „einen völlig unklaren und indolenten jungen Kerl“ gehalten zu werden, dem man „dauernd die Pistole auf die Brust“ setzte. Max Weber vermißte konkrete Absichten Arthur Webers für die nachhaltige Senkung seiner Lebenshaltungskosten. 2 Arthur Weber wurde am 1. Oktober 1913 Hauptmann. Vgl. die Dienstaltersliste der bisherigen Preußischen Armee XIII. – Berlin: E. S. Mittler 1919, S. 198.

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26. Juli 1913

1200 Mk mehr Gehalt. Aber er muß das Pferd bezahlen,3 denn wenn wir es ihm selbst vorschießen könnten, so müßte er dennoch im nächsten Jahre mindestens 1 500 Mk davon zurückzahlen.1) Er wird also unter allen Umständen 300 Mk. 앚:1 500 – 1 200:앚 weniger zu verzehren haben im nächsten Jahr als in diesem letzten, wo er 3600 Mk. Zuschuß 앚:(3 000 von Dir, 600 von Alfred):앚 hatte. Wenn also Du ihm 3 000 und Alfred 600 Mk gebt, so hat er 3000 + 600 = 3 600, – 300a = 3 300 Mk 앚:und nicht mehr:앚 zu verzehren außer seinem jetzigen (nicht: seinem Hauptmanns-)Gehalt.2) In Wahrheit hat er im letzten Jahr 앚:1. Okt[ober] 1912 – 1. Okt[ober] 1913:앚 6 600 Mk (3 000 Mk von Dir, 600 Mk von Alfred, 3 000 Mk Erbschaft)4 앚:als Zubuße:앚 verbraucht. Er hat also im nächsten Jahr nur halb so viel Zubuße wie in dem am 1. Oktober ablaufenden Jahre, im Ganzen also 3 300 Mk weniger Gesammteinnahmen als er im letzten Jahr verbraucht hat. An diese Zahl hat man sich zu halten. Da ist mit „Einschränkungen“ nichts zu machen, denn da lassen sich nicht b3 300 Mk.b sparen. So viel aber müssen, gegenüber dem letzten Jahr, gespart werden, sonst kann an Lili nicht Das gezahlt werden,5 was dort nötig ist. Also ist auch eine Wohnung für 1 500 Mk schon zu teuer. Entscheidend ist, daß das Mädchen fortfällt. Kann Valborg das gesundheitlich nicht leisten, dann muß sie schlechterdings in

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1)

Die Familie kann Artur das Pferd nicht schenken. Er muß das Geld zurückzahlen. Es ist möglich, aber nicht sicher, daß ich im Winter 500 Mk verdiene und ihm geben kann, um die Mehrkosten über dem Staatsvorschuß zu decken. 2) ganz abgesehen von den Mehrkosten, die er als Hauptmann hat.

a O: zweifach unterstrichen.

b O: zweifach unterstrichen.

3 Als Hauptmann mußte man selber ein Pferd stellen, wofür der Staat einen Vorschuß leistete. Dieser wurde durch die Einbehaltung des monatlichen Pferdegeldes, das der Staat für die Versorgung des Pferdes gewährte, zurückgezahlt. 4 Ottilie Weber hatte testamentarisch allen Kindern ihres Bruders Max Weber (sen.) je 3 000 Mark vermacht, vgl. Max Webers Brief an Helene Weber vom 7. Dez. 1912, MWG II/7, S. 787. 5 Lili Schäfer erhielt von Helene Weber einen jährlichen Zuschuß von 3 000 Mark ebenso wie Arthur Weber.

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Norwegen6 bleiben3) – oder bei Dir Unterkunft finden, was aber doch sehr schlecht möglich ist, denn für diesen Zweck den Ofen im großen Fremden-Zimmer setzen lassen wäre doch auch, jetzt wo man das Haus eventuell verkaufen will,7 eine unnütze Ausgabe. Artur muß als Junggeselle oder in einer Wohnung von drei Zimmern und Burschenzimmer existieren. Ich bin absolut entschlossen, die Familie in Norwegen aufzuklären, ebenso mit Artur’s Commandeur zu reden. Denn ganz einerlei ob das Haus verkauft wird, es ist an diesen Verhältnissen nichts zu ändern. Ich habe Artur sein ganz unverantwortliches Verhalten, uns zwei Mal (dies Malc und voriges Jahr vor der englischen Reise)8 vor ein „fait accompli“ zu stellen, nicht vorgehalten und ihm überhaupt keinerlei „Vorwürfe“ gemacht. Aber die nackte Wahrheit muß er und muß Valborg wissen.9 Ich habe sie damals, als ich schwer krank wurde, mir 3)

Es hat gar keinen Zweck, auch keinen gesundheitlichen, Valborg zu verheimlichen, daß sie sich mit Artur auf absolut andrer Basis einrichten muß, eventuell und am besten so, wie Student und Studentin, bis Artur einen andren Beruf hat, in welchem er mindestens 4 – 5000 Mk. verdient. Wenn sie ihn liebt, wie er es verdient, wird und muß ihr das ein Leichtes sein. Andre müssen es auch. Marianne und ich haben es Jahre lang auch gemußt. Ich sehe darin nicht die geringste „Tragik“ und es würde meine Achtung gewinnen, wenn es geschähe. c Jahr > Mal 6 Valborg Weber, geb. Jahn, war die Tochter eines Zahnarztes in Trondheim. 7 Seit August 1911 trug sich Helene Weber mit dem Gedanken, ihr Haus in der Marchstraße in Charlottenburg zu verkaufen, um Kosten einzusparen. Vgl. den Brief Max Webers an Marianne Weber vom 28. Aug. 1911, MWG II/7, S.271, Anm. 9. 8 Zum Reisezuschuß vgl. den Brief Max Webers an Helene Weber vom 20. Juni 1912, MWG II/7, S. 570, und den Brief an Lili Schäfer vom 6. Okt. 1912, MWG II/7, S. 686. 9 Die Kritik Max Webers an der unverantwortlichen und leichtsinnigen Einstellung seines Bruders Arthur zum Geld richtet sich, wie aus einem Brief Arthur Webers an Max Weber vom 21. Juli 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) sowie aus dem Brief an Arthur Weber vom 2. Aug. 1913, unten, S. 294 – 296, zu entnehmen ist, 1. gegen das Halten der herrschaftlichen Wohnung, in die Valborg und Arthur offenbar 1912 gezogen waren, 2. gegen das angebliche Schweigen gegenüber der norwegischen Familie, 3. gegen den Sitz Berlin als Garnisonsstadt für Arthur. Da er ein Pferd brauchte und dies finanziert werden mußte, hielt Max Weber es für unabdingbar, die Wohnung aufzugeben, d. h. daß Valborg und Arthur sich sehr bescheiden mußten. Noch lieber hätte es Max Weber gesehen, wenn Arthur sich einem anderen Beruf, nämlich dem des Kaufmanns, zugewendet hätte, wo auch die Aufstiegschancen größer waren, als ein Offizier sie hatte.

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auch nicht von Andern abnehmen lassen, sondern mir klarer gemacht als Ihr Alle damals – und wir haben dann Jahre lang, beide krank, 앚:ich ganz, Marianne halb:앚 von weniger Geld existiert als Artur heut.10 Artur kannst Du diesen Brief geben. Ob ich ihm selbst noch einmal schreibe,11 weiß ich nicht. Es hat offenbar sehr wenig Zweck. Herzliche Grüße! Dein Max.

10 Gemeint ist die Zeit nach der Beurlaubung von der Heidelberger Professur 1900. 11 Max Weber schrieb Arthur Weber am 2. August 1913, unten, S. 294 – 296. Ein früherer Brief an Arthur Weber ist nicht nachgewiesen.

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Helene Weber [26. oder 27. Juli 1913; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief trägt keine Anrede, stellt einen Nachtrag zum Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 279 – 282, dar und ist vermutlich diesem beigelegt oder am folgenden Tag geschrieben worden.

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Wenn Du Gunnar’s1 Adresse weißt, schreibe sie mir. Sonst muß ich den Brief an ihn via Throndhjem2 schicken, was ich gern vermiede (ich schreibe an ihn zuerst und zögere mit dem Brief an Valborg,3 Artur’s Wunsch entsprechend). Aber es ist absolut nötig, daß die Familie Jahna auch einmal von uns 앚:schonungslos:앚 die wirkliche Lage erfährt,b 앚:da Artur Valborg schont.:앚 Artur’s Verhalten in dieser ganzen 앚:Geld-:앚 Angelegenheit seit vorigem Jahr und ebenso Valborg’s Verhalten ist ja nur dann erklärlich, wenn sie sich vorstellen: „das Geld ist ja da, sie könnten es ja, wenn sie wollten, man muß nur rücksichtslos auftreten.“ Und natürlich denken Jahn’s ebenso. Ich habe keine Lust, dies Odium des Geizes auf der Familie lasten zu lassen. Auch müssen Jahn’s auf Alles vorbereitet sein, was kommen kann. Was das Geld für das Pferd anlangt, so werde ich dann in Berlin versuchen, es durch Wechselcredit auf meinen Namen (also durch Bürgschaft in Form einer Wechselunterschrift) aufzubringen, sobald ich die Garantie habe[,] daß – 1) die Rückzahlung prompt erfolgt, – 2) durch grundsätzliche Änderungen in Artur’s Situation die Sicherheit besteht, daß keine Ansprüche auf mehr als 3 600 Mk mehr von ihm entstehen, – 3) das Umzugsgeld für ihn gedeckt ist, – 4) er mindestens 1 500 Mk von den Kosten des Pferdes seinerseits übernimmt 앚:und abzahlt:앚. – Das Alles ist bei einer Wohnungsausgabe von 1 500 Mk nicht möglich, 앚:scheint mir.:앚 – Bedenke: daß Du in dieser nächsten Zeit 3 600 Mk. Wehrbeitrag4 zu zahlen haben wirst, wir ca 2 000 Mk, Carl (wegen des

a 1 2 3 4

b O: erfahren

Gunnar Jahn, Bruder von Valborg Weber. In Trondheim wohnten die Eltern von Gunnar Jahn und Valborg Weber. Valborg Weber, geb. Jahn. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 13. April 1913, oben, S. 178, Anm. 2.

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앚:Olivaer:앚 Hauses)5 ebenfalls 앚:Einiges:앚 und Mommsens auch. Wo soll denn eigentlich all dies Geld in der Familie herkommen? – Je radikaler der Schritt ist, den Artur jetzt thun muß, desto besser für die Zukunft und desto leichter auch für ihn und sein Empfinden wird er sein. Es ist leichter, sich auf eine Reihe von Jahren, so zu sagen, als „Student und Studentin“ mit ein paarc Zimmerchen zu behelfen, mit gutem Humor, bis bessere Zeiten kommen, als sich in einer sog. „herrschaftlichen Wohnung“ schäbig und beengt einzurichten. Man wird mir doch, nach dem, was wir durchgemacht haben, einige Erfahrung darin zutrauen! – Auch diesen Brief kannst Du Artur ruhig geben. Ich schrieb auch an Clara.6 Viele herzliche Grüße! Dein Max

c O: par 5 Karl Weber hatte in Oliva, einem Vorort von Danzig, ein Haus gekauft. 6 Ein Brief aus diesen Tagen an die Schwester Clara Mommsen ist nicht nachgewiesen.

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Hans W. Gruhle 28. Juli 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612

Heidelberg 28/7 13 Lieber Herr Kollege, –

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ich glaube, man ist doch verpflichtet, Ihnen den Gedanken nahe zu legen, Sich eventuell noch nachträglich auch bei der Philos[ophischen] Fakultät zu habilitieren.1 Der Dr med. macht ja keine Schwierigkeiten, eine „Habilitationsschrift“ kann aus jeder der von Ihnen jetzt beabsichtigten Arbeiten zurechtgestutzt werden, falls die kleineren Arbeiten der letzten Zeit, weil Sie Sich darin allzu ängstlich hinter der Rolle des (angeblich) nur „Referierenden“ verbargen, dazu formell nicht so geeignet sein sollten (denn die ganze Sache muß ja nicht von heut auf morgen geschehen).1) Aber so sehr ich Jaspers schätze, es ist doch nun auch nicht einzusehen, warum Sie Sich ihm (und 앚:vollends:앚 Häberlin,2 wenn er kommt) gegenüber (rein formell) in den Schatten stellen sollten. Eine ideale Besetzung der „Psychologie“ verlangt doch beide Methoden 앚:(„verste-

Ihr großes Werk3 könnte Windelband vielleicht zu streng „naturwissenschaftlich“ scheinen, es sei denn, Sie wollten Sich für – – „Pädagogik“ habilitieren! 1)

1 Vgl. dazu auch Webers späteren Brief an Gruhle vom 8. Nov. 1913, unten, S. 357. Zu einer Habilitation Gruhles in der Philosophischen Fakultät ist es aber nicht gekommen, doch wurde seine Vorlesung sowohl im Vorlesungsverzeichnis bei den Lehrveranstaltungen der Philosophischen Fakultät als auch am dortigen „Schwarzen Brett“ angezeigt. 2 Zur Frage der Berufung des Basler Privatdozenten Paul Häberlin auf ein geplantes Extraordinariat für Psychologie und Pädagogik vgl. den Brief an Karl Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm.1. 3 Gemeint ist: Gruhle, Hans W., Die Ursachen der jugendlichen Verwahrlosung und Kriminalität. Studien zur Frage: Milieu oder Anlage (Heidelberger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der Kriminalpsychologie, Heft 1). – Berlin: Julius Springer 1912; das „Heft“ hatte einen Umfang von 454 Seiten.

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hend“ und „experimentell“):앚 und 앚:außerdem::앚 neben dem systematisierenden den kritischen Kopf! Es würde formell jetzt etwas schwierig sein, durchzusetzen, daß Sie einfach 앚:ohne Weiterungen:앚 in der Philos[ophischen] Fak[ultät] (im Katalog und im Aushang) erscheinen,4 denn dazu gehört allerdings an sich die Habilitation bei dieser Fakultät, die ja grade dies Recht verleiht und die Fakultät daran wohl doch festhalten wird, damit nicht andre Fakultäten ihr „ihre“ Dozenten habilitieren. Also, – icha kann nicht glauben, daß Windelband Ihnen Schwierigkeiten macht. (Das käme ja auf die Probe an2)). Fassen Sie doch die Frage ins Auge! – Daß ich nicht erfreut bin darüber, daß Dr Häberlin nun hier als „Psychologe“ auftaucht – trotz sonst guten Eindrucks – habe ich Ihnen wie Jaspers ja persönlich und vertraulich gesagt. Besser für diese Disziplin wäre ein einfaches Alternieren zwischen Ihnen und Jaspers. Aber es war nicht gut zu ändern. Aber wenn H[äberlin] kommt, muß erst recht die Psychologie, eventuell in Concurrenz zu ihm, von wirklichen Fachleuten vertreten werden. Er (H[äberlin]) muß sein Hauptthätig-

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Garantieren kann ich natürlich nichts! Aber ich halte für sicher: daß wenn Sie nicht zufällig rein zeitlich erst soeben habilitiert wären (Häberlin ist seit einer ganzen Anzahl von Jahren habilitiert5 und sollte soeben zum Extraordinariat vorgeschlagen werden, wie Joël mir sagt), W[indelband] seinerzeit, ehe dies Projekt auftauchte, sehr gern Ihnen einen Lehrauftrag von der Philos[ophischen] Fak[ultät] verschafft hätte. Es ging nicht gut zu machen jetzt.

a O: Ich 4 Wie schon im Frühjahr hatte Gruhle eine erneute Eingabe für das laufende Semester an die Philosophische Fakultät eingereicht. Das Gesuch vom 14. Okt. 1913 an den damaligen Dekan Carl Neumann (UA Heidelberg, H - IV-102/140), seine Vorlesung über „Angewandte Psychologie“ möge – da sie im Vorlesungsverzeichnis unter der Rubrik „Philosophische Fakultät“ verzeichnet war – „auch am schwarzen Brett der philosophischen Fakultät angezeigt werde[n]“, wurde von diesem laut Aktenvermerk vom 16. Okt. 1913 (ebd.) ohne Bedenken genehmigt. 5 Paul Häberlin hatte sich 1908 in Basel habilitiert.

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keitsgebiet in der „Pädagogik“ finden. Hoffentlich macht er aus diesem hybriden „Fach“ wenigstens etwas Verständiges. Herzliche Grüße und Dank für Ihre sehr hübschen Photographien! Ihr Max Weber Ich schreibe nächstens einmal der Frieda Groß, da kann man dann ja etwas von Ascona hören!6

6 Ein entsprechender Brief an Frieda Gross ist nicht nachgewiesen.

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30. Juli 1913

Robert Michels 30. Juli 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig StuLB Dortmund, Autograph 15656 In dem folgenden Brief geht es um eine mögliche Mitarbeit Webers an dem von Michels projektierten „Handwörterbuch der Soziologie“; zum Handwörterbuch vgl. den Brief an Michels vom 23. Mai 1913, oben, S. 244, Anm. 4. Dem Schreiben an Michels vom 18. November 1913, unten, S. 382, zufolge, hat es Weber abgelehnt, sich an diesem Unternehmen mit eigenen Beiträgen zu beteiligen.

Heidelberg 30/7 13 Lieber Freund, – natürlich stehe ich mit Rath und – wenn möglich! – That zur Verfügung. Aber für jetzt kann ich1) mich nicht verpflichten, etwas Bestimmtes zu übernehmen. Die Sache an sich interessiert mich sehr und ich wünsche ihr den besten Erfolg, zweifle auch nicht daran. Alles Gute für Basel!1 Bald mehr. Herzliche Grüße Ihr Max Weber 1)

Terminarbeiten halber!2

1 Webers Wunsch galt der Berufung von Michels an die Universität Basel, die am 26. Juli 1913 erfolgt war. 2 Dies bezieht sich auf Webers Arbeit an seinem GdS-Beitrag über „Wirtschaft und Gesellschaft“.

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Helene Weber [1. August 1913; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum erschlossen aus dem Zusammenhang mit den Briefen an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 279 – 282, und an Arthur Weber vom 2. August 1913, unten, S. 294 – 296, sowie aus der Tagesangabe Freitag. Ort aus dem Briefinhalt erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage Arthur Webers, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 279.

Freitag Morgen Liebe Mutter, –

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es ging mir dieser Tage sehr schlecht u. ich glaube kaum, daß ich kommen kann. Auch käme ich nur, um 1) dem Commandeur vorzutragen: daß die Familie an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit für Artur steht, also die militärischen Instanzen daraus die Consequenzen ziehen müssen,1) – 2) mit Dir Dein Testament zu besprechen. – Beides hat keine Eile, wenn Artur wirklich amit Erfolga Schritte thut, die jetzige Wohnung und den jetzigen Haushalt loszuwerden, und zwar sofort. Findet er für jetzt keine andre, so muß er eben ein Zimmer miethen, 앚:(es wird doch nicht behauptet werden, daß auch das in ganz Berlin S.O. „nicht möglich“ wäre!):앚 bis er sie später gefunden hat. Daß dies nötig ist, liegt ja auf der flachen Hand – denn auch nach Artur’s, etwas günstigeren, 1)

Das Militär muß dies in aller Form wissen. Nimmt der Commandeur davon – wie Artur meint – keine Notiz bzw. thun dies die oberen Instanzen nicht, wird also Artur nicht in eine billigere Garnison versetzt, – nun so können wenigstens wir nichts für die Consequenzen. Ich kann aber dem Bataillons-Commandeur die Sache auch 앚:in einiger Zeit:앚 schriftlich vortragen, vielleicht sogar 앚:sorgsamer erwogen und:앚 besser! – Den Norwegern muß unbedingt geschrieben werden, wenn Valborg ihrerseits die Thatsachen nicht ertragen kann. Denn was denken die sich sonst später von uns?!

a [??] > mit Erfolg

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letzten Berechnungen bleibt es dabei, daß er (da er das Pferd füttern lassen muß und ihm Rationen für den Staatsvorschuß1 abgezogen werden) unter allen Umständen gegenüber den Ausgaben des laufenden Jahres ca 2700 – 2500 Mk sparen muß, trotz des Hauptmannsgehalts[,] und das ist mit bloßen „Einschränkungen“ nicht zu machen, sondern nur mit einer grundstürzenden Änderung der Lebenshaltung, bis bessere Zeiten kommen.2) – Andrerseits: so lange Artur nicht einmal diesen selbstverständlichen und unvermeidlichen Schritt gethan hat, hätte es wenig Zweck, – für die persönliche Seite – ihn persönlich zu sprechen. Was ich ihm (und Valborg2) so sehr verdenke[,] auch noch ausdrücklich auszusprechen[,] vermiede ich gern. Und mir mißfällt auf das Äußerste die Art, jetzt auf die Darlegung sachlicher Unvermeidlichkeiten mit persönlicher Empfindlichkeit zu reagieren.3 Wie die Dinge standen,b ist Artur ohne alle „Einmischung“ in seine Angelegenheiten 앚:im:앚 vorigen Herbst gesagt worden: ohne allen Erfolg. Alfred’s und meine ersten Briefe an ihnc 4 in diesem Monat hatten ebenfalls gar keinen Erfolg. Was soll man da machen, als Artur alle, auch die letzten, sachlichen Consequenzend einer Fortsetzung des jetzigen Zustands rücksichtslos darlegen.3) Dies ist geschehen, und nicht mehr. Unsre persönlichen Empfindungen über die Art, wie Artur in diesem Fall wiederum bei der Geltendmachung seiner Geldansprüche vorgegangen ist, haben sowohl Alfred wie ich nicht ausgesprochen.

„Standesgemäß“ wohnen 앚:(mit Valborg zusammen in einem herrschaftlichen Haushalt):앚 kann Artur während des einen Jahres, das er Hauptmann bleiben will, einfach nicht. Er muß es 앚:einfach:앚 drauf ankommen lassen, was die Commandobehörden dazu denken und thun. Es ist das Strapazante, 앚:Artur:앚 immer erneut das einfache Rechenexempel: daß wo nichts ist, auch der Kaiser sein Recht verliert, vorrechnen zu müssen. Was nicht geht, geht eben nicht. 3) Natürlich kannst Du Artur diesen wie jeden Brief von mir geben!

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1 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 280, Anm. 3. 2 Valborg Weber, geb. Jahn, die Frau Arthur Webers. 3 Zur Reaktion von Arthur Weber auf Max Webers Vorhaltungen vgl. den Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 279, Anm. 1. 4 Diese Briefe sind nicht überliefert.

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Eine mündliche Erörterung aber würde eben deshalb jetzt wahrscheinlich unfreundlich verlaufen, führt jedenfalls zu nichts, so lange die absolut unvermeidliche nächste Consequenz noch nicht einmal gezogen ist. Denn ganz einerlei, ob sich jetzt passende Wohnungen finden, – diese Wohnung ist jedenfalls unmöglich und Artur hätte sie längst aufgeben sollen und müssen. – Ich werde jetzt vor Allem suchen, Artur Credit zu schaffen,4) bemerke aber, daß das Alles – wie ich schon schrieb – gänzlich zwecklos ist, wenn nichts in der Hauptsache geschieht. Denn ich muß das Geld zurückhaben und zwar schleunigst und Artur muß das Pferd im Wesentlichen selbst aufbringen. Das kann er schlechterdings nicht, wenn er nicht die vollen Consequenzen zieht. – Also: ob ich kommen kann, ist unsicher. Ich schreibe davon noch. Herzliche Grüße Max 4)

Ich schreibe, sobald ich damit weiter gekommen bin.

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Karl Jaspers 2. August 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers Der Brief steht in Zusammenhang mit dem Habilitationsverfahren von Karl Jaspers für das Fach Psychologie in der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 264.

Hbg 2/8 13 Vertraulich! Lieber Herr Doktor! Eine Fakultätssitzung findet jetzt nicht mehr statt.1 Es bestehen bezüglich Dr H[äberlin]’s2 앚:in der Fakultät:앚 noch allerhand Bedenken und seine Stellung muß 앚:wohl:앚 noch mehr als geschehen auf die „Pädagogik“ geschoben werden. Es besteht aber 1) der protokollierte Fakultätsbeschluß, daß der „Dr med.“ zur Habilitation genügt 3 – 앚:2) daß infolge des besch[loss]enena Antrages der Fakultät es zweifellos sei, daß „Psychologie“ Habilitationsfach sei (falls das Ministerium prinzipiell auf einen Lehrauftrag fürb Psychologie eingehen würde), –:앚 3c) hat 앚:inzwischen auch:앚 das Ministerium, wie mir mein Bruder mitteilt, zugesagt, daß es für ein Vorgehen derd angeregten Art, auch 앚:eventuell:앚 für Dr H[äberlin], zu haben ist und Geld giebt, nur noch nicht für den

a Lochung.

b

c 2>3

d

1 Die für den 2. August 1913 anberaumte Fakultätssitzung in Sachen Errichtung einer psychologisch-pädagogischen Professur war vom damaligen Dekan Alfred Weber kurzfristig per Zirkular am 1. Aug. 1913 (UA Heidelberg, H - IV-102/140) abgesagt worden. Ausschlaggebend für die Vertagung war der Ministerialerlaß vom 30. Juli 1913 (Abschrift masch.; ebd.), demzufolge die Mittel für einen Lehrauftrag in Psychologie und Pädagogik erst ab Wintersemester 1914/15 zur Verfügung stünden. Die nächste Sitzung der Philosophischen Fakultät fand am 29. November 1913 statt. 2 Zur Frage der Berufung des Basler Privatdozenten Paul Häberlin auf ein zukünftiges Extraordinariat für Psychologie und Pädagogik vgl. den Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1. 3 Vgl. zu diesem und dem folgenden Punkt Webers Mitteilungen in seinem Brief an Jaspers vom 19. Juli 1913, oben, S. 275.

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Winter d. J.4 (daher die Verschiebung dieser Sache). – Formell ist nun Ihnen zu rathen: am Anfang des Wintersemesters, etwa Anfang November, Ihrerseits die Sache bei Windelband wieder aufzunehmen durch eine Anfrage. Ich kann mir nicht denken, daß durch jene Verzögerung bezüglich H[äberlin]’s Ihre Angelegenheit berührt werden wird. Denn der Beschluß und das Geld 앚:des Ministeriums:앚 (für den zu Berufenden) sind da. Also auch das „Fach“, für das man sich habilitieren kann. – Nochmals betone ich: ganz in Ihrem Sinn habe ich keinerlei „private“ Wege für Sie oder in Ihrem Interesse beschritten, wie ich Ihnen das ja 앚:schon:앚 sagte. Sondern ich habe offiziell in der Commissione gefragt: ob formal und sachlich Ihre Habilitation möglich sei. Ebenso ist die Frage in der Fakultätssitzung formal und sachlich, – unter Nennung Ihres Namens – behandelt und entschieden worden, d. h. es ist gesagt worden, daß, wenn Ihre Leistung als ausreichend anzusehen sei, Bedenken nicht beständen. Weiteres konnte nicht geschehen. Unverbindlich fügte Windelband hinzu, er glaube, daß „schon“ die jetzt vorliegende Leistung ihm ausreichend erscheinen werde. Herzlichen Gruß! Max Weber

e O: Comission 4 Zum Inhalt des entsprechenden Ministerialerlasses vom 30. Juli 1913 vgl. den Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1.

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Arthur Weber [2. August 1913; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 2. August 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) erschlossen. Marianne Weber schrieb dort : „Einliegenden Brief von Max an Arthur, auf dessen letzte beiden Briefe, bat ich ihn mich Dir schicken zu lassen, damit Du ihn nach Deinem Dafürhalten Arthur bei der Rückkehr vom Manöver geben kannst – oder auch ganz zurückbehältst. Ich halte es auch für richtiger, daß man seine Nerven jetzt in Ruhe läßt u. ihm auch moralisch Zeit läßt für seine Entschlüsse. Max regt die Angelegenheit wohl so stark auf, weil er sich immer fragt: ,Soll ich jetzt schon das Pferdegeld vorschießen oder nicht‘ – m. E.s ist es nun richtig bei dem zu bleiben, was man einmal gesagt hat – daß nämlich Arthur sich zunächst einmal selbst helfen muß – u. daß wir erst helfen, wenn die Wohnungsangelegenheit ernstlich der Lösung entgegengeführt ist. Nur dann ist eine gewisse Garantie geboten, daß das Pferdegeld nicht in ein bodenloses Faß fällt.“ Vgl. auch die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 279. Helene Weber hat diesen Brief offenbar nicht an Arthur Weber weitergegeben; er ist der einzige erhaltene von etwa fünf Briefen, die Max Weber in dieser Sache an seinen Bruder geschrieben hat.

Lieber Artur, – ich bitte Dich nun noch einmal herzlich und dringend, Deinen Standpunkt: Du müssest ajetzt wiedera mit Valborg1 zusammen den bisherigen Haushalt weiterführen, zu verlassen und vor Allem: aus einfachen Kopfrechenexempeln keine „Vertrauensfrage“ zu machen. Wir Alle haben jegliches Vertrauen in Deine Tüchtigkeit; dagegen vom Wirtschaften verstehen alle Familienglieder (außer Clara)2 gleich wenig. Wie kannst Du nur Inger3 und ihremb Mann diese Zumutung1) stellen? Wenn Ihr ihnen die Wohnung meubliert im Ganzen vermiethetet, so ginge das allenfalls an. Aber es ist absolut nicht einzusehen, warum Du

1)

Zusammenwohnen zu 5 oder 6 Personen!

a [??] diese Wohnung behalten und > jetzt wieder

b O: Ihrem

1 Valborg Weber. 2 Clara Mommsen. 3 Inger Barth, geb. Jahn, Schwester von Valborg Weber, lebte mit ihrem Mann, Petter Christian Barth, und zwei Kindern in Berlin.

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Wohnungc nicht längst durch Isr.d Schmidt oder andre Büreaus hast zur After-Vermietung ausbieten lassen. Das hätte doch seinerzeit geschehen müssen, sobald Du sahest, daß Du nicht ohne Aufbrauchen der 3 000 Mk4 für das Pferd auskamst. Was unmöglich ist, kannst auch Du nicht möglich machen, und Du verdirbst Valborg’s Stellung in der Familie für immer. Hätte man die Situation im Frühjahr erfahren, so hätten die verschiednen Geschwister nicht, wie es inzwischen geschehen ist, Extraausgaben gemacht, die sie nur aus der Erbschaft der Tante Ottilie5 bestreiten können und man hätte das Geld für das Pferd beschaffen können. Jetzt müßte ich Geld aufnehmen und wir Alle sind einig: das geht nur, wenn etwas Definitives geschieht. Sonst bekomme ich das Geld – das ich absolut zurückhaben muß – zwar jetzt zurück, habe es aber später doch wieder zuzubuttern. Und das geht eben nicht. Es muß schlechterdings möglich sein, daß Valborg in Norwegen (oder: bei Mama) bleibt, bis Deine Finanzen in Ordnung sind. Sonst gerätst Du in Schulden und wir sind uns dann über den Ausgang absolut klar. So lange nicht alle Maßregeln getroffen sind, die Wohnung loszuwerden, kann von uns nichts geschehen und müssen wir kommen lassen was kommen wird. Es wird auf keine Art möglich sein, Dich bis zum Hauptmann 1. Kl[asse] zu halten, es sei denn, daß Du mit 3 000 (nicht: 3 600) M. auskommst. Denn Alfred ist auch nicht jedes Jahr Dekan.6 Du wirst nun bald 37e Jahref. In 4 – 4 1/2 Jahren bist Du 41. Nach den Dir bekannten Veröffentlichungen der Handelskammern (die wir Mama schicken) wird nach dem 45. Jahr überhaupt kein Offizier mehr in der Industrie angestellt. Jeder weiß, daß schon das 40. Jahr die Sache sehr erschwert. Es ist also höchste Zeit, etwas zu thun. Es ist gdie einfacheg Frage: ob Du die Kraft und den Schwung findest, jetzt h die Consequenzen zu ziehen und Deine Existenz auf eigne Füße zu stellen, so, daß Du in einem Jahre die Zivilstellung hast. Aber cdiese

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c sie > diese Wohnung d Unsichere Lesung. > die einfache h

e 47 > 37

f O: Jahr

g eine

4 Gemeint ist wohl das Erbe aus dem Nachlaß von Ottilie Weber. 5 Ottilie Weber war am 20. Oktober 1912 gestorben und hatte allen Nichten und Neffen einen Betrag von 3 000 Mark vermacht. 6 Alfred Weber war von 1912 bis 1913 Dekan der Philosophischen Fakultät und erhielt zu seinem Grundgehalt von 5 600 M am 1. Oktober 1912 eine Zulage von 300 M (UA Heidelberg, PA Alfred Weber 6245).

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das sind in der That Deine Privatangelegenheiten, in die sich Niemand mischt. Dagegen die Schaffung der Garantie, daß die Familie nicht mehr in Anspruch genommen wird und also der völlige Wechsel Eurer Lebenshaltung – denn Du rechnest ja viel zu günstig: das Pferd kostet doch Futter und auch sonst entstehen 앚:neue:앚 Nebenkosten – ist eine Sache, die Du nicht als eine Privatangelegenheit ansehen kannst, nach Allem Geschehenen. Ich bitte Dich sehr dringend: ziehe endlich die Consequenzen. Herzliche Grüße! Max

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Franz Boese 5. August 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 174 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Drucklegung von Manuskripten, die der geplanten Werturteilsdiskussion in einer Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik als Grundlage dienen sollten; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert vom 7. Februar 1913, oben, S. 83 f.

Heidelberg 5/8 13 Verehrtester Herr Doktor!

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Ich schreibe eben die Thesen nieder.1 Sie erhalten sie dann gleich. Ist die Druckzeit dann schon um, so muß ich sie anderweit publizieren. Mit bester Empfehlung Ihr sehr ergebenster Max Weber

1 Sein Manuskript hat Weber an Boese am 14. August 1913 übersandt; vgl. dazu das Begleitschreiben vom gleichen Tage, unten, S. 311. Der Artikel ist erschienen in der Broschüre: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o. O. 1913, S. 83 – 120 (MWG I/12), sowie in veränderter und überarbeiteter Form unter dem Titel: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12).

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Karl Loewenstein 5. August 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Amherst College Library, Nl. Karl Loewenstein Der folgende Brief steht in Zusammenhang mit Karl Loewensteins Bitte, Max Weber möge in München vor dem Sozialwissenschaftlichen Verein, dessen damaliger Vorsitzender Loewenstein war, einen Vortrag halten; vgl. dazu Karte und Brief an Loewenstein vom 9. August und 29. Dezember 1913, unten, S. 302 und 444. Der Vortrag Webers ist nicht zustande gekommen.

Heidelberg 5/8 13 Lieber Herr Löwenstein! Es wäre möglich, daß ich in der zweiten Hälfte des Winters in München einen Vortrag hielte. Aber es wäre mir sehr wenig angenehm, mich jetzt binden zu müssen. Denn ich habe feste Termin-Arbeiten zu erledigen, die mich bis zur Erschöpfung aller Kräfte in Anspruch nehmen.1 Eventuell also: nach Neujahr, 1. – 2. Januarwoche. Leider kommen wir – wegen jener erschöpfenden Arbeit, – dies Jahr nicht nach München. Aber, denke ich, nächsten Sommer. Bitte empfehlen Sie uns doch Ihren Eltern2 in dankbarer Erinnerung an die freundliche Aufnahme im vorigen August! Mit bester Empfehlung Ihr ergebenster Max Weber P.S. Eben fällt mir ein, daß ich Sie um eine große Gefälligkeit bitten könnte. Würden Sie mir wohl einen Rechtsanwalt in München bezeichnen können?3 Es handelt sich um eine ganz einfache Angelegenheit (Civilprozeß um 3 Mk!) eines Collegen 앚:(Tröltsch):앚,4 die nur „aus Prinzip“ durchgefochten werden muß, juristisch so simpel wie nur möglich. Vielen Dank im voraus! Meine Frau grüßt bestens.

1 Dies bezieht sich auf Webers Redaktionstätigkeit für den GdS sowie auf die Fertigstellung seines eigenen Beitrags über „Wirtschaft und Gesellschaft“. 2 D. h. Otto und Mathilde Loewenstein. 3 Wie der folgenden Karte an Loewenstein vom 9. Aug. 1913, unten, S. 302, zu entnehmen ist, hat dieser in seiner Antwort Heinrich Rheinstrom empfohlen. 4 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden.

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Edgar Jaffé PSt 8. August 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Privatbesitz Der Sachverhalt ist erschlossen aus einem Brief Jaffés an Werner Sombart vom 6. August 1913 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 257 – 258). Darin hatte Jaffé von einer Anfrage Julius Wolfs berichtet, ob ihm eine Entgegnung auf eine Rezension von Siegfried Budge ermöglicht werden könne. Budge hatte in seinem Beitrag: Der Geburtenrückgang, erschienen in: AfSSp, Bd. 36, Heft 2, 1913, S. 594 – 613, kritisch zu dem Buch von Julius Wolf, Der Geburtenrückgang, die Rationalisierung des Sexuallebens in unserer Zeit. – Jena: Gustav Fischer 1912, Stellung genommen. Jaffés Vorschlag an Sombart ging dahin, eine Replik Wolfs im AfSSp zu veröffentlichen, allerdings unter Beifügung einer readaktionellen Notiz des Wortlauts: „man habe diesen Beitrag auf speziellen Wunsch des Autors akzeptiert (da es sich um eine rein wissenschaftliche Frage handele) trotzdem der Autor nicht zu dem Mitarbeiterkreise des Archivs gehöre und auf sozialpolitisch entgegen gesetzten Standpunkt wie dieses stehe.“ Eine Äußerung Sombarts ist nicht überliefert, jedoch dürfte er wie Weber reagiert haben. Eine redaktionelle Notiz ist unterblieben. Die Replik Julius Wolfs ist erschienen unter dem Titel: Die letzten Ursachen des Geburtenrückgangs unserer Tage, in: AfSSp, Bd. 37, Heft 3, 1913, S. 919 – 929.

Lieber Jaffé!

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M. E. muß diea Entgegnung unbedingt ohne jeden Vorbehalt und ohne jede Anmerkung gebracht werden. Ich bin entschieden gegen den Zusatz und für die Aufnahme. Besten Gruß Max Weber

a Alternative Lesung: eine

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Karl Jaspers 8. August 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers Der Brief steht in Zusammenhang mit dem Habilitationsverfahren von Karl Jaspers für das Fach Psychologie in der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 264.

Heidelberg 8/8 13 Ich schicke den Brief an Ihre hiesige Adresse, da Sie vielleicht nicht mehr in Hannover sind.

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Lieber Herr Doktor! Ich muß Ihre Habilitation für völlig gesichert halten, nach der Stimmunga der maßgebenden Fakultätsmitglieder, namentlich auch Gotheins, der in der vorigen Sitzung nicht da war. Was einige Mitglieder vielleicht 앚:aus äußeren Gründen:앚 wünschen werden, ist, daß sie 앚:formell:앚 gleichzeitig mit der Erledigung der andren Frage1 – aber: ganz unabhängig von der Art der Erledigung derselben – bzur Erledigung gelange.b Da diese Erledigung (nach Ansicht meines Bruders)2 spätestens im November erfolgen muß, so steht fest, daß Sie vor Weihnachten und vor Feststellung des Sommerkatalogs jedenfalls habilitiert sein werden. Denn auch jene Mitglieder sind der Ansicht, daß [man]c, falls wider Erwarten die andre Frage bis dahin nicht erledigt sein sollte, Ihnen nicht zumuthen darf 앚: und will,:앚 länger zu warten. Rein formell sind Sie, nach dem vorliegenden Beschluß der Fakultät, nicht einmal verpflichtet, sich auch nur diese Verzögerung, – die aber wahrscheinlich keine vitalen Interessen Ihrerseits berührt, – gefallen zu lasa Alternative Lesung: Meinung

b erfolge. > zur Erledigung gelange.

c Lochung.

1 Gemeint ist die Frage nach der Berufung des Basler Privatdozenten Paul Häberlin auf ein zukünftiges Extraordinariat für Psychologie und Pädagogik; vgl. dazu den Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1. 2 D. h. Alfred Weber.

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sen und z. B. Windelband wird dies (ebensowenig wie Andre) von Ihnen „verlangen“. Möglich ist, wie gesagt, nur, daß Ihnen ein entsprechender „Wunsch“ 앚:als von dem Einen oder Andren vorgebracht,:앚 geäußert wird, von dem ich meinerseits glauben möchte, daß Sie ihn schließlich erfüllen können. dDie Umhabilitierung des Herrn Dr Häberlin – wenn man bei diesem Modus der Deckung des Bedürfnisses nach einem „Pädagogiker“ (es ist nämlich sonst anscheinend kein wirklich ganz verläßlicher Mann aufzutreiben) ebleibt –e macht Schwierigkeiten wesentlich deshalb, weil einerseits keine wissenschaftliche „Bewährung“ speziell auf dem Gebiet der Psychologie von ihm vorliegt, also ein Grundsatz akademischer Stellen- (bzw. Lehrauftrags-)Vergebung verletzt wird, den man sehr ungern verletzt, andrerseits ein Lehrauftrag nur für Pädagogikd (wo, bei der Art der Aufgaben, die Lehrqualifikation entscheiden könnte) nicht mit den Intentionen des Ministeriums harmoniert und auch in der Fakultät auf Bedenken stößt. Man möchte diese etwas heiklen Fragen noch einmal gründlich erörtern. Wie gesagt: wie auch die schließliche Entscheidung darüber fällt, – Ihre Habilitation erfährt von keiner einzigen Seite Anfechtung (von verschiedenen sonst oft sehr auseinandergehenden Seiten dagegen energische Unterstützung) und ich h[al]tef sie für durchaus gesichert, nachdem ich mich darüber bei dem Dekan (meinem Bruder)3 informiert habe. Es kann sich nur um wenige Wochen Verzögerung handeln, die einige Herren für die formale Erledigung gern sehen würden. Mit herzlichem Gruß Max Weber Gruhle habe ich nahegelegt, sich doch auch noch in der Philosoph[ischen] Fakultät zu habilitieren.4 Darüber habe ich aber mit noch Niemand geredet. Es empfiehlt sich für ihn aus formalen Gründen u. ich kann nicht annehmen, daß es Schwierigkeiten macht. – Über Ihr Buch5 demnächst! Ich bin z. Z. sehr belastet. d – d Vertikaler Strich mit eigenhändiger Randbemerkung Max Webers: dies vertraulich! f Lochung. e O: bleibt) 3 D. h. Alfred Weber. 4 Brief an Hans W. Gruhle vom 28. Juli 1913, oben, S. 285 – 287. 5 Gemeint ist: Jaspers, Karl, Allgemeine Psychopathologie. – Berlin: Julius Springer 1913.

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Karl Loewenstein PSt 9. August 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Amherst College Library, Nl. Karl Loewenstein

Lieber Herr Löwenstein! Anf[ang] Oktober sind wir in Rom (bis gegen Ende). Vielen Dank für Ihre interessanten Mitteilungen, auch über den mir noch ganz unbekannten Componisten. Den Namen des Rechtsanwalts lese ich doch richtig: Dr H[einrich] Rheinstrom (Kaufinger Str. 34)?1 Bejahenden Falles ist Antwort unnötig. Über „Musiksoziologie“ werde ich kaum sprechen,2 das ist Alles zurückgestellt. Sondern 앚:ev.:앚 über „Soziologie des Gottesgnadentums“ (klingt sehr politisch bedenklich, ist es aber nicht)a. Nochmals besten Dank und viele Grüße! Ihr Max Weber

a Klammer fehlt in O. 1 Zum Grund von Webers Frage nach einem Münchner Rechtsanwalt vgl. seinen Brief an Loewenstein vom 5. Aug. 1913, oben, S. 298. 2 Es geht hierbei um einen Vortrag vor der Sozialwissenschaftlichen Vereinigung in München, deren damaliger Vorsitzender Karl Loewenstein war. Der Vortrag ist nicht zustande gekommen; vgl. dazu den Brief Webers an Loewenstein vom 29. Dez. 1913, unten, S. 444.

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Johann Plenge [11]. August 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Zweite Ziffer des Tagesdatums nicht gesicherte Lesung.

Heidelberg 11a/8 13 Lieber Herr Kollege, –

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mit herzlicher Freude erhielt ich die Nachricht von Ihrer Verlobung1 und sende Ihnen die aufrichtigsten Glückwünsche. Dies sicherlich höchst strapazante Semester mit so zu sagen doppeltem Wohnsitz, wöchentlichen Eisenbahnfahrten und ungeregelter Lage ist nun zu Ende und Sie werden hoffentlich nun Ihres Lebens in jeder Hinsicht „froh“ werden können. Mich würde interessieren, gelegentlich zu erfahren, ob Ihre Braut mit dem sehr bekannten Juristen gleichen Namens2 verwandt ist und etwa auch mit Frau Dr R[udolf] Stratz geb. Mittelstädt (als Fräulein Annie Mittelstädt früher hier Studentin3 und meiner Frau persönlich bekannt)? Und ich hoffe immer, daß Ihre Wege Sie, und dann auch Ihre Braut bzw. dann wohl schon: Gattin, einmal wieder persönlich nach Heidelberg führen möchten. Nach Westfalen komme ich stets nur zu Zeiten, wo Sie vermutlich in der Ferienerholung sind, außerdem auch nicht grade in die Münster’sche Gegend. Ich habe noch nicht gehört, wie es Ihnen vorläufig in Münster behagt? – Ich habe Ihnen nun nochmals herzlich für Ihre freundliche Widmung in Ihrem Buch zu danken,4 dessen Lektüre ich s. Z. an der Hand a Alternative Lesung: 16 1 Plenge hatte am 6. August 1913 Eva Mittelstaedt geheiratet; Weber korrigiert seinen Irrtum mit der Karte vom 20. Aug. 1913, unten, S. 316. Die Frau Plenges war die Tochter des Rittmeisters und Gutsbesitzers Hermann Mittelstaedt. 2 Gemeint ist der frühere Reichsgerichtsrat in Leipzig, Otto Mittelstädt. 3 Eine Studentin mit dem Namen Annie Mittelstaedt – in den Immatrikulationsakten des UA Heidelberg nicht nachgewiesen – ist in Heidelberg im Jahre 1903 bei dem Historiker Erich Marcks promoviert worden. Sie war verheiratet mit dem Schriftsteller Rudolf Stratz und nicht verwandt mit der Frau von Johann Plenge. 4 Plenge, Johann, Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt. – Berlin: Julius Springer 1913, mit der gedruckten Widmung: „Max Weber als Abschlagszahlung auf eine größere Schuld“.

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der Correkturen begann,5 aber erst jetzt fortsetzen konnte. Wenn ich von dem hochaktuellen Inhalt der Arbeit einmal ganz absehe, so erfreute mich die Übereinstimmung gewisser allgemeiner Grundüberzeugungen und zwar besonders da, wo sie – wie mehrfach – in ganz beiläufigen Bemerkungen in einer Formulierung hervortritt, die ich für besser und klarer halten muß, als das, was ich meinerseits darüber zu sagen die Absicht hatte. So ganz besonders z. B. die nur beiläufige Bemerkung über die politischen Zusammenhänge des Kapitalismus6 – einige Studien (d. h. Litteraturstudien) über die chinesische Entwicklung im Vergleich mit der des römischen Weltreichs hatten auch mir die Überzeugung von der Bedeutung der „Weltreiche“ (im alten Sinn: der orbis-terrarum-Reiche, in denen die Concurrenz der politischen Einheiten ausgeschaltet ist) für die Domestikation des Kapitals und dessen Ausschaltung verschafft und es freut mich, bei dem – beiläufigen – demnächstigen Hinweis auf diese Sachverhalte nun auf Sie verweisen zu können.7 Ebenso stimme ich natürlich Allem zu, was Sie über den Sozialismus sagen.8 Und ebenso 앚:steht es:앚 mit allen andren „Hintergründen“ und Voraussetzungen allgemeiner Art, die man in Ihren Darlegungen an den verschiedensten Stellen findet. – Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß Sie nach Vollendung Ihrer jet-

5 Vgl. dazu den Brief an Plenge vom 22. März 1913, oben, S. 137. 6 Plenge (wie Anm. 4), S. 28: „Dem Kapitalismus ist der nationale Gegensatz genau so wesentlich wie der internationale Zusammenhang. Kapitalismus ist nicht auf den einheitlich beherrschten Friedensinseln der Weltgeschichte entstanden. Keines der großen Reiche der Mitte, die eine ganze Kultur zusammenfaßten, weder China noch das kaiserliche Rom ist zum Kapitalismus fortgeschritten.“ 7 Vgl. dazu Webers Hinweis in: Wirtschaft und Gesellschaft, erschienen in: GdS, Abt. III. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 96 (MWG I/23), daß die „Konkurrenz der Staaten untereinander um die Macht“ und die daraus resultierende „Konkurrenz um das – zwischen ihnen freizügige – Kapital“ mit der Entstehung der Einheitsreiche, wie China und Spätrom, geendet habe: „Dieser Gesichtspunkt ist, soviel ich mich entsinne, bisher am deutlichsten von J[ohann] Plenge (Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt, Berlin 1913) beachtet.“ 8 Plenge (wie Anm. 4), S. 47f.: „Es ist üblich geworden, in Erinnerung an die straffe Regulierung des Wirtschaftslebens durch den alten Staat von ihr als von ‚Neomerkantilismus‘ zu sprechen. Andere ziehen die Bezeichnung ‚Sozialismus‘ vor, um das Kind beim rechten Namen zu nennen. Damit meint man folgenden Kontrast. Während die agitatorische Phrase in der Presse und in der Volksversammlung Wunderdinge von einem geträumten Sozialismus verheißt, rückt das harte Gebilde der ganz anders gearteten ‚sozialistischen‘ Wirklichkeit näher und näher, und die entscheidenden Fortschritte werden kaum bemerkt. In diesen Zusammenhang gehört der Versuch, der Reichsbank die Herrschaft über den Geldmarkt zu gewinnen.“

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zigen Arbeiten zu Ihrer „Stufentheorie“ gelangen.9 Meine persönlichen Ansichten über diesen Punkt sind z. Z. in starkem Wandel begriffen und – nachdem Bücher mich im Stich gelassen hat, denn was er lieferte, taugt nichts10 – werde ich frühestens bei einer etwaigen Neuauflage des „Handbuchs“ in der Lage sein, zu meinem Teil etwas zu diesem Problem beizutragen, würde aber es lieber sehen, wenn Sie es thäten. Diesmal bietet mein Artikel „Wirtschaft und Gesellschaft“ ganz andre Dinge als „Wirtschaftsstufen“. Die Arbeitskraft langt z. Z. nicht. Von den „Thesen“ Ihrer Schrift scheint mir zunächst – immer vorbehaltlich einer nochmaligen gründlichen Lektüre, ich hoffe auf der Reise im September in der Erholung – die Charakterisierung der Lage und Problematik der Reichsbank, der Sache und den Personen nach, durchaus überzeugend11 und ich verstehe die Versteckspielerei der Herrn nur aus – begreiflichen – taktischen 앚:und persönlichen:앚 Gründen.12 Ebenso ist die ungeheure symptomatische Bedeutung der Versuche zu einer Geldmarkt-Organisation auf das Glücklichste von 9 Plenge hatte in seinem auf Anforderung von Julius Wolf für Breslau geschriebenen Lebenslauf vom 29. Jan. 1913 darauf hingewiesen, daß er im Sommer 1911 anläßlich seiner „Vorlesung über Kapital und Kapitalismus zuerst eine Neudarstellung der Stufentheorie flüchtig skizziert und diese Anfänge in den Herbstferien desselben Jahres wesentlich [habe] ausbauen können.“ (SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück, Fasz. Johann Plenge, Bl. 14 – 25). Weber kannte den Lebenslauf, da er dem Brief Plenges vom 30. Jan. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge) als Anlage beigefügt war. 10 Gemeint ist: Bücher, Entwicklungsstufen. 11 Weber bezieht sich auf Plenges Darstellung des Funktionswandels der Reichsbank: Gegründet 1875 unter dem Leitbild der liberal-individualistischen Wirtschaftsordnung, befinde sich die Reichsbank nunmehr „aus dem Geist des organisierten Hochkapitalismus erneuert“ (wie Anm. 4), S. 47, – bedingt durch die wachsende Krisenanfälligkeit des Geld- und Kreditwesens, insbesondere seit der Marokkokrise von 1911 – auf dem Wege „von der bloßen Diskontpolitik zur organisatorischen Beherrschung des Geldmarktes“, ebd., S. 49. Indizien dafür seien die Reformvorschläge der Reichsbank von 1912, denen zufolge die Kreditbanken ihre Kassenreserven erhöhen und den dadurch entstehenden Gewinnausfall durch ein sogenanntes Konditionenkartell der Kreditinstitute austarieren sollten, wobei – so Plenge – jedoch die Frage offenbleibe, ob Zentralbank oder Bankkartell den Geldmarkt letztlich beherrschen werde. Bedenklich an diesen „Anregungen“, ebd., S. 51, sei, daß dies auf ein „wirtschaftliches Verfassungswerk unter der Hand“, ebd., S. 52, d. h. ohne parlamentarische Kontrolle, hinauslaufe. Als Hauptproblem diagnostiziert Plenge die volkswirtschaftlich äußerst schädliche, wachsende Vermengung von Geldverwaltung und Kreditvergabe mit der Tendenz fortschreitender Liquiditätseinbuße. 12 Dies bezieht sich auf die vierteilige Artikelfolge des Geheimen Ober-Finanzrats und Mitglieds des Reichsbank-Direktoriums Karl v. Lumm, erschienen unter dem Titel: Diskontpolitik, in: Bank-Archiv, Jg. 11, Nr. 9 vom 1. Febr. 1912, S. 129 – 136, Nr. 10 vom 15. Febr. 1912, S. 145 – 150, Nr. 11 vom 1. März 1912, S. 162 – 167, sowie Nr. 12 vom 15. März 1912, S. 179 – 187, mit der sich Plenge kritisch auseinandergesetzt hatte und

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Ihnen veranschaulicht13 und zwar m.W. überhaupt nur von Ihnen in diesen allein zutreffenden Zusammenhang gestellt. Könnte man nichts Weiteres von Ihrer Schrift 앚:bzw. den ihr vorangehenden, in sie hineingearbeiteten Aufsätzen:앚14 sagen, so wäre schon dies nicht wenig. Ausdrücklich möchte ich aber hinzufügen, daß mir (prima vista) Alles, was in Abschnitt I, II 1, 2, III, 1 – 415 gesagt ist, in höchstem Grade überzeugend gewesen ist, daß ich bezüglich III, d[,] 516 und ebenso auch III, 3, c,17 also freilich besonders wichtigen Partien, mir dessen Verfasser er – wie der Reichsbank überhaupt – vorgeworfen hatte, das Problem mangelnder Liquidität nur bei den privaten Kreditbanken ausgemacht zu haben unter der Devise: „macht eure Fehler wieder gut, damit ich unter meinen Fehlern nicht mehr leide: eure Sünden sollen meine wett machen.“ Plenge (wie Anm. 4), S. 113; vgl. dazu auch ebd., S. 72f. 13 Plenge (wie Anm. 4), S. 49f.: „Was den Vätern des Bankgesetzes unerhört gewesen wäre, erscheint uns beinahe selbstverständlich. Wir sind es gewohnt, daß die Macht über den Markt gebraucht wird, um in den Geschäftsbetrieb der Abnehmer reglementierend einzugreifen. Das tut das Kohlensyndikat, das tut der Stahlwerksverband, und wenn es jetzt auch die Reichsbank tut, so lernt sie nur die Methoden einer Abnehmer- und Konkurrenzpolitik anwenden, die üblich geworden sind. Es ist überhaupt für die ganze Frage der Diskontpolitik sehr klärend, wenn man sich deutlich macht, daß die Zentralbank unter höchst eigenartigen Marktbedingungen das aus gemeinwirtschaftlichem Geiste zu tun sucht, was die Kartelle und Trusts in ihrem Wirtschaftsgebiet aus privatwirtschaftlichem Geiste tun, Preisregulierung und Marktbeherrschung.“ 14 Plenge, Johann, Von der Diskontpolitik zur Beherrschung des Geldmarktes, I – III, erschienen in: Bank-Archiv, Jg. 11, Nr. 14 vom 15. April 1912, S. 219 – 226, Nr. 15 vom 1. Mai 1912, S. 242 – 246, sowie Nr. 16 vom 15. Mai 1912, S. 251 – 261. Die Artikelfolge bricht hier ab, ohne fortgesetzt zu werden, da Plenge Pressionen von seiten der Redaktion des Bank-Archivs ausgesetzt war, denen er nicht nachgab, und auf eine weitere Publikation im Bank-Archiv verzichtete; zu diesem Konflikt vgl. Plenges Darstellung und Dokumentation (wie Anm. 4), S. V – XV. 15 Plenge (wie Anm. 4): Kapitel I ist betitelt: Ein Wendepunkt in der Geschichte der Reichsbank, ebd., S. 44 – 73; Kapitel II lautet: Der ungenügende Goldbestand der Reichsbank, mit den Abschnitten 1 und 2: Die Entstehung, ebd., S. 74 – 105, und: Die Beseitigung, ebd., S. 106 – 161; Kapitel III: Wirkliche und eingebildete Gefahren außerhalb der Reichsbank, mit dem Abschnitt 1: Weitere Probleme der Diagnose, ebd., S. 162 – 165; Abschnitt 2: Quartalsanspannung und Börsenspekulation. Ein Symptom und eine überschätzte Komplikation, ebd., S. 165 – 181; Abschnitt 3: Der organische Gegensatz im Mittelpunkt des Geld- und Kreditsystems, ebd., S. 181 – 205, sowie Abschnitt 4: Die ungenügende Liquidität der deutschen Volkswirtschaft neben der Reichsbank, ebd., S. 205 – 255. 16 Plenge (wie Anm.4): Gemeint ist – die Kapiteleinteilung Plenges ist etwas unübersichtlich – III, 4, d, 5: d. h. der Abschnitt 5 zum Unterkapitel d: Die Kreditüberspannung, betitelt: Die Theorie von der unzulässigen Verwandlung von Umlaufskapital in Anlagekapital im besonderen, ebd., S. 218 – 228. 17 Plenge (wie Anm.4): Der Abschnitt III, 3, c behandelt das Thema: Zentralbank und Geldmarkt, Banksatz und Privatsatz, ebd., S. 181 – 205.

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nicht die nötige Kenntnis des Thatsachenmaterials zuschreiben darf, um eigentlich mitzureden und mich auf ein nochmaliges eingehendes Studium 앚:grade:앚 dieser Partien 앚:des Buchs:앚 freue. Die allgemeine Erklärung der Illiquidität unserer Volkswirtschaft, von der Sie ausgehen,18 überzeugt natürlich absolut, man kann sie mit Händen greifen. Bezüglich Ihrer zu Grunde liegenden Conjunkturenlehre lassen Sie mir Zeit, sie, nachdem sie in extenso bzw. im Aufriß vorliegt, eingehend zu durchdenken. Hier ist ja z. Z. in unserer Disziplin einfach „Wüste“. Sehr stark wirkt natürlich Abschnitt IV,19 das bedarf keiner weiteren Erörterung. – Das praktische Postulat – bzw. dieb 앚:beiden:앚 wichtigsten unter den verschiedenen praktischen Postulaten: – 1) Vervielfältigung des Goldbestandes und 앚:also:앚 Entgoldung des Verkehrs 2) Bescheidung der Reichsbank auf die dadurch gegebene Rolle und Aufgabe der – wie Ihrec Darlegungen in Übereinstimmung mit der Art und Weise der 앚:eignen:앚 Haltung der leitendend Herrn selbst zeigen – mehr zufällig, aus der Noth heraus, erwachsenen Herrschaftsprätensionen, muß man von den verschiedensten Standpunkten aus unterschreiben und sie sind durch Ihre Darleg[ungen]e so wirksam gestützt, wie niemals zuvor, vor Allem aus einer wirklich einheitlichen Anschauung heraus. Ich kann mir nicht denken, daß das wirkungslos bleibt und halte die Gegenäußerungen für eine Rückzugskanonade.20

b das > die

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d Alternative Lesung: bekannten

e Lochung.

18 Nach Plenge ist das Problem der Illiquidität der deutschen Wirtschaftsorganisation weniger ein Problem der Kreditüberspannung, sondern vielmehr eines der Kassenüberlastung, letzteres besonders gravierend durch die Degeneration des Einreservesystems, d. h. der Institution: zentrale Bank mit zentralem Geldschatz in der Kombination: kleine Zentralbankkasse und kleine Kreditkassen: „Diese eigentliche Entartung des Einreservesystems haben wir in Deutschland. So umständliche Erörterungen darüber notwendig waren, ob wir in Deutschland tatsächlich eine Kreditüberspannung haben [...]: so einfach ist die Frage der Kassenüberlastung, ob das Deckungsverhältnis der Hauptglieder unseres Banksystems genügt. Die Hauptfrage ist schon entschieden. Die Kasse unserer Zentralbank ist viel zu klein. Denn das ist und bleibt die Hauptfrage bei diesem ganzen Problem der ungenügenden Liquidität unserer Bankkassen. Wären die Kassen unserer Kreditbanken auch reichlich groß, wir hätten gleichwohl eine gefährliche Kassenüberlastung unseres Einreservesystems, weil man die Zentralreserve hat zu niedrig werden lassen.“ Wie Anm. 4, S. 238. 19 Plenge (wie Anm. 4): Das Kapitel IV behandelt das Thema Kriegswirtschaft: Krieg und Panik, ebd., S. 273 – 346. 20 Gemeint ist die Replik von Walter Conrad auf Plenges vorhergehende gleichlautende Artikelserie: Von der Diskontpolitik zur Beherrschung des Geldmarktes. Eine Erwiderung, in: Bank-Archiv, Jg. 11, Nr. 21 vom 1. Aug. 1912, S. 331 – 340.

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Über die von Ihnen vorgeschlagenen Wege21 fehlt mir bei No 1 (oben) z.T. die Sachkunde. Es scheint mir 앚:übrigens:앚 bezeichnend, daß grade jenes Postulat (No 1) z. Z. auf der allerverschiedensten theoretischen Basis – denn worauf läuft praktisch Knapp’s ganze Arbeit22 sonst hinaus? – auch sonst die Köpfe zu beherrschen begonnen hat, ohne bisher auf die ihm allein adäquate Grundlage gestellt worden zu sein. – – Und nun schließlich ein Einzelpunkt, in dem ich mit Ihnen nicht übereinstimme. Er ist persönlicher Art und betrifft die Anmerkung über Schumacher.23 Nicht nur ich, sondern auch Andre sind der Ansicht gewesen und sind es noch, daß Sch[umacher] 1) wissenschaftlich gegen Sie im Unrecht war, – 2) daß er ferner insofern im Unrecht war, 21 Zur Verbesserung des Deckungsverhältnisses zwischen Notenumlauf und zentralem Goldbestand hatte Plenge die „Krediteinschränkung der Reichsbank selbst, volle Benutzung der Notenvermehrung zur Vermehrung des Metallbestandes“ sowie „möglichste Steigerung der Giroguthaben zu demselben Zwecke“ vorgeschlagen. Wie Anm. 4, S. 106. 22 Weber bezieht sich hier auf das für ihn grundlegende Werk von Georg Friedrich Knapp, Staatliche Theorie des Geldes. – Leipzig: Duncker & Humblot 1905; vgl. dazu Webers „Exkurs über die staatliche Theorie des Geldes“, in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft, in: GdS, Abt. III. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 109 – 113 (MWG I/23). 23 Plenge hatte in einem Teil des Anhangs zu seinem Buch (wie Anm. 4), S. 410 – 424, die Dokumente einer früheren Kontroverse mit Hermann Schumacher abgedruckt: Seine Rezension von Schumachers „Die Ursachen der Geldkrisis“, ebd., S. 410 – 413, die „Erwiderung“ Schumachers, ebd., S.413 – 418, sowie Plenges „Antwort auf die Erwiderung“, ebd., S. 418 – 424. (Die Auseinandersetzung war ursprünglich in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft ausgetragen worden: a) Plenges Rezension von Hermann Schumachers Vortrag, Die Ursachen der Geldkrisis von 1907, ebd., Jg. 64, 1908, S. 562 – 567, b) die Gegendarstellung Schumachers: Zur Frage der amerikanischen Geldkrisis. Erwiderung, ebd., S. 781 – 787, und c) seine (d. h. Plenges): Antwort auf die Erwiderung, ebd., S. 787 – 794.) In einem Schlußabschnitt zur Dokumentation über diese Kontroverse, überschrieben: „Ergebnis der Diskussion nach Schumacher“, hatte Plenge (wie Anm. 4), S. 424, aus Schumachers wieder abgedrucktem Vortrag über die Ursachen der Geldkrisis von 1907, erschienen in: ders., Weltwirtschaftliche Studien. Vorträge und Aufsätze. – Leipzig: Veit & Comp. 1911, S. 1 – 45, dessen den Abdruck rechtfertigende Anmerkung zitiert, welche mit der Erklärung endete: „Hat es auch natürlich an anderer Auffassung nicht ganz gefehlt, so ist die Darstellung doch in allen wesentlichen Grundlinien durch die späteren Veröffentlichungen bestätigt worden.“ Plenge (wie Anm. 4), S. 424. (Das Zitat aus Schumacher findet sich bei Schumacher, Weltwirtschaftliche Studien, S. 1, Anm. 1.) Daran anschließend hatte Plenge seinen Schlußkommentar zu seiner Kontroverse mit Schumacher folgen lassen: „Der wörtliche Wiederabdruck unserer Diskussion ist der beste Kommentar zu dieser wissenschaftlichen Unwahrhaftigkeit. Es ist weder richtig, daß Sch[umacher] die Ereignisse genau verfolgt hat, noch daß seine Darstellung in allen wesentlichen Punkten bestätigt worden ist, vielmehr ist in jeder Hinsicht das gerade Gegenteil wahr.“ Ebd., S. 424.

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als er auf eine rein sachliche, höfliche, ganz offensichtlich jede Kränkung vermeidende Rezension in verletzender (weil verletzter) Art antwortete. Dazu hatte er damals wirklich gar keinen Anlaß und man mußte Ihnen dankbar sein, daß Sie nicht ebenso Ihrerseits erwiderten. Es ist auch eine Täuschung – Selbsttäuschung – Sch[umacher]’s, wenn er den Neuabdruck seines Aufsatzesf mit der Bemerkung begleitet: es habe „nicht ganz“ an Widerspruch gefehlt. Das „ganz“ ist objektiv zu viel, denn Ihr Angriff war objektiv sehr wuchtigg und hat Eindruck gemacht und hätte – objektiv – auch Sch[umacher] als mehr erscheinen müssen, als jene Wendung zum Ausdruck bringt. Aber Sch[umacher] ist zweifellos noch jetzt 앚:subjektiv:앚 von seinem Recht ganz überzeugt und auch davon, daß Andreh ihm Recht geben. Sonst hätte er doch den Artikel nicht abermals so abgedruckt, – die einfachste Klugheit hätte es verboten. Natürlich, daß Sie Ihrerseits nun jenen Sch[umacher]’schen Standpunkt nicht gelten lassen und dies auch zum Ausdruck bringen. Aber was mir doch sehr leid thut, ist: daß Sie da „Unwahrhaftigkeit“ sehen, wo Sie doch nur „Selbsttäuschung“ sehen dürften. Ich glaube Sch[umacher] so weit zu kennen, um ganz bestimmt sagen zu können: er ist eine zu sensible, mir persönlich weit weniger congeniale Natur als Sie, – aber er „lügt“ nicht. Und so wird man wohl allgemein urteilen, auch die, welche mit ihm sehr oft nicht einverstanden waren und in dieser speziellen Sache Ihnen recht geben. Und dann: dieser infamierende Vorwurf steht in einem Werk, welches jede Bibliothek anschafft, Jedermann auch später noch lesen wird, wenn etwaige Remonstrationen Schumachers in Zeitschriften oder sonstwo Niemand zugänglich sind. Sie sind eine 앚:(heute! unter unsren Collegen!):앚 so ungewöhnlich ritterliche Natur, daß grade Ihnen dies nicht im Verhältnis zu dem Gegenstand Ihres Streits stehen kann. Schwere Erlebnisse mit einst nahestehenden Menschen haben Ihre Menschenbeurteilung sehr pessimistisch gefärbt. Aber dennoch – nicht nur darin, daß die Bemerkung an dieser Stelle steht, sondern [in]i dem ihr zu Grunde liegenden Urteil muß ich Ihnen entschieden Unrecht geben. – Ich nehme an, daß Sie ein offenes Wort ebenso vertragen, wie ich es gegebenenfalls von Ihnen annehme. Es ist herzlich gemeint! –

f Artikels > Aufsatzes

g Alternative Lesung: mächtig

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i Lochung.

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11. August 1913

Könnte ich nun wohl die vor 2 1/2 Monaten etwa versprochene Inhaltsübersicht Ihres Beitrags erhalten?24 Und haben Sie v. Schulze’s Beitrag25 gelesen? Ich hoffe herzlich, daß Ihre „Herren Nerven“ nach all den erregenden Dingen, welche Ihnen das letzte Jahr brachte, sich doch einigermaßen wieder in Ordnung befinden und schließe mit den freundschaftlichsten Wünschen für Ihr Schicksal in persönlicher und beruflicher Hinsicht. Mit herzlichen collegialen Grüßen Ihr Max Weber

24 Gemeint ist die Übersicht zu Plenges GdS-Beitrag „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“; vgl. dazu den Brief an Plenge vom 1. Mai 1913, oben, S. 216, Anm. 5. 25 D. h. das Manuskript zu dem GdS-Artikel: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank.

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14. August 1913

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Franz Boese 14. August [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 172 Das Jahresdatum ist erschlossen aus dem handschriftlichen Vermerk Boeses am Briefkopf: „Berl. 25.8.13“. Auf einer Leerseite des Briefbogens befindet sich ein aufgeklebter Posteinlieferungsschein mit den handschriftlichen Vermerken: „Beitrag von Weber, Max. E[inschreiben]. Duncker & Humblot München 25 August 3 [...]“ Der Brief steht in Zusammenhang mit der Drucklegung von Manuskripten, die der geplanten Werturteilsdiskussion in einer Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik als Grundlage dienen sollten; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert vom 7. Februar 1913, oben, S. 83 f.

Heidelberg 14/8 Sehr geehrter Herr Doktor!

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Anbei das Mscr.1 – Ich bin vom 15. IX. ab nicht hier, sondern in Italien, müßte also bitten, falls die Sache nicht jetzt gesetzt und corrigiert werden kann, eine Gelegenheit zur Angabe meiner Adressena in Siena, Perugia, Rom zu geben, eheb Correkturen abgeschickt werden. Nachsendungen verfehlen Einen allzu leicht und das wäre sehr unangenehm. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

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1 Das Manuskript liegt in gedruckter Fassung vor in: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o. O. 1913, S.83 – 120 (MWG I/12), sowie in veränderter und überarbeiteter Form unter dem Titel: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12). Zur nachträglichen Änderung eines Passus im Manuskript auf Veranlassung Gustav v. Schmollers vgl. den Brief an diesen vom 23. Okt. 1913, unten, S. 339.

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18. August 1913

Ernst J. Lesser 18. August 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig The Jewish National and University Library, Jerusalem, Autograph Collection/ Max Weber Der folgende Brief ist veranlaßt durch ein Gespräch Max Webers mit Ernst J. Lesser über den Zionismus. Den Inhalt dieser sowie einer späteren Unterhaltung aus dem Jahre 1919 zum gleichen Thema hat Lesser in einem Schreiben an Marianne Weber vom 12. Juni 1922 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 29, Bl. 6 – 9) wiedergegeben. Darin heißt es u. a.: „Das Gespräch über den Zionismus muß entweder 1912 oder 1913 stattgefunden haben. Mein Freund Julius Simon legte zunächst die realen Grundlagen der jüdischen Kolonisation in Palästina dar. Auf eine Zwischenfrage Max Webers über die Stellung zur Religion bemerkte Julius Simon, daß die Religion Privatsache sei, und daß es im Zionismus orthodoxe Parteien, gegen die Religion indifferente, und Gegner des Talmudjudentums gäbe. Die Religion sei allerdings schwer vom Nationalen zu trennen, aber die eigentliche Grundlage, auf der sich alle zionistischen Parteien träfen, sei nicht die Religion, sondern der nationale Gedanke, dessen Symbol die wieder erweckte hebräische Sprache sei. Max Weber besprach in seiner Antwort zunächst die politische Seite. Er erklärte uns zu unserer größten Verwunderung zunächst, er hielte die Aufteilung der Türkei für nahe bevorstehend. Wahrscheinlich hätten sich die Westmächte – was wir jetzt Entente nennen – über den Verteilungsplan längst geeinigt. ‚Palästina wird dann wohl einer Mittelmeermacht zufallen. Wahrscheinlich Italien, vielleicht Griechenland. Jedenfalls ist eines sicher: Deutschland wird bei dieser Teilung der Türkei nicht mitzureden haben. Die Sache ist wohl längst vertraglich geregelt. Die Mittelmeermacht, der Palästina zufallen wird, wird es selbst ausbeuten und kolonisieren wollen, und nicht Ihnen übergeben.‘ Er sagte dann weiter: [‚]Daß Sie noch einige Kolonieen in Palästina anlegen können, und daß diese florieren können, das ist natürlich sehr wohl möglich, und ich sehe keinen Grund, warum Ihnen das nicht gelingen sollte, aber damit haben Sie natürlich Ihr Ziel nicht erreicht, einer Wiedergeburt des jüdischen Volkes.[‘] [] [‚]Die Hauptsache scheint mir ‘ , fuhr er fort, [‚]es mangelt Ihnen die tragende Idee, welche die Juden[‘] (des Westens – die er allein kannte, ich glaube nicht, daß er von dem Geiste der ostjüdischen Massen eine persönliche Anschauung hatte –) [‚]veranlassen könnte, nach Palästina zu gehen und vor allem in Palästina zu bleiben. Sie werden immer wieder nach den Zentren westeuropäischer Kultur, Technik, Industrie hin gravitieren. Als Esra nach Jerusalem ging, hatte er die Thora in der Hand – und was haben Sie?‘ Ich erwiderte ihm mit dem Hinweis auf einige Worte, die er einige Tage vorher, an einem Sonntag, über den französischen Syndikalismus gesprochen hatte: Er hatte damals von der neuaufgekommenen Kampfmethode, der Sabotage[‚] gesprochen, und von wirtschaftlichen Attentaten, welche die Syndikalisten verübten, obwohl sie wüßten, daß sie damit ihrem Ziel, der gerechten Einrichtung der Wirtschaft, in keiner Weise näherkämen, also eigentlich sinnlos handelten. Aber man müßte den Mut und die Gesinnung anerkennen, welche durch die Tat und nicht durch die Phrase den Protest gegen eine Wirtschaftsordnung erkläre, in die der Einzelne unrettbar eingeschmiedet sei. Diese Rechtfertigung des Zionismus ließ er gelten. Auch 1919 im Februar etwa war er von der Undurchführbarkeit des Zionismus überzeugt. Aber damals hatte ich die Empfindung, daß ihm eine starke Abwanderung der Juden aus Deutschland unerwünscht schien[,] ich weiß nicht, ob aus politischen oder

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wirtschaftlichen Gründen, und daß ein Teil seiner Gegnerschaft daher rührte. Es war dies eine Empfindung von mir, ausgesprochen hat er etwas derartiges, soviel ich weiß, niemals.“

Heidelberg 18/8 13 Verehrtester Herr Doktor!

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Ich möchte die neuliche Unterhaltung kurz zu Ende führen. Denn sie brach grade da ab, wo die eigentliche innere Problematik des Zionismus beginnt. Ich zweifle nicht, daß es – unter günstigen Umständen – recht wohl möglich ist, in Palästina, sagen wir: 50 000, vielleicht mehr, Familienexistenzen auf kleine und mittlere Plantagen oder Bewässerungsculturen anderer Art zu setzen; eine ebenso große Zahl städtischer Kleinbürger-Existenzen zu schaffen und – die Hauptsache – Arbeiter jüdischer Nationalität aus dem Yemen und sonst heranzuziehen, für Juden und – ebenso wichtig – Araber, mit dem Effekt der Verdrängung anderer Arbeiter zu ihren Gunsten. Also eine weitgehende relative Judaisierung. Stets werden diese jüdischen Gemeinden, selbst wenn sie 1 – 11/2 Millionen Köpfe bedeuten sollten und weitgehend autonom wären, der Spielball der Launen der großen Mächte. England hat Rücksichten auf die Araber zu nehmen,1 die Türkei – angesichts der Gefahr einer koreischitischen Kaliphats-Renaissance2 (unter englischer Protektion) auch. Wie weit eine Entlastung des russischen „Ansiedlungs-Rayons“3 1 Die britische Regierung hatte in den 1880er und 90er Jahren Protektoratsverträge mit den ostarabischen Scheichtümern von Bahrain (1881), den heute so genannten Vereinigten Arabischen Emiraten (1882), Oman (1891) und Kuwait (1899) geschlossen. 2 Dem im 7. Jahrhundert in Mekka herrschenden Stamm der Quraish hatten nicht nur Muh. ammad, sondern auch seine Nachfolger, die Kalifen, angehört, so daß sich quasi gewohnheitsrechtlich mit der Zeit die Rechtsregel der sunnitischen Orthodoxie herauskristallisierte, daß der wahre Kalif, d. h. der militärische und religiöse Führer der Gesamtgemeinde, nur aus dem Stammesverband der Quraish entstammen dürfe. Nach einer Zeit der politischen Zersplitterung der muslimischen Welt, die die Degeneration des Kalifats als Institution zur Folge hatte, hatten insbesondere die osmanischen Sultane in Istanbul den universalen Charakter ihres Kalifenamts hervorgehoben, was in der Zeit der Entstehung des arabischen Nationalismus um 1870 die Idee der Neubegründung eines arabisch-quraishitischen Kalifats entstehen ließ; zum letzteren vgl. Schölch, Alexander, Der arabische Osten im neunzehnten Jahrhundert 1800 – 1914, in: Haarmann, Ulrich (Hg.), Geschichte der arabischen Welt. – München: C. H. Beck 1987, S. 365 – 431; ebd., S. 426. 3 Seit der Zeit Katharinas II. galt die Bestimmung, daß der jüdische Bevölkerungsteil sich lediglich im sog. jüdischen Ansiedlungsrayon (c˘ erta osediosti evreev) niederlas-

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damit durchgeführt wäre, – bei der Kinderzahl dort – ist, günstigstenfalls, problematisch. Aber all dies wäre gleich, wenn das Ziel, bei allem vielleicht partiell utopischen Charakter, so fungieren könnte, wie, in dem Beispiel unsrer Unterhaltung, der syndikalistische „Protest“. Allein da liegt eben doch ein Unterschied, der die Problematik kompliziert. Der Syndikalismus kann sich auf reine „Gesinnungs“-Bewährung zurückziehen, denn er trägta gar keine „Verheißung“ eines bestimmt gearteten 앚:konkreten:앚 „Erfolgs“ im Tornister. Anders das Judentum und speziell der Zionismus, der eine höchst konkrete „Verheißung“ zur inneren Voraussetzung hat. Wird eine gut rentierende Colonie, ein „autonomer“ Kleinstaat, Krankenhäuser, gute Schulen jemals als eine „Erfüllung“ und nicht vielmehr als eine Kritik jener grandiosen „Verheißungen“ wirken können? Und selbst eine Universität? – Denn deren (dem ökonomischen Ziel der Besiedelung und dadurch Entlastung gegenüber durchaus heterogener) Sinn würde doch darin liegen: daß das Würdegefühl des Judentums sich an der Existenz und demb geistigen Besitz dieser uralt heiligen Stätte in dieser Form auferbauen könnte. So wie einst die jüdische Diaspora am Makkabäerreich,1) wie das Deutschtum 앚:der Welt:앚 am Deutschen Reich, der Islam am Bestande des Khalifats. Aber Deutschland ist ein (scheinbar wenigstens) mächtiges Reich, das Khalifenreich immer noch territorial ausgedehnt, – aber: der Juden-„Staat“ günstigstenfalls heute? Und eine nur das Gleiche 앚:wie andre,:앚 wenn auch eventuell sehr gut, bietende Universität? Gewiß 앚:wäre sie:앚 wohl nicht schlechthin gleichgültig, aber doch mit dem alten Tempel c nicht zu vergleichen. 1)

nach dessen den Schweizerkriegen vergleichbarem Unabhängigkeitskrieg gegen das an Ausdehnung größte Weltreich der Seleukiden.

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c Makkabäerreich > Tempel

sen durfte. Dieser Siedlungsrayon umfaßte insbesondere das Gebiet des ehemaligen Königreichs Polen sowie weißrussische und ukrainische Departements. Nach einer zeitweisen Phase der Liberalisierung unter Zar Alexander II. war es in der Zeit Alexanders III. in der Ära Pobedonoscev zu einer äußerst rigiden judenfeindlichen Politik gekommen, die in dem 1890 in Kraft getretenen Sondergesetz gegen die Juden ihren Höhepunkt fand. Die radikale Ghettoisierung des jüdischen Bevölkerungsteils infolge des Gesetzes von 1890 hatte durch das erhebliche Bevölkerungswachstum eine wachsende Auswanderungswelle zur Konsequenz gehabt, die sich in erster Linie in die USA gerichtet hatte.

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Was fehlt denn wohl hauptsächlich? Der Tempel und der Hohepriester sind es. Gäbe es diese in Jerusalem, – Alles Andre wäre Nebensache. Gewiß verlangt der fromme Katholik 앚:auch:앚 den Kirchenstaat, sei es auch kleinster Dimension. Aber auch ohne ihn 앚:– sogar besser! –:앚 erbaut sich sein Würdegefühl daran, daß der politisch machtlose Papstd in Rom als 앚:rein:앚 geistlicher Herrscher eines Volks von 200 Millionen unendlich mehr ist als der „König“ von Italien. Dase[,] das jeder fühlt. Ein Hierarch der 12 Millionen Juden in der Welt (die das bedeuten, was nun eben doch die Juden einmal sind und bedeuten!) – Das wäre natürlich etwas, was für das Würdegefühl des Judentums („gläubig“ oder „ungläubig“, ganz einerlei) etwas wirklich Großes besagtef. Aber: wo ist Zadok’s Geschlecht?4 Oder wo ist ein xyçwmg, 5 der Das machen könnte? Wo eine Orthodoxie (auf diese käme es an), die sich einem solchen Hierarchen fügte, ihm auch nur 1/10 der Bedeutung lassen dürfte (nach dem Gesetz!), die der Papsth kraft der disciplina morum und ides Universal-Bischofs-Amtesi, weit mehr als kraft der 앚:relativ:앚 sehr gleichgültigen Infallibilität in jeder Diözese und Gemeinde ausübt? Wo die Möglichkeit, heute so etwas überhaupt zu ma, chen? – j Ioudaivoi~ me;n skavndalon, e[[dnesi de; mwrivan j 6 wie es da auch heißen müßte! Daß hier die wirklich das jüdische 앚:nationale, aber an religiöse Bedingungen fest geknüpfte:앚 Würdegefühl angehenden Werthe liegen würden, scheint mir erst an die eigentliche Problematik des Zionismus zu rühren. Beste Empfehlungen Ihnen, Ihrer lieben Frau7 und Herrn Dr Simon.8 Mit bestem Gruß Ihr Max Weber d O: Pabst e O: Daß f wäre > besagte g O: xwçwm h O: Pabst i O: , dem Universal-Bischofs-Amt j O: Ioudaivoi~ me;n skavndalon, JVEllhsi de; mwriva 4 Zadok war Hoherpriester des Jerusalemer Tempels unter Salomo gewesen. Wie er sich auf Eleasar, den einzigen überlebenden Sohn von Aaron, dem allerersten Priester der Israeliten, zurückführte, so leiteten alle Hohenpriester ihre Herkunft von Zadok ab. Bei dem Propheten des babylonischen Exils, Ezechiel, findet sich die Bestimmung, daß nur Abkömmlinge aus dem zadokidischen Geschlecht den Altardienst am Jerusalemer Tempel ausüben sollten: Ez 40,46. 5 Transliteriert: moschia, d. h. Retter. 6 1 Kor 1,23. 7 Marianne Lesser-Knapp. 8 D. h. Julius Simon.

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20. August 1913

Johann Plenge PSt 20. August 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Verehrtester Herr College, – verzeihen Sie – und Ihre verehrte Gattin –[,] daß ich eine Vermählungsanzeige für eine Verlobungsanzeige nahm1 (oder vielmehr so im Gedächtnis behielt). Sie sehen meine Präokkupiertheit 앚:durch Arbeit:앚 daran am deutlichsten! Hoffentlich können Sie mir trotz dieses argen Lapsus in absehbarer Zeit die erbetene Angabe über den Bereich 앚:der Probleme:앚, den Sie auf dem Bankgebiet Ihrerseits behandeln wollen,2 kurz mitteilen. Vor Allem: wie weit Sie, – was sehr erwünscht ist, – kurz vergleichend die großen Notenbanksysteme behandeln und wie weit darüber hinaus auch Creditbankfragen, vor Allem die Frage der Beziehungen der Notenbanken zu den Creditbanken. Dies letztere nehme ich an. Den Beitrag von v. Schulze-Gävernitz3 haben Sie ja gesehen? – Collegiale Grüße und Empfehlungen Max Weber

1 Der entsprechende Glückwunsch findet sich in dem Brief an Plenge vom 11. Aug. 1913, oben, S. 303. 2 Es geht hierbei um Abgrenzungsprobleme von dem projektierten GdS-Beitrag Plenges über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ zu dem von v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank. 3 D. h. das Manuskript von: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank.

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Helene Weber PSt 22. August 1913; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 234 – 235 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage von Arthur Weber, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 279.

Liebe Mutter, –

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ich habe Fritz R[ösing]1 nur geschrieben, daß ich Arthur zur Rückzahlung des Darlehens ein Conto eröffnet habe und daß die schwierige Situation der Familie uns veranlaßt hat, ihm zu rathen, bei gegebener Lage seinen Beruf zu wechseln, wenn er es 앚:militärisch:앚 nicht möglich machen könne, ein paara Jahre eine Art von „Junggesellendasein“ zu führen, so lange die Lage seiner Schwester2 so ist wie jetzt. Das kann nicht schaden und wenn Fr[itz] R[ösing] ihn so freundschaftlich behandelt, soll er wissen, wie es steht. – Vorerst besteht ja Artur noch immer darauf, daß Valborg3 zurückkommt und hat, scheint es, Alfred dazu gebracht, ihm den Zuschuß schon im Oktober zu zahlen, was Dein Budget wieder in Unordnung bringt. „Thaten“ sehe ich nicht[,] und nach Allem Geschehenen ist das nicht recht von Artur. Herzliche Grüße Max

a O: par 1 Ein Brief an Fritz Rösing ist nicht nachgewiesen. Arthur Weber hatte Rösing, vermutlich einem Schulfreund, über seine Lage geschrieben, über die Max Weber diesen nun zusätzlich unterrichten wollte. Schon zwischen den Eltern Rösing und Weber bestanden freundschaftliche Beziehungen aus der Zeit, zu der Johannes Rösing (1833 – 1909) Vortragender Rat im Reichskanzleramt und im Reichsamt des Innern in Berlin war. 2 Lili Schäfer hatte vier Kinder und benötigte einen Zuschuß von Helene Weber. 3 Valborg Weber, Frau von Arthur Weber, hielt sich seit längerer Zeit bei ihrer Familie in Norwegen auf.

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5. September 1913

Heinrich Rickert 5. September [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 78 – 79 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 5/9 Lieber Rickert, – ich schicke Herrn Dr Kroner also zum Termin (15.9.) seiner Rückkehr den Aufsatz,1 der fertig da liegt, in seinem ursprünglichen Teil schon seit 3/4 Jahren, jetzt durchgesehen und mit einigen „methodischen“ Bemerkungen eingeleitet, unter absoluter „Minimisierung“ jedoch alles rein Logischen. Ich schreibe nun Dr Kroner:2 da der Aufsatz wahrscheinlich etwas länger ist als erwartet – ich glaube ich schrieb: „ca 11/2“ Bogen – so möge er ihn entweder 1) ablehnen, oder 2) erst später drucken, oder 3) nur den ursprünglichen Teil drucken1), oder 4) ihn als 2 Aufsätze, den einen jetzt, den andren später einmal, drucken. (Er beträgt 51 – höchstens 53 Maschinenschriftseiten – die Unsicherheit rührt vona Streichungen und Einschiebseln bher – àb 540 – 550 Silben, also in maximo genau 40 „Logos“-cSeiten àc 720 – 730 Silben). Zum Begriff des „Autors“ gehört, daß er ein Lausbub ist, aber als selbst Mitredakteur werde ich keinenfalls Schwierigkeiten machen. An sich ist objektiv wohl das Erscheinen des Ganzen und zwar jetzt – vor den Erörterungen des V[ereins] f[ür] Sozialpolitik über die „Werturteile“3 und andren Arbeiten Anderer – das Richtige. Aber ich nehme keine

1)

er ist, etwas schwieriger, aber doch auch verständlich und nur die Abschnitt-Numerierung und wenige Worte sind zu ändern, wenn nur er gedruckt wird.

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b O: her) à

c O: Seiten (à

1 Gemeint ist Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie. 2 Korrespondenzen Webers mit Richard Kroner sind nicht nachgewiesen. 3 Die Werturteilsdiskussion fand im Anschluß an eine Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik am 5. Januar 1914 in Berlin statt; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert vom 7. Febr. 1913, oben, S. 83 f.

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Art der Entscheidung übel, das sagen Sied den Herrn doch auch ausdrücklich, denn ich habe meine 앚:s. Z. gemachten:앚 Angaben einzuhalten. Keinesfalls darf F[riedrich] A[lfred] Schmid4 앚:oder meine Frau:앚5 zurückgestellt werden. Das geht nicht. – Meine Frau freut sich auf Sie und Sophie sehr. Ich treffe sie am 16ten in der Bahn, es sei denn, daß ihre „Liegetage“ kommen und sie deshalb noch sich einsam irgendwo aufhalten muß (in Incognito, denn Menschen kann sie dann nicht haben). Ich habe die Befürchtung, daß unsre Hoffnung, vorher noch bis Siena zu kommen, sich nicht erfüllt. Denn die physische und psychische „Knutsch“-Massage 앚:von seiten:앚 der Frl. Bernays, der sie einige Tage 앚:lang:앚 ausgesetzt sein wird, könnte allerdingse Mädchen vor der Pubertät, Greisinnen nach dem Klimakterium, ja selbst Männer „unwohl“ machen.6 Sollte das Unerwünschte eintreten, so besuche ich Sie vielleicht ein paarf Stunden. Sonst auf der Hinreise nicht. Mein Aufsatz hat „keinen Busen“, mit Simmel zu reden.7 – Dagegen höre ich mit Freude und Staunen, daß Ihre Muse sich derart zu einem solchen entwickelt hat, daß ich fast fürchte, Sie als HermaphroditenGebilde wiederzusehen. 앚:–:앚 Verzeihen Sie alle diese Zynismen. Ich habe die verdammte Arbeiterei so satt, – aber nochmals: ich freue mich zu hören, daß Sie in eine prophetische Epoche eintreten, persönlich, obwohl ich ja „prinzipiell“ gegen die Katheder-Propheten donnere. Aber die Zeit will es d O: sie

e Kinder, > allerdings

f O: par

4 Zu Webers Bemühungen, für den Artikel von Friedrich Alfred Schmid, Sechs Betrachtungen über Möglichkeit und Gegenstand der Philosophie der Kunst, einen baldigen Veröffentlichungstermin im „Logos“ zu erwirken, vgl. dessen Briefe an Rickert vom 3. Juli und nach dem 3. Juli 1913, oben, S. 260 und 261. 5 Es handelt sich um den Aufsatz: Weber, Marianne, Die Frau und die objektive Kultur. Die Beiträge von Max und Marianne Weber sind im gleichen Logos-Heft erschienen. 6 Über die Anbiederungen von Marie Bernays hat sich wenig später Marianne Weber in einem Brief an Helene Weber vom 15. Nov. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) äußerst kritisch geäußert: „Ich […] habe zur Bedingung der Fortsetzung unsres Verkehrs gemacht, daß unsre Beziehung auf eine andre Basis gestellt werde: Sie darf in Zukunft nur alle 14 Tage einen Nachmittag bei mir sein, sonntags (wo sie Max so gräßlich irritiert) ebenfalls alle 14 Tage. Außerdem eliminiere ich jede körperliche Intimität, denn ich habe eingesehen, daß meine Gutmütigkeit in dieser Richtung (sie hat mir gegen meine Bedenken das Zärtlichseindürfen abgedrungen) ihre Unverschämtheiten u. Distanzlosigkeit befördert hat.“ 7 Offensichtlich eine von Georg Simmel im privaten Gespräch gebrauchte Redewendung, da sie in seinen Schriften fehlt.

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anders, die Studenten wie die Professoren. Daher werde ich 앚:möglichst:앚 dazu beitragen, daß nun auch ganz faustdicke massive „Eschatologen“-Prophetie auf die Katheder kommt, auf daß die Universitäten zur Strafe „Jesum Christum erkennen lernen“.8 Viele herzliche Grüße Ihnen beiden! Ihr Max Weber

8 Dieser Passus ist vermutlich in Anlehnung an einen Ausdruck in Martin Luthers „Großem Katechismus“, Kap. 2, formuliert. Dort heißt es: „Hoc loco aliam divinitatis personam“ [i. e. Jesum Christum] discimus cognoscere“, bzw. „Hier lernen wir die andere Person der Gottheit [d. i. Jesum Christum] kennen.“

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Paul Siebeck 5. September [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „10.9.13.“ sowie Briefinhalt.

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Darf ich Sie auf mein Conto um 앚:Karl:앚 Müller, Kirchengeschichte,1 bitten? Ich brauche sie für die Arbeit am Handbuch. Mit den allerbesten Empfehlungen und Grüßen Ihr Max Weber

Hbg 5/9

1 Müller, Karl, Kirchengeschichte. Bde. 1 – 2/1 (Grundriß der Theologischen Wissenschaften, Reihe 1, Theil 4, Bd. 1,2). – Freiburg i.B.: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1892 – 1902 [anastatischer Nachdruck 1905 – 1911]. Vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 27. Juli 1908, MWG II/5, S. 609, Anm. 2.

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Johann Plenge 6. September 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Heidelberg 6/9 13 Verehrtester Herr Kollege, – ich verreise am 15.9. Wenn Ihnen möglich, wäre ich für Beantwortung meiner Anfrage bis dahin sehr dankbar: nur: dena Stoff, den Sie behandeln, so genau wie es Ihnen ohne Zeitverlust möglich ist.1 – Sie haben mir doch die Bemerkung betreffs Ihres Angriffs auf Sch[umacher] nicht verübelt?2 Ich wiederhole: ich verstehe Ihren Unmuth, und sobald ich Sch[umacher] sehe, werde ich auch ihm sagen: daß er sich s. Z. persönlich ins Unrecht gesetzt hat und daß an dem „nicht ganz“ das „ganz“ zu viel ist. Sch[umacher]’s Natur liegt, wie Sie Sich denken können, meinem ganzen Wesen sehr wenig nahe, er istb gewiß ein sehr heterogener Typus Mensch. Vielleicht eben deshalb möchte ich ihm aber gerecht werden. Und ich finde es eine große Härte: daß eine Bemerkung über einen Aufsatz von ihm, der doch nicht so lange gelesen werden wird wie Ihr Buch, nun in dieser Schärfe in diesem letzteren steht. Abgesehen davon, daß ich auch an eine subjektive „Unaufrichtigkeit“ Sch[umacher]’s nicht glaube, im Gegensatz zu Ihnen. Doch genug davon. Eben erst fand ich Ihre (s. Z. verlegte) Vermählungs-Anzeige wieder

a die > den

b

1 Vermutlich bezieht sich dies auf Webers Anfrage vom 20. Aug. 1913, oben, S. 316, inwieweit Plenge in seinem projektierten GdS-Beitrag „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ Probleme aus dem Bankenbereich mitbehandeln wolle. 2 Weber hatte in seinem Brief vom 11. Aug. 1913, oben, S. 308 f., sein Bedauern darüber ausgedrückt, daß Plenge in einem Teil des Anhangs seines Buchs: Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt. – Berlin: Julius Springer 1913, S. 410 – 424, seine ehemalige Kontroverse mit Hermann Schumacher mit den abschließenden kritischen Bemerkungen, ebd., S. 424, an so exponierter Stelle noch einmal publiziert hatte.

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und ersehe daraus Ihre Münster’sche Adresse. Die beiden Briefe nach Leipzig, – Gautzsch sind Ihnen hoffentlich nachgegangen.3 Mit den herzlichsten collegialen Empfehlungen und Grüßen Ihr Max Weber

3 Vermutlich handelt es sich um Brief und Karte an Plenge vom 11. und 20. Aug. 1913, oben, S. 303 – 310 und 316; jedenfalls war die Karte vom 20. Aug. 1913 nach Leipzig adressiert und ist von dort – von dritter Hand mit neuer Adresse versehen, da Empfänger verzogen – weiter nach Münster geschickt worden. Andere Korrespondenzen Webers mit Plenge aus dieser Zeit sind nicht nachgewiesen.

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Helene Weber 10. September 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 236 – 237 Der Brief steht in Zusammenhang mit der finanziellen Lage von Arthur Weber; vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 279.

Heidelberg 10/9 13 Liebe Mutter, in Erwartung von Clara1 noch wenige Worte. Zunächst: über Artur. Ich habe Carl mitgeteilt,2 daß ich von dem Abkommen mit Dir über die Werthpapiere für Lilli zurücktreten muß und nicht eher darauf zurückkomme, bis von Dir und allen andren Geschwistern (Alfred, Clara, Carl) die Versicherung bindend vorliegt: daß ein Gegeneinanderausspielen der verschiedenen Beteiligten nicht mehr stattfindet und an Artur – außer in Umzugsfällen, wo es eben sein muß – kein Pfennig über seinen Zuschuß hinaus gezahlt wird. Denn Geld kommt nicht aus nichts und Alles fällt schließlich doch irgendwie auf uns zurück. Und es ist auch unerträglich, mitanzusehen, daß Du Dich persönlich einschränkst für diese „Schlamperei“, denn das ist sie. Wir müssen die Familie ihrem Schicksal überlassen, wenn Ihr nicht „hart“ zu bleiben entschlossen seid. Zu „leben“ hat ja Artur lebenslang. Zuweilen kommt mir vor, er käme eher wieder in die Reihe, wenn er einmal einige Zeit einfach auf Dein oder ein andres Fremdenzimmer angewiesen wäre, – eher als bei Fortsetzung einer prätentiösen Existenz auf Kosten von Mutter und Geschwistern. Das bringt ja Jeden herunter. Wir können also Weihnachten die Papiere3 nur überweisen, wenn Alle jenem Übereinkommen beitreten und mit Artur wirklich „Schluß“ ist. Dann erst kann man für Lili wirklich sorgen und ich habe Dir da dann noch einige andre Vorschläge (auch über mein Erbteil) zu machen. Aber Alles hat gar keinen Werth, wenn Ihr immer wieder „weich“ werdet, so wie

1 Weber erwartete vermutlich seine Schwester Clara Mommsen, der er am folgenden Tag seinen Standpunkt zur finanziellen Lage des Bruders Arthur nochmals schriftlich darlegte, vgl. den Brief an Clara Mommsen vom 11. Sept. 1913, unten, S. 328 – 332. 2 Ein Brief an Karl Weber ist nicht nachgewiesen. 3 Vermutlich sind Wertpapiere gemeint, vgl. auch die Hinweise weiter unten in diesem Brief.

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Artur wieder „gute Vorsätze“ äußert, die er hundert Mal gehabt hat, und wenn nicht mit Valborg4 sehr deutlich geredet wird. Ich habe Artur das Entsprechende auch geschrieben5 und ihm gesagt: er könne von mir kein „Vertrauen“ verlangen, nachdem er alle meine Versicherungen, sehr herzliche sowohl wie schließlich energische, derart als schäbige Bevormundung mißachtet und ihnen nicht geglaubt habe. Er sei ganz bewußt rücksichtslos gewesen, wiederholt, um Geld aus der Familie herauszuschlagen. Er könne sich nicht wundern, wenn ich noch rücksichtsloser mich gegen diese Pressionen wehre und weiter wehren werde (Brief an Rösing:6 das war ja auch eine, und zwar sehr bedenkliche, Art der „Pression“)[.] Ich hätte Briefe nach Norwegen7 und an seinen Commandeur nur jetzt und nur Deinetwegen unterlassen (das ist in der That der Fall). – Liebe Mutter, bitte nimm Artur’s Schelten auf mich etwas kühler. Was soll mir die Beziehung zu einem Bruder, der nur Geld will und stets sich von dem Bruder „verstanden“ fühlt, der ihm welches beschafft? In 10 Jahren wird er anders urteilen. Und was diese Norweger von mir denken, – das ist mir gänzlich „Wurst“. – Wir sind zu jedem Opfer für Lilli bereit, denn da ist Noth. Aber nicht, wenn das Geld, was man für Lilli giebt, indirekt doch wieder von Artur sich angeeignet wird. So ist es jetzt. Carl hatte versprochen, für Lilli 1 000 Mk zurückzulegen. 900 davon hat Artur sich jetzt zugeeignet. Also muß s. Z. so viel mehr von unsren Papieren verbraucht werden, denn Carl braucht sein Geld auch. Es ist aber ganz einerlei, ob Du, ob Alfred oder Carl das Geld geben: ist es fort, so ist es fort, und alle, speziell Lilli, haben den Schaden zu tragen. Daran ändert auch der etwaige Hausverkauf nichts. Was mich wiederholt „erregt“ hat, ist nur: zu sehen, daß Ihr immer wieder weich werdet und vor Allem – was ich Artur niemals vergesse – daß er Dich in dieser Art schindet, 앚:– ganz wie Papa es machte! –:앚 statt die Consequenzen zu ziehen und Valborg in Norwegen zu lassen. Damit wäre Alles in Ordnung gewesen. Doch nun, bis Weihnachten, hoffentlich genug davon. Sollte Artur jetzt versetzt werden,1) so werden wir Dir die Kosten des 1)

bitte schreib das doch eventuell gleich.

4 Valborg Weber. 5 Von den Briefen Max Webers an Arthur Weber ist nur der Brief vom 2. Aug. 1913, der an Helene Weber verschickt wurde, überliefert, oben, S. 294 – 296. 6 Zu Fritz Rösing vgl. den Brief an Helene Weber vom 22. Aug. 1913, oben, S. 317. 7 Gemeint sind die Verwandten von Arthur Webers Frau.

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Zuschusses dafür s. Z. erstatten. Denn das ist unvermeidlich. Alles Andre, wenn Artur wirklich will, nicht. – So. – Marianne schreibt vergnügt aus Freiburg.8 Ich reise Montag oder Dienstag,9 hoffentlich hat Frl. Bernays sie bis dahin nicht noch ganz und gar kaputt gemacht. Unsre Adresse ist bis etwa 24. IX (Briefe brauchen 2 Tage!) Siena, ferma posta. In Siena feiern wir unsren 20. Hochzeitstag.10 Schon! es ist fast nicht zu glauben. Weitere Adressen geben wir an. Im Oktober sind wir 14 Tage – 3 Wochen in Rom. Leider können die alten Martinis11 uns nicht nehmen, die Zeit ist ihnen zu kurz für die Arbeit, damit haben sie recht. Wir nehmen dann 2 kleine Zimmerchen und leben so, wie vor nun 13 Jahren, in den Künstlerkneipen.12 Es wird Marianne wie mir denke ich gut thun. „Emmchen“’s13 Verlobung ist wirklich ebenso erstaunlich wie erfreulich. Diese „Demokratie“ gefällt mir wirklich ausnehmend, und es ist doch auch sonst recht gut. Daß es hier mit Linchen14 nicht sehr gut gesundheitlich ging, weißt Du ja. Wir denken, es ist jetzt zunächst vorüber, sie ist so weit vergnügt. Über die Chancen von Lilli H[ermann]’s Prozeß15 noch keine Nachricht. Samstag kommt Otto B[aumgarten] mit Lena H[ein].16 Hoffentlich können wir dem armen Ding nützen! Herzliche Grüße, Dein alter Max 8 Dort besuchte Marianne Weber das Ehepaar Rickert vom 7. bis 10. September 1913 und verbrachte anschließend vier Tage auf dem Feldberg in Begleitung von Marie Bernays. Das berichtete sie im Brief an Helene Weber vom 4. Sept. 1913, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 9 Am 15. oder 16. September 1913 wollte Max Weber zur gemeinsamen Reise mit Marianne Weber nach Italien aufbrechen. 10 Max Weber und Marianne Schnitger hatten am 20. September 1893 geheiratet. 11 Bei dem Ehepaar Martini hatten Max und Marianne Weber schon 1901 Zimmer gemietet. 12 Dort, u. a. im Café Aragno, trafen sie dann viele Heidelberger Freunde: Marie Luise Gothein, Wilhelm und Luise Fleiner, Georg von Lukács und Edgar Salin. Das teilte Marie Luise Gothein ihrem Mann Eberhard Gothein in mehreren Briefen vom Oktober 1913 mit. UB Heidelberg, Heid. HS. 3487. 13 Emma Puppe, die Tochter der verstorbenen Haushälterin von Karl Weber, hatte sich mit einem „gebildeten“ Straßburger verlobt, vermutlich Standesgrenzen überschreitend, wie Karl Weber Marianne Weber mitgeteilt hatte. 14 Lina, Hausmädchen bei Webers. 15 Gemeint ist Lilli Hermanns, geb. Hausrath, Prozeß, an dem Max Weber großen Anteil nahm. 16 Lena Hein, eine verwaiste Nichte von Emily und Carlo Weber, suchte eine Berufsausbildung. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 3. Jan.1914, unten, S. 451 – 454.

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Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld 11. September 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 11, Bl. 24 – 25

Heidelberg 11/9 13 Sehr verehrter Herr Kollege, –

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ich habe Ihr Mscr.1 – vor der Abreise übermorgen – durchflogen. Eine höchst geistvolle Arbeit, auch da, wo ich abweiche („Werth“-Fragen). – Aber ich stehe absolut vor einem Rätsel, wie die Aufnahme dieser Artikel, d. h. also dieses und Ihres andren Mscr.2 – in das Handbuch ermöglicht werden soll! Wo ist der Raum? Honoriert wird ja nur der Raum, den der Verlagsvertrag zuweist, das steht darin. Aber auch drukken werden wir das Alles ja fast unmöglich können. Auch in Petit – was ja mehr kostet pro Bogen. In dieser Hinsicht bin ich noch absolut ratlos, Siebeck gegenüber, und muß im November mit ihm persönlich verhandeln. Hoffentlich mit Erfolg. Ich thue mein Bestes. Grade diese letzte Sache („Fortschritt“)3 ist ja das, was ganz speziell in das Buch hineingehört! „Gott helfe uns weiter“! Ihnen herzlichen Dank und Glückwunsch, daß Sie das abgeschlossen haben. Es ist sehr schön und ändert Ihre Stellung s. Z. sicher sofort von Grund aus! Herzliche Grüße, auch „höheren Ortes“ Ihr Max Weber

1 Gemeint ist das GdS-Manuskript zu: v. Gottl, Wirtschaft und Technik, und zwar der Teil, der unter dem gleichnamigen Titel nach dem Stoffverteilungsplan von 1910 im „Ersten Buch“: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, abgedruckt werden sollte. 2 Gemeint ist das GdS-Manuskript zum Thema: Technische Grundlagen des modernen Kapitalismus, und zwar die Abschnitte 1: Betriebskräfte und Rohstoffe als spezifische technische Träger der modernen Wirtschaft, und 2: Die Maschine und die spezifischen Prinzipien der modernen Technik. Sowohl diese beiden als auch der in Anm. 1 erwähnte Artikel sind dann zu einem großen Beitrag vereinigt und veröffentlicht worden; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 229, Anm. 21. 3 Anspielung Webers auf das letzte Kapitel in: v. Gottl, Wirtschaft und Technik, betitelt: Der technische Fortschritt, ebd., S. 331 – 381, bzw. in 2. Aufl., S. 165 – 215.

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Clara Mommsen 11. September 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 238 – 241 Der Brief bezieht sich auf die Unterstützung von Arthur Weber aus dem Familienvermögen, vgl. dazu auch die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913, oben, S. 279.

Heidelberg 11/IX 13 Liebe Clara, – Alfred hatte seiner Zeit an Valborg1 schreiben wollen, es aber dann unterlassen, weil Artur es nicht wünschte. Auch ich habe es bisher nicht gethan. Aber ich muß annehmen, daß Valborg über die wirkliche Situation von Artur nicht 앚:vollständig:앚 unterrichtet wird, vermutlich weil er glaubt, ihr deren Kenntnis „nicht zumuthen“ zu dürfen. Das geht aber nicht und ich möchte Dich bitten[,] ihr das Wesentliche 앚:Deinerseits:앚 mitzuteilen: Als ich seiner Zeit Erhöhung des Zuschusses für Artur und die Auszahlung des Gesammtbetrages zu Anfang des Jahres durchsetzte,2 teilte ich ihm mit, daß die Grenze der Leistungsfähigkeit der Familie damit erreicht sei. Ich habe ihm wiederholt sehr herzlich,a schließlich aber sehr eindringlich, einmal auch in Valborg’s Gegenwart gesagt: daß, bei der Lage der Dinge bei Lilli, ihm nicht mehr als 3 000 Mk. pro Jahr gezahlt werden könnten. Thatsächlich hat er aber, teils von der Mutter, teils von den Geschwistern, die letzten zwei Jahre einmal 6000 Mk, einmal 6 600 Mk und jetzt noch (von Carl) extra 900 Mk 앚:(dies als Darlehen):앚 in Anspruch genommen. Alfred und ich haben ihm darauf 앚:s. Z.:앚 beide geschrieben: 1) er müsse seinen Beruf wechseln, – 2) bis er einen andren Beruf gefunden habe, seinen Haushalt auflösen, also – 3) Valborg bitten, es möglich zu machen, daß sie vorläufig für mindestens einige Monate, vielleicht 1/2 Jahr, bei ihrer Familie bleibe. Von alle Dem ist bisher nichts geschehen. Die Lage ist nun diese: Es sind, da Mama’s Vermögen die beiden Zuschüsse an Artur und Lilli nicht zahlen kann, im Lauf der letzten a 1 Valborg Weber. 2 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 14. Jan. 1911, MWG II/7, S.40.

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11/2 Jahre – wenn ich von jenen 900 Mk, die Carl Artur 앚:jetzt:앚 geliehen hat, ganz absehe – von den 앚:älteren:앚 Geschwistern für die beiden jüngsten Geschwister 600 (Carl) + 600 (Alfred) + 1500 (wir) + 300 (ihr) + 300 앚:Alfred:앚 balso: – 3300b Mk. 앚:extra:앚 aufgewendet worden. Alfred hat für Artur noch einmal 600 Mk zugesagt. Wir haben uns bereit erklärt, 8 000 Mk – die für meine Studienreise nach Rußland bestimmt waren – an Mama abzutreten, Carl 앚:(für Lilli):앚 1 000 Mk (von denen jetzt 앚:aber:앚 Artur sich 앚:jene:앚 900 Mark hat geben lassen). Ich habe aber der Mutter und den Geschwistern 앚:jetzt:앚 mitgeteilt, daß wir von diesem Abkommen zurücktreten und nichts mehr leisten, wenn nicht Garantien geschaffen werden, daß Artur mit dem Zuschuß von 3000 Mk. (wozu Alfred in diesem nächsten Jahre 앚:noch:앚 600 Mk zuschießen wird) auskommt und absolut keine weiteren Ansprüche an die Familie stellt. Sowohl Alfred wie Carl haben 앚:mir:앚 erklärt, nichts Weiteres leisten zu können. Lilli muß natürlich ihre Wohnung so bald als möglich wechseln und sich sehr einschränken. Aber sie hat, ebenso wie Ihr, Kinder und also bestimmte feste Ausgaben, die notwendig steigen. Also fällt die ganze Last künftig auf uns allein.1) Wir sind 앚:daher:앚 nur dann bereit und können nur dann bereit sein, Opfer zu bringen, wenn eine absolute Änderung in der Lebensführung Artur’s eintritt. 앚:Bloße „Einschränkung“ hilft da nicht.:앚 Es ist ganz klar, daß es für ihn und Valborg einfach unmöglich ist, in dieser Wohnung einen standesgemäßen Offiziers-Haushalt mit Dienstmädchen u.s.w. zu führen 앚:und dabei – wie es nötig ist – 3 000 Mk jährlich zu ersparen. Das kann einfach Niemand.:앚 Die Ansprüche würden wiederkommen und würden dann nicht befriedigt werden können, so leid es uns Allen thäte. Wir müßten der Familie überlassen, wie sie die Mittel für Lilli aufbringt, wenn das so weiter geht. Um das zu können, würde aber 앚:dann:앚 vom nächsten Sommer ab Artur’s Zuschuß auf die Höhe der vorgeschriebenen Zinsen der Kaution3 herabgesetzt werden müssen. Denn sonst ist das für 1)

ganz einerlei ob die Geschwister das Geld von Mama oder von wem sonst sich geben lassen. b 3360 > also: – 3300 3 Für die Erteilung der Heiratsgenehmigung durch die Militärbehörden hatte Helene Weber eine Kaution von 75 000 Mark gestellt. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 20. Okt. 1908, MWG II/5, S. 682, Anm. 5.

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Lilli absolut unentbehrliche Geld nur noch diesen Winter (wo sie noch einen Teil der Erbschaft der Tante4 zu verbrauchen hat) vorhanden. Wir sind, wie gesagt, bereit, so viel zu opfern, daß Artur die 3000 Mk. weiter bezahlt und 앚:trotzdem:앚 Lilli gesichert werden kann, wenn (aber auch nur: wenn) Mama und alle Geschwister bindend sich verpflichten, daran festzuhalten, daß von Artur’s Seite weitere Ansprüche nicht erhoben werden. Sonst ist ein Arrangement unmöglich und hat gar keinen Sinn. Ich halte es fürc berechtigt, Artur und Valborgd zuzumuthen, jetzt für die nächsten Jahre ihre Lebensstellung derart 앚:vollständig:앚 zu ändern, daß sie der Situation angepaßt ist, bis bessere Zeiten kommen oder Artur einen anderen Beruf hat, der ihn genügend erhält. Mit den Mitteln, die sie haben, werden sie 앚:allerdings:앚 wahrscheinlich auf ein etwas „geniales“ Dasein, wie „Student und Studentin“, angewiesen sein. Das glaubt Artur Valborg nicht zumuthen zu dürfen. Ich glaube, daß er sich da in Valborg irrt. Gewiß ist es nicht bequem. Aber Du weißt, daß wir andren Geschwistere es auch nicht immer bequem gehabt haben. In dem Alter, in welchem Artur heirathete,5 mußte ich, ohne ein Wort zu sagen, auf meine Liebe verzichten.6 Denn unser Vater hätte mir nicht die Mittel zur Begründung eines Haushalts gegeben. Damals als Artur fsich verlobtef, hausten Marianne und ich in zwei kleinen Stübchen,7 ich damals schwer krank und absolut erwerbsunfähig. Hätte ich damals von Mama den mir angebotenen Zuschuß angenommen, so wäre es unmöglich gewesen, Artur die Ehe zu ermöglichen. Während ich sehr schwer krank war, hat Marianne viele Monate getrennt von mir leben müssen, weil es nicht anders ging. Sie hat mir mit gutem Humor da durchgeholfen, bis bessere Zeiten kamen, und das werde ich ihr nie vergessen. Ich war damals ebenso alt,8 wie jetzt Artur ist. Valborg wird das ganz ebenso auch thun, das weiß ich. Valborg hat das unbedingte Recht, zu verlangen: daß ich ihr ganz genau ziffernmäßig nachweiseg: daß die Situation so ist, wie ich sie c d g nachwi > nachweise

e Geschwisster > Geschwister

f heirathete > sich verlobte

4 Gemeint ist die Erbschaft von Ottilie Weber. 5 Arthur Weber heiratete mit 26 Jahren. 6 Vermutlich meinte Weber Emmy Baumgarten. 7 1902 lebten Max und Marianne Weber in Rom, die Wohnung in Heidelberg hatten sie aufgelöst. 8 Gemeint ist die Zeit der Sanatorienaufenthalte in Konstanz und Urach 1900.

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schildere und daß Marianne und ich uns anders nicht verhalten können. Das kann jederzeit geschehen, wie ich es auch Artur angeboten habe. Ich muß aber allerdings sagen: daß Artur meine stets wiederholten Versicherungen über die Lage der Familie einfach ignoriert und nicht geglaubt hat, daß er sie 앚:so:앚 einfach, wie die „Vermahnungen“h eines geizigen und schäbigen „Vormunds“, nicht beachtet hat, – dies hat mich persönlich wirklich sehr schwer verletzt. Ich verdiene diese Beurteilung nicht, wie ich glaube. Auf die 앚:auch in der Form:앚 sehr geringe Rücksichtnahme auf die Lage der Familie von seiner Seite hin konnte ich nicht anders, als auch meinerseits zunehmend weniger rücksichtsvoll werden. – Denn wie gesagt: wir sind absolut außer stande und auch nicht gewillt, noch etwas zu thun, wenn nicht 앚:jetzt:앚 von allen Seiten Rücksicht genommen wird. Nur dann können wir, wie ich Dir wiederholt erkläre, Mama bei der Sicherung der für Lilli unentbehrlichen Geldmittel behilflich sein und die immerhin nicht ganz unbedeutenden Opfer, die uns da zugemuthet werden müsseni, bringen. Ich meine doch, daß auch Valborg die Lage der Dinge kennen lernen müßte. Denn an ihr hängt viel. Artur kann ebenso wenig „wirtschaften“ wie irgend Einer von uns andren Brüdern. Ohne Marianne’s ausgezeichnete Wirtschaft weiß ich nicht, wo ich geblieben wäre. Auch Valborg muß die Verantwortung persönlich mit übernehmen. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du Deine Absicht, ihr einmal zu schreiben oder mit ihr zu sprechen, bald ausführtest. Geldangelegenheiten sind ja nie erfreulich. Aber da die Masse unsres Volks fortwährend mit materiellen Auseinandersetzungen zu thun hat, dürfen wir unsrerseits nicht das Privileg in Anspruch nehmen, das „peinlich“ zu finden. Alle gemachten Angaben über Mama’s Vermögenslage (und auch über unsere Existenzbedingungen) stehen Dir wie allen Geschwistern stets zu Gebote. – In Artur’s und Valborg’s Angelegenheiten wird sich niemals Jemand einmischen, sobald wir sicher sein können, daß jetzt keine Ansprüche an die Familie mehr entstehen.2) Zur Zeit ist das aber noch nicht der Fall. Das allerdings weißt Du: daß wenn irgend etwas in der Familie passieren sollte: schwere Krankheit Eines von uns Geschwistern oder der-

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außer etwa im Fall eines Umzuges.

h Bemerkungen > „Vermahnungen“

i auch wirklich > müssen

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gleichen, die Zahlung auch des jetzigen Zuschusses an Artur vermutlich unmöglich würde und er mit weniger auskommen müßte. – Herzliche Grüße Ernst9 und Dir. Auf Wiedersehen Weihnachten10 Dein Max

9 Ernst Mommsen. 10 Der Besuch fand in den ersten Januartagen 1914 statt.

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Paul Siebeck 25. September PSt 1913; Siena Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Italienreise von Max und Marianne Weber führte sie über Siena, Perugia, Assisi am 3. Oktober 1913 nach Rom, wo sie bis zum 27. Oktober blieben.

Siena 25/9 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Adresse für Correkturen für meine Frau und mich1 (beide an mich „eingeschrieben“): bis Montag 29.9. abgehend: Assisi 앚:(Toscana):앚, ferma posta, dann: Roma, ferma posta Centrale Mit bester Empfehlung Max Weber

1 Gemeint sind die Korrekturen zu: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie, und: Weber, Marianne, Die Frau und die objektive Kultur.

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1. Oktober 1913

Paul Siebeck 1. Oktober PSt 1913; Assisi Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Assisi 1.X. Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Ich erhalte hier Ihre zweite Korrektur-Sendung (Blatt 15 ff) des LogosArtikels.1 Die erste erhielt ich nicht. Vielleicht ging sie nach Siena oder Perugia, wohin ich noch schreibe. Aber für alle Fälle bitte ich um nochmalige Sendung der ersten nach Roma, ferma posta Centrale (eingeschrieben). Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber Enthielt Sendung 1 vielleicht auch den Artikel meiner Frau?2

1 Gemeint ist die Korrektur zu: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie. 2 D. h. die Korrektur zu: Weber, Marianne, Die Frau und die objektive Kultur.

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Georg von Lukács 3. Oktober 1913; BK Rom Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 18

Hôtel Tordelli Piazza Colonna Roma, li 3/X19 13 Lieber Herr Doktor! 5

Wir sind im Albergo Colonna (s.o.)1 – Hotel garni. Geben Sie uns bitte Nachricht von Ihrem Kommen. Mit bestem Gruß Ihr Max Weber

1 Webers Angabe ist mißverständlich; vermutlich hat er sich verschrieben, indem er Hotel- und Straßenangabe verwechselte.

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Paul Siebeck PSt 3. Oktober 1913; Rom Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Roma, Albergo Tordelli Piazza Colonna Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Ich schicke die Correkturen bald.1 Unsre Adresse ist die obige. Die erste Hälfte habe ich bis jetzt (Freitag) noch nicht erhalten. Es ist schwer, die zweite vorher zu erledigen. Meine Frau hat noch keine Correkturen.2 Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr Max Weber

1 Gemeint sind die Korrekturen zu: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie. 2 Dies bezieht sich auf: Weber, Marianne, Die Frau und die objektive Kultur.

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Hans Delbrück 19. Oktober 1913; BK Rom Brief; eigenhändig SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück, Fasz. Max Weber Hintergrund des folgenden Versöhnungsschreibens ist eine schon etwas länger zurückliegende heftige publizistische Auseinandersetzung Webers mit Hans Delbrück anläßlich des „Falles Bernhard“ aus dem Jahre 1908. Die damalige Pressepolemik hatte ihren Ausgang genommen in einem anonym erschienenen Artikel Webers, der unter dem Titel: Der Fall Bernhard, in: FZ, Nr. 168 vom 18. Juni 1908, 1. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/ 13), veröffentlicht worden war. Weber hatte darin den „Fall Bernhard“, d. h. die Berufung von Ludwig Bernhard nach Berlin ohne Anhörung geschweige denn Zustimmung der Fakultät, zum Anlaß genommen, kritische Bemerkungen über die dortige Philosophische Fakultät im allgemeinen sowie über deren Verhalten bei der Nichtzulassung Werner Sombarts als Privatdozent im speziellen vorzutragen. Weitere (anonyme) Äußerungen zum Fall Bernhard aus Webers Feder finden sich in: FZ, Nr. 172 vom 22. Juni 1908, Ab.Bl., S. 1, unter der Rubrik: Tages-Rundschau (MWG I/13), sowie ebd., Nr. 174 vom 24. Juni 1908, 2. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/13); Hans Delbrück kritisierte daraufhin in seiner Notiz: Politische Korrespondenz. Akademische Wirren, erschienen in: Preußische Jahrbücher, Bd. 133, Juli – Sept. 1908, S. 176 – 181, die Ausführungen des Anonymus bzw. Max Webers, worauf letzterer dann mit großer Schärfe antwortete. Seine Anonymität preisgebend setzte er den Schlußpunkt dieser Kontroverse mit seinem Artikel: Der „Fall Bernhard“ und Prof. Delbrück, veröffentlicht in: FZ, Nr. 190 vom 10. Juli 1908, 4. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/13). Offensichtlich ist Webers Versöhnungsbrief bei Hans Delbrück nicht auf Ablehnung gestoßen; die spätere Korrespondenz und die teilweise Zusammenarbeit beider in Weltkriegs- und Nachkriegspolitik lassen jedenfalls darauf schließen.

Hôtel Tordelli Piazza Colonna Roma, li 19. X. 19 13 Hochgeehrter Herr Kollege! 5

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Ich habe mich seiner Zeit von Ihnen ungerecht beurteilt und unrichtig behandelt gefühlt. Das ist in gewissem Maß noch immer der Fall. Allein sehr häufig wiederholte Überlegung sagtea mir schließlich: daß ich wahrscheinlich das, was Sie sagen wollten, falsch gedeutet habe. Wie Dem nun aber sei, – jedenfalls habe ich Sie, daraufhin, meinerseits ungerecht beurteilt und schwer kränkend angegriffen, wie ich nicht gesollt hätte. Dies ist mir sachlich und persönlich leid. Wenn Sie können, so vergessen Sie es. –

a O: sagten

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Ich wollte Ihnen dies Weihnachten im V[erein] f[ür] Soz[ial]Pol[itik]1 persönlich sagen und thue es :nur: deshalb schon jetzt schriftlich, weil ich Ihren Herrn Schwager, den wir hier trafen,2 nicht in die Lage bringen möchte, vorher mit mir freundschaftlich zusammenzusein. Nur dieser (zeitliche) Zusammenhang besteht, die Angelegenheit selbst ist mit keinem Wort berührt worden. Wie immer Sie diese Zeilen aufnehmen, es wäre, glaube ich, richtig, sie nicht zu beantworten. Gegebenenfalls findet sich vielleicht einmal eine gute Stunde. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

1 Gemeint ist die Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik, die am 4. Januar 1914 in Berlin stattfand. 2 Gemeint ist Adolf Harnack. Zu Begegnungen von Max und Marianne Weber mit Adolf Harnack war es zunächst in Perugia und dann in Rom gekommen; dazu schreibt Marianne Weber in ihrem Brief an Helene Weber vom 4. Okt. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „In Perugia in irgend einem Bildersaal begegneten wir – – – Harnack! Beide Männer wurden ein wenig blaß u. gaben sich dann die Hand u. dann begegnete er mir u. ich ihm mit so unbefangener Herzlichkeit, daß die Dinge, die zwischen ihm u. Max lagen, ihre Kraft verloren hatten. [...] H[arnack] ist mit zwei Kindern u. einer Nichte da; jetzt auch hier in Rom, u. wir waren gestern hier u. neulich in Perugia sehr behaglich mit ihnen einen Nachmittag zusammen. [...] Ich bin froh, daß die Barriere zwischen ihm u. Max gefallen ist, – es war mir immer schmerzlich sie geschieden zu wissen.“

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Gustav von Schmoller 23. Oktober 1913; BK Rom Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 154 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Drucklegung von Manuskripten als Grundlage für die geplante Werturteilsdiskussion in einer Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert vom 7. Februar 1913, oben, S. 83 f. Bezug: Schreiben Gustav v. Schmollers vom 17. Oktober 1913 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446), das die Bitte enthielt, eine polemische Stelle über Wilhelm II. aus seinem Beitrag zur Werturteilsdiskussion entfernen zu lassen, weil er (d. h. Schmoller) „ernste Komplikationen befürchte“, falls „diese Form unverändert bestehen“ bliebe. Einerlei, ob nun dieser Beitrag nur als „Manuskript gedruckt“ oder in den Vereinsschriften erscheine, es bestehe „keine Garantie dafür, daß nicht doch die Feinde des Vereins davon Kenntnis gewinnen und die Sache zum Schaden des Vereins ausschlachten. [...] Nach alledem spreche ich [...] die Bitte aus, daß Sie den Text an der fraglichen Stelle ins Allgemeine wenden oder überhaupt so fassen möchten, daß die von mir befürchteten Gefahren ausgeschlossen sind. Würden Sie gar zustimmen, die ganze Stelle zu streichen, so würde meo voto Ihre Ausführung im ganzen nicht geschädigt, aber noch mehr die Gefahr eines unerwünschten Angriffs auf den Verein vermieden sein.“

Hôtel Tordelli Piazza Colonna Roma, li 23/X 19 13 Hochverehrter Herr Professor! 5

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Ich hatte Herkner schon geschrieben, daß ich gern dem Verein befürchtete Verlegenheiten erspare.1 Ich schicke anbei eine wohl jedenfalls gänzlich unverfängliche Formulierung.2 Übrigens ist dieser Abzug ein uncorrigierter. Ich habe aber schon 2 Correkturen gelesen, welche Duncker & Humblot doch wohl erhalten und ausgeführt haben werden? In bekannter Verehrung Ihr sehr ergebenster Max Weber 1 Der entsprechende Brief an Heinrich Herkner ist in den Akten des Vereins für Sozialpolitik, GStA Berlin, Rep. 196, nicht nachgewiesen. 2 Der Beitrag Webers ist erschienen in der Broschüre: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o.O. 1913, S. 83 – 120 (MWG I/12), sowie in veränderter und überarbeiteter Form unter dem Titel: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in : Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12). Die Neufassung findet sich im GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 155, die inkriminierte Fassung, ebd., Bl. 156, die beide im folgenden als Beilage abgedruckt werden.

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Beilagen Der folgende eigenhändige Text Max Webers findet sich als Anlage zum Brief an G. v. Schmoller vom 23. Okt. 1913 in: GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 155. Vgl. die Druckfassung in: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o.O. 1913, S. 91.

Wem die Interessen der Nation übera ausnahmslos allen ihren konkreten Institutionen stehen, für den ist es eine central wichtige Frage: ob z. B. die bheute maßgebendeb Auffassung von der Stellung des Monarchen in Deutschland vereinbar ist mit ihrenc Machtinteressend und denjenigene Mitteln: Krieg und Diplomatie, durch welchen diese wahrgenommen werden. Es sind nicht :immer: die schlechtesten Patrioten und auch keineswegs Gegner der Monarchie, welche heute vielfach geneigt sind, diese Frage zu verneinen und an Erfolge auf :jenen: beiden Gebieten nicht :zu: glauben, so lange hier nicht sehr tiefgreifende Änderungen eingetreten sind. Jedermann aber weiß, daß diese Lebensfragen der Nation auf deutschen Kathedern nicht in voller Freiheit unbefangen diskutiert werden können.f

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Der folgende, von Gustav v. Schmoller inkriminierte Text findet sich in einer einzelnen Druckfahne: „Vorlagen f[ür] d[ie] Ausschußsitzung d[es] Ver[eins] f[ür] Sozialpolitik“, S. 5, in GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 76, Bl. 156. Die entsprechende Passage ist von Max Weber eigenhändig gestrichen und mit der Randnotiz versehen: cf. Beilage! [siehe oben]. Die gestrichene Passage hat folgenden Wortlaut:

Wenn die Nation als solche und ihr Interesse höher steht als ausnahmslos alle ihre Institutionen, dann muß heute, nach den gemachten Erfahrungen, das Gebilde so stark der Kritik bedürftig erscheinen als der monarchische Charakter des deutschen Staatswesens. Wir können nach einer Meinung keinem Krieg mit Ruhe entgegensehen, ihn also als politisches Mittel nicht in Aussicht nehmen, weil ein militärischer

a > b heutige > heute maßgebende c den > ihren d e den > denjenigen f Es folgt eigenhändige Setzeranweisung:   Absatz.

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Dilettant dann kraft seiner „Kommandogewalt“ die Führung übernimmt, der gewachsen zu sein er nach seiner persönlichen Ansicht optima fide glaubt. Und wir können keine erfolgreiche auswärtige Politik treiben, will ein staatsmännisch nun einmal nicht begabter politischer Dilettant, der optima fide seine Pflicht zu tun glaubt, deren Kreise fortwährend stört. Und wir stoßena auch bei allen möglichen anderen Fragen jeden Augenblick auf rein dynastische, für „staatlich“b ausgegebene Interessen, welche einer Erledigung eines Problems im „nationalen“ Sinn sich in den Weg stellen. (So auf dem Gebiet der Agrarpolitik.) Glaubt aber jemand im Ernst, daß einec an der Hand dieser zum Teil offenkundigen Tatsache grundsätzlich die jetzige Stellung der Deutschen zur Monarchie kritisierende Stellungnahme auf deutschen Kathedern dauernd und gleichberechtigt geduldet werde? Dagegen den heutigen Monarchismus zu verteidigen ist erlaubt!

a Im Druck: stehen

b Im Druck: „staatliche“

c Im Druck: ein

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29. Oktober 1913

Johann Plenge 29. Oktober 1913; BK Basel Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Hôtel Schweizerhof Basel, den 29/X 13 Lieber Herr College, – ich danke freundlich für Ihren liebenswürdigen Brief. Aber: wann etwa trifft Ihr Mscr. ein?1 Wieser ist jetzt sicher für Dezember versprochen und fertig bis auf Revision.2 Januar möchten wir gern drucken. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber

1 Webers Frage gilt dem Manuskript zu der zentralen GdS-Artikelfolge: „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“. Nur wenige Tage später erhielt Weber Plenges endgültige Absage, seine Beiträge abzuliefern; vgl. dazu seinen Brief an Plenge vom 4. Nov. 1913, unten, S. 345 f. 2 Gemeint ist: v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. Die Revision des Artikels zog sich noch bis Ende Februar 1914 hin, so daß erst im März mit dem Druck begonnen werden konnte.

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Paul Siebeck 3. November [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „5.11.13“ sowie Briefinhalt.

„Schönberg“ betr. Heidelberg 3a/XI Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

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1. Eine sehr nachdrückliche Anfrage bei v. Wieser ergab, daß er fertig ist, aber noch einmal einige der Schlußbogen seiner Abschrift durchsieht und kürzen möchte. Er liefert Weihnachten ab.1 2. Grünberg ist angeblich seit langem fertig, erbat sich z. Z. nur noch „kurze Zeit“ zur Schlußredaktion.2 Er ist vor 4 Wochen nochmals gemahnt. 3. Mein Bruder liefert Weihnachten.3 4. Gottl hat abgeliefert4 (an mich), ich habe 8 Tage aufgewendet, sein um das 5fache zu großes Mscr. zu kürzen, jetzt kürzt er selbst noch. Aber Weihnachten ist Alles da. 5. Salz hat abgeliefert,5 kürzt jetzt noch[.] 6. Lederer ist im letzten Stadium der Arbeit,6 also sehr bald fertig. a 4>3 1 Es geht hierbei um die Schlußrevision zu: v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, die sich jedoch bis Ende Februar 1914 hinzog. Briefe Webers an Friedrich Frhr. v. Wieser sind nicht nachgewiesen. 2 Zum Problem der Fertigstellung bzw. Ablieferung des Manuskripts von Grünberg, Agrarverfassung, vgl. den Brief Webers an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 230, Anm. 27. 3 Dies bezieht sich auf den Beitrag von Alfred Weber, erschienen unter dem Titel: Industrielle Standortslehre (Allgemeine und kapitalistische Theorie des Standortes), in: GdS, Abt. VI. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 54 – 82 (hinfort zitiert als: Weber, Alfred, Standortslehre). 4 Gemeint ist: v. Gottl, Wirtschaft und Technik. 5 D. h. die GdS-Beiträge: Salz, Kapitalbildung, ders., Vermögensbildung, und ders., Berufsgliederung. Der letztere Beitrag von Arthur Salz, obwohl im Manuskript vorliegend, ist nie erschienen. 6 Gemeint sind die Beiträge: Lederer/Marschak, Neuer Mittelstand, Lederer/Marschak, Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt, Lederer/Marschak, Arbeiterschutz, sowie Lederer, Sozialversicherung.

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7. Plenge ist der Haupt-Restant.7 Seine letzte Antwort gab keinen sicheren Termin. Er ist nochmals gemahnt.8 8. Gothein ist fast fertig, muß kürzen (ich habe das Mscr.).9 Weihnachten fertig. Hat Rathgen geliefert?10 Er hat mir nicht geantwortet, ist z. Z. in Amerika. Ich werde also im Januar mit der Schluß-Redaktion beginnen können, wenigstens für Buch I, III ff excl.b das letzte, da da noch Rückstände sind.11 – Ich selbst habe meinen Beitrag12 zu einer Soziologie ausgearbeitet, um Ersatz für Bücher’s Minderleistung13 zu bieten, habe daran noch zu thun. Darüber nächster Tage. Bitte: wer fehlt jetzt noch nach Ihren Listen? Mit herzlichem Gruß Ihr Max Weber

b 7 Einen Tag später – am 4. Nov. 1913 – erhielt Weber Plenges Hiobsbotschaft vom 2. Nov. 1913 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge), daß dieser seine zentralen GdS-Beiträge definitiv nicht liefern könne. Vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 15. Jan. 1913, oben, S. 45, Anm. 3. 8 Vgl. dazu den Brief an Johann Plenge vom 29. Okt. 1913, oben, S. 342. 9 Gemeint ist: Gothein, Bergbau. 10 Karl Rathgen war der Bearbeiter von „Buch IV“: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates. Rathgens Beitrag ist jedoch nie erschienen. Von den vier Teilbereichen von Buch IV: 1) Entwicklung des Außenhandels und Systeme der äußeren Handelspolitik, 2) Kapitalanlage im Ausland, 3) Außenwanderungen, 4) Kolonialwesen und „Rassenpolitik“, ist lediglich der erste später bearbeitet worden. Dieser wurde von Franz Eulenburg verfaßt und ist erschienen unter dem Titel: Außenhandel und Außenhandelspolitik (Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen) in: GdS, Abt. VIII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1929. 11 Vermutlich meint Weber Buch I, Abschnitt III mit den einzelnen Unterabschnitten nach dem damals noch gültigen Stoffverteilungsplan von 1910; den letzten Unterabschnitt bildete Webers eigener Beitrag über „Wirtschaft und Gesellschaft“. 12 D. h. Wirtschaft und Gesellschaft. 13 D. h. Bücher, Entwicklungsstufen. Vgl. Anm. 5 zu dem Brief an Johann Plenge vom 26. Jan. 1913, oben, S. 58.

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Johann Plenge 4. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Bezug: Brief Johann Plenges vom 2. November (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) mit der endgültigen Absage an Weber, seine GdS-Beiträge über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt „ und „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ fertigstellen zu können: „Der Brief, den ich Ihnen zu schreiben habe, ist der schwerste meines Lebens, und ich muß mir vorwerfen, daß ich diese letzten Wochen den Kopf in den Sand gesteckt habe, um die Notwendigkeit nicht sehen zu müssen. Ich habe immer wieder darauf gehofft, daß die Arbeitskraft nun doch wieder kommen müßte, wo ich endlich zur Ruhe gekommen bin. Aber es liegt dauernd eine bleierne Müdigkeit über mir.“

Heidelberg 4/XI 13 Lieber Herr Kollege –

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ich kenne und verstehe diesen Zustand und Sie müssen diese Consequenz ziehen, das ist klar. Natürlich frage ich mich: hätte er mir dies nicht schon vor 11/2 Jahren so sagen können, da es ihm damals so schlecht ging? Aber ich kenne das auch: man hofft. Unrichtig war, daß Sie etwas Andres trotzdem arbeiteten (das mir gewidmete Buch),1 nachdem eigentlich die Frist schon abgelaufen war. Aber ich verstehe selbst Das und was hätten Rekriminationen für einen Zweck, wo die Hauptsache ist, daß Sie Sich der Lage anpassen und so für künftig Sich reservieren? Bei richtiger Hygiene – auch seelischer, d. h. planmäßigem Fernhalten von allen Erregungen – für die Ihre verehrte Gattin schon sorgen wird, wird das Alles besser gehen, als Sie jetzt natürlich glauben werden. – Genug davon! – Meine Lage ist allerdings die schlimmst-denkbare. Ich werde wohl an Gutmanna (Knapp-Schüler) gehen; wegen des Geldes.2 Aber die

a O: Guttmann 1 Plenge, Johann, Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt. – Berlin: Julius Springer 1913, mit der Widmung: „Max Weber als Abschlagszahlung auf eine größere Schuld“. 2 Tatsächlich hat Franz Gutmann den Artikel „Geld und Kredit“ übernommen; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 11. Nov. 1913, unten, S. 373. Der Beitrag ist jedoch nie erschienen.

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„Conjunkturen und Krisen“?3 – Mir rätselhaft. – Genug. Es ist eine schlimme Sache für mich, aber wozu Sie damit belasten? Eines bitte ich Sie: suchen Sie doch Ihren Zorn gegen Bücher zu mildern.4 Sie gehen zu weit. Er hat sehr wenig gut und richtig gehandelt. Er ist ein grober Bauer in vieler Hinsicht. Er ist aber seit langem krank und ich kann ihn mit dem Selbstbetrug, der dann so leicht kommt, nicht so belasten wie Sie es thun. Gott weiß, wie oft man sich selbst irgendwie betrogen hat. Das Alles belastet Sie seelisch unnütz und schädigt Sie. Machen Sie doch jetzt etwas, was Ihnen „Spaß“ macht. Setzen Sie Sich, sobald Sie Luft haben, hin und schreiben in 1 Bogen Ihre Stufentheorie nieder,5 ganz populär, unsoigniert und rein didaktisch. Büchers Mscr. ist so miserabel und so wenig „Stufentheorie“,6 daß ich dann diese Sache von Ihnen sofort drucke. Versprechen Sie nichts, zwingen Sie Sich nichts ab, aber wenn es über Sie kommt, thun Sie es. Freundschaftliche Grüße Ihr Max Weber

3 Weber versuchte zunächst, mit seinem Schreiben vom 6. Nov. 1913, Franz Eulenburg als Autor für diesen Artikel zu gewinnen, unten, S. 350 f. Dieser lehnte jedoch ab; vgl. dazu Webers Antwort an Eulenburg vom 25. Nov. 1913, unten, S. 401. Den Beitrag hat dann Othmar Spann übernommen – vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck, vor oder am 25. Nov. 1913, unten, S. 399 f. –, schied jedoch – z.T. durch eine Kriegsverletzung bedingt – aus dem GdS-Projekt aus. Der Artikel ist letztlich von Emil Lederer verfaßt worden. 4 Noch einmal hatte Plenge in seinem Brief an Weber vom 2. Nov. 1913 (wie oben, Editorische Vorbemerkung) seiner Erbitterung über Karl Büchers Verhalten freien Lauf gelassen: „Mehr wie je empfinde ich jetzt die Niedertracht und schamlose Pflichtvergessenheit von Bücher, daß er mir das bischen Platz nicht gönnte, obwohl er doch alle seine Vorrechte gern behalten sollte.“ Zu den Gründen der Kontroverse zwischen Plenge und Bücher vgl. die Briefe an Plenge vom 21. Jan. 1913, oben, S. 50, Anm. 8, sowie vom 18. und 22. März 1913, oben, S. 130 – 132 und 137 – 139. 5 Die von Plenge 1912 konzipierte Stufentheorie ist nie veröffentlicht worden; ein diesbezüglicher Artikel, betitelt: Wirtschaftsstufen und Wirtschaftsentwicklung, erschienen in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, Bd. 4, 1916, S. 495 – 529, ist eher als eine Polemik gegen Bücher zu bewerten, dem er vorwarf, bei der Konstruktion seiner Wirtschaftsstufen: Haus-, Stadt- und Volkswirtschaft, ein Plagiat an Gustav Schönberg begangen bzw. dessen Vorgängerschaft verschwiegen zu haben. 6 Weitere Urteile Webers über: Bücher, Entwicklungsstufen, finden sich in seinen Briefen an Paul Siebeck vom 28. Jan. und 8. Febr. 1913, oben, S. 60 und 87, 30. Dez. 1913, unten, S. 449, 21. Juni 1914, unten, S. 727, sowie in seinem Brief an Plenge vom 11. Aug. 1913, oben, S. 305.

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Paul Siebeck 4. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 4/11 13 Lieber Herr Dr Siebeck!

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Da haben wir die Sache!1 Jetzt müssen wir bald einmal über die ganze Problemlage reden. Ich schlage vor, daß ich wegen der „Conjunkturen“ an Eulenburg, wegen „Geld u. Notenbanken“ an Gutmanna gehe,2 den Sie ja kennen.3 Aber jetzt muß m. E. ein erster Band vorher erscheinen. Die Autoren werden sonst zu wild. Denn Zeit braucht es nun. Für heut und herzlichen Gruß! Max Weber.

a O: Guttmann 1 Weber bezieht sich auf den Absagebrief Johann Plenges vom 2. Nov. 1913, den er seinem Schreiben beigefügt hatte. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Plenge vom 4. Nov. 1913, oben, S. 345. 2 Weber nannte Franz Gutmann, weil dieser nach seiner gerade erschienenen Habilitationsschrift: Das französische Geldwesen im Kriege (1870 – 1878) (Abhandlungen aus dem staatswissenschaftlichen Seminar zu Straßburg i. E., Heft 30). – Straßburg: Karl J. Trübner 1913, noch am ehesten ein geeigneter Ersatz für Plenge zu sein schien. 3 Franz Gutmann war damals Privatdozent in Tübingen und wohnte in derselben Straße wie Paul Siebeck und dessen Familie. Dem Vorschlag Webers, Franz Eulenburg und Gutmann als Autoren zu gewinnen, hat Siebeck in seiner Antwort vom 5. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zugestimmt; vgl. dazu Webers Folgebrief an Siebeck vom 6. Nov. 1913, unten, S. 348.

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Paul Siebeck 6. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 6/XI 13 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck! Ich schreibe also an Eulenburg und Gutmanna.1 Was ich vorschlagen möchte, ist lieferungsweise Ausgabe, und zwar beginnend mit Buch I2 und zugleich mit Buch II, II (:beginnend: bei dem Beitrag: „Handel“)[.]3 Damit die sehr guten, zumeist schon eingelaufenen Beiträge in dem Abschnitt über die Spezialbranchen nicht veralten und der sehr ungeduldige Schulze-Gävernitz4 gedruckt wird. Dadurch würde für die durch Plenge entstandenen Lücken, die alle in dem allgemeinen Teil von II liegen, Zeit geschaffen, ebenso für die sehr schwierige Schlußredaktion des letzten Teils5 und für Rathgen, von dem ich dachte, er habe abgeliefert.6 a O: Guttmann 1 Paul Siebeck hatte am 5. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) dem Vorschlag Webers vom Vortage, oben, S. 347, zugestimmt, sich nach der Absage Johann Plenges vom 2. Nov. 1913 wegen der Neuvergabe der GdS-Artikel über „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ an Franz Eulenburg sowie über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ an Franz Gutmann zu wenden. Webers Anfrage an Eulenburg erfolgte noch am gleichen Tage, siehe unten, S. 350 f. Das entsprechende Anschreiben an Gutmann ist nicht nachgewiesen, doch erklärte sich dieser laut Brief vom 8. Nov. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) prinzipiell bereit, den Artikel zu übernehmen. Vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 9. Nov. 1913, unten, S. 372, Anm. 8. Zu Webers Versuch der Neuvergabe der Artikel vgl. seinen Brief an Plenge vom 4. Nov. 1913, oben, S. 345 f., Anm. 2 und 3. 2 „Buch I“ umfaßte nach dem Stoffverteilungsplan von 1910: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft. 3 Wahrscheinlich meint Weber das „Buch III, I“ des GdS mit dem Titel „Handel“. Nach dem alten Stoffverteilungsplan von 1910 sollte Abschnitt II, II das Thema „Rechtliche Grundlagen des modernen Kapitalismus“ behandeln, und Buch III, II enthielt die Beiträge über „Kreditbankwesen“; vgl. dazu Anhang 1, unten, S. 810 – 812. 4 Gemeint ist: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank. Das Manuskript zu diesem Beitrag befand sich seit Monaten im Verlag bzw. bei Johann Plenge. 5 Es ist nicht ganz klar, ob sich Weber hier auf den Schluß von Buch II mit den Abschnitten über Geld und Kredit etc., Preisbildung sowie Konjunkturen bezieht oder auf das letzte Buch des GdS, Buch V: Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik des modernen Staates (= „Sozialpolitik“). 6 Siebeck hatte Weber am 5. Nov. 1913 (wie Anm. 1) mitgeteilt, daß Karl Rathgen sein GdS-Manuskript noch nicht abgeliefert habe. Rathgen bearbeitete alle Artikel des

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Ich werde vielleicht einmal nach Tübingen kommen. Denn ich möchte Ihnen vorschlagen: den Umfang der Abschnitte: „Wirtschaft und Technik“1) und „Wirtschaft und Gesellschaft“2) stark zu erweitern. Diese beiden Arbeiten bringen prinzipiell ganz Neues, was zu enthalten m. E. dem Werk sehr zum Vorteil gereichen wird. Das gilt für Gottl, dessen Beitrag ganz vortrefflich und höchst originell ist. Aber es gilt auch für meine „Soziologie“, denn dazu wird der Abschnitt annähernd, obwohl ich ihn nie so nennen könnte. Die Concurrenz von Michels fürchte ich nicht.7 Ich kenne den Plan der Sache, habe die Mitarbeit abgelehnt, verspreche mir aber nicht viel von der Ausführung. Es ist Concurrenz gegen Fischer,8 nicht gegen Sie. Die Nationalökonomie ist sehr gering vertreten darin, die Soziologie vielfach schlecht vertreten. Jedenfalls ohne neue „Ideen“. Das Unternehmen ist „nützlich“, aber, wie gesagt, ich halte es nicht für eine „Concurrenz“. Ich sehe keinen prinzipiellen Grund, warum Herr Dr Lederer nicht mitthun dürfte.9 Wenn es Ihnen recht ist, so erlauben Sie mir vielleicht, mit ihm darüber zu reden. Dann könnte man sorgen, daß keine Interessencollisionen entstehen, die sonst möglich sind. Mit herzlichen Grüßen, – ich muß schon sagen, daß dieser Verlauf der Sache mit Plenge mich tief verdrossen hat – Ihr Max Weber 1) 2)

Gottl ich

Themenbereichs: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates (= Buch IV). Der Beitrag Rathgens ist nie erschienen. Vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 3. Nov. 1913, oben, S. 344, Anm. 10. 7 Siebeck hatte seinem Brief vom 5. Nov. 1913 (wie Anm.1) ein maschinenschriftliches Zirkular von Robert Michels’ projektiertem „Handwörterbuch der Soziologie“ beigegeben, welches ihm „durch eine Indiskretion Lederers ins Haus geflogen“ sei. 8 Gemeint sind die bei Gustav Fischer erscheinenden bzw. erschienenen Sammelwerke: „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ sowie „Wörterbuch der Volkswirtschaft“. 9 Siebeck hatte in seinem Brief vom 5. Nov. 1913 (wie Anm. 1) von einer Anfrage Emil Lederers berichtet, ob sich seine Mitarbeit an dem von Michels projektierten Wörterbuch mit dem Verlagsvertrag des GdS vereinbaren lasse.

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Franz Eulenburg 6. November 1913; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 39 – 40 Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Neuvergabe des GdS-Beitrags über „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ nach der Absage Johann Plenges vom 2. November 1913; zum Verlauf von Webers Bemühungen, einen geeigneten Ersatz zu finden, vgl. dessen Brief an Plenge vom 4. November 1913, oben, S. 346, Anm. 3.

6.11.13. …a Plenge ist gesundheitlich derart zusammen gebrochen, daß er jetzt[,] wo der Druck des Grundrisses in ca. 2 1/2 Monaten beginnen sollte, noch alles absagen muß, um wieder hoch zu kommen. Ich muß gestehen, daß die Situation[,] in die mich das bringt, nach so langer Zeit, geradezu furchtbar ist. Und vor allem, die an sich gute und nützliche Sache! Schon Bücher hat völlig versagt,1 dem zu Liebe ich allein diese mir so gar nicht liegende Rolle übernahm. Ich weiß nicht aus noch ein. Daß ich Plenge seinerzeit außer „Geld und Kredit“ noch „Konjunkturen und Krise“ übertrug, war sein Wunsch, er habe, meinte er[,] etwas ganz Neues zu sagen. Da Sie damals noch, wie ich annahm, eine baldige Beendigung Ihrer „Vorfragen“ in Aussicht nahmen2 und

a Anfang der Abschrift mit Auslassungszeichen. 1 Dies bezieht sich auf den GdS-Beitrag: Bücher, Entwicklungsstufen. 2 Ein solches Werk, betitelt „Vorfragen der Sozialphilosophie“, hatte Eulenburg schon in seinem Artikel: Gesellschaft und Natur. Akademische Antrittsrede, in: AfSSp, Bd. 21, Heft 3, 1905, S. 519 – 555, in Aussicht gestellt und dabei bemerkt, daß dieses „etwa in Jahresfrist erscheinen“ solle, ebd., S. 519, Sonderanmerkung. Trotz weiterer Ankündigungen ist diese Arbeit nie in Buchform erschienen; längere Auszüge daraus wurden jedoch als umfangreiche Artikelserie veröffentlicht, und zwar unter dem Titel: Naturgesetze und Soziale Gesetze. Logische Untersuchungen, in: AfSSp, Bd. 31, Heft 3, 1910, S. 711 – 778, und ebd., Bd. 32, Heft 3, 1911, S. 689 – 780, sowie als abschließender Aufsatz: Über Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte („historische Gesetze“). Logische Untersuchungen, ebd., Bd. 35, Heft 2, 1912, S. 299 – 365. Ausdrücklich vermerkt Eulenburg in seiner obengenannten Arbeit von 1910, S. 767f., daß „diese Artikel einen Abschnitt“ aus den „Vorfragen der Sozialphilosophie“ wiedergäben.

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so festgelegt waren[,] griff ich gern zu, denn Plenge ist begabt und theoretisch[,] so viel ich sehen konnte und kann, firm. Ich frage nun ganz einfach, liegen die Dinge nicht jetzt so, daß Sie die „Konjunkturen“ nunmehr übernehmen können? Sie haben stetig auf diesen Gebieten gearbeitet, ich kenne auch Ihre Börsenartikel in der Neuen Freien Presse,3 von anderen abgesehen. Allesb Nähere, sobald Sie prinzipiell sich die Sache überlegt haben, worum ich Sie sehr bitte.4 Es handelt sich um eine didaktische systematische Darstellung auf wenigen Bogen...c

b In Abschrift: Alle

c Ende der Abschrift mit Auslassungszeichen.

3 Artikel von Franz Eulenburg über die Börse sind in der Neuen Freien Presse nicht nachgewiesen. 4 Zu Eulenburgs Ablehnung vgl. Webers Antwortschreiben vom 25. Nov., unten, S. 402.

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Georg von Lukács 6. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 28, Bl. 4 – 5

Heidelberg 6/XI 13 Lieber Herr Doktor! Dürfen wir Sie noch einmal (zum letzten Mal!) bemühen?1 Ich bat die Manifattura di Signa2 um 1) den „prezzo ultimo“ für den Wagenlenker (ich habe ihn vergessen)a[,]3 2) Angabe, ob die Statueb bei der Sendung versichert :(assicurato): wird und was uns das kostet. Offenbar hat sie meinen Brief nicht lesen können oder mein Italienisch war zu schlecht. Ich wäre Ihnen nun wirklich sehr dankbar, wenn Sie Ihr Weg vorbei führt, falls Sie den Wagenlenker einfach für uns kaufen würden, falls der Preis nicht wesentlich über 450 Lire kommt, excl. der Versicherung. Zahlung erfolgt sofort, nachdem ich Ihre Nachricht habe. Dann erst, nach Eingang, soll er abgeschickt werden, mit Nachnahme der Fracht. Wenn irgend möglich, wünsche ich natürlich Versicherung gegen Bruch auf dem Transport (das haben sie früher, von Florenz aus, gethan, es geht also). Verzeihen Sie diese abermalige Belästigung. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie dazu kommen können. Ich denke gern an die gemeinsamen Tage in Rom, obwohl ich diesmal nicht so intensiv aufnahm wie sonst. Ich war innerlich abgelenkt (durch Arbeitsgedanken) und die Veränderung störte mich zu stark, die überall zu sehen war. Der Aufenthalt war zu kurz. Herzliche Grüße und Dank von meiner Frau und Ihrem Max Weber a Klammer fehlt in O.

b Sache > Statue

1 Webers im folgenden vorgebrachte Bitte hat sich wenig später erledigt; vgl. dazu den Brief an Lukács vom 7. Nov. 1913, unten, S. 354. 2 Signa ist ein Ort bei Florenz, der für seine künstlerische Keramikherstellung bekannt ist. 3 Der „ultimo prezzo“, d. h. der äußerste Preis, bezog sich auf eine Kopie des Wagenlenkers von Delphi. Die Nachbildung wurde im Salon Webers in der Ziegelhäuser Landstraße aufgestellt. Heute befindet sich die bemalte Terrakotta-Plastik in der Abguß-Sammlung des Archäologischen Instituts der Universität Heidelberg.

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Paul Siebeck 6. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg 6/11 13 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

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Anbei der mir zugeschickte Michels’sche Plan.1 Ich schrieb Ihnen ja inzwischen darüber.2 Michels werde ich bitten, doch nicht unsre Mitarbeiter zu beschlagnahmen,3 er ist mir verpflichtet. Aber an sich halte ich Lederer’s Mitarbeit für unschädlich. Das „Handbuch“ ist viel umfassender als dies Unternehmen, es werden in ihm, wenn Sie auf meine Vorschläge eingehen, nur die ethnographisch-urgeschichtlichen Teile der Soziologie nicht behandelt sein.4 Bitte schicken Sie doch 1) Prof. Franz Eulenburg, Leipzig, Grassi-Straße 7 2) Privatdozent Dr aFranz Gutmanna, Tübingen, je 1 Exemplar des Stoffverteilungsplans, 3) mir ca 1 Dutzend. Ich habe keine mehr. Mit herzlichem Gruß Ihr ergebenster Max Weber

a Guttmann > Franz Gutmann 1 Gemeint ist das Zirkular und das dazugehörige Stichwortverzeichnis zu dem von Robert Michels projektierten dreibändigen „Handwörterbuch der Soziologie“ (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). 2 Brief an Paul Siebeck vom gleichen Tage, oben, S. 349. 3 Weber äußert sich in diesem Sinne in seinem Brief an Robert Michels vom 9. Nov. 1913, unten, S. 364 f. 4 Dies betrifft Webers eigenen GdS-Beitrag über „Wirtschaft und Gesellschaft“. Nach seinem Vorschlag im vorhergehenden Brief an Siebeck vom gleichen Tage, oben, S. 349, sollte dieser zu einer umfassenden „Soziologie“ ausgestaltet werden.

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Georg von Lukács 7. November [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 28, Bl. 7 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 7/XI Lieber Herr Doktor! Mein Brief ist erledigt,1 die Manifattura hat soeben geschrieben. Ich hoffe sehr, daß Sie Sich noch keine Mühe gemacht haben. Nochmals herzlichen Dank für Ihre Freundlichkeit! – Ich bin gespannt, ob wir Sie thatsächlich schon in einigen Wochen hier sehen werden oder ob Rom stärker bleibt. Meine Frau grüßt herzlich, ebenso Ihr Max Weber

1 Gemeint ist der Brief an Lukács vom Vortage, oben, S. 352.

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Karl Jaspers 8. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig DLA Marbach, Nl. Karl Jaspers Der Brief steht in Zusammenhang mit der Habilitationsabsicht von Karl Jaspers für das Fach Psychologie in der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 264.

Ziegelh. Landstr. 17 8. XI. 13. Lieber Herr Doktor!

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Vertraulich – außer Gruhle gegenüber – möchte ich Ihnen mitteilen: Ihre Habilitation ist, und zwar rechtzeitig, also vor dem Termin der Feststellung des Vorlesungsverzeichnisses, nach Windelband’s gestrigen Mitteilungen1 über den Inhalt seines Referates über Ihr Buch,2 absolut gesichert. Ich glaube auch annehmen zu dürfen, daß Gruhle’s Nostrifikation als P.D. bei der Philos[ophischen] Fak[ultät] (neben der medizinischen), wenn er will, keine prinzipiellen Schwierigkeiten machen wird.3 Dr Häberlin kommt, der Sache nach, nicht mehr in Frage.4 Teilweise aus Gründen, die ich nicht gelten lasse. Aber, soweit Psychologie in Betracht kommt, natürlich mit Recht nicht. Man wird nun einen andren suchen, der Psych[ologie] und Pädagogik, aber psychologisch fundamentiert, vertreten kann, da mein Gedanke, ev. H[äberlin] als bloßen Pädagogiker zu holen, unpraktikabel ist, wie ich zugebe. Davon allein kann man weder äußerlich noch innerlich existieren. Daß man Jemand findet, der jene Qualitäten aufweist, beides voll zu vertreten, ist 1 Am 7. November 1913 hatte die Kommission in Sachen Errichtung einer psychologisch-pädagogischen Professur, der neben Wilhelm Windelband, Franz Boll und Hermann Oncken auch Max Weber angehörte, getagt. 2 Gemeint ist: Jaspers, Karl, Allgemeine Psychopathologie. – Berlin: Julius Springer 1913; zum Wortlaut von Windelbands gutachtlichen Äußerungen vom 7. Nov. 1913 über Jaspers’ Buch vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 264. 3 Hans W. Gruhle hat darauf verzichtet, sich in der Philosophischen Fakultät zu habilitieren. 4 Zur Frage der Berufung des Basler Privatdozenten Paul Häberlin auf ein geplantes Extraordinariat für Psychologie und Pädagogik vgl. den Brief an Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1.

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uns Allen sehr fraglich. Aber der ehrliche Versuch muß gemacht werden. Es freut mich, daß H[äberlin] dazu gut war, die Habilitation für „Psychologie“ in der Philos[ophischen] Fak[ultät] formell möglich zu machen. – Ich schicke Ihnen demnächst einen Aufsatz (ev. in Correkturbogen) über „verstehende Soziologie“ (Logos).5 Mit herzlichen Grüßen v. H. z. H. Ihr Max Weber

5 Es handelt sich um die Korrekturbogen von: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie.

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Hans W. Gruhle 8. November 1913; o.O. Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612

8/11 13 Lieber Herr Doktor!

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Die Sache „Häberlin“ ist (vertraulich!) erledigt.1 aMan sucht nun einen Psychologen, der „Pädagogik“ lesen kann.2 Man wird ihn m. E. nicht finden, wenigstens keinen der so erheblich wäre, daß man ihn hierher zu ziehen Anlaß hätte. Ich schrieb dies auch Dr Jaspers,3 dessen Habilitation nun gesichert ist.a Nach den Erörterungen gestern (in der Commissionb)4 glaube ich (unverbindlich), daß Niemand Ihrem eventuellen Wunsch, auch in der Philos[ophischen] Fak[ultät] habilitiert zu sein, prinzipielle Schwierigkeiten machen würde. Habe ich damit Recht, dann würde ich dazu rathen, dies (gelegentlich) zu thun.5 Es ist ja klar, daß Sie sonst ganz im Schatten stehen, aus rein äußeren Gründen. (Übrigens habe ich in Berlin mein erstes Colleg vor 1 Zuhörer, bei 3 Belegern, gehalten). – Nun haben Sie und Herr Dr Wetzel verbindlichsten Dank für Ihr Buch,6 das ich gleich las. Natürlich frage ich mich: was ist der zentrale Gesichtspunkt dieser Sammlung? Sollen psychologische Typen gewon-

a– a Vertikaler Randstrich und eigenhändige Randbemerkung Max Webers: dies nur für Sie! b O: Comission 1 Zur Frage der Berufung des Basler Privatdozenten Paul Häberlin auf ein geplantes Extraordinariat für Psychologie und Pädagogik vgl. den Brief an Karl Jaspers vom 6. Juli 1913, oben, S. 265, Anm. 1. 2 Offenbar wollte man den Freiburger Privatdozenten und a. o. Professor Jonas Cohn dafür gewinnen. Zu diesem – vergeblichen – Versuch vgl. den Brief an Heinrich Rickert vom 23. Febr. 1914, unten, S. 524, Anm. 1. 3 Gemeint ist der Brief an Karl Jaspers vom gleichen Tage, oben, S. 355 f. 4 Am 7. November 1913 hatte die Kommission in Sachen Errichtung eines psychologisch-pädagogischen Lehrstuhls, der neben Wilhelm Windelband, Franz Boll und Hermann Oncken auch Max Weber angehörte, getagt. 5 Ein derartiger Versuch Gruhles ist unterblieben. 6 Wie aus dem folgenden hervorgeht, handelt es sich nicht um eine Arbeit von Gruhle selbst, der dabei lediglich als Herausgeber fungierte, sondern um die von Albrecht Wetzel und Karl Wilmanns über: Geliebtenmörder (Verbrechertypen, hg. von Hans W. Gruhle und Albrecht Wetzel, Bd. 1, Heft 1). – Berlin: Julius Springer 1913.

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nen werden? Offenbar: nein. Denn außer der Labilität und Weichheit haben ja die 3 Geliebtenmörder eigentlich nichts Wesentliches gemein, außer dennc ihre That, deren Causalkette aber doch auf sehr verschiedene psychologische „letzte“ Qualitäten zurückgehen kann. Oder forensische Typen? Sicher nicht. Oder soll das prinzipielle Verhältnis des Psychopathischen zur „Zurechnungsfähigkeit“ und damit die prinzipielle Stellung der forensischen Interessen zur Psychiatrie und umgekehrt an :exakten: Beispielen (Gutachten) erläutert werden? Jedenfalls liegt für mich das wesentlich Belehrende der Lektüre an diesem Punkt. Dagegen für „kriminalpsychologische“ Interessen müßte doch der Versuch, aus den Strafregistern :und Akten: eines Gebiets: Alter, Geschlecht, örtliche (nach Größenklassen) Provenienz, berufliche Herkunft (Vater und eigner Beruf) etc. zu ermitteln, unbedingt daneben treten. Also Arbeiten der Art, wie Ihr großes Buch,7 nur begrenzt auf das „statistisch“ Greifbare, und dann solche Illustrationen, wie die hier vorgelegten. Sonst bleibt doch der „typische“ Charakter zweifelhaft, scheint mir. Oder wie läßt sich dieser aus diesen Fällen begründen oder entnehmen? Ich schicke Ihnen demnächst Correkturbogen eines Aufsatzes für den „Logos“ über „verstehende Soziologie“8 (sehr abstrakt). Herzliche Grüße, auf Wiedersehen Ihr Max Weber

c Alternative Lesung : eben 7 Gruhle, Hans W., Die Ursachen der jugendlichen Verwahrlosung und Kriminalität. Studien zur Frage: Milieu oder Anlage (Heidelberger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der Kriminalpsychologie, Heft 1). – Berlin: Julius Springer 1912. 8 Es handelt sich um die Korrekturbogen zu: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie.

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Johann Plenge [8. November 1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Die Datierung ist erschlossen aus dem Briefinhalt in Verbindung mit einem Schreiben von Johann Plenge an Paul Siebeck vom 9. November 1913 (VA Mohr/Siebeck Tübingen, Nr. 351). Darin erwähnt Plenge ein Telegramm Siebecks vom Vortage, in welchem er um umgehende Rücksendung des GdS-Manuskripts von v. Schulze-Gaevernitz gebeten wird. Das Telegramm dürfte zeitgleich mit dem folgenden Schreiben abgesandt worden sein. Neben der Suche nach neuen GdS-Autoren für die Beiträge des ausgeschiedenen Plenge stand für Max Weber und Paul Siebeck die Auseinandersetzung mit Gerhart v. Schulze-Gaevernitz im Vordergrund. v. Schulze-Gaevernitz hatte am 7. November durch einen Assistenten sein GdS-Manuskript: Deutsche Kreditbank, zwecks Umarbeitung vom Verlag angefordert (VA Mohr/Siebeck Tübingen, Nr. 352) und mußte zu seiner Überraschung erfahren, daß dieses ohne sein Wissen und seine Zustimmung an Johann Plenge weitergeleitet worden war. v. Schulze-Gaevernitz war darüber zunächst äußerst aufgebracht. Er akzeptierte zwar in seinem Schreiben an Weber vom 14. November 1913 (Abschrift masch.; ebd.) dessen Entschuldigung, daß es sich dabei um einen Irrtum gehandelt habe, kündigte aber seinen Verlagsvertrag auf: „Andererseits werden Sie verstehen, daß ich den Wunsch und das Interesse habe, daß das Manuskript, welches ein halbes Jahr in den Händen eines andern, über ähnliche Gebiete arbeitenden Autors gewesen ist, baldmöglichst gedruckt werde. Zu diesem Zwecke gedenke ich mein Manuskript vom Handwörterbuch zurückzuziehen, indem rechtskundige Freunde [u. a. Otto Lenel] mich versichern, daß der Verlagsvertrag [wegen positiver Vertragsverletzung] als aufgehoben zu betrachten sei. Ich nehme an, daß Ihnen hierdurch keine Verlegenheit, ja vielleicht eher ein Vorteil erwächst, da Plenge nunmehr die vorhandene Lücke besser und einheitlicher als ich auszufüllen in der Lage ist.“ Diese letzte Passage bezeichnete v. Schulze-Gaevernitz in seinem Brief vom 17. November 1913 an Weber (Abschrift masch.; ebd.) nach dessen Richtigstellung, daß nämlich Plenge aus dem GdS ausgeschieden sei, als „beklagenswerten Irrtum“ – vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Schreiben an v. Schulze-Gaevernitz von vor dem 17. November 1913, unten, S. 381 – und versicherte, an seinem Beitrag für den GdS festzuhalten – unter der Bedingung, ein Kapitel, und zwar über die Reichsbank, hinzufügen zu können. Als weitere Bedingung nannte er in seinem Brief an Siebeck vom 18. November 1913 (ebd.), „daß das Handbuch bis 1.März 1915 im Buchhandel erschienen ist; sollte dies nicht der Fall sein, so bin ich berechtigt, dasselbe ohne weiteres von Ihnen zu anderweitiger Verfügung zurückzuziehen.“ Zwar wurde diesen Bedingungen von Weber und dem Verleger zugestimmt, doch erwies sich die Terminbefristung insoweit als unwirksam, als v. Schulze-Gaevernitz durch seine Tätigkeit als Reichstagsabgeordneter nicht in der Lage war, sein überarbeitetes Manuskript rechtzeitig zurückzusenden. Der GdS-Beitrag: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank, ist erst 1915 erschienen.

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Heidelberg Ziegelhauser Landstr. 17 Verehrtester Herr Kollege! Siebeck schreibt, daß Sie das Mscr. v. Schulze-Gävernitz (Creditbanken) noch haben. Ich bitte um schleunigstea Zusendung, an Siebeck oder mich, da Sch[ulze-Gaevernitz] es dringlich verlangt hat. Collegialen Gruß! Ihr Max Weber

a O: zweifach unterstrichen.

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Emil Lederer 9. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 20, Bl. 1 – 2

Heidelberg 9/XI 13 Sehr verehrter Herr College!

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Besten Dank für Ihre Sendung.1 Aber ich sehe nicht, wie es mit dem Verhältnis Ihrer Arbeit zu der Schachner’schen steht. Das ist für uns doch sehr wichtig. Denn die Beiträge Schachners müssen ja nach dem Verlagsvertrag als solche von ihm und Ihnen bezeichnet werden und die Wittwe hat darauf Anspruch,2 den sie auch :natürlich: schon angemeldet hat. Ich sehe aber nicht, daß Sie kenntlich gemacht hätten, wie Sich Ihre Zusätze und Änderungen zu der Schachner’schen Arbeit verhalten, was doch kenntlicha sein müßte. Denn nur über eine Umarbeitung der Schachner’schen Arbeiten, nicht über eine Neu-Arbeit hatten wir ja verhandelt und Sie haben ja doch die Sch[achner]’schen Manuskripte noch. Ich möchte Sie hierüber um freundliche Aufklärung bitten. Denn der Text dessen, was ich (für V, VII, 4 u. 5) erhalten habe,3 erscheint mir nach Formgebung und Gedanken als eine Neuarbeit von Ihnen. –

a 1 Wie aus dem folgenden hervorgeht, handelt es sich um die von Lederer bearbeiteten Manuskripte des verstorbenen Robert Schachner zu dem GdS-Beitrag über „Sozialpolitik“; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 9. Nov. 1913, unten, S. 369, Anm. 31. 2 Gemeint sind die Ansprüche von Käthe Schachner. Weber bezieht sich hier auf § 11 des GdS-Verlagsvertrags: „Im Falle des Todes oder der Erkrankung eines Mitarbeiters darf die Verlagsbuchhandlung seinen Abschnitt in einer neuen Auflage sowohl unverändert beibehalten […] als auch ausscheiden oder durch einen Dritten unter Kenntlichmachung der Änderungen umarbeiten lassen. Wenn der Abschnitt in der neuen Auflage beibehalten wird, so gelten für seine Honorierung die folgenden Vereinbarungen: […] II. Wenn der Abschnitt in einer Umarbeitung, die mit dem Namen des bisherigen Herrn Verfassers erscheint, aufgenommen wird, so hat die Verlagsbuchhandlung an den bisherigen Herrn Verfasser bzw. seine Rechtsnachfolger die Hälfte des dann geltenden Honorares auszubezahlen.“ 3 Gemeint sind die Abschnitte: Arbeiterschutz, sowie: Arbeiterversicherung.

