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German Pages 686 [689] Year 2018
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Lothar Machtan
Der Endzeitkanzler Prinz Max von Baden und der Untergang des Kaiserreichs
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Mit einem Nachwort versehene Neuausgabe von Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers. Eine Biographie (2013)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG. © 2018 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Hümmer, Waldbüttelbrunn Einbandabbildung: Prinz Max von Baden © akg-images Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-3660-6 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3691-0 eBook (epub): 978-3-8062-3692-7 4
Inhalt
Prolog
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Teil I. 1867–1897
Kapitel 1 Spezielle Herkunft und die Schicksalswende eines Lebens Impressionen einer Prinzenkindheit im 19. Jahrhundert . . 17 Napoleon und Kaspar Hauser. Eine kurze Geschichte des Hauses Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Der politische Leitstern: Großherzog Friedrich I. . . . . . . . 36 Zwischen Auflehnung und Vermittlung. Die Eltern des Prinzen Max . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 »Der größte Wendepunkt meines Lebens«: Max im Schicksalsjahr 1888 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Das schwere Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Kapitel 2 Zwischen Pflicht und Neigung. Portrait des Prinzen als junger Mann Akademische Zwischenspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Gardeoffizier in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Highlife: Berliner Hof- und Salonleben . . . . . . . . . . . . . . 71 Unterwegs in Europa: Kavalierstouren . . . . . . . . . . . . . . 82 Gönner, Förderer – und die erste Liebe . . . . . . . . . . . . . . 87 Kein Interesse: Frauen und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Familienbande und eine schwere Hypothek . . . . . . . . . . . 101 5
Teil II. 1898–1913 Kapitel 3 Zeit der Krisen: An den Klippen des wirklichen Lebens Halbe Rückkehr nach Berlin
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erste Bekanntschaft mit Axel Munthe Eine geplatzte Verlobung
. . . . . . . . . . . . . . .
114
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
Die »Lebensberaterin« Cosima Wagner In ärztlicher Spezialbehandlung Eine neue Heiratsidee
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130
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
135
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
Kapitel 4 Das »schwerste Jahr meines Lebens« Die kinderlose Anfangszeit einer Ehe
. . . . . . . . . . . . . . .
154
Der »schlappe Max« und der »Hypnotiseur«. Die Therapie auf Capri und die Folgen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erlöst durch Munthes Hand. Eine Tochter wird geboren
. . .
159 169
»Er muß von Munthe wieder massiert werden«. Die Geburt des Thronfolgers
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der lange Abschied vom Militär
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
177 185
Kapitel 5 Verbürgerlichung auf fürstlichem Niveau Der neue Seelenführer Johannes Müller
. . . . . . . . . . . . .
Max als Verteidiger des monarchischen Prinzips
. . . . . . . .
192 202
»Gescheite Juden und einfachste Handwerker«. Der Kammerpräsident
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208
»Die Welfenfrage bleibt ungelöst«. Als Diplomat und Vermittler
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ein politischer Kopf?
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
»Familienkreuz« und Kinderwünsche Die Liebe zu Wilhelm Paulcke
214 226
. . . . . . . . . . . . . . .
228
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232
6
Teil III. 1914 –1918 Kapitel 6 Prinz Max im Kriegszustand Ein sehr kurzer Fronteinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Der »Sanitätsgeneral« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Geheime Kriegsdiplomatie in Schweden . . . . . . . . . . . . . 258 Politische Kabalen – Auf der Suche nach einer Aufgabe . . . 267 Weltanschauungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Privatleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Profilierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
Kapitel 7 Beinahe Kanzler: Die Geburt einer fixen Idee Deutschlands Lage 1917/18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 »Dagegen ist jedes Theaterstück inhaltslos«. In der Bethmann-Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Spin doctor Kurt Hahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Abwesend anwesend: Prinz Max auf dem Sprung nach Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Abfuhr und Neustart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 »Einheitswillen« und »Weltgewissen«. Das Programm des Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
Kapitel 8 Tatsächlich Kanzler: Geschichte einer politischen Fehlgeburt Das Wilhelminische Reich vor dem Ende . . . . . . . . . . . . . 341 Neues politisches Wirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Ein weiterer Verbündeter von Rang . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Die »Kandidatur des Wunschlosen« . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Wie und warum Prinz Max zum deutschen Reichskanzler gemacht wurde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Fünf nach zwölf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 7
Kapitel 9 Die Havarie des kaiserlichen Staatsschiffes Eine kaiserliche Volksregierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 Die Briefaffäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Die Entlassung Ludendorffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Das Abdankungsdilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Max’ Zusammenbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Die Revolution – und ein letztes Gespräch . . . . . . . . . . . . 447 Abgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
Teil IV. 1919–1929 Kapitel 10 Die Nachkriegszeit Rückzug in bewährte Lebenswelten . . . . . . . . . . . . . . . . 473 Die Schulgründung Schloß Salem . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Politische Schwanengesänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Öffentliche und familieninterne Anfeindungen . . . . . . . . . 498 Vergebliche Regenerationsversuche – und ein letzter Coup . 508 Tod und Nachtod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518
Nachwort Epochal gescheitert
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
523
Anhang Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 8
Prolog Schon im Urteil seiner Zeitgenossen stellte der Reichskanzler Prinz Max von Baden eine umstrittene Erscheinung dar. Den einen galt er als Totengräber der Monarchie in Deutschland; den anderen als liberaler Überwinder des Obrigkeitsstaates. In seinen Bemühungen um die Beendigung des Ersten Weltkriegs sah man entweder eine friedensstiftende Tat oder schmähliche Kapitulation. Das politische Format dieses letzten Kanzlers des Kaisers wirkt bis heute ambivalent – und phänomenal. Was vor allem damit zu tun hat, daß seine Regierung in die Zeit eines welthistorischen Epochenwechsels fiel: den Übergang des »langen« 19. in das 20. Jahrhundert. War der letzte Kanzler des Kaisers nun ein Mann des untergegangenen oder des aufgehenden Jahrhunderts – oder beides? Die Umbrüche seiner Kanzlerzeit haben ihn zu einer Figur von historischem Rang gemacht, nicht sein eigenes Handeln. Weder hat er die Politik damals neu definiert noch sich als Meister dieser Kunst profiliert. Doch wenn man näher an die Ereignisse herantritt und den Fokus dabei schärfer auf diesen außerplanmäßigen Staatslenker einstellt, seine Persönlichkeit zugleich auf menschliches Format herunterbricht, verbieten sich starke politische Thesen und relativieren sich alle holzschnittartigen Zuschreibungen. Zum Vorschein kommt mehr als ein Akteur; zum Vorschein kommt das Genrebild einer ganzen Epoche – im Stadium des Zerfalls ihrer politischen Leitkultur. Max von Baden mag ein ephemerer Reichskanzler gewesen sein. Aber allein die Tatsache, daß er der leitende Staatsmann einer Weltmacht werden konnte und seinen politischen Auftritt auf der Bühne der Weltgeschichte hatte, macht ihn außergewöhnlich. Zumal dieser Mann von Haus aus eigentlich ein Unpolitischer war. Nichtsdestotrotz wird man in ihm eine Schlüsselfigur entdecken, sobald man die gesamte Geschichte mit einbezieht, die zwischen 1880 und 1920 Deutschland so nachhaltig verändert hat. In diesem größeren Kontext birgt gerade seine Persönlichkeit einen großen Reichtum an Erkenntnis. Einmal biographisch erschlossen, läßt sie uns intensiv teilhaben am Zeitgefühl des Fin de siècle. Besonders ist dieses Sujet auch noch dadurch, daß Max von Baden ein Prinz, ein deutscher Fürst war – ein Angehöriger jenes royalen 99
Herrscherstandes, der 1918 fast lautlos aus der politischen Geschichte fiel, die er jahrhundertelang wie kaum ein zweiter mitgeprägt hatte. Sein Lebensschicksal ist nur in diesem dynastischen Kosmos zu verstehen, dem engmaschigen Gewebe von Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb einer großen europäischen Familie; der Gesellschaft der Hocharistokratie mit ihren erhabenen Lebensformen. Aber auch mit desaströsen Kehrseiten, bedingt vor allem durch die notorische Lebensunfreiheit. Gerade die, die »auf der Menschheit Höhen wohnten« (Friedrich Schiller), mußten sich weit mehr als mancher Bürgerliche der Fremdbestimmung ihres Fürstendaseins beugen, wenn sie dort oben bleiben wollten. Sie ließ den Fürsten als Menschen immer wieder an die Grenzen seiner Autonomie stoßen. Mit performativ überformten Halbleben haben wir es hier zu tun; mit Menschen, deren Umgang untereinander, ja mit sich selbst vorzugsweise diplomatischer Natur zu sein hatte. Das war auch der natürliche Lebensraum Max von Badens. Über die Kultur- und Politikgeschichte hinaus war sein Lebenszusammenhang in fatale, weil unlösbare Widersprüche verstrickt, die den Biographen ganz besonders herausfordern. Der vitale Drang des Prinzen nach einem selbstbestimmten Leben kollidierte so stark mit den Anforderungen seiner hochadeligen Welt, daß er sich immer wieder ungeheure Zwänge auferlegen mußte, um halbwegs zu bestehen. Wiederholt drohte er an fremden wie auch an eigenen Ansprüchen an seine Person zu zerbrechen. Und noch etwas kam hier erschwerend hinzu: Dieser Prinz war ein homosexueller Mann.1 Seine Neigung zum eigenen Geschlecht blockierte ihn enorm und erzeugte ein hohes Maß an seelischer Niedergeschlagenheit. Sie machte es zu einer Herkulesaufgabe, seine Lebensführung an die hoheitlichen Normen, die seine Welt beherrschten, anzupassen. Insbesondere was die Zeugung von standesgemäßem Nachwuchs anlangt. Die Kosten der kompensatorischen Erfolge, die er dabei erzielte, waren beträchtlich. Sie wuchsen sich zu einer chronischen Bedrängnis aus, aus der aber erst im Weltkrieg eine existentielle Krise wurde. Bis August 1914 hatte er ein im wesentlichen ästhetizistisches Leben führen dürfen. Dann folgten drei lange und finstere Kriegsjahre, die ihn keinerlei Bewährung finden ließen. Bis Max sich dann 1918 in die Rolle eines neues Marcus Curtius imaginierte, jener Heldenfigur aus der antiken Mythologie, die das Römische Reich durch eine sich selbst opfernde Heldentat rettete. In solchen Phantasien lebend, versuchte 10 10
er durch den Sprung in das Dunkle der Politik seinem Leben eine Wendung zum Großen zu geben; und sich damit am Ende doch noch auf den Thron des Ruhmes zu heben. Aber zum Helden fehlte ihm der Ehrgeiz, seine Vorgänger im Amt politisch zu überragen. Und mutiger Realismus ist durch ihn auch nicht in die Wilhelmstraße eingekehrt. Nur wenn man um das beschädigte Privatleben dieses Prinzen Bescheid weiß, kann man die Motivation einer solchen Tat ermessen. Das deutsche Kaiserreich vor drohendem Untergang zu bewahren, das war die Mission – doch bewirkt hat er das Gegenteil. Die Geschichte ging über seine Rettungsbemühungen hinweg und machte ihn dabei zum Revolutionär wider Willen. Was dem Kollateralschaden vom November 1918 folgte, war ein fast zehnjähriger geschichtspolitischer Federkrieg um Rechtfertigung, ja Absolution, dem Max mit 62 Jahren erlag. Da war ihm aber die Welt der Politik schon längst abhanden gekommen auf seinem Salemer Refugium am Bodensee – einer Insel, auf die er wie ein Schiffbrüchiger geflüchtet war und von der er nicht mehr loskam. Das Leben unserer Hauptfigur ist mithin getragen von einem Grundakkord, der sich immer vernehmbarer artikulierte; dem des epochalen Scheiterns. Seine Geschichte ist der Abgesang einer verfließenden Zeit. Und dennoch erklärt sich diese Figur nicht allein als Chiffre einer Epoche, auch diese Figur bedarf darüber hinaus einer individuellen Ausdeutung. Wie wird man einem solchen Menschen bzw. seinem Leben historiographisch gerecht? Zunächst und vor allem, indem man sich analytisch und sachlich mit ihm auseinandersetzt, akribisch auf dem aktuellen Stand der Forschung.2 Das Buch schöpft aus einer Fülle primärer Quellen. Es untersucht sozial und kulturell strukturierte Lebenssphären, vermißt Handlungsspielräume und bindet so den Lebenslauf seines Protagonisten fortwährend in den historischen Kontext ein. Freilich: Dies ist auch eine Biographie im engeren Sinne – die Geschichte eines Menschenlebens, mit allem, was dazugehört. Dieses Buch will insbesondere erklären, was eigentlich Max’ Unglück war und warum es dieses Leben auf so fatale Weise heimsuchte. Dafür reicht die strenge Wissenschaft allein nicht aus. Man muß es auch tragisch nehmen, das heißt intuitiv erfühlen. Anziehend wirkt Max von Baden vor allem durch die Kraft seiner Schwäche. Das kann man nur in menschlichem Licht zeigen. In letzter Konsequenz ist die11 11
ser Text, den ein wirkliches Leben geschrieben hat, deshalb auch ein Epos, das durch die Quellen gestützt wird. Das, was wir bislang über ihn wußten, den Prinzen Max von Baden aus einer Nebenlinie des Hauses Zähringen, war zu wenig, um die historische Bedeutung seiner Persönlichkeit wirklich zu erfassen; aber genug, um das Erkenntnispotential zu erahnen, das in einer vollgültigen Biographie dieser Übergangsfigur schlummert.3 Allerdings ist es eine Herausforderung der ganz besonderen Art, diese Möglichkeit empirisch zu erschließen. Der schriftliche Nachlaß des Protagonisten wird von seinen Nachkommen unter Verschluß gehalten.4 Das erschwert die Arbeit des Historikers, ist aber zugleich aufschlußreich, wenn man diese Einstellung des Hauses Baden unter geschichtspolitischen Aspekten betrachtet.5 Dennoch ist es nicht so, daß Leben und Persönlichkeit in kein sicheres Licht mehr treten könnten. Es haben sich auch jenseits des Archivs von Schloß Salem genügend primäre Quellen überliefert, die eine umfassende Biographie ermöglichen. Besonders sogenannte Egodokumente, in denen Prinz Max offen seine persönlichen Ansichten und Befindlichkeiten artikuliert sowie sein Tun und Lassen rechtfertigt. Seine Briefe an enge Vertraute wie den Leibarzt und Freund Axel Munthe oder die mütterliche Freundin Cosima Wagner zählen dazu, außerdem seine jahrzehntelange Korrespondenz mit dem Jugendfreund »Ernie«, dem späteren Fürsten Ernst zu HohenloheLangenburg, oder auch mit dem Seelsorger Johannes Müller, seinem Lebensberater. Insofern steht diese Biographie selbst dort auf einem stabilen empirischen Fundament, wo sie von sehr Privatem handelt und sich auf den emotionalen Charakter unserer Titelfigur einläßt.6 Was schließlich das öffentliche Leben Max von Badens anlangt, so kann man über einen Mangel an aussagekräftigen Quellen erst recht nicht klagen. Das gilt für die Geschichte des Großherzogtums Baden mit seiner Herrscherdynastie, aber auch für die nationalstaatliche, die Reichsebene. So gibt es genügend Dokumente, die das politische Drama rekonstruieren helfen, wie das Bismarckreich 1917/18 implodierte,7 und nachvollziehbar machen, wie es kam, daß ausgerechnet der Anwärter auf den großherzoglichen Thron in Karlsruhe zu dem Berliner Ensemble stieß, das diesen Untergang zu exekutieren hatte.8 Das Leben des Menschen Max von Baden weist wesentlich mehr Profillinien auf als das des Prinzen oder gar des Politikers. Gleichwohl betrachte ich dies alles gemeinsam, indem ich das menschliche 12 12
Wesen, die Fürstennatur und den Staatsmann als integrale Einheit darzustellen versuche. Aber: »Richtiges Auffassen einer Sache und Mißverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.« (Franz Kafka)
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Teil I 1867–1897
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Kapitel 1
Spezielle Herkunft und die Schicksalswende eines Lebens Impressionen einer Prinzenkindheit im 19. Jahrhundert Der Knabe wurde am 10. Juli 1867 geboren. Doch nicht nur als unschuldiges freies Menschenkind kam er auf die Welt, sondern – vor allem anderen – als vollwertiges Mitglied eines Herrscherhauses, das seit sechs Jahrzehnten die Monarchie in dem souveränen Staat Baden verkörperte. Als Prinz von Baden und nach der evangelischen Taufe am 13. August 1867 als Prinz Maximilian Alexander Friedrich Wilhelm von Baden. Die Monarchie hatte als vorherrschende Staatsform in Deutschland im 19. Jahrhundert eine weitreichende eigene Kultur ausgeprägt, zusammengehalten von dem »heiligen« monarchischen Prinzip. Dieses besagte, daß die souveräne Macht der Fürsten eine gottgewollte Ordnung sei, an die Menschenhand nicht rühren dürfe. Aber auch das private fürstliche Handeln wurde als ein Eigenrecht reklamiert, das keiner öffentlichen Kontrolle ausgesetzt sein konnte.1 Dieser Anspruch des fürstlichen Souveräns, über Staat und Recht verfügen zu können, war in Deutschland seit dem Wiener Kongreß von 1815 grundgesetzlich festgeschrieben. Das geweihte, quasi heilige Dasein des Monarchen gehört zu den psychologischen Faktoren, die elementar sind, um Milieu und Mentalität des Hochadels zu verstehen – im Sinne einer besonderen »affektiv-kognitiven Eigenwelt«.2 Die Mikrokosmen dieses monarchischen Universums, die noch bis 1918 halbwegs intakt bleiben sollten, bildeten die regierenden Fürstenhäuser, von denen eben auch die Zähringer in Südwestdeutschland eines waren. Dieses »Haus«, nicht seine eigene Familie, blieb fortan das wichtigste Bezugssystem dieses Lebens. Seine emotionale und politische Bindung war allgegenwärtig. Die badische Dynastie und das mit ihr verknüpfte Netzwerk des europäischen Hochadels sind gleichsam die Matrix dieser Biographie. Es waren eben auch seine Vorfahren, die seinen Werdegang bestimmten, nicht nur seine Eltern. Das wa17 17
ren Prinz Wilhelm von Baden, geboren 1829, und seine Ehefrau, die als Kaiserliche Hoheit 1841 geborene Zarenenkelin Maria Maximilianowa, genannt »Marussja«. Max’ Vater rangierte nur in der Nebenlinie der badischen Herrscherdynastie – er selbst und seine Nachkommen waren ohne realistische Aussicht auf den Thron. Man bewegte sich gleichsam im dynastischen Reservepool der großherzoglichen Familie, zählte aber nichtsdestotrotz zum Grundkapital der Zukunftsgestaltung des Hauses Zähringen. Seine Kindheit war wohl keine glückliche. Er habe damals »beständig« gelitten und viel von der »Freudigkeit« verloren, die »zur harmonischen Entwicklung notwendig ist«. Dieses Leid führte Max »auf zwei Ursachen zurück, erstens das mangelnde männliche Element in meiner Erziehung, und zweitens ein sehr starkes Froissieren [Verletzen] meiner besten Gefühle in einer Zeit, in der ich mich vom Knaben zum Mann entwickelte«.3 Einem anderen Vertrauten gegenüber hat er sich so ausgedrückt: »Auf meiner Kindheit und Jugend lag der Druck z. T. religiöser, z. T. moralischer Art. Und wenn ich auch wahrscheinlich meine Kräfte im Kampf gegen denselben gestärkt habe, so war es eben doch kein ganz gesunder Kampf, weil ihm die Freudigkeit fehlen mußte, denn man kämpft unfreundlich gegen das, was man von Natur lieben und verehren sollte.«4 Diese dunklen Reden lassen sich leider durch zeitgenössische Dokumente nicht weiter aufhellen. Wir wissen nicht, auf welche finstere Vorfälle in seiner Kindheit Max anspielt. Jedenfalls hatte er Probleme mit »meiner eigensten Natur, über der von Jugend auf ein Schatten lag«.5 Was war das für ein Kind aus hohem Hause? Am 26. Juli 1865 hatte die Prinzessin Wilhelm ihrem Mann in Baden-Baden eine Tochter geboren, die auf den Namen Marie getauft wurde – wie ihre Mutter und deren Mutter. Zwei Jahre später war Stammhalter Max gefolgt. Im Vergleich zu ihm besaßen sämtliche vor ihm geborenen Kinder des Herrschers eine ungleich größere familienpolitische Bedeutung. Insbesondere die beiden Söhne des Großherzogs, Friedrich und Ludwig, wurden als die Hoffnungsträger des Hauses Baden aufgebaut. Max’ Sozialisation vollzog sich zunächst nur in deren Windschatten. Es ist unklar, was Max’ Eltern über die Bedürfnisse von Kindern dachten oder wußten. Seine Stellung in der höfischen Gesellschaft zu sichern galt allerdings mehr als das, was man heute eine kindgerechte Erziehung nennt. Sie können dabei 18 18
durchaus wohlwollende Personen mit Liebe zu ihren Kindern gewesen sein – aber darüber läßt uns die Überlieferung im ungewissen. Überhaupt muß beklagt werden, daß sich zur Kindheit des Prinzen aus den zugänglichen Quellen nur wenig in Erfahrung bringen ließ. Wir müssen uns mit der einschlägigen Literatur über Prinzenkindheiten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts begnügen.6 Die Betreuung und Erziehung eines kleinen Fürsten wurde nicht als primäre Aufgabe der Eltern angesehen, sondern anderen Personen übertragen. Die Eltern wählten zwar das Personal aus – sahen damit ihre Pflichten aber als erfüllt an. Die kleinen Aristokraten standen bis zu ihrem sechsten oder achten Lebensjahr unter der Obhut einer (zumeist englischen) Gouvernante, die ihnen elementare Kenntnisse einer Fremdsprache sowie eine erste Vorstellung von standesgemäßem Benehmen vermitteln sollte. Danach kamen sie in die Hände von Hauslehrern und erhielten an der Seite ihrer Eltern erste Eindrücke der Hofgesellschaft. Letzteres war aber meist erst dann der Fall, wenn die »Erweckung eines richtigen Standesbewußtseins«, eines hocharistokratischen »Verpflichtungsgefühls« bereits vorzeigbare Erfolge gezeitigt hatte.7 Die Erziehung des Prinzen Max war durch »das Englische« beherrscht worden, viel mehr wissen wir darüber nicht.8 Auch über seine konkreten Lebensumstände und Bezugspersonen in den prägenden Jahren zwischen 1875 und 1882 sind wir nicht informiert.9 In diesem Lebensabschnitt ging es um den aristokratischen Feinschliff: elegantes Benehmen, taktvolle Haltung und vornehme Konversation im Kreise von Standesgenossen; um öffentliches Auftreten als Neffe des badischen Souveräns, Verinnerlichung des höfischen Zeremoniells, der Rangbestimmungen, Statussymbolik. Er wurde auch mit dem Verwandtschaftsnetzwerk seiner Dynastie vertraut gemacht, damit sich bei ihm ein Verständnis dafür ausbildete, Repräsentant eines geachteten Fürstenhauses zu sein. Doch das war noch nicht alles, was diesen Lebensabschnitt prägte. Der Erwerb der humanistischen Bildung, also die Aneignung von Wissen insbesondere über die abendländische Kultur, gehörte ebenso dazu, wie der der adeligen Kavalierstugenden, die ihn zu einem honnête homme werden lassen sollten; also das Klavierspielen, Tanzen, Reiten, Fechten, Schwimmen und Jagen. Erste Gehversuche auf dem höfischen Parkett folgten als Primaner in Karlsruhe. Zunächst wurde er zu Familiendéjeuners in das großherzogliche Schloß eingeladen, bald aber auch zu größeren Fe19 19
sten. So durfte er im Januar 1885 mit der Großherzogin Luise auf einem Hofball im Residenzschloß die Française tanzen,10 eine Art tänzerisches Gesellschaftsspiel vor großem Publikum, das bereits eine gewisse Sicherheit im Auftreten voraussetzte. Ebenso erfolgreich eignete er sich die Sprache des Adels an. Davon zeugen seine Briefe an den engen Freund und Vetter Ludwig, den zweiten Sohn des Großherzogs, aber auch die Tatsache, daß er schon im Alter von 16 Jahren im Schloß mit Diplomaten und hochadeligen Besuchern an einen Tisch gesetzt wurde.11 Auch in den Usancen und Konventionen seines Standes wurde er sicherer. Nach seinen eigenen Worten übte er sich schon »früh in Listen« und brachte es »durch geschickte diplomatische Wendungen und Windungen« weit.12 Damit ist der Rahmen abgesteckt, in dem sich Max’ Lehrjahre vollzogen. Jede Prinzenaufzucht war »mit dem Schleier der Verschwiegenheit« umgeben, und die Erzieher selbst sollten »ihre Erfahrungen nur mit größter Zurückhaltung und die lehrreichsten gar nicht austauschen«.13 Wir haben es also mit einem geschützten Raum zu tun, etwas, das sich in doppeltem Sinne hinter hohen Mauern abspielte. Topographisch waren diese Lebensjahre hingegen nicht von Mauern umgeben, sondern spielten sich in dem elterlichen Palais am Schloßplatz in Karlsruhe ab. Das Palais war im Stil des Architekten der klassizistischen Karlsruher Residenz, Friedrich Weinbrenner, erbaut und mit dem modernen Komfort des ausgehenden 19. Jahrhunderts ausgestattet worden. »Ein im Äußern wie Innern verhältnismäßig bescheidener, aber zweistöckiger Bau mit Mansardendach« – so lautet die schlichte Beschreibung in einem zeitgenössischen Schlösserführer,14 die wohl auch mit Blick auf das in gebührendem Abstand frei gelegene Residenzschloß des Souveräns und großherzoglichen Bruders geschrieben wurde. Es gab aber noch ein anderes Quartier, das man geradezu als idyllisch bezeichnen muß: das Seeschloß Kirchberg, in der Nähe von Immenstaad. Hier am Bodensee, in der früheren Sommerresidenz der Äbte von Salem, weilte die Prinzenfamilie, vollzählig oder in Teilen, in der schönen Jahreszeit. Die positiven Eindrükke dieser Aufenthalte, so ist überliefert, haben sich dem Prinzensohn Max tief eingeprägt. Das Anwesen lag etwa 500 Meter vom nördlichen Bodenseeufer entfernt auf einer kleinen Anhöhe, die seinen Bewohnern den Blick auf ein reizendes Panorama erlaubte. Umgeben von Weinbergen und 20 20
Schloß Kirchberg, der Sommersitz von Max’ Eltern am Bodensee
Obstgärten, mit fußläufigem Zugang zum Wasser, wo sich ein eigener Landungssteg sowie ein privater Badestrand mit Badehaus befand, präsentierte sich die Schloßanlage, nachdem sie im Jahre 1880 erweitert und renoviert worden war, als ein attraktiver und zugleich repräsentativer Sommersitz. Das eigentliche Schloß bestand aus einem mit der Front gegen den Bodensee stehenden fünfgeschossigen Hauptgebäude, an das sich im rechten Winkel nach Osten ein Flügelbau anschloß. »Gegen den See zu hat das Schloß eine Terrasse mit prächtiger Aussicht und ist von Anlagen umgeben. Drei Laubengänge mit Reben laufen vom Schloß nach den Anlagen […] und eine etwa 400 m im Geviert messende Parkanlage erstreckt sich östlich vom Schloß bis an den Mühlbach, wo am See ein Sommerhaus steht.«15 Max’ Vater, dem Prinzen Wilhelm, war Kirchberg als ein sogenanntes Apanagegut zugefallen, das zwar rechtlich als Teil des sogenannten Bodenseefideikommiß im Besitz des großherzoglichen Hauses verblieb, dem Nachgeborenen aber ein standesgemäßes Leben außerhalb der Residenzstadt Karlsruhe ermöglichen sollte.16 Faktisch war er dadurch ein Grund- und Standesherr geworden, der allerdings nicht nach freiem Belieben über seinen Besitz verfügen konnte, weil die Weisungsbefugnis beim Oberhaupt des großherzoglichen Hauses, also bei seinem Bruder verblieb. Die Familie scheint sich auf Schloß Kirchberg sehr wohl gefühlt 21 21
haben, wie zwei kurze Äußerungen aus dem Sommer 1881 zeigen. Am 26. Juni – da war Max knapp 14 Jahre alt – berichtete seine Schwester Marie ihrer Cousine Victoria von den »angenehm warmen Tagen«, die sie gerade mit der Familie am Bodensee verlebe, bei guter Luft und viel Bewegung. »Morgens um 6 Uhr reiten Max und ich aus. Um 10 Uhr hat Max Schwimmstunde bei Herrn Roscher [dem Hauslehrer], und von meinem Fenster aus kann ich das Plätschern im Wasser gut hören.« Mit Bruder und Mutter würde sie »allein oft ins Boot gehen«, also ohne Personal. Und die Prinzessin Wilhelm ergänzt drei Tage später – auf französisch: »Wir genießen die Ruhe und das schönste Wetter! nie zu heiß. Max hatte nicht ein einziges Mal Halsschmerzen, Gott sei Dank. Mary [ihre Tochter] reitet mit Begeisterung.«17 Daß die Situation im Elternhaus für Max nicht so ungetrübt war, wie es diese Episode nahelegt, kann man einem Brief des jungen Prinzen aus dem Jahre 1892 entnehmen, den er an seinen damals besten Freund, den Erbprinzen Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, geschrieben hat. Darin heißt es rückblickend, Ernst habe es in einer wichtigen Sache wesentlich »leichter gehabt« und sich so »besser entwickeln können. Du hast einen Vater gehabt, der Dir als Beispiel in allen männlichen Handlungen des Körpers wie des Geistes voranleuchten konnte«. Bei ihm sei das ganz und gar nicht der Fall gewesen. Er habe nur zu »oft unter der unangenehmsten Bedrängung und Verhöhnung meiner heiligsten Überzeugungen und Gefühle zu leiden gehabt. […] Die Leute, die ich nicht liebte, wurden [vom Vater] begünstigt, und die ich gern hatte, verlacht und herabgesetzt. So wuchs ich in der Opposition auf und habe schon früh Zeiten durchlebt, in denen ich mich sehr unglücklich fühlte.«18 Daß er »leider nie« einen Halt in seinem Vater habe finden können, wurde von ihm immer wieder lebhaft beklagt.19 Dagegen scheint »Marrusja« für Max Mutter und Ersatzvater in einer Person gewesen zu sein. Zwar stellten die unterschiedlichen Sprachen ein gewisses Hindernis dar,20 und auch die Erziehung im evangelisch-lutherischen Glauben, der sich mit dem russisch-orthodoxen Kulturgut nur bedingt vertrug. Doch das Fremde in dieser Frau mag ihn angezogen haben. Voller Stolz berichtet Max später, daß »der russische Einfluß meiner Mutter mir den ganzen Zauber slawischer Breite und Weitherzigkeit im Gegensatz zu deutschem Spießbürgertum eröffnete«.21 Auch Außenstehende waren der An22 22
sicht, daß sie seine Lebenstüchtigkeit und geistige Beweglichkeit gefördert habe.22 Zugleich hat diese heimatlose Frau in ihrem Max einen Ansprech-, ja eine Art Lebenspartner geformt, »jemand, der sie ganz verstand«.23 Mit etwa zwölf Jahren kam Max in die Obhut eines Hauslehrers namens Roscher, der ihm die Grundlagen für eine gymnasiale Ausbildung vermittelte, ihn auf den Besuch einer öffentlichen Schule vorbereitete und sich um seine sportlich-körperliche Ertüchtigung kümmerte. Max faßte in den sechs Jahren, in denen Roscher sein ständiger Begleiter war, keine rechte Zuneigung.24 Er sprach später sogar von den »Kunstkniffen, die ich seit sehr jungen Jahren habe anwenden müssen, um meine Selbständigkeit und die Bedingungen zu einer normalen Entwicklung zu bewahren«.25 Im Herbst 1881, also mit 14 Jahren, trat er in das Karlsruher Gymnasium ein, das unter der Leitung des profilierten Altphilologen und Pädagogen Gustav Wendt als zeitgemäße Erziehungsanstalt galt.26 Wendt wollte seine Schüler für die Klassik der Antike begeistern, durch eine neuartige Methode der Lektüre – und unter Hintansetzung des eher trockenen Grammatikunterrichts. Er stand für einen lebendigen Unterricht, der die alte Stoffhuberei überwinden sollte. Wie wir noch sehen werden, hat dieses Bemühen bei seinem Schüler Max durchaus gefruchtet. Er blieb mit klassischer Philologie zeitlebens bestens vertraut, und Wendt zählte Max in der Oberprima »zu den besten Schülern«, der »ein recht gutes Zeugnis der Reife« erlangt habe.27 Daß der öffentliche Schulbesuch die Distanz zwischen dem Prinzen und dem (bildungsbürgerlichen) Volk zu überwinden half, kann nicht angenommen werden. Die Schulleistungen von Mitgliedern der Herrscherfamilie wurden meist nicht nach den allgemein verbindlichen Kriterien bewertet. In aller Regel war es eher so, daß die bürgerlichen Gymnasiallehrer dem Prinzen ehrfürchtig befangen gegenübertraten und ihn milder bewerteten. Zudem wurden sie sorgfältig ausgewählt und der Schulleiter selbst zum verantwortlichen Klassenlehrer bestimmt. Auch die Anzahl der Mitschüler wurde begrenzt. Der Hauslehrer blieb weiterhin tätig, und im Zweifelsfall erteilten die Gymnasiallehrer Nachhilfeunterricht. Das Vorrangige war auch während dieser vierjährigen Schulzeit die fürstliche Standeserziehung – ergänzt um die halböffentlich vermittelte humanistische Bildung.28 Diesen Schluß legt auch die zweideutige Äußerung 23 23
des Prinzen nach dem »recht schönen und lustigen« Abitur nahe: »Ich kann zufrieden sein mit mir und den Professoren.«29 Allerdings war Max’ Gymnasialbildung nicht so hochherrschaftlich wie die seiner beiden Cousins Friedrich und Ludwig, für die eigens ein exklusives Gymnasium, die sogenannte Friedrichschule, gestiftet wurde,30 auf das Max gar nicht erst aufgenommen wurde. Daß die beiden etwa gleichaltrigen Zähringer Prinzen in zwei getrennten Häusern zur Schule gingen, könnte ein Zeichen dafür sein, daß sich der Großherzog von seinen Verwandten in der Nebenlinie abgrenzen wollte, oder ein Ausdruck des unüberbrückbaren Grabens zwischen Großherzog Friedrich und seinem Bruder Wilhelm. Falls es tatsächlich zuückweisend gemeint war, ließ Max sich nichts anmerken und versuchte – wie seine Mutter und anders als sein Vater –, dem großherzoglichen Paar positiv zu begegnen. Er hatte Erfolg damit. Die Großherzogin Luise, so freute sich der 17-jährige Max, sei »so voll Güte zu mir, daß ich ganz ich weiß nicht was bin«.31 Wegen ihrer freundlichen Behandlung war Max ihr schon früh loyal verbunden. Als ihm sein Onkel Friedrich zu seinem 18. Geburtstag gar den badischen Hausorden der Treue verlieh, schrieb Max ganz selig an seinen Cousin Ludwig: »Ich kann Dir nicht sagen, mit welchen Gefühlen der Freude und der Dankbarkeit gegen Deinen Papa ich zu meinem Geburtstag den Orden empfing. Es ist ein zweites Band, welches mich noch ein Mal an die Familie bindet und mich berechtigt, an dem Ruhme, der sich an den Namen ›Baden‹ knüpft, Teil nehmen zu dürfen. […] Ich habe Dir ja früher schon so oft gesagt und geschrieben, wie gern ich Deinen Papa habe, und wie freundlich und liebevoll er mich immer behandelte, und in Wahrheit je älter und verständiger ich geworden bin, um so mehr wächst auch meine Verehrung und Liebe zu ihm, die mir niemand mehr rauben kann.«32 Dies muß sich auch dem großherzoglichen Paar mitgeteilt haben. Denn wie Max wiederholt seinem Vetter bescheinigte: »Deine Eltern sind für mich stets so gut und freundlich, daß ich nicht genug dankbar sein kann. Ich adoriere sie beide, namentlich aber Deinen Papa; für ihn ging ich durch’s Feuer.«33 Max’ Bewunderung für seinen Onkel ging Hand in Hand mit seiner Abwertung des eigenen Vaters. Wenn man so ein Familienhaupt habe wie Vetter Ludwig, so schrieb er diesem weiter, dann »kann man sich zusammen nehmen, um ihm soweit es geht wenigstens Ehre zu machen. Ich werde niemals dazu in der Lage sein.« 24 24
Max’ Tante, Großherzogin Luise von Baden, ihr jüngster Sohn Prinz Ludwig, Prinz Max, seine Schwester Mary, Max’ Mutter, um 1885
Aus der Zeit um 1885 ist eine Fotografie überliefert, die genau diese positive verwandtschaftliche Beziehung illustriert: einen Besuch der Prinzessin Wilhelm (ohne ihren Ehemann) mit ihren Kindern Mary und Max bei ihrer Schwägerin Luise und deren Kinder Ludwig und Victoria auf der Insel Mainau. Bei der Aufnahme handelt es sich um ein mehr oder minder gestelltes Gruppenbild, das aber nicht für die Öffentlichkeit, sondern für das Familienalbum bestimmt war. Aufgenommen wurde es von Max’ Cousine Victoria.34 Nur Prinzessin Wilhelm will scheinbar nicht zufrieden sein. Sie wirkt eher mürrisch, und die schmalen Lippen betonen ihre Unnahbarkeit. Verantwortlich dafür ist wohl das harte Leben, das ihr in dem vorangegangenen Jahrzehnt zugemutet worden war. Auch den Kindern blieb der Kummer der Mutter nicht verborgen. Es wehe »bei uns zu Hause nicht gerade die schönste Luft«, berichtete Max seinem Vetter Ludwig aus Kirchberg: »Ja, Gott weiß, was da zu tun ist. Es macht einem Bauchschmerzen«,35 schrieb er über die Ehe seiner Eltern. Daß das Verhältnis seines Vaters zum großherzoglichen Paar äußerst gespannt war, spürte sein Sohn. Schon als 25 25
16-Jähriger hatte er dafür ein Sensorium ausgebildet: »Die Ruhe in der [badischen] Familie herrscht wenigstens äußerlich noch unbewegt, doch weiß man ja nie, wenn’s wieder was gibt.«36 Wenn es mal nichts gab, war das für Max ein Zustand, der ihn vor allem für seine Mutter und seinen Onkel »sehr freut[e], die nach meiner Ansicht die meisten dabei Betroffenen sind, wenn’s spukt«.37 Partei für seinen Vater ergriff er nie – auch im Rückblick nicht. Wohl aber für seine Frau Mama: »Sie hat so viel in ihrem Leben zu leiden gehabt«.38 Als 19-Jähriger durfte Max zum ersten Mal mit seiner Mutter allein nach Rußland reisen. »Wir wurden auf’s Liebenswürdigste aufgenommen, und ich kann nur sagen, daß ich mich ganz zu Hause fühlte.« Das Zarenpaar sei »immer die Güte selbst« gewesen, und er habe ihre beiden ältesten Söhne, namentlich den Thronfolger und späteren Zaren Nikolaus »recht lieb gewonnen«.39 Zunächst ging’s nach Peterhof, »wo die ganze Familie versammelt war« und viel gefeiert wurde.40 Zweimal fuhr er nach Petersburg und besuchte dort »die Hermitage, eine der schönsten Galerien der Welt«. Auch die Teilnahme an einem Militärspektakel in Krasno-Selo gehörte zum Besuchsprogramm. »Nach den Manövern verließen wir den Norden Rußlands und begaben uns auf’s Land südlich von Moskau, auf ein Gut unserer Verwandten, das am Rande der Steppe liegt. Dort blieben wir 10 Tage, und ich hatte das Glück auf einer Wolfsjagd einen Wolf lebendig zu fangen, d. h. meinem Jäger glückte es, aber mir gehört er. Ich hoffe, daß man mir sein Fell schicken wird.« Von diesem Landsitz fuhren Mutter und Sohn noch für drei Tage nach Moskau. Dort zeigte sich Max vor allem von dem »prachtvollen« Kreml beeindruckt: »Die Säle im Schlosse selbst sind die größten und reichsten der Welt.« Der Besuch sollte ihn fester an die Verwandtschaft der Mutter binden. Aber nicht weniger intensiv scheinen sich auch die persönlichen Beziehungen zur Familie seiner badischen Tante Cäcilie, der Schwester seines Vaters, entfaltet zu haben, die nach ihrer Verheiratung mit dem Großfürsten Michael Nikolajewitsch den Namen Olga Fjodorowna angenommen hatte.41 Der intensive Briefverkehr mit Tante Olgas jüngstem Sohn Alexei stärkte in Max das Gefühl, Angehöriger einer international in erster Linie nach Rußland verbundenen Dynastie zu sein. So blieb er fortan über das Land aus guter Quelle auf dem Laufenden und entwickelte bald eine so starke Affinität zur russischen Mentalität und Kultur, daß er unbe26 26
Gemälde eines unbekannten Künstlers, um 1886
dingt auch die Sprache seiner Mutter lernen wollte und tatsächlich Unterricht nahm.42 Dieses Portrait ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Max’ erster Rußlandreise im Sommer 1886 entstanden. Es zeigt den jungen Prinzen in einer Pose, die man von den Romanowschen Großfürsten kennt. Aristokratisch-stolz wirkt er in seiner hohen eleganten Gestalt mit dem scharf geschnittenen Gesicht und dem etwas mystischen Blick in die unendliche Weite (eines Großreichs). Vermutlich haben ihn nicht nur die russischen Verwandten so sehen und für sich reklamieren wollen – womöglich auch seine Mutter. Doch wir müssen kurz innehalten. Das Leben des Prinzen Max läßt sich nicht einfach von seiner Geburt an erzählen, denn es war geprägt von der Dynastie, der er entstammte. Mag dies auch offensichtlich erscheinen, so muß es doch erwähnt werden, weil daraus sein soziales 27 27
Selbstverständnis, seine Weltanschauung und insbesondere sein Verständnis von Politik resultierten. Das eigene Leben war Teil einer Genealogie, eines fürstenhäuslichen Gefüges, aber auch der Selbstzuschreibungen der Dynastie – was spezifisch zähringische Tugenden, Traditionen und Verdienste anbelangte. So wurde auch Max Bestandteil einer besonderen Schicksalsgemeinschaft,43 war die Geschichte seiner Familie auch seine ureigenste Vergangenheit; und zugleich die Vorgeschichte seiner Gegenwart – ein immerwährendes Referenzsystem. Also muß die Geschichte des Großherzogtums Baden im langen 19. Jahrhundert ebenso berücksichtigt werden wie die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Großfamilie aus dem europäischen Hochadel, mit deren Angehörigen sie kulturelle Leitbilder teilte. Auf diese Weise soll erklärt werden, warum es gerade so lief, dieses Prinzenleben.
Napoleon und Kaspar Hauser. Eine kurze Geschichte des Hauses Baden Am Anfang stand – mal wieder – Napoleon. Und Kaspar Hauser. Der kleine Korse und der Junge ohne Sprache, aber womöglich mit adeliger Herkunft, beide prägten das Geschick des Hauses Baden. Durch den einen vergrößerte sich Badens Besitz, der andere sorgte dafür, daß die Legitimität von Max’ Familie in Frage gestellt wurde. Wie kam es dazu? Es ist die Geschichte von Standeserhöhungen und Mißheiraten, von Adoption und Kindesraub. Es ist die Vorgeschichte des Prinzen Max von Baden. Der Reihe nach: Das Großherzogtum Baden bestand aus unterschiedlichen Territorien des zerfallenden Heiligen Römischen Reiches. Es gehörte im Alten Reich zu den sogenannten altfürstlichen Häusern,44 die im 18. Jahrhundert großenteils ihr Territorium erweitern und ihren Rang zu erhöhen versuchten.45 Im Reichsdeputationshauptschluß von 1803 wurden neue Kurwürden auf die Häuser Württemberg, HessenKassel und Baden übertragen und verschafften damit auch dem Markgrafen von Baden neben beträchtlichem Territorialgewinn eine Rangerhöhung, die in den Augen der Zeitgenossen ein erhebliches Gewicht besaß.46 Als Karl Friedrich von Baden-Durlach 1738, im Alter von zehn 28 28
Jahren, nominell das Erbe seines Vaters antrat, war Baden-Durlach eine kleine Markgrafschaft mit der Einwohnerzahl Flensburgs (knapp 90 000), die mit 1650 km2 gerade mal so groß war wie die Städte Berlin und Hamburg zusammen.47 Mit umfangreichen sozialen und wirtschaftlichen Reformen schuf der junge Regent nach und nach die Voraussetzungen für ein größeres Staatswesen;48 zur ersten Gebietserweiterung kam es 1771 durch das Aussterben der Linie Baden-Baden, deren Besitz an Baden-Durlach fiel, und das Herrschaftsgebiet beinahe verdoppelte. Karl Friedrich genoß wegen seiner Reformen den Ruf, ein aufgeklärter Herrscher zu sein, der Willkür abhold und jedermann zugänglich.49 Die Französische Revolution berührte Baden aufgrund der geographischen Nähe zu Frankreich besonders stark. Seit dem Ende der antifranzösischen Koalitionskriege war es dem nachrevolutionären Frankreich mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Von da an blieb Baden bis zum Sturz Napoleons auf Seiten der Franzosen. Für den Verlust seiner – geringen – linksrheinischen Besitztümer wurde es großzügig entschädigt, es gewann ein Territorium mit fast 240 000 Einwohnern, darunter die rechtsrheinische Kurpfalz mit Mannheim und Heidelberg und schließlich, als Krönung, die Kurwürde. Es war Napoleon, der seinem inzwischen treu ergebenen Anhänger Karl Friedrich zu diesem reichen Lohn verhalf.50 So kämpfte Kurbaden auch im dritten Koalitionskrieg 1805 auf der Seite Napoleons und erhielt im Preßburger Frieden von Österreich den Breisgau und die Ortenau. Napoleons Siege über Österreich und Rußland besiegelten das Ende des Heiligen Römischen Reiches. Mit der Gründung des Rheinbundes am 1. August 1806 fand die Bildung formal souveräner Fürstentümer ihren Abschluß. Anders als die fürstlichen Kollegen in Bayern und Württemberg erhielt Karl Friedrich von Baden nicht die Königswürde, sondern den Großherzogtitel, der bisher nur den Beherrscher der Toskana zierte, zudem wurde er mit dem Prädikat »Königliche Hoheit« ausgezeichnet.51 1806 nahm er zusätzlich den Titel »Herzog von Zähringen« an, als Hinweis auf die familiären Bande zum mittelalterlichen Herrschergeschlecht der Zähringer und um seinen historischen Anspruch auf den Breisgau zu dokumentieren, in dem die Burg(ruine) Zähringen liegt.52 Der Erbprinz hieß fortan Erbgroßherzog und erhielt als solcher ebenfalls das Prädikat einer Königlichen Hoheit. So unterschiedlich die Bewohner des neuen Gebiets untereinander auch waren – weder sprachen sie einen gemein29 29
samen Dialekt, noch gehörten sie einer gemeinsamen Konfession an (zwei Drittel der Einwohner waren Katholiken, die Regentenfamilie und die hohe Bürokratie jedoch protestantisch bzw. evangelisch-lutherisch) – das Großherzogtum besaß ein einheitliches, bürgerliches Rechtssystem, eines der bedeutendsten Reformwerke dieser Epoche, das Badische Landrecht.53 Napoleon sorgte durch seine Politik nicht nur für eine Standeserhöhung Badens und vergrößerte dessen Gebiet, er wollte das Haus auch verwandtschaftlich an sich binden. So konnte er 1806 den Kurfürsten davon überzeugen, dessen Enkel, den badischen Thronerben Karl Ludwig Friedrich, mit Stéphanie de Beauharnais, einer Nichte seiner Frau Joséphine, zu verheiraten.54 Auch wenn Napoleon die verkaufte Braut noch rasch unter dem Namen Stéphanie Napoleon adoptierte, blieb die erzwungene Verbindung eine Mesalliance. Sie wird Teil der nicht mehr enden wollenden Verdächtigungen und Anschuldigungen sein, der sich Teile des Hauses Baden in den nächsten Jahrzehnten stellen müssen. Das soll ein Blick auf die Nachkommenschaft des Throninhabers verdeutlichen. Karl Friedrich hatte aus seiner ersten Ehe drei Söhne. Der älteste, Karl Ludwig, heiratete wie der Vater eine Darmstädter Prinzessin, Amalie. Aus dieser Ehe war, neben fünf Töchtern, nur ein Sohn – der erwähnte zwangsverheiratete Karl – hervorgegangen. Durch die Heirat der Töchter verband sich das badische Haus zwar mit den Königshäusern Europas, wobei die Verbindung nach Rußland bei weitem die stärkste und einflußreichste werden sollte;55 doch da die beiden andern Söhne Karl Friedrichs, Friedrich und Ludwig, keine Nachkommen hatten, war der Enkel Karl, so schien es jedenfalls zunächst, der einzige Stammhalter des Hauses. Sein Großvater hatte sich nach dem Tod der Markgräfin Karoline Luise 1783 noch einmal vermählt. Seine zweite Frau, die Hofdame Luise Karoline Geyer von Geyersberg, konnte durch die Hochzeit nicht Markgräfin werden, sondern erhielt den Titel einer Freifrau, später einer Gräfin von Hochberg.56 Diesen Titel führten auch ihre vier Kinder aus der Ehe mit Karl Friedrich, Leopold, Wilhelm, Amalie und Maximilian. Es lag nun zwar nahe, durch die sogenannte Eventualsukzession, also das Nachfolgerecht bei fehlenden männlichen Nachkommen, das dynastische Überleben der Hochberger per Hausgesetz festzulegen, wie dies Karl Friedrich 1796 und 1806 tat – dies international bestätigen 30 30
zu lassen war allerdings eine ganz andere Sache. Denn die Standesangleichung von Kindern aus sogenannten Mißheiraten war im Alten Reich nicht einmal dem Kaiser gestattet gewesen.57 Der Hochbergsche Familienteil des badischen Hauses befand sich so jahrelang in einer schwierigen Lage, die nur so lange halbwegs erträglich war, wie Karl Friedrich noch lebte; danach wurden die Kinder der Nebenlinie vor allem durch Prinzessin Amalie stark angefeindet. Und zu allem Überfluß hatte 1828 noch Kaspar Hauser seinen großen Auftritt.58 War es schon ein ungewöhnlicher Vorgang, daß an einem schönen Frühlingstag im Jahr 1828 in Nürnberg ein verwahrloster Jugendlicher auftauchte, der nur wenig reden konnte, offenbar lange gefangengehalten worden war und nichts über seine Herkunft aussagen konnte, außer daß er Kaspar Hauser heiße, so wurde die Begebenheit durch anonyme Hinweise aus Karlsruhe umso mysteriöser. Kaspar Hauser, so wollten es diese Stimmen, sei in Wahrheit der erstgeborene Sohn des Großherzogspaares Karl und Stéphanie, der durch ein totes Kind ersetzt worden sei. Die 1806 geschlossene Ehe von Karl und Stéphanie war bis 1811 ohne Kinder geblieben; erst 1811, als Karl den badischen Thron bestieg, kam eine Tochter zur Welt, 1812 der lang ersehnte Sohn. Trotz starker Konstitution starb dieser schon im Alter von drei Wochen, auch der vier Jahre später geborene zweite Sohn starb früh, im Alter von nur einem Jahr. Als dann auch Großherzog Karl im Dezember 1818 das Zeitliche segnete, gab es keinen männlichen Agnaten in der badischen Hauptlinie mehr außer seinem Onkel Ludwig. Nun hieß es, der Erstgeborene Karls habe überlebt und sei 16 Jahre lang auf Veranlassung der Gräfin von Hochberg gefangengehalten worden, die damit die Erbfolge ihrer Kinder habe durchsetzen wollen. Diese Anschuldigungen drangen allerdings erst nach und nach an die Öffentlichkeit, nachdem die Frage der Sukzessionsberechtigung der Hochberglinie zum Abschluß gekommen war. Schon 1817 hatte Karl ein Hausgesetz erlassen, mit welchem die Hochberger als großherzogliche Prinzen und Markgrafen von Baden und somit als erbberechtigt anerkannt wurden.59 Was die europäischen Mächte auf dem Aachener Kongreß 1818 mitsamt der territorialen Integrität Badens völkerrechtlich legitimierten. Treibende Kraft war der russische Kaiser, im Hintergrund jedoch vor allem die Zarin, die sich um die Zukunft ihrer Herkunftsfamilie sorgte. Damit waren die Geyersbergs Teil der Erbfolge des Hauses Baden, als 31 31
erster der älteste Sohn Leopold – Max’ Großvater. Daß dieser dynastiepolitische Schachzug gelang, verdankte sich einer einmaligen Konstellation, dem starken Einfluß der Großmacht Rußland sowie dem Wirrwarr, den Napoleons Politik der Neustaatsgründung in den Herrscherhäusern angerichtet hatte. Schon wenige Jahre später wäre die eigentlich ganz standesunübliche Regelung der badischen Thronfolge wohl kaum so glatt über die Bühne gegangen. Standeserhöhungen zum Zweck einer Angleichung des Status galten nach damals herrschendem Fürstenrecht als illegitim.60 Doch trotz dieser Regelung war dies erst der Beginn einer der folgenschwersten Affären für das Haus Baden, auf die noch zurückzukommen sein wird. Aus der kurzen Zeit von Karls Regentschaft verdient vor allem der außenpolitische Kurswechsel in der Folge des Niedergangs Napoleons Erwähnung, der für Baden schwieriger als für andere Rheinbundfürsten war. Baden wurde Mitglied des neugegründeten Deutschen Bundes. Nach der Deutschen Bundesakte rangierte es direkt nach den fünf deutschen Königen und dem Kaiser von Österreich vor dem Kurfürsten von Hessen und allen übrigen Großherzögen. Nach dem Tod von Karls Onkel Ludwig 1830 kam im gleichen Jahr Leopold auf den Thron, der älteste Sohn der Gräfin von Hochberg. Zum fürstlichen Souverän war er als Freiherr nicht geboren und nicht erzogen. Sein Halbbruder Ludwig I . hatte ihn auch nach seiner Standeserhöhung vom Regierungshandeln weitgehend ferngehalten. Leopold galt als leutselig und volksfreundlich; seine Selbstdarstellung entsprach entschieden den Idealen des Biedermeier, seine politischen Auffassungen waren am ehesten die eines oberflächlichen Liberalismus. Er galt als wankelmütig und wurde zum Opfer diverser Einflüsterungen.61 Im Jahre 1819, bereits anerkannt als Prinz und Markgraf, heiratete er Prinzessin Sophie Wilhelmine von Schweden, die Tochter Gustafs IV. Adolph und der badischen Prinzessin Friederike, Enkelin von Karl Friedrich aus erster Ehe – Leopold war somit der Halbgroßonkel seiner Frau. Angesichts des immer noch prekären Standes der Hochberger innerhalb der europäischen Hocharistokratie konnte es als Erfolg betrachtet werden, daß man sich wieder mit einem königlichen Haus verband.62 Die Ehe verlief zunächst sehr harmonisch; es wurden acht Kinder geboren, darunter auch Max’ Vater Wilhelm. Kehren wir nun noch einmal ins Jahr 1833 zurück, zum rätselhaften Tod Kaspar Hausers. Bis heute ist zwar nicht erwiesen, daß der 32 32
Findling im Dezember 1833 tatsächlich ermordet wurde. Das Haus Baden-Hochberg wurde jedoch spätestens zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit mit dem Fall in Verbindung gebracht. Der Glaube, es handle sich bei ihm tatsächlich um den legitimen Erben Badens, verbreitete sich – bis hin zu den letzten Abkömmlingen der älteren Linie.63 Damit aber nicht genug. Nach einem am badischen Hof kursierenden Gerücht war es Großherzogin Sophie, die mit Hilfe eines Adjutanten Hausers Ermordung veranlaßt hatte, aus Sorge, Leopold und sie könnten den badischen Thron zugunsten des legitimen Erben verlieren.64 Dies, so wollte es das Gerücht, habe sie ihrem Gemahl sogar gestanden, der daraufhin mit ihr gebrochen, sie in der Stellung als Gemahlin und Großherzogin jedoch belassen habe. Tatsächlich entfremdete sich das Großherzogspaar nach 1833 voneinander. Kaspar Hausers Schatten wollte auch in der Folgezeit nicht weichen, und die Affäre bot immer wieder Material zu publizistischen Angriffen auf die Hochberger. Die Diskussion über den Fall beschäftigte die Öffentlichkeit in ganz Deutschland und stellte die Legitimität des herrschenden Hauses in Baden massiv in Frage – auch dessen Bewohner waren erheblich verunsichert.65 Leopolds Regentschaft in Baden blieb glücklos. Als sich im Mai 1849 im Gefolge der Revolution von 1848 die Soldatenaufstände im ganzen Land ausbreiteten und es zu heftigen Kämpfen um das Zeughaus in unmittelbarer Nähe des Schlosses kam, wollte Leopold fliehen. Schon in den Monaten unmittelbar davor riet man ihm ernstlich, abzudanken und einem energischen Importregenten Platz zu machen.66 Am Ende legte er sein Schicksal in die Hände Rußlands und beschwor den zaristischen Gesandten in Karlsruhe: »Der Kaiser Alexander hat seinerzeit Baden gerettet; ich hoffe, daß der jetzige Kaiser im vorkommenden Falle dasselbe tun wird.« Sogar die Verheiratung des Prinzen Friedrich mit der Großfürstin Katharina wurde in Erwägung gezogen. Nicht nur die Flucht selbst, sondern auch die Begleitumstände waren demütigend. Weil es nicht genügend Kutschen gab, saßen der Großherzog und seine Söhne auf dem Protzkasten, dem Munitionswagen der Artillerie, und unter Begleitschutz des Generals Hoffmann, einer Handvoll Dragoner und einer berittenen Batterie mußte die großherzogliche Familie aus der Residenz fliehen.67 Aus Koblenz bat Leopold den König von Preußen, mit der preußischen Armee in Baden einzumarschieren und das Land mit Waffengewalt zurück33 33
zuerobern. Am 3. Juni 1849 ernannte Friedrich Wilhelm IV. seinen Bruder zum Oberkommandierenden. Prinz Wilhelm marschierte ein und vernichtete die badische Revolutionsarmee. Bis November 1850 blieben preußische Truppen als Besatzer in Baden und machten sich durch ihr rigides Auftreten wenig Freunde. Auch der Kriegszustand dauerte bis 1. November 1852. So herrschte in Baden mehr als drei Jahre lang reaktionärer Ausnahmezustand. Am 18. August 1849 war Leopold nach Karlsruhe zurückgekehrt; sein Befreier, der preußische Prinz Wilhelm, empfing ihn in dessen eigener Residenz. Dies war eine erneute Herabwürdigung für Leopold, auch wenn stets der Takt hervorgehoben wurde, mit dem er diese Situation bewältigte.68 Wie ein naher Beobachter später bezeugte, war er nach seiner Wiedereinsetzung ausgesprochen »gereizt und hart despotisch gestimmt« gewesen – und »zuletzt in Trunk geraten«.69 Er starb am 24. April 1852. Leopold hinterließ seinem Land eine der schwersten politischen System- und Ansehenskrisen. Die nicht lupenreine Erbfolge des Hochbergers spielte dabei gewiß keine geringe Rolle, sie hatte ihn zudem unter besonderen politischen Rechtfertigungszwang gesetzt. Die Fortführung der Zähringer Fürstenherrschaft bedurfte nun einer ganz neuen Legitimation, zeitgleich mußte das heikle Problem der Herrschaftsweitergabe an die nächste Generation in Angriff genommen werden. Leopolds Regierungsgeschäfte wurden schon in den letzten Lebensmonaten kommissarisch von seinem zweitältesten Sohn Friedrich geführt. Der eigentliche Thronerbe Ludwig war seit dem Ende der vierziger Jahre von einer merkwürdigen Körper- und Geistesschwäche befallen. Einer späteren Verlautbarung aus badischen Hofkreisen zufolge soll es sich um eine Geschlechtskrankheit – vermutlich Syphilis – gehandelt haben.70 Nach der damals vorherrschenden Rechtsauffassung, dem Grundprinzip der sogenannten Primogenitur, besaß allein dieser kranke Erbgroßherzog Ludwig einen legitimen Anspruch auf den badischen Thron. Diesem sakrosankten Prinzip hatte der Wiener Kongreß 1820 in seiner Schlußakte überstaatliche Wirkung verliehen, die auch im Deutschen Bund galt. Ihm mit politischen Mitteln, also durch Absetzung oder Entmündigung, entgegenzutreten war selbst im Falle offensichtlicher Insuffizienz des zukünftigen Monarchen gewagt, weil es die Gefahr barg, das monarchische Prinzip auszuhebeln und damit andere Herrscher zu provozieren. 34 34
In dieser Situation stellte das badische Staatsministerium in einem einstimmigen Beschluß fest, »daß die Regierungsunfähigkeit des Erbgroßherzogs [Ludwig II.] genügend constatirt und daß die dieselbe begründende Geisteskrankheit als nicht heilbar zu betrachten sei«.71 Wenige Tage später stimmten »die als Familienrat zusammengetretenen nächsten Agnaten« des Fürstenhauses sowie die Großherzogin Sophie diesem Beschluß urkundlich zu und schlossen damit faktisch den erstgeborenen Sohn Leopolds von der Thronfolge aus. Die offizielle Thronbesteigung des Prinzen Friedrich allerdings unterblieb – vorerst. Vielmehr nahm nach verläßlicher Quelle der Geisteskranke beim Tode des Vaters selbst »den Titel des Großherzogs an und bestieg als Ludwig II . den Thron, trat aber die Regierung sofort seinem jüngeren Bruder Friedrich in Form einer Regentschaft ab. Er vollzog selbst den Act der Übertragung der Regierungsrechte.«72 Mit anderen Worten: Es war Ludwig II ., der seinen Bruder Friedrich offiziell zu seinem Stellvertreter machte und somit die Regierungsverantwortung sicherstellte. Da das Ansehen des badischen Hauses bei den fürstlichen Kollegen gering und die Bestätigung Friedrichs durch andere Herrscherhäuser beziehungsweise durch den Deutschen Bundestag unsicher war, blieb er der Stellvertreter. Ein anderer Weg schien bei einer solchen privatpolitischen Regelung nicht möglich.73 Um Friedrich nach diesem schwierigen Beginn als Herrscher Karriere machen zu lassen, mußte der Stellvertreter in zwei Richtungen arbeiten. Erstens mußte er sich mit der einflußreichen europäischen Verwandtschaft arrangieren, und zweitens sollte das öffentliche Bild der badischen Monarchie durch programmatische Entscheidungen positiver werden. Zu den wichtigsten Ideengebern und tatkräftigsten Förderern des Projektes einer politischen Neujustierung gehörte Anfang der fünfziger Jahre eine »liberale Kamarilla«, als deren führender Kopf der Fürstenberater Franz von Roggenbach fungierte.74 Nach Roggenbach sollte der Monarch im liberalen Bürgertum nicht länger eine politische Kraft sehen, die seine Macht beschneidet, sondern ein (potenzielles) Bollwerk des Monarchismus. Und die Liberalen sollten im Souverän nicht ihren natürlichen Widerpart sehen, sondern den Verbündeten bei der Durchsetzung bürgerlicher Reformziele. So war bis Mitte der fünfziger Jahre zumindest programmatisch alles in Stellung gebracht, um den jungen Regenten aus den »Trümmern des zerrütteten Staates«75 etwas Neues 35 35
erschaffen zu lassen. Was nur noch fehlte, war der politische Wille zur Tat.
Der politische Leitstern: Großherzog Friedrich I . Am 5. September 1856 hing in Baden an öffentlichen Plätzen und an Regierungsgebäuden eine Proklamation aus. Sie stammte vom Prinzregenten Friedrich. Der Text begann in großen Lettern mit der Titulatur »Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Großherzog von Baden, Herzog von Zähringen«. Friedrich verkündete, am 24. April 1852 hätte er, sprich »Wir, durch Gottes Gnade und das Recht Unseres Hauses dazu berufen« zwar die Regierung des Großherzogtums angetreten, »jedoch, von brüderlichen Gefühlen geleitet, die Großherzogliche Würde anzunehmen, damals unterlassen«. Nun könne er dieses »Uns hausgesetzlich zustehende Recht« nicht länger »ruhen lassen«. In Übereinstimmung mit seiner Familie sei er entschlossen, »durch die Annahme der Großherzoglichen Würde alle mit ihrem früheren Ausspruche hausgesetzlich verbundenen Folgen zur Anwendung zu bringen«.76 Wie war das möglich? Bis Mitte der fünfziger Jahre war dem Stellvertreter Friedrich nicht viel anderes übriggeblieben, als in dem noch von seinem Vater etablierten, restaurativen, beinahe reaktionären Regime seine Rolle zu spielen. Politisches Kapital für die Monarchie war daraus kaum zu schlagen – und zu seiner Popularität konnte er so auch nicht beitragen. Friedrichs Haupt- und Staatsaktion von 1856 diente im Kern seinem Hauptanliegen, Baden zu regenerieren und zugleich die Monarchie für das Land neu zu erfinden. Wenn er das monarchische Prinzip durch zeitgemäße Reformen zugunsten des erstarkenden Bürgertums in die Zukunft retten wollte, brauchte er dafür einen stabilen Thron, verwandtschaftliche Beziehungen zu machtvollen Häusern und staatskluge politische Impulsgeber. Daß er schließlich die großherzogliche Gewalt ganz offen für sich in Anspruch nahm, war nach den staatsrechtlichen Maßstäben jener Zeit eigentlich unzulässig, aber gedeckt – durch geschickte Heiratspolitik. Zum einen heiratet Friedrich, zwei Wochen nach seiner Thronbesteigung und damit als regierender Monarch, nicht mehr als Prinzregent, die achtzehnjährige Prinzessin Luise von Preußen, die ein36 36
zige Tochter des preußischen Thronfolgers Prinz Wilhelm. Für den Zähringer war dieser Anschluß an die einflußreiche preußische Dynastie zentral, um seine Thronprätention machtpolitisch abzusichern. Aber es ging um noch mehr als das. Der Brautvater Prinz Wilhelm von Preußen wollte seinerseits in unmittelbaren Kontakt mit einem süddeutschen Monarchen gelangen, die traditionell eher dem Antipoden Österreich zuneigten. Friedrich konnte das nur recht sein. Zum anderen vertiefte die zeitgleich stattfindende Verlobung von Luises Bruder, dem preußischen Kronprinzen Friedrich, mit der ältesten Tochter von Queen Victoria, die gute Verbindung zum britischen Königshaus.77 Die quasi völkerrechtliche Anerkennung eines bemerkenswerten Coups war geglückt: der Ausschluß des legitimen badischen Erbens von der Thronfolge – und der Anschluß der nicht ganz makellosen badischen Dynastie an die hochadelige europäische Herrscherwelt. Für mehr als ein halbes Jahrhundert wurde das Großherzogtum Baden nun von Friedrich regiert, von dem vielleicht ambitioniertesten Zähringer überhaupt. Sein Vater war noch als Freiherr von Hochberg auf die Welt gekommen, als Großherzog 1849 von seinem eigenen Volk vertrieben und öffentlich verspottet worden. Und dennoch gelang es dem Sohn, zu einem Monarchen von europäischem Rang zu werden. Bei seinem Tod 1907 galt sein Großherzogtum in der öffentlichen Meinung als Beispiel für gelungene Fürstenherrschaft mit freiheitlichem Zuschnitt. Kein Wunder, daß es dieser Onkel war, den sich sein Neffe Max zum politischen Vorbild nahm. Den er zu seinem lebenslangen politischen Leitstern machte. Dem entthronten Großherzog Ludwig II. blieben Titel und Rang – nominell.78 Baden wurde also formell durch zwei großherzogliche Staatsoberhäupter repräsentiert. Erst zwei Jahre später, am 22. Januar 1858, verstarb der kranke Monarch im Alter von nur 33 Jahren. Mit großem Pomp wurde er eine Woche später in der Karlsruher Stadtkirche feierlich beigesetzt.79 Damit war die Zeit der Unsicherheit in Fragen der Legitimität vorbei. Zu seinem historischen Rang trug noch ein anderes Ereignis bei. Friedrich I. von Baden nahm, wenn auch nur in zweiter Reihe, an der Gründung des ersten deutschen Nationalstaates teil. Es war sein legendärer Auftritt am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses, bei dem er auf Bismarcks Geheiß seinen Schwiegervater als »Kaiser Wilhelm« hochleben ließ. Genauer gesagt: Es war der 37 37
Stammbaum des Hauses Baden: zwei Brüder als dynastische Spitze
Maler Anton von Werner, der diesem Moment einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verschaffte. Die aufwendige Stilisierung hat Friedrich den badischen Staat viel Geld kosten lassen.80 Hier ließ sich Ruhm erwerben, vielleicht mehr noch als auf dem Schlachtfeld. Dabei war es Friedrichs Glück, daß die beiden ranghöheren süddeutschen Könige – Ludwig II. von Bayern und Karl I . von Württemberg – an der Versailler Zeremonie nicht teilnahmen. 38 38
Imagepflege sollte in den kommenden Jahren einen immer höheren Stellenwert einnehmen. Friedrich, der Künder des neuen Deutschen Reiches, der uneigennützige Patriot, der Bürgerfreund und Schöpfer des liberalen Musterstaates – das waren die Attribute, die ihm beigelegt wurden und auf die er zunehmenden Wert legte. Denn wie sich schon bald herausstellte: Sein großer Auftritt im Spiegelsaal markierte nicht nur den Höhepunkt seiner öffentlichen Laufbahn, sondern auch ihren Zenit. Mit dem Tag seiner Thronergreifung im Jahre 1856 war Friedrich offizieller Nachfolger seines Bruders in den öffentlichen Ämtern des Souveräns geworden; er wurde damit auch Oberhaupt der Herrscherfamilie und erhielt als Haupterbe Zugriff auf das Familienvermögen. Seine Verfügungsgewalt über das Leben seiner Angehörigen reichte nun sehr weit. Auch trug er die Hauptlast, wenn es darum ging, Ehre, Ansehen und Einfluß der badischen Dynastie zu wahren. Auf Dauer gesichert werden konnte die dynastische Herrschaft freilich nur dann, wenn die Familie über ausreichenden und gesunden Nachwuchs verfügte.81 Dafür hatte das großherzogliche Paar in Gestalt seiner drei Kinder, der Prinzen Friedrich und Ludwig sowie der Prinzessin Victoria, Sorge getragen. Auch die Ehe galt als mustergültig. Nicht einmal zehn Monate nach der Hochzeit gebar Luise den Thronerben. Bis zur Geburt der Tochter vergingen allerdings volle fünf Jahre; danach noch einmal drei Jahre bis zur Geburt des zweiten Sohnes. Weiterer Nachwuchs gab es nicht, obwohl Luise bei der Geburt des dritten Kindes erst 27 Jahre alt war. Offenbar glaubte man, mit zwei Söhnen die Zukunft des Herrscherhauses sichern zu können. Luise galt als eine resolute, gebieterische und sehr stolze Frau ohne romantische Flausen.82 In ihrer Ehe sah sie in erster Linie zwischenstaatliche Allianz. Nach den drei Geburten wuchs sie mehr und mehr in die Rolle einer regierenden Großherzogin hinein. Sie setzte bei ihrem Gemahl sogar durch, an den Besprechungen mit Ministern und an anderen wichtigen politischen Audienzen teilnehmen zu dürfen – ein sonst in Deutschland geradezu unerhörter Vorgang. Schon 1871 konnte Luise sich eines eigenen Geheimsekretärs bedienen, der direkte Verbindung zur Regierung und zu den Ministerien hielt. Familienpolitisch war sie nicht minder aktiv – und so offensiv, daß ihr Mann bei den deutschen Fürsten – so Großherzog Ernst Ludwig von 39 39
Hessen später – »nur den Namen ›Onkel Wie-du-willst-Luise‹« getragen habe.83 Und doch darf man sie sich keinesfalls als Ehefrau vorstellen, die es darauf abgesehen hatte, ihren Gatten zu marginalisieren. Luises Bestreben war eher darauf gerichtet, den Souverän zu lenken. In vielen Fragen entwickelte sie sich zum wichtigsten Mentor ihres Mannes. Niemals verlor sie die politische Zweckbestimmung ihrer Ehe aus den Augen. Eine Badenerin (im populistischen Sinne) wollte sie wohl eher nicht werden, aber durchaus ihrem Gemahl ein hohes Ansehen bei seinen Landsleuten sichern – insbesondere, wenn es um die Reputation des großherzoglichen Hauses ging. Die erste große Herausforderung, mit der sich Friedrich I. als Oberhaupt der Herrscherfamilie konfrontiert sah, waren im Frühjahr 1871 die Heiratspläne seines jüngsten Bruders Karl. Der inzwischen fast vierzigjährige, sehr zurückgezogen lebende, weder politisch noch militärisch ambitionierte Prinz hatte sich mit einer Hofdame seines Bruders Wilhelm, der 13 Jahre jüngeren Rosália Freiin von Beust, verlobt. Zwar machte das Herrscherpaar – wie sein Bruder Wilhelm überliefert hat – zunächst »sehr entschieden Front gegen Karl«84 – Rosália stammte aus niederem Adel, deren Mutter auf den Namen Emilie Meier getauft war, und Karl hatte seinen Bruder erst nach der Verlobung um die förmliche Erlaubnis zur Heirat gebeten –, gab dann aber ziemlich schnell auf, ja, der Großherzog erhob seine Schwägerin sogar in den Grafenstand, so daß sie fortan den Namen Gräfin Rhena trug. Zu einem Dilemma drohte diese Ehe erst am 29. Januar 1877 zu werden, als der Sohn Friedrich (genannt »Fritzi«) zur Welt kam. Denn fortan bemühten sich die Eltern, vor allem die Mutter, aus diesem Grafen Rhena – so wie aus seinem Großvater Leopold – einen echten Prinzen von Baden zu machen. Das badische Herrscherpaar lehnte solche Überlegungen strikt ab, um keine öffentliche Diskussion über die Legitimität badischer Prinzen anzufachen; mitsamt der unseligen Geschichte der Geyersberg, Kaspar-Hauser-Affäre und unrechtmäßiger Absetzung des Großherzogs Ludwig II. Friedrich hatte die Ehe seines Bruders zwar erlaubt, doch darüber hinaus lautete das Dogma: In einer Erbmonarchie kann es nur eine herrschende Familie von königlichem Blut geben, weil man sich nur so den Untertanen gegenüber als die überragende, herrschaftsberechtigte Macht darstellen könne.85 Die Eltern von »Fritzi« emp40 40
fanden die dauerhafte Zurücksetzung ihres Sohnes als ein schweres Unrecht. Seine Mutter wollte das Schicksal des gesamten Herrscherhauses sogar »der Rache Gottes überlassen«.86 Dieses Drama drang erst einmal nicht nach außen, brachte aber im Herrscherhaus viel böses Blut hervor. Auch Friedrichs anderer Bruder, Wilhelm, der Vater unseres Titelhelden, brachte dem Großherzog wenig brüderliche Zuneigung entgegen. Darauf wird später noch näher eingegangen. Dagegen stellte die Heirat der einzigen großherzoglichen Tochter Victoria mit Kronprinz Gustaf von Schweden im Jahre 1881 eine ausgesprochen gute Partie für das Haus Baden dar.87 Zwar war auch das schwedische Königshaus der Bernadottes eine (nicht blaublütige) Stiftung Napoleons, der die Dynastie Holstein Gottorp 1809 einfach abgesetzt und einen seiner bürgerlichen Marschälle dort mit Hilfe des Reichstags zum Thronfolger gemacht hatte.88 Aber das Hoheitsgebiet der Monarchie erstreckte sich zum Zeitpunkt der Verlobung über die in Personalunion vereinigten Staaten Norwegen und Schweden, die im europäischen Mächtekonzert ein nicht zu unterschätzendes Gewicht besaß. Der dynastische Hintersinn der Heirat bestand darin, daß die Mutter des badischen Großherzogs und Brautvaters selbst schwedisches Blut in den Adern hatte, genauer gesagt: das Wasablut des von seinem Herrscherthron vertriebenen Schwedenkönigs Gustaf IV. Adolf. Eine Heirat von Victoria von Baden und Gustaf Bernadotte bedeutete also dreierlei: Zum einen rehabilitierte sich die Wasadynastie, (die damit vor einer Rückkehr auf den schwedischen Thron stand), die Familie der Bernadottes wurde durch diese Verbindung zum preußisch-deutschen Kaiserhaus aufgewertet, das durch die Brautmutter repräsentiert wurde; und schließlich vernetzte sie das badische Haus mit einer europäischen Macht. Zwar wurde die Ehe gemeinhin als Liebeshochzeit angesehen – der Großherzog Friedrich sprach von einer echten Herzensentscheidung89 –, und »Vicky« schenkte dem schwedischen Herrscherhaus schon in den ersten Ehejahren zwei gesunde Agnaten. Doch sie zeigte sich weder willens noch in der Lage, in dem Land ihres Mannes heimisch zu werden. Die höfische und politische Kultur Schwedens blieben ihr fremd, das skandinavische Klima machte sie krank. Mit ihren nach den Worten ihres Schwiegervaters »schiefen hohenzollernschen Ideen und ihrem ›Hermelinsfieber‹«90 entfremdete sie sich in zunehmendem Maße auch von dem schwedischen Königspaar. Jedenfalls vermochte Vicky die in sie gesetzten Erwartungen an eine schwedi41 41
sche Kronprinzessin nicht zu erfüllen.91 In dieser Situation trat sie spätestens 1890 die Flucht in die Krankheit an, die fortan zu ihrer Überlebensstrategie werden sollte. Nicht, daß es sich um Krankheitseinbildung gehandelt hätte, aber es ist auffällig, daß sich Victoria zur Behandlung ihrer Leiden immer häufiger in ihrem Heimatland Baden und dann seit 1889 vorzugsweise in Italien aufhielt. Was umgekehrt zur Folge hatte, daß man sie immer seltener in Schweden sah.92 Die Familie äußerte sich dazu nur im engsten Kreis, dort kamen die »großen Sorgen für die Zukunft« zur Sprache, die ihnen die Krankheitssymptome Victorias zu tragen gab: »Gott helfe weiter!«93 Wir werden später sehen, daß auch das Leben des Prinzen Max durch das Schicksal seiner Kusine Victoria nachhaltig berührt wurde. Die Suche nach einer Gattin für den Thronerben Friedrich dürfte wohl die wichtigste familien- bzw. dynastiepolitische Aufgabe des Großherzogs gewesen sein. Die Lösung zog sich bis 1885 hin. Da hatte der Erbgroßherzog schon sein 28. Lebensjahr überschritten und es in seiner achtjährigen Militärkarriere zum Rittmeister im 1. Garde-Ulanen-Regiment in Potsdam gebracht.94 In den Blick der Eltern des Erbgroßherzogs war zunächst die Tochter des verwitweten Großherzogs von Hessen, Elisabeth, geraten. Doch die Partie mit »Ella«, einer sehr selbstbewußten Enkelin von Queen Victoria, kam trotz mehrmonatigen Bemühungen nicht zustande. Die Prinzessin gab Friedrich von Baden im März 1883 einen Korb: Sie wollte ihn einfach nicht zum Mann.95 Vielleicht hätte er sich Ella gegenüber nicht »liebenswürdig« genug gemacht, mutmaßte die englische Königin.96 Womit sie wohl nicht ganz falsch lag. Denn das, was über den Charakter des badischen Thronfolgers überliefert ist, läßt ihn nicht gerade besonders attraktiv erscheinen.97 Nach der gescheiterten Brautwerbung im Hause Hessen, die übrigens viel böses Blut erzeugte,98 waren Friedrichs Eltern erst im Sommer 1884 wieder auf der Suche nach einer Schwiegertochter; lanciert wurde dies der Öffentlichkeit durch Zeitungsgerüchte, die offensichtlich mehr als Gerüchte waren.99 Angeblich sollte der badische Thronerbe ein Interesse an der fast zwanzigjährigen Prinzessin Hilda von Nassau haben – eine nicht ganz erstklassige Option, war doch ihr Vater, Herzog Adolf von Nassau, einer der Verlierer des Krieges von 1866, der seinen Thron eingebüßt hatte und im bayerischen Exil lebte.100 Das zeigt, daß der Großherzog die Hoffnungen, daß sein 42 42
Sohn eine herausragende Partie machen könnte, inzwischen wohl begraben hatte. Umgekehrt stand nicht zu befürchten, daß Hilda und ihre Eltern allzu hohe Erwartungen an den Bewerber stellten; für das Haus Nassau bedeutete diese Heirat schließlich den Schritt zurück in den ersten Kreis der adeligen Häuser Europas. Die zurückhaltende, bescheidene, duldsame und anpassungsfähige Frau scheint für ihren Mann ein Segen gewesen zu sein, da sie das ohnehin schon mühevolle Thronfolgerleben nicht durch Prätention oder gar Herrschsucht erschwerte. Es dauerte lange, bis sie »die ihr eigene kindliche Schüchternheit und Scheu« ablegte.101 Auch der Verfügungsgewalt, die ihre Schwiegermutter über das junge Ehepaar beanspruchte, hat sie sich duldsam ausgeliefert.102 Es war zu verschmerzen, daß sie keinen Glanz und keine Grandezza verkörperte – ungleich schwerer wog hingegen die Kinderlosigkeit der Ehe. So daß diese Heirat ihren dynastischen Hauptzweck verfehlt hatte.103 Waren Mißheirat und Bruderzwist nicht gerade dazu angetan, die Stimmung im Hause Baden zu verbessern, so kam noch die chronische Indolenz des Thronerben hinzu, die das Leben des Erbprinzen dauerhaft zu verschatten drohte, sowie die Flucht der Tochter in die Krankheit, vor ihrer Verantwortung als designierte Königin von Schweden. Und, als Höhepunkt der besorgniserregenden Entwicklung, erschütterte zu Beginn des Jahres 1888 die Herrscherfamilie ein tragischer Todesfall – in ihren Grundfesten, weil er die Hoffnung auf eine positive Zukunft gänzlich zu begraben drohte. Was war geschehen? Am 20. Februar hatte Professor Bäumler, der Chef der Freiburger Klinik, beim 22-jährigen Prinz Ludwig Wilhelm von Baden, dem jüngeren Sohn des Großherzogs, eine leichte Lungenentzündung diagnostiziert und eine baldige Genesung vorausgesagt.104 Doch trotz guter Konstitution des jungen Mannes nahm die Krankheit innerhalb von nur drei Tagen einen tödlichen Verlauf. Die Eltern waren gerade in dieser Woche verreist, und nach ihrer Rückkehr fanden sie in Freiburg nur mehr ihr totes Kind vor. Ludwigs Cousin Max schrieb über »das niederschmetternde Unglück«, daß es die Eltern »um Jahre« habe altern lassen: »Die Stadt und das ganze Land sind tief erschüttert.«105 Auch für den Großvater, den greisen Kaiser Wilhelm I ., der selbst nur zwei Wochen später sterben sollte, war das ein »entsetzlicher Schlag, den uns die Vorsehung sendet. Ein Fürst in der Blüte der Jahre, mit den gegründetsten Hoffnungen und Erwartungen […] so plötzlich entrissen zu 43 43
sehen, ist unerklärlich.«106 Auch in Hofkreisen stellte sich dieser plötzliche Tod als ein Schicksalsschlag dar, auf den man »nicht im entferntesten« vorbereitet war.107 Viele Jahre später erfuhr die Presse, daß Ludwig »den Folgen eines Duells erlag. Die Vertuschungsparole von einer schweren Lungenentzündung, der er erlegen sei, ließ sich nicht durchführen. Die behandelnden Ärzte mußten sich ihrer angegriffenen Berufsehre erwehren.«108 Auch Wolf Graf Baudissin, der 1888 als Fähnrich beim 5. Infanterie-Regiment Nr. 113 in Freiburg diente, schrieb in seinen Erinnerungen, daß der Prinz »gar nicht eines natürlichen Todes gestorben [war], sondern im Duell gefallen«. Und er fügte vielsagend hinzu: »Ich bin ehrenwörtlich verpflichtet, den Namen seines Gegners nicht zu nennen. Aber auch ohnedem weiß ja heute alle Welt, wer dem lebenslustigen und lebensfrohen Prinzen mit der Waffe in der Hand gegenübertrat, um von ihm Rechenschaft zu fordern für die Ehre, die er seiner Schwester geraubt.«109 Da diese rufschädigenden Aussagen von dem Hause Baden nie dementiert wurden, wird man diese Version des Unglücks nicht von vornherein abtun können.110 So oder so, dieser plötzliche Todesfall brachte das Haus Baden in eine äußerst mißliche Lage. Der preußische Gesandte in Karlsruhe schrieb noch vor der Beerdigung des Verstorbenen an Reichskanzler Bismarck über die politische Tragweite des plötzlichen Ablebens von Ludwig: »Für den Fall, daß S. K. H. der Erbgroßherzog ohne männliche Nachkommen bliebe, wären mit dem Tod des Prinzen die Hoffnungen auf eine direkte Thronfolge vernichtet. Der jetzt 20-jährige einzige Sohn des Prinzen Wilhelm, Prinz Maximilian Alexander, wäre alsdann der letzte erbberechtigte Prinz des badischen Hauses.« Der Wunsch eines jeden fürstlichen Herrscherpaares, die Zukunft der Dynastie durch eigene Kinder zu sichern, schien zerbrochen. Die Herrschaft des Hauses Baden mußte auf anderem Weg gesichert werden. Als Kaiserin Elisabeth von Österreich die Nachricht vom Tod des ihr persönlich gut bekannten Prinzen Ludwig von Baden erhielt, sprach sie: »Es scheint sich der Fluch zu erfüllen, daß das badische Haus aussterben werde, weil es durch das Verbrechen an Kaspar Hauser zur Regierung gekommen ist.«111 Mit diesem Verdikt über die vom Schicksal geschlagene Familie stand sie nicht allein. So soll sich nach einem Gesandtenbericht aus Karlsruhe auch Friedrich I. nach dem Tod seines Sohnes wieder viel mit der »Caspar Hauser Affaire« 44 44
beschäftigt haben, »daran trübe Zukunftsgedanken knüpfen«, ja »eine Art von abergläubischer Besorgnis bezüglich des möglichen Aussterbens des Zähringer Hauses nicht los werden können«.112 Und so richtete sich die Hoffnung des Großherzogs und seiner Familie auf den Prinzen Max.
