Max Slevogts Netzwerke: Kunst-, Kultur- und Intellektuellengeschichte des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik 9783110760743, 9783110660951

The very multifaceted artist Max Slevogt had contact with many different circles. As a leading member of the Berlin Sece

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German Pages 348 [352] Year 2021

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Ankunft Berlin: Slevogts Skizzenbuch 1901–1902
„… Ausdruck freundschaftlicher Übereinstimmung in wichtigsten Lebens fragen“
Slevogt betritt die Bühne
Works by Max Slevogt in the Tilla Durieux Collection in Zagreb
Max Slevogt und Emil Orlik
Max Slevogts Farbenhändler
Max Slevogt und sein Berliner Sammler Julius Freund
„Und ich habe immer das Gefühl, keiner versteht Sie so wie ich!“
Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914
„Für Slevogt haben wir in Bremen immer Geld“
Der „getreue Blondel der Pfalz“
Die Familienbibliothek von Max Slevogt
Slevogts Stillleben
Slevogt und Daumier
Farbtafeln
Abbildungsnachweise
Register
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Max Slevogts Netzwerke: Kunst-, Kultur- und Intellektuellengeschichte des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik
 9783110760743, 9783110660951

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Gregor Wedekind (Hrsg.)

Max Slevogts Netzwerke

PHOENIX. MAINZER KUNSTWISSENSCHAFTLICHE BIBLIOTHEK

herausgegeben von Matthias Müller, elisabeth oy-Marra und gregor wedekind band 6

Gregor Wedekind (Hrsg.)

in Verbindung mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz

Max Slevogts Netzwerke Kunst-, Kultur- und Intellektuellen­ geschichte des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz

ISBN 978-3-11-066095-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-076074-3 ISSN 2747-9587 Library of Congress Control Number: 2021936082 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter De Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Max Slevogt, Erdbeeren, 1903, Öl auf Leinwand, 46,5 × 57 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen Reihenlayout und Satz: Andreas Eberlein, aromaBerlin Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza www.degruyter.com

Inhalt

IX Gregor Wedekind Einleitung



1 Karoline Feulner Ankunft Berlin: Slevogts Skizzenbuch 1901–1902

19 Miriam-Esther Owesle „… Ausdruck freundschaftlicher Übereinstimmung in wichtigsten Lebensfragen“. Max Slevogt und Johannes Guthmann im Spiegel ihrer Korrespondenz

47 Carola Schenk Slevogt betritt die Bühne. Slevogt im Berliner Theaterumkreis von Otto Brahm, Gerhart Hauptmann und Max Reinhardt

69 Dragan Damjanović Works by Max Slevogt in the Tilla Durieux Collection in Zagreb

89 Gregor Wedekind Max Slevogt und Emil Orlik

115 Eva Brachert Max Slevogts Farbenhändler

139 Nathalie Neumann Max Slevogt und sein Berliner Sammler Julius Freund

151 Nicole Hartje-Grave „Und ich habe immer das Gefühl, keiner versteht Sie so wie ich!“. Der Sammler und Netzwerker Konrad Wrede

173 Marcus Andrew Hurttig Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914

187 Dorothee Hansen „Für Slevogt haben wir in Bremen immer Geld“. Der Kunsthallendirektor Emil Waldmann und sein Engagement für Max Slevogt

211 Eva Wolf Der „getreue Blondel der Pfalz“. Heinrich Kohl und Franz Josef Kohl-Weigand als Slevogts Pfälzer Connection

237 Armin Schlechter Die Familienbibliothek von Max Slevogt

273 Juliane Rückert Slevogts Stillleben. Eine Adaption von historischen Vorbildern und zeitgenössischen Bildstrategien

289 Mona Stocker Slevogt und Daumier

305 Farbtafeln 323 Abbildungsnachweise 327 Register

Gregor Wedekind

Einleitung

Der Sammelband Max Slevogts Netzwerke führt Bemühungen zur Erneuerung der Slevogt­ forschung fort, die seit einigen Jahren im Gange sind und die zwischenzeitlich zur Grün­ dung des Max Slevogt-Forschungszentrums geführt haben, ein auf der Grundlage der Kooperation des Instituts für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft der Johannes Gu­ tenberg-Universität, des Landesmuseums Mainz und der Pfälzischen Landesbibliothek in Speyer bestehenden Zusammenschlusses von Forschern. Der 2016 erschienene Band Blick zurück nach vorn. Neue Forschungen zu Max Slevogt1 unternahm zunächst den Ver­ such, das Feld der Slevogtforschung im Moment eines doppelten Umbruchs abzustecken: Zum einen war 2015 mit Slevogts grafischem Nachlass das letzte große Konvolut seines Künstlernachlasses aus der Obhut der Familie in die öffentliche Hand übergegangen: Er ist nun im Besitz der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur und wurde mit Unterstüt­ zung der Kulturstiftung der Länder sowie der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rhein­ land-Pfalz erworben und befindet sich als Dauerleihgabe im Landesmuseum Mainz. Zum andern galt es, den sich abzeichnenden Generationenwechsel in der Slevogtforschung als eine besondere Herausforderung produktiv anzunehmen. Als dessen Zäsur kann die 2014 gezeigte Ausstellung Neue Wege des Impressionismus gelten, mit der Sigrun Paas so etwas wie eine Summe ihrer langjährigen Tätigkeit als Kustodin der Slevogtbestände des Landesmuseums Mainz vorlegte.2 Auf der anlässlich dieser Ausstellung vom Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität im Zusam­ menwirken mit dem Landesmuseum Mainz ausgerichteten Tagung und der daraus resul­ tierenden Publikation ging es zunächst darum, das Forschungsfeld neu zu vermessen bzw. erste Sondierungen vorzunehmen, wie es um dieses Forschungsfeld überhaupt bestellt ist. Damals wurde deutlich, dass für Slevogt wesentliche Zusammenhänge, die die Kunstkri­ tik, die Sammlungsgeschichte, die Verortung seiner Person im Rahmen einer intellectual history des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik sowie ganz generell die kultur­ geschichtliche Einordnung seines Schaffens betreffen, erst noch zu erarbeiten sind. Dieser Perspektive haben wir daher ein zweites wissenschaftliches Kolloquium gewidmet, das am 29. und 30. November 2018 vom Max Slevogt-Forschungszentrum ausgerichtet wurde. Die Beiträge dieses Kolloquiums versammelt der hier vorliegende Band. 1 Blick zurück nach vorn. Neue Forschungen zu Max Slevogt, hg. von Gregor Wedekind in Verbindung mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Berlin und Boston: De Gruyter, 2016 (Phoenix – Main­ zer kunstwissenschaftliche Bibliothek, 2). 2 Max Slevogt. Neue Wege des Impressionismus, hg. von der Direktion des Landesmuseums Mainz, bearbeitet von Sigrun Paas, Kat. Ausst. Mainz, Landesmuseum, München: Hirmer, 2014.

X

Gregor Wedekind

Wenn in den in ihm angestellten Überlegungen der Netzwerkbegriff eine Rolle spielt, dann deswegen, weil dieses Denkbild verspricht, ein Beschreibungsmodell für die über­ aus komplexe künstlerische Praxis Max Slevogts und ihrer geistigen, materiellen und kommunikativen Voraussetzungen abgeben zu können.3 Es gilt, die Knotenpunkte dieses Netzwerk mittels historischer Arbeit zu identifizieren, wobei wir es sind, die diese Kno­ tenpunkte festlegen und sie verbinden. In gewisser Weise ist das Netzwerk somit eine Kippfigur. Max Slevogts Netzwerke auf der einen Seite, die in der konkreten Plastizität ihrer historischen Verästelungen für uns jedoch gar nicht mehr erreichbar sind, und – auf der anderen Seite – die kulturellen und künstlerischen Netzwerke, in denen wir Slevogts Person und seine Kunst verorten, als ein kognitives mapping, das, indem es immaterielle historische Netzwerkstrukturen sichtbar machen will, diese induziert und etabliert. Un­ sere Netzwerke also, nicht die Slevogts. Netze, die wir als projektive kunst- und kultur­ historische Netze über sein Werk werfen, um es einzufangen. Wir sind es, die ein Netz knüpfen, im Sinne einer Verknüpfung aller verfügbaren und auffindbaren Materialien, ob schriftlicher, visueller oder wie auch immer dinglicher Natur, die mit dem Werk Slevogts verbunden sind. Was im vorliegenden Band als jeweils punktuelle Forschung sich äußert, wollen wir in der Zukunft mit einem klassischen kunsthistorischen Instrumentarium verknüpfen, einem Werkkatalog oder auch einem Catalogue raisonné, der für Slevogt erstaunlicherweise immer noch fehlt. Dabei sei betont, dass es bei der kunsthistorischen Netzwerkforschung nicht darum geht, Netzwerke etwa im Sinne einer bloßen historischen Rekonstruktion personeller Kon­ stellationen aufzufinden, sondern es ihr Ziel ist, Informationen und Daten zu verknüpfen, um Aufschluss über das künstlerische Werk zu erlangen. Wie ja auch die Auswertung der Nachlassquellen im Wesentlichen daraufhin betrieben werden sollte, welchen Erkennt­ nisgewinn über die einzelnen künstlerischen Arbeiten und die Kunstproduktion im Gan­ zen, des Œuvres, und dessen Einbettung in die Kunstgeschichte sie ermöglicht. 3 Zum Netzwerkbegriff siehe: Peter Kappelhoff, „Netzwerk“, in: Wörterbuch der Soziologie, hg. von Günter Endruweit und Gisela Trommshoff, 3 Bde., Stuttgart: Enke, 1989, Bd. 2, S. 465–467; Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung, hg. von Johannes Weyer, München: Oldenbourg, 2000; Thomas Goschke, „Netzwerk“ in: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdiziplinäres Lexikon, hg. von Nicolas Pethes und Jens Ruchartz, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2001, S. 411–414; Mark Wigley, „Network Fever“, in: Grey Room, Bd. 4, 2001, S. 82–12; Christiane Heibach, „Netzwerke: Neue Visualisierungsstrategien zwischen Kunst und Wissenschaft“ in: Bild Wissen Medien. Visuelle Kompetenz im Medienzeitalter, München: Kopaed, 2002, S. 287–302; Hartmut Böhme, „Netzwerke. Zur Theorie und Geschichte einer Konstruktion“, in: Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne, hg. von Jürgen Barkhoff, Hartmut Böhme und Jeanne Riou, Köln: Böhlau, 2004 (Literatur – Kultur – Geschlecht. Studien zur Lite­ ratur- und Kulturgeschichte, 29), S. 17–36; Netzwerke der Moderne. Erkundungen und Strategien, hg. von Jan Broch, Markus Rassiller und Daniel Scholl, Würzburg: Königshausen & Neumann 2007; Julia Gelshorn und Tristan Weddigen, „Das Netzwerk. Zu einem Denkbild in Kunst und Wissenschaft“, in: Grammatik der Kunstgeschichte. Sprachproblem und Regelwerk im ’Bild-Diskurs’. Oskar Bätschmann zum 65. Geburtstag, hg. von Hubert Locher und Peter J. Schneemann, Zürich, Emsdetten und Berlin: Edition Imorde, 2008, S. 54–77; Vom Spinnen in der Kunst, hg. von Anette Hüsch, Kat. Ausst. Kiel, Kunsthalle, Bielefeld: Kerber, 2014.

Einleitung

XI

Wir stellen die Frage nach dem Netzwerk, um etwas über den Stellenwert von Ideen, Materialien, Techniken herauszufinden, aber auch über Horizonte der künstlerischen Po­ sition und Positionierung. Nicht länger soll Slevogt aus sich selbst heraus erklärt werden, er in Repetition des ewigen Künstlermythos als ein aus sich selbst schöpfender Künstler gesehen werden, dessen Werk sich dann dementsprechend immer nur als Entwicklung in tautologischen Kausalketten unter Zuhilfenahme von kunsthistorischen Denkfiktionen wie Stilwandel oder Stilabfolge erklärt werden kann. Auch im Bereich der Kunst handelt es sich um kollektive Formationen. Das künstlerische Werk ist nicht einfach das Resultat eines einsamen Entschlusses des Künstlers in seinem Atelier, sondern es hat einen kollek­ tiven gesellschaftlichen Rahmen. Im Verhältnis zwischen den verschiedenen Akteuren im künstlerischen Feld werden bestimmte Annahmen und Interessen sichtbar. Worüber haben sie nachgedacht, worüber sich ausgetauscht, wie haben sie miteinander gearbeitet und interagiert: Dann kann man Rückschlüsse auf das Werk ziehen und damit das Werk verstehen als ein Beitrag innerhalb eines kulturellen Feldes. Das es zu kartieren gilt. Allein schon wegen der Größe dieses Feldes kann der hier vorliegende Band in kei­ ner Form beanspruchen, es auch nur annähernd abzudecken. Vielmehr hat man es ganz wesentlich mit bruchstückhaften Annäherungen und Anläufen zu tun. Geht man allein von jenen Personen aus, die für Slevogts Werdegang zu bestimmten Zeiten eine wichtige Rolle gespielt haben und für die er in manchen historischen Momenten und in gewissen Hinsichten eine wichtige Rolle spielte, kommt man zu einer langen Liste von Namen. Um nur die Bekanntesten zu nennen: Wilhelm Bode, Bruno und Paul Cassirer, Lovis Corinth, Bruno Eisner, Julius Elias, Julius Freund, Max J. Friedländer, Ernst Fuchs, Otto Gersten­ berg, Curt Glaser, Johannes Guthmann, Richard Hamann, Gustav Hartlaub, Wilhelm Hausenstein, Emil Heilbut, Ludwig Justi, Heinrich Kohl sowie dessen Sohn Franz-Josef Kohl-Weigand,4 Alfred Kubin, Alfred Lichtwark, Max Liebermann, Julius Meier-Graefe, Emil Orlik, Max Osborn, Gustav Pauli, Walter Passarge, János Plesch, Hans Purrmann, Hans Rosenhagen, Karl Scheffler, Johannes Sievers, Carl Steinbarth, Hugo von Tschudi, Karl Voll, Emil Waldmann, Fritz Wichert oder Konrad Wrede. All diese Museumsleute, Publizisten, Galeristen, Künstlerkollegen, Kunstkritiker, Sammler und Freunde, Mitstrei­ ter und Weggefährten gälte es in ihrem Verhältnis zu Slevogt eigens zu untersuchen. Doch nur einige wenige von ihnen konnten in unserem Band Berücksichtigung finden. Zudem haben wir eine sehr weite Auslegung des Netzwerkbegriffs zugrundegelegt, der nicht nur Bezüge zwischen Personen oder zu Institutionen, sondern auch zu materiellen Infrastruk­ 4 Zu Kohl-Weigand erschien vor einigen Jahren ein Artikel von Kirsten Fitzke, „Franz Josef Kohl-Weigand: Ein Slevogt-Sammler schreibt Forschungsgeschichte“, in: Mobilitas. Festschrift zum 70. Geburtstag Werner Schreiners, hg. von Klaus Frédéric Johannes, Neustadt an der Weinstraße 2017 (Schriftenreihe der Be­ zirksgruppe Neustadt an der Weinstraße im Historischen Verein der Pfalz, N.F.1), S. 547–566. Was ein wertvoller Beitrag im Bemühen der Erneuerung der Slevogtforschung hätte sein können, wird durch die Polemik der Autorin, die der Slevogtforschung pauschal Kritiklosigkeit gegenüber der älteren Forschung und Ignoranz wichtiger Archivquellen vorwirft, zu einer verzerrten und unproduktiven Selbstabgrenzung.

XII

Gregor Wedekind

turen wie Farbenhandlungen oder Bibliotheken sowie Bezüge zwischen Bildern – den ei­ genen und denen anderer Künstler – umfasst. Immer noch geht es also um erste Ansätze und die sukzessive Erweiterung unserer Kenntnisse und unseres Verstehens. Unsere Anläufe sind von anderen hinterfangen worden, hat doch der 150. Geburtstag des Künstlers 2018 dazu beigetragen, seine kunsthistorische Würdigung mittels seiner künstlerischen und kulturhistorischen Kontextualisierung voranzutreiben. Das Jubilä­ umsjahr war Anstoß für gleich drei große Ausstellungen, die jeweils auch vielfältige Be­ trachtungen und Forschungen zu Slevogts Netzwerken ermöglichten: So die Ausstellung des Mainzer Landesmuseums Ein Tag am Meer. Slevogt, Liebermann & Cassirer,5 so die fulminante Präsentation Slevogt und Frankreich im Saarlandmuseum Saarbrücken6 und so der retrospektive Abschluss des Jubiläums im Niedersächsischen Landesmuseum.7 Davon haben sowohl die öffentliche Sichtbarkeit der Kunst Slevogts als auch deren Erfor­ schung enorm profitiert. Unser Band schließt daran an. Möge er für die Erforschung von Slevogts Netzwerken ein folgenreicher Start in die Zukunft sein. Er soll in weiteren Projek­ ten fortgeführt werden, wozu sich im digitalen Zeitalter der Aufbau einer Forschungsinf­ rastruktur in Form einer Forschungsdatenbank anbietet, in der alle zusammengetragenen Informationen als digitale Zeugnisse und Forschungsdaten einer systematischen Analyse zugänglich sind. Dabei geht es darum, darauf zu achten, nicht wie in der Vergangenheit isolierte „Datenteiche“ anzulegen, sondern existierende oder noch zu bewerkstelligende Datenbanken miteinander zu verknüpfen, vulgo zu vernetzen, um sie zum „Datenozean der Zukunft“ zu verschmelzen.8 Mein Dank gilt der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, in Person ih­ res vormaligen Generaldirektors Dipl. Ing. Thomas Metz und seiner nunmehrigen Nach­ folgerin im Amt, Dr. Heike Otto, die das Kolloquium und die nun vorliegende Publikation gefördert und finanziell möglich gemacht haben. Ebenso ist der Direktorin des Landes­ museums Mainz, Dr. Birgit Heide, für ihre immer verlässliche Unterstützung zu danken. Denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich im Rahmen des Max Slevogt-Forschungs­ zentrums engagieren, ist für die erfolgreiche gemeinsame Arbeit ein besonderer Dank auszusprechen: Dr. Eva Brachert und Dr. Karoline Feulner vom Landesmuseum Mainz sowie Dr. Armin Schlechter vom Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz/Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Dank gilt auch unserer Kollegin Dr. Eva Wolf vom Saarlandmu­ seum in Saarbrücken, die mit zahlreichen Hilfestellungen und Auskünften unserem Kreis zuverlässig zur Seite steht. Wie immer war die so freundliche wie gut informierte Hilfe 5 Ein Tag am Meer. Slevogt, Liebermann & Cassirer, hg. von Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Kat. Ausst. Mainz, Landemuseum, München: Hirmer, 2018, S. 20–29. 6 Slevogt und Frankreich, hg. von Roland Mönig, Kat. Ausst. Saarbrücken, Saarlandmuseum, 2018. 7 Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag, hg. von Thomas Andratschke, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Petersberg: Imhof, 2018. 8 Torsten Schrade, „Im Datenozean. Chancen der nationalen Forschungsdatensammlung“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.11.2018.

Einleitung

XIII

von Gernot Frankhäuser insbesondere mit Blick auf die Abbildungen von großem Wert. Zu deren Management hat meine studentische Hilfskraft Nicole Schkondin tatkräftig bei­ getragen. Die Mitarbeiter des De Gruyter-Verlags, namentlich Arielle Thürmel, Susanne Drexler und Jens Lindenhain, haben dem Buch ihr Auge und ihre Hand zur Verfügung gestellt und damit seine professionelle Produktion ermöglicht. Vor allem aber ist dem Netzwerk der Slevogtianer zu danken, jenen Kolleginnen und Kollegen, die zu Slevogt an Museen und Universitäten oder auch außerhalb davon forschen und zur Kenntnis und Verständnis seines Werkes beitragen. Zwischen ihnen hat sich in den letzten Jahren ein beständiger Kontakt entwickelt, der den großen Aufgaben, die im Hinblick auf diesen Künstlern noch zu stemmen sind, ein tragfähiges Fundament bietet. Einige von ihnen sind in diesem Band als Autoren vertreten. Ihre Texte sind Staffelstäbe, die aufgenommen werden wollen oder, um halbwegs im Bild zu bleiben, aufgewickelte Knäuel, aus denen Fäden herausgezogen und weitergesponnen werden können.

Karoline Feulner

Ankunft Berlin: Slevogts Skizzenbuch 1901–1902

Das Skizzenbuch Im grafischen Nachlass Max Slevogts (ehemals Slevogt Archiv Neukastel), den das Land Rheinland-Pfalz mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur im Jahr 2014 angekauft hat und der vom Landesmuseum Mainz, GDKE wissenschaftlich betreut wird, befinden sich 25 Skizzenbücher. Wobei der Begriff Skizzenbuch genau genommen nicht ganz exakt ist – dieser Bestand umfasst sechs Skizzenblöcke (cirka DIN A6), elf Skizzenbücher (cirka DIN A5 bis DIN A4), zwei Skizzenhefte (cirka DIN A5), drei Notizbücher (cirka DIN A6), ein Adressbuch mit Skizzen, eine Bilderliste in einem Notizbuch, aber auch einen Taschenkalender und darüber hin­ aus Slevogts Brieftasche sowie zahlreiche Einzelblätter die aus diversen Skizzenbüchern stammen. Alle Bücher und Skizzenblöcke haben unterschiedliche Umschläge oder Papiersor­ ten. Slevogt bevorzugte also nicht nur ein Fabrikat. Das Skizzenbuch, das Gegenstand dieses Beitrages ist, weist lediglich eine Größe von 12,5 × 8,4 cm auf, passt somit in jede Hemd- oder Hosentasche und könnte auch als kleines Notizbuch bezeichnet werden.1 Es hat einen braunen Ledereinband mit Gebrauchsspuren, eine Schlaufe für einen Stift, einen schwarz-goldenen Schnitt der Seiten und ein hellblau-goldenes Vor- und Nachsatz­ papier. Gedruckt wurde es von der Firma „J. C. König und Ebhardt“, eine der führenden Geschäftsbücherfabriken mit Sitz in Hannover. Das Buch enthielt ursprünglich 24 Blatt. Eines davon wurde herausgerissen und fehlt. Typisch für Slevogts Arbeitsweise ist, dass er das Notizbuch immer wieder drehte, so dass bei gegenüberliegenden Zeichnungen öfters eine davon auf dem Kopf steht. Es ging ihm nicht um ein optisch konsequent fortgeführ­ tes Skizzenbuch, sondern er scheint je nach Situation schnell eine Seite aufgeblättert zu haben, um dort seine Idee zu skizzieren, egal wie er das Skizzenbuch gerade hielt. Aus die­ sem Grund finden sich Motive, die er in mehreren Zeichnungen weiterentwickelte, auch nicht hintereinander auf den nachfolgenden Seiten platziert, sondern es können durchaus ein paar Seiten mit ganz anderen Themen oder schlichten Eintragungen dazwischen lie­ gen. Auch kann neben einer Seite mit einer Zeichnung ein Eintrag stehen. Er unterschied demnach nicht nach Zeichnungs- und Notizseiten und strukturierte das Notizbuch auch nicht in irgendeiner anderen Weise. 1 Max Slevogt, Notizbuch Berlin, 1901−1902, unliniertes Notizbuch, 12,5 × 8,4 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass, Inv. Nr. DL SL NL 2013/17.

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Karoline Feulner

Das Interessante an diesem Notizbuch bzw. Skizzenbuch ist zum einen seine Ent­ stehungszeit. Aufgrund von Einträgen sowie von darin sich befindlichen Skizzen, die spätere Gemälde vorbereiten, muss dieses im Spätherbst 1901 begonnen und bis Mai 1902 verwendet worden sein.2 Also genau die Zeit, in der Slevogt nach Berlin übersiedelte. Zum anderen handelt es sich um eine Mischung aus überwiegend aquarellierten Skizzen und Notizen, die meist aus Adressen bestehen: Ein einzigartiges Zeugnis, das Slevogts An­ kunft in der Großstadt Berlin dokumentiert und das durch seine Auswahl an skizzierten Motiven seinen Blick auf die neue Umgebung zeigt und zudem vor allem seine persönli­ chen Kontakte erkennen lässt. Slevogt hielt sich vor seiner endgültigen Übersiedlung nach Berlin vermutlich von März bis Anfang Juni 1901 in Frankfurt am Main auf und fertigte zahlreiche Tierstudi­ en im dortigen Zoo an.3 So befinden sich im grafischen Nachlass zwei Skizzenbücher ähnlichen Formates, die 1901 in Frankfurt entstanden sind und ausschließlich Tierzeich­ nungen enthalten. Es hat somit den Anschein, dass Slevogt, als er im Spätherbst in Berlin ankam, auch ein neues Skizzenbuch, also einen neuen Abschnitt bzw. ein neues Motivfeld begann.

Zum Kaffeeklatsch bei den Cassirers Im Berliner Notizbuch finden sich verstreut auf verschiedenen Seiten einige Adressen, da­ runter auf der ersten Seite der Hinweis auf einen Zigarettenladen in der Kurfürstenstraße 114 oder auf eine Ungarnweinhandlung in Oberschlesien; Anschriften von Hotels und von Freunden wie etwa Robert Breyer, von Künstlerkollegen wie Fritz Klimsch oder von dem Opernsänger Francesco d’Andrade, den er 1902 mehrfach malte und zu dem er in einem freundschaftlichen Verhältnis stand. Zudem finden sich in dem kleinen Buch auch Angaben über freie Ateliers; diese Angaben sind teilweise mit Preisen versehen und könn­ ten die Mietpreise bedeuten. Wenige Einnahmen aus dem Jahr 1902 sind notiert, darunter unter anderem von Paul Cassirer – einmal mit dem Zusatz „gut“. Und natürlich findet sich auch Paul Cassirers damalige Adresse in der Uhlandstraße 156 unter den Aufzeich­ nungen. Zu den kuriosen Notizen zählt eine Art Umzugs- oder Packliste, zumindest listet ­Slevogt verschiedene Koffer, eine Schachtel, eine Staffelei, aber auch zwei „Cylinder­

2 Der früheste datierte Eintrag nennt den 28. November 1901, der letzte stammt vom 21. Mai 1902; Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 14 r und fol. 45 v. 3 Zu den Tierstudien vgl. Karoline Feulner, „Raubkatzen im Frankfurter Zoo. Gezeichnete Malerei“, in: Blick zurück nach vorn. Neue Forschungen zu Max Slevogt, hg. von Gregor Wedekind in Verbindung mit der Gene­ raldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Berlin und Boston 2016 (Phoenix – Mainzer kunstwissen­ schaftliche Bibliothek, 2), S. 135−149.

Ankunft Berlin: Slevogts Skizzenbuch 1901–1902

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1 Max Slevogt, Aimeé Cassirer "reitet" auf einer Frau, Notizbuch Berlin, 1901–1902, unliniertes Notizbuch, 12,5 × 8,4 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

schachteln“ auf.4 Und der seltsamste Eintrag lautet „Seehund“: diesen solle man ohne jeden Zusatz im emaillierten Gefäß bis zum Aufwallen erhitzen! Ob damit der Grog aus Weißwein mit Gewürzen gleichen Namens gemeint ist, muss leider offen bleiben. Zumin­ dest stammte das Rezept, laut Slevogts Eintrag, von General von Sichart.5 Die erste aquarellierte Skizze Slevogts zeigt ein wohl doch eher sehr ungewöhnliches Motiv: Ein Mädchen mit langen braunen Haaren und einer gelben Schleife im Haar, mit gestreifter Bluse und blauem Kleid „reitet“ auf dem Rücken einer Frau, die auf allen vieren über den Fußboden krabbelt (Abb. 1). Auf den Zeichnungen der folgenden Seiten klettert das identische Mädchen in der gleichen Kleidung (blauer Rock und gestreifte Bluse) auf 4 Die Liste lautet: „1) Koffer kl 2) Handtasche 3) Gelber großer Koffer 4) Korb 5) 2 Cylinderschachteln 6) Staffelei 7) Plaid mit Schirm 8) 7 Schachteln 9) Volls Umschlag 10) Kofferüberzug“, zit. nach: Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), 46 r. Für die Transkription, auch in Anm. 5, danke ich Frau Dr. Eva Wolf sehr herzlich. 5 „Seehund/ (ohne jeden Zusatz im emaillierten Gefäß bis zum Aufwallen erhitzen!)/ Ungarwein Groß­ handlung/ A. S. Kornblum/ Tost °/Sch./ (Oberschlesien/ Recept von/ General v. Sichart)“, zit. nach: Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 16 r. Den General porträtierte Slevogt wenige Jahre später, vgl. Max Slevogt, General von Sichart, 1906, Öl auf Leinwand, 120,5 × 101,5 cm, Saarbrücken, Stiftung Saarländischer Kultur­ besitz, Saarlandmuseum, Inv. Nr. KW 12G.

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Karoline Feulner

einen roten Stuhl. Diese Studie ist ebenfalls aquarelliert.6 Anhand der einzigen Skizze, die später als Gemälde ausgeführt wurde, kann das Mädchen eindeutig identifiziert wer­ den (Abb. 2). Es ist Paul Cassirers Tochter Aimée Suzanne, die am 3. April 1896 in Brüssel geboren wurde und 1901 fünf Jahre alt war. Sie stammte aus seiner ersten Ehe mit Lucie Oberwarth, die er am 17. Juli 1895 geheiratet hatte. Aimée Suzanne, die stets Suse genannt wurde, sitzt auf dem Fußboden, umgeben von einem leporelloartig aufgestellten Bilder­ buch und verschiedenen Spielsachen. Auf dem ausgeführten Gemälde lassen sich eine Clownspuppe, ein Löwe und links neben ihr ein Ball erkennen (Taf. I). Sie hält außerdem einen roten Ball oder Apfel in ihrer rechten Hand. Im Vergleich zu der aquarellierten Blei­ stiftskizze änderte Slevogt auf dem Gemälde die Perspektive.7 Bei der Anfertigung der Zeichnung scheint er neben dem Kind auf dem Fußboden, fast auf Augenhöhe gesessen zu haben, während das Gemälde den Blick des Malers von oben auf die spielende Tochter Cassirers festhält. Es ist somit eindeutig die Perspektive eines Erwachsenen auf das Kind. Deutet er auf der Skizze noch die Raumsituation mit der Fußbodenleiste im Hintergrund an, so sitzt Suse auf dem Gemälde auf einer einzigen großen unbegrenzten hellbraunen Fußbodenfläche, die durch die dargestellte, etwas schräge Obersicht eines stehenden Erwachsenen, scheinbar nach vorne aus dem Rahmen kippt. Umso mehr scheint sich Cassirers Tochter in diesem undefinierten Raum mit dieser ungewöhnlichen Perspektive zu behaupten. Wie ein Schutzschild umgibt sie das vermutlich selbst aufgestellte farbige Bilderbuch, das auch dem Löwen, der hinter ihr steht, den Zutritt verwehrt. Dies sieht auch Imiela, nach ihm „bilden die Bücher einen behütenden Kreis, grenzen einen Raum ab, der allein dem Kind gehört und in dem es von seiner bunten Bilderwelt umgeben ist“.8 Im Gegensatz zu der Bleistiftskizze, bei der auf beiden Gesichtsstudien ihr Blick nach unten gerichtet ist, schaut sie auf dem Gemälde auffordernd nach oben in Richtung der Erwachsenen. Durch die Darstellung von Suse in ihrer eigens geschaffenen kleinen Welt und mit ihrem eher trotzigen Blick gelingt es Slevogt, ihre selbstbewusste Persönlichkeit ganz genau zu charakterisieren. Es gibt in dem Berliner Skizzenbuch noch sechs Detailstudien des Gesichtes von Suse, die ihren temperamentvollen Charakter einfangen und die zeigen, dass sich Slevogt intensiv mit der Physiognomie des kleinen Mädchens beschäftigte.9 Für das Gemälde 6 Max Slevogt, Aimeé Cassirer klettert auf einen Stuhl, in: Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 15 r. 7 Das Gemälde ist nicht oft publiziert worden. So in drei Zeitschriften: Kunst für Alle (1905/06), S. 125; Die Dame, Sonderausgabe Kinderheft, 1919, S. 12; Zeitschrift für Bildende Kunst, Nr. 46, 1911, S. 199 und in Karl Volls Publikation Max Slevogt. 96 Reproduktionen nach seinen Gemälden, München und Leipzig 1912, Abb. 41. Die einzige Farbabbildung findet sich in Wilken von Alten, Max Slevogt, Bielefeld und Leipzig 1926, S. 27, Abb. 34. Peter Paret hat das Gemälde selbst in The Berlin Secession. Modernism and Its Enemies in Imperial Germany, Cambridge 1980, S. 154 abgebildet. Jüngst wurde es als Umschlagabbildung für Robert Walsers Die kleine Berlinerin – Geschichten aus der Großstadt, Berlin 2018 verwendet, aber auch hier geht die Bildvor­ lage auf von Altens alte verblichene Aufnahme zurück. 8 Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt. Eine Monographie, Karlsruhe 1968, S. 87. 9 Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 26 v; fol. 27 v; fol. 33 r; fol. 34 r; fol. 35 r; fol. 36 r.

Ankunft Berlin: Slevogts Skizzenbuch 1901–1902

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2 Max Slevogt, Suzanne Aimeé Cassirer, Notizbuch Berlin, 1901−1902, unliniertes Notizbuch, 12,5 × 8,4 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

hat er aber keine dieser Bleistiftstudien verwendet. Der angeschnittene Löwe am oberen Bildrand des Gemäldes taucht auch bei einer weiteren Ideenskizze auf.10 Es handelt sich um eine Art Schaukelpferd in Gestalt eines Löwen, also ein großes stehendes Stofftier, auf dem man vermutlich auch reiten konnte.11 Der Tochter Paul Cassirers ist in dem Berliner Skizzenbuch schon rein quantitativ die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Das Gemälde war ein Auftragswerk für oder ein Geschenk an Paul Cassirer, laut Slevogts Bilderlisten ging es direkt an Cassirer.12 Es blieb stets in Familienbesitz bei Aimeé Suzanne Cassirer, die Philosophie und Kunstgeschichte in Marburg und Hamburg und später Medizin in Berlin studierte. Sie heiratete 1923 den Philosophen und Kunsthistoriker Hans Paret, mit dem Sie zwei Kinder hatte, den renom­ 10 Max Slevogt, Aimeé Cassirer mit einem Löwen, in: Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 25 r. 11 Diese Annahme bestätigte auch Peter Paret, der immer davon ausging, dass es sich um ein Stofftier handelt. [Email von Paret an die Autorin vom 20. November 2018]. 12 Das Gemälde ist nur signiert und nicht datiert. Vgl. die Bilderliste, 18 × 11,5 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass, Inv. Nr. DL SL NL 2013/25, S. 7. (Dort nennt er das Gemälde „Suschen Cassirer“).

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mierten Wissenschaftler Peter und Renate. Die Ehe wurde 1932 geschieden. Von 1932 bis 1934 studierte sie bei Sigmund Freud. Suzanne und ihr zweiter Mann Siegfried Bernfeld emigrierten mit den Kindern zunächst nach Frankreich und dann 1937 nach Kalifornien, wo sie sich in San Francisco niederließen. Gemeinsam schufen sie durch ihre Studien die Grundlagen für eine wissenschaftliche Freud-Biografik.13 Das Gemälde befindet sich bis heute im Privatbesitz der Familie ­Cassirer. Es ist interessant, dass eines der ersten Gemälde, die Slevogt in Berlin malte, für sei­ nen Galeristen entstand. Zugleich beweist es, dass er − neu in der Großstadt − ­Cassirer, den er noch aus München kannte, auch privat und nicht nur in der Galerie aufgesucht hat. Die Szene mit Aimée Cassirer (Abb. 1) zeigt zudem eine sehr gelöste und lockere Atmosphäre, bei der Suse auf dem Boden herumtollt. Slevogt scheint sie mehrfach zeich­ nerisch festgehalten zu haben, um nach einem geeigneten Motiv zu suchen. Letztlich ist so kein konventionelles und repräsentatives Kinderbildnis im herkömmlichen Sinn entstanden, sondern Suse sitzt in häuslicher Umgebung inmitten ihrer Spielsachen. Ver­ mutlich ist es auch ihre Mutter selbst, die sich als Reittier zur Verfügung stellt. Ein Hin­ weis zur Identifizierung könnte das Verlobungsfoto von Paul Cassirer und Lucie sein, denn hier trägt Lucie ihre dunklen Haare ebenfalls zu einem Dutt gebunden.14 Dies stimmt mit der Darstellung überein. Natürlich könnte auch ein Hausmädchen darge­ stellt sein, aber zur Familie Cassirer würde diese so intim anmutende Szene sehr gut passen. Und auch Slevogt war bekanntlich für jeden Spaß zu haben und vernarrt in Kinder.

Stippvisite beim Präsidenten der Berliner Secession Auch von Max Liebermann findet sich eine Porträtskizze in dem Notizbuch, die Slevogt allerdings „ausradiert“ bzw. verworfen hat (Abb. 3). Liebermann hatte bereits drei Jahre zuvor Slevogt in einem Gemälde festgehalten. Dieses ist bislang im Werkverzeichnis von Eberle auf das Jahr 1899 datiert.15 Ein Brief von Max Liebermann an Max Slevogt vom 5. Dezember 1898 erlaubt jedoch eine Vordatierung des Gemäldes um ein Jahr. In diesem Brief schreibt Liebermann dem Malerkollegen, dass er ihm sein „Conterfei“ zusende, da­ vor aber eine gewisse Scheu habe.16 Das heißt, dass sich beide bereits mindestens seit 1898 13 Siehe Brigitte Nölleke, Psychoanalytikerinnen. Biografisches Lexikon. https://www.psychoanalytikerinnen. de/deutschland_biografien.html#Cassirer [abgerufen am 25.10.2018]. 14 Sigrid Bauschinger, Die Cassirers. Unternehmer, Kunsthändler, Philosophen. Biographie einer Familie, München 2015, S. 77. 15 Vgl. Matthias Eberle, Max Liebermann – Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien, Bd. 1, 1865–1899, Mün­ chen 1995, hier Nr. 1899/2. 16 „Verehrter Herr Slevogt, eine gewisse Scheu, die Sie, als College, verstehen werden, hat mich verhindert, Ihnen Ihr Conterfei bis heut zu senden. Aber da Sie’s durchaus haben wollen, schicke ich es Ihnen u. – wasche meine Hände in Unschuld.“ Brief von Max Liebermann an Max Slevogt vom 5. Dezember 1898,

Ankunft Berlin: Slevogts Skizzenbuch 1901–1902

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3 Max Slevogt, verworfene Portraitstudie von Max Liebermann, Notizbuch Berlin, 1901−1902, unliniertes Notizbuch, 12,5 × 8,4 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

persönlich kannten bzw. sich damals schon getroffen haben müssen. Dies belegt auch die wenige Korrespondenz zwischen den beiden, die eher praktische Dinge bezüglich der Ausstellungsvorbereitungen der Secession in Berlin behandelt.17 Liebermann war somit eine der Personen, die Slevogt in der neuen Stadt Berlin bereits kannte und zugleich derje­ nige, der neben Walter Leistikow und Paul Cassirer seinen Umzug und den Eintritt in die Berliner Secession erwirkt hatte. Vielleicht fühlte sich der 20 Jahre jüngere Slevogt auch verpflichtet, von Liebermann ein Porträt, sozusagen eine Art Gegenporträt, anzufertigen. Das fertige Porträt (Abb. 4) zeigt den Präsidenten der Berliner Secession mit einem melancholischen Blick aus tief verschatteten Augen. Resigniert und müde wirkt der jüdi­ sche Großbürger Liebermann, dessen schiefe Fliege die Verfassung des Künstlers unter­

in: Max Liebermann, Briefe, Bd. 2: 1896−1901, hg. von Ernst Braun, Baden-Baden 2012 (Schriftenreihe der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin, 2), Nr. 255, S. 258. 17 Vgl. Briefe von Max Liebermann an Max Slevogt vom 14. April 1899, vom 16. Mai 1899 und vom 6. April 1900, in: Max Liebermann, Briefe, 2012 (wie Anm. 16), Nr. 292, S. 289, Nr. 302, S. 300 und Nr. 350, S. 339.

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4 Max Slevogt, Porträt Max Liebermann, 1901, Öl auf Leinwand, 47 × 37 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

streicht. Eingerahmt wird sein Bildnis von einem auffälligen historischen Goldrahmen im Hintergrund, der mit Sicherheit ein Hinweis auf die rege Sammeltätigkeit des stetigen Konkurrenten aus der Berliner Secession ist.18 Datiert ist dieses Gemälde laut Slevogts Signatur auf das Jahr 1902, die allerdings eine vorherige Signatur und Datierung über­ schreibt. Aus den Bilderlisten geht hervor, dass dieses Gemälde schon 1901 gemalt worden ist. Slevogt malte insgesamt zwei Porträts von Max Liebermann.19 Auch das zweite ent­ stand 1901. Warum Slevogt das Bildnis umdatierte bleibt unklar. Zudem gingen diese „2 Bildnisse Liebermann“ seltsamerweise nicht als Geschenk an Liebermann selbst, sondern das eine blieb zunächst im Besitz von Slevogt, während das zweite vom Sammler Leo 18 Eine Identifizierung des dargestellten Gemäldes ist leider nicht möglich. Zur Rekonstruktion von Lieber­ manns Kunstsammlung vgl. ausführlich: Max Liebermann. Die Kunstsammlung. Von Rembrandt bis Manet, hg. von Bärbel Hedinger, Michael Diers und Jürgen Müller, München 2013. 19 Max Slevogt, Bildnis Max Liebermann, 1901, Öl auf Leinwand, 66 × 56,8 cm, Kaiserslautern, Museum Pfalz­ galerie, Inv. Nr. M 85–44; vgl. die Bilderliste (wie Anm. 12), S. 8 (dort Nennung als: „2 Bildnisse Lieber­ mann“).

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Lewin erstanden wurde. Die Porträts Liebermanns sind daher nicht jener Art von Freund­ schaftsbildnissen zuzurechnen, die als Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung entstehen, um dann als wechselseitige Gabe ausgetauscht zu werden. Trotzdem zeigt Slevogt in der sensiblen Charakterisierung der Persönlichkeit Liebermanns, welch große Achtung er für diesen Künstler empfand.

Ein Geburtstagsgeschenk für den Direktor der Nationalgalerie Die nächste Person, die der Großstadtneuling in der Reichshauptstadt besuchte, war kein geringerer als Hugo von Tschudi. Seit 1896 Direktor der Nationalgalerie Berlin, setzte er sich dort maßgeblich für die Moderne und den französischen Impressionismus ein. Ein Brief aus dem Jahr 1896 belegt, dass Slevogt bereits in seiner Münchner Zeit in Kon­ takt mit Tschudi stand.20 Slevogt hatte ihm offenbar seinen Totentanz21 angeboten. Doch Tschudi konnte ihm damals nur mitteilen, dass „in unserer Kasse vollständige Ebbe“ herr­ sche22 und ihm dementsprechend keine Hoffnung auf einen möglichen Ankauf machen. Auch bei Tschudi war der Anlass des Besuches des Künstlers vermutlich ein Port­ rätauftrag. Nicht Tschudi, sondern seine Frau Angela Gonzales Olivares sollte gemalt werden (Taf. II). Die Heirat des langjährigen Junggesellen Tschudi im Oktober 1900 kam für viele überraschend.23 Zudem war die Spanierin aus Barcelona zwanzig Jahre jünger. Johannes Guthmann, der eine Zeit lang Volontär bei Tschudi in der Nationalgalerie in Berlin war, überlieferte, dass es ein Donnerschlag gewesen war […] als die Kunde durch Berlin lief, Tschudi sei von ei­ nem langen Urlaub aus Spanien zurückgekehrt – verheiratet! Eine – der Neid musste es ihr lassen – sehr gut aussehende, rassige Spanierin, von altem Adel und von Gelde, trat vor das Parkett der Berliner Gesellschaft.24

20 Brief von Hugo von Tschudi an Max Slevogt vom 11. Dezember 1896, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 21 Max Slevogt, Totentanz/Maskenball, 1896, Öl auf Leinwand, 102 × 123 cm, Schweinfurt, Museum Georg Schäfer, Inv. Nr. MGS 4306. 22 Brief von Hugo von Tschudi an Max Slevogt vom 11.12.1896, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 23 Ein Jahr später, 1901, bekamen beide den gemeinsamen Sohn Hans Gilg. Vgl. Johann Georg Prinz von Ho­ henzollern, „Hugo von Tschudi als Persönlichkeit“, in: Manet bis van Gogh. Hugo von Tschudi und der Kampf um die Moderne, hg. von Peter-Klaus Schuster und Johann Georg Prinz von Hohenzollern, Kat. Ausst. Berlin, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, München 1996, S. 9−19, hier S. 15. 24 Johannes Guthmann, Goldene Frucht. Begegnungen mit Menschen, Gärten und Häusern, Tübingen 1955, S. 184−185.

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Laut den Erinnerungen von Johannes Guthmann war es Angela Tschudi selbst, die Sle­ vogt wegen seines modernen Stils als Porträtisten wählte.25 Auch den günstigen Kauf­ preis von 300 Mark überliefert Guthmann,26 ebenso belegt durch einen Eintrag im Skiz­ zenbuch.27 Nach Guthmann entstand das Gemälde als Geschenk der Ehefrau zum 50. Geburtstag ihres Mannes,28 eine Aussage, die allerdings korrigiert werden muss, da Hugo von Tschudi am 7. Februar 1851 geboren wurde und somit am 7. Februar 1902 nicht 50, sondern bereits 51 Jahre alt wurde. Im Zusammenhang mit der Chronologie der Skizzen im Berliner Notizbuch zu diesem Gemälde, die in den November oder Dezember 1901 zu datieren sind, kann ausgeschlossen werden, dass das Gemälde bereits ein Jahr früher – nahezu sofort nach der Hochzeit Tschudis, als Slevogt noch nicht in Berlin lebte – entstan­ den ist. Diese These unterstützt auch die Tatsache, dass das Gemälde in den Bilderlisten als letzter Eintrag für das Jahr 1901 aufgelistet ist.29 Das Berliner Notizbuch enthält acht Studien, darunter drei Porträtzeichnungen (wovon zwei verworfen wurden) (Abb. 5) und fünf Skizzen von Angela von Tschudi, die die Komposition des Gemäldes in Halbfigur vorbereiten (Abb. 6).30 Es gibt nur zwei Be­ schreibungen des Charakters von Angela von Tschudi. Für Guthmann war sie eine eher arrogante Persönlichkeit: Frau von Tschudi hatte eine reizende Art, sich über die Leute lustig zu machen, und da sie keine Veranlassung fand, Deutsch zu lernen, tat sie es auf Französisch. Die erbosten Berliner rächten sich mit den düstersten Prophezeiungen über den Verlauf, den – das war doch klar zu sehen – rapiden Ablauf dieser Ehe.31 Alfred Lichtwark, seit 1886 Direktor der Hamburger Kunsthalle, lernte Angela von Tschu­ di 1903 kennen. Seiner Aussage nach war sie [e]ine merkwürdige Frau, als Erscheinung uns nicht fremd von unserer spanischen Kolonie her, sehr unterrichtet über alles, anmutig und beweglich im Gespräch wie eine Pariserin, die sie ist. Nur der starke Mollton ihres Organs verrät die Spanierin, deren Sprachorgane sich an einem sonoren Idiom gebildet haben.32

25 26 27 28 29 30

Ebd., S. 184 f. Ebd., S. 184. Max Slevogt, Auflistung von Einnahmen, in: Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 45 v. So auch von Imiela übernommen. Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 8), S. 375. Das Gemälde ist nur signiert und nicht datiert. Vgl. die Bilderliste (wie Anm. 12), S. 8. Max Slevogt, Angela von Tschudi, in: Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 38 v, 38 r, 39 v, 40 v, 41 v, 42 v, 43 r, 43 v. 31 Guthmann 1955 (wie Anm. 24), S. 184−185. 32 Alfred Lichtwark, Briefe an die Kommission für die Verwaltung der Kunsthalle, Bd. 11, 1903, Hamburg 1896−1920, S. 43.

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5 Max Slevogt, Porträtstudie Angela von Tschudi, Notizbuch Berlin, 1901−1902, unliniertes Notizbuch, 12,5 × 8,4 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

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6 Max Slevogt, Studie Angela von Tschudi in Halbfigur, Notizbuch Berlin, 1901−1902, unliniertes Notizbuch, 12,5 × 8,4 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Wiederum von Guthmann ist überliefert, dass Hugo von Tschudi mit der Flächenauftei­ lung des Gemäldes nicht zufrieden gewesen sei und deswegen am „rechten Rande einen breiten Streifen der Leinwand umschlagen“ habe lassen.“33 Für diese Behauptung finden sich keine weiteren Belege, bzw. zeigen Slevogts Kompositionsskizzen vielmehr deutlich, dass er mehrfach ausprobierte, wie er Angela von Tschudi am besten in der Komposition positionieren könnte. In dem fertigen Gemälde gibt Slevogt ihr dann noch die roten Nelken als Symbol der Liebe in die Hand. Die aquarellierte Studie (Abb. 6) ist dem Gemälde am nächsten. So findet man hier auch die gleiche Haltung ihres rechten angewinkelten Armes. Auch ist sie mit dem größten Abstand vom linken Bildrand entfernt platziert. Durch die Kolo­ rierung scheint Slevogt diesen Entwurf als „finalisiert“, also als den endgültigen Entwurf 33 Guthmann 1955 (wie Anm. 24), S. 184−185. Dieses Umschlagen findet sich bei dem Gemälde von Sada Yakko praktiziert (vgl. Anm. 44).

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gekennzeichnet zu haben. Laut Guthmann ist ihr Porträt eines der „ersten fulminantes­ ten impressionistischen Bildnisse Deutschlands“.34 Der Hintergrund ist mit verdünnter Ölfarbe sehr skizzenhaft angedeutet. Auch Angela von Tschudis Kleid ist mit sicheren Pinselstrichen in der dünnen Ölfarbe wie auf die Leinwand skizziert – die Farbe ist an wenigen Stellen so flüssig, dass sie z. B. an ihrer Bluse leicht nach unten läuft. Durch diese Schnelligkeit des Farbauftrages und die Skizzenhaftigkeit erzielt das Porträt eine unglaubliche Frische. Durch den kaum ausgearbeiteten Hintergrund wird ihr im Gegen­ satz dazu detailliert ausgearbeitetes Gesicht hervorgehoben und scheint nahezu aus dem Hintergrund herauszustechen. Das Porträt besitzt durch diese Malweise eine Leichtig­ keit, die dem Charakter der Dargestellten entspricht. Auch Tschudi selbst war von dem Porträt „sehr erfreut“ und bedankte sich bei Slevogt in einem Brief für das Gemälde, das im Gesamteindruck sehr überzeugend sei, auch wenn „ein paar Einzelheiten nicht ganz charakteristisch wiedergegeben erscheinen […] Bewegung und Ausdruck entsprechen durchaus dem Wesen meiner Frau.“35 Seine Frau ergänzte am Ende des Briefes einen Zu­ satz auf Französisch, wo sie sich ebenfalls ausdrücklich für das schöne Gemälde bedankte.

Das neue Kulturangebot der Großstadt: Das Kabuki-Theater mit Sada Yakko Aber nicht nur künstlerisch, sondern auch kulturell bot Berlin Slevogt sehr viel Neues. Das erste große Theaterereignis, das Max Slevogt in seinen Bann zog, war das Kabuki-The­ ater mit dem Star Sada Yakko. Der erste Auftritt der Truppe des Theaterpioniers Kawa­ kami Otojirō, dem Ehemann Sada Yakkos, fand in Berlin am 18. November 1901 im Zent­ ral-Theater mit den beiden Stücken Die Geisha und der Ritter und Kesa statt. Nicht nur Max Slevogt besuchte diese Aufführungen, sondern bei der Premiere war unter anderem auch Max Liebermann anwesend.36 Hier bot sich schließlich die erste Gelegenheit, japanisches Theater aus eigener Anschauung hautnah zu erleben. Außer Slevogt und Liebermann sahen sich auch die Künstler Emil Orlik, Gustav Klimt und Paul Klee die Aufführungen dieser groß beworbenen, exotischen Theatertruppe an. Der letzte Auftritt in Berlin fand am 19. Dezember im kleineren „Bunten Theater“ mit dem Stück Der Shogun statt. Dann zog die Truppe weiter nach Hannover. 1901−1902 trat sie in insgesamt 21 deutschen Städten auf. In Berlin hielt sie sich mit allein 28 regulären Theaterabenden in zwei verschiedenen Theaterhäusern und einer Wohltätigkeitsveranstaltung am längsten auf.37 34 Guthmann 1955 (wie Anm. 24), S. 184. 35 Brief von Hugo von Tschudi an Max Slevogt, ohne Datierung, vermutlich Februar 1902 nach Übergabe des Gemäldes, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 36 Peter Pantzer, Japanischer Theaterhimmel über Europas Bühnen. Kawakami Otojirō, Sada Yakko und ihre Truppe auf Tournee durch Mittel- und Osteuropa 1901/1902, München 2005, S. LXIV. 37 Ebd., S. LXXI-LXXII und XXIV.

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7 Max Slevogt, Sadda Yako mit zwei Samurai Kriegern, 1900, aquarellierte Tuschzeichnung, 16,4 × 22,5 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Kawakami Otojirō hatte zusammen mit Sada Yakko bereits auf der Pariser Weltaus­ stellung 1900 erstmals erstaunliche Triumphe gefeiert.38 Eine 2019 aus Privatbesitz auf­ getauchte aquarellierte Federzeichnung, die Sada Yakko mit zwei Samurai Kriegern zeigt und auf das Jahr 1900 datiert ist (Abb. 7), beweist, dass Max Slevogt diese schon damals live gesehen hat. Der folgenden Tour durch Mittel- und Südeuropa war eine Amerika­ tournee vorausgegangen. Gemanagt wurde die Truppe von der berühmten Tänzerin Loïe Fuller, die schon bei der Weltausstellung deren großes Potential erkannt hatte.39 Bewor­ ben wurde die Theatertruppe unter anderem mit dem Etikett „Originaljapaner“. Der Erfolg beruhte in erster Linie darauf, dass Kawakami Otojirō ein Gespür dafür hatte, das tradi­ tionelle Kabuki-Theater, das normalerweise einen ganzen Tag dauerte, an europäische

38 Ebd., S. XXI; vgl. auch Gernot Frankhäuser, „Sada Yakko“, in: Tänzerinnen um Slevogt, hg. von Gernot Frank­ häuser, Roland Krischke und Sigrun Paas, Kat. Ausst. Edenkoben, Max-Slevogt-Galerie im Schloss Villa Ludwigshöhe, München 2007, S. 60−62. 39 Vgl. Pantzer 2005 (wie Anm. 36), S. XXVII.

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8 Max Slevogt, Skizze einer Aufführung des Kabuki Theaters, Notizbuch Berlin, 1901−1902, unliniertes Notizbuch, 12,5 × 8,4 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

9 Max Slevogt, Portraitskizze von Sada Yakko, Notizbuch Berlin, 1901−1902, unliniertes Notizbuch, 12,5 × 8,4 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Theatergewohnheiten anzupassen. Zudem vermied man Dialoge und versuchte durch Gesten und Mimik, die Handlung deutlich zu machen. Dies führte in der damaligen Presse bisweilen zu Missverständnissen, so liest man oft von pantomimischen Auffüh­ rungen.40 In der Neuen deutschen Rundschau war zu lesen: „Sada Yacco und ihr Gatte Ka­ wakami Otojirō brachten uns klugen Berlinern zum ersten Mal Kunde vom japanischen Theater. Eine neue Welt erschloss sich uns, mit allem Zauber exotischer Reize umkleidet, eine Welt voll nie gesehener Farben […].“41 Der grausame Höhepunkt der Aufführungen war stets das Harakiri von Kawakami selbst, das laut der Leipziger illustrierten Zeitung „von fürchterlicher Realistik“ war.

40 Ebd., S. XXXV. 41 Ebd., S. XXXII.

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Ein breiter Blutstrom bezeichnet auf dem weißen Untergewand die Stelle, wo er das Messer in seinen Eingeweiden wüten lässt. Sein Gesicht wird fahl, aschfarben; pfei­ fend ringt seine Kehle nach Atem und mit einem markdurchschneidenden Stöhnen bricht er zusammen. Das sind Äußerlichkeiten, aber sie sind von nervenerschüttern­ der Naturtreue.42 Diese Berichte zeigen exemplarisch, wie neuartig dieses Theater war und wie viel Aufse­ hen die Truppe erregte. Gemeinsam mit Emil Orlik hatte Max Slevogt am 2. Dezember 1901 sogar einen per­ sönlichen Termin bei Sada Yakko bekommen.43 An diesem Tag wurden die Stücke Die Geisha und der Ritter und Kesa aufgeführt. Die Zeichnungen im Skizzenbuch (Abb. 8 und Abb. 9) bereiten diesmal nicht exakt das Gemälde von Sada Yakko vor, wie Slevogt dies bei Suzanne Aimeé Cassirer und Angela von Tschudi praktiziert hatte, sondern sie schei­ nen entweder direkt während einer Aufführung oder bei dem persönlichen Treffen mit der Schauspielerin hinter der Bühne entstanden zu sein: Spontane Skizzen, die wenige Eindrücke des Theaters festhielten und die zeigen, dass er sein Skizzenbuch auch im Halbdunkel füllen konnte. Das großformatige Gemälde der Sada Yakko entstand dann im Atelier. Datiert ist es auf der Rückseite in japanischer Schrift von Yakko selbst auf den Dezember 1901.44 Im Nachlass findet sich zudem auf der Rückseite des Theaterzettels zu Der Shogun eine Skizze der Bühne. Das Stück Der Shogun wurde erst Mitte Dezember aufgeführt, somit hat Slevogt nachweislich mehrfach das Kabuki-Theater besucht, sich letztlich aber im Hinblick auf ein Gemälde für ein Porträt von Sada Yakko entschieden und nicht für Darstellungen der Schauspieler oder etwa für das dramatische Harakiri auf der Bühne.45

42 Ebd., S. XXXVII. 43 Ebd., S. LXV. Vgl. auch Emil Orlik, Porträt der Schauspielerin Sada Yacco, 1901, Kohle und Gouache auf Karton, 49,7 × 31,5 cm, Theatermuseum Wien, Inv. Nr. HZ/HU54837. Das Pastell ist auf den 2. Dezember 1901 datiert. 44 Max Slevogt, Sada Yakko, Öl auf Leinwand, 129 × 83,4 cm, Saarbrücken, Stiftung Saarländischer Kultur­ besitz, Saarlandmuseum, Inv. Nr. 4G (auf der Rückseite in japanischer Sprache bezeichnet mit „Dezember 1901. Japan. Sada Yakko Kawakami“). Zudem entstand das Gemälde Porträt der Tänzerin Sada Yakko mit ihrem Ziehsohn Raikichi, 1901, Öl auf Leinwand, 132,2 × 110,5 cm, Privatbesitz. 45 Der Shogun, wurde vom 16.–18. und am 19. Dezember 1901 im „Bunten Theater“ aufgeführt. Vgl. Pantzer 2005 (wie Anm. 36), S. LXXII. Abb. in: Neue Wege des Impressionismus, hg. von Landesmuseum Mainz, bearb. von Sigrun Paas, Kat. Ausst. Mainz, Landesmuseum, München 2014, Kat. 127, S. 158.

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Fazit Das kleine Skizzenbuch lässt Max Slevogts Wege in Berlin direkt nachvollziehbar wer­ den. Er besuchte privat nach seinem Umzug in kürzester Zeit die drei einflussreichsten Persönlichkeiten des öffentlichen Kunstlebens in der Hauptstadt: Den Kunsthändler für die internationale Moderne Berlins, Paul Cassirer, der ihn unter Vertrag genommen hatte; den Präsidenten der Berliner Secession, Max Liebermann, und den Direktor der National­ galerie, Hugo von Tschudi, der sich maßgeblich für die Moderne und deren erste Ankäufe einsetzte.46 Alle drei Persönlichkeiten waren bestens mit Kunstsammlern, Kunsthändlern, Kunstkritikern sowie potentiellen, der neuen Kunst aufgeschlossenen Mäzenen, die meist dem jüdischen Großbürgertum entstammten, vernetzt.47 Mit diesen strategisch wichtigen Besuchen sicherte Slevogt sich künftige Aufträge und führte erste direkte Porträtaufträge aus, vielleicht aus Dankbarkeit, vielleicht aber auch mit dem konkreten Hintergedanken, weitere Porträtaufträge zu erhalten. Diese aktualisierende Intensivierung seiner Kontakte war ein wichtiger Schritt für Slevogt, sich selbst in Berlin zu vernetzen und zugleich seine Präsenz als Neuankömmling in der Berliner Secession zu zeigen. Zudem waren es neben Walter Leistikow in erster Linie Paul Cassirer und Max Liebermann, die Slevogt letzt­ endlich überzeugten, den Schritt zu wagen und von München nach Berlin überzusiedeln. Darüber hinaus erhielt er durch die Großstadt Berlin Anregungen für neue Themen, so z. B. für die Aufführungen von Sada Yakko und dem Kabuki-Theater. Die Skizzen zeigen nicht nur seinen Blick auf Berlin, sondern geben ebenso Einblicke in seine Ar­ beitsweise und Methode, Porträtgemälde vorzubereiten. Slevogt benötigte beispielsweise keine Fotografien o. ä., sondern er hatte die Gabe, sein Gegenüber mit wenigen Strichen sehr kleinformatig zu erfassen. Aus diesen Ideenskizzen wählte er sorgfältig aus, wie die Beispiele von Suzanne Aimeé Cassirer oder Angela von Tschudi zeigen. Diese sind seine einzige Grundlage für die Ausführung der späteren Gemälde. Selten, wie bei einer Skizze eines Paares, das er beim Essen zeigt, notierte er sich Farbangaben.48 Die Analyse des Skizzenbuches ermöglicht zugleich seine präzisere Datierung. Imiela datierte das Skizzenbuch auf den Dezember 1901.49 Dass das Skizzenbuch bereits im November begonnen worden sein muss, bestätigt neben dem frühesten Eintrag mit der Nennung des 28. November, auch das Datum der Premiere des Kabuki-Theaters am 18. November 1901.50 Laut Imiela zog Slevogt im Spätherbst 1901 nach Berlin um, diese An­ 46 Guthmann nannte Hugo von Tschudi neben Liebermann „die maßgebende Persönlichkeit im öffentlichen Kunstleben Berlins.“ Guthmann 1955 (wie Anm. 24), S. 117. Prinz von Hohenzollern 1996 (wie Anm. 23), S. 13. 47 Vgl. Ines Sonder, „Ein Ruhmesblatt für die Stifter“. Mäzene der französischen Moderne für die Nationalga­ lerie um 1900, in: Aufbruch in die Moderne. Sammler, Mäzene und Kunsthändler in Berlin, 1880−1933, hg. von Anna-Dorothea Ludewig, Julius H. Schoeps, Ines Sonder, Köln 2012, S. 210−231, hier S. 218. 48 Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 24 r. Das Motiv wurde nicht als Gemälde ausgeführt. 49 Imiela 1968 (wie Anm. 8), S. 87. 50 Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 45 v.

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nahme stimmt mit dieser Datierung des Skizzenbuches überein. So sind vermutlich alle Skizzen im November und Dezember 1901 entstanden. Diese These deckt sich auch mit den Datierungen der aus den Skizzen realisierten Gemälde. Die wenigen Auflistungen mit Einnahmen wurden dann noch bis zum Mai 1902 fortgeführt, denn der letzte Eintrag mit Datum lautet „21. Mai 1902“.51

51 Slevogt 1901−1902 (wie Anm. 1), fol. 14 r. Vgl. Anm. 2.

Miriam-Esther Owesle

„… Ausdruck freundschaftlicher Übereinstimmung in wichtigsten Lebensfragen“ Max Slevogt und Johannes Guthmann im Spiegel ihrer Korrespondenz

„Mein lieber Doctor! Es ist Unrecht, daß Sie sich über den materiellen Teil unserer Be­ ziehungen irgendwelche Gedanken gemacht haben“,1 schreibt Max Slevogt am 4. Okto­ ber 1911 aus dem pfälzischen Godramstein an den acht Jahre jüngeren Kunsthistoriker, Schriftsteller und Kunstsammler Johannes Guthmann, dessen Auftrag zur Ausmalung eines Gartenpavillons im Gutspark zu Neu-Cladow er jüngst fertig gestellt hatte (Abb. 1).2 Der erste Satz in der von Slevogt an Guthmann überlieferten Korrespondenz wirft dabei bereits ein Licht auf die besondere Beschaffenheit der Beziehung zwischen dem Künstler und seinem Auftraggeber, die schon bald weit über ein rein geschäftliches Verhältnis hi­ nausgehen sollte. Dem Brief Slevogts an Guthmann vom 4. Oktober 1911 war ein produk­ tiver Sommer vorangegangen – ein Sommer, der den Auftakt für jene enge Verbindung darstellte, die sich in zahlreichen gegenseitigen Besuchen und einem regen Briefwechsel zwischen Johannes Guthmann und Max Slevogt bis in dessen Todesjahr 1932 manifes­ tierte.3 Worum geht es in diesem Briefwechsel und worin gründete die enge Beziehung zwischen dem Künstler und seinem Sammler? Hiernach fragt vorliegender Aufsatz. Dass Johannes Guthmann Max Slevogt mit einem Auftrag zur Anfertigung von Wandmalereien in seinem Gartenpavillon, einem kleinen dorischen Tempel im Gutspark

1 Max Slevogt, Briefe 1898–1932, bearbeitet und kommentiert von Eva Wolf, hg. von Roland Möning, Saar­ brücken: Saarlandmuseum, 2018, Nr. 1, S. 26; Max Slevogt an Johannes Guthmann. Briefe von 1912–1932, hg. von Hans Jürgen Imiela, St. Ingbert-Saar: Kohl-Weigand, 1960, S. 13. 2 Zu Slevogts Neu-Cladower Wandmalereien vgl. Miriam-Esther Owesle, ‚Neu-Cladow und nichts anderes!‘ Johannes Guthmanns Traum vom Arkadien an der Havel, Berlin: Be.Bra Wissenschaft, 2014 (Edition NeuCladow, 1), S. 93–116; dies., ‚Innere Schau und äußerer Schein‘ – Die Neu-Cladower Wandmalereien als Schlüssel zum Impressionismusverständnis Max Slevogts“, in: Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag, hg. von Thomas Andratschke, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Pe­ tersberg: Imhof, 2018, S. 95–101; dies., Mimen, Musen und Memoiren. Illustre Gäste in Neu-Cladow, Berlin: Be.Bra Wissenschaft, 2019 (Edition Neu -Cladow, 2), S. 19–23. 3 Die Briefe Max Slevogts an Johannes Guthmann befinden sich im Saarlandmuseum Saarbrücken und sind Teil des Nachlasses Kohl-Weigand. Erstmalig wurden sie 1960 von Hans-Jürgen Imiela publiziert. 2018 haben sie im Rahmen der Publikation sämtlicher Slevogt-Autographen im Bestand des Saarlandmuseums Saarbrücken eine Neu-Edition erfahren. Die Briefe Johannes Guthmanns befinden sich im Landesbiblio­ thekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer und sind Teil des schriftlichen Nach­ lasses Max Slevogts. Der Briefwechsel ist nicht lückenlos erhalten. Es ist davon auszugehen, dass weitaus mehr Briefe existiert haben, als bis dato bekannt ist.

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1 Johannes Guthmann und Max Slevogt vor dem Gartenpavillon in Neu-Cladow, ca. 1911, Fotografie.

zu Neu-Cladow, bedachte, ist bemerkenswert. Der Künstler hatte bis dato im Medium der Wandmalerei noch nicht reüssiert – sieht man von wenigen privaten Arbeiten ab.4 In seinem Erinnerungsbuch an Slevogt von 1948 schreibt Guthmann: „Wohl gab es bisher keine Arbeit Slevogts auf dem Gebiet des Groß-Dekorativen; aber in mir war der heim­ liche Wunsch des Herzens zur Gewißheit geworden, daß mein kleines Belvedere und Slevogts Art sich reimen müßten.“5 Leider unterlässt es Guthmann, zu definieren, was er unter „Slevogts Art“ versteht. Mit Blick auf Guthmanns Liebe zu Slevogts frühen Illust­ rationsfolgen wie Ali Baba6 oder Lederstrumpf7 und im Hinblick auf seine eigenen um 1910 entstandenen neuromantischen Novellen und Erzählungen8 mögen es zum einen 4 Vgl. Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt: eine Monographie, Karlsruhe: Braun, 1968, S. 168 und S. 405, Anm. 4 und 5; Owesle 2019 (wie Anm. 2), S. 19. 5 Johannes Guthmann, Schöne Welt. Wandern und Weilen mit Max Slevogt, Berlin: Wedding-Verlag, 1948, S. 10. 6 Ali Baba und die vierzig Räuber, Improvisationen von Max Slevogt, Berlin: Bruno Cassirer, 1903. 7 James Fenimore Cooper, Lederstrumpf Erzählungen, Berlin: Paul Cassirer, 1909. 8 Vgl. unter anderem Johannes Guthmann, Das goldene Land: Erzählungen und Märchen, Düsseldorf: Schmitz & Olbertz, 1907; ders.: Romantische Novellen, Berlin: Paul Cassirer, 1911; ders.: Die Pfeile Amors und andere Novellen, Berlin: Reiss, 1914.

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insbesondere die märchenhaft-phantastischen Ingredienzen in der Kunst Max Slevogts und zum anderen dessen impressionistische Auffassung Manet’scher Provenienz gewe­ sen sein, die den Maler in Guthmanns Augen wie prädestiniert erscheinen lassen mussten, die Wände seines als „Belvedere“ gedachten Pavillons zu gestalten. Insistiert Guthmann auf Slevogts Einwand, der Auftraggeber möge statt ihm den Maler Karl Walser9 kommen lassen, mit den Worten, dieser ironisiere „die schöne Welt, die wir so lieben“10, so macht er mit der Negation von Slevogts Vorschlag klar, was ihn mit Slevogt verbindet und diesen in seinen Augen als adäquaten „Hofkünstler“ Neu-Cladows als eines modernen Musenhofs, an dem Kunst und Leben zur Einheit gelangen sollten, er­ scheinen lässt. Die Empathie, mit der Guthmann dem Kunstwollen Slevogts begegnet, in­ eins mit dem Enthusiasmus des Auftraggebers und der durch ihn offerierten Möglichkeit, dem Streben zur großen Fläche, wie es sich kurz zuvor an Slevogts auf der Berliner Seces­ sionsausstellung 1910 präsentiertem Gemälde Hörselberg11 exemplifiziert hatte, Raum zu geben, mag den Künstler für Guthmann eingenommen haben. Von Anfang an scheint Slevogt Guthmann somit weniger im Sinne eines finanziell potenten Auftraggebers, als vielmehr eines Spiritus Rector geschätzt zu haben, der die künstlerischen Anlagen und Wünsche des Malers, Zeichners und Grafikers auf besondere Weise zu fördern verstand. (Taf. III) In vielfacher Hinsicht wirkte der literatur- und musikbegeisterte Kunstsammler Jo­ hannes Guthmann anregend auf Slevogt und es liegt auf der Hand, dass Guthmanns Mu­ senhof Neu-Cladow den persönlichen Vorlieben und Interessen des Künstlers in beson­ derer Weise entsprach. Zum einen bot das hügelige Terrain des weitläufigen Gutsparks vielfältige Motive zum Malen en pleinair, so dass der Künstler 1912 in Neu-Cladow eine Bilderserie schuf, mit der er an jene Landschaftsmalerei im freien Licht anknüpft, die ihm bisher insbesondere in der Pfalz – der Heimat seiner Schwiegereltern und seiner eigenen Wahlheimat – bevorzugtes Schaffensgebiet gewesen war.12 In Neu-Cladow konnte sich der Künstler ganz jener Pleinairmalerei hingeben, die ihn bereits vor der Jahrhundert­ wende von einer Ateliertradition akademischer Provenienz hatte abrücken lassen. Das Plateau vor dem Gutshaus erlaubte seinem Blick dabei jenes panoramatische Schweifen, das besonders für Slevogts später entstandene Pfälzer Landschaften so charakteristisch werden sollte. Zudem konnte der Künstler in Neu-Cladow auch musizieren, spazieren und – au­ ßerhalb der Mauern des Gutsparks – jagen, kurzum: einen Lebensstil pflegen, wie er ihn ab 1914 auf seinem eigenen Hofgut Neukastel in der Südpfalz selbst etablierte. In Neu9 Der Maler, Bühnenbildner und Illustrator Karl Walser (1877–1943) stattete in Berlin unter anderem die Häuser von Paul Cassirer, Walther Rathenau und Samuel Fischer mit Wandmalereien aus. 10 Guthmann 1948 (wie Anm. 5), S. 14. 11 Max Slevogt: Hörselberg, 1910, Öl auf Leinwand, 290 × 370 cm, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum. 12 Zu Slevogts Neu-Cladower Gemäldeserie vgl. Owesle 2014 (wie Anm. 2), S. 73–92; Owesle 2019 (wie Anm. 2), S. 23–26.

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2 Max Slevogt, Abendessen auf der Terrasse in Neu-Cladow, 17. Juli 1912, Ölgemälde, Verbleib unbekannt.

Cladow fand Max Slevogt somit einen Ort, der ihm am Rande der Millionenmetropole Berlin die ideale Atmosphäre für kreatives Schaffen und Rekreation bot. So erklärt sich, dass er Guthmanns ganzjährig bewohnten Landsitz auch nach Abschluss seines ersten Auftrags 1911 immer wieder aufsuchte (Abb. 2). Mehrfach stellt der Künstler in seinen frühen Briefen die besondere Bedeutung Neu-Cladows für sich heraus und nimmt selbst aus der Ferne Anteil am dortigen Geschehen. So heißt es in einem Brief vom 3. Oktober 1913 aus Godramstein an Johannes Guthmann: Mein lieber Herr Doctor! Vielen herzlichen Dank, daß Sie bei Ihrer jagdlichen Ver­ anstaltung meiner gedenken! Ich brauche es Ihnen nicht erst zu sagen, wie gerade ich sie mitmachen möchte, und daß mein Herz dabei noch mehr für Gladow [sic] als nur gerade für das herbstliche Jagdvergnügen schlagen würde. Es ist mir aber nicht möglich […]! Es wird wohl Anfang November werden, bis ich zurückkommen kann, […]. – Dann aber […] will ich Sie so bald wie möglich draußen besuchen!13

13 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 4 (B 4), S. 29; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 14.

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3 Max Slevogt und Johannes Guthmann während der Überfahrt auf dem Mittelmeer auf der Reise nach Ägypten, Februar 1914, Reproduktion nach Fotografie von Eduard Fuchs, GDKE, Landesmuseum Mainz, Depositum.

Dass Slevogt darüber hinaus beabsichtigte, „300/ Probedrucke zum Cellini“14 mitzubrin­ gen, um sie dem Hausherrn zu zeigen, mag über rein merkantile Aspekte eines erhofften Verkaufs einzelner Blätter an Guthmann auch im Hinblick auf die Wichtigkeit eines Aus­ tauschs über Kunstfragen und Arbeitsprozesse interpretiert werden. Markantes Signum für das sich rasch verfestigende Band zwischen Künstler und Kunsthistoriker ist die über sechswöchige Reise nach und durch Ägypten, die der sonst so reiseunlustige Slevogt Anfang 1914 zusammen mit Johannes Guthmann, dessen Lebens­ gefährten, dem Historiker und Schriftsteller Joachim Zimmermann sowie dem Kultur­ wissenschaftler, Sittengeschichtler und Sammler Eduard Fuchs unternahm (Abb. 3). An der Ägyptenreise, auf der zwischen dem 13. Februar und dem 29. März 1914 insgesamt 21

14 Benvenuto Cellini, Seine Selbstbiographie in der deutschen Übertragung von Goethe, Berlin: Bruno Cassirer, 1914. Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 4 (B 4), S. 29 f., hier S. 29; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 14.

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Gemälde und 25 Aquarelle entstanden,15 fächert sich ein vielschichtiges Bild der Rollen und Funktionen auf, die Guthmann im Beziehungsgefüge mit Max Slevogt zukamen. So verdankt sich der Umstand, dass Guthmann Slevogt zu einer Reise in den Orient bewegen konnte, seiner Bereitwilligkeit, zusammen mit Zimmermann organisatorische Aufgaben zu übernehmen. Dass sich dabei Maler und Schriftsteller dennoch auf Augenhöhe begeg­ neten, dokumentiert die gemeinsame Herausgabe eines Buches, das als Reminiszenz an die ägyptische Reise publiziert wurde: 1917 erschien im Verlag von Bruno Cassirer Bilder aus Ägypten16 mit Texten aus der Feder von Johannes Guthmann und Aquarellen und Zeichnungen von Max Slevogt – eine Arbeit, die eine enge Verbindung auch auf künstle­ rischer Ebene verdeutlicht.17 Der Künstler kommentiert das Erscheinen des Buches am 29. Dezember 1917 in einem Brief aus Neukastel mit einer Zeichnung, die seinen Freund Guthmann auf der Spitze einer Pyramide stehend als Napoleon zeigt, dem er selbst – zusammen mit drei Kamelen – Ehrerbietung zollt (Abb. 4). Begleitend schreibt Slevogt: Lieber Doctor! Schon längst wollte ich Ihnen schreiben, u. zwar, wie es mich freut, daß unser ‚Ägypten‘ starken Beifall findet, – wie ich es so aus dem verschiedensten heraushöre, – sogar Br. C. bedauert, eine verhältnismäßig zu kleine Auflage gedruckt zu haben! – allerdings ‚Auf dieser Spitze hat nur einer Platz!‘ – u. so ist es nicht mehr wie recht und billig, daß Sie die Lorbeeren einheimsen, u. der Malersmann nur für die schmucke Einkleidung des Ganzen mitzeichnet. (Die Kamele sind übrigens bei Leibe hier kein Symbol, sondern nur dekorative Folie!)18 Die sich in Slevogts Zeichnung ebenso wie in seinen begleitenden Zeilen bei aller aufrich­ tigen Wertschätzung aussprechende Ironie, mit der der Künstler die „Huldigung an Guth­ mann“ relativiert, wirft ein Licht auf den freundschaftlich-vertrauten Umgang zwischen Künstler und Kunsthistoriker. Dabei finden die zahlreichen textlichen wie bildlichen hu­ moristischen Aperçus in Slevogts Briefen in Guthmanns häufig ironisch gefärbten Wort­ spielen und Bonmots ihr Pedant, die augenfällig machen, dass beide buchstäblich die gleiche Sprache sprechen. Dass Johannes Guthmann dem Künstler sowohl in Neu-Cladow als auch in Ägypten direkt beim Arbeiten über die Schulter schauen und unmittelbar An­ teil am Entstehungsprozess seiner Werke nehmen konnte, zeichnet dabei sicherlich mit­ verantwortlich für jenes besondere Einfühlungsvermögen in Slevogts Kunstwollen, dem 15 Vgl. Max Slevogt. Die Reise nach Ägypten 1914, Kat. Ausst. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister, Dresden: Sandstein, 2014, S. 75 ff. 16 Johannes Guthmann, Bilder aus Ägypten. Aquarelle und Zeichnungen von Max Slevogt, Berlin: Bruno Cassirer, 1917 (2. Aufl. 1925). 17 Trotz zahlreicher Ausstellungen und Publikationen zur Ägyptenreise Slevogts, sind die Texte dieser ersten wichtigen Quelle zur Reise von der Forschung bisher kaum rezipiert und Texte und Bilder auf etwaige Interdependenzen bisher noch nicht untersucht worden. 18 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 14 (B 14), S. 39; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 18 f.

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4 Max Slevogt, Slevogt huldigt Guthmann, 29. Dezember 1917, Zeichnung, Brief Max Slevogts an Johannes Guthmann, Saarlandmuseum Saarbrücken.

Ausdruck zu verleihen Guthmann in seinen Briefen nicht müde wird. Deutlich ergreift er Partei für eine andere Lesart als jene des humorvoll-fidelen Künstlers, als den ihn der von Paul Cassirer vorgeschlagene Titel von Guthmanns 1920 publizierter Slevogt-Mono­ grafie Scherz und Laune19 charakterisiert (Abb. 5). Über die ins Jahr 1918 zurückreichenden und im Sommer 1919 zu Ende gehenden Verhandlungen um die Herausgabe des Buches schreibt Guthmann:

19 Johannes Guthmann, Scherz und Laune. Max Slevogt und seine Gelegenheitsarbeiten, Berlin: Paul Cassirer, 1920.

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5 Johannes Guthmann, Scherz & Laune. Max Slevogt und seine Gelegenheitsarbeiten, Berlin: Paul Cassirer, 1920.

‚Scherz und Laune‘ war mir im ersten Augenblick so albern und für den darzustel­ lenden Künstler ungehörig erschienen, daß ich ihn von vornherein stillschweigend kassiert hatte. Slevogt als fideler Künstler, den Becher in der Hand, […] anheimelnds­ ter Typ der Bourgeoisie vor 1914, stets voller Scherz und Laune: es gab keine größere Verkennung!20 Dass Guthmann über die Titelfrage in heftige Auseinandersetzung mit seinem Verleger geriet und den von ihm präferierten Titel „Improvisationen“ gegenüber dem von Paul ­Cassirer vorgeschlagenen Titel verteidigte,21 wirft ein Licht auf sein originäres Verständ­ nis von Slevogts Kunstauffassung, die er immer wieder auch in seiner Korrespondenz mit dem Künstler artikuliert. So konstatiert er im Hinblick auf die Rezeption der Ausstellung von Slevogts Zauberflötenfries in der Freien Secession und den damit verbundenen Vor­

20 Guthmann 1948 (wie Anm. 5), S. 109 f. 21 Brief von Paul Cassirer an Max Slevogt, 24. Juli 1918, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzi­ sche Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100, vgl. Wolf 2018 (wie Anm. 1), S. 62.

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wurf der Skizzenhaftigkeit in der zeitgenössischen Presse in einem Brief vom 22. Juli 1917, es sei ihm „ganz egal“, was Hinz und Kunz an und für sich über Sie und Ihre Werke schreiben […]. Dass es sich bei der genialen Flottheit Ihrer Niederschrift nur um einen Entwurf handeln könnte, ist […] eine Meinung, der ich bei unverständigen Leuten öfters begegnet bin. […]. Wer Ihre Kunst liebt und sucht, ist entzückt von der funkelnden Leichtigkeit Ihrer malerischen Phantasie und Technik.22 Es mag eben diese „funkelnde Leichtigkeit“ der „malerischen Phantasie und Technik“ ge­ wesen sein, die Slevogt in Guthmanns Augen wie prädestiniert für die Ausgestaltung seines Neu-Cladower Gartenpavillons erscheinen ließ. Inspiriert durch die Umgebung des Gutsparks ebenso wie durch die Musik Mozarts und Themen früher Grafikzyklen nahm Slevogts Bildprogramm Bezug auf die ebenso heitere wie festliche Atmosphäre von Guthmanns Musenhof. Dass Guthmann Slevogt dabei mit einer Aufgabe betraute, die für den Maler künstlerisches Neuland darstellte, wirft ein Licht auf dessen Empathie, die zu einem besonderen Teil dafür verantwortlich zeichnet, dass der Künstler sich von früh an von Johannes Guthmann verstanden und bei ihm buchstäblich „gut aufgeho­ ben“ gefühlt haben mochte. Hierauf weist auch der Direktor der Berliner Museen Ludwig ­Justi explizit hin, wenn er mit Blick auf die geistig anregende Neu-Cladower Atmosphäre schreibt: „Slevogt hat vielleicht am meisten Gebrauch von diesem Paradies gemacht, und am fruchtbarsten, denn er mochte fühlen wie sein künstlerisches Wesen vom eindring­ lich liebenden Verstehen des Gastgebers getragen war; […].‘“23. Und auch der Künstler selbst attestiert Johannes Guthmann ein besonderes Einfühlungsvermögen in das Wesen seiner Person und seiner Kunst, wenn er als Reaktion auf die Lektüre des Manuskripts von Guthmanns Slevogt-Monografie dem Autor am 20. August 1919 bescheinigt, darin einen tieferen Sinn seines Lebens erfasst und gestaltet zu sehen.24 Längst kennzeichnete das Verhältnis beider zu diesem Zeitpunkt ein intensiver freundschaftlicher Austausch, der sich in der Korrespondenz dahingehend widerspie­ gelt, dass persönliche Lebensverhältnisse ebenso diskutiert werden, wie sich beide immer wieder über die Entstehungsprozesse ihrer jeweiligen Werke auf dem Laufenden halten. Auch während der Zeit des Ersten Weltkriegs blieb der enge Kontakt bestehen. Dabei wird Guthmann zum Berichterstatter offizieller wie privater Ereignisse in Berlin für Slevogt 22 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 22. Juli 1917, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 23 Ludwig Justi, „Slevogts Cladower Wandmalereien in der Nationalgalerie“, in: Der Kunstwanderer, Halbmonatsschrift für Alte und Neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen, Jg. 6, 1924, 1./2. Märzheft, S. 182–187, hier S. 182. 24 Vgl. Postkarte von Max Slevogt an Johannes Guthmann vom 20. August 1919, in: Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 28 (B 28), S. 65; Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 28.

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auf seinem Hofgut Neukastel. Dass Guthmann dem Künstler am 27. Dezember 1917 von einem Treffen mit mehreren Protagonisten des Neu-Cladower Kreises wie dem Schrift­ steller Gerhart Hauptmann und seiner Frau Margarete, dem Pianistenpaar Conrad und Margarete Ansorge sowie der Schauspielerin Lucie Höflich in seiner und Zimmermanns Stadtwohnung in Berlin-Tiergarten, Blumeshof 13, berichtet, führt die engmaschige Ver­ netzung auch während des Krieges vor Augen: „Während Jochens letztem Urlaub hatten wir bei uns einen reizenden Abend mit Gerh. Hauptmanns, Ansorges und Lucie Höflich. Wie Sie und Ihre Frau uns dabei gefehlt haben!“25 Dabei traf sich Guthmanns Neu-Cladower Gästekreis, zu dem neben Max Slevogt un­ ter anderem der Pianist Conrad Ansorge, der Schriftsteller Gerhart Hauptmann, der Bild­ hauer August Gaul, der Zeichner und Grafiker Emil Orlik, der Intendant Max Reinhardt, der Kunsthändler Paul Cassirer, die Schauspielerinnen Tilla Durieux und Lucie Höflich sowie der Kulturphilosoph und spätere Außenminister Walther Rathenau gehörten, wäh­ rend der Zeit des Ersten Weltkriegs insbesondere auch in der Deutschen Gesellschaft 1914, in der Vertreter aus Politik, Großindustrie, Hochfinanz, Kunst und Wissenschaft im Geis­ te der Burgfriedenspolitik von Reichskanzler Bethmann Hollweg zusammentrafen und deren Wesen Guthmann in seinen Lebenserinnerungen als die „harmonisierende Kraft einer großen Kulturgemeinschaft“26 beschreibt, das er in seinem Neu-Cladower Gäste­ kreis antizipiert sah.27 Dass Slevogt sich Neu-Cladow auch in jener Zeit verbunden fühlte, als er durch die französische Besetzung der Pfalz bis Ende 1919 an sein Neukasteler Heim gefesselt war, macht eine Postkarte aus Neukastel vom 21. Mai 1919 deutlich, auf der Slevogt eine Flora oder Fortuna28 aus einem Füllhorn einen Blütenregen über dem Schriftzug Neu-Cladow ausgießen lässt und dazu schreibt: „Alles Gute u. Schöne Neu-Cladow mit seinem Herrn u. s. Freunden.“29 – „Also endlich nach 5 Jahren beherbergt Cladow seinen Herren wie­ der, u. der Mai macht dazu sein schönstes und heiterstes Gesicht! Wollen wir es alle als gutes Zeichen nehmen!“30 (Abb. 6) Und auch Guthmanns Wiederaufnahme der durch den Krieg abgebrochenen Tradition des gastlichen Hauses verfolgte er aus der Ferne und kommentierte die Reanimierung des Spielbetriebs im Neu-Cladower Naturtheater, wo am 20. Juli 1919 Hugo von Hofmannsthals lyrisches Drama Der Tor und der Tod aufge­ führt wurde, in Wort und Bild. Auf einer Postkarte vom 26. Juli 1919 stellte Slevogt sich selbst als einen von Gicht geplagten Bettler auf zwei Krücken dar, der einen geschmink­ 25 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt vom 27. Dezember 1917, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 26 Johannes Guthmann, Goldene Frucht. Begegnungen mit Menschen, Gärten und Häusern, Tübingen: Wunder­ lich, 1955, S. 222. 27 Vgl. Owesle 2019 (wie Anm. 2), S. 185 f. 28 Wolf 2018 (wie Anm. 1), S. 60. 29 Beischrift gem. Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 24 (B 24), S. 60; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 26. 30 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 24 (B 24), S. 60; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1) S. 26.

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6 Max Slevogt, Fortuna mit dem Füllhorn, Postkarte von Max Slevogt an Johannes Guthmann vom 21. Mai 1919, Saarlandmuseum Saarbrücken.

ten und kostümierten Schauspieler (Guthmann?) um ein Almosen ersucht und daneben gedichtet: „Dieweil im Park Sie Hofmannstal [sic] agieren, Verbietet mir mein Loos, sogar, zu schmieren, Und glänzt Ihr Sinn, gleich einem fetten Aale. Stumpf wank ich hin mit schwächlichem Pedale!“31 Sein begleitender Brief schließt mit der Frage: „Wie war der Sonntag i. Naturtheater N-Cladow?“32 Die buchstäbliche „Verwurzelung“ Slevogts in Neu-Cladow machen Text und Bild einer Postkarte vom 28. Januar 1924 augenfällig, auf der Slevogt über die vollendete Ab­ tragung der Neu-Cladower Wandmalereien berichtet und seine Zeilen „Die Ausgrabung 31 Beischrift gem. Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 27 (B 27), S. 64a, vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 28. 32 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 27 (B 27), S. 64; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 28.

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in Gladow [sic] ist in’s Museum verpflanzt“33 mit einer Zeichnung kommentiert, die sei­ nen Porträtkopf mit schmerzverzerrten Zügen auf einem sich windenden Torso zeigt, der sich seiner Ausgrabung sichtbar zu entziehen sucht.34 Zu dieser Zeit weilte Guthmann bereits seit drei Jahren im schlesischen Schreiberhau, wo man im August 1921 eine Einla­ dungs-Postkarte an Slevogt versandte, auf der es heißt: „Noch ist ein wüster Zustand hier, aber die ‚Slevogts‘ hängen – viel schöner als in Cladow!“ Im Mai 1922 besuchte Slevogt das neue Domizil Guthmanns und Zimmermanns im Riesengebirge erstmalig und stellte den ihn noch Mitte April stark fordernden beruflichen Umtrieben in Berlin die Aussicht gegenüber, „nun baldigst bei Ihnen in Sicherheit einkriechen“35 zu können. Sicherlich spielt in der Beziehung zwischen Slevogt und Guthmann stets auch ein gegenseitiges Werben um die Gunst und nicht zuletzt den Einsatz des anderen eine wich­ tige Rolle: Für Slevogt ist Guthmann das Sprachrohr nach und in Berlin, wenn er selbst in Neukastel weilt – oder weilen muss, wie während der Zeit der französischen Besatzung der Pfalz 1919. So bittet er Guthmann vielfach um Berichterstattung aus der Hauptstadt und um seine Meinung zu wichtigen Ereignissen. So beispielsweise zur Ausstellung der Freien Secession in Berlin anlässlich des fünfzigsten Geburtstags des Künstlers im No­ vember und Dezember 1918. Am 12. Dezember schreibt Slevogt aus Neukastel an Guth­ mann: „Es würde mich sehr freuen, von Ihnen und Dr. Zimmermann zu hören […] – einige Worte, u. was Sie über die Ausstellung hören, sehen, empfinden.“36 Wenn es auf derselben Postkarte heißt, es erscheine Slevogt im Hinblick auf die ge­ nannte Ausstellung mit 240 Gemälden und 172 Aquarellen und Zeichnungen fast, als sei seine „Idee, daß man einmal mehr den ‚Maler‘ verstehen lernen wird, immer noch verfrüht gewesen“37, so spielt er damit auf eine Rezeptionsproblematik an, die auf das wirkmächtige Urteil Julius Meier-Graefes rekurriert, der 1915 in seiner Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst über Slevogt geschrieben hatte: „Der Maler kann übersehen werden. Seine Illustrationen sichern ihm für alle Zeiten eine seltene Stellung.“38 Der sepa­ rierenden Rezeption von Slevogts malerischem und grafischem Werk, der Meier-Graefe mit seinem Urteil den Weg bereitet hatte, stand Slevogt verständnislos gegenüber.39 In Guthmann hatte er einen Apologeten eines Slevogt-Bildes gefunden, der beide künstleri­ sche Ausdrucksformen als zusammengehörig betrachtete und nicht müde wurde, Slevogt gegenüber dem Vorwurf zu verteidigen, kein Maler zu sein.

33 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 57 (B 55), S. 97; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 44. 34 Vgl. Wolf 2018 (wie Anm. 1), S. 98; Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 44. 35 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 45 (B 43), S. 84; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 37. 36 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 22 (B 22), S. 56; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 24. 37 Ebd. 38 Julius Meier-Graefe, Entwicklungsgeschichte der modernen Malerei in drei Bänden, Bd. 2, München: Piper, 1915, S. 340. 39 Vgl. Max Slevogt, „Pro domo“, in: Almanach des Verlages Bruno Cassirer für 1920, o. O. und J. [Berlin und Leipzig 1920].

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So schreibt Johannes Guthmann am 22. Dezember 1928 hinsichtlich der Berliner Akademieausstellung zu Slevogts sechzigstem Geburtstag: „Selbst die Berliner wissen jetzt, dass sie in Ihnen einen Maler haben.“40 Und in ähnlicher Weise hatte sich Guth­ mann bereits am 18. Oktober 1928 gegenüber Nini Slevogt geäußert, an die er schreibt: „Und nun haben gar die Berliner Kritiker entdeckt, dass er ein Maler ist!!! Was will man mehr?!“41 Es nimmt vor diesem Hintergrund nicht wunder, dass Slevogt eine Allianz mit dem Kunstschriftsteller Guthmann als förderlich für ein in seinen Augen angemessenes Verständnis seines Werks betrachtet haben mag. Am 29. Dezember 1917 schreibt er im Hinblick auf einen für die Zeitschrift Wieland geplanten Artikel: „Wenn Sie nun wieder mir […] Ihre Feder leihen, so werden wir bald das schönste Trutz- und Schutzbündnis haben, wie es sich auch eigentlich von selbst versteht!“42 Dabei setzte sich Johannes Guthmann nicht nur als Autor für Slevogt ein – er vermit­ telte auch zwischen dem Künstler und renommierten Protagonisten des Kulturbetriebes wie Sammlern, Kunsthändlern und Verlegern, darunter Persönlichkeiten wie der Verleger Samuel Fischer43, der Arzt János Plesch44, die Pianistin Giulietta von Mendelssohn45 oder der Historiker Robert Davidsohn46. Suchte Guthmann dabei immer wieder Aufträge zu ver­ mitteln, so geht er dabei Slevogt gegenüber sehr offen mit seiner eigenen finanziellen Situa­ tion um und legt dem Künstler nicht selten seine wirtschaftlichen Verhältnisse dar, die im Laufe der 1920er Jahre zunehmend größeren Ankäufen abträglich sind. So schreibt er an­ lässlich einer Ausstellung von Illustrationen und Zeichnungen Slevogts im Verlagshaus von Bruno Cassirer am 20. Dezember 1924: „Mit Bedauern nur musste ich feststellen, wie gross die Zahl der Werke geworden ist, deren Anschaffung ich mir habe versagen müssen.“47 Dass Slevogt trotzdem an einem intensiven Austausch mit Guthmann lag, wirft ein Licht darauf, dass den Künstler mehr an den Kunsthistoriker und Sammler band, als ein rein geschäftliches Interesse. Anders als in Briefen an seinen Verleger Bruno Cassirer, seinen Kunsthändler Paul Cassirer oder seinen Sammler Konrad Wrede in

40 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 22. Dezember 1928, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 41 Brief Johannes Guthmann an Frau Professor Slevogt, 18. Oktober 1928, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 42 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 14 (B 14), S. 39; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 19. 43 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 12. April 1918, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 44 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 13. Oktober 1918, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 45 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 21. Juni 1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 46 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 3. März 1930, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 47 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt vom 20. Dezember 1924, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt, N100.

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Hannover48 mahnt Slevogt selbst in knappen Zeiten keine fälligen Honorare oder Rech­ nungen an. Vielmehr sucht Max Slevogt Guthmann an Verlage zu vermitteln, nimmt An­ teil an Bühnenerfolgen von Theaterstücken Zimmermanns und fragt beide insbesondere in den späten Briefen: „Woran arbeiten Sie?“49 Vice versa sieht sich Guthmann selbst nicht primär in der Rolle des Sammlers. So schreibt er am 1. August 1918 bezugnehmend auf offenkundig mehrere Bilder, die der Künstler ihm am Ende seines Sommeraufenthalts auf Neukastel im selben Jahr zum Geschenk gemacht hatte: Es ist nicht der Sammler in mir (d. h. natürlich der auch!), der sich über einen so monumentalen Zuwachs seiner Kunsthabe freut; es ist vielmehr der Mensch, das Ich in mir, das sich dieser wundervollen Bestätigung seines eignen Wertes durch einen so verehrten Mann und Freund mit innerlichster Befriedigung bewusst ist. Ich will darüber keine Dankesworte weiter verlieren: ich weiss, Sie verstehen mich!50 Fasst Guthmann Slevogts Geschenke „als den Ausdruck freundschaftlicher Übereinstim­ mung in wichtigsten Lebensfragen“51 auf, so wirft dies ein Licht auf einen geistig-seeli­ schen Konsens, der auch in folgenden Zeilen eines Briefes aus Schlesien vom 13. Oktober 1921 anklingt, in dem Guthmann nach einem neuerlichen Besuch bei Slevogt auf Neukastel schreibt: „Man braucht keineswegs immer von den höchsten Fragen von Kunst und Leben zu reden und fühlt doch in jedem Augenblick eine Gemeinsamkeit, die das Grosse wie das Kleine gleichmässig umfasst.“52 (Abb. 7) Dieser Konsens zeichnet verantwortlich für die enge Bindung, die sich nicht nur in Briefen, sondern auch in Telefonaten und besonders in Gesprächen während zahlloser wechselseitiger Besuche ausspricht: In Berlin und NeuCladow, Neukastel und Schreiberhau ebenso wie auf Reisen – nach Ägypten 1914 oder Italien 1929 und nicht zuletzt immer wieder auch während ihrer Treffen in Bayreuth.