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Prof. Michels hat sich, wie mir Siebeck, mit der Bitte, mit Ihnen Rücksprache zu nehmen, mitteilt,4 an Sie gewendet.5 Ich kenne M[ichels]’s Plan. Ich möchte mich sehr gern mit Ihnen darüber unterhalten. Eine völlige Parallelarbeit würde m. E. bei Gegenständen, für welche Sie Original-Artikel von Sich selbst für das „Handbuch“ übernehmen, dem Geist des Verlagsvertrags widersprechen.6 Aber man muß sich da beiderseits auf den Boden der Billigkeit und des Entgegenkommens stellen. Um welche Artikel handelt es sich denn?7 – F[riedrich] Naumann war gestern bei mir. Der Reichstag wird nach seiner Eröffnung sofort mit dem Arbeitslosen-Problem befaßt werden8 und N[aumann] hatte nun zu erwägen, welche Stellung die Partei,9 vor Allem – da diese heterogene Elemente umfaßt – er selbst z. Z. einnehmen könne. Er würde zu diesem Behuf sehr gern einen wirklich Sachkundigen über diese Probleme sprechen. Wie ich höre, gehen Sie demnächst ohnehin nach Berlin. Sollten Sie Zeit finden und Lust haben, Naumann einmal persönlich zu sprechen, so würde ich das sachlich für nützlich ansehen. Vielleicht interessiert er Sie genügend dazu. Ich würde ihn bejahenden Falls bitten, etwas präziser anzugeben: welche konkrete Fragestellung in Betracht kommt und Ihnen das mitteilen. Es handelt sich wohl darum: ob man, nach englischer Art, ein 4 Brief Paul Siebecks vom 5. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). 5 Zu Lederers Anfrage wegen einer möglichen Beteiligung an dem von Robert Michels konzipierten „Handwörterbuch der Soziologie“ vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 6. Nov. 1913, oben, S. 349, Anm. 9. 6 In § 9 des GdS-Verlagsvertrags heißt es dazu: „Die Herren Mitarbeiter verpflichten sich, während der Dauer dieses Vertrags ohne Zustimmung der Verlagsbuchhandlung für ein ähnliches bzw. für ein konkurrierendes Sammelwerk Artikel über den gleichen Gegenstand nicht zu übernehmen; die beim Abschluß dieses Vertrags vorhandenen Wörterbücher sind davon ausgenommen.“ 7 Das Stichwortverzeichnis zum „Handwörterbuch der Soziologie“ (ein Exemplar in: VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) enthält keine Autorenangaben. Welche Artikel Lederer damals übernommen hat, ist unbekannt und läßt sich aus der Korrespondenz Lederers mit Robert Michels in dessen Nachlaß im AFLE in Turin nicht ermitteln. 8 Am 5. und 6. Dezember 1913 wurde im Reichstag eine sozialdemokratische Interpellation über das Problem der Arbeitslosigkeit verhandelt, deren Hauptzielrichtung die Schaffung einer reichsgesetzlich geregelten Arbeitslosenversicherung bildete. Dem sozialdemokratischen Vorstoß war damals kein Erfolg beschieden; vgl. Sten.Ber.RT, Bd. 291, 1914, S. 6202 – 6257. Erst wesentlich später ist es zu einer Regelung auf Reichsebene gekommen: nämlich durch das am 1. Oktober 1927 in Kraft getretene Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. 9 D. h. die Fortschrittliche Volkspartei.

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Gewerbe (Baugewerbe z. B.) herausgreifen und zuerst nur dafür eine Versicherung g[e]g[en] Arbeitslosigkeit einführen könnte.10 Und um ähnliche Probleme. – Ich hoffe Sie, wenn nicht heute, so doch bald einmal, wenn es Ihnen paßt, persönlich zu sehen.1) Mit collegialer Empfehlung Ihr ergebenster Max Weber. 1)

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Dann sollte man doch auch meinen s. Z. Ihnen gemachten Vorschlag11 in bestimmten Vereinbarungen formulieren, falls er Ihnen überhaupt konveniert. Wie gesagt, handelt es sich um Buch V (und Buch III, Abschnitt IV,12 weil das davon nicht ganz zu trennen ist), Schlußredaktion.13 Zeit wird zur Verfügung stehen.

10 Das am 16. Dezember 1911 mit großer Mehrheit im Parlament gebilligte, am 15. Juli 1912 in Kraft getretene englische Arbeitslosenversicherungsgesetz galt nur für das Baugewerbe, eine allgemeine Versicherungspflicht wurde nicht beschlossen. Vgl. dazu den zeitgenössischen Artikel von Friedrich Glaser, Die britische Kranken-, Invaliden- und Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Praxis, Jg. 21, Nr. 13 vom 28. Dez. 1911, Sp. 386 – 393; ebd., Sp. 391 – 393, sowie Kumpmann, Karl, Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4., gänzlich umgearb. Aufl., Bd. 1. – Jena: Gustav Fischer 1923, S. 791 – 824; ebd., S. 816. 11 Bei dem von Weber erwähnten Vorschlag dürfte es sich, wie aus dem folgenden hervorgeht, um eine eventuelle Redaktionstätigkeit Lederers für den GdS gehandelt haben; vgl. dazu Anm. 13. 12 „Buch V“ des GdS beinhaltete: „Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik des modernen Staates“, „Buch III“ Abschnitt IV umfaßte den Bereich „Gewerbe“. 13 Ob es zu Webers Lebzeiten zu einer formellen Übereinkunft mit Emil Lederer wegen Redaktionsarbeiten für den GdS gekommen ist, ist unbekannt; jedenfalls ist eine solche Vereinbarung im VA Mohr/Siebeck in Tübingen nicht nachgewiesen. Doch dürfte Lederer für die Redaktion des Buches V (= „Sozialpolitik“) herangezogen worden sein; dies wird durch Webers Hinweis in seinem Brief an Paul Siebeck vom 12. Juni 1914, unten, S. 710, nahegelegt.

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Robert Michels 9. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 110

Heidelberg 9/11 13 Lieber Michels, – ich bedaure sehr, daß es absolut unmöglich war, beim besten Willen auch nur eine Stunde für Sie herauszusparen. Es war täglich der Teufel los und Verschiebung unmöglich. Plenge ist gesundheitlich in einen solchen Zustand gerathen, daß er alle Beiträge zum „Handbuch“ aufgeben mußte.1 Wir beginnen nun im Februar zu drucken. Lieferungsweise, Band I und II gerettet, denke ich. So daß die Plenge’schen Beiträge (II, X und XII)2 mit zuletzt drankommen (und ebenso natürlich Ihr Beitrag über „Massenbewegungen“3 im letzten Buch)a. Aber ich bitte Sie sehr, doch jedenfalls auf seine Fertigstellung bedacht zu sein. In Basel kommen Sie nicht dazub 4 oder machen ihn nicht so absolut „perfekt“, wie das Ihren eignen Interessen entspricht. Also bitte dringend: machen Sie ihn vorher fertig, wenn er dann auch etwas liegen bleibt. Wegen Lederer’s Mitarbeit bei Ihrem Unternehmen wendete sich der Verleger am mich5 u. ich werde mit L[ederer] sprechen. Gewiß ohne Kleinlichkeit und Enge. Mir könnte es ja einerlei sein, nachdem er die Sachen für dies Handbuch geleistet hat. Aber nicht der Verlag und dessen :absolut berechtigter: Standpunkt ist hier maßgebend. Es ist ausbedungen, daß im Grundsatz Mitarbeit an andren ähnlichen Publikationen unzulässig ist.6 Und ich muß Sie sehr bitten, grundsätzlich a Klammer fehlt in O.

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1 Zu Johann Plenges Aufgabe seiner GdS-Artikel vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Plenge vom 4. Nov. 1913, oben, S. 345. 2 D. h. diejenigen über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ und „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“. 3 Michels, Antikapitalistische Massenbewegungen. 4 Dies bezieht sich auf Michels’ bevorstehenden Wechsel an die Universität Basel, an die er am 26. Juli 1913 berufen worden war. 5 Zu dem Brief Paul Siebecks an Weber vom 5. Nov. 1913 vgl. dessen Antwort bzw. Stellungnahme vom 6. Nov., oben, S. 349. 6 Gemäß § 9 des GdS-Verlagsvertrags; zum Wortlaut vgl. den Brief an Emil Lederer vom 9. Nov. 1913, oben, S. 362, Anm. 6.

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zu vermeiden, die gleichen Mitarbeiter für das gleiche Gebiet zu engagieren. (Das werden Sie ja selbst nicht richtig finden!). L[ederer] hat :z. B.: einen :sicher: ganz vortrefflichen Aufsatz über Consumenten (insbes. Organisationen) in Arbeit oder schon fertig.7 Das wäre keine Concurrenz und ich halte für einen gewissen Fehler Ihres Plans, daß er keinen Artikel darüber enthält. Denn „Consument“ ist ein so universeller Begriff, daß er das schon verdiente. Und der „Consumenten-Sozialismus“ ist eine sehr spezifische Art des S[ozialismus] überhaupt. Über andre Themata und Vermeidung der Collision dabei werde ich mit ihm reden. Grüße und Empfehlungen von Haus zu Haus! Max Weber

7 Ein entsprechender Artikel von Emil Lederer ist nicht erschienen. Lederer hatte allerdings ein Jahr zuvor eine Arbeit aus diesem Themenbereich veröffentlicht: Versuch einer reinen und realistisch-empirischen Theorie des Konsumentenmonopols, erschienen in: AfSSp, Bd. 35, Heft 1, 1912, S. 101 – 114. Der entsprechende GdS-Beitrag über „Konsumenten“ wurde von Robert Wilbrandt verfaßt.

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Johann Plenge 9. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge

Heidelberg 9/XI 13 Lieber Herr Kollege! Ein Brief von Schulze-Gävernitz belehrte mich, daß ich, als ich in der Annahme seines Einverständnisses s. Z. anordnete, daß sein Manuscript („Creditbanken“) Ihnen zugesendet werde,1 mich in einem durch ein Mißverständnis verursachten Irrtum befand. Thatsächlich hatte er seine Zustimmung dazu nicht gegeben.2 Ich habe ihn sofort darüber aufgeklärt,3 daß jene Zusendung auf meine ausschließliche Initiative hin, ohne jegliches Zuthun Ihrerseits, erfolgte und ohne daß Sie jemals darum ersucht hätten, – damit er nicht diese irrige Voraussetzung mache. Es handelt sich um einen Formfehler. Denn daß Sch[ulze]-G[aevernitz], wenn seine Zustimmung eingeholt worden wäre – was wie gesagt infolge meines Mißverständnisses unterblieb – sie gegeben hätte, ist ja nicht zweifelhaft. Lediglich der Ordnung halber teile ich Ihnen mit, daß ich den Thatbestand aufgeklärt habe, damit er nicht meint, Sie seien an dieser, sachlich ja nicht erheblichen, Inkorrektheit irgendwie beteiligt. Besten Gruß! Max Weber Daß inzwischen das Mscr. schon an Siebeck abgegangen ist, erfuhr ich erst nach Abgang meines Telegramms an Sie.4

1 Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 232, Anm. 39. 2 Gerhart v. Schulze-Gaevernitz war äußerst ungehalten darüber, daß sein GdS-Manuskript: Deutsche Kreditbank, ohne sein Wissen bzw. ohne seine Zustimmung an Dritte weitergegeben worden war; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Plenge vom 8. Nov. 1913, oben, S. 359. 3 Der entsprechende Brief Webers an Gerhart v. Schulze-Gaevernitz ist nicht nachgewiesen; der (Rest-)Nachlaß von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz im BA/MA in Freiburg i. Br. enthält keinerlei Dokumente Max Webers. 4 Ein Telegramm dieses Inhalts ist im Nl. Johann Plenge in der UB Bielefeld nicht nachgewiesen.

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Paul Siebeck 9. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 9/XI 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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1. Schwiedland schicke ich Ihnen zurück,1 ich schrieb dem Verf[asser] des (schlechten) Beitrags sehr eingehend darüber2 u. er wird ihn nun wohl umarbeiten. Wegen des andren ist er gemahnt.3 2. Bei mir lagern jetzt: I Buch III, 2a Hettner4 (nicht: Herkner) 3b Herkner5 I Buch III 2b, Abs[chnitt] 2 (Wirtschaft & Rasse von Michels) II Buch: I (Sombart)6 II,1 (Leist)7 III (Leitner)8 IV/V (Steinitzer)9

1 Gemeint ist das Manuskript zu: Schwiedland, Gewerbliche Betriebsformen. 2 Briefe Webers an Eugen Schwiedland sind nicht nachgewiesen. 3 Dabei handelt es sich um den GdS-Beitrag von Schwiedland: Die „Grenzen“ des gewerblichen Großkapitalismus. Siehe dazu Anm. 22. 4 Der Beitrag von Alfred Hettner ist erschienen unter dem Titel: Die geographischen Bedingungen der menschlichen Wirtschaft, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 – 31 (hinfort zitiert als: Hettner, Geographische Bedingungen). 5 Herkner, Arbeit und Arbeitsteilung. 6 Sombart, Eigenart des modernen Kapitalismus. 7 Leist, Privatrechtsordnung. 8 Leitner, Privatwirtschaftlicher Betrieb. 9 Die beiden Manuskripte von Erwin Steinitzer, Die moderne Erwerbswirtschaft in ihren allgemeinen Beziehungen zum Bedarf: Bedarfsdeckung und Erwerbswirtschaft [...] sowie: Haushalt, Betrieb, Unternehmung [...], wurden schon 1914 zu einem Artikel vereinigt und sind erschienen unter dem Titel: Bedarfsdeckung und Erwerbswirtschaft, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 111 – 159 (hinfort zitiert als: Steinitzer, Bedarfsdeckung und Erwerbswirtschaft). Daselbst ein weiterer Artikel Steinitzers: Die allgemeine Bedeutung des modernen Nachrichtenwesens, ebd., S. 68 – 89, den ursprünglich Weber selbst schreiben wollte.

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VI/VII (Salz)a 10 VIII, 1,211 und IX12 sind beim Autor. III Buch. I,1b (Sieveking).13 (I,2: Hirsch liefert bald)14 Schumacher (I,3 ist gemahnt, liefert bald).15 (II,2 will Schulze-Gäv[ernitz]16 zurück haben. Ich schrieb Plenge deshalb)17 IV,1 (Sieveking)18 2 (Schwiedland)c 19 5 (Leitner)20 bei Lederer. (IV,8 hat der Verf[asser] zurückerhalten21 IV,9 hat Schwiedland mit IV,2 kombiniert).22 V (Gothein23 – noch nicht ganz fertig)

a Klammer fehlt in O; eigenhändige Randbemerkung Max Webers: teilweise beim Autor. b I, (?? 2 > I,1 c Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: geht eben eingeschrieben an Sie für den Autor ab. 10 Salz, Vermögensbildung, und ders., Berufsgliederung. Der letztere Beitrag ist nicht erschienen. 11 Gemeint sind die Manuskripte Friedrich v. Gottl-Ottlilienfelds für die ersten beiden Abschnitte aus dem Bereich Technische Grundlagen des modernen Kapitalismus: 1) Betriebskräfte und Rohstoffe als spezifische technische Träger der modernen Wirtschaft, sowie 2) Die Maschine und die spezifischen Prinzipien der modernen Technik. Beide Artikel wurden später mit v. Gottls titelgebendem Hauptbeitrag vereinigt und gemeinsam veröffentlicht in: ders., Wirtschaft und Technik. 12 Salz, Kapitalbildung. 13 Sieveking, Entwicklung des Handels. 14 Hirsch, Organisation und Formen des Handels. 15 Der Beitrag von Hermann Schumacher: Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen, ist nicht erschienen. 16 v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank. 17 Brief an Johann Plenge vom 8. Nov. 1913, oben, S. 359 f. 18 Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen. 19 Schwiedland, Gewerbliche Betriebsformen. 20 Leitner, Betriebslehre. 21 Gemeint ist: v. Zwiedineck, Arbeitsbedarf und Lohnpolitik. 22 Kombiniert wurde der Beitrag Eugen Schwiedlands über: Die „Grenzen“ des gewerblichen Großkapitalismus (III. Buch, IV, 9), mit dem über: Die modernen gewerblichen Betriebsformen (III. Buch, IV, 2), veröffentlicht als: Schwiedland, Gewerbliche Betriebsformen. 23 Gothein, Bergbau.

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VI,3 (Esslen)24 (VI,5 hat der Verf[asser] zurückerhalten)25 VI,6 (Wygodzinski)26 V. Buch. V,1 (Wilbrandt)27 V,2 (Ad[olf] Weber)28 VI,2b (Wygodzinski)29 – bei Lederer. VI,3 (Lederer)30 VII,3 – 5 (Lederer)31 (VII,1 ist an Verf[asser] zurückgesandt)32 Ich nehme an, daß Sie nun mit mir konform gehen. Anbei schicke ich den Brief des Herrn Dr Gutmannd.33 Ich schreibe ihm heut darauf.34 Denn den Hauptanstoßpunkt bildet die Zeit.35 Natürlich geht das nicht so, wie G[utmann] will. Pl[enge] hat für 2 Aufsätze die lange Zeit gehabt und ist krank gewesen. Eventuell muß er „Credit und Notenbanken“ abgeben an einen andren.

d O: Guttmann 24 Der Beitrag von Joseph Bergfried Esslen ist erschienen unter dem Titel: Der Bodenpreis und seine Bestimmungsgründe, in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 125 – 130 (hinfort zitiert als: Esslen, Bodenpreis). 25 Mauer, Agrarkredit. 26 Wygodzinski, Landwirtschaft und Absatz. 27 Wilbrandt, Konsumenten. 28 Der Beitrag von Adolf Weber über Wohnungspolitik ist nicht erschienen. 29 Wygodzinski/Totomianz, Genossenschaftswesen. 30 Lederer/Marschak, Neuer Mittelstand. 31 Die noch zu Lebzeiten des inzwischen verstorbenen ersten Bearbeiters Robert Schachner unter der Überschrift „Sozialpolitik“ zusammengefaßten Beiträge sind, wie ursprünglich geplant, später getrennt und mit ihren zunächst vorgesehenen Titeln versehen veröffentlicht worden: Lederer/Marschak, Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt, dies., Arbeiterschutz, sowie Lederer, Sozialversicherung. 32 v. Zwiedineck, Lohnpreisbildung. 33 Brief von Franz Gutmann an Weber vom 8. Nov. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 34 Briefe Webers an Franz Gutmann sind nicht nachgewiesen. 35 Gutmann hatte in seinem Brief an Weber vom 8. Nov. 1913 (wie Anm. 33) die Übernahme des GdS-Artikels über „Geld“ bzw. später über „Geld und Kredit“ an die Bedingung geknüpft, daß für die Manuskripterstellung „genügend Zeit“ zur Verfügung stehe: „Sie werden es begreiflich finden, daß ich zur Fertigstellung des Beitrags zum mindesten über den gleichen zeitlichen Spielraum verfügen muß, wie er den übrigen Teilnehmern und dem ursprünglichen Bearbeiter des fraglichen Kapitels eingeräumt worden ist.“

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Ihr Herr Sohn schrieb mir von Charlottenburg36 und ich antwortete ihm.37 Ich muß jetzt den Erfolg der Schritte bei Eulenburg abwarten,38 ehe ich an die von ihm Vorgeschlagenen (Spiethoff insbesondre) denke. Einstweilen mit besten Grüßen Ihr stets ergebener Max Weber

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wenden! P.S. Wenn mein „Logos“-Aufsatz schon umbrochen sein sollte, so wäre ich (falls er noch nicht abgesetzt ist), für 2 – 3 Abzüge als „Correktur“ dankbar.39 Nicht etwa um nochmals zu corrigieren. Er ist absolut druckfertig. Sondern um schon jetzt einigen Herren ihn zugänglich zu machen, die darauf Bezug nehmen könnten. Alles nur, wenn es keine besondre Schererei macht!

36 Oskar Siebeck hatte in seinem Brief an Weber vom 7. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) davon berichtet, daß ihm Felix Somary als Ersatz für Johann Plenge Arthur Spiethoff für den Beitrag „Krisen“ und Robert Zuckerkandl für den über „Geld und Notenbanken“ als Autoren empfohlen habe. 37 Dieser Brief Webers an Oskar Siebeck ist im VA Mohr/Siebeck, Tübingen, nicht nachgewiesen. 38 Weber hatte Franz Eulenburg am 6. Nov. 1913, oben, S. 350 f., gebeten, den Beitrag „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ zu übernehmen. Zu dessen ablehnender Antwort vgl. Webers Stellungnahme in seinem Schreiben an Eulenburg vom 25. Nov. 1913, unten, S. 402. 39 Der Umbruch des Aufsatzes war noch nicht erfolgt, jedoch konnte Siebeck in seiner Antwort vom 10. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) 2 – 3 Fahnenabzüge, falls erwünscht, zur Verfügung stellen. Bei dem Logos-Artikel handelt es sich um: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie.

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Paul Siebeck 9. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 9/XI 13 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

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In Bestätigunga unsres Telefongesprächs wiederhole ich Ihnen und habe dies Schulze-Gävernitz geschrieben:1 daß Ihr Verhalten in dieser Sache, da ich allein (normalerweise)b mit den Autoren korrespondierte, absolut korrekt war, daß Sie meine ausdrückliche Zustimmung hatten und also die Verantwortung für das passierte Versehen (denn allerdings sehe ich, daß Sch[ulze]-Gäv[ernitz] seine Zustimmung, anders als ich glaubte, thatsächlich nicht gegeben hatte)2 mich absolut allein trifft. Zugleich habe ich ihm mitgeteilt, wodurch das Versehen entstanden ist. Im Übrigen habe ich ihn über dessen mögliche Folgen beruhigt. – Ebenso habe ich ihm dargelegt: daß wir ohnec Vorliegen des Beitrags von Wieser3 (wenn ich von Bücher’s „Einleitung“4 ganz absehe) nicht drucken können und nicht verantwortlich sind, wenn Wieser 1 3/4 d Jahre länger gebraucht hat als er selbst von sich aus als äußersten Termin in Aussicht nahm. Bücher’s und auch Plenge’s Verhalten ist (da die beiden trotz ihrer Krankheit eben andre Dinge geschrieben haben)5 in der That recht arg gewesen und ich habe Plenge (bei B[ücher] hat das keinen Zweck, es verärgert ihn nur :auch: gegen Sie und das darf ich nicht riskieren) das auch geschrieben.6 Ich hoffe, daß er in dieser Hinsicht beruhigt ist. Jedenfalls wird er Ihnen nicht den geringsten Vorwurf machen können. –

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1 Der Brief Webers an Gerhart v. Schulze-Gaevernitz ist nicht nachgewiesen. 2 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Johann Plenge vom 8. Nov. 1913, oben, S. 359. 3 Gemeint ist: v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 4 Gemeint ist: Bücher, Entwicklungsstufen. 5 Zu Webers Kritik an Bücher, „Allotria“ getrieben zu haben, vgl. seinen Brief an Johann Plenge vom 21. Jan. 1913, oben, S. 51, Anm. 14. 6 Gemeint ist der Brief an Johann Plenge vom 4. Nov. 1913, oben, S. 345.

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9. November 1913

Von Eulenburg noch keine Antwort.7 Gutmanne ist prinzipiell bereit, wie Sie aus seinem Brief sehen.8 Ich habe ihn gefragt, ob ihm vielleicht lieber sei, die Creditlehre (incl. Creditfunktion der Notenbanken) einem Andren übertragen zu sehen? (Dann braucht er weniger Zeit). Dieser Andre könnte vielleicht der von Ihrem Herrn Sohn erwähnte Herr Dr Somary sein, ein ganz ungewöhnlich gescheidter Mensch.9 Doch das sind curae posteriores. Erst muß Eulenburg und Gutmann, dem ich nochmal schrieb, antworten. – Meinen :letzten: Brief haben Sie inzwischen wohl erhalten.10 Mit herzlichen Grüßen Ihr Max Weber Das Manuskript Sch[ulze]-Gäv[ernitz]11 geht ja wohl direkt an ihn zurück, sobald Sie es erhalten. Auch ich hatte Pl[enge] telegraphiert.

e O: Guttmann 7 Weber hatte Franz Eulenburg am 6. Nov. 1913, oben, S. 350 f., gebeten, den Beitrag „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ zu übernehmen. Zu dessen ablehnender Antwort vgl. Webers Stellungnahme in seinem Schreiben an Eulenburg vom 25. Nov. 1913, unten, S. 402. 8 Brief von Franz Gutmann an Weber vom 8. Nov. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Darin bekundete Gutmann seine prinzipielle Bereitschaft, den GdS-Abschnitt über „Geld“ zu übernehmen, zeigte sich jedoch unschlüssig bei dem Thema „Kredit und Notenbanken“. Gutmann hat indes seine Meinung wenig später geändert und beide Themenbereiche übernommen; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 11. Nov. 1913, unten, S. 376. 9 Oskar Siebeck hatte in seinem Brief an Weber vom 7. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von dem „sehr begabten“ Philippovichschüler Felix Somary erzählt, der ihm den Vorschlag unterbreitet hatte, den GdS-Artikel über „Krisen“ von Arthur Spiethoff in Prag und den über „Geld und Notenbanken“ von seinem dortigen Kollegen Robert Zuckerkandl bearbeiten zu lassen. 10 Vermutlich bezieht sich Weber auf seinen vorherigen Brief an Paul Siebeck, ebenfalls vom 9. Nov. 1913, oben, S. 367 – 370. 11 v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank.

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Paul Siebeck 11. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 11/11 13 Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Ich bitte Sie, Dr Gutmann den Verlagsvertrag über das Ganze, also den ganzen Artikel II Buch, Abschnitt X (Geld, Credit und Kapitalmarkt in der modernen Wirtschaft) zur Unterzeichnung zuzustellen, natürlich ohne Vertrag über eine Separatausgabe (das kann ev., wenn der Artikel sehr gut wird, bei der 2. Auflage in Frage kommen). Termin: 1. Februar 1915.1 Da Sie wegen dieses Termins keine Bedenken erheben und ich zu diesem Schüler Knapp’s besondres Zutrauen habe, so ist es in der That, wie er mir schreibt, ein Vorzug, wenn diese Dinge in einer Hand liegen. Sonst kriegen wir endlose Doubletten, was ohnehin in sehr vielen Fällen eingetreten sein wird und bei der 2. Auflage rücksichtslos zu korrigieren ist. Jetzt fehlen eben noch die entscheidenden Manuskripte, um es überall thun zu können. Wo es ging, habe ich natürlich mit den Autoren korrespondiert. Aber ohne Wieser’s Mscr.2 ist nichts zu machen, und ich hatte gerechnet, nach dessen Eingang noch ca 5 Monate Zeit zur Correspondenz und Ausgleichung zu haben. Statt des Abschnitts „Grenzen des Kapitalismus in der Landwirtschaft“, den Sering gern für die 2. Auflage schreiben möchte, werde ich rechtzeitig, ehe dieser Teil gedruckt wird, etwasa liefern („Möglichkeiten der Agrarpolitik[“]).3 Ich schlage also vor: für den im Februar (Ende) beginnenden Druck in Aussicht zu nehmen: 1) Buch I, Abschnitt I, II, III, 1 – 3 (mein Abschnitt „Wirtschaft u. Gesellschaft“ wird ohnehin ein Sonderabschnitt „IV“).4 Das giebt eine ganz gute Abrundung. a 1 Der Beitrag von Franz Gutmann, Geld, Kredit und Kapitalmarkt, ist nie erschienen. 2 D. h. v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 3 Der Beitrag ist nicht erschienen. 4 Gemeint sind von Buch I: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Abschnitt I: Epochen und Stufen der Wirtschaft, Abschnitt II: Wirtschaftstheorie, sowie von Abschnitt

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2) Buch III, Abschnitt I – V.5 Giebt ebenfalls eine ganz gute Abrundung. An alle noch rückständigen Autoren dieser Partien ist geschrieben. Dann später; als zweites Lieferungspaar: 1) Den Rest von Buch I6 und Buch II, I – IX,7 und 2) den Rest von Buch III8 und Buch IV.9 – Schließlich als drittes Paar: den beiderseitigen Rest,10 der also genau ein Jahr später erscheinen würde (wenn G[utmann] abliefert) als der Anfang.

III: Wirtschaft, Natur und Gesellschaft, die Unterabschnitte 1) Bedarf und Konsum als Bedingungen und Bestandteile der Wirtschaft, 2) Naturbedingungen der Wirtschaft, und 3) Technische Bedingungen der Wirtschaft. Der Unterabschnitt 4) Wirtschaft und Gesellschaft, sollte an die Stelle des alten Abschnitts IV: Wirtschaftswissenschaft, treten, der ansonsten mit dem Beitrag von Joseph Alois Schumpeter über Dogmen- und Methodengeschichte besetzt war. Zum Stoffverteilungsplan von 1910 vgl. Anhang 1, unten, S. 809 f. Der Hinweis darauf, daß „Wirtschaft und Gesellschaft“ ohnehin ein „Sonderabschnitt“ werde, zeigt, daß Weber dabei war, diesen Beitrag zu einer geschlossenen Darstellung auszuweiten. 5 Buch III: Die einzelnen Erwerbsgebiete der modernen Verkehrswirtschaft und die ökonomische Binnenpolitik der modernen Staaten, enthielt als Abschnitt I: Güterumsatz, Abschnitt II: Kreditbankwesen, Abschnitt III: Transportwesen, Abschnitt IV: Gewerbe, sowie als Abschnitt V: Bergwesen. Vgl. dazu Anhang 1, unten, S. 812 f. 6 Offensichtlich bezieht sich Weber auf die Beiträge zum bisherigen Abschnitt IV: Schumpeter, Epochen der allgemeinen Dogmen- und Methodengeschichte, sowie zum Abschnitt V: v. Philippovich, Entwicklungsgang der wirtschafts- und sozialpolitischen Systeme und Ideale. Vgl. dazu Anhang 1, unten, S. 810. 7 Das zweite Buch: Die spezifischen Elemente der modernen kapitalistischen Wirtschaft, umfaßte als Abschnitt I: Einleitung. Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus als historischer Erscheinung, Abschnitt II: Rechtliche Grundlagen des modernen Kapitalismus, Abschnitt III: Die Elemente des privatwirtschaftlichen Betriebs, Abschnitt IV: Die moderne Erwerbswirtschaft in ihren allgemeinen Beziehungen zum Bedarf, Abschnitt V: Haushalt, Betrieb, Unternehmung: Geschichte und System der Unternehmungsformen, Abschnitt VI: Vermögenskategorien und Einkommensformen in der modernen Wirtschaft, Abschnitt VII: Die Berufsgliederung in der modernen Wirtschaft, Abschnitt VIII: Technische Grundlagen des modernen Kapitalismus, sowie Abschnitt IX: Kapitalbildung und Kapitalverwertung in der modernen Wirtschaft. Vgl. dazu Anhang 1, unten, S. 810 f. 8 Weber bezieht sich auf den Abschnitt VI von Buch III: Agrarwesen, den Abschnitt VII: Forstwesen, und die Abschnitte IX: Wohnungsproduktion, und X: Versicherungswesen. Abschnitt VIII: Jagd und Fischerei, war entfallen. Vgl. dazu Anhang 1, unten, S. 813 f. 9 Gemeint ist der von Karl Rathgen übernommene Beitrag zum Buch IV: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates. 10 Weber bezieht sich offenbar auf seinen Beitrag zu Buch I: Wirtschaft und Gesellschaft, sowie auf den Artikel von Franz Gutmann über Geld, Kredit und Kapitalmarkt, zu Buch III. Merkwürdigerweise wird ein Erscheinungsdatum bzw. der Druckbeginn von Buch V nicht erwähnt.

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Das ginge immerhin an! Von Eulenburg noch keine Nachricht.11 Ich schreibe nochmals. – Kommt mein „Logos“-Beitragb 12 in das nächste Heft? Da er leider 1/ Bogen zu lang ist, habe ich der Redaktion ausdrücklich volle Frei2 heit gegeben, obwohl mir ja der Abdruck :jetzt: angenehm wäre, auch aus sachlichen Gründen. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber :Noch Eins: haben Sie die Adresse v. Dr Swart in Posen. Mir schreibt er immer ohne Angabe der Straße, und auch ohne seinen Vornamen, den ich gern wüßte, wenn Sie ihn wissen.:13

b oder 11 Franz Eulenburg hat sich in seiner Antwort an Weber vom 16. Nov. 1913 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) eher hinhaltend geäußert und wenig später abgelehnt; vgl. dazu das Schreiben an Eulenburg vom 25. Nov. 1913, unten, S. 402. 12 Gemeint ist: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie. 13 Die Adresse konnte Paul Siebeck Weber am 13. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mitteilen, nicht jedoch den Vornamen (= Friedrich), der auch ihm unbekannt war.

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11. November 1913

Paul Siebeck 11. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 aH.

11. 11. 13.a

Verehrtester Herr Dr Siebeck! Sie haben offenbar auch Vertrauen zu Dr G[utmann], daher werde ich möglichst sehen, daß er beides übernehmen kann.1 Sehr wichtig wäre, wenn er zusicherte, daß er im Sommer Urlaub nimmt um die Sache zu machen. Dann halte ich jene Lösung für unbedenklich. Sch[ulze]-Gäv[ernitz] hat m. E. formal vielleicht recht,2 obwohl man darüber streiten kann (ich hatte ihm übrigens auch mitgeteilt, daß Pl[enge] das Mscr. habe). Es war eine irrtümliche Interpretation einer Notiz, die mich veranlaßte, damals sofort zuzustimmen, daß man die Sache an Jaffé, dann an Plenge, schickte. Das schrieb ich ihm,3 ebenso, daß natürlich ich allein die „Schuld“ trage. Er wird nun wohl zufrieden sein. – Alsob nehmen wir in Aussicht: Druckbeginn etwa Ende Februar. Zu-

a Ort und Datum von dritter Hand eingesetzt.

b

1 Paul Siebeck hatte in seinem Brief an Weber vom 10. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von einem gerade stattgefundenen Gespräch mit Franz Gutmann erzählt, demzufolge dieser den GdS-Beitrag „Geld und Kredit“ übernehmen wolle und für die Fertigstellung des Textteiles über „Geld“ ca. 10 – 12 Monate, über „Kredit“ weitere 3 – 4 Monate veranschlage. 2 Gerhart v. Schulze-Gaevernitz hatte sich darüber erregt, daß sein GdS-Manuskript „Deutsche Kreditbank“ ohne sein Wissen an Johann Plenge weitergeleitet worden war. Zu dem hierdurch ausgelösten Konflikt zwischen v. Schulze-Gaevernitz und Max Weber sowie Paul Siebeck vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Johann Plenge vom 8. Nov. 1913, oben, S. 359. 3 Der entsprechende Brief Webers an Gerhart v. Schulze-Gaevernitz ist nicht nachgewiesen.

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gleich bei Buch I und III.4 Ich mahnte inzwischen die betreffenden Autoren: Schumacher, Hirsch, Vogelstein.5 – Ja, ich bitte um Zusendung nicht umbrochener Abzüge des „Logos“Aufsatzes.6 Mit herzlichem Gruß! Ihr Max Weber

4 Buch I umfaßte die Beiträge zu: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Buch III diejenigen zu: Die einzelnen Erwerbsgebiete der modernen Verkehrswirtschaft und die ökonomische Binnenpolitik der modernen Staaten. 5 Die entsprechenden Korrespondenzen sind nicht nachgewiesen. Die Mahnungen galten dem Beitrag von Hermann Schumacher, Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen – einem Artikel, der nie erschienen ist, – sodann Hirsch, Organisation und Formen des Handels, sowie Vogelstein, Finanzielle Organisation. 6 Gemeint sind Abzüge von: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie.

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Johann Plenge 12. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Der Brief steht in Zusammenhang mit Johann Plenges Absage vom 2. November 1913, seine GdS-Beiträge über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ sowie „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ abzuliefern; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Plenge vom 4. November 1913, oben, S. 345.

Heidelberg 12/11 13 Verehrtester Herr Kollege, – ich danke für Ihren freundlichen Brief. Natürlich habe ich volles Verständnis für die Consequenzen Ihrer Krankheit, da ich ja eigne „Praxis“ darin habe. Aber angesichts des Sturms von Entrüstung, den ich – einschließlich Prozeßdrohungen gegen mich und den Verlag1 – mit dem Hinweis darauf :erlebe,: daß Sie, nach dem contraktlichen Ablieferungstermin (Ende 1911a) noch ein andres Werk (das mir gewidmete!) zu schreiben begannen,2 was unter allen Umständen Ihre Kraft in Anspruch nahm, habe ich Dritten erklären müssen und bin daher ehrlicher Weise auch verpflichtet Ihnen zu sagen: „daß ich darin allerdings einen Mangel an Rücksicht gefunden habe und finde, den ich durchaus nicht leicht nehme“, trotz alles Verständnisses. Ich glaube in der That, daß Sie diese Seite der Sache und ihre immerhin schweren Consequenzen nicht ganz richtig sehen. Doch genug davon. – Wozu Ihnen die Sache schwer machen? Es kommt ja nichts dabei heraus! Und meines freundschaftlichen Interesses sind Sie ja nach wie vor sicher, ganz abgesehen von meiner wissenschaftlichen Schätzung. – Mit collegialem Gruß Ihr Max Weber a O: zweifach unterstrichen. 1 Weber denkt hier an Gerhart v. Schulze-Gaevernitz; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Plenge vom 8. Nov. 1913, oben, S. 359. 2 Gemeint ist Plenges Buch: Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt. – Berlin: Julius Springer 1913, das zu großen Teilen aus einer überarbeiteten Artikelfolge hervorgegangen ist, die 1912 unter nahezu gleichem Titel im „Bank-Archiv“ erschienen war; zur genauen bibliographischen Angabe vgl. den Brief an Plenge vom 11. Aug. 1913, oben, S. 306, Anm. 14.

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Johann Plenge 15. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Bezug: Brief Johann Plenges vom 13. November 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er nochmals sein Unvermögen, die GdSBeiträge über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ sowie „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ fertigzustellen, rechtfertigt. Bezüglich der Mitteilung Webers vom 12. November 1913, oben, S. 378, daß die daraus resultierende Druckverzögerung erhebliche Proteste anderer GdS-Autoren ausgelöst habe, versicherte Plenge, „daß ich mich denen stelle, deren Unwille gegen Sie geht. Ich bin bereit darüber Rechenschaft zu geben, wie ich mich bemüht habe mir die Zeit für die Arbeit zu schaffen.“

Heidelberg 15/XI 13 Verehrtester Herr Kollege!

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Besten Dank für Ihren Brief. Aber die Dinge liegen anders, als Sie sie Sich vorstellen. Es liegt von einem Haupt-Autor, der sich sein Manuskript vorher zurückerbeten hatte, eine Rücktritts-Erklärung vor,1 motiviert damit, daß (der Verlag seine Pflicht, innerhalb angemessener Frist Druck, Erscheinen und Fertigstellung des Werkes zu gewähren, nicht erfüllt habe und, infolge Ihresa Verhaltens, nicht erfüllen könne, also) der Verlags-Vertrag als aufgehoben zu betrachten sei. Andre ähnliche werden folgen, muß ich als sicher annehmen. Das Handbuch wird also in einem Wust von Prozessen untergehen. – Wenigstens das Eine werden Sie doch jetzt nicht thun: über die Gegenstände Ihres zugesagten Beitrags :und verwandte: vor Erscheinen des Handbuchs anderweit etwas zu publizieren (also über Bankwesen insbesondre)?2 Das würde die Wuth der beteiligten :Autoren: auf den a 1 D. h. Gerhart v. Schulze-Gaevernitz. Dieser hatte Weber in seinem Brief vom 14. Nov. 1913 mitgeteilt, daß sein Verlagsvertrag zu seinem GdS-Beitrag als aufgehoben zu betrachten sei; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Plenge vom 8. Nov. 1913, oben, S. 359. 2 In dieser Hinsicht konnte Plenge Weber in seiner Antwort vom 17. Nov. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München Ana 446) insofern beruhigen, als er ihm versicherte, daß er „außer Stande [sei] etwas zu schreiben“ und daß er „selbstverständlich alle Aufforderungen über Diskontpolitik u.s.w. zu schreiben a limine abgelehnt“ habe. Tatsächlich hat es von Plenge keine größeren Arbeiten über Bankwesen, Diskontpolitik u. ä. mehr gegeben.

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Siedepunkt bringen und ich stehe nicht dafür ein, was dann für öffentliche Erörterungen entstehen. Im Übrigen können Sie uns mit Ihren guten Absichten ja nichts helfen. Ich muß sehen, zu retten was zu retten ist. Mit collegialem Gruß Ihr Max Weber

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Gerhart von Schulze-Gaevernitz [vor dem 17. November 1913]; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 352 Das Exzerpt steht in Zusammenhang mit der empörten Reaktion von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz auf die Weiterleitung seines GdS-Manuskripts „Deutsche Kreditbank“ an Johann Plenge, die ohne sein Wissen bzw. seine Erlaubnis erfolgt war. Zu dem hierdurch ausgelösten Konflikt zwischen v. Schulze-Gaevernitz und Max Weber sowie Paul Siebeck vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Johann Plenge vom 8. November 1913, oben, S. 359. Das Exzerpt findet sich in einem Schreiben von Gerhart von Schulze-Gaevernitz an Max Weber vom 17. November 1913 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 352). Es ist ein Zitat aus dem vorangehenden, ansonsten nicht erhaltenen Brief Max Webers. Im Schreiben von v. Schulze-Gaevernitz heißt es: „Unser bisheriger Briefwechsel beruht auf einem beklagenswerten Irrtum. Ihr letzter Brief enthält ein PS.:“

Plenge ist ja doch – schrieb ich Ihnen1 – zurückgetreten wegen schwerer Krankheit, die ihn an jeder Publikation hindert.2

1 Das Schreiben Webers an v. Schulze-Gaevernitz ist nicht nachgewiesen. 2 So Plenge in seinem Absagebrief vom 2. Nov. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446).

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18. November 1913

Robert Michels PSt 18. November 1913; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 111 Datum und Ort sind erschlossen aus dem beiliegenden Briefumschlag.

Lieber Michels, meine Frau und ich übernehmen keine Pflichten, die wir nicht erfüllen können.1 Es geht einfach nicht. Daher sehen Sie, bitte, von uns ab. – Bitte, lieber Freund, machen Sie jedenfalls die Arbeit für das H[and]b[uch] in Turin fertig,2 denn obwohl es ja nun – infolge Plenge’s Krankheit, an sich noch etwas mehr Zeit hat – ist es Ihre verd… Pflicht und Schuldigkeit. Nachher kommen Sie nicht dazu. Das kenne ich. Und ich habe schon mehrere Freundschaften über diese Geschichte eingebüßt, dank der ganz unqualifizierbaren Rücksichtslosigkeit und Bummelei von Collegen. Diese Verpflichtung ist die erste und älteste, die Sie haben, das bitte ich dringend, zu bedenken! – Viele Grüße v. H. z. H. Auf Wiedersehen Ihr Max Weber

1 Es geht hierbei um die Ablehnung Max und Marianne Webers, sich an dem von Michels projektierten „Handwörterbuch der Soziologie“ zu beteiligen; zum Handwörterbuch vgl. den Brief an Michels vom 23. Mai 1913, oben, S. 244, Anm. 4. 2 Weber hatte die Befürchtung, daß Michels nach seiner Übersiedlung nach Basel, wohin er berufen worden war, seine GdS-Beiträge nicht ohne Verzögerung werde fertigstellen können. Es handelt sich dabei um die Artikel: Michels, Wirtschaft und Rasse, sowie: Ders., Antikapitalistische Massenbewegungen.

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Paul Siebeck 19. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 19/11 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Schulze-Gäv[ernitz] hat sich nun beruhigt.1 Er will sein Mscr. erweitern1) durch Aufnahme der Creditfunktion der Reichsbank. Das halte ich für sehr erwünscht, denn Niemand macht das so wie er. Also habe ich Gutmann gebeten, sich darauf einzurichten, daß sein Mscr. entsprechend kürzer wird, wenn möglich. Da Schulze-Gäv[ernitz] schon diesen März gedruckt wird, kann G[utmann] ja dann sehen, wie er sich dagegen abgrenzt. Ich halte das für sehr gut. Sch[ulze]-G[ävernitz] schreibt: daß sein Mscr. von 1. Januar ab jederzeit zur Verfügung stehe. Wieser habe ich um endgültige Nachricht gebeten, Hirsch und Schumacher auch.2 Alle sind ja „fertig“.3 Eulenburg bittet, vor ihm es bei Spann zu versuchen.4 Ich fragte Ihren Herrn Sohn an, ob er einverstanden sei.5 (weil Spiethoff seit so vielen Jahren im Rückstand mit seinen Arbeiten ist. Bei Eulenburg liegt das wenigstens nicht an ihm. Spann ist äußerst gewissenhaft[.]) Je nach der Antwort Ihres Sohnes (telegraphische Nachricht habe ich erbeten) 1)

auf 6 Bogen

1 Zum Konflikt zwischen v. Schulze-Gaevernitz und Max Weber sowie Paul Siebeck vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Johann Plenge vom 8. Nov. 1913, oben, S. 359. 2 Die Briefe Webers an Friedrich Frhr. v. Wieser, Julius Hirsch und Hermann Schumacher sind nicht nachgewiesen. 3 Zumindest hinsichtlich Hermann Schumacher war dies ersichtlich nicht der Fall: Dessen Beitrag ist nie erschienen. 4 So Franz Eulenburg in seinem Brief an Weber vom 16. Nov. 1913 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). 5 Oskar Siebeck hatte Weber in seinem Brief vom 7. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) auf Arthur Spiethoff, der ihm von Felix Somary empfohlen worden war, als möglichen Autor für den GdS-Artikel über „Konjunktur“ hingewiesen. Die Anfrage Webers an Oskar Siebeck ist nicht nachgewiesen; vgl. dazu den folgenden Brief Webers an Paul Siebeck vom gleichen Tage, unten, S. 385.

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19. November 1913

schreibe ich morgen.6 Es bleibt also dabei: Februar, spätestens Ende F[ebruar], wird gedruckt. (Wiedenfeld hat Lieferung als sicher (rechtzeitig) versprochen.)7 Mit besten Grüßen Ihr Max Weber

6 Tatsächlich hat sich Weber an Othmar Spann gewandt, der wenig später den Artikel „Konjunkturen und Krisen“ übernommen hat. Infolge einer Kriegsverletzung hat Spann davon Abstand genommen, den Artikel zu vollenden. Der Beitrag ist in den 1920er Jahren von Emil Lederer verfaßt worden. Briefe Webers an Othmar Spann sind nicht nachgewiesen. 7 Zum Problem der Manuskriptablieferung von Wiedenfeld, Transportwesen, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 230, Anm. 30.

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Paul Siebeck 19. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 19/11 13 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

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Ich hatte Sch[ulze]-G[ävernitz] geschrieben,1 daß wir nur 1) den Beginn des Druckes diesen kommenden Februar (bezw. dies Frühjahr) garantieren könnten, – 2) daß in den beiden ersten :gleichzeitigen: Lieferungen[,] jedenfalls :in Lieferung 1 von Band II: sein Beitrag enthalten sein werde, der mithin – force majeure vorbehalten – vor dem 1. Juli k.a J. :(1914): erschienen sein werde. Die letzten Lieferungen des Werks dagegen könnten erst 1. Mai 1915 (Ablieferungstermin Gutmann’s) in Druck gehen. Das ist doch auch Ihre Ansicht? Nach Einvernehmen mit Ihrem Herrn Sohn schrieb ich an Spann wegen „Konjunkturen u. Krisen“. 3 Bogen, Termin: 1. April 1915. Ich hoffe, er sagt zu.2 Mit herzlichem Gruß! Max Weber

a O: zweifach unterstrichen. 1 Der Brief Webers an Gerhart v. Schulze-Gaevernitz ist nicht nachgewiesen. 2 Oskar Siebeck, der von Berlin aus, wo er für den Verlag tätig war, ein reges Interesse an der Neuvergabe der GdS-Beiträge von Plenge gezeigt hatte und mit dem Weber zwei nicht nachgewiesene Briefe vom 8. und 19. Nov. 1913 gewechselt hatte, signalisierte am 19. Nov. 1913 per Depesche nach Heidelberg, daß auch er „zu Spann raten“ werde; das Telegramm ist zitiert in Oskar Siebecks Brief an Weber vom 20. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446); daselbst auch die Hinweise auf die beiden Schreiben Webers nach Berlin. Der Brief Webers an Othmar Spann ist nicht nachgewiesen. Spann hat wenig später die Bearbeitung des Artikels übernommen; vgl. dazu die Briefe an Paul Siebeck, vor oder am 25. sowie 26. Nov. 1913, unten, S. 399 f. und 404. Der Artikel aus Spanns Feder ist jedoch nie erschienen. Den Beitrag hat in den 1920er Jahren Emil Lederer geliefert.

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Frieda Gross 21. November 1913; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 1 – 6 Alle Unterstreichungen im Brief sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen. Mit diesem Brief beginnt eine umfangreiche Korrespondenz Max Webers mit Frieda Gross, die sich bis zum Kriegsausbruch im August 1914 erstreckt. Darin berät Max Weber Frieda Gross juristisch, verfahrenstaktisch und persönlich in ihren Auseinandersetzungen mit ihrem Schwiegervater Hans Gross. Überliefert sind nur die Briefe Max Webers, nicht diejenigen von Frieda Gross. Von der Korrespondenz Webers in dieser Angelegenheit mit dem Anwalt Otto Pellech in Wien sind nur einzelne Abschriften der Briefe Webers überliefert, die dieser an Frieda Gross zur Kenntnisnahme sandte. Hans Gross hatte schon 1911 in Zürich versucht, seinen Sohn Otto wegen Drogenmißbrauchs, anarchistischer Kontakte und Geldverschwendung internieren zu lassen. Auch hatte er angedroht, Frieda Gross das Fürsorgerecht für ihren Sohn Peter zu entziehen. Über deren Ängste hatte Weber in Briefen aus Ascona an Marianne Weber vom 14. und 16. April 1913, oben, S. 182 f. und 185 f., berichtet. Das Befürchtete war nun eingetreten. Die Ereignisse hatten am 9. November 1913 ihren Anfang genommen. Auf Veranlassung von Hans Gross, dem angesehenen Professor für Kriminologie an der Universität Graz, war Otto Gross in der Berliner Wohnung seines Freundes Franz Jung festgenommen und anschließend durch Dekret des Polizeipräsidenten von Schöneberg als „lästiger Ausländer“ (so nannte es Otto Gross in einem am 28. Februar 1914 in der „Zukunft“ abgedruckten Brief; vgl. die Editorische Vorbemerkung zu Webers Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1914, unten, S. 484) nach Österreich ausgewiesen worden. Der Vater ließ ihn in der privaten Irrenanstalt Tulln bei Wien internieren und beantragte, den Sohn unter seine Kuratel zu stellen. Ein ärztliches Gutachten bestätigte am 23. Dezember 1913, daß: „Herr Dr. Otto Gross an einer Geistesstörung, welche als Wahnsinn im Sinne des Gesetzes aufzufassen ist, leidet und daher nicht imstande ist, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen“ (Steierm. LA Graz, L-IX-26/13, 5). Daraufhin verhängte das Bezirksgericht Graz am 9. Januar 1914 über Otto Gross das Kuratel und bestellte Hans Gross zum Pfleger (ebd.). Als dieser im Namen von Otto Gross handeln konnte, beantragte er die Vormundschaft für seinen Enkel Peter Gross und erhob überdies am 22. Februar 1914 eine Klage auf Feststellung der Unehelichkeit von Eva Gross, der Tochter von Frieda Gross aus ihrer Beziehung zu Ernst Frick. Es ergaben sich drei Rechtsverfahren: 1. das Verfahren über die Verhängung der Kuratel über Otto Gross und die Bestellung von Hans Gross zu seinem Kurator, 2. das Verfahren über die Vormundschaft von Hans Gross für seinen minderjährigen Enkel Peter Gross und 3. das Verfahren zur Feststellung der Unehelichkeit von Eva Gross. Die Verfahren wurden getrennt geführt, standen aber in einem Zusammenhang. Die Zuerkennung der Pflegschaft über Otto Gross begründete den Anspruch auf Vormundschaft für Peter Gross und die Möglichkeit, im Namen von Otto Gross die Ehelichkeit von Eva Gross anzufechten. Mit der Internierung seines Sohnes sah Hans Gross die Chance, seine seit langem verfolgten Ziele zu erreichen: die Drogenabhängigkeit seines Sohnes zu beenden und seine Wiedereingliederung in bürgerliche Lebensverhältnisse zu ermöglichen, seinen Enkel aus den als verderblich beurteilten Lebensverhältnissen und Einflüssen seiner Mutter herauszulösen und die Ansprüche von Eva Gross auf das Vermögen von Hans Gross aufzuheben. Zunächst war dieser Zusammenhang für Frieda Gross und Max Weber noch keineswegs deutlich. Der Aufenthaltsort von Otto Gross wurde geheimgehalten, und Frieda

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Gross erhielt auf ihre Briefe an den Schwiegervater und an den ihr von früher bekannten Psychiater Dr. Berze von der niederösterreichischen Landesirrenanstalt in Klosterneuburg keine konkreten Informationen. Auch ihre Brüder, ein Anwalt in Graz und ein Chirurg in Prag, verweigerten ihr die Unterstützung. Die Freunde von Otto Gross, insbesondere Franz Jung und Franz Pfemfert in Berlin sowie Erich Mühsam in München, versuchten vergeblich, dessen Schicksal aufzuklären, und wollten durch zwei am 20. Dezember 1913 parallel erscheinende Sondernummern der Zeitschriften „Aktion“ und „Revolution“ mit Protestadressen gegen die willkürliche Inhaftierung von Otto Gross und mit Anschuldigungen gegen den Vater die Öffentlichkeit mobilisieren. Daraufhin befürchtete man eine gewaltsame Befreiungsaktion von Otto Gross durch dessen anarchistische Freunde und verlegte ihn am 25. Januar 1914 in die schlesische Landesirrenanstalt in Troppau. Noch aus Tulln gelang es Otto Gross, einen Brief an den Anwalt Armin Fischl in Wien herauszuschmuggeln, den dieser Frieda Gross zur Kenntnis brachte. Dadurch erhielt sie erstmals konkrete Kenntnisse über die Lage ihres Mannes. Da sowohl Frieda Gross als auch Anwalt Fischl eine direkte Kontaktaufnahme zu Otto Gross und die Einsicht in die Kuratelakte verweigert wurden, war dieser Brief für Weber die erste Orientierung für seine weiteren Entscheidungen. Fischl schickte eine Abschrift davon auch an Franz Jung, der den Brief durch Maximilian Harden in der Zeitschrift „Die Zukunft“ am 28. Februar 1914 veröffentlichen ließ. Max Weber engagierte sich sofort für die Interessen von Frieda Gross, bemühte sich, ihre Schritte zu lenken und durch den Ausdruck seiner Sympathie sie psychisch zu stützen. Er war davon überzeugt, daß Kinder nicht von der Mutter getrennt werden sollen und daß Frieda Gross in ihren Fürsorgerechten für diese nicht beeinträchtigt werden dürfe. Er machte sich mit der Rechtslage in Österreich vertraut, besorgte mit Dr. Otto Pellech in Wien einen erfahrenen Anwalt und instruierte diesen durch ausführliche Schriftsätze. Darüber hinaus bemühte er sich, durch die Sammlung von Zeugenaussagen die bürgerliche Respektabilität von Frieda Gross und ihre Befähigung zur Erziehung ihres Sohnes Peter nachzuweisen, um die Ansprüche von Hans Gross auf die Vormundschaft abzuwehren. Die Internierung und Entmündigung von Otto Gross hielt Weber aus psychiatrischer Sicht für plausibel, wenn nicht für geboten. Er riet Frieda Gross, sich nicht an öffentlichen Protesten zugunsten von Otto Gross zu beteiligen und sich ganz auf die Vertretung ihrer Interessen in der Vormundschaftsfrage zu konzentrieren. Weber hoffte zunächst darauf, mit Hans Gross einverständlich eine Regelung der Vormundschaftsfrage herbeiführen zu können, und empfahl, die Unehelichkeit von Eva Gross solange zu bestreiten, bis mit Hans Gross ein Kompromiß in der Vormundschaftsfrage für Peter Gross erreicht sein werde. Die Rechtsstreitigkeiten durchliefen Berufungsverfahren und zogen sich über Jahre hin. Otto Gross wurde bis zu seinem Lebensende nicht aus der Pflegschaft entlassen, Frieda Gross wurde die Vormundschaft für ihren Sohn Peter schließlich am 27. April 1915 zuerkannt, die Unehelichkeit der Tochter Eva erst mit Urteil des Landes-Gerichts Graz vom 14. März 1918 endgültig festgestellt. Otto Gross wurde am 8. Juli 1914 aus der schlesischen Landesirrenanstalt Troppau nach der Entziehung von Kokain und Opium entlassen und zur ambulanten Behandlung an einen Nervenarzt überwiesen. Nach Kriegsausbruch meldete er sich freiwillig als landsturmpflichtiger Zivilarzt, arbeitete in einem Cholera-Hospital in Ungarn und wurde im August 1915 als Landsturm-Assistenzarzt einberufen. Er beantragte unter Hinweis auf seine ärztliche Tätigkeit in einem Militärhospital eine neuerliche Untersuchung seines Geisteszustandes und die Aufhebung der Pflegschaft. Damit hatte er auch nach dem Tode seines Vaters, der am 9. Dezember 1915 gestorben war, keinen Erfolg. Er wurde wieder drogensüchtig und starb am 13. Februar 1920 in einem verelendeten Zustand in Berlin.

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Heidelberg, den 21. November 1913. Liebe Frau Frieda! Meine Frau und ich erwidern Ihre Grüße herzlichst. Vor allem bitte ich Sie aber sich noch wesentlich mehr über den späteren Verlauf der Dinge zu beruhigen.1 I. Es besteht tatsächlich nach meiner Überzeugung keine Gefahr, daß Ihnen die Kinder genommen werden. Dagegen, daß Ihr Schwiegervater Vormund wird, läßt sich allerdings gesetzlich schlechterdings nichts machen, wenn er nicht die Vormundschaft selbst ablehnt. Ebenso spricht ihm das Gesetz Recht und Pflicht zu, für die Person der Kinder zu sorgen[,] und alljährlich hat er dem Gericht2 bezüglich dessen, was an Sie gezahlt wird, Rechenschaft abzulegen. Dagegen verfügt das Gesetz ausdrücklich, daß die Kinder von der Mutter nicht getrennt werden dürfen, es sei denn, daß a„das Beste des Kindes eine andere Verfügung erheischt“a. Ich bezweifle, daß jemals ein Gericht, von ganz krassen Fällen abgesehen, zu dieser Überzeugung gelangen wird,b und ohne gerichtliche Zustimmung kann und wird er unter keinen Umständen das tun. c(Ausdrücklich bestimmt ist sogar, daß die Mutter auch dann die Kinder behält, wenn sie sich wiederverheiratet.)c Das einzige, was er vielleicht versuchen wird durchzusetzen, und worin ihm das Gericht vielleicht folgen wird, ist, daß die Kinder innerhalb Österreichs erzogen werden sollen. Wenn er aber weiß, daß er auch das nicht ohne Gewalt und also ohne einen fürchterlichen Skandal erreichen kann, dann wird er von einem solchen Versuche gänzlich abse-

a Anführungszeichen eigenhändig. händig.

b Komma eigenhändig.

c Klammern eigen-

1 Frieda Gross hatte sich in einem nicht überlieferten Brief an Max Weber gewandt, um sich von ihm juristisch beraten zu lassen. Aufgrund der Internierung ihres Mannes war sie besorgt, daß Hans Gross der Vormund für Otto Gross werden und er in dieser Rolle ihr die Kinder wegnehmen könnte. Außerdem wußte sie nicht, ob und wie sie in der Öffentlichkeit auf die Internierung ihres Mannes reagieren sollte. Schon aus den Krankenakten in der Züricher Irrenanstalt Burghölzli, anläßlich der zweiten Internierung von Otto Gross 1908, geht die Absicht von Hans Gross zu einer Entmündigung hervor. Vgl. Hurwitz, Otto Gross. S. 218. 2 Gemeint ist das Bezirksgericht Graz, das am 9. Januar 1914 Hans Gross zum Kurator (Vormund) seines Sohnes bestellte.

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hen. Nun aber haben Sie vermutlich ihm gegenüber noch eine ziemlich erhebliche Zwangsmaßregel. Es ist zwar nicht absolut sicher, wenigstens kann ich dies hier nicht eindeutig feststellen: ob der Umstand, daß Ihnen die schwere Geisteskrankheit Ihres Mannes, welche vor der Ehe bestand, :damals: festgestellt und auch Ihrem Schwiegervater bekannt war, :verschwiegen wurde,: unbedingt als ein Grund zur Anfechtung der Ehegültigkeit, also als ein „dem Zwecke der Ehe hinderliches Gebrechen“ im Sinne des § 53 des österreichischen bürgerlichen Gesetzbuches gilt, d. h. von den Gerichten anerkannt wird. Sollte dies der Fall sein, so käme es darauf an, ob etwa, nachdem Sie von diesem Umstande Kenntnis erhalten haben, die eheliche Gemeinschaft von Ihnen noch fortgesetzt worden ist. In diesem letzteren Fall könnten Sie ihn nicht geltend machen. Anderenfalls aber würde, wenn ich das Gesetz nicht falsch interpretiere, noch heute eine Anfechtung der Ehe zulässig sein. Eine etwaige Nichtigkeitserklärung würde das Erbrecht der Kinder gegenüber Ihrem Schwiegervater nicht berühren. Es würde auch das Recht Ihres Schwiegervaters auf die Vormundschaft innerhalb Österreichs nicht beseitigen. Aber ich bin sicher, daß im Falle einer Ungültigkeitserklärung der Ehe jedes ausländische Gericht sich weigern würde, Ihrem Schwiegervater diese Kinder auszuliefern, möge im übrigen vorliegen was da wolle. –d Nochmals möchte ich betonen: dagegen, daß Ihr Töchterchen als Enkelin Ihres Schwiegervaters juristisch behandelt wird, können weder Sie noch kann dieser etwase tun, wenn ich das Gesetz richtig verstehe, denn die sehr kurze Frist :dafür: nach Kenntnis von der Geburt des Kindes und den entscheidenden Umständen ist längst abgelaufen. Ich zweifle also, ob er einen solchen Prozeß, wie Sie ihn für möglich und in gewissem Sinne für wünschenswert halten, anstrengen kann, denn er müßte behaupten, – immer vorausgesetzt, daß er zunächst einmal Vormund Ihres Mannes geworden ist und als solcher zur Führung eines derartigen Prozesses überhaupt für legitimiert gilt: –f daß weder Ihr Mann noch er selbst früher als erst jetzt von dem Vorliegen derjenigen Umstände Kenntnis erhalten habe, welche die Vaterschaft Ihres Mannes ausschließen oder unwahrscheinlich machen. Das kann er nicht behaupten. Wenn er früher einmal, wie Sie mir erzählten, für gden Fall spätererg Kinder Drohungen gegen Sie ausgestoßen hat, so d Gedankenstrich eigenhändig. e O: etwa g etwaige spätere > den Fall späterer

f Gedankenstrich eigenhändig.

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können sich diese nur darauf beziehen, daß er dann gegen die Legitimität dieser künftigen Kinder eventuell vorgehen würde. Alle diese Dinge sind ja aber jetzt gänzlich ungelegte Eier. Denn ich halte es für ganz unmöglich, daß Ihr Schwiegervater den ernstlichen Versuch macht Sie von den Kindern zu trennen oder etwa einen Druck im Sinn irgend einer Beeinflussung Ihrer Lebensführung auf Sie auszuüben unternehmen wird, wenn Sie auch nur die allergewöhnlichsten schon aus tausend anderen Gründen zweckmäßigen Vorsichtsmaßregeln innehalten. II. Nun nochmals zum Schicksal des Otto Gross. Wenn Sie sich zu dem Versuch für absolut verpflichtet halten, gegen seine Internierung jetzt etwas zu tun, so könnte dies nur in Folgendem bestehen: 1. müßtenh Sie diejenigen seiner Bekannten, mit welchen er im Laufe der letzten Zeit ständig verkehrt hat, ersuchen, Ihnen schleunigst schriftlich folgende Bescheinigung zuzustellen: daß und in welcher Weise sie ständig mit Ihrem Manne verkehrt haben, wo und wie, daß und wie er sich dabei benommen hat, in welcher Hinsicht abnorm und auffallend, in welcher Hinsicht normal, wie es um die geistige Klarheit seines Redens, um seinen Interessenkreis, um seine Fähigkeit praktisch zu handeln, bestellt war. Ganz entschieden wäre dabei nicht zu verschweigen, was an Auffälligem und Ungewöhnlichem, wie ich ja selbst weiß, in der Erscheinung und in dem Verhalten Ihres Mannes hervorgetreten ist. Hervorzuheben wäre nur, daß er, wie ich nicht zweifle, weder jemals durch sein Verhalten dritten Personen Gefahr gebracht noch sich außerstande gezeigt hat, seine Angelegenheiten soweit zu versorgen, daß ein direktes Eingreifen oder ein Zwang gegen ihn jemalsi sich als notwendig gezeigt hätte.j Diese Erklärung müßte mit dem Vermerk schließen: daß sie an Eidesstatt zum Zweck der Verwendung bei inländischen oder ausländischen Behörden abgegeben und Ihnen zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt werde, unterzeichnet mit Namen und Adresse des Abgebenden. Jeder sollte seine Erklärung auf gesondertem Bogen abgeben, je mehr je besser, und je weniger es sich dabei nur um Bohemiens oder :Caféhaus-:Anarchisten handelt oder ähnlichek interessante Bummler l – entschuldigen Sie! – desto nützlicher.

h Müßten > müßten che l [??] > Bummler

i niemals > jemals

j hat. > hätte.

k ähnliches > ähnli-

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2. solltenm Sie denn behandelnden Arzt in Burghölzli um eine kurze Anamnese über den damaligen Zustand von Otto Gross, den Charakter der Krankheit und die Gründe seiner Entlassung aus der Anstalt3 bitten. Insbesondere sollte darin hervorgehoben werden:o daß diese Entlassung :überhaupt oder doch: für den Fall :auch hygienisch: gänzlich unbedenklich erschienen sei, daß Otto Gross sich derart in Ihrer Nähe aufhielte, also einmietete, daß Sie ihn einigermaßen im Auge behalten könnten oder daß sonst ein Freund möglichst ständig mit ihm zusammen sei, daß aberp von Gemeingefährlichkeit :überhaupt:q gar keine Rede gewesen sei. –r Das wird Ihnen ja zweifellos so attestiert werden können. 3. Wenn Sie diese Papiere haben, so würden Sie sie dem Rechtsanwalt mit dem Auftrag übergeben, sie in einer von ihm zu beglaubigenden Abschrift (denn Originale behalten Sie besser für eine evtl. Entmündigungsverhandlung) oder wenn er das für zulässig hält, im Original der Anstalt, in welcher Otto Gross interniert ist und welche Sie bis dahin ja erfahren haben werden, – ich sehe :übrigens: gar nicht ein, warum Sie die Eltern nicht in höflicher Form fragen sollen, ob sie von seinem Verbleib wissen, – einzureichen mit dem Hinweise darauf, daß Sie als die Nächstbeteiligte, Einspruch gegen die Internierung erheben und daß Sie die Verpflichtung übernehmen, dafür einzustehen, daß Otto Gross in Ihrer Nähe :(nicht grade: in Ihrem Hause): Aufenthalt nimmt, daß er überwacht und für ihn gesorgt wird, daß, falls irgendwelche bedenklichen s(Ihnen von der Anstalt zu bezeichnenden)s Symptome auftreten, oder er sich Ihrer Überwachung entziehen sollte, Sie geeignete Schritte tun werden. Eine solche Erklärung, mit Ihrem Namen unterzeichnet, wäre beizufügen. Ich bin vorläufig überzeugt, daß eine Anstalt sich, wenn ihrt von Seiten eines Anwalts ein derartiger Protest zugeht, nur dann zur Fortsetzung der Internierung entschlie-

m Sollten > sollten n O: dem o werden, > werden: p namentlich > aber q :überhapt: > :überhaupt: r Gedankenstrich eigenhändig. s Klammern eigent Ihr > ihr händig; öffnende Klammer ersetzt Komma. 3 Otto Gross hatte zwei Entziehungskuren in der Züricher Irrenanstalt Burghölzli gemacht. Die Diagnose nach dem ersten Aufenthalt lautete auf „schwere Psychopathie“ (der Name des damaligen Arztes ist nicht bekannt), vgl. Hurwitz, Otto Gross, S. 138. Den zweiten Aufenthalt hatte Otto Gross durch Flucht beendet, es kam zu keiner Entlassung.

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ßen wird, wenn diese wirklich, – was ja immerhin möglich ist, –u objektiv unumgänglich ist. Ich bitte Sie aber nochmals, liebe Frau Frieda, sich zu überlegen, ob Sie wirklich die Verpflichtung haben, und wenn nicht, ob es ratsam ist, diese Schritte zu tun. Ich gestehe ganz offen, daß ich es für das wünschenswerteste halten würde, rein objektiv, daß Otto Gross in irgend einer Weise genötigt würde, sich einer ständigen ärztlichen Überwachung zu fügen, ohne doch entmündigt zu werden und damit den Vater in die Vormundstelle einrücken zu lassen. Es gibt kein juristisches Mittel, das so machen zu lassen, aber es scheint mir doch nicht undenkbar, daß der Vater sich mit der Internierung begnügte und von der Entmündigung Abstand nähme,v wenn er sehen würde, daß er da auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Und vielleicht ließe sich die ganze Sache doch so führen, daß das geschähe.w Darum halte ich eine kurze höfliche Anfrage bei den Eltern, welche möglicherweise zu einer Korrespondenz und schließlich vielleicht zu einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Einigung zwischen Ihnen und den Schwiegereltern über das Schicksal von Otto Gross führen könnte, für ganz nützlich. Man könnte dem Schwiegervater doch den Gesichtspunkt nahebringen: daß die x„Schande“x einer förmlichen y„Entmündigung“y Otto Gross in den Tod treiben könnte und er dann vor der Welt die Verantwortung trüge. Doch dies sind alles höchst unmaßgebliche Ratschläge. Wenn Sie an Ihren Schwiegervater oder dessen Frau schreiben, so scheint es immerhin klug, in irgend einer beiläufigen Wendung von Ihrem z„Rechtsanwalt“z zu sprechen, damit die Schwiegereltern wissen, daß sie nicht machen können was sie wollen. Vorläufig ist ja die Hauptsache:a was die Berliner Polizei antwortet. Erfolgt die Antwort nicht bald oder ist sie nicht eindeutig, dann geben Sie mir Nachricht: ich werde dann in einer Berliner Zeitung das immerhin Auffallende des Vorgangs, daß eine Ausweisung mit Verhaftung und Auslieferung verbunden wird, zur Sprache bringen, ebenfalls :nur: zu dem Zweck[,] der etwa beabsichtigten Willkür Ihres Schwiegervaters und der Internierungsanstalt :sofort: Schranken zu ziehen. Natürlich alles nur nach Überlegung von Ihrer Seite, auch unter Zuzie-

u Gedankenstrich eigenhändig. v nehme > nähme, w geschehe. > geschähe. x Anführungszeichen eigenhändig. y Anführungszeichen eigenhändig. z Anführungszeichen eigenhändig. a Hauptsache, > Hauptsache:

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hung Ihres Herrn Anwalts, und auch von meiner Seite: ob ein solches Eingreifen im jetzigen Stadium klug ist. Auf alle Fälle ist aber die Hauptsache, daß Sie sich nicht so aufregen, wie es Ihr Brief mich vermuten läßt. Dazu ist gar kein Anlaß vorhanden. Schließlich: Wenn Sie fortfahren, mir Ihre „Verehrung“ :– fi donc! –:4 auszudrücken, nötigen Sie mich zu dem gleichen überaus feudalen Stil. Denn „Onkel“qualitätenb hat mir das Schicksal nun einmal versagt und ich kann mir ihre Zudichtung daher auch nicht gefallen lassen. :Lassen Sie uns lieber „gute Freunde“ bleiben. – Daß Sie mit Lask wieder in einem menschlichen Verhältnis stehen, freut mich für beide Teile. –5 Sie reisen nun wohl bald nach Zürich. Empfehlen Sie mich achtungsvoll Herrn Fr[ick]. – Vielleicht leben Sie später einmal hier? Stets Ihr freundschaftlich ergebener Max Weber:

b Onkelqualitäten > „Onkel“qualitäten 4 französisch: Pfui also! 5 Die Beziehung zwischen Emil Lask und Frieda Gross war 1908 abgebrochen.

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Frieda Gross PSt 22. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 7 – 9 Das Tagesdatum ist aus dem Poststempel des beiliegenden Briefumschlages und dem Hinweis auf den ,Diktier-Brief‘ von ,gestern‘, dem 21. November 1913, erschlossen.

Heidelberg 22a/11 13 Liebe Frau Frieda, – so lang wieder der Diktier-Brief gestern1 ausfiel, schicke ich ihm doch noch ein paarb Zeilen nach. Zunächst: seien Sie nicht bös, daß ich auf Ihre herzlichen Worte mit dem Protest gegen das Wort „Verehrung“ antwortete. Mit gutem Grund. Es kann zweckmäßig sein, daß Ihre Freunde Ihnen allerlei „Ratschläge“ erteilen. Da ist es dann ein großer Unterschied, ob Sie dahinter eine Tante (oder Gouvernante) in Beinkleidern empfinden, die Sie vergewaltigt, oder einen Bekannten, dem Sie sagen: „nein, das thue ich nicht, ich will das so und so, also hilf mir auf dem Wege“. Gute Beziehungen sind nur auf gleichem Fuß möglich, – und ich kann doch nicht brieflich mich schlechter machen, :nur: damit Sie sehen, daß da kein „Verehrungswürdiges“ Objekt ist? Mir ist lieber, Sie machen sich über cdiesen „Onkel“c lustig, – wie Sie es nachher, wenn die jetzige Erregung vorbei ist, ja unvermeidlich doch thun, wenn anders Sie Ihren guten Humor behalten haben. Und Das wäre gut. – Und dann: natürlich wären Sie nicht so erregt, wenn Sie nicht glauben würden: jetzt wird man mich zwingen, zwischen meiner Liebe2 und meinen Kindern zu wählen. Möglich gewiß, daß irgendwann später Sie :aus irgend welchen Gründen: vor dieser Situation stehen. Aber jetzt nicht. Ich bin absolut überzeugt, daß es sichd um für Sie ganz gleichgiltige Konzessionen rein äußerer Art handeln wird, um absolut in Ruhe gelassen zu werden. Und ich garantiere Ihnen – was auch geschieht – die Kinder werden Ihnen nicht ohne gewaltsamen Widerstand genom-

a O: 21

b O: par

c nichts > nicht > diesen „Onkel“

d O: Sich

1 Gemeint ist der Brief an Frieda Gross vom 21. November 1913, oben, S. 388 – 393. 2 Gemeint ist Ernst Frick.

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men und Sie werden bald sehen, daß an Gewalt, „Skandal“ etc. nicht gedacht wird. – Was ich von eventueller Anfechtung der Ehe schrieb, bedeutet nicht: Sie sollen das thun. Sondern: vielleicht (ich bin noch nicht sicher) können Sie es thun[,] und dase wäre dann ein für den alten Gr[oss] sehr peinlicher Gegen-Schachzug. Weiß er, daß er ihn riskiert, so thut er nichts. Irgend ein „Compromiß“ mit der Familie bleibt Ihnen ja wahrscheinlich nicht erspart. Aber weder werden Sie Ihren Lebensinteressen, noch Ihrem Stolz dabei das Mindeste zu vergeben brauchen. Viel wichtiger als alles Andre ist jetzt: daß Sie der Situation gegenüber Ruhe und feste Nerven gewinnen. In großer Herzlichkeit Ihr Max Weber Wenn es sich um eilige Sachen handelt, schreiben Sie mir, sonst Lask, – es freut ihn und thut ihm menschlich gut; seine „Einstellungen“ mögen wechseln, aber er ist in all seiner Gehemmtheit ein sehr treuer Mensch, auf den Sie Sich schlechthin verlassen können. Das kann einmal etwas werth sein.

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Robert Michels 22. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 112

Heidelberg 22/11 13 Lieber Michels! Meine Frau und ich können einfach nicht!1 Meine Pflichten gegen Siebeck gehen vor und meine Frau ist absolut voll besetzt. Ihre Pflichten gegen uns, lieber Freund, müssen Sie auch vorgehen lassen, das war versprochen. Ich brauche Ihr Mscr. erst in Monaten,2 – ca. 9– 10 – aber wenn Sie es in Turin nicht machen, machen Sie es nachher hastig und das können auch Sie in Eile unmöglich gut machen. Also: bitte dringend! Lederer wird ja mit Ihnen noch korrespondieren.3 Wir werden Collision schon vermeiden. Er ist sehr stark besetzt. Ich kann Prof. Supino nichts nützen. Bitte weisen Sie ihn an Gothein. Siebeck nimmt solche Sachen jetzt nicht, glaube ich. Vielleicht schreiben Sie ihm, ich will gern für ihn eintreten, wenn ich kann, wie ich hoffe. Aber S[iebeck] hat nicht immer gute Geschäfte mit Übersetzungen gemacht.4 Lesen kann ich das Buch jetzt nicht. Später vielleicht. Herzliche Wünsche und Grüße! Ihr Max Weber

1 Es geht hierbei um die erneute Ablehnung der Mitarbeit von Max und Marianne Weber am „Handwörterbuch der Soziologie“; vgl. schon Webers negativen Bescheid in seinem Brief an Michels vom 18. Nov. 1913, oben, S. 382. 2 Dies bezieht sich auf das GdS-Manuskript zu: Michels, Antikapitalistische Massenbewegungen. 3 Zur Frage der Mitarbeit von Emil Lederer am „Handwörterbuch“ vgl. die beiden Briefe an Paul Siebeck vom 6. Nov. 1913 sowie die Schreiben an Lederer und Michels vom 9. Nov. 1913, oben, S. 349, 353, 362 und 364 f. Entsprechende Korrespondenzen Emil Lederers sind im Nl. Robert Michels im AFLE Turin nicht nachgewiesen. 4 Welches Buch von Michels’ Freund Camillo Supino übersetzt werden sollte, ist unbekannt. Daß Weber Michels an Eberhard Gothein, der sich u. a. auch mit dem Schiffahrtswesen beschäftigt hatte, verweist, könnte dafür sprechen, daß es sich um Camillo Supino, La navigazione dal punto di vista economico. 3a edizione, rifatta ed ampliata. – Milano: U. Hoepli 1913, handelt.

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Paul Siebeck 24. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 24/11 13 Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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An Mombert schrieb ich zustimmend.1 Ev. muß dann die erste Lieferung von Band I mit Oldenberg’s Beitrag2 abbrechen, wenn M[ombert] nicht rechtzeitig liefert. Das schrieb ich ihm. Wieser3 liefert also bestimmt bis Weihnachten ab. Folglich kann Februar gedruckt werden. Band I m. E. in der Reihenfolge: 1 Es geht hierbei um einen neuen Drucktermin für den Beitrag von Paul Mombert, erschienen unter dem Titel: Wirtschaft und Bevölkerung. I. Bevölkerungslehre, in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 32 – 96 (hinfort zitiert als: Mombert, Bevölkerungslehre). Diese Frage bestimmte eine Korrespondenz zwischen Mombert und Paul Siebeck, die dieser Weber in Abschrift am 22. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zugänglich machte. In seinem ersten Schreiben vom 11. Nov. 1913 (Abschrift masch.; ebd.) hatte sich Mombert darüber beschwert, daß seit der Ablieferung seines Manuskripts „5/ 4 Jahre“ vergangen seien: „und mehr als ein Jahr, daß es wieder in meinen Händen ist, ohne daß Sie es zur Drucklegung einverlangt haben.“ Dies sei um so gravierender, als sein Manuskript zu großen Teilen inzwischen veraltet sei. Er bat um eine Erklärung für die Verzögerung und um eine Nachricht darüber, wann der Druck endlich beginnen werde: „denn unter Umständen bleibt mir im Interesse meiner Arbeit und Arbeitszeit nichts anderes übrig, als meinen Beitrag als besondere Schrift erscheinen zu lassen.“ Nach der Antwort Siebecks vom 12. Nov. 1913 (Abschrift masch.; ebd.) mit der Erklärung der Schwierigkeiten bei der Drucklegung des GdS hob Mombert in seinem Brief vom 20. Nov. 1913 (Abschrift masch.; ebd.) hervor, daß er, wie er inzwischen von informierter Seite erfahren habe, berechtigt sei, „den Verlagsvertrag mit sofortiger Wirkung zu lösen. Ich brauche nicht einmal mehr eine Frist zu setzen, da das Manuscript in seiner jetzigen Gestalt auf veraltetem Material z.T. beruht, und so jetzt nicht mehr veröffentlicht werden kann.“ Er sei jedoch unter gewissen Voraussetzungen bereit, von diesem Recht keinen Gebrauch zu machen. Als Bedingungen nannte Mombert: 1) Verschiebung der Ablieferungsfrist auf 1. Mai 1914, um die neueren Volkszählungsdaten noch einarbeiten zu können, 2) Erweiterung des Umfangs von 3 auf 31/ 2 Bogen und 3) „Sie [d. h. der Verlag] verpflichten sich den Teil des Handbuches, der meinen Artikel enthält, bis spätestens 1. Febr. 1915 vervielfältigt und in den Buchhandel gebracht zu haben. Falls sich bis 1. November 1914 ergibt, daß dieser Bedingung nicht genügt werden kann, so erklären Sie sich damit einverstanden, daß ich vom Vertrag zurücktrete.“ Diesen Forderungen haben sowohl Siebeck als auch Weber zugestimmt. Korrespondenzen Webers mit Paul Mombert sind nicht nachgewiesen. 2 Gemeint ist der Artikel von Karl Oldenberg, Die Konsumtion, erschienen in: GdS, Abt. II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 103 – 164 (hinfort zitiert als: Oldenberg, Konsumtion). 3 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft.

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Bücher4 Schumpeter5 Wieser Oldenberg u.s.w. Für Band II ist Sieveking6 ja bei mir (bzw. mit seiner Zustimmung an Schwiedland u. Hirsch versendet). Hirsch7 ist in sicherer Aussicht (er hat das soeben fest garantiert). Schumacher habe ich nochmal um feste Garantie gebeten. Jaffé ebenso, Schulze-G[ävernitz] ebenso.8 Wiedenfeld hat Eintreffen garantiert.9 An Lotz schreibe ich,10 er war ja schon in Ihren Händen.11 Ich schicke nächster Tage ein Rundschreiben an alle Autoren.12 Von mir aus. Denn es soll eine deutliche (wennschon höfliche) Sprache reden. Darf ich Sie um Frau Professor Schachner’s13 Münchener Adresse bitten. Dr a Elster14 schrieb sie Ihnen s. Z. Ich muß mit ihr nochmals korrespondieren (wegen der Art von Lederer’s Umarbeitung, die sehr „radikal“ ist und sein mußte).15 Herzliche Grüße! Ihr Max Weber a 4 Bücher, Entwicklungsstufen. 5 Gemeint ist der Beitrag von Joseph Schumpeter, Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, in: GdS, Abt. I – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 19 – 124 (hinfort zitiert als: Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte). 6 Sieveking, Entwicklung des Handels. 7 Hirsch, Organisation und Formen des Handels. 8 Die entsprechenden Korrespondenzen mit Hermann Schumacher, Edgar Jaffé und Gerhart v. Schulze-Gaevernitz sind nicht nachgewiesen. 9 Dies betrifft das Manuskript zu: Wiedenfeld, Transportwesen. 10 Briefe Webers an Walther Lotz sind nicht nachgewiesen. 11 Walther Lotz hatte für den GdS Buch III, Abschnitt III: Transportwesen, Unterabschnitt 1: Allgemeine Prinzipien der Transportpreisbildung, übernommen und auch bearbeitet. Sein Manuskript ist jedoch weder im GdS noch anderswo veröffentlicht worden. 12 Rundschreiben an die „Mitherausgeber des Handbuchs“ vom 8. Dez. 1913, unten, S. 424 – 428. 13 Gemeint ist Käthe Schachner. 14 Gemeint ist Alexander Elster, der den literarischen bzw. wissenschaftlichen Nachlaß von Robert Schachner geordnet hatte; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 19. April 1912 (MWG II/7, S. 508f.). 15 Vgl. dazu Webers Bemerkung in seinem Brief an Emil Lederer vom 9. Nov. 1913, oben, S. 361.

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Paul Siebeck [vor oder am 25. November 1913]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Datierung ist erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „25.11.13“ sowie aus dem Schreiben an Franz Eulenburg vom 25. November 1913, unten, S. 401.

Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

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Anbei die 1. Hälfte des Briefs von Spann1 (die zweite enthält Vorschläge, die ich noch überlegen werde,2 die aber meine Beiträge zu Buch V,3 nicht seine, angehen)a. Die Frage ist, ob Ihnen bzw. Ihrem Herrn Sohn4 dies Bedenken auf S. 2/3 (angestrichen!) erheblich scheint.5 Mir nicht, da Sp[ann] nun einmal der tüchtigste ist, den wir haben können (Spiethoff ist zub unsicher, Eulenburg sagt eben endgül-

a Klammer fehlt in O.

b O: zweifach unterstrichen.

1 Eine Kopie bzw. maschinenschriftliche Abschrift der ersten Hälfte des Briefes von Othmar Spann an Weber vom 22. Nov. 1913 findet sich in VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 352. 2 Spann schlug am Schluß der an Siebeck übermittelten ersten Hälfte seines Briefes vom 22. Nov. 1913 (wie Anm. 1) vor, im letzten, dem fünften Band des GdS, von Weber nicht berücksichtigte Themen im Bereich der Sozialpolitik noch bearbeiten zu lassen: „So jenes Gebiet, das ich ‚Sozialpolitik der Familie‘ nennen möchte (im Gegensatz zu jener des Arbeitsvertrages) und in der Berufsvormundschaft seinen Sammelpunkt findet.“ 3 Das Buch V des GdS: Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik im modernen Staate, sollte laut Stoffverteilungsplan von 1910 – vgl. dazu Anhang 1, unten, S. 815 f. – diverse Artikel von Max Weber enthalten, die auch nach dem Stand von 1914 nicht an andere Autoren abgetreten worden waren. Dazu zählen Abschnitt I: Arten und Tragweite der Hemmungen, Reflexwirkungen und Rückschläge der kapitalistischen Entwicklung, dann Abschnitt II, Unterabschnitt b: Agrarkapitalismus und Bevölkerungsgruppierung, daneben Abschnitt VII, Unterabschnitt 2: Wesen und gesellschaftliche Lage der Arbeiterklasse, sowie Abschnitt IX, den Max Weber mit seinem Bruder Alfred bearbeiten wollte: Die Tendenzen der inneren Umbildung des Kapitalismus. Alle diese Beiträge sind nicht erschienen. 4 D. h. Oskar Siebeck. 5 Die Anstreichungen fehlen in der verlagsinternen Abschrift des Briefes vom 22. Nov. 1913 (wie Anm.1); offensichtlich bezogen sie sich auf die von Spann angedeutete Schwierigkeit, daß sich nämlich der GdS-Artikel mit einer anstehenden Neuauflage seiner „Theorie der Preisverschiebung“, die gerade in dem Kapitel „Exkurs über Konjunktur und Krise“ stark erweitert werden sollte, überschneiden könnte. „Ich würde mich natürlich bemühen, die Darstellung im ‚Handbuch‘ möglichst anders zu gestalten.“

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tig ab)[.]6 Wenn auch Sie die Concurrenzc beider Arbeiten für möglich halten, dann bitte ich Sie, Herrn Spann den Verlagsvertrag zuzusenden.d (Termin: 1. April 1915, etwa die Zeit, wo auch Gutmann fällig wird).7 Ich schreibe ihm dann noch, wie siche eine allzu große Ähnlichkeit vermeiden läßt. Mit herzlichen Grüßen! Ihr Max Weber Wieser, Schumacher, Hirsch, Wiedenfeld haben nun also alle den Eingang ihrer Beiträge bis Februar garantiert.8 Also wird dann gedruckt.

c Combination > Concurrenz

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6 Vgl. dazu das Schreiben an Franz Eulenburg vom 25. Nov. 1913, unten, S. 401. 7 Paul Siebeck, der seiner Antwort an Weber vom 25. Nov. 1913 zufolge (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) die mögliche Überschneidung beider Arbeiten für unbedenklich erklärte, schickte Weber unverzüglich den Verlagsvertrag zur Durchsicht, der dann nach Rücksendung am 27. November 1913 vom Verlag an Spann weitergeleitet wurde. Der Abgabetermin: 1. April 1915 wurde nachträglich geändert und demjenigen von Franz Gutmann: 1. Mai 1915 angeglichen. 8 Vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 19. Nov. 1913, oben, S. 383.

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Franz Eulenburg 25. November 1913; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 43

25. 11. 13.

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…a Ich danke Ihnen, daß Sie überhaupt prinzipiell bereit waren, sich die Übernahme des Beitrages zu überlegen. Denn Sie hätten ja sagen können, warum kamst Du nicht gleich an mich? Aber Plenge, der das „Geldwesenb[“] nahm, wollte gerade dies gern machen,1 und Sie steckten damals meines Wissens gänzlich in Ihrem Buch.2 Ebenso wollte Vogelstein, der die Kartelle nahm, auch die Preislehre gern machen3 und das hatte ja – ebenso wie das Andere – seine Ratio. Für die Sache des Grundrisses ist es mir natürlich jetzt leid, Sie nicht zu gewinnen. So schauderhafte Enttäuschungen wie ich erlebe, können Sie mit den „Preis“arbeiten unmöglich erlebt haben.4 Auf Wiedersehen nach Weihnachten bei der Wert-Quasselei in Berlin.5 Wird ein schöner Hexensabbat werden.

a Anfang der Abschrift mit Auslassungszeichen.

b Geld wesentlich > „Geldwesen

1 Der ursprüngliche Bearbeiter, Johann Plenge, hatte für den GdS neben dem Beitrag über „Geld, Kredit und Kapitalmarkt“ auch den über „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ übernommen. 2 Gemeint ist die erwartete Fertigstellung von Eulenburgs angekündigtem, dann doch nicht erschienenem Buch: Vorfragen der Sozialphilosophie; vgl. dazu Schreiben an Eulenburg vom 6. Nov. 1913, oben, S. 350, Anm. 2. 3 Theodor Vogelstein hatte den Artikel über Preisbildung übernommen, lieferte jedoch keinen entsprechenden Beitrag. Dieser ist in den 20er Jahren von Franz Eulenburg verfaßt worden, erschienen unter dem Titel: Die Preisbildung in der modernen Wirtschaft, in: GdS, Abt. IV, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 258 – 315. 4 Eulenburg hatte in seinem Brief an Weber vom 16. Nov. 1913 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von seinen negativen Erfahrungen bei der Betreuung der Preisuntersuchungen des Vereins für Sozialpolitik berichtet, einer „gräßliche[n] Enquete“, die ihn „rein zur Verzweiflung“ bringe – „wegen Absagen und schlechter Leistungen!“ 5 Gemeint ist die Werturteilsdiskussion, die am 5. Januar 1914 in Berlin im Anschluß an eine Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik am 4. Januar 1914 stattfand.

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25. November 1913

Emil Lask 25. November 1913; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd.11, Bl.44 – 45 Der Brief steht im Zusammenhang der Auseinandersetzungen zwischen Frieda Gross und Hans Gross, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, oben, S. 386 f. Zwischen Emil Lask und Frieda Gross hatte 1907/1908 ein intimes Verhältnis bestanden, als Frieda Gross sich längere Zeit bei Else Jaffé in Heidelberg aufhielt (Briefe Emil Lasks an Frieda Gross, UB Heidelberg, Heidelberger HS. 3820, II: Briefe an eine Frau, Bl. 138 – 151). Die Beziehung brach ab, nachdem Frieda Gross in ein Verhältnis mit Ernst Frick getreten war. Nun war der Kontakt wieder hergestellt, wie aus den Briefen von Max Weber an Frieda Gross vom 21. und 22. Nov. 1913, oben, S. 386 – 393 und S. 394 f., hervorgeht. Schon im Mai hatte sich Emil Lask lebhaft für das Schicksal von Frieda Gross interessiert, vgl. die Briefe von Max Weber an Marianne Weber vom 3. und 4. Mai 1913, oben, S. 322 f. und S. 325. Lask engagierte sich in den folgenden Monaten für die Interessen von Frieda Gross und war bereit, ihre Prozeßkosten zu übernehmen, vgl. den Brief an Frieda Gross vom 8. März 1914, unten, S. 541.

25. 11. 13. Lieber Lask! Jeder kennt seine eigenen Dinge am besten. Mir sind freilich die Argumente, welche Frieda Gross Ihnen vorgetragen hat[,] sehr schwer verständlich. Ob O[tto] G[ross] die Internierung unangenehmer ist als die Entmündigung ist doch einerlei. Für Frieda ist doch allein die letztere das Übel. Jedenfalls: von zwei Dingen eins: Entweder man tut nichts, dann schweigt man aber doch besser auch solchen traurigen Schwachköpfen wie diesem Mühsam1 und Konsorten gegenüber, oder sie will etwas tun. Dies kann nur sein: entweder erstens, daß sie es durch einea Reise nach Klosterneuburgb 2 (ich bin bereit siec s. Zt. zu begleiten) erzwingt, daß ihr volle Klarheit gegeben wird; sie selbst müßte doch da-

a Fehlt in Abschrift; eine sinngemäß ergänzt. schrift: Sie

b O: Kloster Neuburg

c In Ab-

1 Erich Mühsam war seit 1906 mit Otto Gross befreundet und kannte Frieda Gross. 2 Der Direktor der niederösterreichischen Landesirrenanstalt Klosterneuburg war Dr. Josef Berze. Dieser hatte Otto Gross 1911 in der Irrenanstalt „Am Steinhof“ bei Wien behandelt, als sich Otto Gross dort freiwillig zu einer Entzugskur aufhielt. Frieda Gross hatte von diesem Auskünfte über die Lage von Otto Gross erbeten.

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hin[,] ein anderer kann sie begleiten, nicht aber vertreten, 2. daß sie schon jetzt ihr Recht in Anspruch nimmt, falls gerichtliche Schritte (Entmündigung) eingeleitet werden sollen[,] ihrerseits nicht ausgeschaltet zu werden. – Was soll denn darauf ankommen, daß der alte Gross sieht, daß ihr die Entmündigung – wenn er diese wirklich will, was ja sehr fraglich ist, nicht paßt? Das weiß er so wie so, denn er ist dumm, aber nicht so dumm. Ich kann also nicht recht einsehen, weshalb sie dem Arzt nicht schreiben konnte: „etwas Schimpfliches[,] z.B. eine Entmündigung nicht zuzulassen, habe sie Otto Gross s. Zt. versprochen.[“] Ich vermag auch nicht die allerentfernteste Möglichkeit eines dadurch entstehenden Nachteils zu entdecken, dagegen hätte sie vielleicht die Antwort bekommen: „das wollen wir ja garnicht.“ und das wäre gut gewesen. Wie dem nun sei, jedenfalls stehe ich ihr zur Verfügung, wenn sie etwas tuen will jetzt oder später. Der Brief des Direktors von K[losterneuburg]3 ist absolut korrekt, er hat doch natürlich keine Lust sich durch längere Explikationen dieses Anarchistengesindel4 auf den Hals zu hetzen, garnichts spricht vorerst für Böswilligkeit, natürlich ist sie trotzdem möglich, aber ich halte es für einen großen Fehler diese Dinge so „persönlich“ zu behandeln. Das sachlich Richtige, Angemessene ist stets das Richtige. Grüßen Sie Frieda Gross herzlich, sie muß halt so handeln, wie sie kann und mag.

3 Zum Brief des Dr. Berze vgl. den Brief Max Webers an Frieda Gross vom 29. Nov. 1913, unten, S. 405 – 407. 4 Gemeint sind vermutlich Franz Jung und Franz Pfemfert.

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26. November 1913

Paul Siebeck [26]. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief ist irrtümlich von Max Weber auf den „22/11“ datiert; der im Brief erwähnte GdS-Verlagsvertrag mit Othmar Spann wurde Weber von Paul Siebeck am 25. November 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zur Begutachtung zugeschickt und zusammen mit dem hier abgedruckten Brief an Siebeck zurückgesandt. Die Ausfertigung des Vertrags wurde nach Siebecks Mitteilung an Weber vom 27. November 1913 (ebd.) Othmar Spann am gleichen Tage zugeschickt.

Heidelberg 26a/11 13 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Anbei der Vertrag zurück[.] Ich schlage vor, den unzweideutigeren Untertitel „Konjunkturen u. Krisen“,1 den ich eingesetzt habe, zu wählen, und – wegen Dr Gutmann – 1. Mai oder wenn Sie wollen 1. Juni – zu setzen. – Natürlich sind m. E. Gutmann u. Spann kein voller Ersatz für das, was Plenge geleistet hätte, wenn er gesund geblieben wäre. Aber da ist nun nichts zu machen und sehr tüchtig sind beide. Mit beiden werde ich noch korrespondieren. Schumacher kommt also auch sicher bis Februar.2 Von Rathgen – er ist in Amerika3 – hörte ich gar nichts, trotz Briefen.4 Beste Grüße! Ihr Max Weber a O: 22 1 Der bisherige Titel hatte „Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen)“ gelautet. 2 Hermann Schumacher hatte diesen Termin nach den vorherigen Mahnungen – vgl. die entsprechenden Hinweise in Webers Briefen an Siebeck vom 9., 11. und 19. Nov. 1913, oben, S. 368, 377 und 383 – fest zugesagt, so Webers entsprechende Mitteilung an Siebeck vor oder am 25. Nov. 1913, oben, S. 400, jedoch diesen und auch spätere Abgabefristen nicht eingehalten. Sein GdS-Beitrag: Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen, ist nie erschienen. 3 Karl Rathgen war damals Austauschprofessor an der Columbia University in New York. 4 Briefe Max Webers an Karl Rathgen sind nicht nachgewiesen; Rathgen sollte einen der großen GdS-Beiträge, nämlich das gesamte Buch IV: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates, abliefern. Dies ist jedoch nie geschehen. Zum Problem der Manuskriptablieferung von Rathgens Beitrag vgl. den Brief an Siebeck vom 3. Nov. 1913, oben, S. 344, Anm. 10.

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29. November 1913

Frieda Gross 29. November 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 10 – 11

Hbg 29/11 13 Ich schicke dies nebst Beilagen Ihres Briefs an Lask, damit er es sofort nach Kenntnis Ihrer Adresse Ihnen schickt.a

Liebe Frau Frieda Groß! 5

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Schönen Dank für Ihren Brief. Mir scheint gerathen: daß Sie dem Herrn Anstaltsdirektor in Klosterneuburg1) (Berze)1 ausdrücklich mitteilen: „Alles was er rein sanitär für nötig halte, sei für Sie maßgebend. Sie hätten aber s. Z. die Verpflichtung übernommen, Ihrem Mann gegenüber, ihm bnichts Schimpfliches (z.B. eine Entmündigungb oder nutzlose dauernde Festhaltung) zustoßen zu lassen. Das müßten und würden Sie unbedingt halten müssen. Wenn Garantie gegeben werde, daß beides, :namentlich die Entmündigung, die ja ganz nutzlosc und hygienisch schwer schädlich sei,: nicht beabsichtigt sei, dann nähmen Sie es auf sich, daß Niemand sich erlaube, in Das, was :rein: sanitär geboten sei, einzugreifen. Man

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Herr Berze ist offenbar überzeugt, daß für jetzt die Internierung absolut unvermeidlich ist, daß der Vater sie jedenfalls durchsetzen würde. Ich meine, Sie sollten ihm in sehr herzlichem Ton schreiben. Daß er den Aufenthalt O[tto]’s nicht nennt, hat natürlich seinen Grund in Besorgnis vor etwaigen gewaltsamen Versuchen der Berliner Freunde O[tto]’s.

a In O handschriftlicher Zusatz von Emil Lask mit Bleistift: Herzlichste Grüße Lask. c b O: zweifach unterstrichen. 1 Vgl. den Brief an Emil Lask vom 25. Nov. 1913, oben, S. 402, Anm. 2.

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müsse es billig finden, daß Sie verlangten, 1) zu wissen, was geschehe2) und 2) daß Ihrem Mann nicht die Verbindung mit Ihnen – wenn er sie suche – abgeschnitten werde.“ – Sie sind thatsächlich : – wie Sie selbst schreiben [–]: m. E., wenn Sie das thun, Ihrer Verpflichtung gegen Otto Groß absolut ledig. Denn ihn befreien und :dann: zu Sich nehmen, – das können Sie ja gar nicht! Sie schützen ihn :(und: Sich): so am sichersten vor :seiner: Entmündigung. Versuchen Sie dagegen in diese von Prof. H[ans] Groß und diesem Arzt bewerkstelligte Internierung einzugreifen, dann treiben Sie Prof. H[ans] Groß direkt dazu, ihn entmündigen lassen zu müssen. Und Das kann ihm schon gelingen. Ich möchte rathen, diesen Brief gleich zu schreiben und dringend d um Antwort: :obe solche Eingriffe (Entmündigung) zu befürchten seien: zu bitten, mit dem Ausdruck Ihres „Vertrauens.“ – Sie können, glaube ich, Sich nun ganz wesentlich beruhigen. Mit dem Rath zur „Vorsicht“ meine ich absolut nicht das, was Herr Oberrichter Lang meint[.]2 Sondern: 1) Herr Fr[ick]3 möge nicht jetzt in Länder gehen (Deutschland, Österreich) wo er jetzt sicher ausgewiesen wird. Das ist für später unklug. 2) wenn Otto Gr[oss] doch entmündigt werden sollte, so möchten Sie keine direkte Handhabe gegen Sich selbst bieten, weder a) durch die angedeutete „Erklärung“ über Eva noch b) durch ostensible Gemeinschaft der Wohnung mit den Kindern und Ihrem Freund, der nun einmal für das Gesetz der Vater keines von beiden ist. Nur dies könnte vielleicht bedenklich wirken und ausgenutzt werden. –

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NB! Ich bin ganz überzeugt, der Vater schreitet nicht zur Entmündigung, wenn der Arzt abräth und wenn er nicht absolut dazu greifen muß, um die Möglichkeit der Internierung zu haben.

d O: zweifach unterstrichen.

e Fehlt in Abschrift; ob sinngemäß ergänzt.

2 Dessen Meinung ist nicht ermittelt. 3 Ernst Frick sollte am 30. November 1913 nach Abbüßung seiner Strafe aus dem Gefängnis entlassen werden. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f.

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Was Sie aber auch thun, seien Sie absolut sicher: gegen eine Fortnahme der Kinder von Ihnen giebt es Mittel und auch ich stelle Ihnen alle denkbare Hilfe, einschließlich der äußersten Gewaltsamkeit, zur Verfügung. – Für jetzt: ein frohes und vor Allem starkes Herz für den neuen Lebensabschnitt! Freundschaftlich Ihr Max Weber fIch

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stehe stets in Basel zur Verfügung4 (auf Telegramm). Auch um Herren Fr[ick] die Rechtslage darzulegen, wenn er es nützlich finden sollte. – Bitte möglichst wenig Einmischung der Berliner Herren5 jetzt, das könnte nur schaden. Schreiben Sie denen höchstens, daß z. Z. „Verhandlungen schwebten“[.]

f 4 Gemeint ist Webers Angebot zu einem Gespräch mit Ernst Frick in Basel, d. h. innerhalb der Schweizer Landesgrenzen. 5 Vermutlich dachte Weber an die Freunde von Otto Gross, u. a. Franz Jung und Franz Pfemfert.

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Ende November 1913

Heinrich Rickert [ca. Ende November 1913]; o.O. Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740 Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Die Datierung ist erschlossen aus dem (ungefähren) Erscheinungsdatum des dritten Heftes von „Logos“, Bd. 4, 1913; darin findet sich, S. 295 – 327, der Artikel Rickerts „Vom System der Werte“, dem die folgenden Bemerkungen Webers gelten.

Lieber Rickert, – absichtlich nur als „Zettel“ garniert schicke ich Ihnen nur herzlichen Dank für das Vergnügen, welches mir die Lektüre Ihres Aufsatzes gemacht hat.1 Sowohl die Idee des „offenen Systems“2 wie die Sechsteilung und der Parallelismus3 sind höchst glücklich und werthvoll, – grade weil die Werthe in unserer empirischen Arbeit in so absolut heterogener, irrationaler Art unter einander verknüpft sind. Folgende Vorbehalte mache ich sicher mit Ihrer Zustimmung: 1. die „Rangordnung“[,] von der Sie sprechen, ist nur formal-logischen Charakters. (Im Grunde sagen Sie das ja ganz direkt selbst).4

1 Wie aus dem folgenden hervorgeht, handelt es sich um den Aufsatz von Heinrich Rickert, Vom System der Werte, erschienen in: Logos, Bd. 4, Heft 3, 1913, S. 295 – 327. 2 „Offenheit“ so Rickert (wie Anm. 1), S. 297, „bezieht sich [...] lediglich auf die Notwendigkeit, der Unabgeschlossenheit des geschichtlichen Kulturlebens gerecht zu werden, und die eigentliche Systematik kann auf Faktoren beruhen, die alle Geschichte überragen, ohne deshalb mit ihr in Konflikt zu kommen.“ 3 Nach Rickert gibt es eine dreistufige Rangfolge der Wertverwirklichung bzw. „VollEndung“. Diese konkretisiert sich jeweils auf dem Gebiet „der un-endlichen Totalität“, „der voll-endlichen Partikularität“ sowie als deren Synthese auf dem Gebiet „der vollendlichen Totalität“. Als Ablauf in der Zeit betrachtet, richtet sich die Wertverwirklichung je nach Rangfolge der Werte auf Zukunfts-, Gegenwarts- und Ewigkeitsgüter. Kulturgüter verwirklichen sich ausschließlich in zwei Handlungs- bzw. Verhaltenstypen: nämlich denen der Kontemplation und Aktivität („Theorie“ und „Praxis“). Jedem dieser Typen werden die drei oben genannten, miteinander korrespondierenden bzw. parallelen Wertstufen zugeordnet, so daß sich sechs Wertgebiete ergeben. Als die drei Wertstufen der Kontemplation benennt Rickert diejenigen der Wissenschaft, der Ästhetik sowie der Mystik, als die drei Wertstufen der Aktivität die Ethik bzw. Sozialethik, sodann eine Wertstufe, für die Rickert keinen präzisen Begriff gefunden hat, die er als „voll-endetes persönliches Gegenwartsleben“ bezeichnet, sowie den ethischen Monotheismus, den „Theismus“. Vgl. dazu in Rickerts Artikel (wie Anm. 1) die Abschnitte: III. Kontemplation und Aktivität, Sache und Person, ebd., S. 304 – 307, sowie IV. Die sechs Wertgebiete, ebd., S. 307 – 322. 4 Wie Anm. 1, S. 322: „Unter Rangordnung war immer nur ein formales Verhältnis zu verstehen.“ Jedoch gibt es andere Formulierungen, die weniger auf eine bloß formal bestimmte Stufenfolge als auf eine Werthierarchie schließen lassen, z. B. S. 303.

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2. dies ist ein mögliches – besonders glückliches – Schema neben andern. (Das ließe sich m. E. zeigen). 3. die Ethik ist nicht mit „Sozialethik“ identisch,5 d. h.a haftet nicht an – sei es auch nur gesinnungshaftem – Verhalten zu Andren. (So könnten Sie verstanden werden). Auch der Mensch auf einsamster Insel stellt „ethische“ Forderungen an sich selbst. Und dann – hier habe ich Ihre Zustimmung nicht – der Schluß ist: 1. Metabasis eij~ a[llo gevno~6 2. confisziert er etwas für die Philosophie, was für alle wissenschaftlichen Leistungen gilt.7 Die Geschichten des Thukydides und Tacitu[s,]b Ranke’s u.s.w. sind genau im gleichen Sinn „überholt“ und doch voll-endet,8 wie irgend

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b Lochung.

5 Wie Anm. 1, S. 312: „Das ganze soziale Leben muß unter den Gesichtspunkt gestellt werden, daß es die freien, autonomen Persönlichkeiten zu fördern hat, und von hier aus sind dann Verbände wie Ehe, Familie, Staat, Nation, Kulturmenschheit usw. in ihrer ethischen Bedeutung zu verstehen. Die Werte, die an diesen Gütern haften, wollen wir für den Fall, daß jemand unsern Begriff des Ethischen zu eng findet, die sozialethischen nennen.“ 6 Weber bezieht sich hier auf Kapitel V: Wissenschaft und Weltanschauung (wie Anm. 1), S. 322 – 327, in welchem Rickert entgegen seinen früheren Ausführungen plötzlich als Verfechter des „geschlossenen Systems“ in der Philosophie auftritt. 7 „Freilich das, was die philosophischen Systeme früherer Zeiten an Wirklichkeitserkenntnis enthalten, ist zum großen Teil veraltet und hat meist nur noch ein ‚historisches‘ Interesse. Aber gerade die Denker, die nach dem Sinn des Lebens gefragt und ihn in einem geschlossenen System zum Ausdruck gebracht haben, sind, wenn man sie richtig zu verstehen weiß, nichts weniger als tot. Manche von ihnen leben heute wie am ersten Tag, und das um so mehr, je entschiedener sie nach den letzten Zielen des menschlichen Daseins gesucht, je mehr sie sich also bemüht haben, ihr System ‚fertig‘ zu machen. Gerade die Endlichkeit ihrer Partikularität, die als ihre Sterblichkeit erscheinen kann, hat ihnen die Unsterblichkeit gesichert. Sie konnten ein Ende machen, das war ihre Größe. Deshalb ragen sie hoch empor über die Fluten des endlosen Geschehens und leuchten aus dem Dunkel der Vergangenheit zu uns hinüber.“ Wie Anm. 1, S. 325f. 8 Weber verwendet hier die spezifische Terminologie von Rickert: „Jedes Subjekt, das Werte in Gütern verwirklicht, setzt sich ein Ziel, und das Streben danach wird ihm nur dann sinnvoll erscheinen, wenn es sein Ziel entweder erreicht oder sich der Erreichung annähert. [...] Zugleich aber wird es nur dann erreicht scheinen, wenn es ein volles Ende genannt werden kann, d. h. wenn in ihm keine Lücke bleibt, die zu neuem Streben in derselben Richtung führt, und deshalb wollen wir die Tendenz, die jedes sinnvolle, auf Wertverwirklichung gerichtete Verhalten hat, ganz allgemein als Tendenz zur Voll-Endung bezeichnen. Das Wort ist dabei in seiner eigentlichen Bedeutung zu nehmen“. Wie Anm. 1, S. 301.

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ein geschlossenes philosophisches System (also nicht etwa nur „überholt“ durch bessere Thatsachenkenntnis!) Was das an der Thatsache der Voll-endetheit und Geschlossenheit Werthvolle ist – wenn diese an sich überhaupt in casu ein Werth ist (und nicht nur ein technischer Vorzug für den späteren „Benutzer“) – dies eben ist keinerlei „wissenschaftlicher“ oder „philosophischer“ Werth mehr, sondern liegt in einer ganz andren,c je nachdem rein persönlichen oder auch ästhetischen oder ethischen Werthsphäre Ihres eignend Schemas. – Der Weg eines wissenschaftlichen Philosophen – dies ließe sich zwingend zeigen – ist immer der grade entgegengesetzte von dem eines Propheten, rein formal seinem Sinne nach. Und nur „Offenbarung“ kann zwingende Wahlen treffen oder vielmehr geben. Ihr Schluß giebt Schmoller und den Relativisten Wasser auf die Mühle (sehr gegen Ihren Willen) = „Aha! die ‚Entwicklung‘ ist die letzte Instanz!“9 – Aber ich kann jetzt nicht Briefe schreiben. Nehmen Sie mit diesem Gruß vorlieb. Herzlich Ihr Max Weber Daß der doch stark Partei ergreifende Terminus Religion der „Ar-

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9 Weber bezieht sich vermutlich speziell auf folgende Passage von Rickerts Aufsatz (wie Anm. 1), S. 326: „[Der Philosoph] weiß, die Entwicklung wird über das System, das er jetzt aufrichtet, früher oder später hinwegschreiten. Aber er will nun einmal festhalten, was er im Moment besitzt, damit es nicht im Entwicklungsstrom verloren geht, und er hat dazu ein Recht, wenn er von der Überzeugung geleitet ist, daß er umfassender und einheitlicher denkt als seine Vorfahren. [...] Wagen wir es auch in der Wissenschaft, und treiben wir Philosophie in dem Vertrauen, daß die voll-endete Frucht unseres individuellen und partikularen Bemühens zugleich eine notwendige Stufe ist in dem un-endlichen Ganzen des überindividuellen Fortschrittsprozesses.“

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muth“ (gegen Rel[igion] der „Fülle“) vermieden wird,10 scheint mir gut. NB. Ich würde Ihnen ganz gern meine :(empirische): Casuistik der Contemplation und aktiven Religiosität schicken.11 Aber sie ist nur zu 3/ abgetypt. 4

10 Zum Vergleich der beiden Religiositätsformen, der Mystik und des Theismus, schreibt Rickert (wie Anm. 1), S. 321: „[...] während dort alles persönlich-individuelle, aktive und soziale Leben in der Arm-Seligkeit des Monismus unterging, wird hier pluralistisch sein Reichtum im Ewigen verankert. [...] Als Individuen sind sie tätig am ‚Reiche Gottes auf Erden‘ und können dadurch mehr als endliche Individuen werden. Schließlich zeigt sich auch das soziale Moment über alles Vergängliche hinaus gesteigert. Tritt doch die Gottheit in dieser Religion der Fülle jedem Ich als ein besonderes Du gegenüber, mit dem es sich in innigster Gemeinschaft weiß.“ 11 Weber bezieht sich vermutlich auf das Kapitel aus seinem GdS-Beitrag, das posthum erschienen ist unter dem Titel: Die Erlösungswege und ihr Einfluß auf die Lebensführung, in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft (GdS, Abt. III). – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 303 – 330 (MWG I/22 – 2, S. 305 – 367).

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Heinrich Sieveking 1. Dezember 1913; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich StA Hamburg, Nl. Heinrich Sieveking Die folgende, auf den 1. Dezember 1913 datierte, Abschrift findet sich in einem Typoskript von Heinrich Sieveking, Erinnerungen 1871– 1914, S. 185. Im Zusammenhang mit Veröffentlichungen von Werner Sombart schreibt Sieveking: „Sombarts Judenbuch von 1911 fand in Brentano einen scharfen Kritiker. ‚Zuchtlos‘, schrieb er, ‚ist sein ganzes Buch. Von dem zuchtlosen Geist in der Wissenschaft aber gilt dasselbe wie von der Schönheit des zuchtlosen Weibes, von der es Sprüche Salomonis XI, 22 heißt: ein schönes Weib ohne Zucht ist wie eine Sau mit einem goldenen Haarband.‘ Als Sombart 1913 im ‚Bourgeois‘ seine These teilweise zurücknahm, indem er neben den Juden auch den Florentinern und den Friesen einen Anteil an der Entstehung des Kapitalismus zuwies, schrieb mir Max Weber:“

Sombart habe ich inzwischen auch gelesen. Das Buch ist vortrefflich geschrieben1 – ganz wie das „Judenbuch“2 – und sachlich nicht so völlig verfehlt wie dieses. Im Gegenteil enthält es die verschiedensten nützlichen und z.T. sehr geistreichena Tatsachen, Hypothesen, Anregungen. Alles freilich, was über die Wirkung von Religionsarten gesagt wird, ist in diesem – wie in dem früheren – Buch absolut verfehlt und höchst leichtsinnig geschrieben. Ich werde unangenehmer Weise kaum vermeiden können, dies auch öffentlich zu sagen,3 obwohl es ihn wohl sehr reizen wird. Schon die Art, wie Alberti, vollends Antonin, und gar wie Thomas behandelt werden, ist recht schlimm,4 noch schlimmer alle

a In Abschrift: geistreiche 1 Sombart, Werner, Der Bourgeois. Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1913. 2 Sombart, Werner, Die Juden und das Wirtschaftsleben. – Leipzig: Duncker & Humblot 1911. 3 Die zunächst beabsichtigte Rezension durch Weber ist auf Sombarts eigenen Wunsch unterblieben; vgl. dazu den Brief an Sombart vom 20. Dez. 1913, unten, S. 432. Längere kritische Stellungnahmen finden sich jedoch in den überarbeiteten Aufsätzen zur „Protestantischen Ethik“, veröffentlicht in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1920, S. 1 – 236 (MWG I/18). Siehe auch Anm. 4. 4 Vgl. dazu Webers Kritik in seinem überarbeiteten Artikel: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. I. Das Problem, in: ders., Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 3), S. 38 – 41, Anm. 1.

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Äußerungen über den Protestantismus.5 Sombart fällt auf seine eigenen Einfälle „herein“. Anderseits wieder ist das Fallenlassen verfehlter alter Lieblingsansichten so liebenswürdig bei ihm. Und vieles ist wirklich gut, das Buch als ganzes habe ich mit Vergnügen gelesen.

5 So z. B. Sombarts Auslassung (wie Anm. 1), S. 298f., über die Bedeutung der Religion in calvinistischen Gebieten: „Kein Zweifel: diese Bedeutung hatte sich für die Menschen in den protestantischen oder wenigstens doch den kalvinistischen Ländern während des 17. Jahrhunderts noch weit über das frühere Maß hinaus gesteigert. Religion war Wahnsinn geworden und hatte den Menschen alle Besinnung geraubt. Das ersehen wir ja schon aus der sonst unbegreiflichen Tatsache, daß die Prädestinationslehre die Wirkung hatte, alle Kalvinisten zu einem streng kirchlichen Leben zu führen. Während die schlichte Logik des gesunden Menschenverstandes sich sagen muß, daß, wenn es von meinem Willen und Verhalten gänzlich unabhängig ist, ob ich selig oder verdammt werde, ich auch mein Leben nach meinem Wohlgefallen einrichten kann, und daß ich dadurch an meinem Schicksal in der Ewigkeit nichts ändere. Aber es handelte sich nicht mehr um geistig gesunde Menschen, sondern um Irre.“

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Werner Sombart 2. Dezember 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 4k, Bl. 3 – 4

Heidelberg 2/XII 13 Lieber Sombart, – ich danke Ihnen herzlich für Ihre Sendung und Widmung.1 An dieser befremdet mich freilich das „Amicus …“.2 Was hat der Umstand, daß Sie eine von mir abweichende Ansicht vertreten und daß ich natürlich darauf kritisch eingehen würde, mit der „amicitia“ zu thun? Bei mir jedenfalls nichts. Ich habe vor kurzer Zeit hier in einer Diskussion gesagt: ich hielte an Ihrem „Judenbuch“,3 soweit das Religiöse in Betracht kommt, „beinahe jedes Wort für falsch“,4 aber ich habe auch ziemlich genau wiederholt, was ich Ihnen über das gleiche Buch s. Z.

1 Sombart hatte ihm sein Buch: Der Bourgeois. Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1913, zugesandt. Es enthielt die handschriftliche Widmung: „Max Weber in alter Freundschaft Werner Sombart Mittel-Schreiberhau, 29.11.13 ‚Amicus Plato – magis amica veritas‘“ Das Widmungsexemplar befindet sich in der Arbeitsstelle der Max-Weber-Gesamtausgabe in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. 2 „Amicus Plato, sed magis amica veritas“ wird als „proverbio“ schon bei Miguel de Cervantes Saavedra im zitatenreichen zweiten Teil seines Werkes: El ingenioso Hidalgo Don Quixote de la Mancha, Kap. 51, zitiert. Dem Sinne nach findet sich diese Sentenz – mit dem Unterschied, daß anstelle von Platon der Name Sokrates eingesetzt ist – schon in Platons Phaidon und in Aristoteles’ Nikomachischer Ethik; als prägnante Formulierung, die vermutlich das Vorbild für die lateinische Fassung abgab, in Ammonius’ Leben des Aristoteles: „φivlo~ me;n Swkravth~, ajlla; φiltevra hJ ajlhvdeia“, hier zitiert nach Büchmann, Georg, Geflügelte Worte, 31. Aufl. – Berlin: Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung 1964, S. 483. 3 Sombart, Werner, Die Juden und das Wirtschaftsleben. – Leipzig: Duncker & Humblot 1911. 4 Vermutlich hat Weber in einer Diskussion anläßlich eines Vortrags von Martin Buber am 27. November 1913 in Heidelberg über das Thema: „Das Problem der jüdischen Religiosität“ entsprechende Bemerkungen gemacht. Daß Weber bei dieser Gelegenheit als Diskussionsredner aufgetreten ist, läßt sich entsprechenden Berichten in der Heidelberger Zeitung, Jg. 55, Nr. 279 vom 28. Nov. 1913, S. 2: E. J., Das Problem der jüdischen Religiosität, sowie in: Heidelberger Tageblatt, Jg. 31, Nr. 279 vom 28. Nov. 1913, S. 6: Kr. (Das Problem der jüdischen Religiosität), entnehmen. In der letztgenannten Notiz heißt es, daß im Anschluß an Bubers Vortrag eine Diskussion stattfand, „in der Herr Prof. Max Weber besonders auf die Pariastellung des jüdischen Volkes, das durch Gesetze und Gebräuche, auf welchen die Verheißung beruhe, gebunden sei, abhob.“

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geschrieben habe.5 Ich habe dieses jetzige Buch gelesen und habe dabei dasselbe Vergnügen gehabt und denselben Genuß, wie bei jenem. Was Sie über Religion sagen und Ihrem Zusammenfügen mit der Wirtschaft – das liegt Ihnen nun mal schlecht! – ist :auch diesmal und noch mehr als sonst: schlechte Waare aus zweiter Hand,6 dem „wissenschaftlichen“= „fachlichen“ Werth nach. Aber das ist Ihnen doch :, kenne ich Sie recht,: auch ziemlich einerlei? Auch ich sehe gar nicht ein, warum sich Jemand :nicht: in einem so geist- und anregungsreichen Buche einmal den Spaß machen soll, probeweise :als „These“: die sog. „gangbaren“ Lehren :einmal: auf den Kopf zu stellen. Fast immer kommt etwas Geistreiches heraus. Sie haben es schon oft gethan, und dann – und das hat mir immer :an Ihnen: gefallen – das Fehl-Produkta, was dannb (sachlich gesprochen) dabei herauskam, wieder vergessen und vergessen lassen. Schade, daß Sie :diesmal grade: mir die „fachlich“-„sachliche“ „Widerlegung“c zuschieben – denn da es sich ausdrücklich um Ansichten von mir handelt, „muß“ ich ja wohl oder übel heran1) – und daß Sie sie mir so „leicht“ gemacht haben, d. h.: daß 1)

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Irgendwann, – soweit es nach dem Erscheinen von „Wirtschaft und Gesellschaft“ noch nötig sein sollte, gelegentlich der dann folgenden Aufsätze über die Culturreligionen.7 a Zeug > Fehl-Produkt

b eventu > dann

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5 Brief an Sombart vom 27. März 1911 (MWG II/7, S. 154f.) 6 Sombart stützt sich in seinem „Bourgeois“ (wie Anm. 1), S. 314, im wesentlichen auf die „wertvolle Schrift“ von Franz Keller, Unternehmung und Mehrwert. Eine sozial-ethische Studie zur Geschäftsmoral (Schriften der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland, Heft 1). – Kommissionsverlag von J. P. Bachem 1912: „Ihm verdanke ich die Anregung zu einem erneuten, eingehenden Studium der scholastischen Quellen, das mich nicht nur völlig von der Richtigkeit der von Keller vertretenen Ansichten überzeugt, sondern mir über diesen hinaus die deutliche Erkenntnis verschafft hat, daß das Gegenteil von dem, was man bisher angenommen hat, und was ich selbst im Vertrauen auf die früheren Untersuchungen angenommen hatte, richtig ist: daß die Anschauungen der Scholastiker, vor allem natürlich der des Spätmittelalters, über Reichtum und Erwerb, insbesondere auch ihre Ansichten über die Statthaftigkeit oder Unstatthaftigkeit des Zinsnehmens, für die Entfaltung des kapitalistischen Geistes nicht nur kein Hindernis bedeuten, daß sie vielmehr wesentlich zur Stärkung und Beförderung dieses Geistes beitragen mußten.“ Webers Kritik an Franz Kellers Schrift findet sich in seinem überarbeiteten Aufsatz: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. I. Das Problem, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1920, S. 27, Anm. 2, sowie insbesondere in der Großfußnote 1 auf S. 56 – 58 (MWG I/18). 7 Diese Aufsätze sind als längere Artikelfolge von 1915 bis 1919 im AfSSp unter dem

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fast ebensowenig Nutzen dabei herausschaut wie bei Herrn Rachfahl8 – mit dem ich Sie übrigens nicht verwechsle: er hat die „Kenntnisse“, :–: Sie haben sie nicht; er hat die kalte professorale Anmaßung – Sie das anmutige Temperament. Daß es Ihnen diesmald ebenso wie diesem unerfreulichen Herrn passiert ist, just die „Pointe“ Dessen zu übersehen, was ich sagte,9 – dies muß ich natürlich s. Z. sagen. Sonst seien Sie unbesorgt: ich pflege mit Cavalieren anständig und cavaliermäßig umzugehen. Und einige :lustige: Scherze nehmen Sie ja nicht übel? – Sie haben Sich schließlich auch Wendungen erlaubt, die ich bei jedem Andern äußerst scharf beantworten würde. – Eins ist mir, offen gestanden[,] nicht angenehm. Ich kann jetzt, aus Schönheitsgründen, nicht, wie ich wollte, aus dem „Archiv“ ausschei-

d Titel: „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ erschienen. Zum Teil noch von Weber selbst für eine Veröffentlichung in Buchform überarbeitet, wurden sie 1920/21 posthum in den „Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie“ erneut publiziert. 8 Zur Polemik Webers mit Felix Rachfahl über die Bedeutung der protestantischen Ethik für die Genese des Kapitalismus vgl. seine Briefe an Ferdinand Tönnies vom 18. Febr. 1913, oben, S. 91, Anm. 1, sowie an Paul Honigsheim vom 14. Juni 1914, unten, S. 714, Anm. 2. 9 Webers Auseinandersetzung mit Sombarts „unhaltbare[r] Behauptung“, daß die Ethik Benjamin Franklins lediglich eine „,wortwörtliche‘ Wiederholung“ der Ethik Leon Battista Albertis darstelle (Die protestantische Ethik, wie Anm. 6), S. 38, Anm. 1, gab ihm die passende Gelegenheit, seine „Pointe“ noch einmal explizit darzulegen : „Aber wie kann man nur glauben, daß eine solche Literatenlehre [d. h. die Albertis] eine lebenumwälzende Macht entwickeln könne von der Art, wie ein religiöser Glaube, der Heilsprämien auf eine bestimmte (in diesem Fall: methodisch-rationale) Lebensführung setzt? Wie demgegenüber eine religiös orientierte ‚Rationalisierung‘ der Lebensführung (und damit eventuell auch: der Wirtschaftsgebarung) aussieht, kann man außer an den Puritanern aller Denominationen, in unter sich höchst verschiedenem Sinn an den Beispielen der Jaina, der Juden, gewisser asketischer Sekten des Mittelalters, an Wyclif, den böhmischen Brüdern (einem Nachklang der Hussitenbewegung), den Skopzen und Stundisten in Rußland und zahlreichen Mönchsorden ersehen. Das Entscheidende des Unterschiedes ist (um das vorwegzunehmen): daß eine religiös verankerte Ethik auf das von ihr hervorgerufene Verhalten ganz bestimmte, und, so lange der religiöse Glaube lebendig bleibt, höchst wirksame psychologische Prämien ( nicht ökonomischen Charakters) setzt, welche eine bloße Lebenskunstlehre wie die Albertis eben nicht zur Verfügung hat. Nur soweit diese Prämien wirken und – vor allem – in derjenigen, oft (das ist das Entscheidende) von der Theologen-Lehre (die ihrerseits ja auch nur ‚Lehre‘ ist) weit abweichenden Richtung , in der sie wirken, gewinnt sie einen eigengesetzlichen Einfluß auf die Lebensführung und dadurch auf die Wirtschaft: dies ist, um es deutlich zu sagen, ja die Pointe dieses ganzen Aufsatzes, von der ich nicht erwartet hätte, daß sie so völlig übersehen werden würde.“ Ebd., S. 40, Anm. 1.

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den,10 – Sie wissen, daß ich dem Verlag und Jaffé immer erneut mit dieser Angelegenheit komme, denn ich will aus der Redaktion heraus. Aber es geht natürlich in einem Augenblick nicht, wo ich – wenn auch natürlich außerhalb des „Archiv“’s11 – gegen Sie voraussichtlich polemisieren muß. Denn die Dummheit der Menschen ist zu groß. – Sonst hatte ich Ihnen grade schreiben wollen, daß mir der Moment günstig schiene Tönnies zum Eintritt zu bitten,12 statt meiner. Als Vorsitzender der „Soziol[ogischen] Ges[ellschaft]“ (aus der ich ausgetreten bin),13 die :sich: grade ein „Organ“ schaffen will,14 wie ich sehe. Das könnte dann doch das „Archiv“ werden. So: nicht. Aber es scheint mir, das geht jetzt nicht, und das ist ärgerlich, denn ich habe :längst: zwingende Gründe, aus dem „Archiv“ herauszuwollen. – Nochmals: Ihr Buch ist gut geschrieben, zum Teil vortrefflich (wie Ihr Judenbuch). Es ist voll guter Gedanken, Hypothesen, Thatsachen, – vor Allem Anregungen, grade auch da, wo ich es für gänzlich falsch halte. Ich freue mich, daß Sie es geschrieben haben und sehe daraus, daß es Ihnen gut geht. Freundschaftlichen Gruß! Ihr Max Weber

10 Weber hat jedoch seine Meinung bald wieder geändert; zu seinem erneuten Wunsch, aus dem Herausgebergremium des AfSSp auszuscheiden, vgl. seine Briefe an Edgar Jaffé vom 10. und 22. Jan. 1914, unten, S. 465 und 476 f. 11 Eine Rezension durch Weber ist auf Sombarts Wunsch nicht zustande gekommen; vgl. dazu den Brief an Sombart vom 20. Dez. 1913, unten, S. 432. Webers kritische Anmerkungen zu Sombarts Buch finden sich indes in der Neubearbeitung seiner „Protestantischen Ethik“ (wie Anm. 6), S. 27, Anm. 2, S. 34, Anm. 1, sodann insbesondere S. 38 – 41, Großanm. 1, S. 57, Anm. 1 u.ö. 12 Zu Ferdinand Tönnies’ eventuellem Eintritt in das Herausgebergremium des AfSSp vgl. den Brief an Edgar Jaffé vom 10. Jan. 1914, unten, S. 465. 13 Weber war am 22. Oktober 1912 aus dem Hauptausschuß der DGS ausgetreten (MWG II/7, S.709), seinen definitiven Austritt aus der DGS hat er am 17. Jan. 1914 in einem Brief an Hermann Beck, unten, S. 469 – 471, erklärt. 14 Zur Frage des AfSSp als mögliches offizielles Publikationsorgan für die DGS vgl. die Briefe an Edgar Jaffé vom 10. und 22. Jan. 1914, unten, S. 465 und 476 f.

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Gustav von Schmoller 3. Dezember 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav v. Schmoller, Nr. 205b, Bl. 77 – 78 Im Mittelpunkt dieses sowie des folgenden Briefes an Gustav v. Schmoller, am oder nach dem 6. Dezember 1913, unten, S. 423, steht die Frage der Berufung Georg Simmels nach Straßburg als Nachfolger von Gustav Störring. Der Dekan der Philosophischen Fakultät der Straßburger Universität, Enno Littmann, hatte am 3. Dezember 1913 Gustav v. Schmoller gebeten, ihm ein Gutachten über Simmel zukommen zu lassen (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav v. Schmoller, Nr. 205b, Bl. 89 – 90): „Wir haben gehört, daß Sie sich für Simmel interessieren, und uns wäre Ihr Urteil im höchsten Grade wichtig. Ich hoffe, daß unser Bericht, in dem Simmel an 1. Stelle genannt ist, heute von der Fakultät genehmigt wird. Ein Separatvotum ist mir bereits von mehreren Herren in Aussicht gestellt. Ich habe auch mit dem Kurator gesprochen, der natürlich, wo so starke Gegensätze sind, auch durch maßgebende Urteile von auswärts gegenüber dem Statthalter sich den Rücken decken möchte. Ihr Urteil würde sehr ins Gewicht fallen. Ich würde es dem Kurator übermitteln, dieser wahrscheinlich dem Statthalter.“ Schmoller hat seine gutachtliche Äußerung einem handschriftlichen Vermerk auf Littmanns Schreiben zufolge diesem am 4. Dezember 1913 zugeschickt. Das Gutachten Schmollers, das einen eher zwiespältigen Eindruck macht, hat vermutlich z.T. Informationen aus Webers unten abgedrucktem Brief verwendet. In dem erhaltenen, undatierten Konzept, ebd., Bl. 90v – 91, heißt es u. a.: „Prof. Dr. Simmel ist mir seit Jahren bekannt. Die meisten s[einer] ältern Schriften habe ich gelesen, von den neuern nicht mehr alle. Aber ich kenne ihn persönlich genau u. glaube ihn besser zu kennen, als die meisten meiner hiesigen Kollegen. Er ist einer der reichbegabtesten Menschen, die ich kenne und einer der fesselndsten Dozenten, da er für jede Stunde sich sehr gut präparirt [...]. Er hat bei den Fachphilosophen der Gegenwart nicht überall volle Anerkennung gefunden, weil er weder der naturwissenschaftlich exakten psychol[ogischen] noch der philologisch gerichteten historischen Schule angehört. Aber er hat einen großen universalphilos[ophischen] Zug, der alle Gebiete der Phil[osophie] umfaßt und versteht. Er ist ein kritischer Geist, den man auch schon zersetzend genannt hat [...]. Politisch ist er ganz indifferent, man könnte ihn weder als links noch als rechts stehend bezeichnen. Er ist vor Allem ein unendlich geistvoller Mensch, von einer seltenen Sprachgewalt und Kraft der Anschauung. Dabei ein durchaus integrer Charakter. Seine jüdische Abstammung verleugnet sich natürlich nicht. Ich glaube aber er wird hier allgemein zum anständigen Teile des akad[emischen] Judentums gerechnet. Ich würde beklagen, wenn er Berlin verließe, da er neben den andern Philos[ophie]dozenten ein sehr heilsames ergänzendes Glied bildet.“ Die Berufungsliste der Fakultät mit Simmel und Ernst Cassirer pari loco an erster und Bruno Bauch sowie Erich Adickes pari loco an zweiter Stelle wurde am 8. Dez. 1913 an den Kurator der Universität Karl Graf v. Wedel geschickt (Archives départementales, Strasbourg, 103 AL 266); der nicht geringe Widerstand von Teilen der Fakultät gegen die Plazierung Simmels an erster Stelle manifestierte sich in einem Separatvotum vom 12. Dez. 1913 (Abschrift masch.; ebd.), welches von nicht weniger als sechs Ordinarien unterzeichnet war, u. a. vom bisherigen Lehrstuhlinhaber Gustav Störring sowie dem Historiker Martin Spahn. Dennoch wurden am 20. Dez. 1913 (ebd.) mit Simmel Berufungsverhandlungen eingeleitet. Dieser nahm am 18. Jan. 1914 (ebd.) den Ruf an; die Bestallung erfolgte am 26. Jan. 1914 (ebd.).

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Heidelberg 3/XII 13 Hochverehrter Herr Professor!

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Prof. Littmann, der Dekan der Straßburger Fakultät, wird Ihnen geschrieben haben, daß Simmel an 1. Stelle in Str[aßburg] vorgeschlagen wird. Er wollte an Sie um Unterstützung beim Curator und Statthalter durch einen Brief bitten. Mit seinem Wissen werde ich gebeten, diese seine Bitte bei Ihnen zu unterstützen. Ich halte die Behandlung S[immel]’s – für den Sie ja immer eingetreten sind – für so unerhört, daß ich alle Bedenken zurückstelle und mir gestatte, dem mir :von dritter Seite: ausgesprochenen Wunsche entsprechend die Bitte Prof. Littmann’s – den ich übrigens nicht kenne, ich habe auch sonst bisher weder direkt noch indirekt etwas für S[immel] gethan – azu unterstützena. Prof. Littmann weiß davon, aber dieser Brief geht ihn sonst weder nach seinem Inhalt noch nach seiner Existenz etwas an. Die Berufung S[immel]’s hierher scheiterte nur an dem Urias-Brief Elster’s (er ziehe Russen, = Revolutionäre, an sich, sei „journalistisch“ u.s.w.),1 der den Großherzog2 stutzig machte. Jeder weiß doch aber, daß S[immel] völlig unpolitisch ist und daß er thurmhochb über Dem steht, womit man in letzter Zeit die Professuren der Philosophie besetzt hat, mag er auchc einigen Berliner Herren unbequem sein. Ich empfinde es als eine

a O: unterstütze

b O: Thurmhoch

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1 Weber ist immer der Ansicht gewesen, daß der Leiter der Hochschulabteilung im preußischen Kultusministerium Ludwig Elster im Jahre 1908 ein negatives Gutachten betr. Georg Simmel erstellt und dadurch dessen Berufung nach Baden vereitelt habe. Anhand der vorhandenen Dokumente läßt sich dies jedoch nicht bestätigen. Weder die Korrespondenzen Elster – Böhm (GLA Karlsruhe, Abt. 52, Nl. Franz Böhm, Fasz. 19) und Elster – Althoff (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Friedrich Althoff, B, Nr. 35) noch die Korrespondenzen Böhm – Althoff (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Friedrich Althoff, B, Nr. 14, Bd. 1) enthalten den geringsten Hinweis auf eine solche Anfrage. Das einzige diesbezügliche Dokument im Nl. Böhm ist das äußerst negative Votum von Dietrich Schäfer vom 26. Febr. 1908 (GLA Karlsruhe, Abt. 52, Nl. Franz Böhm, Fasz. 439). Zu dessen Wortlaut vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Georg Jellinek vom 21. März 1908 (MWG II/5, S. 468f.). Ein weiteres Indiz für die Bedeutung von Schäfers Brief bei der Berufung bzw. Nichtberufung von Georg Simmel findet sich in einem Schreiben von Franz Böhm an den damaligen badischen Kultusminister Alexander Frhr. v. Dusch vom 16. Sept. 1908 (GLA Karlsruhe, Abt. 52, Nl. v. Dusch, Nr. 16): „In Lübeck werde ich Professor Dietrich Schäfer treffen und ihn wegen des Professors Simmel ausführlich sprechen. Auf dem Philosophenkongreß hat man mich sehr bestürmt und Simmel sehr gelobt.“ 2 Gemeint ist der Großherzog von Baden Friedrich II.

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Schande, daß einem solchen Mann die Thore derd Fakultäten sich verschließen und ere den ihm gebührenden Platz nicht erhält. Windelband hatte bei der Behandlung der Angelegenheit hier den :taktischen: Fehler gemacht: in seinem Bericht sehr stark für S[immel] einzutreten, aber dann seinem kritischen Bedürfnis durch Bemerkungen wie „zersetzend“ (über die „Einleitung in die Moralwissenschaften“) nachzugebenf 3 (Dies gab Anlaß zu der politisch zugespitzten Rückfrage bei Elster). Anstatt daß er, was genau ebenso offen und sein wissenschaftliches Gewissen salvierend gewesen wäre, sagte: ich teile in vielen Punkten seine Philosophie nicht, aber ich halte ihn dennoch für den Ersten unter all denen, die in Betracht kommen (dem Sinn nach stand auch dies letztere in seinem Gutachten). Nach Straßburg hat er sich sehr entschieden für ihn ausgesprochen, ohne den gleichen – taktischen – Fehler zu machen, wie ich höre. Aber da man schon weiß, daß er ihn hier vorgeschlagen hat, wird das nicht viel nützen. Jene Vereinigung von „Psychologie“ (im höchsten Sinn des Wortes) und einer für analysierende und verstehende Weltanschauungs-Philosophie ohne Exclusivität und Enge und ohne allen und jeden Fanatismus oder Parteigebundenheit[,] wie S[immel] sie treibt, kanng doch kaum anders, als Ihnen, hochverehrter Herr Professor, diesen dabei doch grundanständigen Charakter innerlich – bei noch so viel Abweichungen – nahe bringen. – Ich nehme daher an, daß ich diese Zeilen ganz nutzlos schreibe,h da Sie ohnehin Prof. Littmann geantwortet haben werden. Aber ich wollte mich dem mir ausgesprochenen Wunsch nicht entziehen. Ich wiederhole, daß Prof. Littmann zwar :indirekt: weiß und nichts dagegen hat, :vielmehr wünscht,: daß auch ich Ihnen schreibe, daß aber ihn dieser, rein private, Brief nichts angeht. In bekannter herzlicher Verehrung Ihr ergebenster Max Weber

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f O: nachzuleben

g O: können

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3 Gemeint sind die von Wilhelm Windelband vorgelegten Berufungsvorschläge vom 17. Febr. 1908; zu deren Wortlaut vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Georg Jellinek vom 21. März 1908 (MWG II/5, S. 467f.).

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Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 5. Dezember 1913; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.60 Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der projektierten Enquete über Zeitungswesen im Rahmen der DGS; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 28. Februar 1913, oben, S. 102, Anm. 7. Das Schreiben trägt am Briefkopf den maschinenschriftlichen Zusatz: „ABSCHRIFT.“ Das Schriftstück liegt in zwei verschiedenen, aber textidentischen Abschriften vor (ebd.).

Heidelberg, 5. XII. 13. An den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, B E R L I N. 5

Hochgeehrte Herren! Nach dem Stande der „Zeitungs-Enquête“ befragt,1 habe ich zu berichten: 1. Arbeiten sind im Gange und z. Tl. auch fertig.1) Aber 2. es ist mir s. Zt. nicht gelungen, von dem Nachfolger des Dr. Jänek-

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4 im Gothein’schen Seminar, fast druckreif 2 1 von mir angeregte, im Tübinger Seminar3 (umfangreiche Darlegung der Württembergischen Presse) zur Hälfte druckreif 1 von mir angeregte, über französische Presse4

1 Dazu heißt es im Protokoll der Vorstandssitzung der DGS vom 1. Nov. 1913 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10) unter Punkt 7: „Herr Beck wird beauftragt, an Max Weber einen von den Herren Sombart und Tönnies zu unterzeichnenden Brief zu schreiben, in dem um Aufklärung über den Stand der Presseenquête gebeten wird.“ 2 Es handelte sich um die Dissertationen: Schultz, Fritz, Die politische Tagespresse Westpreußens. – Deutsch Krone: Emil Schultz 1913; Burkhardt, Hans, Die politische Tagespresse des Königreichs Sachsen. – Freiberg Sachsen: Ernst Mauckisch 1914; Pittius, Erich, Die politische Tagespresse Schlesiens. – Sorau N.-L.: Rauert & Pittius 1914, und Huck, Wolfgang, Die kleine Anzeige, ihre Organisation und volkswirtschaftliche Bedeutung. – Halle a.S.: Buchdruckerei des General-Anzeigers für Halle und die Provinz Sachsen 1914. Eine Arbeit, die auf Anregung von Alfred Weber verfaßt wurde, war: Meunier, Ernst Friedrich, Die Entwicklung des Feuilletons der großen Presse. – Nürnberg: Benedikt Hilz 1914. 3 Gemeint ist die Dissertation von Otto Groth, Die politische Presse Württembergs. – Stuttgart: Scheufele 1915. 4 Eine entsprechende Dissertation über französische Presse ist nicht erschienen.

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ke5 die Zusage der Mitwirkung des Verleger-Verbandes erneut zu erhalten, die Jänecke gegeben hatte. 3. Der „Reichsverband der Presse“ macht seine Enquête selbständig.6 4. Ich bin nicht der geeignete Vermittler zur Presse hin, jedenfalls nicht mehr. Denn meine an den „Reichsverband“ gerichtete Darlegung7 der Konsequenzen des Redaktionsgeheimnisses hat tief verstimmt. 5. Jetzt bin ich für 6 Monate so stark belastet,8 daß ich bis dahin, also Ende des Sommersemesters, nichts tun kann. Nachher stehe ich zu Verfügung. 6. Vorsitzender des Ausschusses der Presse-Enquête ist E[berhard] Gothein – Heidelberg. Dieser aber will die von ihm angeregten Arbeiten lieber selbständig publizieren.9 Also beantrage ich: 1. mich für jetzt von der Teilnahme zu dispensieren oder – wenn das angenehm ist – ganz zu entbinden, – 2. Herrn Prof. Dr. Gradenwitz seine 1000 M, die er eingezahlt hatte, für so lange zurückzuzahlen, bis feststeht, daß die Enquête wirklich gemacht wird. Ich stehe nach Ende des Sommersemesters in jeder Form zur Verfügung der Gesellschaft, wenn sie mich brauchen kann. Aber ich gehöre der Gesellschaft bekanntlich nur noch als zahlendes Mitglied an, da ich aus bekannten Gründen mein Mandat im Hauptausschuß niedergelegt habe.10 Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber.

5 D.i. Robert Faber. 6 Zu diesem Vorhaben des „Reichsverbandes der Deutschen Presse“ vgl. den Artikel von Arnulf Kutsch, Max Webers Anregung zur empirischen Journalismusforschung. Die „Zeitungs-Enquête“ und eine Redakteurs-Umfrage, in: Publizistik. Vierteljahreshefte für Kommunikationsforschung, Jg. 33, 1988, S. 5 – 31. 7 Webers Darlegung, die anläßlich seines Konflikts mit Adolf Koch zustande gekommen war, ist nicht nachgewiesen. 8 D. h. durch seine Tätigkeit für den GdS im allgemeinen sowie durch die Arbeit an seinem eigenen GdS-Beitrag über „Wirtschaft und Gesellschaft“ im speziellen. 9 Tatsächlich sind die von Gothein betreuten Dissertationen separat erschienen; siehe dazu Anm. 2. 10 Wegen unüberbrückbarer Differenzen in der Werturteilsfrage hatte Weber am 22. Okt. 1912 seinen Austritt aus dem Hauptausschuß der DGS erklärt (MWG II/7, S. 709).

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Gustav von Schmoller [am oder nach dem 6. Dezember 1913]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav v. Schmoller, Nr. 205b, Bl. 5 Die Datierung ist erschlossen aus dem Inhalt des Briefes in Verbindung mit einem Schreiben von Otto Baensch an Max Weber vom 6. Dezember 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Darin hatte Baensch über die mögliche Berufung Simmels nach Straßburg mitgeteilt, daß „seitens der Opposition geäußert worden“ sei, daß Simmel „den Ruf ja doch nicht annehmen“ werde. Daraufhin habe der Dekan der Philosophischen Fakultät, Enno Littmann, „um dem Gerede Einhalt zu tun, u. um sich selbst zu vergewissern, nicht für eine aussichtslose Sache zu kämpfen, […] direkt an Simmel geschrieben, u. Simmel hat geantwortet, daß er kommen würde: dies hat mir Littmann anfang der Woche erzählt: nun wird sich Simmel hoffentlich nicht benehmen, wie eine Dostojewskische Romanfigur u. wenns zum Klappen kommt ganz anders handeln. Straßburg ist ja nicht Berlin, aber S[immel] wäre hier doch wirklich nicht in der Verbannung, wo Heidelberg u. Freiburg so nah u. Paris so leicht zu erreichen ist […].“ Zur Berufung Simmels nach Straßburg vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gustav v. Schmoller vom 3. Dez. 1913, oben, S. 418.

Hochverehrter Herr Professor!

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Simmel hat offenbar seine Ansichten geändert, denn er ist kürzlich gefragt worden (vom Dekan)[,]1 ob er käme und hat zugesagt. Ich nehme an, :als selbstredend,: daß er diese Verpflichtung ohne Weiteres hält, :–: andernfalls würde ich persönlicha Consequenzen ziehen, :–: denn er ist ja ein grundanständiger Mensch. In Verehrung Ihr Max Weber

a Alternative Lesung: persönliche 1 Gemeint ist Enno Littmann, der damalige Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Straßburg.

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Mitherausgeber des Handbuchs 8. Dezember 1913; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der maschinenschriftliche Entwurf zum Rundschreiben stammt von Paul Siebeck (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). Er wird im folgenden als A, der von Weber eigenhändig korrigierte Entwurf (ebd.) als A1 bezeichnet. Auf der Basis des veränderten Konzeptes wurde vom Verlag eine Reinschrift B erstellt, die im folgenden zum Abdruck gelangt; die Abweichungen zu A und A1 werden annotiert. Eine weitere Ausfertigung findet sich im Nl. Otto v. Zwiedineck-Südenhorst, Privatbesitz. aHandbuch

der Sozialökonomik.a

Nachdem endlich die nötigen Manuskripte für Anfang kommenden Jahres definitiv zur Verfügung stehen und dannb nur wenige äußere Punkte zu ordnen sind, cbeginnt im Februar der Druck des „Handbuchs der Sozialökonomik“c – so oder ähnlich schlagen wir vor,d das Werk zu nennen, um jeden auch nur äußeren Anschein eines Anschlusses an das heterogene frühere Schönberg’sche Sammelwerk zu vermeiden. Das Erscheinen soll e, in großen Abteilungen,e nach einander lieferungsweise vor sich fgehen, undf zwar sollg tunlichst jedesmal parallel eineh Abteilung des ersten und einei des zweiten Bandes nebeneinander kversendet werdenk. l(Der letztere beginnt bei Buch mIII, 1, Abschnittm: n„Handel“n.1)l Druck und Versendung werden so ununterbrochen und rasch durchgeführt werden, als es irgendwie geschehen kann. Ich gestatte mir bei dieser Gelegenheit folgende Mitteilungen an die Herren Mitherausgeber: Für den tiefbeklagenswerteno Umstand, daß der Druck nicht früher beginnen konnte, trägt pkeine Personp eine q„Schuld“q. Ohner den Beitrag des Herrn Professor von Wieser2 (Buch I,s Abschnitt 2 t) konnte

a A: Handbuch der Sozialöconomie. b A: da c A: beginnt im Februar der Druck des Handbuchs der Sozialökonomik d Komma fehlt in A, A1. e Kommata fehlen in A. f A: gehen. Und g Fehlt in A. h A: mit je einer i Fehlt in A. k Fehlt in A. l Klammern fehlen in A. m A: III erster Abschnitt A1: III, 1. Abschnitt n Anführungszeichen fehlen in A. o A, A1: tief beklagenswerten p A: keine Person A1: keine Person q Anführungszeichen fehlen in A. r A: ohne s Komma fehlt in A, A1. t A, A1: 2, 1 Sieveking, Entwicklung des Handels. 2 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft.

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offenbar unmöglich begonnen werden. Er hat aber, wie miru bekannt, mit Aufwand aller seiner verfügbaren Zeit und Kraft gearbeitet, speziellen Urlaub genommen, alle anderen Arbeiten zurückgestellt und nur ganz unabweisbare Arbeitspausen stattfinden lassen. Daß er sich nun seiner Zeit in dem von ihm selbst gestellten Termin der Ablieferung, der für alle anderen Verabredungen maßgebend sein mußte, um 13/4 Jahre geirrt hattev, hat in der erst bei Fortschreiten der Arbeit hervortretenden objektiven wissenschaftlichen Lage, dagegen in keinemw von ihm subjektiv zu vertretenden Umstand seinen Grund. Die Verzögerungenx in der Ablieferung anderer besonders umfangreicher Beiträgey seitens anderer Autoren habena inb teilweisec dschweren Erkrankungenb d ihren Grund3 e, ebenso das definitive gänzliche Ausscheiden eines Herren,4 das teilweise eines anderen.e f 5 Dies alles ändert natürlich nichts daran, daß es uns allen überaus bedrückend gewesen ist, daß diejenigen der Herren Mitherausgeber, welche rechtzeitig abgeliefert hatten, nung ebenso lange ihre Manuskripte haben lagern lassen müssen,h und ich verstehe den mir aus ihren Reihen mehrfach zum Ausdruck gebrachten lebhaften Mißmut darüber6 natürlich sehr gut. Es ist mir persönlich natürlich iauch peinlichi, Herren wiederholt gemahnt zu haben, deren Manuskripte jetzt noch monatelang auf den Druck zu warten haben werden. Nur ist ebenk tatsächlich von ldem Verlage und mir nichtsl versäumt worden. Höchst unangenehm war, daß minfolge jener Umständem auch noch im Verlauf der letzten Zeit die Notwendigkeit eintrat,n einige umfangreiche Ab-

u Fehlt in A. v A: hat w A: keinen x A: Verzögerung y In A folgt: , welche ebenso für die Verzögerung verantwortlich ist, Gestrichene Korrektur in A1: ist > sind a A: hat b Kommata in A1. c Fehlt in A. d A: schwerer Erkrankung e Fehlt in A. f A1: andren. – g A, A1: nun um h Komma fehlt in A, A1. i A: um so peinlicher k In A folgt: in dieser Hinsicht l A: niemandem etwas m A: infolge eines Todesfalls und einiger der erwähnten Krankheitsfälle noch nachträglich :,: und zwar n Komma fehlt in A. 3 Dies könnte sich hier auf den zwischenzeitlich an Malaria erkrankten Hermann Schumacher beziehen; dessen GdS-Beitrag über „Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen“ umfaßte allerdings nur drei Bogen. 4 D. h. Johann Plenge; zu dessen Ausscheiden vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Plenge vom 4. Nov. 1913, oben, S. 345. 5 Gemeint ist Karl Bücher, der den von ihm übernommenen GdS-Beitrag über „Handel“ im Oktober 1912 abgetreten hatte. 6 Vgl. dazu den Beschwichtigungsbrief an Otto v. Zwiedineck-Südenhorst vom 23. Mai 1913, oben, S. 246.

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schnitte der in Band I bezw. II je zuletzt erscheinenden Bücher o(II7 und V8)o anderweitp neu zu vergeben. Dies ist der Grund dafür, daß nicht das gesamte Werk auf einmal, sondern q, wie angekündigt, die Abteilungenq der beiden Bände nacheinander erscheinen müssen. Nur so läßt sich jetzt unbedingt für die Herren Mitherausgeber wenigstens jedes zwecklose Warten auf die noch ausstehenden Manuskripte in den zuletzt erscheinenden Lieferungen vermeiden. Sehr schwere und,r wie ich nicht glaube verschweigen zu sollen, sehr berechtigtes Mißstimmung hat dat begreiflicherweise udas Vorkommnisu erregt, daßv kein Bedenken getragen wurdew, statt der zugesagten Beiträge x, welche ausblieben,x andere y Arbeiten zu fördern unda dicke Bücher zu produzierenb.9 Auch ich finde, daß dies auf keine Art mit der Pflicht der Vertragstreue zu vereinbaren ist. Der Verlag ist einem solchen Verhalten fast wehrlos ausgeliefert, während manc von ihmd Innehaltung der Termine verlangte. Die Folge ist, daß die f Herren Autoren der zuletzt g erscheinenden Abteilungen, also inh Buch II die Herren Sombart, Leist, Altmann, Leitner (für den einen seiner Beiträge),10 Steinitzer, Salz, von Gottli (für den einen seiner Beiträge),11 Vogelstein (für den einen seiner Beiträge)12 nochk einige Zeit, die Herren Autoren für Buch V aber,

o Klammern fehlen in A. p A: anderweitig q A: die Abschnitte r Komma fehlt in A. s A: berechtigte t A: es u Fehlt in A. v In A folgt: einige der Krankheits halber nachträglich ausgeschiedenen oder rückständig gebliebenen Herren w A: haben x Fehlt in A. y A: andere a In A folgt: zum Teil b In A1 folgt: c Fehlt in A. d In A folgt: innerhalb e In A folgt: wird f A: von den A1: einige der > die g A: zuletzt h A: im i A: Gottel k In A folgt: um 7 In „Buch II“ war erst kurz zuvor Ersatz für die Beiträge des ausgeschiedenen Johann Plenge: Geld, Kredit und Kapitalmarkt in der modernen Wirtschaft (= Abschnitt X), sowie: Produktion und Bedarf (Konjunkturen und Krisen) (= Abschnitt XII), zu schaffen gewesen. 8 Weber denkt hier offenbar an die Überarbeitung bzw. Neufassung der Beiträge über „Sozialpolitik“ des verstorbenen Robert Schachner durch Emil Lederer. 9 Dies ist in erster Linie auf Johann Plenge und sein Werk: Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt. – Berlin: Julius Springer 1913, gemünzt. 10 Leitner, Privatwirtschaftlicher Betrieb. 11 Gemeint sind die Beiträge v. Gottls zu Abschnitt VIII: Technische Grundlagen des modernen Kapitalismus, Unterabschnitt 1) Betriebskräfte und Rohstoffe als spezifische technische Träger der modernen Wirtschaft, sowie 2) Die Maschine und die spezifischen Prinzipien der modernen Technik. 12 Theodor Vogelstein, Preisbildung; sein Beitrag ist nicht erschienen.

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also die Herren Alfred Weber (für den einen seiner Beiträge),13 Lederer, Adolf Weber (für den einen seiner Beiträge),14 Schwiedland (für den einen seiner Beiträge),15 Wygodzinski (für den einen seiner Beiträge),l 16 Swartm, Wilbrandt, von Zwiedineck (für den einen seiner Beiträge),17 Michels (für den einen seiner Beiträge)18 noch längere Zeit auf den Druck werden warten müssen, welcher ja für diese Partien,n speziell Buch V, erst beginnen kann, wenn die gleichzeitigo erscheinenden Beiträgep eingegangenq sind. Von diesen sind aber außer den erst in letzter Zeit ersatzweise eingetretenen auch einige der ursprünglichen Herren Mitherausgeber jetzt, nach so langer Zeit, rnoch immer r in teilweisem Rückstands. Die Folge der unregelmäßigen Lieferung und vor allen Dingen des fast völligen Ausfalls mehrerer besonders wichtiger Beiträge19 istt auch sonst sehr unangenehm gewesen. Da für einige ein Ersatz überhaupt nicht zu schaffen war, habe ich geglaubt, für das Werk, um uihm einu anderweitiges Äquivalent zu liefern und so seine Eigenart zu heben, unter Opferung anderer, mir weit wichtigerer Arbeiten vin dem Abschnitt „Wirtschaft und Gesellschaft“v eine ziemlich umfassende soziologische Erörterungw liefernx zu sollen, eine Aufgabe, die ich sonst yin dieser Arty niemals übernommen hätte. Andererseits aber wird die gegenseitige Abgestimmheit der einzelnen Teile aufeinander jetzt hie und da eine merklich schlechtere sein, als nach dem ersten Entwurf und denz entsprechenden Abmachungen mit den Herren Mitherausgebern.a l Komma fehlt in A, A1. m A: Zwart n A: Partie o A: vorher A1: vorher und gleichzeitig > gleichzeitig p A: Beiträge A1: Beiträge > Lieferungen > Beiträge q A: gedruckt r A: noch immer s In A folgt: geblieben t A, A1: sind u A: ihn für das entgehende einen v Fehlt in A. w In A1 folgt: x A: schreiben y Fehlt in A. z In A folgt: erst a In A folgt: Der Verlag war in vielen Fällen gar nicht in der Lage, rückständige Herren ernstlich zu mahnen wenn zu gewärtigen war, daß sie nachher auf andere warten müßten. Ein Kontakt zwischen den Herren Autoren benachbarter Teilgebiete war aus dem gleichen Grunde ebenfalls oft nicht in die Wege zu leiten[.] 13 Alfred Weber, Gewerblicher Kapitalismus und Bevölkerungsgruppierung. Der Beitrag ist nicht erschienen. 14 Adolf Weber, Wohnungspolitik. Der Beitrag ist nicht erschienen. 15 Eugen Schwiedland, Mittelstandsschutzpolitik. Der Beitrag ist nicht erschienen. 16 Wygodzinski/Totomianz Genossenschaftswesen. 17 v. Zwiedineck, Lohnpreisbildung. 18 Michels, Antikapitalistische Massenbewegungen. 19 Vermutlich denkt Weber hier an: Bücher, Entwicklungsstufen.

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Ich kann wohl sagen, daß ich, hätte ich alle diese Erfahrungen vorausgesehen, nun und nimmerb bereit gewesen wäre, cjene Korrespondenz undc redaktionelle Vermittlung, die ich auf Wunsch eines hochgeschätzten älteren Kollegen20 und aus Freundschaft für den Verleger übernahm, zu führen. Immerhin glaube ich, daß das Werk als Ganzesd einen hohen Standard repräsentieren und die Herren Mitherausgeber, welche unter teilweise großene Opfern ihm treu geblieben sind, im großen und ganzen befriedigen wird. Außer für die Fassung des Titels darf ich wohl auch dafür die Zustimmung der Herren voraussetzen,f daß seiner Zeit in einer kurzen ununterzeichneten Vorrede einerseits der Charakter des Werks im Gegensatz zu anderen und früheren21 und die Beteiligung mehrerer der Herren Mitherausgeber an der Beratung des Verlags und den Schlußredaktionsarbeiten erwähnt, die Verantwortung für die einzelnen Beiträge den Herren Autoren überlassen und im übrigen gesagt wird,g daß für etwaige Mängel der Gesamtanlage, Lücken und Wiederholungen die Verantwortung mich zu treffen habeh. Das Werk erscheint, wie seiner Zeit vereinbarti, unter Kollektivherausgeberschaft aller Herren Mitherausgeber in alphabetischer, und innerhalb der Buchstaben Altersordnung der Namen. kHeidelberg, 8. Dezember 1913.k lMAX WEBER.l

b In A folgt: mehr c A: die unumgängliche d A: Ganzes e Fehlt in A. f Doppelpunkt in A, A1. g Doppelpunkt in A, A1. h A: hat i A: vorgeschlagen k Fehlt in A, A1. l A1: Max Weber 20 D. h. Karl Bücher. Vgl. den Brief an Johann Plenge vom 28. Jan. 1913, oben, S. 58, Anm. 5. 21 Die von Weber verfaßte „Vorrede“ mit der ausdrücklichen Abgrenzung gegenüber Gustav v. Schönbergs „Handbuch der Politischen Ökonomie“ findet sich abgedruckt in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. VII – IX, insbes. S. IX. Vgl. dazu Anhang 2, unten, S. 817 – 819.

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Paul Siebeck 12. Dezember 1913; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 12/XII 13 Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Darf ich um Übersendung von Prof. Weyermann’s Manuskript1 an mich bitten? Er hat es Ihnen, wie ich annehme,a :inzwischen: zurückgeschickt. Mit besten Empfehlungen Ihr ergebenster Max Weber NB! Falls Weyermann das Mscr. noch hat, bedarf es keinerlei Nachricht an mich, da ich ihm gleichzeitig schreibe.2

a sehe, > annehme, 1 Es handelt sich um das GdS-Manuskript zu Weyermann, Gewerbliche Technik, das laut Schreiben Paul Siebecks vom 13. Dez. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber am gleichen Tage zugesandt wurde. 2 Briefe Webers an Moritz Rudolf Weyermann sind nicht nachgewiesen.

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Paul Siebeck PSt 18. Dezember 1913; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr verehrter Herr Dr Siebeck! 1) Darf ich fragen, welche Adresse Ihnen Dr Mauer angegeben hat?1 Er hat m.W. seinen Wohnsitz gewechselt. 2) Ebenso: Dr Swart, Posen (welche Straße?)2 3) Ebenso: Dr Steinitzer? 4) Ich schicke Prof. Weyermann sein Mscr.3 mit der Auflage, es Ihnen Mitte März zurückzusenden (er braucht es). Er möchte dann gern bis 18. April Druckcorrektur oder das Mscr. zurückhaben (falls diese Partiea dann noch nicht erscheint), da er das Mscr. für Vorlesungen brauche. Das habe ich ihm zugesagt. Mit besten Empfehlungen Ihr ergebenster Max Weber

a Unsichere Lesung. 1 Weber fragt hier und im folgenden nach den Adressen einiger GdS-Autoren, um ihnen die bei ihm lagernden Manuskripte zur Korrektur übersenden zu können. 2 Weber hatte schon einmal wegen Friedrich Swarts Adresse angefragt – vgl. dazu seinen Brief an Paul Siebeck vom 11. Nov. 1913, oben, S. 375, – hatte aber dessen Mitteilung vom 13. Nov. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) vermutlich verlegt. 3 Weyermann, Gewerbliche Technik.

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Robert Michels 20. Dezember 1913; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 113 Der Ort ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. Im folgenden geht es vermutlich um ein Referat oder einen Artikel Max Webers über die DGS. In welchem Zusammenhang dies erfolgen sollte, ist nicht zu ermitteln. Möglicherweise könnte es sich um einen Beitrag für die seit dem 1. Oktober bei Veit & Co. in Leipzig erscheinende Wochenschrift „Die Geisteswissenschaften“ handeln. Diese neue Zeitschrift, die im gleichen Verlag wie das von Michels geplante „Handwörterbuch der Soziologie“ erschien, wollte u. a. – so in einer Verlagsanzeige in: LZB, Nr. 45 vom 8. Nov. 1913, Sp. 1531 – „Berichte über Forschungsbetrieb, Methodik und Unterricht“ bringen. Von Michels selbst stammt der Beitrag: Über den gegenwärtigen Stand der Soziologie in Italien, in: Die Geisteswissenschaften, Jg. 1, Heft 23, 1913/14, S. 628 – 632.

20/XII 13 Lieber Michels, –

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ich trage Bedenken, über die „Soziol[ogische] Ges[ellschaft]“ zu referieren, da ich ihr nicht mehr angehöre. Andre andrerseits sind zu schlecht informiert. Schreiben Sie doch und lassen Sie mich den Correktur-Abzug s. Z. sehen, um etwaige Fehler und Irrtümer zu ändern. Ich darf in Zusammenhang mit dieser Gesellschaft nicht erwähnt werden. Es sei denn, daß ausdrücklich konstatiert wird, daß sie sich anders entwickelt, als ich billige. (Das würde ich nicht sagen, versteht sich, wenn ich darüber schriebe. Aber ich würde mich auch nicht nennen.)a Herzl. Grüße v. H. z. H. Max Weber

a Klammer fehlt in O.

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Werner Sombart 20. Dezember 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 4k, Bl. 5 – 6

Heidelberg 20/XII 13 Lieber Sombart, – Ihr Brief wunderte mich nicht wenig. Gut, – ich lasse also die Rezension und nehme nur indirekt Stellung bei andrer Gelegenheit.1 Denn das ist richtig: ich müßte irgend wann einmal, wenn ich Sie rezensiere, betonen: daß der „Geist“, in dem Sie und ich „Wissenschaft“ treiben, halt doch recht sehr verschieden ist. Seltsam, daß Sie das leugnen, nachdem Sie Michels s. Z. schrieben:1) die Wissenschaft sei so sehr „verwebert“[,] daß Sie sie satt hätten.2 Das war, weil wieder einmal Jemand mich gegen Sie ausgespielt hatte – was mich nie gefreut hat, mochten es Juden oder Andre thun. Das „Ressentiment“, welches daraus sprach, hat Ihnen nun aber auch in Ihrem Buch mehrfach die Feder geführt, und es ist doch :auch: recht schwierig für mich, wenn ich ganz denselben, „grobfingrigen“, die Pointe übersehenden Ausführungen gegen mich bei Ihnen begegne, wie bei Herrn Rachfahl,3 nun diesmal das zu übersehen. So aber liegt es. Und ich wiederhole Ihnen: grade die entscheidenden Dinge – die mich angehen – sind schlechte Waa-

1)

Er konnte dies eine Wort nicht lesen und bat mich um Entzifferung. Sonst habe ich natürlich keine Kenntnis vom Inhalt des betr. Briefs[.]

1 Webers Stellungnahme zu Sombarts Buch: Der Bourgeois. Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1913, findet sich in diversen Anmerkungen in der überarbeiteten Fassung seiner „Protestantischen Ethik“; vgl. dazu den Brief an Sombart vom 2. Dez. 1913, oben, S. 417, Anm. 11. 2 Der betreffende Brief Sombarts ist im Nl. Robert Michels im AFLE in Turin nicht nachgewiesen. 3 Zur Kontroverse Webers mit Felix Rachfahl vgl. seine Briefe an Ferdinand Tönnies vom 18. Febr. 1913, oben, S. 91, Anm. 1, sowie an Paul Honigsheim vom 14. Juni 1914, unten, S. 714, Anm. 2.

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re aus zweiter Hand. Soa die Ausführungen über das Zinsverbot.4 Diese Quellen kenne ich, denn ich habe mich darin getummelt.2) Daß Sie Baxter und Antonin gelesen haben, sehe ich ja doch sehr gut.3) Aber die Verzerrung, die Sie in Unkenntnis der Gesammtlitteratur, der persönlichen Bedingungen Antonins (Mönch! Generalvikar einesb rational wirtschaftenden Ordens! etc.) u.s.w., welche zeigen: es sind „Thesen“-Citate.c Die entscheidende Zeitlitteratur kennen Sie nicht, auch nicht die ganz konkreten Problemstellungen der Juristen, :der Rechtspraxis also,: aus denen das Alles hervorging, auch vor Allem nicht die Situation der Florentiner gegenüber der kath[olischen] Kirche und ihrer Wirkung auf das Wirtschaftsleben.5 Doch was fange ich mit Sachkritik an. Man käme ja nicht an das Ende und da liegt nicht der Punkt, auf den es ankommt. Ich habe – und kann es beweisen – schriftlich und öffentlich, bei Diskussionen, längst über Ihr Judenbuch6 das Gleiche gesagt, wie :ich: jetzt Ihnen schrieb:7 „vielleicht ist kein Wort (bezügl. der jüdischen Religion) richtig; dennoch würde ich mich freuen das Buch geschrieben zu haben“ – ästhetisch nämlich. Es fehlt jede oder fast jede Geschmacks-Entgleisung, die Ihrer Natur so nahe liegt. Ähnlich diesmal. Aber freilich: schreiben würde ich solche Bücher nicht. Nehmen Sie an: weil ich es nicht könnte. Ob ich es wollte? – ich bin nicht sicher, ob unter irgend welchen Umständen. Wollen Sie den Grund wissen, – dann mündlich. Auf dem Papier sieht, sehe ich, Alles weit „härter“ aus. Wir sind halt sehr verschieden, – nur müssen Sie gerechter Weise zugeben, Den wirklichen – von Ihnend fast ins Gegenteil verzerrten – Sachverhalt könnten auch Sie kennen! 3) Ich habe meine eignen dicken Exzerpte, also brauche ich da nichts erst zu Ihrer „Widerlegung“ zu lesen. 2)

a

b

c Textverderbnis nicht behebbar.

d

4 Webers Kritik an Sombarts Ausführungen findet sich in: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. I. Das Problem, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1920, S. 56 – 58, Anm. 1 (MWG I/18). 5 Siehe dazu Anm. 4. 6 Sombart, Werner, Die Juden und das Wirtschaftsleben. – Leipzig: Duncker & Humblot 1911. 7 Brief Webers an Sombart vom 2. Dez. 1913, oben, S. 414 f.

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daß ich Sie immer habe in Ihrer Eigenart „gelten lassen“. Das geschieht auch hier. Aber natürlich können Sie nicht erwarten, daß mir die Situation erfreulich ist, „geistreiche Formeln“, „die Sache ‚zu gut‘ gemacht“, „trotz aller großen Worte“8 und ähnliche – Sottisen einzustecken, von denen der erste und letzte Ausdruck doch wohl eher auf Sie als auf mich paßt, der mittlere aber auf der gleichen Verkennung der „Pointe“9 beruht, die ich nun schon zwei Leuten gegenüber10 scharf, sehr scharf, zurückweisen mußte. Wie man da sagen kann, ich hätte „ab irato“ geschrieben, verstehe ich nicht recht. Lesen Sie bitte den Brief noch einmal.

8 Vgl. dazu Sombart, Der Bourgeois (wie Anm. 1), S. 305f.: Bei der Fragestellung, ob der Katholizismus Einfluß auf die Ausbildung einer kapitalistischen Wirtschaftsmentalität genommen habe, komme „irgendwelche religionswissenschaftliche oder philosophische Finesse ganz und gar nicht in Betracht. Für diese ist allein von Bedeutung die Alltagslehre, die massive, praktische Religionsübung. Und mir scheint, wenn man das verkennt, so kann man zwar außerordentlich tiefe und namentlich den Philosophen und Theologen interessierende Essays schreiben, wird aber Gefahr laufen, die tatsächlichen Kausalzusammenhänge falsch zu deuten. Dieser Vorwurf, die Sache zu gut gemacht zu haben (im theologischen Sinne) trifft meiner Ansicht nach die vielgerühmte Studie Max Webers über die Bedeutung des Puritanismus für die Entwicklung des kapitalistischen Geistes [...]. Nicht immer ist Tiefpflügen ein Gebot der rationellen Bodenbehandlung!“ Und S. 457: „Mit den das Wesen und die Genesis des kapitalistischen Geistes erklärenden Formeln hat nun freilich dieses Buch gründlich aufgeräumt. Ganz zu schweigen von den simplifizierenden Schlagworten, die in der sozialistischen Literatur das Kapitel vom ‚Bourgeois‘ erfüllen: auch so geistreiche Hypothesen, wie die Max Webers , lassen sich nicht aufrecht erhalten. Und weil ich selbst keine Formeln an die Stelle der früheren setzen kann, so werden viele das Buch unbefriedigt aus der Hand legen.“ 9 Zu Webers „Pointe“ seiner Protestantismusstudien vgl. seinen Brief an Sombart vom 2. Dez. 1913, oben, S. 416, Anm. 9. 10 Gemeint sind die Auseinandersetzungen mit H. Karl Fischer und Felix Rachfahl. Die erste Kontroverse hatte mit einem Artikel Fischers begonnen: Kritische Beiträge zu Professor Max Webers Abhandlung ‚Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus‘, in: AfSSp, Bd. 25, Heft 1, 1907, S. 232 – 242. Webers Antwort wurde im gleichen Heft veröffentlicht: Kritische Bemerkungen zu den vorstehenden ‚Kritischen Beiträgen‘, ebd., S.243 – 249 (MWG I/9). Die Auseinandersetzung wurde fortgesetzt mit Fischers Notiz: Protestantische Ethik und ‚Geist des Kapitalismus‘, Replik auf Herrn Professor Max Webers Gegenkritik, in: AfSSp, Bd. 26, Heft 1, 1908, S.270 – 274. Den Schlußpunkt setzte Weber mit den daran anschließenden: Bemerkungen zu der vorstehenden ‚Replik‘, ebd., S. 275 – 283 (MWG I/9). Zur Kontroverse Webers mit Felix Rachfahl vgl. seinen Brief an Ferdinand Tönnies vom 18. Febr. 1913, oben, S. 91, Anm. 1.