Zwischen Auflehnung und Vermittlung. Die Eltern des Prinzen Max Am 18. Dezember 1829 war in Karlsruhe Max’ Vater geboren und zwei Wochen später auf den Namen Ludwig Wilhelm August evangelisch getauft worden.113 Über seine Jugendjahre wissen wir aus den ohnehin spärlichen Quellen kaum mehr zu berichten, als daß er mit seinem jüngeren Bruder Karl erzogen und beide zum Militärdienst bestimmt wurden.114 Ansonsten scheint Wilhelm inmitten seiner Geschwister bis in die dreißiger Jahre ein recht beschauliches Dasein geführt zu haben, sieht man von der Separierung gegenüber beiden älteren Brüdern ab, auf deren Sozialisation als designierte Thronerben die Eltern größere Sorgfalt verwandten. Ob und was Wilhelm von der zunehmenden Entfremdung seiner Eltern, die Mitte der dreißiger Jahre begann, mitbekam, ist nicht überliefert. Mit 18 Jahren, nur wenige Monate vor Ausbruch der Revolution in Baden, teilte sein Vater den jungen Mann als Leutnant dem Badischen Leib-Infanterie-Regiment zu. Doch in den turbulenten Jahren 1848/49, während deren sich selbst die badischen Leibregimenter auf die Seite der Demokraten schlugen, kam Wilhelms Militärkarriere ins Stocken. Erst der Eintritt in das 1. Preußische Garde-Regiment zu Fuß brachte Ende November 1849 im fernen Potsdam die Wende. Bald wurde er zum Premierleutnant jener schlagkräftigen Armee, die das Großherzogtum Baden mit Gewalt restauriert hatte. 1854 wechselte er in den Stab der Gardeartillerie nach Berlin, wo er bald den Rang eines Oberst-Leutnants bekleidete. Zum preußischen Königshaus pflegte Prinz Wilhelm sowohl in seinen Potsdamer als auch in seinen Berliner Dienstjahren nähere Beziehung. Aber auch am russischen Zarenhof brachte man ihm schon 1855 Vertrauen entgegen.115 Durch die Verlobung seines Bruders Friedrich mit der einzigen Tochter des späteren Königs von Preußen im Herbst dieses Jahres wurde der Kontakt zwischen den Häusern 45 45
Der Vater Prinz Wilhelm von Baden. Fotografie aus den 1860er Jahren
Hohenzollern und Baden noch enger. Dasselbe gilt für das Haus der Romanows, in das Wilhelms jüngere Schwester Cäcilie 1856/57 einheiratete.116 Im Herbst 1856 wurde Prinz Wilhelm von Baden unter die Befehlsgewalt seines Bruders Friedrich gestellt, der nun der souveräne Herrscher in Baden und Oberhaupt des Hauses Zähringen war. So beorderte ihn der Oberbefehlshaber der badischen Armee im November 1859 nach zehnjährigem Aufenthalt in Preußen nach Karlsruhe zurück, um ihn dort zum Chef des 4. Badischen Infanterie-Regiments zu machen. Zumindest äußerlich erscheint Prinz Wilhelm als der geborene Gardeoffizier: stattlich, schneidig und elegant zugleich, respekterheischend – männlich. Er soll groß gewachsen, blond und blauäugig, ja, ein schöner Mann gewesen sein. Ein Frauenheld? Vielleicht, aber entscheidender war sein Wert auf dem Heiratsmarkt des europäischen Hochadels. Dort waren die Meinungen geteilt. So mokierte sich Königin Augusta von Preußen ganz ungeniert über »das unzusammenhängende Wesen, das wir bei ihm beklagen«.117 Diese Bemerkung erfaßt in der Tat einen Wesenszug, der uns noch begegnen wird: Es scheint, als fehle Wilhelm der ruhende Pol, ein weltanschaulicher Fluchtpunkt – mit der Folge, daß er immer wieder in verschiedene Richtungen aufbricht, ohne aber anzukommen. So verließ er 46 46
seine badische Heimat Ende 1860 schon wieder, um in Rußland, genauer gesagt, in der aufrührerischen Kaukasusprovinz das Kriegshandwerk aus eigener Anschauung zu erlernen. Und zwar bei seinem Schwager, dem Großfürsten Michail Nikolajewitsch, der als Gouverneur in Tiflis fast wie ein Monarch residierte.118 Bei der militärischen Erkundungsreise sollten wohl hauptsächlich die Heiratschancen im Hause Romanow sondiert werden,119 sie diente aber auch der Geheimdiplomatie, und um politische Strömungen im Zarenreich auszukundschaften. Im Herbst 1861 übernahm Wilhelm wieder seinen Posten bei der Gardeartillerie in Berlin. Von hier aus brachte er sich selbst im Winter 1862/63 als Kandidat für den vakant gewordenen griechischen Königsthron ins Gespräch, scheiterte aber recht kläglich, da sich keiner der Entscheidungsträger bei dieser Königswahl für ihn einsetzte.120 Allein die Tatsache, daß Wilhelm – ohne Absprache mit seinem Familienoberhaupt – seinen Hut damals in den Ring warf, zeigt, daß er ausgesprochen impulsiv seine prestigeträchtigen Ziele verfolgte. Es wird aber auch deutlich, daß sich dieser Mann heimatlos fühlte. Um dem entgegenzuwirken, wurde eine standesgemäße Verheiratung mit Niederlassung in Karlsruhe betrieben – von wem genau, wissen wir nicht. Die Frau, die ihm schließlich nach zweijährigem Werben am 11. Februar 1863 in St. Petersburg angetraut wurde, hatte einen französischen Stiefsohn Napoleons zum Großvater väterlicherseits, ihre Großmutter mütterlicherseits war eine russische Zarengattin mit Vorfahren aus dem Hause der Hohenzollern. Im Frühjahr 1863 nahm das junge Paar seinen Wohnsitz in Karlsruhe, wo es ein Palais in der Nähe des Residenzschlosses bezog. Die Apanage, die Wilhelm nun als standesgemäß verheirateter Prinz bezog, reichte für einen fürstlichen Lebensstandard – aber nicht für viel mehr.121 Gerade der Vergleich mit dem prachtvollen Dasein seines Bruders und dessen Frau mag ihn geschmerzt haben. Das schien sich zu ändern, als ihn sein Bruder im Spätherbst 1865 zum Generalleutnant ernannte und ihm den Oberbefehl über die badische Armee abtrat. Doch was wie eine hohe Auszeichnung aussah, entpuppte sich als eine Art Danaergeschenk, mit dem der Großherzog Schaden von seiner Person abwenden wollte. Denn schon damals zeichnete sich ein Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland ab, bei dem Baden – allem Bemühen des Großherzogs zum Trotz – nicht neutral bleiben konnte, zumal die badische 47 47
Bevölkerung und auch das badische Militär einen Schulterschluß mit Österreich favorisierten.122 Im Juni 1866 waren die Bemühungen Friedrichs gescheitert, Baden aus dem drohenden Krieg herauszuhalten. Zwar konnten durch diverse Verzögerungstaktiken der badischen Armee verlustreiche Kämpfe erspart werden. Doch der offene Argwohn der eigenen Bevölkerung und der Militärs wog schwer; die Armee soll ihrem Oberkommandierenden sogar aus Wut über dessen Untätigkeit die Fenster eingeworfen haben.123 Durch den Verlauf des deutschen Krieges verlor das Haus Baden kolossal an Ansehen. Es traf jedoch Wilhelm als Oberbefehlshaber ungleich härter als Großherzog Friedrich. Ähnlich glücklos verlief auch die Mission am Berliner Hof, zu der Prinz Wilhelm im Januar 1867 von seinem Bruder geschickt wurde, um die Möglichkeiten eines politischen und militärischen Anschlusses an das siegreiche Preußen zu ventilieren.124 Seine Briefe verraten unschwer, daß er dieser Aufgabe nicht gewachsen war. Weder durchschaute er Bismarcks deutschlandpolitisches Kalkül, noch begriff er die inzwischen zur Tatsache gewordene Dominanz des Eisernen Kanzlers. Dieser ließ den Besucher aus Baden dann auch ziemlich links liegen und legte dem Großherzog nach einigen Wochen sogar nahe, seinen Bruder wieder abzuberufen, da ihm der direkte Verkehr des Prinzen mit seinem König allmählich »lästig« werde.125 Mitte Februar 1867 war Prinz Wilhelm wieder zurück in Karlsruhe, und den Abschluß der badischen Militärkonvention mit Preußen besiegelte der Großherzog am 15. März 1867 in Berlin selbst – und allein. Den Zenit seines politischen Wirkens hatte Prinz Wilhelm bereits 1867, dem Geburtsjahr seines einzigen Sohnes Max, überschritten. Im April 1869 entließ Großherzog Friedrich seinen Bruder aus seiner Stellung als Oberkommandierender des nunmehr eng an Preußen angeschlossenen Badischen Armeekorps. So war Wilhelm bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges Mitte Juli 1870 Offizier a. D. Erst ein Vierteljahr später erreichte er seine Reaktivierung. Aufgrund einer Vakanz erhielt er den Oberbefehl über die 1. Badische Infanterie-Brigade, was faktisch eine Abstufung seines militärischen Ranges bedeutete. Über Prinz Wilhelms militärische Leistungen auf dem französischen Kriegsschauplatz ist weiter nichts bekannt geworden,126 nur seine Verletzung durch eine Gewehrkugel im Gesicht am 18. Dezember 1870 – seinem Geburtstag – bei der Schlacht von Nuits in der Nähe von Dijon.127 Daß er im Kampf sein Leben riskierte, ver48 48
schaffte Wilhelm eine Volkstümlichkeit, die den nationalliberalen Wahlausschuß im Wahlkreis Karlsruhe-Durlach auf die Idee brachte, ihm die Kandidatur für einen Sitz im ersten Deutschen Reichstag anzutragen.128 Auch der Großherzog versprach sich von einer solchen – als sicher geltenden – Wahl einen politischen Vertrauensbeweis für sein Haus. Und so ging diese Kandidatur Anfang März 1871 erfolgreich über die Bühne. Wilhelm schloß sich im Reichstag der Fraktion der stark aristokratisch eingefärbten Freikonservativen an, die ihn sogar zu ihrem Vorsitzenden bestimmte.129 Allerdings hat sich der Fraktionsvorsitzende kaum jemals partei- oder parlamentspolitisch profiliert. Auch außerhalb des Parlaments – etwa in den Verkehrskreisen Bismarcks – hat Wilhelm damals nicht Fuß gefaßt. Bei so wenig politischem Engagement verwundert es vielleicht, daß er sich bei den zweiten Wahlen zum Deutschen Reichstag im Januar 1874 abermals von den Nationalliberalen seiner Heimatstadt bitten ließ, für eine weitere Session als Abgeordneter nach Berlin zu gehen.130 Immerhin ermöglichte Wilhelm sein Mandat, sich den Konventionen des Karlsruher Hoflebens zu entziehen und insbesondere seinem Bruder aus dem Weg zu gehen. Der Prinz haderte mit seinem Schicksal, ausgegrenzt zu sein von den Prozessen höchster Meinungsbildung und Entscheidungsfindung – einem unzugänglichen und verschworenen Herrscherbund aus Bruder, Schwägerin und eigener Ehefrau isoliert gegenüberzustehen. In den kommenden Jahren verschärften sich die Differenzen zwischen den Brüdern in innenpolitischen Fragen noch weiter, da Wilhelm ganz offen Opposition gegen den sogenannten Kulturkampf im Reich und in Baden machte.131 Damit war der Prinz selbst für die Nationalliberalen von KarlsruheDurlach als Kandidat für Reichstagswahlen im Januar 1877 nicht mehr tragbar, so daß auch diese öffentliche Tätigkeit im Jahre 1876 ihr Ende fand. Zum Bruch mit dem Herrscherpaar von Baden kam es im Sommer 1878, als Prinz Wilhelm im Wahlkreis Konstanz-Überlingen für die Deutschkonservativen zum Reichstag kandidierte, was hieß, daß er gegen die nationalliberal orientierte großherzoglich-badische Regierung offen Opposition machen wollte. Allerdings unterlag Wilhelm seinem liberalen Konkurrenten bei der Stichwahl und zog sich damit aus dem öffentlichen Leben zurück.132 Solches Verhalten zeigt, daß Max’ Vater ein eigenwilliger und relativ unabhängiger Charakter war, der sich Bruder und Schwägerin nicht ohne weiteres fügen 49 49
wollte. Vielleicht war es die nach eigenen Worten »schwere Erkrankung« seiner Frau im Dezember 1879, die Wilhelm ein wenig zur Raison brachte.133 Es scheint das Verdienst der Prinzessin Wilhelm gewesen zu sein, daß der Kontakt zwischen ihrer Familie und der des Herrscherpaares in diesen schwierigen Zeiten nicht zerriß. Sie war es, die den verwandtschaftlichen Kontakt pflegte und auch die Kinder mit einbezog.134 Die Biographie von Max’ Mutter blieb gezeichnet von der kleinadeligen Herkunft ihres Großvaters: Eugène de Beauharnais, der nur durch die Heiratspolitik seines Stief- und Adoptivvaters Napoleon Bonaparte zum Fürsten hatte werden können.135 Diese Standeserhöhung von Napoleons Gnaden lag nach dem unrühmlichen Ende des Korsen wie ein dunkler Schatten auf der Familiendynastie, deren Oberhaupt seit 1817 Herzog von Leuchtenberg und Fürst von Eichstätt war und den Titel Königliche Hoheit trug. Im Grunde war dies aber nur Camouflage. »Niemals können Kinder eines Beauharnais bayerische Prinzen oder Prinzessinnen werden«, bestimmte schon der bayerische König Ludwig I . und sah in der Heirat seiner Schwester Auguste Amalie mit dem Napoleoniden de facto eine Mesalliance.136 Die früh verwitwete Herzogin von Leuchtenberg vermochte den drohenden sozialen Abstieg ihrer siebenköpfigen Kinderschar durch eine ausgeklügelte Heiratspolitik zu konterkarieren. Bei ihren Töchtern gelang ihr dies vortrefflich, und auch ihr ältester Sohn Auguste wurde 1835 immerhin Gemahl der Königin von Portugal, verstarb allerdings schon wenige Wochen nach seiner Hochzeit. So hätte nur noch Sohn Maximilian die Dynastie Beauharnais-Leuchtenberg fortführen können. Aber wie? Eine Lösung fand sich, als Zar Nikolaus I. dem jungen Herzog Max die Hand seiner ältesten und liebsten Tochter Mary anbot; um einen Preis freilich, der sehr hoch war. Nicht die Braut sollte dem Gemahl auf seinen bayerischen Stammsitz folgen, sondern der Bräutigam sollte wie ein Prinzgemahl nach St. Petersburg ziehen und ihr nach den Riten der griechisch-orthodoxen Kirche angetraut werden. Auch die Kinder aus der Ehe sollten vollgültige Russen, das heißt orthodox erzogen und nach zaristischen Vorgaben in die Gesellschaft eingeführt werden. Ja, sogar das Familienwappen – die pièce de résistence aristokratischer Identität – wurde russifiziert. Das war nur möglich, weil dem Bräutigam die Ehre seiner eigenen Familie 50 50
weniger wert war als seine Standeserhöhung und die Sicherung der Ebenbürtigkeit seiner Kinder. Und weil die Dynastie der Romanows damals auf dem Gipfelpunkt ihrer absolutistischen Herrschaft stand, ausgestattet mit unermeßlichem Reichtum und sie sich innerhalb des europäischen Fürstenadels offenbar nahezu alles erlauben konnte.137 Max starb schon 1852, im Alter von nur 35 Jahren. Und seine Gemahlin ging drei Jahre später mit dem Grafen Stroganow eine zweite Ehe ein, die sehr glücklich gewesen sein soll.138 Für die Kinder, die aus dieser Ehe hervorgingen, schien sich dieses etwas bizarre Arrangement zunächst kaum negativ auszuwirken. Die Familie, in der die großfürstliche Mutter den Ton angab, führte ein glänzendes Hofleben, und die Kinder wurden ganz im Geist der zaristischen Hofkultur erzogen. Aber letztlich blieben auch die russischen Leuchtenbergs von dem Gerede über die Heiratspolitik nicht verschont. Als die älteste Tochter, die am 16. Oktober 1841 geborene Maria Maximilianowna, genannt »Marussja«, ins heiratsfähige Alter kam und sich Prinz Ludwig, Thronanwärter für das Großherzogtum Hessen, für sie zu interessieren schien, machte gleich das böse Wort von einer Mißheirat in Fürstenkreisen die Runde. Die Verbindung wurde nicht weiter verfolgt.139 Marussja war »ein reizendes Kind mit schönen Augen und regelmäßigen Zügen«, das – nach Aussage ihrer Tante – »von der Wiege an unverändert anziehend blieb an Leib und Seele«.140 Als Otto von Bismarck in seiner Petersburger Gesandtenzeit am Zarenhof »die damals in der ersten Blüte jugendlicher Schönheit stehende Prinzessin Leuchtenberg« kennenlernte, war er so angetan von »der ihr eigenen Grazie und Heiterkeit«, daß er diesen Eindruck noch 35 Jahre später in seine Memoiren einfließen ließ.141 Auch anderen Beobachtern zufolge hatte sie das Format zu einer erstklassigen Partie im europäischen Hochadel, und an ihrer kaiserlichen Mitgift dürfte es nicht gelegen haben. Ihre Herkunft war ihr Makel. Seit Winter 1860/61 soll sich Prinz Wilhelm von Baden für Marussja, die Cousine seines Schwagers Michail, interessiert haben.142 Im Dezember 1862 wurde sein Heiratsantrag angenommen.143 Als das jungvermählte Paar sich im März 1863 beim preußischen Hof in Berlin vorstellte, berichtet Kronprinzessin Victoria ihrer Mutter, der Queen: »Ich sehe partout nicht die Veränderung bei ihm, die ich bei fast allen frischvermählten Männern bemerke, egal ob alt oder jung. Er scheint überhaupt nicht zu ihr zu gehören.« Seine rus51 51
Die Mutter aus dem Hause Romanow: Kaiserliche Hoheit Maria Maximilianowna. Portrait aus den 1860er Jahren
sische Gemahlin sei eine edle, großzügige, temperamentvolle Kreatur, offen und warmherzig – und dabei so ungekünstelt, bescheiden sowie sehr sensibel und vorurteilsfrei. »Wilhelm möge sich glücklich schätzen.« Daß »Marussy« so überaus prächtige Juwelen trug, fand Victoria ebenfalls erwähnenswert.144 Zuvor hatte sich schon Großherzog Friedrich I. von Baden sehr löblich über seine neue Schwägerin geäußert.145 Es existiert ein Brustbild der Prinzessin Wilhelm aus der Zeit um 1870, auf dem sich einige markante Linien ihres Persönlichkeitsprofils erkennen lassen. Ja, wir haben es hier sehr wahrscheinlich mit einer bewußt ins Bild gesetzten Selbstdarstellung zu tun. Man sieht eine fürstlich, elegant gekleidete, sehr stattliche vornehme Erscheinung mit ebenmäßigen Gesichtszügen, die mit stolzem Blick ihren Kopf von dem Fotografen abgewandt hat. Im Seitenprofil kommt das pechschwarze Haar stark zur Geltung und verleiht, zusammen mit der fliehenden hohen Stirn, ihrem Kopf etwas Trotziges, Eigensinniges. Sie wirkt willensstark, resolut – und ist sich dabei ihrer hohen Aristokratie vollständig bewußt. Die scharf geschnittene, große Nase, die dünn geschwungenen Brauen und der schmallippige Mund verleihen dem Gesicht einen harten Zug, der durch den strengen, wachen Blick noch verstärkt wird. Beherrscht und kühl kommt 52 52
sie daher, wenngleich ihre Augen zumindest einen Anflug von vager Melancholie verraten. Es läßt sich beinahe der Eindruck gewinnen, daß diese Frau stark wie ein Mann wirken möchte – zumindest autonom und unabhängig, kurz: das, was die Franzosen kaum übersetzbar »un sacré personnage« nennen. Zeitgenossen, die sie aus jener Zeit kannten, priesen die Gemahlin des Prinzen Wilhelm als »eine glänzende Erscheinung, von klassischer Schönheit, namentlich des Profils, lebendig, geistreich, welterfahren, mit Kunst und Literatur vertraut. Mit derselben Anmut, mit welcher sie im großherzoglichen Schlosse sich als die zweite Dame bewegt, tritt sie im eignen Hause als die fürstliche Herrin auf.«146 Auch in politischen Dingen scheint sie beschlagen gewesen zu sein – so beschlagen, daß sich selbst der vielbeschäftigte preußische Ministerpräsident Bismarck im März 1866 Zeit für »ein politisches Gespräch« mit ihr ließ.147 Ihre großfürstlich-russisch geprägte Identität und Authentizität unbedingt zu wahren scheint die wichtigste Vorgabe für ihre Verpflanzung nach Baden gewesen zu sein. Denn auch in der neuen Heimat blieb und fühlte sie sich vor allem anderen als eine Russin, genauer, als eine Zarenenkelin, der auch ihr griechisch-orthodoxer Glaube heilig und unantastbar war. Das, was man heute Integration nennt, war ihr fremd, ja womöglich zuwider. Sie sprach kein Deutsch und wollte es auch zeitlebens nicht lernen. Konversation machte sie in Deutschland auf französisch. Und volksnah wollte sie schon gar nicht werden. Der enge Verkehr mit ihrer russischen Herkunftsfamilie war ihr wichtig, so daß sie viel verreiste und Besuche von Verwandten empfing. Ihre Mitgift beziehungsweise die Einkünfte, die sie in die Ehe einbrachte,148 dürften sie unabhängig gehalten haben. Man denke etwa an die von ihr eingerichtete ostkirchliche Kapelle voll prächtiger Ikonen im Prinzenpalais am Karlsruher Schloßplatz, für die sie eigens einen Popen engagierte.149 Oder ihre ausgedehnten Aufenthalte im Hotel de Russie in Baden-Baden, wo sie Gesellschaften und Empfänge für ihre russischen Landsleute gab, die sich bekanntlich gerne in dem exklusiven Kurort aufhielten.150 Ob diese Maßnahmen gegen eine befürchtete »Germanisierung« förderlich für ihre Ehe waren, muß bezweifelt werden. Zwar paßten viele Partner der damals ausgehandelten Fürstenehen nicht zueinander; im vorliegenden Fall scheinen die Voraussetzungen für eine glückliche Beziehung besonders ungünstig gewesen zu sein. Weder übten sie eine gemeinsame Religion, noch unterhielten sie sich in der Sprache 53 53
des Landes, in dem die engere Familie lebte. Und dazu kam der Rangunterschied zwischen der Großherzoglichen Hoheit des badischen Prinzen und der Kaiserlichen Hoheit seiner russischen Gemahlin. Wilhelm und seine von ihm so genannte »Maroussy« blieben sich kultur- und wesensfremd. So hat die stolze Russin auch letztwillentlich verfügt, nicht an der Seite ihres Gemahls in der Großherzoglichen Grabkapelle in Karlsruhe beigesetzt zu werden, sondern in der Krypta der russischen Kirche von Baden-Baden.151
»Der größte Wendepunkt meines Lebens«: Max im Schicksalsjahr 1888 Durch den plötzlichen Tod des Prinzen Ludwig rückte Max gleichsam über Nacht in die unmittelbare Nähe des badischen Thrones – mit weitreichenden Folgen für sein Leben. Überlagert und verstärkt wurde dieses Ereignis durch den Tod des einzigen Bruders von Großherzogin Luise, des 100-Tage-Kaisers Friedrich III., wenige Monate später. Mit Wilhelm II . kam die Generation an die Macht, der auch Max angehörte. Dieser wechselte gleichsam die Spur: von der Nebenin die Hauptlinie der Dynastie. Die badische Thronfolge der nächsten Generation schien nun allein auf ihm zu ruhen. Dies sicherte ihm einen direkten Zugang zum Souverän, die Verwandtschaft wurde enger. Zugleich stieg Max’ Wert auf dem Heiratsmarkt in Europa. Das Familienoberhaupt hatte somit die Pflicht, den möglichen Thronerben auch materiell so zu stellen, daß er zu einem attraktiven Schwiegersohn für andere fürstliche Herrscherhäuser wurde. Max rückte auch emotional näher an die Herrscherfamilie heran. Die Bestürzung und die Trauer über den »entsetzlichen Verlust« hatte etwas Verbindendes. Schon bald begriff der neue Hoffnungsträger »den Segen«, der ihm »nach diesem Verlust geworden«.152 Wohl nahm er zur Kenntnis, daß nun »Manches« wegfiele, »auf das ich mich in der Zukunft gefreut hatte«. Doch war es ihm wichtig, »seine Pflicht zu tun«. Er mußte sein Leben noch einmal gründlich überdenken. Und er tat dies von Anfang an wohlweislich in enger Abstimmung mit dem badischen Herrscherpaar, das er dafür eigens in Berlin aufsuchte, wo gerade der greise Kaiser Wilhelm I . – Luises Vater – verstorben war. »Ich fand Onkel und Tante schlecht aussehend. Von der ganzen Situation niedergedrückt. Tante Luise weinte oft und On54 54
Vertraute Verwandte: Prinz Max (links) zu Besuch beim schwedischen Kronprinzenpaar Victoria und Gustaf in Tullgarn, 1891
kel Fritz war auch sehr bewegt in einer langen Conversation, die ich mit ihm hatte. Er ist tödlich getroffen. Dabei ist ihre Herzlichkeit zu mir ganz hervorragend, und scheinen sie beide viel Vertrauen zu mir zu haben. Die Ärmsten tun mir in der Seele leid.«153 Auch zu seiner Cousine »Vicky«, der schwedischen Kronprinzessin, entwickelte Max ein enges herzliches Verhältnis. Er bewunderte ihren »unbeugsamen Charakter« und sah in ihr gerade in den Krisenjahren der Großherzogsfamilie Ende der achtziger Jahre »die Stütze von allen«.154 Sie müssen einander sehr gut verstanden haben. So nahm Max aufrichtigen Anteil an den gesundheitlichen Problemen seiner Cousine.155 Viel größeren als gegenüber dem ebenfalls chronisch kranken Erbgroßherzog Friedrich, Vickys Bruder, mit dem er zwar äußerlich gut auszukommen suchte, mit dem er aber auch immer wieder Meinungsverschiedenheiten hatte; vor allem »in Personalfragen verste55 55
hen wir uns schlecht«.156 Und überhaupt, so meinte Max: »Er ist sehr gut und freundlich, aber wirklich warm kann ich nicht mit ihm werden. Er hat zu viel Erziehung und zu wenig Individualität in sich. Man findet keinen Widerhall bei ihm.«157 Gleichwohl schlug die Verschiedenheit der beiden Vettern, soweit erkennbar, nicht in gegenseitige Abneigung um; es war ein nicht besonders herzliches, aber doch wohlwollendes und überaus höfliches Miteinanderauskommen, wobei es Max auch nie an dem nötigen Respekt gegenüber dem ihn in der Thronfolge und im Hofrang vorangehenden und zehn Jahre älteren Vetter fehlen ließ. »Es war vielleicht der größte Wendepunkt meines Lebens«,158 so hat Max die Schicksalswende von 1888 empfunden. Sie trat so plötzlich ein, daß er einige Zeit brauchte, um das ganze Ausmaß zu realisieren. Durch den jähen Einschnitt sei »mit einem Schlag das Bild meiner Zukunft, wie ich es mir geformt hatte«, vernichtet worden. »Als Knabe übte die Poesie den größten Zauber auf mich aus, später wurde diese durch die Musik zurückgedrängt.« Diesen beiden Musen wollte er sich eigentlich verschreiben. Dann hätten sich aber »Rücksichten« geltend gemacht, die ihn »gewaltsam auf praktischere Gebiete hindrängten«. Wenigstens ein Stück weit hatte er sich selber, seiner Natur, seinen Emotionen folgen wollen, und nicht den Festlegungen anderer. Doch die Fäden seines Schicksals allein in der Hand zu halten blieb eine schöne Illusion. Immerhin hat Max noch ein gutes Jahrzehnt an ihr festgehalten; stets bemüht, sein inneres Leben nicht gänzlich zu verleugnen. Er wollte zu mehr gut sein als nur zum Erhalt der badischen Dynastie. Doch eine zusätzliche Motivation, sich in die neue Fürstenrolle auf ganz eigene Weise hineinzufinden, konnte er bei seinem inneren Leben nicht finden – ganz im Gegenteil. Menschliches Bedürfnis und fürstliches Pflichtgefühl miteinander zu vereinbaren, das wurde sein Schicksal, sein Verhängnis. Der unlösbare Widerspruch mit sich selbst. Und so begann eine Seelenqual, aus der er schließlich nicht mehr herausfand. Sie wurde noch verstärkt durch etwas, was er selbst schon früh bei sich erkannte: »Ich denke oft, es muß in meine Entwicklung etwas eingegriffen haben, welches mich einerseits so alert in Gedanken namentlich aber Gefühlen gemacht hat, doch nicht die Fähigkeit mir gegeben hat, diese zu beherrschen und zu bearbeiten.«159
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Das schwere Erbe Ziehen wir eine erste Bilanz, zunächst historisch-politisch: Badens Aufstieg vom kleinen Duodezfürstentum zum ansehnlichen Mittelstaat beruhte zum Teil auf den persönlichen Leistungen des Gründungsfürsten Karl Friedrich, zum größeren Teil erklärt er sich aus der geostrategischen Bedeutung des Landes sowie der Protektion Napoleons und Zar Alexanders I. Der rasante Aufstieg der halblegitimen Hochbergs stand von Anfang an unter keinem guten Stern; die Kaspar-Hauser-Affäre wirkte sich negativ auf ihre Reputation aus und ließ gewisse Gerüchte nie zum Verstummen kommen. Schließlich sorgte die Politik Leopolds mitsamt dem totalen Herrschaftsverlust von 1849 für einen enormen Imageschaden der badischen Monarchie. Deren Neuerfindung durch Friedrich I. auf dem Wege einer Entthronung des Bruders Ludwig und der – politischen – Verschwägerung mit Preußen gab dem badischen Großherzogtum zwar eine Überlebenschance, konterkarierte aber keineswegs die innerdynastischen Verwerfungen, und sie löste auch nicht das generelle Legitimationsproblem der Hochberger. Stellt man in Rechnung, daß die mehr oder weniger souveräne Fürstenherrschaft vom Wiener Kongreß bis zur Bismarckschen Reichsgründung vor allem mit dem ehernen Gesetz des monarchisch-dynastischen Prinzips legitimiert worden war, so entwertete die »Hochbergerei« in Baden ebendiesen Glauben – und den Zähringer Stammbaum. Die von Großherzog Friedrich geprägte leutselige Herrschaftspraxis konnte weder die genealogische Krise überwinden noch den Fluch bannen, mit dem das Fürstenhaus seit Kaspar Hauser gestraft zu sein schien. So brannte das Lebenslicht der badischen Herrscherfamilie schon von beiden Enden her ab, bevor das lange 19. Jahrhundert in sein Endstadium trat. Es war ein höchst fragiles Gebilde, familiär wie politisch, in das Max von Baden hineingeboren wurde. Es stellt sich die Frage, ob er in die zahlreichen »dunklen Seiten« der Familiengeschichte eingeweiht war? Und wie wirkten diese Geschichten, die er zu hören bekam, auf ihn? Empfand er diese Familiengeschichte als singulär in ihrer Tragik? Würde sie weitergehen, diese vermeintliche Tragik? Erzogen von einem verständnislosen Hauslehrer; einen Vater vor Augen, der vom erfolglosen Dasein als zweitrangiger Prinz zermürbt war, und zu sehr geliebt von einer höchst eigenwilligen Mutter streng russisch-orthodoxer Prägung. War das nicht der Stoff für Ver57 57
hängnisse, für seelische Martyrien? Konnte Prinz Max überhaupt entkommen? Woher sollte er den Mut nehmen, das Selbstvertrauen und die Gewißheit, nicht auch von der schrecklichen Dynastietragödie zerstört zu werden, die er nun womöglich selbst verstetigen mußte? Daß Max die fürstlichen Konventionen als besonders drückend empfand, ist in seiner Korrespondenz vielfach bezeugt. Bereits in jungen Jahren besaß er ein Bewußtsein für die eigene Individualität. Schon vor seiner unerwarteten Rangerhöhung hatte ihn der Druck jener Normen so bange gemacht, »daß ich ganz ängstlich bin, wie ich die Erwartungen später in Taten umwandeln soll«.160 Ein mehr oder minder ungebundenes Ästhetenleben, wie es ihm eine Zeitlang vorschwebte, schied aus, als er ab 1888 für den Fortbestand der badischen Monarchie sorgen mußte. Diese Aufgabe war letztlich nur unter Verzicht auf Selbstbestimmung und individuelles Glück wahrzunehmen. Doch hatte man überhaupt die Wahl in so einem Fürstenleben? Konnte gar das schwierige familiäre Erbe für Max, statt zu einer lähmenden Belastung, zu einer Möglichkeit werden, ganz neue Wege zu gehen? Das hing davon ab, wie er seine veränderte Lebensaufgabe interpretierte und wie er das Überkommene wahrnahm. Als eine Art Erbsünde womöglich – mit dann traumatischen Folgeerscheinungen? Oder eher als ein unliebsames dynastisches Syndrom, von dem es sich endlich zu befreien galt? Dann durfte er dem Gewesenen keinerlei Vorherrschaft über das Kommende einräumen.
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Kapitel 2
Zwischen Pflicht und Neigung. Portrait des Prinzen als junger Mann Im deutschen Dreikaiserjahr 1888, dem Jahr der »Schicksalswende«, war Max von Baden 21 Jahre alt. Er trat nun in die Kernphase seiner Fürstensozialisation ein. Dieser Lebensabschnitt dauerte etwa ein Jahrzehnt und endete mit dem Tod seines Vaters 1897, ein weiteres einschneidendes Ereignis; allerdings nicht zu vergleichen mit dem Tod seines Vetters Ludwig, der ihn aus der Unbeschwertheit seines Universitätsstudiums herausgerissen und sein Leben ganz neu ausgerichtet hatte. Das erwies sich nur nach außen hin als problemlos. Innerlich konfrontierte ihn diese Zeit mit Herausforderungen, die ihm viel abverlangten: an Anpassungsbereitschaft, an psychischen Belastungen und auch an schmerzlichen Erfahrungen. Und um ihn herum in Deutschland, was geschah da? Um es gleich vorwegzunehmen, es geschah nichts, was ihn ernsthaft interessiert hätte – und doch ist es sehr wohl der Rede wert. Denn in den für den Prinzen Max formativen Jahren konsolidierte sich das 1871 aus der Taufe gehobene Bismarckreich nach außen, und auch ein bemerkenswertes Stück weit nach innen. Die Gründung des preußisch dominierten kleindeutschen Nationalstaates war zwar nicht demokratisch legitimiert, doch das Gebilde fand trotzdem zunehmend Akzeptanz bei der Mehrheit seiner Bevölkerung. Die politische Kultur begann sich seit den späten achtziger Jahren tiefgreifend zu wandeln; einerseits richteten sich die Medien, die politischen Parteien und die Verbände nun stärker als je zuvor der gesamten Bevölkerung zu – die mit dem Wort »Masse« umschrieben und in dieser Zeit als Phänomen und als politische Kraft »entdeckt« wurde; andererseits waren diese Jahre die Geburtsstunde des Deutschnationalismus, der in den folgenden Jahrzehnten immer stärker wurde und sich ideologisch zunehmend radikalisierte. Wirtschaft und Gesellschaft erlebten in dieser Zeit eine rasante Modernisierung, die vor allem durch das Bürgertum getragen wurde, das zunehmend die Hochkultur, das Bildungssystem und den Wissenschaftsbetrieb dominierte. Es begann 59 59
sich sogar langsam von den traditionellen adeligen Eliten zu emanzipieren. Der konjunkturelle Aufschwung vermehrte den Reichtum bestimmter Schichten enorm, erzeugte aber auch Partizipationsprobleme. Die soziale Ungleichheit wurde strukturell festgeschrieben, so daß sich im Reich und in den Einzelstaaten die polarisierten Klassen gegenüberstanden; das barg ein hohes Potential an Spannungen und Konflikten. Zeitgleich entstand die moderne Arbeiterbewegung, die Bismarck versuchte zuerst durch das Sozialistengesetz zu bekämpfen und später durch die Sozialreformen von links zu überholen. Doch ihr Vormarsch schien nun unaufhaltsam. Schließlich vollzog sich in dem besagten Jahrzehnt der politische Übergang von Bismarcks autoritärer Reichskanzlerschaft zu dem Versuch Kaiser Wilhelms II., eine persönliche Monarchie aufzubauen. Es war die Geburtsstunde der klassischen Moderne unter den Bedingungen des preußisch-deutschen Wilhelminismus. Doch die meisten Anzeichen dieser neuen Zeit gingen spurlos am Prinzen Max vorbei. Das lag daran, daß die rasante Beschleunigung dieser Epoche die Welt der Monarchen kaum tangierte. Die historische Tatsache einer sich dynamisch verändernden Gesellschaft war das eine, das subjektive Bild eines kognitiven Stillstands im unmittelbaren Lebenszusammenhang des Prinzen Max das andere. Dort enorme Entwicklungssprünge nach vorn in das moderne Zeitalter, hier eine rückwärtsgewandte Stagnation unter der Glocke exklusiver Hochadelskultur. Aber noch etwas kam hinzu. Der junge Prinz blieb weitgehend auf sich selbst bezogen, die ganze Zeit über war er vollauf damit beschäftigt, sich an seine neue Situation zu gewöhnen – und in seinem eigenen Leben als angehender Fürst anzukommen.
Akademische Zwischenspiele Unmittelbar nach seinem Abitur im Sommer 1885 immatrikulierte sich Max für gut zweieinhalb Jahre an deutschen Universitäten; zunächst in Freiburg, dann in Heidelberg und Leipzig. Ein »ernstes Studium« der Jurisprudenz mit »Ablegung des Staatsexamens« hatte sein Vater von ihm verlangt.1 Dafür hatte Prinz Wilhelm beim Familienoberhaupt eigens eine vorläufige Befreiung seines Sohnes vom Militärdienst erwirkt. Womöglich wollte er seinem Bruder beweisen, daß sein Sohn zu mehr befähigt war als einem »Schnupperstudium«, 60 60
bei dem es die in der Thronfolge Vorangehenden bewenden ließen. Den Studenten Max scheint die hohe Erwartung seines Vaters erst einmal nicht weiter bekümmert zu haben.2 Wichtiger war für ihn, endlich seinem Hauslehrer Roscher entkommen zu sein, so etwas wie ein »selbständiges Leben« zu führen und nicht zuletzt sich »gut zu unterhalten«.3 In Freiburg logierte er im ersten Hotel am Platz, im Zähringer Hof. Sein Mentor war der renommierte Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus, der »so ziemlich alle hochgestellten Personen und alle bedeutenden Gelehrten unserer Zeit kennt«,4 wie Max stolz seinem Freund Ernst berichtete.5 Der kaisertreue katholische Geistliche war Max’ Eltern wie auch dem großherzoglich-badischen Herrscherpaar schon länger freundschaftlich verbunden gewesen. Er soll klug und formgewandt gewesen sein. Kraus hatte nach eigenem Bekunden »eine ganz besondere Freude« an dem Verkehr mit Max.6 Er arrangierte für ihn sogar an jedem Montagabend einen Jour fixe, »wo die Crème der hiesigen Gesellschaft bei mir [Kraus] zusammenkommt«. Max hat die »Liebe und Freundlichkeit«, die ihm Kraus entgegenbrachte, »aus vollem Herzen« goutiert, wie sein Brief an den Mentor zum Jahreswechsel 1885/86 bezeugt. Darin zeigte er sich zutiefst dankbar dafür, wie der Professor ihn »immer und immer wieder auf die großen Ziele aufmerksam machte[n], die ich als Christ und als meinem Fürsten treuer Mann zu erreichen suchen muß«.7 Kraus stand in dem Ruf, ein ganz besonderes Sensorium für die Gefahren zu besitzen, die dem monarchischen System aus der katholischen Bevölkerung heraus drohten, die sich nicht zuletzt in Baden durch den kulturkämpferischen Kurs der großherzoglichen Regierung drangsaliert fühlte.8 Es ist davon auszugehen, daß er auch seinen Schützling Max dafür zu sensibilisieren suchte. Der intensive Kontakt, den Max in Freiburg zu Professor Kraus aufbaute, war der Beginn einer langanhaltenden Freundschaft.9 Überhaupt waren die zehn Monate, die er – mit Unterbrechungen – im Breisgau zubrachte, für Max eine äußerst erfreuliche Zeit.10 Die Gesellschaft, in der er sich bewegte, empfand er als »sehr nett und riesig freundlich«; er spielte »ziemlich viel Klavier«, lernte Offiziere kennen, »worunter mehrere musikalisch sind«, versuchte sich an kleinen Dramen und saß auch einige Zeit »hinter dem Bierglas«. Die Vorlesungen langweilten ihn so sehr, daß er immer wieder an sich appellieren mußte, fleißig zu arbeiten. Als er dann im Oktober 61 61
Verschworene Vettern und Heidelberger Kommilitonen: die Prinzen Max (links) und Ludwig von Baden, um 1886
1886 an die Universität Heidelberg wechselte, hatte er aber auch dort im 4. Semester noch den Eindruck, in seinem Jurastudium nichts wirklich Positives zu leisten; »[U]nd ob es je sein wird …? – ich zweifle oft daran«.11 Das lag vor allem daran, daß ihn ganz andere Dinge interessierten, in Heidelberg noch mehr als in Freiburg. Denn dort lebte er zwei Semester lang mit seinem Vetter Ludwig »einträchtiglich zusammen«, und »wir freuen uns unseres Daseins«.12 Aus gutem Grund, denn die beiden Prinzen wurde am Neckar mit Einladungen geradezu überschüttet. Wenn sie sich nicht in Gesellschaften verlustierten, frönten sie der Jagd. Mit seiner Jagdbegeisterung hatte Ludwig Max angesteckt, und so fuhren sie oft in den Schwarzwald hinauf. So blieb auch in der kurpfälzischen Stadt für ein ernsthaftes Jurastudium kaum Zeit – von Lust und Interesse an dem Fach ganz zu schweigen. Max bevorzugte das Studium der Geschichte,13 er las viel historische Literatur, namentlich die Klassiker: Ranke, Treitschke, 62 62
Sybel; und auch deren englische Pendants Macauly oder Carlyle. Daneben interessierte er sich für den Kunsthistoriker Jacob Burckhardt.14 Nachdem auch die zwei Semester Heidelberg nichts zu einem erfolgreichen Studium beigetragen hatten, kam es im Oktober 1887 in Leipzig zu einem dritten Anlauf. Mit allerdings wiederum nur mäßigem Erfolg.15 Denn auch hier hielten Amüsement und geselliger Verkehr – vor allem mit »Tino«, dem Kronprinzen Konstantin von Griechenland, sowie mit »Taxis«, dem Fürsten Albert von Thurn und Taxis – den Prinzen Max davon ab, sich auf seinen Studienabschluß zu konzentrieren.16 Nach dem Tod seines Vetters Ludwig im Februar 1888 stand dann auch eine ganz andere Frage im Zentrum seiner Zukunftsplanung, nämlich »welches Regiment mir zu empfehlen sei«,17 für den nun anstehenden Militärdienst. Zwar wollte er weiterstudieren, »bis ich das Examen im Wagen habe«, aber das war wohl mehr eine Konzession gegenüber dem väterlichen Wunsch. Denn schon wenige Wochen später spielte Max bereits mit dem Gedanken, ob es nicht »viel rationeller« wäre, »ich machte am Ende des nächsten Semesters meinen Doktor anstatt des badischen Examens«.18 Ein richtiges juristisches Staatsexamen hatte es schon damals in sich, dagegen war der Dr. jur. nur eine Art Zugabe zu diesem, bedurfte also weit geringerer Anstrengungen. Aber Max schwante auch schon: »Ich werde hierbei auf unüberwindliche Schwierigkeiten in Gestalt meines Papas stoßen«. Und so war es auch. Ab Herbst 1888 mußte er »sinnlos ochsen«, was ihn höchst »unzufrieden« machte. Er war nun in einem »ungesunden, unruhigen« Zustand »mit dem verfluchten Examen auf dem Buckel, von dem jeder spricht, das ich aber allein zu bestehen habe«.19 Immerhin wurde ihm in Leipzig das große Privileg einer intensiven Betreuung zuteil, eine Art privates Repetitorium, bestehend aus drei Professoren, die ihm zuarbeiteten. Das schien nötig zu sein, da Max seinem Freund Ernst gegenüber zugab: »Ich bin das Faulste, was man zu finden vermag.«20 Wohl auch aus diesem Grund nahm Max noch einmal seinen »ganzen Verstand zusammen, um Gründe zu finden, die Papa für meinen Plan [des Doktorexamens] gewinnen könnten«. Sein Argument war, »daß ich genügend studiert haben werde, sobald ich in der Lage bin, einen Abschluß zu gewinnen«.21 Unterstützt wurde er dabei von dem Philosophieprofessor Kuno Fischer, einem alten Freund und Gönner aus Heidelberg, dessen Vor63 63
lesungen er regelmäßig gehört hatte. Mit Fischers Hilfe gewann er schließlich die Heidelberger Gelehrten22 – und auch seinen Vater, der nun seinen »Stolz darin setzte, einen Doktor zum Sohne zu haben«.23 Der Großherzog hatte in einem Vier-Augen-Gespräch schon vorher konzediert, daß ihm »Doktor und Staatsexamen einerlei wäre«24: Max war am Ziel. Nun könne er »möglichst schnell in die Uniform schlüpfen« und schon im kommenden Herbst in einem der Berliner Garderegimenter stehen. Dem preußischen Gesandten in Karlsruhe war dies sogar eine Meldung nach Berlin wert, in der er Bismarck »die juristische Doktorprüfung« des Prinzen Max an der Universität Leipzig für das kommende Frühjahr in Aussicht stellte. Doch der Kandidat wurde nicht in Leipzig, wo er bis zum 14. April 1889 immatrikuliert blieb, sondern in Heidelberg promoviert, und zwar nur zwei Tage später mit dem Prädikat »summa cum laude«. Es kann kaum ein Zweifel bestehen, daß es sich um eine Courtoisiepromotion handelte; auch die Dissertationsschrift wurde ihm erlassen.25 Max war glücklich »über den kleinen Erfolg, den ich errungen.«26 Fragt man nach den Ursachen des wenig ambitionierten Studiums, so wird man zuerst auf mangelnden Fleiß und Ehrgeiz stoßen. Max war es offenbar nicht gewohnt, sich ernsthaft mit einer Materie wie der Jurisprudenz zu befassen. Zwar konnte er durchaus strebsam und fleißig sein – wie zum Beispiel die Offiziersprüfung vom November 1889 beweist, von der er berichtete, daß »ich noch nie in meinem Leben so gearbeitet habe«.27 Eine weitere, weit wichtigere Ursache war sein Interesse an den »schönen Künsten«, denen sich Max schon in früher Jugend verschrieben hatte. Es verlangte ihn geradezu nach arkadischen Gefilden, »wo die liebe Sonne der Kunst und Poesie erstrahlt«.28 Es waren die »Werke Byrons, die mich ungeheuer ansprechen«.29 Byron, der Dichter der »Schwarzen Romantik«, war der Erfinder des »Byronic Hero«, einer archetypischen Figur, die die romantische Künstlerpersönlichkeit in Gestalt von extrem egomanischen Einzelgängern verkörpert – rastlos, verletzbar, einsam.30 Daß Max sich für Byron und seine Dichtung begeisterte, ist aufschlußreich; umso mehr, als er sich in dieser Zeit sogar selbst an einem mythologischen Drama in Versform versucht hat, dem er den Titel Dido gab.31 Dido war der Sage nach eine phönizische Prinzessin. Vom Schicksal schwer geschlagen, begründet sie zunächst Roms zukünftigen Wi64 64
derpart Karthago; durch geschickte List und eine in Streifen geschnittene Kuhhaut. Dann bringt sie sich – Rache schwörend – um der Liebe willen um, nachdem Aeneas, der Sohn der Venus, sie auf Geheiß der Götter hatte verlassen müssen. Diesem künstlerisch breit rezipierten Stoff32 verschrieb sich auch der kaum zwanzigjährige Max mit Inbrunst über viele Monate. Er glaubte, gerade die kreative Auseinandersetzung damit befähige ihn dazu, »aus sich Neues zu schaffen«; mehr noch, Ernstes statt Sentimentalem, Tragisches statt Traurigem »hervorzubringen«.33 Max wollte Künstler sein, wollte aus der »Maniriertheit meiner Gefühle« heraus Literatur schaffen. Seine Kunstsehnsucht offenbart ein elementares Lebensbedürfnis, eine Art Überlebensstrategie. Eine andere Kunst, der Max in dieser Zeit verfiel, war die Musik. Die Musikdramen Richard Wagners bekamen eine herausragende Bedeutung in seinem Leben. Das verwundert kaum, waren diese Opern doch die ersten, die beim Publikum einen Rausch auslösen wollten und ihm zugleich eine Weltflucht eröffneten.34 Für sie hat Max schon Ende der achtziger Jahre eine große Leidenschaft entwickelt.35 Ein weiterer Fixstern am künstlerischen Himmel des Prinzen wurde Friedrich Nietzsche, auf den Max bei seinen Bemühungen, seinem Leben eine höhere, ästhetische Weihe zu geben, gestoßen war. Die Lektüre Nietzsches war damals ein durchaus zeittypisches Phänomen in Deutschland.36 Unwiderstehlich war sein Werk in diesen Jahren in das Zentrum des kulturellen Lebens und der literarischen Öffentlichkeit getreten – nicht zuletzt seiner poetischen Sprache wegen. Von Nietzsches Stil ging ein Zauber aus, dem sich ein literarisch interessierter, suchender Geist kaum entziehen konnte. Nietzsche – so berichtet Harry Graf Kessler – »sprach nicht bloß zu Verstand und Phantasie«, sondern »spannte zwischen uns und dem Abgrund der Wirklichkeit den Schleier des Heroismus«, wodurch man von dieser »wie fortgezaubert und entrückt« wurde. Wenn sich der junge Max von mythischen Bildern, magischen Stoffen, zauberhaften Klangfarben und nicht zuletzt von mystischem Heroismus so sehr angezogen fühlte, so hoffte er in diesen Dingen emotionale Orientierung zu finden. Die Nähe zu König Ludwig II . von Bayern ist unverkennbar.37 Nicht zuletzt war Max in diesem Bestreben ein Kind seiner Zeit, die die Kunst und ihr Erlebnis als sakral ansah.38 In der Kunst wurde weit mehr als nur ein schöngeistiger Genuß gesehen. Bei Max handelte es sich auch um einen Akt der 65 65
»Selbsterschaffung«, der Selbstdramatisierung als tragischer Held, der ästhetisch veredelt seinem Schicksal gegenübertreten wollte. Seine Passion für die Kunst läßt schon früh so etwas wie Erlösungssehnsucht erkennen. Der im Sommer 1889 vollzogene Übertritt zum Militär erfolgte insofern eigentlich »gegen meine innerste Überzeugung«.39 Max fühlte deutlich, daß er »einem Leben entgegen gehe, das meiner Natur nicht entspricht«, versuchte sich aber gleichzeitig darüber fatalistisch hinwegzutrösten, »daß es so sein muß und ein Entrinnen unmöglich ist«.40 Der einzige standesgemäße »Beruf«, den der erbberechtigte Prinz eines Herrscherhauses damals ergreifen konnte, war in der Tat der militärische.
Gardeoffizier in Berlin Es war das Garde-Kürassier-Regiment in Berlin, das den Prinzen Max von Baden zu den Seinen zählen durfte. Vermutlich hatte seine hohe Gestalt hierfür den Ausschlag gegeben. Im Juni 1889 ernannte der Kaiser ihn zum Seconde-Leutnant, zunächst »à la suite«.41 Ende Oktober legte er in Berlin die Offiziersprüfung ab und trat alsdann seinen Dienst im Regiment an.42 Dort muß er sich bald ausgesprochen wohl gefühlt haben, berichtete er doch seinem Freund Ernst im November 1889: »Mein Regiment ist entzückend. Die Offiziere fast alle hervorragend angenehm, so daß ich mich sofort heimisch fühlte und auf sehr gutem Fuß mit allen stehe. Hayling ist mein Rittmeister, und Du kannst Dir denken, daß er mich mit Dienst nicht überhäuft. Ich finde fast zu wenig. Ich habe Hayling sehr gern, nur rennt er zu viel zu den Weibern und sitzt jeden Abend im Wirtshaus. Ich habe meine Not, ihm zu entgehen, wenn er mich mitnehmen will.«43 Der Militärdienst war für jeden Thronanwärter obligatorisch, da sich das Kaiserreich als eine Militärmonarchie verstand, jeder regierende Fürst hatte als Heerführer einen Generalsrang einzunehmen. Die Angehörigen der Fürstenhäuser durchliefen aber nicht die gesamte militärische Laufbahn, sondern nur die vom Leutnant aufwärts, sie ließen die niederen Ränge der Offiziersanwärter aus. In den Garderegimentern war man ohnedies mehr oder minder unter sich. Der Dienst dort wurde so zu einer Art »innerer Kavaliers66 66
tour«44 – man pflegte den Kontakt mit Vertretern unterschiedlicher Adelsfamilien und integrierte sich so in die hochadelige Gesellschaft. Der Wert der adeligen Offiziere für das Regiment lag vor allem darin, daß sie der Formation durch ihre Namen Reputation einwarben. Innerhalb dieser Gruppe wurden diejenigen deutlich herausgehoben, die qua Geburt weit über ihren Kameraden standen. Sie logierten auch nicht in der Kaserne, sondern privat. So wie Prinz Max, der zu Beginn seiner Militärkarriere 1889 in der Gitschinerstraße 106 in Berlin-Kreuzberg am Belle-Alliance-Platz ein großzügiges Wohnquartier mit Blick auf den Landwehrkanal bezog, das er für die nächsten zehn Jahre bewohnte. Um die Aufgaben des Alltags zu erledigen, gab es neben dem Dienstpersonal einen Leibdiener, für die ästhetischen Bedürfnisse eine Beletage mit Konzertflügel und vieles andere mehr. Die Hauptaufgabe der Garderegimenter war nicht das Kriegshandwerk, sondern das Repräsentieren. Garde war freilich nicht gleich Garde, es gab eine ausgefeilte Rangordnung, die vor allem gesellschaftlich spürbar war.45 Die ranghöchsten standen an vorderster Front, an erster Stelle unter den Garde-Kavallerie-Regimentern die Gardes du Corps, an zweiter Max’ Garde-Kürassier-Regiment – beides rein aristokratisch geprägte Verbände mit Nähe zum Kaiserhof. Paraden, Defilees und andere militärische Darbietungen mußten perfekt zelebriert werden, und auch die großen Manöver – vor allem, wenn sie vor Wilhelm II . stattfanden. Gerade die Manöver boten einen Anblick so abenteuerlicher Gewaltexerzitien, daß ausländische Beobachter wie der britische Feldmarschall Lord Roberts sich buchstäblich auf die Rückseite der Bühne begaben, um herauszufinden, wieviel vom und mit Pferd gestürzte Kavalleristen und andere Verunfallte es zu zählen gab.46 Max, der schlank, kräftig und breit war und auch passabel reiten konnte,47 machte bei solchen Gelegenheiten eine gute Figur, wie wir von dem ehemaligen badischen Legationssekretär in Berlin, Alexander Schaible, wissen: »Ich erinnere mich aus meiner Studentenzeit, daß ich einmal Unter den Linden stand, als der Prinz an der Spitze einer Schwadron Kürassiere hergeritten kam, den funkelnden Küraß über dem schneeweißen Koller, mit dem silbernen Adlerhelm auf dem Kopfe.« Da sei plötzlich, nachdem er mit Max einen Gruß getauscht hatte, eine Dame »mit ganz irren Blicken« auf ihn zugestürzt »und fragte zitternd vor Erregung in gebrochenem Deutsch: ›Wer ist 67 67
diese schöne Mann?‹«48 Schaible erwähnt auch, daß die Berliner Hoffotografen »mit Vorliebe Bilder des Prinzen« ausstellten und diese Popularität maßgeblich zu dem typisch Berliner Spitznamen »der Bademax« geführt habe. Ob dieser despektierliche Name Max’ Abneigung gegen die preußische Metropole begründet? »Berlin ist mir unleidlich«, heißt es im Dezember 1891.49 So versuchte er, sooft es der Jahresablauf der Offiziersanwärter erlaubte, der Stadt zu entkommen; die Zeit zwischen Frühjahrs- und Herbstmanöver verbrachte er meist bei seinen Eltern am Bodensee oder auf Reisen. Daß die Kriegsführung der eigentliche Zweck des Militärs war, hat er aus eigener Anschauung oder gar Praxis kaum erfahren müssen. Der alltägliche Dienst bestand im wesentlichen darin, Soldaten, Pferde und Ausrüstung zu kontrollieren sowie das ewig gleiche Exerzieren und Kommandieren von Formationsbewegungen zu überwachen; gefolgt von ein paar Reit- und Fechtübungen. Die überragende Rolle im Sozialleben der Offizierskorps spielte das Kasino des Regiments, meist ein nobles Gebäude mit luxuriöser Innenausstattung. In gastronomischer Hinsicht standen die Kasinos der Luxusregimenter guten Hotels in nichts nach, und sie boten überdies den Vorteil, halböffentliche informelle Räume zu sein, in denen vieles erlaubt war.50 Hochgeistige Gespräche waren hier allerdings kaum zu führen, wie Max bezeugt: »Ich liebe meine Kameraden sehr und fühle mich in ihrer Mitte zu Hause, aber trotzdem ist mir die herrschende Oberflächlichkeit, die materielle Auffassung und Torheit im Gespräch geradezu zuwider. [Rittmeister] Hayling ist so entsetzlich aufs Sinnliche hinaus, daß er an nichts anderes denkt und fast von nichts weiter spricht«.51 Allerdings konnte sich kein Offizier dem Kasinoleben völlig entziehen, fanden hier doch auch gemeinsame Festessen, »Liebesmahle« genannt, sowie andere Feierlichkeiten des Korps statt, vor allem die Initiationsriten, die meist mit erheblichem Alkoholkonsum verbunden waren.52 Die Kasinogeselligkeit trug bisweilen auch homoerotische Züge, wie das gemeinsame Tanzen der Offiziere miteinander. Die Luxusregimenter pflegten dabei eine aristokratische Männerbündelei, die nicht selten etwas Grobsinnliches hatte.53 Trotzdem war es selbst für hochgestellte Persönlichkeiten durchaus nicht genierlich, im Kasino als Gast der Gardeoffiziere zu speisen.54
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Seine militärische Karriere verlief ähnlich wie das Jurastudium; Max zeigte auch als Offizier wenig Ehrgeiz und noch weniger innere Anteilnahme.55 Ab Herbst 1891 leitete er die Ausbildung der Rekruten des Regiments, eine Aufgabe, die ihm auf eigenen Wunsch zugeteilt wurde – »so lerne ich doch wenigstens Menschen behandeln«.56 Die Beförderung zum Premierleutnant kam erst im Herbst 1893, also volle vier Jahre nach dem Eintritt in das Regiment.57 Möglicherweise lag das an einem körperlichen Leiden, denn bereits 1892 klagte er: »Ich habe ischiatische Schmerzen im rechten Bein und in der Hüfte, die mich namentlich beim Reiten schmerzt. Ein Kavallerist, der nicht reiten kann!«58 Im Januar 1893 stürzte er auch noch vom Pferd, wodurch er für einige Zeit dienstunfähig wurde. Danach wünschte er »auf ein Jahr dem Dienst den Rücken zu kehren und wieder Mensch zu werden«.59 Eine grand tour war geplant. Auch der Oberste Kriegsherr verweigerte sich dem Ansinnen nicht. Bei einem Besuch in Karlsruhe Mitte September 1893 sprach Wilhelm II . die Beförderung zum Premierleutnant gleichzeitig mit der à la suite-Stellung des Prinzen aus. Max fühlte sich geschmeichelt: »Man scheint sogar ziemlich zufrieden mit mir gewesen zu sein, denn mein Kommandeur hat mich nur ungern scheiden lassen«.60 Aus der in Aussicht genommenen Orientreise wurde freilich nichts, da sich eine Blinddarmreizung einstellte, die noch monatelang nachwirkte. Von Sommer 1893 bis Ende Oktober 1894 blieb der Prinz vom Militärdienst beurlaubt. Dann zog es ihn wieder nach Norden. Ja, er freute sich sogar »trotz vieler Nachtheile, die das Leben im scheußlichen Berlin mit sich bringt, auf meinen Dienst und das Leben in dem mir angenehmen Kameradenkreis«.61 Beim Exerzieren mußte er allerdings feststellen, »daß mein Ischias nicht besser, sondern schlimmer war, und ich stand vor der Alternative, entweder den Mann zu finden, der mich kurierte oder das Reiten aufzugeben«. Der Mann war Bismarcks Leibarzt Ernst Schweninger, nach der Entlassung des Eisernen Kanzlers begehrter Medikus der Berliner High-Society.62 Schweninger adaptierte offenbar eine Form der Chiropraktik, die Max so beschrieb: Er »malträtierte mich unsagbar, fand Alles, wußte Alles, und half!« Er wurde zur rechten Zeit wieder einsatzfähig, denn Wilhelm II. befahl ihn als seinen persönlichen Ordonanzoffizier zu den Kaisermanövern nach Stettin vom 9. bis 11. September 1895. In freudiger Erwartung schrieb der Erwählte: »Ich werde in dieser Eigenschaft das Glück haben, die großen 69 69
militärischen Kombinationen und Schauspiele von der Vogelperspektive aus beobachten zu können, und es wird mir Gelegenheit geboten viel zu lernen. Ich reite immer in unmittelbarer Nähe des Kaisers, und muß eventuell seine Befehle übermitteln.« Dieses Ereignis stellte den Höhepunkt in Max’ früher Militärzeit dar.63 Das Manöver dauerte gegenüber den vier vorangegangenen »Kaisertagen«, die mit Paraden, Diners und anderen repräsentativen Aufgaben ausgefüllt waren, nur knapp drei Tage. Wilhelm II. befehligte dabei – nur vom österreichischen Kaiser Franz Joseph und wenigen Adjutanten begleitet – die »Südarmee«, die eine fiktive Invasion von der Ostseeküste abzuwenden hatte – erfolgreich, versteht sich. Am 12. September wurde Max von Baden zum Rittmeister ernannt, allerdings vorerst ohne Chef einer Eskadron zu werden. Dies weckte neuen Enthusiasmus für den ungeliebten Militärberuf. Mehr noch, es motivierte ihn, tatsächlich »zu dienen so lange es mir gefällt und ich es aushalte. Dank Schweninger ist mein Ischias viel besser, und ich reite, seit Jahren endlich wieder, ohne Schmerzen.«64 Die Karriere des Max von Baden beim Militär macht einen eher unsoldatischen Eindruck. Allerdings muß man von einem anderen (Selbst-)Bild des Offiziers – zumal des Gardeoffiziers – ausgehen als dem uns heute geläufigen. Der kämpferisch orientierte Typus des »erhitzten Kriegers« und des »kühlen Profis«, die später im Ersten Weltkrieg ihre heroische Bewährung an der Front suchten und dann tausendfach den »Heldentod« starben, bildete sich erst um die Jahrhundertwende heraus. Zuvor stand gerade bei den sogenannten Eliteeinheiten im Offizierskorps vielfach ein »Dekorationsmilitarismus« in Blüte, bei dem es vornehmlich um die Pflege ritterlich-kavaliersmäßiger Tugenden ging.65 So war auch Max eher ein schöngeistiger Aristokrat in prächtiger Uniform. Militaristische Attitüden waren ihm fremd; auch als preußischer Berufssoldat waren es Eleganz, Kultiviertheit, verfeinerter Lebensstil und nicht zuletzt seine europäische Ausrichtung, die sein gesellschaftliches Auftreten auszeichneten.
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Highlife: Berliner Hof- und Salonleben Wenn das Kasino der Ort des Militärs war, das bisweilen vom Adel besucht wurde, verkehrten umgekehrt auch die Offiziere in den ersten Gesellschaftskreisen, und selbstverständlich auch bei Hofe; dies wurde sogar ausdrücklich gewünscht.66 Insbesondere die »Gesellschaftsmonate« Januar und Februar bestanden für die Gardeoffiziere aus einer nicht enden wollenden Reihe von Bällen, Soireen, Opern- und Theaterbesuchen, Diners und anderen Festlichkeiten. Zu Hofbällen wurden jüngere Offiziere als Tänzer befohlen; es gab hierfür sogar eine eigene Uniform. Auch Max mußte bei solchen Gelegenheiten im Gefolge des Kaisers mit anderen Fürstlichkeiten einziehen.67 Aber der Kaiserhof übte keine starke Anziehung auf ihn aus.68 Für den dortigen »Trubel« aus »Bällen und sogenannten Festen« hatte Max bald nur mehr ein Wort übrig: »Hororie!« Er kam seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen aber nach, zählte er doch zum Kern der Berliner Hofgesellschaft.69 Einmal als Offizier der Gardekavallerie, mehr noch aber als Angehöriger einer Herrscherdynastie, die mit der preußischen blutsverwandt war. Da sein Vetter Fritz, der badische Erbgroßherzog, zwischen 1891 und 1893 zeitgleich in Potsdam diente, war Max zwar etwas entlastet, aber entziehen konnte er sich dem höfischen Zeremoniell nicht. Als Neffe des badischen Großherzogs hatte er seine Familie am Berliner Hof zu repräsentieren, zumindest in den ersten drei Monaten im Jahr, auf diese Zeit konzentrierte sich die eigentliche Residenzzeit des Kaisers im Berliner Schloß. Und so sah man Max nicht nur dort auf Ordens- und Geburtstagsfesten, Hofbällen, Gala-Diners mit anschließendem Cercle, sondern auch außerhalb auf Gedenkfeiern, Promenadenkonzerten, Blumenkorsos, Botschafterempfängen, Subskriptionsveranstaltungen, Galavorstellungen im Opernhaus oder ähnlichen Festivitäten. Er wußte dem höfischen Bild und Komment durchaus zu entsprechen und gab den honnête homme, der von ihm verlangt wurde. Max dürfte gespürt haben, daß es sich bei den Highlights des Hoflebens um äußerlich glänzende, aber innerlich doch eher hohle Veranstaltungen handelte. Ihm wird aber auch nicht entgangen sein, daß er sich mit chevalereskem Auftreten in der Hofgesellschaft Ansehen verschaffen und seinen sozialen Status verbessern konnte. Bilder aus jener Zeit zeigen, wieviel Wert er auf exquisite Kleidung und 71 71
distinguiertes Auftreten legte.70 Nicht ohne Grund zählte ihn der Berliner Hofbeobachter Carl von Roden »zu den elegantesten männlichen Erscheinungen«.71 Die höfischen Zwänge waren eben nur die eine Seite dieser Medaille, die andere war die Möglichkeit zu Selbstdarstellung, Repräsentation und zur Teilhabe an den Usancen einer Ausnahmewelt. So konnte er sich beispielsweise durch Einladungen an die sogenannten Ceremonial-Tafeln, die ausschließlich den Angehörigen regierender Häuser vorbehalten blieben, seiner hohen Rangstellung in der strengen Hierarchie dieser feudalen Institution ein ums andere Mal versichern. Aber auch bei den großen halböffentlichen Zeremonien (Kaisergeburtstagen, Hochzeiten usw.) zählte Prinz Max zu den »Höchsten Herrschaften«, die als unmittelbares Gefolge der kaiserlichen Familie – also der »Allerhöchsten Herrschaften« – in der höfischen Hierachie deutlich sichtbar von anderen illustren Statusgruppen abgehoben in Erscheinung traten. Wir sollten die Bedeutung des Berliner Hoflebens für die Fürsten-Sozialisation von Max also keineswegs unterschätzen. Umso weniger, als es sich hier um eine gleichsam autonome Sphäre, einen Raum mit einer eigenen sozialen Logik handelte. Der Hof war und blieb Berlins gesellschaftlicher Mittelpunkt, und mithin Verpflichtung, an der kein Prinz vorbeikam; jedenfalls keiner, der an der Optimierung seines Lebenslaufs arbeitete. Mit dem deutschen Kaiserpaar scheint Max trotz seiner Nähe zum Hof in der ersten Hälfte der neunziger Jahre noch keinen engeren Kontakt gehabt zu haben. Immerhin hatte er ab und an »Gelegenheit, ein kurzes Gespräch mit S. M. zu haben und fand manches, was er sagte, sehr schön und richtig empfunden«. Kaiserin Auguste Viktoria war ebenfalls »sehr gnädig und in kleinem Kreis sogar verwandtschaftlich und nett« zu ihm. Doch machte er sich keine Illusionen über solche Sympathiebekundungen.72 Seine Skepsis mochte wohl auch aus seinem recht engen Kontakt zur Kaiserschwester Charlotte herrühren, die mit dem Erbprinzen Bernhard von Sachsen-Meiningen – einem ranghohen und einflußreichen Militär im preußischen Generalstab – verheiratet war.73 In ihrer prächtigen Villa im Stadtzentrum führte die Meininger ein gastfreies Haus, das zu den gesuchten Adressen eines inneren Zirkels der höfischen Gesellschaft von Berlin zählte. Die kapriziöse »Charly« – wie die Verwandtschaft sie nannte – stand im Mittelpunkt gesellschaftlicher Aufmerksamkeit, weil sie als 72 72
eine unerschöpfliche Quelle von Hofklatsch galt.74 Ihrem kaiserlichen Bruder »Willy«, aber mehr noch ihrer Schwägerin »Dona«, der deutschen Kaiserin, trat sie dabei ausgesprochen despektierlich, ja lästermäulig gegenüber.75 Selbst mit ihrer eigenen Mutter, der verwitweten Kaiserin Friedrich, stand sie sich nicht gut. Selbst noch nach dreijähriger Zeit in Berlin fiel es Max nicht leicht, mit dieser Art zurechtzukommen: Er selbst sei ja »in der letzten Zeit vorsichtiger gewesen in Äußerungen über den hiesigen Hof. Charly leider läßt ihrer Zunge freien Lauf ohne zuzusehen, vor wem sie spricht«.76 Zwei Monate später fügte er leicht resigniert hinzu: »Charly ist unvorsichtiger als je in ihren Aussprüchen und Confidencen, und fürchte ich sehr, daß sie sich über kurz oder lang in die Nesseln setzen wird.«77 Gleichwohl bedauerte Max es dann sehr, als das Ehepaar Meiningen Berlin Ende 1893 verließ.78 Bei dem schlechten Leumund, den sowohl Charlotte als auch ihr Ehemann in der preußischen Armee sowie in Fürstenkreisen besaßen, verwundert das ausgesprochen gute Verhältnis des an sich eher zurückhaltenden Max zu den beiden. Doch offenbar war ihm deren gute Verbindung zum Herrscherhaus nützlich, um als Neuling auf dem höfischen Parkett Berlins nicht auszugleiten. Daß er sich selbst mit Indiskretionen zurückhielt, mußte schließlich nicht bedeuten, daß Max kein Ohr am Geschehen haben oder nichts über die Finessen und Schleichwege wissen wollte, auf denen man hier reüssieren konnte. Seit 1891 wurde die Berliner Hofgesellschaft von einem Skandal besonderen Ausmaßes verunsichert – der »Kotze-Affäre«, einer anonymen Sexualdenunziation von unerhörter Obszönität und beispielloser Penetranz.79 Briefe kursierten, die offenbar nicht ganz unauthentische Intimitäten aus diversen Boudoirs des Hofadels verbreiteten. Eine Schlüsselfigur bei dieser Diffamierung sollte Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, der Bruder der deutschen Kaiserin, sein, mit dem Prinz Max immerhin »einen wohlgemeinten entente cordiale« pflegte.80 Und Schauplatz der dunklen Machenschaften sollte das Haus des Grafen Friedrich von Hohenau sein, in dem auch Max von Baden verkehrte. Fritz Hohenau, der damalige Rittmeister im 1. Garde-Dragoner-Regiment, war ein Neffe des ersten deutschen Kaisers, der allerdings nicht zum Stamm der Hohenzollern zählte, weil er aus einer unstandesgemäßen Ehe stammte. Zusammen mit seiner attraktiven Gattin Charlotte von der Decken gehörte er in den frühen 73 73
neunziger Jahren zur Creme der Berliner Hofgesellschaft. Sie hatten eine Wohnung in der Yorckstraße 11 angemietet. Von dieser Adresse wurde in den anonymen Schmähbriefen, die seit 1891 zu Dutzenden in allerhöchsten Kreisen kursierten, behauptet, es sei ein »Bordell, welches sich von anderen Hurenhäusern dadurch unterscheidet, daß hier nicht der Mann die Frau, sondern die Männer unter sich und die Frauen auch unter sich vögeln, lecken und Kurzweil treiben«. Der Anonymus drohte damit, demnächst eine Broschüre zu veröffentlichen, in der »das Leben und Treiben« dort »mit zahlreichen Abbildungen interessanter Gruppen« beschrieben würde. »Wir rechnen auf reißenden Absatz …«.81 Die Denunziation hatte insofern einen realen Hintergrund, als der verunglimpfte Hausherr tatsächlich homosexuell war, was ihn einige Jahre später auch seine Karriere kosten sollte.82 Überhaupt zeichneten sich die Belästigungen des Denunzianten durch große Kenntnis über die innersten Kreise aus. Sie schaudere geradezu davor, klagte eine der Betroffenen, die Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, was Schlechtigkeit alles ausrichten könne.83 Auch Max von Baden war im Frühjahr 1892 mindestens zweimal anonym angeschrieben worden; mit welcher Schmutzgeschichte, läßt sich allerdings nicht mehr rekonstruieren, da sich in den polizeilichen Untersuchungsakten nur noch die leeren Briefumschläge mit seiner Privatadresse finden.84 Ebensowenig weiß man aus Äußerungen von ihm oder anderen Zeitzeugen, wie er darauf reagierte. Aber es gibt Anhaltspunkte dafür, daß auch er Angriffsflächen für solche Verdächtigungen geboten hat. Sämtliche Versuche, die seit Mitte 1892 unternommen wurden, den anonymen Briefschreiber mit Hilfe der Kriminalpolizei, von graphologischen Expertisen und Privatdetektiven zu überführen, liefen ins Leere. Ein öffentlicher Skandal konnte zwar durch Ablenkungsmanöver vermieden werden. Der Kollateralschaden war aber enorm – vor allem was den kaiserlichen Hof anbelangte. Böse Ahnungen keimten auf über die Eigenart jener so sorgsam verborgenen Sphäre85, und fortan lag über dieser Welt der Schatten des Illegitimitätsverdachts.86 Hier ist freilich noch etwas anderes von Interesse: Der enorme Wirbel, den die Kampagne zunächst nur am Hof auslöste, geht nicht allein auf die kriminellen Energien eines einzelnen Außenseiters zurück. Hier hatte eine Adelsclique einer anderen eine Grube gegraben. Nährboden für die Schmutzkampagne war die obskure Hofkultur 74 74
selbst, deren Angehörige immer wieder Indiskretionen über Standesgenossen den Mitgliedern der jeweiligen Gruppe zutrugen und damit Stoff für Rufmorde lieferten. Klatschsucht und Wichtigtuerei waren im Spiel, aber auch Eifersucht, Konkurrenzneid, Gehässigkeit, Hochmut und nicht zuletzt Fahrlässigkeit. Als Beispiel eines solchen Verhaltens kann Max’ Freundin »Charly« gelten. Einerseits lästerte sie ungeniert über mißliebige Verwandte und andere Vertreter des Hofadels, andererseits geriet sie außer sich über die ganze Scheußlichkeit von »Gemeinheit und Schmutz, Verdächtigungen, Verläumdungen etc.«, die sie in den skandalösen Briefen vorzufinden glaubte.87 Doch blieb sie stets über jeden Selbstzweifel erhaben, so etwas wie Selbstkritik war ihr fremd. Unter diesem Widerspruch litt das ganze Ensemble der kaiserlichen Hofbühne, auf der auch Prinz Max sich viele Jahre seines Berliner Lebens bewegt hat, sich zu bewegen hatte – wenn vielleicht auch in angstvoll umhegten Grenzen. Daß dieser Erfahrungsdruck tiefe Spuren bei ihm hinterlassen würde, ist mehr als wahrscheinlich. Denn er konnte seine persönlichen Beziehungen zum kaiserlichen Hof nicht abbrechen. So wußte er auch um die dunklen Flecken auf der Weste mancher Standesgenossen und mußte umgekehrt befürchten, daß auch über sein Intimleben Gerüchte in Umlauf gesetzt wurden. Als sich Charlotte und Bernhard Meiningen im Herbst 1893 aus Berlin verabschiedeten, raunte Max seinem Freund Ernst zu: »An ihr Weggehen knüpfen sich Erzählungen über Charlottes Flirtation, über deren Wahrheitsgehalt ich ganz und gar unorientiert bin.«88 Diese Art zu kommunizieren – Gerüchte streuend – kennzeichnete das Sprechen bei Hofe. Ohne mächtige Verbündete konnte man in dieser Gesellschaft leicht verlorengehen, und so mußte auch Max sich der Solidarität einer einflußreichen Gruppe versichern. Was ohne echte Zugehörigkeit und damit auch Komplizenschaft kaum zu erlangen war. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als Unannehmlichkeiten mit dem – wie er sich ausdrückte – »dazugehörigen Hofgesicht abzumachen«.89 Anders gesagt: Möglichst kein authentisches Bild von sich selbst vermitteln. Das erklärte Ziel der Schmutzkampagne, Fritz Hohenau und seinen Freundeskreis zu verleumden, wurde auch durch mehrjährigen denunziatorischen Dauerbeschuß nicht erreicht; weder gesellschaftlich noch bei seiner militärischen und diplomatischen Karriere hatte der Graf Einbußen zu verzeichnen. Alles blieb scheinbar beim alten. 75 75
Doch nicht ganz. Zwar wurde durch allerhöchste Einflußnahme auf die Justiz jedes Gerichtsverfahren vermieden, und auch die polizeilichen Ermittlungen wurden mit großer Rücksichtnahme durchgeführt – und schließlich sogar abgebrochen.90 Doch auf der Grundlage dieser Ermittlungen legte die Berliner Polizei ein Homosexuellenregister an, das nun auch prominente Namen erfaßte. Sein geistiger Vater war der für Delikte nach Paragraph 175 Strafgesetzbuch zuständige Dezernent im Berliner Polizeipräsidium, Leopold von Meerscheidt-Hüllessem, der nicht nur von Überwachungsbeamten, sondern auch von Aktivisten der gerade aufkommenden Homosexuellenbewegung informiert wurde.91 Der SPD-Führer August Bebel hatte dem Deutschen Reichstag schon am 13. Januar 1898 davon Mitteilung gemacht, daß die Berliner Polizei eine solche Homosexuellenkartei führe, die auch Angehörige aus allerhöchsten Kreisen umfasse.92 Weitere Einzelheiten brachte Hans von Tresckow, der Nachfolger von Meerscheidt-Hüllessems in der Leitung des »Homosexuellen-Dezernats«, in seinen Erinnerungen auf die Nachwelt.93 Dort heißt es: »Vor seinem Tode [im Jahre 1900] hatte von Meerscheidt-Hüllessem eine letztwillige Verfügung getroffen, daß ein von ihm angelegtes Kartenregister, in welches er die Namen von ein paar hundert [meint ca. 100] Homosexuellen, die den ersten Gesellschaftskreisen angehörten, eingetragen hatte, dem Kaiser übersandt werden sollte. […] Der Kaiser öffnete es aber nicht, sondern sagte nur kurz, indem er es zurückgab: ›Es handelt sich wohl um eine Polizeisache, schicken Sie es dem Polizeipräsidenten‹.« Der damalige Polizeipräsident Ludwig von Windheim habe die Liste nur einer flüchtigen Durchsicht unterzogen und Tresckow dann das Paket mit der Maßgabe überreicht: »Lassen Sie es aber von keinem Unberufenen einsehen.« Bei den Aufgelisteten hätte von Meerscheidt-Hüllessem jeweils handschriftlich eingetragen, »wodurch der Betreffende sich als Homosexueller bekannt gemacht hatte, mit wem er verkehrte, von wem er erpreßt worden war, und ähnliches. Das Register war alphabetisch geordnet und umfaßte mehrere hundert Namen.« Tresckows Angaben zufolge soll auch Prinz Max von Baden dort namentlich aufgeführt worden sein.94 Da sich die Kartei nicht erhalten hat, kann man Tresckows Aussage nicht mehr überprüfen. Doch selbst wenn sie verifizierbar wäre, sagt ein solches Karteiblatt noch nichts darüber, ob und wie Max seine Sexualität auslebte. Diese polizeiliche Erfassung sollte keine straf76 76
rechtlichen Verfolgungsmaßnahmen ermöglichen, sondern diente im Gegenteil dem Schutz der homosexuellen Adelsprominenz vor potentiellen Erpressern. Die Berliner Polizei war wohl ausdrücklich angewiesen worden, diesen Adeligen zu helfen und sie nicht zu bedrängen, zu bedrohen oder gar dem Staatsanwalt zu melden.95 Hier wurde ausschließlich gegen Erpresser ermittelt und nicht gegen Homosexuelle. Wie das Berliner Polizeipräsidium diese besondere Klientel um die Jahrhundertwende tatsächlich beschützte, hat von Tresckow anschaulich in seinen Erinnerungen erzählt.96 Mit Blick auf die Medien, auf Polizei und Justiz gab es also für die polizeilich erfaßten »Urninge«,97 soweit sie zur Berliner Hautevolee zählten, in den neunziger Jahren noch kaum etwas zu befürchten – diesen liberalen Umgang änderte erst der Eulenburg-Skandal von 1907/08. Noch gab es ausreichend Möglichkeit, gleichgeschlechtliche Neigungen so zu camouflieren, daß Imageschäden vermieden werden konnten. Ein entsprechendes Wissen dürfen wir auch dem Prinzen Max unterstellen. Tatsächlich hat es vor der Jahrhundertwende nicht einen einzigen Fall von – wie es damals hieß – »widernatürlicher Unzucht« eines Hochadeligen gegeben, der an die Öffentlichkeit gekommen wäre. Gelebt wurde Homosexualität selbstverständlich schon, wie die Polizeikartei anzeigt. »Als einem früheren Minister des Innern«, schrieb der berühmt-berüchtigte Journalist Maximilian Harden damals mit beißendem Spott, »vom Berliner Polizeipräsidenten die Liste der amtlich bekannten aktiven Urninge vorgelegt wurde, sagte die verblüffte Excellenz: ›Riesig feudale Gesellschaft; man muß sich beinahe schämen, daß man nicht auch auf der Liste steht.‹«98 Homosexualität war für die Vertreter der wilhelminischen Hofgesellschaft um 1900 (noch) keine Gefahr. In seiner Freizeit widmete sich Max der Lektüre und dem Klavierspiel; zudem war er »in sehr vielen Theatern«.99 Seit Herbst 1891 nahm er Gesangsunterricht,100 wo er »nach Ausspruch meines Lehrers sehr schnelle Fortschritte« machte. »Gäbe ich mir in Allem so viel Mühe wie hierin, würde ich es vielleicht zum Rittmeister oder Landrat bringen.«101 Bei einem Badeurlaub im niederländischen Scheveningen hatte er durch gemeinsames Musizieren mit Sophie von Beneckendorf-Hindenburg Bekanntschaft geschlossen – »eine gescheite und gebildete Dame. Meine Stimme hat hier in guter Luft gewaltige Dimensionen angenommen und an Weichheit gewonnen. 77 77
Ich beabsichtige, ihren Salon in Berlin zu frequentieren«.102 Die Dame war die Tochter des deutschen Botschafters in London, Georg Herbert Graf zu Münster-Ledenburg, und Gattin des Generals Conrad von Beneckendorf-Hindenburg, mit wahrhaft internationalen Verbindungen.103 Bald schon gehörte Max zu den engeren Freunden des Hauses Hindenburg. Die Hindenburgs pflegten überdies engen Kontakt zum Hause des Grafen Harrach, über das Helene von Nostitz in der Rückschau schrieb: »Fast jeden Abend empfing die schöne Gräfin Harrach in ihrem Salon am Pariser Platz ihre intimen Freunde«.104 Auch wenn in diesen kultivierten Zirkeln in erster Linie ein Ästhetizismus in der Tradition des deutschen Idealismus und der Romantik gepflegt wurde, waren sie doch nicht gänzlich unpolitisch. Das gilt schließlich auch für das dritte Berliner Haus, in das der Prinz von Baden gerne eingeladen wurde, den Salon der Anna von Rath, von Max liebevoll »Mama Rath« genannt.105 Die stärkste Anziehungskraft scheint für Max allerdings vom Salon der Cornelie Richter ausgegangen zu sein, bei der sich eine exquisite Mischung aus Künstlern, Diplomaten und literarisch Interessierten aus der Hofgesellschaft traf,106 ein gesellschaftliches Panorama, das beispielsweise Harry Graf Kessler in seinen Tagebüchern verewigt.107 Der Salon der Witwe des Porträtmalers Gustav Richter, ihrerseits Tochter des Komponisten Giacomo Meyerbeer, war aus dem Atelier ihres Mannes hervorgegangen, das schon zu dessen Lebzeiten ein Treffpunkt von Künstlern und höheren Kreisen gewesen war, insbesondere der Wagnerianer. Das liberale Haus fungierte mit seiner Geselligkeit und seinem Kunstverständnis als eine Schnittstelle zwischen Tradition und Moderne – freilich nur kulturell, nicht politisch. Nach Helene von Nostitz war es besonders das harmonische Zusammenleben der Salonière mit ihren vier Söhnen gewesen, das in dem Haus am Pariser Platz »eine so wunderbare Atmosphäre schuf«. Cornelie Richter habe »immer mit einem begreifenden Lächeln im matten Licht ihrer großen Lampen« dagesessen und »eine wohltuende Bereitschaft für alles Lebendige« gezeigt. Die engeren Freunde trafen sich dort auch zu kleinen Diners. »Auf dem Tisch erglühten immer besonders leuchtende Blumen zwischen schillernden Fayencen.«108 Auch Max von Baden begeisterte der verfeinerte Lebens- und Kunstgenuß. Es gab damals freilich auch kritische Stimmen, wie die Baronin Spitzemberg, die in ihr Tagebuch notierte: »Die gegenseitige Verhimmelung und der Mangel an Ernst in so vielem ist mir unan78 78
genehm«.109 Der junge badische Prinz hingegen fühlte sich bei Richters sehr wohl.110 Der Salon, eine Erfindung der französischen Frühaufklärung,111 spielte als Ort des Gesprächs und der Unterhaltung der gehobenen Gesellschaft eine zentrale Rolle, auch und gerade als Gegenentwurf zur ritualisierten und formalisierten höfischen Gesellschaft.112 Sein Zentrum war die Dame des Hauses. Ihre Eleganz und Ausstrahlung, ihre Fähigkeit zur gebildeten Konversation machten den Salon für die um sie Versammelten attraktiv. Die Regeln waren scheinbar einfach: Wer einmal im Hause eingeführt worden war, konnte je nach Laune – oder nach gefühlter Pflicht – zum Jour fixe erscheinen; in geselliger Runde hieß dies im allgemeinen »zum Thee«, formellere Anlässe waren die Soiree oder das Diner. Das Besondere an einem Salon war seine Zwanglosigkeit, der den Aristokraten, bürgerlichen Intellektuellen, aber auch Künstlern Gelegenheit bot, sich mit den anderen Teilen der führenden Gesellschaft auszutauschen. Zugleich fungierte er als Umschlagplatz für Nachrichten und den neuesten Klatsch; hier erfuhr man, was nicht in der Zeitung stand, konnte Kontakte knüpfen, auch mit Menschen außerhalb des eigenen Standes. Die aristokratisch-bürgerliche Salonkultur kam Max’ Interessen, seinem Lebensgefühl weit mehr entgegen als der zwar feudale, aber niveaulose Austausch in den Kasinos. So wurde er in diesen Kreisen geschätzt, ja geradezu bewundert. Die Berliner Gesellschaftsdame Fürstin Radziwill, die dem Prinzen Max »bedeutende Intelligenz und Geist« bescheinigte, urteilt über ihn: »Er ist selten begabt und fein empfindend veranlagt; er sieht klar und logisch mit Schärfe und ohne Bitterkeit, immer vom höheren Gesichtspunkt aus Menschen und Sachfragen beurteilend, den Kernpunkt findend und behauptend und die Nebenumstände, welche bei unbegabten Menschen immer die Hauptsache bilden, bei Seite lassend.«113 Solches Lob ist von seinen Standesgenossen oder Kameraden nicht überliefert. Nun ging es bei der Salongeselligkeit nicht ausschließlich um intellektuelle Gespräche und (musikalischen) Kunstgenuß, sondern auch um die Pflege intimer Freundschaftsbeziehungen im geschützten Raum. Die tolerante Atmosphäre vornehmer Geselligkeit, wie sie im Richterschen Salon vorherrschte, bot gerade dafür ein behagliches Klima. »Mehr schon seelische Homosexualität als männliche Freundschaft« sei dessen Signatur gewesen, so ein naher Beobachter.114 Mit Botho von dem Knesebeck sowie Kuno von Moltke verkehrten dort zwei 79 79
hochrangige Hofchargen, die homosexuell waren und mit denen auch Max freundschaftliche Beziehungen pflegte.115 Nicht ohne Hintergedanken hat Harry Graf Kessler den »Richter’schen Salon mit seinen nahen Beziehungen zu Phili Eulenburg, Kuno Moltke u. s. w.« später in wehmütiger Rückschau zum gesellschaftlichen Glanzpunkt »der zehn glücklichsten Jahre meines Lebens« gezählt.116 Daß sich manche Habitués jenseits der empfindsamen Salongespräche mit den »Dragonerbräuten« oder »Ulanenjusten« des Soldatenstrichs abgaben, diese körperliche Seite der Homosexualität wurde im verborgenen ausgelebt. Solch wüstes Treiben mag bei Knesebeck, dem Kammerherrn der deutschen Kaiserin – derselbe hochangesehene Hofmann, dessen »vollkommene Würde« und »Grazie« seine Gesellschaftsfreundin Helene von Nostitz gar nicht hoch genug loben konnte117 – überraschen.118 Ähnliches ist aber auch über Moltke überliefert, der es 1893 zum Flügeladjutanten Wilhelms II. und zum Intimus der kaiserlichen Familie gebracht hatte.119 Hofmarschall Robert von Zedlitz-Trützschler meinte zwar, Moltke hätte »durch sein unmännliches Wesen mit allen geistigen Merkmalen der Homosexualität (Phantasterei, Weichlichkeit) trotz großer Begabung nicht in die Nähe des Kaisers gehört«,120 doch dieses Urteil tat der militärischen Karriere erst einmal keinen Abbruch. Das in Hofkreisen liebevollspöttisch als »Tütü« apostrophierte Mitglied der kaiserlichen Entourage war Cornelie Richter und ihrem Salon ganz besonders eng verbunden – als passionierter Klavierspieler und Wagnerianer, als bestrickender Causeur und gefühlvoller Stimmungsmacher. Am intimsten freilich verkehrte Moltke mit dem damaligen Busenfreund des deutschen Kaisers, Philipp zu Eulenburg-Hertefeld; und es war diese eigentümliche Freundesliebe, die Maximilian Harden später zu einem spektakulären, Moltke moralisch vernichtenden Skandal des Kaiserreichs machen sollte.121 Der Richtersche Salon war gewollt so zusammengesetzt, daß er auch Platz für Gegenentwürfe zu virilen Mannsbildern bot, ja sogar Ehrenplätze. Noch gab es sie eben kaum, jene »heterosexuelle Matrix« (Judith Butler), die die wissenschaftliche Sexualpathologie damals gerade zu einer normativen gesellschaftlichen Größe entfaltete122 – und für die hocharistokratische Hofgesellschaft um 1900 gab es sie erst recht nicht. Über die Niederungen sexueller Präferenzen fühlte sie sich erhaben; hier spürte man kein Distinktionsbedürfnis. Wohl aber entwickelten sich mehr oder weniger verschworene 80 80
informelle Solidargemeinschaften, in die sich auch Max von Baden zu integrieren suchte. Die Kontakte, die er zu Moltke sowie Knesebeck hatte, waren angebracht, denn beide erwiesen sich als respektable Künstler des Doppellebens. Von ihnen konnte unsere Hauptfigur manches lernen und über sie weitere Fäden knüpfen – etwa zu Philipp Eulenburg, dessen Hilfe der Prinz noch vor Ablauf des Jahrhunderts in einer sehr privaten Angelegenheit in Anspruch nehmen sollte. Er wisse, »ich verlange viel«, schrieb der Bittsteller. »Warum ich es zu tun wage, werden Sie besser fühlen, als ich es zu sagen vermag.«123 Selbst als Eulenburg schon tief in der Tinte saß, hat Max von Baden – wie jener schreibt – »niemals aufgehört, treu zu mir zu halten«.124 Charakteristisch für das Berliner Leben des Prinzen Max von Baden war mithin sein gleichzeitiger Verkehr in Teilgesellschaften, die zwar untereinander vernetzt waren und Schnittmengen besaßen, die aber, was Personal, Mentalität und Kultur anging, durchaus eigenständig waren: Militär, Hof, Salon. Insofern handelte es sich um parallele Leben in recht unterschiedlichen Welten, die ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit verlangten. Unser Protagonist war dazu fähig. Am wohlsten scheint er sich dabei in dem hochkulturellen Milieu gefühlt zu haben. Hier, in den Salons, fand er offenbar den hellsten Spiegel für das ihm Eigene – und auch ein wenig Esoterik. So scheint der junge Fürst aus seinen in Berlin geknüpften sozialen Beziehungen hauptsächlich Nutzen gezogen zu haben. Insbesondere in seinem privilegierten Status fühlte er sich überall bestärkt. Kurz gesagt: Er hat es gut angetroffen dort, an seinem neuen Hauptwohnsitz, wo sein Leben niemals ein vorzugsweise militärisches war. In Berlin perfektionierte er die Formen, in die er sein Denken und Fühlen kleiden mußte, um nirgendwo anzuecken, ja überall Anerkennung zu finden. Schließlich gab es dort ein durch Erziehung weitergegebenes, sicheres Verhaltensprogramm. Er lernte sicherlich in mancher Hinsicht dazu, aber er erfuhr nichts, das sein Weltbild in Frage stellte; seine subjektive Auffassung der Dinge blieb unverändert. Er verstand immer mehr von den Fährnissen des gesellschaftlichen Lebens, aber nicht wesentlich mehr von der modernen Zeit, die seine Umwelt rasant veränderte. Insofern verdankte er Berlin nicht gerade wenig. Berlin wurde die Stadt, in der, aller anfänglichen Skepsis zum Trotz, ein Prinz wie er zufriedenstellend leben konnte. 81 81
Unterwegs in Europa: Kavalierstouren Als Prinz Max 1889/90 als königlich-preußischer Seconde-Leutnant in Berlin antrat, war er zwar Mitglied der europäischen Dynastien, aber er kannte sie noch kaum, die weite adelige Verwandtschaft. Daß die eigene Familie am engsten mit den Herrscherhäusern von Rußland und Schweden verbunden war, hatte er auf Reisen bereits erfahren können und auch, daß die beiden durch ein unterschiedliches Rangbewußtsein geprägt wurden – die Bernadottes eher unprätentiös, und die Romanows das genaue Gegenteil. Allerdings hatten sich die Besuche in Rußland und vor allem die in Schweden noch am Rande des Hoflebens abgespielt, da es sich um private Reisen handelte, die der Beziehungspflege und dem Erleben von Land und Kultur dienten. So berichtete Max von seinem Besuch beim schwedischen Kronprinzenpaar auf Schloß Tullgarn im Sommer 1891, er »schwelge« dort in herrlicher Ruhe: »Man lebt hier äußerst harmlos, segelt, spielt Lawn Tennis, frühstückt auf einsamen Inseln und musiziert.«125 Dabei vertiefte er sein herzliches Verhältnis zur badischen Cousine und wohl auch zu deren Mann; über die schwedische Verwandtschaft war Max auch schon früh mit dem dänischen Königspaar in allerdings nur flüchtige Berührung gekommen.126 Ähnlich flüchtig sind die Fürstenbekanntschaften geblieben, die Max in den neunziger Jahren bei seinen Erholungsreisen ins mondäne Seebad Scheveningen an der niederländischen Nordseeküste machte. Im Juli 1891 war er dort viel mit dem kunstsinnigen Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach zusammen, »und ich muß gestehen, daß er in der Intimität gewinnt und bei näherer Bekanntschaft entdeckt man, daß er für das Schöne und Große einen recht freien Blick hat und Vieles vorurteilslos beurteilt«.127 Ein Jahr später trifft er die Königin Carola von Sachsen – eine weitläufige Verwandte des Hauses Baden, an der Nordseeküste;128 sie »verwöhnt mich wie immer ganz unerlaubt. Sie ist von einer fabelhaften Herzensgüte und wohltuender Heiterkeit.«129 Eine ausgesprochen freundschaftliche Beziehung unterhält Max zum Großherzog von Hessen und bei Rhein, dem fast gleichaltrigen Ernst Ludwig. Als dieser Max Anfang Mai 1892 nur wenige Wochen nach seiner Thronbesteigung das Großkreuz des hessischen Ludwigsordens verlieh – eine seltene Auszeichnung in diesem jungen Alter –, da schrieb Max seinem Onkel: »Die Art, wie der Großherzog mir den Orden 82 82
übergab, war die allerfreundlichste und liebevollste, die man sich denken kann.«130 Es ist zu vermuten, daß es sich hierbei um einen Freundschaftsbeweis handelte, der auf die Monate zurückgeht, in denen Ernst Ludwig noch als Erbgroßherzog und Premierleutnant beim 1. Garde-Regiment zu Fuß in Potsdam Militärdienst leistete.131 Prinz Max führte sich jedenfalls auch jenseits von Karlsruhe und Berlin immer besser in die Kreise der dynastischen Welt ein und erfreute sich dank seiner guten Manieren, seines galanten Auftretens und seiner Liebenswürdigkeit allgemeiner Sympathie. Erst 1895 realisierte sich für ihn das lang gehegte Vorhaben, dem britischen Königshaus in London seine persönliche Aufwartung zu machen, wo er einmal mehr »reizende und sehr verwöhnende Tage« erlebte.132 Auch in Windsor fand er »gütige Aufnahme«, und »trotz der kurzen Zeit, die mir blieb, das Schloß und seine endlosen Schätze zu sehen, habe ich einen unauslöschlichen Eindruck mit fortgenommen. Windsor ist der Königssitz par excellence! Sein Äußeres poesievoll und imposant ohne Gleichen, sein Inneres der Ausdruck des Reichtums, der Macht und des Schönheitssinns eines großen Herrscherstammes.«133 Von der greisen Queen Victoria heißt es in Max’ Bericht nur lakonisch, sie hätte ihn »freundlich« begrüßt. Auch das britische Thronfolgerpaar und deren Sohn George, der Herzog von York, empfingen Max »unglaublich liebenswürdig. Ich glaube sie empfinden alle menschlicher als die Leute in Berlin.«134 Mehr als höfliche Floskeln scheint man nicht ausgetauscht zu haben, dafür war der klassische Aufwartungsbesuch auch die falsche Gelegenheit. Max dürfte dabei kaum entgangen sein, wie zurückhaltend der britische Thronfolger seinem Neffen, dem deutschen Kaiser, gegenüberstand und wie preußenfeindlich seine Frau Alexandra, eine Prinzessin aus dem dänischen Königshaus, eingestellt war.135 Er wird die Spannungen zwischen den einzelnen europäischen Adelsfamilien bemerkt haben. Er lernte aber auch, wie unterschiedlich die Herrschermentalität, die Auffassung von der eigenen Macht, war. Nur wenige Monate vor seiner Englandreise war Max in Rußland gewesen. Dort erhielt er aus Anlaß des Todes von Zar Alexander III. Gelegenheit, »mich dem jungen Kaiser [Nikolaus II .] vorzustellen, an den mich alte Beziehungen und eine große Sympathie knüpfen«. Der neue russische Zar sei »noch eben so natürlich wie früher, ebenso freundlich und einfach. Da ist nicht der geringste Wahn, kein Scheinenwollen, sondern ein Sein«, berichtet Max Cosima Wagner.136 Der 83 83
junge Monarch, so ließ er seinen Freund Ernst wissen, hatte sogar »die große Freundlichkeit, trotz seiner vielen Arbeit mir einmal einen 2-stündigen Besuch zu machen und mich ein anderesmal ebenso lang in Zarskoje zu empfangen«.137 Daß sich der wegen Staatstrauer um den Vater noch ungekrönte Herrscher aller Reußen zu dem geschilderten Beisammensein mit dem doch eher weitläufig Verwandten aus dem badischen Fürstenhaus überhaupt geneigt sah, verdient Beachtung. Zeigt es doch, daß eine auf gemeinsame Erfahrungen gegründete wechselseitige Sympathie im Spiel gewesen sein muß. Bei Max kann man geradezu von einem positiven Vorurteil sprechen. Schon bei Nikolaus’ Regentschaftsantritt im Oktober 1894 hatte er für »Nicky« geschwärmt: »Wer ihn in der Intimität gesehen hat, der liebt ihn. Ich halte ihn für gescheit und ziemlich gebildet, vor allem aber für einen sehr ehrlichen und gutherzigen Mann.«138 Mit einem Wort, Max hatte ihn »ungeheuer gern«.139 Fortan stand er unter dem Zauber dieses Mannes, der einer der mächtigsten Herrscher der damaligen Welt war, aber eben für Max auch ein liebenswürdiger Verwandter. So bedeuteten die beiden Kavalierstouren nach Rußland und England im Jahr 1895 für den 28-Jährigen mehr als nur Unterhaltung. Er lernte, die durch Verwandtschaft begründete Verbundenheit des europäischen Hochadels zu differenzieren. Allerdings war er trotz seiner Vorliebe für die Romanows weit davon entfernt, sich in dem zwischendynastischen Geflecht aus Unstimmigkeiten, Animositäten und Dominanzansprüchen irgendwie selbst zu positionieren oder gar Partei zu ergreifen. Dazu fühlte er sich noch zu sehr als Besucher und Entdecker des eigenen Standes. Ihm ging es primär um die Rückversicherung, überhaupt selbst dazuzugehören; wahrgenommen zu werden und zur Fassade des höflichen herzlichen Umgangs miteinander durch eigene Freundlichkeit beizutragen. Das Wichtigste war ihm die tadellose Erfüllung seiner dynastischen Pflichten. So wurde er an den Höfen Europas ein gern gesehener Gast. Obwohl er sich in den Komment der europäischen Herrscherfamilien ein- und unterordnete, wollte der Prinz seine privaten Interessen und Wunschträume nicht gänzlich opfern. Ihn verlangte nach Freiräumen, in denen er sich in seiner natürlichen Gestalt geben konnte. Die Kunst bestand nun freilich darin, für die Erfüllung seiner Passionen eine Form zu finden, die vereinbar blieb mit dem guten Leumund eines Fürsten, der als Thronprätendent im Großherzogtum 84 84
Baden gehandelt wurde. So verfiel Max auf die Idee einer mehrmonatigen Orientreise, und zwar in Gefilde, die sich der sozialen Kontrolle weitgehend entzogen. Solche Touren zählten ja traditionell zum Kanon des hocharistokratischen Bildungswegs. Sie gaben jungen Adeligen Gelegenheit, fremde Länder, Sprachen und Sitten kennenzulernen. Außerdem sollten sie deren Welt- und Menschenkenntnis, Urteilskraft und weltmännisches Auftreten fördern.140 Am 29. April 1893 schreibt Max an seinen Freund Ernst, er habe sich »fest vorgenommen, auf ein Jahr dem Dienst den Rücken zu kehren und wieder Mensch zu werden. Vor allen Dingen will ich etwas mehr von der Welt sehen. Italien, Aegypten, Griechenland, Constantinopel, der Kaukasus und die transkaspischen Besitzungen der Russen sind mein Ziel, das ich als festes Ganze im Auge behalte. Hierfür befinde ich mich in voller Vorbereitung.« Er sei nun »wieder in eine jener Epochen meines Lebens eingetreten, in denen ich von einem unwiderstehlichen Drang vorwärts ergriffen werde«.141 Im Oktober 1893 sollte die auf ein halbes Jahr veranschlagte Tour losgehen, mit deren intensiver Vorbereitung Max fortan »furchtbar beschäftigt« blieb.142 Konzipiert als klassische Bildungsreise, zielte das Projekt doch auf mehr. Max wollte damit auch »so viel ich kann, die Zukunftsbilder verscheuchen, welche einem eigentlich nie rosig erscheinen. Ein solches Hauptzukunftsbild steht vor mir in der Gestalt einer Heirat, die nach meiner Reise nicht mehr sehr verschoben werden darf.« Da es davor kein Entrinnen gäbe, »so will ich wenigstens zuerst Freiheit genossen haben«.143 Doch bald darauf war Max’ schöner Traum zerplatzt. Der Heidelberger Medizinprofessor Adolf Kußmaul, Leibarzt der badischen Herrscherfamilie, untersagte ihm nach eingehender Untersuchung die Fernreise.144 »Ich war selten in meinem Leben so niedergedrückt«, klagte Max seinem Freund. »Einen lange gehegten Lieblingsplan, auf den man sich mit Fleiß vorbereitet hat und in welchen man so viele Hoffnungen gesetzt hat, scheitern zu sehen, ist auch eine harte Prüfung.«145 Da Max’ Fernweh auch eine Flucht nach vorne war, wundert es nicht, daß er davon nicht lassen mochte. Im Frühjahr 1894 war es endlich soweit, daß er wenigstens in Richtung Italien aufbrechen konnte, zu einem mehrmonatigen Aufenthalt in Rom und am Golf von Neapel – diese Reise wiederholte er im folgenden Jahr. Was ihm dies bedeutete, hat Max seiner mütterlichen Freundin Cosima Wagner nach seiner Rückkehr ins »graue« Berlin geschildert: »Nach 85 85
Im Kreis der europäischen Fürsten: Prinz Max (dritter von rechts) auf der Hochzeitsgesellschaft in Coburg 1896 mit Wilhelm II . (fünfter von links)