48 Vgl. Thomas Andratschke, „Der doppelte Blick – Die Kunst Max Slevogts“, in: Kat. Hannover 2018 (wie Anm. 2), S. 10–23, hier S. 19. 49 Brief von Max Slevogt an Johannes Guthmann, 24. November 1931, Wolf 2018 (wie Anm. 1), Nr. 100 (B 98), S. 151; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 70. 50 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 1. August 1918, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Wolf interpretiert Imielas Bestandsan­ gabe der Gemälde Dr. Johannes Guthmann auf dem Felsen von Neukastel und Sonnenuntergang vom Trifels aus als Teil der ehemaligen Sammlung Guthmann dahingehend, dass es sich um jene Geschenke handele, die Guthmann von Slevogt am Ende seines Neukasteler Sommeraufenthalts erhielt. Vgl. Wolf 2018 (wie Anm. 1), S. 45. Dies bedarf der Korrektur. Zwar befanden sich beide Gemälde ehemals in der Sammlung Guth­ mann, jedoch entstanden darüber hinaus im selben Jahr ein Porträtkopf Guthmanns und das Gemälde Kirschblüte bei Neukastel und waren ebenfalls Teil der Sammlung Guthmann. Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 4), S. 419 f. Welche Gemälde Slevogt Guthmann schenkte ist bis dato ungeklärt. 51 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 1. August 1918, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 52 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 13. Oktober 1921, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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7 Max Slevogt, Johannes Guthmann auf dem Felsen von Neukastel, 1918, Ölgemälde, Verbleib unbekannt.

Wenn Johannes Guthmann in seinen 1955 erschienenen Lebenserinnerungen rück­ blickend schreibt, es sei ihm und seinem Lebensgefährten Joachim Zimmermann „von früh an […] Bedürfnis gewesen, die Meister, die wir in ihren Werken verehrten, mensch­ lich zu Freunden zu gewinnen“53, so war ihnen dies, was Max Slevogt betraf, vollkom­ men geglückt. Und wenn sich hierin auch der Wunsch Guthmanns ausdrückt, Kunst und ­Leben zu verbinden, so ist dies eine Vorstellung, die nicht nur in Neu-Cladow und Schreiberhau, sondern ebenso in Neukastel sichtbare Gestalt gewann. Dass Max Slevogt die Räume seines eigenen Anwesens in der Südpfalz mit Wandmalereien ausgestaltete, mag dabei durchaus im Zusammenhang gesehen werden mit seinen in Neu-Cladow ent­ standenen Arbeiten. Und dies in mehrfacher Hinsicht: Nicht nur waren seine Neukasteler Wandgemälde von 1919 die ersten Werke, die Slevogt im Medium der Wandmalerei nach jenen in Neu-Cladow schuf, sieht man von seinem Hannoveraner Zauberflötenfries von 1917 ab. Vielmehr schlägt auch die gewählte Thematik eine Brücke zu den bei Guthmann empfangenen Eindrücken und Impulsen. 53 Guthmann 1955 (wie Anm. 26), S. 148.

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So malte Max Slevogt an die westliche Außenwand seines Wohnzimmers zwischen ei­ nem Papageno aus Mozarts „Zauberflöte“ und einem Wagner’schen Siegfried einen O ­ rpheus vor Hades – ein Motiv, das möglicherweise durch Guthmanns 1909 bei Paul ­Cassirer erschienenes Prosagedicht „Eurydikes Wiederkehr“54 beeinflusst wurde. Und auch die Wandmalereien, die Slevogt in den 1920er Jahren für seinen Neukasteler Musiksaal und seine dortige Bibliothek schuf, mögen ersten Impulsen in Neukladow verpflichtet sein und sind im Falle der Ausmalung des Plafonds der Bibliothek nachweislich von der gemeinsa­ men Venedig-Reise inspiriert, die Guthmann zusammen mit Zimmermann und Slevogt im September 1929 unternahm und die sich katalysatorisch auf sein künstlerisches Schaffen auswirkte: „ich habe endlich wieder gearbeitet“, schreibt Slevogt am 23. November 1929.55 Auch für Guthmann waren die ersten Wandmalereien Slevogts für Neu-Cladow nicht die letzten, die er bei Slevogt in Auftrag zu geben avisierte. So scheint er 1919 daran ge­ dacht zu haben, seinen Vorraum in Neu-Cladow mit Slevogt’schen Arbeiten zum Frauenraub schmücken zu lassen. Hiervon besaß Guthmann fünf Skizzen,56 die Slevogt in einem Brief vom Januar 1919 als „gewissermaßen mit Hinblick auf ihn [den Vorraum, Anm. d. Verf.] entstanden“ bezeichnet.57 In Bezug auf die Figurenskizzen schrieb der Künstler, er habe sich über den Preis noch nichts gedacht, u. ich möchte mich, bevor ich mich von der Wirkung der Figür­ chen an Ort u. Stelle überzeugt habe, auch nichts sagen, NB. ohne Sie damit in Sorge setzen zu wollen, als ob meine Einschätzung dann ‚gesteigert‘ würde! Gott sei Dank, stehen wir nicht so zu einander!58 Von Anfang an kennzeichnet eine stete gegenseitige Anteilnahme am persönlichen Be­ finden wie am Entstehungsprozess der jeweiligen Werke die besondere Qualität der Be­ ziehung zwischen dem Künstler und dem Kunstschriftsteller. In einem Brief von Anfang Juni 1914 berichtet Slevogt Guthmann, er finde in Oberbozen die Muße, dessen „Novel­ len“59 und seinen „Faun“60 „zu lesen u. ihrer stillen Eigenart nachzusinnen. Es ist ganz ei­ gentümlich, wie mich ‚das Lied des Fauns‘ an einen meiner ersten Zeichenpläne erinnert, in einem lithogr. Cyclus ‚die Liebe eines Eskimo‘ zu phantasieren, (– Richard Strauß war damals dafür angeregt, entsprechend kleine Musikstücke dazu zu schreiben – ) ich will

54 Johannes Guthmann, Eurydikes Wiederkehr in drei Gesängen, Berlin: Paul Cassirer, 1909. 55 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 86 (B 85), S. 132; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 61. 56 Johannes Guthmann an Max Slevogt, 17. Mai 1927, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Guthmann führt auf einer hierin enthaltenen Liste der Slevogt’schen Ölbilder in seinem Besitz „5 Skizzen z. ‚Frauenraub‘ auf schwarzem Grund“ an. 57 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 23 (B 23), S. 57; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 25. 58 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 23 (B 23), S. 57; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 25. 59 Gemeint ist vermutlich Johannes Guthmann, Die Pfeile Amors und andere Novellen, Berlin: Reiss, 1914. 60 Johannes Guthmann, Das Lied des Faunen. Idylle, Berlin: Reiss, 1914.

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aber nicht in den Fehler verfallen, von mir zu sprechen, – u. nur eine Ideenverbindung streifen, die jetzt durch Sie eine sicher reifere u. harmonische Form gefunden hat.“61 Die enge Bindung zwischen Johannes Guthmann und Max Slevogt ließe sich ohne derartige „Ideenverbindungen“, die hier nur schlaglichtartig beleuchtet werden können und deren eingehende Analyse noch aussteht, nicht erklären. Insbesondere in seiner letz­ ten Lebenszeit findet Slevogt in Guthmann jene affirmative Haltung gegenüber seiner Kunst, die er seitens der Öffentlichkeit zunehmend vermisst, wenn er sich in den Zwan­ zigerjahren in wachsendem Maße unverstanden fühlt. Immer wieder betont Max Slevogt dabei die Wichtigkeit von Guthmanns Einschät­ zung bestimmter Kunstfragen. So schreibt er bereits in einem Brief vom 23. August 1920: „Die großen Projekte habe ich noch für eine Beratung mit Ihnen aufgeschoben“62. Beson­ ders in den späten 1920er Jahren sucht er aktiv und nachdrücklich den Rat Guthmanns. So bittet er ihn beispielsweise um Lektorat und etwaige Korrektur seines Aufsatzes Über alles die Kritik!63 für die Zeitschrift Kunst und Künstler, in dem sich Slevogt mit der zeit­ genössischen Rezeption Albrecht Dürers im Spiegel der Diskussion um eine spezifisch deutsche Kunst auseinandersetzt: „Liebe Freunde! Skeptisch meinem Elaborat gegenüber­ stehend sende ich es zu Ihrer Beurteilung und ev. Nachfeilung“, schreibt der Künstler Mitte März 1928 aus Berlin an Guthmann und Zimmermann.64 Vermisst man sowohl in Slevogts wie Guthmanns Briefen eine eingehende Ausein­ andersetzung mit der zeitgenössischen Kunstentwicklung und bleibt Politisches bis auf wenige Ausnahmen im Briefwechsel Slevogts mit Guthmann ausgeklammert, so spielen Gedanken über die „deutsche Kunst“ bisweilen im Austausch eine Rolle. In seinem Auf­ satz Über alles die Kritik! von 1928 rekurriert Slevogt auf den Begriff des „deutschen Geni­ us“, wenn er Dürer mit selbigem konnotiert.65 Und Guthmann sieht sich durch Slevogts zunehmende Ratsuche bei ihm befeuert, Slevogt selbst als „die Inkarnation des Deut­ schen Genius“66 zu bezeichnen und ihn 1931 gar den „bedeutendsten lebenden Künstler“67 zu nennen. Dies ist Kulminationspunkt einer Entwicklung, die Guthmann im Laufe der Zwanzigerjahre (auch vor der Folie seiner distanzierten Haltung gegenüber aktuellen 61 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 7 (B 7), S. 31f.; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 15f.; zu Slevogts „gegen Ende seiner Akademiezeit bei einem Ferienaufenthalt auf Neukastell [sic]“ gefassten Vorhaben, „in einer Folge von graphischen Blättern ‚Die Liebe eines Eskimos [sic]‘ zu schildern, zu welcher der junge Richard Strauß eine Begleitmusik schreiben sollte“, vgl. Guthmann 1920 (wie Anm. 19), S. 44. Slevogt hatte sich bereits 1889 mit dem Projekt beschäftigt und eine Folge von Entwürfen angefertigt. Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 4), S. 17 und S. 347, Anm. 12. 62 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 75 (B 73), S. 122; Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 32. 63 Max Slevogt, „Über alles die Kritik!“, in: Kunst und Künstler, Jg. 26, 1928, H. 9, S. 331–332. 64 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 35 (B 34), S. 73; Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 55. 65 Slevogt 1928 (wie Anm. 63), S. 331 66 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 5. Januar 1926, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 67 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 7. Juli 1931, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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Positionen der zeitgenössischen Kunst) einen immer schwärmerischen Ton annehmen und seine Verehrung von Slevogts Werk immer ausdrücklicher betonen lässt. So in einem Brief vom 20. Dezember 1924, in dem er Slevogt gegenüber äußert, dass ihm der Anblick Ihrer letzten Arbeiten, der Fresken wie der Bilder, auch diesmal wieder als ein Wachsen in immer weitere Dimensionen Ihrer menschlichen wie schöpferischen Ge­ nialität erschienen ist: ‚Vom Himmel durch die Welt zur Hölle‘ – und umgekehrt: Ih­ nen glaubt man, dass Sie, wie Dante, in dieser und in jenen Welten heimisch sind. Und mit tiefster Spannung warte ich auf das, was Sie […] der Welt noch sagen w ­ erden.68 Und hymnisch mutet der Ton an, den Johannes Guthmann anlässlich der Arbeiten ­Slevogts an den Illustrationen zu Goethes Faust II in einem Brief vom 5. Januar 1926 an­ schlägt: Aber es drängt mich doch, Ihnen beim Beginn des ‚Faust‘-Erscheinens zu sagen, wie mächtig das Werk auf mich, auf uns wirkt! Jedesmal, wenn man in einem Werk von Ihnen den Höhepunkt ihres Schaffens auch mit Worten und Ehrenkränzen gefeiert hat, überholen Sie sich sofort wieder auf Ihrer eigenen Siegesbahn und man schaut Ih­ nen verdutzt nach, wie sich Ihr Flug höher und höher hebt und sich nun dieser „Faust II “ den grössten Sternbildern Dürers und Rembrandts, die einsam und unvergäng­ lich dauern, einreiht. Mich ergreift ein unendliches Dankgefühl, dass ich ein solches Schaffen und Werden aus der Nähe mit erleben darf und es mir vergönnt ist, Sie unter den Penaten meines Lebens als Meister, Mensch und Freund ehrfürchtig lieben zu dürfen. – Verzeihen sie mir solche vielleicht überschwänglichen Worte, – aber dieser „Faust“ ruft eben auch überschwängliche Empfindungen wach.69 Halb augenzwinkernd, halb sichtlich geschmeichelt beantwortet Slevogt Guthmanns Eloge in einem Brief vom 10. Januar 1926 mit einem gezeichneten Porträt Guthmanns als „Johannes der Täufer“ und schreibt: Lieber Doctor! Da Sie als Johannes in der Wüste prophezeien, komme ich wirklich in Verlegenheit – aber ich freue mich doch herzlich darüber, einen so warmen Widerhall zu haben, u. nehme es als bestes omen [sic] für die Vollendung dieses Faust, die zu erleben ich einigemale verzweifelte!70

68 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 20. Dezember 1924, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 69 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 5. Januar 1926, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 70 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 65 (B63), S. 107; Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 49.

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Zweifellos wirkt sich Guthmanns Slevogt-Verehrung werkfördernd und inspirierend auf den Künstler aus, der im Laufe der 1920er Jahre immer wieder Guthmanns Rat sucht. Als Slevogt 1931 von Wilhelm Waetzoldt, dem Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, angeregt wird, sich Gedanken über eine „künstlerische Wiederbelebung“ der von Schinkel konzipierten Friese in der Vorhalle des Alten Museums im Sinne einer musivi­ schen Neugestaltung zu machen, bezieht der Künstler Guthmann in seine Überlegungen hierzu ein. Dessen differenziertes Urteil gibt zu erkennen, dass er sich detailliert mit Slevogts Belangen auseinandersetzt und ihn schließlich zum künstlerischen Schaffen anspornt. So schreibt er am 7. Juli 1931: Als Sie mir neulich Ihre Schinkel-Fragen vortrugen, stand ich ihnen recht ablehnend gegenüber. Die aufmerksame Betrachtung der Museums-Vorhalle, die ich am nächs­ ten Tage vornahm, die neuerliche Besichtigung von Schinkels Originalentwürfen im Kronprinzen-Palais und nachträgliches Bedenken des ganzen Falles lassen ihn mir nun doch anders erscheinen. […]. Ich glaube […], dass die Arbeit, einmal von Ihnen begonnen, Sie immer leidenschaftlicher künstlerisch beschäftigen und befriedigen würde. […]. Versuchen Sie es! Greifen Sie irgendein Detail aus dem Fries heraus, über­ setzen Sie es sich ins Slevogtische, lassen Sie so einige Quadratmeter zur Probe in Mosaik setzen – und sehen Sie dann: wie es Ihnen gefällt, wie viel Zeit und Kraft es Sie gekostet hat – und eine wie hohe Summe Sie ungefähr dafür zu verlangen hätten. Einen Versuch ist die Sache doch wahrlich wert.71 Unermüdlich sucht Johannes Guthmann Max Slevogt zum Schaffen zu bewegen und inspirieren – hiervon künden die meisten Textpassagen seiner Briefe an den Künst­ ler. Dabei stellt er die Kontinuität zu früheren gemeinsamen Erlebnissen durch neue Anregungen oder Aufträge her. So animiert er ihn am 7. Januar 1928 anlässlich einer geplanten Jubiläumsausstellung zum 60. Geburtstag Slevogts im selben Jahr zu einer „Serie von Schneebildern, z. B. aus dem Riesengebirge!!“72 in Erinnerung an die 1914 entstandene Reihe der Ägyptenbilder. Im schlesischen Schreiberhau hatte Slevogt für Guthmann bereits im Mai 1922 einen ovalen Teepavillon mit floralen Wand- und Decken­verzierungen ausgestattet und vier Jahre später – 1926 – für eben diesen Pa­ villon eine Gestalt des greisen Rübezahl als Wandmalerei geschaffen. 1930 erbat sich Guthmann bei Slevogt eine „Erinnerung an Venedig“ („Ricordo di Venezia“) und erhielt sie in Gestalt der beiden Gemälde W ­ alpurgisnacht I und II 73 für sein Schreiberhauer 71 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 7. Juli 1931, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 72 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 7. Januar 1928, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 73 Max Slevogt: Walpurgisnacht I u. II, 1930, Mahagoni, jeweils 64 × 122 cm; ehem. Slg. Guthmann, Verbleib unbekannt. Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 4), S. 443, Anm. 26.

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Haus.74 Und schließlich riet Guthmann Slevogt auch dazu, ein hundert Quadratmeter großes Fresko für eine Kirche in Ludwigshafen am Rhein zu malen – eine Aufgabe, auf die später noch einmal zurückzukommen sein wird. Immer wieder erweist sich Guthmann als versierter Kunstbeobachter und feinsinni­ ger Analytiker. So liefert er auf Slevogts Bitte in einem Brief vom 25. August 1931 einen detaillierten Bericht über die Hängung Slevogt’scher Arbeiten im Zuge der Neukonzep­ tion der Dresdener Gemäldegalerie, im Rahmen derer die Werke des 19. Jahrhunderts in das ehemalige Königliche Sekundogeniturgebäude umgezogen waren. Die dortige Präsentation von Arbeiten Liebermanns, Slevogts und Corinths in der Mittelgalerie des Obergeschosses mit den Werken von Corinth im Zentrum, war für Slevogt „ein weiterer Beleg dafür, dass seine Kunst nicht richtig verstanden und gewürdigt“75 wurde. Guth­ mann sucht in seiner Analyse der Hängung Slevogt zu beruhigen: „Jedenfalls wirkt diese Hälfte Ihrer Werke doch wunderschön und bildet einen sehr geeigneten Übergang von Corinths germanischem Farbengemetzel zu dem sehr gepflegten Franzosen-Saal neben­ an. Überhaupt war mir der Gegensatz (!) zwischen Ihnen und Corinth selten so sinnfällig wie jetzt in Dresden, wo man sozusagen mit dem linken Auge den Ostpreussen, mit dem rechten Auge Sie überschauen kann. Die in allen Lebensabschnitten Corinths sich gleiche massive, schwere erdgefesselte Farbenwucht hat etwas vom 19. Jahrhundert behalten bis in die letzten Arbeiten hinein. Ihre Bilder dagegen wirken entmaterialisiert, leicht, luftig, seelig, vergeistigt.“76 Insbesondere ist es die bei Slevogt wie bei Guthmann auf früheste Kindheits- und Jugenderlebnisse zurückgehende Verehrung und Liebe zur Kunst Richard Wagners, die beide verbindet. Bereits in einem frühen Brief Slevogts vom 6. August 1912 schreibt der Künstler an Johannes Guthmann: Eine beunruhigende Idee habe ich […] durch Sie mitgebracht, u. ihretwegen erbitte ich […] mir Ihren Beistand. Da Sie demnächst in Bayreuth sein werden, wird es Ihnen wohl nicht besonders Mühe wachen, mir 2 Billets für den Parsifal zu erkunden, u. darüber Nachricht zukommen zu lassen sofern es eben überhaupt möglich ist. […] Wenn es sich so machen ließe, daß meine Frau u. ich gleichzeitig mit Ihnen u. Dr. Zimmermann in Bayreuth sein könnten, wäre das natürlich besonders anregend.77 Immer wieder regt Guthmann Slevogt zu Bayreuth-Fahrten an, immer wieder fragt ­Slevogt nach, ob Guthmann nicht mit ihm zu den Festspielen fahren wolle – und in einer 74 Vgl. Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 30. August 1930, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 75 Wolf 2018 (wie Anm. 1), S. 149. 76 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 25. August 1931, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 77 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 2 (B2), S. 27; Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 13.

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Vielzahl der Fälle kommt es dazu. In Johannes Guthmann findet Max Slevogt somit auch den adäquaten Gesprächspartner für jene Sorgen, den ihm die ungehörten Vorschläge zu Bühnenbildentwürfen für Wagner-Inszenierungen in Bayreuth bereiten. In seinem Erinnerungsbuch an Slevogt schreibt Guthmann 1948: Hatte er nach dem Weltkriege 1924 die Werke Wagners mit einer stürmischen Emp­ fänglichkeit, die sich zu eigner Schaffenslust steigerte, in sich aufgenommen; so stand er ihnen nun als Künstler von Jahr zu Jahr mehr mit dem Gefühl einer inneren Ver­ bundenheit und Verantwortung gegenüber, ja, er empfand am Ende die Inszenierung des ‚Ringes‘ als die ‚ungelöste Aufgabe seines Lebens‘ […]78. Nach einem gemeinsamen Besuch der Festspiele öffnet Slevogt sich mit seinen Gedanken und Gefühlen gegenüber Guthmann und schreibt von einer Kur in Aachen am 31. August 1931: Sie haben Recht: warum haben wir in diesem kurzen Leben nicht öfter ‚Bayreuth‘! Diesmal verließ ich es in ziemlicher /u. besonderer/ Melancholie. Der Weg von die­ sem Walhall in unsere disproportionierte Zeit führt /läuft/ auf einem recht schwäch­ lichen, verblasenen Regenbogen. […]. So […] erschien es /für/ mich wie ein Abschied. Es kommt dazu, daß ich immer mit dem Gedanken ‚spielte‘, wie Sie wissen, den Bayr. Spielen auch bildmäßig ein Besonderes zu geben. […]. Diesmal sah ich klarer – u. friedvoller, – ich selbst habe den ungewollten Plan aufgegeben, (der ja wohl durch Parteianschluss zu erreichen wäre) – es wurde mir verständlich, daß […] /mein/ Trieb dazu nur/ der unbewußte Hang des Deutschen Künstlers war, zu einer größeren Ge­ sellschaft in einem allgemein verständlichen Symbol zu sprechen – wozu die Malerei mangels allgemein interessierender geteilter ‚Ideale‘ keine Gelegenheit mehr bietet. Dies ist schlecht ausgedrückt, – aber wir haben über dieses Tema [sic] in anderem Zusammenhang schon gesprochen.79 Das Empfinden, in einer „disproportionierten Zeit“ zu leben, mag Slevogt und Guthmann früh aneinander gebunden haben. Zunehmend wird der Künstler in den 1920er Jahren für Guthmann Projektionsfläche seiner ästhetischen Wünsche und Ideale, zu deren Durch­ setzung er sich nicht zuletzt auch eine kulturpolitische Einflussnahme Slevogts wünscht, wie aus einem Brief vom 3. März 1930 hervorgeht: Den letzten Abend unsres Berliner Aufenthaltes sprachen wir mit Purrmann lang und eingehend über das Berliner Ausstellungswesen, und dass da Wandel geschaf­ 78 Guthmann 1948 (wie Anm. 5), S. 169. 79 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 97 (B 95), S. 146; Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 67f.

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fen werden müsse. Die Thatsache, dass Sie in den unmöglichen Hinterstuben von B. C. ausstellen mussten, fand er, ebenso wie wir, skandalös. Kurz: der langen Rede Sinn war der: Stellen Sie sich an die Spitze der Sezession!80 Vor der Folie aktueller Positionen der zeitgenössischen Kunst und Kunstpolitik, nimmt sich Guthmanns Plädoyer als Anachronismus aus und bedarf in jedem Fall einer Diffe­ renzierung und Kontextualisierung, zu der auch eine Analyse von Slevogts 1931 publi­ ziertem Bekenntnis zu Feuerbach81 herangezogen werden müsste, mit dem der Künstler Johannes Guthmann buchstäblich aus der Seele zu sprechen scheint, wie aus seinem Brief vom 22. Februar 1931 hervorgeht: Es ist sehr dankenswert, dass Sie […] Ihrer Gewissenspflicht genügt haben und den Verblendeten der ‚Jetztzeit‘ das Memento der Zeitlosigkeit zugerufen haben. Wie sehr jede Ihrer Sentenzen mir aus der Seele gesprochen ist, wie sehr ich das Ganze als Parole aufgefasst sehen möchte, wissen Sie.82 Dass Guthmann Slevogt kennt und versteht wird im Laufe der 1920er Jahre zunehmend wichtiger für den Künstler, der sich zunehmend unverstanden fühlt. Slevogt, der sich selbst als Künstler, „dem Wagners Werk ein Leben lang höchste Passion war – und ist“83 bezeichnet, war tief enttäuscht, als ihm seitens Bayreuth und trotz Vermittlung Johannes Guthmanns verweigert wurde, die Festspiele – sowohl jene auf dem Grünen Hügel als auch an den Darmstädter Bühnen – mit Bühnenbildern auszustatten, um der von ihm be­ klagten „Stillosigkeit des Dekorativen ein Ende zu bereiten“84. Und bis an sein Lebensen­ de beschäftigte Slevogt das Thema, wie eine Zeichnung auf einer Postkarte zeigt,85 die Guthmann in seinem Erinnerungsbuch an Slevogt beschreibt: „Eine Postkarte (21. August 1932) brachte uns eine in grimmiger Ausgelassenheit hingeworfene Federzeichnung: Ein Box-Ring, unten das Publikum. Auf dem Podest Slevogt in Arbeiterhemd und Schürze mit Eimer und großem Tünchbesen machtvoll auf die desgleichen kostümierte und bewaff­ nete Frau Winifred losgehend, der der bestürzte Generalintendant Tietjen vergeblich zu 80 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 3. März 1930, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 81 Max Slevogt, „Bekenntnis zu Feuerbach“, in: Süddeutsche Monatshefte, Jg. 28, 1931, H. 5, S. 374–375. 82 Johannes Guthmann an Max Slevogt, 22. Februar 1931, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Guthmann bezieht sich auf eine – von ihm nicht datierte – Publikation von Slevogts Feuerbach-Aufsatz in der „D. A. Z.“ (vermutlich Deutsche Allgemeine Zeitung, Berlin 1919–45). 83 Aus einem Brief Slevogts an Arturo Toscanini, 16. September 1930, Abschrift von Johannes Guthmann, zit. nach Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 96 (B 94), S. 145. 84 Ebd. 85 Johannes Guthmann an Max Slevogt, 21. August 1932, Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 74, Abb. S. 74; nicht bei Wolf 2018 (wie Anm. 1).

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Hilfe eilt: Dazu die Beschriftung: ‚Wie M. S. seine Weltkleisterschaft verteidigt, im ‚Ring‘ jedoch nicht zugelassen wird! s. l. Freunden eine Bayreuther Erinnerung.‘ Es ist das letzte Lebenszeichen, das wir von ihm erhalten haben.“86 War Slevogt durch Guthmanns Auftrag zu den Wandmalereien im Gartenpavillon zu Neu-Cladow zum „Freskomaler“87 geworden, der sich in seinem eigenen Neukasteler Eß­ zimmer 1919 in der Technik „à la fresko“ betätigte88 und in den Zwanzigerjahren eine stattliche Reihe an öffentlichen und privaten Aufträgen erhielt89 und gilt Johannes Guth­ mann als „Entdecker des Freskomalers Slevogt“90, so stellt er sich selbst auch als jenen dar, der den katalysatorischen Impuls zu Slevogts letzter großen künstlerischen Lebensaufga­ be gab: dem „Golgatha“-Fresko in der Ludwigshafener Friedenskirche, dessen riesenhaftes Ausmaß von hundert Quadratmetern (acht mal zwölf Metern) den kleinen Neu-Cladower Wandbildern diametral gegenüberstand.91 In einem Brief Slevogts an Guthmann vom 31. August 1931 öffnet sich der Künstler mit all seinen Gedanken und Gefühlen, die ihn angesichts der gewaltigen Aufgabe anfechten: der Dekan einer neugebauten Kirche in Ludwigshafen will von mir als einzigen Schmuck dieser Kirche […] ein großes Wand u. – Mittelbild: 8 meter zu 12 m. hoch! – eine Sixtina! – Hier verwurzelt sich die Frage nun erst recht! u. ich sitze wie ein von vornherein geschlagener Feldherr vor den Trümmern meiner Vorstellungen! – Wo­ mit soll ich bauen, – ein Heide in einer Kirche!? – Mir fällt Schwind’s Bildchen ein, wo der Teufel die Steine zur Kirche karrt!  – Andererseits: es ist eine Aufgabe! Wie weit sind wir wieder abgetrieben von unserem Jugendschrei l’art pour l’art! – dem wir die beste Kraft gewidmet haben! – Ein […] Narr/ der Zeit!92

86 Guthmann 1948 (wie Anm. 5), S. 192. 87 Auch, wenn es sich bei der Arbeit in Neu-Cladow nicht um ein Malen „nass-in-nass“ in den noch feuchten Putz handelte, sondern die Wände schon getrocknet waren, als Slevogt zur Tat schritt, bezeichnete Johan­ nes Guthmann seine Neu-Cladower Wandgemälde bisweilen als „Fresken“. 88 Vgl. Karte von Max Slevogt an Johannes Guthmann vom 12. Juni 1919, Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 25 (B 25); Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 27. Bei den Fresken handelte es sich um drei Darstellungen auf der westlichen Außenwand des Esszimmers in Neukastel, die 1923 durch den Anbau des Musiksaales zerstört wurden: Orpheus vor Hades und Persephone (Mitte), Papageno (links), Siegfried und Brunhilde (rechts). Vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 78, Anm. 78. 89 Vgl. Owesle 2014 (wie Anm. 2), S. 108. 90 Wolfgang Goetz, „Erinnerung an Neu-Cladow. Sommernächte auf der Terrasse an der Havel“, in: Vossische Zeitung, Das Unterhaltungsblatt, 25. Dezember 1927, Nr. 302, S. 1–2, hier S. 1; vgl. Wolfgang Goetz, Begegnungen und Bekenntnisse, Berlin: Herbig, 1964, S. 112–116, hier S. 114. 91 Vgl. Guthmann 1955 (wie Anm. 26), S. 110 f. Zu Slevogts Wandmalereien siehe Anna Laug, „Die Sehn­ sucht nach grossen Flächen. Max Slevogts Wandbilder“, in: Blick zurück nach vorn. Neue Forschungen zu Max Slevogt, hg. von Gregor Wedekind in Verbindung mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rhein­ land-Pfalz, Berlin und Boston: De Gruyter, 2016 (Phoenix – Mainzer kunstwissenschaftliche Bibliothek, 2), S. 209–230. 92 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 97 (B 95), S. 146; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 68.

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Eine Postkarte aus Berlin, adressiert nach Mittel-Schreiberhau vom 2. Mai 1932 kündet davon, dass Slevogt den Gang nach Ludwigshafen angetreten hat.93 Noch unter dem gro­ ßen Eindruck stehend, den das Friedenskirchenfresko auf Guthmann und Zimmermann gemacht hatte, als sie Slevogt zu einem Zeitpunkt in Ludwigshafen besuchten, als die Ar­ beiten am Fresko schon weit voran geschritten waren, tut Johannes Guthmann in seinem Brief vom 21. Juni 1932 nicht nur seine Begeisterung über das monumentale Werk kund, sondern vertritt dabei, wie bereits in seinem Gefecht mit Paul Cassirer rund um den Titel seiner Slevogt-Monografie von 1920, auch in dieser Briefsentenz sein eigenes Slevogt-Bild: Es wird nun keiner mehr die schon von jeher alberne und grundfalsche Phrase vom ‚ewig heiteren‘ Slevogt machen können. Rückwirkend auf alles Frühere werden die Leute zu einer ganz anderen Einstellung zu ihrer bisherigen Malerei kommen, und der lichte sinnliche Eindruck jener Farben wird nicht mehr bloss als der spontane Ausdruck eines glücklichen Malernaturells gewertet werden können, sondern als der über alle Widrigkeiten des Lebens sich siegreich durchsetzende Wille zum Licht, zum Glanz, zur farbigen Schönheit der Erscheinung. Diese Schönheit und Freudigkeit so vieler ihrer Landschaften und Bilder ist nicht, wie die Leute immer glaubten, Ihnen als einem Sonntagskind des lieben Gottes mühelos in den Schoss gefallen, sie war erkämpft, errungen – wie Fausts ‚Freiheit und das Leben‘.94 Aus dem Antwortschreiben Max Slevogts geht die Wichtigkeit von Guthmanns Einfüh­ lungsvermögen für den Künstler hervor, wenn er am 27. Juni 1932 schreibt: „Ihr Brief […] hat mich sehr erfreut. Es ist nun doch einmal so, daß verständnisvolle Teilnahme die Kräfte fördert. Und ich hatte es voll nötig […]. […]. Also das Fresko ist fertig“95. Dass Johannes Guthmann den Künstler seit jenen denkwürdigen Sommertagen der Jahre 1911 und 1912 zeitlebens begleitete und an zahlreichen wichtigen Entscheidungen, die Max Slevogt zu treffen hatte, beteiligt war, wirft ein Licht auf die enge Verbunden­ heit des Künstlers mit dem Kunsthistoriker, die sich in dem umfangreichen Briefwechsel beider widerspiegelt (Abb. 8). Dass Johannes Guthmann bei seiner Ausweisung aus dem von polnischer Miliz besetzten Schreiberhau 1946 die Briefe Max Slevogts an ihn – „etwa hundert mit über 50 Federzeichnungen“96 – mitnahm, legt die Bedeutung offen, die der Künstler für den Kunsthistoriker hatte. Dabei erzählt der Briefwechsel davon, dass die Beziehung zwischen Slevogt und Guthmann von einem steten Interesse und einer be­ 93 Johannes Guthmann an Max Slevogt, 2. Mai 1932, in: Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 72; nicht bei Wolf 2018 (wie Anm. 1). 94 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 21. Juni 1932, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 95 Wolf 2018 (wie Anm. 1), Guthmann Nr. 102 (B 101), S. 153; vgl. Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 72. 96 Brief Johannes Guthmann an Franz Josef Kohl-Weigand, 29. Juli 1954, zit. nach Imiela 1960 (wie Anm. 1), S. 3.

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8 Max Slevogt, Slevogt wird von den Engeln Guthmann und Zimmermann emporgehoben, Brief von Max Slevogt an Johannes Guthmann vom 18. August 1926, Saarlandmuseum Saarbrücken.

sonderen Aufmerksamkeit für das Tun und Schaffen des jeweils anderen geprägt war. In Bezug auf Slevogts versuchte Vermittlung eines Textes von Guthmann an einen Verlag schreibt dieser am 14. August 1932: Der wenn auch ärgerliche Abschluss dieser Verlagsepisode giebt mir aber wenigstens Anlass mir dankbar bewusst zu sein, was freundschaftliche Teilnahme wie die Ihrige ist. Sie stärkt den Glauben an mich selbst und hält die Zuversicht aufrecht, dass doch einmal ‚der‘ Tag kommt.97 Für den Künstler wie für den Kunsthistoriker war das wechselseitige Verständnis kräfte­ fördernd für das kreative Schaffen und für die persönliche Rekreation. Der Briefwechsel profiliert Guthmann als Sammler, Auftraggeber und Freund Slevogts ebenso, wie er deut­ lich macht, dass Slevogt in Guthmann einen Resonanzboden für seine künstlerischen wie persönlichen Gedanken, Überlegungen und Vorhaben fand, dessen Begleitung auf zahlreichen Reisen er ebenso schätzte, wie seinen Rat in künstlerischen und kunsthisto­ rischen Belangen. Als Verehrer der Kunst Max Slevogts wirkte Johannes Guthmann von Anfang an bestärkend auf Slevogt, als Auftraggeber und Ideengeber inspirierend. Die unverbrüchliche Freundschaft und der fruchtbare Austausch zwischen Max Slevogt und Johannes Guthmann fand nach Slevogts Tod am 20. September 1932 in mehreren Schrif­ ten Guthmanns sprechenden Ausdruck. 1948 erschien Guthmanns Erinnerungsbuch Schöne Welt – Wandern und Weilen mit Max Slevogt, in dem all jene Lebens- und Schaffens­

97 Brief Johannes Guthmann an Max Slevogt, 14. August 1932, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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9 Max Slevogt, Wetterfahne (Rübezahl), Villa Guthmann, Schreiberhau, Historische Aufnahme um 1928, Postkarte Johannes Guthmann an Max Slevogt vom 4. Juni 1930, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

sta­tionen des Künstlers nachgezeichnet und in Beziehung zum Wirken Johannes Guth­ manns gesetzt sind, von denen der hier untersuchte Briefwechsel aus erster Hand kündet. Wenn Slevogt sich noch 1928 eindeutig zum Impressionismus bekennt, so formuliert er in seinem Vorwort zum Katalog der Jubiläumsausstellung anlässlich seines 60. Geburts­ tags in der Berliner Akademie der Künste sein künstlerisches Credo folgendermaßen: Durch Warnungstafeln bezeichnete Gebiete, die der Impressionist nicht betreten soll, dürfen uns nicht schrecken! […] Wir wollen unsere ‚Nymphen‘ in unseren Gärten se­ hen und wünschen, daß die Bilder dann von empfänglichen Augen gesehen werden.98 98 Max Slevogt, „Vorwort“, in: Max Slevogt: Gemälde, Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen. Zu seinem 60. Geburtstag, Preußische Akademie der Künste, Berlin 1928, zit. nach Max Slevogt. Neue Wege zum Impressionismus, bear­

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In den Gärten Johannes Guthmanns bestand für Max Slevogt die Möglichkeit, seinen „Nymphen“ künstlerische Gestalt zu verleihen. Er machte davon vielfach Gebrauch. Dass Guthmanns Augen höchst empfänglich für die Besonderheiten seiner Kunst wie seines persönlichen Wesens waren, wirkte sich katalysatorisch auf eine Vielzahl von Slevogts Schaffensprozessen aus. Noch heute dreht sich auf dem Dach der Schreiberhauer Villa von Johannes Guthmann und Joachim Zimmermann eine von Max Slevogt entworfene Wetterfahne im Wind (Abb. 9).

beitet von Sigrun Paas, Kat. Ausst. Mainz, Landesmuseum, München: Hirmer, 2014, S. 272–273, hier S. 273.

Carola Schenk

Slevogt betritt die Bühne Slevogt im Berliner Theaterumkreis von Otto Brahm, Gerhart Hauptmann und Max Reinhardt

Max Slevogt kam 1901 aus München nach Berlin, zu einer Zeit als sich der kulturelle Schwerpunkt in Deutschland zunehmend von der Isar an die Spree verlagerte und die aufstrebende Metropole nicht nur im Bereich der Kunst, sondern auch als Theater-Zent­ rum immer mehr an Bedeutung gewann. Bereits kurz nach seinem Eintreffen dort wurde Slevogt ordentliches Mitglied in der Berliner Secession und in deren Vorstand gewählt. Seinen Einstieg als Secessionsmitglied gab er 1902 auf der 5. Jahresausstellung mit seinem Gemälde Das Champagnerlied, auch der Weiße d’Andrade genannt, einem monumentalen Rollenporträt des portugiesischen Sängers Francisco d’A ndrade als Don Giovanni. Seitdem widmete sich Slevogt zuneh­ mend Theaterthemen. Er genoss das kulturelle Angebot der Hauptstadt mit seinen The­ atern, Konzert- und Opernhäusern und knüpfte viele neue Kontakte. Seine zahlreichen Theater-Eindrücke verarbeitete er noch im Jahr seiner Ankunft in Tänzerinnen-Rollen­ porträts der japanischen Schauspielerin Sada Yakko sowie in verschiedenen Rollenbild­ nissen d’Andrades. Weitere Tänzerinnen-Rollenbildnisse der Marietta di Rigardo (1904), Anna Pawlowa (1909) und La Argentina (1926) sowie Schauspieler-Rollenporträts von Emil Thomas (1903), Tilla Durieux (1907, 1921) und Elsa Berna (1908) folgten, die seinen Ruf als aufstrebender Künstler in der Hauptstadt festigten.1 Slevogt ließ sich nach seiner Ankunft in Berlin nicht nur von Theatereindrücken und -sujets inspirieren, sondern „hob das ganze Leben auf eine imaginäre Bühne“,2 wie es viele Jahre später Karl Scheffler formulierte. „Da Slevogt alles Leben in Szene setzte, als sei’s ein Stück von ihm, konnte es nicht fehlen, daß ihm die Bühne selbst zum Gegenstand wurde.“3

1 Vgl. Carola Schenk, Max Slevogt und das Theater. Die Entwicklung des Schauspieler-Rollenporträts, in: Max Slevogt. Die Berliner Jahre, hg. von Sabine Fehlemann, Kat. Ausst. Wuppertal, Von der Heydt-Museum, 2005, S. 147–155. 2 Karl Scheffler, Max Slevogt, Berlin 1940, S. 42. Vgl. auch Carola Schenk, Slevogt – Ein Leben zwischen Schauspiel, Tanz und Oper, in: Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag, hg. von Thomas Andratschke, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Petersberg 2018, S. 26–33, hier S. 27. 3 Scheffler 1940 (wie Anm. 2), S. 60.

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Berliner Theaterleiter engagieren Bildende Künstler Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Berliner Theaterszene hauptsächlich durch die beiden Theaterleiter Otto Brahm und Max Reinhardt geprägt. Beide versuchten auf unterschiedliche Art und Weise, dem Theater neue Impulse zu verschaffen. Brahm setzte auf den „Naturalismus“, um sich von den größtenteils starren Theatervorstellungen des 19. Jahrhunderts zu lösen und war bestrebt, seine Schauspieler „natürlich“ erscheinen und sprechen zu lassen. Die Bühnendekorationen und Handlungsorte wurden nun bereits in den Szenenanweisungen der naturalistischen Dramatiker, deren wichtigster Vertreter Gerhart Hauptmann war, sehr genau beschrieben. Max Reinhardt, der als Schauspieler von Brahm in Wien entdeckt und nach Berlin geholt worden war, löste sich zunehmend von seinem Förderer und vom Naturalismus und gründete seine eigenen Bühnen. Er versuchte sich in vielen unterschiedlichen Stilen und technischen Möglichkeiten, ohne dabei einen eigenen dogmatischen Reformgedanken zu entwickeln. Für Reinhardt sollte die Bühne zum Erlebnisraum werden, einem Theater, „das den Menschen wieder Freude gibt“.4 Max Reinhardt dachte bereits im Spätsommer 1902 daran, Maler für sich zu gewinnen. Diese sollten, völlig losgelöst vom Theaterbetrieb, Bühnenbilder und Kostüme entwerfen: […] Ich habe die Absicht, die besten Maler heranzuziehen, ich weiß, wie sie darauf warten und wie sehr sie die Sache des Theaters beschäftigt, und ich möchte, wie man für jede Regieaufgabe den geeigneten Regisseur sucht, jede Rolle mit dem geeignets­ ten Schauspieler besetzt, für jedes einzelne Werk den geeignetsten, womöglich den einzig geeigneten Maler ausfindig machen.5 Nachdem Max Reinhardt mit Lovis Corinth bereits 1902/03 für seine Salome-Inszenie­ rung mit großem Erfolg begonnen hatte, Maler zum Entwerfen von Bühnenbildern und Kostümen zu engagieren, wurde kurze Zeit später auch Slevogt für die Berliner Thea­ terszene rekrutiert.6 4 Max Reinhardt in einem Gespräch mit seinem späteren Dramaturgen Arthur Kahane (1901/1902), zit. nach: Max Reinhardt, „Ein Theater, das den Menschen wieder Freude gibt…“. Eine Dokumentation, hg. von Edda Fuhrich und Gisela Prossnitz, in Zusammenarbeit mit der Max Reinhardt-Forschungs- und Gedenkstätte, Salzburg/Wien, München und Wien 1987, S. 29. Zitat auch übernommen in: Carola Schenk, Die Bühnenbildentwürfe im Werk von Max Slevogt, phil. Diss. München 2015, veröffentlicht 2016: https://edoc.ub.uni-mu­ enchen.de/19391/1/Schenk_Carola.pdf, S. 45. 5 Arthur Kahane, Tagebuch des Dramaturgen, Berlin 1928, S. 119, zit. auch bei Fuhrich/Prossnitz 1987 (wie Anm. 4), S. 31 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 42 und Carola Schenk, „Max Slevogt als Bühnenbildner. Bühnenbildentwürfe für das Sprech- und Musiktheater im Werk von Max Slevogt“, in: Blick zurück nach vorn. Neue Forschungen zu Max Slevogt, hg. von Gregor Wedekind in Verbindung mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Berlin und Boston 2016 (Phoenix – Mainzer kunstwissenschaftliche Bibliothek, 2), S. 115–134, S. 116. 6 Zu Corinths umfangreicher Bühnentätigkeit ist ein Artikel der Autorin in Vorbereitung., vgl. hierzu auch: Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 42–43, Anm. 145–147.

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Otto Brahm entdeckt Slevogt für seine Bühne Der Bühnenleiter Otto Brahm, dem der Erfolg seines inzwischen zum Widersacher gewor­ denen Kollegen Max Reinhardt nicht gefiel, witterte die Chance, mit Slevogts Namen für seine eigene Bühne zu punkten. Brahm stellte Slevogt neben dem bühnenbildnerischen Auftrag für Gerhart Hauptmanns Neuinszenierung des Florian Geyer kurze Zeit später auch die Ausstattung von Pedro Calderón de la Barcas Richter von Zalamea in Aussicht. Brahm wusste jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Slevogt während der Verhandlun­ gen fast gleichzeitig auch Gespräche mit Max Reinhardts Bühne führte.7 Im Jahr zuvor hatte der Versuch Reinhardts, die geplante Neuinszenierung des Florian Geyer von Brahms Hausautor Gerhart Hauptmann abzuwerben, für große Unruhe gesorgt.8 Brahm und Reinhardt konkurrierten zu dieser Zeit also nicht nur um ihre Vor­ machtstellung im Berliner Theaterleben, sondern auch um das Werk Gerhart Haupt­ manns und die Zusammenarbeit mit Slevogt. Reinhardts Abwerbeversuch verübelte ihm sein früherer Förderer Brahm sehr.9 Brahm war nicht nur seit vielen Jahren vertraglich mit Hauptmann verbunden, sondern auch freundschaftlich. Slevogt zierte sich gegenüber Brahm zunächst, den Bühnen-Auftrag anzunehmen. Er wollte sich nach Reinhardts großen Erfolgen mit Corinth nicht als weitere, und noch dazu konkurrierende Werbefigur fürs Theater vermarkten lassen und hielt Brahm hin. Zu Beginn des Jahres 1904 fanden dann, vermittelt von dem Kunstkritiker Emil Heilbut, doch Gespräche mit Slevogt statt. Schließlich antwortete Slevogt sehr zögerlich: Verehrter Herr Heilbut! So sehr es mich reizen würde, den Florian Geyer nach mei­ nen Vorstellungen kostümlich u. szenisch beeinflussen zu können, […] so komme ich doch über den äußerlicheren Umstand nicht weg, daß ich gewissermaßen von dem ei­ nen Theater gegen das andere d. h. gegen Corinth ausgespielt würde! U. dies ist mir so unsympathisch, daß dies peinliche Gefühl darüber gegen meine Lust dazu überwiegt. Nehmen Sie mir also bitte eine Absage nicht übel! Wenn ich aber hinter den Coulissen etwas Gutes wirken kann, so werde ich mich mit Vergnügen Herrn Hauptmann zur Unterstützung, zur Verfügung stellen, so weit es mir meine Zeit dazu erlaubt. [… ].10 7 Ob diese Gespräche tatsächlich genau parallel liefen, oder ob Reinhardt über Slevogts Verhandlungen mit Brahm kurzfristig informiert worden war, lässt sich nicht eindeutig feststellen. 8 Hauptmann entschied sich nach einigem Zögern jedoch, aus freundschaftlichen wie auch aus finanziellen Gründen, Brahm den Vorzug zu geben. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 84–85. 9 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 80. In diesem Kontext ist auch Brahms große Enttäuschung zu verstehen, dass Slevogt sich auch in den Dienst der Reinhardt-Bühne stellte. 10 Brief von Max Slevogt an Emil Heilbut vom 1. Januar 1904, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kultur­ besitz, GH Br NL A: Brahm, Otto, 2, 101, 100v, Bl. Vgl. auch: Otto Brahm – Gerhart Hauptmann Briefwechsel 1889–1912, hg. von Peter Sprengel, Tübingen 1985, S. 189. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 87. Demnach wurde Slevogt sowohl für Entwürfe zu Kostümen als auch für Entwürfe zu Bühnenbildern angefragt. Überliefert sind jedoch nur die Bühnenbildentwürfe.

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Mit einem Begleitbrief, auch über den Fortgang eines wohl zusätzlich geführten Ge­ sprächs mit Slevogt, leitete Heilbut nun Slevogts Schreiben direkt an den Theaterleiter Brahm weiter.11 Brahm antwortete auf die mittlerweile von Hauptmann eingetroffene Nachfrage, welcher Künstler denn nun die Dekorationen gestalten werde, umgehend und benutzte hierzu die Rückseite von Slevogts Schreiben an Heilbut: Lieber Gerhart, wie du siehst, sind wir schon auf dem Slevogt-Pfade weitergegangen. Zu einer Besprechung konnte es noch nicht kommen, weil S.[levogt] jetzt […] sehr be­ schäftigt ist und um kurzen Aufschub bat. Hoffentlich gelangen wir zum Ziele. […].12 Da eine konkrete Zusage Slevogts anscheinend noch immer ausgeblieben war, begann zwischenzeitlich Gerhart Hauptmann selbst, sich nach einer möglichen Alternative zu Slevogt umzusehen. Hauptmann war dafür bekannt, sich sehr intensiv in die Vorberei­ tung und regietechnischen Fragen einer Inszenierung seiner Stücke einzubringen. So fragte der Autor bei dem Landschaftsmaler Walter Leistikow nach, ob dieser sich anstatt des zögernden Slevogts für diese Tätigkeit erwärmen könne. Leistikow sagte dem Autor jedoch mit der Begründung ab, dass er nicht imstande sei, Bühnendekorationen für In­ nenräume zu entwerfen: […] Slevogt wird der Aufgabe viel gerechter werden. Sollten aber die Farbansichten [Fensteraussichten?] Slevogt oder wer es nun sein mag mein Rat und meine Arbeit dabei erwünscht sein so bin ich natürlich mit Freuden bereit dafür meine geringe Kraft einzusetzen. […].13 Trotz Slevogts Skepsis gegenüber der bestehenden Konkurrenzsituation der beiden Thea­ ter­leiter und der Tatsache, dass er sich mit einem solchen Projekt als bildender Künstler in den Bereich der angewandten Kunst begab, überwog schließlich doch der Reiz, einmal selbst kreativ für das Theater tätig werden zu können. Slevogt ließ sich also auf sein erstes „Bühnenabenteuer“ ein, betonte jedoch gegenüber Brahm, dass er seinen Namen offiziell nicht mit dessen Theaterprojekt in Verbindung gebracht wissen wolle. Brahm hielt sich an

11 Brief von Emil Heilbut an Otto Brahm, 4. Januar 1904, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, GH Br NL A: Brahm, Otto, 2,99, Bl. 12 Brief von Otto Brahm an Gerhard Hauptmann, 8. Januar1904, zit. nach: Sprengel 1985 (wie Anm. 10), S. 188–189. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 87. 13 Brief von Walter Leistikow an Gerhard Hauptmann, 24. Januar 1904, Staatsbibliothek zu Berlin Preußi­ scher Kulturbesitz (SBPK), GH Br NL A: Leistikow, Walter, 1, 29–30, Bl. Vgl. Walter Leistikow. Briefe von 1889–1908, hg. von Margit Bröhan, Berlin und München 2018, S. 138. Darin wird „Farbansichten“ transkri­ biert. Es ist auch die Lesart „Fensteraussichten“ (oder „Fensteransichten“) denkbar. Bei der Wiedergabe des Briefes in einer früheren Veröffentlichung wird dieser schwerleserliche Passus durch „(…)“ ersetzt, vgl. Margit Bröhan, Walter Leistikow (1865–1908). Maler der Berliner Landschaft, 3. erw. Aufl., Berlin 1989, S. 135.

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Slevogts Bitte, obgleich er sich durch Slevogts Mitarbeit viel öffentliche Aufmerksamkeit erhofft hatte. Sehr bald musste Brahm dann jedoch von der Zusammenarbeit Slevogts mit Max Reinhardt an den Lustigen Weibern von Windsor erfahren haben, die fast zeitgleich auf die Bühne kamen. Im Mai 1904 äußerte sich Brahm gegenüber Clara Jonas, seiner Freundin und Frau seines Anwalts Paul Simon Jonas,14 sehr verärgert, als er von der Veröffentli­ chung von Slevogts Namen in Bezug auf Reinhardts neue Inszenierung erfuhr: […] Dass Slevogt als Illustrator und Inszenator für die ‚lustigen Weiber‘ bei Reinhardt verkündet wird, hast Du wohl gesehen; ich war natürlich bass erstaunt, um so mehr, als ich seinen Wunsch, nicht öffentlich genannt zu werden, streng respektiert habe. […].15 Und zwei Tage später schrieb Brahm in einem weiteren Brief an Clara Jonas: […] Also mit dem Verräter, dem Slevogt, ward ihr zusammen? Du wirst gewiss ein Wörtlein über R.[einhardt] mit ihm gesprochen haben und mir berichten. Ich habe jetzt erst den Wortlaut der ersten Notiz über Slevogt etc. […] gelesen, ein widerwär­ tiges Reclamemachen, alles dick aufgetragen – damit kann ich im Leben nicht con­ courrieren, und muß die Consequenzen tragen […].16 Gegenüber Slevogt selbst ließ Brahm in einem Brief seine Verärgerung und Enttäuschung deutlich durchblicken: […] Dann kam noch die Notiz in den Zeitungen, dass Sie für das neue Theater [am Schiffbauerdamm] so stark tätig sein würden, die mich um deswillen doppelt befrem­ dete, weil Sie ja ausdrücklich gewünscht hatten, Ihren Namen von unserer Seite nicht genannt zu sehen – ein Wunsch der von mir auch ängstlich respektiert worden ist, während Sie in jener Notiz sogar mit demjenigen Herrn gleichzeitig genannt werden, mit dessen Beziehung zum Namen Theater Sie gerade nicht hatten in eine Concur­ renz treten wollen.17 Wie Slevogt auf Brahms Enttäuschung reagierte, ist nicht überliefert. 14 Paul Simon Jonas war ebenfalls mit Gerhart Hauptmann befreundet und handelte u. a. die Verträge zwi­ schen Brahm und Hauptmann aus. 15 Brief von Otto Brahm an Clara Jonas, 14. Mai 1904, Akademie der Künste, Berlin, Otto Brahm-Archiv, Nr. 144. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 88. 16 Brief von Otto Brahm an Clara Jonas, 16. Mai1904, Akademie der Künste, Berlin, Otto Brahm-Archiv, Nr. 145. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 88–89. 17 Brief von Otto Brahm an Max Slevogt, 17. Mai 1904, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzi­ sche Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100, Otto Brahm (Briefkopf Deutsches Theater zu Berlin). Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 89.

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Florian Geyer mit den Augen Slevogts gesehen Das in den Jahren 1894 und 1895 von Hauptmann verfasste Drama Florian Geyer. Die Tragödie des Bauernkrieges handelt von den religiös, sozial und politisch motivierten Bau­ ernkriegen, die in den Jahren 1524/25 überwiegend in Süddeutschland stattfanden.18 Der Titelheld Florian Geyer unterstützt die Aufständischen in ihrem Kampf gegen die Eliten des Landes und verliert am Ende sein Leben. Die Premiere, an der Hauptmann trotz vor­ heriger Erkrankung anwesend sein konnte, war am 22. Oktober 1904 im Lessingtheater. Hauptmann schien mit der Neuinszenierung des Florian Geyer zufrieden.19 Die Neuinszenierung des Florian Geyer lässt sich anhand der erhaltenen Bühnen­ bildentwürfe Slevogts sowie den vorliegenden Regiebuchaufzeichnungen von Brahms Regisseur Emil Lessing relativ gut nachvollziehen.20 Die vier ausschließlich Raumansich­ ten zeigenden Bühnenbildentwürfe sind in Brauntönen gehalten und nur wenig ausge­ schmückt. Die ausführlichen szenischen Angaben Hauptmanns wurden von Slevogt weit­ gehend bis ins Detail befolgt und ließen dem Maler nur wenig Spielraum für eigene Ideen. Die wichtigste letzte Szene des Stückes spielt auf dem Schloss des Ritters Grumbach von Rimpar, dem Schwager des Titelhelden. Dieser hat sich mittlerweile von den Auf­ ständischen und seinem Schwager Florian Geyer distanziert und richtet ein Gastmahl für die Ritterschaft in seinem Schloss aus. Geyer dringt in die Burg ein und bittet seinen Schwager um Obdach. Doch seine eigene Schwester verrät ihn an die Ritterschaft und Geyer wird schließlich gestellt und erschossen. Slevogt setzte sich mit dieser Szene inten­ siv auseinander. Neben dem eigentlichen Bühnenbildentwurf sind vier Bleistiftskizzen auf einem Doppelbogen erhalten.21 Der farbige Bühnenbildentwurf (Abb. 1) zeigt den Blick in einen durch zwei Säulen in einen vorderen und hinteren Raum unterteilten Saal mit mächtiger Kassettendecke.22 18 Die Aufständischen, denen sich auch die Ritter Florian Geyer und Götz von Berlichingen angeschlossen hatten, versuchten mit Gewalt, soziale und politische Forderungen gegenüber den Feudalherren bei Adel und Kirche zu erwirken. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 83. Die Uraufführung des Stückes unter der Leitung Otto Brahms fand am 4. Januar 1896 im Deutschen Theater in Berlin statt. 19 Hauptmann notiert drei Tage nach der Premiere in sein Tagebuch: „[…] Gespräch über Theater. Fl [orian] Geyer. […] Rittner: Geyer, Bassermann: Tellermann, Reicher: Mönch, sowie der ganze Kreis mit wenigen Ausnahmen, bleibe unvergessen.“ Zitiert aus: Gerhardt Hauptmann, Tagebücher 1897–1905, hg. von Martin Machatzke, Frankfurt am Main 1987, S. 393. Vgl. auch: Brief von Otto Brahm an Clara Jonas, 28. Oktober 1904, Akademie der Künste, Berlin, Otto Brahm-Archiv, Nr. 208, vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 91. 20 Bühnenfotos sind leider nicht überliefert. 21 Vier Bühnenbildskizzen zum „Saal im Schloss zu Rimpar“, auf einem gefalteten Doppelbogen mit insge­ samt vier Bühnenskizzen (Vorder- und Rückseite), Bleistift auf Papier, je 21 × 33 cm, unbez., GDKE Rhein­ land-Pfalz, Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass. Vgl. Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt. Eine Monographie, Karlsruhe 1968, S. 374, Anm. 24 (Imiela spricht von zwei Doppelbögen) sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 101. 22 Saal im Schloss zu Rimpar, Bühnenbildentwurf zu Florian Geyer von Gerhart Hauptmann, 5. Akt, 1904, Gouache über Kohle auf Briefumschlag, 44,3 × 58 cm (mit Randstreifen), 38,5 × 53,5 cm (Darstellung), Inv. Nr. KW 8587, Saarlandmuseum Saarbrücken, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, aus der Sammlung

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1 Max Slevogt, Florian Geyer, Saal im Schloss zu Rimpar, Bühnenbildentwurf zu Florian Geyer von Gerhart Hauptmann, 5. Akt, 1904, Gouache über Kohle auf Briefumschlag, 44,3 × 58 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken.

Wie bereits in den Bühnenbildentwürfen zu den vorherigen Szenen, übernimmt Slevogt auch hier weitgehend die von Hauptmann geforderten Details wie Zweiteilung des Rau­ mes, Gestaltung der Zimmerdecke und Anordnung der Türen.23 Sein Schwert gezückt und eine zerfetzte Fahne haltend, steht Florian Geyer links mit dem Rücken an die Wand gedrängt. Er wird von vier Rittern auf der rechten Seite bedroht. Rechts im Vordergrund zielt Schäferhans, ein Landsknecht und Trunkenbold, der seine Demütigung durch Geyer in einer vorhergehenden Szene nicht vergessen hat, mit seiner Waffe auf den Titelhelden. Slevogt legte die Komposition bereits in einer der vorbereitenden Bleistiftzeichnungen (Abb. 2) fest, jedoch spiegelverkehrt. Die sowohl von Slevogt als auch von Hauptmann vorgesehene Zweiteilung des Büh­ nenraums wurde auf der Bühne nicht realisiert. Dies zeigen Aufzeichnungen aus Lessings Kohl-Weigand. Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 21), Abb. 136, S. 299, Anm. 24, S. 374 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 100–101. 23 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 101–102.

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2 Max Slevogt, Florian Geyer, Bühnenskizze auf Rückseite von: Vier Bühnenbildskizzen zu: Saal im Schloss zu Rimpar, auf einem gefalteten Doppelbogen mit insgesamt vier Bühnenskizzen, Bleistift auf Papier, je 21 × 33 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Regiebuch. Der vom Künstler entworfene weite Raum war aufgrund der geringeren Tiefe der Bühne so nicht realisierbar. Slevogts Anordnung der von Hauptmann geforderten Türen sowie die rückwärtigen Fenster wurden aber in der Zeichnung des Regisseurs übernommen.24 Die von Slevogt selbst erwähnten Kostümentwürfe sind nicht überliefert. Das wohl von Slevogt inspirierte Kostüm des Titelhelden erlangte als Rollenporträt des Schauspielers Rudolf Rittner als Florian Geyer (Abb. 3) von der Hand Lovis Corinths Be­ rühmtheit.25 Corinth stellt den Moment kurz vor der Ermordung Florian Geyers dar, den auch Slevogt in seinem Bühnenbildentwurf festgehalten hat. Ein Rollenfoto von Rudolf Rittner als Florian Geyer (Abb. 4) zeigt den geharnischten Schauspieler in abwehrender Kampfposition mit dem Schwert in der Hand.26 24 Ebd., S. 102. 25 Lovis Corinth, Rudolf Rittner als Florian Geyer, 1906, Öl auf Leinwand, 180,5 × 170,5 cm, Wuppertal, Von der Heydt-Museum, Inv. Nr. G 0267. Vgl. Schenk 2005 (wie Anm. 1), S. 151 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 102–103. 26 Rollenfoto, Rudolf Rittner in seiner Paraderolle als namengebender Titelheld in Gerhart Hauptmanns Drama Florian Geyer, im Bild festgehalten Geyers Todeskampf (um 1905/06).

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3 Lovis Corinth, Rudolf Rittner als Florian Geyer, 1906, Öl auf Leinwand, 180,5 × 170,5 cm, Wuppertal, Von der HeydtMuseum.

4 Rollenfoto, Rudolf Rittner in seiner Paraderolle als namengebender Titelheld in Gerhart Hauptmanns Drama Florian Geyer, im Bild festgehalten Geyers Todeskampf, um 1905–06.

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Eine zweite Bühnenbildanfrage von Brahm an Slevogt Kurz nach der Annahme des Florian-Geyer-Auftrags sagte Slevogt Brahm auch die Büh­ nenentwürfe für den Richter von Zalamea von Pedro Calderón de la Barca zu. Sowohl die Inszenierung selbst als auch die Mitarbeit Slevogts bei dieser Inszenierung werden in der Literatur meist nur in einem Satz erwähnt.27 Zu dieser Aufführung sind weder die Entwürfe und Skizzen Slevogts noch Bühnen­ fotografien überliefert. Die Verhandlungen für diesen weiteren Bühnenauftrag verliefen ebenfalls nicht reibungslos. In einem Brief an Clara Jonas vom 9. Mai 1904 macht Otto Brahm seinem Ärger Luft, dass Slevogt seine Honorarforderungen für die Entwürfe zum Richter von Zalamea gegenüber den nur kurz zuvor entstandenen Entwürfen zum Florian Geyer nun auch noch verdoppelt habe: Eben kriege ich einen Brief von Slevogt, der für den Richter von Zalamea 2000 M verlangt, während er es beim Florian für 1000 machte. […] diese Hochnehmerei ist mir doch zu arg, und da werde ich wohl auf den Slevogt verzichten müssen.28 Brahm war über die von Slevogt verlangte Summe sehr verärgert, fragte einige Tage später aber vorsichtig beim Maler nach, ob bei seiner Honorarforderung nicht doch noch etwas Spielraum nach unten gegeben sei: Verehrter Herr Professor, ich habe Sie sehr um Entschuldigung zu bitten, dass die Antwort auf Ihren frdl. Vorschlag so spät erfolgt. Ich habe aber […] lange hin und her überlegt, wie ich Ihre Ansprüche mit dem Etat des Theaters in Einklang bringen könnte. […] Ich weiss ja auch nicht, wieweit Sie durch diese jüngere Vereinbarung Ihre Bereitwilligkeit, für uns tätig zu sein, einzuschränken gedenken; doch ich gelange dazu, wenn ich alles sorgfältig überlege, Sie zu fragen, ob Sie mit einem Honorar von M 1500 für den Richter von Z. sich würden einverstanden erklären, – welche Summe mir als die äußerst mögliche erscheint, auch wenn ich meinen lebhaften Wunsch, die Dekorationen gerade durch Sie, verehrter Herr, ausgeführt zu sehen in Anschlag bringe. […].29 27 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 78–79. Hans-Jürgen Imiela fand im Nachlass von Max Slevogt auf Neu­ kastel im Jahr 1968 eine Notiz, in der der Maler vermerkt, dass er im Mai 1904, gleichzeitig mit den Büh­ nenentwürfen für Die lustigen Weiber von Windsor solche für Otto Brahms Inszenierung des Richter von Zalamea geschaffen habe. Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 21), S. 373, Anm. 19 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 79. 28 Brief von Otto Brahm an Clara Jonas, 9. Mai1904, Akademie der Künste, Berlin Otto Brahm-Archiv, Nr. 139 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 80. 29 Brief von Otto Brahm an Max Slevogt, 17. Mai 1904, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzi­ sche Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Auf welches Honorar sich Slevogt und Brahm schließlich verständigten, ist nicht überliefert, vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 80, Anm. 287.

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Brahm geht in diesem Brief auch auf die von Slevogt anscheinend geäußerte Skepsis ge­ genüber dem Thema des Stückes an sich ein und versucht, ihm den Richter von Zalamea näher zu bringen: Die schwächere Wirkung, welche das Stück bei der ersten Lektüre auf Sie ausgeübt hat, wird glaube ich, bei weiterer Bekanntschaft eine Steigerung erfahren, und dem unmittelbaren Eindruck auf der Bühne, den Sie im Gedächtnis bewahrt hatten, wie­ der näher kommen.30 Man wurde sich schließlich einig und Brahm soll mit Slevogts Entwürfen am Ende sehr zufrieden gewesen sein.31 Ihm war diese Inszenierung und Slevogts erneute Mitarbeit wohl sehr wichtig, denn das Stück wurde „mit einem für Brahmsche Verhältnisse unge­ wöhnlichen Aufwand […] inszeniert.“32 Richard Strauss komponierte für diese Inszenie­ rung eigens zwei Lieder.33 Die Premiere des Richter von Zalamea fand am 7. September 1904, also noch vor der Premiere des Florian Geyer, im Lessing Theater in Berlin statt. Das Publikum nahm die Inszenierung jedoch nicht so gut an wie erhofft, und so wurde das Stück bereits nach wenigen Vorstellungen wieder abgesetzt.34

Hauptmann wünscht sich Slevogt auch für Elga Slevogt soll kurze Zeit später auch für Gerhart Hauptmanns Drama Elga Entwürfe oder zumindest Ideenskizzen angefertigt haben, die jedoch nicht überliefert sind.35 In einem Brief vom 25. Januar 1905 fragt Hauptmann bei Slevogt an: Lieber Herr Slevogt, Brahm hat nun wohl schon von ‚Elga‘ gesprochen. Es würde mich herzlich freuen, wenn Sie dafür ein Interesse finden könnten. Ich bedauere, schon 30 Ebd. 31 Brahm berichtet in einem Brief vom 21. Juni 1904, „dass er [Slevogt] mit dem ‚Richter‘ fertig“ sei und fügt hinzu: „Der Brief [von Slevogt] klingt ein bisschen nach schlechtem Gewissen, wohl wegen des Reinhardt und des hohen Preises.“ Brief von Otto Brahm an Clara Jonas, 21. Juni1904, Akademie der Künste, Berlin Otto Brahm-Archiv, Nr. 171, vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 80. In einem weiteren Brief erwähnt der Thea­ terleiter, dass sein Regisseur Emil Lessing ihm mitgeteilt habe, „dass die Slevogtschen Skizzen zum ‚Richter‘ sehr fein […] [seien] und dass er sich auf die Aufführung [freue]“. Brief von Otto Brahm an Clara Jonas, 26. Juni 1904, Akademie der Künste, Berlin, Otto Brahm-Archiv, Nr. 175, vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 80. 32 Werner Buth, Das Lessingtheater in Berlin unter der Direktion von Otto Brahm (1904–1912). Eine Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung der zeitgenössischen Theaterkritik, Diss. Phil. Freie Universität Berlin 1965, S. 27. 33 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 80–81. 34 Vgl. ebd., S. 81. 35 Elga wurde am 4. März 1905 im Lessingtheater unter Otto Brahm uraufgeführt, vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 81–82.

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von Berlin weg zu sein und also nicht mehr persönlich mit Ihnen eine Angelegenheit besprechen zu können. Schade! […].36 Slevogt kam der Aufforderung wohl nach, denn in einem Brief vom 11. Februar 1905 an Hauptmann berichtet Brahm von der kommenden Inszenierung von Elga: Wir haben Mittwoch [15. Februar] die Arrangier-Probe, die Aufführung soll am 4. März sein. Die Skizzen von Stutz-Slevogt sind sehr hübsch, und Impekoven ist schon mächtig an der Ausführung. […].37

Slevogt betritt die Bühne Max Reinhardts Auch der in Berlin zunehmend erfolgreiche und experimentierfreudige Theaterleiter Max Reinhardt bemühte sich um Slevogts Mitarbeit. Womöglich bekam er Wind von Brahms Vorstoß, ebenfalls Maler fürs Theater zu engagieren und damit seine Idee zu kopieren. Die für deutsche Bühnen neue Idee der Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern sollte Reinhardts Inszenierungen neue Impulse geben und damit der Idee vom „Gesamtkunst­ werk“ näherkommen. Mit seiner gefeierten Salomé-Inszenierung 1903 mit Kostümentwür­ fen von Lovis Corinth und Bühnenbildentwürfen von Max Kruse gelang Reinhardt der künstlerische Durchbruch in Berlin.38 Er verstand es auch, die Mitarbeit der bekannten Künstler an seinen Inszenierungen werbewirksam zu vermarkten.39 Reinhardt war der Ansicht, dass man auch die Klassiker in einer moderneren Art und Weise spielen müsse: […] man muß sie so spielen, wie wenn es Dichter von heute, ihre Werke Leben von heute wären. Man muß sie mit neuen Augen anschauen, mit derselben Frische und Unbekümmertheit anpacken, wie wenn es neue Werke wären, man muß sie aus dem Geiste unserer Zeit begreifen, mit den Mitteln des Theaters von heute, […].40 36 Brief von Gerhard Hauptmann an Max Slevogt, 25. Januar 1905, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100, Gerhart Hauptmann, 25.1.1905. (Imiela transkribiert den Brief irrtümlich auf den 25. Juni 1905. Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 21), S. 374, Anm. 24. 37 Brief von Otto Brahm an Gerhart Hauptmann, zit. nach: Sprengel 1985 (wie Anm. 10), S. 195. Der Maler und Karikaturist Ludwig Stutz (1865–1917) sowie der Bühnenmaler Leo Impekoven (1873–1943) übertrugen demnach Slevogts Ideen auf die Bühne. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 81–82. 38 Bereits 1902 fand unter Reinhardt eine Salome-Aufführung im Kleinen Theater in Berlin statt, die aus Zensurgründen jedoch nur als geschlossene Vorstellung aufgeführt werden konnte. Reinhardt arbeitete seit 1902/03 eng mit Corinth zusammen. 39 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 41–45. Zu Slevogt und Max Reinhardt vgl. auch ebd., S. 106–108. 40 Kahane 1928 (wie Anm. 5), S. 118–119. Vgl. auch Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 115. – Max Reinhardt gilt als Wie­ derentdecker der Dramen Shakespeare für das deutschsprachige Theater im 20. Jahrhundert. Vgl. ­Edmund

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So bat Max Reinhardt Slevogt 1904, für eine Neuinszenierung der Komödie Die lustigen Weiber von Windsor von William Shakespeare Bühnenbilder und Kostüme zu entwerfen.41 Für das Stück schien Slevogt für Max Reinhardt genau der richtige Bühnenbildgestalter gewesen zu sein. Die Regie hatte Reinhardt seinem Mitarbeiter Richard Vallentin übertra­ gen.42 Das erhaltene Regiebuch Vallentins mit detaillierten Bühnengrundrissen zu jeder Szene sowie Bühnenfotos zeigen, dass sich der Regisseur und die Bühnenarbeiter sehr dicht an Slevogts Ideen hielten. Die Inszenierung wird in der Literatur kaum erwähnt.43 Die wenigen Kritiken berichten von Slevogts Arbeit größtenteils positiv.44 Die Premiere der Neubearbeitung der Lustigen Weiber von Windsor fand am 21. Ok­ tober 1904 im Neuen Theater am Schiffbauerdamm in Berlin statt.45 Die Inszenierung wurde in der Spielzeit 1904/05 etwa zwanzig Mal aufgeführt.46

Slevogts bühnenbildnerische Ideen für Die lustigen Weiber von Windsor Die Kostümentwürfe für Die lustigen Weiber von Windsor hat Slevogt frei nach der engli­ schen Mode des 16. Jahrhunderts interpretiert.47 Shakespeares Komödie handelt vom Soldaten Sir John Falstaff, einem Heirats­ schwindler, der jedoch von den betroffenen Damen durchschaut und schließlich bloßge­ stellt wird.48 Für die Neuinszenierung wurden zahlreiche Szenen zusammengefasst, um den häufigen Szenenwechsel zu reduzieren und einen flüssigeren Spielverlauf zu erzielen. Es wurden sieben neue Dekorationen auf der Bühne geschaffen, die auch in den Grund­ risszeichnungen in Vallentins Regiebuch zu finden sind.49 Zur Hauptfigur der Komödie Sir John Falstaff schuf Slevogt mehrere Kostüment­ würfe. Auf einer Bleistiftskizze (Abb. 5) ist Falstaff in eng anliegenden Beinkleidern und ­einem Wams zu sehen, das von einem breiten Gürtel am Bauch zusammengehalten Stadler, „Reinhardt und Shakespeare. 1904–1914“, in: Shakespeare-Jahrbuch, Bd. 99, 1963, S. 95–109, hier S. 95. 41 Vgl. hierzu Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 114–146. Zu Slevogts weiterer Beschäftigung mit den Werken Shakespeares vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 109–111. 42 Max Reinhardt trat in dieser Inszenierung noch nicht namentlich als Regisseur auf, obwohl er bereits zu dieser Zeit die wichtigsten regietechnischen Fragen selbst entschied. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 114. 43 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 112. 44 Ebd., S. 112–113. 45 Ebd., S. 114. 46 Vgl. Ernst Leopold Stahl, Shakespeare und das Deutsche Theater, Stuttgart 1947, S. 573 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 112. 47 Vgl. Franzjoseph Janssen, Bühnenbild und bildende Künstler. Ein Beitrag zur Geschichte des modernen Bühnenbildes in Deutschland, Frankfurt 1957, S. 45. Vgl. auch Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 139. 48 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 120 sowie Schenk 2016b (wie Anm. 5), S. 120. 49 Richard Vallentin, Regiebuch zu „Die Lustigen Weiber von Windsor“, 1904, Akademie der Künste, Berlin, Ma­ xim-Vallentin-Archiv, Signatur 1856. Maxim Vallentin war der Sohn von Richard Vallentin. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), Anm. 457, S. 121–122.

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5 Max Slevogt, Die lustigen Weiber von Windsor, Falstaff, Bleistiftzeichnung, 20 × 10 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

wird.50 Seine Füße stecken in Stiefeln, deren weiter Schaft nach unten geschlagen ist. Ein weiterer Kostümentwurf für Falstaff und dessen Page Robin (Abb. 6) zeigt den dicken Ritter in schwarz-violetten Farbtönen.51 Er trägt eine Kappe auf dem Kopf und sein Hals wird von einem weißen Spitzenkragen eingefasst. Das Wams ist geöffnet und es tritt ein kariert gemustertes, gegürtetes Unterkleid hervor. Die kurzen schwarzen Pumphosen sind mit weißen Spitzenrüschen verziert. Darunter schauen lange, violette Strümpfe hervor. Als Schuhwerk sieht Slevogt schwarze Schnallenschuhe mit rotem Akzent vor. Falstaffs Page Robin ist in einen schlichten, olivgrünen, eng anliegenden Anzug gekleidet. Auf dem erst im Jahr 2018 im Kunsthandel wieder aufgetauchten Kostümentwurf Junker Schmächtig und Schaal (Taf. IV) sieht Slevogt für Junker Schmächtig eine gelbe Jacke und rote kurze Pumphosen vor. Der Friedensrichter Schaal ist in bräunlich gehaltener Kleidung dargestellt. Beide tragen Hüte und weiße Halskrausen.52 50 Falstaff, Bleistiftzeichnung, 20 × 10 cm, SL NL 2015/366, GDKE Rheinland-Pfalz, Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 139, Abb. 60, Kat. Nr. 4.2.1. 51 Falstaff und sein Page Robin, Gouache, 30,48 × 22,86 cm, MS Thr 678, Houghton Library, Harvard University. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 139–140, Abb. 62, Kat. Nr. 4.2.2. 52 Junker Schmächtig und Schaal, Gouache über Bleistift auf Karton, ca. 31 × 22,5 cm, Auktion 285, Karl & Faber, am 5. Dezember 2018, Lot 698. Bevor der Entwurf in der Auktion 2018 in den Kunsthandel kam, war er

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6 Max Slevogt, Falstaff und sein Page Robin, Gouache, 30,48 × 22,86 cm, Harvard University, Houghton Library.

Der letzte Akt der Lustigen Weiber von Windsor spielt im Park von Windsor, in dem Fal­ staff – von Elfen umkreist – von den Beteiligten zu Rede gestellt wird. Hierfür hat Slevogt verschiedene Kostümdarstellungen auf drei Blättern geschaffen.53 Einer dieser Entwürfe zeigt links einen Fackelträger mit „Zacken-Rock“ (Abb. 7) und gezacktem Kragen. Rechts nach der Verauktionierung im Jahr 1968 bei Sotheby’s in London jahrelang in Privatbesitz. Bisher war er lediglich als Schwarzweißabbildung bekannt: Abb. s/w in: Das Theater. Redigiert von Christian Morgenstern, Verlag Bruno Cassirer 1903–1905, kommentierte Faksimileausgabe hg. von Leonhard M. Fiedler und Edwin Froböse, Emsdetten 1981: Jg. II, Heft 6, 1905, Abb. S. 66. Vgl. auch Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 140–141, Abb. 67, Kat. Nr. 4.2.7. Das Blatt wurde bei Winterberg Kunst Heidelberg, Aukt. 101 am 17. Oktober 2020, Lot 713 noch einmal angeboten. 53 Kostümentwürfe für den Spuk, Gouache und schwarze Tusche auf leicht bräunlicher Pappe, 16,9 × 31,8 cm, Ös­ terreichische Nationalbibliothek, Wien (Th. S. HG 13.368), Theatermuseum Wien; Fackelträger, Detail aus: Kostümskizzen zu den Lustigen Weibern von Windsor, auf der Rückseite einer Rechnung der Rahmenfabrik K. Zimmermann vom 13. Mai 1904, Blattgröße: 28,8 × 22,5 cm, GDKE Rheinland-Pfalz, Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass sowie Fackelträger und weibliche Figur mit Blütenkranz, Gouache, Maße unbekannt, verso: Kostümentwurf, Gouache, wohl für Frau Fluth, ehem. Archiv Neukastel, Privat­besitz.

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7 Max Slevogt, Fackelträger und weibliche Figur mit Blütenkranz, Gouache, Maße unbekannt, Privatbesitz.

neben ihm steht eine offensichtlich weibliche, in ein langes schlichtes Gewand gehüllte Figur mit Kopfschmuck.54 Als Bühnenbild entwarf Slevogt für diese Schlussszene eine symmetrisch angelegte Waldlandschaft (Abb. 8). Im Vordergrund erscheint ein freier, von Bäumen gerahmter Rasenplatz. Die Bühne wird durch einen Bach geteilt. Wie aus den Regiebuchskizzen des Regisseurs Vallentin hervorgeht, führten über den Bach seitlich zwei kleine Brücken. Diese verbanden die Vorderbühne mit der als Waldlichtung dargestellten Hinterbühne.55 Auch eine mächtige, zentral im Vordergrund stehende Eiche, die Slevogt auf seinem Ent­ wurf wegließ, wurde auf der Bühne realisiert.56 Zwei kleine Bleistiftskizzen bereiten den Entwurf vor.57 54 Fackelträger und weibliche Figur mit Blütenkranz, ehem. Archiv Neukastel, Privatbesitz Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 143, Abb. 79 und 80, Kat. Nr. 4.2.13 (Dort fälschlicherweise mit der Angabe: GDKE Rhein­ land-Pfalz, Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass.). 55 Park von Windsor, Maße und Verbleib unbekannt. Vgl. Abb. s/w in: Das Theater (wie Anm. 52), Jg. II, Heft 5, S. 50. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 128 u. 132, Abb. 50, Kat. Nr. 4.1.9.1905. 56 Diese Waldlandschaft fand bereits in einer früheren Szene Verwendung, daher ließ Slevogt die für diese Szene wichtige Eiche in seinem Entwurf weg. Diese ist jedoch in den Regiebuchaufzeichnungen des Re­ gisseurs Lessing zu sehen. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 128–129 sowie S. 132–135. 57 Detail aus: Vier Bühnenskizzen, auf der Innenseite eines Briefumschlages von E. W. Ernst Schmidt, Ta­ pisserie und Kunststickerei Atelier, Poststempel v. 15.5.04, SL NL 2015/383, GDKE Rheinland-Pfalz,

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8 Max Slevogt, Die lustigen Weiber von Windsor, Park von Windsor, Maße und Verbleib unbekannt.

Reinhardt war bis in Detailfragen bei der Umsetzung der Entwürfe involviert. Bei der Gestaltung des Waldes ließ er von seinen ausführenden Bühnenbildnern Detailzeich­ nungen der Eiche anfertigen und interessierte sich darüber hinaus für die auf der Bühne darzustellenden Hecken, Grasteppich und Moos.58 Nicht nur in Regiefragen und der Gestaltung des Bühnenbildes, sondern auch im Bereich der Bühnentechnik wurden unter Max Reinhardt neue Maßstäbe gesetzt. Für die Neuinszenierung der Lustigen Weiber von Windsor setzte Reinhardt zum ersten Mal eine erst kurz vor der Premiere fertiggestellte Drehbühne ein.59 Slevogt hatte mit seinen Zeich­ nungen bereits begonnen, als der Einbau im Theater noch im vollen Gange war.60 Einige seiner Entwürfe wurden leicht modifiziert auf die neue Drehbühne übertragen, die tech­ nischen Neuerungen konnten jedoch noch nicht im vollen Umfang genutzt werden. Die künstlerischen Vorgaben Slevogts sollten unter allen Umständen befolgt ­werden. Rein­ ­ andesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass sowie Detail aus: Bühnenskizzen, auf der L Rückseite eines Musikzettels des „Musikcorps des 3. Garde-Feld-Artl.-Regts. Im Victoria Zelt“, 50 × 17 cm, SL NL 2015/362, GDKE Rheinland-Pfalz, Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 132, Abb. 57, Kat. Nr. 4.1.14 u. 58, Kat. Nr. 4.1.15. 58 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 133. 59 Vgl. ebd., S. 116. 60 Vgl. ebd., S. 116–117.

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hardt äußert sich gegenüber seinem technischen Organisator Berthold Held zu ­Slevogts Entwürfen und deren Umsetzung auf der neuen Drehbühne: Will [der Regisseur] Vallentin nicht damit [der Drehbühne] arbeiten, so soll er es bleiben lassen. Ich will ihn, wenn ich’s auch könnte, keineswegs zwingen. Er hat sei­ ne Pläne mit Slevogt ausgearbeitet und wenn die wesentlich darunter leiden sollten, wäre ich selbst dagegen. […] Hauptsache in der genauen Befolgung der Slevogt’schen Skizzen ist die genaue Nachahmung und Übertragung der Farben. […].61 Nicht nur die Übertragung von Slevogts Farbvorstellung war Reinhardt wichtig. Auch die Bühnenbeleuchtung sollte auf die vom Maler vorgegebenen Lichtakzente abgestimmt werden. So gab Reinhardt seinem Bühneningenieur Gustav Knina den Auftrag, Bogen­ lampen und Scheinwerfer „in genügender Anzahl“ zu installieren, und wird noch deut­ licher: „Wir brauchen schon in den ‚Lustigen Weibern‘ ‚Sonne‘!“62 Slevogt hat sich anscheinend neben seinen Bühnenbild- und Kostümentwürfen zu den Lustigen Weibern von Windsor auch mit der Gestaltung eines neuen Hauptvorhangs für das Theater beschäftigt.63 Offensichtlich sind zwei undatierte Entwürfe Max Slevogts in diesem Zusammenhang zu sehen.64 Von diesem Vorhang-Projekt erfuhr sehr zeitnah auch Otto Brahm, der dies wieder mit Verärgerung zur Kenntnis nahm.65

61 Zit. nach: Max Reinhardt. Ich bin nichts als ein Theatermann, hg. von Hugo Fetting, Berlin 1989, S. 94. Leider sind keine Aufzeichnungen von Berthold Held zu dieser Inszenierung erhalten. Das erwähnte Modell sollte gemäß den weiteren Anweisungen Reinhardts im Brief in der Zukunft bereits in die Entwurfsphase der Bühnendekorationen miteinbezogen werden. Vgl. auch Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 117, Anm. 142. 62 Brief von Max Reinhardt an Berthold Held vom 21. Juli 1904, zit. nach: Fetting 1989 (wie Anm. 61), S. 97, vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 145. 63 „[…] Hauptvorhang. Urgiere bei Cassirer die Skizze. (Slevogt) […].“ Brief von Max Reinhardt an Berthold Held, 21. Juli 1904, in: Fetting 1989 (wie Anm. 61), S. 98, vgl. Schenk 2016, Anm. 449, S. 119. 64 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), Abb. 248 u. 249, Kat. Nr. 11.1 u. 11.2; Entwurf zu einem Theatervorhang, 23,4 × 29,4 cm, Gouache über Kreide auf Papier, undatiert, Inv.Nr. KW 328, Saarlandmuseum Saarbrü­ cken, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, aus der Sammlung Kohl-Weigand. Diesen Entwurf mit der Widmung „Familie August Croissant gewidmet / von Prof. M. Slevogt. Weihnacht 1921“ legte Slevogt einem Brief an den Landauer Kunstmaler August Croissant (1870–1941) als Geschenk bei und erläuterte: „[…] Ich lege Ihrer Sammlung einen / älteren / Aquarellentwurf für einen Theatervorhang bei, den ich Ihnen als Kol­ legen dedicieren darf! […].“ Brief Max Slevogt an August Croissant, undat. (Weihnachten 1921), Best. 3, Abt. 3, B133, zit. nach: Max Slevogt. Briefe 1898–1932, bearb. von Eva Wolf, hg. von Roland Möning, Saarbrücken 2018, S. 455. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Entwurf zu sehen: Entwurf für ein Bühnenbild (oder Theatervorhang), Gouache auf Papier, 22,9 × 28,5 cm, undatiert, Inv. Nr. 341, Saarlandmuseum Saarbrücken, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, aus der Sammlung Kohl-Weigand. 65 Brief von Otto Brahm an Clara Jonas vom 26. Juli1904, Akademie der Künste, Berlin, Otto Brahm-Archiv, Nr. 194, vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), Anm. 450, S. 119.

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Ärger mit Max Reinhardt Die Inszenierung der Lustigen Weiber von Windsor war, trotz weiterer Anfragen, Slevogts einzige konkrete Zusammenarbeit mit Max Reinhardt. Im Jahr 1907 war Slevogts Mitar­ beit zu Reinhardts Inszenierung von Friedrich Hebbels Gyges und sein Ring geplant.66 Doch konnte Slevogt aufgrund einer Erkrankung nicht liefern, so dass Reinhardts Mitarbeiter Ernst Stern die Bühnenbilder selbstständig entwarf.67 Da Reinhardt trotz der krankheits­ bedingten Absage werbewirksam mit Slevogts Namen – ohne dessen vorherige Zustim­ mung – Reklame machte, entstand ein größerer Disput zwischen Slevogt und dem Thea­ ter­leiter. Dieser wurde nach Slevogts Beschwerde im Mai 1907 zunächst in öffentlichen Stellungnahmen in der Presse ausgetragen. In den folgenden Monaten führte der Streit zu einer umfangreichen Anwaltskorrespondenz, in der Slevogt aufgrund des Missbrauchs seiner Autorenschaft eine ausdrückliche Entschuldigung von Reinhardt forderte.68 Im Jahr darauf – Ende 1908 – bemühten sich Reinhardt und sein Mitarbeiter Hollaen­ der in einem Brief, die Angelegenheit endgültig beizulegen: Wir haben den aufrichtigen Wunsch, den alten Zwist im alten Jahre noch aus der Welt zu schaffen. […] Seien Sie nicht länger böse und verstimmt auf uns. Wir haben einen so hohen Respekt vor Ihrer Persönlichkeit, daß wir niemals die uns trennenden Geschehnisse leicht aufnehmen. […].69 Reinhardt kam 20 Jahre später noch einmal auf Slevogt zu, um bei ihm Dekorationen für George Bernard Shaws Caesar und Cleopatra anzufragen. Slevogt lehnte „trotz der Rekla­ me, die es wäre“ ab.70 Im folgenden Jahr wandte sich Reinhardt noch einmal an Slevogt. In einem Brief aus dem Jahr 1929 an den Verleger Bruno Cassirer erwähnt der Maler, dass in Berlin ein großes Theater-Projekt schwebe:71 66 Die Inszenierung hatte am 2. Mai 1907 in den Kammerspielen Berlin Premiere. 67 Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 106. 68 Vgl. ebd., S. 107. 69 Brief von Max Reinhardt und Felix Hollaender an Max Slevogt, vom 29. Dezember 1908, Landesbiblio­ thekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Vgl. Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 107–108 sowie Aus Max Slevogts Briefkasten. Zeugnisse aus seinem schriftlichen Nachlass, hg. von der Kulturstiftung der Länder und dem Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Kat. Ausst. Edenkoben, Max Slevogt-Galerie, Schloss Villa Ludwigshöhe, Koblenz 2014 (Patrimonia, 368; Schriften des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz, 10), S. 36–37. 70 Brief Slevogts an seine Gattin aus Marienbad vom 2. August 1928: „Das Berliner Theater frägt auch eben an, ob ich für die Aufführung von Shaws Cäsar u. Kleopatra mit Max Reinhardt die Dekorationen etc. machen wollte. Ich habe aber trotz der Reklame, die es wäre, keine Lust’“. Imiela 1968 (wie Anm. 21), S. 444, Anm. 1. Vgl. auch Imiela 1968 (wie Anm. 21), S. 275 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 108. 71 Reinhardt hatte 1928 das Theater am Kurfürstendamm übernommen und ließ das Haus vom Theaterar­ chitekten Oskar Kaufmann (1873–1956) umfangreich umbauen. Eine Mitarbeit Slevogts an der Wandge­ staltung ist nicht überliefert.

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Reinhard [sic!] möchte sein Theater a. Kurfürstend. umbauen u. da wären 5 große Flächen / je / 6 Meter zu 230 zu bemalen! – Ob es dazu kommt, u. ob ich es – selbst mit Hilfe der Schüler ? mir zutrauen darf? […] Auf jeden Fall würde ich auf Leinwand malen, die aufzuspannen wäre! (Die Kletterei ist wohl endgültig für mich erledigt!).72 Ob es zu diesem Projekt konkretere Gespräche zwischen Slevogt und Reinhardt gab, ist nicht überliefert.

Slevogts erste Auftritte als Bühnenbildner Slevogts bühnenbildnerische Tätigkeit begann also bereits wenige Jahre nach seinem Wohnsitzwechsel nach Berlin. In der Hauptstadt angekommen, knüpfte er nicht nur schnell Verbindungen in der Kunstszene, sondern auch in die Theaterwelt. Durch die Zusammenarbeit mit Otto Brahm hatte Slevogt auch mit Gerhart Hauptmann näheren Kontakt. Hauptmann hielt viel von Slevogts Kunst, der Maler fühlte sich jedoch, wie Jo­ hannes Guthmann viele Jahre später formulierte, „von des Dichters vorgeblicher Feierlich­ keit immer angefröstelt“.73 Max Reinhardt kam nach seinem Theaterprojekt Die lustigen Weiber von Windsor noch mehrmals auf Slevogt zu, es kam jedoch offensichtlich zu keiner weiteren Zusammenarbeit mehr zwischen dem Maler und dem Regisseur. Slevogts erste Tätigkeit für die Bühnen der beiden Theaterleiter Brahm und Rein­ hardt 1904 sollte sich erst etwa 20 Jahre später in seiner intensiven Auseinandersetzung mit den Bühnenbildern der beiden Mozartopern Don Giovanni und Die Zauberflöte sowie seinen Bühnenideen für Wagners Walküre fortsetzen. In seinen letzten Lebensjahren vereinte Slevogt, der in jungen Jahren mit einer Sängerkarriere geliebäugelt hatte, in den Bühnenbildentwürfen für die Oper seine Liebe zur Musik mit der zur Malerei, aber auch mit seiner Begeisterung für theatralische Erzählungen und Darstellungsweisen. Da das Bühnenbild zur Gattung der „angewandten Kunst“ gerechnet wurde, lehnten viele bildende Künstler eine solche Arbeit als künstlerisch „minderwertig“ ab. Slevogt hingegen war für eine solche Tätigkeit überaus aufgeschlossen. Ihn reizte es sehr, für das Theater zu arbeiten, obwohl er durchaus einige Anfragen von Theaterleitern ablehnte. Slevogt war sich der mangelnden Akzeptanz der Theaterarbeit innerhalb der bildenden Kunst um 1900 sehr bewusst. Diese Skepsis der Künstlerkollegen formuliert er 1928 in Gedankennotizen in Zusammenhang mit seinem Auftrag für Die Zauberflöte und stellt

72 Brief von Max Slevogt an Bruno Cassirer vom 7. September 1929, zit. nach: Slevogt Briefe 2018 (wie Anm. 64), S. 263. Vgl. auch (in anderer Transkription) Irmgard Wirth, Berliner Maler. Menzel, Liebermann, Slevogt, Corinth. Selbstzeugnisse, Berlin 1964, S. 222, Imiela 1968 (wie Anm. 21), S. 265, S. 441, Anm. 10 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 108. 73 Johannes Guthman, Goldene Frucht. Begegnungen mit Menschen, Gärten und Häusern, Tübingen 1955, S. 330.

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fest, dass Maler sich untereinander abfällig über die Arbeit an Theaterbühnen äußerten.74 Eine Aufwertung begann erst allmählich um 1900, als mit dem aufkommenden Jugendstil eine neue Wertschätzung des Kunsthandwerks einherging.

74 Briefentwurf, Gedanken von Slevogt auf der Rückseite eines Briefes an Franz Ludwig Hörth, Staatsoper Berlin 27. Januar 1928. Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Die Gedankennotizen entstanden in Zusammenhang mit der Ablehnung seiner Bühnenbildentwürfe zur Zauberflöte. Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 21), S. 444–445 sowie Schenk 2016 (wie Anm. 4), S. 253–255.

Dragan Damjanović

Works by Max Slevogt in the Tilla Durieux Collection in Zagreb

Tilla Durieux was one of the most famous German actresses in the 20th century. In 1938, in order to escape Nazi persecution of the Jews, she and her husband Ludwig Katzenellenbogen arrived in Zagreb, where she lived until 1952. They rented an apartment in the ubienski family villa at 27 Jurjevska Street, in which she stored her art collection. After returning to Germany, her artworks remained in Zagreb for decades, until the early 1980s. This paper aims to show which of Max Slevogt’s works were part of Tilla Durieux’s Zagreb collection and to describe the division and unfortunate disappearance of part of this valuable collection. Records of legal proceedings related to Tilla Durieux’s estate and preserved photo documentation show that the collection comprised at least three paintings by Slevogt in addition to her portrait painted in 1907, which is housed in the Zagreb City Museum today. These paintings were the watercolour titled Interieur (undated, probably a stage-set draft), the watercolour drawing Scene from Die Spielereien einer Kaiserin, a play Featuring Tilla Durieux as Catherine I (1911) and an oil on canvas titled Tilla Durieux as Wife of Potiphar in Richard Strauss’s “Josefslegende“ from 1921, which is today part of the holdings of the Landesmuseum in Mainz.