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Auf Wiedersehen im V[erein] f[ür] S[ozial-]P[olitik].11 – Aus der „Soz[iologischen] Ges[ellschaft]“ bin ich ja doch ausgeschieden4)12 und verstehe nicht, wie man mich dazu „einladen“ kann. Ich bin nur (noch!) zahlendes Mitglied. Freundschaftl. Grüße! Max Weber 4)

Ich kann doch nicht mit Leuten zusammensitzen, die ausdrücklich die Ausscheidung der Wertungen ablehnen. Dann doch lieber im V[erein] f[ür] S[ozial-]P[olitik]!

11 Am 4. Januar 1914 fand eine Ausschußsitzung statt, am 5. Januar 1914 wurde die Werturteilsdiskussion durchgeführt. 12 Weber hatte in seinem Brief an Hermann Beck vom 22. Okt. 1912 (MWG II/7, S. 709) seinen Austritt aus dem Hauptausschuß erklärt.

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Heinrich Sieveking 21. Dezember 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Im Mittelpunkt des folgenden Briefes stehen Bemerkungen Webers über das GdS-Manuskript: Sieveking, Entwicklung des Handels.

Heidelberg 21/XII 13 Lieber Sieveking! Dr Hirsch liefert noch nicht ab, sondern erst in 1 Monat.1 Daher schreibe ich lieber schon jetzt einige Sachen, die mir auffielen.1) Es sind Kleinigkeiten, die ein Leser sieht und die ihn stören, die der Autor aber leicht übersieht. 1. Ist es Absicht, daß Sie Hellauer nicht als „Litteratur“ zitieren[?]2 2. Wollen Sie „Buchführung“ und „Effektenwesen“ unter „Psychologie des H[andels]“ lassen? 3. Glauben Sie nicht, daß die Definition der Begriffe „Handel“, „Handelsbetrieb“, [„]Händler“ dem Leser noch einen etwas schwankenden Eindruck macht? Mir ging es so. Resp. eigentlich fehlen eindeutige Definitionen. 4. Würden Sie nicht zu Calwer’s („Handel“)3 und Behm’s (Soziol[ogie] des Handelsagenten)4 psycholog[ischen] Bemerkungen bei Ihrer Psychologie Stellung nehmen?

1)

Die gegenseitige Anpassung in der Stoffverteilung muß dann Hirsch, der ja Ihr Mscr. kennt, besorgen. Ich habe ihm das geschrieben; es ist die Folge davon[,] daß er noch immer nicht fertig ist. 1 D. h. Hirsch, Organisation und Formen des Handels. 2 Hellauer, Josef, System der Welthandelslehre. Ein Lehr- und Handbuch des internationalen Handels, Bd. 1: Allgemeine Welthandelslehre, Teil 1. – Berlin: Puttkammer & Mühlbrecht 1910; eine entsprechende bibliographische Notiz findet sich später in: Sieveking, Entwicklung des Handels, S. 2. 3 Calwer, Richard, Der Handel (Die Gesellschaft, Bd. VIII, hg. von Martin Buber). – Frankfurt a.M.: Literarische Anstalt Rütten & Loening 1907. 4 Behm, Paul, Soziologie des Handelsagenturwesens. – Greifswald: Königliche Universitäts-Buchdruckerei 1912. Dieser Dissertationsdruck ist vollständig erschienen unter dem Titel: Der Handelsagent. Seine soziale Stellung und volkswirtschaftliche Bedeutung, 1. – 4. Aufl. – Berlin: F. Siemenroth 1913.

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5. Ist die Angabe: daß heute noch (für Deutschland) Ein- und Ausfuhrhandel meist in einer Hand seien, zu halten? p. 19 6. Etwas widerspruchsvoll ist die Beurteilung der Großbetriebe bzw. ihrer Chancen p. 18 unten o[der p.]a 22 7. p. 23 Gesellschaftsformen im Handel. Aktiengesellschaft kommt doch vor (England, Frankreich) G.m.b.H. erst recht. Das ist doch Funktion der Unternehmungsgrößen. 8. S. 28/9 Ist nicht :dem: Sklavenhandel relativ zu viel Platz gegönnt? Ist es richtig, daß Altmaterialhandel – cf Eisen – wirklich obsolet ist? 9. Die :Theorie der: Standorte scheint mir nicht sehr vollständig behandelt. 10. S. 44 Halten Sie das Plaidoyer für den Commissionsb-Handel für noch aktuell? 11. S. 48 Handelskammern sind doch heute zu 4/5 Industrie-Vertretungen. 12. Soviel ich weiß, ist die Annahme der Unmöglichkeit der Umgehung des Handels im Fleischverkehr heut nicht mehr zutreffend (England)[.] Verzeihen Sie diese Bemerkungen, die auf Notizen beruhen, für deren genaue Exaktheit ich jetzt, nach mehreren Wochen, nicht mehr einstehen kann. Ich hoffte s. Z. Ihnen Hirsch’s Arbeit schicken zu können, daher wartete ich. Natürlich steht allein bei Ihnen die Entscheidung, was Sie thun und ob Sie die Einwände richtig finden. Herzlichen Weihnachtsgruß! Max Weber

a Lochung.

b O: Comissions

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25. Dezember 1913

Hans W. Gruhle [vor dem 25. Dezember 1913]; o.O. Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612 Das Datum des Briefes ist aus dem Inhalt des Schreibens sowie den „Weihnachtsgrüßen“ erschlossen. Anfang Dezember 1913 erhielt Franziska Gräfin zu Reventlow die Nachricht über die Bereitstellung ihrer Erbschaft aus dem Vermögen ihres Schwiegervaters. Das Geld war in russischen Eisenbahnaktien in Mitau, dem Wohnort ihres Schwiegervaters, angelegt. Diese sollten verkauft und ein Betrag von 20 000 M bei der Bank Credito Ticinese deponiert werden. Im Vorgriff darauf erhielt sie einen Kreditbrief über 10 000 sfr. Dadurch konnte sie ihre Schulden in Ascona bezahlen, sich und ihren Sohn in Mailand neu einkleiden und über Weihnachten „eine kurze Millionärsreise“ nach Mallorca unternehmen. Bei ihrer Rückkehr im Januar 1914 war die Bank, die in den Tessiner Bankkrach hineingezogen worden war, zusammengebrochen, so daß die Gräfin ihr Vermögen verlor. Vgl. dazu ihren Brief an Friedel und Friedrich Kitzinger vom Frühjahr 1914, in: Reventlow, Franziska Gräfin zu, Briefe 1890 – 1917. – München: Langen-Müller, 1975, S. 579, und Kubitschek, Reventlow, S. 463f.

Lieber Herr Kollege! Ich möchte Ihnen doch erzählen, daß die Gräfin R[eventlow] thatsächlich jetzt mit 20 000 :zwanzigtausend: Mk abgefunden worden ist und Ascona schon verlassen hat.1 Also hat die Frieda Gr[oss] doch mit ihrer merkwürdigen Transaktion s. Z. ihr das verschafft.2 Es freut mich doch sehr, daß sie gesichert ist für eine Reihe von Jahren, denn der Gedanke, daß dieser – bei aller Fremdartigkeit – doch eben tapfere und steifnackige Mensch durch elende materielle Noth schließlich hätte zerbrochen werden sollen war sehr peinlich, wir aber hätten Erhebliches nicht mehr thun können,3 steigender anderweitigera Ansprüche wegen. Herzlichen Weihnachtsgruß! Max Weber

a O: Anderweitiger 1 Vermutlich war Weber von Frieda Gross unterrichtet worden. 2 Gemeint ist die Vermittlung der Scheinehe mit Alexander von Rechenberg-Linten. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 29. März 1913, oben, S. 154. 3 Marianne Weber hatte Franziska zu Reventlow im Mai 1913 mit einem Betrag von 300 Mark unterstützt. Vgl. Brief an Hans Gruhle vom 18. Mai 1913, oben, S. 238.

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Arthur Salz [vor dem 25. Dezember 1913; Heidelberg] Brief; eigenhändig DLA Marbach a.N., Nl. Karl Jaspers (Fotokopie) Die Datierung dieses Briefes ist aus dem Inhalt des Schreibens sowie den „Weihnachtsgrüßen“ erschlossen. Webers Dank für Arthur Salz’ „wuchtiges Geschenk“ gilt dessen Buch: Die Geschichte der Böhmischen Industrie in der Neuzeit. – München: Duncker & Humblot 1913.

Lieber Herr College!

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Vorläufigen herzlichen Dank für Ihr wuchtiges Geschenk, mit dem ich nun geraume Zeit mich zu beschäftigen haben werde. Und zugleich die allerbesten Glückwünsche zur Vollendung dieser großen Arbeit, deren Resultaten ich mit Spannung entgegensehe. – Ich hoffe[,] wir werden uns darüber oft unterhalten. Für die freundliche Darleihung des Buchs,1 von dem Ihre Frau und Sie erzählten, vielen Dank. Ich hoffe es Ihnen nach Neujahr, nachdem wir es gelesen haben, zurückbringen zu können. Mit herzlichen Weihnachtsgrüßen von Haus zu Haus Ihr Max Weber

1 Um welches Buch es sich hier gehandelt hat, ist unbekannt.

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25. Dezember 1913

Emil Lask 25. Dezember 1913; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd.11, Bl. 48 In diesem Brief reagiert Weber auf die am 20. Dezember 1913 erschienenen Sondernummern für Otto Gross der Zeitschrift „Revolution“ und der Zeitschrift „Aktion“, die ihm von Emil Lask zugestellt worden waren. In der letzteren, herausgegeben von Franz Pfemfert, fanden sich eine Reihe von Protestartikeln zur Verhaftung von Otto Gross mit schweren Anschuldigungen gegen Hans Gross. Vgl. Hurwitz, Otto Gross, S. 15 – 29.

Heidelberg, den 25.12.13. Lieber Freund! Ich kann absolut nicht verstehen, wie Herr Mühsam,1 der diese Schwachköpfe2 doch kennen müßte, ihnena von Mitteilungen der Frau Frieda Gross, darunter einen Brief des Anstaltsarztes[,]3 Kenntnis geben konnte. Denn daß dabei nichts andres als eitle Selbstbespiegelung dieser Jämmerlinge, die den ehrlichen Namen „Revolution“4 mit ihrem Maulheldentum auf dem Papier beschmutzen[,] herauskommen würde[,] war doch klar. Die Interessen von Doktor O[tto] G[ross] sind diesem Gesindel ja völlig gleichgültig. Ihnen liegt daran Artikel schmieren zu können. Daß für O[tto] G[ross] jeder Arzt der Welt eine langdauernde Entziehungskur für richtig halten wird, ist ganz klar. Daß Professor Hans Gross mehr als dies will[,] ist nicht erwiesen. Sollte es der Fall sein, so wird er durch dieses blödsinnige Geschwätz natürlich nur zur Beschleunigung seines Vorgehens gedrängt.5 Daß der Anstaltsarzt von Klosterneuburgb etwas gegen sein eigenes Gewissen tut,

a In Abschrift „I“ und „i“ ineinandergetippt.

b In Abschrift: Kloster Neuburg

1 Erich Mühsam war seit 1906 mit Otto Gross befreundet und kannte auch Frieda Gross. 2 Gemeint sind vermutlich Franz Jung und Franz Pfemfert. 3 Gemeint ist Dr. Josef Berze, Direktor der Anstalt Klosterneuburg. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 29. Nov. 1913, oben, S. 405. 4 In München erschien in der Zeitschrift „Revolution“, Nr. 5 vom 20. Dez. 1913, herausgegeben von Franz Jung, eine „Sondernummer für ‚Otto Groß‘“. 5 Weber wollte jeden direkten Angriff auf Hans Gross vermeiden, denn er hoffte, mit ihm zu einem die Interessen von Frieda Gross wahrenden Kompromiß zu kommen. Vgl. seinen Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, oben, S. 386 – 393.

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glaube ich schlechterdings nicht, bis es bewiesen wird: es ist kein Motiv einzusehen und er hat doch bestimmte und präcise Angaben gemacht[,] an die man sich zunächst zu halten hat. Aber falls Prof. H[ans] G[ross] seinen Sohn dauernd interniert halten will, nun so wird er nach meiner Erfahrung schon andere Ärzte finden, die ihm gefällig sind. Und es ist einfach imbezill6 zu glauben, daß dann diese, Dr.c O[tto] G[ross] lediglich schwer – als unkritischen Genossen von Narren – kompromittierendend[,] Publikationen oder womöglich Zettelverteilung vor der Grazer Universität dagegen etwas auszurichten im Stande seiene. Herr Mühsam ist m. E. verpflichtet zu tun was er kann, um dies Gelichter dazu zu bringen das Maul zu halten[,] und das ist das Verständigste[,] was sie tun könnten. Sie werden meinen Zorn über diese, wie sich wieder zeigt, absolut sterilen Schwätzer begreifen! Sie schwatzen und O[tto] G[ross] hat die Kosten zu tragen. Genug davon.

c Doktor > Dr.

d In Abschrift: kompromittierende

6 Gemeint ist schwachsinnig.

e In Abschrift: sei

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Hermann Kantorowicz 29. Dezember [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 19, Bl. 4 Das Jahresdatum wurde aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 29/XII Verehrtester Herr Kollege! Beck hat sich wiederum zu rechtfertigen gewußt. 1. Die Kassenrevision verlief tadellos[.]1 2. Der Vorwurf, das „Zeitungs-Archiv“ getäuscht zu haben, wurde von den Urhebern zurückgenommen.2 Es ist ihm nichts anzuhaben und man konnte nichts machen. Ich gehöre übrigens dem Ausschuß der Gesellschaft nicht mehr an.3 Mit Herrna Goldscheid als Spiritus rector arbeite ich nicht zusammen.4 – „Verstehende Soziologie“ – unverständlich?5 und Ihnen? – „wenn das am grünen Holz geschieht“, – wie miserabel muß ich formuliert haben! Es ist der Versuch, alles „Organizistische“, Stammlerische, Überempirische, „Geltende“ (= Normhaft Geltende) zu beseitigen und die „soziologische Staatslehre“ als Lehre vom rein empirischen typischen

a O: Herr 1 Gemeint ist vermutlich die Kassenrevision der DGS. Über den entsprechenden Sachverhalt gibt es keine einschlägigen Dokumente in den noch vorhandenen DGSAkten. 2 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 3 Weber hatte in seinem Brief an Hermann Beck vom 22. Okt. 1912 (MWG II/7, S.709) seinen Austritt aus dem Ausschuß bzw. Hauptausschuß der DGS erklärt. 4 Offenbar war Weber schon zu diesem Zeitpunkt bekannt, daß Rudolf Goldscheid anstelle des zurückgetretenen Georg Simmel zu einem der DGS-Vorsitzenden gewählt werden sollte. Nach dessen Wahl in einer Hauptausschußsitzung vom 3. Januar 1914 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10) erklärte Weber in seinem Brief an Hermann Beck vom 17. Jan. 1914, unten, S. 469 – 471, seinen definitiven Austritt. Zu Rudolf Goldscheid vgl. auch Webers Bemerkungen in seinem Brief an Edgar Jaffé vom 22. Jan. 1914, unten, S. 479 – 482. 5 Das Folgende bezieht sich auf: Weber, Max, Kategorien der verstehenden Soziologie.

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menschlichen Handeln aufzufassen, – m. E. der einzige Weg – während die einzelnen Kategorien Zweckmäßigkeitsfragen sind. Hoffentlich haben Sie so viel von Paris gehabt wie wir vor 2 Jahren! Herzliche Grüße! Max Weber

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Karl Loewenstein PSt 29. Dezember 1913; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Amherst College Library, Nl. Karl Loewenstein Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen Bezug: Brief Karl Loewensteins vom 21. Dezember 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446): Darin erinnerte dieser Weber an seine Zusage vom 5. August 1913, oben, S. 298, zum Jahresende bzw. Anfang 1914 eventuell einen Vortrag in München zu halten. Als geeigneten Termin schlug Loewenstein „die letzte Hälfte des Januar“ oder „eventuell die erste Woche im März“ vor.

Sehr geehrter Herr Löwenstein, – ich gebe Ihnen hiermit feierlich die erste Hypothek: ich halte keinen Vortrag, ehe ich in Ihrem Verein gesprochen habe. Aber jetzt geht es einfach nicht, so leid es mir thut. Ich muß jetzt nach Berlin,1 dann im Interesse einer Verwandten einen Prozeßtermin in Freiburg wahrnehmen,2 – gehe ich nun noch nach München, so komme ich gar nicht zum Arbeiten und ich muß: Termin-Arbeit[,] auf die der Verleger wartet.3 Vielleicht bei Sommersemester-Anfang – ca. 18./20. April – sonst gegen Ende des Sommers wird es gehen. Dann bin ich – endlich! endlich! – wieder einmal frei. Vielen Dank für Ihre interessanten musikalischen Mitteilungen.4 Ihre Grüße bestellte ich, meine Frau grüßt herzlich wieder, Frl. Tobler ist z. Z. verreist. Mit bester Empfehlung Ihr Max Weber

1 Am 4. Januar 1914 fand in Berlin eine Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik statt sowie daran anschließend am 5. Januar 1914 die Werturteilsdiskussion. 2 Gemeint ist ein Termin im Scheidungsprozeß Lilli Hermann, geb. Hausrath, gegen Fritz Hermann. 3 D. h. die Fertigstellung von Webers GdS-Beitrag „Wirtschaft und Gesellschaft“. 4 Loewenstein hatte in seinem Brief vom 21. Dez. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) darauf aufmerksam gemacht, daß am 22. Januar 1914 das Capet-Quartett seinen letzten Beethoven-Abend geben werde: „diese Vereinigung stellt für meinen Begriff die letzte Vollendung des Kammermusizierens dar und sie interpretieren Beethoven trotz ihrer romantischen Auffassung so stilrein und formbewußt wie gegenwärtig kein anderes Quartett; es wäre eine günstige Fügung, die allein eine Reise nach München lohnte, wenn Sie ein Konzert hören könnten.“ Daneben hatte Loewenstein von einer Aufführung von Hans Pfitzners „Armem Heinrich“ berichtet sowie von Bruno Walter „mit einigen sehr guten Aufführungen“ zum Verdi-Jubiläum.

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Karl Weber 29. Dezember [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Hbg 29/XII Lieber Carl, –

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die Angelegenheiten von Frl. Lena Hein,1 der Nichte von Carlo,2 veranlassen mich, Mittwoch doch nach Örlinghausen zu reisen, zumal ich immerhin ja auch Wina3 gern sehen möchte, die ich nach dem Tod Bruno’s4 noch nicht sah. Würde ich Dich denn nun, wenn ich am 2. (Freitag) früh oder am 1. (Donnerstag) Abend von dort nach Hannover5 fahre, dort schon wieder antreffen? Oder bist Du am 2./3. noch in Charlottenburg? Länger als 1 Tag in Örl[inghausen] zu bleiben, von Mittwoch Abend an, besteht für mich kein Grund. Andrerseits möchte ich nicht später als am 2.1. (Freitag), spätestens Abends, in Charlottenburg sein. Treffe ich Dich aber noch dort, so komme ich so früh als möglich, reise also mit irgend einem Frühzug Freitag direkt durch. Bist Du am 1. Abends schon wieder in Hannover, dann suche ich noch lieber auch schon am gleichen Tage Abends dort zu sein.6 Bitte schreibe |:gleich:| eine Postkarte nach Örlinghausen |:bei:| Frau Commerzienrath Bruno Müller – da es Neujahrszeit ist, am besten Eilpostkarte, sonst bleibt sie irgendwo in der Masse stecken. Auf Wiedersehen herzliche Grüße Max

1 Zu den Angelegenheiten von Lena Hein vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, unten, S. 451. 2 Gemeint ist Carlo Weber, ein Bruder von Alwine Müller. 3 Max Weber hatte in seinem Kondolenzbrief an Alwine (Wina) Müller vom 6. März 1913, oben, S. 111, seinen Besuch in Aussicht gestellt. 4 Bruno Müller, Mann von Alwine Müller. 5 Karl Weber hatte 1913 einen Ruf an die TH Hannover angenommen. 6 Max Weber traf seinen Bruder Karl am 2. Januar 1914 in Charlottenburg, vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, unten, S. 456.

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Walter Jellinek 30. Dezember 1913; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 31

Heidelberg 30/XII 13 Verehrtester Herr Kollege, – nachdem ich vor Kurzem erst mich an der Neuauflage des großen Werks Ihres Vaters, der großen Pietät, mit der Sie sie besorgt haben,1 ohne doch zu versäumen, sie als „lebendiges“, die neuste Forschung berücksichtigendes Werk zu erhalten, erfreut hatte, erhielten wir zu unserer nicht geringen Überraschung zunächst von Ihrer Frau Mutter2 einen mystischen „heiligen Baum“, oder eigentlich zwei, die sich an einer bestimmten Stelle, und zwar bei Ihnen, in einander schlangen, und bei deren Einem auch wir selbst als Blätter figurierten, dann, nach dessen Enträtselung, die ausdrückliche Mitteilung Ihrer Verlobung.3 Wenn ich denke, wie endlos lange sich oft für Dozenten die Möglichkeit der Begründung eines eignen Heims hinauszieht – oft die Quelle der allerschwersten Lebensschicksale für die Betroffenen – so kann ich mich nicht genug daran freuen, daß dem Sohn meines verehrten Freundes – und durch eignes Verdienst – das Loos darin freundlicher gefallen ist als dem Durchschnitt. Ich weiß selbst, daß grade der heutige „Berufsmensch“, um nicht ganz und gar der Hingabe an die „Sache“, die von uns Allen gefordert wird, :innerlich: zu erliegen, der Eigenständigkeit bedarf, welche eine gleichwerthige Frau ihm bietet und die seinem „Menschentum“ Nahrung giebt. Ich beglückwünsche Sie herzlich dazu, diesen letzten entscheidenden Schritt von der Jünglingsin die Mannes-Epoche des Lebens nun auch gethan zu haben und bitte Sie, uns Ihrer künftigen Gemahlin, vorläufig unbekannter Weise, angelegentlich zu empfehlen. Daß dadurch mir altbekannte, nur – bis in die jüngste Zeit – zufällig niemals zu persönlicher Fühlung gediehene

1 Gemeint ist: Jellinek, Georg, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., unter Verwertung des handschriftlichen Nachlasses durchgesehen und ergänzt von Walter Jellinek. – Berlin: O. Häring 1914. 2 D. h. Camilla Jellinek. 3 Walter Jellinek hatte sich mit Irmgard Wiener verlobt, einer Tochter des Landeskommissärs Alexander Wiener in Freiburg i.Br.

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Bande der „Verschwägerung“ an Leibhaftigkeit für mich gewinnen können, – im Hause meines Onkels Hausrath war von der Familie Wiener und ihren Angehörigen begreiflicherweise oft und viel die Rede,4 eines ihrer Mitglieder hätten wir s. Z. gern auf dem physikalischen Lehrstuhl in Freiburg gehabt,5 – dies freut mich besonders. Denn bisher bestanden in persönlicher Hinsicht andere Berührungen als die leider nur flüchtige mit Herrn Rechtspraktikanten Wiener6 nicht. Ich bitte Sie, auch der Familie Ihres Herrn Schwiegervaters7 unsre achtungsvollen Empfehlungen und Glückwünsche ausrichten zu wollen. Ich verreise jetzt, sonst würde ich Ihre Frau Mutter noch einmal persönlich zu sprechen suchen. Sie weiß ja, wie starken Anteil wir an allem Glück nehmen, welches ihr durch ihre Kinder widerfährt – es ist nicht wenig – und wie sehr wir dabei auch Dessen gedenken, der nicht mehr unter uns weilt. Mit herzlichen Grüßen Ihr ergebenster Max Weber

4 Die Schwester von Adolf Hausrath, Pauline Hausrath, war mit dem in Karlsruhe lehrenden Ordinarius für Mathematik, Christian Wiener, verheiratet. 5 Gemeint ist die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Physik nach dem Weggang von Wilhelm Warburg nach Berlin. Auf der ersten Vorschlagsliste vom 26. Jan. 1895 (UA Freiburg i.Br., B 38/168) waren Conrad Röntgen und Franz Himstedt benannt worden. Nach der Ablehnung eines Rufs von Röntgen forderte das Kultusministerium am 5. März 1895 (ebd.) eine neue Vorschlagsliste an, die an erster Stelle den Aachener a.o. Professor Otto Wiener aufführte (Vorschlagsliste vom 7. März 1895; ebd.). Neuer Ordinarius wurde jedoch am 25. März 1895 (ebd.) der zusammen mit Röntgen zunächst vorgeschlagene Franz Himstedt. 6 Vermutlich handelt es sich um den Kammergerichtsreferendar Erich August Wiener aus Berlin, der 1906 in Heidelberg zum Dr. jur. promoviert worden war. 7 Alexander Wiener; siehe dazu Anm. 3.

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Paul Siebeck 30. Dezember [1913]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „31.12.13“ sowie Briefinhalt.

Heidelberg 30/XII Verehrtester Herr Dr Siebeck! aIch

meine, man sollte Schumpeter fragen, ob er nicht einverstanden ist, daß das Mscr. mit hoher Werth-Versicherung (1000 Mk) nach Wien geht.1 Es macht doch sonst arg viel Mühe und Kosten.a 2 bv. Wieser[,] meine ich, sollte man dringend bitten, doch für diese Auflage auf „Umarbeitung“ zu verzichten,3 damit etwa am 15./20. Februar jedenfalls zu drucken begonnen :werden kann: und keine Stockungen zu riskieren sind.b Es wird ja sonst Alles immer wieder unsicher. – Nun der Umfang. Ja, ich wollte ja eigentlich dieserhalb in der näch-

a Geschwungene Klammer mit eigenhändiger Randbemerkung Max Webers: Schumpeter ist, höre ich, in Amerika. Wenn Sie gegen die Verantwortlichkeit kein Bedenken haben, so handeln Sie also wie es gut scheint. Eine Rückfrage kostet ja auch ebensoviel Zeit. Also entweder – oder. b Vertikaler Randstrich mit eigenhändiger Randbemerkung Max Webers: Geschieht selber von mir aus, da er mir eben auch schrieb[.] M.W. 1 Hierbei geht es um das Problem einer Kopie des im Verlag lagernden Manuskripts zu: Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte. Laut Mitteilung von Paul Siebeck an Weber vom 20. Dez. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) hatte ihm Schumpeter diesbezüglich geschrieben: „Eben erhalte ich eine Anfrage Professor Max Webers, ob ich einverstanden bin, daß Professor von Wieser meinen Beitrag zur Einsicht erhält. Gewiß habe ich nicht das Geringste dagegen, doch empfiehlt sich vielleicht vorherige Kopierung wegen der Verlustgefahr im Postgange. Ich hätte früher geantwortet, bin aber eben als österr[eichischer] Austauschprofessor hier in N.Y.“ 2 Dazu meldete Paul Siebeck in seiner Antwort an Weber vom 31. Dez. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß er das Manuskript Schumpeters auf seine Kosten abschreiben lasse, um so „am raschesten zum Ziele [zu] kommen.“ 3 Paul Siebeck hatte am 29. Dez. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber von einer Anfrage v. Wiesers berichtet, ob ihm – je nach Tempo der Satzerstellung – Zeit bleibe, „einzelne Stellen noch vor dem Satz um[zu]arbeiten.“

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sten Woche einmal nach Tübingen fahren. Aber nun muß ich erst nach Berlin bis 8./9. 1.,4 dann nach Freiburg zu einem Termin.5 Welche Überschreitungen die schon eingelieferten Beiträge bedeuten, wissen Sie ja. Rathgen hat noch gar nichts auf 2maliges Angehen geantwortet6 (ist in Amerika), Grünberg liefert 1. Juni7 (ich spreche ihn in Berlin),8 ich hoffe[,] daß beide nicht überschreiten. Salz wird um ca 2 Bogen überschreiten[.]9 Die Hauptattentäter sind: Gottl und ich. Gottl liefert eine ganz vorzügliche geschlossene Theorie der Technik,10 die sicher einmal (auch unverändert) ein sehr gut gehendes Lehrbuch werden kann. Aber er wird seinen Raum um das Doppelte überschreiten müssen, obwohl ich selbst persönlich Satz für Satz durchgehe und zusammenstreiche, was nur geht (eine Hundearbeit!).11 Und nun ich. Da Bücher ja – „Entwicklungsstufen“ – ganz unzulänglich ist,12 habe ich eine geschlossene soziologische Theorie und Darstellung ausgearbeitet, welche alle großen Gemeinschaftsformen zur Wirtschaft in Beziehung setzt: von der Familie und Hausgemeinschaft zum „Betrieb“, zur Sippe, zur ethnischen Gemeinschaft, zur Religion (alle :großen: Religionen der Erde umfassend: Soziologie der Erlösungslehren

4 Am 4. Januar 1914 fand dort eine Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik statt, der am 5. Januar 1914 die Sonderdiskussion über Werturteile folgte. 5 Vermutlich steht der Termin in Freiburg i.Br. in Zusammenhang mit dem Scheidungsprozeß von Lilli Hermann, geb. Hausrath, gegen Fritz Hermann. 6 Schreiben Webers an Karl Rathgen sind nicht nachgewiesen. Rathgen sollte das gesamte Buch IV: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates, bearbeiten. Der Beitrag ist nicht zustande gekommen. 7 Karl Grünberg hat seinen Beitrag am 1. Juni 1914 nicht abgeliefert; vgl. dazu die Korrespondenz Webers mit Paul Siebeck vom 13., 16. und 17. Juni 1914, vom 19. und vor dem 22. Juli sowie vom 24., 27. und 30. Juli 1914, unten, S. 713, 719, 720, 768, 771, 773, 775 und 777. Zum Problem der Manuskriptablieferung von: Grünberg, Agrarverfassung, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 230, Anm. 27. 8 Karl Grünberg nahm an der Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik am 4. Januar 1914 in Berlin teil. 9 Gemeint sind: Salz, Kapitalbildung, ders., Vermögensbildung, und ders., Berufsgliederung. Der zuletzt genannte Beitrag ist nicht erschienen. 10 v. Gottl, Wirtschaft und Technik. 11 Vgl. dazu Webers Anmerkung in seinem Brief an Paul Siebeck vom 3. Nov. 1911, oben, S. 343. 12 Zu Webers Urteil über den Beitrag von: Bücher, Entwicklungsstufen, vgl. seine Briefe an Paul Siebeck vom 28. Jan. und 8. Febr. 1913, oben, S. 60 und 87, sowie an Johann Plenge vom 11. Aug. und 4. Nov. 1913, oben, S. 305 und 345.

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und der religiösen Ethiken, – was Tröltsch gemacht hat,13 jetzt für alle Religionen, nur wesentlich knapper)[,] endlich eine umfassende soziologische Staats- und Herrschafts-Lehre. Ich darf behaupten, daß es noch nichts dergleichen giebt, auch kein „Vorbild“[.] Von Bücher fallen 4 Bogen fort. 6 + 4 = 10 Bogen Raum hätte ich also. Aber es werden 25 Bogen sein, vielleicht etwas mehr und die Schicksalsfrage wird sein: „geht das“? Ich schicke Ihnen in 14 Tagen erst einmal die Inhaltsübersicht.14 An allen Ecken ist noch zu bessern und zu ergänzen, es war eine sehr stramme Arbeiterei.1) – Es muß darüber eingehend gesprochen werden[.] Ich wollte Sie nur „vorbereiten“. Für jetzt herzliche Grüße und Neujahrswünsche! Ihr Max Weber 1)

Später hoffe ich Ihnen dann einmal eine Soziologie der Cultur-Inhalte (Kunst, Litteratur, Weltanschauung) zu liefern, außerhalb dieses Werkes oder als selbständigen Ergänzungsband.15

13 Gemeint ist: Troeltsch, Ernst, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1912. 14 Diese Inhaltsübersicht – falls sie überhaupt geschrieben wurde – ist im VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, nicht nachgewiesen. 15 Das Werk ist nicht zustande gekommen.

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Marianne Weber 3. Januar [1914]; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Max Weber datierte den Brief versehentlich auf das Jahr 1913. Gemeint ist jedoch das Jahr 1914, denn Weber berichtete über seinen Besuch in Oerlinghausen über die Jahreswende 1913/1914. Der Brief besteht aus zwei Teilen, die beide an Marianne Weber adressiert und mit derselben Tagesangabe versehen sind. Sie hängen aneinander, der zweite Brief ist nur für Marianne Weber persönlich bestimmt, den ersten konnte auch Lena Hein lesen. Beide Briefe beziehen sich auf die Probleme von Lena Hein, der Tochter von Elisabeth Hein, geb. Brassert. Diese war eine Schwester von Emilie Weber, die mit Carlo Weber, dem Mitinhaber der Leinenweberei in Oerlinghausen, verheiratet war. Elisabeth Hein war am 27. Mai 1911 gestorben, und Carlo und Emilie Weber, selbst kinderlos, fühlten sich seither für die verwaiste Nichte verantwortlich. Die damals zwanzigjährige Lena Hein konnte sich nicht in den Lebensstil der Familie Weber einfügen. Der Absicht der Familie Weber, sie zur Arzthelferin ausbilden zu lassen, stand der Wunsch von Lena Hein, Musiklehrerin zu werden, gegenüber. Sie wollte die ihr angesonnene Ausbildung von Anfang an nicht aufnehmen und beriet sich mit Max und Marianne Weber in den Tagen nach Weihnachten 1913 in Heidelberg. Max Weber entschloß sich, auf dem Wege nach Berlin über Oerlinghausen zu fahren. Dort unterstützte er ihren Berufswunsch in Gesprächen mit ihren Verwandten am 31. Dezember 1913 und am 1. Januar 1914. Lena Hein zog im Januar 1914 nach Heidelberg, nahm bei Mina Tobler Klavierunterricht zur Prüfung ihrer musikalischen Begabung und schloß sich an Marianne und Max Weber an. Am 6. Juni 1914 berichtete Marianne Weber im Brief an Helene Weber (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), Lena Hein habe bei Mina Tobler gute Fortschritte gemacht.

Charlottenburg 3/1 14a Liebes, –

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Weber’s sind, um dies voranzustellen, eventuell einverstanden, daß Lena Hein thut, wozu sie ihr Herz treibt. Unter der Voraussetzung nämlich, daß 1) die Gesundheit – 2) die Begabung Chancen des Gelingens eröffnen, – 3) sich absehen läßt, welche Lasten entstehen werden. Ich fand in Örlinghausen1 die ganze Familie in vollständiger Ratlosigkeit und ausnahmslos bei allen Gliedern eine sehr ernste Auffas-

a O: 13 1 Max Weber fuhr am 31. Dezember 1913 nach Oerlinghausen, um mit den dort ansässigen Familien Müller und Weber über die Zukunft von Lena Hein zu beraten. Vgl. den Brief an Karl Weber vom 29. Dezember 1913, oben, S. 445.

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sung der Situation. Ganz allgemein – Georg2 앚:allerdings:앚 sprach ich nur sehr kurz1) – wurde 1) ihre Begabung für Musik bezweifelt, – das heißt: daß sie in absehbarer Zeit so weit kommen werde, um auch nur mit Stundengeben beginnen zu können; – 2) daß sie dadurch jemals sich selbst würde erhalten können, anders wenigstens als höchst kümmerlich, der rasenden Concurrenz wegen. Beides sei auch Lamping’s3 Ansicht; – 3) daß ihre Nerven ein sehr intensives Studium ertrügen; – 4) daß sie seelisch jemals „dem Alltag gewachsen“ sein werde, d. h. daß ihr das Stundengeben, der – in äußerlichem Sinn – „monotone“ Unterricht von Kindern, jemals Befriedigung geben könne. Das werde ihr Temperament niemals zulassen. – Dies ungefähr der Refrain aller, übrigens von großer Sympathie für sie zeugenden, Äußerungen. Ich werde nun heut 앚:(Samstag):앚 Otto Baumgarten4 hier sprechen und Montag Abend, denke ich, Frl. Tobler, die ja also es möglich machen kann, da eine Schülerin ausscheidet, die Stunden zu geben.5 – Es wird also jedenfalls Lena Hein nichts in den Weg gelegt werden, das kann ich schon jetzt sagen. Aber von allen Seiten, die ich sprach, war man unglücklich darüber, daß sie nicht zunächst diesen Winter noch in Freiburg durchgehalten habe6 – im Frühjahr sollte sie ja nach Heidelberg, und daß sie überhaupt nicht doch schließlich dies 앚:eine:앚 Jahr ausgehalten habe. Ich habe natürlich geltend gemacht, was zu sagen war: „Für diese Stellung, der diese Vorbereitung gelte, eigne sie sich nach ihrer festen Überzeugung bestimmt nicht. Ob diese Ausbildung für eine persönlicheb Vertrauensstellung 앚:bei Ärzten, Sanatorien etc.:앚 1)

Er hat, im Wesentlichen, auf mein Befragen gesagt: er halte es für richtig, wenn Lena Hein jetzt den Versuch bei Frl. Tobler mache. b [??] > persönliche 2 Georg Müller. 3 Gemeint ist Wilhelm Lamping, Mann von Eleonore Lamping, geb. Möller, einer Cousine von Marianne Weber. Wilhelm Lampings Urteil galt viel, da er ein erfahrener Organist und Musikdirektor in Bielefeld war. 4 Es ist anzunehmen, daß Max Weber Otto Baumgarten, der sich sehr um die Zukunft von Lena Hein bemüht hatte, über den Plan ihrer Ausbildung zur Klavierlehrerin informierte. 5 Lena Heins musikalische Befähigung sollte in Probestunden bei Mina Tobler in Heidelberg festgestellt werden. 6 In Freiburg sollte Lena Hein eine Ausbildung als Krankenpflegerin erhalten und danach eine Stelle als Arzthelferin suchen. Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 4. Sept. 1913, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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geeignet sei, wisse ich nicht. Nur eine solche käme aber eventuell, falls es mit der Musik nichts sei, in Frage. Ob sie für Musik qualifiziert sei, müsse man erst erproben, und zwar bald, durch Probe-Unterricht.“ – Damit waren schließlich wohl Alle ziemlich einverstanden, – ich weiß aber nicht, ob aus innerer Überzeugung oder mehr durch „Überredung“[.] Fest steht nur: Lena Hein wird ihre Ausbildung so gestalten müssen, um künftig ihr Brot zu verdienen. Darüber ließ Carl Weber keinen Zweifel, – bei übrigens menschlich liebevoller Art des Sich-Äußerns. Ferner: 5 – 6 Jahre Zeit sind 앚:für Carl und Emily:앚7 nicht diskutabel, es müßte früher möglich sein. Ebenso halte ich es nicht für möglich, daß Carl und Emily bis 3000 Mk 앚:jährlich:앚 oder auch nur annähernd so weit gehen. Es wurden (von einem der Müller’schen Söhne)8 1800 Mk genannt. Carl behielt sich Alles vor bis zum Bericht über die Kosten nach Angabe von Frl. Tobler. – Wir wissen ja, daß die 앚:pekuniären:앚 Verhältnisse schwieriger geworden sind in diesen Jahren bei Weber’s, mehr als wohl Lena Hein vermuthet. Die Sache liegt also so, daß die Klugheit unbedingt gerathen hätte und vielleicht noch räth, daß sie in Freiburg dies Quartal durchhält. Aber vielleicht istc der Drang ihres Herzens zur Kunst zu stark und dann wird sie diesem folgen. Ich habe gar nichts dagegen, daß Lena Hein diesen Brief liest, obwohl oder vielmehr weil er Manches ihren Wünschen nicht Günstige enthält. Besser sie weiß es. Durchgesetzt habe ich bei Carl das Versprechen: daß sie festes Geld haben solle, mit dem sie sich einrichten könne. Natürlich habe ich schließlich auch gesagt: ob nicht eine volle Trennung schon jetzt das „Reinlichste“ sei, so daß dann Andre, die es vielleicht könnten 앚:(Müller’s)9:앚, in die Lage kämen, Lena Hein ihr Leben gestalten zu helfen. Denn es sei doch unnatürlich, daß sie, Weber’s, zahlen sollten, ohne doch Lena Hein’s Liebe und Vertrauen zu haben.

c 7 Carlo und Emilie Weber. 8 Vermutlich aber handelte es sich um Richard oder Georg Müller, die mit ihrem Onkel Carlo Weber die Leinenweberei in Oerlinghausen leiteten. 9 Gemeint ist die Familie von Alwine Müller, der Schwester von Carlo Weber; ihre älteren Söhne waren Geschäftsführer der Leinenweberei in Oerlinghausen.

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Aber da war z. Z. nichts zu machen. Die Verpflichtungen gegenüber der toten Schwester ständen da absolut im Wege, bei Carl auch eine sehr herzliche Liebe zu Lena H[ein]. Ich werde aber nochmals schreiben, – doch sicher mit dem gleichen Erfolg. Die sehr tiefe Erbitterung rührte davon her, daß Frau Wachsmuth10 und die Köchin beide gesagt hatten: sie hätten das schon bei L[ena] H[ein]’s Fortgang erfahren, daß sie nicht bleiben wolle. Nun – hoffentlich lösen sich alle diese Verwicklungen so, daß es nach Lena Hein’s Wunsch geht. Baldigst mehr, grüße sie herzlichst Dein Max

10 Gemeint ist Emilie Wachsmuth, eine Freundin von Carlo und Emilie Weber.

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Marianne Weber 3. Januar [1914]; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Jahr erschlossen aus dem vorstehenden Brief an Marianne Weber. Fortsetzung des Briefes an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, oben, S. 451 – 454.

Ch. 3/1 Liebe Schnauzel, –

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bitte entweder löse dies Blatt vom Rest und schick diesen an Lena H[ein]. Oder schreib ihr kurz den Inhalt. Weber’s1 sind tief erbittert. Und daß sie zu allen Leuten gesagt hat[,] sie gehe ja nicht auf die Dauer in diese Stellung, nur nicht zu Weber’s, das ist ja wirklich auch 앚:objektiv:앚 sehr schlimm und 앚:subjektiv:앚 sehr unklug. Alle Müllersöhne2 (außer Georg, den ich sehr wenig sprach, er kam ja erst eben) sprachen davon, daß sie absolut „egoistisch“, rein triebhaft, ganz rücksichtslos sei. Es trat keiner für sie ein. – Mir gefällt sie aber und ihr Brief an Dich auch. Aber sie sieht nicht: daß sie nicht mehr Weber’s „Tochter“, dennoch aber von ihnen abhängig ist. Denn auch Richard3 äußerte sich sehr kühl über den Gedanken, daß „Andre“ für sie sorgen könnten und wandte, obwohl er fühlen mußte, daß ich sie (Müller’s) meinte, die Andeutung auf Hollmann’s.4 Georg freilich sagte: oh ja, Wina5 würde es wohl thun können (aber nicht: wie hoch). Aber, wie ich in dem Brief erzähle, Weber’s wollen das trotz meines Drängens nicht zulassen. – Heut nur dies und schönsten Dank. Otto Baumgarten kommt bald und jetzt essen wir. Ich muß Dir noch mancherlei erzählen, besonders von 앚:unsrem:앚 Carl, der Abscheuliches mit Emmchen Puppe6 erlebt hat

1 Carlo und Emilie Weber. 2 Das sind: Berthold, Georg, Richard, Roland und Wolfgang Müller. 3 Richard Müller. 4 Gemeint sind Maria und Wilhelm Hollmann. Maria Hollmann, geb. Brassert, war wie Emilie Weber eine Schwester von Lena Heins Mutter. 5 Alwine (Wina) Müller, die Mutter der Müllersöhne. 6 Webers Bruder Karl hatte sich nach dem Tod seiner Haushälterin in Danzig deren Tochter Emma Puppe väterlich angenommen und wurde deswegen von seiner neuen Haushälterin verdächtigt. Vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 6. Jan. 1914, unten, S. 458 und 460.

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und um 10 Jahre gealtert ist (auch eine schwere Herzerweiterung hat: Alcoholfolge). Er that mir in der Seele leid. Heut nur tausend Grüße und Küsse Dein Max

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Marianne Weber [4. Januar 1914; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Hinweis Max Webers auf die Sitzung des Vereins für Sozialpolitik, die am 4. Januar 1914 stattfand, erschlossen.

Liebe Schnauzel,

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nur ein Zettelchen vor der Sitzung.1 Ich schlief sehr schlecht, daher lange und es war so viel zu überlegen. Es kommt in Frage, ob Mama zu Ostern nach Hannover zu Carl2 übersiedelt, offiziell „für 1 Jahr“, faktisch, weil nach Ernsts Gutachten jetzt „Schluß“ mit ihrer Arbeit gemacht werden muß,3 nicht erst, wie sie will, im Herbst. Und dann 1000 andre Sachen. Ich schreibe morgen eingehend, denke ich. Die Hetzjagd in Örlinghausen und hier war sehr groß. aGestern Otto Baumgarten. Er geht auch noch nach Örlinghausen. Er ist wie ich der Ansicht (jetzt) diese Ausbildung4 hat keinen Zweck[.] Sondern 1) zuerst Versuch mit Frl Tobler, dann, wenn er mißlingt, 2) Rückkehr zu seinen Vorschlägen: Vorbereitung auf eine Verwaltungsstellung bei einem Arzt (Sanatorium etc.).a Das Angestrichene kannst Du Lena H[ein] ja schreiben. Sie muß aber noch mit Allem warten. Tausend Küsse Dein Max

a In O Anstreichung am Rande. 1 Gemeint ist die Sitzung des Hauptausschusses des Vereins für Sozialpolitik. 2 Karl Weber lebte alleine in Hannover und war in einer physisch und psychisch schlechten Verfassung. Vgl auch den Brief an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, oben, S. 455, Anm. 6. 3 Als Arzt hatte Ernst Mommsen schon mehrfach versucht, Helene Weber zur Aufgabe ihrer sozialen Tätigkeit in der Zentrale des Hauspflegevereins in Charlottenburg zu bewegen. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 4. Nov. 1910, MWG II/6, S. 676f. 4 Gemeint ist eine Ausbildung zur Arzthelferin. Vgl. den ersten Brief an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, oben, S. 451 – 454.

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6. Januar 1914

Marianne Weber PSt 6. Januar 1914; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort des Briefes sind aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Liebes Schnauzele, – schönsten Dank für Dein Briefchen. Ob ich Dich noch sehe1 ist unsicher, aber ich hoffe. Morgen fahre ich zu Carl.2 Es ist abscheulich, daß auf sein zartes und feines Verhältnis zu Emmchen3 durch die unsauberen Hände dieses mannstollen Frauenzimmers Dreck geworfen ist, – nun muß eben die Sache in die Reihe gebracht werden. Ich erzähle Dir noch viel davon. Es ist recht traurig. Er ist auf den Vorschlag, Mama zu sich zu nehmen und Halbpart zu wirtschaften, – so daß jeder ca. 6 500 Mk jährlich zum Budget giebt – mit Freuden eingegangen, und nun muß ich morgen zu ihm[,] Alles zu bereden. Die Mutter schwankt zwischen Wehmuth und Sorge wegen des „Abbrechens“ und der Freude: daß das Abbrechen (was Ernst4 für absolut unumgänglich hält, da Mama körperlich so zurückgegangen sei, daß es ängstlich werde) mit einem Auftakt zu einer neuen Aufgabe beginnt. Die Geschwister Clara und Lili sind einverstanden:5 so dringlich ist die Lage. Pekuniär entsteht kein Verlust, da Mama jedenfalls so viel billiger lebt, daß sie sogar die Wohnung stehen und liegen lassen kann wie sie will und doch noch Profit macht. Dieses Problem steht im Zentrum hier. – Daneben Lilis Finanzen,6 ich gehe heut hin, sie sprach sich sehr zuversichtlich aus. –

1 D. h., bei der Rückkehr nach Heidelberg; denn nach einem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 12. Dez. 1913 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hielt Marianne Weber am 9. Januar 1914 in Ulm einen Vortrag. 2 Karl Weber wohnte in Hannover, wo er an der Technischen Hochschule eine Professur für Architektur innehatte. 3 Gemeint ist Emma (Emmchen) Puppe, Tochter der verstorbenen Haushälterin von Karl Weber. Dieser hatte sich ihrer väterlich angenommen und wurde deswegen von seiner neuen Haushälterin verdächtigt. 4 Ernst Mommsen, Helene Webers Schwiegersohn, beriet sie als Arzt. 5 Die Schwestern Clara Mommsen und Lili Schäfer lebten in Berlin und nahmen an der Diskussion um die Zukunft Helene Webers teil. 6 Lili Schäfer mußte regelmäßig finanziell unterstützt werden.

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Frl Tobler7 sitzt hier in der Stube. Sie ist bereit den Probe-Unterricht8 zu geben (eine Schülerin scheidet aus, es geht also). Ohne solchen hält sie eine Entscheidung nicht für möglich. Otto B[aumgarten]9 fährt auch noch nach Örlingh[ausen]. Die bisherige Ausbildung ist absolut ungeeignet, für eine ärztliche Vertrauensstellung vorzubilden, das steht fest. Sie bildet nur zum „Amt“ (Fürsorgepflegerin) vor. Also die muß so wie so aufhören. Jetzt werden Carlo’s10 sicher ganz und gar zustimmen. – So – Tobelchen möchte nun auch noch ihr Pläsir (Friedrichs-Museum) haben und soll es. Die „legitime“ Ehefrau muß sich daher wieder mal mit diesem Zettel begnügen. Ich habe hier noch 5 Leute zu sehen und werde froh sein, nachher beim Schnäuzchen wieder zu mir zu kommen. Es gibt zu viel Menschen in der Welt. Tausend Grüße und Küsse Dein Max

7 Mina Tobler hielt sich die ersten Januartage ebenfalls in Berlin auf, wo sie Weber mehrfach traf. Beide fuhren gemeinsam nach Heidelberg zurück. Brief Mina Toblers an Bertha Tobler vom 11. Jan. 1914, Privatbesitz. 8 Durch die Vermittlung von Max Weber hatte sich Mina Tobler bereit erklärt, Lena Hein Probeunterricht in Klavier zu erteilen, um ihre Eignung für den Beruf als Klavierlehrerin zu prüfen. 9 Otto Baumgarten hatte sich ebenfalls um die Ausbildung von Lena Hein gekümmert. 10 Gemeint sind Carlo und Emilie Weber.

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6. Januar 1914

Marianne Weber [6. Januar 1914; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Inhalt des Briefes in Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Brief mit PSt 6. Januar 1914 erschlossen.

Liebes Schnauzele! Du kommst arg zu kurz in diesen Tagen, ich erzähle Dir mündlich Alles u. komme zu diesem Zweck Donnerstag Abend u. nicht erst Freitag, wie ich wollte. Wann? weiß ich nicht, werde es auch bis zuletzt nicht wissen. Denn ich weiß nicht, ob von Hannover1 oder von hier. Tobelchen2 hat nun auch sein Stündchen im Kaiser-Friedrich-Museum abbekommen, andre Leute die ich sehen mußte auch[,] u. jetzt gehe ich zu Lilli,3 Abends noch mit ein paara Anderen. Morgen: Clara, Herkner u. dann Carl. Dann eventuell noch mal zurück hierher Abends, je nachdem. Dann freue ich mich schon auf Dich, mein Kleines. Laß Dir mit diesen Zetteln genügen. Das Eigentliche ist doch zu kompliziert (mit Carl, denn das ist die Hauptsache)[,]4 um es zu schreiben. Laß Dich statt dessen tausend Mal umarmen von Deinem Max Ich denke, ich telegraphiere.5

a O: par 1 In Hannover wollte Max Weber mit Karl Weber über eine zeitweilige Übersiedelung von Helene Weber nach Hannover sprechen. Vgl. den vorausgehenden Brief an Marianne Weber vom selben Tag, oben, S. 458. 2 Mina Tobler. 3 Mit seiner jüngeren Schwester, Lili Schäfer, wollte Max Weber über deren finanzielle Lage sprechen. 4 Gemeint sind die Lebensverhältnisse von Karl Weber, vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, oben, S. 455 f., und der Umzug von Helene Weber nach Hannover. 5 Ein Telegramm ist nicht nachgewiesen.

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Emil Lask [nach dem 9. Januar 1914; Heidelberg] Konzept; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus dem Briefinhalt sowie dem Hinweis auf die Rückkehr von einer Reise nach Berlin. Diese hatte Weber in seinem Brief an Marianne Weber vom 6. Januar 1914, oben, S. 460, für „Donnerstag“, d. h. den 9. Januar 1914, in Aussicht gestellt. Der Brief steht in Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Frieda Gross und Hans Gross; vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Max Webers an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, oben, S. 386 f., und die Briefe an Emil Lask vom 25. Nov. und 25. Dez. 1913, oben, S. 402 f. und 440 f.

L. Fr.

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In Ergänzung des unvermeidlich fragmentarischen Telefongesprächs beeile ich mich Ihnen auf Ihre Anregung zu erwidern.a Höchstb dringliche und verwickelte Familienangelegenheiten,1 die auch mein längeres Fortbleiben cvon hierc verschuldeten, hinderten mich, 앚:wie ich Ihnen sagte,:앚 Sie früher als hoffentl[ich] morgen 앚:Abend:앚 zu sehen; doch ich möchte aber schon heut 앚:nochmals deutlich:앚 sagen, wie ich zu dem Wunsch des Hr. Dr Guttmannd 2 앚:betreffs:앚 eeines Briefese an fdas „Berl. Tageblatt“f durch michg stehe. Wie Sie wissen, habe ich seit geraumer Zeit direkt nicht das Geringste, indirekt nur in Berlin kurz durch Sie etwas von und überh Frieda Gr[oss] gehört 앚:(nicht einmal wo man sie erreichen kann weiß ich):앚 u. über die Angelegenheit ihres Mannes nur die von Ihnen mir zugestellten Exemplare der „Aktion“ und „Revolution“.3 Ich erwarte 앚:inzwi-

a < L.Fr.> b einen Brief > eines Brief h

c in Berlin > von hier d O: Gutmann e O: f die Presse > das „Berl. Tageblatt“ g

1 Die Familienangelegenheiten betrafen u. a. die geplante Übersiedelung von Webers Mutter zu ihrem Sohn Karl in Hannover. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 6. Jan. 1914, oben, S. 460. 2 Der Schriftsteller aus dem Freundeskreis von Otto Gross, Dr. Simon Guttmann, wollte offenbar Max Weber dazu bewegen, sich öffentlich gegen die Internierung von Otto Gross zu wenden. 3 Beide sozialrevolutionären Zeitschriften hatten am 20. Dezember 1913 Sondernummern für Otto Gross herausgegeben. Die „Aktion“, Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst, wurde 1911 von Franz Pfemfert als Sprachrohr des Expressionismus gegründet und herausgegeben. Otto Gross gehörte 1913 zu ihren Mitarbeitern. In der in

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schen noch:앚 die 앚:von mir erbetene:앚 Benennung eines Anwalts in Wien4 zur Beratungi über die formell rechtl[iche] Lage und habe mit einem absolut zuverlässigen 앚:und über die Thatsachen unterrichteten und erfahrenen:앚 Psychiaterj 5 gesprochen. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich gleich Anfangsk Frieda Gross 앚:unter Andrem auch:앚 angeboten, 앚:auf Verlangen:앚 in einem bürgerlichen Blatt (denn was in andrenl geschieht, nützt praktisch gar nichts) den Thatbestand öffentlich zu erörtern: 앚:was mich jam nicht die geringste Mühen gekostet hätte oder kosten würde und was ich gern thäte, glaubte ich, daß es irgend etwas nutzen könnte. Handelte es sich nicht um odie Interessen dero Person des Dr Otto Groß, so würde ich aus rein sachlichen Gründen gegen die m.E. flagrante Rechtsverletzung wahrscheinlich längst etwas öffentlich gesagt haben.:앚 pAber ich habe Frieda Groß schon damalsp 6 auch meine 앚:schweren:앚 Bedenken dagegenq nicht verhehlt,r sofern die mindeste Chance bestehe, auf friedlichem Wege etwas zu erreichen und wahrscheinlich deshalb hat sie den Vorschlag 앚:damals:앚 gar nicht weiter erörtert 앚:, sondern allerhand andre Wege (zunächst Anfrage in Klosterneuburg)7 beschritten.:앚 Meine Bedenken haben sich inzwischen noch sehr gesteigert und im gegenwärtigen Augenblick würde ich 앚:aus folgenden Gründen:앚 gar nicht 앚:mehr:앚 in der Lage sein, mich öffentlich zu äußern.s Die Dinge liegen so: 앚:Ich zweifelte und zweifle nicht daran, daß Prof. Groß (Vater) in gutem Glauben die Internierung seines Sohnes, zunächst auf kürzere Zeit bis zur Durchführung wirklicher Abstinenz, für hygienisch unbedingt geboten hält. Ich thielt und haltet ferner für

i j k l m n o die > die Interessen der p Freilich habe ich ihr > Aber ich habe Frieda Groß schon damals q dabei > dagegen r s t halte > hielt und halte München erscheinenden Zweiwochenschrift „Revolution“, herausgegeben von Franz Jung, schrieben u. a. Franz Jung, Erich Mühsam und Simon Guttmann. Hurwitz, Otto Gross, S. 11 – 29, gibt teilweise einen Abdruck und Überblick über die Beiträge. 4 Weber hatte seinen Kollegen Karl Grünberg in Wien um die Nennung eines Anwaltes gebeten. Vgl. den Brief an Otto Pellech vom 30. Jan. 1914, unten, S. 490. 5 Wahrscheinlich handelt es sich um Hans Gruhle, der Otto und Frieda Gross kannte. 6 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, oben, S. 388 – 393. 7 Der Direktor der niederösterreichischen Landesirrenanstalt in Klosterneuburg war Dr. Berze, der Otto Gross im Sommer 1911 in der Anstalt „Im Steinhof“ in Wien mehrere Monate behandelt hatte und daher Frieda Gross bekannt war.

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sicher, daß er in seinen Maßregeln ohne zwingende Gründe nicht weiter gehen und sich auch nicht weiter festlegen wird, als zur Erreichung zunächst dieses Zweckes geboten ist.:앚 Jeder öffentl[iche]u Angriff 앚:in der einflußreichen (d. h. bürgerlichen) Presse:앚 muß 앚:ja:앚 den Vaterv auf den Weg drängen, 앚:– den erw ohne Noth sicher nicht beschreiten würde –:앚 sich die Legalität seines Vorgehens durch die Gerichte bescheinigen zu lassen und nach Ansicht des von mir befragten Psychiaters ist ximmerhin einigex Chance, daß ihm dies gelingen könnte, wenn er die nötige Energie dahinter setzt. Gelänge es ihm aber z. B., die Entmündigung seines Sohnes durchzusetzen, so hätte diese, an sich für Dr Otto Groß vielleichty gleichgültige Manipulation den Erfolg: daß er 앚:als Vormund:앚 die Auslieferung seines Sohnes verlangen könnte. Gelänge es zaber andrerseits dann selbst nochz Dr Groß, sich in der Art, wie mir dies für Burghölzli erzählt worden ist,8 앚:auch diesmal:앚 aus der Internierung zu befreien, so würde selbst dann, wenn seine Person und Sache inzwischen „cause célèbre“ in der Presse geworden ist, er nirgends mehr seiner Freiheit sicher sein;a derb Sensationsmechanismus der Nachrichtenpressec würde ja automatischd dafür sorgen, daß sein jeweiliger Aufenthalt stets wieder notorisch wird, und der Vater ist, mag der wollen oder nicht, stets erneut vor die Notwendigkeit gestellt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um des Sohnes habhaft zu werden.9 Aus diesem Grundee bin ich der Meinung[,] daß,f wenn man für die Person des Dr Otto Groß etwas thun will, man um ein Compromiß mit dem Vater nicht herumkommt. Aus diesem Grunde habe ich, wie Sie vielleicht wissen, s. Z. Frieda Gr[oss] gerathen, sich mit den Eltern 앚:und eventuell auch dem Arzt:앚 in Verbindung zu setzen.10 Ob sie das Erstere 앚:zu thun beabsichtigt oder:앚 gethan hat gund mit welchem Erfolge,g weiß ich 앚:bisher:앚 nicht u v w x alle > immerhin einige y wohl > vielleicht z andrerseits aber – was Frieda Gr dann eben auch dem > aber andrerseits dann selbst noch a b c Presse > Nachrichtenpresse d vielmehr > automatisch e f g oder zu thun bereit ist, > und mit welchem Erfolge,

8 Anspielung auf die Flucht aus Burghölzli 1908 während einer Entziehungskur. 9 Wegen der Möglichkeit einer Flucht oder aber vor allem einer Entführung von Otto Gross wurde dieser am 25. Januar 1914 aus Sicherheitsgründen von der Privatanstalt Tulln bei Wien nach Troppau in Schlesien in die Landesirrenanstalt verlegt. 10 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, oben, S. 391 f.

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und wissen offenbar auch Sie nicht. Sie sagten mir in Berlin,11 daß Frieda Gr[oss] sich durch ihr scheinbar passives Verhalten bei den Freunden von Otto Groß dem Verdacht aussetzt, sich nicht mehr fürh diesen zu interessieren. Diesen Verdacht muß sie 앚:dann eben:앚 schlechterdings tragen. iDenn siei muß durchausj in der Lage bleiben – in der sie sich z.Z. 앚:ja noch:앚 befindet – mit voller Ehrlichkeit den Eltern 앚:und Ärzten:앚 die Versicherung zu geben, daß sie mit der 앚:jetzigen:앚 Aktion in der Presse nichts zu schaffen hat, und ganzk das Gleiche gilt, infolge der Situation, für mich. 앚:Denn ich kann inl eine Lage kommen,m wo ich auch meinerseits mit Aufrichtigkeit das Gleiche muß versichern können, um nutzen zu können.:앚 Ich gestehe, daß mir diese 앚:gebundene:앚 Lage nalles Andre alsn angenehm ist, aber sie ist oauf absehbare Zeito vorhanden. Ich wünschte vor Allem: die Nerven von Frieda Groß möchten jetzt in aktionsfähigererp Verfassung sein als zur Zeit wo ichq zuletztr von ihr hörte12 und man erführe bald wieder etwas von ihr. Ich verstehe andrerseits die ganz andre Lage der Freunde vons Otto Groß recht gut. tAuch sie haben aber, scheint mir, zwischen der rücksichtslosen Vertretung „ihrer Sache“ und den persönlichen Interessen von Otto Groß z. Z. zu wählen.u Zumt mindesten der erste Artikel der „Revolution“ (München) vüber den Vater war v in jeder Hinsichtw so unglücklich wie möglich.x 13 Natürlich kann die ganze Situation sich ändern und mir die Freiheit der Äußerung wiedergeben. Ich kann sicherlich frühestensy in 10 – 14z Tagen das Gutachten eines Wiener Anwalts erhalten, z. Z. habe ich noch immer nicht seine Adresse. Weiteres mündlich morgen Abend. h i Sie > Denn sie j schlechterdings > durchaus k daf > ganz l m n nicht > alles Andre als o 앚:z.Z.:앚 > auf absehbare Zeit p besserer > aktionsfähigerer q r s des > von t Aber zum > Auch sie haben ... zu wählen. Zum u v war offenbar maßlo > über den Vater war w x y erst > frühestens z 12 > 14 11 Max Weber hatte Emil Lask, dessen Mutter in der Nähe von Berlin lebte, wahrscheinlich während seines Berlin-Aufenthaltes vom 2. bis 8. Januar 1914 getroffen. 12 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 29. Nov. 1913, oben, S. 405 – 407. 13 Gemeint ist der Artikel: Der bekannte Kriminalprofessor Hans Gross in Graz (Manifest) in der Sondernummer für Otto Gross, Revolution, Nr. 5 vom 20. Dez. 1913, S. 1 und 2; abgedruckt in: Hurwitz, Otto Gross, S. 24 – 26.

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Edgar Jaffé 10. Januar 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz

Heidelberg 10/1 14 Lieber Jaffé, –

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es ist mir von „Differenzen“ im Hauptausschuß der Gesellschaft für Soziologie – dem ich aus bekannten Gründen nicht mehr angehöre1 – nichts zu Ohren gekommen,2 sondern das Gegenteil. Wenn Sie auf die doch im höchsten Grade erwägenswerthe Anregung Sombarts3 eingehen wollen, so, meine ich, sollten Sie zunächst anbieten: daß Prof. Tönnies ersucht werde, in die Redaktion des „Archiv“ einzutreten. Zwei Vorsitzende4 und außerdema R[obert] Michels5 in der Redaktion geben der Gesellschaft die nötige Garantie, und an Tönnies gewinnen Sie – worüber eine Diskussion unmöglich ist – eine Kraft, die für das „Archiv“ ungemein viel mehr bedeutet als mein seit geraumer Zeit 앚:an dieser Stelle:앚 ganz sinnloser Name. Ich teile Sombart diese Antwort von mir mit.6 – Ja – das neue Bankgesetz Wilson’s steht doch schon lange zur Dis-

a 1 Weber war wegen Differenzen über die Frage der Behandlung von Werturteilen am 22. Oktober 1912 aus dem Hauptausschuß der DGS ausgetreten (MWG II/7, S. 709). 2 Tatsächlich läßt das Hauptausschußprotokoll vom 3. Januar 1914 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10) keine internen Differenzen erkennen; auch in der übrigen DGS-Korrespondenz aus dieser Zeit gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte. 3 Auf der Hauptausschußsitzung vom 3. Januar 1914 (wie Anm. 2) war beschlossen worden, daß mit dem Verleger des AfSSp „bezügl. der Lieferung zum Vorzugspreise an die Mitglieder der DGS, der Einräumung eines bestimmten Teiles für Gesellschaftsmitteilungen, der Bezeichnung des Archivs als Gesellschaftsorgan“ verhandelt werden solle. Vgl. dazu auch den Brief an Jaffé vom 22. Jan. 1914, unten, S. 478 f. und 482 f. Die Idee ist anscheinend nicht ernsthaft weiter verfolgt worden, da sich weder in den Akten der DGS – soweit vorhanden – noch im VA Mohr/Siebeck in Tübingen einschlägige Dokumente befinden. Das AfSSp ist kein Mitteilungsorgan der DGS geworden. 4 D. h. Ferdinand Tönnies und Werner Sombart. 5 Der Mitherausgeber des AfSSp Robert Michels war auf der Hauptausschußsitzung der DGS vom 3. Januar 1914 (wie Anm. 2) zu deren Rechner gewählt worden. 6 Eine entsprechende Mitteilung Webers an Werner Sombart ist nicht nachgewiesen.

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kussion!7 Ich kann doch nicht annehmen, daß Sie nun erst an eventuell zeitraubende Erwägungen von Umarbeitungen gehen wollen?8 – Dann könnten Sie ja imb Februar nicht fertig sein! – Über Fideikommissec kann ich jetzt nicht schreiben oder höchstens einen Zeitungsartikel,9 keine wissenschaftliche Arbeit. Ich habe die Absicht und fühle die Pflicht, meine Verpflichtungen gegen Siebeck allem Andren vorangehen zu lassen und danke Ihnen für Ihre abermalige Zusage. Mit kollegialen Grüßen Ihr Max Weber

b Anfang > im

c O: Fideikomisse

7 Gemeint ist die Reform des amerikanischen Bankensystems unter der Präsidentschaft Woodrow Wilsons durch den „Federal Reserve Act“ vom 23. Dezember 1913. Durch dieses Gesetz wurden zwölf über die gesamten USA verteilte Federal Reserve Banks geschaffen, die zum großen Teil den europäischen Notenbanken vergleichbare Aufgaben wahrnahmen. Das Gesetz stand am Ende langwieriger Reformbemühungen im amerikanischen Bankwesen, und zwar als Reaktion auf die bedrohliche Kreditkrise von 1907. 8 Ein entsprechender Abschnitt findet sich im GdS-Beitrag von: Jaffé, Englisch-amerikanisches Bankwesen, unter dem Titel: Die Krisis von 1907 und die Reform der Bankgesetzgebung (Federal Reserve Act vom 23. Dezember 1913), S. 209 – 214. 9 Einen derartigen Artikel hat Weber nicht geschrieben. Er ist erst 1917 auf diese Thematik zurückgekommen.

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Paul Siebeck 16. Januar 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 16/1 14 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

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Von meiner Seite steht natürlich Ihren Wünschen gar nichts entgegen:1 1) nicht bezüglich der „Abteilungen“.2 Nur wird nicht immer eine ganze Abteilung (ich nehme an, daß eine solche = ein „Buch“ des Stoffverteilungsplans gerechnet werden soll)a zugleich erscheinen können. Sondern zunächst nur: a) Bücher,3 Schumpeter,4 Wieser5 von Buch I (Schumpeter gehört an diese Stelle)6 und b) Handel, Banken, Verkehr von Buch III, jedes als eine Lieferung. Also kann man nicht das ganze Werk durchpaginieren, sondern: Buch I und II zusammen, Buch III in sich, Buch IV in sich, Buch V in sich. 2) Bezüglich der Separatausgaben ist mir Alles recht. Ich bitte Sie, Sich mit den Autoren zu einigen, und dabei stelle ich anheim zu sagen: daß ich Ihren Vorschlag für durchaus praktisch und nützlich ansehe.7 – a O: soll, 1 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 14. Jan. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber gebeten, sich zu seinen Vorschlägen zum GdS vom 29. und 31. Dez. 1913 (ebd.) zu äußern; zu diesen Vorschlägen siehe Anm. 2 und 7. 2 Siebeck hatte in seinem Brief vom 31. Dez. 1913 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) nach der Auflistung der bisherigen Manuskriptüberschreitungen um 31 Bogen und 13 Seiten den Gedanken geäußert, „das Werk nicht in zwei Bänden auszugeben, sondern in einzelnen Abteilungen. Wenn man diese doppelt paginiert, so kann ja der Zusammenhang des Ganzen doch aufrecht erhalten bleiben. Für 2 Bände wird der Umfang [...] zweifellos zu groß.“ 3 Bücher, Entwicklungsstufen. 4 Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte. 5 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 6 Im Stoffverteilungsplan von 1910 war der Beitrag von Schumpeter im Abschnitt IV: „Wirtschaftswissenschaft“, von Buch I: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, plaziert. 7 Dazu äußert Siebeck im Anschluß an das in Anm. 2 wiedergegebene Zitat aus seinem Brief vom 31. Dez. 1913: „Wenn nun aber einzelne Abteilungen so groß werden, wie die Ihrige und vermutlich auch diejenige von Herrn von Wieser, so würde ich bezüglich der Separatausgaben von dem § 3 des Vertrags wünschen, entbunden zu werden, welcher besagt, daß die Sonderausgabe in einem nicht zu großen, möglichst

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Die Gesammtüberschreitung kennen wir ja nicht wirklich definitiv, solange nicht alle Manuskripte vorliegen. Von Allem was vorliegt, haben Sie ja die Daten, von Gottl und Salz gab ichb sie Ihnen s. Z. an.8 Von mir gilt: daß mein Gesammtbeitrag zu Buch I ca 30 Bogen in Maximo beträgt.9 Die andren soviel, wie vorgesehen war (sie sind ja fast durchweg von Andren übernommen).10 Ich hoffe, dies giebt Ihnen die nötigen Grundlagen. Oder was müssen Sie noch wissen? Prof. v. Gottl würde sehr gern eine Gesammtausgabe seiner 3 Beiträge, – die alle in Buch I hintereinander sollen,11 sie eignen sich besser dazu – als Separatausgabe von Ihnen veranstaltet sehen. Ich bin sicher, daß Sie damit sehr gut fahren würden, da die Darstellung sehr gut als Colleg-Grundriß (er hat Riesen-Vorlesungen) sich eignet. Zu jeder andren Auskunft stets zu Ihrer Verfügung Ihr stets ergebener, herzlich grüßender Max Weber

b handlichen Format erscheinen solle, über das die Kontrahenten sich nähere Vereinbarung vorbehalten. Dieser Paragraph beruht wohl auf der Annahme, daß die Separatausgaben in dem großen Format des Handbuchs zu dünne Hefte ergeben würden. Diese Befürchtung fällt ja nun hin. Und wenn wir nun darauf hinauskämen, daß wir das Werk in einzelnen Abteilungen ausgäben, so würden ja Sonderausgaben sich quasi erübrigen und schließlich nur darin noch bestehen, daß von denjenigen Teilen, für die Sonderausgaben vereinbart waren, eine höhere Auflage gedruckt wird.“ 8 Vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 30. Dez. 1913, oben, S. 448 – 450. 9 D. h. Wirtschaft und Gesellschaft. 10 Die große Mehrzahl der anfänglich laut Stoffverteilungsplan von 1910 von Weber übernommenen Beiträge hatte allerdings keinen neuen Autor gefunden; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck, vor oder am 25. Nov. 1913, oben, S. 400, Anm. 3. 11 Zu dem Gesamtbeitrag: v. Gottl, Wirtschaft und Technik, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 229, Anm. 21.

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Hermann Beck 17. Januar 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.60 Der Brief liegt in drei verschiedenen, textidentischen Abschriften vor. In dem zweiten Exemplar (ebd.) findet sich lediglich in der Orts- und Datumszeile statt „1914“ „14“ sowie im Text selbst anstelle von „z. Z.“ „zur Zeit“. Das dritte Exemplar (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 18b, Bl. 217) ist mit dem hier abgedruckten identisch, nur findet sich die in den anderen Abschriften fehlende Gliederungsziffer: „II“. Diese wird hier übernommen. Das Schreiben trägt am Briefkopf den maschinenschriftlichen Vermerk: „Abschrift.“

Heidelberg, den 17. I. 1914. Sehr geehrter Herr Doktor!

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I. Ich bitte Sie, mich aus der Mitgliederliste – ich bin z. Z. nur zahlendes Mitglied – ganz zu streichen und den Beitrag bis zum nächsten Austrittstermin einzuziehen. Der Vorstand der Gesellschaft ist z. Z. so zusammengesetzt, daß ihm zwei Herren (einer als Rechner) angehören, welche in Berlin als Referenten dema § 2 der Statuten1 widersprechend gehandelt haben.2 Vor allem aber ein Herr als Vorsitzena In Abschrift: den 1 Weber spricht irrtümlich vom § 2, meint aber den § 1 der DGS-Statuten, an dessen Ende es heißt: „Sie [d. h. die DGS] gibt allen wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum und lehnt die Vertretung irgendwelcher praktischen (ethischen, religiösen, politischen, ästhetischen usw.) Ziele ab.“ Hier zitiert nach: Verhandlungen 1910, S. V. 2 Gemeint sind Paul Barth und Robert Michels. Letzterer war am 3. Januar 1914 auf einer Hauptausschußsitzung (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10) anstelle von Rudolf Goldscheid zum neuen Rechner der DGS ernannt worden. Weber bezieht sich hier auf deren Reden auf dem Zweiten Deutschen Soziologentag in Berlin. Barth hatte über „Die Nationalität in ihrer soziologischen Bedeutung“, abgedruckt in: Verhandlungen 1912, S. 21 – 48, referiert, Michels über das Thema „Die historische Entwicklung des Vaterlandsgedankens“, ebd., S. 140 – 184. Anläßlich des Vortrags von Barth war es durch dessen Mißachtung des statutenmäßig festgeschriebenen Grundsatzes der Werturteilsfreiheit bzw. -enthaltung zu einem Eklat gekommen. Als Barth die Frage erörtern wollte, ob der nationale dem internationalen Staat vorzuziehen sei, wurde er u. a. von Max Weber unterbrochen. Dazu heißt es in dem Bericht, in: FZ, Jg. 57, Nr. 293 vom 22. Okt. 1912, 3. Mo.Bl., S. 2: „Er [d. h. Barth] wird vom Vorsitzenden [Tönnies] darauf aufmerksam gemacht, daß die Mitglieder der Soziologischen Gesellschaft die Formulierung von Werturteilen zu vermeiden haben. Es entsteht eine lebhafte Unterbrechung. Mit der alten leidigen Frage der Berechtigung oder Nichtberechtigung der Werturteile ist eben der wunde Punkt berührt. Der Vortragende will fort-

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der,3 der diesen § und den darin ausgedrückten Grundsatz in Frankfurt innerhalb unserer Diskussionen öffentlich, vor einem zu seiner Erörterung unzuständigen Publikum und bei einer Gelegenheit, bei welcher Methodenfragen oder ähnliches 앚:nicht:앚 zur Diskussion standen, angriff4 und auf mein Verlangen sich nicht bereit zeigte anzuerkennen, daß dies inkorrekt war.5 –

fahren, wird aber von Max Weber in sehr heftiger Weise durch den Zuruf unterbrochen: ‚Es ist strikte verboten, Sie dürfen nicht von Werturteilen sprechen!‘ Nach einer Verlegenheitspause beginnt die Diskussion.“ Dazu vermerkt das Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 538 vom 21. Okt. 1912, Ab.Bl., S. 4, daß Barth „nach wenigen weiteren Worten unter lebhaftem Beifall eines Teiles der Versammlung seine Ausführungen“ abgebrochen habe. In dem Bericht der FZ werden Webers Ausführungen zur Thematik wie folgt referiert: „Es ist vielleicht der letzte Soziologentag, an dem ich teilnehme. So lange ich aber teilnehme, werde ich bis zuletzt dahin wirken, daß die Trennung zwischen der Erörterung praktischer und der hier gepflegten Besprechung theoretischer Probleme streng durchgeführt wird, jene Trennung, die ja die Abzweigung der Soziologischen Gesellschaft von dem ,Verein für Sozialpolitik‘ herbeigeführt hat.“ Weber gibt dann eine Definition des Begriffes ,Nation‘. Er versteht unter Nation eine Vereinigung mit einem gemeinsamen Nationalgefühl, dessen adäquater Ausdruck ein Staat sei. Gemeinsame politische Schicksale oder gemeinsame staatliche Verfassung können einen soziologischen Kitt bilden. Weber weist dann auf die Bedeutung der Rassen, Sprach- und Kulturgemeinschaften, der Literatur und der Presse für die Entstehung von Nationalitäten hin.“ 3 Gemeint ist Rudolf Goldscheid. Anlaß für die personelle Änderung an der GdS-Spitze war das Ausscheiden von Georg Simmel aus dem Vorstand am 11. Okt. 1913 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.49) gewesen: „Im Lauf der Jahre haben sich [...] meine Interessen und meine Arbeitsrichtung so völlig der reinen Philosophie zugewandt und sind mit einem Radikalismus, der mich selbst überrascht hat, der Soziologie entfremdet, daß mein Verbleiben an einer führenden Stelle der Gesellschaft eine innere Unehrlichkeit bedeutet.“ Auf der Hauptausschußsitzung vom 3. Januar 1914 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10) wurde bei der Ersatzwahl für Simmel der schon auf der Vorstandssitzung vom 1. November 1913 (ebd.) dafür vorgeschlagene Rudolf Goldscheid zu dessen Nachfolger bestimmt. An die Stelle Goldscheids als bisherigem Rechner trat Robert Michels. Die Wahl Goldscheids mußte auf Weber insofern als Affront wirken, als mit dieser Entscheidung der entschiedenste Gegner der statutenmäßig festgelegten Werturteilsfreiheit in eine herausragende Position innerhalb der DGS-Organisation gelangt war. 4 Goldscheid hatte seinen Diskussionsbeitrag auf dem Frankfurter Soziologentag 1910 zur Rede von Hermann Kantorowicz über „Rechtswissenschaft und Soziologie“ dazu benutzt, gegen die Verankerung des Prinzips der Werturteilsfreiheit in den DGSStatuten zu polemisieren. Der Beitrag Goldscheids wurde nachträglich auf dessen eigenen Wunsch nicht in den DGS-Band: Verhandlungen 1910, aufgenommen, jedoch ist eine Fahnenseite seiner Rede erhalten geblieben; zu deren Wortlaut vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an den Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), vor oder am 27. Mai 1911 (MWG II/7, S. 219). 5 Vgl. dazu Webers Ausführungen in seinem Brief an Edgar Jaffé vom 22. Jan. 1914, unten, S. 479 f.

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Ich ziehe nur die Konsequenz früherer Erklärungen, wenn ich demgemäß jegliche Art von Zusammenarbeit mit der Gesellschaft und insbesondere Ihrem Vorstande ablehne, obwohl ich, wie bekannt, mit dessen Mitgliedern teilweise – auch mit einem der oben genannten Herren6 – auf sehr freundlichem Fuß stehe, und den Arbeiten der Gesellschaft alles Gute wünsche. II. Schwierigkeiten können dadurch nur für die, wie mir mitgeteilt wird, von der Gesellschaft fortgesetzte Presse-Enquete entstehen.7 An der Behebung der Schwierigkeiten mitzuwirken halte ich mich für verpflichtet und werde, da nach Ihrer Mitteilung Herr Prof. Sombart zur Erörterung dieser Dinge mit mir bestimmt wurde, diesem in absehbarer Zeit einen Bericht zusenden,8 stelle auch alles, was an Korrespondenzen oder angeknüpften Beziehungen irgend erwünscht ist, gern zur Verfügung. Ebenso werde ich dann über die der Gesellschaft von mir s. Z. in Aussicht gestellten Subventionen berichten. Das Institut für Gemeinwohl wird die betreffende Summe wohl sicher ganz unabhängig von meiner Person zur Verfügung halten, bei der hiesigen Akademie sind die Schwierigkeiten wohl erheblicher, aber ich denke, daß Herr Kollege Gotheina – der, wie ich bemerke, formell noch Vorsitzender des Ausschusses für diese Arbeit ist – sich dort dafür wird einsetzen können. Herrn Prof. Gradenwitz bitte ich von dort aus zu fragen, wie es mit dem Sinn seiner Zeichnung stand. Ich selbst erhalte selbstredend meine Zeichnung aufrecht, falls – wie zu erwarten – nur mehr als ein Drittelb der bisherigen Zeichnungen sonst aufrecht erhalten bleiben, müßte nur zur Zeit um Stundung bitten. – Über die Publikation einer fertig gestellten Arbeit (über die württembergische Presse) würde die Gesellschaft schon jetzt zu beschließen in die Lage

a In Abschrift: Gotheim

b In Abschrift: drittel

6 D. h. Robert Michels. 7 Zu Entstehung und Verlauf der Presse-Enquete vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 28. Febr. 1913, oben, S. 102, Anm. 7. 8 Zu einem solchen Bericht Webers an Werner Sombart ist es anscheinend nicht gekommen; die letzte Äußerung in den uns vorliegenden DGS-Unterlagen findet sich in einem Brief von Hermann Beck an Sombart vom 18. Mai 1914 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 18b, Bl. 247): „In der Pressesache wäre es von höchstem Werte, wenn Sie an Max Weber einen energischen Brief schreiben würden. Wir müssen doch nunmehr in der Frage der Beteiligung Weber’s und Gothein ’s einen endgiltigen Bescheid erhalten.“

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kommen.9 Ebenso habe ich Schüler des Herrn Prof. Gotheinc beraten,10 welche mit Arbeiten fertig sind, die Wert besitzen. Alle näheren Angaben stehen Herrn Prof. Sombart jederzeit zur Verfügung. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber.

c In Abschrift: Gotheim 9 Gemeint ist die Arbeit von Otto Groth. Dieser hat tatsächlich sein Manuskript am 20. März 1914 an Hermann Beck gesandt (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 18b, Bl. 240 – 241), der es dann an Werner Sombart zur Prüfung weiterleitete. Am 28. April 1914 drängte Groth Sombart bzw. die DGS (ebd., Bl. 244 – 245) auf eine „rasche Entscheidung“ über die Publikationsmöglichkeit seiner Arbeit im Rahmen der DGS-Schriften, da er „in 2 Monaten“ das vorgesehene Pflichtexemplar seiner Dissertation abliefern müsse. Da sich die DGS außerstande sah, ihm eine positive Zusage zu machen, ist die Arbeit separat erschienen: Groth, Otto, Die politische Presse Württembergs. – Stuttgart: Scheufele 1915. 10 Zu den Dissertationen über Zeitungswesen, die von Eberhard Gothein betreut wurden, vgl. den Brief an den Vorstand der DGS vom 5. Dez. 1913, oben, S. 421, Anm. 2. In den diesen Dissertationen beigegebenen Lebensläufen wird allerdings Max Weber nirgends erwähnt.

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Paul Siebeck 19. Januar 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 19/1 14 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

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Ich würde vorschlagen, dann die beiden ersten Abteilungen so zu gestalten:1 Buch I: I Bücher2 II v. Wieser3 aSchumpeter4 1. III Oldenberg5 Abteilung Hettner6 Mombert7 Michels („W[irtschaft] und Rasse“, 1 Bogen) IV Herkner („W[irtschaft] u. Arbeit“)8

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2. Abteilung

V VI VII

W[irtschaft] u. Technik Gottl W[irtschaft] u. Gesellschaft Weber Entwicklung der wirtsch[afts]pol[itischen] Ideale. Philippovich9

a 1 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 14. oder 17. Jan. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) – die beiden maschinenschriftlichen Blätter des Briefes tragen verschiedene Daten – Weber vorgeschlagen, Buch I in zwei Abteilungen zu zerlegen, „damit nicht ein gar zu schwerer und unhandlicher Band daraus entsteht.“ 2 Bücher, Entwicklungsstufen. 3 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 4 Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte. 5 Oldenberg, Konsumtion. 6 Hettner, Geographische Bedingungen. 7 Mombert, Bevölkerungslehre. 8 Herkner, Arbeit und Arbeitsteilung. 9 Gemeint ist der Beitrag von Eugen v. Philippovich, nach dem Tode des Verfassers durchgesehen von Eduard Heimann, erschienen unter dem Titel: Entwicklungsgang der wirtschafts- und sozialpolitischen Systeme und Ideale. I. Die Entwicklung bis zum Kriege, in: GdS, Abt. I, Teil 1, 2., erweiterte Aufl. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1924, S. 125 – 183 (hinfort zitiert als: v. Philippovich, Systeme und Ideale).

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Die 2. Abteilung ist dann etwas größer als die erste, aber nicht allzu viel. Denn ich hoffe unter 30 Bogen zu bleiben.10 Soll durchnummeriert werden? Bandweise? Das könnte geschehen. Oder Abteilungs-weise? Und kann für die Separata die Paginierung neu gesetzt werden? Oder müßte Alles stehen bleiben?11 (Das würde den Autoren wohl nicht recht sein!) Mit Ihrem Register-Vorschlag bin ich völlig einverstanden.12 Herzliche Grüße! Max Weber

10 Gemeint ist Webers Beitrag „Wirtschaft und Gesellschaft“. 11 Dazu heißt es in Paul Siebecks Antwort vom 20. Jan. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) lediglich, daß die Paginierung „mit jeder Abteilung neu beginnen“ müsse. 12 Siebeck hatte in seinem Brief vom 14. oder 17. Jan. 1914 (wie Anm. 1) einen Separatband bzw. eine Sonderabteilung für ein GdS-Gesamtregister vorgeschlagen.

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Hermann Beck 20. Januar 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.60 Der Brief steht in Zusammenhang mit der projektierten Enquete über Zeitungswesen im Rahmen der DGS; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 28. Februar 1913, oben, S. 102, Anm. 7. Das Schreiben liegt in zwei textidentischen maschinenschriftlichen Abschriften vor (ebd.). Am Briefkopf findet sich der maschinenschriftliche Vermerk: „Abschrift.“

Heidelberg, den 20.I.1914. Sehr geehrter Herr Doktor.

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Anbei sende ich ein Schreiben des Herrn Chefredakteur Scheel1 Mannheim, in Sachen der Presse-Enquete. Der letzte Abschnitt ergibt, worum es sich praktisch handelt. Der Reichsverband der Presse wollte mit der Gesellschaft für Soziologie kooperieren. – Da ich ausscheide und nur zu privater Beratung der neuen Leitung bereit bin, – in dieser Eigenschaft bin ich aber durchaus zu erheblicher Arbeitslast, die aus meiner bisherigen Beteiligung als Pflicht folgt, geneigt, solange dies mir nützlich und angänglich scheint –, so ist es m. E. wohl an der Zeit, daß der Vorstand sofort einen neuen Leiter, und zwar mit möglichst absoluter, unbeschränkter Vollmacht, ernennt, da er ja offenbar gewillt ist, den bisherigen „Ausschuß“ (der tatsächlich als solcher nichts getan hat) zu ignorieren. Ich hoffe annehmen zu dürfen, daß Herr Prof. Sombart schon jetzt vom Vorstande dazu ausersehen ist,2 schließe dies wenigstens aus dem letzten dortseitigen Schrei1 Der Brief von Fritz Alfred Scheel an Max Weber ist in den noch existierenden DGSUnterlagen nicht nachgewiesen. 2 Dazu teilte Hermann Beck in seiner Antwort an Weber vom 29. Jan. 1914 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.15) mit, daß unter dem Vorsitz von Werner Sombart kurz zuvor eine Tagung mit Artur Landsberger und Karl Munzinger über ihre jeweiligen Arbeitsvorhaben in Sachen Zeitungswesen stattgefunden habe. Bei dieser Gelegenheit sei von ihm (d. h. Beck) eine Konferenz angeregt worden, um die verschiedenen Zeitungsprojekte zu koordinieren und voneinander abzugrenzen: „Dieser Vorschlag fand allseitig Beifall, nur wurde es als unerläßliche Voraussetzung bezeichnet, daß sich unsere Gesellschaft vorher auf ein klarumrissenes Programm unseres eigenen Planes einigt, damit auf der Konferenz eine Abgrenzung von den anderen Arbeiten praktisch durchführbar ist. Wir wären nun Ihnen sehr dankbar, wenn Sie als Vater des Gedankens und Verfasser des s. Zt. entworfenen großen Programmes sich der Mühe unterziehen würden, ein spezielleres in absehbarer Zeit zu

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ben, und hoffe ferner im Interesse der Sache, daß der genannte Herr bereit ist, sofort die recht erhebliche Arbeitslast auf sich zu nehmen, welche nunmehr erforderlich werden wird. Andernfalls stelle ich auch jede private Mitwirkung ein, weil sie ja dann ganz und gar zwecklos ist. Die einfachste Lösung wäre dies. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber.

bewältigendes Arbeitsprogramm für unsere Gesellschaftsarbeit zu entwerfen. Natürlich wäre es von Wert, gleichzeitig zu erfahren, in welcher Richtung sich die bisher begonnenen Arbeiten bewegen.“ Eine Antwort bzw. Stellungnahme Webers zu diesem Anliegen Becks ist nicht überliefert. Webers Schreiben vom 20. Jan. 1914 scheint das letzte gewesen zu sein, das er an die DGS geschrieben hat; vgl. dazu den Brief an Hermann Beck vom 17. Jan. 1914, oben, S. 471, Anm. 8. Von weiteren Aktivitäten Webers in der DGS in Sachen Presse-Enquete lassen die überlieferten Dokumente im Nl. Ferdinand Tönnies in der SHLB Kiel und im Nl. Werner Sombart im GStA Berlin nichts erkennen.

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Werner Sombart 20. Januar 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 50 Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der projektierten Enquete über Zeitungswesen im Rahmen der DGS; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 28. Februar 1913, oben, S. 102, Anm. 7.

Heidelberg, 20.1.14.

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Der heut der Beschleunigung halber an Dr. Beck geschickte Brief des Herrn Chefredakteur Scheel1 wird Ihnen zeigen, daß Sie sofort die Leitung der Pressesache in die Hand nehmen müssen.2 Alle und jede Auskunft, und wo Sie sie nötig haben: Hilfe von mir steht zur Verfügung, insbesondere über Geldzusagen angeknüpfte Beziehungen etc. Ich beteilige mich nur in dieser Form noch an der Sache. Ich bin es der Konsequenz meines Standpunkts schuldig, nach der Wahl der – wie Sie es ausdrücken – „schleimigen Größe“ Dr. Goldscheids zum Vorsitzenden3 jede Beziehung zu der Gesellschaft zu meiden. Es wußte ja jeder von Ihnen, daß ich diese Konsequenz ziehen würde. Nun aber ziehen Sie die Ihnen zufallende Konsequenz: Übernahme der Arbeit. Auf eine Anfrage Jaffés: warum ich denn aus dem Archiv herauswolle (seit Jahren wird darüber verhandelt!) werde ich heut antworten4 und ihn bitten Ihnen den Brief zu schicken …a

a Ende der Abschrift mit Auslassungszeichen. 1 Fritz Alfred Scheel hatte in seinem nicht erhaltenen Schreiben an Weber die Bereitschaft zur Zusammenarbeit des „Vereins Deutscher Zeitungsverleger“ mit der DGS in Sachen Zeitungsenquete signalisiert – so die Mitteilung Webers an Hermann Beck vom gleichen Tage, oben, S. 475. 2 Zwar hat sich Sombart kurzfristig für die Fortführung der Presse-Enquete engagiert – vgl. dazu das Schreiben Webers an Hermann Beck vom gleichen Tage, oben, S. 475, Anm. 2 –, zu weiteren Aktivitäten ist es jedoch nicht gekommen. 3 Zur Nachfolge Rudolf Goldscheids für den vom Vorsitz zurückgetretenen Georg Simmel vgl. den Brief an Hermann Beck vom 17. Jan. 1914, oben, S. 470, Anm. 3. 4 Gemeint ist der Brief an Edgar Jaffé vom 22. Jan. 1914, unten, S. 478 – 483.

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Edgar Jaffé 22. Januar 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers sowie zwei vermutlich für Werner Sombart bestimmten Randbemerkungen GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 51 – 54 Um den textkritischen Apparat zu entlasten, ist auf die Annotation der Unterstreichungen verzichtet worden; diese fehlen – außer bei der maschinenschriftlich gesperrt wiedergegebenen Orts- und Adressatenangabe – sämtlich in der maschinenschriftlichen Fassung und sind von Weber selbst nachträglich hinzugefügt worden. Am Briefkopf findet sich der eigenhändige Vermerk Max Webers: „Kopie“.

Heidelberg, den 22. Januar 1914. Lieber Jaffé! 1. Auf meinena Wunsch aus dem Archiv auszuscheiden bin ich ja im Lauf der letzten Jahre, wie Sie wissen, stets erneut zurückgekommen und habe nur s. Zt. Ihnen und Siebeck versprochen, die Angelegenheit zu verschieben,1 bis Ihnen, dem Verlag und dem Archiv selbst keinerlei ernstliche Ungelegenheiten dadurch entstehen. Dies Versprechen bleibt natürlich bestehen. Gelänge es aber, F[erdinand] Tönnies zum Eintritt zu gewinnen,2 so wäre jene Bedingung doch wohl erfüllt. Der sachliche Grund, weshalb ich trotz unserer freundlichen Beziehungen und Ihres stets bereitwilligen Entgegenkommens gern ausscheiden möchte, ist, nehme ich an, Ihnen doch bekannt: ich kann mich in absehbarer Zeit nicht ernsthaft an der Arbeit am Archiv beteiligen und

a In Abschrift: meinem 1 Weber war insbesondere im November/Dezember 1912 fest entschlossen gewesen, aus dem AfSSp auszuscheiden. So hatte er am 23. Nov. 1912 an Robert Michels (MWG II/7, S. 767) geschrieben, daß er Jaffé seine „Teihaberschaft am ‚Archiv‘ gekündigt “ habe. Oskar Siebeck, der Weber am 3. Dezember 1912 wegen seines angekündigten Austritts aus dem AfSSp persönlich in Heidelberg aufsuchte, konnte ihn jedoch dazu bewegen, seinen Plan vorerst nicht in die Tat umzusetzen. So erklärte Weber in seinem Brief an Paul Siebeck vom 15. Dez. 1912 (MWG II/7, S. 803), daß die Sache vertagt worden sei, sowie in seinem Brief an Edgar Jaffé vom 18. Dez. 1912 (ebd., S. 805) mit der zusätzlichen Erklärung: „Aber nicht definitiv. Es ist nun schon so oft geschehen u. ich komme bald in den Geruch, immer freundlicher Worte zu bedürfen, um mich dann zum Bleiben ‚bitten‘ zu lassen.“ 2 Im folgenden geht es um den Plan, das AfSSp zum offiziellen Mitteilungsorgan der DGS zu machen; vgl. dazu den Brief an Jaffé vom 10. Jan. 1914, oben, S. 465.

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meiner Eigenart entspricht es nun einmal, daß ich diesen Zustand als eine Scheinherausgeberschaft empfinde und zunehmend schwer ertrage. Das liegt doch z. B. für Sombart, der ältere Beziehungen zum Archiv hat,3 anders und ich hielte, wie ich Ihnen ja oft gesagt habe, sein Ausscheiden im Gegensatz zu dem meinigen für eine des Eindrucks wegen immerhin vielleicht ernstliche sachliche Schädigung. Ich bemerke im übrigen nur noch, daß mir gegenüber in Berlin von ganz unbeteiligter Seite die b„Vortrefflichkeit“b der gegenwärtigen Leitung des Archivs hervorgehoben wurde, von der doch jedermann weiß – da ich es stets offen sage – daß ich daran gänzlich unbeteiligt bin. Wird das Archiv c„Organ“c der Gesellschaft für Soziologie, so ist bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Vorstandes selbst bei Ausschluß jeder ernsthaften Ingerenz dieses letzteren mein Austritt Vorbedingung,d aus den Gründen, welche ich nunmehr zu erörtern habe. 2. Mein Austritt aus der Gesellschaft für Soziologie4 hat, wie ich auf Ihren Wunsch Ihnen bereitwillig und ausführlich mitteilen will, folgende Gründe: Ich habe mich an der Gründung dieser Gesellschaft ausgesprochenermaßen nur deshalb eifrig beteiligt, weil ich hier einen Ort wertfreier wissenschaftlicher Arbeit und Diskussion zu finden hoffte. Ich kann also nicht mit einem Vorstande zusammenarbeiten, dessen einer Vorsitzender,e Herr Goldscheid5 f(über dessen Beurteilung ich im übrigen, wie Sombarts Briefe zeigen, mit diesem ja ganz übereinstimme),f 6 auf der Frankfurter Tagung den entsprechenden Statutengrundsatz vor dem Publikum anzugreifen für richtig hielt7 und dies Verhalten auch

b Anführungszeichen eigenhändig. c Anführungszeichen eigenhändig. d Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: 1) NB! das gilt natürlich nicht für die sehr begrenzten Vorschläge, die Sie Jaffé gemacht haben. Weber. e Komma eigenhändig. f Klammern und nachfolgendes Komma eigenhändig; öffnende Klammer ersetzt Komma. 3 Werner Sombart, der Heinrich Braun in den 1890er Jahren politisch und menschlich besonders nahestand, war einer der Hauptautoren in dem von diesem herausgegebenen Archiv für soziale Gesetzgebung, dem Vorgänger des AfSSp, gewesen. 4 Weber hatte in seinem Brief an Hermann Beck vom 17. Jan. 1914, oben, S. 469 – 471, seinen Austritt aus der DGS erklärt. 5 Zur Wahl Rudolf Goldscheids zum neuen Vorstandsmitglied bzw. zu einem der drei Vorsitzenden der DGS anstelle des zurückgetretenen Georg Simmel vgl. den Brief an Hermann Beck vom 17. Jan. 1914, oben, S. 470, Anm. 3. 6 Zu Webers Beurteilung von Rudolf Goldscheid vgl. die entsprechende Bemerkung in seinem Schreiben an Werner Sombart vom 20. Jan. 1914, oben, S. 477. 7 Vgl. dazu den Brief an Hermann Beck vom 17. Jan. 1914, oben, S. 470, Anm. 4.

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später auf gmein brieflichesg Vorhalten,8 als inkorrekt anzuerkennen sich weigerte. Denn daß auf sein Ersuchen seine damalige reichlich konfuse Rede als angeblich stenographisch verstümmelt (in Wahrheit noch stark geschmeichelt) ganz gestrichen wurde,9 kann ich keinen passenden Weg der Selbstrektifikation finden.h Auf der Berliner Tagung des Jahres 1912 haben mit einer einzigen Ausnahme (L[udo] M[oritz] Hartmann)10 sämtliche offiziellen Referenten11 demi gleichen Statutengrundsatz zuwidergehandelt – was mir als j„Beweis“ j seiner Undurchführbarkeit dauernd entgegengehalten wird. Zwei dieser Herren, Michels und Barth,12 bei denen jeder Blick in ihre Reden genügt, um zu zeigen, daß auch nicht die geringste sachliche Nötigung zur Hereinziehung von Wertungsfragen bestandk, sind jetzt neu in den Vorstand eingetreten. Wie ich mich verhalten würde, wenn der Vorstand keine Garantie für die Nichtwiederkehr dieser Statutenwidrigkeiten schaffe, habe ich s. Zt. in Berlin ausdrücklich gesagt. Keins der Mitglieder, welche nunmehr insbesondere Herrn Goldscheid zum Vorsitzenden wählten, konnte darüber im Zweifel sein, daß ich die Konsequenzen ziehen und dadurch für mich l„reinliche“l 13 Verhältnisse schaffen würde. Denn eine solche Personenfrage wäre herzlich gleich-

g meinen brieflichen > mein briefliches h Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: 2) NB! Daß er jetzt, wie mir geschrieben wird, „Wohlverhaltungs“-Zusagen gegeben hat, um „Vorsitzender“ werden zu können, macht mir diesen Herrn nicht schmackj Anführungszeichen eigenhänhafter. Im Gegenteil! Weber i In Abschrift: den dig. k entstand > bestand l Anführungszeichen eigenhändig. 8 Briefe Webers an Rudolf Goldscheid sind nicht nachgewiesen. 9 Ein Fahnenblatt von Goldscheids Frankfurter Redebeitrag ist erhalten geblieben; zu dessen Wortlaut vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an den Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), vor oder am 27. Mai 1911 (MWG II/7, S. 219). 10 Gemeint ist die Rede von Ludo Moritz Hartmann, Die Nation als politischer Faktor, erschienen in: Verhandlungen 1912, S. 80 – 97. 11 Weber denkt hierbei an die Reden von Paul Barth, Die Nationalität in ihrer soziologischen Bedeutung, veröffentlicht in: Verhandlungen 1912, S. 21 – 48; Ferdinand Schmid, Das Recht der Nationalitäten, ebd., S. 55 – 72; Franz Oppenheimer, Die rassentheoretische Geschichtsphilosophie, ebd., S. 98 – 139, sowie von Robert Michels, Die historische Entwicklung des Vaterlandsgedankens, ebd., S. 140 – 184. 12 Zum Eklat, den die Rede von Paul Barth auslöste, vgl. den Brief an Hermann Beck vom 17. Jan. 1914, oben, S. 469 f., Anm. 2. 13 Anspielung auf das damalige geflügelte Wort aus einem Gedicht von Ludwig Wantrup: „so reinlich und so zweifelsohne“. Zitiert nach: Büchmann, Georg, Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes, 26. Aufl., neu bearb. von Bogdan Krieger (3., unveränderter Abdruck). – Berlin: Haude & Spenersche Buchhandlung Max Paschke 1920, S. 249.

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gültig, wenn Herr Goldscheid wie andere Vereinsgründer seiner Art nur den Ehrgeiz besäße, die Gesellschaft rein äußerlich zu repräsentieren. Unseligerweise aber verfügt er über eine sog. Weltanschauung14 und erhebt im Zusammenhang damit wissenschaftliche Prätensionen, deren Natur jede Arbeit mit ihm für mich ausschließtm. Wie sich von selbst versteht, mute ich schlechthin niemand zu, ebenso zu handeln, insbesondere z. B. Sombart nicht. Freilich müßte jeder ernsthaft wissenschaftlich gesonnene Mann, der im Vorstand bleibt, sich bewußt sein, daß Einfluß nur der hat, welcher dauernd die Arbeit tut, und daß er also ein sehr erhebliches Maß persönlicher Arbeit und anderer Opfer in diese Sache stecken muß, – wie ich es s. Zt. tat –, damit sie nicht einfach die Beute des Betätigungsbedürfnisses ziemlich subalterner n, nationaler und internationaler,n Kongreßmeierei und Wanderrednerei (in den neu als Redebühne zu gründenden Ortsgruppen) werde. Ganz ausdrücklich um dies zu verhindern, hatten sich Sombart und ich s. Zt. ja zusammengetan. Dazu tritt nun ein rein persönlicher, also vollends für niemand sonst maßgebender Grund. Herr Goldscheid hat die Empfindung geäußert: ein von ihm geschaffenes Werk bedeutsamer Vereinsgründung15 (eben diese Gesellschaft) sei ihm o(dem Vereinsvater) „fortgenommen“o und,p qals eineq Art von Verletzung des r„Vereinsmeierrechtes“r, sozusagen, von mir begangen worden. Das wäre ja nun an sich nur ergötzlich. Ich habe michs aber durch ganz zuverlässige Freunde darüber ver-

m In Abschrift: ausschließen n Kommata eigenhändig. o Klammern und Anführungszeichen eigenhändig. p Komma eigenhändig. q also einer > als eine r Ans führungszeichen eigenhändig. 14 Rudolf Goldscheid war Anhänger des zur damaligen Zeit weitverbreiteten naturwissenschaftlich ausgerichteten Monismus; vgl. dazu das zumindest in dieser Hinsicht treffende Urteil von Othmar Spann in seinem Schreiben an den Vorstand der DGS vom 22. Juli 1914 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.51) bezüglich der philosophischen Position Rudolf Goldscheids: „In rein sachlicher Hinsicht muß ich freilich dabei bleiben, daß der Monismus in philosophischer wie sozialphilosophischer (also soziologischer) Hinsicht als dilettantisch zu bezeichnen ist. Die Leistungen Ostwalds, Haeckels, etc. auf ihrem naturwissenschaftlichen Fachgebiete habe ich nicht beurteilt, daß jene Herren aber philosophisch u. soziologisch nicht ernst genommen werden können, darüber sind die Akten wohl geschlossen.“ 15 Rudolf Goldscheid als Leiter der Soziologischen Gesellschaft in Wien war 1908/ 1909 einer der Initiatoren der Gründung der DGS gewesen.

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gewissertt, daß tatsächlich meinu mir selbst nicht sehr bequemes, aber wohl schwer zu vermeidendes starkes Hervortreten in den ersten Stadien der Gesellschaft auch von ganz ernst zu nehmenden Leuten nicht als angenehm empfunden wurde.v Daß ich nun solche Empfindungen zu erregen,w oderx gegebenenfalls auch den allerärgsten persönlichen Mißdeutungen mich auszusetzen 앚:an sich:앚 wirklich nicht scheue und solche recht oft zu tragen habe, weiß schließlich jedermann. Die Rücksichtslosigkeit, mit der ich bei der ersten Konstituierung dieser selben Gesellschaft einen sogar recht bösen Schein dieser Art, mindestens aber ein schweres Odium auf mich nahm,16 einfach weil es mir sachlich damals der Mühe wert schien und andere sich scheuten, beweist es. Allein warum in aller Welt sollte ich dies denn jetzt noch weiter tun? Ich pflege nun einmal solchen Leuten immer und überall ohne weiteres bereitwilligst das Feld zu räumen, wo ich nicht für eine wichtige und aussichtsreiche Sache einzutreten für richtig halte. Auf gar keinen Fall vollends arbeite ich ohne zwingenden Grund mit diesem Kaliber als einem der Vorsitzenden irgendwie auch nur indirekt zusammen, wie ich es müßte, wenn ich z. B. an der Leitung der Presseenquete der Gesellschaft beteiligt bliebe (und nur dann hätte jetzt noch mein Bleiben praktischen Sinn). 3. Ich würde auch zum Archiv keinen Augenblick weiter in noch so indirekter Beziehung, auch nur als möglicher Mitarbeiter, bleiben, wenn ich annehmen müßte, daß auch nur die geringste noch so indirekte und vermittelte Ingerenz von Leuten jenes Schlages y(die für mich nun einmal mit einema unüberwindlichen Stich ins Subalterne behaftet sind)y in die Redaktion stattfinden könne. Allein dies ist ja keineswegs die notwendige Folge der zur Erwägung stehenden Änderung. Keine Redaktion einer angesehenen Zeitschrift kannb einem Vereinsvorstand so unsicheren Personalbestandes als solchem ein Be-

t vergewissern lassen > vergewissert u bei > mein v wird. > wurde. w Komx y Kommata eigenhändig durch Klammern ersetzt. ma eigenhändig. a b 16 Weber denkt hier vermutlich an die Annullierung der Wahl von Kurt Breysig zum provisorischen Vorsitzenden der DGS im Januar 1909; den DGS-Unterlagen zufolge war es aber eher Ferdinand Tönnies zuzuschreiben, daß diese Wahl wiederholt und dabei Max Weber anstelle Breysigs zum provisorischen Vorsitzenden ernannt wurde; vgl. dazu den Brief an Heinrich Herkner vom 17. Febr. 1909 (MWG II/6, S. 57f., Anm. 1 und 4).

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schlußrecht über Angelegenheiten der Redaktionsführung zugestehen. Es kann der Gesellschaft als solcher nur der Abdruck ihrer offiziellen Mitteilungen einschließlich der Berichte und Beschlüsse ihrer Ausschußverhandlungen zugesagt und ferner ein Verhältnis geschaffen werden, welches die Lieferung der gedruckten Stenogramme der Generalversammlungen in irgend einer buchhändlerischen Verbindung mit dem Archiv (Lieferung zu einem Vorzugspreis oder dergl.) garantiert. Dagegen wissenschaftliche Arbeiten per maiora des Vereinsvorstandes hineinzudekretieren ginge allerdings ganz und garnicht. Und cebenso indiskutabelc wäre eine generelle Juryfreiheit für alle Vorstands- oder gar alle Ausschußmitglieder: denn deren wissenschaftliche Auslese kann dazu in einem Verein nicht hinlänglich streng sein. Vielmehr müßte die Gesellschaft dem Archiv gegenüber notwendigerweise einen oder mehrere Vorstandsmitglieder, unanfechtbare Gelehrte, als ihre mit diktatorischer Vollmacht von ihr aus versehenen Vertreter periodischd

c noch indiskutabler > ebenso indiskutabel d Ende der Abschrift mit dem Seitenende; es folgt der handschriftliche Zusatz von Marianne Weber: „Schluß fehlt.“

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Frieda Gross 29. Januar 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 12 – 14 Seit Webers letztem Brief an Frieda Gross vom 29. November 1913, oben, S. 405 – 407, hatten sich deren Befürchtungen, Hans Gross werde nach der Internierung von Otto Gross Zugriff auf ihren Sohn gewinnen, bestätigt. Frieda Gross hatte durch den Anwalt Armin Fischl in Wien einen Brief von Otto Gross erhalten, der, wie Fischl im Brief an Weber vom 2. März 1914 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 61 – 64) mitteilte, ihm „vor ca. 14 Tagen von einer Gesellschaftsdame, welche in der Tullner Anstalt angestellt ist“, übergeben worden war. Dieses Schreiben, auf das sich Weber im folgenden Brief und im Brief an Otto Pellech vom 30. Januar 1914, unten, S. 491, bezieht, ist nicht im Original überliefert. Eine Abschrift davon hatte Armin Fischl auch Franz Jung in Berlin zugestellt, der sie von Maximilian Harden am 28. Februar 1914 in der Zeitschrift „Die Zukunft“, Bd. 6, S. 304 – 306, unter dem Titel „Der Fall Otto Groß“ veröffentlichen ließ. Dieser Artikel ist mit orthographischen Änderungen, aber textgleich abgedruckt in: Hurwitz, Otto Gross, S. 11 – 13, und wird nach dieser Fassung im Folgenden zitiert. Darin schrieb Otto Groß: „Das Wiener Amtsblatt hat in den letzten Tagen veröffentlicht, daß mit Beschluß vom 9. Januar 1914 wegen Wahnsinns die Kuratel über mich verhängt und daß mein Vater zu meinem Kurator ernannt worden ist. Ich bitte so innig, wie ein Mensch den Menschen bitten kann: Vor allem anderen helfen Sie jetzt meiner Frau und ihren Kindern. Es ist mein absoluter Wille, daß Frieda Gross in ihrem Recht als Mutter von keinem angetastet werden soll; daß sie allein die Kinder und jedes Recht auf ihre Kinder haben soll. Mit der Entmündigung ist mir die Möglichkeit entzogen worden, ihr dieses Recht und ihre Freiheit weiterhin zu garantieren.“ (Vgl. Hurwitz, Otto Gross, S. 11) Der Brief ist offenbar nicht vollständig veröffentlicht worden. Denn Weber bezieht sich in seinen Briefen an Otto Pellech vom 30. Januar und vom 11. Februar 1914, unten, S. 491 und 502, auf Angaben, die in der veröffentlichten Fassung nicht enthalten sind.

Heidelberg 29/1 14 Liebe Frau Frieda, – Ich würde es nicht für richtig halten, wenn Sie zugleich mit dem Vater1 korrespondieren und gegen ihn operiertena. Daher würde ich an Ihrer Stelle eine Anwalts-Vollmacht 앚:erst dann:앚 geben, wenn Ihre Briefe entweder ungünstig oder gar nicht – also etwa 8 Tage lang gar nicht – beantwortet werden. Ich würde glauben, Sie sollten jetzt dem Anwalt 2 a operieren > operierten 1 Hans Gross, der Vater von Otto Gross. 2 Der Anwalt Armin Fischl, zu dem Otto Gross schon vor seiner Internierung in Beziehung gestanden hatte, besaß keine rechtsgültige Mandatserteilung durch Otto Gross und wurde von den Behörden nicht als dessen Rechtsvertreter anerkannt. Es ergab sich daher die Frage, ob er durch eine Vollmacht von Frieda Gross ermächtigt werden

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schreiben, daß Sie diese Antwort 앚:(des Vaters):앚 abwarten, ehe Sie Ihreb Vollmacht (und Kostenvorschuß) senden, um sich nicht von seiner (des Vaters) Seite berechtigten Vorwürfen auszusetzen, 앚:die eine vielleicht mögliche Verständigung erschweren könnten.:앚 Ebenso würde ich dann für richtig halten, daß Sie 앚:(eventuell):앚 dem Anwalt eine Vollmacht zunächst nur zu dem 앚:ausdrücklichen, brieflich ihm mitzuteilenden :앚 Zweck geben, sich mit Ihrem Mann (Otto Groß) in Verbindung zu setzen, damit dieser dannc ihm Vollmacht giebt, Sie selbst aber aus der Sache 앚:draußen:앚 bleiben, so weit als möglich. Ich würde das dann 앚: – wenn Sied dem Anwalt später die Vollmacht geben – :앚 dem Vater ganz offen mitteilen, daß Siee Das 앚:(und nur Das):앚 gethan haben,fmit der Begründung: daß dasf Ihre Anstandspflicht gegen Otto Gr[oß] gewesen sei, ihn in den Stand zu setzen, seine Interessen wahrzunehmen (denn Sie hätten ihm versprochen, ihm beizustehen). Im Übrigen, würde ich 앚:dann:앚 hinzufügen, seien Sie durchaus nicht geneigt, in die Sache einzugreifen. Auf diese Art spielen Sie mit offenen Karten gegenüber Hans Groß, ohne doch Ihren Interessen zu schaden. Otto Gr[oß] kann nicht mehr beanspruchen von Ihnen, als höchstens dies. Er muß sich selbst helfen und nur durch Zahlung des Anwalts können Sie ihm beistehen. Von den Berliner Herren3 rathe ich Ihnen, sich 앚:zunächst gänzlich:앚 fernzuhalten. Ich habe ausdrücklich 앚:auch:앚 für mich jede Beteiligung an einer Cooperation (auch übrigens mit Graf Du Moulin)4 abgelehnt, weil ichg kein Doppelspiel treiben, Prof. b O: ihre, alternative Lesung: ihm c Alternative Lesung: etwa d O: sie e O: sie f falls sein Brief darnach war, daß sie es thun weil es > mit der Begründung: daß g von > ich das sollte, Otto Gross zu vertreten. Fischl war der Vertrauensmann von Franz Jung und erschien Weber durch seine Verbindungen zu sozialistischen und anarchistischen Kreisen nicht besonders geeignet, die Interessen von Frieda Gross zu vertreten. Weber suchte daher einen „bürgerlichen“ Anwalt in Wien und ließ sich von seinem Kollegen Karl Grünburg Otto Pellech empfehlen. Mit ihm beriet er das weitere Vorgehen, und ihm erteilte Frieda Gross dann auch am 24. Februar 1914 die Vollmacht zu ihrer Rechtsvertretung. Danach drängte Weber Frieda Gross, das Mandat für Fischl zurückzuziehen, was diese auch am 28. März 1914 tat. 3 Damit sind u. a. Franz Jung, Franz Pfemfert und Simon Guttmann gemeint. Seine Distanz ihnen gegenüber brachte Weber schon im Brief an Emil Lask vom 25. Dez. 1913, oben, S. 440 f., zum Ausdruck. 4 Vermutlich handelt es sich um Richard Graf Du Moulin-Eckart, Professor für Geschichte an der Technischen Hochschule München, den Weber aus dessen Zeit als Privatdozent 1894 – 98 in Heidelberg kannte. Ein Kontakt Webers zu ihm in der Angelegenheit Otto Gross konnte nicht nachgewiesen werden. Vielleicht handelt es sich um die von Weber im Brief an Frieda Gross vom 18. Febr. 1914, unten, S. 518, erwähnte

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Groß zugleich indirekt freundlich beeinflussen wollen und mit der Presse-Aktion gegen ihn michh einlassen kann.5 Das rathe ich auch Ihnen. Ein Doppelspiel müßte Ihnen schaden. – Was die Lage von Otto Gr[oß] und die Motive des Vaters anlangt, so ist noch immer keine Klarheit zu gewinnen. Denn daß Otto Gr[oß] Ihnen schreibt: der Vater wolle Ihnen die Kinder6 nehmen und überhaupt sein 앚:(Otto’s) jetziges:앚 plötzliches Interesse an Ihren Kindern kann eine Nothlüge sein – die ich ihm gar nicht verdenke! – um Sie auf seine (Otto’s) Seite zu ziehen. (Auch Dr Guttmann nämlich operiert mit diesem Argument, das macht es mir verdächtig). Nach allem normalen menschlichen Ermessen ist doch wohl anzunehmen, daß der Vater zunächst die ganz normalen Motive hat: sich selbst und seinen Sohn vor irgend einer – nach seiner Ansicht! – drohenden Kompromittierung 앚:resp. vor der Begehungi ähnlicher bedenklicher Dinge wie mit Frl. Lotte C[hattemer]7:앚 zu bewahren (oder: den Sohnj einer möglichen Kriminalverfolgung 앚:zu entziehen:앚 – dies freilich scheint mir nicht sehr wahrscheinlich, denn diese Sache in Ascona ist zwar wahrscheinlich noch nicht verjährt, aberk schwerlich jetztl Gegenstand eines 앚:criminellen:앚 Verfahrens). Der Vater hofft eben, den Sohn dessen eigenen, in seinen (des Vaters) Augen nun einmal „gefährlichen“ Neigungen und speziell den Folgen der Cocainisierung entziehen und seinen (des Vaters) Wünschen in Bezug auf die Art seiner Lebensführung fügsam machen zu können. Ob er wirklich noch mehr will, weiß man nicht. –

h O: sich

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l noch > jetzt

„beabsichtigte gemeinsame Kundgebung deutscher Universitätslehrer gegen Prof. Hans Groß.“ Der Anwalt Armin Fischl bemerkt in seinem Schriftsatz an das Bezirksgericht Graz (Eingangsstempel: 19. März 1914), in Deutschland habe sich ein ,Comitee bedeutender Schriftsteller und Gelehrter‘ zur Befreiung Otto Gross’ von der Kuratel gebildet. (Steierm. LA Graz, P IX 20/14, Bl. 38). Gegen öffentliche Stellungnahmen hatte sich Weber bereits im Brief an Emil Lask, nach dem 9. Jan. 1914, oben, S. 462 f., ausgesprochen. 5 Vgl. das Briefkonzept an Emil Lask, nach dem 9. Januar 1914, oben, S. 461 – 463, in welchem Weber erwähnt, daß er auf das Ansinnen von Simon Guttmann, einen Brief an das Berliner Tageblatt zu schreiben, nicht eingehen wolle. 6 Peter und Eva Gross. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zu diesem Brief, oben, S. 484. 7 Gemeint ist eine Patientin von Otto Gross. Er hatte ihr 1906 in Ascona durch die Übergabe von Gift geholfen, Selbstmord zu begehen.

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Ich selbst schreibe morgen an einen „bürgerlichen“ Anwalt8 nach Wien und bitte ihn, für mich ein Gutachten über die ganze Sache abzugeben. Denn ganz klar ist mir die Rechtslage 앚:auch jetzt:앚 nicht, trotz und zum Teil wegen der Auskünfte der Rechtsschutzstelle9 die nicht durchweg klar ist. Vor Allem ist festzustellen: ob wirklich Sie 앚:eventuell:앚 Vormünderin Ihrer Kinder sein würden, 앚: und nicht der Vater.:앚 Dann hätten Sie nichts zu befürchten, denn ich binm sehr überzeugt, daß dann der Vater den Skandal eines 앚:dann nötigen:앚 Prozesses mit Ihnen scheuen würde. Die vor der (welcher?) „Kommission“ gemachte Aussage10 kann Otto Gr[oß] nicht zurücknehmen, das nutzt nichts und schadet ihm nur, wie alle Doppelzüngigkeit 앚:es thun würde.:앚 Ich halte für wahrscheinlich und würde es 앚:sogar:앚 für nützlich halten, daßn ihm auf Grund dieses Vorganges die Approbation als Arzt entzogen wird. Dann ist er „unschädlich“ und nicht mehr „gemeingefährlich“. Denn das Letztere muß er (vom Standpunkt aller denkbaren Gesetze der Welt aus) sein, so lange er die Möglichkeit hat, – als 앚:approbierter:앚 Arzt – andren Leuten Gift zu besorgen, einerlei für welchen Zweck. oAuch reino persönlich würde es viel leichter, mich auch für seine Freilassung einzusetzen, wenn er nicht mehr als approbierter Arzt in diese Lage kommen kann. Denn so lange dies der Fall ist, wird der Vater 앚:eventuell,:앚 mit vollem Erfolge bei der „öffentlichen Meinung“, anführen können (oder durch Andre anführen lassen können): „Das darf so nicht weitergehen“, – fast Jedermann wird ihm dabei zustimmen und Otto’sp und Ihreq Interessen würden darunter leiden. Eines ergiebt ja der Brief von Otto Gr[oß]11 sehr deutlich: daß er die Entmündigung, und das heißt: die Diskreditierung als Gelehrter, ebenso fürchtet wie Sie (aus andren Gründen) es thun. Also darin irren sich die Berliner Freunde offenbar. Nochmals also: für jetzt rathe ich: 1) Abwarten der

m essen>

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o Mir > Auch rein

p seine > Otto’s

q daß sie abwarten,

s O: sie

t [??] > diesem

12 Gemeint ist Arnold Schloffer, der Rechtsanwalt in Graz war.

u ist > wird

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Frieda Gross [29. oder 30. Januar 1914]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 43 Der Brief ist ein Nachtrag zum Brief vom 29. Januar 1914 an Frieda Gross; er ist vermutlich am gleichen oder am folgenden Tag geschrieben worden, da das im Brief angekündigte Schreiben an den Anwalt Otto Pellech am 30. Januar 1914 abging.

Liebe Frau Frieda,

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ich vergaß ganz: Sie fragten nach dem Delikt Otto’s.1 Ich kenne die Schweizer Strafgesetze nicht. Diese sind maßgebend[,] und nur in der Schweiz, nicht in Österreich, könnte er bestraft werden, da es in der Schweiz begangen ist. – In Deutschland käme höchstens „fahrlässige Tötung“ oder „Tötung mit Einverständnis des Getöteten“ in Betracht (Gefängnisstrafe), wahrscheinlich nicht einmal Das, sondern eine Verletzung der ärztlichen Berufspflicht. Jedenfalls kostet das nicht Kopf und Kragen. Aber wie gesagt, das könnte nur auf Grund eines Auslieferungsverlangens der Schweiz verhandelt werden und kein Staat liefert seine eigenen 앚:österreichischen:앚 Unterthanen aus. M. E. ist er also davora ziemlich sicher. Man wird dies Vorkommnis nur als „Symptom“ seiner „Gemeingefährlichkeit“ festgestellt haben[,] und da kann es natürlich von Bedeutung sein, wie überhaupt die übermäßige Lieferung von Narcotica und Giften an Dritte. Es kann den Grund seiner dauernden, wenigstens länger dauernden, Internierung abgeben. Aber schwerlich einen Grund der Entmündigung. Dieser könnte vielmehr weit eher in einem sehr starken eigenen Cocainismus gefunden werden. Doch Alles Nähere nach der Antwort des Anwalts, an den ich schreibe.2 Freundschaftliche Grüße! Ihr Max Weber

a 1 Otto Gross hatte durch Übergabe von Gift den Selbstmord von Lotte Chattemer 1906 in Ascona ermöglicht. 2 Vgl. den Brief an Otto Pellech vom 30. Jan. 1914, unten, S. 490 – 496.

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Otto Pellech 30. Januar 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen; Unterschrift von der Hand Marianne Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 22 – 27 Der folgende Brief an Otto Pellech wurde Frieda Gross in Abschrift zur Kenntnisnahme zugesandt. Weber versah diese Abschrift handschriftlich mit dem Zusatz: „Copie für Frieda Gross“. Alle Unterstreichungen – außer bei den Ortsangaben im Briefkopf – sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen.

Heidelberg, den 30. Januar 1914. Ziegelhäuserlandstr. 17 Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Otto Pellech Wien I, Rathausstr. 5.

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앚:Diskrete Angelegenheit!:앚

Hochgeehrter Herr! Ich verdanke Ihre Adresse Herrn Prof. Karl Grünberg und gestatte mir[,] mich an Ihren Rat in folgender Angelegenheit einer mir befreundeten Dame1 zu wenden. Vor 2 Monaten wurde der frühere Privatdozent in Graz, jetzige Privatgelehrte und Arzt Dr. med. Otto Groß, Psychoanalytiker aus der Schule S[igmund] Freuds,a Sohn des bekannten Kriminalisten 앚:Professor:앚 Hans Groß in Graz, österreichischer Staatsangehöriger, in seiner Wohnung in Berlin auf Veranlassung des Vaters polizeilich festgenommen, als lästiger Ausländer an die österreichische Grenze gebracht und dort den Wärtern einer Irrenanstalt in der Nähe von Wien2 überliefert, in der er sich seitdem befindet, ohne daß Briefe von ihm oder an ihn bestellt würden. Es ist ihm ein einziges Mal gelungen, eine Äußerung

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a In Abschrift: Freunds, 1 Gemeint ist Frieda Gross. 2 Es handelt sich um die private Heilanstalt in Tulln bei Wien.

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an seine Frau nach außen gelangen zu lassen.3 Begründet wurden die Maßregeln von seiten der einzigen Persönlichkeit, welche seither auf Anfragen überhaupt eine kurze Antwort gab, eines Arztes, mit der Notwendigkeit einer Abstinenzkur4 (Morphium und namentlich Kokain). Doch scheint diese Angabe den Tatsachen nicht zu entsprechen. Denn nach seiner eigenen soeben erwähnten einzigen Mitteilung ist Dr. Groß seitdem von einer Kommission vernommen worden5 – über deren Charakter er nichts angibt – und hat sich vor dieser auch darüber zu äußern gehabt, ob er s. Zt. (vor jetzt 7 3/4 Jahren) einemb schwerkranken lebensüberdrüssigen Mädchen in Ascona6 (Kanton Tessin, Schweiz) Gifte (vermutlich Morphium) verschafft habe, um sich eventl. das ihr unerträgliche Leben verkürzen zu können (tatsächlich hat sich das Mädchen einige Zeit nach seiner Abreise vergiftet). Dr. Groß bemerktc 앚:ferner:앚 in jener Mitteilung,7 er sehe nun einer sechsmonatlichen Beobachtung in einer geschlossenen Anstalt entgegen und er habe beantragt[,] ihn in died Anstalt in Czernowitz8 bringen zu lassen, damit er ganz objektiv und nicht nach dene temporären, eine Krankheit vortäuschenden Kokainabstinenzerscheinungen beurteilt werde. Er ist überzeugt, sein Vater beabsichtige, 앚:entweder:앚 in der

b In Abschrift: einen dem

c bemerkte > bemerkt

d der > die

e In Abschrift:

3 Bekannt ist ein Brief von Otto Gross vom Januar 1914, den er aus der Anstalt Tulln herausschmuggeln konnte und der von Maximilian Harden in „Die Zukunft“ vom 28. Febr. 1914, Bd. 86, S. 304 – 306, veröffentlicht wurde, zitiert wird nach dem Abdruck bei Hurwitz, Otto Gross, S.11 – 13. 4 Vermutlich handelt es sich um Dr. Berze, an den sich Frieda Gross mit der Bitte um Auskunft gewandt hatte. 5 Gemeint sind die Gespräche mit Dr. Berze über Otto Gross’ Geisteszustand vom 23. Dez. 1913, die auf Ersuchen des Dr. Bonvicini, Arzt im Sanatorium Tulln bei Wien, am 12. Dezember beim Bezirksgericht Tulln veranlaßt worden waren. Kuratelakten Otto Gross, Steierm. LA Graz, L IX 26/13, Bl. 1 und Bl. 50 – 66 v. 6 Gemeint ist Lotte Chattemer, die am 19. April 1906 in Ascona starb. 7 Die folgenden Angaben finden sich nicht in der veröffentlichten Fassung des Briefes von Otto Gross, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Frieda Gross vom 29. Jan. 1914, oben, S. 484. 8 Otto Gross und Armin Fischl gingen von der irrigen Annahme aus, Czernowitz sei die Heimatgemeinde von Otto Gross. Dort war Hans Gross von 1899 – 1903 Professor für Strafrecht. Der letzte ständige Wohnsitz vor der Übersiedlung von Otto Gross ins Ausland war Graz, wo er 1906 Privatdozent war. Auch die Gerichtszuständigkeit war daher Graz.

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Angst vor einer Kriminalverfolgung wegen jenes erwähnten Vorfalls oderf, weil er (Dr. Groß) mit Anarchisten verkehrt, auch in anarchistischen Zeitschriften Aufsätze publiziert habe9 und dadurch und durch seine sonstige Lebensführung den Vater und die Familie g„kompromittieren“g könne, ihn für geisteskrank erklären und entmündigen zu lassen und ihn dann dauernd interniert zu haltenh. Bemerkt sei: Schon vor Jahren kam in der Schweiz durch Zufall ein an den Vater gerichteter Brief des Schweizer Bundesanwalts10 in die Hände des Sohnes, worin dem Vater in Aussicht gestellt wurde, man werde den Sohn demnächst festnehmen. Durch eine Entmündigung oder einen gleichartigen Schritt würde Dr. Groß, wie er mitteilte, sein gesamtes geistiges Lebenswerk (sexualethischei und andere wissenschaftliche Arbeiten verschiedenster Art11) entwertet und diskreditiert sehen[,] und er würde schon deshalb unter allen Umständen vorziehen, falls in seinem Verhalten irgend etwas strafbares liege, die gerichtlichen Konsequenzen zu tragen.12 Ich bemerke meinerseits, daß nicht nur seine Aufsätze, sondern auch seine letzte Mitteilung in jeder Hinsicht den Eindruck absoluten Vollbesitzes der geistigen Kräfte machen. Auch hat er zum mindesten in der letzten absehbaren Vergangenheit nach dem Zeugnis seiner Freunde durchaus nichts irgendwie Auffälliges getan. Es besteht nun aber ferner – und das ist die Hauptsache – der dringende Verdacht, daß der Vater, welcher nach österreichischem Recht, so viel ich weiß, die Vormundschaft erhalten würde, alsdann auch und vor allem die Vormundschaft über das Kind des Dr. Otto Groß zu besitzen wünscht, um dieses an sich zu ziehen und der Mutter, Frau Frieda Groß, fortzunehmen. Es hat damit folgende Bewandtnis:

f g Anführungszeichen eigenhändig. ethischen > sexualethische

h haben > halten

i sexual-

9 Gemeint sind: Gross, Otto: Zur Überwindung der kulturellen Krise, in: Die Aktion vom 2. April 1913, S. 384 – 387; ders., Ludwig Rubiners „Psychoanalyse“, in: Die Aktion vom 25. Juni 1913, S. 632 – 634; ders., Die Einwirkung der Allgemeinheit auf das Individuum, in: Die Aktion vom 22. Nov. 1913, S. 1091 – 1095; ders., Anmerkungen zu einer neuen Ethik, in: Die Aktion vom 6. Dez. 1913, S. 1141 – 1143; ders., Notiz über Beziehungen, in: Die Aktion vom 20. Dez. 1913, S.1180 – 1181. 10 Gemeint ist Dr. Otto Kronauer. 11 U. a.: Gross, Otto, Das Freud’sche Ideogenitätsmoment und seine Bedeutung im manisch-depressiven Irresein Kraepelins. – Leipzig: F.C.W. Vogel 1907; ders., Über psychopathische Minderwertigkeiten. – Wien und Leipzig: Wilhelm Braumüller 1909. 12 Vgl. den Abdruck des Briefes bei Hurwitz, Otto Gross, S. 13.

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katholisch in Graz eingesegnetenj Ehe des Dr. Otto Groß mit Frieda Schloffer, gebürtig aus Graz, entstammtk ein jetzt etwa 10 Jahre alter Sohn Peter Groß.13 Nach mehrjähriger Ehe trennten sich die Eheleute in übrigens sehr gutem Einvernehmen und gaben sich, da die Ehe nicht getrennt werden kann, gegenseitig alle Freiheit. Von dieser machten beide Teile Gebrauch. Dr. Otto Groß hat einl uneheliches Kind, für welches Alimente gezahlt werden.14 Frau Frieda Groß aber lebt seit längeren Jahren in Gewissensehe mit Herrn Ernst Frick, bald in Askona, bald in Lerici (Italien). Dieser Gewissensehe nun entstammt eine Tochter Eva, ca. 5 Jahre alt, welche natürlich ebenfalls den Namen m„Groß“m führt und welche auch rechtlich, da die Ehe mit Otto Groß gesetzlich fortbesteht und dieser nach seinen Anschauungen niemals daran gedacht hätte, seinerseits etwa die Legitimität anzufechten, als dessen Kind gilt, mithin eventuell ebenfalls unter die Vormundschaft des Prof. Hans Groß fallen und der Wegnahme von der Mutter ausgesetzt sein würde. nEine solchen Wegnahme könnte z. B., vielleicht darauf gestützt werden, daß die Mutter die Kinder durchaus privatim bei sich und zwar konfessionslos unterrichtet. Oder etwa darauf, daß die Kinder irgendwelchen – vom bürgerlichen Standpunkt aus bewerteten – o„Gefahren“ o durch die Berührung mit Anarchisten ausgesetzt wären. Oder und vor allem vielleicht darauf: daß die Mutter gesetzlich nicht legitime Beziehungen gehabt habe und in Gestalt der erwähnten nicht legalisierbaren Gewissensehe noch habe und daher nicht zur Erziehung qualifiziert sei. Zumal, da Herr Ernst Frick durch einen vor längeren Jahren unternommenen Versuch, einen zur Auslieferung nach Rußland bestimmten Häftling zu befreien, der ihm eine Gefängnisstrafe eintrug, kompromittiert sei, also p„nachteilige“p Einflüsse auf die Kinder zu befürchten seien oder dergl. Ich bemerke q, der Vollständigkeit halber,q noch, daß Frau Frieda Groß absichtlich nicht in häuslicher Gemeinschaft mit Herrn Frick lebt, um keinen Vorwand zu geben, im übrigen aber aus dem Bestehen der Gewissensehe keinen Hehl gemacht hat. jDer

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j Die katholisch … eingesegnete > der katholisch … eingesegneten k entsprang > n Diese > entstammt l m Anführungszeichen eigenhändig. p Anführungszeichen eigenhänEine solche o Anführungszeichen eigenhändig. dig. q Kommata eigenhändig. 13 Peter Gross war am 30. Januar 1914 erst sieben Jahre alt geworden. 14 Weber meinte wahrscheinlich die Alimente für Camilla Ullmann, der 1908 geborenen Tochter von Regina Ullmann, die Otto Gross aber nicht zahlte.

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Frau Frieda Groß hat nun ihrem gesetzlichen Mann, Dr. Otto Groß, bei der Trennung das Versprechen gegeben: im Falle seiner gewaltsamen Internierung (er hatte früher mehrfach freiwillig Abstinenzkuren auf sich genommen) oder des Versuchs einer Entmündigung ihm beizustehen. Jene erwähnte Mitteilung des Dr. Groß setzt sie 앚:jetzt:앚 in diesen Fall. Die Eltern des Otto Groß, an die sie sich um Auskunft über den Grund der Festnahme gewendet hat, gaben bisher keine Antwort. Ich bemerke: daß Dr. Otto Groß vermutlich den Anwalt der sozialdemokratischen Rechtsauskunftsstelle15 mit seiner Vertretung wird beauftragen wollen. Ich bin aber der Meinung, daß Frau Frieda Groß, wenn sie in die Lage kommen sollte, zur Wahrung ihrer eigenen Interessen als Mutter einzugreifen, dies durch einen eigenen Anwalt tun müßte und wäre für Ihre Erklärung darüber dankbar, ob Sie eventuell in der Lage wären, Ihrerseits ihre Vertretung zu übernehmen, wenn es nötig werden sollte. Für jetzt aber möchte ich mir im Interesse der meiner Familie befreundeten Frau Frieda Groß Ihr sachverständiges Gutachten über folgende Rechtsfragen erbitten, welche Frau Frieda Groß teils indirekt, teils direkt interessieren: 1. Ist es Ihnen möglich, nach den oben angegebenenr dürftigen Tatsachen über den Charakter der Internierung des Dr. Otto Groß ein Bild zu gewinnen (polizeiliche Internierung wegen Gemeingefährlichkeit? oder kriminelle Internierung zur Feststellung der Zurechnungsfähigkeit? oder endlich Internierung behufs Kontrolle zur Vorbereitung einer Entmündigung?) Ist die Überlassung von Giftens an einen zum Selbstmord Entschlossenen in Österreich strafbar? auch wenn sie im Ausland verübt ist? Liefert Österreich eigene Untertanen an die Schweiz aus (falls unwahrscheinlicher Weise dort ein Verfahren schweben sollte)? Ist die erwähnte Handlung oder ist Morphinismus oder Kokainismus als solcher ein Internierungsgrund? oder ein Entmündigungsgrund? Ich nehme an, daß vielleicht die Entziehung der ärztlichen Approbation auf jene Handlung des Dr. Otto Groß gestützt werden könnte oder müßte, eine Maßregel, welche ja ihrer Wiederholung hinlänglich vorbeugen würde. 2. Darf in Österreich einem Internierten der Verkehr mit der Außenwelt, insbesondere seiner gesetzlichen Frau, abgeschnitten werr In Abschrift: Angegebenen

s Schriften > Giften

15 Gemeint ist Armin Fischl aus Wien.

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den? Kann er nicht in jedem Fall Freigabe des Verkehrs mit einem Anwalt, dem er Vollmacht gibt, verlangen? Welche Mittel gibt es eventuell für die Frau, sich das Recht des Verkehrs mit dem Mann zu erzwingen? Kann Frau Frieda Groß t bei dem Versuch einer Entmündigung intervenieren? Hat sie Anspruch darauf, von der Einleitung eines Entmündigungsverfahrens verständigt zu werden? Wie kann sie eventuell diesen Anspruch geltend machen? Kann ein Anwalt auf Grund einer Vollmacht der Frau Frieda Groß Zutritt zu Dr. Otto Groß für sich verlangen? Frau Frieda Groß hat aber naturgemäß vor allem das dringliche Interesse, die Vormundschaft des Professors Hans Groß über ihre Kinder im Fall der Entmündigung des Dr. Otto Groß entweder ganz vermieden zu sehen oder doch jedenfalls die Konsequenzen, welche daraus für das Zusammenbleiben der Kinder mit ihr entstehen könnten, insbesondere deren Wegnahme von ihr, von sich abzuwehren. Daraus ergeben sich folgende weiteren Fragen, deren Beantwortung besonders wichtig wäre: 3. Falls die Entmündigung ausgesprochen werden sollte, würde dies für Frau Frieda Groß einen Grund abgeben können, Separation (Scheidung von Tisch und Bett) zu beantragen? und hätte dies etwa den Erfolg, daß alsdann der väterliche Großvater, Prof. Groß, nicht Vormund ihrer Kinder würde? oder könnte sie sich im Falle einer Separation selbständig im Ausland naturalisieren lassen und dadurch jene Konsequenzen abwehren? Oder gibt es irgend einen anderen Weg dazu, dies zu tun? Es besteht zwischen Prof. Hans Groß und ihr eine sehr tiefgehende gegenseitige Abneigung. 4. Kann von seiten der Frau Frieda Groß oder überhaupt von irgend einer Seite, eventuell von Seiten des Dr. Otto Groß, jetzt noch die Feststellung herbeigeführt werden: daß Eva Groß tatsächlich nicht die Tochter von Otto Groß ist und also nicht unter die Vormundschaft von Prof. Hans Groß fällt? 5. Vor allem: welche Rechte hat Prof. Hans Groß, falls es unvermeidlich wird, daß er die Vormundschaft der Kinder erhält? Kann er insbesondere deren Erziehung an einem von ihm bezeichneten Ort verfügen? Kann er sieu der Mutter aus den oben erwähnten oder ähnlichen Gründen ganz nehmen? Kann er die Art ihrer Erziehung im

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Widerspruch mit dem Willen der Mutter bindend bestimmen? (auf konfessionelle Erziehung dürfte auch er schwerlich Wert legen, es kommt mehr darauf an, ob er Schulerziehung, Pensionserziehung oder derartiges verfügen oder Bedingungen stellen kann). Kann er als Vormund vom Ausland her die Auslieferung verlangen? Was kann die Mutter, Frau Frieda Groß, hiergegen tun? Liefern alle Länder in solchen Fällen ohne weiteres und ohne eigene Nachprüfung aus? Welche europäischen Länder erschweren diesev Auslieferung nach Österreich am meisten? (z. B. etwa Italien und Frankreich?) Ich bemerke, daß von allen Fragen die Mutter natürlich am stärksten daran interessiert ist, ihre Kinder unter allen Umständen zu behalten und dabei doch ihre formal nicht legalisierbare Gewissensehe nicht aufgeben zu müssen.w Diese Fragen würde ich bitten besonders eingehend nach allen Seiten zu prüfen, die übrigen, mehr indirekt interessierenden nur kurz beantworten zu wollen. Ich wäre Ihnen, hochgeehrter Herr, für die Erledigung dieser Anfrage zu ganz besonderem Danke verpflichtet, namentlich dann, wenn diese recht schleunigst erfolgen könnte. Mit ausgezeichneter Hochachtung verbleibe ich Ihr sehr ergebenster x(Max Weber)x

v die > diese Webers.

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x Hinzufügung von der Hand Marianne

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Friedrich Gundolf 1. Februar 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig University of London, Institute of Germanic Studies, Gundolf-Archiv Dieser Brief sowie die folgenden Schreiben an Axel Ripke vom 30. Mai 1914, unten, S. 690 f., an Armin Oswald Frhr. von Campenhausen vom 10. Juli 1914, unten., S. 751 – 757, und Edwin Leonhard vom 11. Juli 1914, unten, S. 758 – 766, stehen in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung von Max Weber mit Axel Ripke wegen dessen Geschäftsverhalten gegenüber Marie Luise Gothein. Axel Ripke, ein Schüler Heinrich Rickerts und im Frühjahr 1912 ein enger Bekannter von Mina Tobler, war im Winter 1913/ 14 als Bevollmächtigter des Leipziger Kurt-Wolff-Verlags in Heidelberg tätig. Zu dieser Zeit – auf dem Deckblatt steht 1914 – war im Verlag die Dichtung von Rabindranath Tagore, Gitanjali (Sangesopfer), in der Übersetzung von Marie Luise Gothein erschienen. Obwohl es offensichtlich schon bei Vertragsabschluß und späterer Drucklegung zu Unstimmigkeiten zwischen der Übersetzerin und dem Verleger Kurt Wolff gekommen war, brachte dieser – nachdem Tagore im November 1913 den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte – in kurzer Zeit verschiedene Neuauflagen der Gedichtübersetzung auf den Markt, ohne Marie Luise Gothein zu informieren. Axel Ripke – der sich zunächst im Umgang mit Marie Luise Gothein nicht als Bevollmächtiger des Verlags zu erkennen gegeben hatte – versicherte später auf das bestimmteste, daß es ohne ihre Erlaubnis keine Neuauflage ihrer Übersetzung geben werde bzw. keine im Druck sei, was nicht den Tatsachen entsprach. Auch machte Ripke, nachdem es zwischen Übersetzerin und Verlag in Leipzig zum Prozeß gekommen war, in Privatgesprächen mit Dritten zu Lasten von Marie Luise Gothein irreführende Bemerkungen über den Prozeß. Weber, der von ihr zu Beginn ihrer Kontroverse mit dem Verlag ins Vertrauen gezogen worden war, machte durch Emil Lask als seinen Vertreter Ripke Vorhaltungen wegen seiner falschen bzw. irreführenden Aussagen und wegen seiner mangelnden geschäftlichen Sorgfalt; – zu Einzelheiten vgl. die Briefe an Armin Oswald Frhr. von Campenhausen und Edwin Leonhard vom 10. und 11. Juli 1914, unten, S. 751 – 757 und 758 – 766. Da es Ripke offensichtlich nicht unterließ, weitere Unwahrheiten zu verbreiten, sah sich Weber dazu veranlaßt, ihn vor die Wahl zu stellen, „entweder zu klagen oder den Mund zu halten“. Vgl. den Brief an Edwin Leonhard vom 11. Juli 1914, unten, S. 757. Über den weiteren Verlauf der Kontroverse ist nichts bekannt. Zu einem Nebenkonflikt in diesem Zusammenhang kam es infolge einer Beleidigung Friedrich Gundolfs, der zum engeren Bekanntenkreis von Marie Luise Gothein gehörte, durch Axel Ripke. Die Art der Beleidigung ist unbekannt, doch geht aus Webers hier abgedrucktem Brief hervor, daß Ripke versucht hat – um einer Klage zu entgehen –, aus ihr eine Duellangelegenheit bzw. einen „Ehrenhandel“ zu machen, was ihm jedoch nicht gelungen ist. Im Prozeßtermin hat er den Antrag der Klägerseite auf Beweiserhebung dadurch konterkariert, daß er alles, was aus den Akten gegen ihn sprechen konnte, im vorhinein als richtig anerkannte und im übrigen jegliche Beleidigungsabsicht bestritt; zu Einzelheiten vgl. Webers Bemerkungen in seinen Briefen an die Anwälte Armin Oswald Frhr. von Campenhausen und Edwin Leonhard vom 10. und 11. Juli 1914, unten, S. 756 und 765. Über den genauen Zeitpunkt und den Verlauf dieses Prozesses ist nichts bekannt.

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Hbg 1. 2. 14 Lieber Freund, – es ist mir angenehm zu hören, daß dieses unqualifizierbare Betragen hier nicht etwa in die Bahnen eines „Ehrenhandels“ gelenkt worden ist, – einerlei wie Sie dazu prinzipiell stehen. Ich habe s. Z. 앚:Lask1 und Andren:앚 keinen Zweifel gelassen, daß ich Herren Dr R[ipke], nach seinem Verhalten, die Waffenehre verweigern müßte. Denn in Geschäfts- und Geld-Angelegenheiten giebt es für den Geschäftsmann nur einen Standard: den absoluten. Wer ihn nicht hat, ist niemalsa ein Cavalier, sondern kommt nur als ein Mensch in Betracht, dem der Schild gilt: „Lieferanten hinten“. Andrerseits ist es richtig, – wie ich glaube, – zu klagen[.] Mit besten Grüßen! Max Weber Mein Zeugnis – wo es nötig sein sollte – steht natürlich zu Gebote[.] Lask hat sofort die Consequenzen aus diesem Verhalten gezogen.

a O: niemal 1 Die entscheidenden Passagen von Webers Mitteilung, die Emil Lask in dessen Namen Ripke vortrug, sind wiedergegeben in den Briefen an Armin Oswald Frhr. von Campenhausen und Edwin Leonhard vom 10. und 11. Juli 1914, unten, S. 753 – 755 und 761 – 765.

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Hans W. Gruhle PSt 3. Februar 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612 Die Karte bezieht sich anscheinend auf einen Vortrag Gruhles und ein sich darauf beziehendes Gespräch mit Weber über die von Gruhle und Albrecht Wetzel herausgegebene Reihe über Verbrechertypen.

Lieber Herr Kollege!

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Ganz deutlich ist für mich die Sache nicht unbedingt. Aber vermutlich für den fachlich Orientierten. Was Sie wollen, ist ja deutlich gesagt: „Durchschnitts“-[,] nicht „Ideal“-Typen. Aber was ist z. B. von den „Geliebtenmördern“1 der Zug oder die Züge, welche „durchschnittlich“ sind? Wir sprachen mündlich doch zu kurz, als daßa mir dies von Ihnen damals ganz eindeutig hätte gemacht werden können, für mich heißt das! Und Ihr damaliges Schlußwort zeigte darin, offenbar absichtsvoll, eine sehr große Reserve. Es käme nur darauf an: bwie Sie Sich, wenn Sie Sichb mit weniger Reserve ausgesprochen hätten, wohl geäußert hätten. Morgen Abend bin ich besetzt. Freitag Nachmittagc und Samstag bis Abend habe ich wieder „Termin“ in Freiburg.2 Aber Donnerstag 앚:g[e]g[en]:앚 Abend – oder Mittags. dMittwoch, Donnerstag,d und Freitag – wäre ich frei. Herzl. Grüße Ihr Max Weber

a O: das b O: wie Sie Sich, wenn Sie sich woch, Donnerstag,

c

d Morgen > Mitt-

1 Anspielung auf die Arbeit von Albrecht Wetzel und Karl Wilmanns, Geliebtenmörder (Verbrechertypen, hg. von Hans W. Gruhle und Albrecht Wetzel, Bd. 1, Heft 1). – Berlin: Julius Springer 1913. 2 Dies bezieht sich vermutlich auf den Ehescheidungsprozeß von Webers Cousine Lilli Hermann, geborene Hausrath, und Fritz Hermann. Bei dem in Freiburg stattfindenden Prozeß beriet Weber seine Cousine.

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Frieda Gross PSt 4. Februar 1914; PSt Heidelberg. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 16 Das Schreiben findet sich ohne Anrede auf einem Brief des Rechtsanwalts Otto Pellech an Max Weber aus Wien vom 3. Februar 1914. Mit diesem Brief antwortete Pellech auf den Brief von Max Weber vom 30. Januar 1914, oben, S. 490 – 496, dankte für den Auftrag und erbat für die Beantwortung der von Weber gestellten Fragen einen zeitlichen Aufschub. Dem Brief liegt ein Umschlag mit dem Poststempel Heidelberg, 4. Februar 1914, bei.

Mit herzlichen Grüßen! Ich bedaure herzlich, von der Krankheit Ihres Freundes1 zu hören! Wenn dieser Tage keine Antwort aus Graz kommt,2 so ist es in der That wohl richtig, den Auftrag an R[echts-]A[nwalt] Fischl abgehen zu lassen,3 so wie vereinbart, und ihn auch zu ermächtigen, eventuell Herrn Dr Guttmann – Berlin Auskunft über den Stand der Sache zu geben, sobald dieser feststeht. Dr G[uttmann] verlangt ihn zu kennen, ich habe das für jetzt, der Loyalität gegen Prof. H[ans] Groß wegen, noch abgeschlagen. Bitte schreiben Sie dann Lask die Adresse des Rechtsanwaltsa Fischl, damit er sie Dr G[uttmann] mitteilt. Nochmals herzliche Grüße! Max Weber

a O: Rechtsanwalt 1 Ernst Frick war nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis sehr geschwächt, zunächst hatte er eine Angina und Ende Januar eine Rippenfellentzündung. Diese Diagnose hatte Raphael Friedeberg gestellt. Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 661f. 2 Gemeint ist eine Antwort von Hans Gross auf einen Brief von Frieda Gross. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1914, oben, S. 484 – 488. 3 Die Vollmacht von Frieda Gross für den Anwalt Armin Fischl wurde am 9. Februar 1914 erteilt. Steierm. LA Graz, P IX 20/14, Bl. ••. Er sollte Akteneinsicht beim Bezirksgericht Graz nehmen, legte dort aber erst am 19. März 1914 seine Vollmacht vor. Frieda Gross entzog ihm das Mandat am 28. März 1914, nachdem sie den von Weber besorgten Anwalt Otto Pellech beauftragt hatte.

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Paul Siebeck 4. Februar 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Monatsdatierung ist erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „6. II. 14“ sowie dem Antwortschreiben Paul Siebecks vom 5. Februar 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) auf Webers Brief „vom 4. cts.“ Webers Brief ist irrtümlich auf den Januar datiert.

Heidelberg 4/IIa 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Ich meine: Druckanfang, sobald v. Wieser1 wirklich ganz vorliegt, also in ca 14 Tagen – 3 Wochen. Herrnb v. Schulze ist Druckbeginn „im Februar“, aber nicht für seinen Beitrag, versprochen.2 Erst kommen doch Sieveking, Hirsch, Schumacher.3 Hirsch und Schumacher bitte ich Sie jetzt allerdings zu mahnen, da der Druck beginnen solle. Mit den besten Grüßen Ihr stets ergebenster Max Weber

a O: I

b O: Herr

1 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 2 Weber korrigiert hier eine Bemerkung in Paul Siebecks Brief vom 29. Jan. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Es ist Herrn von Schulze-Gaevernitz versprochen worden, daß mit dem Druck seines Abschnittes gleichzeitig mit demjenigen des Herrn Professor von Wieser, spätestens aber Ende Februar, begonnen werde.“ Es handelt sich dabei um das Manuskript zu: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank. 3 Gemeint sind die Beiträge: Sieveking, Entwicklung des Handels, Hirsch, Organisation und Formen des Handels, sowie von Hermann Schumacher, Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen. Der letztgenannte Artikel ist nicht zustande gekommen.

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Otto Pellech 11. Februar 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers, ohne Unterschrift GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 34 – 36 Der maschinenschriftliche Brief ist versehen mit dem eigenhändigen Zusatz von Max Weber: „Kopie für Frieda Gross“. Alle Unterstreichungen sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen.

Heidelberg, den 11. Februar 1914. Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Otto Pellech Wien I, Rathausstr. 5.

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Sehr geehrter Herr! Ich danke verbindlichst für Ihr mir heute zugegangenes ebenso eingehendes wie klares Gutachten,1 welches ich Frau Frieda Groß in nächster Zeit schicken werde. Es ist zu ihrer und meiner eigenen Information von allergrößtem Werte. Für Ihre Information möchte ich bezüglich des einen Punktes, über welchen noch Unklarheit herrschte, berichten, daß die Irrenanstalt, in welcher sich Dr. Groß befindet, Tullna 2 ist. Er schreibt im übrigen, in dem seinerzeit erwähnten einzigen Briefe, daß er beantragt habe[,] ihn in die Landesirrenanstalt nach Czernowitz zu überführen.3 Er selbst scheint derb Überzeugung zu sein, daß es sich um eine Kriminalhaft zwecks Beobachtung des Geisteszustandes handle. Dafür könnte in Betracht kommen, daß – wie ich nachträglich in Erfahrung brachte (sein Brief spricht davon gar nichtc) außer dem erwähnten Fall von vor

a In Abschrift: Tulla

b

c nichts > nicht

1 Das Gutachten ist nicht nachgewiesen. 2 Max Weber war noch nicht darüber informiert, daß Otto Gross inzwischen aus Sicherheitsgründen am 25. Januar 1914 von Tulln in die Landesirrenanstalt Troppau verlegt worden war. 3 Vgl. den Brief an Otto Pellech vom 30. Jan. 1914, oben, S. 491, Anm. 7 und 8.

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mehr als sieben Jahren4 noch ein anderer diesem fast ganz gleichartigerd, ebenfalls vor mehreren e(meines Wissens etwa 3 bis 4)e Jahren,f sich ereignet hat, in welchem ein Mädchen sich mit Giften, die er geliefert hatte, das Leben nahm.5 Ich höre, daß er damals seinerseits eine gerichtliche Verfolgung für möglich gehalteng und sich dieserhalb freiwillig in eine Irrenanstalt begeben hatte,6 in welcher er eine Abstinenzkur durchmachte. Die Einzelheiten des Falles sind mir bisher im übrigen unbekannt. Inzwischen hat Frau Frieda Groß, nachdem auf ihre Anfrage bei den Eltern des Dr. Otto Groß sowohl wie bei ihrem eigenen Bruder, Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Schloffer in Graz, keinerlei sachliche Auskunft über den Stand der Dinge zu erlangen war – die beiderseitigen Familien befürchten offenbar, daß eine solche den anarchistischen Freunden des Dr. Groß zugänglich gemacht werden könnte – Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Fischlh, dem Anwalt der sozialdemokratischen Partei, eine Vollmacht erteilt,7 ausdrücklich zu dem ausschließlichen Zweck, sich mit Dr. Otto Groß in Verbindung setzen und von diesem eine Vollmacht erteilen zu lassen. Sie hat dies den Eltern des Dr. Groß und ihrem eigenen erwähnten Bruder mit dem Bemerken mitgeteilt, daß sie sich verpflichtet fühle, wenigstens diesen Dienst dem Dr. Otto Groß nicht abzuschlagen, daß sie sich aber im übrigen jeglichen 앚:unnötigen:앚 Eingreifens in diese Angelegenheit zu enthalten gedenke. Aus diesem Grunde wird Frau Frieda Groß mit der Erteilung einer Vollmacht an Sie wenigstens solange zögern, bis sie von Herrn Fischli Nachricht über den Erfolg von dessen Bemühungen und eventuell über den Stand der Angelegenheiten des Dr. Otto Groß, insbesondere die Natur seiner Haft und des gegen ihn schwebenden Verfahrens hat.

d e Klammern eigenhändig; öffnende Klammer ersetzt Komma. f Komma eigenhändig. g h In Abschrift: Fischel i In Abschrift: Fischel 4 Gemeint ist der Selbstmord von Lotte Chattemer 1906 in Ascona. 5 Gemeint ist Sophie Benz, die im März 1911 in Ascona durch Selbstmord starb. Auch über diesen Fall hatte Otto Gross in seinem Brief aus Tulln gesprochen, vgl. Hurwitz, Otto Gross, S. 12. 6 Unmittelbar nach dem Selbstmord von Sophie Benz ging Otto Gross durch Vermittlung eines befreundeten Anwalts, Enrico Poncini, am 6. März 1911 in die Irrenanstalt Mendrisio im Tessin, dann bis Herbst 1911 in die Wiener Anstalt Steinhof. 7 Die Vollmacht an Armin Fischl erteilte Frieda Gross am 9. Februar 1914. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 4. Febr. 1914, oben, S. 500, Anm. 3.

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Der Grund, weshalb ich Frau Frieda Groß zu einem solchen Verhaltenj und auch dazu geraten habe[,] den Dr. Otto Groß Herrn Fischlk, durch dessen Hand sie den früher erwähnten Brief des ersteren erhalten hatte, als Anwalt zu bestellen, liegt in Folgendem: Zunächst gehen die Interessen von Frieda Groß offensichtlich keineswegs in allen Punkten identisch mit denjenigen des Dr. Otto Groß und es erscheint schon deshalb richtig, daß die beiderseitige Vertretung eine gesonderte ist. Dann aber gebietet ihr die Loyalität gegenüber dem Vater, Professor Hans Groß, wenigstens solange ihrerseits sich nicht mit Dr. Otto Groß zu identifizieren, als die Möglichkeit eines Kompromisses mit dem genannten Herrn (Prof. Groß) noch denkbar erscheint. Prof. Groß hat sich bisher gegen Frau Frieda Groß nicht inkorrekt benommen, wie ihm denn überhaupt zwar eine gewisse konventionelle Befangenheit, aber durchaus keine anstößigen Motive für sein Verhalten in dieser Angelegenheit unterstellt werden sollen. Er zahlt bisher nicht nur an seinen Sohn Otto Groß Unterhaltskosten, sondern außerdem – wenn auch in sehr bescheidenem Umfange – Erziehungskosten für dessen Kind8 an Frau Frieda Groß. Aus diesen Gründen muß es geraten erscheinen, alle ernstlichen gegen den Vater selbst gerichteten Schritte solange zu vertagen, bis die Situation noch etwas weiter geklärt ist. Zunächst wäre meines Erachtens wenigstens abzuwarten, in welcher Art der Vater (Prof. Groß) und der Bruder9 der Frau Frieda Groß auf die oben erwähnte Mitteilung von der Bestellung eines Anwalts für Dr. Otto Groß reagieren werden. Bisher war ihr, wie gesagt, Auskunft über die Lage nicht erteilt, sondern nur für die nächste Zeit in Aussicht gestellt worden. Ich nehme an, daß dieses auf meinen Rat schon vor der Erstattungl Ihres Gutachtens eingeschlagene Verhalten Ihren Beifall findet. Sobald die Verhältnisse geklärt sind, wird Frau Frieda Groß sich zweifellos in Ihre Klientel begeben, wie siem mir schon auf die Mitteilung Ihres ersten kürzeren Briefes hin schrieb. Ich bemerke noch, daß anarchistische Schriften des Dr. Otto Groß bei dem gegen ihn schwebenden Verfahren wohl keinenfalls eine Rolle

j Verfahren > Verhalten m Sie > sie

k In Abschrift: Fischel

8 Peter Gross. 9 Gemeint ist der Rechtsanwalt Arnold Schloffer in Graz.

l Erbittung > Erstattung

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spielen dürften. Denn seine eigenen Publikationen bewegen sich meines Wissens durchaus auf sexualethischem Gebiete, streifen dagegen politische Fragen überhaupt nicht. Ebenso liegen keinerlei Akte 앚:oder Aufforderungen:앚 n„anarchistischen“n Charakters von seiner Seite vor, in dem polizeilichen Sinne, welchen man gewöhnlich mit diesem Worte verbindet. Ich verbleibe mit nochmaligem verbindlichsten Dank für den großen Dienst, welchen Sie schon jetzt der Sache geleistet haben, in vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebenster

n Anführungszeichen eigenhändig.

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Paul Siebeck 11. Februar 1914; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Um den textkritischen Apparat zu entlasten, ist auf die Annotation der Unterstreichungen bzw. Hervorhebungen verzichtet worden; diese fehlen in der maschinenschriftlichen Fassung und sind von Weber nachträglich hinzugefügt worden.

Heidelberg, den 11. Februar 1914. Sehr geehrter Herr Dr. Siebeck! 1. Die Korrektur des Schumpeterschen Beitrags1 bitte ich gleichzeitig an die Adresse des Autors, wenn Sie dieselbe kennen, und an mich zu schicken, wenn Sie die Adresse nicht kennen, nur an mich. 2. Auf Einsicht in das Sievekingsche Manuskript2 verzichte ich. 3. Herrn v. Wieser werde ich schreiben;a falls Sie die Genehmigung Philippovichs einholen, könnten Sie ihm ja dessen Manuskript3 zugehen lassen.4 bDas Manuskriptb von Herkner5 werdec ich ihm schicken, nachdem ich dessen Zustimmung oder Nichtwiderspruch erhalten habe. Mein Manuskript6 kann ich nicht entbehren. Gottls Manuskript7 ist noch nicht vollständig da. 4. Für die Drucklegung bemerke ich noch: Bei dem Manuskript Büchers8 앚:und überall:앚 möchte ich bitten, die Paragraphenüberschriften nicht als Überschriften, sondern gesperrt an den Anfang der Zeile zu

a Komma eigenhändig durch Semikolon ersetzt. skript c würde > werde

b Die Manuskripte > Das Manu-

1 Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte. 2 Sieveking, Entwicklung des Handels. 3 v. Philippovich, Systeme und Ideale. 4 Paul Siebeck hatte am 6. Febr. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber von Friedrich Frhr. v. Wiesers Wunsch berichtet, die Manuskripte bzw. Artikel zu Buch I, soweit er sie noch nicht kenne, kurzfristig einsehen zu dürfen; diesen Wunsch habe v. Wieser, so Siebeck in seiner Mitteilung an Weber vom 9. Febr. 1914 (ebd.), dahingehend modifiziert, daß er lediglich in die Manuskripte der Beiträge von v. Gottl, Herkner, Max Weber und v. Philippovich Einsicht nehmen wolle. 5 Herkner, Arbeit und Arbeitsteilung. 6 D. h. von Wirtschaft und Gesellschaft. 7 v. Gottl, Wirtschaft und Technik. 8 Bücher, Entwicklungsstufen.

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drucken. Bei dem kurzen 앚:Bücher’schen:앚 Beitrag würde das andere sich ästhetisch dbesonders wenigd gut ausnehmen. Über jedem Beitrag müßte eine Inhaltsangabe stehen. Da Bücher meines Wissens eine solche nicht geliefert hat, bin ich bereit sie in die Korrektur vor dem Umbrechen meinerseits einzufügen. Dagegen wird ja Bücher nichts haben. 5. Gegenübere der technischen Schwierigkeit mit den Separatausgaben bin auch ich in großer Verlegenheit und weiß vorläufig keinen rechten Rat.9 Die Abteilungen erscheinen ja durchpaginiert. Die Separatausgaben könnten, wenn dies technisch möglich ist, ja eine selbständige Paginierung erhalten. Der Rathgensche Beitrag wird ja voraussichtlich als eine Abteilung für sich erscheinen. Die andern aber nicht. Ich möchte es Ihnen, als dem buchhändlerisch Erfahrenen, gern ganz allein überlassen, wie Sie dieser Schwierigkeit Herr werden und Sie nur bitten, mir vor definitiven Abmachungen darüber mit den Autoren Mitteilung zu machen. 앚:Gottl’s Separatausgabe muß warten!:앚 Mit angelegentlichsten Empfehlungen und herzlichem Gruß Ihr sehr ergebener fMax Weberf

d nicht > besonders wenig genhändig.

e Die gegenüber > Gegenüber

f Unterzeichnung ei-

9 Paul Siebeck hatte – auf eine Anregung von Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld hin – Weber am 9. Februar 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) auf eine Problematik der Separatausgaben aufmerksam gemacht: daß nämlich durch diese bei schnellerer Neuauflage als dies bei den entsprechenden Handbuchbeiträgen der Fall sein sollte, „eine empfindliche Konkurrenz“ entstehe bzw. die „betreffende Abteilung des Handbuchs mehr oder weniger unverkäuflich gemacht“ werde. Siebeck war sich unschlüssig, wie dieser Schwierigkeit zu begegnen sei, und gab zu bedenken: „Wäre es möglich, daß diejenigen Abteilungen des Handbuchs, von denen Separatausgaben erscheinen sollen, in sich abgeschlossene Abteilungen des Handbuchs darstellen? Wäre eine solche Abteilung vergriffen, dann erschiene sie eben neu und Jeder, der das Handbuch von diesem Termin an bezöge, bekäme die betreffende Abteilung in neuer Auflage. Das würde wohl auch bei von Gottl und Rathgen keine Schwierigkeit machen. Anders liegt die Sache aber schon wieder bei von Wieser und von Schulze. Von Wieser könnte dann überhaupt nicht als Werk für sich in der Separatausgabe erscheinen, sondern müßte mindestens mit Bücher zusammen als ein Buch laufen. Damit wird Herr von Wieser wohl nicht einverstanden sein. Ähnlich liegt die Sache bei von Schulze.“

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Frieda Gross 12. Februar 1914; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Zusätzen und Korrekturen Max Webers sowie Zusätzen von dritter Hand GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 17 – 19 Alle Unterstreichungen im Brief sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen.

Heidelberg, den 12. Februar 1914. Liebe Frau Frieda! Anbei schicke ich 1. zurück den a„lakonischen“a Brief Ihres Herrn Schwiegervaters,1 2. das Gutachten des Herrn Dr. Pellech,2 3. Abschrift eines Briefes von mir an ihn,3 welcher ihm die etwas verwickelte Situation, in der Sie sich befinden, verdeutlichen soll. Falls er darauf etwas antworten sollte, werde ich es Ihnen schicken. Die Sache liegt nun folgendermaßen: I. Ich würde an Ihrer Stelle Herrn Advokatenb Fischl c 1) schreiben: daß Sie für Ihre Vertretung Herrn Dr. Pellech gegebenenfalls zu bevollmächtigen gedenken. Dabei würde ich hinzufügen d(soweit Sie ihm das nicht schon geschrieben haben)d : 1. Herr Fischle möge 앚:vor Allem:앚 so freundlich sein Ihnen mitzuteilen, welchen Charakter die Haft des Otto Groß habe (Kriminalhaft oder Beobachtungshaft zur Entmündigung). Ebenso möge er Ihnen freundlichst mitteilen, sobaldf in dessen Angelegenheit irgend ein Beschluß oder ein wichtiger Vorgang anderer Art sich ereigne. g1)

So heißt er doch?g

a Anführungszeichen eigenhändig. b Rechtsanwalt > Advokaten c O: Fischel e O: Fischel f falls d Klammern eigenhändig; öffnende Klammer ersetzt Komma. > sobald g Angebundene Anmerkung in O. 1 Weber vermerkt im Brief an Frieda Gross vom 18. Febr. 1914, unten, S. 520, Hans Gross habe auf die Anfrage von Frieda Gross nur mitgeteilt, „daß alles von den Behörden veranlaßt sei“. 2 Das Gutachten von Otto Pellech vom 9. Februar 1914 zu den Fragen, die Weber im Brief an Otto Pellech vom 30. Jan. 1914, oben, S. 494 – 496, gestellt hatte, ist nicht überliefert. 3 Vgl. den Brief an Otto Pellech vom 11. Febr. 1914, oben, S. 502 – 505.

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2. Falls sich das Verfahren gegen Otto Groß um Entmündigung drehe, so sei ihm anheimgestellt, Herrn Dr. Mühsam in München und Herrn Pfemferth in Berlin (wenn Sie die Adressen kennen, würde ich sie angeben, es genügt aber wohl die Adresse der i„Aktion“i oder eventuell weiß sie Herr Dr. Mühsam) darum anzugehen, über das Verhalten des Otto Groß in der letzten Zeit und dessen durchaus nicht abnormen Charakter möglichst viele eingehende eidesstattliche Versicherungen einzusammeln und Herrn Fischlk zur Verwendung zu übersenden. 3. Da Otto Groß ausdrücklich in seinem Schriftstück4 erkläre, daß er seine Kinder nicht in die Hände seines Vaters geraten lassen wolle, so möge Herr Fischll ihn veranlassen: a) falls sich dies rechtlich jetzt noch ermöglichen lasse, Sie (Frieda Groß) für seinen Todesfall testamentarisch zur Vormünderin zu ernennen, jedenfalls aber 앚:möge Otto Groß:앚 b)m ausdrücklich in geeigneter Form schriftlichn erklären: daß er keinenfalls wolle und dagegen protestiere, daß der Vater Groß zur Vormundschaft berufen werde, da dieser der erziehungsberechtigten Mutter gegenüber, wie er, Otto Groß, bezeugen müsse, seit langen Jahren schwere Feindschaft an den Tag gelegt habe. o(Dieser Brief hat keine Eile, Sie können damit getrost warten, bis Sie von Herrn Fischlp Nachricht über den Erfolg seiner ersten Schritte haben)o. II. Eine Vollmacht an Dr. Pellech wäre wohl erst zu erteilen, wenn die Entmündigung von Otto Groß wirklich in nächster Zeit droht, eventl. erst für die Beschwerdeinstanz. Man kann auch da zunächst den ersten Bericht des Herrn Fischl q abwarten.

h Pfemfer > Pfemfert i Anführungszeichen eigenhändig. Es folgt der Zusatz von dritter Hand: Pfemfert wohnt Berlin-Wilmersdorf Nassauische Straße. No weiß ich nicht. l O: Fischel Die Adresse steht in jedem Exemplar der „Aktion“. k O: Fischel m n o Klammern eigenhändig. p O: Fischel q O: Fischel 4 Es handelt sich um den aus der Privatirrenanstalt Tulln herausgeschmuggelten Brief vom Januar 1914. „Denken Sie, wenn diese Kinder, die zur Freiheit geboren und in Freiheit aufgewachsen sind, wenn diese Kinder jetzt in die Hand meines Vaters kämen, – denken Sie sich das Schicksal dieser Kinder, denken Sie sich den Seelenzustand ihrer Mutter aus! Und mir ist jede Möglichkeit genommen, Solches abzuwehren.“ Hurwitz, Otto Gross, S. 11f.