lachendem Sonnenschein Nebel und Dunst, nach Freiheit, Gesang, nach Schönheit und Poesie, Sand und Prosa, nach unbewußtem Lebensgenuß, bewußte Ziele und der Kampf ums Dasein. Das ist, was ich empfinde, wenn ich Italien, das Land der Träume, mit dem Boden Berliner Wirklichkeit vertauschen muß.«146 Über die Reisen nach Italien, in dieses »sonnenlichte Land«, dem selbsterklärten Fluchtpunkt von Max’ »Sehnsucht«,147 werden wir im nächsten Kapitel mehr erfahren. Bis Mitte der neunziger Jahre hatte sich Prinz Max von Baden so weit in die große europäische Adelsfamilie integriert, daß er sich als ein vollgültiges Mitglied fühlen durfte. Als sein Freund Ernst, der Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg, im April 1896 in Coburg die Prinzessin Alexandra ehelichte, eine Enkelin von Queen Victoria, fand sich dort ein repräsentativer Querschnitt jener Fürstengesellschaft ein, mit der unser Prinz nun auf Augenhöhe verkehrte.148 Anhand des Gruppenbildes mit Max wird ersichtlich, daß er in der Mitte des Adels angekommen war. 86 86
Gönner, Förderer – und die erste Liebe Durch den Tod seines Vetters wurde Max in noch stärkerem Maße abhängig von Personen, die sich für ihn verantwortlich fühlten. Hier ist an erster Stelle das badische Großherzogspaar zu nennen, das seinen Neffen wegen der prekären Thronfolge gleichsam adoptieren mußte. Dies machte ihnen der Sohn des ungeliebten Bruders und Schwagers allerdings denkbar leicht, indem er sich gänzlich von den Ressentiments seines Vaters löste und mit Liebenswürdigkeit und Respekt auf die »Adoptiveltern« zuging. Viel Zutrauen scheint er im Januar 1890 beim Tod der Kaiserin Augusta in Berlin erworben zu haben, den er – wie er schrieb – »in so naher Beziehung mit Tante Luise und Onkel Fritz [den Kindern der Verstorbenen] erlebt habe«. Was er damals wirklich »bewundernswert« an der trauernden Großherzogin fand, war, daß sie ihren Schmerz in beispielhaft »erhabener Weise« trug. Und Max verstand es offenbar, diese seine bewundernde Empathie auf besonders taktvolle Weise zum Ausdruck zu bringen. Jedenfalls konstatierte er mit großer Genugtuung, daß seine Tante ihm »so dankbar« war für das, was er ihr an »Sympathie und Mitgefühl« zu geben wußte.149 Aus dem brieflichen Verkehr, den Max in den neunziger Jahren mit dem Oberhaupt des Herrscherhauses unterhielt, geht ebenfalls hervor, daß die dort zum Ausdruck gebrachte Ehrerbietung des Neffen mehr als nur Etikette war.150 Mit seiner Anteilnahme und seiner Dankbarkeit gegenüber diversen Wohltaten rechtfertigte er die Stellung als erbberechtigter Prinz des Hauses Baden, während er zugleich das Vertrauen des großherzoglichen Paares erwarb. Dies war auch geboten, wenn man bedenkt, daß das badische Herrscherpaar mit seinem engen Kontakt zum Kaiser indirekt Einfluß auf Max’ (militärische) Karriere nehmen konnte und auch nahm. Gewiß nicht zufällig hat Wilhelm II . den Prinzen im September 1893 bei einem Besuch in Karlsruhe zum Premierleutnant befördert. Zwei Jahre später befahl er ihn sogar als Ordonanzoffizier in seine Entourage zum bereits erwähnten Militärmanöver in Pommern. Max zeigte sich denn auch hocherfreut über diese seltene Gelegenheit, den Kaiser »näher kennen zu lernen«.151 Es verging kaum noch ein Monat, in dem das Karlsruher Hoftagebuch keinen Besuch des Prinzen Max vermeldete; oft waren es deren drei oder mehr. Auf die Fürsprache seines Onkels konnte er sich nun fest verlassen.152 Daß Max den Kaiser im Frühjahr 1897 erstmals zu einem 87 87
privaten Jagdvergnügen begleiten durfte – nach Kaltenbronn im Nordschwarzwald, wo der Großherzog der Jagdgesellschaft sein kleines Jagdschloß zur Verfügung stellte –, beweist, wie fest der Thronprätendent nun im innersten Kreis der badisch-preußischen Konnexion verankert war. Von einer anderen Seite her beförderte dies Karl von Eisendecher, Preußens Gesandter in Karlsruhe seit 1884,153 der schon bald nach seinem Einzug in die südwestdeutsche Residenz ein Faible für den »hervorragend liebenswürdigen und begabten«154 Prinzen entwickelte. Der kunstsinnige und ausgesprochen weltmännische Diplomat verstand es, den jungen Mann unter seine Fittiche zu nehmen. In Eisendechers repräsentativen Wohnräumen genoß der Prinz Konzerte;155 dieser lud Max auch privat zu sich nach Berlin ein, und im Sommer 1888 verbrachte der Endvierziger mit dem Einundzwanzigjährigen sogar einige vergnügliche Urlaubswochen auf der damals ziemlich weltabgeschiedenen Insel Helgoland: »Ich schwelge in der herrlichen Seeluft«, schrieb Max begeistert von dort an seinen Freund Ernst, »und in dem Zusammenleben mit Herrn von Eisendecher«; er »segle viel und habe so gut es ging unter Eisendechers Leitung das Steuern erlernt«.156 Eisendecher schwärmte fortan in seinen Berichten an den Reichskanzler in den höchsten Tönen über den aufgehenden Stern des Hauses Baden. Was bei Eisendechers sehr guten Beziehungen zu Bismarck, der ihn sogar duzte,157 von einiger Bedeutung für Max’ positive Wahrnehmung gewesen sein dürfte. Schon im Januar 1889 beschreibt der Gesandte Bismarck gegenüber den Prinzen als »ernst über seine Jahre, vollkommen wahr und ehrlich, fleißig, strebsam, gewissenhaft, feinfühlend und liebenswürdig […] Beiläufig darf ich noch erwähnen, daß der junge Herr mir seine ganz besondere Freundschaft und sein Vertrauen schenkt.«158 Insbesondere auf diesen Aspekt ist er in seinen Lobreden immer wieder zurückgekommen.159 Daß der Prinz bei Eisendecher so einen riesigen Stein im Brett hatte, sollte sich auch à la longue als unschätzbarer Vorteil erweisen, denn dieser Diplomat war einer der ganz wenigen innerdeutschen Gesandten, die bis zum Ende der Monarchie auf ihrem Posten verbleiben sollten. Einem politisch nicht unbedeutenden Amt übrigens, das nur aus heutiger Sicht ein wenig apokryph erscheint.160 Wie die Dinge im ausgehenden 19. Jahrhundert lagen, begriffen sich Exterritoriale wie Eisendecher durchaus als Spitzendiplomaten des Reiches mit weitreichenden Aufgaben und Kompetenzen. Der innerdeutsche 88 88
Gesandte – von Geburt übrigens Oldenburger – sollte den preußischen und Reichsmonarchen in Karlsruhe auf hohem Niveau präsent halten und in diesem Sinne zum Beispiel mit schönen Diners, Soirees und Empfängen gesellschaftlich etwas hermachen. Er sollte aber auch den preußischen Außenminister und deutschen Reichskanzler über wichtige politische Vorkommnisse im Großherzogtum auf dem Laufenden halten. Das wichtigste Bezugssystem seines Wirkens aber bildeten die Herrscherfamilie und die höchsten Hofchargen, dann erst die Minister sowie die kulturellen Koryphäen der Residenzstadt. Vor allem Fragen, die die Dynastie und deren Innenleben berührten, widmete er seine ganz besondere Aufmerksamkeit. Gerade in diesen Dingen, für die sich Wilhelm II . brennend interessierte, konnten die Berichte des Gesandten entscheidend sein. Daß Eisendecher als früherer Marinemann gelegentlich von Wilhelm auf die kaiserliche Yacht befohlen wurde, um dort bei den Regatten als rechte Hand des Monarchen zu fungieren, unterstreicht, welch entscheidende Rolle er spielte. Eines solchen Mannes Freund zu sein, war für den Thronprätendenten Max mit Gold nicht aufzuwiegen. Der hellste und wärmste Bezugspunkt seines privaten Gesichtskreises blieb bis zu dessen frühen Tod 1888 Max’ Vetter Ludwig, der zweitgeborene Sohn des Großherzogs. In seinen ganz persönlichen Angelegenheiten dürfte der junge Prinz kaum einen engeren Vertrauten gefunden haben als den zwei Jahre Älteren. Schon als Zehnjähriger warb er mit unterhaltsamen Briefen, putzigen Bildpostkarten, hintersinnigen Gedichten und kleinen Zeichnungen um Sympathie bei Ludwig; er wollte unbedingt, daß dieser einen positiven Eindruck von ihm erhielt. Im Alter von gut 16 Jahren bemühte Max sich dann augenscheinlich, die familiär-herzliche Beziehung zu seinem Cousin in schwärmerische Freundesliebe zu überführen. Ludwig brauche zwar nicht zu glauben, »ich sei in Dich verliebt«, schrieb er ihm Anfang 1884, aber er nannte ihn schon ganz unverblümt »my darling«.161 Und wenn man die immer zahlreicher und immer intimer werdenden Briefe liest, die er ihm in der Folgezeit geschrieben hat, so gewinnt man unweigerlich den Eindruck, daß genau das eingetreten war: Max hatte dem Vetter sein Herz geschenkt. Der Ton der Briefe schwankt zwischen deftig-derb und verliebt. So eröffnet Max dem fast 19-Jährigen, daß »ich mit Dir jetzt plaudern möchte, mein Schätzerl«, um dann fortzufahren: »Ich war heute früh im Schloß, und wie ich in Deinen Gang kam (wo ich sonst zu 89 89
Zeichnung des Prinzen Max, gewidmet dem Jugendschwarm Prinz Ludwig von Baden, 1885
meinem Schätzerl im Bette komme), da roch es so stark, daß ich meinte, es brenne bei Dir. Es brennt zwar bei Dir, aber unter der Uniform. Übrigens fehlst Du mir sans frase gemein […] Ich würde mich, wenn ich könnte, Dir in die Arme fallen lassen, so aber umarme ich Dich in Gedanken fest, und träume von Dir und bleibe, solange es Dir gefällt, Dein treuer und verschwiegener Max.«162 Auch noch ein Jahr später – Ludwig dient inzwischen bei einem preußischen Eliteregiment in Potsdam – klingt es so: »Ich hab Heimweh nach Dir, d. h. so viel als man daheim Heimweh haben kann. Aber ich hab’s so gern, wenn wir neben einander sitzen und erzählen, wie es in der Zukunft sein wird. Ach Gott, es ist doch schön, wenn sich zwei gern haben. […] Wenn ich bei Dir bin, bin ich fast immer fröhlich, denn wir kennen uns ganz genau. Ich hoffe, Ludwig, daß es so bleiben wird, bis einer von uns gestorben sein wird. […] Ich bleibe in langer Umarmung Dein treuer Vetter und Freund Max.«163 Ludwigs Gegenbriefe sind zwar gesperrt, aber man kann aus Max’ Bemerkungen schließen, daß die Zuneigung gegenseitig war. Max zeigte sich tief beglückt darüber, »wie fest Du an mir hältst und meine Freundschaft erwiderst«, oder er reagierte mit geradezu euphorischen Äußerungen wie: »Oh my boy, my boy! Dein verrückter, lieber Brief entzückend! Ganz unsere Sprache; hab mich halb tot gelacht«.164 Die Briefe zeigen, wie sehr Max’ Schreiben Ludwig gegenüber durchsetzt war von homosexuellen Phantasien. Anspielungsreich hat er ihn auf der Anreise zu einem Besuch in Potsdam mit »my dear old body« umkost und sich selbst – »rasend« vor Freude auf das bevorstehende Wiedersehen – »your dear old body in Treue und Liebe« unterzeichnet.165 Im Dezember 1887 schreibt er ihm aus Leipzig: »Tino [Kronprinz Konstatin von Griechenland] und ich bringen uns gegenseitig zu Bett; natürlich abwechselnd, den einen Tag ich, den andern 90 90
Tag er (in aller Unschuld, bitte zu glauben).« Wenige Tage später stellt er sich den Freund bei der Morgentoilette vor: »Morgens hast Du Dich an einer mächtigen Latte aus dem Bett gehoben, wie einen Henkelkrug; dann hast Du Dich besonders gut gewaschen, namentlich etc., und hast Dich im Spiegel von unten bis oben angeschaut –: ›Verflucht, die vielen Flecken auf meinem Popo …!‹ – Dann die beste Krawatte angezogen mit Mischas Nadel. Beim Frühstück etwas erregt, aber unter der Weste einen selten guten [Schnaps?] versteckt; in der Kirche geschlafen und von – geträumt.«166 Der erotische Ton dieser Freundschaftsliebesbriefe ist deutlich. In seiner Beziehung zu Ludwig entdeckte Max seine Sexualität; er spricht über Verlangen und sehnt sich nach Nähe. Dabei konnte sich Max sicher sein, daß sein Ludwig nicht allein ihm, sondern auch dem weiblichen Geschlecht zugetan war. Er stellte sich dem Vetter sogar als Postillon d’amour zur Verfügung, nachdem sich dieser in eine Prinzessin von Neapel-Sizilien verliebt hatte. Seine Rolle definierte er so: »[D]ie Aufmerksamkeit der Leute von Dir abzuziehen, ohne ihr zu nahe zu treten, wenigstens halten mich viele für verliebt in sie; sie aber denkt nicht daran, in mich verliebt zu sein; ich habe sie sehr gern aber nichts weiter. […] Es wäre herrlich, wenn Du sie bekämest; wie ich lachen müßte.«167 Das Wichtigste scheint Ludwigs bestem Freund freilich immer gewesen zu sein, »mich Deines Vertrauens würdig zu erweisen und mir Deine Freundschaft zu erhalten. […] Verlaß Dich bitte auf mich in Allem; im Größten, soweit meine Kräfte reichen, und im Kleinsten.«168 In diesen Briefen lernen wir noch eine andere Seite von Max kennen: sein Bedürfnis nach Bindung an einen Vertrauten, dem er sich öffnen und hingeben, dem er in Liebe anhängen durfte und dem er sich immer wieder nützlich machen konnte. Daß er sich dafür einen nahen Verwandten, einen höherrangigen gar, ausgewählt hatte, hat vielleicht noch einen anderen Grund, außer der bloßen Liebe. Da die beiden Vettern auch andere Intimitäten höchst privater Art der großherzoglichen Familie teilten, wurde Max gleichsam ein Kind derselben – und mußte sich nicht wie sein Vater mit der Rolle eines Zaungastes bescheiden. Daß diese familiäre Bindung mit Ludwigs frühem Tod ein jähes Ende fand, hat die Zäsur von 1888 für Max sicher noch einmal mehr verstärkt. Die Lücke, die Ludwigs Tod in Max’ Gefühlsleben gerissen haben muß, konnte – wenn nicht geschlossen, so doch – einigermaßen über91 91
brückt werden durch eine weitere Freundschaft, die ebenfalls schon in die späten achtziger Jahre zurückreicht. Der Favorit war sein vier Jahre älterer Vetter Ernst, der Erbprinz des (mediatisierten) Fürstenhauses Hohenlohe-Langenburg.169 Ernsts Vater Hermann war mit einer badischen Prinzessin aus der Hochberg-Linie verheiratet, was unter anderem zur Folge hatte, daß Max und Ernst in Karlsruhe eine Zeitlang gemeinsam zur Schule gingen.170 Seit 1885, als der junge Hohenlohe nach erfolgreichem juristischem Staatsexamen seine Offiziersausbildung in Berlin antrat, datiert ein intensiver Briefverkehr zwischen den beiden Fürstensöhnen. Solange Max in Freiburg und Heidelberg studierte und Ernst in Berlin Dienst tat, wurde die Freundschaft hauptsächlich durch den Austausch von Gedanken, Phantasien, Gefühlen und nicht zuletzt von poetisch-dramatischen Produkten per Post kultiviert. Am meisten verband die beiden ihre gemeinsame Schwärmerei für Wagners Musik. Seine vielen Briefe an Ernst kamen Max dabei wie »Stücke Tagebücher« vor; sogar noch »etwas vernünftiger als Tagebücher (obgleich ich selbst eins halte), denn man sucht wenigstens klar zu sein«.171 Kurz, es tat Max »gut, sich ausschütten zu dürfen und zu wissen, man wird verstanden werden«.172 Mit der Übersiedelung des Badeners nach Leipzig gewann die Beziehung im Herbst 1887 deutlich an Intensität. Die Wohnorte der beiden lagen nur noch zwei Zugstunden voneinander entfernt. So ist gleich in einem seiner ersten Briefe aus dem neuen Studienort von einer Reise nach Berlin die Rede – inkognito; dort will Max mit Ernst eine Wagneraufführung besuchen – was eigentlich »unrecht« sei: »Gegen zwei Dinge aber bin ich schwach, das ist die Freundschaft und Wagner; da nun beide so unwiderstehlich locken, so kann ich nicht an mich halten, ich muß mich in dies Wonnenmeer werfen. Doch möchte ich ungesehen und unerkannt nur für Dich und Wagner kommen.«173 Solche mehr oder weniger geheimen Treffen gab es häufiger. Der 25-jährige Erbprinz aus Langenburg war Max nun »mein liebster Erni«, und als dieser Anstalten machte, die Bayreuther Festspiele im Sommer 1888 zu einem Rendezvous mit einer eventuellen Heiratskandidatin zu nutzen, da wollte der im Examen stehende Freund gleich mit von der Partie sein.174 Nach seiner Rückkehr von dieser Reise befand sich Max über »Wochen in einem unzufriedenen Zustand« – einem »Gefühl des Unbefriedigtseins«. Unter den Gründen dafür gebe es neben dem Examenselend »auch solche, über die ich nicht gern spreche«. Jeden92 92
falls »möchte kein Hund so länger leben«. 175 Und wenig später heißt es dann, daß »wenn die Zeit kommt, können wir hoffentlich oft zusammen sein u[nd]. Parsifal singen«.176 Doch Ernst hatte inzwischen die diplomatische Laufbahn eingeschlagen und eine Stelle bei der deutschen Botschaft in London angetreten, während Max sein Studium abschließen und seine Offiziersprüfung vorbereiten mußte. Erst nach seinem Eintritt in das Garde-Kürassier-Regiment kehrte der angehende Diplomat im Frühjahr 1890 für einige Monate nach Berlin zurück: »Wie rasend freue ich mich, Dich wiederzusehen«; erst dann werde »Berlin mir lieb werden und wir wollen recht viel beisammen sein«.177 Und so war es dann auch, wie die Briefe von Ernst an seinen Vater aus Berlin bestätigen.178 Im Herbst 1891 ging Max’ Freund an die deutsche Botschaft nach Petersburg. Vor dem neuerlichen Abschied gönnten sich die beiden im Juli noch ein paar schöne Tage in Heidelberg. Zurück blieb »schmerzliches Bedauern« über das erneute Getrenntwerden.179 In den Briefen des Prinzen Max figurierte der umworbene Vetter als eine Mischung aus Seelenverwandtem, Bruder, Vorbild, Intimus, Getreuem und Geliebtem.180 Max brauchte Ernis Empathie und Verständnis, seinen Trost und Zuspruch, seine Hilfe vor allem zur Erhebung des eigenen Gemüts. Und er suchte bei ihm Nähe, will Zweisamkeit, gemeinsames Erleben. Aber das war nicht alles. Es seien »Gefühle und Interessen, welche mich so viele Jahre an Dich fesseln«, hat er ihm einmal geschrieben.181 Will sagen: Außer den Emotionen brachte diese Freundschaft für Max auch einen praktischen Gewinn – ebenso wie die Freundschaft mit Ludwig. Denn Ernst war Sproß einer angesehenen Adelsfamilie, die sich trotz des Verlustes ihrer Souveränität den regierenden Häusern in vielerlei ebenbürtig fühlte; sie war mit dem britischen Königshaus verwandt und mit dem deutschen Kaiserhaus verschwägert. Ernst besaß Bildung, und er besaß um 1890 neben einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung für den höheren Staatsdienst bereits Erfahrungen in Militär und Diplomatie. Er war gesellschaftsfähig und hatte sich bereits auf internationalem Parkett bewährt. Mit seinen Kenntnissen in Kunst, Literatur und vor allem in der Musik war er in der Welt der bürgerlich dominierten Hochkultur kein Fremder. Schon vor der Jahrhundertwende ging er in der Villa Wahnfried in Bayreuth ein und aus. Als bekennender Wagnerianer gelang es ihm in jungen Jahren sogar, so etwas wie eine Freundschaft zu Cosima Wagner, der 93 93
»Herrin des Hügels«, aufzubauen.182 Schließlich war der angehende Fürst und Standesherr politisch sehr interessiert und durchaus bestrebt, einmal eine Führungsrolle in der Politik zu übernehmen. Insofern versprach sich Max von ihm auch Beratung, Aufklärung, Unterstützung und nicht zuletzt Empfehlung. Diese zweckrationale Dimension war es dann auch, die nach der sehr intimen Phase mehr und mehr ihre Beziehung bestimmte. Erst mit der Verlobung des Langenburgers 1895 machen sich in Max’ Briefen eine innere Distanz und Sachlichkeit bemerkbar, die aber dem offenherzigen Umgang miteinander keinerlei Abbruch tat. Bleibt zu ergänzen, daß Max in seinen frühen Berliner Jahren noch eine weitere Männerfreundschaft von Prinz zu Prinz einging, und zwar mit dem fast gleichaltrigen Friedrich Karl von HessenKassel.183 Seinem Vetter Ernst berichtete er 1890 von dem Berliner Offizierskollegen »Fischy, wie er genannt wird«, als »Jemande[m], den Du gewiß auch lieb gewinnen wirst«, da er »ein nobler Charakter und voll Verständnis für Kunst und Literatur« ist.184 Max und Fischy hatten sich während ihres gemeinsamen Studiensemesters in Freiburg kennengelernt.185 Die Freundschaft sollte Bestand haben und sich – wie später noch zu zeigen ist – in manchen schwierigen Situationen bewähren.186
Kein Interesse: Frauen und Politik Seit der Heirat des badischen Erbgroßherzogs Friedrich II . im Jahre 1885 wartete man – nicht nur in Berlin – auf die Geburt eines Thronerben. Bis Ende der achtziger Jahre hatte der Gesandte in Karlsruhe dabei die offiziöse Sprachregelung befolgt, daß es zwar noch keine Schwangerschaft zu vermelden gebe, aber auch keinerlei bestimmte Gründe vorlägen, »welche etwa auch für die Zukunft solche Hoffnungen als ausgeschlossen erscheinen ließen«.187 Im Oktober 1890 waren in der badischen Presse erstmals Gerüchte über eine bevorstehende Verlobung des Prinzen Max mit einer der Enkelinnen der Queen zu lesen. Wie Eisendecher nach Berlin vermeldete, würden die badischen Zeitungen verlautbaren, daß »bei der voraussichtlichen Kinderlosigkeit des Erbgroßherzoglichen Paares der Prinz Max allein übrig sei, die Thronfolge zu sichern«.188 Es war nicht diese neue öffentliche Ausdeutung der Thronfolgefrage, welcher der Gesandte 94 94
widersprach, sondern es war lediglich das Gerücht selbst: Soweit ihm bekannt, hielte sich der Prinz »bis jetzt selbst für zu jung, um schon an eine Heirat zu denken«. Das stimmt. Für mehr als ein halbes Jahrzehnt sehen wir Max nun in der Rolle des Junggesellen. Damit ist die Gemengelage umrissen, in der er sich hinfort zurechtfinden mußte. Nicht heiraten zu wollen und es gleichwohl zu müssen, um seine Fürstenkarriere nicht zu gefährden.189 Um 1890 war die öffentliche Meinung in Baden zu der Auffassung gekommen, daß die Ehe des einzigen großherzoglichen Sohnes wohl ohne Nachwuchs bleiben würde. Gleichzeitig wollte man sich aber der Aussicht auf einen hausgemachten Thronfolger nicht gänzlich beraubt sehen. So richtete sich der Blick der Öffentlichkeit zwangsläufig auf den einzigen, der dafür noch in Frage kam. Ausgestattet mit dem Nimbus eines dereinstigen Kronenträgers, wurde der Prinz gleich ganz anders wahrgenommen. Das hatte sich selbstredend auch in der europäischen Fürstenwelt herumgesprochen. Und nun hatte Max ein Problem. Dem neuerkorenen Hoffnungsträger der Zähringer Dynastie wurden von verschiedenen Seiten mehr oder weniger zarte Avancen gemacht – und die behagten Max überhaupt nicht. Schon gleich nach Antritt seines Militärdiensts in Berlin bemerkte er im Hause der Kaiserwitwe Victoria, wie »charmant« die »Kaiserin Friedrich« zu ihm war, »geradezu sirenenhaft«. Max hatte die wohl keineswegs abwegige Sorge, daß die hohe Dame damit Hinterabsichten verfolge, was ihn und eine ihrer Töchter anbelangt.190 Tatsächlich machte die 18-jährige Prinzessin Margarethe von Preußen, die jüngste von Victorias Töchtern, dem badischen Verwandten schöne Augen. »Wenn sie doch nur für jemand anderen schwärmte«, stöhnte aber sogleich die Mutter, »denn ich befüchte, Max interessiert sich nicht sonderlich für sie und denkt nicht im Traum an Heirat«. Er empfinde bestenfalls brüderliche Gefühle für die heftig Verliebte.191 Sogar die Queen in London wußte um Max’ Heiratsscheu, doch das hielt sie nicht davon ab, auch ihrerseits Heiratsstrategien zu entwerfen, die sie ihrer Enkelin Victoria von Hessen wie folgt annoncierte: »Du weißt, wie sehr der liebe Papa & ich wünschen, daß die liebe Alicky [Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt] eines Tages Max von Baden heiraten sollte, den ich früher schon einmal für Maud [Tochter des Prinzen von Wales] vorgesehen hatte«.192 Selbst aus diesem Arrangement wurde nichts, wie wir durch Max’ Reaktion wissen: »Abge95 95
sehen davon, daß mir Heiratsgedanken jetzt ziemlich unsympathisch sind, kann ich nur eine kühle Bewunderung ihrer schönen Erscheinung in mir empfinden, mehr nicht.«193 Zarewitsch Nikolaus hingegen verliebte sich zeitgleich in die Prinzessin Alix – aus ihr wurde Alexandra Fjodorowna, die letzte Zarin Rußlands. Das »jetzt« in Max’ Antwort bezog sich übrigens auf die Erfahrung, daß sich Prinz Friedrich Karl aus dem entthronten Herrscherhaus Hessen-Kassel mit der von Max verschmähten Prinzessin Margarethe verlobt hatte.194 Damit war dieser, wie Max ebenso resigniert wie bezeichnend schrieb, »Gegenstand mir für immer verloren«. Das »einzig Gute daran« sah er darin, »daß ich nun längere Zeit nicht ans Heiraten denken werde, und einige Jahre der Freiheit zu genießen hoffe«.195 Mit dem bereits erwähnten Plan einer Orientreise hoffte er 1893/94 erst einmal Aufschub zu erhalten. Seine Mutter hatte allerdings bereits angemahnt, daß seine Verheiratung »nach meiner Reise nicht mehr sehr verschoben werden darf«.196 Nach seiner Rückkehr aus Italien und einem Aufenthalt in Bayreuth wurde es dann im Herbst 1894 tatsächlich ernst. Die Mutter schickte Max im September zur Brautschau nach St. Moritz, wo Herzogin Wera von Württemberg, eine russische Verwandte, gerade mit ihren beiden 18-jährigen Zwillingstöchtern Elsa und Olga kurte.197 Seine Erfahrungen schilderte der Kandidat wenig später seinem Freund Ernst: »Ich hatte entschieden etwas Herzklopfen, als ich bald nach meiner Ankunft zum Abendessen zu meiner Tante und The Twins hinüberging. Soweit war alles auf bestem Weg, und ich würde meine Intentionen zu deutlicherem Ausdruck in den folgenden Tagen gebracht haben, wenn ich O. nicht sehr schlecht aussehend gefunden hätte. Sie sah entschieden angegriffen aus, und ich mußte mir sagen, daß ich unmöglich den entscheidenden Schritt tun kann, solange ich Zweifel über ihre Gesundheit habe. Ich war in dieser Beziehung sehr enttäuscht und befinde mich in Folge dessen in keiner frohen Stimmung, umso mehr, als O. mir sehr gefallen hat.«198 Das klingt nicht gerade sehr glaubwürdig. Es verwundert insofern, als Max ein Jahr später sein Glück noch einmal bei Olga versuchte oder versuchen mußte. Aus Rom schrieb er: »Der Grund, weshalb ich hier bin, ist der, ungestört mit Olga zusammenzutreffen. Tante Wera reist mit ihren Töchtern in Italien und will dann nach Athen und Constantinopel. Die günstige Gelegenheit, außerhalb des Stuttgarter Klatschkreises meine Pläne zu verfolgen, durfte nicht unbenutzt blei96 96
ben. […] Ob ich mich jetzt verlobe, ob heimlich oder öffentlich, hängt ganz von den Umständen ab.«199 Sehr viel später bekannte Max über dieses Treffen, er habe da »eine schauderhafte Erfahrung hinter mir, in die mich ein mißverstandenes Pflichtgefühl und eine künstliche Steigerung getrieben haben«.200 Max tat sich schwer bei der Brautwerbung, und er brachte dies auch zur Sprache – soweit es ihm möglich war. Seit Anbruch seines Mannesalters beklagte er seinen Mangel an amourösen Gefühlen gegenüber Frauen. Er sei in diesen Dingen »weniger glücklich begabt« als andere, schrieb er einmal – oder »das Gegenteil einer verliebten Natur«.201 Wenn Ernst sich wieder einmal heftig verliebt hatte, dachte Max »mit Neid über die Kraft Deiner Empfindungen nach, die mir noch fremd ist, vielleicht ewig bleiben wird«.202 Als ihm sein Freund dann wenig später glückselig von seiner anstehenden Liebesheirat vorschwärmte, antwortete ihm Max, daß ihm solche Gefühle wohl »nicht gegeben« seien. »Eine so jauchzende Freude kann ich kaum zu erleben hoffen, wie sie Dir gewährt wurde. Ich glaube sie ist mir überhaupt durch meine Natur versagt.«203 Mit fast dreißig Jahren verkündete er als Ergebnis seiner Introspektion, daß er wohl selbst »an dem Schuld habe, was ich durchmache, denn jeder Mensch hat sein eigenes Schicksal allein in seiner Hand, schon allein deshalb, weil die äußeren Eindrücke sich nur so zeigen, wie sie sich in unserem Inneren widerspiegeln«. Eine bemerkenswerte Selbsterkenntnis, die einherging mit der Klage, daß sein Leben generell »so arm an Freuden und von Schwierigkeiten so bedrückt« sei.204 Wahrscheinlich rührten seine Beklemmungen hauptsächlich daher, daß für ihn »alle jetzt heiratsfähigen Prinzessinnen reizlose Produkte« geworden waren. Ihn zermürbten die Kämpfe »mit der Familie und dem Land [Baden] sogar, das mich zum Zuchthengst stempeln will, weil die Ära der Ehe von Fritz und Hilda kinderlos hat bleiben müssen«.205 Nun gab es im ausgehenden 19. Jahrhundert für einen homosexuellen Prinzen noch andere, gesellschaftlich mehr oder weniger akzeptierte Alternativen zum vorherrschenden Männlichkeitskonzept.206 Der aristokratische Offizier der Garde etwa mußte sich nicht als echter Mann beweisen; der primär ritterliche Verhaltenscode schützte ihn sogar davor, sich mit den Kameraden zu (heterosexuellen) Prostituierten zu begeben. Vor 1900 hatten sexuelle Devianzen in der Regimentsgeselligkeit niemanden zu interessieren. Die Stunde der 97 97
Wahrheit schlug erst bei der Konfrontation mit dem anderen Geschlecht. Hier war die heterosexuell-virile Männlichkeit en vogue, der Max nicht entsprach. Heiratswilligen jungen Damen gegenüber selbstbewußt aufzutreten, gar auf galante Art Begehrlichkeit zu zeigen, war seine Sache nicht. Max zählte mehr zu jenem Typus Männer »der jetzigen Generation«, über den die Baronin von Spitzemberg 1895 ihrem Tagebuch anvertraute, sie seien »in Selbstbetrachtung und Selbstmitleid verzagt und verzweifelt; weibisch sind sie, nicht weiblich, geschweige denn Männer!«207 Wollte Max seine Rolle als Thronerbe aber ausfüllen, so mußte er zwangsläufig eine heterosexuelle Rolle spielen, mußte seine homosexuellen Neigungen so verbergen, daß er vielversprechenden Damen aus dem europäischen Hochadel weiterhin glaubwürdig den Hof machen konnte. Erstaunlich wenig Interesse entwickelte Max von Baden in den neunziger Jahren für die große Politik, obwohl die nirgends in Deutschland so allgegenwärtig war wie in der Reichshauptstadt. Seine Äußerungen in Briefen über das politische Geschehen – von dem Sturz Bismarcks bis zur Sammlung der staatserhaltenden Kräfte zu einer Rechtsallianz, von den Sozialreformen des jungen Kaisers bis zum Aufkommen eines aggressiven Deutschnationalismus, vom Ausbau des Heeres bis zur Weltpolitik –, sie sind ausgesprochen überschaubar.208 Meist tat er diese Themen mit dem Hinweis ab, daß er sich »fast gar nicht damit beschäftige«.209 Immer wieder begegnen uns Äußerungen wie: »Von der Politik wirst Du viel mehr wissen als ich.«210 »Über Politik zu reden, ist ein zu unerfreuliches Geschäft, darum lasse ich es heute ganz.«211 Oder sie sei »zu unerfreulich, um auf lange zu fesseln«.212 Vor seinem Eintritt in die preußische Armee sind überhaupt nur zwei Stellungnahmen überliefert, die man als im engeren Sinn politisch bezeichnen kann. Die eine artikulierte er 1885 im Überschwang seiner Freude über die Verleihung des badischen »Hausordens der Treue« an ihn, als er seinem Vetter Ludwig versicherte: »[I]ch fühle mich zuerst als Badenser und dann erst als Deutscher. Es sind Dir vielleicht zu partikularistische Anschauungen, aber ich glaube sie sind natürlich; denn einer, der nichts zu verlieren hat, kann leicht sich einen Deutschen nennen, aber unsereins, dessen Geschichte und Besitz sich an badischen Boden knüpft, muß, glaub ich, schon aus Dankbarkeit zuerst Badenser sein.«213 Dieser badische Patriotis98 98
mus begegnet uns erneut im Juni 1888 unmittelbar nach dem Tod des Kaisers Friedrich III ., als Max sich wie viele andere fragte: »Was nun?« Seine Antwort lautete, es sei »die Zeit gekommen, wo das Reich sich bewähren« müsse. Dabei sah er »in dem Bestand der Einzelstaaten eine große Garantie für die innere Ruhe und Festigkeit des Reiches. Die einzelnen kleineren Monarchien sind Reservoir monarchischer Gesinnung. Im kleineren Kreis kann der einzelne Fürst besser wirken, als das dem Kaiser im ganzen Reich möglich wäre. Die persönliche Liebe zu den einzelnen Fürsten kann die Liebe zum Reich und zum Kaiser nicht beeinträchtigen, richtet sich doch ihr ganzes Interesse auf die Einigkeit, die ihre Stärke ist.« Es sei »ein Glück, daß ein Bismarck noch lebt, und Fürsten, die am Einigungswerk kräftig gearbeitet haben«.214 Die politische Position, die der knapp Einundzwanzigjährige einnahm, waren die des Hofes in Karlsruhe, wobei er das Gehörte nicht nur reproduzierte, sondern es auch glaubte und darauf baute. Oder, wie der preußische Gesandte Eisendecher dem Reichskanzler schrieb: »In politischer Beziehung hat der Prinz wohl noch keine ganz fertigen Anschauungen, wenngleich ein ungemein klares Verständnis für politische Dinge.«215 Dieses »ungemein klare Verständnis« war ausgerichtet auf die Staatsraison der konstitutionellen Monarchie, wie sie der großherzogliche Onkel damals repräsentierte. Bis weit in die neunziger Jahre hat Max in seiner Korrespondenz dann eigentlich nur eine politische Frage wiederholt zur Sprache gebracht, das Agieren des Deutschen Reichstags – das seines Erachtens unbotmäßig war. Die polemischen Spitzen des Prinzen können allerdings kaum verwundern, wenn man bedenkt, daß die meisten Bundesfürsten der parlamentarischen Vertretung des deutschen Volkes ablehnend bis feindselig gegenüberstanden, gar nicht erst zu reden vom Kaiser, mit seinen zahlreichen Ausfällen gegen das »Reichsaffenhaus«.216 Auffällig scheint da höchstens, daß Max selbst Bismarck bei dessen öffentlichen Auftritten unterstellte, »vom Parlamentarismus angesteckt« zu sein.217 Sein negatives Urteil gegen Parlament und politische Parteien klang bisweilen etwas antisemitisch eingefärbt. In einer »Zeit des Materialismus, die unter dem Sternbild ›Stern‹, ›Hirsch‹, ›Wolf‹ und ›Co[h]n‹ steht« müsse »dem übermäßigen Anhäufen des Kapitals und seiner Verwendung zu schmutzigen Parteiinteressen und materiellstem Genuß vorgebeugt werden«, schimpfte er.218 Schon 1887 hatte sich der Zwanzigjährige darüber 99 99
aufgeregt, daß sich der badische Landtag in Karlsruhe anmaßte, über eine Neuregelung der Prinzenapanagen zu beraten. »Wie die sales muffes [Lümmel] wohl stimmen werden? Es ist eigentlich eine Schweinerei solche Leute um etwas zu bitten, was uns schon halb dem Rechte nach gehört. Heuer ist so Vieles Schweinerei!«219 Welche Früchte diese Gedanken in konkreten Fragen der Tagespolitik trug, läßt sich am Beispiel der Kommentare studieren, die Max im Frühjahr 1895 über die Kämpfe zwischen Regierung und Reichstag um die sogenannte Umsturzvorlage verfaßte. Mit diesem auf Drängen des Kaisers eingebrachten Gesetzesvorhaben sollten verschärfte Strafen für systemkritische Agitationen aller Art eingeführt werden, die sich im Kern gegen den revolutionären Geist der Sozialdemokratie richteten, doch auch die Freiheit von Wissenschaft und Kunst bedrohten. Hierzu versuchte sich der 28-jährige Prinz von Baden ein politisches Urteil zu bilden und berichtete seinem Freund Ernst darüber: »Neulich war ich im Reichstag und hörte einige scheußliche Reden, welche alle mehr oder minder sozialistisch und revolutionär gefärbt, sonst aber von einer harmlosen Unbedeutendheit waren. Der Anblick unsrer Volksversammlung ist ein trauriger und empörender zugleich. Unvermögen und Bosheit, Parteihaß und mangelnder Patriotismus, das sind, so scheint es, ihre Haupteigenschaften.«220 Wenige Monate später hatte sich sein Räsonieren zum politischen Grundsatzverdikt verhärtet. Ihm werde »immer deutlicher«, schreibt er an Cosima Wagner, »daß ein solches Parlament auf die Dauer unsere Geschichte nicht beeinflussen darf. Wir leiden zu sehr nach innen und verlieren an Achtung nach außen. Der Geist, der dort ausgebreitet wird, verbreitet sich durch die Presse, dies Erzeugnis aller Niedertracht und Bosheit, bis in den entferntesten Winkel und sät Haß und Unfrieden. Eine Veränderung in der Volksvertretung muß über kurz oder lang eintreten, sobald der günstige Moment zu einem kräftigen Vorgehen der verbündeten Regierungen gegeben sein wird.«221 Max’ politische Position vom Frühjahr 1895 war nicht opportunistisch an einer momentanen Zeitströmung orientiert, sie war die typische antimoderne Haltung, die sich gegen Demokratie, Pressefreiheit und Parlamentarismus richtete und mit einer pauschalen Verachtung zumindest aller regierungsoppositionellen Volksvertreter einherging. Eine solche politisch konforme Ausrichtung darf uns bei dem Prinzen nicht verwundern. Er wußte es einfach nicht besser222 – und wollte es auch um seiner hohen Geburt willen nicht 100 100
besser wissen. Womit er sich im Kreise seiner damaligen Standesgenossen in bester Gesellschaft befand; insbesondere was die eigene Dynastie anbelangte.223
Familienbande und eine schwere Hypothek Als Thronanwärter war Max eine Rolle zugewiesen worden, die ihn überforderte. Mit Autosuggestion, Vernunftanstrengung und kleineren Fluchten hatte er sich seit dem Ende der achtziger Jahre nicht ganz erfolglos an Überlebensstrategien versucht. Auch die Freundschaft mit Ernst zu Hohenlohe brachte immer wieder Momente der Lebensfreude hervor. Aber dem jungen Mann bedurfte es noch an weit mehr, um den Anmutungen seines Daseins standzuhalten und in einem richtigen Fürstenleben anzukommen – empathischer Umsorgung nämlich. Und die suchte und fand er auch in den neunziger Jahren immer noch zu Hause bei seiner Familie. Nicht bei seinem Vater Wilhelm, bei dem er einen »Halt leider nie finden« konnte.224 Umso mehr vertraute er aber auf seine Mutter und seine zwei Jahre ältere Schwester »Mary«. Prinzessin Marie von Baden hatte etwa zeitgleich mit Max das Elternhaus verlassen, indem sie im Sommer 1889 den Erbprinzen Friedrich von Anhalt heiratete und nach Dessau zog.225 Ihre kinderlose Ehe galt als ausgesprochen unglücklich,226 und die Homosexualität ihres Mannes dürfte das Zusammenleben weiter erschwert haben.227 Auch Mary bedurfte also wie ihr Bruder des Zuspruchs durch das Elternhaus. 1892 traf sich Max mit den beiden Frauen zur gemeinsamen Sommerfrische in Scheveningen, was alle drei sehr goutierten.228 Im September 1893, unmittelbar nach einem weiteren Badeurlaub mit der Schwester an der holländischen Nordsee,229 wurde Max’ Bedürfnis nach einer längeren Auszeit offenbar so groß, daß sich bei ihm mitten im Herbstmanöver ein »plötzliches Unwohlsein« einstellte und er beschloß, »nach Hause zu reisen, um mich einer strengen Kur zu unterwerfen«.230 Nach Hause meinte in diesem Fall nach Schloß Kirchberg am Bodensee, wo ihm denn auch gleich »die Ruhe und das Zusammensein mit Mama und Mary sehr gut« taten. Aus der Kur wurde ein mehrmonatiger Aufenthalt in Baden, nur gelegentlich unterbrochen durch kurze Reisen nach Berlin.231 Diese ganze Zeit über war Max »leidend«;232 er tat sich schwer damit, wieder zu 101 101
Kräften zu kommen. Andererseits hatte er nun viel Zeit für sich selbst und für seine Mutter. Zusammen mit ihr – und ohne Vater – besuchte er häufig das großherzogliche Herrscherpaar oder musikalische Soireen, zusammen mit ihr spielte er Klavier oder sie fuhren gemeinsam nach Paris. Die Monate Februar bis Mai brachte er allerdings allein in Italien zu, bevor er im Juli und August weitere Erholung in Scheveningen suchte. Dort hatte er dann den »göttlichen Gedanken«, noch zur letzten Aufführung der Wagner-Festspiele nach Bayreuth zu fahren, »wo alle Gefühle gesteigert werden und im Spiegel der herrlichen Musik an Wahrheit und Intensität zunehmen«.233 Doch er konnte sein Leben auch durch solche Fluchten nicht umlenken. Der Süden, die Nordseefrische, Bayreuth – das alles durfte er sich gönnen, aber danach mußte Max sich sogleich seiner vordringlichsten dynastischen Pflicht widmen und wohl oder übel auf Freiers Füßen nach St. Moritz gehen; von dort kehrte er mit dem bereits erwähnten Mißerfolg ziemlich mutlos in den Schoß seiner Familie zurück. »Ich weiß auch, daß keiner mir raten kann, und ich den Kelch allein trinken muß«, schrieb er an seinen Freund: »Mama ist natürlich auch betrübt darüber für mich und für sich, und so sehe ich mit Freuden auf Marys Ankunft heut Abend, mit der ich über alles sprechen kann«. Die Gegenwart der Schwester wirkte dann in der Tat wieder tröstlich, ja »erheiternd auf mich, ihr guter Humor und ihre untrübbare Heiterkeit bei vollem Verständnis für andrer Leute Sorgen ist wohltuend in hohem Grade«.234 Inzwischen hatte sich die Familie im aufwendig restaurierten Fürstenkloster Salem aus dem 17. Jahrhundert ein neues Domizil eingerichtet.235 Der bis heute nahezu unveränderte Herrschersitz in landschaftlich bester Lage war Herzstück jenes Bodensee-Fideikommisses des Hauses Baden, dessen Nießbrauch sich Max seit 1889 mit seinem Vater teilte.236 Er selbst hat das Anwesen gegenüber Cosima Wagner sehr anschaulich beschrieben: »Das Schloß, in dem wir leben, ist ein altes Kloster, einst berühmt durch seinen Reichthum und ausgedehnten Grundbesitz. […] Es liegt eine gute Meile nördlich des Bodensees, am Rande eines ausgezeichneten Wiesenthals, ringsum bewaldete Höhen. Im Süden sieht man in weiter Ferne die schneebedeckten Alpen emporragen. Es ist ein schönes und friedliches Stück Erde, anregend durch die Mannigfaltigkeit seiner Gegend, einladend zum Nachdenken durch seine Stille und seine weiten Hallen, die von vergangener Zeit zu uns reden.«237 102 102
Schloß Salem, Wohnflügel der Prinzenfamilie
Sein weltabgeschiedenes Leben dort hat er Cosima gleich konkret beschrieben: »Morgens früh reite ich gewöhnlich aus. Es ist das hier ein besonderes Vergnügen. Wenige Schritte bringen einen mitten in den schönsten Wald, bald steigt man in demselben einen Hügel hinan, bald öffnet sich einem auf der Höhe eine überraschende Aussicht, hübsche Dörfer zwischen Hügeln und Obstbäumen, bewaldete Hänge, Wiesenthäler, in der Ferne der sonnenbeschienene blaue Bodensee vom Alpenfirne überhöht. Oft möchte man vor Freude aufjauchzen. Dann wendet man sich wieder nach dem Waldesdunkel zurück, in welchem das Sonnenlicht wunderbar spielt und webt. Hier und da schrickt das Pferd zusammen, wenn ganz nah ein aufgeschrecktes Wild das Weite sucht. – In’s Haus zurückgekehrt widme ich mich meinen Büchern und meiner Korrespondenz. […] Die Nachmittage sind meist durch lange Fahrten und Spaziergänge ausgefüllt. Wenn es dann Abend geworden ist, gehen meine Schwester und ich in die Kirche. Meine Schwester setzt sich an die Orgel und eine Anzahl Kinder aus dem nahen Dorf singt Marienlieder und andere geistliche Gesänge. Ich singe die zweite Stimme.« Kein Wunder, daß Max Schloß Salem für den Rest seines Lebens zum mentalen Ankerplatz und zur Erholungsstätte seines Geistes machte. Ein geeigneteres, ganz auf 103 103
seine Bedürfnisse zugeschnittenes Refugium, das sich zugleich zum repräsentativen Lebensmittelpunkt eines Fürsten eignete, hätte er kaum finden können. Wir werden ihn in den nächsten Jahren privatim immer wieder dort antreffen.238 Im September 1895 »eilte« Max wieder »auf unser stilles Kloster Salem«, wo seine Mutter den Tod einer Freundin betrauerte. »Wie in Allem war sie auch groß in ihrem Schmerz, und die Gespräche, welche wir alltäglich in der Dämmerstunde mit einander hatten, gehören zu den erhebendsten Erinnerungen meines Lebens.« Das seien für ihn »stille und glückliche Tage« gewesen, resümierte Max seinen Liebesdienst an der Mutter.239 Übrigens hatte er erst im Vormonat wieder »im lieben Scheveningen« mit Schwester Mary noch eine schöne Zeit verbracht.240 Auch der fast 30-Jährige bedurfte immer noch der beiden, traf aber seinerseits auf die offenbar große Liebebedürftigkeit von zwei Frauen, denen es in ihrer Ehe an Lebensglück und -freude mangelte. Aus dieser Konstellation erwuchs eine wechselseitige Abhängigkeit. Ein solches Verhältnis förderte kaum die Eigenständigkeit des Prinzen. Optimismus, Vertrauen in die eigene Fähigkeit, mentale Widerstandskraft – all das konnte er, fixiert auf diese beiden Bezugspersonen, kaum ausbilden. Verantwortlich dafür war und blieb das gestörte Verhältnis zum Vater. Erst Prinz Wilhelms tödliche Erkrankung im Winter 1896 änderte dies, wie Max seinem Freund Ernst schrieb: »Er ist durch sein Leiden merkwürdig mild geworden, geht auf alles freundlich ein und zeigt viel mehr Verständnis für anderer Leute Sorgen.«241 Als Prinz Wilhelm von Baden am 27. April 1897 starb und vier Tage später in Karlsruhe feierlich zu Grabe getragen wurde,242 hielt sich das Trauerleid der Angehörigen trotzdem in engen Grenzen. Der Erbprinz Friedrich von Baden schrieb im Namen seiner Eltern an seinen Schwager Gustaf von Schweden: »So schwer der Verlust für uns Alle ist – der gute Onkel war seit meiner frühesten Kindheit von stets weniger Liebe und Freundlichkeit für mich – so müssen wir bey Gott danken, daß er den Entschlafenen vor noch schlimmeren Qualen bewahrt hat«.243 Die Witwe teilte der Schwester des Verstorbenen mit, sie selbst fühle sich nun von ihren »Verpflichtungen befreit, daß ich ihm über alles, was ich mache, berichten muß. Vor allem bin ich eine glückliche Mutter und ich bin von den Meinen so wie von meinen Kindern geliebt; dann fühle ich mich von einer so gefühlsbetonten Atmosphäre aus allen Seiten getragen, daß mein 104 104
Herz nur Dankbarkeit ist.«244 Dieser Gattentod – so darf man folgern – hatte keine unauffüllbare Lücke in ihr Leben gerissen; Max’ Mutter hat diesem Hinscheiden eher etwas Positives abgewonnen. Und Max? Ihm war am wichtigsten, »Mama jetzt nahe zu bleiben und einen Teil der Liebe, die sie mir in so reichem Maße gegeben hat, wiederzugeben«.245 Seine spontane Idee ging dahin, »das Leben meiner Mutter neu zu gestalten und ihr beizustehen in allen Fragen, die sie bewegten«. Er machte »Pläne für die nächste Zukunft«, mit »Reisen und neuen Eindrücken für sie«.246 Er wollte gleichsam an die Stelle des Verstorbenen treten, die Mutter entschädigen für das, was der Gatte ihr in Max Augen vorenthalten hatte. Über den Tod des Vaters schrieb er an Cosima Wagner: »Draußen war der Frühling ins Land gekommen, der erste Morgensonnenstrahl fiel eben in den Garten, und die Vögel jubelten dem jungen Tag entgegen, als der Tod in das Sterbezimmer trat. Es war ein unbeschreiblich feierlicher nie zu vergessender Augenblick.« Er sei »erschüttert« gewesen »durch den Anblick des Sterbens. Das Geheimnisvolle, Wunderbare des Auslöschens des irdischen Daseins.« Danach hätte er aber gleich »eine erdrückende Menge Arbeit« gehabt. Seinem alten Freund Ernst gegenüber hat er sogar ganz freimütig bekannt: »ich war so weit gekommen, Papas Ende herbeizuwünschen, weil ich den Zustand für meine beiden Eltern als unhaltbar erkannte«.247 Der Tod des Vaters machte Max zum Fürsten – mit allem, was dazugehörte: Vermögen, Residenzschloß, höherem Gardeoffiziersrang und einem Platz im Geflecht der europäischen Herrscherfamilie; überdies gab er eine attraktive, kultivierte und liebenswürdige Erscheinung ab mit tadellosen Manieren, feinem Esprit und Noblesse – einen exzellenten Heiratskandidaten für alle (nichtkatholischen) Dynastien. Er war nun zu Hause sowohl im Kurialsystem der monarchischen Welt wie in der Rollenspielkunst eines vielversprechenden Agnaten aus angesehenem Haus. Er wußte, wie wichtig es für ihn und für sein Image war, weder sein persönliches Gesicht noch das seiner gesellschaftlichen Rollen zu verlieren. Die Pflicht zur Performanz verlangte, daß manches in seinem Leben unsichtbar blieb. Den Preis für diesen fürstlichen Mehrwert hatte der Mensch zu zahlen, der ein unverfälschtes Leben nicht zu führen vermochte. Der darum innerlich nicht gesund wachsen konnte und auch zu Beginn 105 105
seines vierten Lebensjahrzehnts noch extrem schutzbedürftig und irgendwie zerrissen war. Der sorgenvoll blieb. Max’ Widerwillen gegen sein Leben als Prinz war das Symptom eines ernsten Leids. Die andauernde Unzufriedenheit hing zusammen mit seiner Homosexualität. Einiges weist darauf hin, daß ihn bereits seine Pubertät damit konfrontiert hatte und er mit seinem sensiblen, wenig männlichen Verhalten aneckte – vor allem bei seinem Vater. Zusammen mit der viktorianischen Sittenstrenge muß dies schon früh psychischen Druck in ihm erzeugt haben. In Berlin scheint sein Weltschmerz erst einmal zurückgegangen zu sein, da er sich hier mit seiner Homosexualität nicht länger allein zu fühlen brauchte. Doch je mehr er seine Bestimmung zum künftigen Thronerben innerlich akzeptierte, umso stärker mußte er sich selbst fremd werden. Das Unglück dieses Lebens nahm nun Konturen an. Ein politischer Kopf war er nach dreißig Lebensjahren nicht geworden. Allerdings muß man einräumen, daß es vorrangig auf das unzeitgemäße Wesen der fürstlichen Standeskultur verweist, wenn Max sich der Dynamik und den politischen Herausforderungen seiner Zeit nicht gewachsen zeigte. Die leistungsorientierte, aufgeklärte bürgerliche Gesellschaft war für den Hochadel nicht maßgebend. Die meisten Mitglieder des Herrscherstandes sahen sich als Auserwählte durch gottbegnadete Geburt. Sie lebten in einer Parallelwelt, die sich nur an eigenen Maßstäben maß und messen lassen wollte. Vieles wollte man bewußt nicht wissen, um die Aufmerksamkeit gegenüber der »anderen« Welt zu reduzieren, um vor unliebsamen Erkenntnissen sicher zu sein.248 Man wird dies als eine anthropologische Konstante in Rechnung stellen müssen. Max gehört in eine uns heute fremd gewordene Kultur und Zeit, der sein Leben als Schauspiel vor adeliger Kulisse gab, was immer auch etwas von Erfüllungsschauspielerei hatte. Er selbst war sich dessen wohl bewußt, reflektierte er doch sein Handeln und besaß die Fähigkeit zur Introspektion. Eigentlich wollte er seine Selbstachtung nicht verlieren, aber letztlich fügte er sich in die vermeintlich unabänderliche Notwendigkeit. Was blieb, um das innere und das äußere Leben halbwegs in Einklang zu bringen, war Selbstverstellung. Dies erinnert in manchen Zügen an ein typisch bürgerliches Syndrom im Fin de siècle.249 In Max’ ausgeprägter Passion für die bürgerliche Kunst ist eher ein persönliches Überlebenselixier zu sehen, als das man von einer »Verbügerlichung« sprechen könnte. 106 106
Der Hochadel als Leidtragender des »nervösen Zeitalters«. Karikatur Simplicissimus, 1913
Seine Ambivalenz bestand nicht darin, halb Prinz, halb Bürger zu sein – er wollte halb Prinz, halb Mensch sein. Diese Zeit war geprägt durch eine manisch-melancholische Stimmungslage, als deren Thema durchaus der Sexus in allen Variationen angesehen werden kann.250 Es war insbesondere die Femme fatale, die im späten 19. Jahrhundert nicht nur zu einem Leitmotiv der Kunst aufgestiegen war,251 sondern auch eine neue Phase des Geschlechterkampfes einläutete; etwa im Motiv der Salomé, die zu einem Sinnbild der sexuellen Phantasien dieser Epoche wurde und zugleich weitere Sexualnöte und -ängste provozierte.252 Zeitgleich hatte sich eine zumeist unspezifische Nervosität zur Modekrankheit der Jahrhundertwende entwickelt. Speziell die Neurasthenie versammelte die Symptome der an der Moderne leidenden Zeitgenossen: Angst, Melancholie, Verunsicherung. Daß dieses epochenspezifische Nervenleiden gerade auch den hohen Adel heimsuchen mußte, ergab sich aus seinen Orientierungsproblemen in einer aus den Fugen geratenen Welt.253 107 107
Max’ besonderes Problem bestand darin, daß seine Homosexualität am Ausgang des 19. Jahrhunderts moralisch wie gesellschaftlich zusehends verfänglicher wurde, wie die spektakuläre Verurteilung des Dichters Oscar Wilde 1895 in England zeigte. Vergeblich hatte sich in Deutschland seit Karl Heinrich Ulrichs die Homosexualforschung darum bemüht, daß ihre Theorien über das Phänomen der – »Inversion« oder »Päderastie« genannten – Liebe unter Männern anerkannt wurden, die dieser zu moralischer Gleichberechtigung gegenüber der »normalen« Sexualität verhelfen und vor allem ihre Straffreiheit erwirken sollten.254 Aber selbst im humanmedizinischen Diskurs hatte sich die Meinung durchgesetzt, wonach die Homosexuellen unter einer »Verirrung« ihrer sexuellen Neigungen litten, die wiederum so etwas wie eine sittliche Farbenblindheit bei ihnen erzeuge. Diese Pathologisierung nahm die »Invertierten« gnadenlos in die moralische Pflicht, sich eben als »Kranke« therapieren und dadurch »normalisieren« zu lassen.255 Nur wenn sie sich aktiv um Transformation in die heterosexuelle Richtung bemühten, konnten sie weiterhin auf Akzeptanz, Diskretion und auf Unterstützung ihrer Lebenspläne und Karrieren rechnen. Vor diesen Hintergrund, vor diesen Ängsten spielt sich Max’ weiteres Leben ab. Ein Leben, das den musisch-künstlerisch Interessierten, den empfindsamen Mann der Salonkultur immer weiter in eine Rolle drängt, der er nicht gewachsen scheint.
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Teil II 1898–1913
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Kapitel 3
Zeit der Krisen: An den Klippen des wirklichen Lebens Halbe Rückkehr nach Berlin Einen Monat nach dem Tode seines Vaters erhielt Max »wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel« die Nachricht, der Kaiser habe ihn zum Escadrons-Chef in seinem alten Garde-Kürassier-Regiment ernannt.1 Diese Beförderung enthielt zugleich den Befehl zum sofortigen Dienstantritt als aktiver Rittmeister in Berlin – eine, wie der Befehlsempfänger meinte, »harte Notwendigkeit«, der man sich kaum entziehen konnte. So kehrte der Prinz Anfang Juni 1897 in die Reichshauptstadt zurück. Daß Wilhelm II. gleich in der Woche nach Max’ Wiedereintritt in sein Regiment beim Offizierskorps der Gardekürassiere zum Frühstück erschien und es dadurch besonders auszeichnete, unterstreicht sein persönliches Interesse am Schicksal des badischen Verwandten, den er offenbar in seiner Nähe – vielleicht auch unter seiner Kontrolle – haben wollte. Doch schon drei Wochen später zog sich Max wieder aus Berlin zurück. Er hatte einen sechswöchigen Urlaub erhalten, den er großenteils zu einem Kuraufenthalt in St. Moritz nutzte. Danach wußte er nicht so recht, wie es weitergehen sollte. »Der Anstand erfordert, daß ich die mir anvertraute Schwadron bis zum Frühjahr ausbilde«, schrieb er Ernst im Herbst aus Berlin, »dann werde ich weitere Entschließungen treffen«.2 Doch schon Anfang 1898 ist davon keine Rede mehr. Wichtigeres stand an. Dazu zählte an erster Stelle seine Verheiratung. Dieses Unternehmen kostete so viel Geduld und Zeit, daß seine Schwadron ihren neuen Kommandeur das ganze Jahr über nur knapp fünf Monate zu Gesicht bekam. Die übrige Zeit verbrachte der Prinz in Baden, in Frankreich, Italien, der Schweiz und Rußland. Noch bis kurz vor dem Tod des Vaters hatte Max eigenen Angaben zufolge in einer Zeit gelebt, die »ich zu den schwersten meines Lebens zähle, weil mit der Krankheit, die ein abscheuliches Erbteil von Evas Sündenfall ist, noch andere Prüfungen moralischer Art zu 111 111
ertragen waren. Aber hiervon schweige ich Dir Glücklichem gegenüber«.3 Hinter dieser Anspielung verbarg sich vermutlich eine Geschlechtskrankheit. Erst ein ausgiebiger Besuch auf Schloß Langenburg bei Freund Ernst, der gerade zum ersten Mal Vater geworden war, brachte Max im Frühjahr 1897 wieder auf bessere Gedanken.4 Es war »Baby Bee« gewesen, die knapp dreizehnjährige Prinzessin Beatrice von Sachsen-Coburg und Gotha, die Schwägerin seines Freundes, die das Gemüt des Prinzen aufhellte. Sie hatte Max »so gefallen, daß ich eigentlich recht Lust habe, auf sie zu warten und so früh, als es irgend möglich ist, zu versuchen sie zur Meinen zu machen«. Daß dies vier Jahre Warten bedeutete, darüber war sich der nun bald Dreißigjährige durchaus im klaren gewesen – doch weder das noch der beachtliche Altersunterschied haben ihn davon abhalten können. Sogar mit seiner Mutter hatte er »gleich darüber gesprochen, sie war ebenso erfreut wie betrübt, wenn sie die lange Zeit erwog, die noch darüber hingehen muß«. Nachdem sein Freund Ernst ihm etwas »kaltes Wasser« über den erhitzten Kopf dieser Heiratsphantasie gegossen hatte, antwortete ihm Max: »Niemand kann sich der Schwierigkeiten bewußter sein als ich.«5 Seinen Zustand »Liebe zu nennen, würde gewagt erscheinen, wohl aber mag sie deren Keime in sich tragen«. Er werde »jedes erlaubte Mittel anwenden, um mein Ziel zu erreichen«. Beatrice sei »jetzt schon hübsch und sieht viel erwachsener aus, als ihr Alter erwarten ließe. Sie wird früh erwachsen sein, und wie alle ihre Schwestern immer schöner werden. Sie wird einen nie langweilen, und wenn sie mich gern hat, bangt mir nicht um die Erziehung, da sie gescheit und gut ist.« All dies waren Überlegungen, »wie sie jetzt im Nebel der Zukunft mir dämmern«, die Max ausschließlich mit seinem Busenfreund Erni sowie seiner Mama zu kommunizieren wagte – nicht aber mit dem Objekt seiner Ambitionen, von dem er sich wünschte, »daß man sie mir verspräche oder daß ich sie kaufen könnte«. Nicht spontane Verliebtheit, emotionale Neugierde oder gar erotische Lust ließen Max sich in seine Heiratsidee hineinsteigern. Er sah darin ein Projekt, das ihm die Frist für seinen Vermählungszwang verlängern konnte. Solange er allein auf »Baby Bee« fixiert blieb, befreite ihn das womöglich für einige Zeit von der lästigen Pflicht, sich auf dem europäischen Heiratsmarkt profilieren zu müssen. Als er Mitte Mai 1897 bei einem Besuch seiner Tante Alexandrine in Coburg »Baby«, wie er sie nannte, wiedersah, fühlte er sich wieder 112 112
»Baby Bee«: Prinzessin Beatrice von Sachsen-Coburg-Gotha (zweite von links) im Kreise ihrer Schwestern, um 1900
in seinem »sehnlichsten Wunsch« bestärkt.6 Vermutlich hat der Kaiser mit der kurz darauf folgenden Einberufung nach Berlin sogar bewußt intervenieren wollen, um Max von seiner Idee abzubringen. Noch bis Herbst 1897 scheint der jedoch dem Phantom »Baby« hinterhergejagt zu sein.7 Beim Militär in Berlin wurde es nicht unbedingt gemütlicher für ihn. Harry Graf Kessler berichtet in seinem Tagebuch, daß Ende Januar 1898 in den preußischen Garderegimentern ein »Erlaß des Kaisers gegen die Päderastie« verlesen worden sei, »der vor allem auf das Überhandnehmen in den höchsten Kreisen aufmerksam machte«. Im 1. Garde-Regiment – so Kessler – hätte ein Kompaniechef im Anschluß daran sogar »eine kleine ganz unschuldige Fürstlichkeit vorgerufen und die übrigen Offiziere nichtprinzlicher Art ostentativ ignorierend gesagt: ›Also Hoheit, ich bitte, lassen Sie das‹. Der ganze Erlaß hat hauptsächlich Zoten erregt.«8 Diese mißliche Angelegenheit läßt sich wohl nur mit dem erwähnten Auftritt von August Bebel im Deutschen Reichstag erklären, der dort am 13. Januar die Homosexuellenkartei der Berliner Polizei publik gemacht 113 113
hatte.9 Da auch Prinz Max – wie berichtet – in der besagten Kartei als Homosexueller geführt wurde, dürften ihn diese Vorgänge nicht amüsiert haben. Ende Februar 1898 hat sich Max mit unbekanntem Ziel aus Berlin verabschiedet, um erst zwei Monate später dort wieder aufzutauchen.10 Diesmal mit einem konkreten Verlobungsplan im Gepäck, den er im September tatsächlich realisieren sollte. Vorangegangen war eine Heilbehandlung durch den schwedischen Modearzt Doktor Axel Munthe in Paris.11
Erste Bekanntschaft mit Axel Munthe In seinen phantastischen Lebenserinnerungen, dem Buch von San Michele,12 hat Axel Munthe die Causa Max literarisch verfremdet wie folgt skizziert: »Eines Tages schickte mir [der berühmte Pariser Neurologe] Charcot einen jungen ausländischen Diplomaten, einen ernsten Fall sexueller Inversion. Sowohl der berühmte Wiener Spezialist, Professor Krafft-Ebing wie auch Charcot selbst hatten diesen Mann nicht hypnotisieren können. Er selbst wünschte glühend, geheilt zu werden, er lebte in ständiger Angst vor Erpressung und war über die Mißerfolge der beiden sehr unglücklich. Er glaubte fest, daß die Hypnose seine einzige Rettung wäre, und war überzeugt, geheilt zu werden, wenn man ihn einschläfern könnte.« Munthe habe ihn daraufhin problemlos in einen hypnotischen Schlaf versetzt. »Es sah anfangs hoffnungsvoll aus. Nach einem Monat kehrte er in seine Heimat zurück voll Vertrauen in die Zukunft, ja viel vertrauender als ich. Er sagte, er wolle einer jungen Dame, die er gern hätte, einen Heiratsantrag machen, er wünschte sehr, sie zu heiraten und Kinder zu haben.« Ein Jahr nach der Behandlung habe er dann erfahren, daß sich sein Patient das Leben genommen habe. »Wenn dieser unglückliche Mann mich einige Jahre später konsultiert hätte, als ich über sexuelle Inversion mehr wußte, dann hätte ich nicht den aussichtslosen Versuch gemacht, ihn zu heilen.«13 Dichtung und Wahrheit liegen hier eng beieinander. Wir müssen Munthes Verhältnis zum Hause Baden rekonstruieren, um Max’ Lebens- und Leidensweg in dieser Geschichte nachzuvollziehen. Doch zunächst einmal zu Munthe selbst. Geboren 1857 als Apothekersohn in einer südschwedischen Kleinstadt, studierte er zwi114 114
schen 1877 und 1880 in Montpellier und Paris Medizin und wurde zunächst Gynäkologe. Er hörte Vorlesungen bei dem berühmten Neuropathologen Jean Martin Charcot, auf dessen Spezialgebiet er bald theoretisch wie praktisch sehr versiert war. Auch adaptierte er den beeindruckenden Habitus dieses großartigen Vermarkters seiner Wissenschaft.14 Nach kurzem Aufenthalt auf Capri, seiner Trauminsel, ließ sich Munthe – auch aus seiner finanziellen Notlage heraus – 1889 in Rom nieder, wo er bald mit Hilfe der schwedischen Botschaft in die Kreise der Reichen, Mächtigen, Hochadeligen geriet und geradezu kometenhaft vom Habenichts zum renommierten Wunderheiler aufstieg. 1891/92 kam Max’ Cousine, die schwedische Kronprinzessin Victoria, in näheren Kontakt mit ihm. 1893 wurde er ihr Leibarzt, und als Lebensberater und Freund zu ihrem ständigen Begleiter.15 Das war insofern bemerkenswert, als Munthe in der medizinischen Fachwelt einen durchaus zweifelhaften Ruf besaß und es nicht wenige Ärzte gab, die in ihm – meist neiderfüllt – einen marktschreierischen Scharlatan sahen.16 Munthe war allerdings nicht nur ein attraktiver Modearzt, sondern auch ein gesellschaftliches Phänomen, das er selbst erfunden hatte: ein Genie der Lebenskunst.17 Im gesellschaftlichen Umgang plagten ihn keinerlei Vorurteile – ganz und gar unabhängiger Individualist, der glauben machte, er könne sich im Prinzip alles erlauben. Sein Erfolgsgeheimnis war seine Ungeniertheit, die aber einnehmend daherkam und sich zugleich als Lebensphilosophie gerierte. Er verstand es, sich ausgesprochen souverän zu geben. Engen Freunden zufolge lag »etwas Herrisches« in seiner manierierten Erscheinung.18 Gleichzeitig verstand er sich aber auch blendend darauf, mit schwierigen Situationen umzugehen – stets gelassen allem Aufregenden gegenüber. In all seinen Taten konnte Munthe zuallererst auf seine ausgeprägte Autorität als erfolgreicher Arzt und genialer Heilkundler bauen, sowie auf den Ruf, seine Therapie als wahre Kunst zu versehen. Seine Spezialität war die Seelenmassage. Auf diesem Gebiet – und nicht auf dem der heute so genannten Psychotherapie – entwickelte er ein außergewöhnliches Talent. Vielleicht gerade deshalb, weil diese Anwendung mit körperlicher Massage ebenso verbunden war wie mit ausgefeilter Gesprächstherapie. Seine Stärke war die Kunst der Suggestion, der persönlichen Einflußnahme. Ihm eilte der Ruf voraus, einen halb spiritistischen, somnambulen Umgang 115 115
mit seinen Patienten zu kultivieren. Durch sein Interesse am Schicksal seiner Schützlinge sowie sein geduldiges Zuhören verstand er es, sie red- und vertrauensselig zu machen. Er gab ihnen das Gefühl, ihnen helfen zu können, ein neues Innenleben aufzubauen. Dabei machte er von seinem Talent Gebrauch, den Zustand seines Gemüts auf ein anderes zu übertragen. Wer sich diesem Arzt anvertraute, war erst einmal nicht mehr für seine seelische Not verantwortlich. Munthes Charisma schien mit dem gesellschaftlichen Prestige seiner Patienten zu wachsen, deren erfolgreiche Behandlung er sich zutraute. Besonders dem Adel muß imponiert haben, daß Munthe die Courage aufbrachte, auf allen Byzantinismus diesen hohen Herrschaften gegenüber zu verzichten. So konterkarierte er jeglichen fürstlichen Hochmut. Im Buch von San Michele hat Munthe der Hypnose ein ganzes Kapitel gewidmet und darin erklärt, er »habe oft wunderbare Erfolge mit dieser noch unverstandenen Heilmethode erzielt«. Daß er in einem so »ungewöhnlichen Grade« über die »starke Waffe« der »hypnotischen Suggestion« habe verfügen können, betrachtete er als Gottesgabe. Die Wirkung dieser »geheimnisvollen Macht« beschreibt er wie folgt: Seine »langsam wiederholten Worte« mit ihrem »monotonen Klang« hätten eine Kraft entfaltet, die »wie ein Befehl in der unterirdischen Seelenwerkstatt des Patienten« widerhallte und »verborgene Kräfte in Tätigkeit« setzte.19 In seiner hypnotischen Methode steckte ein nicht zu unterschätzendes Verführungspotential. Wer sich dem auslieferte, muß sehr großes Zutrauen in den Arzt gehabt haben – und dessen bedürftig gewesen sein. Solch blindes Vertrauen zu stiften und dauerhaft zu gewinnen, dürfte Munthes ganz besonderes Talent und sein Ehrgeiz gewesen sein. Dabei kam ihm das »nervöse Zeitalter« mit der enormen Erlösungssehnsucht zutiefst verunsicherter Menschen, namentlich aus höheren und höchsten Kreisen, entgegen.20 Diese Stimmung wußte er genial zu nutzen. Binnen kurzem hatte Munthe einen hochkarätigen persönlichen Wissensschatz über die besonderen Befindlichkeitsstörungen seiner hochwohlgeborenen Klientel gehortet. Doktor Munthe war kreativ, sehr belesen, ja gebildet und ein Meister der Konversation. Er war weltläufig, vielsprachig, umgänglich, konnte gut unterhalten, liebenswürdig sein. Hoch gelobt wurden auch seine Musikalität, insbesondere sein Bariton, das Klavierspiel und sein außergewöhnliches Musikgedächtnis. Er liebte Schubert, 116 116
aber auch Wagner gehörte zu seinen Favoriten. Durch seine zahlreichen persönlichen Kontakte zu Künstlern schon in den Pariser Jahren war er in Fragen der Ästhetik stets im Bilde, ja selbst eine ästhetische Existenz – und ein Menschen- und noch mehr vielleicht ein Tierfreund. Er wollte seinen Patienten Heiler und Vertrauter zugleich sein, was nicht wenige ansprach – und in Abhängigkeit von ihm brachte. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich in den neunziger Jahren eine ausgesprochen enge und vielschichtige Beziehung zwischen dem Heils- und Lebenskünstler und Angehörigen des Hauses Baden. Bis zum Herbst 1893 war die Beziehung zwischen Axel Munthe und Victoria von Schweden, der geborenen Prinzessin von Baden, zu einem intimen Verhältnis geworden.21 Der Leibarzt nannte seine hohe und nun wichtigste Patientin ganz ungeniert »the Lady of my heart«.22 Umgekehrt scheint sich die Kronprinzessin ihrem Seelenheilsversprecher rückhaltlos anvertraut zu haben.23 Ihr Vertrauen ging so weit, daß sie Munthe in das Elend ihrer Ehe einweihte und auch, daß sie sich nicht als Schwedin fühlte, selbst nach mehr als einem Jahrzehnt in Skandinavien. Ja, sie schickte den Doktor sogar in heikler Mission nach Karlsruhe zu ihren Eltern.24 Bei dieser Unterredung teilte Munthe dem schon seit langem beunruhigten Großherzogspaar25 mit, daß ihre Tochter vor allem anderen nervös erkrankt und so etwas nicht medikamentös zu behandeln sei. Er scheint einen vertrauenerweckenden Eindruck hinterlassen zu haben – insbesondere bei Victorias Vater.26 Es wurde verabredet, daß die nach ihrer Rückkehr nach Schweden wieder schwer leidende Victoria baldmöglichst erneut nach Italien reisen solle.27 Als Munthe sie Anfang Februar 1894 in Karlsruhe zur Weiterreise in den Süden abholte, durfte der Leibarzt bereits im Residenzschloß logieren – ein Zeichen außerordentlicher Wertschätzung seitens des Großherzogs.28 Auch in Rom, wo die angehende Königin von Schweden für das nächste Vierteljahr in einer komfortablen Suite im Grand Hotel (mit separatem Eingang) Quartier bezog, begleitete Munthe Victoria überallhin und erfuhr so eine enorme gesellschaftliche Aufwertung.29 Schon gab es neidvolle Kommentare über den Schweden, dem sein Ruhm angeblich zu Kopf steige. So berichtete etwa der norwegische Schriftsteller Bjørnstjerne Bjørnson, ein Künstlerfreund aus den gemeinsamen Pariser Jahren, nach einem Besuch bei Munthe in Rom Ende 1894: Munthe führe ständig »teils mit zwei Prachtpferden, teils mit zwei 117 117
Ponys in der Stadt umher. Neben ihm sitzt entweder die Kronprinzessin von Schweden oder seine zwei Hunde, ein kleiner, ein großer, von Englands edelstem Blut, der kleine auf dem Rücksitz und der große auf dem Vordersitz. Ein Beifahrer neben dem Kutscher, beide in Uniform. Munthe selbst ist dagegen ebenso einfach gekleidet wie Napoleon.«30 Unter diesen Auspizien reiste der schwedische Kronprinz Gustaf im März 1894 zu seiner Gattin nach Rom – zusammen mit seinem angeheirateten Vetter, dem Prinzen Max von Baden. Die beiden sollten die unkonventionelle Lebensführung – monatelang getrennt von ihrer Familie und fern dem Land, das sie repräsentierte – gesellschaftlich absichern. Lange konnte Gustaf aufgrund seiner Verpflichtungen nicht in Italien bleiben, dafür hielt Max bis Ende Mai die Stellung und fungierte als Berichterstatter. »Wir haben keine guten Tage hinter uns«, ließ er Gustaf wissen, »zu meinem Schmerz muß ich Dir dies schreiben. Und eben meinten wir, daß eine Besserung eingetreten wäre, als gestern wieder eine Ohnmacht kam. Vicky war schrecklich nervös. Ihr Ausdruck und ihre Farbe wechselten oft. Des Abends traten regelmäßige Schwächezustände ein, welche sie sehr erschreckten und vor denen sie große Angst hatte. […] Fast jeden Tag sagte sie mir: wenn es so fortgeht, endige ich im Irrenhaus. Ich suche sie so sehr wie möglich zu beruhigen, und der Doktor selbst legt kein zu großes Gewicht auf diese Symptome, außer daß sie Vicky quälen und ihre Ruhe stören. […] Ich glaube Munthe stimmt mit mir überein, daß sie Anfang Juni noch nicht in Schweden sein kann. Ich fürchte die Zeit ist zu kurz, um den Zustand herbeizuführen, der nötig ist, um in Baden und Schweden sich unter Menschen bewegen zu können.« Zwei Tage später fuhr er fort: »Es ist augenblicklich nichts bestimmtes, aber die Nervosität ist ungeheuer. Sie selbst sagt, sie fühle ihre Nerven in allen Fasern vibrieren. […] Es wird mir leider klar, daß unendlich viele Schwierigkeiten, mit denen wir und Vicky zu kämpfen haben, aus ihrer Erziehung erwachsen. Es ist schrecklich zu sagen, aber wahr.«31 In diesem Teil seines Briefes spricht Max zumeist in der WirForm, fühlte sich offenbar zusammen mit Munthe verantwortlich für Wohl und Wehe seiner Cousine. Damit teilte er manches Geheimnis mit seiner Verwandten, wird aber auch dem Leibarzt Privates aus der badischen Herrscherfamilie zugetragen haben, zum Beispiel zum Thema Erziehung. So entstehen verschworene Gemein118 118
schaften. Schließlich stand Victoria mit ihrer unorthodoxen Lebensweise in ihrer Familie unter einem großen Rechtfertigungszwang. Für die gekrönten Häupter in Karlsruhe und Stockholm war der badische Prinz in Rom als eine Art chaperon mit regelmäßiger Berichtspflicht im Einsatz. Tatsächlich aber hat er sich eher als Dolmetscher der speziellen Wünsche seiner Freundin Vicky betätigt; nicht zuletzt auch als Interessenvertreter von Munthe. Mag sein, daß es um die Gesundheit der Kronprinzessin tatsächlich nicht zum besten stand, aber Max verstand es, dies immer noch ein wenig ins Dramatische zu steigern, damit die Botschaft seines Rapports umso deutlicher zutage trat: Victoria so lange wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen. Nicht nur, aber auch dafür hat sie Vetter Max »wie einen Bruder [ge]liebt«.32 Das Leben der Patientin in Rom spielte sich keineswegs ausschließlich in der Krankenstube ab. Zahlreiche Ausflüge mit dem Leibarzt sowie ein enger Kontakt mit dem schwedischen Botschafter unterhielten die Prinzessin. Das gilt auch für ihren badischen Vetter, der an dem Highlife von Rom ebenfalls nicht vorbeigehen mochte. »Ich war zweimal beim Lawn Tennis Match. […] Bei Blanc [Alberto de Blanc, italienischer Außenminister] war gestern ein charmantes Diner, und ich war ganz weg über die Schönheit der Wohnung.«33 In ein paar Tagen wolle er nach Neapel reisen. Max fand in den drei Monaten, die er in Italien verbrachte, Zutritt in das Gesellschaftsleben der höchsten Kreise Roms.34 Die erwähnte Reise an den Golf von Neapel hatte wahrscheinlich Munthe für den Prinzen arrangiert und ihn womöglich auch dorthin begleitet. Einen profunderen Kenner und Cicerone dieser für viele Mitteleuropäer noch reichlich fremdländischen Gegend dürfte der Prinz wohl kaum gefunden haben.35 So könnte es also sein, daß im Frühjahr 1894 eine weitere große Freundesliebe von Max begann – zu Axel Munthe, dessen Charisma und Verführungskunst er schließlich erlag. Als Max von Baden Ende Mai 1894 seine Cousine zurück nach Karlsruhe brachte, zeigte sich ihr Bruder Fritz sehr angenehm überrascht vom »guten Aussehen« seiner Schwester.36 Ihrer beider Mutter sah das allerdings anders, sie »soll gewünscht haben, daß Vicky in eine Nervenanstalt in Konstanz eingewiesen werden sollte!!« Das schrieb Anfang Mai Königin Sophie von Schweden an ihren Gatten, fügte aber noch hinzu: »Die höchst beunruhigte Vicky hat mich gebeten dagegen Einspruch zu erheben, was ich auch getan habe.«37 119 119
Konnte dieser Anschlag auf ihre Freiheit auch erst einmal abgewehrt werden, so mußten die Kronprinzessin und ihr Mann auf Drängen der badischen Eltern doch einer gründlichen Untersuchung eines Ärzteteams unter der Leitung des renommierten Heidelberger Neurologen Wilhelm Erb einwilligen.38 Auf ausdrücklichen Wunsch der Patientin wurde auch Munthe zu dieser Konsultation hinzugezogen. Der war zwar von vornherein davon überzeugt gewesen, daß »das Ganze zu nichts führt«. Er sei aber nun einmal der einzige, so brüstete er sich, dem die Kronprinzessin vertraue.39 Ergebnis dieser Untersuchung war, daß die Experten der Prinzessin einen weiteren Italienaufenthalt unter der Obhut ihres Kollegen Munthe empfahlen, den diese bereits im November des Jahres tatsächlich antrat.40 Auf den Leibarzt kam damit »sehr viel Verantwortung [zu], denn sie hängt ganz und gar von mir ab und oft genug wünsche ich, ich wäre frei von solchen Mitgliedern der königlichen Familie.« Aber – so bekannte er freimütig – sei er nun mehr auf dem besten Wege zu völliger »ökonomischer Unabhängigkeit«, was seinem Befinden sehr zugute komme: »I am the master of my mind / I am the captain of my soul.«41 Kaum, daß ihn die Kronprinzessin nach fünfmonatigem Italienaufenthalt verlassen hatte, kaufte er sich auf dem Capodimonte in Anacapri ein Anwesen in bester Lage mit einem Panoramablick über den Golf von Neapel und die Halbinsel von Sorrent, zunächst nur bestehend aus einem kleinen Haus, einer zerfallenen Kapelle und etwas Gartenland. Noch vor der Jahrhundertwende sollte er aus diesem Ensemble mit seiner Villa San Michele ein Domizil erschaffen, um das ihn bald die halbe Welt beneidete – die Welt der Reichen und Mächtigen.42 Dort, »am idealen Golf von Neapel«, verlebte Max von Baden im Herbst 1895 erneut »einige Tage reinsten Naturgenusses bei herrlichstem Wetter«. Fortan kam ihm Munthes pittoreskes Königreich nachgerade wie ein »Traum« vor.43 Allem Anschein nach hatte der schwedische Fürstenfischer den nach Lebenssinn suchenden Prinzen als einen weiteren kapitalen Fang in sein Boot gezogen. Zumal dem eindringenden Blick des Seelenarztes nicht verborgen geblieben war, daß sein Bewunderer akute Probleme mit Frauen hatte. Mit diesem Problem der »sexuellen Inversion« hatte sich Munthe bereits bei Victorias Gatten beschäftigt, der auch daran litt.44 Dies besondere Interesse motivierte ihn wohl auch, im Vorjahr die Dichter Lord Alfred Douglas und Oscar Wilde nach Capri einzuladen. Wilde hat nach 120 120
dem persönlichen Kennenlernen auf Capri im Oktober 1897 in dem charmanten Hausherrn von San Michele eine »wunderbare Persönlichkeit« gesehen.45 Die aufgeschlossene Begegnung mit den beiden Geächteten war dem Therapeuten sicher auch insofern ein persönliches Anliegen gewesen, als sie ihn befähigte, sich nun noch besser in die spezielle Befindlichkeit und das Lebensgefühl bekennender Homosexueller hineinzufühlen.
Eine geplatzte Verlobung Am 13. April 1898 – nach seinem zweimonatigen Verschwinden – schrieb Max an seinen »lieben alten Erni« aus Nizza: »Endlich ist der Feuerbrand auch in mein Herz geschleudert worden. Was ich nie gedacht und nie geträumt habe, ist zur Wahrheit geworden: ich liebe mit meinem ganzen Herzen und meinem ganzen Sein. Auf einem Pariser Bahnhofe war es, daß ich die Tochter [Helena, genannt Ellen] des Großfürsten Wladimir nach zwei Jahren wieder sah, und wo es mir auf einmal klar wurde, daß der beste Teil meines zukünftigen Lebens bei ihr läge. Sie ist schön, gescheit und gut. […] Mir schwindelt vor dem Glück, das ich jetzt aus eigener Kraft zu erringen vermag. In wenigen Tagen hoffe ich sie zu meiner Braut gemacht zu haben.«46 Doch die Brautwerbung in Südfrankreich verlief nicht so ideal, wie Max es sich im ersten Überschwang erhofft hatte. Zunächst war noch ein Rivale im Spiel, Prinz Rupprecht von Bayern, dem er sogar den Vortritt lassen mußte.47 Doch, wie Max weiter berichtet, war ihm das Glück insofern hold, als der Bayer in kürzester Frist »ausgespielt hatte, und tief bekümmert abzog«. Nun trat eine andere unangenehme Schwierigkeit auf: »Anstatt aber die Dinge ruhig gewähren zu lassen und mir die Chance einer unbefangenen Begegnung zu gönnen, sprach die Großfürstin sofort mit ihrer Tochter über mich und eröffnete ihr meine Absichten, indem sie gleichzeitig meine Partei energisch ergriff. Hierdurch drängte sie ihre Tochter, die sehr wohl weiß, was sie will, in die Opposition, und erstickte für’s Erste die guten Empfindungen, die sie mir entgegenbrachte. Gehetzt und enttäuscht, statt einer vergnügten Ferienzeit mit Heiratsanträgen gequält zu werden, wurde sie fremd und oft sehr unfreundlich gegen mich. […] Von der Großfürstin und dem Wunsch getrieben, die Situation zu klären, 121 121
benutzte ich eine günstige Gelegenheit und erklärte mich ihr. Da entrang sich der kleinen Brust der Schrei: ›I am still too small!‹48 Auf die Zukunft vertröstet, wollte ich sofort abreisen, um sie nicht mehr zu quälen, beide Mütter49 aber verhinderten diesen einzigen richtigen Gedanken, und so endete der Aufenthalt mit einer Dissonanz. Mehr noch, am Tage der Erklärung reiste die Großfürstin nach Monte Carlo und überließ mir plein pouvoir [Vollmacht], mit ihrer Tochter allein zu sein, so viel ich wollte. Dieser frivolen Auffassung stimmte ich natürlich nicht bei und war so zurückhaltend als möglich. Dies scheint seine Frucht getragen zu haben, denn ich höre, die Kleine hat sich lobend darüber geäußert.« Am Ende soll es sogar so gewesen sein, daß Ellen »sich Vorwürfe über ihr Benehmen zu mir machte und auf’s Tiefste sich beklagte, daß ihre Mutter sie nicht verstehe«.50 So mußte das Heiratsprojekt vorerst in der Schwebe bleiben, aber der Freier konnte nicht ohne Hoffnung nach Hause fahren. Der Hochzeitsplan für Ellen und Max war von den Müttern der beiden arrangiert worden und zielte auf eine, dynastiepolitisch betrachtet, durchaus hochkarätige Partie.51 Schließlich war die Mutter der Braut – eine gebürtige deutsche Prinzessin aus dem Hause Mecklenburg-Schwerin – mit dem Zarensohn Wladimir verheiratet.52 Als Onkel des soeben inthronisierten russischen Kaisers Nikolaus II., als hoher Militär und als feudaler Lebemann mit weitverzweigten Kontakten in den Hochadel hatte Wladimir große politische Bedeutung, aber auch gesellschaftlichen Einfluß – und nicht zuletzt immensen Reichtum.53 Diese herausragende Machtstellung zu festigen, wollte auch seine ambitionierte Gattin beitragen, nachdem sie ihm vier Kinder geboren hatte. Daß der bayerische Thronerbe Rupprecht ernsthafte Absichten gegenüber ihrer einzigen Tochter hegte, zeigt wiederum, wie hoch ihr Wert auf dem dynastischen Heiratsmarkt war. Was zwischen dem halbrussischen Thronprätendenten Badens und der ebenfalls halbrussischen Zarenenkelin angebahnt wurde, war also ein prestigeträchtiges Unternehmen. Doch noch einmal zurück zu dem Brief aus Nizza an Freund Ernst, in dem Max sich zum Romeo stilisiert. Wie erklärt sich, daß er plötzlich von der großen Liebe überzeugt ist? Max hatte sich im Vorfeld seiner Brautwerbung ins Ausland begeben, um sich bei Munthe einer längeren Suggestionsbehandlung zu unterziehen.54 Dadurch sollten in ihm heterosexuelle Bedürfnisse entstehen und möglichst nachhaltig wirken – ein Experiment von eher zweifelhaftem Erfolg. Daran 122 122
lassen die von Max gleich nach seiner Rückkehr geäußerten Skrupel keinen Zweifel. Sie gipfelten darin, sich aus dem Experiment wenn nötig auch wieder zu verabschieden: »In Versuchung gebracht, mein Gewissen mit einer schrecklichen Verantwortung zu beladen«, wolle er »ein für alle Mal verzichten und ganz gefaßt die Schuld auf mich nehmen, daß ich von dem Bemühen zurückgetreten bin, meine Pflicht meinem Haus und meinem Land gegenüber zu tun.« Dies »ist meine tiefste Überzeugung und unbeirrbar. Für mich ist die ganze Heiratsfrage nichts weiter als eine Pflichterfüllung, doch weil für mich das Glück und der Frieden meiner Mitgeschöpfe einen höheren Wert haben als das von Familienpolitik«, so würde er letztere auch getrost opfern. Nach mehrwöchigem Erholungsurlaub in der Schweiz55 zeigte Max sich seinem Freund Ernst gegenüber zunächst aber weiter zuversichtlich, daß »die Saat, die im Frühling unter Schwierigkeiten gesät wurde, im Herbst noch zur guten Frucht reifen« könne. Er sei nämlich nach Zarskoje Selo eingeladen, »um dort zu bleiben und mein Heil noch einmal zu versuchen. Ellen selbst, das ist mein Trost und mein Hoffen, hat mein Kommen gewünscht. Allein, ohne andere Gäste soll ich dort mich ihr nähern dürfen. Sie sagte ihrer Mutter, sie habe das Gefühl, mit mir glücklich zu werden, aber sie müsse mich lieben lernen, um ohne Rückhalt ›ja‹ sagen zu können.«56 Zwar ist von einer wirklichen Herzensneigung in diesem Schreiben wenig zu spüren, umso mehr aber von Max’ Willen, sich auf seine dynastischen Pflichten nun wirklich einzulassen. Acht Tage später war er tatsächlich verlobt. Nach eigenem Urteil war es ihm »vergönnt, die Braut in Rußland mir so zu gewinnen, wie ich es mir schöner nicht denken konnte«.57 In Baden habe die Verlobung überall »lebhafte Befriedigung hervorgerufen«, wußte Preußens Gesandter Eisendecher nach Berlin zu berichten. »Da die Aussicht auf Nachkommenschaft bei dem Erbgroßherzoglichen Paare immer mehr schwindet, so war für den Fortbestand des regierenden Hauses eine baldige Heirat des einzigen noch successionsfähigen Prinzen dringend erwünscht.«58 Nach einem Bericht der Karlsruher Zeitung scheint die Begeisterung in Salem ganz besonders groß gewesen zu sein: Gleich am Tag danach verkündeten »Böllerschüsse das freudige Ereignis der Verlobung. Der ganze Ort prangte im Flaggenschmuck und abends brachte die Feuerwehr Ihrer Kaiserlichen Hoheit [der Prinzenmutter] einen Fackelzug. Vor dem Schlosse sang der Kirchenchor abwechselnd mit dem 123 123
Mit der ersten Verlobten, der russischen Großfürstin Helena Wladimirowna, und deren Mutter Maria Pawlowna, 1898
Männerquartett einige der Feier entsprechende Lieder«.59 Am Zarenhof und speziell in der Brautfamilie hatte Max offenkundig einen hervorragenden Eindruck gemacht.60 Zurück in Deutschland, gab sich der Prinz ganz als »beglückter Bräutigam«.61 Selbst seinem Therapeuten Munthe gegenüber, der ihm zu seinem mutigen Schritt beglückwünscht hatte, pries der Verlobte seine Eroberung in den höchsten Tönen: »Sie ist großzügig, hat Mitgefühl, haßt Ungerechtigkeit, ist absolut und unfehlbar aufrichtig. Sie strotzt nur so vor Gesundheit und Energie.«62 Tatsächlich machte das junge Brautpaar, als es sich Anfang Oktober 1898 gemeinsam mit den engsten Verwandten am deutschen Kaiserhof vorstellte, nach den Erinnerungen des badischen Gesandten dort einen »höchst stattlichen« Eindruck.63 Nicht anders wird es in Mecklenburg gewesen sein, der Heimat der Brautmutter, wo die bei124 124
den im Anschluß an ihren Auftritt in Berlin von der großherzoglichen Familie begrüßt wurden – in eher ungezwungener Atmosphäre auf Schloß Wiligrad am Schweriner See.64 Doch waren es gerade die private Atmosphäre dieses Aufenthalts und der permanente Kontakt der Brautleute, die dem Prinzen überdeutlich die Grenzen seiner Anpassungsfähigkeit aufzeigten und ihn in eine tiefe Krise stürzten. Kaum war er nach ein paar Tagen intimerer Zweisamkeit mit seiner Zukünftigen nach Hause zurückgekehrt, setzte Max einen Brandbrief an seinen Arzt auf: »Mein lieber Doktor, Ich habe manchmal Anfälle von Wahnsinn, eine schreckliche Depression und tatsächlich Weinkrämpfe – Was für ein Elend! Das alles kommt von der Vorstellung, daß ich meine derzeitige Situation nicht meistern kann, und ich bin fest davon überzeugt, daß das mit der vita s… [sexualis]65 zusammenhängt. Was rätst Du mir zu tun? Soll ich mein Ziel weiterverfolgen oder aufgeben. Ich werde geplagt von Zukunfts-Bildern: Mißerfolg, Freiheitsverlust, usw. Perverse Gedanken habe ich augenblicklich nicht mehr, aber andererseits beherrscht mich das Gefühl, vor einer unlösbaren Aufgabe zu stehen. Ich fürchte mich schrecklich davor, weniger stark [potent] zu sein, als das die andere Seite vielleicht erwarten oder lernen mag zu begehren, und dieser Gedanke treibt mich in den Wahnsinn. […] Ich erlebe Momente, wo mir der Tod fast einfacher erscheint als auf diese Weise weiterzumachen. […] Ist das alles eine geistlose Phantasie, hervorgerufen durch meine Empfindlichkeit in sexuellen Dingen, oder ist da auch etwas Wahres dran? […] Wenn Du meinst, daß ich mich weiter durchquälen soll, dann will ich das, wenngleich ungern, tun, aber ich garantiere für nichts. Ein Wort von Dir und ich mache komplett Schluß.«66 Daß Freund Munthe diesen Notschrei nicht vernichtet hat, legt die Vermutung nahe, daß er darin – zu Recht – ein Schlüsseldokument zum tieferen Verständnis seines Probanden erblickte.67 Nicht allein wegen der affektiven Gefühle, die der Prinz darin offenbart, sondern weil dieser Brief zeigt, wie heillos dieser Bräutigam mit seiner Rolle überfordert war. Sein Dilemma bestand nun darin, daß Max die innere Unmöglichkeit des ihm Zugemuteten zwar realisiert hatte, dieser aber kaum etwas Rettendes entgegensetzen konnte. Und so mußte er sich weiter »durchquälen«. Die Brautwerbung stürzte Max nicht nur in eine schwere Identitätskrise. Sie bedeutete auch eine irreversible Weichenstellung für den ganzen Rest seines Lebens. Sie zwang ihn nämlich, seine private 125 125
Existenz fortan auf faule Kompromisse, dilatorische Formeln sowie auf die Sprache des uneigentlichen Redens zu gründen. Man kann dies in seinen Briefen an Ernst verfolgen, dem gegenüber er im Herbst 1898 in so große Erklärungsnöte geriet, daß er die Korrespondenz mit ihm monatelang einstellte. Als er sich dann »nach endlos langem Schweigen« im Januar 1899 wieder bei ihm meldete, fiel es ihm sichtlich schwer, dies zu erklären: »Ich konnte das, was ich sagen mußte, nicht gut formulieren, und meine Stimmungen wechselten zu oft, um sie des Berichtens wert zu erachten«; außerdem deutete er an, er habe »viel gelitten, und oft viel mehr, als ich es sagen kann«.68 Mit seiner Absicht, »einen Bund zu schließen, von dessen Erfolg nicht allein mein Glück, sondern das Vieler abhängen wird« – so schrieb er am Tag darauf an Cosima Wagner –, handle er »im Bewußtsein der Notwendigkeit und im Vertrauen auf Gott«.69 Doch diese Schicksalsergebenheit hatte weder einen strategischen noch einen praktischen Nutzen. Hier mußte nachgebessert werden, und zwar mit Pathos. Er habe eine »Empfindung, die wachsend stets in meinem Innersten an Kraft gewinnt, dem Gefühl der Notwendigkeit, der Unmöglichkeit, dem Schicksal zu entgehen, das wir uns selbst bereiten. Indem dieses Gefühl an Kraft gewinnt, wird es selbst zu einer Kraft und gereicht zur Stärkung. Man macht sich das Schicksal gewissermaßen zum Verbündeten und wird endlich unverletzlich …«. Das war das eine; das andere war, daß er sein Schicksal »zu einem tragischen« verklärte. Er inszenierte sich nach außen als eine Art tragischen Helden, während er doch privat in Bangigkeit lebte und sich überwiegend in Selbstmitleid und Selbstvorwürfen erging. Vorläufig schien Max mit dieser Privatpolitik gar nicht so schlecht gefahren zu sein. Denn als er sich im Februar 1899 noch einmal zu einem Brautbesuch nach Petersburg einfand, lief dort alles sehr viel besser als erwartet.70 So notierte die Baronin Spitzemberg am 16. Mai 1899 nach einer Begegnung mit Prinz Max im Salon der Frau von Helmholtz: »Er sieht hübscher aus als je, scheint sehr glücklich und äußerte recht männliche Ansichten über die Angewöhnung seiner jungen Frau an kleine deutsche Verhältnisse«.71 Aber dieser Schein trog; denn schon am 2. April 1899 hatte die Brautmutter sichtlich zurückhaltend mit Blick auf die bevorstehende Hochzeit an ihren Bruder Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin geschrieben: »[N]och wissen wir nicht, wie alles sich gestalten wird. Sobald sich 126 126
das Bild geklärt hat, schreibe ich es Dir«.72 Gut möglich, daß man an Wladimirs Hof inzwischen Erkundungen über den Heiratskandidaten eingezogen hatte, die dessen Eignung für das Projekt in Zweifel zogen. Jedenfalls scheinen ab März, spätestens April 1899 die Brauteltern ein wachsendes Mißtrauen gegenüber ihrem künftigen Schwiegersohn gehegt zu haben. Später kam heraus, daß Max im März den Briefverkehr mit seiner Verlobten einstellte und damit die russischen Vorbehalte noch weiter verstärkte.73 Mitte Mai wurde jedenfalls nach Kenntnis der deutschen Botschaft in Sankt Petersburg in der russischen Zarenfamilie »ganz allgemein davon gesprochen, daß Prinz Max es auf einen Bruch abgesehen« hätte.74 Aus derselben Quelle kam 14 Tage später dieses: »Wie ich im engsten Vertrauen erfahre, ist heute ein Brief Seiner Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Wladimir an den Prinzen Max von Baden abgegangen, der eine definitive Absage enthält. Nach hiesiger Darstellung hat Prinz Max trotz mehrfacher Aufforderung auch von Seiten Seiner Majestät des Kaisers Nikolaus, seine Braut zu besuchen, unter allerhand Vorwänden und selbst mit der Andeutung […], als wolle man ihn bei der Ausübung seiner militärischen Pflichten hindern, seine Abreise unausgesetzt verschoben. Dazu kam, daß seine Telegramme und seine wenigen Briefe in einem Tone gehalten waren, der unerklärbar wäre, wenn es dem Prinzen nicht darum zu tun gewesen, einen Bruch herbeizuführen. Deshalb hat man sich schließlich […] entschlossen, von hier aus die Verlobung zu lösen.«75 Woher nahm Max – eigentlich ein Muster an konventionellem Verhalten – den Mut zu einer solchen Provokation? Den entscheidenden Hinweis gibt eine Marginalie Wilhelms II . unter dem zitierten Diplomatenbericht über die Entlobung: »Ein wahrer Segen! Ich bin sehr zufrieden.« Wie das? Die Antwort ist ebenso banal wie charakteristisch für das Oberhaupt der Hohenzollern. Seit Jahren war Wilhelm der deutschstämmigen Brautmutter, der Großfürstin Wladimir, gram. Seine Animosität gegen Maria Pawlowna ging auf einen gesellschaftlichen Affront bei der Coburger Fürstenhochzeit vom April 1896 zurück, wo die beiden sich beim festlichen Diner wechselseitig brüskiert hatten.76 Die Berichte seines Botschafters Radolin aus Sankt Petersburg, die kaum jemals ein gutes Haar an der Familie Wladimir ließen,77 hatten Wilhelms Vorurteile noch verstärkt. So konnte Max fest darauf rechnen, daß er bei einem geschickt lancierten Rückzug wahrscheinlich nicht ohne kaiserlichen Flanken127 127
schutz bleiben würde. Der ressentimentgesteuerte Wilhelm ermöglichte es ihm, sich von dem ungemütlichen Eheplan endgültig frei zu machen. Er mußte Maria Pawlowna provozieren und ihr latentes Mißtrauen weiter bedienen. Am 19. Mai 1899 erhielt Max einen Brief von ihr voller »Vorwürfe und Anklagen«, der – wie Max Ernst gestand – »jedes Gefühl in mir verletzte«.78 Statt wie geplant nach Petersburg fuhr der Gescholtene daraufhin nach Karlsruhe, um dort großen Familienrat abzuhalten. Über das Ergebnis berichtete der preußische Gesandte Eisendecher ein paar Tage später »privatim und ganz vertraulich« an seinen Chef im Auswärtigen Amt, Bernhard von Bülow, wobei er massiv Partei für seinen Schützling Max ergriff. Der sei, so heißt es gleich zu Beginn, ganz »entrüstet und empört über die Machenschaften in St. Petersburg, die er lediglich der Mutter seiner Braut zuschreibt«. Die müßte sich bei ihrem zukünftigen Schwiegersohn entschuldigen, sonst würde »der Prinz das Verlöbnis lösen«. »Das wäre bei weitem das Beste«, kommentierte Kaiser Wilhelm diese Textpassage.79 Und damit hatte Max nun tatsächlich Carte blanche. Zwar überließ es das Haus Zähringen, aus Rücksicht auf die großherzoglich-badischen Herrschaften,80 letztlich den Russen, den ersten Schritt zu tun – aber es war der Bräutigam, der diese Verbindung hatte auffliegen lassen. Zwar kursierten in Diplomatenkreisen und auch in der Berliner Hofgesellschaft diverse Gerüchte über die möglichen Gründe dieses Scheiterns – »[v]on der direkten Ursache aber weiß Niemand etwas zu sagen.«81 So blieb es bei vagen Mutmaßungen, die den Hauptbetroffenen moralisch so gut wie unbeschädigt ließen. Ein übriges taten schließlich die Diplomaten in Karlsruhe, aber auch in Sankt Petersburg, die in enger Abstimmung erfolgreich dafür Sorge trugen, daß »die unangenehme Sache möglichst totgeschwiegen wird«.82 Und wie in Baden so hatten auch in Rußland manche Interesse daran, daß der badische Prinz in der vornehmen Gesellschaft nicht in Verruf geriet. Selbst »die frivole Petersburger Gesellschaft« – so konnte Max frohlocken – habe »sehr scharf« über seine schlechte Behandlung durch die Wladimirs geurteilt.83 Er profitierte zudem von dem miserablen Ruf, den die Familie der Braut beim Zaren hatte.84 Schon im Herbst desselben Jahres beseitigte Max den letzten Rest etwaiger Irritationen, als die Zarin nebst Ehemann ihren Bruder, den Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, in dessen Schloß Wolfsgarten besuchte. Max nutzte die Gelegenheit, dem Zaren in familiärem Kreise 128 128
seine Aufwartung zu machen und sich zu erklären.85 Das scheint ihm so überzeugend geglückt zu sein, daß der Zar sich wenige Tage später zu einem spontanen Kurzbesuch bei Max’ Onkel in Baden-Baden entschloß. Mit diesem Gunstbeweis konnte der badische Thronprätendent in der Tat mehr als zufrieden sein, ein Prestigeverlust stand kaum mehr zu befürchten. Am wichtigsten aber war es für Max, ein gutes Verhältnis zum deutschen Kaiser zu haben, ohne dessen ausdrückliche Billigung er das Risiko seiner Entlobung nicht hätte auf sich nehmen können. Max war also gut beraten, sich seinem kaiserlichen Vetter gegenüber dankbar zu zeigen. Zum Beispiel durch seine Bitte, als Ordonanzoffizier am Kaisermanöver im Herbst 1899 in Südwestdeutschland teilzunehmen. Diese Offerte nahm der dafür besonders empfängliche Wilhelm gerne an. Und quittierte sie sogar mit einem kurzen Privatbesuch in Schloß Salem, dem bald darauf die Beförderung des Prinzen zum Major folgte.86 Max war selig ob der Gnade Seiner Majestät.87 Es war dem Prinzen gelungen zu verhindern, daß seine Homosexualität bekannt und seine Ehefähigkeit in Zweifel gezogen wurde; ein ganzes Netzwerk an Gönnern hatte dazu beigetragen.88 Doch so glimpflich diese Geschichte für ihn ausging, der Vorfall hatte dennoch Folgen: Die geliebte Mutter hatte er so vor den Kopf gestoßen, daß sie als Lebensberaterin erst einmal ausfiel. Zu groß war die Enttäuschung über ihren einzigen Sohn, den sie schon auf dem badischen Thron gesehen hatte.89 Mehr noch, die Beziehung erfuhr einen irreparablen Riß. »Wir liebten uns«, so schrieb Max Jahre später, »aber wir haben uns unseres Zusammenseins selten mehr so gefreut wie vorher. Unser Bestes behielten wir für uns, und ich weiß noch genau, wie ich öfters fast erstickte, wenn es mir nicht gelang, das rechte Wort über die Lippen zu bringen, das mich und sie erfreut hätte.«90 Max fand für diesen schmerzlichen Verlust einen gewissen Ersatz – eine Freundin, die ihm seit langem schon verbunden war.