Tilla Durieux and Zagreb Tilla Durieux’s biography, her career, relationship with the Berlin circle of artists, her marriage with Paul Cassirer and the circumstances leading to her moving to Zagreb are well known. This article, therefore, focuses on the segments of her biography that are connected to the destiny of her art collection which encompassed, as mentioned above, a series of works by Max Slevogt.1 1 See Tilla Durieux, Eine Tür steht offen. Erinnerungen, Berlin 1954; Joachim Werner Preuß, Tilla Durieux. Porträt der Schauspielerin. Deutung und Dokumentation, Berlin 1965; Slavko Šterk, Tilla Durieux i njezina zbirka umjetnina u Zagrebu, Muzej grada Zagreba, Zagreb 1986; Georg Brühl, Die Cassirers, Streiter für den Impressionismus, Leipzig 1991; Nenad Popović, “Die Texte Tilla Durieux“ über die Jahre der Emigration in Zagreb. A report in: Zagreber Germanistische Beiträge, Supplement 6, 2001, pp. 159–164; Tilla Durieux, Mojih prvih devedeset godina. Sjećanja, Zagreb 2001 [Croatian edition of the autobiography Meine ersten neunzig Jahre. Erinnerungen, Munich 1971.] Tilla Durieux, “Am frühen Morgen in Zagreb“, in: Tilla Durieux. “Der Beruf der Schauspielerin“, ed. Stiftung Archiv der Akademie der Künste in collaboration with Heidrun Loeper amongst others, (Archive pages, 11), Berlin 2004, pp. 100–101. Joachim Werner Preuss, “Einleitung“,

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Born in Vienna as Ottilie Helene Angela Godeffroy, Tilla lived and worked in Berlin from 1903. She worked with some of the most important German theatre directors (Max Reinhardt, Otto Brahm, Leopold Jessner, Erwin Piscator) and played in some of the most avant-garde works of the early 20th-century theatre. Owing to her fame and her marriage to the prominent collector and art dealer Paul Cassirer, she sat for a great number of artists and owned a large art collection, mostly comprising modernist works from the first dec­ ades of the 20th century. Among 117 portraits of Tilla Durieux documented so far, there are works by Ernst Barlach, Oskar Kokoschka, Franz von Stuck, Max Oppenheimer, Max Liebermann, Hugo Lederer, August Renoir (famous portrait that is today on permanent display at the Metropolitan Museum of Art in New York) and, of course, Max Slevogt.2 After a failed marriage with Cassirer and four years after his suicide, in 1930, she married Ludwig (Lutz) Katzenellenbogen, a wealthy industrialist and owner of the Schultheiss-Patzenhofer brewery.3 Because of Katzenellenbogen’s Jewish origin, the financial problems of the company he managed, a court case brought against him as well as their general disagreement with the political circumstances, Tilla and her husband moved away from Germany in 1933, immediately upon Hitler’s arrival to power.4 After a short stay in Ascona in Switzerland, in 1934, Tilla Durieux and Ludwig Katzenellenbogen moved to Yugoslavia for the first time, to the city of Zagreb.5 Then in 1935/1936, they bought the Hotel Cristallo (Kristal) in Opatija, in Istria, which was then part of Italy, and moved from Zagreb to this Mediterranean city.6 Their stay in Opatija was also very short; after the adoption of anti-Semitic laws in Italy in 1938, they decided to sell their share in Hotel Cristallo and move back to Zagreb. This time they rented an apartment on the first floor of the villa on Jurjevska 27 in the northern, elite part of the city, which was owned by Zlata Lubienski who, according to Tilla Durieux, was her distant cousin (Ill. 1).7

2

3 4 5 6 7

in: Tilla Durieux. “Der Beruf der Schauspielerin“, ed. Stiftung Archiv der Akademie der Künste in collabo­ ration with Heidrun Loeper amongst others, (Archive pages 11), Berlin 2004, pp. 7–11. Slavko Šterk, Tilla Durieux i njezina umjetnička zbirka u Muzeju grada Zagreba/ Tilla Durieux und ihre Kunstsammlung im Museum der Stadt Zagreb, Muzej grada Zagreba, Zagreb 2006. Verena Perlhefter, “’A ndere halten sich Rennpferde…‘ Tilla Durieux, Schauspielerin und meistportraitierte Frau ihrer Zeit“, in: Belvedere, Vol. 12, 2006, H. 1, pp. 32–45, pp. 95–101. Hannah Ripperger, Porträts von Tilla Durieux. Bildnerische Inszenierung eines Theaterstars, Göttingen 2016. Gregor Wedekind, “Am Tisch im Romanischen Café. Max Slevogts Berliner Konstellationen“, in: Ein Tag am Meer. Slevogt, Liebermann & Cassirer, ed. Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, ed. by Karoline Feulner, exh. cat. Mainz, Landesmuseum, Munich 2018, pp. 20–29, here p. 27. Brühl, 1991 (see Footnote 1), pp. 98–99; Durieux 2001 (see Footnote 1), p. 316; Šterk 2006 (see Footnote 1), p. 30. Dagmar Walach, Über den Tag hinaus. Notizen von Tilla Durieux 1920–1933, Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin, Berlin 2009, p. 18, 118. Durieux 2001 (see Footnote. 1), pp. 330–331. Ibid., p. 334. Ibid., p. 339; Popović 2001 (see Footnote 1), p. 160.

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1 Villa in Jurjevska 27 in Zagreb where Tilla Durieux’s collection was housed between 1938 and 1982.

Tilla Durieux remained with her husband in the villa until March 1941, when they tried to emigrate to Honduras just before the Third Reich’s invasion of Yugoslavia. However, the war broke out and they did not succeed. As Tilla was not of Jewish origin, she was not arrested by the German army and was allowed to continue to live in the villa on Jurjevska 27 throughout the Second World War, whereas her husband was arrested and died in captivity in Germany in 1944. Tilla lived in Zagreb until 1952. After the Second World War, she even obtained Yugoslav citizenship. Because of her desperate financial situation, she eventually started acting again in Germany in late 1952. For the next four years, she lived partly in Germany, partly in Zagreb, before moving permanently to Berlin in 1956, where she died in 1971. Her art collection, however, stayed in Zagreb much longer.

Tilla Durieux’s Art Collection and its Destiny Together with Tilla Durieux and Ludwig Katzenellenbogen, Tilla’s art collection also moved across Europe during the 1930s. There is documentation from 1938 on the works that were part of the collection at that time, as Tilla and her husband were planning to move from Opatija to Berkeley, California. In order to obtain an export license, Riccardo Gigante, an honorary art inspector in Rijeka/Fiume, Italy, made a list of the works in her collection. It seems that the list was not complete, as it did not include works by the non-European artists that, judging by the contents of the collection while it was housed in Zagreb, Tilla certainly owned while she was living in Opatija.8 8 Igor Žic, “Tilla Durieux glumica i kolekcionarka umjetnina“, in: Sušačka revija, Vol. 37, 2002, pp. 89–94, here pp. 91–93.

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2 Tilla Durieux’s and Ludwig Katzenellenbogen’s first apartment on the first floor of Zlata Lubienski’s villa in Jurjevska 27 in Zagreb, 1938–1941. Max Slevogt’s work „Tilla Durieux as Wife of Potiphar“ could be seen hanging on the wall above bookshelf.

In 1938 Tilla and Ludwig Katzenellenbogen eventually decided not to move to the United States, but to go back to Zagreb. They rented an apartment in a villa on Jurjevska 27 where Tilla housed her art collection. Today there is no list of the artworks that belonged to the collection during this part of their life in Zagreb. Photos of the interior of the apart­ ment (modest compared to her Berlin residences of the 1920s and early 1930s), preserved in Tilla Durieux’s personal estate in Berlin and probably taken in 1938 or 1939, show that she had transferred quite an extensive amount of belongings from Berlin to Zagreb: not only artworks and books from their personal library and other personal items, but also part of the furniture, such as the dark-wood shelves on which many of Tilla’s sculptures were displayed (Ill. 2).9 Knowing the value of her art collection, when attempting to move to Honduras in 1941, Tilla packed it and prepared it to be sent after her and her husband’s departure. Since they 9 The shelves are today partly in possession of the Baldani family in Zagreb.

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failed to escape from occupied Europe, after their return to Zagreb and Jurjevska 27, her belongings and artworks were unpacked and kept in the room on the ground floor of the villa where she lived between 1941 and 1956.10 At the time of her life in Opatija and Zagreb, Tilla’s collection had already been con­ siderably reduced compared to her collection in Berlin. Except for one drawing by Jan van der Goyen, Jean-François Millet’s drawing Hagar in the Desert, works by non-European artists and some nineteenth-century portraits of Tilla’s parents and other Viennese ances­ tors, the collection mainly comprised artworks by modern German and Central-European Expressionist, Symbolist and Surrealist artists. Most of these artists belonged to the circle of people who were close to Tilla and Paul Cassirer in Berlin (August Gaul, Ernst Barlach, Emil Orlik, Karl Walser, Georg Kolbe, Max Slevogt). The question arises as to what hap­ pened to the part of the collection that Tilla inherited after Cassirer’s death. The photos of her apartment by famous photographer Sasha Stone taken prior to her departure from Berlin show that she owned works by Rembrandt and many French Impressionists and Post-Impressionist artists (Cézanne, Van Gogh, Renoir, Manet, Monet, Degas, etc).11 Not a single item by these masters was recorded in Tilla’s collection in Opatija in 193812 or later in Zagreb, apparently because Tilla sold them for financial reasons after leaving Berlin in 1933. It can be assumed that she was forced to sell them because most of her property and money was confiscated during the legal case against her husband.13 Since the Impressionist and Post-Impressionist artworks at that time were already worth high prices, it was profitable to sell them. On the other hand, she kept the works by German modernist masters, probably because the art market of the 1930s was far more saturated with these works due to the Nazi persecution of modernist artists and also for sentimental reasons – they reminded her of her life and career in Berlin.14 She also kept four works by Marc Chagall from the late 1920s, one work by Paul Klee from 1929 (Befestigter Ort) and a drawing by French painter Marie Laurencin (The Head of the Girl), possibly because they were recent works for which she could not obtain a large amount of money in the 1930s. An exceptionally large part of Tilla’s collection consisted of artworks by non-Euro­ pean artists, purchased probably by Paul Cassirer. Most of them were from countries that were German colonies before the First World War, such as Cameroon, Samoa, New Ireland and New Guinea. However, the collection also contained several Chinese vases, Chinese, 10 Durieux 2001 (see Footnote 1), p. 357. 11 Archiv der Akademie der Künste Berlin, Abteilung Darstellende Kunst, Tilla Durieux Archive, sign. 347; Šterk 1986 (see Footnote 1), p. 12. 12 Žic 2002 (see Footnote 8), pp. 91–93. 13 Documentation on the lawsuit is preserved in the Croatian State Archives (Hrvatski državni arhiv, further in the text HDA), Fond 787, Personal documents of the family Adrowski, boxes 4–8. 14 More on this in: Žarka Vujić, ”Žene i sabiranje“, in: Informatica Museologica, Vol. 32, 2001, no. 1–2, pp. 6–11, here pp. 8–9.

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3 Room of Tilla Durieux and her collection in Zlata Lubienski’s villa in Zagreb, 1966.

Japanese and Egyptian sculptures, the Eskimo figure of a Mother with a Child and a Dog and various Greek antique works.15 After Tilla’s art collection survived the Second World War at Jurjevska 27 almost intact, it was recorded for the first time by the Commission for Collecting and Preserving Cultural Monuments of the People’s Republic of Croatia (Croatia was then a province of the People’s Republic of Yugoslavia) in February 1948. Again, this list was not com­ plete but it would later serve as the basis for protecting the collection and for support­ ing attempts to keep it in Yugoslavia. The list contained 53 entries; however, some of the entries contained a large number of items (for example, 22 sculptures by August Gaul, six sculptures by non-European artists, 3.000 volumes of books were categorized as one unit each, etc.) (Ill. 3).16

15 Lugarić, “Louvre u Jurjevskoj“, in: Globus, no. 196, March 31, 1963, pp. 28–30; Šterk 1986 (like Footnote 1), pp. 17–18; Šterk 2006 (see Footnote 1), pp. 34–43. 16 Ministry of Culture of the Republic of Croatia (Ministarstvo kulture Republike Hrvatske/MKRH), Central Archive of the cultural Heritage, Record no. 96, Zagreb, February 24, 1948.

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A comparison between this list and a list made in Opatija17 shows that the number of artworks in the collection decreased between 1938 and 1948. In Zagreb, in 1948, Franz von Stuck’s portrait of Tilla as Circe (one of the four that he made) was no longer recorded on the list. However, the portrait can be seen in a photograph of her Jurjevska 27 flat in the late 1930s, which probably means that Tilla had sold it in the meantime. Furthermore, the number of Gaul’s plastics decreased from 30 to 22, amongst other things. The reduction in the number of artworks in the collection surely continued, although it was not recorded, because Tilla repeatedly attempted to sell at least a part of it after the war.18 First, in 1946, she unsuccessfully tried to sell her collection to some public institutions. Then in 1949 in her request for Yugoslav citizenship, she again expressed her intention to sell parts of her art collection.19 It is not known whether any pieces of art were sold in Zagreb before the list was made in 1948, but this possibility cannot be ruled out, as it is also possible that some of the artworks that were not documented in the list of 1948 were sold to private collectors even after that year. However, after the list was made, the collection received legal protection in the same year. That stopped Tilla’s attempts to sell her artworks to public institutions for a while. Only in November 1952, shortly after her first post-war arrival in Berlin, Tilla mentioned her intention to sell an unnamed Chagall work of art in a letter to Zlata Lubienski.20 She was probably thinking of his gouache La Chameau from 1928, which was offered for sale to the National Museum in Belgrade shortly after her return to Zagreb in January 1953. She requested 40,000 dinars for the painting, but as the National Museum offered her a tenth of the amount, the purchase did not take place. 21 It was one of a hundred watercol­ ours illustrating Le Fontaine’s fables which Chagall made for the famous art dealer and collector Ambroise Vollard.22 These works were exhibited in April 1930 at the Flechtheim Gallery in Düsseldorf23 and were partly bought by Tilla on that occasion.24

17 Žic 2002 (see Footnote 8). p. 93. 18 Radovan Ivšić, U nepovrat, opet. Članci, razgovori i dokumenti 1956–2002, Nakladni zavod Matice hrvatske, Zagreb, 2002, pp. 145, 208–209. 19 Personal archive of the Lubienski family in Graz (further in the text PAL), request by Tilla KatzenellenbogenDurieux for admission to citizenship of the Federal Republic of Yugoslavia, Zagreb, August 31, 1949. 20 PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, November 1, 1952. “Also was meinst du mit einem Chagall? 3 sind auch genug. Spricht mit Steiner, wie sie vorschlägt darüber. Vielleicht konnte man da etwas machen. Überlege es und leite die Schritte ein. Die Adresse der Simone Colisset 164 Quai Louis Bleriot Paris XVI. Ich werde auch eventuell an Liebe Böhler schreiben, aber ich weiß nicht ob er sich dafür interessiert und ob man dann das Geld bekommen kann.“ 21 PAL, Tilla Durieux to the National Museum in Belgrade, Zagreb, January 19, 1953; Ranka Stefanović, Secretary of the National Museum in Belgrade to Tilla Durieux, Belgrade, January 24, 1953. 22 http://alfredflechtheim.com/en/artists/marc-chagall/, [seen on November 25, 2018]. 23 PAL, Tilla Durieux to the Secretariat for Education, Science and Culture of People’s Republic of Croatia, Zagreb, September 14, 1954. 24 Šterk 1986 (see Footnote 1), p. 16.

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4 Zlata Lubienski and Tilla Durieux at the terrace of the villa in Jurjevska 27, ca. 1952.

After failing to sell Chagall’s painting in Yugoslavia, Tilla tried to get permission to export it to Germany, which was forbidden by the Conservation Institute of the People’s Republic of Croatia. In September 1954, she again appealed to the Council for Education, Science and Culture of the People’s Republic of Croatia, claiming that she was forced to sell her collection because of her age, illness and poverty.25 Although this institution approved her request, the central Yugoslav Federal Secretariat for Education in Belgrade banned the export in December 1954.26 This temporarily halted Tilla’s attempts to sell her art collection. All of these actions were actually led by Zlata Lubienski (all of the letters are in Croatian, which Tilla never mastered) (Ill. 4).27 25 PAL, Tilla Durieux to the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments, Zagreb, September 1, 1954.; Decree of the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments, no. 2038 – 1954, Zagreb, September 13, 1954. Tilla Durieux to the Secretariat for Education, Science and Culture of People’s Republic of Croatia, Zagreb, September 14, 1954. 26 PAL, Secretariat for Education, Science and Culture of People’s Republic of Croatia to Tilla Durieux, no. 9549 – 1954, Zagreb, December 22, 1954. 27 PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, München-Gladbach, November 25, 1954. Tilla Durieux to Zlata Lubienski, December 7, 1954.; Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, December 13, 1954. Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Bremen, January 15, 1955.

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Despite the ban, Tilla had not given up trying to export her collection. In August 1955, she reported to Zlata that a certain Hedwig Prause was interested in some items.28 It is possible that some of these were indeed exported to Germany as the Prause family travelled by car to Jurjevska 27 from Berlin that same year.29 After her final move to Berlin in 1956, Tilla continued to be interested in the possibil­ ity of exporting at least some of the smaller artworks30 or paintings of her ancestors.31 At the same time, she tried to popularize her collection in Germany (probably to increase the value of the artworks). That is why the Barlach sculptures she owned were included in the books by Friedrich Dross, published in the 1950s.32 Over time, her hopes of obtaining an export license declined. In her letter to Zlata in early 1959, Tilla again expressed her dissatisfaction with the fact that she could not export at least one of Chagall’s artworks.33 Although she never received an export license, it is impossible to exclude the possibility that she succeeded in exporting some of the artworks without permission. After 1960, exporting the artworks became completely impossible because Tilla and Zlata Lubienski became estranged due to a dispute over the artworks. What caused the interruption of communication is not completely clear. It seems that when she left Zagreb for the last time in her life, at the end of August 1956, Tilla had already begun to lose hope of exporting her entire collection to Germany. Therefore, Tilla Durieux took jewellery from Zlata Lubienski’s family with her and, in exchange for it, left her art collection to Zlata.34 These jewels would soon become the subject of the dispute.35 Zlata did not allow Tilla to export her collection because she thought the jewellery that she took had far greater value than her artworks. In 1967, Tilla again filed an application to have the collection exported to West Berlin where she lived, but the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments in Zagreb did not approve it. Then she filed a lawsuit, arguing that her artworks had come into Yugoslavia only because she wanted to save them from the Nazis and that no items from her collection were bought or acquired in Yugoslavia. The Supreme Court of Croatia confirmed the decision of the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments and prohibited the export of the artworks in 1968 due to the cultural value of the collec­ tion and also because it had received assistance from public funds and Tilla had Yugoslav citizenship, which demonstrated her intention to stay in the country.36 28 29 30 31 32 33 34 35 36

PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, August 26, 1955. PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, September 26, 1955. PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Darmstadt, November 25, 1956. PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin (?), July 12, 1957. PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, February 15, 1955. PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, March 27, 1959. PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, August 31, 1956. PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, August 31, 1956. Šterk 2006 (see Footnote 1), p. 74; City Institute for the Protection of the Cultural Monuments (Gradski zavod za zaštitu spomenika kulture, further in the text GZZSKP), documentation on villa at Jurjevska 27,

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A little bit earlier, in November 1967, undoubtedly to prevent the export of the art­ works, the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments in Zagreb regis­ tered the collection as part of the Register of Movable Cultural Heritage of Croatia.37 In 1969 Zlata Lubienski died and the fate of the collection became suddenly very uncertain. It ceased to be publicly available and disputes over who owned it (re)emerged.38 The Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments in Zagreb tried to save the collection by putting it under the custody of the Museum of Arts and Crafts in early April 1969,39 but the successors of Zlata Lubienski prohibited it from being removed from their villa due to the dispute about the above-mentioned jewellery.40 In the mean­ time, it was established that a series of artworks was missing. Soon after Zlata’s death, it was found that one work of art by Klee, one by Chagall, Chinese Porcelain Blue Dog sculpture (17th century) and Deer sculpture (19th century) and Barlach’s Beggar sculpture were missing.41 A police investigation was launched, ending in 1975 without any result.42 After Zlata’s death, an inspection of Tilla’s collection on Jurjevska 27 revealed theft but also listed a number of valuable artworks that were not recorded in 1948: a caricature by Georg Grosz, two works by Karl Walser (Street scene and Geisha), Hugo Lederer’s portrait Tilla Durieux as Circe, two Barlach busts of Tilla, two Barlach drawings, Emil Orlik’s work of art Tilla Durieux as Queen Nini in Theodore Wolf ’s play, Olaf Gulbransson’s portrait drawing of Tilla, Richmond Beritt’s View of Berlin, Rudolf Gaupmann’s female portrait, Vanja Radauš’s portrait, two works by Max Slevogt, which will be analysed later, and many other works by lesser-known artists. The total number of items in Tilla’s collection increased to 68.43 The situation was further complicated by the death of Tilla Durieux on February 21, 1971. The legal dispute over her collection was now continued by her heir in Berlin, Erika Dannhoff, who did not allow the artworks to be transferred to a Croatian museum, so they remained sealed in the Lubienski villa. According to an inspection of the collection

Decree of the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments no. 02–1028/1–1967, Zagreb, November 9, 1967; verdict of the Supreme Court of Croatia no. U-1432/1968–4, Zagreb, June 7, 1968. 37 GZZSKP, documentation on villa at Jurjevska 27, Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments no. 02–1208/1–1967, Zagreb, November 9, 1967. 38 Šterk 2006 (see Footnote 1), p. 74. 39 GZZSKP, documentation on villa at Jurjevska 27, City government – Zagreb, Secretariat for Education, Culture and Physical Culture, no. 06/3–456/1–1969, Zagreb, April 4, 1969. 40 Šterk 2006 (see Footnote 1), pp. 74–79. 41 GZZSKP, documentation on villa at Jurjevska 27, Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments in Zagreb, information on Lubienski-Durieux collections, Zagreb, May 8, 1969; Šterk 2006 (see Footnote 1), pp. 74–77. 42 Based on the minutes from the hearing on October 6, 1975. (GZZSKP, documentation on villa at Jurjevska 27). 43 GZZSKP, documentation on villa at Jurjevska 27, minutes from April 24, 1969, created by the municipal court I (Općinski sud I) in Zagreb on the spot in the villa at Jurjevska 27 related to the inheritance case after the death of Zlata Lubienski, no. 0–710/69. A list of found artworks that were not listed in the years 1945 and 1948 in the collections of Zlata Lubienski and Tilla Durieux, Zagreb, April 24, 1969.

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in 1976, which did not, however, verify its state due to inaccessibility, there were 75 items in the collection.44 The dispute over the artworks between Erika Dannhoff, the successors of Zlata Lubienski and the Croatian authorities lasted until 1982. At the end of 1980, Erika Dannhoff proposed dividing up Tilla’s collection. She agreed to donate 40 % of it to the city of Zagreb and, in turn, asked for permission for the remaining 60 % of the collection to be exported to Berlin. The artworks that remained in Zagreb were chosen by the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments in Zagreb and the staff of the Zagreb ­museums in February 1982. Finally, Erika Dannhoff signed a deed donating 19 artworks from Tilla’s collection to the city of Zagreb in the Croatian Parliament building, and she was permitted to export the remaining 60 artworks to the Federal Republic of Germany.45 The donated artworks were housed in the Zagreb City Museum. They include Chagall’s Lady with a Bird (also called Lovers, dated 1926/1927), the 18th century crucifix, four sculptures by Ernst Barlach (Bust of Tilla Durieux, 1912; Nun on the Run, 1909; Worried Woman, 1910, and the relief Suffering Humankind, 1919), a drawing by Emil Orlik (Tilla in front of a mirror, also called Scene from the play Queen by Theodor Wollf, 1911), an Egyptian sculpture (The Head of Citizens of the XXVI Saite Dynasty) and, of course, Max Slevogt’s Tilla’s portrait as Salome from 1912. According to the 1982 contract, Erika Dannhof was permitted to export a number of valuable works: Jean-François Millet’s Hagar in the Desert, Adolf Menzel’s gouache Partridges, two of Chagall’s works (La Chameau – Camel and Stork, also called Heron), Hermann Haller’s portrait of Tilla, Georg Grosz’ caricature Man looking at the girl, three works by Max Slevogt, four sculptures by Ernst Barlach, two coloured drawings by Karl Walser, Georg Kolbe’s sculptures (bronze bust by Paul Cassirer and Cassirer’s posthu­ mous mask), Marie Laurencin’s drawing, 14 of Gaul’s sculptures (only one remained in Zagreb) and a series of works by non-European artists amongst others. Part of the collection that was moved to Germany by Erika Dannhoff was sold at Lempertz’s Neue Kunst auction in Cologne on June 5, 1982. There were altogether 34 works from Tilla’s collection at the auction, including one of Chagall’s illustrations of Le Fontaine’s bases – La Chameau (Camel), which was estimated to have a value of 130,000 German marks at that time, and Barlach’s bust of Tilla Durieux.46 44 Šterk 2006 (see Footnote 1), p. 76. After Tilla’s death, Erika Dannhoff was named as her heiress. Heidrun Loeper, Findbuch zum Bestand Tilla Durieux, Archiv der Akademie der Künste Berlin, Abteilung Darstellende Kunst, Berlin, 2005, p. II. 45 Šterk 1986 (see Footnote 1), pp. 56–57; Iva Slade Šilović, “Privatne umjetničke zbirke Zagreba“, in: Muzeologija. Vol. 32, 1995, pp. 73–81, here pp. 78–79); Veljko Mihalić, “Donacije umjetničkih zbirki gradu Zagrebu 1946 – 1995. godine“, in: Muzeologija Vol. 32, 1995, pp. 82–108, here p. 88; Šterk 2006 (see Footnote 1), pp. 80–84, 95–96, 118–119. 46 Doris Schrieber, “Der Nibelungenhort einer großen Tragödin. Lempertz versteigert Kunst aus dem Nachlaß von Tilla Durieux“, in: Kölnische Rundschau, May 29, 1982; Angelika Enderlein, Der Berliner Kunsthandel in der Weimarer Republik und im NS-Staat. Zum Schicksal der Sammlung Graetz, Akademie Verlag, Berlin 2006, p. 316.

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The part of the collection donated to Zagreb has remained the largest collection of art­ works related to Tilla Durieux housed in a public institution in Europe today. In addition to the artworks, other artefacts from the estate of the famous actress have been preserved in Zagreb, for example, documentation related to the court case launched in Berlin against her third husband, Ludwig Katzenellenbogen.47 It is not possible to establish where some of the artworks from Tilla Durieux’s col­ lection are today. Until the beginning of the 1980s, during the time that the collection was kept on Jurjevska 27 in Zagreb, 32 artefacts were taken (illegally) from the collection. Most of the artworks that are missing are of Chinese, Japanese and in general non-Euro­ pean provenance (vases, Egyptian sculptures, the Aztec totem), but Gulbransson’s portrait of Tilla Durieux, a sculpture by Renée Sintenis, two sculptures by Ernst Barlach (the above-mentioned Russian beggar with a bowl from 1906 and Portrait bust Tilla Durieux III) and two drawings by Ernst Barlach (Man Drinking, Two Women) and seven sculptures by August Gaul were also stolen or illegally sold.48 There is also a possibility that some of Max Slevogt’s works, which were not docu­ mented in 1948 or 1969, are among the missing and unidentified artworks from Tilla’s collection. This is, however, merely an assumption; this article therefore concentrates on Slevogt’s works that were documented in the collection.

Max Slevogt’s Works in Tilla’s Collection Given the fact that Max Slevogt and Paul Cassirer were close, it is understandable that Tilla Durieux’s collection included a series of the artist’s work. It is well known that from 1899 Slevogt worked for Cassirer, who was contractually obliged to pay 4000 Marks each year for his works.49 As Slevogt painted portraits of Tilla in 1907, 1908 and 1921 (and many other times),50 it is obvious that he frequently visited her and Cassirer. Therefore, it can be assumed that Tilla Durieux’s art collection comprised a larger number of Slevogt’s works while she was living in Berlin than later when she was based in Zagreb. As already mentioned, the first known list of her collection after she moved from Berlin was made in 1938 in Opatija. According to this list, the collection included four works by Max Slevogt: two portraits of Tilla (both oil on canvas, dimensions 62 × 76 and 57 × 85 cm), one watercolour entitled Scene (25 × 26 cm) and a drawing titled Black Man (24 × 16 cm).51

47 48 49 50 51

HDA, Fond 787, Personal documents of the Adrowski family, boxes 4–8. Šterk 1986 (see Footnote 1), p. 57. Hans Jürgen Imiela, Max Slevogt, Karlsruhe, 1968, pp. 51–52. Ripperger 2016 (see Footnote 2), p. 157. Žic 2002 (see Footnote 8), p. 93.

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Only three of these four items were later documented in Zagreb. In the first list of Tilla’s collection, which was made on 24 February 1948 in Zagreb, only two of Slevogt’s works were recorded: a portrait from 1907 and, as noted in the list, Motif from the Pantomime of Richard Strauss.52 It is almost certain that these are the artworks which were recorded as portraits in Opatija. Then, in 1969, a more detailed inspection of the collection was made after the death of Zlata Lubienski; it recorded two more of Slevogt’s works – the so-called Bühnenbild and the motif from the play Die Spielereien einer Kaiserin.53 They were also certainly in Tilla’s collection in 1948, but were not documented. From the artworks documented in 1969, Bühnenbild is undoubtedly the same item as the watercolour entitled Scene in the list made in Opatija. The watercolour drawing with the motif from the play Die Spielereien einer Kaiserin was recorded in 1969 for the first time, probably because it is a work of art with very small dimensions. The drawing depicting the Black Man, which was in Tilla’s collection in Opatija, was not recorded either in the 1948 or in the 1969 list, and it cannot be seen in the photographs of the interior of the villa at Jurjevska 27 after 1945. It can be certain that this drawing is not identical to the drawing featuring the motif from the play Die Spielereien einer Kaiserin, because its size is completely different (12.3 × 9 cm), and its content cannot be interpreted as representing a Black Man. Therefore, it is to be assumed that, between 1938 and 1948, the drawing Black Man was sold. It cannot be excluded that during the same period some other works of art by Slevogt from Tilla’s collection that were not recorded in Opatija were also sold. The drawing Black Man was likely to be related to the works Slevogt made on his jour­ ney to Egypt and Sudan in 1914.54 Its current location is unknown. It is possible that it is still in a private collection in Zagreb, since some of the tenants of the Jurjevska 27 villa received gifts from Tilla while she was living in Zagreb (artworks and other objects that were considered less valuable in the 1940s and 1950s). It is also possible that it was stolen, as was the case for Klee’s painting, Barlach’s sculpture and Chagall’s gouache. However, it cannot be ruled out that either Tilla sold it between 1938 and 1948 or took it with her to Berlin between 1952 and 1956, a time when she moved between Zagreb and Berlin or, finally, that it was returned to her by some visitor of the villa on Jurjevska 27 after 1956. In one of her letters to Zlata Lubienski at the beginning of the 1960s, before their conflict began, Tilla Durieux asked Zlata to send a book with Slevogt’s drawings from her

52 Ministry of Culture of the Republic of Croatia, Central Archive of the cultural Heritage, Record no. 96, Zagreb, February 24, 1948. 53 GZZSKP, documentation on villa at Jurjevska 27, minutes from April 24, 1969, created by the municipal court I (Općinski sud I) in Zagreb on the spot in the villa at Jurjevska 27 related to the inheritance case after the death of Zlata Lubienski, no. 0–710/69. 54 Ernst-Gerhard Güse, “Die Reise nach Ägypten“, in: Max Slevogt. Gemälde. Aquarelle. Zeichnungen, ed. ErnstGerhard Güse, Hans-Jürgen Imiela and Berthold Roland, Stuttgart 1992, pp. 35–49.

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library to her in Berlin.55 The name of the book was not specified, but she probably meant a folder of lithographs issued in 1931 with motifs from Richard Strauss’s Josephslegende.56 Whether the book was ever sent to Tilla is unknown, but if she received it, it is possible that the drawing of the Black Man (or some other work) was inserted into the folder. Finally, there is a possibility that a visitor at Jurjevska 27 bought this artwork. Indeed, besides Tilla’s collection, there was a large collection of artworks owned by the Lubienski family, containing pieces linked to the Croatian cultural history of the 19th and 20th centuries, in the villa. Both collections functioned as a sort of private museum after 1945, which opened to visitors on Sundays. In communist Yugoslavia, it was a unique concept. The museum kept a visitors’ books which testify to the tremendous interest in the collec­ tions. The collection was visited, for example, by Helen M. Franc, who at that time worked on the international programme of the Museum of Modern Art in New York (June 18, 1963) and Oscar D’Amico (August 15, 1960) from Rome, who collaborated with Orson Welles on his projects in Zagreb. The visits by art dealers and collectors are particularly interesting. The collection was visited by A. H. Romic from the Galerie Mona Lisa in Paris (February 25, 1962), Alfred Gunzenhauser (June 29, 1964), who owned one of the largest private art collections in Germany, now publicly available in Chemnitz, and eventually by the art historian Bruno Lohse (June 13, 1962), who appears to have been involved in the Nazi confiscation of artworks in Paris during the Second World War, and who worked as an independent art dealer after the war.57 Regardless of whether the drawing Black Man was transferred from Opatija to Zagreb or not, it is certain that at least four of Slevogt’s works were in Tilla’s collection in Zagreb after 1945. They were all photographed in the late 1960s and during the 1970s and 1980s, when they were housed in the villa on Jurjevska 27. Two of the four works of art by Max Slevogt that were in Tilla’s collection in Zagreb are very well known and have been interpreted several times in art historical texts. The earliest of these works is the portrait of Tilla Durieux (1907), showing her in one of her most popular roles as Salome in Oscar Wilde’s play.58 Some texts incorrectly interpret this work as a representation of Tilla Durieux as Cleopatra. Slevogt’s portrait of Tilla Durieux as Cleopatra did indeed exist, but had gone missing. It was far bigger than the Zagreb painting, 128 × 170.5 cm, so it could not be the same item (Ill. 5).59 Since Tilla’s collection was divided up in 1982, Slevogt’s portrait has been perma­ nently displayed in the Zagreb City Museum. It occupies a prominent place in the part of the museum dedicated to the collection. The painting is signed and dated, and it contains 55 56 57 58

PAL, Tilla Durieux to Zlata Lubienski, Berlin, June 24, 1960. Imiela 1968 (see Footnote 46), p. 246. The visitors’ books are kept in the personal archive of the Lubienski family in Graz. Max Slevogt. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen 1992 (see Footnote 54), p. 444, no. 74; Šterk 2006 (see Footnote 1), p. 90; Wedekind 2018 (see Footnote 2), p. 26. 59 Imiela 1968 (see Footnote 46), p. 246.

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5 Max Slevogt, Tilla Durieux as Salome, 1907, with original frame, photographed in the villa in Jurjevska 27 in Zagreb, ca. 1969.

the artist’s dedication to the actress: Frau Durieux in Verehrung Max Slevogt 1907. It is not completely clear whether Tilla or Paul Cassirer commissioned this portrait and the huge number of other portraits of Tilla Durieux by various other artists that show her in some of her roles or whether Slevogt decided to portray Tilla because of her extreme popularity. The inscription on the portrait suggests that it was probably a gift from the painter to Tilla (Taf. V). The documents relating to the division of Tilla’s collection in the early 1980s reveal to a certain extent why this portrait remained in Zagreb. The staff of the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments tried to keep at least one work of art from each segment of Tilla’s collection (artworks related to her family, European modernist artworks, works by Non-European artists, etc.), as well as items that illustrate her biography. The Slevogt portrait was considered to be a good example of the work that depicted her way of life in Berlin at the time when she was a renowned actress. The best-known work by Slevogt from Tilla Durieux’s former collection is the oil on canvas Tilla Durieux as Wife of Potiphar in Richard Strauss’s ’Josefslegende’ from 1921. As earlier researchers showed, this painting was inspired by Richard Strauss’ play which was staged as a ballet in 1921. Tilla played a main female role, which she performed as a pantomime. The play is based on the Old Testament and is located in ancient Egypt; thus, Slevogt stylized Tilla’s figure in the same way as human figures are depicted in ancient

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6 Max Slevogt, Tilla Durieux as Wife of Potiphar in Richard Strauss’ „Josefslegende“, photographed in the villa in Jurjevska 27 in Zagreb, ca. 1969.

7 Max Slevogt, Tilla Durieux as Wife of Potiphar in Richard Strauss’ „Josefslegende“, 1921, Oil on canvas, 66,5 × 37 cm, Mainz, GDKE Landesmuseum.

Egyptian reliefs.60 Judging by photographs of Tilla Durieux’s apartment in the villa on Jurjevska 27, this composition always occupied a prominent place on the wall of the apart­ ment from the end of the 1930s to the end of the 1960s (Ill. 6). Undoubtedly, it reminded Tilla of her Berlin days. Along with other, already mentioned works, it became the prop­ erty of Erika Dannhoff in 1982.61 It is housed in the Landesmuseum Mainz today (Ill. 7).62 The third work of art by Slevogt in Tilla’s collection was a watercolour drawing, Scene from Die Spielereien einer Kaiserin Play, which showed Tilla performing in the play

60 Imiela 1968 (see Footnote 46), p. 246, 375, 432; Šterk 1986 (see Footnote 1), p. 56; Nicole Hartje-Grave, “Tilla Durieux als Weib des Potiphar“, in: Neue Wege des Impressionismus, ed. by Sigrun Paas, exh. cat., Mainz, Landesmuseum, Munich 2014, pp. 166–167; Max Slevogt. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen 1992 (see Footnote 54), p. 462, cat. no. 157; Wedekind 2018 (see Footnote 2), pp. 27–28; Ripperger 2016 (see Footnote 2), pp. 142–158. 61 Šterk 1986 (see Footnote 1), p. 56. 62 GDKE, Landesmuseum Mainz, Inv. no. GE 83/16.

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8 Max Slevogt, Scene from „Die Spielereien einer Kaiserin“ Play Featuring Tilla Durieux as Catherine I, ca. 1911, Watercoloured drawing, 12,3 × 9 cm, Present location unknown.

by German writer Max Dauthendey.63 As this play was staged at the Schauspielhaus in Munich in May 1911, Slevogt’s drawing was created probably that very year. Tilla played the main role – the Russian Empress Catherine I. Slevogt’s drawing shows her on the stairs as she stretches her leg, probably to Field Marshal Menschikoff, the main male character in the play (Ill. 8). It is unknown where this drawing is today. It is probably in some private collection in Germany because it was handed over to Erika Dannhoff in 1982. Although it was not docu­ mented in Tilla’s collection in 1948, it was exhibited at the Museum of Arts and Crafts in Zagreb in 1957 (possibly as part of the exhibition From Africa and Oceania) thanks to which a high-quality black-and-white photograph of the work has been preserved.64 A colour photo­graph, probably taken in the late 1970s or early 1980s by photographers of the Regional Institute for the Protection of Cultural Monuments in Zagreb, is of far lower quality. 63 “Münchner Theater“, in: Kain. Zeitschrift für Menschlichkeit, Vol. 1, June 1911, no. 3, pp. 42–46, here pp. 44–46; Donatella Germanese, Pan (1910–1915). Schriftsteller im Kontext einer Zeitschrift, Würzburg 2000, p. 170. 64 Arts and Crafts Museum, Zagreb (Muzej za umjetnost i obrt, Zagreb) MUO 6211.

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9 Max Slevogt, Interieur (Bühnenbild), undated, Watercoloured drawing, 25 × 26 cm, Present location unknown, photographed in the villa in Jurjevska 27 in Zagreb ca. 1969.

10 Max Slevogt, Interieur (Bühnenbild), undated, Watercoloured drawing, 25 × 26 cm, Present location unknown.

The last work of art attributed to Max Slevogt from Tilla Durieux’s collection is undoubtedly the most unusual. It was documented in the lists created in 1938, 1948 and 1969 under different names: first as Scene, then as Interior and finally as Bühnenbild. It is attributed to Slevogt because of the inscription on the back of the painting (“Slevogt, Scene”) (Ill. 9).65 Because similar works have not been found in Slevogt’s oeuvre, it is possi­ ble that Tilla wrongly attributed it to Slevogt. However, judging by the circumstances sur­ rounding the aforementioned attempt to sell Chagall’s work La Chameau to the National Museum in Belgrade, Tilla Durieux was exceptionally well acquainted with the origin of the artworks from her collection. For example, it was detailed that La Chameau was bought in 1930; it was originally in the Vollard collection in Paris; it was twice reproduced in the Cahiers d’Art (Paris, 1928) and the Omnibus magazine (published by Gallery Flechtheim, Berlin-Düsseldorf, 1931). 66 It is possible, therefore, that Bühnenbild, which was part of Tilla’s collection in Zagreb, was indeed Slevogt’s work and that it was a sketch for a set design that Slevogt was making for Max Reinhardt or some other director at the beginning of the 20th century.67

65 Šterk 1986 (see Footnote 1), p. 56. 66 PAL, Tilla Durieux to the Belgrade National Museum, Zagreb, January 19, 1953. 67 Nicole Hartje-Grave, “Max Slevogt – Biographie“, in: Max Slevogt – Malerei und Graphik, ed. by Ingrid Mössinger, Chemnitz, Kunstsammlungen, 2011, pp. 8–32.

Works by Max Slevogt in the Tilla Durieux Collection in Zagreb

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The work depicted the interior of a spacious room with three tables – one for dining, one for work and one with an armchair. Next to the door at the back of the room is a clothes rail with items of clothing (Ill. 10). One very poor black-and-white and one colour photo of this work were made. The colour photo was shot using a flash so it is also of very poor quality. It is therefore not pos­ sible to conclude much about the artwork from the photos, but it seems that the artist who made it used solid contours which are not characteristic of Slevogt, so the attribution to this painter cannot be confirmed. In 1982 it became the property of Erika Dannhoff, and today it is probably in some private collection in Germany. It can be assumed that further research into the origin of artworks in museums and private collections in Germany and Europe will determine where the two (potentially) remaining works of art by Slevogt that were previously in Tilla’s collection in Zagreb are located: Scene from Die Spielereien einer Kaiserin and Bühnenbild. Then it would be possi­ ble to analyse them further and probably also to establish whether Bühnenbild is Max Slevogt’s work or not.

Conclusion With the gradual dispersal of Tilla’s collection after the early 1930s and her move from Berlin, a precious ensemble that attested to the avant-garde art scene of Berlin at the beginning of the 20th century disappeared. In 1938, only the remains of it were brought to Zagreb. The subsequent sale of many artworks, thefts and, finally, the division of the collection in 1982 considerably reduced it further. Today, Zagreb City Museum preserves the last part of the collection, and Slevogt’s portrait Tilla Durieux as Salome is considered to be one of the most important artworks in it. It now preserves the memory not only of the important art collection which existed for decades in Zagreb but also of Tilla Durieux’s life in this city and of the crucial historical events of 20th century.68

68 This work was partly supported by the Croatian Science Foundation under the project IP-2018–01– 9364: Art and the State in Croatia from the Enlightenment to the Present.

Gregor Wedekind

Max Slevogt und Emil Orlik

Das Verhältnis von Max Slevogt und Emil Orlik ist die Geschichte einer drei Jahrzehnte währenden Freundschaft, deren verschiedenen Dimensionen und Stationen im Einzelnen noch zu klären sind. In der Forschungsliteratur zu Slevogt ist von ihr wenn überhaupt nur am Rande die Rede. Stattdessen ist dort der Blick auf das sogenannte Dreigestirn des Deutschen Impressionismus, auf Slevogts künstlerische Nachbarschaft zu Corinth und Liebermann fixiert. Was für die Forschung zu Slevogt gilt, gilt in umgekehrter Weise für die zu Orlik. Zwar hat man auch den Maler Orlik gelegentlich einem Impressionis­ mus „in der Art Liebermanns“1 zugeschlagen, doch wurde er hauptsächlich als ein Gra­ fiker abgehandelt, der seinen Anfängen in der dekorativen Kunst des Jugendstils stets verpflichtet geblieben sei bzw. mit seiner idiosynkratischen Synthese realistischer und dekorativer Gestaltungsprinzipien letztlich den Weg in die Moderne nicht mitvollzogen habe.2 Man hat ihn als Berichterstatter und „lebendigen Chronikeur“3, „unermüdlichen Chronisten des ‚Augen-Blickes‘ “4 sowie des „kulturellen und gesellschaftlichen Lebens“5 seiner Epoche gewürdigt und ihn so tendenziell als Kleinmeister beiseite geschoben. Für den vielseitigen und „fulminanten Handwerker“6 und seinen Stil- und Medienpluralis­ mus hat man erst in jüngerer Zeit wieder ein Auge. Doch den monographischen Geset­ zen unserer Zunft folgend hat auch das neuerliche Interesse für diesen aus Prag stam­ menden, deutsch-jüdisch-böhmischen Künstler seiner Freundschaft zu Slevogt bislang keine gesonderte Aufmerksamkeit verschafft.7 Will man das Verhältnis dieser beiden 1

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So Franz Matsche, „Emil Orlik“ in: Lebensbilder zur Geschichte der Böhmischen Länder, Bd. 2, hg. von Karl Bosl, München und Wien: Oldenbourg, 1976, S. 217–243, hier S. 221. Dass Orlik „in erster Reihe und von Natur Impressionist“ gewesen sei, postuliert bereits Julius Elias, „Über Emil Orlik“, in: Kunst und Künstler, Bd. 21, 1923, H. 2, S. 319–325, hier S. 322. Vgl. Otmar Rychlik, „Der Künstler Emil Orlik“, in: Emil Orlik. Prag, Wien, Berlin, hg. von Otmar Rychlik, Kat. Ausst. Wien, Jüdisches Museum, 1997, S. 9–30, hier S. 28. So Paul Ferdinand Schmidt, „Emil Orlik“ in: Westermanns Monatshefte, Bd. 149, 1930/31, S. 553–560, hier S. 553. So Siegfried Salzmann in: Emil Orlik (1870–1932) zum 100. Geburtstag, hg. von Siegfried Salzmann, Kat. Ausst. Duisburg, Wilhelm-Lehmbruck-Museum, 1970, S. 3; ähnlich Bernd Freese, „Der Buchkünstler Emil Orlik. Zum 50. Todestag“, in: Illustration 63. Zeitschrift für Buchillustration, H. 1, 1982, S. 11–15, hier S. 12. Vgl. den Katalogeintrag „Orlik, Emil“, in: Klima einer Hauptstadt. Jüdische Maler im Berlin der Jahrhundertwende, hg. von Klaus Honnef und Ernst Schremmer, Kat. Ausst. Bonn, Rheinisches Landesmuseum, 1976. Ernst Schremmer, „Die Wiederkehr Orliks“, in: Emil Orlik. Ein Lebenswerk zwischen Prag und Berlin. Zeichnungen, Graphik, Plakate, Buchkunst, Kat. Ausst. Esslingen, Künstergilde, 1986, S. 3–9, hier S. 8. Lediglich gestreift wird das Thema von Susanna Bichler, „Hic et ubique. Emil Orlik als Gesellschaftsporträ­ tist. Begegnungen, Wandlungen und Beurteilungen“, in: Emil Orlik. Leben und Werk 1870–1932. Prag, Wien, Berlin, hg. von Eugen Otto, Wien und München: Brandstätter 1997, S. 43–57 sowie von Setsuko Kuwabara,

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Maler-Grafiker rekonstruieren, ist man daher auf mühsame Puzzlearbeit angewiesen. Im schriftlichen und grafischen Nachlass Slevogts, der in der Pfälzischen Landesbibliothek in Speyer und im Landesmuseum Mainz aufbewahrt wird, finden sich knapp 80 Briefe und Postkarten, die dabei behilflich sind. Ihre Auswertung – und auch die Auswertung weiterer, anderweitig verstreuter Archivalien und Quellen – verspricht, mittels neu hinzu­ kommender Informationen unser Wissen zu differenzieren und zu verdichten, was immer auch mit einer Präzisierung der Chronologie einhergeht. Doch ist die Rekonstruktion der historisch-biographischen Manifestation dieser Freundschaft in seiner anekdotischen Evidenz nur der Ausgangspunkt für die Frage, was diese Verbindung für das Schaffen der beiden Künstler jeweils bedeutete. Hierzu seien im Rahmen dieses Aufsatzes einige erste Überlegungen angestellt. Kennengelernt haben die beiden sich vermutlich in Berlin kurz nach der Jahrhun­ dertwende.8 Slevogt war 1901 dorthin aus München übersiedelt, wo er 1902 ordentliches Mitglied der Berliner Secession wurde, in der er im folgenden Jahrzehnt eine maßgebliche Rolle spielen sollte. Orlik erhielt zum 1. April 1905 einen Ruf auf die Professur für Grafik an der Staatlichen Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums, die 1924 mit der Hochschule für die bildenden Künste zusammengefasst wurde. Schon seit 1901 hatte der aus Prag stammende Orlik, der sein Atelier von dort zunächst 1904 nach Wien verlegt hatte, an den Ausstellungen der Berliner Secession teilgenommen, in der er 1908 dann ordentliches Mitglied wurde.9 Die Secession kann als erste Rahmung für die Freundschaft der beiden Künstler gelten. 1902 radierte Orlik ein erstes Porträt von Slevogt und auf 1905 ist eine Zeichnung datiert, die Liebermann, Kruse, Slevogt, Corinth in der Secession darstellt.10 Berlin war damit der gemeinsame hauptsächliche Lebens- und Wirkungsort der beiden Künstler. Neben der Secession kam später die Mitgliedschaft in der Preußischen Akade­ mie der Künste, der Slevogt seit 1914, Orlik seit 1922 angehörte, als zweite institutionelle

„Emil Orlik, ein Porträtist des geistigen Berlin“, in: Vorworte zu Emil Orlik Köpfe, Berlin: Gebr. Mann, 1998, S. 7–16, hier S. 14. 8 So schreibt Birgit Ahrens, dass Orlik „seit 1901“ eine enge Freundschaft mit Slevogt verbunden habe: Birgit Ahrens, ›Denn die Bühne ist der Spiegel der Zeit‹. Emil Orlik (1870–1932) und das Theater, Kiel: Ludwig, 2001 (Kieler Kunsthistorische Studien N. F., 1), S. 28 f. Auch Matsche 1976 (wie Anm. 1), S. 230 legt nahe, dass Orlik Slevogt während seines fast dreimonatigen Berlin-Aufenthaltes im Herbst 1901 kennengelernt hat. Hypothetisch können die beiden Künstler sich auch schon in München über den Weg gelaufen sein, wo Slevogt 1884 sein Studium an der Akademie der Künste aufgenommen, in der Malklasse von Wilhelm von Diez abgeschlossen und wo er sich ab 1890 als freier Maler etablierte. Orlik hielt sich seit 1889 in München auf, wo er zunächst 3 Semester an der privaten Malschule Heinrich Knirrs eingeschrieben war, um dann bis 1893 an der Münchner Akademie bei Wilhelm von Lindenschmit sein Studium fortzusetzen. 1894 kehrte er nach Prag zurück, siedelte aber 1896 erneut für ein weiteres Jahr nach München über. 9 Vgl. das Verzeichnis der Mitglieder bei Anke Matelowski, Die Berliner Secession 1899–1937. Chronik, Kontext, Schicksal, Wädenswil: Nimbus, 2017 (Quellenstudien zur Kunst, 12), S. 561–583, hier S. 574. 10 Publiziert wurde sie in: Fünfundneunzig Köpfe von Orlik, Berlin: Neue Kunsthandlung, 1920. Zu den Köpfen vgl. Eberhard Friese, „Buch der Freundschaft und Spiegel der Zeit: Orliks Köpfesammlung“, in: Vorworte zu Emil Orlik Köpfe, Berlin: Gebr. Mann, 1998, S. 17–25 sowie ders., „Biographische Notizen“, in: ebd., S. 27–88.

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1 Max Slevogt † und Emil Orlik † am Stammtisch im Romanischen Café, Fotografie, aus: Der Querschnitt, Jg. 12, 1932, H. 11.

Rahmung hinzu. Da Slevogt seinerseits seit 1917 dem Meisteratelier für Malerei an der Akademie der Künste vorstand, hatten beide mit dem akademischen Lehramt eine ver­ gleichbare berufliche Stellung inne. Gemeinsam ist ihnen auch das Todesjahr: Slevogt starb am 20., Orlik am 29. September 1932. Als der Fluchtpunkt dieser Freundschaft kann der Malerstammtisch gelten, den Sle­ vogt „um 1916“ im Romanischen Café gegründet haben soll.11 Nach dem Tod der beiden Maler-Grafiker publizierte der Querschnitt ein 1929 entstandenes Foto, das ihre gemein­ samen Aufenthalte im „Romanischen“ zur wesentlichen Erinnerung an sie ikonisiert (Abb. 1).12 Dieses zwischen der Tauentzienstraße und der Budapester Straße gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gelegene Etablissement war seit 1913 der „Kristalli­ 11 So Jürgen Schebera, Damals im Romanischen Café… Künstler und ihre Lokale im Berlin der zwanziger Jahre, Braunschweig: Westermann, 1988, S. 40. In der erweiterten und aktualisierten Neuausgabe seines Bu­ ches gibt Schebera „schon kurz nach der Eröffnung 1917“ als den Zeitpunkt an, an dem Slevogt seinen Malerstammtisch ins Leben gerufen habe. Vgl. Jürgen Schebera, Vom Josty ins Romanischen Café. Streifzüge durch Berliner Künstlerlokale der goldenen Zwanziger. Künstler und ihre Lokale im Berlin der zwanziger Jahre, Berlin: Insel, 2020, S. 54. Ahrens 2001 (wie Anm. 8), S. 29 gibt 1916 als Datum der Gründung an. 12 Der Querschnitt, Jg. 12, 1932, H. 11, als Teil der Fotostrecke zwischen S. 776 und S. 777.

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2 Emil Orlik an Max Slevogt, 27. Dezember 1916, Landesbibliothekszentrum /  Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

sa­tions- und Treffpunkt des literarischen, künstlerischen, musischen, journalistischen und filmischen Berlins. Hier trafen sich die Produzenten, Vertreiber und Agenten der Kul­ tur.“13 Anders als das Café des Westens, das in den Jahren zuvor der Sammelplatz einer wahren Bohème aus freien Geistern, „aus Protest Entwurzelter und freiwillig Abseitiger“ gewesen war, galt das Romanische Café – in der Formulierung Erich Mühsams – als „das Industriegebiet der Intelligenz“, d. h. es war zunehmend von der auf Erwerb ausgerichte­ ten Bourgeoisie dominiert.14 Am Malerstammtisch – im vorderen Raum direkt rechts neben dem Eingang gelegen, im sogenannten Nichtschwimmerbecken15 – verkehrten Künstler wie Rudolf Levy, Max Oppenheimer und Rudolf Grossmann, Max Liebermann, Karl Hofer, Ottmar B ­ egas, der Bildhauer Hugo Lederer, von der jüngeren Generation Otto Dix, Max Pechstein, R ­ udolf Schlichter aber auch der Galerist Alfred Flechtheim oder Kunsthistoriker wie Max J. Friedländer sowie Sammler und Freunde.

13 Hermann-Josef Fohsel, Im Wartesaal der Poesie. Else Lasker-Schüler, Benn und andere; Zeit- und Sittenbilder aus dem Café des Westens und dem Romanischen Café, Berlin: Arsenal, 1996, S. 72. 14 Erich Mühsam, Namen und Menschen. Unpolitische Erinnerungen, Leipzig: Volk und Buch, 1949, S. 25. Den Hinweis darauf gibt Fohsel 1996 (wie Anm. 13), S. 72. 15 So die Angabe von Géza von Cziffra, Das Romanische Café, hg. von Ingrid Feix, Berlin: be.bra, 2019, S. 9. Dieser Publikation liegt die Ausgabe Géza von Cziffra, Der Kuh im Kaffeehaus. Die Goldenen Zwanziger in Anekdoten, München: Herbig, 1981 zugrunde. Darin folgt ihm Schebera 1988, S. 33 bzw. Schebera 2020 (wie Anm. 11), S. 48. Anders dagegen die Angabe der geografischen Lage des Malerstammtischs im Roma­ nischen Café bei Matheo Quinz, „Das Romanische Café“, in: Der Querschnitt, Jg. 6, 1926, H. 8, S. 608–610, hier S. 609: „Zwischen den beiden Bassins, im Kap der Arrivierten, steht der Honoratiorentisch, in seiner geographischen Lage klar im Gebiet der Schwimmer.“

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Emil Orlik soll an Slevogts Malerstammtisch „regelmäßig ab 1919“16 teilgenommen haben, doch schon am 27. Dezember 1916 bedauert er in einem Schreiben an Slevogt, dass er lei­ der am letzten Abend vor dessen Abreise nach Neukastel nicht ins „Kafée“ hätte kommen können, um ihm „adio“ zu sagen (Abb. 2).17 Wie der Malerstammtisch im Romanischen Café durch Slevogts lange Abwesenheiten in Berlin Einbrüche erlebte, so auch durch die zeithistorischen Umstände, den Krieg. In einem Brief Orliks an Slevogt vom 10. Juni 1918 heißt es: „Hier in Berlin sehe ich niemand das Café (Romanische) besuche ich auch nicht mehr da Niemand hinkommt […].“18 Dass der „Malerstammtisch“ im Romanischen Café eigentlich der „Cassirertisch“ war, bezeugt Eugen Szatmari: Um mit denjenigen zu beginnen, die sozusagen Renommiergäste dieses einzig daste­ henden Lokals sind, mit den Arrivierten also, – muß ich die bildende Kunst an die ­Spitze stellen, und mit dem Cassirertisch anfangen. Bruno Cassirer, der bekannte Kunstverleger und Rennstallbesitzer, ist Stammgast im ’Romanischen’, er vertritt aber hier nicht das Kapital, sondern die Kunst und überläßt den Vorsitz am Tisch dem Maler Max Slevogt, während Emil Orlik, der niemals Zeit hat, aber dennoch stets Zeit findet, um einen Blick hier hineinzuwerfen, mit Rudolf Großmann um die Wette skizziert.19 Dass Cassirer „schon lange vor dem Kriege“ die Gewohnheit aufgenommen hatte, dort mit Slevogt zusammenzutreffen, berichtet Karl Scheffler.20 Seine Blütezeit erlebte das Café und mit ihm sein Malerstammtisch, den Géza von ­Cziffra wiederum kurzerhand als „Slevogt-Tisch“ apostrophiert,21 dann ohne Zweifel in den zwanziger Jahren. Orliks an Slevogt gerichtete Briefe zeugen davon mit Wendungen wie „das Romanische blüht“22 oder „Lieber Slevogt, ich schreibe im Romanischen […]“23

16 Ahrens 2001 (wie Anm. 8), S. 29. 17 Briefkarte von Emil Orlik an Max Slevogt, 27. Dezember 1916, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 18 Brief von Emil Orlik an Max Slevogt, 10. Juni 1918, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 19 Eugen Szatmari, Das Buch von Berlin, München: Piper, 1927 (Was nicht im ’Baedeker’ steht, 1), S. 118. 20 Karl Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre. Ein Arbeits- und Lebensbericht, Leipzig und München: List, 1946, S. 85. 21 Vgl. Cziffra (wie Anm. 15), S. 12. 22 Brief von Emil Orlik an Max Slevogt, undatiert, GDKE, Landesmuseum Mainz, DL SL NL 2014/67. Die glei­ che Formulierung noch einmal in dem Brief von Emil Orlik an Max Slevogt, 17. November 1928, Landesbib­ liothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100: „Das Romanische Café blüht: wir haben einen extra gebauten Winkel. Aber es zieht da doch wie früher und der Herr Besitzer hat uns gestern vorgeschlagen wir sollen uns ’wo immer’! (im Romanischen) einen Tisch aus­ suchen!!! B. C. meinte aber er sei zu konservativ: er würde sich auf einem anderen Platz nicht wohl fühlen!“ 23 Brief von Emil Orlik an Max Slevogt, 30. Juli 1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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3 Emil Orlik an Max Slevogt, 30. Juli 1923, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

4 Emil Orlik an Max Slevogt, 20. Juli 1923, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

(Abb. 3). Ein anderer Brief Orliks enthält eine der in der Korrespondenz der Freunde üb­ lichen Randskizzen, die eine junge Frau als „Neuerscheinung im Romanischen“ festhält und dem abwesenden Freund vor Augen stellt (Abb. 4).24 Anlässlich seiner Einschiffung nach Amerika schreibt Orlik an den Freund Slevogt: Vielleicht missfällt mir das Leben in New York so, dass ich in 14 Tagen in Los Angeles bin, vielleicht bleibe ich 3 Monate dort, vielleicht ist Orlik in einem Monat wieder im romanischen Café zu sehen!25 Eine ausführliche Version der Geschichte des Malerstammtischs findet sich bei Karl Scheffler, dem einflussreichen Schriftleiter der von Bruno Cassirer herausgegebenen Zeitschrift Kunst und Künstler, der in seinen 1946 publizierten Erinnerungen von seinen Zusammenkünften mit Slevogt und Bruno Cassirer berichtet: 24 Brief von Emil Orlik an Max Slevogt, 20. Juli 1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 25 Brief von Emil Orlik an Max Slevogt, 21. Dezember 1923, GDKE, Landesmuseum Mainz, DL SL NL 2014/63

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Da es sich mit der Zeit als notwendig herausstellte, diese Arbeiten [Slevogts Illus­ trationsgrafiken] zu dreien, zwischen Künstler, Verleger und Redakteur [Scheffler war für die Illustrationswerke des Cassirer-Verlags auch als Redakteur bzw. Lektor tätig], regelmäßig zu besprechen, Slevogt aber nur mit Mühe in den Verlag zu brin­ gen und vor sieben Uhr des Abends kaum zu haben war, kamen Zusammenkünfte im Romanischen Café an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zustande. […] Im Romanischen Café bildeten wir zunächst einen Tisch zu Dreien, besprachen unsere Arbeiten, sahen Probedrucke an, schmiedeten Pläne und ließen das Gespräch dann weit herumschweifen. Nicht lange blieben wir für uns. Slevogt war in der Wahl seiner Bekannten nachgiebig. Er fühlte sich – es war eine Münchner Erbschaft – ein wenig als Malerfürst und ließ sich nicht ungern einen Hofstaat gefallen. So kam es, daß sich am Tisch immer mehr fremde oder bekannte Gesichter einfanden, daß er den Charakter eines Stammtisches annahm und daß die Banalität von Stammtischge­ sprächen nicht zu vermeiden war. Nachdem die Zeit des Graphikbetriebs vorüber war, verwandelte sich der Charakter der Zusammenkünfte so, dass ich mich immer seltener sehen ließ und schließlich ganz wegblieb.26 Schefflers abwertende Haltung gegenüber dem Stammtisch und dem tumultarischen Treiben des Caféhausbetriebs – Unaufhörlich schwang die Drehtür, die sich hart neben dem Stammtisch – ein Wand­ schirm diente als Schutz – befand. Unaufhörlich kamen und gingen bekannte und unbekannte Künstler, namhafte und noch namenlose Literaten, Ärzte, Gelehrte und Musiker, Männer, die wie Frauen und Frauen, die wie Männer aussahen, elegante und abgerissene Gestalten, zufällige Besucher und Stammgäste, eilige und solche, die vie­ le Stunden bei einem Kaffee zubrachten und alle ausliegenden Zeitungen lasen. […]27 – hängt offenbar nicht nur damit zusammen, dass diese Kulisse Störungen seiner im We­ sentlichen nur geschäftlichen Verpflichtung bereithielt, sondern vielleicht auch damit, dass er dort von den Malern letztlich vor allem als oberlehrerhaft daherkommender Re­ dakteur einer höchst maßgeblichen Kunstzeitschrift aufgenommen wurde. Aus den Er­ innerungen Fritz Heinsheimers, Meisterschüler Slevogts, wird jedenfalls deutlich, dass der Ort dem Künstler zugleich die Möglichkeit gab, Leute wie Scheffler in einer gewissen Distanz zu sich zu halten:

26 Scheffler 1946 (wie Anm. 20), S. 85 f. Imiela hält für diesen Zusammenhang fest, dass Slevogt im Ro­ manischen Café auch die letzten Probedruck des Faust signiert habe: „Den als ’historisch’ empfundenen Vorgang hat Emil Orlik in Zeichnungen festgehalten.“ Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt. Eine Monographie, Karlsruhe: Braun, 1968, S. 241. 27 Scheffler 1946 (wie Anm. 20), S. 89.

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Dieser lose Treffpunkt war Slevogt gerade recht zur Erledigung geschäftlicher An­ gelegenheiten, besonders dazu, wenn er die betreffenden Personen nicht zu Hause empfangen wollte. So war beispielsweise Karl Scheffler, der große Offiziosus, nie in seinem Atelier zugelassen.28 In ähnlicher Weise hat bereits Matheo Quinz in seinem 1926 im Querschnitt erschienenen sarkastischen Artikel über das Romanische Café die Konstellation am Malerstammtisch geschildert: In Würde thront hier Slevogt mit Bruno Cassirer. Nur wenige dürfen sich hier her­ ansetzen, diesen wenigen aber ist die Stunde Stammtisch Lebenszweck geworden. Hier spricht der Kunsttrainer Scheffler des Stalls Cassirer täglich 1000 Worte Kunst (Cassirers Trabertrainer verkehrt nicht in dem Lokal).29 Das Caféhaus – dieser „kleine Hexenkessel großstädtischen Betriebs“30 – war so für die Maler Ort der Geselligkeit, des Divertissements, der Zerstreuung und des zwanglosen Gesprächs in alle Richtungen: „Slevogt fühlte sich in dieser Umwelt wohl. Er ließ Arbeit, Unterhaltung, Ernst, Scherz, Kunstpolitik und Klatsch an sich herankommen.“31 Bruno Cassirer hat diese Haltung im genauen Gegenteil zu der Schefflers sogar zu einer Bedin­ gung der künstlerischen Existenz erklärt: So überliefert Cassirers Cheflektor Max Tau dessen Überzeugung, dass man ohne ein Caféhaus überhaupt keine Literatur machen könne und jeder Mensch im Café ein ganz anderer als an seinem Arbeitsplatz sei. Im Café entwickle er seine verborgenen Eigenschaften und Wunschträume.32 Mit soziologisch ge­ schärften Blick hat Elias Canetti dieses Divertissement wieder mit seiner ökonomischen Bedeutung, dem Markt- und Börsencharakter des Caféhauses zusammengeführt: Sehr wichtig war, dass man immer wieder, während Tagen, Wochen und Monaten ge­ sehen wurde. Die Besuche im Romanischen Café […], die gewiß auch ein Vergnügen waren, galten nicht diesem allein. Sie entsprangen auch der Notwendigkeit zu einer Selbstmanifestation, der niemand sich entzog. Wer nicht vergessen werden wollte, der mußte sich sehen lassen.33

28 Fritz Heinsheimer, Max Slevogt als Lehrer, Künstler und Mensch, hg. von Franz Josef Kohl-Weigand, St. Ing­ bert: Privatdruck, 1968, S. 12. 29 Quinz 1926 (wie Anm. 15), S. 609. 30 Scheffler 1946 (wie Anm. 20), S. 89. 31 Ebd. 32 Vgl. Max Tau, Das Land, das ich verlassen mußte, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1961, S. 165 f. 33 Elias Canetti, Die Fackel im Ohr. Lebensgeschichte 1921–1931, Frankfurt am Main: Fischer, 1982, S. 281.

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Zwar war der Malerstammtisch im Romanischen „gleichbedeutend mit Arriviertheit und Establishment“, waren Slevogt und Orlik „gutsituiert und bürgerlich“ und gehörten sie genauso wie die Malerkollegen aus anderen Städten, etwa Max Beckmann, die hin und wieder als Gäste den Stammtisch besuchten, zu den „Etablierten“.34 Gleichwohl war hier eine promiske Kommunikation in alle Richtungen möglich: Es war ein sehr lockerer Kreis, der sich um den Alten [Slevogt] scharte. ‚Scharte’ ist eigentlich zuviel gesagt; neben regelmäßigen Gestalten war es ein Kommen und Ge­ hen, ein nur kurzes Verweilen der verschiedensten Künstler aller Fakultäten, Schrift­ steller, Händler aus der großen Stadt, und manch anderer, die nur auf der Durchfahrt zum Wiedersehen und zu kurzer Aussprache vorbeikamen. Die Stunde im Café-Haus war ihm eine liebe Gewohnheit der Zerstreuung und Anlaß zwanglosen Kontaktes mit vielen Menschen. Er war immer heiter, gelassen und gewandt. Mit der Sicher­ heit seiner Person verband er eine liebenswürdige Beweglichkeit, die ihm erlaubte, jeden knappen Austausch für beide Teile ergebnisreich zu machen. […] Es war ja hier beileibe nicht so, daß bloß der Meister sprach und alles andächtig lauschte. Hier wurden keine Meinungen verkündet, kein allgemeines Urteil gefällt, keine ’Richtung gemacht’ oder vertreten. Slevogt sprach weniger, als daß er die Unterhaltung über so heterogene Elemente und Probleme durch präzise Fragen und knappe Bemerkungen beherrschte. Darum suchten ihn die Leute, oft bedeutende Künstler und Wissen­ schafter, dort zu einem kurzen Gespräch auf. Sie brachten interessante Erlebnisse und Nachrichten mit und schieden von ihm doch nicht als die allein Gebenden.35 Wie es um Selbstgenuss des Kunstbetriebs ging, ging es auch um die Teilhabe an der Welt in ihren verschiedenen sozialen, politischen und kulturellen Dimensionen und ging es auch um die Wechselwirkung mit verschiedenen anderen Künsten und Wissenschaften, die sich jeweils gleichsam am Nebentisch trafen. So befand sich etwa in unmittelbarer Nachbarschaft des Malerstammtisches der „Tisch der Theaterdirektoren“, an dem vor allem Schauspieler und Schauspielerinnen verkehrten, aber auch Max Reinhardt, für dessen Inszenierungen sowohl Slevogt als auch Orlik Bühnenbilder entwarfen.36 Die interdisziplinäre Geschäftigkeit im Romanischen Café als dem „Verkehrsschnittpunkt der Intellektuellen“37 konnte so von den dort verkehrenden Malern als ein Äquivalent ihres Selbstbewußtseins als Künstler verstanden werden, war doch die Kunst insbeson­ dere Slevogts, aber auch die Orliks in hohem Maße auf eine multimedial strukturier­ te Bildungswelt ausgerichtet, in der sich Zeichnung, Grafik und Malerei, Staffeleibild,

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Cziffra 2019 (wie Anm. 15), S. 12. Heinsheimer 1968 (wie Anm. 28), S. 11. Vgl. Cziffra 2019 (wie Anm. 15), S. 15. Ebd., S. 12.

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Buchillustra­tion und Wanddekoration in einem ständigen Austausch und Zusammen­ spiel mit Literatur, Theater und Oper, Musik, Ballett und Tanz, Architektur, Fotografie, Film, illustrierter Presse und Werbung sahen und darin Anschluss an die Kunst- wie die Weltereignisse suchten. Wenn Max Slevogt auch der Mittelpunkt des Malerstammtisches im Romanischen Café gewesen sein mag, so wird dessen Kaffehauskünstlertum durch seinen Freund Emil Orlik um jene Dimension mitteleuropäischer, jüdischer, polyglotter Weltläufigkeit berei­ chert, die den urbanen Kosmopolitismus der „Goldenen Zwanziger Jahre“ in Berlin er­ möglichte. Ein entsprechendes Charakterbild Orliks verdanken wir wiederum Scheffler, wieder ist es ein abwertendes: Der Geschäftigste war Emil Orlik. Er kannte alle Welt und war mit jedem gut Freund. […] Dieser vielaufgesuchte Lehrer der Kunsthochschule war ein heiteres, sich selbst genießendes Naturell, sehr geschickt in allen zeichnenden und reproduzierenden Künsten und darum wohl geeignet, ein Wort zu unseren Arbeiten zu sagen. Doch im Grunde auch wieder nicht geeignet, weil ihm die Phantasie, die am Werk war, fremd blieb. Er hatte sich Slevogt eng attachiert, wie ihn denn Berühmtheiten und Namen Hochgestellter magisch anzogen. Heinrich Heine hat einmal über die gespottet, die sich in der Umgebung der sehr Bekannten aufhalten. ’Ami de…’ Von dieser Art war, in einer harmlosen Weise, Emil Orlik. Mit seinem tschechisch gebrochenen Deutsch wirkte er liebenswürdig geschwätzig. Für Slevogt wurde er etwas wie ein maître de plaisir. Er kannte die neusten und besten Filme, war in der Theaterwelt und im Kon­ zertleben zu Hause, besuchte im Winter die Kostümbälle, oft zwei oder drei an einem Abend, saß in Preisgerichten für Schönheitskonkurrenzen, trug stets Skizzenbücher bei sich – wie Menzel – und benutzte jede passende und unpassende Gelegenheit, um bekannte Männer und reizvolle Frauen zu zeichnen. Dieses Zeichnen war ihm wie ein Plaudern. Was er machte, war nicht in einem höheren Sinne künstlerisch, doch war alles sehr geschickt, sehr ähnlich und gewann ihm Freunde. Kam jemand aus Ägyp­ ten, so behauptete er, Orlik unter den Pyramiden getroffen zu haben, kam ein anderer aus Paris, so hatte er dort mit Orlik gegessen. Er war überall. Für Freund Slevogt tat er alles: er besorgte die Einlaßkarten für Theater, Kino und Konzert, empfahl Restau­ rants und wußte Bescheid mit Papier, Pastellkreide, Ölfarbe, Tempera, Holzschnitt, Lithographie und Radierung, mit Modellen, Schneidern und Ärzten. War von jemand die Rede, so zückte er sein Skizzenbuch, um zu zeigen, daß er den Betreffenden schon gezeichnet hatte, oder er zeichnete ihn, um zu demonstrieren, gleich noch einmal auf die Marmorplatte des Cafétisches. Er war ein Edelreporter aus Passion.38

38 Scheffler 1946 (wie Anm. 20), S. 91 f.

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Ähnlich wie Scheffler hat sich auch Quinz über die gesellschaftliche Begierde und den zeichnerischen Hantierungsstolz des Stammtischbruders Orlik lustig gemacht: Hier demonstriert Orlik zwischen zwei Teegesellschaften und vier Soupers, wie man mit der rechten und linken Hand zu gleicher Zeit zeichnen kann, ohne ein Menzel zu sein. Großmann hat hier den Sport erfunden, zu zeichnen, aber ohne auf das Papier zu schauen, eine durch Orlik längst überholte Fertigkeit: der zeichnet auf ein Blatt Papier in der Hosentasche.39 Aus diesem und anderen Berichten von Zeitgenossen lässt sich selbstverständlich aller­ hand über das Verhältnis von Orlik und Slevogt entnehmen, auch wenn im Umgang da­ mit sicherlich quellenkritische Vorsicht geboten ist, mochten sich doch beispielsweise Scheffler und Orlik nicht leiden. Jedenfalls geht daraus hervor, dass der Stammtisch im Romanischen Café für beide Künstler eine vergleichbare Bedeutung hatte und sich ihre Verbindung ganz wesentlich hierüber gestaltete. Ja mehr noch, der Stammtisch Prägekraft besaß und sie in gewisser Weise phänotypisch ähnlich werden ließ (Taf. VI). Er stellte einen Ort dar, an dem eine bestimmte Atmosphäre herrschte, bestimmte Kommunikati­ onsformen sich ausbildeten, die als eine „Atmosphäre der Meinung“ einen Denkstil bzw. Denkkollektiv ausprägen, wie die einschlägige Begrifflichkeit des polnischen Wissen­ schaftstheoretikers Ludwik Fleck lautet.40 Übertragen auf den Bereich von Kultur und Kunst könnte man sagen, dass hier im Romanischen Café nicht eine Kommunikation von Meister zu Günstling herrschte, sondern sich eine Gruppe von Künstlern zu einem Denkkollektiv zusammenfand. In Paraphrase von Fleck: Als Gemeinschaft von Künstlern, die im Gedankenaustausch und in künstlerischer Wechselwirkung stehen und in diesem Sinne als Kunstkollektiv Träger der geschichtlichen Entwicklung eines Kulturgebietes, eines bestimmten Wissensbestandes und Kulturstandes, also eines besonderen Stils in Form einer spezifisch gerichteten Wahrnehmung und ihres Ausdrucks sind.41 Das Kaffee­ haus war so ein Medium der Bildenden Kunst. Zugleich stellt ein Stammtisch ein Netzwerk dar und ist in gewisser Weise sogar ein besonders funktionales Instrument mutwilliger Netzwerkbildung. Das Verhältnis Sle­ vogt-Orlik wäre im Rahmen dieser Metapher natürlich nur ein Teilstück bzw. eine Stre­ cke des durchlaufenden Fadenstrangs dieses Netzes, dessen Verbindungspunkte durch 39 Quinz 1926 (wie Anm. 15), S. 609. 40 Siehe dazu Ludwik Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv [1935], hg. von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1980, hier insbesondere Kap. 4, S. 109–190. 41 Die Verbindung der Fleckschen Stilkategorie mit anderen kulturellen Feldern diskutiert magistral Claus Zittel, „Ludwik Fleck und der Stilbegriff in den Naturwissenschaften. Stil als wissenschaftshistorische, epistemologische und ästhetische Kategorie“, in: Sehen und Handeln, hg. von Horst Bredekamp und John Michael Krois, Berlin: Akademie Verlag, 2011 (Actus et Imago, 1), S. 171–205.

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Knoten fixiert sind.42 Im Blick auf die Topologie „Romanisches Café“ erscheinen Slevogt und Orlik als zwei direkt nebeneinanderliegende Knoten. Die anderen Verbindungen dieses Netzwerks bzw. dessen einzelne Knoten sind durch die bereits oben genannten Namen bezeichnet. Doch stellen sie sicherlich auch nur ein Teil des Netzwerkes dar, des­ sen Ausmaß schwer zu umreißen ist. Weswegen man versucht sein könnte, Orliks 1920 und 1926 erschienenen Bücher 95 Köpfe und Neue 95 Köpfe als eine Art Inventarliste der Angehörigen dieses Netzwerkes zu betrachten.43 Vor allem das später erschienene Buch enthält zahlreiche Porträtköpfe, die in den Bildlegenden ausdrücklich mit dem Zusatz „im Romanischen Café“ als dort gezeichnet bezeichnet sind. Dabei ist es interessant, dass Orlik die Ordnung seiner „ins Formale projizierten“ „heiteren Psychologien“,44 wie Max Osborn diese Porträts nannte, allein durch die „gravitätische Systematik des Alphabets“45 herzustellen wußte. Womit in gewisser Weise durch ein rein formales Prinzip – die strikt alphabetische Anordnung der Porträtzeichnungen im Buch – die „unhierarchische, azent­ rische, modular geordnete, sich selbst organisierende und kommunikativ dicht gekoppelte Verknüpfung von Einzelelementen“46 des Netzwerks Malerstammtisch bzw. Romanisches Café in eine hilfsweise Ordnung gebracht werden, ohne dessen retikulare Struktur auf­ zuheben. Gleichwohl tun sich hier auch sämtliche Probleme der Netzwerkmetapher auf. Denn natürlich waren die von Orlik Dargestellten nicht alle gleich intensiv in kommunikati­ ven, sozialen oder ökonomischen Beziehungen verbunden, sondern sind die Verhältnisse zwischen ihnen höchst unterschiedlich gelagert. Wie mancher Knoten mehr Verbindun­ gen aufweist als ein anderer, so hat man es mit sozialen Machtverhältnissen zu tun, die aber gerade in Orliks Katalog nicht mit abgebildet werden bzw. dort nicht lesbar sind. Vor allem aber: Wo hört das eine Netzwerk auf, wo fängt das andere an? Wer von den von Orlik Porträtierten gehörte zum Netzwerk Malerstammtisch, wer zum Netzwerk Romanisches Café, wer zum Netzwerk Orliks, wer zum Netzwerk Slevogts und wer zu gar keinem der genannten etc. Und was ist mit den Abwesenden, nicht dem Maler­ stammtisch angehörenden Bekannten, Freunden und Geschäftspartnern? Paul Cassirer etwa, der offenbar nicht oder nur selten am Malerstammtisch verkehrte, der aber für Slevogt ein besonders zentraler und dicker Knotenpunkt seines Berliner Netzwerkes 42 Vgl. dazu Julia Gelshorn und Tristan Weddigen, „Das Netzwerk. Zu einem Denkbild in Kunst und Wis­ senschaft“, in: Grammatik der Kunstgeschichte. Sprachproblem und Regelwerk im ’Bild-Diskurs’. Oskar Bätschmann zum 65. Geburtstag, hg. von Hubert Locher und Peter J. Schneemann, Zürich, Emsdetten und Berlin: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaften/Edition Imorde, 2008, S. 54–77. 43 Fünfundneunzig Köpfe von Orlik, Berlin: Neue Kunsthandlung, 1920 sowie Neue fünfundneunzig Köpfe von Orlik, Berlin: Bruno Cassirer, 1926. 44 Max Osborn, „Vorwort“, in: Fünfundneunzig Köpfe von Orlik, Nachdruck der Ausgabe Berlin: Neue Kunst­ handlung, 1920, neu hg. von Eberhard Friese und Setsuko Kuwabara, Berlin: Gebr. Mann, 1998, S. 3–12, S. 10. 45 Ebd., S. 6. 46 Gelshorn/Weddigen 2008 (wie Anm. 42), S. 58.

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war.47 Und der sicherlich auch zu dem Netzwerk Orliks gehörte, aber auf ganz andere, sehr viel schwächere Weise als zu dem Slevogts. Oder überhaupt wie steht das ältere Netzwerk Berliner Secession, in dem Slevogt neben Liebermann und Paul Cassirer, neben Walter Leistikow und Lovis Corinth ein dicker Knoten ganz in der Mitte des Netzes war, Orlik dagegen ein kleiner Knoten irgendwo zwischen anderen, zu dem Netzwerk Maler­ stammtisch im Romanischen? Welche Hierarchie besteht zwischen ihnen? Wirft man den Blick auf jenes andere Netzwerk, das der Preußischen Akademie der Künste, dann stellt sich auch hier die Frage nach dessen Rang und Bedeutung für die beiden Künstler. Folgt man der Rede, die Max Liebermann 1928 als Präsident der Akademie zur Eröffnung der Ausstellung anlässlich Slevogts 60. Geburtstags gehalten hat, dann wird Slevogts Präferenz für das Kaffeehaus deutlich. Sei Slevogt doch „durch keinen äußeren Druck dazu zu bewegen […], statt ins Romanische Café in irgendeine Sitzung zu kommen“48, so Liebermanns freundlich foppend über Slevogts strategische Unwilligkeit, seinen offizi­ ellen Verpflichtungen als Akademiemitglied nachzukommen. Hat also das informelle Netzwerk Kaffeehaus für das künstlerische Schaffen Slevogts größere Bedeutung als das formelle Netzwerk Akademie der Künste oder ist dieses nicht auch Bedingung für jenes? Dann das Problem, dass sich im Begriff des Netzwerks immaterielle und materielle Netze überlagern: Im Falle des Stammtisches hat man es zum einen mit einem sehr kon­ kreten materiellen Gebilde in einem nicht minder konkreten architektonischen Rahmen zu tun, an und in dem es im Wesentlichen um immaterielle soziale Beziehungen wie Freundschaft, gesellschaftlicher Umgang, etc. geht, an die heranzukommen sich wenn überhaupt nur in rudimentärster Form etwa in Form der Lektüre von nachgelassenen Briefen realisieren lässt. Nicht der Stammtisch als Tisch, sondern diejenigen, die an ihm sitzen, sind die Knoten eines Netzwerkes, das im Rund des Stammtisches zu einer mate­ riellen Metapher in Form eines Schaltkreises findet. Aus der überlieferten Korrespondenz geht hervor, dass die Interessen dieser beiden Männer sich in vielfacher Weise überlagerten: So bildeten sie eine „Film-Anseh-Com­ pagnia“ wie Orlik das gemeinsame Interesse an den häufigen Kinobesuchen in Berlin nannte.49 Dann waren sie sich durch regen Austausch über ihren Gesundheitszustand in einer nicht abreißenden Suada über Zipperlein und Gebrechen – Ischias der eine, Gicht der andere – innigst verbunden. Darüber hinaus verband sie aber natürlich die künst­ lerische Arbeit, wobei hier insbesondere zwei Besuche Orliks in Neukastel produktive Ergebnisse zeitigten. Bereits im März 1917 hatte Orlik von Slevogt ein repräsentatives 47 Vgl. dazu Gregor Wedekind, „Am Tisch im Romanischen Café. Max Slevogts Berliner Konstellationen“, in: Ein Tag am Meer. Slevogt, Liebermann & Cassirer, hg. von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rhein­ land-Pfalz, Kat. Ausst. Mainz, Landemuseum, München: Hirmer, 2018, S. 20–29. 48 Vgl. Max Liebermann, „Slevogt-Ausstellung. Oktober 1928“, in: id., Die Phantasie in der Malerei – Schriften und Reden, hg. von Günter Busch, Frankfurt am Main: Fischer, 1978, S. 226–230, hier S. 229. 49 Brief von Emil Orlik an Max Slevogt, 20. November [1923], GDKE, Landesmuseum Mainz, DL SL NL 2014/66.

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5 Emil Orlik, Bildnis Max Slevogt – 50 Jahre alt, I.III.1917, Radierung, 26,7 × 18,7 cm, publiziert in: Köpfe. Eine Sammlung von Bildnisradierungen bekannter Persönlichkeiten, Leipzig: Friedrich Dehne, 1922, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Porträt radiert (Abb. 5). Anfang Oktober 1917, d. h. unmittelbar vor Slevogts fünfzigstem Geburtstag, entstanden während eines 8-tägigen Aufenthalts Mondscheinstudien und -bilder der beiden (Abb. 6 und 7).50 Die Praxis des Nachtmalens setzte Orlik dann auch noch einmal für sich alleine fort.51 Seinerseits gab Slevogt der Besuch des Freundes An­ lass für ein Porträt seines Malerkollegen (Taf. VII).

50 Brief von Emil Orlik an Marie von Gomperz, 6. Oktober 1917: „[…]. Ein Glück war es für mich, daß ich die letzten 10 Tage einer Einladung Prof. Slevogt’s folgend auf seinem Gut in der Rheinpfalz verbracht habe: verbracht ist prosaisch und ich müßte dichten um die Schönheit dieser Tage nur annähernd schildern zu können. Wir haben den ganzen Tag gemalt: die Nacht malbar entdeckt und auch in der Nacht gemalt: manches mal bis 3 Uhr früh. so sind 4 größere Nachtstücke entstanden, neben kleineren! [….].“ Zit. nach Emil Orlik an Marie v. Gomperz. Briefe 1902–1932, hg. von Otmar Rychlik, Wien: Sonderzahl 1997, Nr. 234, S. 123. Vgl. auch das Schreiben Slevogts an Johannes Guthmann vom 5. Oktober 1917: „Orlik war 8 Tage hier u. wir haben furchtbar gearbeitet – sogar nachts – nemlich Mondscheinstudien u. -bilder“. Zit. nach Max Slevogt, Briefe 1898–1932, hg. von Roland Mönig, bearb. und komm. von Eva Wolf, Saarbrücken, Saar­ landmuseum, 2018, B 12, S. 38. 51 So berichtet Orlik, dass er während des Sommerurlaubs auf Hiddensee eine „Mondlandschaft“ gemalt habe. Vgl. Postkarte Emil Orlik an Max Slevogt, 18. August 1919, GDKE, Landesmuseum Mainz, DL SL NL 2014/61.

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6 Max Slevogt, Mondnacht Neukastel – Blick auf die Madenburg bei Mondenschein, 1917, Öl auf Leinwand, 56 × 69 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

7 Emil Orlik, Nachtstück Neukastel, 1917, Öl auf Leinwand, 63,5 × 82,5 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

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8 Emil Orlik, Wandbemalung im Kinderzimmer von Neukastel, 1924.

1924, als Slevogt im September begann, den Anbau in Neukastel mit Musik- und Bibliothekszimmer auszumalen, fertigte der zu Besuch weilende Orlik eine Reihe von Zeichnungen an, die den Freund bei der Arbeit porträtieren. Und trug seinerseits – der bereits 1914 die Räume der Kölner Werkbundausstellung52 und 1915 das Speisezimmer seiner Berliner Wohnung53 mit Wandmalereien ausgestattet hatte – mit der Ausmalung des Zimmers von Slevogts Tochter Nina in Form von japanischen Landschaftsszenarien (mit teilweise chinesischen Motiven) zur künstlerischen Ausgestaltung des Slevogtschen Landsitzes bei (Abb. 8 und 9).54 Auch sonst nahm er lebhaften Anteil an der Einrichtung des Neubaus, wie ein Brief über Beleuchtungsfragen zeigt.55

52 Abbildungen davon finden sich bei Max Osborn, „Zum Thema Orlik“, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Jg. 23, 1919/20, Bd. 45, S. 202–217. 53 Vgl. die fotografische Abbildung bei Agnes Matthias, Zwischen Japan und Amerika. Emil Orlik. Ein Künstler der Jahrhundertwende, Kat. Ausst. Regensburg, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Bielefeld und Berlin: Ker­ ber, 2013, S. 30. 54 Vgl. Setsuko Kuwabara, Emil Orlik und Japan, Frankfurt am Main: Haag und Herchen, 1987 (Heidelberger Schriften zur Ostasienkunde, 8), S. 95–97. Vgl. auch die Postkarte von Emil Orlik aus Prag an Max Slevogt, ohne Datum (vor dem 11. Oktober 1924), Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landes­ bibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100: „Ich hoffe Ihr Knie ist wieder in Ordnung. Ich habe sehr mit Ihnen gefühlt, da sie […] nach der Rückkehr von Berlin sich wieder den belebten Wänden des Musik­ zimmers zu wenden wollten. Nina hat mir einen schönen Dankesbrief geschrieben und ich will dann in Berlin die weiteren Details der Einrichtung mit ihr discutieren.“ 55 Brief von Emil Orlik an Max Slevogt, undatiert, GDKE, Landesmuseum Mainz, DL SL NL 2014/68.

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9 Emil Orlik, Wandbemalung im Kinderzimmer von Neukastel, 1924.

Ein eigenes Kapitel verdiente der Komplex der Orientreise. Orlik schöpfte einen nicht geringen Teil seiner kulturellen Reputation aus seiner 1900 angetretenen Reise nach Ja­ pan, wo er sich für fast ein Jahr aufgehalten und die ihm zusammen mit zahlreichen wei­ teren Fernreisen – u. a. auch nach Amerika – den Ruf eines weit- und vielgereisten Kos­ mopoliten eingebracht hatte. 1912 machte er sich auf den Weg, ein zweites Mal Japan zu bereisen, was er mit einem mehrmonatigen Ägyptenaufenthalt verknüpfte, der sich auch in zahlreichen Werken niederschlug.56 Max Slevogts Ägyptenreise von 1914, ungleich berühmter, wird meistens getrennt von der Orliks abgehandelt.57 Bekanntlich war nicht 56 Siehe dazu Christoph Otterbeck, Europa verlassen. Künstlerreisen am Beginn des 20. Jahrhunderts, Köln, Wei­ mar und Wien: Böhlau, 2007, S. 132–137; Matthias 2013 (wie Anm. 53), Kat.-Nr. 147–184. 57 So enthält der Katalog der Mainzer Ausstellung zu Slevogt Ägyptenreise und auch der darin enthaltene Bei­ trag Imielas keinen Hinweis auf Orlik: Vgl. Hans-Jürgen Imiela, „Max Slevogt in Ägypten“, in: Max Slevogt. Ägyptenreise 1914, Ausstellung mit den Gemälden der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister, hg. von Berthold Roland, Kat. Ausst. Mainz, Landesmuseum, 1989, S. 31–54. Ebenso wird Orliks Bei­ spiel vollständig ausgeblendet von Ernst-Gerhard Güse, „Die Reise nach Ägypten“, in: Max Slevogt. Gemälde – Aquarelle – Zeichnungen, hg. von Ernst-Gerhard Güse, Hans-Jürgen Imiela und Berthold Roland, Kat. Ausst. Saarbrücken, Saarland Museum, Stuttgart: Hatje 1992, S. 35–49 sowie von Anja Gerdemann, „Das Gemälde Bazar in Assuan I von Max Slevogt im hessischen Landesmuseum Darmstadt“, in: Sehnsucht Orient. Malerei um 1900, Kat. Ausst. Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, 2018 (Blickfang, 3), S. 4–40 und zuletzt von Katja Lembke, „Max Slevogts Ägyptenreise“, in: Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag, hg. von Thomas Andratschke, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Petersberg: Imhof, 2018, S. 88–93. Otterbeck 2007 (wie Anm. 56), S. 132–137 und S. 138–147 handelt in je einem eigenen Kapitel ­Orliks und Slevogts Ägyptenreise zwar direkt hintereinander ab, ohne sie aber weiter aufeinander zu beziehen.

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dieser, sondern waren Eduard Fuchs, Johannes Guthmann und Joachim Zimmermann die Begleiter ­Slevogts auf seiner Reise. Dass Orliks Beispiel jedoch nicht eine wesentliche kommunikative und künstlerische Voraussetzung für Slevogts Ägyptenreise gewesen sein soll, ist höchst unwahrscheinlich. Während Guthmann die Reise 1917 mit dem bei Bruno Cassirer erschienenen Buch Bilder aus Ägypten. Aquarelle und Zeichnungen von Max Slevogt publizistisch verwertete, gab Emil Orlik zunächst unter dem Titel Aus Ägypten 1913 eine Folge von 20 Radierungen im Eigenverlag heraus, aber erst 1922 veröffentlich­ te er dann unter dem demselben Titel eine Mappe mit 15 seiner ägyptischen Blätter im Propyläen-Verlag. Publizistisch gesehen drehte sich damit die Chronologie der Reisen von Orlik und Slevogt um. Der Kunstkritiker Julius Elias steuerte zu Orliks Grafikmappe ein Vorwort bei, das nicht nur die zeitliche Priorität der Reise Orliks vor der Slevogts be­ rücksichtigt, sondern mit seinem Urteil über den jeweiligen künstlerischen Ertrag einen Vergleich der beiden Unternehmungen anbietet: Orlik hat den Weg gewiesen: zwei Jahre darauf, im Februar 1914, zog sein Freund Max Slevogt ihm nach, von derselben menschlichen wie künstlerischen Gesinnung getrie­ ben. Orlik brachte, gerade in Ägypten, die impressionistische Zeichnung, Slevogt die impressionistische Malerei auf einen Höhepunkt.58 Dieser Fingerzeig wurde erst 2014 von Heike Biedermann aufgenommen, die, wenn auch nur am Rande in einer Begleitpublikation zur Dresdner Ausstellung Nach Ägypten! Die Reisen von Max Slevogt und Paul Klee, darauf hinweist dass Slevogt die Zeichnungen, Pastelle und Aquarelle Orliks aus Ägypten gesehen hatte, bevor er selbst auf Reisen ging. Aus der Kenntnis dieser Arbeiten lässt sich die zuweilen verblüffende Ähnlichkeit der Motive erklären: Ansichten am Ufer des Nils, eine Wüsten­ landschaft mit Stadtsilhouette im Hintergrund, ein Getreidemarkt am Nil mit charak­ teristischen Schiffsmasten, verhüllte Sudanesinnen sowie […] die […] Bordellszene.59 Daran ist mit einer genaueren vergleichenden Analyse noch anzuschließen. 58 Julius Elias, „Vorwort“, in: Aus Ägypten. Fünfzehn Radierungen von Emil Orlik, Berlin: Propyläen, 1922. Diese Passage aus seinem Vorwort übernahm Elias im Jahr darauf in überarbeiteter Form in seinen Orlik-Artikel: „Slevogt träumte seinen Traum des Ostens in flammenden Bildern zu Ende und brachte die impressionis­ tische Malerei, Orlik aber brachte, in demselben Ägypten, die impressionistische Zeichnung auf einen Höhepunkt.“ Elias 1923 (wie Anm. 1), S. 321. 59 Heike Biedermann, „Mit dem Skizzenbuch auf Reisen. Max Slevogts Aquarelle und Zeichnungen aus Ägypten“, in: Imagination und Anschauung. Ägyptenrezeption und Ägyptenreise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hg. von Heike Biedermann, Andreas Dehmer und Henrik Karge, Dresden: Sandstein, 2014, S. 94– 105, hier S. 102. Da die in Dresden und Düsseldorf gezeigte Sonderausstellung auf die Gegenüberstellung von Max Slevogt und Paul Klee fokussierte und diese in zwei getrennten monographischen Katalogen abhandelte, ist auch dort von Orlik nicht weiter die Rede: Max Slevogt. Die Reise nach Ägypten 1914, Kat.

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10 Emil Orlik, Josef Grünberg, um 1925, Radierung, Aquatinta, Probedruck, 23,0 × 17,3 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Am nachhaltigsten konkretisiert sich das künstlerische Wechselspiel von Slevogt und Orlik in Form der Zusammenarbeit in einem kleinen Berliner Unternetzwerk, die SPOG geheißene Künstlergruppe, der der Zahnarzt Josef Grünberg, gen. Bolschi, als techni­ scher Kopf und Erfinder der patentierten „Hydropresse“ (Abb. 10), Slevogt als künstle­ rischer Kopf (Abb. 11) sowie Orlik als der mit allen Wassern gewaschene Grafikexper­ te (Abb. 12) und dessen Münchner Studienfreund Bernhard Pankok, der Direktor der Stuttgarter Kunstgewerbeschule, angehörten.60 SPOG – ein Akronym aus den Initialen

Ausst. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister, und Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Dresden: Sandstein, 2014 sowie Paul Klee. Die Reise nach Ägypten 1928/29, Kat. Ausst. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister, und Düsseldorf, Kunstsammlung Nord­ rhein-Westfalen, Dresden: Sandstein, 2014. 60 Zur Künstlergruppe SPOG siehe Emil Orlik, „Josef Grünberg †“, in: Kunst und Künstler, Jg. 31, 1932, S. 251– 255; Max Osborn, Der bunte Spiegel. Erinnerungen aus dem Kunst-, Kultur- und Geistesleben der Jahre 1890 bis 1933, hg. von Thomas B. Schumann, Hürth bei Köln: Edition Memoria, 2013 [zuerst New York 1945],

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11 Emil Orlik, Max Slevogt als Maharadscha von SPOG auf dem Prialbrstra-Ball, 1921, Zeichnung, 18,5 × 13,8 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

ihrer vier Mitglieder – war nun sicherlich mehr als nur die zufällige Konstellation eines Künstlerkollektivs in seiner reduziertesten Form, dem Austausch von Gedanken, Wissen, Können zwei oder mehrerer Künstler, sondern eine über Jahre stabile Konstellation, von der Fleck sagen würde, dass sie sich durch einen etablierten Denkstil mit Beharrungs­ tendenz auszeichnet. D. h. das von Grünberg immer wieder angestachelte gemeinsame Experimentieren im graphischen Medium ist der Kern einer kollektiven künstlerischen Praxis, die sich mit der Grafikkultur der Weimarer Republik auf engste verbinden lässt. Diese wiederum ist der Bedingungsgrund für die Entstehung von Slevogts Illustrations­ grafik. So wie mit dem Verleger Bruno Cassirer ist Max Slevogt auch mit dem Grafiker S. 62–70; János Plesch, Ein Arzt erzählt sein Leben, München, Leipzig und Freiburg i. Br.: List, 1949, S. 274 ff.; Irmgard Wirth, Slevogt, Orlik, Pankok. Graphik. Aus der ehem. Sammlung Dr. Grünberg, Kat. Ausst. Berlin, Berlin-Museum, 1971. Das Landesmuseum Mainz bereitet für September 2021 unter dem Titel Hexen­ küche – Max Slevogts druckgrafische Experimente eine Ausstellung mit Katalog vor, der auch eine Edition des Briefwechsels von Max Slevogt und Josef Grünberg enthält.