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III. Für Ihre und Ihrer Kinder Zukunft ersehen Sie aus dem Gutachten, welches Herr Dr. Pellech sehr klar und gewissenhaft erstattet hat, folgendes: 1. Bezüglich der Eva besteht überhaupt keine Gefahr, da Sie nach der bestimmten Auskunft des Anwalts ja jederzeit das Mittel in der Hand haben, durch Anfechtung der Legitimität sie der Gewalt des Großvaters zu entziehen. r(Otto Groß müßte dann veranlaßt werden, den entscheidenden Tatbestand wahrheitsgemäß zu bezeugen, wozu er gewiß bereit ist, wenn es sich darum handelt, die Vormundschaft seines Vaters zu verhindern. Dieser letztere wird schwerlich Schwierigkeiten machen und kann es auch nicht)r. 2. Bezüglich des Peter kann Gefahr entstehen, falls der Großvater Groß wirklich hartnäckig die Erlangung von Einfluß auf seine Erziehung erstrebt. Wie Sie sehen, ist der Anwalt in Übereinstimmung mit mir der Ansicht, daß hier gewisse Konzessionen, die Sie sehr wohl werden machen können – vor allem regelmäßiger Schulunterricht des Jungen, – wünschenswert 앚:seien.:앚 Werden diese gemacht, dann besteht für den Großvater, namentlich wenn Sie den Jungen im Kanton Tessin 앚:oder einem andern nicht ausliefernden Kanton:앚 zur Schule schicken, so gut wie keinerlei Chance etwas machen zu können. IV. Was Otto Groß selbst anlangt, so wäre es möglich, daß bezüglich des mir ja in seinen Einzelheiten überhaupt nicht näher bekannten Falles mit Sofie Benzs 5 앚:(heißt sie so?):앚 Verjährung noch nicht eingetreten ist. Denn auch wenn die Verjährungsfrist nur ein Jahr beträgt, so wird sie doch durch jede richterliche Handlung (Verhör von Zeugen, Fahndung, Eröffnung einer Voruntersuchung) unterbrochen. Ob dies der Fall ist, kann ich nicht wissen, wie ich auch nicht weiß, wo eigentlich dieser Vorfall sich abgespielt hat. Nach alledem bitte ich Sie, allenfalls mit Ausnahme des unter I angeratenen Briefs an Herrn Fischl,t sich zu beruhigen und nur eventuell

r Klammern eigenhändig.

s O: Bens

t O: Fischel, Komma eigenhändig.

5 Mit seiner Lebensgefährtin und Geliebten Sophie Benz, einer Malerin, war Otto Gross 1910 nach Ascona gezogen. Sie litt unter einer psychischen Krankheit und nahm sich Anfang März 1911 in Ascona mit Giften, die ihr Otto Gross zur Verfügung gestellt hatte, in seiner Gegenwart das Leben. Otto Gross ließ sich sofort danach in die Heilanstalt Mendrisio einweisen, um seine Depressionen und Drogensucht behandeln zu lassen.

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앚:bei Ihnen:앚 eingehende Berichte dieses letzteren oder erneute Äußerungen Ihrer Grazer Verwandten mir oder Lask ohne weiteren Kommentar schicken zu wollen. Mit den herzlichsten Wünschen Ihr freundschaftlich ergebener 앚:Max Weber Sehr vielen Dank für Ihren freundlichen Brief! Marianne grüßt sehr.:앚

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Gustav Radbruch 15. Februar [1914]; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 3716 (Nl. Gustav Radbruch) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. An dessen Ende findet sich ein Zusatz von Marianne Weber: „Lieber Professor Radbruch! Nehmen Sie auch einen warmen Gruß von mir. Wie sehr verstehe ich es, daß wir Ihnen jetzt nicht helfen u. wohlthun können, aber ich hoffe irgendwann kommt die Zeit wo die Berührung von Freundeshänden nicht mehr allzu schmerzhaft sein wird u. dann werden Sie fühlen, daß wir auch aus der Ferne innerlich mit Ihnen gelebt haben. Ihre Marianne Weber“. Was den konkreten Anlaß zu diesem Brief gegeben hat, ist unbekannt. Jedenfalls bildet er einen Nachklang zu dem Scheidungsprozeß von Gustav und Lina Radbruch im Jahre 1913.

Hbg 15/2 Verehrter und lieber Herr College! Ich möchte Ihnen nur einen Gruß, voll großer Achtung und Herzlichkeit, schicken. Auch ich hielt mich ganz zurück, denn Niemand weiß, ob er – mag er den besten Willen haben – dem Andren wohl thun kann. Sonst hätte ich mehrfach dringende Veranlassung gehabt, Ihre reiche wissenschaftliche Erfahrung um Rath anzugehen. Ich hoffe, es im nächsten Semester zu dürfen! Inzwischen in bekannter Gesinnung Ihr Max Weber

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Paul Siebeck 15. Februar [1914]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „16.2.14“ sowie Briefinhalt.

Heidelberg 15/II Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Die Beiträge zu Buch I sind natürlich „I,1“, die zu Buch III: „IIIa,1“ zu bezeichnen. Das greift ja der Bezeichnung der Abteilungen nicht vor. Weyermann hat sein Manuskript noch.1 Wir haben darüber ja s. Z. korrespondiert2 (er wollte es für das Colleg im Sommer haben). Schumacher schrieb ich 앚:(heute nochmals):앚 sehr energisch, daß er nun nicht mehr zögern dürfe.3 Ebenso Hirsch.4 Haben Sie eigentlich von Rathgen irgendwelche Nachricht? Ich erhielt keine Antwort.5 Das Mscr. ist doch nicht angekündigt?6

a O: II 1 Weyermann, Gewerbliche Technik. 2 Karte an Paul Siebeck vom 18. Dez. 1913, oben, S. 430. 3 Es geht hierbei um das seit längerer Zeit ausstehende Manuskript von Hermann Schumachers GdS-Beitrag: Börsenhandel im speziellen und Börsenwesen; vgl. dazu entsprechende Mitteilungen Webers an Paul Siebeck vom 9., 11., 24., vor oder am 25. sowie 26. Nov. 1913, oben, S. 368, 377, 398, 400 und 404. Auch Siebeck, der auf Webers Veranlassung vom 4. Febr. 1914, oben, S. 501, Schumacher und Julius Hirsch gemahnt hatte, mußte am 13. Febr. 1914 (ebd.) mitteilen: „Die Herren Hirsch und Schumacher haben auf meine erste Aufforderung, ihre Manuscripte einzuschicken, nicht geantwortet, ich habe daher gestern moniert.“ Zum Problem der späteren Manuskriptablieferung des Beitrags von Schumacher, der letztlich nicht erschienen ist, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, unten, S. 654, Anm. 1. Der hier erwähnte Brief Webers an Hermann Schumacher ist nicht nachgewiesen. 4 Es geht hierbei um die Ablieferung des Manuskripts von: Hirsch, Organisation und Formen des Handels; Briefe Webers an Julius Hirsch sind nicht nachgewiesen. 5 Karl Rathgen sollte den Beitrag: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates, verfassen, hat diesen aber nicht abgeliefert. Zu Webers Klagen über Rathgens Schweigen vgl. die Schreiben an Paul Siebeck vom 3. Nov. 1913, oben, S. 344, Anm. 10, 6. Nov. 1913, oben, S. 348, Anm. 6, und 26. Nov. 1913, oben, S. 404, Anm. 4 und 5. 6 Paul Siebeck vermerkt dazu in seiner Antwort vom 17. Febr. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Von Herrn Professor Rathgen habe ich nie etwas gehört. Das Manuscript ist mir auch nie von ihm angekündigt worden.“

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Ich würde 앚:an Ihrer Stelle:앚 jetzt nur die für die ersten beiden Lieferungen7 noch fehlenden Manuskripte (also wohl: Wiedenfeld8 – Lotz ist bei mir)9 mahnen. Für den Abschnitt „Gewerbe“ fehlt vor Allem Schwiedland noch, mit dem ich correspondiere.b 10 Vielleicht geht Lieferung I von Band II c 11 nur bis Abschnitt III (Transportwesen) inclusive, – das muß von Schwiedland’s Lieferung abhängen. Mein Bruder schickt seinen Beitrag12 in dieser Woche an Sie. Herzliche Grüße! Max Weber.

b

c O: zweifach unterstrichen.

7 Vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 16. Jan. 1914, oben, S. 467. Weber bezieht sich auf die Beiträge von Bücher, Schumpeter und v. Wieser in Buch I, Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, sowie auf Buch III, Abschnitt I – III, d. h. die Abschnitte: Handel, Kreditbankwesen und Transportwesen. Der Vorschlag Webers ist insofern mißverständlich, als von den vorgesehenen Beiträgen für diese Teile von Buch III nicht nur derjenige von Wiedenfeld – siehe Anm. 8 –, sondern auch die von Schumacher und Hirsch fehlten. Siebeck hat sich zu Webers Ausführungen nicht geäußert. 8 Wiedenfeld, Transportwesen. 9 Gemeint ist das Manuskript zu dem GdS-Artikel von Walther Lotz, Prinzipien der Transportpreisbildung. Der Beitrag wurde nie veröffentlicht. 10 Schwiedland, Gewerbliche Betriebsformen. Briefe Webers an Eugen Schwiedland sind nicht nachgewiesen. 11 „Band II“ begann nach Webers Vorstellungen mit „Buch III“ des Stoffverteilungsplans von 1910: Die einzelnen Erwerbsgebiete der modernen Verkehrswirtschaft und die ökonomische Binnenpolitik der modernen Staaten; vgl. dazu Anhang 1, unten, S. 812 – 816. 12 Weber, Alfred, Standortslehre.

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Frieda Gross 18. Februar 1914; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Zusätzen und Korrekturen Max Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 28 – 33 Dem Brief liegt ein Umschlag bei. Die Briefmarke mit dem Poststempel ist herausgerissen, der Ankunftsstempel lautet: Ascona 20.II.1914. Dem folgenden Brief sind zwei Briefe von Otto Pellech vom 12. und 14. Februar 1914 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr.12, Bl. 20 – 21 und Bl. 37 – 39, z. T. von Weber handschriftlich am Rand kommentiert) beigelegt. Pellech übernehme gern die Vertretung von Frieda Gross, halte auch eine Interessenswahrnehmung in Österreich für sehr wichtig, da Frieda Gross im Ausland lebe, um an dem Verfahren teilnehmen zu können. – Beide Ehepartner bräuchten einen gesonderten Anwalt zur Vermeidung von Kollisionen im formellen Bereich. Das Vollmachtsformular für Frieda Gross wolle er dem Brief beilegen. (Weber bemerkt am Rand, daß es vergessen sei.) Für die Mandatserteilung müsse eine zweifache Beglaubigung von Unterschriften erfolgen: 1) die von Frieda Gross durch eine Amtsperson und 2) die der Amtsperson selbst. In der Unterbringung in einer privaten Anstalt (gemeint ist Tulln) sieht Pellech eine Begünstigung durch den Vater und vermutet, daß der Vater eine Strafverfolgung von Otto Gross verhindern wolle. Alle Unterstreichungen sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen.

Heidelberg, den 18. Februar 1914. Liebe Frau Frieda!

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Anbei übersendea ich Ihnen noch zwei Briefe des Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Pellech an mich. Ich habe Herrn Dr. Pellech nun gebeten, Ihnen eine Vollmacht zur Unterzeichnung zu senden.1 Ihre Unterschrift müssen Sie bei einem Notar (vielleicht einfach Herrn Abbondiob) beglaubigen lassen und diesen dabei veranlassen, für seine Beglaubigung die Legalisation des österreichischen Konsulats – er wird wissen, wo es sich befindet – einholen zu lassen. Will er das nicht, so müssen Sie selbst die vom Notar beglaubigte Vollmacht eingeschrieben mit Rückfrankatur an das Konsulat schicken, mit der Bitte, sie legalisiert und unter Nachnahme der Gebühren an Sie zurückzusenden. Sodann möchte ich Ihnen raten, die Vollmacht sofort Herrn Dr. Pel-

a O: übende

b O: Abondio

1 Ein entsprechender Brief Max Webers ist nicht nachgewiesen.

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lech einzusenden.2 Ich meinerseits werde Herrn Dr. Pellech zu seiner Information Abschrift dieses Briefes und denc mir von Ihnen zugesendeten Brief des Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Fischld zustellen. Herrn Dr. Fischle würde ich raten zu schreiben: f„daß Sie eine getrennte Vertretung für sich und für Otto Groß um des willen für notwendig halten, weil Ihr Schwiegervater3 mit einem gleichzeitig seinen Sohn vertretenden Anwalt keinesfalls gütlich über Ihre Vorschläge verhandeln würde. 앚:Ihr Anwalt sei Herr Dr Pellech.:앚 Er möge es auch im übrigen nicht mißdeuten, wenn in persönlicher Hinsicht immer wieder auf die besondere Situation mit Ihrem Schwiegervater Rücksicht genommen werden müsse.“f (Diese Bemerkung soll eine vorsichtige Vorbereitung auf eine eventuelle künftige Übertragung des Mandats an einen andern Anwalt bedeuten. Ich habe 앚:nämlich,:앚 nach Erkundigungen, die ich inzwischen bei zuverlässigen Herren4 einzog, leider 앚:zu spät:앚 in Erfahrung gebracht, daß Herr Dr. Fischlg als höchst ungeeignet zur Vertretung gelten muß. Es ist daher recht bedauerlich, daß man ihn zunächst nicht umgehen konnte, weil er nun einmal sich im Besitz der Vollmacht von Otto Groß befand. Tatsächlich wird eventuell also auch die Vertretung der Interessen von Otto Groß auf den Schultern des Herrn Dr. Pellech ruhen, der sich angesichts der Situation hoffentlich bereit finden wird, mit Herrn Dr. Fischlh nötigenfalls zu konsultieren, um ihm die Wege zu weisen. Ihre alsbaldige Empfindung, daß jedenfalls Ihre eigenen Interessen nur beii Herrn Dr. Pellech in den denkbar besten Händen sein werden, ist voll begründet.) Meines Erachtens ist die Lage soweit geklärt, daß jetzt von Ihrer Seite gehandelt werden könnte und sollte, und zwar möglichst sofort. Vorläufig handelt es sich um Folgendes: Es wäre für Sie 앚:doch:앚 nicht nur wertvoll zu wissen, wessen Sie sich von Ihrem Herrn Schwiegervater (und auch: von Ihrem Herrn Bruder5), zu versehen haben, sondern vor allem auch: den ernsthaften Versuch einer gütlichen Sicherung Ih-

c d Fischel > Fischl g O: Fischel h O: Fischel

e O: Fischel f Anführungszeichen eigenhändig. i in den Händen des > bei

2 Eine durch den Notar Giovanni Abbondio in Ascona beglaubigte Vollmacht trägt das Datum vom 24. Februar 1914; Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 549. 3 Hans Gross. 4 Namen sind nicht nachgewiesen. 5 Arnold Schloffer.

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rer Mutterrechte zu machen. Bezüglich Ihrer Tochter Eva kann dies geschehen, indem jetzt gerichtlich deren Illegitimität festgestellt wird – was nach dem ausgezeichneten Gutachten des Herrn Dr. Pellech noch möglich ist – und damit jeder Anspruch ihresk Herrn Vaters5a auf die Vormundschaft ganz beseitigt wird. Natürlich wäre es richtig, dies als eine Konzession von Ihrer Seite an Ihren Herrn Schwiegervater in Szene zu setzen, gegen welche Sie Sicherungen bezüglich Ihres Sohnes Peter eintauschen könnten. Insofern trifft das ja auch zu, als Ihr Herr Schwiegervater es sicher unangenehm empfindet, daß ein Kind, welches tatsächlich nicht sein Enkel ist, rechtlich, speziell auch erbrechtlich, als solches gilt. Vor allem aber hätte doch wohl Herr Frick ein Interesse daran, daß diese ganz widernatürliche Rechtslage seines Kindes korrigiert wird. Bezüglich des Sohnes Peter kommt alles darauf an, daß Sie möglichst vor Eingriffen des Großvaters geschützt werden. Die wünschenswerten Konzessionen, welche Herr Dr. Pellech sehr klar bezeichnet hat, sind Siel ja zweifellos bereit zu machen. Es könnte sich nun noch fragen, ob Sie eventuell zu der weiteren Konzession bereit wären, einen Dritten, z. B. einen Ihrer Brüder,6 als Mitvormund (Gegenvormund, wie man in Deutschland sagt) oder alleräußerstenfalls auch als alleinigen Vormund zu akzeptieren. Irre ich mich in dieser Voraussetzung, dann wäre in diesen Punkten das nachfolgende Schreiben einer kleinen Korrektur bedürftig, welches ich Ihnen vorschlagen möchte, dem ungefähren Sinne nach jetzt sofort an Ihren Herrn Bruder in Graz7 zu richten: Ich würde dem genannten Herrn folgendes zu schreiben vorschlagen: m„Otto Groß habe Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Fischln Vollmacht zu seiner Vertretung gegeben. Dieser Herr aber habe Ihnen mitgeteilt, daß die Vollmacht infolge Verhängung der provisorischen Kuratel nicht genüge, um sich mit seinem Klienten in Verbindung zu setzen. Daraufhin hätten Sie menschlicherweise und nach Ihren früheren Versprechungen ihm unmöglich abschlagen können, Ihrerseits Herrn Dr. Fischlo Vollmacht zu dem ausschließlichen Zwecke zu erteik O: Ihres l O: sie Fischl o O: Fischel

m– m (S. 520) Anführungszeichen eigenhändig.

n Fischel >

5a Weber meint Otto Gross. 6 Frieda Gross hatte zwei Brüder, den Anwalt Arnold Schloffer in Graz und den Chirurgen Hermann Schloffer in Prag. 7 Gemeint ist der Rechtsanwalt Arnold Schloffer.

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len, es durchzusetzen, daß er als Vertrauensmann von Otto Groß zugelassen werde. Herr Dr. Fischlp habe versprochen, nichts Aggressivesq gegen Prof. Hans Groß zu unternehmen und auch an dessen Berliner Freunde8 schriftlich die gleiche Mahnung gerichtet. Hätten Sie sich dem Verlangen von Otto Groß 앚:ganz:앚 entzogen, so wäre die Folge gewesen, daß dessen Berliner Freunde Sie selbst in der Presse aufs Korn genommen und immer weitere unerquickliche Auseinandersetzungen herbeigeführt hätten. Damit sei gedroht worden. Sie selbst vermieden im übrigen jegliche Beziehung zu jenen Freunden. Ebenso hätten einige mit Ihnen von Freiburg und Heidelberg her befreundete deutsche Universitätsprofessoren9 im gleichen Sinn auf Berliner und Münchener Freunde von Otto Groß eingewirkt und insbesondere eine – angesichts des nach deutschem Recht schwer gesetzwidrigen Vorgehens der Berliner Polizei – beabsichtigte gemeinsame Kundgebung deutscher Universitätslehrer gegen Prof. Hans Groß hintertrieben.10 Was nun das Schicksal von Otto Groß angehe, so seien Sie und Ihre zuletzt erwähnten Freunde der Ansicht, daß die jedenfalls leicht durchführbare Entziehung der ärztlichen Approbationr völlig ausreiches, ihn sich selbst und Dritten gegenüber unschädlich zu machen, und daß es daher nicht nötig sei, durch eine Entmündigung ihn persönlich zu deklassieren und seine wissenschaftlichen Arbeiten zu entwerten. Jedenfalls lehnten Sie die Verantwortung für die Folgen auf Otto Groß ab. Es würde ein Leichtes sein nachzuweisen, daß die (als Delikt verjährte) Lieferung von Gift zum Selbstmord in den beiden ihm vorgeworfenen Fällen11 auf seinen Charakter und seine Geisteskräfte keinen Schatten werfe, sondern nur einen Verstoß gegen die heute geltenden Standespflichten des Arztes in sich schließe. Doch wollten Sie sich prinzipiell in dieset Angelegenheit nicht ohne Zwang mischen, indem Sie anerkennten, daß dieselbe in der Tat nach Lage der Dinge in erster Linie der Erwägung der Eltern anheimzustellen sei, für deren Empfindungen und schwierige Lage Sie volles Verständ-

p Fischel > Fischl t dieser > diese

q O: aggressives

r O: Approbiation

s ausreichen > ausreiche

8 Vermutlich meinte Weber Franz Pfemfert, Franz Jung und Simon Guttmann. 9 Zu nennen wären: Emil Lask, Edgar Jaffé, Max und Alfred Weber. 10 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 11 Gemeint ist die Mithilfe bei den Suiziden von Lotte Chattemer (1906) und Sophie Benz (1911).

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nis besäßen. Sie selbst beabsichtigten lediglich, Ihre eigenen Interessen als Mutter zu wahren. Diese Ihre eigenen Interessen aber würden freilich sehr tief berührt werden, falls Otto Groß mit seiner Behauptung Recht hätte: daß das Verfahren gegen ihn vor allem auch den Zweck verfolge, Ihnen Ihre Kinder zu nehmen oder doch Ihre Stellung als Mutter zu beeinträchtigen. Ihre erwähnten deutschen Freunde aus Universitätskreisen12 hätten Ihnen für diesen Fall Schutz und Aufnahme in ihren Familien und jegliche denkbare materielle und moralische Unterstützung angeboten. Davon würden Sie gegebenenfalls 앚:, wenn Ihre eigne Familie Sie im Stich ließe,:앚 Gebrauch machen müssen, seien aber jedenfalls entschlossen, Ihre Selbständigkeit als Mutter mit allen Mitteln zu wahren. Sie selbst glaubten freilich vorerst, daß jene Behauptung von Otto Groß unbegründet sei. Sie möchten aber auf jeden Fall die gegenwärtige Situation zum Anlaß nehmen, endlich einmal Ordnung in die verworrenen Verhältnisse dieser Kinder zu bringen: 1. Es sei Ihrem Bruder13 ja bekannt, daß das zweite Kind, Eva, nicht der Ehe mit Otto Groß, sondern der Gewissensehe mit E[rnst] Frick entstamme, welche Sie – unter Vermeidung aller 앚:zu Konflikten:앚 Anlaßu gebenden Formen, insbesondere unter Vermeidung der häuslichen Gemeinschaft – fortzusetzen gesonnen seien. Ein Gutachten des Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Pellech, um welches dieser durch die mehrfach erwähnten Freunde vertraulich gebeten worden sei, ergebe nun, daß es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch jetzt möglich sei, die Illegitimität dieses Kindes durch gerichtliche Klage, sei es von Ihrer Seite, sei es von Seiten des Prof. Hansv Groß, festzustellen. Sie nähmen an, daß eine solche Feststellung den Ansichten Ihres Herrn Schwiegervaters entsprechen würde und seien bereit, dabei mitzuwirken. 2. Was andererseits den Sohn Peter anlange, so müsse er jetzt die Schule besuchen. Es zeige sich, daß niemand außer Ihnen selbst Einfluß auf ihn gewinnen könne und daß daher auch der Gedanke ihn in eine Schulpension oder ein Landerziehungsheim zu tun, vertagt werden müsse.w Was Sie aber wünschen müßten, sei für den Fall, daß wirku Anstoß > Anlaß drucks wegen!

v H. > Hans

w Eigenhändige Randbemerkung: nur des Ein-

12 Vermutlich hat Weber sich selbst, Emil Lask, Alfred Weber und Edgar Jaffé gemeint. 13 Arnold Schloffer.

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lich Otto Groß einmal geschäftsunfähig werde, die Sicherheit, daß Sie in der Führung der Vormundschaft nicht nutzlos gestört würden. Wenn esx erwünscht erscheine, würden Sie gern bereit sein, sich auf einen geeigneten Mitvormund zu einigen, z. B. etwa auf Ihren Herrn Bruder14 selbst, falls er dazu bereit sei, oder auf Ihren anderen Bruder15 oder eventl. eine andere geeignete Persönlichkeit.[“]m y Ich würde dann noch hinzufügen: z„falls Ihr Bruder sich in dieser Angelegenheit Ihrer Interessen annehmen wolle, sei es ihm vielleicht möglich, durch eine Erörterung mit Prof. Hans Groß einen Interessenausgleich der erwähnten Art herbeizuführen. Sie müßten es aber für möglich halten, daß dies Ihren Bruder in eine unangenehme Situation bringen würde, nicht als Vermittler, sondern als Ihr Anwalt mit Prof. Groß zu verhandeln und daß ihm dies eine vermittelnde Rolle vielleicht erschweren könne. Daher hätten Sie für die Wahrnehmung Ihrer Interessen in dieser Sache dema schon erwähnten Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Pellech Vollmacht gegeben. Wenn Ihr Bruder nicht etwas anderes wünsche oder 앚:nicht vorziehe,:앚 mit der Angelegenheit ganz verschont 앚:zu:앚 bleibenb, so werde ihm der gleiche Vorschlag in Ihrem Auftrag von Seiten des genannten Herrn in aller Form zum Zweck der Vermittlung zugehen. Prof. Groß selbst habe außer der (ohne Anrede und Grußformel) an Sie gelangten Mitteilung: daß alles von den Behörden veranlaßt sei, auf Ihre Anfrage hin keinerlei Nachricht gegeben. Sie bäten Ihren Bruder um recht baldige Antwort über seine Stellungnahme, da Sie Ihr Verhalten danach einrichten müßten.“z c– –c Sie spielen mit einem solchen Brief unzweifelhaft mit ganz offenen Karten. Allein eine solche Loyalität ist zuweilen auch klug. Vor allem: je nach der Antwort wissen Sie dann wirklich, woran Sied eigentlich sind und möglicherweise, im günstigen Fall, erreichen Sie sogar auf diesem Wege eine schnelle definitive Beruhigung über die Absichten der Gegenseite.

x dies > es m (S. 517) –m Anführungszeichen eigenhändig. y Eigenhändige Randbemerkung: falls bedenklich, fortzulassen. z Anführungszeichen eigenhändig. a O: den b c Gedankenstriche eigenhändig. d O: sie 14 Arnold Schloffer. 15 Hermann Schloffer.

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Sie werden durch Lask den für Sie bestimmten Brief des Herrn Dr. Guttmanne aus Berlin erhalten haben. Er verlangt auch von mir stets erneut, daß ich in der Presse Spektakel mache. Das fällt mir garnicht ein,16 denn es hätte nicht die geringste Wirkung, am allerwenigsten eine günstige, und es würde mich ganz nutzlos dazu disqualifizieren, vielleicht in einem späteren Stadium einmal zu einem Druck auf Ihren Herrn Schwiegervater oder auch auf Ihre Brüder gebraucht werden 앚:zu:앚 können. Ich werde Herrn Dr. Guttmannf alle Folgen einer Wiederaufnahme der Presseerörterungen ins Gewissen schieben.17 Ihnen rate ich, dem genannten Herrn mit der größtmöglichen Freundlichkeit und dem Dank für seine guten Absichten und sein Interesse für Otto Groß zu schreiben: g„daß Sie Ihrem Herrn Schwiegervater grade neuerdingsh ganz bestimmte Vorschläge sowohl bezüglich der Kinder wie auch bezüglich der Art, in der er Otto Groß i,unschädlich‘i machen könne ohne ihn zu internieren oder seiner Ehre zu nahe zu treten, unterbreitet hätten. Angesichts dessen verbiete es Ihnen die Loyalität, mit den Berliner Herren, welche ihn in der Presse schwer angegriffen hätten, zur gleichen Zeit zu kooperieren. Ihr Schwiegervater würde sich ebensowenig wie Ihre eigene Familie auf irgendwelche Erörterungen mit Ihnen einlassen, wenn Sie nicht ausdrücklich erklärt hätten: daß eine solche Kooperation nicht bestehe. Etwas weiteres, als die Tragung der Kosten für den Anwalt von Otto Groß und die Erteilung einer Vollmacht an diesen zu seiner formellen Legitimation könnten Sie keinesfalls tun und dies sei bereits geschehen.“g – j Liebe Frau Frieda, nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich Ihnen da so ausführlich vorgeschlagen habe, wie Sie sich nach meiner Meinung am zweckmäßigsten verhalten. Sie werden das ja alles nachprüfen und nur tun, was Sie selbst für richtig finden. Aber bei der schweren Sorge, welche durch die Krankheit von Ernst Frick18 auf Ihnen liegt, habe ich es e Gutmann > Guttmann h eigenhändig. eigenhändig.

f Gutmann > Guttmann g – g Anführungszeichen i Anführungszeichen eigenhändig. j Gedankenstrich

16 Vgl. das Briefkonzept an Emil Lask, nach dem 9. Jan. 1914, oben, S. 461 – 463. Darin lehnt Max Weber grundsätzlich eine Stellungnahme im Berliner Tageblatt ab. 17 Ein entsprechender Brief an Simon Guttmann ist nicht nachgewiesen. 18 Laut Gutachten von Raphael Friedeberg vom 11. März 1914 (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 658 – 667) suchte Ernst Frick ihn nach seinem Gefängnisaufenthalt auf. Der Arzt konnte nur „eine mäßige Anämie“, „einen mangelhaften Ernährungszustand“ diagnostizieren. Mitte Januar stellte Friedeberg eine Angina fest, aber nichts Krank-

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für zweckmäßig gehalten, Ihnen vollständige Entwürfe von Briefen vorzulegen. Es scheint mir dringend erwünscht, daß der Brief an Ihren Herrn Bruder,19 wenn Sie überhaupt diesen mir zweckmäßig scheinenden Weg betreten, möglichst sogleich abgeht, und da ist es stets leichter und geht schneller, sich an der Hand eines detaillierten Vorschlags zu entschließen, obk und wie man schreiben will, als ohne solchen. Mit freundschaftlichen Grüßen, auch von meiner Frau Ihr stets ergebener 앚:Max Weber:앚

k was > ob haftes an den Lungen. Nach einer 10stündigen Wanderung von Ernst Frick Ende Januar hatte der Arzt bald nach der Angina eine Rippenfellentzündung diagnostiziert, die aber nicht tuberkulös war. 19 Arnold Schloffer.

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Helene Weber [vor dem 20. Februar 1914; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Inhalt des Briefes erschlossen, der eine Frist bis zum 20. Februar 1914 erwähnt. Max Weber schrieb schräg über den Brief: Bitte nicht vergessen!

Liebe Mutter, –

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1. Bitte füge die Höhe Deiner Wittwen-Pension an der mit einem # bezeichneten Stelle von Seite 1 des blauen Bogens ein. 2. Sodann addiere die drei Zahlen 12 164 2 500 ? (die Pension) ______ zusammen und schreibe das Resultat sowohl unten auf S. 1 bei # wie auf S. 2 bei + 3. Endlich: vergiß nicht, Deinen Namen auf S. 2 unten hinter dem Datuma hinzuschreiben. 4. Ebenso bitte auf dem großen weißen Bogen, der von mir geschrieben ist, unten 5. Dann schicke bitte das Ganze mit allen Beilagen „Eingeschrieben“ an die Adresse, die das gedruckte Couvert angiebt, welches dafür bestimmt ist.1 Bitte Alles recht schnell. Frist läuft am 20. II. ab. In großer Hast immer Dein getreuer Max Eben erhielten wir Deinen sehr lieben Brief und freuten uns dran. Grüß Lili! Marianne schreibt bald. Bitte nicht vergessen! a 1 Vermutlich handelt es sich um die Steuererklärung. Alfred Weber hatte am 20. Jan. 1914 an Helene Weber geschrieben (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber): „Ich lege die Steuererklärung bei; sie muß bis zum 31. Januar eingeschickt sein (die Frist ist verlängert), hat also keine hetzige Eile“.

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Heinrich Rickert 23. Februar [1914]; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740 Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Hbg 23/II Lieber Rickert, – aWindelband

hat die Chancen Jonas Cohn’s sofort in höchst kluger aber illoyaler Weise kontrekarriert.1 Zunächst durch Extrahierung eines Briefs des Dezernenten,2 welcher dessen „Transferierung“ für „unmöglich“ erklärte, da er schon von Freiburg vorgeschlagen worden sei, dann (in der Commission)3 durch die Erklärung: Sie hätten ihm (W[indelband]) „verschwiegen“, daß dies geschehen sei – was natürlich einen unangenehmen Eindruck machte (Gefälligkeits-Vorschlag!). Andrerseits betreibt mein Bruder auch diese Sache so stark persönlich, daß der Dekan,4 eine Vergewaltigung des Fachmanns und der Fakultät witternd, sich weigerte, persönlich mit zum Minister zu gehen.a Also fahren W[indelband] und mein Bruder mit kontradiktorischen Absichten zusammen hin! Dabei kann wohl nichts herauskommen. Dies Alles vertraulich. Ich habe dies Treiben satt. – Meinecke’s Verlust ist für Sie schwer:5 Um die Wahl zwischen Wahl

a – a Passage linksbündig mit einer Klammer versehen sowie der eigenhändigen Randbemerkung Max Webers: Vertraulich! 1 Vermutlich ging es hierbei um die mögliche Umhabilitierung des Freiburger Privatdozenten und a. o. (Titular-)Professors Jonas Cohn nach Heidelberg für das Lehrfach Pädagogik in Verbindung mit Psychologie. Von diesem Versuch ist weder in den einschlägigen Fakultätsakten in Freiburg i.Br. und in Heidelberg noch im GLA Karlsruhe etwas überliefert. 2 Es handelte sich um Victor Schwoerer, den Dezernenten für Hochschulangelegenheiten im badischen Kultusministerium. 3 Gemeint ist die Kommission in Sachen Errichtung einer psychologisch-pädagogischen Professur, der neben Wilhelm Windelband u. a. auch Max Weber angehörte. 4 Dekan der Philosophischen Fakultät in Heidelberg für das Jahr 1913/14 war Carl Neumann. 5 Friedrich Meinecke war im Februar 1914 zum 1. Oktober 1914 nach Berlin berufen worden. Als Nachfolger Meineckes wurden in der hochkarätig besetzten, von Meinekke selbst erstellten, ersten Berufungsliste vom 30. April 1914 (UA Freiburg i.Br., B 38/

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und Rachfahl beneide ich Sie nicht.6 Ersterer ist der ehrlichere Charakter persönlich, aber doch äußerst tendenziös und methodisch weit unsicherer als R[achfahl], den ich – so übel ich ihn als illoyalen Kritiker kennen lernte7 – dennoch vorzöge, da er vielseitig und methodisch, trotz Allem, sicherer ist. Doch das ist Gott sei Dank Ihre Freiburger Sache. Viele herzliche Grüße! Ihr Max Weber

264) pari loco Erich Marcks, Otto Hintze und Hermann Oncken genannt. Da sich die Berufung eines der drei Genannten entweder zerschlug oder in die Länge zog, forderte das Ministerium die Fakultät am 10. Juni 1914 (ebd.) zu weiteren Berufungsvorschlägen auf, die am 17. Juni 1914 (ebd.) an das Ministerium abgingen. Genannt waren in dieser Liste an erster Stelle Walter Goetz, an zweiter Felix Rachfahl und an dritter Adalbert Wahl. Laut Allerhöchster Ministerial-Entschließung vom 17. Juli 1914 (ebd.) wurde Felix Rachfahl zum Nachfolger Friedrich Meineckes ernannt. 6 Merkwürdigerweise kennt Weber hier schon die Namen derjenigen Historiker, die erst in der zweiten Berufungsliste vom Juni 1914 benannt wurden. 7 Zur Auseinandersetzung Webers mit Felix Rachfahl über die Bedeutung der protestantischen Ethik für die Genese des Kapitalismus vgl. die Briefe an Ferdinand Tönnies vom 18. Febr. 1913, oben, S. 91, Anm. 1, sowie an Paul Honigsheim vom 14. Juni 1914, unten, S. 714, Anm. 2.

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Paul Siebeck 24. Februar PSt 1914; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 20. Februar 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Bitte an Weber, ihm seine „Wünsche bezüglich des Korrekturverlaufs [der GdS-Manuskripte] mitzuteilen“.

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Die erste Correktur bitte ich Sie mir stets, aber nur zur Controlle, wie weit der Druck ist, zuzustellen. Dann erst wieder diejenige Revision, auf welche – nachdem der Autor alle Correkturen und Revisionen gelesen hat, [–] das „Imprimatur“ zu erteilen ist. Dies gebe dann ich. Herzlichen Gruß Ihr Max Weber Hbg 24/II

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Edgar Jaffé PSt 25. Februar 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Privatbesitz Die folgende Karte und die späteren Briefe Max Webers an Edgar Jaffé vom 15. und vor oder am 24. Juli 1914, unten, S. 767 und 772, der Brief an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juni 1914, unten, S. 730 – 743 sowie Karten und Briefe an Paul Siebeck vom 19., 21., 24., 27. und 30. Juli 1914, unten, S. 768 f., 770, 773, 775 f. und 777 f., stehen in Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung Max Webers mit dem Prager Wirtschaftshistoriker Paul Sander und der sich daran anschließenden Kontroverse Webers mit der dortigen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Auslöser dieser Kontroverse war eine kritische Rezension des Buches von Arthur Salz, Geschichte der Böhmischen Industrie in der Neuzeit. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1913, welche Paul Sander in: DLZ, Jg. 34, Nr. 42 vom 18. Oktober 1913, Sp. 2675 – 2681, publiziert hatte. Sander hatte u. a. kritisiert, daß dem Buch „nennenswerte archivalische Studien [...] nicht zugrunde“ lägen und die Provenienz der benutzten Archivalien ungenügend bezeichnet worden sei. Auch habe Salz zu großen Teilen die archivalischen Studien anderer Autoren übernommen, ohne diese immer hinreichend kenntlich gemacht, mithin plagiiert zu haben. Das gleiche gelte für die Materialsammlung im Anhang des Buches zur Preisentwicklung in verschiedenen böhmischen Industrien bis 1800. Zwar verdiene „die Arbeitsleistung, die ihnen zugrunde“ liege, „an und für sich schon hohe Anerkennung. Aber sie ist nicht das Verdienst des Verf[asser]s; denn diese Materialien, die hier ‚nach archivalischen Quellen‘ veröffentlicht werden, sind nichts anderes als ein Bestandteil der [...] Kollektaneen zur Geschichte der Preise, die unter Schebeks Leitung zusammengetragen und von der Prager Handels- und Gewerbekammer auf der Weltausstellung Wien 1873 in prächtiger Reinschrift ausgestellt worden sind. [...] Auch die Umrechnung der Originalpreise in Kronenwährung und ihre Zurückführung auf die Gewichtseinheit von 100 kg wird nur zum kleinsten Teil als Werk des Verf[asser]s zu betrachten sein; denn wie mir mitgeteilt wird, ist diese Rechenarbeit auf Kosten der ‚Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft, Kunst und Literatur‘ in Prag von technischen Hilskräften durchgeführt worden.“ Eine kurze Replik von Arthur Salz auf diese Rezension erschien unter dem Titel: Entgegnung, ebd., Jg. 35, Nr. 7 vom 14. Februar 1914, Sp. 445f., die „Antwort“ von Sander, ebd., Sp. 446 – 448. Salz wurde dann Gelegenheit gegeben, im „Archiv“ ausführlicher auf den Angriff Sanders einzugehen. Dies erfolgte in dem Artikel: In eigener Sache, erschienen in: AfSSp, Bd. 38, Heft 2, 1914, S. 527 – 538. Dem Aufsatz war ein „Redaktionelles Nachwort“ Max Webers, ebd., S. 539 – 550 (MWG I/13), beigegeben (hinfort zitiert als: Weber, Max, Redaktionelles Nachwort), in welchem er in außergewöhnlicher Schärfe auf die nach seiner Meinung ehrverletzenden Angriffe Paul Sanders einging. Webers Fazit dieser Rezension in seinem Schlußpassus ging dahin, daß er selbst zwar „zuweilen in scharfer, vielleicht einmal zu scharfer Form rezensiert“ habe, von ihm aber „nie leichtfertig die Ehre eines Autors angegriffen“ worden sei. „Und vollends niemals habe ich mich dahinter verkrochen: ‚die Tatsachen (unwahre Tatsachen vollends!) sprechen zu lassen‘. Diese Art von ‚Rezensionen‘ kenne ich aus langjähriger Erfahrung nur zu gut. Dieser ‚Rezensent‘ mag künftig einmal ganz brauchbare historische Arbeiten liefern. [...] Eine ‚wissenschaftliche Persönlichkeit‘ aber – wie sie Dr. Salz ist, bliebe selbst kein Stein dieses Buches auf dem andern – ja! das ist man damit noch nicht. Denn dazu gehören einige Qualitäten der Gesinnung, die ihm leider völlig fehlen. Und sehr nachdrücklich muß ihm bemerklich gemacht werden: das eigene sehr unerfreuliche Niveau der Gesinnung bei einem andern makellosen Autor vorauszusetzen, gab

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ihm niemand ein Recht. Er wird, möge er ‚leisten‘ was er wolle, fortan bei denen, welche seine ‚Technik‘ durchschaut haben, auf jene schweigende aber beharrliche Distanz stoßen, welche man gegen den aufrichtet, den man nicht als seinesgleichen anerkennt.“ Ebd., S. 550. Durch die scharfen Angriffe Webers, die Sander ehrenrühriges Verhalten imputierten, sah sich dieser veranlaßt (wie seinerseits Salz in Heidelberg), bei der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Prag ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst zu beantragen. Die damit befaßte Fakultät hat ihre Untersuchungsergebnisse in einer Broschüre zusammengefaßt, betitelt: Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der deutschen Universität in Prag über den Angriff Prof. Dr. Max Webers gegen Prof. Dr. Paul Sander. – Prag: Im Selbstverlag der Fakultät 1914. Diese Stellungnahme wurde diversen deutschen Universitäten, u. a. Heidelberg, zugesandt – das entsprechende Exemplar findet sich in UA Heidelberg, H-IV-102/140, Bl. 319[ff.] – und wurde darüber hinaus abgedruckt in: SchmJb, Jg. 38, Heft 3, 1914, S. 1667 – 1683. Darin drückte die Fakultät ihr Bedauern über die „maßlosen und schon ihrer Form nach unzulässigen Angriffe“ Webers aus und erklärte weiter, „daß sich diese Angriffe auf die schriftstellerische und persönliche Ehre Sanders nach reiflicher Nachprüfung des von Weber beigebrachten Materials als vollkommen grundlos und unberechtigt“ erwiesen hätten und die Fakultät ihrer „Überzeugung Ausdruck“ gebe, „daß die wissenschaftliche und sittliche Integrität Sanders außer jedem Zweifel“ stehe – hier zitiert nach dem Heidelberger Exemplar, ebd., S. 3. Der anonyme Berichterstatter der Prager Fakultät [= Arthur Spiethoff] war in seinem, den Hauptteil der Broschüre bildenden Schriftsatz, in welchem er ausführlich die Beschuldigungen Webers als haltlos zurückwies, zu dem Fazit gelangt, ebd., S. 32: „Bedenkt man, in welch leichtfertiger Weise sich Weber in seinem Artikel als Organ der literarischen Sittenpolizei betätigt, mit welcher Leidenschaftlichkeit er gegen Sander Beschuldigungen erhebt, mit welcher Sicherheit er Behauptungen aufstellt, von deren Richtigkeit er sich nicht überzeugt hat und vielleicht auch gar nicht überzeugen konnte, und mit welcher Kühnheit er die Reinheit der Gesinnungen eines, wie es scheint, ihm völlig unbekannten Gelehrten verdächtigt, so wirkt die Abrechnung, mit der er seinen Artikel schließt [siehe oben], geradezu wie eine Selbstverspottung. Und ganz ebenso ist die Belehrung zu werten, die er (S. 545) Sander für künftig erteilt, ‚daß die leidenschaftliche Begierde, einem anderen die literarische Ehre abzuschneiden, ein schlechter Berater ist.‘ Weber tadelt die Vorsicht des Rezensenten und verurteilt seinen Mangel an moralischem Mut (S. 547). Nun, vorsichtig war Weber in seinem Artikel sicherlich nicht und Mut hat er bewiesen. Nur ob es gerade der von ihm geforderte moralische Mut war, läßt sich füglich bezweifeln. Die Untersuchung, ob Webers Beschuldigungen zutreffen, gestaltet sich unwillkürlich zu einer Anklage gegen den Angreifer selbst.“ Eine Mitteilung von Walter Goetz aus Straßburg, daß diese Broschüre an die deutschen Universitäten versandt werde, veranlaßte Weber dazu, die Gründe für seinen Streit mit Paul Sander in einer umfangreichen Darlegung an die Philosophische Fakultät in Heidelberg vom 26. Juni 1914, unten, S. 730 – 743, zu erläutern. Diesem Schreiben war am 21. Juni 1914 der Antrag von Arthur Salz eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst (UA Heidelberg, H-IV-102/140, Bl. 298f.) vorausgegangen. In ihrer Stellungnahme vom 7. Juli 1914, ebd., Bl. 323, erklärte die Fakultät „die Angriffe des Herrn Professor Sander, soweit sie die persönliche und literarische Ehre des Herrn Dr. Salz betreffen, für durchaus unbegründet“ und sah sich demgemäß „nicht veranlaßt, das von Herrn Dr. Salz gegen sich beantragte Disziplinarverfahren einzuleiten.“ Diese Erklärung, die auch nach Prag gesandt worden war, provozierte eine schriftliche Anfrage von Paul Sander vom 14. Juli 1914 an den Dekan der Heidelberger Philosophischen Fakultät, Carl Neumann, mit der Bitte um eine genauere Stellungnahme zu der Behauptung, daß er, Sander, „ohne Grund die Ehre des Herrn Dr. Salz angegriffen habe.“ Ebd., Bl. 332. Eine solche hat die Fakultät in ihrer Antwort vom 14. August 1914 (ebd., Bl. 328v – 329) strikt abgelehnt: „Wenn die Erklärung der Philo-

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sophischen Fakultät der U. H. die Angriffe gegen das Buch des Herrn Dr. Salz, ,soweit sie die literarische und persönliche Ehre des Herrn Dr. Salz betreffen‘, für nicht begründet erklärte, so lag es nicht in ihrer Absicht, damit ein Werturteil über die ihrer Kompetenz fernliegende Frage abzugeben, inwieweit der Recensent subjektiv zu diesem Bestandteil seiner Angriffe berechtigt gewesen sei. Die Fakultät hat sich an die doppelte Tatsache gehalten, daß die Recension wie die Erklärung vom 14. Februar objektiv so beschaffen sind, daß sie (neben den Angriffen auf die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit) auch die literarische und persönliche Ehre des Herrn Salz angriffen, und daß sie in diesem Sinne auch von einer weitern wissenschaftlichen Öffentlichkeit allgemein aufgefaßt worden sind. Die Tragweite dieser Vorwürfe ist nicht in erster Linie von einzelnen eindeutigen Wendungen abhängig [...], sondern von dem Gesamttenor der Recension, der Färbung und Verbindung ihrer Bestandteile, der Beleuchtung, wobei einzelne Beanstandungen durch ein generelles Werturteil [...] gekrönt werden. Bei dieser Sachlage kann die Phil. Fak. es nicht als ihre Aufgabe ansehen Ihren Fragestellungen im Einzelnen näher zu treten und damit eine weitere Erörterung zu eröffnen.“ Während sich die Philosophische Fakultät nicht zu weiteren Erklärungen zum Konflikt zwischen Sander und Salz veranlaßt sah, hat sich Weber in einem umfangreichen Artikel kritisch zu der Stellungnahme der Prager Fakultät geäußert. Dieser ist erschienen unter dem Titel: Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914 S. 539f. gegen Herrn Prof. Dr. Sander in Prag, in: AfSSp, Bd. 39, Heft 1, 1914, S. 227 – 252 (MWG I/13; hinfort zitiert als: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914). In ihrer Antwort wies die Prager Fakultät in ihrer „Erklärung“, erschienen ebd., Bd. 39, Heft 2, 1915, S. 567, darauf hin, daß sie als bloße „Nebenintervenienten“ im Konflikt zwischen Sander und Weber eine weitere Stellungnahme dazu ablehne. In ihrer Notiz korrigierte sie lediglich zwei Einzelirrtümer Webers. Dessen Stellungnahme dazu – gleichzeitig auch seine letzte Äußerung zum Fall Sander – Salz – erschien unter dem Titel: Zur Erklärung der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Bd. 39, S. 567, in: AfSSp, Bd. 41, Heft 4, 1916, S. 927f. (MWG I/13; hinfort zitiert als: Weber, Max, Zur Erklärung der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät). In seiner Schlußbemerkung konstatierte Weber, daß die Prager Fakultät es nicht für nötig erachte, die „von ihrem Referenten verschuldeten Dinge gut zu machen. Ich würde, wenn ich in ähnlicher Lage ähnlich handelte, glauben, den Vorwurf unritterlicher und entwürdigender Feigheit auf mich zu laden. Es ist mir peinlich, ein solches Verhalten in der gegenwärtigen Zeit bei einer Körperschaft feststellen zu müssen, welche sich als Vertreterin des Deutschtums gebärdet.“

Lieber Jaffé! Ich bin der Meinung: daß man die Salz’sche „Antikritik“1 unbedingt im Litteratur-Anzeiger druckt, das Gegenteil würde sich nicht gut machen. Eine von mir gezeichnete „Bemerkung“ dazu,2 welche es recht-

1 Gemeint ist: Salz, Arthur, In eigener Sache, erschienen in: AfSSp, Bd. 38, Heft 2, 1914, S. 527 – 538. 2 Weber, Max, Redaktionelles Nachwort.

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fertigt, daß ich die Aufnahme beantragte, schicke ich dieser Tage. Vielleicht direkt an Siebeck? Collegiale Grüße! Ihr Max Weber Endlich ist das H[and-]B[uch] im Druck!

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Paul Siebeck 25. Februar PSt 1914; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg 25/II Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Mir scheint es rathsam, Schumpeter’s Beitrag dem Wieser’schen voranzustellen. So schrieb ich ja auch letztlich die Reihenfolge.1 Es ist natürlicher, auf die „Entwicklungsstufen“ der Volkswirtschaft die Entwicklung der V[olks]-W[irtschafts]-Lehre folgen zu lassen, und dann die Theorie der Wirtschaft. Vielleicht läßt sich abwechselnd 1 Bogen Wieser und 1 Bogen Schumpeter setzen und dann beim Umbrechen Schumpeter zuerst nehmen. Herzlichen Gruß! Max Weber. An die Herren Hirsch und Schumacher schrieb ich sehr energisch.2

1 So Weber in seinem Brief an Paul Siebeck vom 24. Nov. 1913, oben, S. 399. In seinem Schreiben an Paul Siebeck vom 19. Jan. 1914, oben, S. 473, war allerdings der Beitrag v. Wiesers dem von Schumpeter vorangestellt. 2 Paul Siebeck hatte Weber am 16. oder 17. Febr. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) – die beiden Briefseiten tragen verschiedene Daten – von den Reaktionen Hermann Schumachers und Julius Hirschs auf seine Mahnschreiben in Sachen Manuskriptabgabe berichtet und dabei Passagen aus deren Antwortschreiben zitiert. Schumacher hatte ihm geschrieben: „Ich bedaure Ihnen mitteilen zu müssen, daß ich wegen Schwierigkeiten des Themas und der Materialbeschaffung erst Ende der Frühjahrsferien in der Lage bin, das Manuscript zu liefern. Es beruhigt mich dabei die Gewißheit, daß bei einem Unternehmen, das über viele Jahre sich erstreckt, eine Verzögerung von wenigen Wochen nicht nennenswert ins Gewicht fallen kann. Jedenfalls steht es nicht in meiner Kraft, das zu ändern.“ Aus der von Siebeck mitgeteilten Briefpassage von Hirsch ging hervor, daß die Abgabe seines GdS-Manuskripts sich krankheitshalber bis zu den Semesterferien verzögern werde. Die Schreiben Webers an Schumacher und Hirsch sind nicht nachgewiesen.

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Frieda Gross 26. Februar 1914; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Zusätzen GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 41 Alle Unterstreichungen sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen.

Heidelberg, den 26. Februar 1914. Liebe Frau Frieda! Von dem Angebot des Herrn Dr. Pellech in dem beifolgenden Schreiben: Sie eventuell auf einer ohnehin notwendigen Reise im Laufe des nächsten Monats 앚:(März):앚 in Mailand treffen zu wollen, würde ich sehr entschieden zureden Gebrauch zu machen, falls die Umstände es Ihnen ermöglichen. Herr Dr. Pellech wird mir als ein so zuverlässiger Charakter geschildert, daß Sie ihma unbedenklich alle für die Beurteilung Ihrer Lage irgendwie in Betracht kommenden Umstände mitteilen können. Dies und die Herstellung einer persönlichen Beziehung zu Ihnen schiene mir, da eben die ganze Lage doch nicht ganz einfach ist, wirklich recht erwünscht und Sie ersparen sich auf diese Weise jedenfalls die Notwendigkeit sich vielleicht künftig einmal zu einer weiteren Reise entschließen zu müssen. Falls Sie sich inzwischen entschlossen haben sollten an Ihren Herrn Bruder1 zu schreiben, so wäre bis dahin vielleicht auch eine Antwort von diesem in Ihren Händen, über deren Konsequenzen Sie mit Herrn Dr. Pellech dann konferieren könnten. Es ist für Sie ja ungleich leichter in mündlicher Rücksprache, als für mich durch schriftliche Darlegungen dem genannten Herrn den nötigen Einblick zu verschaffen. Inzwischen verbleibe ich mit herzlichen Grüßen Ihr ergebenster 앚:Max Weber:앚 Falls Sie auf den Vorschlag eingehen, so wäre es wohl das richtige, Sie

a O: ihn 1 Gemeint ist Arnold Schloffer, Hof- und Gerichtsadvokat in Graz.

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teilten selbst Herrn Dr. Pellech mit, daß Sie dazu bereit seien, eventuell welche Tage und Tageszeiten die für Sie bequemsten wären und ersuchten ihn um Mitteilung, wann er in Mailand zu einer Unterredung bereit ist.

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Frieda Gross 1. März 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 44 – 45

Heidelberg 1. III. 14 Liebe Frau Frieda, – schönen Dank für das Telegramm an Lask. Ich wurde deshalb so dringend, weil die Publikation in den Zeitungen1 und die öffentliche Erklärung einer „unterrichteten“ Stelle: Otto Gr[oss] sei schwer geisteskrank (dementia praecox etc) die Sache für ihn sehr ungünstig gestaltet hat. Ich halte nun seine Entmündigung für so gut wie sicher, da der Vater und die Behörden ja jetzt Alles daran setzen müssen, durch eine solche die Art ihres Vorgehens 앚:nachträglich:앚 zu rechtfertigen.2 Wenn Sie daher den Gang der Dinge beeinflussen wollen, ehe etwas Definitives geschehen ist, dann ist es jetzt allerdings an der Zeit. Advokat Pellech möchte Vollmacht haben, mit Ihrem Schwiegervater 3 zu verhandeln. Das direkt zu thun, scheint mir aussichtslos. Aber mit Ihrem Bruder 4 zu verhandeln wäre doch wohl gut. Besser natürlich, Sie verschaffen Sich bei diesem zunächst Gewißheit, ob er dafür aufkommt, daß Ihren Mutterrechten nicht zu nahe getreten wird. Das scheint mir hier so sehr wichtig und dringlich und Sie riskierena dabei doch nichts. Wollen Sie es nicht, dann genügt ja eine Postkarte. Aber wollen Sie es, dann ist es jetzt die allerhöchste Zeit es zu thun oder a Unsichere Lesung. 1 Das „Neue Wiener Abendblatt“, Nr. 57 vom 27. Febr. 1914, S. 5, brachte unter dem Titel „Selbstbeschuldigungen eines Arztes. Der Fall Dr. Otto Gross“ einen Abdruck des Briefes von Otto Gross, der am 28. Februar 1914 auch in der „Zukunft“ erschienen war. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1914, oben, S. 481. Das Blatt fügte eine „Mitteilung“ über Otto Gross an. Darin wurde berichtet, Otto Gross leide schon seit längerer Zeit an einer schweren Geisteskrankheit (Dementia praecox), vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 5. März 1914, unten, S. 538. 2 Tatsächlich war Otto Gross bereits am 9. Januar 1914 unter Kuratel gestellt worden. 3 Hans Gross. 4 Gemeint ist der Hof- und Gerichtsadvokat Arnold Schloffer in Graz.

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Herrn Pellech dazu zu bevollmächtigen5 (und also zu sagen: was er Ihrem Bruder mitteilen soll). Ich würde vorschlagen, daß er 앚:(Dr Pellech):앚 sich auf die Anfrage beschränkt: „ob nach seiner (Ihres Bruders) Ansicht Gefahr bestehe, daß auf Grund einer etwaigen Entmündigung des Otto Gross irgendwelche Eingriffe in Ihre mütterlichen Rechte zu gewärtigen seien oder ob das Gegenteil bestimmt in Aussicht gestellt werden könne?“ Und ich würde sehr rathen, eventuell außerdem auch Ihrerseits persönlich anb Ihren Bruder zu schreiben. Viele herzliche Grüße – es ist mir recht arg, Sie so zu drängen[,] und soll lieber nichts geschehen, so sagen Sie es, nur darf man 앚:sonst:앚 dem sehr interessierten Anwalt 6 keine Gleichgültigkeit zeigen – Ihr Max Weber

b verbu > an 5 Frieda Gross hatte schon am 24. Februar 1914 Otto Pellech die Vollmacht erteilt. 6 Otto Pellech.

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Frieda Gross [3. März 1914]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 47 – 48 Dem Brief liegt ein Umschlag mit der Aufschrift „Durch Eilboten Express“ bei, dessen Briefmarke herausgerissen ist. Der Ankunftsstempel lautet: 4.III.14 Ascona. Man kann daher davon ausgehen, daß der Brief spätestens am 3. März 1914 geschrieben ist. Die Unterschrift ist weggeschnitten.

Liebe Frau Frieda! Bitte dringend: geben Sie doch irgend eine Nachricht!! 1) ob Sie an Ihren Bruder1 geschrieben haben und in welchem Sinn? 2) ob Sie an Dr Fischl 2 geschrieben haben, wie vorgeschlagen? 3) ob Sie Dr Pellech3 Vollmacht geschickt haben? 4) ob Sie mit Dr Pellech in Mailand4 zusammentreffen können? und wann? 5) ob Sie Dr Pellech eventuell ermächtigen, mit Ihrem Herrn Bruder vertraulich die Angelegenheit zu besprechen und ihm Vorschläge zu machen? oder nura die Möglichkeiten besprechen ohne Vorschläge zu machen? In der Wiener Presse erscheinen jetzt Artikel,5 die von Ihrem

a 1 Gemeint sind Arnold Schloffer und die Vorschläge Webers in seinem Brief an Frieda Gross vom 26. Febr. 1914, oben, S. 532 f. 2 Vgl. dazu Webers Brief an Frieda Gross vom 18. Febr. 1914, oben, S. 515 – 522. 3 Das hatte Weber geraten in seinem Brief an Frieda Gross vom 18. Febr. 1914, oben, S. 515. 4 Das hatte Weber vorgeschlagen in seinem Brief an Frieda Gross vom 26. Febr. 1914, oben, S. 532. 5 Im „Neuen Wiener Tagblatt“, Nr. 60 vom 2. März 1914, Mo.Bl., S. 9 f., erschien unter dem Titel „Der Fall des Dr. Otto Groß“ die Stellungnahme, die Professor Hans Gross dem Korrespondenten der Zeitung in Graz gegeben hatte. Hans Gross schilderte den Lebensweg von Otto Gross, seine Internierung in Tulln, die gerichtsärztliche Untersuchung, den Beschluß des Bezirksgerichts in Graz, über ihn „wegen gerichtlich erhobenen Wahnsinns die Kuratel zu verhängen“, und seine Verlegung in die Landesirrenanstalt Troppau aus Sicherheitsgründen. Vgl. auch Webers Brief an Frieda Gross vom 1. März 1914, Anm. 1, oben, S. 534, und die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 5. März 1914, unten, S. 538.

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Schwiegervater bzw. dessen Anwalt 6 ausgehen und für die Angelegenheit nicht günstig wirken. – Daher: 1) entweder Sie wollen jetzt nichts thun und Alles abwarten. Dann war natürlich die Erteilung der Vollmacht an Dr Fischl schon ein Fehler. Oder 2) Sie wollen, daß etwas geschieht. Dann kann das m. E. nur durch zweierlei geschehen: Verhandlung mit Ihrem Bruder oder gerichtliches Eingreifen der beiden Anwälte, Pellech und Fischl. Aber daß und warum Sie, entgegen Ihrem ersten Brief an Ihren Bruder, Vollmacht gegeben haben, müssen Sie m. E. diesem schreiben. Herzliche Grüße in Eile Ihr

6 Carl Rintelen.

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Frieda Gross PSt 5. März 1914; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 44 – 45 Datum und Ort lassen sich mit Hilfe eines bisher nicht zugeordneten Briefumschlags vom 5. März 1914 aus Heidelberg, der sich allerdings nicht im Faszikel Nr. 14, sondern im Faszikel Nr. 12 findet, datieren. Ausgelöst durch die Veröffentlichung des Briefes von Otto Gross aus der Anstalt Tulln in „Die Zukunft“ vom 28. Februar 1914 (vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 29. Januar 1914, oben, S. 484) erschienen in Wien mehrere Zeitungsartikel über den „Fall Dr. Otto Groß“. Das „Neue Wiener Abendblatt“, Nr. 57 vom 27. Februar 1914, S. 5 f., druckte mit einem redaktionellen Verweis auf „Die Zukunft“ unter dem Titel „Selbstbeschuldigungen eines Arztes. Der Fall Dr. Otto Groß“ den dort veröffentlichten Auszug aus dem Brief von Otto Gross aus Tulln nach. Die Zeitung fügte „Mitteilungen über Otto Groß“ an, in denen sie über seine „schwere Geisteskrankheit (Dementia praecox)“ und die früheren Aufenthalte in verschiedenen Irrenanstalten berichtete. Sie verwies auf das psychiatrische Gutachten, das Otto Gross als „Kokainisten und Morphinisten“ diagnostizierte und als einen „vollkommen hemmungslosen Menschen und infolgedessen überaus gemeingefährlich“ bezeichnete. Diese Informationen hatte die Zeitung „von einer Seite, die sich in Österreich mit der Sache zu befassen hatte“ erhalten. Danach hatte der Anwalt Fischl eine Gegendarstellung im „Neuen Wiener Tagblatt“ veröffentlicht, in der er Nachrichten von Franz Jung und anderen Freunden von Otto Gross zusammengetragen hatte, die dessen geistige Gesundheit nachweisen sollten. In diesem Artikel hatte er auch geschrieben, in Deutschland bestehe ein Komitee, das sich für die Aufhebung der Entmündigung von Otto Gross einsetze und an dessen Spitze Max Weber stehe. Weber hatte sofort protestiert in einem Eilbrief vom 28. Februar 1914 und durch ein Telegramm, die beide nicht überliefert sind. Armin Fischl antwortete in seinem Brief vom 2. März 1914: „Ich erhielt Ihr geschätztes Schreiben vom 28. ds. und Ihre Depesche, in welcher Euer Wohlgeboren gegen die Nennung Ihres Namens in der Presse protestieren. Ich bedaure vor allem außerordentlich, daß ich durch die Nennung Ihres Namens Ihren Intentionen nicht entsprochen, und wie ich leider sehe, sogar gegen Ihren Willen gehandelt habe.“ Durch die Veröffentlichung Fischls sah sich Hans Gross veranlaßt, seinerseits eine Darstellung der Zusammenhänge einem Korrespondenten des „Neuen Wiener Tagblatts“ zu geben (Neues Wiener Tagblatt, Nr. 60 vom 2. März 1914, Mo.Bl., S. 9). Im Folgenden bezieht sich Max Weber auf zwei Briefe, die er beilegte. Bei dem einen handelt es sich um den oben erwähnten Brief von Armin Fischl, bei dem anderen um einen Brief von Otto Pellech vom 3. März 1914 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 61 – 64 und Bl. 65 – 67). Im letzteren berichtete Pellech über eine Unterredung mit Fischl. Dieser habe noch keine Einsicht in den Kuratelsakt genommen, wolle aber das von ihm gesammelte Material, „welches sowohl die geistige Zurechnungsfähigkeit Dr. Gross beweisen, als auch schwere Beschuldigungen gegen Professor Gross enthalten soll“, zu einer Eingabe an das Kuratelsgericht zusammenstellen, „von welchem er sich großen Erfolg erhofft.“

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anbei 2 Briefe. Der Brief Pellechs behandelt im Rest nur theoretische Fragen. Er weiß, daß die „Illegitimität“ jetzt ganz ausscheidet. Ich habe Besorgnisse über die „Skandale“,1 die Herr Fischl Ihrem Schwiegervater vorhalten will. Wenn Sie ahnen, was das sein kann, schreiben Sie es mir. Aber Sie wissen es wahrscheinlich nicht. Ich halte das für sehr bedenklich. Eine solche Drohung wirkt – einmal! – vielleicht. Aber die wirkliche Vorbringung rein persönlicher Dinge würde beim Gericht Ihnen und Otto Gross sehr schaden. Und dann kämen von der Gegenseite Dinge – Sie wissen, welche! – die zahlreiche Münchener und andre Freunde von Ihnen ebenfalls mit Dreck bewerfen würden. Denn der Vater müßte ja dann die erotische Praxis des Sohns etc. etc. vorbringen. Ich habe also Fischl geschrieben:2 Er dürfe Dinge vorbringen, welche 1) mit dieser Sache, d. h. dem Verhalten des Vaters gegen den Sohn, in Zusammenhang stünden, oder 2) ihn als Curator disqualifizierten. Brächte er Andre, oder überhaupt Klatsch und Skandal vor, so würde ich jede Verbindung abbrechen und ich sei der Ansicht, daß Sie dann auch keine andre Wahl hätten. Die haben Sie m. E. in der That nicht und an Ihrer Stelle würde ich dem Anwalt Fischl ganz kurz auch etwas Ähnliches schreiben1) und zugleich ihn auffordern, künftig keinerlei Material oder Erklärungen ohne Zustimmung von Ihnen nach außen zu geben und Ihnen von allen seinen Eingaben Abschrift zu geben. Es ist Ihr Recht, das zu verlangen. Prof. Gross scheint sich also mit der bloßen Curatel 앚:über Otto Gross:앚 für jetzt begnügen zu wollen.3 Vielleicht gelingt es, auch diese 1)

das hielte ich für in Ihrem und Anderer Interesse für entschieden wünschenswerth. Nur ganz kurz und energisch, ohne Commentar! 1 Weber bezieht sich hier auf eine Passage aus Fischls Brief. (Vgl. die Editorische Vorbemerkung). Unter VII. schreibt dieser: „es dürfte vielleicht doch notwendig werden, daß Gewalt gegen Gewalt ausgespielt würde und daß ich von einigen mir bekannten Tatsachen gegen Professor Gross Gebrauch machen müßte, auf die Gefahr hin, daß hiedurch ein unheilbarer Bruch entsteht.“ Die schweren Beschuldigungen gegen Prof. Gross wollte Fischl in einer Eingabe an das Kuratelsgericht vorbringen. 2 Ein Brief Webers an den Rechtsanwalt Fischl ist nicht nachgewiesen. 3 Weber bezieht sich auf die Äußerungen von Hans Gross im „Neuen Wiener Tagblatt“, Nr. 60 vom 2. März 1914, Mo.Bl., S.9 f.: Sein Sohn habe in einem Gesuch an die Pflegschaftsbehörde erklärt, „jetzt sei er entwöhnt und völlig gesund, er verlange seine Entlassung. Über dieses Gesuch wurde ich vor einer Woche einvernommen und

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zu verhindern. Weshalb er schließlich nachgegeben hat, ist noch nicht klar. Es steht nicht fest, daß der Brief des Herrn Fischl der Grund war, vielmehr kann auch von anderer Seite auf ihn eingewirkt sein. Viele herzliche Grüße Ihr Max Weber

habe es aus therapeutischen Gründen auf das wärmste befürwortet. Es sind daher die ,Bemühungen‘ des Doktor Fischl völlig überflüssig, dem Gesuch ist schon längst stattgegeben worden, etwas anderes ist nicht zu erreichen.“ – Die Irrenanstalt Troppau entließ Otto Gross erst am 8. Juli 1914.

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8. März 1914

Frieda Gross 8. März 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 69 – 70

Heidelberg 8/3 14 Liebe Frau Frieda, –

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auch ich rathe: Dr Fischla die Vollmacht, die er selbst (Sie können Sich darauf berufen!) als „vonb fast nicht größerem Werth als die des Dr Otto Gross“ bezeichnete, so bald als möglich ausdrücklich zu entziehen.1) 1 Sie riskieren nichts, da er ja meine Garantie hat. 앚:Übrigens::앚 nicht ich zahle – in unserer Kasse herrscht 앚:z. Z.:앚 infolge der Bedürfnisse meiner jüngsten Geschwister2 (pst!!) eine ganz fürchterliche Ebbe! – sondern Lask. Und das können und müssen Sie Sich gefallen lassen, er ist einer Ihrer ältesten und nächsten Freunde und warum soll er ungestraft unter den Palmen einer „bürgerlichen Lebensstellung“c 3 wandeln? Also lassen Sie das! Nur seien Sie und Herr E[rnst] Frick über einige Wendungen der gestern überschickten Eingabe4 nicht böse. Sie sind auch in ihrem 1)

Ich würde ihm schreiben: 1. Namens seines Clienten Otto Gross müsse er vorbringen, was immer er für sachdienlich halte. Sie sähen ein, daß dies seine Pflicht sei. Aber 2. ind Ihrem Namen und mit Ihrer Vollmacht dürfe er persönliche Angriffe nicht vorbringen. Ihre Familie verlange nach der erfolgten öffentlichen Erklärung Rücknahme der Vollmacht und Sie müßten Ihre Familie hinter Sich haben. – Das habe ich ihm genau so geschrieben.5 a O: Fischel

b

c

d Unsichere Lesung.

1 Am 28. März 1914 (Kuratelakten Dr. Otto Gross, Steierm. LA Graz, P IX 20/14, Bl. 19) kündigte Frieda Gross Dr. Armin Fischl die Vollmacht. 2 Lili Schäfer und Arthur Weber. 3 Anspielung auf Johann Wolfgang von Goethe, Die Wahlverwandtschaften, Zweiter Teil, Siebentes Kapitel, Aus Ottiliens Tagebuche: „Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen“. Emil Lask war seit dem 1. April 1913 etatmäßiger a.o. Prof. für Philosophie an der Universität Heidelberg. 4 Die Eingabe ist nicht nachgewiesen. 5 Der Brief an den Rechtsanwalt Armin Fischl ist nicht nachgewiesen.

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Zweck ziemlich genau überlegt: ich muß sie ja eventuell beschwören, da muß darinstehen auch was ich eventuell von der Gegenseite gefragt werde.2) Ich vermuthe, daß Manches nicht stimmt.e Gegebenenfalls berichtigen Sie (im April, denn das hat Zeit) mein schlechtes Gedächtnis. „Sexueller Communismus“ (im Begleitbrief an Pellech) ist diesem durch Privatbrief von mir6 genau interpretiert, und zwar so, daß Sie glaube ich sehr zufrieden sein würden mit Ihrem „Moralisten!“3) Er muß auf Das vorbereitet sein, denn ich wette 10 gegen 1: der 앚:eine:앚 bei den Akten nicht auffindbare Brief No 2 enthält schon jetzt solche Sachen. Es mußte also absolut sein und Dr Pellech ist jeglicher conventioneller Gebundenheit frei. Peter zu verstecken wird Pellech, den ich gefragt habe, jetzt sicher nicht für angezeigt halten. Er hält ihn in der Schweiz für am sichersten und die Sache geht ja langsam. Im Übrigen (auf Lask’s Frage): jederzeit kann der Junge nach Örlinghausen,7 wenn es nötig wird – da findet ihn kein Mensch. Ich reise bei Nacht und Nebel dahin. Aber das sind Zukunftssorgen. Daß Ihr Brüderchen8 dem Alten9 sofort Mitteilung macht – Ihnen hat er alle Nachricht verweigert – ist recht wenig zweckmäßig. Offenbar ist er loyalerweise „verpflichtet“. Das verstehe ich. Schreiben Sie ihm also: „Gewiß, er solle von allen Schritten erfahren, wenn Sief die Sache so auffassen dürften, daß ihm diese Mitteilungen als Bruder und Anwalt gemacht würden, also nur für ihn seien, nicht für Prof. Gross, in keinem Fall.“ Und dann schicken Sie ihm getrost meine Erklärung an Pellech10 für das Gericht. 앚:Prof.:앚 Gross sieht sie ja doch, wenn sie gemacht wird. – Über Alles, was Oberrichter Lang schreibt, muß absolut,

g2)

Sie werden über Manches sehr gelacht haben. Das thun Sie nur auch brieflich, ich habe das gern.g 3) Er muß mich wohl fast für ganz genau Ihrer Ansicht halten!

e

f

g Vertikaler Randstrich mit Randbemerkung in O.

6 Nicht nachgewiesen. 7 Zu Wina Müller und Familie, Webers Verwandten. 8 Arnold Schloffer in Graz. 9 Hans Gross. 10 Gemeint ist vermutlich der erste Brief an Otto Pellech vom 30. Jan. 1914, oben, S. 490 – 496, den Frieda Gross als Doppel erhielt.

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gegen Jedermann, geschwiegen werden, das versteht sich.11 Er hat den Brief Pellech’s, Marianne sprach ihn in meinem Auftrag.12 Ob Sie Lisi13 entlassen, bin ich begierig. Natürlich haßt sie Alles, was nicht von „Gross“’scher Seite kommt. Wenn Sie hört, daß der Vater den Otto14 einsperrt und den Peter15 heimlich fortnehmen will, stellt sie sich vielleicht anders. Die Handlung von Prof. Gross ist absolut „infam“ – besonders das „weil sie sonst nicht im Dienst bleiben könnte“.16 Pfui Teufel. Aber die „Lisi“ selbst – ich weiß das nicht! Wenn Marianne17 irgend nützlich ist, kommt sie Mittwoch für 2 Tage. Ich bin jederzeit bereit. Herr E[rnst] Frick – empfehlen Sie mich ihm bestens – muß sich jetzt schon gefallen lassen, daß so viel über seinen Kopf geschieht, es ist nicht zu ändern. Jetzt haben die bürgerlichen Juristen das Wort. Sein „Porträt“ in der Eingabe stimmt schwerlichh. Schadet nichts! Zu besorgen, durch Lask,18 wenn möglich: Attest des Arztes, beglaubigt von Abbondio19 (Legalisierung nicht nötig): daß hygienisch dem Peter keinerlei „Gefahr“ droht. – Eventuell, falls Peter schon zur Schule angemeldet sein sollte, Quittungi oder ein Attest irgend Jemandes, daß dies geschehen ist. Ersteres ist wichtiger. Auf dem Rückweg sollte

h scheint > schwerlich

i

11 Gemeint ist die Beziehung von Frieda Gross zu Otto Lang. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f.. Genaueres erfuhr Weber erst nach seinem Besuch bei Otto Lang in Zürich, als Frieda Gross ihn von der Bahn abholte. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, unten, S. 606. 12 Marianne Weber muß sich mit Otto Lang am 2. oder 3. März 1914 getroffen haben, sie hielt am 2. März 1914 einen Vortrag über Eherecht und Eheideal in Zürich. 13 Lisi Höller war als Köchin bei der Familie von Hans Gross in Graz beschäftigt und wurde nach der Eheschließung von Otto Gross als Dienstmädchen in dessen Familie gegeben. Sie begleitete Frieda Gross durch wechselnde Wohnorte und besorgte ihr den Haushalt. In einem Dankesbrief für ein Geldgeschenk zu Weihnachten 1913 schilderte sie die problematischen Lebensverhältnisse in Ascona. Diesen Brief nutzte Hans Gross zur Begründung für die von ihm beanspruchte Vormundschaft über Peter Gross. 14 Otto Gross. 15 Peter Gross. 16 Offenbar hatte Hans Gross dem Dienstmädchen Lisi Höller gedroht. 17 Marianne Weber wollte Frieda Gross zum Treffen mit Otto Pellech nach Mailand begleiten. 18 Emil Lask hielt sich im März 1914 in Ascona auf. Brief Marianne Webers an Max Weber vom 28. März 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 19 Er war Notar.

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Lask 앚:eventuell:앚 Lang sprechen, ich schreibe noch diesem letzteren:20 worüber? und veranlasse ihn die Zeit anzugeben. Wann wurde der Brief (des Bundesanwalts21 an Hanns Gross) aufgefangen? Wissen Sie, von wem er war? Was stand darin? Kennen Sie diese in dem Brief von Pellech aufgeführten Bundes- und Staatsanwälte? Herzliche Grüße! Max Weber. NB. Jaffé schrieb ich genaue Anweisung.22 Ebenso bat ich Lang um das Züricher „Concubinats“-Gesetz, das im vorigen Jahr nur von den Bauern im Referendum niedergestimmt wurde.23

20 Ein Brief an Otto Lang ist nicht nachgewiesen. 21 Gemeint ist der Bundesanwalt Kronauer; der Vorgang ist nicht nachgewiesen. 22 Vgl. den Brief an Edgar Jaffé vom 8. März 1914, unten, S. 545 f. Es handelt sich um ein Gutachten für Frieda, Otto und Peter Gross sowie für Ernst Frick. 23 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 18. April 1913, oben, S. 190.

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Edgar Jaffé 8. März 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Um gegen die Bestellung von Hans Gross zum Vormund von Peter Gross Einspruch erheben zu können, erbat Weber Stellungnahmen, die den Vorwurf der Verwahrlosung und sittlichen Gefährdung von Peter Gross bei seiner Mutter und deren Freund Ernst Frick entkräften sollten.

Heidelberg 8/3 14. Lieber Jaffé!

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Lask oder Frieda Gr[oss] schrieben Ihnen wohl. Es handelt sich um die Versicherung: 1) „daß Ihrer persönlichen, auf Augenschein beruhenden Kenntnis nach im Winter 1906/7 – wenn Sie davon wissen (auch durch zuverlässige Dritte): auch vorher und nachher, m.W. auch noch Winter 앚:u. Frühjahr:앚 1908 die Otto Gross’schen Eheleute in München (wo?) eine feste Familienwohnung mit Zubehör hatten und daß aus ihrem Verhalten (vielleicht auch: Äußerungen?) unzweideutig die 앚:damals bestehende:앚 Absicht hervorging, sich dort ,dauernd‘ (das bedeutet juristisch nur: ‚auf unbestimmte Zeit‘)a niederzulassen und zu bleiben.“ 2) „daß Sie Herrn Ernst Frick persönlich kennen und den Eindruck eines Mannes von hohem intellektuellem Kulturstandard von ihm haben (mein Bruder hat das ja s. Z. in Zürich beschworen)[“]1 Dies vielleicht auf besondrem Blatt. 3) Wenn möglich, sollte Herr Reiner b 2 – den ich einmal kennen zu lernen hoffe, meine Frau erzählt so sehr angethan von ihm – von Peter Gross den Eindruckc bescheinigen (wenn auch er ihn gehabt hat!): „daß er weder sittlich noch gesellschaftlich verwahrlost, sondern – mit den Unarten seines Alters, natürlich – doch ein gut gearteter und gut erzogener Knabe ist, fähig, dem gemeinsamen Unterricht mit

a O: Zeit“,

b O: Rainer

c

1 Alfred Weber hatte am 27. November 1913 für Ernst Frick als Zeuge ausgesagt, vgl. die Karte an Marianne Weber vom 5. April 1913, oben, S. 168 f., Anm. 2. 2 Paul Reiner, der Hauslehrer der Kinder von Else Jaffé, hatte Peter Gross während dessen Aufenthalten im Herbst 1913 in Wolfratshausen kennengelernt.

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andren Kindern – Ihr ältester Sohn3 muß doch älter sein – zu folgen, wie er selbst durch Probe festgestellt habe.“ Es wäre mir angenehm, wenn Sie bereit sind und wenn Herr Reinerd bereit und in der Lage ist, etwas Ähnliches – wenn möglich nebst Begründung – zu bescheinigen, diese Atteste schnell hierher zu haben. Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber.

d O: Rainer 3 Gemeint ist Friedrich (Friedel) Jaffé.

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Paul Siebeck PSt 8. März 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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H.B.d.S.Ö. 1. Die Paragraphen-Einteilung ist leider nicht einheitlich durchführbar, wie ich mich überzeuge.1 Archiv 2. Hinter „Salz, In eigner Sache“ kommt eine ca 1/2 Bogen lange redaktionelle Auseinandersetzung von mir.2 Bitte daher diese, die morgena 앚:Montag:앚 per Eilbrief abgeht, abzuwarten. H.B.d.S.Ö. 3. Schumpeter korrigiere ich eben.3 Herzlichen Gruß! Max Weber

a O: zweifach unterstrichen. 1 Paul Siebeck hatte Weber am 5. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) davon berichtet, daß die GdS-Manuskripte „teilweise ParagraphenZeichen vor den Ziffern der Abschnitte, teilweise nicht“ hätten. 2 Gemeint ist der Beitrag: Salz, Arthur: In eigener Sache, erschienen in: AfSSp, Bd. 38, Heft 2, 1914, S. 527 – 538, sowie die anschließende Notiz: Weber, Max, Redaktionelles Nachwort; zu den Gründen für diese Artikel – veranlaßt durch eine Rezension von Arthur Salz’ Buch über „Böhmische Industrie“ durch Paul Sander – und dem Verlauf der daraus entstehenden Kontroverse zwischen Weber und Sander bzw. der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529. 3 Gemeint sind die Korrekturen zu: Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte.

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11. März 1914

Edgar Jaffé 11. März 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz

Heidelberg 11/3 14 Lieber Jaffé, – ich danke Ihnen und Herrn Dr Paul Reinera 1 – den ich gelegentlich kennen zu lernen hoffe, – vielmals für die gegebenen Auskünfte, welche sofort nach Wien abgegangen sind. Die Sache wird jetzt wohl einige Wochen ruhen, da Otto Gross ein Wiener Fakultätsgutachten2 beantragt hat. Mit den besten Grüßen stets Ihr ergebenster Max Weber

a O: Rainer 1 Vgl. den Brief an Edgar Jaffé vom 8. März 1914, oben, S. 545, Anm. 2. 2 Otto Gross hatte am 10. Februar 1914 „um Überprüfung meines Geisteszustandes durch die Wiener medizinische Fakultät“ gebeten (Steierm. LA Graz, P IX 20/14, Bl. 6). Damit wollte er sich einem möglicherweise befangenen einzelnen Gutachter entziehen. Die Fakultät hat dieses Ersuchen abgelehnt, vgl. den Brief an Frieda Gross vom 14. März 1914, unten, S. 550, Anm. 12. Durch dieses Gesuch von Otto Gross wurde zunächst das Vormundschaftsverfahren über Peter Gross unterbrochen.

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Frieda Gross 14. März 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 74 – 75 Dem Brief liegt ein Umschlag bei, der allerdings den Poststempel vom 13. März 1914 trägt. Möglicherweise hat Weber sich im Datum geirrt.

Heidelberg 14/3 14 Liebe Frau Frieda, –

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nicht wahr Sie haben doch dem Fischl die Vollmacht entzogen?1 Er ist vorbereitet, das ist ihm gesagt: Ihre Familie, deren Beistand Sie nicht entrathen dürften, habe diese Bedingung gestellt. Er hat bisher außer den 2 Briefen an Prof. Gross, die nur geschadet haben1) und dem blöden Artikel in der Zeitung,2 der erst recht geschadet hat, schlechthin nichts gethan, als sich „Informationen“ geben lassen, weder die Akten noch Otto Gross gesehen, verlangt aber schon jetzt neues Geld. Das ist ja einfach dumm. 앚:Ihr Bruder3 beurteilt ihn ganz richtig. Bei dem schadet er Ihnen[.]:앚 Er 앚:(Fischl):앚 schrieb auch mir selbst, daß Ihre Vollmacht ihm auch „kaum mehr“ nütze als die von Otto Groß selbst und das ist richtig. Also? Else J[affé] bitte ich besser draußen zu lassen:4 wenn es nötig wird, den Vater scharf persönlich anzugreifen – und das kann sein – dann hat er da eine „Waffe“[,] und diese Diskreditierung könnte – ich denke nicht in erster Linie an E[lse] J[affé]’s eigne Interessen, sondern an diese Sache – recht ungünstig wirken. Edgar Jaffé kann ruhig mitthun.5 Herren Reiner 6 haben Sie, nach seinem „Gutachten“ zu schließen, 1)

Ich habe die Abschrift davon hier: einfach „blöd“.7

1 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 8. März 1914, oben, S. 541, Anm. 1. Die Kündigung an Fischl erfolgte erst am 28. März 1914. 2 Gemeint ist vermutlich ein nicht nachgewiesener Artikel im Neuen Wiener Tagblatt. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 5. März 1914, oben, S. 538. 3 Arnold Schloffer war Rechtsanwalt in Graz. 4 Gemeint ist vermutlich die Sammlung von Zeugnissen über die Entwicklung von Peter Gross; möglicherweise könnte diese im Fall von Else Jaffé durch den Umstand, daß diese ein Kind von Otto Gross hatte, entwertet werden. 5 Max Weber hatte Edgar Jaffé um eine Stellungnahme gebeten, vgl. den Brief an Edgar Jaffé vom 8. März 1914, oben, S. 545 f. 6 Auch von Paul Reiner hatte Weber eine Stellungnahme zur Persönlichkeitsentwicklung von Peter Gross erbeten. Vgl. den Brief an Edgar Jaffé vom 8. März 1914, oben, S. 545 f. 7 Die Abschriften sind nicht nachgewiesen.

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14. März 1914

gründlich behext: Sie kommen im Stefan George’schen Himmel sicher gleich nach Maximin.8 Lask hat seine Sache vorzüglich gemacht.9 Daß ich ihn fahren ließ und nicht selbst kam, hatte auch den Grund: es ist ihm gut. Sein „Abenteuer“10 der letzten Jahre war unschön und seiner nicht werth, er leidet unter der Erinnerung. Es ist menschlich gut, daß er etwas thut, wovon er das Gefühl hat und haben darf: „es geschieht aus einem guten und ritterlichen Gefühl heraus, – also habe ich dergleichen doch noch.“ Wer kann bezeugen, daß Sie in der entscheidenden Zeit vor Geburt der Eva in München mit Otto Gross zusammenwaren? Das ist das Einzige mir z.Z. noch Wissenswerthe.11 Ich sage Ihnen offen: ich halte die Aussicht, Otto Gross zu helfen, für recht gering. Man wird nur, nach langer Entwöhnungszeit, seine Freilassung vielleicht durchsetzen können. Z. Z. sind die Akten bei der Wiener Fakultät.12 Dann erst wird das Gericht in Graz sie, auf Pellech’s Antrag, nach Wien zur Einsichtnahme schicken. Nach P[ellech]’s Ansicht ist es unmöglich, daß das Grazer Gericht vorher etwas beschließt. Also ist auch P[ellech]’s zeitweiliger Collaps nicht so schlimm, denn es ist Zeit. Nur versichern Sie Sich in kluger Art Ihrer beiden Brüder,13 speziell des Grazers. Schicken Sie ihm ruhig mein für das Gericht bestimmtes Gutachten,14 mit dem Hinzufügen: ich hätte die Bedingung gestellt, 8 Reiner war ein Anhänger von Stefan George, daher die Anspielung auf Maximin (Maximilian Kronberger), der von Stefan George und seinem Kreise zur Kultfigur erhoben wurde. Vgl. die Gedichtsammlung des Kreises: Maximin. Ein Gedenkbuch, hg. von Stefan George. – Berlin: Blätter für die Kunst 1907. 9 Emil Lask war Anfang März 1914 nach Ascona gefahren; welche Sache er „vorzüglich“ machte, konnte nicht ermittelt werden. 10 Gemeint ist Lasks Verhältnis mit Lina Radbruch, das zur Scheidung der Ehe von Gustav Radbruch führte, vgl. den Brief an Karl Jaspers, nach dem 26. April 1913, oben, S. 209 – 211. 11 Um der Anfechtung der Ehelichkeit von Eva Gross durch Hans Gross begegnen zu können. 12 Die medizinische Fakultät in Wien schickte am 28. März 1914 die Akten (vorgelegt am 5. März 1914) an das Bezirksgericht in Graz zurück und lehnte den Antrag von Otto Gross, seinen Geisteszustand zu untersuchen, mit der Begründung der Überlastung der Psychiater mit Gutachten ab. Schon seit Jahren gebe es nur noch Gutachten in strafrechtlichen Fällen. Steierm. LA Graz, P IX 20/12. 13 Die Brüder von Frieda Gross sind der Anwalt Arnold Schloffer in Graz und der Chirurg Hermann Schloffer in Prag. 14 Das Webersche Gutachten ist in den Prozeßakten nicht nachgewiesen.

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daß es, bis es bei den Akten sei, absolut vertraulich behandelt werden müsse (streichen Sie meinea Randbemerkungen sorgfältig 앚:und gründlich:앚 fort, wenn Sie es thun). – Marianne kommt also zur angesagten Zeit15 (ruhiges Zimmer 앚: – Albergo della Isola? oder hinten beim Schloß? Quattrini ist so kalt! – :앚 ist nötig!). Seien Sie herzlich gegrüßt, schonen Sie Sich! Ihr Max Weber.

a die > meine 15 Marianne Weber war auf Vortragsreise und wollte Frieda Gross für drei Tage vom 20. März 1914 an besuchen. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 16. März 1914, unten, S. 555 f.

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15. März 1914

Paul Siebeck 15. März 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 15/3 14 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck! Ich antworte auf Ihre Fragen: 1) mit dem Verlagsvertrag mit Gottl ganz einverstanden1 2) Paginierung und Numerierung: im Grundsatz ganz einverstanden, auch ist das Ihre Sache.2 Ich rathe: ina den oberen Ecken der Seiten, links auf der linken, rechts auf der rechten Seite:b bei Bücher: „I“, (Buch des Stoffvert[eilungs-]Plans) „1“, (Abteilung), 1 (Beitrag)c bezw. (bei Sieveking): III, 1,1d 앚:mitten über:앚 der 앚:linken:앚 Seitee: Autor und Titel des Beitrags (ev. abgekürzt)f[.] Also bei Bücher:g

a O: a) in b c u.s.w. > (Beitrag) d 1 Seinem Brief vom 10. oder 11. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) – die beiden Briefseiten tragen jeweils verschiedene Daten – hatte Paul Siebeck als Anlage einen Vertragsentwurf für eine Sonderausgabe von v. Gottl, Wirtschaft und Technik, beigefügt und ausdrücklich nach Webers Einverständnis „speziell mit § 5“ des Vertrages gefragt. § 5 lautete: „Werden von der Separatausgabe rascher und öfter als von dem betreffenden Halbband des Handbuchs neue Auflagen erforderlich, so wird ihrem Erscheinen von Seiten der Verlagsbuchhandlung nicht widersprochen werden. Dabei wird vorausgesetzt, daß die Separatausgabe sich mehr und mehr zu einem selbständigen Buche entwickelt und daß dann der betreffende Abschnitt in eventuellen späteren Auflagen des Handbuchs eine kürzere Zusammenfassung des selbständigen Buches geben wird.“ Da von keiner Seite Bedenken erhoben wurden, ist der Verlagsvertrag über die Separatausgabe in der vorliegenden Form am 30. März 1914 zustande gekommen. 2 In seinem Brief vom 10. oder 11. März 1914 (wie Anm. 1) hatte Paul Siebeck hinsichtlich der technischen Schwierigkeiten bei Erstellung von Separatausgaben einen Vorschlag seines Sohnes Oskar Siebeck mitgeteilt, nämlich „die einzelnen Teile in der Reihenfolge durchzunumerieren, wie in Schönberg, Band I und II, 1, und jeden einzelnen Teil mit 1 beginnend zu paginieren. Das hat den Vorteil, daß man etwaige neue Auflagen einzelner, auch separat erschienener, Teile in das Handbuch einreihen kann, weil eben keine durchlaufende Paginierung vorhanden ist. Es kompliziert aber auch das Register und das Nachschlagen etwas. Dagegen würde die Durchnumerierung für das Citieren innerhalb des Handbuchs [...] seine Vorzüge haben.“

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„h K[arl] Bücher, Entwicklungsstufen...“i Rechte Seite 앚:(mitten darüber)::앚 das betreffende Kapitel. Die Seitenzahlen der Abteilungen unten in die linke bzw. rechte Ecke der beiden Seiten (die äußere Ecke!) Das wird Ihnen ja recht sein. 3) Die Namen sperren Sie nur eigenmächtig (bei v. Wieser). 4) von Schumpeter fehlt mir: Blatt 63 ff bis Blatt 79.3 5) Mich würde die Zweiteilung der Anmerkungen ja nicht stören.4 Aber das bitte ich Sie zu machen wie Sie wollen. 6) Mein Beitrag muß, da v. Wieser auch wieder ganz anders ist,5 als ich dachte, gründlich umgestaltet werden.6 Da Abt. I,1 (Bücher, Schumpeter, Wieser) im Mai/Juni, zusammen mit Abt. III,1 (Sieveking, Hirsch, Schumacher,j v. Schulze, Jaffé, Lotz, Wiedenfeld) erscheint, und dann Abt. I,2 (Oldenberg,k Mombert, Herkner, Michels, Gottl) und III,2 („Gewerbe“) in Druck geht, so wird Abt. I,3 (ich und Philippovich) und III,37 erst im Herbst erscheinen können. Das ist auch gut. Denn da die Beiträge II,2 (mit Gutmannl)8 und IV und

h i Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: Die Durchnumerierung der Beiträge geht nicht. Sonst kann man nachher keinen einschieben, der die Nummer der späteren ändert! j k l O: Guttmann

3 Weber las die Korrekturen zu: Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte. 4 Paul Siebeck hatte am 14. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) berichtet, daß bei der Lektüre der Fahnen zu Schumpeters GdS-Beitrag (siehe Anm. 3) eine zwei Seiten lange Fußnote ihn darüber „belehrt“ habe, „daß der zweispaltige Notensatz nicht durchführbar“ sei: „Ich finde namentlich eine derartig zusammenhängende Darstellung, einen Exkurs, durch die Spaltung der Zeilen zu sehr zerrissen. Deshalb habe ich mich entschlossen, durchweg die Anmerkungen nicht gespalten, sondern durchlaufend setzen zu lassen“. 5 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft; zu Webers Beurteilung von v. Wiesers Beitrag vgl. auch seine Briefe an Paul Siebeck vom 2. und 15. April 1914, unten, S. 587 und 623. 6 Dies betrifft den Schluß von Siebecks Schreiben vom 10. oder 11. März 1914 (wie Anm. 1): „Darf ich mir zum Schluß noch die höfliche Anfrage erlauben, wann etwa Ihr Manuscript zum Druck gegeben werden kann? Ich frage nicht aus Neugier, sondern deshalb, weil aus dem Kreise der Mitarbeiter hin und wieder Anfragen an mich gelangen, wann der betr. Halbband erscheine.“ 7 „Abt.III“ von „Buch III“ enthielt die Artikel zum Agrarwesen und zur Agrargeschichte. 8 „Abt.II“ von „Buch II“ umfaßte nach dem Stand vom März 1914 die Artikel von Franz Gutmann („Geld, Kredit und Kapitalmarkt“), Theodor Vogelstein („Preisbildung“) und Othmar Spann („Konjunkturen und Krisen“).

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V9 erst im Mai 1915 in Druck gehen, so entstünde sonst eine lange Lücke in der Zeit des Erscheinens, die doch besser vermieden wird. Rathgen reagiert auf nichts,10 selbst nicht auf eingeschriebene Briefe (er ist in Amerika).11 Mit herzlichen Grüßen! Max Weber

9 „Buch IV“ war betitelt: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates, „Buch V“: Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik des modernen Staates. Buch IV und V sind zu Webers Lebzeiten nicht mehr erschienen; einzelne Beiträge daraus wurden erst nach Webers Tod im GdS veröffentlicht. 10 Karl Rathgen sollte die Artikel des Buches IV – siehe Anm. 9 – bearbeiten, sein Beitrag ist aber nicht erschienen. 11 Karl Rathgen war im Winter 1913/14 Austauschprofessor an der Columbia-University in New York.

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Frieda Gross 16. März 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 77 – 78

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Prof. H[ans] Gross soll a den Jungen1 nicht bekommen, das ist unser Entschluß. Daß er ihn auch nicht bekommen wird b, hoffen wir bestimmt. Aber mehr als diese Hoffnung können wir nun einmal Ihnen nicht geben und die Versicherung: es wird nichts versäumt werden. Niemand kann eine absolute Garantie übernehmen. Es ist recht unangenehm, daß der Anwalt Fischl – haben Sie ihm die Vollmacht jetzt gekündigt?2 – seinerzeit, wie die mir übersendete Eingabe3 zeigt, nichts gethan hat um sofort das Wichtigste: Akteneinsicht, zu erlangen, – das ist gradezu gewissenlos. Denn dann hätte man damals sofort veranlassen können, daß die gerichtliche Zuständigkeit von Graz bestritten wurde, was nun jetzt nicht mehr zu machen ist. Sein „Material“ ist einfach „Kitsch“. Zeitungsausschnitte, Briefe des Herrn Jung, Gutachten von Mühsam, – ja damit ist nichts gegen psychiatrische Gutachten zu machen! Das ist einfach werthlos! Er ist zu nichts zu brauchen und schneidet nur Geld! Für Ihren heute gekommenen zweiten Brief vielen Dank! Es wäre wirklich recht angenehm, wenn Jemand bezeugen könnte: daß Sie mit Otto Gross zusammen gewohnt haben (auf alle Details kommt es im Übrigen gar nicht an)c. Marianne kommt am 20ten Abends nach Ascona, telegrafiert Ihnen noch. Schönen Dank für die Bestellung des Zimmers. Sie fährt mit Ihnen nach Mailand zum 앚:23ten oder:앚 24ten, 앚:– je nachdem wann Pellech

a O: zweifach unterstrichen.

b O: zweifach unterstrichen.

c Klammer fehlt in O.

1 Peter Gross. 2 Darauf bestand Weber schon in seinem Brief an Frieda Gross vom 8. März 1914, oben, S. 541, Anm. 1. 3 Die Eingabe des Anwalts Armin Fischl an das Bezirksgericht Graz als Kuratelgericht mit Eingangsstempel vom 19. März 1914 ist archiviert: Steierm. LA Graz P IX 20/14, Bl. 37 – 46.

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16. März 1914

kommt –:앚4 von da dann zurück. Bitte schreiben Sie doch Pellech: daß es so sich einrichten ließe. Pellech spart ja dadurch Zeit und das ist recht wichtig. Je eher er wieder in Wien ist, um so besser. Also: Sie seien in der Lage, mit Marianne vom 22ten ab jeden Tag in Mailand zu sein, den er telegrafisch bestimmen werde (auch das Hotel wo er sein werde, solle er schreiben)d. Ich schreibe ihm auch.5 Für heute nur diese kurzen Zeilen! Ihr herzlich ergebener Max Weber.

d Klammer fehlt in O. 4 Schon im Brief an Frieda Gross vom 26. Febr. 1914, oben, S. 532, hatte Weber angeregt, das Angebot Pellechs zu einer persönlichen Aussprache Mitte März in Mailand aufzugreifen. Marianne Weber hatte sich bereit erklärt, Frieda Gross zu begleiten. Die Besprechung in Mailand fand nicht statt; Pellech kam einige Tage später nach Ascona. 5 Der Brief an Otto Pellech ist nicht nachgewiesen.

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Marianne Weber PSt 17. März 1914; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort des Briefes sind aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Liebes Mädele,

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– in der Presse bisher: „niente“. Resultat der Wahlen1 noch ganz unbekannt. Nur: starke Wahlbeteiligung. Eben ging Dr Born2 fort. Ich bin etwas müde, deshalb nimm nur diesen schönen Gruß und alle guten Wünsche. Morgen gehe ich lieber ein Stündchen gegen Abend zu T[obel]chen,3 statt daß sie herkommt. Ich motivierte es mit frühem Zubettegehen. Carl kommt Sonnabend/Sonntag hierher, reist auch viaa Lago Maggiore nach Mailand.4 Schönste Grüße und Küsse Dein Max

a an den > via 1 Marianne Weber befand sich auf einer Vortragsreise und interessierte sich für die Ergebnisse der Wahlen zum Ausschuß der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Heidelberg am 16. März 1914. Sie hatte an der Aufstellung einer eigenen Frauenliste durch den Zusammenschluß von 16 Frauenvereinen mitgewirkt. 2 Dr. Born konnte nicht sicher ermittelt werden. Wahrscheinlich ist Erich Born gemeint. 3 Mina Tobler. 4 Karl Weber unternahm eine Erholungsreise und reiste, wie Marianne Weber, die Frieda Gross zu einer Besprechung mit dem Anwalt Pellech begleiten wollte, auch über den Lago Maggiore nach Mailand.

558

18. März 1914

Paul Siebeck 18. März [1914]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „19.3.14“ sowie Briefinhalt.

Heidelberg 18/3 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! 1. Ich bin gegen den Druckbeginn von Gottl.1 Nachher schimpft er, daß er warten muß, bis der Beitrag erscheint, da er doch schon gesetzt sei. Ich habe ihm selbst das geschrieben.2 Er kann, nachdem er ein ganz andres Werk abliefert als das versprochene, wirklich nicht verlangen, daß man wie eine elektrische Klingel auf jeden Druck reagiert. Ich schlage vor: Druckbeginn für Gottl nach Versandfertigkeit von Abteilung I. Also: Mai/Juni. 2. Die Mscr. werde ich Ihnen schicken.3 3. Der Vorschlag der Neu-Einteilung von Buch I4 in die Abteilungen 1. Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft Bücher – Schumpeter – Wieser 1 Paul Siebeck hatte Weber am 17. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) berichtet, daß Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld bei ihm schon wiederholt angefragt habe, „wann denn mit dem Satz seiner Arbeit begonnen“ werde. Er wünsche „mit Rücksicht auf seine Zuhörer, daß die Separatausgabe möglichst bald“ erscheine. Es geht hierbei um den Druck von: v. Gottl, Wirtschaft und Technik. 2 Der entsprechende Brief Webers an Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld ist nicht nachgewiesen. 3 Paul Siebeck hatte am 17. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber um die Zusendung der Manuskripte von Hettner, Mombert, Michels, Herkner und v. Gottl gebeten. Die Manuskripte zu „Buch I,2“ – soweit sie sich in Webers Händen befanden –, nämlich die von Oldenberg, Hettner, Michels und v. Gottl, wurden Siebeck am 22. März 1914 zugesandt; vgl. dazu das Begleitschreiben vom gleichen Tage, unten, S. 575, Anm. 1. 4 Weber verdeutlicht im folgenden entsprechende Bemerkungen in seinem Brief an Paul Siebeck vom 15. März 1914, oben, S. 553. Dazu hatte Siebeck in seiner Antwort vom 17. März 1914 (wie Anm. 1) Stellung genommen: „Während das I. Buch bisher nur in 2 Abteilungen [...] eingeteilt war, geben Sie nunmehr eine Gliederung des Buches in 3 Abteilungen an. Ich bin meinerseits damit einverstanden, wir bekommen dann 3 Abteilungen im Umfang von je cca 30 Bogen, wobei ich auf Gottl statt 9 cca 18 Bogen rechne.“ Anfang des Jahres hatte Weber noch die Gliederung von Buch I des GdS in zwei Abteilungen favorisiert; vgl. dazu seinen Brief an Paul Siebeck vom 19. Jan. 1914, oben, S. 473 f.

5

10

18. März 1914

5

10

15

20

25

559

2. Natürl[iche] u. techn[ische] Bedingungen der W[irtschaft] Oldenberg – Hettner – Mombert – Michels – Herkner – Gottl 3. Gesellschaftl[iche] Bedingungen der W[irtschaft] Weber – Philippovich empfiehlt sich, weil ina Abt. I. von Band b II (=Buch III) auch nicht mehr Material sein wird als die Abschnitte: Sieveking, Hirsch, Schumacher, v. Schulze, Jaffé, Lotz, Wiedenfeld. Die Abteilung wird im Titel lauten: „Güterverkehr“ Die 2te:c Gewerbliche Güterproduktion 3te: Landwirtsch[aftliche] Güterproduktiond u. Versicherung Ich dachte, Siee wollten die Beiträge einzeln paginieren.5 Dann bin ich gegen die Durchnumerierung der Beiträge durch das Buch. Eher ginge: Durchnumerierung der Abteilungen durch den Band[.] Also: Bücher: 1,1 Schumpeter 1,2 Wieser 1,3 Oldenberg 2,1 Hettner 2,2 u.s.w. ohne Rücksicht auf die Bucheinteilung. Aber mir ist schließlich Alles recht. Nochmals: ich rathe dringend, Gottl jetzt noch nicht zu setzen. Er erhebt sonst nur weitere Ansprüche für das Erscheinen des Beitrags, und ich sehe das wirklich nicht ein. Mit herzlichen Grüßen! Max Weber

a b O: zweifach unterstrichen. c d Eigenhändige Randbemerkung Max Webers: oder beide zusammen, wenn Grünberg rechtzeitig liefert!6 (Dann nur 1 2te Abteilung: „Güterproduktion und Versicherung.“) e O: sie 5 Weber bezieht sich hier auf eine Bemerkung Siebecks in dessen Brief vom 17. März 1914 (wie Anm. 1): „Wenn ich Ihren Rat für die Paginierung und Numerierung recht verstehe, so würde z. B. bei Oldenberg in den oberen Ecken der Seiten stehen: I, II, 1, das würde also heißen: I. Buch, II. Abteilung, 1. Beitrag. Das wird für das Register etwas kompliziert werden. Vielleicht wäre es da doch einfacher, wenn man im Buch durchnumerieren würde. Bei Oldenberg würde dann also stehen: I, 4, das würde heißen: I. Buch, 4. Beitrag.“ 6 Zu den Problemen der Manuskriptablieferung von: Grünberg, Agrarverfassung, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 230, Anm. 27.

560

18. März 1914

Marianne Weber PSt 18. März 1914; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort des Briefes sind aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Liebes Mädele, – Wahlresultat:1 23 Sozzi, 15 Christen – 1 Schnäuzchen! (214 Stimmen für Liste III). Frl. Wellhausen weint (laut Bernays) – ich habe ihr einen Trostbrief geschrieben.2 Schreib Du jetzt nichts, sondern widme Dich Dir! Sonst kriegst Du lauter Quatschbriefe. In der Zeitung: „niente“. Ich bot Pellech telegrafisch an,3 eventuell Montag Abend in Locarno zu sein; vielleicht ist es das Beste; dann hat die liebe Seele Ruh. Ob ich dann länger in Ascona bleibe[,] kann ich ja dann zusehen. Vielleicht in einem andern Nest! Sonst nichts Neues. Also vielleicht auf Wiedersehen Dienstag in Ascona4 bei Perucchi.5 Ich gebe an Frieda6 Nachricht. Herzlich Dein Max

1 Gemeint sind die Wahlen am 16. März 1914 zum Ausschuß der Allgemeinen Ortskrankenkasse. Drei Listen waren aufgestellt worden: 1. das freie Heidelberger Gewerkschaftskartell, 2. die Gruppe der christlichen und nationalen Arbeiter- und Angestelltenvereinigungen, 3. der Zusammenschluß von 16 Frauenvereinen. 50% der Wahlberechtigten wählten. Von den 5499 abgegebenen Stimmen fielen auf die 1. Liste 3187, auf die 2. Liste 2098 und auf die 3. (Frauen-)Liste 214 Stimmen. Entsprechend war die Verteilung der Sitze 23:15:1. Vgl. Chronik der Stadt Heidelberg 1914, XXII. Jg., bearb. von Ferdinand Rösiger. – Heidelberg: J. Hörning 1916. 2 Brief ist nicht nachgewiesen. 3 Telegramm ist nicht nachgewiesen. Das geplante Treffen von Frieda Gross und Pellech war von Mailand nach Ascona verlegt worden. 4 Dienstag war der 24. März; Marianne Weber wollte am 20. März abends ankommen und bis zum 24. März bleiben. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 16. März 1914, oben, S. 555 f. 5 Der Asconeser Bonbonfabrikant Gottardo Perucchi vermietete Zimmer. 6 Dies geschah im Brief an Frieda Gross vom 21. März 1914, unten, S. 571 f.

5

10

20. März 1914

561

Otto Groth [vor dem 20. März 1914]; o. O. Abschrift; von der Hand Otto Groths GStA Berlin; Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 18b, Bl. 240 – 241 Der folgende Auszug findet sich in einem Brief von Otto Groth an Hermann Beck vom 20. März 1914. Darin geht es um die eventuelle Publikation von Groths Dissertation über die politische Presse Württembergs als DGS-Schrift, die aber nicht zustande kam; vgl. dazu den Brief Webers an Hermann Beck vom 17. Januar 1914, oben, S. 472, Anm. 9. In dem Brief Groths an Beck vom 20. März 1914 heißt es: „Als s. Z. die Deutsche Ges[ellschaft] f[ür] Soziologie zur Teilnahme an einer Untersuchung des Zeitungswesens aufforderte, schrieb ich Herrn Prof. Dr. Max Weber, ich sei zur Mitarbeit bereit. Nach Rücksprache mit ihm habe ich in 21/2jähriger Arbeit das württembergische Zeitungswesen nach allen Seiten untersucht. Ich habe vor nahezu 1 Jahr mit einem Teil der Arbeit in Tübingen promoviert, und nachträglich noch einige, wie ich annehmen darf, wertvolle Kapitel angefügt. Wie Herr Prof. Weber den ersten Teil der Arbeit als ,sehr gut und klar‘ beurteilt hat, so hat er mir über die letzten Kapitel geschrieben:“

Ich halte sie in jeder Hinsicht für gelungen und wüßte schlechterdings nicht, was ich dazu noch sagen sollte.

562

20. März 1914

Paul Siebeck PSt 20. März 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr verehrter Herr Dr Siebeck! Einverstanden mit 1) Gottl,1 – 2) der Bändezahl und -Bezeichnung.2 Mit Sieveking müßte dann: „Band VI“ beginnen (sagen wir doch vielleicht lieber: Abteilunga VI, ich glaube, es wird sich weit besser machen!). Denn Buch I hat 3 Abteilungen,3 Buch II deren 2 (davon eine sehr kurze1)).4 1)

Läßt man Buch II als eine „Abteilung“, dann begänne bei Sieveking, Abt. V b. a O: zweifach unterstrichen.

b O: zweifach unterstrichen.

1 Weber entspricht hier der Bitte Paul Siebecks vom 19. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), mit dem Satz des Manuskripts zu: v. Gottl, Wirtschaft und Technik, beginnen zu dürfen: „Einmal hat er doch bis jetzt geduldig gewartet und legt nun eben großen Wert darauf, sein Buch im Wintersemester in den Händen seiner Zuhörer zu wissen [...]. Ich glaubte, nach dem, was Sie mir früher über den Beitrag von Gottl schrieben, ganz in Ihrem Sinne zu handeln, wenn ich den Satz möglichst poussiere und habe in meinem Eifer dies auch Herrn von Gottl zugesagt . Ich stünde ihm gegenüber als ‚erbärmlicher Wicht‘ da, wenn ich nicht den Versuch machen wollte, den Satzbeginn seines Beitrags jetzt zu ermöglichen. Ich bitte nochmals, seien Sie mir nicht böse.“ 2 Siebeck hatte in seiner Stellungnahme vom 19. März 1914 (wie Anm.1) Webers Vorschlag vom 18. März 1914, oben, S. 558 f., zugestimmt, die Beiträge wegen der Separatausgaben einzeln zu paginieren. „Bezüglich der Numerierung schließe ich mich Ihrem neuesten Vorschlag an, daß in dem Columnentitel die Bezeichnung des ‚Buches‘ wegfällt und nur die Nummer der Abteilung und des Beitrags gegeben wird. Dann kommen wir auf die von Ihnen im Beispiel vorgeführte Numerierung heraus: Oldenberg 2,1, Hettner 2,2 u.s.w. Und nun würde es sich nur noch fragen, ob es nicht das allereinfachste wäre, wir würden die Unterabteilungen der Bücher, wie Sie es in Ihrem letzten Briefe tun, einfach als Band bezeichnen. Dann hätten wir z. B. bei Buch I: statt Band I, Abteilung 1, Band I, Abteilung 2, Band I, Abteilung 3 einfach die Bezeichnung Band I, II, III u.s.w. Allerdings bekommen wir dann im Ganzen cca 9 – 10 Bände. Aber wir hätten dann auch statt der komplizierten Einteilung I. Band, 1. Abteilung u.s.w. nur die ganz einfache Numerierung nach Bänden.“ 3 Vgl. dazu Webers Aufstellung in seinem Brief an Paul Siebeck vom 18. März 1913, oben, S. 558 f. 4 „Abteilung I“ von „Buch II“ sollte die Beiträge I – IX, die von Sombart, Eigenart des modernen Kapitalismus, bis Salz, Kapitalbildung, reichten, umfassen, „Abteilung II“ die Beiträge von Gutmann, Geld und Kredit, Vogelstein, Preisbildung, und Spann, Konjunkturen und Krisen. Hinsichtlich der Bogenzahl ist keine dieser Abteilungen „kurz“, höchstens gemessen an der Zahl der Autoren.

5

20. März 1914

5

563

Ich hatte gedacht, daß „Band c“ I die „Bücher“ I und II, Band d II den Rest umfassen sollte. Erwägen Sie auch das noch einmal. Die Manuskripte gehen heut oder morgen ab!5 Mit besten Grüßen stets Ihr ergebenster Max Weber Die Übersicht (nebst Bemerkungen) schicke ich gleichzeitig.6

c O: zweifach unterstrichen.

d O: zweifach unterstrichen.

5 Es handelt sich um Manuskripte zu Buch I, Abteilung II: „Natürliche und technische Bedingungen der Wirtschaft“; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 18. März 1914, oben, S. 558, Anm. 3. 6 In seinem Brief vom 19. März 1919 (wie Anm. 1) hatte Siebeck Weber sein Leid darüber geklagt, daß er sich „schließlich mit den Büchern und Bänden des Handbuchs selbst nicht mehr“ auskenne: „Deshalb bitte ich Sie, mir auf dem Ihnen vorgestern übersandten zweiten Durchschlag der Stoffeinteilung die Grenzen der einzelnen Bände [O: zweifach unterstrichen] anzugeben.“ Die vom Verlag und von Weber korrigierte Übersicht (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) wurde Siebeck separat zurückgesandt und wird im folgenden als Beilage abgedruckt.

564

20. März 1914

Separat zugesandte Beilage zur Karte an Paul Siebeck vom 20. März 1914, oben, S. 562 f.

Abschnitt

Autor

Sollumf. Bg. S.

Ber.Umf. Bg. S.

MS wo?

Epochen und Stufen der Wirtschaft

Bücher

5

1

im Satz

Epochen der allgemeinen Dogmen- und Methodengeschichte

Schumpeter

Wirtschaftstheorie

v.Wieser

18

21

Wirtschaft, Bedarf und Konsum

Oldenberg 3.

2

3

Geographische Bedingungen der Wirtschaft

Hettner 1.

1

I,1:a (I. Buch).

bAbt.I

von Buch Ib

5

4

6

12 im Satz

10

im Satz

I,2:c

dAbt.II

von Buch Id

Wirtschaft u. Bevölkerung 1. Bevölkerungslehre 2. Wirtschaft und Rasse

10 im Satz 15

8

1

12 b.M.W.

20

Mombert

2

3

4

b.Aut.

2. Michels

b.M.W. 25

Arbeit und Arbeitsteilung

Herkner 4.

2

2

b.M.W.

Wirtschaft und Technik

Gottl 5.

9

11

b.M.W.

a Eigenhändige Korrektur: ,1: > I,1: b Eigenhändige Randbemerkung. d Eigenhändige Randbemerkung. händige Korrektur: ,2: > I,2:

c Eigen-

565

20. März 1914 Abschnitt

Autor

Sollumf. Bg. S.

Ber.Umf. Bg. S.

MS wo?

Wirtschaft und Gesellschaft

M.Weber

30

g

M.Weber

Entwicklung der wirtschaftsund sozialpolitischen Systeme und Ideale

v.Philippovich

2

8

Prinzipielle Eigenart d. mod. Kapitalismus

Sombart

2

8

Die moderne Privatrechtsordnung

Leist

1

1

b.M.W.

Der moderne Staat u. d. Kapitalismus

M.Weber

Die Elemente d. priv. wirtsch. Betriebs

Leitner

1

1

b.Lederer

I,3: eAbt.III 5

von Buch Ie ffällt

weg!f 10

15

hAbt.I

30

35

3

12 b. uns

(II. Buch)

20

25

b.M.W.

von Buch II1) (vom Ganzen: Abt.IV.)h

b.M.W.

1)

NB! Die Einteilung in „Abteilungen“ ist hier willkürlich und nicht sehr erwünscht. Ich habe sie nur gemacht, weil man doch nicht die Beiträge der Abt.I auf Dr Gutmann warten lassen kann. – Ich würde vorziehen, das Buch nicht zu teilen. Dann müßten eben die ersten Partien (außer Gutmann im Winter 14/15 oder Frühjahr 15 erscheinen, Gutmann im Sommer 15, beides als „Lieferungen“ dieses Buches, welches dann Abt.IV des Ganzen wäre. e Eigenhändige Randbemerkung. f Eigenhändige Randbemerkung. h Eigenhändige Randbemerkung. eigenhändig gestrichen.

g Von Weber

566

20. März 1914 Abschnitt

Die moderne Erwerbswirtschaft Haushalt, Betrieb, Unternehmung i(Even-

tuell beides zusammen = Abt.IV des Ganzen)j s.Anmerkung auf vorigem Blatt!i

kAbt.II

von Buch II. (vom Ganzen: Abt V)k

Autor

Sollumf. Bg. S.

Ber.Umf. Bg. S.

Steinitzer

3

2

MS wo?

10 b.M.W. 5

–„–

Vermögenskategorien u. Einkommensformen

Salz

2

Berufsgliederung

Salz

Allgem. Bedeutung d. mod. Verkehrsbed.

M.Weber

Kapitalbildung und Kapitalverwertung

Salz

1

Geld, Kredit und Kapitalmarkt

Gutmann

10

Die Preisbildung i. d. mod. Wirtsch.

Vogelstein

2

Konjunkturen und Krisen

Spann

b.Aut. 10

2

b.Aut.

15

b.Aut.

20

25

3

l앚:Hier

wollte mich Bandm II des Gesammtwerks beginnen lassen! So daß also dann die folgenden Abteilungen immer: Band II, Buch x, Abt. y heißen würden. Doch könnte man ja die Abteilungen durchnummerieren.:앚l

i Eigenhändige Randbemerkung. j Klammer fehlt in O. k Eigenhändige Randl Eigenhändiger Zusatz. m O: zweifach unterstrichen. bemerkung.

30

567

20. März 1914 Abschnitt

Autor

Sollumf. Bg. S.

Ber.Umf. Bg. S.

MS wo?

Universelle Stellung Gesch., Aufbau und Bedeutung d. Handels

Sieveking

2

2

MS im Satz

Handel II

Hirsch

2

liefert i.d. nächsten Wochen

Börsenhandel und Börsenwesen

Schumacher

2

Organisation der Kreditbanken

v.SchulzeG.

5

5

14 b.Aut.

Vorgesch. u. Grundlagen d. Bankbetriebs

Jaffé

1

1

12 b.uns

Allgem. Prinzipien d. Transportpreisbildung

Lotz

1

12

Transportwesen

Wiedenfeld

7

Gesch. d. zünftigen, städt. u. staatl. Gewerbepolitik

Sieveking

1

Die modernen gew. Betriebsformen

Schwiedland

2

Standortslehre der kap. Industrie

Alfr.Weber

1

III.1 (III. Buch)

5

10

15

20

25

30

35

nAbt.

I

von Buch III (Abt.VI – eventuell: „V“ – vom Ganzen)n

n Eigenhändige Randbemerkung.

2

S. 1 – 20 bei uns

8

b.M.W.

b.M.W.

8

1

10 b.Aut.

568

oAbt.II

von Buch III (Abt.VII – eventuell „VI“ – vom Ganzen)o

pAbt.III

von Buch IIIp

20. März 1914 Abschnitt

Autor

Sollumf. Bg. S.

Ber.Umf. Bg. S.

MS wo?

Ökonom. Eigenart d. mod. gew. Technik

Weyermann

3

3

b.Aut.

Betriebslehre d. kap. Großindustrie

Leitner

2

Kredit- und Kapitalbedarf

Vogelstein

2

Arbeitsbedarf und Lohnpolitik

Zwiedineck

1

Bergwesen

Gothein

2

Epochen der Agrarpolitik

Wittich

1

Betriebslehre d. kap. Landwirtsch.

Brinkmann

4

Bodenpreisbildung

Esslen

4

Agrarverfassung

Grünberg

3

Agrarkredit

Mauer

3

Landwirtschaft und Absatz

Wygodzinski

Grenzen d. Kapitalismus i. d. Landw.

M.Weber

Forstwesen

Hausrath

Jagd und Fischerei

5

3

b.M.W.

10

8

1

12 b.Aut.

1

10 b.uns 15

5

10 b.uns

b.M.W. 20

8 1 8

6

b.uns

8

b.M.W.

25

3

2

10 b.uns

? 30

Wohnungsproduktion

Ad.Weber

1

Versicherungswesen

Moldenhauer

2

o Eigenhändige Randbemerkung.

8

8

1

b.uns

2

b.uns

p Eigenhändige Randbemerkung.

569

20. März 1914

Abschnitt

Autor

Sollumf. Bg. S.

Außenwirtschaft und äußere Wirtschaftsund Soz.pol. d. mod. Staates

Rathgen

17

Arten und Tragweite d. Hemmungen etc.

M.Weber

Gew. Kapitalismus und Bevölkerungsgruppierung

Alfr.Weber

Ber.Umf. Bg. S.

MS wo?

1

8

b.M.W.

9

b.M.W.

(IV. Buch)

5

(V. Buch).

10

15

Agrarkapitalismus und Bevölkerungsgruppierung 20

25

8

M. Weber

Kapitalismus und Bevölkerungsqualität

?

Kapitalismus und Einkommensverteilung

?

Kapitalismus und Konsumenten

Wilbrandt

Wohnungspolitik

Ad.Weber

Mittelstandsschutzpolitik

Schwiedland und M.Weber

Innere Kolonisationspolitik

Swart

2

8

30

35

1

570

20. März 1914 Abschnitt

Autor

Sollumf. Bg. S.

Ber.Umf. Bg. S.

MS wo?

Genossenschaften

Wygodzinski und Wilbrandt

1

1

b.Lederer

8

W. hat sein Ms. nicht gel.

Der sog. neue Mittelstand

Lederer

8

Die Lohnpreisbildung

Zwiedineck

8

Wesen u. gesellschaftl. Lage d. Arbeiterklasse

M.Weber

Arbeitsmarkt, Arbeitsvertrag

Lederer

Arbeiterschutz

Schachner – Lederer

Arbeiterversicherung

Lederer

Grenzen d. Sozialpolitik

Wilbrandt

Die antikapitalist. Massenbewegungen

Michels

Die Tendenzen zur inneren Umbildung des Kapitalismus

Alfr. und M.Weber

5

b.M.W.

8

b.Aut.

10

15

5

b.M.W.

20

4

3 25

21. März 1914

571

Frieda Gross 21. März 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 12, Bl. 79 – 80

Heidelberg 21/3 14 Liebe Frau Frieda, –

5

10

15

20

„dunkel ist der Rede Sinn“.1 Warum sollte ich denn „bös“ sein? Und was soll mir in „Zürich“ „problematisch“ sein? Was vielleicht ein Fehler war, ist: daß Sie mir nicht 앚:schon früher:앚 mitteilten, daß Sie jetzt Fischl nicht gekündigt haben 앚:und kündigen:앚 und warum? – Der Anwalt Pellech kann ja gar nicht antworten: „ja, kündigen Sie ihm.“ Das könnte ihn schwere ehrengerichtliche Ahndung kosten wegen Clienten-Abtreibung. Hätte er – wir wollen das einmal annehmen – mir gesagt: ich solle Ihnen das rathen, so würde ich Ihnen davon auch nichts sagen dürfen. Es hat doch aber natürlich seine guten Gründe, daß ich Herrn Fischl grobe Briefe schreibe2 und Ihre Familie ins Vordertreffen schicke. Auch in Ascona wird Pellech in dieser Frage sich sehr reserviert halten müssen. Was in der Schweiz geschieht, liebe Frau Frieda, dafür ist Herr Lang und Herr Brüstlein3 verantwortlich. Das brauche ich nicht zu wissen. Nur: was in Graz und Wien geschieht und was Sie Herren Fischl geschrieben haben, dies letztere hätte ich wissen sollen, damit wir ihm nicht Widersprechendes schreiben. 앚:–:앚 Montag Abend bin ich im Grand Hotel 앚:Locarno:앚, Dienstag 앚:früh:앚 in Ascona. Vor Einem allein habe ich Sorge: daß Sie aus einer gewissen Angst vor Otto Gr[oss] und den Berliner Leuten4 Sich nicht zum Richtigen entschließen (inbezug auf Fischl). Wenn er nicht sich strikt jedes Antrags in Ihrer Sache enthält – und das hat er nicht 1 Zitat aus Schiller, Friedrich, Der Gang nach dem Eisenhammer. Der Beginn der 28. Strophe lautet: „Herr, dunkel war der Rede Sinn.“ Weber bezieht sich auf einen nicht überlieferten Brief von Frieda Gross, in dem sie auf Webers Brief vom 16. März 1914, oben, S. 555 f., antwortete. Darin hatte Weber die Kündigung der Vollmacht an Armin Fischl angemahnt. 2 Die Briefe an Armin Fischl sind nicht nachgewiesen. 3 Gemeint ist die Züricher Anwältin Dr. Gillonne Brüstlein. 4 Damit meinte Weber wohl insbesondere Franz Pfemfert, Simon Guttmann und Franz Jung.

572

21. März 1914

gethan, vielleicht haben Sie den Irrtum begangen es nicht zu verlangen – und sich aufa Otto Gross’ Interessen beschränkt, so muß er augenblicklich abgesägt werden.5 Denn dann ist er schwer gefährlich. Schon seine letzte Eingabe6 schädigt Sie direkt. Außerdem ist er ein ganz ordinärer Geldschneider und Sensationsanwalt. Sie werden jetzt 앚:wahrscheinlich:앚 zu den Akten erklären müssen: daß er Sie nicht vertritt. Und das ist nicht angenehm, wenn das nötig wird[.] Herzlichste Grüße auf Wiedersehen Ihr sicherlich oft etwas unbequemer, aber freundschaftlicher „Mentor“ Max Weber

a O: auch 5 Die Kündigung an Fischl erfolgte am 28. März 1914. 6 Der Schriftsatz Fischls ist in den Gerichtsakten archiviert: Steierm. LA Graz, P IX 20/ 14, Bl. 41 – 46.

5

10

21. März 1914

573

Paul Siebeck 21. März PSt 1914; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 21/3 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

5

10

„Nanu“!? – ich habe ja zu Allem „Ja und Amen“ gesagt, speziell zu Gottl.1 Aber Mombert2 z. B. ist noch nicht da (Herkner3 ist bei v. Wieser)a, den Rest 앚:der Manuskripte I,2:앚4 schicke ich morgen. III,1 hat doch nur wegen v. Schulze Eile,5 sonst weiß Gott nicht! Ich habe ja nur das eine Bedenken gegen die sonst gewiß erwünschte schnelle Publikation, daß dann nachher eine so peinlich lange Pause für II eintritt (Gutmann liefert erst in 14 Monaten von jetzt an ab!)6 Das wäre doch ein Schönheitsfehler! – Aber: wie Sie wollen[.] Mir ist letztlich Alles recht.

a Klammer fehlt in O. 1 Paul Siebeck hatte im Brief vom 20. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber gegenüber seinem Unmut darüber Luft gemacht, daß „die Sache mit dem Handbuch“ ihn „nachgerade etwas nervös“ mache: „Es ist doch tatsächlich nicht gerecht, wenn wir die Mitarbeiter von I,2, die ihre Manuscripte schon alle abgeliefert haben, warten lassen, während wir auf diejenigen von III,1, unter denen so säumige Leute wie Hirsch und Schumacher, und so sonderbare Käuze, wie Schulze-Gaevernitz, sich befinden, warten. Ich komme faktisch nicht zu Streich, wenn ich die Zeit ungenützt vorbeigehen lasse, wo ich I,2 setzen lassen kann und III,1 noch nicht habe.“ Ferner hatte Siebeck über Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld berichtet, daß dieser die nächste Zeit am Bodensee verbringen werde und „sich ausschließlich der Korrektur widmen könne. Wir können also jetzt auf prompte Erledigung seiner Korrekturen rechnen. Das ist auch etwas wert.“ Weber verweist hier auf seine Karte an Paul Siebeck vom Vortage, oben, S. 562. 2 Mombert, Bevölkerungslehre. 3 Herkner, Arbeit und Arbeitsteilung. 4 Gemeint sind die Manuskripte von Oldenberg, Hettner, Michels und v. Gottl; vgl. dazu die Karte an Paul Siebeck vom 22. März 1914, unten, S. 575. 5 Gerhart v. Schulze-Gaevernitz hatte auf einer bestimmten Frist für das Erscheinen seines GdS-Beitrags über: Deutsches Kreditwesen, bestanden. 6 Franz Gutmann war im November 1913 für den ausgeschiedenen Johann Plenge eingesprungen und hatte den Beitrag über „Geld und Kredit“ übernommen, der bis Februar 1915 abgeliefert werden sollte. Der Beitrag ist nicht erschienen.

574

21. März 1914

Wieser ist gut7 – aber doch nicht so präzis, wie ich dachte. Aber er entspricht dem Lehrbuch-Charakter. Ich muß nun aber doch sehen, aus meinem Abschnitt8 noch etwas mehr zu machen, das hilft nichts[.] –9 Also mit der Nummerierung halten Sie es jetzt wie Sie wollen.10 Adresse ab Montag: Asconab bei Locarnoc, ferma posta. – Herzlichen Gruß Max Weber

b O: zweifach unterstrichen.

c O: zweifach unterstrichen.

7 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 8 D. h. „Wirtschaft und Gesellschaft“. 9 Weber sah sich dazu ermutigt, seinen Beitrag noch weiter auszubauen, allerdings nicht als direkten Ersatz für die Defizienzen von Wieser. 10 Vgl. dazu Karte an Paul Siebeck vom 20. März 1914, oben, S. 562, Anm. 2.

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22. März 1914

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Paul Siebeck 22. März PSt 1914; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg 22/3 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Neben den Arbeiten von I,21 sende ich: Lotz2 (gehört zu III, kommt jetzta mit in Druck, außer Schumacher fehlt da jetzt nur noch Wiedenfeld).3 Herkner habe ich versprochen, er solle Wieser’s Arbeit4 sehen, eheb sein Mscr.5 in Correktur geht (wegen der Terminologie etc.). Würden Sie ihm wohl die Druckbogen von Wieser schicken, wenn dessen Beitrag einigermaßen zu Ende corrigiert ist? Inc I,2d muß wohl Hettner doch besser an die Spitze. Dann: Michels. Dann: Oldenberg. Dann: Herkner. Dann: Gottl. Hettner ist die wenigst gute der Arbeiten.6 Aber es geht sachlich wohl nicht anders als in dieser Reihenfolge. – Hoffentlich ist nun alle „Nervosität“ geschwunden7 und geht die Sache in Ruhe. Ich brauche sie sehr, – Sie sicher auch! Herzliche Grüße! Ihr Max Weber Ist Adolf Weber’s Mscr.8 nicht bei Ihnen? Ich dachte so (Sonst: bei Lederer)[.] a

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d O: zweifach unterstrichen.

1 Gemeint sind die Manuskripte von Oldenberg, Hettner, Michels und v. Gottl; vgl. dazu die Beilage zur Karte an Paul Siebeck vom 20. März 1914, oben, S. 564. 2 Es handelt sich um das Manuskript von Walther Lotz, Prinzipien der Transportpreisbildung. Der Beitrag ist nicht erschienen. 3 Zu den Problemen der Ablieferung des Manuskripts zu: Wiedenfeld, Transportwesen, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 230, Anm. 30. 4 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. 5 Herkner, Arbeit und Arbeitsteilung. 6 Hettner, Geographische Bedingungen. 7 Weber bezieht sich hier auf Siebecks Brief vom 20. März 1914; vgl. dazu die Karte an Paul Siebeck vom 21. März 1914, oben, S. 573, Anm. 1. 8 Aus der Korrespondenz Weber – Siebeck ist nicht ersichtlich, ob sich dies auf das Manuskript zu Adolf Weber, Wohnungspolitik, oder Adolf Weber, Wohnungsproduktion, bezieht.

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26. März 1914

Paul Siebeck 26. März [1914]; Ascona Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

z. Z. Ascona (Tessin) 26a/III Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Ich bitte Sie, auf meine Rechnung ein Exemplar des Buchs meiner Frau (Marianne Weber) „Ehefrau und Mutter in der Rechtsgeschichte“1 zu schicken an: Herren Hof- und Gerichtsadvokaten Dr Otto Pellech 앚:(Pellech):앚b 2 Wien I Rathausstraße 5 Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

a Unsichere Lesung der zweiten Ziffer des Tagesdatums. mens in besonders deutlicher Schrift.

b Wiederholung des Na-

1 Weber, Marianne, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1907. 2 Otto Pellech hat in seinem Schriftsatz an das Bezirksgericht Graz, dortiger Eingangsstempel vom 23. Juni 1914, auf dieses Buch zur Bekräftigung der Reputation und zur Darlegung der „sexualethischen Lebensanschauung“ von Marianne Weber als Zeugin für Frieda Gross hingewiesen. Vgl. Steierm. LA P IX 42/14, Bl. 625.

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Marianne Weber PSt 29. März 1914; PSt Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort des Briefes sind aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen. Der Brief ist auf der Rückseite einer Banknachricht der Disconto-Gesellschaft vom 24. März 1914 geschrieben. Mit diesem Brief beginnen die täglichen Mitteilungen an Marianne Weber, die sich über die Zeit von Webers Aufenthalt in Ascona erstrecken. Weber war am 24. März in Ascona angekommen, hatte sich dort mit seiner Frau getroffen und war am 21. April wieder in Heidelberg.

Liebe Schnauzel, –

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so nun bist Du hoffentlich gesund und froh bei Rickert’s1 und strapazierst Dich nicht zu sehr mit dem vielen „Reden“. Überlasse das Rikkert und höre zu, statt zu widersprechen. Ich faste jetzt seit Freitag Abend, d. h. trinke nur Wasser, esse nichts. Ich merke bisher keinerlei Wirkung, der Magen knurrt, aber eher abals zunehmend, schöner bin ich auch nicht geworden, aber auch weder schwach noch „nervös“ bisher. Ich bin begierig, wie es weiter geht. Bis heut Abend setze ich es durch, dann wieder Pause bis morgen Abend, dann wieder 48 Stunden Fasten. Wollen mal sehen, was wird! Etwas „stumpf“ bin ich, aber das schadet ja nichts. Schlaf ausreichend. Heut trifft die Frieda auf telegrafischen Wunsch Alfred in Bellinzona.2 Was er will, ist dunkel, vielleicht nur Nachrichten. Nun, lieber Schnauzel, überlege Du aber Deine Bescheinigung3 für Frieda. 1 Auf der Rückreise von Ascona besuchte Marianne Weber Heinrich und Sophie Rikkert in Freiburg, wie aus ihrem Brief an Max Weber vom 28. Febr. 1914 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hervorgeht. 2 Alfred Weber hatte nach einer gemeinsamen Sizilienreise mit Else Jaffé, die in Neapel blieb, Frieda Weekley und D.H. Lawrence in der Nähe von Lerici besucht und sich auf der Rückreise mit Frieda Gross verabredet. 3 Es handelte sich um eine Beurteilung der Lebensverhältnisse von Frieda Gross und ihrer Familie. Ihre Stellungnahme zitiert Otto Pellech in seinem Schriftsatz für das Bezirksgericht Graz in der Vormundschaftssache Peter Gross vom 23. Juni 1914 (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 626 – 628) wie folgt: „Meine Beobachtungen haben mich überzeugt, daß diese Frau ihrem Sohne nicht nur eine sehr liebevolle, sondern auch eine umsichtige, kluge und sorgsame Mutter ist. Sie ist eine geistig bedeutende Persönlichkeit von starkem idealistischem Schwung, selbstlos, großzügig und gütig, und sie ist zweifellos mit einer starken, erzieherischen Begabung ausgestattet, die sie befähigt, das lebensvolle, selbständige, nicht ganz leicht zu behandelnde Kind mit si-

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29. März 1914

Also: 1) über Peter’s4 Eindruck und ihre Beziehung zu ihm, sein Gut-Aufgehoben-Sein bei ihr. (Du kannst das ja kurz fassen und dabei anbieten, Dich ganz im Detail zu äußern). 2) Über Frick’s Persönlichkeit. (Feinheit, Bildung, unaktives Wesen, unaktive und unpolitische Ansichten, nachdenkliche und gütige Art u.s.w.) Am besten beides auf besondren Bogen. Dabei Eingangs u. No 1: daß Du ganz verschiedene Ideale und Ansichten von Frieda/ihm hast! (wichtig) Und dann schicke das (eingeschrieben) Hof- und Gerichtsadvokat Dr Otto Pellech Wien I, Rathaus-Straße 5. Dein Buch5 ist bei Siebeck für ihn bestellt. Verweise 앚:Herrn Pellech Deinerseits:앚 auf das letzte Kapitel6 für Deine Ansichten (in einem Begleitbrief der Bescheinigungen an Pellech) und nimm Bezug auf Ro-

cherer Hand zu leiten. Peter Gross ist, auch von traditionellen und ,bürgerlichen‘ Gesichtspunkten aus gesehen, ein in jeder Hinsicht wohl erzogenes Kind, und es war mir geradezu erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit er der Mutter gehorcht und sich ihrer geistigen Überlegenheit unterordnet. So erschien er z. B. immer absolut pünktlich zu der von seiner Mutter festgesetzten Arbeitsstunde, verließ auf ihren Wunsch ohne weiteres das Zimmer u. dgl. mehr. Dabei ist seine Liebe und Anhänglichkeit für die Mutter und sein unbedingter Respekt vor ihr auch bei oberflächlicher Beobachtung sofort erkennbar. Seine äußere Trennung von der Mutter, die ja keinesfalls die Macht haben könnte, ihn gänzlich ihrem Einfluß zu entziehen und zu entfremden, wäre deshalb meines Erachtens eine Maßregel, die den Knaben in seiner ganzen Entwicklung schwer gefährden müßte. Erst dann würde er ja zwischen zwiespältigen Einflüssen hin- und hergezerrt und zu einer Stellungnahme zwischen Menschen und Wertungen gezwungen, für die ihm noch lange die geistige Reife fehlt. Zur Zeit könnte gerade die äußere Entfernung von seiner Mutter gegen deren Willen eine zerstörende Wirkung auf sein Gemütsleben ausüben. Die gesunde, anspruchslose Umgebung, in der sich das Kind befindet, erscheint mir vorläufig in gesundheitlicher wie in moralischer Hinsicht durchaus einwandfrei . Sein tägliches Leben ist ganz wie bei andern Kindern ein geregeltes . Der ihm von seiner Mutter zugemuteten Haltung und Gesinnung liegen edle Erziehungsmaximen zu Grunde, die sich durchaus decken mit den Grundsätzen, jeder anderen intellektuell und ethisch hoch entwickelten Mutter.“ 4 Peter Gross, Sohn von Frieda Gross. 5 Weber, Marianne, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1907. Vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 26. März 1914, oben, S. 576. 6 Gemeint ist das VI. Kapitel, das die Überschrift Ehekritik, Ehescheidung und außereheliche Geschlechtsbeziehungen trägt.

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sina (Geh. Hofrath, Prof. Dr, Freiburg, deutsches Recht), Riehl[,] Endemann, Gothein als Zeugen Deiner absoluten ethischen Correktheit in Deinen Ansichten. Mach das, wenn Du kannst, doch noch in Freiburg. Denn in Heidelberg erwartet Dich dann tausenderlei! Tausend herzliche Grüße, es küßt Dich Dein „Bub“.

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Marianne Weber PSt 30. März 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum des Briefes ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Ascona, Montag, Liebes Mädele, – heut der dritte absolute Fasttag bei etwas mäßigem Schlaf, nach sehr starker Bewegung zu Fuß und zu Wagen und anhaltender Lektüre. „Beschwerden“ fühle ich so gut wie gar nicht, außer daß der Magen etwas knurrt, aber kaum so stark, wie wenn in Heidelberg um 1 Uhr die Bernays bei Dir sitzt. Irgend eine Beeinflussung des Embonpoints und der Schönheit spüre ich absolut nicht, ich bin unverändert, wie ich im Schöpfungsplan vorgesehen bin. Ein klein wenig schwerer geht das Schreiben physisch, als sonst. Heut Abend wird aber „Schluß“ gemacht und wieder zur Obst- und Gemüse-Kost übergegangen. – Nun bist Du hoffentlich leidlich erholt – oder umgekehrt arg angestrengt durch Rickert?1 Ich bin froh zu denken, daß Du morgen wieder in unsren vier Wänden bist und hoffe, die Menschen lassen Dich dann in Ruhe – diese Bande denkt jedenfalls, Du hättest nun hier neue Kräfte gesammelt, um ihr Geklöne anzuhören. Von Mama eine Karte an Carl,2 der unauffindbar ist – „eilige Briefe an Emmchen3 und den Bräutigam“. Von Clara ein Kärtchen, sehr glücklich über meinen Brief an Artur.4 An Valborg5 haben sie und Mama geschrieben. Sie antwortet aber nicht, schreibt kaum an Artur selbst! Das Biest! und der arme Kerl! Leb wohl, liebstes Mädele, es umarmt Dich viel hundert Mal Dein Max 1 Marianne Weber besuchte auf ihrer Rückreise von Ascona in Freiburg Sophie und Heinrich Rickert, vgl. den den Brief an Marianne Weber vom 29. März 1914, oben, S. 577, Anm. 1. 2 Karl Weber befand sich auf einer Reise in Italien. 3 Emma Puppe war die Tochter der verstorbenen Haushälterin von Karl Weber, die sich mit einem „gebildeten“ Straßburger verlobt hatte, vgl. den Brief von Max Weber an Helene Weber vom 10. Sept. 1913, oben, S. 326, Anm. 12. 4 Der Brief an Arthur Weber ist nicht nachgewiesen. 5 Valborg Weber, die Frau von Arthur Weber, hielt sich seit längerem bei ihrer Familie in Norwegen auf.

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Marianne Weber PSt 31. März 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum des Briefes ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Ascona, Dienstag Liebes Mädele, –

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so nun kommst Du wohl wieder nach Haus1 und findest dort hoffentlich nicht allzuviel zu schaffen vor. Ich habe gestern Abend und heut morgen je ein paara Orangen gegessen, sonst seit Freitag Abend „niente“, es geht mir erträglich, Schlaf ausreichend, ohne alle Mittel. Außer diesen welterschütternden Thatsachen ist nichts zu berichten. Wir warten gespannt auf die Nachrichten über Pellech’s2 Rücksprachen in Graz, welche etwa Freitag eintreffen müssen, und erwägen die Möglichkeit, daß der Richter ihm sagt: „giebt Sie die Beziehung zu Frick auf, dann behält sie das Kind“. Das Erstere wird sie aber höchstens der Form nach thun und eventuell doch lieber Peter3 hergeben. – Dabei ist sie merkwürdig klar darüber, daß Fr[ick] nicht dauernd hier bleibt und bleiben kann, weiß nur natürlich absolut nicht: was denn nun später aus ihm werden soll. Er warte immer auf den Moment großer innerer Erleuchtung, wo er etwas ganz Großes, Prophetisches, thun werde – der arme Kerl. Alles dreht sich bei ihm immer um seine Verurteilung, – das ist fast beängstigend[,] und auch Frieda4 fand es, – wenn man doch einmal von der absoluten Bosheit als Grundlage der „Gesellschaft“ überzeugt ist, unerklärlich, wie „überwertig“5 diese Ideen bei ihm sind. a O: par 1 Marianne Weber hatte nach ihrem Aufenthalt in Ascona Sophie und Heinrich Rickert in Freiburg besucht. 2 Otto Pellech, der Anwalt von Frieda Gross, wollte in Graz mit Hans Gross, Friedas Bruder Arnold Schloffer und dem Kuratelgericht Möglichkeiten für eine einvernehmliche Lösung in der Vormundschaftsfrage für Peter Gross besprechen. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 1. März 1914, oben, S. 534 f. 3 Peter Gross. 4 Frieda Gross. 5 Der Begriff „überwertige Idee“ wurde von Carl Wernicke geprägt, besonders in seinem Grundriß der Psychiatrie in klinischen Vorlesungen. – Leipzig: Georg Thieme 1900, Fünfzehnte Vorlesung S. 145 – 154. Sigmund Freud beruft sich in „Bruchstück ei-

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Im Übrigen möchte er eben „Güte“ und „Nächstenliebe“ durch Akosmistik der Erotik6 zur „Vollendung“ bringen, ich habe Frieda schon gesagt, warum das nicht geht und sie giebt zu, daß die eigentliche Consequenz die Tolstoj’sche Askese sei, zu der er ja auch immer wieder hinneigt.7 Er wird wohl da enden, wenn er noch die Kraft dazu hat. Aber irgend etwas in ihm ist geknickt, das fühlt man so stark. – Doch genug für jetzt, ich habe noch was zu diktieren. – Morgen mehr! Immer Dein Dich herzlich umarmender Max

ner Hysterie-Analyse von 1904 – 05“ in: Sammlung kleiner Schriften zur Neurosenlehre, 2. Folge. – Leipzig und Wien: F. Deuticke 1909, S. 46f. auf Wernickes „überwertige Idee“ als überstarker bzw. verstärkter Idee im Sinne einer „unablässigen Wiederholung desselben Gedankens“. Vgl. zu Webers Freudkenntnissen MWG II/5, S. 394f. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Weber auch den Aufsatz von Otto Gross kannte: Zur Differentialdiagnostik negativistischer Phänomene, in: Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift, Nr. 38, 1904, S. 357 – 363. Dort weist Gross trotz der unterschiedlichen Vorgehensweise auf den übereinstimmenden Gebrauch des Ausdrucks „überwertig“ bei Wernicke und Freud hin. 6 Als Akosmismus bezeichnet Weber die „eigentümliche Weltflucht in Gestalt objektloser Hingabe an jeden Beliebigen, nicht um des Menschen, sondern rein um der Hingabe als solcher […] willen“ (MWG I/19, S. 490). 7 Die Tolstojsche Thematik hat Weber immer wieder interessiert. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 21. April 1908, MWG II/5, S. 535, und Weber, Max, Politik als Beruf, MWG I/17, S. 247.

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Marianne Weber 1. April PSt 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Dem Brief ist ein Brief von Fritz Wichert, dem Direktor der Mannheimer Kunsthalle, beigelegt. Wichert teilt Weber darin mit, daß er bereit sei, die Bilder der verstorbenen Künstlerin Irma Seidler auszustellen.

Ascona, Mittwoch 1/4 Liebes Schnauzele, –

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nun Gott sei Dank, Dein liebes Briefchen zeigt, daß Du noch lebst, trotz Allem, und die schönen Frühlingstage bringen Dich hoffentlich schnell so weit, daß die Strapatzen dieser „Tour“1 – denn auch hier war es doch etwas Strapatze, man sah es Dir an – bald wieder ausgeglichen sind. Hier ist noch starker Betrieb. Gestern diktierte ich den Commentar zu dem Prozeßbericht2 u.s.w. Heut entwerfe ich mein Gutachten über Frick,3 das dann morgen die Gräfin4 (!) in die Schreibmaschine diktiert bekommt. Dafür habe ich ihr, mit schlechtestem Gewissen, eine Bitte um ein Gutachten über die mögliche Entlassung ihres Lümmels5 aus der Staatsangehörigkeit (Militärpflicht) fabriziert.6 Hoffentlich führt es zu nichts und muß der Schlacks dienen!

1 Gemeint ist die Reise zu zwei Vorträgen, dann nach Ascona und zum Besuch bei Sophie und Heinrich Rickert nach Freiburg. 2 Nicht nachgewiesen. 3 Das Gutachten über Ernst Frick liegt nicht bei den Akten des Steiermärkischen Landesarchivs, Vormundschaftssache Peter Gross, P IX 41/14. Aber in seinem Antrag vom 23. Juni 1914 beruft sich Otto Pellech u. a. auf Max Weber, „der zu Auskünften über Ernst Frick herangezogen werden“ könne, Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 618. 4 Franziska Gräfin zu Reventlow. 5 Gemeint ist der Sohn der Gräfin, Rolf. 6 In der Vormundschaftsakte von Rolf Reventlow im Bayerischen Staatsarchiv München (Vorm. Verz. Nr. 1688/Jg. 1902) ist kein Schriftstück Max Webers nachgewiesen, allerdings ist die Akte inzwischen stark ausgedünnt (vgl. auch den Brief an Frieda Gross vom 26. April 1914, unten, S. 645). Archiviert ist nur der wegen des Kriegsausbruches abschlägig beschiedene Antrag auf Entlassung aus dem deutschen Staatsverband, den der Vormund von Rolf Reventlow, Ludwig Klages, am 4. August 1914 gestellt hatte. Vormundschaftsakte Rolf Reventlow, Bayer. Staatsarchiv a.a.O., Bl. 42.

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Freitag erwarten wir dann Pellech’s Berichte (über Graz)[,]7 und Frieda8 ist einstweilen glücklich, daß er noch nicht da ist und sie noch nicht vor „Entschließungen“ stellt. Alfred9 wollte nur offenbar – Else’s10 wegen – „guten Willen“ prästieren, zugleich aber andeuten, daß er ungern Zeuge sei und Jaffé sich davor direkt fürchte.11 (J[affé] ist zu seinem Entsetzen wieder 2 Tage zu früh in Rom eingetroffen, schickte dann seine Visitenkarte (!) in Else’s Schlafzimmer (!), wo Alfred sich grade befand, der dann zur einen Thür hinaus – Jaffé zur andren hineinging.)a Im Übrigen beruhigte es ihn, 앚:von Frieda:앚 zu hören, daß ich nicht hier sei, wenn Else herkomme. Nun hat sich das freilich verschoben: ich dachte[,] in der Zeit nach Zürich zu gehen, aber Lang bittet mich Dienstag dorthin zu kommen, während Else schon Samstag kommt. Ich werde also eine Partie auf dem See für eine Nacht machen. – Für Zürich frage ich nun noch Tobelchen,12 die jetzt ja sicher dort ist, wann sie einen halben Tag für die Ufenau13 frei hat und suche mich darnach zu richten, wenn es geht. Außer Lang habe ich Frl. Brüstlein zu sprechen,14 vielleicht suche ich auch Sieveking15 auf und wenn noch ein Stündchen übrig bleibt, das Museum und die Gewerbehalle. – Beiliegend der Brief Wicherts über die Bilder der Seidler. Ich glaube

a Klammer fehlt in O. 7 Vgl. Max Webers Brief an Marianne Weber vom 31. März 1914, oben, S. 581, Anm. 2. 8 Frieda Gross. 9 Alfred Weber hatte Frieda Gross am 29. März in Bellinzona gesprochen. 10 Else Jaffé war eine Freundin von Frieda Gross und die Lebensgefährtin von Alfred Weber. 11 Gemeint sind Stellungnahmen zur Lebensführung von Frieda Gross; vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 8. März 1914, oben, S. 545. 12 Mina Tobler war bei ihrer Familie in Zürich zu Besuch. 13 Die Ufenau ist eine Insel im Zürichsee bei Pfäffikon. 14 Weber suchte weiter nach Zeugen für Frieda Gross im Verfahren über die Vormundschaft für Peter Gross, die Ernst Frick ein gutes Zeugnis ausstellen könnten. Otto Lang war als Richter, Gillonne Brüstlein als Anwältin mit den Anarchistenprozessen gegen Frick vertraut, vgl. Brief an Frieda Gross vom 21. März 1914, oben, S. 571. 15 Heinrich Sieveking, Habilitand von Max Weber in Freiburg, war seit 1907 Professor in Zürich.

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er hat Recht.16 Aber es freut mich, daß Lederer’s17 die Freude gemacht wird. Bis heut 앚:(Mittwoch):앚 habe ich seit vorigen Freitag Abend nur 5/4 Kg. Orangen (im Ganzen, 앚:am Montag u. Dienstag:앚) gegessen. Aber die Polsterung und das Mastbürgertum weichen und wanken nicht. Der Schöpfungsplan will mich so. Im Übrigen sehe ich sehr „gut“ aus, der Schlaf war gestern (Bad!) wieder „mäßig“, „nervös“ bin ich nicht, gehe und lese oder diktiere den ganzen Tag. Nur eine gewisse Stumpfheit und etwas neurasthenische Empfindungen im Kopf sind da. – Das Wetter ist schlechthin himmlisch. Kein einziger Tag voriges Jahr war so. Wenn es dann nur Frühling bleibt, bis ich heimkomme. Mit tausend Küssen, mein liebstes Mädele, Dein Max

16 In seinem Brief an Max Weber vom 31. März 1914 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) schrieb Fritz Wichert zur Frage einer Ausstellung von Bildern der verstorbenen Irma Seidler: „Ich muß nun aber ganz aufrichtig gestehen, daß ich das innere (wirklich objektiv darin aufgespeicherte) Leben dieser Blätter für nicht allzu umfangreich halte. Die Ausdrucksmittel erscheinen mir – trotzdem man überall die schöne Persönlichkeit spürt – zu wenig für die Entwicklung der Kunst zu bedeuten. Das formale Verdienst ist noch gering und wäre wohl erst gewachsen.“ 17 Die Malerin Irma Seidler, Freundin von Georg von Lukács, hatte sich das Leben genommen. Ihre Schwester Emmy und deren Mann Emil Lederer, Privatdozent in Heidelberg, bemühten sich darum, das Werk der Verstorbenen der Öffentlichkeit vorzustellen.

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2. April 1914

Paul Siebeck 2. April [1914]; Ascona Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „3.4.14“ sowie Briefinhalt.

Ascona 2/IV Sehr geehrter Herr Dr Siebeck, – 1. Schumpeter’s Mscr. habe ich jetzt wohl überhaupt nicht mehr.1 Denn ich hatte ja den Beitrag corrigiert und nahm an, er werde nicht da sein, ehe er abgesetzt werden würde. 2. Wenn Sie es mit den Bänden so, wie Sie jetzt vorhaben, machen wollen, ist es mir recht.2 Lieber wäre mir: Sie ließen Abteilungs-weise erscheinen und paginierten Abteilungs-weise durch. Denn die dicken „Halbbände“ von 60 Bogen (und mehr!) sind doch sehr unhandlich und unschön und die Bindung an die Reihenfolge ist sehr lästig. Es kann z. B. sehr gut Buch V eher vorliegen als Buch IV.3 Je weniger Bindung, desto besser. Sollte also Ihr Entschluß noch nicht absolut endgültig sein, so würde ich allerdings vorschlagen: 1 Paul Siebeck hatte Weber in seinem Brief vom 30. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) gebeten, ihm das GdS-Manuskript von Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte, zukommen zu lassen, falls er es vorliegen habe. Er wolle Schumpeter, der Mitte April 1914 aus den USA nach Wien zurückkehren werde, Manuskript und Revision zuschicken. 2 Siebeck, dem Weber mit Karte vom 21. März 1914, oben, S. 573, freie Hand bezüglich der GdS-Einteilung gegeben hatte, hatte diesem am 28. März 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) das Resultat seiner Überlegungen mitgeteilt: „Wenn das Handbuch in zwei Bände eingeteilt werden soll […], so würde sich technisch folgende Einteilung ergeben: I. Band, I. Halbband (I. Buch I – VIII) cca 49 – 50 Bogen I. Band, II. Halbband (I. Buch IX und X, II. Buch) cca 60 Bogen II. Band, I. Halbband (III. Buch) cca 60 Bogen II. Band, II. Halbband (IV. und V. Buch) bis jetzt 38 – 40 Bogen. 60 Bogen wären technisch […] das noch Mögliche. Die Paginierung der einzelnen Beiträge hat sich an der Hand der probeweise so paginierten Bogen als undurchführbar erwiesen. Es geht nicht anders, als daß die Halbbände durchpaginiert werden.“ 3 D. h. die Beiträge von Buch V: Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik des modernen Staates, eher als diejenigen von Buch IV: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates, welche von Karl Rathgen geliefert werden sollten. Dieser hatte aber bislang auf Anfragen nicht geantwortet. Rathgens Beiträge sind letztendlich nicht erschienen.

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1. Kolumnentitel u.s.w. genau wie Sie es wollen.4 2. Paginierung und Heftung (Bindung) Abteilungs-weise (statt: Halbband-weise).1) Machen Sie es aber nun wie Sie wollen! Ich halte dies für ästhetischa und praktisch zweckmäßiger. Die Abteilungsnummern brauchen ja im Columnentitel nicht zu figurieren, das ist ganz unnötig. 3. Was v. Wieser anlangt, so galt mein Urteil nur gewissen Partien, die ich damals grade las.5 In denen die ich jetzt lese ist er wieder ganz vortrefflich und erstklassig, sehr erfreulicherweise. Mich hat er dadurch in schwierige Lage gebracht, daß er2) bdie Erwartungb erweckte, als ob erc gewisse umfassend in seinen Werken behandelte soziologische Probleme mit behandeln würde.6 Das hat er nun aber nicht gethan. Ich kremple also meine Sache,7 sobald ich heim

also auch keine Bezeichnung alsd „Bände“, sondern einfach als e „Bücher“ und „Abteilungen“ von diesen. 2) natürlich ohne Absicht! Aber er war nicht zu genauer Angabe zu bewegen. 1)

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a b den Anschein > die Erwartung ergänzt. d der > als e

c Fehlt in O; er sinngemäß

4 Nach Meinung Siebecks im Brief vom 28. März 1914 (wie Anm. 2) sollte im linken Kolumnentitel die „Nummer des Buches und des Beitrags“ stehen: „also z. B. III. Buch, I, d. h. III. Buch, I. Beitrag.“ 5 Weber äußert sich hier zu einer Passage im Brief Siebecks vom 28. März 1914 (wie Anm. 2): „Was Sie über von Wieser sagen, interessiert mich sehr, nur tut es mir leid, daß Ihnen an Ihrem eigenen Beitrag immer wieder neue Arbeit erwächst.“ 6 Weber denkt hier in erster Linie an das Werk Friedrich Frhr. v. Wiesers über: Recht und Macht. Sechs Vorträge. – Leipzig: Duncker & Humblot 1910. 7 D. h. Wirtschaft und Gesellschaft.

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komme[,] zum 3. Male um und muß einen ganzen dicken Abschnitt zufügen.8 Andres werde ich streichen können, so daß das Ganze an Umfang nicht zunimmt. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber Herrn v.f Wieser bitte ich Sie vorzuschlagen, daß statt „Buch“ ein andrer Ausdruck für die „Kapitel“ oder „Abteilungen“ seines Beitrags gewählt wird.9

f O: V. 8 Es könnte sich um eine Erweiterung des Manuskriptes der Rechtssoziologie handeln. 9 Tatsächlich sind in der Druckfassung von v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, die einzelnen Abschnitte nicht als „Buch“, sondern als „Abteilung“ gekennzeichnet worden.

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Marianne Weber PSt 2. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum des Briefes ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Ascona Donnerstag Liebes Schnauzele, –

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heut ist noch kein Briefchen von Dir da und kommt wohl auch keines. Auch ich wollte nur – ehe ich der Gräfin1 den Steckbrief über Frick2 diktiere – Dir einen schönen „guten Morgen“ sagen unda erzählen, daß „nichts“ zu erzählen ist. Es ist herrliches Wetter, „trüb verhängt und warm“, ich esse nur etwas Orangen, sonst nichts – der Bauch bleibt vorläufig! – gehe, lese, arbeite und schwätze mit Frieda3 und (gestern ganz interessant) mit Frick. Auch Friedeberg4 meinte: er werde doch, da er unter der jetzigen Situation leide, irgendwann fortgehen, meint[,] er könne ihn als Kaufmann in einem Geschäft unterbringen u. dgl. – Ach ich glaube, er ist dazu nicht mehr im stande und wird es nicht wieder werden. Und wenn er 앚:(Fr[ick]):앚 von „Bejahung des Todes“ spricht, so denke ich allerhand. – Was machst Du? – oder vielmehr: ich weiß ja, daß Du Dich ruhig hältst diese Tage, hoffentlich auch von der Bernays und allem Andren,b Schrecknissen sachlicher und menschlicher Art, verschont. Ob wohl Dein Schriftstück5 an Pellech fort ist? Und dann: ob Du wohl für uns beide nach Örlinghausen6 telegraphiert hast? – denn da es so a

b O: Andren;

1 Franziska Gräfin zu Reventlow. 2 Gemeint ist das Gutachten über Ernst Frick. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 1. April 1914, oben, S. 583. 3 Frieda Gross. 4 Gemeint ist der Arzt Raphael Friedeberg, zu dessen Kreis Ernst Frick durch gemeinsame sozialistische Interessen gehörte und der ihn ärztlich betreute. 5 Max Weber hatte Marianne Weber um eine Darstellung ihres Eindrucks von Ernst Frick, Frieda Gross und ihrem Sohn Peter gebeten. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 29. März 1914, oben, S. 577 f. 6 Gemeint ist die Teilnahme an der Hochzeit von Marianne Müller mit Konrad Zeeden, die am 30. April 1914 stattfinden sollte.

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vereinbart war, kann ich doch jetzt nicht mehr, obwohl ich dran gedacht habe. Es küßt Dich, mein Herz, Dein Max

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Marianne Weber PSt 3. April 1914; PSt Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort des Briefes sind aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen. Der Brief ist auf der Rückseite eines Briefes von Paul H[??]a an Max Weber vom 1. April 1914 geschrieben.

Freitag Nachmittag Liebstes Mädele, –

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ich hab dem guten Langweiler1 gleich in unser beider Namen kurz geschrieben.2 Schönsten Dank für Dein Kärtchen, Du armes geplagtes Peterle. – Heut ist hier Regen und einmal ein Tag, an dem nichts zu thun ist. Nachricht von Pellech ist noch nicht da, warum? weiß man nicht. Hoffentlich! – nicht wegen erneuten Collapses. Das wäre gradezu entsetzlich. Denn jetzt hat man diese Zwischenfälle satt. – Heut ist der 7te Fasttag. Seit heut vor 8 Tagen Abends habe ich nur 4 1/2 Kg Orangen zu mir genommen, 2 Citronenlimonaden ohne Zucker, 3 Tassen Thee. Mir ist heut genau so zu Muthe wie am ersten Tag. D. h. der Magen knurrt oft, man ist nicht ganz in normaler Verfassung, aber auch nicht wesentlich anders als sonst. An meinem Embonpoint keinerlei Veränderung. Keinerlei erhöhte „Nervosität“. Ich gehe und lese wie immer, nur das Schreiben strengt etwas an. Morgen früh wird mit einem rohen Finocchio die Ernährung wieder begonnen. Leb für heut wohl, liebstes Mädele, es küßt Dich Dein Max Über Lask sprach ich mit Frieda.3 Aber sie ist sehr schwer in Bewegung zu bringen. a Name nicht lesbar. 1 Anspielung auf den Verfasser des Briefes, auf dessen Rückseite Max Weber seine Zeilen geschrieben hatte. 2 Der Brief ist nicht nachgewiesen. 3 Frieda Gross. Marianne Weber hatte Max Weber wissen lassen, daß Emil Lask finanziell durch seine Verpflichtungen gegenüber Lina Radbruch, die von ihrem Mann geschieden war, stark in Anspruch genommen sei. Frieda Gross solle ihre Brüder bitten, sich an den Kosten zu beteiligen. Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 1. oder 2. April 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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Marianne Weber PSt 4. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum des Briefes ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen. Brief auf der Rückseite einer Banknachricht.

Ascona, Samstag Liebes Mädi, – die verfluchten Kerls!1 ich hatte ihnen geschrieben, sie sollten die Sachen an Dich schicken und sie thun es nicht. Du siehst, sie sind konsequente Frauenverächter, was mir im Interesse der eignen Bequemlichkeit höchst unerwünscht ist. Noch immer keine Nachricht von „unsrem“ Pellech. (Außer einem Brief an Peter 2 und der Nachricht, daß das Gericht bis 1. Mai Frist läßt zur Beantwortung des Groß’schen Antrages3). Hoffentlich ist ihm nichts passiert.4 Hier sonst nichts Neues. Heut habe ich also mit (rohen) Finocchi wieder andres als Orangen zu essen angefangen. Der Magen knurrt ebenso wie vorher, auch sonst ist keine Änderung, nur etwas leichter geht das Schreiben und der Kopf fühlt sich jetzt ganz normal. Der braune Anzug ist noch nicht zu weit, ich glaube, ich habe mich überhaupt nicht verändert. Nun: dann könntet Ihr mich ja „billig“ durch die Welt bringen. Hier kostet meine Speisung jetzt pro Tag 3 Finocchi = 30 centesimi. Else J[affé] kommt heut und bleibt bis morgen. Da ich nicht fortkann, ist verabredet, daß ich unsichtbar auf meinem Zimmer bleibe und E[lse] gesagt wird: ich sei fort.5

1 Hinweis auf die Bankangestellten, die die Banknachrichten nicht an Marianne Weber geschickt hatten, wie Weber es gewünscht hatte. 2 Peter Gross. 3 Gemeint ist der Antrag auf Vormundschaft über Peter Gross, den sein Großvater Hans Gross aus Graz gestellt hatte. 4 Die Sorge war nicht unberechtigt, denn Otto Pellech hatte schon früher einen Kollaps erlitten. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 14. März 1914, oben, S. 550. 5 Max Weber scheute eine Begegnung mit Else Jaffé, die auf der Rückreise von Italien nach München Frieda Gross besuchte, vgl. Brief an Marianne Weber vom 5. April 1914, unten, S. 594. Schon im Vorjahr wollte er Ascona verlassen, um ihr nicht zu begegnen, doch mußte damals Else Jaffé ihren Besuch absagen, vgl. den Brief an Marianne Weber vom 16. April 1913, oben, S. 186.

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Frick geht jetzt, wo er in mir nicht mehr den „Rezensenten“ sieht, mehr aus sich heraus. Aber er ist bei jeder Formulierung noch sehr gehemmt, der arme Kerl. Seine Shakespeare-Übersetzung (Sonett) dagegen ist sehr gut, ganz auffallend!6 Hoffentlich bist Du, liebstes Mädel, nun etwas über die Strapatzen hinaus? Ich denke mit Grimm an diese Weiber (Bernays, Blancka etc.), die Dich zerfleischen! Gestern regnete es und war kühl, heut ist wieder prachtvolles Wetter. Tausend Küsse Dein Max

a O: Blank 6 Eine Veröffentlichung der Übersetzung konnte nicht nachgewiesen werden.

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5. April 1914

Marianne Weber [5. April 1914]; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem Inhalt des Briefes in Verbindung mit der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen.

Ascona, Sonntag Liebes Mädele, – heut bin ich in meinem Zimmer blockiert, denn grade gegenüber bei sich hat 앚:seit gestern:앚 Frieda1 die Else J[affé] einquartiert, der sie auf meine Anweisung erklärt hat: ich sei fort und sie könne mich auf keine Weise sehen. Also darf ich auch nicht da sein. Ich mag sie auch nicht sehen, denn auch aus den Äußerungen Alfred’s in Bellinzona zu F[rieda]2 ging die häßliche und feige Unritterlichkeit dieser beiden Menschen mir gegenüber allzu stark hervor – es schickt sich nicht mehr für mich, so als „Gelegenheitszusammentreffen[“]. Hätte ich diese Situation etwas früher gewußt, so wäre ich, da die Nachrichten aus Wien3 auf sich warten lassen – nun kam auf telegrafische Anfrage4 die telegrafische Antwort: daß Unterhandlungen schweben, ohne Preisgabe der Eva5 aber schwerlich eine Verständigung möglich sei – so wäre ich gestern und heut nach Zürich gefahren. So muß ich nun sehen, wann? Es ist heut himmlisches Wetter, wäre das gestern zu vermuthen gewesen, so wäre ich gestern und heut auf den See gegangen, aber gestern goß es mit Wellen und so ließ ich es und finde nun diese Frauenzimmer-Blockade ziemlich langweilig und diese ganze Wirtschaft mit jenen Menschen nachgerade „zu dumm“. – Frieda hat mir inzwischen viel von der Beziehung zwischen Otto Groß und seinem Vater erzählt, die merkwürdig genug ist. Ich begreife jetzt auch, weshalb der Alte ihn so isolieren läßt. Otto Gr[oss] hat u.A.

1 Frieda Gross. 2 Alfred Weber traf Frieda Gross am 29. März 1914 in Bellinzona. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 29. März 1914, oben, S. 577. 3 Gemeint sind die Nachrichten des Rechtsanwalts Otto Pellech. 4 Ein Telegramm Max Webers ist nicht nachgewiesen. 5 Eva Gross. Gemeint ist vermutlich die Anerkennung ihrer Unehelichkeit.

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die Naivität gehabt, schon vor Jahren, dem Vater ein Broschüre-Manuskript6 zu schicken, mit dem Verlangen, er, der Vater, solle ihm den Verleger dazu schaffen und die Kosten der Publikation tragen: in der Broschüre aber war als 앚:wichtigstes:앚 Beispiel ganz besondrer Schweinerei das eheliche Sexualleben des 앚:gleichen:앚 Vaters eingehend und mit Namensnennung herangezogen! – Das ist denn doch etwas starker Tobak und ich habe Frieda nicht verhehlt: daß ich als Richter einen Lümmel, der Das thäte, schon deshalb allein ohne alles psychiatrische Gutachten einsperren lassen würde. Überhaupt kommen so bei Wege lang Dinge aus Otto Gross’ Leben zur Sprache, welche mich innerlich nicht dran zweifeln lassen: die Frieda ist eigentlich für sich heilfroh, daß der Mann festsitzt7 und sträubt sich nur aus „Prinzip“ dagegen. – Die Gräfin8 gewinnt weder noch verliert sie bei näherem Besicht. Wir haben, als ich ihr diktierte,9 nur gänzlich triviale Gespräche zwischendurch geführt, Abends kommt sie zuweilen auf Frick’s Stube, – aber dann kommt dieser Bengel10 mit und wenn der da ist, kann man von nichts Verständigem reden; ich erzähle dann meist Anekdoten, damit nur der Lausbub nicht immer dazwischenquatscht. – Frick hat Tiefe. Es fehlt ihm jetzt aber jegliche Ausdrucksfähigkeit auch für einfache Gedanken. Das Gefängnis hat so auf ihn gewirkt, daß er mit seinem Grübeln über die Bedeutung des „Guten“ nicht fertig wird. Daß der Erfolg guten Handelns so oft gänzlich irrational ist und üble Folgen eintreten, wo man „gut“ handelte, hat ihn irre gemacht daran, daß man überhaupt „gut“ handeln solle: Bewertung des sittlichen Handelns vom Erfolg aus, statt vom eignen Werth! Vorerst sieht er nicht, daß da ein Fehler steckt und ich werde sehen, ihm die „Brüder Kara-

6 Nicht nachgewiesen. 7 Otto Gross war seit seiner Verhaftung in Berlin am 9. November 1913 in österreichischen Irrenanstalten interniert. 8 Gräfin Franziska zu Reventlow. 9 Max Weber diktierte ihr das Gutachten über Ernst Frick. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. April 1914, oben, S. 589. 10 Gemeint ist Rolf Reventlow.