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Die »Lebensberaterin« Cosima Wagner Über die außergewöhnliche Biographie von Deutschlands wohl berühmtester Komponistengattin sind wir ziemlich gut im Bild – nicht zuletzt dank ihrer genialen Selbstinszenierung als faszinierende grande dame und als Herrin des Grünen Hügels von Bayreuth.91 Es ist ihr langes Witwenleben seit 1883, das uns vorrangig interessiert – wie die Testamentsvollstreckerin lernte, ihrer Mission gerecht zu werden, dem musikalischen und literarischen Werk ihres Mannes zu einer gesteigerten Bewunderung bei den gesellschaftlichen, namentlich aber bei den geistigen und politischen Eliten zu verhelfen. Wie sie aus Bayreuther Festspielen durch ihre künstlerische Leitung einen exklusiven Höhepunkt nationaler Festkultur mit sich selbst als auratischem Fixpunkt machte. Schließlich wie sie die Weichen stellte für eine politisch-ideologische Tendenzverschiebung in der Wagnerrezeption nach rechts, die ihr Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain dann am Ende des 19. Jahrhunderts als völkisch orientierter Publizist festschrieb und erfolgreich vermarktete.92 Wir lernen eine Lady in black kennen, die es meisterhaft verstand, sich in den Mittelpunkt zu stellen, umgeben von einer Corona hochkarätiger Paladine, die ihr Charme, Intelligenz, die Kunst der fesselnden Unterhaltung und perfekte Umgangsformen, ja so etwas wie ein aristokratisches Wesen attestierten. Sie mußte sich nicht vornehm gerieren, sie war vornehm – eine Art »Königin-Witwe«, die dazu »geboren« schien, »königliche Huldigungen entgegenzunehmen«.93 Cosima wußte, daß sie sich eng mit den politisch Mächtigen im deutschen Kaiserreich verbinden mußte, um ihr ehrgeiziges Projekt durchzubringen. Auch darin ging sie trittfest in den Fußspuren ihres verstorbenen Meisters.94 Doch was brachte diese sendungsbewußte Dame aus eher anrüchigen bürgerlichen Verhältnissen mit,95 daß sogar die adelige Prominenz ihr huldigte? Um die Suggestivkraft ihrer Wagnerexegese in höchsten Kreise zu ermessen, muß man wissen, daß sie gerade diesen Gönnern nicht allein als Hohepriesterin aller Wagnerianer gegenübertrat, sondern auch als einfühlsame Beraterin, kluge Kommentatorin, unaufdringliche Schmeichlerin und zarte Einflüsterin ihrer Herzenswünsche. Sie beherrschte die Kunst des Schreibens und der Konversation auf hohem Niveau. Cosima hatte ein Faible für ranghohe Zeitgenossen, die mit sich selbst nicht im reinen waren und an sich litten, etwas, das viel mit ihrer eige130 130
nen leidvollen Vita zu tun hatte und sie zu einer glaubwürdigen Vertrauten machte. Dabei soll sie »äußerlich nichts Weibliches« und in ihren Umgangsformen sogar eher eine »männliche, resolute, in Nichts zimperliche Art« gehabt haben.96 Andere erlebten sie als »steif, willensstark, unversöhnlich«.97 Kurzum, diese Frau hatte ein natürliches Herrschertalent – eines, das sich auf echte Souveränität ebenso wie auf emotionale Intelligenz gründete. Deshalb konnte sie es auch wagen, mit so erstaunlich großem Selbst-, ja Ebenbürtigkeitsbewußtsein in Kreisen zu verkehren, die sie sozial bei weitem überragten. Ein übriges tat selbstverständlich auch die Musik des Meisters selbst. Diese muß sich für viele seiner Verehrer wie Glück und Schmerz zugleich angefühlt haben, aufputschend und beruhigend, animierend und heilend. In Bayreuth konnte man hymnische Momente von höchst suggestiver Kraft erleben. Hinzu kam die Theatralik der Opern und ihrer Figuren, in denen das Publikum immer auch sich selbst und seine eigene Zeit, seine eigenen Probleme erkennen konnte. Der Zuschauer identifizierte sich im stillen mit manch tragischem Helden und sublimierte damit das, was er verdrängt hatte. Daß man dort gleichsam den Inhalt seines Lebens für eine Zeit nach Bayreuth mit neuem Sinn anreichern konnte, machte gerade auf die einen ungeheuren Eindruck, die in der profanen Wirklichkeit ohnehin nur halb zu Hause waren. Für Ernst zu Hohenlohe war es »ein Zauber, der sich mit nichts Anderem vergleichen läßt; es ist, als spräche eine Stimme aus einer besseren Welt zu Einem, und man fühlt sich, wenn man sich dem Eindruck ganz hingeben kann, selbst veredelt und gebessert durch die wunderbaren Inspirationen des Genies, weil sie eben, wie alles Große und Gute, göttlichen Ursprungs sind.«98 Schließlich darf auch nicht übersehen werden, was der fleißige Bayreuth-Besucher Harry Kessler seinem Tagebuch anvertraute, daß man auch »Wagner leidenschaftlich genießen kann, ohne ihn zu verstehen. Die Gründe sind allerdings nicht schwer zu finden; sie liegen in der Wirkung auf das Geschlechtsleben.« Warum sollten – so fragte dieser dem eigenen Geschlecht Zugetane weiter – »diese Wirkungen weniger edel sein als andre?« Und reflektierte dabei exemplarisch auf die Figur des Parsifal.99 Auch andere Autoren der Zeit haben darauf verwiesen, wie im Parsifal der geschlechtliche Verkehr mit dem Weibe als »Frevel« gegen die ideale Männergemeinschaft der Grals131 131
ritter und insbesondere der Held »sexuell indifferent« konstruiert wird, weil er dazu bestimmt ist, andere Männer (namentlich Amfortas) zu erlösen. Hier seien »der Held und der Gralsritterverband vollständig homosexual gedacht«.100 Den Weg zu Cosima und ihrer Welt fand Max über seine früh ausgeprägte Schwärmerei für Wagners Tonkunst und durch seinen Freund und Verehrer Cosimas, Ernst zu Hohenlohe-Langenburg.101 Bis Anfang der neunziger Jahre blieb die Beziehung recht locker, obwohl der Prinz schon seit 1888 zu den regelmäßigen Besuchern der Bayreuther Festspiele zählte. Seit sich die beiden in Berlin im Januar 1892 begegnet waren, korrespondierten sie regelmäßiger miteinander. Die »Meisterin« begeisterte Max, »sie führt einen sofort auf ideelle Gebiete und entzückt einen durch ihre schöne Sprache und ihre wunderbare Auffassung hoher Ideen«.102 Er wußte, »nichts ist besser für uns als der Verkehr mit geistreichen und gebildeten Frauen, und zu diesen gehört Frau Wagner in erster Linie«.103 Eine neue Qualität erreichte die Beziehung freilich erst, als Max sich auch für die materiellen Interessen der Herrin des Hügels zu engagieren versprach – dazu aufgefordert von Freund Ernst: »Was an mir ist, setze ich gerne ein, um den Bestand der Bayreuther Festspiele zu sichern, denn ich betrachte sie wie Du als ein heiliges Gut der deutschen Nation«.104 Daraufhin nahm ihn Cosima fest in den Kreis »der mir werten Persönlichkeiten« auf und hob den Prinz sogar – ihrem Verehrer Hohenlohe gegenüber – als einen Charakter heraus, »dessen ganzes Wesen in Einem die schönsten Hoffnungen weckt; zu der Anmut der Erscheinung tritt hier der Ernst des Geistes und der Adel des Sinnes in wohltuendster Weise hinzu«.105 Ernst wird seinem Freund diese Eloge Cosimas kaum vorenthalten haben. Nun war Max erst recht »ganz hingerissen«106 und versicherte Cosima gerne die »Anhänglichkeit eines Ihnen sehr ergebenen und dankbaren Menschen«.107 Auch die Herrin des Hügels freute sich über jedes der nun häufigeren Wiedersehen.108 Von diesem Zeitpunkt an schrieb Max ihr in einem Ton, der Cosimas Bedürfnis nach Anerkennung schmeicheln mußte. Er scheint diesen Tonfall geradezu für sie erfunden zu haben, der mehr als bloß eine Stilfrage war, und sich um eine ganz besondere Freundlichkeit der Adressatin gegenüber bemühte. Während der Bayreuther Festspiele im Sommer 1894 kam ein Moment hinzu, das sich dann mehr und mehr in den Mittelpunkt ih132 132
rer Beziehung schieben sollte. Max ließ die mütterliche Freundin nun auch an seinem Seelenleben teilhaben. Zwar sind ihre Briefe an den fürstlichen Eleven ihrer Lebensschule nicht einsehbar, aber aus der Gegenüberlieferung kann man klar ersehen, wie wichtig sie für Max wurde. Ausgangspunkt dieser Vertraulichkeit war ein zehnseitiger Brief aus Salem, in dem Max Cosima ein »Bild meiner inneren Entwicklung«, genauer: ein »noch nie so geschildertes« Abbild »schonungslos aufdräng[t]e«.109 In diesem Selbstportrait stilisiert sich Max zu einer genuinen Künstlernatur, die sich am liebsten ganz und gar der Poesie und der Musik verschrieben hätte, wenn diese zunächst »ziemlich harmonische[n] Natur« nicht durch »äußere Schwierigkeiten« eine »starke Störung« erfahren hätte. »Gewaltsam« und in »schroffsten Formen« hätte man ihn von diesem schönen Leben wegzudrängen versucht. Daß er im Jahre 1888 zum badischen Thronprätendenten bestimmt wurde, habe seine künstlerischen »Zukunftspläne« endgültig scheitern lassen. Damit hatte der 27-jährige nobile dilettante an Cosima Wagner ein äußerst charmantes Entrebillet verschickt, dessen symbolischer Wert durch die beigefügte Fotografie von ihm noch gesteigert wurde. Und tatsächlich reagierte sie prompt in dem von Max erhofften Sinne, wie dieser seinem Freunde Ernst anvertraute. »Von Frau Wagner neulich einen sehr langen und höchst interessanten Brief erhalten, in dem sie mir fast zu freundliche Dinge sagt. In der großen Depression aber, in der ich mich befand, wirkten diese vielleicht gefährlichen Gifte als heilendes Mittel.«110 Indem Max von Baden Cosima »in Liebe und Hingebung verehrt[e]«,111 wurde er gleichzeitig zum Jünger und Resonanzverstärker ihrer Mission, aus Bayreuth eine quasi-religiöse Kultstätte zu machen.112 Als sich im Sommer 1896 die Eröffnung der Bayreuther Festspiele zum zwanzigsten Male jährte und Frau Wagner dies zum Anlaß nahm, den Ring des Nibelungen dort erstmals seit der Uraufführung wieder auf die Bühne zu bringen, applaudierte Max nicht mehr ausschließlich aus seinem ästhetischen Empfinden heraus, er bewunderte dies nun auch aus politischen Motiven. »Was damals im Freudenrausch errungener Siege und neubegründeter Einigung als die künstlerische Krönung dieser Erfolge erschien, ertönt uns heute als ein Mahnruf zur Treue und zum Festhalten an dem Errungenen.«113 So hätte auch Kaiser Wilhelm II. die Tetralogie ausdeuten können. Cosima blieb stets bemüht, Max auch die literarischen Erzeugnisse 133 133
aus Bayreuth ans Herz zu legen. Die illustrierte Wagner-Biographie ihres späteren Schwiegersohnes Houston Stewart Chamberlain von 1895 zählte etwa dazu, die sie Max als Weihnachtsgeschenk verehrte.114 Der will dann auch gleich »mit der größten Spannung und Ergriffenheit« in dem Werk dieses »geistvollen Interpreten« des Tondichters gelesen haben.115 Man sieht, daß am Ende des Jahrhunderts auch dort, wo es eigentlich nur um die Kunst ging, eine Ideologisierung und Politisierung eingetreten war, eine dynamische Interaktion von Ästhetik und Politik.116 Diese Metamorphose Bayreuths von einem Ort der Kunst hin zu einem mit stärker kulturell-politischer Bedeutung scheint auch auf den badischen Prinzen abgefärbt zu haben, wobei allerdings sein kultureller Nationalismus den Kosmopoliten noch nicht ausschloß. Das im Frühjahr 1898 inaugurierte Heiratsprojekt mit der Großfürstin Helena bescherte Max’ fieberhafte Aktivitäten zwischen Deutschland, Frankreich, Italien und Rußland; dabei war auch der intensive Kontakt mit Cosima Wagner auf der Strecke geblieben. Erst als das Projekt auf der Kippe stand – und er dringend Zuspruch brauchte –, nahm er ihn wieder auf. Das letzte, was er ihr zuvor geschrieben hatte, war ein etwas merkwürdiges Postskriptum aus dem Oktober 1897: »Welchen schönen Tod starb der Herzog von Mecklenburg. Wie schwer er auch gelitten haben mag, er hat seine Aufgabe erfüllt.«117 Die Rede ist von Großherzog Friedrich Franz III., der sich in seinem Refugium Nizza mit nur 46 Jahren in den Tod gestürzt hatte, weil ihn seine Homosexualität nicht weniger quälte als sein notorisch schlechter Gesundheitszustand.118 Cosima Wagner war sensibel und lebenserfahren genug, um Max’ akute Seelennot zu bemerken. Wie sie ihrer Freundin Wolkenstein anvertraute, blickte sie im Sommer 1899 »mit Bangigkeit« auf das Heiratsprojekt ihres Schützlings.119 An den unglücklich Verlobten schrieb sie einen Brief, den Max als ausgesprochen »herzlich und wohltuend« empfand. Wohl wissend, wieviel Takt und Feingefühl dieses heikle Thema verlangte, hatte sie einmal mehr gezeigt, daß sie zu inniger Teilnahme an seinem Seelenleben fähig war. »Ich wiederhole es«, antwortet Max ihr, »Sie haben mir wohl getan und mich erfrischt. Im Verstehen liegt ja schon eine Befriedigung, und es bedarf dann nur weniger Worte der Erklärung und Aufmunterung, wie Sie dieselben hinzufügten, um eine starke Wirkung zu erzielen.«120 Max wußte nun: Cosima Wagner hatte ihn verstanden. 134 134
Daß Max’ Verlobung dann im Juni 1899 scheiterte, war seiner mütterlichen Freundin im Prinzip sogar »angenehm«, wenn ihr auch dieses »Geschick« zugleich »recht nahe« ging.121 Max gab zwar zu, eine »schwere Zeit« hinter sich zu haben, doch im übrigen hatte er sich bereits wenige Wochen später seine traumatische Erfahrung fatalistisch und auch ein wenig selbstgerecht zurechtgelegt: »Mir blieb keine andere Wahl, die Ereignisse kamen ungerufen, unverschuldet wie von einer höheren Macht gelenkt. Und so betrachte ich auch jetzt das Geschehene. Es war eine Schickung, eine Notwendigkeit, Gottes Wille. […] Ich wage aber zu hoffen, daß diese schweren Erfahrungen nicht nutzlos an mir vorüber gegangen sind, und mit Gottes Hilfe werde ich als besserer und stärkerer Mann aus denselben hervorgehen.«122 Neben Munthe und seiner Schwester Mary dürfte Max in dieser Lebensphase niemand näher gestanden und niemand mehr Einfluß auf ihn gehabt haben als Cosima Wagner.123 Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, daß Cosima ihren homosexuellen Sohn Siegfried auf ein Erbe vorzubereiten hatte, für das sein künstlerisches und intellektuelles Format kaum ausreichten.124 Auch hier, in der Wagnerdynastie, stand ein mahnendes »cherchez la femme« im Raum und die zartfühlende Behandlung schwerwiegender seelischer Konflikte. Ob Max um diese Kalamitäten im Hause Wagner aus authentischer Quelle wußte oder ob er sie intuitiv erahnt hat, ist nicht überliefert. Daß sie ihm gänzlich verborgen blieben, kann aber so gut wie ausgeschlossen werden.
In ärztlicher Spezialbehandlung Ohne sich bei Axel Munthe noch einmal ausdrücklich rückzuversichern, hatte Max im Mai 1899 das unglückselige Projekt »Heirat« beendet. Der Arzt reagierte darauf mit einer Gardinenpredigt, die der Gescholtene zwar für berechtigt hielt, sich aber gleichzeitig glaubhaft rechtfertigen konnte: »Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, daß der Bruch von der anderen Seite ausging, am meisten von der Brautmutter. Meine Nerven waren bis zum Äußersten angespannt durch Überarbeitung, anhaltenden Druck und schmerzliches Bedauern darüber, meine Freunde und mein geliebtes Regiment verlassen zu müssen. […] Dann kamen meine alten Zweifel 135 135
zurück und verstärkten sich jetzt natürlich auch noch durch die erfolgten Angriffe [die Beleidigungen], und das machte mich fertig. [Wilhelm] Erb überwies mich zur Behandlung an [Richard von] Krafft-Ebing, und unter dessen ärztlicher Obhut werde ich mich jetzt zur Sanation nach Purkersdorf in der Nähe von Wien begeben. Worin die Therapie bestehen wird, weiß ich nicht genau. Aber Hypnose soll eine wichtige Rolle spielen.« Sowohl von Erb als auch von KrafftEbing habe er gute Eindrücke gewonnen. »Sie verstehen die ganze Tragweite meiner Lage und brachten sie auf den Punkt. Strikte Geheimhaltung etc […]. Bis heute habe ich die Hoffnung, mit einem unbefleckten Namen aus der Krise wieder herauszukommen.« Als »Herr von Kirchberg« werde er in Unterpurkersdorf in der Villa Kronprinz Quartier nehmen. »Ich werde Dich auf dem Laufenden halten und hoffe sehr, Dich innerhalb der nächsten Monate wiederzusehen. Du weißt, daß ich stets Dein dankbarer Freund Max sein werde.«125 Durch den Brief sind wir einigermaßen im Bild darüber, was Max tatsächlich zu diesem Verzweiflungsschritt getrieben hat. Er brauchte professionelle Hilfe, und die holte er sich bei zwei Koryphäen der Neurologie und Psychiatrie. »Neurasthenie und Angstneurose auf sexueller Grundlage« könnte die zeitgenössische Diagnose gewesen sein.126 Daß der psychopathologisch durchaus versierte Heidelberger Universitätsprofessor Erb ihn an seinen Wiener Kollegen KrafftEbing überwies, zeigt, es war ein Therapeut gefordert, der sich auf die Heilung von Sexualneurosen spezialisiert und dafür eigens in Unterpurkersdorf ein Sanatorium eingerichtet hatte.127 Max vertraute sich Krafft-Ebing – von seiner Herkunft übrigens Badener und am Karlsruher Hof hochgeschätzt128 – an, weil er offenbar guter Hoffnung im Hinblick auf dessen Heilungsversprechen war. Dennoch sollte der Wiener Neurologe trotz verwandter Methoden (Hypnose) seinen Freund Munthe auch als Seelenarzt keineswegs ersetzen. Vielmehr scheint auch Max von Baden sich damals in jene »therapeutische Mentalität« hineingelebt zu haben, die eine der charakteristischen Signaturen des »nervösen Zeitalters« war.129 Für sein Innenleben hatte seine Entlobung katastrophale Folgen – weit über die öffentliche Wirkung hinaus. Schlimmer noch war, daß selbst vertraute Menschen nichts von den wahren Gründen wissen durften. So spricht Max seinem Freund Ernst in einem Brief aus »U. P.« zwar davon, daß er unter den Ereignissen der letzten Monate 136 136
»sehr schwer gelitten habe«, und er macht auch gar kein Hehl daraus, daß er »in den Nerven herunter« sei. Doch als es darum geht, wie er wieder auf die Beine zu kommen gedenke, da versagt ihm offenbar die Feder, und er verliert sich in vagen Andeutungen: »Ich habe mich jetzt in die absolute Einsamkeit zurückgezogen und lebe in einem kleinen Ort in den Bergen unweit des Semmering unter falschem Namen. […] Du hast Dir Dein Glück verdient. Ich muß es noch tun, und daher werde ich ›der Leiden Pfade‹ geführt.«130 In einem Gesandtschaftsbericht aus Karlsruhe heißt es: »Der Prinz ist leider wirklich durch die Ereignisse der letzten Wochen schwer betroffen und körperlich so mitgenommen, daß er auf Anraten des Professor Erb in Heidelberg eine längere Kur gebrauchen muß«.131 Seine zweieinhalbmonatige sexualtherapeutische Behandlung im Privatsanatorium von Krafft-Ebing blieb Staatsgeheimnis. Max hatte wohl gut daran getan, sich einem Experten anzuvertrauen. Schon nach vierwöchiger Behandlung durch Krafft-Ebing hatte sich nach eigenen Angaben sein »Seelen- und Nervenzustand bedeutend beruhigt«. Er glaubte nun fest daran, »daß es kaum der Mühe wert gewesen wäre, für so ein zweifelhaftes Glück Alles an Kraft und Gefühl einzusetzen«.132 Gemeint war die Ehe mit Großfürstin Elena. So konnte er sich endlich entlastet fühlen. »Unter diesen Umständen« – kommentierte Ernst diese erstaunlich rasche Überwindung des »schlimmen Erlebnisses« durch Max – »läßt sich hoffen, daß er sich doch noch zu einem neuen Versuch [zu heiraten] entschließen wird«.133 Und tatsächlich, schon im Oktober 1899 stand der Prinz von Baden erneut im Begriff, auf Freiersfüßen zu wandeln – auch wenn er dieses Mal die Angelegenheit selbst in die Hand nahm. Stellt sich die Frage, was ihn zu dieser erstaunlichen Offensive motiviert hat. Die Krankenakte im Sanatorium Unterpurkersdorf hat sich nicht erhalten, und auch sonst finden sich in den nachgelassenen Papieren von Krafft-Ebing keinerlei Zeugnisse über einen Patienten »Kirchberg«, alias Max von Baden.134 So sind wir, um die entsprechenden Vorgänge vorsichtig zu rekonstruieren, vor allem auf medizinhistorische Quellen angewiesen. Wie wurde eine sexualneurotische Störung wie bei Max durch Krafft-Ebing und seine Mitarbeiter untersucht und behandelt? Der 1840 in Mannheim geborene Krafft-Ebing war 1863 in Heidelberg promoviert worden.135 Nach Stationen an der Großherzoglich Badischen Landesirrenanstalt Illenau bei Achern und in einer Privat137 137
praxis in Baden-Baden wurde er 1872 Professor an der Reichsuniversität Straßburg und übernahm ein Jahr später den Lehrstuhl für Psychiatrie im österreichischen Graz, wo er 1886 auf dem Rosenberg das Privatsanatorium »Mariagrün« eröffnete, das rasch zu Weltruf kam – nicht zuletzt durch seine prominenten Privatpatienten. Im gleichen Jahr erschien seine immer wieder neu aufgelegte »klinischforensische« Studie: Psychopathia sexualis, die seinen Ruf als Sexualforscher und -therapeut begründete. 1888 folgte der Bestseller Eine experimentelle Studie auf dem Gebiete des Hypnotismus, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Im Herbst 1889 wurde Krafft-Ebing zum Professor für Psychiatrie und Neuropathologie an die Wiener Universität berufen. Dort eröffnete er Mitte der achtziger Jahre in dem nahegelegenen Unterpurkersdorf ein Privatsanatorium,136 wo sein Assistent Doktor Alfred Fuchs als seine rechte Hand wirkte. Ihn hat er dort, wie Fuchs rückblickend schrieb, 1897 speziell in das Gebiet der »Psychotherapia sexualis« eingeführt und »mit der Therapie eines großen Teils seiner Patienten beauftragt«.137 Der Mediziner und Neuropathologe Krafft-Ebing erhielt aufgrund seiner Integrität und Liebenswürdigkeit, die seine Fachkompetenz noch einmal enorm aufwertete, immer mehr Zulauf aus zumeist höheren und höchsten Kreisen. Der Neurologe galt als äußerst diskret und vertrauenswürdig, zeigte exzellentes Benehmen, diplomatische Fähigkeiten und bediente sich einer streng individualisierenden Behandlungsweise. Krafft-Ebings Erfolg habe wesentlich darauf beruht, daß er seinen Patienten, »die sich darum rissen, ihm ihre Geschichte zu erzählen, anstelle des kulturell versinkenden Beichtstuhls ein neues seriöses Forum bot«.138 Dazu einen luxuriösen Kurort in bester Lage, ohne die Angst, psychiatrisch stigmatisiert zu werden. Hinzu kam, daß Krafft-Ebing ein außerordentlich feinfühliges Sensorium für die neurasthenische Verfaßtheit der Epoche ausgebildet hatte, die ihn mit großer Gelassenheit die innere Unrast seiner Patienten schon fast als normal, jedenfalls zeittypisch ansehen ließ.139 Als er 1902 verstarb, vereinnahmte ihn der damalige Prophet der homosexuellen Emanzipation, Magnus Hirschfeld, als einen der »hervorragendsten Vorkämpfer unserer Bewegung«, der sich »der Homosexuellen mit größter Energie angenommen« habe.140 Eine solche Würdigung war gerechtfertigt, da Krafft-Ebing noch kurz vor seinem Tod in Hirschfelds Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen auf durchaus sympathetische Weise diese »konträre[n] Sexualempfin138 138
dung« beschrieben hatte.141 Als Nervenarzt konstatiert er besonders die »zugleich mit ihr [der Homosexualität] vorfindlichen Neuround Psychopathien« und definierte sie als »durch die konträre Sexualempfindung vermittelte neurotische oder psychische Krankheitszustände«. In diesem Zusammenhang bezieht er sich ganz konkret auf einen Patienten, der ihn deshalb aufgesucht habe, »da er seiner Widerstandskraft gegen männliche Attraktionen mißtraute«. KrafftEbing nahm sich seiner mit Erfolg an: »Unter antineurasthenischer Behandlung und hypnotisch suggestiver Kur mit dem Zweck, ihm Abscheu vor Masturbation und vor Männerliebe einzupflanzen (Pat[ient]. erwies sich ziemlich hypnotisierbar und suggestibel), gelang es, ihn dauernd von homosexuellen Neigungen zu befreien und dem Weibe gegenüber potent zu machen.« Sein Assistent Alfred Fuchs geht in seiner Studie Therapie der Anomalen Vita Sexualis bei Männern genauer auf die Heilmethoden ein, die 1899 angewandt wurden, also in dem Jahr von Max’ Aufenthalt im Sanatorium Purkersdorf.142 Bei der Kur gehe es zunächst einmal um die Beseitigung der neurasthenischen Beschwerden durch diätetische und andere, auch medikamentöse Applikationen. Ziel dieser vorbereitenden Maßnahmen sei eine möglichst streßfreie, einfache, aber durchaus kontrollierte Lebensführung. Danach erst beginne »die Psychotherapie, die Suggestivbeeinflussung«, für die der Patient in ein sogenanntes engourdissement, in Erstarrung oder Hypnose, versetzt werden müsse, und zwar durch Fixation von Auge zu Auge sowie durch Streichen über die Stirn. Über zwölf bis dreißig Sitzungen hinweg werde dann die immer gleich lautende Suggestivformel gesprochen, »für kräftige Erection« oder »Männer zu meiden und ausschließlich das Weib schön und begehrenswert finden«. Die »wichtigste und wertvollste prophylaktische Maßregel« zur Vermeidung von Rückfällen – so das Fazit – sei aber schließlich die Ehe und deren periodisch wiederkehrender Vollzug. Es gelte die Patienten anzuleiten, die Therapie durch »systematische Autosuggestion« fortzusetzen und zugleich strengste Selbstzucht zu üben.143 Krafft-Ebing stand bis zu seinem Lebensende zu dem medizinischen Ansatz, durch suggestive psychische Therapie namentlich »der homosexualen Komplexe« das Seelenleben der Patienten in heilbringender Weise beeinflussen zu können.144 In der letzten von ihm noch selbst besorgten 12. Auflage seiner Psychopathia sexualis heißt es 1902 über die »Homosexualen«, daß der Beischlaf mit einer 139 139
Frau für sie ein schweres Opfer bedeute.145 Bei der ärztlichen Behandlung solcher Fälle reflektierte er vor allem auf solche Urninge, »die durch die Verhältnisse zum Heiraten gezwungen sind und mit Recht an ihrer Potenz zweifeln«. Von größtem Wert für die Diagnose sei deshalb die detaillierte Ermittlung der zu sanierenden Vita sexualis, denn es gehe zunächst darum, die dort entstandene Neurose zu beseitigen. Die »[p]sychische Behandlung im Sinne einer Bekämpfung homosexualer und der Förderung heterosexualer Gefühle und Impulse« stehe im Mittelpunkt der eigentlichen Therapie. Und hier könne »nur eine Methode der psychischen Behandlung – die Suggestion – Hülfe bringen«. Wenn möglich sollten jeden zweiten Tag Sitzungen mit engourdissement bis Somnambulismus abgehalten und dabei den Patienten drei Suggestionen eingegeben werden. Variante A: »1. Ich kann, darf und will nicht mehr onanieren; 2. ich verabscheue die Liebe zum eigenen Geschlecht und werde keinen Mann mehr schön finden; 3. ich will und werde gesund werden, ein braves Weib lieben, glücklich sein und glücklich machen.« Variante B: »1. Ich verabscheue die Onanie, denn sie macht siech und elend; 2. ich habe keine Neigung mehr zum Manne, denn die Liebe zum Manne ist gegen die Religion, gegen die Natur und gegen das Gesetz; 3. ich empfinde Neigung zum Weibe, denn das Weib ist lieb und begehrenswert und für den Mann geschaffen.« Schon die »Absuggerierung homosexueller Empfindungen« hielt der Neuropathologe für einen Heilungserfolg. Aber am Ende schränkte er ein, daß die tatsächlich erzielten Fortschritte bei seinen Kranken wohl immer »nur auf suggestiver Dressur und nicht wirklicher Heilung beruhen dürften«. Vor diesem Hintergrund haben wir uns den zweimonatigen Sanatoriumsaufenthalt des Prinzen Max im Sommer 1899 vorzustellen, wobei man davon ausgehen kann, daß zu seinen Anwendungen dort auch Licht- und Frischluftkuren sowie Wasser-, Elektro- und Mechanotherapien gehörten146 – das, was man heute Wellness nennt. Dennoch, er hatte sich, abermals, auf eine mehr oder weniger brachiale Maßnahme eingelassen, die bei allem guten Willen und aller Kompetenz des Arztes schon damals medizinisch durchaus umstritten war,147 und die – wie wir heute wissen – bestenfalls Placebo-Effekte bewirken konnte. Wir wissen nicht, wie der Patient die Therapie erlebt, verarbeitet, gar reflektiert hat. Mag sein, daß seine Psyche durch Krafft-Ebing stabilisiert, daß er ruhiger wurde, daß er sich über sein 140 140
Versagen hinweggetröstet fühlte. Aber an seinem Grunddilemma der »conträren Sexualempfindung«, die ihn Frauen gegenüber gefühlskalt machte, konnte sich nur wenig geändert haben.
Eine neue Heiratsidee Nach dem Kaisermanöver hatte sich Max für einige Wochen mit Mutter und Schwester auf Schloß Salem zurückgezogen. Von dort brach er dann Mitte Oktober 1899 nach Schweden auf. Offiziell galt dieser einwöchige Besuch seiner Cousine Victoria. Aus einem Schreiben an Philipp Eulenburg, den Kaiserintimus und Botschafter des Deutschen Reiches in Wien, läßt sich jedoch erkennen, was Max im Herbst 1899 wirklich umgetrieben hat. »Von Tullgarn kommend, habe ich mich einen Tag in Kopenhagen und vier Stunden in Bernsdorff aufgehalten. Dort traf ich die Familie des Herzogs von Cumberland, und eine seiner Töchter hat mir gut gefallen […]. Ich habe hiervon mit den großherzoglichen Herrschaften [von Baden] gesprochen, und diese sehen nur Schwierigkeiten, politische Verwicklungen und Nachteile für mich voraus. Der Großherzog geht so weit, einen solchen Schritt als Bruch meinerseits mit Sr. Majestät dem Kaiser zu charakterisieren.« Was war damit gemeint? Die Dynastie der Welfen, deren Oberhaupt Ernst August, der frühere Kronprinz von Hannover, sich inzwischen Herzog von Cumberland nannte, fristete seit mehr als einem Vierteljahrhundert im österreichischen Exil ein randständiges Dasein, nachdem Bismarck den König von Hannover nach dem Preußisch-Deutschen Krieg im Jahr 1866 kurzerhand entthront und sein Haus anschließend politisch in Acht und Bann geschlagen hatte. Gleichwohl erbat Max von Eulenburg eine Stellungnahme darüber, »was Sie über die Möglichkeit einer Verbindung mit dem hannöverschen Hause denken, welche Garantien in den Persönlichkeiten [der Familie Cumberland. L. M.] liegen, und ob Sie denken, daß ich den Kaiser freundlich zu stimmen vermag«. Denn ungeachtet aller Schwierigkeiten sehe er in diesem Projekt »auch die Möglichkeit versöhnlicherer Wirkung. Warum den alten Groll auf die junge Generation ausdehnen, warum nicht durch Verbindungen der Töchter in Deutschland weiteren Racheplänen der Welfen eine Berechtigung mehr entziehen, und das Haus Hannover auf diese Weise versöhnen. […] Einer so bereiten, das Gute liebenden Natur, wie die 141 141
unseres Kaisers ist, müßte eigentlich eine Versöhnung dieser Art lieb sein, denn die Härten des Jahres 1866 sind doch für den Sieger leichter zu vergessen als für den Vertriebenen und Entthronten. Das ist meine Möglichkeitsrechnung.«148 Max wollte es also noch einmal wissen. Aber weniger die Persönlichkeit der Prinzessin zog ihn besonders an, noch hatte er eine ausgeprägte Herzensneigung für sie entwickelt. Zunächst und vor allem anderen weckte sie als Angehörige dieses problematischen Fürstenhauses Max’ Interesse.149 Problematisch deshalb, weil nach Bismarcks Abgang es für die Welfen theoretisch möglich schien, in den fürstlichen Herrscherstand des deutschen Kaiserreiches zurückzukehren; nicht aber, solange sich der Herzog von Cumberland weigerte, seinen Herrschaftsansprüchen auf das inzwischen preußisch regierte Hannover zu entsagen. Max’ Projekt entsprang wesentlich dem Kalkül, diese starre Konstellation durch diplomatische Heirat zu verändern – wohl wissend: Eine derartige Ehe wird nicht einfach geschlossen, sie muß in einem hochsensiblen Bereich der dynastischen Beziehungen der Hochadelsgesellschaft angebahnt, verhandelt und abgesprochen werden.150 Er scheint sich diese Familie aber auch ausgewählt zu haben, weil es sich die Cumberlander bei einer solchen Partie einfach nicht leisten konnten, allzu wählerisch zu sein. Daß sich Max direkt nach seiner geplatzten Verlobung zu solch einer Aktion durchrang, wird Teil der Therapie gewesen sein, die ihm Krafft-Ebing mit auf den Weg gegeben hatte: so schnell wie möglich zu heiraten. Der Prinz hat diese Suggestion gleichsam dynastiepolitisch aufgeladen. Insofern – aber auch nur insofern – zeitigte die Hypnose tatsächlich Wirkung. Solch diffizile Heiratspläne konnten zu Komplikationen führen, bei denen der Brautwerber als versierter Diplomat und Netzwerker gefragt war. Max wollte sich familienpolitische Meriten erwerben, bevor er als Ehemann und Liebespartner auf den Plan zu treten hatte. Eine Prinzessin Cumberland war so etwas wie das Dornröschen in dem großen europäischen Kreis der Dynastien. Denn sie entstammte einer Familie, die zwar als Fürstendynastie im Exil überlebt hatte und dort ein nach wie vor standesgemäßes Leben führte, die aber aufgrund ihres Zerwürfnisses mit dem preußisch-deutschen Kaiserhaus nicht mehr zu den präferierten Heiratskreisen zählte. Max hatte sich offenbar die Rolle des glücklichen Königssohnes zugedacht, der Dornröschen wach küßt – »eine Art phantasievolles Abenteuer«, 142 142
wie Eulenburg ganz treffend meinte.151 Aber es winkte auch ein reicher Lohn. Sein Plan müßte ihm einen immensen Rückhalt bei dem Welfenoberhaupt sichern, da die Heirat die Tochter und zugleich die ganze Familie in den inneren Kreis der europäischen Herrscherfamilie zurückholen würde. Als Eulenburg dem Kaiser Ende Oktober auf der Jagd in Liebenberg die Absichten des Prinzen Max zutrug, schickte der ihn umgehend nach Karlsruhe mit dem Auftrag, dem Aspiranten die fixe Idee wieder auszureden.152 Wilhelm II. wollte seinen badischen Vetter für eine Ehe mit Prinzessin Feodora, der jüngsten Schwester seiner Frau, gewinnen. Die damals 25-Jährige stellte eine vielseitig talentierte Künstlerpersönlichkeit dar und hätte in ihrer Lebenseinstellung durchaus zu einem Prinzen wie Max gepaßt.153 Doch der zeigte kein Interesse. Was einmal mehr darauf verweist, daß es sich bei dem Cumberlandprojekt um ein wohlüberlegtes Vorhaben handelte – um einen lebensstrategischen Entwurf, von dem sich Max wesentlich mehr versprach als nur eine Lebenspartnerin. Kurz vor Weihnachten sprach er persönlich in Berlin beim Kaiser, beim Reichskanzler Hohenlohe und auch bei dessen designiertem Nachfolger, dem Chef des Auswärtigen Amtes Bernhard von Bülow, vor, um Rückendeckung für weitere Schritte zu erlangen. Wilhelm II . gab sich geschlagen. Er möchte – so ließ Bülow den Großherzog von Baden wissen – »nicht dem Lebensglück des Prinzen im Wege stehen […]. Andererseits ist der Kaiser weiter als je davon entfernt, dem welfischen Standpunkt […] irgendwelche Zugeständnisse zu machen.« Von daher setze er »als selbstverständlich voraus, daß Prinz Max die Erwählte seines Herzens sogleich vollständig und für immer von den Anschauungen ihres bisherigen Milieus loslösen und mit derjenigen E. K. H. und Hochdero Haus erfüllen werde.«154 Von einer »ernsthaften Neigung des Prinzen« war – wie der preußische Gesandte in Karlsruhe nach einem eingehenden Gespräch mit dem Großherzog nach Berlin zu berichten wußte – zum damaligen Zeitpunkt noch überhaupt keine Rede. »Vorläufig seien ihm offenbar die beiden Prinzessinnen von Cumberland sympathischer als die ihm bekannten anderen jungen Prinzessinnen, die in Frage kommen könnten, sie gefielen ihm auch anscheinend Beide beinahe gleich gut, vielleicht sogar die Jüngere noch mehr.«155 Es ging in der Tat vor allem um die emotionslose »Erledigung der Heiratsfrage« durch ein wohlkalkuliertes Arrangement von Welfen, Zäh143 143
ringern und Preußen. Nach dreimonatiger Vorarbeit war es Ende Januar 1900 endlich soweit, daß Max nach Wien gehen konnte, um dort »mit eigenen Augen und Ohren wahrzunehmen, ob ich richtig handeln werde, vorwärts zu gehen oder andere Wege einzuschlagen«.156 In Wien konnte er noch in die Ballsaison einsteigen, zu der sich in jedem Frühjahr die Prominenz der k. u. k. Hofgesellschaft mit ihren heiratsfähigen Kindern einfand – die Familie des Herzogs von Cumberland inklusive, der im Vorort Penzing ein stattliches Palais unterhielt.157 Inzwischen hatten sich – wie der preußische Gesandte in Karlsruhe wußte – Max’ Absichten aus nicht ganz ersichtlichen Gründen auf die älteste Tochter verlagert. Freilich, »seine Bekanntschaft mit der Prinzessin beschränkt sich bis jetzt auf wenige flüchtige Begegnungen, die ihm einen angenehmen Eindruck hinterlassen haben«.158 Dieser mehr oder weniger zwanglosen Erkundung des Terrains kam der Wiener Hof »mit größter Liebenswürdigkeit« entgegen, wie der deutsche Botschafter nach Berlin drahtete. Kaiser Franz Joseph, berichtete Eulenburg, habe Max zweimal persönlich in seinem Quartier, dem Hotel Imperial, aufgesucht und ihm das Großkreuz des Sankt Stephans-Ordens verliehen. »Die gesamte Kaiserliche Familie ist augenscheinlich bestrebt, das Projekt einer Verbindung des Prinzen mit der ältesten Tochter des Herzogs von Cumberland zu fördern«.159 Nach vierwöchigem Aufenthalt in Wien und dem Besuch zahlreicher Bälle, Soireen und Cercles wußte zwar »jedermann, daß er auf Freiersfüßen geht«160 – und er selbst berichtete stolz und dankbar, daß seine Aufnahme am Kaiserlichen Hof, und insbesondere auch im Cumberlandschen Palais »die allerherzlichste« sei.161 Aber einander angenähert hatten sich Max und Marie Louise noch nicht. Dabei hatte Eulenburg schon Mitte Februar den festen »Eindruck, daß er die älteste Tochter Cumberland heiraten wird«, und meldete zehn Tage darauf »dessen Verlobung [als] unmittelbar bevorstehend« nach Berlin.162 Sich der Prinzessin tatsächlich erklären durfte Max erst nach einem politischen Gespräch mit ihrem Vater, das am 4. März stattfand. Genauer gesagt, durfte er es offiziell sogar erst Mitte März, nachdem das Resultat seiner Unterhandlungen mit dem Herzog von Cumberland sowohl von seinem Onkel als auch vom Kaiser abgesegnet worden war. Anfang März hatte Max seinen badischen Verwandten geschrie144 144
ben, »daß mir die Prinzessin Marie Luise durch ihre große Einfachheit, Freundlichkeit und den Liebreiz ihrer Persönlichkeit sehr wohl gefällt und daß dies Urteil sich durch nähere Bekanntschaft nur gekräftigt hat«. Die Auserwählte wisse noch »nichts von meinen Absichten, und die Eltern wollen sie ganz frei entscheiden lassen. Sie raten mir langsam vorzugehen, da sie timide [schüchtern] ist und leicht erschreckt werden kann. Ich kann dies nur billigen und freue mich, daß es so ist.« Denn er könne noch jederzeit »aus politischen Gründen ohne Anstand zurücktreten«, zumal auch die Prinzessin »wahrscheinlich mit ihrem Herzen nicht engagiert ist«.163 Nur wenige Tage später wandte sich Max’ treuer Beistand Eulenburg an dessen Mutter: »Der Verkehr mit der so liebenswürdigen, reizenden Prinzessin Marie Luise hat den lieben Prinzen in eine immer zufriedenere, sichere Stimmung gebracht. Ich habe – psychologisch gesprochen – den Eindruck, daß der Prinz gefunden hat, was er suchte.«164 Nicht eine Liebesbeziehung zweier gleichwertiger Partner entstand, sondern eine junge, naive Prinzessin aus wenig weltläufigem Hause sollte da gefreit und in die dynastische Pflicht genommen werden. »Meine Braut ist etwas über 20 Jahre alt, aber an Welterfahrenheit jünger als 16-jährige Mädchen von heute«, so charakterisierte Max seine Zukünftige gegenüber Cosima Wagner. »In meinen Augen spricht das für sie, denn das Gegenteil ist selten mit der Reinheit und Unbefangenheit der Empfindung verbunden, wie ich sie in meiner Braut gerne sehe.« Was er sonst noch an ihr schätzte, war, daß diese Prinzessin »vertrauensvoll, hingebend, selbstvergessen, unverwöhnt« zu sein schien; »still und heiter, ohne Lärm, ohne Sucht sich geltend zu machen«.165 Das klang wie der Gegenentwurf zu seiner temperamentvollen und prätentiösen ersten Braut, der Großfürstin Helena. Seinem alten Freund Ernst schrieb er: »Sie ist gescheit, wenn auch bis jetzt kindlich in ihren Beschäftigungen.«166 Max hatte sich zur Braut also eine Frau mit formbarem, kindlichem Wesen auserkoren; er, der Anpassungsbereitschaft, Solidarität und Kameradschaft suchte. Eine Glücksbringerin sollte Marie Louise nur insofern sein, als der Prinz mit ihr die historische Chance auf den badischen Thron wahrte. Schon bei seinem ersten Besuch im Palais Cumberland hatte Max »nur die allerbesten Eindrücke. Das Familienleben sei so erfreulich wie möglich und die Kinder seien natürlich, wohlerzogen und allgemein beliebt. Eine deutsch- und reichsfeindliche Gesinnung treten 145 145
in keiner Weise hervor. Der Herzog von Cumberland habe am Todtenbette seines Vaters gelobt, nicht auf Hannover zu verzichten, dieses Gelöbnis bestimmte seine Haltung, die nächste Generation werde ohne Zweifel die neue Lage der Dinge akzeptieren und die Hand zur Versöhnung bieten.«167 Diese politische Einschätzung vertiefte Max bei weiteren Begegnungen. »Der Herzog« – so schrieb er seinem Onkel nach Karlsruhe – »ist ein einfacher, gerader und vornehm denkender Mann, jeder Intrigue vollkommen abgeneigt […]. Er betrachtet sich als deutschen Fürst und interessiert sich für alles Deutsche in hohem Maße. Er weist jegliche Verbindung mit England, mit Ausnahme der verwandtschaftlichen, von sich. […] Er spricht vom Kaiser und von seinen Arrangements mit dem preußischen Staat ohne Erregung oder Mißmut. Er hält sich in Allem ängstlich an Buchstaben, wie es Leute tun, die viel verloren haben und mehr verlieren können. Er ist nicht hochbegabt, aber er hat natürlichen Verstand und eine absolute Ehrlichkeit in allen Dingen. Die Herzogin ist der Charme in Person und gescheit. Ihre Güte ist ohne Schranken, und sie ist von allen Menschen hier ausnahmslos verehrt. Ihr Einfluß waltet im Haus und in der Geselligkeit, welche beide unendlich angenehm dadurch gestaltet werden.«168 Nach seiner Verlobung geriet er sogar regelrecht ins Schwärmen über die Cumberlands: Die Familie seiner Braut sei »wohl die glücklichste, die ich kenne. Versöhnung, Milde, Menschlichkeit, Gottvertrauen sind die Eigenschaften, die Frieden spendend hier walten.«169 Max fällte ein so positives Urteil über die Welfen wohl aus mehreren Gründen. Zunächst wird ihm tatsächlich imponiert haben, in dieser Fürstenfamilie ein intaktes, von Herzlichkeit bestimmtes Zusammenleben kennenzulernen; ein solches Familienleben mögen die Cumberlands auch geführt haben – schon allein dadurch, daß sie sich jenseits der Wiener Wintersaison in ihrem provinziellen Gmunden rein privat und zwanglos bewegen konnten.170 Mangels einschlägiger Sozialisation in einem regierenden Herrscherhaus mit entsprechenden öffentlichen Verpflichtungen hatten sie sich eine außergewöhnliche Natürlichkeit bewahren können. Zugleich gewann nun Max in Wien nicht allein eine beeindruckende Vorstellung von dem materiellen Reichtum, mit dem das entthronte Königshaus nach wie vor gesegnet war, sondern auch von der hohen Wertschätzung, die es seitens der Habsburger genoß. Gleich der erste Hofball, den der Besucher aus Baden am 6. Februar 1900 im Kreis von etwa 800 erlesenen 146 146
Das Königshaus Hannover im österreichischen Exil: Herzog Ernst August von Cumberland mit Gattin Thyra und den Kindern in Schloß Gmunden
Gästen mitmachte, lieferte ein eindrucksvolles Zeugnis davon: Als der Hof im Zeremoniensaale erschien, schritt ihm Kaiser Franz Joseph mit der Herzogin Thyra von Cumberland voran, gefolgt von der (rangältesten) Erzherzogin Maria Josepha, die der Herzog von Cumberland am Arm führen durfte.171 Wahrscheinlich läßt sich Max’ Voreingenommenheit für die Welfen aber auch auf echte Empathie für das politische Schicksal dieses Herrscherhauses zurückführen. Schon sein Vater Wilhelm hatte die von Bismarck verhinderte Thronbesteigung der Hannoveraner in Braunschweig, die nach dem monarchischen Legitimitätsprinzip 1884 mit dem Aussterben der älteren Linie hätte erfolgen müssen, als eine rechtswidrige »Absetzung« des Prätendenten verurteilt und fein ironisch bemerkt: »Es ist das die Geschichte von der Grube, die man anderen gräbt.«172 Dar147 147
an wird sich auch der Sohn gestoßen haben. Insofern war er völlig aufrichtig, als er die Cumberlands seiner Hochachtung vor ihren legitimen Ansprüchen versicherte.173 So gewann denn Botschafter Eulenburg auch spontan den Eindruck, daß Prinz Max in bezug auf die Cumberlands »Rosinen im Kopf« habe.174 Genauer: In der braunschweigischen Erbfrage habe er »gewisse Hoffnungen für eine schließliche Einigung der Cumberlands mit Preußen«. Und wenn er erst verheiratet sei, dann glaube er auf einen Verzicht der Welfen auf Hannover »gut wirken zu können«.175 Hier wurde bereits umrissen, wie der badische Prinz sich zugunsten der dynastischen Belange der Welfen engagieren könne. Dies schien ihm zu einer Lebensaufgabe zu werden, von der sich der zukünftige Schwiegersohn viel versprochen zu haben scheint. Nichts würde seinem Ruf im Kreise seiner Standesgenossen förderlicher sein als das loyale Engagement für die dynastischen Belange eines politisch diskriminierten königlichen Hauses. Und es gab viel zu tun. Noch im Jahr 1892 hatte es kurzfristig den Anschein gehabt, als ob sich an dem starren Frontverlauf zwischen Preußen und Hannover etwas ändern könnte. Um endlich die Freigabe des von Bismarck beschlagnahmten »Welfenfonds« zu erreichen, dem Hausvermögen der Hannoveraner, hatte sich Ernst August im Frühjahr 1892 bereit erklärt, einen Brief an den deutschen Kaiser zu schreiben, der auf den ersten Blick wie ein Versöhnungsangebot aussah.176 Tatsächlich war aber nur das Allermindeste ausgesprochen worden, nämlich eine immer noch etwas zweideutige Anerkennung der staatsrechtlichen Zustände im Deutschen Reich und die Versicherung, nichts politisch Feindseliges gegen den Kaiser und den preußischen Staat zu unternehmen. Zu mehr als einem minimalem Konsens hatte es also nicht gereicht, so daß aus der Finanztransaktion, die den Herzog übrigens nur in den Genuß der – allerdings beträchtlichen – Zinsen aus dem Welfenvermögen setzte, politisch nichts weiter gefolgt war. Bei diesem Stand der Dinge war Max von Baden auf die Töchter des Cumberlanders als mögliche Heiratskandidatinnen aufmerksam geworden. Gegen die vom badischen Prinzen verfolgte Kompensationspolitik nach beiden Seiten stand freilich von Beginn an die eindeutige Position des Machthabers in Berlin. Der Kaiser hatte Max anweisen lassen, »vor der projektierten Verlobung gar keinen Zweifel über die Unverträglichkeit welfischer Aspirationen auf Hannover oder 148 148
gar Braunschweig mit den Aufgaben einer deutschen Fürstin zu lassen«.177 Das war das eine. Das andere war, daß Max sich durch diese Direktive keineswegs die Hände hat binden lassen, als er daranging, sich dem Herzog von Cumberland als Schwiegersohn zu empfehlen. Mit großem diplomatischen Geschick und taktischer Raffinesse verstand er es vielmehr, sich dadurch aus der Affäre zu ziehen, daß er sein Protokoll eines Vier-Augen-Gesprächs mit dem Herzog von Cumberland seinem Onkel, dem Großherzog, unterbreitete und diesen über sein Schicksal entscheiden ließ – und darauf hoffte, daß sein Vorgehen sanktioniert würde. Sollte es zu einer Verständigung kommen, so habe er Ernst August erklärt, müsse dieser wissen, »daß ich mein ganzes Leben hindurch nur nationalen Gesichtspunkten folgen werde, daß eine gegenseitige Beeinflussung nur Streit und Unbehagen hervorrufen werde, daß ich nie in seinem Interesse in der Braunschweigischen Frage handeln könne, und ich von ihm erhoffen müßte, daß er meine politische Stellung und Handlung nie persönlich übel nehmen werde, daß ich die Welfenpartei in ihren Extremen als eine reichsfeindliche betrachte, und daß ich es als meine Lebensaufgabe betrachte, an dem, was Du erstrebt und erreicht hast, festzuhalten und meine Beziehungen zum Kaiser und den leitenden Kreisen Berlins nur noch zu befestigen. Er sagte zu Allem: Es ist ganz selbstverständlich, Du mußt so handeln«.178 Der eigentliche Adressat dieses unverkennbar für die Akten aufgesetzten Dokuments war der deutsche Kaiser, den Max über seinen Onkel wie auch durch Wilhelms Intimus Eulenburg erreichen wollte. Mit diesem Schreiben hatte Max die heikle Welfenfrage zu einer Angelegenheit informeller Erklärungen und geheimer Kabinettspolitik gemacht, bei der sich niemand etwas vergeben mußte. Entsprechend fiel auch die Reklame Eulenburgs dafür aus. Er habe »mit dem Prinzen genau die Schritte und die Worte überlegt, ehe er sie tat und sprach«, schrieb er dem Großherzog von Baden. »Alles, was geschehen ist, entsprach genau den Anschauungen, die Se. Majestät über die Behandlung der Angelegenheit haben.«179 Was den vorher durchaus skeptischen Adressaten dann auch überzeugte, wie das Anschreiben zeigt, mit dem er dem Kaiser das besagte Schreiben übersandte: »Ich hoffe, daß Du ebenfalls befriedigt sein wirst von der streng nationalen Gesinnung, welche Max bei diesem Anlass bekundet hat.«180 Etwa zeitgleich ging bei dem Monarchen noch ein Schreiben Eulenburgs ein: »Ich meine, die Sache wird verhältnismäßig 149 149
glatt gehen. Prinz Max hat sich als loyaler deutscher Prinz und treu zu Ew. Majestät stehend, benommen. Das muß man rühmend anerkennen. Nicht jeder hätte den Mut gehabt, so offene Sprache mit dem Herzog von Cumberland zu führen, da man leicht gewärtig sein konnte, ihn zu verletzen. Die junge Prinzessin ist ganz charmant und hat alle Eigenschaften, den Prinzen glücklich zu machen. So muß man wohl bonne mine zu diesem Spiel machen …«181 Das hat der deutsche Kaiser ohne Zögern getan. Anders hätte die Verlobung nicht so rasch ins Werk gesetzt und schon gar nicht mit einem feierlichen Diner in der deutschen Botschaft in Wien symbolisch aufgewertet werden können – durften doch die Cumberlands hier erstmals auf dem exterritorialen Parkett des Kaiserreiches erscheinen.182 Alles andere war dann nur mehr Formsache. Nach Karlsruhe zurückgekehrt, ließ Prinz Max seinem Eheversprechen 14 Tage später noch einen offiziellen Brief an seinen zukünftigen Schwiegervater folgen, den er seinem Onkel im Konzept zu lesen gab.183 Der badische Monarch konnte ihn – wie er dem preußischen Gesandten sagte – nur »als ein politisches Dokument bezeichnen. Der Prinz Max hat sich darin energisch und selbständig geäußert und Alles gesagt, was bei der Anrede ›Lieber Vater‹ und ›Du‹ möglich ist.«184 So war es Max allein durch seine Fähigkeit, die richtigen Worte für seine Adressaten zu finden, gelungen, ein politisches Problem zwar nicht zu lösen, aber doch zu entschärfen und seine Person dadurch aufzuwerten. Ein übriges tat schließlich noch, daß er dem Kaiser am 9. April 1900 in Berlin persönlich aufwartete.185 Hier dürfte jener Ausspruch gefallen sein, den der Herzog von Cumberland viele Jahre später in einem Gespräch mit dem Welfenführer Ludwig Alpers überliefert hat. Als sein Schwiegersohn, so erzählte er diesem, seinerzeit dem Kaiser von seiner Absicht, die Tochter des Herzogs zu freien, gesprochen habe, »hätte der Kaiser geantwortet: ›Tu, was Du willst, wenn unsere Freundschaft nur nicht darunter leidet.‹«186 Darin läßt sich schon fast so etwas wie eine Carte blanche erkennen. Allerdings scheint man in der Wilhelmstraße selbst damals wesentlich zurückhaltender gewesen zu sein. So bedeutete Reichskanzler Hohenlohe dem österreichischen Botschafter in Berlin, daß man keine politischen Folgerungen aus der Verbindung Baden-Cumberland ableiten sollte.187 Den Prinzen Max dürfte dies nicht weiter gestört haben. Am 26. April 1900 weilte der Kaiser zu Besuch in Karlsruhe und ließ es 150 150
Mit der zweiten Verlobten, Prinzessin Marie Louise von Cumberland
sich nicht nehmen, mit dem Bräutigam in dessen neuem Stadtpalais zu soupieren. Dann lud er den Neuverlobten für drei Tage auf die Jagd nach Donaueschingen ein.188 Mehr Gunstbeweis war selten, der Heiratscoup geglückt. Knapp drei Monate später folgte die Hochzeit in Gmunden, nachdem zuvor noch ein Ehevertrag zwischen Welfen und Zähringern ausgehandelt worden war, der die neue Prinzessin Max von Baden materiell bestens ausstattete und damit auch den Gatten ausgesprochen generös bedachte.189 Das deutsche Kaiserpaar konnte sich nicht die Blöße geben, den Vermählungsfeierlichkeiten am 10. Juli beizuwohnen, aber mit dem Kaiser von Österreich, den Königen von Dänemark und Griechenland, dem badischen Monarchenpaar nebst Kindern und etlichen anderen Fürstlichkeiten waren doch einige Dutzend hochrangiger Vertreter der royalen Prominenz Europas der Einladung gefolgt. Sie erlebten ein rauschendes Fest, das an Programm und Aufwand den Vergleich mit entsprechendem höfischem 151 151
Zeremoniell nicht zu scheuen brauchte.190 In einem Leitartikel ließ die Neue Freie Presse aus Wien an dem hohen Stellenwert dieser Gmundener Fürstenbegegnung nicht den geringsten Zweifel. Diese Hochzeit, so der Kommentar, sei eine »historische Fügung«, die nicht verfehlen werde, auch den politischen Gegensatz zwischen Welfen und Preußen allmählich zu mildern.191 In deutschen Hofkreisen wurde ähnliches kolportiert: »Die Freunde des Hauses Cumberland erhoffen von dieser Vermählung, da Prinz Max in Berlin persona gratissima ist, eine Annäherung des Herzogs von Cumberland zum Kaiser.«192 Auf die politische Wirkung der Regenbogenbrücke eines solchen Familienzusammenhangs hatte bekanntlich auch der Bräutigam gesetzt, der somit alles richtig gemacht zu haben schien. Denn es war das Werk des mutigen Prinzen Max von Baden, das die Welfendynastie rehabilitiert und im europäischen Netzwerk des fürstlichen Herrscherstandes wieder aufgewertet hatte. Weitere Schritte – so dessen Kalkül – würden folgen. Eine Hochzeitsreise gab es merkwürdigerweise nicht. Stattdessen machte sich das frischvermählte Paar gleich im Anschluß an die Gmundener Feiertage nach dem Großherzogtum Baden auf, wo es am 14./15. Juli bei schönstem Wetter Einzug in die Residenzstadt Karlsruhe hielt.193 »In der Bevölkerung« – so der preußische Gesandte dort – »herrschte überall regste Teilnahme. Die Prinzessin hat zweifellos durch ihre liebenswürdige, natürliche Freundlichkeit und kindliche Anmut rasch alle Herzen in der neuen Heimat gewonnen.« Schelmisch fügte er dann noch hinzu: »In scherzhafter Weise wird hier berichtet, daß sich neuerdings nahe der Residenz besonders zahlreiche Störche gezeigt haben, man nimmt das als gute Vorbedeutung für die wichtige Frage der Nachkommenschaft.«194 Als sich jedoch ein gutes Jahr später immer noch keine Anzeichen von Familienzuwachs im Hause Baden einstellten, sah sich derselbe Diplomat und Freund des Prinzen zu der beschwichtigenden Depesche nach Berlin veranlaßt, daß die anfänglichen Wolken, die es wohl am »ehelichen Himmel« gegeben habe, »jetzt mehr und mehr geschwunden sei[e]n«. Diese Äußerung hat Kaiser Wilhelm II. mit der spontanen Randbemerkung versehen: »Kaum! Er [Max] ist eben impotent!«195 Das war hämisch, das war gemein – aber es war keine Lüge. Denn fest steht: Einem geglückten Fürstenleben standen die unlösbaren Probleme der Sexualität im Wege. Dennoch hatte Max sich mit sei152 152
ner wohlüberlegten Heirat in das Welfenhaus eine Lebensaufgabe erkoren, die selbst in dieser Lage als Palliativ eingesetzt werden konnte. Diese neue Überlebensstrategie geschaffen zu haben war eine beachtliche Leistung.
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Kapitel 4
Das »schwerste Jahr meines Lebens« Die kinderlose Anfangszeit einer Ehe Das zurückliegende Jahr – so gestand Max der mütterlichen Freundin Cosima Wagner Silvester 1901 – sei das »schwerste meines Lebens« gewesen.1 Offenbar schwerer noch als das Jahr 1899, das ihn beinahe in den Selbstmord getrieben hätte. Das verwundert im ersten Augenblick, denn von außen betrachtet, nimmt sich dieses Jahr für den badischen Prinzen durchaus positiv aus: Er stand am Beginn einer diplomatisch eingefädelten Ehe, die ihn mit einer schwerreichen Fürstenfamilie verband; er hatte in Karlsruhe ein stattliches Palais nach seinem Geschmack bezogen und sich in der badischen Hofgesellschaft als der Zukunftsträger der Monarchie einen Platz gesichert; vom Militärdienst beurlaubt, reiste er monatelang durch Italien, besuchte die Bayreuther Festspiele und war zur Kur in St. Moritz gewesen. Zudem war seine junge Frau am Ende auch noch schwanger geworden. Das alles will so gar nicht zu einem »schweren Jahr« passen – zum lebensschwersten schon gar nicht. Was also war da los? An einem Juliabend 1901 saß Max von Baden in den Ruinen des griechischen Theaters von Taormina an der Ostküste von Sizilien und versuchte eine Bilanz seiner 34 Lebensjahre im Gedicht zu ziehen. Was er da in Verse faßte,2 war die vermeintliche Tragik seines Daseins. Mit den antiken Dichtern wollte er einstimmen in den »Weheruf: Dem harten Schicksal klag’ ich, / Das mich zur Trauer schuf.« Und dann folgt dieses: »Dem Leiden preisgegeben, Der ruhelosen Qual, Werd’ Pfade ich geführet, Die nicht nach meiner Wahl. 154 154
Zum Helden nicht geboren, Und Helden doch verwandt, So streit’ ich mit dem Schicksal Mit müder Brust und Hand. Als Kind schon vermeint ich zu hören Den fernen Flügelschlag Des unheilbringenden Boten, Dem keiner entrinnen mag. Als Jüngling ahnt’ ich die Kunde, Die er mir zu künden kam, Und mitten in harmlosen Freuden Durchschaudert’s mich wundersam. Und lauter ward das Rauschen Mit schwerem Flügelschlag Naht mir ein dunkler Schatten, Umdüstert meinen Tag. Und aus dem unheimlichen Dunkel Ertönt eine Stimme mir: Der alte Fluch des Schicksals Erfüllt sich auch an Dir! Seit jenem Tage irr’ ich Einsam und ruhlos dahin. Ich weiß nun, daß ich dem Unheil Unrettbar verfallen bin. […] Ich will die Banden zerreissen, Zertrümmern, was falscher Schein! Und müßt’ ich mein Leben verlieren – Dann wird’s mein Wille sein. So lang ich lebe, Schicksal, bescherst Du mir Angst und Noth, 155 155
Doch scheitert Deine Wirkung, Wenn mich umarmt der Tod. Drum sei mir hochwillkommen, Bruder des Schlafs und der Ruh! Reich bald mir die Lotusblume Drück sanft mir die Augen zu. Leg Deine kühlen Hände Still auf mein heisses Haupt. Gieb mir den Frieden wieder, Den mir ein Fluch geraubt.« Wir vernehmen hier die Stimme eines Verzweifelten; eines Menschen, der sich als tragisches Opfer beweint. Die Schreie seiner Seele sind säkularisierte Gebete, die das innere Chaos in der Kunst bändigen sollen. Er entblößt sein Innerstes vor seinem Arzt und Freund – Max klagt Therapie, klagt Rettung ein. Es ist das Schicksal, das er für seinen Leidensweg verantwortlich macht. Ihm wurde ein Dasein contre cœur aufgezwungen, das wie ein unentrinnbares Unheil erscheint: Auch er, der Thronerbe in Baden, fühlt sich mit dem »alten Fluch des Schicksals« der Zähringerdynastie geschlagen, auch er glaubt sich nicht fähig für das Herrschergeschlecht einen Nachkommen zu zeugen. Kein Wunder, daß ihn tiefe Todessehnsucht erfüllt in dieser aussichtslos scheinenden Lebenslage. In einem zwei Monate später in Gmunden verfaßten Gedicht – dieses Mal in englischer Sprache – stilisiert sich Max abermals zu einem von der Vorsehung Verdammten.3 Erneut kommt er hier auf das fluchbeladene Verhängnis seines Lebens zurück, bringt es aber dieses Mal auf einen Begriff: »In meiner Liebe liegt der Fluch begründet, der meinem Namen auferlegt wurde«. Er redet von den »Gefahren, die meine Neigung mit sich bringt«, aber auch vom »warnenden Kuß der Schlange«, der ihn zur Vorsicht mahnt. »Anstatt Freuden bringt meine Liebe Leid«. Was ihn so umtreibt, ist seine Homosexualität, »dies fürchterliche Sehnen, das meine Seele durchbebt«. Daß er seinem »großen Verlangen nach Glück« entsagen muß, macht ihn schon traurig genug; daß ihn dieses Verlangen überdies noch unfähig macht, Kinder in die Welt zu setzen, macht es zu einer wahren Verdammnis. Denn damit 156 156
ist seine Rolle als letzter Hoffnungsträger des Hauses Badens eigentlich ausgespielt. Max gibt so auch zu erkennen, daß Krafft-Ebing ihn nicht hatte heilen können. Er verknüpft sein sexuelles Stigma mit dem, was wohl auch er als den Fluch seines Fürstenhauses tief verinnerlicht hatte – mit dem Kaspar-Hauser-Trauma. Dies scheint sich tief in die Psyche aller Hochberger eingeschrieben zu haben.4 So tief, daß sich einer der Ihren auch hundert Jahre später noch nicht davon lösen konnte. Max’ Homosexualität erschien so als Fortbestand jener Dekadenz, wie sie sich schon im frühen Tod des Prinzen Ludwig oder im fehlenden Nachwuchs des Erbgroßherzogspaars offenbart hatte. Die Quellen überliefern nicht, ob ihn dieser selbstkonstruierte Zusammenhang zwischen seiner Person und dem Bannfluch seiner Dynastie tatsächlich seelisch entlastete. Dagegen belegen sie, daß Max nur noch einen Retter sieht: den geliebten Freund Axel Munthe. Doch bevor dieser tatsächlich auf den Plan treten konnte, waren bereits neun Ehemonate ins Land gegangen. Mehr als ein halbes Jahr hatte er den Schein eines tadellosen Fürstenehelebens wahren können. Nach dem offiziellen Einzug in Karlsruhe waren die Jungvermählten erst einmal für einige Flitterwochen in die »Stille und Schönheit« von Schloß Salem eingekehrt.5 Mehrfach besuchten sie Verwandte auf der Insel Mainau, dem Sommersitz des großherzoglich-badischen Herrscherpaares. So konnte seine junge Frau auf einigermaßen ungezwungene Art mit ihrer neuen Lebenswelt vertraut werden. Im Oktober 1900 machte das Prinzenpaar zwei Antrittsbesuche. Zunächst beim dänischen Königshof in Kopenhagen, wo man mit Marie Louises Eltern und Großeltern im kleinen Kreis den 21. Geburtstag der frisch gekürten Prinzessin Max von Baden feierte. Ihr Gatte – so vermeldete der deutsche Gesandte dort nach Berlin – sei »ganz entzückt über die herzliche liebenswürdige Aufnahme und das ungezwungene und heitere Familienleben am hiesigen Hofe«, wo »seine anmutige junge Gemahlin« als »der ausgesprochene Liebling der ganzen königlichen Familie« gelte.6 Über die wenige Tage später erfolgte Vorstellung beim deutschen Kaiserpaar in Schloß Homburg berichtet der Adjutant in seinen Erinnerungen hingegen das: »So etwas Steifes wie diesen Besuch habe ich kaum wieder am Kaiserlichen Hof erlebt. Der Prinz erfreute sich wohl großer Beliebtheit von Seiten des Kaiserpaares, aber er war, wie es schien, bedrückt durch die äußerst verlegene Haltung seiner Frau.«7 Schließlich lernte Marie Louise in Baden-Baden Max’ Mutter ken157 157
nen. Sein alter Mentor Franz Xaver Kraus war zeitgleich zu Besuch und teilte »manch trauliche Stunde« mit den Dreien. Die junge Gemahlin seines Zöglings beschrieb er in seinem Tagebuch als »ein unschuldiges, grundehrliches Geschöpf, nicht gerade schön, aber mit köstlichen Augen, höchst sympathisch und verständig. Man kann ihr nur gut sein.«8 So sah das auch der Ehemann, als er Ernst von Hohenlohe im November schreibt: »Marie Louise hat den besten, freundlichsten, anspruchslosesten Charakter von der Welt und hat die Herzen Aller für sich gewonnen.« Sie hätten sich inzwischen in ihrem neuen Palais in Karlsruhe »gemütlich niedergelassen. Das Haus bewohnt sich gut, und wir sehen ziemlich viele Menschen bei uns.«9 Im Dezember 1900 gaben sie dort ihr erstes Hauskonzert – für Max ein gesellschaftliches Ereignis, das ihn offenkundig mit Stolz erfüllte, wie er Cosima Wagner berichtete. In diesem Brief bedachte er seine Frau mit folgender Eloge: »Sie hat eine selten reine, ursprüngliche Natur, eine unbegrenzte Wahrheitsliebe im Fühlen, Denken und Sagen. […] Sie hat eine ausgesprochene Neigung zur historischen Wissenschaft, Alles Tatsächliche, Praktische, Rechnerische interessiert sie und begreift sie schnell. Sie zeichnet hübsch. Das Abstrakte, Musik und Poesie stehen ihr ferner, sie hat, glaube ich, die Wahrheit, die in diesen Dingen liegt, nicht begriffen, und es wird meine Aufgabe sein, ihr zu lehren, daß wahrhaftige Poesie wirkliche Wahrheit ist. Sie gibt sich die größte Mühe, mir auch hierin zu folgen, es wird ihr aber schwer.«10 Über das Eheleben verliert Max trotz all der schönen Worte keine Silbe.11 Immerhin wissen wir, daß sich die Wege der jungen Eheleute gleich im Januar 1901 fürs erste wieder trennten. Marie Louise reiste zu ihren Eltern nach Gmunden, während Max sich für einige Wochen in seine geliebten Berliner Salons begab. Dort fand sich Anfang Februar auch Cosima Wagner ein. Sie habe Max von Baden »noch nie so befriedigt gewahrt«.12
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Der »schlappe Max« und der »Hypnotiseur«. Die Therapie auf Capri und die Folgen Von seinen Verpflichtungen bei den Berliner Gardekürassieren war Max von Mai 1899 bis zu seinem Wiedereintritt in den aktiven Militärdienst Ende April 1903 befreit. Seine Hauptaufgabe in dieser Zeit war es, eine kinderreiche Familie zu gründen und sich so als Thronerbe des Hauses Baden zu etablieren. Doch die im Sommer 1900 geschlossene Ehe scheint auch im Frühjahr des darauffolgenden Jahres noch nicht vollzogen worden zu sein. So trat Max’ Freund und Helfer Munthe erneut auf den Plan und lud den Prinzen samt seiner Prinzessin zu sich nach Capri ein, wo sein Traumhaus gerade bezugsfertig geworden war.13 Zu Frühlingsbeginn 1901 trafen die beiden auf dem damals noch weltabgeschiedenen Eiland ein, um sich in Anacapri durch Munthe einer – wie wir heute sagen würden – Paartherapie zu unterziehen. Für diese als Kururlaub getarnte Italienreise hatte sich Max beim Kaiser ein weiteres Mal vom Militärdienst befreien lassen. Wilhelm war großzügig, verband dies aber mit einer anspielungsreichen Warnung, die der Prinz in seinem Antwortbrief aus Capri zu parieren suchte: »Du drohst mir mit Ungnade, wenn ich Erni Hessens Pfade betrete. Ich muß mich gegen diesen Angriff energisch wehren. Ich liebe zwar Italien ganz besonders […], aber der kennt mich schlecht, der sagen würde, daß ich meine Pflicht meinen Liebhabereien opfere. Meine diesmalige Reise war eine Notwendigkeit und daher Pflichterfüllung.«14 Worum ging es bei Wilhelms »Drohung, mir Deine Freundschaft entziehen zu wollen« und Max’ energischem Konter? Wilhelm spielte auf den Großherzog Ernst Ludwig von Hessen an, dessen Ehe damals vor dem Aus stand.15 Den tieferen Grund für diese Scheidung sollen homosexuelle Eskapaden des Monarchen gewesen sein, die er nicht zuletzt auf Capri auslebte.16 Um Wilhelms besorgte Sicht zu verstehen, muß man wissen, wie streng er dem Mann – immerhin ein souveräner Bundesfürst – entgegentrat. Er warf dem Hessen vor, »daß der Hauptgrund, welcher das Verhältnis von Euch Beiden von Anfang an gestört, in physischen Tatsachen bei Dir liegt, welche Dir schon bekannt und klar sein mußten als Du, oder ehe Du anhieltest.« Umso schärfer hätte Ernst Ludwig sich selbst prüfen müssen, ob er überhaupt in der Lage wäre, »die Erwartungen Deiner Zukünftigen zu erfüllen!« Das sei offensichtlich nicht der 159 159
Fall gewesen, denn Ernst Ludwigs Angetraute habe »sich unbefriedigt und negligiert [vernachlässigt] gefühlt, und spielte die Rolle eines Kleiderständers, an dem Du Deine Toiletten und Rivieren von Diamanten und Edelsteinketten aufhängen konntest, um vor der Welt mit der schönen Frau zu glänzen! […] Wie konntest Du das Herz haben, um diese herrliche Jungfrau zu werben und sie an Dich zu ketten, zumal da sie Dir nicht mit Enthusiasmus entgegenkam?!«17 Ähnliches scheint Wilhelm nun bei dem Prinzenpaar Max von Baden befürchtet zu haben – eine Assoziation, die vermutlich auf die Gespräche zurückging, die der deutsche Kaiser im Januar 1901 in Berlin mit dem Großfürsten Wladimir, Max’ Beinahe-Schwiegervater, geführt hatte.18 Völlig abwegig waren solche Mutmaßungen nicht, doch der Kaiser hatte das Phänomen Axel Munthe nicht auf seiner Rechnung. Der machte den großen Unterschied aus. Und mit Blick auf ihn, seinen Therapeuten, durfte Max seine Fahrt nach Capri durchaus als eine »Pflichterfüllung« bezeichnen. Munthes Sanatorium, in dem das Prinzenpaar Heilung suchte, war die Villa San Michele in Anacapri – die phantastische Kreation eines geistreichen Egomanen. Die Ästhetik dieses Landsitzes zielte darauf, Munthes Klientel zu imponieren und zu verzaubern. So erstreckte sich das Ensemble entlang einer hohen Felsenklippe, die jählings etwa 300 Meter in das azurblaue Meer des Golfes von Sorrent abfiel. Das eigentliche Wohnhaus glich einem schneeweißen Tempelbau, der in seinen Gemächern, Loggien, kleinen Höfen und Galerien mit wertvollen Antiken aller Art und Größe ausstaffiert war. Eine langgestreckte bogenförmige Pergola auf antiken Säulenstümpfen bot Aussicht auf die Natur dieser einzigartigen Gegend. Doch damit nicht genug. Terrassenförmige Gärten legten sich um Munthes Domizil mit Batterien von Rosen, Margueriten, weißen Lilien, Duftwicken, mit Myrte, Thymian, Rosmarin; daneben Pinien, Tamarinden, Zitronen- und Orangenbäumchen, die fast zu jeder Jahreszeit wohlriechend dufteten. Die kleine Zypressenallee war nach dem Muster einer antiken Straße angelegt und ein freigelegtes Mosaik versetzte den Besucher in griechisch-römische Zeiten zurück. Am schönsten Aussichtspunkt des Anwesens, oberhalb des Wohnhauses, lag noch eine alte weiß getünchte Kapelle, die Munthe zu einer ein wenig faustisch anmutenden Privatbibliothek mit Chorgestühl und riesigem Kamin umgebaut hatte. Durch die gewölbten Fensteröffnungen mit Florentiner Stützpfeilern blickte man auf das großartige 160 160
Panorama. Auf die Balustrade einer Terrasse, von der aus man die rote Sonne romantisch im Meer versinken sehen konnte, hatte der Schöpfer von San Michele eine mächtige Sphinxskulptur plaziert. Die schwarz-weißen Bilder, die sich aus dieser Zeit erhalten haben, können nur einen matten Abglanz von dem Zauber vermitteln, den diese Traumwelt einmal ausgestrahlt haben muß. Der Hausherr und Erbauer des Anwesens blieb integraler und omnipräsenter Bestandteil von San Michele, das er dem Prinzenpaar gastfrei überließ, während er sich selbst zum Schlafen auf die einige hundert Schritte entfernte Ruine eines alten Kastells auf dem Monte Barbarossa zurückzog. Die gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten bereitete Munthes Köchin und Haushälterin zu. Der Gastgeber unterhielt seinen Besuch mit Musik und Gesang sowie geistvoller Konversation, oder er zeigte ihnen die Natur der Insel.19 Einen ganz speziellen Teil seines therapeutischen Programms machten diverse Segeltörns auf seiner kleinen Yacht aus. In Begleitung eines einheimischen Matrosen kreuzten die drei im Golf von Neapel, wobei es Munthe offenbar auf das abgesehen hatte, was solche Segelpartien zwangsläufig hervorbringen mußten: die intime Nähe einer Gemeinschaft auch körperlich zu spüren – einer Gruppe, die weitab der förmlichen Gesellschaft nur noch Wind, Sonne und Meer trotzen muß und dabei stets unter sich bleibt, Emotionen teilen muß und kaum etwas verbergen kann. Eine gewaltige Herausforderung für Repräsentanten eines Standes, der von Haus aus vor allem unnahbar war. Erlauben durfte sich Munthe dies, weil er sicher sein konnte, das vollste Vertrauen des Paares zu besitzen. Während umgekehrt das Leiden des Thronprätendenten für den einzigartigen Seelenarzt die Herausforderung war – mehr noch vielleicht als seine Behandlung der schwedischen Kronprinzessin, die er im Sommer 1901 sogar einstellen wollte.20 Briefe der Beteiligten oder sonstige Berichte über die immerhin mehr als dreimonatige Kur sind nicht auf die Nachwelt gekommen, doch gibt es ein Fotoalbum des Besuchs und einige Gedichte von Max, in denen er die Erlebnisse zu verarbeiten suchte. Dem Album, einem Geschenk von Max an Munthe, hat er eine englischsprachige Widmung in Gedichtform vorangestellt. Darin heißt es: Was auf Capri passiert sei, könne er nicht erzählen, doch in dem Bilderbuch möge Munthe einiges von dieser verschwiegenen Geschichte erblicken.21 Und es wird noch mysteriöser, wenn wir das Zitierte um einige Zeilen des »Fare thee well«-Gedichtes anreichern, das 161 161
Der Herr von San Michele auf Capri: Doktor Axel Munthe Die Dame mit dem Hündchen: Marie Louise in Anacapri, 1901
Prinz Max als Munthes Patient, 1901
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Max an Munthe um die gleiche Zeit herum schrieb und als »Dein liebender Freund und Bruder« unterzeichnete. Darin beschwört er ihn: »[V]ergiß, was ich Dir schrieb und verschließe Deine Augen vor jener Seite von mir, die Dir nicht gefallen kann; ich werde die Pforten meines Herzens wieder zusperren und meine Maske aufsetzen«.22 Welche unsagbaren Dinge hatten sich im Frühling 1901 ereignet? Ein Teil der Fotos in besagtem Album zeigt Capris Sehenswürdigkeiten. Die meisten Motive widmen sich Munthes apartem Anwesen, von dem sich der fotografierende Prinz beeindruckt zeigt und das er mit großer Liebe zum Detail abgebildet hat. Aber am interessantesten sind freilich die drei Menschen, die sich damals zu einem sehr speziellen, sehr intimen Kreis vereinigten: Axel, Max und Marie Louise. Es gibt nicht ein einziges Foto, auf dem Max und Louise als Paar posieren oder auch nur zu zweit zu sehen sind, es finden sich nur Bilder von Munthe und Max beziehungsweise Munthe und Marie Louise, auch einige Ganzporträts der Einzelpersonen. Als Herr des Geschehens erweist sich der Patron von San Michele. Wir erblicken einen Bohemien, dem man sofort abnimmt, daß er die Kunst des richtigen Lebens souverän beherrscht. Geradezu majestätisch posiert er auf seines Daches Zinnen – erhaben und stolz, ja respektheischend überlegen. Dieser Mann scheint nicht nur selbstgewiß zu sein, sondern auch furchtlos. Der Schatten, der über seinen Augen liegt, gibt ihm etwas Undurchsichtiges, das ihn umgekehrt befähigt, andere umso besser zu durchschauen. Er wirkt wie eine Sphinx. Nach dem, was wir aus anderen Quellen über seine Selbstinszenierungen wissen, scheint Munthe auf diesem Bild sehr lebensecht getroffen zu sein. Marie Louise wirkt ein wenig verloren, menschenscheu, gehemmt. In ihrer fast mädchenhaften Erscheinung macht sie einen unschuldigen, jungfräulichen Eindruck, der durch die weiße Kleidung, die hochgesteckten Haare und ihre unverbrauchten Gesichtszüge noch unterstrichen wird. Ein wenig mißmutig blickt sie in die Kamera, sie wirkt geniert. Doch auch der Wille zur guten Miene ist zu erkennen, wenngleich man erahnt, wie schwer ihr das gefallen sein muß. Gut, daß sie wenigstens ihren Schoßhund bei sich hat, der gewiß nicht ohne Grund auf die lange Reise mitgenommen wurde. Auch Max gelingt es trotz legerer Pose nicht, einen zufriedenen Eindruck zu vermitteln. Die aufgekrempelten Hosenbeine seines Sommeranzugs, die Segeltuchschuhe und die Prinz-Heinrich-Mütze 163 163
Segeln in paartherapeutischer Absicht. Auf Munthes Yacht
zeigen zwar, daß die strengen Konventionen ein Stück weit außer Kraft gesetzt sind, doch Körperhaltung und Blick zeigen, wie angespannt er innerlich ist. Mehr von seiner Empfindsamkeit bringt schließlich das vorherige Bild zum Ausdruck. Der Prinz wirkt hier noch legerer, aber nicht wie ein 34-Jähriger, sondern zehn Jahre älter: Tränensäcke, Leidensblick, ein Suchender. Dazu die eingefallene Brust, die gebeugten Schultern, auf denen offenbar seelische Last ruht. Ein Hauch von sinnierender Haltung ist geblieben. Das also ist die Capreser Urlaubsclique, die weit entfernt davon gewesen scheint, jemals zu so etwas wie einer »Ingroup« zusammenzuwachsen. Und zwar nicht wegen der Klassenschranken zwischen ihnen. Das zeigen auch die Bilder, die auf Munthes Segelschiff gemacht wurden; in der engen Atmosphäre des Boots, wo offenkundig nur der Prinz und sein Lieblingsfreund vertraulich miteinander waren. Kein Wunder, war doch Munthe für Marie Louise ein Fremder, mit dem sie auf engstem Raum, auf schwankendem Meer verkehren mußte. Diese Fotos sind Impressionen, Szenen eines Urlaubs auf Capri im Jahre 1901. Außer ihnen überlebten aber auch drei Liebesgedichte, die Max in den Wochen unmittelbar nach dem Aufenthalt auf Capri an seinen »darling friend« Axel geschrieben hat – eines davon hat 164 164
der Leser zu Beginn des Kapitels bereits kennengelernt.23 Mit denen kann man sich doch noch einen Reim auf diese Tage machen. Denn diese Verse bezeugen, daß die emotionale Zuneigung von Max gegenüber seinem Therapeuten noch einmal gewachsen war. Gleich im ersten, das er vermutlich noch auf der Überfahrt nach Sizilien verfaßte, bekennt der Prinz, er sei während der Zeit bei Munthe »so glücklich wie noch nie gewesen, und doch so voll von Schmerz«. Während er einerseits qualvoll gelitten habe, so trug er zeitgleich »in meiner Seele einen Himmel voller Freude und heilige Liebe und göttliche Gedanken – ein Paradies, mein Junge«. Munthe – so beklagt Max – hätte ihm »in den Himmel meiner Freuden nicht recht folgen können«, dafür aber umso mehr Empathie für all sein Leid gezeigt: »Du wußtest alles!« In Axels strenger Schule sei er gelehrt worden, »daß Leidenschaften beherrscht werden müssen«. Dennoch fleht er ihn – »meinen Lehrer« – an: »Denke an mich als einen, der Dich lieb hat, der sich mit Herz und Seele nach Dir sehnt, mehr als er zu sagen wagt.« Und »wisse, daß ich für immer bin Dein Bruder bis in den Tod«. Was mag sich Marie Louise von dieser Zuneigung mitgeteilt haben? Ganz verborgen wird sie ihr kaum geblieben sein. Mußte so der gemeinsame Urlaub im Süden für sie nicht zum Gefängnis, das Munthesche Paradies nicht zum Alptraum werden? Zumal Axel für sie ein Wildfremder war, eine bizarre Erscheinung mit exotischem Einschlag. Der Seelenarzt und Intimfreund in einer Person, der von ihrem eigenen Ehemann angeschwärmt wurde, mit dem sie ihren Max teilen, von dem sie womöglich in hochnotpeinliche Gespräche über Sexualität gezogen wurde. Wir wissen nicht genau, wie und wann die drei im Hochsommer 1901 auseinandergingen, aber einiges spricht dafür, daß dies nicht in Harmonie geschah. Max zog weiter nach Süden, nach Taormina auf Sizilien. An einen Ort, der nicht nur durch seine kulturgeschichtlichen Schätze berühmt, sondern auch ein Refugium für reiche Homosexuelle aus ganz Europa war.24 Marie Louise reiste wohl zu ihren Eltern nach Gmunden, womöglich noch vor ihrem ersten Hochzeitstag am 10. Juli 1901. Auf Sizilien erfaßte Max sogleich große Sehnsucht – nach Munthe. Einer späteren Reminiszenz zufolge sah sein Auge damals allein den geliebten Freund, »und mein Ohr sehnte sich einzig nach Deiner Stimme, und hörte nur den lauten verdammenden Ruf 165 165
des Schicksals«.25 Mit solchen Gefühlen konnte er sein eheliches Liebesleben kaum beleben, nachdem Max Anfang August nach Deutschland zurückgekehrt war. Mitte des Monats begab er sich nach Bayreuth,26 nicht allein der Droge Musik wegen, auch weil er Cosimas Beistand suchte und fand. Noch Monate später bedankte er sich bei ihr »für den Segen, den Sie mir unter den schattigen Bäumen Ihres Gartens gegeben haben«.27 Was könnte damit gemeint sein? Vielleicht hat sie einen geheimen Rettungsplan für Max’ Ehemisere gebilligt? Von Bayreuth aus bricht Max unverzüglich in die Schweizer Hochalpen auf, wo er sich mit seinem Adjutanten im vornehmen Hotel Kurhaus in St. Moritz einquartiert.28 Von der Prinzessin Max von Baden berichtet die Presse, sie habe sich »mit Gefolge und Dienerschaft zum Kurgebrauch« nach Schwalbach, einem Luxusbad im Taunus, begeben29 – nach dreimonatiger Sommerfrische in Italien? Schwalbach war seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein von der Hocharistokratie häufig frequentiertes Frauenbad, spezialisiert auf verschiedenste sogenannte Frauenleiden, insbesondere auf Unfruchtbarkeit, die man durch Trinkkuren mit eisenhaltigem Quellwasser sowie durch Moorbäder behandelte.30 Womöglich hatte Axel Munthe der Prinzessin den Aufenthalt empfohlen, der mit Schwalbach gut vertraut war, weil er es mit seinem Freund Georg Sibbern eine Zeitlang jährlich besuchte.31 Mit der Annonce dieser Badekur sollte eine beruhigende Botschaft unter das Volk gebracht werden, vor allem unter das badische, das sich langsam zu fragen begann, wo denn nun der ersehnte Nachwuchs bliebe. Nicht an Max – so die Logik der Berichterstattung – sollte die unliebsame Verzögerung liegen, sondern an Marie Luise. Es galt, Zeit zu gewinnen. Auch die irritierten Eltern von Marie Louise wurden über dieses Vorgehen informiert, durch Munthe höchstpersönlich. So schrieb Herzogin Thyra am 19. August 1901 an ihre Schwägerin Mary, in Anspielung auf die heikle Situation: »Das teure Mutterchen [Königin Marie von Hannover] hat so Recht, sich zu wundern über die Badekur für Marie Louise, ich habe es auch getan, aber Gott sei Dank ist der Doktor hier, und er hat mich und Ernst vollkommen beruhigt und gesagt: Diese Art Bäder können Marie Louise nur ganz gut tun, da sie selber damit ganz einverstanden ist, das liebe Kind, weil ihr Max und sein Doktor es für gut gefunden haben, währenddessen er nach St. Moritz alleine ginge auf einige Wochen sich zu stärken nach Capri.«32 166 166
Diese Familienpolitik war nötig. Es hatte sich nämlich in der Nachwuchsfrage im Hause Zähringen neuer Druck aufgebaut. Der Erbgroßherzog lag wieder einmal schwerkrank danieder; überdies düpiert, weil der Kaiser ihm die von seinen Eltern nachdrücklich erbetene Übernahme des Generalkommandos über das XIV. Armeekorps in Karlsruhe »aus dienstlichen Gründen« verweigert hatte.33 Hinzu trat die Sorge um Tochter Vicky, deren Gesundheitszustand – wie Großherzog Friedrich seinem Schwiegersohn bekannte – »uns mehr und mehr beängstigt«; vor allem die »Depression ihrer Nerven«. Die neuesten Briefe aus Schweden trügen in noch erschrekkenderer Weise »das Gepräge tiefer Trauer und Niedergeschlagenheit«.34 Der nicht minder besorgte Ehemann Gustaf konnte diesen Eindruck nur bestätigen: »[D]ie armen Nerven sind in einem üblen Zustand. Vicky selbst ist so mutlos geworden und sieht alles sehr in Schwarz«.35 Dem preußischen Diplomaten Eisendecher hat er wenig später den psychosomatischen Hintergrund dieses miserablen Befindens erstaunlich freimütig erklärt. Ihr »fehle für Ihre neue Heimat jede Sympathie, sie verstehe nicht, sich dort einzuleben und die Menschen und Verhältnisse richtig zu nehmen, es sehe fast so aus, als wolle sie nicht gesund werden, um nicht in Schweden bleiben zu müssen.« Deshalb gestalte sich für ihn, den Kronprinzen, »die Lage der Dinge immer schwieriger«. Sogar seine Schwiegereltern neigten dazu, »die Kronprinzessin wegen Ihres Mangels an Selbstüberwindung und Pflichtgefühl ziemlich streng zu tadeln, der Großherzog empfehle sogar als Kur eine Nervenheilanstalt«.36 Aufhorchen läßt auch, was der Kronprinz in diesem Zusammenhang an seine Mutter schrieb: Er könne seinen badischen Schwiegereltern nachempfinden, daß sie sich augenblicklich noch mehr Sorgen über Vicky machten, »wo sie sehen, daß auch Max die gleiche Krankheit wie sie bekommen hat«.37 Der Neffe präsentierte sich dem alten Großherzogspaar nach seiner Rückkehr aus Italien also in einem ähnlich depressiven Zustand wie die Kronprinzessin wenige Wochen zuvor. Bereits im Frühsommer hatte sich der Großherzog mit seinem Ministerpräsidenten Arthur von Brauer über die politischen Folgen dieser Familienmisere beraten. Dabei war es vor allem um die »so hochwichtige Frage« einer sogenannten Eventualsukzession in Baden für den Fall einer Kinderlosigkeit des Prinzen Max gegangen.38 Man kam überein, über den Reichskanzler Bülow bei Kaiser Wilhelm vorzufühlen, wie dieser sich zu dem Plan stellen würde, in einer 167 167
solchen dynastischen Notlage den zweitjüngsten Sohn der Kronprinzessin von Schweden später einmal zum badischen Großherzog zu machen. Dies verrät, daß die Zeugungsfähigkeit des Prinzen Max bereits nach einjähriger Ehe vom Familienoberhaupt ernsthaft in Zweifel gezogen wurde. Friedrich gab damit auch Teilen der Bevölkerung eine Stimme, bei der nach einem Gesandtenbericht »die Thronfolgefrage immer näher ins öffentliche Interesse«39 rückte. In Berlin mußte Brauer die Erfahrung machen, daß auch Wilhelm II. sich »offenbar schon – mit oder ohne Anregung von außen – mit der Frage beschäftigt«40 hatte. Mehr noch Philipp Eulenburg, der den Kaiser im Juli 1901 an Bord der »Hohenzollern« auf einer Nordlandreise begleitete, berichtete, daß der Monarch den Prinzen Max regelrecht beleidigte – zeitgleich mit einem »sehr heftigen Ausfall gegen den Großherzog von Hessen mit Andeutungen eines vorbereitenden Schlages gegen ihn«.41 In Karlsruhe wußte man jedenfalls, daß aus Berlin keine Schwierigkeiten zu erwarten waren, wenn die Zähringer die prekäre Erbfolge in dem von ihnen angedachten Sinne lösen würden: Der badische Thron würde der Familie der letzten Zähringer Tochter Victoria von Schweden überlassen werden und auf keinen Fall der »Regredientenerbin« aus der älteren Linie, also dem katholischen Fürstenhaus Hohenzollern-Sigmaringen, da die Herrschaft unbedingt an die evangelische Konfession gebunden bleiben sollte. Nun gelte es nur noch, für »völlige Geheimhaltung« zu sorgen und genauestens zu überlegen, »ob und wie man zunächst an das Haus Hohenzollern[-Sigmaringen] herantreten will«, faßte Staatsminister Brauer den Stand der Dinge im Juli 1901 zusammen.42 Ohne Nachwuchs – so durfte Max aus diesem Manöver schlußfolgern – würde sein Stern am royalen Firmament über kurz oder lang wieder versinken. Hinzu kamen neuerliche Krankheitsfälle im Hause Baden, die die Position des Vertrauensarztes von Max und Vicky noch einmal enorm aufwertete. Bei so viel Leid im Hause Baden schien nur noch Doktor Munthe Rat zu wissen. Das jedenfalls glaubte der schwedische Kronprinz, der den Doktor noch Ende August zur »Consultation« nach Schloß Tullgarn einlud.43 Zur gleichen Zeit erkundigte sich der preußische Gesandte in Karlsruhe bei seinem Freund und Kollegen Karl von Wedel, dem deutschen Botschafter in Rom, über den Leibarzt der Kronprinzessin; er wußte, daß mit Munthe in Zukunft mehr denn je zu rechnen war. »Hier am Hofe« – schrieb er nach Berlin – »herrschte anfänglich gegen den magneti168 168
schen Doktor eine entschiedene Abneigung, gegenwärtig ist aber die Stimmung wesentlich zu seinen Gunsten umgeschlagen, die Herrschaften selbst wenigstens zollen ihm Anerkennung«.44 Inzwischen hatte Eisendecher auch aus Rom erfahren, daß Munthes Bedeutung hauptsächlich in »psychologischen Momenten« zu suchen sei. Den großen Einfluß, den dieser Mann auf seine Klientel ausübe, führte Botschafter Wedel »auf eine ihm innewohnende hypnotische Kraft zurück, denn nur auf diese Weise vermag ich mir denselben zu erklären«.45 Auf diesem ruhten wohl auch die ganzen Hoffnungen der Herrscherfamilien in Stockholm und Karlsruhe. Nachdem Munthe in Tullgarn die Behandlung der Kronprinzessin wieder aufgenommen hatte, wurde er Anfang September in Salem erwartet, wo Prinz Max ebenfalls eintreffen sollte.46 Wilhelm II . notierte am Rand des Berichtes seines Gesandten: »d. h. er [Munthe] hat den schlappen Max absolut in seiner Gewalt als Hypnotiseur!« Daß er dem Therapeuten mit Abneigung begegnete, daraus machte der Kaiser kein Hehl: »er ist ein Racker [Spitzbube]!« Um zum Schluß geradezu hämisch zu werden: »Max ist impotent und soll gestärkt werden«; »er hat einen Hypnotiseur bei sich, der ihn bearbeitet!« Es waren diese Kommentare, die Philipp Eulenburg entsetzt ausrufen ließen, daß Max durch solche Zuschreibungen ja nachgerade »verfolgt« werde und daß diese »indiskreten Erzählungen an Adjutanten pp. die Stellung des Unglücklichen geradezu erschütterte[n]«.47 Offenbar hatte der Kaiser nicht nur seinerseits geheime Erkundigungen über Munthe und dessen Beziehung zu dem badischen Thronprätendenten eingezogen, sondern ein maliziöses Interesse daran, despektierliche Details über den unglücklichen Fürsten zu streuen.