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12 Max Slevogt, Porträt von Emil Orlik, Radierung, Kaltnadel, 18,8 × 15 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Emil Orlik in einem grafischen Produktionskollektiv verbunden, das als solches, nämlich als produktives Netzwerk, in den Blick genommen werden muss, will man Aufschluss über die Beschaffenheit von Slevogts grafischem Werk erlangen. Zumal bei SPOG leicht ersichtlich wird, dass das so bezeichnete Netzwerk nicht einfach nur Künstlerkollegen als weitere Knoten kennt, sondern offenbar erst dann hinreichend beschrieben ist, wenn man den Drucker, wenn man das Material in Form von Druckträgern wie Papier, Holz, Metall, Glas, Porzellan Leder und Textilien, wenn man die Werkzeuge und die Maschinen wie die eigens konstruierte Druckpresse als Teil dieses Netzwerkes und als eine Verknüpfung, ein inniges Ineinander von Mensch, Dingen und Gegebenheiten beschreibt. Als Künstler und Techniker hatten sowohl Slevogt als auch Orlik „an dem allge­ meinen Aufblühen der Schwarzweißkünste“61 um die Jahrhundertwende bedeutenden

61 Hans Wolff, „Emil Orlik“, in: Die Kunst für Alle, Jg. 32, 1916, Bd. 35, S. 81–87, hier S. 81.

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13 1–6, Slevogtiana 1902–1929. Zwölf Steinzeichnungen von Emil Orlik, Worte von Oskar Loerke, Berlin: Bruno Cassirer, 1929, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Anteil. Dass die Zeit des „Graphikbetriebs“62, wie Karl Scheffler die Wiederbelebung der Originalgrafik nach 1900 nannte, gegen Ende der Weimarer Republik vorbei war, muß­ te Emil Orlik schließlich am eigenen Leibe schmerzhaft erfahren. So gründete er 1929 eine Künstlergenossenschaft zum Druck und Vertrieb von Künstlergrafik und eröffnete eine eigene Galerie, die aber offenbar ungenügende Resonanz fand, weswegen er sie bald schon wieder aufgegeben mußte:

62 Scheffler 1946 (wie Anm. 20), S. 86. Vgl. auch ders., „Bruno Cassirer und das illustrierte Buch“, in: Imprimatur, Ein Jahrbuch für Bücherfreunde, Bd. 7, 1972, S. 139–142.

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13 7–12, Slevogtiana 1902–1929. Zwölf Steinzeichnungen von Emil Orlik, Worte von Oskar Loerke, Berlin: Bruno Cassirer, 1929, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Zu einem Zeitpunkt, da mächtige Kunsthändler sich von Bildern auf Möbel umstel­ len, richtet er in einem rasch und teuer gemieteten Laden am Lützowplatz mit wahr­ haft beängstigendem Elan einen Verkauf für eigene Graphik und für die von Schülern und Freunden ein. Alle Warnungen seiner geschäftskundigen Freunde werden in den Wind geschlagen. […] Aber seine zuverlässigsten Blätter, die einst, wie er sagte, siche­ rer als ein Börsenpapier gewesen waren, vermögen nun nicht mehr die Kauflust zu er­ regen. Ein schweigsamer Rückzug in zwei Berliner Taxis, die bis unter das Verdeck mit Druckgraphik vollgestopft waren, das ist nach einem peinlichen halben Jahr das Ende.63 63 Gerhard Ulrich, Köpfe aus den zwanziger Jahren von Emil Orlik, Gütersloh: Mohn, 1962, o. P.

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Seiner bewundernden Freundschaft mit Slevogt hat Orlik schließlich Ausdruck in einer Publikation gegeben, die von Bruno Cassirer aus Anlass von Slevogts 60. Geburtstag ver­ legt wurde, einführende Worte von Oskar Loerke enthält und die den Titel Slevogtiana trägt. 64 In ihr sind zwölf lithografische Slevogt-Porträts zusammengestellt, die Orlik von seinem Freund zwischen 1902 und 1929 angefertigt hatte (Abb. 13/1–12): Sie zeigen Sle­ vogt in „Szenen seines privaten Werkeltages“65: im Profil und en face, mit und ohne Hut, vom Rücken her gesehen, als selbstbewußten Herren und als konzentrierten Handwerker, energisch und sinnend, als kraftvoll-kompakter Maler bei der Arbeit, mit Pinseln und Zigarre und Hosenträgern, seine Hand, als Jäger mit Gewehr und als stolzen Gutbesitzer auf der Zinne des Turms von Neukastel. Orlik hatte Slevogt zu seinem Geburtstag am 8. Oktober 1928 für ein paar Tage in der Pfalz besucht66 und während des Aufenthaltes dort eine Serie von acht Fotografien angefertigt, von denen er mindestens vier als Vorlage für Grafiken zur Slevogtiana nutzte (Abb. 14/1–8).67 Zumindest die 5., die 8., 9. und 12. Litho­ grafien der Slevogtiana sind nach den Fotografien von 1928 entstanden, dazurechnen lässt sich evt. auch die 7. Lithografie. Dagegen ist die 1. auf 1902 datiert, die 2. auf 1917, während die 3., 6., 10. und 11. Slevogt beim Ausmalen des Anbaus in Neukastel 1924 zeigen. Als anlassbezogenes Sammelsurium sind die Grafiken zunächst nicht mehr als „unfeierliche“ „Augenblicksbilder“68 und genau darin zugleich so etwas wie das Epitaph dieser Freund­ schaft geworden. Die Slevogtiana Orliks sind nicht einfach Porträts als Widmung des Be­ wunderers, sondern porträtieren Slevogt in seiner Lebenswelt und sind darin Ausdruck gemeinsamen Welterfassens.

64 Slevogtiana 1902–1929. Zwölf Steinzeichnungen von Emil Orlik, Worte von Oskar Loerke, Berlin: Bruno Cas­ sirer, o. J. Dass die Mappe 1929 im Titel trägt, ist kein Druckfehler. Zwar war Slevogts 60. Geburtstag am 8. Oktober 1928, doch da Slevogt allen Feierlichkeiten in Berlin fernblieb, gab es keinerlei zeitlichen Druck sie zum eigentlichen Geburtstag vorzulegen. Sie wurde erst im Jahr darauf fertiggestellt, was auch die Verwendung von erst im Oktober 1928 entstandenen Fotografien als Vorlagen für einige der darin versammelten Grafiken beweist. Siehe dazu Fußnote 67. 65 So ebd. Oskar Loerke in seinem Vorwort, o. P. [S. 1–6, hier S. 1]. 66 Vgl. den Brief nach seiner Rückkehr nach Berlin von Emil Orlik an Max Slevogt, 13. Oktober 1928, Landes­ bibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Angesichts von „Wagenladungen an Telegrammen u. Briefen“ bedauerte Slevogt kurz darauf gegenüber Bruno Cassirer, dass Orlik ihm bei der Beantwortung der Geburtstagspost nicht helfen kann: „Leider ist Orlik nicht mehr hier, um mir die Lasten ’abzunehmen’!“ Zit. nach Wolf 2018 (wie Anm. 50), B. 41, S. 257. 67 Zu den Fotografien vgl. auch Bodo Niemann, „Orlik als Photograph“, in: Emil Orlik. Leben und Werk 1870–1932. Prag, Wien, Berlin, hg. von Eugen Otto, Wien und München: Brandstätter 1997, S. 59–66, hier S. 62–63. 68 Ebd.

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14 1–8, Emil Orlik, Max Slevogt auf Neukastel, 8 GelatineKontaktabzüge, 1928, Museen der Stadt Landshut.

Eva Brachert

Max Slevogts Farbenhändler

Ab etwa 1850 nahm die Bedeutung des Malmaterials als Mittel des künstlerischen Aus­ drucks eines Malers in der europäischen Malerei zu. Man experimentierte mit Farben, gleichzeitig sollte aber auch der malerische Schaffensprozess sichtbar gemacht werden. Diese zunehmende Bedeutung der Technologie als künstlerisches Ausdrucksmittel in der Malerei rechtfertigt einen technologischen Ansatz im Rahmen einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Œuvre Max Slevogts. Die umfangreicher werdende Auseinander­ setzung mit historischen und neuen Maltechnologien in der Zeit seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt sich in der zeitgleich erstmalig publizierten restauratorischen Fachli­ teratur. Ausgehend hiervon ist dieser Essay ein erster Sachstandsbericht zur Fragestellung nach von Max Slevogt verwendeten Malmaterialien. Die Ergebnisse verstehen sich im Rah­ men des aktuellen Forschungsprojektes zu Slevogts Netzwerken als ein ergänzender Beitrag. Die verschiedenartigsten Materialien – neue, wiederbelebte bzw. variierte historische Rezepturen – wurden von Künstlern und Technologen seit dem späten 19. Jahrhundert gesammelt, erprobt, präpariert und angewandt: „Womit sollen wir malen?“ stand zur De­ batte.1 In den deutschen Kunstmetropolen München und Berlin entstanden Netzwerke, bestehend aus Künstlern, Maltechnologen, Galeristen und Kunsttheoretikern, in denen leidenschaftlich diskutiert wurde, welches die geeigneten Mal- und Bindemittel in der neuen Malerei seien. Auch aus diesen Diskussionen erwuchs die Kunst der Moderne. ­Parallel dazu kam mit einer großen Geschwindigkeit eine mechanisierte und industriali­ sierte Welt in Gang, entwickelt aus einem steten positivistisch technologischen Verständ­ nis für alles Neue. Technologische, chemische und ingenieurtechnische Erfindungen, Patente, Entdeckungen und Entwicklungen brachten eine bis dahin nicht gekannte Fülle an Neuheiten – auch für den Maler – auf den Markt. Slevogt pflegte ausgeprägte Kontakte und Konversationen mit allen Beteiligten der Kunstszene zwischen 1893 und 1932 in München und Berlin. Diese Sachlage nutzt das Forschungsprojekt, da Slevogt und sein Œuvre gleichermaßen wie ein Reflektor weltan­ schaulicher und maltechnologischer Diskussionen des ersten Viertels des 20. Jahrhun­ derts dienen kann. Diese Form der Beschäftigung mit seinem Schaffen leistet so einen Beitrag zur aktuellen Ausrichtung der Kunstwissenschaft mit kulturgeschichtlichem Forschungsperspektiven. 1 Vgl. Kathrin Kinseher, „Womit sollen wir malen?“ Farben-Streit und maltechnische Forschung in München. Ein Beitrag zum Wirken von Adolf Wilhelm Keim, München 2014 (Studien aus dem Lehrstuhl für Restaurierung, Kunst­ technologie und Konservierungswissenschaft. Technische Universität München, Fakultät für Architektur).

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Farbe und Licht, die neuen Themen in der Malerei Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts diente die Farbe nicht mehr ausschließlich zur Visualisie­ rung von Realität, sondern entwickelte zunehmend ein Eigenleben bis hin zur Abstraktion. Davon zeugt eine veränderte Maltechnologie und die neue Art des Farbauftrages auf dem Malgrund. Allein durch das Material Farbe wurden Licht, Atmosphäre und Zeichnung auf die Leinwand gebracht. Dabei kam es auf eine lebendige Farbigkeit an, ohne dabei die Form zu vernachlässigen. Um der nun auf den Malgrund sehr pastos aufgetragenen Farbe die entsprechende Standfestigkeit zu geben, bedurfte es neuer Mal- und Bindemittel. Das menschliche Auge benötigt Licht, um Farbe wahrnehmen zu können. Im Dun­ keln kann man keine Farbe sehen. Slevogt formulierte dazu: „[…] daß ich überhaupt nicht annehme, daß ein Menschenauge nur ‚sieht’. Das Auge ist kein Instrument, kein Spie­ gel – es ist eine lebendige Weiterleitung in unseren Organismus […].“2 Diese „lebendige Weiterleitung“ einer Momentaufnahme des alltäglichen Lebens geschieht in der Prima­ malerei auf die Weise, dass der Maler durch Form und Farbe in einem Arbeitsgang das Licht-Farbenspiel eines Momentes erfasst. Mittels Farbe wird diese Momentaufnahme des Lichtes auf den Malgrund gebracht. Ein Moment wird so für die Ewigkeit eingefangen und bleibt nacherlebbar. Mit dieser Neuausrichtung der Themen in der Malerei wurden die akademischen Ausbildungsmethoden zunehmend in Frage gestellt. Das Durchmodellieren einer Zeich­ nung über mehrere Untermalungsschichten, in denen mit deckenden und lasierenden Schichten das Gemälde fertig gestellt wurde, lehnten die Pleinair-Maler ab. Der Anti­ akademismus führte zu Sezessionsbildungen, in denen die modernen Schnellmaler die neuen Technologien praktizierten. Das lockere, sichere, farbige Gestalten galt nun als naturnaher. Ein delikates Ausmalen exakter Formen war Vergangenheit. Möglichst dick und unvermischt wurde durch Pinseltupfer Farbton neben Farbton gesetzt. So wurde die abschließende Form durch kleine und größere Farbfelder auf dem Malgrund moduliert (Abb. 1). Ein unkoordiniertes Vermischen solcher Farbmengen auf der Leinwand verbot sich, da das Ergebnis eine schmutzige braune Fläche gewesen wäre. Die Dicke des Farb­ auftrages war dabei ebenso individuell, wie die Verwendung des entsprechenden Werk­ zeuges: Spatel oder Pinsel. Die Handschrift war Sache des Temperamentes und dient dem Kunstwissenschaftler heute als Instrument der Zuschreibung. Nahm ein Pleinair-Maler – ein Impressionist oder ein Sezessionist – ein Gemälde in Angriff, war für ihn das Aufsuchen eines Fachgeschäftes zur Besorgung der entsprechen­ den Malutensilien, wie Pinsel, Leinwand, Farbe, Staffelei selbstverständlich. Hier stand

2 Max Slevogt: „Der sogenannte Impressionismus“, Vorwort zu Max Slevogt: Gemälde, Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen. Zu seinem 60. Geburtstag, Kat. Ausst. Berlin, Preußische Akademie der Künste, 1928, in: Max Slevogt. Neue Wege des Impressionismus, hg. vom Landesmuseum Mainz, bearbeitet von Sigrun Paas, Kat. Ausst. Mainz, Landesmuseum, München 2014, S. 272–273, hier S. 272.

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1 Max Slevogt, Die Geburt der Venus II, 1923, Öl auf Leinwand, 54 × 46,5 cm, Detail, GDKE, Landesmuseum Mainz.

ihm ein bis dahin unübertroffenes Angebot an Malmaterialien zur Auswahl. In Güte und Menge industriell gefertigte Produkte, wie Tubenölfarben sowie gleichmäßig mechanisch gewebte Leinwände in allen gewünschten Größen waren Ergebnisse eines sich rasch ent­ wickelnden technischen Fortschritts. Auch neue Pinselformen, hergestellt aus anderen Rohstoffen als bisher, sowie eine durch die Großindustrie entwickelte und auf den Markt gebrachte Vielfalt an Farbvaleurs in den unterschiedlichsten Bindemittelkombinationen konnte der Maler beim Farbenhändler erstehen.

Apotheker – Drogisten – Farbenhändler Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts gingen Farbenhändler und Drogisten aus dem Beruf der Gewürzhändler und Apotheker hervor (Abb. 2). Zu den Basismaterialien wurden neben den pharmazeutischen Produkten (composita) beispielsweise Gewürze, Kräuter, Öle, Es­ senzen, Harze und Materialien angeboten, die nicht nur zur Herstellung von Medikamen­ ten dienten, sondern auch an den Maler verkauft wurden.3 Das Gewinnen von Farbroh­ stoffen (Pigmentpulver) aus Wurzeln, Mineralien, Öl, Harz, Ei und Gummen überließ der Maler in der Regel dem Apotheker oder seinem Gehilfen. Zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden aus Gemischtwarenhändlern, Apothekern und Drogisten Farbenhändler, die die Herstellung, Qualität und damit die Preise ihrer zum Verkauf stehenden Malutensilien bestimmten. Man fand bei ihnen Haushaltswaren wie Seifen, Bürsten und Korbwaren, da­ 3 Farbe kaufte man beim Händler (kram), Gewürzhändler (Wurzhändler) und Apotheker. Die Apotheken wurden von der Stadtverwaltung angehalten, die Preisliste ihrer Produkte zu veröffentlichen (taxa), siehe dazu: Christoph Krekel und Andreas Burmester, „Das Münchner Taxenprojekt. Apothekentaxen als neuer Quellentyp für die Erforschung historischer Künstlermaterialien“, in: Restauro. Zeitschrift für Kunsttechniken, Restaurierung und Museumsfragen, Jg. 107, 2001, H. 6, S. 450–455, hier S. 450.

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2 Der Apotheker. Kaufmannsbuch, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Süddeutschland 1511, siehe Wolfgang Metzger, Handel und Handwerk des Mittelalters im Spiegel der Buch­ malerei, Graz 2002, S. 165.

neben Leinwände, Pigmente und Pinsel. Neben Luxusgütern wie Schokolade und Vanille, verkaufte man Cochenille an Maler und an Drogisten. Der eine nutzte es für das Rot der gemalten Wangen, der andere fertigte daraus das Rouge für die Schminke der Damen.4

Diderots Encyclopédie (1751–1772) und Mercks Warenlexikon (1870–1920) Der regulierte Ausbildungsbetrieb an der Akademie der Bildenden Künste in Paris war Denis Diderot mehrere Einträge in seiner Encyclopédie wert.5 Hier erhält man Einblick wel­ ches Handwerkszeug dem Maler des 18. Jahrhunderts zur Verfügung stand. Erwähnung finden die neuen, mittels mechanischer Webstühle gleichmäßig gewebten Leinwände. Diderot weist darauf hin, dass Holz nach und nach durch Malpappe als anspruchsloser, gleichzeitig handlicher Malgrund für das Arbeiten im Freien abgelöst wurde. Auch stellt 4 Vgl. Victoria Finlay, Das Geheimnis der Farben. Eine Kulturgeschichte, Berlin: List, 2005, S. 159 ff. Außerdem: Impressionismus. Wie das Licht auf die Leinwand kam, hg. von Iris Schaefer, Caroline von Saint-George und Katja Lewerentz, Kat. Ausst. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Mailand: Skira, 2008, S. 41–69. Mit der Gründung der Königlichen Akademie für Malerei und Skulptur in Paris vollzog sich 1648 der grundlegen­ de Wandel in Ausbildung und Arbeitsweise im Bereich der Malerei. Mit der Abschaffung des Zunftzwangs in Frankreich im Jahr 1791 setzte auch im Handelssektor ein Wandel ein. 5 Denis Diderot: „Les techniques artistique“, in: L’Encyclopédie Diderot et D’Alembert. Planches et commentaires présentés par Jacques Proust, hg. von Comité national du bicentenaire Diderot, Paris: Hachette, 1985, S. 149– 188.

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3 Blick in einen Akademiesaal, verschiedene Paletten, in: Denis Diderot & Jean Le Rond d'Alembert, L'Encyclopédie Diderot et d'Alembert, Paris: Hachette, 1985, S. 160.

Diderot Paletten für jeden Gebrauch vor. Wichtiges Arbeitswerkzeug für den akademi­ schen Maler war die große Armpalette, die mit einer Länge bis zu 70 cm den Unterarm fast bedeckte. Sie war mit einem Daumenloch versehen, um eine waagerechte Positio­ nierung dieser beweglichen Arbeitsfläche zu ermöglichen. Die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend verbreitete Schichtmalerei bedeutete, dass der Maler die Farbe vom Palettenrand aufnahm, auf der freien Arbeitsfläche vermischte und den so vorge­ mischten Farbton auf den Malgrund aufbrachte. Hier wurden lasierende und decken­ de Farben in mehreren Schichten übereinandergelegt und zur endgültigen malerischen Aussage ineinander gearbeitet. In der Schichtmalerei wurde mittels Farbe moduliert und der Gegenstand auf diese Weise visualisiert. Die Materialität der Farbe spielte bei dieser Malerei keine eigenständige Rolle. Diderot bildete in der Encyclopédie von 1751 auch Skizzenpaletten ab (Abb. 3).6 Diese dienten für Malstudien im Freien. In Studienkästen waren, neben den notwendigen Far­ benvorräten, kleine Paletten in den Deckel eingepasst. Diese kleinen Köfferchen setzten 6 Ebd., S. 160.

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4 Palette, schematisiert, in: Kurt Wehlte, Die Ölmalerei, Ravensburg 1955, S. 78.

sich rasch als praktisches Handwerkszeug des Pleinair-Malers durch. Mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert fand das Malen keineswegs ausschließlich im Innenraum statt. Nicht mehr nur mit Skizzenblock, Stift und Aquarellkasten arbeitete der Maler im Freien, sondern auch Gemälde entstanden immer häufiger in der freien Natur. Dabei konnte der Maler sich der in Schweinsblasen abgefüllten Ölfarben bedienen, die er von den Paletten aufnahm und direkt auf die grundierte Leinwand setzte. Dem Freilichtmaler war es wichtig, durch eine lebendige Farbigkeit den raschen Wechsel des Lichtes festzuhalten, ohne dabei die Form der Darstellung zu vernachläs­ sigen. Diesen raschen Schaffensprozess unterstützte eine offenbar bewährte Anordnung der Farben auf der Palette. Diese Ordnung empfahl nicht nur die Encyclopédie, sondern auch die folgende Generation der maltechnischen Ratgeberliteratur regte die Anordnung der Farben nach Gruppen an (Abb. 4).7 Getrennt durch einen oder zwei weiße Farbkleckse mittig am oberen Rand der Palette begann die übersichtliche Anordnung damit, die „küh­ len“ Farbtöne rechts und die „warmen“ Farbtöne links vom Weiß aufzureihen. 7 Siehe Kurt Wehlte, Ölmalerei. Einführung in Techniken und Bildaufbau [1928], Ravensburg: Maier, 1957, S. 76– 79 und S. 109–115.

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5 Max Slevogts Palette (?) ca. 1920, Leinsweiler, Slevogthof Neukastel.

Slevogt war diese für den Pleinair-Maler nützliche Anordnung der Farben auf der Pa­ lette wohl bekannt.8 So findet sich entsprechend auf der, auf dem Slevogthof in Leinsweiler verwahrten Palette, am oberen Rand ein weißer Farbklecks in der Mitte, von dem rechts die eingetrockneten Reste von blauen Farben und links davon rote und gelbe Farbreste von diesem Ordnungsprinzip zeugen. Slevogt kam mit nur einem Weißton aus, mit dem es ihm gelang die verschiedenen Farbvaleurs auf der Gemäldeoberfläche zu mischen (Abb. 5).9 Um eine Vorstellung von der Vielseitigkeit der zum Ende des 19. Jahrhunderts zur Verfügung stehenden Materialien nicht nur für Maler zu bekommen, lohnt ein Blick in Merck’s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe. Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemischen-technischen und anderen Fabrikate, der Drogen- und Farbwaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.10 Von 1870 bis 1920 in sieben stets erweiterten Auflagen herausgebracht, konnte jedermann sich auf 538 Seiten über die aktuellen Neu­ heiten auf dem wachsenden Markt der Materialien und Gebrauchsmuster informieren. Merck legte eine Enzyklopädie zu Alltäglichem aus Natur und Industrie vor. Naturstof­ fe wie Kartoffeln, Kasein, Kolophonium und Kopal werden ebenso beschrieben, wie die 8 Vgl. Kurt Wehlte, Werkstoffe und Techniken der Malerei, Ravensburg: Maier, 1967, S. 323, 707, 760. Wehlte bezeichnet sich selbst als Ratgeber Max Slevogts in maltechnologischen Spezialfragen. 9 Die auf dem Slevogthof in Leinsweiler vorgefundene Palette ist mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Besitz von Max Slevogt. Analysen der eingetrockneten Farbreste wurden nicht durchgeführt. Bis jetzt kann man demzufolge allein aus der augenscheinlichen Kenntnis der Farbkonsistenz von Harzölfarben auf Harzölfarben schließen. 10 Heinrich Emanuel Merck (1794–1855), Obermedizinalrat und Apotheker in Darmstadt, gründete 1827 die pharmazeutische Firma Merck, Darmstadt. Merck’s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe. Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemischen-technischen und anderen Fabrikate, der Drogen- und Farbwaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren [1920], hg. von Thomas Hoof, Recklinghausen: Manuscriptum, 1996.

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6 Paul Gangolf, Der Morgen, 1932, Lithographie, 39,8 × 29,4 cm, Privatbesitz.

Krappwurzel und Rebenschwarz in ihrer jeweils natürlichen und synthetischen Variation vorgestellt werden. Leim, Leinengewebe und Leinöl in seiner Verwendung in der Malerei oder als Salatöl sowie Pfälzer Weine und Bier werden zusätzlich zu den klassischen Ma­ terialien für den Maler erläutert. Harze wie Myrrhe, Sandarak, Dammar und Mastix, die verschiedensten Pinsel, Sikkative, Spatel und Störleim finden Erwähnung. Hinzu kamen Farben mit Phantasienamen aus der synthetischen Produktion wie Reginaviolett und Sonnengelb als Tubenfarben und Pastellfarben. Marktneuheiten wie das Waschmittel Persil, aber auch die Unterschiede von Malpappe und Papiermasché werden beschrie­ ben. Die herstellungstechnische Revolution auf dem Sektor der künstlichen Farbstoffe mit der Produktion der synthetischen Teerfarben unter ihrem Produktnamen „Anilin­ farben“ nimmt einen ebenso großen Raum im Lexikon ein, wie die Vorstellung der „Thia­ zofarbstoffe“ (Abb. 6). Über die Vorstellung der chemischen Zusammensetzung wird der

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7 Tuben für Künstlerfarben, Preisliste Fa. Schmincke, Erkrath, ca. 1912.

Unterschied zu Naturfarbstoffen und Pigmenten erläutert. Die synthetischen Pigmente werden als dauerhafte Alternative in der Anwendung im Bild empfohlen. Kurz wird auf die Gewinnung von Anilin-Farben auf dem Wege der Isolation aus Teer durch William Perkin 1856 eingegangen. Mit den synthetischen Farben erweiterte sich das Spektrum der zur Verfügung stehenden Malfarben um ein Vielfaches. Die zweite wegweisende maltechnologische Neuerung auf dem Markt der Künstler­ farben bestand im Abfüllen von malfertigen Farben in Tuben (Abb. 7). Dazu findet man in Mercks Warenlexikon folgenden Eintrag: […] Zum Verarbeiten fertiger Ölfarben werden sowohl für Künstler als auch zu ge­ wöhnlichen Firnis- und Lackanstrichen auf Holz und Metall in den Handel gebracht. Die feinen Ölfarben finden sich zuweilen auch in Tierblasen zu kleinen Beuteln ein­ gebunden, die beim Gebrauch mit einer Nadel angestochen werden und durch das kleine Loch für den jeweiligen Bedarf Ölfarbe austreten lassen. Zweckmäßiger aber sind kleine zusammendrückbare Hülsen von Zinnfolie, sog. Zinntuben, aus deren Halsöffnung, die Farbe herausgedrückt wird und die bei Nichtgebrauch durch ein Schraubdeckelchen geschlossen werden. Alle gebräuchlichen Farben in Öl oder Fir­ nis werden auf Maschinen zur Konsistenz zusammengerieben und für den Anstrei­ cher in hölzerne Fässchen und für den Künstler in Tuben abgefüllt.11 11 Eintrag „Ölfarben“, in: Merck’s Warenlexikon 1996 (wie Anm. 10), S. 304 und daselbst: „Tuben“, S. 460.

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Die oben erwähnte Methode, Farbe in einer Schweinsblase abzufüllen und aufzubewah­ ren, hatte sich in der modernen Malerei als zunehmend unpraktisch erwiesen.12 Verließ man das Atelier, um im Freien zu malen, stellte das Hantieren mit den Farbsäckchen, das Anstechen und Herausdrücken der Farbe und deren Wiederverschließen während dem immer rascheren Malprozess ein Hindernis dar. Der Londoner Farbenhersteller Winsor & Newton beansprucht für sich, die in Zinn­ tuben abgefüllten Farben 1845 zuerst auf den Markt gebracht zu haben.13 Der Firma ­Alexandre Lefranc, Paris gelang die letzte Perfektionierung dieses kleinen so wichtigen Gegenstandes für die moderne Malerei: Durch die Einführung eines Drehgewindes an der Tubenöffnung konnte man mittels eines Zinndeckels die Tube nach Gebrauch prob­ lemlos verschließen.14 Der Maler drückte die Farbe auf die Palette oder sogar direkt auf den Malgrund, und durch das rasche Verarbeiten des Materials, konnte ohne Zögern der vergängliche Moment von wanderndem Sonnenlicht, aber auch jede rasche Bewegung auf dem Malgrund in einem Arbeitsgang festgehalten werden.

Neue industrielle Farben für eine neue Malerei Synthetische Farbstoffe im großindustriellen Stil produzierten seit 1863 die aus Farbhand­ lungen hervorgegangenen und im Laufe des 20. Jahrhunderts zu Chemieriesen angewach­ senen Firmen, die deutsche Industriegeschichte schrieben: Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning AG (ehemals Theerfarbenfabrik Meister Lucius & Co, kurz: Farbwerke Hoechst) in Frankfurt-Höchst und das Farbenwerk Fried. Bayer et comp. in Wuppertal – Elberfeld. Die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) in Ludwigshafen folgte 1865.15 Ähnlich wie die englischen Fabrikanten vor ihnen war auch bei den deutschen Firmen der erste syn­

12 Siehe dazu die Präsentation der Maluntensilien von William Turner in der Dauerausstellung der Tate Gallery, London. 13 Vgl. Finlay 2005 (wie Anm. 4), S. 30. Der in London lebende amerikanische Porträtmaler John Goffe Rand behauptete 1841 als Erster in Tuben abgefüllte Farben zum Patent angemeldet zu haben. 14 Seit 1907 wurde der Zinndeckel durch ein kleines Bakelitkäppchen ersetzt, mit dem man die Tube ver­ schließen konnte, vgl. Finlay 2005 (wie Anm. 4), S. 31. Finlay verweist in diesem Zusammenhang auch auf die in der belletristischen Literatur immer wieder zitierte Anekdote, die eine Äußerung Auguste Renoirs gegenüber seinem Sohn Jean zur technischen Besonderheit, die die impressionistische Malerei überhaupt erst möglich gemacht habe, kolportiert: „[…] ohne Ölfarben in Tuben, hätte es keinen Cézanne, keinen Mo­ net, keinen Sisley und keine Pissaro gegeben; nichts von dem was die Journalisten später Impressionisten nannten.“ 15 Zum Aufkommen neuer Malfarben vgl. den Kat. Ausst. Impressionismus 2008 (wie Anm. 4), S. 41–69 oder die einschlägige restauratorische Fachliteratur. Zur Geschichte der einzelnen synthetischen Farbstoffe geben Firmenschriften detailliert Auskunft. In den Labors der Chemiekonzerne entwickelt, wurden sie auf Markttauglichkeit geprüft und immer weiter verbessert. Die Laborsynthese einer Farbe stellt jedoch kein Datum zu deren Anwendung im Bild dar. Zwischen labortechnischer Entwicklung und Marktreife vergingen oft bis zu zehn und mehr Jahre.

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thetische Farbstoff ihrer Produktpalette ein Rosé-Ton.16 Sowohl die Farbwerke Hoechst als auch das Farbenwerk Bayer und die BASF vermarkteten diese erste Farbe unter dem Namen „Fuchsin“. Der Bedarf war riesig, da diese synthetischen Farbstoffe die immer rarer und teurer werdenden Naturfarbstoffe ersetzten. Die drei rasch wachsenden Fabriken beherrschten ab 1905 mit ihrer Produktion an Azo- und Alizarinfarbstoffen und dem seit 1880 noch hinzugekommen synthetischen Farbstoff Indigo den Weltmarkt.17 Diese synthetischen Farbstoffe bildeten die Grundlage für die durch Zusätze von Ölen, Harzen und Zuschlags­ stoffen von Farbenhändlern hergestellten, in Tuben unterschiedlicher Größe abgefüllten, teuren Künstlerfarben. Aber auch in gleicher Weise produzierte, preiswerte Anstrichfar­ ben fanden reißenden Absatz. Das Leben wurde mit einem Mal bunt. So waren in den ersten drei Dekaden des 19. Jahrhunderts in rascher Folge viele Wissenslücken zu Fragen der Synthese von chemischen Rohstoffen geschlossen worden. Diese Entwicklung hatte in Europa zum Ende des 18. Jahrhunderts mit der Entdeckung chemischer Elemente und Reaktionen begonnen. Es waren vor allem metallische Rohstof­ fe wie Chrom, Cadmium, Kobalt, Zink, Kupfer und Arsen, aus denen eine ganze Anzahl neuer Farben entwickelt werden konnte. Solche Fortschritte der chemischen Industrie bei der Gewinnung synthetischer Rohstoffe und die rasche Verbesserung maschineller Herstellungsmethoden erweiterten nicht nur die Farbpaletten der Maler, sondern senkten auch die Kosten für Farben gegenüber den vormals auf natürlichem Weg gewonnenen, teuren und importierten Rohstoffen. Farbhandlungen wie Lefranc Frères (gegr. 1720) und Sennelier (gegr. 1887) in Paris, Winsor & Newton (gegr. 1832) in London, Royal Talens (gegr. 1899) in Apeldoorn und im Deutschen Reich die Künstlerfarben- und Maltuchfarbrik Dr. Fr. Schoenfeld (gegr. 1862) in Düsseldorf und H. Schmincke & Co (gegr. 1881) in Erkrath öffneten meist in der Nähe von Akademien ihre Läden. Man verkaufte an die zahlreichen hier ausgebildeten Künstler professionelle Künstlerfarben, Maltuche, Pinsel und alle weiteren Malutensilien zu ver­ tretbaren Preisen und in einer großen Auswahl. Die bereits im 19. Jahrhundert industriell hergestellten Farben wurden zunehmend besser und billiger als die handgemachten Far­ ben. Nach 1900 wurden die von der chemischen Großindustrie auf den Markt gebrachten Farbstoffe in den Farbhandlungen weiterverarbeitet. In chemisch-technischen Arbeits­ prozessen stellten in den Farbhandlungen nicht selten Chemiker, die nicht nur als Ge­ schäftsführer arbeiteten, aus Farbstoffen Malfarben her. Diese wurden, in Tuben gepresst oder in Näpfen abgefüllt, direkt an den Endverbraucher verkauft. Die Materialien kamen 16 William Henry Perkin erhielt das erste Patent für seinen entwickelten „Theerfarbstoff Mauvin“, einen PinkTon, der auf der Londoner Weltausstellung 1862 für reichlich Gesprächsstoff sorgte. 17 Vgl. Jubiläumsausstellung 125 Jahre BASF. Stationen ihrer Geschichte, hg. von Lothar Meinzer, Kat. Ausst. Lud­ wigshafen, Rathaus-Center, 1990. Die beiden Farbstoffe fanden vor allem für das Färben von Uniformen internationalen Absatz. Befriedigte die chemische Großindustrie mit Alizarinkrapplack und Indigo den Weltmarkt der Textilindustrie, konnten die Maler von dieser Qualität auch profitieren.

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so in den unterschiedlichsten Rezepturen, mit den verschiedensten Bindemitteln und Füllstoffen versehen, auf den Markt. Im künstlerischen Nachlass Slevogts finden sich in seiner eher knapp bestückten Fachbibliothek zu Mal- und Farbtechnologie einige Hinweise auf das jeweilige Produktan­ gebot der genannten Firmen. Diese schalteten Inserate in den Katalogen der Ausstellung der Berliner Secession, in der Tagespresse, in Monatsheften und Broschüren oder legten immer wieder aktuelle Preislisten mit dem ganz marktwirtschaftlichen Ziel auf, alle tech­ nologischen Neuheiten und Verbesserungen direkt an den Endverbraucher weiterzuge­ ben.18 Der Markt der Maler und Künstler war als ein neues Segment erkannt worden und wuchs ständig an. Die Verschiedenartigkeit der zur Verfügung stehenden Rezepturen stimulierte zahlreiche maltechnologische Experimente und Sonderwege des künstleri­ schen Schaffens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Farbenhändler und ihre Rezepturen Die auf natürlichen und synthetischen Wegen gewonnenen Ausgangssubstanzen in aus­ schließlich für den Maler geeignete brauchbare Malfarben umzuwandeln, war nun die Aufgabe der Farbhändler. In Verbindung mit rationalisierten, industriellen Fertigungspro­ zessen gelang so die Gewinnung eines Endproduktes von stets gleichbleibender Güte. Um aus Farbpigmenten eine gebrauchsfertige Malfarbe zu erzeugen, wurde das Farbpulver mit Hilfe von Bindemitteln, beispielsweise trocknenden Ölen, so lange verrieben bis eine geschmeidige Farbmasse entstand. Das Reiben der Farben per Hand wurde um 1900 nur noch von kleinen Farbhändlern praktiziert.19 In den oben genannten Farbhandlungen hatte die Dampfmaschine Einzug gehalten, die Knetwerke und Walzenstühle antrieb, um Farbe und Bindemittel zu einer innigen Masse zu verkneten.20 Walzenstühle bestanden aus mehreren horizontal angeordneten, sich gegenläufig drehenden Zylindern aus Stahl. Sie kneteten den Farbteig aus Bindemittel und Pigment solange, bis eine homogene Masse entstanden war, die in Tuben oder Näpfen abgefüllt werden konnte. Die von Herstellern entwickelten, oft peinlichst bewahrten Rezepturen mussten in erster Linie die unterschiedlichen Eigenschaften der jeweiligen Pigmente berücksichti­ gen. Die Rezepturen gaben vor, in welchem Verhältnis Pigment und Bindemittel zu vermi­ schen waren. Davon wiederum hing die Güte der Malfarbe ab, gleichzeitig unterschieden 18 Neben Ausstellungskatalogen wurden Anzeigen in Kultur- und Kunstzeitschriften wie Kunst für alle, Kunst und Künstler oder Kunst und Dekoration geschaltet, um sich als Händler einen festen Kundenstamm zu schaffen und die Künstler regelmäßig über Marktneuheiten zu informieren. 19 Vgl. Kat. Ausst. Impressionismus 2008 (wie Anm. 4), S. 60. So rieb beispielsweise Père Tanguy für van Gogh das Chromgelb noch per Hand. 20 Die Walzenstühle haben sich beispielsweise bei Winsor & Newton in ihrer Funktionsweise bis heute zur Farbherstellung bewährt und sind im Rahmen von Werksbesichtigungen in Funktion zu erleben.

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sich so auch die Produkte der Firmen. Je nach Vorliebe zur einen oder anderen Technik, kaufte ein Künstler oft die Malmaterialien nur eines Herstellers. Pigmente mit besonders großen Korngrößen benötigen, um in der Anwendung auf dem Bild brillant zu leuchten, andere Mengen an Bindemittelzusätzen als diejenigen Pigmente, deren Farbkraft sich erst entwickelt, wenn die Körnung möglichst klein verrieben wird. Die Künstler konnten nun nach maltechnischen Vorlieben aus einem immer rascher anwach­ senden Produktangebot auswählen. So standen im Bereich der Ölmalerei die Mussini Harz­ ölfarben der Fa. Schmincke, Erkrath oder die Behrendtschen Harzölfarben der Fa. Behrendt, München oder die Lukas-Ölfarben der Fa. Schoenfeld, Düsseldorf zur Auswahl. Auf dem Sektor der wassergebundenen Farben hatte man die Wahl zwischen der Pereira Eitempera, der Wurmschen Eitempera oder der Paillardschen Aquarellfarbe. Jeder Farbenhändler verband die Rezeptur einprägsam mit seinem Namen. In Max Slevogts Bibliothek findet man außer der Preisliste der Behrendtschen Harzölfarben auch die Broschüre zur Zet-Farbe, einer Harz­ ölfarbe, die seit 1912 bei den Pelikan-Werken in Hannover-Hainholz produziert wurde.21 Im Bemühen, die Neuigkeiten aus dem Sortiment an den Endnutzer zu bringen, ka­ men offensive Werbestrategien zum Einsatz. Auf der Rückseite einer Zeichnung im künst­ lerischen Nachlass Slevogts findet man einen Brief des Pariser Farbenhändlers P. C. Lam­ bertye.22 Die Farbenhandlung Lambertye, «Couleurs extra Fine, Articles de Bureau, depuis 1788» sandte im Oktober 1911 einen Brief in deutscher Sprache an „Herr Professor Max Slevogt“. Hierin empfahl man sich durch die Zusendung der neuen Aquarellfarben in Tuben und Näpfchen von „J. M. Paillard“. Die Vorzüge der Aquarellfarben werden lo­ bend hervorgehoben: „Erstklassiges Roh-Material, Feinheit der Verreibung, Reinheit der Farbtöne, Leuchten der Töne, Lichtechtheit“, alles Kriterien, die eine moderne Farbe als Qualitätsprodukt auszeichneten. Die Übersendung dieser Aquarellfarben an Slevogt war verbunden mit der Bitte, diese zu „erproben und uns Ihr Urteil darüber zu geben.“ Den Schluss des Schreibens bildet der Hinweis an den in Berlin lebenden Künstler: „In Berlin sind die Farben J. M. Paillard u. a. bei folgenden Firmen zu haben: Leopold Hess, Genthi­ nerstraße 29 und Doris Ranfft, Potsdamer Str. 118a“. Bei den konkurrierenden Farbenhändlern finden sich ähnliche offensive Werbe­ strategien, um technische Neuheiten auf dem begrenzten Markt der Künstlerfarben zu platzieren. So wurden beispielsweise im Vorspann ihrer Produktkataloge Hinweise auf die Spezialrezepturen gegeben oder Umfrageergebnisse aus Künstlerkreisen zu ihren Pro­ dukten abgedruckt. In der Preisliste des Münchner Kunstmalers Fritz Behrendt – nach 21 Vgl. Fritz Fleischer, Zet-Farbe, Ein Beitrag zur Entwicklung und Technik der Oelmalerei, Weimar 1922. Fritz Fleischer, Maler und Schüler von Max Thedy, entwickelte unter Verwendung der Kenntnisse von Rezeptu­ ren, die in der einschlägigen zeitgenössischen Fachliteratur Jan van Eyck zugeschrieben wurden, eine neue Harz-Ölfarbe, die von der Fa. Pelikan (1838) produziert und ab 1912 auf den Markt gebracht wurde. Die Schrift aus Slevogts Besitz befindet sich heute im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. 22 Künstlerischer Nachlass Max Slevogt, Graphische Sammlung Landesmuseum Mainz.

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8 Rot – Blau – Grün Preisliste Fritz Behrendt, Kunstmaler aus Grafenrath/München, Harz-Ölfarbe mit ätherischen Harzölen. Aus dem schriftlichen Nachlass von Max Slevogt, Landesbibliotheks­zentrum /  Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

1900 war er ausschließlich als Farbenhändler tätig – lobt er die Güte und Qualität seiner eigenen Marktneuheit: die Behrendtschen Harzölfarben. Auch Behrendt betont, dass sich die Qualität seiner Farben in deren besonderen Herstellung erkläre: „gleichmäßiger Tro­ ckenprozeß der Farbschichten, kein Nachdunkeln der Farben, besondere Leuchtkraft und Haltbarkeit.“23 Er habe die gängigen reinen Tubenölfarben dahingehend modifiziert, dass er das Pigment nicht mit überschüssigem fettem Öl anteige, sondern dieses Bindemittel durch eine Kombination von ätherischen Harzen und Ölen ersetze. So bleibe die Farbe im Malprozess möglichst lang geschmeidig und der Maler könne flüssig Nass in Nass arbeiten. Behrendt jedoch verschweigt das Mischungsverhältnis seiner Harz-Ölfarben ebenso, wie die exakte Nennung des verwendeten Harzes (Abb. 8). Dagegen hatte sich die Fa. Schmincke bereits seit 1837 die Mussini-Harzölfarben paten­ tieren lassen.24 Da Behrendts Patentanmeldung deutlich später zu sein scheint (ca. 1900), wird er gemäß den Regularien des Patentrechts eine geringe Änderung der Rezeptur vorge­ nommen haben müssen, um ein eigenständiges Patent auf seine Farben erfolgreich anmel­ den zu können.25 Die Fa. Schmincke, die sich bereits auf eine 75-jährige Kundenzufrieden­ heit berufen konnte, legte in einem sehr anschaulichen Diagramm dagegen die Rezeptur 23 Fritz Behrendt, Harz-Oelfarbe mit Aetherischen Harzölen, Preisliste, Fritz Behrendt, Kunstmaler Grafrath bei München o. J., S. 1–3, Exemplar aus dem schriftlichen Nachlass von Max Slevogt, Landesbibliothekszent­ rum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. 24 Vgl. Produktkatalog Feinste Mussini-Ölfarben (ätherische Harz-Ölfarben in Tuben), H. Schmincke & Co. Künstlerfarben und Mal-Leinenfabrik, Düsseldorf–Grafenberg ca. 1900–1912 (?). S. 3–6, Firmenarchiv H. ­Schmincke. 25 Recherche zum Patent- und Gebrauchsmusterschutz, beispielsweise in den Unterlagen des Patent- und Markenzentrum Rhein-Main, Darmstadt (TU Darmstadt) stehen noch aus. Erst im Vergleich der Patente, die die jeweilige Rezeptur offenlegen müssen, sind die Unterschiede zu erkennen. Dies kann eine Ände­

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9 Mischungsverhältnisse der Mussini Harz-Ölfarbe der Fa. Schmincke, Preisliste, ca. 1912.

ihrer Mussini Harzölfarben offen. Entsprechend der Eigenschaften der Pigmente variiere im Rezept deren Mengenverhältnis zur jeweiligen Öl-Zugabe sowie zu dem noch hinzuzu­ fügenden „Bernsteinfirnis und Balsam-Copaiva“. Aus den drei Komponenten Pigment, Öl und Harz werde unter Zugabe der jeweiligen Menge an Farbpigment die fertige Harzölfarbe gemischt und in Tuben abgefüllt. Dabei ergebe sich die spezifische Menge des Farbpulvers jeweils daraus, wie viel Öl man für die Bindung des Pigmentkorns benötigte. Die optimale Geschmeidigkeit der Farbpaste, die man im Malprozess brauchte, gebe somit die Menge an zuzufügenden Harz vor. Da die Menge an Harz von Pigment zu Pigment differiere, müs­ se man von Farbe zu Farbe den Prozentsatz aller drei Komponenten anpassen (Abb. 9).26 Behrendt, aber auch Schmincke, nutzten beide zur Vermarktung ihrer Produkte das Werbemittel des direkten Anschreibens und Zusendens ihrer Neuigkeiten an den End­ verbraucher. Dabei schrieben sie die Nutzer ihrer Farben sowohl aus den Kreisen der Sezessionisten als auch der akademischen Künstler an und veröffentlichten die Antwor­ ten der Künstler im Vorspann ihrer Preislisten. So erhielt Behrendt auf seine Frage nach der Qualität seiner Farben bestätigende Antworten von Friedrich Kallmorgen, Rudolf Schramm-Zittau, Heinrich Zügel und Wilhelm Uhde. Am 6. Juni 1905 antwortete Max Liebermann auf seine Frage: „Sehr geehrter Herr Behrendt! Ich benutze seit einem Jahre rung der Mengenverhältnisse oder prozentualen Anteile der jeweiligen Bestandteile sein. Erst dann ist ein neues Produkt patentwürdig. 26 Produktkatalog Feinste Mussini-Ölfarben 1900–1912 (wie Anm. 24), S. 6.

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„Behrendt-Farben“ und bin durchaus mit ihnen zufrieden. Was ihre Leuchtkraft anbetrifft, kann sie sich mit den besten Farben messen, die in Frankreich und Holland präpariert werden und in Bezug auf die Haltbarkeit scheinen sie mir letztere noch zu übertreffen. Ich kann daher diese Farben auf das Wärmste empfehlen.“27 Schmincke publizierte in seiner Preisliste unter anderem das Antwortschreiben von „Franz Skarbina (Kgl. Profes­ sor und Senatsmitglied)“ vom 11. Mai 1908 und stellt ihn damit als einen Nutzer der Mussini–Harzölfarbe vor: „Seit Jahren bediene ich mich der Mussini-Ölfarben, die mir sehr sympathisch geworden sind.“28

Die Kunstszene in Berlin um 1900 – ein Mikrokosmos der Beziehungen Von Slevogt kannte man bis jetzt keine Äußerungen in einschlägigen Werbebroschüren, die Rückschlüsse auf seine Maltechnologie zulassen würden.29 Welche Farben er bei seinem Farbenhändler Leopold Hess, Genthinerstraße 29, Berlin bevorzugt kaufte, er­ schließt sich nicht ohne weiteres aus den Unterlagen im künstlerischen und schriftlichen Nachlass (Abb. 10). Gab es technologische Beeinflussungen der Künstler untereinander? Verfolgte Slevogt mit der Auswahl bestimmter Farben, Mal- oder Bindemittel einen kon­ kreten malerischen Ausdruck, oder verwendete er, was er gerade bekommen konnte? So fanden sich in seinem Nachlass die oben erwähnte Preisliste der Behrendtschen Harzöl­ farben, aber auch der Hinweis auf die Überlassung der Paillardschen Aquarellfarben. Der Blick auf sein Œuvre zeigt jedoch, dass Slevogt sich aller Maltechnologien bediente. So findet man Arbeiten von ihm auf der Wand, ebenso Aquarelle und Pastelle und die zahl­ reichen Ölgemälde neben seinem großen druckgrafischen Werk. Technologische Experi­ mentierfreude, gepaart mit raschem Arbeiten, bestimmten offenbar seine Materialwahl, um rasche lebendige Bewegungen oder den vergänglichen Augenblick einzufangen. Der Stempel Leopold Hess findet sich auf verschiedenen Leinwänden, Keilrahmen und Malpappen der Slevogt-Gemälde im Besitz des Landesmuseums Mainz, so dass man hiermit einen Hinweis auf Slevogts Farbenhändler vorliegen hat.30 Der Stempel verrät nur das Nötigste, wie Name und Adresse, dagegen listet das Inserat von Leopold Hess im Katalog der Ausstellung der Berliner Secession von 1906 sein umfangreiches Angebot an Malmaterialien auf (Abb. 11).31 27 28 29 30

Preisliste der Fa. Behrendt, München o. J. (wie Anm. 23), o. p. Produktkatalog Feinste Mussini-Ölfarben 1900–1912 (wie Anm. 24), S. 11. Maltechnologische Analysen an Werken von Max Slevogt wurden bisher noch nicht durchgeführt. Das Land Rheinland-Pfalz hatte die Gemälde von Max Slevogt 1980 direkt aus dem Besitz seiner Tochter Nina Lehmann, München erworben. 31 Vgl. Katalog der elften Kunstausstellung der Berliner Secession, hg. von Paul Cassirer, Kat. Ausst. Berlin 1906, o. P. Im schriftlichen Nachlass Slevogts findet man die Kataloge von den Ausstellungen in der Galerie Paul Cassirer verwahrt, in denen seine Arbeiten gezeigt wurden. Heute Bestand des Landesbibliothekszent­ rums Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

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10 Max Slevogt, Der Sommermorgen, 1901, Öl auf Leinwand, 200 × 160 cm, Detail der Gemälderückseite mit dem Stempel des Farbenhändlers Leopold Hess auf dem Keilrahmen, GDKE, Landesmuseum Mainz.

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11 Inserat Leopold Hess, Genthiner Str. 29, Berlin, in: Katalog der elften Kunstausstellung der Berliner Secession, hg. von Paul Cassirer, Ausst.-Kat. Berlin, Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 1906. Aus dem schriftlichen Nachlass von Max Slevogt, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

In der aktuellen Technologieforschung ist erstmals eine Quelle publiziert worden, in der Max Slevogt sich zu seiner Maltechnologie äußert.32 Zwischen 1899 und 1938 wurde im Auftrag der Direktion des Schlesischen Museums der Bildenden Künste zu Breslau eine Künstlerbefragung durchgeführt. Heinz Braune-Krickau,33 der Direktor und vormalige Mitarbeiter von Hugo von Tschudi in Berlin richtete seine Aufforderung, diesen Fragebogen auszufüllen, an rund 100 Künstler und begründete im Vorwort das Ziel der Befragung: Als Unterlage für etwa später einmal erforderlich werdende Restaurierungsarbeiten sammelt das Museum von jedem in seinem Besitz befindlichen Gemälde […] genaue Angaben über die Herstellung des Bildes verwendete Farben, Malmittel und Firnisse pp. Daher beehre ich mich auch Euer Hochwohlgeboren zu bitten, für Ihr in unserer Galerie befindliches Werk durch Ausfüllung des beigefügten Fragebogens die Anga­ ben machen zu wollen.34 32 Vgl. Silke Beisiegel, Künstlerbefragung zu maltechnischen Angaben zwischen 1899 und 1938 im Schlesischen Museum der Bildenden Künste in Breslau, München: Siegl, 2014. Hier sind sämtliche noch vorliegende Fra­ gebögen transkribiert. 33 Heinz Braune-Krickau, üblicherweise nur Heinz Braune (1880–1957); von 1909–1911 engster Mitarbeiter Hugo von Tschudis und nach dessen Tod im Jahr 1911 Interimsleiter der Königlich Bayrischen Gemäl­ desammlung, München bis 1914. Seit 1912 Direktor der Neuen Pinakothek. 1919 folgte er einem Ruf als Direktor des Schlesischen Museum der Bildenden Künste in Breslau. 1928–1947 Direktor der Staatsgalerie Stuttgart. 34 Beisiegel 2014 (wie Anm. 32), S. 1–2.

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Da der Sammlungsschwerpunkt des Schlesischen Museums der bildenden Künste in Breslau im Bereich der zeitgenössischen Kunst lag,35 schrieb Braune-Krickau die füh­ renden Neuerer der Malerei an. Dazu gehörten Eduard von Grützner, München, Hans Purrmann, Berlin, Oskar Kokoschka, Dresden, Oskar Moll, Berlin und Max Slevogt, Ber­ lin. Diesen Fragebogen füllte Slevogt in prägnanter Kürze aus und sandte ihn an Brau­ ne-Krickau zurück. Folgende technischen Details wurden in Form einer Liste abgefragt: Malgrund, Grundierung, Fixierung, Untermalung, Lasuren, Verwendung von Trocken­ mitteln, Wann wird der Schlussfirnis aufgetragen? Welche Art von Firnis – Spiritus oder Terpentinfirnis – wird verwendet? Den Fragebogen schloss eine Spalte „Bemerkungen“ ab. Slevogt füllte diesen Fragebogen mit sparsamen Notierungen aus. Nichtzutreffendes wurde gestrichen und dort wo er eine Eintragung vornahm, bestand diese meist aus ei­ nem oder zwei Worten. Bei aller Kürze liegen damit der Forschung authentische sachliche Äußerungen zu seiner Maltechnologie von ihm selbst vor. Im Besitz der Galerie in Breslau war von Max Slevogt ein nicht näher spezifiziertes und bis jetzt noch nicht identifiziertes „Reiterbildnis“.36 Zum Vergleich soll ein Reiterbildnis auf Leinwand von seiner Hand (ca. 1920), das sich auf dem Slevogthof in Leinsweiler befindet, besprochen werden. Dieses Ganzfigurenporträt seiner beiden Kinder, die im Begriff sind, zu einem Ausritt aufzubrechen, ist in eine Türfüllung seines Bibliotheksregals eingebaut. Das Gemälde hat Slevogt nicht weit über das Stadium der Untermalung hinaus gemalt (Abb. 12). Vergleicht man die Ausführung des Gemäldes in diesem überlieferten Stadium einer Skiz­ ze mit seinen notierten Antworten zu seiner Maltechnik im Breslauer Fragebogen, findet man all seine technologischen Bemerkungen in dem Leinsweiler-Gemälde umgesetzt. Seinen Eintragungen im Fragebogen zufolge, verwendete er in der Regel für seine Gemälde mit einer Ölgrundierung vorpräparierte Leinwände, die er über den Farben­ händler bequem beziehen konnte. Da er keine Untermalung im eigentlichen Sinn bei seinen Gemälden vornehmen würde, müsse er diese auch nicht fixieren, beantwortete er die entsprechende Frage. Diese Antwort erklärt auch die nächste Antwort nach seiner Malweise mit dem knappen Eintrag: „eher prima“.37 Der maltechnologische Bildaufbau des Doppelporträts seiner Kinder im Reitdress be­ stätigt diese Äußerungen: Die Untermalung geschieht mit stark mit Terpentinöl verdünn­ ten Tubenfarben in der ihm eigenen raschen zeichnerischen Handschrift in sehr sicherer malerischer Ausführung. Die auf der Leinwand aufliegende Ölgrundierung ist so dicht, dass die in einer „wässrigen Konsistenz“ verwendete Farbe darüber, wie es die Laufspuren deutlich machen, nach unten abläuft. Eine so magere Ölfarbe verlangt keine Fixierung, sie 35 Schlesisches Museum der bildenden Künste, Breslau: 1880 errichtet, 1945 Zerstörung im 2. Weltkrieg, 1964 Abbruch der verbliebenen Reste des Gebäudes. Die Kunstwerke waren vor der Zerstörung wohl weitgehend ausgelagert worden, und finden sich im Nationalmuseum Breslau bzw. im Nationalmuseum Warschau, doch bei vielen Gemälden verliert sich die Spur. 36 Vgl. Beisiegel 2014 (wie Anm. 32), S. 128. 37 Ebd.

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12 Max Slevogt, Vor dem Ausritt, Detail, ca. 1920, Leinsweiler, Slevogthof Neukastel.

haftet so in den Poren der Leinwand. Damit sind die Voraussetzungen für ein direkt an­ schließendes Weitermalen à la prima gegeben. Auf diese Weise gelang es Slevogt sowohl die Situation als auch die Lichtwirkung ohne Unterbrechung in einem Arbeitsgang zu er­ fassen und mit Pinsel und Farbe zu dokumentieren. Kein Fixieren war nötig, kein Trocken­ prozess musste abgewartet werden, die magere Untermalung bildete genügend Haftung für die darüber liegende Malschicht. Auf diese Schicht folgten weitere Arbeitsschritte, in de­ nen Slevogt das Malmittel hingegen öl- und harzhaltiger wählte. Maltechnologisch gespro­ chen bedeutet das, dass fette Schichten gut auf den darunterliegenden mageren Schichten hafteten. Slevogt bedient sich dabei eines technologischen Bildaufbaus, der zum Grund­ lagenwissen dessen gehört, was jeder Maler über Jahrhunderte an der Akademie erlernen konnte: „Male fett auf mager“.38 Der hohe Harz-Ölanteil der aufgetragenen Farben aus der Tube erklärt, dass die Farbkleckse, die Slevogt mit dem Pinsel zeichnerisch modulierend auf den Untergrund aufbrachte, sehr pastos stehen bleiben. Dies bedingt die abschlie­ ßende Wirkung des Gemäldes. In einem Arbeitsgang wurden Form und Farbe erfasst. Bei Leopold Hess, Berlin kaufte er nicht nur die vorgrundierten Leinwände, sondern dort fand er auch die entsprechenden Farb-Bindemittelkombinationen im Sortiment. Wie er im Fragebogen notierte, interessierte ihn die Zusammensetzung der Farben nicht son­ derlich, da er sie fertig in der Tube kaufte. Allein ausschlaggebend für Slevogt scheint deren Verfügbarkeit gewesen zu sein, um seinen Schaffensprozess nicht aufzuhalten. 38 Max Doerner, Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Stuttgart: Enke, 31954, S. 159–179.

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Die Frage nach dem Zeitraum, wann er den Firnis aufgetragen habe, beantwortete er mit: „wahrscheinlich nach einem Jahr“ und kreuzte als Antwort nach dem Material „Ter­ pentinölfirnis“ an. Die Erklärung für diese recht lange Zeitspanne zwischen Fertigstellung des Gemäldes und dem Firnisauftrag gibt er in der Bemerkungsspalte des Fragebogens: Das in Frage stehende Reiterbildnis sei noch nicht ganz fertiggestellt gewesen, als es die Reise nach Breslau angetreten habe. Aus diesem Grund bat er nun darum, man möge ihm das Gemälde zum Firnissen nach Berlin senden, damit er diese abschließende Arbeit noch ausführen könne.39 Ob Slevogt sein Gemälde noch firnissen konnte, kann man aus der derzeitigen Quel­ lenlage nicht schließen. Stellt man jedoch einen Vergleich an zwischen den schriftlichen Äußerungen und Beobachtungen an seinen gesicherten Gemälden zu Malmaterialien und deren Verwendung im Bild, lässt das aufschlussreiche Schlussfolgerungen zu seiner Maltechnik zu. Zieht man weiterhin Parallelen zu den in seinem Nachlass verwahrten Preislisten von Farbenhändlern, kann man die Vermutung begründen, dass Max Slevogt sich, wenn er von einer Malerei „eher prima“ spricht, bevorzugt der Harz-Ölfarbe bediente. Dabei bot sein Farbenhändler ihm im Sortiment alle im ersten Drittel des 20. Jahrhun­ derts auf dem Markt befindlichen, gängigen Rezepturen an. Zieht man nun einen Stadtplan von Berlin aus dem Jahr 1902 zu Rate, eröffnet sich ein Mikrokosmos von Beziehungen und Beeinflussungen in Künstlerkreisen (Abb. 13). Die Künstler bildeten keine isolierte soziale Gruppierung in dem seit 1900 zur Großstadt herangewachsenen Berlin, sondern waren eng verwoben mit den Kreisen von Galeristen, Kunsthistorikern, Künstlerkollegen anderer Gewerke und Händlern, die sie mit dem Not­ wendigen für ihre Arbeit versorgten. Um Farben zu kaufen, musste Slevogt, der in Berlin in der Lietzenburger Str. 8 a im bürgerlichen Charlottenburg im Vorderhaus lebte, nicht lange suchen. War er bei­ spielsweise auf seinem Weg zu seinem Galeristen Paul Cassirer in der Viktoriastraße 35, am Rande des Tiergartens, kam er direkt an der Farbenhandlung von Leopold Hess vorbei, wo er sich die Marktneuheiten vorlegen lassen konnte. Das Netz der Galeristen, Farbenhändler und Künstler in den Stadtteilen Wilmersdorf, Schöneberg und Berlin Mit­ te war sehr engmaschig gewoben. Das belegt u. a. ein Briefwechsel zwischen Cassirer und Slevogt zu einem technologischen Problem: Slevogts Gemälde Der Hörselberg war beim Transport beschädigt worden.40 Das Großformat war gerollt aus Slevogts Atelier in der Lietzenburger Str. 8 a in die Viktoriastraße 35 transportiert worden, um es dort in einer Ausstellung der „Bruno & Paul Cassirer, Kunst- und Verlagsanstalt“ zu präsentieren. Da die Farbe wohl noch nicht ganz durchgetrocknet war, kam es zu Quetschungen und Farb­ 39 Beisiegel 2014 (wie Anm. 32), S. 128. 40 Max Slevogt, Der Hörselberg, 1910–1931, Öl auf Leinwand, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Gm 2055, Leihgabe der Stadt Nürnberg. Der Briefwechsel zwischen Paul Cassirer und Max Slevogt zu dem Thema findet sich im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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13 Pharus-Plan Berlin. Große Ausgabe 1902, Reprint eines historischen Pharus-Planes. Mit Straßenverzeichnis, Detail Charlottenburg/Wilmersdorf, Berlin 2016.

abrieb im Bereich der Malschicht, was Slevogt verständlicherweise sehr erboste. Von der Korrespondenz ist nur das Antwortschreiben Cassirers erhalten, in dem er die Schuld auf sich nahm und versprach, das Gemälde von einem Mitarbeiter der Farbenhandlung Doris Ranfft, Postdamer Str. 118 a, direkt bei ihm um die Ecke, restaurieren zu lassen. Die Farbenhandlungen Ranfft und Hess stehen hier exemplarisch für die Vielzahl an Farbenhändlern in Berlin, deren Anzahl nach 1900 stark zunahm. Ein Blick in den Stadtplan von 1902 bestätigt, dass die höchste Konzentration an Farbenhändler in den Stadtteilen zu verzeichnen war, in denen die Künstler ihre Ateliers oder Wohnungen hat­ ten. Auch im unmittelbaren Umfeld der Akademie der bildenden Künste häuften sich die Eintragungen von Farbenhandlungen für den Künstlerbedarf. Wertet man die Inserate und Ankündigungen in verschiedenen Katalogen der Se­ zessionsausstellungen aus, findet man hier u. a. die Bekanntmachung, dass Corinth und Leistikow die Ateliers tauschten: Corinth übernahm für seine Malschule das Atelier von Leistikow in Berlin NW Klopstockstr. 52, 3. Stock, der mit seiner Malschule dagegen nach Charlottenburg in die Goethestraße 87A, Portal II ins Hinterhaus umzog (Abb. 14). Dora

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14 Annonce Malschule Lovis Corinth und Walter Leistikow im Katalog der Berliner Secession 1903, aus dem schriftlichen Nachlass von Max Slevogt, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

Hitz betrieb ihre Malschule in repräsentativer Lage am Nollendorfplatz und Max Lieber­ mann lebte und arbeitete eher großstädtisch am Pariser Platz direkt am Brandenburger Tor. Damit wohnte er am nächsten an der Akademie der bildenden Künste, die sich im Ge­ bäude der heutigen Humboldt-Universität befand. Liebermann hatte ihr als junger Mann den Rücken gekehrt, weil er die dort praktizierte Lehre als beengend für die Ziele der Moderne in der Malerei empfand. In der Gruppe der Neuerer, der Sezessionisten, schuf er gemeinsam mit Malern wie Slevogt die moderne bildnerische Darstellungsweise unter Anwendung der neuen Malmaterialien, die sie bei ihren Farbenhändlern unter einem reichen Angebot auswählen konnten. Wie der große Liebhaber und Kritiker Berlins, Karl Scheffler, in seinem Klassiker Berlin – Ein Stadtschicksal 1910 formulierte, sei in Berlin „jahrhundertelang […] nach Werken der bildenden Kunst kaum Nachfrage gewesen; was in die Stadt des Ostens gelangte, war mühsam importiert“. Deshalb sei die „Akademie in Berlin noch notwendiger als anderswo […]. Es bedurfte einer akademischen Lehre von vielen Jahrzehnten“ 41 bis sich die Kunst in Berlin etabliert hätte. Tatsächlich etablierte sich die Kunst in dem Moment wo sie die Akademie verlassen hatte und durch Netzwerke ein Kunstmarkt entstand. Die Kunstmetropole wuchs über die Akademie und deren Kunstschaffen hinaus und entwickelte sich zu einem eng geflochtenen Netz von geschäftlichen, fachlichen und freundschaftlichen Beziehungen von Kunst- und Kulturschaffenden. Eine florierende 41 Karl Scheffler, Berlin – Ein Stadtschicksal [1910], hg. von Florian Illies, Berlin: Suhrkamp, 2015, S. 86–87.

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Kunstszene entstand durch die Teilhabe von Galeristen in diesem Kulturnetzwerk. Sie entwickelten moderne Vermarktungsstrategien, um aus Kunst Geld zu machen, indem sie „ihre“ Künstler gezielt förderten. Kontakte zu Vertretern der jungen Profession der Kunsthistoriker und Fachjournalisten wurden immer wichtiger, da sie die Nachricht von der modernen Kunst, die in Berlin entstand, ins ganze Reich trugen. Stilrichtungen und führende Künstlerpersönlichkeiten erwuchsen aus einem Netzwerk, das nach Mechanis­ men funktionierte, die dem heutigen Kunstmarkt vergleichbar sind. Gleichzeitig wurden durch Wissenschaft und Ingenieurtechnik technologische Neuerungen auf den Markt gebracht, die in den Händen von Künstler zu dem vielfältigen Erscheinungsbild der Kunst beitrugen.

Nathalie Neumann

Max Slevogt und sein Berliner Sammler Julius Freund

Seine Tochter, die Fotografin Gisèle Freund, ist heute sicherlich berühmter, doch in den zwanziger Jahren war die Kunstsammlung des Textilhändlers Julius Freund wohl be­ kannt. Er sammelte bevorzugt Kunst der Romantik, hier vor allem Carl Blechen, er stand aber auch mit Zeitgenossen wie Max Liebermann und Max Slevogt in regem Austausch, deren Kunst er sammelte und an die er Aufträge vermittelte. Allein von Slevogt besaß der Sammler 2 Gemälde, 14 Zeichnungen bzw. Aquarelle und 5 Druckgrafiken bis sie in einer umfangreichen Auktion der Galerie Fischer 1942 in Luzern in alle Welt zerstreut wurden.1 Zu Julius Freund und seiner Kunstsammlung gibt es wenig Literatur,2 als Person ist er heute praktisch vergessen, während die über 350 Werke und Konvolute, die seine Samm­ lung umfasste, weltweit als kostbare Originale des 19. und 20. Jahrhunderts Wertschät­ zung erfahren. Seit 2005 ist die Sammlung Freund erneut in das öffentliche Bewusstsein gerückt, da einige der Werke daraus auf Empfehlung der sogenannten Limbach-Kommis­ sion restituiert wurden.3

Kreidefelsen auf Rügen Eines der bekanntesten Werke aus der Sammlung Freund ist sicherlich das Gemälde Caspar David Friedrichs Kreidefelsen auf Rügen, ziert es doch nicht nur Schulbücher in Deutschland und Frankreich, sondern auch die Sammlung des Winterthurer Sammlers 1 Sammlung Julius Freund. Aus dem Besitz von Frau Dr. G. Freund, Buenos Aires, Kat. Auktion Luzern, Galerie Fischer, 21. März 1942. Online-Version des Auktionskataloges unter http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ fischer1942_03_21, letzter Zugriff am 18.12.2019. Werke Slevogts: Losnummern 261–275, 351–355. 2 Helmut Börsch-Supan, „Der Blick für das Gute – Der Blick für das Wirkliche“, in: Hans Joachim Neyer, Gisèle Freund, Berlin 1988, S. 71–77. Der Autor charakterisiert die Sammlung als Spiegelbild des Sammlers. In­ teressant sind für Provenienzforscher die Angaben zum Verbleib der Freund’schen Gemälde in deutschen Museen, die auf den kommentierten Auktionskatalog aus dem Besitz des Direktors der Nationalgalerie Berlin und Blechen-Kenner Heinrich Brauer zurückgehen. Siehe auch Bettina de Cosnac, Gisèle Freund. Ein Leben, Zürich 2008, zur Kunstsammlung S. 149–151; Thomas Buomberger, Raubkunst – Kunstraub. Die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, Zürich 1998, S. 360–361; Esther Tisa-Francini, Anja Heuss und Georg Kreis, Fluchtgut – Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, Zürich 2001 (Veröffentlichungen der Unabhängi­ gen Expertenkommission, 1), u. a. S. 75–78 und S. 225–230. 3 Pressemitteilung: www.lostart.de/Content/06_Kommission/05–01–12-Erste-Empfehlung-der-Beraten­ den-Kommission-DL.pdf?__blob=publicationFile, letzter Zugriff am 21.12.2019.

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Oscar Reinhart, der es 1930 als ein Hauptwerk Friedrichs für seine Sammlung kaufte. Über ein Jahr hat es gedauert, bis sich sein Vorbesitzer, der Berliner Textilhändler Juli­ us Freund, dazu entschloss, dieses über die Vermittlung des Münchener Galeristen und Kunsthändlers Fritz Nathan nach Winterthur zu verkaufen. Der Enkel Nathans, Johannes Nathan hat einen ausführlichen Artikel zu diesem Verkauf publiziert.4 Warum sich Julius Freund von dem Bild schließlich 1930 trennte, kann hier nur vermutet werden. Ursprüng­ lich hatte er es wohl 1903 als ein Werk Carl Blechens gekauft. Doch der junge Museum­ sassistent des damaligen Direktors der Nationalgalerie, Guido Joseph Kern, der 1911 eine umfassende Blechen-Monographie publizierte, hatte Kreidefelsen auf Rügen um 1920 als ein Werk Friedrichs erkannt. Kern blieb Freund über viele Jahre ein wichtiger Berater, was den Ankauf und die Echtheitsbestätigungen von Blechens Arbeiten anging. Doch war es schließlich der Friedrichkenner Kurt Karl Eberlein, der dieses berühmte Gemälde Friedrichs 1920 als solches erstmals publizierte.5 Julius Freund erwarb im Laufe seiner Sammlertätigkeit eine gründliche Kennerschaft zur Kunst des 19. Jahrhunderts. Seine ersten Arbeiten kaufte er noch als Gymnasiast am Grauen Kloster in der Buchhandlung Georg Winckelmann: eine Serie von 31 gedruckten Zeichnungen des Livländers Franz Burchard Dörbeck, die humoristische Situationen mit Berliner Schnauze zeigt.6 Julius Freund wuchs in seiner Geburtsstadt Cottbus auf, wo sein Vater Marcus Freund im Vorstand der jüdischen Gemeinde war und ehrenamtlich neben seiner Erwerbstätigkeit als Textilhändler ein Waisenhaus betreute. Zugleich war er auch Mitglied der dortigen Freimaurerloge. Die Textilindustrie war der größte Sektor der Stadt und viele der dort ansässigen jüdischen Familien darin involviert. Julius Freund absolvierte seine einjährige Ausbildung schließlich in Erfurt und zog dann als junger Textilwarenvertreter nach Berlin, wo er 1902 Clara Dresel heiratete, eine der vier Töchter seines Lehrmeisters, des Textilproduzenten Wilhelm Dresel, der ihn noch im gleichen Jahr als Teilhaber in seine Firma von Damenmänteln aufnahm.7 Ihr großes Vermögen soll die Familie Dresel dank der Produktion der berühmten Hosenröcke für Damen gemacht haben.8 Nicht zu vernachlässigen ist jedoch die ertragreiche Produktion von Mänteln und Uniformen durch die Firma Dresel für das preußische Heer während des Ersten Welt­ krieges. Auch fand sich ein britisches Patent für Reißverschlüsse für Damenhandschuhe

4 Johannes Nathan, „’…die schönste Aufgabe meines Lebens…’. Die Beziehung zwischen Oscar Reinhart und Fritz Nathan im Spiegel der Korrespondenz“, in: Die Kunst des Handelns. Meisterwerke des 14. bis 20. Jahrhunderts bei Fritz und Peter Nathan, hg. von Götz Adriani, Kat. Ausst. Tübingen, Kunsthalle, Ostfildern-Ruit 2005, S. 103–117. 5 Kurt Karl Eberlein, „Friedrich der Landschaftsmaler“, in: Genius. Zeitschrift für werdende und alte Kunst, Bd. 2, 1920, 1. Buch, S. 88–94. Siehe dazu Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich. Gefühl als Gesetz, München und Berlin 2008, S. 113. 6 Brief von Hans Friend an seine Schwester Gisèle Freund, 22. Mai 1986, Familienbesitz Friend, Ottawa. 7 Wilhelm Dresel, Handelsregister A (HRA), Landesarchiv Berlin A Rep 342–02 (1899–1929). 8 Vgl. De Cosnac 2008 (wie Anm. 2), S. 27.

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1 Max Slevogt, Tanz der Morgiane, 1900, Aquarell auf weißem Papier, 20,5 × 22 cm, Verbleib unbekannt.

(1896) auf den Namen Julius Freund sowie eine österreichische Patentschrift für eine Abstecknadel bei Fellverarbeitung (1912).9 1908 bezog die Familie Freund eine 7-Zimmer Wohnung, die von dem bekannten Architekten Bruno Paul gestaltet worden sein soll, im sogenannten Bayerischen Viertel Berlin-Schönebergs in der Haberlandstraße 7. Schräg gegenüber wohnte Albert Einstein, dessen Wohnhaus ebenfalls während des Zweiten Weltkrieges bombardiert wurde. Die Firma Dresel lief sehr gut, es arbeiteten teilweise über 100 Mitarbeiter am Firmensitz in der Niederwallstraße 13/14. Julius Freund hatte genug Mittel, um seine Sammlung von deutscher Kunst vor allem Zeichnungen des 19. Jahrhunderts systematisch aufzubauen. Interessant ist, dass er sowohl die Ausstellung der Berliner Secession besuchte, wie der Kauf der Slevogt-Zeichnung Tanz der Morgiane belegt (Abb. 1),10 als auch die von Hugo Tschudi in der Nationalgalerie organisierte Jahrhundertausstellung von 1906 mit Kunst­ werken aus der Zeit von 1775 bis 1875, die nachhaltig die Sammlertätigkeit und den Ge­ schmack der Zeit beeinflusste. Julius Freund, der einige wichtige Werke zur Ausstellung beisteuerte, bzw. im An­ schluss an die Ausstellung erwarb, scheint seine eigene Sammlung daran gemessen zu haben. Als Ölgemälde seiner Favoriten wie Carl Blechen teurer und seltener wurden,

9 Britisches Patent Nr. 573,401 (15.12.1896) sowie österreichisches Patentamt, Patentschrift Nr. 57808 (15.6.1912). 10 Katalog der 8. Berliner Secession, Zeichnende Künste Nr. 964, 968, 994 (?). Ankauf Berliner Secession 1903/1904, zit. nach Kat. Freund 1942 (wie Anm. 1), Losnr. 274.

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konzentrierte er sich auf Zeichnungen und Druckgrafiken. Seine Familie erzählt, dass er als notorischer Sammler von Büchern, Briefmarken und Wertpapiernoten auch schlicht­ weg keinen Platz mehr für Ölgemälde in der Wohnung hatte, so dass einige Kunstwerke schließlich im Kontor hingen. Julius Freund tauschte sich mit Spezialisten aus Museum und dem Handel aus, pfleg­ te Kontakt zu Künstlerfamilien und deren Nachkommen und bemühte sich um intensiven Austausch mit zeitgenössischen Künstlern. So erinnert sich die Tochter an das wöchentli­ che Kohlessen für Künstler bei Familie Freund zu Hause.11 Während der sozial engagierte Künstler Hans Baluschek wohl bei Freunds ein- und ausging, seine 30 Werke wurden sämtlich nach England mitgenommen, gab es gelegentlich Besuche bei und von Käthe Kollwitz und ihrem Mann, deren Werke Freund früh sammelte. So schrieb Kollwitz 1920 in ihrem Tagebuch, dass sie sich bei Julius Freund ihre Zeichnung Überfahrenes Kind (heu­ te im Kupferstichkabinett Basel) für eine Publikation auslieh.12 Von Max Liebermann besaß Freund 47 Zeichnungen und Druckgrafiken und teilte mit ihm das Interesse an Werken Carl Blechens, von dem er wiederum 20 Ölgemälde und 21 Zeichnungen besaß. Regelmäßig stellte Freund Werke aus seiner Sammlung aus: Ein Teil seiner Liebermann-Zeichnungen 1927 bei Paul Cassirer.13 Da der Schwerpunkt der Freund’schen Sammlung auf Künstlern lag, die in Berlin tätig waren, wurden seine Wer­ ke für Ausstellungen in Berlin und zur Berliner Kunst angefragt. So lieh er elf Gemälde zur Ausstellung Berliner Kunst 1926 nach Nürnberg aus14 und nahm 1923 und 1926 mit mehreren Gemälden an den beiden Corinth-Ausstellungen der Nationalgalerie Berlin teil, die er dort 1931 zudem als Leihgaben bis 1933 deponierte.15 Darunter das Selbstporträt mit Modell, das als ein wichtiges Doppelporträt aus der Frühzeit des Malers Lovis Corinth (1858–1926) gilt. Von Oscar Reinhart über Fritz Nathan jahrelang immer wieder angefragt, trennte sich der Sammler schließlich 1940 aus seinem Exil in London von dem Gemäl­ de.16 Es wurde mit Unterstützung des Kunstvereins 1941 angekauft und gehört heute dem Kunstmuseum Winterthur.

11 De Cosnac 2008 (wie Anm. 2), S. 29. 12 Käthe Kollwitz, Die Tagebücher, 1908–1943, hg. von Jutta Bohnke-Kollwitz, München 2012, Eintrag vom 29. Februar 1920, S. 57. 13 1927 Ausstellung bei Paul Cassirer von 275 Zeichnungen von Max Liebermann aus den Sammlungen Bruno Cassirer, Frau Fürstenberg-Cassirer, Julius Freund, Frau Mauthner etc. Siehe dazu die Ausstellungs­ besprechung von Karl Scheffler, „Kunstausstellungen: Berlin“, in: Kunst und Künstler, Jg. 25, 1927, H. 11, S. 443–444, hier S. 444. 14 Die Ausstellung Altes Berlin – Neues Berlin, Nürnberg, Norishallen, 1926, organisiert vom Albrecht-Dürer Verein, wurde zunächst 1925 in Berlin gezeigt. Zentralarchiv der SMPK Berlin ID8136JNr. 1926/1311, Ar­ chiv Nr. 604. 15 ZA Berlin Zentralarchiv der SMPK Berlin ID8136JNr. 1931/1779, Archiv Nr. 858 (Anfrage zur Versicherung, Leihgaben). 16 Vgl. Matthias Fischer, „Selbstbildnis mit Modell“, in: Dieter Schwarz, Kunstmuseum Winterthur. Katalog der Gemälde und Skulpturen, Bd. 1, Düsseldorf 2005, Nr. 53, S. 159–162. Sowie die Korrespondenz Nathan –

Max Slevogt und sein Berliner Sammler Julius Freund

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Julius Freund beteiligte sich auch an den Ausstellungen des Märkischen Museums in Berlin, das einen starken Berlinbezug verfolgte, und überließ von 1932 bis 1933 dem dortigen Direktor Walter Stengel Teile seiner Sammlung als Leihgabe, darunter auch ei­ nige Blätter Slevogts.17 In der Ausstellung des Berliner Kunstvereins von 1929 Hundert Jahre Berliner Kunst zeigte Julius Freund knapp ein Fünftel seiner bis heute bekannten Sammlung, viele sei­ ner Werke wurden in dem umfangreichen Katalog erstmals abgebildet.18 Er stellte dort auch Werke von Künstlern aus, wie die Ölgemälde des Hugenotten Charles Hoguet, die nach 1933 nicht ins Exil nach Winterthur deponiert wurden. Im Vergleich zwischen der Sammlung Freund als Schweizer Deposita ab 1933 und eines Inventars von 1927 zeigt sich, dass sie ursprünglich sehr viel umfangreicher war: Am 30. Juli 1927 hatte Freund bei seinem Notar Georg Gerson eine komplette Aufstellung seiner umfangreichen Kunst­ sammlung eingereicht und übertrug bei dieser Gelegenheit das Eigentum der gesamten Kunstsammlung im geschätzten Wert von 150.000 Mark an seine Frau Clara als Ausgleich ihrer Erbansprüche an der Firma Wilhelm Dresel. Dies erlaubte Julius Freund juristisch Alleineigentümer der Firma Dresel zu werden. Sein Schwiegervater Wilhelm Dresel war kränklich und sollte noch im November des gleichen Jahres sterben.19 In diesem Inventar werden über 700 Werke aufgeführt, darunter allein 85 Gemälde detailliert mit Angaben zu Künstler, Titel, Material und Größe gelistet, sowie ihrer Hängung und Aufbewahrung im Haushalt Freund. Am Ende der notariellen Sitzung, die im Haus Haberlandstraße 7 stattfand, übergab der Hausherr seiner Gemahlin feierlich die Schlüssel zu den Schrän­ ken, in denen die Grafikmappen aufbewahrt wurden. Die Übertragung der Eigentums­ rechte war faktisch nur eine symbolische Geste. Bei den bedeutendsten Malern der Berliner Sezession, bei Max Slevogt und Max Lie­ bermann, dem damals teuersten Maler Deutschlands, bestellte er 1925 nicht nur jeweils sein Porträt, sondern er vermittelte auch Porträtaufträge von seinen Bekannten an die beiden Künstler (Taf. VIII). Zur Porträtsitzung bei Liebermann und ihrer Bezahlung hat sich die Korrespondenz zwischen Sammler und Künstler erhalten.20 Beide Künstler emp­

Freund – Reinhart im OR 1441 (Juni 1939–1940), Archiv der Sammlung Oskar Reinhart ’A m Römerholz’, Winterthur. 17 Bereits 1927 hatte Julius Freund einige grafische Blätter zur Ausstellung des Märkischen Museums Das Wochenende. Große Berliner Ausstellung beigetragen und war dem Museum als Mäzen sehr verbunden. Der Kontakt zu dessen Direktor hielt sich auch während der Emigration Freunds. Archiv Stengel der Stiftung Stadtmuseum Berlin, Stengel-NL 4.4. 18 Siehe Hundert Jahre Berliner Kunst. Im Schaffen des Vereins Berliner Künstler, hg. von Max Schlichting, Berlin 1929. 19 Gerson, Dr. Georg, Friedrichstr. 59/60, Karteikarte Neuzugänge* o.Sign., 1927–33 U-Rolle, 1927–30, 1930–33, B-Rep. 048, Karton 489–91. 20 Siehe Brief von Julius Freund an Max Liebermann, 27. April 1931, in: Max Liebermann, Briefe, Bd. 8: 1927– 1935, hg. von Ernst Braun, Baden-Baden 2018, S. 382. Antwortbrief von Max Liebermann an Julius Freund, 27. April 1931, ebd. Darin wird die Summe von 3000 Mark für das Porträt Julius Freund erwähnt. Der

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fanden die Auftragsvergabe als Zeichen der Unterstützung in Zeiten finanzieller Schwie­ rigkeiten.21 Mit Slevogt korrespondierte Freund im Anschluss an dessen Retrospektive in der Preußischen Akademie der Künste zwischen 1928–1931.22 1929 lud Freund Slevogt ein, seine Kunstsammlung zu besichtigen, die er „mit großer Liebe zusammengetragen“ habe.23 Vermutlich kannte Julius Freund den „großen Professor“ Slevogt bereits aus des­ sen Münchener Zeiten, jedenfalls hat er bis 1933 insgesamt 20 seiner Arbeiten auf Papier erworben. Dabei sind seine Ankäufe nicht vollständig dokumentiert. Das früh datierte Blatt Li-Hung-Tschang. Vorlage für die Münchner Jugend, eine Karikatur des chinesischen Generals (1823–1901) ist signiert und datiert und trägt den rückseitigen Vermerk „Auc­ tionskatalog der Jugend A 2149 / Juli 1905 bei Helbing, München“.24 Allerdings kam es 1916 erneut zum Verkauf,25 so dass Freund es vermutlich zwischen 1916 und 1927 erstand. Beide Porträtwerke sind jahrzehntelang im Familienbesitz geblieben. Das von Lieber­ mann angefertigte Porträt befindet sich noch heute im Familienbesitz und wurde erst­ mals 2017 in Berlin ausgestellt.26 Das Slevogts hing bis in die 70er Jahre bei der Tochter des Sammlers, Gisèle Freund, bis diese sich entschied, das Porträt ihres Vaters, das sie in den frühen 30er Jahren in Berlin fotografiert hatte und das auf Wunsch der Witwe Freunds, ihrer Mutter, im Katalog der Auktion 1942 abgebildet wurde, zu verkaufen.27 Es gelangte über die Vermittlung ihrer Freundin Solange Sternlicht an den in München ansässigen Walter Andreas Hofer, bekannt für seine lukrativen Geschäfte für rangho­ he Nationalsozialisten mit Kunst aus jüdischem Besitz. Hofer signalisierte über Leopold Reidemeister die Kaufoption an die Berliner Nationalgalerie sowie an die damalige Di­ rektorin des Berlin Museums Irmgard Wirth, die in den 40er Jahren bei Ortwin Rave, einem weiteren Blechenspezialist, an der Nationalgalerie als Museumsassistentin tätig gewesen war. Mit Lottomitteln gelang es Wirth schließlich den Kaufpreis von 16.000 DM aufzubringen und das Bild für das Berlin Museum zu erwerben.28 Dort wurde es neben Originalbrief hat sich bisher nicht aufgefunden und wird im Auktionskatalog der 28. Verkaufsausstellung J. A. Stargardt, 26.–29.1.1989 in Stuttgart als „MLx0119 – Original unb.“ zitiert. 21 Zitiert aus den Briefen zwischen Max Slevogt und Julius Freund (1928 und 1931) im Besitz des Landesbib­ liothekszentrums Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100 bzw. Autogr. 5/10 und 5/11. 22 Vgl. die Briefe zwischen Max Slevogt und Julius Freund im Besitz des Landesbibliothekszentrums Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100 bzw. Autogr. 5/10 und 5/11. (1928–1931) 23 Brief von Freund an Slevogt, 3. Mai 1929, aus dem Hotel Timeo (Taormina), ebd. 24 Das Blatt befindet sich heute im Saarlandmuseum in Saarbrücken. Es ist auf der Vorderseite rechts unten bezeichnet mit: „Slevogt 1900 / Li-Hung-Tschang“. Pinsel und Tusche, 28 × 22 cm. 25 Auktion Max Perl, 20./21.10.1916, Los-Nr. 483. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ perl1916_10_20/0042. 26 Nathalie Neumann „’… ist der Sammler Julius Freund mit seiner Frau bei mir…’ Käthe Kollwitz und Julius Freund“, in: Käthe Kollwitz und ihre Freunde, Kat. Ausst. Berlin, Käthe-Kollwitz-Museum, 2017, S. 75–78. 27 Brief Gisèle Freunds an ihre Schwägerin Margarete Friend, Familienbesitz, Ottawa. 28 Archiv Stadtmuseum Berlin, Hausarchiv, Korrespondenz Wirth. Angaben des Stadtmuseums: Provenienz des Gemäldes Julius Freund: München, W. A. Hofer, finanziert durch Lotto 16.000,- DM (HA II,2 Korr 1970

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Fotografien der Tochter Gisèle Freund bis Ende der 90er Jahre ausgestellt. Bei der Prü­ fung der Provenienz fiel aufgrund des Verkäufers Hofer der Verdacht der Raubkunst auf das Bild, so dass es für die folgenden 10 Jahre nicht mehr in der Dauerausstellung hing.29

Auswahl und Aufenthalt in der Schweiz Mit der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 wendete sich die Situation auch für Julius Freund und seine Familie drastisch. Sein Sohn Hans musste sein Studium der So­ ziologie in Basel fortsetzen, wo er auch auf Bitte des Vaters mit dem dortigen Direktor des Kunstmuseums Otto Fischer Kontakt aufnahm. Tochter Gisela hingegen konnte nach politischen Aktivitäten an der Frankfurter Universität in letzter Minute der Verhaftung entgehen und floh im Mai 1933 nach Paris, wo sie sich ebenfalls wieder eine neue Existenz aufbauen musste.30 Julius Freund war zu diesem Zeitpunkt über 60 Jahre alt. Die Firma Wilhelm Dresel wurde zwangsweise geschlossen und er suchte eine Lösung für seine kostbare Kunst­ sammlung. Fritz Nathan stand weiterhin mit der Familie Freund in Kontakt und versuchte innerhalb Deutschlands ein Museum zu finden, das die Sammlung Freund als Leihga­ be übernommen hätte. Seine Anfrage an Friedrich Dörnhoffer, den Generaldirektor der Staatlichen Bayerischen Gemäldesammlungen, und an Werner Teupser, den Leiter des Kupferstichkabinetts in Leipzig sind überliefert, deren Antworten jedoch leider nicht. Letztlich vermittelte Oscar Reinhart auf Bitte von Fritz Nathan die Sammlung Freund an seinen Bruder Georg Reinhart, der 1933 im Vorstand des Kunstmuseums Winterthur tätig war: „[…] seither habe ich [Oscar Reinhardt] von Herrn Freund die meiner Ansicht nach künstlerisch bedeutendsten Bilder erworben (C. D. Friedrich und Blechen), so dass das Interesse an der Sammlung für den Kunstverein erheblich geringer sein dürfte.“31 Dennoch war Georg Reinhart einverstanden und nahm die Auswahl von über 500 Wer­ ken zunächst in Winterthur auf. Die 5 Kisten trafen im September 1933 in Winterthur ein.

A-H 21.5.1970 Walter Andreas Hofer 8/22 Königinstraße 27 an Reidemeister, bietet Gemälde „darstellend den Berliner Blechen-Sammler Julius Freund“ für 16.000,-. Weiter geleitet an NatGal und Berlin Museum, Wirth interessiert, bittet um Zeit. 10.7.1970 Lottoantrag ist gestellt, 29.7. Summe ist genehmigt, 6.8. Hofer stellt „2 Rechnungen ohne Mehrwertsteuer über 16.000,- mit der Angabe des Vorbesitzers.“ = II,2 Ankäufe 1967–72 H „Aus dem Besitz Dr. Gisela Freund“). HA II,2 Eingangsbuch Ankäufe Nr. 597. 29 Diese Klärung erfolgte durch die Recherche der Autorin und die der hausinternen Provenienzforschung. Vgl. Andreas Bernhard: Verschlungene Wege – Sammlungsobjekte und ihre Geschichte, hg. von Paul Spies und Martina Weinland, Berlin, Stadtmuseum, 2017, S. 42. 30 Zu den wenigen überlebenden eines in Frankfurt politisch im Widerstand aktiven Kreises von Kommi­ litonen Gisèle Freunds gehörte auch der Mediziner Frederik Paulsen. Zu dessen Biographie siehe Tobias Birken, Matthias Georgi und Katharina Roth: Frederik Paulsen. Ein friesisches Leben, München 2019. 31 Schreiben an Herrn Richard Bühler, Präsident des Kunstvereins Winterthur, vom 30. Juli 1931.

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Ein Begleitbrief an Paul Fink, den damaligen Direktor des Winterthurer Kunstmu­ seums, überließ diesem völlig freie Hand für Ausstellungen. Werke aus der Sammlung Freund wurden so in den nächsten Jahren in Ausstellungen in der Schweiz und Öster­ reich gezeigt, teilweise von Katalogen begleitet. Freund selbst hatte zu diesem Zeitpunkt seine Wohnung in Berlin aufgegeben und wohnte in Pensionen oder Hotels vor allem in Norditalien. Es war denn auch Gisèle Freund, die beispielsweise 12 Zeichnungen Max Liebermanns für die Ausstellung 1936/1937 in der Neuen Galerie Wien auswählte, die im Frühjahr darauf in Bern ausgestellt wurden.32 Julius Freunds sorgfältige Auswahl für die Dauerleihgabe in die Schweiz bot einen repräsentativen Überblick zu allen Gruppen der Kunst des 19. Jahrhunderts aus allen Teilen Deutschlands mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Norddeutschland: von den Romantikern Gustav Carus und Carl Blechen und auch Gustav Adolf Friedrich, der Sohn Caspar David Friedrichs, dann Daniel Chodowiecki, Karl Friedrich Schinkel und Gott­ fried Schadow mit repräsentativen Motiven zur Geschichte Berlins und des deutschen Reiches, sowie die Berliner Theodor Hosemann und Heinrich Zille, Adolf Menzel mit qualitätsvollen Zeichnungen und Druckgrafiken, aber auch Hans Thoma oder Eduard und Paul Meyerheim fehlten nicht, die Liste war lang. 1934 und 1936 kamen 106 Werke als Supplement hinzu, darunter erneut Liebermann, Blechen, Chodowiecki aber auch Werke von Hans Baluschek und August Gaul; zwei Rembrandt-Radierungen und eine Lithografie von Toulouse-Lautrec. Die Sammlung reiste als Dauerleihgabe mit Freipässen in die Schweiz, die jährlich genauso wie die Versicherung verlängert wurden. Die Kosten trugen zunächst Julius Freund oder seine Tochter. Als 1940 die politische Situation immer schwieriger wurde, übernahm sogar das Kunstmuseum Winterthur die Versicherungs­ kosten, wobei sich der Wert der Sammlung zwischen 1936 und 1938 also in nur 2 Jahren halbiert hatte. Ein Teil der Freund-Sammlung wurde regelmäßig als Ausstellung im grafischen Kabinett des Kunstmuseums präsentiert. Bereits 1934 erklärte Freund, dass er nicht bei Kunsthändlern auszustellen wünsche.33 Die Direktoren der Museen in Basel, Otto ­Fischer und Lukas Lichtenhan,34 sowie Max Huggler in Bern, Walter Hugelshofer in Luzern und Zürich kannten den Sammler teilweise bereits persönlich oder über die Vermittlung durch Paul Fink. Sie baten um Leihgaben und planten Ausstellungen zu Menzel, Corinth, Liebermann und Blechen. Die beiden Kuratoren des Kunstmuseums Winterthur Paul 32 Brief vom 18. November 1936 an Fräulein Ehrensperger, Sekretariat des Kunstvereins Winterthur. Archiv Kunstmuseum Winterthur. Brief vom 12. Dezember 1936 an Dr. Otto Kallir-Nirenstein, Neue Galerie, Wien, ebd.; sowie Schreiben von Otto Kallir-Nirenstein, der um Sendung über Fritz Nathan, St. Gallen, bittet. 33 Brief Julius Freund an Paul Fink, 11. Februar 1934, Archiv Kunstmuseum Winterthur. 34 Brief Julius Freund an Heinz Keller, 7. Oktober 1935, wo der Besuch von Lucas Lichtenhan in Berlin er­ wähnt wird; auch bittet er darum, Grafiken nicht mehr auszuleihen, da sich die Passepartouts verfärben würden.