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masow“11 zu verschaffen und, später einmal, Lukács’a Dialog,12 wo das Problem ja behandelt ist. Schönen Dank für Deinen Brief, liebstes, ich weiß nicht mehr, ob ich gestern den Dank noch an meinen Zettel herangeschrieben habe. Hoffentlich wirst Du in Berlin recht viel Ruhe haben, bis die Vorbereitungen zum Geburtstag13 beginnen. – Geschäftlich: 1) Ich habe mir zur Sicherheit noch 200 Mk (zu den mitgenommenen 200) bestellt. 2) ich habe Mama also jetzt vorerst 6 000 MK von den Schwedischen Papieren überweisen lassen (2 Stück à 3 000). Sag ihr, der Rest käme später: wir wollten ja 8 000 überweisen, dazu müssen wir aber ein Papier verkaufen; denn der Nennbetrag beträgt 3 000. Und nun laß Dich tausendmal küssen, mein Herz, von Deinem Max Ich esse jetzt 앚:rohe:앚 finocchi und Äpfel. Schöner oder schlänker werde ich noch immer nicht!

a O: Lukacs’ 11 Dostojewski, Fjodor, Die Brüder Karamasow. – Deutsch von H. v. Samson-Himmelstjerna, 2. Aufl. – Leipzig: Schulze & Co. 1901. 12 Gemeint ist Lukács, Georg von, Von der Armut am Geiste. Ein Gespräch und ein Brief, in: Neue Blätter II/5 – 6, 1912, S. 67 – 92. In seiner biographischen Skizze bezeichnet Lukács diesen Dialog als „Versuch einer ethischen Abrechnung mit meiner Mitschuld am Selbstmord“ [von Irma Seidler]. Vgl. Lukács, Georg, Eine Autobiographie im Dialog.– Frankfurt: Suhrkamp 1981, S. 250. Die Form des Dialogs hatte Lukács ursprünglich auch bei seinem ersten Entwurf zur „Theorie des Romans“ vorgesehen [1914]. Dieser Plan wurde aber in dieser Form fallen gelassen. Vgl. Lukács, Georg, Die Theorie des Romans. – München: dtv 1994, S. 5 f. 13 Helene Weber wurde am 15. April 1914 70 Jahre alt.

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Marianne Weber PSt 6. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Ascona, Montag Liebstes Mädele, –

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Du bist ja ganz verstummt! Gestern nichts, heut nichts. Und morgen bin ich in Zürich,1 komme jedenfalls erst übermorgen zurück. Denn ich hatte zwar halb und halb vor, die Fahrt aufzugeben, angesichts dessen, daß ich sie ja gegen Ende April auf dem Rückweg machen könnte, aber heut trifft ein dicker Brief Pellech’s ein, der mich nötigt, jetzt zu fahren. Es kommt offenbar Alles darauf an, Personen zu ermitteln, welche über die Qualitäten – die politische Harmlosigkeit – Frick’s Entsprechendes bekunden können. Da die Frist für die Antwort Ende April abläuft, ist es in der That an der Zeit, jetzt Alles zu thun, was möglich ist, um dies in die Reihe zu bringen. Ich will dann sehen, ob ich trotz des schwankenden Wetters mit Tobelchen2 noch nach der Ufenau fahre oder ob ich den halben Tag lieber in Zürich bleibe und mit ihr bei ihrer netten Schwester3 zusammen bin. Sie schrieb höchst entrüstet über die „Verführungskünste“ der Gräfin,4 – ich hatte ihr geschrieben, daß ich und was ich für deren Schlacks thue. – Übrigens habe ich die Gräfin 3–4 Tage gar nicht gesehen. – Else5 blockierte mich hier bis 1/2 4 Uhr, dann fuhr sie endlich ab. Sie sei sehr müde gewesen, nachdem sie noch mit Jaffé und dessen Maitresse, der Schauspielerin Mendelssohn,6 in Neapel zusammengewesen sei. – 1 Zur Reise nach Zürich vgl. die Briefe an Frieda Gross vom 7. April 1914, S. 599 –601, und an Marianne Weber vom 9. April 1914, unten, S. 605 – 607. 2 Mina Tobler. 3 Gemeint ist Elisabeth Ott. 4 Franziska Gräfin zu Reventlow hatte Max Weber um Hilfe für einen Antrag auf Entlassung ihres Sohnes aus der deutschen Staatsangehörigkeit gebeten, damit dieser keinen Militärdienst zu leisten haben würde. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 1. April 1914, oben, S. 583, Anm. 6. 5 Else Jaffé. 6 Die Schauspielerin Mendelssohn konnte nicht identifiziert werden.

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Ich muß heut noch die Frieda7 eingehend berathen, deshalb leb wohl, liebstes Kind, es ist auch nichts zu erzählen, der Brief von Pellech enthält zu viel Details von seiner Verhandlung, deren Resultat war: Conzession bezüglich Eva gegen Conzession bezüglich Peter.8 Aber der Alte9 hält sich sehr reserviert. Käme Dein Brief morgen nicht rechtzeitig 앚:vor der Abfahrt:앚, so würde ich nun gar nichts mehr vor Zürich von Dir hörena. Ich schreibe Dir von dort aus. Gestern traf ich Tröltsch, der in Locarno ist. Tausend herzliche Grüße, liebstes Mädele, Dein Max

a Fehlt in O; hören sinngemäß ergänzt. 7 Frieda Gross. 8 Gemeint ist die Anerkennung der Unehelichkeit von Eva Gross gegen Modifikation des Anspruchs auf Vormundschaft über Peter Gross, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, oben, S. 383. 9 Hans Gross.

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Frieda Gross 7. April 1914; BK Zürich Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 1 Von Ascona war Max Weber für einige Tage nach Zürich gefahren, um Strategien im Verfahren über die Vormundschaft für Peter Gross mit Otto Lang zu besprechen, der sich schon früher für die Interessen von Frieda Gross aufgeschlossen gezeigt hatte. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f.

Hôtel du Simplon Zürich I Zürich I, den 7/4 14 Liebe Frau Frieda, – 5

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Herren Lang sprach ich gestern Nacht noch und werde ihn heut ausgiebig sehen, auch bei ihm essen u.s.w. Er hat Ihrem Bruder1 geschrieben, ebenso Meyer, Müller, Bleuler2 gesprochen und wird sicher Alles Erwünschte thun, ich möchte ihn nur noch etwas näher instruieren, damit er bei der Stange bleibt. Auch ich schrieb heut nochmals Ihrem Bruder.3 Bitte überlegen Sie, wie Sie Ihren andren Bruder4 pekuniär

1 Gemeint ist Arnold Schloffer. 2 Der Psychiater Eugen Bleuler war Direktor der Heilanstalt Burghölzli, in der sich Otto Gross 1902 und 1908 zu Entziehungskuren aufgehalten hatte. Bleuler kannte die Krankengeschichte von Otto Gross seit 1908 und stimmte in einem Brief an Hans Gross vom 21. Nov. 1913 der Entmündigung von Otto Gross zu, da dieser „viel zu abnorm ist, um sich selber dirigieren zu können“ (Steierm. LA Graz, L IX 26/13, Bl. 34). Vgl. auch Webers Brief an Frieda Gross vom 11. Mai 1914, unten, S. 658. Dr. Ernst Hermann Müller war Irreninspektor des Kantons Zürich. Er hatte im „Anarchistenprozeß“ 1912 den Geisteszustand von Robert Scheidegger, der Ernst Frick der Mittäterschaft beschuldigt hatte, untersucht und ihn als Psychopathen beurteilt. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f. Bei dieser Gelegenheit hatte er sich auch mit Frieda Gross unterhalten, um einen Eindruck vom anarchistischen Milieu in Ascona zu gewinnen. In einem Brief an Hans Gross vom 24. Nov. 1913 hatte er sich entschieden für die Internierung und Entmündigung von Otto Gross ausgesprochen (ebd., Bl. 27). Bei seiner Aussage vor dem Bezirksgericht Zürich am 17. April 1914 erklärte er, „daß Frick und Frau Dr. Gross in wilder Ehe leben, daß sie allerlei verrückte Ideen miteinander ventilieren“ und daß „eine moralische Erziehung des Kindes“ in diesem Milieu „unmöglich“ sei. „Psychopathisch belastete Kinder sollten entweder in kerngesunden, moralisch hochstehenden Familien oder in gut geleiteten speziellen Heimen erzogen werden.“ (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 527f.) Der Irreninspektor Dr. Ernst Hermann Müller hatte Peter Gross allerdings nie gesehen. – Meyer konnte nicht identifiziert werden. 3 Ein Brief an Arnold Schloffer ist nicht nachgewiesen. 4 Hermann Schloffer, Chirurg in Prag.

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anzapfen können. Es ist wirklich absolut unvermeidlich, denn Das mit Lask5 geht einfach nicht so, und wenn jetzt Dr. Schur6 bestellt wird, so gehen die Kosten einfach ins Undiskutable. 1. Herren Schur bitte ich 앚:Sie:앚 zu schreiben (die 앚:genaue:앚 Adresse zeigt ja vermutlich die Vollmacht, sonst: Wien I, Rathausstraße, eingeschrieben): er möge dagegen sofort protestieren, daß etwa andre Sachverständige auf Antrag von Prof. Gross bezeichnet werden, ehe er Gelegenheit gehabt habe, mit Otto Gross zu sprechen und dessen Ansicht über die zu wählenden Sachverständigen ihm in authentischer Form vorliege. Das ist jetzt das einzig Eilige. – 2) Nochmals und sehr bestimmt rathe ich – und ich glaube, Herr Frick ist da auf meiner Seite: – Peter in die Schule zu schicken.7 Es muß ja doch sehr bald geschehen, sonst versäumt er unnütz Jahre und paßt sich niemals an. Und später könnte er Ihnen das vielleicht einmal innerlich vorwerfen. Und vor Allem: das Zeugnis über die erfolgte Anmeldung (und womöglich: über seine Kenntnisse) wirkt sofort,8 und ungleich stärker als Alles, was wir machen und versichern können. Ich fürchte, wir arbeiten Alle gänzlich „für die Katz“, wenn Sie gar nichts Entgegenkommendes thun wollen. 3) Eva9 anlangend: wenn Sie beide zweifeln, rathe ich – für den Fall der Einigung auf einen Ihnen genehmen Vormund, sonst nicht – nachzugeben. Denn es glaubt Ihnen, auch wenn die Klage abgewiesen wird, doch Niemand und Siea haben dann die Sympathien der Unbeteiligten,

a O: sie 5 Emil Lask hatte sich als Freund von Frieda Gross bereit erklärt, Prozeßkosten zu übernehmen, sah sich dann aber durch seine Unterstützungszahlungen an Lina Radbruch nicht in der Lage, Anwaltskosten zu zahlen. Vgl. den Brief Max Webers an Marianne Weber vom 3. April 1914, oben, S. 591, Anm. 3. 6 Nachdem Frieda Gross die Bevollmächtigung des Anwalts Armin Fischl am 28. März 1914 zurückgezogen hatte, erteilte sie dem Anwalt Dr. Gottlieb Schur am selben Tag ein Mandat für die Vertretung der Interessen von Otto Gross, Steierm. LA Graz, P IX 20/ 14, S. 29. 7 Peter Gross war mit 7 Jahren schulpflichtig. Weber hatte bereits in seinem Brief an Frieda Gross vom 12. Februar 1914, oben, S. 510, auf die Notwendigkeit der Einschulung hingewiesen. Dies würde den Zugriff des Großvaters auf den Enkel erschweren. 8 Gemeint ist der Beweis für die ordnungsgemäße Erziehung von Peter Gross bei seiner Mutter. Hedwig Honegger, Lehrerin an der deutschen Schule in Muralto, bescheinigte die bestandene Aufnahmeprüfung für die 2. Klasse am 18. April 1914. Vormundschaftssache Peter Gross und Eva Gross, Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 651. 9 Eva Gross, gemeint ist die Anerkennung der Unehelichkeit.

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auch des Richters in Graz, entschieden gegen sich. Aber ich wiederhole: das ist Ihre Sache, ich darf da nicht hereinreden, und Pellech muß absolute Garantien der Freiheit für Sie für die Zukunft bringen. Schicken Sie mir keine Post hierher nach, ich weiß nicht ob ich hier bleibe. Es regnet in Strömen, also gehe ich wohl nicht nach Rapperswyl. Telegramme an mich unter der Adresse: Direktor Dr. Ott, Zürich-Hottingen.10 Seien Sie und Herr Frick herzlichst gegrüßt von Ihrem Max Weber.

10 Hans Ott war der Schwager von Mina Tobler.

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Marianne Weber [7. und 8. April 1914]; BK Zürich und Rapperswyl Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum erschlossen aus dem Zusammenhang mit dem Brief an Frieda Gross vom 7. April 1914, oben, S. 599 – 601, in Verbindung mit den Tagesangaben Dienstag und Mittwoch.

Hôtel du Simplon Zürich I Zürich I, den Dienstag Liebes Schnauzele, – so nun bin ich hier. Pladdert es so weiter, dann lasse ich den Ausflug nach Rapperswyl morgen und entschädige das Tobelkindchen1 durch einige Museenbesuche, hoffe auch dann die netten Ott’s2 ein paar Stündchen zu sehen. – Vorerst ist aber recht viel zu thun, es kann sein daß ich auch zu Bleuler’s3 muß. – Auch die Mission bei Lang ist, wie ich jetzt ja sagen kann, eine „diplomatische“ und war deshalb dringlich. Ich will hier dem Papier nicht anvertrauen, weshalb.4 Also in Graz schleichen einstweilen der Pellech und der Vertreter des Prof. Gross5 um einander herum und wollen das Maximum von Konzessionen herausschlagen. P[ellech] hat glatt behauptet: das Kind stamme von Otto Gr[oss]. Das erst hat die Gegner bewogen, schließlich zu sagen: Preisgabe der Eva6 als Bedingung für alle Konzessionen bezüglich Peter.7 Aber P[ellech] hält den Moment noch nicht für gekommen, Zugeständnisse zu machen, weil man sonst zu wenig Gegenleistungen erlange: es geht halt nicht ohne starkes Lügen, das sieht man. – Was Frick anlangt, so leidet er m. E. in erster Linie daran, daß er durch sein Verhalten in diesen Prozessen – er ist zu Unrecht verurteilt, aber irgendwie war er beteiligt – andre, seine Alibi-Zeugen, wegen fal-

1 Mina Tobler. 2 Elisabeth und Hans Ott, Schwester und Schwager von Mina Tobler. 3 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 7. April 1914, oben, S. 599, Anm. 2. 4 Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, unten, S. 605 – 607. 5 Carl Rintelen vertrat die Interessen von Hans Gross in den Verhandlungen über die Vormundschaft über Peter Gross und die Unehelichkeitserklärung von Eva Gross. 6 Eva Gross. 7 Peter Gross.

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schen Zeugnisses ins Gefängnis gebracht hat und daß überhaupt seine Taktik scheiterte.8 Aber Aufrichtigkeit hätte allerdings – das setzte er mir auseinander – Andre unter Anklage gebracht, die dann verdächtig gewesen wären. Also blieb nur Unaufrichtigkeit. Daher diese Theorien, daß man „nicht das Gute thun solle“, denn es führe nur zum bösen Erfolg. Im Gefängnis hat er offenbar mit beängstigender Monomanie grade darüber gegrübelt. – „Monogam“ ist er nicht, weil auch Frieda9 weder monogam gewesen ist während der Beziehung zu ihm (auch nicht als er im Gefängnis war) noch zu sein gedenkt. Wie kann er da? – Doch genug. (Peinlich für ihn ist ja natürlich auch jetzt die von 앚:Pellech auf Veranlassung des Richters gestellte Frage: wovon haben Sie all die Jahre gelebt?)a – Er erscheint eben als „homme soutenub“.10 Aber es ist gut, daß da ein Druck geübt wird!:앚 – Ich weiß nun gar nicht: bist Du noch in Heidelberg oder bist Du schon auf der Reise nach Charlottenburg.11 Wahrscheinlich Letzteres, – die Post erreichte mich nicht mehr, da ich schneller abreiste als ich ursprünglich wollte. Wenn ich auch noch Bleuler und Sieveking aufsuche, dann käme ich erst Donnerstag (übermorgen) früh heim (morgen nur bis Erstfeldc oder vielleicht Bellinzona). Ich schicke das Briefchen nach Charlottenburg, denn ich denke, Du bist wohl morgen dort, und schreibe, für alle Fälle, morgen ein Kärtchen nach Heidelberg, damit Du jedenfalls Nachricht hast.12 Viel tausend herzliche Grüße, liebes, von Deinem Max (Pellech’s Briefe sind höchst anmutig. Ich schicke nächstens einen).

a Klammer fehlt in O.

b O: soutenue

c Unsichere Lesung.

8 Frick hatte in beiden Prozessen 1907 und 1912 stets jede Beteiligung an dem Überfall auf die Polizeikaserne und auf die Straßenbahn abgestritten und sich zur Sache nicht geäußert. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f. 9 Frieda Gross. 10 Da Frick nichts verdiente, wurde ihm vorgehalten, unterstützt bzw. ausgehalten zu werden. 11 Marianne Weber fuhr am 8. April nach Charlottenburg zur Feier des 70. Geburtstages von Helene Weber. Brief Marianne Webers an Max Weber vom 8. April 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 12 Gemeint ist von Ascona.

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Rapperswyl, Mittwoch. Liebes Schnauzele, – eben finde ich den gestern 앚:gegen:앚 Abend geschriebenen Brief in meiner Tasche, er war vergessen worden, weil das Telefon dazwischen kam. Bei Herrn Lang13 war ich sehr eingehend in dessen hübschem Haus auf dem Zürichberg mit den allerherrlichsten Aussichten, einer guten, russischend, ein wenig langweiligen Frau,14 die aber offenbar recht tüchtig ist, und einer Musik studierenden Tochter,15 welche nicht so recht ausgebacken ist bei aller Nettigkeit. Er – Lang – mag schon ein seltsamer Kerl sein, das ergab sich bei den langen Unterhaltungen bald. Ich schreibe mehr von ihm morgen von Ascona aus.16 Hier herüberzufahren war ein Wagnis bei diesem Wetter. Und bisher bleibt es auch windig und trüb, immer erneut regnend. Ob das Warten auf eine günstigere halbe Stunde – dann wäre es allerdings wunderschön grade bei wolkigem Wetter – etwas nützen wird, wer weiß es? Aber das Tobelchen, die sehr vergnügt und ausgelassen ist, und bis auf den Husten auch ganz wohl, hofft noch. Aber wenn es nicht bald kommt, wird es Zeit zurückzufahren, denn ich möchte doch die (gestern verreiste) Fräulein Brüstlein17 noch sprechen, ehe ich fortfahre. – R[apperswyl] selbst liegt allerdings wunderschön, es wäre schon ein hübscher Gedanke, hier, 3/4 Stunden von Zürich, einmal zusammen zu sitzen, vor oder nach einem Berg-Aufenthalt. Seit der Fahrt nach Zürich esse ich auch wieder regulär. In Ascona werde ich wieder fasten. – Hoffentlich finde ich dort gute Nachrichten von Dir, liebes Mädele. Ich küsse Dich Dein Max

d Unsichere Lesung. 13 Zu Otto Lang, Vizepräsident des Obergerichts in Zürich, vgl. die Karte an Marianne Weber vom 17. April 1913, oben, S. 187, Anm. 5. 14 Gemeint ist Rachel Lang, geb. Ronthal. 15 Gertrud Lang. 16 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, unten, S. 605 – 607. 17 Gillonne Brüstlein war Fricks Anwältin in seinem Prozeß 1912.

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Marianne Weber PSt 9. April 1914; BK Zürich Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum des Briefes ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Hotel St. Gotthard Zürich Donnerstag sehr früh morgens Liebes Mädele, 5

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schönsten Dank für Deinen Brief gestern, den Frau Ott1 schickte. Ich habe diese guten Menschen, da die Verbindungen sehr schwierige sind, gestern ganz und gar verfehlt und nur die alte, etwas konventionelle, aber angenehme Mutter Tobler gesehen. Jetzt geht es nun gleich wieder „heim“, wenn ich diese Welt voller Zauberweiber, Anmuth, Tücke und Glücksbegier so nennen soll, so lange nicht Alles dort gethan ist, was jetzt 앚:noch:앚 gethan werden muß, soll man sich nicht umsonst geplagt haben. Ich muß ja sagen: zwischen diese schönen, in gewissem Sinn auch doch „menschlichen“, aber hintergrundlosen Eindrücke einer nur auf Sensation gestellten Welt war es eine Art von Oase der „Reinheit“ – man kann es doch nicht gut anders nennen – hier gestern diese Fahrt nach der Ufenaua mit dem so viel weniger verschwenderisch ausgestatteten, aber in seiner distanteren und zart schwärmerischen Art doch „nobler“ wirkenden Kind.2 Vor Allem war auch das Glück sehr hold inbezug auf das Wetter. Bei strömendem Regen kamen wir nach Rapperswyl,1) so daß ich erst dachte, man würde nur am warmen Ofen hocken und auf die immer schöne Seefläche schauen mit verschleierten Bergen dahinter. Aber siehe da! nach dem Lunch

Du hast doch meinen dort abgesandten Brief,3 den ich vorgestern Abend hier in der Tasche behielt, bekommen? 1)

a Rapperswyl > Ufenau 1 Gemeint ist die Schwester von Mina Tobler, Elisabeth Ott. 2 Mina Tobler. 3 Gemeint ist der Brief vom 7. und 8. April 1914, oben, S. 602 – 604.

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kam die Sonne durch den Frühlingssturm und schnell ging es im Motorbötchen über den noch aufgeregten See, alle Berge, wolkenumkränzt, wurden klar, es wurde fast sommerwarm und die kleine winzige Insel, ein grüner Teller mit einigen Hügeln, auf deren einem zwei uralte Kapellen stehen und sonst nur ein altes Wirtshaus, Obstbäume, etwas Baumbuschwerk am Ufer, totenstill und leer Alles, war nun wirklich entzückend. (Rapperswyl wäre sehr etwas einmal im Spätsommer zum Ausruhen!). Nun ist dieser schöne nordische KontrastEindruck gegen die dagegen so unendlich südlich wirkende Pracht der Sonnentage – es war in Ascona fabelhaft sommerlich letzte Zeit – vorüber, die Frieda4 erwartet mich schon an der Bahn, zu hören, wie Herr Lang sich denn benommen habe. Denn – sie hat es „noch nicht über das Herz gebracht“, ihm zu sagen, „daß doch Alles nun aus sei“, was auch da – einmal – gewesen ist.5 Ich gestehe, ich war doch stark verblüfft, als das herauskam (damit ich keine faux pas machte und seine Eifersucht auf Frick, für den er ja aussagen soll, schonte!) und dann ihr kindlichstes Gesicht: „gelt nicht wahr, zu sehr verachten thun Sie mich doch nicht?“ – nun ich habe nur gelacht. Während des Frick-Prozesses entspann sich diese Frieda’s Interessen gewiß recht nützlich gewesene Geschichte, die dann schnell vorüber war, bei ihm offenbar so ein Johannistrieb, an den er mit unzweideutigen Selbstvorwürfen (natürlich war zwischen ihm und mir mit keinem Wort davon die Rede!) zurückdenkt. Nun – er wird seine „Schuldigkeit“ thun. Dienstag war ich bei ihm zu Tisch. Er und seine Frau lassen sehr grüßen, eine etwas unausgebackene linkische Tochter studiert Musik. Einen langen Abend bis Nachts 1 Uhr saß ich auch mit ihm zusammen, er immer über Frick, den er höchlichst mißbilligt, grübelnd und redend. Dagegen gelang es mir nicht, Frl. Brüstlein’s habhaft zu werden. Sie war und blieb verreist, was den einzigen Vorzug hatte, daß ich gestern sehr früh ins Bett kam, mich aber 3 lange Briefe kostete.6 So, wenn ich jetzt nach Ascona komme, muß die Frieda sich klar sein, was sie eventuell für Conzessionen machen will. Ich rathe natürlich sehr stark zum Vergleich. Pellech macht die Sache meisterhaft, freilich mit unglaublich viel „Hinterhäl-

4 Frieda Gross. 5 Zu Otto Lang hatte Frieda Gross, wie sie Weber jetzt bekannte, in der Zeit der Prozesse gegen Ernst Frick in Zürich eine Beziehung, vgl. auch die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Marianne Weber vom 28. März 1913, oben, S. 152 f. 6 Die drei Briefe sind nicht nachgewiesen.

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tigkeit“, wie er selbst sagt – aber darin ist allerdings auch die Gegenseite sehr stark. Grüße die Mutter – was die wohl sagen würde!! – tausend Mal, trautes Kind, es umarmt Dich Dein in sonderbare Fabelwelten verschlagenes „Jungchen“.

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Marianne Weber PSt 10. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum des Briefes ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen. Der Brief ist auf der Rückseite einer Banknachricht geschrieben.

Ascona Freitag Lieber Schnauzel, – schönsten Dank für Deine beiden hier vorgefundenen Briefe. Das Wetter ist himmlisch, voller Frühling, Alles in Blüthe und Grün, – leider hatte ich meine mala notte, – nun ich denke, das Fasten, was ich noch einmal durchmachen will, hilft da vielleicht besser drüber fort. Frieda1 holte mich gestern schon von der Bahn; es ist nichts Neues passiert inzwischen, Alles wartet, ob nun Gross sen. Vorschläge machen läßt, welche die Preisgabe der Eva2 motivieren können (Bezeichnung eines anderen Vormundes, volle Freiheit für Frieda, Geldzahlung fest auszubedingen, neue Untersuchung Otto’s3 nach 5 –6 Monaten weiterer Abstinenz). Das Hauptinteresse konzentriert sich jetzt auf den Nachweis von Frick’s Unanfechtbarkeit. Natürlich ist der (unausgesprochene) Hauptvorwurf: er sei „homme soutenu“,4 neben dem „Anarchismus“. Und das ist sehr schwer bündig zu widerlegen, denn in der That lebt er ganz von Friedas Geld seit Jahren. – Hoffentlich trafst Du die Mutter gut an,5 grüße sie herzlichst ich schreibe ja bald, möglichst schon vor dem 15. IV., ich denke morgen oder übermorgen.6 Else7 zu sehen – darauf konnte ich mich ja nicht einlassen. (Sie hat sich auch nur vergewissert: ob ich fort sei). Es schickt sich nicht. Elementare Gründe der Ritterlichkeit geboten ihr seit Jahren, zu mir zu 1 Frieda Gross. 2 Gemeint ist die Anerkennung der Unehelichkeit von Eva Gross. 3 Otto Gross. 4 Da Frick nichts verdiente, wurde ihm vorgehalten, unterstützt bzw. ausgehalten zu sein. 5 Am 8. April 1914 war Marianne Weber nach Berlin zu Helene Weber gefahren, die am 15. April ihren 70. Geburtstag beging. 6 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 12. April 1914, unten, S. 614 – 618. 7 Else Jaffé. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 16. April 1913, oben, S. 186.

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kommen und zu sagen: „ist (bzw. war) das so“? Da sie das, „um des Comforts“ ihrer Seele8 willen, nicht that, so mag sie diesen Comfort nun genießen. Ich werde sie nicht mehr darin stören, aber auch nicht wieder achten. (Alfred hat übrigens auch jetzt noch, der Frieda gegenüber, in einer recht häßlichen Art schlimme und unzweifelhaft bewußte Lügen über mich geäußert; nun – lasse ihn!)9 Bitte laß Dich in Berlin nicht von unnötigen Frauenzimmern plagen, die es da ja auch genug giebt! Morgen mehr, für heut lasse Dich küssen von Deinem Max Gestern Abend war hier die Oster-Prozession, mit Lampions, getragenen Christus-Bildern u.s.w., Alles mit Lichtchen und Lämpchen illuminiert, lebende Bilder der „Verkündigung“ auf der Straße vor dem Café Sport – dabei Vollmond! Es war zauberhaft.

8 Die gleiche Formulierung für Else Jaffés Verhalten benutzte Max Weber bereits in einem Brief an Marianne Weber vom 21. Januar 1911, MWG II/7, S. 56. Vgl. zur spannungsvollen Beziehung zwischen Else Jaffé und Max Weber die Editorische Vorbemerkung zu den Briefen an Marianne Weber vom 9. Okt. 1909 und 17. Jan. 1910, MWG II/ 6, S. 283 und S. 367. 9 Vermutlich anläßlich ihres Treffens in Bellinzona am 29. März 1914. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 29. März 1914, oben, S. 577.

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Paul Siebeck 11. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona 11/IV 14 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck! Ich war einige Tage verreist, daher die Verzögerung. 1. Wenn es nicht verspätet ist, so bitte ich um ca. 1 Dutzend Separata meiner 앚:(nur meiner):앚 Bemerkung im „Archiv“.1 Ist es zu spät, nun so macht es nichts. 2. Jeder Titel ist mir recht.2 3. Vorrede schreibe ich und werde dann Ihre Zustimmung einholen. Denn es muß doch der heikle Punkt, „Schönberg“, richtig erledigt werden[.]3 4. Register: Natürlich wären Register zu jeder Abteilung ein bedeutender Vorzug[.]4 Die bloße Thatsache, daß sie da sind, berührt den Käufer angenehm. Auch sind sie sachlich nützlich. Aber es besteht keine Kontraktspflicht der Autoren, sie anzufertigen. Man kann sie nur

1 Gemeint ist: Weber, Max, Redaktionelles Nachwort; dabei handelte es sich um eine ergänzende Notiz zu: Salz, Arthur, In eigener Sache, erschienen in: AfSSp, Bd. 38, Heft 2, 1914, S. 527 – 538. Zu den Gründen für diese Artikel – veranlaßt durch eine Rezension von Arthur Salz’ Buch über „Böhmische Industrie“ durch Paul Sander – und dem Verlauf der daraus entstehenden Kontroverse zwischen Weber und Sander bzw. der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529. 2 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 7. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber den Vorschlag unterbreitet, den GdS „nicht ‚Handbuch‘, sondern ‚Lehrbuch‘ [zu] taufen, und zwar deshalb, weil ein Handbuch in erster Linie ein Nachschlagewerk ist, während das, was wir bringen, mir doch im wesentlichen ein Studienwerk, ein Lehr- und Lernbuch zu sein scheint.“ 3 Gemeint ist die Vorrede zum GdS mit Bemerkungen über die Abgrenzung des neuen Sammelwerks gegenüber dem von Gustav v. Schönberg herausgegebenen „Handbuch der Politischen Ökonomie“. Siebeck hatte in seinem Brief vom 7. April 1914 (wie Anm. 2) die Frage gestellt, ob Weber „der ersten Abteilung des I. Bandes ein Vorwort beigeben“ werde. Das Vorwort ist erschienen in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. VII – IX (hinfort zitiert als: Weber, Max, Vorwort zum GdS), abgedruckt in Anhang 2, unten, S. 817 – 819. 4 Diesen Vorschlag hatte Siebeck in seinem Brief vom 7. April 1914 (wie Anm. 2) unterbreitet.

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darum bitten und ihnen die Vorteile nahelegen, zugleich bemerken: daß man ihnen überließe, welche Stichworte sie in das Register aufgenommen zu sehen wünschen[,] und dabei sagen: das Generalregister werde später, nach dem Abschluß, von einem Spezialbearbeiter angefertigt; dabei werde man dann auch die Stichworte der Autoren berücksichtigen. Wenn etwa 2/3 – 3/4 der Autoren (speziell in diesem Fall: Wieser, Schumpeter, Oldenberg, Herkner, Gottl)a darauf eingehen, so kann man ja den Rest sicher in Tübingen für billiges Geld durch einen Studenten machen lassen. Eventuell würden die Autoren vielleicht wenigstens darauf eingehen: bei der Schlußkorrektur die Worte, welche als Stichworte dienen sollen, mit Rotstift oder sonst kenntlich zu machen, so daß eine bloße Zusammenstellung zu machen wäre, die ja nicht viel kostet. Aber wie gesagt: ich glaube, ein Recht darauf besteht nicht. Sie können, wenn Sie Sich an die Autoren wenden, sich stets auf meine Zustimmung zu Ihrer Bitte berufen. 5. Wiedenfeld hat mir Erledigung zum Schluß der Ferien zugesagt.5 Hoffentlich hält er das. Ich bitte Sie, ihm etwas dringlich jetzt auch Ihrerseits zu schreiben. Eventuell müßte I,1 zuerst allein erscheinen. 6. Nun nochmal: wenn Sie die Bände (I, II), die ja jetzt eigentlich Fiktionen sind, gänzlich fortlassen und einfach die Abteilungen durch das Werk hindurch zählen wollen, so wäre ich damit sehr einverstanden. Die „erste“ Abteilung von Band „II“ würde dann also, da Buch I 3 Abteilungen zählt, Buch II eine Abteilung wird (denn das ist doch richtiger so!), als bAbteilung V b zu erscheinen haben. Aber ich stelle das absolut Ihnen anheim, mir ist Alles recht. Ich dachte nur: für das Generalregister c wäre es besser. Wie dann die Gesammteinteilung und die Titel aussehen würden, dafür cf. die Anlage.6 Aber: machen Sie es wie Sie wollen. Herzliche Grüße! Max Weber

a O: Gottl,

b O: zweifach unterstrichen.

c

5 Gemeint ist das Manuskript zu: Wiedenfeld, Transportwesen. 6 Die Anlage zum Brief ist im VA Mohr/Siebeck, Tübingen, nicht nachgewiesen.

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Marianne Weber 11. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Ascona 11/IV 14 Samstag Liebstes Mädele, – schönsten Dank für Dein Briefchen. Hoffentlich bleibt die Mutter die Tage über frisch und geht nachher getrosten Muthes an Hannover.1 (Daß Carl sich jetzt Geld leiht,2 ist absolut ungehörig, finde ich!) Valborg’s Kommen3 ist keine Freude. Daß Alfred fortbleibt4 ist entschieden unrecht. Hätte er mir das gesagt, würde ich mir immerhin überlegt haben, ob ich nicht kommen solle, man hätte Artur dann gesagt, für jetzt wolle man Alles ruhen lassen. Nur diese beiden Menschen mit mir zusammen, – das war etwas viel verlangt. Hier ist himmlisches Wetter. Alles so gänzlich anders als der Zürichsee. Dort „Cultur“, die kleinen Häuschen im grünen Wiesenplan hoch bis an die Berge hinan, in alle kleinsten Falten sich hineinschleichend, überallhin das Menschenherz mit seiner Noth und seinen Freuden tragend, und dann im Hintergrund die hohen Bergriesen. Hier die Dörfer droben angeklebt als ein Stück der Natur, 앚:die Menschen:앚 offen wie diese und ebenso verschlossen wie diese, nichts über sich hinausweisend, – auch schön, nur weniger „menschlich“, ohne Intimität, wie ein

1 Da Karl Weber gesundheitliche Probleme hatte (Herzschwäche und Gicht) und alleine in Hannover lebte, hatte Helene Weber nach Beratung mit ihrer Familie beschlossen, ihren Sohn Karl zunächst für 6 Monate zu versorgen. 2 Karl Weber hatte offensichtlich bereits einige Tage später das Geld zurückgezahlt. Brief Marianne Webers an Max Weber vom 13. April 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 3 Valborg Weber war längere Zeit bei ihrer Familie in Norwegen gewesen. Sie besuchte mit Arthur Weber am 13. April 1914 Helene Weber. Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 13. April 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 4 Gemeint ist die Abwesenheit vom 70. Geburtstag Helene Webers. Offenbar wußte Weber nicht, daß Alfred Weber schon nach seiner Italienreise Helene Weber drei Tage in Charlottenburg besucht hatte, um vor allem ihre Übersiedlung nach Hannover zu besprechen. Brief Alfred Webers an Else Jaffé vom 2. April 1914, BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Nr. 65, Bl. 28ff.

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nackter Akt – so wie das Leben der Frieda5 auch, hintergrundlos, aber nicht ohne Stolz und Form. – Sie bat mich gestern, Dir nichts von Lang6 zu sagen. Offenbar: seinetwegen. Nun, jedenfalls würde es also richtig sein, wenn Du Lask gegenüber Dich in „Unwissenheit“ hülltest, denn der sagt ihr jedes Wort wieder. Heut geht der Vergleichsvorschlag an Pellech:7 1) der Prager Bruder8 als Vormund, Garantie, daß Peter 9 „bürgerliche Schulerziehung“ genießt, sonst: volle Freiheit der Frieda, – 2) Geld: 200 Kr. jetzt, später nach Bedarf mehr – 3) wenn möglich: gemeinsamer Antrag auf Nichtigkeit der Ehe wegen Wahnsinns (schlug Gross vor!) – 4) Versprechen, Otto Gr[oss] nach Entwöhnung aus der Internierung zu entlassen. Unparteiischer Sachverständiger dafür. Ob es gelingt? Pellech ist fabelhaft eifrig und sehr geschickt. Ich muß schnell noch etwas diktieren, faste wieder. Laß Dich tausend Mal küssen – grüß die Mutter sehr! – von Deinem Max

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Frieda Gross. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, oben, S. 606. Dieser Vergleichsvorschlag Webers ist nicht nachgewiesen. Gemeint ist der Chirurg Hermann Schloffer. Peter Gross.

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Helene Weber 12. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Geschrieben aus Anlaß des bevorstehenden 70. Geburtstages von Helene Weber.

Ascona, Tessin 12. IV. 14 Liebe Mutter, – es ist mir nun natürlich doch sonderbar, so fern von Dir zu sein, obwohl es sich für mich wohl schwer anders hätte einrichten lassen als so. Und es ist gar nicht leicht, in so fremdartiger Umgebung richtig zu sagen was man meint. Es ist mir fast unglaublich, daß fast ein halbes Jahrhundert seit meinen frühesten Erfurter Erinnerungen dahingegangen sein soll, die sich auf Dich beziehen, – damals wo ich immer den Stich der Madonna Sixtina (damals das „Prunkbild“ in der kleinen Wohnung) für Dich ansah und, in charakteristischer Unbescheidenheit, mich als das Jesuskind auf Deinen Armen und die andern Geschwister als die Engel, wo Tante Monsa, der Eisenbahndirektor a.D.,1 Dr Beckerb, „Sofiechen“,2 Tiede’s3 die Menschen waren, die es außer den Eltern überhaupt für mich gab. Und wo dem Kind die Eltern ebenso verständlich scheinen in allem Thun, wie es selbst ihnen verständlich ist. Wie es wohl geworden wäre, wenn man immer in dem alten Nest geblieben wäre? Denn sehr viel von all den Problemen und all dem Schweren, was nachherc gekommen ist, war doch die Folge der Verpflanzung in die Berliner Athmosphäre, namentlich nachdem die alten Freunde der ersten Zeit, Fritz Eggers, Julian Schmidt, Friedrich Kapp, einer nach dem Andren gegangen und die Hobrechts4 älter geworden waren. Denn diese vera O: Monts

b Unsichere Lesung.

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1 Emma Mons war die Frau des königlichen Baurats und Betriebsdirektors der thüringischen Eisenbahngesellschaft August Mons. Ihnen gehörte das Haus in Erfurt, Kartäuser Straße 43b, in dem Max Weber seine ersten Kindheitsjahre verbracht hatte. 2 Sofie, Hausmädchen bei Webers Eltern in Erfurt. 3 August Tiede war Baurat und später Professor an der Bauakademie in Berlin, seine Frau Helene die Patentante von Alfred Weber. 4 Die Brüder Arthur und James Hobrecht waren als Politiker und Baurat in Berlin tätig und Bekannte von Max Weber sen.

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sunkene und vergessene Generation des Bürgertums, deren Geschichte nie geschrieben werden wird, war werth gekannt zu werden und trug auch eine Gesinnung ins Haus, die ein Gegengewicht bildete gegen das Entfremdende der Großstadtathmosphäre, – die doch auch auf das Verhältnis der Kinder, mindestens der Söhne, zu den Eltern stark zurückwirkt, wenn die Kinder, wie wir es fast Alle waren, nervöse, leicht beeinflußbare und zur Verschlossenheit neigende Jungen sind. Die ersten schweren Dinge in Deinem Leben, auch Helenchens Tod,5 habe ich noch gar nicht mit Dir gemeinsam empfunden, denn ich bin intellektuell früh, in allem Übrigen aber sehr spät reif geworden wie Du weißt. Im Gegenteil fingen damals die Jahre an, wo Kinder – Söhne namentlich – den Eltern und speziell der Mutter Kummer und Sorge zu machen pflegen und ihr ganz unzugänglich sind – und das habe ich nun freilich in weit mehr als gewöhnlichem Maße gethan, weit mehr als – wie ich oft bemerke, – Du Dich heut noch erinnerst; nun, es ist vielleicht gut so, daß das Alles so versunken ist. Dann kam die Studentenzeit, und damit für Dich, wie ich ja gut weiß, neue schwere Sorgen um mich, die ich nur mit Entfremdung beantwortet habe. Es ist in jenen Jahren ja wohl oft so, daß die heranwachsenden Söhne ganz besonders abgeneigt sind, sich der Mutter aufzuschließen, weil sie das Bedürfnis haben, nun „selbständig“ zu sein, weil sie ihre Unzulänglichkeit trotzdem fühlen und wissen, daß die Mutter mit ihrer Sorge und Mahnung so sehr recht hat und weil sie grade dies am allerwenigsten ertragen können, daß sie recht hat. Ich weiß wohl, daß in den ersten der nun beginnenden schwierigen Jahre es Dir eine arge Enttäuschung war, daß der, nach einer gewiß nicht in jeder Hinsicht erfreulichen Studentenzeit, heimgekommene Sohn für Dich nur in sehr geringem Maße, anfänglich überhaupt nicht, ein Rückhalt war. Und erst sehr allmälig ist es damit anders geworden – auch dann nicht ohne daß ich die Schuld an manchen, leichten und schweren, unnötigen Verschärfungen der Situationen auf mich geladen hätte und Dir die Dinge sehr oft eher erschwert als erleichtert hätte, bis zuletzt. Nun immerhin aber: es ist dann endlich besser geworden und wenn auch nicht Du, so habe ich eben doch in bestimmendem Maße die ganze Herrlichkeit und Wärme, die dadurch innerlich ent-

5 Helene, das fünfte Kind von Helene Weber, war im Alter von vier Jahren 1877 an Diphtherie gestorben.

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stand, an mir erfahren und nicht nur die Erinnerung daran mitgenommen ins Leben, sondern Andres was jetzt seit über 20 Jahren zwischen Marianne und mir blüht, wäre nie geworden und gewachsen, wenn ich Dein Leben, schwierig nach außen, schön nach innen, nicht so erkannt hätte, wie ich es damals that. Denn ich hätte leicht ein sehr anderer Mensch werden können. Laß Dir den Dank dafür vor Allem von Marianne geben. – Und bei den andren Geschwistern ist es, da sie jünger waren, manches nicht sofort mit solchem Bewußtsein miterlebten, nicht gleich, bei jedem von ihnen aber, früher oder später, auch gekommen, bei jedem anders, für jeden aber in seinem Leben und seinen, so sehr untereinander verschiedenen, Problemen in die gleiche Richtung weisend. Es hat wohl selten eine Mutter unter einander verschiednere und schwierigere Kinder zu erziehen gehabt, Kinder auch, für die das Harmonieren unter einander so außerordentlich erschwert war. Wenn Du aber von den paard Spannungen absiehst, welche jetzt noch nicht ganz ausgeglichen sind, aber doch eben wirklich nichts bedeuten, und wenn man abzieht, was unvermeidliche oder selbst herbeigerufene Schicksale den Einzelnen zugefügt haben, – nun so mußt Du rückblickend sagen: sie haben alle ein Leben geführt und führen es, werden es auch weiter führen, das zu leben sich verlohnte. Darum ist dieser Tag, mit allen Erinnerungen an vergangene schwere Zeiten und mit allen Gedanken an äußere und innere Schwierigkeiten, wie sie die gegebenen Verhältnisse und die nun einmal etwas komplizierte Eigenart aller Beteiligten unvermeidlich immer wieder entstehen läßt, doch ein Tag sehr starker Freude. Für mich wenigstens und ich hoffe auch für Dich. „Sie hat gethan was sie konnte“ – galte für die oft schwierigen, grade zuletzt noch einmal so schwierigen, Beziehungen zu unsrem Vater.6 Wir Alle sehen ihn gewiß heut gerecht an, können uns, nachdem alle schwierigen Spannungen vergessen sind, freuen an dem, was er war in seinem doch nicht gewöhnlichen festen und reinen Bürgersinn, wissen, daß die Brüche in seinem Leben die Tragik seiner ganzen Generation waren, die in ihren politischen und andren Idealen nie ganz zu ihrem Recht gekommen ist, ihre eignen Hoffnun-

d O: par

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6 Eine Darstellung der Konflikte findet sich im Brief an Arthur Weber vom 12. Dez. 1910. Vgl. MWG II/6, S. 762 – 764.

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gen nie erfüllt und von der jungen Generation nicht fortgepflanzt sah, die den alten Glauben an Autoritäten verloren hatte und doch noch in Dingen autoritär dachte, in denen wir das nicht mehr konnten. Er hätte ein schweres Leben gehabt ohne Deine trotz aller Gegensätze immer wache Liebe und ich glaube, wenn ihm – zufällig – einige schwere Erfahrungen grade in die letzte Lebenszeit fielen (eigentlich mehr das ausdrückliche Sich-Bewußt-Werden davon), so würde er doch heut ebenso denken und hat das gewußt, auch in jener Zeit. – Aber seitdem ist viel an unermeßlichem Reichtum gekommen, im Zusammenleben mit den Töchtern und Enkelkindern wie in der unabsehbaren Arbeit nach außen. Wenn Du sie jetzt für einige Zeit unterbrichst,7 um menschlicher Pflichten halber, und einen Teil davon 앚:endgültig:앚 in andre Hände legst, so weiß ich, daß dies sehr schwer ist und fürchte, daß Du diesen Tag weniger voll Freude zurück, alsf mit einer gewissen Beklommenheit voraus in die Zukunft blicken wirst. Aber denke, was es besagen will, daß Du es innerlich fertig bringst, überhaupt einen solchen Entschluß zu fassen, daß es uns innerlich möglich schien, ihn Dir zuzumuthen! Welche Frau sonst fände die Spannkraft dazu, das überhaupt zu thun? Dem gegenüber sind die Einzelheiten und Alles Andre ja Kleinigkeiten: daß Du diesen Willen hattest und aufbrachtest, entscheidet: die Menschen und die Dinge findest Du überall Deiner wartend. Und dann: Du kommst zurück. – Ich möchte von all Dem, was Dich da bewegt, heut von mir aus nicht zu viel sprechen. Alle Dinge kommen ja immer anders als man sie sich gedacht hat. Sicher aber ist: Du wirst dann auch diesem Sohn Das gewesen sein, was Du den beiden älteren8 und ebenso den Töchtern9 gewesen bist und er wird es Dir für immer ebenso danken, wie wir Andern. Hier steht Alles im üppigsten Grün und in voller Blüthe. Ich habe früher Marianne einmal geschrieben, weshalb ich den Frühling des Südens so sehr liebe. Er ist nicht der tolle Knabe, der durch Feld und

f 7 Helene Weber hatte sich nach Beratung mit ihren älteren Kindern entschlossen, für eine gewisse Zeit zu ihrem Sohn Karl nach Hannover zu ziehen, der gesundheitlich angeschlagen war und allein lebte. 8 Max und Alfred Weber. 9 Clara Mommsen und Lili Schäfer.

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Wald braust, Alles zum Jubeln und Singen bringt, Sturzbäche entfesselt und alle Triebe neu erwachen läßt. In strengen Formen kommt er in die stilisierte Landschaft und was er ihr an frischem Grün und Blumen bringt, ist, wie wenn Jemand einer reifen Frau einen leichten Kranz aufs Haupt setzt. Er ist der Frühling, den auch Menschen in ihrem Herzen haben können, die – wie ich nun auch – ein halbes Jahrhundert auf dem Rücken haben oder wie Du, noch etwas mehr (viel ist es ja nicht, denn Du warst ja halb im Mädchenalter, als Du mich gebarst).10 Daran, daß man das immer haben kann, denke ich und segne Dich, teure Mutter, in starker alter Liebe aus meines Herzens Grunde. Dein Max

10 Helene Weber war bei der Geburt von Max 19 Jahre alt.

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Marianne Weber [12. und 13. April 1914]; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem Briefinhalt und den Tagesangaben „Ostersonntag“ und „Ostermontag“ erschlossen.

Ostersonntag, Ascona Liebes Schnauzele, –

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heut ist noch kein Briefchen von Dir da und kommt auch wohl keines, Du brauchst ja auch wirklich nicht täglich zu schreiben. Ich schicke auch nur diesen kurzen Gruß – es ist ja nichts passiert, schönes Wetter, etwas verhängt, Fasten (mit Maß: ich esse Äpfel, ca 1 pro Tag), Eiersuchen der beiden Kinder1 unten im Gärtchen, – das einzige „Ereignis“ war der Besuch von Frl. Brüstlein (der Rechtsanwältin) gestern,2 die ich in Zürich drei Mal verfehlte. Ein ganz famoses Frauenzimmer, wohl einige 30 Jahre alt, sicher wunderhübsch gewesen, noch jetzt mit ihren braunen Augen, braunem schönem Haar und ihrer Kerngesundheit recht gut aussehend, sachlich, arbeitsam, humorvoll, – nach Frieda’s3 Andeutungen natürlich auch weit davon entfernt, Jungfrau zu sein, aber doch nicht so „erotomorph“ wie dies Volk hier. – Übrigens: Fr[ieda] bat mich: doch, wenn ich könnte, Dir nichts von Herrn Lang zu sagen.4 Das habe ich nur sehr allgemein versprochen. Aber: Lask gegenüber, auch wenn er „Andeutungen“ macht, könntest Du vielleicht die Miene des „Nichtwissens“ aufsetzen. Gestern traf von Lang eine Kiste ein, eine ebensolche von Lask (Ostersendung). Die durch Frieda alsbald vorgenommene Prüfung ergab, daß der gute Lang äußerst kleinbürgerlich eingekauft hatte: Malzbonbons u. dgl. spielten eine Rolle und er wurde von Frieda mit despektierlichem Humor freundlich „anerkannt“, – während „Abels Opfer dem Herrn ge-

1 Gemeint sind die Kinder von Frieda Gross, Peter und Eva. 2 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 7. und 8. April 1914, oben, S. 604. Genaueres über den Besuch von Gillonne Brüstlein ist nicht bekannt. 3 Frieda Gross. 4 Gemeint ist: über ihre Beziehung zu Otto Lang; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, oben, S. 606.

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fiel“:5 denn Lask hatte die wunderbarsten Dinge, Pelzhäschen, ein kleines ausgestopftes Entenküken und was alles sonst eingekauft: „Kinder, Ihr habt schon Grund, Eurer Mutter dankbar zu sein“, war die Censur, die allgemeine (Frl. Brüstlein, Frick, ich) Heiterkeit erregte. Der kleine Peter6 ist übrigens ein „plastisch“ angelegtes Kind. Seine „Definitionen“ von Menschen sind sehr schön: „wer war das Peter?“ – „das war die Gina“ (Tochter von Frau Abbondio) – „wer ist die Gina?“ – „der die Nase läuft, wenn sie Milch im Topf holt“ – braucht man mehr von einem Mädchen zu wissen? – Ja, für die Frieda habe ich gewiß Sympathie, weil sie „so“ geblieben ist – aber in dieser Luft könnte ich nicht lange athmen. Die Gräfin7 vollends ist mir absolut uninteressant. Übrigens: ca 8 – 10 000 Fr. hatte sie schon verpulvert, ehe der Krach8 kam (ihre Toiletten stammen daher). Jetzt herrscht Geldmangel, aber Frieda weiß von mir: es giebt keinen Pfennig. – Ostermontag früh: eben kam Dein Brief aus Charlottenburg. Nein – „Eroberungssucht“ ist es wohl nicht gewesen (mit Lang), sondern einfach das „Abenteuer“ und allerdings sein starkes Drängen. Er habe sie dann sofort „sehr enttäuscht“.9 Ich will den Brief zur Post bringen, ehe sie zugemacht wird (9 Uhr), daher für heut addio, liebes Mädele, grüße die Mutter, Clara, Carl sehr herzlich. Der Mutter schrieb ich gestern.10 Nichts Neues heut. Tausend Grüße von Deinem Max

5 Zitat nach 1. Mose 4,4. 6 Peter Gross. 7 Franziska Gräfin zu Reventlow. 8 Die Gräfin zu Reventlow hatte den größten Teil des Erbes von ihrem Schwiegervater durch den Tessiner Bankkrach verloren. Vgl. die Editorischen Vorbemerkungen zur Karte an Marianne Weber vom 29. März 1913 und zum Brief an Hans W. Gruhle von vor dem 25. Dez. 1913, oben, S. 154 und 438. 9 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, oben, S. 605. 10 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 12. April 1914, oben, S. 614 – 618.

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Marianne Weber PSt 14. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum des Briefes ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Ascona Dienstag Lieber Schnauzel, –

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ich schreibe heut nur, (obwohl gar nichts passiert ist) damit Du einen Brief hast, ehe Du von Charlottenburg abreisest, so viel ich weiß schon Donnerstag.1 Hier ist herrliches, jetzt etwas verhängtes warmes, fast heißes Wetter, das Delta2 ist in voller Pracht, ich schlafe bei ziemlichem Fasten und ziemlich vielem Schwatzen doch ganz erträglich. Heut ist die Klagebeantwortung betreffs der Eva3 abgegangen, wieder ein langes Schriftstück,4 hoffentlich das letzte seines Zeichens. Der Alte5 hat Else6 als Zeugin dafür vorgeschlagen, daß Frieda7 selbst das Kind als außerehelich bezeichnet habe. (Das ist freilich rechtlich ganz irrelevant, der Alte muß die Unmöglichkeit der Zeugung durch Otto Gross nachweisen und das kann er nur durch Frieda.)a Gestern hat dann, nachdem dies diktiert war, die Frieda ein langes Gespräch mit mir über „Lüge“ gehabt. Sie wollte gar nicht einsehen, warum Else nicht einfach als Zeugin lügen könne. Der „Staat“ sei doch kein „Freund“, Prof. Gross ein „Feind“, beide könnten also doch die Wahrhaftigkeit von ihr und ihren Freunden gar nicht verlangen, auf die habe doch nur der Freund Anspruch, Niemand sonst. Ich machte ihr bemerklich, daß ich von Jemandem, der auf diesem Standpunkt stehe, a Klammer fehlt in O. 1 Am Donnerstag, dem 16. April 1914, reiste Marianne Weber nach Ulm. Brief Marianne Webers an Max Weber vom 15. April 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 2 Gemeint ist das Delta der Maggia bei Ascona. 3 Hans Gross bestritt die Ehelichkeit von Eva Gross. 4 Das Schriftstück für den Anwalt von Frieda Gross, Otto Pellech, ist nicht nachgewiesen. 5 Gemeint ist Hans Gross. 6 Else Jaffé. 7 Frieda Gross.

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auchb nie sicher sein werde, ob er der „Freund“ sei, für den er sich ausgebe. – Dann verlangte sie zu wissen: ob dies der Grund sei, weshalb ich mich in so weite „Distanz“ hüllte? Ich sagte: Der Grund liege in den Erfahrungen mit Else Jaffé. Ich würde zwar 앚:spezifisch:앚 „erotische“ Frauen auch 앚:jetzt und:앚 künftig, – wie sie ja selbst bemerken müsse, – unter Umständen recht gern haben, aber mich selbst niemals wieder an sie innerlich attachieren und auf ihre Freundschaft bauen. Denn ich sei, wie sich gezeigt habe, kein geeigneter Freund solcher Frauen, für die in Wahrheit doch nur der erotische Mann Werth habe. Auf die Dauer und Sicherheit noch so stark subjektiv empfundner Kameradschaftlichkeit solcher Frauen würde ich mich niemals wieder verlassen, denn jede Probe zeige, daß, auch beim besten Willen, alle Worte und Empfindungen bei der ersten Probe ungültig würden. – Nun das paßte ihr nicht recht, aber es blieb dabei. Ermüdend ist ihre Passivität in ihren eignen Dingen. Sie thut von selbst nichts, besonders nicht einfache kleine Dinge (Peter8 in der Schule anmelden, sich Atteste verschaffen um ein getrenntes Domizil hier begründen zu können, an den Bruder in Prag9 schreiben)c, – so daß ich ihr heut eine etwas scharfe Szene machte und offen sagte: etwas müsse sie auch selbst thun. Frick ist dabei immer meiner Ansicht. Mit ihm hatte ich manche Einzelgespräche, die schwer zusammenzufassen sind, von denen ich Dir dann mündlich erzähle. Er ist schon recht fein und gescheidt, wie man immer mehr merkt. Aber – was je noch aus ihm „werden“ kann …? – Ja natürlich, Manches kann man nur gewaltsam schlucken an diesem Lebenswandel und an sich ist Peter hier gewiß nicht ideal aufgehoben. Aber jetzt erst allmälig habe ich ein einigermaßen gesichertes Bild von den „Prinzipien“ des alten Gross und – Pfui Teufel! muß man da sagen. Auch die Beziehung von Otto Gross und Frieda durchschaue ich erst jetzt leidlich. Genug für heut, – ich schreibe nun nach Heidelberg, wenn ich keine andre Adresse10 bekomme. Heut kam kein Brief. Sonst habe ich Alles erhalten. Tausend Grüße an die Mutter und Dich Dein Max b

c Klammer fehlt in O.

8 Peter Gross wurde ein paar Tage später in der Schule angemeldet. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 18. April 1914, unten, S. 630. 9 Gemeint ist Hermann Schloffer. 10 Die Ulmer Adresse von Marianne Weber vom 16. – 20. April 1914 „Russischer Hof“ war Weber bekannt, als er den folgenden Brief vom 17. April schrieb.

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Paul Siebeck 15. April [1914]; Ascona Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „20.4.14“ sowie Briefinhalt.

Ascona 15/4. Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Besten Dank für Ihren Brief.1 Wir sind also gänzlich d’accord. Die Arbeit von Gottl ist ganz vortrefflich.2 Vor Allem originell. Es existiert noch in keinem Werk etwas Ähnliches.1) Auch v. Wieser hat nur einzelne schwächere Partien; im Ganzen ist es ausgezeichnet,3 grade für Lehrzwecke. – Ebenso Oldenberg,4 Schumpeter.5 앚:Sieveking ist etwas schwächer.:앚6 Meinetwegen drucken Sie Philippovich schon jetzt.7 Aber auf mich werden Sie jetzt noch gründlich warten müssen.8 Vermutlich ebenso

1)

Aber daß es auf diesen Raum konzentriert ist, – dafür darf ich allerdings ein sehr erhebliches Maß von bis ins Einzelne gehenden Bemühungen meinerseits in Anspruch nehmen.9 1 Gemeint ist der Brief Paul Siebecks vom 14. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). Darin hatte dieser u. a. zustimmend notiert, daß der GdS „ Lehrbuch der Sozialökonomik“ genannt werden solle, und zur Neueinteilung des GdS angemerkt, daß dieser „die Fiktion der zwei Bände als Opfer dargebracht“ werde: „Wir haben es also nur mit cca 10 – 12 Abteilungen zu tun.“ 2 v. Gottl, Wirtschaft und Technik. 3 v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft; zu Webers Beurteilungen von v. Wiesers Arbeit vgl. Karte und Brief an Paul Siebeck vom 21. März sowie 2. April 1914, oben, S. 574 und 587. 4 Oldenberg, Konsumtion. 5 Schumpeter, Dogmen- und Methodengeschichte. 6 Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen. 7 Gemeint ist das Manuskript zu: v. Philippovich, Systeme und Ideale. Dazu hatte Siebeck in seinem Brief vom 14. April 1914 (wie Anm. 1) angemerkt, daß er mit dem Druck von dessen Manuskript „im Laufe der nächsten Woche […] beginnen“ werde, „sodaß dann das ganze I. Buch im Satz ist, mit Ausnahme Ihres Beitrags.“ 8 D. h. auf „Wirtschaft und Gesellschaft“. 9 Vgl. dazu Webers Brief an Paul Siebeck vom 3. Nov. 1913, oben, S. 343, mit der Bemerkung, daß er eine Woche mit der Kürzung von v. Gottls Manuskript zugebracht habe.

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auf Rathgen10 (der auf nichts reagiert, er ist noch über See) und das letzte Buch.11 Vorwort schicke icha anbei.12 Ich nehmeb an, man solle „den Stier bei den Hörnern packen“. Paßt Ihnen dann der betreffende Abschnitt2) nicht, dann bleibt er fort. Mir ist es recht. Machen kann doch kein Mensch etwas. Nur dachte ich: die ausdrückliche Feststellung: daß das Buch mit Sch[önberg] nichts zu schaffen hat, sei gut.13 Herzliche Grüße Max Weber.

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Ich bin bis Sonntag 19. 4. früh hier. Am 21. 4. wieder in Heidelberg.

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letzte Seite des Vorworts

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b Alternative Lesung: nahm

10 Karl Rathgen sollte die Artikel zu „Buch IV“: Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates, liefern. Sein Beitrag ist nie erschienen. 11 D. h. die Beiträge zu „Buch V“: Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik des modernen Staates. 12 Das Manuskript des Vorworts Webers zum GdS ist im VA Mohr/Siebeck, Tübingen, nicht nachgewiesen. 13 Die Ansichten darüber, ob im Vorwort zum GdS dessen Beziehung zum Schönbergschen Handbuch erwähnt werden sollte, waren durchaus geteilt. Während Weber einer entsprechenden Mitteilung zuneigte, war Siebeck eher skeptisch gestimmt: „Qui s’excuse s’accuse“, so seine dezidierte Stellungnahme im Brief an Weber vom 20. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). Völlige Ablehnung fand dieser Passus bei Siebecks Rechtsanwalt Ernst Kielmeyer; zu dessen kritischen Äußerungen vgl. den Brief Webers an Paul Siebeck vom 16. April 1914, unten, S. 625, Anm. 3. Weber, der zeitweise unschlüssig war, ob der Abschnitt eliminiert oder veröffentlicht werden sollte, hat – nach diversen Korrekturen und Umarbeitungen – letztlich darauf bestanden, ihn als integralen Bestandteil des Vorworts zu belassen; vgl. dazu Telegramm und Karte an Paul Siebeck vom 31. Mai 1914, unten, S. 694 und 695. Das von Weber verfaßte „Vorwort“ mit dem Passus über die ausdrückliche Abgrenzung des GdS gegenüber Gustav v. Schönbergs „Handbuch der Politischen Ökonomie“ findet sich abgedruckt in Anhang 2, unten, S. 817 – 819.

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Paul Siebeck 16. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

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NB! Adresse jetzt wieder: Heidelberg Ich bin Dienstag dort.

Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Machen Sie den Titel wie Sie wollen.1 Mir ist Alles recht. Die Änderung im „Vorwort“ ist ja leicht gemacht.2 Vielleicht lassen Sie das Vorwort setzen und fragen dann Ihren Anwalt,3 ob der Passus „Schönberg“ besser stehen bleibt oder fortfällt 1 Paul Siebeck hatte seine Meinung über den Titel des GdS geändert und in seinem Brief vom 15. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Bedenken gegenüber der Bezeichnung „Lehrbuch“ geäußert und statt dessen vorgeschlagen: „Nach Analogie des Grundrisses der germanischen Philologie, dito der romanischen Philologie und last not least der theologischen Wissenschaften möchte ich der Benennung ‚Grundriß‘ den Vorzug geben.“ 2 Gemeint ist: Weber, Max, Vorwort zum GdS; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 11. April 1914, oben, S. 610, Anm. 3. 3 Ernst Kielmeyer, der Anwalt Paul Siebecks, hat sich in seiner gutachtlichen Antwort vom 25. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 358) auf die Anfrage Siebecks vom 20. April 1914 (ebd.) dahingehend geäußert, die Passage „vollständig wegzulassen“ und als Begründung dafür angeführt: „Wenn das neue Werk so ganz und gar nichts mit dem Schönberg’schen Handbuch zu tun hat, wie dies von Herrn Professor Weber ausgesprochen wird, so wird sich jeder Leser unwillkürlich fragen, warum denn dann eigentlich dieses ältere Werk hier überhaupt erwähnt wird und von einem solchen Gedankengang aus kann sich dann leicht die Meinung festsetzen, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung sei.“ Wesentlich schärfere Töne über das Webersche Vorwort insgesamt schlug Kielmeyer in seinem gleichzeitig abgesandten Privatbrief an Siebeck vom gleichen Tage (ebd.) an: „Persönlich möchte ich noch beifügen, daß ich Aufbau und Stil des Vorworts einfach scheuslich finde: eine solche Häufung von Fremdwörtern und Ineinanderschachtelung von Sätzen ist mir nicht leicht begegnet. Auch macht sich schlecht die geflissentliche Hervorhebung der einzelnen Artikel als Monographien, weil dadurch der Berechtigung jenes ganzen Werks der Boden entzogen wird. Keinesfalls ist dieses Vorwort geeignet, irgendwelche Werbekraft auszuüben.“

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oder anders formuliert wird. Mir ist das Alles Einerlei. Ebenso sagen Sie bitte, wenn Sie sonst das „Vorwort“ anders wünschen. Denn das ist eine buchhändlerische Frage. Es soll keine Unterschrift tragen. Herzliche Grüße! Max Weber

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Robert Michels PSt 17. April 1914; Ascona Karte; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 114

Asconaa 1) (Tessin) 17. 4. Lieber Freund,

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falls ich von Ihnen bis Sonntag früh hierher irgend eine Nachricht (bincl. Ihrer Adresseb) habe, fahre ich hier um 10 Uhr Morgens fort und besuche Sie um 1/2 8 Uhr Abends (Sonntag)[,] fahre Montag früh weiter.1 – Ich schulde Ihnen noch Dank für diverseste Sendungen werthvoller Art, – ich konnte aber nicht so schnell lesen, wie Sie schreiben können [–] und befand mich in puncto Arbeitskraft nicht besonders gut. Erhalte ich bis Sonntag früh keine Nachricht, so fahre ich weiter bis Freiburg. Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber 1)

genügt als Adresse!

a O: zweifach unterstrichen.

b O: zweifach unterstrichen.

1 Weber wollte auf der Rückreise von Ascona aus Michels an seinem neuen Wirkungsort Basel besuchen, traf ihn jedoch dort nicht an; vgl. dazu den Brief an Robert Michels vom 26. April 1914, unten, S. 646.

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Marianne Weber PSt 17. April 1914; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Dem Brief liegt ein Umschlag mit dem Poststempel vom 17. IV. 14 bei. Der Brief wurde am 15. April verfaßt (Mittwoch Abend) und blieb liegen, weil Marianne Weber auf Reisen war und Max Weber auf ihre Adresse gewartet hatte. Daher konnte sich Weber auch vor Verschicken des Briefes für ihren Brief vom 15. April bedanken.

Ascona, Mittwoch Abend Lieber Schnauzel, – nichts Neues von hier. Ich denke nun schon an die Heimreise. Es könnte sein, daß ich in Basel (Michels)1 und Freiburg (Fritschi)2 je einige Stunden Station machte, also in Basel die Nacht bliebe. Dann führe ich Sonntag, sonst Montag direkt durch. Ich möchte nur hoffen, daß es dann bei uns annähernd so schön warm ist wie hier bei diesem ganz unglaublich herrlichen Frühlingswetter. Heut in aller Frühe ging ich auf das Delta, – es war bei verhängtem Himmel und umwölkten dunklen Bergen in seinem Schmuck ganz unglaublich eindrucksvoll – die Bäume jetzt nicht mehr ganz à la Ernst Gundolf,3 die Wiesen voller Blumen, rundum die rothe Pfirsichblüthe, die Flieder im Aufblühen. Aber hinter mir, ca 100 Meter, schlich die Nymphe Kalypso4 im goldnen Gewand 앚:aaus den „gewölbten Grotten“a 5:앚 ihres Palazzo Perucchib – ihr zu entgehen – denn sie paßt nicht da hinein – ging ich schneller, dann rechts abseits, dann links abseits – schließlich sah sie wohl, daß Odysseus nicht zu haben war und kehrte um, sandte mir nun aber 앚:ergrimmt:앚 ein Gewitter auf den Pelz, das mir keinen trockenen Faden ließ, den Hut in eine tragische Maske verwandelte (Schirm hata aus > aus den „gewölbten Grotten“

b O: Peruchi

1 Vgl. die Karte an Robert Michels vom 17. April 1914, oben, S. 627. Zu dem Treffen ist es nicht gekommen. 2 Eugen Fritschi war der Anwalt im Prozeß von Webers Cousine Lilli Hermann. 3 Ernst Gundolf, Bruder des Literaturwissenschaftlers Friedrich Gundolf, war Zeichner. 4 An wen Weber bei der Nymphe Kalypso dachte, ist ungesichert. Die Erwähnung des Palazzo Perucchi deutet auf Franziska Gräfin zu Reventlow, die zu dieser Zeit bei Gottardo Perucchi in einem Gebäudeteil des alten Castello Griglioni Zimmer gemietet hatte. 5 Zitat aus Odyssee, 5. Gesang: Kalypsos Grotte.

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te ich nicht mit – um ihn nicht zu verlieren) und mich heimwärts im Galopp jagte. Aber es war doch schön. – Auf die Gräfin6 wirke ich „hemmend“ und „lähmend“, findet die Frieda.7 Mir ist 앚:meinerseits:앚 die Gräfin einfach langweilig und uninteressant. Die Frieda selbst ist sehr zuthunlich und aufgeschlossen. Ihr aufgelöstes blondes Haar ist dann wirklich sicher für Männer arg „verführerisch“, es bedeckt den ganzen Rücken, was man bei der Frisur nicht so sieht. Gestern hatte sie das Bedürfnis, über „erotische Frauen“ und speziell über Else J[affé] mit mir zu reden, – ich sah wieder, was diese beiden Leute8 Alles zusammen = – ich muß schon sagen: – „gelogen“ haben, auch über Dich 앚:und Dein Verhalten:앚, und war unerfreut, habe ihr nur die paarc wichtigsten äußern Vorgänge gesagt und im Übrigen bemerkt: daß ich keine Lust mehr habe, davon zu reden, am wenigsten aber: daß Andre zu Else über mich reden. – Ich faste mit Maßen: 2 Finocchi roh und 4 Orangen heute, 2 Äpfel und 1 Kilo Orangen gestern, Orangen ohne Beigabe morgen, Äpfel ohne Beigabe Samstag, – dann ist die „Kur“ beendet und das Futtern kann wieder losgehen. So – nun mag der Brief liegen (kouvertiert der Sicherheit halber), bis ich Deine Adresse habe. Es ist angenehm zu denken, daß Mama ihre Strapatze9 jetzt hinter sich hat, – mein Brief 10 wird ja gekommen sein, telegrafieren wollte ich nicht noch besonders. Nun bin ich gespannt, wie es zunächst in Hannover wird. Hast Du Carl11 auch eingeladen, uns zu besuchen? Tausend Grüße, laß Dich umarmen liebes Mädele, von Deinem Max Eben kam Dein Briefchen vom 15. IV. Nun hoffentlich kommt es bei der Mutter nicht nachträglich!12 Schönste Grüße! der Brief soll fort. Auf Wiedersehen am Montag Abend. c O: par 6 Franziska Gräfin zu Reventlow. 7 Frieda Gross. 8 Vermutlich Alfred Weber und Else Jaffé. 9 Gemeint ist der 70. Geburtstag von Helene Weber am 15. April 1914. 10 Gemeint ist Webers Geburtstagsbrief vom 12. April 1914, oben, S. 614 – 618. 11 Karl Weber. 12 Nachdem Helene Weber den großen Ansturm von Gratulanten zu ihrem 70. Geburtstag sehr gut überstanden hatte, wie Marianne Weber Max Weber im Brief vom 15. April 1914 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) berichtete, befürchtete Weber einen Erschöpfungszustand.

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Marianne Weber [18. April 1914]; Ascona Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem Briefinhalt und der Tagesangabe „Samstag“ erschlossen. Der Brief ist auf die Rückseite des Briefes von Gustav Radbruch an Max Weber vom 16. April 1914 geschrieben.

Ascona, Samstag Liebes Schnauzele, – so, ich schreibe, da ich morgen reise (spätestens Montag früh) jetzt nur noch diesen Gruß, auch bin ich ja gar nicht sicher, ob er Dich erreicht, hoffe es aber. – Hier vorerst nichts Neues, viel „Gespräche“ – schwer zusammenzufassen, ich erzähle davon, auch führen sie nicht grade zu „Abschlüssen“ und nur teilweise zu „Aufschlüssen“. Peter1 wird heut in die Schule angemeldet. Ebenso ist an den Prager Schloffer-Bruder2 geschrieben, auch der Geldpunkt erwähnt, vorerst noch in gelinder Form. Er soll Vormund werden, falls ein Vergleich zu stande kommt. Dieser aber erscheint recht fraglich, da die Gegenseite vorerst nichts Bestimmtes anbietet und man sich daher nicht in ihre Gewalt begeben darf, indem man vorzeitig Conzessionen macht, die dann nicht mehr zurückgenommen werden können. – Ich habe Michels gefragt, ob ich ihn in Basel treffe.3 Nach Freiburg brauche ich nicht. Samstag wird der Pfarrer4 dort vernommen.

1 Peter Gross. 2 Gemeint ist der Chirurg Hermann Schloffer. 3 Vgl. die Karte an Robert Michels vom 17. April 1914, oben, S. 627. 4 Es handelte sich hier wahrscheinlich um den Pfarrer Krastel, der als Freund von Lilli Hermann in deren Scheidungsprozeß angehört wurde. Schon im August 1912 hatte ihn Laura Hausrath ins Vertrauen gezogen. Auch nachdem Krastel von Staufen nach Tennenbronn versetzt worden war, hielten er und seine Frau den Kontakt zu Lilli Hermann aufrecht und luden sie zu sich über Weihnachten ein. Briefe Marianne Weber an Helene Weber vom 3. Aug. und 7. Dez. 1912 und 22. Dez. 1913, Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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Laß Dich nicht auffressen,5 liebes Mädele, sondern komme Montag Abend gesund und froh mit mir heim. Es umarmt Dich Dein Max

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Fasten, Schlafen ohne alle Mittel, Spazierengehen – Alles läßt den Bauch kalt! Pellech hat Frau Hainisch und ihre Adjunktin mobil gemacht,6 ihnen die Akten vorgelegt und Gutachten für das Gericht extrahiert. Du siehst: die ganze Frauenbewegung vor dem Wagen der Aphrodite!7

5 Gemeint war die XVI. Mitgliederversammlung des Vereins Frauenbildung – Frauenstudium, zu der Marianne Weber vom 16. – 20. April nach Ulm gefahren war. Brief Marianne Weber an Max Weber vom 15. April 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 6 Der Rechtsanwalt Pellech hatte Marianne Hainisch, die Führerin der österreichischen Frauenbewegung, über den drohenden Entzug der Erziehungsrechte von Frieda Gross unterrichtet. 7 Anspielung auf Frieda Gross.

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Gustav Radbruch 20. April 1914; BK Basel Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 3716 (Nl. Gustav Radbruch)

Hôtel Schweizerhof Basel, den 20. IV. 14. Verehrter und lieber Herr Kollege! Ihr freundlicher Brief erreichte mich hier1 und ich sendete ihn sofort meiner Frau,2 welche davon ebenso herzlich erfreut sein wird wie ich selbst. Neben dem Bedürfnis, Ihnen aufrichtig Glück zu wünschen zu der, weiß Gott! späten und ganz unzulänglichen Anerkennung, die Sie endlich finden – wenigstens dem ersten Anfang der Überwindung jener Russen-Furcht, welche Ihr mannhaftes Auftreten mit Ihrem Namen3 für die amtlichen Instanzen assoziierte – möchte ich vor Allem der Freude darüber Ausdruck geben, daß Sie, wie ich von Dr Jaspers hörte, mitten in Ihren großen Arbeiten stehen und daß diese der Vollendung entgegengehen.4 Mit großer Spannung sehe ich (und Andre) Dem entgegen. – 1 Gemeint ist der Brief Gustav Radbruchs vom 16. April 1914 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Mitteilung seiner Berufung zum etatmäßigen a.o. Professor nach Königsberg. 2 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 18. April 1914, oben, S. 630. 3 Im August 1912 war in der in St. Petersburg erscheinenden offiziösen „Rossija“ ein Schmähartikel über russische Studenten an deutschen Universitäten erschienen, der von der deutschen Rechtspresse beifällig aufgenommen wurde. Radbruch erhob daraufhin gegen die Verunglimpfung der russischen Studenten Einspruch. Er erklärte in einer Zuschrift an das Heidelberger Tageblatt, erschienen unter dem Titel: Russische Studenten an deutschen Universitäten, ebd., Jg. 30, Nr. 188 vom 13. Aug. 1912, S. 2, „daß die russischen Studierenden stets zu meinen fleißigsten und begabtesten Schülern gehört haben und daß ich ihre Anwesenheit an den deutschen Universitäten […] geradezu als einen Segen für unsere, den Gefahren der Saturiertheit ausgesetzte Studentenschaft ansehe.“ Radbruch, der durch eine anschließende Erklärung von sechs Heidelberger Professoren Unterstützung fand – vgl. dazu Heidelberger Zeitung, Jg. 54, Nr. 204 vom 30. Aug. 1912, S. 3f., unter dem Titel: Die „Rossija“ und die Studierenden aus Rußland –, wurde in der Folgezeit wegen vermeintlicher Diffamierung der deutschen Studentenschaft aufs heftigste angegriffen. Radbruchs abschließende Stellungnahme wurde veröffentlicht unter dem Titel: Russische und deutsche Studenten, in: FZ, Jg. 57, Nr. 116 vom 27. April 1913, 1. Mo.Bl., S. 1. 4 Wenig später erschien eines der großen Werke Radbruchs: Grundzüge der Rechtsphilosophie. – Leipzig: Quelle & Meyer 1914.

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Und dann gestatten Sie mir, so schmerzlich der Verlust Ihrer Persönlichkeit für den Menschenkreis Heidelbergs ist, dem Sie angehörten, doch auch der Freude über die Thatsache dieser Veränderung Ausdruck zu geben. Manches unverdient und ungerecht schwere Schicksal5 rückt dadurch in die Objektivität der Vergangenheit. Vielleicht darf ich deshalb jetzt auch sagen: wir haben weit mehr inneren Anteil daran genommen, als Sie vermuthen. Nicht zuletzt allerdings auch deshalb, weil wir mit Schmerz erleben mußten, daß ein alter Freund unsres Hauses dabei schwer unrecht und schuldhaft an Ihnen handelte.6 Es war uns innerlich nicht möglich, in einem Augenblick, wo ein Mensch, in schwere Schuld verstrickt, der Freundschaft am meisten bedurfte, ihn von uns zu weisen. Und wir müssen und mußten hoffen, daß er sich selbst wiederfinden werde. – Aber der Gedanke an das Geschehene wurde uns dadurch nicht leichter. Und vor Allem dauerte nun der Zustand an, daß Sie uns, äußerlich wenigstens, fern blieben. Wenn mich etwas an Ihrem liebenswürdigen Schreiben zu ganz besondrem Dank verpflichtet, so ist es dies: daß ich sehe: innerlich ist nichts geändert und Sie gestatten uns, uns nach wie vor zu Ihren Freunden zu zählen. – Ich habe dies Alles wenigstens einmal sagen wollen. Nun ist oder wird es Alles „Vergangenheit“, und das ist wohl gut so. – Ich verlasse mich darauf, daß Sie Ihre Zusage, uns im August persönlich aufzusuchen, wirklich bestimmt erfüllen, und daß wir auch sonst in Verbindung bleiben. Mit den allerherzlichsten Wünschen für Sie in Ihrem neuen Wirkungskreis und unter neuen, sicherlich werthvollen, Menschen in alter herzlicher Hochschätzung und Ergebenheit Ihr Max Weber

5 Dies bezieht sich vermutlich insbesondere auf das Scheitern der Ehe Radbruchs im Jahre 1913. 6 Gemeint ist Emil Lask; vgl. dazu den Brief an Lask vom 8. Juni 1913, oben, S. 247 f.

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Paul Siebeck 21. April 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 21/4 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! 1. Ich werde das Vorwort noch akorrigieren1 – d. h.a angeben: daß Abt. II fertig gesetzt ist und sofort folgt, Abt. V in Satz ist, Abt. VI im August, Abt. III1) im September/Oktoberb in Satz kommt (denn so wird es gehen) und das Ganze in „möglichster Beschleunigung fertig gedruckt werden wird“.2 [–] (Mein Mscr. wird 15. IX druckfertig werden, so daß der Satz beginnen kann).3 Abt. I muß vor II (oder: gleichzeitig) erscheinen. 2. Der Schönberg-Passus kann (von mir aus) fort bleiben oder geändert werden.4 1)

mein Beitrag.

a O: korrigieren (d. h.

b Oktober > September/Oktober

1 Paul Siebeck hatte Weber in seinem Brief vom 20. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) auf einen Irrtum in dessen Manuskript zum Vorwort des GdS hingewiesen: „Nach der Abteilung I wird zunächst nicht Abteilung V, sondern Abteilung II erscheinen, von der alle Beiträge schon Ende dieser Woche abgesetzt sein werden, während von Abteilung V ja leider noch mehrere Manuscripte ausstehen.“ Der korrigierte Passus des Vorworts findet sich in: Weber, Max, Vorwort zum GdS, abgedruckt in Anhang 2, unten, S. 819. 2 Im Schreiben vom 20. April 1914 (wie Anm. 1) hatte Siebeck kritisch angemerkt: „Für etwas riskant halte ich das Versprechen, daß das Ganze innerhalb Jahresfrist vollendet vorliegen wird, einschließlich Register. Denn es ist zum mindesten unbehaglich, wenn wir von Rathgen gar nichts wissen. Auch dürfte der eine oder andere unsichere Kantonist sich noch unter den Rückständlern finden. Man kann ja den betreffenden Abschnitt vielleicht noch etwas ändern.“ 3 Siebeck hatte im Brief vom 20. April 1914 (wie Anm. 1) Webers Bemerkung vom 15. April 1914, oben, S. 623: „Meinetwegen drucken Sie Philippovich schon jetzt“ dahingehend erläutert, daß er diesen Beitrag nicht drucken, aber setzen lassen wolle, „damit alles so vorbereitet ist, daß Ihr Beitrag durch nichts aufgehalten wird. Gar zu gründlich dürfen Sie mich aber nicht warten lassen, denn gerade von Ihrem Beitrag verspreche ich mir besonders viel.“ 4 Siebeck hatte im Schreiben vom 20. April 1914 (wie Anm. 1) moniert: „Ich komme über das Gefühl: ‚Qui s‘excuse s’accuse’ nicht hinweg“, sicherte aber Weber zu, seinen Rechtsanwalt, Ernst Kielmeyer, in dieser Frage zu kontaktieren.

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3. Wenn Sie nicht sehr dringend für die Namensschrift unter dem Vorwort sind, möchte ich sie gern fortlassen.5 Ich bin gegen alle Titel und offenbar darin mit Ihnen einig. Aber ces istc mir keine Cabinetsfrage, es macht sich nur viel besser.6 4. Die zweite Rate des Redakt[ions]-Hon[orars]7 nehme ich zwar jederzeit, verpflichtet aber sind Sie zweifellos dazu erst, wenn die letzten Manuskripte in Ihrem Besitz sind, die Vollendung des Werks also nur an Ihnen liegt. Ich schlage vor: Sie zahlen diese Rathe zu 1/2 nach Erhalt meines Beitrags (im September)d, den Rest aber Anfang 1915, wenn feststeht, daß Alles gut ausläuft. 5. Columnentitel sind ganz Ihre Sache, ich mache da nur Vorschläge, bin einverstanden.8 6. An die Inhalts-Übersicht des Gesammtwerks (für den Schluß der Abteilungen, cf. meinen Brief aus Ascona)9 erinnerne Sie mich s. Z. bitte. Herzliche Grüße Ihres Max Weber.

c O: ist ist

d Klammer fehlt in O.

e erinners > erinnern

5 Dies bezieht sich auf Siebecks kritische Stellungnahme vom 20. April 1914 (wie Anm. 1) zu Webers Wunsch vom 16. April 1914, oben, S. 626, das Vorwort „ohne Unterschrift“ erscheinen zu lassen: „Muß es absolut sein, daß das Vorwort ohne Unterschrift in die Welt gehen soll? Ich würde das bedauern, und schließlich wird es ja doch durchsickern, daß das Vorwort von Ihnen ist. Ich gebe also zur Erwägung anheim, ob Sie es doch nicht unterzeichnen wollen.“ 6 Siebeck hatte am 20. April 1914 (wie Anm. 1) von Friedrich v. Gottl-Ottlilienfelds Frage berichtet, „ob bei den Autorennamen unter den einzelnen Inhaltsübersichten der Titel aufgeführt werden soll oder nicht. Mir würde es besser gefallen, wenn er wegbliebe, es also z. B. bloß hieße: Wirtschaftstheorie bearbeitet von Fr[iedrich] Freiherr von Wieser.“ 7 Dies betrifft Siebecks Frage vom 20. April 1914 (wie Anm. 1) an Weber, zu welchem Zeitpunkt er die zweite Rate des „– sit venia verbo – Redaktionshonorars“ ihm zusenden solle. 8 Weber äußert sich hier zu Siebecks Bemerkung vom 20. April 1914 (wie Anm. 1), daß die „rechten Columnentitel zu Schumpeter“ nicht analog zu den Paragraphenüberschriften eingesetzt werden könnten, da „diese viel zu lang“ seien. 9 Weber bezieht sich hier auf den Brief an Paul Siebeck vom 11. April 1914, oben, S. 611, sowie auf die nicht überlieferte Anlage zu diesem Schreiben..

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Helene Weber 21. April 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bi. 243 – 244

Heidelberg 21/4 14 Liebste Mutter! Mit vielem herzlichen Dank für Deine lieben, mir hierher nachgegangenen Briefe – meine Mission in Ascona1 ist beendet und das hiesige Wetter ist so, daß es schade gewesen wäre, fortzubleiben – möchte ich nura „geschäftlich“ sagen: Frage doch die „Deutsche Bank“, ob sie die Papiere nicht bekommen hat (6 000 M. Schwedische Hypothekenbriefe)2, ich habe die Anzeige meiner Bank (Rheinische Creditbank, Filiale Heidelberg), daß sie überwiesen sind, schon lange. Es muß ein Versehen sein. Manches, was Marianne von Carl (Geizb Emmchen3 besonders) erzählte, macht mich sehr bedenklich. Schaff da doch bald Klarheit. Denn eine innere Strapaze für Dich darf diese Sache nicht werden. Carl muß auch bald wissen, daß Du doch nur für 1/2 Jahr, allerhöchstens, wenn es absolut nötig sein sollte, für 1 Jahr kommst. Wenigstens dachte ich so.4 Ich schreibe sehr bald mehr. Wir sind froh und glücklich zusammen heute5 bei himmlischem Frühling. –

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b Unsichere Lesung.

1 Gemeint ist die juristische Beratung von Frieda Gross. 2 Der Sachverhalt konnte nicht geklärt werden. 3 Gemeint ist Emma Puppe, die Tochter der verstorbenen Haushälterin von Karl Weber. 4 Schon im Januar 1914 hatte Karl Weber dem Vorschlag der Familie zugestimmt, daß Helene Weber für einige Zeit nach Hannover kommen solle, um ihrem Sohn das Haus zu führen. Dies war durch seine Krankheiten (Gicht und Herzerweiterung) nötig geworden. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 6. Jan. 1914, oben, S. 460. 5 Am 30. April 1914 schrieb Marianne Weber an Helene Weber (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Da war es mir ein beglückendes Geschenk, daß Max, den ich noch nicht zurückerwartet hatte, mit mir an seinem 50. Geburtstag seit vielen Jahren einmal wieder einen rechten Spaziergang in unsren Frühlingswald machte.“

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Ja in Ascona, das war nicht einfach. Denn „menschlich“ kann man Alles verstehen und begreifen und dann helfen. Nur wenn die Leute es sich zum „Recht“ machen, – dann geht es nicht. Und das ist auch hier der Fall (auch bei Else Jaffé liegt da das Schlimme, Unrichtige). Aber diese Frau6 weiß und erträgt, wie ich sachlich zu den Dingen stehe und dankt mir doch, daß ich ihr als Mutter helfe (denn für dies Kind7 wäre der gänzlich cynische Großvater8 weit schlimmer als die gewiß nicht ganz unbedenkliche Situation bei der Mutter, das steht fest)[.] – Doch genug heut! Tausend herzliche Grüße, bald mehr Dein Max

6 Gemeint ist Frieda Gross. 7 Peter Gross. 8 Hans Gross wollte die Erziehung seines Enkels übernehmen, da er seine Schwiegertochter Frieda Gross wegen ihres Lebenswandels dazu für unfähig hielt.

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Paul Siebeck 22. April 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg 22/4 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Mit dem Satz von Mombert/Michels bin ich ganz einverstanden,1 es sei denn, daß die Autoren Schwierigkeiten machen sollten. In diesem Fall einigen Sie Sich bitte mit diesen wie es Ihnen richtig scheint. Aber ich denke, sie thun es nicht. Wiedenfeld brauche ich nicht zu sehen.2 Zur Correspondenz ist ja doch keine Zeit mehr. Herzliche Grüße Max Weber

1 Paul Siebeck hatte am 21. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) bei Weber angefragt, ob die Reihenfolge bzw. die Druckanschlüsse der Beiträge Mombert, Bevölkerungslehre, sowie Michels, Wirtschaft und Rasse, Webers Zustimmung fänden. 2 In einem zweiten Schreiben vom 21. April 1914 (wie Anm. 1) hatte Siebeck aus einem Brief von Kurt Wiedenfeld zitiert, demzufolge sich die Fertigstellung seines GdSBeitrages über Transportwesen verzögern werde, er aber in der Lage sei, im Laufe der kommenden Woche den ersten Teil des Artikels zuzusenden. Siebeck verband diese Mitteilung mit der Frage, ob er das Manuskript an Weber weitersenden solle.

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Paul Siebeck 23. April 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 23/4 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Anbei die Correktur der „Einteilung“ zurück.1 Ich schlage vor, die sachliche Gliederung dadurch zu verdeutlichen, daß man die Namen alle nach links zu den Abteilungs-Nummern setzt. Sonst lenken diese alle Aufmerksamkeit auf sich. Doch wenn Sie den jetzigen Zustand vorziehen, bin ich schließlich auch damit einverstanden. Gern will ich Ihren „Streit“ mit Michels zu schlichten suchen, wenn es lohnt und nicht Quisquilien sind.2 Herzl. Gruß! Max Weber 1 Gemeint ist die nicht überlieferte Korrektur zur Einteilung des GdS. 2 Paul Siebeck hatte in seinem Brief an Weber vom 22. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) nur mit sehr allgemeinen Andeutungen auf einen Konflikt mit Robert Michels hingewiesen: „In einer Meinungsverschiedenheit, die zwischen ihm [d. h. Michels] und mir ‚ausgebrochen‘ ist, beauftragte er mich, eine Darstellung von meiner Seite an Sie als Schiedsrichter einzusenden.“ Falls Weber dies wünsche, werde er ihm die entsprechenden Dokumente zugänglich machen. Die Auseinandersetzung, bei der Weber sich bereit erklärte, als Schiedsrichter zu fungieren, betraf die Kündigung eines Verlagsvertrages von seiten Paul Siebecks bezüglich des Drucks und der Publikation des Buches von Robert Michels „Über den Patriotismus“. Die Einzelheiten dieses Vorgangs sind unbekannt, da die Korrespondenzen zwischen Siebeck und Michels, die sich auf diesen Streit beziehen, ausgesondert wurden und im VA Mohr/Siebeck, Tübingen, nicht erhalten sind und auch im Nl. Robert Michels im AFLE Turin fehlen. Jedoch läßt sich der Hergang dieser Kontroverse in großen Zügen wie folgt zusammenfassen: Der Verlagsvertrag für das Buch „Über den Patriotismus“ war im April 1913 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) abgeschlossen worden mit der Bestimmung, daß das Manuskript „bis spätestens 1. November 1913 […] abzuliefern“ sei. Da sich die Ablieferung über diesen Termin hinaus verzögerte, hat Siebeck den Vertrag – vermutlich im Frühjahr 1914 – gekündigt. Zu seinem Vorgehen bemerkt Siebeck in seinem Brief an Weber vom 24. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Ich halte es voll und ganz aufrecht, daß meine Kündigung erfolgte, weil das Interesse für einen Vertrag im Verhältnis der zeitlichen Entfernung zwischen Vertrag und Publikation abnimmt. Was ich aber Herrn Professor Michels nicht sagen konnte, weil ich mich einer Indiskretion nicht schuldig machen wollte, darf ich Ihnen gegenüber beifügen: Ich bin über Herrn Pro-

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fessor Michels sehr ungehalten, weil er an Stelle rechtzeitiger Erfüllung des mit mir abgeschlossenen Vertrags die Herausgabe des Lexikons der Soziologie im Verlage von Veit & Co. übernommen hat.“ Webers Schiedsspruch zu dem Refus Siebecks, Michels’ Buch „Über den Patriotismus“ zu drucken, ging dahin, daß er ihn nicht nur als formell korrekt, sondern auch der besonderen Umstände halber als legitime Vorgehensweise des Verlegers qualifizierte; vgl. dazu seinen Brief an Michels vom 30. Mai 1914, unten, S. 688 f. Michels’ Buch ist damals nicht erschienen. Erst wesentlich später ist ein Werk veröffentlicht worden, das vermutlich in großem Maße auf die Manuskripte von 1913 bzw. die dabei benutzten Artikel aus der Vorkriegszeit zurückgreift: Michels, Robert, Der Patriotismus: Prolegomena zu seiner soziologischen Analyse. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1929.

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Frieda Gross 25. April 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 3 – 4

Heidelberg 25/IV 14 Liebe Frau Frieda!

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Die Stellungnahme Ihrer Brüder ist mir überraschend und recht bedauerlich.1 Aber sie ändert nichts an der Art des Vorgehens. Nur ist zu hoffen, daß Ihr Grazer Bruder nicht in diesem Sinn mit dem Richter redet! Sehr erfreut haben mich Ihre Nachrichten über den erfolgreichen Besuch in Troppau.2 Auch ich glaube, daß die Äußerung des Direktors,3 wonach die Curatel wahrscheinlich nicht dauernd verhängt bleiben wird, für die ganze Sache recht wichtig werden könnte. Nur, – das muß jetzt Pellech besorgen, dessen Interesse wirklich auch menschlich erfreulich ist. Ich hoffe, die beiden Herren Schur und Pellech haben nun auch Alles so weit mit Ihnen durchgesprochen, daß keine weiteren Informationen notwendig werden. Ich schreibe Pellech nochmals, daß ich bereit bin, nach Graz zu kommen.4 Ich danke Ihnen nun noch sehr herzlich für Ihre freundlichen Telegramme und Sendungen und Ihren eingehenden Brief und – vor Allem – für die freundlichen Gesinnungen, die Sie mir bewahrt haben und, hoffentlich, weiter bewahren werden. Ich bin für Sie in mehr als einer Hinsicht „strapatzant“ gewesen, das weiß ich wohl, aber Ihre Natur fordert Offenheit und diese werde ich Ihnen immer entgegenbrin-

1 Die Brüder von Frieda Gross, Arnold und Hermann Schloffer, hatten sich seit längerem von ihrer Schwester distanziert und lehnten es ab, sie finanziell zu unterstützen. 2 Frieda Gross hatte in Begleitung ihres Anwalts Otto Pellech ihren Mann Otto Gross in der Landesirrenanstalt Troppau endlich besuchen dürfen. Das Bezirksgericht Graz hatte trotz des Widerspruchs von Hans Gross den Besuch mit Beschluß vom 15. April 1914 genehmigt. Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 572f. 3 Gemeint ist der Direktor der Landesirrenanstalt in Troppau, Dr. Boeck. 4 Max Weber hatte sich bereit erklärt, vor dem Bezirksgericht in Graz als Zeuge für Frieda Gross und ihre Befähigung zur Erziehung ihrer Kinder auszusagen. Otto Pellech hatte in seinem Schriftsatz vom 23. Juni 1914 neben Max Weber auch Alfred Weber und Marianne Weber benannt. Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 625.

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gen: – thun Sie desgleichen, dann werden wir uns lebenslänglich so gut vertragen, wie es, – von meiner Seite jedenfalls – diesmal der Fall war, und immer noch besser. Sie wissen, ich bin sehr skeptisch in bezug auf meine Fähigkeit, Frauen ein Freund zu sein, der ihnen wohlthut. Aber es ist mir schon nicht wenig, wenn sie mich überhaupt „ertragen“. Nun bin ich begierig, ob Peter5 seine glanzvolle begonnene SchulLaufbahn fortgesetzt hat oder ob das sich nicht hat machen lassen. Das wäre deshalb nicht sehr angenehm, weil dann – wenn es festgestellt würde – der Anschein eines „Scheinmanövers“ allzu nahe läge. Aber freilich ist die Hauptsache: der durch die Prüfung erbrachte Nachweis des jetzigen „Bildungsstandes“, auch wenn der Schulbesuch jetzt nicht durchführbar ist. Herren Frick bitte ich Sie sehr von mir zu grüßen. Unsre Gespräche blieben ja sehr fragmentarisch, aber ich habe doch mehr einen Eindruck von seiner Gedankenwelt gewonnen als ich vorher haben konnte und hoffe, man sieht sich später öfter wieder und unter günstigeren Verhältnissen. Ich schreibe heute – etwas in Eile durch bevorstehenden Besuch – sonst nichts. Sachlich ist ja auch nichts Besondres zu bemerken. Hoffentlich kommt die Angelegenheit mit dem Sonder-Domizil6 bald in Ordnung, das ist immerhin recht wichtig. Nun wird ja wohl auch bald Pellech’s Elaborat7 eintreffen. Ich schikke meine etwaigen Bemerkungen direkt an Pellech,8 machen Sie es

5 Peter Gross hatte die Aufnahmeprüfung am 18. April 1914 in die zweite Klasse der deutschen Schule in Muralto bestanden. 6 Die Wohnungen von Frieda Gross und Ernst Frick sollten deutlich getrennt sein. Im Juli bezog Ernst Frick eine Wohnung in einem nahe gelegenen Chalet, das auch dem Advokaten Abbondio gehörte. Vorher hatte er mit Frieda und den Kindern im gleichen Haus, allerdings in verschiedenen Stockwerken, gemietet. Aussage von Giovanni Abbondio am 19. September 1914 im Amtsgericht in Locarno, Steierm. LA Graz, P IX 41/ 14, Bl. 788 ff. 7 Es sollten noch einige Wochen vergehen, bis Pellech seine „Äußerung zu den Anträgen des Herrn Professors Dr. Hans Gross und Stellung von eigenen Anträgen“ verfaßte. Am 23. Juni 1914 ging seine Stellungnahme im Bezirksgericht Graz ein. Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 59 – 109. 8 Vgl. den Brief an Otto Pellech vom 2. Mai 1914, unten, S. 647 – 651.

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auch so, es geht dann schneller. Im Zweifelsfall muß er sich natürlich nach Ihnen, nicht nach mir, richten. Herzliche Grüße, auch von Marianne, in guter Freundschaft Ihr Max Weber

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Frieda Gross PSt 26. April 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 6 – 7 Das Datum ist erschlossen aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesbezeichnung „Sonntag“.

Heidelberg Sonntag Liebe Frau Frieda, – Lask telefonierte mir heut den Inhalt Ihres Briefs an ihn. Nehmen Sie das Verhalten des Bruders1 nicht zu tragisch. Die Brüder scheinen sich in Wien in Zorn hineingesteigert zu haben.2 Sie denken und empfinden so: 1) unsre Schwester hat nach unsrer Ansicht nie gefragt, würde sich auch nie darum gekümmert haben, was wir empfinden, auch wo es sie nicht viel gekostet hätte. Also: mag sie jetzt die Suppe selbst ausessen, – 2) (und namentlich): „Gott weiß was für kostspielige Veranstaltungen diese Freunde für die Schwester treffen:a uns fragt man dabei nicht – also …“ Ein Körnchen Wahrheit ist ja dabei. Es ging halt nicht anders, das kann man ihnen nicht so klar machen. – Aber es ist recht schade, daß sie sich so stellen. Also Pellech ist sehr siegesgewiß. Nun: er trägt jetzt allein die Verantwortung. Er ist leicht optimistisch, das ist sicher. Vielleicht bedenkt er auch das nicht: daß der Alte3 Vormund bleibt, auch wenn er abgewiesen wird. Es sei denn, daß die Curatel über Otto Gross aufhörte. Aber so leicht wird das nicht gehen! – Jedoch, ich mag Pellech nicht hineinreden. Er weiß das Alles auch und besser. Und nun seien Sie guten Muths. Ich bin auch jetzt der Ansicht, daß die Anfrage an den Bruder4 gerichtet werden mußte. Vielleicht stellt er sich später, falls die Sache gut ausläuft, anders als jetzt, wo er sich geärgert hat.

a 1 Vermutlich ist Arnold Schloffer, der Anwalt in Graz, gemeint. 2 Offenbar hatten sich die Brüder Arnold und Hermann Schloffer bei Otto Pellech in Wien zur Besprechung über die Lage ihrer Schwester getroffen. 3 Hans Gross. 4 Gemeint ist Arnold Schloffer.

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Schreiben Sie Pellech nur nochmals: ich komme nach Graz,5 wenn mir ein geeigneter Termin vorgeschlagen wird, um mich dort vernehmen zu lassen. Kosten sollten dadurch nicht entstehen (davor wird das Gericht Angst haben). – Der berühmte „Jour“6 zwingt mich zu schließen! Herzliche Grüße an alle Dortigen Ihr freundschaftlich ergebener Max Weber. Also der Gräfling7 wird „militärfrei[“]! Gott vergebe mir die Sünde! Ich schicke der Gräfin morgen, eingeschrieben, dies Gutachten. Es geht sehr leicht.

5 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 25. April 1914, oben, S. 641, Anm. 4. 6 Am „Jour“ (sonntags) empfingen Max und Marianne Weber ihre Freunde. 7 Gemeint ist der Sohn der Gräfin Franziska zu Reventlow, Rolf. Max Weber hatte sich darum bemüht, Rolf Reventlow von der Militärpflicht zu befreien. Das entsprechende Gutachten Webers ist nicht nachgewiesen.

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Robert Michels 26. April 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 115

Hbg 26/IV 14 Lieber Michels, – es that mir sehr leid, in Basel (durch Landmann)1 von dem schweren Unstern zu hören, der über den letzten Monaten gewaltet hat; was um Himmels willen ist es denn, das Ihre Frau so heruntergebracht hat?2 Sie werden doch gleich einen deutschen Arzt fragen? Denn bei aller Liebe zu Italien und Italienern – darin sind wir ihnen im Ganzen doch über. Ich hoffe recht bald bessere Nachrichten zu erhalten. Äußerster Termin für Ihren Beitrag ist der 1. Januar 1915.3 Ich nenne gleich den wirklich absolut äußersten, auf dessen Innehaltung ich rechnen muß und vertraue ganz fest auf dessen Innehaltung. Lassen Sie mich nicht die Erfahrungen machen, die mir Andre bereiteten. Zeit war und ist ja genug! Siebeck schickte mir, sich auf Ihr Einverständnis berufend, ein Faszikel Correspondenza betreffend einen „Streitfall“,4 dessen auch Sie in Ihrem Brief gedenken. Die „Dokumente“ habe ich also. Wollen Sie mir nun vielleicht schreiben (gelegentlich, denn im Moment kann ich die Sache nicht lesen): was von Ihrer Seite dazu zu sagen ist? (Siebeck seinerseits hat nichts weiter dazu bemerkt, sondern bezieht sich auf seine Briefe.)b – Mißlich ist ein solcher Auftrag stets: mindestens Einen verstimmt man! Herzliche Wünsche und Grüße Ihr Max Weber a

b Klammer fehlt in O.

1 D. h. Julius Landmann. 2 Vgl. den Brief an Robert Michels vom 2. Juni 1914, unten, S. 698, Anm. 4. 3 Die Terminangabe bezieht sich auf den GdS-Beitrag: Michels, Antikapitalistische Massenbewegungen. 4 Die nicht nachgewiesene Korrespondenz betraf die Auseinandersetzung zwischen Paul Siebeck und Robert Michels anläßlich der Publikation von dessen Buch „Über den Patriotismus“, die mit der Kündigung des Verlagsvertrages durch den Verleger geendet hatte. Die Beurteilung der Auflösung dieses Rechtsverhältnisses bildete den Gegenstand von Webers schiedsrichterlicher Tätigkeit; zu Ursache und Verlauf dieser Kontroverse vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 23. April 1914, oben, S. 639 f., Anm. 2. Zu Webers schiedsrichterlichem Urteil und der sich daran anschließenden Diskussion vgl. seine Briefe an Michels vom 30. Mai sowie 2. und 4. Juni 1914, unten, S. 688 f., 696 – 698 und 701 f.

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Otto Pellech 2. Mai 1914; Heidelberg Abschrift; handschriftlich von Marianne Weber mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen von Max Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 8–11 Auf der ersten Seite der Abschrift findet sich der eigenhändige Vermerk Max Webers: „Abschrift (Brief ging heut als Eilbrief an Dr Pellech ab)“

Hdlb. 2. Mai 1914 Sehr geehrter Herr Doktor!

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Ein Vergleich schiene mir deshalb erwünscht, weil sonst sich schwerlich hindern läßt, daß der Vater1 Vormund bleibt (oder wird), und er dann seinen Antrag auch im Abweisungsfall jederzeit, neu begründet, wiederholen u. auch sonst unbequem werden, u. Frau Fr[ieda] Groß nicht zur Ruhe kommen lassen kann. Nun ist klar, daß ihm der Hauptpunkt die Erhaltung seines Vermögens für den Enkel Peter2 ist, ungeschmälert 1) durch Otto Groß, der wie er annimmt, mindestens den ihm nicht entziehbaren Pflichtteil, an „Schmarotzer“ vergeuden würde, u. 2) zugunsten der Eva,3 über welche nun einmal (wie mit Erfolg nicht bestritten werden kann u. daher 앚:m. E.:앚 auch nicht bestritten werden sollte) von seiten der Ehegatten Groß mannigfache „Zweifel“ erregende Äußerungen (gelinde gesagt) gefallen sind. An jenem Interesse sollte man nun m. E.s jetzt, wo er über die Fortdauer der Kuratel u. die Chancen seiner Anträge in Sorge ist, den Hebel einsetzen. Von der Illegitimitätserklärung, welche doch auch auf Peter schwerlich günstig wirken kann, hat er nichts, falls der gleiche ökonomische Effekt durch andre Mittel erzielt werden kann. Annähernd kann dies geschehen, wenn das Erbrecht beider Kinder an beiden Vermögen so gestaltet werden könnte, als ob die Illegitimität ausgesprochen wäre (wobei zu berücksichtigen ist, daß Frau F[rieda] Groß in diesem Fall 앚:mangels eines Vergleichs:앚 Eva zweifellos an ih-

1 Hans Gross. 2 Peter Gross. 3 Eva Gross.

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rem Vermögen begünstigen würde.)a Ohne Illegitimitätserklärung könnte Frau F[rieda] G[ross], ebenso wie es Prof. Groß natürlich für sein Vermögen getan haben wird, gegen entsprechende Konzessionen sehr wohl zusagen: die Eva, die ja dann 앚:(im Vergleichsfall, bei Fallenlassen der Klage):앚 das Pflichtteil vom Großvater erhielte, auch ihrerseits zu gunsten Peters bis auf das Pflichtteil am Schloffer’schen Vermögen (einschließlich des von dem Prager Bruder zu gewärtigenden Erbteils)4 zurücksetzen, sodaß Peter im Effekt ungefähr so gestellt werden könnte wie im Fall der Illegitimitätserklärung. Diese 앚:ökonomische:앚 Konzession könnte sie, als Konsequenz der nun einmal bestehenden Zweifel, der Eva gegenüber recht wohl verantworten als das geringere Übel gegenüber sozialer Deklassierung u. weil Knaben nun einmal im Leben stärker auf einen ökonomischenb Rückhalt angewiesen zu sein pflegen. – Sollte eine solche 앚:rein ökonomische letztwillige:앚 Verfügung nun kontraktlich gesichert werden können? Nach österreichischem Recht sind m.W. Erbverträge nur als Ehepakten zulässig. Auch noch während der Ehe? Vermutlich jedenfallsc nur persönlich durch die Ehegatten. Sollte also Prof. Groß auf weitergehenden Sicherungen, als der gerichtlichen Deposition des Testaments u. der feierlichen Zusage es nicht zu wiederrufen, bestehen, so müßte Otto Groß veranlaßt werden, in feierlicher Form die Genehmigung des Erbvertrags 앚:sofort:앚 nach Aufhebung der Kurateld (an welcher Prof. Groß dadurch ja direkt interessiert würde) zuzusagen. Otto Groß würde dies natürlich unbedenklich thun. Und zur weiteren Sicherung von Prof. Groß’ Absichten könnte eOtto Grosse ferner, in dem Erbvertrag mit fFrau Frieda Grossf, sich auf eine feste Rente beschränken, das Kapital (per rata) 앚:dagegen:앚 für die Kinder festlegen u. dadurch auch den Betrag seines ihm sonst nicht zu entziehenden Pflichtteils diesen sichern. Ist dies alles auch nur bedingt praktikabel, so wäre es wohl schon vorher Herrn Dr. Rintelen5 mitzuteilen. Ich glaube, daß ein irgendwie ähnlicher 앚:rein ökonomischer:앚 Vorschlag auch rein taktisch zur Entkräftung des Vorwurfs nützlich wäre, Frau F[rieda] G[ross] wolle trotz a Klammer fehlt in Abschrift. b solchen > ökonomischen d In Abschrift: Kuratel, e sicher > Prof. Gross > Otto Gross Frieda Gross 4 Hermann Schloffer war ledig. 5 Anwalt von Hans Gross.

c seiner > jedenfalls f seiner Frau > Frau

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nachweislich geäußerter Zweifel an Eva’s Legitimität die Vermögensinteressen 앚:des:앚 Peter schädigen.1) Verhandlungen ohne definitiven Verzicht von Prof. Groß auf die Vormundschaft als Basis wären natürlich zwecklos. Konzediert werden könnte: periodischer Schulerziehungsnachweis. Ebenso (da Frau F[rieda] G[ross] schon aus andren Gründen damit umgeht) spätere Schulpension, wobei Prof. Groß (unter Wahrung des Entscheidungsrechts der Mutter) thunlichste Berücksichtigung seiner Vorschläge zugesagt werden könnte. Im übrigen: Zahlung der bisherigen, bei Heranwachsen zu erhöhenden, Beiträge. Prof. G[ross] möge selbst nähere u. weitere Vorschläge angeben. Diese 앚:und die:앚 vermögensrechtlichen Konzessionen, welche angesichts des Mitwissens so vieler Menschen um die Sachlage die meisten objektiv Urteilenden für richtig halten werden, scheinen mir schon deshalb nötig, weil man sonst den Vater zum Äußersten treibt. Sollte er absolut auf Illegitimitätserklärung bestehen, so wäre ich persönlich, ebenso wie die meisten Freunde, bei entsprechenden Garantien auf dem andren Punkte, auch dafür. Aber Frau F[rieda] G[ross], welcher ich deshalb Abschrift hiervon schicke, muß sich 앚:selbst:앚 fragen, ob getwa voraussichtlichg nach einem eventuellen Vergleich, ihr das Gefühl der Verantwortung gegenüber Eva zu starke Skrupeln macht, u. Ihnen (eventuell telegraphisch oder eilbrieflich) Instruktionen geben. Zu berücksichtigen ist, daß doch die Illegitimität tatsächlich nicht zu verbergen ist, daß Eva ja eine öffentliche Schule nicht notwendig besuchen muß, daß Außenstehende die „Eva Schloffer“ als Kind andrer Ehe ansehen werden, daß sie ja im Illegitimitätsfall nicht vermögenslos, sondern am Schlofferschen Vermögen bevorzugt werden könnte, daß die Chancen des Illegitimitätsprozesses, falls Frau F[rieda] G[ross] sich dem Zeugnis über ihre, Dritten gegenüber, zugestandene Schwangerschaft auf der Reise nach München 앚:entzieht:앚, doch wohl nicht ganz sicher sind (was freilich nur Sie abschätzen können). Nur Ihre große Gewandtheit wird freilich 앚:eventuell:앚 den Weg zurück von den anfänglich aufgestellten Behauptungen finden können, wenn Prof. Groß vorher definitive Vorschläge gemacht

h1)

cf. früherer Brief des Dr. Rintelen!h

g nicht > etwa voraussichtlich

h Eigenhändige Randbemerkung Max Webers.

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hat. – In der Sache mit Peter würde ja das Gericht über die Tatsache der Verurteilung von E[rnst] Frick trotz aller Argumentationen, daßi ein Fehlurteil vorliege, nach bürgerlichen Begriffen – als über einen den Peter „verwirrenden“ Umstand – nicht leicht hinwegkommen. – Natürlich könnte Prof. Groß zu seiner Beruhigung eine 앚:eingehende:앚 Darstellung der Verhältnisse in Askona, der Persönlichkeit von E[rnst] Frick, (über den er durch Gehässigkeiten Dr. Kronauer’s absolut irregeführt sei)6 der Art von dessen Beziehungen zu den Kindern u. seines (sehr günstigen) Einflusses auf diese, von mir in Aussicht gestellt werden, nötigenfalls auch persönlich in Graz. Daß ich mich bisher nicht an ihn gewendet habe, sei Folge der Besorgnis vor einem refus wegen „Einmischung“. Ich sei, wie meine Schriften ergeben, politisch: bürgerlich liberal, mit stark deutsch-nationalem Einschlag, kenne ebenso wie meine Frau Frau Frieda Groß seit der Mädchenzeit,7 habe mit „Anarchismus“ u. „Sozialismus“ garnichts zu schaffen, stehe den prinzipiellen Anschauungen von Otto Groß u. Frau F[rieda] G[ross] ganz ablehnend gegenüber. Daß Prof. Groß über seinej Schwiegertochter ganz einseitig unterrichtet sei u. urteile, sei mir menschlich durchaus begreiflich, wie ich überhaupt in Anspruch nähme, für die menschliche Lage von Prof. Groß u. dessen Frau volles Verständnis zu haben. Ich könne 앚:daher:앚 in dieser Sache nicht „Partei“ sein, kenne aber die jetzige Situation in Askona aus persönlicher langdauernder Anschauung genauer als irgend jemand.8 In einer mündlichen Unterredung könnte wohl auch gesagt werden: daß es dem eignen Ritterlichkeitsgefühl von Prof. Groß 앚:doch:앚 widersprechen müsse, wenn Frau F[rieda] G[ross] jetzt einen Freund, dessen Dienste sie jahrelang in Anspruch genommen habe, einfach im Stich lasse, so lange er nicht 앚:gänzlich:앚 hergestellt sei. – i In Abschrift: das

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6 Gemeint ist die Zeugenaussage des Bundesanwalts Dr. Otto Kronauer in Bern am 3. März 1914 (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 8). Kronauer hatte bereits in seinem „Privatbrief“ an Hans Gross vom 13. Jan. 1914 (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 3) seiner Freude Ausdruck verliehen, daß er nach einer Neuaufnahme des Verfahrens gegen Anarchisten – u. a. gegen Ernst Frick – es mit durchgesetzt hatte, daß Frick zu einem Jahr Gefängnis wegen Vergehen aus den Jahren 1907/08 verurteilt worden war. Die Bundesanwaltschaft wurde speziell zur Überwachung der anarchistischen Bewegung in der Schweiz eingerichtet. 7 Max und Marianne Weber kannten Frieda Gross aus Freiburg, wo Max Weber von 1894 bis 1897 eine Professur innehatte. 8 Weber verbrachte in den Jahren 1913 und 1914 mehrere Wochen in Ascona.

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Auf Otto Groß werde seine Internierung u. Kuratel, auch wenn sie jetzt aufgehoben würde, doch nachhaltig wirken u. ebenso auf seine Freunde, deren einer: Herr Jung9, nicht unbegütert sei. Die Rückkehr in das Berliner Milieu sei ja durch die Ausweisung10 ausgeschlossen. Verstehe sich Otto Groß sofort nach Aufhebung der Kuratel zu einem Erbvertrag, der ihn dauernd vom Zugriff auf das Kapital ausschließt, so sei doch 앚:in der Sache:앚 alles erreicht, was Prof. Groß günstigstenfalls zu erreichen hoffen könne. 앚:Eine Lösung (Separation) der Ehe kann Prof. Gross natürlich angeboten werden, wenn sie möglich ist, – was doch recht fraglich bleibt. Mit u.s.w.:앚

9 Gemeint ist Franz Jung. 10 Im November 1913 war Otto Gross aus Preußen ausgewiesen worden.

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Frieda Gross 4. Mai 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 13 – 14

H. 4/V 14 „Nanu“? liebe Frau Frieda, – was schreiben Sie da von „Empfindlichkeit“, die bei Ihnen sein könnte und „dummen“ Sachen, die Sie geschrieben hätten? Sie hatten mir einen nicht nur, wie immer, anmutigen, sondern ganz reizenden Brief geschrieben, auf den ich nur, kraft meiner steifen Gelenke, nicht ebenso antworten kann, dessen Gesinnung ich aber herzlich erwiedere. – Der Gedanke, das schöne Opus Pellech’s1 nicht verloren gehen zu lassen, ist des etwas spießerigen Juristen würdig, – denn das stammt nicht von Ihnen, sondern aus Zürich’s2 dürrem Boden! Grade wie eine brave Hausfrau die einmal gebratenen Kartoffeln nicht umkommen lassen möchte. Wir können ja das Opus in Jaffé’s „Archiv“ nebst Belegen und Beweismitteln (in „Anmerkungen“ in Petit!) abdrucken oder für die Nachwelt in einer Kirchturmspitze, wenn grade eine gebaut wird, niederlegen, was meinen Sie? Lassen Sie nur Pellech machen! Er wird glaube ich das Richtige thun und nur den Entschluß: ob Vergleich eventuell mit Preisgabe der Eva, oder nicht,3 das müssen Sie entscheiden. Ich bin ja für Vergleich. Aber halten Sie Sich an Frick’s sehr nüchternes Urteil. Ist er für Kampf, dann sage ich auch nichts dagegen. – Lask dagegen ist zu optimistisch und sieht die Sache auch sehr persönlich. Es ist gewiß Gott wohlgefällig, den Alten4 möglichst zu ärgern, – aber der praktische „Schneider Böck“ sagt bekanntlich: „Bosheit ist kein Lebenszweck.“5 Es kommt doch auf sachliche Interessen der Kinder und Ihrer selbst an, und dafür scheint mir ein leidlicher Vergleich bes-

1 Vermutlich ist der Entwurf des Schriftsatzes von Otto Pellech für das Bezirksgericht in Graz gemeint, der unter dem Datum des 23. Juni 1914 in den Akten des Steiermärkischen Landesarchivs Graz P IX 41/14 archiviert ist. 2 Diesen Gedanken, den Weber im folgenden ironisiert, hatte vermutlich Otto Lang geäußert. 3 Gemeint ist die Anerkennung der Nichtehelichkeit von Eva Gross. 4 Hans Gross. 5 Zitat aus Wilhelm Buschs Max und Moritz.

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ser. Ich habe daher Lask, um ihn etwas abzukühlen, eine Scheltrede auf Sie gehalten, die er Ihnen sicher getreulich reproduzieren wird. So wie jene „Szene“, die ich Ihnen s. Z. machte und bei der ich so kläglich den Kürzeren zog, grade weil Sie so großmütig waren, in der Sache selbst nachzugeben. – Also Pietro6 von Ihnen täglich kurz nach Mitternacht – denn das ist doch diese Stunde für Sie! – nach Locarno gebracht? Kaum zu glauben. Und warum geht er nicht allein? Pellech muß auch diese Thatsache vorbringen! „Steht auf Ihr klugen Jungfrauen“7 – schon um 7 Uhr?? Das verlangt, glaube ich, selbst der Choral nicht für die ewige Seligkeit. Und das „Domicilio“ kommt also in Ordnung? Das wäre recht gut.8 – Schluß! – und nochmal: das Epos, das Pellech dichtet, gehört der Weltlitteratur an. Es soll nicht in Äonen untergehen.9 Dieser trojanische Krieg – nur die Rolle Helena’s ist eine so arg andre! – wird noch einen Dichter begeistern, dem wir später Pellech’s Handakten geben werden. Leider langt es bei meinen nicht. Die Verse, die ich gemacht habe – es ist lange her und Niemand sah sie – waren mordsschlecht. In afreundschaftlichem Gedenkena an Ascona: Panettone,10 Thee,b Orangen, den Gräfling,11 Lisi,12 Gilda,13 Gina und Pietro’s Definition von ihr,14 Herrn und Frau Abbondio und – einige andre Leute Ihr Max Weber

a Alternative Lesung: freundschaftlichen Gedanken

b Alternative Lesung: Ihre

6 „Peter läuft wie ein Wiesel jeden Morgen um 1/ 2 8 in seine Schule, begleitet von seiner Mutter. Max Weber hat durch diesen Schulbesuch unsere ganze Lebensformen umgestoßen“, schrieb Frieda Gross am 2. Mai 1914 an Marianne Weber, Privatbesitz. Peter Gross besuchte seit dem 20. April 1914 die Schule in Locarno. 7 In Anlehnung an die Zeile „Wo seid ihr klugen Jungfrauen“ aus der 1. Strophe des Kirchenliedes „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ von Philipp Nicolai (1599). 8 Gemeint ist die separate Wohnung für Ernst Frick. 9 „Es kann die Spur von meinen Erdentagen, Nicht in Äonen untergehen!“ – Goethe, Johann Wolfgang, Faust, 5. Akt. 10 Hefekuchen mit kandierten Früchten, eine italienische Spezialität. 11 Rolf Reventlow. 12 Lisi Höller, das Dienstmädchen von Frieda Gross. 13 Nicht nachgewiesen. 14 Gina Abbondio, Tochter des Vermieters, vgl. den Brief an Marianne Weber vom 12. und 13. April 1914, oben, S. 620.

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5. Mai 1914

Paul Siebeck 5. Mai 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg 5/V 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Prof. Schumacher ist impertinent.1 Sein Beitrag mag in dem Umfang, den Sie zugestehen wollen, in den „Grundriß“ aufgenommen werden. Aber im Übrigen lassen Sie Sich bitte auf nichts, auch nicht das Geringste, ein. Der Gedanke, das gleiche Buch anderswo erscheinen zu lassen, ist mehr als nur naiv. –

1 Neben der Frage der Drucklegung des GdS im allgemeinen nahm in diesen Wochen die Auseinandersetzung mit Hermann Schumacher einen großen Teil der Korrespondenz zwischen Max Weber und Paul Siebeck ein; vgl. dazu die Briefe Webers an Paul Siebeck vom 7., 18., 29., 30. Mai, 11. Juni 1914, die Karte vom 12. Juni 1914 sowie die Briefe vom 12., 13., 16., 17. und 19. Juni 1914, unten, S. 659, 676, 686, 693, 708 f., 710, 712, 718 f., 720 und 722. Schumacher hatte dem Verlag am 27. April 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361) überraschend mitgeteilt, daß sein Manuskript zum Börsenwesen 160 – 200 Druckseiten umfasse und er dies ganze Konvolut für den GdS anbiete u. a. unter der Bedingung des Rechts auf Sonderveröffentlichung der Arbeit in den von ihm herausgegebenen Handbüchern für Handel und Gewerbe bei B. G. Teubner in Leipzig. Siebeck machte Schumacher am 1. Mai 1914 (ebd.) ein großzügiges finanzielles Angebot unter der Voraussetzung, daß das vollständige Manuskript ausschließlich in seinem Verlage veröffentlicht werde. Auch Max Weber habe der Publikation des Gesamtbeitrags im Rahmen des GdS zugestimmt, so Siebecks Mitteilung an Schumacher vom 12. Mai 1914 (ebd.), im übrigen die Separatveröffentlichung in einem anderen Verlag abgelehnt. Schumacher hat in der Folgezeit immer neue Gründe für die Nichtablieferung seines Manuskripts angeführt. Zunächst verwies er darauf, daß das Gesamtmanuskript schon „vor langer Zeit“ einem anderen Verleger versprochen sei – so laut Schumachers Mitteilung an Siebeck vom 15. Mai 1914 (ebd.) –, dann erklärte er in seinem Brief an Siebeck vom 24. Mai 1914 (ebd.), daß er es ablehne, seine wissenschaftliche Arbeit unter Zeitdruck „einer möglichst schnellen Erfüllung“ der Interessen des Verlegers zu opfern, er könne jedoch das ursprünglich vorgesehene Bogenkontingent in kürzester Zeit abliefern, das jedoch, bedingt durch seine Kürze, so wenig wie andere GdS-Beiträge größeren wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden könne. Aus diesem Schreiben resultierte eine zeitweilig erregte, nur zum geringsten Teil erhaltene Korrespondenz zwischen Weber und Schumacher, die zu erheblichen Spannungen zwischen beiden führte. Sie endete mit der Zusage Schumachers, das Manuskript definitiv bis Ende September 1914 abzuliefern. Der Ausbruch des Weltkrieges machte diese Zusage obsolet, der Beitrag Schumachers ist nie erschienen.

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Die Revision der „Vorrede“ enthielt noch bedeutende Druckfehler.2 Sie werden die Superrevision wohl nun erhalten. Dann bitte ich um Ihre endgültige Ansicht (Schönberg etc.)[.] Über den Titel ebenfalls (alle Mitarbeiter? etc.)[.] Von Michels noch keine Antwort auf die Frage: was er zu seiner Affäre mit Ihnen sachlich zu sagen habe.3 Beste Empfehlung an Ihren Herrn Sohn4 und herzliche Grüße! Max Weber

2 Gemeint ist: Weber, Max, Vorwort zum GdS; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 11. April 1914, oben, S. 610, Anm. 3. 3 Zum Hintergrund dieses Streits vgl. die Briefe an Paul Siebeck vom 23. April 1914, oben, S. 639 f., Anm. 2, sowie an Robert Michels vom 26. April 1914, oben, S. 646 f. 4 Gemeint ist Oskar Siebeck.

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5. Mai 1914

Paul Siebeck PSt 5. Mai 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Schreiben Max Webers befindet sich auf einem gestempelten Einlieferungsschein der Post.

앚:1. Hälfte des:앚 Manuskripts Wiedenfeld für den „Grundriß“.1 Schließt an Lotz an.2 Brief W[iedenfeld]’s liegt bei3 und bitte ich dem Wunsch des Autors entsprechend zu verfahren. Hochachtungsvoll M. W.

1 Gemeint ist das Manuskript zu: Wiedenfeld, Transportwesen. 2 Wiedenfelds Arbeit sollte an den Beitrag von Walther Lotz, Prinzipien der Transportpreisbildung, anschließen. Der Artikel von Lotz ist nicht veröffentlicht worden. 3 Brief von Kurt Wiedenfeld an Max Weber vom 3. Mai 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 362) mit der Bitte, beim Verlag den Bogenumfang seines Manuskripts feststellen zu lassen. Auf dem Brief Wiedenfelds befand sich ein Zusatz Webers an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914; siehe unten, S. 657.

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Paul Siebeck 5. Mai 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr.362 Das Schreiben befindet sich als Zusatz auf einem Brief von Kurt Wiedenfeld an Max Weber vom 3. Mai 1914. Wiedenfelds Mitteilung diente als Begleitbrief für sein mitgesandtes GdS-Manuskript.

Heidelberg 5.V.14. Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Ich sende nach vorläufiger Durchsicht das Mscr.1 gleich an Sie, damit der Druck beginnen kann. Den Umfang bitte ich wunschgemäß dem Autor nach Feststellung mitzuteilen. Mit bestem Gruß! Max Weber

1 Es handelt sich um das Manuskript des ersten Teils zu: Wiedenfeld, Transportwesen.

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Paul Siebeck 7. Mai 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg. 7. V. 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Die „Monographien“1 wollten Sie ursprünglich in dem Titel („in monographischer Bearbeitung“). Daher! Man kann ja sagen: „als selbständige Einheiten“, um das Odium zu vermeiden. Mir ist das übrigens Alles gleich. Mit dem „zunächst“ (wegen Lotz) einverstanden.2 Aber das wird nur schwer gehen, ihn einzubeziehen. Er wird doch wohl sehr dick – und – er wird nicht wollen. Ich werde selbstredend nicht die geringsten Schwierigkeiten machen. Titel: einverstanden.3

1 Paul Siebeck hatte in einem Schreiben aus Berlin vom 6. Mai 1914 (Abschrift; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber den Vorschlag unterbreitet, im Vorwort zum GdS den Ausdruck „Monographien“ möglichst zu vermeiden: „Es wirkt nach der Seite der Absatzchancen hin erfahrungsgemäß sehr verhängnisvoll. Würde es nicht genügen zu sagen: ‚für den einzelnen Beitrag trägt selbstverständlich in jeder Hinsicht jeder Verfasser allein die Verantwortung‘?“ 2 Dies betrifft die Anregung Paul Siebecks in seinem Brief vom 6. Mai 1914 (wie Anm. 1), das Buch von Walther Lotz über „Finanzwissenschaft“ nicht wie vorgesehen im „Handbuch des Öffentlichen Rechts“, sondern im GdS erscheinen zu lassen. Aus diesem Grunde sollte – so Siebecks Vorschlag – im Anfangssatz des Vorworts zum GdS ein „zunächst“ hinzugefügt werden: In der Druckfassung lautet dieser Passus des Vorworts: „In das hiermit erscheinende Sammelwerk sind aus dem sonst üblichen Problemkreis vorerst nicht einbezogen worden: 1. die Finanzlehre […]“, mitgeteilt in: Weber, Max, Vorwort zum GdS; vgl. dazu Anhang 2, unten, S. 817. 3 Dies bezieht sich auf den Vorschlag Paul Siebecks vom 6. Mai 1914 (wie Anm. 1) zur Gestaltung des Titelblatts: Auf der linken Seite sollte der Name des Werks („Grundriß etc.“) und „alle Mitarbeiter“ aufgeführt werden, auf der rechten Seite sollten die Angaben „Grundriß etc. xte Abteilung bearbeitet von“ stehen.

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Alles Andre hier, denn Sie werden doch hoffentlich zu einer Tasse Thee Nachmittags oder Abends vorsprechen? Herzliche Grüße! Ihr Max Weber 5

Schumacher ist unerträglich. Bitte konzedieren Sie nichtsa bezügl. Teubner!4

a O: zweifach unterstrichen. 4 Hermann Schumacher wollte seinen umfangreichen GdS-Beitrag über Börsenwesen gleichzeitig bei B. G. Teubner in Leipzig erscheinen lassen; zum Streit zwischen Siebeck, Weber und Schumacher über dessen GdS-Manuskript bzw. dessen Ablieferung vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, oben, S. 654, Anm. 1.

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8. Mai 1914

Franziska Gräfin zu Reventlow [vor dem 8. Mai 1914]; o.O. Abschrift Abdruck in: Reventlow, Franziska Gräfin zu: Briefe 1890 – 1917. – Frankfurt a.M.: Fischer 1977, S.411 Der folgende Auszug aus einem Brief von Max Weber findet sich in einem Schreiben von Franziska Gräfin zu Reventlow aus Ascona an Ludwig Klages, das von der Herausgeberin Else Reventlow auf „Mai 1914“ datiert wurde. Die Datierung erfolgt unter Bezugnahme auf den unten erwähnten Brief von Franziska Gräfin zu Reventlow. Der Brief an Franziska Gräfin zu Reventlow steht in Zusammenhang mit ihrem Versuch, ihren Sohn Rolf in der Schweiz naturalisieren zu lassen. Dafür hatte sie auch Max Weber zu Rate gezogen (vgl. dessen Brief an Marianne Weber vom 1. April 1914, oben, S. 583). Webers Brief lag Franziska zu Reventlow bereits am 8. Mai 1914 vor. Sie bezieht sich darauf in einem auf diesen Tag datierten Brief an Ludwig Klages: „man schreibt mir eben noch, es sei gut, wenn das betreffende Gesuch gleichzeitig von Ihnen und von Rolf selbst resp[ektive] von mir eingegeben würde.“ Dieser Satz greift eine Formulierung aus Webers Brief auf.

Dr. Rheinstrom1 schrieb noch, nach gepflogener Rücksprache (mit dem Vorstand des Vormundschaftsgerichts) sei er sicher, daß auch V[ormundschafts-]G[ericht] München den Antrag auf Entlassung[,]2 falls er gemeinsam von Herrn Dr. Klages3 und Ihrem Sohn4 oder Ihnen selbst gestellt, genehmigen werde.

1 Es handelte sich vermutlich um den Anwalt der Gräfin in München, Dr. Heinrich Rheinstrom. 2 Gemeint ist die Entlassung aus der deutschen Staatsbürgerschaft. 3 Ludwig Klages, ein enger Freund von Franziska Gräfin zu Reventlow, war der Vormund von Rolf Reventlow. 4 Rolf Reventlow.

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Frieda Gross 8. Mai 1914; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 16 Dem Brief liegt ein Umschlag bei. Weber bezieht sich auf einen Brief des Anwalts Armin Fischl vom 6. Mai 1914 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 17). Darin berichtete Fischl, er habe Otto Gross in Troppau gesprochen, es gehe ihm gut, und von geistigen Defekten habe er nichts wahrgenommen. Dazu kommentiert Weber am Briefrand: „Hätte er lieber Anfang Januar die Akten eingesehen! Dann wäre noch heute die Entmündigung nicht erklärt!“ Fischl bittet um einen Kostenbeitrag von 200 Mark (sic!), womit er seine ,sämtlichen Kostenansprüche als berichtigt erklären würde‘. Dazu bemerkt Weber: „Die größte mir jemals von einem Anwalt vorgekommene Unverschämtheit!“ Fischl schließt, er sehe seine Tätigkeit, solange ihm kein weiterer Auftrag zugehe, als beendigt an. Dazu Weber: „Dafür soll man den Gauner bezahlen!“ Frieda Gross hatte Fischl bereits am 28. März 1914 die Vollmacht gekündigt.

8. V. 14. Liebe Frau Frieda!

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Um Gottes willen keinerlei Geld weiter an Fischl. Es wäre eine Schande, diesem Geldschneider nachzugeben. Ich habe ihm auf seine Nachliquidation (200 Kronen für eine Reise nach Troppau!) kurz und schroff ablehnend geantwortet.1 Man darf solchen Gaunern – denn das ist er – das Handwerk nicht zu leicht machen und das Geld ist für jeden Zweck besser verwendet. Nicht wahr, Sie bleiben fest? – mir zu Gefallen, wenn es Ihnen schwer fällt? Meinen Brief an Pellech2 nebst eigner Einlage haben Sie ja denke ich bekommen seiner Zeit und nun bin ich begierig, was P[ellech] thut und wie es ausgeht, auch ob ich wirklich nach Graz3 zitiert werde (was ich nicht glaube). Die allerherzlichsten Grüße Ihr Max Weber

1 Ein Schreiben Webers an den Rechtsanwalt Armin Fischl ist nicht nachgewiesen. 2 Vgl. den Brief an Otto Pellech vom 2. Mai 1914, oben, S. 647 – 651. 3 Max Weber hatte sich bereit erklärt, vor dem Bezirksgericht in Graz als Zeuge zu erscheinen. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 25. April 1914, oben, S. 641, Anm. 4.

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Frieda Gross 11. Mai 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 19–20

Heidelberg 11/V 14 Liebe Frau Frieda, – auf Ihren vorletzten Brief antworte ich noch eingehend. Seien Sie sicher, daß ich Ihnen genau so helfe, wie Sie wollen. Deshalb brauchen Sie auch nicht „bös“ zu sein, wenn ich Falsches vorschlage, sondern können einfach sagen: „Sie sind ein Esel“. Das sehe ich dann entweder ein oder nicht, – aber ich nehme es nicht „übel“. – Auf Ihren eben eintreffenden Brief: 1. Pellech schrieb ich sofort1 und bot nochmals an, nach Graz zu jedem dafür anberaumten Termin zu kommen. (Alles Nötige stand ja doch schon in meinen Bescheinigungen, die ergeben: daß die Polizeiauskunft unwahr ist). 2. Bleuler2 hatte ich schon bearbeiten lassen (durch Frl. Tobler s. Z.).3 Aber da war nichts zu machen, er ist Ihnen als Persönlichkeit ganz freundlich gesinnt, aber Ihren „Einfluß“ auf a „Andre“ hält er für direkt „verderblich“. Auch auf Kinder und grade auf solche. (Dies durchaus vertraulich). Ich kenne ihnb nicht. Auch Marianne stieß s. Z. auf den gleichen Widerstand. Ob Lang persönlich etwas ausrichten könnte? Ohne persönliche Verständigung halte ich es für recht bedenklich, bei seiner Stellungnahme, ihn zu einem Zeugnis zu bestimmen. Er macht ganz sicher Vorbehalte und die schaden. Überhaupt aber: all Das hilft nichts, wenn unser Zeugnis nicht hilft. – Ich glaube also, ich schreibe besser nicht. Es kann, falls Sie es trotzdem wünschen, noch immer geschehen. Denn es geht viel Zeit hin, ehe alle Beweise erhoben sind. a für > auf

b O: ich

1 Ein weiterer Brief an Otto Pellech nach dem Brief vom 2. Mai 1914, oben, S. 647 – 651, ist nicht nachgewiesen. 2 Vgl. Webers Brief an Frieda Gross vom 7. April 1914, oben, S. 599, Anm. 2. 3 Vermutlich meinte Weber die Zeit Anfang April 1914, als Mina Tobler in Zürich war und sich dort mit ihm getroffen hatte. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 7. und 8. April 1914, oben, S. 604 – 606.

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3. Ich denke, daß Prof. Gross bezüglich Frick’s allenfalls fordern wird: daß er und Sie (mit den Kindern) in getrennten Häusern wohnen. Ich schlug Ihnen ja (für jetzt) s. Z. im November 1913c Ähnliches vor,4 weil dann ja gar nichts zu machen gewesen wäre von Seiten des Alten.5 – Da müssen Sie und Frick dann eben wählen. Haben Sie gewählt, so werden Sie von mir nie hören: Sie haben „falsch“ gewählt. Ich rathe nur: wählen Sie nüchtern und in Ruhe. 4. Die andre Sache müssen Sie aushalten.6 Sonst ist es besser, Sie geben den Jungen gleich her. Die Vernehmung in der Eva-Sache werden Sie nicht los, auch dadurch nicht. Das muß überstanden werden. Ich werde Ihnen genau schreiben, was Sie thun sollen. Für jetzt: fragen Sie Bertoni (oder einen andren Anwalt):7 1. ob „Ehebruch“ in der Schweiz strafbar ist (bei uns ist erd es – auf Antrag des geschiedenen Gatten)[.] 2. ob man in der Schweize das 앚:gerichtliche:앚 Zeugnis verweigern kann, wenn man sich selbst sonst einer strafbaren Handlung bezichtigen müßte. (Dasf ist bei uns so). 3. ob eine Mutter in einem (Civil g-) Prozeß gegen ihr eignes Kind das Zeugnis verweigern dürfe. Das muß man jetzt vor Allem wissen. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber

c O: 1912

d O: es

e

f O: das

g O: zweifach unterstrichen.

4 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 29. Nov. 1913, oben, S. 406. 5 Gemeint ist Hans Gross. 6 Gemeint ist die Einschulung von Peter Gross. 7 Der Anwalt Brenno Bertoni in Lugano, vgl. dazu Max Webers Brief an Frieda Gross vom 8. Juli 1914, unten, S. 748, Anm 4.

14. Mai 1914

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Frieda Gross 14. Mai PSt 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 22 – 23 Die Jahresangabe ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Heidelberg 14/V Liebe Frau Frieda! 1. Sowohl die österreichischen wie die schweizerischen Privilegien der Aussage-Verweigerung stehen Ihnen zu. Das ist der Vorteil Ihrer Vernehmung in der Schweiz für Sie[.]1 Ich würde lediglich aussagen: „Von dem und dem bis dann und danna lebte ich mit Otto Gross da und da, in den und den Hotels etc. ständig zusammen. Über Alles Weitere verweigere ich die Aussage, insbesondre 앚:auch:앚 darüber, ob während der Conzeptionszeit irgendwelche Beziehungen zu Herrn Frick bestanden haben.“ Irgend etwas positiv oder negativ zu sagen, dessen Unrichtigkeit irgend Jemand, auch grade Otto Gross, positiv behaupten könnte, würde ich für gradezu gewissenlos halten. Denn: Sie liefern Sich damit vollständig inb Otto Gross’ Hände und 앚:Sie:앚 wissen heute absolut nicht, wozu der einmal 앚:künftig:앚 fähig werden kann, wenn er endgültig sieht: es ist mit Ihnen für ihn nichts mehr und wenn er seelisch noch reduzierter wird als heute. Sie setzen Sich ebenso 앚:auch:앚 den Erpressungen aller seiner „Freunde“ aus und zeitlebens würde das auf Ihren Nerven lasten –. Es ist nun einmal zu cOtto Grossc (und zu Andren) von Ihnen s. Z. etwas 앚:zu viel :앚 gesprochen worden – das ist nicht mehr zu ändern – und ich rathe Ihnen sehr dringend, unter Ablehnung jeder Verantwortung, nichts zu thun, was Sie bitter bereuen könnten. Das steht außer allem Verhältnis. M. E. muß die Verweigerung der Aussage zur Abweisung der Klage genügen.1) Genügt sie nicht, dannd ist nichts zu ma1)

Denn der Beweis der „Unmöglichkeit“ ist dann nicht zu führen.

a

b

c für ihn > Otto Gross

d so > dann

1 Frieda Gross wurde als Zeugin im Prozeß über die Unehelichkeit ihrer Tochter vor dem Gericht in Locarno am 27. Juni 1914 vernommen.

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chen. Nehmen Sie einen Anwalt mit auf e das Gericht, der darauf achtet, daß nur in das Protokoll kommt, was Sie wirklich sagen, und nichts, was Sie nicht sagen. Gegen jede andre Frage, die Sie nicht beantworten wollen, muß er protestieren. 2. Die Geldsache. Ich werde Otto Gross auf seinen Brief antworten:2 „ich hätte den Vorschlag gemacht, zur Beruhigung des Vaters3 die Vermögenslage der Kinder 4 durch Erbvertrag zu regeln, so daß diesen das Kapital beider Vermögen bliebe, er 앚:(Otto Gross):앚 die Rente seines Erbes bezöge. Dabei könne dann ja Peterf auch etwas gegenüber dem Gesetz bevorzugt werden. Das hätten Sie 앚:aber:앚 abgelehnt, da Sie ihm 앚:(Otto Gross):앚 das nicht zumuthen könnten. Da ich selbst aber auch nur auf Rente ggesetzt seig, – mit meiner eignen Zustimmung (zu Gunsten meiner Neffen und Nichten) – so hätte ich das nicht wissen können. Er möge den Vorschlag, der freilichh vielleicht seine Befreiung erleichtern würde, eventuell einfach ablehnen.“ – Was Otto Gross in die Hand bekommt,i ist für die Kinder verloren. Und wenn er das Pflichtteil fordert, so kann, für diesen Fall, der Altej den Rest seines Geldes vermachen wem er will. Eva bekommt dann keinesfalls etwas davon. Also geht Ihr und der Kinder Interesse insoweit mit Prof. Gross’ Absichten genau parallel 앚:dahin::앚[,] daß Otto Gross sich auf die Rente beschränkt. Denn sonst können 앚:später:앚 die Irrenanstaltenk, nachdem er seinen Teil durchgebracht haben wird, von Ihnen und den Kindern die Kosten seiner Pflege, – deren er immer wieder bedürftig sein wird – bezahlt verlangen. Deshalb mein damaliger Vorschlag. – Aber Sie hatten Recht: Sie können das Otto Gross nicht vorschlagen. Daher thue ich es. Ich darf es! Sehen Sie: ich verstehe vollkommen Ihren Standpunkt bezüglich der Eva (Pflichtteil)[.] Aber Sie konnten nicht erwarten, daß ich – nachdem gesagt war: „Geld ist ganz einerlei“ – Ihnen so viel „bürgerlichen“ Sinnl zutraute. Natürlich: so leben wie Sie kann nur m eine Rentnerin, darin haben Sie ganz recht.n Aber das oben Gesagte ist auch richtig. Und ferner doch auch dies: Sie werden Peter hoffentlich doch so erziee vor > auf f g sitze > gesetzt sei h i j k l m n 2 Ein Brief an Otto Gross ist nicht nachgewiesen. 3 Gemeint ist Hans Gross. 4 Peter und Eva Gross.

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hen können, daß ganz einerlei ist, was in Ihrem Testament steht. Aber freilich: sicher ist das nicht, ob es gelingt. Und deshalb geht freilich mein Vorschlag, so wie er gemacht war, nicht: Das sehe ich ganz ein und habe mit Unrecht auf Sie gescholten, als Lask mir erzählte, Sie wollten nicht. Denn ich dachte: das ist „Negativismus“. Aber das ist es nicht und ich habe Ihnen also Unrecht gethan. „Ich danke für die gnädige Strafe“ – wie der Verbrecher früher vor Gericht sagen mußte, wenn er nur eine Tracht Prügel erhielt. Die schickten Sie mir brieflich: – ich halte die andre Backe, als guter Christ, auch hin. So – und nun sind wir wieder gut, nicht wahr? Natürlicho schreibe ich Bleuler, wenn Ihr Telegramm kommt. Aber nutzen wird es nichts, schaden aber kann es, denn er ist ein Mensch, der solche „Beeinflussungen“ sicher nicht angenehm empfindet. Herzliche Grüße! Max Weber. Ich wünschte, Pellech wäre endlich mit seinem großen „Epos“ fertig. Seine jetzige Eingabe, rein juristisch, ist m.E. nicht haltbar, dennp die Rekurs-Frist ist verstrichen. Aber schließlich schadet sie ja nichts.

o Gern > Natürlich

p O: Denn

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Paul Siebeck [vor dem 16. Mai 1914]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Datierung ist erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „16.V.14 in Heidelberg mündlich erledigt. PS.“ Der Brief befindet sich als Zusatz auf einem Druckexemplar von: Verlags-Vertrag über die Mitherausgabe des Sammelwerkes: Grundriß der Sozialökonomik. Trotz der Bedenken Webers ist es im Oktober 1914 zu einer Neuausfertigung der Verlagsverträge gekommen, wobei – neben der Neufassung einiger Paragraphenabschnitte – insbesondere der bisherige Titel: „Grundriß der Politischen Ökonomie“ in „Grundriß der Sozialökonomik“ umgeändert wurde, die Vertragsunterzeichnung jedoch auf die alten Unterzeichnungsdaten von 1910 rückdatiert wurde.

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Ich habe natürlich nichts gegen den neuen Vertrag (ich strich meinen Namen der Einfachheit halber auch auf S. 2, er ist ja unnötig).1 Aber immerhin scheint mir möglich, daß[,] wenn Sie den Mitarbeitern, doch wesentlich aus „Schönheits“-Interesse, einen solchen vorlegen, Sie vielleicht damit die Vorstellung erwecken, jetzt erst binde man sich endgültig, und daß ein ganzer Stoß von Gegenvorschlägen aller Art und Wünschen bei Ihnen einläuft, deren Ablehnung Verstimmung erzeugt. Zweckmäßig ist es nur, wenn Sie gleichzeitig alle Überschreitungen als honorierungsfähig genehmigen und dies als Motiv angeben (das Maß der Überschreitungen ergiebt ja Ihre Berechnung für die schon vorhandenen Beiträge). Das wäre ein jedem Autor plausibles Motiv. Rechtlich halte ich sonst den neuen Vertrag für nicht nötig, das möchte ich nochmals sagen. Herzliche Grüße! Max Weber.

1 Dies bezieht sich auf § 4 des Verlagsvertrags, in welchem von der Verpflichtung des Autors die Rede ist, den Maximalumfang seines Beitrags „auf keinen Fall zu überschreiten.“ In dem darauffolgenden Satz: „Sollte dies doch der Fall sein, so wird er einem Ersuchen um entsprechende Kürzung des Beitrags nachkommen“ hatte Weber die hinter „Ersuchen“ folgende Passage: „des Herrn Professor Max Weber“ gestrichen.

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Frieda Gross 16. Mai 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 25 – 28

Heidelberg 16/V 14 Liebe Frau Frieda, – natürlich ist Bleuler’s Diktum höchst töricht.1 Aber es wara, ebenso natürlich, lediglich eine Form, sich der ihm lästigen „Zumutung“ zu entziehen. Er wurde eben durch diese Bitte – was Sie freilich nicht so wissen konnten, trotz meiner Warnung – in eine für ihn unmögliche Lage gebracht. Denn er konnte Ihnen nicht detailliert auseinandersetzen: das und das gefällt mir nicht. Folglich nimmt er einfach den Standpunkt ein, der ihn am sichersten vor jeder weiteren „Zumutung“, seine Ansichten zu sagen, schützte. Es war von Lang ein – gutgemeinter! – Fehler, Sie da hineinzuzitieren.1) Und nun ärgern Sie Sich nicht! Das lohnt nicht. – Ich komme nun auf einen Punkt noch einmal zu sprechen, den ich wohl längst hätte „grundsätzlich“ aussprechen sollen: es hätte mir viele innere Strapatzen und Ihnen einiges „Schelten“ von meiner Seite erspart. Sehen Sie: immer wieder einmal finde ich in Ihren Briefen Bemerkungen, die so aussehen, als meinten Sie: ich muthete Ihnen zu, oder: ich arbeitete darauf hin: Ihre Beziehung zu Frick zu erschweren[,] oder stellte mich auf die Seite solcher Zumutungen, die diese Beziehung Ich selbst habe Sie ja in Prag in eine ähnliche Lage gebracht.2 Aber freilich war das vielleicht doch weniger zu vermuthen und es mußte doch der Versuch gemacht werden. 1)

a ist > war 1 Das Diktum des Psychiaters Eugen Bleuler ist nicht nachgewiesen, vgl. aber Webers Einschätzung in seinem Brief an Frieda Gross vom 11. Mai 1914, oben, S. 662. Vermutlich hatte Frieda Gross von Bleuler ein für sie positives Zeugnis erbeten. Vgl. auch Webers Brief an Frieda Gross vom 7. April 1914, oben, S. 599. 2 Max Weber hatte Frieda Gross veranlaßt, an ihren Bruder Hermann Schloffer in Prag zu schreiben und um Unterstützung zu bitten, die dieser abgewiesen hatte.

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möchten.b Liebe Frau Frieda, – es ist der einzige Punkt, der unsren Beziehungen gefährlich werden könnte, wenn Sie das ernstlich glauben, nachdem ich Wochen lang mit Ihnen beiden freundschaftlich verkehrt habe, so wie es geschah. 앚:–:앚 Sie wissen recht gut, an welche Analogie ich dabei denke!3 – das ginge nicht. Um aber damit ein Ende zu machen, will ich mich ganz klar ausdrücken: Sie wissen gut, daß natürlich 앚:in der That:앚 diese Beziehung es ist, welche die 앚:größten:앚 Schwierigkeiten macht. Nicht das Bestehen einer Beziehung dieser Art an sich. Auch nicht nur der „Anarchismus[“], sondern, und zwar vor Allem: die Erwerblosigkeit Frick’s. Ich brauche keinem von Ihnen zu sagen, wie häßlich der kalte Blick Fernstehender diese Situation sieht. Man muß aber die Personen kennen, um sie richtig zu sehen. Sie und Frick können, – lassen Sie mich das offen sagen – von einem Dritten, Fernstehenden, einfach nicht verlangen, daß er diese Dinge sieht, wie ich sie sehe und sah, schon ehe ich 앚:dies Jahr:앚 in Ascona war. Und daraus folgt für die Haltung der „Dritten“, – auch die Ihrer cbeiden Brüder z. B.c – Alles. Schofel finde ich von diesen nur: durch Höherhängen des Brotkorbs einen „Druck“ auf Sie ausüben zu wollen. Nun kann man sich Dem gegenüber auf den Standpunkt stellen: „um so unnachgiebiger müssen wir, auch in Kleinigkeiten und Nebendingen, sein“. Glauben Sie mir: das verstehe ich. Und so verstand ich es auch, daß Sie die einfache, 앚:an sich doch:앚 rein „technische“ Maßregel: für jetzt eine 앚:stärkere räumliche:앚 Trennung der beiderseitigen Wohnung durchzuführen: – Sie mit den beiden Kindern in einem andren Haus als Frick – nicht ergriffen haben, auch als es,2) möglich wurde. Das kann ich so ganz gut begreifen. Aber Sie Ihrerseits, alle Beide,d müssen begreifen: daß ich, als Dritter und Freund, Ihnen in erster Linie nicht „Catonismus“4 dieser Art, sondern Klugheit anrathen mußte und muß. Deshalb rieth ich s. Z. 앚:im November:앚5 zu jener b„sprengen“

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2)

nach Beendigung der Pflege,6

b beträfen > „sprengen“ möchten.

c Brüder > beiden Brüder z. B.

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3 Die Analogie bezieht sich vermutlich auf die Meinung Else Jaffés im Jahre 1909/10, Max Weber wolle sie von Alfred Weber lösen. 4 Ausdruck, abgeleitet vom Namen des jüngeren Cato. Dieser wurde für seine strenge Sittlichkeit und streng republikanische Gesinnung gerühmt. 5 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 29. Nov. 1913, oben, S. 406. 6 Ernst Frick hatte im Februar 1914 eine Rippenfellentzündung, vgl. den Brief an Frieda Gross vom 18. Febr. 1914, oben, S. 521, Anm. 18.

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„Konzession“: förmliche Trennung der „Haushalte“, wenn irgend möglich. Denn dann würden die Anträge des Prof. Gross sofort glatt zu Boden gefallen sein. Eine Antwort in 4 Sätzen: 1) Peter gehe zur Schule, mit dem und dem Erfolg (Beweis: Zeugnis), – 2) ich 앚:(Fr[ieda] Gr[oss]):앚 wohne nebst Kindern in dem Haus, Herr Frick in dem (Beweis: Polizeiauskunft, Zeugnis der Vermieter) 앚:Haushaltsgemeinschaft besteht nicht:앚, – 3) das persönliche Zusammentreffen der Kinder mit meinem Freund Fricke kann nicht gesundheitsschädlich 앚:sein:앚 (Beweis: Rafael Friedeberg)7 – 4) – im Grunde unnötig: – nach Frick’s Eigenart kann es ihnen 앚:im übrigen:앚 nur nutzen (Beweis: Prof. Weber) hätte absolut genügt. Kein Gericht der Erde hätte 앚:Sie:앚 inquiriert: was denn nun für Beziehungen bestehen? Denn das wäre 앚:dann:앚 Niemand etwas angegangen. Alle Erörterungen über Frick’s „Verdienstquellen“ und Alles das Andre hätten wir gespart. Freilich – Sie hätten jene „Konzession“ gemacht. Rein praktisch 앚:aber:앚 fragte es sich: ob sie sich nicht lohnte, um Weiteres abzuschneiden, und ob sie sehr wichtig war. Das weiß der „Dritte“ nicht, ich auch nicht. Aber vermutlich wollten Sie das prinzipiell nicht. Wie dem nun sei: zwei Mal durfte ich das nicht rathen. Denn es sind das ja Ihre beiderseitigen eigensten Angelegenheiten, die da in Frage standen. Und jetzt nützt Derartiges nichts mehr – es sei denn: im Vergleichswege mit Prof. Gross, wenn Sie diese „Konzession“ machen wollen. Aber ich darf da nichts rathen. – Warum dies Alles? – weil ich die ganze Zeit in Ascona in der fatalen Lage war, es zu verschweigen. Und weil ich, obwohl doch Alles, was wir thaten, – und wief gern thaten! – nur damit zusammenhing: Ihnen die Wahl zwischen der Beziehung zu Frick und Ihrem Kind zu ersparen, ich dennoch immer wieder unsicher werdeg und sein muß: „denkt sie nicht schließlich doch: ,er möchte uns doch lieber auseinander haben‘ (wie – eine Andre8 es auch that, Sie wissen schon, wer sie war).[“] Das aber ist unerträglich. So. –

e

f herzlich > wie

g bin > werde

7 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 18. Febr. 1914, oben. S. 521, Anm.18. 8 Vermutlich ist Else Jaffé gemeint.

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Was ich Ihnen wegen der Aussage schrieb,9 ist auch nur KlugheitsEmpfehlung – verstehen Sie? Aber da bin ich meiner Sache sehr sicher. Machen Sie es anders – gut, ich helfe Ihnen nach Vermögenh ebenso 앚:auch:앚 dann. Aber Sie handeln dann sehr unklug und leichtsinnig; ich bin sicher: Sie bereuen es. Natürlich können Sie ohne direkte Gefahr (wenn Sie alle Korrespondenzen vernichten!) sagen: 1) nach Tagebüchern und Korrespondenzen war ich mit Otto Gross dann u. dann da u. da zusammen; – 2) alles Andre, Entscheidende weiß ich nicht mehr. Aber das glaubt Ihnen Niemand, da Ihre 앚:zahlreichen:앚 Äußerungen 앚:über die Sache:앚 gar nicht anfechtbar sind. Legt das Gericht auf „Indizien“ überhaupt Gewicht, verlangt es also nicht, wie es müßte, den strikten Beweis der „Unmöglichkeit“, d. h.: der Schwangerschaft vor dem 20. Januar, dann ist die obige Aussage keineswegs günstiger, eher nachteiliger als die Verweigerung des Zeugnisses, die Ihr Recht ist. Und gefährlichi 앚: – sehr gefährlich – :앚 ist sie, trotz Alledem, für Sie.3) – Es geschieht aus wirklicher schwerer und begründeter Sorge, daß ich das so oft schreibe, und so nachdrücklich. – Und nun werden Sie keine „verqueren“ Briefe und kein Schelten und von Lask keine Sie „verelendenden“ Mitteilungen mehr bekommen, liebe Frau Frieda, – denn was mir belastend und schwer aussprechbar war, habe ich oben gesagt. 3)

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Liebe Frau Frieda, – Pellech’s Rath in dieser Sache ändert an meiner Ansicht nichts. Wenn Sie eine irgendwie anfechtbare – auf Grund der Äußerungen, die Sie zu Andren gethan haben, die Otto Gr[oss] gethan hat, anfechtbare – Aussage machen, schaffen Sie Herrn Kronauer u. Consorten ein „gefundenes Fressen“. Ich halte es für ganz sicher, daß die Staatsanwaltschaft dann Alles in Bewegung setzt, um gegen Sie vorzugehen, weil dadurch indirekt Frick getroffen wird.10 Anbei meine Antwort an Pellech.11 Nochmals: herzliche Grüße und – seien Sie sehr klug! h

i O: zweifach unterstrichen.

9 Gemeint ist vor allem das Zeugnisverweigerungsrecht. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 14. Mai 1914, oben, S. 664. 10 Der Sachverhalt ist nicht ermittelt. Der Staatsanwalt am Schweizer Bundesgericht, Otto Kronauer, hatte weiterhin ein Interesse an der weiteren Strafverfolgung von Ernst Frick. Vgl. die Erläuterungen über Kronauer in Webers Brief an Pellech vom 2. Mai 1914, oben, S. 650, Anm. 6. 11 Vgl. den Brief an Otto Pellech vom 18. Mai 1914, unten, S. 674 f.

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Ich erwarte nun mit Spannung Nachricht von Pellech4), vor Allem aber Abschrift seiner Eingabe, für die es höchste Zeit wird! Die rein juristische Ausführung, die er jetzt 앚:vorerst:앚 eingereicht hatte, greift m.E. nicht durch, denn die Rekursfrist ist und bleibt verstrichen. – Ich denke: es wird Alles schließlich ganz gut gehen und erwarte meine Vorladung nach Graz. – Das kleine Buch von „L[eopold] Andrian“12 – dies kleine Ding zu schenken müssen Sie schon noch erlauben – ist ein Liebling von mir. Nicht etwa weil ich so „wäre“ – oh nein! – aber ich kenne diese Stimmung gut und sie ist wahr. Der Mann hat, außer wenigen Versen, nach diesem Kabinettsstück (es ist in 1. Auflage vor langen Jahren erschienen, damals von seinem Vater: – Graf Andrian – aufgekauft und eingestampft) keine Zeile mehr geschrieben (er ist Diplomat). – Nun bleiben Sie gut und freundschaftlich gesonnen Ihrem – nicht immer bequemen, etwas ungelenken – Max Weber 4)

Eben kam sein Brief nebst Abschrift desjenigen an Sie. Darnach steht die Peter-Sache so gut, wie sie jetzt nur stehen kann.

12 Gemeint ist Andrian-Werburg, Leopold, Der Garten der Erkenntnis. – Berlin: Fischer 1895.

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Paul Siebeck [vor oder am 18. Mai 1914]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 362 Die Datierung ist erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „18.V.14.“ Das Schreiben befindet sich als Zusatz auf einem Schreiben von Kurt Wiedenfeld an Max Weber vom 15. Mai 1914. In seinem Brief an Weber vom 15. Mai 1914 hatte Wiedenfeld bedauert, daß auf den ihm zugegangenen Korrekturfahnen am alten Titel seines Beitrages: Organisation des Verkehrswesens und Verkehrspolitik, festgehalten worden war. Stattdessen machte er den Vorschlag, daß seine Beiträge „als 4 neben einanderstehende, nur durch den auch für Lotz geltenden Obertitel (Transportwesen) zus[ammen] gehaltene Arbeiten erscheinen. […] Die 4 Beiträge lauten dann: 1) Die Verkehrsmittel in ihrer wirtschaftl[ichen] u. sozial-kulturellen Bedeutung. [Eigenhändige Anmerkung Max Webers: „NB! Ich hielt das für den Gesammt-Titel. Daher änderte ich den Titel ab. – Auch für die GeneralÜbersicht von Bedeutung! Weber“] – 2) Die Organisation der Verkehrsunternehmungen. – 3) Die Verkehrsmittel u. die öffentlichen Gewalten. – 4) Die Entwicklung der modernen Verkehrsmittel u. ihre Leistungen. Lotz würde dann übrigens am besten zwischen 2 und 3 oder zwischen 3 und 4 eingereiht werden“. Tatsächlich konnten die Vorschläge von Wiedenfeld noch für die gedruckte Gesamtübersicht über die GdS-Einteilung berücksichtigt werden. Der Beitrag von Walther Lotz, Allgemeine Theorie der Preisbildung im Transportwesen, figuriert dabei an vierter Stelle. Die Übersicht findet sich u. a. in: GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. X – XIII; zum Transportwesen, ebd., S. XII; zur Gesamtübersicht vgl. Anhang 2, unten, S. 820 – 823.

Verehrtester Herr Doktor

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Meinerseits natürlich ganz einverstanden! Bitte regeln Sie Alles nach Belieben mit Prof. Wiedenfeld. Herzl. Gruß Max Weber

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Otto Pellech 18. Mai [1914]; Heidelberg Abschrift; von der Hand Marianne Webers, mit eigenhändiger Schlußzeile Max Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 29 – 30 Der Brief befindet sich als Abschrift unter einem kurzen Anschreiben von Marianne Weber an Frieda Gross vom 18. Mai [1914] aus Heidelberg mit Dank für Friedas Brief vom 2. Mai 1914 an Marianne Weber, Privatbesitz. Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Hdlb. 18. Mai Copie: Sehr geehrter Herr Doktor! Ich gratuliere zu dem ausgezeichneten Stande der Peter-Sache, welcher Ihrer Geschicklichkeit verdankt wird. In der Eva-Sache gebe ich im Anschluß an Ihren Brief folgendes zu bedenken: Auch wenn die Erinnerung von Frau Groß heute getrübt ist, halte ich es für sehr dringlich, daß sie das Zeugnis lieber verweigert als eine solche Aussage macht. Prof. Groß, auf’s äußerste getrieben u. verbittert – man sieht ja, welch’ ungeheures Gewicht er auf diese Sache legt –, würde es ein leichtes sein, diese Aussage durch Berufung auf Zeugnisse beliebiger Freunde als mindestens höchst verdächtig hinzustellen u. dadurch einen schweren Schatten auf sie zu werfen, auch wenn eine kriminelle Denunziation unterlassen wird. Das Gericht aber wird einer Mutter eine solche Aussage nicht ganz leicht glauben. „Schimpf u. Schande“ macht ein Ehebruch doch nur im Sinne des Gesetzes, nicht aber in einem Fall wie diesem in den Augen Unbefangener. Natürlich muß Frau Groß, der ich Abschrift dieser Zeilen schikke, nur auf Ihren u. nicht auf meinen Rat hören. Sollte ich in Graz vernommen werden, so würde ich natürlich das Zeugnis über eine Frage: „Was denn Frau Groß mir über Eva gesagt habe?“ – falls diese zugelassen würde – verweigern; ebenso meine Frau, ebenso nehme ich an: Prof. Lask, ebenso vermutlich Herr Lang. Denn würden wir aussagen, so müßte der Inhalt dieser Aussage unvermeidlich diskreditierend gegen die von Ihnen für möglich gehaltene Aussage der Frau Groß in’s Gewicht fallen.

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Übrigens kann sich Frau Groß in der Schweiz außer auf östreichische, sicher auch auf schweizerische Zeugnisverweigerungsgründe stützen u. das Gericht darf auf Grund verweigerten Zeugnisses doch keinenfalls die eheliche Konzeption für „ausgeschlossen“ erklären. 앚:Mit u.s.w.:앚

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Paul Siebeck 18. Mai 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 18/V 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! 1. Nachträglich zur Einteilung des Gesammtwerks: Wiedenfeld’s Titelberichtigung seines Beitrages habe ich noch nicht berücksichtigt.1 (ein Versehen, das mir leid thut!) 2. Schumacher:2 a) Geld- Bank- und Börsenwesen ist was Andres als „Börsenwesen“ allein.3 Davon war die Rede, jetzt von einem Buch über „Börsenwesen“. b) aber 앚:war:앚 nie a davon die Rede, daß beide identisch seien oder unsres nur ein Auszug aus dem Teubner’schen, wie es jetzt würde. Das geht nicht. Herzliche Grüße Max Weber. Ich schreibe ihm auch[.]4

a 1 Zu Kurt Wiedenfelds Vorschlag zur Titelberichtigung seiner GdS-Beiträge vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck, vor oder am 18. Mai 1914, oben, S. 673. 2 Zur Auseinandersetzung von Weber und Siebeck mit Hermann Schumacher wegen dessen Absicht, seinen umfangreichen projektierten GdS-Beitrag über Börsenwesen auch als Separatveröffentlichung bei B. G. Teubner erscheinen zu lassen, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, oben, S. 654, Anm. 1. 3 Paul Siebeck hatte Weber am 18. Mai 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) darauf hingewiesen, daß Hermann Schumacher anläßlich der Unterzeichnung seines GdS-Vertrages seinerzeit darauf aufmerksam gemacht hatte, daß er „seit längerer Zeit für ‚Teubners Handbücher für Handel und Industrie‘ einen Band über Geld- Bank- und Börsenwesen in Bearbeitung habe.“ 4 Ein entsprechender Brief Webers an Hermann Schumacher ist nicht nachgewiesen.

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Frieda Gross 19. Mai 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 32 – 33

Hbg 19/V 14 Liebe Frau Frieda, –

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haben Sie vielen Dank für Ihren Brief. Also die Geld-Vorschläge sind – bis auf meinen Brief an Otto Gross1 – ja erledigt. Sie haben ganz Recht: das können Sie nicht thun. In der Frage der Vernehmung als Zeugin2 scheine ich der einzige „Sehende“ zu sein. Dieser Eva-Prozeß ist nicht Ihr Leben, liebe Frau Frieda. Die „Wahrheit“ und die „Lüge“ unterscheiden sich dadurch: daß man die Folgen davon, daß man die Wahrheit sagt, leidlich berechnen kann: ungünstigstenfalls Verlust dieses Prozesses. Die Folgen der „Lüge“, in die man sich verstrickt, kann man aber niemals, in einem Fall wie diesem, berechnen. Eine gemeinsame Lüge mit Otto Gross bindet Sie an diesen. Ihm schadet das Lügen nichts, er wird als „Partei“ vernommen und ist „krank“. Sie nicht. Er hat Sie dann in der Hand. Ich könnte nicht so aussagen, wie Frl. Brüstlein,3 selbst wenn ich wollte. Denn ich habe, durch die 앚:früheren:앚 Briefe an Pellech (und jetzt an Sie), „ausgesagt“. Das kann ich nicht ungeschehen machen. Und was für Briefe von Ihnen existieren mögen, dasa wissen Sie auch nicht. Auch nicht was die Lisi4 aussagen würde. (Auch nicht was bandre Dritte einmal vielleichtb thun usw.) Pellech hat sich aber „festgeredet“ damals bei Schmidt und Rintelen.5 Das war ein 앚:(gewiß: schwer zu a daß > das

b Ihre Brüder > andre Dritte einmal vielleicht

1 Der Brief an Otto Gross ist nicht nachgewiesen, die „Geldvorschläge“ sind nicht bekannt. 2 Bei der Vernehmung hinsichtlich der Ehelichkeit von Eva Gross beabsichtigte Frieda Gross offenbar, die Zeugung des Kindes durch Otto Gross zu behaupten, also zu lügen. Weber hatte demgegenüber für die Inanspruchnahme des Rechts auf Zeugnisverweigerung in dieser Frage plädiert. 3 Die Aussage der Anwältin ist in den Akten nicht nachgewiesen. 4 Gemeint ist Lisi Höller, die von Hans Gross bezahlte Hausangestellte von Frieda Gross. 5 Bei einer Besprechung mit den Anwälten von Hans Gross in Graz hatte Pellech behauptet, Eva Gross sei das eheliche Kind von Otto Gross; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 7. und 8. April 1914, oben, S. 602 – 604.

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vermeidender):앚 Fehler 1)[.] Jetzt sollen Sie, um ihn 앚:nicht zu „desavouieren“,:앚 die Folgen tragen! Es wäre das Törichteste, was Sie je gethan hätten, denn – ich kenne Ihre Nerven und die Sorge, die nachher darauf lastet. Prof. Gross und Dr Kronauer könnte kein größerer Gefallen geschehen als durch eine irgendwie „verdächtigc“ zu machende 2) Aussage von Ihnen. Haben Sie „Augenmaß“ und lassen Sie das! Wenn Sie mich je für „klug“ gehalten haben, so glauben sie jetzt meinem kühlen Verstand, der Ihnen sagt: es wäre eine rasende Dummheit. Der Prozeß wird auch so gewonnen. Was schadet es, wenn er „Jahre“ dauert? Um so besser! Sie haben Zeit, Prof. Gross mit 67 Jahren nicht:6 Und Otto Gross wird irgendwann wieder frei, dann ist Alles aus. Und schließlich: wenn Sie für diese Instanz das Zeugnis verweigern, so können Sie in der zweiten Instanz immer noch aussagen, was Sie wollen. Bis dahin aber kann viel geschehen, was Alles überflüssig macht. – Soll ich Ihnen rathen, so sagen Sie nur: „1) Dann und dann war ich mit Otto Gross zusammen. Das ergeben meine Correspondenzen.“ „2) Jede Aussage über die andren Fragen würde mich dem Verdacht eines Ehebruchs aussetzen. Ich lehne sie daher ab.“ – Fertig. Bleiben 앚:Sie dabei, was immer der Richter und Gegenanwalt auch reden mögend!:앚 Und dann warten Sie ab, ob das Gericht nicht die Klage schon einfach daraufhin abweist. Gesetzlich muß es geschehen, denn es ist nichts bewiesen von Dem, was Prof. Gross beweisen müßte, um zu gewinnen. Für die Eva aber könnte jetzt die Illegitimität vielleicht weit erträglicher sein als Das, was ihrer Mutter infolge kurzsichtiger Verranntheite andernfalls passieren könnte. Handeln Sie anders – ich helfe Ihnen genau wie sonst. Aber ich bin dann ganz sicher, daß Sie die Fol-

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1)

denn seine damalige Behauptung: daß Sie über diese Dinge nicht gefragt werden würden, habe ich nie geglaubt und Sie sehen: sie war falsch. Das ist sein Fehler, den er „ausbaden“ mag. 2) – geschweige denn: eine nachweislich unrichtige –

c O: zweifach unterstrichen.

d O: möge

e O: Verrantheit

6 Tatsächlich hat Hans Gross das Prozeßende nicht erlebt, er starb am 9. Dezember 1915.

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gen Ihres Handelns nicht erwägen. Andre können Ihnen das nicht abnehmen und laden sehr schwere Verantwortung auf sich, wenn sief es versuchen. In herzlicher Freundschaft Ihr Max Weber. Halten Sie die Chancen der Peter-Sache nicht für zu günstig, sonst erleben Sie Enttäuschungen. Es ist vortrefflich, daß der Richter Zill an Lang7 als Vormund denkt. Aber es ist ungesetzlich 3) und die Beschwerdeinstanz würde auf Rekurs von Prof. Gross den Beschluß m. E. bestimmt umstoßen. Nur wäreg ein solcher Beschluß ein vorzügliches Druckmittel auf Prof. Gross und erleichtert den Sieg Ihnen auf Grund der späteren Eingaben Pellech’s. 3)

das sagt ja Pellech selbst!

f O: Sie

g ist > wäre

7 Otto Lang hatte sich neben Frieda Gross als Mitvormund angeboten.

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Frieda Gross 21. Mai [1914]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 21/V Liebe Frau Frieda! Das Fortgehen Frick’s1 jetzt hat ganz wenig Nutzen. Es sieht „absichtsvoll“ aus. Damals nur, im Winter oder Frühjahr, wäre die HaushaltsTrennung wichtig gewesen. Aber das ist erledigt und einerlei. – In der Eva-Sache wärea ich froh, wenn mein Mitwissen Sie hindern sollte, falsch zu handeln. In der That: läßt der Alte mich vernehmen,2 dann kann ich nicht so weltunerfahren handeln, beib mindestens 5 Mitwissern und 앚:einem Dutzend vorhandener:앚 Briefe, eine falsche Aussage zu machen, thäte ich esc selbst sonst. Ich begebe mich nicht in Abhängigkeit von fremder Vorsicht und fremder Gutwilligkeit; das geht nicht. Und eine Verweigerung des Zeugnisses, zu der ich natürlich entschlossen bin, kann, wenn der Alte hartnäckig bleibt, unangenehme und 앚:vor Allem doch etwas:앚 unverhältnismäßige Zeugniszwangsfolgen 앚:(Einsperrung bis zu 1/2 Jahr, beliebig hohe Geldstrafen für jeden neuen Fall):앚 haben. Andre aber sind ja in gleicher Lage wie ich. Verrennen Sie Sich nicht kurzsichtig in eine 앚:(vielleicht):앚 sehr üble Lage und behalten Sie Augenmaß und Überblick. Dann kann Ihr Verhalten nicht zweifelhaft sein.1) – – Nach dem neusten Brief Pellech’s wird es natürlich doch 앚:sehr:앚 zweifelhaft sein. Und ich wiederhole: wie Sie auch handeln, ich helfe Ihnen überall, wo nötig, weiter. Nur: wenn Prof. Gross so rabiat wäred, daß er Herrn Rintelen zu 20 gleichgültigen Terminen reisen ließe, dann würde er auch uns alle vernehmen lassen. Und dann komme ich in die 1)

a bin > wäre

b mit > bei

c

d ist > wäre

1 Ernst Frick bezog im Sommer 1914 eine Wohnung in einem in der Nähe liegenden anderen Haus des Vermieters Giovanni Abbondio. 2 Gemeint ist die Möglichkeit, daß Max Weber in dem von Hans Gross angestrengten Prozeß gegen Frieda Gross vernommen werden könnte; er hatte sich als Zeuge angeboten.