Erlöst durch Munthes Hand. Eine Tochter wird geboren Der tragische Tod des 16-jährigen Prinzen Christian von Cumberland, der nach fünftägiger Krankheit an einer Blinddarmentzündung gestorben war, führte die beiden Eheleute nach wochenlanger Trennung Anfang September in Gmunden wieder zusammen. Doch schon kurz nach der Bestattung seines Schwagers reiste Max alleine ab. Im September 1901 wird er wieder im Karlsruher Hoftagebuch erwähnt, 169 169
aus dem er für Monate verschwunden war; in Salem sei er – mit Mutter und Schwester.48 Noch aus dem Gmundener Trauerhaus hatte er Axel Munthe in englischer Sprache einen Brief geschrieben, genauer gesagt: ein Gedicht mit dem Titel »Two Crowns«.49 Inhaltlich klingt es wie eine autobiographische Replik des im Jahr zuvor erschienenen Romans Der Krone Dornen von Oskar Meding.50 In diesem Buch hatte ein Kenner des Fürstenstandes am Beispiel der Kaiserin Elisabeth von Österreich erstmals Herrschaftsgeschichte als Schicksalsdrama beschrieben. Dunkle Vorahnungen werden bemüht, um die Biographie der unglücklichen »Sisi« als Erfüllung eines schrecklichen Fluches erscheinen zu lassen. Dies scheint Max inspiriert zu haben, sich nun auch seinerseits auf Fluch und Orakel zu berufen. Schon in seinen Jugendträumen seien ihm bizarre Zeichen seines tragischen Schicksals erschienen. Namentlich eine glänzende Krone, von der er aber bei näherer Betrachtung gewahr wurde, daß sie von einem »Dornenring« eingefaßt war. Ja, er wisse, daß seine Zuneigung dem »Gefahren« bringe, der »sich mir nähert«. Aber ohne sie »hätte ich Dich nicht gefunden« und »nie diese höchste Seligkeit gekannt«, die diese Freundschaft ihm vergönne. »Ach, daß ich doch von Dir, mein Freund, lernte, bescheiden und doch furchtlos meine Dornenkrone, meine Goldkrone ohne Beschwerden bis zum Ende zu tragen.« Die Verzweiflung, die sich hier abermals artikuliert, war sicher echt. Doch indem er sich emotional auf Axel Munthe fixierte, hatte Max sein Dilemma eher noch verschärft. Auch sein Vertrauensarzt dürfte inzwischen erkannt haben, daß mit Hypnose oder Suggestion kaum mehr etwas auszurichten war – und erst recht nicht dadurch, daß er auf das Begehren seines Patienten eingeht. Oder vielleicht doch? Konnte Max mit Hilfe eines Mannes zum Geschlechtsakt mit seiner Gattin animiert werden? Das hätte freilich eine enorme Vertrautheit dieser drei Menschen vorausgesetzt und eine in dieser Zeit ungewöhnliche sexuelle Praxis. War es denkbar, daß das badische Prinzenpaar auf eine solche Weise Schamgrenzen überschritt? Sichere Antworten auf diese Fragen gibt es nicht; aber es gibt Indizien, die in diese Richtung weisen. Aus handschriftlichen Aufzeichnungen Munthes wissen wir, daß er sich in dieser Zeit intensiv mit Möglichkeiten beschäftigt hat, die impotentia virilis zu behandeln. Ihm schien jedes Mittel willkommen zu sein, mit dem er wähnte, Max helfen zu können. Er kannte nicht nur die Schriften des damals auf diesem Gebiet führenden Mediziners Paul Fürbringer,51 sondern registrierte 170 170
auch aufmerksam, was an mechanischen Hilfsmitteln zu Gebote stand, um diese Anomalie auf rein physikalischem Wege zu korrigieren.52 Daß ihn das Studium der einschlägigen Veröffentlichungen klüger gemacht hat, kann bezweifelt werden. Es ist eher davon auszugehen, daß er skeptischer wurde, denn das alles Entscheidende – so konnte er in der fachärztlichen Literatur lesen – war nicht »Erektionsgymnastik«, sondern die gegengeschlechtliche Erregung, die hervorgebracht werden mußte. Max immer wieder einzugeben, daß er aus eigenem Empfinden heraus zeugungsfähig sei, damit war es nicht mehr getan. Daß ihn Marie Louise sexuell nicht erregte, dürfte Max dem Arzt seines Vertrauens mitgeteilt haben. Wenn es also selbst solchen Koryphäen wie Krafft-Ebing oder Munthe nicht gelang, Max zum Sex mit einer Frau zu bringen, dann sollte man es vielleicht mit ihr versuchen. Munthe hatte zwei Möglichkeiten: die für ihn gesellschaftlich wie materiell ungemein lukrative Behandlung abzubrechen – oder aber alles zu riskieren. Man kann davon ausgehen, daß Munthes mehrtägiger Aufenthalt in Baden akribisch geplant war. Dafür spricht der enge Kontakt, den Max im Vorfeld des Besuchs mit dem großherzoglichen Paar pflegte.53 Es scheint, als habe er sich um eine Art Absolution bemüht, um die zumindest indirekte Erlaubnis, auch auf Umwegen für Nachwuchs im Hause Baden zu sorgen. Dafür spricht auch die telegraphische Bitte an seinen väterlichen Mentor aus alten Studienzeiten, den Geistlichen Franz Xaver Kraus, ihn doch unbedingt noch vorher »zwischen zwei Zügen« eine »kleine Stunde« sprechen zu dürfen.54 Auch die Bitte des Prinzen an den Kaiser im Oktober 1901, der ihm vorsichtshalber noch einmal seinen Urlaub vom Militär verlängern sollte, weist in die gleiche Richtung. Und das, obwohl er nach dem Eindruck des preußischen Gesandten in Karlsruhe inzwischen »von seinem längeren Unwohlsein vollständig wiederhergestellt« war und »vortrefflich« ausgesehen haben soll.55 Doch es war der desolate Zustand seiner Ehe, der auch nach außen hin kaum mehr schönzureden war und all dies motivierte. Sogar der Max wohlgesinnte preußische Gesandte mußte nach Berlin über »Andeutungen« berichten, »die das Glück der jungen Ehe in Zweifel ziehen, sogar Gerüchte von einer möglichen Scheidung tauchten auf«. Er selbst habe damals »persönlich den Eindruck gewisser Verstimmungen auf beiden Seiten«56 gewonnen. Es war Max, der seinem Freund Ernst gegenüber bestätigte, daß eine kinderlose Ehe für ihn »eine gefährliche Klippe« 171 171
war.57 Nun sollte Munthe helfen, diese zu umschiffen. Nicht indem er Max suggestiv von dem Erwartungsdruck entlastete – dieses Mal ging es um den Vollzug der Ehe. Wahrscheinlich wohnte Munthe, der am 24. Oktober 1901 wie ein Staatsbesucher in der Karlsruher Residenz eintraf,58 in Max’ Stadtpalais, wo die beiden Männer ungestört waren, bis sie vier Tage später gemeinsam nach Salem aufbrachen. Zuvor hatte der Arzt freilich noch zusammen mit dem Heidelberger Neurologen Wilhelm Erb ein weiteres Mal die schwedische Kronprinzessin gründlich zu untersuchen, die am Vortage mit ihrem Mann eigens aus Schweden dazu angereist war. Neben der Patientin setzte inzwischen auch ihr Gatte erklärtermaßen »großes Vertrauen in Dr. Munthe, der die Kronprinzessin am besten kenne und entschieden den meisten Einfluß übe«.59 Ergebnis der medizinischen Untersuchung in Baden-Baden war der gemeinsame ärztliche Rat, die Kronprinzessin möge sich an Ort und Stelle nervlich erholen und zu diesem Behuf »nach ganz bestimmten Vorschriften leben«.60 Selbst die Eltern schöpften nach 14-tägigem Zusammensein mit ihrer Tochter neue Hoffnung.61 Der »Krankheit« ihres Cousins Max war mit Kuren und sonstigem Placebo freilich nicht beizukommen. Wir wissen nicht, was sich hinter den Schloßmauern der Salemer Fürstenresidenz Ende Oktober tatsächlich abgespielt hat. Wir kennen aber das Resultat: Die Prinzessin Max, die erst wenige Tage zuvor nach monatelanger Abwesenheit von Baden eingetroffen war, wurde tatsächlich schwanger. »Ganz Baden bejubelt Munthe als die ›indirekte‹ Ursache dieser Riesenfreude«, schrieb Alexandra Bildt, die Frau des schwedischen Botschafters in Rom nach einem Besuch bei dem eng befreundeten Arzt auf Capri am 21. April 1902 in ihr Tagebuch.62 Damit Munthes Rolle nicht völlig im unklaren bleibt, sei auf ein Dokument aus Max’ Feder hingewiesen.63 Es handelt sich um eine Zueignung, die den Vermerk trägt: »For the 31. October 1901«, den Tag der Empfängnis, wie man getrost unterstellen kann. Es handelt sich um ein ambitioniertes neunstrophiges Gedicht, sorgfältig durchkomponiert und in Schönschrift zu Papier gebracht. »Harmony« – so der Titel – schildert, daß Munthes »Hand« aus dem »Chaos« seines »doppelt verfluchten« qualvollen Lebens so viel Einklang hervorgezaubert habe, wie Max’ »Natur« das »zuließ« und wie es das Schicksal »erlaubte«. Diese »Berührung« hätte 172 172
wahre »Wunder« vollbracht, doch sei es damit leider nicht getan gewesen. Gegen ihren Willen sei noch keine Seele »erlöst« worden. Doch »das Schicksal hatte Mitleid: durchstach den verhärteten Boden, und aus seiner Tiefe sind neues Leben und Gesundheit erströmt«. Seitdem werde Max’ Herz nur noch von »dem einen Gefühl« geleitet, nämlich sich »für alle Zeiten« dem zuzuwenden, von dem diese »Erlösung« kam. Das sei kein Glücksgefühl, denn »wann immer ich den Kelch der [Vater-]Freude halte, verdirbt ein bitterer Tropfen seine verlockende Süße.« Neues Leben sei in die Welt gekommen – »durch ein Wunder«. Diese Stunde möge »gepriesen« sein. »Du gabest mir so viel, und dieses Geschenk soll Dir meinen Dank bezeugen.« Welches reale Geschenk gemeint war, ist schwer zu sagen – vielleicht der Klavierflügel für Munthes Kapelle? Doch das scheint nachrangig gegenüber den versteckten Hinweisen, die sich natürlich nur dem Adressaten völlig erschließen konnten. Einiges fällt freilich auch für den Biographen ab, der sich bemüht, die poetische Mystifizierung zu durchschauen. »Harmony« schildert eine Triole – den Geschlechtsverkehr zu dritt – ausgehend von homosexueller Liebe. Allerdings nicht im Sinne einer Paraphilie, die kollektiven Lustgewinn will, sondern es handelt sich um eine sexualtherapeutische Maßnahme, die ausschließlich auf Schwängerung zielt. Das im Gedicht verklärte Geschehen läßt viele Fragen offen, für Max zählte letztlich nur eins: die Erfüllung seiner fürstlichen Standespflicht. Doch diese Erfahrung mußte künstlerisch verarbeitet werden, um nicht zum Alp zu werden. Und genau dies leistete seine Lyrik, die zugleich zu einer Erlösungsphantasie wird – mit Munthe als Messias, der das Wunder bewirkt. Womöglich konnte nur so die kunstvolle Verklärung auch als Autosuggestion und damit entlastend wirken. Max hatte sich in den Schlund seiner Seelenhölle gestürzt in der Hoffnung, lebend, ja errettet wieder herauszukommen. Einmal mehr war ihm das Gedicht zu einem Medium der entlastenden Selbstaussprache geworden. Der unmittelbare Erfolg darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kosten dafür hoch gewesen sein müssen. Denn dieses Szenario wurde ja ganz konkret unter den Beteiligten vereinbart. So etwas setzt nicht nur Einvernehmen, sondern auch eine Aussprache voraus, die mit Blick auf die moralisch-sittlichen Konventionen der damaligen Zeit schlicht tabueinreißend war.64 Munthe wird es als medizinische Autorität sicher verstanden haben, das eigentlich Un173 173
sagbare aussprechen zu können, aber es blieb vor allem für die junge Marie Louise eine eklatante Zumutung. Für Max gab es kaum eine Alternative, für ihn heiligte der höhere Zweck alle nur erdenklichen Mittel. Doch seiner Gattin solch eine prekäre Pflichtübung aufzuerlegen war gewiß nicht unproblematisch. Mag sein, daß Marie Louise einwilligte, weil sie sich einen Anspruch auf eigenes Lebensglück nicht zubilligte, weil sie sich dem Wunsch Badens auf einen Thronfolger bedingungslos unterordnete; gut möglich auch, daß sie sich à la longue mit der brüderlichen Liebe und kameradschaftlicher Zugehörigkeit ihres Ehemanns aussöhnte – eine schmerzhafte Wunde wird sie von dem Arrangement dennoch davongetragen haben. Denn wie wir noch sehen werden, handelte es sich hier nicht um etwas Einmaliges, sondern um ein System von Zwängen, aus denen sie jahrelang nicht mehr herauskam und mit denen sie ihren Seelenfrieden machen mußte. Wie mochte es in ihrem Innern ausgesehen haben, wo selbst der Prinz ein wachsendes Unbehagen darüber artikulierte, es seines Lebens Plage nannte? So im Jahre 1912, als – wie es scheint – die letzte dieser Anstrengungen unternommen wurde, um einen weiteren Erbfolger zu zeugen. Da seufzte Max gegenüber Munthe: »Ich weiß nur zu gut, wie unglücklich wir beide über diese Zusammenkünfte sind. Sie werden zur Heimsuchung meines Lebens, wenn ich nur daran denke. Doch ich kann meinerseits nichts anderes tun als dankbar zu sein und dadurch zu helfen, daß ich das alles still ertrage.«65 Seine Frau Marie Louise dürfte sich kaum besser gefühlt haben. Alternativlos war das alles nicht. Die Ehe hätte – wie andere prekäre fürstliche Verbindungen damals auch – geschieden werden können.66 Und zwar aus Gründen, die durchaus gerichtsfest waren. Die Ehe hätte auch kinderlos bleiben können, so wie die des badischen Erbgroßherzogs. Doch dann wäre die badische Thronfolge am Prinzen Max vorbeigegangen, und er hätte wieder in die Nebenlinie zurücktreten müssen. Nur weil der präsumtive Thronfolger dies partout nicht wollte – weil es mit erheblichen Einbußen aller Art verbunden gewesen wäre –, mußte er die Erzeugung von Nachkommenschaft quasi erzwingen. Max entlastet, daß er nichts anderes verinnerlicht hatte als die eherne Logik des monarchisch-dynastischen Prinzips; die hatte sein Gewissen sozusagen in Haftung genommen. Auch daß Marie Louise sich einließ und sich mit dem zugedachten Los allem Anschein nach arrangierte, erklärt sich indirekt daraus. Genauer 174 174
gesagt aus ihrem politisch isolierten Vater, dem Exilmonarchen, dem sie den Skandal einer Aufhebung dieser Ehe, auf dessen Signalwirkung Ernst August so große Stücke gesetzt hatte, nicht antun wollte. Im Hinblick auf die Binnenmoral dieses Herrschaftsmodells mag es bemerkenswert erscheinen. Doch wer weiß, wie seit dem 18. Jahrhundert royaler Nachwuchs gezeugt wurde, wird diese Entdeckung auch moralisch relativieren. Schon Zarin Katharina II. von Rußland verstand sich bestens auf die sexuelle Manipulation, als sich Gatte Peter als impotent erwies.67 Auch in anderen europäischen Herrscherhäusern wuchs sich das standesgemäße Kinderkriegen bisweilen zu einer kaum zu bewältigenden Problematik aus.68 Die Schwangerschaft seiner Ehefrau wirkte sich sofort positiv auf die gesellschaftliche Rolle des Prinzen Max von Baden aus. Die Stimmung des Großherzogs sei »ausgezeichnet, weit weniger schwarz sehend und pessimistisch, als das sonst wohl der Fall war«, meldete Eisendecher schon Mitte November nach Berlin, um nur wenige Tage später eine Andeutung über gesegnete Umstände im Hause des Prinzen Max hinterherzuschicken.69 Kaiser Wilhelm dürfte nicht schlecht gestaunt haben, hatte er doch eben erst Max’ Ehe für kaum zu retten erklärt: »Er ist eben impotent!«70 Als der angehende Vater zwei Monate später ihm sogar seine persönliche Aufwartung in Berlin machte, schrieb der Reichsmonarch anschließend an seine alte Tante Luise nach Karlsruhe: »Es war uns eine aufrichtige Freude, Max bei uns zu sehen und uns zu überzeugen, wie gut es ihm ging und wie er sich wieder erholt hatte«.71 So kehrte auch der Prinz »sehr befriedigt und besonders dankbar für die Gnade unseres allergnädigsten Herrn aus der Reichshauptstadt zurück«72 – glaubte er doch, seine Männlichkeit nun ein für alle Mal bewiesen zu haben. Wie wichtig ihm ein viriles Erscheinungsbild gewesen sein muß, zeigt eine Bemerkung Cosima Wagners nach einem Besuch bei dem Prinzenpaar in Karlsruhe im Frühjahr 1902, wo sie ihre ganz besondere Freude an »seiner [Max’] nun entschiedenen Männlichkeit« hatte.73 Zu einem solchen Imagegewinn paßte die Aufnahme des Prinzen als Ritter des Schwarzen Adlerordens Ende April 1902, mit der ihm der König von Preußen endlich einen Herzenswunsch erfüllt haben dürfte.74 Auch seine schwangere Frau scheint gesellschaftlich an Format gewonnen zu haben. Während sie früher – so der Gesandte Eisendecher – oft »teilnahmslos und apathisch« erschien und nur »sehr wenig« sprach, sei sie »viel lebhafter« geworden, und sie entwickele sich 175 175
Prinz Max (erster von links), Marie Louise und das Baby Marie Alexandra im Kreise der Familie Cumberland, 1902
auch sonst »neuerdings entschieden zu ihrem Vorteil«.75 Sie wurde am 1. August 1902 in Schloß Salem von einem gesunden Mädchen entbunden, das in dem dortigen Kaisersaal am 24. August auf den Namen Marie Alexandra getauft wurde.76 Eisendecher berichtete an Bülow: »Beide Ehegatten lieben glücklich ihr in der Tat reizendes Baby, das den besten lieu d’intimité bildet, sind auch gar nicht besonders enttäuscht wegen dessen weiblichen Geschlechtes und hoffen, daß der Storch ein Einsehen haben und den vom Lande ersehnten Sohn noch bringen werde.«77 Zu all diesen positiven gesellschaftsöffentlichen Auswirkungen hatte der schwedische Freund dem Prinzenpaar verholfen. »Unendlich dankbar« sei er für dieses »Geschenk, das mir ein gütiges Schicksal gewährt hat«, weil er nun »mit Zuversicht der Zukunft entgegen[sehe]« – so lautete die Sprachregelung gegenüber seinem alten Freund Erni.78 Selbst seiner mütterlichen Freundin Cosima gegenüber durfte Max sich nur sibyllinisch äußern. »Es mußte Alles so kommen, und es war gut so, trotzdem es schwer war, und weil es schwer war.«79 Uneigentliches Reden, wohin man blickt. Was aber 176 176
noch einmal unterstreicht, wie berechtigt Prinz Max darin gewesen ist, zeitgleich seine »traurige Einsamkeit« zu beweinen und die »Melancholie meines Herzens«.80
»Er muß von Munthe wieder massiert werden«. Die Geburt des Thronfolgers Der nächste Schauplatz der Tabugeschichte war im Frühjahr 1903 abermals Capri.81 Der Doktor hatte seine Gäste dieses Mal in einer neuen Besitzung von ihm untergebracht, die zu Fuß etwa eine halbe Stunde von San Michele entfernt lag: einem mächtigen mittelalterlichen Wehrturm, dem Torre di Materita.82 Mit welchem Geld Munthe das imponierende Anwesen bezahlt hatte, dürfte nach der Schwangerschaft Marie Louises kein großes Geheimnis sein. Auch der moderne Ausbau und die äußerst ansprechende Inneneinrichtung sowie die riesige Gartenanlage müssen ein Vermögen verschlungen haben. Es gibt aus der Zeit des Aufenthalts des Prinzenpaares zwei interessante Bilder. Einmal eine Zeichnung, die Axel Munthe mit Marie Louise und Max von Baden bei Tisch zeigen, sowie ein Foto, unter das Max die bezeichnenden Worte »Fratelli«, Brüder, geschrieben hat. Eine gewisse physiognomische Ähnlichkeit der beiden ist in der Tat nicht zu leugnen. Und es hat sogar den Anschein, daß diese »Brüderlichkeit« durchaus gesucht war – mit Bezug auf die Dritte im Bunde. Anders als beim ersten Capri-Urlaub scheint sich nun tatsächlich so etwas wie eine ménage à trois formiert zu haben. Doch nachhaltig scheint dieser zweimonatige Aufenthalt – ohne die kleine Tochter, versteht sich – nicht gewesen zu sein. Umso mehr wurde nach der Rückkehr der schöne Schein ungetrübter Familienidylle wieder kultiviert. Nicht zuletzt Cosima Wagner gegenüber, die nach erneutem Besuch in Karlsruhe diese Prinzenehe zu einem wahrhaft »glücklichen Bund« erklärte.83 So ließ sich selbst eine gute Menschenkennerin über diese »selten glückliche Entwicklung bei einem Menschen« täuschen – vielleicht nur zu gerne täuschen. Tatsächlich trennte sich das glückliche Elternpaar schon Mitte Juni wieder für drei Monate.84 Während Mutter und Tochter in Gmunden lebten, zog Max es vor, in seinem alten militärischen Milieu Zerstreuung zu suchen. Es sei »so Manches geschehen, über das ich mich mit Ihnen gerne ausgesprochen hätte«, schrieb er im Rückblick auf 177 177
Die »Brüder« Max und Axel auf Capri, um 1904
diese Zeit an Cosima.85 Auch der Gesandte Eisendecher muß etwas gemerkt haben, als er im Januar 1904 unaufgefordert nach Berlin meldete: »Von Anzeichen weiterer Nachkommenschaft des Prinzlichen Paares verlautet einstweilen noch nichts.« Und was schrieb Wilhelm an den Rand? »Er muß von Munthe wieder massiert werden«.86 Und als Max seine für Januar 1904 geplante Teilnahme an der Berliner Ballsaison »wegen eines Influenza-Anfalles« kurzfristig absagte, kommentierte Wilhelm II .: »Schlappschwanz!« »Er hatte Angst zu mir zu kommen!«87 Das Phänomen Munthe muß den Kaiser übrigens so brennend interessiert haben, daß er es sich nicht nehmen ließ, während seiner Mittelmeerreise im März 1904 einen Abstecher nach Capri zu machen – offiziell zum Besuch der Kronprinzessin Victoria von Schweden, die sich dort inzwischen häuslich niedergelassen hatte. Wilhelm fiel aber auch mit engstem Gefolge in die Villa San Michele ein, wo der schwedische Hausherr ihm mit der Überlegenheit feiner Ironie gegenübergetreten sein soll.88 Im Wissen um diese kaiserliche Inspektionsreise sind Max und 178 178
Marie Louise im Jahr 1904 erst vergleichsweise spät, nämlich Mitte April wieder nach Capri gekommen.89 Der Prinz mußte schon am 8. Mai wieder zurück nach Karlsruhe, während seine Gattin noch einige Tage – vermutlich mit Munthe – in Venedig weilte.90 Danach fühlte sich Max einmal mehr »mit vielem Bestehenden recht im Widerspruch«, ja ausgesprochen »jammervoll« – seiner »eigenen Schwäche und Hülfsbedürftigkeit« nur zu bewußt.91 Der Erwartungsdruck des Hauses Baden lastete schwerer denn je auf ihm. Das war auch der Grund, warum er im August »mit einem jüngeren Kameraden meines Regiments« nach St. Moritz aufbrach,92 um »in der Einsamkeit großer Alpennatur« die »Spuren« einer »Offenbarung« zu suchen. Nach eigenen Angaben fand er sie. Er sei von den Bergen hinab ins Tal gestiegen »mit der festen Absicht, meinen Weg unentwegt zu gehen, und mit der festen Zuversicht, daß ich ihn zu gehen die Kraft finden werde«.93 Was mag ihm zu dieser neuen Standhaftigkeit verholfen haben? Zum einen die oft befreiend berauschende Wirkung solcher Wanderungen, wie sie Max bei seinem Ausflug in das Engadin gesucht hatte; befreiend insofern, als sie einem die Winzigkeit der eigenen Erscheinung zeigen und dabei zugleich helfen, die Größe der eigenen Probleme zu verkleinern. Gesucht hatte er mit diesem Gang ins Hochgebirge die religiöse Andacht in Einsamkeit und Stille, die direkte Begegnung mit dem Überirdischen, der ihm den Weg weisen sollte. Und ihm wurde der Weg gewiesen: Es schien ihm nun göttlicher Wille, daß Marie Louise noch einmal schwanger werden mußte – koste es, was es wolle. Sich auf dies Procedere klaglos einzulassen, dafür brauchte Max »Kraft und immer wieder Stärkung, bis ich ganz gefestigt sein werde in der Wahrheit«. So orakelhaft diese Rede über seine psychische Verfassung auch daherkommen mag – es ging um die Schicksalsfrage seines Lebens, um die Hervorbringung eines Thronerben, am Ende selbst um den hohen Preis, daß das dynastische Legitimitätsprinzip vorsätzlich hintertrieben wird. Wir können davon ausgehen, daß es dem Prinzen Max unendlich schwer gefallen sein muß, sich mit dieser Quadratur des Kreises zu arrangieren. Allein dadurch, daß er diese Zwangslage in religiöse Sphären projizierte, scheint es ihm gelungen zu sein. Die praktische Durchführung war da schon leichter. So beherbergte das Prinzenpaar im September 1904 den Hausfreund Munthe wieder für einige Wochen in Schloß Salem – nach außen eine rein hu179 179
manitäre Geste, da Munthe damals in Deutschland augenärztliche Hilfe für seine Netzhauterkrankung suchte, allerdings bei Professor Hermann Pagenstecher in Wiesbaden.94 Nur mit dem männlichen Prinzenbaby war das so eine Sache. Wo war da der Weg? Der Gesandte in Karlsruhe vermeldete: »Kursierende Gerüchte von einer Aussicht auf weitere Nachkommenschaft bewahrheiten sich vorläufig leider nicht. Dr. Munthe von Capri ist gegenwärtig Gast des Prinzen.«95 Es hat den Anschein, als ob Eisendecher sich nicht getraut hat, ein »obwohl« zwischen die beiden Sätze zu setzen; gedacht haben dürfte er es schon. Fakt ist aber auch, daß der Besuch Munthes abermals folgenlos blieb. Erst im Frühsommer des nächsten Jahres sollte es gelingen. Um den 10. Mai 1905 war Munthe schon wieder in Karlsruhe, wo ihn Großherzogin Luise so häufig wie nie zuvor zu sich bat. Sechs solcher Privataudienzen vermeldet das Hoftagebuch, innerhalb von nur zwei Wochen.96 Das läßt auf großen Klärungsbedarf schließen; aber auch auf die Prominenz des »trefflichen Munthe«, wie der Großherzog den Vertrauensarzt seines Hauses inzwischen im Brustton der Überzeugung nannte.97 Der Schwede stand auf dem Höhepunkt seines Ansehens am badischen Hof, er gehörte gleichsam zur großherzoglichen Familie. Wie selbstverständlich konnte er sich zwischen den hohen Herrschaften bewegen. Da die dynastische Kontinuität des großherzoglich-badischen Hauses so massiv in Frage stand, war es für Munthe unwahrscheinlich, daß seine Therapievorschläge abgewiesen wurden, die mit den traditionellen Mustern monarchischdynastischen Denkens und Handelns vielleicht nur schwer zu vereinbaren schienen. Am 1. Juni 1905 reiste der badische Souverän mit seiner Familie nach Berlin, um dort an den Hochzeitsfeierlichkeiten für den deutschen Kronprinzen teilzunehmen. Das Prinzenpaar Max hingegen ließ sich das seltene Spektakel entgehen und hielt die Stellung in Karlsruhe. Und dann passierte es tatsächlich: Marie Louise wurde noch einmal schwanger. Schon wenige Tage später machte sie sich auf den Weg zu ihren Eltern nach Gmunden, ihre beiden Männer in Karlsruhe zurücklassend.98 Alle drei zogen es vor, das Geschehene allein zu verarbeiten – Marie Louise bei ihren Eltern, Munthe in Anacapri und Max in St. Moritz, wo er von Mitte Juni bis Mitte Juli 1905 abermals Erholung suchte.99 Eine Woche nach seiner Rückkehr steckte er dem preußischen Gesandten die gleich nach Berlin weitergegebene »Nachricht 180 180
zu, daß im Hause des Prinzen Max von Baden begründete Aussicht auf weitere Nachkommenschaft vorhanden sei«.100 Dem Fürsten Max von Fürstenberg schrieb er einen weiteren Monat später: »Marie Louise bleibt das Jahr möglichst lang in Gmunden through causes.«101 Tatsächlich hat er seine Frau erst im Oktober dort wiedergesehen, als sie bereits im vierten Monat war. Welch ein langes Bedürfnis nach Distanz. Auch daß diese in Baden so lang ersehnte Schwangerschaft vom Karlsruher Hof offiziell erst Ende September 1905 bekanntgemacht wurde,102 mutet seltsam an. Es scheint, als ob der Hauptverantwortliche zögerte, vielleicht auch daran zweifelte, sich zu dieser Vaterschaft zu bekennen. Dazu paßt, was Max Cosima Wagner über das »unerschöpfliche Mysterium« seines Seelenlebens nach seinem Aufenthalt in der Schweiz preisgegeben hat. Was »mit mir geschehen ist« und »wie es kam, ist mir kaum möglich zu sagen, doch was ich empfand, war ein plötzliches Eingreifen höherer Mächte, deren Einwirkung ich mich absichtlich eröffnete, und die so wirkte, daß ich mich im Einklang fühlte mit dem höchsten Weltgedanken und deutlich den Hauch großer Versöhnung spürte, der die gesamte Schöpfung durchflutet. Dies geschah an einem Sonntagmorgen oben im Schwarzwald nach heißem Ringen, und ist seitdem geblieben und deutlicher geworden. Es hat wohl Ähnlichkeit mit dem, was die Theologie die Gnade nennt, und jedenfalls empfand ich es als Erlösung.«103 Dieses Erweckungserlebnis war so elementar, daß er noch 1911 darauf zurückkam: »Eine merkwürdige Episode erlebte ich einmal auf einer Wanderung zu zweien mit einem jungen Menschen [Kurt von Bohlen und Halbach] vor etwa 6 Jahren. Wir hatten beide Schweres erlebt, jeder für sich, und standen vor inneren Entscheidungen. Da kam es so von selbst über mich bei unserer letzten Mahlzeit in einem Schwarzwaldgasthof, daß ich am Schluß wortlos das Brot brach und es ihm gab, und dann den Wein aus demselben Glas mit ihm trank. Es war alles ganz natürlich und doch sehr wunderbar […], und die Wirkung eine über uns selbst hinaushebende.«104 Erst seit dieser »Wahrheitsoffenbarung«, so Max in seinem Brief an Cosima, fühle er sich »viel mehr Herr meiner selbst« und »leichter«. Es bedurfte also einer gewaltigen psychischen Kraftanstrengung, um die prekäre Situation zu meistern.
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Am 24. Februar 1906 wurde Marie Louise von einem gesunden Knaben entbunden. Überall in Baden artikulierte sich sogleich eine »überaus freudig erregte Stimmung«, wie der preußische Gesandte in Karlsruhe mit zahlreichen Pressezeugnissen belegen konnte.105 Bis in die Berliner Hofgesellschaft hinein schlug das freudige Ereignis Wellen. Die überschwengliche Freude der Badener »beweist, wie diese Angelegenheit ihnen zu Herzen ging« – schrieb Prinzessin Marie von Radziwill, eine der ersten Berliner Salonièren, an einen Freund. Und sie fügte hinzu: »Die Maxens hatten bis jetzt nur eine Tochter, die 3 Jahre alt ist. Das Kaspar Hauser Gespenst quälte den Großherzog schrecklich, der in diesem Mangel männlicher Nachkommenschaft eine Bestrafung des Himmels sah.«106 Kaiser Wilhelm II., der sich als Pate zur Verfügung stellte, gratulierte Friedrich von Baden »mit dem Wunsch, daß die ungeheure Freude, welche der Himmel Dir bescherte durch den kleinen lieben Jungen bei Maxens, Dir Stärkung und Kraft zur Erholung verleihen möge und daß Sein Segen das Kind behüten möge«.107 Bei so viel Euphorie verwundert es, wie bescheiden die Feierlichkeiten zur Taufe des ersehnten Hoffnungsträgers am 2. April 1906 im Karlsruher Palais des Prinzenpaares ausfielen.108 Abgesehen von dem badischen Herrscherpaar war nicht ein fürstlicher Souverän erschienen. Auch Kaiser Wilhelm II ., der leibliche Neffe der Großherzogin Luise, ließ sich durch seinen Bruder vertreten. Er hatte es vorgezogen, bei der Versetzung des 2. Westfälischen Husaren-Regiments von Düsseldorf nach Krefeld die Parade abzunehmen. Nicht einmal das badische Erbgroßherzogpaar, das damals zur Erholung in Cannes weilte oder das Kronprinzenpaar von Schweden erschienen. War ihnen dies das Großereignis im eigenen Hause nicht wert? Ahnten sie etwas? Genierten sie sich gar? In der ersten Abteilung des Gothaischen Genealogischen Hofkalenders wurde das auf den Rufnamen Berthold getaufte Baby nichtsdestotrotz eingetragen. Hier stand er fortan an vierter Stelle in der Thronfolge des Hauses Baden. Axel Munthe hat viele Jahre später zu erkennen gegeben, daß er kein Problem damit hatte, daß man ihn für den Vater von Prinz Berthold hielt. Sein langjähriger Sekretär und Vertrauter Josef Oliv hat darüber sogar eine Aufzeichnung verfaßt und auf die Nachwelt gebracht.109 Immerhin möglich scheint freilich auch die künstliche Besamung, eine Methode, die damals allerdings noch äußerst selten und noch viel seltener erfolgreich war.110 Den empirischen Beweis für 182 182
Prinz Berthold von Baden, um 1908
einen »Berthold Munthe« könnte nur eine DNA-Analyse erbringen. Das gleiche gilt natürlich auch für Bertholds ältere Schwester Marie Alexandra. Als am 20. September 1906 die goldene Hochzeit des badischen Herrscherpaares gefeiert wurde, wurde die dynastische Aufwertung des Neffen Max zum ersten Mal auch symbolpolitisch deutlich.111 Durch die Geburt des Sohnes Berthold hatte er sich endgültig als Zukunftsträger des großherzoglichen Hauses etabliert. Im Hoftagebuch ist der Prinz fortan eine feste Größe. In den Gästelisten der Bayreuther Festspiele oder von St. Moritz figuriert er nun als »Königliche Hoheit«112 – ein gesellschaftlicher Rang, der eigentlich (neben dem Großherzog selbst) nur dem Erbgroßherzog zustand. Parallel dazu wurde die Familie des Prinzen Karl marginalisiert. Dessen Sohn Fritz (»Graf Rhena«) hätte bis dato rein theoretisch auch noch badischer Thronfolger werden können – wenn man ihm das Stigma der Unebenbürtigkeit genommen hätte. Aber dazu war nach der Geburt von Berthold keinerlei Veranlassung mehr gegeben. Womöglich geht die schwere Erkrankung des Prinzen Karl im 183 183
Prinz Max im Kreis der Thronanwärter: Erinnerungsblatt, 1906
Herbst 1906 darauf zurück. Sein Sohn hat das so gesehen und das »Verwandtschaftsverhältnis« im Hause Baden als ein einziges »Wirrsal« bezeichnet, »das ich nicht in Worte fassen kann, ohne Bände voll zu schreiben. Menschen, die so mißleitet sind, daß sie alle ihre Verkehrtheiten mit dem Evangelium schminken, und vielleicht noch einen verhältnismäßig großen Fonds ganz verdrehter Humanität dabei besitzen!«113 Als am 3. Dezember 1906 der letzte Bruder des Großherzogs verstarb, kommentierte sein Sohn Fritz Rhena das mit den trotzigen Worten: »Ich weiß, wenn dieser Tod nicht Leben erzeugt, ist er nur Verlust und Rückgang. Ich werde ein Mann sein! Mein Leben gehört nicht den Höfen und Lakaienseelen, sondern mir.«114 So etwas zu sagen wäre seinem Cousin Max nicht in den Sinn gekommen. Seine innere Freiheit war längst dahin. Am 24. Februar 1907 wurde der erste Geburtstag des Stammhalters des badischen Herrscherhauses feierlich im Karlsruher Schloß begangen. Damit trat die Familie Max von Baden in den Zenit ihrer fürstlichen Daseinsberechtigung – der dynastische Zweck der Ehe hatte sich erfüllt. Und mehr noch, wie aus dem vorläufigen Fazit hervorgeht, das der Prinz über die ersten sieben Jahre zog: »Die Mutterschaft hat meine Frau sehr gereift, und erlebe ich das große Glück, 184 184
daß sie mir mehr und mehr Verständnis entgegenbringt, immer fester in meiner Heimat Wurzeln schlägt und bei aller Wahrung ihrer Eigenart die Dinge, die sie umgeben und die Menschen, mit denen sie zusammenkommt, erfaßt und begreift.«115
Der lange Abschied vom Militär Im Herbst 1901 hatte sich Kaiser Wilhelm persönlich in Karlsruhe erkundigt, wann sich Max von Baden zum militärischen Dienst zurückzumelden gedenke, von dem er inzwischen zweieinhalb Jahre beurlaubt war. Da diese Nachfrage einer Art Abmahnung gleichkam, setzte der Prinz sogleich einen Privatbrief an Wilhelm auf, in dem er um weiteren Aufschub bat. Auch der preußische Gesandte in Karlsruhe faßte nach und beschwor den Reichskanzler, beim Kaiser für seinen Schützling zu wirken.116 Auf diese Weise konnte der Berufssoldat seinen Urlaub auf insgesamt vier Jahre verlängern. Erst Ende April 1903 wurde er – nach der Ernennung zum Oberstleutnant – reaktiviert und übernahm das Kommando des 1. Badischen LeibdragonerRegiments Nr. 20 in Karlsruhe – eine Kavallerieeinheit, die sich aus fünf Eskadrons mit insgesamt rund 750 Soldaten zusammensetzte.117 In dieser neuen Stellung soll er es nach diplomatischen Angaben aus Karlsruhe gleich verstanden haben, »nach allen Seiten die Herzen zu gewinnen«; was der Kaiser mit dem launigen Kommentar »ob er auch reiten kann?« quittierte.118 Man merkt, daß der Oberbefehlshaber der Streitkräfte nach der jahrelangen Dienstverweigerung kein rechtes Vertrauen mehr in Max’ militärisches Engagement hatte. Der versuchte seine Rolle als Regimentskommandeur dennoch nach Kräften auszufüllen. Gab sie ihm doch nach eigenen Worten endlich das Gefühl, in der Gegenwart zu leben – und damit sei »alles gesünder geworden, ich arbeite und fühle mich zufrieden«.119 Wahrscheinlich hatte zu dieser Zufriedenheit auch sein gutes Verhältnis zu seinem zehn Jahre jüngeren Adjutanten und Ordonanzoffizier Leutnant Kurt von Bohlen und Halbach beigetragen,120 mit dem er schon im Sommer 1904 mehrere Wochen lang die Schweizer Hochalpen durchstreifte.121 Aber auch sonst schien Max an seiner militärischen Führungsaufgabe, die er an der Spitze eines 25-köpfigen Offizierskorps versah, erst einmal gewachsen zu sein. Im Januar 1906 avancierte er zum Oberst, und ein gutes Jahr später stieg er zum Komman185 185
deur der 28. Kavallerie-Brigade auf, wo er es bis zum Generalmajor brachte. Zum persönlichen Adjutanten erwählte er nach dem plötzlichen Ausscheiden des »Kameraden« Kurt von Bohlen und Halbach aus seinen persönlichen Diensten den Kavalleristen Karl Eduard Freiherr von Racknitz, der diese Ordonanzoffiziersstelle nun für mehr als ein Jahrzehnt versehen sollte.122 Prinz Max hätte es womöglich noch bis an die Spitze der 28. Division in Karlsruhe bringen können, wäre da nicht der Eulenburg-Skandal von 1907/08 gewesen, der eine gewaltige moralische Umwertung in der preußischen Armee bewirkte. Bald schon war dort nichts mehr so wie noch zu Beginn des Jahrhunderts. Ende 1908 merkte Max, wie sein militärischer Beruf »mich zu drücken« anfing und faßte wenig später den für einen Thronfolger ganz außergewöhnlichen Beschluß, daß seine »militärische Laufbahn fallen muß«.123 Im Herbst 1906 hatte Maximilian Harden in seiner Zeitschrift Die Zukunft damit begonnen, eine Clique vermeintlich »normwidrig veranlagter« Berater des deutschen Kaisers an den Pranger zu stellen, als deren Galionsfigur Philipp Eulenburg herhalten mußte. Der Grund: Mit ihrer effeminierten »konträrsexuellen« Art übten die Männer im stillen politischen Einfluß aus, der die vitalen Interessen von Monarchie und Reich beschädige. Was folgte, waren mehrere Beleidigungs- und Meineidsprozesse sowie Militärgerichtsverfahren, die die Presse weltweit beschäftigten. Dies erzeugte eine Welle von Emotionen: von Hohn und Spott, von Entrüstung, Wut und nicht zum wenigsten Gehässigkeit. Kein Spektakel, so schrieb Karl Kraus damals angewidert, »reiche an dies Bild heran, auf dem sich forensischer Pöbelsinn und journalistischer Geschäftsgeist in der Eintracht einer päderastischen Orgie verewigt haben«.124 Doch Kraus beschreibt nur eine Facette eines komplexen Phänomens. Denn die Affäre strahlte von dem inneren Zirkel der Macht in alle Instanzen aus, die für die politische Kultur prägend waren. Nicht zum wenigsten auf den bis dahin hoch im Kurs stehenden preußischen Militarismus.125 Am 3. Mai 1907 waren Max’ Berliner Freunde Kuno von Moltke und Wilhelm von Hohenau aus ihren Ämtern entfernt worden. Auch Philipp zu Eulenburg war am Kaiserhof in Ungnade gefallen. Zwei Tage später forderte Kaiser Wilhelm vom Berliner Polizeipräsidenten eine Art Proskriptionsliste, »in der die Namen aller der Päderastie verdächtigen Personen verzeichnet seien; er wollte seine Umgebung von diesen Elementen säubern«. Der Leiter des Berliner Homo186 186
sexuellendezernats Hans von Tresckow, der diese Vorgänge später auf der Grundlage seines Tagebuchs publik machte, wurde mit der Ausarbeitung dieses heiklen Dossiers beauftragt. »Ich suchte nun etwa 20 Namen heraus und schrieb neben jeden Namen eine kurze Bemerkung, in der ich den Grund angab, weshalb die Aufnahme in das Kartenregister erfolgt war. Diese Liste übergab ich dem [Polizei-] Präsidenten, der sie durchsah und einige Namen aus Mitleid für die Betreffenden durchstrich. Mit dieser begaben wir uns zu dem Minister [dem preußischen Innenminister Theobald von Bethmann Hollweg], der uns erzählte, daß der Kaiser die feste Absicht habe, seinen Hof von derartigen Elementen zu säubern. Eulenburg, Hohenau und Moltke habe er selbst als Homosexuelle jetzt erkannt und diese seien für ihn erledigt. Der Minister sah darauf die Liste, die ich ihm übergab, durch und fragte mich eingehend nach den betreffenden Umständen, die für die homosexuelle Veranlagung der betreffenden Personen sprächen. Schließlich erklärte er aber, indem er mir die Liste zurückgab, er wolle so viele Menschen nicht unglücklich machen und er werde den Kaiser in irgendeiner Weise zu beschwichtigen suchen.«126 Einer anderen Version zufolge soll es der Polizeipräsident Georg von Borries selbst gewesen sein, der Skrupel vor einer solchen Sexualdenunziation hatte.127 Wie dem auch sei, fest steht, daß Max von Baden dadurch einer direkten Anschwärzung beim Kaiser entgangen sein dürfte. Noch ganz unter dem Eindruck dieser Affäre, kam der Kaiser am 7. Mai 1907 zu Besuch nach Karlsruhe, wo er mit seinem Vetter zusammentraf.128 Selbstredend stand dabei auch der Skandal um seine Entourage zur Debatte, den Wilhelm damals noch glaubte durch einen naßforschen Befreiungsschlag deeskalieren zu können. Von Axel Munthe will Eulenburg später folgende Einzelheiten über das Gespräch zwischen Wilhelm und Max erfahren haben:129 »Der Kaiser, sehr außer sich, sagte, daß eine Mitteilung des Fürsten Max Fürstenberg dem Faß den Boden ausgeschlagen habe.« Prinz Max habe dagegengehalten und sei »durch den Abgrund von Gemeinheit, der in dieser Verleumdung lag, so tief verletzt« gewesen, »daß er mit dem Kaiser fast in Feindschaft« geraten sei. Eulenburg mußte freilich zugeben, daß der Monarch »durch die offene Art des Prinzen Max dennoch nur wenig beeinflußt wurde«. Max’ Situation verschlechterte sich durch den Ausgang des ersten Moltke-Harden-Prozesses im Oktober 1907, bei dem der Journalist 187 187
überraschenderweise vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen wurde. In der Urteilsbegründung hieß es damals: »Von einem Mann in der Stellung eines Kommandanten von Berlin [i. e. Kuno von Moltke] erwartet man, daß er, solange das Gesetz die Ausübung eines homosexuellen Triebes – wenn auch nur in der schärfsten Form – verbietet, die ihm innewohnende Homosexualität nicht erkennbar werden läßt.«130 Die zeitgleichen umfangreichen militärgerichtlichen Ermittlungen in den preußischen Eliteregimentern, die schließlich zur Anklage gegen die Grafen Hohenau und Lynar führten, dürften zur Beunruhigung ebenfalls einiges beigetragen haben. Am meisten aber setzten Max wohl die ausgesprochen anzüglichen Debatten im Deutschen Reichstag zu,131 wo der SPD-Führer August Bebel einmal mehr auf die ominöse Homosexuellenkartei der Berliner Polizei mit den berühmten Namen aus allerhöchsten Kreisen zu sprechen gekommen war. Da könne er gelegentlich »mit mehr dienen« als nur mit Lynar und Hohenau. »Was soll die Welt sagen, wenn sie auf einmal erfährt, daß eine Reihe der Edelsten […] an den Pranger gestellt wird?« Sogar der nationalliberale Vizepräsident des Reichstags, Hermann Paasche, drohte mit ähnlichen Enthüllungen, wenn diesem Laster nicht wirksam Einhalt geboten werde. Was blieb dem sichtlich unter Druck geratenen Preußischen Kriegsminister Karl von Einem anderes übrig, als sich mit freilich ernstgemeinter homophober Emphase für die entschiedene Säuberung der Armee von fragwürdigen Elementen stark zu machen: »Mir sind diese Leute ekelhaft, und ich verachte sie«, rief er bekennerhaft in den Saal. Auch andere hochrangige Militärs haben damals öffentlich erklärt, daß ein Offizier mit homosexuellen Neigungen selbst dann unwürdig sei, des Königs Rock zu tragen, wenn er diese Neigungen nicht auslebe.132 Wie Max diese indirekte Bedrohung verarbeitet hat, ist nicht überliefert. An Daniela Thode, eine Tochter von Cosima Wagner, schrieb er Ende Dezember 1907 freilich ganz unmißverständlich: »Die Ereignisse in Berlin [i. e. der erste Moltke-Harden-Prozeß] haben mich tief traurig gemacht und auf das äußerste erzürnt. Eine solche Jurisdiktion und eine derartige Verrohung verbunden mit schamlosem Denunziantentum hielt ich für unmöglich.«133 Der scharfe Ton läßt erkennen, wie sehr ihn der Skandal enervierte. Brachte doch diese Cause célèbre gerade die Kernprobleme seines Lebenszusammenhanges auf beängstigende Weise ans Licht: die Zweckehe als Zufluchtsort des Homosexuellen; die Stigmatisierung des versagenden, impo188 188
tenten Ehemannes, schließlich die forensische Grenzziehung zwischen Männerfreundschaft und Männerliebe. Der Skandal hatte zum ersten Mal die Unterwelt aristokratischer Kreise um den deutschen Kaiser ans Tageslicht und vor das Tribunal der öffentlichen Meinung gezerrt. Die Presse begann sich dem Schweigegebot gegenüber dem Privatleben der Herrschenden zu entziehen. Mochte diese Politisierung von Ehe, Freundschaft und Sexualität vielleicht vor der ersten Reihe der regierenden Fürsten noch haltmachen, Max mußte sich gleichwohl an einer wunden Stelle getroffen fühlen. Schließlich war er mit Kuno Moltke befreundet gewesen – und weit mehr noch mit Phili Eulenburg. Und Eulenburg lag wohl so falsch nicht mit seiner Überzeugung, daß Max auch angesichts des Skandals noch zu ihm halte.134 Man darf Max deshalb wohl auch eine intellektuelle Mit-Urheberschaft an jenem Beileidsbrief zuschreiben, mit dem Axel Munthe im Juni 1908 den gestürzten Ex-Freund Wilhelms II . trösten wollte. »Ihre Leiden«, so heißt es dort, »werden Hunderte von anderen Unschuldigen retten – unter dem Eindruck des Schicksals, das Sie traf.« Seine wahren Freunde würden ihm bleiben und »die Verlorenen doppelt und dreifach [ersetzen]. Seien Sie dieser Treue würdig« – so lautete der Appell zum Schluß, verbunden mit der Aufforderung: »Gehen Sie Ihrem Schicksal entgegen mit der klaren Seele des Märtyrers und mit dem sicheren Schritt des Edelmannes ohne Furcht und Tadel.«135 Man weiß nicht so recht, ob es mehr um rückhaltlose Empathie und Mitleid oder darum geht, Eulenburg in die Schweigepflicht zu nehmen. Aber man versteht sehr viel besser den Erfahrungshorizont, auf dem noch im gleichen Jahr Max’ Entschluß reifte, nicht mehr länger Soldat bleiben zu wollen. Es trete gerade »eine Ablösung meines inneren Menschen von dieser Tätigkeit ein, welche nur zwangsweise hintanzuhalten wäre«, so begründete der Prinz 1909, daß er der Militärkarriere nunmehr definitiv entsagen wollte.136 Die Zeiten waren vorbei, in denen das Offizierskorps seinen Anspruch auf Exklusivität und moralische Autonomie noch aus dem blauen Blut seiner vornehmsten Protagonisten herzuleiten vermochte. Nun waren vielmehr kriegshandwerkliche Professionalität sowie Sachkompetenz gefragt. Das aristokratische Offizierskonzept hatte ausgedient, ja es wurde sogar als »effeminiert« verworfen; und stattdessen die virile kriegsbereite Kämpfernatur propagiert.137 Max konnte und wollte bei diesen neuen militärischen Leitbildern nicht mitmachen. Das Offizierskasinoleben und die Mi189 189
litärparaden konnten ihn ja von jeher nicht sonderlich erbauen. So blieben an militärischen Betätigungsfeldern neben der administrativen Führung seiner Einheit nur mehr die Besichtigung beim Exerzieren sowie die Vorbereitung von Detachementsübungen bei den alljährlichen Herbstmanövern und ansonsten vielleicht noch die Organisation von Ehrendiensten und Reiterfesten.138 Lauter »Ansprüche an den äußeren Menschen«, die ihm »sehr gegen die Natur« gingen.139 Seinen tatsächlichen Austritt aus der Armee hat er sich allerdings erst Anfang 1910 vorzubereiten getraut.140 Im Herbst des Vorjahres war er vom Kaiser schließlich noch einmal zum Generalmajor befördert worden – aus Anlaß seines 20-jährigen Dienstjubiläums – wenn man die Urlaubsjahre mitzählt.141 Vielleicht war er selbst erstaunt darüber, wieviel spontanes Verständnis er für diesen alles andere als konventionellen Schritt bei seinen militärischen Vorgesetzten bis hinauf zum Generalstab fand.142 Unkonventionell deshalb, weil das Kaiserreich von 1871 nicht zum wenigsten eine Militärmonarchie war; für einen angehenden Throninhaber sah die politische Kultur einen möglichst langen, aktiven Kriegsdienst vor. Umgekehrt zeigt dieses großzügige Entgegenkommen von oben auch, wie gering die »richtigen« Militärs seine Qualitäten als Kommandeur schätzten. Auch sein Familienoberhaupt, der badische Großherzog, sowie der deutsche Kaiser machten keinerlei Anstalten, Max zum Bleiben zu bewegen. So hatte er am Ende nur noch inneren Widerstand zu überwinden, namentlich seine »Angst vor der Leere, wenn mir dies 21 Jahre hindurch getragene Joch abgenommen sein würde«.143 Erst im Frühsommer 1911 war er so weit, daß er sein Entlassungsgesuch tatsächlich einreichte. Es wurde sogleich bewilligt.144 Nur zu gerne schmückte er sich noch nach seiner Verabschiedung bei jeder passenden Gelegenheit mit der ihm belassenen prächtigen Generalsuniform. Vielleicht befürchtete er, daß man ihm ohne Uniform den Offizier nicht mehr ansah? Wieviel Wert er darauf legte, auch weiterhin in militärisch glänzende Erscheinung zu treten und wahrgenommen zu werden, zeigt auch das von ihm in Auftrag gegebene große Ölgemälde im Lenbachstil von Otto Propheter.145 Mitte Juni 1911 hatte der Brigadegeneral Max von Baden militärisch ausgedient. Da war er erst knapp 44 Jahre alt. Ein Zivilist und beschäftigungsloser Prinz; gebannt in einem Leben »ohne innere Direktion« (Robert Musil), mit überwachen blanken Nerven, wie sie 190 190
für feinfühlige Seismographen des Fin de siècle nur allzu typisch waren.146 Aber das Auseinanderflattern der Enden dieses Prinzenlebens kennzeichnet nur das eine Manko seiner Daseinsform. Die andere Gefahr für sein Seelenheil hatte er selbst heraufbeschworen, weil er unbedingt als badischer Thronfolger in die Geschichte eingehen wollte. Dem doppelten Fluch seines Schicksals hatte er auch mit dem Eintritt in sein fünftes Lebensjahrzehnt nicht entkommen, immerhin aber das in ihm eingeschlossene Bedrohungspotential ein ganzes Stück weit entschärfen können: durch seine Zweckehe mit der überaus konzilianten Welfenprinzessin Marie Louise und vor allem durch die klandestine Lösung der Kinderfrage in Kollaboration mit Axel Munthe. Den Übergang zur reinen Wahrheit schaffte er nie, nicht einmal vor sich selbst. Er habe – so behauptete er aber gleichwohl – »erkannt, daß die Wahrheit Grundbedingung jeglichen Verkehrs, und das einzig dauernde ist«.147 So mußte er Scheinheiligkeit zur zweiten Natur entwickeln, denn das war existentiell für ihn. Sie zwang ihm so manche Maske aufs Gesicht; legte ihm immer wieder Fluchten in Kulissen nahe; ließ ihn eine Sprache der mittelbaren Selbsterklärung erfinden. Und Marie Louise, die war ihm Glück und Unglück zugleich geworden. Deshalb ging er ihr monatelang aus dem Wege; zeigte sich aber im übrigen redlich bemüht, mit ihr nicht allein eine möglichst gute Kameradschaftsehe zu führen, sondern sie aufrichtig zu ehren und umso mehr zu achten, je weniger er ihr ein vollgültiger Liebespartner sein konnte. Das schaffte Bindung, Loyalität. Seine Thronfähigkeit stand nunmehr außer Frage. In Frage gestellt wurde Max eigentlich nur noch durch sich selbst, seine Seelenqualen. Und genau daran konnte er auch tatsächlich immer noch scheitern. Die Gewissenslast hatte, nicht nur wegen der manipulierten Vaterschaften, nicht abgenommen. Nur die Fassade seines Selbstverständnisses wurde durch das Drama nicht tangiert. Man gewinnt sogar den Eindruck, sie habe sich eher noch stärker konturiert. Zwar soll es ja kein richtiges Leben im falschen geben, aber vielleicht gibt es ein falsches Leben im richtigen.
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Kapitel 5
Verbürgerlichung auf fürstlichem Niveau Der neue Seelenführer Johannes Müller Ende 1908 schloß Max von Baden Freundschaft mit dem etwa gleichaltrigen Sachsen Johannes Müller. Für mehr als ein Jahrzehnt wurde dieser markante Verkünder eines freien Evangeliums sein Seelenführer. Müllers Einfluß auf unseren Protagonisten in diesen Jahren kann gar nicht überschätzt werden. Auslöser, daß diese beiden Männer von so unterschiedlichem Sozialprofil und Charakter sich fanden, war eine menschliche Tragödie im Hause Baden gewesen, der Selbstmord des jungen Grafen Friedrich Rhena am 20. November 1908. Wie es dazu kam, wird später berichtet. Erst einmal soll die Frage beantwortet werden, wer dieser Johannes Müller eigentlich war und wofür er stand.1 Der damals 44-Jährige zählte zu den zeittypischen Trägern eines kirchenfernen Protestantismus, der mit neuen Formen von dogmenfreier Seelsorge experimentierte. Von Haus aus eher ein verkrachter Theologe, avancierte Müller rasch zu einem unorthodoxen Künder der christlichen Botschaft. Seit den neunziger Jahren hielt er Vorträge zu religiös-weltanschaulichen Themen, die er auch in seiner Zeitschrift, den Grünen Blättern, sowie in zahlreichen Broschüren und Büchern zu verbreiten suchte. Sie wurzelten in Müllers eigenem Evangelium. Kernpunkt dieser Religion war sein Weckruf zu einer sogenannten Wesenskultur – jenseits von Materialismus, Egoismus und Intellektualismus. Aus seinem Innern heraus solle sich der Mensch erneuern und empfänglich werden für ein Leben aus Gott. Mit dieser Botschaft füllte er nicht nur große Säle, sogar dem deutschen Fürstenadel fiel er auf. Nach Müllers Lehre war jeder Mensch von Natur aus gut und durfte sich der Gnade Gottes gewiß sein. Er versprach seiner Klientel Halt in einem freieren Christentum, dessen vitalistische Verkündung es zur wirklichen Welt hin öffnen sollte. Für dieses Erweckungserlebnis wollte er ihre Seelen empfänglich machen; die 192 192
elementare Erfahrung der persönlichen Begegnung mit Gott und seiner Heilkraft sollte den eigenen unbedingten Willen zum Leben stärken, die eigene Seele retten. Der Mensch sollte dadurch nicht zu einem prinzipiell guten Geschöpf werden, das das Böse restlos aus sich zu tilgen vermöchte, sondern lernen, sein Schicksal endlich als solches anzunehmen, sich dem tatsächlich Erreichbaren zuzuwenden und dadurch letztendlich zu einem neuem Lebensglück zu gelangen. 1901 etablierte sich der Doktor der Philosophie im unterfränkischen Mainberg, wo er zwei Jahre später in dem gleichnamigen Schloß die »Freistatt persönlichen Lebens« eröffnete. Der bemerkenswerte Erfolg dieses Unternehmens gründete darin, daß Müller natürliche Lebenskunst in einer neuen Form des Gemeinschaftslebens vermittelte. Dazu befähigten ihn die Wucht seines persönlichen Auftretens, sein Charisma und die offenbar bestechende Verkündungsrhetorik. Müller trat als eine kraftvolle, ursprüngliche Persönlichkeit in Erscheinung, strotzend vor Lebenslust soll er gewesen sein – »eine Natur schlechthin«.2 Sein Biograph nennt ihn einen »frühen Motivationstrainer«. Den vielen Rat- und Hilfesuchenden (anfangs meist einfache Leute und Bildungsbürger) bot er auf Schloß Mainberg nicht nur persönlichen Umgang mit Gleichgesinnten in entspannter Atmosphäre. Er führte auch individuelle Beratungsgespräche und scheint dabei von einem großen Vertrauensbonus gezehrt zu haben. Als engagierter und lebensreformerischer Kulturkritiker war er überdies von einem strahlenden Sendungsbewußtsein, das vom prophetischen Wissen um Auswege aus der Welt des Fin de siècle geleitet schien. So wurde er in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum Seelenheiler einer wachsenden Schar von Anhängern, quer durch alle Schichten.3 Die lebenspraktische Spezialbehandlung gab manchem Beladenen tatsächlich Kraft zurück. Sie erfuhren Müllers Vitalismus als eine befreiende, Konventionen sprengende Kraft. Müller gab den Menschen das Gefühl, daß sie sich für keine, auch noch so dunkle Seite ihrer Natur zu schämen hätten. Deshalb – so die Sängerin Bahr-Mildenberg – hätten die Menschen vor ihm auch »nichts beschönigen müssen, nichts entschuldigen und nichts begründen«. Alle, die sich ihm anvertrauten, konnten sicher sein, daß Müller ihre Geheimnisse zu hüten und zu wahren wußte.4 Dieses Image brachte ihn schon relativ früh in persönliche Berührung mit der badischen Fürstenfamilie. Zunächst mit dem Prinzen 193 193
Karl, dem Bruder des Großherzogs, der seit seiner unstandesgemäßen Heirat in der Herrscherfamilie einen schweren Stand hatte – und der mit seiner Frau, der Gräfin Rhena, unter dieser Diskriminierung unsäglich litt. Der Sohn des Prinzen Karl, der junge Graf »Fritz« Rhena, erkannte in Müllers Vitalismus ebenfalls Befreiendes. Ein latentes Interesse hat auch Max von Baden schon im Jahre 1899 artikuliert und in gelegentlichen Gesprächen bestätigt. Aber erst 1908/09 wurde ihm der Lebensreformer zum privaten Seelsorger, der sich fortan eingehend um ihn kümmerte. Immer wieder fuhr der Prinz zur Vitalkur nach Mainberg, wo er Müllers unbeirrbaren Lebensglauben gleichsam in Reinkultur aufnehmen konnte. Auch sein Spiritus rector war an innerer Fühlungnahme mit dem Prinzen, ja an möglichst tiefem seelischem Kontakt interessiert. Er wollte ihn heilen, speziell diesen Menschen, das wurde Müllers Obsession. Wie konnte aber ausgerechnet der Freitod eines von seiner Familie zeitlebens marginalisierten Zähringers »mit einem Schlag« eine Freundschaft stiften »so tief, so fest, so einig, daß nichts mehr zwischen uns stand«? So hat jedenfalls Johannes Müller in seinen Lebenserinnerungen die Geburt dieses Männerbundes charakterisiert: »Wir erlebten das [Drama des Selbstmords] in tiefbewegten Herzen gemeinschaftlich in ausführlichem Briefwechsel mit einem Einklang, der gleichzeitig von einem zum anderen laut wurde und eine Einhelligkeit des Empfindens, eine Eintracht der Haltung und Lebenseinstellung zum Ausdruck brachte, die uns tief beglückte.«5 Zum Verständnis dieser Konstellation muß man wissen, daß der nur 31 Jahre alt gewordene Graf Rhena für fast ein Drittel seines Lebens in intensiver Müllerscher Obhut gewesen war. Seit 1899 hatte ihn der junge Prinzensohn immer wieder seiner Dankbarkeit dafür versichert, »was Sie an mir getan haben«; ihn nämlich »den Weg zu persönlichem Leben haben finden lassen«.6 Durch den Grafen war der Lebensberater auch in die (für die Rhenas unerfreulichen) Interna des Hauses Baden eingeweiht. Insbesondere im Jahre 1902, als mit Marie Louises Schwangerschaft die letzten Hoffnungen auf eine Standeserhöhung des Fürstensohnes schwanden, und Friedrich seinem Lehrer und Freund versichert, er selbst sei zwar »wieder meiner selbst soweit mächtig, daß ich mich nicht in unfruchtbarem und niedrigem Haß ergehe«; aber »meine armen Eltern« seien »schwerer getroffen als ich«. Am schlimmsten sei deren »innere Not«, die daher rühre, »daß die Welt sie schlecht behandelt«. Er selbst hoffte auf das, 194 194
was Müller ihm gepredigt hatte: »Kraft im Unglück und in der Versuchung«.7 Dies unterstreicht, wie stark Johannes Müller in den familialen Lebenszusammenhang der Zähringer schon involviert war, bevor er Freundschaft mit Max von Baden schloß.8 Müller scheint sich im Hause des Prinzen Karl von Baden etwas überfordert gefühlt zu haben, besonders nach dessen Tod am 3. Dezember 1906. Über seinen Kondolenzbesuch in Karlsruhe berichtete er seiner Frau: »Ich habe versucht, was ich konnte, sie [die Witwe] etwas aufzurappeln, aber ob es etwas geholfen, bezweifle ich. Dann hab ich [Friedrich] Rhena selbst noch allein vorgenommen, nach anderer Seite. Das ist schauderhaft, wie hilflos manche Menschen sind.«9 Doch Müller gab nicht auf, konnte nicht aufgeben; schon weil er sich nicht eingestehen mochte, im Fall Rhena mit seiner Lehre an dem falschen Mann zu sein. Dabei waren die Anzeichen dafür im Sommer 1907 bereits kaum zu übersehen, als Müller in einem Brief seines Schutzbefohlenen lesen mußte: »Oft befällt mich beim Lesen Ihrer Worte eine unsägliche Traurigkeit, ich denke, wenn Sie von dem wirklich wahren Leben sprechen oft, ein zarter Tod brächte einen am schnellsten zum wahren Licht.«10 Zwei Monate später starb Fritz Rhenas Mutter in geistiger Umnachtung und wurde in aller Stille am 19. Oktober 1907 in Karlsruhe beigesetzt.11 Auch Johannes Müller war unter den wenigen Trauergästen. Das letzte, was er von seinem nun elternlosen Schützling hörte, war, daß er sich verloben wollte, und zwar mit der Tochter des deutschen Botschafters in Bern. Doch der Brief, in dem er ihm diese Brautwerbung ankündigte, klang nicht besonders hoffnungsvoll: »Ich habe Seelenqualen ohne Ende durchkämpft.«12 Der Suizid seines Schutzbefohlenen zehn Tage später war für Johannes Müller nicht nur der Schlußakt eines menschlichen Unglücks, sondern auch das Scheitern seiner Lebensphilosophie. Zehn Jahre seelische Aufrichtung hatten gegen die selbstzerstörerischen Kräfte nichts ausrichten können, die der Zwang des monarchischen Prinzips in der Familie Baden-Rhena entfalteten. Und zwar deshalb, weil diese Philosophie den Zusammenhang zwischen individuellem Schicksal und den enttäuschten Erwartungen des Standes gar nicht erfaßte, geschweige denn reflektierte. Daß Müllers Prinzip scheiterte, war keine Empfehlung, dieses auf ähnlich gelagerte Fälle zu übertragen. Völlig unschuldig an der Katastrophe wird sich Müller gewiß auch nicht gefühlt haben, denn – wie ihm Max von Baden drei Tage nach dem Tod des Vetters noch 195 195
einmal bestätigte – betrachtete Friedrich »Sie, Ihre Schriften und Mainberg als die Hauptoffenbarer der Quellen des Lebens für ihn«.13 Einen Mann wie Müller, der so von seiner Sendung durchdrungen war, muß dies erheblich verunsichert haben. Doch auch Cousin Max konnte sich nicht ganz unschuldig an dem Schicksal von Fritz Rhena fühlen, wußte er doch nur zu gut, wie sehr diese Tragödie auf die ganze Familie zurückging, die sich weigerte, diesem Prinzensohn den gleichen Status zuzubilligen wie ihm selbst, und daß eben diese kompromißlose Haltung das Unglück heraufbeschworen hatte. Sollte es sich bei Max’ Sohn tatsächlich um »Berthold Munthe« gehandelt haben, so hätten wir es sogar mit Blutsverrat zu tun, durch den dem »besserblütigen« Verwandten ein doppelt schweres moralisches Unrecht angetan worden wäre. Insofern konnte Prinz Max über das jähe Ende dieses Nebenzweiges seines Stammes eigentlich erleichtert sein. Aber er war nicht skrupellos genug, um so ein Schicksal gelassen zur Kenntnis zu nehmen. Außerdem wußte er nicht, was Müller alles über die Causa Rhena erfahren hatte, und so begann er noch am Tag der Beisetzung Johannes Müller, mit dem er zuvor noch nie korrespondiert hatte, einen 14-seitigen Brief zu schreiben, für den er nach eigenen Angaben volle drei Tage brauchte. Darin versuchte er nicht nur zu erklären, »wie es kam« und wie »gern« er den Verstorbenen doch »immer« gehabt habe, sondern er gab den Eltern seines Vetters die Alleinschuld an dem Desaster: »Statt reines Glück, freudloses Quälen. Unfroh, verbittert scheidet der Vater von ihnen. In trostlos leidenschaftlichem Schmerz zermartert sich die Mutter und quält den Sohn mit egoistischer Liebe, bis ihr Geist in Nacht und Wirrnis untergeht.« Das alles habe Friedrich so »schwer krank« gemacht, zumal er noch durch diverse Selbstmordfälle in der mütterlichen Familie erblich stark vorbelastet gewesen sei. Indem Max das Geschehen so deutete, konnte er innerlich auf Distanz zu ihm gehen. Er selbst blieb außen vor. Aber auch Johannes Müller muß dieser Brief vorgekommen sein, als würde er exkulpiert werden, denn gegen Erbkrankheiten war auch mit bester Seelsorge nichts auszurichten. Als Max von Baden ihm wenig später dann noch schrieb, die Großherzogin Luise und er seien übereingekommen, »es war doch ein Akt der Gnade«,14 schloß sich Müller der Interpretation gerne an und bezeichnete seinerseits den »katastrophalen Schicksalsschlag« als den »letztlich erlösenden Abschluß« einer Familientragödie.15 So begann der Briefwechsel der beiden.16 196 196
Den Zähringer interessierte vor allem die praktische Seite an Müllers Lehre. Gleich bei seinem ersten persönlichen Gespräch nach dem Tode Rhenas Ende März 1909 in Karlsruhe gestand er seinem Besuch: Am liebsten würde er ja »bürgerlich werden«, aber er müßte nun einmal die »Aufgaben seiner Stellung erfüllen«.17 Darauf kam er auch brieflich wiederholt zurück, mit der Klage nämlich, »daß meine Stellung ein so stark trennendes Moment zwischen mir und den Menschen darstellt«; er »throne auf unnahbaren Höhen«. Was im »bürgerlichen Leben« möglich sei, »daß der Mensch zum Menschen gehen kann, wenn er will, fällt bei mir fort«.18 Bemerkenswert ist diese Aussage deshalb, weil es Max’ damaliges Selbstverständnis dechiffriert; und zwar als eines, das unterscheidet zwischen »mir« und dem Rest der Menschheit; eines, das seinem fürstlichen Dasein eine kaum überwindbare Entrücktheit attestiert. An dieser Gegebenheit will er nichts ändern, sondern vielmehr wissen, wie er nichtsdestotrotz zwischenmenschliche Beziehungen herstellen und pflegen soll, in denen er Fürst und Mensch zugleich sein kann. Denn was er inzwischen gelernt hatte, war, daß seine Stellung zwar vieles im Leben einfacher gemacht hatte, aber eben nicht alles, insbesondere nicht Verbindungen auf der Basis von Freundschaft oder Liebe. Von daher fand er keine rechte »Freude an meiner Stellung« und sah seine hohe Geburt »als ein Hindernis«.19 Bei der Lösung dieser Problematik erschien ihm gerade Müller als idealer Ratgeber: »Nicht Ihre fürstliche Stellung ist die Hemmung, sondern Ihre Befangenheit durch dieselbe«, ließ der ihn nämlich umgehend wissen. Max’ herausgehobene soziale Stellung komme in seinem zwischenmenschlichen Verkehr ganz unwillkürlich zur Geltung und werde seinen Beziehungen immer eine besondere Form geben, die aber »niemals das rein menschliche Verhältnis und innere Vertrautsein, die direkte Fühlung von Seele zu Seele beeinträchtigen wird«. Vorausgesetzt freilich, man werde »innerlich unabhängig« von ihr. Deshalb sei es das einzig Richtige, die fürstliche Stellung innerlich zu bejahen »und diese als das Gegebene mit Bewußtsein und Willen zu ergreifen, aber aus der Kraft persönlicher Überlegenheit darüber«.20 Mit »herzlichsten Dank« stimmte Max Johannes Müller sogleich »in allem« zu, namentlich darin, »daß ich lernen muß, mit mehr Überzeugung Ja zu meiner sozialen Stellung zu sagen«, und daß er erreichen müsse, »die Menschen ganz mit der Seele zu erfassen, um ihnen das zu sein, was ich zu sein mich sehne.«21 197 197
So wurde Müller zu seinem Retter: »Solange ich denken kann«, schrieb er ihm, »habe ich die Menschen, mit denen ich in seelische Berührung kam, lieb gehabt, und damit ist der Boden für eine Freundschaft gegeben.« Für unsere Freundschaft darf man hinzufügen. Anfang Juli 1909 machte Prinz Max seinem neuen Freund in dessen Wirkungsstätte Mainberg erstmals seine Aufwartung, im neu erworbenen Automobil mit Chauffeur, Leibdiener und Ordonnanzoffizier – erst einmal für 24 Stunden. Das Experiment glückte,22 und schon einen Monat später faßte er eine weitere Mainberger Kur ins Auge, dieses Mal schon für drei Tage, und zwar im Anschluß an den Besuch der Bayreuther Festspiele: »Ich hoffe, in diesen drei Tagen, das Dreifache an Kraft und Ruhe in mich aufzunehmen, von dem, was ich neulich mitnahm, dann wird mir’s gut gehen, denn noch heute spüre ich die Folgen meiner Berührung mit Ihnen außerordentlich wohltuend in mir selbst und in meinem Verkehr mit den Menschen.«23 Auch noch im September hatte die »Freudigkeit«, mit der Max Mainberg verlassen hatte, Bestand: »Nie habe ich mit solcher Leichtigkeit meine Aufgaben gelöst und mich so wohl dabei gefunden«.24 Wie Müller das gelang, bleibt sein Geheimnis, das er auch in seinen Lebenserinnerungen nicht preisgegeben hat.25 Seine Behandlungsmethode muß so nachhaltig gewesen sein, daß sie sich auch im Alltag bewährte; namentlich dadurch, daß sie den Abbau von schlechtem Gewissen bewirkte. Genau das scheint Max damals zur Überwindung seiner inneren Nöte dringend erwünscht gewesen zu sein. Seinen alten Freund Ernst ließ er wissen, es seien Müllers »Klarheit und vollkommene Überlegenheit über alle Ereignisse und Eindrücke des Lebens«, die so »ansteckend und klärend« wirkten. Man hätte »es hier mit einem sehr bedeutenden und in seinen Wirkungen einzigartigen Menschen zu tun«.26 Der Opernsängerin Anna Bahr-Mildenberg schrieb er, das Phänomenale an Müller sei, daß die von ihm ausgehende Wirkkraft »sich so ganz von selbst vollzieht, wie etwas Naturnotwendiges. Es geschieht nichts, und dennoch geschieht ganz Außerordentliches. Es wird in einem klarer, es wird in einem zurechtgerückt, es vollziehen sich in einem Entscheidungen. Man reist ab mit Freudigkeit im Herzen. Jede Spur der Sentimentalität fehlt, man ist rein heroisch gestimmt, und die Tragik des Lebens wird zu etwas ganz Selbstverständlichem, Selbstgewolltem und daher Stärkendem.«27 Vielleicht war es auch schlicht so, daß – wie andere das an sich erlebten – »dieser Mann einfach ein unerhörter Kraft198 198
quell war, daß Ströme von Kraft von ihm ausgingen«.28 In Müller sah Max jedenfalls den Ruhepol, der ihm in seiner ständigen inneren Unruhe und ewig gefühlten Krise, Halt geben konnte. Seine Briefe an ihn sind voll Dankbarkeit für reichlich gespendeten »Trost« und andere »unendliche« Wohltaten und Erleichterungen; für wertvolle Anregungen und Klarheiten; nicht zuletzt für die stets schönen Tage in Mainberg – »so reich an Eindrücken und an Harmonie, an Lebensschwingungen und an Innerlichkeit, Freude und Freundlichkeit«.29 Seine Besuche dort, so hat er es selbst formuliert, »entsprangen jeweils einer inneren Not, die dann meist dortselbst ihre starke Auslösung fand. Dies geschah keineswegs durch Beruhigung, sondern vielmehr durch ein klarer Werden und einen neuen Ansporn, und wirkte nur insofern beruhigend, als ich manche Last abwerfen konnte und mich leichter fühlte zur weiteren Wanderschaft.«30 Was das Sozialreformerische an Müllers Lebensphilosophie anlangt, so tat sich der Prinz von Baden allerdings schon wesentlich schwerer, dem Propheten zu folgen. Dessen Aufsatz über freiwillige Armut beispielsweise beschäftigte ihn zwar,31 er gab aber unumwunden zu: »Für uns, die wir in Wohlstand aufgewachsen sind, ist diese Frage sehr schwer zu lösen«. Vor allem deshalb, »weil meine ganze, mir aufgezwungene Lebenshaltung auf reichliches Leben zugeschnitten ist«, und er solchen Luxus wie Dienerschaft, Pferde, ein gut geführtes Haus und nicht zuletzt das Auto »einfach haben muß«.32 Ob er Johannes Müller auch die Geheimnisse seines Lebens anvertraut hat, ist schwer zu beurteilen. In einem Brief vom Oktober 1912 deutet Max an, daß es einen wunden Punkt gebe, der bislang in ihren Gesprächen nur »ein latenter« und »ausgeschaltet[er]« gewesen sei. Das endliche Sprechen darüber dürfte »dazu beitragen, unsere Beziehung zu vertiefen«.33 Doch über solche Redensarten ging der Prinz – jedenfalls brieflich – nie hinaus. Max’ bewegende Schilderung vom Tod seiner Mutter im März 1914 bringt jedenfalls zum Ausdruck, wie rückhaltlos er sich seinem »Arzt der Seelen«34 anvertraute: »In den vier Tagen und Nächten, die dem Ende vorangingen, habe ich sehr viel durchgemacht und sehr schwer gelitten.« Die seit langem gestörte Harmonie zwischen Mutter und Sohn sei in den letzten Monaten fast wiederhergestellt worden, »und ich hoffte, daß wir einem vollen Verständnis entgegengingen, als nun das Ende dem Hoffen ein jähes Ziel setzte. Der Gedanken, ihr weh getan, jedenfalls aber nicht das gewesen zu sein, was ich so leicht hätte sein können, 199 199
hat mir namenlose Qualen auferlegt und mein stummes Scheiden von ihr zu einem schmerzvollen gestaltet. Das ist der einzige friedund freudlose Punkt gewesen in dieser wirklich heiligen Zeit.«35 Wer so schreibt, der dürfte auch noch andere Dinge, die auf der Seele lagen, preisgegeben haben. Wohl weil Max seine Besuche bei Johannes Müller meist im Anschluß an die Fahrten zu den Bayreuther Festspielen unternahm, stand ihm schon bald die symbiotische Verknüpfung dieser beiden Erlösungszentren seines Lebens vor Augen. So schwärmte er bereits 1909 gegenüber Houston Stewart Chamberlain von Müllers Persönlichkeit und seiner Kultstätte Mainberg.36 Wenig später versuchte er auch Ernst Hohenlohe für Müller einzunehmen; was dieser sogleich an Cosima Wagner weitergab.37 Doch die hielt sich bedeckt. Sie kenne Müller »weder persönlich noch in seinen Schriften«, aber nach dem, was sie darüber vernahm, befürchte sie, »daß der nüchterne Verstand einen großen Anteil hat, und das ist mir für eine religiöse Bewegung nicht die Kraft«.38 Zugleich bemühte Max sich, Johannes Müller den hohen kulturellen Wert von Bayreuth zu vermitteln – einem Ort, dem der Lebensreformer bisher ferngestanden hatte.39 »Für mich«, so agitierte er ihn im Sommer 1911, »ist Bayreuth eine Kulturtat bedeutendster Art«. Auch diesmal hätten ihn die Festspiele »tief ergriffen und die tragisch heroische Seite meiner Empfindung stark in Bewegung gesetzt, wie dies alle hohe Kunst, auch die bildende, bei mir auszulösen pflegt.« Er erfreue sich übrigens »an Bayreuth mehr, seitdem mir von Mainberg der Weg klar gewiesen wurde«.40 Im Jahr darauf überredete er Müller sogar zu einem Besuch der Opernproben in Bayreuth, was wohl nicht ganz einfach war, wie Müllers Brief an den Schriftsteller Hermann Bahr zu erkennen gibt: »Der Gedanke an Haus Wahnfried ist mir etwas unheimlich. Ich verstehe nicht, mich auf dem Parkett zu bewegen und mit bedeutenden Menschen zu verkehren, und bei geistreichen Unterhaltungen kann ich nicht mittun.« Bahr würde ihm deshalb einen großen Gefallen tun, »wenn Sie Wagners Erwartungen mir gegenüber herabstimmen, damit sie dann nicht zu sehr enttäuscht sind, daß ich so gar nicht dem entspreche, was sie sich vorstellten«.41 Hieran zeigt sich, daß auch der sonst so selbstbewußte Lebensberater »selber durchaus nicht frei von den Hemmungen und Minderwertigkeitsgefühlen [war], die er in seinen Reden bekämpfte«.42 200 200
Wie Müller damals bei den Wagners ankam, ist nicht überliefert; Cosima scheint er jedenfalls erst im Sommer 1914 kennengelernt zu haben. Das geht aus deren Brief an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg hervor, der zugleich eine leichte Skepsis anklingen läßt: »Wir werden einen Gast zu den Aufführungen haben, auf dessen Bekanntschaft ich gespannt bin; es ist Johannes Müller. Wenn ein so hochbegabter Mann wie Ihr Vetter Prinz Max und eine so bedeutende Künstlerin wie Frau Bahr-Mildenburg einen Mann schätzen, so muß wohl etwas an ihm sein. Meine Tochter Chamberlain liest jetzt seine Vorträge – sie fand Vorzügliches darin, aber nichts gerade Herausragendes. Eines befremdet mich etwas in der Weltanschauung, nämlich die Aufstellung, daß es keine bösen Menschen gibt, sondern daß in Jedem der Keim des Guten läge, der nur zu finden und zu pflegen sei. Das klingt sehr human und gewinnt gewiß Ziele – ich kann mich aber zu dieser Ansicht nicht bekennen«.43 Kein Wunder, daß der Mainberger etwas fremdelte, als er in den Wagner-Clan eingeführt wurde, und auch sein Freund Max scheint ihm ein wenig Parkett-Bewegungshilfe geleistet zu haben.44 Von seiner Vision einer Art Amalgamierung von Bayreuther und Mainberger Weltanschauung konnte ihn die reservierte Art der Protagonisten nicht abbringen; schon wenig später hat er die Arbeit daran wieder aufgenommen. Für Johannes Müller blieb Max zeitlebens sakrosankt. Das strahlende Bild, das er in seinen Lebenserinnerungen von ihm zeichnete, kennt nicht den Schatten von Kritik auch nur eines problematischen Charakterzuges.45 Max besitzt lauter gute Eigenschaften – Bescheidenheit, Ernst, Tiefe, Dankbarkeit, Redlichkeit, Festigkeit, Humor, Schlichtheit, Keuschheit – er ist schön und männlich, zurückhaltend und rein. Doch damit nicht genug; was den Prinzen für Müller so einzigartig machte, war die »Genialität seines Herzens«. Die ließ Max nachgerade zu einem »Genie des Mitempfindens und der seelischen Fühlung« werden. Diese hymnische Verklärung stammt von einem Autor, dem der Ruf vorauseilte, ein unbestechlicher Realist, ein versierter Menschenkenner und geradezu brutal darin zu sein, den Menschen für ihre Marotten ganz ungeniert den Kopf zu waschen. Max gegenüber scheint Müller das niemals zur Anwendung gebracht zu haben. Mit seiner ganz einseitigen Überzeichnung gibt er zu erkennen, daß er sich hier in einer Ausnahmesituation fühlte – sein Leben lang. Max konnte sich gleichsam jede Charakterschwäche und jeden 201 201
Fehler erlauben, weil Müller ihn die bevorzugte Stellung in seinem Herzen und seine Bewunderung von Anfang an spüren ließ. Max’ Zugewandtheit stärkte sein Selbstwertgefühl enorm und mündete in bedingungslose Verbundenheit gegenüber dem Fürsten. Dankbar und glücklich, wollte er dem therapiebedürftigen Prinzen auch das sein, was jener von ihm erwartete: ein »Auslöser«, wie Müller das nannte – ein Auslöser positiver Gefühle. Um diese hervorzurufen, mußte Müller seinem Mandanten in dem antizipierten Sinne entgegenarbeiten, mußte dem fürstlichen Freund nach dem Mund reden und durfte dessen Charakterschwächen nicht hinterfragen. Eine Art Ebenbürtigkeit hat er für sich niemals reklamiert, es war vielmehr ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis mit Zügen von Ehrerbietung hier und solchen der freundschaftlichen Herablassung dort, allerdings weitestgehend frei von Unterwürfigkeit oder Hochmut. Max brauchte jemanden, der an seiner Seele mitarbeitete, während Müller einen Fürsten zum Freunde brauchte. Profitieren konnten beide Seiten davon – und dennoch kann es keinen Zweifel darüber geben, wer hier Roß und wer Reiter gewesen ist. Von 1909 bis 1917 war Johannes Müller das beste Pferd im Stall des Prinzen. Nur die Richtung, in die geritten wurde, die gab bisweilen eher das Pferd vor.
Max als Verteidiger des monarchischen Prinzips Das Jahrzehnt vor Ausbruch des Weltkriegs verlief innen- wie außenpolitisch für die Machteliten im deutschen Kaiserreich so dramatisch-beängstigend wie keines davor. Es war eine Art Dauerkrise mit hoher (auch kriegerischer) Ereignisdichte. Im Konzert der Weltmächte geriet die »nervöse Großmacht« immer mehr ins Hintertreffen, nicht zuletzt durch gravierende außenpolitische Fehler der Reichsregierung, die vor allem England und Rußland zu einer fatalen Umgestaltung des europäischen Mächtesystems zu nutzen verstanden.46 So entstand für das Kaiserreich eine Konstellation, in der sich die Herrschenden bald nur noch mit militärischen Aufrüstungs-, genauer: mit Kriegsplänen zu helfen wußten. Zeitgleich gewannen der politische Deutschnationalismus und der preußische Militarismus an Kraft. Innenpolitisch befehdeten sich die proletarischen und bürgerlich-konservativen Lager; während die SPD zu der Emanzipations- und Oppositionsbewegung im Reich, und im Reichstag gar 202 202
zur stärksten parlamentarischen Kraft wurde, sammelte die Reichsregierung ausschließlich die sogenannten staatserhaltenden Kräfte in blockartigen Formationen unter ihren Fahnen. Stabile Verhältnisse erzeugte das nicht. Dabei verschliß sich der mit allen Wassern der Diplomatie und Intrige gewaschene Reichskanzler Bernhard von Bülow, der 1901 berufen worden war. Aber auch sein seriöserer Nachfolger Theobald von Bethmann Hollweg, der 1909 ins Amt kam, konnte keine Wende mehr herbeiführen. Überformt wurde dieses krisenhafte Vorkriegsszenario zudem noch durch das »persönliche Regiment« eines Reichsmonarchen, der zweifellos politisch begabt war, aber weder zur Führung noch zur Integration der unterschiedlichen Parteien und Klassen fähig. Hinzu kam Wilhelms fatale Selbstüberschätzung, die seine Kaiserherrschaft seit 1907/08 einem Ansehensverfall preisgab, von dem sie sich nicht mehr erholen sollte. So stand im Vorfeld der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« (George F. Kennan) die politische Ordnung nur noch auf schmaler Legitimationsbasis, die Blokkadehaltung der Machthaber gegenüber drängenden Systemreformen war dafür aber umso größer. Dieser verfahrenen politischen Situation konnte sich keine öffentliche Person entziehen, auch der Thronanwärter für Baden nicht. Der nahm die Krisensymptome des beginnenden 20. Jahrhunderts allerdings nur selektiv wahr – und ausgesprochen oberflächlich. Bis 1908, als Max mit dem Präsidium der Ersten Badischen Kammer betraut wurde, zeigte er sich in seinen Kommentaren zu den Zeitläufen weiterhin als Mann ohne politische Eigenschaften; und auch ohne genuines Interesse an Politik. »Die eigentliche positive Arbeit fehlt«, klagte er noch 1911. Nur in künstlerischen Dingen fühlte er sich »auf ureigenstem Boden« – dort wollte er »arbeiten können, mühelos, unermüdlich, begeistert«, und eben nicht »auf den anderen Gebieten meines ›fürstlichen Berufes‹«, wo er sich auch sehr viel weniger Wissen bescheinigte. Am meisten zählte für ihn, »daß die Kunst Sache des Gefühls ist und daß ich hierin besser veranlagt bin«. So blieb ihm nur die anhaltende »Sehnsucht nach Entfaltung des mir Gegebenen«.47 Und das war nicht Politikmachen. Mehr als einmal hat er »das, was man Politik nennt«, sogar als »ein Gräuel« bezeichnet, wobei für ihn die »Parteibildung« mit Abstand »das Unleidlichste des politischen Lebens« ausmachte.48 Bestärkt fühlte er sich auch in seiner wachsenden Animosität gegen das deutsche Nationalparlament. Als etwa Freund Hohenlohe, der in203 203
zwischen zu einem hohen politischen Reichsbeamten aufgestiegen war, im Mai 1906 mit einer Etatforderung im Reichstag scheiterte und dennoch nicht seinen Hut nehmen wollte,49 schrieb ihm Max: »Es ist schön von Dir, daß Du den Kaiser nicht sitzen läßt, doch bist Du mir zu gut, mit dieser Bande Dich herumschlagen zu müssen.«50 Seine »große Antipathie gegen Parteipolitik« blieb auch dann noch bestehen – »und wird wohl noch größer werden«51 – als ihm 1907 mit dem Präsidium des großherzoglich-badischen Oberhauses ein konstitutionelles Amt übertragen wurde. Doch wie politisch sollte ein moderner Fürst wie er überhaupt sein? In welche Richtung sollte er wirken? Auf solche Reflexionen hat Max sich inhaltlich – soweit erkennbar – nie näher eingelassen. Zwar reklamierte er für sich als öffentliche Person, stets »nur die positive Wirkung zum Wohle des Volkes« vor Augen zu haben.52 Was aber verstand er darunter? In Max’ Korrespondenz mit Johannes Müller gibt es eine Passage, die etwas tiefer blicken läßt. Sie bezieht sich auf den Ende 1909 erschienenen zweiten Roman von Thomas Mann, Königliche Hoheit.53 Den hatte der Prinz zwar nicht gelesen, war aber durch Johannes Müller auf ein Heft der Zeitschrift Der Kunstwart aufmerksam gemacht worden, in dem Manns Königliche Hoheit unter Einschluß eines Votums des Dichters selbst kontrovers diskutiert wurde.54 Max fand die drei Artikel hochinteressant, das vom Herausgeber Ferdinand Avenarius Geschriebene beschäftigte ihn am meisten.55 Kein Wunder, denn Avenarius hatte die Stellung des Fürstenstandes einer recht ungenierten Kritik unterzogen, insbesondere das hartnäckige Festhalten der regierenden Häuser am monarchischen Prinzip. Es hebe nämlich »die Mitglieder der Dynastie einfach als solche, ohne Prüfung ihrer Eigenschaften hoch über alle andern Staatsbürger hinauf«. Das sei ein Unding, zumal sich die Stellung des Volks zur Monarchie inzwischen »nicht unwesentlich verändert« habe. Der »religiöse Glaube an ein Gottesgnadentum sinkt«, während »die nur verstandesmäßige Anerkennung des monarchischen Prinzips sich verbreitet«. Wenn sich die Dynastien »in unseren drohenden Zeiten« also fester im Boden verankern wollten, so müßten sie endlich »neue Beweise zu den alten bringen dafür, daß sie dem Ganzen nützlich sind.« Und sie müßten über ihre Zivillisten und Apanagen hinaus »aus eigenen Mitteln« viel mehr »für unser Volk tun« – auf dem Gebiet »der Wissenschaft, der Kunst, der sozialen Pflege, der Kultur überhaupt«. Das waren nicht nur starke Argu204 204
mente, das war auch starker Tobak. Max wußte dem nur so viel entgegenzusetzen: Wenn Avenarius »den Fürsten vorwirft, sie stellten sich nicht an die Spitze wahrer Kulturbestrebungen und gebrauchten ihr Geld – ihr Privatvermögen – nicht hierfür, so ist dagegen einzuwenden, daß überhaupt wenig Verständnis für Kultur im eigentlichen Sinn existiert, und daß er zweitens die Vermögensverhältnisse der deutschen Fürsten im allgemeinen überschätzt«.56 Diese verlegene Reaktion läßt deutlichen Unwillen erkennen, sich mit Avenarius’ Positionen inhaltlich auseinanderzusetzen. Vor einer eigenen Antwort auf die Frage, ob die herausgehobene Stellung der Fürsten im 20. Jahrhundert noch berechtigt sei, scheute Max offenkundig zurück. Warum? Wohl kaum, weil er den Kritiker nicht verstanden hatte; schon eher, weil er ihn nicht verstehen wollte. Weil der Fürst eine solche Stellungnahme, die auf vermehrte Ansprüche an monarchische Herrschaft zielte, eigentlich für unstatthaft hielt. Dabei wollte Avenarius mit seinem Vorstoß das monarchische System keineswegs abschaffen, sondern zeitgemäß stabilisieren, und zwar durch eine nachhaltige Verbreiterung seiner Legitimation. Doch solche Denkanstöße als Reformpotenzial zu erkennen, sie gar aufzugreifen und weiterzuverfolgen – das zählte nicht zu den Talenten des Prinzen, der eben nicht genuin politisch dachte. Deshalb hat er die öffentliche Debatte, die Königliche Hoheit im Frühjahr 1910 auslöste, auch nicht mehr weiter verfolgt.57 In politisch verantwortlichen Kreisen dagegen hatte man spätestens seit der russischen Revolution 1905 zumindest ansatzweise erkannt, daß die Spätblüte, zu der Bismarck mit seiner Reichseinigungspolitik dem monarchischen Prinzip in Deutschland verholfen hatte, langsam zur Neige ging. Inzwischen – so versuchte Reichskanzler Bülow dem Kaiser im Sommer 1906 einzuschärfen –, sei eben nicht mehr die vorherrschende politische Ansicht, »daß ein kräftiger Monarch und ein geschickter Minister mehr Wert hätten als liberale Institutionen, demokratische Tendenzen und parlamentarische Spielereien«.58 Von solchen mahnenden Überlegungen, wie sie der damalige Regierungschef anstellte – auch nicht gerade ein lupenreiner Demokrat –, war Max von Baden weit entfernt. Was für ihn auch 1911 unverändert zählte, war, die »Zusammengehörigkeit« von Volk und Thron zu kultivieren. Zur »Vaterlandsliebe« gehöre nicht zum wenigsten »auch die Liebe zum Monarchen«. Deshalb käme es darauf an, »wenn an Beispielen tatsächlich das Unzertrennliche zwischen Fürstenhaus und Volk dar205 205
getan wird, wie ja mein Onkel [Großherzog Friedrich I . von Baden] auch mit Recht von sich sagen konnte: Ich habe nie gefunden, daß zwischen Fürstenrecht und Volksrecht ein Unterschied zu bestehen hat.« Man müsse hierfür nur den richtigen »Ton« finden.59 In diesem Zusammenhang hätte man gerne genauer gewußt, wie er den Ansehensverlust des deutschen Kaisers im Gefolge der »DailyTelegraph-Affäre« wahrnahm, der im Herbst 1908 das gesamte monarchische Modell in Mitleidenschaft zog.60 Das Interessante an diesem Störfall war ja gerade, daß es hier den obersten Vertreter der souveränen Fürstenherrschaft ereilt hatte – einen, der dafür, daß er diese politische Weltanschauung so eklatant überzog, nun büßen mußte; auch Pars pro toto. Nicht umsonst sind damals die deutschen Bundesfürsten dem Kaiser gleich zur Seite gesprungen – trotz aller sonstigen Vorbehalte gegenüber ihrem unberechenbaren Primus. Denn sie spürten, daß hier auch ihre ureigenste Sache auf dem Spiel stand. »Gerade jetzt müßten die deutschen Fürsten eng zusammenhalten und dies auch nach außen dokumentieren«, wurde der sonst sehr kaiserkritische Großherzog Ernst Ludwig von Hessen zitiert.61 So demonstrierten die Monarchen am 27. Januar 1909, dem 50. Geburtstag Wilhelms II ., in Berlin seltene Solidarität. Auch das neue badische Großherzogspaar zählte zu den Gratulanten, wofür sich der Jubilar herzlich bei seiner Tante Luise bedankte. Er war ausgesprochen glücklich darüber, »wie freundlich und schön der Tag verlief. Freilich habe ich mir dabei über Gegenwart und Zukunft keine Illusionen gemacht. Das Jahr wird sehr schwer und unerquicklich werden.« Und dennoch gab Wilhelm sich schon wieder gewohnt zweckoptimistisch, indem er selbstgerecht verkündete: »Der Rückschlag gegen die Ereignisse vom vorigen November ist im Volk und Publikum in sehr wahrnehmbarer Weise eingetreten. Man fühlt sich düpiert, eine ungeheure Dummheit beziehungsweise Ungerechtigkeit begangen zu haben, und wendet sich gegen den Anstifter der antikaiserlichen Kampagne.«62 Bald war der öffentlich wie nie zuvor gescholtene Reichsmonarch wieder obenauf – und so unerschütterlich in seinem monarchischen Souveränitätsanspruch wie eh und je. Er machte Kanzler Bülow zum Sündenbock für seine öffentliche Herabwürdigung und entließ ihn noch im Sommer 1909. Auch bei seinen Besuchen in Karlsruhe im Mai und September 1909 ließ er keinen Zweifel an der Frage, wem er die stattgehabte Blamage zu verdanken hatte: »Schon beim letzten Besuch im Frühjahr«, schrieb 206 206
der preußische Gesandte dort an den neuen Reichskanzler am 14. September 1909, »hatte sich der Kaiser mir gegenüber sehr scharf und kritisch über den Fürsten Bülow ausgesprochen […]. Ähnlich haben sich nun diese Vorgänge jetzt wiederholt.« Der badische Regierungschef von Marschall »schien wahrhaft erschrocken anläßlich der drastischen Allerhöchsten Kritik, die er mit seinen Kollegen streng geheim zu halten beschloß.«63 Der Prinz von Baden war also damals denkbar nahe an der Monarchenkrise, zumal Wilhelm II. ihn 1909 bei seinen Aufenthalten in Karlsruhe persönlich besuchte.64 Brieflich geäußert dazu hat er sich nur einmal – indem er sich bedeckt hielt. Ob man die Gründe für den fraglosen Popularitätsverlust des deutschen Kaisers in dessen »Sucht nach Huldigungen und Repräsentation« suchen sollte, wie sein Briefpartner Müller kritisierte, bezweifelte Max. Er habe aus eigenem Erleben »die Empfindung, daß die Ovationen, welchen ich bei seinen [Wilhelms] Einzügen in verschiedenen Städten anwohnte, doch spontaner Natur seien. Ich begriff deshalb auch sehr wohl, daß er vollkommen überrascht war, in den letztjährigen Novembertagen mit einem Mal einer so geschlossenen Opposition gegenüberzustehen, da ihm bis zu dem Augenblick nur Jubel und Huldigung entgegengebracht worden war.«65 Auch hier finden wir das bekannte Muster: nur keine eigene dezidierte Meinung zu politischen Problemen riskieren. Seine persönliche Beziehung zum Kaiser dürfte der Eklat nicht tangiert haben. Auch Max’ Bedauern, mit dem er Bülow gegenüber »die betrübende Tatsache« beklagte, daß dieser entlassen wurde, war alles andere als ein politisches Bekenntnis zu dem ehemaligen Reichskanzler. Sein »Schmerz« über Bülows »Scheiden« reflektierte ausschließlich »auf die langjährigen, mich hoch beglückenden Beziehungen, welche mich mit Eurer Durchlaucht und der Frau Fürstin verbinden« – also auf das Ende des persönlich-vertraulichen Umgangs mit diesem Staatsmann. Daher die schönen Abschiedsblumen: »Meine treuesten Wünsche begleiten Sie auf Ihrem ferneren Lebensweg, in Ihrem unvergleichlichen Heim, der Villa Malta, hinter sich den Kampf und die Macht, vor sich die Schönheit und die Ruhe, der Ihr Geist Bedeutung und Reichtum geben wird.«66 Vollendete, unverbindliche Courtoisie nach allen Seiten, darauf verstand sich Prinz Max wie kaum ein zweiter.