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Fink und sein Nachfolger Heinz Keller sowie die Sekretärin des Kunstvereins, Yvonne Ehrensperger, standen in regelmäßigem Kontakt mit Julius Freund und seiner Tochter Gisèle Freund, um über Ausleihen zu informieren, Kataloge zu schicken, Nachlieferun­ gen zu bestätigen, die Kosten für die Freipässe und Versicherung zu klären.35 Besonders Ehrensperger nahm persönlich großen Anteil an dem Schicksal der Familie Freund und sorgte sich um die Sicherheit der Familie. Nachfragen der Nationalgalerie in Berlin nach Werk und Sammler ließ sie 1939 in Absprache mit Gisèle Freund unbeantwortet, um die Familie und die Kunstsammlung zu schützen.36 Bis 1936 schickte Julius Freund auch noch ganz frisch ersteigerte Werke nach Winterthur, wie das Selbstporträt Karl Stauf­ fer-Berns, das er erst 1934 bei der Versteigerung der Sammlung Rudolf Mosse kaufte. 1937 wiederum erbat Julius Freund die Rücksendung von 85 Werken von den 106 als Supple­ ment geschickten Lithografien und Druckgrafiken, eine Sendung von 132 kg. Es blieben die Werke von Liebermann und Kollwitz sowie die kostbaren Skizzenbücher von Caspar D. Friedrich, dessen Lehrer Gerhard von Kügelgen und Franz Krügers. 1938 wurde Clara Freund in Berlin verhaftet und nach 6 Monaten von ihrem Mann freigekauft. Dem Ehepaar Freund gelang schließlich im Februar 1939 die Emigration nach England, wo sich Sohn Hans bereits seit 1935 aufhielt. Aufgrund der hohen Judenvermö­ gensabgabe und der Reichsfluchtsteuer waren sie praktisch mittelos. Am 12. Oktober 1940 wurde ihnen die Staatsbürgerschaft entzogen und aufgrund des 11. Reichsbürgergesetzes fiel ihr Vermögen an das Deutsche Reich. Im September 1940 wurden die Freunds zu al­ lem Unglück auch noch in London ausgebombt. Auf der Flucht im Zug erlitt Julius Freund einen Schlaganfall und blieb halbseitig gelähmt. Er verstarb 6 Monate später am 11. März 1941 an den Folgen seiner Krankheit im Armenspital in Wigton in Nordengland. Im Juli 1941 informierte Gisèle Freund kurz vor ihrer geplanten Ausreise nach Argen­ tinien den Direktor des Kunstmuseums Winterthurs, dass sie ihrer Mutter Clara alle ihr gehörenden Werke zur freien Verfügung überlasse.37 Clara Freund beauftragte daraufhin Fritz Nathan, den Verkauf der Sammlung vorzubereiten. Dieser kontaktierte die einzel­ nen Museen mit der Bitte die Leihgaben und Ausstellungsstücke der Sammlung Freund nach Winterthur zurückzuschicken. Gleichzeitig fragte er nach dem Kaufinteresse der Museumsleute. Er arbeitete gewissenhaft und korrespondierte regelmäßig mit der Witwe in England. Sechs Werke wurden noch vor der für das Frühjahr geplanten Versteigerung bei Fischer in Luzern von „interessierten Herren“ in Winterthur gekauft.38 Viele der Wer­ ke aus der Sammlung Freund tragen den Stempel JF, der bei Frits Lugt 1954 als 1454c angegeben wurde. Auch Fritz Nathan, der die Auktion treuhänderisch organisiert hatte,

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Vgl. die ausführliche Korrespondenz, Mappe Freund, Kunstmuseum Winterthur. Brief von Yvonne Ehrensberger an Gisèle Freund, 25. Oktober 1939, Kunstmuseum Winterthur. Siehe die ausführliche Korrespondenz Mappe Freund, Kunstmuseum Winterthur. Brief von Fritz Nathan an Clara Freund, 6. Dezember 1941, Archiv Galerie Fischer, Luzern.

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erwarb Kunstwerke für sich selbst, darunter eine Waldlandschaft von Gustav Carus, die sich heute im Goethemuseum zu Frankfurt befindet.39 Während Theodor Fischer und Fritz Nathan, der Clara Freund von seiner halbpart Partizipation an der für den 21. März 1942 geplanten Versteigerung informierte,40 die Werke für die Vorausstellung in der Galerie Raeber in Basel und Luzern vorbereiteten, wurden potenzielle Käufer informiert. So kontaktierte der Kunsthändler Alexander von Frey den Generaldirektor der Dresdner Sammlungen und Leiter des Sonderauftrags Linz Hans Posse und bot seine Hilfe bei der „erstklassigen“ Romantikersammlung (Slg. Freund) an, unter der Bedingung, dass der für Hitler direkt zuständige Kunsthändler Karl Haberstock nicht informiert würde. Allein Oscar Reinhart – schreibt Frey – würde sich für deutsche Romantiker interessieren, eventuell Fritz Nathan.41 Am 24. Januar schrieb Frey an Posse, da er sich nicht für die Romantikersammlung zu interessieren scheine, würde er einen Freund informieren.42 Hans Posse wiederum schrieb am 15. März 1942 an Reichsleiter Martin Bormann, dass er auch ohne Devisen zur Romantikerversteigerung fahren werde, um zu sehen „was noch zu retten wäre“.43 Der Großteil der 359 Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken wurde für knapp 200.000 Schweizer Franken versteigert. Darunter wurden 20 Werke von Max Slevogt an­ geboten, davon 15 Zeichnungen und Aquarelle (Losnummern 261–285) und fünf Grafi­ ken/Radierungen (Losnummern 351–355).44 Dank des annotierten Auktionskatalogs aus dem Nachlass des Berliner Museumsmannes Heinrich Brauer, konnten etliche Ankäufe lokalisiert werden.45 Fritz Nathan ersteigerte für sich, für Oscar Reinhart und den deut­ schen Waffenhändler Emil Bührle. Für letzteren 16 Werke, darunter Blechen und Men­ zel, aber auch ein Aquarell Slevogts, Francesco Andrade (Abb. 2).46 Anwesend waren die Direktoren der großen Schweizer Museen wie Georg Schmidt aus Basel in Begleitung seines ­Assistenten Zschokke sowie seines Vorgängers Otto Fischer. Erich von Kreibig aus München ersteigerte Blechens Lochmühle im Liebethaler Grund, das sich heute im Schinkel­ pavillon in Charlottenburg befindet. August Klipstein von der heutigen Galerie Kornfeld aus Bern ersteigerte mehrere Arbeiten u. a. von Käthe Kollwitz.

39 Hochstift Inv Nr. VI 1957–031, erworben 1957 von der Tochter Elisabeth Nathan-Sigrist; Provenienz Sohn Carus, Sohn Dahl, Julius Freund, seit 1941 Besitz von Fritz Nathan und seiner Tochter Elisabeth. Laut Museumsakte war Ernst Beutler, der damalige Direktor des Freien Deutschen Hochstifts/ Frankfurter Goethe-Museums mit Fritz Nathan und William Weinberg befreundet. 40 Fritz Nathan war zu 50% am Erlös der Auktion beteiligt. Es bestand ein Interessenskonflikt, da er gleich­ zeitig die Auktionspreise festlegte. 41 BA Koblenz 323–146/693. 42 BA Koblenz 323–146–681. 43 BA Koblenz 323–102/696 Posse an Bormann 15. III 1942. 44 https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/fischer1942_03_21 45 Die Autorin dankt Herrn Prof. Helmut Börsch-Supan für die Möglichkeit zur Einsichtnahme herzlich. 46 Das Blatt wird hier erstmals publiziert, wofür die Autorin dem Privatbesitzer Dr. Christian Bührle herzlich dankt.

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2 Max Slevogt, Francesco d'Andrade als Don Juan, Bleistift, leicht laviert mit Pinselretuschen, weißes Papier, 21 × 15 cm, Privatbesitz Erben Bührle, Schweiz.

Ob der saarländische Kunstsammler Franz Josef Kohl-Weigand für den Kauf der von ihm favorisierten Slevogt-Blätter persönlich bei der Freund-Auktion in Luzern anwesend war, ist unklar, aber unwahrscheinlich. Der expressionistische, späte Max Slevogt gehörte zu den unerwünschten Künstlern im nationalsozialistischen Deutschland, Weigand hätte solche Kunst nicht unter den Augen der Offiziellen kaufen können. Außerdem war es sehr schwierig als Privatmann Devisen zu erhalten. Vermutlich wurden die sechs Werke Slevogts aus der Sammlung Julius Freund, die sich aus der Schenkung Kohl-Weigand heute im Saarlandmuseum befinden, zunächst in der Schweiz verkauft und kamen über Zwischenhändler und -stationen ins Saarlandmuseum, wo sie schließlich von der für Provenienzforschung beauftragten Maité Schenten 2017 im Rahmen der entsprechenden Ausstellung Provenienzforschung am Saarlandmuseum publiziert wurden.47 Im Anschluss an diese Forschung wurde der Kontakt zu den Nachkommen Julius Freund aufgenommen und eine Einigung nach den Washingtoner Prinzipien erreicht. Das Saarlandmuseum konnte die Werke zurückerwerben, wo sie heute in der dauerhaften Präsentation „Bil­ der / Schicksale“ gezeigt werden.48 47 Maité Schenten, Bilder/Schicksale – Provenienzforschung am Saarlandmuseum, hg. von Roland Mönig, Kat. Ausst. Saarbrücken, Moderne Galerie, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, 2017, S. 23–24 sowie Kat. Nr. 33–38. 48 https://www.kulturgutverluste.de/Content/02_Aktuelles/DE/Meldungen/2020/April/2020–04–27_Saar­ laendischer-Kulturbesitz-Restitution-Slevogt-Freud.html

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Die 14 weiteren Slevogt-Blätter aus der Sammlung Freund, die 1942 versteigert wur­ den, konnten bisher noch nicht lokalisiert werden. Seit 1998, nach der Unterzeichnung der Washingtoner Prinzipien, werden die Prove­ nienzen in öffentlichen Sammlungen gezielt untersucht. Die Geschichte der Sammlung Freund wurde zunächst 2001 von der Schweizer Kommission Bergier publiziert,49 eine Berliner Anwaltskanzlei kontaktierte etwa zeitgleich die Erben Freunds und stellte einen Restitutionsantrag auf vier im Bundesbesitz Deutschland befindlichen Werke aus der Sammlung Freund. Dieser kam schließlich zur Entscheidung vor die Beratende Kom­ mission für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz, welche am 12. Januar 2005 in Berlin ihre erste Empfehlung gab. Unter dem Vorsitz von Jutta Limbach empfahl die Kommission der Bundesregierung, drei Gemälde von Karl Blechen und ein Aquarell von Anselm Feuerbach an die Erbengemein­ schaft nach den Eheleuten Julius und Clara Freund zurückzugeben.50 Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden klärten 2009 in einer gütlichen Einigung mit den Erben den Verbleib der weiteren 70 Kunst- und Mappenwerke, die von Hans Posse für den Sonder­ auftrag Linz erworben wurden und 1945 in Dresden verblieben.51 Beide Entscheidungen wirken bis heute für öffentliche Sammlungen und Privatbe­ sitzer als richtungsweisend, so kaufte die kanadische Nationalgalerie in Ottawa ein Ble­ chen-Aquarell 2008 erst nach Zustimmung der Erben Freunds an, und ein Werk Dahls kam erst nach der Einigung mit den Erben 2016 aus Schweizer Privatbesitz in den Kunst­ handel.52 Allein die Republik Österreich klammerte sich für drei Werke aus dem Ankauf Sonderauftrag Linz, die 1945 durch Überstellung durch die Alliierten an die Albertina gelangten, an das erst 1998 aktualisierte Gesetz zu Restitutionen und lehnte eine Rück­ gabe ab.53

Schlussbemerkung Gesetze werden oft erst auf Druck der öffentlichen Meinung aufgestellt, die Washingto­ ner Erklärung erfolgte erst 1998, damit 53 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, demnach drei Generationen später. Und so sind es die Enkel, die sich um ihr Erbe und ihre Geschichte bemühen: die Enkel der Kunsthändler, die Enkel der Auktionshäuser, die Enkel der Sammler… Transparenz und Dialog sind der Schlüssel zu einem Umdenken in Museen und auf dem Kunstmarkt.

49 Siehe Tisa-Francini/Heuss/Kreis 2001 (wie Anm. 2), u. a. S. 75–78 und S. 225–230. 50 Siehe Anm. 3. 51 https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/904750 52 https://www.daxermarschall.com/en/portfolio_category/recent-sales/page/13/, Katalog XXIV S. 50. 53 http://www.provenienzforschung.gv.at/en/freund_julius_2016–06–23/

Nicole Hartje-Grave

„Und ich habe immer das Gefühl, keiner versteht Sie so wie ich!“1 Der Sammler und Netzwerker Konrad Wrede

Seit der Max Slevogt-Retrospektive 2018 im Landesmuseum Hannover ist der Sammler und Förderer Konrad Wrede kein Unbekannter mehr.1Für den Katalog dieser Ausstel­ lung wurden erstmals die 33 überlieferten Briefe Wredes an Slevogt und die Antworten des Künstlers ausgewertet und mit dem umfangreichen Bestand seiner Gemälde und Grafiken, die sich seit der Stiftung Wredes 1954 im Niedersächsischen Landesmuseum befinden, in Verbindung gebracht.2 Bei der Sichtung der teils mehrseitigen Briefe wurden in erster Linie die Gemälde der Sammlung in den Blick genommen und in der Reihen­ folge ihres Ankaufs vorgestellt. Wie aus Wredes Briefen hervorgeht, galt sein Interesse anfangs hauptsächlich den Leinwandbildern und hier insbesondere den Darstellungen des Opernsängers Francisco d’Andrade und den Bildern aus dem Frankfurter Zoo, von denen er vier herausragende Beispiele erwerben konnte, und die er gern um das Gemälde Tiger im Zoo noch ergänzt hätte.3 Von 1907, dem Jahr des ersten Briefes Wredes an Slevogt, bis 1918 erwarb der Samm­ ler insgesamt 19 Gemälde, darunter eben jene vier Zoobilder (Abb. 1), zwei Porträts des Mozart­interpreten d’Andrade, mehrere kleinformatige Historienbilder, ein Blumenstill­ leben und mit dem Frauenraub und der Dame mit Katze auch zwei Großformate.4 Nach Ende des Ersten Weltkriegs verlegte er sein Sammlerinteresse in den Bereich der Grafik

1 Konrad Wrede an Max Slevogt am 07.05.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. Diese Briefstelle steht im Zusammenhang mit dem Wunsch Wredes, Slevogt nochmals zu treffen. 2 Nicole Hartje-Grave, „ ‚Ich bin schon ganz verslevogt…‘ Der Sammler Konrad Wrede und Max Slevogt“, in: Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag, hg. von Thomas Andratschke, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Petersberg 2018, S. 134–145. Alle 33 Briefe Wredes an Slevogt gehö­ ren zum schriftlichen Slevogt-Nachlass, der sich seit 2011 in der Pfälzischen Landesbibliothek in Speyer befindet. Für deren Einsicht und die Überlassung einiger Fotografien danke ich Dr. Armin Schlechter. Zu besonderem Dank bin ich Dr. Eva Wolf, Saarland Museum Saarbrücken, verpflichtet, die mir die Abschrif­ ten der schwer leserlichen Briefe großzügig zur Verfügung gestellt hat. 3 Nach der Begutachtung des Bildes Tiger im Zoo (heute Saarland Museum) im Atelier schreibt er am 17. Mai 1907, dass er es „sehr bedauert habe, dass der prächtige Tiger fort war; aber mehr noch, dass ein Fein­ schmecker sich das wundervolle Standbild herausgefischt hatte.“ Wrede an Slevogt am 17.05.1907, Landes­ bibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 4 Zu den Slevogt-Gemälden im Landesmuseum ist von Sigrun Paas ein Katalog erschienen: Max Slevogt. Gemälde 1889–1931, hg. von Heide Grape-Albers, bearb. von Sigrun Paas, Hannover 1999 (Galeriehand­ buch, 4) und Kat. Ausst. Hannover 2018 (wie Anm. 2).

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1 Japanzimmer mit Durchblick in die Gemäldesammlung Wrede, Postkarte der Villa Wrede, Hannover-Kleefeld, 15. Mai 1928, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

und kaufte bis in die dreißiger Jahre hinein 19 Feder- und Kreidezeichnungen, 54 druck­ grafische Arbeiten und 58 illustrierte Bücher. Der ausschließliche Erwerb von Papierar­ beiten war zum einen den schwindenden Vermögensverhältnissen Wredes geschuldet; zum anderen entwickelte er nicht nur ein wachsendes Verständnis, sondern auch eine hö­ here Wertschätzung von Slevogts grafischen Arbeiten. Diesem, für einen Slevogt-Samm­ ler einzigartigem Interesse, das mit der Zeit zum regelrechten Jagdfieber wurde, gilt dieser zweite Beitrag über den Hannoveraner Mäzen.

Konrad Wrede – ein vermögender Rittmeister, Sammler und Freund Wilhelm Buschs Wer war der passionierte Sammler Konrad Wrede, der Slevogt in seinen oftmals seitenlan­ gen Briefen geradezu schwärmerisch verehrte? Wrede wurde in Peine, unweit von Hanno­ ver, geboren und war der Typ des Sammlers, wie er zu Beginn des 20. Jahrhunderts häufig anzutreffen war: ein reiner Liebhaber der Künste, ohne kunsthistorische Vorkenntnisse

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2 Konrad Wrede an Bord der Najade Bremen, um 1900, Fotografie, Landes­bi­blio­ theks­zen­trum  /  Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

oder gar eines Studiums.5 Von Hause aus vermögend und unabhängig, ein Offizier ohne Familie, konnte er es sich schon im Alter von nur 38 Jahren erlauben, als Rittmeister sei­ nen Abschied zu nehmen und als Privatier seinen vielfältigen Interessen nachzugehen. Wie in den gehobenen Kreisen der Gesellschaft damals üblich, hatte Wrede zu Be­ ginn der 1880er Jahre eine militärische Laufbahn eingeschlagen und ging hierfür nach Stuttgart, in die Heimat seiner Mutter. Noch während seiner Zeit beim Militär, in der er bis zum „Königlich Württembergischen Rittmeister“ befördert wurde, ließ er sich 1893 „à la suite“ stellen, das heißt auf unbestimmte Zeit beurlauben, um gemeinsam mit sei­ nem Bruder Julius Wrede eine Weltreise anzutreten. Diese führte die beiden Junggesel­ len zunächst in die Vereinigten Staaten von Amerika (Abb. 2), von dort nach Mexiko und weiter nach Japan und Südostasien, anschließend nach Ceylon, Indien und Tibet sowie zum Schluss nach Nordafrika und Italien.6 Auf dieser Weltreise machte Wrede eine Vielzahl von Fotografien, schrieb intensiv Tagebuch und kaufte allerlei fremdartige Erinnerungsstücke sowie kleinere Kunstwerke und begründete damit eine Sammlung

5 Die Rekonstruktion von Wredes Leben ist aufgrund der dürftigen Quellenlage schwierig. Erste Anhalts­ punkte gibt der Beitrag von Christel Mosel, „Der Maler und Illustrator Slevogt in der Sammlung Wrede in Hannover“, in: Kunstgeschichtliche Studien, Herrn Prof. Dr. Richard Sedlmaier zum 60. Geburtstag dargebracht, München 1950, S. 1–13. Hinzu kommen der kurze Eintrag von Hugo Thielen im Hannoverischen Biographischen Lexikon von 2002, S. 359, und Notizen in den „Wrede’schen Familien-Nachrichten, März 2005“. Kopie eines Manuskripts im Wrede-Archiv im Landesmuseum Hannover. Vgl. zudem den Artikel N. N., „Besuch beim Busch-Sammler Wrede“, in: Hannoverischer Anzeiger, 29. August 1940, S. 3. 6 Vgl. hierzu die Wrede’schen Familien-Nachrichten, 2005, S. 18 (wie Anm. 5).

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ostasiatischer Kunst.7 Daneben legte er auch eine umfangreiche Briefmarken- und Münz­ sammlung an.8 Nachdem Konrad Wrede schon 1902 in München Kontakte zum Kreis der Simplizis­ simus- und Jugend-Künstler hatte und von diesen erste Gemälde und Aquarelle kaufte, entdeckte er 1904 in einer Ausstellung in Berlin den Maler und Grafiker Max Slevogt. Im Mai 1904 besuchte er ihn das erste Mal in seinem Atelier und war auf Anhieb begeistert von dessen Kunst. Aufgrund vergleichbarer familiärer Verhältnisse – sowohl Slevogts Vater als auch sein Bruder waren beim Militär – und der gemeinsamen Liebe zur Oper entwickelte sich zwischen den fast gleichaltrigen Männern eine Freundschaft, die sich in der Zeit von Wredes regelmäßigen Aufenthalten in Berlin von 1907–1911 noch vertiefte.9 1912 besuchte Slevogt den Sammler in seiner Villa in Hannover und signierte bei die­ ser Gelegenheit nachträglich seine Bilder und Zeichnungen. 1918 durfte Wrede ihn auf dessen Hofgut Neukastel in der Pfalz besuchen und ihm zur Anfertigung eines Exlibris Modell stehen (Abb. 3). Noch Jahre später erinnert er sich an diesen Besuch: Dabei kommt mir Neukastel in den Sinn! Wissen Sie noch, wir sassen bis spät in die Nacht hinein auf. Die Gattin hatte sich schon zurückgezogen, – Fuchs war auch dabei, die Römer klirrten aneinander, wir plauderten über dies und das, und die bläulichen Rauchwolken wogten phantastisch auf und nieder. Dann kam der Clou! Sie brachten das Skizzenbuch mit den Federzeichnungen zu den Märchen! Das war ein prächtiger Abend, da oben in den Bergen!10 Letztlich blieben die Begegnungen der beiden Männer aber selten; erst im März 1927 ist Slevogt nochmals Gast bei Wrede und steuert für den von Wrede herausgegebenen Prachtband Wilhelm Busch. Bildergeschichten und Zeichnungen ein Vorwort bei.11 Wrede revanchierte sich, indem er im Oktober 1928 die große Jubiläumsausstellung in Berlin 7 Insgesamt sind drei, teils veröffentlichte Reisetagebücher von Wrede bekannt: Sonnige Tage in San Diego. Nach Augenblicks-Aufzeichnungen verfasst, Hannover 1937; Streifzüge durch Ceylons Wunderwelt. Nach Augenblicks-Aufzeichnungen verfasst, Jahreswende 1893–1894, Hannover 1939 und Phantastische Nacht. 29. September 1893, Hannover 1943. 8 Die Münzen und Medaillen von Alt-Hannover vermachte Wrede wie seine Kunstsammlung der Stadt Hannover; seine Briefmarkensammlung wurde dagegen versteigert. 9 Wredes musikalische Liebe gehörte der Oper, hier vor allem den Werken von Richard Wagner, von denen er in Bayreuth und an anderen Spielstätten über 700 Aufführungen gesehen hatte. Mit Slevogt tauschte er sich über die Inszenierungen aus und hatte Gelegenheit, Aufführungen mit ihm gemeinsam zu besuchen. 10 Wrede an Slevogt am 28.11.1920, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 11 Schon vor dem Engagement für Slevogt hatte Wrede die Zeichenkunst Wilhelm Buschs für sich entdeckt. Auch bei diesem Künstler suchte er den persönlichen Kontakt, besuchte ihn und erwarb etwa 45 Zeichnun­ gen, Einblattdrucke und Autografen, die später an das Busch-Museum in Hannover gingen. Schon 1928 publizierte er diese in dem besagten Band: Wilhelm Busch. Bildergeschichten und Zeichnungen der Sammlung Wrede, mit einem Geleitwort von Professor Max Slevogt, Hannover 1928.

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3 Max Slevogt, Drei Bildnisskizzen von Konrad Wrede, 1918, Bleistiftzeichnung, 26,6 × 20 cm, mit Widmung: „Z. frl. Erinnerung an Neukastel, Max Slevogt“, Landesmuseum Hannover.

besuchte und ihm ausführlich davon berichtete.12 Der letzte Kontakt ist eine am 13. Juli 1932 datierte Postkarte Wredes an Slevogt.

Alle Regeln außer Kraft setzend – Max Slevogt als Grafiker Als Maler hat Slevogt lange auf Anerkennung warten müssen und sah sich hierfür genö­ tigt, dem Drängen von Bruno Cassirer und Walter Leistikow nachzugeben und 1901 in die neue Kunstmetropole Berlin zu ziehen, wo er mit der Vorstellung des Weißen d’Andrade 1902 den künstlerischen Durchbruch erlebte.13 Als Grafiker galt Slevogt dagegen schon 12 Der im Anschluss verfasste Brief Wredes an Slevogt und die beigelegten 11 Skizzen der Schauräume mit der Verzeichnung aller Exponate sind ein einzigartiges Zeugnis der ersten bedeutenden Ausstellung des Künstlers. 13 Zum künstlerischen Durchbruch in Berlin vgl. Nicole Hartje, „Max Slevogt – Die Berliner Jahre“, in: Max Slevogt. Die Berliner Jahre, hg. von Sabine Fehlemann, Kat. Ausst. Wuppertal, Von der Heydt-Museum, 2005, S. 9–27.

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früh als einer der besten. Dabei war es nie allein die beeindruckende Quantität seines grafischen Oeuvres mit über 2100 Arbeiten, auf die sich das Interesse bezog, sondern die künstlerische Qualität, die alle erdenklichen Themen und beinahe alle möglichen Techniken umfasste.14 Von der Vielfalt seiner Sujets zeugen Porträts, Tierstudien, Ge­ sellschaftssatiren, Illustrationen, Tischkarten, Randnotizen und alle Arten von Gelegen­ heitsarbeiten. Als Zeichenmittel bevorzugte Slevogt die Feder mit schwarzer oder brauner Tusche, den Bleistift und die Kreide; in der Grafik arbeitete er mit der Radierung, dem Holzschnitt und vor allem mit der Kreidelithografie, die der schnell hingeworfenen Skiz­ ze am ehesten entsprach. Um sich ein Bild davon zu machen, wie Slevogts grafisches Schaffen in seiner Zeit bewertet wurde, und wie Konrad Wrede dies rezipiert haben mag, lohnt ein Blick in die frühen Grafikkataloge und die einsetzende Literatur zu dem Künstler. Sowieso stand sein wichtigster Verleger, Bruno Cassirer, hinter Slevogts neuem grafischen Stil, auch dann noch als die Herausgabe von Ali Baba und die vierzig Räuber 1903 zu finanziellen Einbußen geführt hatte: […] hier war ein ganz neuer Illustrationsstil geboren. […] Der erste Mißerfolg reizte mich, meiner Überzeugung von Slevogts bahnbrechender Begabung weiteren Aus­ druck zu geben.15 Aber auch seine ersten Sammler, Förderer und Kritiker, unter ihnen Emil Waldmann und und Max J. Friedländer, erkannten Slevogts grafische Fähigkeiten an und schwärmten von seiner erheiternden, ironischen, skurrilen, schnellen und zuweilen auch boshaften Zei­ chenkunst: „So treibt er mit dem Vorteil des Künstlers dieses Vermögen zum Äußersten“, schreibt Friedländer, der Fachmann für die frühe niederländische Malerei, 1924: Alle scheinbaren Mängel, Flüchtigkeiten, Auslassungen sind nichts als stilnotwendige Opfer, die der Absicht gebracht werden, die von Bewegungsmotiven erfüllte Phantasie zu entlasten. […] In den vielen Bildern des ’Cellini’ entzückt die verschwenderische ­Fülle von Bewegungsmotiven, Gesten, Umrissen und Gruppierungen. Und ich sehe in diesem Reichtum das höchste Verdienst der Leistung und absolut ein hohes Verdienst.16

14 Siehe hierzu das zweibändige Verzeichnis der Grafik: Johannes Sievers und Emil Waldmann, Max Slevogt. Das druckgraphische Werk 1890–1914, hg. von Hans-Jürgen Imiela, San Francisco 1991 und Max Slevogt. Das druckgraphische Werk. Mappen, Bücher, Zeitschriften 1914–1933, hg. von Gerhart Söhn, Düsseldorf 1962. 15 Bruno Cassirer zit. nach Corinth, Liebermann, Slevogt. Die Zeichnungen der Niedersächsischen Landesgalerie, hg. von Heide Grape-Albers, bearb. von Christine Refflinghaus, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsische Landesgalerie, 1997, S. 32. 16 Max J. Friedländer, „Slevogts ’Benvenuto Cellini’“, in: Max Slevogt. Ein Verzeichnis der von ihm illustrierten Bücher, Mappenwerke und Grafiken, hg. von Bruno Cassirer, Leipzig 1924, S. 7.

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Für den Bremer Museumsdirektor Emil Waldmann hat Slevogt die zweifache Phanta­ sie – die Phantasie des Gedankens und die des Auges, die für ihn nur in der Grafik zum Ausdruck kommt: „Diese besondere Phantasie aber ist derart fruchtbar, dass all ihre Ge­ schöpfe unmöglich mit Pinsel und Farbe eingefangen werden können, sondern schnell und augenblicklich mit der Feder niedergeschrieben werden müssen.“17 Und auch Wilken von Alten, der 1926 mit einer Slevogt-Monografie hervorgetreten war, hebt dessen grafi­ sche Leistungen hervor: Und Slevogt, so sehr er Maler und vor allem impressionistischer Maler ist, würde das Persönlichste seiner Begabung nicht haben zur Kunst werden lassen können, wenn er sich nicht in der Graphik ausgedrückt hätte. Er erscheint im Grunde seines Wesens als ein in unsere Tage verschlagener Barockmeister. Das Phantasieren, das Schmücken, die Verwandlung der Welt in eine opernhafte Unwirklichkeit quillt ihm wie selbstverständlich aus seinem Blute. Man könnte sich ihn vorstellen, wie er Kir­ chengewölbe mit schwebenden Engeln und verzückten Heiligen, Palastwände mit Amoretten, Nymphen und neckischen Satyrn bevölkerte. Aber Wände haben ihm erst spät zur Verfügung gestanden. Die zu schmückende Buchseite hat sie ihm ersetzt. In seinen Zeichnungen für die ’Zauberflöte’ und den ’Faust’ ist er am reinsten er selbst.18 Tatsächlich war der Erfolg Slevogts als Grafiker unter seinen Zeitgenossen unumstrit­ ten: namentlich unter den Kunstinteressierten und -kritikern, Kunsthistorikern, Verle­ gern und Freunden der Buchkunst. Anhand dieser Äußerungen aus den 1920er Jahren wird deutlich, dass wichtige Zeitgenossen Slevogts Grafik nicht nur schätzten, sondern vielleicht sogar höher bewerteten als seine Malerei – ganz so, wie es für seinen frühen Sammler Konrad Wrede nachgewiesen ist. Die eigentliche Bedeutung Slevogts als Grafiker liegt aber in seiner Illustrationskunst, die „ihm für alle Zeiten eine seltene Stellung sichert“, wie es der ansonsten eher kritische Julius Meier-Graefe befand.19 Mehr als 2500 Zeichnungen für über 110 Publikationen verschiedener Art, darunter Bücher, Zeitschriften und Mappenwerke, hat der Künstler von 1895 bis zu seinem Tod 1932 geschaffen. Während er anfangs noch die zeitgenössi­ schen Dichter, etwa Frank Wedekind und Detlev von Liliencron, illustrierte, entdeckte er nach dem Umzug nach Berlin die Geschichten aus 1001 Nacht, Indianerromane, his­ torische Stoffe, Biografien, Märchen und Opern für seine Illustrationen, die seitdem zu einem neben der Malerei gleichwertigen Ausdrucksmittel wurden. Wie kaum einer seiner Zeitgenossen prägte er die Entwicklung der neuen Buchkunst und schuf mit Sindbad der

17 Emil Waldmann, Max Slevogts graphische Kunst, Dresden 1921, S. 6. 18 Wilken von Alten, Max Slevogt, Bielefeld und Leipzig 1926, S. 117–121. 19 Julius Meier-Graefe, Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, hg. von Benno Reifenberg und Annemarie Meier-Graefe-Broch, Bd. 1, München 1966, S. 370.

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Seefahrer von 1907, den Randzeichnungen zu Mozarts Zauberflöte von 1920 und mit Goethes Faust II von 1927 Meilensteine der impressionistischen Buchillustration. Während Text­ bilder bis dahin eng an das geschriebene Wort gebunden waren, scheint der literarische Text Slevogt – sofern er genügend Tempo und Leidenschaft besaß – geradezu beflügelt zu haben, um mit seinen Zeichnungen weit darüber hinauszugehen. In Worten und Textpas­ sagen entdeckte er Andeutungen, die er mit seiner scheinbar unerschöpflichen Phantasie ausschmückte und pointierte. Im freien Umgang mit Maßen und Techniken war er in der Lage, das Buch zu einem rein grafischen Kunstwerk umzugestalten.

„Was Bücher u. graph. Blätter betrifft, da tuts mir keiner gleich – weder ein Privatmann noch ein Museum“20 – Wrede auf der Jagd nach Slevogts Grafik Mit der Zeit entwickelte Konrad Wrede ein zunehmendes Interesse an Slevogts grafischen Arbeiten und maß ihnen eine höhere Bedeutung bei als dessen Malerei. Dementspre­ chend erwarb er seit 1918 ausschließlich Grafik für seine Sammlung, anfangs in erster Linie Zeichnungen, Aquarelle und Skizzenbücher, später vor allem die illustrierten Bü­ cher.21 Dieser gewandelten Wertschätzung folgend, erwarb er ‚nur‘ 19 Zeichnungen, aber 54 Grafiken und 58 Bücher und Mappenwerke. Wie sehr Wrede die Veranschaulichung der Klassiker schätzte und sich in ihre Betrachtung versenken konnte, schildert er dem Künstler am 10. Januar 1923: Nach den Greuelnachrichten in den Zeitungen greife ich Abends immer mit Be­ geisterung zu Ihren graphischen Arbeiten u. lasse mich in eine andere, eine bessere Welt dadurch versetzen. Zur Zeit sind die Märchenbücher, der Rübezahl u. w. an der Reihe. Ich kenne fast jede Zeichnung auswendig, geniesse jeden Strich mit größtem Wohlbehagen, u. komme aus dem Staunen über den Reichtum Ihrer Phantasie nicht heraus! Mit welch‘ geringen Mitteln wird stets der Nagel auf den Kopf getroffen u. die grosse Charakteristik herausgeschält! – So etwas sah man nie zuvor.22 Zu Beginn der zwanziger Jahre hatte er bereits viele herausragende Blätter zusammenge­ tragen und entwickelte ein regelrechtes Jagdfieber zur Komplettierung seiner Sammlung. 20 Wrede an Slevogt am 23.02.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 21 Meines Wissens gibt es von Seiten des Landesmuseums noch kein Inventar der Slevogt-Bestände aus der Sammlung Wrede. Einen ersten Überblick bietet der Kat. Slg. Hannover 1997 (wie Anm. 15). Eine Vielzahl an Abbildungen bietet dann der Kat. Ausst. Hannover 2018 (wie Anm. 2). 22 Wrede an Slevogt am 10.01.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. Mit den „Greuelnachrichten“ wird Wrede die schwere Wirtschafts­ krise des Deutschen Reiches und die hohe Inflationsrate gemeint haben.

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4 Max Slevogt, Hexentanz (Nächtlicher Tanz), 1903, Radierung, 16 × 22 cm, Landesmuseum Hannover.

Wie kam diese ungewöhnliche Kollektion zustande, welche Werke hat Wrede konkret gekauft und wer waren seine Händler? Für die ersten Jahre können Herkunft und An­ kaufsdatum seiner Grafiken genau nachgewiesen werden, denn seit 1907 führte er einen „Katalog der Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen, Stiche und Radierungen“, in den er die Provenienz und auch den Preis für jedes gekaufte Werk notierte.23 So kaufte er schon im September 1912 bei Paul Cassirer die Radierungen Selbstporträt und Hexentanz (Abb. 4) für 145,- Mark. Im folgenden Jahr sicherte er sich im Berliner Kunstkabinett von Israel Ber Neumann ein nicht näher bezeichnetes Skizzenbuch, den Sindbad, 6 Skizzenblätter, das Ali Baba-Buch, eine Federzeichnung für ‚Ritter Dresden‘ und Aquarelle aus Ali Baba, insgesamt für 770,- Mark – ein gut verhandelter Preis, vergleicht man diesen mit den 1.200,- Mark für das Gemälde Löwen im Käfig. In den nächsten Jahren kommen die Lithografien zum Lederstrumpf und zu Benvenuto Cellini hinzu, sowie eine Reihe grafischer Einzelblätter, darunter Der Radierer Hermann Struck, ein Somali, Don Quichote (Abb. 5), mehrere Selbstbildnisse und passend zu den Zoobildern die Radierung Schwarzer Panther, so dass er schon am 1. November 1911 schreiben konnte: „Immer größere Freude bereiten mir Ihre Arbeiten, und ich bin nicht wenig stolz, Sie so vorzüglich in meiner Sammlung vertreten zu haben! Was nicht ganz erstklassig ist, wurde aus der Sammlung ausgemerzt.“24 Dass er sich im Mai 1917 dazu entschließt, das Skizzenbuch Pawlowa (Abb. 6) zu erwerben, wundert kaum, 23 Bei dem genannten Katalog handelt es sich um das Adressbuch Wredes, in das er unter dem Namen des jeweiligen Künstlers alle Bilderkäufe notierte. Für die Einsicht in das für die heutige Provenienzforschung höchst aufschlussreiche Buch danke ich herzlich Herrn Dr. Thomas Andratschke. 24 Wrede an Slevogt am 01.11.1911, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100.

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5 Max Slevogt, Don Quichote, 1912, Vernis mou, 11,2 × 17,1 cm, Landesmuseum Hannover.

hatte er doch gemeinsam mit Slevogt im Mai 1909 eine Vorstellung der russischen Tän­ zerin Anna Pawlowa in der Berliner Kroll-Oper besucht: Was nun das Skizzenbuch (Pawlowa) anbelangt, so schrieb ich Ihnen schon vor länge­ rer Zeit, dass ich mich zum Erwerb desselben entschlossen hätte u. ich dasselbe später mal nach Berlin mitbringen würde, damit Sie Ihren Namen, wie Sie es mir derzeit versprachen, hineinschrieben.25 Wie aus dem handgeschriebenen Verzeichnis und auch aus den Briefen dieser Jahre klar hervorgeht, erwarb Wrede parallel zu den Gemälden von Anfang an auch die Grafik von Slevogt, auch wenn er sich zu Beginn auf vorbereitende Skizzen und „gemalte“ Zeich­ nungen, auf Aquarelle und grafische Einzelblätter, darunter auch die Mutter des Künstlers, Prinzessin auf der Erbse und die Märchenszene Sieben auf einen Streich, konzentrierte. Sle­ 25 Wrede an Slevogt am 16.05.1917, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. Bei einem Besuch Wredes in Berlin hatten beide Männer am 9. Mai 1909 eine Vorstellung der gefeierten Ballerina besucht. Noch während der Vorstellung hatte Slevogt Zeichnungen von der Tänzerin angefertigt. Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt. Eine Monographie, Karlsruhe 1968, S. 130, 386, Anm. 9.

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6 Max Slevogt, Skizzenbuch Pawlowa, 1909, Bleistift, Kreide und Aquarell, 19,6 × 15 cm, Landesmuseum Hannover.

vogt wusste die Anerkennung durch den Hannoveraner Sammler zu schätzen, beklag­ te aber immer wieder dessen nachlässige Zahlungsmoral: „Wenn es Ihnen bequem ist“, schrieb er am 9. Dezember 1914, „wäre mir im Augenblick auch die Regelung des letzten Erwerbs von Ihnen ‚Papageienmann‘ sehr erwünscht!“26 Entsprechend häufig bat Wrede um Geduld und Nachsicht bei der Bezahlung und schrieb vom „Krieg, der [ihm] einen mordsmäßig dicken Strich durch die Ausführung meines grandiosen Plans“27 gemacht habe und klagte über die durch Inflation und Wirtschaftskrise geprägte Zeit: Die Zeit lastet centnerschwer auf einem u. man vermag sich kaum mehr auf irgend­ etwas intensiv zu concentrieren! Das Wort ‚Steuer‘ tönt einem beständig in allen ­Variationen in’s Ohr! Man wird klapprig, mürrisch u. leidet unter allerhand nicht rosigen Stimmungen!28 26 Slevogt an Wrede am 9.12.1914. Eine Abschrift dieses Briefes befindet sich im Archiv des Niedersächsi­ schen Landesmuseums Hannover. 27 Wrede an Slevogt am 16.05.1917, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 28 Wrede an Slevogt am 06.10.1920 und am 16.05.1917, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzi­ sche Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100.

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7 Max Slevogt, Mahnung an Konrad Wrede, nach 1921, Federzeichnung, 11,5 × 17,3 cm, Landesmuseum Hannover.

Wie nachlässig Wrede bei der Bezahlung seiner Einkäufe war, belegt auch die wie immer witzige, wenn auch ernst gemeinte Zeichnung Slevogts (Abb. 7), in der die auf Wrede zielenden Gewehrsalven verkünden, für welche Werke die Bezahlung um 1921 noch aus­ stand: „Der Allgewaltige lässt durch seine Verleger-Garde seinen finanziell erschöpften treuen Kameraden Wrede niederknallen“.29 Auch ein vermögender Junggeselle wie Wre­ de bekam die Weltwirtschaftskrise der zwanziger Jahre zu spüren, die ihn nicht nur daran hinderte, weiter die Gemälde Slevogts zu kaufen, sondern die es ihm auch verwehrte, seine geliebten Reisen nach Berlin zu unternehmen: Ich bin gar nicht mehr im Bilde was Sie produzieren. Ein Jammer für mich, den gro­ ßen Slevogtschwärmer! Aber wenn man nach Berlin auf 1 oder 2 Tage kommen wollte, so müsste man ja auf der Straße kampieren, und das bekommt nicht schön, wenn man 54 Jahre u. noch etwas darüber ist. Mit Schrecken sehe ich daher, dass mit dem Aus­ bau der Sammlung schluss ist! Infam ist das! Ist viel entstanden? Kann mir denken, dass die Berliner auf der Lauer liegen und alles an sich reissen. Wir in der Provinz 29 Unter diesen Werken befanden sich um 1921 die Zauberflöte, Don Juan, Die Inseln Wak-Wak, Dornröschen, Cladower Fresken und Die goldene Kugel.

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8 Max Slevogt, Die Erstochene, vor 1896, farbige Kreidezeichnung mit Deckweiß und Aquarell, 39,8 × 29,7 cm, Landesmuseum Hannover.

haben das Nachsehen! Können Sie nicht für mich was in irgendeiner Ecke verstecken? Das wäre fein!30 Mit dem Ausbau der Slevogt-Sammlung war aber noch lange nicht „Schluss“, denn nach nur kurzer Unterbrechung erwarb er weiter Aquarelle – „die reinsten Bijoux“ – die Sle­ vogt-Erzählung Scherz und Laune von Johannes Guthmann – „übrigens ein ganz entzü­ ckendes Buch“ – und frühe Skizzen wie Die Erstochene (Abb. 8), die Schlafende, nackte Frau (Vorstudie für die Danaë) und das kleine Blatt mit Entwürfen für das Konzert aus dem eigenen Bestand. Dies sollten aber die letzten Frühwerke sein, denn wie Wrede schreibt, „wirken die blonden Bilder zwischen den älteren Arbeiten noch dunkler“ und […] „sie riethen mir aus diesem Grund von einer solchen Verquickung ab“.31 Abgesehen von wei­ teren ausgezeichneten Einzelblättern, darunter die Penthesilea, einige Rennskizzen, zwei Fassungen der Seelenmesse der Georgsritter, den Porträts von Karl Voll und der Frau des

30 Wrede an Slevogt am 26.01.1920, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 31 Wrede an Slevogt am 16.05.1917, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100.

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Künstlers und der Speisekarte zu Ehren des Geburtstages von Heinrich Kohl, sicherte Wrede sich auch fast alle wichtigen illustrierten Bücher, angefangen bei Ali Baba und die 40 Räuber, Sindbad der Seefahrer und Die Inseln Wak-Wak, zudem die antiken Erzählungen Achill, Hektor und Ovid sowie aus der Welt der Indianer Coranna, Lederstrumpf und Cortez, schließlich die Bücher zu Grimms Märchen und die Kinderlieder.32 Für den Musikliebhaber durften auch die meisterhaften Randzeichnungen zur Zauberflöte und Don Juan nicht fehlen. Vom Sammelfieber erfasst, war Wrede auf der Suche nach weiteren Arbeiten und schrieb am 21. März 1922: „Sollten sie mal einen Moment Zeit finden, so wäre ich Ihnen äußerst verbunden, wenn Sie mir kurz mitteilen würden, was demnächst an Graphik u. Büchern von Ihnen erscheint, um bei Zeiten an der Spitze sein zu können. Was Sie an Neuerschei­ nungen in dem damaligen Briefe erwähnten, konnte gottlob in der Sammlung vereint werden, die nunmehr sehr stattlich ist.33 Wie Wrede weiter berichtet, gelang ihm zu seiner Enttäuschung aber nicht jeder Kauf: Ich bemühte mich gleich um die Vorzugsausgabe der von Waldmann geschriebenen Biographie. Antwort: ‚Vergriffen‘! Also einfache Ausgabe! ‚König Drosselbart‘ ‚Ver­ griffen!‘ Gleiches gilt von den ‚Tapferen 10.000‘ u. den Märchen und Tierfabeln. Als im Frühjahr diese beiden letzteren Werke erschienen, saß ich im Dalles und jetzt könnte man bestenfalls nur auf einer Auction etwas davon erwischen. […] Aber auf derartige Schleckereien stürzen sich die valutastarken Männer wie die Raubtiere! Und ‚der Rhein‘. Auch dieser war weg? Der ‚Don Juan‘ (Gurlitt) ging mir auch durch die Lappen! Die Sammler Ihrer Arbeiten haben sich wie die Karnickel vermehrt und uns alte Slevogt-Gardisten buchstäblich nach allen Regeln der Kunst abgesägt.34 Es muss Konrad Wrede zu Gute gehalten werden, dass er nicht nur die historischen und heiteren Inspirationsfolgen schätzte, sondern auch die 1917 erschienene Folge Gesichte mit ironischen, teils zynischen Szenen (Abb. 9) aus dem Ersten Weltkrieg und 1923 auch die schonungslosen Illustrationen zur Passion kaufte: Nun bin ich rasend gespannt auf die Passionsfolge! Es war ja ein bodenloser Leicht­ sinn von mir, mich zu engagieren! Aber ich muss! die Serie haben; mag es biegen oder brechen! Und wenn ich auch deswegen manches aus meinem Haus verkaufen 32 Für eine vollständige Auflistung aller Werke der Sammlung Wrede mit ihrem damaligen Schätzpreis, siehe die im Stadtarchiv Hannover aufbewahrte Aufstellung. Die einzige wichtige Illustrationsfolge, die Wrede nicht besaß, war Faust II aus dem Jahr 1927 mit über 400 Lithografien. 33 Wrede an Slevogt am 21.03.1921, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 34 Die genannten Bücher, die ihm „durch die Lappen gegangen waren“, konnte er bei anderer Gelegenheit noch kaufen, nur häufig dann nicht mehr in den Vorzugsausgaben. Wrede an Slevogt am 13.12.1922, Lan­ desbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100.

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9 Max Slevogt, Granatfeuer, 1917, Kreidelithografie, 40 × 54,5 cm, Landesmuseum Hannover.

muss, was mir lieb und wert ist. Aber der Gedanke, ein solches Werk nicht zu besitzen, wäre für mich ganz unerträglich! Nun sehen Sie doch ein, dass es keinen größeren Slevogtverehrer geben kann, als den Petrikirchenmann Nr. 4.35 Im Jahr zuvor waren die Illustrationen zu den Inseln Wak-Wak mit ihren zarten Kreide­ lithografien erschienen, die mit weicher Strichführung und duftigen Schattenlagen die Üppigkeit des orientalischen Märchens zeigen. Hier erscheint zum Beispiel das dumpfe Trommeln des Zauberers aus der Wüste, in der Riesenkamele erscheinen, Wolkengebil­ den gleich, die Hassan mit großer Schnelligkeit durch die Luft tragen. Für Wrede sind diese Zeichnungen ein Heilmittel für die Seele: Und wenn man dann ganz misepetrich zu Mute ist, dann gehe ich zu meinem ‚Arz­ neischrank‘, greife nach den ‚Inseln Wak-Wak‘, den Abenteuern, nach all den anderen 35 Wrede an Slevogt am 07.05.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100.

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unerhört schönen Meisterwerken u. reise mit Ihnen Herr Professor in zauberhafte südliche Länder; […] Und je öfter ich die Blätter betrachte, desto mehr fascinieren sie mich!36 Zu den grafischen Schätzen von Wrede gehören auch die Illustrationen im Tagebuch des italienischen Künstlers Benvenuto Cellini, dem seine vielen Händel und Liebesaffären ebenso wichtig waren wie seine Kunst. Wie Cellini sich über die Geistlichkeit lustig macht, die ihn ungenügend bezahlte und untereinander intrigierte, und wie dieser die grotes­ ken Szenen an den Fürstenhöfen beschreibt, wusste keiner besser als Slevogt zu illustrie­ ren. Hier bot sich nochmals eine Fülle von Möglichkeiten, und er nutzte sie alle und gab mit seinen 305 kleinen Tusch-Lithografien ein höchst lebendiges Bild der italienischen Renaissance. Man kann sich nur zu gut vorstellen, wie Wrede sich „Abend für Abend“ in Slevogts Bücher und grafische Blätter versenkte: „Dann bin ich Ihnen von Herzen dank­ bar, dass Sie mich mit Ihren idealen Schöpfungen in höhere Regionen ziehen! So bin ich, – ohne dass Sie es wissen, manche Stunde, wenn auch räumlich weit getrennt, mit Ihnen eng vereint!“37. Mit der Zeit machte er sich auch Gedanken darüber, wer seine Sammlung einmal erhalten sollte: Alles und alles besitze ich ja, selbst das erhabene „Wak-Wakwerk“, in A-Ausgaben, nicht in Buchform. Das Museum, welches mich ’mal beerbt, kann sich gratulieren. Alle diese Schätze sind ja auf’s Genaueste katalogisiert; und Sie selbst würden stau­ nen, was alles von mir zusammengetragen wurde!38 Weiter bittet er ihn in seinem Brief um einen Besuch in Hannover, denn „im Keller [habe] ich noch etliche Pullen stehen, die wir verhaften können. Auch ein Klavier ist z. Zt. vor­ handen, auf dem Sie sich ergehen können. Kurzum wir wollten uns schon amüsieren.“39 Wrede musste lange auf einen Besuch warten, denn erst im März 1927 war Slevogt noch­ mals in Hannover.

36 Wrede an Slevogt am 07.05.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 37 Wrede an Slevogt am 23.02.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 38 Wrede an Slevogt am 29.06.1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 39 Wrede an Slevogt ebenfalls am 29.06.1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Lan­ desbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100.

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Konrad Wrede als Netzwerker – Austausch mit Bruno Cassirer und Emil Waldmann und der unermüdliche Einsatz für Slevogt in Hannover Konrad Wrede hatte sich mit der Zeit ein gutes Auge für die Kunst Slevogts angeeignet und ging bei seinen Ankäufen mit großer Sicherheit vor. Dennoch mochte er bei seiner Beschäftigung mit dem Künstler nicht allein sein, sondern suchte den Austausch und den Kontakt zum Bremer Museumsdirektor Emil Waldmann und zum Verleger Bruno Cassirer. Im Unterschied zu den Gemälden, die Wrede mit wenigen Ausnahmen alle bei ­Slevogt selbst gekauft hatte, erwarb er seine Grafik überwiegend auf Auktionen und im privaten Kunsthandel, vorzugsweise bei Israel B. Neumann, bei Paul Cassirer und bei dessen Cousin Bruno Cassirer, der seit Beginn der zwanziger Jahre zu seiner wichtigsten Bezugsquelle wurde: „Heute frage ich bei Bruno C. an, ob er nicht eine Buchausgabe von den ‚Tapferen 10.000‘ u. von ‚König Drosselbart‘ hätte, und zu welchem Preis er diese abgeben könnte.“40 Etwa ein Jahr später beklagte er sich darüber, dass er auf den „Cortez“, auf „Reinecke Fuchs“ und „Scherz und Laune“ warten muss, dabei hatte ich sie „schon lang bei Br. Cassirer bestellt“.41 Schon in München hatte Slevogt die Vettern Paul und Bruno Cassirer kennengelernt.42 Beide waren vom Talent und den Entwicklungsmöglichkeiten des in München so geschol­ tenen Malers überzeugt. Bruno Cassirer und Walter Leistikow gelang es dann auch bald, Slevogt durch ein verlockendes Angebot zum Umzug nach Berlin zu bewegen. Während Paul Cassirer sich in der Verantwortung zur Vermittlung von Slevogts Gemälden sah, sicherte Bruno sich die Gesamtrechte für dessen Grafik. Der Maler konnte sich glücklich schätzen, denn er hatte in ihm einen ungewöhnlich aufgeschlossenen und risikofreudigen Verleger gefunden, der schon 1903 mit Ali Baba ein erstes illustriertes Buch herausgab und ihm bei der Gestaltung von Text und Bild völlig freie Hand ließ.43 Dass Slevogt ihm den verlegerischen Mut hoch anrechnete, geht aus seinem Aufsatz Pro Domo von 1920 hervor:

40 Wrede an Slevogt am 21.02.1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. Ein ganzes Konvolut an grafischen Arbeiten konnte Wrede aus dem Besitz des frühen Slevogt-Freundes Karl Voll erwerben. 41 Wrede an Slevogt am 08.03.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 42 Vgl. zu Bruno Cassirer: Nicole Hartje, „Der Verleger Bruno Cassirer“, in: Kat. Ausst. Wuppertal 2005 (wie Anm. 13), S. 72 und Karin Kreuzpaintner: „Das Auge sieht, was es sucht...“ , in: Mit Phantasie und Schöpfer­ laune. Max Slevogt als Graphiker und Illustrator, hg. von Franz Niehoff, Kat. Ausst. Landshut, Museum im Kreuzgang, 2009 (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut, 27), S. 15–25, hier S. 21–22. 43 Zur Veröffentlichung von „Ali Baba und die 40 Räuber“ mit seinen in Format und Technik sehr unter­ schiedlichen Zeichnungen vgl. Refflinghaus 1997 (wie Anm. 15), S. 31–32.

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Der Verleger dieses Almanachs war der erste, der nicht ohne Besorgnis, aber mit Be­ wusstsein wagte, von der klar festgelegten Form des geforderten, gut illustrierten Buches abzuweichen, um einer grundsätzlich anderen Gattung öffentlich Raum zu geben.44 Wrede wusste um den großen Grafik-Bestand des Verlegers – war aber selbstbewusst genug, um sich mit diesem zu messen: „[…] was Bücher u. graphische Blätter betrifft, da tuts mir keiner gleich, – weder ein Privatmann noch ein Museum. Höchstens Sie [Slevogt] selber und Bruno Cassirer!“45 Anders war es mit dem Direktor der Bremer Kunsthalle und Autor einer frühen Sle­ vogt-Monografie, Emil Waldmann (vgl. Abb. 9, S. 204), mit dem Wrede sich regelmäßig über Slevogt austauschte und mit dem er, wie am 8. März 1923 schreibt, „in ziemlich flottem Briefverkehr“ stand. Deutlich früher als andere deutsche Museen, darunter die Berliner Nationalgalerie, die Hamburger Kunsthalle und die Münchner Museen, hat­ te Waldmann Slevogt für sein Museum entdeckt und baute für die Bremer Kunsthalle systematisch eine Slevogt-Sammlung auf.46 Am Ende seiner Tätigkeit hatte er von dem Künstler sechs Gemälde, eine Ölstudie und eine Vielzahl von Grafiken erwerben können, darunter die frühe Landschaft Jäger am Abhang, das ausgezeichnete Bildnis des Musikers Conrad Ansorge von 1915 (Taf. X) und die späte thematische Komposition Fernando Cortez vor Montezuma. Wie der Kontakt zwischen Waldmann und Wrede zustande kam, ist nicht bekannt, sicher ist aber, dass der Bremer Kunsthallendirektor bei seinem Engagement die wich­ tigen Slevogt-Sammler kannte, und so auch auf Wrede gestoßen war.47 Für seine 1920 gezeigte Ausstellung in Bremen war Waldmann auf Leihgaben aus Privatbesitz angewie­ sen und suchte auch den Kontakt nach Hannover: „Waldmann besuchte mich auf seiner Rückreise von Süddeutschland vor etwa 3 Wochen u. ließ dann durch Herrn v. Alten, sei­ nen Adjudanten, das Brustbild und den Andradekopf zur Bremer Ausstellung abholen.“48 Wie Wrede später schreibt, schätzte Waldmann nicht nur die Gemälde, sondern auch die Slevogt- Grafik, denn er „gratulierte [ihm], dass [er] so fest bei den graphischen Arbeiten zupackte, […].“49 Mit der Zeit dürfte zwischen dem Museumsmann und dem Sammler ein 44 Zitiert nach Imiela 1968 (wie Anm. 25), S. 67–68. 45 Wrede an Slevogt am 23.02.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 46 Siehe hierzu den Beitrag von Dorothee Hansen in vorliegendem Band, S. 187–210. 47 Auch Dorothee Hansen kann den Zeitpunkt ihres erstmaligen Zusammentreffens nicht nennen, weiß aber aus einem Brief Waldmanns an Slevogt, dass dieser ihm bereits 1910 seine Werke gezeigt hatte. Vgl. ebd., S. 188. 48 Wrede an Slevogt am 18.06.1920, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 49 Wrede an Slevogt am 28.11.1920, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100.

Der Sammler und Netzwerker Konrad Wrede

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freundschaftliches Verhältnis entstanden sein, denn „wenn der gute Waldmann bei mir einkehrt, wird tüchtig von Ihnen geschwatzt. Und welche Wohltat ist’s sich ein bisschen aussprechen zu können; hauptsächlich, wenn man, wie ich, so im Verborgenen blüht!“50 Waldmann war aber nicht nur ein engagierter Sammler von Slevogts Arbeiten, son­ dern trug durch seine zahlreichen Publikationen auch maßgeblich zur Bekanntheit des Künstlers bei. Nach mehreren Veröffentlichungen über Slevogt als Illustrator (1912), über dessen Bilder aus Ägypten (1915) und die Aquarelle (1918), verfasste er schon 1920 in der Zeitschrift Kunst und Künstler unter dem Titel Eine Slevogt-Sammlung einen ausführlichen Beitrag über die Wrede-Sammlung und stellte dabei fest, dass Slevogt bis dahin kaum in öffentlichen Museen vertreten sei.51 Wrede kannte dessen Schriften und kritisierte, dass bei der Grafik „eine gewisse Confusion herrsche! Und diese müsste Waldmann in seinem Nachschlagebuche beseitigen; auch könnte es nicht schaden, wenn er bei der Ausfüh­ rung Ihrer Erzeugnisse die betreffenden Verleger erwähnen würde.“52 Wie es im Brief vom 13. Dezember 1922 weiter heißt, „hat er [Waldmann] in seinem letzten Opus über Ihre Graphik in den Tafelerläuterungen manche Pudel gemacht, die bei einer Neuauflage ausgemerzt gehören.“ Schließlich wird deutlich, dass ein Buch über die Slevogt-Grafik nicht mehr ohne die Kenntnis des Wrede-Bestandes möglich ist. Vor der Herausgabe ei­ nes ersten Verzeichnisses erwartete Wrede den Besuch von Waldmann und berichtete nicht ohne Stolz: […] er [Waldmann] wolle bestimmt im Laufe des Winters, wenn er hier seinen 2. Vor­ trag hielte, mich aufsuchen, denn er müsse mit mir ‚alle Slevogtfragen‘, auch bezüg­ lich des Katalogs Ihres graphischen Schaffens durchsprechen, denn er könne ohne genaue Kenntnis auch meiner Sammlung u. meiner Notizen einen solchen Katalog nicht machen.53 Kurz nach diesem Besuch erschien von Waldmann die Schrift Max Slevogt. Der Grafiker und Illustrator mit einer Vielzahl von Abbildungen aus Wredes Bestand.54

50 Wrede an Slevogt am 29.06.1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 51 Emil Waldmann, „Eine Slevogt-Sammlung“, in: Kunst und Künstler, Jg. 18, 1920, H. 3, S. 98–107, hier S. 99. Wie sehr Waldmann das mangelnde Verständnis der deutschen Museen gegenüber Slevogt bedauerte, macht er in seinem Aufsatz über die Wrede-Sammlung deutlich. 52 Wrede an Slevogt am 13.12.1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 53 Wrede an Slevogt am 13.12.1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 54 Bei der von Wrede erwähnten Grafik-Veröffentlichung handelt es sich um: Emil Waldmann, Max Slevogt. Der Grafiker und Illustrator. Katalog zur Ausstellung des gesamten grafischen Werkes, meist in Probedrucken, sowie eine Auswahl Zeichnungen und Aquarelle, Dresden, Galerie Ernst Arnold, 1922.

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So wie Wrede eng mit Emil Waldmann zusammenarbeitete und ihm Leihgaben zur Verfügung stellte, so engagierte er sich auch in Hannover für seinen Slevogt. Schon früh setzte er sich – leider vergeblich – für die Ausmalung des Rathaussaales ein und machte auch beim örtlichen Provinzialmuseum Werbung für ihn. Schon im Juli 1911 konnte er Slevogt von seiner Fürsprache berichten: Ich hoffe mit Ihren Arbeiten in Hannover etwas befruchtend wirken zu können. So wurde neulich der Direktor unseres Provinzial-Museums, als er Ihre Arbeiten bei mir sah, schon höllisch neidisch und wird wohl baldigst auch an sie (resp. Cassirer) herantreten; er hat Geschmack und erwarb vor einigen Monaten einen Neger von Trübner, ein famoses Bild.55 Ein halbes Jahr später schrieb er Slevogt, wie er auch bei anderen Museumsleuten für ihn warb: Von Museumsdirektoren waren bislang zur Besichtigung da, Dr. Pauli-Bremen, u. die Herren Brinkmann (Kestner Museum Hannover) u. Dr. Brüning (auch Hannover Pro­ vinzialmuseum). Den letzteren habe ich recht scharf gemacht auf Sie, und ich hoffe, dass er in absehbarer Zeit eine grössere Arbeit von Ihnen erwerben dürfte. Die Ver­ hältnisse des hiesigen Museumsvereins liegen eigentlich noch arg darnieder; schade! Denn Geld genug wäre disponibel, um sich erstklassige Arbeiten zu sichern! Wenn nur mehr Verständnis vorhanden wäre.56 Als Wrede sich im November 1920 Gedanken darüber machte, welches Museum ihn ein­ mal beerben könnte – „Stuttgart wäre mir am sympathischsten“ – beklagte er nochmals das mangelnde Interesse der Hannoveraner Museen an Slevogt: Wäre ich in Hannover eine einflussreiche Persönlichkeit gewesen, so stände schon seit Jahr und Tag ein Slevogtmuseum in Hannover, das sich gewaschen hätte! Aber ich habe mir, wie Sie wissen, die Zunge lahm geredet u. stets tauben Ohren gepredigt! Die Stadtväter wussten alles besser! Nun haben wir den Salat! Der Säckel ist leer u. die Kuh zum Stall draussen.57 55 Wrede an Slevogt am 09.07.1911. Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. Bei dem erwähnten Bild von Trübner handelt es sich um Rauchender Mohr, Öl auf Leinwand, 61,5 × 49,5 cm, Hannover, Niedersächsische Landesgalerie Hannover, Inv.Nr. 697. 56 Wrede an Slevogt am 01.11.1911, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 57 Wrede an Slevogt am 28.11.1920, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100.

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In den folgenden Jahren wurde das Provinzialmuseum modernisiert, so dass der dama­ lige Direktor Heinrich Tramm Licht und Platz für seine Neuerwerbungen hatte, unter denen sich aber nur ein einziges Slevogt-Bild befand: Das hiesige Provinzialmuseum hat jetzt eine Flucht heller Säle den städtischen Bil­ dern eingeräumt, die in erster Linie Tramm eingekauft hat. Mit Schuch’s hatte er sich über u. über eingedeckt, Liebermann, Corinth sind stattlich vertreten, aber Sie leider immer nur noch mit dem Frankfurter Stadtbild! Und das ist für Sie keine genügende Vertretung, so schön das Bild auch ist.58 Am meisten bedauerte er es aber, dass aus der Ausmalung des Rathauses nichts geworden war: „Es ist doch ein Jammer, dass sich derzeit der Plan mit der Ausmalung des hiesigen Rathaussaales zerschlagen hat! Das wäre für mich ein Fressen gewesen, […].“59

„Von der graph. Sammlung würde ich mich […] nicht getrennt haben“ – Wohin mit den Slevogt-Beständen? Es ist Konrad Wrede hoch anzurechnen, dass er sich schon früh Gedanken machte, was mit seinen umfangreichen Sammlungen nach seinem Tod passieren sollte. Für die Münz­ sammlung und die Ethnografika hatte er die Hannoveraner Museen ins Auge gefasst; im Hinblick auf seinen Slevogt-Bestand war er dagegen lange unschlüssig und liebäugelte mit Stuttgart: Hätte der Krieg einen anderen Ausgang genommen, so würde ich mir auf den Höhen meines geliebten Stuttgarts ein kl. Häuschen erworben haben u. hätte die Sammlung schon zu meinen Lebzeiten dem dortigen Museum überlassen. Das wäre ’ne feine Sache geworden und dazu der grosse weisse d’Andrade!60 In demselben Brief wird aber auch deutlich, dass ihm mit der Zeit seine grafische Samm­ lung wertvoller war als die Gemälde, denn weiter heißt es: „von der graph. Sammlung würde ich mich allerdings vor der Hand nicht getrennt haben. Denn auch daheim muss man von feiner Kunst umgeben sein.“ Auch wenn Slevogt weitaus weniger Briefe an Wre­ 58 Wrede an Slevogt am 08.04.1924, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 59 Wrede an Slevogt am 07.05.1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. 60 Wrede an Slevogt am 13.12.1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbiblio­ thek Speyer. Nachlass Max Slevogt N 100. Mit dem „Weißen d’A ndrade“ ist das gleichnamige Bild gemeint, das schon 1904 vom Museum in Stuttgarter erworben wurde.

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de geschrieben hat, als der alleinstehende Privatier ihm, muss er den Sammlereifer seines Hannoveraner Mäzens sehr geschätzt haben. Am 13. Dezember 1922 freut Wrede sich über dessen Anerkennung: Die Bemerkung in Ihrem [Slevogts] Briefe, dass Sie niemanden kennen, in dessen Besitz Sie die Sammlung lieber wüssten als bei mir, ist mir wirklich glatt herunterge­ gangen! Ein neuer Ansporn zum weiteren Ausbau!61 Der „neue Ansporn“ war durchaus ernst gemeint, denn auch danach kaufte Wrede weiter und gab seine Slevogt-Schätze nicht nach Stuttgart, sondern ließ sich von Carl Küthmann, dem damaligen Direktor des Kestner-Museums, überzeugen, sie 1946 der Stadt Hannover zu schenken.62

61 Als der Brief am 13.12.1922 verfasst wurde, war die grafische Sammlung noch lange nicht komplett. In den kommenden Jahren sollten noch viele Erwerbungen folgen. 62 In der Geschichte des Kestner-Museums heißt es: „Ein erster großer Erfolg in der Nachkriegsarbeit Küth­ manns war die Übernahme der umfangreichen Sammlungen des 1947 in Kleefeld verstorbenen hanno­ verischen Kunstsammlers und Mäzens Rittmeister Konrad Wrede. […] Ein Teil der Wredeschen Grafiken wurde im Januar 1949 in einer vielbesuchten Sonderausstellung im Kestner-Museum gezeigt. Vgl. 100 Jahre Kestner-Museum Hannover, 1889–1989, hg. von Ulrich Gehrig, Hannover 1989, S. 51. Nachdem die Gemälde anfangs noch im Kleefelder Haus gezeigt wurden, wurden sie 1954 Teil der Schausammlung im Landesmuseum.

Marcus Andrew Hurttig

Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914

Das Königlich Sächsische Meteorologische Institut in Chemnitz gab für Mittwoch, den 13. April 1904, folgenden Wetterbericht bekannt: „Leichte südöstliche Winde bringen vielfach heiteres, wärmeres Wetter […] Prognose für den 14. April. Wetter: Unsicher. Temperatur: Normal. Windursprung: Südost. Barometer: Mittel.“1 In Leipzig sollten die Temperaturen nicht über 6 Grad ansteigen. Für Schlagzeilen sorgten in jenen Tagen im Lokalteil der Leipziger Volkszeitung das Feuer in einer Pelzwarenfirma, mehrere leichte und schwere Verkehrsunfälle, die Festnahmen eines 21 Jahre alten Buchhandlungsgehil­ fen wegen Betrugs und einer bereits vorbestraften 46 Jahre alten Frau wegen Diebstahls; ferner die Wiedereinstellung der streikenden Arbeiter bei der Transportfirma Max Peter, die Vermisstenmeldung des suizidgefährdeten Schneidergesellen Gustav Sworowsky und die Verhaftung eines 51 Jahre alten Arbeiters wegen des dringenden Verdachts der Verge­ waltigung an einem Mädchen.2 Zweifellos, die seit dem Mittelalter bekannte Messe- und Universitätsstadt hatte sich seit der Reichsgründung 1871 zu einer von Hektik und Chaos geprägten modernen Großstadt entwickelt. Ihre Einwohnerzahl war explosionsartig von ca. 100.000 (Stand 1871) auf über 400.000 (Stand 1900) angestiegen.3 Sie war mit Abstand der führende Um­ schlagplatz für Pelzhandel sowie ein Hochtechnologiestandort für Buchdruck und damit einhergehend Hauptstadt der Verlage im deutschen Kaiserreich. 1895 begann die syste­ matische Elektrifizierung Leipzigs durch die Inbetriebnahme des ersten Kraftwerkes zur Stromerzeugung. Spätestens 1898 fiel die Entscheidung zum Bau eines monumentalen Kopfbahnhofes, der Leipzig zu einem internationalen Verkehrsknotenpunkt mit mehr als zehn Millionen Fahrgäste im Jahr aufstiegen ließ.4 Täglich erschienen mit den Leipziger Neueste Nachrichten, dem Leipziger Tageblatt, der Leipziger Volkszeitung und Leipziger Zeitung vier konkurrierende lokale Tageszeitungen.

1 Dresdner Nachrichten, 14. April 1904. Folgender Beitrag stellt die gekürzte und veränderte Fassung des Aufsatzes dar, der im begleitenden Katalog zur Ausstellung Impressionismus in Leipzig: Liebermann, Slevogt, Corinth. 1900–1914, hg. von Marcus Andrew Hurttig und Alfred Weidinger, Leipzig, Museum der bilden­ den Künste, 2018, publiziert wurde. 2 Vgl. Leipziger Volkszeitung, 13. Februar 1904 und 14. Oktober 1904. Im weiteren Verlauf wird in den ent­ sprechenden Fällen das generische Maskulinum verwendet, das Femininum wird dabei stets mitgedacht. 3 Vgl. Anett Müller, „Großstadtwerdung“, in: Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 3: Vom Wiener Kongress bis zum Ersten Weltkrieg, hg. von Susanne Schötz, Leipzig 2018, S. 451–458, S. 451 und S. 457. 4 Vgl. Anett Müller, „Kommunale Leistungsverwaltung und Daseinsvorsorge“, in: Schötz 2018 (wie Anm. 3), S. 474–511, S. 478.

174 Marcus Andrew Hurttig

1 Hermann Vogel, Museum der bildenden Künste Leipzig, um 1907, Fotografie, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig.

Im April 1904 bot sich für den kunstinteressierten Leipziger ein vielfältiges Kulturan­ gebot an. Die Galerie Pietro Del Vecchio zeigte Gemälde des Belgiers Henry Luyten, da­ runter als Höhepunkt sein 11 Meter breites Monumentalgemälde Der Kampf ums Dasein mit der Darstellung eines Bergarbeiterstreiks. Die Kunsthalle P. H. Beyer & Sohn konnte mit einer Zeichnungsausstellung von Alfred Kubin und mit Gemälde-Kollektionen von Franz Hecker aus Osnabrück und Ludwig von Jordan aus Weimar aufwarten. Im Kunst­ salon Mittentzwey-Windsch waren Landschaftsbilder der Künstlergruppe Glasgow-Boys ausgestellt.5 Der Leipziger Kunstverein richtete im Museum der bildenden Künste gleich mehrere Einzelausstellungen aus. Den repräsentativen Oberlichtsaal teilte sich die Karls­ ruher Künstlergenossenschaft (40 Gemälde und Skulpturen) mit Max Slevogt (18 Gemäl­ de und mehrere Pastelle). In den Nebenräumen fand eine Kabinettausstellung des 1894 verstorbenen spätromantischen Malers Woldemar Hottenroth aus Dresden statt, die sein Sohn eingerichtet hatte.6 Eine eindrucksvolle kuratorische Leistung, die, wenn man den Zeitungsannoncen trauen darf, noch um die Präsentation von Landschaftsbildern des

5 Leipziger Tageblatt, 16. April 1904 und 1. Mai 1904. 6 Leipziger Neueste Nachrichten, 17. April 1904.

Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914

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2 Oberlichtsaal, Ansicht der Ausstellung Giovanni Segantini, Leipziger Kunst­ verein im Museum der bildenden Künste Leipzig, 1903, Fotografie, Museum der bildenden Künste Leipzig.

Belgiers Paul Mathieu und Aquarellen von Max Fritz aus Lübben im Eingangssaal erwei­ tert wurde (siehe Dok. 1).7 Der Leipziger Kunstverein, 1837 gegründet und seit Bestehen des Museums für das Ausstellungsprogramm verantwortlich, organisierte im Vereinsjahr 1903/04 mehr als 55 Ausstellungen.8 Hierfür standen ihm mit dem 1858 errichten Gründungsbau des Muse­ ums der gesamte Westflügel mit einem großen Oberlichtsaal und angrenzenden Kabi­ netträumen zur Verfügung (Abb. 1 und 2). Bis zu vier Einzel- oder Gruppenausstellungen mit durchschnittlich vierwöchigen Laufzeiten wurden gleichzeitig gezeigt. Die Frage stellt sich, wie diese imposante Leistungsschau organisatorisch bewerkstelligt werden konnte. Das wissenschaftliche Museumspersonal, das im Kern aus dem Direktor Theodor Schreiber und seinem Assistenten Julius Vogel bestand, konnte dieses Arbeitsvolumen zweifellos nicht alleine bewältigen. Der Leipziger Kunstverein, der erst 1913 eine für das Ausstellungsprogramm verantwortliche Kustodenstelle erhielt, wurde gleichsam in Per­ sonalunion vom Museumsdirektor Schreiber geleitet.9 Die Realisierung der zahlreichen 7 Leipziger Tageblatt, 1. Mai 1904. 8 Dreiunddreißigster Bericht des Leipziger Kunstvereins, Leipzig 1905 (darin enthalten die Jahresberichte 1903 bis 1905), S. 5–7. 9 Theodor Schreiber war von 1886 bis zu seinem Tode 1912 Direktor des Museums. Sein Nachfolger Julius Vogel, von 1888 bis 1912 Direktorialassistent, leitete das Museum bis 1923. Erster Kustos des Leipziger Kunstvereins wurde 1913 Karl Lilienfeld (bis April 1915). Zum Stellenplan des Museums siehe Verwaltungsbericht der Stadt Leipzig für die Jahre 1909–1913, Leipzig 1920, S. 288–289. Zu Schreiber und Vogel siehe Museum der bildenden Künste Leipzig. Das Buch zum Museum, hg. von Hans-Werner Schmidt, Leipzig 2004, S. 110, S. 260 f. Zu Lilienfeld siehe Marcus Andrew Hurttig, „Emil Nolde und die Künstler der Brücke im Leipziger Kunstverein. 1904–1914“, in: Nolde und die Brücke, hg. von Hans-Werner Schmidt und Anette Hüsch, Kat. Ausst. Leipzig, Museum der bildenden Künste, München 2017, S. 226–235, S. 229.

176 Marcus Andrew Hurttig

Ausstellungen hatte der Leipziger Kunstverein zu einem Großteil dem Engagement seiner Mitglieder und der Eigeninitiative von Künstlern und Künstlerinnen zu verdanken. So ging die Idee im Sommer 1904 den noch vollkommen unbekannten Maler Emil Nolde aus­ zustellen, auf das Vereinsmitglied Hans Fehr, Leipziger Jura-Student und Jugendfreund des Künstlers, zurück.10 Ein weitaus bedeutenderer Grundpfeiler zur Durchführung des Ausstellungspro­ gramms waren die Galerien und Kunsthandlungen aus Leipzig und anderen Städten wie Berlin, Dresden und München, mit denen der Kunstverein ab 1895 zunehmend koope­ rierte. Dank dieser Zusammenarbeit konnte die Ausstellungsfrequenz von durchschnitt­ lich 30 auf über 60 Positionen pro Jahr gesteigert werden.11 Als wichtigster strategischer Partner in diesem Galerienverbund trat um 1903 für den Bereich moderne Kunst die Kö­ niglich Sächsische Hofkunsthandlung Ernst Arnold in Dresden hervor. Ludwig Gutbier, der die Leitung der 1818 gegründeten Galerie im September 1902 übernahm, setzte den Schwerpunkt seiner Ausstellungstätigkeiten auf die jüngsten Malereientwicklungen aus Frankreich und Deutschland.12 In Zusammenarbeit mit der Berliner Galerie Paul Cassirer organisierte er 1904 die Gruppenausstellung Impressionisten und Neo-Impressionisten und im Herbst 1905 die Doppelausstellung Vincent van Gogh, Constantin Guys.13 Auch die so­ genannten deutschen Impressionisten erhielten sehr früh Einzelausstellungen: 1902 war Max Liebermann mit einer Werkkollektion von 21 Gemälden und 1904 war Max Slevogt mit einer Werkkollektion von 41 Gemälden in der Galerie vertreten.14

10 Vgl. Hurttig 2017 (wie Anm. 9), S. 228, S. 233. 11 Ohne Galeriekooperationen siehe Bericht des Leipziger Kunstvereins, Leipzig 1896 (enthält die Jahresberichte 1893 bis 1895), S. 7–8 (28 Ausstellungen); Bericht des Leipziger Kunstvereins, Leipzig 1898 (enthält die Jah­ resberichte 1895 bis 1897), S. 7–8 (28 Ausstellungen); mit Galeriekooperationen siehe Bericht des Leipziger Kunstvereins, Leipzig 1900 (enthält die Jahresberichte 1897 bis 1899), S. 7–10 (62. Ausstellungen); Bericht des Leipziger Kunstvereins, Leipzig 1902 (enthält die Jahresberichte 1899 bis 1901), S. 7–10 (89 Ausstellun­ gen); Zweiunddreißigster Bericht des Leipziger Kunstvereins, Leipzig 1903 (enthält die Jahresberichte 1901 bis 1903), S. 7–11 (108 Ausstellungen); Leipziger Kunstverein 1905 (wie Anm. 8), S. 5–9 (106 Ausstellungen); beteiligte Galerien in Auswahl vor 1905: Kunsthandlung Keller & Reiner, Berlin; Kunstsalon Emil Richter, Dresden; Kunsthalle P. H. Beyer & Sohn, Leipzig; Kunsthandlung Hermann Vogel, Leipzig; Kunsthand­ lung Heinemann, München; E. A. Fleischmann’sche Hofkunsthandlung, München – Zur Zusammenarbeit von Galerien und Kunstvereinen in Deutschland um 1900 siehe Ruth Negendanck, Die Galerie Ernst Arnold (1893–1951). Kunsthandel und Zeitgeschichte, Weimar 1998, S. 27–28. 12 Zur Geschichte der Galerie siehe Negendanck 1998 (wie Anm. 11), S. 65–78. Zur Zusammenarbeit der beiden Galerien siehe ebd., S. 31–32, S. 109, S. 190, S. 401, Nr. 71. 13 Deutsche und französische Impressionisten und Neo-Impressionisten, Kat. Ausst. Dresden, Kunst-Salon Ernst Arnold, 1904; Vincent van Gogh, Constantin Guys, Kat. Ausst. Dresden, Kunst-Salon Ernst Arnold, 1905 (mit einer Einführung von Hans Rosenhagen); vgl. Negendanck 1998 (wie Anm. 11), S. 401, Nr. 71, S. 407, Nr. 82. 14 Max Liebermann. Sonder-Ausstellung von Gemälden und Handzeichnungen, Kat. Ausst. Dresden, Königl. Sächs. Hofkunsthandlung Ernst Arnold, 1902 (mit einer Einführung von Hans Rosenhagen), vgl. Negendanck 1998 (wie Anm. 11), S. 107, S. 392, Nr. 55; Professor Max Slevogt. Sonder-Ausstellung von Gemälden und Plastiken, Kat. Ausst. Dresden, Kunst-Salon Ernst Arnold, 1904 (mit einer Einführung von Hans Rosenhagen), vgl. Negendanck 1998, S. 107, S. 403, Nr. 75.

Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914

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3 Seitenkabinett, Ansicht der Ausstellung Auguste Rodin, Leipziger Kunstverein im Museum der bildenden Künste Leipzig, 1904, Fotografie, Museum der bildenden Künste Leipzig.

Die Zusammenarbeit mit dem Leipziger Kunstverein, die spätestens 1900 begann, erreichte ihren Höhepunkt in den Jahren 1903 bis 1904 mit insgesamt 17 dokumentierten Kooperationen.15 Das bedeutendste Projekt bildete dabei die große Rodin-Ausstellung im November 1904, die zuvor in Weimar im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe zu sehen war (Abb. 3).16 Im selben Jahr hatte die Galerie Ernst Arnold, in persona Ludwig Gutbier, bereits für den Leipziger Kunstverein eine Werkkollektion von Liebermann zusammengestellt, die im Februar gezeigt worden war. Gutbiers Engagement, impressionistische Kunst in Leipzig bekannt zu machen, war aber nicht uneigennützig.

15 Leipziger Kunstverein 1903 (wie Anm. 11), S. 10–11 (Lesser Ury, Adolph von Menzel), zu Ury siehe Leip­ ziger Volkszeitung, 20. Juni 1903; Leipziger Kunstverein 1905 (wie Anm. 8), S. 5–9 (u. a. Wilhelm Leibl, Otto Fischer, James Whistler, Georges d’Espagnat, Hans Unger). Vgl. ferner Kunstchronik, 16. Jg., 1904/05, Nr. 23 (28. April), S. 366 (Gruppenausstellung mit Werken von Karl Haider, Franz von Lenbach und Hans Thoma); Die Kunst für Alle, Jg. 21, München 1906, S. 311 (Zeichnungsausstellung u. a. mit Werken von Max Klinger, Sascha Schneider, Max Liebermann, Gotthard Kuehl, Max Slevogt). 16 Leipziger Kunstverein 1905 (wie Anm. 8), S. 8; Rezensionen: Leipziger Zeitung, 23. November 1904; Leipziger Neueste Nachrichten, 25. November 1904 (Artikel: Else Asenijeff ); Leipziger Tageblatt, 28. November 1904; Leipziger Tageblatt, 1. Dezember 1904 (Artikel: Ludwig Weber); siehe ferner Michael Kuhlemann, „Rodin in Deutschland. Kommentiertes Verzeichnis der Ausstellungen 1883–1914“, in: Vor 100 Jahren. Rodin in Deutschland, Kat. Ausst. Hamburg, Bucerius Kunst Forum, München 2006, S. 158–175, hier S. 167; Claude Keisch, „Rodin im wilhelminischen Deutschland. Seine Anhänger und Gegner in Leipzig und Berlin“, in: Forschungen und Berichte. Staatliche Museen zu Berlin, 1990, Bd. 29/30, S. 250–301, hier S. 271.

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4 Max Slevogt, Der verlorene Sohn, 1898–1899, Öl auf Leinwand, 111 × 97,5 cm, Staatsgalerie Stuttgart.

Handelte es sich doch um Verkaufsausstellungen, für die der Leipziger Kunstverein seine Räume zur Verfügung stellte. Auch ließ er sich seine Dienste als Ausstellungsmacher mit einem Jahreshonorar in Höhe von 300 Mark von der Stadt Leipzig vergüten.17 Dieses aus heutiger Sicht problematische Verhältnis von Institution und Kunstmarkt war kein Geheimnis, sondern wurde sowohl in den Jahresberichten des Leipziger Kunst­ vereins als auch in den lokalen Tageszeitungen und überregionalen Fachzeitschriften kommuniziert.18 So auch im Fall der ersten Einzelausstellung Slevogts, die Gutbier für den Leipziger Kunstverein organisierte. Zu den Hauptwerken, die von Mitte April bis Mitte Mai 1904 besichtigt werden konnten, gehörten: Der verlorene Sohn (Abb. 4), Sommermorgen (Abb. 5), Tiger im Zoo, Der Ritter und die Frauen und die d’Andrade-Porträts.19 Die meisten der 18 Gemälde waren zuvor, von Ende Februar bis Ende März, in der Galerie Ernst Arnold und davor im Januar bei Paul Cassirer in Berlin ausgestellt gewesen. An­ gesichts dieser Überschneidung ist von einer Kooperation zwischen den beiden Galeri­ en auszugehen.20 Einzig Der verlorene Sohn und der Sommermorgen stammten mit hoher 17 Vgl. Leipzig, Stadtarchiv, Leipziger Kunstverein, Nr. 10, fol. 98–99; vgl. Keisch 1990 (wie Anm. 16), S. 271, S. 297, Anm. 129. 18 Vgl. Leipziger Kunstverein 1903 (wie Anm. 11), S. 6; Kunstchronik, Jg. 17, 1905/06, Nr. 5 (17. November), S. 73. 19 Im Zusammenhang mit den d’A ndrade-Porträts konnte nicht herausgefunden werden, ob neben den klei­ nen Ölskizzen auch das Champagnerlied (Staatsgalerie Stuttgart) und der Schwarze d’Andrade (Hamburger Kunsthalle) ausgestellt waren. 20 Die früheste dokumentierte Zusammenarbeit des Leipziger Kunstvereins mit der Galerie Paul Cassirer war die Ausstellung mit Werken von Heinrich Linde-Walther im Mai 1904, siehe Leipziger Kunstverein 1905 (wie Anm. 8), S. 7. Zur Geschichte der Galerie siehe Die Ausstellungen. Kunstsalon Paul Cassirer, 6 Bde., hg. von Bernhard Echte und Walter Feilchenfeldt unter Mitarbeit von Petra Cordioli, Wädenswil 2011–2016, Bd. 1, S. 15, Bd. 2, S. 5, S. 11. Zu Slevogt und Cassirer siehe Armin Schlechter, „Paul Cassirer an Max Slevogt. Briefe des Kunsthändlers und Verlegers an den Künstler“, in: Ein Tag am Meer. Slevogt, Liebermann & Cassirer,

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5 Max Slevogt, Sommermorgen, 1901, Öl auf Leinwand, 200 × 160 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

Wahrscheinlichkeit aus einer anderen Quelle. Beide Gemälde kamen vom Sächsischen Kunstverein in Dresden, der parallel zur Galerie Ernst Arnold eine Slevogt-Ausstellung im Februar gezeigt hatte (siehe Dok. 1). Die Leipziger Tagespresse würdigte die Slevogt-Ausstellung mit zahlreichen An­ kündigungen und ausführlichen Besprechungen. Die ausgestellten Gemälde wurden unmittelbar mit dem Impressionismus in Verbindung gebracht, obgleich ihre Kontextua­ lisierung mit zeitgenössischen Vorbildern ausblieb. Die Nennung von Künstlernamen be­ schränkte sich auf solche Meister, die, wie Tizian, Rubens, Delacroix oder Manet, bereits verstorben waren und mit ihrer Malweise den Impressionismus vorwegnahmen.21 Einzig hg. von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, bearb. von Karoline Feulner, Kat. Ausst., Mainz, Landesmuseum, München 2018, S. 54–77, S. 57. 21 Leipziger Volkszeitung, 23. April 1904 (Artikel: Walter Hofmann); Leipziger Neueste Nachrichten, 3. Mai 1904 (Artikel: Paul Kühn). Zur Impressionismus-Rezeption bei Slevogt vgl. auch den aktuellen Forschungsstand (in Auswahl): Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt. Eine Monographie, Karlsruhe 1968, S. 107–125; Meinrad

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6 Max Slevogt, Sonnenuntergang nach dem Gewitter (Landschaft bei Godramstein), 1909, Öl auf Leinwand, 62 × 78 cm, Kunsthalle Mannheim.

Slevogts Historienbilder konnten in den Augen Paul Webers, für das Leipziger Tageblatt schreibend, nicht überzeugen, da literarischer Stoff und Freiluftmalerei per se im Wider­ spruch zueinander standen: „Impressionismus ist bis zu einem gewissen Grade Empirie. Die Darstellung vom verlorenen Sohne ist aber nicht erfahrene, nicht geschaute, nicht erleb­ te Natur, sondern wie alle Historienmalerei ein Werk der Phantasie.“22 ­Maria Grewenig, „Max Slevogts impressionistisches Bildkonzept“, in: Max Slevogt, Gemälde, Aqua­relle, Zeichnungen, hg. von Ernst Gerhard Güse, Hans-Jürgen Imiela u. Berthold Roland, Kat. Ausst. Saar­brücken, Saarland Museum, Stuttgart 1992, S. 129–137, hier S. 129 f.; Thomas Andratschke, „Der doppelte Blick – Die Kunst Max Slevogts“, in: Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag, hg. von Thomas Andratsch­ ke, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Petersberg 2018, S. 9–24, hier S. 20–22; Ka­ thrin Elvers-Švamberk, „Slevogt und Frankreich“, in: Slevogt und Frankreich, hg. von Roland Mönig, Kat. Ausst. Saarbrücken, Saarlandmuseum, Moderne Galerie, 2018, S. 18–136, hier S. 18 ff. 22 Leipziger Tageblatt, 14. Mai 1904. Zur zeitgenössischen Slevogt-Rezeption vgl. Vera Klewitz, „Die Auseinan­ dersetzung der zeitgenössischen Kritik mit Max Slevogts frühen Landschaften (1897–1908)“, in: Feulner 2018 (wie Anm. 20), S. 44–53.

Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914

181

Außerhalb der Ausstellung spielten sich die Tragödien der sozialen Wirklichkeit ab. Am 15. April beging ein Markthelfer in der Kohlenstraße Selbstmord, indem er sich mit einem Schuhmachermesser die Kehle durchschnitt. In der Ostbeinstraße stürzte ein Kleinkind vom Balkon einer Wohnung im ersten Geschoss und zog sich einen schweren Schädelbruch zu.23 Sechs Jahre später, als der Impressionismus schon längst keine streit­ bare Kunstströmung mehr war und die erschütternden Polizeimeldungen von Unfällen, Vergewaltigungen und Selbstmorden in Leipzig weiterhin nicht aufhörten zu versiegen,24 widmete der Leipziger Kunstverein Slevogt zum zweiten Mal eine Einzelausstellung. Die Eröffnung fand vermutlich am 18. Dezember 1910 statt, zu den Hauptwerken, die für circa vier Wochen zusammen mit einer Auswahl von Gemälden des Münchener Landschafts­ malers Richard Kaiser und Skulpturen des Leipziger Akademieprofessors Mathieu Mo­ litor im Oberlichtsaal präsentiert wurden, zählten diesmal: Weiblicher Rückenakt, Bildnis der Tänzerin Anna Pawlowa, Dame in Braun und Sonnenuntergang nach dem Gewitter (Abb. 6). Das umfängliche Leipziger Presseecho fiel erneut positiv aus. Slevogt erklärte man neben Liebermann und Corinth zum führenden Vertreter der modernen Malerei, wobei nicht vergessen wurde, ihn wieder in eine kunsthistorische Entwicklungslinie zu stellen, die bis Rembrandt, Rubens und Hals zurückging. Seine Bilder, wie der Verlorene Sohn oder die d’Andrade-Porträts, die nicht ausgestellt waren, aber beim Leser als bekannt voraus­ gesetzt wurden, hätten sich, so die Behauptung, in die abendländische Kunstgeschichte eingeschrieben.25 Dieses Werturteil wollten die Leipziger Feuilletonisten der Künstler­ gruppe Brücke nicht zubilligen, als sie nur wenige Wochen später im Januar 1911 in der Galerie Pietro Del Vecchio deren jüngste Gemäldeproduktion sahen. Im Unterschied zum Impressionismus wurde der Expressionismus zu diesem Zeitpunkt zumindest in Leipzig noch als vergängliche Modeströmung abgetan.26 Während der vierwöchigen Laufzeit der Slevogt-Ausstellung waren in den Kabinett­ räumen Reiseaquarelle von Max Seliger, Direktor der Leipziger Akademie, Skulpturen des Dresdener Bildhauers Fritz Kretzschmar, Farblithografien von Helene Lange und Gemälde des 1909 verstorbenen Malers Otto Sinding aus Norwegen ausgestellt. Die meisten Expo­ nate sämtlicher Präsentationen konnten bei Nachfrage käuflich erworben werden. Die Sle­ vogt-Ausstellung war in diesem vorweihnachtlichen Geschäftsrummel, die der Leipziger Kunstverein in seinen Räumen veranstaltet hatte, die zweite Station einer Verkaufstournee,

23 Leipziger Volkszeitung, 15. Februar; Leipziger Volkszeitung, 16. Februar 1904. 24 Zur Verbrechensstatistik in Leipzig siehe Verwaltungsbericht der Stadt Leipzig für die Jahre 1909–1913, Leip­ zig 1920, S. 173–176. 25 Leipziger Zeitung, 24. Dezember 1910; Leipziger Neueste Nachrichten, 25. Dezember 1910 (Artikel: Egbert Delpy); Leipziger Volkszeitung, 31. Dezember 1910 (Artikel: W. Baer); Hans Rosenhagen, „Max Slevogt“, in: Die Kunst für Alle, Jg. 21, 1905, H. 6, S. 122–132, hier S. 124 f; Erich Hancke, „Max Slevogt“, in: Kunst und Künstler, Jg. 9, 1911, H. 2, S. 69–72, S. 71; Karl Voll, Max Slevogt. 96 Reproduktionen nach seinen Gemälden, München und Leipzig 1912, S. 7, S. 21–22, S. 28. 26 Leipziger Zeitung, 31. Dezember 1910.; vgl. Hurttig 2017 (wie Anm. 9), S. 227 (mit weiterführender Literatur).

182 Marcus Andrew Hurttig

7 Leo Putz, Dame in Weiß, 1901, Öl auf Leinwand, 126,5 × 116,5 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.

die ihren Ausgangspunkt im März desselben Jahres in der Berliner Galerie Paul Cassirer und in ihren Endpunkt im Februar 1911 in der Galerie Ernst Arnold hatte (siehe Dok. 2). Ob das Weihnachtsgeschäft für den Leipziger Kunstverein zufriedenstellend ausfiel, ist zu bezweifeln. In seinem Jahresbericht kritisierte der Vorstand das mangelnde Kaufin­ teresse seiner Mitglieder und wies auf die Gefahr hin, dass mit derart anhaltend wenigen Kunstverkäufen auch der Reiz, zeitgenössische Künstler in Leipzig auszustellen, verloren gehen würde.27 Mit gutem Vorbild konnte der Leipziger Kunstverein angesichts eines An­ kaufsetats von weniger als 10.000 Mark im Jahr allerdings nicht vorangehen28 und das Mu­ seum, zwar finanziell besser ausgestattet, verhielt sich sehr zurückhaltend, wenn es darum ging, Kunstwerke direkt aus den vom Kunstverein organisierten Ausstellungen anzukau­ fen. Zu den wichtigsten Erwerbungen, die zwischen 1904 und 1911 getätigt wurden, gehör­ ten unter anderem: Friedrich August von Kaulbach, Bildnis Lolo Ganghofer (10.800 Mark), Leo Putz, Dame in Weiß (1.600 Mark) (Abb. 7) und Walter Georgi, Altbayerisch (3.000 Mark). 27 Leipziger Kunstverein. Sechsunddreißigster Bericht über die Vereinsjahre 1909/1911, Leipzig 1911, S. 7. 28 1902 lag der Ankaufsetat pro Jahr bei 4.000 Mark, siehe Museum der bildenden Künste Leipzig, Archiv, Verhandlungen mit dem Rate [der Stadt Leipzig] 1902, fol. 86.

Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914

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8 Max Klinger, Die Blaue Stunde, 1890, Öl auf Leinwand, 191,5 × 176 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.

Die Impressionisten Liebermann und Slevogt fehlten hingegen auf der Ankaufsliste, stattdessen erwarb der Kunstverein 1907 auf Empfehlung Max Klingers für 2.000 Mark das Gemälde Park in Friedrichsruh von Walter Leistikow (seit 1945 verschollen). Vielleicht war Liebermann, der zeitgleich mit Leistikow ausgestellt hatte, bereits zu teuer gewesen. Für Slevogt kann dies allerdings nicht zutreffen. 1915 konnte die Museumsleitung noch für 3.800 Mark bei Arnold in Dresden das Landschaftsbild Godramstein erwerben (Taf. IX).29 Zum Vergleich: Das Museum der bildenden Künste kaufte 1902 für 60.000 Mark Böck­ lins Frühlingshymne, 1904 für 70.000 Mark Klingers Blaue Stunde (Abb. 8) und 1910 Leibls Spinnerin für 83.050 Mark. Ein anderer Vergleichsmaßstab: Die im Herbst 1910 auf der großen Sonderausstellung zur französischen Kunst gezeigten Impressionisten wie Monet, Pissarro und Sisley kosteten im Durchschnitt nicht mehr als 20.000 Mark (Abb. 9). Gemäl­ de der jüngeren Avantgarde-Künstler wie Matisse oder Bonnard waren bereits für unter 3.000 Mark zu haben. Als einziges impressionistisches Werk erwarb das Museum aus der Ausstellung für 8.000 Mark eine Pariser Stadtansicht von Pissarro (1939 verkauft).30 Im Zusammenhang mit dem Ankaufsverhandlungen des Slevogt-Gemäldes Godramstein wies Gutbier in einem Schreiben an Direktor Vogel am 19. Dezember 1914 nicht ohne 29 Die Informationen zu den Kaufpreisen sind dem Gemälde-Inventarbuch des Museums entnommen. Zum Slevogt-Ankauf siehe auch die Korrespondenz zwischen Gutbier (Galerie Ernst Arnold Dresden) und Vogel (Museum der bildenden Künste Leipzig) vom 24. November 1914, 19. Dezember 1914 und 15. April 1915, Museum der bildenden Künste Leipzig, Archiv, Korrespondenz (Karton 61). 30 Ausstellung französischer Kunst des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, Kat. Ausst. Leipzig, Leipziger Kunstverein, 1907. Im Museums-Exemplar sind die Kaufpreise handschriftlich notiert. Zur Ankaufspolitik vgl. Conny Dietrich, „Bildende Kunst und Kunstgewerbe“, in: Schötz 2018 (wie Anm. 3), S. 751–792, hier S. 756–759 und S. 767.