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Und nun vor Allem Dank für Das was Sie schreiben – über den bewußten 앚:persönlichen:앚 Punkt. Es war wohl thöricht von mir – aber unmöglich können Sie wissen, daß und warum ich dene andren Fall allerdings doch 앚:als:앚 eine sehr nahe Analogie3 empfinden mußte. f앚:Sie wissen nicht, wie die Dinge damals lagen, und:앚f wie der Einzelne gehandelt hat, weiß er letztlich nur selbst. Und so 앚:weiß:앚 auch ich allein: ob ich Ihrg für 앚:alle:앚 erotischen Frauen2) so naheliegendes Urteil – in jenem Fall! – verdiente. Daß Sie es 앚:aber:앚 aussprachen, das freut mich; denn ich hatte allerdings ohnehin ja ohne Schwierigkeit in Ascona gefühlt: daß Sie es hatten. Zu sagen habe ich dazu freilich: ich habe damalsh so bewußt nach so bestimmten „Zwecken“ gehandelt und unter so genauer Überlegung der „Mittel“, daß es jenes Zwischenstadium „unbewußter Wünsche“ hier nicht giebt, sondern: entweder – oder.3) Und nun wissen Sie, daß ich ganz unmöglich an Sie jetzt den „Anspruch“ stellen kann, ein Handeln richtig sehen zu können, für dessen Beurteilung Ihnen ja gewisse Voraussetzungen nicht zur Hand sind.

Lage, Ihnen sehr schwere Ungelegenheiten zu bereiten[.] Denn keinen dieser Briefe hier könnte ich – wenn ich wirklich aussage und von Rintelen entsprechend gefragt werde, verschweigen. Also bliebe nur die Verweigerung des Zeugnisses. Diese geschieht gern. Und nun: ich „rathe“ nichts mehr. 2) Sie glauben mir, bitte, daß ich diesen Ausdruck ohne den leisesten Anflug von „Kritik“ brauche! Er ist nur schwer zu ersetzen[.] 3) Ganz deutlich: wenn Jemand mir die Obhut seiner Liebe anvertraut, bin ich nicht der Mann, „unbewußten Wünschen“ Einfluß auf mein Handeln zu gestatten. Und wenn ich den erotischen Interessen Jemandes entgegengehandelt habe – aus welchem Grund immer – so bin ich nicht der Mann das abzuleugnen. Das „fühlten“ Sie nicht und da Sie es nicht fühlten, hatten Worte keinen Zweck, denn Sie werden es auch nicht „fühlen“. Else J[affé], für die ich wirklich schwierige (für meine Natur schwierige) Dinge gethan hatte – nun, sie hätte es vielleicht „fühlen“ können. – Ihnen kann ich „Übermenschliches“ nicht zumuthen. e in > den f Denn > 앚: Sie wissen nicht, wie die Dinge damals lagen, und:앚 > Ihr h da > damals 3 Die Analogie war die Beziehungskonstellation mit Else Jaffé im Jahre 1910.

g jenes

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Und das ist auch ungemein unwichtig; aberi vor Allem: es ist mir lieber, Sie trauen mir lieber 앚:in einem Einzelfall einmal:앚 etwas zu viel im Üblen zu, als das Gegenteil. Das erleichtert die Beziehung, welche nur durch den Verdacht mangelnder Offenheit leiden könnte, denn es betrifft ja Dinge, die Sie innerlich nicht angehen. – Freilichk: an Else J[affé] habe ich s. Z. die Anforderung gestellt: die Kraft der Seele und des Glaubens zu haben, in Dingen die sie angingen das Richtige sehen zu wollen. Obwohl ich es ihr wahrlich nicht leicht machte – denn sie kennt die Zusammenhänge bis heut nicht (will sie auch nicht kennen). Und obwohl sie um ihres seelischen „Comfort“’s4 willen innerlichst daran interessiert war und bleibt, sie so zu sehen wie sie sie auch Ihnen gezeigt hat. Nun – jene Anforderung konnte Else J[affé] 앚:nach ihrer seelischen Natur:앚 nicht erfüllen. Das hätte ich wissen können und also widerfuhr mir 앚:eigentlich:앚 nichts Unvorhersehbares. In der That: ich habe das auch 앚:damals:앚 – ich gestehe: unter Qualen – fortgesetzt erwartet, um aber dann doch nicht umhin zu können, durch die Thatsache selbst mich häßlich beschmutzt zu fühlen und das dann als „unverdient“ zu empfinden. Das war wohl recht töricht: denn ich mußte wissen und wußte, daß erotische Frauen die Dinge schon an sich „so“ sehen und vollends: daß ihre erotische Interessenlage allein entscheidet: wie sie die Menschen sehen. Und daraus hätte ich die Consequenz, die ich inzwischen, sehr zu meinem Vorteil, für die Grenzen des Vertrauens auf Freundschaft von Frauen, die der Liebe leben, gezogen habe, schon vorher ziehen sollen. – Möglich, daß damit manche Möglichkeiten feiner Schönheit aus dem Leben schwinden; aber es geht auch so. – Nun nehmen Sie das nicht etwa persönlich tragisch: wir können uns trotzdem recht gut vertragen. Nur erwarten Sie nicht, daß ich, weil Sie also jetzt jene Annahme nicht gemacht haben (ich dachte übrigens, 앚:wenigstens:앚 in erster Reihe, auch an „Moralismus“ als Motiv), – daß ich nun deshalb auch glaube: daß Sie sie nicht vielleicht schon morgen dennoch machen werden. Aber das wäre 앚:mir:앚 einerlei. Denn worauf ich mich verlasse und verlassenl zu können glaube, ist: daß Siem – im Gegensatz zu Else J[affé] – die Kraft der Freundschaft 앚:immerhin:앚 haben werden, es dann zu sagen: vonn dieser „Anforderung“ könnte i und > aber k l n 앚:??:앚 > von deutlicher Schrift.

m Wiederholung des Wortes Sie in betont

4 Immer wieder gebrauchte Formulierung für Else Jaffés Verhalten. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 21. Jan. 1911, MWG II/7, S. 56, und 10. April 1914, oben, S. 609.

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21. Mai 1914

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ich nicht absehen, und wenn Sie sie erfüllen, verbinden Sie sich mich dauernd – wie ich glaube versprechen zu können. – Von Else J[affé] aber wollen wir nun nicht mehr reden. Es ist zwecklos und schickt sich auch nicht für mich. Daß ich dieses Frühjahr etwas scharf über sie sprach, haben Sie nun vielleicht aus omeiner eigneno Situation verstanden. Dennoch hätte ich es besser unterlassen4); grade weil der Herbst dieser alten, doch schöner, als E[lse] J[affé] glaubt, gewesenen Empfindungen wohl bald kommen wird. Sie aber hat zwischen dem Comfort ihrer Seele und dem Gewicht, welches sie menschlich bei mir hatte, gewählt, zu Gunsten des erstern. Das war wohl allein das ihr Mögliche, also das Richtige. – Genug davon. – Haben Sie Dank, bleiben Sie pwie Sie sind gesonnen Ihremp Max Weber

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Lassen Sie Sich nicht – möchte ich nochmal sagen – durch Lask „beelenden“. Sehen Sie: er steht Ihnen so nahe, daß ich ihm gegenüber, wenn ich grade einmal mit etwas von Ihnen nicht einverstanden bin, ganz rückhaltlos das sagen darf, denn ich schade Ihnen damit nicht. Und nun ist er ein wenig leicht dadurch „umzublasen“, d. h. er hat Sie so gern, daß ihn alle und jede „Kritik“ ganz aus dem Häuschen bringt und erq meint, man werde Sie im Stich lassen. Das ist so liebenswürdig an ihm, aber es macht ihn zumr Reporter 앚:an Sie:앚 앚:zu aufgeregt:앚 nicht sehr objektiv. Daß ich ein paars Mal heftig wurde, hatte seinen Grund darin, daß meiner Ansicht nach ein Dritter keinesfalls die Verantwortung tragen durfte dafür, daß Sie einen Vergleich 앚:prinzipiell:앚 ablehnten. (Inzwischen ist er ja gescheitert).

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Ich spürte natürlich fortwährend: „was redest du dat von diesen Dingen – diese Frau glaubt Dir nicht und kann Dir gar nicht glauben. Es war etwas strapazant und auch deshalb wurde ich ein wenig zu scharf. Es ist mir das Alles nachträglich nicht lieb, aber nun ist es vorbei.

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4)

o der > meiner eignen p gut Ihrem > wie Sie sind gesonnen Ihrem t der> r als > zum s O: par

q einer heutigen

1 Gemeint ist die Korrektur zum Vorwort des GdS; vgl. dazu auch Telegramm und Karte an Paul Siebeck vom 31. Mai 1914, unten, S. 694 und 695. 2 Brief an Robert Michels vom 30. Mai 1914, oben, S. 688 f.; zu den Gründen für Webers Schiedsrichteramt im Konflikt Michels contra Siebeck vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 23. April 1914, oben, S. 639 f., Anm. 2. 3 Zum Konflikt zwischen Siebeck und Michels wegen der Publikation von dessen „Geschichte des italienischen Sozialismus“ vgl. den Brief an Robert Michels vom 30. Mai 1914, oben, S. 688 f., Anm. 2. 4 Dessen entsprechende Reaktion ist aus Webers Briefen an Michels vom 2. und 4. Juni 1914, unten, S. 696 – 698 und 701 f., zu entnehmen.

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30. Mai 1914

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Schumacher schrieb ich heute.5 Ihnen war s. Z. von mir mitgeteilt: daß im Vertrauen auf sein Wort 6 wir uns (Schulze-Gäv[ernitz] gegenüber)7 gebunden haben. Sein Vorschlag eines schlechten Beitrags ist inacceptabel.8 Er soll Termin angeben. Wollen Sie nicht Schulze-Gävernitz jetzt energisch mahnen?9 Ich bin auch bereit. Ferner: Schwiedland (von mir schon gemahnt),10 Vogelstein, Grünberg?11 Herzliche Grüße! Max Weber

5 Der Brief Webers an Hermann Schumacher ist nicht nachgewiesen. Wie aus dem folgenden hervorgeht, stand er in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung von Weber und Siebeck mit Schumacher wegen dessen Absicht einer Separatveröffentlichung seines umfangreichen GdS-Beitrages über Börsenwesen sowie wegen des Problems der Manuskriptablieferung; zu Entstehung und Verlauf dieser Kontroverse vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, oben, S. 654, Anm. 1. 6 Mitteilung Webers an Paul Siebeck, vor oder am 25. Nov. 1913, oben, S. 401, Schumacher habe die Lieferung seines Beitrags „bis Februar garantiert “. 7 Mit Gerhart v. Schulze-Gaevernitz war im November 1913 vereinbart worden, daß sein Manuskript zum GdS-Beitrag: Deutsche Kreditbank, bis 1. März 1915 im Buchhandel erscheinen werde; zum Grund dieser Übereinkunft vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Johann Plenge vom 8. Nov. 1913, oben, S. 359. Auch war der Druckbeginn von Siebeck für Februar 1914 in Aussicht genommen worden, doch hatte v. Schulze-Gaevernitz sein Manuskript bislang noch nicht an den Verlag zurückgeschickt; siehe dazu Anm. 9. 8 Hermann Schumacher hatte in seinem Brief an Paul Siebeck vom 24. Mai 1914 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), den Weber in seinem Schreiben an Siebeck vom 29. Mai 1914, oben, S. 686, als „unverschämt“ charakterisiert hatte, auf die Unvereinbarkeit seiner und des Verlegers Interessen hingewiesen: „Sie verfolgen geschäftliche Interessen und Ihnen liegt an einer möglichst schnellen Erfüllung der juristischen Verpflichtung, die ich übereilt und unter völliger Verkennung der Schwierigkeiten seinerzeit übernommen habe. Ich erkläre mich heute ausdrücklich bereit, Ihnen ein Manuscript im ursprünglich vereinbarten Umfang in etwa 8 Tagen zu liefern. Es kann das zwar wissenschaftlich nichts Bemerkenswertes sein, dürfte aber auch hinter andern Beiträgen, was mir inzwischen bekannt geworden ist, in der Qualität durchaus nicht zurückstehen. Sie erhalten damit das gewünschte ‚Futter‘ für Ihre Maschine und ich bekomme die Freiheit, mein fast fertiges Werk nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausreifen zu lassen.“ 9 Dazu bemerkte Paul Siebeck in seiner Antwort vom 3. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß er, bevor die Beiträge von Schumacher und Julius Hirsch nicht vorlägen, „von Schulze-Gaevernitz nicht wohl energisch mahnen“ könne. 10 Das Schreiben Webers an Eugen Schwiedland ist nicht nachgewiesen. 11 Die entsprechenden Mahnbriefe gingen laut Siebecks Mitteilung vom 3. Juni 1914 (wie Anm. 9) noch am gleichen Tage hinaus.

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31. Mai 1914

Paul Siebeck 31. Mai 1914; Heidelberg Telegramm VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Telegramm trägt den Aufnahmevermerk: „5 Uhr 41 Min. nachm.“. Es steht in Zusammenhang mit der Frage der Veröffentlichung des Passus im Vorwort des GdS, in welchem über dessen Abgrenzung bzw. Beziehung zum früheren Schönbergschen „Handbuch der Politischen Ökonomie“ Stellung genommen wurde; zum definitiven Wortlaut dieser Passage vgl. Anhang 2, unten, S. 819.

nach stets erneuter ueberlegung schlage vor vorwort unveraendert zu lassen = weber

31. Mai 1914

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Paul Siebeck PSt 31. Mai 1914, PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte enthält auf der Rückseite oberhalb der Adressatenangabe den eigenhändigen, zweifach unterstrichenen Vermerk Max Webers: „Eilpostkarte!“ Die Adressenseite der Karte trägt den postalischen Ausgangsstempel: „Heidelberg 31. 5. 14. 7 – 8 N.“.

Pfingstsonntag. Sehr verehrter Herr Dr Siebeck!

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Ich komme, nach allerhand Bemühungen, nicht mit einer andren Redaktion des Vorworts zu Stuhle. Mir scheinen keine dringenden Gründe gegen die bisherige Fassung vorzuliegen.1 Sie enthält doch, für diejenigen, „die es angeht“, Alles, was nötig ist, und nicht viel mehr. Wenn Sie stilistischea Änderungen wünschen, stelle ich Sie Ihnen allein, ohne Rückfrage bei mir, ganz anheim. Nur sachlich möchte ich Alles lassen, wie es ist. Entschuldigen Sie, daß so noch ein Tag verloren ging! Ich hoffe wir sind nun fertig. Juristisch sind Sie ja nun ganz sicher gedeckt. – Was hat eigentlich v. Schulze-Gävernitz von sich hören lassen?2 Gar nichts?? Herzlichen Gruß! Maxb Weber

a O: zweifach unterstrichen.

b Max > Max

1 Paul Siebeck hatte nach einer Besprechung mit seinem Rechtsanwalt Ernst Kielmeyer in Stuttgart am 25. Mai 1914 Weber am 27. Mai 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mehrere Entwürfe für das Vorwort des GdS zugesandt, von denen allerdings nur einer nachgewiesen ist. 2 Vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 30. Mai 1914, oben, S. 693, Anm. 7.

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2. Juni 1914

Robert Michels 2. Juni 1914; Heidelberg Brief; von der Hand Marianne Webers, mit eigenhändigen Zusätzen Max Webers AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 117 Der hier abgedruckte Brief sowie das folgende Schreiben an Robert Michels vom 4. Juni 1914, unten, S. 701f., stehen in Zusammenhang mit Max Webers Schiedsspruch vom 30. Mai 1914, oben, S. 688 f., wegen der Kündigung eines Verlagsvertrags durch Paul Siebeck. Es ging dabei um die Publikation von Michels’ Buch „Über den Patriotismus“; zu Entstehung und Verlauf dieser Kontroverse vgl. Webers Brief an Paul Siebeck vom 23. April 1914, oben, S. 639 f., Anm. 2.

Heidelberg 2.6.14 Diktiert!

Lieber Michels! Es muß bei dem Schiedsspruch sein Bewenden haben. Siebeck, dem ich ihn mitteilte[,] wird unter den „besonderen Umständen“ natürlich die von ihm angegebenen Gründe, (nämlich: schnelles Veralten) verstehen. Wenn die Angabe: daß Ihnen ein 앚:„überaus:앚 vorteilhaftes Angebot“ vorliege, nicht zutraf, so kann ich nichts dafür. Ohne diese Angabe hätte ich den Schiedsspruch 앚:ähnlich:앚 motiviert abgelehnt, keinenfalls aber zu Ihren Gunsten entschieden. Ich bitte Sie, Vorwürfe gegen Siebeck zu unterlassen1). Halten Sie Sich doch an die richtigen Personen. In dem Fall des „Sozial[ismus] Italiens“ hatte Siebeck sich nie die Kompetenz der Ablehnung zugeschrieben: Wahl hat (wie Sie doch wissen?) 앚:ihm:앚 Ihr Manuskript mit seiner Kritik unterbreitet.1 Die darauf 1)a

Ich kann nicht dulden, daß ein mir befreundeter Verleger „Lügner“ und „ruppig“ tituliert wird und erst recht nicht dazu mitwirken, daß er dann Bücher von Ihnen verlegen soll!a

a Eigenhändige Anmerkung Max Webers. 1 Zu Adalbert Wahls Einwänden gegen das Manuskript „Geschichte des Sozialismus in Italien“ vgl. den Brief an Michels vom 30. Mai 1914, oben, S. 688 f., Anm. 2.

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2. Juni 1914

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hin erfolgte Ablehnung Siebeck’s als „Ruppigkeit“ zu bezeichnen[,] ist also unerlaubt, und dieser Vorgang war wohl geeignet S[iebeck] zu berechtigen in der zweiten Angelegenheit („Patriotismus“) es 앚:juristisch:앚 genau zu nehmen. Aber ich bin es, der dies sagt, nicht Siebeck. Dieser hat, als ich ihm mitteilte: „geschäftlich würde das Buch schon gehen“, einfach geantwortet „das sei ihm jetztb nach Berufung cauf den Schiedsspruchc einerlei, er werde das Buch unbesehen drucken, wenn ich einen entsprechenden Schiedsspruch abgäbe, sonst nicht.“ Ich aber kann nicht die Verantwortung auf mich laden, durch einen in mein freies Billigkeitsgefühl gestellten Schiedsspruch Siebeck ein Buch drucken zu lassen, über das er sich vielleicht nachher ärgert – aus den gleichen Gründen wie beim „Sozial[ismus] Italiens“. Und ich werde darin durch Ihr bisheriges Verhalten in den „Archiv“-Angelegenheiten bestärkt. Auch eine zugesagte und bestellte Arbeit ist nach Verlagsrecht von einer Zeitschrift abzulehnen, wenn sie wissenschaftlich deren Ansehen gefährdet. Sie haben, obwohl Sie die Minderwertigkeit des Elaborats jener Dame2 zugaben, dennoch, aus persönlichen Gründen, darauf bestanden; und vollends unrichtig war es, daß Sie das Odium der Ablehnung des Gide’schen „Mists“3 Andern zuschoben, statt – entschuldigen Sie! – selbst Ihre verdammte Pflicht u. Schuldigkeit 앚:Gide gegenüber:앚 zu thun! Ich bin es der dies sagt, nicht Lederer, der seine grundehrliche Haut „Mitherausgebern“ und „Ordinarien“ gegenüber zu Markt trägt; ich allein „stecke dahinter“. Lederer hält sich sehr bescheiden zurück 앚:und hat noch kein scharfes Wort gegen Sie gesagt. –:앚 Nach dieser meiner Kenntniß der Dinge konnte ich ohne Einsicht des Manuskriptes, welches zu fordern doch kränkend gewesen wäre u. mich einem Refus ausgesetzt hätte, nur gegen Sie entscheiden. – Ich scheine der einzige Mensch zu sein, der Ihnen unangenehme Wahrheiten sagt! Aber ich opfere einer Freundschaft keinen Zoll meines Gewissens. Wollen Sie daraufhin unsrer Freundschaft ein Ende machen, wie es scheint, so muß es geschehen, so leid es mir thun mag. b

c des Schiedsspruchs > auf den Schiedsspruch

2 Gemeint ist ein nicht nachgewiesener Artikel von Gina Lombroso Ferrero; vgl. dazu den Brief an Michels vom 30. Mai 1914, oben, S. 689, Anm. 3. 3 Um welchen Artikel von Charles Gide es sich dabei handelte, läßt sich auch aus der Korrespondenz von Charles Gide mit Michels in dessen Nachlaß im AFLE in Turin nicht ermitteln.

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2. Juni 1914

앚:Als ich Sie in Basel zu treffen suchte, hatte ich einen ziemlichen „Sack“ voll solcher „Wahrheiten“, persönliche und sachliche, auf dem Herzen. Die besten Wünsche für die Gesundheit Ihrer Frau4 und Ihnen Erfolg im Baseler Lehramt! Ihr Max Weber:앚

4 Die Privatkorrespondenz im Nl. Michels im AFLE in Turin enthält keine genaueren Angaben über die Art der Krankheit von Gisela Michels-Lindner; es ist da lediglich von „malattia“ die Rede.

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2. Juni 1914

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Ferdinand Tönnies 2. Juni 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 76

Heidelberg, den 2.6.14. Lieber F. Tönnies!

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Vielen Dank!1 Die höchst eigenartigen mich sehr überraschenden Resultate Ihrer Untersuchung halte ich für schlüssig dargetan ohne jeden Vorbehalt; nun bin icha auf die Deutung außerordentlich begierig. Aber mir ist vor allem höchst erfreulich und wichtig, daß einmal wieder eine Probe der Leistungsfähigkeit Ihrer Gruppierungsmethode2 vorgelegt wird, von welcher Sie ja vom Philosophenkongreß wissen, wie originell und durchdacht ich sieb finde.3 Ich habe die Tabellen aufmerksam durchgesehen und den Text damit aufmerksam verglichen und kann ausschließlich und allein sagen: es ist so wie Sie sagen. Ja, die typischen Erfahrungen in Fakultäten kenne ich gut! Und doch – soll man die Bürokratisierung als Abhilfe wünschen, weil sie in einem Großstaat immerhin einen lokal weiteren Gesichtskreis hat, haben kann? und das Amt niederlegen? – nein, verehrter Freund[,] das wäre sinnlos. Lassen Sie sich disziplinieren, absetzen, wenn Ihnen die Freiheit der Rede beschnitten wird, das hat Sinn. Aber dazu muß der a Fehlt in Abschrift; ich sinngemäß ergänzt.

b In Abschrift: Sie

1 Weber bezieht sich im folgenden auf einen Artikel von Tönnies, der wenig später unter dem Titel: Die Gesetzmäßigkeit in der Bewegung der Bevölkerung, in: AfSSp, Bd. 39, 1914, S. 150 – 173 und S. 767 – 794, erschienen ist. 2 Gemeint ist die Korrelationsbestimmung bzw. -analyse statistischer Reihen und die Gewinnung von Korrelationskoeffizienten durch einfache graphische Verfahren ohne Anwendung der Differentialrechnung, wie sie der englische Mathematiker Karl Pearson angewandt hatte. Vgl. dazu Tönnies’ Bemerkung in seinem Artikel: Eine neue Methode der Vergleichung statistischer Reihen (im Anschluß an Mitteilungen über kriminalistische Forschungen), in: SchmJb, Jg. 33, Heft 2, 1909, S. 699 – 720; ebd., S. 709f., Anm. 1. 3 Tönnies’ Vortrag auf dem Internationalen Philosophenkongreß 1908 in Heidelberg zu dem Thema: Über eine Methode moralstatistischer Forschung, hatte auf Weber großen Eindruck gemacht. Er stufte ihn damals als „sehr erheblich“ ein und hielt ihn zugleich für „das beste“, was er „(außer ‚Gemeinschaft u. Gesellschaft‘) von Tönnies kenne.“ Brief an Edgar Jaffé, am oder nach dem 4. Sept. 1908 (MWG II/5, S. 654).

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2. Juni 1914

Anlaß gut gewählt sein. Und im Ganzen muß ich sagen: An Sie, der ein Leben lang ein Martyrium getragen hat[,] richtet sich nicht in erster Linie die Anforderung[,] auch jetzt gegebenen Falles, nachdem Sie über die Mittagshöhe der Lebenszeit hinaus sind, nervöse Strapazen auf sich zu nehmen und Ihre wertvollen wissenschaftlichen Arbeiten dafür zu opfern. Das mögen Jüngere tun[.] Freilich …c! Ich hoffe[,] ein ganz konkreter Anlaß liegt nicht vor. Freundschaftlichen Gruß Max Weber.

c Auslassungszeichen in Abschrift.

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4. Juni 1914

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Robert Michels 4. Juni PSt 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 118 Jahresdatum erschlossen aus dem in Fasz. 118 beiliegenden Briefumschlag. Der hier abgedruckte Brief steht in Zusammenhang mit Max Webers Schiedsspruch vom 30. Mai 1914, oben, S. 688 f., wegen der Kündigung eines Verlagsvertrags durch Paul Siebeck. Es ging dabei um die Publikation von Michels’ Buch „Über den Patriotismus“; zu Entstehung und Verlauf dieser Kontroverse vgl. Brief an Paul Siebeck vom 23. April 1914, oben, S. 639 f., Anm. 2.

Heidelberg 4/VI Ziegelh. Landstr. 17. Telefon 1401 Lieber Michels, 5

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– für diesen Fall, mit Siebeck, war Das, was Sie, wie Sie sagen, kränkt, in der That meine Ansicht. Die Verantwortung war mir zu groß. Ich hatte allerdings den Eindruck, daß Sie glaubten, Sich eine gewisse „Rücksichtslosigkeit“ von jener Art gestatten zu dürfen, wie sie Sombart mehrfach geübt hat und wie ich sie diesem schwer verdenke (ich zeigte Ihnen ja das Mscr. füra den „Grundriß“).1 Diesen Eindruck gewann ich aus dem Vorgang mit Wahl (Sozial[ismus] Italiens)2 und das – in Verbindung mit Ihrem Verhalten zum „Archiv“, welches ich auch als nicht rücksichtsvoll empfinde (denn seit Jahren ist die Beziehung zwischen Siebeck und Jaffé aufs Äußerste gespannt durch dessen zu großes Entgegenkommen gegen Autoren)[,] bestimmte mein Urteil. Natürlich muß S[iebeck] auf Sie schwer gereizt sein. Ebenso natürlich aber vermeidet er eine Erörterung, die ihn geschäftlich nutzlose Kraft und Zeit kostete. – Sie haben Sich zu ihm doch nicht als „Freund“ gestellt, der Anspruch auf „Aussprache“ hat. So stehe ich mit ihm und Sie mit mir. Warum er auf Sie gereizt ist, kann ich mir recht gut denken. Aber er hat Recht, das für sich zu behaltenb, am we-

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b

1 Gemeint ist das Manuskript zu: Sombart, Eigenart des modernen Kapitalismus. 2 Gemeint sind die Einwände Adalbert Wahls gegen die Publikation von Michels’ Manuskript „Geschichte des Sozialismus in Italien“; vgl. dazu den Brief an Michels vom 30. Mai 1914, oben, S. 689, Anm. 2.

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4. Juni 1914

nigsten aber: dasc dem Papier anzuvertrauen.3 Das thue ich auch nicht. Ich ging schon an die Grenzen des Möglichen. – Mündlich, als Freund, stehe ich djeden Tag und jede Stunde, auf die Sie sich anmeldend, zur Verfügung. Nach Baden kann ich nicht kommen[.] Freundschaftliche Grüße! Max Weber

c Alternative Lesung: es

d O: zweifach unterstrichen.

3 Vgl. dazu die Karte an Paul Siebeck vom 6. Juni 1914, unten, S. 706, Anm. 1.

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4. Juni 1914

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Paul Siebeck PSt 4. Juni 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Verehrtester Herr Doktor Siebeck!

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Es ist mir leid, vielleicht zu der Erörterung mit Oldenberg1 beigetragen zu haben. Aber der alte Titel entspricht in Wahrheit dem Inhalt 앚:auch:앚 genau und O[ldenberg] ist ein Pedant. – Die paara stehen gebliebenen falschen Titel können ja als „Druckfehler“ berichtigt werden. – Mit Michels korrespondiere ich2 앚:(er ist wütend, der:앚 Brief an Schumacher geht heut ab.)b 3 Es war nicht ganz einfach. Ist denn Wiedenfeld da?4 Schulze könnte man immerhin einmal fragen, wann er kommt.5 Spann schreckt mich nicht.6 Herzl. Gruß! Max Weber a O: par

b Klammer fehlt in O.

1 Karl Oldenberg hatte in einem Brief an Paul Siebeck vom 30. Mai 1914 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) sich darüber beschwert, daß die von ihm gewählte, bislang unbeanstandet gebliebene Überschrift „Konsumtion“ für seinen GdS-Beitrag nunmehr in den Aushängebögen in die alte Formulierung „Wirtschaft, Bedarf und Konsum“ umgeändert worden sei. 2 Robert Michels war verstimmt über Webers Urteil als Schiedsrichter in der Auseinandersetzung Michels contra Siebeck in Sachen Kündigung eines Verlagsvertrags; vgl. dazu die Briefe an Robert Michels vom 30. Mai sowie 2. und 4. Juni 1914, oben, S. 688 f., 696 – 698 und 701 f. 3 Der nicht nachgewiesene Brief Webers steht in Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Weber bzw. Siebeck und Hermann Schumacher wegen der Frage einer Separatveröffentlichung von dessen GdS-Beitrag über Börsenwesen bei B. G. Teubner sowie wegen des Problems von dessen Manuskriptablieferung; zu Ursprung und Verlauf dieses Streits vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, oben, S. 654, Anm. 1. 4 Gemeint ist das fehlende Manuskript zu: Wiedenfeld, Transportwesen. 5 Es geht hierbei um die Zusendung des GdS-Manuskripts zu: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank. Auf Paul Siebecks Anfrage vom 5. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361) erklärte v. Schulze-Gaevernitz am 9. Juni 1914 (ebd.), daß die Fertigstellung seines Beitrags durch parlamentarische Tätigkeit im Reichstag sowie Beteiligung an der Festschrift zu Lujo Brentanos 70. Geburtstag sich verzögert habe, daß er aber in der Lage sei, den ersten Teil „Anfang bis Mitte Juli […] und Anfang August den Schluß zu senden.“ 6 Paul Siebeck hatte Weber am 3. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von einer Notiz im Börsenblatt des deutschen Buchhandels berichtet, der zufolge Othmar Spann in Kürze eine „Gesellschaftslehre“ veröffentlichen werde.

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4. Juni 1914

Paul Siebeck PSt 4. Juni 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Verehrtester Herr Dr Siebeck! Mir fehlt bei den Aushängebogen: 1) Abt. II, Seite IX und X. 2) Abt. I, Bogen 21 und 22. Esa wird doch kein Versehen passieren? Bitte kontrollieren Sie doch nach, ob die Bogen auch gedruckt sind! Nochmals: den kleinen Fehler bei Oldenberg1 könnte man als „Druckfehler“ hinten berichtigen.2 Aber wichtig ist das nicht. Über die Ratsamkeit, lieber an die „Hilfe“ zu gehen (mit Ihres Herrn Sohnes Aufsatz) bin ich ganz Ihrer Ansicht.3 Herzliche Grüße! Max Weber a 1 Zur Verärgerung von Karl Oldenberg über die Verwendung einer alten Überschrift für seinen GdS-Artikel über „Konsumtion“ vgl. die Karte Webers an Paul Siebeck vom gleichen Tage, oben, S. 703. 2 Diese Berichtigung ist unterblieben. Der GdS-Artikel von: Oldenberg, Konsumtion, führt S. 104 – 112 den linksseitigen Kolumnentitel: Die Konsumtion, S. 114 – 164, den Titel: Wirtschaft, Bedarf und Konsum. 3 Anlaß zu dem Aufsatz Oskar Siebecks war eine Debatte in der Berliner Staatswissenschaftlichen Vereinigung über die Werturteilsfrage. Dazu schrieb Oskar Siebeck an Max Weber am 28. Mai 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß der Privatsekretär Gustav v. Schmollers, Franz Boese, „einen Vortrag über den Methodenstreit in der Nationalökonomie gehalten“ habe, der ihn durch „seine Dürftigkeit geradezu erschreckt“ habe: „Nicht geringer war meine Überraschung, als in der Diskussion die meistens sehr oberflächlichen Einwendungen Böses gegen die von Ihnen erhobenen methodischen Forderungen fast nur Unterstützung fanden. Als dann schließlich auch ältere Leute wie Jastrow und Oppenheimer anfingen, mit ähnlichen Argumenten wie Böse zu operieren, konnte ich nicht mehr anders, als aus derjenigen Zurückhaltung hervorzutreten, die ich in solchen Fällen sonst grundsätzlich beobachte. Ich hatte gerade kurz vorher Schumpeter gelesen [d. h. dessen GdS-Beitrag] und erreichte mit dem, was ich aus seinem Abriß referierte, wenigstens so viel, daß die Debatte von da an auf einem etwas höheren Niveau geführt wurde.“ Oskar Siebecks Absicht, seine abdiktierten Bemerkungen zu dieser Debatte in der „Frankfurter Zeitung“ zu veröffentlichen, stieß jedoch auf Bedenken von Paul Siebeck, da dies den Anschein erwecken könne, als wolle er „die Kritik über das Werk [d. h. den GdS] in der Frankfurter Zeitung irgendwie beeinflussen“, so Paul Siebecks Darlegung in seinem Brief an Weber vom 3. Juni 1914 (ebd.) Er schlug statt dessen als Publikationsort für

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4. Juni 1914

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Das Vorwort und Alles macht sich jetzt gut b!4

b O: zweifach unterstrichen. den Artikel seines Sohnes die „Hilfe“ vor. Der Beitrag Oskar Siebecks ist dann auch dort erschienen unter dem Titel: Geschichte und Theorie in der Sozialwissenschaft, ebd., Jg. 20, Nr. 29 vom 16. Juli 1914, S. 464 f. 4 Gemeint ist das Vorwort zum ersten Band des GdS.

6. Juni 1914

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Paul Siebeck PSt 6. Juni 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Verehrtester Herr Dr Siebeck! Besten Dank! Nun fehlt mir nur noch Aushängebogen 25 (der letzte) von Abt II a. (letzter Teil des Index). Michels gegenüber halte ich daran fest, daß ich von Ihnen „nichts“ weiß und nur meinerseits die betreffenden Vermutungen hege.1) 1 Das ist für Ihr beiderseitiges Verhältnis besser. Für M[ichels] erhoffe ich Nutzen aus unsrer Auseinandersetzung.2 Herzl. Gruß! Max Weber Nun also: gut Glück fürb den „Grundriß“.

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P.S. Noch Eins: Sie geben doch Einbanddecken heraus? Das würde ich dann rathen, womöglich schon bei der Versendung mit anzuzeigen. Ich erbitte s. Z. eine solche. M.W.

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Ferner schlage ich vor: v. Schmoller, Exc. (Berlin W. Wormserstr. 13) von Verlag und Redaktion 1 Expl. zu schicken. Es rentiert sich! 1)

Halten Sie es ihm gegenüber bitte ebenso.

a O: zweifach unterstrichen.

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1 Die eigentliche Ursache für Paul Siebecks Kündigung des Verlagsvertrags mit Robert Michels über das Buch „Über den Patriotismus“ lag in dessen Tätigkeit als Herausgeber des „Handwörterbuchs der Soziologie“, wie es Siebeck in seinem Brief an Weber vom 3. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) noch einmal bestätigt hatte: „Für Ihren Schiedsspruch in Sachen Michels danke ich Ihnen bestens. Ich gebe ohne weiteres zu, daß in der Lösung des Vertrags eine Unfreundlichkeit und folglich eine Unbilligkeit erblickt werden kann, aber ich bin eben wiederholt von Michels gereizt worden, und bin namentlich wegen seiner Übernahme des soziologischen Lexikons sehr verstimmt über ihn. Ich fürchte die Konkurrenz gewiß nicht, aber sie ist zum mindesten unnötig, und ob es von Michels als Mitarbeiter des Grundrisses ganz fair war, so frühzeitig die Hand zu einem Konkurrenzunternehmen zu bieten, mag dahingestellt sein.“ 2 Vgl. dazu die Briefe an Robert Michels vom 2. und 4. Juni 1914, oben, S. 696 – 698 und 701 f., im Anschluß an Webers Schiedsspruch vom 30. Mai 1914, oben, S. 688 f.

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8. Juni 1914

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Robert Michels PSt 8. Juni 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 119

Lieber Michels,

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– es thut mir leid zu hören[,] daß es Ihnen schlecht geht, ich hoffe, daß es Ihrer Frau1 umso besser gehen möge. Außer kommenden Samstag 5 – 8 Nachm. bin ich jeden Tag und jede Stunde bereit. Aber es thut mir leid, daß Sie von einem „Gang“ sprechen, der Ihnen offenbar nicht angenehm ist.2 Ich habe ja versucht Sie in Basel zu treffen, eigentlich nur um Sie einmal in Ruhe zu sprechen (damals vorwiegend über „Archiv“-Sachen und einiges Andre, was in ähnliche Kategorien gehört wie dieser Streit). Also lassen Sie Sich bitte völlig Zeit, bis es Ihnen einmal bequem ist. Ich kann in absehbarer Zeit nicht reisen, sonst könnten wir uns mittewegs treffen. Freundschaftlich Ihr Max Weber

1 D. h. Gisela Michels-Lindner. 2 Offensichtlich war Michels immer noch verstimmt über Webers Schiedsspruch in der Streitsache Michels contra Paul Siebeck. Zum Schiedsspruch selbst vgl. den Brief an Michels vom 30. Mai 1914, oben, S. 688 f., sowie zu dessen Hintergrund den Brief an Paul Siebeck vom 23. April 1914, oben, S. 639 f., Anm. 2.

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11. Juni 1914

Paul Siebeck 11. Juni 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 11/VI 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! 1. Aus dem beifolgenden Brief Schumachers ersehen Sie, daß er uns am Narrenseil führt.1 Es bleibt nichts übrig, als ihm zu schreiben: wann er abliefern solle. Das überlasse ich ganz Ihnen (etwa Ende des Monats?)2 Wir bekommen etwas Gutes doch nicht von ihm, das ist klar. Er hatte einfach noch nichts gearbeitet, als er die Versicherung abgab, am 1. II. abliefern zu wollen3 und wird nun nicht fertig. Die Behauptung, daß unsre Korrespondenz unangenehme „Formen“ angenommen habe, ist ein starkes Stück.4 Ich stelle anheim, den 1 Der Brief Hermann Schumachers an Weber vom 6. Juni 1914 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361) steht in Zusammenhang mit ihrer Auseinandersetzung über eine Separatveröffentlichung von dessen GdS-Manuskript über Börsenwesen bei B. G. Teubner sowie der Frage der Manuskriptablieferung: „Auf Ihren soeben erhaltenen Brief vom gestrigen Tage beeile ich mich, zu erwidern, daß ich glaubte, im Interesse Ihres Unternehmens zu handeln, als ich die ganze Arbeit, zu der sich meine Börsenstudien gegen meine Absicht ausgewachsen haben, anbot. Allerdings will ich sie nur veröffentlichen, wenn ich sie für völlig reif halte. Aus der Gesamtlage Ihres Unternehmens […] glaubte ich ein Urteil gewinnen zu können, ob die Interessen Ihres Unternehmens und meine Interessen sich vereinigen lassen. Ich nehme jetzt endgiltig an, daß das nicht der Fall ist. Sie erhalten infolgedessen meinen Beitrag im ursprünglich vereinbarten Umfang. Seine wissenschaftliche Qualität entspricht natürlich vollständig diesem Umfang. Aber in diesem Umfang läßt das gesamte Börsenwesen mit seinen vielen schwierigen Problemen sich ebensowenig so behandeln, daß ‚wissenschaftlich Bemerkenswertes‘ dabei heraus kommt, wie das bei anderen Beiträgen nach dem vorgesehenen Umfang der Fall ist. Darüber haben verschiedene Autoren mir selbst geklagt.“ 2 Paul Siebeck sah sich schon am 15. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361) durch eine Mitteilung Schumachers vom Vortage (ebd.) dazu veranlaßt, an diesen zu schreiben. In seinem Brief unterstrich er, daß er als Verleger am Verlagsvertrag festzuhalten gedenke, und wies Schumacher auf dessen frühere Ankündigung hin, sein GdS-Manuskript „innerhalb 8 Tagen […] in dem früher vereinbarten Umfange“ liefern zu können, und konzedierte ihm dafür einen Spielraum bis 30. Juni 1914. 3 Vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck, vor oder am 25. Nov. 1913, oben, S. 400. 4 So Schumacher im Schlußteil seines Briefs an Weber vom 6. Juni 1914 (wie Anm. 1): „Auf Ihre weiteren Ausführungen gehe ich nicht ein. Ich sehe aus ihnen, daß Sie für meine Lage, mein Bestreben und mein Interesse kein Verständnis haben und daß meine Worte und Handlungen nur Misdeutungen ausgesetzt sind. Auch möchte ich nicht

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betreffenden Brief – er war von meiner Frau (dictando) geschrieben, die seine absolute Höflichkeit bestätigen muß – Sich schicken zu lassen.5 Ich habe ihn nach der Quelle seiner Behauptung: auch andre Beiträge enthielten „nichts Bemerkenswerthes“,6 fragen müssen und es ist ihm peinlich, einzugestehen: daß er eine solche nicht hat.7 „Hinc illae lacrimae“.8 Jetzt habe ich natürlich unser persönliches Verhältnis gelöst. Wie gesagt:a wann er je abgeliefert hätte, kann kein Mensch wissen. Es ist also glaube ich besser so, wie er es jetzt macht. Für die 2. Auflage nimmt man wohl besser einen andren Autor an seiner Stelle.9 2. Ich schicke morgen (heut ist Feiertag) einige Grundrißmanuskripte.10 Der Druck ist eben zeitweise sehr beeilt worden, und so angenehm das sonst ist, so führtb es in diesem Fall sicher noch öfter zu Stockungen. Es eilt ja an sich jetzt nicht. 3. Schönberg kann nichts machen.11 Herzliche Grüße Ihr a b ist > führt Max Weber eine Korrespondenz fortsetzen, die Formen annimmt, die mir bisher völlig unbekannt sind.“ 5 Tatsächlich hat Paul Siebeck am 12. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361) Hermann Schumacher um Zusendung des betreffenden Briefes gebeten, jedoch schickte dieser daraufhin an Weber zwecks Weiterleitung an den Verleger das falsche Schreiben; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 16. Juni 1914, unten, S. 719. 6 Diese Behauptung hatte Schumacher zunächst in seinem Brief an Paul Siebeck vom 24. Mai 1914 aufgestellt; zum Wortlaut vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 30. Mai 1914, oben, S. 693, Anm. 8; siehe dazu auch Anm. 1 dieses Briefs. 7 Paul Siebeck äußerte in seinem Brief an Weber vom 12. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) die Vermutung, daß Schumacher von Julius Hirsch „etwas über den Sieveking’schen Beitrag gehört“ habe „und das dort Gehörte nun mehr oder weniger verallgemeinern zu können glaubte. An den inzwischen erschienenen Abteilungen I und II kann er ja nun sein Urteil nachprüfen.“ 8 Der Spruch „Hinc illae lacrumae“ in der Komödie „Andria“ von Terenz, I, 1, 99, bezeichnet eine Gemütsregung, die sich aus ganz anderem Grunde manifestiert, als der uneingeweihte Betrachter zunächst vermutet oder vermuten muß. Der Spruch findet sich als Zitat schon bei Cicero, pro Caelio 25, 61, sowie Horaz, Epistulae I, 19, 41. 9 Der GdS-Beitrag über Börsenwesen ist nicht erschienen. 10 Vgl. dazu die Karte an Paul Siebeck vom 12. Juni 1914, unten, S. 710. 11 Paul Siebeck hatte seinem Brief vom 10. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) ein nicht nachgewiesenes Schreiben von Gustav Schönberg jr. in Abschrift beigegeben mit der Bemerkung: „Der Brief des Herrn Dr. Schönberg ist, wie die früheren, korrekt in der Form und ruhig im Ton. Ich bin sehr gespannt, ob und vollends wie er eine Kollision mit dem Autorrecht der Schönberg’schen Erben nachweisen wird.“

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Paul Siebeck PSt 12. Juni 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Alle Mscr., die ich habe (außer dem des Dr Swart)[,]1 gehen, eingeschrieben, an Sie ab.2 Einige hat m.W. Dr Lederer noch. Was fehlt Ihnen? (Vogelstein hat sein Mscr.).3 – Etwaige Briefe des Herrn Schumacher bitte ich Sie vor der Beantwortung mir mitzuteilen4 (das braucht er aber nicht zu wissen) – damit ich weiß was er noch thut. Im Übrigen rathe ich: in Ruhe zu drucken. Sonst treten immer wieder Stockungen ein. Es hat ja doch im Übrigen jetzt nichts solche Eile,

1 Swart, Innere Kolonisation. 2 Es handelte sich dabei um Manuskripte der Abteilung IV: Spezifische Elemente der modernen kapitalistischen Wirtschaft, sowie der Abteilungen VI: Güterproduktion. I. Industrie, Bergwesen, Bauwesen, VII: Güterproduktion. II. Land- und forstwirtschaftliche Produktion, sowie IX (= Buch V): Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik im modernen Staate. Der Nachricht Siebecks vom 15. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zufolge handelte es sich um folgende Beiträge: Zu IV: Leitner, Privatwirtschaftlicher Betrieb, Steinitzer, Bedarfsdeckung und Erwerbswirtschaft; zu Abteilung VI: Sieveking, Geschichte der gewerblichen Betriebsformen, Weber, Alfred, Standortslehre, Gothein, Bergbau; zu Abteilung VII: Esslen, Bodenpreis, Wygodzinski, Landwirtschaft und Absatz; Abteilung IX: Lederer, Neuer Mittelstand, ders., Arbeitsmarkt, ders., Sozialversicherung, und ders., Arbeiterschutz; vgl. dazu die Wiedergabe im neuen Stoffverteilungsplan von 1914 in Anhang 2, unten, S. 820 – 823. 3 Gemeint ist das Manuskript zu: Vogelstein, Finanzielle Organisation. 4 Der Wunsch Webers steht in Zusammenhang mit seiner und Siebecks Auseinandersetzung mit Hermann Schumacher über eine Separatausgabe von dessen GdS-Beitrag über Börsenwesen bei B. G. Teubner sowie mit dem Problem der Manuskriptablieferung; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, oben, S. 654, Anm. 1.

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da die letzten Mscr. nicht vor Sommer 1915 in Druck gehen können, Rathgen gänzlich unsicher ist.5 Herzl. Gruß! Max Weber 5

Wollen Sie Eßlen und Gothein um die Reste 앚:bitten?:앚 (Eßlen: Litteratur) 앚:Gothein: Cap. 3 und Litteratur:앚6

5 Karl Rathgen war der Bearbeiter von Buch IV bzw. Abteilung VIII des GdS: Kapitalistische Weltwirtschaftsbeziehungen und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik im modernen Staate – so der neue Titel 1914. Rathgen hatte sich längere Zeit als Austauschprofessor in den USA befunden und auf briefliche Anfragen nicht reagiert, so daß der definitive Ablieferungstermin seines Beitrags in Webers Augen nicht mehr gesichert war. 6 D. h. die fehlenden Manuskriptreste der Beiträge von: Esslen, Bodenpreis, und Gothein, Bergbau.

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Paul Siebeck 13. Juni 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg 13/VI 14 Verehrtester Herr Dr Siebeck! Die Mscr. gingen an Sie ab.1 Swart2 schicke ich auch sehr bald. Vogelstein schreibe ich.3 Von Schumacher lassen Sie Sich doch, unter Berufung auf mich, jedenfallsa den Brief von mir schicken;4 es paßt mir nicht, daß er die Schuld an dem Bruch auf mich schiebt.5 Daß Sie in der Sache selbst, zumal im Umfang des Beitrags, zu jedem Entgegenkommen bereit gewesen wären, habe ich ihm inzwischen noch besonders geschrieben.6 Aber wenn er nicht will, käme doch nichts dabei heraus. Ebenso habe ich ihm mitgeteilt: daß ich die zweite Auflage nicht mache. Das thue ich nämlich wirklich nicht. Nicht dieser spezielle Fall, – das Gesammtbetragen dieser Autoren (Bücher, Plenge, SchulzeGäv[ernitz], Rathgen) ist mir doch zu ekelhaft. Dagegen werde ich dem dann neu zu bestimmenden Schriftleiter in jeder Hinsicht zur Seite stehen. Halten Sie es mit dem Druck wie Sie es richtig finden, nur: ohne

a O: zweifach unterstrichen. 1 Zur Liste der an den Verlag abgesandten Manuskripte vgl. Karte an Paul Siebeck vom 12. Juni 1914, oben, S. 710, Anm. 1. 2 Swart, Innere Kolonisation. 3 Korrespondenzen Webers mit Theodor Vogelstein sind nicht nachgewiesen. Es handelt sich dabei um das Manuskript zu: Vogelstein, Finanzielle Organisation. 4 Dies hatte Weber schon in seinem Brief an Paul Siebeck vom 11. Juni 1914, oben, S. 708 f., angeregt. Dieser hat dann am 12. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361) Hermann Schumacher gebeten, ihm Webers Brief zur Einsichtnahme zugänglich zu machen, jedoch war das daraufhin von Schumacher an Weber zwecks Weiterleitung an Siebeck zugesandte Schreiben das falsche; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 16. Juni 1914, unten, S. 719. 5 Gemeint ist der Brief Schumachers an Weber vom 6. Juni 1914; zu dessen Inhalt vgl. Webers Brief an Paul Siebeck vom 11. Juni 1914, oben, S. 708 f., Anm. 1, sowie insbesondere Anm. 4. 6 Das Schreiben Webers an Hermann Schumacher ist nicht nachgewiesen.

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„Nervosität“.7 Grünberg haben wir noch nicht,8 Schwiedland auch nicht.9 Vogelstein ist wenigstens fertig.10 Herzlichen Gruß! Max Weber

7 Anspielung auf eine diesbezügliche Äußerung Siebecks; vgl. dazu Karte an Paul Siebeck vom 21. März 1914, oben, S. 573, Anm. 1. 8 Gemeint ist das Manuskript zu: Grünberg, Agrarverfassung; zum Problem von dessen Manuskriptablieferung vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 230, Anm. 27. 9 Gemeint ist das Manuskript zu: Schwiedland, Gewerbliche Betriebsformen. 10 Dies bezieht sich auf das in Anm. 3 erwähnte Manuskript.

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Paul Honigsheim 14. Juni 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446

Heidelberg 14/VI 14 Lieber Herr Dr Honigsheim! Meine Frau und ich danken Ihnen sehr herzlich für Ihre Sendung und ebenso sehr für die überaus freundliche Widmung und den liebenswürdigen eingehenden Brief, mit dem Siea dieselbe begleitet haben. Ich habe sie sofort wenigstens flüchtig durchgesehen.1 Zunächst: warum sollten Sie Rachfahl sie nicht schicken? Unsre – Troeltschsb und meine – Fehde mit ihm geht Sie ja nicht persönlich direkt an.2 Und ich schätze ihn, – nur mir gegenüber (und ebenso Troeltschc gegenüber) hat er sich arg vergaloppiertd und dann nicht ehrlich zurückgefunden.

a O: sie

b O: Trölschs

c O: Trölsch

d O: vergallopiert

1 Wie aus dem folgenden zu entnehmen ist, handelt es sich dabei um die Heidelberger Dissertation von Paul Honigsheim, Die Staats- und Sozial-Lehren der französischen Jansenisten im 17. Jahrhundert. – Heidelberg: Buchdruckerei von Carl Pfeffer 1914. Diese bildete den Teil eines Werkes, das unter dem Titel: Der oppositionelle Geist im Staate Ludwigs XIV. Eine Vorgeschichte der französischen Aufklärung, Bd. 1: Die religiöse Opposition innerhalb der gallikanischen Kirche und ihre politische und sozial-ethische Bedeutung, erscheinen sollte, aber von Honigsheim nie veröffentlicht worden ist. 2 Im Mittelpunkt dieser Kontroverse stand der Streit über die Bedeutung der protestantischen Ethik für die Genese des Kapitalismus. Die Auseinandersetzung hatte begonnen mit Felix Rachfahls Aufsatzreihe: Kalvinismus und Kapitalismus, erschienen in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, Jg. 3, 1909, Sp. 1217 – 1238, 1249 – 1268, 1287 – 1300, 1319 – 1334 und 1347 – 1366. Webers Antwort erschien in: AfSSp, Bd. 30, Heft 1, 1910, S. 176 – 202 (MWG I/9). Der mitangesprochene Ernst Troeltsch nahm zu Rachfahls Kritik Stellung in seinem Beitrag: Die Kulturbedeutung des Calvinismus, in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, Jg. 4, 1910, Sp. 449 – 468 und 501 – 508. Die Fortsetzung des Streits erfolgte mit Rachfahls Replik: Nochmals Kalvinismus und Kapitalismus, veröffentlicht wiederum in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, Jg. 4, 1910, Sp. 689 – 702, 717 – 734, 755 – 768 und 775 – 794. Weber beendete diesen Disput mit seinem Beitrag: Antikritisches Schlußwort zum „Geist des Kapitalismus“, erschienen in: AfSSp, Bd. 31, Heft 2, 1910, S. 554 – 599 (MWG I/9).

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In Ihrer Darstellung, die von ganz außerordentlicher Belesenheit, Gewissenhaftigkeit und Übersicht des schön beherrschten Materials zeugt, hat mich ganz speziell die prägnante Gegenüberstellung der verschiedenen „Berufs“-Ethiken interessiert, wie Sie denken können. Ich halte sie für durchaus richtig und werde sie benutzen und zitieren.3 Alles Andre kann ich selbständig nicht beurteilen, habe mich aber sehr daran gefreut und halte es für überzeugend und sehr wichtig. Und die Inhaltsübersicht am Schluß ist ja höchst vielversprechend. Hoffentlich kommt nun das ganze Buch bald und ich rathe Ihnen: nichts mehr daran zu flicken und zu bessern. Es ist schon so überreich. Alles was Sie persönlich von Sich schreiben ist mir höchst interessant und freute meine Frau und mich herzlich. In der That, so wenig wir Ihnen direkt nutzen und Ihnen etwas bieten konnten, so lebhaft interessierte uns Ihr Schicksal und es ist uns eine herzliche Freude, daß Sie dies Menschliche empfunden haben. Lassen Sie Sich doch recht bald wieder hier sehen, man kann dann einmal wieder plaudern und auch sachlich ein ernstes Wort reden. Ich hoffe sehr herzlich, daß Ihr äußeres Schicksal sich ganz so gestalten wird, wie Sie es wünschen; dies Buch muß Ihnen ja, da es Ehre einlegen wird, helfen überall wo Platz ist, Ihren Posten zu finden, darum ist mir nicht bange. Machen Sie nur jetzt bald „Schluß“ und treten Sie dann in offizielle Verhandlungen, statt noch länger zu zögern. Sie sind jetzt in den besten Jahren, um anzufangen zu dozieren. Jeder Monat, den Sie zögern, ist ein Verlust für das Leben. Wie immer ich Ihnen nutzen kann – ich habe ja keinen „Einfluß“ – kann Sie aber doch persönlich empfehlen – wird es geschehen. Und wo Sie wollen. Hoffentlich: hier! Mit herzlichen Grüßen und Glückwünschen von uns beidene Ihr ergebenster Max Weber e Unsichere Lesung. 3 Spätere Verweise auf Honigsheims Dissertation finden sich in Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1920, S. 72, Anm. 2, sowie insbesondere S. 106, Anm. 5 (MWG I/18): „Über die korrekt katholische und die jansenistische Ausprägung des Berufsbegriffs hat Dr. Paul Honigsheim in seiner schon zitierten Dissertation (Teil einer größeren, hoffentlich fortgesetzten Arbeit) eindringende Bemerkungen gemacht. Es fehlt bei den Jansenisten jede Spur einer Verknüpfung der Heilsgewißheit mit innerweltlichem Handeln. Ihre ‚Berufs‘-Konzeption hat noch weit stärker als die lutherische und selbst die genuin katholische durchaus den Sinn eines Sich-Schickens in die gegebene Lebenslage, geboten nicht nur, wie im Katholizismus, durch die soziale Ordnung, sondern durch die eigene Stimme des Gewissens (Honigsheim a.a.O., S. 139 f.).“

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Paul Siebeck PSt 14. Juni 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 13. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Anfrage, ob Weber die neue Adresse von Erwin Steinitzer kenne. Eine Sendung nach Berlin war als unzustellbar zurückgelangt mit dem Vermerk, daß der Adressat nach Wien verzogen sei.

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Dr Steinitzer’s Adresse kenne ich nicht, weiß auch nicht, wer sie kennen könnte. Herzl. Gruß! Max Weber

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Paul Siebeck 16. Juni 1914; Heidelberg Telegramm VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Telegramm steht in Zusammenhang mit Webers und Siebecks Auseinandersetzung mit Hermann Schumacher über eine Separatausgabe von dessen GdS-Manuskript über Börsenwesen bei B. G. Teubner sowie dem Problem der Manuskriptablieferung; zu Ursprung und Verlauf dieses Streits vgl. Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, oben, S. 654, Anm. 1.

= bitte korrespondenz mit Schumacher durch mich

weber –

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Paul Siebeck 16. Juni 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit Webers und Siebecks Auseinandersetzung mit Hermann Schumacher über eine Separatausgabe von dessen GdS-Manuskript über Börsenwesen bei B. G. Teubner sowie dem Problem der Manuskriptablieferung; zu Ursprung und Verlauf dieses Streits vgl. Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, oben, S. 654, Anm. 1.

Hbg 16/VI 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Ich halte eine Einigung mit Schumacher – nach einem neuerlichen Einlenken von ihm – doch für möglich, wenn man ihm Frist läßt.1 Wenn man nun die Abt. VI und VII2 ganz ausdruckt, ebenso Alles was Schumacher in Abt. V vorausgeht,3 dann den Rest – also was hinter ihm kommt4 – im Satz stehen läßt, so daß Alles nur auf ihn wartet, dann könnte man ihm ja wohl bis Ende September Zeit lassen und dann – was ich für diesen Fall dringlich empfehlen würde – seinen ganzen Beitrag unverkürzt ina den Grundriß hineinnehmen. Schumacher würde dann in der ersten Oktober-Hälfte ausgedruckt und dann das was in Abt. V hinter ihm kommt,5 so daß Alles im November versandfertig sein könnte. (Abt. V – VII). Das fände ich sehr erwünscht. Warten wir also jetzt einmal ab, was er auf meinen neusten – sehr a 1 Paul Siebeck hatte Hermann Schumacher am 12. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck Tübingen, Nr. 361) als Termin für die Ablieferung von dessen GdS-Manuskript den 30. Juni 1914 bezeichnet. 2 Abteilung VI umfaßte die Beiträge zu: Güterproduktion: I. Industrie, Bergwesen, Bauwesen, Abteilung VII diejenigen zu: Güterproduktion: II. Land- und forstwirtschaftliche Produktion, sowie zu: Versicherungswesen. 3 D. h. die Beiträge, die unter der Rubrik „Handel“ geführt wurden, nämlich: Sieveking, Entwicklung des Handels, sowie Hirsch, Organisation und Formen des Handels. 4 D. h. die Beiträge über „Kreditbankwesen“: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank, und Jaffé, Englisch-amerikanisches Bankwesen, sowie über „Transportwesen“: Wiedenfeld, Transportwesen, und Lotz, Allgemeine Theorie der Preisbildung im Transportwesen. 5 Hinter dem vorgesehenen Beitrag von Schumacher als dem dritten und letzten Abschnitt von Abteilung V: Güterverkehr: I. Handel, folgten die Unterabteilungen: Güterverkehr: II. Kreditbankwesen, und III. Transportwesen; siehe Anm. 4.

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freundlich gehaltenen – Brief 6 schreibt. Ich habe ihm einen ähnlichen Vorschlag gemacht, d. h. gesagt: daß ich mich dafür einsetzen wollte, wenn absolute Garantie gegeben werde, daß das Mscr. dann da sei. Da Schulze-Gävernitz erst im August liefert7 – ich habe Sch[ulze] gesagt, daß wir seinetwegen in Eile gewesen seien und noch seien – so ist ja keine Gefahr. Vogelstein wird sicher bis Anfang August liefern können,8 nach seinem Brief ist er faktisch fertig. Dann fehlen: Grünberg[,] der mich 앚:soeben:앚 um „kurze“ Nachfrist bittet,9 und Schwiedland.10 Sonst, scheint mir, Niemand (da Hirsch und Wiedenfeld doch wohl glatt weiter liefern).11 Also ginge es. Wollen Sie persönlich mit Sch[umacher] verhandeln12 – was sehr schön wäre, dann bitte ich Sie: den kleinen Umweg über hier nicht zu scheuen, und mir eineb halbe Stunde Gehör zu schenken. Denn dann müssen wir ganz einig gehen. Hoffentlich geht aber – falls Sch[umacher] wirklich einlenkt (er scheint zu wollen) – Alles schriftlich glatt, falls das Vorstehende Ihnen paßt. Herzliche Grüße! Max Weber Mir hat Schumacher den falschen Brief, nicht den, welchen Sie lesen sollten und den er zitiert hat,13 geschickt. Ich habe ihn darauf aufmerksam gemacht. b 6 Der entsprechende Brief Webers an Schumacher ist nicht nachgewiesen. 7 Gemeint ist der GdS-Beitrag von: v. Schulze-Gaevernitz, Deutsche Kreditbank. Den Abgabetermin: Ende August 1914, hatte er Paul Siebeck am 9. Juni 1914 (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 361) mitgeteilt. 8 Es geht um das Manuskript zu: Vogelstein, Finanzielle Organisation. 9 Zum Problem der Manuskriptablieferung von Grünberg, Agrarverfassung, vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913, oben, S. 230, Anm. 27. 10 Zu Eugen Schwiedlands Beitrag vgl. den folgenden Brief an Paul Siebeck vom 17. Juni 1914, unten, S. 720, Anm. 3. 11 Es geht um die Manuskripte zu: Hirsch, Organisation und Formen des Handels, sowie Wiedenfeld, Transportwesen. Von beiden Beiträgen waren bislang nur Teilmanuskripte abgeliefert worden. 12 Die Absicht Siebecks, kurzfristig nach Bonn zu fahren, um dort mit Hermann Schumacher persönlich zu verhandeln, hat sich indes kurz darauf erledigt, als mit diesem eine briefliche Übereinkunft über den definitiven Abgabetermin von dessen GdS-Manuskript erreicht werden konnte. 13 Gemeint ist der nicht nachgewiesene Brief Webers an Schumacher, der den zeitweiligen Bruch zwischen beiden ausgelöst hatte; zu Schumachers Reaktion vgl. Webers Brief an Paul Siebeck vom 11. Juni 1914, oben, S. 708 f., Anm. 4.

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Paul Siebeck 17. Juni 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 aHeidelberg,

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Verehrtester Herr Dr Siebeck! Sie haben nun wohl gesehen, worum es sich handelte mit Schumacher.1 Er hat noch nicht geantwortet, ich schrieb ihm 2 Mal sehr freundlich,2 da ein sehr freundlicher Brief von ihm an mich vorlag und ich in Ihrem Interesse und dem der Sache glaubte[,] alle Chancen offen halten zu müssen. Anbei der Brief von Schwiedland.3 Grünberg wird nun schon kommen.4 Hirsch und Wiedenfeld schrieb ich auch;5 Schulze-Gävernitz schreibe ich nach Schumachers Antwort.6 Herzl. Gruß! Max Weber a Ort und Datum von dritter Hand eingesetzt. 1 Vermutlich bezieht sich Weber auf den an ihn gerichteten Brief Hermann Schumachers vom 17. Juni 1914 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361), in welchem dieser davon schrieb, daß er bei seiner „großen Börsenarbeit ganz nahe vor dem Abschluß“ stehe, aber an bestimmten Stellen „noch fest an toten Punkten“ verharre. Denn „trotz besten Willens“ sei er „nicht weiter gekommen. Es ist nur elendes Flickwerk, das ich zustande bringe.“ Trotzdem glaube er, Weber die Erklärung „ unbedenklich abgeben zu können“, daß er seinen Beitrag bis Ende September 1914 abliefern werde. Zu der Auseinandersetzung mit Hermann Schumacher wegen der Separatveröffentlichung seines GdS-Beitrags über Börsenwesen bei B. G. Teubner sowie zum Problem von dessen Manuskriptablieferung vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1914, oben, S. 654, Anm. 1. 2 Die Briefe Webers an Schumacher sind nicht nachgewiesen. 3 Brief von Eugen Schwiedland an Weber vom 15. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361) mit der Bitte, sein GdS-Manuskript zu: Gewerbliche Betriebsformen, bei Lieferung so bald als möglich drucken zu lassen. Das Schreiben enthält am Briefkopf den eigenhändigen Vermerk Max Webers: „Ich bedarf den Brief nicht mehr [. ] Weber“. 4 Paul Siebeck hatte am 15. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von einem Telegramm Karl Grünbergs berichtet: „Manuscript absende demnächst Brief folgt“; vgl. dazu den vorherigen Brief Webers an Paul Siebeck vom 16. Juni 1914, oben, S. 719, Anm. 9. 5 Briefe Webers an Julius Hirsch und Kurt Wiedenfeld sind nicht nachgewiesen; zu dem Modus der Manuskriptablieferung vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 16. Juni 1914, oben, S. 719, Anm. 11. 6 Ein entsprechender Brief Webers an Gerhart v. Schulze-Graevernitz ist nicht nachgewiesen.

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Auch ich hoffe, daß nun Alles in die Reihe kommt.1 Ich nehme an, daß nun – außer den noch einzuliefernden und fest zugesagten – alle Manuskripte der Abteilungen V–VIII 2 in Ihren Händen sind und bitte das nachzuprüfen. Die Reihenfolge des Drucks ist mir ganz einerlei. Ich nehme an, daß Abt. V–VII im November versandfertig sind, Abt. VIII (Rathgen) zum Januar/Februar versandfertig wird, falls er rechtzeitig liefert.3 Parallel mit ihm wird mit Abt. III (meinem Beitrag)4 zu drukken begonnen werden können. Vorher – das bemerke ich ganz aus-

1 Paul Siebeck hatte sich am 19. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zuversichtlich über den Fortgang des GdS geäußert: „Hochverehrter Herr Professor, so werden Sie denn doch noch für all’ den vorhergegangenen Ärger belohnt und mit Ihnen auch ich! Ich gestehe Ihnen gerne, daß auch ich aufatme. Rechnen wir also bestimmt damit, daß wir Schumacher Ende September bekommen und hoffen wir, daß auch Rathgen in den großen Ferien fertig wird.“ 2 Abteilung V beinhaltete die Beiträge zu: Güterverkehr, Abteilung VI die zu: Güterproduktion. I. Industrie, Bergwesen, Bauwesen, Abteilung VII die zu: Güterproduktion. II. Land- und forstwirtschaftliche Produktion. Abteilung VIII enthielt die von Karl Rathgen übernommenen Beiträge, die nunmehr unter dem Titel: Kapitalistische Weltwirtschaftsbeziehungen und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik im modernen Staate, zusammengefaßt waren; vgl. dazu Anhang 2, unten, S. 821 – 823. 3 Karl Rathgen hatte Weber am 16. Juni 1914 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) vom Stand seines GdS-Manuskripts berichtet: „Ich habe in der letzten Zeit ganz entschieden alles was an mich herantritt an anderen Anforderungen abgelehnt. Was ich in dieser Hinsicht nicht kann, ist, mich den hiesigen [d. h. Hamburger] ewigen Abhandlungen zu entziehen, die durch den endlosen Universitätskampf entstehen, Dinge, die mich allmählich ganz zur Verzweiflung bringen durch ihre planlose Zeitvergeudung. Wie ich Ihnen schrieb: ich widme mich jetzt nur noch der Arbeit für das Handbuch. Ich hoffe bestimmt in den großen Ferien zum Abschluß zu kommen, soweit Gesundheit und ganz unerwartete Dinge nicht störend in den Weg kommen sollten.“ Rathgens Beitrag ist nicht zustande gekommen. 4 D. h. Wirtschaft und Gesellschaft.

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drücklich – auf gar keinen Fall.5 Ich schicke keine Zeile, nur damit der Druck weitergehen kann. Sondern jetzt ist das Material da und der Mund der Druckerei gestopft. Wenn nicht, springe ich nicht ein. Denn wenn irgend Jemand, so habe ich Anspruch darauf, nach dieser Correspondiererei nun endlich für mich in Ruhe gelassen zu werden. In diesem Maße – täglich 1 – 앚:(zuweilen):앚 2 Briefe (wöchentlich im Durchschnitt 5 –6) mit Ihnen und dann noch mit den Mitarbeitern ebenfalls täglich Briefe, das geht nicht. Ich weiß nicht[,] wie man dabei arbeiten soll[.] Jedenfalls kann ich – bei ca 4 Stunden Maximalarbeitszeit – es nicht. Also bitte: Druck in Ruhe. Die Leute werden ja nun schon schikken und wenn nicht, bitte ich Sie s. Z. zu mahnen. Vogelstein, SchulzeGäv[ernitz], Wiedenfeld, Hirsch, Grünberg, Schwiedland, Rathgen, – kurz allen in Betracht kommenden Leuten ist im Lauf der letzten Zeit, teilweise 2 und 3 Mal, von mir geschrieben. Jetzt: vorerst genug, sonst werde ich selbst nie fertig. Schumacher teilte ich Ihr Einverständnis mit.6 Also ist das in Ordnung. Ich habe ihm geschrieben: Abt. V–VII müßten vor meinem Beitrag gesetzt werden, da bei dessen großem Umfang und der Notwendigkeit, ihn ganz im Satz stehen zu lassen (der Vorverweisungen wegen) dann nichts Andres daneben gedruckt werden könne. Das mag nicht wörtlich richtig sein, aber jedenfalls ist es gut, wenn für meinen Beitrag die Druckerei von Konkurrenz andrer Beiträge frei ist (außer etwa: Rathgen). Erscheinen wird er doch erst etwa Ostern. Also eilt es nicht. Herzlichen Gruß Ihr Max Weber

5 Im folgenden reagiert Weber etwas gereizt auf eine Passage in Paul Siebecks Brief vom 18. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) über die Druckfolge der einzelnen Abteilungen: „Abteilung VI und VII gehen in gemäßigtem Tempo nebeneinander her; nachdem sie im Satz beendigt sind, kann mit Abteilung III [d. h. Wirtschaft und Gesellschaft] begonnen und nebenher an Abteilung V weitergearbeitet werden.“ 6 In dem nicht nachgewiesenen Schreiben an Hermann Schumacher dürfte Weber diesem die Zustimmung Siebecks zum neuen Ablieferungstermin für dessen GdS-Manuskript über Börsenwesen mitgeteilt haben. Termin war jetzt der 30. September 1914.

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Georg von Below 21. Juni 1914; Heidelberg Abschrift Abdruck in: Below, Georg von, Der deutsche Staat des Mittelalters. Eine Grundlegung der deutschen Verfassungsgeschichte. 1. Band: Die allgemeinen Fragen, 2. Aufl. – Leipzig: Quelle & Meyer 1925, S. XXIV – XXV Der Brief liegt uns in zwei Abschriften vor, die im Wortlaut zum Teil differieren. Daher werden diese im folgenden mit den Siglen A1 und A2 annotiert. Neben der Wiedergabe in dem Buch Georg von Belows, die hier zum Abdruck kommt (A1), findet sich eine eigenhändige Abschrift von Marianne Weber in: GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 78 – 79, die im folgenden als A2 sigliert wird.

Heidelberg,a 21.VI.b 14. cSehr

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verehrter Herr Kollege!c

Ich danke auf das Verbindlichste für Ihre freundliche Sendung. Daß Sied im Recht sind, ist mir – obwohl ich allen Grund habe,e über meine persönliche Sachkunde sehr bescheiden zu denken –f nicht zweifelhaft,1 und es ist nur erstaunlich, wie hartnäckig die alte Theorie2 – von der ich zugebe,g ihr auch einmal angehangen zu haben – noch immer verfochten wird. Mit Vergnügen und Belehrung lese ich soeben Ihr Buch über den Staath.3 Ich werde wohl im Winter anfangen, einen ziemlich umfanga Hervorhebung fehlt in A2. b A2: 6. c Anrede fehlt in A2. d A1: sie; A2: Sie e Komma fehlt in A2. f In A2: Komma statt Gedankenstrich. g Komma fehlt in A2. h A2: „Staat“; in A2 folgt: (oder die Stadt?) 1 Im folgenden geht es um Georg v. Belows Beitrag: Handwerk und Hofrecht. Eine Entgegnung, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 12, 1914, S. 1 – 21. v. Belows Replik richtet sich gegen den Aufsatz von Gerhard Seeliger, Handwerk und Hofrecht, in: Historische Vierteljahrschrift, Jg. 16, 1913, S. 472 – 519. 2 Die in erster Linie auf Karl Wilhelm Nitzsch zurückgehende, dann besonders von Gustav Schmoller vertretene Hofrechtstheorie behauptet das Entstehen des mittelalterlichen Gewerbes, Handwerks, der Zünfte usw. aus der Grundherrschaft bzw. aus der Unfreiheit. Schon seit 1887 war Georg v. Below der schärfste Kritiker dieser Theorie gewesen. Eine späte Stellungnahme Webers zur Hofrechtstheorie findet sich in dem aufgrund von studentischen Vorlesungsmitschriften kompilierten, postum erschienenen Werk: Weber, Max, Wirtschaftsgeschichte. Abriß der universalen Sozialund Wirtschaftsgeschichte, hg. von S. Hellmann und M. Palyi. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1923 (MWG III/6), in dem Kapitel: Die Entstehung der okzidentalen Zünfte, ebd., S. 133 – 140. 3 Below, Georg v., Der deutsche Staat des Mittelalters. Ein Grundriß der deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Die allgemeinen Fragen. – Leipzig: Quelle & Meyer 1914.

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reichen Beitrag zum „Grundriß der Sozialwissenschaften“ drucken zu lassen,4 deri die Formk der politischen Verbände vergleichend und systematisch behandelt, auf die Gefahr hin,l dem mAnathem „Dilettanten vergleichen“m 5 zu verfallen. Ich meine: das,n was der mittelalterlichen Stadt spezifisch ist, also: das,o was die Geschichtep geradeq uns darbieten soll (darin sind wir absolut einig!),r ist doch nur durch die Feststellung:s was andern Städten (antiken, chinesischen, islamischen) fehltet, zu entwickeln,u und so mit Allem. Dannv ist es Sache der Geschichte,w uns diesx Spezifische kausaly zu erklären. Ich kann nicht annehmen, daß Sie im Grunde anders denken;a manche Andeutungen sprechen eher dafür als dagegen. Jene b, sehr bescheidene,b Vorarbeit ckann uns jac die Soziologied,e wie ich sie verstehe, liefernf. Dabei ist leider fast unvermeidlich, daß man, weil man schließlich unmöglich Spezialist auf alleng Gebieten sein kann, beih dem Forscher,i der ein großes Gebiet ganz beherrscht, Anstoß erregt. Dennoch überzeuge ich mich nicht von der wissenschaftlichen Nutzlosigkeit solcher Arbeiten. Selbst mein – sehr eilig kgeschriebener Aufsatz –k über antike Agrargeschichte l(Handwörterbuch der Staatswissenschaften)l 6 hat,m auch und sogar geraden da,o wo die Ergebnisse inzwischen überholt wurden, doch Nutzen gestiftet, wie die Leipziger Dissertationen der Schüler

i A2: die k A2: Formen l Komma fehlt in A2. m A2: Anathema: „Dilettanteno Komma fehlt in A2. p Hervorhebung fehlt vergleiche“ n Komma fehlt in A2. in A2. q A2: grade r Komma fehlt in A2. s Doppelpunkt fehlt in A2. t Heru In A2: Gedankenstrich statt Komma. v Hervorhebung vorhebung fehlt in A2. w Komma fehlt in A2. x A2: das y A2: causal a In A2 Komma fehlt in A2. statt Semikolon. b Kommata fehlen in A2. c A2: kann und soll d A2: „Soziologie“ e Komma fehlt in A2. f A2: leisten g Hervorhebung fehlt in A2. h Fehlt in i Komma fehlt in A2. k A2: geschriebener – A1 und A2; bei sinngemäß ergänzt. Aufsatz l A2: (im H.W.b.d.St.W.) m Komma fehlt in A2. n A2: grade o Komma fehlt in A2. 4 Gemeint ist Webers GdS-Beitrag über „Wirtschaft und Gesellschaft“. 5 v. Below hatte in seinem „Staat des Mittelalters“ (wie Anm. 3), S. 333, Anm. 1, auf einen Artikel von Heinrich Brunner, erschienen in: Preußische Jahrbücher, Bd. 36, S. 35, hingewiesen, in welchem dieser an der angegebenen Stelle seine Kritik an der vergleichenden Methode in der Rechtsgeschichte äußerte und in diesem Zusammenhang das Goethediktum „Dilettanten vergleichen“ zitierte. 6 Weber, Max, Agrarverhältnisse im Altertum, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3., gänzl. umgearb. Aufl., Bd. 1, 1909, S. 52 – 188 (MWG I/6).

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Wilckensp 7 mir zu zeigenq scheinen. Und doch ist er gewiß nichts Mustergültiges gewesen.r Terminologisch werde ich ams Begriff dest „Patrimonialismus“ auch und geradeu für gewisse Arten politischer Herrschaftv festhalten müssen. Aber die wabsolute Scheidungw zwischen xhaus-, leib-x und grundherrlicher Gewalt und politischer Herrschaft – für die es ja ygar kein anderes Kriterium gibty, als daß sie jenes allesa eben nicht ist8 (sondern Militär- und Gerichtsgewalt),b werden Sie hoffentlich genügendc betont finden. Diese Hauptthese Ihres Buchesd ist von vornherein glatt gewonnen. Ich werde nur nachweisen,e daß dieser Unterschied so alt ist wie die Geschichte. fMit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Max Weber.f

p A2: Wilcke’s q A2: sagen r A2: gewesen. – s A1, A2: den t Fehlt in u A2: grade v A2: Herrschaften w Hervorhebung fehlt in A2. x A2: A2. Haus- Leiby A2: gar kein andres Kriterium giebt a A2: Alles b Komma fehlt c A2: genügend deutlich d A2: Buchs e Komma fehlt in A2. in A2. f Schlußformel fehlt in A2. 7 Weber denkt vermutlich an die bei Ulrich Wilcken entstandenen Dissertationen von Theodor Reil, Beiträge zur Kenntnis des Gewerbes im hellenistischen Ägypten. – Borna-Leipzig: Buchdruckerei Robert Noske 1913, sowie vor allem an die Untersuchung von Friedrich Oertel, Die Liturgie. Studien zur ptolemäischen Verwaltung Ägyptens. – Leipzig: B. G. Teubner 1912. 8 In einer erläuternden Anmerkung zu Webers Brief (siehe oben, Editorische Vorbemerkung), S. XXV, verweist v. Below auf seine Ausführungen in seinem „Staat des Mittelalters“ (wie Anm. 3), S. 207, „über die Nichtreduzierbarkeit der Gemeinschaftsund Abhängigkeitsverhältnisse in der mittelalterlichen Verfassung auf privatrechtliche Beziehungen als Beweis für das Vorhandensein eines Staates“. Ebd., S. XXV.

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Paul Siebeck 21. Juni 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 20. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) als Antwort auf Webers etwas gereizte Zeilen vom 19. Juni 1914, oben, S. 721f.: „Hochverehrter Herr Professor, haben Sie herzlichen Dank für Ihren freundlichen gestrigen Brief, der mit unserer täglichen Correspondenz gründlich Schluß macht. Ich glaube, daß dem nichts im Wege steht. Nur müssen Sie auch dem Verleger vorher noch einmal das Wort erteilen – da hilft nun alles nichts! Wenn der Satz von Abteilung VI und VII […] in Muße vor sich gehen soll – was niemanden lieber ist als mir – dann muß ich nicht bloß Manuscripte haben, sondern muß sie auch in der richtigen Reihenfolge setzen lassen können, deshalb nämlich, weil Herstellung mit Muße nur dann möglich ist, wenn nicht bloß gesetzt, sondern auch gedruckt werden kann. Und zu letzterem bedarf es eben des Vorhandenseins der Manuscripte in lückenloser Reihenfolge. […] Daß Ihr Beitrag nicht mehr in diesem Jahre erscheinen kann, nehme ich ad notam, aber ich sage ganz offen mit innerlichem Brummen, denn für das ganze Unternehmen ist es kolossal wichtig, daß Ihr Beitrag dem hungernden Volk nicht zu lange vorenthalten wird. Aber ich werde Sie mit Drängen nicht quälen, sondern mich von Herzen freuen, wenn Ihr Beitrag parallel mit demjenigen von Rathgen gesetzt und gedruckt werden kann. […] Und nun appelliere ich noch an Ihr mitfühlendes Herz, indem ich sage, daß ‚wenn irgend jemand‘ nächst Ihnen auch ein ganz klein wenig Anspruch darauf hat, in Sachen des Grundrisses etwas weniger korrespondieren zu müssen, so ist es – ich mag mich im Weltall umsehen, wie ich will – glaube ich, meine Wenigkeit. Damit ist keineswegs gesagt, daß mir die Arbeit am ‚Grundriß‘ nicht die allergrößte Freude bereitet hätte, im Gegenteil. Der Grundriß ist seit langer, langer Zeit das erste Werk und wird vermutlich das letzte sein, dessen Herstellung ich selbst in die Hand genommen habe und in der Hand behalten will. Ich habe mich erst wieder in dieses mir etwas fremd gewordene Ressort einarbeiten müssen und es sind daher auch mir altem Praktikus manche Fehler und Versehen unterlaufen, aber die Freudigkeit, an dem Werk mitzuarbeiten und die Korrespondenz zu führen, auch wo sie bedrohlichere Formen annahm, ist mir tatsächlich durch nichts getrübt worden. Hoffen wir, daß die nun eintretende Ruhe auch nicht von außen her gestört wird.“

Heidelberg 21/VI 14 Sehr verehrter Herr Dr Siebeck! Zunächst: mißverstehen Sie meinen Brief nicht. Ich sehe aus dem Ihrigen, daß es Freude an der Sache, nicht wie ich annahm, Erregung und Ärger über die Schwierigkeiten der Sache sind, was die eifrige Correspondenz bedingt. Das ändert das ganze Bild! Dann will ich sehr gern so viel Sie wollen korrespondieren!

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In der richtigen Reihenfolge werden die Mscr. ja sicher nicht eingeliefert. Auch nahm ich an, daß dera Satz unabhängig vom Druck fortlaufen könne. Jedenfalls läßt sich an der Situation nichts ändern. Was mich anlangt, so bitte ich sehr dringend um Geduld. Ich kann ja gar nichts dafür, daß durch die Unzulänglichkeit der Beiträge von Bücher, Sieveking, auch Sombart (gut, aber viel zu knapp) und einiger Andrer es nötig wurde, daß ich einsprang. Jede Minute meiner Zeit gehört dieser Arbeit. Aber wenn ich vorzeitig abschließe, kann es geschehen, daß uns beiden die Freude an dieser Sache schwer verdorben wird. Der Beitrag darf wenigstens keine groben Fehler enthalten. Also zählen Sie auf nichts in zeitlicher Hinsicht. Nur hoffe ich bestimmt, mit Rathgen pari passu in Satz gehen zu können. Bitte schicken Sie mir die Fahnen ebenso wie die Revisionen. In einigen Fällen war es doch ganz nützlich, daß ich sie gesehen hatte, und ich weiß dann auch, wie der Druck jeweils steht. Gemahnt habe ich alle Beteiligten, eingehend unter Darlegung der Sachlage. Aber nunmehr mahnen bitte 앚:nötigenfalls:앚 Sie. Nützt das dann nichts, dann trete ich wieder ein. Herzliche Grüße! Max Weber

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Frieda Gross 24. Juni 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 38 – 39

Heidelberg 24/VI 14 Liebe Frau Frieda, – ich hörte von Lask, daß es immer noch recht mangelhaft bei Ihnen steht und kann nur sagen, daß mich das wirklich recht sehr betrübt. Vor Allem[,] daß es Frick nicht gut geht und der Kleinen auch, grade jetzt, wo Sie doch so mancherlei Aufregungen vor Sich haben. Diese letzteren würde ich freilich an Ihrer Stelle nicht zu tragisch nehmen. In der Sache mit dem Wohnsitz muß Ihr Anwalt, – falls er es noch nicht gethan hat, – geltend machen: 1. Sie hatten zuerst in München (Beweis: Zeugnis von mir und Lask), aund nachhera mit Zustimmung von Otto Gross, in Ascona Wohnsitzb gehabt bzw. haben ihn noch. Das Letztere ist besonders wichtig. 2. Ihr Mann hat seit München gar keinen Wohnsitz gehabt, den Sie (juristisch) hätten teilen können. Beweis: die eignen, nur bezüglich Münchens unrichtigen, Angaben des Vaters Gross in seiner Klage wegen der Eva.1 Aus dieser ergiebt sich: daß Otto Gross, seit Sie, mit seiner Zustimmung, nach Ascona gezogen sind (fürc diese Zustimmung ist der Beweis: daß er Ihnen nach Ascona geschrieben und Sie dort besucht, auch niemals etwas gegen Ihren Wohnsitz dort eingewendet hat), nie einen eignen Wohnsitz erworben hat. Folglich ward, mit seiner Zustimmung, für Sie schon ein gesonderter Wohnsitz in Ascona begründet und der Alte2 hat nicht das Recht, dies seinerseits rückgängig zu machen.

a dann, > und nachher 1 Eva Gross. 2 Hans Gross.

b

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d ist > war

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In der Eva-Sache würde ich, wie gesagt, rathen einfach zu sagen: laute Notizen und Korrespondenz waren wir da und da (zuerst: im Münchener Hotel) zusammen. Über alle Details verweigere ich die Angabe, da ich die Verantwortung dafür nicht zu übernehmen gesonnen bin. (oder: ohne allen Zusatz). Diese Aussage muß Pellech dann Allen als eine „Konzession“ von Ihrer Seite darstellen wie sich versteht. (Von P[ellech] und seinem großen „Epos“ habe ich übrigens schlechterdings nichts mehr gehört; hoffentlich hat er es fertig!)3 Und nun hoffe ich, vor Allem, – denn dies sind ja doch „technische“ Lappalien, – daß recht bald in Frick’s Befinden eine Wendung eintritt, welche Ihnen Ruhe giebt. Ich bittef um einen herzlichen Gruß an ihn und bleibe in guter Freundschaft Ihr Max Weber

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f Unsichere Lesung.

3 Am 23. Juni 1914 ging ein über 40 Seiten umfassender Schriftsatz von Otto Pellech mit Beilagen beim Bezirksgericht Graz ein. Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 593 – 643.

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Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg 26. Juni 1914; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers UA Heidelberg, H-IV-102/140, Bl. 304 – 317 Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Kontroverse Max Webers mit Paul Sander im Anschluß an dessen Rezension von Arthur Salz’ Buch über die Geschichte der böhmischen Industrie; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Februar 1914, oben, S. 527 – 529. Um den textkritischen Apparat zu entlasten, ist auf die Annotation der Unterstreichungen verzichtet worden; diese fehlen – außer bei der gesperrt gedruckten Ortsangabe im Briefkopf – sämtlich in der maschinenschriftlichen Fassung und sind von Weber selbst nachträglich hinzugefügt worden.

Heidelberg, den 26. Juni 1914. Der Philosophischen Fakultät beehre ich mich ergebenst mitzuteilen: Die Prager Rechtswissenschaftliche Fakultät hat in einem Streitea zwischen dem dortigen a.o. Professor Sander und mir öffentlich in der b„Bohemia“b 1 und, nach ausdrücklicher Mitteilung von Professor Walter Götz, durch Versendung ihrer Resolution an andere Fakultäten Partei ergriffen.2 Da nach meiner Annahme jene Äußerung also auch den hiesigen Akten beigefügt sein muß, habe ich das natürliche Interesse, daß auch mein eigener Standpunkt sich bei den Akten befindet, und bitte daher, diesen die nachfolgende Darlegung einzuverleiben. Ich bemerke, daß meine angefochtenen Äußerungen3 inzwischen von unbeteiligten Herren skrupulös Satz für Satz nachgeprüft worden

a Schreiben > Streite

b Anführungszeichen eigenhändig.

1 Weber bezieht sich auf den anonym erschienenen Artikel: Eine wissenschaftliche Ehrenangelegenheit[. ] Dr. Salz – Prof. Sander – Prof. Max Weber, erschienen in: Bohemia, Jg. 87, Mo.Bl., Nr. 170 vom 23. Juni 1914, S. 5. 2 Gemeint ist die gedruckte Stellungnahme: Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der deutschen Universität in Prag über den Angriff Prof. Dr. Max Webers gegen Prof. Dr. Paul Sander. – Prag: Im Selbstverlag der Fakultät 1914. Ein Exemplar dieser Drucksache war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Heidelberg eingegangen, sondern ist erst am 2. Juli 1914 dort eingetroffen, so die Mitteilung im Zirkular des Dekans der Philosophischen Fakultät, Carl Neumann, vom 3. Juli 1914 (UA Heidelberg, H - IV-102/ 140, hinter Bl. 318). 3 Gemeint sind die Bemerkungen in: Weber, Max, Redaktionelles Nachwort.

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sind.4 Das Ergebnis findet sich in den beigefügten ergänzenden Bemerkungenc 5 und wird wörtlich ebenso in unserer Zeitschrift (JuliHeft) publiziert werden.6 Zu jedem Punkt ist angemerkt, ob eine auch noch so geringe Abschwächung (in einem Punkt) oder eine Verschärfung (in einem wesentlichen Punkt) eingetreten ist. Ich darf als selbstverständlich voraussetzen, daß die Ausfechtung dieses Streits mir ganz allein überlassen bleibt. Ich allein habe, in die Notwendigkeit versetzt, mich zu äußern, ihn begonnen, ohne Rücksprache mit irgend jemanden. Auch mit Professor Alfred Weber habe ich erst nachher zwei kurze Rücksprachen gehabt, davon eine telefonisch. Herrn Dr. Salz hatte ich, als er um Aufnahme seiner Antikritik7 ersuchte, lediglich gesagt, daß ich die Aufnahme kurz motivieren müsse.8 앚:Er bat, es nicht zu thun.:앚 Dies vorausgeschickt, bemerke ich zur Sache: 1). Der Beschluß der Prager Fakultät, welcher anzuempfehlen wäre, vor der eigenen Türe zu fegen, wiegt sehr leicht. Denn die Stellungnahme der sachverständigen Mitglieder ist durch deren früheres Verhalten gebunden. Mindestens ein,d wahrscheinlich mehrere Mitglieder, gehörten einer Kommission an, welchee das Buch des Herrn Dr. Salz zu publizieren ablehntef. 2). Diese Ablehnung wurde Herrn Dr. Salz von Professor Zuckerkandl ohne Angabe von Gründen mitgeteilt. Der daraufhin von Prof. Alfred Weber an Prof. Spiethoff gestellten Bitte um Mitteilung der Gründe wurde nicht nur nicht entsprochen, sondern der Brief unbeantwortet gelassen. Dagegen besteht auf Grund einer Mitteilung von Prof. Lotz der dringende Verdacht, daß Prof. Spiethoff Herrn Dr. Salz,

c Eigenhändige Randnotiz Max Webers: wird nachgeliefert d Punkt eigenhändig e O: welches f ablehnten > ablehnte durch Komma ersetzt. 4 Die Namen der Personen sind nicht nachgewiesen; auch die entsprechende Notiz in: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S. 238 f., enthält keine näheren Angaben. 5 Diese in Aussicht gestellten Bemerkungen sind von Weber nicht geliefert worden; vgl. dazu jedoch Anm. 6. 6 Gemeint ist: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, insbesondere S. 238ff. 7 Dieser Artikel von Arthur Salz ist erschienen unter dem Titel: In eigener Sache, in: AfSSp, Bd. 38, Heft 2, 1914, S. 527 – 538. 8 Gemeint ist die Ergänzung zu: Salz, In eigener Sache (wie Anm. 7): Weber, Max, Redaktionelles Nachwort.

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dem von München aus durch Prof. Brentano ein g(von ihm nicht angenommenes)g Angebot einer akademischen Stellung gemacht worden war, bei dem erstgenannten Herrn unter Hinweis auf die Rezension des Herrn Sander9 zu diskreditieren versucht hat. Prof. Lotz, der unmittelbar vorher mit Herrn Spiethoff zusammengetroffen war, durfte seine Quelle Herrn Salz nicht nennen. 3). Um bei den Akten ganz vollständig zu sein, will ich meine eigene Stellung sowohl zu dem Buche des Herrn Dr. Salz, wie zu dessen Verhalten genau präzisieren. a). Vorausgeschickt sei, daß das Buch nicht nur in verschiedenen Besprechungen, darunter von Prof. Grunzel, welcher als vollkommen sachkundig anzuerkennen ist und selbst auf diesem Gebiet gearbeitet hat, sehr günstig beurteilt worden isth,10 sondern daß auch die neueste, das gleiche Gebiet berührende Publikation von Striederi 11 dasselbe nicht nur überall benutzt und zitiert, sondern auch zu dem gleichen Resultat kommt. b). Selbst beurteilen kann ich gewisse kulturhistorische Partieen und finde diese anregend, gut und neu. Anderes kann nur ein Spezialist, wie Grunzel oder Grünberg, beurteilen. Ich habe daher in meinem Angriff auf die diffamierende Auslassung des Herrn Sander jedes Eingehen auf das Buch abgelehnt. c). Herrn Dr. Salz habe ich als meinen Eindruck mitgeteilt, daß er diese Arbeit teilweise etwas k„über das Knie gebrochen“k habe, offenbar weil ihm in Prag Schwierigkeiten entstanden und die Erwartungen über die möglichen Ergebnisse enttäuscht wurden, sodaß er des Themas überdrüssig wurde. Mit der ihn auszeichnenden großen Aufrichtigkeit hat er dies sofort zugegeben. Das Buch ist also nicht hinlänglich

g Klammern eigenhändig. h Fehlt in O; ist sinngemäß ergänzt. der k Anführungszeichen eigenhändig.

i Strieber > Strie-

9 Gemeint ist die den Konflikt mit Weber auslösende Rezension des Buches von Arthur Salz, Geschichte der Böhmischen Industrie in der Neuzeit. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1913, durch Paul Sander, veröffentlicht in: DLZ, Jg. 34, Nr. 42 vom 18. Okt. 1913, Sp. 2675 – 2681. 10 Die äußerst positive Rezension von Josef Grunzel ist erschienen unter dem Titel: Eine Industriegeschichte Böhmens, in: Die Zeit, Jg. 12, Nr. 3815 vom 10. Mai 1913, S. 9 11 Strieder, Jakob, Studien zur Geschichte kapitalistischer Organisationsformen. Monopole, Kartelle und Aktiengesellschaften im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1914.

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gerundet und bloße l„Vorarbeit“l. Es trägt ferner den Schönheitsfehler an sich, in die sonst Herrn Dr. Salz eignendem große Schlichtheit der Darstellung mitunter Bemerkungen zu mischen, welche n„essayistisch“n wirken. Herr Dr. Salz hat damit unbewußt einer von mir stets abgelehnten Stilrichtung Konzessionen gemacht. Mithin steht sein Buch in diesen Hinsichten für mich nicht ganz auf der Höhe seinero sonstigen, anerkannt ausgezeichneten,p Leistungen. Daß das Werk inhaltlich schwere Mängel habe,q ist dagegen bisher weder festgestellt, noch festzustellen versucht worden. Gewiß ist es möglich, aber die von Prag aus angekündigten nachträglichen Angriffe sind zu sehr pro domo und de parti pris, um als Argumente in Betracht zu kommen. d). Im Gegensatz zu dem günstigen Urteil Grunzels, steht der Referent unserer Zeitschrift,12 dessen Referat 앚:trotz Mahnung:앚 leider erst zu Ende dieses Jahres von ihm zu erwarten ist, dem Buche wesentlich ablehnender gegenüber. Prof. Grünberg,r der das Referat übernommen hat, lehnt zwar die Vorwürfe des Herrn Sander ab, erkennt den großen Fleiß des Herrn Dr. Salz an, hält aber grundsätzlich es nicht für richtig, statt kleiner endgültiger Arbeiten zusammenfassende Darstellungen zu geben, welche, wie das Buch des Herrn Dr. Salz, ausdrücklich nur als Vorarbeiten auftreten. In genauer Kenntnis dieses Standpunkts habe ich ihn gebeten, sein Referat, welches er längst übernommen hat, baldigst zu erstatten. Denns noch niemals hat unsere Zeitschrift den Verdacht auf sich geladen, irgend einen Schriftsteller geflissentlich zu begünstigen. Die Aufnahme überaus schroffer Rezensionen gegen persönliche Freunde von mir (Simmel,13 Richard Schmidt14 u. a.) hat mir gelegentlich Unan-

l Anführungszeichen eigenhändig. m eigenende > eignende n Anführungszeio der > seiner p Komma eigenhändig. q Punkt eigenchen eigenhändig. r Gründer > Grünberg, s denn > Denn händig durch Komma ersetzt. 12 Als Rezensent des Buches von Salz war Karl Grünberg vorgesehen; eine Besprechung des Werkes ist im AfSSp nie erschienen. 13 Weber denkt hier an die Auseinandersetzung Franz Eulenburgs mit dem Buch von Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie, 3., erweiterte Aufl. – Leipzig: Duncker & Humblot 1907; Eulenburgs Kritik findet sich in seinem Artikel: Neuere Geschichtsphilosophie. Kritische Analysen. III., erschienen in: AfSSp, Bd. 29, Heft 1, 1909, S. 168 – 197. 14 Weber bezieht sich auf die kritische Besprechung des Buches von Richard Schmidt, Allgemeine Staatslehre, Bd. I: Die gemeinsamen Grundlagen des politischen Lebens (Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften, begründet von Kuno Fran-

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nehmlichkeiten zugezogen, und Prof. Sombart ist gelegentlich im Archiv direkt schnöde behandelt worden.15 –t Was nun speziell die Vorwürfe des Herrn Sander anlangt, so bemerke ich im Anschluß an die beigelegte künftige Darlegung im Archiv: e). Dr. Salz hat formell das eine Versehen begangen, die ausdrückliche Bemerkung: „Hallwich16 nacherzählt“, welche sich auf denu 13 Seiten langen Abschnitt (S. 351 – 364) seines über 600 Seiten starken Buches bezieht, versehentlich um 3 Seiten, nämlich statt zu Seite 351, wo die entlehnte Nacherzählung beginnt, zu Seite 354 oben, wo die spezielle Darstellung der Leitenbergerschen Regie beginnt, zu machen: Offenbar ist jene Bemerkung in das Manuskript nachträglich beigefügt und deshalb hierher geraten, weil die Hallwichsche Monographie den Namen Leitenberger in ihrem Titel nennt. Dies Versehen ist so offensichtlich ein bloßer Lapsus und ist ferner, da der volle Titel der nacherzählten Darstellung schonv vorher ausführlich genannt und diese dann in nicht weniger als 11 Anmerkungen 앚:eben jenes Abschnitts stets:앚 erneut zitiert wird, so ausschließlich formalen Charakters und sachlich so gleichgültig, es ist ferner schon rein objektiv auch ohne jede Kenntnis der Persönlichkeit von Dr. Salz so absolut ausgeschlossen, daß dabei irgend ein Gedanke,w eine Entlehnung gerade dieser drei Seiten nicht einzubekennen, auch nur obgewaltet haben könnte, daß in einer wirklichen sachlichen Kritik selbst eine beiläufige Erwähnung jenes Lapsus unendlich kleinlich wirken würde. Den Vorwurf eines unfairen Verhaltens darauf zu stützen und, wie es Herr Sander tut, unter Unterschlagung des Umstandes, daß drei Seiten später die Deklaration: nacherzählt, ausdrücklich steht, seinen Lesern geflissent-

t Gedankenstrich eigenhändig. w Komma eigenhändig.

u dem > den

v O: schon kurz > schon schon

kenstein, fortgesetzt von Max v. Heckel, Abt. III: Staats- und Verwaltungslehre). – Leipzig: C. L. Hirschfeld 1901, durch Emil Lask. Die Rezension von Lask ist erschienen in: AfSSp, Bd. 19, Heft 3, 1904, S. 460 – 478. 15 Weber bezieht sich hier vor allem auf die Rezension von Werner Sombarts Buch: Die Juden und das Wirtschaftsleben. – Leipzig: Duncker & Humblot 1913, durch Julius Guttmann. Die umfangreiche Besprechung ist erschienen unter dem gleichlautenden Titel in: AfSSp, Bd. 36, Heft 1, 1913, S. 149 – 212. 16 Arthur Salz stützt sich in einer Passage seines Buches wesentlich auf die Schrift von Hermann Hallwich, Firma Franz Leitenberger 1793 – 1893. Eine Denkschrift (Beiträge zur Geschichte der deutschen Industrie in Böhmen, hg. vom Vereine für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Heft II). – Prag: H. Dominicus 1893.

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lich zu suggerieren, aber weder ausdrücklich auszusprechen noch zurückzunehmen, spricht jedem literarischen Anstand Hohn. f). Diesem 13 Seiten langen, versehentlich 3 Seiten zu spät als Nacherzählung deklarierten Abschnitt gehörenx nun auch die wenigen aus Hallwich übernommenen Zitate an, bei welchen[,] nachdem Hallwich eingehend zitiert war, in einzelnen Fällen nicht nochmals im Zitat selbst die Übernahme vermerkt ist. Mit größter Offenheit hat Dr. Salz im a„Archiv“a Seite 536/3717 angegeben, in welchen Fällen diese Entlehnung stattgefunden hat, und in welchen anderen Fällen eine Übereinstimmung besteht, bei welchen er heute nicht mehr weiß, ob sie auf Entlehnung beruht. Nach meiner Auffassung halte ich für wahrscheinlich, daß auch in diesen letzteren b(drei)b Fällen eine Entlehnung vorliegt. Dazu gehört auch der Fall Anmerkung 39 zu Seite 352, in welchem, wie die inzwischen vorgenommene Durchsicht auch des Kopetzschenc Werkes18 ergab, sowohl d Hallwich wie Salz den Band falsch angeben (I statt II) und außerdem Salz einen von Hallwich abweichenden Druckfehler (317 statt 217) hat. Ich hatte in meinem Angriff die Frage der Beziehung dieser beiderseitigen Druckfehler als zu subaltern dahingestellt sein lassen. Zu bemerken ist zu diesem e„Tratsch“e – denn darum handelt es sich –: aa). Die Nacherzählung ist überall durch eigene Erörterungen von Salz unterbrochen und das Resultat neu. f(Das Hallwichsche Buch mag Dr. Salz zum Vergleich vorlegeng)f. bb). Entgegen der unwahren Behauptung des Herrn Sander: h„alle“h Zitate seien übernommen, fügt Dr. Salz den übernommenen Zitaten eigene, bei Hallwich fehlende,i bei. 앚:(s. „Archiv“ p. 536):앚19

x gehörenden > gehören a Anführungszeichen eigenhändig. b Klammern eigenhändig. c Kupetzschen > Kopetzschen d O: zweifach eigenhändig unterstrif Klammern eigenhändig. g vorgelechen. e Anführungszeichen eigenhändig. i Komma eigenhängen haben > vorlegen h Anführungszeichen eigenhändig. dig. 17 Salz, In eigener Sache (wie Anm. 7). 18 Kopetz, Wenzel Gustav, Allgemeine österreichische Gewerbs-Gesetzkunde, oder systematische Darstellung der gesetzlichen Verfassung der Manufactur- und Handelsgewerbe in den deutschen, böhmischen, galizischen, italienischen und ungarischen Provinzen des österreichischen Kaiserstaates, 2 Bde. – Wien: F. Volke 1829 – 1830. 19 Salz, In eigener Sache (wie Anm. 7).

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cc). Die wenigen nicht ausdrücklich im Zitat selbst bezeichneten Übernahmen von Zitaten stehen, was Herr Sander verschweigt, durchweg hinten in den Anmerkungen. dd). Auch die übernommenen Zitate entstammen durchweg Werken, von denen unbestritten feststeht, daß Dr. Salz sie durchgearbeitet hat und welche er anderwärts wiederholt zitiert. ee). Diese Zitate enthalten in einigen Fällen Wiedergabe des Wortlauts der aus Hallwich übernommenen zitierten Stellen. In diesen Fällen handelt es sich um Zitate aus Werken, welche auf Bibliotheken wenig verbreitet sind 앚:(Riegger,20 v. Keess)21:앚 und deren Wiedergabe schon deshalb sachlich wünschenswert ist. ff). Die Bücher von Kopetz22 und Schreyer23 andererseits, deren Zitat ohne Angabe des Wortlauts der Stelle übernommen ist, sind dagegen auf den Bibliotheken verbreitet und beispielsweise auch hier vorhanden. gg). Die Monographie von Hallwich dagegen ist auf deutschen Bibliotheken sicherlich nur ganz ausnahmsweise vertreten. Die Übernahme von Hinweisen auf jene in Deutschland verbreiteten Bücher war daher durchaus gerechtfertigt. hh). Sicherlich hätte der absoluteste Korrektheitsmaßstab es wünschenswert gemacht, daß auch innerhalb der Nacherzählung und trotz des fortwährenden Verweises auf Hallwich alle jenen wenigen Zitate, welche überhaupt übernommen sind, ausdrücklich auch noch innerhalb ihrer selbst als übernommen bezeichnet worden wären. Aus dem formalen und offensichtlichen Versehen aber, daß in einigen wenigen Fällen Herr Dr. Salz sich nicht nochmals überzeugt hat, ob jene Übernahme von Zitaten aus Schriftstellern, die er, wie Herr Sander zugestandenermaßen wußte, genau kannte und überall sonst zitiert, ei-

20 Riegger, Joseph Anton von, Materialien zur alten und neuen Statistik in Böhmen, Heft 1 – 12. – Leipzig: K. Widtmann 1787 – 1793. 21 Keess, Stephan von, Darstellung des Fabriks- und Gewerbswesens im österreichischen Kaiser-Staate. Vorzüglich in technischer, mercantilistischer und statistischer Beziehung, 2., berichtigte, viel vermehrte und mit einem Anhange bereicherte Aufl., 3 Bde. in 4 Teilen. – Wien: Mörschner und Jasper 1824. 22 Kopetz (wie Anm. 18). 23 Schreyer, Joseph Anton, Commerz, Fabriken und Manufakturen des Königreiches Böhmen, theils wie sie schon sind, theils wie sie es werden könnten. Ein nützliches Handbuch für teutsche Kaufleute, 2 Teile. – Prag: Neureutter 1790 bzw. Prag und Leipzig: Schönfeldisch-Meisznersche Buchhandlung 1790.

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nen Vorwurf zu konstruieren, wäre an sich schon ungerecht. Die Behauptung aber, daß dadurch k„mühsame Studien“k, die Hallwich gemacht habe, von Dr. Salz unter Erregung eines falschen Anscheins für sich selbst in Anspruch genommen würden, ist geradezu unglaublich und verletzt den Anstand. 4). Die ausdrückliche Erwähnung der Schebekschen Materialien24 im Vorwort seines Buches hat Dr. Salz, wie er mir mitteilte, nach Rücksprache mit Prof. Alfred Weber wieder gestrichen.25 l(Diese nachträgliche Streichung erklärt, beiläufig bemerkt, auch die jetzt etwas schwer verständliche Form, in welcher gegen Schluß des Vorworts von Vollständigkeit in Bezug auf das Material gesprochen wird, ohne daß nach der jetzigen Fassung ersichtlich wäre, warumm. Hier folgte eben ursprünglich die Verweisung auf die Schebekschen Materialien)l. Die Bitte aber, das Vorhandensein dieser Materialien und ihren Lagerungsort zu verhehlen, ist, wie das gerichtliche Verfahren ergeben wird, Herrn Dr. Salz insbesondere auch von dem Prager Fakultätsmitglied Prof. Zuckerkandl ausgesprochen worden. Man hatte in Prag diese höchst lächerliche Monopolisierung des von Dr. Salz 앚:wieder:앚gefundenen Materials so wichtig genommen, daß man eigens einen Wechsel des Lagerungsortes desselben inn Szene gesetzt hat!o Darnach dürfte der Ratschlag von Prof. Alfred Weber, wenn er ihn gegeben hat, – ich habe mit ihm nicht darüber gesprochen – hinlänglich verständlich sein.

k Anführungszeichen eigenhändig. l–l Klammern eigenhändig. m Streichung n ins > in o Punkt eigenhändig einer schließenden eigenhändigen Klammer. durch Ausrufungszeichen ersetzt. 24 Gemeint sind die Materialien, d. h. Abschriften von Dokumenten zur böhmischen Preisgeschichte, die der damalige Prager Handelskammersekretär Edmund Schebek anläßlich der 1873 in Wien stattfindenden Weltausstellung hat sammeln lassen; zu der Art dieser Materialien vgl. Webers Ausführungen, unten, S. 738 f.. 25 Alfred Weber versicherte in einer Erklärung an die Fakultät vom 8. Juli 1914 (Abschrift masch.; UA Heidelberg, H - IV-102/140, Bl. 324), daß er Arthur Salz von der ursprünglich „vorgenommene[n] Nennung der Materialien in seiner Einleitung und eine[r] Schilderung der Vorgänge zwischen ihm und der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft und Kunst in Prag widerraten“ habe. „Ich habe das getan erstens , um Auseinandersetzungen über persönliche und sachliche Angelegenheiten, die mir vor der breiten Öffentlichkeit nicht wünschenswert, vor allem auch für die Gesellschaft selbst angesichts ihres Verhaltens zu den Materialien nicht wünschenswert erschienen, zu vermeiden, und zweitens gleichzeitig, um die von der Gesellschaft bezüglich der Materialien gewünschte Rücksicht einzuhalten.“ Alfred Webers Erklärung ist abgedruckt in: DLZ, Jg. 35, Nr. 30 vom 25. Juli 1914, Sp. 1915, sowie bei: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S. 228 – 231.

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In der Tat: sollte der Lagerungsort verhohlen werden, so mußte auch die Wiederauffindung des Materiales verschwiegen werden. Sonst war die Beantwortung einer Anfrage nach dem Lagerungsorte anständigerweise nicht zu umgehen. Dr. Salz hatte also nur die Wahl: alles oder garnichts zu sagen. Wie jetzt nachträglich leicht zu sehen ist, hätte er in seinem Interesse das erstere tun sollen. Allein es geht wirklich etwas über den Spaß, daß ihm aus seinem Verhalten gerade von Prag aus, wo der Grund bekannt sein mußte oder sehr leicht festzustellen war, ein Strick gedreht werden soll. Über diesep so viel beredeten Materialien Schebeks selbst sei noch bemerkt: Herr Dr. Salz mag den gedruckten Katalog dieser Materialien vorlegen. Schon dieser ergibt, daß es sich dabei absolut nicht um Archivarbeiten Schebeks, auch nicht um Materialien handelt, welche er selbst in q„mühsamer Arbeit“q aus den unzähligen Privatarchiven zusammengetragen hatte. Natürlich hat auch Schebek Archivarbeiten gemacht und veröffentlicht. Aber diese stehen hier unbestrittenermaßen nicht in Frage, sondern jene nicht veröffentlichten Materialien, welche Herr Sander geflissentlich irreführend als r„Kollektaneen“r zu bezeichnen beliebt.26 Diese aber bestehen aus Abschriften von Archivalien und aus Auszügen aus solchen, a). von denen teilweise die Originale heute infolge des Brandes großer Privatarchive überhaupt nicht mehr vorhanden sind, b). von welchen ein großer Teil anonym, von Gutsverwaltungen und ähnlichen Instanzen auf Ersuchen hergestellt,s und 앚:welche alle:앚 eingesendet worden sind. Dem verstorbenen Prager Handelskammersekretär Schebek kommt dabei das gewiß nicht zu verkleinernde Verdienst zu, die Prager Handelskammer anläßlich der Weltausstellung von 1873 zum Zweck einer Sonderausstellung über Preisgeschichten dazu veranlaßt zu haben, sich an die zahlreichen Archivverwaltungen mit dem Ersuchen um Herstellung solcher Abschriften und Auszüge zu wenden, ferner zweifellos der Entwurf des betreffenden Rundschreibens, endlich die äußere Ord-

p die > diese q Anführungszeichen eigenhändig. s Komma eigenhändig. händig.

r Anführungszeichen eigen-

26 Sander, Rezension zu Salz (wie Anm. 9), Sp. 2679f.; z.T. zitiert in der Editorischen Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527.

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nung des eingelaufenen Materials. Selbst Archive durchforscht hat aber Schebek zum Zwecke dieser Sammlung der ausgestellten Materialien ebensowenig, wie Dr. Salz dies für diejenigen Teile seines Buches getan hat, welche auf eben diesen Materialien beruhen. Auf dieset Materialien und ihre wünschenswerte Ausnutzung ist in den beiden Broschüren von Inama-Sternegg von 187327 und Luschin von 187428 hingewiesen worden. Diese Ausnutzung leistet das Salzsche Werk u(neben der Benutzung des Joachimsthaler Archivs und der Sammlungen von Monsignore Lindner29 zur Geschichte des Bergbaus)u. Die wirkliche Benutzung der in zahlreichen Privatarchiven zerstreuten Originalmaterialien (ein Teil der Städte-Archivalien wurde gerade erst während der Fertigstellung des Salzschen Buches in Prag zu vereinigen begonnen) hätte in der Tat diese Arbeit von Dr. Salz zu einem ausschließlichen Lebenswerke, dem Jahrzehnte zu widmen gewesen wären, gemacht. –v Darnach durfte gewiß ein auf peinliche Genauigkeit haltender Rezensent w, etwa in einer Fußnote,w auf das Fehlen des Zitats dieser Materialien als auffällig hinweisen, und Aufklärung verlangen, die ja Dr. Salz sofort nach xKenntnis vonx der Rezension in der Deutschen Literaturzeitung daselbst gegeben hat.30 Niemals aber durfte er, ohne diese Aufklärung abzuwarten, einen bösen Schein auf den Autor werfen und erst recht nicht durfte er, nachdemy die Aufklärung gegeben war, die ausdrückliche Anerkennung, daß keinerlei unfaires Motiv vorgelegen hatte, durch häßliche, eine höchst unangenehme Gesinnung verratende Bemerkungen umgehen und Zweifel in die Aufrichtigkeit von Dr. Salz setzen. Nach meiner Privatansicht soll sich ein Schriftsteller klugerweise auch bösartigen Deutungen nicht aussetzen und daher hätte Dr. Salz

t diesen > diese u Klammern eigenhändig; öffnende Klammer ersetzt Komma. v Gedankenstrich eigenhändig. w Kommata eigenhändig. x Erscheinen > Kenntnis von y 27 Inama-Sternegg, Karl Theodor von, Beiträge zur Geschichte der Preise (Officieller Ausstellungs-Bericht, hg. durch die General-Direction der Weltausstellung 1873, Heft 22; Additionelle Ausstellung Nr. 5). – Wien: K.K. Hof- und Staatsdruckerei 1873. 28 Luschin v. Ebengreuth, Arnold, Vorschläge und die Erfordernisse für die Geschichte der Preise in Österreich. – Wien: Gerold’s Sohn 1874. 29 Arthur Salz hatte die Exzerptensammlung des ehemaligen Stadtdechanten von Joachimsthal, Monsignore Gregor Lindner, benutzt. 30 Salz, Arthur, Entgegnung, in: DLZ, Jg. 35, Nr. 7 vom 14. Febr. 1914, Sp. 445f.

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sich weigern sollen, dem Ersuchen des Herrn Prof. Zuckerkandl Rechnung zu tragen. Ebenso hätte er vorsichtigerweise auch bei den wenigen tatsächlich übernommenen Zitaten überall klüglich die Übernahme auch im Zitat selbst ganz ausdrücklich nochmals bemerken sollen, auch da, wo sie innerhalb einer als solcher deklarierten Nacherzählung erfolgte. Dann hätte selbst ein böswilliger und ehrabschneiderischera Rezensent keinerlei Handhabe gehabt, irgend ein ungerechtes Odium auf ihn zu werfen. Ich muß aber gestehen, daß ich absolut nicht sicher bin, ob mir z. B. es wirklich niemals passiert ist, zu vergessen, daß ein Zitat, welches ich mir aus einem von mir genau durchgearbeiteten Schriftsteller notiert habe, vielleicht tatsächlich aus einem anderen Schriftsteller, der den ersteren auch benutzt hat, übernommen war. Ich erinnere mich eines solchen Falles nicht, aber eidlich zu erklären, das sei bei mir nicht vorgekommen, würde ich mich sehr schwer hüten.31 –b Hinzuzufügen ist dem, was ich gegen Herrn Sander gesagt habe32 und was ich von A bis Z, vorbehaltlich des Zugeständnisses jenes Lapsus von Dr. Salz (daß die Deklaration der Nacherzählung drei Seiten zu spät erfolgt ist)c und eines noch zu erwähnenden nebensächlichen Irrtums[,] aufrecht erhalten und gerichtlich zu erweisen gedenke, folgender weitere schwere Vorwurf: In seiner Rezension erweckt Herr Sander ganz geflissentlich den Eindruck, als habe sich Herr Dr. Salz zu Unrecht das Verdienst an gewissen komplizierten rechnerischen Arbeiten zugeschrieben, welche in Wirklichkeit das Verdienst Anderer seien.33 Dazu ist zu bemerken: 1). Die Gewährung einer Rechenbeihilfe ist, was Herr Sander verschweigt, in der Anmerkung am Schluß des Vorworts ausdrücklich erwähnt. 2). Die Rechenarbeiten selbst hat Dr. Salz veranlaßt und geleitet.

a ehrabschneiderische > ehrabschneiderischer c Komma eigenhändig durch Klammer ersetzt.

b Gedankenstrich

eigenhändig.

31 Vgl. dazu jedoch Webers Hinweis auf seine Habilitationsschrift über die römische Agrargeschichte, in welcher er an einer Stelle seine Abhängigkeit von Adolf Friedrich Rudorff nicht gekennzeichnet hatte; dieses hatte ihm Theodor Mommsen in einem persönlichen Gespräch vorgehalten, ohne dies jedoch in seiner Rezension von Webers Schrift anzumerken. Webers Bemerkung findet sich in: ders., Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S. 240. 32 Gemeint ist: Weber, Max, Redaktionelles Nachwort. 33 Sander (wie Anm. 9), Sp. 2680; zitiert in der Editorischen Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527.

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Es ist noch niemals Brauch gewesen, zumal angesichts jener Anmerkung, noch besonders festzustellen: daß man nicht selbst an der Rechenmaschine gesessen hat. Das hat natürlich auch der Rezensent garnicht meinen dürfen. Der Anschein, den seine Bemerkung erweckt, ist daher ein ganz anderer:d Die Umrechnung der Geld- und Maßverhältnisse ist dasjenige, was bei derartigen Rechenarbeiten die wirkliche wissenschaftliche und verantwortliche Arbeit darstellt. Die Feststellung der Schlüssel also, nach welchen die einzelnen Zahlen des Rohmaterials, je nach Epochen, Münzfuß und Güterart, umzurechnen sind. Hätte Dr. Salz tatsächlich diese Arbeit, auf welchee alles ankommt, Anderen überlassen und dies verschwiegen, so wäre das inkorrekt. In Wirklichkeit aber hat er, wie seine erhaltenen Rechenbücher beweisen, im Laufe vieler Monate bei täglich ungefähr zehnstündiger Arbeitszeit diese Rechenarbeiten, welche dann der mechanischen Maschinenarbeit zugrunde gelegt wurden, persönlich ausgeführt und der Rezensent hatte auch nicht den allermindesten Anlaß, das Gegenteil zu vermuten und durch seine Bemerkung einen solchen Anschein auf ihn zu werfen. Indem er dies tat, vergriff er sich wiederum, wie in allen anderen Fällen, frivol an der Ehre eines Kollegen. Er ist, was ich bisher überhaupt nicht wußte, ein Mann in Amt und Würden,34 der einem jungen Gelehrten in durchaus prekärer Lage aus sicherem Hinterhalt heraus einen derartigen ungerechtfertigten Schimpf zufügt. Selbst seine Erklärung gegen mich in der Deutschen Literatur-Zeitung35 enthält bei aller Kürze nicht weniger als drei Unrichtigkeiten, welche zu vermeiden er imstande und verpflichtet war, also: f„Unwahrheiten“f. Seine Replik gegen Dr. Salz36 leistet, indem sie schon erhobene Vorwürfe als neue Tatsachen wiederholt und offenkundige Irrtümer nicht eingesteht, an Unaufrichtigkeit das Menschenmögliche. Er hat in seiner Rezension,37 deren wohlüberlegte maliziöse Form, obwohl sie von A bis Z eine rein persönliche Injurie enthält, sorgfältig den Schein der Akribie und

d Punkt eigenhändig durch Doppelpunkt ersetzt. heit. > „Unwahrheiten“

e welches > welche

f Unwahr-

34 Paul Sander war etatmäßiger a.o. Professor für Wirtschaftsgeschichte in Prag. 35 Sander, Paul, In eigener Angelegenheit, in: DLZ, Jg. 35, Nr. 23 vom 6. Juni 1914, Sp. 1460f. 36 Sander, Paul, Antwort, in: DLZ, Jg. 35, Nr. 7 vom 14. Febr. 1914, Sp. 446 – 448. 37 Sander (wie Anm. 9).

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Sachlichkeit wahrt, wohlüberlegt sich so ausgedrückt, daß ein Gericht ihm vermutlich den Schutz des § 19338 zugebilligt haben würde. Er war in keiner Art provoziert. Die sehr maßvolle Antwort des Herrn Dr. Salz39 ermöglichte ihm das rückhaltlose Eingeständnis:g diesen in jeder Hinsicht falsch beurteilt zu haben, –h wobei er sich die rücksichtsloseste sachliche Kritik an dessen Buch vorbehalten konnte. Ich habe jetzt, um keine Verantwortung für den voraussichtlichen Prozeß zu tragen, die Gelegenheit eines sehr nebensächlichen Irrtums von mir benutzt, um ihm nochmals i„goldene Brücken zu bauen“i.40 Auf Grund einer positiven Mitteilung und auf Grund des Augenscheins hatte ich als Erklärung seines Verhaltens die Ansicht ausgesprochen: er selbst arbeite über diese Dinge und das habe ihn dazu verleitet, Vorarbeiten anderer zu diskreditieren. Seine Erklärung, daß dies unrichtig sei, muß ich glauben, obwohl bei der eigentümlichen Hinterhältigkeit dieses Herrn es nicht unmöglich wäre, daß er sich daran klammert: daß er nur im Augenblick, also 앚:jetzt:앚 nicht mehr, darüber arbeite. Im übrigen halte ich 앚:aber:앚 auch an sich diese k, im Zorn über die beispielslose Illoyalität dieser Rezension,k mir entfahrene Bemerkung (es handelt sich um zwei kurze Sätze in einem Sündenregister von 12 Seiten kleinen Drucks) nicht für angemessen. Die beigelegte Erklärung aus No. 26 der Deutschen Literatur-Zeitung41 ergibt, welche Konsequenzen ich daraus gezogen habe. Ich habe das getan, ohne alle Rücksicht auf die bei einem Herrn von diesen Charakterqualitäten sehr naheliegenden Mißdeutungen. Erfolgt jetzt keine absolut rückhaltlose Erklärung, entweder 앚:1):앚 dahin: daß Herr Sander den unzweideutig erhobenen Vorwurf des Plagiats, der absichtlichen Verhehlungl übernommener Zitate und der Unaufrichtigkeit gegen Herrn Dr. Salz ausdrücklich erhoben habe, aufrecht erhalte und zu beweisen gedenke, g Doppelpunkt eigenhändig. h Gedankenstrich eigenhändig. chen eigenhändig. k Kommata eigenhändig. l O: Verhelung

i Anführungszei-

38 § 193 StGB: „Tadelnde Urtheile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, ingleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Vertheidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, […] sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.“ 39 Salz, Arthur, Entgegnung, in: DLZ, Jg. 35, Nr. 7 vom 14. Febr. 1914, Sp. 445f. 40 Weber, Max, Erklärung, in: DLZ, Jg. 35, Nr. 26 vom 26. Juni 1914, Sp. 1659f. (MWG I/13). 41 Weber, Max, Erklärung (wie Anm. 40).

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oder aber: 2). daß er anerkenne und bedaure, Herrn Dr. Salz falsch beurteilt und einen bösen Schein unverdientermaßen auf ihn geworfen zu haben, dann beabsichtige ich mich so zu verhalten, daß das angedrohte gerichtliche Verfahren unvermeidlich und daß auch dessen gütliche Beilegung vereitelt wird. –m Von einem Professor ist zu verlangen, daß, wenn er glaubt, schwere Vorwürfe gegen die Ehre eines Andern erheben zu müssen, er dies unverhüllt und offen 앚:thut:앚,n ohne Rücksicht auf persönliche Unannehmlichkeiten, ohne Rücksicht 앚:auch:앚 auf die Möglichkeit eines in seinem Ausgang, wie jedermann weiß, stets aleatorischen gerichtlichen Verfahrenso gegen ihn. Will er diese Gefahr nicht laufen, so muß er strikt vermeiden, solche Vorwürfe seinen Lesern zwischen den Zeilen zu suggerieren. Am allermeisten aber hat er zu vermeiden, sich an Worte zu klammern, zu behaupten, er habe das Wort p„Plagiat“p nicht gebraucht, der Sache nach aber den gleichen Vorwurf weiter zu suggerieren. Träfenq alle Vorwürfe r(soweit sie in Tatsachen bestehen)r die Herr Sander vorträgt,42 wörtlich zu – und sie treffen nicht zu – [,] dann hätte Herr Salz bei einer rein sachlichen wissenschaftlichen Arbeit die Akribie vermissen lassen. Herrn Sander habe ich unwiderleglich nachgewiesen, daß er die Akribie bei einem ehrenrührigens Angriff vermissen ließ und darüber hinaus noch: daß er den offenkundigen Sinn des Angriffs weder eingesteht noch ihn zurücknimmt, obwohl er weiß, daß er unbegründet ist. Ich werde ihn daher in öffentlicher Gerichtsverhandlung als einen Feigling bezeichnen, der nicht in einen Lehrkörper hineingehört. Der Prager Fakultät werde ich, ebenfalls in öffentlicher Gerichtsverhandlung, zu sagen haben: daß tder Anspruch, welchent sie an die Gewissenhaftigkeit und den moralischen Mut ihrer Dozenten stellt, hinter dem in Deutschland üblichen zurückbleibt. Diese Eingabe bitte ich den Akten einzuverleiben. uMit vorzüglicher Hochachtung Max Weberu m Gedankenstrich eigenhändig. n Komma eigenhändig. o O: Verfahren p Anführungszeichen eigenhändig. q Treffen > Träfen r Kommata eigenhändig s O: ehrenrührigem t O: die Ansprüche, welche durch Klammern ersetzt. u Schlußformel und Unterzeichnung eigenhändig 42 Sander, Paul, Antwort (wie Anm. 36).

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Paul Siebeck PSt 27. Juni 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr verehrter Herr Dr Siebeck! Bitte jetzt alle Manuskripte ohne vorherige Einsendung an mich zu setzen.1 Es ist ja doch nicht mehr möglich, etwas zu ändern und zu korrespondieren[.] (Mit Schwiedland 2 habe ich vor 1/2 Jahr 앚:behufs Umarbeitung seines Mscr.:앚 korrespondiert.3 Meine eine Instruktion umfaßte 16 Schreibmaschinen-Folio-Seiten: Ob sie genützt hat??)4 Herzl. Gruß! Max Weber

1 Paul Siebeck hatte am 27. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber mitgeteilt, daß in den nächsten Tagen das Manuskript zu: v. Zwiedineck-Südenhorst, Arbeitsbedarf und Lohnpolitik, eintreffen werde, und gleichzeitig gefragt, ob er dieses an Weber weiterschicken oder direkt in die Druckerei geben solle. 2 Laut Brief Paul Siebecks vom 26. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) war endlich das Manuskript zu: Schwiedland, Gewerbliche Betriebsformen, eingetroffen: „Soll ich das Manuscript Ihnen zusenden oder darf ich es gleich in Satz geben?“ 3 Korrespondenzen Webers mit Eugen Schwiedland sind nicht nachgewiesen. 4 Dazu vermerkt Paul Siebeck in seiner Antwort vom 29. Juni 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß er Weber in Kürze Fahnenkorrekturen von Schwiedlands Beitrag zugehen lasse, „dann wird es sich ja zeigen, ob Ihre Instruktion genützt hat.“

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Friedrich Naumann 30. Juni 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 25, Bl. 253 Im Mittelpunkt des folgenden Briefes steht Max Webers eventuelle Mitarbeit an dem von Friedrich Naumann und Gertrud Bäumer geplanten linksliberalen Sammelwerk: Deutsches Staatslexikon. Der wenig später ausbrechende Weltkrieg hat diesem Unternehmen ein jähes Ende bereitet.

Hbg 30a/VI 14 Lieber und verehrter Freund!

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Ich werde mit Frl. Dr Bäumer über die Sache reden. Aber entscheidend ist der Zeitpunkt. Ich bin bis mindestens Weihnachten bis zur äußersten Erschöpfung in Anspruch genommen und festgelegt.1 Wenn ich dann an die Sache gehen darf – ich habe nur 4 Stunden Arbeitszeit täglich – thue ich gern mit. – September sind wir nicht hier (vor dem 23ten), dagegen bis 27b/VIII und vom 23/IX an. Herzlichste Grüße! Max Weber

a Unsichere Lesung der ersten Ziffer des Tagesdatums.

b 28 > 27

1 D. h. durch die Fertigstellung seines GdS-Beitrags über „Wirtschaft und Gesellschaft“.

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Frieda Gross PSt 3. Juli 1914; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 41 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Meine teure Frau Frieda! Es ist ja Alles in bester Ordnung und Sie sahen Gespenster! Sie haben die Wahrheit gesagt und haben doch die Möglichkeit sie zu ergänzen, also freie Bahn.1 Folglich haben Sie sachlich richtig gehandelt und kein Mensch kann Ihnen auch nur das Allergeringste thun. Das ist einfach ausgeschlossen und ich bin ganz außerordentlich erleichtert. Sie sind eben jetzt diesen Sachen nicht gewachsen und müssen es erst wieder werden. Wie gern wäre ich jetzt bei Ihnen oder käme eigens hin. Aber ich kann absolut nicht. (Wir besuchen Sie im September – gegen Ende – Marianne und ich).2 Ich schreibe sehr bald mehr. Dies nur um Sie zu bitten ganz ruhig zu sein. Ich bin sehr froh, daß Sie die Sache so gemacht haben. Alles ist damit in guter Ordnung! Viele herzliche Grüße in Freundschaft u. Eile Ihr Max Weber

1 Gemeint ist das Zeugnisverweigerungsrecht von Frieda Gross bei der Vernehmung als Zeugin im Verfahren wegen Bestreitung der ehelichen Geburt ihrer Tochter Eva, das Hans Gross als Kurator von Otto Gross gegen Frieda Gross führte. Auf Ersuchen des Landesgerichts Graz fand die Zeugenaussage vor dem Bezirksgericht Locarno am 27. Juni 1914 statt. Auch bei einer neuerlichen Vernehmung am 17. Oktober 1914 verweigerte Frieda Gross die Aussage. Daraufhin sah das Bezirksgericht in Graz keine klare Beweislage in der Frage, ob eine Zeugung des Kindes durch Otto Gross ausgeschlossen werden könne, und wies die Klage mit Urteil vom 18. Dezember 1915 ab. Auch Otto Gross hatte die Unehelichkeit von Eva Gross immer bestritten, doch war sein Zeugnis durch den Zustand, daß er unter Kuratel stand, ohne rechtliche Bedeutung. Auch nach dem Tod von Hans Gross am 9. Dezember 1915 war der Streit nicht beendet. Der Testamentsvollstrecker von Hans Gross strengte ein Berufungsverfahren an, um Eva Gross, wie es das Testament vorsah, vom Erbe auszuschließen. Schließlich stellte das Landesgericht Graz am 14. März 1918 die Unehelichkeit von Eva Gross fest. Vgl. Steierm. LA P IX 20/14, Bl. 260 – 263 und P IX 41/14 Bl. 81. 2 Zu diesem Besuch kam es aufgrund des Kriegsausbruches nicht.

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Paul Siebeck 3. Juli PSt 1914; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 2. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Bitte, ihm die am 24. April 1914, ebd., zugesandten Bogen zu: Sieveking, Entwicklung des Handels, „in denen er [d. h. Sieveking] die Stichworte für das Abteilungsregister unterstrichen hatte“, zuzusenden, falls sie noch in seinem Besitz seien.

Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Diese Correktur (Sieveking) ist sicher längst meiner Frau und deren „Ordnungs“-Trieb zum Opfer gefallen. Ich bin bereit, meinerseits die betreffendena Worte anzustreichen; schicken Sie mir ev. einen Abzug. Herzlichen Gruß! Max Weber Hbg 3/VII

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Frieda Gross 8. Juli 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 43 – 44

Heidelberg 8a/VII 14 Liebe Frau Frieda, – wieder in großer Eile rathe ich nur nochmals: daß Bertoni1 :u. A. auch: geltend macht: daß Sie den Wohnsitz in Ascona mitb Zustimmung Ihres Mannes erworben hatten (vielleicht würde Otto Gross das Ihnen schriftlich geben?), daß also die Zumutung, ihn aufzugeben zu Gunsten eines andren, einec Änderung in Ihrerd Lage bedeuten würde zu der keinerlei Anlaß gegeben sei. Ich halte es für ganz überaus wahrscheinlich, daß Sie den Eva-Prozeß gewinnen und daß auch in der Peter-Sache Alles gut gehen wird.2 Ärgerlich ist der Mißerfolg in der domicilio-Sache,3 aber hoffentlich nicht definitiv. Sehen Sie die Dinge nicht zu schwarz an, auch in dieser Hinsicht. Ich schicke Bertoni’s Brief 4 beiliegend zurück. Haben Sie eigentlich eine Abschrift des großen „Epos“5 von Pellech? Dann sollten Sie sie doch Lask einmal auf kurze Zeit zur Einsicht schicken. Ich habe ihm damals nicht Zeit gehabt Einsicht zu geben, da die Sache ja schleunigst an Sie zurückgegeben werden sollte. Ich fand die Darstellung gut und sehr überzeugend, juristisch ebensowohl wie sachlich.

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b

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d O: ihrer

1 Gemeint ist Brenno Bertoni, Anwalt in Lugano. 2 Gemeint sind die Prozesse zur Feststellung der Unehelichkeit von Eva Gross und die Vormundschaft für Peter Gross. 3 Gemeint sind die getrennten Wohnungen von Frieda Gross und Ernst Frick. 4 Der Brief des Anwalts B. Bertoni an Frieda Gross vom 3. Juli 1914 (GStA Berlin, Rep, Nl. Max Weber, Nr. 13, Bl. 45) enthält die Mitteilung, daß sich der Amtsrichter in Locarno für die Bestätigung der getrennten Wohnsitze von Frieda Gross und Ernst Frick nicht zuständig hält. Er weist auf die Einspruchsmöglichkeit in der Frist von zehn Tagen hin, innerhalb derer er auf eine zufriedenstellende Entscheidung des Berufungsrichters vertraut. 5 Gemeint ist der Schriftsatz von Otto Pellech im Prozeß gegen Hans Gross (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 593 – 643).

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Nun verzweifeln Sie an meiner Treue und emeinem herzlichen Gedenkene nicht, wenn ich wieder nur so einen kurzen Zettel schreibe. Mir steht eilige Arbeit hier bis an den Hals,6 ich kann nichts machen. Und nochmals: über Ihre Vernehmung bin ich sehr erleichtert. Alles steht Ihnen noch offen, auch die Verwertung jener Münchener fraglichen Reminiszenz, die Ihnen aufgetaucht ist. Ebenso, wenn Ihnen das Entgegengesetzte sicher ist, wie es einmal war. Es ist das beste, was passieren konnte, daß die Sache so liegt, wie sie jetzt liegt. Denn sollte wider Erwarten die Peter-Sache doch nicht gut gehen, so muß doch wenigstens erwogen werden, ob Sie nicht doch Konzessionen machen. Nur: erwogen werden, Sie können ja dann sich noch immer so oder so entscheiden. Vorerst aber nehmen wir einmal an, daß noch Alles gut geht. Ja, ich freue mich auch sehr auf das Wiedersehen. Inzwischen wenn Sie grade einmal eine Minute haben für einen Zettel: wie es Ihnen geht, so freut mich der immer, das wissen Sie ja. Meist werde ich wohl nur kurz antworten können[.] In herzlicher Freundschaft Ihr Max Weber

e Alternative Lesung: meinen herzlichen Gedanken 6 Weber bezieht sich auf die Arbeit für den GdS, den Streit mit Axel Ripke, vgl. die Briefe an die Anwälte von Campenhausen und Leonhard vom 10. und 11. Juli 1914, unten, S. 751 – 757 und S. 758 – 766, sowie auf die Auseinandersetzung mit dem Plagiatsvorwurf gegen Arthur Salz, vgl. den Brief an die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg vom 26. Juni 1914, oben, S. 730 – 743.

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Georg von Below 10. Juli 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 88 Das Schreiben steht überwiegend in Zusammenhang mit der Berufung von Felix Rachfahl nach Freiburg i.Br. als Nachfolger Friedrich Meineckes.

Heidelberg, 10.7.14. Auch in der schärfsten Polemik mit Rachfahl habe ich ausdrücklich in einer Fußnote bemerkt: daß er sich in diesem Falle auf ein für ihn unglückliches Gebiet begeben hat, daß ich ihn aber im übrigen sehr schätze.1 Das ist der Fall, das war ich verpflichtet, Rickert nachträglich zu sagen, damit nicht ein ganz falscher Anschein bei diesem entstehe.2 Auch liegen diese Dinge, bei denen sich Rachfahl in der Tat irrte, und uns etwas allzu „höhnisch“ angriff, sodaß man gereizt wurde, doch um Jahre zurück. Ich halte die Wahl für sehr glücklich. Für Ihre sonstigen Bemerkungen verbindlichsten Dank. Meine im Frühjahr erscheinende Darstellung3 wird niemand befriedigen können. Wie das in solchem Falle immer zu gehen pflegt. Man kann heute nicht „Mädchen für alles“ sein wollen, und ich mußte es sein, da andere mich im Stich gelassen haben.

1 Weber, Max, Antikritisches Schlußwort zum „Geist des Kapitalismus“, in: AfSSp, Bd. 31, Heft 2, 1910, S. 554 – 599 (MWG I/9); ebd., S. 554, Anm. 1. Zur Kontroverse zwischen Weber, Ernst Troeltsch und Felix Rachfahl vgl. den Brief an Paul Honigsheim vom 14. Juni 1914, oben, S. 714, Anm. 2. 2 Heinrich Rickert war Mitglied der Berufungskommission für die Neubesetzung des vakanten Lehrstuhls für Geschichte nach dem Weggang Friedrich Meineckes nach Berlin; zu dem Berufungsvorgang selbst vgl. den Brief an Heinrich Rickert vom 23. Febr. 1914, oben, S. 524 f., Anm. 5. 3 Gemeint ist Webers GdS-Beitrag über „Wirtschaft und Gesellschaft“.

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Armin Oswald Frhr. von Campenhausen 10. Juli 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 81 – 87 Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Kontroverse zwischen Max Weber und dem Bevollmächtigten des Kurt-Wolff-Verlags, Axel Ripke, wegen dessen Geschäftsverhalten gegenüber Marie Luise Gothein; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Friedrich Gundolf vom 1. Februar 1914, oben, S. 497.

:Sache: Weber/Ripke:a Heidelberg, den 10. Juli 1914.b Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

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Ich habe mir, da ich Sie heute nicht sprechen konnte, den Brief :an Dr Ripke: nochc einmal überlegt und schlage vor, ihn im Interesse größerer :Kürzed und: Schärfe folgendermaßen zu fassen: e„1. Über angebliche Äußerungen von Prof. Weber in Bezug auf den Verlag ist es ausschließlich dessen Sache,f Auskunft von ihm zu erlangen. 2. Was Sie selbst anlangt, so sind Ihnen sämtliche Tatsachen, welche Herr Prof. Weber über Sie jemalsg behauptet hat und ebenso sämtliche Beurteilungen, welche er Ihrem Verhalten jemalsh hat zuteil werden lassen, bereits von Herrn Prof. Lask s. Zt. i, und zwar ausdrücklich im Namen von Prof. Weber,i hier ausführlich präzis und erschöpfend mitgeteilt worden.1 Anderes ist über Sie nie gesagt worden. Wodurch Herr Prof. Weber zu diesem Auftrag an Herrn Prof. Lask genötigt wurde, dürfte Ihnen genau in Erinnerung sein oder kann Ihnen eventuell in Erinnerung zurückgerufen werden, ebenso daß Ihr Verhalten dabei

a In Abschrift folgt handschriftlicher Zusatz von Marianne Weber: „für Frau Gothein“ b Jahreszahl unleserlich; darüber von dritter Hand: 1914 c Unterstreichung eigenhänd Unterstreichung eigenhändig. e – e (S. 753) Anführungszeichen eigendig. f Komma eigenhändig. g Unterstreichung eigenhändig. h Unterhändig. streichung eigenhändig. i Kommata eigenhändig. 1 Die entscheidenden Passagen von Webers Mitteilung, die Emil Lask in dessen Namen Ripke vortrug, sind wiedergegeben in diesem Brief, unten, S. 753 – 755, sowie im anschließenden Schreiben an Edwin Leonhard vom 11. Juli 1914, unten, S. 761 – 765.

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soweit wie nur irgend möglich davon entfernt war, ,Interesselosigkeit‘ Ihrerseits an jenen Erörterungen erkennen zu lassen. Herr Prof. Weber sieht sich veranlaßt, nunmehr demk von Ihnen inbezug genommenen hiesigen Herrn2 auf Grund authentischer damaliger Notizen jene von Herrn Prof. Lask Ihnen übermittelten Bemerkungen nebst Abschrift dieses Briefes direkt zugänglich zu machen. Es bleibt dann dessen freiem Ermessen überlassen, ob er sich zu Ihnen darüber äußern will. 3. Herr Prof. Weber hat in einem Prozesse s. Zt. festgestellt: daß es seine feste Gepflogenheit ist, im Fall der Ablehnungl der Behandlung einer Sache als Ehrenangelegenheit hierfür die zutreffenden Gründem ausdrücklichn anzugeben.3 Infolgedessen habe ich den Auftrag zu bemerken: Die Idee, daß Herr Prof. Weber in dieser Angelegenheit oder anläßlich eines daraus entspringenden Zwischenfalles jemals mit Ihnen die Klinge kreuzen würde, wäre absurd. Herr Prof. Weber denkt selbstverständlich auch nicht im entferntesten daran, eine Angelegenheit, in welcher Ihr geschäftliches Verhalten zur Diskussion stand, nachträglich auf das Gebiet der ,Ehrenhändel‘ hinüberspielen zu lassen, wie dies schon einmal einem andern Herrn gegenüber in dieser Sache versucht worden ist.4 Herr Prof. Weber hat, wie Sie wissen müssen, von Anfang an auf diesem Standpunkt gestanden, hat jeneno Versuch scharf mißbilligt und lehnt esp ab, sich zu etwas derartigem herzugeben, vollends nachdem diese Angelegenheit nun bereits dreimal die Gerichte in Leipzig und hier beschäftigt hat,5 von Ihnen aber in der hiesigen, Sie direkt angehenden Verhandlung eine erschöpfende Feststellung des Sachverhalts abgelehnt q worden ist. Dies ist sein definitiver Bescheid. 4. Herr Prof. Weber ist dagegen, wie Sie wissen, bereit, obwohl Sie s. Zt. :hier: keine Schritte :gegen ihn: getan haben, :noch jetzt: die k den > dem l Unterstreichung eigenhändig. n ausführlich > ausdrücklich o Ihren > jenen terstreichung eigenhändig.

m Unterstreichung eigenhändig. p q Un-

2 Gemeint ist Friedrich Alfred Schmid. 3 Webers Prozeßaussage ist nicht nachgewiesen, doch dürfte es sich um eine Aussage während des Prozesses Gundolf contra Ripke gehandelt haben. 4 D. h. Friedrich Gundolf; vgl. dazu den Brief an Gundolf vom 1. Febr. 1914, oben, S. 498. 5 Über genauen Zeitpunkt und Verlauf der Gerichtsverhandlungen ließ sich nichts in Erfahrung bringen, da die Amtsgerichtsunterlagen nur kurze Zeit im Gericht aufbewahrt und dann kassiert werden.

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Hand zu einer nunmehrigen erschöpfenden gerichtlichen Feststellung des gesamten Sachverhaltes zu bieten. rSollten Sier aber eine solche serschöpfende gerichtliches Feststellung auch jetzt nicht herbeigeführt tsehen wollent, so haben weitere Mitteilungen irgendwelcher Art für Herrn Prof. Weber nicht das allergeringste Interesse mehr und werden gänzlich unbeachtet bleiben. Herr Prof. Weber hat über diese Sache freiwillig und ohne einen durch Sie, stets in gleich überflüssiger Weise,u immer erneut geschaffenen Anlaß niemals geredet. Er würde es bedauern, wenn Sie jetzt durch weitere falsche Schritte privater oder öffentlicher Art ihn nötigen sollten, auf Grund der ergangenen Urteile und Akten den Sachverhalt unter meiner Beglaubigung feststellen und allen denjenigen, die es angehen würde, mitteilen zu lassen. –v“e Ich glaube, daß der Brief in dieser Form weder den Eindruck eines Entgegenkommens noch den einer unnötigen Provokation macht. Gleichzeitigw hätte ich den Wunsch, daß von Ihrer Seite an Herrn xProf. Dr. F[riedrich] A[lfred] Schmid, Hier, Stift Neuburgx y(demjenigen Herrn, auf welchen sich Herr Ripke in seinem Briefe bezieht)y folgendes geschrieben würde: a„Im Auftrage von Prof. Weber übersende ich Ihnen Abschrift eines von mir in seinem Namen an Herrn Dr. Axel Ripke in Berlin gerichteten Briefs, aus welcher die Veranlassung dieser meiner Mitteilung an Sie wohl hinlänglich hervorgeht. Zugleich bemerke ich, entsprechend No 2 jenesb Briefes, daß durch Herrn Prof. Dr. Lask Herrn Ripke s. Zt. im Namen von Prof. Max Weber folgende Vorhaltungen gemacht worden sind: Herr Ripke habe bei Beginn der Verhandlungen mit Frau Prof. Gothein jene geschäftlichen Beziehungen, welche ihn c(direkt oder indirekt)c mit dem Verlage verbinden, nicht zu erkennen gegeben, sich vielmehr als einen gänzlich objektiven Freund des Verlegers eingeführt. Im Verlauf der Verhandlungen zeigte es sich, daß Herr Ripke, welcher mit Vollmacht des Verlages auftrat, sich nicht d verpflichtet gehalten hatte, über die Vorfälle zwischen Frau Prof. Gothein und dem Verlage sich auch nur einigermaßen zulänglich zu informieren. Die zur Sollte > Sollten Sie s Unterstreichung eigenhändig. t werden können > sehen wollen u Komma eigenhändig. v Gedankenstrich eigenhändig. e (S. 751) –e Anführungszeichen eigenhändig. w Unterstreichung eigenhändig. x Unterstreiy Kommata eigenhändig durch Klammern ersetzt. a– a chung eigenhändig. (S. 757) Anführungszeichen eigenhändig. b des > jenes d Unterstreichung eigenhändig. c Klammern eigenhändig.

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grunde liegende Korrespondenz insbesondere kannte er überhaupt nicht, ließ sich aber dadurch nicht abhalten, zu ganz unbeteiligten Personen, welchee diese Angelegenheit garnichts anging, immer erneut Mitteilungen zu machen, welche das Verhalten der Frau Prof. Gothein falschf darstellten g(und bezog sich dafür h– wie hinzuzufügen ist –h auf die Korrespondenz)i. Ein wichtiges Beweisdokument, welches Frau Prof. Gothein dem Verlag gegen die ausdrückliche Zusicherung postwendender Rücksendung anvertraut hatte, hatte Herr Ripke 5 Tage später, als dessen Herausgabe verlangt wurde, nicht zur Stelle, sondern an den Verlag zurückgeschickt und es bedurfte sehr energischen Auftretens[,] um die sofortige Herbeischaffung desselben zu erzwingen. Als wider Erwarten der Verlag eine zweite Auflage,6 ebenso inkorrekt wie die erste, erscheinen ließ und Frau Prof. Gothein dies mit äußerstem Befremden beanstandete, kverpfändete Herr :Dr: Ripke sein Wort dafürk: daß seit dem Beginn des Streites kein weiteres Exemplar gedruckt worden sei oder gedruckt werde. Im Vertrauen auf diese feierliche Versicherung unterließ Frau Prof. Gothein die sonst unvermeidliche und ihrem Interesse allein dienliche alsbaldige Ergreifung gerichtlicher Schritte. Es zeigte sich jedoch, daß sie durch jene Versicherung getäuscht l worden war. Denn fast zur gleichen Zeit, zu welcher Herr Ripke hier in Heidelberg in der gedachten Art sein Wort verpfändete, erklärte der Verlag öffentlich in Leipzig im Buchhändlerbörsenblatt nicht nur: daß die 3. und 4. Auflage zur Verfügung stehe, sondern auch: daß die 5. und 6. sich munter der Pressem befinde. Über Tatsachen, über welche er nicht absolut zuverlässig informiert war, durfte Herr Ripke, zumal wenn er als Bevollmächtigter des Verlages auftreten wollte, nunter gar keinen Umständen sein Wort verpfändenn. Die übrigen Vorhaltungen bezogen sich auf die Form von Bemerkungen des Herrn :Dr: Ripke, welche eineo sehr wenig ernste Behandlung dieser Angelegenheit und der Verpflichtungen des Verlages erkennen ließen. Herr Prof. Weber bemerkt dabei: Von derjenigen Handlung,

e welchen > welche f Unterstreichung eigenhändig. g Öffnende Klammer h :– wie jetzt hinzugefügt werden mag –: > – wie hinzuzufügen eigenhändig. k Unterstreichung eigenhändig. l Unterstreiist – i Klammer fehlt in Abschrift. chung eigenhändig. m Unterstreichung eigenhändig. n Unterstreichung eigenhändig. o einen > eine 6 Es geht hierbei um die Übersetzung von: Rabindranath Tagore, Gitanjali (Sangesopfer). – Leipzig: Kurt Wolff Verlag 1914.

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welche den konkreten Anlaß zu einer Strafanzeige der Frau Prof. Gothein gegen den Verlag wegen Betruges oder Betrugsversuches gab, hatte damals Prof. Weber naturgemäß keine Kenntnis und hat sie auch später nicht, sondern erst jetzt nachträglich durch mich erhalten. Seine Bemerkungen zu Ihnen und anderen, welche stets veranlaßt wurden durch unzutreffende Darstellungen des Herr Dr. Ripke, bezogen sich also sämtlich auf den damaligen Vorfall. Der Anlaß aberp Herrn Dr. Ripke jene Vorhaltungen durch Herrn Prof. Lask machen zu lassen, war :dadurch gegeben,: daß Herr Dr. Ripke erklärt hatte: im Hause des Herrn Prof. Weber bei einer Gelegenheit erscheinen zu wollen, bei welcher sehr oft auch Frau Prof. Gothein, ganz regelmäßig aber Freunde von ihr anwesend sind. Prof. Weber wäreq nach Lage der Dinge in die peinliche Situation versetzt worden, Herrn Dr. Ripke nicht empfangen zu können und mußte dies durch geeignete Mittel unbedingt verhindernr. Herr Prof. Weber beauftragt mich ferner hinzuzufügen: der Ausdruck s,Wortbruch‘s, für dessen Gebrauch Herr Dr. Ripke sich auf Sie bezieht, ist für einen derartigen Fall dem Sprachgebrauch des Herrn Prof. Weber um des willen durchaus fremd, weil man darunter im allgemeinen die schuldhafte Nichterfüllung eines feierlich gegebenen Versprechens, nicht aber das zu verstehen pflegt, was hier Herrn :Dr: Ripke vorgehalten wurde: die schuldhafte Verpfändung seines Wortes für eine Behauptung, welche den Tatsachen nicht entsprach und über die er sich genau hätte informieren müssen. Ausdrücklich aber bestätigt Ihnen Herr Prof. Weber im Anschluß an eine von Ihnen gemachte Bemerkung: daß er Ihrer eigenen Ansicht:t für die Bewertungu des Vorganges bestehe zwischen den beiden Tatbeständen ein wesentlicher Unterschied nichtv, selbstverständlich nur beitreten kann. Er bemerkt im übrigen ausdrücklich, daß dieser Brief Herrn Dr. Ripke gegenüber nichtw vertraulich ist. Seinx Zweck ist: Ihnen selbst Gelegenheit zu geben, sich davon zu überzeugen, daß Herr Prof. Weber Ihnen keine anderen Tatsachen y(und so viel er weiß, nicht einmal alle Tatsachen)y mitgeteilt hat, wie Sie durch Herrn Prof. Lask s. Zt. in seinem Namen Herrn Dr. Ripke vorgehalten worden sind. Daß Herr Prof. Weber in diese unangenehme Lage versetzt wird und daß Herr p ferner > aber q In Abschrift: werde r zu verhindern wissen > verhindern t Doppelpunkt eigenhändig. u Unterstreis Anführungszeichen eigenhändig. chung eigenhändig. v Unterstreichung eigenhändig. w Unterstreichung eigenx Der > Sein y Klammern eigenhändig. händig.

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Dr. Ripke sich selbst in diese unangenehme Lage versetzt, ist ausschließlich dessen Schuld. Ich habe hinzuzufügen: daß Herr Dr. Ripke, wie Sie wissen, schon einmal, dem Herrn Dr. Gundelfinger7 gegenüber, den Versuch gemacht hat, diese geschäftlichenz Angelegenheiten, welche sehr wesentlich auch durch seine Schuld einen so unangenehmen Verlauf genommen haben, auf das Gebiet von Ehrenhändeln hinüberzuspielen.8 Ich hatte Herrn Dr. Gundelfinger in dem Beleidigungsprozeß gegen Herrn Dr. Ripke zu avertreten. Alsa im Termin von meiner Seite der Antrag gestellt wurde: den gesamten Tatbestand und das Verhalten des Herrn Dr. Ripke aktenmäßig festzustellen, wich Herr Dr. Ripke dem mit der Erklärung aus: er erkenne alles, was aus den Akten etwa zu seinem Nachteil festgestellt werden könne, als richtig an, bitte aber diese Erörterungen zu unterlassen. Herr Prof. Weber hat keine Neigung, sich dazu herzugeben, daß dieses Spiel jetzt mit ihm wiederholt wird und wird sich entsprechend zu verhalten wissen. Vorgezogen hätte er, wenn Herr :Dr: Ripke diese Angelegenheit, in welcher seine Rolle keine glückliche war, nachgerade entweder auf sich beruhen ließe, oder aber, noch besser, durch entsprechende Erklärungen Frau Prof. Gothein gegenüber wieder gutmachen würde. Auf eine etwaige Anfrage des Verlages würde Herr Prof. Weber diesem genau das antworten, was, soviel ihm bekannt, Sie Herrn Dr. Ripke schon geantwortet haben: daß nämlich er, Prof. Weber, auf die unmotivierte, eine unzutreffende Tatsache behauptende Anfrage, welche Herr Dr. Ripke durch Sie an ihn gelangen ließ: bwarum Frauc Prof. Gothein alles zurückgenommen habe?b Sie darauf aufmerksam gemacht hat: daß nach seiner Kenntnis das Verlangen des Verlages auf Zurücknahme des Vorwurfs des Betruges schlechthin gegangen sei, daß dagegen die von Frau Prof. Gothein abgegebene Erklärung nur davon spreche: daß sie nach Rücksprache mit ihren Rechtsbeiständend den Vorwurf eines strafbarene Betruges nicht aufrecht erhalte. Im übrigen wird Herr Prof. Weber natürlich erklären: daß er selbstverständlich bereit sei, wenn der Verlag dies ausdrücklich verlange, ihm seine, z Unterstreichung eigenhändig. a vertreten, und als > vertreten. Als b Anfühc In Abschrift: Herr d Unterstreichung eigenhändig. rungszeichen eigenhändig. e Unterstreichung eigenhändig. 7 Gemeint ist Friedrich Gundolf, dessen bürgerlicher Name Gundelfinger war und dessen Antrag auf formelle Namensänderung erst in den späten 1920er Jahren Erfolg hatte. 8 Vgl. dazu oben, S. 752, Anm. 4.

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Prof. Webers, Ansicht über sein Verhalten in extenso mitzuteilen, daß er dies aber nur dann tun werde, wennf es ausdrücklich verlangt werde, und in einer solchen Art, daß die Erörterung der Angelegenheit vor dem dazu allein geeigneten hiesigeng Forum gesichert sei. Auch hier wird selbstverständlich jeder Versuch eines Hinüberspielens dieser Sache auf das Gebiet der Ehrenhändel glatt abgelehnt werden.“a –h Ich halte es für richtig, sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, diese Information an Herrn Prof. Schmid zu geben, da ich weiß, daß Herr Dr. Ripke mit ihm korrespondiert hat9 und noch weiter korrespondieren wird in der Hoffnung, auf irgend eine Art die Handhabe zur Erregung irgend eines falschen Scheines gegen mich gewinnen zu können. Es wird nur zweckmäßig sein, wenn Herr Prof. Schmid dann in der Lage ist,i unter Übersendung dieser authentischen und ausdrücklichen Mitteilung alle weiteren Erörterungen abzuschneiden und Herrn Dr. Ripke zu ersuchen, ihn aus dem Spiele zu lassen und entweder durch eine Klage die Konsequenzen zu ziehen oder aber zu tun, was er wirklich schon längst am besten getan hätte: den Mund zu halten. Es wäre mir nun allerdings lieb, wenn es bei der auf morgen Sonnabend, :12 Uhr: verabredeten Konferenz bliebe. Denn unglaublicher Weise macht Herr Dr. Ripke die Andeutung als dürfe er sich beschweren k„leider noch immer keine Antwort“k auf seine schon vor vielen Wochen beantwortete Anfrage10 erhalten zu haben. Ich schicke diesen Brief in Abschrift an Herrn Prof. Lask, der sicher Veranlassung nehmen wird, fallsl er an den ihm zugeschriebenen Vorhaltungen, welche ich nach meinen eigenen, noch jetzt in der Hand des Herrn Prof. Lask befindlich gewesenen Notizen, die ich Ihnen morgen mitbringen werde, irgend welche Korrekturen vorgenommen zu sehen wünscht :, dies mir vorher mitzuteilen:[.] Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebenster m Max Weberm f Unterstreichung eigenhändig. g Unterstreichung eigenhändig. a (S. 753)–a Anführungszeichen eigenhändig. h Gedankenstrich eigenhändig. i k Anl Unterstreichung eigenhändig. m Unterzeichnung führungszeichen eigenhändig. eigenhändig. 9 Die Korrespondenz Axel Ripkes mit Friedrich Alfred Schmid ist in dessen Nachlaß im DLA Marbach a.N. nicht nachgewiesen. 10 Vermutlich bezieht sich Weber auf seinen Brief an Axel Ripke vom 30. Mai 1914, oben, S. 690 f.

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Edwin Leonhard 11. Juli 1914; Heidelberg Konzept; maschinenschriftlich ohne Unterzeichnung, mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 11, Bl. 89 – 98 Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Kontroverse zwischen Max Weber und dem Bevollmächtigten des Kurt-Wolff-Verlags, Axel Ripke, wegen dessen Geschäftsverhalten gegenüber Marie Luise Gothein; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Friedrich Gundolf vom 1. Februar 1914, oben, S. 497. Am Briefkopf findet sich der eigenhändige Vermerk Max Webers: „Entwurf. Nach Rücksprache mit Herrn v. Campenhausen ausgestellt. Soll Montag abgehen.“

Heidelberg, den 11. Juli 1914. Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt! Ich habe heute eine Rücksprache mit Ihrem Herrn Kollegen, Herrn Frhr. v. Campenhausen haben können und schlage nun definitiv vor, folgende beide Briefe, den einen an Herrn Dr. Ripke, den anderen an Herrn Prof. Dr. F[riedrich] A[lfred] Schmid, Ziegelhausen, Stift Neuburg, abgehen zu lassen. Der Brief an Herrn Dr. Ripke ist nun wohl recht eilig, da dieser sich herausnimmt, nachdem er wochenlang nichts hat von sich hören lassen, davon zu sprechen, daß er leider noch immer keine Antwort habe. Und ich wäre auch sehr dankbar, wenn die Briefe genau in Reinschrift kollationiert würden, da Herr Ripke die Eigenschaft hat, sich an jedena Schreibfehler oder irrigen Ausdruck zu klammern. I. Der Brief an Herrn Ripke hätte zu lauten: Nach den entsprechenden Eingangsformen: 1. Über angebliche Äußerungen von Herrn Prof. Weber inbezug auf den Verlag ist es ausschließlich dessen Sache, Auskunft zu verlangen, die er in loyaler Weise erhalten würde. 2. Was Sie selbst anlangt[,] so sind sämtliche b Bemerkungen, welche Herr Prof. Weber jemals,c :auch später,: an Ihr Verhalten geknüpft hat, Ihnen schon s. Zt. ausdrücklich in seinem Namen und Auftrag durch Herrn Prof. Lask hier, mitgeteilt worden, präzis, ausführlich und

a O: jedem genhändig.

b Unterstreichung eigenhändig.

c Unterstreichung und Komma ei-

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erschöpfend.1 Der Anlaß, der hierzu bestand, kann Ihnen in die Erinnerung zurückgerufen werden, wenn Sie ihn nicht mehr wissen sollten, denn niemals hat Herr Prof. Weber zu irgend jemandem ohne einen durch Sie stets unnötigerweise geschaffenen Anlaß überhaupt irgend etwas über diese Angelegenheit bemerkt. Ebenso kann Ihnen in die Erinnerung zurückgerufen werden, daß Ihr damaliges Verhalten bei diesen Erörterungen außerordentlich weit davon entfernt war, „Interesselosigkeit“ Ihrerseits an jenen Erörterungen erkennen zu lassen. Sie beziehen sich auf Mitteilungen eines hiesigen, auch Herrn Prof. Weber bekannten Herrn,2 den Sie ganz unnötigerweise und gegen seinen Willen in diese Angelegenheit hereingezogen haben. Herr Prof. Weber ist dadurch genötigt, dem genannten Herrn mitzuteilen:3 1) auf Grund erhaltener damaliger Notizen: was (im wesentlichen) Ihnen von Herrn Prof. Lask namens des Herrn Prof. Weber s. Zt. mitgeteilt worden ist und welche Bemerkungen von Seiten des Herrn Prof. Weber damals daran geknüpft worden sind, 2) welche Tatsachen und Bemerkungen in Erläuterung dessen :jetzt: noch hinzuzufügen sind. Dies geschieht zu dem Zwecke, damit der genannte Herr sich auch seinerseits überzeugen kann, daß auch ihm gegenüber Herr Prof. Weber nicht etwa mehr, sondern eher weniger Tatsachen und Bemerkungen gemacht hat, als Ihnen s. Zt. durch Herrn Prof. Lask vorgehalten wurdend und daß also Sie nicht den geringsten Anlaß haben, über diese damaligen Bemerkungen hinaus, auf welche hin Sie keinerlei Schritte getan haben, jetzt noch weitere Aufklärungen zu verlangen. Die Mitteilung erfolgt ausdrücklich unter Ausschluß jeder Vertraulichkeit Ihnen gegenüber und es bleibt dem freien Ermessen des genannten Herrn überlassen, Ihnen davon die genaueste Kenntnis zu geben. Damit hat Herr Prof. Weber allen denkbaren Anforderungen genügt, da auch seine damalige Mitteilung an Sie hier erfolgte und er den eventl. zu benennenden Zeugen gegenüber verpflichtet ist, wenigstens sein Möglichstes zu tun, um diesene eine nutzlose Reise vor ein frem-

d O: wurde

e Ihnen > diesen

1 Die entscheidenden Passagen der Mitteilung sind wiedergegeben in diesem Brief, unten, S. 761 – 765, sowie in dem vorherigen Brief an Armin Oswald Frhr. von Campenhausen vom 10. Juli 1914, oben, S. 753 – 755. 2 Gemeint ist Friedrich Alfred Schmid. 3 Siehe unten, S. 761 – 766.

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des Forum zu ersparen, zumal die Feststellung des Sachverhalts nur hier sachgemäß und erschöpfend möglich ist. 3. Herr Prof. Weber hat s. Zt. Gewicht darauf gelegt, sehr nachdrücklich feststellen zu lassen: daß es nicht zu seinen Gepflogenheiten gehört, wenn er die Behandlung einer Sache als einer Ehrenangelegenheit ablehnt f, dafür andere als die wirklichen Gründe anzugeben. Daß der offizielle sogen. Ehrenkodex ihn in keiner Weise bindet, hat er in meiner Gegenwart in öffentlicher Verhandlung erklärt4 und es kann daher hier die Frage ganz unerörtert bleiben, ob Sie nach desseng Regeln jetzt noch auch nur den geringsten Anspruch hätten, daß die Angelegenheit in dieser Art behandelth werde, nachdem Sie s. Zt. keine Schritte getan haben. Herr Prof. Weber erklärt vielmehr: Die Idee, daß er in dieser Angelegenheit oder anläßlich irgend eines daraus entspringenden Zwischenfalles jemals mit Ihnen die Klinge kreuzen würde, ist nicht diskutabel. iDenn eri denkt selbstverständlich auch nicht im entferntesten daran, eine Angelegenheit, in welcher Ihr geschäftliches Verhalten zur Diskussion stand, nachträglich auf das Gebiet der Ehrenhändel hinüberspielen zu lassen, wie dies schon einmal einem anderen Herrn gegenüber in dieser Sache versucht worden ist. Wie Sie wissen müssen, hat er von Anfang an auf diesem Standpunkt gestanden, hat jenen Versuch scharf mißbilligt und dem betreffenden Herrn geraten, die Ablehnung dieses Versuches ausdrücklich durch Erhebung einer sonst wahrlich nicht nötigen Privatklage zu erkennen zu geben und lehnt es daher selbstverständlich auch seinerseits ab, sich zu etwas derartigem herzugeben. Vollends, nachdem diese Angelegenheit nun bereits dreimal die Gerichte in Leipzig und hier beschäftigt hat,5 bei der hiesigen, Sie direkt angehenden Verhandlung aber, in welcher ich Ihren Gegner vertrat, von Ihnen eine erschöpfende Feststellung des Sachverhaltes auf Grund der Akten abgelehnt k worden ist. Dies ist sein definitiver Bescheid.

f Unterstreichung eigenhändig. behandelt i Er > Denn er

g Unterstreichung eigenhändig. k Unterstreichung eigenhändig.

h verhandelt >

4 Webers Äußerung ist nicht nachgewiesen, doch dürfte es sich um eine Aussage während des Prozesses Friedrich Gundolf gegen Axel Ripke gehandelt haben. 5 Über genauen Zeitpunkt und Verlauf der verschiedenen Gerichtsverhandlungen ließ sich nichts in Erfahrung bringen, da die Amtsgerichtsunterlagen im allgemeinen nur kurze Zeit aufbewahrt werden und auch in den örtlichen Zeitungen nichts darüber dokumentiert worden ist.

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4. Es ist unerträglich, die Gerichte jetzt abermals mit dieser Sache behelligen zu sollen. Da Sie aber stets erneut auf diese Angelegenheit zurückkommen, so hat Herr Prof. Weber nunmehr :(cf. No 2): das Seinige getan, um eine erschöpfende gerichtliche Feststellung des gesamten Sachverhaltes zu ermöglichen. Sollten Sie aber eine solche erschöpfende gerichtliche Feststellung auch jetzt nicht herbeiführen wollen, so haben natürlich weitere Mitteilungen von Ihnen, welcher Art sie auch sein mögen, für Herrn Prof. Weber weder das allergeringste Gewicht noch das allergeringste Interesse mehr und werden gänzlich unbeachtet bleiben. Herr Prof. Weber hat, wie wiederholt bemerkt sei, niemals freiwillig und ohne einen durch Sie geschaffenen Anlaß zu irgend jemandem geredet. Er würde es daher bedauern, wenn Sie jetzt durch weitere falsche Schritte privater oder öffentlicher Art ihn nötigen sollten, auf Grund der Urteile und Akten den Sachverhalt unter meiner Beglaubigung kurz feststellen und allen denjenigen, welche er angehen würde, mitteilen zu lassen. Ich glaube, daß der Brief in dieser Form weder den Eindruck eines ganz unangebrachten Entgegenkommens noch einer unnötigen Provokation macht. II. An Herrn Prof. Schmid, nach den nötigen Eingangsformen: Im Auftrage des Herrn Prof. Weber übersende ich Ihnen anbei Abschrift eines von mir in seinem Namen an Herrn Dr. Axel Ripke in Berlin gerichteten Schreibens, aus welchem dessen Veranlassung und ebenso der Grund dieser meiner Mitteilung an Sie wohl hinlänglich hervorgehen. Zugleich bemerke ich, entsprechend No 2 jenes Briefes, daß durch Herrn Prof. Dr. Lask Herrn Dr. Ripke s. Zt., und zwar ausdrücklich im Namen von Prof. Max Weber folgende Mitteilungen gemacht worden sind: Herr Dr. Ripke habe bei Beginn der Verhandlungen mit Frau Prof. Gothein seine Beziehungen zum Verlage nicht deutlich erkennbar gemacht, sich vielmehr als einen gänzlich unbeteiligten persönlichen Freund des Verlegers eingeführt. (Tatsächlich hat erst nachträglich und zwar dem beteiligten Anwalt allein gegenüber Herr Ripke die Bemerkung hinzugefügt: er sei kraft seiner Stellung in der Lage, eventl. den Verleger in seinem Verhalten nachdrücklich zu bestimmen.) Im Verlauf der Verhandlungen zeigte sich nun immer erneut, daß Herr Dr. Ripke, welcher mit Vollmacht des Verlegers auftrat, sich trotzdem nicht verpflichtet gehalten hatte, über die Vorgänge zwischen Frau

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Prof. Gothein und dem Verlage sich auch nur einigermaßen zulänglich zu informieren. Dies hat ihn nicht abgehalten, zu ganz unbeteiligten Persönlichkeiten, welche diese Angelegenheit nicht das allergeringste anging, immer erneut Mitteilungen zu machen, welche das Verhalten der Frau Prof. Gothein falsch und in einem ihr ungünstigen Licht darstellten, während es in Wirklichkeit absolut korrekt war. Herr Dr. Ripke bezog sich dabei ausdrücklich auf die Korrespondenz zwischen Frau Prof. Gothein und dem Verlage, innerhalb dererl Frau Prof. Gothein – was der Wahrheit nicht entsprach – zuerst „grob“ und zwar unmotiviert grob geworden sei. Es muß dahingestellt bleiben, ob er diese Korrespondenz damals überhaupt kannte, jedenfalls hat er unrichtige Behauptungen darüber aufgestellt. Ein wichtiges Beweisdokument, welches Frau Prof. Gothein dem Verlage nur gegen das ausdrückliche Versprechen der Rücksendung am gleichen Tage anvertraut hatte, hatte Herr Dr. Ripke bei der Verhandlung am 5. Tage später, als die endliche Herausgabe verlangt wurde, nicht bei sich, sondern dem Verlage zurückgeschickt. Erst ein sehr energisches Auftreten veranlaßte ihn, dies zu redressieren. Als wider Erwarten der Verlag eine zweite Auflage ebenso inkorrekt wie die erste6 erscheinen ließ und Frau Prof. Gothein dies mit äußerstem Befremden beanstandete, erklärte Herr Ripke: eine solche Ankündigung (durch einen Zettel) erfolge lediglich zur Information der Sortimenter. Später erklärte er, es handle sich um schon gedruckt gewesene Exemplare, welche nur einem buchhändlerischen Brauch entsprechend als zweite Auflage bezeichnet würden. Herr Dr. Ripke verpfändete nachdrücklich sein Wort dafür: daß seit Beginn des Streites kein weiteres Exemplar gedruckt worden sei oder gedruckt werde. Im Vertrauen auf diese Versicherung unterließ Frau Prof. Gothein[,] die sonst unvermeidlichen und ihrem Interesse allein dienlichen gerichtlichen Schritte sofort zu ergreifen. Es zeigte sich jedoch, daß sie durch jene Versicherung getäuscht m worden war. Denn fast zur gleichen Zeit, zu welcher Herr Dr. Ripke hier in Heidelberg in jener Art sein Wort verpfändete, erklärte der Verlag öffentlich nicht nur: daß die 3. und 4. Auflage zur Verfügung stehe (was wohl ebenfalls sich auf schon zuerst mitgedruckte Exemplare bezogen

l O: deren

m Unterstreichung eigenhändig.