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»Gescheite Juden und einfachste Handwerker«. Der Kammerpräsident Das Kammerpräsidium in Karlsruhe bot reichlich Gelegenheit, sich in ähnlicher Weise unpolitisch-politisch zu betätigen. Doch verschaffte ihm das hohe Amt zugleich Gelegenheit, sich als Thronanwärter im Großherzogtum zu profilieren. Ein badischer Bürgermeister und Kammerherr hat dies in seinen Lebenserinnerungen recht anschaulich zum Ausdruck gebracht, als er schrieb: Der Prinz sei wahrlich kein »Demokrat« gewesen, doch »zeigte er im persönlichen Verkehr nichts von fürstlicher Zurückhaltung, sondern gab sich immer gleich ungezwungen liebenswürdig«.67 Weiß zeigt uns Max von seiner starken Seite: interessiert, wohlsinnig, sympathisch und ausgesprochen leutselig; auf einem Tätigkeitsfeld, das ihn – wie er selbst bekannte – »befriedigte«. Zum einen, weil er da »meinen eigenen Menschen zur Geltung bringen« konnte.68 Und weil ihn »die psychologische Seite der Aufgabe« reizte: »das Eindringen in den Menschen und das Beobachten seiner Triebe und Kräfte«.69 Mit dieser Selbstbeschreibung hat Präsident Max zugleich angedeutet, was ihn an seiner Kammerarbeit weniger interessierte – in dem Spannungsfeld zwischen monarchischer Herrschaft und demokratischer Volksvertretung politisch zu vermitteln etwa. Politisch wollte er eigentlich gar nicht sein in seinem neuen Amt. Sich vielmehr nur bemühen, die Verhandlungen »getreu der schönen Tradition dieses Hauses« zu leiten, »in gegenseitiger Achtung und den Blick fest gerichtet auf das Wohl unseres geliebten Vaterlandes und auf die Ehre der Regierung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs«.70 Er verstand es aber, seinen unpolitischen Konservatismus hinter huldvollem Charme zu verstecken, beinahe zum Verschwinden zu bringen. Sein fürstlicher Status sicherte ihn ohnehin gegen parteipolitische Ansprüche ab, er war niemandem zu irgend etwas verpflichtet. Umso weniger, als die ersten beiden Jahre seiner Präsidentschaft ohne ernsthafte politische Herausforderungen blieben. Doch mit den Landtagswahlen vom Herbst 1909 änderte sich das. Die Sozialdemokraten konnten damals die Zahl ihrer Mandate fast verdoppeln, so daß sie mit 20 Sitzen zur zweitstärksten Fraktion im Landtag wurden. Wollten die traditionell tonangebenden Nationalliberalen mit ihren gerade einmal 17 Mandaten die Parlamentspolitik nicht der verhaßten Zentrumspartei überlassen, mußten sie ein 208 208
Zweckbündnis mit den Sozialisten eingehen.71 Das war die Geburt des sogenannten badischen Großblocks – einer politischen Konstellation, die für die kommenden vier Jahre die Öffentlichkeit nicht allein im Großherzogtum beschäftigen sollte. Prinz Max glaubte zunächst, diese »unerfreuliche Verworrenheit der heutigen politischen Verhältnisse« aus seiner Kammer heraushalten zu können. Aber ihm war auch – nicht zuletzt durch seine großherzogliche Tante Luise – ins Gewissen geschrieben worden, nun vor einer Zeit zu stehen, »wo durch das Wachsen der Sozialdemokratie eine Stärkung des monarchischen und nationalen Gefühls Not tut«.72 Also mußte er notgedrungen etwas genauer auf das von ihm sonst so verachtete »wüste« Treiben der Parteien achten, insbesondere auf das der Sozialdemokraten. Und das tat er denn auch, mit zwiespältigen Gefühlen. Zwar widerstrebte es Max’ »Gerechtigkeitsgefühl, sie zu verabscheuen, nur weil sie antimonarchisch sind«. Und doch war für ihn »das, was sie wollen, schlimmer als die Anarchie«. Es »vernichtet die Persönlichkeit und führt zur Tyrannei der Masse«. Außerdem mangele es ihnen an Ehrerbietung: »Sie meiden mich, weil ich ein Prinz bin, und ich kann sie nicht aufsuchen, weil mir dies als Buhlen um ihre Gunst ausgelegt würde, und von niemand begriffen werden könnte, weil sie dem Großherzog das Seine nicht zu geben gewillt sind.« Sie blieben »von der Eröffnung des Landtags fern, gehen nicht zum Empfang der Kammer zu Hof und machen mir keinen Besuch als Präsidenten der I . Kammer. Drum ist es mir nicht innerlich, sondern äußerlich – tatsächlich – schwer, mit ihnen zusammen zu kommen.« Aber es gab neben dieser Blockade noch eine andere »Sache, die mir bei der Sozial Demokratie auch unsympathisch ist und meinen Argwohn erregt«, und zwar die, »daß so viele Juden gerade auch unter ihren Führern sind, Singer in Berlin, Frank hier, scharf denkende unsympathische Menschen. Auch ihre Apostel entstammen dem auserwählten Volk: Marx, Engels.« Er hatte sich auf Müllers Anregung hin einschlägiges Schrifttum über den Sozialismus besorgt, dessen Lektüre ihn »in meiner Überzeugung gekräftigt [hat], daß das Ziel das Ende jeglicher Kultur bedeutet und nicht der Weg zur Freiheit sein kann«. Ende April 1910 lernte Max dann auf einer parlamentarischen Soiree im badischen Staatsministerium einige Genossen persönlich kennen und berichtete Johannes Müller: »[Ludwig] Frank73 hat mir keinen guten Eindruck gemacht; er ist ein eminent gescheiter Jude, 209 209
stahlhart und herrschsüchtig, aber seelenlos. Dagegen gefiel mir [Wilhelm] Kolb«.74 Die anderen drei, mit denen er sprach, »machten mir den Eindruck einfachster Handwerker, wie ich sie vom Land her kenne.«75 Dem preußischen Gesandten gegenüber wurde Max deutlicher. Der frühere Malergeselle Kolb habe ihn durch seine Art und seine Äußerungen sympathisch berührt, »er sei offenbar ein ehrlicher honetter Charakter, der ohne ursprüngliche Bildung viel gelernt habe und das Bestreben zeige, wenigstens zunächst in dem Kampfe um die sozialen Ziele Maß zu halten. Bei Dr. Frank dagegen habe er die Empfindung, daß er, obwohl äußerlich manierlich und glatt, anscheinend alle Eigenschaften eines zähen kampfbereiten und gefährlichen Agitators besitze. Der Jude trete in ihm unverkennbar hervor. Hohe Intelligenz, Ehrgeiz, schlagfertige Beredsamkeit und kühle zielbewußte Rücksichtslosigkeit seien geeignet, ihm allmählich großen Einfluß in der Partei zu sichern.«76 Fragt man nach den Quellen für diesen Antisemitismus, so stößt man rasch auf Houston Stewart Chamberlain, dessen epochemachende Grundlagen des 19. Jahrhunderts von 1899 Max bereits früh studiert hatte.77 Persönlich traf er den Schwiegersohn Cosima Wagners erst im Sommer 1909, als der Schriftsteller bereits zu einer Art Weltanschauungsphilosoph in Wagners Bayreuth geworden war. Max freute sich sehr darüber, ihn endlich kennengelernt zu haben.78 Er las nun die Grundlagen gleich noch einmal, und zwar »mit gespanntem Interesse und einem vollständig anderen Verständnis als vor 8 oder 9 Jahren«.79 Was er davon wie rezipierte, wissen wir nicht. Aber die Methode scheint wohl die gleiche gewesen zu sein wie die beim Studium der Müllerschen Ideen. Es sei für ihn »sehr wertvoll und geradezu notwendig«, beschrieb er seinen Umgang mit dem geistigen Eigentum des Mainbergers, »gewisse Begriffe formuliert zu erhalten, da diese Fähigkeit bei mir leider sehr im Argen liegt. Was ich von Ihnen bekomme, versinkt gewöhnlich vollkommen in meinem tiefsten Sein und wird dort meist ganz mein Eigen.« So ungefähr dürfte Max auch mit Chamberlain verfahren sein – nicht zuletzt im persönlichen Verkehr mit ihm, von dem er stets »bedeutende Eindrücke« empfing.80 Dieser »Evangelist of Race«, wie ihn einer seiner Biographen bezeichnet hat,81 schrieb als renommierter populärwissenschaftlicher Welterklärer im Geist des damaligen Rassismus, den er seinerseits zu befruchten suchte. Im Zentrum seiner Lehre stand, die einzigartigen Errungenschaften der europäischen (arischen) Hoch210 210
kultur zu bewahren und sie vor den Gefahren zu schützen, die ihr von den destruktiven und subversiven Kräften der Semiten drohten.82 Max nannte Chamberlains Schaffen einen wichtigen Beitrag »zur Aufklärung« und hätte diesen Mann gern noch aktiver im »Kampf um die Menschwerdung« gesehen.83 In Gestalt scharf denkender und kämpferisch agierender Juden war die SPD für Max ein Graus, in Gestalt von braven Autodidakten mit solidem handwerklichem Hintergrund, sozialem Aufstiegswillen und ordentlichen Manieren dagegen schon wesentlich akzeptabler. Er begriff, »daß die Bewegung Lebensinhalt hat, der genutzt werden muß«.84 Für die badische Regierung konnten solche wohlwollenden Herablassungen einer großherzoglichen Hoheit zu den staatsoffiziell sonst meist ausgegrenzten Genossen nur nützlich sein, da sie bei strittigen Gesetzesvorhaben durchaus auch auf die Unterstützung von Seiten der ungeliebten Roten angewiesen blieb. Dies galt in besonderem Maße für die Landtagssession von 1910, und es war namentlich »der beliebteste Minister«85 des badischen Kabinetts, der für das Innenressort zuständige Freiherr Johann Hermann von Bodmann, der sich damals um ein zuträgliches Verhältnis zu den Sozialisten bemühte. In diesen Regierungskurs hat Max von Baden sich damals einbinden lassen – vielleicht aus eigener Einsicht, vielleicht aus einem momentanen Pflichtgefühl heraus. Daß er sich damit bei manchen katholischen und erzkonservativen Regierungsgegnern sogleich den Ruf eines »roten« Prinzen einhandelte,86 mag ihn kaum beunruhigt haben. Die erheblichen Bedenken der Großherzogin Luise beziehungsweise des von ihr gesteuerten Sohnes gegen solcherlei Annäherungen, ja gegen die Großblockpolitik seiner Regierung überhaupt,87 tangierten ihn dagegen schon. Gleichviel, er ließ sich von Minister Bodmann bestimmen, die großherzogliche Regierung in der Endphase der Landtagssession im Sommer 1910 in seiner Eigenschaft als Kammerpräsident bei ihren kontroversen Vorhaben nicht im Stich zu lassen. So trat er vor der Abstimmung über die neue Gemeinde- und Städteordnung am 13. Juli in der Ständeversammlung höchstpersönlich für die Regierung ein, indem er ihr ausdrücklich bescheinigte, doch wohl kaum ein Gesetz eingebracht zu haben, das für den Staat in irgend einer Weise »gefährlich« werden könnte. Außerdem würde eine Ablehnung des Gesetzes womöglich eine politische »Reaktion« zur Folge haben, die (in demokratischer Hinsicht) »noch Schlimmeres zeitigen 211 211
würde«.88 So weit hatte er sich bis dato politisch noch nie aus dem Fenster gelehnt. Schon einen Tag nach der Landtagssession zog es Max an den Bodensee »in das stille Salem, wo ich mich nach dem wirren Kampf auf der politischen Walstatt in der fernen Ruhe etwas zu sammeln gedenke«.89 So mag es dem Prinzen tatsächlich vorgekommen sein: Ritter Max, der mutig in die Niederungen der Politik hinabsteigt, heillose Kämpfe zu bestehen hat und nach schwer errungenem Sieg auf seiner Burg die verdiente Ruhe des tapferen Kriegers sucht. Aus dem zeitlichen Abstand von zwei Urlaubsmonaten heraus beurteilte er die politische Lage schon wieder wesentlich nüchterner, nachdem er gemerkt hatte, wie namentlich die Sozialdemokraten sein Verhalten goutierten.90 Dieses Lob aus falschem Munde war ihm peinlich; »Schindluder« sei da mit ihm getrieben worden.91 Fast erleichtert registrierte er daher das Fernbleiben der beiden sozialdemokratischen Abgeordneten, die ursprünglich mit der Deputation der Zweiten Kammer am 20. September 1910 dem badischen Großherzogspaar zur Silberhochzeit hatten gratulieren sollen: Sie »entschuldigten sich recht linkisch«. Erleichtert wohl auch deshalb, weil weiteres Ungemach drohte. Die Minister setzten ihm nämlich zu, seinen inzwischen geplanten Austritt aus der Armee erst einmal auf Eis zu legen, da er womöglich »von den Parteien der Linken ungünstig ausgenutzt und verdreht dargestellt werden« könnte. Die öffentliche Meinung – so ließ er Freund Müller wissen – tendiere bereits dazu, »auf einen gewissen Widerspruch zwischen den Anschauungen des Großherzogs und den meinigen hinzudeuten«. Max gab dem Regierungswunsch sogleich nach, »denn der Gedanke, gegen den Großherzog ausgespielt zu werden, ist mir ein durchaus verhaßter«. An diese durchaus auch freiwillige Selbstverpflichtung hat sich Prinz Max dann in der Folgezeit streng gehalten, wobei ihn ein besonderes Vorkommnis zusätzlich in die Pflicht nahm. Das waren Angriffe auf Großherzogin Luise in der linken Presse im Herbst 1910, der man preußenfreundliche »Boudoirpolitik« zum Schaden Badens vorwarf.92 Zwar sind die familieninternen Reaktionen darauf bis dato unerforscht, aber allein die Tatsache, daß sich die großherzoglich-badische Regierung damals zu einer hochoffiziellen Ehrenerklärung zugunsten der Fürstin genötigt sah,93 läßt darauf schließen, wie ernst die Verantwortlichen diese Demontage genommen haben müssen. Das verlangte vom badischen Herrscherhaus freilich, solidarisch zu212 212
sammenzustehen – und seine Interessen nach außen möglichst widerspruchsfrei zu vertreten.94 Sozialdemokraten empfing Max jetzt nur noch in Gestalt von – Kaninchenzüchtern. »Ich hatte sie über eine Stunde bei mir, und wir schieden, wie ich nachträglich hörte, in gegenseitigem Wohlwollen und befriedigt. Ich hatte einen rührenden Eindruck von ihnen.« Max’ Fazit nach dieser erneuten Entdeckungsreise in das eigene Volk lautete: »Da müßte doch viel zu tun sein, wenn man nur Gelegenheit fände, und ich frage mich, woher es kommen mag, daß die Gegensätze zwischen den Parteien und Schichten so schroffe sind, da wir uns doch so gut verständigten.«95 Soll man das nun naiv nennen, oder war der Prinz in ein Stadium der politischen Unschuld zurückgekehrt? Jedenfalls fand er im Jahr 1911 in die politische – will sagen: staatstragende – Korrektheit zurück. So sehr, daß die badische Regierung ernsthaft erwog, ihn als Gegenkandidaten zum einflußreichen badischen Sozialistenführer Adolf Geck bei den Reichstagswahlen ins Rennen zu schicken, um den seit 1898 fest in sozialdemokratischer Hand befindlichen Wahlkreis endlich für das eigene Lager zurückzuerobern. Max war dies »natürlich sehr wichtig zu wissen, weil es mir von Bedeutung zu sein scheint, daß auch die Konservativen und sogar die Ultramontanen, soweit sie vernünftig sind, Vertrauen in mich haben. Vielleicht enthält das Paradoxe: konservativ (insoweit dies Ehrfurcht vor dem Gewordenen bedeutet) empfinden und liberal handeln, doch viel Wahres und würde einen Menschen befähigen, über den Parteien zu stehen«.96 Das war in der Tat sein Ideal: eine überparteiliche politische Vertrauensstellung zu erlangen und im Sinne von konservativen Zielvorgaben äußerlich liberal zu handhaben. Die Nagelprobe in Form einer tatsächlichen Kandidatur für den deutschen Reichstag wurde niemals gemacht. Dafür durfte Max von Baden aber »immer wieder hören, daß die Menschen mich haben wollen, und zwar Menschen aller Schichten und Richtungen«.97 Diese Wirkung auf seine Mitmenschen scheint er sich in der Tat nicht eingebildet zu haben. Das kann man vor allem an der Berichterstattung über ihn in der linksliberalen Presse ersehen, die diesem »beim Volk ungemein beliebten Prinzen« eine »Gesinnung« zuschrieb, »die man vom Standpunkt des Liberalismus und des Fortschritts nur begrüßen kann«.98 Es scheint sich hier aber doch eher um gefühlte oder imaginierte Eigenschaften gehandelt zu haben. Er profitierte zweifelsohne davon, daß er schon rein äußerlich und 213 213
habituell so anders war als sein kränkelnder, menschenscheuer und auch sonst eher fader großherzoglicher Vetter Fritz. Was umso mehr wirken mußte, als es ja außer diesen beiden Zähringern kein monarchisches Personal in Baden gab. Gezehrt haben dürfte Max auch von einer Art »Thronfolger-Bonus«, der ihn zu dem Zukunftssträger der Monarchie in Baden avancieren ließ. Schließlich wird aber auch der von ihm kultivierte Stil zu seinem überaus positiven Image beigetragen haben: märchenhaft und schlicht zugleich; traditionsbewußt aber aufgeschlossen; eloquent und doch nicht bramarbasierend; verbindlich, ohne sich festzulegen. Wenn nicht alles täuscht, so hat Max von Baden versucht, sich den Herrscherattitüden seines verstorbenen Onkels auf zeitgemäße Weise anzuverwandeln. Wobei er noch mit einem Vorzug ganz eigener Art aufwarten konnte, seinen ästhetischen Vorlieben und künstlerischen Neigungen. Insofern versprach dieser badische Thronfolger für manche Kreise, das Feld der Politik endlich auch kulturell zu bereichern – mit ihm verband sich die Hoffnung auf eine »Ästhetisierung des Politischen«.99
»Die Welfenfrage bleibt ungelöst«. Als Diplomat und Vermittler Die badische Landespolitik geriet schon 1912 wieder aus dem Blickfeld des Kammerpräsidenten. Der Hauptgrund, neben Privatem, war, daß die »Welfenfrage« ungeahnte Aktualität gewann. Schon in den Jahren zuvor war Prinz Max in dieser Sache tätig gewesen; schließlich hatte er die Botschaft nur zu gut verstanden, die noch Reichskanzler Bülow dem greisen Großherzog von Baden im Herbst 1906 gegeben hatte. Daß »die Cumberlandsche Familie, je länger sie außerhalb Deutschlands verweilt und unserem politischen und nationalen Leben fremd bleibt, immer weniger im Stande sein wird, den Aufgaben eines regierenden deutschen Fürstenhauses gerecht zu werden«.100 Um einen Prinzen Cumberland an das nationale Leben heranzuführen, kam nach Lage der Dinge nur der Eintritt in die deutsche Armee in Frage. Da »Kronprinz« Georg wegen seiner körperlichen Behinderung für den Militärdienst ausfiel, mußte bis zum Abitur des jüngsten Kindes, Prinz Ernst August, gewartet werden.101 Es bot sich die königlich-bayerische Armee an, in der die Offiziere ausschließlich auf den bayerischen Monarchen vereidigt wurden.102 214 214
Anfang 1908 wurde Max bei Prinz Ludwig von Bayern – dem späteren König Ludwig III. – informell vorstellig. Er bat den »lieben Onkel«, sich für einen Eintritt des Prinzen Ernst August in bayerische Dienste familienintern eizusetzen. Für die »Lösung der s. g. Braunschweigischen Frage«,103 die doch auch den Wittelsbachern am Herzen liege, sei ein solcher Militärdienst »eine unerläßliche Vorbedingung«, und der deutsche Kaiser habe ihm bereits »privatim« seine Zustimmung zu erkennen gegeben.104 Einen Monat später reiste Max persönlich nach München, um die Sache in Gesprächen mit Onkel Ludwig und dessen Vater, dem greisen Prinzregenten Luitpold von Bayern, voranzubringen. »Ich scheue vor keinen Schwierigkeiten zurück, diese Sache zur glücklichen Lösung zu bringen, welche sie auch sein mag, da ich einen Erfolg für die Zukunft durchaus wünschen muß.«105 Und es gelang tatsächlich: Im Sommer 1908 konnte Prinz Ernst August als Herzog zu Braunschweig und Lüneburg in das Offizierskorps der sogenannten Schweren Reiter – des bayerischen Pendants zum preußischen Garde-Kürassier-Regiment – eintreten.106 Nach achtjährigem Einsatz hatte Max endlich einen ersten Sieg in seinem Kampf errungen, das Haus seines Schwiegervaters dynastisch zu rehabilitieren. Er ermöglichte dem Cumberländer einen psychologisch wichtigen Schritt aus seiner Isolation heraus. Nach der badischen Residenz Karlsruhe stand dem Herzog nun auch der bayerische Königshof für standesgemäßen Besuch offen. »Ich werde den gnädigen und zu Herzen gehenden Empfang«, schrieb Ernst August senior im August 1908 an den Prinzen Ludwig von Bayern, »den mir Dein teurer Vater in München gewährte, für Alle Zeit in dankbarster Erinnerung bewahren«.107 Nicht weniger dankerfüllt dürfte er gegenüber seinem Schwiegersohn Max gewesen sein, ohne dessen Engagement das alles kaum möglich gewesen wäre. Wie noch keiner vor ihm hatte es Max verstanden, die antipreußischen Ressentiments der Wittelsbacher für die Interessen der Welfen zu nutzen. Mit Bedacht hatte er nicht den letztlich zuständigen Prinzregenten Luitpold von Bayern angesprochen, sondern dessen Sohn, der als erzpartikularistisch und überdies als ausgesprochen kaiserfeindlich galt.108 Vier Jahre blieb es dabei, bis der tödliche Autounfall des »Kronprinzen« Georg von Hannover am 20. Mai 1912 in Nackel, auf preußischem Hoheitsgebiet, plötzlich, aber nicht unerwartet, die festgefahrene Beziehung zwischen Welfen und Hohenzollern erneut in 215 215
Bewegung brachte. Auf Seiten Preußens war man innerlich scheinbar vorbereitet, das zeigt der Tagebucheintrag der kaiserlichen Hofdame Mathilde von Keller, die den Unglücksfall spontan »eine Schicksalsfügung« nannte: »Der Kaiser gab sofort den Befehl, daß eine Ehrenwache von den Rathenower Husaren, deren Chef König Georg V. von Hannover, der Großvater des Verunglückten, gewesen war in Nackel aufziehen und die [Hohenzollernschen] Prinzen Eitel Friedrich und August Wilhelm sich dort hinbegeben, ihre Hilfe anbieten und der Trauerfeier beiwohnen sollten.«109 Der König von Preußen konnte sich der enormen Wirkung einer solchen ritterlichen Ehrbezeugung gewiß sein, zumal er es auch an einem angemessenen Kondolenztelegramm nicht fehlen ließ.110 Der Herzog von Cumberland hatte verstanden. Denn er antwortete dem ungeliebten Kaiser nicht nur telegrafisch und brieflich, sondern er schickte seinen nunmehr einzigen Sohn Ernst August nur zwei Tage nach dem Begräbnis in Gmunden zur persönlichen Danksagung ins Neue Palais nach Potsdam, wo ihn die kaiserliche Familie am 31. Mai 1912 sehr herzlich empfing und er mehrere Stunden blieb.111 Die Idee zu dieser außergewöhnlichen Höflichkeitsgeste dürfte von dem Prinzen Max ausgegangen sein, der sich auch als Begleiter seines erst 25-jährigen Schwagers zur Verfügung stellte.112 Das vermutete jedenfalls die Wiener Neue Freie Zeitung, die diesem Besuch gleich mehrere Artikel widmete.113 Die Presse konnte nicht wissen, daß auch einige hochrangige Welfenpolitiker an diesem Arrangement beteiligt waren. Denn bei der Trauerfeier in Gmunden hatten sich die Getreuen aus Hannover erstmals um den nunmehrigen Erbprinzen Ernst August bemüht »in der Erwägung, daß die Hoffnung des hannoverschen Volkes jetzt allein auf ihm beruhe«.114 Das traurige Ereignis scheint ein hochpolitisches Forum gewesen zu sein, auf dem diskutiert wurde, welche Konsequenzen aus der neuen welfischen Erbfolge zu ziehen seien. Der Regent in Braunschweig sah ebenfalls die Stunde gekommen, um die Welfenfrage noch einmal aufzurollen.115 Doch Max bat um Zurückhaltung, als er kurz nach dem Besuch in Potsdam mit Ernst August nach Schwerin kam. Er achtete eifersüchtig darauf, sich seine Rolle als Vermittler von niemandem mehr streitig machen zu lassen. Während in Berlin von amtlichen Stellen die politische Bedeutung des Potsdambesuches mit Nachdruck bestritten wurde,116 waren die Beteiligten hinter den Kulissen umso intensiver engagiert. Mit Be216 216
Mit seinem Schwager Ernst August von Cumberland beim Verlassen des Adlon, Berlin, 1912
dacht hatte Wilhelm II. schon im Vorfeld des Empfangs im Neuen Palais beim Reichskanzler einen sogenannten Immediatbericht angefordert, der ihm Auskunft geben sollte über die etwaigen Konsequenzen des Todesfalles für die Welfenfrage.117 Zudem wurde die Begegnung wie ein rein familiärer Privatbesuch behandelt und bot damit beste Voraussetzungen für einen unverfänglichen Kontakt von Kaisertochter Victoria Luise und Welfenprinz. »Macht von dem ersten Moment Eindruck auf mein Kind. Gott weiß, ob es je etwas werden kann«, notierte damals die deutsche Kaiserin in ihr Tagebuch.118 Von ihrer Schwiegertochter, der Kronprinzessin Cecilie, hörte ihr Bruder Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin denn auch gleich, daß Ernst August »den allerbesten Eindruck in Potsdam gemacht hat, was wohl den alten Wunsch nach einer Verbindung mit der Tochter wieder erneut aufleben lassen wird«.119 Das mutmaßte auch die Welfenpartei, die die Szenerie mit besonderer Sorgfalt beobachtete.120 Nun wußte niemand besser als Max, daß der kürzeste Weg auf einen Thron für seinen Schwager nur über so ein Arrangement führen würde. Mehr noch: daß für eine solche Ehe ein wahres Traum217 217
paar zur Verfügung stand, das von Politik nichts wußte und nichts wissen wollte, das sich außerdem sympathisch war. Nichts lag also näher für ihn, als die besondere Gunst dieser vielleicht letzten Möglichkeit zu nutzen. Weihnachten 1912 hatte Ernst August junior seinen Vater dahin gebracht, daß dieser ihn nicht mehr daran hindern wollte, sich auch ohne vorhergehende politische Übereinkommen zwischen den Dynastien zu verloben. Was Max umgehend dem deutschen Kaiser berichtete: »Den Verzicht [auf Hannover] ausgenommen, hat er freie Hand zu tun, was er will, und ist der Zustimmung und des Segens seiner Eltern sicher. Bist Du geneigt, ihn so zum Schwiegersohn zu nehmen, so kann eine Begegnung stattfinden.« Auf diesen schwiegerväterlichen »Umschwung«, so ließ er durchblicken, »waren wir alle nicht gefaßt«. Die deutsche Kaiserin beschwor Max noch einmal separat, nunmehr auch von dem Schwiegersohn in spe »nicht mehr zu verlangen, als gegeben werden kann. Die Zeit und die gemeinsamen Interessen werden noch viel zu Stande bringen, wenn man ruhig wartet und werden läßt.«121 Doch dem Kaiser war dies offenbar nicht genug, so daß er den Heiratsdiplomaten Max im Januar 1913 noch einmal nach Berlin rief.122 Hier mußte dieser Stunden erleben, »die mich von meinem Ziel immer mehr zu entfernen und mein mühsam unternommenes Werk endgültig zu zerstören schienen«.123 Zwar wollte Wilhelm II. seine einzige Tochter standesgemäß verheiraten und den hartnäckigen dynastischen Zwist beenden, doch die Loyalität von Ernst August wollte er sich in Form einer schriftlichen Garantieerklärung versichern lassen. Der niedergeschlagene badische Prinz befürchtete nun, daß sein Schwiegervater so eine Erklärung rundweg verweigern würde. Dann aber erstieg in Gestalt des Kaisersohnes Adalbert wunderbarerweise »ein Retter in der Not«. Der habe sich so »schön benommen«, daß er »den Knoten zerhieb, der den Weg versperrte und die beiden jungen und hoffenden Herzen trennte«. Die Realität hinter dem etwas schiefen Bild war, daß Ernst August mit einem offenen Liebesgeständnis für Victoria seine Eltern motivieren konnte, sein Lebensglück nicht durch ihre kompromißlose Haltung zunichte zu machen. Am 21. Januar 1913 kam der junge Cumberländer nach Karlsruhe, um mit Max das Loyalitätsschreiben aufzusetzen, für das Prinz Adalbert einen Entwurf des preußischen Hausministers mitgebracht hatte. Max ließ es sich nicht nehmen, dieses »Versprechen meines 218 218
Schwagers« am nächsten Tag mit einem persönlichen Begleitbrief an Wilhelm II. nach Berlin zu schicken, »indem ich mich glücklich schätze, derjenige zu sein, der die Ehre hat, Dir dies folgenschwere Schreiben übersenden zu dürfen«. Wohl wissend, daß es sich hier um die Übermittlung eines Dokuments von historischem Rang handelte, eines Geheimdokuments, denn weder die Öffentlichkeit hat jemals davon erfahren noch die Welfenbewegung, die ein solches Verhalten gewiß mißbilligt hätte.124 In dem Schreiben bat Ernst August um Aufnahme in die königlich-preußische Armee – mit obligatorischer Vereidigung auf den Obersten Kriegsherrn, dem er »Treue und Gehorsam eidlich geloben« wollte. Zudem war er bereit, dem »Kaiser und König auch noch ehrenwörtlich zu versichern, daß ich jetzt schon alle Obliegenheiten und Verpflichtungen getreulich erfüllen werde, die nach der Verfassung des deutschen Reiches und des Herzogtums Braunschweig von einem deutschen Bundesfürsten verlangt werden«.125 Die erste Runde ging also eindeutig an Preußen, dessen Oberhaupt die Erklärung denn auch »akzeptierte«. Mit ihr – schrieb er Max – sah er »die politischen Voraussetzungen für eine etwaige Verbindung Deines Schwagers mit Meiner Tochter als erfüllt an«.126 Nachdem er das Sendschreiben an seinen »allergnädigsten Vetter« auf den Weg gebracht hatte, verabschiedete sich Max am 24. Januar 1913 nach Italien, wo auf Anacapri ein letzter Versuch gestartet werden sollte, die Zukunft des Hauses Baden auf ein noch breiteres Fundament zu stellen. Kaum hatten sich Max und Louise bei Axel Munthe einquartiert, erhielt der Prinz aber am 31. Januar 1913 einen Brief des Kaisers, der ihm »ordentlich in die Glieder gefahren ist, denn er sagt mir, er wolle in der ersten Hälfte Februar mit der Kaiserin und der Prinzessin [Victoria Luise] nach Karlsruhe kommen, damit dort die Begegnung mit meinen Schwager [Ernst August] stattfände, und eventuell die Verlobung daselbst veröffentlicht werde.« Max war perplex: »Ich werde ihm schreiben, daß auf unsere Rückkehr unbedingt gewartet werden müsse«. Es sei ja »überhaupt unmöglich, daß die Verlobung in Karlsruhe stattfindet, ohne daß wir dabei sind«.127 Als Wilhelm II . darauf bestand, die Verlobung wie geplant im Februar ins Werk zu setzen – »es ist an der Zeit, daß endlich Schluß gemacht wird«!128 –, ließ Max die Koffer packen und war noch am Vorabend des Ereignisses zur Stelle. Der öffentliche Dank ließ nicht lange auf sich warten. »Den rastlosen Bemühungen des Prinzen Max von Baden«, so schrieb die Neue Freie Presse, 219 219
Die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria (Mitte) auf Besuch in Schloß Gmunden 1913. Rechts von ihr die Herzogin von Cumberland sowie das Prinzenpaar Max von Baden
»scheint es nun endlich gelungen zu sein, das Versöhnungswerk zu vollenden.«129 Aber auch der Dank des Kaisers war unserem Prinzen durchaus gewiß.130 Daß er dafür sogar seine Kur auf Capri abbrach, bringt am Ende das Motiv seines »rastlosen« Engagements in der Welfenfrage an den Tag. Er mußte in Karlsruhe persönlich präsent sein, weil er sonst nicht gefeiert werden konnte. Nur vier Tage nach der denkwürdigen Verlobung131 mußte Ernst August im Sternsaal des Berliner Stadtschlosses seinen Fahneneid auf den anwesenden König von Preußen ablegen.132 Mit diesem Gehorsamsversprechen war der Enkel des letzten Königs von Hannover eine Treuebindung gegenüber dem Hause Hohenzollern eingegangen.133 Erneut hatte ihn Max auf der Fahrt nach Berlin begleitet, die für Parteigänger der Welfen etwas von einem Gang nach Canossa hatte – auch wenn mit der Verleihung des Schwarzen Adlerordens an den Bräutigam der Courtoisie mehr als Genüge getan worden war.134 Zwei Wochen später kam es dann zum Besuch der deutschen Kaiserin mit Tochter bei der Familie des Herzogs von Cumberland in Gmunden, wo ihr ein großer und familiär gewinnender Empfang bereitet wurde.135 Nun mußte die dynastische Hauspolitik noch von Staats wegen 220 220
so sanktioniert werden, daß aus dem borussifizierten Welfen möglichst bald der Monarch eines reichsdeutschen Bundesstaates werden konnte. Das ließ sich nur mit Hilfe der Regierungsinstanzen bewerkstelligen, die bisher außen vor geblieben waren. Ab März 1913 traten der deutsche Reichskanzler – auch in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident – sowie die Regierung im Herzogtum Braunschweig mit ihrem Regenten an der Spitze auf den Plan.136 Die zentralen politischen Vorgaben, um den Bundesratsbeschluß von 1907 aufzuheben,137 waren auf preußischer Seite, daß das Welfenhaus einer Restauration des Königreichs Hannover abschwören und darüber hinaus, die Kontakte mit seinen parteipolitischen Interessenvertretern in Hannover, der Welfenbewegung, abbrechen sollte.138 Doch der Öffentlichkeit mußten diese Vorleistungen ganz anders verkauft werden – so der Dynast Ernst August und seine Berater. Sie befürchteten für den Fall eines formellen Verzichts auf Hannover einen verheerenden Ansehensverlust. Die gleiche Sorge trieb auch Prinz Max um, der in einer Denkschrift von Februar 1913 dazu Stellung nahm.139 Adressat waren befreundete Bundesfürsten sowie Reichskanzler Bethmann Hollweg. Dieses politisch aufschlußreiche Papier versucht zu beweisen, daß ein Verzicht des Prinzen auf Hannover gar nicht notwendig sei, um das Reich und Preußen sicherzustellen. Werde vom Prinzen Ernst August – so die Argumentation – kein förmlicher Verzicht auf Hannover verlangt, so würde die Welfenpartei »mit viel versöhnlicheren Gefühlen Preußen gegenüber dastehen und auftreten als bisher«. Der Treue der Hannoveraner zu ihrer angestammten Dynastie komme »eine hohe ideale und politische Bedeutung« zu, die auch von Preußen endlich anerkannt werden sollte. »Denn schließlich ist die Treue zwischen Fürst und Volk ein Element, mit dem jede monarchische Regierung rechnen muß und gerne rechnet«. Als weitere Punkte führt Max noch an: »1) die Rücksicht auf die Ehre der Deutschen Fürsten, des Kaisers an ihrer Spitze. 2) Die Hochhaltung des monarchischen Prinzips und endlich 3) die Ehre des Prinzen Ernst August selbst«. Auch in der Schlußfolgerung hofft der Autor der Denkschrift auf eine »Stärkung des monarchischen Gedankens«. In Form einer regierungsoffiziellen Stellungnahme, »die bekundet, daß nach Herstellung enger Beziehungen zwischen den beiden Königshäusern auch in die Völker das Vertrauen gesetzt wird, friedlich zu einander zu stehen«. Der Besuch der deutschen Kaiserin in Gmun221 221
den habe doch sehr deutlich die Richtung angegeben, die auf solche »guten Bahnen führt«. Auf preußischer Seite scheinen diese Argumente, trotz ihrer legitimistischen Strenge, wenig überzeugt zu haben. Das zeigte sich bereits im April 1913, als die Eltern des Bräutigams Kaiser Wilhelm II . in Homburg besuchen durften.140 Der eigens dafür herbeizitierte Reichskanzler setzte dem Herzog von Cumberland auseinander, was der politische Preis für eine baldige Thronbesteigung des Sohnes in Braunschweig war: seine explizite Verpflichtung auf die preußischdeutsche Staatsraison nämlich – mit zumindest implizitem Verzicht auf Hannover und Distanzierung von der Welfenpartei. Da war auch für Max nichts mehr zu machen. Mit den Verhandlungen von Homburg verband die preußische Seite – wie die anwesende Hofdame der Kaiserin in ihrem Tagebuch festhielt – die feste Hoffnung, »daß die Unterschrift des Herzogs unter ein ihm vom Kanzler vorgelegtes Dokument demnächst erfolgen wird«.141 Nachdem bereits ein konkreter Hochzeitstermin verabredet worden war, gab es für die Welfendynastie eigentlich kein Zurück mehr. Ein schwieriges Unterfangen auch angesichts der Getreuen von der Deutschhannoverschen Partei, die ihren Unmut inzwischen deutlich artikuliert hatten.142 Eine Herausforderung auch für Max von Baden, der sich gleich im Anschluß an die Homburger Tage mit Ernst August senior und junior nach Karlsruhe zurückzog, um dort zusammen mit einigen Ratgebern passend zu antworten.143 Das Ergebnis war ein hochoffizielles Schreiben des Bräutigams an den Reichskanzler vom 20. April 1913 aus Gmunden, das den in Homburg bereits vorformulierten Vorbehalt redaktionell bearbeitet.144 Darin setzt Ernst August junior Bethmann Hollweg von dem Entschluß seines Vaters in Kenntnis, dessen »Rechte auf die Regierung im Herzogtum Braunschweig auf mich zu übertragen«. Sodann erklärt er feierlich: »Mit Zustimmung meines Vaters suchte ich meine Anstellung als Offizier im preußischen Heere nach und gelobte eidlich dem Kaiser und Könige Treue und Gehorsam. Darin liegt das Versprechen, daß ich nichts tun und unterstützen werde, was darauf gerichtet ist, den derzeitigen Besitzstand Preußens zu verändern.«145 Damit war nach Max’ Auffassung endlich erreicht, was nun »die Braunschweigische Frage endgültig und befriedigend löst«.146 Über seine eigene Rolle bei diesem Schlußakt hat er selbst nichts weiter verlautbart. Wohl aber Hermann Hodenberg, ein entschiedener Par222 222
teigänger des Welfenhauses. In seinen Erinnerungen hielt er fest, daß der besagte »Brief unseres Herzogs« von fataler Wirkung gewesen sei, weil er nach der – nicht ganz falschen – »Annahme der Preußen einen Verzicht auf Hannover aussprach«. Das habe »Verwirrung in die Reihen unserer Partei getragen und einen Schaden angerichtet, der nie wieder hat gut gemacht werden können«. Der Herzog habe den Brief allein mit seinen Familienangehörigen beraten und verfaßt – ohne die maßgebenden Führer der Welfenpartei anzuhören. Einer der beteiligten Kammerherrn des Familienchefs Ernst August habe ihm später »vertraulich erzählt, welchen Kampf er schon bei den Vorbesprechungen in Karlsruhe habe durchmachen müssen, um Schlimmeres zu verhüten. Prinz Max habe durchaus geraten, den Verzicht auf Hannover in dem Briefe auszusprechen und nicht verstanden, weshalb Schele [der Kammerherr] sich mit Hand und Fuß gegen diesen Plan gewehrt habe. Der Prinz habe gemeint, unter veränderten politischen Verhältnissen könne ein Verzicht ja jederzeit zurückgenommen werden.«147 Dem Kaiser konnte Bethmann Hollweg jedenfalls am 22. April Vollzug melden – auch ohne formellen Verzicht der Cumberländer auf Hannover. Der sei verschmerzbar, so versicherte er Wilhelm, weil Vater und Sohn ihm gegenüber ausdrücklich erklärt hätten, sie »wünschten, daß diese Rechte schliefen. Ihnen Beiden liege es absolut fern, sie auf irgendeine Weise, und sei es auch in der friedlichsten und gesetzlichsten Form, zum Leben zu erwecken.« Woraus der Kanzler richtig folgerte: »Virtuell bedeutet diese Auffassung den Verzicht.«148 Die ganze Materie blieb aber offenbar so heikel, daß nicht einmal das Protokoll der Sitzung des Preußischen Staatsministeriums Einzelheiten darüber mitteilt.149 Das hing eben »mit der entschiedenen Abneigung« des Kaisers zusammen, »das Staatsministerium mit der delikaten Sache zu befassen«.150 Tatsächlich handelte es sich um eine ausgesprochene Kungelei. Sie lief auf eine Mediatisierung des Welfenhauses hinaus, die aber – so die geheime Absprache – nicht als solche öffentlich werden durfte. Es war dies das Resultat einer geheimen Kabinettspolitik, bei der allein die Autorität der fürstlichen Akteure gezählt hatte – im vorliegenden Fall die des obersten Hüters der preußischen Staatsraison. Und die Welfen hatten die Kröte schlucken müssen, weil sie anders nicht in den Schoß der regierenden Fürstenhäuser hätten zurückkehren können. Hinter der großen preußisch-welfischen Vermählungs223 223
feier, die die monarchische Herrscherfamilie Europas Ende Mai 1913 mit märchenhaftem Pomp und entsprechendem Pressegetöse in Berlin zelebrieren durfte,151 verschwand all dies – um des schönen Scheines willen. »Wir sind glücklich«, so Kaiser Wilhelm post festum in einem Telegramm an die Schwiegereltern seiner Tochter, »in der Erinnerung an die gemeinsam verlebten Tage, an das schöne und bedeutsame Familienfest, das unsere Häuser für immer verbunden hat.«152 Knapp zwei Wochen später stellte die regierungsamtliche Norddeutsche Allgemeine Zeitung vergleichsweise offenherzig klar: »Hannover ist und bleibt Bestandteil des preußischen Staates«, daran sei überhaupt nichts zu rütteln. Dafür biete namentlich die loyale »Gesinnung« des Herzogs von Cumberland und seines Sohnes gute Gewähr, da sie allen »Versuchen« einer »Wiederherstellung des Königsreichs Hannover« gänzlich fernständen. »Das feierliche Wort des Prinzen Ernst August, das er im Einverständnis mit seinem Vater abgegeben hat, bürgt über jeden Zweifel hinaus dafür, daß er nichts tun und nichts unterstützen wird, was eine Änderung des preußischen Besitzstandes im Auge hat.«153 Und Mitte Juni untermauerte der Reichsanzeiger dieses Statement durch die Veröffentlichung des »feierlichen Wortes« das Ernst August am 20. April gegeben hatte.154 Nun war es öffentlich: Das Welfenhaus konnte sich in Deutschland zwar wieder fürstlich etablieren, aber trug auf politischem Feld eine unsichtbare Leine um den Hals. Den Abschluß der »feindlichen Übernahme« seiner Souveränität durch Preußen stellt wohl der Besuch des Generalbevollmächtigten des Gmundener Hofes, Georg von der Wense, privat bei Bethmann Hollweg in Hohenfinow dar. Dort sicherte er am 1. September im Auftrag seines Herzogs bindend zu, jede materielle Unterstützung der Deutschhannoverschen Partei definitiv einzustellen.155 Am 27. Oktober 1913 erlaubte der Bundesrat auf preußischen Antrag die Zulassung des jungen Prinzen Ernst August auf den braunschweigischen Thron, sieben Tage später war er regierender Herzog.156 Damit war das alte Königshaus Hannover de facto ausgestorben, denn mit der Thronbesteigung des einzigen Erbprinzen Ernst August wurde eine Nebenlinie des Hauses Braunschweig begründet, die die Bismarcksche Reichsverfassung rückhaltlos anerkannte und keine Ansprüche mehr auf Hannover erheben durfte. So konnte sich auch der deutsche Reichskanzler am 13. Januar 1914 vor den preußi224 224
schen Landtag stellen und dort ein für alle Mal verkünden, er sei vom regierenden Herzog in Braunschweig »ausdrücklich ermächtigt, vor diesem Hause und vor dem ganzen Lande festzustellen, daß jede Berufung auf den Herzog für die Betätigung der Bestrebungen der deutsch-hannoverschen Partei nicht nur dem Willen Seiner Königlichen Hoheit nicht entspricht, sondern diesem Willen direkt widerspricht«.157 Der Vater des neuen Herzogs war endgültig zur Privatperson geworden, und »die Welfenfrage bleibt ungelöst« – wie die Neue Zürcher Zeitung konstatierte.158 Bis Frühjahr 1914 hatte Max zwar wiederholt damit zu tun, »akut gewordene Nachwehen der Welfenbewegung zu heilen, was mir gelang«.159 Doch auch dieses Problem löste sich schließlich auf, weil die politische Anhängerschaft des Dynasten in Hannover immer deutlicher gewahr wurde, daß ihr angestammtes Herrscherhaus eine öffentliche Unterstützung seiner Interessen nicht mehr brauchte. »Wir kämpfen nicht für unser Welfenhaus, sondern für uns selbst«, unter dieser Parole wandte sich die Deutschhannoversche Partei seit 1914 auch offiziell vom ehemaligen Königshaus ab, um nunmehr vor allem für das Recht des hannoverschen Volkes auf Eigenständigkeit und Selbstverwaltung zu kämpfen.160 Fragt man abschließend nach dem persönlichen Anteil des Prinzen Max an diesem Ergebnis, so muß man sagen, daß er keinen bestimmenden Einfluß auf den Lauf der Dinge hat nehmen können. Dafür war er politisch nicht versiert genug und zu sehr fixiert auf sein Ziel gewesen: die Thronbesteigung eines Welfen in Braunschweig. Da er die möglichen politischen Konsequenzen nicht nach verschiedenen Richtungen hin durchdachte, wurde er selbst zum Gefangenen seiner Vorgabe – und dadurch zum Spielball, der einmal hier- und einmal dorthin sprang. Mißt man das 1913 erzielte Ergebnis seines mehr als zehnjährigen Engagements für die dynastischen Interessen des Welfenhauses an seinen legitimistischen Überzeugungen, so durfte er mit dem faulen Kompromiß eigentlich nicht zufrieden sein. Weder war die unrechtmäßige Annexion Hannovers im Jahre 1866 gesühnt worden, noch hatte Max es vermocht die großpreußische Hausmachtpolitik einzudämmen, geschweige denn zu revisionieren. Das einzige, was von den Preußen erlangt werden konnte, war eine – Sprachregelung. Die ersparte es dem Welfenhaus, seinen faktischen und ehrenwörtlichen Verzicht auf Hannover als solchen auch nach außen kommunizieren zu müssen. Aber selbst in 225 225
dieser Etikettenfrage war Max am Ende wie erwähnt akzeptanzbereiter als sein Schwiegervater. Ob diese biegsame Haltung durch den Erfolg der Thronbesteigung seines Schwagers in Braunschweig gerechtfertigt und aufgewogen wurde, muß aus politikgeschichtlicher Sicht bezweifelt werden. Denn letztlich war es doch staatspolitisch kurzsichtig, in dieser turbulenten Zeit, die von vielen Zeitgenossen längst als Vorkriegszeit empfunden wurde,161 einem 26-jährigen Offizier der königlich-bayerischen Armee ohne jede welt- oder gar staatsmännische Erfahrung, standesgemäße Sozialisation und politisches Profil mit der Macht eines regierenden Souveräns auszustatten – nur um eines überkommenen Prinzips willen.162 Rein äußerlich mag es nur eine leichte Bürde gewesen sein, die der junge Herzog in dem norddeutschen Kleinstaat übernahm, und paßte insofern zu seinem eigenen politischen Gewicht. Doch gesamtmonarchisch betrachtet mußte dies die politische Substanz des Systems nur weiter aushöhlen. Bereitwillig hatte Max von Baden die Hand dazu gereicht, daß Hannover, dieses auch nach 1866 noch herrscherstolze Königshaus ohne Thron, zu einer herzoglichen Dynastie von Preußens Gnaden degradiert wurde – zu einem kleinfürstlichen Haus mit einem Souverän an der Spitze, den nichts für seine herausragende Machtstellung qualifizierte außer seiner erblichen Zugehörigkeit zu einem uralten Fürstengeschlecht. Kann man das eine historische Leistung nennen?
Ein politischer Kopf? Max’ politisches Denken ging von dem Grundsatz aus, daß der Monarchismus in Deutschland gesellschaftlich fest verankert war. Als Kern dieser politischen Gesinnung treten bei ihm Loyalität, Ehrfurcht, Treue, Anhänglichkeit und Verehrung und Hochachtung den gekrönten Häuptern wie auch dem Kaiserreich gegenüber hervor. Sein Ziel war es, dieses Gefühl, diesen Autoritätsrespekt zu pflegen, zu bestärken und möglichst unbeschadet durch die Turbulenzen der Zeit zu bringen. Dabei begriff er sich selbst als einen probaten Sympathie- und Werbeträger. Sein Ansatz lief darauf hinaus, das monarchische Prinzip emotional zu implementieren, aus seiner politischen Matrix eine anständige Gesinnung, eine überzeugungskräftige Moral zu machen. »Monarchisches Gefühl« – so wußten kluge Zeitge226 226
nossen schon um die Jahrhundertwende – »wird nicht gelehrt, es wird suggeriert«.163 In der Tat. Es ging darum, dem politischen Souveränitätsanspruch des Volkes den respekterheischenden Nimbus des Monarchischen wirksam entgegenzusetzen. Etwa durch die Entschärfung von so gefährlichen Loyalitätskonflikten, wie sie 1866 durch die Bismarckschen Fürstenentthronungen heraufbeschworen worden waren; oder durch eine wohlwollende Herablassung gegenüber dem Volk, selbst wenn es Sozialdemokraten waren. So war sein Blick weniger auf die Institution gerichtet, sondern vielmehr auf deren Verkörperung, den Monarchen in seiner höheren Wesenheit. Deshalb hütete er auch so gern dessen »Geheimnisse als Schätze, die den Augen der Welt verborgen bleiben sollen, denn ich bin ein instinktiver Feind der Öffentlichkeit«. Nur zu oft habe er erfahren, »wie die Dinge an Wert und Zauber verlieren, wenn der Schleier von ihnen gezogen wird«.164 Staatsmännisches Format indes wird man dem Prinzen von Baden im letzten Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg ebensowenig zuerkennen können wie prospektives Denken. Damit soll nicht mangelnde politische Intelligenz beklagt, sondern auf eine eingeschränkte Weltsicht aufmerksam gemacht werden, die strukturell bedingt war und der es deshalb an der Fähigkeit zur Antizipation mangelte. Was Max aus der Politik aufnahm, bestätigte letztendlich seine Sicht der Dinge. Weltoffene Aneignung von Neuem oder gestaltende Teilhabe hatten dort keinen Platz. So mußte es beim Wirkenwollen eines Nichtpolitikers, eines Unpolitischen bleiben. Mit dem wirklichen politischen Leben war er bis zum Ersten Weltkrieg nicht verwachsen – und fühlte auch kein Bedürfnis danach. Gleichwohl ging Max seit seinem Engagement in der Welfenfrage davon aus, sich die ersten Sporen im Kampf um Macht tatsächlich schon verdient zu haben. Schließlich hatte ihn Reichskanzler Bethmann Hollweg bei dieser Problemlösung auf eine Weise hinzugezogen, die den Beteiligten noch Jahre später von »den Zeiten gemeinsamen Wirkens und Verstehens« schwärmen ließ.165 Hinzu kam die Annahme liberaler Bildungsbürger, es bei dem badischen Thronfolger mit einem weitgehend verbürgerlichten, liberalen, keineswegs reformfeindlichen modernen Fürsten von hohen geistigen Gaben zu tun zu haben. Diese Annahme war nicht durch politische Taten des Protagonisten gedeckt, sie entsprang bürgerlichem Wunschdenken und Fortschrittsglauben. Max selbst mochte diese sympathe227 227
tische Anmutung weder bestätigen noch dementieren. Das nährte wiederum die Hoffnung seiner Anhänger und ließ sie unablässig nach äußeren Anzeichen suchen, die ihre Wunschvorstellungen wenigstens indirekt bestätigten. Max’ Wertehimmel, seine mentale Grundhaltung und seine Selbstauffassung waren und blieben aber nicht bürgerlich geprägt, sondern hochadelig autonom. Insofern beruhte die vermeintliche Affinität zwischen diesem Fürsten und seinen politischen »Freunden« aus den bildungsbürgerlich-liberalen Kreisen auf einem Mißverständnis. Das Fatale war, daß keine der beiden Seiten ein Interesse daran besaß, es aufzuklären oder auf eine rationale Grundlage zu stellen. Dafür hatte man diese Vorstellung einfach zu lieb gewonnen.
»Familienkreuz« und Kinderwünsche Die Karlsruher Hofsaison im Winter betrachtete Max als »die Zeit, in der ich mein Familien- und Gesellschaftskreuz besonders drükkend empfinde und wirklich ›zu tragen‹ habe«.166 Sie dauerte in der Regel von Oktober bis Februar und brachte für einen Repräsentanten des Hauses Baden eine Fülle von gesellschaftlichen Verpflichtungen mit sich. Besonders negativ stand der Thronerbe jedoch auch den Aufgaben gegenüber, vor die ihn seine Familie stellte, er spricht sogar von seinem »Hauskreuz«167. Im Jahre 1911 – also nach zehn Jahren Ehe – berichtet Max in seiner privaten Korrespondenz erstmals davon, »daß mein Familienleben bedeutend an Innigkeit und Inhalt gewonnen hat«.168 Dabei war seine Frau ihm schon in den Jahren davor »mit rührendem Verständnis und Interesse« begegnet; hatte sich nach Kräften bemüht, ihm »durch ihr feines weibliches Gefühl« auch innerlich näherzukommen.169 Zwar scheint Marie Louise äußerlich wenig hervorgetreten zu sein, doch hinter dieser Zurückhaltung »ein ganz gefestigtes Inneres« geborgen zu haben.170 Diese Beobachtung von Cosima Wagner bestätigte auch Johannes Müller gleich nach der ersten Begegnung. »Die Prinzessin spricht mit dem Mund fast nichts, desto mehr mit den Augen. Jedenfalls nimmt sie innerlich lebhaften Anteil, was mir der Prinz ausdrücklich versicherte.«171 Als sie Müllers Schriften in die Hand bekam, fand sie sich dort zu Max’ großer Freude gleich »schnell zurecht« – ob Müllers »großer Klarheit und Einfachheit«. 228 228
Prinzessin Max von Baden mit ihren beiden Kindern, um 1908
»Da sieht man«, so folgerte ihr Ehemann, »daß es nicht so sehr auf Intelligenz als auf die Haltung im Innern ankommt«.172 Auch bei den diversen Ballfesten, musikalischen Soireen und sonstigen Feierlichkeiten, zu denen das Prinzenpaar in das Karlsruher Palais einlud, füllte sie den ihr zugewiesenen Part tadellos aus, ebenso wie bei den Veranstaltungen im Karlsruher Residenzschloß. Auch für ihr Auftreten bei gemeinsamen Besuchen an anderen Höfen wurde sie gerühmt – etwa zu den Krönungsfeiern in London im Juni 1911.173 Über ihre Mutterrolle läßt sich den zugänglichen Quellen wenig entnehmen. Auffällig ist hier nur, daß sich die Prinzessin Max mit ihren beiden Kindern alljährlich gleich für mehrere Monate im elterlichen Schloß in Gmunden aufgehalten hat – wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, um Max sein »Familienkreuz« etwas zu erleichtern. Auch ohne erfülltes Eheleben hatte sich die Prinzessin Max – soweit wir wissen – klaglos in ihr Schicksal gefügt. Im Familienkreis ihrer Eltern und vor allem in ihren beiden Kindern scheint sie reichlich Ersatz gefunden zu haben. Was sie sich allerdings noch wünschte, war eine größere Zahl eigener Kinder, die natürlich auch der Zukunft des badischen Herrscherhauses gutgetan hätte. Und damit sind wir erneut beim Thema Munthe. Ende März 1911 mußte Max seinen Freund Müller versetzen, weil 229 229
»Dinge, die außerhalb meines Willens und meiner Berechnung liegen«, ihn zwängen, mit seiner Frau nach Italien abzureisen, und zwar »zu einem uns befreundeten Arzt«.174 Nach seiner Rückkehr Anfang Mai schrieb Max, daß neben dem Wetter dort »auch andere widrige Umstände uns nicht zum vollen Genuß haben kommen lassen«.175 Aus diesen leisen Hinweisen darf man schließen, daß Munthe mit seiner Behandlung nicht den gewünschten Erfolg erzielt hatte. Seitdem trug der Prinz wieder schwerer an seinem Schicksal, zeigte sich »tief bewegt« und steckte »in vielen Nöten«. »Es heißt also ausharren und werden lassen.«176 Doch es wurde nicht; nur das Projekt erst einmal vertagt. An Müller schrieb Max: »Das Schweigen spielt in meinem Leben eine immer größere Rolle, da in ihm die Dinge allein zu reifen vermögen. Das macht sich alles von selbst, der Mund weigert sich einfach, die Worte zu bilden.« Er versuche jetzt seine »egoistischen Wünsche« aus dem »unwillkürlichen Werden und Entstehen der Dinge« ganz herauszuhalten.177 Aus dem Dezember 1912 haben sich zwei Briefe überliefert, die etwas deutlicher werden. Zunächst aus der Feder von Marie Louise, die sich mit folgender Bitte an Axel Munthe wandte: Sie wolle so schnell wie möglich zu ihm kommen, denn sie glaube, »wenn wir wieder wie beim letzten Mal bis zu Frühlingsbeginn warten, ich mich dann ziemlich müde und erschöpft [von der Hofsaison] fühlen würde. Und in einem solchen Zustand nach Capri zu kommen, würde dann sicherlich ganz zwecklos sein.« Sie sei überzeugt, daß das Schlafzimmer in dem Torre di Materita auch schon früher »warm genug sein würde, um darin zu schlafen, ich könnte ja Wärmflaschen mitbringen und das Bett damit wärmen«. Sie würde nicht gerne nach Ägypten oder Griechenland ausweichen. »Meinst Du nicht, daß, wenn wir nach Rom gingen und uns dort eine Weile aufhielten und anschließend nach Capri zurückkehrten, dies genauso nett wäre, und ich glaube der Prinz [Max L. M.] würde das auch vorziehen. Ich habe dem Prinzen gesagt, daß die Luft auf Capri im Januar besonders belebend sei und daß er dann weniger unter neuralgischen Schmerzen leiden müsse als im April und daß wir dann außerdem zur Frühlingszeit zurück sein könnten, wenn hier alles schön ist; denn er scheint sehr unglücklich zu sein über die Idee der [möglichst frühen] Abreise und ich hoffte ihn damit zu trösten.«178 Dieses Schreiben der Prinzessin Max zeigt nicht nur, wie gelassen sie sich in Fragen der Empfängnis verhielt; es zeigt auch, daß sie jetzt die treibende Kraft dabei war, wäh230 230
rend ihr Gatte sich in sein Schicksal fügte. Und schließlich demonstriert sie mit ihrem Kinderwunsch noch etwas, was auch Max nicht verborgen blieb. »Darin ist meine Frau glücklich: Sie hat nie ein schlechtes Gewissen«.179 Das bestätigt auch der Brief, den ihr Gatte zwei Wochen später an Munthe aufsetzte. Darin bat er ihn, die Dinge so zu arrangieren, daß sie im März 1913 kommen könnten, weil am 24. Februar noch der 7. Geburtstag des Sohnes Berthold gefeiert werden müßte. Danach »ist meine Frau sehr willens zu kommen«. Und fügt hinzu: »Ich weiß nur zu gut, wie unglücklich Du und ich über diese meetings sind. Für mein Leben sind sie eine Plage, wenn ich an sie denke. Aber ich kann von meiner Seite nichts anderes tun, als dankbar zu sein und mich bemühen mitzuhelfen – durch stilles Ertragen. Wenn es das Schicksal will, so könnten/dürften wir am Ende noch einen Sieg davontragen«.180 Ende Januar 1913 fuhr das Ehepaar nach Capri. Schon wenige Tage nach der Ankunft in Anacapri gestand unser Prinz einer Vertrauensperson gegenüber ein: »So schön es hier ist und so gesund das Leben, das wir führen, so denke ich doch gern an den Tag der Heimreise. Es ist doch zu viel daheim, an dem man hängt, um nicht gern die Blicke wieder dorthin zu richten.«181 Worauf sein Blick konkret gerichtet war, wird uns später beschäftigen. Max konnte schließlich froh sein, daß ihn die Verlobungspläne des Kaisers ganz unverhofft aus seinem Martyrium befreiten. Das Thema Nachwuchs war mit dieser Fügung von der Agenda des Prinzen abgesetzt. Und seinen Freund Munthe hat er auch erst ein gutes Jahrzehnt später wiedergesehen. Über allem Leid, das sich wie ein permanenter Schatten auf Max’ Lebensweg gelegt hatte, darf man nun aber keinesfalls die glücklichen Episoden übersehen. Da war zunächst der Zauber von Bayreuth, der ihn seit 1908 wieder gefangennahm. Abermals erlag er dem »Charme« von Cosima Wagner. Denn auch mit ihren nunmehr 71 Jahren war die Herrin des Hügels »heiter, geistreich und interessant wie immer« geblieben.182 Bald war seine »Sehnsucht« wieder voll entfacht.183 Natürlich stand die berauschende Musik Wagners im Zentrum des »Großen und Guten«, was Max wieder so dankbar »empfing«184 – ein Genuß, der sich noch verstärken sollte, als er dort im Sommer 1912 mit der Sopranistin Anna Bahr-Mildenburg näher bekannt wurde.185 Als die verehrte Künstlerin ihm im Herbst 1912 eine private Ausarbeitung zur Rolle der Isolde im Tristan übereignete, zeigte er sich »ganz überwältigt« von der »Tiefe künstlerischer 231 231
Empfindung, die die ganze Arbeit durchdringt«.186 Außerdem hatte sich die Qualität von Schallplatten inzwischen derartig gesteigert, daß auch der Prinz daran nicht mehr vorbeigehen mochte. So konnte ihm auch jenseits des Opernhauses Wagners Götterdämmerung »mit erschütternder Wucht und Schönheit in ihrer ganzen Tragik« zu Gehör gebracht werden. Und ihn verzaubern. »Denn unablässig treiben Ton und Wort weiter dem Ende zu, bis in Trümmer stürzt Walhalls prangende Pracht und mit Nordlicht ähnlichem Schein die neue Zeit anbricht.«187 Auch in diesen Jahren hat es für Max Momente gegeben, »wo ich von innen getrieben, die Schranke niederwerfe, um als Mensch zum Menschen hinzutreten«.188 1909 war es der 29-jährige Karlsruher Hofkonzertmeister Rudolf Deman,189 bei dem ihm dies widerfuhr. Mit erstaunlichen Konsequenzen, wie er Johannes Müller verriet: »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was ich empfunden habe in dieser Sache und noch empfinde. Ich wandelte fast wie berauscht umher, und lebe hochgestimmt.« Und noch etwas schrieb er: »Meine Frau verfolgt diese Vorgänge mit rührendem Verständnis und Interesse, worüber ich sehr glücklich bin.« Auch mit Max’ Idee, den jungen Geiger im Sommer für einige Ferienwochen mit nach Salem zu nehmen, so lesen wir, sei Marie Louise »sehr einverstanden« gewesen.190 So durfte er mit Billigung seiner Gattin auf seinem geliebten Landsitz am Bodensee »eine herrliche Zeit« verbringen.191 Wann und warum diese Verliebtheit endete, ist nicht überliefert. Von April bis August 1909 war Rudolf Deman jedenfalls Max’ Günstling gewesen – so sehr, »daß ich mich auf andere Dinge schwer zu konzentrieren vermochte«.192 Danach findet sich in der Korrespondenz kein Wort mehr über ihn. Der Gleichmut der Prinzessin Max ist beachtlich. Vielleicht hat sie aber auch nur gute Miene gemacht …
Die Liebe zu Wilhelm Paulcke Weit hinaus über eine solche Verliebtheit ging kurz darauf Max’ schwärmerische Liebe zu Wilhelm Paulcke, der seit 1905 als außerordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Karlsruhe das Fach Geologie vertrat, bevor ihn Kultusminister Böhm 1911 zum Ordinarius machte.193 Einen Namen hatte sich der 1873 geborene 232 232
Paulcke besonders als Bergsteiger und Pionier des alpinen Skilaufs gemacht. Und in dieser Eigenschaft lernte der badische Thronerbe den Sportsmann im Dezember 1909 näher kennen, als dieser die Ehrengäste mit dem Protektor Max von Baden an der Spitze durch die »Internationale Wintersportausstellung« in Triberg führen durfte.194 Paulcke hat den Beginn ihrer Freundschaft wie folgt erinnert: »Schon während der Führung unterhielten wir uns eingehend über den Skilauf, und da wir bei Tisch einander gegenübersaßen, kam es auch nachher zu einer lebhaften Unterhaltung, in der sofort vom ersten Augenblick an ein starkes wechselseitiges Verstehen zum Ausdruck kam.« Max habe ihn dann sogleich als persönlichen Skilehrer verpflichtet und zunächst im Schwarzwald fleißig mit ihm geübt. Den Schwarzwaldtouren hätte sich schon bald eine gemeinsame Reise ins schweizerische Engadin angeschlossen, auf die Einführung in das Skilaufen sei eine solche in das Bergsteigen erfolgt. »Im zweiten Sommer [1912] war auch meine Frau eine Zeitlang mit oben in Sils. Schöne Bergfahrten, Tage, durchleuchtet von strahlender Sonne, in der Klarheit der Engadiner Luft folgten einander in langer Reihe. Abends las uns der Prinz den Tristan und die Götterdämmerung vor; wir erlebten zusammen deutsche Dichtung und hörten im Geiste Richard Wagners Musik. Der Prinz las mit seiner klangvollen Stimme die großen Werke des Meisters in packender Weise; Kunst und Natur in ihrer schönsten Gestalt voll erhebender Größe erfüllten unser Dasein.«195 Paulcke zufolge war es eine Freundschaft, die sich »auch auf unsere Familien übertrug und die auch über die gemeinsamen Bergfahrten hinaus zu einem lebendigen, besonders auch auf gemeinsame künstlerische Interessen gegründeten Verkehr von Haus zu Haus führte«. Überprüft man diese Erinnerung anhand der Selbstzeugnisse seines Partners Max, so erhält man einen etwas anderen Eindruck: Marie Louise kam in diesem Freundschaftsszenario bestenfalls als Randerscheinung vor. Auch Paulckes Ehefrau Marie Elisabeth spielte in dieser Konstellation eine ausgesprochen seltsame Rolle. So fühlte sich Prinz Max ihr gegenüber immer wieder zu Dank verpflichtet für »das schöne Glück« seiner Zweisamkeit mit Wilhelm, das sich offenbar nach einer ersten gemeinsamen Reise in die Schweiz im Februar 1912 zu großer Innigkeit entwickelt hatte.196 »Ihr Brief«, schrieb er ihr im Sommer 1912, »hat mich tief und innig erfreut, denn er sagte mir, was ich am liebsten höre, von dem schönen Verstehen, 233 233
Herzensfreunde: Wilhelm Paulcke und Max von Baden, 1913
das zwischen uns waltet. Ich danke Ihnen dafür, und auch für das Große, was es für mich bedeutet, daß Sie die Frau sind meines geliebten Freundes, und daß Sie sein und mein Freundsein verstehen.« Nichts wünschte er sich mehr als, »daß es so bleiben möge! […] wir wissen ja nie, wie’s kommt. Daß es so ist, das ist das Wunderbare und Schöne«.197 Wenn nicht alles täuscht, so war Max – jedenfalls ab Sommer 1912 – schwer verliebt in Paulcke und konnte sich dessen Ehefrau gegenüber ohne weiteres erlauben dies ungeniert zu zeigen. Anders kann man den Brief nicht deuten, den er ihr aus Salem schrieb, wo am Vorabend gerade sein Freund Wilhelm eingetroffen war; Marie Louise war wie gewohnt mit den Kindern in Gmunden. »Sie sollen es wissen, daß ich wirklich weiß, daß ich es ganz erfasse, was für ein großes, wunderherrliches Geschenk es für mich ist, mit ihm zusammen so eine schöne ›lange‹ Zeit sein zu dürfen. Ich fühl’s mit tiefer Dankbarkeit und freue mich, und fasse mein Glück fest mit starkem Willen. Dabei denke ich viel an Sie, liebe, wundervolle Frau, denn ich weiß ganz genau, was ich Ihnen dabei zu danken habe, und 234 234
Mit Wilhelm Paulcke auf Schloß Salem im Sommer 1913
Sie sollen das auch ganz ebenso genau wissen. Morgen geht’s in die Berge, von wo ich damals [im Februar 1912] telegraphierte, daß sie mir ›selige Höhen‹ seien. Und damals wußte ich ja noch nicht. Nun aber weiß ich ja, daß sie ihm auch so etwas waren.« Max schloß mit den Worten, »Sie gönnen mir’s und das ist so schön an Ihnen«. Auch legten die beiden Freunde diesem Brief noch eine Fotografie bei, auf deren Rückseite Paulcke notiert hat: »Das Bild erzählt von heimeligem Sitzen und gutem Sein in Salem.« Was Max dahingehend ergänzte: »Das Bild erzählt noch viel mehr! Lese es, wer’s weiß! M – Graf von Salem«.198 Bei so viel Umgarnung blieb der »wundervollen Frau« vielleicht gar nicht viel anderes übrig, als gute Miene dazu zu machen. »Daß ich dieses gegenseitige Freundsein, wie Euer Großherzogliche Hoheit sagen, gönne, ist doch so natürlich; ich müßte ja eine verstockte Seele und ein Rabenweib sein, wenn es anders wäre. Es ist für mich so unbeschreiblich schön, daß ich dieses einzige Werden und Wachsen mit ansehen und miterleben kann, und daß ich auch teilhaftig daran werden durfte. Es wachsen dadurch auf meinem Weg Blumen, von deren Schönheit und zarter Art ich vorher nichts wußte.«199 235 235
Aus Sils-Baselgia schrieb Max einige Tage später an die Gönnerin, seine »Harmonie« mit deren Ehemann sei »eine vollkommene«; der ahne ja gar nicht, »was er mir ist«.200 Diese Hochstimmung wurde auch nicht getrübt, als sich Paulckes Frau für einige Tage dem Bergwanderpaar zugesellte. »Was wir aus Herzenstiefen erlebt und voll empfunden haben«, so versicherte er ihr im Rückblick auf die gemeinsame Zeit, »das ist unser Eigen geworden und nicht mehr von uns zu nehmen«.201 Dazu gehörte wohl auch, daß nach einem frugalen Abendessen, das Paulcke auf der Sciorahütte gegenüber der Nordwand des Badile zubereitet hatte, »meine Frau die Teller spülte und der Prinz abtrocknete«.202 Das Zentrum des Glücks, das sich Max damals erschloß, blieb aber Freund Paulcke, so daß er Ende 1912 ganz euphorisch war über dieses »wundervolle und wunderbare Jahr«.203 Ganz ähnlich scheint für die beiden Freunde auch 1913 gestartet zu sein, als sie zum Jahreswechsel wieder allein in Sils zusammentrafen. Ein gemeinsamer Gruß an die zurückgebliebene Frau Paulcke dokumentiert dies: »Wenn damals [1912] die Luft, das Licht, die Berge, vor allem das Schweigen erfüllt waren von etwas, was kommen wollte und sollte, etwas Wunderbares Unsagbares, heute sind sie alle erfüllt von dem, das gekommen ist, weit schöner, weit besser, weit tiefer als es uns kurzsichtigen Menschen glaubhaft schien.« Und dann ist da noch eine Anspielung, die tiefer blicken läßt: »Wir denken oft an Sie und wirklich nicht nur bei den Erinnerungen an peinliche Momente. Sollten wir allerdings in der Fornohütte übernachten, dann stehe ich für nichts – bei Tag und Nacht.« Was Paulcke mit dem Zusatz versah: »Ja so ist’s und soll so bleiben!«204 So eine unverkrampft-zotige Anspielung war möglich, und man staunt nicht schlecht, wenn man liest, wie frei sich das Begehren hier aussprechen durfte. Daß Max so wenig Hehl aus der »innigen Freundschaft zwischen Ihrem Mann und mir«205 machte, läßt darauf schließen, daß er seine Homosexualität inzwischen selbstsicher zu leben verstand; nicht durch Ausgrenzung, sondern im Gegenteil durch starke Einbindung der Partnerin seines Geliebten. Das zeugt von einem versierten Umgang mit seinen Bedürfnissen. Funktionieren konnte das Ganze freilich nur durch ein Sich-hinab-Begeben des Fürsten in eine gesellschaftlich wie kulturell rein bürgerliche Welt; durch ein gewinnendes Einlassen auf die »prächtigen, einfachen, lichten Menschen, die meinem Leben Freude bringen«.206 Für Marie Paulcke blieb Max 236 236
stets die Großherzogliche Hoheit, der sie sich treu ergeben fühlte. Das war ein Umfeld, von dem seinen Avancen keinerlei Gefahr drohte. Selbst in Konfliktfällen nicht. Als einmal eine Mißstimmung bei der »Schweizerin besten Schlages« aufzuziehen drohte, reichte eine sanfte Ermahnung des Prinzen, um jede Eskalation zu vermeiden. Die Entschuldigung folgte auf dem Fuße: »Ich möchte gern Eure Hoheit dessen versichert wissen, daß ich bei aller großen warmen Freude an diesem Glück der beiden Freunde gewiß nie versuchen will, mir mehr Anteilnahme daran anzueignen, als mir freiwillig und gern zugedacht wird. Es war mein Stolz, als mein Mann mir einmal sagte: ›Ich bin so froh, daß Du nie versuchst, mehr von mir zu erfahren […], als ich Dir sagen darf‹.«207 Es war also letztlich seine Prominenz, mit der Max so ungehemmt Anspruch auf Marie Paulckes Ehemann erheben konnte. Hier offenbarte sich, wie er gegenüber der Gesellschaft, die nicht dem Adel angehörte, eingestellt war. Sein Verhalten blieb auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt von dem, was die französische Sprache condescendance nennt: Herablassung – im Sinne von Leutseligkeit, als Demonstration eines feinen Geistes und edlen Charakters auserwählten Bürgern gegenüber. Dafür erwartete Max unbedingten Respekt von der Gegenseite, die sich möglichst bewundernd äußern sollte. Nun ging es bei diesem Verhältnis zwischen Prinz und Professor nicht ausschließlich um homosexuelles Begehren. Schließlich war sein Schauplatz meist die alpine Bergwelt, wo der Bergführer Paulcke seinem Max zu intensivem Landschaftserleben verhalf und zugleich dessen körperliche Ertüchtigung förderte.208 Diese körperlichen Strapazen und ihre Belohnung durch großartige Naturschauspiele müssen dem Freund auch seelisch »wahrhaft gut« getan haben. »Klärung und Kräftigung« wurden ihm zuteil, wodurch er »psychisch und moralisch mehr Selbständigkeit gewann«.209 Max erlebte diese Alpentouren nicht zum wenigsten als Gang ins Hochgebirge menschlichen Seins, die eine befreiende Wirkung auf ihn ausübten. Ohne seinen versierten Bergführer wäre der stets Trostbedürftige zu solchen Erfahrungen wohl niemals gekommen. Wie stark, ja dominant diese emotionale Bindekraft tatsächlich war und blieb, zeigte sich im Sommer 1913, als Wilhelm Paulcke für mehrere Monate nach Nordamerika verreiste.210 Da telegrafierten die beiden »jede Woche« – damals ein teures Vergnügen. Und Max hat ihm auch »sehr oft geschrieben«, ihm Verse gewidmet oder 237 237
Prinz Berthold auf den Schultern des Freundespaares, 1913
»eine Zeichnung unserer Profile«, um den so fernen Freund zu »beglücken«.211 Mit einer Kur in Bad Gastein, bei der er durch Bäder und Massagen sein Rheuma loswerden wollte,212 suchte der Prinz die lange Trennungszeit sinnvoll zu überbrücken; doch der Heilerfolg blieb aus. Bei seinem Frust darüber wundert es nicht, in einem Brief an Frau Paulcke zu lesen, »wie unendlich ich mich über Wilhelms Telephon[anruf] gefreut habe. Das ist eben doch von höherem Wert als Briefeschreiben p. p. Das ist’s doch auch, weshalb Sie und ich wir ihn lieb haben! Gell?«213 Zum Glück hatte die Freundesgattin ihm »sein Bild geschenkt, das war gar zu lieb von Ihnen«. Er »sehe es immerzu an« und »denke mir, wie wundervoll es wäre, wenn es so wäre wie vergangenes Jahr, Morgens, Mittags und Abends«.214 Von Bad Gastein floh Max in das Engadin und kehrte schließlich Ende August 1913 »nach Salem zu den meinen« heim.215 Über das langersehnte Wiedersehen mit Paulcke im Oktober 1913 ist nichts Näheres überliefert. Aber daß die beiden Freunde über Sylvester für eine Woche zum 238 238
Skilaufen nach Davos fuhren216 und daß er auch danach mit Paulcke mindestens »alle 4 Wochen einmal hinauskomme«217 – das wissen wir. Im April 1914 unternahmen Max und Wilhelm eine gemeinsame Reise nach Norditalien, wo es »berauschend schön« gewesen sein muß. Dort, in Bologna, Ravenna, Urbino oder Florenz, konnte auch Max einmal den Führer geben. Und sich nicht wenig daran erfreuen, »daß er [Paulcke] es genossen« und in »entzückenden Photographien« festgehalten hat.218 Mit der deutschen Mobilmachung am 1. August 1914 endete das Glück dieser Freundesliebe. Zwei Tage später wandte sich Max mit einem Brandbrief folgenden Inhalts an Marie Paulcke: »Als ich Ihrem Mann Lebewohl sagte, bat ich ihn, meine Briefe zu verbrennen, wie ich die seinen verbrennen würde. Ich habe heute danach gehandelt, denn die Zeiten sind so ernst, daß nichts aufbewahrt werden sollte, was in fremde Hände nicht fallen darf. Er wollte Ihnen sagen, nach meinem Wunsch zu handeln, wenn es die Not verlange. Ich bitte Sie aber darum, es jetzt schon zu tun. Wir können in so schwierige Lagen kommen, daß wir an so etwas nicht mehr denken können.« Und dann schrieb er noch: »Unser Scheiden war wie im Traum, wie es mir überhaupt jetzt wie ein Traum ist; zu welchem Erwachen, ahnen wir alle nicht.«219
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Teil III 1914–1918
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Kapitel 6
Prinz Max im Kriegszustand Ein sehr kurzer Fronteinsatz Drei Tage nach der Generalmobilmachung des Deutschen Reiches schrieb Prinz Max an Johannes Müller, er gehe mit dem Generalstab des XIV. (Badischen) Armeekorps in den Krieg. »Ich konnte nicht daheim bleiben, wo die Blüte unseres Landes, alle unsere braven Soldaten, hinausziehen in diesen blutigen Krieg. Denn es wird ein furchtbarer und mörderischer Krieg, da ist kein Zweifel möglich. […] Wenn ich auch nicht zu den Unerschrockenen zähle, die die Furcht nicht kennen, so sagt mir mein Innerstes eben doch, daß ich mich der Gefahr nicht entziehen darf.« Schließlich könnten es »die Badener von mir verlangen, daß ich unter ihnen bin, wenn wir an unseren nahen Grenzen kämpfen, und sie furchtlos ihr Leben für’s Vaterland einsetzen. Aber bis jetzt ergeht es mir eigen mit diesem Krieg, er erscheint mir völlig unwahrscheinlich.«1 Man merkt den Worten an, wieviel Überwindung ihn dieser Schritt gekostet hat und daß er auch nicht freiwillig erfolgte. Auferlegt wurde ihm die Pflicht durch seine Einsicht in die politische Notwendigkeit, sich wegen der andauernden Insuffizienz des Großherzogs von Baden zu engagieren. War schon dessen militärische Unbrauchbarkeit im Krieg ein Dilemma für das Ansehen seines Herrscherhauses, so hätte die Frontdienstverweigerung des erst 47-jährigen, gesunden Thronprätendenten im Range eines bis 1911 aktiven Generalleutnants noch mehr Schaden angerichtet. Militärgewalt auszuüben, galt schließlich als das Hoheitsrecht eines jeden Monarchen. Allein die Tatsache, daß Max sich kein Kommando über einen Truppenverband übertragen ließ, sondern die passive Stellung eines Stellvertreters des Großherzogs im Generalkommando, spricht freilich eine deutliche Sprache: Er wollte keine militärische Verantwortung übernehmen, nicht wirklich mitkämpfen – nur dabei sein. Doch selbst mit dieser weitgehend inaktiven Teilnahme am Krieg fühlte sich der Prinz bereits nach drei Wochen überfordert.2 Er habe – 243 243
so offenbarte er Johannes Müller im September 1914 – »mehr und mehr die Erfahrung gemacht, daß ich für den Krieg nicht geeignet bin. Meine ganze Natur und meine Nerven sträuben sich gegen diesen Zustand, und zwar in wachsendem Maße. Dabei hilft mir der Gedanken nur wenig, zu wenig, daß meine Gegenwart unter den badischen Truppen diesen etwas bedeutet.« Ein Kommando könne er »nicht übernehmen, dazu fehlt mir die Ruhe in der Gefahr, deshalb frage ich mich, ob ich nicht zu Hause bleiben und mich hier in der Krankenpflege nützlich machen sollte.«3 Müller riet umgehend dazu und lud den Prinzen zu einem Erholungsaufenthalt nach Mainberg ein. Max war voll des Dankes für diesen »hochwillkommenen Brief«, der ihn in seiner Ansicht bestärkte, dem Frontdienst zu entsagen. »Sie verstehen, was ich litt, wenn ich die feindlichen Schrappnells dort platzen sah, wo unsere Truppen stürmten, und die Granaten in unsere Batterien einschlugen. Zuletzt konnte ich nicht mehr schlafen, als wir, ziemlich fern vom Feind allerdings, doch das Geschützfeuer seiner schweren Artillerie auch nachts hörten, und wußten, daß er sich auf unsere befestigten Stellungen eingeschossen habe und schwere Verluste verursache. Die Hilflosigkeit solchen Lagen gegenüber war namenlos schmerzhaft, und ich hätte vor Verzweiflung laut hinausschreien können. Dann sah man die Opfer der feindlichen Wirkungen tags darauf vorbeiziehen oder vorbeitragen, oftmals jammererregende Bilder. Und doch waren sie alle Helden, und ich habe keinen klagen hören.« Es sei ihm »völlig unverständlich, wo die Menschen diesen großen Mut und die ungeheure Ertragensfähigkeit hernehmen«. Ja, überhaupt sei dieser Krieg »meinem ganzen Wesen und Denken dermaßen fremd, daß er mir wie ein entsetzlicher Unsinn vorkommt, ein blödsinnig schrecklicher Traum«.4 Später hat Max dann noch ergänzt, daß seine »Nervenerschütterung« nicht zuletzt auch Folge der heillos verworrenen Kommandostrukturen bei der Schlacht um Mühlhausen gewesen sei, die ihn »fast um den Verstand brachten«.5 Die drei Kampftage im Oberelsaß sowie neun weitere in Lothringen sollten tatsächlich seine einzigen Fronterfahrungen bleiben, »weil ich es einfach nicht aushielt«.6 Wie haben wir uns nun diese Militäroperationen, die den Prinzen Max im August und September 1914 so traumatisierten, im einzelnen vorzustellen?7 Das XIV. Armeekorps war der 7. Armee unterstellt, deren Aufgabe in der Phase des Aufmarsches des deutschen Westheeres durch Belgien darin bestand, das Oberelsaß vor französischen 244 244
Übergriffen zu schützen. Angriffe auf die nördlichen Vogesen sollten schnell zurückgewiesen und nur bei stärkerem Vordringen größerer feindlicher Verbände sollte auf die Linie zwischen Straßburg und rechtem Rheinufer zurückgewichen werden. Bis zum 8. August 1914 marschierten die badischen Truppen in dem ihnen zugewiesenen Raum Lahr-Müllheim auf, während französische Verbände in das Oberelsaß einbrachen und dort die Stadt Mühlhausen besetzten. Daraufhin befahl Oberfehlshaber Josias von Heeringen in einer Art patriotischem Überschwang den sofortigen Gegenangriff mit allen verfügbaren Kräften. Am 9. August begann nach weitem und entbehrungsreichem Anmarsch der Badener über den Rheinbrückenkopf bei Neuenburg die erste Schlacht um Mühlhausen, die nach heftigen und verlustreichen Gefechten schon am nächsten Tag mit der Vertreibung der Franzosen endete. Mitte August befürchtete die OHL eine französische Offensive nach Lothringen hinein zwischen Metz und Straßburg, der sich die 7. Armee von Osten aus den Vogesen heraus entgegenstemmen sollte. Den Raum zwischen den Vogesen und Saarburg sollte das XIV . Armeekorps ausfüllen. Ab dem 16. August erfolgte der Abtransport der abgekämpften Truppen von Mühlhausen nach Zabern. Den Oberbefehl über die 6. und 7. Armee erhielt Kronprinz Rupprecht von Bayern. Weil die französische Offensive ausblieb, eröffneten die deutschen Armeen am Abend des 19. August die Kampfhandlungen.8 Am 20. und 21. August kam es zur Schlacht bei Saarburg9 – ein erbittertes Ringen in offener Feldschlacht mit Hunderten von Toten auf beiden Seiten. Wiederum zeigte die französische Artillerie »eine furchtbare Präzision im Schießen aus verdeckter Feuerstellung«.10 Nach dem geordneten Weichen der Franzosen wurden diese weiter bis nach Frankreich hinein verfolgt, wo es zu erbitterten Gefechten kam. An der Meurthe bei Baccarat kam die Front dann um den 25. August zum Stehen. Die 7. Armee wurde schließlich angewiesen, nicht weiter anzugreifen und die Stellung zu halten. Wenige Tage später wurde diese Lothringer Front ohne Feinddruck wieder nach Nordosten zurückverlegt. Alles in allem war es ein taktischer Sieg für die deutsche Seite, durch den die Verbände aber auch weiter nach Westen und Süden in Richtung der französischen Festungen gezogen wurden und dort – einem Nebenkriegsschauplatz – erst einmal festsaßen. Am 27. August erhielt der Oberkommandierende der 6. und 7. Armee überraschend den Befehl, zwischen Toul und Épinal einen Durch245 245
bruch durch die französische Front einzuleiten. Noch während der Vorbereitungen zu dieser Operation, die als äußerst riskant eingestuft wurde, warf Max buchstäblich die Flinte ins Korn. Ganz offenbar hatte ihn seine Präsenzpflicht im Felde dermaßen überfordert, daß er sich krank meldete11 und zurück ins heimatliche Karlsruhe reiste,12 wo ihm am 30. August das Kommandeurkreuz mit Stern des Militärischen Karl-Friedrich-Verdienstordens vom Großherzog persönlich verliehen wurde.13 Da Max eine echte Stabsstellung nicht innehatte, sondern dem Armeeoberkommando nur attachiert war, ist davon auszugehen, daß er an den operativen Aufgaben nicht beteiligt wurde, sondern bestenfalls durch seine großherzogliche Autorität Einfluß nehmen konnte. Aber selbst das wohl eher vergeblich, da er sich noch Jahre später mit ungewohnt starken Worten über die »Verlogenheit des Generals von Huene, die an allem schuld war«, beschwerte.14 Der preußische Gesandte in Karlsruhe blies in das gleiche Horn, als er im August 1914 eine Beschwerde des badischen Großherzogs nach Berlin vermittelte, daß diesem gar keine militärischen Nachrichten vom Armeekommando zugingen.15 Daß ihn die Führungsoffiziere im Felde nicht weiter beachteten, dürfte für Max frustrierend, womöglich beleidigend gewesen sein, lag aber einerseits in der Natur des Kriegshandwerks in der ersten Phase des Krieges und war andererseits auch selbstverschuldet. Denn bereits durch seine Weigerung, selbst ein Kommando zu übernehmen, hatte er in den Augen des Offizierskorps gleichsam einen Offenbarungseid geleistet. Was das Kampfgeschehen selbst anlangt, so war Max damit stets nur mittelbar konfrontiert, wenn man es mit den Erfahrungen eines echten Frontoffiziers vergleicht. Für ihn selbst stellte sich das freilich wesentlich dramatischer dar: »Wenn nun das Generalkommando auch meist nicht in’s Feuer kommt, so sind wir doch mehrfach darin gewesen und dieses tatenlose Stehen kam mir so sinnlos vor, daß ich mir immer sagte, dazu bist Du nicht da, um bloß als Zuschauer erschossen zu werden. Dagegen sträubten sich mein Verstand und mein Gefühl.«16 Obwohl in sicherem Abstand plaziert, konnte man auf den Gefechts- und Beobachtungsständen des Generalstabs durchaus furchteinflößende Eindrücke vom Krieg gewinnen. Das Donnergetöse der Granateneinschläge, das Rattern und Hämmern der Maschinengewehre und der Kugelhagel der Infanterie erzeugten einen solchen Lärm, daß man selbst Kilometer hinter der Front davon noch 246 246
einiges mitbekam. Doch es blieben Eindrücke aus der Distanz, und die Fernrohrbeobachtungen vermittelten von der mörderischen Wirklichkeit des Kampfgeschehens nur mehr schemenhafte Impressionen – kein Vergleich mit dem, was die Frontsoldaten durchmachten.17 Die kriegslustigen unter ihnen waren erklärtermaßen stolz auf diese Feuertaufe; fühlten sich danach »erst als wahre Männer, gehobenen Sinnes und voll Zuversicht«.18 Max hingegen nimmt das Kampfgeschehen so wahr: »Die Eindrücke im Feld sind ungeheure, aber man muß ein Herz von Eisen haben, um sie zu bestehen.« Außerdem hätte man »es mit einem tückischen Feind zu tun, ohne alle Ritterlichkeit«; die eigenen Verluste seien ungeheuer.19 Diesem Elend wollte er sich nach nur gut 10-tägigem Fronterleben nicht länger aussetzen: »[I]ch würde dort auf die Dauer kaputt gehen«.20 Schon im September 1914 ließ er Houston Stewart Chamberlain wissen, er »hoffe jetzt einen Posten zu bekommen, durch welchen ich die Verbindung zwischen Heimat und badischen Truppen werde herstellen können. Die furchtbaren Erregungen der tagelangen Schlachten vermag ich seelisch nicht auszuhalten«. Durch die neue Aufgabe hoffe er, »den Truppen nützen« zu können, »ohne mich selbst aufzureiben«.21 Welch eine Enttäuschung muß dies für den Adressaten in Bayreuth gewesen sein, der im Begriff stand, zu einem glühenden deutschen Kriegspatrioten zu werden und dabei gerade die deutschen Bundesfürsten mit erheblichem Vorschußlorbeer bedachte. »Wie unterscheidet es doch den Kampf der Deutschen, daß sämtliche wehrfähige Fürsten aktiv daran teilnehmen: dieselbe brüderliche Kameradschaft, die so auffallend den deutschen Offizier mit dem deutschen Soldaten verbindet – und die in keinem anderen Heere besteht – findet hier zwischen Fürst und Volk statt.« Kein Volk besitze etwas ähnlich Urgermanisches wie »hier, die vielen Fürsten, die – über sämtliche Armeen verteilt – Seite an Seite mit ihren engeren Landeskindern kämpfen und bluten, die alte echte Art betätigen – und das halte ich politisch für ungeheuer wichtig und wertvoll, eine Gewähr für die Zukunft, wie auch der jetzige Kampf ausgehen mag.« Besonders mit Blick hierauf »ist Deutschland das weitaus stärkste Land der ganzen Welt«.22 Nur zu gern hätte auch der Generalleutnant Prinz Max diesem hehren Ideal entsprochen – aber er konnte es einfach nicht. Es waren seine Angst, seine Schwäche und seine Friedfertigkeit, die ihn ungeeignet zum Kampf machten – Eigenschaften, die auf 247 247
den heutigen Betrachter sympathisch wirken. Das Dilemma bestand aber darin, daß sich der Prinz zu diesen allzumenschlichen Empfindungen nicht bekennen durfte und auch nicht konnte. Er durfte weder seinen Generalsrock ausziehen noch zum Pazifisten werden. Im Gegenteil, er blieb um eine dezidiert militärische, ja kriegerische Grundhaltung bemüht. Er beschloß nur, sich mit Hilfe seiner fürstlichen Privilegien von der Truppe und seinem Stab dauerhaft zu entfernen. Ein Streiter für die Kriegsziele des Reiches wollte er durchaus bleiben; nur eben nicht mehr an der Front. Gemessen an den sogenannten Kriegsartikeln von 1902 grenzt Max’ Rückzug freilich fast schon an Fahnenflucht.23 Schließlich galt der Militärdienst als eine Ehrenpflicht, wer sich – zumal in Offizierskreisen – entzog, wurde als Drückeberger bezeichnet. Dazu heißt es im Kriegsartikel 10: Niemals dürfe sich ein Soldat »durch Furcht vor persönlicher Gefahr von der Erfüllung seiner Berufspflichten abwendig machen lassen. Der feige Soldat hat schwere Freiheits- und Ehrenstrafen, im Krieg Zuchthaus oder die Todesstrafe zu erwarten.«24 Für Mitglieder eines regierenden Fürstenhauses waren solche Strafen selbstredend tabu. Dennoch wurde selbst der Prinz von Baden den Makel seines militärdienstlichen Versagens nicht mehr los. Deutlich wird dies in den Berichten des Gesandten Eisendecher, der dem Thronerben nach wie vor freundschaftlich ergeben war. Erst mit einer Verzögerung von mehreren Wochen ließ er den Reichskanzler in Berlin überhaupt wissen, daß Prinz Max aus dem Hauptquartier des XIV . Armeekorps »unwohl« nach Karlsruhe zurückgekehrt sei und »zu seinem Kummer den Anstrengungen in der Front nicht recht gewachsen zu sein scheint«.25 Nur zu gerne hätte er in seinen diplomatischen Verlautbarungen das Thema fortan gar nicht mehr berührt. Doch die öffentliche Meinung im Großherzogtum ließ ihm keine andere Wahl, als immer wieder darauf zurückzukommen. Etwa im Sommer 1915, als er den Fürsten geradezu beschwörend Bethmann Hollweg gegenüber in Schutz nahm: »Man hat in Baden vielfach etwas abfällig darüber geredet, daß der Prinz Max nicht in der Front mitkämpft. Er selbst fühlt sicher auch, wie eigentlich dort sein Platz sei, aber in richtiger Erkenntnis seiner minderen Befähigung für den soldatischen Dienst, zog er vor, sich anderweitig nach Möglichkeit nützlich zu machen. Ich meine, er hatte damit Recht. Der militärische Beruf liegt ihm nicht.«26 Doch es blieb, wie es war, und selbst Eisendecher mußte 1916 resigniert konstatieren: Der Er248 248
satzdienst, den Max bei der Kriegsfürsorge leiste, verdiene zwar alle Anerkennung, »aber das Land hat dafür kein rechtes Verständnis«.27 Erneut war es die politische Kultur des Kaiserreichs, die Max vor Schlimmerem bewahrte als einer latenten Mißbilligung dieser fürstlichen Kriegsdienstverweigerung. Dadurch daß der regierende Fürstenadel aus Personalkritik jeder Art ausgeschlossen war, wurde auch diese Drückebergerei nicht nur nicht geahndet, sondern auch noch gedeckt – in dem Glauben, damit Kritik an der Monarchie zu unterlaufen. Niemand Geringeres als der Oberste Kriegsherr persönlich begünstigte dieses Verhalten.28 Seinen militärischen Führungsanspruch versuchte Kaiser Wilhelm II. im Felde um jeden Preis aufrechtzuerhalten, auch wenn er von den operativen Entscheidungsprozessen in der Heeresleitung weitgehend ausgeschlossen blieb. Wie er denn überhaupt die politischen Geschicke seines kriegführenden Reiches niemals wirklich zu lenken verstand. Dennoch reichte seine Befehlsgewalt noch so weit, daß er Max von Baden im Dezember 1914 vom Generalleutnant zum General der Kavallerie beförderte.29 Eingeweihten mußte dies wie Hohn erscheinen. In seiner Privatkorrespondenz ist Max auf diesen Punkt nie zu sprechen gekommen. Es gibt freilich Anzeichen dafür, daß er gleich nach seinem Rückzug von der Front Wilhelms schützende Hand gesucht hat. Schon Anfang November war er ins Große Hauptquartier nach Charleville gefahren. Nicht mit leeren Händen, sondern mit dem Großkreuz des Militär-Karl-Friedrichs-Ordens, den er im Auftrag seines Familienchefs überbrachte.30 Schon deshalb mußte sein Vetter ihn gnädig aufnehmen. Auch sonst zeigte er sich jovial.31 Zudem war die Kriegslage gerade äußerst angespannt. Seit Ende Oktober 1914 tobte an der Westfront die sogenannte Ypern-Schlacht mit entsetzlichen Verlusten auf beiden Seiten, bei der die deutsche Offensive nicht vorankam und am 4. November als gescheitert angesehen werden mußte. Durch den andauernden Widerstand der alliierten Verbände zusehends nervös gemacht, ergriff Wilhelm entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten selbst die militärische Initiative und befahl persönlich, noch einmal einen großangelegten Durchbruchsversuch auf Ypern mit allen verfügbaren Kräften zu unternehmen.32 Obwohl Falkenhayn als neuer Chef der OHL gegen einen solchen Angriff war, hat Wilhelm die Offensive eigenmächtig durchgedrückt. Dabei soll er sich des anwesenden Prinzen Max als Emissär bedient haben, um den Oberbefehlshaber der 6. Armee, den bayeri249 249
schen Kronprinzen Rupprecht, zu bewegen, für den befohlenen Kampf zusätzliche Truppen aus seinem Kontingent zu mobilisieren.33 Tatsächlich mußten die Kämpfe vor Ypern schon am 14. November erfolglos eingestellt werden, womit der ganze Westfeldzugsplan gescheitert war; von einem militärischen Totalsieg konnte fortan keine Rede mehr sein. Der Kaiser, so Militärkabinettschef Lyncker, habe »sich in seiner Eitelkeit und Eigenliebe tief getroffen« gefühlt und unter seiner »Maske des Renommierens« nun »die tiefste Niedergeschlagenheit« erkennen lassen.34 Daß Max gerade in dieser so schwierigen Situation am Ort des Geschehens war und mit seiner Beobachtungsgabe, seinem Einfühlungsvermögen die prekäre Lage des Obersten Kriegsherrn studieren und erfassen konnte, war ein Glück. Denn dies erlaubte ihm, sich auf die psychischen Bedürfnisse des Reichsmonarchen einzustellen, ihm ganz zu Diensten zu sein und besonders gnädig zu stimmen. Vielleicht hat dazu auch Max’ Auftrag an Chamberlain beigetragen, dem Kaiser umgehend seine kriegspropagandistischen Schriften zuzusenden – was von letzterem dankbar goutiert wurde.35 Noch einen anderen Heerführer nahm Max damals für sich ein. Die Rede ist von Kronprinz Rupprecht – eine der äußerst raren militärischen Lichtgestalten aus dem bundesfürstlichen Herrscherstand.36 Er repräsentierte die gleiche Generation, der auch Max angehörte. Harte persönliche Schicksalsschläge hatten ihn getroffen: Bereits 1912 war er Witwer geworden und vor wenigen Wochen erst hatte eine Kinderlähmung seinen ältesten Sohn, Erbprinz Luitpold, dahingerafft. Auch das war ein Fall für den feinfühligen Zähringer. Umso mehr, als der Wittelsbacher von Haus aus ähnliche antipreußische Ressentiments hegte wie die Familie von Max’ Schwiegervater, die Welfen. Als Feldherr haderte Rupprecht zudem mit der vermeintlich planlosen OHL, der er sich nur mit größtem Widerwillen unterordnen mochte. Insbesondere Falkenhayn hielt er für eine Fehlbesetzung. So kann man es als einen weiteren Glücksfall für Max betrachten, daß er gerade mit diesem Heerführer, mit dem ihn bis dato schon wegen der katholischen Konfession keinerlei Verwandtschaftsbeziehungen und auch sonst nicht viel verbunden hatte, im Herbst 1914 näher bekannt wurde. Schon die ersten Abende im kronprinzlichen Hauptquartier in Lille blieben Max »unvergessen. Sie waren« – so schrieb er später an Rupprecht – »für Herz und Verstand gleich anregend und wohltuend, Deine Tafelrunde [war] stets 250 250
die angenehmste und interessant, Deine Aufnahme so warm und herzerfreuend.«37 Was lag da näher, als den angeknüpften Faden weiter auszuspinnen? An Weihnachten 1914 durfte Max bei einem weiteren Frontbesuch erleben, daß er mit seiner Taktik Erfolg hatte. Von den »tief ergreifenden« Eindrücken, die er dort empfing, zeigte er sich nachgerade beglückt.38 Seine Hochstimmung resultierte einmal aus den bewegenden Stunden, die er – Weihnachtslieder singend und Liebesgaben verteilend – mit den badischen Truppen und insbesondere mit den Verwundeten im Lazarett verbrachte. Mit seiner großen Empathiefähigkeit, seiner warmherzigen Ansprache sowie seinem quasilandesväterlichen Wohlwollen konnte er hier vermutlich weiterem Ansehensverlust der Dynastie entgegenwirken. Nicht minder erfreulich dürften für ihn auch die politischen Gespräche mit Rupprecht gewesen sein, die er in dessen Hauptquartier mit ihm allein und in »freundlicher Tafelrunde« führte.39 Der Höhepunkt seiner Reise war freilich der Besuch beim Kaiser in Charleville am 26. Dezember, wo er sich für den so schmeichelhaften dritten Generalsstern zu bedanken hatte. Der Prinz sei »sehr nett und sehr glücklich in seiner Konversation mit S[einer] M[ajestät]« gewesen, notierte Wilhelms Generaladjutant von Plessen noch am gleichen Tag in sein Tagebuch.40 Ausführlicher ist Wilhelms Gast selbst auf diesen Aufenthalt einige Wochen später zu sprechen gekommen, als er Ernst zu Hohenlohe zunächst ausgesprochen kaiserkritisch darüber berichtete: »Du weißt, ich liebte ihn von jeher, er ist, wie ich neulich Chamberlain schrieb, meine unglückliche Liebe. Ich habe ihn jedes Mal, wenn ich an die Front fuhr, besucht; jedes Mal anders, immer aber höchst nervös gefunden. Das Tafelgespräch ist von einer Unkultur und Verwahrlosung gekennzeichnet, die auf das peinlichste berührt. Allein mit ihm, suchte ich meist vergeblich sein bestes Ich zu fassen und festzuhalten, immer entwich er und überließ sich einem schmerzlich berührenden Wüten. Nur einmal [am 26. Dezember 1914] gelang es mir, ihn zu einer ruhigen Aussprache zu bringen, und zwar merkwürdigerweise nach Tisch inmitten seiner Umgebung. Das Gespräch drehte sich um die praktischen Möglichkeiten der Anbahnung des Friedens, und ich wies darauf hin, daß das deutsche Volk bereit sei, alle Opfer zu bringen und bis zum Äußersten auszuhalten, um den Frieden zu erhalten, der das Opfer wert sei und der Dauer verspräche etc. Der Kaiser wurde immer ruhiger und sachlicher. Er bekam einen 251 251
freundlichen, entspannten Gesichtsausdruck. Zu meiner größten Überraschung trat, als der Kaiser sich verabschiedet hatte, Plessen auf mich zu, ergriff meine Hand und sagte mit mehr Wärme im Ton, als ich ihn sonst kenne: ›wären Sie nur oft hier und brächten den Kaiser zur ruhigen Überlegung, wie es Ihnen heute so gut gelungen ist‹.«41 Wahrscheinlich war die psychologische Wirkung, die Max da bei Wilhelm II. erzielte, nur eine flüchtige Erscheinung. Und doch darf man seinen Bericht als Indiz dafür werten, wie gut sich der Prinz auf seinen Vetter einzustellen wußte, wie sehr er die Kunst der richtigen Menschenbehandlung beherrschte. Schon am Ende des ersten Kriegsjahres scheint Prinz Max in seinen engeren Verkehrskreisen den Status quo ante wiedererlangt, sich großenteils aus eigener Kraft rehabilitiert zu haben – mit psychologischem Gespür für zweite Chancen. Was sein Familienoberhaupt anbelangte, den unglücklichen Großherzog Friedrich II., so gab es auch hier Einvernehmen; insofern jedenfalls, als nach dem Bericht des preußischen Gesandten »unser allergnädigster Herr den Prinzen hochschätzt und ihm volles Vertrauen schenkt«.42 Der rege Briefverkehr, den die alte Großherzogin, Max’ Tante Luise, mit ihrem kaiserlichen Neffen und anderen Standesgenossen führte, dürfte ebenfalls dazu beigetragen haben, das militärische Versagen ihres Schützlings in milderem Licht erscheinen zu lassen.43 Begünstigend hat sich hier auch ausgewirkt, daß Max mit seinen soldatischen Defiziten unter den deutschen Fürsten keineswegs allein dastand.44 Schon Ende Oktober 1914 hatte ihm sein Schwager Ernst August, der Herzog von Braunschweig, versichert, er hätte »ganz dieselben Erfahrungen im Stab seines Armee-Korps gemacht wie ich. Ich ersehe daraus, daß ich nicht der einzige weiße Rabe bin«, schrieb Max spürbar erleichtert an Müller.45 Nein, es war tatsächlich die Mehrzahl der deutschen Royals, mit fatalen prestigepolitischen Folgen. Die militärische Autorität der Dynasten verfiel in den ersten Weltkriegsmonaten rapide.46 Nur noch zwei Mal hat General Max von Baden im Jahre 1915 die badischen Truppen an der Westfront besucht. Mehr Zeit als bei der Truppe scheint er aber mit Besuchen im Großen Hauptquartier sowie bei Kronprinz Rupprecht verbracht zu haben.47 Hier wie dort konstatierte er »Zuversicht, aber – Intrigen. Es fehlt der leitende, alles umfassende, alles beherrschende Kopf.« Mit »Intrigen« meinte er die diversen Verstimmungen gegen Falkenhayn, dessen Kriegsfüh252 252
rung unter den Militärs und den Bundesfürsten damals sehr umstritten war. Wie noch zu zeigen bleibt, war auch der Prinz in diesen Meinungsstreit involviert.48 Als Max dann Ende Mai noch einmal an die Westfront zurückkehrte, hatte sich die Situation für die badischen Regimenter gefährlich zugespitzt. Das XIV. Armeekorps hielt damals mit etwa 25 000 Soldaten den sogenannten Loretto-Abschnitt zwischen Grenay und Carency, wo ab dem 10. Mai eine heftige Schlacht tobte. Nachdem der Großangriff französischer und englischer Verbände auf die deutsche Front erfolgreich abgewehrt war – was allerdings mit Tausenden von Toten und Verwundeten erkauft wurde –, suchte Großherzog Friedrich II . zusammen mit dem Prinzen die abgekämpften und versehrten badischen Soldaten in der Etappe auf.49 Was Max dort sah, muß ihn so deprimiert haben, daß er auf weitere Frontbesuche verzichtete. Es seien »schwere Tage« gewesen, schrieb er nach seiner Rückkehr Johannes Müller. Der »Stellungskrieg mit seinen immer wiederkehrenden Artilleriebeschießungen, deren Höhepunkt man Trommelfeuer nennt, ist furchtbar angreifend für die Nerven unserer Soldaten. Ich habe dieses Feuer mehrfach tags und nachts gehört und verstehe nicht, wie Menschen so etwas ertragen können. Schon aus der Ferne geht es einem auf die Nerven.« Dabei sei für die kämpfende Truppe »Erholung schwer zu haben, da wir jeden Mann im Osten brauchen, um die Früchte unserer Siege auszubauen«.50 Zudem seien diese Besuche an der Front ausgesprochen »unbefriedigend für mich«, da »jeder Aufenthalt an der Front eine bedeutende Inanspruchnahme meiner Nerven bedeutet. Das war und ist für mich unendlich betrübend, aber leider nicht zu ändern.«51 In Zukunft zog Max es deshalb vor, das Kriegsgeschehen von der Heimatfront aus zu betrachten. Vom Schlachtfeld hatte er genug gesehen.