184 Marcus Andrew Hurttig

9 Oberlichtsaal, Ansicht der Ausstellung französische Kunst, Leipziger Kunstverein im Museum der bildenden Künste Leipzig, 1910, Fotografie, Museum der bildenden Künste Leipzig.

Spitzfindigkeit auf den überteuerten Preis von Klingers Blauer Stunde hin, den das Muse­ um bei Cassirer bezahlt hatte, um ihm im Gegenzug Slevogts Ägypten-Zyklus bestehend aus 5 großen und 16 kleinformatigen Ölbildern für den identischen Preis von 70.000 Mark anzubieten. Vogel ging nicht darauf ein und kaufte lediglich die vergleichsweise billige Landschaft.31 Die Ägypten-Bilder erwarb 1915 die Dresdner Gemäldegalerie für 67.500 Mark.32 All diese Zahlenspiele, Preisvergleiche und nicht genutzte Ankaufschancen, die im historischen Rückblick nur allzu leichtfertig konstatiert werden, verblassen angesichts der sozialen Wirklichkeit vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. So forderten im Oktober 1907 die Gewerkschaften einen Minimallohn von 9 Mark pro Woche für junge Arbeiterin­ nen und eine Herabsetzung der Wochenarbeitszeit von 57 auf 54 Stunden. Beide Vorschlä­ ge lehnte der Vorstand der Berliner Schokoladen und Kakao-Aktiengesellschaft Sarotti vehement ab.33 Somit stellte der Eintritt von 1 Mark, die der Kunstverein für Ausstellun­ gen verlangte, bereits eine ökonomische Hürde für viele Kunstinteressierte dar, die mit einem Durchschnittsgehalt von weniger als 100 Mark im Monat auskommen mussten.34 31 Museum der bildenden Künste Leipzig, Archiv, Korrespondenz (Karton 61). 32 Vgl. Heike Biedermann, „Die Bilder der Ägyptenreise von Max Slevogt in der Galerie Neue Meister in Dresden“, in: Max Slevogt. Die Reise nach Ägypten 1914, Kat. Ausst. Dresden, Galerie Neue Meister. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 2014, 44–46, hier S. 44. 33 Leipziger Volkszeitung, 26. Oktober 1907. 34 Kunstvereinsmitglieder hatten kostenfreien Eintritt zu allen Ausstellungen und Veranstaltungen. Der Jahres­ beitrag betrug 10 Mark. Studenten konnten ein Semesterticket in Höhe von 1.5 Mark erwerben. Im Vereinsjahr 1907/08 zahlten 5.852 Besucher den Einzeleintritt. Siehe Bericht des Leipziger Kunstvereins, Leipzig 1909 (ent­ hält die Jahresberichte 1907 bis 1909), S. 15. Zur Lohnentwicklung in Leipzig zur Jahrhundertwende siehe Verwaltungsbericht der Stadt Leipzig für die Jahre 1909–1913, Leipzig 1920, S. 136–147; Susanne Schötz, „Wirtschafts­ struktur, Erwerbstätigkeit, Frauen- und Kinderarbeit“, in: Schötz 2018 (wie Anm. 3), S. 624–632, hier S. 630.

Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914

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Anhang Die Werktitel orientieren sich an den historischen Formulierungen der Leipziger Rezensionen.

Dokument 1 1904 Max Slevogt Leipziger Kunstverein im Museum der bildenden Künste Leipzig (Oberlichtsaal zusammen mit Karlsruher Kunstgenossenschaft) Eröffnung: 16. April Laufzeit: April bis Mitte Mai Gemälde: Porträt seiner Mutter (Saarlandmuseum, Saarbrücken); Der verlorene Sohn (Staatsgalerie Stuttgart); Sommermorgen (GDKE, Landesmuseum Mainz); Erdbeeren mit Schlagsahne (Kunsthalle Bremen); Tigerkäfig (Saarland-Museum, Saarbrücken); Der Ritter (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister); Theater (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover); Stilleben mit Schmucksachen (GDKE, Landesmuseum Mainz oder verschollen, siehe Echte/Feilchenfeldt 2011–2016 (wie Anm. 20), 1901/04/01, Abb. S. 42); AndradePorträts (nicht zuzuordnen); Dame im Walde (nicht zuzuordnen); Herbstwald (nicht zuzuordnen); Brücke im Garten (nicht zuzuordnen); Falken (verschollen, siehe Echte/Feilchenfeldt 2011–2016 (wie Anm. 20), 1904/06/04, Abb. S. 435); Stilleben mit Fuchs (bislang verschollen, unter dem Titel Toter Fuchs am 20.6.2020 bei Lempertz in Köln versteigert, siehe Echte/Feilchenfeldt 2011–2016 (wie Anm. 20), 1908/11/02, Abb. S. 61) Katalog: ohne Literatur/Presse: Leipziger Kunstverein 1905 (wie Anm. 8), S. 6; Leipziger Zeitung, 16. April 1904; Leipziger Neueste Nachrichten, 17. April 1904; Leipziger Tageblatt, 17. April 1904; Leipziger Volkszeitung, 23. April 1904 (Artikel: Walter Hofmann); Leipziger Zeitung, 30. April 1904; Leipziger Tageblatt, 1. Mai 1904; Leipziger Neueste Nach­ richten, 3. Mai 1904 (Artikel: Paul Kühn); Leipziger Tageblatt, 14. Mai 1904 (Artikel: Ludwig Weber) Sonstiges: Die Ausstellung führte die Galerie Ernst Arnold, Dresden, aus. Insgesamt wurden 18 Gemälde und mehrere Pastelle gezeigt (Leipziger Kunstverein 1905 (wie Anm. 8), S. 6). Sämtliche Gemälde, bis auf vermutlich Porträt seiner Mutter, waren zuvor im Februar/März bei Arnold und im Sächsischen Kunstverein anlässlich zweier parallel stattfindenden Slevogt-Ausstellungen zu sehen (Dresdner Nachrichten, 21. Februar 1904; Dresdner Neueste Nachrichten, 24. Februar 1904; Leipziger Tageblatt, 25. Februar 1904; Dresdner Nachrichten, 19. März 1904); vgl. Kat. Ausst. Slevogt 1904 (wie Anm. 14); Negendanck 1998 (wie Anm. 11), S. 107, S. 403/Nr. 75). Den Grundstock der beiden Dresdener Kollektionen (41 Gemälde bei Arnold; 16 Gemälde im Sächsischen Kunstverein) bildete wiederum die Slevogt-Ausstellung in der Galerie Cassirer in Berlin, die Anfang Januar mit 44 Gemälden laut Katalog eröffnet wurde (Paul Cassirer. VI. Jahrgang. IV. Ausstellung (Kollektionen: Max Slevogt u. a.), Kat. Ausst. Berlin, Galerie Paul Cassirer, 1904); Echte/Feilchenfeldt 2011–2016 (wie Anm. 20), 1904/06/04). – Parallel waren ausgestellt u. a.: Werkkollektion von der Karlsruher Kunstgenossenschaft (siehe Leipziger Tageblatt, 30. April 1904) und Woldemar Hottenroth, Paul Mathieu und Max Fritz.

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Dokument 2 1910/11 Max Slevogt Eröffnung: 18. Dezember Laufzeit: Dezember 1910 bis Mitte Januar 1911 Leipziger Kunstverein im Museum der bildenden Künste Leipzig (Oberlichtsaal zusammen mit Richard Kaiser) Gemälde: Weiblicher Rückenakt (Museum Kunstpalast, Düsseldorf); Frauenraub (Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover); Russische Tänzerin Pawlowa (Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden); Selbstbildnis vor der Staffelei (Pommersches Landesmuseum, Greifswald); Aus 1001 Nacht (Bayerische Staats­ gemäldesammlungen, Neue Pinakothek); Sommermorgen (GDKE, Landesmuseum Mainz); Dame in Braun (Kunstsammlungen Chemnitz); Porträt Conrad (Bayerische Staatsgemäldesammlungen. Neue Pinakothek); Porträt Voll (Städtische Kunstsammlungen Nürnberg, als Dauerleihgabe im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg); Löwenkäfig (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover); Landschaft mit jungem Stier (Pfalzgalerie Kaiserslautern); Neuschnee (Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover); Sonnenuntergang nach dem Gewitter (Kunsthalle Mannheim); Herbstlandschaft (Sammlung Kirschbacherhof); Tennisspiel (verschollen); Abendröte (nicht zuzuordnen) Katalog: ohne Literatur/Presse: Leipziger Kunstverein 1911 (wie Anm. 27), S. 10; Leipziger Zeitung, 21. Dezem­ber 1910; Leipziger Zeitung, 24. Dezember 1910; Leipziger Neueste Nachrichten, 25. Dezember 1910 (Artikel: Egbert Delpy); Leipziger Volkszeitung, 31. Dezember 1910 (Artikel: W. Baer); Leipziger Zeitung, 10. Januar 1911. Sonstiges: Sieben Gemälde waren im März 1910 bei Cassirer in Berlin ausgestellt (Paul Cassirer. XII. Jahrgang. VII. Ausstellung (Kollektionen Max Slevogt u. a.), Kat. Ausst. Berlin, Galerie Paul Cassirer, 1910, Nr. 71–72, 74, 83–86; Echte/Feilchenfeldt 2011–2016 (wie Anm. 20), 1910/12/07). Im Anschluss an die Leipziger Aus­stellung gehörten mindestens zehn Gemälde der Kollektion an, die im Februar 1911 bei Arnold gezeigt wurde (Dresdner Neueste Nachrichten, 14. Februar 1911; Negendanck 1998 (wie Anm. 11), S. 435, Nr. 132). Das Porträt Conrad wurde dem Museum 1914 für den Preis von 8.000 zum Kauf angeboten (Ludwig Gutbier/Galerie Arnold an Julius Vogel/ Direktor Museum der bildenden Künste Leipzig, 19. Dezember 1914, Museum der bildenden Künste Leipzig, Archiv, Korrespondenz, Karton 61). – Parallel waren ausgestellt u. a.: Werkkollektionen von Richard Kaiser (Leipziger Volkszeitung, 7. Januar 1911; Artikel: W. Baer), Otto Sinding, Manuel Wieland, Fritz Kretzschmar, Helene Lange (Leipziger Zeitung, 31. Dezember 1910).

Dorothee Hansen

„Für Slevogt haben wir in Bremen immer Geld“ Der Kunsthallendirektor Emil Waldmann und sein Engagement für Max Slevogt

Wenn es um Max Slevogt und seine intellektuellen, künstlerischen und ökonomischen Netzwerke geht, dann spielt Emil Waldmann, der Direktor der Kunsthalle Bremen, eine wichtige Rolle. In der Slevogt-Forschung ist er vor allem durch seine Monographie über den Künstler von 1923 und durch die Überarbeitung des Grafik-Werkverzeichnisses von 1925 bekannt. Bereits 1992 stellte Irmgard Wirth fest, dass „[…] Emil Waldmann durch seine langjährige Verbundenheit mit dem Künstler gewiss der kompetenteste Experte und Streiter für Slevogts Kunst […]“ neben und nach Karl Scheffler war.1 Die Beziehungen der beiden wurden bisher jedoch nicht untersucht, und in Texten über Slevogts Briefe und seine Verbindungen zu Museumsleuten wurde Waldmann bisher nicht einmal erwähnt.2 Dabei pflegte der Bremer Museumsmann regen Kontakt zu dem Künstler. Dies belegen 41 Briefe von Waldmann an Slevogt, die sich im Nachlass des Künstlers befinden.3 Um­ gekehrt sind nur drei Briefe und zwei Postkarten des Künstlers an den Museumsdirektor sowie ein Brief an dessen Schwiegermutter im Archiv der Kunsthalle Bremen erhalten.4 Zusammen bildet diese Korrespondenz jedoch einen ebenso informativen wie anschauli­ chen Ausgangspunkt für die folgenden Untersuchungen zur Beziehung zwischen Wald­ mann und Slevogt – vor allem aus Bremer Perspektive. Im Folgenden wird zu zeigen sein, welch entscheidende Rolle Waldmann für die Verbreitung von Slevogts Kunst gespielt hat: Einerseits als kunsthistorischer Autor und

 * Dieser Text ist eine leicht veränderte Fassung meines Beitrages gleichen Titels, der 2019 im Katalog der Slevogt-Retrospektive zum 150. Geburtstag im Niedersächsischen Landesmuseum abgedruckt wurde. Ich danke Dorothea Sager für Unterstützung bei den Recherchen und Iris Graaf-Burkert für die Transkription von vier Slevogt-Briefen. 1 Vgl. Irmgard Wirth, „Ein Beispiel geistigen Mäzenatentums. Max Slevogt und die Zeitschrift ›Kunst und Künstler‹“, in: Max Slevogt. Gemälde – Aquarelle – Zeichnungen, hg. von Ernst-Gerhard Güse, Hans-Jürgen Imiela und Berthold Roland, Kat. Ausst. Saarbrücken, Saarland Museum und Mainz, Landesmuseum, Stuttgart 1992, S. 25–33, S. 29. 2 Vgl. Armin Schlechter, Aus Max Slevogts Briefkasten. Zeugnisse aus seinem schriftlichen Nachlass, hg. von der Kulturstiftung der Länder und dem Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Kat. Ausst. Edenkoben, Max Slevogt-Galerie, Schloss Villa Ludwigshöhe, Koblenz 2014 (Patrimonia, 368; Schriften des Landesbi­ bliothekszentrums Rheinland-Pfalz, 10), S. 14 f. 3 Ich danke Armin Schlechter vom Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz/Pfälzische Landesbiblio­ thek in Speyer für die Bereitstellung von Briefkopien. 4 Außerdem besitzt die Kunsthalle zwei Briefe Slevogts an Waldmanns Vorgänger, den Direktor Gustav Pauli, einen an den Mitarbeiter Wilken von Alten sowie neun Briefe des Künstlers an den Bremer Senator Dr. Meyer im Zusammenhang mit den Fresken für den Bremer Ratskeller.

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andererseits als Museumsdirektor, indem er eine Sammlung aufbaute, die durchaus Si­ gnalwirkung besaß. Hier passt das bekannte Bonmot von Max Liebermann, der 1908 an Gustav Pauli, Waldmanns Vorgänger in Bremen, schrieb: „Sie wissen ja: Ein gut platziertes Bild macht Junge!“5 Die Aktivitäten Waldmanns dürften denn auch eine ökonomische Wirkung für Slevogt gehabt haben. Zwischen den Zeilen vieler Briefe erkennt man dar­ über hinaus eine durchaus persönliche Beziehung zwischen Waldmann und Slevogt, die jedoch nicht an jene von Slevogts engen Freunden aus Berlin und der Pfalz heranreicht.

Erste Kontakte Emil Waldmann stammte aus einer Bremer Kaufmannsfamilie.6 Nach seinem Studium in Heidelberg und Berlin wurde er 1905 mit einer Arbeit zur Grafik Albrecht Dürers promoviert und trat 1906 unter Gustav Pauli eine Stelle als Direktorial-Assistent in der Kunsthalle Bremen an. Zu diesem Zeitpunkt präsentierte das Museum gerade die Internationale Kunstausstellung, in der Slevogt mit neun Gemälden prominent vertreten war.7 Zwei Jahre später erwarb Pauli das Bildnis einer Dame als erstes Gemälde des Künstlers für die Bremer Sammlung und 1912 kam die Landschaft Landhaus in Godramstein hinzu. Waldmann hatte Bremen 1910 verlassen und folgte 1913 einem Ruf nach Dresden als Di­ rektor des Kupferstichkabinetts und der Bibliothek. Bereits Mitte 1914 kehrte er jedoch als Nachfolger Gustav Paulis zurück an die Kunsthalle, die er bis zu seinem Tod 1945 leitete. Waldmanns früheste persönliche Kontakte zu Max Slevogt lassen sich bis in seine As­ sistentenzeit in Bremen zurückverfolgen. Seinem ersten erhaltenen Brief an Slevogt vom 25. Mai 1911 ist zu entnehmen, dass dieser ihm bereits 1910 seine Werke gezeigt hatte.8 Wald­ mann freut sich in dem Schreiben über den Erfolg der Slevogtschen Bilder in der Ausstel­ lung der Berliner Secession.9 Er war zu diesem Zeitpunkt gerade dabei, seinen ersten großen Aufsatz über den Künstler zu schreiben, der 1912 mit zahlreichen Abbildungen in der reprä­ sentativen Wiener Zeitschrift Die graphischen Künste erschien.10 Unter dem Titel Max Slevogt als Illustrator stellte er dessen dramatische Figurenkompositionen in die Tradition von Rem­ 5 Damals ging es um den Ankauf von Max Liebermanns Gemälde Die Kuhhirtin für die Kunsthalle Bremen, vgl. „Max Liebermann: Briefe an Gustav Pauli 1900–1913“, kommentiert von Dorothee Hansen, in: „Nichts trügt weniger als der Schein“. Max Liebermann der deutsche Impressionist, Kat. Ausst. Bremen, Kunsthalle, Mün­ chen 1995, S. 61–95, hier S. 70. 6 Zur Biografie vgl. Verena Borgmann, Die Sammlungs- und Ausstellungspolitik der Kunsthalle Bremen unter Emil Waldmann 1914–1932, Masterarbeit Universität Oldenburg 2006, S. 8–10. 7 Vgl. Internationale Kunstausstellung, Kat. Ausst. Bremen, Kunsthalle, 1906, Nr. 310–318. 8 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt vom 25. Mai 1911, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 9 Mit 22 Gemälden war Slevogt extrem stark in dieser Ausstellung vertreten, vgl. Katalog der XXII. Ausstellung der Berliner Secession, Kat. Ausst. Berlin, Ausstellungshaus am Kurfürstendamm, Berlin 1911, Nr. 220–243. 10 Vgl. Emil Waldmann, „Max Slevogt als Illustrator“, in: Die graphischen Künste, Bd. 35, 1912, S. 25–38.

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brandt, Francisco de Goya und Eugène Delacroix. Zugleich betonte er das Malerische dieser grafischen Arbeiten sowie die Einbeziehung der Landschaft und schlug den Bogen zu den französischen Impressionisten wie Claude Monet und der Buchkunst von Pierre Bonnard. Mit diesem fulminanten Eintreten für die Kunst Slevogts bezog Waldmann Position gegen Julius Meier-Graefe, der in seiner Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst sehr kritisch über Slevogt geurteilt hatte und ihm, trotz aller Auseinandersetzung mit dem Impressionis­ mus, Äußerlichkeit unterstellte.11 Waldmann sah dagegen Dramatik, Fantasie und mensch­ liche Tiefe in den Arbeiten des Künstlers und bezog zugleich Stellung gegen den aufkom­ menden Vorwurf, Slevogt sei in erster Linie ein begabter Zeichner, weniger ein Maler.12 Entsprechend enthusiastisch fiel die Reaktion des Künstlers aus: Verehrter Herr Doctor! Herzlichen Dank für die Zusendung Ihres Aufsatzes! Es ist keine Phrase, wenn ich Ihnen sage, daß er mich aufrichtig erfreut hat, nicht nur, weil Sie den Weihrauch verständnisvoll u. angenehm in die Sache des beschriebenen stei­ gen lassen u. Götter u. Künstler leben doch davon – sondern weil auch die ganze Form des Gefäßes sehr schön ist.13 Ebenfalls 1912 erschien auch die erste Monographie über Slevogt, verfasst von Karl Voll, der sich auf das malerische Werk des Künstlers konzentrierte.14 Waldmanns Aufsatz über die Grafik bildete dazu gewissermaßen das Gegenstück: Er wurde das Fundament einer engen Beziehung zwischen dem Künstler und dem Museumsmann.

„Hurrah, Cortez ist unser!“ – Slevogt und die Kunsthalle Bremen während des Ersten Weltkriegs Kurz nachdem Waldmann 1914 sein Direktorat an der Kunsthalle Bremen angetreten hatte, knüpfte er an seinen ersten großen Slevogt-Aufsatz an und veröffentlichte einen reich illustrierten Text über dessen neue Bilder von der Ägyptenreise.15 Im Frühjahr 1915 11 Vgl. Julius Meier-Graefe, Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst. Vergleichende Betrachtung der bildenden Künste, als Beitrag zu einer neuen Ästhetik, 3 Bde., Stuttgart 1904, Bd. 2, S. 721. Noch schärfer verurteilte Meier-Graefe Slevogts Malerei in der zweiten Auflage des Buches von 1915: Julius Meier-Graefe, „Slevogt“, in: Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, 2. umgearbeitete und ergänzte Aufl., Bd. 2, München 1915, S. 339–343, hier S. 340 f. Karl Scheffler kritisierte Meier-Graefe daher in seiner Rezension: Karl Scheffler, „Neue Bücher“, in: Kunst und Künstler, Jg. 16, 1918, H. 2, S. 78–80. 12 Vgl. Emil Waldmann, „Zu Max Slevogts neuen Arbeiten“, in: Max Slevogt, Kat. Ausst. München, Moderne Galerie Thannhauser, 1922, S. 5–10, hier S. 9. 13 Nicht datierter Brief von Max Slevogt an Emil Waldmann, ca. 1912, Archiv der Kunsthalle Bremen. 14 Karl Voll, Max Slevogt. 96 Reproduktionen nach seinen Gemälden, München und Leipzig 1912. 15 Vgl. Emil Waldmann, „Max Slevogts Bilder aus Ägypten“, in: Kunst und Künstler, Jg. 13, 1915, H. 9, S. 393– 407.

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präsentierte er in der Kunsthalle eine Ausstellung über Max Slevogt als Illustrator und Zeichner. Angesichts der schwierigen Bedingungen während des Ersten Weltkriegs war es wesentlich einfacher, den Künstler mit 101 Zeichnungen, Aquarellen und druckgrafi­ schen Arbeiten vorzustellen und auf Gemälde zu verzichten.16 Waldmann begleitete die Präsentation durch zwei ausführliche Artikel in den Bremer Nachrichten, wobei er intensiv auf seinen Aufsatz von 1912 zurückgriff.17 Die Ausstellung bildete den Auftakt für Waldmanns Plan, die Slevogt-Sammlung der Kunsthalle Bremen gezielt auszubauen. So kaufte er anschließend zwei Aquarelle, zehn grafische Arbeiten und die Mappe Rennskizzen mit sechs Lithografien für das Bremer Kup­ ferstichkabinett. Außerdem erwarb er noch im selben Jahr mit Hilfe des Galerie-Vereins das Bildnis des Musikers Conrad Ansorge, ein großformatiges Gemälde, das er für eine der „reifsten Arbeiten des Künstlers“ hielt (Taf. X).18 Auch bei der großen Grafik-Ausstellung im Herbst 1916 war „[…] der kleine Oberlichtsaal […], der Max Slevogt eingeräumt ist“, ein Hauptanziehungspunkt, schrieb der Kunsthallendirektor in den Bremer Nachrichten.19 „Slevogt ist unter den deutschen Malern und Zeichnern in den letzten Jahren in die aller­ erste Reihe getreten. Die Zeichnungen und Aquarelle, die wir von seiner Hand vereinigen konnten, gehören zum Besten was die deutsche Kunst überhaupt aufzuweisen hat, als Zeichnung und als Malerei gleich vollendet, hinreißend im Temperament, kostbar und be­ rauschend in der Farbe und immer von der letzten Sicherheit der Zeichnung, immer voll guter Laune, immer voll feiner Einfälle und nicht selten von einer bezaubernden Grazie.“20 Andere Bremer Rezensenten stimmten in diese Begeisterung mit ein und feierten auch den Erfolg beim Publikum: „Die vielen Verkaufszettel, (es ist fast alles verkauft), sprechen von Anerkennung und Verständnis der Bremer Kunstsammler. So ist die Ausstellung der Slevogt-Sammlung für den Künstler und die Bremer Leitung ein voller Erfolg.“21 Wald­ mann rundete diesen Erfolg ab, indem er 20 grafische Blätter für das Kupferstichkabinett erwarb und dem Kunstverein die kleine Ölstudie Francisco d’Andrade als Don Giovanni schenkte.22 Schon 1904 hätte Gustav Pauli gern eine der beiden großen Gemäldefassun­ gen dieses Motivs erworben, es kam jedoch nicht dazu.23 Waldmann bemühte sich offen­ bar, dieses Versäumnis seines Vorgängers ein wenig auszugleichen. 16 Vgl. Ausstellungsbuch, Archiv der Kunsthalle Bremen. 17 Emil Waldmann, „Max Slevogt als Illustrator und Zeichner (Ausstellung in der Kunsthalle)“, in: Bremer Nachrichten, 2. April 1915; Emil Waldmann, „Max Slevogts Zeichenkunst. Zur Ausstellung von Slevogts Graphik in der Kunsthalle“, in: Bremer Nachrichten, 16. Mai 1915. 18 Vgl. Jahresbericht des Vorstands des Kunstvereins in Bremen über das Geschäftsjahr 1915–1916, Bremen 1916, S. 11. 19 Emil Waldmann, „Aus der bremischen Kunsthalle. Ausstellung grafischer Kunst“, in: Bremer Nachrichten, 29. September 1916. 20 Ebd. 21 Mz., „Graphische Ausstellung in der Bremer Kunsthalle“, in: Bremer Tageblatt, 7. November 1916. 22 Max Slevogt, Francisco d’Andrade als Don Giovanni, Öl auf Karton, 57 × 36 cm, Inv. 1916/64, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen. 23 Brief von Gustav Pauli an Max Slevogt vom 26. März 1904, Archiv der Kunsthalle Bremen.

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1 Max Slevogt, Trabrennbahn, um 1907, Kreide, Gouache und Pastell, 12,5 × 28 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Pauli hatte sich vor allem darauf konzentriert, Bilder von Max Liebermann zu erwer­ ben. Zu diesem Zweck präsentierte er dessen Werke nicht nur in zahlreichen Ausstellun­ gen, sondern er vermittelte auch Porträtaufträge und Ankäufe an Bremer Sammler, um den Künstler an die Stadt zu binden.24 Waldmann versuchte in Bezug auf Slevogt ähnlich vorzugehen. Eine Postkarte vom 27. Mai 1916 zeugt von seinen Ankaufsverhandlungen für Slevogts Gouache Trabrennbahn (Abb. 1).25 Waldmann, der das Werk an den Bremer Arzt Dr. Curt Specht vermittelte, hatte den Text auf der Karte bereits vorbereitet, so dass Slevogt nur noch den Preis und seine Unterschrift hinzuzufügen brauchte. Er ergänzte dies mit einer humorvollen Vignette, bei der ein Traber gegen den Geldbetrag aufgewo­ gen wird, während weitere kleine Gespanne am Boden ihre Runden drehen (Abb. 2). Die Federzeichnung spielt direkt auf die Gouache an, die Specht damals kaufte und die sich heute in der Kunsthalle Bremen befindet. Am 31. Oktober 1916 bestätigte der Künstler den Empfang des Geldes mit einer weiteren Postkarte, auf der ein Sultan einen Geldsack huldvoll in Empfang nimmt (Abb. 3).26 Specht besaß 1918 sechs Aquarelle, Pastelle und Gouachen von Slevogt.27 24 Vgl. Dorothee Hansen, „Der Bremer Bankier Johann Georg Wolde und Adele Wolde – Zwei Porträts von Max Liebermann“, in: Die Kunsthalle Bremen und ihre Stifter. Johann Georg Wolde und Adele Wolde – ein Bremer Sammlerpaar, Kat. Ausst. Bremen, Kunsthalle, 2004, S. 8–19, hier S. 10 f. 25 Max Slevogt, Trabrennbahn, um 1907, Kreide, Gouache und Pastell auf Karton, 12,5 × 28 cm, Inv. 1957/500, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen. 26 Diese kleine Federzeichnung wurde später in Johannes Guthmanns Slevogt-Buch Scherz und Laune abgedruckt, vgl. Johannes Guthmann, Scherz und Laune: Max Slevogt und seine Gelegenheitsarbeiten, Berlin 1920, Abb. S. 31. 27 Ausstellung von Meisterwerken der modernen Malerei aus Bremischem Privatbesitz, Kat. Ausst. Bremen, Kunst­ halle, 1918, Nr. 77–82.

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2 Postkarte vom 27. Mai 1916, Text von Emil Waldmann mit Zeichnung von Max Slevogt, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Ein weiterer Bremer Slevogt-Sammler war Paul Schmitz, der zehn Aquarelle und Gouachen sein Eigen nannte. Sie wurden 1918 bei der Ausstellung von Meisterwerken der modernen Malerei aus Bremischem Privatbesitz in der Kunsthalle gezeigt.28 Der Richter Dr. Grobler war damals neben Consul Carl Theodor Melchers einer der wenigen Bremer Sammler, die ein Gemälde Slevogts besaßen.29 Max Liebermann war jedoch bei Bremer Privatsammlern wesentlich stärker vertreten, wie man an den sieben Gemälden und der gleichen Anzahl Pastellen und Aquarellen in der Ausstellung von 1918 erkennt. Umso mehr versuchte Waldmann, die Kunsthalle auch in Bezug auf Slevogt als Vorbild wirken zu lassen. Bereits 1917 bemühte sich der Kunsthallendirektor um den Ankauf eines weiteren großen Gemäldes von Slevogt. Er wollte unbedingt den „Cortez“ haben, jenes Gemälde, das Fernando Cortez vor dem Kaiser Montezuma von Mexiko zeigt (Abb. 4). Dafür ris­ kierte er sogar eine Lüge: Als ich neulich Nachmittag bei Ihnen proklamierte: Für Slevogt haben wir in Bremen immer Geld – da war das eine Bemerkung fürs Parkett, in dem, in der ersten Reihe, 28 Ebd., Nr. 83–92. 29 Grobler gehörte die Weinbergtreppe (heute im Saarland Museum, Saarbrücken), vgl. Kat. Ausst. Bremen 1918 (wie Anm. 27), Nr. 76; Melchers besaß die Erdbeeren, vgl. Leihausstellung von Gemälden, Zeichnungen und Bildwerken aus bremischem Privatbesitz, Kat. Ausst. Bremen, Kunsthalle, 1909, Nr. 290 m. Abb. Zu Slevogt in Bremer Privatsammlungen vgl. Emil Waldmann, „Bremer Privatsammlungen“, in: Kunst und Künstler, Jg. 17, 1919, H. 5, S. 168–180, S. 175, Abb. S. 179.

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3 Max Slevogt, Postkarte an Emil Waldmann, vom 31. Oktober 1916, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

der Kunstberater des preussischen Kunstprinzen (Abt.: Nationalgalerie) sass. Aber es war gelogen, denn von Geld ist natürlich einmal wieder keine Rede bei uns. Wie sollte es auch? Aber ich möchte den Cortez haben und bitte Sie, wenn er fertig ist (viel fehlt ja nicht) ihn uns zu schicken, aber in einem schönen Rahmen und unter Glas, damit er sich wie eine Kostbarkeit schon äusserlich praesentiert. Denn ich habe in Bremen lange nicht gebettelt, und die 6–8 Leute, die mich hassen, hassen mich, wenn ich in diesem Sommer garnicht komme, ohne Grund und das ist mir unangenehm. Ich will was haben, dafür, dass sie rumgehen und sagen, ich sei ein widerlicher Mensch, (was einfach gelogen ist). Und wenn ich sie vorigen Sommer um die Ersparnisse von 2 Jah­ ren erleichtert habe, wegen eines Slevogt (Ansorge), so soll es nun erst recht wieder ein Slevogt sein. Das Volk murrt schon und sagt, ich kennte überhaupt nur Liebermann und Slevogt und warum denn nicht mal was Anderes.30 Ein weiterer Brief an den Künstler vermittelt einen plastischen Eindruck von den bremi­ schen Verhältnissen und den Mühen der Geldbeschaffung: Das mit dem Montezuma geht ja nun schnell, hoffentlich trifft das Bild rechtzeitig hier ein. Ich hatte ja eigentlich geplant, erst in Ruhe einen schönen Rahmen zu be­ stellen und es dann in diesem in Glanz und Herrlichkeit zu praesentieren, aber da Sie 30 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 19. Mai 1917, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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4 Max Slevogt, Fernando Cortez vor Kaiser Montezuma von Mexiko, 1917, Öl auf Leinwand, 77,5 × 98 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

bis zum 1. Juli Entscheidung haben müssen, hilft es nicht, ich muss das Bild so zeigen. Hoffentlich geht es trotzdem gut, denn haben möchte ich es gern für die Galerie. Ich bin nun heute den ganzen Tag herumgelaufen, habe telefoniert und telegrafiert um die Gelder zu beschaffen. Die Hauptsache habe ich, 7200 Mark, den Rest, weitere 2000 Mark bekomme ich auch wohl noch in kleineren Positionen, und da wir ja zwi­ schen 8 und 10 Mille verabredet hatten und ich auf rund 9000 rechne, vielleicht noch etwas mehr, ist das ja in Ordnung, 9 Mille kann ich garantieren, da ich notfalls selber 1000 zugeben möchte wenns garnicht anders geht [….] Jedenfalls danke ich Ihnen, dass Sie uns eine Woche die Chance offen lassen – die Woche soll nicht ungenutzt vorüber gehen. Ich tue mein Möglichstes an Reden und Überreden. Ich habe für mich die leise Hoffnung, dass es gehen wird. Ich meine, wenn man selber und von seiner Sache ganz überzeugt ist und voll für sie eintreten kann, geht die wohlwollende Ma­ jorität mit. Ja, wenn ich mit Ministerialdirektor Schmidt aus dem Kultusministerium und mit Dir. Justi von der Nationalgalerie zu tun hätte, wie neulich in Berlin, dann wäre es aussichtslos. Denn die sind eifersüchtig und eitel und wie die Halbgötter. Aber die Leute hier sind sachlich, und selbst wenn das Bild unter meinen Geldgebern Gegner hat, so fügen sie sich der Majorität und stänkern nicht. Also einstweilen habe ich Mut. Wenn bloss das Bild kommt!31

31 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 24. Juni 1917, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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Bereits vier Tage später konnte Waldmann dem Künstler telegrafieren, […] dass meine Galerie den Cortez angekauft hat Preis: 9400 Mark, die Bezahlung erfolgt demnächst, sobald die mir schriftlich zugesagten Gelder eingegangen sind. Es war nicht ganz leicht, einige der älteren Herren stolpern immer noch über den Begriff des ‚Skizzenhaften‘, aber es gelang mir sie davon zu überzeugen, dass man sowas nur so malen könne […] Nun müssen Sie aber bald einmal hierher kommen und sich das ansehen. Einer der Zweifler warf übrigens den Satz in die Debatte: ‚Dr. Pauli hätte das nie gekauft‘, wozu ich nur zustimmen konnte und meine Folgerungen zog. Kurz, es hatte auch heitere Momente.32 Seinen Brief beschließt er mit dem jubelnden Postscriptum „Hurrah, Cortez ist unser!“ Nach diesem Erfolg konzentrierte sich Waldmann auf die Ausstellung deutscher Malerei XIX . & XX. Jahrhundert, die von August bis September 1917 im Kunsthaus Zürich und anschließend in Basel gezeigt wurde. Waldmann war der leitende Kurator dieser Aus­ stellung und berichtete Slevogt ausführlich über die Schwierigkeiten bei der Leihgaben­ beschaffung. Auch Slevogt selbst sollte mehrere Werke beisteuern. Als Einleitung zum Katalog verfasste Waldmann einen Überblick über die Höhepunkte der deutschen Male­ rei im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Der Text endet mit Slevogt, dem Waldmann einen ganz besonderen Platz einräumt: Slevogt bedeutet in der Generation derer, die heute 50 Jahre alt sind, unstreitig die stärkste malerische Begabung. Seine Stillleben, seine Tierbilder haben als Malerei die gleiche Vollendung wie als Zeichnung und in seinen Landschaften entwickelt er eine farbige Anschauung der Natur, wie sie in Deutschland ganz einzig dasteht. Aber über das alles hinaus verfügt er über eine Gabe, die vielleicht noch seltener ist: Ihm, dem großen Illustrator, dem größten, den wir seit Menzel haben, fällt hier etwas ein, und er kann eine Geschichte, und sei sie noch so fantastisch, in restlose malerische Form umsetzen, weil er die Gegenstände, die er erfindet, nicht nur gegenständlich sieht, sondern von vornherein im malerisch-musikalischen Sinne. Diese Gabe verleiht ihm, neben Liebermann, als glückliche Ergänzung, eine Sonderstellung.33 Mit dieser Ausstellung und dem begleitenden Katalogtext trug Waldmann auch zur in­ ternationalen Platzierung Slevogts entscheidend bei.

32 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 28. Juni 1917, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 33 Vgl. Ausstellung deutscher Malerei XIX. & XX. Jahrhundert, Kat. Ausst. Zürich, Kunsthaus, 1917, S. 24.

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„Rückhaltlos Bravo!“ – Die Slevogt-Erwerbungen der frühen zwanziger Jahre und ihre Präsentation in der Kunsthalle Während des Ersten Weltkriegs war die Arbeit an der Kunsthalle Bremen nicht nur finan­ ziell, sondern auch in räumlicher Hinsicht eingeschränkt, denn im Erdgeschoss war zu Kriegsbeginn ein Lazarett eingerichtet worden und das Kupferstichkabinett und die Bib­ liothek wurden der Verwaltung des Roten Kreuzes zur Verfügung gestellt.34 Waldmann ergriff nach dem Krieg die Gelegenheit zu einer Neugestaltung der Galerie und publizier­ te 1919 einen begleitenden illustrierten Führer. „Slevogt ist ja in Deutschland zum stärks­ ten Vertreter des malerischen Impressionismus geworden“, heißt es da.35 Mehr als eine Seite widmet er dem Gemälde Fernando Cortez vor Kaiser Montezuma von Mexiko – einem […] Werk von ganz eigenen Gnaden […], in dem sich gedankliche und malerische Phantasie zu einer selten glücklichen Ehe zusammengefunden haben, eine Art von malerischer Improvisation, wie sie heute in Deutschland nur Slevogt, der große Zeich­ ner und Illustrator, beherrscht. Der Impressionismus auf dem Gebiet der Historien­ malerei, das hätte niemand vor 10 Jahren erwartet […].36 Den Einband entwarf Slevogt – gratis, wie Waldmann berichtete.37 Der Originalentwurf einer mit Putten geschmückten Museumspforte mit großen Schlüssellöchern befindet sich noch heute im Bremer Kupferstichkabinett (Abb. 5): Das Büchlein ist der Schlüssel zu den Schätzen im Innern des Hauses. In der Galerie platzierte Waldmann das Porträt des Musikers Conrad Ansorge und das Bildnis einer Dame prominent im Oktogon zusammen mit Hauptwerken von Hans Thoma, Arnold Böcklin und Anselm Feuerbach.38 Das Landhaus in Godramstein und den „Cortez“ präsentierte er mit Werken von Lovis Corinth und jüngeren Künstlern im sogenannten Modernen Saal, während Liebermanns Gemälde zusammen mit den französischen Werken im Impressionisten-Saal hingen. Max Liebermann war bereits zu Paulis Zeiten mit hervorragenden Gemälden in der Sammlung vertreten, daher bemühte sich Waldmann vor allem um die Stärkung der Sle­ vogt-Sammlung. Einerseits erwarb er kontinuierlich dessen grafische Arbeiten. So kaufte er 1919 das illustrierte Buch über die Eroberung Mexikos durch Fernando Cortez mit 120 34 Vgl. Borgmann 2006 (wie Anm. 6), S. 24. 35 Vgl. Emil Waldmann, Die Bremer Kunsthalle. Amtlicher Führer. Ein Führer zur Vorbereitung und Erinnerung, Berlin 1919, S. 60. 36 Vgl. ebd., S. 60 f. 37 Brief von Emil Waldmann an Dr. Franz Boner, 5. Mai 1919, S. 8, Archiv der Kunsthalle Bremen, Nachlass Waldmann. 38 Hans Thoma, Der Rheinfall bei Schaffhausen, 1876, Öl auf Leinwand, 85 × 115 cm, Inv. 241–1902/1; Anselm Feuerbach, Mandolinenspieler, Öl auf Leinwand, 137 × 98,5 cm, Inv. 247–1902/6; Arnold Böcklin, Der Abenteurer, 1882, Öl auf Leinwand, 116 × 150,5 cm, Inv. 19–1885; alle im Besitz der Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

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5 Max Slevogt, Entwurf zum Titelblatt für den "Führer durch die Bremer Kunsthalle", Aquarell, Deckweiß, Feder in Schwarz, 1919, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Originallithografien, „[…] da es unbedingt das schönste, moderne Buch ist […]“.39 Schwie­ riger war es mit dem Erwerb eines weiteren Gemäldes. „Da wir von ihm ja noch eine gute Landschaft kaufen wollen, und da von ihm nichts in den Handel kommt, er vielmehr nur direkt verkauft, muss ich mich jetzt doch einmal wieder persönlich mit ihm ins Beneh­ men setzen, sobald er erreichbar ist“, schrieb Waldmann an Dr. Franz Boner, den Vorsitzer des Bremer Kunstvereins.40 Auch im folgenden Jahr, als Waldmann Leihgaben für seine nächste große Ausstellung beschaffen wollte, hatte er es mit Werken Slevogts nicht leicht, da dieser seine gesamte Produktion sommerlicher Landschaften zurückhielt, weil die Galerie in Mannheim einen Slevogtsaal einrichten wollte.41 Aber „Slevogt lässt mich bei solchen Gelegenheiten doch nicht im Stich“, und so sicherte sich Waldmann zwei Leihga­ 39 Brief von Emil Waldmann an Dr. Franz Boner, 5. Mai 1919, S. 8, Archiv der Kunsthalle Bremen, Nachlass Waldmann. 40 Ebd., S. 8. 41 Brief von Emil Waldmann an Dr. Franz Boner, 20. April 1920, S. 2, Archiv der Kunsthalle Bremen, Nachlass Waldmann.

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ben aus dem Privatbesitz der Frau des Künstlers.42 Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn prä­ sentierte die Kunsthalle im Sommer 1920 eine große Gemäldeausstellung.43 Darin waren auch die jüngeren expressionistischen Künstler vertreten, doch Waldmann favorisierte die „klassisch gewordene moderne Kunst“,44 und so lag das Hauptgewicht bei Liebermann, Slevogt und Corinth. Im Dezember 1920 verwirklichte Waldmann eine lang gehegte Vision, indem er den größten Oberlichtsaal der Kunsthalle neu gestaltete. Bisher war er der nordwestdeutschen Kunst, insbesondere den Worpswedern, gewidmet. Nun zogen hier die deutschen Impres­ sionisten ein: „Der große Oberlichtsaal ist zum Festsaal für die Jahrhundertwende gewor­ den; Liebermann – Slevogt – Corinth, das Triumvirat der deutschen Impression. Dass Böcklin dazwischen hängt, stört nicht“, jubelte Robert Kain in den Bremer Nachrichten.45 „An diesen Wänden ist alles Spannung und prickelndes Leben; frei hängen die Bilder, dass sie sich rühren können und doch – alles mit sich in harmonischem Wohlklang zum Loblied auf eine große Kunst.“46 Gleichzeitig verhandelte Waldmann mit Slevogt über den Ankauf eines weiteren Gemäldes und versprach ihm, es werde Anlass einer neuen Inszenierung: „Wir brennen nämlich auf den Besitz des Bildes, erstens weil es so schön ist, und zweitens weil ich daraufhin unseren Hauptsaal umhängen möchte.“47 Doch die Anlieferung zog sich bis ins neue Jahr, so dass Waldmann beim Künstler nachhaken musste: „Verzeihen Sie die abermalige Belästigung. Ich bin in der größten Verlegenheit wegen der neuen Hän­ gung meines schönsten Saales, in welchem das Bild ‚Die blaue Luft‘ einen Hauptplatz ein­ nehmen soll: es soll so hängen, dass man es, wenn man die große Treppe hinauf kommt, sofort durch ein paar offene Türen leuchten sieht.“48 Das Bild, von dem die Rede ist, fir­ mierte später zumeist unter dem Titel Jäger am Abhang (Abb. 6). Es wurde für stolze 30.000 Mark aus Mitteln der Kulenkamp-Stiftung erworben. Nicht nur Waldmann war begeistert, sondern auch der Rezensent der Bremer Nachrichten: „Durch fünf Wochen hat mich die­ ser Eindruck nicht losgelassen, dieses leuchtende Blau, dieses glitzernde Grün mit dem brennenden Gold dazwischen. Wie ein heller Ausblick auf Himmel und Licht so taucht es auf über dem dunklen Samt, wenn man die letzten Stufen der Freitreppe in der Kunst­ halle hinauf steigt. Der ‚Jäger am Abhang‘ ist ein Bild von solcher Kraft und Lebendig­ keit, dass alles, was daneben steht grau wird.“49 Enthusiastisch beendet er seinen Artikel: 42 Ebd., S. 3. 43 Vgl. Robert Kain, „Ausstellung in der Kunsthalle, Teil 1“, in: Bremer Nachrichten, 9. Juni 1920 und D. S.: „Aus der Kunsthalle Teil 1“, in: Bremer Tageblatt, 12. Juni 1920. 44 Emil Waldmann, „Klassisch gewordene moderne Kunst“, in: Münchener Neueste Nachrichten, 20. September 1920. 45 Robert Kain, „Die Neuordnung in der Kunsthalle“, in: Bremer Nachrichten, 28. Dezember 1920. 46 Ebd. 47 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 22. Dezember 1920, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 48 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 11. Januar 1921, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 49 Robert Kain, „Kunsthalle. I. Slevogt ‚Jäger am Abhang‘“, in: Bremer Nachrichten, 7. April 1921.

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6 Max Slevogt, Die blaue Luft (Jäger am Abhang), 1903, Öl auf Leinwand, 100 × 81 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Nicht weit von Slevogts ‚Jäger‘ hängt das große Selbstbildnis Liebermanns. Beide Bil­ der waren mit Liebermanns ‚Papageien-Allee‘ zusammen die Glanzstücke der letzten Sommerausstellung. Ich meine, die Tatsache, dass es der Leitung unserer Kunsthalle gelungen ist, beide Werke für Bremen zu gewinnen, das wäre ein Grund, einmal ehr­ lich und rückhaltlos ‚Bravo!‘ zu rufen!50 Der Vorstand des Kunstvereins hatte großes Vertrauen in Waldmanns Erwerbungspoli­ tik, und so konnte dieser im Januar 1922 das nächste Gemälde anschaffen, Die schwarzen Panther aus der Dresdener Sammlung Adolf Rothermund (Taf. XI). Zwei Jahre zuvor hat­ te Waldmann noch bedauernd konstatiert, dass keins der herrlichen Raubtierbilder aus 50 Ebd.

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7 Max Slevogt, Erdbeeren, 1903, Öl auf Leinwand, 46,5 × 57 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

dem Frankfurter Zoo in Museumsbesitz sei.51 „Sie können sich denken, wie sehr ich mich darüber freue“, schrieb er nach dem glücklichen Erwerb dem Künstler. „Wenn ich lange genug lebe, wird die Bremer Kunsthalle vielleicht noch einmal eine ausreichende und schöne Vertretung ihrer Kunst besitzen. Denn dieses ist ein Hauptziel meines hiesigen Ehrgeizes.“52 Diesem Bekenntnis folgte ein Jahr später der Ankauf des Stilllebens Erdbeeren von dem Bremer Consul Carl Theodor Melchers (Abb. 7). Bereits 1908 hatte Gustav Pauli das Bild in der Kunsthalle gezeigt, wo Melchers es erworben hatte.53 Damit besaß die Kunsthalle Bremen im Jahr 1923 neben einigen Aquarellen, einem großen Bestand an Grafik und illustrierten Büchern insgesamt sieben Gemälde und eine Ölstudie des Künst­ 51 Vgl. Emil Waldmann, „Eine Slevogt-Sammlung“, in: Kunst und Künstler, Jg. 18, 1920, H. 3, S. 99–107, hier, S. 104. 52 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 29. Januar 1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 53 Vgl. Deutsche Kunstausstellung, Kat. Ausst. Bremen, Kunsthalle 1908, Nr. 274.

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lers. Die Gemälde veranschaulichten Slevogts Entwicklung von 1901 bis 1917 und umfass­ ten ein breites Spektrum an Themen. Dazu gehörten ein Herren- und ein Damenporträt, zwei Pfälzer Landschaften, ein Stillleben, ein Tierbild und die Historie von Cortez in Mexiko. Erst drei Jahre zuvor hatte Waldmann in einem Aufsatz über die Sammlung des Han­ noverschen Rittmeisters Konrad Wrede ein gravierendes Defizit von Slevogts Werken in öffentlichen Museen festgestellt: Für die Kunst Max Slevogts versagen unsere öffentlichen Galerien in ziemlich weitge­ hendem Maasse [sic]. Lichtwark interessierte sich, ausser einem Bildnisauftrag, nicht für ihn, Hugo von Tschudi liess auch nur seine Frau von ihm malen; heute besitzt die Nationalgalerie zwei Bilder seiner Hand, ein zu grosses und ein zu kleines. Dres­ den hat ja ausser dem ‚Ritter im Harem‘ die Landschaften aus Ägypten, und ande­ re Museen hie und da haben ein schönes Bild und manchmal ausnahmsweise auch einmal eine kleine Anzahl schöner Bilder. Aber wenn man daran denkt, wie nicht nur ­Trübner und Thoma, sondern auch Liebermann in unseren Museen vertreten ist, muss man eine Lücke auf dem Gebiete des Slevogtbesitzes feststellen. Man kann die Kunst dieses doch nun berühmten Meisters in ihrer ganzen Eigenart auch heute noch nur in Privatbesitz kennenlernen.54 Das schrieb Waldmann 1920. Er selbst hatte tatkräftig daran gearbeitet, die Situation zu verändern: Von seinem Amtsantritt bis 1923 war es Waldmann durch kontinuierli­ che Erwerbungen gelungen, in der Kunsthalle Bremen die damals beste öffentliche Sle­ vogt-Sammlung aufzubauen. Sein Kollege Ludwig Justi von der Berliner Nationalgalerie, den Waldmann stets kritisch beobachtete, begann erst ab 1922 den dortigen Slevogt-Be­ stand zu erweitern.55 Trotzdem war der Bremer Museumsdirektor noch nicht zufrieden. Eigentlich wünschte er sich ein reines „Slevogtzimmer“ oder zumindest eine „Slevogtwand“, doch die bauliche Situation in der Kunsthalle stellte ihn vor Probleme, denn die Seitenkabinette erwiesen sich für das Vorhandene als zu klein und die Säle als zu groß. Auch

54 Vgl. Waldmann 1920 (wie Anm. 51), S. 99. Zum Slevogt-Bestand in Frankfurt: „In Frankfurt ist, so viel ich erfahren konnte, niemand, der Ihre Sachen sammelt. Im Städel-Museum fand ich auch nur 2 Zeichnungen, eine zu Alibaba und eine Gelegenheitsarbeit, Phaeton oder so. Wir Bremer haben doch immerhin 7 Blatt von Ihnen, und die Grafik!“, Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 14. Januar 1922, Landesbibliotheks­ zentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 55 Vgl. Angelika Wesenberg, „Slevogt, Justi und das Kronprinzenpalais“, in: Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag, hg. von Thomas Andratschke, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsisches Landesmuse­ um, Petersberg 2018, S. 161–167, passim. Waldmann irrte jedoch in seinem Text von 1920: Damals besaß die Nationalgalerie drei (nicht nur zwei) Werke Slevogts.

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8 Großer Oberlichtsaal in der Kunsthalle Bremen mit Werken von Max Slevogt, Max Liebermann und Lovis Corinth, nach 1926.

[…] die Langwände in den großen Sälen sind zu groß und die Kurzwände zu klein. Natürlich wird das mit der Zeit einmal kommen, wenn der Krieg nicht gekommen wäre und damit die absolute Mittellosigkeit, wäre es anders, dann hingen die Werke der Meister, die ich besonders sammele, jeder für sich in einem Raum rsp. auf einer Wand.56 Waldmann hatte die Bilder im großen Oberlichtsaal offenbar teilweise übereinander ge­ hängt und Slevogt scheint sich kritisch darüber geäußert zu haben. Doch der Museums­ direktor verteidigte seine Präsentation: Der Saal ist zu groß, und wenn man nur eine Reihe hängt (ich hab’s probiert) sind die Bilder zu klein. Es ist übrigens das erste Mal, dass ich die Meinung höre, Ihre Bilder wären zu, sagen wir, dekorationsmäßig verteilt. Sonst finden die Besucher, dass ge­ rade die Slevogts in den Räumen besonders gut herauskämen in dem Reichtum von Licht und Farbe, und das war die Absicht; und deshalb habe ichs so gemacht, neben dem Grau von beispielsweise Liebermann leuchtet so ein Slevogt noch mehr. Und Pauli, der vor einiger Zeit mal da war, meinte gerade: ‚ist der Saal nicht etwas sehr ‚auf Slevogt‘ gehängt?‘57

56 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 17. Juni 1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfäl­ zische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 57 Ebd.

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Spätestens in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre begrub Waldmann jedoch endgültig den „Tapezier-Geschmack“.58 Eine Fotografie des großen Oberlichtsaales zeigt die Werke von Liebermann, Slevogt und Corinth in einer gemischten Reihe (Abb. 8). Die blaue Luft (Jäger am Abhang) hing nach wie vor in der Achse zur Tür, so dass der eintretende Besucher vom Treppenhaus her das Bild als erstes erblickte. Nach seinen Erwerbungen von Slevogt, aber auch von vier Werken Liebermanns und fünf Bildern Corinths, hatte Waldmann nun ei­ nen eindrucksvollen Raum mit Meisterwerken des deutschen Impressionismus geschaffen.

Waldmanns Publikationen über Slevogt von 1920 bis 1923 Parallel zu den Gemälde- und Grafikankäufen von 1920 bis 1923 publizierte Emil Wald­ mann intensiv über Max Slevogt. Den Auftakt machte der große Aufsatz über die Samm­ lung Wrede in der Zeitschrift Kunst und Künstler, es folgten Beiträge zu Slevogt als Grafiker und Illustrator für Ausstellungen in der Galerie Ernst Arnold, Dresden, und der Moder­ nen Galerie Thannhauser in München.59 In diesen Jahren scheint sich ein freundschaftli­ cher Kontakt zwischen den Ehepaaren Slevogt und Waldmann entwickelt zu haben, denn im Sommer 1920 schickten Frau Waldmann und ihre Schwiegermutter eine griechische Münze, die offenbar in einen Ring gefasst war, an den Maler.60 Dieses „Geschenk“ scheint eine Art Vorschuss für ein Porträt Emil Waldmanns gewesen zu sein: „Wäre es nun wohl möglich“, fragte dieser kurz darauf, „am 1. oder 2. Juli die bewusste Zeichnung für die Radierung zu machen, wenn Sie Lust haben? Wegen Frau und Schwiegermutter?“61 Am 8. August 1920 war die Radierung fertig und Slevogt dankte, leicht verspätet, Waldmanns Schwiegermutter Frau Pfuhl: Verehrteste gnädige Frau! Ihre Sendung mit dem wundervollen antiken Ring habe ich hier erhalten, u. muß nun Ihre Güte in Anspruch nehmen, die es mir nachsieht, daß ich nicht sofort den Empfang bestätigt habe […] Jedenfalls war es nicht Gleichgültig­ keit diesem Geschenk gegenüber, das ich hoch zu werten weiß, u. das mich nur nicht bedrückt, wenn ich annehmen darf, daß das Bildnis ihres Schwiegersohnes Ihren aufrichtigen Gefallen hat.62 58 So drückte er sich selbst aus, vgl. Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 17. Juni 1923, Landesbiblio­ thekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 59 Vgl. Max Slevogts graphische Kunst, hg. von Emil Waldmann, Dresden 1921 (Arnolds graphische Bücher, I. Folge, 4); Waldmann 1922 (wie Anm. 12); Emil Waldmann, Max Slevogt. Der Graphiker und Illustrator, Kat. Ausst. Dresden, Galerie Ernst Arnold, 1922, S. 7–24. 60 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 15. Juni 1920, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 61 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 23. Juni 1920, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 62 Brief von Max Slevogt an Frau Pfuhl, 8. August 1920, Archiv der Kunsthalle Bremen.

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9 Max Slevogt, Bildnis Emil Waldmann, 1920, Radierung, 34 × 25,5 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Die Radierung, die nicht im Werkverzeichnis aufgeführt ist, zeigt den 40-jährigen Muse­ umsdirektor in aufrechter frontaler Haltung (Abb. 9). Der feine, kontrollierte Strich und die realistische Wiedergabe des Bremer Kunsthistorikers steht in denkbar großem Kon­ trast zu dem erregten Selbstbildnis mit wilden Schraffuren und kräftigen Schatten, das der bayerisch-pfälzische Künstler zwei Jahre später schuf (Abb. 10). Dieses radierte Selbstbildnis diente als Frontispiz von Waldmanns Monografie über Max Slevogt, die 1923 im Verlag Bruno Cassirer erschien. Nach Karl Volls Bildband von 1912 und Johannes Guthmanns Buch Scherz und Laune von 1920 war dies die dritte Buchpu­ blikation über Slevogt. Volls Band enthält nur einen kurzen Einführungstext, er umfasst nur die frühen Werke und bezieht die grafischen Arbeiten nicht mit ein. Guthmans Text ist zwar weit ausführlicher, hat aber eher literarisch-erzählenden Charakter. Der Autor konzentrierte sich auf die Biografie und das beiläufig entstandene grafische Werk des eng befreundeten Künstlers, verzichtete aber auf Abbildungen von Gemälden. Waldmanns

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10 Max Slevogt, Selbstbildnis, 1923, Radierung, Frontispiz in: Emil Wald­mann, Max Slevogt, Berlin 1923.

Monografie hingegen war die erste umfassende kunsthistorische Würdigung ­Slevogts. Darin bündelte er sein Wissen und seine Kennerschaft von dessen Œuvre, indem er den Maler und den Grafiker gleichermaßen in den Blick nahm und ihn in die europäische Kunstgeschichte zwischen Romantik, Realismus und Impressionismus einordnete. Im April 1922 war das Manuskript abgeschlossen: „Wie’s geworden ist, kann ich na­ türlich nicht beurteilen“, schrieb er dem Künstler. Dass ich mit großer Liebe daran geschrieben habe, wissen Sie und ich meine, das ist immer die Hauptsache, besonders gegenüber Künstlern, die lebendig sind und die noch viel zu jung sind, um schon historisch genommen zu werden. Die Kritik und der Nachweis, dass der ganze Slevogt nichts taugt, oder wie man heute so schön sagt: ‚sehr überschätzt wird‘ mag unsern Kindern überlassen bleiben. […] Trübner hat einmal gesagt: ‚Porträtmalen verdirbt die Freundschaft.‘ Sollte es mit dem Bücherschreiben

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nicht auch ein wenig so sein? Wenn Sie sich nun nicht ähnlich finden? Aber dann zitiere ich unsern gemeinschaftlichen Freund Max Liebermann und sage: ‚Ich habe sie ähnlicher gemacht, als sie überhaupt sind.‘63 Abschließend bittet er den Künstler um sein Einverständnis, das Buch seiner Frau zu widmen: Ich habe das Gefühl, dass im modernen Leben die Künstler-Frau in ihrer Bedeutung für den Gatten nicht genügend zur Geltung kommt. Nicht im sentimentalen Sinne meine ich es, nicht als Kunstmuse oder dergleichen, sondern im Sinne des ganz einfa­ chen Menschlichen. Künstlerfrauen, so schön ihr Leben auch ist, durch das Teilneh­ men an der Arbeit und am Erfolg des Gatten, haben doch auch wieder manche Opfer zu bringen, von denen niemand etwas weiß. Max Slevogt war einverstanden64 – das Buch ist „Frau Professor Slevogt zugeeignet“ – und er hat den Text offenbar gern gelesen. Zum Dank schenkte er Waldmann einen Pro­ bedruck seines Selbstbildnisses. Nachdem die Arbeit an der Monographie abgeschlossen war, wandte sich Bruno Cassirer an Waldmann und bat ihn, das Werkverzeichnis der Grafik von Max Slevogt zu erstellen. Es lagen umfangreiche Vorarbeiten von Johannes Sievers, dem Assistenten am Berliner Kupferstichkabinett vor, die jedoch durch den Ersten Weltkrieg ins Stocken geraten waren.65 Nun machte Waldmann sich an die Arbeit: Ich weiß natürlich, dass die Übernahme des Kataloges eine mühselige Arbeit be­ deutet, weiß auch, dass man bei solcher Katalogisierungsarbeit sehr pedantisch sein muss – auf der anderen Seite weiß ich auch die Grenze, wann man mit der Genauig­ keit aufhören muss, gestand er dem Künstler und freute sich, ihn durch diese Aufgabe häufiger besuchen zu können.66 In der Folgezeit wurden große Konvolute von Slevogts Grafik zwischen Bremen und Berlin hin- und hergeschickt, und Waldmann nutzte immer wieder die Gelegenheit,

63 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 4. April 1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 64 Vgl. Brief von Emil Waldmann an Slevogt, 25. Oktober 1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 65 Vgl. Hans-Jürgen Imiela, „Vorwort“, in: Johannes Sievers und Emil Waldmann, Max Slevogt. Das druckgraphische Werk. Radierungen, Lithographien, Holzschnitte. Erster Teil: 1890–1914, hg. von Hans-Jürgen Imiela, Heidelberg und Berlin 1962, S. 7–8, hier S. 7. 66 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 25. Oktober 1922, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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11 Max Slevogt, Brief an Wilken von Alten, vom 16. November 1926, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

um Probedrucke für das Bremer Kupferstichkabinett zu ergattern.67 Die Arbeiten für den ersten Band waren 1925 abgeschlossen, doch aus wirtschaftlichen Gründen verzögerte sich der Druck und wurde nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 gänz­ lich unmöglich. Der Band erschien erst 1962, als sowohl Waldmann wie auch Slevogt bereits gestorben waren.

„Ein großer Wandmaler“ – Slevogts späte Werke in Bremen Nachdem Waldmann während der ersten Hälfte der zwanziger Jahre intensiv über Slevogt publiziert hatte, trat eine gewisse Pause ein. Auch sind von 1925 bis 1927 keine Briefe an den Künstler erhalten. Slevogts Kontakt zu Bremen verlagerte sich offenbar zeitweise zu Wilken von Alten, dem wissenschaftlichen Assistenten der Kunsthalle, der insbesondere für das Kupferstichkabinett verantwortlich war. Bereits im Januar 1923 hatte er Slevogt in Berlin besucht, um eine Aquarellausstellung für die Kunsthalle zusammenzustellen.68 Auch in den beiden folgenden Jahren wurden Aquarelle Slevogts in der Kunsthalle Bre­ men gezeigt. Von Alten scheint das Vertrauen des Künstlers gewonnen zu haben, und so verfasste er eine Monographie über Max Slevogt für den Verlag Velhagen & Klasing, die

67 Vgl. z. B. Briefe von Emil Waldmann an Max Slevogt, 2. Januar 1923 und 20. Februar 1924, beide im Lan­ desbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 68 Vgl. Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 2. Januar 1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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1926 erschien. Slevogt schrieb ihm ein herzliches Dankeschön und schmückte es mit einer Zeichnung, die den Künstler als Artisten zeigt, der bei einer riskanten Varieténummer mit messerwerfenden und pfeileschießenden Indianern gerade noch ungeschoren davon gekommen ist und nun wohlwollend auf seinen scharf umrissenen Abdruck auf der Holz­ tafel blickt (Abb. 11). Spielte er damit auf die Schwierigkeit des Projektes und seine eigene Zufriedenheit mit dem Ergebnis an? Während Waldmann bis 1923 fünf Gemälde und eine Ölstudie von Slevogt für die Kunsthalle angekauft hatte, erwarb er danach nur noch ein weiteres großes Bild (Taf. XII). Es handelte sich um das Porträt des Bremer Dichters, Architekten und Innenarchitekten ­Rudolf Alexander Schröder. Das Bildnis entstand 1927 im Auftrag des Kunstvereins, und die Hansestadt übernahm anlässlich des 50. Geburtstags dieser bremischen Persönlich­ keit die Bezahlung aus öffentlichen Mitteln. Waldmann hatte den Auftrag bei Slevogt eingefädelt: Auf das Bildnis Rudolf Alexander Schröder bin ich sehr gespannt. Er selbst sagte mir, es wäre eine ganz hervorragende Leistung. Sie wissen ja aus Ihrer Erfahrung besser als ich, dass im allgemeinen der Dargestellte der letzte ist, der mit einem Bildnis zufrieden ist. So bin ich überzeugt, dass wir mit diesem Werke wieder ein herrliches Stück bekommen und dass Ihr so genannter Altersstil, den ich aber als ‚drittletzte Periode‘ ansehe, in unserer Galerie hervorragend vertreten ist.69 Als das Werk in der Kunsthalle angekommen war, schrieb er sofort dem Maler: Das Bildnishafte daran finde ich eben so bedeutend. Es ist nach meiner Meinung schlagend ähnlich und sehr lebendig und vor allen Dingen in der Erfassung des geis­ tigen und seelischen sehr bedeutend und außerdem noch ‚zur guten Stunde‘ aufge­ faßt. Ich weiß nicht, wen [sic] ich mehr gratulieren soll, Ihnen oder uns. Und so schüt­ tele ich Ihnen und mir gleichzeitig die Hände, was ja auf dasselbe herauskommt.70 Der humorvolle Ton zeugt von dem nach wie vor vertrauten Verhältnis zwischen dem Künstler und dem Museumsdirektor. Mit diesem späten Porträt hatte er seine Sle­ vogt-Sammlung abgerundet. Doch Waldmann hatte kurz zuvor noch ein weiteres Bremen-Projekt Slevogts in Gang gesetzt. Die erste Idee dazu äußerte er im Sommer 1926 in einem Brief aus Berlin an den Vorsitzer des Kunstvereins, Senator Dr. Hermann Apelt:

69 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 9. Januar 1928, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 70 Brief von Emil Waldmann an Max Slevogt, 19. Januar 1928, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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Ich war in den Tagen viel mit Professor Slevogt zusammen und habe mir seine in den letzten Jahren entstandenen Wandmalereien angesehen. Außer den Fresken aus Neu-Cladow, die ja im Kronprinzenpalais sehr vorteilhaft aufgestellt sind, die Ausmalungen in einer Veranda und eines Gartenpavillon bei Professor Plesch in der Budapesterstr. 23 und dann die im Entstehen begriffenen auf Goldgrund und Mosaik und gemalten Bilder im Wintergarten des Herrn Bankiers Hugo Simon in der Dra­ kestr. 3. […] Slevogt zeigt sich hier, wegen der Fülle von Einfällen, der Sicherheit in der Dekoration und der Festigkeit der Gesamthaltung als ein Künstler, den man mit Tiepolo, natürlich ohne jeden Gedanken an Nachahmung, wohl vergleichen könnte. Und mein alter Wunsch, Slevogt einmal für einen solchen Auftrag nach Bremen zu ziehen, wurde wieder sehr lebendig […]. Große Wandmalereien von Slevogt aber wä­ ren sicher ein künstlerischer Anziehungspunkt in Bremen.71 Waldmann dachte zunächst an die Ausmalung des Künstlervereins. Im Folgenden ent­ stand dann der Plan, dass Slevogt einen Raum im Bremer Ratskeller mit Motiven nach Wilhelm Hauff gestaltete, und so erteilte die Hansestadt Bremen im Jahr 1927 den ersten öffentlichen Wandmalereiauftrag an den Maler. Damit hatte Waldmann erreicht, dass Slevogt auch in dieser Gattung in Bremen präsent war und nicht nur in der Nationalgale­ rie in der Reichshauptstadt.72 Seine hohe Wertschätzung des Künstlers wird schließlich im Ankauf zweier Slevogt-Bildnisse deutlich: Bereits 1921 kaufte Waldmann eine große Rötelzeichnung von Rudolf Grossmann, die Slevogt beim Zeichnen mit der Zigarre in der Hand darstellt, und 1926 erwarb er die Bronzebüste des 58-jährigen Max Slevogt, die der Berliner Bildhauer Georg Kolbe in diesem Jahr geschaffen hatte.

„Eine Sonderstellung im „modernen deutschen Kunstschaffen“73 – Waldmanns Blick auf Slevogt Als Slevogt 1932 im Alter von 64 Jahren starb, war Waldmann bewusst, dass der Künstler eine ambivalente Stellung im deutschen Kunstschaffen einnahm. Slevogt „[…] machte Dinge, die nicht in die Zeit passten“, schrieb er zehn Jahre später.

71 Brief von Emil Waldmann an Hermann Apelt, 22. Juni 1926, Archiv der Kunsthalle Bremen, Nachlass Waldmann. 72 Vgl. Emil Waldmann, „Slevogts neues Freskenwerk im Ratskeller zu Bremen“, in: Der Kunstwanderer, Jg. 8/9, 1926/27, 1./2. Augustheft, 1927, S. 489–492, hier S. 489 sowie Emil Waldmann, „Max Slevogt im Bremer Ratskeller”, in: Der Schlüssel. Bremer Beiträge zur deutschen Kultur und Wirtschaft, Jg. 7, 1942, S. 96–100. 73 Emil Waldmann, Nachruf auf Max Slevogt, Manuskript, Archiv der Kunsthalle Bremen, Nachlass Wald­ mann.

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Dorothee Hansen

Was er schuf, war in dem Augenblick, da es entstand, entweder schon nicht mehr modern, oder es sollte es übermorgen, d. h., als es zu spät war, erst werden. […] Im Zeitalter der Wirklichkeitsmalerei schuf er erzählende, anekdotische Bilder, und in einer Epoche, da man endlich wieder das ‚stilvolle‘ Buch, anhand der Engländer, durchgesetzt hatte, illustrierte Slevogt orientalische Märchen oder die Ilias – vom buchkünstlerischen Standpunkt aus so völlig ‚stil-los‘, wie nur Menzel illustriert hatte. […] Auch in der Wandmalerei, seiner heimlichen Liebe, als er 40 Jahre alt war, über­ raschte er durch auffallende, wenn auch naive Unzeitgemäßheit.74 Damit erklärte Waldmann zumindest teilweise, warum Slevogt zunächst relativ wenig von deutschen Museen berücksichtigt worden war. Denn tatsächlich war Slevogt ein Künstler des Übergangs: Der jüngste im sogenannten Dreigestirn der deutschen Impressionisten hatte kaum mehr für die Durchsetzung dieses Stils kämpfen müssen und setzte den einge­ schlagenen Weg auch nach dem Ersten Weltkrieg fort, als schon die Expressionisten Ein­ zug in deutsche Museen hielten. Während Ludwig Justi für die Berliner Nationalgalerie in den frühen zwanziger Jahren bereits verstärkt expressionistische Werke kaufte, stand Waldmann den Malern der Brücke und vor allem Emil Nolde eher distanziert gegenüber. In Slevogt fand er einen vielseitigen Künstler, der die in Bremen geschätzte Tradition des Impressionismus mit leidenschaftlichem Strich und leuchtender Farbe fortsetzte. So lag für Waldmann die mutige Innovationskraft Slevogts nicht so sehr in einer stilisti­ schen Radikalität, sondern in seiner souveränen Malkultur und den unbekümmerten Rückgriffen auf historische Positionen, die Waldmann als Kunsthistoriker und Liebha­ ber von Grafik und Buchkunst besonders ansprachen. Für Waldmann, der die „solide Modernität“75 den Avantgarde-Positionen der jüngeren Generation vorzog, war Slevogt daher ein herausragender Künstler: „Ein Malerdichter auf der Grundlage der wirklichen Welt“, ein Mann mit einer Leidenschaft für das Musikalische und das Theatralische, für das Malerische und das Dichterische, vor allem aber „der große Illustrator, der größte, den Deutschland seit Menzel erlebt hat.“76

74 Vgl. Waldmann 1942 (wie Anm. 72), S. 96. 75 Waldmann 1919 (wie Anm. 29), S. 170. Vgl. Dorothee Hansen, „‚…Die solide Modernität‘. Bremer Sammler nach der Jahrhundertwende. Heymel, Biermann, Wolde“, in: Die Moderne und ihre Sammler. Französische Kunst in deutschem Privatbesitz vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, hg. von Felix Billeter und Andrea Pophanken, Berlin 2001, S. 185–202, hier S. 199. 76 Emil Waldmann, Nachruf auf Max Slevogt, Manuskript, Archiv der Kunsthalle Bremen, Nachlass Wald­ mann.

Eva Wolf

Der „getreue Blondel der Pfalz“ Heinrich Kohl und Franz Josef Kohl-Weigand als Slevogts Pfälzer Connection

Der „getreue Blondel der Pfalz“ – so nennt Max Slevogt Heinrich Kohl in einer verspäteten Glückwunschkarte zu dessen Geburtstag am 1. Dezember 1918 (Abb. 1). Auch mit seiner Zeichnung spielt er auf die bekannte Sage an, der zufolge der treue Sänger Blondel den auf Burg Trifels inhaftierten Richard Löwenherz mit seinem Gesang ausfindig machte und befreite. Slevogt zeichnet sich selbst hier in der Rolle des Gefangenen, nachdem ihm von den französischen Besatzern der Pfalz die Ausreise nach Berlin und sogar das Malen verboten wurde. Die Karte thematisiert nahezu programmatisch die wichtige Rolle, die Heinrich Kohl auch in den folgenden Jahren als zuverlässiger und loyaler Helfer und Ratgeber für Max Slevogt spielte. Hierbei konnte er stets auf ein umfangreiches Netzwerk von Freunden und Bekannten in der Pfalz und in Bayern zurückgreifen, dessen komplexe Verbindungen im Folgenden kurz skizziert werden sollen. Auch die weiteren, in der Zeich­ nung thematisierten Aspekte, die Besetzung der Pfalz durch Frankreich von Dezember 1918 bis Juni 1930 und die politische Haltung Heinrich Kohls, erweisen sich als wichtige Faktoren für Slevogts Engagement in seiner Wahlheimat. Heinrich Kohl wurde am 1. Dezember 1873 in Landau als Sohn eines alteingesesse­ nen Kaufmanns geboren. Die Bekanntschaft mit Max Slevogt reicht wohl in die Jugendzeit zurück, als Slevogt in den Ferien bei seiner Großtante Henriette Knoderer in Landau zu Besuch war. Als der Künstler 1913 das Gut Neukastel erwarb, versuchte Kohl erfolgreich den Kontakt zu erneuern.1 Slevogts Schwager Walter Finkler schreibt dazu in seinen Er­ innerungen: Zu Beginn des Jahres 1920 lernte ich Herrn Bankdirektor Heinrich Kohl, Neustadt, kennen, der bald eine der wichtigsten Persönlichkeiten für uns wurde. In der gan­ zen Pfalz, besonders als Mitbegründer des Pfälzerwaldvereins sowie als aufrechter, hilfsbereiter Mann bekannt, wurde er bald einer unserer treuesten Freunde. […] Da er überall bekannt war, führte er uns in seinem FIAT-Wagen an alle schönen Punkte (der Pfalz) und zu seinen besten Freunden […]. So war er schließlich der gute Geist von Neukastel geworden und entschied häufig wie und wo wir den nächsten Tag zu verbringen haben [sic].2 1 Vgl. Karl Scheffler, „Slevogts Lebensweise“, in: Kunst und Künstler, Bd. 31, 1932, Heft 11, S. 393–407, S. 404. 2 Wolfgang Diehl, Max Slevogt. Zum 150. Geburtstag. Der Künstler, Neukastel, Leinsweiler und die Pfalz. Mit Aufzeichnungen des Schwagers Dr. Walter Finkler, Landau 2018, S. 201.

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1 Max Slevogt, Blondel, Postkarte an Heinrich Kohl vom Dezember 1918, Federzeichnung auf Papier, 9,3 × 14 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand.

Heinrich Kohl interessierte sich schon früh für die Geschichte und Volkskunde seiner Heimat. Er legte eine umfangreiche Bibliothek und eine weithin bekannte Sammlung von Zeugnissen aller Art zur Geschichte und zu den kulturellen Traditionen der Pfalz an. Von seinem Biografen Hans Blinn wird Heinrich Kohl als rastlos tätiger, überaus kontaktfreu­ diger Mensch beschrieben. Seinen Beruf als Bankier wusste er auf das Beste mit seinem lebenslangen Engagement für die Pfalz zu verbinden. Blinn schildert die Wertschätzung Kohls durch seinen Kollegen Friedrich Dacqué wie folgt: Andererseits schätzte Dacqué dessen Erfolge in der Bank durch Vermehrung von Geschäftsumfang und Umsatz, und Kohl war ehrlich genug, dies zum Großteil sei­ ner außerberuflichen Tätigkeit seiner Mitarbeit im Pfälzerwald-Verein zuzuschrei­ ben. Hatte sie ihm doch Verbindungen zu allen Volksschichten gebracht, wobei sei­ ne freundschaftliche Haltung zum katholischen Klerus und zum Lehrerstand ihre Früchte trug.3 Heinrich Kohl zählte zu den Gründervätern des am 27. November 1902 ins Leben gerufe­ nen Pfälzerwald-Vereins und war lange Jahre im Hauptvorstand als dessen Schatzmeister und als Leiter der Verlagsabteilung tätig.4 Auf ihn geht auch der Name des neuen Vereins und der Gruß „Wald-Heil“ zurück.5 Mit seinen rasch wachsenden Mitgliederzahlen – 1914

3 Hans Blinn, Heinrich Kohl (1873–1936), Landau 1998, S. 68. 4 Vgl. ebd., S. 35 und S. 38. 5 Vgl. Rainer Rund, „Die Geschichte des Pfälzerwald-Vereins“, in: 100 Jahre Pfälzerwald-Verein e. V., Neustadt an der Weinstraße 2002, S. 6–135, hier S. 10.

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hatte er bereits über 16 000 Mitglieder – war er bald ein wichtiger Bestandteil des gesell­ schaftlichen Lebens in der Pfalz und ein nicht zu unterschätzender Fundus für Kohls großen Bekanntenkreis. Als ausgewiesener Kenner seiner Heimat und ihrer Geschichte hatte er des Öfteren das Privileg, hochgestellte Persönlichkeiten zu den Sehenswürdig­ keiten der Region zu führen. So begleitete er beispielsweise Prinzessin Hildegard von Bayern, die Tochter des letzten Königs Ludwig III . und Enkelin des mit Slevogts Vater be­ freundeten Prinzregenten Luitpold, bei einem Besuch nach Hambach.6 Der Besuch fand vermutlich während ihrer Reise zum Rosenkongress nach Zweibrücken im Juni 1914 statt. Kohl war auch mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Heinrich Held gut bekannt, der anlässlich eines Parteitages der Bayerischen Volkspartei (BVP) im Januar 1927 als Gast in seinem Hause weilte.7 In der Satzung des Pfälzerwald-Vereins waren als wichtige Ziele nicht nur die För­ derung des Wanderns, sondern auch die touristische Erschließung der Pfalz, der Natur­ schutz und die Erhaltung der Baudenkmäler und „die Verbreitung der Kenntnis der Pfalz innen und außen“8 festgeschrieben. Insbesondere der letztgenannte Aspekt lag Heinrich Kohl am Herzen: So regte er 1907 an, die Jahreskarten für die Mitglieder des Pfälzer­ wald-Vereins nach dem Vorbild des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg je­ des Jahr mit einem neuen Motiv von einem pfälzischen Künstler gestalten zu lassen. Die erste Karte wurde von dem damals in Bad Dürkheim ansässigen Maler Gustav Ernst gestaltet und zeigt einen Wanderer mit den Zügen Heinrich Kohls und der von ihm er­ stellten Wanderkarte. Auf diese Weise war einerseits eine ansprechende Gestaltung der Karten sichergestellt, und andererseits wurden damit die Künstler in einer breiteren Be­ völkerungsschicht bekannt gemacht. Für diese Projekte konnte Kohl mehrere pfälzische Künstler gewinnen, so beispielsweise Heinrich Strieffler, Hanns Fay, Adolf Kessler oder August Croissant und später auch Max Slevogt. Seit 1908 brachte der Verein außerdem eine sehr erfolgreiche Serie von Ansichtskarten mit dem Titel „Pfälzer Heimatbilder“ nach Bildern und Aquarellen von Künstlern heraus. Auch hier waren die bereits genannten Künstler beteiligt.9 Zahlreiche ihrer Motive gehen auf Vorlagen von Kohls Freund August ­Croissant zurück. Die Karten sollten für die Schönheit der Pfalz werben und verschafften gleichzeitig den Künstlern eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit. Kohls Biograph Hans Blinn bemerkt dazu, dass Kohl „das Künstlerhonorar meistens selbst trug“.10

6 Eine Fotografie, die den Besuch dokumentiert, befindet sich im Archiv des Saarlandmuseums, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Sammlung Heinrich Kohl, Abt. 01/52. 7 Vgl. die beiden Schreiben von Heinrich Kohl an Max Slevogt vom 12. und vom 21. Januar 1927, Landes­ bibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Ich danke Armin Schlechter für seine großzügige Hilfsbereitschaft und Unterstützung. 8 Rund 2002 (wie Anm. 5), S. 11. 9 Vgl. Blinn 1998 (wie Anm. 3), S. 61. 10 Ebd.

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2 Max Slevogt, Trifels im Frühling, 1921, Öl auf Leinwand, 75 × 98,5 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand.

Heinrich Kohl unterstützte die Künstler nicht zuletzt auch durch eigene Erwerbun­ gen für seine Pfalz-Sammlung, darunter zahlreiche Werke von August Croissant, Hein­ rich Strieffler, Gustav Ernst, Hanns Fay, Karl Graf und Otto Dill. Kohl besaß darüber hin­ aus mehrere Gemälde und zahlreiche Papierarbeiten des von ihm hoch geschätzten Max Slevogt. Auch diese Gemälde zeigen pfälzische Motive und haben einen engen Bezug zur Person Kohls und seinen Interessen. So spiegelt die Ansicht des Trifels im Frühling (Abb. 2) mit seiner Burgruine Kohls intensives Interesse für deren Geschichte.11 Als Zeugnis ge­ genwärtiger Ereignisse hatte Slevogt für ihn zwei weitere Gemälde geschaffen: Die Gefällte Kaiserin-Eiche im Bienwald – das heute verschollen ist und von dem sich der Entwurf für die Mitgliedskarte des Pfälzerwald-Vereins für 1925 ableitet (Abb. 3) – und Gefällte Eichen im Bienwald (Abb. 4). Diese Bilder stellen die Folgen der umfangreichen Baumfällungen dar, die die französische Besatzungsbehörde 1924 im Zuge der Reparationsmaßnahmen 11 Vgl. ebd., S. 143.

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3 Max Slevogt, Die gefällte Kaiserin-Eiche im Bienwald, 1924, Zeichnung auf Papier, 17,5 × 20,5 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand.

durchführen ließ und die Kohl als persönlichen Verlust empfand. Das bekannteste Bild seiner Sammlung ist jedoch wohl das charakteristische Porträt von Heinrich Kohl als Wanderer, von dem Slevogt zwei Fassungen schuf. Es fand die Bewunderung von Fritz Wichert, dem Direktor der Kunsthalle Mannheim, der oft im Haus von Heinrich Kohl ver­ kehrte und dort vermutlich die Kohl gewidmete Fassung gesehen hatte.12 Am 17. Oktober 1920 schrieb Kohl an Slevogt: „Herr Dr. Wichert Mannheim will mein Bild, den ’kleinen Kohl‘ wie er es benannte, einrahmen lassen & es sodann in seiner Kunsthalle ausstellen. Ich setze hierzu Ihr Einverständnis voraus.“13 Slevogt antwortete am 14. Februar 1921: Dr. Wichert habe ich, nachdem das Bild mit Erfolg hier in d. Akademie ausgestellt war, den ’großen Kohl‘ für die Mannh. Galerie geschickt. Er will ihn durchaus dafür haben, wie er versichert. Und wie ist es mit dem „kleineren“. Haben Sie ihn nun zu Hause aufgebaumelt? oder hat ihn auch noch Dr. Wichert in den Krallen?14 Tatsächlich war das Bild wohl noch in Mannheim, denn am 11. März 1921 teilte Kohl Slevogt mit: „Zu Dr. Wichert bin ich noch nicht gekommen. Ich will ihn nächstens mit meinem Bild von M’heim abholen, da es nun den richtigen Platz zum Aufhängen bekommen muss.“15 12 Vgl. ebd., S. 73. 13 Schreiben von Heinrich Kohl an Max Slevogt vom 17. Oktober 1920, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 14 Brief von Max Slevogt an Heinrich Kohl vom 14. Februar 1921, Archiv Saarlandmuseum, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, E IIf/9. Vollständige Transkription in: Max Slevogt, Briefe 1898–1932, hg. von Roland Mönig, bearb. und komm. von Eva Wolf, Saarbrücken 2018, Kohl 5, S. 293. 15 Schreiben von Heinrich Kohl an Max Slevogt vom 11. März 1921, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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4 Max Slevogt, Gefällte Eichen im Bienwald, 1924, Öl auf Leinwand, 54,8 × 62,2 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand.

Wichert kaufte schließlich 1922 die größere Fassung von Slevogts Gemälde für die Mann­ heimer Kunsthalle, wo es sich noch heute befindet (Taf. XIII). Auch Friedrich von Chlingensperg, der damalige Regierungspräsident der Pfalz, konnte während seines Besuchs bei Max Slevogt auf Neukastel am 24. September 1920 die beiden Fassungen des Gemäldes bewundern. In seinem Reisetagebuch notierte von Chlingensperg dazu: Professor Slevogt nützt seinen pfälzischen Sommeraufenthalt sehr zum Arbeiten aus; im Vorjahre hat er, nachdem er die grossen, durch die Franzosen ihm bereiteten Hindernisse hinsichtlich des Einbringens von Kupferplatten über den Rhein über­ wunden hatte, viel radiert; von den heurigen Erzeugnissen seines Pinsels sah ich 2 ausgezeichnete Portraits des Bankdirektors Kohl von Neustadt (Pfälzerwald-Kohl)

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und einige Landschaften, darunter eine entzückende Haardt-Sommerlandschaft aus der Umgebung von Neukastel, die ich gerne der Pfalz gewinnen möchte.16 Von Chlingensperg berichtet außerdem von Slevogts Plan, der auf die vaterländische Gesinnung der Pfalz mit einer Ausstellung der ausgezeich­ neten Erzeugnisse neuerer deutscher Malerei aus Berlin, Frankfurt, München, Mann­ heim usw. Einfluss üben möchte. Professor Slevogt hat schon gelegentlich seines vor­ jährigen Aufenthaltes in der Pfalz mit einzelnen Herren über die Sache gesprochen und dann im verflossenen Frühjahr mit dem preussischen Kultusminister, der dem Gedan­ ken sehr geneigt schien. Von diesem erfuhr das Auswärtige Amt von dem Plane, worauf man ihn dahin kommen ließ und zur Rede stellte, als ob er Umtriebe gegen Frankreich beabsichtigte. Bevor Professor Slevogt weiteres einleitet, möchte er aber Sicherheit haben, dass nicht von französischer Seite die Hand auf die Kunstwerke gelegt wird.17 Slevogt hatte offenbar vorgeschlagen, eine Ausstellung von Künstlern, vermutlich des Deutschen Künstlerbundes in der Pfalz zu zeigen, um damit die Solidarität mit dem besetzten Gebiet zu betonen. Der ansonsten eher unpolitische Künstler teilte wohl die von Heinrich Kohl stets mit Nachdruck vertretene Position, dass die Pfalz entgegen der angestrebten Politik der französischen Besatzer Teil Bayerns und des Reiches bleiben sollte. Dies findet seinen Niederschlag auch in den zwischen 1920 und 1927 von Slevogt entworfenen Mitgliedskarten für den Pfälzerwald-Verein, deren Themen durchaus als anti-separatistische Propaganda verstanden werden sollten. Zur ersten von Slevogt gestal­ teten Mitgliedskarte von 1920 (Abb. 5) schreibt Kohl am 20. Januar 1920: Hochverehrter Herr Professor! Anbei die Mitgliederkarte. Sie hat uns schweres Kopf­ verbrechen [sic] gemacht. August Croissants sanftes Gemüt bringt keinen Löwen zustande, daher haben wir Ihren Löwen gelassen, in der Hoffnung, daß Sie uns des­ wegen nicht böse sind. Mit der Schrift haben wir viele Versuche gemacht. hin­ ter dem Löwen, d. h. rechts & links desselben in Schreibschrift haben wir mehrmals probiert, doch fiel die jetzige Lösung besser aus. Die Karte hat uns Kommerzienrat Liesenberg Neustadt gedruckt. Er hat aus der flüchtigen Vorlage herausgeholt, was herauszuholen war. Wer die Karte bis jetzt sah, war von ihr begeistert.18 16 Archiv Saarlandmuseum, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, A IV/2. Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus dem Reisetagebuch in Form einer Abschrift. Einer Randnotiz von Heinrich Kohl zufolge fiel das Tagebuch in die Hände der Separatisten und wurde dann – wohl nach dem Ende der autonomen pfälzischen Republik Anfang 1924 – im Durcheinander der Regierungsakten vorgefunden. 17 Ebd. 18 Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 20. Januar 1920, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. Kommerzienrat Carl Liesenberg war ein Zeitungs­

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5 Max Slevogt, Der bayerische Löwe, 1919, Zeichnung auf Papier, 23,8 × 16,4 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung KohlWeigand.

Ein Entwurf mit der im Brief erwähnten Schreibschrift, der auf die Rückseite eines Stadt­ planes von Trier gezeichnet wurde, findet sich in der Sammlung Kohl-Weigand im Saar­ landmuseum. Die Karte zeigt das Wappentier Bayerns, einen Löwen, der auf dem im bei­ gefügten Vers erwähnten Markstein sitzt. Beides zusammen sollte ein klares Bekenntnis zur Zugehörigkeit der Pfalz zu Bayern und zum Reich verdeutlichen. Trotz seiner bekanntermaßen pro-deutschen Haltung nahm Heinrich Kohl es auf sich, für Slevogt den Adjutanten des General de Metz aufzusuchen, um Ersatz für Sle­ vogts verloren gegangenen Pass zu besorgen. Adalbert François Alexandre de Metz über­ wachte als Oberkontrolleur für die Pfalz die Tätigkeit der Kreisregierung in Speyer und strebte die dauerhafte Abtrennung der Pfalz vom Deutschen Reich an. Am 30. August 1923 schrieb Kohl an Slevogt: Lieber Herr Professor! ich war heute in Speyer bei dem Adjudanten des General de Metz. Der Herr hat mir entgegenkommender Weise Ihre Pässe zur Einreise in die Pfalz zugesagt. Wollen Sie mir sofort Ihre sämtlichen Ident.karten zusenden. Da Ihre eigene Karte verloren ist, wollen Sie mir Ihren deutschen Reisepaß mit zwei losen Photos zusenden.19

verleger in Neustadt. Er war außerdem der Verfasser des Vorworts zu Max Slevogt. Der Graphiker und Illustrator, Kat. Ausst. Speyer, Pfälzischer Kunstverein, 1927. 19 Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 30. August 1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100.

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Im Zuge der Ruhrkrise hatten die französischen Besatzungsbehörden die Einreisebedin­ gungen in die Pfalz verschärft. Tatsächlich konnte Kohl Slevogt die Pässe bereits am 20. September 1923 zusenden: Lieber Herr Professor! Anbei Ihre 5 Pässe, die Sie berechtigen bis 30. Sept. einzurei­ sen. Ferner für Ihre Malsachen & Kupferplatten ein Paßierschein. Andere Sachen als Reisegepäck sind sonst gefährlich mitzunehmen, wegen des Zolles, den die Franzo­ sen erheben, doch sichert Sie der Paßierschein vor Unannehmlichkeiten. […] Herr de Metz weiß von Ihrer Einreise & ist Ihnen wohlgestimmt. Er hat sich angelegentlich bei mir nach Ihnen & Ihrer Familie erkundigt, als ich gestern Abend Ihre Pässe in Speyer abholte.20 Das besondere Interesse des General de Metz für Slevogt und seine Familie rührte sicher auch daher, dass er mit Slevogts Frau Antonie entfernt über ihre Urgroßmutter verwandt war.21 Die Beziehungen waren jedoch nicht sehr eng, denn Johannes Guthmann hat in seinem Buch Schöne Welt einen Besuch von de Metz auf Neukastel beschrieben, der wohl bald nach der Besetzung stattgefunden hatte.22 Die Begegnung verlief demnach nicht sehr glücklich. De Metz versuchte Guthmann zufolge, Slevogt dazu zu überreden, nach Paris zu gehen, was dieser jedoch nachdrücklich ablehnte. Dagegen unterhielt Heinrich Kohl offensichtlich gute Beziehungen zu den Regie­ rungspräsidenten in Speyer, die sich als bayerische Beamte entschieden für den Verbleib der Pfalz bei Bayern und damit beim Deutschen Reich einsetzten. Karl Graf schreibt in seinen Erinnerungen an Heinrich Kohl: Die Pfälzer waren – wie immer in Notzeiten – zusammengerückt. Und um den Stammtisch des Regierungspräsidenten in der Weinstube Mangold in Speyer merkte man nichts mehr von Rang und Gehaltsklassen. Da saßen Beamte und Bürger ne­ beneinander, holten Presseleute sich ihre Informationen, berieten sich Gelehrte und Männer der Wirtschaft. Da saßen auch Albert Pfeiffer, der damalige Archivrat, und Heinrich Kohl, der Bankdirektor.23 Archivrat Albert Pfeiffer war ein Freund von Heinrich Kohl und seit der Gründung Mit­ glied im Pfälzerwald-Verein. Seit 1911 war er Schriftleiter der Vereinszeitung Pfälzerwald und ab 1919 der Zeitschrift Pfälzisches Museum, der Monatsschrift des Historischen Ver­ eins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz. Etwas später in seinem 20 Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 20. September 1923, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt N 100. 21 Vgl. Diehl 2018 (wie Anm. 2), S. 172. 22 Johannes Guthmann, Schöne Welt. Wandern und Weilen mit Max Slevogt, Berlin 1948, S. 101. 23 Karl Graf zit. nach Blinn 1998 (wie Anm. 3), S. 142.

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Text berichtet Karl Graf von den Bestrebungen, ein kulturelles Leben wiedererstehen zu lassen: Natürlich regte es sich gleichermaßen auch in Neustadt. Dort war ein Kreis guter Pfälzer Köpfe, Franz Hartmann, der Volksbildungsmann, sein Freund Leopold Reitz, der Lehrer und Schriftsteller. Die Bankdirektoren Heinrich Kohl und Jean Roth und Saul, Architekt [Carl] Dietrich […] und viele andere. In den Vorkriegszeiten gab es den Verein Pfälzer Künstler und Kunstfreunde in Neustadt. In diesen Notjahren wollte man ihn neugründen. […] Eine erste Ausstellung von Werken Pfälzer Maler und Bild­ hauer sollte organisiert werden.24 Damit sind einige der Namen genannt, die in dem engen Beziehungsgeflecht der Pfälzer Kulturszene, zu der auch Heinrich Kohl gehörte, eine wichtige Rolle spielen. So wurde der Autor des Textes, Karl Graf, nach eigener Beschreibung von Heinrich Kohl, der dem Komitee des Vereins Pfälzer Künstler und Kunstfreunde angehörte, spontan zum Aus­ stellungsleiter der eben erwähnten Ausstellung berufen.25 Diese Position hatte er auch für die 1922 von Hermann Graf, dem Leiter des Gewerbemuseums Kaiserslautern, ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Kunst und für den Pfälzischen Kunstverein unter dem Protektorat des Regierungspräsidenten inne. Hermann Graf wiederum war für die Förderung der pfälzischen Kunst in dieser Zeit eine zentrale Figur. Als er 1920 die Leitung der Handwerkerschule und des Gewerbemuseums in Kaiserslautern übernahm, begann er sogleich sich für die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage vor allem der jungen Künstler in der durch die Besatzung isolierten Pfalz einzusetzen. Dies versuchte er vor allem durch die Organisation von Ausstellungen zu erreichen. Die als Dachverband für die verschiedenen, gelegentlich auch konkurrierenden Kunst- und Künstlervereini­ gungen gegründete Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Künstler nutzte er, um die vorhandenen Kapazitäten zu bündeln und zu koordinieren. Mit ihrer Hilfe appellierte er immer wieder an die Städte und Gemeinden, öffentliche Aufträge an Pfälzer Künstler zu vergeben. Graf organisierte ab 1924 mehrere erfolgreiche Ausstellungen; an einigen von ihnen beteiligte sich auch Max Slevogt. 1925 widmete das Gewerbemuseum Kaiserslautern vom 17. Okto­ ber bis zum 15. November dem Künstler eine eigene Ausstellung mit zahlreichen Werken aus der Sammlung Kohls. In seinem Geleitwort dankt Hermann Graf dem Leihgeber da­ her mit folgenden Worten: In erster Linie Herrn Kommerzienrat Direktor Kohl-Neustadt, dem Pionier unseres Pfälzer Waldes, dem auch der Dank gebührt, manche Verbindungen, die zwischen Meister Slevogt und der Pfalz zu zerreißen drohten, neu geknüpft zu haben, und 24 Ebd. 25 Ebd., S. 143.

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6 Max Slevogt, Pfälzer Freunde, 1926, Öl auf Leinwand, früher Besitz der Stadt Berlin, heutiger Standort unbekannt.