6 Es geht hierbei um Marie Luise Gotheins Übersetzung der Dichtung von Rabindranath Tagore, Gitanjali (Sangesopfer). – Leipzig: Kurt Wolff Verlag 1914.

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haben kann), sondern vor allem auch: daß die 5. und 6. Auflage sich unter der Presse befinde. (Daß später sich herausstellte, daß der Verlag selbst im Widerspruch mit einem ausdrücklichen[,] alle Bedingungen der Frau Prof. Gothein, darunter auch die der Herstellung einer vollständig korrekten Textrevision akzeptierenden Telegrammn bereits 5 Bogen vor Empfang der unmittelbar nach Empfang jenes Telegramms und Abschluß des Vergleichs ihm zugestellten Korrektur gedruckt hatte, bildete den Gegenstand der Strafanzeige wegen Betrugsversuches, ist aber Herrn Prof. Weber erst weit später bekannt und von ihm niemals zum Gegenstand einer Erörterung gemacht worden.) Über Tatsachen, über welche Herr Dr. Ripke, der als Bevollmächtigter des Verlags auftrat, nicht absolut zuverlässig sich orientiert hatte, durfte er in einer geschäftlichen Verhandlung von bedeutender Tragweite (er selbst sprach von dem Bombengeschäft des Verlages) unter gar keinen Umständen sein Wort verpfänden. (Herr Dr. Ripke verpfändete aber sein Wort ferner auch dafür: daß unter allen Umständen und selbstverständlich kein neuer Druck und insbesondere keine Auflage, welcher das von den Parteien vereinbarte zur Aufklärung des Publikums bestimmte Blatt beigelegt werde, ausgegeben werde, ohne vorher Frau Prof. Gothein hier in Heidelberg zugestellt worden zu sein. Auch diese feierliche Versicherung, abgegeben von Herrn Dr. Ripke in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigten des Verlages, wurde nicht erfüllt. Eine solche Zusicherung, durch welche Frau Prof. Gothein getäuscht und an einer sofortigen gerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen gehindert wurde, durfte Herr Dr. Ripke unter gar keinen Umständen abgeben, wenn er nicht die Gewähr besaß, daß sie auch erfüllt werden würde.) Herr Prof. Weber bemerkt dazu: 1. Die in Klammer gesetzten Teile dieser Bemerkungen hat Herr Prof. Lask, soviel Herr Prof. Weber weiß, damals Herrn Dr. Ripke entweder nicht oder doch nicht im Namen des Herrn Prof. Weber gemacht. Wohl aber, nach Ausweis der erhaltenen damals gemachten Notizen, die übrigen. Außerdem noch einige andere, welche sich mehr auf die Form bezogen, in welcher Herr Dr. Ripke diese Verhandlungen geführt hatte. Sowohl diese letzteren wie überhaupt alle Bemerkungen sollten ihrem Sinn nach in erster Linie konstatieren: daß Herr Dr. Rip-

n O: Telegramms

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ke eine ernste geschäftliche Angelegenheit, bei welcher bedeutende ideelle Interessen der Frau Prof. Gothein und materielle Interessen des Verlages miteinander kollidierten, in einer so wenig seriösen Art geführt hatte, wie dies bei einer solchen Angelegenheit unter keinen Umständen geschehen darf. 2. Anlaß zu jenen Vorhaltungen gab Herrn Prof. Weber der Umstand, daß sonst eine hier nicht näher zu erörternde nicht nur für Herrn Prof. Weber selbst, sondern ebenso auch für Dritte und nicht zuletzt für Herrn Dr. Ripke ganz unmögliche Situation in sicherer Aussicht stand, deren Entstehung unbedingt rechtzeitig vorgebeugt werden mußte. Daß sie eingetreten wäre, war aber wiederum Schuld ausschließlich des Herrn Dr. Ripke. 3. Herr Prof. Weber legt Gewicht darauf, auch Ihnen gegenüber zu konstatieren, daß sowohl er selbst wie nach seiner genauen Kenntnis auch Frau Prof. Gothein über diese Angelegenheit zu niemandem jemals gesprochen haben, außer in Fällen, wo Herr Dr. Ripke seinerseits durch unmotivierte Äußerungen oder Anfragen einen zwingenden Anlaß schuf o. Herr Prof. Weber selbst war von der Existenz des bedauerlichen Streitfalls dadurch informiert, daß Frau Prof. Gothein im allerersten Stadium desselben ihm den Fall vorlegte und um seinen Rat bat. Er empfahl ihr die sofortige Konsultierung eines Anwaltes und hat sich späterp bei ihr nach dem Stande des Falles dannq erkundigt, wenn ihm Äußerungen des Herrn Dr. Ripke zu unbeteiligten Persönlichkeiten zur Kenntnis gebracht wurden. 4. Herr Prof. Weber beauftragt mich ferner hinzuzufügen: Der Ausdruck Wortbruch, für dessen Gebrauch Herr Dr. Ripke sich auf Sie bezieht, ist für einen solchen Fall, wie ihn Herr Prof. Lask in seinem Auftrage Herrn Dr. Ripke vorgehalten hatte, dem eigenen Sprachgebrauche des Herrn Prof. Weber durchaus fremd. (Ob irgend jemand für den der Vollständigkeit halber oben in Klammern gesetzten anderen Fall eines vom Verlagr nicht erfüllten Versprechens diesen Ausdruck gebraucht hat, entzieht sich durchaus der Kenntnis des Herrn Prof. Weber.) Für jenen von ihm zur Sprache gebrachten Fall würde nach seinem Sprachgebrauch das Wort um deshalb nicht zutreffen, weil man darunter ein schuldhafterweise nicht erfülltes Versprechen, nicht aber eine schuldhafterweise falsche Versicherung über eine Tatsache zu ver-

o O: schufen

p dann > später

q Unterstreichung eigenhändig.

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stehen pflegt. Wenn Sie, sehr geehrter Herr Professor, nun Herrn Prof. Weber gegenüber die Bemerkung gemacht haben: daß immerhin für die Bewertungs des Vorfalls je nach den Umständen des Einzelfalls ein Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Tatbestand keineswegs immer zu machen sei, so bestätigt Ihnen Herr Prof. Weber gern nochmals, daß auch er, je nach den Umständen des Einzelfalles, eventuell der gleichen Ansicht sein würde. Für diesen konkreten Fall aber hat er, soweit ihm irgend bekannt, stets genau die Tatsachen angegeben, unzweideutig zu erkennen gegeben, was er daran beanstandet und ist daher mit Ihnen der Meinung, daß er keinerlei Veranlassung hat, sich wegen eines von ihm unzweifelhaft nicht gebrauchten Ausdruckes zu verantworten. Soviel er weiß, hatte er Ihnen nicht einmal alle Tatsachen, welche er Herrn Dr. Ripke hatte vorhalten lassen, mitgeteilt. 5. Ich habe hinzuzufügen, daß Herr Dr. Ripke, wie Sie zweifellos wissen, schon einmal dem Herrn Dr. Gundolf gegenüber den Versuch gemacht hat, diese geschäftlichen Angelegenheiten, in welchen er keine sehr glückliche Rolle gespielt hat, auf das Gebiet von Ehrenhändeln hinüberzuspielen.7 In dem darauf angestrengten Beleidigungsprozeß hatte ich Herrn Dr. Gundolf zu vertreten. Meinem Antrag im Termin: den gesamten Tatbestand aktenmäßig festzustellen, wich Herr Dr. Ripke mit der Bemerkung aus: es werde alles, was aus den Akten etwa zu seinem Nachteil festgestellt werden könne, als richtig anerkannt, aber die Bitte gestellt, diese Erörterungen zu unterlassen. Im übrigen wurde Herrn Dr. Gundolf in jeder Art versichert, daß eine Beleidigung seiner Person gar nicht beabsichtigt gewesen sei. Auf ein solches Spiel sich einzulassen und sich dazu herzugeben hat Herr Prof. Weber keinen Anlaß. Vorgezogen hätte er, wenn Herr Dr. Ripke diese Angelegenheit entweder auf sich beruhen ließe oder, noch besser, durch entsprechende Erklärungen Frau Prof. Gothein gegenüber wieder gut machen würde. 6. Auf eine etwaige Anfrage des Verlags würde Herr Prof. Weber lediglich antworten: daß er auf eine durch Sie vermittelte, ausdrückliche Anfrage des Herrn Dr. Ripke: warum Frau Prof. Gothein alles zurückgenommen habe? – eine Anfrage, welche eine unzweifelhaft unzutrefs Unterstreichung eigenhändig. 7 Vgl. dazu die Briefe an Friedrich Gundolf vom 1. Febr. 1914, oben, S. 498, und Axel Ripke vom 30. Mai 1914, oben, S. 690 f.

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fende Behauptung enthielt, Sie darauf aufmerksam gemacht habe, daß entgegen dem ausdrücklichen Verlangen des Verlages: Frau Prof. Gothein möge den Vorwurf des Betruges zurücknehmen, Frau Prof. Gothein lediglich die Erklärung abgegeben habe, daß sie nach Rücksprache mit ihren Rechtsbeiständen den Vorwurf eines strafbaren Betruges nicht aufrecht erhalte. Herr Prof. Weber wird naturgemäß sich bereit finden, dem Verlage auf Verlangen in der rückhaltlosesten Weise seine Ansicht auch über sein gesamtes Verhalten mitzuteilen, aber nur, wenn dies ausdrücklich beansprucht werde. Auf ein Hinüberspielen dieser geschäftlichen Angelegenheiten auf das Gebiet von Ehrenhändeln wird sich Herr Prof. Weber natürlich auch hier nicht einlassen. Er hat s. Zt. darauf bestanden, daß auch Herr Dr. Gundolf dies unter keinen Umständen tue und befindet sich darin in Übereinstimmung mit allen denjenigen, welche über diese Angelegenheit informiert sind. Er ist der Ansicht, daß ein immerhin recht wesentlicher Teil der Verantwortung dafür, daß das Verhalten des Verlages von Seiten des Leipziger Gerichtes in den Urteilsgründen als illoyal bezeichnet worden ist, dessen Bevollmächtigten, Herrn Dr. Ripke trifft. Herrn Dr. Ripke und, im Falle einer etwaigen Anfrage des Verlages, auch diesem gegenüber kann dieser Brief selbstverständlich in gar keiner Art vertraulich sein. Im Gegenteil sind Sie ermächtigt diesen, als den unmittelbar Beteiligten, nach Ihrem eigenen Ermessen ihn mitzuteilen. Ich halte diesen Brief für zweckmäßig, weil Herr Prof. Schmid in die Lage versetzt werden muß, Herrn Dr. Ripke, der vermutlich wieder mit ihm korrespondieren wird, authentisch Auskunft zu geben und ihm dabei anzuempfehlen, entweder zu klagen oder, was er schon längst hätte tun sollen, den Mund zu halten. Ich bitte nochmals um Beschleunigung der Erledigung und Kollationierung der Briefabschriften. Mit verbindlichstem Dank und in vorzüglicher Hochachtung Ihr ganz ergebenster

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Edgar Jaffé 15. Juli 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Der Brief steht in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung Webers mit der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät über den Plagiatsvorwurf von Paul Sander gegen Arthur Salz; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Februar 1914, oben, S. 527 – 529.

Heidelberg 15/VII 14 Lieber Jaffé!

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Es wäre mir doch sehr angenehm und wäre auch objektiv richtig, wenn Siebeck in der von mir vorgeschlagenen Art an die Fakultät in Prag schriebe.1 Ich muß scharf gegen sie polemisieren und es ist „fair“, sie voll zu Wort kommen zu lassen. Das Elaborat Spiethoff’s2 kritisiert sich selbst. Ich bitte Sie zuzustimmen. Collegiale Grüße! Max Weber

1 Ein entsprechender Brief Paul Siebecks ist im VA Mohr/Siebeck in Tübingen nicht nachgewiesen. 2 Gemeint ist die von Arthur Spiethoff verfaßte – jedoch anonym veröffentlichte – gutachterliche Stellungnahme, erschienen in: Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der deutschen Universität in Prag über den Angriff Prof. Dr. Max Webers gegen Prof. Dr. Paul Sander. – Prag: Im Selbstverlag der Fakultät 1914.

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Paul Siebeck 19. Juli 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 aHeidelberg,

19. 7. 14.a

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Ich wäre für Citieren nach Abteilungen.1 Aber entscheiden Sie. Morgen (Montag) früh geht die Correktur des Artikels gegen die Prager Fakultät an Sie ab.2 Ich erbitte Abschrift Ihres Briefs an die Fakultät.3 Gothein mahne ich heute.4 Hat Esslen seine Litteraturübersicht geschickt?5 Grünberg schreibt: er könne erst Ende der Ferien liefern, dann aber sicher.6 Unangenehm! Aber was ist zu machen?

a Ort und Datum von dritter Hand eingefügt. 1 Paul Siebeck hatte in seinem Schreiben vom 19. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) davon berichtet, daß die Autoren bei Verweisen auf andere GdS-Beiträge verschiedene, nicht vereinheitlichte Zitierarten, wie z. B. nach „Büchern“, verwendet hätten. 2 Gemeint ist die Korrektur zu: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914; zu den Gründen für diesen Artikel vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529. 3 Der Brief Paul Siebecks an die Prager Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät ist im VA Mohr/Siebeck in Tübingen nicht nachgewiesen. 4 Paul Siebeck hatte sich am 9. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) darüber beklagt, daß Eberhard Gothein alle seine Zuschriften bislang nicht beantwortet und auch das Kapitel III seines GdS-Beitrags über Bergbau noch nicht zugeschickt habe, „trotzdem er die Korrektur seines übrigen Beitrages schon in Händen hat. Er ist wohl durch das Rektoramt zur Zeit sehr in Anspruch genommen. Wenn Sie ihn ganz gelegentlich einmal an das III. Kapitel erinnern können, bin ich Ihnen dankbar.“ 5 Gemeint ist die Literaturübersicht zu dem GdS-Beitrag von: Esslen, Bodenpreis. 6 Es geht hierbei um das GdS-Manuskript: Grünberg, Agrarverfassung. Siebeck, der von Karl Grünberg am 15. Juni 1914 die Zusicherung erhalten hatte, daß sein Manuskript spätestens bis 1. August 1914 abgeliefert sein werde, hat auf diese erneute Verzögerung äußerst heftig reagiert und von Weber ein schärferes Vorgehen gegenüber Grünberg verlangt; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck, vor dem 22. Juli 1914, unten, S. 771, Anm. 2.

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Ich bin seitb 5 Wochen ganz durch Prozesse (zweier Damen)7 und diese Salz-Affäre8 in Anspruch genommen. „Gott besser’s“! Herzliche Grüße Ihr Max Weber

b 7 Weber bezieht sich auf den Prozeß seiner Cousine Lilli Hermann, geb. Hausrath, sowie auf den Zivilprozeß von Frieda Gross gegen ihren Schwiegervater. 8 Gemeint ist der Konflikt Webers mit der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät im Anschluß an die Auseinandersetzung Arthur Salz contra Paul Sander. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529.

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21. Juli 1914

Paul Siebeck PSt 21. Juli 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Von meinen Bemerkungen im „Archiv“ (in Sachen Sander – Salz) erbitte ich a4 Expl.a Revision.1 Und herzl. Gruß! Max Weber

a O: zweifach unterstrichen. 1 Gemeint ist die Revision von: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914; zu den Gründen für diesen Artikel vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529.

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Paul Siebeck [vor dem 22. Juli 1914]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Datierung ist erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „22. VII. 14 beantw.“

Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Gothein ist gemahnt, kann aber nicht vor 14 Tagen liefern.1 Grünberg ist absolut unentbehrlich, der Hauptartikel des ganzes Buches.2 Sie sehen: da haben wir die nervöse Situation wieder.3 Es geht halt so nicht. Gedrängt habe ich ihn wirklich redlich1); ich fürchte, wir bekommen eine Situation wie bei Schumacher, wenn wir noch schärfer werden.4 Sehr unangenehm ist das Alles, aber wir sind wehrlos. Herzliche Grüße! Max Weber 1) auch jetzt natürlich. 1 Die Mahnung galt dem zweiten Teil des Manuskripts von: Gothein, Bergbau; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 19. Juli 1914, oben, S. 768, Anm. 4. 2 Paul Siebeck hatte in seinem Brief an Weber vom 20. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) äußerst ungehalten über die neuerliche Verzögerung des Eingangs des Manuskripts von Karl Grünberg reagiert, dies um so mehr, als dieser ihm am 15. Juni 1914 versprochen und zugesagt hatte, seinen Beitrag in Maschinenschrift „und zeitig genug vor dem 1. August“ 1914 zu liefern: „Darauf“, so Siebeck an Weber, „habe ich mich bestimmt verlassen und gebe Ihnen hiermit in aller Freundschaft die Erklärung ab, daß ich mich auf weitere Versprechungen des Herrn Professor Grünberg nun nicht mehr einlasse. Ich ersuche Sie daher dringend, seinen Artikel aus der ersten Auflage des ‚Grundriß‘ einfach zu streichen. Ich kann mich tatsächlich nicht immer wieder von einzelnen Mitarbeitern in dieser Weise in meiner Arbeit, die doch auch nicht ganz wertlos ist und immerhin auch respektiert zu werden verdient, stören und aufhalten lassen. Aber keineswegs bloß um mich handelt es sich etwa, sondern auch um die Herren Mauer, Wygodzinsky, Hausrath und Moldenhauer, die Ihre [!] Manuscripte längst schon vor 2 Jahren abgeliefert haben und nun wieder in ihrer Hoffnung sich getäuscht sehen, daß zu Anfang des Wintersemesters die Abteilung erscheinen kann. […] Ich sehe somit keinen andern Weg, als daß wir für die erste Auflage auf den Artikel von Grünberg endgültig verzichten. Herr Professor Grünberg hat eben offenbar viel zu spät mit seiner Arbeit angefangen. So kann es aber unmöglich weitergehen, sonst mache eben schließlich ich nicht mehr mit. […] Seien Sie mir nicht böse, aber manchmal überkommt mich ein kollosaler [!] Ärger über diese Unzuverlässigkeit einzelner Mitarbeiter.“ 3 Anspielung auf eine diesbezügliche frühere Äußerung Siebecks; vgl. dazu Karte an Paul Siebeck vom 21. März 1914, oben, S. 573, Anm. 1. 4 Auf Webers Drängen nach termingerechter Ablieferung von Schumachers GdS-Manuskript war es zeitweise zwischen beiden zu erheblichen Verstimmungen gekommen; vgl. dazu den Brief Webers an Paul Siebeck vom 11. Juni 1914, oben, S. 708 f., Anm. 4.

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24. Juli 1914

Edgar Jaffé [vor oder am 24. Juli 1914]; o.O. Brief; eigenhändig Privatbesitz Die Datierung ist erschlossen aus einem handschriftlichen Vermerk Jaffés am Briefkopf: „24/7/14“. Der Brief steht in Zusammenhang mit einem Streit Webers mit der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät im Anschluß an eine Auseinandersetzung zwischen Arthur Salz bzw. Max Weber und Paul Sander; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Februar 1914, oben, S. 527 – 529.

Lieber Jaffé! 1. Schickt die Fakultät nichts, so hat sie keinerlei Ansprüche und thun wir sonst nichts. Das versteht sich. 32 Seiten kann man nicht „abdrucken“!1 – 2. Siebeck hat so an die Fakultät geschrieben.2 Salz war ein verlorener Mann, nachdem seine – nicht geschickte – Entgegnung in der D[eutschen] L[iteratur-]Z[eitung]3 in dieser infamen Weise beantwortet war.4 Auch weiß ich, daß die Prager Herren andre Zeitschriften mit Beschlag belegt hatten, um ihn dort ebenso zu rezensieren (Zycha bei Below).5 Salz kann es nur nutzen, wenn man so rücksichtslos wie möglich ist und sich über die Fakultät nach Verdienst lustig macht. Collegiale Grüße! Max Weber

1 Gemeint ist die gedruckte Stellungnahme: Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der deutschen Universität in Prag über den Angriff Prof. Dr. Max Webers gegen Prof. Dr. Paul Sander. – Prag: Im Selbstverlag der Fakultät 1914. 2 Ein entsprechender Brief Paul Siebecks ist im VA Mohr/Siebeck in Tübingen nicht nachgewiesen. 3 Salz, Arthur, Entgegnung, in: DLZ, Jg. 35, Nr. 7 vom 14. Febr. 1914, Sp. 445f. 4 Sander, Paul, Antwort, in: DLZ, Jg. 35, Nr. 7 vom 14. Febr. 1914, Sp. 446 – 448. 5 Von Adolf Zycha ist kein derartiger Artikel in der von Georg v. Below herausgegebenen Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erschienen; jedoch findet sich dort unter der Rubrik „Miszellen“ ein kritischer Beitrag von Franz Pick (Prag), Zur Geschichte der böhmischen Industrie in der Neuzeit, ebd., Bd. 12, 1914, S. 593 – 611.

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Paul Siebeck PSt 24. Juli 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Wenn die Fakultät keine Exemplare mehr hat, haben wir keine Verpflichtung.1 Ich habe das Entsprechende in dem Artikel konstatiert,2 damit „basta“. Herzl. Gruß! Max Weber Grünberg kann leider ganz unmöglich an eine andre Stelle gesetzt werden!3 Es thut mir leid[,] aber wir können nichts machen!

1 Paul Siebeck hatte Weber am 23. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) berichtet, daß er ein Telegramm aus Prag des Wortlauts „Sander-Weber-Broschüre kein Vorrat mehr vorhanden“ erhalten habe, und ihn gefragt, was nun geschehen solle. 2 Gemeint ist: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914; zu den Gründen für diesen Artikel vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529. 3 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 22. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) erneut seinem Unmut über die dauernden Verzögerungen der Zusendung von Karl Grünbergs GdS-Beitrag über Agrarverfassung freien Lauf gelassen: „Hochverehrter Herr Professor, ja da soll der Teufel nicht nervös werden! Auf die bestimmte Zusage Grünberg’s hin traf ich alle meine Dispositionen bezüglich der Urlaube meiner Mitarbeiter und meines eigenen Urlaubs usw. usw. und nun wird mir wieder die ganze Sache über den Haufen geworfen. Grünberg hätte wahrhaftig Zeit genug gehabt, seine 3 – 4 Bogen innerhalb der letzten zwei Jahre zu schreiben und abzuliefern. Und wenn er es nicht tat, warum verspricht er dann auf 1. August etwas, das er, wie nun offenbar wird, doch nicht halten konnte? Ich habe doch meine Geduld auch nur dazu, daß sie einmal reißt und bei Slovaken, Kroaten und anderen geht sie mir besonders leicht aus. Wenn es denn absolut nicht möglich ist, auf Grünberg zu verzichten, können Sie dann nicht wenigstens eine Strafversetzung vornehmen und ihn hinter Wygodzinski setzen mit einer ihn an den Pranger stellenden Vorbemerkung, aus der hervorgeht, warum sein Beitrag nicht am richtigen Platze steht? Sie sehen, die See will nun einmal ihr Opfer haben.“

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Paul Siebeck PSt 25. Juli 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 24. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Mitteilung, daß Friedrich Frhr. v. Wieser die Terminfestsetzung für die Sonderausgabe seines GdS-Beitrags: Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, dem Verleger überlasse, auch wenn der vertraglich vereinbarte Zeitpunkt „um volle 3 Monate“ hinausgeschoben werden sollte.

Verehrtester Herr Dr Siebeck! Besten Dank. Die Hinausschiebung grade des v. W[ieser]’schen Beitrages ist zweifellos erwünscht. Herzl. Grüße! Max Weber

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Paul Siebeck 27. Juli 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 27/VII 14 Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Ja – so geht das nicht!1 Natürlich ist Grünberg das Entsprechende gesagt. Aber im Vorwort stand, daß diese Partien im August in Druck gingen,2 da konnte er denken, er habe Zeit. Gr[ünberg] selbst hat die nachträgliche Einpassung in den Umbrucha angeboten, so wie Sie es wollen, – aber ich warne davor. Es können unerträgliche Folgen eintreten. Wir können eben so nicht verfahren! Ich hatte gewarnt! Und nun überhaupt und z. B. mit Bezug auf mich:3 ich bin seit 2 Monaten sehr schlechter Gesundheit, jetzt durch diese Sache von Dr Salz

a O: Umdruck 1 Der folgende Passus steht in Zusammenhang mit dem Problem der Manuskriptablieferung von: Grünberg, Agrarverfassung; vgl. dazu Brief und Karte an Paul Siebeck, vor dem 22. Juli 1914, oben, S. 771, Anm. 2, sowie vom 24. Juli 1914, oben, S. 773, Anm. 3. Siebeck war am 25. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) aufs neue auf dieses Problem zu sprechen gekommen: „In Sachen Grünberg gebe ich nicht nach: wenn wir ihm nicht gründlich den Ernst zeigen, so bekommen wir am Ende der Ferien wieder nichts von ihm. Es muß also geholfen werden und es gibt einen Weg. Nämlich: laut Vertrag stehen Herrn Professor Grünberg 3 8/16 Bogen zur Verfügung. Ich gewähre ihm endgültig 3 14/16 Bogen – damit muß er unbedingt reichen – und lasse meinerseits sofort die Abschnitte V, VI, VII und C Versicherungswesen mit Bogen 13 beginnend umbrechen. Daß ich den Umbruch aufschiebe, auf Grünberg mit dem Umbruch warte, kann mir nicht zugemutet werden; ich muß meine Arbeit einteilen und muß daher Abteilung VII in den nächsten Wochen fördern, soweit ich irgend kann. Ich bitte Sie also dringend ihm zu schreiben, oder durch mich in Ihrem Einverständnis schreiben zu lassen, daß er mit 3 14/16 Bogen ausreichen muß und daß die Abschnitte hinter ihm schon jetzt umbrochen werden. Ich bin das nicht bloß mir und meinen Mitarbeitern, sondern auch den in Mitleidenschaft gezogenen Grundriß-Mitarbeitern schuldig.“ 2 Gemeint ist: Weber, Max, Vorwort zum GdS, S. VII – IX; der Hinweis auf die Drucklegung der einzelnen Abteilungen, ebd., S. IX. Vgl. dazu Anhang 2, unten, S. 817 – 819. 3 Offenbar bezieht sich Weber auf eine eher beiläufige Bemerkung Paul Siebecks in dessen Brief vom 20. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Daß Sie 5 Wochen ganz durch Prozesse verloren haben, schmerzt mich der Soziologie [d. i. Wirtschaft und Gesellschaft] wegen gar sehr. Aber das ist doch ein ganz anderes Bild als bei Grünberg.“

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(eine gemeine Kampagne persönlichen Charakters!)4 gänzlich absorbiert, neben 2 Prozessen von Frauen,5 die ich führen muß und 2 andren Dingen6 (an allen hängen „Schicksale“). Wann ich endlich wieder arbeiten kann, weiß ich nicht. Ich habe diese Arbeit – das Unglück meines Lebens, denn sie zog mich von Dingen ab, die ich glatt erledigt hätte, Bücher und – Ihnen zu liebe ahnungslos übernommen. Jeder neue Beitrag schiebt mir neue Aufgaben zu, die der Mitarbeiter unerledigt gelassen hat. Ich bin „Mädchen für Alles“. Seit nun drei Jahrenb arbeite ich nur c aus diesem Grunde und nur dafür, unter Einsetzung meiner Gesundheit (das ist nicht zu viel gesagt). Wenn ich außer Gesundheit und Lebensfreude auch noch meinen guten Namen in dieser Sache lasse, – und das kann passieren! es sind die heikelsten und umstrittensten Dinge unsrer Disziplin und der Soziologie! – dann allerdings würde ich das Ihnen nie vergeben. Und Das tritt ein, wenn ich gedrängt werde. Natürlich kann ich Ihnen :bald: große Teile schicken. Aber sie stehen dann Monate im Satz! und bedrücken mich! Also! so geht das nicht. Auch dies Archiv-Heft muß sich gedulden, bis ich die Briefe von Götz – Straßburg habe, ob er mit der Form meiner Entgegnung einverstanden ist.7 Es handelt sich darum, ob ein großer Ehrenbeleidigungsprozeß vermieden werden kann. 4 – 5 Tage Versendungszeit des „Archiv“ (das vorige Heft erschien vor ca 6 Wochen!) kommen da wirklich nicht in Betracht. Jedes Wort muß 3 Mal abgewogen werden. Herzlichen Gruß! Max Weber

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4 Gemeint sind der Plagiatsvorwurf von Paul Sander in einer Rezension in der Deutschen Literaturzeitung sowie die analoge Reaktion der Prager Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. 5 Es handelt sich dabei um den Scheidungsprozeß von Lilli Hermann, geb. Hausrath, gegen Fritz Hermann sowie den Prozeß von Frieda Gross gegen ihren Schwiegervater Hans Gross. 6 Vermutlich denkt Weber hier an seine Bemühungen in Sachen Marie Luise Gothein und Franziska Gräfin zu Reventlow. 7 Es handelt sich um: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914. Das entsprechende Archivheft ist am 6. August 1914 erschienen. Ob Walter Goetz seine Zustimmung zu Webers Artikel gegeben hat, ist nicht bekannt. Zu den Gründen für diesen Artikel vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte Webers an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529.

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Paul Siebeck 30. Juli 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg 30/VII 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Grünberg geht sicher auf Ihren Vorschlag ein, – sein Mscr. genau dem von Ihnen angegebenen Umfang anzupassen1 – aber ich warne nochmals davor. Umbruch und Paginierung sind doch eine Sache weniger Tage und so umfangreich ist der stehende Satz auch nicht, daß sich das pekuniär rechtfertigte. Die Paginierung S. xa…2 macht einen sehr peinlichen Eindruck, das weiß ich: Aber ich bitte Sie, das zu machen wie Sie es machen wollen, denn Sie tragen schließlich das Risiko. Zu Dem was Sie schreiben,3 möchte ich sagen: Die Abt. V (mit „Handel“ beginnend) kann ja jedenfalls im Herbst (November) verschickt werden, Abt. VI ebenfalls. Wie es mit Abt. VIII (Rathgen) ste-

1 Paul Siebeck hatte in seinem Brief an Weber vom 25. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) die Idee geäußert, den Beitrag von Karl Grünberg über Agrarverfassung „endgültig“ auf „3 14/16 Bogen“ zu begrenzen und nachträglich in den Umbruch einzupassen; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 27. Juli 1914, oben, S. 775, Anm. 1. 2 Paul Siebeck hatte sich in seinem Brief vom 28. Juli 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) bereit erklärt, im Falle der nachträglichen Einpassung von Grünbergs Manuskript in den Umbruch das verlegerische Risiko zu tragen: „Denn einmal wäre ich ohne weiteres bereit, für Grünberg mehr Platz zu lassen, als der Vertrag plus 14 Seiten, die ich schon anbot, ergibt, wenn Grünberg nur gewiß Ende der Ferien abliefert. Dann aber: sollte Grünberg je auf ein paar Seiten zu viel herauskommen, so könnte mit dem, allerdings nicht schönen, Mittel der Paginierung x a,b,c ausgeholfen oder aber es meinem Risiko überlassen bleiben, die folgenden Bogen und die bis dahin auch schon ausgeschriebenen Registerzettel umpaginieren zu lassen.“ 3 Siebeck hatte in seinem Brief an Weber vom 28. Juli 1914 (wie Anm. 2) darauf hingewiesen, daß das verspätete Erscheinen der ersten GdS-Bände mit einem verständlichen Mißtrauen der Käufer über den Fortgang des ganzen Unternehmens einhergehe und es deshalb von Vorteil wäre, weitere Abteilungen bzw. Bände baldmöglichst erscheinen zu lassen, „womöglich so früh, daß die Kritik sich noch gar nicht von der Überraschung und dem Schrecken des Erscheinens der beiden ersten Abteilungen erholt haben kann.“

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hen wird, wissen wir nicht. Sie kann doch sicher nicht vor Januar verschickt werden. Nun so verschicken Sie doch V und VI im November, VII und eventuell VIII im Januar. Dann folgt so ziemlich alle 4 Monate durchschnittlich eine Versendung und das macht doch einen besseren Eindruck als V – VII oder VIII zusammen im Herbst und dann ersta im Frühjahr etwas Neues! Das scheint mir ganz klar! Jedenfalls würde ich als „Publikum“ so empfinden. Die Sortimenter natürlich kennen Sie. Daß Gottl ein Concurrenz-Unternehmen leite, ist absolute Fabel.4 Ich weiß auch sonst von einem solchen schlechterdings nichts. – Ich wiederhole: erinnern Sie Sich, daß ich gewarnt habe, jetzt Alles „in Vorrath“ zu setzen. Und nun: machen Sie die Sache, wie Sie wollen, ich mache Ihnen keine Vorwürfe. Was mich anlangt: soeben wird in dem Ehe-Nichtigkeits-Prozeß meiner Cousine5 Berufung eingelegt. In einer andren Sache,6 der ich mich nicht entziehen kann, steht ein Prozeß bevor. Ich habe in diese Sachen schon viele Monate Arbeit stecken müssen und es hängen Menschen-Schicksale daran, daß ich das thue; denn Niemand steckt so viel Arbeit hinein und die Anwälte taugen heute nichts. Ich bin fast arbeitsunfähig. Es ist wahr, Sie haben mich nicht gedrängt. Aber ich muß vorbauen. Ich kann nicht garantieren, wann ich fertig bin. Die anliegenden Korrekturen in der Salz-Sache7 (kostete mich auch ca 4 Wochen! und mußte geschehen!) werden vielleicht zu einer Superrevision durch mich (eventuell mit telegrafischem Imprimatur) nötigen.

a 4 Siebeck hatte in seinem Brief vom 28. Juli 1914 (wie Anm. 2) als einen besonderen Grund für ein schnelles Erscheinen weiterer GdS-Bände die – wie er gehört hatte – bevorstehende Gründung eines Konkurrenzunternehmens in Leipzig angeführt, das angeblich unter der Leitung von Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld betrieben werden sollte. 5 Gemeint ist der Prozeß von Lilli Hermann, geb. Hausrath, gegen Fritz Hermann, der Ende Mai 1914 in erster Instanz durch die Feststellung der Nichtigkeit der Ehe beendet schien. Dieses Urteil wurde nach längerem Berufungsverfahren am 14. März 1917 rechtskräftig (Vermerk im Heiratsregister des Standesamtes Heidelberg von 1906). Die Gerichtsakten sind nicht mehr vorhanden. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 11. Sept. 1912, MWG II/7, 2. Halbband, S. 659. 6 Vermutlich bezieht sich Weber auf die Auseinandersetzung zwischen Frieda Gross und deren Schwiegervater. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, oben, S. 386 f. 7 Gemeint sind die Korrekturen zu: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914; zu den Gründen für diesen Artikel vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529.

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Es ist mir sehr unangenehm, aber ich konnte nichts dafür, daß ich die erbetenen Auskünfte nicht rechtzeitig erhielt, welche die Änderungen (zum großen Teil) bedingten. Herzliche Grüße, – es ist mir leid, daß Sie mit der Sache so viel Ärger haben Ihr Max Weber

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30. Juli 1914

Paul Siebeck [zwischen dem 30. Juli und 4. August 1914]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Datierung ist aus den gedruckten Verlagsziffern erschlossen, die sich auf den ausgehenden Briefen Siebecks bzw. deren Durchschlägen und zum Teil auf der eingehenden Korrespondenz befinden. Der Brief Paul Siebecks an Weber vom 30. Juli 1914 trägt die Ziffer 33720, das undatierte Schreiben Webers die Ziffer 34026 mit dem Vermerk: „nicht beantw.“ sowie der Brief Siebecks vom 4. August 1914 die Ziffer 34310.

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Anliegendes muß der letzten Fußnote meines Aufsatzes im „Archiv“,1 letzte Seite, hinzugefügt werden. Ich bedaure sehr diese – letzte – Incommodierung. Herzl. Gruß! Max Weber

1 Der nachträgliche Zusatz wurde dem Artikel: Weber, Max, Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914, S. 252, Anm. 18, hinzugefügt. Es handelt sich um die ergänzenden Bemerkungen Webers im Anschluß an den ersten Satz der Fußnote. Zu den Gründen für diesen Artikel vgl. die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Edgar Jaffé vom 25. Febr. 1914, oben, S. 527 – 529.

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Paul Siebeck 1. August 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 1/VIII 14 Sehr geehrter Herr Dr Siebeck!

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Wäre es denkbar, daß Sie für meine Rechnung (à conto des später fälligen Redakt[ions]-Honorars) Herren Dr Lederer einen Vorschuß – sei es auch nur von 200 Mk – auf seine späteren Forderungen zahlten?1 Er ist in sehr übler Lage und da ich annahm, daß ich September mit der Ablieferung des Mscr.2 beginnen könnte, sagte ich ihm s. Z. für diese Zeit einen Vorschuß zu, von mir aus. Jetzt sitze ich selbst übel in der Klemme. Geht es nicht – so geht es nicht. Herzliche Grüße! Max Weber

1 Siebeck hat Weber am 4. Aug. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zustimmend geantwortet, daß er Emil Lederer 200 Mk überweisen werde, jedoch hinzugefügt: „Da ich für den Rest dieses Jahres noch sehr viele Verbindlichkeiten zu erfüllen habe und auf irgend nennenswerte Einnahmen nicht rechnen kann, muß ich meine verfügbaren Mittel sehr zusammenhalten, sonst hätte ich gerne mehr getan.“ 2 D. h. von Wirtschaft und Gesellschaft.

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28. August 1914

Karl Oldenberg 28. August 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 3 Am ersten Mobilmachungstag, dem 2. August 1914, meldete sich Max Weber als Premier-Lieutenant der Reserve freiwillig beim Garnisonskommando Heidelberg und wurde an die Reserve-Lazarettkommission als Militärisches Mitglied abgeordnet. Dort oblag ihm der sofortige Aufbau von mehreren Reservelazaretten. Zunächst ohne ausreichendes Personal mußte er, von befreundeten Kollegen unterstützt, rasch und improvisierend handeln, um innerhalb von zehn Tagen die ersten Verwundeten aufnehmen zu können. Am 18. August 1914 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) berichtete Marianne Weber ihrer Schwiegermutter, vier Lazarette seien fertiggestellt und der erste Transport französischer Verwundeter sei vorgestern aufgenommen worden. Max Weber errichtete und verwaltete schließlich neun Lazarette. Nach der Aufbauphase konzentrierte sich seine Tätigkeit als Disziplinaroffizier auf die Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung. 1915 wurde er zum Hauptmann befördert. Nachdem die Reserve-Lazarettkommission im Herbst 1915 aufgelöst wurde, ersuchte Max Weber um seine Entlassung aus dem Militärdienst, die Anfang Oktober erfolgte. Vgl. dazu Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 527 – 531, sowie den Editorischen Bericht zu Max Webers Erfahrungsberichten über Lazarettverwaltung, MWG I/15, S.23 – 25.

Heidelberg, den 28.8.14. …a Ich habe 13 Stunden Dienst im Lazarett, vielleicht komme ich doch noch in eine Festung oder so etwas; marschieren kann ich ja leider nicht und bin daher nicht an der Front zu brauchen – was einem doch sehr hart ankommt. Denn einerlei was der Erfolg ist, – dieser Krieg ist groß und wunderbar. Herzliche Grüße

a Beginn der Abschrift mit Auslassungszeichen.

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28. August 1914

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Paul Siebeck PSt 28. August 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 26. August 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Frage, wie die im September fällig werdende zweite Hälfte von Webers Redaktionshonorar für den GdS in Höhe von 1000 Mk ausgezahlt werden solle.

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck[!]

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Ich bitte: Bank-Überweisung. Verzeihen Sie, daß ich nur auf dies Lebenszeichen von Ihnen bisher reagiert habe. Ich habe die Lazarette hier einzurichten und 13stündigen harten Arbeitstag, der mir doch sehr ungewohnt und anstrengend ist und mich stumpf und müde macht.1 Alle meine Brüder2 sind vor dem Feind, wie Ihre Söhne.3 Käme ich doch auch noch hin. Denn dieser Krieg ist groß und wunderbar, was auch der Erfolg sein mag. Herzliche Wünsche und Grüße in alter Freundschaft Ihr Max Weber

1 Siehe die Vorbemerkung zum Brief an Karl Oldenberg vom 28. August 1914, oben, S. 782. 2 D. h. Alfred, Karl und Arthur Weber. 3 D. h. Oskar, Werner und Robert Siebeck; zum Tod des letzteren vgl. Webers Kondolenzschreiben an Paul Siebeck vom 7. Sept. 1914, unten, S. 787 f.

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31. August 1914

Hans W. Gruhle PSt 31. August 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612 Die folgende Karte bezieht sich auf Max Webers Tätigkeit beim Aufbau der Reservelazarette in Heidelberg. Hans Gruhle war Privatdozent und Assistenzarzt an der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik in Heidelberg und gehörte zu den befreundeten Kollegen, die Hilfe angeboten hatten, wie Marianne Weber im Lebensbild3, S. 529, berichtete.

V. Fr. u. C.! Für 45 Betten ist das Bettzeug, die Leibwäsche und 45 Nachttische bestellt. Die Lieferungen sind nebst Angabe der Firma dem Akad[emischen] Krankenhaus (Herrn R.A. Muser) annonciert und erfolgen alle bis Samstag. Vielleicht lassen Sie Sich die Zettel zeigen, die ich schickte, um informiert zu sein und damit nichts fehlt. Nachtgeschirre sind uns als zu liefern nicht gemeldet. Telefon: 14771. Herzl. Gruß! Max Weber

1 Unter dieser Nummer war Weber offenbar im Lazarett zu erreichen. Im Heidelberger Adreßbuch von 1914 ist die Telefonnummer Ernst Doßmann, Sanitätsfeldwebel und Rechnungsführer, Landhausstraße 31, zugeordnet.

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Anfang September 1914

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Mina Tobler [Anfang September 1914; Heidelberg] Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Datum des Briefes ist erschlossen aus der Bezugnahme auf einen nicht überlieferten Brief Alfred Webers an Marianne Weber, von dem diese in einem Brief an Helene Weber vom 7. Oktober 1914 (Bestand Max Weber-Schäfer, BSB München, Ana 446) spricht: „Von Alfred oder über ihn haben auch wir seit jenem Brief, den ich Dir vor Wochen schickte, nichts gehört.“ Aus diesem Hinweis ist das Datum des Briefes an Mina Tobler auf Anfang September 1914 erschlossen worden. Der Ort ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Liebes Tobelkind, –

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nun habe ich diese Karte in der Tasche behalten. Seitdem schrieb ich noch eine – haben Sie die wohl bekommen?1 Ich unterrichtete2 inzwischen noch zwei Mal, einmal sprang ich im letzten Moment ein, weil der betr. Lehrer das Hasenpanier ergriffen hatte und Alles umsonst wartete. Anstrengend ist es nach so einem Arbeitstage und ohne starke Schlafmittel geht es jetzt nicht mehr. Wenn dieser Fetzen Sie erreicht, denken Sie schon wieder an die Rückreise, nicht wahr? Und Sonntag3 sieht man sich. Es ist von hier nichts zu erzählen, was für das Papier lohnte und geeignet wäre; – Alles also mündlich. Mein Bruder4 schreibt aus Mülh[ausen] von heftigen Angriffen, – ob Sie wohl über Basel fahren können? Besser übera Singen – Offenburg.

a < Lind > 1 Die beigelegte Karte und die erwähnte weitere Karte an Mina Tobler sind nicht nachgewiesen. 2 Gemeint ist der Unterricht von Verwundeten im Lazarett, der von Mitgliedern des akademischen Lehrkörpers und Volksschullehrern sowie von Mitgliedern der ReserveLazarettkommission gehalten wurde. Vgl. Weber, Max, Abschließender Erfahrungsbericht über die Lazarettverwaltung, MWG I/15, S. 32 – 48. 3 Gemeint ist der sonntägliche „Jour“ bei Max und Marianne Weber, vermutlich am 13. September 1914. 4 Alfred Weber hatte sich bei Kriegsausbruch im Alter von 46 Jahren sofort freiwillig gemeldet und stand seit dem 9. August 1914 als Ordonnanzoffizier bei der 55. Brigade der Landwehr zwischen Mülhausen im Elsaß und Basel an der Front. Vgl. Demm, Eberhard, Ein Liberaler in Kaiserreich und Republik. Der politische Weg Alfred Webers bis 1920. – Boppard am Rhein: Harald Boldt Verlag 1990, S. 153.

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Anfang September 1914

Ich schreibe in großer Eile zwischen Thür und Angel, denn jetzt geht der Dienst sehr stramm den ganzen Tag.5 Tausend herzliche Grüße und vieles Gedenken, – nehmen Sie mit diesen dürftigen Zeilen vorlieb bis hier! Stets Ihr Max Weber

5 Max Weber war mit der Einrichtung von Reservelazaretten betraut. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Karl Oldenberg vom 28. August 1914, oben, S. 782.

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7. September 1914

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Paul Siebeck 7. September 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das folgende Kondolenzschreiben zum Tode von Robert Siebeck enthält einen Zusatz von Marianne Weber an Thekla und Paul Siebeck.

Heidelberg 7/9 14 Verehrter Freund, –

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mit schmerzlicher Teilnahme erhalten wir die Nachricht vom Heldentod Ihres Sohnes.1 Wie Sie wissen, hatte ich die Freude, ihn im vorigen Jahr,2 grade um diese Zeit, bei Ihnen im Hause kennen zu lernen und wir haben uns eingehend und für mich sehr belehrend und interessant über gemeinsame Interessen unterhalten, speziell musikgeschichtlicher Art. Sein außerordentlich sympathisches, freies und feines Wesena, verbunden mit der Begeisterung für seine Kunst – theoretisch und praktisch – und mit der Fähigkeit der Mitteilung seiner Gedanken mußten ihm die Zuneigung aller Menschen gewinnen, mit denen er in Berührung kam. Es hatte mich sehr gefreut zu hören, daß ihm der Wunsch, in der künstlerischen Arbeit und nicht – wie er es sehr gut gekonnt hätte – in der wissenschaftlichen Pflege der Musik seinen Mann stehen zu dürfen, in Erfüllung ging, und zwar grade in der Heimatstadt unsrer Familie: Bielefeld. Nun ist er mit der gleichen Begeisterung, wie für seine Kunst, für die Existenz unsres Staates und unsrer Kultur in die Schranke getreten und durch den schönsten Tod, den das Schicksal an uns, die wir Alle sterben müssen, zu vergeben hat, abgerufen worden.

a In O folgt: mußte ihm 1 Robert Siebeck war am 2. September 1914 gefallen. 2 Gemeint ist das Jahr 1912. Anläßlich eines Aufenthalts in Tübingen wohnte Weber vom 12. – 13. September im Hause Siebeck und lernte dort den Geiger Robert Siebeck kennen; vgl. dazu seinen Brief an Marianne Weber vom 13. Sept. 1912 (MWG II/7, S. 663).

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7. September 1914

„Die wir für unsre traute Heimath fechten „Uns kommt der Tod in himmlischer Gestalt“ sang Esmarch 18483 in dem schweren Krieg der Schleswig-Holsteiner gegen Dänemark. Noch immer weiß Niemand sicher, welches der Ausgang sein wird. Aber der Geist der Truppen ist von strahlender Herrlichkeit und man darf wünschen, verehrter Freund, daß daran und an der jetzt zum ersten Male in unsrer Geschichte erreichten deutschen Einigkeit sich auch Ihr und Ihrer lieben Frau Herz wieder aufrichten möge in diesen für Sie so furchtbar schweren Tagen. Mit Bedauern höre ich, daß auch Ihr ältester Sohn4 für das Vaterland blutet. Nach Ihren Mitteilungen muß seine Wunde schmerzhaft und die Behandlung langwierig sein. Aber bei den Leistungen der Kriegs-Chirurgie, die wir jetzt hier sehen, ist ja nicht zu zweifeln, daß Alles schließlich sehr gut ablaufen wird. Ich bitte Sie, ihm unsre herzlichsten Grüße zu senden und drücke Ihnen selbst und Ihrer Frau Gemahlin warm die Hand. Ihr getreuer Max Weber

3 Weber bezieht sich auf das Gedicht von Karl Esmarch „Schlachtentod. 1849“ in der unter dem Pseudonym Karl von Alsen erschienenen Gedichtsammlung: Aus alten und neuen Tagen. – Berlin: Georg Reimer 1861, S. 35f. Der genaue Wortlaut der von Weber zitierten Verse lautet: „Wir, die für unsre liebe Heimath fechten,/ Wir sehn den Tod in himmlischer Gestalt.“ Ebd., S. 36. 4 D. h. Oskar Siebeck.

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Mina Tobler [7. September 1914; Heidelberg] Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Konvolut der Briefe an Mina Tobler enthält einen Briefumschlag mit dem Poststempel vom 7.9.14 und ist adressiert nach Zürich. Der Umschlag kann dem folgenden Brief zugeordnet werden. Hermann Schäfer, dessen Tod im Postskript nachgetragen wurde, ist am 26. August 1914 gefallen, Weber kondoliert seiner Schwester Lili Schäfer am 8. September 1914. Der Ort ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Liebes Tobelkind,

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ich möchte wirklich wissen,a ob Sie von hier aus irgend etwas gehört haben. Ihre Karten lassen davon nichts erkennen. Vielleicht hat man das[,] was ich Ihnen schrieb, wegen Unleserlichkeit als verdächtige Chiffre-Briefe behandelt und vernichtet oder zurückbehalten. Ob diese Zeilen Sie noch erreichen[,] scheint auch fraglich. Aber ich schicke sie doch für alle Fälle ab, da Sie immerhin erst Mittwoch1 – wie mir von Lisbeth Braus2 gesagt wurde [–] reisen wollen. Ihre Karten kamen gleichzeitig hier an. Schönen Dank. Man darf ja jetzt hoffen, daß im Süden Alles ruhig bleibt3 und also Ihr Schwager4 doch nicht eingezogen wird. Hier sieht sich das Leben jetzt auch wieder etwas normaler an – ob freilich Klavierstunden5 zu geben sind, das ist mir doch recht sehr fraglich. Die Noth ist doch schon jetzt ziemlich groß: Arbeitslosigkeit der Frauen vor Allem, und Marianne hat da sehr viel zu thun.6 Aber die eigentlich schwere Zeit wird doch erst im Win-

a < wie[??] > 1 Mittwoch war der 9. September 1914. 2 Lisbeth Braus war mit Mina Tobler eng befreundet. 3 Die Schweiz hatte ihre Neutralität erklärt. Italien hatte am 3. August 1914 seine Bündnispflicht aus dem Dreibund nicht anerkannt. 4 Gemeint ist der italienische Schwager von Mina Tobler, Giuseppe Giulio Guicciardi, Professor der Medizin in Venedig. 5 Mina Tobler war Klavierlehrerin in Heidelberg und bei Ausbruch des Krieges bei ihrer Familie in der Schweiz. 6 „Wir Frauen der Frauenbewegung versuchen den Kampf gegen die weibliche Arbeitslosigkeit – in diesen Wochen waren 550 Frauen die verdienen u. arbeiten wollen bei uns, nur Mädchen, die kochen können werden begehrt,“ schrieb Marianne Weber an Helene Weber Ende August 1914, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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7. September 1914

ter kommen. Die eigne Arbeit ist sehr aufreibend, wegen der Zersplitterung und langen Dauer. Sehr an meinem Platz fühle ich mich nicht.7 Braus würde die Sache weit besser machen.8 Ohne ihn ginge es überhaupt nicht da draußen, er arbeitet wirklich ganz vorzüglich. Wie mag es wohl bei Ihnen persönlich stehen? Sie schreiben nichts davon. Erholung ist dies doch auch nicht gewesen, ohne Berg-Aufenthalt und in dieser inneren Spannung! Ich bin sehr begierig auf Ihre Erzählungen. – Von meinen Brüdern höre ich nichts, außer einer belanglosen Karte von Alfred. Einer steht in Lüttich (Artur), einer in Lothringen (Karl), einer im Oberen Elsaß (Alfred). Der Schwager9 in Bromberg. Meine Schwester Lili ist bei der Mutter. Alles ist einsilbig, das verändert die Welt sehr. Wie lange das dauern mag? Die erstaunlichen Leistungen der Truppen und ihr Geist erfreuen sehr. Viele herzliche Grüße Ihres Max Weber Eben die Nachricht, daß mein Schwager (Schäfer) gefallen ist.

7 Zu Webers Tätigkeit in der Lazarettverwaltung vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Karl Oldenberg vom 28. Aug. 1914, oben, S. 782. 8 Hermann Braus, mit Max Weber und Mina Tobler befreundet, war Professor für Anatomie in Heidelberg und stellte „sich Weber als persönlicher Helfer zur Verfügung“. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 528 f. 9 Gemeint ist Hermann Schäfer.

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Lili Schäfer 8. September 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 22 – 23 Kondolenzbrief von Max Weber an seine Schwester Lili Schäfer zum Tod ihres Mannes Hermann Schäfer, Regierungsbaurat in Berlin, der sich bei Kriegsbeginn als Leutnant der Reserve freiwillig gemeldet hatte und am 26. August 1914 bei den Kämpfen vor der Schlacht bei Tannenberg in Ostpreußen im 43. Lebensjahr gefallen war. Vgl. auch Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 536.

Heidelberg 8/IX 14. Meine liebe Lili, –

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Mamas Nachricht1 trifft uns – mich wenigstens – in der Unmöglichkeit der Sammlung und Verarbeitung der Empfindungen und Gedanken und, seltsamerweise, hatte ich grade an die Möglichkeit, daß das Schicksal uns von dieser Seite: :Dich gerade: treffen könnte, gar nicht gedacht. So stehen wir denn in unserer Trauer mit Dir noch unvorbereitet, wie im Frieden. Nur einen herzlichen Händedruck möchte ich Dir senden, ehe der Dienst2 wieder beginnt, der nach wie vor den ganzen Tag in Anspruch nimmt. Er war ein Mensch von seltener Güte, Das, was man recht eigentlich einen „lieben“ Menschen nennt. Du weißt ja, daß ich ihn lange[,] ehe Ihr Euren Bund schloßt, so ansah.3 Und grade in den letzten Zeiten hatten wir die bestimmte Empfindung, daß er uns zunehmend und herzlich lieb gewonnen hatte und ein schönes und offenes Vertrauen zu uns hatte – das Beglückendste, was ein Mensch dem andren geben kann. Die Natur hatte ihn nicht dazu veranlagt, ein eigentlich „glücklicher“ Mensch zu sein. Du hast ihma Alles gebracht, was er an Glück zu „haben“ überhaupt geschaffen war. Sonst würde er das Leben vielleicht wie eine Last getragen haben. So trug er es als eine gewichtige Aufgabe. Das wenigstens glaubte man zu spüren. a 1 Die Nachricht betraf den Tod Hermann Schäfers, der am 26. August 1914 bei Tannenberg gefallen war. 2 Max Weber war seit dem 2. August 1914 Militärisches Mitglied der ReservelazarettKommission und mit der Einrichtung von Reservelazaretten in Heidelberg beauftragt. 3 Max Weber kannte Hermann Schäfer als Studienfreund seines Bruders Karl Weber schon vor der Eheschließung seiner Schwester Lili im Jahre 1902.

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Es hat ihm beruflich Enttäuschungen gebracht. Denn er war zum Lehrer geschaffen. Und eine Reihe der in dem Zahnrad-Getriebe des akademischen Wesens begründeten Zufälle hinderte es, daß er an die richtige Stelle zur rechten Zeit kam.4 Die wenigen Male, die ich mich mit ihm wirklich eingehend unterhalten konnte über Dinge, die er beherrschte, gewann ich stets erneut den ganz sicheren Eindruck: daß seine Eigenschaften als Gelehrter – wenn man den Ausdruck anwenden soll – denen als Künstler ebenbürtig waren und daß er unbedingt Erstklassiges zu leisten in der Lage war, wenn er wollte und Zeit und Gelegenheit dazu fand. In dieser Hinsicht war er unter allen Umständen weit mehr, als er schien. Daß man das, bei seiner Zurückhaltung und der Gewohnheit, zu schweigen, wenn nicht geredet werden mußte, nicht so leicht sah undb daß es unbekannt blieb, hat ihm, im äußerlichen Sinn und auch für die Gewinnung der für ihn geeigneten Stellung, im Wege gestanden. Aber ein Mensch, der mehr ist, als er scheint, ist menschlich doch anders dran, als Einer, bei dem das Umgekehrte der Fall ist. Ich hatte den Eindruck, daß er ein kraftvolles Selbstgefühl in sich trug, wie ein Mann, der sein Handwerk zu verstehen sich bewußt ist und nach nichts Anderem fragt, und daß die guten Stunden gelösten Humors nicht fehlten. Er hätte mit Dir sicher noch gern gelebt. Und doch ist, da wir denn einmal alle sterben müssen, dieser Tod in diesem Kriege nichts, dem er sich hätte entziehen wollen. Denn dieser Krieg ist wirklich – was auch der Ausgang sei – groß und wunderbar, über alles Erwarten. Nicht die Erfolge, sondern der „Geist“ der Soldaten, den man hier sehen konnte und täglich in den Lazaretten sieht, übersteigt alle Erwartungen. Und auch, hier wenigstens, der Geist der Bevölkerung, Alles in Allem. Niemals hätte ich das gehofft – und was auch kommen mag, es soll unvergessen sein. Auf diesen Schlachtfeldern gefallen zu sein ist auch den Preis eines schönen und reichen Lebens werth. So würde er denken. Dann freilich würde er an Dich und Eure Kinder denken, wie wir es thun. Aber wie Du nun Dein

b 4 Hermann Schäfer hatte sich 1911 Hoffnungen auf einen Lehrstuhl für Architektur an der TH Dresden gemacht – vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 29. Juli 1911 (MWG II/7, S. 252) – und 1913 erwartet, als Nachfolger seines Schwagers Karl Weber an die TH Danzig berufen zu werden. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 13. April 1913, oben, S. 179.

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Leben gestalten wirst – das wollen wir in ruhigeren Stundenc mit Dir bereden, wenn Du selbst erst ein bestimmteres Bild davon hast. Herzlich Dein Max.

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9. September 1914

Mina Tobler [am oder nach dem 9. September 1914; Heidelberg] Brief; eigenhändig Privatbesitz Bezug: Die geplante Rückreise von Mina Tobler aus Zürich nach Heidelberg. Das Datum ist erschlossen in Verbindung mit dem Brief an Mina Tobler vom 7. September 1914, oben S. 789 f. Danach war als Reisetag der auf den 7. September folgende Mittwoch, also der 9. September 1914, vorgesehen. Möglicherweise hat ein Telegramm der befreundeten Lisbeth Braus Mina Tobler von dem geplanten Reisetermin abgebracht. Mina Tobler muß aber spätestens in der zweiten Septemberhälfte nach Heidelberg zurückgefahren sein, da sie in einem Brief an ihre Mutter vom 19. September 1914 (Privatbesitz) von einem bevorstehenden Besuch bei Webers am selben Tag spricht.

Liebes Tobelkind! Ob Sie jetzt durchkommen, weiß Niemand, auch nicht ob es später besser wird. Es scheint aber, daß grade jetzt starke Transporte sind. Ich habe daher Lisbeth Braus nicht abrathen lassen können, Ihnen zu telegraphieren, daß es jetzt vielleicht schwierig sei hierherzureisen. Jedenfalls kommen Sie hoffentlich bald und ohne Zwischenfälle. Mit herzlichen Grüßen Ihr Max Weber

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Mina Tobler [14. September 1914; Heidelberg] Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Datum des Briefes ist aus dem Zusammenhang mit dem vorstehenden Brief an Mina Tobler und dem vermutlichen „Jour“ am 13. September 1914 erschlossen. Der Ort ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Liebes Tobelkind, –

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nur einen Morgengruß aus tiefer Dunkelheit (3/4 8 Uhr), die langsam durch das Morgenroth gelichtet wird. Das hat man Alles bisher nicht gekannt. Gestern – Sonntag – blieben wir ganz allein mit der kl[einen] Thorb[ecke]1 von nebenan und meinem netten aber etwas sehr einfachen Neffen.2 In der Arbeit geht Alles wie bisher, ich habe nochmals „doziert“3 und werde es heut Abend wieder thun. Fredi4 ist kräftig am Organisieren[,] nur ist er jetzt gehemmt durch Influenza, die „wir“ – er und sie,5 die den Hauptteil seiner Leiden abzubekommen pflegt – haben. Ob ich hier bleibe steht noch immer nicht fest. Aber das ist einerlei jetzt, die Arbeit geht von 8 – 8, ohne daß ich Mittags mich so wie früher, im :August u.: September, ausruhen könnte. Der Kopf steckt, wenn ihm nicht schöne Träume kommen, gänzlich voll Schwestern, Eßnäpfena, Ärztenb, u. dgl. Dienst Tag und Nacht. – Und Sie? es war in Ihrer Karte sehr wenig von Ihnen gesagt. Marianne grüßt herzlich, ebenso wie immer Ihr getreuer Max Weber

a O: Eßnäpfe

b O: Ärzte

1 Gemeint ist Clara Thorbecke, die, wie in einem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 19. Oktober 1914 erwähnt (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), zwei Monate lang ihre Nachbarin war. 2 Um welchen Neffen es sich handelte, ist nicht ermittelt. 3 Weber hatte Fortbildungskurse für die Verwundeten eingerichtet und sprach, wie Marianne Weber im Lebensbild3, S. 535, berichtet, u. a. über das Wesen des Geldes und über die Unterschiede zwischen der russischen und deutschen Agrarverfassung. 4 Gemeint ist Friedrich Alfred Schmid. – Das Ehepaar Schmid gehörte zum Freundeskreis von Max Weber und Mina Tobler. 5 Gemeint ist Cläre Schmid.

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9. Oktober 1914

Friedrich Gundolf PSt 9. Oktober 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig University of London, Institute of Germanic Studies, Gundolf-Archiv Datum erschlossen aus dem beiliegenden Briefumschlag. Der folgende Brief sowie die Schreiben an Gundolf vom 12. und 14. Oktober 1914, unten, S. 797 und S. 798, stehen in Zusammenhang mit Max Webers Tätigkeit als Militärisches Mitglied der Heidelberger Reserve-Lazarettkommission. In seinen Zuständigkeitsbereich fiel die Organisation der Reservelazarette im Amtsbezirk Heidelberg. Im Mittelpunkt dieses sowie der folgenden Briefe an Gundolf steht die Frage der Verwendung von Marie Josephe v. Hoesch im Heidelberger Lazarettwesen. Frau v. Hoesch gehörte zum Freundeskreis der jungen Stefan George-Schüler um Gundolf. Vgl. dazu: Hellingrath und die Entdeckung des späten Hölderlin. Begleittexte zur Sonderausstellung im Hölderlinturm vom 24. Mai bis 31. Juli 1992. Zusammengestellt von Bruno Pieger. – Tübingen: Hölderlinturm 1992, S. 29.

Heidelberg Landhausstr. 31 Garnison-Lazarett Lieber Freund, – ich richte sofort eine Rundfrage an unsre hiesigen Lazarette und bitte Frau von Hoesch, sich wenige Tage, bis zum Eingang der Antworten, zu gedulden. Ich hoffe ziemlich sicher, daß eine Verwendung möglich sein wird.1 Herzliche Grüße Max Weber

1 Marie Josephe v. Hoesch hatte zuvor als Krankenpflegerin in belgischen Lazaretten gearbeitet.

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12. Oktober 1914

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Friedrich Gundolf PSt 12. Oktober 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig University of London, Institute of Germanic Studies, Gundolf-Archiv Datum erschlossen aus dem beiliegenden Briefumschlag. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Frage einer Verwendung von Marie Josephe v. Hoesch im Heidelberger Lazarettwesen; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gundolf vom 9. Oktober 1914, oben, S. 796.

Res[erve-]Lazarett Kommission Heidelberg Landhausstr. 31 Telefon 2877

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Herrn Dr Friedrich Gundolf Darmstadt

Verehrter Freund!

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Frau v. Hoesch könnte hier im Res[erve-]Lazarett Landhausstraße Ecke Kaiserstraße eintreten. Am Lazarett sind eine Violinistin :(Fr. Schenk):1 und meine Kousine Frau Hermann2 als Pflegerinnen thätig und recht tüchtig. Boll3 und Frl. Schöll4 sind darin thätig. Es ist viel zu thun. Es käme auf die Bedingungen an, die Frau v. Hoesch stellt. Vielleicht wäre es lohnend, wenn sie sich in der Bürozeit (8 – 1, 3 – 7)a einmal hier, Landhausstr. 31, mit mir bespräche. Nachricht erbeten. Herzl. Gruß! Max Weber.

a Klammer fehlt in O. 1 2 3 4

Es handelt sich um Anna von Schenck. Gemeint ist Lilli Hermann. D. h. Franz Boll. Gemeint ist Dorothea Schöll, die Tochter von Fritz Schöll.

14. Oktober 1914

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Friedrich Gundolf 14. Oktober [1914]; Heidelberg Brief; eigenhändig University of London, Institute of Germanic Studies, Gundolf-Archiv Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Frage einer Verwendung von Marie Josephe v. Hoesch im Heidelberger Lazarettwesen; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gundolf vom 9. Oktober 1914, oben, S. 796.

Heidelberg 14a/X 31 Telefon 2877.

bLandhausstraße

Verehrter Freund! Frau v. Hoesch kann sofort hier, Landhausstraße, Ecke Kaiserstraße, eintreten. Im Fall sie ihre Absicht geändert hat und nicht kommen will, bitte ich um sofortige Nachricht. Herzl. Gruß! Max Weber

a 13 > 14

b

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15. Oktober 1914

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Ferdinand Tönnies 15. Oktober 1914; Heidelberg Abschrift; ohne Anrede, in: Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften. – München: Drei Masken Verlag 1921, S. 458

Heidelberg, 15.10.1914

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…a Dieser Krieg ist bei aller Scheußlichkeit doch groß und wunderbar, es lohnt sich, ihn zu erleben – noch mehr würde es sich lohnen, dabei zu sein, aber leider kann man mich im Feld nicht brauchen, wie es gewesen wäre, wenn er rechtzeitig – vor 25 Jahren – geführt worden wäre.1 Meine Brüder2 stehen alle im Feld- oder Garnisondienst, mein Schwager3 ist bei Tannenberg gefallen. – Wie soll man sich einen Frieden denken? Und wann? Die Hunderttausende bluten für die entsetzliche Unfähigkeit unserer Diplomatie – das ist leider nicht zu leugnen, und daher hoffe ich, selbst im Fall eines endgültig guten Ausgangs, nicht auf einen wirklich dauernden Friedenserfolg für uns. Wäre alles so gut wie – überraschenderweise – die Armeeleitung – ja, dann stünde es anders! Verzeihen Sie, heute geht es nicht weiter. Ihr getreuer Max Weber

a Beginn des Abdrucks mit Auslassungszeichen. 1 Vermutlich hatte Max Weber dabei die Krieg-in-Sichtkrise vom Frühjahr 1887 im Auge. In der Öffentlichkeit rechnete man damals mit einem unmittelbar bevorstehenden Kriege mit Frankreich. In nationalliberalen Kreisen, denen Max Weber damals nahestand, wurde damals die Ansicht vertreten, daß eine neue militärische Auseinandersetzung mit Frankreich unabweisbar sei. Rudolf von Bennigsen beispielsweise meinte damals: „Dieser zweite Krieg mit Frankreich über Elsaß-Lothringen ist und bleibt eine geschichtliche Notwendigkeit. Nur nachdem dieser siegreich durchgeführt ist, wird der deutsche Nationalstaat dauernd gesichert sein.“ Zit. bei Wolfgang J. Mommsen, Das Ringen um den nationalen Staat 1850 – 1890 (Propyläen Geschichte Deutschlands, Bd. 7/1). – Berlin: Propyläenverlag 1993, S. 671f. 2 D. h. Alfred, Karl und Arthur Weber, 3 D. h. Hermann Schäfer.

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8. November 1914

Paul Siebeck PSt 8. November 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr geehrter Herr Dr Siebeck! Auf S. 232 scheint sich Dr Vogelstein sehr schlecht auszudrücken.1 Der Satz (in Klammern) kann so verstanden werden wie Sie meinen und bleibt m. E. besser fort. Entsprechendea Correktur geht gleichzeitig ab. :–: In dem andren Fall liegt m. E. kein Widerspruch vor.2 Die erste Stelle schildert das allgemeine Problem: langfristige Forderungen auf der einen – kurzfristige Schulden auf der andern Seite (stimmt z. B. für unsre Fabrik).3 Die andren Stellen, speziell die zweite, schildern die innerhalb dieser allgemeinen Situation bestehenden Entwicklungstendenzen (stimmt für die Eisenindustrie, weniger für Textilbranche). Ich glaube nicht, daß beides kollidiert. Herzl. Grüße! Max Weber Es freut mich herzlich, daß Ihr Herr Sohn schon wieder arbeiten kann.4 Grüßen Sie ihn herzlich Ihr M. W. a Unsichere Lesung. 1 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 29. Okt. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) auf Bedenken aufmerksam gemacht, die seinem Sohn Oskar Siebeck bei der Textrevision des GdS-Beitrags: Vogelstein, Finanzielle Organisation, gekommen seien. Einer der beiden Kritikpunkte war der, daß Theodor Vogelstein auf S. 232 „die ,Autoren- und Verlagsrechte‘ mit der Preisconvention des ‚Buchhändlerbörsenvereins‘ zu verwechseln“ schien: „Buchhändlerkartell und Verlagsrecht haben nichts miteinander zu tun.“ 2 Als weiteren Punkt hatte Paul bzw. Oskar Siebeck (wie Anm. 1) bemängelt, daß zwischen der Seite 192 und den Seiten 197 unten bzw. 200 Absatz 2 ein Widerspruch vorzuliegen scheine. Da Weber nicht sofort antwortete, drängte Paul Siebeck diesen in einem weiteren Schreiben vom 5. Nov. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), ihn „zu ermächtigen“, die Stelle auf S. 232 streichen zu dürfen: „Die Abteilung muß nun endlich erscheinen: ihre Drucklegung fängt an, mir fürchterlich zu werden.“ 3 Gemeint ist die Leinenweberei Carl Weber & Co in Oerlinghausen. Marianne Weber, die zu den Erben ihres 1907 verstorbenen Großvaters Carl David Weber gehörte, war seit der Umwandlung der Firma in eine GmbH 1908 Gesellschafterin der Firma. 4 D. h. Oskar Siebeck, nach seiner Kriegsverletzung.

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3. Dezember 1914

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Paul Siebeck 3. Dezember [1914]; BK Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „19.12.14.“ sowie Briefinhalt. Bezug: Brief Paul Siebecks vom 1. Dezember 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Nachricht über ein Schreiben von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz, demzufolge dieser in der Lage sei, „in den nächsten Wochen oder Monaten“ sein GdS-Manuskript „Deutsche Kreditbank“ fertigzustellen. Dazu hatte Siebeck angemerkt: „So wie die Dinge liegen, muß nunmehr ernstlich erwogen werden, ob Abteilung V nicht in 3 Teilen ausgegeben werden soll; Teil I Handel, Teil II Bankwesen, Teil III Transportwesen. […] In meinem Interesse liegt die Zergliederung natürlich nicht, aber es würde doch der Beweis erbracht, daß nicht das ganze Werk ins Stocken geraten ist“.

Reservelazarett Heidelberg. Heidelberg, den 3/XII Lieber Herr Dr Siebeck

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Ich kann mich ganz unmöglich jetzt mit dem Grundriß auch nur in Gedanken befassen. Der Dienst hier dauert von 8 – 8 oder 9 mit Mittagspause, auch Sonntags bis ca 6 Uhr.1 Ich schlafe fast nur künstlich und werde nach dem Krieg, wenn mein Gehirn durchhält, ein Jahr brauchen, ehe geistig mit mir wieder etwas anzufangen ist. – Mir leuchtet das zerhackte Erscheinen nicht ein. Aber Sie müssen das wissen und ich bitte Sie zu handeln wie Sie wollen. Gedanken für die Lektüre des Buchs hat jetzt doch Niemand! Recht herzliche Wünsche für Ihren Sohn in Tübingen und den im Feld!2 Und gutes teilnahmvolles Gedenken an Sie und Ihre verehrte Frau!3 Ihr freundschaftlich ergebenstera Max Weber

a O: ergebenst 1 D. h. Max Webers Tätigkeit als Militärisches Mitglied der Heidelberger ReserveLazarettkommission. 2 Gemeint sind der nach einer Kriegsverletzung wieder in Tübingen weilende Oskar Siebeck sowie der im Felde stehende Werner Siebeck. 3 Das Gedenken an Paul und Thekla Siebeck galt ihrem im September 1914 gefallenen Sohn Robert Siebeck; vgl. dazu das Kondolenzschreiben an Paul Siebeck vom 7. Sept. 1914, oben, S. 787 f.

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5. Dezember 1914

Robert Michels 5. Dezember 1914; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 4

Heidelberg, den 5.12.14. Lieber Michels! Ich habe außer allenfalls Sonntag von Nachmittags einhalb sechs Uhr an, wo Gäste hier sind, alle Tage von acht bis acht besetzt – mit „Dienst“, dessen Mischung von Monotonie und Hast sehr angreift[,] und weiß nicht[,] in welcher geistigen Verfassung ich aus diesem Kriege einmal herauskomme. Daher kann ich an nichts anderes denken, es sei was immer. Über Ihren Beitrag für den Grundriß der Sozialökonomik und die Frist dafür wollen wir, denke ich, nach dem Krieg reden.1 Siebeck druckte jetzt was fertig war. Aber viele Teilnehmer sind im Kriege fort u.s.w. …a

a Ende der Abschrift mit Auslassungszeichen. 1 Es handelt sich dabei um den GdS-Beitrag: Michels, Antikapitalistische Massenbewegungen. Dieser ist erst 1926 veröffentlicht worden.

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10. Dezember 1914

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Edgar Jaffé PSt 10. Dezember 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Privatbesitz

Lieber Jaffé!

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Ich bin durch den Dienst derart in Anspruch genommen, daß ich nur allenfalls Zeitungen lese und wirklich nicht daran denken kann, auch kaum das Bedürfnis fühle, „zu dem Kriege Stellung zu nehmen“. Worum handelt es sich denn? Ich habe B[ernstein] nicht gelesen, kann also ohne Kenntnis davon weder so noch so mich „erklären“, noch auch nicht „erklären“.1 Fr. Gruß! Max Weber

1 Es geht hierbei um einen für das „Archiv“ bestimmten Artikel von Eduard Bernstein. Zwei Tage später, am 12. Dez. 1914, wandte sich Jaffé an Paul Siebeck (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 357) mit der Bitte, einen Revisionsabdruck des Artikels „postwendend“ an Max Weber zu senden, was dann auch geschah. Der Artikel von Bernstein ist erschienen unter dem Titel: Die Internationale der Arbeiterklasse und der europäische Krieg, in: AfSSp, Bd. 40, Heft 2, 1915, S. 267 – 322. Obgleich der Aufsatz von der Militärzensur des Generalkommandos unbeanstandet blieb, sahen sich die Herausgeber des „Archiv“ zu einer erklärenden Fußnote genötigt, da offenbar Werner Sombart Bedenken gegen den Abdruck des Artikels geäußert hatte: „Die Herausgeber haben es bisher vermieden, ihre etwa abweichende Stellungnahme gegenüber dem Inhalt eines Beitrages in Form einer redaktionellen Note zum Ausdruck zu bringen, da sie stets die Ansicht vertreten haben, daß die Veröffentlichung eines Aufsatzes in einer wissenschaftlichen Zeitschrift keineswegs als eine Zustimmung der Redaktion zu den von dem Autor etwa vertretenen Ansichten gedeutet werden dürfe. Auf diesem Standpunkt steht die Gesamtredaktion auch mit Bezug auf den hier zum Abdruck gelangenden Aufsatz. Auf besonderen Wunsch von Professor Sombart wird hier jedoch ausdrücklich festgestellt, daß er in der Auffassung vom Sinn und Wesen des Kriegs, vor allem des jetzigen, eine der Tendenz des obigen Aufsatzes entgegengesetzte Auffassung vertritt.“ Ebd., S. 267.

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18. Dezember 1914

Robert Michels PSt 18. Dezember 1914; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 95

Lieber Michels, – natürlich wird der „Grundriß“ fertig gemacht nebst Ihrem Beitrag.1 Aber wann? Ich selbst werde, wenn dieser Krieg vorbei ist, für lange Zeit zu jeder Arbeit unfähig sein. Andre Mitarbeiter sind im Feld; wer weiß ob sie wiederkehren und ob nicht Andre engagiert werden müssen. Also seien Sie ganz sicher: die Sache wird gemacht. Aber: 1 Jahr nach dem Ende des Krieges etwa kann der Band erscheinen. Anders ist’s nicht möglich. Freundschaftlichen Gruß! Max Weber

1 Gemeint ist der GdS-Beitrag: Michels, Antikapitalistische Massenbewegungen.

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27. Dezember 1914

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Paul Siebeck 27. Dezember 1914; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 19. Dezember 1914 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er auf Webers Vorhaltungen vom 3. Dezember 1914, oben, S. 801, reagiert: „[…] die Beantwortung Ihres letzten Briefes fällt mir ungemein schwer, weshalb ich sie auch von einem Tag zum andern verschoben habe. Erfüllt mich doch Ihre Nachricht mit Sorge um Ihr Befinden, über das ich noch vor nicht allzu langer Zeit so Gutes gehört hatte. Irre ich nicht, so war es Herr von Schubert [d. h. der Heidelberger Theologe], der mir erzählte, der ‚Dienst‘ bekomme Ihnen so gut, und wie hatte ich mich darüber gefreut, für Sie und für den GdS. Hoffte ich doch, daß nach Beendigung des Krieges Sie mit frischer Kraft Ihren Anteil zu Ende führen werden. Und nun! muß ich mir sagen, daß ich nach Ihrem letzten Brief das Schicksal des GdS als besiegelt betrachten muß. Das ist hart.“ aHeidelberg,

27.XII.14.a

Verehrter Freund!

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Werfen Sie doch nicht die Flinte so ins Korn! Der Grundriß wird gemacht. Aber es darf nicht auf die Zeit ankommen. Und es ist wirklich schlechterdings unmöglich für unsereinen und die meisten unsrer Mitarbeiter, jetzt auch nur mit einem Gedanken bei dieser Sache zu sein. Damit haben wir uns abzufinden. Es ist für Sie – so sehr ich bewundre, wie Sie all das leisten – innerlich leichter, an solche Dinge zu denken, weil Sie wissen: Sie erhalten dadurch Ihrem Personal seine Stellen[.] Wie ich es aber z. B. machen sollte, mich jetzt auch nur für Minuten darauf einzustellen, das weiß ich nicht. Nach dem Kriege – wenn ich dann erst die Chemikalien wieder aus dem Leib habe, denn mit diesen geht an Arbeit nur solches Zeug wie ich jetzt thue, und selbst das kaum. Grüßen Sie Otto Baumgarten! Herzliche nachträgliche Festgrüße, beste Neujahrswünsche, speziell für Ihren verwundeten Herrn Sohn,1 den ich sehr herzlich zu grüßen bitte. Ihr getreuer Max Weber.

a Ort und Datum von dritter Hand. 1 Gemeint ist Oskar Siebeck.

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Anhang

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Anhang: Stoffverteilungsplan

1. Stoffverteilungsplan für das „Handbuch der politischen Ökonomie“

Anhang: Stoffverteilungsplan

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Anhang: Stoffverteilungsplan

Anhang: Stoffverteilungsplan

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Anhang: Stoffverteilungsplan

Anhang: Stoffverteilungsplan

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Anhang: Stoffverteilungsplan

Anhang: Stoffverteilungsplan

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Anhang: Stoffverteilungsplan

2. „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“ des „Grundriß der Sozialökonomik“ GdS, Abt. I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. VII – XIII.

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Anhang: „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“

Anhang: „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“

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Anhang: „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“

Anhang: „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“

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Anhang: „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“

Anhang: „Vorwort“ und „Einteilung des Gesamtwerkes“

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Verzeichnisse und Register

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Personenverzeichnis

Dieses Verzeichnis berücksichtigt alle Personen, die in den Briefen Max Webers selbst Erwähnung finden, mit Ausnahme allgemein bekannter Persönlichkeiten und solcher Autoren, die in bibliographischen Angaben ohne weitere Information genannt werden.

Abbondio, Giovanni (1870 – 1922). Rechtsanwalt und Notar. Vermietete Zimmer und Appartements in Ascona. Alberti, Leon Battista (14.2.1404 – 25.4.1472). Humanist, Künstler und Gelehrter von universaler Begabung. Führende Gestalt des italienischen Frühhumanismus. 1431– 64 Diplomat und hoher päpstlicher Beamter. Vertrat den Gedanken der Würde des menschlichen Individuums. Sein Hauptwerk: Della famiglia, gilt als Markstein in der Entwicklung der italienischen Prosa. Altmann, Sally (seit 1927: Salomon Paul) (27.6.1878 – 7.10.1933). Nationalökonom. 1906 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1906 – 08 wissenschaftlicher Beamter an der Handelskammer in Frankfurt a.M.; 1907 – 08 nebenamtlicher, ab 1909 hauptamtlicher Dozent an der Handelshochschule Mannheim; 1910 Habilitation in Heidelberg, 1917 a. o. Professor ebd.; 1922 Honorarprofessor ebd.; 1923 – 33 o. Professor an der Handelshochschule Mannheim; Veröffentlichungen zum Geldwesen und zur Finanzwissenschaft. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; sein Beitrag ist nicht erschienen. Andrian-Werburg, Ferdinand Leopold Freiherr von (15.9.1835 – 10.4.1914). Anthropologe. Andrian-Werburg, Leopold Freiherr von (9.5.1875 – 19.11.1951). Österreichischer Schriftsteller und Gesandter. Weber schätzte seine Novelle „Der Garten der Erkenntnis“ (1895). Antoninus (März 1389 – 2.5.1459). Dominikaner. Seit 1446 Erzbischof von Florenz, Verfasser moraltheologischer und geschichtlicher Kompendien. 1523 heiliggesprochen. Baensch, Otto (25.7.1878 – 18.9.1936). Philosoph. Studium in Freiburg, Berlin und Straßburg. 1901 Promotion in Straßburg, 1906 – 18 Privatdozent ebd., danach Privatgelehrter. Von  Wilhelm Windelband gefördert. Er gehörte seit 1908 zum Bekanntenkreis von Max Weber. Bandmann, Otto (6.11.1886–ca. 1942). Journalist. Schüler von  Adolf Koch; 1910 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig; 1910 Journalist bei den „Badischen Neuesten Nachrichten“; 1911 Redakteur der „Dresdner Neuesten Nachrichten“; seit 1912 Leiter einer Presseagentur; nach Auschwitz deportiert und ermordet. 1911 Beleidigungsprozeß gegen Max Weber. Bang, Herman (20.4.1857 – 29.1.1912). Dänischer Schriftsteller. Barth, Inger, geb. Jahn (9.7.1885 – ?). Schwester von  Valborg Weber, geb. Jahn. Barth, Paul (1.8.1858 – 30.9.1922). Philosoph, Soziologe und Pädagoge. 1881 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig, 1882 – 88 Gymnasiallehrer in Liegnitz, Leipzig und Jena, 1890

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Personenverzeichnis

Habilitation in Leipzig, 1897 a. o. Professor, 1918 Honorarprofessor ebd.; Barth entwickelte eine positivistische Geschichtsphilosophie, indem er die Geschichte als konkrete Soziologie, die Theorie der Geschichte als abstrakte Soziologie begriff; er war stark engagiert in der Etablierung einer progressiven Hochschulpädagogik.

Barth, Petter Christian (1872 – 17.3.1942). Arzt. Verheiratet mit  Inger Barth. Bäumer, Gertrud (12.9.1873 – 25.3.1954). Repräsentantin der Frauenbewegung und Schriftstellerin. Nach Lehrerinnentätigkeit von 1892 – 98 Studium der Theologie und Philosophie in Berlin; 1904 Promotion zum Dr. phil. ebd.; mit Helene Lange Herausgabe des Handbuchs der Frauenbewegung (1901 – 06, 5 Bde.) und der Zeitschrift „Die Frau“; Leitung derselben von 1916 – 44. 1906 Bekanntschaft mit  Friedrich Naumann und seit 1912 Mitarbeiterin an Naumanns Zeitschrift „Die Hilfe“; Lehrerin an der Sozialen Frauenschule in Hamburg zusammen mit Marie Baum. 1908 Eintritt in die FVP. 1910 – 19 Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine; 1914 – 18 im Nationalen Hilfsdienst tätig. 1918 Gründungsmitglied der DDP, für die sie 1919 in die Nationalversammlung gewählt wurde; 1919 – 20 Mitglied der verfassungsgebenden Nationalversammlung, 1920 – 32 MdR für die DDP; von 1920 – 33 als erste Frau Ministerialrätin im Reichsinnenministerium. Sie gehörte zum engeren Freundeskreis von Marianne Weber. Baumgarten, Elisabeth (Else), geb. Georgii (9.8.1859 – 24.8.1924). Ehefrau von  Friedrich (Fritz) Baumgarten. Baumgarten, Emmy (18.2.1865 – 5.10.1946). Tochter von Hermann und Ida Baumgarten, einer Schwester von Helene Weber. Sie lebte in der von Adelheid Wildermuth betriebenen Pension ,Ottilienhaus‘ in Stuttgart. Schwester von  Fritz und  Otto Baumgarten, Cousine und Jugendfreundin von Max Weber. Baumgarten, Friedrich (Fritz) (14.7.1856 – 26.2.1913). Altphilologe. 1881 Promotion zum Dr. phil. in Bonn; 1903 Habilitation in Kunstgeschichte in Freiburg i. Br.; Professor für Altphilologie, Geschichte und Geographie an den Gymnasien in Wertheim, Offenburg und Freiburg i. Br., seit 1912 Direktor des Gymnasiums in Donaueschingen; 1903 Honorarprofessor, seit 1911 o. Honorarprofessor für Kunstgeschichte an der Universität Freiburg i. Br.; Sohn von Hermann und Ida Baumgarten, einer Schwester von Helene Weber, Vetter von Max Weber. Baumgarten, Otto (29.1.1858 – 21.3.1934). Evangelischer Theologe. 1882 – 87 im badischen Kirchendienst, 1888 Promotion zum Lic. theol. in Halle; 1888 Prediger am Waisenhaus in Berlin-Rummelsburg; 1890 Habilitation in Berlin, 1890 a. o. Professor in Jena, 1894 – 1926 o. Professor für Praktische Theologie in Kiel. 1912 – 21 als Nachfolger von Adolf von Harnack Vorsitzender des „Evangelisch–Sozialen Kongresses“, 1918 (?) Mitglied der DDP, 1919 Mitglied der deutschen Friedensdelegation. Vertrat ein sozial und politisch liberales Christentum in Abwehr des Antisemitismus und der Kriegsziele der Alldeutschen. Sohn von Hermann und Ida Baumgarten, einer Schwester von  Helene Weber, 1883 kurze Ehe mit Emily Fallenstein, der Tocher des Halbbruders von Helene Weber, Otto Fallenstein; Vetter Max Webers, mit diesem seit der Studienzeit in Heidelberg freundschaftlich verbunden. Baumgarten, Otto (19.12.1895 – 12.8.1912). Sohn von  Friedrich und  Elisabeth Baumgarten. Baxter, Richard (12.11.1615 – 8.12.1691). Puritanischer Theologe und Erbauungsschriftsteller. 1645 Feldprediger im Heere Cromwells, 1649 Pfarrer in Kidderminster, einer west-

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englischen Stadt in der Grafschaft Worcester; 1653 Initiator der protestantischen Einheitsbestrebung in England durch Gründung der „Worcester Association“; 1662 in der Ära der Stuart-Restauration Amtsenthebung als Pfarrer wegen seiner puritanischen Gesinnung, 1685 – 86 wegen angeblicher Verleumdung der Hochkirche durch seine „Paraphrase of the New Testament“ in Gefangenschaft; führender Vertreter des gemäßigten Protestantismus und einer der Vorläufer des Pietismus. Schrieb eines der Hauptwerke des Puritanismus: „The Saint’s Everlasting Rest“ (1650).

Beck, Hermann (25.8.1879 – nach 1935). Nationalökonom. 1902 Promotion zum Dr. phil. bei  Karl Rathgen in Heidelberg, 1902 Assistent an der Handelskammer Dresden; 1903/ 4 Geschäftsführer der „Gesellschaft für wirtschaftliche Ausbildung“ (Akademie für Handels- und Sozialwissenschaften) in Frankfurt a. M.; 1905 Leiter des „Internationalen Instituts für Sozialbibliographie“ und bis 1912 Herausgeber der „Internationalen Bibliographie der Sozialwissenschaften“; 1912 Gründer und Leiter des „Deutschen Archivs der Weltliteratur“. Geschäftführer der DGS in Berlin 1909 – 14 bzw. 20. Becker, Dr. Eisenbahndirektor in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in Erfurt. Bédier, Joseph (28.1.1864 – 29.8.1938). Französischer Schriftsteller. Below, Georg von (19.1.1858 – 20.10.1927). Verfassungs- und Wirtschaftshistoriker. 1883 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1886 Habilitation in Marburg, 1888 Umhabilitation nach Königsberg, 1889 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1891 o. Professor in Münster, 1897 in Marburg, 1901 in Tübingen und 1905 – 24 in Freiburg i. Br. Arbeiten zur mittelalterlichen Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte. Max Weber stand in kollegialen Beziehungen zu v. Below, ungeachtet der politischen Meinungsunterschiede insbesondere in der Weltkriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit. Benz, Sofie (18.9.1884 – 30.3.1911). Malerin. Geliebte von Otto Gross. Verübte Selbstmord in Ascona. Berlepsch, Hans Freiherr v. (30.3.1843 – 2.6.1926). Preußischer Minister und Sozialpolitiker. 1872 preußischer Verwaltungsbeamter; 1890 preußischer Handelsminister mit besonderem Augenmerk auf die Arbeitsschutzgesetzgebung, 1891 Verabschiedung der Gewerbeordnungsnovelle sowie des Arbeiterschutzgesetzes; 1896 im Zuge der sozialpolitischen Reaktion der „Ära Stumm“ Ausscheiden aus seinem Amt. 1900 Mitbegründer der „Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz“ sowie Vorsitzender der liberalkonservativen deutschen „Gesellschaft für soziale Reform“. Mitglied des „Vereins für Sozialpolitik“. Bernays, Marie (13.5.1883 – 22.4.1939). Sozialpädagogin. 1904 Lehrerinnenexamen, 1906 Abitur in Heidelberg; studierte als eine der ersten zum Studium zugelassenen Frauen in Heidelberg, 1910 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg mit einer Studie über die Arbeitsverhältnisse in der Gladbacher Spinnerei und Weberei im Rahmen der Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik über Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der geschlossenen Großindustrie, die von Alfred und Max Weber betreut wurde. 1916 gründete sie zusammen mit Elisabeth Altmann-Gottheiner die Soziale Frauenschule in Mannheim; als Mitglied der DVP von 1921 bis 1925 im badischen Landtag; 1933 Zuflucht im Kloster Beuron, konvertierte und gab in der dortigen Hochschule des Benediktinerordens Sprachunterricht für Missionspatres. Ab 1908 häufiger Gast bei Max und Marianne Weber. Bernhard, Ludwig (4.7.1875 – 16.1.1935). Nationalökonom. 1898 Promotion zum Dr. oec. publ. in München, 1902 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1903 Habilitation ebd.; 1904 Pro-

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fessor an der Akademie in Posen, 1906 o. Professor in Greifswald, 1907 in gleicher Funktion nach Kiel versetzt, 1908 vom Kultusminister ohne Befragen der Fakultät auf ein neugeschaffenes Ordinariat an die Universität Berlin berufen, was zu erheblichen Protesten in der Fakultät und der Öffentlichkeit führte und wozu Weber in Artikeln in der „Frankfurter Zeitung“ kritisch Stellung nahm. Gegner der Polenpolitik der preußischen Regierung und der Sozialpolitik des Reiches; nach dem Krieg dem Kreis um Hugenberg nahestehend.

Bertoni, Brenno (7.8.1860 – 18.2.1945). Jurist und Publizist. Tessiner freisinniger Politiker. Rechtsanwalt in Lugano. Berze, Josef (18.12.1866 – 20.12.1957). Psychiater. 1891 Promotion zum Dr. med. in Wien; 1907 stellvertretender Direktor der niederösterreichischen Landesanstalt Am Steinhof; 1912 Habilitation in Wien; 1913 Direktor der Landesirrenanstalt Klosterneuburg bei Wien; 1919 Direktor der Landesanstalt Am Steinhof; 1921 a. o. Professor für Psychiatrie in Wien. Blanck, Anna, geb. Berlin (11.6.1871 – 20.6.1960). Verheiratet mit  Friedrich Blanck. Gehörte zum Bekanntenkreis von Marianne Weber. Blanck, Friedrich (26.4.1855 – 17.4.1939). Journalist. Nach dem Abitur 1876 Studium der Architektur in Aachen sowie der Nationalökonomie und Geschichte in Berlin ohne Abschluß; Ende der 1890er Jahre Redaktionstätigkeit im Reichsamt des Innern an den „Nachrichten für Handel und Industrie“ und den „Berichten über Handel und Industrie“; 1904 Übersiedlung nach Heidelberg; dortiger Vertreter von Wolff’s Telegraphischem Bureau; 1910 Promotion zum Dr. phil. bei  Eberhard Gothein in Heidelberg; war von Weber als Mitarbeiter an der Presse-Enquete der DGS vorgesehen. Blaß, Margarete (9.9.1887–?). 1913/1914 Studentin der Mathematik und Naturwissenschaften in Heidelberg. Bleuler, Eugen (30.4.1857 – 15.7.1939). Psychiater. 1883 Promotion zum Dr. med. in Zürich, 1898 – 1927 o. Professor für Psychiatrie in Zürich; 1898 – 1927 Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik „Burghölzli“ bei Zürich. Behandelte Otto Gross während dessen Entziehungskuren 1902 und 1908. Bloch, Ernst (8.7.1885 – 4.8.1977). Marxistischer Philosoph. 1908 Promotion bei  Oswald Külpe in Würzburg. 1914 wegen seiner pazifistischen Überzeugung Übersiedlung in die Schweiz; 1919 Rückkehr nach Deutschland; 1919– 33 als Schriftsteller in Berlin; 1933 Emigration in die Schweiz, dann nach Österreich und nach Paris, 1936 nach Prag und 1938 in die USA; 1949 Professor in Leipzig, 1957 Zwangsemeritierung. Während einer Studienreise blieben er und seine Frau anläßlich des Baus der Berliner Mauer im Westen, 1962 Gastprofessor in Tübingen. Undogmatischer Marxist, der mit der Kategorie des „Noch nicht“ eine Neubestimmung des historischen Materialismus versuchte. Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ (1954 – 1959). Gehörte ab 1912 durch die Vermittlung von  Georg von Lukács zu Max und Marianne Webers Bekanntenkreis. Bodenstein, Andreas, gen. Karlstadt (um 1477 – 24.12.1541). Evangelischer Theologe der Reformationszeit. Seit 1505 an der Universität in Wittenberg, promovierte als Dekan 1512 Martin Luther, 1517 Beginn seines Auftretens als Reformator an der Seite Luthers mit der Publikation der 151 Thesen; zunehmende Entfremdung von Luther während dessen Aufenthalt auf der Wartburg durch radikale Neugestaltung des Gottesdienstes in Wittenberg 1522 verbunden mit der Ablehnung von Bildern religiösen Inhalts im Kirchenraum; nach persönlicher Bedrückung, Ausweisung und Flucht in Kursachsen und im norddeutschen

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Raum durch Fürsprache von Huldrych Zwingli Diakon am Zürcher Spital sowie danach als Pfarrer in Altstätten. Ab 1534 Professor und Prediger in Basel. Zählt zu den führenden spiritualistisch ausgerichteten Vertretern der Reformation.

Boeck, Ernst (5.3.1857 – 2.9.1924). Psychiater. 1888 Promotion zum Dr. med. in Graz; ab 1889 Assistent des Chefarztes der Wiener Psychiatrischen Klinik, Julius von WagnerJauregg, ab 1896 Direktor der Landesirrenanstalt in Troppau. Boese, Franz (2.2.1871 – 3.8.1939). Schriftführer des Vereins für Sozialpolitik; 1908 – 17 enger Mitarbeiter  Gustav Schmollers. Böhm, Franz (25.12.1861 – 30.6.1915). Badischer Ministerialbeamter und Politiker. 1890 Ministerialsekretär im badischen Ministerium für Justiz, Kultus und Unterricht, 1891 Amtsrichter, 1892 Staatsanwalt und von 1897 an im badischen Kultus- und Unterrichtsministerium tätig; 1899 Ministerialrat, 1905 Geheimer Oberregierungsrat, 1910 Minsterialdirektor; seit 1911 bis zu seinem Tod badischer Minister des Kultus und Unterrichts; politisch den badischen Nationalliberalen nahestehend. Boll, Franz (1.7.1867 – 3.7.1924). Altphilologe. 1891 Promotion zum Dr. phil. in München; ab 1891 Beamter der Bayerischen Staatsbibliothek ebd.; 1903 o. Professor in Würzburg, 1908 in Heidelberg; 1916 Geh. Hofrat; 1921 lehnte er Rufe nach Berlin und Wien ab; 1923 Rektor in Heidelberg. Umfangreiche Studien zur Geschichte der Astronomie und Astrologie im Altertum. Born, Erich (27.6.1878 – ?). Jurist. 1907 Promotion zum Dr. jur. et rer. pol. bei Georg von Schanz in Würzburg. Bortkiewicz, Ladislaus von (7.8.1868 – 15.7.1931). Nationalökonom und Statistiker. 1893 Promotion zum Dr. phil. bei Wilhelm Lexis in Göttingen, 1895 Habilitation in Straßburg; 1897 – 1900 Beamter im russischen Verkehrsministerium; 1901 a. o., 1920 – 31 o. Professor für Staatswissenschaften und Statistik in Berlin; beschäftigte sich vornehmlich mit Problemen der Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Statistik. Braus, Elisabeth (Lisbeth), geb. Fürbringer (24.3.1879– 11.5.1929). Tochter von Max Fürbringer, Professor für Anatomie in Heidelberg. Verheiratet mit  Hermann Braus. Braus, Hermann (15.8.1868 – 28.11.1924). Anatom. 1892 Promotion zum Dr. med. in Jena, 1896 Habilitation ebd., 1905 a. o. Professor in Heidelberg, 1912 o. Professor ebd. (Nachfolger von Max Fürbringer), 1921 Professor in Würzburg. Heiratete 1899  Elisabeth (Lisbeth) Braus. Brentano, Lujo (Ludwig Josef) (18.12.1844 – 9.9.1931). Nationalökonom. 1866 Promotion zum Dr. jur. utr. in Heidelberg, 1867 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1871 Habilitation in Berlin; 1872 a. o., 1873 o. Professor in Breslau, 1882 in Straßburg, 1888 in Wien, 1889 in Leipzig und 1891 – 1914 in München; linksliberaler Vertreter der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie; 1872 Beteiligung an der Gründung des „Vereins für Sozialpolitik“, gewerkschaftsfreundliche und freihändlerische Ansichten. Max Weber trat seit 1893 in persönliche Beziehungen zu Brentano, der ihn trotz eines Zerwürfnisses im Jahre 1912 wegen der geplanten sozialpolitischen Kundgebung als Nachfolger auf seinem Lehrstuhl in München vorschlug. Brüstlein, Gillonne (19.3.1881 – 17.9.1933). Rechtsanwältin in Zürich. Tochter von Alfred Brüstlein.

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Bücher, Karl (16.2.1847 – 12.11.1930). Nationalökonom. 1870 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1870 – 78 Tätigkeit als Lehrer in Dortmund und Frankfurt a. M., 1878 – 80 Redakteur für Wirtschafts- und Sozialpolitik bei der „Frankfurter Zeitung“; 1881 Habilitation in München, 1882 o. Professor an der Universität Dorpat, 1883 in Basel, 1890 in Karlsruhe und 1892 – 1917 in Leipzig; seit 1874 Mitglied des „Vereins für Sozialpolitik“; gehörte zum linken Flügel dieses Vereins; mit Albert Schäffle 1901 – 03 Herausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“, seit 1904 deren alleiniger Herausgeber; besonders bekannt durch seine Theorie der Wirtschaftsstufen. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Bulius, Gustav (9.7.1862 – 20.2.1923). Gynäkologe. 1888 Promotion zum Dr. med. in Freiburg i. Br. Campenhausen, Armin Oswald Frhr. von (1.7.1878 – 18.9.1960). Rechtsanwalt. Seit 1905 in Heidelberg tätig. 1914 Anwalt Max Webers in seinem Rechtsstreit mit  Axel Ripke. Chattemer (auch: Hattemer), Charlotte (Lotte) (24.11.1876 – 19.4.1906). Eine der sieben Gründer des „Monte Verità“ in Ascona. Patientin von Otto Gross. Verübte Selbstmord in Ascona. Christiansen, Broder (9.7.1869 – 6.6.1958). Philosoph und Schriftsteller. 1902 Promotion zum Dr. phil. bei  Heinrich Rickert in Freiburg i. Br.; danach als philosophischer Schriftsteller lebend. Schriften zur Ästhetik, Kulturphilosophie sowie zu einer metaphysisch-religiös fundamentierten Anthropologie. Cohn, Jonas (2.12.1869 – 12.1.1947). Philosoph und Erziehungswissenschaftler. 1892 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1897 Habilitation in Freiburg i. Br., 1901 a. o. Professor ebd., 1919 o. Professor für Philosophie, Psychologie und Pädagogik ebd.; Schriften über das Erkennen, die Erziehung und die Theorie der Dialektik. Delbrück, Hans (11.11.1848 – 14.7.1929). Historiker, Politiker und Publizist. 1873 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1874 – 79 Lehrer von Kronprinz Friedrich Wilhelms Sohn Waldemar; 1881 Habilitation in Berlin; 1885 a. o., 1895 – 1921 o. Professor für Geschichte ebd.; 1882 – 85 MdprAH und 1884 – 90 MdR für die Deutsche Reichspartei; 1883 – 1919 als Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher“ einer der einflußreichsten Publizisten der Wilhelminischen Zeit. Trat während des Ersten Weltkrieges gegen die Alldeutschen für einen Verständigungsfrieden ein und gehörte 1919 mit Max Weber der sogenannten Professorenkommission für Kriegsschuldfragen in Versailles an. Schwager von  Adolf von Harnack. Dieterich, Marie, geb. Usener (1867 – 1931). Witwe des 1908 in Heidelberg verstorbenen Professors für Klassische Philologie, Albrecht Dieterich, der Mitglied des „Eranos-Kreises“ war. Dietzel, Heinrich (19.1.1857 – 22.5.1935). Nationalökonom. 1879 Promotion zum Dr. jur. in Göttingen, 1882 Promotion zum Dr. phil. bei Adolph Wagner in Berlin; 1885 a. o., 1886 o. Professor in Dorpat, 1890 – 1925 in Bonn; grundlegende Arbeiten zur ökonomischen Theorie; von Max Weber als Teilnehmer an der projektierten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen. Driesch, Hans (28.10.1867 – 16.4.1941). Philosoph und Biologe. 1889 Promotion zum Dr. phil. bei Ernst Haeckel in Jena; Reisen nach England und Indien, Studienaufenthalt an der Zoologischen Station Neapel; 1900 Privatgelehrter in Heidelberg; 1909 Habilitation für Na-

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turphilosophie ebd.; 1911 a. o. (Titular-)Professor, 1918 etatmäßiger a. o. Professor für Philosophie ebd., 1920 o. Professor in Köln und 1921 – 33 in Leipzig; anschließend Gastprofessuren in China, USA und Argentinien; führender Vertreter des Neovitalismus. Gehörte zum engeren Bekanntenkreis von  Alfred Weber in Heidelberg.

Du Moulin-Eckart, Richard Graf auf Bertolzheim (27.11.1864 – 1.4.1938). Historiker. 1886 Promotion zum Dr. phil. in Breslau; 1894 Habilitation in Heidelberg; 1897 a. o. Professor in Heidelberg; 1900 – 30 o. Professor für Geschichte an der TH München; nationalistischer Publizist; Vorsitzender des „Deutschen Kampfbundes gegen die Kriegsschuldlüge“. Patensohn Richard Wagners. Schriften u. a. zur Geschichte Bayerns, zur Geschichte der deutschen Universitäten sowie zum Umkreis von Richard Wagner. Daneben Romanautor. Eggers, Friedrich (Fritz) (27.11.1819 – 11.8.1872). Kunsthistoriker, Journalist, Beamter. Nach dem Studium der Geschichte und Archäologie gründete er 1850 in Berlin das Deutsche Kunstblatt; 1858 – 62 Feuilletonredakteur der Preußischen Zeitung; Lehrer der Kunstgeschichte an der Kunstakademie Berlin, zuletzt Vortragender Rat im Kultusministerium; Freund von  Max Weber sen. in Berlin. Ehrenberg, Hans (4.6.1883 – 31.3.1958). Philosoph, Theologe. 1906 Promotion zum Dr. oec. publ. in München; 1909 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg; 1910 Habilitation ebd.; 1918 a. o. Professor der Philosophie in Heidelberg; 1922 – 24 Studium der Theologie in Münster; 1924 Pfarrer in Bochum; 1933 Verzicht auf die Venia legendi an der Universität Heidelberg; 1937 Amtsenthebung in Bochum; 1938 Konzentrationslager Oranienburg und Sachsenhausen; 1939 Emigration nach Großbritannien; 1947 Rückkehr nach Deutschland; bis 1954 Pfarrer in Bielefeld. Elster, Alexander (8.4.1877 – 25.5.1942). Verleger. Dr. jur., 1898 – 1914 Redakteur beim „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“; später Verlagsdirektor bei de Gruyter. Elster, Ludwig (26.3.1856 – 30.12.1935). Nationalökonom und preußischer Ministerialbeamter. 1878 Promotion zum Dr. phil. in Jena, 1880 Habilitation in Halle; 1883 Professor an der TH Aachen, 1883 a. o. Professor in Königsberg und 1887 o. Professor in Breslau; 1897 – 1916 als Vortragender Rat und Geheimer Regierungsrat im Preußischen Kultusministerium Nachfolger Friedrich Althoffs im Universitätsreferat; 1916 Honorar-Professor in Jena; 1891 – 97 Mitherausgeber der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“; entscheidender Anteil am Entstehen des „Handwörterbuchs der Staatswissenschaften“ sowie dessen Mitherausgeber. Endell, Ernst August (16.2.1845 – 16.2.1914). Major. Führer des Bundes der Landwirte der Provinz Posen. Endemann, Friedrich (24.5.1857 – 31.10.1936). Jurist. 1882 Promotion zum Dr. jur. in Bonn; 1886 Habilitation in Berlin; 1888 a. o. Professor in Königsberg; 1892 o. Professor ebd.; 1895 o. Professor in Halle; 1904 o. Professor für Römisches und Bürgerliches Recht in Heidelberg. Ehrenmitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, für deren Gründung er die Stiftung der Familie Lanz interessieren konnte. Esmarch, Karl (Pseudonym: Karl von Alsen) (3.12.1824 – 22.1.1887). Jurist. Promotion zum Dr. jur.; 1850 Kriegsfreiwilliger beim Kampf der Schleswig-Holsteiner gegen die Dänen; 1851 Habilitation in Göttingen, 1855 o. Professor in Krakau, 1857 in Prag. Veröffentlichungen zum römischen Recht und zur römischen Rechtsgeschichte. Betätigte sich daneben unter dem Pseudonym Karl von Alsen als Lyriker.

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Esslen, Joseph Bergfried (13.8.1879 – 22.4.1935). Nationalökonom. 1902 Promotion zum Dr. oec. publ. bei  Lujo Brentano in München, 1905 Habilitation ebd.; 1906 a.o., 1913 o. Professor in Zürich, 1914 an der Handelshochschule Berlin, 1919 in Göttingen; Arbeiten zur Geldtheorie. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; von Weber als Teilnehmer an der geplanten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen. Eulenburg, Franz (29.6.1867 – 28.12.1943). Nationalökonom. 1892 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin, 1899 Habilitation bei  Karl Bücher in Leipzig; 1905 – 17 a. o. (Titular-)Professor in Leipzig, 1917 o. Professor an der TH Aachen, 1919 in Kiel und 1921 – 35 an der Wirtschaftshochschule in Berlin; 1943 gestorben in Gestapohaft; Mitglied im „Verein für Sozialpolitik“. Gehörte zum engeren Kollegenkreis von Max Weber; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; von Weber als Teilnehmer an der geplanten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen. Faber, Robert (12.4.1869 – 18.10.1924). Zeitungsverleger und Buchdruckereibesitzer. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig; 1894 Eintritt in die väterliche Firma, 1908 Leitung derselben; gleichzeitig Verleger der Magdeburgischen Zeitung. 1912 – 21 Vorsitzender des Vereins Deutscher Zeitungsverleger. Im Ersten Weltkrieg Gegnerschaft zur offiziellen Pressepolitik; nach dem Krieg Initiator der Reichsarbeitsgemeinschaft der deutschen Presse, die, zwei Jahre nach seinem Tod, 1926 zustande kam. Faguet, Émile (17.12.1847 – 7.6.1916). Französischer Literarhistoriker und Schriftsteller. 1883 Promotion zum docteur ès lettres in Paris; 1883 – 90 Gymnasiallehrer ebd.; 1890 Stellvertreter am Lehrstuhl für französische Poesie an der Sorbonne, 1890 o. Professor ebd.; seit 1901 Mitglied der Académie française. Schriftsteller und Kritiker in der Nachfolge von Sainte-Beuve, Taine und Comte. Arbeiten über die französische Literatur und ihre Schriftsteller der Neuzeit sowie Publikationen zur Politik der Dritten Republik, u.a. „Le culte de l’incompétence“. Fiedler, Konrad (23.9.1841 – 3.6.1895). Kunsttheoretiker und Mäzen. 1865 Promotion zum Dr. jur. in Leipzig; seit 1866/67 Hinwendung zur Kunst, Philosophie, Musik und Literatur; lebenslange Freundschaft mit Hans von Marées und Adolf Hildebrand, die er materiell unterstützte; zahlreiche kunsttheoretische Schriften; Mitbegründer der formalen Betrachtung der deutschen Kunstgeschichte des ausgehenden 19. Jahrhunderts; sein Ziel war der mit der erkenntnistheoretischen Methode Kants erbrachte Nachweis der Gesetzlichkeit des künstlerischen Schaffens. Seine historische Bedeutung liegt in der Feststellung des autonomen Charakters des Kunstwerkes. Fischer, Karl (Heinrich) (3.6.1879 – 22.3.1975). Von 1899 bis 1904 Lehrer und Erzieher; studierte seit Oktober 1904 Philosophie, Nationalökonomie und Geschichte zunächst in Berlin, dann, von Oktober 1905 bis Ostern 1908, in Zürich, wo er 1908/09 mit einer Arbeit über „Die objektive Methode der Moralphilosophie bei Wundt und Spencer“ promovierte. Setzte sich 1907 und 1908 kritisch mit Max Webers Abhandlung „Die Protestantische Ethik und der ,Geist’ des Kapitalismus“ im AfSSp auseinander. Fischl, Armin (6.11.1875 – 1942, nach Riga deportiert). Anwalt in Wien. France, Anatole (eigentlich: Jacques Anatole-François Thibault) (16.4.1844– 12.10.1924). Französischer Schriftsteller. Francke, Ernst (10.11.1852 – 23.12.1921). Sozialpolitiker und Journalist. 1877 Beginn der journalistischen Tätigkeit, 1881 – 93 Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrich–

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ten“, 1893 Promotion zum Dr. oec. publ.  bei Lujo Brentano in München, 1897 Herausgeber der Zeitschrift „Soziale Praxis“, Mitbegründer und Generalsekretär der 1901 entstandenen „Gesellschaft für soziale Reform“; im Weltkrieg Vorsitzender des „Volksbundes für Freiheit und Vaterland“; 1919 Mitglied der ersten Sozialisierungskommission; von Weber als Teilnehmer an der projektierten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen.

Freud, Sigmund (6.5.1856 – 23.9.1939). Psychiater und Neurologe. Begründer der Psychoanalyse. 1885 Habilitation in Wien; 1902 a. o. Professor; 1920 o. Professor für Neuropathologie in Wien, Psychotherapeutische Praxis; 1938 Emigration nach London. Frick, Ernst (21.9.1881 – 23.8.1956). Eisenmetallgießer, Maler, Schweizer Anarchist. Redigierte 1905 den „Weckruf“, die deutschsprachige Ausgabe einer Zeitung des Schweizer Anarchisten Luigi Bertoni. Während eines Kuraufenthalts in Ascona 1906 Bekanntschaft mit  Erich Mühsam, Johannes Nohl und  Otto Gross. 1912/13 einjährige Haftstrafe in Zusammenhang mit seinen anarchistischen Aktivitäten 1907 und 1908; danach Bildhauer, Maler und Amateurarchäologe; vom französischen Impressionismus beeinflußt. Mitglied der Gruppe „Der große Bär“, zu der auch Marianne Werefkin gehörte. Seit 1911 Lebenspartner von  Frieda Gross, hatte mit ihr drei Töchter. In den 20er Jahren war die Fotografin Margarethe Fellerer seine Lebensgefährtin in Zürich. Friedeberg, Harald (28.12.1907 – 1976). Sohn von  Elisabeth (Elly) Lenz und  Raphael Friedeberg. Friedeberg, Raphael (14.3.1863 – 1940). Arzt und Anarchist. Mitglied der „Sozialistischen Akademiker“ und seit 1897 Mitarbeiter bei den „Sozialistischen Monatsheften“. 1901– 04 Stadtrat in Berlin. Lungenfacharzt, lebte seit 1904 größtenteils in Ascona; 1907 Ausschluß aus der sozialdemokratischen Partei. Friedrich II., Großherzog von Baden (9.7.1857 – 9.8.1928). Regierte von September 1907 bis November 1918 das Großherzogtum Baden. Fritschi, Eugen (21.2.1846 – 21.1.1919). Rechtsanwalt in Freiburg i. Br. Gäng, Karl (27.1.1879 – 19.7.1959). Zahnarzt Max Webers in Heidelberg. George, Stefan (12.7.1868 – 4.12.1933). Dichter. Studien der Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Paris, Berlin, München, Wien. 1892 Gründung der „Blätter für die Kunst“. Gruppenbildung einer geistigen Elite von Gelehrten, Dichtern und Künstlern. 1927 erster Empfänger des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt. Hauptvertreter der deutschen Neuromantik; hymnischer Künder einer neuen ästhetisch begründeten Lebensphilosophie. In Heidelberg besuchte er häufig  Friedrich Gundolf und trat über diesen auch in Kontakt zu Max Weber. Gide, Charles (29.6.1847 – 12.3.1932). Französischer Nationalökonom. 1872 juristische Promotion an der Pariser Sorbonne, 1874 professeur adjoint für Politische Ökonomie in Bordeaux, 1879 o. Professor ebd., 1880 in Montpellier, 1898 an der Sorbonne, 1900 an der Ecole nationale des ponts et chaussées, 1921 – 30 am Collège de France. Wissenschaftliche Hauptwerke: „Principes d’économie politique“ (1883 u.ö.), „Cours d’économie politique“ (1909 u. ö.) sowie seine mit Charles Rist verfaßte „Histoire des doctrines économiques ...“ (1909 u. ö.). Als Sozialpolitiker Vertreter des Solidarismus und Kooperativismus.

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Goetz, Walter (11.11.1867 – 30.10.1958). Historiker und Publizist. 1890 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig; 1892 – 95 Mitarbeiter der Münchner Historischen Kommission; 1895 Habilitation in Leipzig, 1901 Umhabilitation nach München und gleichzeitig Mitglied der Historischen Kommission; 1905 als Nachfolger  Georg von Belows o. Professor in Tübingen, 1913 in Straßburg; 1915 – 33 Leiter des von Karl Lamprecht gegründeten Instituts für Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig; 1947 – 51 Präsident der Historischen Kommission in München, 1952 Ehrenpräsident und Honorarprofessor; 1920 – 28 MdR für die DDP; Arbeiten über deutsche und italienische Kultur- und Geistesgeschichte in Mittelalter und Renaissance sowie zur Neuesten Geschichte; Herausgeber der „Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance“, des „Archivs für Kulturgeschichte“ und der „Propyläen-Weltgeschichte“. Goldscheid, Rudolf (Pseudonym: Rudolf Golm) (12.8.1870 – 6.10.1931). Soziologe und Philosoph. Studium der Philosophie und Nationalökonomie, ohne einen akademischen Abschluß zu erwerben; 1907 Gründer und Leiter der „Soziologischen Gesellschaft“ in Wien, 1909 Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“; seit 1922 Herausgeber der pazifistischen „Friedenswarte“. Hauptwerk: „Höherentwicklung und Menschenökonomie“ (1911), führender Gegner des Prinzips der Werturteilsfreiheit; seine Wahl zu einem der drei DGS-Vorsitzenden Anfang 1914 veranlaßte Max Weber zum Austritt. Gothein, Eberhard (29.10.1853 – 13.11.1923). Nationalökonom und Kulturhistoriker. 1877 Promotion zum Dr. phil. in Breslau, 1879 Habilitation ebd., 1882 Umhabilitation nach Straßburg; 1884 o. Professor für Nationalökonomie an der TH Karlsruhe, 1890 in Bonn, 1904 – 23 als Nachfolger Max Webers in Heidelberg; Mitbegründer der Handelshochschulen Köln (1901) und Mannheim (1909); Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte der Renaissance und Gegenreformation. Seine „Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwalds“ (1892) wurde von Weber hoch geschätzt. Gehörte mit seiner Frau  Marie Luise Gothein, geb. Schröter, zum engeren Bekanntenkreis Max Webers in Heidelberg; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Gothein, Marie Luise, geb. Schröter (12.9.1863 – 24.12.1931). Schriftstellerin und Übersetzerin. Tochter des Landgerichtsrates Constantin Schröter aus Breslau, verheiratet mit  Eberhard Gothein. Verfaßte 1914 eine Geschichte der Gartenkunst; 1931 Dr. phil. h. c. der Universität Heidelberg; gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und  Marianne Weber in Heidelberg. Gothein, Wolfgang (3.3.1886–?.4.1958). Mediziner. Sohn von  Eberhard und  Marie Luise Gothein. Arbeitete 1913 als Arzt in Peking. Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von (bis zur Nobilitierung des Vaters 1907: Friedrich Gottl) (13.11.1868 – 19.10.1958). Nationalökonom und Soziologe. 1897 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1900 Habilitation ebd.; 1902 a. o., 1904 o. Professor an der TH Brünn, 1908 an der TH München, 1919 Lehrstuhl für Theoretische Nationalökonomie an der Universität in Hamburg, 1924 in Kiel und 1926 – 36 in Berlin; Arbeiten zur Werturteilsfrage; suchte gleich Max Weber und  Werner Sombart eine Verbindung von ökonomischer Theorie und Geschichte sowie ökonomischer Theorie und Soziologie herzustellen; Versuch einer Grundlegung der Sozialwissenschaften; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Gottlieb, Rudolf (1.9.1864 – 31.10.1924). Pharmakologe. 1887 Promotion zum Dr. med. in Wien; 1887 – 98 Assistent in Wien, Straßburg, Marburg und Heidelberg; 1892 Habilitation in Heidelberg; 1896 a. o. Professor ebd., 1898 o. Professor und Direktor des Pharmakolo-

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gischen Instituts ebd.; 1913 Prorektor der Universität Heidelberg. Seit 1893 verheiratet mit  Suzette Gottlieb, geb. Kühne.

Gottlieb, Suzette Elisabeth Helene, geb. Kühne (1873 – 1944). Ehefrau von  Rudolf Gottlieb. Gradenwitz, Otto (16.5.1860 – 7.7.1935). Rechtshistoriker und Lexikograph. 1880 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1885 Habilitation ebd., Mitarbeiter an Theodor Mommsens „Vocabularium Iurisprudentiae Romanae“, 1890 a. o. Professor in Berlin, 1895 a. o., 1896 o. Professor in Königsberg, 1907 in Straßburg, 1909 – 28 in Heidelberg; Herausgeber des „Heidelberger Index zum Codex Theodosianus“, des „Wortverzeichnisses zum BGB“ sowie der „Laterculi vocum Latinarum“; Förderer der juristischen Papyrologie. Gross, Adele, geb. Raymann (11.3.1854 – 20.6.1942). Verheiratet mit  Hans Gross, Mutter von  Otto Gross. Gross (ab 1919: Schloffer), Eva Verena (9.9.1910). Nach dem Abitur in Berlin Ausbildung als medizinische Laborantin; 1935 – 47 in einer Arztpraxis in Zürich, danach bis zur Pensionierung 1975 in der schweizerischen Arbeitsstelle für Flüchtlingshilfe tätig. Tochter von  Frieda Gross und  Ernst Frick. Gross, Frieda, geb. Schloffer (12.5.1876 – 12.12.1950). Tochter eines Anwalts in Graz; Nichte des Philosophen  Alois Riehl in Freiburg. Seit der Pensionatszeit in Freiburg mit  Else Jaffé, geb. von Richthofen, und deren Schwester Frieda Weekley, geb. von Richthofen, befreundet. 1903 Heirat mit  Otto Gross in Graz, 1906 Umzug nach München, lebte seit 1911 in Ascona mit dem Maler und Anarchisten  Ernst Frick zusammen, mit dem sie drei Töchter hatte. Zwischen 1913 und 1915 Prozesse gegen ihren Schwiegervater  Hans Gross um das Sorgerecht für den ehelich geborenen Sohn  Peter Gross; Max Weber unterstützte sie mit juristischem Rat. Gross, Hans (26.12.1847 – 9.12.1915). Kriminologe, Strafrechtslehrer. Begründer der wissenschaftlichen Kriminalistik. Promotion zum Dr. jur. in Graz. Zunächst Untersuchungsrichter, Staatsanwalt, Landgerichtsrat, später Senatsvorsitzender am Appellationsgericht Graz. 1899 ohne Habilitation o. Prof. für Straf- und Strafprozeßrecht an der Universität Czernowitz, 1903 in Prag, 1905 in Graz. Vater von  Otto Gross. Gross, Otto (17.3.1877 – 13.2.1920). Psychiater und Psychoanalytiker. 1899 Promotion zum Dr. med. in Graz; 1900 Schiffsarzt; 1901 – 02 Assistenzarzt in München und Graz; 1906 Habilitation für Psychopathologie in Graz; 1908 Verzicht auf die Privatdozentur. 1903 Heirat mit  Frieda Gross, geb. Schloffer, 1906 Übersiedlung nach München; Aufnahme und Fortbildung der Psychoanalyse von Sigmund Freud und Entwicklung sexualtherapeutischer und anarchistischer Ideen mit Einfluß auf die Münchener Bohème; Beziehungen zu  Else Jaffé sowie Frieda Weekley; 1908, nach verstärkter Einnahme von Kokain und Opium, zweite Entziehungskur in Zürich und Analyse bei  Carl Gustav Jung; nach Aufenthalten in Ascona und einer psychiatrischen Anstalt in Wien 1913 Übersiedlung nach Berlin und Anschluß an anarchistische Kreise; 1913 auf Veranlassung seines Vaters,  Hans Gross, Verhaftung und Einlieferung in eine Privat-Irrenanstalt bei Wien; 1914 Entmündigung, Entlassung aus der Anstalt und nach Kriegsausbruch bis 1916 als Militärarzt tätig; nach Rückfall in Drogenmißbrauch erneute Entziehungskur und Entlassung aus dem Militärdienst. Lebte bis zu seinem Tod auf Reisen und in Berlin.

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Gross, Peter (31.1.1907 – 21.9.1946). Arzt. Studium in Heidelberg; Assistentenstellen in Deutschland und in der Schweiz. Sohn von  Frieda und  Otto Gross. Groth, Otto (2.7.1875 – 14.11.1965). Journalist und Zeitungswissenschaftler. Seit 1899 Journalist und Redakteur demokratischer Zeitungen in Stuttgart und Ulm; seit 1908 Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“ in Stuttgart, 1915 Promotion zum Dr. rer. pol. in Tübingen, seit 1922 in München; 1933 aus rassistischen Gründen mit Berufsverbot belegt; nach dem Zweiten Weltkrieg Vorsitzender des Verbandes der Bayerischen Berufsjournalisten und Dozent für Zeitungswissenschaft in München. Zählt mit seinem Werk „Die Zeitung“ (4 Bde., 1928 – 33) zu den Mitbegründern der Zeitungswissenschaft. Seit 1911 Mitarbeiter der Zeitungsenquete der DGS. Gruhle, Hans Walter (7.11.1880 – 3.10.1958). Psychiater und Psychologe. 1905 Promotion zum Dr. med. bei Emil Kraepelin in München, 1913 Habilitation in Heidelberg; 1919 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1934 a. o. Professor in Bonn und kommissarischer Leiter der Bonner Nervenklinik, 1936 Direktor der Heilanstalt Zwiefalten, 1945 der Heilanstalt Weissenau; 1946 – 52 a. o. Professor und Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik in Bonn; Arbeiten über Verstehende Psychologie, Geisteskrankheiten und Strafrecht; Aufsätze im „Handwörterbuch der Kriminologie“; gehörte seit dem Frühjahr 1908 zum engeren Bekanntenkreis von Max Weber. Grünberg, Carl (10.2.1861 – 2.2.1940). Jurist und Wirtschaftshistoriker. 1886 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1890 – 93 Studium in Straßburg bei dem Nationalökonomen und Agrarhistoriker Georg Friedrich Knapp, 1893 Hof- und Gerichtsadvokat in Wien, 1894 Habilitation ebd.; 1900 a. o., 1909 o. Professor der politischen Ökonomie ebd.; 1924– 31 Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften in Frankfurt a.M.; 1924 – 27 Mitbegründer und Direktor des Instituts für Sozialforschung der Universität Frankfurt a.M.; 1910 – 30 Gründer und Herausgeber der Zeitschrift „Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung“. Untersuchungen zur Agrarverfassung und -wirtschaft sowie zur Arbeiterbewegung. Von den Nationalsozialisten ermordet. Lehrer von  Otto Pellech. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Grunzel, Josef (20.10.1866 – 21.11.1934). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. phil. und Dr. jur. in Wien; 1890 Bücherwart und Schriftleiter der amtlichen Konsularberichte im Österreichischen Handelsmuseum, 1891 Sekretär des Zentralverbandes der Industriellen Österreichs; fünf Jahre Fachberichterstatter des Handelsmuseums in der Türkei, in Ägypten, Griechenland und Spanien; mehrfach ausgedehnte Reisen im Orient; 1908 – 1934 o. Professor für Volkswirtschaftslehre an der Exportakademie des Österreichischen Handelsmuseums (später Hochschule für Welthandel). Arbeiten zur Wirtschafts- und Handelspolitik.

Guicciardi, Giuseppe Giulio (29.2.1872 – 19.3.1964). Professor für Medizin in Venedig. Verheiratet mit Maria Tobler, der ältesten Schwester von  Mina Tobler. Gundolf, Ernst (1882 – 1945). Zeichner. Bruder des Literaturwissenschaftlers  Friedrich Gundolf. Gundolf (mit bürgerlichem Namen bis 1927: Gundelfinger), Friedrich (20.6.1880– 12.7.1931). Literarhistoriker. 1903 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1911 Habilitation für Neuere Deutsche Literatur in Heidelberg; 1917 a. o., 1920 o. Professor ebd.; trat als Dichter, Übersetzer (mit  Stefan George) des Gesamtwerkes von Shakespeare und Verfasser literaturwissenschaftlicher Bücher hervor; Mitglied des Stefan-George-Kreises. Gehörte zum Bekanntenkreis von Max Weber in Heidelberg.

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Gutmann, Franz (16.3.1879 – 7.7.1967). Nationalökonom. 1906 Promotion zum Dr. rer. pol. in Straßburg; 1912 Habilitation in Tübingen, 1918 a. o. Professor ebd.; 1921 o. Professor in Jena, 1929 in Breslau, 1931 in Göttingen, 1936 aus rassistischen Gründen entpflichtet; Emigration; 1939 Professor an der Universität Chapel Hill in North Carolina, USA, 1949 emeritiert; Arbeiten zur Geschichte der internationalen Wirtschaftsbewegungen sowie wirtschaftshistorische und finanzwissenschaftliche Arbeiten. Zeitweise Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; sein Beitrag ist aber nicht erschienen. Guttmann (auch: Ghuttmann), Wilhelm Simon (15.11.1891 – 1990). Schriftsteller. Mitbegründer des „Neuen Clubs“; lebte vor 1914 in München, während des Krieges in der Schweiz, nach 1918 als Journalist und Fotograph in Berlin; Emigration nach Frankreich, später England. Freund von  Otto Gross. Häberlin, Paul (17.2.1878 – 29.9.1960). Philosoph, Pädagoge, Psychologe. 1903 Promotion zum Dr. phil. in Basel; 1908 Habilitation ebd., 1914 o. Professor für Philosophie und Pädagogik in Bern, 1922 in Basel; naturphilosophische und anthropologische Arbeiten; entwarf eine Kulturphilosophie, gegliedert in Ästhetik, Ethik und Logik. Haensler, Georg (??). 1897 Promotion zum Dr. med. in Freiburg i. Br.; Hautarzt in Straßburg. Hafis (eigentlich: Muhammed Schams ad-Din) (ca.1327 – 1390). Persischer Dichter des „Divan“. Die Übersetzung 1812/13 von Joseph von Hammer-Purgstall hatte großen Einfluß auf Goethes „West-östlichen Diwan“. Hainisch, Marianne, geb. Perger (25.3.1839 – 5.5.1936). Führerin der österreichischen Frauenbewegung. 1902 Gründerin des Bundes österreichischer Frauenvereine, 1904 Beitritt zum Frauenweltbund. Setzte sich ein für Mädchenbildung, Frauenstimmrecht und die Friedensbewegung. Hallwich, Hermann (9.5.1838 – 11.4.1913). Historiker, Volkswirtschaftler und Politiker. 1862 Promotion zum Dr. phil. in Prag; 1864 Lehrer an der höheren Handelslehranstalt in Reichenberg; 1870 Sekretär der Handels- und Gewerbekammer ebd.; seit 1871 liberales Mitglied des böhmischen Landtages; 1878 Berichterstatter über Handels- und Zollverträge; als solcher vertrat er 1891 die Verträge mit Deutschland, der Schweiz, Belgien und Italien; bemühte sich um deutsch-tschechischen Ausgleich; 1892 gründete er den „Zentralverband der Industriellen Österreichs“ (Präsident seit 1904); trat als Historiker durch das Werk Rankes angeregt mit Arbeiten über Wallenstein und Studien zur Industriegeschichte hervor. Hanisch, Johannes (27.10.1864 – 10.10.1918). Nationalökonom. 1904 Promotion zum Dr. phil. bei  Karl Bücher in Leipzig; 1884 – 89 Lehrer in Schlesien; 1889 – 98 Lehrer in Chile; 1904 Dozent für Handelswissenschaften an der kgl. Akademie in Posen; 1906 Professor an der Handelshochschule Köln, 1910 an der Handelshochschule München. Harms, Bernhard (30.3.1876 – 21.9.1939). Nationalökonom. 1901 Promotion zum Dr. sc. pol. bei  Gustav von Schönberg in Tübingen, 1903 Habilitation ebd., 1906 o. Professor der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim, 1906 etatmäßiger a.o. Professor in Jena, 1908 in Kiel, 1934 Honorar-Professor in Berlin; 1911 gründete er das „Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft“ in Kiel; Arbeiten über internationale Wirtschaftsbeziehungen und auf dem Gebiet der Wirtschaftsorganisation. 1912/13 Auseinandersetzungen mit

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Max Weber über die Neugestaltung des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“ und die Berücksichtigung der Interessen der Erben von  Gustav von Schönberg.

Harnack, Adolf (seit 1914) von (7.5.1851 – 10.6.1930). Evangelischer Theologe. 1873 Promotion zum Lic. theol. in Leipzig, 1874 Habilitation für Kirchengeschichte ebd.; 1876 a. o. Professor ebd., 1879 o. Professor in Gießen, 1886 in Marburg und 1888 – 1921 in Berlin; 1903 – 11 Vorsitzender des „Evangelisch-sozialen Kongresses“; 1905 – 21 Generaldirekor der Preußischen Staatsbibliothek; Initiator und erster Präsident der 1911 ins Leben gerufenen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften; aus seinem Schülerkreis (u. a. Paul Rade) entstand 1886/87 die „Christliche Welt“. Gilt als der klassische Vertreter der liberalen Theologie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts; bedeutend auch als Wissenschaftsorganisator; Schwager von  Hans Delbrück. Hartmann, Ludo Moritz (2.3.1865 – 14.11.1924). Historiker und Politiker. 1887 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, Schüler von Theodor Mommsen; 1889 Habilitation in Wien für Römische und Mittelalterliche Geschichte, 1903 a. o. Professor, 1924 o. Professor in Wien; Mitarbeiter an den Monumenta Germaniae Historica, Mitbegründer der „Zeitschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte“; schloß sich 1901 der Sozialdemokratischen Partei an; 1918 – 21 österreichischer Gesandter in Berlin. Mit  Alfred und Max Weber befreundet. Hausrath, Adolf (Pseudonym: George Taylor) (13.1.1837 – 2.8.1909). Evangelischer Kirchenhistoriker. 1861 Promotion zum Lic. theol. und Habilitation in Heidelberg, 1862 Stadtvikar ebd., 1864 Assessor beim Oberkirchenrat in Karlsruhe, 1867 a. o., 1871 – 1906 o. Professor für Kirchengeschichte in Heidelberg; liberaler Theologe, Mitbegründer und zeitweiliger Sekretär des 1863 gegründeten Protestantenvereins. Sein wissenschaftliches Interesse galt der historischen Einordnung des Neuen Testaments in die religiöse Umwelt des antiken Palästina, einer „neutestamentlichen Zeitgeschichte“; Verfasser kulturhistorischer und psychologisierender Biographien (u. a. von Paulus, Luther und Jesus) und unter dem Pseudonym George Taylor von Romanen. Heiratete 1864 Henriette Fallenstein (1840 – 1895), eine Schwester von  Helene Weber, lebte mit seiner Familie in Heidelberg im Fallensteinschen Haus Ziegelhäuser Landstraße 17; Onkel von Max Weber. Hausrath, August (20.6.1865 – 15.5.1944). Altphilologe. 1888 Promotion zum Dr. phil. in Bonn; 1896 Gymnasialprofessor für Latein und Deutsch in Karlsruhe und 1910 in Heidelberg, 1919 Gymnasialdirektor in Wertheim und 1921 in Freiburg i. Br.; Sohn von  Adolf Hausrath, Vetter von Max Weber. Lebte 1910 – 13 im selben Haus mit Max und Marianne Weber in der Ziegelhäuser Landstraße 17 in Heidelberg. Hausrath, Lilli  Hermann, Lilli Hein, Elisabeth, geb. Brassert (12.12.1858 – 27.5.1911). Schwester von  Emilie Weber, geb. Brassert, wohnte als Witwe in der Nähe von Oerlinghausen und gehörte zum Familienkreis von  Carl (Carlo) Weber. Hein, Klara Maria Helene (Lena) (25.11.1891 – 1.1.1980). Klavierlehrerin. Tochter von  Elisabeth Hein und Nichte von  Emilie (Emily) Weber. Hellpach, Willy (Pseudonym: Ernst Gystrow) (26.2.1877 – 6.7.1955). Psychologe, Nervenarzt und Politiker. 1900 Promotion zum Dr. phil. bei Wilhelm Wundt in Leipzig und 1903 zum Dr. med. bei Emil Kraepelin in Heidelberg, 1904 Nervenarzt in Karlsruhe, 1906 Habilitation für Psychologie in Heidelberg, Privatdozent in Karlsruhe; 1911 a. o. (Titular-)Professor, 1920 o. Professor und Direktor des Instituts für Sozialpsychologie an der TH Karls-

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ruhe, 1926 o. Honorar-Professor in Heidelberg; 1922 – 25 Badischer Minister für Kultus und Unterricht, 1924/25 zugleich badischer Staatspräsident; 1928– 30 MdR für die DDP.

Herkner, Heinrich (27.6.1863 – 27.5.1932). Nationalökonom. 1886 Promotion zum Dr. rer. pol. bei  Lujo Brentano in Straßburg; 1888 Dozent mit Lehrauftrag an der Universität Freiburg i. Br., 1890 etatmäßiger a. o., 1892 o. Professor ebd., 1892 an der TH Karlsruhe, 1898 an der Universität Zürich, 1907 an der TH Charlottenburg, 1912 als Nachfolger  Gustav von Schmollers in Berlin; 1917 – 29 Vorsitzender des „Vereins für Sozialpolitik“; Bemühungen um eine theoretisch fundierte Sozialpolitik; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Hermann, Friedrich Wilhelm (Fritz) (9.8.1871 – 3.5.1929). Badischer Finanzamtmann in Staufen. Heiratete 1906  Lilli Hausrath; die Ehe wurde 1917 für nichtig erklärt. Hermann, Lilli, geb. Hausrath (6.10.1882 – 22.6.1965). Gemeindeschwester. Tochter von  Adolf Hausrath. Heiratete 1906  Friedrich Wilhelm Hermann, 1913 Trennung, 1917 Nichtigkeitserklärung der Ehe. Lebte seit 1913 wieder in Heidelberg im Haus Ziegelhäuser Landstraße 17, bis 1919 gemeinsam mit Max und Marianne Weber; Cousine von Max Weber. Hesse, Albert (4.10.1876 – 31.7.1965). Nationalökonom. 1900 Promotion zum Dr. jur. in Halle, 1901 Promotion zum Dr. phil. ebd., 1903 Habilitation ebd., 1906 Direktor des Statistischen Amtes ebd., 1908 a. o., 1910 o. Professor in Königsberg, 1921 – 33 in Breslau. Hauptwerk: „Grundriß der politischen Ökonomie“ (3 Bde., 1935). Hettner, Alfred (6.8.1859 – 31.8.1941). Geograph. 1881 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg; 1882 – 84 ausgedehnte Forschungsreisen durch Kolumbien; 1887 Habilitation in Leipzig; 1888 – 90 Forschungsreisen nach Südamerika; 1894 a. o. (Titular-)Professor in Leipzig, 1897 a. o. Professor in Tübingen, 1899 a. o. Professor in Heidelberg, 1905 o. Honorarprofessor ebd., 1906 – 28 o. Professor ebd.; Forschungen u. a. auf dem Gebiet der Klimatologie und der politischen Geographie (Rußland); 1895– 1935 Gründer und Leiter der „Geographischen Zeitschrift“; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Hirsch, Julius (30.10.1882 – 14.8.1961). Nationalökonom und Betriebswirtschaftler. 1909 Promotion zum Dr. phil. in Bonn; 1911 Habilitation an der Handelshochschule Köln für „Privatwirtschaftslehre des Handels“; 1914 – 16 Frontsoldat; 1917 Professor an der Handelshochschule Köln; 1919 Abteilungsleiter im Reichsernährungsministerium; 1919 Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium; wurde nach Rücktritt des sozialdemokratischen Reichswirtschaftsministers Robert Schmidt 1923 zur Disposition gestellt; 1924 Dozent für Betriebswirtschaftslehre an der Handelshochschule Berlin, 1926 an der Universität ebd., 1928 Honorarprofessor an der Handelshochschule ebd.; war als Sachverständiger an der 1926 vom Reichstag veranlaßten Wirtschaftsenquête beteiligt; 1929 Begründer der Forschungsstelle für Handel in Berlin; 1933 Professor für Betriebswirtschaftslehre in Kopenhagen; 1940 nach der deutschen Besetzung Dänemarks zeitweise in Haft, 1941 Ausreise über die UdSSR und Japan in die USA; 1941 – 61 Professor an der New School for Social Research. Arbeiten zum Handel; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. His, Rudolf (15.7.1870 – 22.1.1938). Jurist. 1892 Promotion zum Dr. jur. in Basel; 1892 Attaché volontaire bei der Schweizer Gesandtschaft in Paris; 1893 Studien in Leipzig und Heidelberg; 1896 Habilitation in Heidelberg, 1900 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1904 o. Professor in Königsberg, 1908 – 37 o. Professor in Münster; Arbeiten über Rechtsgeschichte, Deutsches Privatrecht und Handelsrecht.

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Hobrecht, Arthur (14.8.1824 – 7.7.1912). Jurist und nationalliberaler Politiker. 1863 Oberbürgermeister von Breslau und 1872 von Berlin. 1863 – 78 MdprHH, 1878 – 1912 MdprAH; 1878 – 79 preußischer Finanzminister; 1881 – 84 und 1886 – 90 MdR; gehörte zum Bekanntenkreis von  Max Weber sen. Hobrecht, James (31.12.1825 – 8.9.1902). Bruder von  Arthur Hobrecht. 1845 Landmesserprüfung; 1847 Studium an der Bauakademie Berlin; 1869 Berufung als Baurat nach Berlin; 1885 Stadtbaurat in Berlin; gehörte zum Bekanntenkreis von  Max Weber sen. Hodler, Ferdinand (14.3.1853 – 19.5.1918). Schweizer Maler. Führender Repräsentant des Frühexpressionismus. Hoesch (ab 1920: Gebhard-L’Estrange), Margarete Johanna Marie-Josephe (seit 1913) von, geb. von Carlowitz (7.1.1888 – 20.9.1976). Gehörte zum Kreis um  Friedrich Gundolf. 1914 Pflegerin in einem Heidelberger Lazarett. Höller, Elise (Lisi) (??). Dienstmädchen bei Frieda Gross. Hollmann, Maria, geb. Brassert (27.2.1871 – 15.11.1954). Verheiratet mit  Wilhelm Hollmann; Schwester von  Emilie Weber. Hollmann, Wilhelm (24.4.1862 – 18.3.1920). Verheiratet mit  Maria Hollmann. Honigsheim, Paul (28.3.1885 – 22.1.1963). Sozialwissenschaftler. 1914 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg; im Ersten Weltkrieg Dolmetscher in deutschen Gefangenenlagern; 1920 Habilitation für Soziologie und Philosophie in Köln; 1927 nichtbeamteter a.o. Professor ebd.; 1921 – 33 Leiter der Volkshochschule ebd.; 1933 Emigration nach Paris, wo er Direktor der Zweigstelle des Genfer „Institut de Recherches Sociales“ war; 1936 o. Professor in Panama; 1938 – 50 Professor für Soziologie an der Michigan State University in den USA; gehörte zum Heidelberger Bekanntenkreis Max Webers. Schwerpunkt seiner Schriften waren religions- und kunstsoziologische sowie anthropologische und historisch-biographische Themen. Huck, Wolfgang (13.9.1889 – 22.1.1967). Zeitungsverleger. 1912 Promotion zum Dr. phil. bei  Eberhard Gothein in Heidelberg; seit 1911 Leitung des Zeitungskonzerns A. Huck, in dem u. a. die „Nürnberger Nachrichten“, der „Breslauer Generalanzeiger“ und die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ erschienen, zudem Anteilseigner der „Vossischen Zeitung“; die Zeitungen verfolgten einen gemäßigt liberalen Kurs; mußte 1935 auf Druck der NSDAP die Hälfte seines Konzerns abgeben, 1943 auch die verbliebenen Zeitungen; 1945 Mitbegründer des Verlages des „Münchner Merkur“. Jaffé, Edgar (14.5.1866 – 29.4.1921). Nationalökonom. 1888 – 98 kaufmännischer Teilhaber der von seinem Vater gegründeten Textilexportfirma in Manchester; 1902 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1904 Habilitation ebd., 1909 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1910 o. Professor für Geld- und Kreditwesen an der Handelshochschule München; 1914 wissenschaftlicher Sachverständiger beim Generalgouvernement in Brüssel; November 1918 bis April 1919 Finanzminister von Bayern. Seit 1904 mit  Werner Sombart und Max Weber Herausgeber des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“; 1916 Herausgeber der „Europäischen Staats- und Wirtschaftszeitung“; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Verheiratet mit  Else Jaffé. Jaffé, Else, geb. von Richthofen (8.10.1874 – 22.12.1973). Nationalökonomin. Lehrerinnenexamen, Studium der Nationalökonomie in Freiburg i. Br., Berlin und Heidelberg; 1901 Promotion bei Max Weber in Heidelberg; 1900 – 02 erste Fabrikinspektorin in Karlsruhe;

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1902 Heirat mit  Edgar Jaffé, seit 1910 getrennt lebend; seit der gemeinsamen Pensionatszeit in Freiburg mit  Frieda Gross, geb. Schloffer, und seit 1907 mit  Otto Gross befreundet; 1902 – 07 enge Mitarbeiterin  Marianne Webers im Verein FrauenbildungFrauenstudium in Heidelberg, 1909 Beginn der Beziehungen zu  Alfred Weber, später dessen Lebensgefährtin; 1911 Übersiedlung nach Wolfratshausen im Isartal; lebte nach dem Tod von Edgar Jaffé seit 1925 wieder in Heidelberg. Schwester von Frieda Weekley, geb. von Richthofen; gehörte zu den engsten Freunden von Max und Marianne Weber.

Jaffé, Friedrich (Friedel; nach seiner Emigration in die USA: Friedel Jeffrey) (28.9.1903 – ??). Jurist. Ältester Sohn von  Else und  Edgar Jaffé. Jäger, Ferdinand (31.8.1856 – 8.4.1932). Heidelberger Polsterer und Tapezierer. Jahn, Gunnar (10.1.1883–?). Bruder von  Valborg Weber, geb. Jahn. Jänecke, Max (28.8.1869 – 2.11.1912). Verlagsbuchhändler. Studium der Staatswissenschaften, 1892 Promotion zum Dr. phil. in Marburg, 1903 – 04 MdR für die Nationalliberalen. Herausgeber des „Hannoverschen Courier“; 1900– 11 Vorsitzender des Vereins Deutscher Zeitungsverleger. Jaspers, Gertrud, geb. Mayer (26.2.1879 – 25.5.1974). Verheiratet mit  Karl Jaspers; Schwester des Historikers Gustav Mayer. Jaspers, Karl (23.2.1883 – 26.2.1969). Philosoph. 1901 zunächst Jurastudium, 1902/03 Wechsel zur Medizin, 1908 Staatsexamen und Promotion zum Dr. med. in Heidelberg, bis 1915 wissenschaftliche Arbeit an der psychiatrischen Klinik in Heidelberg, 1913 Habilitation für Psychologie bei  Wilhelm Windelband in der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg, 1916 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1920 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1922 o. Professor für Philosophie ebd.; während der NS-Zeit mit Publikationsverbot belegt. 1937 Zwangsemeritierung. 1945 am Wiederaufbau der Universität Heidelberg beteiligt, 1948 – 61 o. Professor in Basel; umfangreiche Arbeiten zur Existenzphilosophie und Logik. Bekanntschaft mit Max Weber seit 1909. Jellinek, Camilla, geb. Wertheim (29.9.1860 – 5.10.1940). Verheiratet mit  Georg Jellinek; Repräsentantin der deutschen Frauenbewegung. 1930 Dr. jur. h. c. der Universität Heidelberg. Von 1900 – 33 aktiv im Bund Deutscher Frauenvereine tätig, Vorsitzende und Leiterin der Rechtsschutzstelle für Frauen in Heidelberg, 1907 Vorsitzende der Rechtskommission des Bundes Deutscher Frauenvereine, seit 1915 Mitglied des Gesamtvorstandes des Bundes, 1926 – 30 Vorsitzende des badischen Bundes für Frauenbestrebungen, kämpfte schon früh gegen den § 218. Gehörte zum Freundeskreis von Max und Marianne Weber. Jellinek, Georg (16.6.1851 – 12.1.1911). Staats- und Völkerrechtler. 1872 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig, 1874 zum Dr. jur. in Wien, 1879 Habilitation für Rechtsphilosophie in Wien; 1883 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1889 o. Professor in Basel, 1890 – 1911 in Heidelberg; Arbeiten zur allgemeinen Staatslehre. Mitglied des religionswissenschaftlichen „Eranos“-Kreises. Mit Max Weber freundschaftlich verbunden. Jellinek, Irmgard, geb. Wiener (1891 – 1976). Verheiratet mit  Walter Jellinek. Jellinek, Walter (12.7.1885 – 9.6.1955). Staats- und Verwaltungsrechtler. 1908 Promotion zum Dr. jur. in Straßburg; 1912 Habilitation in Leipzig; 1913 a. o., 1919 o. Professor in Kiel, 1928/29 Rektor ebd.; 1914 – 18 Kriegsteilnahme; 1929 o. Professor in Heidelberg; 1935 aus rassistischen Gründen zwangspensioniert, 1945 wieder im Lehramt; nach dem Zwei-

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ten Weltkrieg für den Wiederaufbau der Universität Heidelberg tätig. Bedeutende Arbeiten zum Verwaltungsrecht. Sohn von  Camilla und  Georg Jellinek.

Joël, Karl (27.3.1864 – 22.7.1934). Philosoph. 1886 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig. 1892/93 Habilitation in Basel; 1897 a. o., 1902 o. Professor ebd., 1913 Rektor ebd.; setzte dem in seiner Zeit landläufigen Determinismus die Freiheit des Willens entgegen; gehörte wie auch sein Freund Georg Simmel zu den Außenseitern seiner Zunft; das von seiner Schwester geführte Haus in Basel war ein beliebter Treffpunkt für viele am geistigen Austausch interessierte Zeitgenossen; u. a. Schriften über: „Ursprung der Naturphilosophie aus dem Geiste der Mystik“ (1906), „Nietzsche und die Romantik“ (1905), Gesamtdarstellung der Philosophiegeschichte. Vertreter des Neuidealismus. Jolly, Philipp (7.10.1857 – 19.11.1923). Verwaltungsbeamter. Oberamtmann in Heidelberg, Amtsvorstand in Alt-Breisach, Weinheim/Bergstr. und Pforzheim, Landrat in Heidelberg. Sohn von Julius Jolly und Elisabeth Jolly, geb. Fallenstein, einer Halbschwester von  Helene Weber; verheiratet mit Emilie Jolly, geb. Hausrath; Vetter von Max Weber. Jung, Carl Gustav (26.7.1875 – 6.6.1961). Psychiater und Psychologe. 1900 medizinisches Staatsexamen; Assistent von  Eugen Bleuler an der psychiatrischen Universitätsklinik „Burghölzli“ in Zürich; 1905 – 13 Oberarzt ebd. und Dozent für Psychiatrie an der Universität Zürich. Behandelte  Otto Gross 1908 in Zürich. Jung, Franz (26.11.1888 – 21.1.1963). Schriftsteller. Gehörte zu dem revolutionären Kreis um  Franz Pfemfert. Schrieb im expressionistischen Stil revolutionäre Romane und Dramen sowie Essays. Mitglied des Spartakus und linkskommunistischer Organisationen, 1936 Emigration nach Prag, 1948 in die USA, ab 1960 in der DDR. Freund von  Otto Gross. Kantorowicz, Hermann (Pseudonym: Gnaeus Flavius) (18.11.1877– 12.2.1940). Strafrechtler und Rechtshistoriker. 1900 Promotion zum Dr. jur. in Heidelberg, 1908 Habilitation in Freiburg i. Br.; 1913 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1923 planmäßiger a. o. Professor ebd., 1927 Gastprofessur an der Columbia University of New York, 1929 – 33 o. Professor für Strafrecht in Kiel; 1933 Entlassung aus rassistischen Gründen und Emigration über die USA nach Cambridge/England; Vertreter der Freirechtsschule auf dem Gebiet der Rechtspolitik. Seit dem Sommer 1908 kollegiale Beziehungen zu Max Weber. Kapp, Friedrich (13.4.1824 – 27.10.1884). Jurist, Publizist und Rechtsanwalt in New York und Berlin. 1872 – 78 nationalliberaler Stadtverordneter in Berlin, 1881 – 84 MdR. Freund von  Max Weber sen. in Berlin. Karlstadt  Bodenstein, Andreas Kaufmann, Alexander A.; Tl.: Kaufman, Aleksandr Arkad’evicˇ (14.3.1864 – 1919). Russischer Nationalökonom und Agrarstatistiker. Professor in St. Petersburg; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten und ihres Zentralkommitees; stand seit 1906 in brieflichem Kontakt mit Max Weber. Keller, Friedrich (Fritz) (13.3.1875 – 17.4.1926). Rechtsanwalt in Heidelberg. Vertrat Max Weber im Prozeß gegen  Adolf Koch sowie in der Auseinandersetzung mit  Bernhard Harms. Kielmeyer, Ernst. Rechtsanwalt von Paul Siebeck in Stuttgart. Klages, Ludwig (10.12.1872 – 29.7.1956). Philosoph, Psychologe, Graphologe. 1900 Promotion zum Dr. phil. in Chemie in München. 1899 Mitbegründer der sog. „Kosmischen

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Runde“ ebd., zeitweise dem George-Kreis nahestehend; 1915 Übersiedlung in die Schweiz. Begründer der wissenschaftlichen Graphologie. Sein der sog. Lebensphilosophie zuzurechnendes Hauptwerk: „Der Geist als Widersacher der Seele“ (3 Bde., 1929 – 33).

Klebs, Georg (23.10.1857 – 15.10.1918). Botaniker. 1879 Promotion zum Dr. rer. nat. in Straßburg, 1883 Habilitation in Tübingen; 1887 o. Professor in Basel, 1898 in Halle, 1907 – 18 in Heidelberg; Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Begründete 1909 mit  Alfred Weber den Diskussionskreis „Janus“; verheiratet mit der Ägyptologin Luise von Sigwart (1865 – 1931), einer Tochter des Philosophen Christoph von Sigwart; gehörte zum Bekanntenkreis Max Webers in Heidelberg. Knapp, Georg Friedrich (7.3.1842 – 20.2.1926). Nationalökonom und Agrarhistoriker. 1865 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen; 1867 Direktor des Statistischen Bureaus der Stadt Leipzig; 1869 a. o. Professor für Statistik in Leipzig, 1874 – 1918 o. Professor in Straßburg; Gründungsmitglied des „Vereins für Sozialpolitik“; galt als führender Experte für die preußische Agrarentwicklung; sein Werk über die „Staatliche Theorie des Geldes“, insbesondere die Auflage von 1920, hielt Weber für epochemachend. Vater von Elly Heuss-Knapp und  Marianne Lesser-Knapp. Koch, Adolf (10.3.1855 – 24.11.1924). Historiker und Journalist. 1880 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1884 Habilitation ebd.; 1888 a. o. (Titular-)Professor ebd., außerdem seit 1881 Nebentätigkeit an der Universitätsbibliothek Heidelberg, 1888 Kustos ebd.; vertrat in Vorlesungen und Übungen das Gebiet der Journalistik und gründete die „Journalistische Bibliothek“ mit finanzieller Unterstützung von Verlegern; 1913 Entzug der Venia legendi als Folge seines Prozesses gegen Max Weber; 1915/16 in politisch-diplomatischer Mission in Konstantinopel; 1916 – 20 Mitarbeiter am Orientalischen Institut in Berlin. Kochmann, Wilhelm (22.11.1885 – 1965). Techniker. Studium in Freiburg i. Br. und Berlin, 1909 Promotion zum Dr. phil. in Chemie in Freiburg i. Br. Koetzle, Gustav (2.2.1840 – 5.9.1900). Verleger. 1877 nach dem Tode seines Schwiegervaters Hermann Siebeck mit seinem Schwager  Paul Siebeck Mitinhaber der Laupp’schen Buchhandlung sowie der 1878 erworbenen Heidelberger Akademischen Verlagsbuchhandlung von J.C.B. Mohr. 1880 – 97 Trennung der beiden Verlage, wobei Koetzle mit der Laupp’schen Buchhandlung in Tübingen blieb, Siebeck mit dem Mohrschen Verlag nach Freiburg i. Br. ging. 1897 krankheitsbedingter Verkauf der Anteile Koetzles an Paul Siebeck, der damit Alleininhaber von Laupp und Mohr wurde. Koetzle war der Verleger von  Gustav von Schönbergs „Handbuch der Politischen Ökonomie“. Kraepelin, Emil (15.2.1856 – 7.10.1926). Psychiater. 1878 Promotion zum Dr. med. in Würzburg, 1882 Habilitation für Psychiatrie in Leipzig, 1886 o. Professor für Psychiatrie in Dorpat, 1891 o. Professor in Heidelberg, wo er an der Psychiatrischen Klinik der Universität ein experimentalpsychologisches Laboratorium einrichtete, von 1903 bis zu seiner Emeritierung 1922 war er o. Professor in München. 1917 begründete er die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie in München. Krastel, Richard Otto (14.6.1880 – 24.2.1967). Pfarrer. Freund von  Lilli Hausrath. Kronauer, Otto (8.12.1850 – 19.4.1922). Schweizer Jurist. 1878 Staatsanwalt; 1890– 99 Oberrichter; 1898 – 99 Präsident des Obergerichts; 1900 – 1918 Schweizer Bundesanwalt in Bern. Kronberger, Maximilian (genannt: Maximin) (14.4.1888 – 15.4.1904). Münchener Jüngling, von  Stefan George zu einer Leitfigur erhoben.

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Kroner, Richard (8.3.1884 – 2.11.1974). Philosoph. 1908 Promotion zum Dr. phil. bei  Heinrich Rickert in Freiburg i. Br., 1912 Habilitation ebd., 1919 a. o. Professor ebd., 1924 o. Professor in Dresden, 1929 in Kiel, 1934 in Frankfurt a. M., 1934 Entzug der Venia legendi aus rassistischen Gründen; 1938 Emigration nach Großbritannien, 1940 in die USA; 1940 – 52 Lehrtätigkeit an der Temple University und am protestantischen Union Theological Seminary; arbeitete über die Philosophie Kants und Hegels. Mitherausgeber des „Logos“. Külpe, Oswald (3.8.1862 – 30.12.1915). Philosoph und Psychologe. 1887 Promotion zum Dr. phil. bei Wilhelm Wundt in Leipzig, 1888 Habilitation ebd.; 1887 – 94 Assistent an Wundts Institut für experimentelle Psychologie; 1894 o. Professor in Würzburg, 1909 in Bonn und 1914 in München als Nachfolger von Theodor Lipps; Begründer der Würzburger Schule der Denkpsychologie, in der er einen kritischen Realismus vertrat. Lamping, Wilhelm (Willy) (21.5.1861 – 7.9.1929). Organist. Musikdirektor in Bielefeld. Verheiratet mit Eleonore Lamping, geb. Möller; Klavierlehrer von  Marianne Weber in Bielefeld. Landmann, Julius (6.8.1877 – 8.11.1931). Nationalökonom. 1900 Promotion zum Dr. phil. in Bern, 1901 – 06 Sekretär beim Internationalen Arbeitsamt in Basel, 1907 Vorsteher des Statistischen Büros der Schweizerischen Nationalbank, 1909 ohne Habilitation o. Professor in Basel, 1927 in Kiel. Arbeiten zur schweizerischen Sozialpolitik und zum Bankenwesen; stand dem George-Kreis nahe. Landsberger, Artur (26.3.1876 – 4.10.1933). Schriftsteller. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Greifswald, 1907 – 09 Redakteur der Kulturzeitschrift „Der Morgen“; lebte bis zu seinem Freitod 1933 als Roman- und Komödienschriftsteller in Berlin; von Weber als Mitarbeiter an der Presseenquete vorgesehen. Lang, Gertrud (9.2.1894 – 4.1.1979). Tochter von  Otto und  Rachel Lang. Lang, Otto (15.7.1863 – 23.3.1936). Schweizer Jurist und sozialdemokratischer Politiker. 1883 – 87 Studium der Rechtswissenschaften in München, Heidelberg, Zürich und Berlin. 1888 Bezirksanwalt in Zürich; 1893 Rechtsanwalt ebd.; 1896– 1900 Bezirksrichter ebd.; 1900 Wahl ins Obergericht; 1910 Wahl zum Vizepräsidenten des Obergerichts; 1914 Obergerichtspräsident; 1916 – 19 sozialdemokratischer Stadtrat der Stadt Zürich; 1920 Rückkehr ans Obergericht. Gilt als Mitbegründer der Schweizer Sozialdemokratie. Befreundet mit  Frieda Gross. Lang, Rachel, geb. Ronthal (11.4.1868 – 19.8.1950). Verheiratet mit  Otto Lang. Lask, Berta (17.11.1878 – 28.3.1967). Schriftstellerin, sozialkritische Dramen; 1901 Heirat mit Dr. med. Louis Jacobsohn. Autobiographischer Familienroman „Stille und Sturm“ 1955. Anschluß an die kommunistische Partei; 1933 – 53 Emigration in die Sowjetunion. Schwester von  Emil Lask. Lask, Cerline, geb. N.N. (? – 1921). Mutter von  Berta und  Emil Lask. Lask, Emil (25.9.1875 – 26.5.1915). Philosoph. 1902 Promotion zum Dr. phil. bei  Heinrich Rickert in Freiburg i. Br.; 1905 Habilitation bei  Wilhelm Windelband in Heidelberg; 1910 a. o. (Titular-)Professor in Heidelberg; 1913 etatmäßiger a. o. Professor ebd.; 1915 als Kriegsfreiwilliger bei Turza-Mata in Galizien gefallen; bedeutendster Schüler der bei-

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den Begründer des südwestdeutschen Neukantianismus,  Wilhelm Windelband und  Heinrich Rickert. Freundschaftliche Beziehungen zu Max und Marianne Weber. Freund von  Frieda Gross, bedachte sie in seinem Testament.

Laurer, Luise (3.7.1889 – 22.1.1945). Dienstmädchen bei Ernst und Marta Troeltsch; heiratete am 3.5.1913 den Holzdreher Gottlieb Friedrich Sigmund. Lederer, Emil (22.7.1882 – 29.5.1939). Nationalökonom. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1911 Promotion zum Dr. rer. pol. bei  Lujo Brentano in München, 1912 Habilitation in Heidelberg; 1918 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1920 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1922 – 31 o. Professor ebd.; 1922 – 25 Gastprofessur in Tokyo; 1931 o. Professor in Berlin; 1933 Emigration in die USA, Professor und Gründungsrektor der Graduate Faculty der New School of Social Research in New York. 1919 Mitglied der volkswirtschaftlichen Abteilung in der österreichischen Staatskommission zur Sozialisierung; 1920/21 Mitglied der deutschen Sozialisierungskommission; seit 1910 Redaktionssekretär und 1921 – 33 neben  Joseph Alois Schumpeter und  Alfred Weber Mitherausgeber des AfSSp. Arbeiten zur Wirtschaftstheorie, Krisen- und Lohnpolitik, zur Lage der Angestellten und zur politischen Soziologie; stand der Sozialdemokratie nahe. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, den er seit 1923 als leitender Herausgeber betreute. Von Weber 1912 als Teilnehmer an der geplanten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen. Lederer, Emmy, geb. Seidler (1879 – 1933). Schwester der Malerin  Irma Seidler und Ehefrau von  Emil Lederer. Leist, Alexander (17.10.1862 – 3.12.1918). Jurist. 1885 Promotion zum Dr. jur. in Tübingen, 1889 Habilitation in Halle, 1892 a. o. Professor in Göttingen, 1893 in Marburg, 1895 o. Professor in Gießen. Arbeiten zum Vereins- und Privatrecht; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Leitenberger, Franz (29.6.1761 – 7.4.1825). Österreichischer Textil-Großindustrieller. Schöpfer der damals leistungsfähigsten europäischen Kattunfabrik in Josefsthal-Kosmanos, deren Stoffe Weltruf erlangten. Nach dem Tode des letzten Leitenberger, Friedrich Frhr. von Leitenberger, 1904, wurde das Familienunternehmen 1905 in eine AG umgewandelt. Leitner, Friedrich (26.1.1874 – 3.7.1945). Betriebswirtschaftler. 1898 – 1906 Oberlehrer in Mainz und Frankfurt; 1906 Dozent an der Handelshochschule Berlin, 1909– 45 o. Professor ebd.; Arbeiten zur allgemeinen theoretischen Betriebswirtschaft sowie der Bank- und Industriebetriebslehre. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Lenz, Elisabeth (15.2.1874 – 17.12.1945). Lebensgefährtin von  Raphael Friedeberg. Leonhard, Edwin (16.10.1878 – 19.4.1958). Rechtsanwalt in Heidelberg. 1914 Anwalt Max Webers in dessen Rechtsstreit mit  Axel Ripke. Leonhard, Rudolf (26.3.1879 – 9.10. 1918). Nationalökonom. Nach einem landwirtschaftlichen Studium 1903 Promotion zum Dr. phil. in Breslau,1906 Promotion zum Dr. rer. pol. bei  Lujo Brentano in München, 1909 Habilitation ebd., a. o. Professor ebd.; von Weber 1912 als Teilnehmer an der geplanten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen. Lesser, Ernst Josef (7.12.1879 – 1.3.1928). Physiologe. 1903 Promotion zum Dr. med. in München; 1906 Staatsprüfung als Nahrungsmittelchemiker; 1906 Assistent am Physiologischen Institut in Halle; 1906 Habilitation in Halle; 1910 Leitung des Laboratoriums in den

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Mannheimer Krankenanstalten, das er bis 1922 zu einem modernen Forschungsinstitut ausgestaltete; befaßte sich mit dem Kohlenhydratstoffwechsel, insbesondere mit der Zukkerkrankheit; erfaßte als einer der ersten das native Insulin anhand der blutzuckersenkenden Wirkung von Extrakten aus der Bauchspeicheldrüse; war aktiv in der zionistischen Ortsgruppe Mannheim; SPD-Mitglied; politische Korrespondenz mit seinem Schwager Theodor Heuss; mit Max Weber befreundet.

Lesser-Knapp, Marianne (5.6.1879 – 1966). Malerin. Studierte in München Landschaftsmalerei und Stilleben. Tochter des Nationalökonomen  Georg Friedrich Knapp; Schwester von Elly Heuss-Knapp, Schwägerin von Theodor Heuss. Verheiratet mit  Ernst Lesser. Liefmann, Robert (4.2.1874 – 20.3.1941). Nationalökonom. 1897 Promotion zum Dr. phil. bei Max Weber in Freiburg i. Br.; 1900 Habilitation in Gießen bei Magnus Biermer; 1904 Umhabilitation nach Freiburg i. Br., 1904 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1914 – 33 o. Honorarprofessor ebd.; 1940 aus rassistischen Gründen Deportation nach Frankreich; 1941 Tod im Sammellager Gurs. Führender deutscher Kartelltheoretiker seiner Zeit, 1895 von Max Weber zu diesem Thema angeregt. Liepmann, Moritz (8.9.1869 – 26.8.1928). Strafrechtler. 1891 Promotion zum Dr. jur. in Jena, 1896 Promotion zum Dr. phil. in Halle, 1897 Habilitation ebd., 1902 a.o., 1910 o. Prof. in Kiel, 1919 an der neugegründeten Universität in Hamburg. Bedeutend als Reformator des Strafvollzugswesens und als Kritiker der Todesstrafe. Lilienthal, Karl von (31.8.1853 – 8.11.1927). Strafrechtler. 1873 Promotion ohne Dissertation in Heidelberg; 1879 Habilitation in Halle; 1882 o. Professor an der Universität Zürich, 1889 in Marburg, 1896 – 1919 Professor für Strafrecht und Strafprozeßrecht in Heidelberg, 1912/13 Prorektor ebd.; Arbeiten zur Strafrechtslehre; Herausgeber des „Archivs für die gesamte Strafrechtswissenschaft“. Lina (Linchen). 1909 – 18 Haushaltshilfe bei Max und  Marianne Weber. Lindner, Gregor (29.9.1831 – 9.4.1917). Österreichischer Geistlicher und Heimatforscher. 1854 Priesterweihe. Als Kaplan, als Priester und seit 1886 als Bezirksvikar in St. Joachimsthal; 1899 Kanonikus des Kollegiatkapitels Altbunzlau. Heimatkundliche Beiträge zur Geschichte von St. Joachimsthal. Littmann, Enno (16.9.1875 – 4.5.1958). Orientalist. Promotion zum Dr. phil. in Halle, 1893 – 1900 und 1904 Teilnahme an den von der Princeton-Universität veranstalteten Orientexpeditionen, 1906 o. Professor in Straßburg, 1914 – 16 in Bonn und 1921 – 49 in Tübingen. Hauptwerk: die Übersetzung der „Geschichten von 1001 Nacht“ (1921– 28, 6 Bde.); 1913/ 14 als Dekan der Philosophischen Fakultät an der Universität Straßburg erfolgreiches Eintreten für die Berufung von  Georg Simmel. Loewenstein, Karl (9.11.1891 – 10.7.1973). Verfassungsrechtler und Politologe. Nach Studienjahren in Paris, Heidelberg und Berlin 1914 Promotion zum Dr. jur. in München; 1914 – 17 Kriegsteilnahme, 1917 Tätigkeit bei der Preiskontrollbehörde in München; 1919 – 33 Anwalt ebd., 1931 Habilitation ebd.; 1933 Emigration in die USA, 1934– 36 Professor für Recht und Politische Wissenschaft an der Yale University in New Haven und 1936 – 61 am Amherst College. Bedeutende Arbeiten zum vergleichenden Verfassungsrecht, zur parlamentarischen Regierungsform und zum plebiszitären Führerstaat; Einflüsse Max Webers

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und dessen sozialwissenschaftliche Fragestellung waren für seine Werke prägend. Gehörte zum Heidelberger Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber.