Der »Sanitätsgeneral« Doch wie sollte sich ein Thronanwärter in Zeiten des Krieges betätigen, der außer dem Kriegshandwerk nur gelernt hatte, sein Fürstenhaus zu repräsentieren? Eine Beschäftigung, die seine Frontdienstverweigerung halbwegs aufwog, gab es erst einmal nicht. Wochenlang war deshalb nicht eine Zeile über ihn in der Hofberichterstattung der badischen Zeitungen zu lesen.52 In dieser unangenehmen Lage wur253 253
de Max darauf gestoßen, beim badischen Landesverein vom Roten Kreuz anzuklopfen, wo seine Tante und Großherzogin Luise nicht erst seit Kriegsausbruch den Ton angab.53 Am 9. Oktober 1914 begrüßte der Vorstand des Landesvereins den Wunsch des Prinzen »auf Mitwirkung bei der freiwilligen Krankenpflege lebhaft und dankbar« und beschloß darüber hinaus, »Seine Großherzogliche Hoheit zu bitten, den Ehrenvorsitz des Gesamtvorstandes und damit des Badischen Landesvereins zu übernehmen«.54 Die offizielle Lesart lautete, daß der Prinz die neue Funktion »neben seiner Zuteilung zum Generalkommando des XIV. Armeekorps« übernehme, um damit die Verbindung des badischen Roten Kreuzes mit den im Feld stehenden Truppen »in ersprießlicher Weise zu fördern«.55 Damit konnte er ohne jeden Makel ins öffentliche Leben zurückkehren. So war es keine wohlfeile Heuchelei, wenn er gegenüber offiziellen Amtsträgern mit Nachdruck betonte, wie sehr er sich freue, »jetzt an der Fürsorge für unsere Truppen im Feld mitzuarbeiten, eine Aufgabe, die von größter Bedeutung« sei.56 Sein Ersatzdienst beim Roten Kreuz bescherte ihm im Frühjahr 1915 ein weiteres Betätigungsfeld, nämlich bei dem Austausch von verwundeten kriegsgefangenen Soldaten in Konstanz mitzuwirken, die auf eine Initiative von Papst Benedikt XV. zustande gekommen war.57 Obwohl es sich um eine relativ kleine Gruppe von Kriegsinvaliden handelte, wurde die Aktion für Max zu einem AhaErlebnis. Er entdeckte hier die sozialfürsorgliche Arbeit für sich, bei der er seinen Empfindungsreichtum gut einsetzen konnte – ein Terrain zudem, das auch in politischer Hinsicht Ertrag versprach.58 Max’ Engagement für die Gefangenenfürsorge entsprang nicht ausschließlich einer humanitär-philanthropischen Wurzel. Er tat es auch, um die öffentliche Meinung positiv zu beeinflussen. Vor allem aber arbeitete er dort, weil er sich davon noch am meisten Aussichten für seine unsichere Zukunft versprechen durfte. Deshalb hat er im Jahre 1915 die Kriegsgefangenenfrage sogar zu seiner Grundsatzarbeit erklärt.59 Ihre internationale Ausrichtung schloß ihm ein willkommenes Metier auf, dessen Usancen er sich voll und ganz gewachsen fühlte. Indem er den Kriegsgefangenen seine Aufmerksamkeit zuwandte, konnte er dem Ansehen seines Kaisers dienen,60 mit dem preußischen Kriegsministerium sowie dem Auswärtigen Amt in offizielle Verbindung treten, mit Vertretern neutraler Staaten verkehren, Rote-Kreuz-Delegierte der deutschen Kriegsgegner treffen, reisen und über das noch halbwegs intakte Kommunikationssystem der eu254 254
Der General begrüßt ausgetauschte Kriegsgefangene in Konstanz, 1915/16
ropäischen Hocharistokratie mit alten Bekannten korrespondieren. Das entsprach nicht nur seinen Neigungen; diese Art, sich nützlich zu machen, verhalf ihm auch zu wesentlich mehr Selbstschätzung und gab ihm die Sicherheit im eigenen Tun zurück. Die eigentliche Kärrnerarbeit auf diesem Gebiet leistete übrigens nicht Max, sondern der Freiburger Rechtshistoriker Karl Joseph Partsch.61 Er baute einen Nachrichtendienst für Kriegsvermißte auf, verkehrte zu diesem Zweck häufig in der neutralen Schweiz und war der Kopf und die Seele der Gefangenenfürsorge in Baden.62 Auch der badische Thronfolger mußte dem unermüdlichen Wirken dieses früh verstorbenen Gelehrten seine Referenz erweisen.63 Der stets im Hintergrund operierende Partsch hat sich 1918 in einem privaten Schreiben darüber so geäußert: Prinz Max »weiß, daß ich dafür meine beste Kraft eingesetzt habe. Er [ver]dankt mir die ganze Folie, die er für öffentliche Tätigkeit in den letzten Jahren gehabt hat.« Ironisch fügte er noch hinzu: Dadurch, daß die Presse die »mustergültige Organisation der Gefangenenfürsorge in Baden« hervorhebe,64 255 255
bekomme »meine ganze Arbeit einen Glorienschein, den ich nie erwartete«.65 »Max looks after our prisoners«, schrieb Zarin Alexandra im Sommer 1915 durchaus erfreut an ihren Gemahl. Sie habe deshalb die schwedische Königin Victoria in einem offenen Telegramm gebeten, ihm dafür herzlichen Dank zu sagen und ihn zu versichern, daß man auch in Rußland für die deutschen Soldaten sein Bestes tun werde.66 Diese wohlwollende Resonanz ermunterte den Prinzen zu weiteren Aktivitäten. Über den Botschafter der USA in Berlin, James W. Gerard, arrangierte er den Besuch einer amerikanischen Delegation in Rußland, deren Leiter von ihm persönlich instruiert und mit Material für die Zarin versehen wurde.67 Nach der Rückkehr traf er sich mit dem Mann in Berlin, weil der »von Alix [der russischen Kaiserin] den Auftrag hatte, mich aufzusuchen, um mit mir über diese Dinge zu sprechen«. Max schrieb das an die Großherzogin von Hessen, eine Schwägerin der Zarin, der er auch die vertrauliche Mitteilung machte, er habe sich durch einen weiteren Mittelsmann »in Petersburg angeboten, nach Stockholm zu fahren, um dort einen Vertreter des russischen Roten Kreuzes oder der Regierung zu treffen und mit ihm die Frage der gegenseitigen Gefangenen zu besprechen«.68 Dies ist nur ein Beispiel, wie umtriebig unser Protagonist auf dem fraglichen Gebiet geworden ist. Der preußische Gesandte in Karlsruhe wies die Berliner Wilhelmstraße auf diese »persönlich verdienstvolle Wirksamkeit des Prinzen« hin, »von der man sonst wenig hört«.69 Wohl auch deshalb, weil Max’ Wirken auf dem Gebiet der Gefangenenbehandlung von den zuständigen Militärorganen kaum goutiert wurde, jedenfalls – wie er selbst rückblickend schreibt – »ergebnislos« blieb. »Ich konnte nur die Saat säen und zog mich dann zurück, weil mir meine Überflüssigkeit bewiesen wurde.«70 Man soll ihn in preußischen Militärkreisen damals als »badischer Sanitätsgeneral« verspottet haben.71 Daß sein Auftreten generell ohne Wirkung blieb, kann man dagegen nicht sagen, wie der Tagebucheintrag des Schweizer Pastors Theophil de Quervain zeigt, der ebenfalls in der Gefangenenfürsorge aktiv war, und dem Prinzen zum ersten Mal im Januar 1917 im Berliner Hotel Adlon begegnete: »Der diplomatische General, so wird er gelegentlich genannt. Er hat den Rang eines kommandierenden Generals, trägt dessen Uniform, hat aber kein Kommando an der Front, sondern betätigt sich in der Fürsorge für Kriegsgefangene und Kriegs256 256
verwundete. Bei seinen Besuchen der deutschen internierten Kriegsgefangenen in den neutralen Ländern mag er gelegentlich auch Bemühungen in der Richtung eines billigen, nicht allzu entfernten Friedens haben mitlaufen lassen durch direkte, oder mehr indirekte Kontaktnahme mit Vertretern der alliierten Mächte.«72 Wie bei Quervain, so hinterließ der Prinz von Baden auch dem erwähnten Botschafter der USA in Berlin einen sehr sympathischen Eindruck. Er lernte Max 1916 als einen »verständigen, humanen Menschen« kennen, der »sich auf der Höhe des Geisteslebens aller Völker hält«73 – und so ganz anders auftrat als die vielen Deutschen, mit denen der Diplomat nach Kriegsausbruch in der Reichshauptstadt konfrontiert wurde. Doch solches Lob ging in der chauvinistisch angeheizten Kriegsstimmung nicht nur unter, es kam wohl auch von der falschen Seite, so daß es Max politisch nicht unbedingt zum Vorteil gereichte. »Der diplomatische General«, der »Sanitätsgeneral«, der »Bademax« – an diesen Spitznamen des politischen Berlin wird deutlich, daß die halböffentliche Meinung nur wenig Verständnis für Max’ Tätigkeit beim Roten Kreuz aufbrachte. Man hätte ihn eben doch lieber an der Front gesehen – eines künftigen Monarchen würdig, und möglichst heldenhaft dazu. Die Kraft der öffentlichen Kriegsmoral war offenbar stärker, als man das in Karlsruher Hofkreisen zunächst wahrhaben wollte. So blieb dem badischen Thronfolger ein Handicap, auch wenn Max sehr schnell lernte, damit zu leben und es zu camouflieren. Mit der Gefangenenfürsorge war er immerhin in einem Metier gelandet, das ihm mehr lag als das Kriegshandwerk: verwickelte Verhandlungen auf internationalem Parkett zu führen. In Gottlieb von Jagow, dem damaligen Chef des Auswärtigen Amtes, den er noch aus der Vorkriegszeit gut kannte, hatte er dafür bald einen Ansprechpartner gefunden. Wie der amerikanische Botschafter in seinen Memoiren überliefert hat, wollte der Staatssekretär den Prinzen sogar »mit der Leitung eines [nationalen] Fürsorgeamtes für Kriegsgefangene betrauen«, was aber an heftigem Widerstand der preußischen Militärs gescheitert sei.74 Seiner festen Ambition, sich der Reichsleitung durch internationale Politik nützlich zu machen, tat das keinerlei Abbruch. Ganz im Gegenteil. Die Ereignisse drängten ihn geradewegs dazu.
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Geheime Kriegsdiplomatie in Schweden Der Weltkrieg – so viel war den Verantwortlichen bereits nach dem Scheitern der Westfrontoffensive klar – würde nicht allein auf den diversen Schlachtfeldern entschieden. Er mußte auch mit den Mitteln der Politik geführt werden. Damit öffnete sich dem Prinzen schon bald eine Tür, durch die er auf einen anderen Kriegsschauplatz wechseln konnte. Er betrat das Terrain des kalten Krieges. Die Bedingungen dafür, hier wesentlich mehr zu erreichen als auf dem Schlachtfeld, ließen sich 1915 besonders günstig an. Bis etwa November 1914 waren die Illusionen der Reichsleitung wie der Öffentlichkeit über das in diesem Krieg Erreichbare so enorm gewesen, daß die Außenpolitik gleichsam ruhte.75 Nach dem Scheitern der Westoffensive wurde man, was die deutschen Aussichten anging, wesentlich nüchterner; der Öffentlichkeit wurde freilich unverändert Siegesgewißheit suggeriert. Für den Chef des Generalstabs Erich von Falkenhayn war der ursprüngliche Kriegsplan von entscheidenden Vernichtungsschlachten erst im Westen und dann im Osten definitiv gescheitert. Deshalb wollte er unbedingt Rußland zum Frieden bringen, wußte aber nicht, wie man einen solchen Separatfrieden inaugurieren sollte. Reichskanzler Bethmann Hollweg schwankte formell zwischen einem Separatfrieden mit Rußland und einer Verständigung mit England; favorisierte aber eindeutig letztere, da er Großbritannien letztlich für unbesiegbar hielt und prinzipiell rußlandfeindlich eingestellt war. Doch er mußte zu viele Rücksichten nehmen, nicht zuletzt auf seinen Kaiser. Das Wichtigste war ihm Deutschlands nationale Selbstbehauptung als europäische Hegemonialmacht. Vorläufig hielt er sich deshalb an die vor allem durch Hindenburg und Ludendorff, die siegreichen Feldherren der Ostfront, verkündeten Hoffnungen auf eine mögliche militärische Entscheidung zugunsten des Reiches. Bethmann sah zwar, daß in der erstarrten Kriegslage keine Seite der anderen ihren Willen aufzwingen konnte; doch seine Regierung blieb 1915 besonders darum bemüht, bei etwaigen »Friedensfühlern« nur nicht den Eindruck eigener Schwäche zu vermitteln.76 Zu den informellen Kanälen, über die Friedensgespräche geplant wurden, zählten nicht zuletzt die verwandtschaftlichen Beziehungen des europäischen Adels, dessen Netzwerke trotz der Katastrophe von 1914 258 258
noch funktionierten. Allerdings machte man sich in Berlin über die realen Chancen eines Separatfriedens mit Rußland keine allzu großen Hoffnungen, weil man wußte, daß Zar Nikolaus gewillt war, sich an die Vereinbarung der Alliierten vom 5. September 1914 zu halten, die solche friedenspolitischen Alleingänge kategorisch ausgeschlossen hatte.77 Mit der seit Mai 1915 erfolgreich voranschreitenden Offensive der Mittelmächte im Osten schien aber die außenpolitische Konstellation noch einmal in Bewegung zu geraten. Sie schwächte die Kampfkraft der zaristischen Armee erheblich, bewirkte, daß der unsichere Kandidat Rumänien vorerst neutral blieb, während Bulgarien sich enger an Deutschland beziehungsweise Österreich-Ungarn anzuschließen versprach. Damit – so das Kalkül der Reichsleitung – mußte sich zwangsläufig der Druck auf Sankt Petersburg noch einmal erhöhen, eventuell doch noch auf die Berliner Offerte eines Verständigungsfriedens zurückzukommen. Auf diese Karte zu setzen, war auch angesichts des Kriegseintritts von Italien auf Seiten der Entente Ende Mai 1915 geraten, den man trotz großer Bemühungen nicht hatte verhindern können. Obwohl sich die Gegensätze zwischen militärischer und politischer Führung verschärften, hielt der Oberste Kriegsherr bis 1916 an Falkenhayn als Chef der OHL und auch an dessen strategischer Grundlinie fest, den Hauptkampf gegen England zu führen und mit dem Zarenreich einen politischen Ausgleich zu suchen.78 Wilhelm II. glaubte, das monarchische Prinzip selbst durch Weltkrieg und Burgfrieden hindurch noch retten zu können. Er hoffte auf einen Frieden der Monarchen und unterstützte alle darauf zielenden Vermittlungsbemühungen. Ansonsten versuchte er seine Standesgenossen von den positiven Seiten des Krieges zu überzeugen. So beschwor er beispielsweise die Königin von Schweden im Dezember 1914, daß der Krieg für alle Monarchen »eine unwiederbringliche Gelegenheit, sein Volk zu sammeln und zum Ruhm zu führen«, sei. Außerdem sollte jeder Kronenträger daran denken, »daß schließlich doch er, und er allein, die Verantwortung vor Gott und seinem Volke trägt, trotz Ministerium und Ratgebern, und daß noch jedesmal, wenn der Monarch voranging, es zum Segen für das Volk wurde«.79 Ähnliches war von seinem Sohn, Kronprinz Wilhelm, zu hören, der das Oberkommando über die 5. Armee innehatte. Etwa in seinem Brief an den Hessischen Großherzog Ernst Ludwig, den er im Februar 1915 streng vertraulich um eine private Intervention beim russischen Zaren, 259 259
Ernst Ludwigs Schwager, bat. »Könntest Du nicht mit Niki in Verbindung treten und ihm raten, mit uns sich gütlich zu einigen.« Es sei doch »zu dumm, daß wir uns gegenseitig zerfleischen, bloß damit England im Trüben fischt, und dann müssen wir unsere gesamte Truppenmacht hier zurückkriegen, um mit den Franzosen aufzuräumen«. Die Hauptbegründung des Kronprinzen für so einen Schritt lautete: »Unsere Diplomaten sind so dumm und unfähig, daß man schon selbst Hand anlegen muß, damit was Gutes rauskommt.« Auch er arbeite in diesem Sinne »im Stillen, aber dafür nicht unwirksam. Wenn Du in dieser Sache etwas tun könntest, wäre es gut, nur muß es rein privat sein, und darf sonst Niemand was erfahren.«80 Unterdessen herrschte im Auswärtigen Amt eine Art Doppelspitze. Sein formeller Leiter war seit 1913 Gottlieb von Jagow, ein anglophiler Diplomat alter Schule.81 Doch größeren politischen Einfluß übte schon Ende 1914 sein Unterstaatssekretär Arthur Zimmermann aus.82 Der Kaiser meinte sogar, daß Jagow ganz im Sinne Zimmermanns arbeite.83 In den Jahren 1915 und 1916 soll er der »Günstling der Botschafter und des Reichstags« gewesen sein, der überdies gute Beziehungen zur Presse und zu der hohen Berliner Gesellschaft pflegte.84 Während Jagow sich stets als loyaler Mitarbeiter des Reichskanzlers verstand, versuchte sein ehrgeiziger Stellvertreter außenpolitische Akzente zu setzen, indem er für den entschlossenen Kampf des Reiches vor allem gegen England plädierte, auch mit den äußersten Mitteln. Um darauf die ganze Kraft konzentrieren zu können, wollte er die Verständigung mit Rußland, die er – auch auf verschlungenen Pfaden – einzufädeln suchte. Je passiver Bethmann Hollweg agierte, desto mehr vergrößerte sich Zimmermanns Spielraum für eigene Initiativen; auch deshalb, weil sein Vorgesetzter Jagow Zurückhaltung übte. Oder wie es Harry Graf Kessler im März 1915 in seinem Tagebuch vermerkte: »Bethmann, Jagow und Falkenhayn sind ein Trio aus Schwächen.«85 Das war die außenpolitische Situation, in die sich Prinz Max im Frühjahr 1915 hineinzufinden suchte. Schon seit Wochen hatte er die Berichte des badischen Gesandten in Berlin und München mit wachsender Aufmerksamkeit studiert,86 bevor er Anfang März zu einer längeren Sondierungsreise nach Berlin aufbrach, die ihn auch über Bayreuth führte.87 Neue Fäden zu alten Berliner Salonkreisen wurden geknüpft, zu der inzwischen verwitweten Sophie von Beneckendorff und Hindenburg – einer alten Verehrerin von Max. Die 260 260
geborene Gräfin Münster verkehrte mit den Spitzen der Reichsregierung, stand in brieflichem Kontakt mit ihrem angeheirateten Vetter, Feldmarschall Paul von Hindenburg, und war durch ihren Sohn Herbert, der damals Botschaftsrat in Rom war und um die Neutralität Italiens kämpfte, aktiv in die Politik involviert. Nach dem Gespräch mit Max begegnete Harry Kessler der Salonière: »Frau v. Hindenburg im Theater getroffen. Sie sprach sehr beunruhigt und niedergeschlagen über Italien. Sie bearbeitet Jagow, damit er den Prinzen Max von Baden zum Kaiser Franz Joseph schicke: der Prinz sei der rechte Mann.«88 Aus der Mission wurde nichts, worüber Max aber vielleicht nicht so froh war, wie er das Johannes Müller berichtete. »Die Aufgabe wäre mir recht zuwider gewesen, weil ich die italienische Politik in dieser Sache ungemein niedrig finde. Nun ist es wohl nicht mehr nötig, da die Verhandlungen im Prinzip umrissen sind und in Gang gebracht.«89 Im Juni 1915 reiste Max erneut nach Berlin, um sich »an Ort und Stelle über die augenblickliche brennend interessante und wichtige Situation zu orientieren«.90 Die spektakulären militärischen Erfolge der Mittelmächte an der Ostfront hatten Aufbruchsstimmung erzeugt, das galt namentlich für die Beziehungen Deutschlands zu Rußland.91 Obwohl der Zar bisher alle Versuche, einen Separatfrieden zwischen Berlin und St. Petersburg zu schließen, zurückgewiesen hatte, unternahm die Wilhelmstraße im Sommer 1915 einen nochmaligen – diesmal freilich modifizierten – Versuch. Man wollte durch militärische Gewalt der siegreichen Ostheere, aber auch durch weitere Druckmittel und Drohgebärden die Friedensbereitschaft des Zarenreichs erzwingen, gleichzeitig Verständigungsbereitschaft signalisieren und dabei jedes Zeichen eigener Schwäche vermeiden. »Sonderfrieden Ost – Siegfrieden West«, so lautete Fritz Fischer zufolge damals die Parole der deutschen Reichsleitung.92 Teil dieses Konzepts war eine veränderte Außenpolitik gegenüber dem neutralen Schweden, das auf die Seite der Mittelmächte geführt werden sollte.93 So wurde auf Initiative von Staatssekretär Zimmermann König Gustaf V. am 8. Juni in Stockholm ein Allianzangebot für den Fall eines Kriegseintritts seines Reiches gemacht; und zwar durch den Grafen Ludvig Douglas, einen früheren schwedischen Außenminister, der aber zugleich Standesherr in Baden war, wo er das Schloß Langenstein besaß. Indirekt war Douglas sogar mit den Zähringern verwandt, da seine Mutter als uneheliches Kind des badi261 261
schen Großherzogs Ludwig I. zur Welt kam. Um die politische Offerte an Schweden zu unterstützen, verbreitete das Auswärtige Amt in ganz Skandinavien eine Propagandaschrift mit dem Titel Der nordische Knoten. Die Absicht des Autors, Max Schiff-Drost, ging dahin, »Schweden unter der siegverheißenden Gunst der Verhältnisse zu einer entschlossenen Abrechnung mit Rußland aufzurütteln«.94 Zudem versuchte Zimmermann Schweden wirtschaftspolitisch zu beeinflussen, indem er den Hamburger Bankier Max Warburg bat, seinen schwedischen Geschäftspartner Marcus Wallenberg für deutsche Positionen zu gewinnen, der wiederum der Bruder des amtierenden schwedischen Außenministers Knut Wallenberg war.95 Warburg hat sich dieser Aufgabe nicht verweigert96 – begleitet freilich von ausgesprochen hellsichtigen Unkenrufen seines Freundes Albert Ballin: »Excellenz Zimmermann hat offenbar keine Ahnung von den Grenzen des Machtbereichs eines schwedischen Ministers; er macht sich auch nicht klar, daß das schwedische Volk keine Hammelherde ist, die sich von einem skandinavischen d’Annunzio in einen Krieg hineinschleppen läßt.« Ballins Kritik läßt sich auf das gesamte außenpolitische Konzept der Reichsleitung im Sommer 1915 übertragen, das eine Mischung aus Realitätsferne, Selbstüberschätzung und Ziellosigkeit charakterisierte. Realitätsferne, was das Urteil über fremde Nationen und deren politische Kulturen anlangt; Selbstüberschätzung im Hinblick auf die eigene militärische Stärke, trotz punktueller Erfolge; schließlich Ziellosigkeit, weil es weder ein klar definiertes Kriegsziel noch ein Friedensprogramm gab – nicht bei den außenpolitisch verantwortlichen Köpfen und nicht bei den von ihnen eingesetzten diplomatischen Hilfskräften. In dieser Situation wollte der badische Thronfolger einen raschen Frieden im Osten vermitteln, »damit wir dann mit England, Frankreich und Italien wirklich abrechnen können. Denn dies scheint mir der einzige mögliche Weg, tatsächliche Früchte des Krieges zu ernten, daß wir mit Rußland so bald als möglich uns verständigen und dann den Krieg mit aller Macht gegen England und das ihm verkaufte Frankreich führen.«97 In Berlin wurde Max von den Verantwortlichen gebeten, einen Privatbrief an König Gustaf von Schweden aufzusetzen, seinen angeheirateten Cousin, den er im Sinne der deutschen Interessen bearbeiten sollte.98 Es ging, wie schon im Fall des Grafen Douglas, darum, ein direktes Kriegseingreifen der schwedischen Monarchie zugun262 262
sten der Mittelmächte anzuregen. Mit seinem Plädoyer für eine Ausweitung des Krieges lehnte sich Max politisch weit aus dem Fenster, denn ein Kriegstreiber war er von Haus aus gar nicht. Doch wahrscheinlich hat er nicht tiefer darüber nachgedacht, wofür er sich hier eigentlich vereinnahmen ließ und ob man mit diesem Versuch, die Schweden auf die Russen zu hetzen, einer Verständigung mit dem Zarenreich überhaupt einen Dienst erweisen würde. Vielmehr war es wohl eher so, daß der Prinz im politischen Berlin Blut geleckt und den ihn sehr erhebenden Eindruck gewonnen hatte, er könne durch sein spezielles Engagement etwas Kriegswichtiges bewirken. Durfte er doch mit dem Reichskanzler »eingehender« sprechen,99 und diese Wertschätzung maßgebender Personen schmeichelte ihm offenkundig. Weiteres bewirkte die umgehende Antwort, die er aus Stockholm erhielt.100 König Gustaf, so schrieb er dem »hoch zu verehrenden« Regierungschef nach Berlin, habe ihm einen »außerordentlich herzlichen Dankesbrief geschrieben für die Anregung, die ich ihm, wie er sagt ›wohl von Berlin inspiriert‹, gegeben habe«. Leider sei aber das, »worauf ich so besonderen Wert legte: die Betonung gemeinsamer Interessen gegen Rußland«, als politische Anregung nicht berücksichtigt worden. Dennoch könnte vielleicht durch geschickte Redaktion der Note durch das Auswärtige Amt »der Eindruck, den die von mir vorgeschlagene Note haben sollte – die Tendenz eines gemeinsamen Vorgehens zugunsten der Zentralmächte – bis zu einem gewissen Grade wiederhergestellt werden«.101 Max’ neue Rolle als informeller Mitarbeiter der Reichsleitung führte dazu, daß er in dem schon erwähnten Brief an Bethmann Hollweg schrieb, er reise in den nächsten Tagen im Auftrag des Großherzogs von Baden nach Wien, um Kaiser Franz Joseph den KarlFriedrichs-Verdienstorden zu überreichen. »Sollten Eure Exzellenz Wünsche für mich haben, so stehe ich nach Kräften zur Verfügung.«102 Bethmann Hollweg lobte Max’ Schwedendiplomatie und sein weiteres »gnädiges Anerbieten«.103 Unaufgefordert reichte der Prinz nach seiner Rückkehr einen umfangreichen Bericht beim Kanzler über seinen mehrtägigen Aufenthalt in Wien ein,104 der eindringlich auf »die Stimmung, die dort Deutschland gegenüber herrscht«, einging.105 Im letzten Teil seines Berichtes kam er noch einmal auf seine Stockholmer Démarche zurück. Briefe seiner badischen Cousine, der Königin von Schweden, und lange Gespräche mit deren Kammerherrn Graf Douglas – so schrieb er – legten einen 263 263
weiteren politischen Vorstoß von ihm nahe. Es sei der Zeitpunkt gekommen, »wo sich Deutschland entschließen muß, ob es einen energischen Versuch machen will, Schweden zu einer militärischen Kooperation zu bewegen«. Dabei bleibe trotz anderer Wirkkräfte »der König der ausschlaggebende Faktor. Er muß gewonnen werden […]. Mein Brief soll einen starken Eindruck auf ihn gemacht haben, und er sagte dem Grafen Douglas, daß er sich über ihn sehr gefreut habe, weil er Verständnis für seine Lage bekundet habe«. Max sei daher nur zu gern bereit, vor der Einleitung offizieller Regierungsschritte »eine Voranfrage an den König zu richten, wenn dies erwünscht wäre«. Am 22. Juli 1915 schrieb er erneut an den Reichskanzler: »Im äußersten Fall bin ich sogar bereit, nach Schweden zu fahren, obgleich ich sehr wenig Neigung habe, mich in Dinge zu mischen, die einen kriegerischen Ausgang nach sich ziehen könnten. Nur das Gefühl, gegebenenfalls der Einzige zu sein, der Deutschland diesen Dienst leisten könnte: den König von Schweden zu gewinnen, bringt mich dazu, aus meiner natürlichen Reserve herauszutreten.«106 Gut möglich, daß Max’ Tatendrang durch seine badische Cousine, die schwedische Königin Victoria, angestachelt wurde, die in Stockholm einen schweren Stand hatte und sich stärkere Signale aus Deutschland wünschte. Sie verfolge »mit festem Willen und stolzer Energie, unbeirrt durch alle Schwierigkeiten und Widerstände das Ziel – die erhoffte Vereinigung der schwedischen mit den deutschen Waffen – auch um Schwedens Willen.« Sie sei aber im Königreich schon als »Haupt« der Kriegspartei so verschrien, daß sie nur mit »äußerster Diskretion« agieren dürfe.107 Bethmann hielt sich bedeckt; zum Leidwesen des Prinzen Max, der sich darüber beschwerte, daß in der Reichsleitung einfach »der Kopf fehlt, welcher das durchzusetzen vermag, was als notwendig erkannt wird. Ich erlebe das eben wieder, wo ich sehr damit beschäftigt bin, die Wege zu finden und zu öffnen, die ein Mitgehen Schwedens und Finnlands ermöglichen würden. Doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, es dennoch zu erreichen.« Ab Mitte August 1915 quartierte er sich für mehrere Wochen im Hotel Adlon ein, um als »Gelegenheitsarbeiter«, wie er ein wenig selbstironisch hinzufügte, sich »in stetem Verkehr mit dem Auswärtigen Amt« erneut politisch zu betätigen.108 Und tatsächlich erhielt Max grünes Licht für seine politische Mission nach Stockholm.109 Wie er dies erlangte, ist im Detail nicht überliefert; doch hat er im nachhinein seine Stockholmer Mis264 264
sion als persönlichen »Auftrag« seines Kaisers deklariert, der von entsprechend großer »Tragweite und politisch-militärischer Bedeutung« gewesen sei.110 Davon zeugt auch die Tatsache, daß Falkenhayn, der der ganzen Aktion wie Bethmann »sehr skeptisch« gegenüberstand,111 dem kaiserlichen Emissär seinen persönlichen Freund, den Generalstabsoffizier Hans-Emil von Hammerstein-Gesmold, als militärischen Berater mit auf die Reise gab. Max’ Besuch in Schweden dauerte zwei Wochen, vom 15. bis 30. November 1915. Als Gast des schwedischen Königspaares durfte er in Schloß Drottningholm logieren, so daß auch ein informeller Austausch mit seinen Verwandten sichergestellt war. Politische Resultate zeitigte weder der zwanglose Umgang miteinander noch die offiziellen Gespräche mit dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister, da Regierung und Parlament die schwedische Neutralität den deutschen Interessen keineswegs opfern wollten.112 Diesem Votum mußte sich selbst der König fügen. Seinem kaiserlichen Vetter berichtet Max später, daß König Gustaf »weit mehr als seine Minister zu einer kriegerischen Aktion bereit« gewesen wäre. Doch so, »wie die Dinge jetzt liegen, könnte er es nicht unternehmen, offen an Deutschlands Seite zu treten. Das schwedische Volk ginge einfach nicht mit.« Interessant ist, wie Max es verstand, im Angesicht seines Mißerfolgs die Mission als eine Art Weisung von oben zu definieren, die »weit über das hinaus[ging], was ich zuerst als meine Aufgabe anzusehen für berechtigt hielt«. Auf einmal war sein ureigenster Plan, Schweden für einen sofortigen Kriegseintritt im Militärbündnis mit den Mittelmächten zu gewinnen, nur ein »Auftrag«, hinter dem er sein eigenes Engagement gut verstecken konnte.113 Ein halbes Jahr später hat er sogar behauptet: »Mein militärischer Auftrag in Stockholm ging gegen meine innerste Überzeugung von dem, was Deutschland dienlich war. Im Drang der Eile konnte ich ihn nicht ablehnen.«114 Noch etwas anderes muß in diesem Zusammenhang herausgestellt werden; nämlich die tatsächliche Ursache für das Scheitern seiner Mission. Sie lag darin, daß sich das Königreich Schweden im Unterschied zum deutschen Kaiserreich bereits zu einer parlamentarischen Monarchie entwickelt hatte. Doch weder der Oberste Kriegsherr noch sein Emissär hatten das realisiert und mithin übersehen, wie begrenzt die Entscheidungsbefugnis Gustaf V. in Lebensfragen der schwedischen Politik nur mehr war. Wie Max’ militärischer Be265 265
gleiter Oberst von Hammerstein Ende November 1915 Wilhelm II . berichtete, war der schwedische König persönlich durchaus davon überzeugt gewesen, »daß ein Krieg für Schweden jetzt auch aus innerpolitischen Gründen – drohende radikale Demokratisierung des Landes – ein Segen sein würde und eine Gelegenheit, wie sie nie wiederkommen würde, aber das Volk im ganzen und der sehr einflußreiche Minister des Äußeren Wallenberg seien für den Krieg nicht zu haben«.115 Die Entscheidungsgewalt über Krieg und Frieden lag in Schweden staatsrechtlich schon gar nicht mehr beim Monarchen, sondern bei Regierung und Volk. Also hatte sich eine ganz wesentliche Prämisse, unter der Max angetreten war – den schwedischen König zu gewinnen, weil der doch vermeintlich der politisch »ausschlaggebende Faktor« sei – diese Prämisse hatte sich als nicht mehr zeitgemäß erwiesen. Seine Überzeugung, über dynastische Kanäle staatliche Politik treiben zu können, hat sich Max trotz der Fehlschläge nicht nehmen lassen. Noch 1917 war er zur Stelle, als nach der russischen Februarrevolution in der Wilhelmstraße kurzfristig überlegt wurde, ob und wie man dem bedrängten Zaren Nikolaus eventuell noch zu Hilfe kommen könnte, und dabei einmal mehr den Prinzen »zu einer besonderen Aufgabe in’s Auge faßt[e]«.116 Mit Unterstützung seiner Tante, der Herzogin Marie von Sachsen-Coburg-Gotha, Tochter des Zaren Alexander II., sollte er den ihm wohlgesinnten Nicky in letzter Stunde per Brief zu einer Kooperation mit der Reichsregierung überreden – zur Rettung der Romanows. Ein diplomatischer Winkelzug, der – kaum angedacht – schon durch den reißend schnellen Fortgang der Dinge ad absurdum geführt wurde, da der Zar, als diese Aktion ausgeführt wurde, bereits abgedankt hatte.117 Daß unsere Hauptfigur für solche Einsätze immer wieder zu haben war, und zwar ungeachtet aller Skepsis – insbesondere der des Reichskanzlers –, zeigt, daß er nicht lassen wollte von seinem festen Glauben an die dynastische Politik, der persönlichen Überredung und geheimen Vermittlung von Fürst zu Fürst. Er bildete sich immer noch ein, einen Frieden auf die internationale Solidarität der Throne gründen zu können. Auch hier war er noch ein Kind des 19. Jahrhunderts. Im übrigen stand Max »vollkommen auf dem Standpunkt eines Krieges à outrance mit England«, und ging sogar »so weit, daß ich einen glimpflichen Frieden mit Rußland einem solchen mit England vorzöge«.118 Womit er sich definitiv Arthur Zimmermanns Konfronta266 266
tionskurs eines zu allem entschlossenen Kampfes im Westen angeschlossen hatte.119
Politische Kabalen – Auf der Suche nach einer Aufgabe »In Berlin wird hin und her intrigiert wie im faulsten Frieden«, notierte Harry Graf Kessler am 16. März 1915 empört. Drei Tage zuvor bekannte er: »Hier im Brennpunkt des Weltkrieges diese Unsicherheit und Intrigenwirtschaft zu sehen, wo sich vorne die armen Kerle ohne Zaudern tot schießen lassen müssen, macht Einem übel.«120 Das Scheitern der militärischen Offensive im Westen hatte eine Führungskrise im Kaiserreich ausgelöst. Weder der überforderte Kaiser noch der neue Chef der OHL, Falkenhayn, oder Reichskanzler Bethmann Hollweg vermochten es, das Land zu neuen strategischen Zielen zu führen. In der Machtzentrale wurde intrigiert; auch Max von Baden wußte von diesen Kabalen ein Lied zu singen. Immer wieder hat er im Zentrum der Macht solche Machenschaften beobachtet. »Aus Berlin erhalte ich Notschreie«, schrieb er im April 1915 an Johannes Müller. »Ich solle kommen und helfen. Was kann ich tun? Für die hohe Politik bin ich nicht gemacht und zur Aufdeckung von Intrigen, von denen jeder spricht, nur berufen, wenn Berufenere daran scheitern.«121 Doch diese achselzuckende Gelassenheit war nicht echt. Denn gerade über den Führungsstil der Reichsleitung hat sich Max unentwegt den Kopf zerbrochen. Die militärische Kriegsführung des Großen Generalstabs unter Falkenhayn kritisch zu beurteilen, traute sich Max aus naheliegenden Gründen zunächst noch nicht zu, und dem Chef der zweiten OHL ist er persönlich aus dem Weg gegangen. Allerdings registrierte und kolportierte er fleißig, was gegen den streitbaren Feldherrn so alles im Schilde geführt wurde. Zum Beispiel Kronprinz Rupprecht gegenüber, der zu den erklärten Feinden Falkenhayns zählte. Max’ Hauptinteresse galt freilich dem Kaiser sowie dessen Reichskanzler Bethmann Hollweg. Zum inneren Kreis des Regierungschefs und zu Max’ wichtigen Gesprächspartnern zählte neben den beiden Staatssekretären des Auswärtigen Amtes, Jagow und Zimmermann, schon 1915 der spätere Vizekanzler Karl Helfferich. Den damaligen Schatzsekretär erklärte er sogar zum »klarsten Kopf in Berlin«. Es sei »eine 267 267
Freude, mit ihm zusammen zu sein«.122 Noch mehr Zeit versuchte der Prinz mit Bethmann zu verbringen, doch die Beziehung war nicht frei von Ressentiments. Max stellte den Kanzler »als moralische Persönlichkeit sehr hoch«, doch stehe »er nicht über den gewaltigen Aufgaben der Stunde und hat gar keine schöpferischen Eigenschaften«. Einige wenige Gespräche reichten für so ein Verdikt.123 Allerdings stand dieses Urteil in auffallend starkem Gegensatz zu den zahlreichen Annäherungsversuchen, mit denen Max versuchte in engem Kontakt mit dem Reichskanzler zu bleiben – über die Stockholmer Mission hinaus. Er gierte geradezu nach Bethmanns Sympathie und Wertschätzung. So dankte er ihm beispielsweise Ende April 1916 nach einer Begegnung in Berlin nicht nur sehr herzlich »für alle Güte und genossene Freundlichkeit«, sondern reicherte dieses Schreiben mit einem umfangreichen Statement zur aktuellen außenpolitischen Lage des Deutschen Reiches an. »Euer Exzellenz wissen, daß ich bis jetzt ein ausgesprochener Gegner war, England entgegen zu kommen, und meine Hoffnung für einen Frieden und eine gedeihliche Entwicklung Deutschlands nach dem Krieg weit mehr auf eine Verständigung mit Rußland als mit England setzte.« Aber nun stelle sich doch die Frage, ob »Deutschland noch im Stande« sei, »mit seinen Alliierten England so zu treffen, daß es so weit gebracht wird zu sagen, lieber Deutschland zum Freund als zum Feind? Würde diese Möglichkeit bejaht, so müßte dieses Ziel sicher verfolgt werden. Muß sie verneint werden, so halte ich nach wie vor das Bestreben einer Verständigung mit Rußland oder Frankreich in erster Linie als wünschenswert.« Solche strategischen Überlegungen waren 1916 in der Wilhelmstraße tatsächlich en vogue und für deren Gedankenarmut darf man Max nicht verantwortlich machen – sie waren Teil jener kollektiven Ratlosigkeit der deutschen Außenpolitiker, von der schon die Rede war.124 Worauf Max mit seinem ausführlichen Schreiben vor allem aber zielte, war, ein Signal zu geben: seine nunmehrige Anverwandlung an das Bethmannsche Konzept, ein eventuelles Friedensangebot von jeder Seite zu nehmen. Wie zu zeigen bleibt, grenzte diese Versicherung, die erklärte Revision überkommener Anschauungen, bei Max schon an Selbstverleugnung. Doch abermals war der Drang nach Teilnahme so übermächtig, daß er politische Bedenken hintanstellte. Der Kanzler wußte ihm sein Anerbieten denn auch umgehend freundwillig zu danken, und ließ den Prinzen weiterhin als Aushilfsdiplomaten gewähren.125 268 268
Max setzte seine Suche nach der ihm Orientierung bietenden Führungsgestalt in der Reichsspitze fort. Doch auch ein Privatbesuch beim Altkanzler Bülow in Berlin Anfang Juni 1916 brachte ihn nicht weiter.126 Die Gespräche erhärteten allerdings seinen Verdacht, daß die Reichsregierung notorisch englandfreundlich war. Bethmann und Helfferich hatten ihm nachdrücklich widersprochen, als er die Ansicht vertrat, »England sei der größere Feind als Rußland«, und »ein Friede, der von England käme, sei jedenfalls ein schlechter«.127 So konnte er »die schreckliche Ungewißheit weder aufklären noch mich frei davon machen«, wie er Johannes Müller schrieb. »Unaufhörlich erhalte ich durch Chamberlain und andere Mitteilungen und Anklagen, die mich peinigen, ohne daß ich zu helfen vermag.« Gemeint waren die sich verstärkenden Bemühungen von Bethmanns Gegnern (von rechts), die Stellung des Kriegskanzlers nachhaltig zu untergraben. Doch wem wollte Max überhaupt helfen? Und warum? Kraft welcher Kompetenz, welcher Verantwortung und zu welchem Zweck? Letztlich war er nur eine halböffentliche Person ohne Amt. Allem Anschein nach hat er um diese Zeit so etwas wie ein politisches Helfersyndrom ausgebildet, mit dem er seinen Rückzug vom militärischen Kriegsschauplatz zu kompensieren versuchte. Deshalb versetzte ihn auch das in Berlin gewonnene Gefühl, nicht gehört und nicht gebraucht zu werden, in einen solch miserablen »Seelenzustand«, daß er sich für mehrere Monate nach St. Blasien zurückzog, wo die großherzoglich-badische Familie ein herrschaftliches Domizil im Schwarzwaldstil besaß.128 Aber selbst die Idylle des Schwarzwaldes – weit weg vom Krieg – konnte ihn nicht davon abhalten, »in der Wilhelmstraße stark an der Alarmglocke« zu ziehen.129 Und zwar durch mehrere Brandbriefe – erst an Jagow, dann an Zimmermann – zu denen er aber nicht recht durchdringen konnte.130 Max war ratlos: »Schwere Sorge nagt an meinem Herzen«, klagte er Johannes Müller; denn er könne »doch unmöglich annehmen, daß Bethmann, nur um England zu schonen, nicht das Äußerste tut, um England niederzuringen«.131 Was also tun? »Soll ich dem Kaiser schreiben? Seit Wochen trage ich den Gedanken in mir. Wäre er ein anderer, ich täte es zweifellos. Wie soll ich aber hoffen können, etwas Gutes zu erreichen, wo ich nicht mit Sachlichkeit zu rechnen habe. Und doch werde ich es tun müssen, denn ich kenne keinen Kopf, der geeignet wäre, die Dinge so zu behandeln, daß Klarheit entstünde.« Die Nachricht, daß Hindenburg zum Ober269 269
Schwarzwaldhaus der Zähringer in St. Blasien
befehlshaber Ost befördert wurde, die Bethmann Ende Juli 1916 beim Kaiser mit dem Argument durchgesetzt hatte, daß dies der deutschen Öffentlichkeit neue Siegeszuversicht einflößen werde,132 war für Max ein erster Silberstreifen am Horizont und ließ ihn zögern, den Weg der Intrige tatsächlich einzuschlagen, eine Option blieb sie nach wie vor. In seiner Orientierungslosigkeit suchte Max politisch Rat bei Menschen, die er für urteilsfähig hielt. Dazu zählte nun wieder sein alter Freund Hohenlohe, dem er Mitte August 1916 in einem Brief über acht Seiten sein Herz ausschüttete.133 Er rekapitulierte »die schweren Angriffe«, denen sich die Reichsleitung damals ausgesetzt sah – »Anklagen, deren Berechtigung man immer wieder von sich stößt, weil sie einem nicht in den Sinn eingehen wollen«, zumal er selbst den Kanzler »persönlich hochschätze«. Gleichwohl hatte Max »eine Reihe von Bedenken gegen ihn vorzubringen«. Dazu zählte er an erster Stelle: Den schweren Fehler, daß Bethmann sich für deutsche Annexionen gegenüber dem Zarenreich ausgesprochen habe. Denn dadurch spiele er »nur England in die Hand und erschwert eine eventuelle Geneigtheit in gewissen russischen Kreisen, einen Separatfrieden abzuschließen«. Ebenfalls »höchst unsympathisch« war 270 270
Max, »daß die Reichsregierung die [bürgerlich-demokratische] Frankfurter Zeitung zu ihrem Leiborgan erhoben hat. Warum gerade ein freisinniges Judenblatt hierzu verwenden? Das gibt den Anlaß zu allen möglichen Verdächtigungen finanzieller Art und hält eine große Reihe von echt deutschen Männern in der Entfremdung, das ist sehr zu bedauern und wird keine guten Folgen haben.« Nicht unbeeindruckt ließ ihn schließlich, daß überall im Reich »mit Ausnahme der Demokraten und Sozialisten« nur noch die wenigsten den Regierungskurs förderten. Gegenüber Chamberlain hat er sich einige Tage später in ganz ähnlichem Sinne ausgesprochen.134 Erneut ist von »der Gefahr der Verjudung« der Reichspolitik die Rede. Daß auch seine Berliner Neuentdeckung Helfferich »Judenblut haben soll«, quittierte er sarkastisch mit dem Wagnerschen Stoßseufzer: »Wohin sich wenden, und wohin sich retten?« Und wiederum störte ihn ganz besonders, daß die Reichsleitung unfähig war, einen Verständigungsfrieden mit Rußland zu schließen, obwohl er sie persönlich »seit mehr als 11/2 Jahren immer und immer wieder« eindringlich darauf hingewiesen habe, daß nach seiner festen Überzeugung »eine Sprengung der Entente nur durch eine Verständigung mit Rußland möglich sei, die zugleich eine zukünftige Spitze gegen England in sich schließe«. Aus alledem lassen sich drei zentrale Momente der politischen Vorstellungswelt des Prinzen zwei Jahre nach Kriegsausbruch ersehen: Sein – allerdings, wie er betonte, »nicht grundsätzlicher« – Antisemitismus, der eher eine antiliberale und antidemokratische Stoßrichtung hatte.135 Seine Anglophobie,136 die sich mit einer ausgeprägten Russophilie paarte, welche das Zarenreich und auch den Zarismus möglichst erhalten wollte. Und schließlich Max’ Drang, einem in seinen Augen hypnotisierten Ensemble von Reichsleitern – einschließlich Kaiser Wilhelm – die Augen zu öffnen und damit selbst in das Rad der Geschichte zu greifen. Wie man sieht, war es ein Gemisch aus Emotion und politischer Überzeugung, das den Badener 1916 antrieb – man könnte sagen, aus Vorlieben und Vorurteilen. Wie aber konnte der Thronanwärter eines süddeutschen Bundesstaates darauf kommen, ausgerechnet er müsse die in den großen Krieg geratene Welt retten oder wenigstens maßgeblich dazu beitragen? Woher nahm er diesen Wirkungsdrang? War es Fremd- oder Eigenantrieb? Um mit dem letzteren zu beginnen, so war es wohl beides. Schließlich weckte die ungereimte und widersprüchliche Reichspolitik erst jene 271 271
Ressentiments, die Aktivisten wie Prinz Max auf den Plan riefen. Seine Annahme, es womöglich doch besser zu wissen als die Eliten der Wilhelmstraße, war insofern keine reine Selbstüberschätzung. Doch kam bei ihm noch ein besonderer Antriebsüberschuß hinzu, der nach wie vor von seinem elementaren Bedürfnis herrührte, sich vor sich selbst und anderen als politischen Kopf zu profilieren. Als der Prinz nach mehreren Monaten im November 1916 in die Reichshauptstadt zurückkehrte, hatten sich auf der politischen Ebene einige bemerkenswerte Veränderungen vollzogen. Anstelle von Falkenhayn standen seit September Hindenburg und Ludendorff an der Spitze der nun schon dritten OHL . Dort arbeiteten sie an dem Heldenmythos weiter, der zweifellos ihr größtes militärpolitisches Kapital darstellte – nicht zuletzt durch eine Totalisierung des Krieges. Sodann hatte sich die Reichsregierung durch ihre offene Proklamation eines unabhängigen polnischen Staates demonstrativ von der Option verabschiedet, Rußland eventuell doch aus der Phalanx der Ententemächte herausbrechen zu können. Schließlich wurde Außenamtschef Jagow durch den agilen Arthur Zimmermann ersetzt. War das ein Neuanfang? Für Max war zumindest »Großes geschehen. Denn die Ernennung Hindenburgs ist das größte Ereignis dieses Krieges in positivem Sinne gesprochen.« Er nannte ihn »einen reinen, unantastbaren deutschen Helden«. Aber: »Daß wir erst in den Pfuhl des Elends hinabgestoßen werden mußten, ehe dieser selbstverständlichste aller Entschlüsse gefaßt werden konnte, ist die Tragik des deutschen Volkes und seines Kaisers in diesem Krieg.« Am tiefsten beklagte er, »was die Ära Falkenhayn uns gekostet hat«. Hierzu zählte er namentlich »die nie wieder gut zu machen[den]« Versäumnisse in bezug auf Rußland – also der Verzicht auf den Separatfrieden. Kein Wunder, war doch damit eine seiner schönsten politischen Illusionen wie eine Blase zerplatzt – definitiv.137 Max’ Hauptsorge blieb nun der Kaiser, mit dem er Mitte Dezember 1916 anläßlich einer Militärparade in Mühlhausen im Elsaß mit anschließendem Besuch in Karlsruhe nach langer Zeit wieder einmal persönlich zusammentraf. Er zeigte sich ausgesprochen »erschreckt und beeindruckt« von dem, was er da zu hören bekam.138 Wie er seinem Freund Johannes Müller näher erläuterte, raubte ihm dieser schlechte Eindruck sogar die Weihnachtsfreude. Über dem inneren Leben des Reiches liege »ein nebliges Grau«, so sein Befund. »Die 272 272
Schuld liegt an der obersten Leitung, der die Größe und Zielsicherheit fehlt.« Damit war Wilhelm II. gemeint, der »die strafbaren und unverzeihlichen Fehler der Ära Falkenhayn« mit zu verantworten habe, unter dem »wir lächelnden Mundes dem Ende entgegen[steuerten]«. Das größte Manko des Kaisers bleibe der »vollkommene Mangel an Fähigkeit, die Menschen und die Dinge zu sehen, wie sie sind, nicht wie man sie gern sehen möchte.« Als Max diesen Eindruck seiner Tante Luise mitteilte, erregte er »Schmerz und stille Entrüstung« – so mußte er seine Sorgen vor anderen Ohren ausschütten. Nur einige Tage später gab ihm Chamberlain einen Brief des Kaisers zu lesen, in dem der Monarch mit martialischen Worten die Situation beschrieb. Der Text kam dem Prinzen gleich bekannt vor, denn »denselben Brief schrieb er vor einigen Monaten an die Großherzogin Luise; damals gab sie ihn mir zu lesen«.139 Wilhelms Zeilen hatten es wirklich in sich – Phantasmagorien, gleichsam ex cathedra verkündet. »Der Krieg ist ein Kampf zwischen 2 Weltanschauungen: der germanisch-deutschen für Sitte, Recht, Treu und Glauben, wahre Humanität, Wahrheit und echte Freiheit, gegen die angelsächsische, Mammonsdienst, Geldmacht, Genuß, Landgier, Lüge, Verrat, Trug, und nicht zuletzt Meuchelmord! Diese beiden Weltanschauungen können sich nicht ›versöhnen‹ oder ›vertragen‹, eine muß siegen, die andere muß untergehen!« Der Krieg sei für die Deutschen »zum Kreuzzug geworden«, und zwar zum »Kreuzzug gegen das Böse – Satan – in der Welt, von uns geführt als Werkzeuge des Herrn, die wir nach nichts mehr zu fragen haben, nach keiner Bedingung und keinem anderen Kriegsziel, als das Eine zu erreichen, wir Gottesstreiter schlagen, bis das mammonsdienende Räuberpack zusammenbricht und die Feinde des Reiches Gottes im Staube liegen! […] Gott will diesen Kampf, und wir sind seine Werkzeuge. Er wird ihn leiten, um den Ausgang brauchen wir uns nicht zu sorgen, wir werden leiden, fechten und siegen unter Seinem Zeichen! Dann kommt der Friede, der deutsche, der Gottesfriede, in dem die ganze befreite Welt aufatmen wird; befreit von angelsächsischem satanischem Mammonsdienst und Verrohung!«140 Politischer Hintergrund der kaiserlichen Philippika war das deutsche Friedensangebot vom 12. Dezember 1916, das die Entente kategorisch abgelehnt hatte.141 Aber dieser Brief – manichäisch, fundamentalistisch und missionarisch eifernd – ist ein gutes Beispiel für Wilhelms II. Denken im Weltkrieg.142 273 273
Auch Max wußte das und schrieb deshalb an Chamberlain: »Ich trüge leichter, wenn ich ihn ganz verurteilte; noch leichter, könnte ich ihn mit Bewunderung lesen, wie vielleicht viele täten. Aber leider kenne ich das alles zu genau aus guten und bösen Tagen und noch aus den allerletzten Zeiten. In der großen Klage Wotans im II. Akt der Walküre stehen die Worte ›in allem treff ich nur mich‹. Das ist’s, in Allem trifft er nur sich. Aber der Klagelaut fehlt hier völlig, denn in allem sucht er nur sich, das Berauscht-Sein an der Rolle, die er spielt.« Solche Briefe, bekannte der Prinz, machten ihn »unsagbar traurig, denn es liegt Tragik darin«. Chamberlain denke vielleicht edler über den Kaiser, aber »was uns beiden in diesem Gegenstande eint, [ist] die große Liebe, die wir beide dem unglücklichen Kaiser entgegenbringen. Denn trotzdem er eine ›Rolle spielt‹ und ›sich an sich und seinen Worten berauscht‹, trotzdem ist er ein unglücklicher Mensch, im tiefsten Inneren mit sich und der Welt im Zwiespalt.«143 Mit seiner Kaiserkritik lag Max gewiß nicht daneben. Das waren kluge und treffende, scharfsichtige Beobachtungen. Aber eigentlich hätte die politische Schlußfolgerung daraus nur lauten können: Ein solcher Monarch darf nicht regierender Kaiser der deutschen Nation sein, und Oberster Kriegsherr auch nicht, zumindest gehört er unter Kontrolle gestellt. Doch so ein ebenso ketzerischer wie wagemutiger Gedanke lag dem Monarchisten Max von Baden fern; als Herrscher blieb Wilhelm II . sakrosankt – ganz gleich, unter welchen psychischen Problemen dieser »unglückliche Mensch« litt. Mehr noch, die scharfe Polemik tat auch seiner unglücklichen Liebe zu ihm keinerlei Abbruch; Max’ Mit-Leiden scheint sich eher noch vergrößert zu haben. Öffentlich hob er den Monarchen als Sinnbild deutscher Kraft und deutschen Siegeswillens in den Himmel.144 Persönlich hofierte er ihn und versicherte sich immer wieder der allerhöchsten Aufmerksamkeit. Und bei seinen informellen Kontakten mit den höchsten Staatsbeamten setzte er die gute Verbindung nach ganz oben wiederholt ein, um sein politisches Renommee zu steigern. Max dachte auch nicht entfernt daran, gegen den Kaiser Politik zu machen; jedenfalls nicht direkt. Das Äußerste, was hier für ihn eventuell noch in Frage kam, war über Bande zu spielen, das heißt andere einzusetzen, die das tun sollten, was er sich selbst nicht traute: dem Herrscher vielleicht das eine oder andere Auge zu öffnen. Max meinte es gut mit seinem Kaiser, wenn auch nicht unbedingt ehrlich. In Wahr274 274
heit sah er in Wilhelm II. seinen geistigen Bruder, das Zerrbild seiner eigenen Person. Seine Kritik galt immer nur dem schlechten Darsteller einer Rolle, nie der Rolle selbst. Bleibt noch zu ergänzen, daß Prinz Max bis Anfang 1917 in die Politik auf Reichsebene – jenseits des Gefangenenaustausches – nicht mehr involviert war. Ende Januar sehen wir ihn wieder für Wochen in Berlin tätig. Es war die Zeit großer Verschiebungen im politischen Gefüge. Der Machtzuwachs der dritten OHL, der Beginn des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, der den Kriegseintritt der USA provozierte, sowie die russische Oktoberrevolution veränderten die Koordinaten politischen Handelns ganz erheblich. Es waren Veränderungen, die den Sturz des Kanzlers Bethmann einleiteten – und auch Max auf seinem politischen Weg erheblich beeinflussen sollten.
Weltanschauungsfragen In politischer Hinsicht hat sich Max von Baden gleich nach Kriegsausbruch prinzipiell festgelegt.145 Deutschland verteidige seine Existenz, seine Kultur, kämpfe für wahre Freiheit und Menschlichkeit – »allein aus idealen Motiven« mithin. Es handele sich hier um die »tiefernste Erhebung eines Volkes von Helden, das weiß, um was es geht«. Nach siegreich bestandenem Kampf werde man »eine Renaissance Deutschlands und des germanischen Wesens erleben, wie sie herrlicher nie gewesen ist«. Diesen idealisierten deutschen Kriegsmotiven stellt er die Schlechtigkeit von Deutschlands Feinden gegenüber. »Alle kämpfen aus Haß und Neid« und blinder Gottlosigkeit heraus – wobei England insbesondere noch durch seine »Gewinnsucht« angetrieben werde. »Es hat die unmoralischste Allianz zuwege gebracht, die die Welt wohl je sah, und kann sich der Verluste seiner Alliierten ebenso freuen wie der seiner Feinde, denn überall schimmert der Vorteil einer verminderten Konkurrenz durch.« Aus diesem dichotomischen Weltbild ergab sich Max’ feste Überzeugung, »daß es ein Kampf des Guten gegen das Böse ist, und daß deshalb Deutschland siegen muß und wird«. Umso mehr, als es sich zugleich um einen »Kampf der Wahrheit gegen die Lüge handelt«. In der Wahrheit aber »offenbart sich Gott«, und der trete nun »an unsere Seite«. Damit hatte sich der Prinz recht stromlinienförmig die »Ideen von 1914« zu eigen gemacht, mit denen die Deutschen versuchten, 275 275
sich radikal von ihren Feinden abzugrenzen, und in ihrem nationalen Selbstwertgefühl aufzuputschen.146 Nach dem bekannten Muster von Sein oder Nichtsein wollte auch Max seine geistige Kriegsbereitschaft wachhalten, um in der Lage zu sein, die deutsche Kriegspropaganda aktiv mitzugestalten. Es war deshalb nur zu verständlich, daß er im Herbst 1914 wieder verstärkt den engeren persönlichen Kontakt zu Chamberlain, aber auch zu Müller suchte, die ihre Aufgaben nun in der Propaganda für die anhaltende Kriegsbegeisterung sahen.147 Schon bald war ja klar geworden, daß dieser Krieg mit all seinen Greueln kein schnelles Ende finden würde. »Gott hat uns ein furchtbares Leiden auferlegt und wir müssen unser Kreuz tragen bis an’s Ende. Das Ende aber muß der Sieg sein, damit es einmal wieder hell werde in der Welt«, schrieb Max an Chamberlain. Und an Müller: »Leider wird noch viel Blut fließen müssen, bis wir so weit sind, und unser schlimmster Gegner muß zuerst niedergezwungen sein – England!«148 An diesem Credo hat Max von Baden bis in das vierte Kriegsjahr hinein unerschütterlich festgehalten. Immer wieder suchte und fand er seine Grundüberzeugungen bestätigt. Zum Beispiel durch die bereits erwähnte Antwort der Entente auf das deutsche Friedensangebot vom Dezember 1916, die ihm »wieder wie zu Anfang des Krieges die Zuversicht [gibt], daß wir einer solchen Niedertracht gegenüber nicht erliegen können«.149 Erneut war er nun voll des Geistes von 1914, wie er Chamberlain versicherte: »Was ich Ihnen am Anfang des Krieges instinktiv schrieb, ich hielte ihn für einen Kampf des Bösen gegen das Gute, heute wiederhole ich es mit größerer Überzeugung als damals.« Das deutsche Volk wisse »ganz genau, warum es kämpft und siegen muß«.150 Trotz der grausamen Erlebnisse an der Front blieb für Max dieser Weltkrieg eine unabweisbare Notwendigkeit. Er liebte Krieg selbst nicht – aber gewisse Ideen, die ihn betrafen, und die Aussichten, die er eröffnete. Das deutsche Kaiserreich mußte siegen, weil »die Befestigung und Förderung von Deutschlands Weltstellung« nur so erreicht werden konnte. »Das ist ja des deutschen Volkes Kraft, daß es das idealistischste Volk der Welt ist und gemacht, die Welt mit Idealen zu erfüllen.«151 Neben diesen Kreuzzugsgedanken eines deutschen Imperialismus trat aber noch ein weiteres Motiv, das ihn auf den Sieg des Kaiserreichs setzen ließ. Denn nur durch einen deutschen Sieg konnte die Machtfrage in Deutschland im Sinne einer Re-Konsolidierung der 276 276
deutschen Monarchie beantwortet werden. Wie anders hätte die politische Aussicht einer durch die totale Mobilisierung der Gesellschaft schon fast antizipierbaren Volksherrschaft noch durchkreutzt werden sollen als durch die Überführung des Burgfriedenkonzepts in ein Herrschaftsmodell autoritären Zuschnitts? Diese Problematik hatte Max im Auge, als er Anfang 1915 daran ging, eine programmatische Kammeransprache zu konzipieren, mit der er am 4. Februar die badische Ständeversammlung eröffnen wollte. Dabei reflektierte er besonders auf das Phänomen der Volksgemeinschaft, die sich ihm bei Kriegsausbruch und Frontbesuchen, aber auch in der Opferbereitschaft der deutschen Gesellschaft offenbart hatte. Dieses heroische Volk – »einig vom Kaiser bis zum letzten Mann« – wurde zum wichtigsten Adressaten seiner Rede. Es gebe im »Volks- und Staatsleben nur ein Miteinander, keine Gegeneinander« mehr. »Als Glied der Gemeinschaft« habe der Einzelne sich »losgelöst von allen trennenden Fesseln der Partei, der Anschauung und des Interesses«. Das deutsche Volk »scharte sich um seinen Kaiser und fühlte sich in Liebe und Dankbarkeit mit ihm verbunden«. Wie die Souveräne der Einzelstaaten: »So ist ein starkes Band geschmiedet, das den deutschen Kaiser und die deutschen Fürsten fest und unzerreißbar miteinander und mit ihren Völkern verbindet.« Insbesondere auch das badische Volk, das »dankbar und voll Vertrauen« zu seinem »geliebten Landesherrn« emporblicke.152 Daß sich in dieser Ansprache eine ausgesprochen antidemokratische Grundtendenz artikuliert, daraus hat Max gar kein Hehl gemacht – privat jedenfalls. Als sein Freund Hohenlohe den »Ausspruch vom Glauben an das deutsche Volk« in der Kammerrede kritisch hinterfragte, da antwortete er ihm umgehend, ein für allemal klar stellend: »Ich liebte den Parlamentarismus nie und habe [auch] jetzt den allergrößten Widerwillen gegen ihn, der alles erschwert, alles vergiftet und mit der Presse zusammen jedes Keimen höheren Werdens bekämpft, daran herumzerrt und es dadurch einem frühzeitigen Tod weiht. Tausendfach gesegnet wäre der Mann, der uns von diesem Gesindel befreite und uns die Wege wies, ohne s. g. Volksvertreter, dieser blödsinnigen Illusion hirnverbrannter Theorie, auszukommen und die Freiheit der Presse – diesen Freibrief der Dummheit und Gemeinheit – zu einem nützlichen Faktor in der menschlichen Gesellschaft umzugestalten.«153 Angesichts »der Umwertung aller Werte« erschien Max eine wegweisende politische Führerge277 277
stalt überhaupt dringend erforderlich – ein »Kopf« mit möglichst »genialisch-schöpferischen Eigenschaften«. Wo aber ein »Hindenburg der Staatskunst, den wir nach außen und innen so bitter, bitter brauchen«, ein neuer »Bismarck« zu finden, ja überhaupt zu suchen wäre, das wußte er nicht. Den deutschen Kaiser sah er weder willens noch in der Lage, eine solche Autorität zu rekrutieren. Mit seiner rhetorischen Verneigung vor dem »Genie Hindenburgs«154 und seiner Sehnsucht nach politischer Führerschaft im autoritären Stile eines Bismarck gibt sich Max als begeisterter Anhänger der beiden politischen Großmythen seiner Zeit zu erkennen.155 Das unterscheidet ihn nicht wesentlich von der Masse der deutschen Kriegsnationalisten. Weit interessanter ist aber, was er an politischen Wünschen mit ihnen verband. Der charismatische Führer, nach dem er sich sehnte, sollte das Volk politisch einen, einen homogenen Volkswillen repräsentieren und ihn gestützt auf diese plebiszitäre Zustimmung politisch durchsetzen. Es galt also eine alte Form autoritärer Herrschaftsausübung zu etablieren. Das sollte nicht nur an den verfassungsmäßigen Institutionen vorbei geschehen, damit sollten vor allem das Parlament als Zentrum der politischen Willensbildung eines pluralistischen Volkes ausgeschaltet und Interessenvielfalt für nicht legitim, nicht national erklärt werden. Unklar blieb nur, wie so ein autoritäres Herrschaftskonzept den monarchischen Gedanken würde stärken können. Denn einem plebiszitär legitimierten Volkskaisertum redete Max vorerst nicht das Wort. Nur so viel stand fest: »Es fehlt uns der große Mann«.156 Damals war – vor allen anderen – Houston Stewart Chamberlain der ideale Ansprechpartner für ihn. Von dessen »sehr guten« Aufsätzen fühlte Max sich »beglückt und tief beeindruckt«.157 Sein zweitägiger Aufenthalt in der Villa Wahnfried im Januar 1915, bei dem er in Richard Wagners Bett schlafen durfte, scheint wie eine Initiation gewirkt und das Fundament für den zügigen Ausbau des Kontaktes gelegt zu haben.158 »Seien Sie versichert«, schrieb ihm Chamberlain, »daß wir alle mit einer ganz eigenartigen, tiefen und dankbaren Freude Ihres hiesigen Aufenthalts gedenken«.159 Bei so viel wechselseitiger Sympathie und Begeisterung sollte man die Aussagen der Bücher des Bayreuther Großideologen näher betrachten, um herauszufinden, wofür er in dieser Zeit geschrieben und geworben hat. Gleich nach Kriegsausbruch war Chamberlain mit einer Reihe 278 278
Kriegsaufsätze hervorgetreten, die noch im gleichen Jahr als Sammelband erscheinen konnten.160 Darin wünschte er den deutschen Waffen »den vollkommenen, niederschmetternden Sieg«, weil daran »das Weiterbestehen und die Weiterentwicklung der Freiheit auf Erden« geknüpft sei. Dieser Sieg werde »ein Weltdeutschtum« begründen und die andern Völker »zum Verständnis der [deutschen] Freiheit erziehen«. Deutschland müsse nach dem militärischen Sieg »von Kreisen regiert werden, die außerhalb aller Parteien und Sonderinteressen stehen« und in seiner Politik kein »Dreinreden von schwatzhaften volksvertretenden und volkszertretenden Advokaten« dulden. Nur so könne es zum »führenden Weltstaat« werden. Natürlich auf Kosten von Chamberlains Geburtsland Großbritannien, dem er alles erdenklich Schlechte wünschte und von dem er sogar meinte, ihm als »Engländer« ins Stammbuch schreiben zu müssen: »Uns alle kann einzig ein starkes, siegreiches, weises Deutschland retten.« Anfang 1915 ließ Chamberlain Neue Kriegsaufsätze folgen,161 worin er etwas moderater als zuvor »dem deutschen Ideal eines organischen und darum auch organisierenden Staates« huldigte. Mit der dritten Reihe seiner Kriegsaufsätze162 stieß er dann Anfang 1916 wieder kräftig in das Horn der Propaganda: Wenn Deutschland sich seiner welthistorischen Mission ganz bewußt werde, dann wachse es »zu einer unwiderstehlichen Gewalt heran, zu einer ganz neuen, friedlichen, auf moralischer und geistiger Überlegenheit beruhenden Weltbeherrschung«, die schließlich »die pax germanica« erzwingen werde – »erobern gegen alle, vor allem aber gegen England«. Im Januar 1917 erhielt Max von Baden schließlich noch die Streitschrift Der Wille zum Sieg zugesandt, die Chamberlain im Vormonat fertiggestellt hatte.163 Er las sie umgehend und telegrafierte nach Bayreuth seinen »herzlichen Dank für Ihren wundervollen Aufsatz, der mich sehr beglückt hat«.164 Chamberlains Text wollte das deutsche Bewußtsein dafür schärfen, daß in diesem Krieg »Göttliches und Teuflisches einander gegenüberstehen, daß Deutschland nicht allein seine Grenzen zu verteidigen hat, sondern als Gottesstreiter dasteht, und daß es darum seine Pflicht ist, den Feind ohne jede Rücksicht und Empfindelei und humanes Phrasengedusel völlig niederzuwerfen und sich zu unterwerfen«. Und: »Die Deutschen stehen bereit; ihnen fehlt nur der vom heiligen Geist eingesetzte Führer.« Diese Stich- und Reizwörter aus dem Kriegsvokabular des Bayreuther Hexenmeisters mögen genügen, um das geistige Terrain ab279 279
zustecken, auf dem sich Max von Baden 1915 und 1916 mit Vorliebe bewegte. Es handelte sich um eine ideologisch hochgradig aufgeladene Weltanschauung, die, zwar literarisch-philosophisch verbrämt, ein Konglomerat aus politischen Phobien und – an utopischen Visionen ausgerichteter – Hybris war; ganz zu schweigen von der offenkundigen Absicht, einer autoritären Führerherrschaft geistig den Weg zu bereiten. Ein übriges zu diesem fragwürdigen Wertehimmel von Max’ »Kriegskultur«165 hat dann noch Johannes Müller beizutragen versucht, der ebenfalls seit 1914 mit öffentlichem Reden über den Krieg sein politisches Profil zu schärfen suchte, und zwar ins Völkische hinein.166 Allerdings dürften die Müllerschen Appelle zur »Selbsthingabe an den waltenden Willen Gottes«, der mit den Deutschen »durch Feuer und Blut Wege des Heils« gehe, weniger stark auf Max gewirkt haben als der distinguierte Stil eines Chamberlains. Doch das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend war, daß Max’ Aufnahme der weltanschaulichen Konstrukte von Müller und mehr noch von Chamberlain wichtige psychologische Funktionen erfüllte: Sie bekräftigten eigene Grundannahmen und aktivierten ihn. Er lebte dadurch in dem Gefühl, an der intellektuellen Mobilmachung der kulturellen Eliten teilzuhaben und im weltanschaulichen Kampf um die Weltkriegsdeutung auf der Seite der Sieger zu stehen.167 Erst diese persönliche Teilhabe weckte seinen Ehrgeiz, die als »wahr« erkannten geistigen Vorgaben in Politik umzusetzen und damit überhaupt zu verwirklichen. Er verstehe sich als jemand, so hat Max sich Chamberlain gegenüber ausgedrückt, »der Ihnen stets mit bewundernder Verehrung gelauscht hat, und dessen Hoffen und Sehnen die Wege suchen, die Sie gehen«.168 Als Eideshelfer und Unterstützer hatte er den Großideologen 1914 herbeigerufen; von seinen Inspirationen beseelt, wollte er nun dessen Ideengut in die reale Politik überführen helfen.