Herrn Franz Kohl, Neustadt-Eisenberg, der fast die gesamte Graphik und die Druck­ stöcke des Textteiles vermittelte und zur Verfügung stellte. Dank ihrer persönlichen engen Beziehung zu dem Meister konnte die Durchführung der Ausstellung gesi­ chert werden.26 Auch für eine weitere Ausstellung sucht Slevogt in seinem Schreiben vom 23. Juli 1927 aus seiner Kur in Marienbad an Heinrich Kohl dessen Unterstützung: Von Dr. Graf kam eine Anfrage, oder Ersuchen, bei einer Weinausstellung in Dürk­ heim im September mitzutun!? Was halten Sie davon, – sollte man dort etwa die ‚Pfälzer Freunde‘ ausstellen?27 In seinem Antwortschreiben vom 29. Juli 1927 teilt Kohl Slevogt mit, dass sich das Ge­ mälde Pfälzer Freunde (Abb. 6) aus dem Jahr 1926 auf der Slevogt-Ausstellung im Kunst­ verein Frankfurt befinde, die noch bis Ende September dauere. Er wolle aber dennoch organisieren, dass das Bild auch in Dürkheim gezeigt werden könne.28 Wie man einem anderen Schreiben von Franz Josef Kohl an Slevogt vom 6. September 1927 entnehmen kann, handelte es sich um die Ausstellung Der Wein in Kunst und Geschichte, die vom His­ torischen Museum der Pfalz anlässlich des 34. Deutschen Weinbau-Kongresses in Bad 26 Hermann Graf, „Zum Geleit“, in: Max Slevogt. Sonderausstellung im Pfälzischen Gewerbemuseum Kaiserslautern, Kat. Ausst. Kaiserslautern, Pfälzisches Gewerbemuseum, 1925, S. 3–5, hier S. 4 f. 27 Brief von Max Slevogt an Heinrich Kohl, 23. Juli 1927, Archiv Saarlandmuseum, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, E II f/ 34. Vollständige Transkription in: Wolf 2018 (wie Anm. 14), Kohl 17, S. 309 f. 28 Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 29. Juli 1927, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Lan­ desbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100

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Dürkheim veranstaltet wurde.29 Slevogts heute verschollenes Gemälde zeigt den Gastwirt August Hoffmann, Georg Christmann (gen. Riesling-Schorsch), Heinrich Kohl und Sle­ vogts Schwager Walter Finkler im Garten von Neukastel. Der Journalist Franz Hartmann war seit 1910 für den Pfälzischen Kurier in Neustadt tätig.30 Nach dem Krieg wurde er Chefredakteur der Pfälzischen Bürgerzeitung, für die auch der Schriftsteller Leopold Reitz Beiträge schrieb. Als 1921 der „Pfälzische Verband für freie Volksbildung“ – ein Verband, der sich mit Publikationen und Vorträgen der Er­ wachsenenbildung verschrieben hatte – gegründet wurde, übernahm Hartmann dessen Leitung. In dieser Eigenschaft war er auch im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Kunst. Hartmann war außerdem der Vorsitzende des Verbandes der Pfälzer Presse, der 1932 der Träger der Hundertjahrfeier des Hambacher Festes war. Hier engagierte sich auch der historisch interessierte Heinrich Kohl, der in seinem Archiv eine Sammlung von Dokumenten zu diesem Ereignis besaß. Diese Quellen stellte er Johannes Bühler, dem Autor des zu diesem Anlass erschienenen Buches Das Hambacher Fest: deutsche Sehnsucht vor hundert Jahren, zur Verfügung.31 Bühler war dazu mehrere Wochen im Hause Kohl zu Gast. Heinrich Kohl war außerdem mit dem Sohn des Revolutionärs Daniel Friedrich Lud­ wig Pistor, dem französischen General Friedrich Pistor, gut bekannt.32 In Kenntnis dieses besonderen Interesses am Hambacher Fest malte Slevogt zu Heinrich Kohls Geburtstag 1931 ein Aquarell, das sowohl in dem mit Unterstützung des Verbandes der Pfälzer Presse publizierten Buch von Johannes Bühler reproduziert wurde als auch als Vorlage für die Mitgliedskarte des Pfälzerwald-Vereins von 1932 Verwendung fand (Taf. XIV). Die beige­ gebene Interpretation der Darstellung von einem Autor mit den Initialen F. H. – vermut­ lich das Kürzel für Franz Hartmann – klingt pathetisch und nationalistisch und ist wohl nicht im Sinne Slevogts: Leuchtender Führergeist und das Blut der deutschen Stämme schufen uns 1870 die Einheit des Reiches. Für sie fochten die Pfälzer unter den weißblauen Rauten. Des neuen Reiches Wahrzeichen wurde die Fahne schwarz, weiß und rot. Unter diesen Farben kämpfte die deutsche Einheit im größten Kriege aller Zeiten, aller Völker. Nur aus dem Opfer steigt die Größe! Aus Millionen Deutschen floß das Opferblut. So wurden die deutschen Farben zur glorreichsten Fahne der Welt. Sie stand gegen die meisten Völker der Erde. Vieltausend Pfälzer starben um ihretwillen. Unsere Vorfah­ 29 Brief von Franz Josef Kohl an Slevogt, 6. September 1927, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100. 30 Günther Volz, „Hundertjahrfeier des Hambacher Festes am 28. Mai 1932“, in: 175 Jahre Hambacher Fest 1832–2007, Neustadt an der Weinstraße 2006 (Jahrbuch der Hambach Gesellschaft, 14), S. 205–228, hier S. 206. 31 Vgl. Blinn 1998 (wie Anm. 3), S. 58 ff. 32 Vgl. Archiv Saarlandmuseum, Sammlung Kohl-Weigand, Sammlung Heinrich Kohl, Abt. 01/17 und Abt. IIb/38, sowie Blinn 1998 (wie Anm. 3), S. 59 f.

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ren rangen 1832 beim Hambacher Fest um Deutschlands Einheit. Die Farben schwarz, rot und golden wehten ihrer Sehnsucht voran; sie hieß Einheit der Deutschen! Der Väter Arm war zu Erfüllung nicht stark genug. Wir aber warten noch auf diesen star­ ken Arm. Er führe herauf, was aller Farben sehnendes Symbol war: Großdeutschland! einig und frei! Wer immer es sei: Deutscher Geist und Gottvertrauen lenke diesen Führerarm! Dann stoße, unbekanntes Antlitz, vor durch die verschlungenen Farben! Die Väter von 1832 und 1870 segnen Dich!33 Günther Volz beschreibt die Reaktionen darauf wie folgt: Die Mitgliedskarte wurde in einer hohen Auflage gedruckt und an viele Persönlich­ keiten in der ganzen Republik geschickt. Das Werk fand nicht überall den Beifall, den ihm der Reichspräsident zollte. Der Redakteur des Pfälzischen Merkur fand, dass die Mitgliedskarte zu konzessionsreich sei. Sie erfülle einen anderen als den Ver­ einszweck. Der Text sei ein Anklang an die Phraseologie der Nationalsozialisten, meinte Richard Wirth.34 Wirth war einer der Enkel von Johann Georg August Wirth, einer der zentralen Figuren des Hambacher Festes. Die Darstellung eines muskulösen Armes, der die drei Fahnen zusammenhält, war von Slevogt wohl als eine Allegorie des in der Zeit der Besatzung wieder aufgelebten Wunsches nach nationaler Einheit gedacht. Darüber hinaus war dies – neben Freiheit und Volkssouveränität – bereits eine der drei Hauptforderungen der Teilnehmer des Hamba­ cher Festes von 1832. Eine Deutung in Richtung Nationalsozialismus war aber wohl nicht von ihm intendiert. Franz Hartmann spielte etwa zur selben Zeit auch im Zusammenhang mit der Finan­ zierung von Slevogts Golgatha-Fresko in der Friedenskirche Ludwigshafen eine wichtige Rolle (Abb. 7). Auf Wunsch des Ludwigshafener Dekans Karl Kleinmann setzte er sich in einem Schreiben vom 22. Oktober 1931 an Ministerialrat Decker in München für einen Zuschuss des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus in Höhe von 5000 Mark ein, um damit die noch fehlende Summe für Slevogts Honorar von 15000 Mark zu erlangen.35 Dieser Zuschuss wurde schließlich auch gewährt und sicherte das Vorha­ 33 Johannes Bühler, Das Hambacher Fest: deutsche Sehnsucht vor hundert Jahren, Ludwigshafen 1932, [Frontispiz]. 34 Volz 2006 (wie Anm. 30), S. 207. 35 Unterschriebener Durchschlag eines Briefes von Franz Hartmann an Albert Decker, 22. Oktober 1931, Archiv Saarlandmuseum, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, A II/51. Vgl. dazu auch Anna-Sophie Laug, „Die Sehnsucht nach großen Flächen. Max Slevogts Wandbilder“, in: Blick zurück nach vorn. Neue Forschungen zu Max Slevogt, hg. von Gregor Wedekind in Verbindung mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Berlin und Boston 2016 (Phoenix – Mainzer kunstwissenschaftliche Bibliothek, 2), S. 209–230, hier S. 220 f.

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7 Sepp Gierl, Max Slevogt erklärt Franz Hartmann und Heinrich Kohl das Golgatha-Fresko in der Friedenskirche Ludwigshafen, Fotografie, Silbergelatinepapier, 8,9 × 10 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken.

ben. Zuvor hatte Slevogt selbst schon Kontakt mit dem Bayerischen Kultusministerium aufgenommen. Vorangegangen war der abschlägige Bescheid des Kultusministeriums auf den von Dekan Kleinmann gestellten Antrag einer Bezuschussung des Projekts mit der Begründung, dass die dafür vom Landtag zur Verfügung gestellten Mittel ausschließlich zur Förderung von in Bayern ansässigen freischaffenden Künstlern bestimmt sei.36 Sei­ nen Ärger über diese Begründung äußerte Slevogt in einem Schreiben vom 19. September 1931 an Heinrich Kohl aus seiner Kur in Bad Aachen: Lieber Herr Kohl! Beiliegende 2 Schreiben informieren Sie! Ich weiß, daß Sie das interessiert, – u. außerdem bitte ich Sie, das /mein/ handschrftl. Schreiben an den Minister mit der richtigen Adresse /umgehend/ nach München zu schicken! (Gold­ berger? Kultusministerium). Wenn Sie es für gut halten, wäre auch eine Informierung 36 Schreiben von Dekan Karl Kleinmann an Max Slevogt vom 13.9.1931, Archiv Saarlandmuseum, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt A II/6.

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des Herrn Dr. Decker am Platze!? Nicht weil die Verweigerung eines Zuschusses mich ärgert, – sie ist wohl in den Zeitläuften begründet, – außerdem handelt es sich um eine protestantische u. nicht katholische Kirche!) – u. er könnte wohl nicht viel betra­ gen, – sondern weil ich wirklich hätte annehmen dürfen, daß meine Person eher das Wohlwollen für diesen Plan fördert, als das Gegenteil. An Dr. Kleinmann schreibe ich einstweilen nicht. Ich muß es mir überlegen, denn die Aufgabe ist wirklich (8 × 12 meter etwa), sehr groß und verlangt von mir große Zeit= u. vor allem physische Opfer. Jedenfalls hoffe ich aber auch Herrn Dr. Kleinmann einen Dienst mit meinem Schrei­ ben zu erweisen! Nun ist Gott sei Dank die Kur dieser Tage zu Ende! Ich platze vor Langeweile! Auf gutes Wiedersehen u. herzlich Ihr M. S.37 Das im Brief erwähnte Schreiben an das Bayerische Kultusministerium ist in einer hand­ schriftlichen Abschrift von Heinrich Kohl erhalten, die dieser wohl vor der von Slevogt be­ auftragten Weiterleitung angefertigt hat. Beide Dokumente sind ein Beleg für die wichtige Rolle, die Kohl bei diesem letzten großen Projekt Slevogts spielte. Slevogt überließ ihm in der Folge auch die Verhandlungen über den Vertrag zum Golgatha-Fresko mit Dekan Kleinmann, mit dem der Bankier offenbar befreundet war.38 Der erfolgreiche Künstler war zwar auf Kohls Kontakte zur pfälzischen Kunstszene eigentlich nicht angewiesen. Dennoch profitierte er vom großen Bekanntenkreis und dem begeisterten Engagement des Bankiers, der nicht selten für Slevogt den Verkauf von Ge­ mälden, Grafiken und illustrierten Büchern vermittelte. Aus einem Schreiben von Slevogt vom 18. Dezember 1922 geht hervor, dass Kohl auch beim Verkauf von Werken des Künst­ lers gelegentlich als Vermittler diente. In diesem Fall handelte es sich um das Gemälde Weinlese, für das sich Kohls Bekannter Berthold Weil interessierte: Lieber Herr Kohl! Ihre Karte mit m. Habensaldo vom 15. dss. habe ich erhalten. Mei­ nerseits nun über Bilderpreise:, die leider für Herrn Berth. Weil nicht günstig sind. Der Preis ist 2 Millionen, weshalb ich die Landschaft Trifelsplatte hergegeben habe. Heute sind /mir aber/ 3 Millionen u. 3 ½ geboten, – ich kann deshalb die Weinlese unter 2 ½ nicht abgeben. – Herr B. Weil braucht sich unter /bei/ dieser Preissteigerung (ist es denn überhaupt eine?) nicht gebunden zu fühlen, u. Sie, selbstverständlich, als freund­ schaftlicher Vermittler noch weniger! – Ich lasse das Bild ruhig auf Neukastel stehen!39 37 Schreiben von Max Slevogt an Heinrich Kohl vom 19. September 1931, Archiv Saarlandmuseum, Samm­ lung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, A II/6 38 In einem Schreiben vom 30. Oktober 1931 von Heinrich Kohl an Dekan Kleinmann nennt er ihn „lieber Freund“ und duzt ihn, unterschriebener Durchschlag im Archiv Saarlandmuseum, Sammlung Kohl-Wei­ gand, Best. Slevogt, A II/51. 39 Brief von Max Slevogt an Heinrich Kohl, 18. Dezember 1922, Archiv Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, E II f/13. Vollständige Transkription in: Wolf 2018 (wie Anm. 14), Kohl 7, S. 295.

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Aus der etwas längeren Antwort Kohls am 21. Dezember geht hervor, dass sogar noch einiges mehr verkauft wurde: 3) Stiche die mir übergeben worden sind: M 40 000. – für 4 Radierungen sind Ihnen mit Beilage schon gutgeschrieben. Die an Bäumlein gegebenen sind wie er mir mitteilt, nicht alle verkauft. Nächste Woche wird er mir das Geld bringen. 4) Stiche an meinen Franz: Derselbe teilt mir heute früh mit, daß er 2 verkauft habe (d’Andrade & Walpurgisnacht). Er meint der Verkauf ginge wegen der Preise nicht so gut, ich meine auch „er hat zu viel auf Ihre Preise draufgeschlagen.“ Gutschrifts folgt nach Erhalt des Geldes. 5) Ich war 3 Tage diese Woche in München beim Ministerium. Ich sprach mit dem Kunstverlag Franz Hayn, München, von welchem ich Ihnen kürzlich erzählte. Hayn will Radierungen von Ihnen. Er wird Ihnen schreiben. Ich unterstütze hiermit seine Bitte. 6) Bei Cassirer 6 Cladower Fresken bezogen, weitere 20 Stück bestellt. Großbetrieb!! Freund Guthmann kann also seine Fresken dutzendweise in der Pfalz sehen. 7) Ihre gesch Zeilen habe ich erhalten. Ich werde das Bild in Neukastel abholen & es zuvor Weil zeigen. Weil hat heute Trauer erhalten, eine nahe Verwandte von ihm ist gestorben. Daher will ich erst später ihm das Bild offerieren.40 Den gelungenen Verkauf des Gemäldes an Berthold Weil konnte Kohl dann einen Mo­ nat später, am 23. Januar 1923, melden.41 Aus dem hier ausführlicher zitierten Schreiben wird deutlich, dass Kohl Werke Slevogts nicht nur an Privatpersonen vermittelte, sondern auch an Kunsthändler. Auch sein älterer Sohn Franz Josef, der nach seiner Eheschlie­ ßung mit Auguste Weigand im Jahr 1930 den Namen Kohl-Weigand führte, engagierte sich hier bereits im Alter von 22 Jahren. Sowohl Heinrich Kohl als auch sein Sohn Franz Josef erwarben dabei selbst immer wieder vor allem grafische Werke. Beide konnten zur Slevogt-Ausstellung im Pfälzischen Gewerbemuseum in Kaiserslautern im Oktober 1925 bereits 360 Papierarbeiten beisteuern.42 Sie legten damit den Grundstock zu der umfang­ reichen Slevogt-Sammlung Franz Josef Kohl-Weigands mit 47 Gemälden und etwa 2800 Papierarbeiten, die sich seit 1980 im Saarlandmuseum Saarbrücken befindet. Franz Josef Kohl, der 1923 in Mannheim wohnte und arbeitete, stellte dort den Kon­ takt zu dem Kunstsalon der Gebrüder Buck her. Dem Kunstsalon war auch eine Buch­ 40 Postkarte von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 21. Dezember 1922, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100. 41 Vgl. den Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 23. Januar 1923, Landesbibliothekszentrum Rhein­ land-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100. 42 Vgl. Archiv Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, A VIII/7.

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handlung und ein Verlag angeschlossen. Franz Josef hatte dorthin offensichtlich Grafik von Slevogt vermittelt. Der Künstler schrieb ihm deshalb am 20. November 1924: Lieber Herr Franz! Mein Schwager sagt mir, daß bei dem Buchhändler in Mannheim (Buck?) noch von vorigem Jahre Drucke sind, u. er schon mit Ihnen darüber gespro­ chen habe, daß Sie zurückkommen! – Seien Sie doch so gut, u. vergessen Sie nicht, die Drucke abzurufen!!! Es ist ein großer geschäftlicher Nachteil, wenn unverkaufte Drucke liegen bleiben!!!43 Auch einige Jahre später spielt der Kunstsalon Buck wieder eine Rolle, diesmal bei den Verhandlungen über den Verkauf eines Landschaftsgemäldes an die Kunsthalle Karlsruhe: Lieber Franz! Morgen früh bringt der Spediteur Marzillier 3 Bilder für Sie (Adreße Kunsthalle Mannheim) durch Eilgutbeförderung auf den Trab. Inzwischen ist Frl. Dr. Fischel Karlsruhe persönlich! hierhe gewesen – u. es scheint mir, als ob sie die Auftraggebende /für Buck’s/ Galerie ) sei!? Sie hat ein Bild gewählt u. mitgenommen, u. ich habe ihr gesagt, daß Herr Buck diese Woche von mir auch einiges zur Ansicht habe, falls das mitgenommene Bild bei „Confrontation“ nicht „passe“. (Es soll nemlich mit einem angebotenen Stilleben zusammenklingen!!!? – ) Ihre Bemerkung, daß sie sich mit Buck schon verstehen werde, bestätigte /mir/ obigen Eindruck! Dies kurz zu Ihrer Information! Ich fürchte aber, daß die Mittel Karlsruhe’s nicht ausreichen, u. alles /von dieser Seite/ mehr ein auf den Busch klopfen ist. –  –  – Jedenfalls habe ich für Buck 3 Bilder gewählt, die mich gut vertreten, u. die er ebenso vertreten kann. […].44 Lilli Fischel war von 1927 bis 1933 die kommissarische Direktorin der Kunsthalle Karls­ ruhe.45 Aus einem Brief von Heinrich Kohl an Slevogt vom 15. Juli 1932 wissen wir, dass sie zuerst beabsichtigte, ein Stilleben aus dem Privatbesitz des verstorbenen Sammlers Max Glaeser bei dem Kunsthändler Buck zu kaufen.46 Der Sohn sah sich wegen der Erb­ schaftssteuer anscheinend gezwungen, einen Teil der Sammlung zu veräußern, wollte aber nach Möglichkeit die Werke Slevogts behalten. Daher wendete sich Lilli Fischel nun wohl direkt an den Künstler, um die Karlsruher Sammlung mit einem seiner Landschafts­ 43 Postkarte von Max Slevogt an Franz Josef Kohl-Weigand, 20. November 1924, Archiv Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, E II c/5. Vollständige Transkription in: Wolf 2018 (wie Anm. 14), Kohl 44, S. 346. 44 Brief von Max Slevogt an Franz Josef Kohl-Weigand, 26. Juli 1932, Archiv Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, E II c/11. Transkription in: Wolf 2018 (wie Anm. 14), Kohl 51, S. 353 f. 45 Vgl. Ulrike Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil: Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten Künstler und Wissenschaftler, Teil 1 A–K, München 1999, S. 144–147. 46 Vgl. Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 15. Juli 1932, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100.

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gemälde zu ergänzen. Während ihrer Amtszeit erwarb sie u. a. Werke von Gustave Cour­ bet, Max Liebermann, Lovis Corinth, Rudolf Schlichter, Max Slevogt und Edvard Munch, wofür sie unter dem wachsenden Einfluss des Nationalsozialismus in der Presse und vom Reichsverband Bildender Künstler heftig kritisiert wurde. Aus dem Schriftverkehr dieser Zeit geht hervor, dass Franz Josef Kohl-Weigand auch bei der Ausstellung der Studien zum Golgatha-Fresko in der Kunsthalle Mannheim der An­ sprechpartner für den Direktor Franz Hartlaub war. Hartlaub wollte parallel zu den Studien für das Fresko der Friedenskirche Ludwigshafen einen Querschnitt durch Slevogts Grafik zeigen. Kohl-Weigand hatte ihm hierbei seine Unterstützung zugesagt, ohne zu wissen, dass Slevogt gegen eine solche Kombination war. Am 16. Juli 1932 schrieb ihm Slevogt deshalb: Lieber Franz! Sie haben also, wie ich sehe, ziemlich viel mit mir zu tun, nachdem Dr. Hartlaub auf s. Programm beharrt, – gestern telegrafierte er auch wegen einer Ölskizze zu d. Kirchenbild, die ich eigentlich nicht dazu ausstellen wollte! – Nun, in einigem muß man immer nachgeben, da er schließlich die Verhältnisse auch besser beurteilen kann. Ich hätte es diesmal vorgezogen, lediglich die trockenen Studien z. Fresko zu zeigen, – u. nicht durch Graphik etc. abzulenken! – Schon, da eine Welt zwischen der (beispielsweise) Passion der Graphik u. der Freskoauffassung liegt! – Aber für die Leute ist das alles egal! – Dem entsprechend sind auch die gezogenen Schlüsse! – dies nebenbei!47 1927 erteilte die Stadtverwaltung von Neustadt an der Haardt Max Slevogt den Auftrag für ein Porträt des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der zu dieser Zeit großes Ansehen genoss (Abb. 8). Hindenburg feierte am 2. Oktober seinen 80. Geburtstag, was Anlass zu umfangreichen Feierlichkeiten und Ehrungen gab und sicherlich auch die Idee zu dem Porträt-Auftrag inspirierte. Der Auftrag war aber auch Teil eines Konzeptes, den Stadtratssaal mit Porträts der Spitzen des Deutschen Reiches und des bayerischen Staa­ tes auszustatten, die bei pfälzischen Künstlern in Auftrag gegeben wurden. Hermann Graf würdigte dies als Beispiel für vorbildliches mäzenatisches Engagement einer Stadt.48 Bei dem Auftrag des Hindenburg-Porträts übernahm Heinrich Kohl die Aufgabe eines mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Vermittlers – er bezeichnet sich selbst in einem Brief vom 29. Juni 1928 in diesem Zusammenhang als „Generalbevollmächtig­

47 Brief von Max Slevogt an Franz Josef Kohl-Weigand, 16. Juli 1932, Archiv Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Best. Slevogt, E II c/10. Vollständige Transkription in: Wolf 2018 (wie Anm. 14), Kohl 50, S. 352. 48 Vgl. Hermann Graf, „Von neueren und neuesten Werken Bildender Kunst in Neustadt“, in: Hand und Maschine, Bd. 1, 1929/30, S. 52–58, hier S. 52. Vgl. auch Ariane Fellbach-Stein, Kunstpolitik in der Pfalz 1920– 1945, Kaiserslautern 1996, S. 130.

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8 Max Slevogt, Porträt des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, 1928, Öl auf Leinwand, 140 × 95 cm, Stadtverwaltung Neustadt an der Weinstraße.

ten“.49 Offenbar hatten sich für den Erwerb eines solchen Porträts von Slevogt einige en­ gagierte Bürger von Neustadt eingesetzt.50 Zu diesen gehörte neben Heinrich Kohl auch dessen Freund, Geheimrat Michael Bayersdörfer, wie einem Brief Kohls an Slevogt vom 12. ­Dezember 1927 zu entnehmen ist.51 Bayersdörfer war ein einflussreicher Arzt, der 49 Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 29. Juni 1928, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Lan­ desbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100. 50 Dem Artikel „Was wird mit Hindenburg-Gemälde von Slevogt?“, in der Rheinpfalz vom 13. August 1959 ist Folgendes zu entnehmen: „Das Werk entstand 1928 im Auftrage des damaligen Oberbürgermeisters Forthuber, der im Namen bekannter Neustadter Bürger handelte. Dieser Bürgerkreis brachte beträchtliche Mittel auf und vermittelte die Bekanntschaft Slevogts mit Hindenburg, der persönlich zu dem Gemälde saß. (…) Nach der Fertigstellung erhielt das Werk, das Hindenburg in Lebensgröße darstellt, einen Platz im Arbeitszimmer des Oberbürgermeisters, wo es bis zum Ausbruch des Krieges hing.“ Ich danke Birgit Merkle, Abteilungsleiterin Archiv und Museum der Stadtverwaltung Neustadt an der Weinstraße, für ihren Hinweis auf diesen Artikel. 51 Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 12. Dezember 1927, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Landesbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100.

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sich seit 1905 politisch betätigte und Mitglied der Zentrumspartei wurde.52 Fünf Jahre später war er Mitglied im Stadtrat von Neustadt. 1919 trat Bayersdörfer in die neugegrün­ dete Bayerische Volkspartei (BVP) ein und wurde deren Vorsitzender für die Pfalz. Bei der Neukonstituierung des Pfälzischen Kreistages 1920 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. In dieser Eigenschaft gehörte Bayersdörfer 1920 auch einem Aus­ schuss des Kreistages an, der über die Vergabe des Haushaltspostens „Zur Unterstützung für pfälzische Künstler“ entschied.53 Von 1924 bis 1933 war er außerdem Abgeordneter im Reichstag und Vorsitzender des Ausschusses für die besetzten Gebiete. Als solcher war er sicherlich der geeignete Mann, um für das Anliegen der Stadt Neustadt und ihres Bürger­ meisters Richard Forthuber die Verbindung zum Büro des Reichskanzlers herzustellen.54 Die ersten Sitzungen wurden für Mitte März 1928 vereinbart.55 Nach Fertigstellung des auf den 25. April 1928 datierten Porträts schrieb Heinrich Kohl am 27. April an Slevogt wegen der Abwicklung des Ankaufs: Ich werde dem Auftraggeber, Herrn Dr. Forthuber, die Entstehungsgeschichte dieses Bildes bekannt geben, ihm Ihren Vorbehalt wegen der Anfertigung eines zweiten Bildes mitteilen und ihm auch sagen, dass Sie das Bild, sobald es trocken ist, hierher senden werden. Der Herr Bürgermeister hat sodann sich zu entscheiden, ob er es annehmen will oder nicht. Ich habe Gründe, Ihnen den Vorschlag zu machen, das Gemälde, sobald es versand­ fähig ist, /mir/ hierher zu schicken. Dasselbe werde ich unter Wahrung Ihrer Inten­ tionen Herrn Dr. Forthuber zeigen mit der Bitte, sich umgehend zu entschliessen. Sobald er das Bild übernommen hat, ist der vereinbarte Preis in aller Bälde zu bezah­ len. – Wie ich zu diesem Vorschlag komme? Dr. Forthuber sagte mir, das Bild habe er schon für verschiedene Ausstellungen zugesagt. Ich fürchte deshalb, sobald alle Schmierfinken ihren Mist abgeladen haben, dass ihm sodann die Nase der Susanna im Bade nicht mehr gefällt – ein Vorwand, um feilschen zu können. Sollte sich Herr Dr. Forthuber nicht gleich entscheiden wollen, werde ich kurzen Prozess machen. Dann wird ein Anderer das Bild nehmen. Das lassen Sie nur meine Sorge sein!56

52 Diese und die folgenden biographischen Angaben nach Otto Jung, „Michael Bayersdörfer“, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 1: Aachen – Behaim, hg. von Otto zu Stolberg-Wernigerode, Berlin 1953, S. 679 f. 53 Vgl. Fellbach-Stein 1996 (wie Anm. 48), S. 63, Anm. 167. 54 Richard Forthuber war von 1920 bis 1933 Bürgermeister von Neustadt an der Weinstraße. 55 Vgl. Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt an Johannes Guthmann. Briefe von 1912–1932, St. Ingbert 1960, S. 79, Anm. 108. Slevogts Schüler Fritz Heinsheimer beschreibt in seinen Erinnerungen seine Eindrücke von den Porträtsitzungen beim Reichspräsidenten von Hindenburg. Vgl. Fritz Heinsheimer, Max Slevogt als Lehrer, Künstler und Mensch, hg. von Franz Josef Kohl-Weigand, St. Ingbert 1968, S. 20–23. 56 Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 27. April 1928, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Lan­ desbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100.

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9 Max Slevogt, Porträt des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, 1928, Öl auf Leinwand, 140 × 95 cm, Museum im Kulturspeicher Würzburg.

Slevogt hatte sich entschlossen, zwei Fassungen des Gemäldes zu malen. Nach der Erin­ nerung seines Schülers Fritz Heinsheimer wollte er eine davon als finanzielle Absiche­ rung für seine Kinder behalten.57 Wie man einem Brief Slevogts an Johannes Guthmann entnehmen kann, fand die letzte Sitzung beim Reichspräsidenten Hindenburg am 22. Mai 1928 statt.58 Sie wurde vom Künstler wohl für die Arbeit an dem zweiten Bild genutzt, das sich heute im Museum im Kulturspeicher in Würzburg befindet (Abb. 9).59 Am 29. Mai 1928 schlug Kohl Slevogt vor, die beiden Hindenburg-Bilder wegen der einfacheren Abwicklung an die Adresse seines Arbeitsplatzes, der Rheinischen Creditbank Neustadt, zu schicken. Dort sollten sie im Tresor der Bank aufbewahrt werden, bis Kohl aus seiner Heuschnupfen-Kur auf Helgoland zurück sei und Bürgermeister Forthuber dann eine

57 Vgl. Heinsheimer 1968 (wie Anm. 55), S. 23. 58 Vgl. Wolf 2018 (wie Anm. 14), Guthmann 76, S. 123. 59 Inv. Nr. 02994. Das Gemälde hat die Maße 140 × 95 cm und ist oben rechts mit „Slevogt / 1928“ bezeichnet. Ich danke Henrike Holsing und Beatrix Piezonka für ihre freundliche Auskunft und Unterstützung.

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Wahl zwischen den beiden Werken getroffen habe. Anscheinend wollte der Bürgermeister aber nicht so lange warten, denn Kohl teilte Slevogt am 29. Juni 1928 mit: Ursprünglich wollte ich die Bilder bis zu meiner Rückkunft zurückhalten und sie Dr. Forthuber persönlich zur Auswahl stellen. Da, wie Onkel Finkler mitteilte, die Bilder noch nicht photographiert sind, sollte Löwenberg vorher noch einige Aufnahmen machen, damit wir nicht am Schlusse dem nachlaufen müssten. Dadurch aber, dass Forthuber von der Ankunft der Bilder erfuhr und Löwenberg bis vor einigen Tagen in Urlaub war, ist die Sache anders gekommen. Anfangs dieser Woche rief mich der Bürgermeister Forthuber an, ich solle ihn doch besuchen, er wolle mir das Bild zei­ gen. Gestern war ich nun bei ihm. Mit der getroffenen Wahl ist er überaus zufrieden. […] Morgen also werde ich die beiden Bilder mal nebeneinander betrachten, um zu einem Urteil zu kommen, welches davon eigentlich das bessere ist. Bis jetzt konnte ich keinen großen Unterschied dabei feststellen. Unwillkürlich musste ich beim ers­ ten Betrachten an den alten Kaiser Wilhelm denken, der am historischen Eckfens­ ter immer in derselben Haltung und mit derselben Miene so und so oft gemalt und photographiert wurde, so dass diese Bilder alle unter sich eine große Ähnlichkeit haben. So dürfte es auch mit der alten Exzellenz gehen, die ebenfalls immer auf dem gleichen Platz und in der nämlichen Haltung doch an die 30 Künstlern gesessen hat. Wie ganz anders wäre das Werk geworden, wenn Hindenburg Ihrem Wunsche entsprochen und zu Ihnen ins Atelier gegangen wäre. Dann hätte er sich ganz anders geben müssen, dann hätten Sie ihn aber auch ganz anders fassen können. Leider war es nicht anders zu machen.60 Tatsächlich wurde Slevogts Arbeitsweise als eher unkonventionell empfunden. Sein Schüler Fritz Heinsheimer schreibt in seinen Erinnerungen zu den Porträtsitzungen bei Hindenburg: Schon die Ankunft Slevogts in der Wilhelmstraße hatte Aufsehen erregt, weil der Professor gleich zwei bespannte Keilrahmen für lebensgroße Kniestücke mitgebracht hatte. Obendrein war jeder – auch Hindenburg – baß erstaunt, daß die Leinwand noch völlig leer war. Hindenburg wurde nicht allzuselten [sic] porträtiert. Bisher hatte noch jeder eine irgendwie nach Photographie vorbereitete Arbeit zur ersten Sitzung mitgebracht oder höchstens ein kleines Format für eine Kopfstudie. Diese sollte dann zu Hause auf das endgültige Bild übertragen werden, das im Atelier fertig gestellt ­w urde.61 60 Brief von Heinrich Kohl an Max Slevogt, 29. Juni 1928, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Lan­ desbibliothek Speyer, Nachlass Slevogt, N 100. 61 Heinsheimer 1968 (wie Anm. 55), S. 22.

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10 Max Slevogt, Porträt des Reichskanzlers Hans Luther, Standort unbekannt, Abb. in: Kunst und Künstler, Jg. 24, 1926, S. 347.

Slevogt legte großen Wert darauf, seinen unmittelbaren Eindruck der Persönlichkeit wie­ derzugeben. Seine oft beschriebene schnelle Arbeitsweise erlaubte ihm eine weitreichen­ de Ausführung der Porträts in den wenigen Sitzungen, die ihm für das Staatsoberhaupt zugestanden wurden. Wie Heinrich Kohl in seinem Brief mit Recht bemerkt, legte Hindenburg also großen Wert darauf, in einer bestimmten, von ihm bevorzugten und festgelegten Art und Weise für die Nachwelt ins Bild gesetzt zu werden.62 Dies belegt die große Zahl an Fotografien, Postkarten und Gemälden, die ihn in Variationen der immer gleichen Posen zeigen. Tat­ sächlich wirken die beiden einander recht ähnlichen Fassungen des Porträts von Hinden­ burg im Vergleich mit anderen repräsentativen Bildnissen Slevogts von Persönlichkeiten der Politik, wie etwa dem des Reichskanzlers Hans Luther von 1926 (Abb. 10) oder dem des Staatssekretärs Bernhard Dernburg aus dem Jahr 1923 (Taf. XV) eher steif und formell. Im Aufbau sind sich die beiden Gemälde gleich: Sie zeigen die massige Gestalt des Reichspräsidenten in Halbfigur, in Frontansicht sitzend. Der Kopf ist etwas nach rechts gedreht, der Blick geht leicht nach unten ins Leere. Wie bei anderen Porträts aus dieser Zeit konzentriert sich Slevogt ganz auf die monumentale Figur des Darzustellenden. Der Hintergrund besteht aus einer kaum differenzierten, ungegenständlich-braunen Fläche. 62 So hat Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2009, S. 121 ff. dar­ auf hingewiesen, dass Hindenburg bereits seit Ende 1914 großen Einfluss auf seine Darstellung im Porträt und auch auf die ausführenden Künstler nahm.

234 Eva Wolf

Im Unterschied zu Max Liebermann, der Hindenburg im Vorjahr ganz in dessen Sinne herrschaftlich in einem Lehnstuhl thronend mit aktiv auf den Betrachter gerichteten Blick zeigt (Abb. 11), verzichtet Slevogt auf die Wiedergabe der Sitzgelegenheit.63 Diese Reduktion auf die Figur verleiht ihr den Eindruck einer inneren Stärke, eines nachdenk­ lichen In-sich-Ruhens. Dazu trägt auch die zurückhaltende Farbgebung bei, die sich fast ausschließlich auf Grau-, Braun- und Ockertöne beschränkt. Auch der dunkle Anzug des Staatsoberhauptes durchbricht dies nicht. Recht tief sitzend, neben der linken Armbeu­ ge platziert Slevogt den sogenannten „Hindenburgstern“, eine Sonderstufe des Eisernen Kreuzes, der ihm am 9. Dezember 1916 für seine Verdienste im Ersten Weltkrieg verliehen wurde und auf den er stets großen Wert legte. In fast skulpturaler Plastizität mit dick aufgetragenen Farben arbeitet Slevogt dagegen den charakteristischen Kopf Hindenburgs heraus und verleiht ihm dadurch eine gesteigerte Präsenz. Hier manifestiert sich nun auch der Unterschied zwischen den beiden Porträt-Fassungen: Das heute in Würzburg befindliche Porträt erscheint in seiner malerischen Auffassung insgesamt ausgearbeiteter und repräsentativer, dafür aber auch etwas steifer und konventioneller. Slevogt liefert dazu in einem Gespräch mit Emil Faktor interessante Details: Als ich nach den verabredeten vier Sitzungen das Bild abschließen wollte, vermißte der Soldat Einzelheiten wie Knöpfe. Es kam zu zwei weiteren Sitzungen, bei denen ich ein inzwischen hergestelltes Duplikat unterschob. Dieses wurde vervollständigt und versachlicht. Ich hätte den Wunsch gehabt, daß meine Auftraggeber in der Pfalz, denen ich beide Bilder vorlegte, sich für das zweite entschieden hätten, um das ur­ sprüngliche Bild, das mir lieber war, behalten zu können. Sie wählten aber den Hin­ denburg ohne Knöpfe.64 Bürgermeister Forthuber entschied sich also für das „impressionistischere“ Porträt, das mit seinem offenen Pinselstrich und den teils nur angedeuteten Partien im Bereich der Hände die Persönlichkeit Hindenburgs lebendiger und unmittelbarer erscheinen lässt und damit in gewisser Weise „typischer“ für Slevogt ist. Diese Unterschiede zwischen den beiden Porträt-Fassungen spiegeln die Schwierigkeiten, denen sich Slevogt angesichts der seiner Arbeitsweise entgegenstehenden Erwartungen des Reichspräsidenten gegenüber­ sah. Offenbar fühlte er sich im Umgang mit der ihm gestellten Aufgabe befangen, sollte er doch den Inhaber des höchsten Staatsamtes des Deutschen Reiches porträtieren, der gleichzeitig eine historische Gestalt von fast mythischem Ansehen war. Sich von dieser 63 1927 hatte Max Liebermann – wohl aus Anlass des 80. Geburtstages des Staatsoberhauptes – vom meck­ lenburgischen Staatsministerium und von der Stadt Hannover den Auftrag für zwei Porträts des Reich­ spräsidenten Hindenburg erhalten. Das eine befindet sich heute im Staatlichen Museum in Schwerin, das andere im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover. 64 Emil Faktor, „Deutsche Köpfe: IV. Max Slevogt“, in: Münchner Illustrierte Presse, Jg. 8, 24. Mai 1931, Nr. 21, S. 673–676, hier S. 674.

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Der „getreue Blondel der Pfalz“

11 Max Liebermann, Porträt des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, 1927, Öl auf Leinwand, 121,2 × 97 cm, Landesmuseum Hannover.

Vorstellung zu befreien und sich der Persönlichkeit Hindenburgs anzunähern, ist Slevogt im Porträt in Neustadt besser gelungen als in der Würzburger Fassung. Mit Hilfe der hier ausgewählten Beispiele von Heinrich Kohls ambitioniertem Ein­ satz konnte das Bild vom „getreuen Blondel der Pfalz“ durch die überlieferte Korrespon­ denz konkretisiert werden. Es hat sich gezeigt, dass er durch sein großes Engagement und seine Begeisterungsfähigkeit für Slevogt nicht nur zum unentbehrlichen Ratgeber in verschiedenen Verwaltungsfragen und für die Umbauprojekte für Neukastel, sondern auch zu einem wichtigen Auftraggeber, Anreger und Vermittler für den Künstler wurde. Durch sein weitreichendes und komplexes Netzwerk war Heinrich Kohl eine zentrale Fi­ gur in der pfälzischen Kulturszene. Diese Position nutzte er für den von ihm bewunderten Künstler, indem er ihm Käufer und Auftraggeber vermittelte. Für Slevogts zweite Heimat in der Pfalz nimmt Heinrich Kohl daher eine wichtige Stellung ein, die in Zukunft noch der genaueren Betrachtung bedarf.

Armin Schlechter

Die Familienbibliothek von Max Slevogt

Im Jahr 1914 erwarb Max Slevogt das Hofgut Neukastel über dem pfälzischen Leinswei­ ler, das bis zu seinem Tod 1932 zu seinem privaten Lebensmittelpunkt werden sollte. Es schlossen sich ab 1922 Bauarbeiten an, die das Gebäude erweiterten; hinzu kamen im Lauf der Zeit Wandmalereien und andere Elemente, die ein Künstlerhaus entstehen lie­ ßen, den sogenannten Slevogthof. Eine herausragende Rolle spielten bei dieser Neuge­ staltung das Musikzimmer und die Bibliothek, die ursprünglich von einem pavillonarti­ gen Rundbau oder einem spiralig gewundenen Turm gekrönt werden sollte, was leichter auszumalen gewesen wäre als ein Gebäude mit Ecken und Kanten. Die ersten Planungen datieren noch aus dem Jahr 1914; der Baubeginn fiel in den Sommer 1922 und ist in ei­ ner Radierung Slevogts dokumentiert. Bezogen werden konnte das Gebäude im Sommer 1923. Nachdem Slevogt im September und Oktober 1924 das Musikzimmer vor allem mit Szenen aus Opern von Wolfgang Amadeus Mozart und Richard Wagner ausgemalt hatte,1 schrieb er am 23. November 1929 an seinen Freund, den Schriftsteller und Reisebegleiter Johannes Guthmann: Ich darf sagen, endlich muß der stärkste Gegner u. Widersacher selbst seine Augen zu meinem „Werke“ erheben u. steht tief unter ihm: nemlich, ich habe den Plafond der Neukasteler Bibliothek gemalt! Eine physisch scheußliche Arbeit, aber der impetus siegte jedenfalls, u. so habe ich denn ein Resultat sicher gewonnen, daß die Maschine immer noch einigermaßen funktioniert.2 Nachdem sich die Ausmalung des Musikzimmers mit Kaseinfarben als instabil erwiesen hatte, diente bei der Bibliothek eine „innige Mischung (Verreibung) von möglichst al­ tem abgelöschten Kalk und ziemlich trockenem weißem Käse“ als „Klebemittel“, das der

1

Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt. Eine Monographie, Karlsruhe 1968, S. 230 und S. 428, Anm. 12 f.; Hans-Jür­ gen Imiela, Max Slevogt und Neukastel, St. Ingbert 1957, S. 8; Hans-Jürgen Imiela, „Slevogt und die Pfalz“, in: Berthold Roland, Max Slevogt. Pfälzische Landschaften. Mit Texten von Wilken von Alten, Johannes Guthmann, Hans Purrmann, Karl Scheffler, Hermann Sinsheimer, Emil Waldmann, Fritz Wichert und einem Beitrag von Hans-Jürgen Imiela, München 1991, S. 233–245, hier S. 241; Walter Finkler, „Aufzeichnungen über Neu­ kastel und die Familien Finkler und Slevogt“, in: Wolfgang Diehl, Max Slevogt. Zum 150. Geburtstag. Der Künstler, Neukastel, Leinsweiler und die Pfalz. Mit den Aufzeichnungen des Schwagers Dr. Walter Finkler, Landau 2018, S. 171–217, hier S. 194 und S. 199. 2 Max Slevogt, Briefe 1898–1932, bearb. u. komm. von Eva Wolf, hg. von Roland Mönig, Saarbrücken 2018, S. 132 f.

238 Armin Schlechter

Schwager Walter Finkler täglich neu präparierte.3 Bibliothek und Musikzimmer sollten auch als ein Symbol für die Freundschaft mit Guthmann und dessen Lebensgefährten dienen, dem Schriftsteller und Bühnenautor Joachim Zimmermann: „In der Bibliothek all Ihre Bücher u. Werke aufstellen, u. im Musiksaal Jochen’s Stücke aufführen!“4 Die Darstel­ lungen von Lederstrumpf, Scheherazade, Macbeth, Achill und Hektor, stellvertretend für die Gattungen Roman, Märchen, Drama und Epos, in Slevogts einzigem Deckengemälde nehmen in erster Linie Bezug auf sein buchkünstlerisches Werk und sind von der Rezep­ tion der Villen im Veneto und der Gemälde von Giovanni Battista Tiepolo während einer unmittelbar vorausgegangenen Venedig-Reise mit Guthmann und Zimmermann beein­ flusst.5 Guthmann schrieb zu diesem Werk: „Da erzählte er am Ende sich selber noch einmal die Geschichten aus dem Erinnerungsschatze eines Mannes, der sein Leben lang ein unaufhörlich schöpferischer Leser gewesen war“.6 Schon 1928 hatte Leopold Reitz anlässlich des 60. Geburtstags des Künstlers mit Bezug auf dessen buchkünstlerisches Werk hervorgehoben, „daß Slevogt von Jugend an ein unermüdlicher Bücherleser war, daß ihn diese Neigung zum großen Illustrator machte und daß der Malerpoet in ihm vor allem handlungsreiche Lektüre suchte“.7 Im Zentrum des Deckengemäldes des Bibliotheksbaus, ein „nicht gerade glücklicher Raumkasten, der ohne seinen dekorativen Schmuck eher drückend als erleichternd auf den durch die gefüllten Bücherregale beschwerten unteren Raumteil gewirkt haben muß“,8 findet sich eine Reverenz an Philipp Fischer von Weikers­ thal. Er hatte Ende des 19. Jahrhunderts als Hauslehrer auf Neukastel gewirkt, arbeitete ab 1912 als Gymnasialprofessor in Stuttgart und wurde 1903 sowie 1923 von Slevogt porträ­ tiert.9 Auf Fischer, der auch an einer Familienchronik Slevogt arbeitete, geht die Ordnung der Bibliothek zurück, wie sie beim Tod von Slevogt bestand.10

3 Finkler 2018 (wie Anm. 1), S. 204. 4 Wolf 2018 (wie Anm. 2), S. 133; Heike Biedermann und Susanne Hoppe, „Die Reisebegleiter“, in: Max Slevogt. Die Reise nach Ägypten 1914, Kat. Ausst. Dresden, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen, Dresden 2014, S. 54–59, hier S. 56–59. 5 Walter Passarge, Wand- und Deckengemälde auf Neukastel. Vorwort von Franz Josef Kohl-Weigand, Heidel­ berg und Berlin 1961, S. 12–16; Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 270 f.; Imiela 1991 (wie Anm. 1), S. 243. 6 Johannes Guthmann, Schöne Welt. Wandern und Weilen mit Max Slevogt, Berlin 1948, S. 159. 7 Leopold Reitz, „Dem sechzigjährigen Max Slevogt. Zum 60. Geburtstag des Künstlers am 8. Oktober“, in: Der Trifels. Heimatbeilage der Pfälzischen Rundschau, Jg. 1928, Nr. 19, S. 2. 8 Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 270. 9 [Philipp Fischer von Weikersthal und Hermann Fischer von Weikersthal], Chronik der Familie Fischer von Weikersthal, Stuttgart 1931, S. 146 f.; Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft, Teil B, Jg. 1942, Gotha 1942, S. 140; Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 93, S. 377, Anm. 14 und S. 433, Anm. 7. 10 Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 272; Wolf 2018 (wie Anm. 2), S. 327–329. – Die Familienbibliothek Slevogt wird zur Zeit komplett im Landesbibliothekszentrum/ Pfälzische Landesbibliothek Speyer aufbewahrt; die einzelnen Titel tragen als Signatur das Kürzel BSL und eine laufende Nummer. Titel, die in diesem Aufsatz nur mit ihrer Signatur angegeben sind, lassen sich über den elektronischen Bibliothekskatalog des Landesbibliothekszentrums recherchieren.

Die Familienbibliothek von Max Slevogt

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Eine Quelle für die Büchersammlung des Künstlers ist ein von ihm angelegtes hand­ schriftliches Verzeichnis. Es reicht bis etwa 1925 und trägt den Titel Katalog der Bibliothek Max Slevogt.11 Verzeichnet sind unter den zusammen etwa 330 Bänden etwa 25 Titel von Autoren der lateinischen Antike, weiter jeweils groß- und kleinformatige Titel des Fachs Kunst einschließlich illustrierter Zeitschriften. Zwei weitere Gruppen führen ungebun­ dene beziehungsweise gebundene Kunstkataloge auf. In der Summe finden sich hier etwa 300 Titel des Fachs Kunst, die teils in der heutigen Slevogt-Bibliothek vorhanden sind, teils aber auch fehlen, beispielsweise zwei Homer-Ausgaben aus den Jahren 1814 und 1880.12 In Zusammenhang mit dem erstmals 1918 erschienenen, von Slevogt mit einem Frontispiz versehenen und in der heutigen Familienbibliothek ebenfalls fehlenden Werk Der Virtuose von Adolf Weißmann13 wird auf eine eigene, hier nicht verzeichnete Abtei­ lung „Slevogtiana“ verwiesen. Einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem buchkünst­ lerischen Werk zeigen, von den beiden genannten Homer-Exemplaren abgesehen, zwei englische illustrierte Drucke von Ali Baba und die 40 Räuber14 sowie je zwei ebenfalls bebilderte Ausgaben von Reineke Fuchs15 und Faust von Johann Wolfgang von Goethe.16 Die Tatsache, dass Slevogt eine vergleichsweise große Zahl von Werken der klassischen Antike teils in Ausgaben des 16. und 17. Jahrhunderts besaß, ist bemerkenswert, da er sich in 1912 veröffentlichten Erinnerungen an seine Würzburger Schulzeit sehr kritisch über diesen traditionellen Schwerpunkt der Ausbildung am humanistischen Gymnasium geäußert hatte.17 Mit Vertrag vom 11. März 1971 erwarb das Land Rheinland-Pfalz von den Erben Sle­ vogts aus seinem Nachlass 121 Gemälde, drei Slevogtbüsten, die Bibliothek und Mobi­

11 Landesbibliothekszentrum/ Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Hs. 694. Der jüngste hier verzeichnete Titel ist 1925 erschienen (S. 70). 12 Hs. 694 (wie Anm. 11), S. 1. 13 Ebd., S. 45; Adolf Weissmann, Der Virtuose. Mit einem Bilde d’Andrades radiert von Max Slevogt, einer Umschlagzeichnung von Hans Meid und neununddreissig Faksimiles und Lichtdrucken, Berlin: Paul Cassirer 1918. 14 Hs. 694 (wie Anm. 11), S. 49; The history of Ali Baba and the forty thieves. Pictured by H. Granville Fell, London 1895 (heute BSL 286); The forty thieves. Walter Crane’s Picture Books, Re-Issue, London und New York 1898 (heute BSL 290). 15 Hs. 694 (wie Anm. 11), S. 42 und S. 63; Johann Wolfgang von Goethe, Reineke Fuchs in 12 Gesängen mit 37 Stahlstichen nach Originalzeichnungen von Heinrich Leutemann, Leipzig und Dresden 1871 (heute BSL 3576 Rara); Reineke Fuchs von Wolfgang von Goethe mit Zeichnungen von Wilhelm von Kaulbach. Auf Holz gezeichnet von Julius Schnorr in Stuttgart. Gestochen von Allgaier & Siegle, Stuttgart 1857 (heute BSL 490 und BSL 1079). 16 Faust. Eine Tragödie von Goethe. Mit Zeichnungen von Engelbert Seibertz, Stuttgart 1864 (heute BSL 1034). Nicht mehr vorhanden ist die im 19. Jahrhundert in mehreren Auflagen im Verlag Bruckmann erschienene, von August Kreling illustrierte Ausgabe („Kreling’s Faustzyklus (in Mappe), Bruckmann, München“); Hs. 694 (wie Anm. 11), S. 64 und S. 78. 17 Armin Schlechter, Aus Max Slevogts Briefkasten. Zeugnisse aus seinem schriftlichen Nachlass, hg. von der Kul­ turstiftung der Länder und dem Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Kat. Ausst. Edenkoben, Max Slevogt-Galerie, Schloss Villa Ludwigshöhe, Koblenz 2014 (Patrimonia, 368; Schriften des Landesbiblio­ thekszentrums Rheinland-Pfalz, 10), Nr. 9.

240 Armin Schlechter

1 Exlibris der Familienbibliothek Slevogt, Landesbibliotheks­zentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

liar.18 In der Folge wurden von Volker Rödel, später Leiter des Generallandesarchivs in Karlsruhe, und seiner Frau ein handschriftliches Inventar der zu diesem Zeitpunkt vor­ handenen Büchersammlung, ihrem Standort im Bibliothekssaal entsprechend, mit einem Umfang von 4312 Bandnummern erstellt. Jede bibliographische Einheit beziehungsweise jeder Band erhielt eine fortlaufende Nummer, die mit Bleistift eingetragen wurde. Der Besitzkennzeichnung dient ein von Slevogt selbst gestaltetes Exlibris (Abb. 1). Das knapp vierzig Jahre nach seinem Tod erstellte Inventar lässt eine nur noch in Segmenten vorhan­ dene, und auch in diesen nicht mehr konsequente, Ordnung der Bibliothek erkennen. Die Systematik setzt mit Zeitschriften ein (BSL 1–175). Die mit weitem Abstand größte Gruppe ist das Fach Literatur mit Literaturgeschichte (BSL 176–246, 558–1401, 1456–2015, 2997– 3067, 3305–3543, 3678–4312). Auch das Fach Kunst besteht aus mehreren Segmenten (BSL 247–557, 2215–2236, 3164–3251, 3544–3672). Jeweils kleinere Gruppen bilden die Fächer Geschichte (BSL 2108–2204, 2393–2682) und Palatinensien (BSL 2837–2966). Das Fach Kunst hat in der Sammlung einen Umfang von lediglich etwa 500 Bänden einschließlich Zeitschriftenheften (ohne Ausgaben schöner Literatur mit Illustrationen). Überwiegend hierzu, aber auch zum Fach schöner Literatur gehören die etwa 70 Titel der Verlage Bruno Cassirer und Paul Cassirer, die sich in der Sammlung finden. Am 30. September 2014 wurde dem Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur in Mainz die fachliche und sachliche Zuständigkeit für die landeseigene Slevogt-Bibliothek entsprechend dem 18 Karl Heinz Esser, „[Vorwort]“, in: Max Slevogt, Nachlaß auf Neukastel, Redaktion: Karl Heinz Esser und Wolfgang Venzmer, Kat. Slg. Mainz, Mittelrheinisches Landesmuseum, 1972, S. o. P. [S. 7].

Die Familienbibliothek von Max Slevogt

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Inventar von 1971 übertragen. Die Büchersammlung befand sich zu dieser Zeit im histo­ rischen Bibliothekszimmer teils zweireihig in Holzregalen, teils vermischt mit Büchern der Nachkommen. Die 4312 Bände wurden, soweit noch vorhanden, in der Folge komplett in die Pfälzische Landesbibliothek in Speyer überführt, dort gereinigt und katalogisiert, wobei auch die Vorprovenienzen erhoben worden sind. Als Signaturbestandteil dienen seitdem die Nummern des Inventars von 1971, denen jeweils das Kürzel BSL für Bibliothek Slevogt vorangestellt wurde.

Die Genese der Familienbibliothek Von den 4312 im Jahr 1971 inventarisierten Bänden weisen lediglich etwa 360 vorgängige Besitzvermerke, Anstreichungen und andere Kennzeichnungen auf, unter ihnen Namens­ züge verschiedener Mitglieder der Familien Slevogt und Finkler, die kleinere und größere Bestände konstituieren. Diese Provenienzen ermöglichen zumindest ansatzweise Rück­ schlüsse auf die Genese der Sammlung und die Interessen ihrer jeweiligen Bildner und Beiträger. Als eigentlicher Begründer dieser als Familienbibliothek anzusprechenden Bü­ chersammlung kann Slevogts späterer Schwiegervater Dr. Peter Finkler gelten. Er betrieb im bei Landau gelegenen Dorf Godramstein eine Tabak- und Zigarrenfabrik und ließ hier eine klassizistisch gestaltete Landvilla bauen, das ‚Schlössel‘, während das Hofgut Neu­ kastel der Familie Finkler als Sommerhaus diente. Sicherlich war die Landvilla zu Beginn der Standort der Familienbibliothek.19 Auf der Grundlage von Besitzvermerken lassen sich Peter Finkler allerdings nur etwa ein halbes Dutzend Bände der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts direkt zuweisen. Neben zwei Werken aus dem Bereich der klassischen An­ tike findet sich hier schöne Literatur. Eine handschriftliche Widmung in einer anlässlich des zweiten deutschen Protestantentags in Neustadt an der Haardt erschienenen Publi­ kation weist ihn als „Herrn Peter Finkler Ackermann in Godramstein“ und Mitglied des Deutschen Protestantenvereins aus.20 Persönliche Kontakte bestanden offensichtlich zwi­ schen Finkler und dem nationalliberalen Reichstagsabgeordneten, konservativen Histori­ ker und Bismarck-Anhänger Hans Blum. Unter den zahlreichen Werken aus seiner Feder in der Familienbibliothek Slevogt finden sich ein Titel mit handschriftlicher Widmung an Slevogts Schwiegervater und ein Max und Antonie dedizierter Band.21 19 Berthold Roland, Max Slevogt. Pfälzische Landschaften. Mit Texten von Wilken von Alten, Johannes Guthmann, Hans Purrmann, Karl Scheffler, Hermann Sinsheimer, Emil Waldmann, Fritz Wichert und einem Beitrag von Hans-Jürgen Imiela, München 1991, S. 10–12. 20 Der zweite Deutsche Protestantentag, gehalten zu Neustadt a. d. Haardt am 26. u. 27. September 1867, Elberfeld 1867 (BSL 2940 Rara). 21 Deutsche biographische Enzyklopädie (DBE), 2. Aufl., hg. von Rudolf Vierhaus, 12 Bde., München 2005–2008, hier Bd. 1, S. 726; BSL 2582 Rara (an Peter Finkler); Hans Blum, Persönliche Erinnerungen an den Fürsten Bismarck, München 1900, mit Widmung: „Seinen lieben, Neffe und Nichte, Max und Antonie Slevogt, zur freundlichen Erinnerung zugeeignet vom Verfasser, Rheinfelden, 23. Oktober 1900“ (BSL 4343 Rara).

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2 Einbände aus der Bibliothek von Pauline von Nassau, Landes­ biblio­thekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

Darüber hinaus besteht aber auch ein Zusammenhang zwischen Peter Finkler und einem größeren, über 420 Bände umfassenden Bibliotheksteil. Diese über den gesamten heutigen Bestand verteilte Sammlung überwiegend aus Oktavbänden kennzeichnet eine einheitliche, vergleichsweise aufwendige Einbandgestaltung. Es handelt sich um brau­ ne Halblederbände mit unterschiedlichen dunklen Papierbezügen. Den Rücken zieren rote Schilder mit einer Titelangabe und Randbordüren in Goldprägung (Abb. 2). Weit überwiegend findet sich hier schöne Literatur neben wenigen historischen Büchern. Das wichtigste Segment bilden französische, gefolgt von deutschen und wenigen englischen Werken. Der Schwerpunkt des Erscheinens liegt in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts; der jüngste Titel ist 1844 gedruckt worden. Weit überwiegend han­ delt es sich um Unterhaltungsliteratur der Zeit, deren französisches Segment meist in Pa­ ris erschienen ist. Zu nennen wären allerdings auch Werkausgaben von Corneille, Molière und Racine, sowie einzelne Bücher von George Sand, Alexandre Dumas und Victor Hugo. Bei insgesamt 16 Titeln dieser Sammlung findet sich der handschriftliche Namenszug „P. Finkler“. Sechs Titel dieses Fonds weisen die vorgängigen Besitzvermerke „Pauline v. Nassau“, „Pauline de Nassau“ oder „Duchesse de Nassau“ auf (Abb. 3). Es handelt sich hierbei mit einiger Sicherheit um Prinzessin Pauline Friederike Marie von Württemberg, 1810 in Stuttgart geboren, die 1829 den verwitweten Herzog Wilhelm von Nassau heiratete. Sie starb 1856 in der nassauischen Residenzstadt Wiesbaden.22 Peter Finkler selbst wurde 22 Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon, hg. von Sönke Lorenz, Dieter Mertens und Volker Press u. a., Stuttgart, Berlin und Köln 1997, S. 329; Beatrixe Klein, Sieben Frauen. Sieben Leben. Sieben Geschichten. Ein Buch für Wiesbaden, Wiesbaden 2005, S. 12–37.

Die Familienbibliothek von Max Slevogt

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3 Handschriftliche Besitzvermerke von Pauline von Nassau und von Peter Finkler, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

1827 im nassauischen Bleidenstadt geboren, so dass persönliche Beziehungen zu dieser Region gegeben sind.23 Offensichtlich handelt es sich bei dem in der Familienbibliothek Slevogt überlieferten Fonds mit seinen einheitlichen repräsentativen Einbänden um ei­ nen Teil ihrer persönlichen Büchersammlung. Zwei dieser Bücher, 1842 erschienen, tra­ gen schlichte Pappbände, die außen den Namenszug von Pauline von Nassau aufweisen.24 Innerhalb der Familienbibliothek Slevogt finden sich weitere, inhaltlich vergleichbare Titel vor allem französischer Literatur, die einfache, moderne Halbleinenbände aufweisen und zeitlich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts reichen. Zumindest bei den bis 1856 erschienenen Titeln könnte es sich ebenfalls um ähnliche, nicht repräsentativ gebundene, sondern ursprünglich lediglich broschierte Bände aus dem Besitz von Pauline von Nas­ sau handeln. Bemerkenswert ist in diesem Bibliothekssegment eine Adaption des Don Juan-Stoffes durch Alexandre Dumas in einer originalsprachigen, illustrierten Ausgabe.25 Lediglich ein weiterer Band zeigt Beziehungen zum Fach Kunst, der Titel Das neunzehnte Jahrhundert des Thierreichs nach einer französischen Vorlage mit 48 Illustrationen von Grandville.26 Etwa 25 Titel lassen sich auf der Basis von Besitzvermerken Slevogts Mutter Caro­ line geborene Lucas zuweisen. Neben einer lutherischen Bibel und einem zweibändigen Lehrbuch der homöopathischen Therapie, erworben und mit einem Exlibris in der Würzbur­ ger Zeit versehen (Abb. 4),27 liegt der Schwerpunkt dieser Bücher ganz bei der schönen Literatur. Dazu gehören Werke von Goethe und Schiller, von Nikolaus Lenau, Theodor 23 Finkler 2018 (wie Anm. 1), S. 172. 24 Mademoiselle de Cubières, Monsieur de Goldon, 2 Bde., Brüssel 1842 (BSL 4143–4144 Rara). 25 Alexandre Dumas, Don Juan de Marana ou la chute d’une ange. Mystere en cinq actes, Paris 1836 (BSL 4180 Rara). 26 Das neunzehnte Jahrhundert des Thierreichs oder Scenen aus dem Familien- und Staatsleben der Thiere. Geschildert von ihnen selbst. Nach dem Französischen bearbeitet. Mit 48 Bildern, Leipzig [1841] (BSL 210 Rara). 27 BSL 2991 Rara und BSL 3076 Rara, Bd. 1–2.

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4 Exlibris von Caroline Slevogt geb. Lucas in einer lutherischen Bibelausgabe, Landesbibliotheks­ zentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

Körner oder Ludwig Uhland, daneben der zu seiner Zeit viel gelesene Julius Wolff, der his­ torisierende Erzählungen veröffentlichte.28 Bemerkenswert ist eine Ausgabe des Buchs der Lieder von Heinrich Heine, das Slevogts Mutter 1862 als Weihnachtsgeschenk von ihrem Mann Friedrich von Slevogt erhalten hatte (Abb. 5).29 Zwei der Julius Wolff-Drucke zeigen einen vorgängigen Besitzvermerk von Henriette Knoderer. Es handelt sich hierbei um die in Landau wohnende Großtante Slevogts, bei der er als Kind seine Ferien verbrachte.30 Ein wichtiger Bestandsbildner der Familienbibliothek Slevogt war sicherlich sein Schwager Walter Finkler, Bruder seiner Ehefrau Antonie. Aufgrund von Besitzvermerken lassen sich ihm etwa 40 Bände zuweisen. Dazu gehören typische Schulbücher, darunter Werke von Autoren der lateinischen Antike. Neben wenigen Titeln aus dem Bereich der schönen Literatur in deutscher und französischer Sprache kennzeichnete Finkler his­ torische Bücher als seinen Besitz, darunter auch speziell die Pfalz betreffende Drucke. Dazu gehören eine Geschichte der Stadt Landau sowie der erste Band der Publikation des Pfarrers und Historikers Johann Georg Lehmann über die Burgen und Bergschlösser der bayerischen Pfalz.31 Mit etwa einem Dutzend Titeln dominiert bei den von Walter Finkler

28 Bruno Jahn, Art. „Wolff, Julius“, in: Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisch-bibliographisches Handbuch, begr. von Wilhelm Kosch, 3. Aufl., 38 Bde., Bern und München bzw. Berlin und Boston 1968–2019, hier Bd. 35, Sp. 396–398; BSL 789 Rara, BSL 818 Rara, BSL 893 Rara, BSL 935 Rara und BSL 948 Rara; BSL 1317 Rara, BSL 1321 Rara und BSL 1324 Rara. 29 Heinrich Heine, Buch der Lieder, 20. Aufl., Hamburg 1861 mit handschriftlichem Eintrag „zum Weihnachts­ geschenk von Fritz 1862“ (BSL 904 Rara). 30 BSL 1317 Rara und BSL 1321 Rara; Imiela 1991 (wie Anm. 1), S. 233 (mit Abb.); Finkler 2018 (wie Anm. 1), S. 212. 31 Interessante Daten zur Geschichte der Stadt Landau (Vom Jahre 1260 bis Ende 1878) zusammengetragen von Eduard Jost, Leipzig und Landau 1879 (BSL 2923 Rara); Johann Georg Lehmann, Urkundliche Geschichte der Burgen und Bergschlösser in den ehemaligen Gauen, Grafschaften und Herrschaften der bayerischen Pfalz. Ein Beitrag zur gründlichen Vaterlands-Kunde, Bd. 1, Kaiserslautern 1857 (BSL 2548 Rara); Viktor Carl, Lexikon Pfälzer Persönlichkeiten, 3. Aufl., Edenkoben 2004, S. 512 f.

Die Familienbibliothek von Max Slevogt

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5 Heinrich Heine, Buch der Lieder, 1861, Weihnachtsgeschenk 1862 von Friedrich von Slevogt an seine Frau Caroline, Landes­bi­blio­theks­ zentrum / Pfälzische Landes­biblio­thek Speyer.

mit Namenszug versehenen Büchern allerdings mit weitem Abstand das Fach Zoologie, was in einem Zusammenhang mit seinem Studium dieses Fachs in Würzburg und in Veitshöchheim mit dem Schwerpunkt Schädlingsbekämpfung ab den letzten Monaten des Ersten Weltkriegs bis zum Jahr 1920 steht.32 In drei Fällen widmete Slevogt seinem Schwager eigenhändig Titel aus seinem buchkünstlerischen Werk. Am zeitlichen Anfang stehen die Rübezahl-Erzählungen von Johann Karl August Musäus, die laut Impressum 1909 erschienen sind und von Slevogt mit dem Vermerk „s. l. Walter Weihnacht 1908 Max“ versehen worden sind.33 Ähnlich erhielt Walter Finkler zu Weihnachten 1916 ein Vorab­ exem­plar des Kriegstagebuches mit handschriftlicher Widmung („s. l. Walter Weihnach­ ten 1916“) sowie einer Federzeichnung, in der sich Slevogt selbst als Kriegsmaler darge­ stellt hat (Abb. 6).34 Als Weihnachtsgeschenk des Jahres 1920 ging dem Schwager, seinem „Assis­tenten beim Illustrieren“, der Titel Die Eroberung Mexikos von Hernán Cortés zu.35 Die 4312 Bände der Familienbibliothek Slevogt bilden eine über viele Jahrzehnte auf­ gebaute, von verschiedenen Mitgliedern der Familien Finkler und Slevogt zusammen­ 32 Finkler 2018 (wie Anm. 1), S. 193. 33 Die Märchen vom Rübezahl. Erzählt von J. K. A. Musäus. Für die Jugend von Christian Morgenstern, Berlin: Bruno Cassirer 1909 (BSL 4316 Rara). 34 Ein Kriegstagebuch. Gezeichnet von Max Slevogt, Berlin: Bruno Cassirer 1917 (BSL 2320 Rara). 35 Die Eroberung Mexikos von Ferdinand Cortes. Mit 112 Federlithographien von Max Slevogt. Übersetzt von Mario Spiro, Berlin: Bruno Cassirer 1918 (BSL 2325 Rara). Widmung: „s/l Walter, seinem Assistenten beim Illus­ trieren, Max, Weihnachten 1920“.

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6 Federzeichnung als Teil der handschriftlichen Widmung Slevogts an seinen Schwager Walter Finkler im Kriegs­tage­ buch von Bruno Cassirer, 1917, Weihnachten 1916, Landes­bi­ blio­theks­zen­trum  /  Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

getragene und ihre Interessen spiegelnde, bürgerliche Universalbibliothek. Etwa 1660 Bände sind vor 1868 erschienen, dem Geburtsjahr Slevogts, unter ihnen gut 20 Drucke bis zum Erscheinungsjahr 1700. Das mächtigste Segment der Sammlung bildet die schö­ ne Literatur. Den mengenmäßig größten Teil macht hier die deutsche Literatur aus, be­ ginnend bei der mittelhochdeutschen Zeit und mit einigen Titeln des Barocks. Einen Schwerpunkt bildet die deutsche Klassik, aber auch die sich anschließenden literarischen Epochen sind gut vertreten, was zeigt, dass die Sammlung immer aktuell gehalten wurde. Daneben finden sich hier Werke von Autoren der griechischen und lateinischen Antike, unter ihnen einige Schulbücher. Schon aufgrund der auf Pauline von Nassau zurückge­ henden Sammlung nimmt die französische Literatur einen großen Raum ein. Englische Literatur ist in der Originalsprache vertreten, italienische, russische und skandinavische Autoren dagegen in deutscher Übersetzung. Das Fach Geschichte nimmt in der Sammlung ebenfalls großen Raum ein. Hier do­ minieren anfänglich Werke zur deutschen und europäischen Geschichte; erwartungsge­ mäß finden sich einige Titel zu Otto von Bismarck und zum deutsch-französischen Krieg 1870/71. Etwa 40 zwischen 1914 und 1919 erschienene Bände beschäftigen sich aus deut­ scher Sicht mit dem Ersten Weltkrieg und nehmen teils Bezug auf die Verwüstungen und Besetzungen der Pfalz im 17. und 18. Jahrhundert durch französische Truppen.36 Von drei 36 Lorenz Kampfmann, Die erstmalige Verwüstung der rheinischen Pfalz und des Westrichs durch die Franzosen. Ein geschichtlicher Wahrheitsspiegel, Waldfischbach 1917 (BSL 2909); Friedrich Johann Hildenbrand, Neustadts

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Autoren dieses Segments, Ernst Vollbehr, Ernst Moritz August Endell und Paul Madsack, finden sich im schriftlichen Nachlass von Max Slevogt, der 2011 vom Landesbibliotheks­ zentrum Rheinland Pfalz/ Pfälzische Landesbibliothek Speyer aus dem Besitz der Erben erworben werden konnte, verschiedene Korrespondenzen.37 Ernst Vollbehr ist mit dem 1913 erschienenen Aufsatz ‚Wie ich Kolonialmaler wurde‘ belegt. Bereits 1915 publizierte er ein Kriegsbilder-Tagebuch (s. unten), und 1920 folgte eine kleine Broschüre mit seinen Kriegsskizzen von der Front der Champagne, vor Verdun und aus den Argonnen.38 Voll­ behr war im Gegensatz zu Slevogt auch mit entsprechenden Arbeiten bei der von Februar bis April 1916 gezeigten Kriegsbilder-Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin vertreten; der Katalog findet sich in der Familienbibliothek.39 Ebenfalls zwei Titel gehen auf den Architekten Ernst Moritz August Endell zurück. Bereits 1908 hatte er Slevogt seine Publikation Die Schönheit der großen Stadt handschriftlich gewidmet. Nach Kriegsbeginn schuf er Kriegerfriedhöfe und publizierte 1916 bei Bruno Cassirer darüber.40 1918 erschien ein Bericht von Paul Madsack, Feuilletonchef des Hannoverschen Anzeigers, über seine Erlebnisse in Spanien und Frankreich während des Krieges.41 Nach 1919 nahm die Zahl der Publikationen zu diesem Thema deutlich ab. Hervorzuheben wären nun Titel, die sich mit der ab Ende 1918 beginnenden Besetzung der Pfalz durch französische Truppen beschäftigten, unter ihnen zwei Publikationen des aus Rheinzabern stammen­ den Zentrumspolitikers Maximilian Joseph Pfeiffer.42 1920 gab der Berliner Verleger Fritz Heyder, der auch mit Slevogt korrespondierte, im Sinne eines Rückblicks die Broschüre Schreckenstage im Jahre 1794. Mit Rückblick auf die Geschichte der französischen Rheingelüste, Neustadt an der Haardt 1917 (BSL 2913). 37 Landesbibliothekszentrum/ Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt, N 100; vgl. Schlechter 2014 (wie Anm. 17). 38 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 10, S. 302; Ernst Vollbehr, „Wie ich Kolonialmaler wurde. Text und Bilder“, in: Westermanns Monatshefte, Jg. 57, 1913, S. 877–890 (BSL 479); Ernst Vollbehr, Originalskizzen des Kriegsmalers. Verzeichnis. Originalskizzen von der Front der Champagne, vor Verdun und aus den Argonnen, München 1920 (BSL 470 Rara). 39 Königliche Akademie der Künste zu Berlin, Kriegsbilder-Ausstellung Februar–April 1916, 2. Aufl., Berlin [1916] (BSL 513). 40 Eberhard Marx, Art. „Endell, Ernst Moritz August“, in: Neue deutsche Biographie, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 27 Bde., Berlin 1953–2020, hier Bd. 4, S. 490 f.; August Endell, Die Schönheit der großen Stadt, Stuttgart 1908 (BSL 296 Rara). Widmung: „Herrn Prof. Max Slevogt mit herzlichem Gruß d. Verf.“; August Endell, Zwei Kriegerfriedhöfe, Berlin: Bruno Cas­ sirer 1916 (BSL 284). 41 Wulf Kirsten, Art. „Madsack, Paul“, in: Deutsches Literatur-Lexikon 1968–2019 (wie Anm. 28), Bd. 10, Sp. 207; Paul Madsack, Vae Victis! Meine Erlebnisse in Spanien und Frankreich während des Ersten Weltkrieges, Leipzig 1918 (BSL 2129). 42 Karsten Ruppert, Art. „Pfeiffer, Maximilian Joseph“, in: Neue deutsche Biographie 1953–2020 (wie Anm. 40), Bd. 20, S. 313 f.; Die Pfalz ein deutsches Land! Vor den Pfälzern in Berlin und Mannheim am 15. De­ zember 1918 bezw. 1. Februar 1919 gehaltene Rede, Berlin [1919] (BSL 2849, 2849a, 2849b, andere Ausgabe BSL 2935 Rara); Rede des Ministers Dr. Pfeiffer Deutschen Gesandten in Wien bei der Pfalzkundgebung im Sitzungssaale des Reichstages zu Berlin am Sonntag, den 17. Februar 1924, Berlin [1924] (BSL 2963); weitere Publikationen zu diesem Thema BSL 2364, BSL 2719 und BSL 2962.

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Hindurch! Deutsches Volk im Kriege. Bilder des Kalenders Kunst und Leben 1914–1918 heraus. Slevogt ist hier mit den Illustrationen Schlachtfeld und Heldengrab im Osten vertreten.43 Direkt auf den Nationalsozialismus weisende Titel finden sich in der bis zum To­ desjahr Slevogts 1932 reichenden Familienbibliothek nicht. Hervorzuheben ist ein 1918 erschienenes Werk des Journalisten und SPD -Politikers Max Cohen-Reuss, das sich zu­ stimmend mit dem Zionismus beschäftigt.44 Zu den konservativen Wegbereitern des Nationalsozialismus werden der Soziologe und Nationalökonom Werner Sombart sowie der Philosoph Oswald Spengler gerechnet, der allerdings die Rassenideologie des NS-Re­ gimes ablehnte. Sie sind mit je einem Titel vertreten; das Werk von Sombart lässt sich aufgrund eines Besitzvermerkes Walter Finkler zuordnen.45 Gut hundert Bände der Sammlung mit den Schwerpunkten Literatur und Geschichte wären als Palatinensien anzusprechen; schwerpunktmäßig sind sie ab etwa 1870 erschie­ nen. In ihnen spiegeln sich die immer dichter werdenden Netzwerke von Max Slevogt in der Pfalz und sein Interesse an dieser Region; dies gilt ähnlich aber auch für seinen hier geborenen Schwager Walter Finkler. So enthält die Familienbibliothek beispielsweise drei Exemplare von Die pälzisch Weltgeschicht des Mundartdichters Paul Münch, von denen zwei Walter Finkler gehörten und eines Max Slevogt gewidmet wurde.46 Ein Beispiel für einen pfälzischen Künstler, von dem auch Briefe an Slevogt überliefert sind, ist Heinrich Strieffler, der mit der Illustrationsfolge Pfälzer Wein von der Rebe bis zum Glas und dem Aufsatz Pfälzer Wein in der Familienbibliothek vertreten ist.47 Der zweite Titel findet sich 43 Reinhard Würffel, Lexikon deutscher Verlage von A–Z. 1071 Verlage und 2800 Verlagssignete vom Anfang der Buchdruckerkunst bis 1945. Adressen – Daten – Fakten – Namen, Berlin 2000, S. 353; Hindurch! Deutsches Volk im Kriege. Bilder des Kalenders Kunst und Leben 1914–1918. Gedichte aus der Kriegszeit, Berlin: Fritz Heyder [1920] (BSL 1888 Rara), hier S. 25 und S. 27; Gesa Bartholomeyczik, Im Banne der Verwüstung. Max Slevogt und der Erste Weltkrieg, Begleitheft zur Ausst. Edenkoben, Schloss Villa Ludwigshöhe, Mainz 2014, S. 13 f. 44 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 2, S. 378 f.; Pro Palästina, Schriften des Deutschen Komitees zur Förderung der jüdischen Palästinasiedlung. I. Heft: Die politische Bedeutung des Zionismus von Cohen (Reuß) M. d. R., Berlin 1918 (BSL 2625). 45 Friedrich Lenger, Art. „Sombart, Werner“, in: Neue deutsche Biographie 1953–2020 (wie Anm. 40), Bd. 24, S. 562 f.; Detlef Felken, Art. „Spengler, Oswald Arnold Gottfried“, in: ebd., S. 664–666; Volk und Raum. Eine Sammlung von Gutachten zur Beantwortung der Frage: „Kann Deutschland innerhalb der bestehenden Grenzen eine wachsende Bevölkerung erhalten?“, hg. von Werner Sombart, Hamburg, Berlin und Leipzig 1928 (BSL 1902) mit Besitzvermerk: „Dr. Finkler“; Oswald Spengler, Neubau des deutschen Reiches, München 1924 (BSL 3257). 46 Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisch-bibliographisches Handbuch, begr. von Wilhelm Kosch, 3. Aufl., Ergän­ zungs-Band 6, hg. von Herbert Herkommer und Carl Ludwig Lang, Bern und Zürich 1999, Sp. 230; BSL 2884 Rara und BSL 2352 Rara (aus dem Besitz von Walter Finkler); Paul Münch, Die pälzisch Weltgeschicht, Buch­ schmuck vom Verfasser, Kaiserslautern 1909 (BSL 2350 Rara). Widmung: „Herrn Professor Max Slevogt in Erinnerung an schöne Stunden in Kaltenbach in Hochachtung u. Verehrung. Der Verfasser P. Münch“. 47 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 9, S. 779; Pfälzer Wein von der Rebe bis zum Glas. 12 Bilder nach dem Leben gezeichnet und beschrieben von Heinrich Strieffler, Neustadt an der Haardt 1908 (BSL 2357); Heinrich Strieffler, „Pfälzer Wein. Mit sieben Abbildungen nach Originallitho­ graphien des Verfassers und einem Schlußstück“, in: Westermanns Monatshefte, Jg. 69, 1924/25, S. 249–254 (BSL 2947).

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im Broschüren- und Einblattdrucksammelband Schriften aus der Pfalz VI. Er enthält auch die Sondernummer der Zeitschrift Der Pfälzerwald zum 50. Geburtstag von Max Slevogt 1918, an der Ernst Vollbehr als Illustrator mitgewirkt hat;48 Slevogt ordnete sich somit the­ matisch selbst eher der Pfalz zu als den auch in der Sammlung vorhandenen Kunst-Sam­ melbänden. 1924 erschien eine Sondernummer der Zeitschrift Pfälzisches Museum – Pfälzische Heimatkunde zum Thema Von Pfälzer Kunst!, zu der Slevogt vier Federzeichnungen beisteuerte.49 Vertreten war er mit drei Gemälden auch bei der in München, Nürnberg und Kaiserslautern im Jahr 1928 gezeigten Ausstellung Pfälzer Kunst.50 Ein für eine bürgerliche Bibliothek der Zeit typisches Genre sind die zusammen etwa 50 Reise- und Expeditionsberichte, bei denen Deutschland, Europa, aber auch Afrika oder Nord- und Südamerika im Vordergrund stehen. Hinzu kommen etwa 30 Reisefüh­ rer. Sie handeln Deutschland und insbesondere die Rheingegenden ab, Belgien und die Niederlande, Spanien und Portugal, die Schweiz, Österreich-Ungarn und Italien, aber auch Nordafrika und Russland. Im Falle eines London-Führers ist ein Zusammenhang mit Slevogts Reise in die englische Hauptstadt zur Deutschen Kunst-Ausstellung 1906 wahrscheinlich. Bei derselben Gelegenheit wird er einen Führer des dortigen Sir John Soane’s Museum erworben haben; wahrscheinlich gehen die beiden bereits erwähnten illustrierten englischen Bücher zu Ali Baba auch auf diesen Aufenthalt zurück.51 Auch die Reiseführer und Reiseberichte in der Bibliothek zu Italien, wo sich Slevogt mehrmals aufgehalten hatte, könnten für ihn von Belang gewesen sein.52 Neben den bereits erwähnten naturkundlichen Büchern, die auf Walter Finkler wei­ sen, wären einige philosophische Titel zu nennen, beispielsweise die Werke von Arthur Schopenhauer in einer Ausgabe aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts,53 die sich aber keinem Familienmitglied mit Sicherheit zuordnen lassen. Unter anderem das Fach Philosophie hatte der bereits 1896 verstorbene Peter Finkler studiert.54 Vergleichsweise gering ist, trotz dessen Mitgliedschaft im Deutschen Protestantenverein, der Anteil theo­ logischer Bücher, von wenigen Bibeln und Erbauungsliteratur abgesehen. Im älteren, bis 1868 reichenden Segment der Familienbibliothek spielt weiter das Fach Kunst eine ganz geringe Rolle.

48 Der Pfälzerwald, Jg. 19, 1918, Nr. 9/10 (BSL 2953). 49 BSL 2958 Rara. 50 Ausstellung Pfälzer Kunst von Churfürst Carl Theodor bis zur Gegenwart. Juli mit November 1928. München – Nürnberg – Kaiserslautern, [München] [1928], Nr. 392–394 (BSL 3211). 51 Schlechter 2014 (wie Anm. 17), Nr. 6; Karl Baedeker, London und Umgebungen. Handbuch für Reisende, 14. Aufl., Leipzig 1901 (BSL 2706); General description of Sir John Soane’s Museum, London. With brief notices of some of the more interesting works of art, 8. Aufl., London 1905 (BSL 464). 52 U. a. BSL 2378 (Neapel), BSL 2471–2472 Rara (Neapel), BSL 2705 (Italien), BSL 2707 (Oberitalien) und BSL 2766 (Neapel, Sorrent, Pompeji, Capri, Amalfi, Paestum). 53 BSL 2059–BSL 2067. 54 Finkler 2018 (wie Anm. 1), S. 173.

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7 Handschriftliche Notizen zum Entstehungs­ pro­zess von Die Schatten der Dinge von Bruno Frank, 1912, auf dem Slevogthof, Landes­biblio­thekszentrum  /  Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

Zwei Titel der Familienbibliothek lassen erkennen, dass das Gut Neukastel unabhän­ gig von Slevogt Züge eines Musenhofes trug. 1883 erschien die Geschichte des Ulanenregiments „König Karl“ aus der Feder von „Griesinger“, bei dem es sich um den Ehemann von Antonies Schwester Elisabeth handelt, den in Stuttgart geborenen württembergischen Premierleutnant Eduard Theodor Otto Griesinger.55 Der Autorname Griesinger in die­ sem Werk wurde um einen handschriftlichen Vermerk ergänzt: „dem Schwager von Frau Professor Max Slevogt, – stilistisch und inhaltlich überarbeitet von Griesinger’s Schwie­ gervater, dem Dr. phil. Phil. Peter Finkler in Godramstein“.56 Bemerkenswert ist weiter ein Exemplar der 1912 erschienenen Gedichtsammlung Die Schatten der Dinge von Bruno Frank. Er wurde 1887 in Stuttgart geboren und starb 1945 im Exil in Beverly Hills. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts war der Freund von Thomas Mann in Deutschland ein viel gelesener Schriftsteller und ausweislich einer hand­ schriftlichen Widmung mit Philipp Fischer von Weikersthal bekannt. Die Gedichtsamm­ lung ist im Druck gewidmet „Frau Elisabeth Griesinger in Freundschaft und Verehrung“. Nähere Auskunft zum Entstehungsprozess gibt ein handschriftlicher Eintrag auf dem vorderen fliegenden Blatt (Abb. 7): „NB: Die Gedichte S. 41–58, 88–93 wurden auf dem Neukastel (Rheinpfalz) verfasst, wo der Verfasser im Jahre 1910 einige Monate weilte“.57

55 Wolfgang Diehl, Max Slevogt. Zum 150. Geburtstag. Der Künstler, Neukastel, Leinsweiler und die Pfalz. Mit den Aufzeichnungen des Schwagers Dr. Walter Finkler, Landau 2018, S. 213. 56 Geschichte des Ulanenregiments „König Karl“ (1. Württembergischen) Nr. 19 von seiner Gründung bis zur Gegenwart. Im Auftrage bearbeitet von Griesinger, Premierleutnant, Stuttgart 1883 (BSL 2529 Rara). 57 Klaus U. Werner, Art. „Frank, Bruno“, in: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, 2. Aufl., hg. von Wilhelm Kühlmann u. a., 13 Bde., Berlin und New York 2008–2012, hier Bd. 3, S. 533 f.; Bruno Frank, Die Schatten der Dinge. Gedichte, München 1912 (BSL 1507 Rara). In der Familienbi­ bliothek finden sich vier weitere Drucke Franks: BSL 1384 Rara, BSL 1510 Rara (mit Widmung an Philipp von Fischer, 1921), BSL 1348 und BSL 1839.

Die Familienbibliothek von Max Slevogt

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Max Slevogt und die Familienbibliothek Der heute vorhandene Bestand der Familienbibliothek überliefert die auf Slevogt selbst zurückgehende Büchersammlung nicht vollständig, und auch aus dem 1971 verzeichne­ ten Bestand fehlen einzelne Titel. Beispiele hierfür sind die bereits erwähnten, im bis etwa 1925 geführten handschriftlichen Bibliothekskatalog Hs. 694 verzeichneten Ho­ mer-Ausgaben sowie das von Slevogt illustrierte Werk von Adolf Weißmantel. Ein weite­ res Beispiel wäre das Exemplar von Alfred Kubins Illustrationswerk Heimliche Welt, das der Künstler mit Schreiben vom 22. Mai 1927 an Slevogt übersandte; auch dieser Druck ist heute nicht mehr vorhanden.58 Handschriftliche Besitzvermerke von Max Slevogt – oder seiner Frau – selbst finden sich in lediglich vier Büchern der Familienbibliothek; dazu gehört ein lateinisches Wör­ terbuch aus der Schulzeit.59 Hinzu kommen Widmungsexemplare verschiedener Perso­ nen, die ihn als Besitzer ausweisen (s. unten). Es ist zu vermuten, dass er selbst vor allem Bücher der Fächer Literatur, Geschichte und Palatinensien erworben hat, abgesehen vom gut 500 Bände umfassenden Segment der Kunst, das sich mit großer Sicherheit komplett auf ihn zurückführen lässt. Aber auch die etwa 20 Titel des Fachs Musik werden sich ihm zum großen Teil zuschreiben lassen. Hier bilden Werke von Richard Wagner einen Schwerpunkt;60 sein Sohn Siegfried Wagner, den Slevogt kannte und mit dem er korres­ pondierte, ist mit seinen 1923 erschienenen Erinnerungen vertreten.61 Auch an Wolfgang Amadeus Mozart bestand in der Familie offensichtlich ein besonderes Interesse.62 Motive beider Komponisten dominieren die Ausmalung des Musiksaales.63 Einzelne Bände enthalten Lebenszeugnisse zu Slevogt und seiner Familie. 1895 er­ schien die Geschichte des ehemaligen Kgl. bayer. 4. Jäger-Bataillons als Festschrift zum hun­ dertjährigen Bestehen. Es handelt sich hierbei um das Regiment von Slevogts Vater. Im Kapitel Gefecht an den Brücken von Bazeilles wird ausführlich der Einsatz beschrieben, bei dem Friedrich von Slevogt am 31. August 1870 die Verletzungen erhielt, an denen er am 13. Oktober 1870 in München starb (Abb. 8): „Hauptmann von Slevogt erhielt ei­ nen Streifschuß quer über den Rücken und eine tödliche Wunde in der linken Hüfte“.64 Auf genealogische Interessen innerhalb der Familie deuten einige ältere Drucke hin, die von verschiedenen Trägern des Namens Slevogt – „olle „Ahne[n]“ in der Diktion Max 58 Schlechter 2014 (wie Anm. 17), Nr. 28. 59 BSL 526 Rara, BSL 1379 Rara und BSL 1629 Rara; Christian Frederik Ingerslev, Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Schul-Wörterbuch, 8. Aufl., Braunschweig 1879 (BSL 3062 Rara). 60 BSL 1156–1165, BSL 1292, BSL 1330, BSL 1357, BSL 1358 und BSL 1362. 61 Siegfried Wagner, Erinnerungen, Stuttgart 1923 (BSL 2146); Schlechter 2014 (wie Anm. 17), Nr. 32. 62 BSL 1036 Rara, BSL 1381, BSL 2162–BSL 2163, BSL 2168 und BSL 3147. 63 Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 230–237. 64 Fritz Roeder, Geschichte des ehemaligen Kgl. bayer. 4. Jäger-Bataillons und seiner Stammabteilungen. Festschrift zur hundertjährigen Erinnerungsfeier am 22., 23. und 24. Juni 1895 in Landshut, 2. Aufl. Mit mehreren Porträts, Gefechtsbildern und Krokis, Erlangen 1895 (BSL 3082 Rara), S. 46 f.

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9 Gesangbuch Slevogts mit Notiz zu seiner Kon­firma­ tion in Würzburg, 16. April 1882, Landes­biblio­theks­ zen­trum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

8 Beschreibung des Gefechts bei den Brücken von Bazeilles, bei dem Slevogts Vater Friedrich am 31. August 1870 schwer verwundet wurde, Landes­biblio­theks­zen­trum  /  Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

­Slevogts – aus dem 17. bis frühen 19. Jahrhundert verfasst worden sind, unter ihnen der Jurist Johann Philipp Slevogt.65 Auf den jungen Max Slevogt selbst lässt sich ein 1879 in Nürnberg gedrucktes Gesangbuch für die evangel.-lutherische Kirche in Bayern (Abb. 9) zurückführen. Es enthält eine handschriftliche Widmung des Pfarrers und den entsprechenden Bibelvers, der Slevogts Konfirmation am 16. April 1882 in Würzburg zugrunde lag.66 In zwei Fällen finden sich in Büchern Slevogts Notizen mit Reminiszenzen von Reisen, die für viele weitere Studien­ fahrten dieser Art stehen.67 So enthält ein 1925 gedruckter Kunstführer über Die Dome von Mainz und Worms folgenden handschriftlichen Vermerk (Abb. 10): „Autofahrt mit H. Kohl 65 Ernst Landsberg, Art. „Slevogt: Johann Philipp S.“, in: Allgemeine deutsche Biographie, hg. durch die histo­ rische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften [München], Bd. 34, Leipzig 1892, S. 463 (BSL 2831 Rara, BSL 3263 Rara, weiter die Leichpredigt auf seine Frau BSL 2714 Rara), weiter Gott­ lieb Slevogt (BSL 3261–BSL 3262 Rara) und Carl Samuel Slevogt (BSL 3216 Rara); Brief von Max Slevogt an Heinrich Kohl vom 2. Juni 1930: Wolf 2018 (wie Anm. 2), S. 326. 66 Gesangbuch für die evangel.-lutherische Kirche in Bayern, Nürnberg 1879 (BSL 2816 Rara). 67 Finkler 2018 (wie Anm. 1), S. 203.

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10 Handschriftlicher Vermerk über eine Studienreise Slevogts nach Worms im Oktober 1927, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

u. seinen Söhnen, Bruno Eisner, u. Walter nach Worms Oktober 1927“. Es handelt sich bei den genannten Personen neben dem Schwager Walter Finkler um Slevogts Freund und Bankier Heinrich Kohl sowie um den in Wien geborenen Musiker Bruno Eisner; von beiden Personen finden sich Briefe im schriftlichen Nachlass.68 Ein 1910 erschienener Führer durch das Schloss in Bruchsal überliefert ebenfalls eine Notiz zu einer weiteren Kulturreise durch Süddeutschland in Slevogts Geburtstagsmonat des Jahres 1928 mit dem Besuch einer Aufführung einer Oper von Richard Wagner: „Fahrt mit H. Kohl nach Stutt­ gart, Flieg. Holländ. 20. Okt. 28 21. Bruchsal“.69 In wenigen Bänden der Familienbibliothek finden sich Randzeichnungen von der Hand Slevogts. 1917 erschien bei Bruno Cassirer die Publikation Édouard Manet. Erinnerungen von A. Proust. Handschriftlich notierte Slevogt auf dem Vorderspiegel eine Zug­

68 Oscar Doering, Die Dome von Mainz und Worms, mit 87 Abbildungen, 11. bis 24. Tausend, München 1917 (Die Kunst dem Volke, 29) (BSL 435 Rara); Hans Blinn, Heinrich Kohl (1873–1936), Landau 1998; Schlechter 2014 (wie Anm. 17), Nr. 26; Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 3, S. 16. 69 Das Schloß in Bruchsal. Ein Führer von Otto Recher, Bruchsal [1910] (BSL 2145 Rara).

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11 Skizzen zum Musikzimmer und dem Biblio­ theks­bau auf den Vorsatz- und flie­gen­den Blättern von der Geist der Gotik von Karl Scheffler, nach 1917, Landes­biblio­theks­zen­ trum / Pfälzische Landes­bibliothek Speyer.

verbindung von Karlsruhe ins pfälzische Insheim. Die beiden fliegenden Blätter nutzte er für Skizzen. Das vordere dieser Blätter ist ausgeschnitten worden und zeigt noch Blei­ stiftstriche; hinten hat sich die Zeichnung einer Halbfigur erhalten.70 Im gleichen Jahr veröffentlichte der Kunsthistoriker Karl Scheffler, ebenfalls ein Korrespondenzpartner Slevogts, seine Monographie Der Geist der Gotik. Ohne direkten Bezug zum Text zeigen Spiegel und fliegende Blätter architektonische Zeichnungen und Detailstudien, die in einem Zusammenhang mit dem Anbau von Musik- und Bibliothekszimmer auf dem Slevogt­hof in den Jahren 1922 und 1923 stehen; zu erkennen ist als Variante eine runde Dachbekrönung (Abb. 11).71 Rezeptionsspuren weist auch das 1923 erschienene erste Heft der Zeitschrift Faust. Eine Rundschau auf. Sie erschien im Verlag von Julius Bard,72 einem weiteren Korrespon­ 70 Édouard Manet. Erinnerungen von A. Proust. Veröffentlicht von A. Barthélmy, Berlin: Bruno Cassirer 1917 (BSL 297 Rara). 71 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 8, S. 789 f.; Karl Scheffler, Der Geist der Gotik, Leipzig 1917 (BSL 256 Rara). 72 Würffel 2000 (wie Anm. 43), S. 51.

Die Familienbibliothek von Max Slevogt

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12 Max Slevogt, Bleistiftzeichnung des Mythos von Ganymed und dem Adler, um 1923, Landes­biblio­thekszentrum  /  Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

denzpartner Slevogts, der ihm 1915 eine von ihm im Vorjahr veröffentlichte Publikation des Leiters des Kupferstichkabinetts in Dresden Max Lehrs geschenkt hatte; auch mit diesem wechselte Slevogt Briefe.73 Mit blauem Stift markierte sicherlich Slevogt selbst den Aufsatz Barock-Mythologie von Georg Swarzenski, Leiter des Frankfurter Städels, Korrespondenzpartner und im gleichen Jahr von Slevogt in einer Radierung porträtiert.74 Zusätzlich ergänzte er eine in der Zeitschrift abgedruckte plastische Darstellung von Ganymed und dem Adler um die Bleistiftzeichnung einer eigenen Interpretation dieses Mythos (Abb. 12).75

73 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 6, S. 324; Max Lehrs, Elisabeth Schneider. Eine Elegie, Berlin: Julius Bard 1914 (BSL 3105 Rara), mit Widmung: „Herrn Prof. Max Slevogt zur freundlichen Erinnerung von J. Bard, 7.4.15“. 74 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 9, S. 846; Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 432, Anm. 1. 75 Faust. Eine Rundschau. Kunst und Mythos, Jg. 1, H. 1, Berlin: Julius Bard [1923] (BSL 276 Rara).