Loewenstein, Mathilde, geb. Oppenheimer (1867 – 1946). Verheiratet mit  Otto Loewenstein; Mutter von  Karl Loewenstein. Loewenstein, Otto (1859 – 1935). Fabrikbesitzer in München; Vater von  Karl Loewenstein. Lombroso Ferrero, Gina (1872 – 1944). Italienische Schriftstellerin. Tochter des Kriminologen Cesare Lombroso. Verheiratet seit 1901 mit dem Althistoriker und Politikwissenschaftler Guglielmo Ferrero. Lotz, Walther (21.3.1865 – 13.12.1941). Nationalökonom. 1887 Promotion zum Dr. rer. pol. bei  Lujo Brentano in Straßburg; 1888/89 Beschäftigung im Bankfach; 1890 Habilitation bei Lujo Brentano in Leipzig; 1891 Honorar-, 1892 a. o. und 1897 – 1935 o. Professor in München; Arbeiten über Finanzwissenschaft. Schwager von  Heinrich Herkner. Seit der Studienzeit mit Max Weber befreundet; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, sein Beitrag ist jedoch nicht erschienen. Lukács, Georg (bis 1918) von (13.4.1885 – 4.6.1971). Ungarischer Philosoph, Literarhistoriker und -theoretiker. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Budapest; 1908/09 Studium der Philosophie in Berlin; 1909 Promotion zum Dr. phil. in Budapest; 1910 Übersiedlung nach Berlin, seit 1912 in Heidelberg; Mitglied des „Sonntagskreises“, aus dem 1917 die „Freie Schule für Geisteswissenschaften“ hervorging (Bewegung gegen Positivismus und Materialismus der Universitäten); 1917 Rückkehr nach Budapest, 1918 Ablehnung eines Habilitationsantrages in Heidelberg; seit 1918 Mitglied der Kommunistischen Partei; während der ungarischen Räterepublik 1919 Stellvertretender Volkskommissar für Erziehung; 1919 nach der Niederschlagung der Räterepublik Flucht nach Wien, in Abwesenheit zum Tode verurteilt; 1929 – 31 in Moskau, 1931 – 33 in Berlin, 1933 – 45 Aufenthalt in Moskau, wo er die Grundlagen einer marxistischen Ästhetik entwarf; 1945 – 58 Professor für Ästhetik und Kulturphilosophie in Budapest; 1956 Minister für Volksbildung in der Regierung Nagy. Sein Werk „Geschichte und Klassenbewußtsein“ (1923) trug entscheidend zur Linksorientierung der europäischen Intellektuellen in den zwanziger Jahren bei; obwohl von der KP gerügt, einer der führenden marxistischen Literaturhistoriker; gehörte während seines Heidelberger Aufenthalts zum Freundeskreis von Max und  Marianne Weber. Mangold, Fritz (2.3.1871 – 25.3.1944). Schweizer Statistiker badischer Herkunft. 1902 Kantonsstatistiker in Basel, 1910 Regierungsrat und Vorsteher des Erziehungsdepartements ebd., seit 1921 Professor der Statistik und Verwalter des Schweizerischen Wirtschaftsarchivs ebd. Martini. Das Ehepaar Martini betrieb in Rom eine Pension, in der Max und Marianne Weber während ihres längeren Aufenthaltes im Jahre 1901 wohnten. Mauer, Hermann (29.9.1876 – 28.6.1919). Nationalökonom. 1907 Promotion zum Dr. rer. pol. in Straßburg bei  Georg Friedrich Knapp; 1908 Lehrauftrag für englisches Bankund Kreditwesen an der Handelshochschule Berlin; als Liquidator des von der Dresdner Bank übernommenen väterlichen Bankhauses tätig; Arbeiten auf dem Gebiet des landwirtschaftlichen Kreditwesens. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Maximin  Kronberger, Maximilian

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Mehlis, Georg (8.3.1878 – 13.11.1942). Philosoph. 1906 Promotion in Heidelberg, 1910 Habilitation in Freiburg i. Br.; 1915 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1923 Verzicht auf das Lehramt und Übersiedlung nach Chiavari/Italien, um einer Anklage und Verurteilung wegen § 175 StGB zu entgehen. Arbeitete auf dem Gebiet der Wert- und Geschichtsphilosophie; stand dem italienischen Faschismus nahe. Meinecke, Friedrich (30.10.1862 – 6.2.1954). Historiker. 1886 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1892 – 1901 Archivar im Geheimen Staatsarchiv Berlin; 1896 Habilitation an der Universität Berlin; 1901 o. Professor in Straßburg, 1906 in Freiburg i. Br. und 1914 – 28 in Berlin; 1948 erster Rektor der Freien Universität Berlin; 1894 – 1935 Herausgeber der „Historischen Zeitschrift“; einer der einflußreichsten Historiker seiner Zeit; Arbeiten vornehmlich zur Ideengeschichte der Neuzeit. Michels, Robert (9.1.1876 – 3.5.1936). Deutsch-italienischer Sozialwissenschaftler. 1900 Promotion zum Dr. phil. bei Gustav Droysen jun. in Halle ; 1900 – 07 Mitglied zunächst der italienischen sozialistischen Partei, dann der deutschen Sozialdemokratie; Mitglied einer anarcho-syndikalistischen Gruppe in Marburg; 1903 – 05 Dozent an der Université Nouvelle in Brüssel; 1905 Aufenthalt in Paris; wegen seiner Mitgliedschaft in der Sozialdemokratie Scheitern von Habilitationsversuchen in Marburg und Jena, daraufhin 1907 Habilitation bei Achille Loria in Turin; 1914 – 28 o. Professor in Basel, 1920 – 27 Lehraufträge an italienischen Universitäten und in Chicago, 1928 – 33 in Perugia. Durch seine 1911 erschienene „Soziologie des Parteiwesens“, die er Max Weber widmete, wurde er zu einem Begründer der modernen politischen Soziologie; 1913 – 15 Mitherausgeber des AfSSp. Seit 1906 mit Max Weber freundschaftlich verbunden, 1915 trat eine kriegsbedingte Distanzierung ein infolge der Parteinahme Michels’ für seine Wahlheimat Italien. Später Anhänger des italienischen Faschismus. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Michels-Lindner, Gisela (14.10.1878 – 9.11.1954). Tochter des Hallenser Historikers Theodor Lindner. Verfasserin zahlreicher wissenschaftlicher Aufsätze, verheiratet mit  Robert Michels. Mittelstädt, Otto (14.7.1834 – 18.11.1899). Jurist. 1856 Promotion zum Dr. jur. in Breslau, 1860 Staatsanwalt in Posen und Berlin, 1866 Leiter der staatsanwaltlichen Ermittlungen zum Attentat auf Bismarck, 1867 Staatsanwalt in Altona, 1870 Richter am OLG Hamburg, 1877 Obergerichtsrat ebd., 1879 Oberlandesgerichtsrat ebd.; 1881 Berufung an das Reichsgericht, 1896 Ausscheiden wegen eines Nervenleidens, das ihn 1899 in den Freitod trieb. Tätig auch als juristischer und politischer Schriftsteller; 1890– 99 Mitherausgeber des „Gerichts-Saals“, der angesehensten deutschen Strafrechtszeitschrift. Mombert, Paul (9.11.1876 – 8.12.1938). Nationalökonom und Soziologe. 1902 Promotion zum Dr. oec. publ. bei  Lujo Brentano in München; 1907 Habilitation in Freiburg i. Br., 1911 o. Professor ebd., 1922 – 33 in Gießen; 1934 Entzug der Venia legendi aus rassistischen Gründen; 1938 verhaftet und an den Folgen der Haft gestorben. Arbeiten zur Bevölkerungslehre und zur Geschichte der Nationalökonomie. Mitarbeit am „Grundriß der Sozialökonomik“. Mommsen, Clara, geb. Weber (5.9.1875 – 14.1.1953). Heiratete 1896  Ernst Mommsen; Schwester von Max Weber. Mommsen, Ernst (8.7.1863 – 14.3.1930). Mediziner. Praktischer Arzt und Sanitätsrat in Berlin; Sohn von Theodor Mommsen; verheiratet mit  Clara Mommsen, geb. Weber, einer Schwester von Max Weber.

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Mommsen, Konrad (8.10.1896 – 18.2.1973). Marineoffizier. In den 1920er Jahren Chef des Admiralstabes. Sohn von  Ernst und  Clara Mommsen. Mons, Emma, geb. Mierendorf (21.3.1822–?). Verheiratet mit August Mons, königlicher Baurat und Betriebsdirektor der Thüringischen Eisenbahngesellschaft, Eigentümer des Hauses, in dem die Eltern von Max Weber ihre erste Wohnung in Erfurt hatten. Mühsam, Erich (6.4.1878 – 10.7.1934). Anarchistischer Schriftsteller und Publizist. Ab 1901 freier Schriftsteller in Berlin. 1904 – 08 „Wanderjahre“ in Zürich, Ascona und Italien; gehörte ab 1909 zur Münchner Bohème; im Ersten Weltkrieg Kriegsgegner, zeitweise inhaftiert; 1918/19 in München aktives Mitglied neben Gustav Landauer im Revolutionären Arbeiterrat, dem radikalsten Flügel der bayerischen Rätebewegung; 1920 Verurteilung zu 15 Jahren Festungshaft in Niederschönenfeld, 1924 amnestiert; 1926 Gründung der Monatsschrift „Fanal“, in der er bis 1931 Politik und Justiz der Weimarer Republik angriff und gegen den drohenden Nationalsozialismus zur „Einheitsfront des revolutionären Proletariats“ aufrief; 1933 verhaftet, wurde nach monatelangen Folterungen im KZ Oranienburg von Mitgliedern der SS ermordet; zählt als Essayist zu den großen gesellschaftskritischen Publizisten der Weimarer Republik. Befreundet mit  Franziska Gräfin zu Reventlow,  Otto und  Frieda Gross. Müller, Alwine (Wina), geb. Weber (10.10.1855 – 17.7.1936). Tochter von  Carl David Weber, Cousine von Max Weber und Tante von Marianne Weber. Verheiratet mit  Bruno Müller, Mutter von  Berthold,  Georg, Marianne,  Richard,  Wolfgang,  Roland Müller; lebte in Oerlinghausen und bildete dort den Mittelpunkt der Familie; Marianne Weber verbrachte einen Teil ihrer Jugend in ihrem Hause. Müller, Berthold (10.2.1893 – 22.6.1979). Holzbildhauer, Metallbildner und Entwurfzeichner für Glasmalerei. 1912 – 14 Studium an der Kunstgewerbeschule Bielefeld, 1914 an der Kunstgewerbeschule Berlin-Charlottenburg bei Prof. Hans Perathoner. 1936 Gründer einer Mosaikwerkstätte in Berlin; 1947 Gründungsmitglied der Oberschwäbischen Sezession. Sohn von  Alwine und  Bruno Müller in Oerlinghausen. Müller, Bruno (31.10.1848 – 6.3.1913). Fabrikant. Leitete mit seinem Schwager  Carl Weber und seinen Söhnen  Georg und  Richard die von seinem Schwiegervater  Carl David Weber gegründete Leinenweberei Carl Weber & Co. in Oerlinghausen. Verheiratet mit  Alwine Müller, geb. Weber, Bruder von  Wilhelm Müller, der mit Eleonore Müller, geb. Weber, verheiratet war. Müller, Ernst Hermann (1882 – 1948). Dr. med. Irreninspektor im Kanton Zürich vom Sommer 1911 bis Herbst 1914. Müller, Georg (22.4.1878 – 25.1.1954). Fabrikant. Leitete mit seinem Vater  Bruno Müller, seinem Onkel  Carl Weber und seinem Bruder  Richard Müller die großväterliche Leinenweberei in Oerlinghausen; verheiratet mit Lili Müller, geb. Tiemann (1887 – 1939); Enkel von  Carl David Weber, Vetter von Marianne Weber und Neffe von Max Weber. Müller, Richard (7.3.1880 – 17.10.1937). Fabrikant. Leitete mit seinem Vater  Bruno Müller, seinem Onkel  Carl Weber und seinem Bruder  Georg Müller die großväterliche Leinenweberei in Oerlinghausen. Verheiratet mit Traute Müller, geb. Riedel; Enkel von  Carl David Weber, Neffe von Max und Vetter von  Marianne Weber.

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Müller, Roland (6.1.1890 – 17.11.1916). Offizier. Sohn von  Bruno und  Alwine Müller, Neffe von Max und Vetter von  Marianne Weber. Müller, Wilhelm (12.5.1850 – 8.4.1915). Offizier. Zuletzt Generalmajor. Verheiratet mit Eleonore Müller, geb. Weber. Bruder von  Bruno Müller. Müller, Wolfgang (15.7.1884 – 28.7.1958). Fabrikant. Sohn von  Bruno und  Alwine Müller. Ein Reitunfall 1904 machte die geplante Offizierslaufbahn zunichte; Ausbildung zum Kaufmann mit verschiedenen Auslandsstationen, schließlich Geschäftsführer in der großväterlichen Firma in Oerlinghausen. Neffe von Max und Vetter von Marianne Weber. Muser, Oskar (28.4.1850 – 25.6.1935). Rechtsanwalt und liberaler badischer Politiker. 1878 – 1916 Rechtsanwalt in Offenburg; 1889 – 97 Mitglied der II. Kammer des Badischen Landtags, 1899 – 1919 Abgeordneter für die linksliberale deutsche Volkspartei Badens sowie ab 1911 der FVP in Baden, 1911 – 18 Fraktionsführer der FVP ebd.; führender linksliberaler Politiker in Baden. Naumann, Friedrich (25.3.1860 – 24.8.1919). Evangelischer Theologe, Sozialpolitiker und Publizist. 1883 – 85 Oberhelfer im „Rauhen Haus“ in Hamburg, 1886 Pfarrer in Langenberg (Sachsen), 1890 bei der Inneren Mission in Frankfurt a.M., lebte seit 1898 nach Aufgabe des Pfarramtes als Schriftsteller in Berlin. 1894 Gründung der Wochenzeitschrift „Die Hilfe“; 1896 Austritt aus der christlich-sozialen Bewegung Stoeckers und Gründung des „Nationalsozialen Vereins“, 1903 Anschluß an die Freisinnige Vereinigung; seit 1907 MdR, zunächst als Abgeordneter der Freisinnigen Vereinigung, seit 1910 der Fortschrittlichen Volkspartei; im Weltkrieg Verfechter eines mitteleuropäischen Staatenblocks; 1918 Mitbegründer, 1919 Vorsitzender der DDP und Mitglied der Weimarer Nationalversammlung; Vertreter einer sozial-liberalen Innen- und nationalen Außenpolitik. Freundschaftliche Beziehungen zu Max Weber, enger politischer Gedankenaustausch, persönliche Beziehungen auch zu  Helene Weber; von Weber 1912 als Teilnehmer an der projektierten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen. Neumann, Carl (1.7.1860 – 9.10.1934). Kunsthistoriker. 1882 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1894 Habilitation ebd., 1897 a. o. (Titular-)Professor in Heidelberg, 1903 etatmäßiger a. o. Professor in Göttingen, 1904 o. Professor in Kiel, 1911 – 29 in Heidelberg, 1913/14 Dekan der Philosophischen Fakultät ebd. Neben historischen Arbeiten über Byzanz und Jacob Burckhardt Arbeiten zur niederländischen Malerei, insbesondere über Rembrandt. Seit den 1890er Jahren freundschaftliche Beziehungen zu Max und Marianne Weber. Nissl, Franz (9.9.1860 – 11.8.1919). Psychiater. 1885 Promotion zum Dr. med. in München, 1896 Habilitation in Heidelberg, 1901 a. o. Professor in Heidelberg, 1904 o. Professor ebd., 1918 o. Professor in München. Von Weber 1909 konsultierter Arzt. Oldenberg, Karl (23.9.1864 – 20.6.1936). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin, 1891 Habilitation für Staatswissenschaften ebd., 1888– 97 Assistent von Gustav Schmoller in der Redaktion des „Jahrbuchs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich“, 1897 a. o. Professor in Marburg, 1902 o. Professor in Greifswald und 1914 – 29 in Göttingen; Vorkämpfer agrarischer Schutzzölle und Gegner einer übersteigerten Industrialisierung Deutschlands; gehörte zu Max Webers Bekanntenkreis in den frühen 1890er Jahren in Berlin; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“.

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Oncken, Hermann (16.11.1869 – 28.12.1945). Historiker. 1891 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1897 Habilitation bei Max Lenz ebd.; 1905/06 Gastprofessor in Chicago, 1906 o. Professor in Gießen, 1907 in Heidelberg, 1923 in München, 1928 in Berlin; 1935 Zwangsemeritierung aus politischen Gründen; Veröffentlichungen zur deutschen Politik im Kaiserreich und zur Schuldfrage am Ersten Weltkrieg; gemeinsam mit Friedrich Meinecke Herausgeber der „Klassiker der Politik“. Mitglied des „Janus“-Kreises in Heidelberg. Ott, Elisabeth (Elsa), geb. Tobler (19.12.1878 – 22.4.1967). Musikpädagogin in Zürich. Ältere Schwester von  Mina Tobler. Ott, Johann August (Hans) (19.6.1883 – 23.2.1965). Gymnasiallehrer für Mathematik und Naturwissenschaften in Zürich. Seit 1912 Schulleiter eines Mädchenpensionats ebd., das er von seiner Schwiegermutter übernommen hatte. Verheiratet mit  Elisabeth (Elsa) Ott, der älteren Schwester von  Mina Tobler. Pellech, Otto (10.8.1872 – 18.5.1922). Rechtsanwalt in Wien. Pfemfert, Franz (20.11.1879 – 26.5.1954). Publizist. 1911 Gründer und Herausgeber der sozialrevolutionären Zeitschrift „Aktion“, die auch als Sprachrohr des Expressionismus diente. Mitglied des Spartakus und kommunistischer Organisationen. 1933 Emigration nach Prag, 1941 nach Mexiko. Freund von  Otto Gross. Philippe, Charles-Louis (1874 – 1909). Französischer Schriftsteller. Philippovich, Eugen Freiherr (seit 1860) von Philippsberg (5.3.1858 – 4.6.1917). Nationalökonom und Finanzwissenschaftler. 1882 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1884 Habilitation ebd.; 1885 a. o. Professor in Freiburg i. Br., 1903 – 17 o. Professor der politischen Ökonomie und Finanzwissenschaften in Wien; 1896 Mitbegründer der „Sozialpolitischen Partei“, 1907 Berufung in das österreichische Herrenhaus; Herausgeber der „Zeitschrift für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Verwaltung“; österreichischer Hauptvertreter der sog. Kathedersozialisten. Vermittler zwischen der österreichischen Grenznutzenschule und der deutschen jüngeren historischen Schule. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Philips, Karl (Carlo) (27.3.1854 – 1937). Schriftsteller, Dichter, Übersetzer. 1888 Promotion zum Dr. phil in Gießen; Hilfslehrer in Bonn; 1894 Oberlehrer in Bonn. 1911: Die fünf Stimmen des Leidens (Szenen). Freund von  Hans Ehrenberg. Plenge, Eva, geb. Mittelstaedt (? – 1946). Verheiratet seit 1913 mit  Johann Plenge. Plenge, Johann (7.7.1874 – 11.9.1963). Nationalökonom und Soziologe; 1898 Promotion zum Dr. phil. bei  Karl Bücher in Leipzig, 1903 Habilitation ebd.; 1903– 05 Forschungsaufenhalt in den USA, 1909 a. o. (Titular-)Professor in Leipzig, 1913 o. Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften in Münster; 1920 – 23 Begründer und Leiter des staatswissenschaftlichen Unterrichtsinstituts in Münster, 1923 – 35 Honorarprofessor und Leiter des Forschungsinstituts für Organisationslehre und vergleichende Soziologie ebd.; 1935 Zwangsemeritierung. Sein Werk „Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt“ (1913) war Max Weber gewidmet. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, sein Beitrag ist nicht zustande gekommen.

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Pollock, Ludwig Hans (31.12.1873 – 10.3.1939). Urologe. 1898 Promotion zum Dr. med. in Freiburg i. Br.; Arzt von  Friedrich (Fritz) Hermann. Popper, Leo (11.11.1886 – 22.10.1911). Essayist und Kunstkritiker. Gasthörer an der Hochschule für bildende Kunst in Budapest, konnte sich aber wegen seiner chronischen Lungenkrankheit künstlerisch nicht umfassend ausbilden lassen; Reisen nach Wien, Berlin und Paris; 1909 Verlobung mit der holländischen Malerin Béatrice de Waard; Beschäftigung mit Malerei, Musik, Bildhauerei und Literatur; Freund, Kritiker und Übersetzer von Georg Lukács. Puppe, Emma (??). Tochter der verstorbenen Haushälterin Karl Webers. Quattrini, Familie, betrieb 1913 in Ascona ein Gasthaus. Rachfahl, Felix (9.4.1867 – 15.3.1925). Historiker. 1890 Promotion zum Dr. phil. in Breslau; 1893 Habilitation in Kiel; 1898 a. o. Professor in Halle; 1903 o. Professor in Königsberg, 1907 in Gießen, 1909 in Kiel, 1914 in Freiburg; setzte sich 1909 kritisch mit Max Webers Abhandlung „Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus“ in der „Internationalen Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik“ auseinander. Radbruch, Gustav (21.11.1878 – 23.11.1949). Strafrechtler und Rechtsphilosoph. 1902 Promotion zum Dr. jur. bei Franz v. Liszt in Berlin, 1903 Habilitation in Heidelberg; 1906 Lehrauftrag an der Handelshochschule Mannheim; 1910 a.o. (Titular-)Professor in Heidelberg, 1914 etatmäßiger a. o. Professor in Königsberg, 1919 in Kiel, 1926 o. Professor und Direktor des juristischen Seminars in Heidelberg, 1933 Entlassung aus der Universität aus politischen Gründen; 1945 – 48 Wiedereinsetzung als o. Professor in Heidelberg auf Lebenszeit; 1920 – 24 MdR für die SPD, 1921/22 und 1923 Reichsjustizminister. Gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber; von Weber als Teilnehmer an der projektierten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen. Radbruch, Lina, geb. Götz (2.1.1887 – 26.7.1970). Heiratete 1907  Gustav Radbruch, die Ehe wurde 1913 geschieden; in zweiter Ehe verheiratet mit Erwin Metzner. Während der Ehe mit Gustav Radbruch mit Max und Marianne Weber bekannt, mit  Emil Lask befreundet. Ranke, Leopold (1865 von) (20.12.1795 – 23.5.1886). Historiker. 1814 – 18 Studium der Theologie und der Philologie in Leizig, 1817 Promotion in klassischer Philologie ebd.; 1818 Gymnasiallehrer in Frankfurt/Oder, wo er sein erstes Werk „Die Geschichte der romanischen und germanischen Völker von 1494 – 1535“ schrieb; auf Grund dessen 1825 a. o. Prof. in Berlin; 1834 o. Prof. ebd.; 1841 wurde er von König Friedrich Wilhelm IV. zum Historiographen des preußischen Staates ernannt; widmete sich nach seiner Emeritierung 1871 der Herausgabe seiner „Sämtlichen Werke“; seit 1875 Arbeit an einer Weltgeschichte. Im Luthertum verwurzelt, suchte er Gott in der Geschichte; gilt als Begründer der modernen Geschichtswissenschaft, forderte Objektivität in der Geschichtsschreibung. Rathgen, Karl (19.12.1856 – 6.11.1921). Nationalökonom und Kolonialpolitiker. 1881 Promotion zum Dr. rer. pol. bei  Georg Friedrich Knapp in Straßburg, 1882 – 90 o. Professor an der Reichsuniversität Tokyo/Japan, 1892 Habilitation in Berlin; 1893 a. o. Professor, 1895 o. Professor in Marburg, 1900 in Heidelberg und seit 1907 am deutschen KolonialInstitut in Hamburg; grundlegende Arbeiten über die japanischen Wirtschafts- und Finanzverhältnisse sowie über Kolonialwirtschaft; Schwager von  Gustav Schmoller. Kol-

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lege Max Webers in Heidelberg; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, sein Beitrag ist aber nicht erschienen.

Rechenberg-Linten, Baron Alexander von (etwa 1832 – 1913). Kaiserlicher russischer Gesandter in Madrid. Schwiegervater von  Franziska Gräfin zu Reventlow. Rechenberg-Linten, Baron Alexander von (1852 – vor 1918). Ohne festen Beruf. Lebte in Ronco bei Ascona; ging 1911 eine Scheinehe mit  Franziska Gräfin zu Reventlow ein, um sein Erbe zu sichern. Reiner, Paul (3.2.1886 – 1932). Pädagoge. 1913 Promotion zum Dr. rer. nat. in Heidelberg; Hauslehrer bei  Else Jaffé in Wolfratshausen; Schüler von  Alfred Weber. Reventlow, Franziska Gräfin zu (Pseudonym: F. v. Revent) (18.5.1871 – 25.7.1918). Schriftstellerin und Übersetzerin. Tochter des Landrats in Husum Ludwig Graf zu Reventlow; entzog sich nach ihrer Volljährigkeit der elterlichen Autorität; 1893 in München, um sich als Malerin ausbilden zu lassen; 1894 Heirat mit dem Hamburger Gerichtsassessor Lüpke, 1895 Trennung, 1897 Scheidung; 1897 Geburt ihres Sohnes Rolf; lebte seit 1910 überwiegend in Ascona in der Schweiz; 1911 Scheinehe mit dem Baron  Alexander von Rechenberg-Linten. Sie übte aus finanziellen Gründen verschiedene Berufe aus: führte ein Milchgeschäft, war Glasmalerin, Übersetzerin und schließlich Schriftstellerin. In ihrer Münchener Zeit Protagonistin der „Schwabinger Bohème“, deren Leben sie in ihren Romanen und Briefen dokumentierte. Freundschaft u. a. mit  Ludwig Klages, Rainer Maria Rilke und  Hans Walter Gruhle; in Ascona befreundet mit  Frieda Gross. Reventlow, Rolf (1.9.1897 – 12.1.1981). Journalist und Schriftsteller. 1912 – 14 Fotografenlehre; 1916 Kriegsteilnahme, 1917 in die Schweiz desertiert; seit 1919 SPD-Mitglied (linker Flügel); 1921 Wechsel in kaufmännischen Beruf; 1925 in Heidelberg; 1926 – 33 Redakteur der Volkswacht für Schlesien in Breslau; 1933 Flucht nach Prag, Mitglied der SDAP; September 1936 Freiwilliger im Spanischen Bürgerkrieg; 1939 Flucht nach Algerien, bis 1943 interniert, dann bis 1944 Freiwilliger des britischen Pionierkorps in Nordafrika; danach journalistische Tätigkeit in Algerien; 1953 Rückkehr nach Deutschland; Funktionär der SPD in München. Sohn von  Franziska Gräfin zu Reventlow. Rheinstrom, Heinrich (15.4.1884 – 30.12.1960). Rechtsanwalt und Hochschullehrer. Promotion 1906 in Würzburg; 1909 Assessor, dann bis 1933 Rechtsanwalt und Notar in München, ab 1911 Anwalt am Bayerischen Obersten Landesgericht; Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Offizier; 1916 – 33 Honorarprofessor für Steuerrecht an der TH München; 1933 Emigration nach Paris, dort Partner der Anwaltsfirma Rheinstrom, Werner und Mann Paris/London; 1936 – 39 Dozent für Internationales Recht an der „Freien Deutschen Hochschule“ Paris; 1939 Emigration nach New York, dort Berater für europäisches Recht, internationales Finanzwesen und Wiedergutmachungsangelegenheiten; zahlreiche Veröffentlichungen zum Finanz- und Steuerrecht. Anwalt von  Franziska Gräfin zu Reventlow. Rickert, Heinrich (25.5.1863 – 25.7.1936). Philosoph. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei  Wilhelm Windelband in Straßburg, 1891 Habilitation in Freiburg i. Br.; 1894 a. o. Professor, 1896 – 1915 o. Professor in Freiburg, 1916 – 32 in Heidelberg; neben  Wilhelm Windelband Begründer der Südwestdeutschen Schule des Neukantianismus. Seit der Gymnasialzeit mit Max Weber befreundet. Rickert, Sophie, geb. Keibel (17.2.1864 – 1.11.1951). Bildhauerin. Verheiratet mit  Heinrich Rickert; gehörte mit ihrem Mann zum Freundeskreis von Max und Marianne Weber.

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Riegl, Alois (14.1.1858 – 17.6.1905). Kunsthistoriker. 1883 Promotion zum Dr. phil. in Wien, 1889 Habilitation ebd., 1894 a. o. Professor, 1897 o. Professor ebd.; 1902 Generalkonservator der k.k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale; führte den Begriff des „Kunstwollens“ in die Kunstgeschichte ein; Begründer der neuen „Wiener Schule“ der Kunstgeschichte. Riehl, Alois (27.4.1844 – 21.11.1924). Philosoph. 1868 Promotion zum Dr. phil. in Innsbruck; 1870 Habilitation in Graz; 1873 a. o. Professor, 1878 o. Professor in Graz, 1882 in Freiburg i. Br., 1896 in Kiel, 1898 in Halle und 1905 – 22 als Nachfolger von  Wilhelm Dilthey in Berlin; 1913 in Princeton/USA; grundlegende Arbeiten über den philosophischen Kritizismus. Onkel von  Frieda Gross Riehl, Sophie, geb. Reyer (1855–?). Verheiratet mit  Alois Riehl und Tante von  Frieda Gross. Rintelen, Carl (27.8.1872 – 24.5.1933). Rechtsanwalt in Graz. Riou, Gaston (1883 – ?). Journalist. Schrieb für den „Figaro“ und veröffentlichte 1911 – 16 mehrere Bücher, in denen er einen universalistischen, liberalen Patriotismus vertrat; liiert mit der „Jeune-France“, einer von Protestanten ins Leben gerufenen antiklerikal-religiösen Gruppierung. Ripke, Axel (28.4.1880 – 5.12.1937). Journalist und Verleger. 1904 Staatsexamen in St. Petersburg, 1905/06 Studium in Freiburg i. Br. und 1906/07 in Erlangen ohne Studienabschluß, 1907 – 10 Auslandskorrespondent der Frankfurter Zeitung, 1910 Chefredakteur des „Breslauer General-Anzeiger“, 1911 in Berlin, ab 1912 Herausgeber der Zeitschrift „Der Panther“; als Vertreter des Kurt-Wolff-Verlags juristische Auseinandersetzungen mit  Marie Luise Gothein,  Friedrich Gundolf und Max Weber. Rosin, Heinrich (14.9.1855 – 31.3.1927). Jurist. 1875 Promotion zum Dr. jur. in Breslau; 1879 Gerichtsassessor; 1880 Habilitation in Breslau; 1883 a. o., 1888 o. Prof. für deutsches Recht in Freiburg i. Br. Rösing, Fritz (1874 – ?). Sohn von Johannes (Hans) Rösing, einem Freund von  Max Weber sen. Salz, Arthur (31.12.1881 – 10.8.1963). Nationalökonom. 1905 Promotion zum Dr. oec. publ. bei  Lujo Brentano in München; 1909 Habilitation in Heidelberg; 1918 a. o. Professor ebd.; 1919 – 27 Professor an der Akademie der Arbeiter in Frankfurt a. M.; 1927 – 33 a. o. Professor in Heidelberg, 1933 Entzug der Venia legendi aus rassistischen Gründen und Emigration, 1933 Visiting Professor an der University of Cambridge, 1934 Professor an der Columbus University of Ohio. Mitglied des Georgekreises. Mit  Alfred Weber befreundet; gehörte zum Freundeskreis von Max und Marianne Weber; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; von Weber 1912 als Teilnehmer an der projektierten Sozialpolitischen Kundgebung vorgesehen. Salz, Sophie (Soscha), geb. Kantorowicz (22.1.1887 – 15.8.1960). Seit 1912 mit  Arthur Salz verheiratet. Schwester des Historikers und Anhängers von Stefan George, Ernst Kantorowicz. Sander, Paul (3.7.1866 – 2.5.1919). Wirtschaftshistoriker. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg, 1907 Habilitation in Berlin bei  Gustav Schmoller, 1911 a. o. Professor der

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Wirtschaftsgeschichte an der deutschen Universität in Prag; Kriegsteilnahme; Werke u. a. über den „Feudalstaat und bürgerliche Verfassung“ (1906) sowie die postum erschienene „Geschichte des Deutschen Städtewesens“ (1922). 1914 Auseinandersetzung Max Webers mit Sander wegen dessen Rezension von  Arthur Salz’ Buch über die Geschichte der böhmischen Industrie.

Schachner, Kät(h)e (24.2.1877 – ca. 1939). Ehefrau seit 1911 und Witwe von  Robert Schachner. Schachner, Robert (19.4.1875 – 7.3.1912). Nationalökonom. 1899 Promotion zum Dr. jur. in Würzburg, 1903 Habilitation in Heidelberg mit Max Weber als Korreferenten; anschließend mehrjährige Reisen nach Amerika, Vorderasien und Ostasien, besonders Japan und Australien; seit 1908 etatmäßiger a. o. Professor der Nationalökonomie in Jena; Arbeiten zur Sozial- und Wirtschaftspolitik in Ost- und Südostasien; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, sein Beitrag ist aber wegen seines frühen Todes nicht erschienen. Schäfer, Hermann (24.9.1871 – 26.8.1914). Architekt. Sohn und Schüler von Karl Schäfer; 1904 Regierungsbaumeister in Neustettin/Pommern; 1908 mit der Wiederherstellung des Doms zu Altenberg bei Köln beauftragt; Regierungsbaurat in Berlin. Seit der gemeinsamen Studienzeit mit  Karl Weber befreundet; seit 1902 verheiratet mit  Lili Schäfer, geb. Weber; Schwager von Max Weber. Gefallen als Leutnant der Reserve bei Tannenberg. Schäfer, Lili, geb. Weber (26.7.1880 – zw. 3. und 5.4.1920). Verheiratet mit  Hermann Schäfer, jüngste Schwester von Max Weber. Nach dem Tod ihres Mannes Erzieherin in der 1910 von Paul Geheeb gegründeten Odenwaldschule in Oberhambach an der Bergstraße. Ihre Kinder Clara, Albert, Max und Hermann wurden 1927 von Marianne Weber adoptiert. Schandau, Bertha (1867 – 1918). Dienstmädchen. Stammte aus Pasequick/Ostpreußen und war von 1893 – 1917 im Dienst bei Max und Marianne Weber. Schebek, Edmund (22.10.1819 – 11.2.1895). Österreichischer Jurist und Historiker. 1846 Promotion zum Dr. jur. an der Universität Olmütz; ab 1851 Tätigkeit an der Handels- und Gewerbekammer in Prag und 1856 – 84 Sekretär derselben. Verfasser von Arbeiten zur böhmischen Wirtschaftsgeschichte. Scheel, Fritz Alfred (17.11.1877 – 19.1.1939). Schriftsteller und Journalist. Chefredakteur in Mannheim. Schenck, Anna von (29.9.1868 – 28.1.1931). Hauptlehrerin, Violinistin. 1914 Pflegerin im Heidelberger Reserve-Lazarett. Schloffer, Arnold (9.11.1870 – 12.4.1931). Rechtsanwalt in Graz. Bruder von  Frieda Gross. Schloffer, Frieda  Gross, Frieda Schloffer, Hermann (18.5.1868 – 21.1.1937). Chirurg. Studium in Graz und Freiburg; 1892 Dr. med. in Graz; 1900 Habilitation; 1902 a. o. Professor, 1903 o. Professor in Innsbruck; 1911 o. Professor und Leiter der Chirurgischen Klinik der Universität Prag; 1936 emeritiert. Bruder von  Frieda Gross.

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Schmalenbach, Eugen (20.8.1873 – 20.2.1955). Betriebswirtschaftler. 1891 – 94 kaufmännische Lehre; Studium an der Handelshochschule Leipzig und an der dortigen Universität; nach dem kaufmännischen Diplomexamen Assistent von  Karl Bücher; 1903 Habilitation an der Handelshochschule in Köln; 1906 Professor ebd.; 1919 – 33 o. Professor für Betriebswirtschaftslehre an der neugegründeten Universität ebd.; Mitglied im Reichswirtschaftsrat; Fortsetzung der Lehrtätigkeit 1945 – 55; Herausgeber der „Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung“. Veröffentlichungen zur betriebswirtschaftlichen Bilanztheorie. Führender Betriebswirtschaftler seiner Zeit. Schmid, Clara (Cläre), geb. Rosenberger (genannt: Schmid-Romberg) (26.8.1880 – 1960). Schauspielerin. Verheiratet mit  Friedrich Alfred Schmid; 1939 geschieden. Gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber in Heidelberg. Schmid, Ferdinand (18.8.1862 – 20.2.1925). Jurist und Statistiker. 1885 Promotion in Wien; danach als Statistiker in verschiedenen k.u.k. Behörden tätig; Habilitation für Statistik in Wien; 1895 – 98 Dozent für Nationalökonomie an der Handelshochschule ebd.; 1901 a.o. Professor für Statistik und Verwaltungsrecht in Innsbruck, 1904 o. Professor ebd., 1908 o. Professor für Statistik und Verwaltungslehre in Leipzig. Schmid (seit 1942: Schmid Noerr), Friedrich Alfred (Fredi) (3.7.1877 – 12.6.1969). Philosoph und Schriftsteller. 1902 Promotion zum Dr. phil. in Freiburg i. Br. bei  Heinrich Rikkert, 1905 Habilitation für Philosophie in Heidelberg; 1911 a. o. (Titular-)Professor ebd.; lebte seit 1917 als Privatgelehrter und freier Schriftsteller in München und in Percha bei Starnberg. Kultur-, geschichts- und religionsphilosophische Werke über die Erneuerung des Mythos als Urform volkstümlicher Dichtung und die Vermittlung von altgermanischer und christlicher Glaubenswelt. Lyrik, Dramen und Erzählungen. Verheiratet in erster Ehe mit  Clara Schmid; gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber. Schmidt, Georg Benno (18.3.1860 – 2.6.1935). Chirurg. 1884 Promotion zum Dr. med. in Leipzig, 1888 Habilitation in Heidelberg, 1902 – 32 etatmäßiger a. o. Professor ebd.; 1906 – 32 Leiter der Chirurgischen Abteilung der Universitäts-Kinderklinik ebd. Seit 1893 verheiratet mit  Paula, geb. Hausrath. Schmidt, Heinrich Julian (7.3.1818 – 27.3.1886). Publizist und Literaturhistoriker. Freund von  Max Weber sen. in Berlin; Bekanntschaft mit Ivan Turgenev. Schmidt, Paul (9.6.1863 – 7.5.1939). Rechtsanwalt in Graz. Schmidt, Paula, geb. Hausrath (11.3.1872 – 30.12.1958). Tochter von Adolf und Henriette Hausrath, geb. Fallenstein; seit 1893 verheiratet mit  Georg Schmidt, Professor für Chirurgie in Heidelberg; Cousine von Max Weber. Schmidt, Richard (19.1.1862 – 31.3.1944). Staatsrechtler. 1884 Promotion zum Dr. jur. in Leipzig, 1887 Habilitation ebd.; 1890 a. o. Professor ebd., 1891 – 1913 o. Professor in Freiburg i. Br.; 1908 – 13 Vertreter der Universität in der 1. Badischen Kammer, 1913 – 32 o. Professor in Leipzig; Lehrbücher zur allgemeinen Staatslehre und zum Zivilprozeßrecht. Schmitz, Oskar Adolf Hermann (16.4.1873 – 17.12.1931). Essayist, Dramatiker, Philosoph. Bekannt mit  Franziska Gräfin zu Reventlow, die diese Bekanntschaft literarisch auswertete. Schmöle, Josef (8.4.1865 – 27.11.1922). Nationalökonom. 1889 Promotion zum Dr. phil. bei Johannes Conrad in Halle, 1895 Habilitation für Volkswirtschaftslehre in Greifswald;

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1900 a. o. Professor, 1903 etatmäßiger a. o. Professor der Staatswissenschaften in Greifswald, 1904 in Münster, 1907 o. Professor für Sozialökonomie und Sozialpolitik ebd. Gehörte zu Max Webers Bekanntenkreis in den frühen 1890er Jahren in Berlin.

Schmoller, Gustav (seit 1908) von (24.6.1838 – 27.6.1917). Nationalökonom. 1861 Promotion zum Dr. oec. publ. in Staatswissenschaften in Tübingen; ohne Habilitation 1864 a.o., 1865 o. Professor für Staatswissenschaften in Halle, 1872 in Straßburg, 1882 – 1912 in Berlin; seit 1884 Mitglied des preußischen Staatsrates; seit 1899 Vertreter der Universität Berlin im preußischen Herrenhaus; beeinflußte sowohl als Führer der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie als auch als Mitbegründer und seit 1890 als Vorsitzender des „Vereins für Sozialpolitik“ die staatliche Sozialpolitik und die Entwicklung der Nationalökonomie in Deutschland. Schnitger, Hugo (25.10.1858 – 15.8.1898). Onkel von  Marianne Weber. Schnitger, Marie (23.3.1850 – 28.4.1913). Lehrerin. Einige Jahre Lehrerin in London, dann in Lemgo. Tante von Marianne Weber. Schöll, Dorothea (17.12.1880 – 1967). Tochter des Universitätsprofessors Fritz Schöll (1850 – 1919), seit 1929 verheiratet mit Otto Regenbogen. 1914 im Lazarett tätig, Bekannte von  Franz und Ida Boll. Schönberg, Elsa (12.1.1876 – 6.2.1956). Tochter von  Gustav von Schönberg Schönberg, Gustav (seit 1877) von (21.7.1839 – 3.1.1908). Staatswissenschaftler und Nationalökonom. 1860 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1867 zum Dr. phil. in Halle bei  Gustav Schmoller; 1867 Professor an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Proskau, 1868 – 70 o. Professor der Nationalökonomie und Statistik in Basel, 1870– 72 in Freiburg i. Br., 1872 – 1908 in Tübingen. Herausgeber des „Handbuchs der Politischen Ökonomie“, des Vorläufers des von Weber neu konzipierten „Grundrisses der Sozialökonomik“. Schönberg, Gustav, jr. (21.1.1882 – 14.4.1950). Jurist. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Freiburg i. Br.; 1927 – 42 Privatdozent für Urheber- und Markenrecht in Basel. Sohn von  Gustav von Schönberg.

Schönberg, Marie–Leonore (5.6.1879 – 4.4.1965). Tochter von  Gustav von Schönberg. Schulze-Gaevernitz, Gerhart (bis zur Nobilitierung des Vaters 1888: Gerhart Schulze) von (25.7.1864 – 10.7.1943). Nationalökonom. 1886 Promotion in Göttingen zum Dr. jur., 1891 zum Dr. phil. in Leipzig, im selben Jahr Habilitation ebd.; 1893 etatmäßiger a.o. Professor, 1896 – 1923 o. Professor in Freiburg i. Br.; legte 1923 die ordentliche Professur nieder; Honorarprofessor, Gastdozent in Amerika (1924); Rußlandreisen. 1912 – 18 MdR für die FVP, 1919/20 als Mitglied der DDP in der Nationalversammlung und 1922 MdR für die DDP. Arbeiten zur Sozialreform, Kreditwirtschaft und Weltwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung Englands, Rußlands und der USA sowie Studien zur Kulturgeschichte und zum Verhältnis von Kant und Marx; gehörte im „Verein für Sozialpolitik“ zum sozialreformerischen Flügel im Anschluß an  Lujo Brentano. Seit den gemeinsamen Jahren an der Universität Freiburg i. Br. bestand eine freundschaftlich-kollegiale Beziehung zu Max Weber; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Schulze-Gaevernitz, Luise (? – ?). Mutter von  Gerhart von Schulze-Gaevernitz.

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Schumacher, Hermann (6.3.1868 – 3.10.1952). Nationalökonom. 1891 Promotion zum Dr. jur. in Jena; 1896 – 1901 Hilfsarbeiter im preußischen Ministerium der Öffentlichen Arbeiten, Studienreisen nach Ostasien und Amerika; 1899 etatmäßiger a.o. Professor der Staatswissenschaften in Kiel, 1901 erster Studiendirektor der Handelshochschule in Köln und gleichzeitig a. o. Professor in Bonn, 1904 – 17 o. Professor ebd., 1906/07 Inhaber der Kaiser Wilhelm Professur an der Columbia University in New York, 1917 – 35 o. Professor in Berlin; Veröffentlichungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der USA und Ostasiens. Gehörte zum Bekanntenkreis Max Webers seit den frühen 1890er Jahren in Berlin; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, sein Beitrag ist nicht erschienen. Schumpeter, Joseph Alois (8.2.1883 – 8.1.1950). Nationalökonom und Soziologe. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1909 Habilitation ebd., im gleichen Jahr a.o. Professor in Czernowitz, 1911 o. Professor in Graz, 1913/14 Austauschprofessor an der Columbia University of New York, März bis Oktober 1919 österreichischer Finanzminister im Kabinett Renner; 1921 Verzicht auf das Grazer Ordinariat; 1921 bis 1924 Präsident der Biedermannbank in Wien, die 1924 in Konkurs ging und ihn sein Vermögen kostete; 1925 o. Professor für Volkswirtschaftslehre in Bonn als Nachfolger von Heinrich Dietzel, 1932 – 50 in Cambridge (Mass.), Harvard University. Gehörte zu den bedeutendsten Vertretern der österreichischen Grenznutzenschule in der Nationalökonomie. Arbeiten zur methodologischen Grundlegung der ökonomischen Theorie, zur theoretischen Grundlegung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie zur ökonomischen Dogmengeschichte. Verband in einzigartiger Weise theoretische Präzision mit historischem Denken. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Schur, Gottlieb (18.8.1872 – nach 1939). Rechtsanwalt in Wien. Schwiedland, Eugen (23.10.1863 – 6.1.1937). Nationalökonom. 1887 Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1891 Lehrer für Nationalökonomie und Gewerbepolitik am Technologischen Gewerbemuseum ebd.; 1895 Habilitation für politische Ökonomie an der Universität Wien; 1902 a. o. Professor ebd.; 1904 o. Professor an der Technischen Hochschule ebd.; Mitherausgeber der „Revue d’économie politique“ und der „Zeitschrift für Völkerpsychologie und Soziologie“. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Schwoerer, Victor Freiherr von (10.10.1865 – 2.2.1943). Jurist und Ministerialbeamter. 1893 Amtsrichter in Oberkirch; 1895 Hilfsreferent im Badischen Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts; 1897 Oberamtsrichter in St. Blasien; 1900 Landgerichtsrat in Freiburg i. Br.; 1905 Staatsanwalt in Karlsruhe, 1908 in Konstanz; 1910 Ministerialrat im Badischen Ministerium der Justiz, des Kultus und des Unterrichts, 1911– 19 Leiter der Hochschulabteilung ebd.; ab 1919 in Berlin Stellvertreter des Präsidenten der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Seidler, Irma (1883 – 1911). Kunstmalerin. Schwester von  Emmy Lederer. Jugendliebe von  Georg von Lukács. Sering, Max (18.1.1857 – 12.11.1939). Nationalökonom. 1881 Promotion zum Dr. rer. pol. in Straßburg, 1883 Habilitation in Bonn; 1885 a. o. Professor für Staatswissenschaften ebd., 1889 – 1906 o. Professor an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, gleichzeitig seit 1893 zusätzlich a. o., 1897 – 1925 o. Professor an der Universität Berlin; maßgeblich beteiligt an der Landarbeiterenquete des Vereins für Sozialpolitik 1892, deren ostelbischen Teil Max Weber dann bearbeitete; 1894 Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz; 1914 – 18 Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission im Kriegsministerium; 1919 Leiter des Ständigen Ausschusses für das Siedlungswesen in Berlin; hatte maßgeblichen Einfluß auf die Reichssiedlungsgesetze in der Weimarer Republik; 1927 Vertreter

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Deutschlands in der Agrarkommission der Weltwirtschaftskonferenz des Völkerbundes in Genf. Zählte in den 1890er Jahren zu Max Webers Berliner Bekanntenkreis und war Schulfreund von dessen Vetter  Otto Baumgarten. Zeitweise Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, sein Beitrag ist nicht zustande gekommen.

Siebeck, Oskar (29.7.1880 – 24.2.1936). Verleger. Studierte Nationalökonomie, 1904 Promotion zum Dr. phil. bei  Karl Bücher in Leipzig, 1906 Eintritt in den väterlichen Verlag, seit 1920 verantwortlicher Leiter und Inhaber der Firmen J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) und H. Laupp’sche Buchhandlung. Nach dem Tode seines Vaters  Paul Siebeck betreute er die postum von Marianne Weber herausgegebenen Veröffentlichungen und Sammelbände mit Werken Max Webers sowie ihre Biographie „Max Weber. Ein Lebensbild“, 1926. Siebeck, Paul (7.3.1855 – 20.11.1920). Verleger. Erwarb 1878 den in Heidelberg ansässigen Verlag J. C. B. Mohr und gründete in Freiburg i. Br. die neue Firma J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1899 Übersiedlung nach Tübingen und Vereinigung mit der dortigen Laupp’schen Buchhandlung; schuf einen führenden Wissenschaftsverlag für evangelische Theologie, Rechtswissenschaft, Medizin, Philosophie sowie Staats- und Sozialwissenschaften. Bekanntschaft mit Max Weber 1894 in Freiburg i. Br. und seither Entwicklung einer freundschaftlichen Beziehung; verlegte 1895 Webers Antrittsvorlesung „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik“ und seit 1904 das von  Werner Sombart, Max Weber und  Edgar Jaffé herausgegebene „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ sowie das Buch von Marianne Weber „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“, 1907. Weber beriet ihn in zahlreichen Verlagsprojekten, insbesondere bei der Herausgabe des Handwörterbuches „Die Religion in Geschichte und Gegenwart“, 5 Bde., 1909 – 13, und bei der Planung einer Neuausgabe des von  Gustav von Schönberg herausgegebenen „Handbuchs der Politischen Ökonomie“, daraus entstand zum Jahresende 1908 das Projekt des „Grundriß der Sozialökonomik“, für das Max Weber als „Schriftleiter“ und Herausgeber tätig wurde; der GdS erschien ab 1914 in Lieferungen. Siebeck, Robert (19.9.1885 – 2.9.1914). Musiker, Geiger. Gefallen 1914. Sohn von  Paul und  Thekla Siebeck. Siebeck, Thekla, geb. Landerer (31.5.1857 – 13.6.1919). Verheiratet mit  Paul Siebeck. Siebeck, Werner (14.3.1891 – 10.9.1934). Verleger. Sohn von  Paul und  Thekla Siebeck. Sieveking, Heinrich (20.8.1871 – 25.12.1945). Nationalökonom. 1893 Promotion zum Dr. jur. in Leipzig, 1895 zum Dr. phil. ebd., 1897 Habilitation bei Max Weber in Freiburg; 1897 Privatdozent in Freiburg i. Br., 1900 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1902 etatmäßiger a. o. Professor in Marburg, 1907 o. Professor in Zürich und 1922 – 36 in Hamburg. Freundschaftliche Beziehungen zu Max Weber. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“ Sieveking, Rosa, geb. Benda (16.11.1880 – 20.12.1963). Verheiratet mit  Heinrich Sieveking. Simmel, Georg (1.3.1858 – 26.9.1918). Philosoph und Soziologe. 1881 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1885 Habilitation für Philosophie ebd., 1901 etatmäßiger a.o. Professor ebd., 1914 o. Professor in Straßburg. Gehörte mit seinen Schriften zur Soziologie seit 1890 zu den Begründern der Soziologie in Deutschland; 1909 Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Soziologie; gehörte zum engeren Freundeskreis von Max und  Marianne Weber, letzterer widmete er 1913 sein Buch „Goethe“. Simmel, Gertrud, geb. Kinel (7.3.1864 – 20.7.1938). Schriftstellerin. Ausbildung als Malerin in Berlin; verfaßte unter dem Pseudonym Marie Luise Enckendorff philosophische Be-

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trachtungen „Vom Sein und Haben der Seele“, 1906, „Realität und Gesetzlichkeit im Geschlechtsleben“, 1910, womit sie zur zeitgenössischen Debatte um die Neubestimmung des Wesens der Frau beitrug; 1919 erschien „Über das Religiöse“, 1927 „Kindschaft zur Welt“. Heiratete 1890  Georg Simmel und zog mit diesem 1914 nach Straßburg. Nach ihrer Ausweisung 1918 wohnte sie kurze Zeit bei Marianne und Max Weber in Heidelberg und lebte dann an den Wohnorten ihres Sohnes Hans in Jena, Gera und Stuttgart. Gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber und war mit letzterer befreundet.

Simon, Julius (1875 – 1969). Nationalökonom und Zionist. 1913 Mitglied einer Kommission zur Prüfung jüdischer Siedlungen in Palästina; 1921 in Palästina; im gleichen Jahre Auswanderung in die USA. Simson, August von (1873 – 1927). Rechtsanwalt in Berlin. Sofie. Hausmädchen bei Webers in Erfurt, als Max Weber ein Kind war. Somary, Felix (20.11.1881 – 11.7.1956). Nationalökonom und Bankier. 1905 Promotion zum Dr. jur. in Wien; im gleichen Jahre Finanzsekretär der Anglo-Austrian Bank in Wien, 1910 neben Bankierstätigkeit in Berlin Professor an der Hochschule für Staatswissenschaftliche Fortbildung ebd.; 1919 Leitung des Bankhauses Blankart & Co. in Zürich, 1941 – 43 Adviser des amerikanischen War Department für internationale Finanzfragen; Gastprofessor in Heidelberg. Hauptwerk: „Bankpolitik“ (1915). Sombart, Werner (19.1.1863 – 18.5.1941). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin, 1888 Syndikus der Handelskammer in Bremen; 1890 – 1906 etatmäßiger a. o. Professor in Breslau, 1906 Professor an der Handelshochschule Berlin; 1917 – 31 als Nachfolger von Adolph Wagner o. Professor an der Universität Berlin; ab 1892 im Ausschuß des „Vereins für Sozialpolitik“, 1930 stellvertretender und 1932 Erster Vorsitzender des Vereins; 1909 Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“; 1904 – 20 zusammen mit  Edgar Jaffé und Max Weber Mitherausgeber des AfSSp, das er nach Webers Tod verließ, da ihm die Zeitschrift in der Nachkriegszeit zu linkslastig geworden war; Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte, insbesondere zur Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus auf systematisch-empirischer Grundlage sowie über die sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts. Seit den späten 1880er Jahren freundschaftliche Beziehungen zu Max Weber; in der Kriegs- und Nachkriegszeit zunehmende Distanz; Mitarbeit am „Grundriß der Sozialökonomik“. Spann, Othmar (1.10.1878 – 8.7.1950). Nationalökonom und Philosoph. 1903 Promotion zum Dr. rer. pol. in Tübingen, danach Tätigkeit bei der Zentrale für private Fürsorge in Frankfurt a. M., Habilitation für Nationalökonomie an der TH Brünn, 1909 a.o. (Titular-)Professor ebd., 1911 o. Professor ebd., 1914 – 18 Kriegsteilnehmer, 1919 – 38 o. Professor in Wien für Nationalökonomie und Gesellschaftslehre. Begründer des gegen Liberalismus und Marxismus gerichteten sog. Universalismus, der eine Neuordnung von Staat und Gesellschaft auf berufsständischer Grundlage forderte; Einfluß auf das Österreich der Dollfuß-Ära. Zeitweise Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, sein Beitrag ist aber nicht erschienen.

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Spiethoff, Arthur (13.5.1873 – 4.4.1957). Nationalökonom. 1905 Promotion zum Dr. phil. in Berlin bei  Gustav Schmoller, 1907 Habilitation ebd.; 1899 – 1908 Assistent von Gustav Schmoller; 1908 – 18 als Nachfolger von  Alfred Weber o. Professor der politischen Ökonomie an der Deutschen Universität Prag, 1918 – 39 in Bonn; führender deutscher Konjunkturtheoretiker seiner Zeit. Steinitzer, Erwin (8.10.1884 – 19.11.1925). Nationalökonom. 1906 Promotion zum Dr. oec. publ. bei  Lujo Brentano in München; Arbeiten zum Steuerrecht; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Stratz, Annie, geb. Mittelstaedt (14.6.1869–?). Verheiratet mit  Rudolf Stratz. 1904 Promotion zum Dr. phil. bei Erich Marcks in Heidelberg. Stratz, Rudolf (6.12.1864 – 17.10.1936). Schriftsteller. Nach Studienjahren in Leipzig, Berlin und Göttingen 1885 Offizier in Darmstadt, 1887 weitere Studien in Heidelberg, 1890 als freier Schriftsteller in Berlin, 1891 – 93 Kritiker bei der „Neuen Preußischen Zeitung“, 1893 – 1905 in Heidelberg lebend, danach in Oberbayern. Schrieb u. a. die Romane „Alt Heidelberg, du feine“ und „Der weiße Tod“. Verheiratet mit  Annie Stratz, geb. Mittelstaedt. Supino, Carlo (24.9.1860 – 10.12.1931). Italienischer Nationalökonom. Autodidakt; 1887– 95 Lehrtätigkeit am technischen Institut Genf, 1896 an der Universität Messina, 1902 in Siena und ab 1903 in Pavia; 1919/20 Präsident der kgl. Kommission für maritime Streitfragen und Präsident der Sektion Handelsmarine im Obersten Rat. Arbeiten zum Geld- und Bankwesen sowie insbesondere zum maritimen Tranportwesen. Hauptwerk: „La navigazione dal punto di vista economica“ (1890 u. ö.). Swart, Friedrich (17.9.1883 – 28.10.1957). Agrarökonom und Heimatforscher. 1904 Promotion zum Dr. phil. in Berlin bei  Gustav Schmoller und  Max Sering. 1905 – 07 wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Bund der Landwirte; 1907 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Verband Deutscher Genossenschaften in Posen; 1912 Vorstandsmitglied der Landesgenossenschaftsbank, 1914 zudem stellvertretender Verbandsdirektor; 1914 – 18 Teilnahme am Krieg; 1920 Annahme der polnischen Staatsbürgerschaft; in den 1920er Jahren u. a. leitender Direktor des Verbandes Deutscher Genossenschaften in Polen; u.a. Mitgründer des „Deutschtumbundes zur Wahrung der deutschen Minderheitsrechte“; 1945 vertrieben, danach Landwirt in Niedersachsen auf elterlichem Gut. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Thorbecke, Clara (5.1.1884 – 18.4.1975). Fürsorgerin in Berlin. Leitete ein Heim für gefallene Mädchen in Berlin. Tiede, August (4.6.1834 – 14.5.1911). Stadtbaurat in Erfurt und Magistratskollege von  Max Weber sen. in Erfurt. 1867 – 91 Landesbaumeister in der preußischen Ministerialbaukommission, Ressort Museumsbau, 1875 Baurat und Professor an der Bauakademie in Berlin. Tiede, Helene, geb. Richter (15.11.1833 – ?.8.1915). Verheiratet mit  August Tiede, Patentante von  Alfred Weber. Tobler, Henriette, geb. Hattemer (15.8.1836 – 26.11.1917). Mutter von  Mina Tobler. Leiterin einer Privatschule mit Mädchenpensionat in Zürich.

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Tobler, Mina (24.6.1880 – 5.1.1967). Schweizer Pianistin, Musiklehrerin. Lebte seit 1905 in Heidelberg;  Emil Lask führte sie 1909 bei Max und Marianne Weber ein, zu deren engstem Freundeskreis sie bald gehörte. Tolstoj, Leo; Tl.: Tolstoj, Lev Nikolaevicˇ Graf (28.8./9.9.1828 – 7./20.11.1910). Russischer Schriftsteller. Lebte zumeist auf dem väterlichen Gut Jasnaja Poljana im Gouvernement Tula; entwickelte in seinen Romanen und Erzählungen eine radikale Ethik friedlicher Nächstenliebe unter Abwertung der bestehenden Kultur- und Sozialordnung, die Max Weber als Beispiel für den Idealtyp der weltflüchtigen, reinen Gesinnungsethik diente. Tönnies, Ferdinand (26.7.1855 – 9.4.1936). Philosoph, Soziologe und Nationalökonom. 1877 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen, Reisen nach England zum Studium des Philosophen Thomas Hobbes, 1881 Habilitation bei Benno Erdmann in Kiel; 1909 etatmäßiger a. o., 1910 o. Honorar-Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften in Kiel, 1913 – 33 o. Professor ebd., ab 1921 Lehrauftrag für Soziologie ebd.; 1909– 33 erster Vorsitzender der von ihm u. a. mit Max Weber,  Werner Sombart und  Georg Simmel gegründeten „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“. Kollegiale Beziehungen zu Max Weber, die 1913 zeitweise durch Webers Konflikt mit Tönnies´ Freund  Bernhard Harms getrübt wurden. Traumann, Ernst (31.10.1859 – 20.8.1923). Schriftsteller. Studium der Rechtswissenschaft in Heidelberg und Berlin, Promotion zum Dr. jur.; 1889 – 96 philosophische und literarische Studien in der Schweiz; Veröffentlichungen über Goethes Leben und Werk; Zeuge im Beleidigungsprozeß  Adolf Koch gegen Max Weber. Troeltsch, Ernst (17.2.1865 – 1.2.1923). Evangelischer Theologe, Politiker, Philosoph und Historiker. 1891 Promotion zum Lic. theol. in Göttingen, 1891 Habilitation ebd.; 1892 a.o. Professor für Systematische Theologie an der Universität Bonn, 1894 o. Professor in Heidelberg, im Wintersemester 1909/10 Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät ebd., 1915 Berufung auf den Lehrstuhl für „Kultur-, Geschichts- und Religionsphilosophie und christliche Religionsgeschichte“ an der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin; 1918 Mitbegründer der DDP, 1919 – 22 Unterstaatssekretär, 1922 Staatssekretär im preußischen Kultusministerium. Enge Zusammenarbeit mit Max Weber in religionssoziologischen Fragen der Kulturbedeutung des Christentums im allgemeinen, des Protestantismus im besonderen sowie der protestantischen Sekten; Mitglied des religionswissenschaftlichen „Eranos“-Kreises in Heidelberg; wohnte von 1910 – 15 im selben Haus wie Max Weber, freundschaftliche Beziehungen zu Max Weber. Troeltsch, Marta (Mokka), geb. Fick (24.4.1874 – 17.11.1947). Heiratete 1901  Ernst Troeltsch; lebte von 1910 – 15 im selben Haus wie Max und Marianne Weber in Heidelberg, Ziegelhäuser Landstraße 17. Vogelstein, Theodor Max (18.5.1880 – 5.5.1957). Bankier. 1901 Promotion zum Dr. oec. publ. bei  Lujo Brentano in München; 1903 – 08 wissenschaftliche Studien in den USA und Großbritannien; 1910 Habilitation in München; während des Krieges Mitglied des Vorstandes der „Kriegsmetall A.-G.“, 1919 – 33 Mitinhaber des Bankhauses C. Kretschmar in Berlin, seit 1926 Finanzier; 1933 Emigration über Frankreich und Großbritannien in die USA. Arbeiten zur industriellen Organisation sowie zum Kartell- und Monopolwesen. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Wachsmuth, Emilie, geb. Helm (1871 – 1936). Verheiratet mit dem Apotheker Karl August Alexander Wachsmuth, einem Freund  Carl (Carlo) Webers.

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Waentig, Heinrich sen. (13.3.1843 – 19.4.1917). Sächsischer Ministerialbeamter. Promotion zum Dr. jur.; Ministerialdirektor im sächsischen Kultusministerium. Vater des Nationalökonomen und SPD-Politikers Heinrich Waentig jr. (1870 – 1943). Wahl, Adalbert (29.11.1871 – 5.3.1957). Historiker. 1895 Promotion zum Dr. phil. in Bonn; 1900 Habilitation in Freiburg i. Br., 1905 a. o. Professor ebd.; 1908 Prof. der Geschichte in Hamburg; 1910 o. Professor in Tübingen; 1921/22 Rektor ebd.; Arbeiten zur deutschen Geschichte von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Weber, Adolf (29.12.1876 – 5.1.1963). Nationalökonom. 1900 Promotion zum Dr. jur. in Freiburg i. Br., 1902 zum Dr. phil. in Bonn, 1903 Habilitation ebd.; 1908 Professor an der Handelshochschule Köln, 1914 in Breslau, 1919 in Frankfurt a.M. und von 1921 – 48 in München; Arbeiten zur Allgemeinen Volkswirtschaftslehre und zum Bank- und Börsenwesen; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Weber, Alfred (30.7.1868 – 2.5.1958). Nationalökonom und Soziologe. 1897 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller und 2. Juristisches Staatsexamen in Berlin, 1899 Habilitation für Nationalökonomie ebd.; 1904 o. Professor in Prag, 1908 – 33 und 1945 – 55 o. Professor für Nationalökonomie, seit 1926 auch für Soziologie in Heidelberg. 1914 – 16 Kriegsdienst als Reserveoffizier; 1916 – 18 dienstverpflichteter Mitarbeiter im Reichsschatzamt in Berlin, 1918 Mitarbeiter im Bureau für Ostpolitik, Gründungsmitglied und von November bis Dezember 1918 Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der DDP, 1945 Eintritt in die SPD. Arbeiten zur Hausindustrie, Standorttheorie, Kultursoziologie und Geschichtsphilosophie, politische Aufsätze. Leitung der Untersuchung des Vereins für Sozialpolitik über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft in der geschlossenen Großindustrie. Mitarbeiter am „Grundriß für Sozialökonomik“. Seit 1909 lebenslange Freundschaft mit  Else Jaffé; Bruder Max Webers. Weber, Arthur (1.2.1877 – 19.2.1952). Offizier. 1898 Leutnant, 1913 Hauptmann bei den Garde-Pionieren in Berlin, 1943 als Oberstleutnant pensioniert. 1903 Eheschließung mit  Valborg Weber, geb. Jahn, Scheidung 1924; zweite Ehe mit Helene Weinstein; jüngster Bruder von Max Weber. Weber, Carl (Carlo) (15.10.1858 – 24.4.1923). Fabrikant. Leitete mit seinem Schwager  Bruno Müller die väterliche Leinenweberei in Oerlinghausen. Verheiratet mit  Emilie Weber, geb. Brassert; Sohn von  Carl David Weber, Vetter von Max Weber, Onkel von  Marianne Weber. Weber, Carl David (17.4.1824 – 21.7.1907). Fabrikant. Gründer der Leinenweberei in Oerlinghausen. Bruder von  Max Weber sen.; Großvater von  Marianne und Onkel von Max Weber. Weber, Emilie (Emily), geb. Brassert (18.8.1860 – 1.3.1949). Verheiratet mit  Carl Weber. Weber, Helene, geb. Fallenstein (15.4.1844 – 14.10.1919). Tochter von Friedrich Georg Fallenstein und Emilie Fallenstein, geb. Souchay; heiratete 1863  Maximilian (Max) Weber; Mutter von Max Weber. Zeitlebens starkes religiöses und soziales Engagement; gründete den Charlottenburger Hauspflegeverein; tätig in der Charlottenburger Wohlfahrtszentrale; 1904 als erste Frau in Preußen Mitarbeiterin der Charlottenburger Stadtverwaltung für das Armenwesen.

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Weber, Helene (Helenchen) (1.9.1873 – 27.12.1877). Fünftes Kind von  Helene Weber; starb im Alter von vier Jahren an Diphtherie. Weber, Karl (3.10.1870 – 22.8.1915). Architekt. Regierungsbaumeister in der Kirchenbauabteilung des preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, Schüler von Karl Schäfer; 1907 etatmäßiger Professor an der TH Danzig, 1913 an der TH Hannover. Vertrat eine an deutsche Bautraditionen anknüpfende Architektur und widmete sich der Wiederherstellung verschiedener Landkirchen, insbesondere 1904 der Schloßkirche von Dobrilugk in der Lausitz (Frühbarock, zweite Hälfte des 17. Jh.) und der Klosterkirche in Oliva bei Danzig, baute das Kurhaus in Zoppot. Gefallen als Hauptmann der Reserve bei BrestLitowsk; verlobt mit Martha Riegel; Bruder von Max Weber. Weber, Marianne, geb. Schnitger (2.8.1870 – 12.3.1954). Repräsentantin der Frauenbewegung und Schriftstellerin. Tochter von Eduard Schnitger und Enkelin von  Carl David Weber. 1893 Heirat mit Max Weber; 1894 – 97 Studien bei  Heinrich Rickert in Freiburg i. Br.; nach 1897 in Heidelberg Gasthörerin bei  Wilhelm Windelband,  Emil Lask und  Karl Jaspers. 1897 Gründung und Leitung der Heidelberger Abteilung des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium, Vorstandsmitglied und 1919 – 21 Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine; 1919 Mitglied der verfassungsgebenden Badischen Nationalversammlung für die DDP. Nach dem Tode Max Webers 1920 in München Rückkehr nach Heidelberg und Herausgabe der nachgelassenen Manuskripte zu „Wirtschaft und Gesellschaft“ sowie der Aufsätze Max Webers in mehreren Sammelbänden; 1926 Veröffentlichung von „Max Weber. Ein Lebensbild“; erhielt 1924 für ihr Buch „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“ (1907) den Grad eines Ehrendoktors der Universität Heidelberg; veröffentlichte zahlreiche Aufsätze und Bücher zur Frauenfrage und zur Neubestimmung weiblicher Leitbilder. Weber, Maximilian (Max sen.) (31.5.1836 – 10.8.1897). Jurist und Politiker. Studium in Göttingen und Berlin. 1862 – 69 Stadtrat in Erfurt, 1869 – 93 in Berlin, dann Mitglied der Reichsschuldenkommission, der preußischen Staatsschuldenkommission; 1868 – 97 MdprAH, 1872 – 77 und 1879 – 84 MdR. Führendes Mitglied der Nationalliberalen. Verheiratet mit  Helene Weber; Vater von Max Weber. Weber, Ottilie (31.5.1836 – 20.10.1912). Zwillingsschwester von Maximilian (Max) Weber; lebte unverheiratet in Oerlinghausen; Tante von Max Weber. Weber, Valborg, geb. Jahn (19.11.1878 – 29.4.1959). Tochter von Kristian Fredrik Jahn aus Trondheim/Norwegen; heiratete 1903  Arthur Weber; Schwägerin von Max Weber. Wellhausen, Frl. (? – ?). Ehemalige Schriftführerin des Vereins „Frauenbildung-Frauenstudium“. Wenckstern, Adolph von (4.10.1862 – 21.10.1914). Nationalökonom. 1893 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin; 1893 – 95 Professor an der Universität Tokyo für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, 1896 Habilitation in Berlin, 1901 a.o. (Titular-)Professor ebd., 1905 a. o. Professor in Greifswald, 1906 o. Professor in Breslau. Veröffentlichungen u. a. über Karl Marx und den Sozialismus, über Flotten- und Handelspolitik. In Frankreich gefallen. Wetzel, Albrecht (17.7.1880 – 7.11.1947). Psychiater. 1904 Promotion zum Dr. med. in Tübingen; nach Assistentenjahren in Stuttgart und Eßlingen 1908 an der Psychiatrischen

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Klinik in Heidelberg; 1914 – 18 Kriegsdienst, 1919 Habilitation in Heidelberg, 1922 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1924 Direktor des Bürgerhospitals Stuttgart. Wissenschaftliche Zusammenarbeit mit  Hans W. Gruhle.

Weyermann, Moritz (13.5.1876 – 29.4.1935). Nationalökonom. 1902 Promotion zum Dr. jur. et rer. pol. in Würzburg. 1909 Habilitation in Freiburg i. Br.; 1911 a. o. Professor ebd., 1912 o. Professor in Bern, 1929 in Jena. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Wichert, Fritz (22.8.1878 – 24.1.1951). Kunsthistoriker. 1906 – 09 Assistent an der Städelschen Gemäldegalerie in Frankfurt a. M., gleichzeitig Kunstreferent bei der Frankfurter Zeitung. 1909 Direktor der Städtischen Kunsthalle in Mannheim; 1915 Diplomat an der deutschen Botschaft in Den Haag; 1917 Privatsekretär des Staatssekretärs des Äußeren, von Kühlmann, in Berlin; 1923 Direktor der Frankfurter Kunstschule. Wollte im Gefolge von Alfred Lichtwark Kunst in allen Volksschichten lebendig machen; gründete 1911 bei einer Massenversammlung in der Mannheimer Parkanlage „Rosengarten“ den „Freien Bund zur Einbürgerung der Bildenden Kunst“. Wiedenfeld, Kurt (30.9.1871 – 25.12.1955). Nationalökonom. 1892 Promotion zum Dr. jur. in Leipzig, 1900 zum Dr. phil. in Berlin, 1902 Habilitation ebd.; 1903 Professor an der Akademie in Posen, 1904 – 14 Professor der Staatswissenschaften an der Handelshochschule Köln, 1914 o. Prof. in Halle, 1923 – 36 in Leipzig; 1897 – 1903 Redakteur der Verkehrszeitschriften im Preußischen Ministerium für Öffentliche Arbeiten; 1915 – 18 stellv. Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission und 1916 – 18 wirtschaftlicher Generalreferent in der Kriegsrohstoffabteilung des Preußischen Kriegsministeriums; 1918 – 21 Leiter der Abteilung Außenhandelsförderung im Auswärtigen Amt; 1921 Vertreter der Reichsregierung in Moskau. Arbeiten vor allem über die ökonomische Bedeutung des Transportwesens; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Wielandt, Elisabeth Bertha Margarete (Lilli) (8.7.1887 – 1936). Pfarrfrau. 1908 in den Vorstand des Vereins Frauenbildung-Frauenstudien in Heidelberg kooptiert; nach ihrem Umzug ins ländliche Südbaden, 1909, reger Briefkontakt mit Marianne Weber. Wielandt, Rudolf (26.5.1875 – 13.2.1948). Pfarrer. Ehemann von  Lilli Wielandt. Pfarrstelle im Schwarzwald, von 1914 bis 1947 Pfarrer an der Luther-Kirchengemeinde in BerlinSchöneberg. Wiener, Alexander (1856 – 1922). Landeskommissär in Freiburg i. Br.; Schwiegervater von  Walter Jellinek. Wiener, Christian (7.12.1826 – 31.7.1896). Mathematiker und Philosoph. 1850 Promotion zum Dr. phil. in Darmstadt, 1851 Habilitation in Gießen, 1852 a. o. und 1858 o. Professor der darstellenden Geometrie und Geodäsie am Polytechnikum in Karlsruhe. Verheiratet mit Pauline, geb. Hausrath (1835 – 1860), einer Schwester von  Adolf Hausrath; Vater von  Otto Wiener. Wiener, Eleonora, geb. Bolza. Verheiratet mit – Alexander Wiener; Schwiegermutter von  Walter Jellinek. Wiener, Erich August (? – ?). Promotion zum Dr. jur. in Heidelberg; später Kammergerichtsreferendar. Wiener, Irmgard  Jellinek, Irmgard

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Wiener, Otto (15.6.1862 – 18.1.1927). Physiker. 1887 Promotion in Straßburg, 1890 Habilitation ebd., 1891 Umhabilitation an die TH Aachen, 1894 a.o. Professor ebd., 1895 o. Professor in Gießen, 1899 – 1927 in Leipzig. Entdecker der stehenden Lichtwellen und der seinen Namen tragenden Wienerschen Interferenzen. Seine Mutter Pauline, geb. Hausrath (1835 – 1865), war eine Schwester von  Adolf Hausrath. Wieser, Friedrich Freiherr von (10.7.1851 – 23.7.1926). Nationalökonom. 1875 Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1883 Habilitation ebd.; 1884 a. o., 1889 o. Professor in Prag, als Nachfolger von Carl Menger 1903 – 17 und 1919 – 22 o. Professor in Wien; dazwischen 1917/18 Handelsminister, Mitglied des österreichischen Herrenhauses; neben Carl Menger und Eugen v. Böhm-Bawerk einer der Begründer der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Wilbrandt, Robert (29.8.1875 – 4.2.1954). Nationalökonom. 1899 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin, 1904 Habilitation ebd.; 1908– 29 o. Professor als Nachfolger  Gustav von Schönbergs in Tübingen, 1929 – 33 an der TH in Dresden; 1933 aus politischen Gründen entlassen; gehörte zum linken Flügel des Vereins für Sozialpolitik; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Wilcken, Ulrich (28.12.1862 – 10.12.1944). Althistoriker und Papyrologe. 1885 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1885 – 89 Mitarbeiter in der ägyptischen Abteilung des Kgl. Museums ebd., 1888 Habilitation ebd., 1889 a. o. Professor in Breslau, 1891 o. Professor ebd., 1900 in Würzburg, 1903 in Halle, 1906 in Leipzig, 1912 in Bonn, 1915 in München, 1917– 31 in Berlin. Schuf durch die Herausgabe und Kommentierung von griechisch-ägyptischen Papyri sowie durch die Gründung des „Archivs für Papyrusforschung und verwandte Gebiete“ (1900) eine neue quellenmäßige Grundlage für die Erforschung der Antike im östlichen Mittelmeerraum in ptolemäischer sowie römischer Zeit. Wilmanns, Karl (26.7.1873 – 23.8.1945). Psychiater. 1897 Promotion zum Dr. med. in Bonn, 1906 Habilitation in Heidelberg; 1912 a. o. Professor ebd., 1917 Direktor der Heil- und Pflegeanstalt in Konstanz, 1918 o. Professor und Direktor der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg, 1933 Entlassung aus politischen Gründen. Wilson, Thomas Woodrow (28.12.1856 – 3.2.1924). Amerikanischer Staatsmann. Seit 1885 Prof. der Geschichte und Volkswirtschaftslehre, seit 1890 Prof. der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Princeton, seit 1902 deren Präsident; 1911 – 12 demokratischer Gouverneur in New Jersey; 1912 – 21 Präsident der USA. Trat für eine demokratische Weltfriedensordnung ein; seine „Vierzehn Punkte“ von Januar 1918 sollten die Grundlage eines europäischen Friedenschlusses bilden. Windelband, Wilhelm (11.5.1848 – 22.10.1915). Philosoph. 1870 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1873 Habilitation in Leipzig; 1876 o. Professor in Zürich, 1877 in Freiburg i. Br., 1882 in Straßburg und 1903 – 15 in Heidelberg; mit  Heinrich Rickert führender Vertreter des südwestdeutschen Neukantianismus. Kollegiale Beziehungen zu Max Weber. Wolf, Julius (20.4.1862 – 1.5.1937). Nationalökonom. 1884 Promotion zum Dr. rer. pol. in Tübingen, 1885 Habilitation in Zürich; 1888 a. o., 1889 o. Professor in Zürich, 1897 in Breslau, 1913 – 23 an der TH in Berlin; Gegner des sog. „Kathedersozialismus“ in der deutschen Nationalökonomie; Mitbegründer und Herausgeber der „Zeitschrift für Sozialwissenschaften“; nach dem Ersten Weltkrieg an der Neuordnung der Notenbank und an Steu-

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erreformen beteiligt; Arbeiten zu allen Gebieten politischer Wirtschaftsfragen; Betreuer der Promotion von Rosa Luxemburg.

Wolff, Kurt (3.3.1887 – 21.10.1963). Verleger. 1910 stiller Teilhaber des „Ernst Rowohlt Verlages, Leipzig“; 1913 – 30 Weiterführung des Verlags unter eigenem Namen; 1933 Emigration nach Italien und Südfrankreich, 1941 in die USA. 1942 – 60 Gründung und Leitung des Verlags „Pantheon Books Inc.“, 1960 Gründung der „Helen and Kurt Wolff Books“ bei Harcourt and Brace. Ab 1913 Hauptverleger der Autoren des literarischen Expressionismus sowie der Werke u. a. von Romain Rolland and Rabindranath Tagore. Wolfskehl, Karl (17.9.1869 – 30.6.1948). Schriftsteller und Germanist. Promotion zum Dr. phil.; gründete um 1900 mit Alfred Schuler und Ludwig Klages den „Münchner Kosmikerkreis“; ab 1925 literarischer Leiter der „Rupprechtpresse“ in München; 1933 Emigration nach Italien, 1938 nach Neuseeland; seine Prosa entstand zwischen 1894 und 1933. Wüstendörfer, Hans (27.11.1875 – 11.6.1951). Jurist. Promotion zum Dr. jur. in Straßburg; 1905 Habilitation an der Handelshochschule Köln, 1906 Privatdozent an der Handelshochschule Charlottenburg, 1910 Dozent ebd.; 1911 o. Professor für Deutsches Recht, Bürgerliches Recht und Handelsrecht in Rostock, 1919 – 42 in Hamburg. Arbeiten zum Seehandelsrecht. Herausgeber der Schriftenreihe „Überseestudien zum Handels-, Schiffahrts- und Versicherungsrecht“. Wygodzinski, Willy (9.12.1869 – 3.1.1921). Nationalökonom und Agrarwissenschaftler. 1894 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1906 Habilitation in Bonn; 1905 Dozent an der Handelshochschule in Köln und der Landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn-Poppelsdorf, 1909 Titular-Professor in Poppelsdorf, 1914 etatmäßiger Professor ebd.; Arbeiten zur Agrarpolitik. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Zill, Friedrich (6.7.1866 – 9.8.1942). Richter am Landesgericht in Graz. Zuckerkandl, Robert (5.12.1856 – 28.5.1926). Nationalökonom. 1879 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1886 Habilitation für politische Ökonomie ebd.; 1890 Rechtsanwalt ebd., 1894 a. o. Professor in Prag, 1896 o. Professor ebd.; Arbeiten zur Preistheorie. Zwiedineck–Südenhorst, Otto von (24.2.1871 – 6.8.1957). Nationalökonom. 1895 Promotion zum Dr. jur. in Graz; 1898 als Konzipist an den Handelskammern Graz und Wien; 1899 Ministerialkonzipist im österreichischen Ministerium des Innern; 1901 Habilitation bei  Eugen v. Philippovich für Staatswissenschaften an der Universität Wien; 1902 etatmäßiger a. o., 1903 – 20 o. Professor an der TH Karlsruhe, 1920 in Breslau, 1921 – 36 als Nachfolger Max Webers in München; arbeitete u. a. über die Lohn-Preis-Bindung, die Preistheorie und Sozialpolitik; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Zycha, Adolf (17.10.1871 – 19.11.1948). Rechtshistoriker. 1895 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1898 Berufung als etatmäßiger a. o. Professor nach Fribourg in der Schweiz ohne vorherige Habilitation, 1903 o. Professor in Prag, 1919 in Gießen, ab 1923 in Bonn. Hauptweke: „Das Recht des ältesten Bergbaues bis ins 13. Jahrhundert“ (1899), „Das böhmische Bergrecht des Mittelalters auf der Grundlage des Bergrechts von Iglau“ (2 Bde., 1900) sowie „Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit“ (1937).

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Register der Briefempfänger

Baumgarten, Else 1. März 1913, 103 – 106 Beck, Hermann 17. Jan. 1914, 469 – 472; 20. Jan. 1914, 475 f. Below, Georg von 21. Juni 1914, 723 – 725; 10. Juli 1914, 750 Blanck, Friedrich 28. Febr. 1913, 99 f. Boese, Franz 12. April 1913, 176; 29. April 1913, 214; 5. Aug. 1913, 297; 14. Aug. 1913, 311 Bücher, Karl 28. Jan. 1913, 62

357 f.; vor dem 25. Dez. 1913, 438; 3. Febr. 1914, 499; 31. Aug. 1914, 784 Gundolf, Friedrich 1. Febr. 1914, 497 f.; 9. Okt. 1914, 796; 12. Okt. 1914, 797; 14. Okt. 1914, 798

Campenhausen, Armin Oswald Frhr. von 10. Juli 1914, 751 – 757

Jaffé, Edgar 21. Jan. 1913, 47; 22. Febr. 1913, 93; 6. Juli 1913, 263; 8. Aug. 1913, 299; 10. Jan. 1914, 465 f.; 22. Jan. 1914, 478 – 483; 25. Febr. 1914, 527 – 530; 8. März 1914, 545 f.; 11. März 1914, 548; 15. Juli 1914, 767; 24. Juli 1914 oder davor, 772; 10. Dez. 1914, 803 Jaspers, Karl nach dem 26. April 1913, 209 – 211; nach dem 26. April 1913, 212; 19. Mai 1913, 239 f.; 21. Mai 1913, 241 – 243; 6. Juli 1913, 264 – 267; nach dem 11. Juli 1913, 272 f.; 19. Juli 1913, 275; 2. Aug. 1913, 292 f.; 8. Aug. 1913, 300 f.; 8. Nov. 1913, 355 f. Jellinek, Walter 30. Dez. 1913, 446 f.

Delbrück, Hans 19. Okt. 1913, 337 f. Eulenburg, Franz 6. Nov. 1913, 350 f.; 25. Nov. 1913, 401 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von 11. Sept. 1913, 327 Gross, Frieda 26. April 1913, 204 – 206; 18. Mai 1913, 234 – 236; 21. Nov. 1913, 386 – 393; 22. Nov. 1913, 394 f.; 29. Nov. 1913, 405 – 407; 29. Jan. 1914, 484 – 488; 29. oder 30. Jan. 1914, 489; nach dem 4. Febr. 1914, 500; 12. Febr. 1914, 508 – 511; 18. Febr. 1914, 515 – 522; 26. Febr. 1914, 532 f.; 1. März 1914, 534 f.; 3. März 1914, 536 f.; 5. März 1914, 538 – 540; 8. März 1914, 541 – 544; 14. März 1914, 549 – 551; 16. März 1914, 555 f.; 21. März 1914, 571 f.; 7. April 1914, 599 – 601; 25. April 1914, 641 – 643; 26. April 1914, 644 f.; 4. Mai 1914, 652 f.; 8. Mai 1914, 661; 11. Mai 1914, 662 f.; 14. Mai 1914, 664 – 666; 16. Mai 1914, 668 – 672; 19. Mai 1914, 677 – 679; 21. Mai 1914, 680 – 683; 25. Mai 1914, 685; 24. Juni 1914, 728 f.; 3. Juli 1914, 746; 8. Juli 1914, 748 f. Groth, Otto vor dem 20. März 1914, 561 Gruhle, Hans W. 8. März 1913, 112 – 114; 2. Mai 1913, 219; 18. Mai 1913, 237 f.; 28. Juli 1913, 285 – 287; 8. Nov. 1913,

Hellpach, Willy 11. Juli 1913, 270 f.; 20. Juli 1913, 276 – 278 Herkner, Heinrich 22. März 1913, 134 Honigsheim, Paul 14. Juni 1914, 714 f.

Kantorowicz, Herrmann 26. April 1913, 207; 24. Juni 1913, 252; 29. Dez. 1913, 442 f. Lask, Emil 8. Juni 1913, 247 f.; 25. Nov. 1913, 402 f.; 25. Dez. 1913, 440 f.; nach dem 9. Jan. 1914, 461 – 464 Lederer, Emil 9. Nov. 1913, 361 – 363 Leonhard, Edwin 11. Juli 1914, 758 – 766 Leonhard, Rudolf 8. Juni 1913, 249 Lesser, Ernst J. 18. Aug. 1913, 312 – 315 Loewenstein, Karl 5. Aug. 1913, 298; 9. Aug. 1913, 302; 29. Dez. 1913, 444 Lukács, Georg von 29. Jan. 1913, 63; 11. Febr. 1913, 88 f.; 6. März 1913, 107 f.; 10. März 1913, 116 f.; 22. März 1913, 135 f.; 21. Juni 1913, 251; 18. Juli 1913, 274;

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Register der Briefempfänger

3. Okt. 1913, 335; 6. Nov. 1913, 352; 7. Nov. 1913, 354 Michels, Robert 23. Mai 1913, 244; 30. Juli 1913, 288; 9. Nov. 1913, 364 f.; 18. Nov. 1913, 382; 22. Nov. 1913, 396; 20. Dez. 1913, 431; 17. April 1914, 627; 26. April 1914, 646; 30. Mai 1914, 688 f.; 2. Juni 1914, 696 – 698; 4. Juni 1914, 701 f.; 8. Juni 1914, 707; 5. Dez. 1914, 802; 18. Dez. 1914, 804 Michels-Lindner, Gisela 30. Juni 1913, 256 – 258; 10. Juli 1913, 268 f. Mitherausgeber des Handbuchs 8. Dez. 1913, 424 – 428 Mommsen, Clara 11. Sept. 1913, 328 – 332 Müller, Alwine (Wina) 6. März 1913, 109 – 111 Naumann, Friedrich 30. Juni 1914, 745 Oldenberg, Karl 28. Aug. 1914, 782 Pellech, Otto 30. Jan. 1914, 490 – 496; 11. Febr. 1914, 502 – 505; 2. Mai 1914, 647 – 651; 18. Mai 1914, 674 f. Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg 26. Juni 1914, 730 – 743 Plenge, Johann 21. Jan. 1913, 48 – 51; 26. Jan. 1913, 57 f.; 1. Febr. 1913, 74; vor dem 14. März 1913, 124 f.; 18. März 1913, 130 – 132; 18. März 1913, 133; 22. März 1913, 137 – 139; vor dem 24. April 1913, 201 f.; 27. April 1913, 213; 1. Mai 1913, 215 f.; 2. Mai 1913, 220 f.; 11. Aug. 1913, 303 – 310; 20. Aug. 1913, 316; 6. Sept. 1913, 322 f.; 29. Okt. 1913, 342; 4. Nov. 1913, 345 f.; 8. Nov. 1913, 359 f.; 9. Nov. 1913, 366; 12. Nov. 1913, 378; 15. Nov. 1913, 379 f. Radbruch, Gustav 15. Febr. 1914, 512; 20. April 1914, 632 f. Reventlow, Franziska Gräfin zu vor dem 8. Mai 1914, 660 Rickert, Heinrich 7. Febr. 1913, 83 – 85; 23. März 1913, 140 – 142; 3. Juli 1913, 260; nach dem 3. Juli 1913, 261 f.; 5. Sept. 1913, 318 – 320; ca. Ende Nov. 1913, 408 – 411; 23. Febr. 1914, 524 f. Ripke, Axel 30. Mai 1914, 690 f.

Salz, Arthur vor dem 24. März 1913, 143 f.; vor dem 24. März 1913, 145; vor dem 25. Dez. 1913, 439 Schäfer, Lili 8. Sept. 1914, 791 – 793 Schmoller, Gustav von 23. Okt. 1913, 339 – 341; 3. Dez. 1913, 418 – 420; am oder nach dem 6. Dez. 1913, 423 Schulze-Gaevernitz, Gerhart von vor dem 17. Nov. 1913, 381 Siebeck, Oskar 23. Mai 1913, 245; 29. Juni 1913, 253; vor dem 1. Juli 1913, 259 Siebeck, Paul 2. Jan. 1913, 19 – 22; 3. Jan. 1913, 23 f.; 7. Jan. 1913, 42; 7. Jan. 1913, 43 f.; 15. Jan. 1913, 45; 16. Jan. 1913, 46; 23. Jan. 1913, 52 f.; 25. Jan. 1913, 54 f.; 25. Jan. 1913, 56; 28. Jan. 1913, 59; 28. Jan. 1913, 60 f.; 29. Jan. 1913, 64; 29. Jan. 1913, 65 f.; 2. Febr. 1913, 75; 4. Febr. 1913, 76 f.; 8. Febr. 1913, 86 f.; 17. Febr. 1913, 90; 22. Febr. 1913, 94; 28. Febr. 1913, 101 f.; 28. März 1913, 151; 23. April 1913, 199; 26. April 1913, 208; 5. Mai 1913, 226 – 232; 8. Juni 1913, 250; 5. Sept. 1913, 321; 25. Sept. 1913, 333; 1. Okt. 1913, 334; 3. Okt. 1913, 336; 3. Nov. 1913, 343 f.; 4. Nov. 1913, 347; 6. Nov. 1913, 348 f.; 6. Nov. 1913, 353; 9. Nov. 1913, 367 – 370; 9. Nov. 1913, 371 f.; 11. Nov. 1913, 373 – 375; 11. Nov. 1913, 376 f.; 19. Nov. 1913, 383 f.; 19. Nov. 1913, 385; 24. Nov. 1913, 397 f.; 25. Nov. 1913 oder davor, 399 f.; 26. Nov. 1913, 404; 12. Dez. 1913, 429; 18. Dez. 1913, 430; 30. Dez. 1913, 448 – 450; 16. Jan. 1914, 467 f.; 19. Jan. 1914, 473 f.; 4. Febr. 1914, 501; 11. Febr. 1914, 506 f.; 15. Febr. 1914, 513 f.; 24. Febr. 1914, 526; 25. Febr. 1914, 531; 8. März 1914, 547; 15. März 1914, 552 – 554; 18. März 1914, 558 f.; 20. März 1914, 562 – 570; 21. März 1914, 573 f.; 22. März 1914, 575; 26. März 1914, 576; 2. April 1914, 586 – 588; 11. April 1914, 610 f.; 15. April 1914, 623 f.; 16. April 1914, 625 f.; 21. April 1914, 634 f.; 22. April 1914, 638; 23. April 1914, 639 f.; 5. Mai 1914, 654 f.; 5. Mai 1914, 656; 5. Mai 1914, 657; 7. Mai 1914, 658 f.; vor dem 16. Mai 1914, 667; 18. Mai 1914 oder davor, 673; 18. Mai 1914, 676; 22. Mai 1914, 684; 29. Mai 1914, 686 f.; 30 Mai 1914, 692 f.; 31. Mai 1914, 694; 31. Mai 1914, 695; 4. Juni 1914, 703;

Register der Briefempfänger 4. Juni 1914, 704 f.; 6. Juni 1914, 706; 11. Juni 1914, 708 f.; 12. Juni 1914, 710 f.; 13. Juni 1914, 712 f.; 14. Juni 1914, 716; 16. Juni 1914, 717; 16. Juni 1914, 718 f.; 17. Juni 1914, 720; 19. Juni 1914, 721 f.; 21. Juni 1914, 726 f.; 27. Juni 1914, 744; 3. Juli 1914, 747; 19. Juli 1914, 768 f.; 21. Juli 1914, 770; vor dem 22. Juli 1914, 771; 24. Juli 1914, 773; 25. Juli 1914, 774; 27. Juli 1914, 775 f.; 30. Juli 1914, 777 – 779; zwischen 30. Juli und 4. Aug. 1914, 780; 1. Aug. 1914, 781; 28. Aug. 1914, 783; 7. Sept. 1914, 787 f.; 8. Nov. 1914, 800; 3. Dez. 1914, 801; 27. Dez. 1914, 805 Sieveking, Heinrich 10. März 1913, 118 f.; 1. Mai 1913, 217 f.; 29. Juni 1913, 254 f.; 1. Dez. 1913, 412 f.; 21. Dez. 1913, 436 f. Sombart, Werner 2. Dez. 1913, 414 – 417; 20. Dez. 1913, 432 – 435; 20. Jan. 1914, 477 Soziologisches Kränzchen 4. Jan. 1913, 25 – 41 Teilnehmer der Leipziger Besprechung 22. Febr. 1913, 95 – 98 Tobler, Mina Anf. Sept. 1914, 785 f.; 7. Sept. 1914, 789 f.; 9. Sept.1914 oder danach, 794; 14. Sept. 1914, 795 Tönnies, Ferdinand 29. Jan. 1913, 67 – 72; nach dem 30. Jan. 1913, 73; 6. Febr. 1913, 78 – 80; 6. Febr. 1913, 81 f.; 18. Febr. 1913, 91 f.; 17. März 1913, 126 – 129; 22. April 1913, 196 f.; 2. Juni 1914, 699 f.; 15. Okt. 1914, 799 Vorstand der DGS 5. Dez. 1913, 421 f. Weber, Arthur 2. Aug. 1913, 294 – 296 Weber, Helene 13. April 1913, 178 f.; 26. Juli 1913, 279 – 282; 26. oder 27. Juli 1913, 283 f.; 1. Aug. 1913, 289 – 291;

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22. Aug. 1913, 317; 10. Sept. 1913, 324 – 326; vor dem 20. Febr. 1914, 523; 12. April 1914, 614 – 618; 21. April 1914, 636 f. Weber, Karl 29. Dez. 1913, 445 Weber, Marianne 10. März 1913, 120 f.; 12. März 1913, 122 f.; 25. März 1913, 146; 26. März 1913, 147 f.; 27. März 1913, 149 f.; 28. März 1913, 152 f.; 29. März 1913, 154 f.; 30. März 1913, 156 – 158; 31. März 1913, 159 – 161; 1. April 1913, 162; 1. April 1913, 163; 2. April 1913, 164; 3. April 1913, 167; 5. April 1913, 168 f.; 6. April 1913, 170; 7. April 1913, 171; 8. April 1913, 172; 9. April 1913, 173; 10. April 1913, 174; 11. April 1913, 175; 12. April 1913, 177; 14. April 1913, 180; 14. April 1913, 181 – 183; 15. April 1913, 184; 16. April 1913, 185 f.; 17. April 1913, 187 f.; 18. April 1913, 189 f.; 19. April 1913, 191; 20. April 1913, 192; 21. April 1913, 193 – 195; 22. April 1913, 198; 23. April 1913, 200; 24. April 1913, 203; 3. Mai 1913, 222 f.; 4. Mai 1913, 224 f.; 5. Mai 1913, 233; 3. Jan. 1914, 451 – 454; 3. Jan. 1914, 455 f.; 4. Jan. 1914, 457; 6. Jan. 1914, 458 f.; 6. Jan. 1914, 460; 17. März 1914, 557; 18. März 1914, 560; 29. März 1914, 577 – 579; 30. März 1914, 580; 31. März 1914, 581 f.; 1. April 1914, 583 – 585; 2. April 1914, 589 f.; 3. April 1914, 591; 4. April 1914, 592 f.; 5. April 1914, 594 – 596; 6. April 1914, 597 f.; 7. und 8. April 1914, 602 – 604; 9. April 1914, 605 – 607; 10. April 1914, 608 f.; 11. April 1914, 612 f.; 12. und 13. April 1914, 619 f.; 14. April 1914, 621 f.; 17. April 1914, 628 f.; 18. April 1914, 630 f. Wilbrandt, Robert 2. April 1913, 165 f. Wolfskehl, Karl 9. März 1913, 115 Zwiedineck-Südenhorst, Otto von 23. Mai 1913, 246

Personenregister

Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Max Weber wird nur im Zusammenhang mit seinen Schriften aufgeführt.

Aaron 315 Abbondio, Gina 620, 653, 827 Abbondio, Giovanni 147, 149, 151, 516, 543, 642, 653, 827 –, dessen Frau 149, 151, 620, 653, 680 Abel 619 Absalom 66, 261 Adickes, Erich 418 Alberti, Leon Battista 412, 416, 827 Alexander II. (russ. Zar) 314 Alexander III. (russ. Zar) 314 Alsen, Karl von  Esmarch, Karl Althoff, Friedrich 419 Altmann, Sally 228, 271, 426, 827 Ammonius 414 Andrian-Werburg, Ferdinand Leopold Frhr. von 672, 827 Andrian-Werburg, Leopold Frhr. von 672, 685, 827 Antoninus 412, 433, 827 Aristoteles 414 Baensch, Otto 123, 423, 827 Bandmann, Otto 99 f., 827 Bang, Herman 192, 827 Barth, Inger 294, 827 Barth, Paul 24, 469 f., 480, 827 f. Barth, Petter Christian 294, 828 Bauch, Bruno 418 Bauer, Stephan 256 Bäumer, Gertrud 12, 745, 828 Baumgarten, Else 103 – 106, 828 Baumgarten, Emmy 150, 330, 828 Baumgarten, Fritz 94, 103 – 106, 828 Baumgarten, Hermann 104 Baumgarten, Ida 150 Baumgarten, Otto (Sohn von Fritz Baumgarten) 103, 105, 828 Baumgarten, Otto 19, 21, 23, 25, 26 – 32, 34, 36, 37, 38 – 40, 43, 53, 56, 60, 64, 65 f.,

68, 70, 73, 77, 86, 92, 94, 101, 326, 452, 455, 457, 459, 805, 828 Baxter, Richard 433, 828 f. Beard, George M. 174 Beck, Hermann 9, 94, 101, 102, 226, 227, 253, 417, 421, 435, 442, 469 – 472, 475 – 477, 479 f., 561, 829 Becker, Dr. 614, 829 Bédier, Joseph 193, 198, 829 Beethoven, Ludwig van 444 Behaghel, Otto 125, 130 Behm, Paul 436 Below, Georg von 9, 723 – 725, 750, 772, 829 Bennigsen, Rudolf von 799 Benseler, Frank 116, 135 Benz, Sophie 152, 503, 510, 518, 829 Berlepsch, Hans Hermann Frhr. von 98, 829 Bernays, Marie 121 – 123, 150, 155 f., 161, 164, 171, 173, 184 f., 190, 219, 223, 319, 326, 560, 580, 589, 593, 829 Bernhard, Ludwig 29, 337, 829 f. Bernstein, Eduard 803, 830 Bertoni, Brenno 663, 748, 830 Berze, Josef 387, 402, 403, 405 f., 440, 462, 463, 491, 830 Biermer, Magnus 125, 269 Binding, Rudolf 193 Bismarck, Otto Fürst von 89 Blanck, Anna 593, 830 Blanck, Friedrich 99 f., 123, 830 Blaß, Margarete 233, 830 Bleuler, Eugen 160, 599, 602 f., 662, 666, 668, 830 Bloch, Ernst 115, 174, 182, 830 Bock, Hans Manfred 203 Bodenstein, Andreas, gen. Karlstadt 53, 830 f. Boeck, Ernst 641, 831

Personenregister Boese, Franz 83, 134, 141 f ., 176, 214, 297, 311, 704, 831 Böhm, Franz 88, 99, 419, 831 Boll, Franz 264, 265, 270, 355, 357, 797, 831 Bonvicini (Arzt) 491 Borgatta, Gino 244 Born, Erich 557, 831 Bortkiewicz, Ladislaus von 256, 257, 831 Braun, Heinrich 479 Braus, Elisabeth (Lisbeth) 122, 147, 184, 185, 188, 192, 198, 200, 203, 233, 238, 789, 796, 831 Braus, Hermann 122, 147, 188, 192, 198, 200, 203, 238, 790, 831 Brentano, Lujo 95, 97, 201 f., 412, 703, 732, 831 Breysig, Kurt 482 Brinkmann, Carl 228 Brinkmann, Theodor 568, 813 Brunner, Heinrich 724 Brupbacher, Fritz 147 Brüstlein, Gillonne 571, 584, 604, 606, 619 f., 677, 831 Bruun, Hans-Henrik 274 Buber, Martin 414, 436 Bücher, Karl 2, 4, 22, 27, 29, 35 f., 39 – 41, 43, 46, 50 – 52, 58, 60 – 62, 87, 95, 125, 130 – 132, 137 f., 201, 215, 231, 256, 305, 344, 346, 350, 371, 398, 425, 427, 428, 449 f., 467, 473, 506 f., 514, 552 f., 558 f., 564, 712, 727, 809, 812, 818, 832 Büchmann, Georg 89, 414, 480 Budge, Siegfried 299 Bulius, Gustav 172, 832 Burkhardt, Hans 421 Busch, Wilhelm 652 Calwer, Richard 436 Campenhausen, Armin Oswald Frhr. von 497 f., 690, 749, 751 – 758, 759, 832 Cassirer, Ernst 418 Cato der jüngere 669 Cervantes Saavedra, Miguel de 414 Chattemer, Lotte 152, 486, 489, 491, 502 f., 518, 832 Chopin, Frédéric 224 Christiansen, Broder 117, 832 Cicero 709 Cohn, Jonas 355, 524, 832 Conrad, Walter 307

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Daumer, G. Fr. 205 David 66, 261 Delbrück, Hans 50, 125, 130, 337 f., 832 Demm, Eberhard 785 Diehl, Karl 83 Dieterich, Marie 122, 832 Dietzel, Heinrich 98, 832 Doßmann, Ernst 784 Dostojewski, Fjodor 423, 596 Driesch, Hans 212, 264, 271, 832 f. Drill, Robert 95 Du Moulin-Eckart, Richard 201, 485, 833 Duhn, Friedrich von 128 Durkheim, Emile 244 Dusch, Alexander Frhr. von 419 Eggers, Fritz 614, 833 Ehrenberg, Hans 153, 167, 222, 225, 833 Eleasar 315 Elster, Alexander 398, 833 Elster, Ludwig 124, 419 f., 833 Endell, Ernst August 69, 833 Endemann, Friedrich 579, 833 Esmarch, Karl 788, 833 Esra 312 Esslen, Joseph Bergfried 369, 568, 710, 711, 768, 834 Eulenburg, Franz 9, 83, 96, 201 f., 256, 257, 269, 344, 346, 347 f., 350 f., 353, 370, 372, 375, 383, 399 – 401, 733, 834 Ezechiel 315 Faas, Margaretha  Hardegger, Margaretha Faber, Robert 227, 421 f., 834 Faguet, Émile 107, 834 Fallenstein, Georg Friedrich 16 Ferrero, Guglielmo 689 Fiedler, Konrad 116, 834 Fischer, Gustav 349 Fischer, H. Karl 434, 834 Fischl, Armin 387, 484 f., 486 f., 488, 491, 494, 500, 503 f., 508 – 510, 516 – 518, 536 f., 538, 539 – 541, 549, 555, 571 f., 600, 661, 834 Fleiner, Luise 326 Fleiner, Wilhelm 326 Fleischmann, Max 22 France, Anatol 157, 834 Francke, Ernst 98, 834 f. Frankenstein, Kuno 733 f.

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Personenregister

Franklin, Benjamin 416 Freud, Sigmund 113 f., 152, 182, 186, 490, 581 f., 835 Frick, Ernst 10, 147, 152 – 154, 156 – 158, 167, 168 f., 172, 182 f., 187 f., 195, 206, 386, 393 f., 402, 406 f., 493, 500, 517, 519, 521, 522, 541, 543, 544, 545, 578, 581, 583, 584, 589, 593, 595, 597, 599, 600, 602 f., 604, 606, 608, 622, 642, 650, 652, 653, 663 f., 668 – 670, 680, 728 f., 748, 835 –, dessen Bruder 153 Friedeberg, Harald 203, 835 Friedeberg, Raphael 147, 203, 500, 521 f., 589, 670, 835 Friedrich II. (Großherzog von Baden) 419, 835 Fritschi, Eugen 162, 174, 179, 190 f., 628, 835 Galán, Francisco 161 Gäng, Karl 195, 835 Geibel, Carl 142 George, Stefan 12, 107, 115, 181, 550, 796, 835 Gide, Charles 689, 697, 835 Glaser, Friedrich 363 Goethe, Johann Wolfgang von 122, 175, 541, 653 Goetz, Walter 525, 528, 730, 776, 836 Goldscheid, Rudolf 4, 166, 442, 469 f., 477, 479 – 482, 836 Gothein, Eberhard 4, 102, 112, 122, 150, 231, 300, 326, 344, 368, 396, 421 f., 471 f., 568, 579, 710, 711, 756, 768, 771, 813, 836 Gothein, Marie Luise 11, 122, 150, 326, 497, 690, 751, 753 – 756, 758, 761 – 766, 776, 836 Gothein, Wolfgang 150, 836 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von 4, 229, 327, 343, 349, 368, 426, 449, 468, 473, 506, 507, 552 f., 558 f., 562, 564, 573, 575, 611, 623, 634, 778, 810 f., 836 Gottlieb, Rudolf 122, 836 f. Gottlieb, Suzette 122, 837 Grabowski, Sabine 69 Gradenwitz, Otto 422, 471, 837 Gross, Adele 155, 182, 391 f., 463 f., 494, 503, 518, 650, 837 Gross, Eva Verena 152 f., 155 f., 158, 182, 185, 189, 203, 206, 386 f., 388 – 390, 394, 406 f., 484, 486 f., 493, 495 f., 509 f., 517,

519, 521, 550, 594, 598, 600, 602, 608, 619, 621, 647 – 649, 652, 663, 664, 665, 669 f., 674, 677 f., 680, 685, 728 f., 746, 748, 837 Gross, Frieda 5, 10 f., 13, 147, 152, 153 – 158, 160 f., 164, 167 f., 172, 174 f., 178, 180 – 183, 185 – 191, 194 f., 198, 200, 203 – 206, 207 f., 222, 225, 234 – 238, 287, 386 – 395, 402 f., 405 – 407, 438, 440, 461 – 464, 484 – 496, 500, 502 – 504, 508 – 511, 515 – 522, 532 – 545, 548, 549 – 551, 555 f., 557, 560, 571 f., 576, 577 f., 581 f., 583, 584, 589, 591, 592, 594 f., 597, 598 – 601, 602, 603, 606, 608 f., 613, 619 – 622, 629, 631, 637 f., 641 – 645, 647 – 650, 652 f., 661 – 666, 668 – 672, 674 f., 677 – 683, 685, 728 f., 746, 748 f., 769, 776, 778, 837 Gross, Hans 10 f., 152 f., 155, 182, 185, 205, 386 f., 388 – 392, 395, 402, 403, 405 f., 440 f., 461, 462 – 464, 484 – 488, 490 – 496, 500, 503 f., 508 – 510, 515, 516 – 521, 534, 536, 537, 538, 539 f., 542 – 544, 545, 549, 550, 555, 581, 592, 594 f., 598, 599, 600, 602, 608, 613, 621 f., 637, 641 f., 644, 647 – 652, 663, 665 f., 670, 674, 677, 678 – 680, 685, 728, 746, 748, 769, 776, 778, 837 Gross, Otto 10, 147, 152 f., 156, 160, 182, 185, 205, 386 – 388, 389 – 392, 402 f., 405 – 407, 440 f., 461 – 464, 484, 485 – 495, 502 – 505, 508 – 510, 515, 516 – 520, 521, 534 f., 536, 538, 539, 540, 541, 543, 544, 545, 548 – 550, 555, 571 f., 582, 594 f., 599, 600, 602, 608, 613, 621 f., 641, 644, 647 f., 650 f., 661, 664, 671, 677 f., 728, 746, 748, 837 Gross, Peter 10, 153, 155 f., 158, 160, 182, 185 f., 203, 205 f., 386 f., 388 – 390, 394, 406 f., 484, 486 f., 492 f., 495 f., 504, 509 f., 517, 519, 521, 542 f., 544, 545 f., 548 f., 555, 577, 578, 581, 583 f., 589, 592, 598, 599, 600, 602, 613, 619 f., 622, 630, 637, 642, 647 – 650, 653, 663, 665, 669 f., 672, 674, 679, 685, 748 f., 838 Groth, Otto 226, 421, 472, 561, 838 Gruhle, Hans W. 8 f., 12, 112 – 114, 154, 161, 181, 190, 194, 219, 223, 234, 237 f., 264, 270 f., 273, 278, 285 – 287, 301, 355, 357 f., 438, 462 f., 499, 620, 784, 838

Personenregister Grünberg, Karl 230, 343, 449, 462, 485, 490, 559, 568, 693, 713, 719 f., 722, 732 f., 768, 771, 773, 775, 777, 814, 838 Grunzel, Josef 732 f., 838 Guicciardi, Giuseppe Giulio 789, 838 Gundelfinger, Friedrich  Gundolf, Friedrich Gundolf, Ernst 628, 838 Gundolf, Friedrich 9, 497 f., 628, 690, 751, 752, 756, 758, 760, 765 f., 796 – 798, 838 Gutmann, Franz 45, 345, 347 f., 353, 369, 372 – 374, 376, 383, 385, 400, 404, 553, 562, 565 f., 573, 839 Guttmann, Julius 734 Guttmann, Simon 461, 462, 485 – 487, 500, 518, 521, 571, 839 Haarmann, Ulrich 313 Häberlin, Paul 265, 266, 270, 275, 276, 285 – 287, 292 f., 300, 301, 355 – 357, 839 Haeckel, Ernst 481 Haensler, Georg 174, 190, 839 Hafis 205, 839 Hainisch, Marianne 631, 839 Hallwich, Hermann 734 – 737, 839 Hanisch, Johannes 22, 52, 839 Hardegger, Margaretha 168 f. Harden, Maximilian 387, 484, 491 Harms, Bernhard 3, 10, 19 f., 21, 23 – 41, 43, 49, 52, 53, 55, 56, 59, 60, 64, 65 f., 67, 68 – 71, 73, 76 f., 78 – 80, 81 f., 86, 91, 92, 94, 101, 126, 127 f., 196, 197, 684, 839 f. Harnack, Adolf 338, 840 Hartmann, Ludo Moritz 24, 480, 840 Hasenkamp, Adolf 124 Hattemer, Lotte  Chattemer, Lotte Hausrath, Adolf 447, 840 Hausrath, August 122, 840 Hausrath, Emilie (Mila) 150 Hausrath, Hans 568, 771, 814 Hausrath, Laura 122, 179, 630 Hausrath, Paula  Schmidt, Paula Hausrath, Pauline  Wiener, Pauline Hayek, Friedrich August von 45 Heckel, Max von 124, 734 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 115 Heimann, Eduard 473 Hein, Elisabeth 451, 454, 455, 840 Hein, Lena 326, 445, 451 – 455, 457, 459, 840 Hellauer, Josef 436

881

Hellmann, Sigmund 723 Hellpach, Willy 270 – 273, 276 – 278, 840 f. Herkner, Heinrich 4, 83, 134, 140, 142, 231, 263, 339, 367, 460, 473, 482, 506, 553, 558, 559, 564, 573, 575, 611, 810, 841 Hermann, Fritz 172, 174, 179, 190, 444, 449, 499, 776, 778, 841 Hermann, Lilli 11, 122, 162, 172 f., 174, 179, 190 f., 326, 444, 449, 499, 628, 630, 769, 776, 778, 797, 841 Hesse, Albert 74, 841 Hessel, Franz 157 Hettner, Alfred 4, 122, 367, 473, 558, 559, 562, 564, 573, 575, 810, 841 Himstedt, Franz 447 Hintze, Otto 525 Hirsch, Bertha 194 Hirsch, Emil 194 Hirsch, Johanna 194 Hirsch, Julius 45 f., 51, 52, 60, 62, 119, 228, 368, 377, 383, 398, 400, 436 f., 501, 513, 514, 531, 553, 559, 567, 573, 693, 709, 718, 719 f., 722, 841 His, Rudolf 74, 132, 841 Hobrecht, Arthur 614, 842 Hobrecht, James 614, 842 Hodler, Ferdinand 146, 148, 842 Hoesch, Marie Josephe von 796 – 798, 842 Hofmann, Ida 147 Höller, Elise (Lisi) 155, 158, 160, 174, 206, 543, 653, 677, 842 Hollmann, Maria 455, 842 Hollmann, Wilhelm 455, 842 Honegger, Hedwig 600 Honigsheim, Paul 12, 190, 416, 432, 525, 714 f., 750, 842 Horaz 248, 709 Huber, Ernst Rudolf 178 Huck, Wolfgang 226 f., 421, 842 Hurwitz, Emanuel 152, 160, 388, 462, 464, 484, 491 f., 503, 509 Inama-Sternegg, Karl Theodor von 739 Jacobsohn, Berta  Lask, Berta Jaffé, Edgar 4, 41, 47, 54, 57, 71, 90, 93, 95, 101, 157, 160, 186, 216, 221, 229, 232, 245, 263, 376, 398, 417, 442, 465 f., 470, 477 – 483, 518 f., 527 – 530, 544 – 546, 548 f., 553, 559, 567, 584, 597, 610, 652, 689, 699, 701, 718, 730, 738, 740, 767,

882

Personenregister

768 – 770, 773, 776, 778, 780, 803, 812, 842 Jaffé, Else 10 f., 152, 160, 168, 181, 182, 186, 187, 189, 194, 205 f., 275, 299, 402, 545, 549, 577, 584, 592, 594, 597, 608 f., 612, 621 f., 629, 637, 669 f., 681 – 683, 685, 842 f. Jaffé, Friedrich (Friedel) 546, 843 Jäger, Ferdinand 233, 843 Jahn (Familie von Valborg Weber) 281, 283, 325, 328 Jahn, Gunnar 283, 843 Jahn, Valborg  Weber, Valborg Jänecke, Max 227, 421 f., 843 Jaspers, Gertrud 211, 240, 243, 843 Jaspers, Karl 4, 8 f., 11 f., 174, 182, 209 – 212, 239 – 243, 247, 264 – 267, 270 – 273, 275 f., 278, 285 f., 292 f., 300 f., 355 – 357, 550, 632, 843 Jastrow, Ignaz 704 Jellinek, Camilla 122, 161, 446 f., 843 Jellinek, Georg 419 f., 446, 843 Jellinek, Irmgard 446 f., 843 Jellinek, Walter 446 f., 843 f. Joël, Karl 286, 844 Jolly, Philipp 122, 150, 844 Jung, Carl Gustav 152, 160, 182, 844 Jung, Franz 386 f., 403, 405, 407, 440 f., 462, 464, 484, 485, 487, 518, 538, 555, 571, 651, 844 Kant, Immanuel 193, 261 Kantorowicz, Hermann 207, 252, 442 f., 470, 844 Kapp, Friedrich 614, 844 Karlstadt  Bodenstein, Andreas Katharina II. (russ. Zarin) 313 Kaufmann, Alexander A. Tl.: Kaufman, Aleksandr A. 76, 844 Keess, Stephan von 736 Keller, Franz 415 Keller, Fritz 19 – 21, 67, 69, 81, 91, 92, 844 Keßler, Gerhard 95 Kielmeyer, Ernst 20, 54, 56, 64, 65, 75 f., 86, 624, 625, 634, 694, 844 Kitzinger, Friedel 154, 438 Kitzinger, Friedrich 154, 438 Klages, Ludwig 583, 660, 844 f. Klebs, Georg 122, 845 Knapp, Georg Friedrich 256, 308, 345, 373, 845

Koch, Adolf 99 f., 422, 845 Kochmann, Wilhelm 263, 845 Koetzle, Gustav 34, 845 Konnerth, Hermann 116 Kopetz, Wenzel Gustav 735 f. Kozak, Theophil 256 Kraepelin, Emil 160, 277, 845 Krastel, Richard Otto 630, 845 –, dessen Frau 630 Kress, Daniel 256 Krieger, Bogdan 89, 480 Kronauer, Otto 492, 544, 650, 671, 678, 845 Kronberger, Maximilian 550, 845 Kroner, Richard 260 f., 318, 846 Kubitschek, Brigitta 154, 157, 181, 438 Külpe, Oswald 272, 846 Kumpmann, Karl 363 Kutsch, Arnulf 422 Lamping, Eleonore 452 Lamping, Wilhelm 452, 846 Landmann, Julius 256, 646, 846 Landsberger, Artur 227, 475, 846 Lang, Gertrud 604, 606, 846 Lang, Otto 153, 187, 191, 406, 542 – 544, 571, 584, 599, 602, 604, 606, 613, 619 f., 652, 662, 674, 679, 846 Lang, Rachel 604, 606, 846 Langen, Albert 157 Lask, Berta 241, 690, 846 Lask, Cerline 210, 464, 846 Lask, Emil 9, 11 f., 88 f., 123, 135, 174, 184, 209 – 212, 225, 239, 240 – 242, 247 f., 266 f., 393, 395, 402 f., 405, 440 f., 461 – 464, 486, 488, 497, 498, 500, 511, 518 f., 521, 534, 541 – 545, 550, 591, 600, 613, 619 f., 633, 644, 652 f., 666, 671, 674, 683, 690, 728, 734, 748, 751 – 753, 755, 757 – 759, 761, 763 f., 846 f. Laurer, Luise 223 f., 847 Lawrence, D.H. 152, 186, 577 Lederer, Emil 44, 45, 229, 230, 244, 343, 346, 349, 353, 361 – 365, 368 f., 384 f., 396, 398, 426, 427, 565, 570, 575, 585, 697, 710, 781, 847 Lederer, Emmy 585, 847 Leist, Alexander 125, 129, 215, 259, 367, 426, 565, 810, 847 Leitenberger, Franz 734, 847 Leitner, Friedrich 4, 231, 367 f., 426, 565, 568, 710, 810, 813, 847

Personenregister Lenel, Otto 359 Lenz, Elisabeth 203, 847 Leonhard, Edwin 497 f., 690, 749, 751, 758 – 766, 847 Leonhard, Rudolf 245, 249 f., 847 Lesser, Ernst J. 9, 312 – 315, 847 f. Lesser-Knapp, Marianne 315, 848 Levetzow, Viktor von 154, 157, 161 Levy, Hermann 271 Liefmann, Robert 124, 125, 256, 269, 848 Liepmann, Moritz 20, 73, 78 – 80, 82, 92, 127, 848 Lilienthal, Karl von 100, 848 Lina (Haushaltshilfe) 224, 326, 848 Lindner, Gregor 739, 848 Littmann, Enno 418, 419 f., 423, 848 Loening, Edgar 22 Loewenstein, Karl 298, 302, 444, 848 f. Loewenstein, Mathilde 298, 849 Loewenstein, Otto 298, 849 Lombroso Ferrero, Gina 689, 697, 849 Lotz, Walther 398, 514, 553, 559, 567, 575, 656, 658, 673, 718, 731 f., 812, 849 Lukács, Georg von 9, 12, 63, 88 f., 107 f., 115, 116 f., 120, 121, 122, 123, 135 f., 162, 174, 177, 181, 185, 189, 222, 225, 251, 274, 326, 335, 352, 354, 585, 596, 849 Lumm, Karl von 305 f. Luschin von Ebengreuth, Arnold 739 Luther, Martin 53, 320 Maliniak, Julian 119 Mangold, Fritz 257 f., 849 Mann, Thomas 163, 167, 188, 191 Marcks, Erich 303, 525 Márkus, György 116, 135 Marschak, Jakob 44, 229 f., 343, 369 Martini (Familie) 326, 849 Marx, Karl 144 Mauer, Hermann 231, 369, 430, 568, 771, 814, 849 Maximin  Kronberger, Maximilian Mehlis, Georg 261, 850 Meinecke, Friedrich 524 f., 750, 850 Mendelssohn (Schauspielerin) 597 Meunier, Ernst Friedrich 421 Meyer 599 Michels, Robert 4, 9, 24, 93, 230, 244, 256, 257 f., 268, 288, 349, 353, 362, 364 f., 367, 382, 396, 427, 431 f., 465, 469 – 471, 473, 478, 480, 553, 558, 559, 564, 570,

883

573, 575, 627 f., 630, 638 – 640, 646, 655, 688 f., 692, 696 – 698, 701 – 703, 706 f., 802, 804, 816, 850 –, dessen Kinder 257 Michels-Lindner, Gisela 256 – 258, 268 f., 646, 688, 698, 707, 850 Mittelstädt, Annie  Stratz, Annie Mittelstädt, Otto 303, 850 Mittelstaedt, Eva  Plenge, Eva Mittelstaedt, Hermann 303 Möbius, Paul Julius 174 Moldenhauer, Paul 568, 771, 814 Mombert, Paul 4, 256, 397, 473, 553, 558, 559, 564, 573, 638, 810, 850 Mommsen, Clara 16, 200, 279, 284, 294, 324, 328 – 332, 458, 460, 580, 617, 620, 850 Mommsen, Ernst 16, 200, 332, 457 f., 850 Mommsen, Konrad 200, 851 Mommsen, Theodor 740 Mommsen, Wolfgang J. 88, 799 Mons, August 614 Mons, Emma 614, 851 Muh.ammad 313 Mühsam, Erich 147, 154, 387, 402, 440 f., 462, 464, 509, 555, 851 Müller, Alwine (Wina) 109 – 111, 123, 445, 451, 453, 455, 542, 851 Müller, Berthold 455, 851 Müller, Bruno 109 – 111, 121, 123, 159, 445, 851 Müller, Ernst Hermann 599, 851 Müller, Georg 110 f., 452 f., 455, 851 Müller, Karl 321 Müller, Marianne 589 Müller, Richard 171, 453, 455, 851 Müller, Roland 455, 852 Müller, Wilhelm 111, 159, 852 Müller, Wolfgang 455, 852 Müntzer, Thomas 53 Munzinger, Karl 475 Muser, Oskar 784, 852 Naumann, Friedrich 9, 96, 362, 745, 852 Neuhaus, Georg 144 Neumann, Carl 112, 122, 265, 286, 524, 528, 730, 852 Nicolai, Philipp 653 Nietzsche, Friedrich 189 Nipperdey, Hans 259 Nissl, Franz 122, 264, 852

884

Personenregister

Nitzsch, Karl Wilhelm 723 Oedenkoven, Henri 147 Oertel, Friedrich 725 Oldenberg, Karl 4, 13, 55, 397 f., 473, 553, 558, 559, 562, 564, 573, 575, 611, 623, 703 f., 782, 783, 786, 790, 809, 852 Oncken, Hermann 134, 264, 265, 270, 272, 355, 357, 525, 853 Oppenheimer, Franz 24, 480, 704 Ostwald, Wilhelm 481 Ott, Elisabeth (Elsa) 146, 190, 597, 602, 605, 853 Ott, Hans 146, 601, 853 Palyi, Melchior 723 Pareto, Vilfredo 244 Partsch, Josef 131 Pearson, Karl 699 Pellech, Otto 11, 205, 386 f., 393, 462, 464, 484 f., 487, 489 – 496, 500, 502 – 505, 508 – 510, 515 – 517, 519 f., 532 – 537, 538, 539, 542 – 544, 555 f., 557, 560, 571, 576, 577, 578, 581, 583, 584, 589, 591 f., 597 f., 601 – 603, 606 f., 621, 631, 641 – 645, 647 – 653, 661 f., 666, 671 f., 674 f., 677 – 680, 685, 728 f., 748, 853 Penzler, Johannes 89 Perucchi, Gottardo 560, 628 Pfemfert, Franz 387, 403, 405, 407, 440 f., 461, 464, 485, 487, 518, 571, 853 Pfitzner, Hans 444 Philippe, Charles-Louis 177, 180 f., 853 Philippovich, Eugen von 83, 256, 372, 374, 473, 506, 553, 559, 565, 623, 634, 810, 818, 853 Philips, Carlo 153, 155, 163, 222, 853 Pick, Franz 772 Pieger, Bruno 796 Platon 414 Plenge, Eva 303, 316, 345, 853 Plenge, Johann 2, 4, 6 f., 9, 45 f., 48 – 52, 54, 57 f., 74, 96, 124 f., 130 – 133, 137 – 139, 201 f., 213, 215 – 217, 220 f., 227 f., 232, 263, 268, 269, 303 – 310, 316, 322 f., 342, 344 – 346, 347, 348 – 351, 359 f., 364, 366, 368 f., 370, 371 f., 376, 378 – 382, 383, 401, 404, 425 f., 428, 449, 573, 686, 693, 712, 811, 853 Pobedonoscev, Konstantin Petrovicˇ 314 Pollock, Ludwig 172, 854

Poncini, Enrico 503 Popper, Leo 116, 854 Publius Iuventius Celsus 49, 165 Puppe, Emma (Emmchen) 326, 455, 458, 580, 636, 854 Quattrini (Familie) 153, 159, 168, 551, 854 Rachfahl, Felix 20, 67, 69, 73, 78 – 80, 82, 91 f., 416, 432, 434, 525, 714, 750, 854 Radbruch, Gustav 9, 11, 209, 210, 240 f., 247, 252, 512, 550, 591, 630, 632 f., 854 Radbruch, Lina 11, 209, 210, 239, 241, 247, 512, 550, 591, 600, 854 Ranke, Leopold 409, 854 Rathgen, Karl 344, 348 f., 374, 404, 449, 507, 513, 554, 569, 586, 624, 711 f., 721 f., 726, 727, 777, 814, 854 f. Rechenberg-Linten, Baron Alexander von, jr. 154 f., 158, 187, 203, 235 – 237, 438, 855 Rechenberg-Linten, Baron Alexander von, sen. 154, 155, 158, 203, 234, 438, 620, 855 Reil, Theodor 725 Reiner, Paul 545 f., 548 f., 855 Respini-Orelli, Mario 157 Reventlow, Else 158, 181, 234, 660 Reventlow, Franziska Gräfin zu 11, 154, 155, 157 f., 160 f., 181 f., 187, 194, 204, 206, 234 – 238, 438, 583, 589, 595, 597, 620, 628, 629, 645, 660, 776, 855 Reventlow, Rolf 11, 157, 158, 160, 161, 236, 238, 438, 583, 595, 597, 645, 653, 660, 855 Rheinstrom, Heinrich 298, 302, 660, 855 Rickert, Heinrich 8 f., 83 – 85, 117, 127 f., 134, 140, 176, 214, 222, 241, 260 – 263, 297, 311, 318 – 320, 339, 355, 408 – 411, 497, 524 f., 577, 580, 581, 583, 750, 855 Rickert, Sophie 222, 319 f., 577, 580, 581, 583, 855 Riegger, Joseph Anton von 736 Riegl, Alois 116, 856 Riehl, Alois 187, 194, 579, 856 Riehl, Sophie 194, 856 Rilke, Rainer Maria 115 Rintelen, Carl 537, 602, 648 f., 677, 680 f., 856 Riou, Gaston 107, 115, 120 f., 856 Ripke, Axel 497, 498, 690 f., 749, 751 – 766, 856

Personenregister Röntgen, Conrad 447 Rosin, Heinrich 578 f., 856 Rösing, Clara 317 Rösing, Fritz 317, 325, 856 Rösing, Johannes 317 Rudorff, Adolf Friedrich 740 Salin, Edgar 326 Sallust 89 Salomo 315, 412 Salz, Arthur 4, 9, 12 f., 122, 143 – 145, 228, 256, 343, 368, 426, 439, 449, 468, 527 f., 529, 547, 562, 566, 610, 730, 731 – 743, 749, 767, 769 f., 772, 775 f., 778, 811, 856 Salz, Beate 122 Salz, Sophie (Soscha) 121 f., 145, 439, 856 Samson-Himmelstjerna, H. v. 596 Sander, Paul 527 – 529, 547, 610, 730, 732 – 736, 738, 741 – 743, 767, 769, 770, 772, 776, 856 f. Sauder, Gerhard 88 Schachner, Käte 361, 398, 857 Schachner, Robert 229, 361, 369, 398, 426, 570, 815 f., 857 Schäfer, Dietrich 419 Schäfer, Hermann 13, 16, 159, 179, 279, 789, 790 – 793, 799, 857 Schäfer, Lili 16, 159, 179, 234, 237, 279, 280, 281, 317, 324 f., 328 – 331, 458, 460, 523, 541, 617, 789, 790 – 793, 857 –, deren Kinder 234, 279, 329, 792 Schandau, Bertha 223 – 225, 233, 857 Schebek, Edmund 527, 737 – 739, 857 Scheel, Fritz Alfred 475, 477, 857 Scheidegger, Robert 152, 599 Schenck, Anna von 797, 857 Schiff, Walter 812 Schiller, Friedrich 571 Schloffer, Arnold 387, 488, 503 f., 516 f., 519 – 522, 532, 534 – 537, 542, 549 f., 581, 591, 599, 641, 644, 669, 857 Schloffer, Frieda  Gross, Frieda Schloffer, Hermann 387, 517, 520 f., 550, 591, 599, 613, 622, 630, 641, 644, 648, 668, 669, 857 Schmalenbach, Eugen 22, 52, 858 Schmid, Cläre 795, 858 Schmid, Ferdinand 24, 151, 208, 480, 858 Schmid, Friedrich Alfred 260 f., 319, 752 – 759, 761 – 766, 795, 858 Schmidt, Georg Benno 120, 122, 150, 858

885

Schmidt, Israel 295 Schmidt, Julian 614, 858 Schmidt, Paul 677, 858 Schmidt, Paula 120, 122, 150, 858 Schmidt, Richard 733, 858 Schmitz, Oskar A.H. 181, 858 Schmöle, Josef 124, 220, 858 f. Schmoller, Gustav von 8, 83 f., 128, 142, 176, 214, 311, 339 – 341, 410, 418 – 420, 423, 704, 706, 723, 859 Schnitger, Hugo 233, 859 Schnitger, Marie 219, 222, 233 f., 237, 859 Schoch, Otto 99 f. Schölch, Alexander 313 Schöll, Dorothea 797, 859 Schöll, Fritz 797 Schönberg, Elsa 22, 32, 34, 49, 70, 77, 859 Schönberg, Gustav jr. 22, 24, 30 – 32, 34, 49, 64, 65, 70, 684, 709, 859 Schönberg, Gustav von 4, 22, 23, 24 f., 25 – 30, 31, 34, 37 – 39, 49, 54, 56, 70 f., 79, 82, 120 f., 127, 343, 346, 424, 428, 552, 610, 624 f., 634, 655, 684, 687, 695, 819, 859 Schönberg, Marie-Leonore 22, 32, 34, 49, 70, 77, 859 Schönbergsche Erben 3, 19 f., 30, 35, 60, 65, 71, 86, 687, 709 Schreyer, Joseph Anton 736 Schubert (Heidelberger Theologe) 805 Schultz, Fritz 421 Schulze-Gaevernitz, Gerhart von 4, 54, 57, 83, 96, 139, 194, 216, 220, 232, 310, 316, 348, 359, 360, 366, 368, 371 f., 376, 378, 379, 381, 383, 385, 398, 501, 507, 553, 559, 567, 573, 686, 694 f., 703, 712, 718, 719 f., 722, 801, 812, 859 Schulze-Gaevernitz, Luise 194, 859 Schumacher, Hermann 23, 29, 43, 45, 52, 230, 308 f., 322, 368, 377, 383, 398, 400, 404, 425, 501, 513, 514, 531, 553, 559, 567, 573, 575, 654, 659, 676, 686, 693, 703, 708 – 710, 712, 717 – 720, 721, 722, 771, 812, 860 Schumpeter, Joseph 4, 374, 398, 448, 467, 473, 506, 514, 531, 547, 553, 558 f., 564, 586, 611, 623, 634, 704, 810, 860 Schur, Gottlieb 600, 641, 860 Schwiedland, Eugen 4, 259, 367 f., 398, 427, 514, 567, 569, 693, 713, 719 f., 722, 744, 812 f., 815, 860

886

Personenregister

Schwoerer, Victor 100, 524, 860 Seeliger, Gerhard 723 Seidler, Irma 583, 584 f., 596, 860 Sering, Max 228, 245, 373, 860 f. Shakespeare, William 593 Siebeck, Oskar 35, 49, 52 f., 55, 102, 227, 232, 245, 249, 253, 259, 370, 372, 383, 385, 399, 478, 552, 655, 704, 783, 788, 800 f., 805, 861 Siebeck, Paul 1, 3 – 5, 7, 9 f., 13, 19 – 24, 25, 27, 28 f., 30, 31, 32 – 37, 38, 39 – 46, 48 f., 51, 52 – 57, 59 – 61, 64 – 66, 67, 69 – 71, 73, 75 – 77, 78 – 80, 86 f., 90, 91 f., 94, 101 f., 126, 127, 129, 138, 143, 151, 196, 199, 208, 216, 220, 226 – 232, 244 – 246, 249 f., 263, 321, 327, 333 f., 336, 343 f., 345 f., 347 – 349, 353, 359, 360, 362, 364, 366 – 377, 381, 383 – 385, 396 – 400, 404, 421, 424, 428 – 430, 444, 448 – 450, 466 – 468, 471, 473 f., 475, 477, 478, 501, 506 f., 513 f., 526, 527, 530 f., 547, 552 – 554, 558 f., 562 – 570, 573 – 576, 578, 586 – 588, 610 f., 623 – 626, 634 f., 638 – 640, 646, 654 – 659, 667, 673, 676, 684, 686 – 689, 692 – 697, 701, 702, 703 – 706, 707, 708 – 713, 716 – 722, 726 f., 744, 747, 767 – 781, 783, 787 f., 800 – 802, 803, 805, 861 Siebeck, Robert 13, 783, 787 f., 801, 861 Siebeck, Thekla 53, 787, 788, 801, 861 Siebeck, Werner 783, 801, 861 Sieveking, Heinrich 4, 43 – 45, 51, 62, 74, 118 f., 121, 217 f., 228, 254 f., 368, 398, 412 f., 424, 436 f., 501, 506, 552 f., 559, 562, 567, 584, 603, 623, 709 f., 718, 727, 747, 861 Sieveking, Rosa 218, 861 Simmel, Georg 8, 12, 88, 123, 151, 244, 319, 418, 419 f., 423, 442, 470, 477, 479, 733, 861 Simmel, Gertrud 123, 168, 861f. Simon, Julius 312, 315, 862 Simson, August von 55, 862 Skalweit, August 124 f., 215, 269 Sofie (Hausmädchen in Erfurt) 614, 862 Sokrates 414 Somary, Felix 370, 372, 383, 862 Sombart, Werner 9, 23, 93, 102, 119, 151, 226, 229, 256, 299, 337, 367, 412 – 417, 421, 426, 432 – 435, 465, 471 f., 475, 477,

478, 479, 481, 562, 565, 701, 727, 734, 803, 810 f., 862 Spahn, Martin 418 Spann, Othmar 256, 346, 383 – 385, 399 f., 404, 481, 553, 562, 566, 703, 862 Spiethoff, Arthur 125, 215, 370, 372, 383, 399, 528, 731 f., 767, 863 Stammler, Rudolf 442 Steinitzer, Erwin 259, 367, 426, 430, 566, 710, 716, 810, 863 Stengel, Karl Freiherr von 22 Stern, I. 205 Stern, Paul 154, 157, 234 Störring, Gustav 418 Stratz, Annie 303, 863 Stratz, Rudolf 303, 863 Strieder, Jakob 732 Supino, Carlo 396, 863 Swart, Friedrich 228, 245, 375, 427, 430, 569, 710, 712, 863 Szeemann, Harald 147, 203 Tacitus 409 Tagore, Rabindranath 497, 754, 762 Tennstedt, Florian 203 Terenz 709 Teubner, B.G. 659, 676, 703, 708, 710, 717 f., 720 Thomas von Aquin 412 Thorbecke, Clara 795, 863 Thukydides 409 Tiede, August 614, 863 Tiede, Helene 614, 863 Tobler, Achim 146, 224 Tobler, Bertha 459 Tobler, Henriette 146, 605, 794, 863 Tobler, Mina 12, 121, 123, 146, 148, 163, 167, 169 f., 184, 185, 188, 190 – 192, 200, 224 f., 233, 444, 452 f., 457, 459 f., 497, 557, 584, 597, 601, 602, 604 f., 662, 785 f., 789 f., 794 f., 864 Tolstoj, Leo 157, 582, 864 Tönnies, Ferdinand 3, 9 f., 19 f., 67 – 73, 77, 78 – 82, 86, 91 f., 95, 101, 126 – 129, 196 f., 244, 416, 417, 421, 432, 434, 465, 478, 482, 525, 699 f., 799, 864 Totomianz, Vahan 231, 369 Traumann, Ernst 99, 864 Troeltsch, Ernst 4, 23, 63, 107, 120 – 122, 123, 147, 223, 298, 450, 598, 714, 750, 864 Troeltsch, Marta 120, 223, 864

Personenregister Troeltsch, Walter 218 Ullmann, Camilla 493 Ullmann, Regina 493 Verdi, Giuseppe 444 Vogelstein, Theodor 4, 95, 120, 230, 377, 401, 426, 553, 562, 566, 568, 693, 710, 712 f., 719, 722, 800, 811, 813, 864 Wachsmuth, Emilie 454, 864 Waentig, Heinrich sen. 131, 865 Wahl, Adalbert 525, 688, 689, 696, 701, 865 Walter, Bruno 444 Wantrup, Ludwig 480 Warburg, Wilhelm 447 Weber, Adolf 4, 259, 369, 427, 568 f., 575, 814 f., 865 Weber, Alfred 4, 8, 13, 16, 24, 86, 95, 97, 112, 121, 160, 168, 170, 179, 181, 186, 223, 266, 275, 280, 290, 292, 295, 300 f., 317, 326, 328 f., 343, 399, 421, 427, 514, 518 f., 523, 524, 545, 567, 569 f., 577, 584, 594, 609, 612, 614, 617, 629, 641, 669, 710, 731, 737, 783, 785, 790, 799, 812, 815 f., 865 Weber, Arthur 10, 13, 16, 171, 178, 180, 190, 192, 279 – 284, 289 – 291, 294 – 296, 317, 324 – 326, 328 – 332, 541, 580, 612, 616, 783, 790, 799, 865 Weber, Carl (Carlo) 111, 326, 445, 451, 453 – 455, 459, 865 Weber, Carl David 16, 109, 111, 235, 800, 865 Weber, Emilie (Emily) 326, 451, 453 – 455, 459, 865 Weber, Helene (Helenchen) 615, 866 Weber, Helene 10, 13, 16, 109, 157, 159, 171, 178 – 180, 200, 223, 233 – 235, 237, 279 – 284, 289 – 291, 294, 295, 317, 319, 324 – 326, 328 – 331, 338, 452, 457 f., 460, 523, 580, 596, 603, 607 f., 612 – 618, 620, 622, 629, 630, 636 f., 782, 785, 789, 790 f., 792, 795, 865 Weber, Karl 13, 16, 179, 283 f., 324 f., 326, 328 f., 445, 455 – 458, 460, 557, 580, 612, 617, 620, 629, 636, 783, 790, 791 f., 799, 866 Weber, Marianne 1, 7, 10 – 16, 67, 73, 78, 81, 91, 109, 111 f., 116, 120 – 123, 126 f., 145 – 150, 152 – 164, 167 – 175, 177,

887

179 – 195, 198, 200, 203, 209, 219, 222 – 225, 233 – 235, 237, 242, 244, 247, 258, 268, 281 f., 294, 298, 303, 312, 319, 326, 328, 330 f., 333 f., 336, 338, 350, 352, 354, 382, 386, 388, 396, 401 f., 406, 438, 440, 444, 445, 451 – 460, 461, 477, 483, 488, 490, 511, 512, 522 f., 543, 544, 545, 551, 555 – 557, 560, 576 – 585, 589 – 598, 599 f., 602 – 609, 612 f., 616 f., 619 – 622, 628 – 632, 636, 641, 643, 645, 647, 650, 653, 660, 662, 674, 677, 682, 690, 696, 699, 709, 714 f., 723, 746 f., 751, 778, 782, 784 f., 787, 789, 790 f., 795, 802, 866 Weber, Max sen. 16, 171, 280, 325, 330, 614, 616 f., 866 Weber, Max – Agrarverhältnisse im Altertum3 (1908/09) 724 – Das antike Judentum (1917 – 19) 6 – Antikritisches zum „Geist“ des Kapitalismus (1910) 91, 714 – Antikritisches Schlußwort zum „Geist“ des Kapitalismus (1910) 91, 714, 750 – Äußerungen zur Werturteildiskussion (1913) 8, 134, 140, 165, 176, 214, 297, 311, 339 – 341 – Bemerkungen zu der vorstehenden „Replik“ (1908) 434 – Erfahrungsberichte über Lazarettverwaltung (1914/15) 13, 782, 785 – Erklärung [zu Salz, Sander] (1914) 742 – Zur Erklärung der Prager Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät (1916) 529 – Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie 715 – GdS/ übernommene Artikel 399, 565 f., 568 – 570, 810 f., 814 – 816 – GdS/ Vorwort (1914) 428, 610, 624 – 626, 634 f., 655, 658, 684, 686, 692, 694 f., 704, 775 – Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie (1913) 7 f., 260 – 262, 318, 333 f., 336, 356, 358, 370, 375, 377, 442 f. – Kritische Bemerkungen zu den vorstehenden „Kritischen Beiträgen“ (1907) 434 – Politik als Beruf (1919) 582 – Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904/05/1920) 91, 412, 415 – 417, 432 f.

888

Personenregister

– Zur Psychophysik der industriellen Arbeit (1908/09) 264 – Redaktionelles Nachwort (1914) 527, 529, 547, 610, 730 f., 740 – Zu dem redaktionellen Geleitwort im Märzheft 1914 529, 731, 737, 740, 768, 770, 773, 776, 778, 780 – Die römische Agrargeschichte (1891) 740 – Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften (1917) 8, 134, 214, 297, 311, 339 – 341 – Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen (1915 – 20) 6, 415 f. – Wirtschaftsgeschichte (1923) 723 – WuG (1921/22) 1, 3 – 7, 10, 12, 262, 304, 344, 349, 353, 373 f., 415, 422, 427, 444, 449 f., 468, 473 f., 506, 553, 559, 565, 574, 587 f., 623, 634, 721 – 724, 726, 727, 745, 750, 775, 781, 810 – WuG/ Gemeinschaften 245 – WuG/ Recht 6, 588 – WuG/ Religiöse Gemeinschaften 6, 262, 411 Weber, Ottilie 171, 280, 295, 330, 866 Weber, Valborg 16, 279, 280 f., 283, 289 f., 294 f., 317, 325, 328 – 331, 580, 612, 866 Wedel, Karl Graf von 418 Weekley, Frieda 152, 186, 577 Wegener, Leo 231 Wellhausen, Frl. 560, 866 Wenckstern, Adolf von 74, 866 Wernicke, Carl 159, 581 f. Wetzel, Albrecht 357, 499, 866 f. Weyermann, Moritz Rudolf 4, 74, 231, 429 f., 513, 568, 867 Wichert, Fritz 107, 583, 584 f., 867 Wiedenfeld, Kurt 125, 215, 230, 231, 384, 398, 400, 514, 553, 559, 567, 575, 611, 638, 656 f., 673, 676, 703, 718, 719 f., 722, 812, 867 Wielandt, Lilli 120, 123, 159, 162, 172, 185, 223, 867

Wielandt, Rudolf 120, 162, 867 Wiener, Alexander 446, 447, 867 Wiener, Christian 447, 867 Wiener, Eleonora 447, 867 Wiener, Erich August 447, 867 Wiener, Irmgard  Jellinek, Irmgard Wiener, Otto 447, 868 Wiener, Pauline 447 Wieser, Friedrich von 2, 4, 24, 86 f., 143, 230, 244, 246, 255, 342 f., 371, 373, 383, 397 f., 400, 424, 448, 467, 473, 501, 506, 507, 514, 531, 553, 558 f., 564, 573 – 575, 587 f., 611, 623, 634, 774, 809, 868 Wilbrandt, Robert 60, 95, 97, 128, 165 f., 259, 365, 369, 427, 569 f., 815, 868 Wilcken, Ulrich 725, 868 Wilhelm II. (deutscher Kaiser und König von Preußen) 69, 339, 340 f. Willich, Curt von 69 Wilmanns, Karl 273, 357, 499, 868 Wilson, Woodrow 465 f., 868 Windelband, Wilhelm 88 f., 102, 107, 121, 210, 212, 264, 265 – 267, 270 – 272, 275, 276, 285 f., 293, 301, 355, 357, 420, 524, 868 Wittich, Werner 256, 568, 813 Wolf, Julius 74, 299, 305, 868 f. Wolff, Kurt 497, 690, 751, 753, 761, 869 Wolfskehl, Karl 107, 115, 181, 869 Wüstendörfer, Hans 46, 869 Wyclif, John 416 Wygodzinski, Willy 125, 215, 231, 369, 427, 568, 570, 710, 771, 773, 814, 869 Zadok 315 Zeeden, Konrad 589 Zill, Friedrich 679, 869 Zuckerkandl, Robert 370, 372, 731, 737, 740, 869 Zwiedineck-Südenhorst, Otto von 4, 95, 125, 215, 246, 259, 368 f., 425, 427, 568, 570, 744, 813, 815, 869 Zycha, Adolf 772, 869

Ortsregister

Nicht berücksichtigt wurden die Absendeorte der Briefe sowie die im Personenverzeichnis genannten Orte. Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.

Aachen 447 Amerika 50, 174, 313, 344, 404, 448 f., 466, 554, 586, 711 Antwerpen 147 Ascona 10 f., 146 f., 149, 151, 152 – 154, 159, 161, 177, 178, 186, 188, 196, 198, 204 f., 209, 218, 219, 222, 234 – 236, 287, 386, 438, 486, 489, 491, 493, 503, 510, 515, 543, 550, 555, 556, 560, 571, 574, 577, 580 f., 583, 592, 599, 603, 604, 606, 621, 627, 635 – 637, 650, 653, 660, 669 f., 681, 728, 748 Assisi 333 Baden, badisch 88 f., 99, 268, 419, 524 Baden (Schweiz) 702 Bahrein 313 Baltikum, baltisch 154, 235 Basel 56, 256, 257, 265, 266, 268, 270, 275 f., 285 f., 288, 292, 300, 355, 357, 364, 382, 407, 627, 628, 630, 646, 698, 707, 785 Belgien 796 Bellinzona 198, 577, 584, 594, 603, 609 Berlin 8, 24, 55, 74, 83 f., 90, 103 f., 120, 125, 134, 147, 165, 176, 178, 203, 208, 219, 223, 227, 253, 256, 279, 281, 289, 294, 337, 357, 385 – 387, 392, 401, 407, 419, 423, 444, 447, 449, 451, 458 f., 461, 464, 469, 479 f., 484, 485, 487, 490, 500, 509, 518, 521, 524, 571, 595, 596, 608, 609, 614, 651, 704, 706, 716, 750, 753, 760, 791 auch: Charlottenburg, Schöneberg Bern 168, 650 Bielefeld 452, 787 Bodensee 573 Bonn 719 Breslau 74, 305 Brissago 175, 194 Bromberg 790

Brüssel 90 Bulgarien 175 Calw 218 Charlottenburg 263, 281, 370, 445, 447, 603, 612, 620 f.  auch: Berlin China, chinesisch 304 Cöln  Köln Czernowitz 491, 502 Dänemark 788 Danzig 159, 179, 284, 455, 792 Deutschland, deutsch 51, 107, 147, 152, 174, 183, 226, 256, 257 f., 268, 312, 314, 340 f., 406, 486, 489, 517 – 519, 538, 632, 660, 743 Donaueschingen 103 Dresden 51, 131, 792 Düsseldorf 83 Elsaß 14, 785, 790 Elsaß-Lothringen 799 England, englisch 281, 313, 362 f., 437 Erfurt 614 Erstfeld 603 Europa 174 Feldberg (Schwarzwald) 326 Flandern 119 Florenz 352 Frankfurt a.M. 95, 469, 479, 480 Frankreich, französisch 107, 115, 234, 237, 312, 421, 437, 496, 799 Freiburg i.Br. 104, 109, 146, 152, 172, 173, 187, 190 f., 194, 198, 201, 208 f., 256, 326, 357, 423, 444, 446, 447, 449, 452 f., 499, 518, 524 f., 577, 579, 580 f., 583 f., 627 f., 630, 650, 750

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Ortsregister

Friedrichsruh 89 Gautzsch 323 Gießen 124, 125, 130, 131 – 133, 138, 215, 268 Graz 10, 152, 155, 386 – 388, 441, 486, 488, 490, 491, 493, 500, 503, 504, 511, 517, 534, 536, 542 f., 549, 550, 555, 571, 576, 581, 584, 592, 601 f., 641, 642, 644, 645, 650, 652, 661 f., 672, 674, 677, 729, 746 Griechenland 175, 312 Grindelwald 186 Hamburg 721 Hannover 77, 300, 445, 457, 458, 460, 461, 612, 617, 629, 636 Heidelberg 8 – 10, 12 f., 20, 68, 78, 88, 99, 102, 112, 120 – 122, 127 f., 135, 146 f., 150, 152 f., 159, 179, 189, 196, 199, 207, 209, 212, 222 f., 256, 264, 270 – 272, 275 f., 282, 292, 300, 303, 326, 330, 355, 385, 402, 414, 422, 423, 447, 451, 452, 458 f., 478, 485, 497, 518, 524, 528, 538, 541, 557, 577, 579 f., 585, 603, 622, 624 f., 632, 633, 636, 667, 674, 690, 699, 714, 730, 749, 754, 762 f., 778, 782, 784, 789 – 791, 794, 796 – 798, 801, 805 Irschenhausen (Isartal) 186 Istanbul 313 Italien, italienisch 50, 119, 130, 134, 138, 139, 256, 258, 268, 311, 312, 315, 326, 333, 493, 496, 580, 592, 612, 646, 688, 692, 696 f., 701, 789 Jemen 313 Jena 35, 36 Jerusalem 312, 315 Joachimsthal 739 Kandern (Schwarzwald) 120 Karlsruhe 13, 270, 272 f., 276, 447 Kehl 159 Kiel 3, 19 f., 21, 23, 33, 35, 49, 67, 68, 70 f., 73, 76, 78 – 80, 82, 89, 91, 94, 101, 126, 196 Klosterneuburg 387, 402 f., 405, 440, 462 Köln 45 f., 60, 62 Konstanz 330 Kuwait 313

Lago Maggiore 151, 177, 557 Leipzig 50, 52, 95, 125, 138, 323, 353, 497, 654, 659, 690, 724, 752, 754, 760, 778 Lemgo 219, 222 Lerici 493, 577 Locarno 147, 150, 153, 157, 161, 164, 171, 173, 183 – 185, 187, 189, 192, 194, 196, 198, 200, 560, 571, 574, 598, 652, 664, 746, 748 London 175 Lothringen 790 Lübeck 419 Lugano 50, 130, 138, 663, 748 Lüttich 790 Madrid 154 Maggia (Fluß) 621 Mailand 438, 532 f., 536, 543, 555 – 557, 560 Mallorca 154, 157, 161, 234, 236, 438 Mannheim 194, 228, 271, 475, 583 Mekka 313 Mendrisio 503, 510 Mitau 438 Mittel-Schreiberhau (Riesengebirge) 414 Monte Verità 147, 149, 203 Mülhausen (Elsaß) 785 Müllheim (Schwarzwald) 120 München 54, 95, 152, 154, 157, 161, 181, 183, 186, 187, 189, 201, 237, 298, 302, 387, 444, 462, 485, 509, 518, 539, 545, 550, 592, 649, 660, 728 f., 732, 749 Münster 74, 124, 132, 138, 201, 213, 215, 217, 220, 227, 268, 303, 323 Muralto 600, 642 Neapel 577, 597 New York 404, 448, 554 Niedereggenen (Schwarzwald) 120, 123 Niederösterreich  Österreich Norwegen, norwegisch 279, 281, 289, 295, 317, 325, 580, 612 Oberelsaß  Elsaß Oerlinghausen 109, 121, 123, 150, 159, 171, 180, 192, 222, 223, 234 f., 445, 451, 453, 457, 459, 542, 589, 800 Offenburg 785 Oliva (Kloster bei Danzig) 284  auch: Danzig Oman 313 Orta, Orta-See 186

Ortsregister Österreich, österreichisch 160, 386 f., 388 f., 406, 448, 462, 489 f., 492, 494, 496, 515, 538, 595, 631, 648, 664, 675 Ostpreußen 791 Palästina 312, 313 Palma de Mallorca 154, 157, 161, 182 auch: Mallorca Paris 107, 115, 120, 180, 423 Peking 150 Persischer Golf 181 Perugia 311, 333, 334, 338 Pfäffikon 584 Piemont 256 Polen 314 Posen 69, 228, 375, 430 Prag 5, 152, 372, 387, 517, 527 – 529, 547, 550, 599, 610, 613, 622, 630, 648, 668, 730 – 733, 737 – 739, 741, 743, 767 f., 769, 772, 773, 776 Preußen, preußisch 95, 96, 98, 124, 419, 651 Rapperswyl 601 f., 604 – 606 Riffelalp (bei Zermatt) 186 Riviera 168 Rom 12, 186, 302, 304, 311, 315, 326, 330, 333 f., 338, 352, 354, 584 Ronco 235 Rumänien 175 Rußland, russisch 152, 154, 313 f., 329, 438, 493, 604, 632 Schlesien 387, 463 Schleswig-Holstein 788 Schöneberg 386  auch: Berlin Schwabing 181, 189  auch: München Schwarzwald 120 Schweiz, schweizerisch 135, 143, 145, 147, 153, 157, 183, 268, 314, 407, 489, 491 f., 494, 542, 571, 650, 660, 663 f., 671, 675, 789 Schwetzingen 219 Serbien 175 Siena 311, 319, 326, 333, 334 Signa (bei Florenz) 352 Simplon 186 Singen 785

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Sizilien 50, 577 Skutari 175 Spanien, spanisch 234, 237 St. Petersburg 632 Staufen 122, 172, 630 Straßburg 104, 150, 174, 190, 326, 418, 419 f., 423, 528, 580, 776 Stuttgart 76, 77, 94, 226, 694 Tannenberg 791, 799 Tennenbronn 630 Tessin 438, 491, 503, 510, 620 Trondheim 279, 281, 283 Troppau 387, 463, 502, 536, 540, 641, 661 Tübingen 28, 30, 128, 347, 349, 353, 421, 449, 561, 611, 787, 801 Tulln 386 f., 463, 484, 490 f., 502, 503, 509, 515, 536, 538 Turin 258, 268, 382, 396 Türkei 312, 313 Ufenau (Insel im Zürichsee) 584, 597, 605 Ukraine 314 Ulm 153, 458, 621 f., 631 Ungarn 387 Urach 330 USA  Amerika Venedig 789 Vereinigte Arabische Emirate 313 Weißrußland 314 Westfalen 303 Wien 11, 83, 386 f., 403, 462, 463, 481, 484 f., 487 f., 490, 491, 494, 500, 503, 527, 536, 538, 548, 550, 556, 571, 576, 578, 586, 594, 600, 644, 716, 737 Wittenberg 53 Wolfratshausen 545 Württemberg 226, 421, 471 Ziegelhausen (östlich von Heidelberg) 758 Zürich 43, 119, 145 – 147, 148, 152, 156, 160, 167 – 169, 174, 182, 187, 190, 218, 236, 386, 388, 391, 393, 543, 544 f., 571, 584, 594, 597 f., 599, 601, 604, 606, 619, 652, 662, 789 Zürichsee 584, 612

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe Abteilung II: Briefe

1. Aufbau der Gesamtausgabe In der Max Weber-Gesamtausgabe werden die veröffentlichten und die nachgelassenen Texte und Briefe Max Webers mit Ausnahme seiner Exzerpte, Marginalien, Anstreichungen oder redaktionellen Eingriffe in die Texte anderer wiedergegeben. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, so werden diese sämtlich, gegebenenfalls als Varianten, mitgeteilt. Editionen der Texte Webers, die er nicht selbst zum Druck gegeben hat, werden nur dann berücksichtigt, wenn dem betreffenden Herausgeber Manuskripte vorlagen, die uns nicht mehr überliefert sind. Die Max Weber-Gesamtausgabe gliedert sich in drei Abteilungen: Abteilung I: Schriften und Reden Abteilung II: Briefe Abteilung III: Vorlesungen

2. Aufbau der Abteilung II: Briefe In Abteilung II werden alle bislang bekanntgewordenen Briefe Max Webers veröffentlicht. Unter Briefen werden verstanden: Briefe im engeren Sinne, sowie Briefkonzepte, Postkarten und Telegramme. Sie werden vollständig aufgenommen. Briefe im Sinne dieser Definition, die nicht überliefert, aber nachgewiesen sind, werden im editorischen Apparat verzeichnet. Die an Max Weber gerichteten Briefe werden nicht abgedruckt, es wird von ihnen auch kein Verzeichnis erstellt. Die Briefe werden chronologisch nach den Schreibtagen ediert. Die einzelnen Bände umfassen geschlossene Jahrgänge, der jeweilige Zeitraum wird im Bandtitel angegeben. Die Bandfolge lautet: Band Band Band Band Band

1: 2: 3: 4: 5:

Jugendbriefe bis 1886 Briefe 1887 –1894 Briefe 1895 –1900 Briefe 1901 –1905 Briefe 1906 –1908 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1990

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Band 6: Briefe 1909 –1910 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1994

Band 7: Briefe 1911 –1912 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 2 Halbbände, 1998

Band 8: Briefe 1913 –1914 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 2003

Band 9: Briefe 1915 –1917 Band 10: Briefe 1918 –1920 In Band 10 werden als Nachträge auch solche Briefe aufgenommen, die nach Erscheinen der einschlägigen Bände noch aufgefunden werden oder die nicht datierbar sind.

3. Aufbau der Bände Jeder Band enthält ein chronologisches Verzeichnis der edierten Briefe, eine Einleitung der Herausgeber, die historisch-kritisch bearbeiteten Briefe Max Webers sowie Verzeichnisse und Register. Die Briefe werden in chronologischer Folge abgedruckt. Läßt sich diese bei Briefen vom selben Tag nicht bestimmen, so gilt die alphabetische Ordnung nach Empfängern. Briefe, die nur annähernd datierbar sind, werden am Ende des fraglichen Zeitraums eingeordnet.

4. Chronologisches Verzeichnis der Briefe Das chronologische Verzeichnis informiert über Datum, Schreibort und Empfänger der Briefe.

5. Einleitung Die Einleitung der Herausgeber informiert über den biographischen Kontext sowie die Überlieferungslage der Briefe im jeweiligen Band sowie über bandspezifische Editionsfragen.

6. Briefe Bearbeitung und Präsentation der Briefe folgen der historisch-kritischen Methode. Dies geschieht mit Hilfe eines Vorspanns und von drei Apparaten: dem

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Korrekturen- und dem Variantenapparat, die zum textkritischen Apparat zusammengefaßt sind, und dem Erläuterungsapparat.

6.1 Vorspann Jedem Brief werden Angaben über Empfänger, Datum, Schreibort und Fundort sowie Zeugenbeschreibungen vorangestellt. Abschriften und Vordrucke von Briefen werden nur nachgewiesen, wenn sie die Quelle der Edition darstellen. Ergeben sich Datierung oder Schreibort nur aus dem Poststempel oder einem Aufdruck des Briefes (Briefkopf), so wird dies durch ein vorgesetztes PSt oder BK kenntlich gemacht. Andere Ergänzungen oder Erschließungen von Datum oder Schreibort stehen in eckigen Klammern. Der Vorspann enthält außerdem ggf. eine Editorische Vorbemerkung, in der Erschließung und Ergänzungen von Datum oder Schreibort begründet und zusätzliche Informationen zur Zeugenbeschreibung gegeben werden. Liegen mehrere Fassungen eines Briefes vor, wird hier auch dargelegt, welche als Text abgedruckt und welche als Varianten mitgeteilt werden. Hier werden auch alle weiteren editorischen Entscheidungen in Hinsicht auf den edierten Brief begründet. Dazu gehört unter anderem die Behandlung von Eigentümlichkeiten des Briefes. Ferner umfassen die Editorischen Vorbemerkungen Regesten solcher Korrespondenda bzw. Kontextdarstellungen, deren Kenntnis für das Verständnis des Briefes notwendig ist.

6.2 Textkritischer Apparat Im textkritischen Apparat werden Textentwicklung und Texteingriffe nachgewiesen.

6.2.1 Textentwicklung Liegt ein Brief in mehreren Fassungen vor, wird eine Fassung zum Edierten Text bestimmt. Dies ist in der Regel der eigenhändig niedergeschriebene Originalbrief. Der Originalbrief bzw. die abgedruckte Fassung trägt die Sigle O. Liegen parallele Ausfertigungen des Originalbriefs oder mehrere zu edierende Abschriften vor, werden diese mit O1, O2 usw. sigliert. Abschriften oder Nachdrucke werden nur berücksichtigt, wenn der Originalbrief fehlt. Jede zur Variante bestimmte Fassung wird im textkritischen Apparat mitgeteilt, in der Regel mit Hilfe eines negativen Apparats. Ebenso werden im textkritischen Apparat Webers Streichungen und seine Änderungen am Wortlaut der Briefe nachgewiesen. Wo es die Sachlage erfordert, insbesondere bei umfangreichen Varianten, ist der positive Apparat oder die synoptische Darstellung gewählt.

6.2.2 Texteingriffe Texteingriffe sind auf ein Minimum beschränkt. Sie werden bei Textverderbnissen vorgenommen. Als verderbt gelten Textstellen, die den Sinnzusammenhang

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MWG Abteilung II · Aufbau und Editionsregeln

zerstören, sowie fehlerhaft geschriebene Namen (Ausnahme: Tröltsch, Örlinghausen) und falsche Datumsangaben. Der Eingriff wird dadurch nachgewiesen, daß die verderbte Stelle im textkritischen Apparat mitgeteilt wird. Läßt sich eine unklare Stelle nicht eindeutig als verderbt erkennen, so wird sie unverändert gelassen. Je nach Sachlage bietet der Apparat dann Lesarten in Voreditionen oder andere Verständnishilfen an. Nicht als Textverderbnis gelten Spracheigentümlichkeiten, einschließlich regelwidriger, aber nicht sinnentstellender grammatischer Konstruktionen, nicht mehr gebräuchlicher Lautstand, veraltete Orthographie und Interpunktion. Nur in folgenden Fällen werden Texteingriffe ohne Nachweis im textkritischen Apparat vorgenommen: a) Bei der Gestaltung von Gliederungsmerkmalen (z.B. Paragraphen) sowie Hervorhebungen: Sie werden typographisch vereinheitlicht. b) Bei Umlauten: Sie werden der heutigen Schreibweise angeglichen (Ä statt Ae). Die Schreibweise ss für ß wird zu ß vereinheitlicht. c) Bei Abkürzungen: Sie werden, sofern sie schwer verständlich und heute nicht mehr üblich sind, in eckigen Klammern ausgeschrieben. Webers Abkürzungen in Datumszeile, Anrede und Schlußformel sind vieldeutig und werden daher nicht aufgelöst. d) Bei offensichtlichen Schreibfehlern: Sie werden korrigiert (z.B. „agarhistorischen“, „Lugenentzündung“). e) Bei der Numerierung von Webers Anmerkungen: Sie werden briefweise durchgezählt.

6.3 Erläuterungsapparat Der Erläuterungsapparat dient dem Nachweis, der Ergänzung oder der Korrektur der Zitate und der Literaturangaben sowie der Sacherläuterung und enthält Regesten solcher Korrespondenda, deren Kenntnis für das Verständnis einzelner Briefstellen notwendig ist. Jeder Brief wird dabei als ein selbständiger Text behandelt. Wiederholungen von Erläuterungen gleicher Sachverhalte in mehreren Briefen bzw. Rückverweise auf Erläuterungen sind daher nicht zu vermeiden.

6.3.1 Zitate Webers Zitate werden überprüft. Sind sie indirekt, unvollständig oder fehlerhaft, gibt der Apparat den richtigen Wortlaut wieder. Hat Weber ein Zitat nicht belegt, wird es im Apparat nachgewiesen. Ist ein Nachweis nicht möglich, so lautet die Anmerkung: „Als Zitat nicht nachgewiesen“.

6.3.2 Literaturangaben Webers Literaturangaben werden überprüft. Sind sie nicht eindeutig oder fehlerhaft, werden sie ergänzt oder berichtigt, wenn möglich, unter Verwendung der

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von Weber benutzten Ausgabe. Verweist Weber ohne nähere Angaben auf Literatur, so wird diese, wenn möglich, im Apparat nachgewiesen.

6.3.3 Sacherläuterung Erläutert werden Ereignisse und Begriffe, deren Kenntnis für das Verständnis des Briefes unerläßlich erscheint, soweit diese nicht in den Editorischen Vorbemerkungen behandelt worden sind. Informationen über Personen finden sich im Personenverzeichnis am Ende des Bandes. Erfordert eine Textstelle darüber hinausgehende Informationen über eine Person, so bietet sie der Apparat. Sachliche Fehler werden im Apparat berichtigt. Für Wörter aus fremden Schriftsystemen verwendet der Editor in seinen Erläuterungen die Transliteration nach den heute gültigen Richtlinien.

6.4 Präsentation Um die Benutzung der Ausgabe zu erleichtern, erscheinen Webers Briefe und die dazugehörigen Apparate in der Regel auf derselben Seite. Um die Herausgeberrede von Webers Text abzuheben, ist sie in anderer Schrifttype gesetzt. Die Briefe werden nicht abgebildet. Doch weist der textkritische Apparat Streichungen nach. Diakritische Zeichen machen von Weber nachträglich eingeschobene Wörter und Passagen kenntlich. Webers Randnotizen erscheinen – soweit sie weder als Textnachträge noch als Fußnoten zu verstehen sind – im textkritischen Apparat. Kursiver Druck charakterisiert unterstrichene Textstellen des Brieforiginals. Verwendet Weber vorgedrucktes Briefpapier, so werden diejenigen Teile des Briefkopfes, die er in seine Orts- und Datumsangabe integriert, in einer abweichenden, kursiven Schrifttype wiedergegeben. Edierter Text und Varianten sind gleichwertig. Die Varianten werden so präsentiert, daß der Leser die Textentwicklung erkennen kann. Kleine lateinische Buchstaben verbinden den Edierten Text mit dem textkritischen Apparat. Sie stehen hinter dem varianten oder emendierten Wort. Bezieht sich die textkritische Anmerkung auf mehr als ein Wort, so markiert ein gerade gesetzter Index den Anfang und ein kursiv gesetzter Index das Ende der fraglichen Wortfolge (amit Amerikaa). Die historisch-kritisch bearbeiteten Briefe Webers und die Erläuterungen des Herausgebers sind durch arabische Ziffern ohne Klammern miteinander verbunden.

7. Verzeichnisse und Register Dem Band sind folgende Verzeichnisse und Register beigefügt: 1. Ein Inhaltsverzeichnis 2. Ein chronologisches Verzeichnis der edierten Briefe, geordnet nach Datum, Ort und Empfänger. 3. Ein Verzeichnis der Siglen, Zeichen und Abkürzungen.

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MWG Abteilung II · Aufbau und Editionsregeln

4. Ein Personenverzeichnis: Aufgenommen sind alle Personen, die Weber erwähnt; ausgenommen sind allgemein bekannte Persönlichkeiten (z.B. Bismarck, Nietzsche, Wilhelm II.) und solche Autoren und Namen, die in bibliographischen Angaben ohne nennenswerte weitere Information genannt oder aufgezählt werden. Das Personenverzeichnis liefert die wichtigsten Lebensdaten, gibt die berufliche oder politische Stellung an und führt ggf. die verwandtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen zu Weber auf. Das Personenverzeichnis hat den Zweck, den Erläuterungsapparat zu entlasten. 5. Verwandtschaftstafeln der Familien von Georg Friedrich Fallenstein und von Carl David Weber: Sie zeigen die Verwandtschaftsverhältnisse der Familie Max Webers. 6. Ein Register der Briefempfänger: Es dient dem Auffinden aller Briefe an einen bestimmten Empfänger. 7. Ein Personenregister: Es verzeichnet sämtliche von Weber und vom Editor erwähnten Personen einschließlich der Autoren der von Weber und vom Editor zitierten Literatur. 8. Ein Ortsregister: Es verzeichnet alle geographischen Namen, mit Ausnahme der Verlagsorte in Literaturangaben und der Archivorte. Es werden die Namen benutzt, die im deutschen Sprachraum vor 1920 üblich waren oder amtlich gebraucht wurden. Kann ein Ort nicht als bekannt vorausgesetzt werden, wird zur Erläuterung die Verwaltungseinheit (z.B. Kreis, Regierungsbezirk) und ggf. auch der heute amtliche Name beigefügt. Die Empfänger-, Personen- und Ortsregister erfassen Webers Texte und die Herausgeberrede. Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.

8. Indices und Zeichen Folgende Indices werden verwendet: a) Arabische Ziffern mit runder Schlußklammer (1), 2), 3) …) kennzeichnen Webers eigene Anmerkungen. b) Arabische Ziffern ohne Klammern (1, 2, 3 …) und in von a) abweichender Schrift markieren die Erläuterungen des Editors. c) Kleine lateinische Buchstaben ( a, b, c …) kennzeichnen eine textkritische Anmerkung. Folgende Zeichen werden verwendet: a) Im Text – 앚: :앚 charakterisieren, daß es sich um einen nachträglichen Einschub Webers in seinen Text handelt. – Das Zeichen [ ] markiert Hinzufügungen zum Text durch den Editor. – Das Zeichen [??] gibt an, daß ein Wort oder mehrere Wörter nicht lesbar sind; den Sachverhalt erläutert eine textkritische Fußnote.

MWG Abteilung II · Aufbau und Editionsregeln

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b) In den textkritischen Fußnoten – In 具 典 werden gestrichene Textstellen wiedergegeben. Diese Streichungen folgen im Brieforiginal unmittelbar auf die durch den Index (a, b, c …) bezeichnete Stelle. – Textersetzungen Webers werden mit > bezeichnet. Die Fußnoten geben die von Weber getilgte und seine endgültige Formulierung wieder. Die Indizierung im Text bindet an diese endgültige Formulierung an. – In [ ] stehen unsichere oder alternative Lesungen im Bereich der von Weber getilgten oder geänderten Textstellen. – Die Angabe „O:“ verweist bei Emendationen und sonstigen textkritischen Mitteilungen auf das Original der edierten Textvorlage.

Bandfolge der Abteilung I: Schriften und Reden

Band

1: Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter Schriften 1889 – 1894

Band

2: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staatsund Privatrecht. 1891 Hg. von Jürgen Deininger; 1986 (Studienausgabe 1988)

Band

3: Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland. 1892 Hg. von Martin Riesebrodt; 2 Halbbände, 1984

Band

4: Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik Schriften und Reden 1892 – 1899 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff; 2 Halbbände, 1993

Band

5: Börsenwesen Schriften und Reden 1893 – 1898 Hg. von Knut Borchardt in Zusammenarbeit mit Cornelia Meyer-Stoll; 2 Halbbände, 1999 – 2000

Band

6: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Altertums Schriften 1893 – 1909

Band

7: Zur Logik und Methodologie der Kultur- und Sozialwissenschaften Schriften 1900 – 1907

Band

8: Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1900 – 1912 Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Peter Kurth und Birgitt Morgenbrod; 1998 (Studienausgabe 1999)

Band

9: Asketischer Protestantismus und Kapitalismus Schriften und Reden 1904 – 1911

Band 10: Zur Russischen Revolution von 1905 Schriften und Reden 1905 – 1912 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Dittmar Dahlmann; 1989 (Studienausgabe 1996)

Band 11: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit Schriften und Reden 1908 – 1912 Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Sabine Frommer; 1995 (Studienausgabe 1998)

MWG Abteilung I · Bandfolge

Band 12: Verstehende Soziologie und Werturteilsfreiheit Schriften und Reden 1908 – 1920 Band 13: Hochschulwesen und Wissenschaftspolitik Schriften und Reden 1908 – 1920 Band 14: Rationale und soziale Grundlagen der Musik Nachlaß 1921 Band 15: Zur Politik im Weltkrieg Schriften und Reden 1914 – 1918 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger; 1984 (Studienausgabe 1988)

Band 16: Zur Neuordnung Deutschlands Schriften und Reden 1918 – 1920 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schwentker; 1988 (Studienausgabe 1991)

Band 17: Wissenschaft als Beruf 1917/1919 – Politik als Beruf 1919 Hg. von Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Birgitt Morgenbrod; 1992 (Studienausgabe 1994)

Band 18: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/ Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus Schriften 1904 – 1920 Band 19: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus Schriften 1915 – 1920 Hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Petra Kolonko; 1989 (Studienausgabe 1991)

Band 20: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus. 1916 – 1920 Hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Golzio; 1996 (Studienausgabe 1998)

Band 21: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum Schriften und Reden 1917 – 1920

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MWG Abteilung I · Bandfolge

Band 22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß 22–1: Gemeinschaften. Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Michael Meyer; 2001

22–2: Religiöse Gemeinschaften. Hg. von Hans G. Kippenberg in Zusammenarbeit mit Petra Schilm unter Mitwirkung von Jutta Niemeier; 2001

22–3: Recht 22–4: Herrschaft 22–5: Die Stadt Hg. von Wilfried Nippel; 1999 (Studienausgabe 2000)

22–6: Materialien und Register Band 23: Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie Unvollendet 1921