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Ausstellungs- und Auktionskataloge Von den etwa 500 Bänden aus dem Bereich der Kunst gehören jeweils gut 70 zu den Genres Ausstellungskataloge beziehungsweise Auktions- und Verkaufskataloge. Bei den Ausstellungen dominieren die entsprechenden Unternehmungen der Künstlervereine in Berlin, München und Wien; hinzu kommen deutlich weniger Kataloge internationaler Ausstellungen und Würdigungen einzelner Künstler. Bei den Auktions- und Verkaufska­ talogen stehen Angebote von Gemälden vom 16. Jahrhundert bis zu Slevogts Gegenwart im Vordergrund, aber auch Verzeichnisse von Antiquitäten wurden gesammelt. Dane­ ben sind Versteigerungen kompletter Privatsammlungen dokumentiert. Auch hier spielen Berlin, München und Wien als Auktionsorte eine große Rolle. Käuflich war auch immer ein Teil der in den Jahresausstellungen der Künstlervereine vorgestellten Werke. So ver­ zeichnet der Katalog der Grossen Berliner Kunst-Ausstellung 1895 von Slevogt ohne Preisan­ gabe – und ohne Abbildung – eine erwerbbare „Studie“.76 Einige dieser Kataloge sind von größter Seltenheit. Dazu gehört eine kleine Broschüre, die eine Ausstellung von Künstlern der Münchener Secession im Kaiser Franz Josef-Museum für Kunst und Gewerbe in Trop­ pau dokumentiert, heute Opava in Tschechien. Slevogt war mit drei Gemälden beteiligt, die am Rand des Katalogs handschriftlich durch einen blauen Strich markiert sind.77 In gleicher Weise ist das Gemälde Scheherezade hervorgehoben, ein Beitrag des Deutschen Reiches zur Weltausstellung in Paris im Jahr 1900; zusätzlich verweist ein Eintrag auf dem Titelblatt des gedruckten Katalogs auf die entsprechende Seite.78 Neben Gemälden wurde auch Grafik auf diese Weise vertrieben. So veröffentlichte das Graphische Kabinett J. B. Neumann in Berlin 1912 den Katalog Moderne Graphik, der von Slevogt „Seltene Pro­ be- und Zustandsdrucke früher Lithographien und Radierungen“ auflistet, darunter 50 Exemplare des Titelblattes des erstmals 1912 erschienenen Werks Ein lithographiertes Skizzenbuch. Unter den Anzeigen finden sich weitere Angebote von Slevogt-Grafiken, die vom Verlag Bruno Cassirer in Berlin vertrieben wurden.79 Verweise mit blauem Stift auf die Druckseiten, auf denen zwei Gemälde sowie zwei Radierungen Slevogts aufgelistet sind, finden sich auch im Katalog der Privatsammlung des Bauunternehmers Heinrich Kirch­ hoff, die von Februar bis April 1917 im Neuen Museum in Wiesbaden ausgestellt wurde. Beilage der Broschüre ist eine gedruckte Karte, mit der der Empfänger „zur Besichtigung hiermit ergebenst“ eingeladen wurde. Die Einleitung zu diesem Katalog schrieb Gustav 76 Grosse Berliner Kunst-Ausstellung 1895, Katalog, 2. Aufl., Berlin [1895], Nr. 1627 (BSL 3214 Rara). 77 Kaiser Franz Josef-Museum für Kunst und Gewerbe in Troppau. Katalog der Ausstellung von Werken Münchner Künstler (Mitglieder des Vereines bildender Künstler Münchens „Secession“). December 1896 u. Jänner 1897, Troppau 1896, Nr. 54–56 (BSL 3167 Rara). 78 Weltausstellung in Paris 1900. Amtlicher Katalog der Ausstellung des Deutschen Reiches, Berlin [1900], S. 132, Nr. 799 (BSL 429 Rara). 79 Graphisches Kabinett J. B. Neumann. Buch- und Kunsthandlung, Verlag und Antiquariat, Verzeichnis von modernen Original-Radierungen, Lithographien und Holzschnitten, Berlin [1912], Nr. 141 und vor Nr. 171, An­ zeige Bl. 23b (BSL 3150).

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Friedrich Hartlaub, ab 1913 Kustos und ab 1923 Direktor der Städtischen Kunsthalle in Mannheim und Korrespondenzpartner Slevogts.80 Diese in der Summe noch nicht ausge­ werteten Kataloge und das mit ihnen verbundene Beziehungsgeflecht sind eine wichtige Quelle für die Rezeption und die Wege von Slevogts Gemälden und Grafiken; anschei­ nend versuchte er zumindest ansatzweise, dies mit seiner Bibliothek zu dokumentieren. Insbesondere die Auktionskataloge zeigen weiter sein Interesse für den Kunstmarkt der Zeit über sein eigenes Werk hinaus. Bis einschließlich 1932 fanden 24 Ausstellungen statt, die Max Slevogt gewidmet waren und teils von Katalogen begleitet wurden. Letztere sind nur zum Teil in der Fa­ milienbibliothek vorhanden; so fehlen beispielsweise die entsprechenden Publikationen, die die Ausstellungen 1898 in Graz, aber auch 1927 im Pfälzischen Kunstverein in Speyer begleiteten.81 Bemerkenswerte, erhaltene Exemplare solcher Kataloge sind zwei jeweils kleine Broschüren, die Ausstellungen im Kunst-Salon Ernst Arnold in Dresden 1904 mit 46 Werknummern sowie 1929 in Wien dokumentieren. Die Dresdener Publikation ent­ hält eine Einführung des Kunstkritikers Hans Rosenhagen, den Slevogt 1908 porträtierte; von ihm wie von Ludwig Wilhelm Gutbier, Inhaber des Kunstsalons, existieren Briefe an Slevogt in seinem schriftlichen Nachlass.82 Rosenhagen trug weiter eine wohlwollende Besprechung der illustrierten Ausgabe von Ali Baba in einem 1908 erschienenen Katalog des Bruno Cassirer Verlags bei.83 Das Verzeichnis der anlässlich des 60. Geburtstages von Max Slevogt vom Hagenbund initiierten Wiener Ausstellung im Jahr 1929 listet 308 Aquarelle, Handzeichnungen, Radierungen, Lithografien und Holzschnitte sowie etwa 20 Buch- und Mappenausgaben auf und ist von großer Seltenheit.84 Unter den sonstigen Bänden des Fachs Kunst sind etwa 20 Bestandskataloge und Führer vor allem süddeutscher Museen zu nennen, hinzu kommen Einrichtungen in Ber­ lin und Dresden. Andere Publikationen beschäftigen sich mit Bauwerken wie dem Straß­ burger Münster.85 Einen Schwerpunkt bildet eine große Zahl von Künstlermonographien 80 Privatsammlung Kirchhoff Wiesbaden 1917. Kat. Ausst. Wiesbaden, Neues Museum, 1. Februar bis 1. April 1917; Ulrich Schmidt, „Heinrich Kirchhoff – ein Schrittmacher moderner Kunst“, in: Kunst in Hessen und am Mittelrhein, 1982, Nr. 22, S. 95–100; Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 4, S. 452 f. 81 Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 457. 82 Professor Max Slevogt. Sonder-Ausstellung von Gemälden und Plastiken [!] veranstaltet im Kunst-Salon Ernst Arnold (L. W. Gutbier), Dresden 1904 (BSL 3215); Reinhard Müller, Art. „Rosenhagen, Hans (Victor)“, in: Deutsches Literatur-Lexikon 1968–2019 (wie Anm. 28), Bd. 13, Sp. 304; Sigrun Paas und Roland Krischke, Max Slevogt in der Pfalz. Katalog der Max Slevogt-Galerie in der Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben, 2. Aufl., Berlin und München 2009, S. 134 f.; Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 385, Anm. 6; Ottfried Dascher, „Es ist was Wahnsinniges mit der Kunst“. Alfred Flechtheim. Sammler, Kunsthändler, Verleger, 2. Aufl., Wädenswil 2013 (Quellenstudien zur Kunst, 6), S. 496. 83 Bruno Cassirer Verlag. Katalog 1898–1908, Leipzig [1908] (BSL 3149), S. 3–6. 84 Hagenbund Neue Galerie, Max Slevogt. Zum 60. Geburtstag des Künstlers. In den Räumen des Hagenbundes Wien I. Zedlitzgasse 6, Januar–Februar 1929, Wien [1929] (BSL 3158). 85 BSL 2700, BSL 3624 und BSL 3625.

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und anderen Arbeiten, die insbesondere den Werken deutscher Künstler gewidmet sind, ohne dass dies aber zur Bildung großer Schwerpunkte geführt hätte. Immerhin fünf Titel beschäftigen sich mit Albrecht Dürer,86 gefolgt von vier Bänden zu Anselm Feuerbach.87 Zu beziehungsweise von Adolph von Menzel,88 Hans Thoma89 und Wilhelm Trübner90 enthält die Familienbibliothek jeweils zwei bis vier Titel. 1924 erschienen mit Illustratio­ nen von Max Slevogt die Personalia von Menzel;91 auch dieses Buch ist heute in der Fami­ lienbibliothek nicht vorhanden. Mit den zeitgenössischen deutschen impressionistischen Malern Lovis Corinth92 und Max Liebermann93 stehen drei beziehungsweise vier Bücher in einem Zusammenhang. Wilhelm Busch nimmt in der Sammlung mit allein acht Titeln eine Sonderstellung ein. Bemerkenswert ist hier vor allem ein in Hannover erschienener Ausstellungskatalog, der Busch-Illustrationen aus der Sammlung Konrad Wrede vorstellte und zu dem Slevogt selbst ein Geleitwort beisteuerte.94 Von Corinth, Liebermann, Trüb­ ner und Wrede finden sich Schreiben in Slevogts schriftlichem Nachlass. Daneben über­ liefert die Sammlung kleine und größere Monographien und Broschüren zu einer Vielzahl teils bekannter, aber auch eher unbekannter Künstler. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Werke von zeitgenössischen Kunsthistori­ kern, unter ihnen Max Jacob Friedländer, von 1908 bis 1930 Leiter des Berliner Kupfer­ stichkabinetts. Von ihm liegen neben Publikationen zu Albrecht Altdorfer und Albrecht Dürer zwei Verzeichnisse von Privatsammlungen vor, die er erarbeitet oder mit einem Vorwort versehen hat. Weiter leitete Friedländer einen 1920 erschienenen Katalog einer Ausstellung von Max Slevogt bei Paul Cassirer in Berlin ein. Bemerkenswert ist auch seine Monographie Der Holzschnitt aus dem Jahr 1917.95 Ähnlich prominent ist der 1921 von Slevogt in einer Radierung porträtierte Direktor der Bremer Kunsthalle Emil Wald­ mann vertreten. Von ihm finden sich in der Sammlung Bücher zu griechischer Kunst und 86 BSL 258, BSL 259 Rara, BSL 302, BSL 3651 und BSL 3669. 87 BSL 2100, BSL 2123 und BSL 3091. 88 BSL 375, BSL 489, BSL 541 und BSL 542. 89 BSL 314 und BSL 1806. 90 BSL 486, BSL 487 und BSL 536. 91 Adolph von Menzel, Personalia, hg. von Alexander Amersdorfer, Leipzig 1924. 92 BSL 337 Rara, BSL 528, BSL 546 und BSL 3584. 93 BSL 326 Rara, BSL 338 und BSL 538. 94 Wilhelm Busch, Bildergeschichten und Zeichnungen der Sammlung Wrede. Mit einem Geleitwort von Professor Max Slevogt. Erläuternder Text von Dr. Robert Dangers, Hannover 1928 (BSL 3304 Rara); zu Wrede siehe Chris­ tel Mosel, „Der Maler und Illustrator Slevogt in der Sammlung Wrede Hannover“, in: Kunstgeschichtliche Studien. Herrn Professor Dr. Richard Sedlmaier zum 60. Geburtstag dargebracht von Schülern und Mitarbeitern, o. O. 1950, S. 1–13 sowie den Beitrag von Nicole Hartje-Grave in vorliegendem Band. Weitere Bücher mit Bezug zu Wilhelm Busch: BSL 1919 Rara, BSL 1920, BSL 1922, BSL 1923 Rara, BSL 2750 Rara, BSL 3148 und BSL 3298. 95 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 3, S. 525 f.; Max Slevogt. Zeichnungen und Aquarelle. Mai 1920, Berlin: Paul Cassirer 1920 (BSL 3291); Max J. Friedländer, Der Holzschnitt, Berlin 1917 (Handbücher der Königlichen Museen zu Berlin) (BSL 292). Weitere Titel: BSL 345, BSL 384+BSL 3618, BSL 451, BSL 2220 und BSL 3669.

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zu Wilhelm Leibl sowie zwei Werkverzeichnisse zu Albrecht Dürer, überwiegend mit handschriftlichen Widmungen an den Empfänger. Zu zwei Slevogt-Katalogen des Jah­ res 1922 in der Sammlung trug er Würdigungen des Künstlers bei.96 Kleinere Fonds von drei bis vier Monographien gehen auf den Kulturhistoriker und Kunstsammler Eduard Fuchs,97 auf den Kunsthistoriker und Schriftsteller Wilhelm Hausenstein,98 der einige Ti­ tel Slevogt handschriftlich widmete, und auf den Kunsthistoriker und -pädagogen Alfred Lichtwark99 zurück. Bemerkenswert ist eine Schrift mit dem Titel Im Kampf um die Kunst aus dem Jahr 1911, die der Leiter der Bremer Kunsthalle Gustav Pauli, 1925 von Slevogt porträtiert, mitverantwortet hatte. Der Erwerb eines Werkes von Vincent van Gogh durch dieses Haus hatte zu einer Kontroverse über die Ankaufspolitik geführt, die der konserva­ tive Maler Carl Vinnen100 mit einer von ihm 1911 herausgegebenen Streitschrift unter dem Titel Ein Protest deutscher Künstler begonnen hatte. Unter den Beiträgern der von Pauli organisierten Entgegnung war Slevogt selbst, der sich hier gegen den Begriff ‚Deutsche Kunst‘ wandte und eine Abgrenzung gegenüber französischen Künstlern ablehnte.101 Der Kunsthistoriker und Ministerialbeamte Johannes Sievers ist in der Familienbibliothek mit zwei Werken vertreten, mit Das Palais des Prinzen Karl von Preussen, das er 1928 Slevogt zum 60. Geburtstag schenkte, und dem Titel Bilder aus Indien aus dem Jahr 1922, inner­ halb der Sammlung thematisch eher ungewöhnlich. Allerdings schuf Slevogt hierfür eine Radierung und die Einbandvignette.102 Zu allen genannten Kunsthistorikern pflegte der Künstler briefliche Kontakte. 96 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 10, S. 375; Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 433, Anm. 7; Emil Waldmann, Max Slevogt, Der Graphiker und Illustrator. Katalog zur Ausstellung des gesamten graphischen Werkes, meist in Probedrucken, sowie eine Auswahl Zeichnungen und Aquarelle, Dresden: Galerie Ernst Arnold 1922 (BSL 3155 Rara); Max Slevogt. Mit einer Vorrede von Dr. Emil Waldmann Direktor der Kunsthalle Bremen. Juli – August 1922, Moderne Galerie/ Thannhauser, München 1922 (Gemälde und Graphik bedeutender Meister und junger Künstler) (BSL 3210); Weitere Titel: BSL 255 Rara, BSL 258 Rara, BSL 259 Rara, BSL 458, BSL 2329 und BSL 3608+BSL 3613 Rara. 97 Armin Schlechter, Art. „Fuchs, Eduard“, in: Württembergische Biographien unter Einbeziehung hohenzollerischer Persönlichkeiten, Bd. 3, hg. von Maria Magdalena Rückert, Stuttgart 2017, S. 71–73; Imiela 1968 (wie Anm. 4), S. 379 Anm. 39; BSL 2142, BSL 2477 Rara, BSL 2478 und BSL 2785. 98 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 4, S. 508; BSL 294 Rara, BSL 318 Rara, BSL 2980 Rara und BSL 3639. 99 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 6, S. 426; BSL 266, BSL 267, BSL 347, BSL 517 und BSL 3236. 100 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 10, S. 256. 101 Jörg Deuter, Art. „Pauli, Theodor Gustav“, in: Neue deutsche Biographie 1953–2020 (wie Anm. 40), Bd. 20, S. 121 f.; Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 136 und S. 433, Anm. 8; Im Kampf um die Kunst. Die Antwort auf den „Protest deutscher Künstler“. Mit Beiträgen deutscher Künstler, Galerieleiter, Sammler und Schriftsteller, hg. von Gustav Pauli, München 1911, S. 30–32 (BSL 2226 Rara); Max Slevogt, „Das Vinnensche ‚Quousque tandem‘, in: Max Slevogt. Neue Wege des Impressionismus, hg. von der Direktion des Landesmuseums Mainz, bearb. von Sigrun Paas, Kat. Ausst. Mainz, Landesmuseum, München 2014, S. 264 f. 102 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 9, S. 447; Johannes Sievers, Das Palais des Prinzen Karl von Preussen erbaut von K. F. Schinkel, Berlin 1928 (BSL 438 Rara); Johannes Sievers, Bilder aus Indien, Leipzig 1922 (BSL 3133 Rara).

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Einige Titel der Sammlung stehen in Zusammenhang mit weiteren kunstpolitischen Fragen. So beschäftigen sich zwei Broschüren, Teil eines Sammelbandes mit Kleinschrif­ ten zur Kunst mit dem Titel Kunst-Miszellen, mit der ‚Lex Heinze‘ aus dem Jahr 1900. Sie ging auf eine Initiative des deutschen Kaisers zurück und sollte ‚unsittliche‘ Darstellun­ gen in Kunst, Literatur und Theater unter Strafe stellen. Nach Protesten liberaler Kreise wurde das Gesetz deutlich entschärft. Slevogt bewahrte den Abdruck einer Rede des aus Nürnberg stammenden Juristen und Reichstagsabgeordneten Hermann Beckh auf, der sich kritisch zur ‚Lex Heinze‘ äußerte.103 Auch die wohl wichtigste Publikation zu diesem Thema aus liberaler Perspektive, die der Münchener Theaterleiter und Schrift­ steller Otto Falckenberg herausgab, liegt vor. Falckenberg korrespondierte mit Slevogt zu diesem Thema, und dieser gab eine pointierte Stellungnahme ab: „Die Einbringer der Zusatzparagraphen zur lex Heinze richten sich nicht so sehr gegen das Nackte und Un­ sittliche, das in konventioneller Form nach wie vor geduldet bleiben wird und erwünscht ist – als gegen jede freie Prägung, hinter der sie mit dem Instinkt des verkürzten Naturells eine ihnen ärgerliche Persönlichkeit erkennen“.104 Zum gleichen Thema äußerte sich 1913 Ernst Wilhelm Bredt, Hauptkonservator der Grafischen Sammlung in München, mit sei­ ner Monographie Sittliche oder unsittliche Kunst?. Auch aus seiner Feder haben sich Briefe an Slevogt erhalten.105 Slevogt verteidigte 1920 als Gutachter den Grafiker und Illustrator Walter Klemm, der nach dem Erscheinen seiner Sechzehn Radierungen zur Erbsünde wegen Herstellung und Verbreitung unzüchtiger Schriften und Bilder angeklagt worden war, und plädierte für die Freiheit der Kunst.106 1921 eskalierte der sogenannte ‚Berliner Museumskrieg‘ publizistisch. Die beiden Hauptgegner waren der einflussreiche Kunsthistoriker und Herausgeber der bei Cassirer erscheinenden Zeitschrift Kunst und Künstler Karl Scheffler, ein Anhänger des Impressio­ nis­mus,107 und Ludwig Justi, Direktor der Nationalgalerie in Berlin und verantwortlich

103 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 1, S. 478; Rede des Reichstagsabgeordneten Justizrath Beckh in der Generaldebatte zur dritten Lesung der lex Heinze im Deutschen Reichstag am 13. März 1900 (Nach dem stenographischen Berichte), Nürnberg 1900 (BSL 2231 Rara). 104 Birgit Pargner, Art. „Falckenberg, Otto (Carl Hermann)“, in: Deutsche biographische Enzyklopädie 2005– 2008 (wie Anm. 21), Bd. 3, S. 220 f.; Anke Hees, Art. „Falckenberg, Otto“, in: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisch-bibliographisches Handbuch, begr. von Wilhelm Kosch, hg. von Konrad Feilchenfeldt, Bd. 8, Zürich und München 2005, Sp. 240 f.; Das Buch von der Lex Heinze. Ein Kulturdokument aus dem Anfange des zwanzigsten Jahrhunderts, hg. von Otto Falckenberg mit Buchschmuck von Alfred Oppenheim, Leipzig 1900 (BSL 2234 Rara), S. 80; Peter Mast, Künstlerische und wissenschaftliche Freiheit im Deutschen Reich 1890–1901. Umsturzvorlage und Lex Heinze sowie die Fälle Arons und Spahn im Schnittpunkt der Interessen von Besitzbürgertum, Katholizismus und Staat, 2. Aufl., Rheinfelden 1986 (Historische Forschungen, 17), S. 44 und S. 139–190. 105 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 2, S. 34; Ernst Wilhelm Bredt, Sittliche oder unsittliche Kunst?. Eine historische Revision, 40.–44. Tausend, München 1913 (BSL 3093). 106 Schlechter 2014 (wie Anm. 17), Nr. 21. 107 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 8, S. 789 f.; Karl Scheffler, Berliner Museumskrieg, Berlin: Bruno Cassirer 1921 (BSL 2973).

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für die Überführung der Wandmalereien von Slevogt in Neu-Cladow in sein Haus, weiter ein Förderer des Expressionismus.108 Slevogt besaß die zwei entscheidenden Publikati­ onen von Scheffler und Justi mit den Titeln Berliner Museumskrieg beziehungsweise Habemus papam! Bemerkungen zu Schefflers Bannbulle ‚Berliner Museumskrieg‘. Beide Autoren waren unabhängig davon seine Korrespondenzpartner. Etwa 15 Werke innerhalb der Bibliothek dokumentieren die handwerkliche Seite der Malerei und der grafischen Künste. Zwei Titel sind noch in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts erschienen. 1884 kam die dritte Auflage der Principien der Perspektive des Ar­ chitektur- und Vedutenmalers Gustav Seeberger auf den Markt.109 Schon im bis etwa 1925 geführten handschriftlichen Bibliothekskatalog der Bibliothek Slevogt Hs. 694 ist die 1889 erschienene zweite Auflage der Anleitung zur Technik der Oelmalerei des in München gestorbenen Malers, Konservators und Restaurators an den Bayerischen Staatsgemälde­ sammlungen Alois Hauser verzeichnet. Dieses gemäß einem Stempel in einer Münchener Kunsthandlung erworbene Werk, dessen Umschlag Ölflecken zeigt, dürfte mithin eben­ falls eine Rolle bei Slevogts eigener künstlerischer Ausbildung gespielt haben (Abb. 13).110 Eine Generation später ist im Jahr 1922 die zweite Auflage der Abhandlung Malmaterial und seine Verwendung im Bilde erschienen. Das Werk geht auf Max Doerner zurück, Maler und Restaurator. Es wurde Slevogt von dem Münchener Verleger Alf Häger geschenkt. Hier sind Bleistiftanstreichungen im Absatz über „Caseinmalerei auf trockener Mauer“ bemerkenswert.111 Am Beispiel des Neuen Baus in Ulm handelt eine weitere Publikation das Freihand-Sgraffito ab.112 Hier gibt es einen Zusammenhang zur Darstellung des Tri­ umphzugs des Gambrinus, die Slevogt bis Frühjahr 1929 in einem Saal des Gasthauses der Brauerei Berliner Kindl in Berlin in dieser Technik ausführte.113 Erwähnenswert sind

108 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 5, S. 430; Ludwig Justi, Habemus papam! Bemerkungen zu Schefflers Bannbulle „Berliner Museumskrieg“, Berlin: Julius Bard 1921 (BSL 2969); Timo Saalmann, Kunstpolitik der Berliner Museen 1919–1959, Berlin 2014 (Schriften zur modernen Kunst­ historiographie, 6), S. 55–61. 109 Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hg. von Ulrich Thieme, Felix Becker und Hans Vollmer, 37 Bde., Leipzig 1907–1950, hier Bd. 30, S. 424 f.; Gustav Seeberger, Principien der Perspektive und deren Anwendung nach einer neuen Methode, 3. Aufl., München 1884 (BSL 362 Rara). 110 Thieme/Becker/Vollmer 1907–1950 (wie Anm. 109), Bd. 16, S. 140; Hs. 694 (wie Anm. 11), S. 61; Anleitung zur Technik der Oelmalerei von Alois Hauser Conservator und Restaurator der Königlich Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Fürstlich Hohenzollern-Hechingen’schem Hofmaler, 2. Aufl., München und Leipzig 1889 (BSL 300). 111 Christian Hornig, Art. „Doerner (Dörner), Max“, in: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, 109 Bde., München und Leipzig bzw. Berlin und Boston 1992–2020, hier Bd. 28, S. 252; Max Doerner, Malmaterial und seine Verwendung im Bilde. Nach den Vorträgen an der Akademie der bildenden Künste in München, 2. Aufl., München 1922 (BSL 484 Rara), S. 260. Widmung: „Herrn Prof. Max ­Slevogt verehrungsvollst überreicht von Alf Häger, München Sylvester 1922“; Würffel 2000 (wie Anm. 43), S. 309. 112 Carl Kraus, Freihand-Sgraffito. Wirtschaftlichkeit und Kunstwert gezeigt am Neuen Bau in Ulm, Berlin 1929 (BSL 2140). 113 Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 268.

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13 Slevogts Handexemplar der Anleitung zur Technik der Oelmalerei von Alois Hauser, 1889, Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

weiter Publikationen und Werbeschriften, die sich mit den Farben der Firmen Behrendt, Schmincke und ZET beschäftigen.114 Auch die Techniken grafischer Arbeiten haben monographisch ihren Niederschlag in der Familienbibliothek Slevogt gefunden. Am zeitlichen Anfang steht Die Kunst des Radierens des Grafikers und Slevogt-Lehrers Hermann Struck, 1908 in Berlin bei Paul Cas­ sirer erschienen und unter anderem mit einer Radierung von Max Liebermann versehen. Struck wurde 1911 von Slevogt in einer Radierung und zwei Lithografien porträtiert.115 Der böhmisch-österreichische Maler und Grafiker Walter Ziegler ist mit zwei Publika­ tionen der Jahre 1901 und 1902 vertreten, der Monographie Die Techniken des Tiefdruckes sowie der Werbeschrift Verfahren zur Herstellung von Farben-Teilplatten für Mehrfarbendruck. Das erstere Werk weist Notizen und Anstreichungen bei den Abschnitten über das An­ rußen der Platte und zum Ätzen auf.116 Aus dem Jahr 1923 stammt dann das Werk Die ­Graphischen Techniken und ihre Druckverfahren aus der Feder des Grafikers Reinhold Ho­ 114 BSL 355, BSL 365 Rara und BSL 494. 115 Ulrich Schneider, Art. „Struck, Hermann“, in: Allgemeines Künstlerlexikon 1992–2020 (wie Anm. 111), Bd. 106, S. 468 f.; Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 403, Anm. 57; Johannes Sievers und Emil Waldmann, Max Slevogt. Das druckgraphische Werk – The Graphic Work 1890–1914. Radierungen, Lithographien, Holzschnitte. Erster Teil: 1890–1914, hg. von Hans-Jürgen Imiela, San Francisco 1991, Nr. 437–439; Die Kunst des Radierens. Ein Handbuch von Hermann Struck, Berlin: Paul Cassirer [1908] (BSL 3287 Rara). 116 Thieme/Becker/Vollmer 1907–1950 (wie Anm. 109), Bd. 36, S. 491; Die Techniken des Tiefdruckes mit besonderer Berücksichtigung der manuellen, künstlerischen Herstellungsverfahren von Tiefdruckplatten jeder Art. Zur Benutzung für Graphiker, Malerradisten und Kunstfreunde hg. von Walter Ziegler, Halle an der Saale

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berg, der die Pan-Presse von Paul Cassirer leitete. Dieses Exemplar enthält in den Ab­ schnitten zur Nutzung einer Gummilösung zum Schutz der Zeichnung auf Lithografie­ steinen und zur Ätzung ebenfalls Anstreichungen und Marginalien. Im Katalog-Anhang Neuerscheinungen 1922 dieses Buchs werden zwei von Hoberg geschnittene Grafiken und ein illustriertes Buch Slevogts mit Preisen aufgeführt.117 Mit Struck und Ziegler stand Slevogt im Briefwechsel. Erwähnenswert wären schließlich zwei Publikationen aus den Jahren 1916 und 1924, die sich mit steuerrechtlichen Fragen des Kunsthandels beschäf­ tigen.118 Neben dem dominierenden Schwerpunkt zur deutschen Kunst in der Familienbi­ blio­thek Slevogt finden sich kleinere Sammlungen zur französischen und italienischen Malerei und Grafik. Zu nennen wären Kataloge zu Ausstellungen belgischer und franzö­ sischer Kunst119 und wiederum Künstlermonographien. So besaß Slevogt einen Ausstel­ lungskatalog und eine Abhandlung zu dem Maler Eugène Delacroix jeweils aus der Feder des Kunsthistorikers Julius Meier-Graefe, auch einer seiner Korrespondenzpartner; hinzu kommen ein Werkverzeichnis und ein in Paris erschienener Ausstellungskatalog zu die­ sem Künstler.120 Auch ein besonderes Interesse an den Werken des Malers, Grafikers und Karikaturisten Honoré Daumier lässt sich nachweisen. Neben der Monographie über sein Holzschnittwerk aus der Feder des Kunsthistorikers Arthur Rümann wären das von ihm mitillustrierte Werke Le prisme sowie ein Teilband eines Werkverzeichnisses zu nennen, beides Geschenke von Eduard Fuchs. Ehemals Teil der Bibliothek waren noch 1971 zwei Bände mit eingeklebten Karikaturen von Daumier, die heute verschollen sind.121 Vier 1901 (BSL 2230 Rara), S. 20 und S. 31; Walter Ziegler, Verfahren zur Herstellung von Farben-Teilplatten für Mehrfarbendruck. Speziell für Kupferdruck (Originalradierung etc.) beschrieben, Berlin 1902 (BSL 2229 Rara). 117 Thieme/Becker/Vollmer 1907–1950 (wie Anm. 109), Bd. 17, S. 162; Eva Caspers, „Paul Cassirer und die Pan-Presse. Ein Beitrag zur deutschen Buchillustration und Graphik im 20. Jahrhundert“, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 33, 1989, S. 1–200, hier S. 38; Die Graphischen Techniken und ihre Druckverfahren. Eine Darstellung von Reinhold Hoberg, Berlin: Fritz Gurlitt 1923 (Das Graphische Jahr Fritz Gurlitt, II) (BSL 402), S. 94, S. 97, S. 112, S. 114, S. 187 Nr. 1755 f. und S. 205. 118 Georg Jahn, Besteuerung der Kunstwerke?, Leipzig 1916 (BSL 366); Hans Stölzle, Kunst und Steuer, Berlin 1924 (BSL 552). 119 BSL 264, BSL 268, BSL 269, BSL 530 und BSL 3131. 120 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 6, S. 852 f.; [Julius Meier-Graefe], Katalog der Delacroix-Ausstellung in Berlin im Salon Paul Cassirer vom 4. November bis 4. Dezember 1907, Ber­ lin 1907 (BSL 531); Julius Meier-Graefe, Eugène Delacroix. Beiträge zu einer Analyse, München 1913 (BSL 3300); L’Œuvre complet de Eugène Delacroix. Peintures, dessins, gravures, lithographies. Catalogué et reproduit par Alfred Robaut, commenté par Ernest Chesneau, Paris 1885 (BSL 3302); Joseph Henri de Collet La Madelène, Eugène Delacroix a L’exposition du boulevard des Italiens, Paris 1864 (BSL 467). 121 Winfred Kaminski, Art. „Rümann, Arthur“, in: Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Aufl., hg. von Severin Corsten, Stephan Füssel und Günther Pflug, Bd. 6, Stuttgart 2003, S. 408 f.; Honoré Daumier. Sein Holzschnittwerk. Text und Katalog von Arthur Rümann, München 1914 (BSL 3588); Le prisme. Encyclopédie morale du dix-neuvième siècle. Ill. par MM. Daumier, Gagniet …, Paris 1841 (BSL 2786 Rara); Der Maler Daumier, hg. von Eduard Fuchs, Nachtrag – Supplement, München 1930 (BSL 2326 Rara) mit Widmung: „Seinem l. Freund Max Slevogt in alter Treue, Zehlendorf, 25. XII. 29 Eduard Fuchs“ (Abb. 15). Die ver­ schollenen Karikaturensammelbände trugen die Signaturen BSL 2332 und BSL 2333.

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14 Handschriftliche Widmungen von Joachim Zimmer­mann und Johannes Guthmann in einer 1928 erschienenen Publikation über die von Tiepolo ausgemalte Villa Valmarana, Landes­ biblio­theks­zentrum  /  Pfälzische Landesbibliothek Speyer.

von ihm illustrierte Werke gehen auf den Maler und Grafiker Gustave Doré zurück. Wie insbesondere die 1862 erschienenen Aventures du Baron de Münchhausen erkennen lassen, wurde Slevogt als Zeichner von Doré deutlich beeinflusst.122 Der Maler Édouard Manet ist mit zwei Monographien vertreten, darunter ein Werk von Julius Meier-Graefe, und wird in einem Zeitschriftenaufsatz mit dem Titel Monet, Manet und Liebermann erwähnt, der anonym gegen die Wertschätzung des französischen Impressionismus in Deutsch­ land und seinen Förderer Paul Cassirer polemisiert.123 An übergreifenden Darstellungen sind der erste Band der Hauptströmungen der französischen Malerei mit dem Untertitel Von David bis Cézanne des Kunsthistorikers Walter Friedländer aus dem Jahr 1930124 sowie der auf den österreichischen Maler, Grafiker und Kunsthändler Carl Moll, einen weite­ ren Korrespondenzpartner Slevogts, zurückgehende Ausstellungskatalog Die führenden Meister der französischen Kunst im neunzehnten Jahrhundert aus dem Jahr 1925 zu nennen.125 Kleiner ist die Zahl von Werken, die sich mit italienischer Kunst beschäftigt. Hier liegen die Schwerpunkte bei der Zeit der Renaissance und dem Barock. Neben einer Publikation über die Zeichnungen von Michelangelo126 wären zwei Monographien des 122 Aventures du Baron de Münchhausen. Traduction nouvelle par Théophile Gautier fils. Illustrées par Gustave Doré, Paris [1862] (BSL 372 Rara), weiter BSL 3628, BSL 3952 und BSL 4034. 123 Julius Meier-Graefe, Edouard Manet, München 1912 (BSL 298), weiter BSL 297 Rara (wie Anm. 70). 124 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 3, S. 527; Walter Friedländer, Hauptströmungen der französischen Malerei, Bd. 1: Von David bis Cézanne, Bielefeld und Leipzig 1930 (Neuphilolo­ gische Handbibliothek, 8) (BSL 2287); Mäcen (Pseud.), „Monet, Manet und Liebermann“, in: Die Standarte, Nr. 1, Berlin, 18. Oktober 1906, S. 15–18 (BSL 374). 125 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 7, S. 167; Die führenden Meister der französischen Kunst im neunzehnten Jahrhundert. Veranstaltet vom Verein der Museumsfreunde in Wien. Durchgeführt von Maler Carl Moll. Wien, März–April 1925. 82. Ausstellung der Secession, Wien 1925 (BSL 3658). 126 Michelangelo. Zeichnungen, hg. von Albert Erich Brinckmann, München 1925 (BSL 358).

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Kunsthistorikers Wilhelm von Bode, ab 1905 Generaldirektor der Königlichen Museen in Berlin und Korrespondenzpartner Slevogts, über Botticelli und die Florentiner Bildhauer der Renaissance aus dem Jahr 1921 hervorzuheben.127 Dem venezianischen Maler Jaco­ po Tintoretto ist eine Monographie gewidmet.128 Weiter besaß Slevogt eine italienische Schrift zu dem ebenfalls in Venedig geborenen Maler Giovanni Battista Tiepolo. Sie stellt die in Vicenza gelegene, von diesem ausgemalte Villa Valmarana ai Nani vor und wurde vom italienischen Juristen und Kunsthistoriker Pompeo Gherardo Molmenti eingeleitet. Der Band ist Slevogt von seinen Freunden Joachim Zimmermann und Johannes Guth­ mann handschriftlich mit Datierung „1929, im glorreichen Jahr unserer venezianischen Fahrten“ gewidmet und wurde sicherlich während der gemeinsamen Italienreise 1929 erworben, die der Ausmalung des Bibliotheksraumes auf dem Slevogthof zeitlich voraus­ ging (Abb. 14).129

Die Familienbibliothek Slevogt und sein druckgrafisches Werk Zwischen Slevogts buchkünstlerischem Werk und der Familienbibliothek gibt es einige Beziehungen. Bereits erwähnt wurden die beiden wahrscheinlich in London erworbenen Bücher mit Ali Baba-Illustrationen. Dieses Märchen gehört, ebenso wie Sindbad der Seefahrer, 1908 von Slevogt illustriert,130 zu den Erzählungen aus 1001 Nacht. Von der maßgebli­ chen Übersetzung von Enno Littmann ins Deutsche in sechs Bänden in der Ausgabe von 1921 liegen drei Bände vor.131 1907 erschienen im Verlag von Albert Langen in München 15 Lithographien zur Ilias, während die Folge Hektor erst 1921 veröffentlicht wurde. Bereits erwähnt wurden die bei­ den heute nicht mehr vorhandenen Ausgaben von Homers Ilias aus den Jahren 1814 und 1880. In der Familienbibliothek findet sich heute noch eine 1859 erschienene Ausgabe der Ilias mit 34 Illustrationen, die Julius Schnorr von Carolsfeld nach Vorlagen des englischen Künstlers John Flaxman herausgegeben hat.132

127 Deutsche biographische Enzyklopädie 2005–2008 (wie Anm. 21), Bd. 1, S. 749; Imiela 1968 (wie Anm. 1), S. 389, Anm. 22; Wilhelm von Bode, Sandro Botticelli, Berlin 1921 (BSL 249); Wilhelm von Bode, Florentiner Bildhauer der Renaissance, Berlin: Bruno Cassirer 1921 (BSL 250). 128 Erich von der Bercken und August L. Mayer, Jacopo Tintoretto, Bd. 1, München 1923 (BSL 2218). 129 Maria Giovanna Sarti, Art. „Molmenti, Pompeo Gherardo“, in: Dizionario biografico degli Italiani, Redakti­ on: Serena Andreotti, Bd. 75, Rom 2011, S. 431–437; Tiepolo. La Villa Valmarana con prefazione di Pompeo Molmenti, Venedig 1928 (BSL 360 Rara). 130 Sievers/Waldmann 1991 (wie Anm. 115), Nr. 37–74. 131 BSL 1704–BSL 1706. 132 Gerhard Bissell, Art. „Flaxman, John“, in: Allgemeines Künstlerlexikon 1992–2020 (wie Anm. 111), Bd. 41, S. 114–118; Sabine Fastert, Art. „Schnorr v. Carolsfeld, Julius Veit Hans“, in: Neue deutsche Biogra­ phie 1953–2020 (wie Anm. 40), Bd. 23, S. 341–343; Sievers/Waldmann 1991 (wie Anm. 115), Nr. 17–31; Max Slevogt, Das druckgraphische Werk. Mappen – Bücher – Zeitschriften 1914–1933, hg. von Gerhart Söhn,

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Eines der erfolgreichsten Werke Slevogts war die von ihm bebilderte Ausgabe der Lederstrumpf-Erzählungen von James Fenimore Cooper, die erstmals 1909 im Verlag Paul Cassirer erschienen ist.133 Teil der Familienbibliothek ist eine vierbändige Ausgabe dieses Werks, verlegt 1832 in Leipzig.134 Darüber hinaus finden sich hier drei weitere Romane Coopers in deutscher und vier zu einem Sammelband vereinigte illustrierte Fas­ sungen in französischer Sprache, die im Zeitraum von 1850 bis 1893 gedruckt worden sind. Handschriftliche Notizen auf dem vorderen fliegenden Blatt zeigen, dass Slevogt den Sammelband rezipiert hat.135 Ebenfalls 1909 erschien die bereits erwähnte, von Sle­ vogt bebilderte und von Christian Morgenstern, ein weiterer Korrespondenzpartner des Künstlers,136 überarbeitete Fassung der Rübezahl-Märchen von Johann Karl August Mu­ säus. Bemerkenswert sind zwei Ausgaben der Volksmärchen von Musäus, die auch die Rübezahl-Erzählungen enthalten. Eine 1845 in Leipzig produzierte Prachtausgabe zieren Illustrationen des Malers, Zeichners und Grafikers Ludwig Richter, während eine textlich überarbeitete Fassung aus dem Jahr 1866 ein die Rübezahl-Geschichten einleitendes Bild enthält.137 1914 schloss sich die illustrierte Ausgabe von Benvenuto Cellini in der Fassung von Johann Wolfgang von Goethe an. Der Text findet sich in der Familienbibliothek als Teil einer Werkausgabe.138 Auch für die bebilderte Ausgabe der Erzählung Herodias von Gustav Flaubert findet sich hier eine deutsche Fassung aus dem Jahr 1913.139 1923 erschien das Tulifäntchen. Ein Heldengedicht in drei Gesängen von Karl Immermann mit Radierungen von Slevogt. In der Familienbibliothek findet sich der Text in einem Teil­ band einer Immermann-Werkausgabe aus dem Jahr 1906. 1924 schenkte Slevogts Freund Joseph Grünberg ihm eine 1862 in Berlin erschienene, von dem Maler und Grafiker Theo­ dor Hosemann illustrierte Ausgabe dieses Textes.140 Sieben Holzschnitte, von denen Sle­ vogt vier selbst geschnitten hatte, zieren die Ausgabe von Die Nibelungen aus dem Jahr 1925.

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Düsseldorf 2002, Nr. 338–346; Vierunddreißig Umrisse zur Ilias von F. Flaxmann. Nach dem englischen Originale gezeichnet und gestochen von Schnorr, Leipzig 1859 (BSL 3130 Rara). Sievers/Waldmann 1991 (wie Anm. 115), Nr. 90–419. James Fenimore Cooper, Lederstrumpf-Erzählungen, Bd. 1–4, Leipzig 1832 (BSL 3777–BSL 3780). Sammelband: BSL 428, weiter BSL 1730, BSL 3769 und BSL 3776. Ernst Kretschmer, Art. „Morgenstern, Christian (Otto Josef Wolfgang)“, in: Killy Literaturlexikon 2008– 2012 (wie Anm. 57), Bd. 8, S. 317–319. Helmut Börsch-Supan, Art. „Richter, Adrian Ludwig“, in: Neue deutsche Biographie 1953–2020 (wie Anm. 40), Bd. 21, S. 535–537; J. K. A. Musäus, Volksmährchen der Deutschen. Prachtausgabe in einem Bande, hg. von Julius Ludwig Klee. Mit Holzschnitten nach Originalzeichnungen von R. Jordan … und 12 größeren Ti­ telblättern von L. Richter, Leipzig 1845 (BSL 3096); Volks-Märchen. Nach Musäus für die reifere Jugend neu überarbeitet von Franz Hoffmann. Mit acht colorirten Bildern, Stuttgart [1866] (BSL 3095). Sievers/Waldmann 1991 (wie Anm. 115), Nr. 496–815; BSL 780. Söhn 2002 (wie Anm. 132), Nr. 188–193; Gustav Flaubert, Herodias. Aus dem Französischen von Otto Hauser, Weimar 1913 (BSL 3915). Söhn 2002 (wie Anm. 132), Nr. 572–591; Susanna Partsch, Art. „Hosemann, Theodor (Friedrich Wilhelm Heinrich Theodor)“, in: Allgemeines Künstlerlexikon 1992–2020 (wie Anm. 111), Bd. 75, S. 48 f.; Tulifäntchen. Ein Heldengedicht in drei Gesängen von Karl Immermann. Illustriert von Theodor Hosemann, Berlin 1862 (BSL 870 Rara), weiter BSL 1041.

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Das Epos spielt in der Familienbibliothek keine geringe Rolle. 1878 erschienen die diesen Text enthaltenden Deutschen Heldensagen mit Bildern des Malers und Illustrators Hermann Vogel. Schon zwei Jahre zuvor war eine Ausgabe der Walküre von Richard Wagner gedruckt worden, der erste Teil seiner Trilogie Der Ring des Nibelungen. 1923 veröffentlichte der Kunstund Kulturhistoriker Max von Boehn seine Monographie Die Nibelungen in der Kunst.141 Eine Ausgabe der Märchen der Brüder Grimm, die für Slevogts druckgrafisches Werk eine große Rolle spielten, fehlt in der Familienbibliothek und damit auch die textliche Vorlage für den Eisenhans aus dem Jahr 1926, der von größter Seltenheit ist; lediglich ein Exemplar im Besitz des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz / Pfälzische Landes­ bibliothek Speyer ist nachweisbar.142 Slevogt besaß eine 1925 erschienene, von dem Maler und Illustrator Otto Ubbelohde bebilderte Fassung des Märchens143. Im Verlag Bruno Cassirer publizierte Slevogt 1928 das aus zwölf Illustrationen bestehende Mappenwerk Reineke nach der Fassung des Märchens der Brüder Grimm. Die Familienbibliothek ent­ hält zwei rein textliche144 und drei illustrierte Wiedergaben dieses Stoffs. Aus dem Jahr 1852 stammt eine Ausgabe mit Illustrationen von Ludwig Richter, gefolgt von zwei Text­ fassungen des Motivs von Johann Wolfgang von Goethe mit bildlichem Schmuck von dem Maler und Zeichner Wilhelm von Kaulbach und dem Illustrator Heinrich Leutemann, die 1857 und 1871 veröffentlicht wurden.145 Auch für Einzelgrafiken Slevogts und sein Werk als Maler waren die Bücher der Fami­ lienbibliothek von Belang. So steht in der 1923 für den Freund Heinrich Kohl gestalteten Speisekarte beispielsweise der Trifels als Sitz des deutschen Kaisers im Vordergrund. Hier konnte Slevogt auf drei Publikationen der Bibliothek zurückgreifen, die die Geschichte des Trifels behandeln.146 1927 entstanden die Wandbilder im Ratskeller zu Bremen. Die textliche Vorlage, die Phantasien im Bremer Ratskeller von Wilhelm Hauff, findet sich in 141 Söhn 2002 (wie Anm. 132), Nr. 759–765; Thieme/Becker/Vollmer 1907–1950 (wie Anm. 109), Bd. 34, S. 482; Wilhelm Wägner, Unsere Vorzeit. Deutsche Heldensagen, erzählt für Jugend und Volk, mit neunzig Text-Abbildungen sowie sechs Tondruckbildern nach Zeichnungen von Hermann Vogel, Leipzig 1878 (BSL 3081); Richard Wagner, Die Walküre. Erster Tag aus der Trilogie: Der Ring des Nibelungen, Mainz, Lon­ don, Paris und Brüssel 1876 (BSL 1362); Volker Busch, Art. „Boehn, Max von“, in: Killy Literaturlexikon 2008–2012 (wie Anm. 57), Bd. 2, S. 37 f.; Max von Boehn, Die Nibelungen in der Kunst, Berlin 1923 (BSL 2159). 142 Söhn 2002 (wie Anm. 132), Nr. 780–800; Landesbibliothekszentrum/ Pfälzische Landesbibliothek Speyer, 1b 454 Rara, dazu Hartmut Harthausen, „>Der EisenhansFranzösische< an Max Slevogts Papierarbeiten“, ebd., S. 136–147, S. 144 f.

Slevogt und Daumier

5 Max Slevogt, Entwurf für den „Bilder­ mann“, Symbole der Zeit I, 1916, Feder in Tusche über Bleistift auf Rückseite eines Briefumschlags, 19,3 × 12,7 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

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6 Honoré Daumier, Courant au telegraph …, Lithografie (LD 3554), 30,5 × 25,5 cm, veröffentlicht in: Le Charivari, 15. Februar 1867.

und nur das immer wieder Charakteristische – das ist stets auch das lebendig Sym­ bolische – dargestellt hat.28 Unmittelbar unter diesem Text ist eine kleine, 1915 datierte Zeichnung von Max Slevogt abgebildet: Kunst und Künstler im Kriege! Die personifizierte Kunst in Uniform, der Künst­ ler mit übergestülptem Kriegshelm: Der Krieg spannt beide für seine Belange ein. Das mag als leidvoll erlebt werden, eröffnet Slevogt aber auch eine neue symbolische Bildspra­ che, die in seinem Werk singulär ist. Am 20. Dezember 1916 erschien mit Heft 18 die letzte Ausgabe des Bildermanns. ­Slevogt trug bei mit Symbole der Zeit X . Eine Männergruppe drängelt sich unter einem schwebenden Planeten, den sie mit ihren Bajonetten bedrängt – erinnernd an L’équilibre Européen von Daumier: Hier sind es Vertreter unterschiedlicher europäischer Nationen, die gemeinsam mit Hilfe ihrer Bajonettspitzen die Erdkugel ausbalancieren (Abb. 7 und 8).

28 Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe, Jg. 13, 1915, H. 7, S. 335, Abb. S. 329 ff.

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7 Max Slevogt, Symbole der Zeit X – Mit Waffen fuchtelnde Menschenmassen, aus der Zeitung „Der Bildermann“, Heft 18, 20. Dezember 1916, Lithografie, 35,1 ×  27,5 cm, Saarland­mu­ seum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand.

8 Honoré Daumier, L’équilibre Européen, Lithografie (LD 3540), 29,5 × 28,5 cm, veröffentlicht in: Le Charivari, 1. Dezember 1866.

Slevogt und die „Gesichte“ Da Slevogt das Thema „Erster Weltkrieg“ mit dem Ende des Bildermanns offenbar für sich nicht ad acta gelegt hatte, sondern noch zahlreiche Bildideen hegte (wie sie sich auf dem kleinen Skizzenblock im Grafischen Nachlass befinden), entschloss er sich, „das Begon­ nene in eigener Verantwortung fortzusetzen“.29 Die Panpresse wird in einigen Wochen eine lithogr. Folge von mir fertig stellen, die unter dem Eindruck des Kriegs […] entstanden ist […] die ich die Absicht habe, im Selbstverlag erscheinen zu lassen. Max Slevogt / Berlin März / Lietzenburgerstr. 8a / Es werden 60 Exemplare dieser ‚Gesichte‘ gedruckt werden, davon 5 auf China (Preis 2000 M.), 55 auf Strathford (Preis 750 M.)30

29 Imiela 1968 (wie Anm. 7), S. 198 f. 30 Illustriertes Schreiben Slevogts bezüglich der lithografischen Folge Gesichte, Lithografie auf Büttenpapier, 27,2 × 21,5 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken – Moderne Galerie, aus der Sammlung Kohl-Weigand, Inv. Nr. KW 3063. Hinzugefügt von der Hand Slevogts mit Bleistift: „21 Blätter, 40 × 54, handschriftl. sig­

Slevogt und Daumier

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Diese Bezugseinladung nennt Slevogts Berliner Privatadresse, über die er die Mappe ver­ trieb. Warum er keinen Verleger einbezog, ist nicht bekannt. Ein Konflikt mit der Zensur scheint jedenfalls kein Thema gewesen zu sein, denn im April des Jahres wurde Slevogt die Nachfolge für das Meisteratelier (des kaiserlichen Hofmalers) Anton von Werner in Berlin angetragen.31 Slevogt hatte die Kosten vor dem Verkauf zunächst selbst zu tragen. Dass die Mappe in der zeitgenössischen wie in der späteren Literatur kaum besprochen wurde, mag mit ihrer mangelnden Präsenz auf dem Kunstmarkt zu tun haben.32 Erschie­ nen ist sie wohl im März oder April 1917, so dass die Beschäftigung mit dem Thema für Slevogt kontinuierlich und zügig – innerhalb von zwei bis drei Monaten nach Ende des Bildermanns – weiterging. Fünf Motive sind aus jener Zeitschrift übernommen (aber neu gezeichnet bzw. abgewandelt), 16 sind neu hinzugekommen.33 Slevogt wählte für die Mappe mit den 21 Stein- und Zinkdrucken den Titel Gesichte, in der Bedeutung von Visionen, Erscheinungen, aber auch Hellsicht, von etwas Unwirklichem, kaum zum Ausdruck zu Bringenden. Von „Gesichten“, deren Fülle er Herr werden wollte, spricht auffälligerweise auch Fuchs in seiner Monografie bezüglich Daumier des öfteren. Die Begebenheiten, die Daumier darstellt, sind – laut Fuchs – nicht Wahrheit, sondern „Symbole“, konzentrierte Wahrheit. „Daumier ist ein Visionär, ein zeichnender Dichter […].“34 Symbole der Zeit – das war der Titel der ersten Reihe zum Krieg von Slevogt im Bildermann. Die Mappe der Gesichte ist mit schwarz changierender Seide eingebunden (Abb. 9), auf die in Gold die Umrisse eines Stahlhelmes sowie die Initialen M. S. eingeprägt sind – ein sprechendes Motiv, das sich verwandt mehrfach bei Daumier findet. Eine deutsche Pickelhaube krönt die Kapitulation Frankreichs bei Sedan (Abb. 10). Und sie wird als Bismarck-Helm von der satirischen Zeitschrift Charivari vorgeschlagen, um als Glocke in der Nationalversammlung an die noch von Deutschland besetzten französischen Ter­ ritorien zu erinnern.35

niert.“ – Gesichte, Mappe mit 21 Kreidelithographien (Stein- und Zinkdruck), gedruckt in der Panpresse; Söhn/Suhr 2002 (wie Anm. 16), Nr. 38–58. 31 Vgl. Im Banne der Verwüstung. Max Slevogt und der Erste Weltkrieg, hg. von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz Direktion Landesmuseum Mainz, 2014, S. 22. 32 „Die ‚Gesichte‘, eine Folge von Lithographien, denen er ein viel breiteres Publikum gewünscht hatte, stehen an künstlerischer Kraft nicht hinter Goyas grausamsten Blättern der ‚Désastros de la guerra‘ zurück“; Guthmann 1955 (wie Anm. 6), S. 298 f. – Vielen Dank an Dorothee Hansen für den Hinweis auf das Typoskript einer Rezension zu den Gesichten von Emil Waldmann, das sich in der Kunsthalle Bremen im Nachlass von deren einstigem Direktor Waldmann befindet. 1917 verfasst, scheint es für eine Veröffent­ lichung in der Zeitschrift Kunst und Künstler gedacht gewesen zu sein. Um die Blätter versuchsweise zu deuten – was demnach selbst einem Zeitgenossen nicht leicht fiel – , ersinnt Waldmann Titel, die „nicht vom Künstler beigegeben“ sind. Interessanterweise nennt er Blatt 5 (Utopie des Friedens) Das europäische Gleichgewicht, ein Titel, wie ihn zwei Lithografien Daumiers tragen (LD 3540, LD 3566; vgl. Abb. 8 und Abb. 12). Hingegen sieht Waldmann, wie Guthmann, mögliche Vorbilder bei Goya, speziell in dessen Proverbios. 33 Vgl. Imiela 1968 (wie Anm. 7), S. 198 f. 34 Fuchs 1921/22 (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 7, S. 11; Bd. 2, S. 21. 35 LD 3932; Abb. siehe http://bir.brandeis.edu/handle/10192/5.

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9 Max Slevogt, Umschlagmappe der „Gesichte“, 1917, Schwarze Seide und goldener Prägedruck, 55 × 41 × 3 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand.

10 Honoré Daumier, Le couronnement de son édifice, Lithografie (LD 3811), 29 × 26,5 cm, veröffentlicht in: Le Charivari, 22. September 1870.

Blatt 4 der Mappe ist Schwertertanz der Diplomaten betitelt. Die Vertreter der kriegsfüh­ renden Länder kämpfen, mit verbundenen Augen und Fähnchen zum Balancieren in den Händen, in mühsamen Verrenkungen um ihr Gleichgewicht, um nicht in dicht an dicht aus dem Boden ragende Schwertspitzen zu stürzen. Hinter der Manege geht der Blick auf zwei Reihen mit Logen, voll besetzt mit Zuschauern: Das Theater spielt sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit ab.36 Vorstudien auf einem Blatt des Skizzenblocks im Grafischen Nach­ lass Slevogts bereiten einzelne Figuren vor, die Gestaltung von Ambiente und Gesamt­ komposition wird durch eine Aufschrift Slevogts rechts oben festgeschrieben: „Zuschauer, Circus – Klatschen – “. Die groß entworfene Figur mit Krönchen, die auf einer rauchenden Granatkugel balanciert, kann als Bildidee von Daumiers Lithografie Equilibre Européen mit ihrer Anlehnung an die Victoria von Fossombrone herrühren (Abb. 11 und 12).37 Das Motiv 36 Siehe Kat. Ausst. Slevogt und Frankreich 2018 (wie Anm. 27), Abb. 70, S. 175. 37 Wenngleich Slevogt selbst schon früher Akrobatenstudien mit Kugeln gemacht hatte: Max Slevogt, Akrobaten auf Kugeln, 1898/99, Feder in Tusche, blaue Kreide und Deckweiß auf Papier, 6,5 × 27,4 cm, Saarlandmu­ seum Saarbrücken – Moderne Galerie, aus der Sammlung Kohl-Weigand, Inv. Nr. KW 322. – Max Slevogt, Akrobaten, um 1899, Feder in Tusche auf Papier, ca. 30,6 × 20,3 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken – Mo­ derne Galerie, aus der Sammlung Kohl-Weigand, Inv. Nr. KW 173.

Slevogt und Daumier

11 Max Slevogt, Entwurf für „Gesichte“ Nr. 4, „Schwertertanz der Diplomaten“, 1916–17, Kreide auf Skizzenbuchblatt, 16 × 10 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

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12 Honoré Daumier, Équilibre Européen, Lithografie (LD  3566), 20,7 × 24,9 cm, veröffentlicht in: Le Charivari, 3. April 1867.

der aus dem Boden ragenden Messer mag nach Daumiers Lithografie Galilée très-surpris du nouvel aspect qu’offre la surface de la terre hinzugefügt sein, die Fuchs – wie auch das Europäische Gleichgewicht – in seinem Werk über den Weltkrieg in der Karikatur abgebildet hatte.38 Ein Exemplar des Buches war sein Weihnachtsgeschenk 1916 für den Freund Slevogt.39 Die dramaturgisch durchkomponierten Gesichte enden im Finale mit einer zentral auf­ ragenden Eiche, die ein etwas gerupft wirkender Reichsadler unter seine Fittiche genommen hat; darunter einzelne anonyme Kreuze (Abb. 13). Ein ramponierter Baum als Nationalsym­ bol – das findet man auch bei Daumier (Abb. 14). Er charakterisierte das kriegsversehrte Arme Frankreich mit dem Bild eines Baumstrunks, an dem nur ein einziger, windgepeitschter Ast verblieben ist: „Der ist zwar vom Blitz getroffen, aber die Wurzeln halten noch.“ Slevogt konnte auch diese Abbildung in Fuchs’ Weltkrieg in der Karikatur studieren.40 Das ebenfalls zeitlos-allgemein gehaltene Bild der gestörten Idylle der deutschen Eiche, wie Slevogt es in

38 Fuchs 1916 (wie Anm. 11), Abb. S. 1; Das europäische Gleichgewicht, Abb. S. 97. – Vgl. Kat. Ausst. Slevogt und Frankreich 2018 (wie Anm. 27), Abb. 133, S. 174. 39 Vgl. Weitz 2014 (wie Anm. 3), S. 212. 40 Vgl. Fuchs 1916 (wie Anm. 11), Abb. neben S. 292.

302 Mona Stocker

13 Max Slevogt, Finale, Blatt 21 der Folge „Gesichte“, 1917, Lithografie, 52 × 38,3 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand.

14 Honoré Daumier, Pauvre France ! … le tronc est foudroyé …, Lithografie (LD 3843), 29 × 21 cm, veröffentlicht in: Le Charivari, 1. Februar 1871.

seiner kleinen Vorzeichnung konzipiert hatte (Abb. 15), ergänzte er allerdings in der litho­ grafischen Endfassung um einen beinamputierten Invaliden, der auf Krücken ins Bild hum­ pelt. Dadurch wird die zunächst symbolhaft angelegte Komposition stark zeitgebunden. Der Skizzenblock aus dem Grafischen Nachlass enthält noch weitere Ideen und Ent­ würfe, die Slevogt aber nicht mehr in Form ausgearbeiteter Lithografien verwirklichte. So beispielsweise eine Frauenfigur – wohl Germania – auf dem Krankenbett. Ein Mann in militärischer Uniform eilt mit einer Klistierspritze heran – ein typisch Daumier’sches Motiv, bei ihm im Mittelpunkt die Personifikation Frankreichs (Abb. 16 und 17). Max Slevogt hat von Eduard Fuchs hinsichtlich der Kenntnisse des Werkes von Ho­ noré Daumier (aber auch des Bildschatzes der Karikatur allgemein) erheblich profitiert. Fuchs wußte seine Rolle sehr selbstbewusst einzuschätzen, wie aus einem Brief aus dem Jahr 1921 an Slevogt hervorgeht: „Ich freue mich, dass Sie zu der Überzeugung kamen, dass ich eigentlich der Einzige war, der Sie, lieber Freund, durch 8–10 Jahre hindurch allein in Ihrer ganzen Bedeutung begriffen habe …“41 41 Brief von Eduard Fuchs an Max Slevogt vom 8. Juli 1921; Landesbibliothekszentrum Speyer, NL Slevogt; zit. nach Weitz 2014 (wie Anm. 3), S. 244.

Slevogt und Daumier

303

15 Max Slevogt, Entwurf für „Gesichte“ Nr. 21, „Finale“, 1916–17, Kreide auf Skizzenbuchblatt, 16 × 10 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

16 Max Slevogt, Skizze, 1916–17, Kreide auf Skizzenbuchblatt, 10 × 16 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz.

17 Honoré Daumier, LE REMÈDE DE MIMI VÉRON apothicaire en chef du Constitutionnel. – Prenez … prenez, il n’y a que cela qui puisse vous sauver!, Lithografie (LD 2008), 27 × 35 cm, veröffentlicht in: Le Charivari, 14. Mai 1850.

Farbtafeln

306 Farbtafeln

I

Max Slevogt, Suzanne Aimeé Cassirer, 1901, Öl auf Leinwand, 98 × 150 cm, Privatbesitz.

Farbtafeln

II Max Slevogt, Porträt Angela von Tschudi, 1901, Öl auf Leinwand, 113 × 88 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München.

307

308 Farbtafeln

III Max Slevogt, Dr. Johannes Guthmann, 1918, Öl auf Leinwand, 43,5 × 32,5 cm, GDKE, Landesmuseum Mainz, Max Slevogt-Galerie.

Farbtafeln

IV Max Slevogt, Junker Schmächtig und Schaal, Gouache über Bleistift auf Karton, ca. 31 × 22,5 cm, Privatbesitz.

309

310 Farbtafeln

V Max Slevogt, Tilla Durieux als Salome, 1907, Öl auf Karton, 39,8 × 49,9 cm, Zagreb City Museum.

Farbtafeln

VI Rudolf Grossmann, Max Slevogt und Emil Orlik, o. J., Pinsel in Tusche, Bleistift und Deckweiß auf Papier, collagiert, 29,5 × 33,5 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken.

311

312 Farbtafeln

VII Max Slevogt, Emil Orlik an der Staffelei, 1917, Öl auf Leinwand, 41 × 32 cm, bez. „Orlik z. Erinnerung Neukastel 1917“, Kaiser-Wilhelm Museum Krefeld.

Farbtafeln

313

VIII Max Slevogt, Porträt des Julius Freund, 1925, Öl auf Leinwand, 110 cm × 81 cm, Stiftung Stadtmuseum Berlin.

314 Farbtafeln

IX Max Slevogt, Godramstein (Ziehende Wolken), 1910, Öl auf Leinwand, 62 × 78 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.

Farbtafeln

X Max Slevogt, Bildnis des Musikers Conrad Ansorge, 1915, Öl auf Leinwand, 116,5 × 90 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

315

316 Farbtafeln

XI Max Slevogt, Die schwarzen Panther, 1901, 60 × 41 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Farbtafeln

XII Max Slevogt, Bildnis Rudolf Alexander Schröder, 1927, Öl auf Leinwand, 125 × 80 cm, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

317

318 Farbtafeln

XIII Max Slevogt, Der ruhende Wanderer (Bildnis Kohl), 1920, Öl auf Leinwand, 126,5 × 99,8 cm, Kunsthalle Mannheim.

Farbtafeln

XIV Max Slevogt, Das Hambacher Fest, 1931, Aquarell auf Papier, 25,2 × 18,5 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken.

319

320 Farbtafeln

XV Max Slevogt, Porträt Bernhard Dernburg, 1923, Öl auf Leinwand, 75 × 61,5 cm, Staatliche Museen Berlin, Nationalgalerie.

Farbtafeln

XVI Max Slevogt, Erdbeeren und Zuckerdose, 1925, Öl auf Leinwand, 62,5 × 75,8 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand.

321

Abbildungsnachweise

Karoline Feulner, Ankunft Berlin: Slevogts Skizzenbuch 1901–1902 Abb. 1–9 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass, Foto: ­Ursula Rudischer; Taf. I Privatbesitz, Foto: Oliver Ziebe; Taf. II Slevogt und Frankreich, hg. von Roland Mönig, Ausst.-Kat. Saarlandmuseum, Moderne Galerie, Saarbrücken, 2018, S. 53, Abb. 23.

Miriam-Esther Owesle, Max Slevogt und Johannes Guthmann im Spiegel ihrer Korrespondenz Abb. 1 Max Slevogt: Die Berliner Jahre, hg. von Sabine Fehlemann, Ausst.-Kat. Von der Heydt-Museum, Wuppertal, Köln 2005, S. 190; Taf. III © GDKE Landesmusem Mainz, Max Slevogt-Galerie, Foto: Axel Brachat; Abb. 2, 7 Foto: Privatbesitz; Abb. 3 © GDKE , Landes­ museum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass, Repro nach Vorlage aus Privatbe­ sitz; Abb. 4 © Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Max Slevogt, Best. 3/B 14, Foto: Raphael Maass; Abb. 5 Johannes Guthmann, Scherz & Laune. Max Slevogt und seine Gelegenheitsarbeiten, Berlin:Paul Cassirer, 1920; Abb. 6 © Saarland­ museum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Max Slevogt, Best. 3/B 24; Abb. 8 © Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Max Slevogt, Best. 3/ B 66; Abb. 9 © Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Sle­ vogt, N 100.

Carola Schenk, Slevogt betritt die Bühne Abb. 1 Saarlandmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Max Slevogt, Best. 3, Abt. 2. Foto: Carola Schenk; Abb. 2 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Gra­ fischer Nachlass, Foto: Ursula Rudischer; Abb. 3 Foto: Von der Heydt-Museum Wupper­ tal, aus: Lovis Corinth hg. von Peter-Klaus Schuster, Christoph Vitali und Barbara Butts, Ausst.-Kat. München 1996, Abb. 62, S. 165; Abb. 4 Foto: Thorsten Fels, www.rudolf-rittner. de; Abb. 5 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass, Foto: Ursula Rudischer; Abb. 6 Foto: Harvard University, Houghton Library; Taf. IV Foto: © Karl & ­Faber; Abb. 7 Privatbesitz , Foto: GDKE , Landesmuseum Mainz; Abb. 8 Foto: Carola Schenk nach Abb. in: Das Theater, Jg. II , Heft 5, S. 50.

324 Abbildungsnachweise

Dragan Damjanović, Works of Max Slevogt in the Tilla Durieux Collection in Zagreb Abb. 1 Foto: Dragan Damjanović, Abb. 2 Archiv der Akademie der Künste Berlin, Abteilung Darstellende Kunst, Tilla Durieux-Archiv, sign. 132; Abb. 3 Zagreb City M ­ useum (Muzej grada Zagreba), Collection of photos, Inv. Nr. 20483, Photo by Željko Kunić, Zagreb; Abb. 4 Croatian Academy of Sciences and Arts Zagreb, Institute for the History of Croatian Literature, Theatre and Music, Ivana Fischer’s estate; Abb. 5, 6, 9, 10 City Institute for the Protection of the Cultural Monuments Zagreb (Gradski zavod za zaštitu spomenika kulture) documentation on the villa in Jurjevska 27; Taf. 5 City Museum Zagreb; Abb. 7 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Foto: Ursula Rudischer.

Gregor Wedekind, Max Slevogt und Emil Orlik Abb. 1 Fotografie, aus: Der Querschnitt, Jg. 12, 1932, H. 11; Abb. 2–4 © Landesbibliotheks­ zentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt, N 100; Taf. VI Saar­ landmuseum Saarbrücken, Sammlung Kohl-Weigand, Foto: Ingrid Schwarz; Abb. 5, 6 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Foto: Ursula Rudischer; Abb. 7 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Foto: Axel Brachat; Abb. 8, 9 Foto: Thorsten Holch; Abb. 10–13 © GDKE , Landes­ museum Mainz, Max Slevogt-Galerie, Foto: Ralph R. Steffens; Abb. 14 © Museen der Stadt Landshut, Inv. Nr. 2007–186, 1–8.

Eva Brachert, Max Slevogts Farbenhändler Abb. 1 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Max Slevogt-Galerie, Foto: Axel Brachat; Abb. 2–5, 7, 9, 12, 13 Foto: Eva Brachert; Abb. 6 Foto: Jens Ziehe; Abb. 8, 11, 14 Landesbibliotheks­ zentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt, N 100, Foto: Eva Brachert; Abb. 10 © GDKE , Landesmuseum Mainz , Foto: Eva Brachert.

Nathalie Neumann, Max Slevogt und sein Berliner Sammler Julius Freund Abb. 1 © Heft DU Schweizerische Monatsschrift, Nr. 6, Juni 1942, S. 35; Taf. VIII Stiftung Stadtmuseum Berlin; Abb. 2 Foto: Privatbesitz.

Abbildungsnachweise

325

Nicole Hartje-Grave, Der Sammler und Netzwerker Konrad Wrede Abb. 1, 2 © Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Nachlass Max Slevogt, N 100; Abb. 3–9 © Landesmuseum Hannover – ARTOTHEK ; Abb. 10 © Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Marcus Andrew Hurttig, Max Slevogt und der Leipziger Kunstverein vor 1914 Abb. 1 Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Archiv, Foto: Hermann Vogel; Abb. 2, 3 ­Museum der bildenden Künste Leipzig, Archiv, Fotograf unbekannt; Abb. 4 © bpk, Staats­ galerie Stuttgart; Abb. 5 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Max Slevogt-Galerie, Foto: Axel Brachat; Abb. 6 Kunsthalle Mannheim; Abb. 7, 8 Taf IX © bpk, Museum der bildenden Künste Leipzig, Foto: Michael Ehritt; Abb. 9 Museum der bildenden Künste Leipzig, Ar­ chiv, Fotograf unbekannt.

Dorothee Hansen, Der Kunsthallendirektor Emil Waldmann und sein Engagement für Max Slevogt Abb. 1–11 Taf. X–XII © Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Eva Wolf, Heinrich Kohl und Franz Josef Kohl-Weigand als Slevogts Pfälzer Connection Abb. 1, 2, 4, 6, Taf. XIV © Saarlandmuseum Saarbrücken, Foto: Raphael Maass; Abb. 3 Heinrich Kohl (1873 – 1936), ein Pfälzer, den man nicht vergessen sollte, denn der Heimat galt alles, was er sann und trachtete! Aus Anlass seines 125. Geburtstages am 1. Dezem­ ber 1998, hg. Hans Blinn, Elwetrittche-Verein 1982 e. V., Landau i. d. Pfalz 1998, S. 144; Taf. XIII © Kunsthalle Mannheim, Foto: Kathrin Schwab; Abb. 7 Heinrich Kohl (1873 – 1936), ein Pfälzer, den man nicht vergessen sollte, denn der Heimat galt alles, was er sann und trachtete! Aus Anlass seines 125. Geburtstages am 1. Dezember 1998, hg. Hans Blinn, Elwetrittche-Verein 1982 e. V., Landau i. d. Pfalz 1998, S. 75; Abb. 7 © Saarlandmuseum Saarbrücken, Reproduktion: Saarlandmuseum; Abb. 8 Stadtverwaltung Neustadt an der Weinstraße, Foto: Rolf Schädler; Abb. 9 © Museum im Kulturspeicher, Würzburg, Foto: Andreas Bestle; Abb. 10 Kunst und Künstler, Jg. 24, 1926, S. 347; Taf. XV Staatliche Mu­ seen Berlin, Nationalgalerie, Foto: Jörg P. Anders; Abb. 11 © Landesmuseum Hannover – A ­ RTOTHEK .

326 Abbildungsnachweise

Armin Schlechter, Die Familienbibliothek von Max Slevogt Abb. 1–16 © Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Bibliothek Max Slevogt.

Juliane Rückert, Slevogts Stillleben Abb. 1 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Max Slevogt-Gallerie, Foto: Axel Brachat; Taf. 16 © Saarlandmuseum Saarbrücken, Foto: Gerhard Heisler; Abb. 2 © Metropolitan Museum of Art, cc public-domain; Abb. 3 Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern, Foto und © mpk; Abb. 4 © Landesmuseum Hannover – ARTOTHEK ; Abb. 5 © Bridgeman Images, Abb. 6, 7 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass, Foto: Ursula Ru­ discher.

Mona Stocker, Slevogt und Daumier Abb. 1, 9 © Saarlandmuseum Saarbrücken, Foto: Raphael Maass; Abb. 2, 8, 10, 12, 14, 17 Benjamin A. and Julia M. Trustman Collection of Honoré Daumier Lithographs, Courtesy of the Robert D. Farber University Archives & Special Collections Department, Brandeis University; Abb. 3, 7 © Saarlandmuseum Saarbrücken, Foto: Tom Gundelwein; Abb 4, 5, 11, 13, 15, 16 © GDKE , Landesmuseum Mainz, Slevogt-Archiv, Grafischer Nachlass, Foto: Ursula Rudischer.

Register

A Alten, Wilken von (1885–1944) 

157, 169,

207

Altdorfer, Albrecht (1480–1538)  258 Ansorge, Conrad (1862–1930)  28, 168, 190, 196

Ansorge, Margarete (1872–1944)  28 Apelt, Hermann (1876–1960)  208 Arnold, Ernst (1792–1840)  176–179, 182 f., 203, 257

Block, Agnes (1629–1704)  280 Blum, Hans (1841–1910)  241 Böcklin, Arnold (1827–1901)  183, 196, 198

Bode, Wilhelm von (1845–1929)  264 Boehn, Max von (1860–1932)  267 Bonnard, Pierre (1867–1947)  183, 189 Bormann, Martin (1900–1945)  148 Sandro Botticelli (1445–1510)  265 Brahm, Otto (1856–1912)  48–52, 56–58, 64, 66, 70

B Baluschek, Hans (1870–1935)  142, 146 Bard, Julius (1874–1937)  254 Barlach, Ernst (1870–1938)  70, 73, 77–81 Barnowsky, Viktor (1875–1952)  270 Bayersdörfer, Michael (1867–1940)  229 f. Beckh, Hermann (1832–1908)  260 Beckmann, Max (1884–1950)  97 Behrendt, Fritz (1863–1946)  127–129, 262 Begas, Ottmar (1878–1931)  92 Beritt, Richmond  78 Berna, Elsa  47 Bernfeld, Siegfried (1892–1953)  6 Bethmann Hollweg, Theobald von (1856–1921)  28 Biedermann, Heike (1962–)  106 Bismarck, Otto von (1815–1898)  241, 246, 300

Blechen, Carl (1798–1840) 

139–142,

144–146, 148, 150

Blinn, Hans (1925–2006) 

212 f.

Brauer, Heinrich (1900–1981)  148 Braune-Krickau, Heinz (1880–1957)  131 f.

Bredt, Ernst Wilhelm (1869–1938)  260 Breuer, Robert (1878–1943)  291 Breyer, Robert (1866–1941)  2 Brinkmann, Albert (1877–1925)  170 Brüning, Adolf (1867–1912)  170 Buck, Ernst  227 Bühler, Johannes (1884–1967)  222 Bührle, Emil (1890–1956)  148 Busch, Wilhelm (1832–1908)  154, 258, 269 f.

C Calderon de la Barca, Pedro (1600–1681)  49, 56 Canetti, Elias (1905–1994)  96 Caravaggio (1571–1610)  280 Carus, Carl Gustav (1789–1869) 

146, 148

328 Register

Cassirer, Suzanne Aimée (1896–1963)  4–6, 15 f.

Cassirer, Bruno (1872–1941) 

24, 31, 65,

93–96, 106, 108, 112, 134, 155 f., 167 f., 204, 206, 240, 247, 253, 256 f., 260, 267

Cassirer, Paul (1871–1926) 

2, 4–7, 16, 25 f.,

28, 31, 34, 42, 69, 70, 73, 79 f., 83, 100 f., 134 f., 142, 159, 167, 170, 176, 178, 182, 184, 226, 240, 258, 262–264, 266, 284, 286, 293 f.

Cellini, Benvenuto (1500–1571) 

156, 159,

166, 266, 290

Cézanne, Paul (1839–1906) 

212

D’Amico, Oscar (1923–2003)  82 D’Andrade, Francisco (1856–1921) 

2, 47,

148, 151, 169, 172, 178, 181, 190

Dangers, Robert (1896–?)  269 Dannhoff, Erika (1909–1996) 

78 f., 84 f.,

87

Dante Aligheri (1265–1321)  36 Daumier, Honoré (1808–1879) 

263, 269,

289–292, 294–303 73, 264, 276,

279, 286

Chagall, Marc (1887–1985) 

D Dacqué, Friedrich Rudolf (1871–1953) 

73, 75–79,

81, 86

Chardin, Jean-Siméon (1699–1779) 

277,

279

Charles II., König von England (1630–1685)  280 Chlingensperg, Friedrich von (1860–1944)  216 f. Christmann, Georg (1874–1947)  222 Chodowiecki, Daniel (1726–1801)  146 Cohen-Reuss, Max (1876–1973)  248 Cooper, James Fenimore (1789–1851)  266

Coorte, Adriaen (1665–1707)  277 Corinth, Lovis (1858–1925)  38, 48 f., 54, 58, 89 f., 101, 135, 142, 146, 171, 181, 196, 198, 203, 228, 258

Corneille, Pierre (1606–1684)  242 Cortés, Hernán (1485–1547)  245 Courbet, Gustave (1819–1877)  228, 284 Croissant, August (1870–1941)  213 f., 217 Cziffra, Géza von (1900–1989)  93

Dauthendey, Max (1867–1918)  85 David, Jacques-Louis (1748–1825)  264 Davidsohn, Robert (1853–1937)  31 Decker, Albert (1883–1967)  223, 225 Degas, Edgar (1834–1917)  73 Delacroix, Eugène (1798–1863)   179, 189, 263

Del Vecchio, Pietro (1768–1829)  174, 181 Dernburg, Bernhard (1865–1937)  233 Diderot, Denis (1713–1784)  118 f. Dietrich, Carl   220 Dill, Otto (1884–1957)  214 Dix, Otto (1891–1969)  92 Doerner, Max (1870–1939)  261 Dörbeck, Franz Burchard (1799–1835)  140

Doré, Gustave (1832–1883)  263 f. Dörnhöffer, Friedrich (1865–1934)  145 Dresel, Wilhelm (1852–1927)  140, 143, 145

Dross, Friedrich (1886–1972)  77 Dumas, Alexandre (1802–1870)  242 f. Dürer, Albrecht (1471–1528)  35 f., 188, 258 f., 269, 271

Durieux, Tilla (1880–1971) 

28, 47, 69–88

Register

329

E Eberle, Matthias (1944–)  6 Eberlein, Kurt Karl (1890–1944)  140 Ehrensperger, Yvonne  147 Einstein, Albert (1879–1955)  141 Eisner, Bruno (1884–1978)  253 Elias, Julius (1861–1927)  106 Endell, Ernst Moritz August (1871–1925)  247 Ephrussi, Charles (1849–1905)  284 Ernst, Gustav (1858–1945)  213 f.

Freund, Clara, geb. Dresel (1878–1947)  140, 143, 147 f., 150

Freund, Gisèle (1908–2001)  139, 144–147 Freund, Hans (1905–1988)  145, 147 Freund, Julius (1869–1941)  139–147, 149 f. Freund, Marcus (1840–1895)  140 Frey, Alexander von (1882–1956)  148 Friedländer, Max (1867–1858)  92, 156, 258, 270

Friedländer, Walter (1873–1966)  264 Friedrich, Caspar David (1774–1840)  139 f., 145–147

Friedrich, Gustav Adolf (1824–1889)  F Faktor, Emil (1876–1942)  234 Falckenberg, Otto (1873–1947)  260 Fay, Hanns (1888–1957)  213 f. Fehr, Hans (1874–1961)  176 Feuerbach, Anselm (1829–1880)  40, 150, 196, 258

146

Fritz, Max (1849–1920)  175 Fuchs, Eduard (1870–1840) 

23, 105, 154,

259, 263, 269, 276, 289, 290–292, 297, 299, 301–303

Fuller, Loïe (1862–1928)  Fyt, Jan (1611–1661)  276

13

Fink, Paul (1858–1946)  146 f. Finkler, Peter (1827–1896)  241 f., 249 f., 271

Finkler, Walter (1861–1945) 

211, 222, 232,

238, 244 f., 248 f., 253

Fischel, Lilli (1891–1978)  227 Fischer, Otto (1870–1947)  145 f., 148 Fischer, Samuel (1859–1934)  31 Fischer, Theodor (1862–1938)  148 Fischer von Weikersthal, Philipp (1871–1940)  238, 250 Flaubert, Gustave (1821–1880)  266 Flaxman, John (1755–1826)  265 Flechtheim, Alfred (1878–1937)  75, 92 Fleck, Ludwik (1896–1961)  99, 108 Forthuber, Richard (1882–1957)  230–232, 234

Franc, Helen M. (1908–2006)  82 Frank, Bruno (1887–1945)  250 Freud, Sigmund (1856–1939)  6

G Gaul, August (1869–1921) 

28, 73–75, 79 f.,

146, 286

Gaupmann, Rudolf (1815–1877)  78 General von Sichart, Louis (1797–1882)  3

Georgi, Walter (1871–1924)  182 Gerson, Georg (1887–1975)  143 Gigante, Riccardo (1881–1945)  71 Gisela von Schwaben (909–1043), Kaiserin von Deutschland  269 Glaeser, Max (1871–1931)  227 Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832)  36, 158, 239, 243, 266, 267

Gogh, Vincent van (1853–1890)  259

Goyen, Jan van (1596–1656) 

73

73, 176,

330 Register

Graf, Hermann (1887–1970)  220 f., 228 Graf, Karl (1902–1986)  214, 219 f. Grandville (1803–1847)  243 Griesinger, Eduard Theodor Otto (1852–1899)  250 Griesinger, Elisabeth (1859–1921)   250 Großmann, Rudolf (1882–1941)  92 f., 99, 209

231–235

Grosz, George (1893–1959)  78 f. Grünberg, Josef (1877–1932)  107 f., 266, 269

Grützner, Eduard von (1846–1925)  132 Gulbransson, Olaf (1873–1958)  78, 80 Gunzenhauser, Alfred (1926–2015)  82 Gurlitt, Hildebrand (1895–1956)  164 Gutbier, Ludwig Wilhelm (1873–1951)  176–178, 183, 257

Guthmann, Johannes (1876–1956) 

Heinsheimer, Fritz (1897–1957)   95, 231 f. Held, Berthold (1868–1931)   64 Held, Heinrich (1968–1938)  213 Hess, Leopold  127, 130, 133–135 Heyder, Fritz (1882–1941)  247 Hildegard von Bayern (1881–1948)  213 Hindenburg, Paul von (1847–1934)  228,

9–12,

19–45, 66, 105 f., 163, 204, 219, 226, 231, 237 f., 265, 269, 271, 276, 290, 292

H Haberstock, Karl (1878–1956)  148 Häger, Alf  261 Haller, Hermann (1880–1950)  79 Hals, Frans (1582–1666)  181 Hartlaub, Franz (1884–1963)   228, 257 Hartmann, Franz (1886–1944)  220, 222 f. Hauff, Wilhelm (1802–1827)  209, 267 Hauptmann, Gerhart (1862–1946)  28,

Hitz, Dora (1856–1924)  136 Hoberg, Reinhold (1859–1932)  262 f. Hofer, Karl (1878–1966)  92 Hofer, Walter Andreas (1893–1971)  144 f. Hoffmann, August (1873–1941)  222 Höflich, Lucie (1883–1956)  28 Hofmannsthal, Hugo von (1874–1929)  28

Hoguet, Charles (1821–1870)  143 Homer  239, 251, 265 Hosemann, Theodor (1807–1875) 

146,

266, 270

Hottenroth, Woldemar (1802–1894)  174 Hugelshofer, Walter (1899–1987)  146 Huggler, Max (1903–1994)  146 Hugo, Victor (1802–1885)  242

I Immermann, Karl (1796–1840)  266 Imiela, Hans-Jürgen (1927–2005)  4, 16, 273

48–50, 52 f., 57 f., 66

Hauptmann, Margarete (1875–1957)  28 Hauser, Alois (1831–1909)  261 Hausenstein, Wilhelm (1882–1957)  259 Hayn, Franz  226 Hebbel, Friedrich (1813–1863)  65 Hecker, Franz (1870–1944)  174 Heilbut, Emil (1861–1921)  49, 50 Heine, Heinrich (1797–1856)  98, 244

J Jonas, Clara (1863–1922)  51, 56 Jonas, Paul Simon (1850–1916)  51 Jordan, Ludwig Heinrich Ernst Erdmann von (1849–1941)  174 Justi, Ludwig (1876–1957)  27, 194, 201, 210, 260, 261

Register

331

K Kaiser, Richard (1868–1941)  181 Kallmorgen, Friedrich (1856–1924)  129 Katzenellenbogen, Ludwig (1877–1944)  69–72, 80

Kaulbach, Friedrich August von (1850–1920)  182, 267 Kaulbach, Wilhelm von (1804–1874)   267 Keller, Heinz (1906–1984)  147 Kern, Guido Joseph (1878–1953)  140, 270 Kessler, Adolf (1890–1974)  213 Kestenberg, Leo (1882–1962)  294 Kirchhoff, Heinrich (1874–1934)  256 Klee, Paul (1879–1940)  12, 73, 78, 81, 106 Kleinmann, Karl (1877–1942)  223–225 Klemm, Walter (1883–1957)   260 Klimsch, Fritz (1870–1960)  2 Klimt, Gustav (1862–1918)  12 Klinger, Max (1857–1929)  183 f. Klipstein, August (1885–1951)  148 Kluge, Kurt (1886–1940)  270 Knina, Gustav (1867–1931)  64 Knoderer, Henriette (1817–1888)  211, 244

Kohl, Heinrich (1873–1936) 

Kügelgen, Gerhard von (1772–1820)  Küthmann, Carl (1885–1968)  172

147

L Lange, Helene (1848–1930)  181 Langen, Albert (1869–1909)  265 Laurencin, Marie (1883–1956)  73, 79 Lederer, Hugo (1871–1940)  70, 78, 92 Lehmann, Johann Georg (1797–1876)  244

Lehrs, Max (1855–1933)  255 Leibl, Wilhelm (1844–1900)  183, 259 Leistikow, Walter (1865–1908)  7, 16, 50, 101, 135, 155, 167, 183

Lenau, Nikolaus (1802–1850)  243 Lessing, Emil (1857–1921)  52 f., 57 Leutemann, Heinrich (1824–1905)  267 Levy, Rudolf (1875–1944)  92 Lewin, Leo (1881–1965)  9 Lichtenhan, Lukas (1898–1969)  146 Lichtwark, Alfred (1852–1914)  10, 201, 259

Liebermann, Max (1847–1935) 

6–9, 12,

16, 38, 70, 89 f., 92, 101, 129,136, 139, 164, 211–222,

224–233, 235, 252 f., 267, 269

Kohl-Weigand, Franz Joseph (1900–1972)   149, 218, 221, 226–228

Kokoschka, Oskar (1886–1980)  70, 132 Kolbe, Georg (1877–1947)  73, 79, 209 Kollwitz, Käthe (1867–1940)  142, 147 f. Kolumbus, Christopher (1451–1506)  280 Körner, Theodor (1771–1813)  244 Kreibig, Erich von (1903–1989)  148 Kretzschmar, Fritz (1863–1915)  181 Krüger, Franz (1797–1857)  147 Kruse, Max (1852–1942)  58, 90 Kubin, Alfred (1877–1959)  174, 251

142 f., 146 f., 171, 176 f., 181, 183, 188, 191–193, 195 f., 198 f., 201–203, 205, 228, 234, 258, 262, 264, 286

Liesenberg, Carl (1866–1931)  217, 271 Liliencron, Detlev von (1844–1909)  157 Limbach, Jutta (1934–2016)  139, 150 Littmann, Enno (1875–1958)  265 Loerke, Oskar (1884–1941)  112 Lohse, Bruno (1911–2007)  82 Lubienski, Zlata (1897–1969)  69 f., 75–79, 81 f.

Ludwig III., König von Bayern (1845– 1921)  213 Lugt, Frits (1884–1970)  147

332 Register

Luitpold, Prinzregent von Bayern (1821–1912)  213, 285 Luther, Hans (1879–1862)  233 Luyten, Henry (1859–1945)  174

Munch, Edvard (1863–1944)  228 Münch, Paul (1879–1951)  248 Musäus, Johann Karl August (1735–1787) 

M Madsack, Paul (1881–1949)   247 Manet, Édouard (1832–1882)  21, 73, 179,

N Nathan, Fritz (1895–1972) 

245, 266

Nathan, Johannes (1964–)  140 Neumann, Israel B. (1887–1961)  159, 167 Nolde, Emil (1867–1956)  176, 210

253, 264, 276–279, 284–286, 293

Mann, Thomas (1875–1955)  250 Mathieu, Paul (1872–1932)  175 Matisse, Henri (1869–1954)  183 Meier-Graefe, Julius (1867–1935)  

30, 157,

189, 263 f.

Mendelssohn, Giulietta von (1871–1955)  31

Menzel, Adolph (1815–1905) 

79, 98 f., 146,

148, 195, 209, 210, 258, 269

Merck, Heinrich Emanuel (1794–1855)  121, 123

Metz, Adalbert François Alexandre de (1867–1946)  218 f. Meyerheim, Eduard (1808–1879)  146 Meyerheim, Paul (1843–1915)  146 Michelangelo (1475–1564)  264 Millet, Jean-François (1814–1875)  73, 79 Molière (1622–1673)  242 Molitor, Mathieu (1873–1929)  181 Moll, Oskar (1861–1945)  132, 264 Molmenti, Pompeo Gherardo (1852–1928)   265 Molo, Walter von (1880–1958)  270 Monet, Claude (1840–1926)  73, 183, 189, 264

Morgenstern, Christian (1871–1914)  266 Mosse, Rudolf (1843–1920)  146 Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)  27, 34, 158, 237, 251

Mühsam, Erich (1878–1934) 

92

140, 142, 145,

147 f.

O Oberwarth, Lucie (1874–1950)  4, 6 Oppenheimer, Max (1885–1954)  70, 92 Orlik, Emil (1870–1932)  12, 15, 28, 73, 78–91, 93 f., 97–102, 104–107, 109 f., 112

Osborn, Max (1870–1946)  100 Otojirō, Kawakami (1864–1911) 

12–14

P Pankok, Bernhard (1872–1943)  107 Paret, Hans (1896–1973)  5 Paret, Peter (1924–2020)  6 Paret, Renate (1926–2005)  6 Paul, Bruno (1874–1968)  141 Pauli, Gustav (1866–1939)  188, 190 f., 195 f., 200, 202, 259

Pauline Friderike Marie von Württem­ berg (1810–1856)  242 f., 246 Pawlowa, Anna (1881–1931)  47, 159, 181 Pechstein, Max (1881–1955)  92 Perkin, William (1838–1907)  123 Pfeiffer, Albert (1880–1948)  219 Pfeiffer, Maximilian Joseph (1875–1926)  247

Register

333

Piscator, Erwin (1893–1966)  70 Pistor, Daniel Friedrich Ludwig (1807–1886)  222 Pistor, Friedrich (1849–1932)  222 Pissarro, Camille (1830–1903)  183 Plesch, János (1878–1957)  31, 208 Poppe, Georg (1883–1963)  268 Posse, Hans (1879–1942)  148, 150 Prause, Hedwig  77 Proust, Antonin (1832–1905)  253 Purrmann, Hans (1880–1966)  39, 132 Putz, Leo (1869–1940)  182

Q Quinz, Matheo 

96, 99

58 f., 63–66, 70, 86, 97 145

220, 222, 238,

271

Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606–1669)  36, 73, 146, 181 Renoir, Pierre-Auguste (1841–1919) 

70,

73

Richter, Ludwig (1803–1884)   266 f. Riehl, Wilhelm Heinrich (1823–1897)  269

Rigardo, Marietta di (1880–1966) 

Schenten, Maité (1982–)  149 Schiller, Friedrich (1759–1805)  243 Schinkel, Karl Friedrich (1781–1841) 

37,

146, 148

Schlichter, Rudolf (1890–1955)  92, 228 Schmidt, Georg (1896–1965)  148 Schnorr von Carolsfeld, Julius (1794–1872)  265 Schopenhauer, Arthur (1788–1860)  249 Schreiber, Theodor (1848–1912)  175 Schröder, Rudolf Alexander (1878–1962)  208

140, 142,

145, 148,

Reitz, Leopold (1889–1972) 

S Sand, Georg (1804–1976)   242 Saul, Johann Heinrich (1876–1962)  220 Schadow, Gottfried (1764–1850)  146 Scheffler, Karl (1869–1951)  47, 93–96, 98 f., 110, 136, 187, 254, 260 f.

R Racine, Jean (1639–1699)  242 Ranfft, Doris  127, 135 Rathenau, Walther (1867–1922)  28 Radauš, Vanja (1906–1975)  78 Rave, Paul Ortwin (1893–1962)  144 Reidemeister, Leopold (1900–1987)   144 Reinhardt, Max (1873–1943)   28, 48 f., 51, Reinhart, Georg (1877–1955)  Reinhart, Oscar (1885–1965) 

Rittner, Rudolf (1868–1943)  54 Rödel, Volker (1941–)  240 Rodin, Auguste (1840–1917)  177 Romic, Arnaud  82 Rosenhagen, Hans (1858–1943)  257 Roth, Jean  220 Rubens, Peter Paul (1577–1640)  179, 181 Rümann, Arthur (1888–1963)  263

47

Seeberger, Gustav (1812–1888)  261 Seliger, Max (1865–1920)  181 Shakespeare, William (1564–1616)  59 Shaw, George Bernard (1865–1950)   65 Sievers, Johannes (1880–1969)  206, 259 Simon, Hugo (1880–1950)  208 Sinding, Otto (1842–1909)  181 Sintenis, Renée (1888–1965)  80 Sisley, Alfred (1839–1899)  183 Skarbina, Franz (1849–1910)  130 Slevogt, Antonie (1864–1932)  31, 219, 241, 244, 250

334 Register

Slevogt, Caroline (1840–1913)  243–245 Slevogt, Johann Philipp (1649–1727)  

Tschudi, Angela von (1873–1952)  Tschudi, Hugo von (1851–1911) 

252

Slevogt, Friedrich von (1832–1870) 

244,

10, 12,

15, 16 9–12, 16,

131, 141

251 f.

Slevogt, Nina (1907–1987)  104 Sombart, Werner (1863–1941)  248 Spengler, Oswald (1880–1936)  248 Stauffer-Bern, Karl (1857–1891)  147 Steinbart, Carl (1852–1923)  276 Stengel, Walter (1882–1960)  143 Stern, Ernst (1876–1954)  65 Sternlicht, Solange (1911–2010)  144 Stone, Sasha (1895–1940)  73 Strauss, Richard (1864–1949)  34, 57, 69, 81–83

Struck, Hermann (1876–1944)  Strieffler, Heinrich (1872–1949) 

159, 262 f. 213 f.,

248

U Ubbelohde, Otto (1867–1922)  267 Uhde, Wilhelm (1874–1947)  129 Uhland, Ludwig (1787–1862)  244

V Vallentin, Richard (1874–1908)  59, 62, 64 Vinnen, Carl (1863–1922)  259 Vogel, Hermann (1854–1921)  267 Vogel, Julius (1862–1927)  175, 183 f. Voll, Karl (1867–1917)  163, 189, 204, 268, 274, 276

Stuck, Franz von (1863–1928)  70, 75 Swarzenski, Georg (1867–1957)  255 Szatmari, Eugen (1892–1953)  93

Vollard, Ambroise (1865–1939)  75 Vollbehr, Ernst (1876–1960)  247, 249, 270 Volz, Günther  223

T Tau, Max (1897–1976)  96 Teupser, Werner (1895–1954)  145 Thoma, Hans (1839–1924)  146, 258 Thomas, Emil (1836–1904)  47 Tiepolo, Giovanni Battista (1696–1770) 

W Waetzold, Wilhelm (1880–1945)  37 Wagner, Richard (1813–1883)  34, 38 f., 66,

209, 238, 265, 272

Tietjen, Heinz (1881–1967)  40 Tintoretto, Jacopo (1518–1594)   Tizian (um 1488–1576)  179 Toulouse-Lautrec, Henri de (1864–1901)  146 Tramm, Heinrich (1854–1932)  Trübner, Wilhelm (1851–1917)  205, 258

237, 251, 253, 267

Wagner, Siegfried (1869–1930)  Waldmann, Emil (1880–1945) 

251 156 f., 164,

167–170, 187–192, 194–210, 258, 269 265

171 170, 201,

Walser, Karl (1847–1943)  21, 73, 78 f. Weber, Paul (1893–1980)  180 Wedekind, Frank (1864–1918)  157 Weigand, Auguste (1903–1990)  226 Weil, Berthold  225 f. Weiß, Emil Rudolf (1875–1942)  270 Weißmann, Adolf (1873–1929)  239 Weißmantel, Adolf (1888–1964)  251 Welles, Orson (1915–1985)  82

Register

335

Werner, Anton von (1843–1915)  299 Wichert, Fritz (1878–1951)  215 f. Wilde, Oscar (1854–1900)  82 Wilhelm I., Kaiser von Deutschland (1797–1888)  232 Wilhelm von Nassau (1792–1839)  242 Winckelmann, Georg  140 Wirth, Irmgard (1915–2012)  144 Wirth, Johann Georg August (1798–1848)  223

Wirth, Richard  223 Wohlmuth, Alois (1847–1930)  268 Wolff, Julius (1834–1910)  244 Wrede, Konrad (1865–1947)  31, 151–172, 201, 203, 258, 269, 276, 282–284

Y Yakko, Sada (1871–1846) 

12–16, 47

Z Ziegler, Walter (1859–1932)  262 f. Zille, Heinrich (1858–1929)  146 Zimmermann, Joachim (1875–1953)  23 f., 28, 30, 32–35, 38, 42, 45, 105, 238, 265, 269, 292

Zügel, Heinrich von (1850–1941) 

129