Privatleben Über das private Leben von Prinz Max gibt es in dieser Zeit relativ wenig zu berichten. Die Liebesbeziehung mit Wilhelm Paulcke scheint 1915/16 zu Ende gegangen zu sein.169 Ansonsten lebte er weiter wie vor dem Krieg, teils in Karlsruhe in seinem Stadtpalais und teils auf Schloß Salem. Er hatte Einbußen an seinen Einnahmen zu 280 280
verzeichnen, weil die meisten seiner russischen Wertanlagen aus dem ererbten Vermögen seiner Mutter nicht mehr viel abwarfen.170 Nach wie vor war er viel unterwegs, um seine – wie er sagte – »große Sehnsucht« zu stillen, die Sehnsucht nach seiner Schwester in Dessau, den Wagners in Bayreuth sowie nach Johannes Müller, der gerade in der oberbayerischen Elmau eine neue spektakuläre Freistätte baute.171 Aus Ansehensgründen hatte sich seine Familie zunächst überwiegend in der Residenzstadt Karlsruhe aufgehalten, wo seine Frau die großherzogliche Tante bei deren unermüdlicher Fürsorgetätigkeit unterstützte. Doch als in seiner Abwesenheit bei einem französischen Fliegerangriff auf Karlsruhe am 15. Juni 1915 auch sein Palais in Mitleidenschaft gezogen wurde, so daß sich Frau und Kinder in die Keller flüchten mußten,172 schickte der Prinz seine Familie erst einmal für drei Monate nach Salem beziehungsweise nach Gmunden. Am liebsten hätte er sie dauerhaft dort in Sicherheit gewußt, doch hätte das dem landesväterlichen Image des großherzoglichen Hauses Schaden zugefügt. So war ein Gewissenskonflikt unvermeidlich. »Großherzogin Luise blickte etwas sauer, als ich ihr sagte, daß meine Familie einstweilen wenigstens in Salem bleiben würde; als ich aber mich bereit erklärte, meine Familie nach Karlsruhe zu bringen, wenn der Großherzog die Verantwortung für das Leben meines Sohnes übernehmen wolle, mußte sie bekennen, daß dies unmöglich sei.«173 Die Thronfolge in Baden blieb also immer noch das schlagende Argument, wenn in der Fürstenfamilie ein Loyalitätskonflikt vorlag. Das zeigte sich nach dem zweiten ungleich schwereren Luftangriff auf Karlsruhe am 20. Juni 1916, der über 100 Tote und viele Schwerverletzte forderte.174 Fortan konnte sich der Nachwuchs des badischen Thronanwärters mitsamt der Mutter vorzugsweise in Salem aufhalten.175 Über das Familienleben selbst ist aus Max’ Briefen so gut wie nichts zu erfahren, da er das Ergehen seiner nächsten Angehörigen nur mehr beiläufig erwähnt. Seit Anfang 1916 plagten Max gesundheitliche Probleme. Erst war es nur eine Influenza, zu der dann aber noch Hexenschüsse sowie eine Blasenentzündung hinzukamen. Bald stellte sich noch chronischer Rheumatismus ein. Also trat der Prinz eine Erholungskur in den ersten Julitagen in St. Blasien an, wo er im Schwarzwaldhaus der großherzoglichen Familie residieren konnte. Mit kurzen Unterbrechungen hat er sich dort bis weit in den August hinein aufgehalten. Ein 281 281
»guter schwedischer Masseur« behandelte seine Arthritis,176 das übrige sollten ausgedehnte Wanderungen in der erholsamen Natur des Südschwarzwaldes richten: »Die Gegend ist wundervoll, und die Spaziergänge auf viele Stunden im Umkreis bieten das Liebliche und Schöne in Fülle«.177 Von St. Blasien ging es dann über Salem Anfang September nach der Elmau, während die Restfamilie zu Max’ Schwiegereltern ins österreichische Gmunden reiste.178 Zu Pfingsten hatte Johannes Müller in dem weltabgeschiedenen Hochtal am Fuße des Wettersteingebirges das von Carlo Sattler gebaute prächtige Schloß Elmau eröffnet, wo nun auch sein Freund und Prinz zum ersten Mal freundlichste Aufnahme fand. In seinen Lebenserinnerungen hat Müller über diesen einwöchigen Besuch überliefert, daß er »für uns beide eine große innere Entlastung und Ausspannung« war. »Endlich hatten wir einmal wieder Tage hintereinander für uns, beiderseits erfüllt und beinahe bis zum Sprengen bedrückt von dem Schicksal und der Not unseres Volks und von dem quälenden Drang getrieben, mitzuwirken zu einem befreienden Ende. Niemand hatten wir sonst, bei dem wir uns so rückhaltlos aussprechen und im Innersten anvertrauen konnten.«179
Profilierungsmaßnahmen Im März 1917 flatterte dem badischen Thronerben im Berliner Hotel Adlon ein besorgniserregender Brief auf den Tisch. Absender war Wilhelm Paulcke, der bei Kriegsausbruch Bewährung an der Westfront gesucht hatte und anschließend ein Schneeschuhbataillon in den Alpen kommandierte. Aber nicht die weit auseinanderliegenden Operationsgebiete belasteten die Beziehung. Es war das, was der Weltkrieg aus den beiden Männern gemacht hatte. Paulcke, durch mehrere Verwundungen gezeichnet, spürte, was es heißt, für sein Vaterland zu kämpfen, zu leiden – sein Leben einzusetzen. Sein Freund Max wußte das nicht. Das konnte den Vertrauten nicht unberührt lassen – weil er zudem um die rufschädigenden Auswirkungen jener Distanz seines Prinzen zum Kampfgeschehen wußte. Deshalb glaubte Paulcke, Max warnen zu müssen. Den Wortlaut des Briefes kennen wir nicht. Aber wir wissen, daß der Adressat seinen persönlichen Ratgeber Müller fragte, ob das, was er da hören mußte, »von solcher Bedeutung ist, daß ihm Rechnung getragen werden« sollte. Er hatte 282 282
zwar »keineswegs das Gefühl, mit dem Volk außer Fühlung geraten zu sein. Das ist aber natürlich nur die eine Seite. Wenn das Volk das Gefühl hat, mit mir außer Kontakt zu stehen, so ist das natürlich eine unerfreuliche Sache, es fragt sich aber, ob das nicht eine vorübergehende Erscheinung ist, die mit dem Krieg aufhören wird, oder ob Paulckes Auffassung, daß ein ›Wiedergutmachen‹ unmöglich ist, richtig ist?«180 Max’ Popularität beim badischen Volk stand also Anfang 1917 auf dem Spiel. Ein Imagewandel mußte her. Dafür sollte er in den Augen derer, die es gut mit ihm meinten, endlich mehr Empathie und mehr Nähe zum Volk zeigen. Paulcke war nicht der einzige, der sich Sorgen machte. Über gute Bekannte wie den Fraktionschef der SPD im badischen Landtag, Wilhelm Kolb, oder den Karlsruher Regierungsrat Moritz Hecht erfuhr Johannes Müller im Frühjahr 1917 noch manche andere halböffentliche Botschaft.181 Was also tun? Ergebnis einer eiligst einberufenen Zusammenkunft der beiden in Karlsruhe war, daß sich Max, um seine erneute Kammeransprache vorzubereiten, noch am 1. April 1917 zu seinem bis dato längsten Frontbesuch nach Frankreich aufmachte, und zwar mit öffentlicher Ansage.182 Erst drei Wochen später kehrte er heim – »mit beglückenden Eindrücken«.183 Die unerträgliche Inanspruchnahme seiner Nerven, die ihm den Kriegstourismus schon 1915 verleidet hatte, mußte dieses Mal verschwiegen werden. Denn es galt, Popularität zurückzugewinnen und endlich wieder in deutlich sichtbaren Kontakt mit den Hauptleidtragenden dieses Krieges zu treten. Die Alarmsignale müssen nicht allein schrill, sie müssen für Max geradezu zwingend gewesen sein. Max hatte sich das nordfranzösische Städtchen Montmédy zum Quartier gewählt – weit im Hinterland der deutschen Verdun-Front gelegen.184 Das entsetzliche Massenabschlachten war dort inzwischen weitgehend zum Erliegen gekommen, so daß dieser Kampfabschnitt im Frühjahr 1917 sogar als relativ ruhig und sicher galt. Der Festungsort Montmédy war schon im August 1914 in deutsche Hände gefallen und seitdem zu einem wichtigen Militärstützpunkt ausgebaut worden – als Eisenbahnknoten, als großes Lazarett und als Sitz des Oberkommandos der 5. Armee unter General Max von Gallwitz.185 Der notierte beim Eintreffen des hohen Besuches am 2. April 1917 in sein Tagebuch: »4.30 [Uhr] N[achmittag] erschien Prinz Max von Baden mit [seinem Adjutanten] Major Freiherr v. Racknitz. Er 283 283
will sich hier etwas vor Anker legen, die badischen Truppen besuchen, hat aber keinerlei Erkundigungen eingezogen oder Vorkehrungen getroffen. Er weiß nicht einmal, wo die badischen Truppen sind und welche zu den einzelnen Verbänden gehören.« Im übrigen sei der Besucher aber »sehr liebenswürdig«, wenn er auch ein wenig ungelegen kam. »Der gute Herr scheint sich hier bodenständig machen zu wollen, was mir in dieser Woche am wenigstens zusagt.«186 Allem Unbehagen zum Trotz war in der Avenue Pasteur für den Prinzen aber rasch »eine sehr schöne Villa«187 gefunden, in der er nebst Begleitung nun für die nächste Zeit unterkommen konnte. Auch ansonsten durfte der Prinz mit den eilfertigen Arrangements der Militärdienststellen für ihn zufrieden sein. »Ich habe« – so schrieb er nach einwöchigem Frankreichaufenthalt an Johannes Müller – »in den letzten 5 Tagen mit mehreren tausend Soldaten und mehreren hundert Verwundeten gesprochen und den Lohn in dem Ausdruck dieser braven Gesichter ernten dürfen. Ich bin einfach beseligt von der Wärme, die mir entgegenschlägt.«188 Im Rest dieses Briefes setzt sich der Prinz in einer bizarren Mischung aus Entrüstung, Trotz und Selbstgerechtigkeit noch einmal mit seinen Kritikern aus Baden auseinander, die Müller ihm brieflich gespiegelt hatte. »Daß ich die Schuld an den Mühlhausener Ereignissen [im August 1914] mitzutragen habe, ist ein tragischer Blödsinn allergroteskester und wahnsinnigster Art. Kein Mann der Armee hat derart unter den Ereignissen dort gelitten wie ich.« Er »gebe zu, meine langen Abwesenheiten von Karlsruhe haben mich daran gehindert, in meiner Vaterstadt das zu tun, was ich anderwärts tat. In Konstanz war ich fast täglich in den Lazaretten […]. In 4 Wochen hole ich das Versäumte in Karlsruhe ein, wo ich übrigens auch viel in Lazaretten war. Überall bin ich stets ganz allein gewesen, nie hat mich ein Adjutant begleitet. Ich hasse jeden Dritten zwischen mir und meinen Volksgenossen. Auf diesem Gebiet habe ich ein absolut reines Gewissen und zwar nicht aus Gründen der Absicht, sondern der Neigung. Ich bleibe bei dem, was ich Paulcke schrieb: da ich nur für das deutsche und badische Volk arbeitete, so konnte bei mir das Gefühl der Entfremdung nicht bestehen. Im Gegenteil, ich fühle mich inniger als je mit ihm verbunden. Freilich die Arbeit ging sehr im Verborgenen vor sich.«189 Die Einsicht, daß eine bessere, womöglich auch sichtbarere Selbstinszenierung nötig war, brachte Max dazu, Hindenburgs erfolgrei284 284
chen Medienberater und Pressechef Walter Bloem zu einem Gespräch in seine Villa nach Montmédy einzuladen.190 Darüber hat dieser eine Aufzeichnung angefertigt, die sich wie ein Gesprächsprotokoll liest. »Der Prinz: mir ist jedes Hervortreten in der Öffentlichkeit stets widerwärtig gewesen. Alles, was ich getan habe, und ich habe mancherlei tun können, habe ich stets im Stillen getan. Ich: Großherzogliche Hoheit, die Publizität des heutigen Lebens ist jedem vornehmen Manne unangenehm. Aber man muß mit der Tatsache rechnen, Volkstümlichkeit ist eine Sache, die heutzutage nicht ohne die Presse erlangt und bewahrt werden kann. Wie viel geschieht in dieser Hinsicht für Hindenburg, wie wenig für den Kaiser, den Kronprinzen! Unwiderlegt schwirren alle Gerüchte durch die Welt, weil diese keine wirklich zuverlässige oder überhaupt keine Informationen über das Treiben ihrer Fürsten während des Weltkrieges bekommt.«191 Fortan war Max klar, was er nun vor allem werden mußte – ein möglichst effektiver Öffentlichkeitsarbeiter in eigener Sache. Er mußte aus seiner Gabe, Menschen zu gewinnen, sie für sich einzunehmen, größeres Kapital schlagen. Er durfte sich für Reklame nicht zu schade sein. Der erste Schritt dieser Werbestrategie sollte nach seiner Rückkehr von der Westfront nun seine Rede vor der Ersten Badischen Kammer am 24. April 1917 sein. Und danach standen eine ganze Reihe von Lazarettbesuchen in diversen badischen Städten, insbesondere in Mannheim und Heidelberg auf dem Programm. Mit Pressefotografen. Max’ Kammerrede begann mit einer Hommage an das frontsoldatische Heldentum im Kampf gegen die »Vernichtung Deutschlands«, die sich dessen Feinde auf die Fahnen geschrieben hätten. »Wir müssen durchhalten, denn uns droht der Untergang«. Erfolgreich behaupten könnte man sich aber nur, »wenn wir uns treu bleiben und den Glauben an uns und unsere Bestimmung hoch und fest halten«. Nur »einigendes Füreinander« verbürgten »Sieg und Zukunft«. Und – »Führer« müßten »erstehen, wie sie uns nottun. Denn neben der Erkenntnis der Tüchtigkeit des ganzen deutschen Volkes hat uns der Krieg die weitere gebracht, die der Notwendigkeit starker und genialer Führer.« Namentlich an Hindenburg »können wir die ausschlaggebende Bedeutung der Führung im großen Stil kennen lernen«. Und zum Schluß dann noch der Appell: »Deutsche Freiheit soll bei uns herrschen, wie unsere großen Männer sie uns gelehrt haben, gepaart mit deutscher Treue.« Ein »unlöslich zusammengeschweißtes 285 285
Volk, das sich selbst getreu, treu zu Kaiser und Reich hält« – das, so beschwor der Redner die Abgeordneten – »wollen wir sein«.192 Man spürt, wie sehr sich der Redner gewünscht hat, mit Worten wie diesen womöglich selbst als persönlicher Garant solch eines Einheitswillens des deutschen, zumindest des badischen Volkes in der Öffentlichkeit wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden. Erst einmal konnte der badische Thronfolger mit seinen imagepolitischen Maßnahmen zufrieden sein. Er hätte in Karlsruhe, so schrieb er erleichtert am Tage seines Auftritts vor der Ersten Badischen Kammer an Müller, »kein verlegenes, geschweige denn ein unfreundliches Gesicht gesehen, auch nicht bei meinen I. Kammer Herren. Auf der Straße die alte Höflichkeit allüberall.« Dennoch sehnte er sich nach einer Aussprache mit seinem Lebensberater über seine Erfahrungen mit der erzwungenen Neujustierung seiner öffentlichen Person.193 Wenige Tage später war Johannes Müller zur Stelle.194 Etwa um die gleiche Zeit beschloß die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg auf Betreiben von Joseph Partsch, dem im vorigen Kapitel bereits vorgestellten Spiritus rector der badischen Kriegsgefangenenfürsorge, dem Prinzen Max die juristische Ehrendoktorwürde zu verleihen – »wegen seiner völkerrechtlichen Verdienste um die Behandlung der Gefangenen im Krieg«.195 Der Verdacht drängt sich auf, daß es sich hierbei um eine bestellte Auszeichnung handelt. Bestellt bei einer badischen Hochschule, deren Rektor Großherzog Friedrich II . war – Max’ Vetter also, der gerade als Chef des Hauses Baden ein veritables Interesse daran haben mußte, daß die öffentliche Stellung des Thronprätendenten achtbar blieb. Die Universität Freiburg war mit dem Ansinnen einer solchen Ehrenpromotion von oben nicht in Verlegenheit zu bringen. Sie galt im Ersten Weltkrieg als »das Bollwerk des Nationalgefühls« in Baden; keine andere Institution machte damals dort »mit größerer Begeisterung oder stärkeren Auswirkungen für den Krieg mobil«.196 Durch ihren großherzoglichen Rektor war sie außerdem schon ihrer Verfassung nach der Herrscherdynastie der Zähringer verpflichtet. Dem trug der Lehrkörper in den Kriegsjahren durch sein patriotisches Engagement nach Kräften Rechnung, so daß die Grenzen zwischen Wissenschaft und Politik schnell verwischten.197 So hat es allem Anschein nach keinerlei Nachfrage nach den wissenschaftlichen Meriten des Prinzen Max gegeben; die entsprechenden Fakultätsbeschlüsse wurden ohne jede Diskussion einstimmig gefaßt. Die of286 286
fizielle Begründung für die Verleihung war geradezu perfekt auf das Anerkennungsbedürfnis des badischen Thronfolgers zugeschnitten. Diese Ehrung – so stand es schwarz auf weiß in dem prächtigen Diplom vom 14. Mai 1917 – werde ihm zuteil: »Weil er im Weltkriege zu Gunsten der Kriegsgefangenen mit Hingabe und mit Erfolg an der Durchsetzung des geltenden Völkerrechtes und an seiner Fortbildung gearbeitet und dadurch die internationalen Beziehungen des staatlichen Lebens gefestigt hat. Weil er mit nie ruhendem Eifer das Los der Unseren im feindlichen Auslande zu bessern wußte und der Nachforschung nach unseren Vermißten die Wege ebnete, dem Vaterlande und dem Staatsgedanken dienend, dem Wiederaufbau unseres Wirtschaftslebens nach dem Kriege vorarbeitend, dem einzelnen Volksgenossen, der für Deutschland litt, und denen, die in der Heimat um ihn bangten, die Treue mit Treue vergeltend.«198 Honorabler als durch so eine Urkunde nebst zugehörigem Festakt hätte der Prinz öffentlich kaum salviert werden können.199 »Das wird gewiß wirken«, schrieb ihm denn auch Johannes Müller zu diesem Spektakel, »und Ihre Verkennung in einigen Kreisen zerstreuen«.200 Was soviel bedeutet wie: Er bedurfte einer solchen öffentlichen Rehabilitierung dringend. Ein weiteres Mittel, sein soziales Ansehen zu fördern, wird Max in der Aufnahme von 30 Karlsruher Kindern in seinem Salemer Landsitz erblickt haben, um sie bei sich – wie er sagte – »gesund zu füttern«; außerdem wurden Krankenschwestern untergebracht, die sich dort erholen sollten.201 Doch wie schwankend der Boden immer noch war, auf dem sich der Zähringer innerlich bewegte, das zeigen seine wütenden Ausfälle gegen einen besonders markanten Jünger aus der Seelenschule von Johannes Müller – den damaligen Generalstabsoffizier Hans-Georg von Beerfelde.202 Zur Vorgeschichte dieses Ausbruchs muß man wissen: Schon in der Vorkriegszeit hatte der Sproß einer alten märkischen Offiziers- und Junkerfamilie engen Anschluß an den Müllerschen Zirkel gefunden. Zwischen Beerfelde und Müller gab es einen über Jahre gepflegten Briefwechsel. Und durch seine enge Freundschaft mit dem Grafen Rhena, Max’ früh verstorbenem Cousin, war Beerfelde auch dem Prinzen persönlich bekannt.203 Beerfelde hatte bis 1916 als Kompanieführer und Bataillonskommandant an West- und Ostfront gedient, bevor er im Frühjahr 1917 in die Nachrichtenabteilung beim Stellvertretenden Generalstab nach Berlin versetzt wurde. Dort geriet er unter den Einfluß pazifistischer 287 287
Kreise. Im Frühsommer 1917 plante er, eine große Friedensbewegung zu initiieren, die sich den offenen Verzicht auf Annexionen und rein humanitäre Ziele auf ihre Fahnen schreiben wollte. Gleichzeitig suchte er Ludendorff und auch den deutschen Kaiser durch persönliche Appelle dafür zu gewinnen, im Interesse von Thron und Volk einen vollständig neuen politischen Kurs einzuschlagen.204 Was ihm dabei vorschwebte, war eine radikale Demokratisierung Deutschlands – namentlich Preußens, weil er darin eine der Hauptmaßregeln erblickte, um dem befürchteten Ausbruch von Volksunruhen vorzubeugen, aber auch um den sinnlosen Krieg endlich zu beenden. So voluntaristisch und etwas idealistisch verstiegen das Aktionsprogramm Beerfeldes auch anmutete, es gab in Berlin einige Leute von Rang und Namen, die diesen pazifistischen Stabsoffizier durchaus ernst nahmen. Auch bei seinem bisherigen Freund und Meister Johannes Müller suchte Beerfelde Rückendeckung – und bei Müllers bedeutendstem Freund Max von Baden. Aber die beiden ließen ihn auflaufen. Insbesondere der Prinz, dem nicht allein die politische Richtung dieser Aktion gegen den Strich ging, sondern mehr noch die offenbar unerschrockene kritische Art und Weise, mit der dieser Aktivist ihn anzugehen gewagt hatte. Beerfelde – so entrüstete sich Max gegenüber Johannes Müller – habe ihm doch tatsächlich ein »taktloses Schreiben« geschickt mit »unerzogenen Bemerkungen über mein Schlafen im brennenden Haus und meinem Mangel an Verantwortlichkeitsgefühl, auf dem ich ihm allerdings zornentbrannt in einer Weise gedient habe, wie ich es in meinem Leben noch keinem Offizier gegenüber getan habe. Ich […] habe mir seine taktlosen Redensarten ernstlich verbeten und ihm für alle Zukunft untersagt, in seinen Briefen an mich sich Urteile über mich und meine Handlungen herauszunehmen, die ihm durchaus nicht zuständen. Kurz, ich bin ihm sacksiedegrob geworden.«205 Als Max den 40-Jährigen vier Wochen später in Berlin sprach, war seine Wut immer noch nicht verraucht. Beerfelde, so Max über die Begegnung an Müller, »hat die Augen eines Fanatikers und Besessenen. Ich habe ihn wie einen Schulbuben abgekanzelt.«206 Woher kamen Aversion und Animosität – und Verachtung? Noch dazu gegenüber einem Menschen, der alles andere als aggressiv war, ja sogar ausgesprochen friedfertig gewesen sein soll?207 Wir können die für Max ganz ungewöhnliche Form von Gereiztheit nur damit erklären, daß er extrem dünnhäutig war wegen 288 288
der vielen Kritik an seiner Person. Insofern zeigen die harschen Ausfälle gegen Beerfelde, wie verletzlich er geworden war. Man hatte ihn gekränkt, ihm gezeigt, daß selbst seine großherzogliche Hoheit angesichts der Herausforderungen eines totalen Krieges nicht mehr sakrosankt war. So steckte er im Frühsommer 1917 in einer Krise, vor allem in psychischer Hinsicht. Er mußte mit Beanstandungen umgehen, konnte es aber nicht. Ihn plagten Versagensängste, er wollte aber stark erscheinen. Er wäre gerne volkstümlich erschienen, populär gar – aber zu mehr als zu jovialer Herablassung reichte es nicht. Die Trostpflaster seiner Kammerrede und der bestellten Ehrenpromotion konnten da nur Schaden begrenzen. Er »fange jetzt an meine Nerven stark zu spüren« – schrieb er Ende Juni von Racknitz aus Salem.208 Gegenüber Chamberlain wurde er wenige Tage später deutlicher. Er fühle »sich unsagbar müde und von tausend Dingen angeekelt«, und er habe »ein unsagbares Verlangen auf einige Zeit zu verschwinden«; am liebsten in »die göttliche Einsamkeit der Berge« des Engadin. Er wolle »nichts mehr wissen von diesem schauderhaften, unaussprechlich abscheulichen Krieg und seinen Lügen und [seiner] Niedertracht«.209 Vier Wochen später war er tatsächlich entschwunden, in die »Stille gesunder Schwarzwaldnatur«, wo er »wirklich leidend«210 in St. Blasien eine mehrwöchige Kur antrat. Seinem alten Freund Munthe bekannte er von dort ganz offen, daß er einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte.211 Und auch hier sehnsuchtsvolle Reminiszenzen: »Oft denke ich an Dich und sehe Dich die Pfade entlang schreiten, von denen ich jede Kehre und jeden Stein kenne. Ich sehe alle mir so lieben Räume [der Villa San Michele] vor mir mit den wundervollen Möbeln und Kunstwerken. Ich sehe die Aussicht von der Loggia der Kapelle mit dem blauen Himmel und den Wellen, und ich höre das Getöse der Brandung. Ich höre das Klavier und die Lieder, die wir so sehr liebten. […] Tempi passati, davon getragen von Wind und Welle, aber immer noch ein Teil von mir und deshalb nicht abgestorben, sondern unvergänglich durch das, was den Dingen Unvergänglichkeit verleiht: the humanising of the heart and the prayer of the soul.« Es dauerte eine geraume Zeit, bis Max aus dieser Mischung von Nostalgie und Melancholie wieder herausfand. Genauer gesagt, bis zum Jahresende 1917.212 Es war die Zeit, in der sich sein Leben tatsächlich noch einmal entscheidend brach. Bewirkt hatte diese Wende sein Beschluß, Politiker zu werden. 289 289
Kapitel 7
Beinahe Kanzler: Die Geburt einer fixen Idee Deutschlands Lage 1917/18 Nach dem verheerenden Massenmorden bei Verdun im Jahre 1916 hatte Erich Ludendorff den deutschen Truppen an der Westfront eine strikte Defensive verordnet.1 Die neue OHL setzte auf den unbeschränkten U-Boot-Krieg gegen Großbritannien, den sie im Januar 1917 gegen den anfänglichen Widerstand des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg verfügte. Diese verschärfte Form von Seekrieg, die in der Praxis vor allem amerikanische Schiffe traf, führte im April 1917 zum Kriegseintritt der USA. Die erhoffte kriegsentscheidende Wirkung zeitigte sie nicht. Mit dem Sturz der zaristischen Monarchie in der Februarrevolution 1917 schien sich jedoch ein militärischer Sieg an der Ostfront über das angeschlagene Rußland anzubahnen. Dieser versprach endlich die militärischen Kräfte für eine erfolgreiche Kriegsführung auch an der Westfront frei zu machen. Darüber hinaus sollte das besetzte Osteuropa die langfristige Autarkie der deutschen Kriegswirtschaft garantieren – durch Ausbeutung der billigen und zahlreichen Arbeitskräfte, der fruchtbaren landwirtschaftlichen Produktionsflächen sowie der reichen Rohstoffvorkommen. Außenpolitisch prägten diese Zeit Versuche, den Krieg auf diplomatischem Wege zu beenden. Die Friedensresolution des Petrograder Arbeiter- und Soldatenrates nach der russischen Februarrevolution wurde von der deutschen Politik zwar ignoriert, brachte jedoch mit ihrer Forderung nach einem Frieden des Status quo ante nicht nur einen neuen – fortan zentralen – Gedanken in die internationale und in die innerdeutsche Debatte, sie erfand mit dem Ruf nach einem Frieden ohne Annexionen und Kontributionen auch einen zugkräftigen Slogan. Mitte Juli 1917 entstand in diesem Zusammenhang die vieldiskutierte Resolution des Deutschen Reichstags mit der Forderung nach einem für alle Seiten ehrenvollen Verständigungsfrieden. Diese parlamentarische Initiative wurde jedoch umgehend durch 290 290
die eigene Regierung desavouiert. Der neue Reichskanzler Georg Michaelis erklärte noch in der Sitzung, in der sie mehrheitlich verabschiedet wurde, er werde sie so umsetzen, wie er sie auffasse. Dennoch riß die öffentliche Diskussion über ein mögliches Ende des Krieges mit politischen Mitteln nun nicht mehr ab. Dafür sorgte nicht zuletzt die Friedensnote des Papstes, die Anfang August veröffentlicht wurde.2 Ein halbes Jahr später unternahm US-Präsident Wilson noch einmal einen diplomatischen Vorstoß mit seinem 14-Punkte-Programm, das er am 8. Januar 1918 dem amerikanischen Kongreß vorlegte. Darin forderte er einerseits, Elsaß-Lothringen an Frankreich abzutreten sowie die Gründung eines polnischen Nationalstaates mit eigenem Zugang zur Ostsee – was für das deutsche Kaiserreich auf die Forderung nach Abtretung der preußischen Provinzen Posen und Westpreußen sowie der Abtrennung Ostpreußens vom restlichen Reich hinauslief. Andererseits bestand Wilson aber auch auf der uneingeschränkten Freiheit der Meere sowie auf einer »unparteiischen Regelung der Kolonialfrage«, die ausdrücklich nicht nur die deutschen, sondern auch die britischen und französischen Kolonien einbeziehen sollte. Doch alle diese Bemühungen liefen letztlich ins Leere. Nachdem es der OHL gelungen war, ihre Kriegsziele an der Ostfront durchzusetzen, war es der gewaltsam diktierte Separatfrieden von Brest-Litowsk vom März 1918 – in dem die neugegründete Sowjetunion zu umfangreichen Gebietsabtretungen genötigt wurde – der alle Versuche diplomatischer Konfliktlösung beendete. Innenpolitisch verschlechterte sich die Versorgungslage der Zivilbevölkerung drastisch, und die hohen Verluste an Menschenleben drückten die Stimmung. Die Folge waren Arbeitsniederlegungen, die auch kriegswichtige Betriebe erfaßten. Um das Volk zu beruhigen, ließ Reichskanzler Bethmann Hollweg den Kaiser in einer Osterbotschaft 1917 versprechen, daß bald ein demokratisches Wahlrecht in Preußen eingeführt würde. Daß Bethmann bereit war, moderate Reformen durchzuführen sowie auf die päpstliche Friedensinitiative einzugehen, führte jedoch prompt zu seinem Sturz. Die OHL erzwang vom Kaiser durch eine ultimative Rücktrittsdrohung am 13. Juli die Entlassung des Kanzlers. Unterdes hatte die katholische Zentrumspartei wegen der problematischen Kriegslage die politischen Seiten gewechselt, indem sie von einem Bündnis mit Konservativen und Nationalliberalen zu einem Bündnis mit Sozialdemokratie und Linksliberalen umschwenkte. Dies war die innenpoli291 291
tische Voraussetzung für das Zustandekommen der besagten Friedensresolution gewesen. Überhaupt gab das deutsche Parlament im Laufe des Jahres 1917 seine Zurückhaltung und Selbstbescheidung auf und versuchte stärkeren Einfluß auf das politische Geschehen zu erlangen. So hatte es an der Entlassung Bethmann Hollwegs mitgewirkt und setzte im Oktober sogar den Rücktritt seines Nachfolgers Michaelis durch. Dennoch war das politische System in Deutschland auch Ende 1917 von einer Demokratisierung seiner autoritären Machtstruktur noch weit entfernt. Der neue und nunmehr dritte Reichskanzler innerhalb eines Jahres, der vormalige königlich-bayerische Ministerpräsident Georg Graf von Hertling, erreichte im Winter 1917/18 sogar eine weitgehende, wenngleich stillschweigende politische Ausschaltung des Reichstags; am Frieden von Brest-Litowsk hatte das deutsche Parlament keinen Anteil. Daß es ihn nachträglich nahezu kritiklos billigte, zeigt, daß es mit seiner politischen Willensstärke immer noch nicht sehr weit her war. Wie brachten sich die drei anderen Bestimmungsfaktoren der politischen Willensbildung in die Politik des Deutschen Reiches ein: die OHL, das dynastische Kartell der deutschen Bundesfürsten mit dem Kaiser an der Spitze und schließlich die Reichsregierung? Die »totale Mobilmachung« aller personellen und wirtschaftlichen Ressourcen – nicht allein des Reiches, sondern auch seiner Verbündeten sowie aller im Laufe des Krieges von deutschen Truppen besetzten Territorien – stellte das Grundprinzip der Kriegführung der OHL unter der Ägide von Erich Ludendorff dar.3 Alle verfügbaren Kriegsmittel sollten ihr unterstellt werden. Eine Folge war, daß Institutionen und Personen, die in den Sphären von Politik und Wirtschaft verankert waren, neutralisiert, instrumentalisiert oder ausgeschaltet wurden. Dennoch handelte Ludendorff während des Ersten Weltkriegs zu keinem Zeitpunkt im eigentlichen Sinne politisch; auch zu einem Diktator hat er es nie gebracht. Er blieb auf den militärischen Sieg an allen Fronten fixiert, war ein Technokrat, ein Macher. Ludendorff verfügte auch über keinen »Gesamtplan« für die Gestaltung der Nachkriegszeit. Seine Kriegsziele wuchsen vielmehr mit den Erfolgen der deutschen Truppen an der Ostfront. Die konkurrierenden Machtapparate des Kaiserreichs wollte er nicht abschaffen, sehr wohl tendierte er jedoch dazu, sie zu dominieren und sich zugleich hinter ihnen zu verstecken. Er wollte den politischen 292 292
Einfluß der OHL ausdehnen und im Konfliktfall die militärische Autorität gegenüber konkurrierenden Einflüssen durchsetzen. Im Verständnis der OHL sollte den militärischen Gesichtspunkten alles andere untergeordnet werden. Die Reichsregierung hatte Volk und Parlament im Sinne der OHL zu führen, wenn nötig auch autoritär. Die Rolle Hindenburgs bestand vor allem darin, mit seinem Charisma das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Kompetenz der OHL zu stärken. Hindenburg war der eigentliche Held – nicht nur als Galionsfigur nach außen, sondern auch als Integrationsfigur weiter Teile der militärischen, politischen und sogar geistigen Eliten.4 Die schärfste Waffe in den internen Machtkämpfen mit der Reichsleitung – die Rücktrittsdrohung Hindenburgs – setzte Ludendorff bei Bedarf auch konsequent ein. Die beiden blieben unverzichtbar; daran zu rütteln, war tabu. Dies schränkte die Handlungsmöglichkeiten von Kaiser, Reichskanzler und Parlament von vornherein erheblich ein. Hinzu kam, daß auch die monarchische Loyalität des Volkes durch die Ausnahmestellung dieser OHL geschwächt wurde. Der Kult um die Lichtgestalt Hindenburg diskreditierte den Autoritätsanspruch des Kaisers – ja, den monarchischen Gedanken überhaupt. Die Bundesfürsten an der Spitze des Reiches erwiesen sich indes als immer weniger imstande, ihre Führungskompetenz auch faktisch wahrzunehmen.5 Ähnlich verhielt es sich mit ihrer Rolle als oberste Repräsentanten der deutschen Militärmonarchie, trotz Ausnahmen wie dem bayerischen Kronprinzen Rupprecht. Ihre unzureichenden militärischen Leistungen entfremdeten sie dem kämpfenden Millionenheer an der Front, das die Landesherren nur als Kriegstouristen zu Gesicht bekam. Ihren hungernden und frierenden, vom Verlust der Angehörigen getroffenen Untertanen sagten diese Monarchen nicht mehr viel. Spektakuläre glanzvolle Inszenierungen wie noch vor dem Krieg gab es ebenfalls nicht mehr, so daß die Monarchie als erhebendes Staatstheater sukzessive von der Bildfläche verschwand. Das alles lief auf eine »kalte« Abdankung der monarchischen Spitze des Reiches hinaus. Die Monarchie drohte neben ihrer Legitimation auch ihre Souveränität zu verlieren, was in dem von der OHL erzwungenen Sturz Bethmann Hollwegs deutlich wurde. Dieser offenbarte, daß sich die Krone inzwischen selbst in ihrem exklusivsten Reservatrecht, der Personalpolitik, nötigen ließ. Das größte Risiko war allerdings der Kaiser selbst. Nicht genug, daß er sich immer noch für die militärische und politische erste Auto293 293
rität im Reich hielt, er war zudem überzeugt, das monarchische Prinzip durch den Krieg retten zu können, und er steuerte damit das Bismarcksche Verfassungsmodell geradewegs gegen die Wand. Wilhelms Bundesfürsten verhielten sich ruhig, obwohl es bereits erste Stimmen gab, die meinten, dieser Kaiser sollte abdanken, »nachdem er den Karren so gründlich verfahren« hätte.6 Das Problem bestand freilich nicht nur in dem politischen Unvermögen des Führungspersonals, sondern auch darin, daß man mit dem überkommenen selbstbezogenen Denken in der aktuellen Krise generell nicht mehr weiterkam. Insbesondere das antidemokratische Dogma war längst schon zur Belastung geworden. All dieses bewirkte, daß ihr realer Machtverlust von den Monarchen stillschweigend akzeptiert wurde, solange nur der äußere Anschein souveräner Machtfülle gewahrt blieb – und solange die gewählten Repräsentanten des Volkes keinen echten Anteil an der Macht gewannen. Damit war aber auf Dauer dieser Staat nicht mehr zu machen. Und dennoch, mit seinem Vetorecht bei Personalentscheidungen blieb Wilhelm II. eine machtpolitisch kaum zu übergehende Instanz. Vollends vertrackt wurde die Lage dadurch, daß fast die gesamte politische Klasse bis in den Kreis der Parlamentarier hinein von der konstitutionellen Monarchie als der bestmöglichen Herrschaftsform für Deutschland prinzipiell nicht lassen mochte. Denn dieser Umstand machte es beinahe unmöglich, das politische System des Kaiserreichs von innen heraus zu reformieren – mit neuen Köpfen und gestalterischen Ideen. Was die Reichsleitung betraf, so bemerkte zumindest Bethmann Hollweg das revolutionäre Potential, das durch diese Schieflage provoziert wurde. Er wußte um den dramatischen Vertrauensverlust, wußte um den Ruf nach Veränderung. Nur so wird sein Drängen auf Reformen verständlich. Daß dieses Bemühen mit seinem Sturz endete, zeigt exemplarisch, wie unbeweglich die überkommenen Machtstrukturen waren.7 Bethmanns Nachfolger Michaelis kam über die Rolle eines politischen Lückenbüßers nicht hinaus, und seinen Nachfolger Hertling degradierte die Reichsleitung endgültig zum administrativen Erfüllungsgehilfen der OHL. Und wie verhielt es sich mit der gewählten Vertretung des deutschen Volkes, dem Reichstag?8 Dort hatten die letzten Vorkriegswahlen eine bemerkenswerte politische Konstellation geschaffen. Die SPD stellte zwar die stärkste Fraktion im Parlament, doch nicht die be294 294
stimmende. Über die Mehrheitsverhältnisse entschied vielmehr die katholisch-konservative Zentrumspartei, die stärkste bürgerliche Kraft und zu Kriegsbeginn in einem politischen Bündnis mit den beiden protestantisch-konservativen sowie der Nationalliberalen Partei. Zwischen diesem konservativ-nationalliberalen Bündnis und der Sozialdemokratie befand sich die 1910 aus verschiedenen linksliberalen Parteien neugegründete Fortschrittliche Volkspartei, die etwa so stark war wie die Fraktionen der Nationalliberalen und der Deutschkonservativen – und wesentlich größer als die ausgesprochen rechtslastigen Freikonservativen. Der Krieg stellte für die SPD-Fraktion eine einschneidende Zäsur dar, stimmte sie doch den Kriegskrediten zu. Damit befürwortete sie die Landesverteidigung im Rahmen des herrschenden Systems, womit sie erstmals aus der Fundamentalopposition heraustrat. Dies löste innerhalb der SPD einen Spaltungsprozeß aus, der Anfang 1917 zur Gründung einer Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD ) führte – der politische Stachel im Fleisch der MSPD. Um ihren Forderungen gegenüber der Reichsleitung Nachdruck zu verleihen, setzten Konservative und Nationalliberale mit Unterstützung der Zentrumspartei durch, daß die außenpolitischen Kompetenzen des zentralen Haushaltsausschusses des Reichstags erweitert und so zum Hauptausschuß des Reichstags aufgewertet wurden. Faktisch handelte es sich hierbei um eine stillschweigende Verfassungsänderung, da bis dato allein die Reichsleitung für Auswärtige Politik zuständig gewesen war. Beide sozialdemokratische Parteien adoptierten in der ersten Jahreshälfte 1917 derweil die Formel vom Frieden ohne Annexionen und Kontributionen. Als Antwort darauf gründete sich mit der Deutschen Vaterlandspartei eine politische Opposition von rechts, die einen Sieg um jeden Preis forderte – den »Hindenburgfrieden« – und innenpolitisch die nationale Diktatur. Pressekampagnen beider Lager verschärften den Ton der Auseinandersetzung immer weiter, die Gräben vertieften und die Fronten verhärteten sich. Während es also über die Frage, ob eine politische Neuorientierung nötig sei, im Frühjahr 1917 in allen Lagern keinen Zweifel gab, entbrannte ein emotional und ideologisch stark aufgeladener Streit über die Richtung. Während die einen den militant autoritären Weg sahen, wollten die anderen eine sukzessive Erweiterung von Volksrechten, mittels einer behutsamen Parlamentarisierung des politischen Lebens wagen. Der politische Stellungswechsel der Zen295 295
trumspartei im Juli brachte eine ganz neue politische Mehrheitskonstellation zustande. Erstmals gewannen so die Parteiführer der MSPD maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidungen des Reichstags. Mit der Gründung des sogenannten Interfraktionellen Ausschusses aus Zentrumspartei, Linksliberalen und Mehrheitssozialdemokratie wurde dies auch institutionell festgeschrieben. Nicht erst indem sie den Separatfrieden von Brest-Litowsk ratifizierte, zeigte die neue Mehrheit jedoch, wie fragil das Parlament in seinem Willen zur Macht tatsächlich noch war. Das wurde bereits bei ihren Reaktionen auf die brüskierende Tatsache deutlich, daß Reichsregierung und OHL noch im Juli 1917 über die parlamentarische Friedensinitiative hinweg zur Tagesordnung übergehen konnten. Zwar protestierten Sozialdemokraten und Linksliberale vehement gegen diese Desavouierung ihrer Bestrebungen – doch zu konkreten politischen Aktionen vermochten sie sich nicht zu entschließen. Auch der Interfraktionelle Ausschuß blieb untätig. Seinen Abgang hatte der glücklose Reichskanzler Michaelis vor allem sich selbst, genauer: seinem Dilettantismus zu verdanken.9 Nach wochenlangen Diskussionen machte schließlich ein weiterer »Fauler-Kompromiß-Kandidat« das Rennen: der greise bayerische Ministerpräsident Georg von Hertling. Da er ehemaliger Parteiführer des Zentrums war, stand dessen Zustimmung von vornherein fest. Im Gegensatz zu Michaelis verfügte er als langgedientes Reichstagsmitglied über die nötige parlamentarische Erfahrung. Gleichzeitig war er treuer Monarchist und enger persönlicher Vertrauter des bayerischen Königs Ludwig III . Bei den Bundesfürsten wie den Rechtsparteien und der OHL erhöhte er im Oktober 1917 außerdem seine Reputation durch die Klarstellung, daß die Friedensresolution des Reichstags in keinem Fall Richtlinie seiner Politik sein werde. Insofern verkörperte er geradezu prototypisch die Selbstblockade des politischen Systems in Deutschland. Die beiden liberalen Parteien wurden indes durch die Ernennung des Fortschrittsliberalen Friedrich Payer zum Vizekanzler und des Nationalliberalen Robert Friedberg zum stellvertretenden preußischen Ministerpräsidenten ruhiggestellt – hochrangige Staatsämter, die jedoch kaum reale politische Macht gewährten. Aus Sorge, ihre bürgerlichen Bündnispartner vor den Kopf zu stoßen, gab die MPSD klein bei und segnete auch diesen Kanzlerwechsel ab – wider besseres Wissen. Damit waren vorerst alle Ambitionen auf eine Systemreform zum Erliegen gekommen. 296 296
Kennzeichnend für die politische Lage im Reich 1917 war somit insgesamt, daß seine Führung konfus regierte und dabei weder im Innern noch nach außen etwas Innovatives hervorbrachte. Während die nationalistische Hochstimmung vom August 1914 verebbte, stellenweise schon in ihr Gegenteil umschlug, fehlten die großen politischen Ideen, um dem Volk eine Perspektive auf das vierte Kriegsjahr zu eröffnen und die Mutlosen wieder aufzurichten. Was im grauen Alltag galt und zählte, bestimmte letztlich die OHL . Nach Brest-Litowsk blieb ihr zum weiteren Machterhalt nur noch die Option eines Vabanquespiels: Frankreich und England mit einem militärischen Offensivschlag an der Westfront zum Einlenken zu zwingen und dann diesen Schock zu einem weiteren Separatfrieden mit den USA zu nutzen. Im Rückblick nimmt sich dies wie das Drehbuch für eine Katastrophe aus. Daß es aber dazu überhaupt kommen konnte, das lag eben daran, daß die zivilen Machthaber außerstande waren, ihrerseits politische Wege aus diesem Weltkrieg aufzuzeigen und zu betreten. Im deutschen Herrschaftssystems hatten sich inzwischen unabhängige Sphären mit jeweils nur begrenzter Reichweite etabliert – es gab gleichsam mehrere Regierungen. Deren Akteure lebten in unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungswelten und besaßen in der Regel kaum Einblicke in die Vorstellungen der jeweils anderen; von Verständnis ganz zu schweigen. Vor allem aber handelten sie unkoordiniert, oft aneinander vorbei, manchmal auch gegeneinander. Nachdem der Kaiser und seine Mit-Monarchen ausfielen, die Reichskanzler nach Bethmann gleichsam unter militärpolitischer Aufsicht standen und das Parlament freiwillig auf die Macht verzichtet hatte, gab es keine Instanz, keine national anerkannte Autorität mehr, die hier steuernd in das Getriebe hätte eingreifen können. Je unkontrollierter es arbeitete, desto unkontrollierbarer wurde es schließlich. Erst dadurch konnte die OHL zum mit Abstand wichtigsten Machtfaktor werden. Um die Bedingungen für operatives politisches Handeln war es 1917/18 in Deutschland somit ausgesprochen schlecht bestellt. Schon kampferprobte Berufspolitiker scheinen heillos überfordert gewesen zu sein. Wieviel schwerer mußte sich da erst ein politischer Neuling und Quereinsteiger wie unsere Hauptfigur tun, als sie im Sommer 1917 beschloß, selbst in die Arena des Kampfes um Macht und Einfluß hinabzusteigen.
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»Dagegen ist jedes Theaterstück inhaltslos«. In der Bethmann-Krise »Die Luft voll Spannung, und jede Stunde bringt Neues und Bewegendes«, schilderte Max am 25. Januar 1917 seinen Eindruck nur wenige Tage nach seiner Ankunft in Berlin.10 Durch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, aber auch die immer lauter werdende Kritik an der Kanzlerschaft Bethmann Hollwegs, sah sich der Prinz gleich mit zwei politischen Themen konfrontiert, zu denen er selbst keine klare Meinung hatte. Dem Schweizer Pfarrer Theophil de Quervain gegenüber gab er zu erkennen, er habe zu denen gehört, die sich gegen die Entscheidung zum U-Boot-Krieg eingesetzt hätten – »aber eben erfolglos.«11 Chamberlain dagegen erzählte er, daß er den »Mitternachtsschlag« des 31. Januar 1917 mit dem Prinzen Heinrich von Preußen – dem Bruder des deutschen Kaisers – verbracht habe, »und tranken wir in jenem welterschütternden Moment, in welchem unsere U-Boote mit fieberhaft klopfenden Herzen an Bord sich auf den Feind stürzten, auf Deutschland und seinen Sieg«. Wie es nun auch kommen möge, »der Wille zum Sieg ist da – nun walte die ewige Güte!«12 In Chamberlains letzter Streitschrift, Der Wille zum Sieg, versuchte der Ideologe einmal mehr der Öffentlichkeit die »Erkenntnis« zu vermitteln, daß ein entscheidender Kriegserfolg nicht erreicht werden kann, »wenn nicht der notwendige weitere Sieg – Deutschland die führende Weltmacht – als Ziel und Gebot klar ins Auge gefaßt« bleibe. »Welche Breite, welche Gewalt, welche Lauterkeit, welche stählerne Festigkeit, welche hohe, aufopferungsvolle Begeisterung des Willens muß da Deutschland aufbringen! Ob es gelingt, diesen – den eigentlichen – Willen zum Sieg zu erwecken?«13 Mit solchem weltanschaulichen Gepäck war Max nach Berlin gereist.14 Auch auf den Kaiser hatte Chamberlains Appell so viel Eindruck gemacht, daß er seiner Entourage im Großen Hauptquartier daraus vorlas.15 Ob Max und der Kaiser bei ihrem Zusammentreffen in Berlin auch über Chamberlain sprachen, wissen wir nicht. Aber immerhin hat Max Anfang März 1917 Chamberlain von Berlin aus nachdrücklich ermutigt, einen persönlichen Brief politischen Inhalts an den Monarchen zu schreiben und sich dafür sogar als »Briefträger« angeboten. Vor allem im Hinblick auf das politische Schicksal des umstrittenen Reichskanzlers Bethmann Hollweg traute er dem Bayreuther 298 298
offenbar mehr Einfluß zu als sich selbst. Chamberlain hatte in seinem Pamphlet unverblümt gefordert: »Wir brauchen im ganzen Staatswesen die Erlösung aus einem System grundsätzlicher Mittelmäßigkeit. Die Deutschen stehen bereit; ihnen fehlt nur der von heiligem Geist eingesetzte Führer.«16 In diesen Aufruf zum Sturz des leitenden Staatsmannes wollte der Prinz freilich nur ungern einstimmen.17 Wilhelm sei nämlich »sehr empfindlich auf dem Punkt der Kritik an seinem ersten Ratgeber«, ließ er Chamberlain wissen, »in den Maßnahmen seiner obersten Berater muß er ja seine eigenen Befehle erblicken«.18 Zwar sägte auch Max inzwischen mit am Stuhl des Kanzlers – aber hielt sich dabei geschickt im Hintergrund. Für ihn lag das eigentliche Problem darin, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Er wisse niemanden, »dem ich fraglos die Stelle anvertraut sehen möchte, und ich fürchte, der Kaiser ist in derselben Situation«. In dieser »Ratlosigkeit, wen zu nehmen«, offenbart sich ein strukturelles Dilemma der Reichspolitik jener Zeit.19 Bis Ende Juni 1917 blieb Max passiv, beinahe lethargisch. Dann jedoch häuften sich »die Aufforderungen, mich an der großen Politik zu beteiligen, immer mehr«.20 Genauer gesagt, waren dies politische Brandbriefe, die angesichts der Systemkrise vor sozialen Unruhen und Schlimmerem warnten. Die Furcht vor antimonarchischen Kundgebungen war seit dem Ausbruch der Februarrevolution bis in die OHL hinein außerordentlich groß.21 Kein Wunder, daß sich auch dem Prinzen »die Gesamtlage« schwer auf sein »Herz« legte und ihn aufrüttelte: Er werde »an Oberstleutnant von Haeften, einen der wenigen wirklich klaren Köpfe in Berlin, schreiben, um zu erfahren, was los ist, und was gemacht werden muß«.22 Hans von Haeften war Ludendorffs rechte Hand und bald auch des badischen Thronfolgers. Weltoffen und kulturell interessiert, verkörperte der damals knapp 50-jährige Generalstabsoffizier einen Militär ganz neuen Typs. Als Verbindungsoffizier der OHL war er überdies mit höheren Weihen ausgestattet. Das erlaubte ihm, in Berlin auf recht unkonventionelle Weise so etwas wie persönliche Politik zu treiben. Haeften war jemand, der in Auftreten und Habitus das Gegenteil eines bornierten Militärs der alten preußischen Schule darstellte, wie wir ihn aus zeitgenössischen Karikaturen kennen. Offiziell leitete er die »Militärstelle im Auswärtigen Amt«.23 Seinen Mitarbeiterstab konnte er sich aussuchen – er rekrutierte ihn bevor299 299
zugt aus Intellektuellenkreisen. Seine Aufgabe bestand im Aufbau und in der Organisation einer systematischen deutschen Auslandspropaganda, die im Sinne der OHL nicht zuletzt psychologische Kriegsführung betreiben sollte.24 So kam er denn auch auf Max von Baden. Im Rahmen seines informellen Auftrags nämlich, Protagonisten persönlich einzubinden, die der OHL nützlich sein konnten. Der Prinz drängte sich für solche Inanspruchnahme geradezu auf; hatte er Haeften doch im Frühjahr 1917 quasi selbst dazu eingeladen, als er ihm gleich nach der ersten persönlichen Begegnung schrieb, er habe »volles Vertrauen zu Ihrem Urteil zu Ihrer menschlichen unbedingten Zuverlässigkeit gewonnen«.25 Was Max von seinem neuen Mann in Berlin dringend wissen wollte, war: »Können wir den Krieg fortsetzen, ohne innere […] Unruhen befürchten zu müssen, wenn wir dem Wunsche des Volkes nach sogenannter Demokratisierung nicht sofort entgegenkommen?« Er »hasse dieses Wort Demokratisierung, das nach all dem riecht, was man nicht liebt: Herrschaft der Mittelmäßigkeit, Gemeinheit, Herrschaft der Masse, der Advokaten usw.«26 Doch »für die Mitarbeit weitester Volkskreise am Leben des Staates« und auch die Berufung von »liberal denkenden Männern in die preußische Regierung und Verwaltung« wäre er wohl zu haben. Deshalb sei sein »Programm«: »sofortige Realisierung der Osterbotschaft durch eine, wenn noch möglich, freie Tat des Kaisers. Diese Realisierung muß in erster Linie das Wahlrecht Preußens treffen, denn auf dieses konzentriert sich der Haß der Mehrheit des preußischen und deutschen Volkes.« Denkbar wäre etwa »ein Proportional- oder nicht auf Besitz aufgebautes Pluralwahlrecht«. Die Frage sei nun: »Kann ich in dieser Sache etwas tun und sind Sie geneigt und imstande, mich auf der bezeichneten Linie zu unterstützen?« Haeftens Antwort auf seinen Brief hat Max uns in seinen Erinnerungen leider vorenthalten; er gab nur preis, daß sie ihn »ermutigt« habe, alsbald wieder nach Berlin zu gehen. Direkt nach seinem 50. Geburtstag brach er auf. In der Reichshauptstadt ging Max sogleich auf den Kreis um Hans von Haeften zu und kam darüber auch intensiver als je zuvor mit führenden Parlamentariern aus dem gemäßigt linken Spektrum in Berührung. Über das politische Klima, das den badischen Prinzen in Berlin damals umfing, hat der langgediente Fraktionsführer der Fortschrittspartei Friedrich Payer seiner Frau geschrieben: »Was ich bisher an Krisen mitgemacht habe, war ein Kinderspiel gegen die 300 300
diesmalige […] Was hier zusammengelogen und intrigiert wurde, dagegen ist jedes Theaterstück inhaltslos.« Der Reichstag sei »ein Rennplatz für Wahnsinnige, Intriganten und Streber« geworden.27 Kurt Riezler, ein Vertrauter Bethmanns, nannte das damals herrschende »Wirrwarr der wildesten Intrigen« in seinem berühmten Tagebuch »den Beginn des jederzeit drohenden Zusammenbruchs«.28 Max selbst spricht in seinen Erinnerungen von »geradezu hysterischer Erregung«.29 Diese Krankheit des politischen Lebens vom Juli 1917 gilt es bei allen nachfolgenden Überlegungen mit in Rechnung zu stellen. In der Sache selbst ging es um drei Kernfragen: 1. Muß das Reich angesichts der Herausforderungen des andauernden totalen Krieges von innen heraus erneuert werden? Parlamentarisierung und Demokratisierung waren hier die zentralen Stichworte. 2. Soll sich die Reichsleitung, nachdem der uneingeschränkte U-Boot-Krieg den erhofften militärischen Durchbruch nicht erzielt hatte, zu einem Verständigungsfrieden bekennen unter ausdrücklichem Verzicht auf Eroberungen und Kontributionen und auf dieser Grundlage diplomatisch tätig werden? 3. Gibt es tatsächlich eine personelle Alternative zu dem angeschlagenen Reichskanzler Bethmann Hollweg? Einen Staatsmann, der der Reichsleitung im In- und Ausland neues Vertrauen würde einwerben können und der sich für Friedensverhandlungen eignete? Prinz Max staunte nicht schlecht, als er gleich nach seiner Ankunft erfahren durfte, daß – so sein Brief an Johannes Müller – »der Ruf, der an mich erging und dem ich folgte, von Leuten kam, die mich – halten Sie sich aufrecht – als Kanzler-Kandidaten ohne mein Wissen ernstlich in’s Auge faßten«. »Was sagen Sie hierzu? Ist es nicht ein Zeichen ungeheurer Armut, daß man auf einen Menschen wie mich verfallen kann, der keine Geschäftskenntnis hat und sich so gut wie nie mit Dingen der äußeren Politik beschäftigt hat? Ich gebe zu, daß mein Name und meine Richtung vielleicht gut gewirkt haben würden, bekenne aber, daß alles andere mir vollkommen fehlt.« »Man behauptet, daß ich bei der nächsten Krise, vielleicht, der einzige sei, der noch in Betracht kommen könne. Ich würde viel darum geben, Ihr Urteil darüber zu haben: soll ich mich auf diesen Augenblick vorbereiten, oder soll ich jetzt schon endgültig die Sache ad acta legen, wie ich es möchte? Ich habe keine Ambition und wenig Vertrauen in meine Fähigkeiten. Nur die Erkenntnis, daß ich das Vaterland retten könnte, würde mich bewegen können, diesen furchtbaren 301 301
Entschluß zu fassen.« – »Was soll ich tun?«30 Max erkannte also deutlich, daß sich hinter dem Ansinnen seiner Anwerber eine Portion politischer Unkenntnis verbarg. Und er mißtraute zu Recht seiner Befähigung zu einem solchen Amt. Aber diesem Realismus stand zeitgleich die Vision entgegen, womöglich als Retter des Vaterlands in die Annalen einzugehen. Seine bittenden Fragen an den Lebensberater geben zu erkennen, daß er dieser Suggestion bereits ein Stück weit erlegen war – wider besseres Wissen. Aus seiner Darstellung kann man folgern, daß es sich um einen Überredungsversuch gehandelt haben muß – also um ein informelles Anwerben – nicht um das formelle Angebot einer politischen Partei, Fraktion oder sonstigen Institution, gar des Kaisers oder des scheidenden Reichskanzlers. »Ich soll den Ultramontanen, den Freisinnigen, den Liberalen und den Sozialdemokraten genehm gewesen sein«, schreibt der Prinz reichlich verschwommen; er wußte selbst dies nur vom Hörensagen. Engagieren wollten seine Anwerber »einen Mann, der durch seine Geburt dem Parteigetriebe fern steht, als liberaler Mensch bekannt sei und deshalb eine Garantie für die Aufrichtigkeit der Reformen geben würde, gleichzeitig aber auch durch seinen Namen der Bewegung einen aristokratischen Anstrich verleihen würde«. Engagieren wollte man mithin ein – Aushängeschild, keinen erprobten Staatsmann, der das höchste Regierungsamt mit Tatkraft, mit Sachkompetenz und womöglich richtungsweisenden Ideen hätte ausfüllen können. Amateurhafter läßt sich ein hochpolitisches Geschäft kaum denken, könnte man meinen. Doch so ein Verdikt greift viel zu kurz. Zu kurz deshalb, weil es die fortgeschrittene Paralyse, die Agonie des politischen Systems in jenen Wochen außer acht läßt; und eben jenes aufgeladene Klima ignoriert, von dem schon die Rede war. Es war eben die Zeit, wo es zwar professionelle Kandidaten gab, die den Anforderungen dieses Führungspostens durchaus entsprachen; Kandidaten, die aber entweder die große Verantwortung scheuten oder sie nicht schultern durften, so daß man schließlich mit Michaelis auf die klassische Not- bzw. Zwischenlösung verfiel.31 Bei so viel politischer Ziellosigkeit, so einer grandiosen Verkennung der Lage, dem unverändert anhaltenden militärischen Machtwahn, der verbreiteten Angst der politischen Klasse, die Autorität der OHL anzutasten, und schließlich der allgemeinen Versessenheit darauf, eine optimistische Kriegsstimmung im Volke zu erhalten, läßt sich mit Fug und Recht von einer Psychose sprechen, die das politische Berlin im Som302 302
mer 1917 erfaßt hatte. Und eben diese war der Nährboden für die Idee einer Kanzlerkandidatur des Prinzen Max von Baden – die in anderen Zeiten eher als Kuriosum gehandelt worden wäre. Daß er sich damit tatsächlich locken ließ, zeigt, wie sehr diese Psychose ihn auch selbst affizierte. Seine politische Hyperaktivität, wie sie in Max’ späteren Erinnerungen an jene heißen Berliner Julitage aufscheint, bezeugt diesen Trancezustand vielleicht noch mehr als das eigene Eingeständnis, daß die Fragen nach seiner Kandidatur ihn »in eine Erregung versetzten, über die ich selbst betroffen war«.32 Fragt man allerdings, was Max an politisch Substantiellem in das hektische Krisenmanagement vom Sommer 1917 einzubringen wußte, so gibt es wenig zu sagen. Eine strukturelle Erneuerung des Staatswesens, indem das Volk an der exekutiven Macht beteiligt wurde, lehnte er nach wie vor ab. Er konnte sich zwar vorstellen, Volksvertreter zu regierungsinternen Beratungen heranzuziehen, sie aber an großen Entscheidungen der Reichsleitung zu beteiligen, das kam für ihn nicht in Frage. Mit diesem Votum lag Max nahe bei dem, was auch Kaiser Wilhelm II. – ganz im Sinne der anderen Monarchen übrigens – zu diesem Thema dachte.33 Im Wissen darum konnte Max dem Kaiser in einer persönlichen Stellungnahme zu den aktuellen Regierungsaufgaben zwei Tage nach der Entlassung Bethmanns Folgendes schreiben: »Schiebt man dem Feind durch eine Friedensaktion die Schuld zu und nimmt man Parlamentarier in die Regierung auf, so ist das Menschenmögliche getan, um eine neue Einigkeit in unser Volk und Zwietracht in die feindlichen Reihen zu bringen.«34 Ein begründungsfreier moderater Wechsel sollte her, der aber vor allem auf Kontinuität und den Erhalt des alten Systems zielte. Konnten solche Gesten die Stimmung im kriegsmüde gewordenen Volk beruhigen, ihre Unzufriedenheit abfangen, sie gar zu neuen Anstrengungen motivieren? Wohl kaum. Gleichviel, am 20. Juli 1917 traten mit Friedrich Payer und Conrad Haußmann zwei versierte Parlamentspolitiker an den Prinzen Max heran, um mit ihm ernsthaft über die Modalitäten einer eventuellen Reichskanzlerschaft zu verhandeln. Diese geheime Fühlungnahme fand in einem Berliner Vorort statt und soll anderthalb Stunden gedauert haben.35 Haußmanns Gesprächsprotokoll spricht von »vollständiger Übereinstimmung«, die man in allen Fragen erzielt habe, während die Notizen nur zu deutlich zu verstehen geben, daß man hauptsächlich aneinander vorbeigeredet hatte. So trat der Kan303 303
didat ausdrücklich »nicht bloß von Geburt, sondern aus Überzeugung und Überlegung für die Monarchie« ein. Nur die momentane »Scheidung zwischen Volk und Krone müsse im Interesse Beider überwunden und ergo die Spannung gelöst werden« – durch Beteiligung von einzelnen Parlamentariern an den Regierungsgeschäften, und eben nicht durch Systemreformen. Haußmann quittierte dies mit der Bemerkung, »erforderlich und Hauptsache sei, daß er [Max von Baden] sich offen auf die Mehrheitsparteien stütze und so die parlamentarische Regierungsform verwirkliche«, das heißt »eine neue deutsche Politik machen«. Was wiederum der Angesprochene kommentarlos im Raum stehen ließ. Die beiden Fortschrittsliberalen – so läßt sich folgern – wollten den Prinzen Max besser gar nicht verstehen und in seinen politischen Ambitionen schon gar nicht hinterfragen, weil sie in ihm a priori ihren Mann, ihren Hoffnungsträger sahen. Bereits Max’ Lippenbekenntnis, »er stehe vollständig auf dem Standpunkt der Friedensresolution des Reichstags« – das sich nur wenig später als Unwahrheit erweisen sollte – klang in den Ohren von Payer und Haußmann wie ein Evangelium, dem sie Glauben schenkten. Und schwer beeindruckt dürfte sie auch dieses Votum haben: »Nie habe er an ein solches Amt gedacht. Als Thronfolger von Baden sei ihm niemals ein Reichsamt in den Sinn gekommen, nur unter dem Gesichtspunkt der Rettung des Vaterlandes – dies wäre buchstäblich der einzige Ehrgeiz – könnte er es ertragen, dem Gedanken näher zu treten und nur wenn niemand geeigneter wäre.« Schließlich »sei es für ihn als künftiger Großherzog ein Wagnis, in den Parteikampf zu treten«. Perfekter hätte man sich kaum zieren können, aber von alledem ging natürlich auch ein berührender Zauber aus, das scheint zweifelsfrei. Hinzu kam Max’ Image: Kein preußischer Militär, sondern süddeutscher Hocharistokrat mit liberalen Avancen, kultivierter und gebildeter Bürgerfürst ohne Berührungsängste. Auch diese Mischung wirkte offenbar so gewinnend, daß man die Leerstellen in seinem staatsmännischen Profil übersah. Damit sind wir bei der psychologischen Dimension dieses Politrollenspiels im Berliner Sommertheater von 1917 angelangt. Der Frage nämlich, warum sich der Prinz auf den phantastischen Einfall seiner Kanzlerschaft ernsthaft eingelassen hat. Woher nahm er den Mut zu einer nationalen Heldenrolle, die so außerhalb seiner Möglichkeiten lag, daß er sie niemals würde ausfüllen können? Es war – so lautet meine Antwort – die Aussicht, endlich ein heroisches Leben führen 304 304
zu können. Und damit belohnt zu werden für all den Schmerz und das Seelenleid der vergangenen Jahrzehnte; insbesondere der so deprimierenden ersten Kriegsjahre. Es waren – wie man schon aus dem Brief an Johannes Müller heraushören konnte – das gesteigerte Bedürfnis nach öffentlicher Anerkennung, nach moralischer Aufwertung und nach Popularität, die seine Skrupel betäubten. Es ging mithin nicht zuletzt um Erlösung und Errettung seiner selbst. Dabei kam ihm ein Umstand ganz besonders zugute: die desolate Gesprächskultur zwischen dem fürstlichen Herrscherstand und dem Bürgertum. Denn immer noch belastete ein schwerer mentaler Minderwertigkeitskomplex der Bürger die Beziehungen zwischen beiden Klassen so sehr, daß an eine unbefangene politische Auseinandersetzung auf Augenhöhe überhaupt nicht zu denken war. Einer Großherzoglichen Hoheit schuldete auch jeder Politiker zunächst und vor allem Reverenz – nicht zum wenigsten im Tonfall. Prinz Max mußte also niemals befürchten, von seinen sogenannten Gesinnungsgenossen unangenehme Fragen gestellt zu bekommen. Die beiden Parteiführer gingen wie selbstverständlich davon aus, daß der Prinz nicht allein auf der Grundlage sittlicher Überzeugungen regieren würde, sondern womöglich auf freiheitlicher. Der vermeintliche politische Schulterschluß, von dem in Haußmanns Protokoll die Rede war, vollzog sich mithin – wenn überhaupt – ausschließlich auf Metaebene. Die sogenannte Verständigung blieb unverbindliche Konversation, den fürstlichen Kandidaten zu nichts verpflichtend als dazu, seinen Männern gewogen zu bleiben. So kam den Politikern gar nicht in den Sinn, ihren fürstlichen Aspiranten vielleicht erst einmal danach zu fragen, ob er sich denn überhaupt zutraue, das deutsche Kaiserreich regieren zu können. Und sich selbst, ob man diesem Mann, von dem man gar nicht wußte, wie er eigentlich genau tickte, tatsächlich vertrauen konnte. Der tiefe Respekt und die Dienstfertigkeit vor seiner hohen Person behielten stets die Oberhand. Zuletzt bestand der stillschweigende Grundkonsens zwischen dem Prinzen und seinen neuen Freunden wohl darin, daß beide keine tiefgreifenden politischen Veränderungen wollten. Mit Blick auf Friedrich Payer tritt das jedenfalls offen zutage, wenn man die Briefe studiert, die er damals aus Berlin an seine Frau geschrieben hat.36 Auch die politischen Verlautbarungen von Conrad Haußmann vermitteln nicht den Eindruck, er wäre zu mehr Demokratie entschlossen.37 Vermutlich konnten beide Fortschrittsliberale ganz gut mit der Regie305 305
rungsform leben, wie sie ihrem Wunschkandidaten vorschwebte; nämlich: das politische Entscheidungsmonopol auch in einer mit Parlamentariern bestückten Reichsregierung beim Kanzler zu belassen beziehungsweise bei dessen Vorgesetztem, dem deutschen Kaiser. So war es letztlich eine ideelle Koalition von Verteidigern des überkommenen Kaiserreichs, die sich da fand. Wenn man alle diese Umstände zusammen betrachtet, erklärt sich, wie es zu dem Wunsch nach einer Reichskanzlerschaft des Prinzen Max von Baden hat kommen können. Wechselseitige Erwartungen und Projektionen hatten ihn gezeugt. Dies war allerdings nur möglich gewesen, weil die Bedingungen eines halbwegs normalen politischen Lebens seit dem Ende der Kanzlerschaft Bethmann Hollwegs nicht mehr gegeben waren – und dies sollte auch so bleiben. So konnte das Projekt auch weiterhin durch den politischen Raum geistern. Vorerst freilich nur als geheime Verschlußsache. Denn der Kandidat, so heißt es, bekam inmitten seiner vielen Sondierungsgespräche plötzlich das Gefühl, es sei höchste Zeit, »beschleunigt abzureisen. Meine näheren Gesinnungsgenossen waren wie von der idée fixe besessen, daß meine Kanzlerschaft die einzige Rettung wäre.« Wohingegen er selbst dafür plädiert habe, der Regierung Michaelis doch erst einmal eine faire Chance zu geben.38 Tatsächlich war es aber so, daß ihn Friedrich II. nach Baden zurückzitiert hatte, aufgeschreckt durch diverse Nachrichten über die politische Umtriebigkeit seines Vetters. »Beim Großherzog bin ich auf die schärfste Opposition gestoßen«, mußte Max indigniert seinem Freund Müller aus Karlsruhe bekennen. »So etwas liegt ihm gar nicht.«39 Dabei hatte er sich schon in den Gedanken seiner Kanzlerschaft eingelebt, sie sich detailliert ausgemalt und auch schon ein Personaltableau für sein künftiges Kabinett aufgestellt. Der leitende Gesichtspunkt dabei war: »Alle Arbeit, die irgend abgenommen werden könne, sollte auf stärkere Schultern abgelegt werden und ich nur im wesentlichen die Direktiven geben und die Menschen in Behandlung nehmen.« Daraus wurde durch das Veto seiner Herrscherfamilie erst einmal nichts, jedenfalls nicht so bald. Aber man sieht, daß es der Prinz selbst war, den die besagte Idée fixe dauerhaft entzündet hatte, vielleicht sogar am meisten von allen Beteiligten. Jedenfalls war und blieb es eine wechselseitige Fixierung. Wie sich für Kurt Hahn, Max’ Berliner Hauptsouffleur in diesen Monaten, die Situation darstellte, hat er seinem Verbündeten Conrad 306 306
Haußmann in der ihm eigenen Geheimsprache wie folgt gesteckt: seine »Initiative in der Sache bei M. [Marie = Max von Baden]« sei »fürs erste zu Ende«. Er habe, bei aller Freundlichkeit, deutlich den Eindruck erhalten, daß man dem Kandidat für die nächsten 14 Tage »alles weitere selbst überlassen sollte«. »Heinrich [Georg Michaelis]« müsse noch »eine Galgenfrist« haben und »M[arie] sich erholen«. »Emil [Wilhelm II.]« solle »erst von woanders her präpariert werden«. Nach seiner, Kurt Hahns, »Meinung ist es die Vorbedingung für alles Gelingen, daß Heinrich eben keine anständigen Compagnons [Minister für seine Regierung] zusammenkriegt.«40 So wurde in bester Verschwörermanier eifrig weiter intrigiert, um die Idée fixe am Leben zu halten. Der »Schwerpunkt der Lage«, so Hahn weiter in seinem Kabalejargon, würde sich demnächst in den Schwarzwald verlagern, womit Max’ Erholungsort St. Blasien gemeint war – »und dafür ist ein guter Plan entworfen«. Zu diesem Plan gehörte auch Hahns Privatbesuch in Salem, wo der Berliner Emissär dem Schloßherrn ein ausführliches Referat zur Lage und vor allem den anhaltenden Wunsch seiner politischen Freunde vortrug, Max möge doch endlich in die Bresche springen, als »einzig möglicher Kandidat«.41 Der ließ die Stilisierung seiner Person so stehen. Sein einziger Kommentar gegenüber Johannes Müller lautete: »Die nächste Zeit bringt für mich entscheidende Dinge. Hoffentlich werde ich körperlich und seelisch auf der notwendigen Höhe sein.« An Kurt Hahn schrieb er einige Tage später: »Gern gedenke ich unseres anregenden Zusammenseins am See, der heute in unsagbarer Schönheit strahlt. Mit Dank und Gruß und guten Wünschen für Ihr Wirken«.42 Augenscheinlich fühlte sich Prinz Max nun nicht mehr willens (oder in der Lage), das Schwungrad seiner Kürung zum Vaterlandsretter noch einmal anzuhalten – trotz der Widerstände aus dem eigenen Haus. Das lag daran, daß ihm das zugeschriebene Image ebenso gefiel wie die Projektionen, die er auf sich zog. Und natürlich an der politischen Umbruchsituation, die ihn plötzlich und unerwartet ganz nach oben zu katapultieren versprach. Für die politischen Ambitionen des Max von Baden war Hans von Haeften zunächst der gesuchte Ansprechpartner – »dieser wundervolle Mann und Mensch«, wie er ihn nannte.43 Zu den primären Förderern der Kanzlerkandidatur von Max gehörte »Ludendorffs Mann in Berlin« im Sommer und Herbst 1917 indes nicht – noch nicht.44 Die forciert zu lancieren, wurde vielmehr zur Obsession eines ande307 307
ren, von dem wir bereits gehört haben: Kurt Hahn. Zwar auch aus Haeftens Stall – und das vielleicht beste Pferd darin. Aber Hahn war noch weit mehr als das. Er besaß auch einen eigenen Kopf – einen, der scheinbar ununterbrochen unter Starkstrom stand. Schnell hatte der 30-Jährige begriffen, daß sein Chef eines stärkeren und einfallsreicheren Geistes bedurfte, um im politischen Berlin den seinem Auftrag gemäßen Erfolg zu haben – eines Hahnschen Feuerkopfes eben. Das eröffnete dem umtriebigen Berater ungeahnte Möglichkeiten, auch in eigenster Sache politisch tätig zu werden. Zumal er sich weitgehend frei wußte von den Loyalitätszwängen, die Haeften fest an Ludendorff banden – stärker denn je, muß man hinzufügen. Politische Umtriebigkeit läßt sich bei Hahn seit seinem Eintreten in den Staatsdienst beobachten, wo er freilich über den offiziellen Status eines »Hilfsarbeiters« – heute würde man sagen: eines freien Mitarbeiters auf Honorarbasis – nie hinausgelangte. Ein mediokrer Status, der rasch in scharfen Kontrast zu dem geriet, was er in der informellen Sphäre des Politischen darstellte. Ein phänomenaler Netzwerker nämlich und ein unermüdlicher Streiter für Deutschlands Aussöhnung mit England durch Annäherung im Geiste. Wer also war dieser Mann?45 Was trieb ihn so mächtig an? Was wollte der Hilfsarbeiter überhaupt von dem Aspiranten auf die großherzoglich-badische Herrscherkrone? Und wie kam es, daß ausgerechnet dieser für Kurt Hahn gesellschaftlich unerreichbare Fürst ihn noch 1917 tatsächlich zu seinem wichtigsten, engsten und vertrautesten Mitarbeiter erkor?
Spin doctor Kurt Hahn Geboren wurde Kurt Martin Hahn am 5. Juni 1886 als Sohn des jüdischen Großindustriellen Oskar Hahn und seiner Ehefrau Charlotte, geborene Landau, die ebenfalls aus wohlhabenden jüdischen Finanzkreisen kam. Das Hahnsche Familienunternehmen hatte seinen Stammsitz in Duisburg, weitere Werke befanden sich in Schlesien und ein Ableger sogar in Rußland.46 Doch residierte die Familie fernab der Produktionsstätten in einer Villa am linken Ufer des Wannsees bei Berlin, wo sie gesellschaftlich und kulturell beste Verbindungen hatte.47 Als »sehr reich und sehr reizend« schildert die Berliner Malerin Sabine Lepsius in ihren Lebenserinnerungen das 308 308
Ehepaar, namentlich die Industriellengattin, die sie und ihr Mann in den neunziger Jahren mehrmals porträtiert haben: »eine temperamentvolle, schöne, preziöse und verwöhnte Dame«.48 Im großbürgerlich-opulenten Lebensstil der Hahns spiegelte sich nicht allein deren hoher Repräsentationsanspruch; er signalisierte zugleich ihren Willen, sich in das Bürgertum zu integrieren. Der Ehe entstammten insgesamt vier Söhne, von denen der älteste früh verstarb. Kurt wuchs mit zwei wesentlich jüngeren Brüdern in komfortablen Verhältnissen auf. Nach dem Abitur am Französischen Gymnasium in Berlin ging er nach Oxford. Dort begann er an dem renommierten Christ Church College ein geisteswissenschaftliches Studium. Der kostspielige Aufenthalt in dieser traditionsreichen Stätte britischer Bildung eröffnete dem jungen Hahn einen aufregenden Weg in die moderne und vergleichsweise weltoffene westeuropäische Gesellschaft. Als der Vater im Oktober 1907 im Alter von nur 43 Jahren starb, hinterließ er die eine Hälfte seines immensen Vermögens seiner Frau, die andere Hälfte zu gleichen Teilen den drei Söhnen. Kurts Anteil sollte allerdings in Treuhand gestellt und nur die Zinsen an ihn ausgezahlt werden. Chef des Industrieunternehmens wurde Georg Hahn, der Bruder des Verstorbenen. Während unter Kurts beiden jüngeren Brüdern bald ein unschöner jahrelanger Konkurrenzkampf um die Nachfolge in der Firmenleitung entbrannte, setzte Kurt seine Studien an den Universitäten Berlin, Heidelberg, Freiburg und Göttingen fort, ohne aber je an einen Abschluß oder gar an einen Brotberuf zu denken. Seine Vermögensverhältnisse ließen es zu, daß er sich voll und ganz seinen persönlichen Vorlieben und Neigungen widmen konnte. Sie lagen auf philologischem und philosophischem Gebiet und nicht zum wenigsten auf dem der körperlichen Ertüchtigung, ja des Erziehungswesens generell. Den hohen Stellenwert dieser Freiluft- und Sporterziehung hatte er in England schätzen gelernt. 1910 kehrte der Langzeitstudent nach Oxford zurück, wo er es bereits verstand, sich als german undergraduate Respekt zu verschaffen.49 Oxford war damals vielleicht nicht das europäische Treibhaus des Intellekts, aber eine Hohe Schule argumentativer Streitkultur war es allemal. Und Hahn immer mittendrin. Erst der Ausbruch des Weltkrieges machte im Sommer 1914 seinem privilegierten Leben in Christ Church ein jähes Ende. Ab August wohnt der Endzwanziger 309 309
wieder bei seiner Mutter in der elterlichen Villa am Wannsee. Ende 1914 begann er dann in der beim Auswärtigen Amt neugegründeten Zentralstelle für Auslandsdienst eine emsige Tätigkeit als englischer Lektor.50 Er wertete die englische Presse und Publizistik aus und verarbeitete seine Analysen zu politischen Berichten und Denkschriften. Eine Position, auf die er durch Protektion, aber auch durch Eigenwerbung gelangt war.51 Sein unmittelbarer Vorgesetzter, der seinerzeit sehr profilierte Publizist Paul Rohrbach,52 zeigte sich schon bald von »der Gründlichkeit seiner Kenntnisse, von der Klarheit und Entschiedenheit seines Urteils und von seinem leidenschaftlichen Patriotismus« überzeugt. Doch zu einer Karriere im Staatsdienst verhalf ihm sein Expertenwissen nicht. Wie kam es also, daß er ab 1917 zu einer festen Größe im politischen Berlin wurde, genauer, im liberalen Milieu der Reichshauptstadt? Für einen Erklärungsversuch empfiehlt sich ein Blick auf Hahns Sozialisation. Die Erziehung und Ausbildung dürften ihm als Bedingungen für einen großen idealen Lebensentwurf eine gewisse Sicherheit im Auftreten gegeben haben, und wohl auch Selbstbewußtsein. Andererseits wurde er nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt mit dem Problem konfrontiert, inwieweit und in welcher Weise weltmännische Juden wie er überhaupt jemals integraler Teil der Wilhelminischen Eliten, insbesondere der politischen Klasse werden konnten.53 Sein zeitweiliger Mentor Paul Rohrbach berichtet dazu: »Daß er Jude war, erfuhr ich erst durch sein offenes Bekenntnis, er habe wohl daran gedacht, zum Christentum überzutreten, müsse aber mit Rücksicht auf die antisemitische Agitation davon absehen, um keinen falschen Eindruck zu erwecken.«54 Kurt Hahn hat also durchaus gespürt, wie der grassierende Antisemitismus seine privilegierte Existenz gefährdete. Umso mehr ging sein Bestreben dahin, das kulturelle Prestige seiner liberalen jüdischen Familie mit dem Patriotismus der Burgfriedensgesellschaft so zu verschmelzen, daß sich für ihn belastbare Wirkungsräume eröffneten. Die Hahnsche Wannseevilla war fester Teil der Berliner Salonkultur, wie sie bis in den Weltkrieg hinein Bestand hatte. Kurts Mutter Charlotte gehörte als reiche Industriellenwitwe zu den Berliner Salonièren, die einen lebhaften gesellschaftlichen Austausch betrieben. Der Klaviervirtuose Arthur Rubinstein erinnerte sich an die großen Abendgesellschaften, zu denen er als junger Mann gelegentlich ein310 310
geladen wurde. Bei einem solchen Diner war er auch Charlotte Hahn begegnet, »einer hochgewachsenen, strahlenden Mittdreißigerin«. Sie habe den schüchternen Pianisten sehr »mütterlich« umsorgt, ihn gleich mit ihrem Sohn Kurt bekannt gemacht, der ihn dann wiederum in sein »Lesekränzchen« einführte und an seiner Theaterleidenschaft teilnehmen ließ: »Kurt spielte immer den edlen Helden, etwas anderes konnte er gar nicht sein.«55 Ein ähnliches Bild der ambitionierten und fürsorglichen Familienmutter malt ein anderer Gast ihres Hauses, der junge Walther Rathenau – dem allerdings ihre aufdringliche Art, insbesondere die »groteske Koketterie und Klavierwut« ein wenig auf die Nerven ging.56 Auch das Philosophenpaar Lina und Raoul Richter, der Sohn von Cornelie Richter, in deren Salon – wir erinnern uns – Max von Baden während seiner Berliner Militärzeit verkehrt hatte, gehörten zum inneren Kreis der Hahnschen Gesellschaft. Die Richters wohnten in unmittelbarer Nachbarschaft der Hahns am Wannsee. Prallten in diesem Milieu also recht unterschiedliche Charaktere und Weltanschauungen aufeinander, die für eine überaus lebendige Streitkultur sorgten, so kann gleichwohl nicht davon gesprochen werden, daß sich die jüdischen und nichtjüdischen Eliten gesellschaftlich durchmischten. In ihren innersten Zirkeln blieben die reichen und gebildeten Juden meist doch unter sich.57 Ihren Netzwerkaktivitäten zum Zweck einer noch besseren Integration tat dies natürlich keinen Abbruch. Daß dies notwendig war, hat auch Kurt Hahn tief verinnerlicht. Von seiner Mutter scheint sich der älteste Sohn ganz besonders viel abgeschaut zu haben. Wie sie – schreibt Sabine Lepsius – »besaß er einen unerschöpflichen Sinn für Humor«. Und überhaupt, Kurt habe »sich früh zu einer starken Persönlichkeit entwickelt: hochgewachsen, von großer Anziehungskraft, ausgezeichnet durch körperlichen wie vor allem geistigen Mut und erfüllt von sittlichem Ernst und glühendem Eifer für seine Ideale«. Mit einem Wort, eine »eigenartige Persönlichkeit«.58 Ein bemerkenswertes Selbstzeugnis aus jenen Jahren ist Hahns 1910 veröffentlichte Erzählung Frau Elses Verheißung, die von frühem Geltungsdrang, beachtlichem literarischem Talent und von seinem späteren Lebensthema zeugt – der Pädagogik.59 Im renommierten Verlag Albert Langen erschienen, wird die Geschichte eines traumatischen Erlebnisses erzählt, das ein in die Pubertät gekommener Junge namens Erwin – aus vornehmem, vermögendem Hause stammend – im Gymnasium erleidet. Verantwort311 311
lich dafür ist sein jähzorniger Lehrer, dessen pädagogische Talente sich im Verprügeln und Demütigen seiner Schüler erschöpfen. Ihm gegenüber gestellt wird die Titelheldin, die Mutter des Protagonisten, die ihn schließlich vor der verstaubten Zuchtanstalt Schule rettet. Sie ist von praktischer Intelligenz, weltläufig, einfühlsam, sensibel, sportlich, aber auch energisch, durchsetzungsstark und dominant. Es ist die Figur der Mutter, die dieses Werk als Schlüsselerzählung erkennbar macht. Nicht von ungefähr hat der Autor das Buch seiner Mutter gewidmet. Diese starke Bindung ist auch aus anderen zeitgenössischen Quellen überliefert.60 Ohne ihren Rückhalt hätte der junge Mann wohl kaum so viel Selbstvertrauen entwickeln und auch nicht das ausprägen können, was im Jiddischen Chuzpe heißt. Also jene Mischung aus Unverschämtheit und charmanter Unwiderstehlichkeit, mit der sich Lotte Hahns Ältester gesellschaftlich zu behaupten verstand. Denn was war Frau Elses Verheißung gewesen? »Lieb würden ihn [den kleinen Erwin, Kurts Alter ego] die Menschen haben und ihm dankbar sein, das wußte er schon heute«.61 In den zehn Jahren zwischen 1904 und 1914 ist kaum etwas zum Leben Kurt Hahns überliefert. Wir können gleichwohl davon ausgehen, daß er in jenen unübersichtlichen Jahren zu einem überaus intelligenten, gebildeten und ambitionierten Mann heranreifte. Einem angelsächsisch geprägten Gentleman, der es bestens verstand, mit Sprache umzugehen, selbst suggestive, anspruchsvolle Texte zu verfassen sowie rhetorisch zu glänzen. Der elitär dachte, aber ohne aristokratisches Savoir-vivre blieb und mit nur wenig Contenance. Alle Zeitzeugen bescheinigen ihm vielmehr ein überschäumendes Temperament und eine starke Neigung zu Theatralik. Hahns pädagogischer Impetus entwickelte sich indes zu mehr als einer Lebensaufgabe; er wurde zur Obsession. Die Zeitenwende von 1914 muß für den anglophilen Kurt Hahn ein tiefer persönlicher Einschnitt, ja, ein Schock gewesen sein, weil sie ihm seinen geistigen und soziokulturellen Nährboden entzog. Er beklagte zutiefst, daß Deutschland ausgerechnet mit England im Krieg stand. Entwurzelt trieb es ihn durch ein unerfülltes Leben, in dem allein seine Mutter noch als ruhender Pol erschien. Eine neurotische Falle tat sich auf, der er durch einen beherzten Sprung in die Welt der Politik zu entkommen suchte. Hier fand er tatsächlich Halt, indem er sich sehr stark an dem nationalliberal-konservativen Historiker Hans Delbrück sowie an dem schon erwähnten weltoffenen 312 312
und belesenen Publizisten Paul Rohrbach orientierte. Letzterer hat seinen zeitweiligen Mitarbeiter mit dem zentralen Gedanken vertraut gemacht, daß es für das Deutsche Reich neben der militärischen auch eine politisch-ideologische Kriegsführung geben müsse. Insbesondere mit der Erkenntnis, »daß der moralische Kriegsschauplatz mit entscheidend ist«.62 Rohrbach entwickelte einen erstaunlichen Mut zu einer eigenen politischen Meinung, und auch sein Mitarbeiter Hahn wurde politisch, versuchte sich einzumischen in dieses Geschäft, wollte ideologische Munition liefern für den moralischen Kriegsschauplatz, Munition, die vor allem auf die Kriegspartei in England zielte. Von daher war auch sein reger Kontakt zu dem Berliner Großordinarius und meinungsbildenden Publizisten Hans Delbrück so wichtig, der als aufgeschlossener Querdenker eher konservativer Provenienz galt, aber Anregungen von allen Seiten aufgriff, speziell solche aus dem linksbürgerlichen Lager.63 Auch Delbrück sah bereits 1915/16 einen ehrenvollen Verständigungsfrieden als Option an. Schnell gewann Hahn durch fleißige Zuarbeit und kluge Ratschläge das Vertrauen des politisierenden Historikers,64 der nicht nur im Austausch mit Fachkollegen stand, sondern auch in hochrangigen Regierungskreisen verkehrte. Bald wußte man dort, daß Hahn, der sich selbst als Delbrücks »Jünger« bezeichnete, dem Professor »persönlich sehr nahe« stand.65 So konnte der Lektor an den Meinungsbildungsprozessen des Delbrückkreises aktiv partizipieren und sich dabei als Kommunikator und Mediator profilieren. Schon 1916 durfte er in den von Delbrück herausgegebenen renommierten Preußischen Jahrbüchern die Druckfassung eines politischen Vortrags veröffentlichen.66 Diese gezielten Schritte in das eher protestantisch-preußische Milieu des höheren, gemäßigt konservativen Bildungsbürgertums hielten den Netzwerker Hahn freilich nicht davon ab, auch in seinen angestammten jüdischen Kreisen nach Verbündeten Ausschau zu halten. Fündig wurde er bei seiner alten Jugendfreundin Lina Richter, der früh verwitweten Tochter des jüdischen Bankiers Benoit Oppenheim. Sie war in der bürgerlich-demokratischen Friedensbewegung aktiv und unterhielt enge Beziehungen zum Reichstagsabgeordneten Eduard David, der damals dem Vorstand der MSPD angehörte. Womit Kurt Hahn seit 1916 einen direkten persönlichen Draht zur sozialdemokratischen Parteispitze besaß, denn David war im Hahnschen Haus ein häufig gesehener Gast.67 Lina Richter führ313 313
te ihn auch in den Bund Neues Vaterland ein, einen kleinen, aber feinen Zirkel bürgerlich-demokratischer Pazifisten, der für einen annexionslosen Verständigungsfrieden eintrat.68 Darüber hinaus stand Kurt Hahn in engem Kontakt mit der Deutschen Gesellschaft 1914, in der er ebenfalls wiederholt Vorträge über seinen unliebsten Kriegsgegner England hielt. Das verdankte er in erster Linie seiner wiederum eher persönlichen Beziehung zu dem Gesellschaftsgründer und -präsidenten Wilhelm Solf.69 Der hohe Staatsbeamte – Solf war Staatssekretär im Reichskolonialamt – hatte diesen Club zusammen mit zahlreichen Gleichgesinnten des öffentlichen Lebens Ende 1915 aus der Taufe gehoben. Von dessen Bemühungen um eine vorsichtige Neuorientierung der Reichspolitik durch Reformideen fühlte sich eine stattliche Zahl von Funktionseliten angesprochen, politisch von konservativ-nationalliberal bis sozialdemokratisch orientiert.70 In informeller Runde, die Hahn schon durch seine Erfahrungen mit der angelsächsischen Clubkultur bestens vertraut und sympathisch war, dürfte er sich ganz besonders gut aufgehoben gefühlt haben. Umso mehr, als die Atmosphäre dieses Gesprächskreises frei von antisemitischen Ressentiments blieb, wie sie sich zeitgleich in andere Bereiche der politischen Kultur einzuschleichen begannen.71 Wie Kurt Hahn dann im Frühjahr 1917 zu seinem neuen Mentor Hans von Haeften kam, das hat er selbst in Max von Badens Erinnerungen und Dokumenten so überliefert: Anfänglich seien der Übersiedlung des englischen Lektors an die Militärische Stelle des Auswärtigen Amtes Steine in den Weg gelegt worden. Denn Hahn habe nach der Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges »einen scharfen Zusammenstoß« mit seinen Vorgesetzten gehabt. So wurde zunächst Protest gegen die Übernahme durch Haeften eingelegt, aber Ludendorffs politischer Sachwalter muß sich von den Fähigkeiten des 30-Jährigen eine ganze Menge versprochen haben. Daß Hahn auch schon einmal etwas Verbotenes dachte, war für Haeften kein Hinderungsgrund. Im Gegenteil, er konnte einen wie Hahn gut gebrauchen. Einen Mann mit Qualität, mit fabelhafter Kondition und einer Handlungsschnelligkeit wie kaum ein zweiter seines Metiers. Für Kurt Hahn selbst eröffneten sich durch diese neue Stelle ganz ungeahnte Möglichkeiten.72 Er durfte sich nun als ein Teil jenes politischen Kraftzentrums fühlen, das die beiden Granden der OHL mehr denn je verkörperten. Bald stand er mit zahlreichen einflußreichen Parlamentariern der neuen Reichstagsmehrheit auf vertrautem 314 314
Fuße. Doch das war ihm nicht genug. Ein scharfsichtiger zeitgenössischer Beobachter seiner Aktivitäten, der Regierungsbeamte Arnold Brecht, beschreibt dessen damaliges Auftreten wie folgt: »Er wollte immer direkt an die maßgebenden Männer persönlich herangehen und wenn das nicht ging, dann an solche Personen, die auf sie entscheidenden Einfluß ausübten. Wer ist der einflußreiche Berater von Minister X?, fragte er dann. Um jede wichtige Persönlichkeit gibt es einige Freunde und Berater, die immer Zutritt haben und Gehör finden. Nach denen erkundigte er sich und ging dann auf sein Ziel los.«73 Primär diente Hahn seinem Chef Haeften; als der, der an den »maßgebenden Mann« herankam. Was ihm zumeist auch mit erstaunlicher Leichtigkeit gelang, da er offenbar eine geniale Intuition besaß, die charakterlichen und psychischen Besonderheiten seiner Ansprechpartner zu erfassen, zu adaptieren und dann entsprechend auf sie einzuwirken. Kein Wunder also, wenn sich Hahn aufgrund dieser Erfahrung Gedanken machte, wie er seine Fähigkeiten – sagen wir – privatpolitisch verwerten könnte. Das schien ihm jedenfalls durch seinen Feuerkopf geschossen zu sein, nachdem er Anfang 1917 mit Prinz Max einen seelenverwandten Salonpolitiker von Format persönlich kennen und schätzen lernte, der ihm nun nachgerade zum Idealbild eines großen Staatsmannes wurde. Erst nach der Herstellung einer bemerkenswerten, jedenfalls besonderen Nähe zwischen den beiden Männern scheint auch der umworbene Prinz in dem Berliner Netzwerker mehr gesehen zu haben als einen nützlichen Zuträger interner Informationen. Erst widerstrebend zwar, glaubte er schließlich das, was der junge Mann ihm unablässig einzureden suchte: daß er, Max von Baden, der für die höchsten politischen Aufgaben Berufene sei, allem gewachsen – und nur noch zu gering geschätzt. Hahns starke Vorliebe für England kennen wir bereits, bedingt durch die langjährigen Studienaufenthalte in Oxford – für ihn ein Paradies, aus dem er sich 1914 gewaltsam vertrieben fühlte. Seine Individualität verdankte er zu großen Teilen den proto-politischen, den para-diplomatischen Aktivitäten diverser Studentenclubs in Oxford. Insbesondere Hahns Engagement im Hanover Club ist hier hervorzuheben.74 Diese 1911 ins Leben gerufene Studentenvereinigung sollte die deutsch-englische Freundschaft neu beleben, die durch die angespannten Beziehungen der beiden Großmächte in der Vorkriegszeit schweren Belastungen ausgesetzt war. Kurt Hahn war stets fest 315 315
überzeugt von einer gleichsam natürlichen Interessengemeinschaft der beiden großen Nationen. Wörtlich bekannte er, daß sein »Traum« eine deutsch-englische Verständigung über die Gewissenspflicht sei, die Welt gemeinsam »in die Zivilisation zu zwingen«. Mehr noch: Die geistig-politische »Vormundschaft gegenüber Kultur und Zivilisation« gebühre vor allem Deutschland und England.75 Als politisches Ideal schwebte ihm eine Entente cordiale zwischen dem britischen Empire und dem deutschen Kaiserreich vor – eine schwärmerische Vision, von der er sich durch keine realpolitische Erfahrung abbringen ließ. Auch noch nach Ausbruch des Krieges kreisten sein ganzes Denken und Fühlen darum. Kaum nach Deutschland zurückgekehrt, nahm er den Kampf um einen Verständigungsfrieden mit England auf, wohin er durch persönliche Freunde weiterhin einen Draht besaß.76 Deshalb schloß er sich in Berlin auch gleich so begeistert der Rohrbachschen Vorstellung vom hohen »Wert und Wesen des moralischen Angriffsverfahrens« an, deren Kernsatz damals lautete: »Moralische Offensive bedeutet für mich die Erschütterung des geschlossenen Kriegswillens bei unserem Gegner.«77 Das zündete. An dieser Front wollte Kurt Hahn seinen Kriegsdienst leisten – kampfentschlossen und aufopferungsvoll, alle friedensfreundlichen Regungen in seiner verlorenen Wahlheimat genau registrierend. Hahn gab sich eine Mission, die davon ausging, nur und allein in England liege der Schlüssel für eine Beendigung der Weltkriegskatastrophe. Sein Mentor Rohrbach hat dieses ceterum censeo seines Musterschülers folgendermaßen skizziert: »Der Kriegspartei in England steht eine Friedenspartei gegenüber, es kommt darauf an, diese so zu stärken, daß die das Übergewicht bekommt, und dazu muß von deutscher Seite ein klarer Verzicht auf alle die Integrität und Souveränität Belgiens in Frage stellenden Absichten erfolgen.« Hahns Aktivitäten speisten sich empirisch aus seiner genauen Beobachtung der bezüglichen Vorgänge im Inselreich, die er aber nicht einfach nüchtern und sachlich abbildete, sondern stets durch seine anglophile Brille sah, entsprechend wahrnahm und phantasievoll so anreicherte, daß die an sie gehängten Botschaften plausibel erschienen. Realhistorisch hat es freilich eine politisch relevante, gar deutschlandfreundliche »Friedenspartei« in England in den Jahren 1915 bis 1918 niemals gegeben.78 Seine Option beruhte letztlich auf einer Illusion, deren innere Haltlosigkeit ihm verborgen blieb, weil er keinen analytischen Blick auf die außen316 316
politische Gesamtlage riskierte. Die Realität blieb – in diesem Fall – aus seinem Denken ausgeblendet. Seine Vision eines friedenspolitischen Arrangements mit England besaß insofern eine manische Seite. Ihr arbeitete er mit eiserner Selbstzucht entgegen, in immer neuen Variationen. Doch Hahn war kein Träumer, sondern ein Mann mit großem politischem Ehrgeiz, ein Möchtegernpolitiker, dem es nicht schwerfiel, sich in die Rolle einer grauen Eminenz hineinzubegeben. Er selbst konnte es nicht richten. Deshalb mußte er den idealen Vollstrecker für seinen Plan (er)finden und konditionieren – und er fand ihn, in Gestalt des Prinzen Max von Baden. Der war zwar weder anglophil noch für die aufreibende Praxis großer Politik gemacht, doch das störte den obsessiv veranlagten Hahn wenig. Unbeirrbar arbeitete er seit Sommer 1917 an der Verwirklichung seines politischen Traumes, der Staatsführerschaft seines Favoriten. Bereits im August hat er in einer Denkschrift für Haußmann wesentliche Programmpunkte für Max’ präsumtive Regierung skizziert, von ihm kaum verklausuliert »Ministerium M.« genannt.79 Zu bewirken sei ein »weithin sichtbarer Stimmungsumschwung in England«. Das ginge nur durch die Etablierung eines »Ministeriums des deutschen Volkes«, dessen »führende Persönlichkeit« schon durch ihre Vergangenheit »eine suggestive Kraft« auf die Völker ausübe – »ein Wahrzeichen der Menschenliebe«, eben jemand wie Max von Baden. »Die Berufung eines solchen Kanzlers wäre eine symbolische Tat. Das Land, das so zuerst das Moratorium der Bergpredigt aufhebt, hätte mit einem Schlage die moralische Führung wieder an sich gebracht. Und diese Führerrolle würde auch den Gang der Friedensverhandlungen beeinflussen.« Kurzum: Ein »Ministerium des deutschen Volksvertrauens« mit einem Prinzen Max an der Spitze schaffe »die Atmosphäre in England, in der [Herbert Henry] Asquith und [Artur James] Balfour das englische Volk zu einem Frieden führen können, der Deutschland zufrieden stellt«.80 Eine solche Kanzlerschaft sei »der einzige Weg heraus« aus der Krise.81 Hahn hat das ernst gemeint und nichts unversucht gelassen, sein Projekt zu verwirklichen. Seine Zielvorgabe lautete: Max von Baden zu der Glaubwürdigkeit eines Kanzlers des deutschen Volksvertrauens, der Humanität und des Geistes der Bergpredigt zu verhelfen. Einen ersten beachtlichen Erfolg erzielte er dabei im Dezember 1917, als er Max’ Rede vor der Ersten Kammer des badischen Landtags schreiben durfte.82 Sowohl in Frankreich als auch in England – so ließ 317 317
er den Kammerpräsidenten sagen – seien heute »Kräfte am Werk, die keinen Gewaltfrieden wollen, sondern nur einen Frieden, der sich mit der Ehre und Sicherheit ihres Landes vereinigen läßt«. Auf diese Kräfte solle Deutschland zugehen. »Überall horchen heute die heilenden Kräfte auf einander hin, überall wird man des Moratoriums der Bergpredigt müde. Die Menschheit sehnt sich nach seiner Kündigung noch ehe der Krieg endet.« Für einen christlichen Soldaten gehöre der »Geist des Roten Kreuzes« zum Heere ebenso wie der Offensivgeist. Überhaupt gelte es, dem christlichen Grundprinzip der »Feindesliebe« zu huldigen. Eine Metamorphose deutet sich hier an. Eine, die den deutschen Diplomaten Friedrich Rosen schon 1918 zu dem denkwürdigen Satz gebracht hat: »Nihil est in Max quod non antea fuerit in Kurt« – es ist nichts in Max, was nicht vorher in Kurt war.83 Eine Übertreibung gewiß, aber Max von Baden selbst schrieb, ganz beseligt von seinem jüngsten rhetorischen Geniestreich Ende 1917: »So schließt das Jahr, das voller Fragen anhob, mit einem befreienden ›Ja‹.«84 Kein Zweifel, Max war von Hahns neuartigem Pathos der Rhetorik wie berauscht. Ihm fehlte die emotionale Distanz, um die Substanz hinter diesem Pathos kritisch zu prüfen. So konnte er auch nicht das Ausmaß an Verantwortung erkennen, das ihm aus der Übernahme von Hahns Visionen erwachsen würde. Was bei Hahn Besessenheit war, stellte bei Max eher Ergriffenheit dar. Hahns Beziehung zu Max von Baden ist auch zeitgenössischen Beobachtern der politischen Szenerie aufgefallen. Kaum einer mochte sich einen Reim darauf machen, so unerklärbar stellte sich dies dar. Einzig Wilhelm Solf, der letzte Außenamtsstaatssekretär des Kaiserreichs, hat sich post festum zu einer Interpretation hinreißen lassen. Man will – so schrieb er 1921 an Gottlieb von Jagow, einen seiner Vorgänger im Amt –, »daß ich über meine damaligen Erlebnisse ein Buch schreibe. Das ist für mich furchtbar schwer, weil ich über die Persönlichkeit des Prinzen Max nicht hinweg komme. Er war eine der größten Enttäuschungen meines Lebens.« An seiner »Gesinnung« zweifle er auch heute nicht, von seinem »staatsmännischen Können« aber habe er bereits bei der ersten Konferenz »einen geradezu schrecklichen Eindruck gewonnen. In der Folge habe ich herausgefunden, wer der Spiritus rector des Prinzen war und daß er von diesem, dem jungen genialen Kurt Hahn, abhängig war wie Trilby von dem Meister Svengali.«85 Auf diesen Vergleich ist Solf 318 318
dann immer wieder zurückgekommen, wenn es um Max von Baden ging.86 Trilby war ein Bestseller. Bei der Horrorgeschichte von George Du Maurier aus dem Jahre 1894 steht das unmusikalische, attraktive Mädchen Trilby im Mittelpunkt. Unter Hypnose wird sie von dem dämonischen musikalischen Genie Svengali in eine Gesangsdiva mit beachtlichem Erfolg verwandelt. Mauriers Sittengemälde hat einen nicht zu übersehenden Stich ins Antisemitische, da der Manipulator Jude ist. In der Pariser Kunstszene, wo der Roman spielt, gilt Svengali als bunter Hund, auch als belächelter Weiberheld. Die Romanfigur wurde um die vorletzte Jahrhundertwende zu einer vielverwendeten Metapher, ja zu einem Codewort.87 Sie stand für eine ominöse Figur, die andere in Trance versetzen kann und sie dazu bewegt, etwas eigentlich Wesensfremdes zu tun. Ein Svengali wirkt demnach als Hypnotiseur, aber daneben auch als Mentor, Manager, Dirigent und nicht zuletzt als Liebhaber solch tragischer Trilby-Erscheinungen, an denen die nervöse Gesellschaft des Fin de siècle bekanntlich keinen Mangel hatte. An seiner Person wird das Vorhandensein von vor-rationalen zwischenmenschlichen Bindungskräften verdeutlicht; im Mittelpunkt aber steht seine Fähigkeit, das Objekt seiner Begierde zu faszinieren – sein magisches Charisma, die unheimlichen Kräfte seiner Seelenfängerei. War das eine Überzeichnung? Die Frage ist nicht abschließend zu beantworten, da von dem intensiven Briefwechsel dieses interessanten Paares der politischen Zeitgeschichte bis dato nur ein Bruchteil öffentlich zugänglich ist. Fest steht aber, daß das Verhältnis von Kurt Hahn und Prinz Max rein rational nicht zu erklären ist.88 Die symbiotische Beziehung selbst war es, die zum Politikum wurde. Und diese Beziehung war intim: ein unmittelbar-sinnlicher Kontakt, dem zweifellos ein für beide Seiten spürbarer Zauber innewohnte. Ihr Wesensmerkmal dürfte die Hingabebereitschaft von Kurt Hahn gewesen sein, auf die der Prinz so gerne einging, daß er dem jungen Mann einen hohen Rang in seiner Gunst einräumte – und damit sehr glücklich machte. Hahns Liebe blieb bedingungslos, stets auf das gleiche Ziel fixiert: Max sollte seine Fiktionen zu politischem Leben erwekken – Fiktionen, die für Hahn von existentieller Bedeutung waren. Dabei sollten wir in Betracht ziehen, was ein anderer intimer Beobachter Hahns offenbart hat – Golo Mann, der den Spin doctor in dessen Eigenschaft als Pädagoge an der Internatsschule von Salem in 319 319
den frühen zwanziger Jahren erlebt und wohl auch erlitten hat. Von den »schweren Irrtümern«, die er Hahn in seinen Memoiren vorwirft, hält er dessen verlogene Sexualpädagogik für den schlimmsten, weil sie auf eine jesuitische Triebunterdrückung hinausgelaufen wäre.89 Die Ursache für diesen Fehler sah Mann darin, daß Hahn »die Neigung, die in ihm war, die homoerotische, moralisch mißbilligte und mit einer mir unvorstellbaren Anstrengung des Willens in sich selbst erstickt hatte«. Golo Manns Biograph Tilmann Lahme hat dieser ausgesprochen sexualneurotischen Seite des Hahnschen Persönlichkeitsprofils noch einige weitere Facetten hinzugefügt.90 Sie bestätigen, daß Kurt Hahn offenbar in dem Wahn, vielleicht auch nur in dem andauernden Selbstbetrug lebte, man könne homosexuelle Triebe durch Willenstraining und eiserne Selbstüberwindung aushungern beziehungsweise ins Platonische, ja Pädagogische sublimieren. Sollte Hahn tatsächlich homosexuell gewesen sein und sich ein Leben lang dagegen gestemmt haben, seine erotischen Bedürfnisse zu befriedigen, allein um seinem moralisch-sittlichen Imperativ zu genügen, so kann man die psychischen Auswirkungen einer solchen Selbstkasteiung auf sein zwischenmenschliches Verhalten wohl kaum überschätzen.91 Erst recht nicht, wenn man in Rechnung stellt, daß er in Max von Baden einen Helden verehrte, der selbst homosexuell war und die Veranlagung seines Svengali durchaus bemerkt haben dürfte. Prinz Max besaß nicht die Kraft, die politischen Heilserwartungen, die Hahn an ihn herantrug, abzuwehren. Im Gegenteil, nur zu gerne vernahm er die Botschaften seiner vermeintlichen Sendung, die seine Vernunft mehr und mehr unterwanderten. Bald war Hahn für ihn eine unverzichtbare Größe – man könnte auch überspitzt sagen: sein Lebenselixier. Der wiederum konnte diese Zuneigung nur als eine enorme Aufwertung seiner Person erfahren und begreifen. Und damit als mächtigen Stimulans, sich diese Gunst weiterhin zu verdienen. So wohnte seiner Leidenschaft auch ein Höchstmaß an Leidensbereitschaft inne.
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Abwesend anwesend: Prinz Max auf dem Sprung nach Berlin Drei Wochen nach Kurt Hahns erstem Besuch in Salem hatte sich der Prinz Ende August 1917 in einem »Zustand nervöser Erschöpfung« zur Kur in den Schwarzwald begeben müssen – so schwer litt er an der »wilden inneren Unruhe« und an der »furchtbaren Erregung, in die mich die letzten Ereignisse versetzten«.92 Daß ihn die Bethmann-Krise durch die Strippenzieherei von Kurt Hahn so plötzlich auf die Kanzlerbühne hieven würde, darauf war er nicht eingestellt gewesen. Und daß ihn die eigene Familie, genauer gesagt: der badische Dynast nebst Mutter davon so barsch wieder herunterpfeifen würde, darauf erst recht nicht. Nun wollte er erst einmal in der weltabgeschiedenen Idylle St. Blasiens – da ihm das Engadin versperrt blieb93 – seine Gesundheit und seine Seele pflegen. Dazu gehörte offenbar auch, sich dem Ehe- und Familienleben noch mehr zu entziehen, als das bereits der Fall war. Erst gut fünf Monate nach seiner Verabschiedung in den Schwarzwald sollte Max Frau und Kinder wiedersehen.94 Dabei ging es auch Marie Louise alles andere als gut – wie Max’ Cousine Königin Victoria von Schweden Axel Munthe wissen ließ. Die Prinzessin fühle sich »total verlassen und unglücklich«, da ihr Mann stets neue Ausflüchte fände, um der Familie »fern- beziehungsweise für sich allein bleiben zu können«.95 Und selbst nach seiner Rückkehr Ende Oktober zog Max es vor, »in meinem Hauptquartier Karlsruhe« zu bleiben und die Familie bis Weihnachten auf ihn in Salem warten zu lassen.96 Er mußte sich ganz auf seine Selbstfindung konzentrieren. Gesundheitlich fühlte er sich nach achtwöchigem Schwarzwaldurlaub wieder »besser«, aber noch »nicht absolut gut«.97 Das war erst Ende November der Fall – nach dreitägiger Klausur mit Kurt Hahn auf Schloß Kirchberg. Max’ politischer Standort bewegte sich im Herbst 1917 irgendwo zwischen den nationalistischen Zielen der deutschen Vaterlandspartei und den antidemokratischen Abwehrreflexen seiner fürstlichen Standesgenossen. Er vertrug sich also kaum mit Hahns Positionen – was diesen allerdings nicht davon abhielt, seinen Favoriten für das höchste Staatsamt immer mehr in das Blickfeld seines politischen Netzwerkes zu rücken. Es waren politische Parallelwelten, in denen sich die beiden während dieser Monate bewegten. Im Spätsommer 1917 war die rechtsnationale Vaterlandspartei ge321 321
gründet worden, deren politisches Wollen im Leben des Prinzen Max durch zwei Personen hochpräsent blieb. Durch den 1916 aus dem aktiven Dienst verabschiedeten Großadmiral und Schöpfer der deutschen Kriegsflotte Alfred von Tirpitz, der sich der neuen Bewegung als Galionsfigur zur Verfügung gestellt hatte.98 Mit ihm tauschte sich Max damals in St. Blasien, Tirpitz’ Altersruhesitz, intensiv aus.99 Und durch seinen alten Freund und Lebensberater Johannes Müller, der sich jenem Parteilager aus Überzeugung zugehörig fühlte. Mit Nachdruck hat er auch Max von Baden in die Pflicht dieser politischen Richtung zu nehmen versucht, indem er ihm Mitte August 1917 eine regelrechte Vorlesung darüber hielt, was es politisch zu tun gelte, nachdem »doch wohl unwiderleglich bewiesen« sei, »daß unsere Feinde für keinen Verständigungsfrieden zu haben sind und unter allen Umständen den Krieg fortführen wollen, bis wir besiegt sind und ihnen zu Willen sein müssen«. Müller lobte die politischen und charakterlichen Eigenschaften von Reichskanzler Michaelis und hielt die andauernde Kritik an ihm angesichts der Lage Deutschlands »für abscheulichsten Verrat«. Schließlich sprach sich Müller noch gegen die Wiederherstellung der staatlichen Souveränität Belgiens aus, was faktisch auf einen Krieg à outrance gegen England hinauslief.100 Was Müller sich hier von der Seele schrieb, waren Ausführungen, die Max »vollauf würdig[t]e« und »die im Grunde auch den meinigen entsprechen«.101 Sie deckten sich weitgehend mit der Programmatik der Deutschen Vaterlandspartei.102 Im Mittelpunkt stand der unbedingte Willen zum Durchhalten an der militärischen und an der Heimatfront, zur Bekämpfung des Hauptfeindes England. Im bundesfürstlichen Herrscherstand wuchs derweil der Unmut über den aufmüpfigen Reichstag, vor allem über die dort verabschiedete Friedensresolution. So monierte etwa Max’ Schwager, der Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin Ende August 1917: der »Verzichtfrieden der Erzberger und Scheidemann« würde das Kaiserreich »sicher an den Rand des Abgrundes bringen!«103 So dachte auch Max’ Tante, Großherzogin Luise von Baden, wie sie im Gespräch mit dem preußischen Gesandten in Karlsruhe äußerte. Wie Eisendecher hinzufügte, habe sich »ganz ähnlich« kürzlich auch der Großherzog von Baden ihm gegenüber geäußert.104 Solchen Vorgaben hat Max sich nicht entziehen können. Außerdem darf die »absolute Ablehnung« nicht außer acht gelassen werden, auf die seine Kanzlerkandidatur in seinem Herrscherhaus von 322 322
Anfang an gestoßen war.105 Der tiefere Grund dafür erschien im Lichte der Biographie des Prinzen nicht einmal unberechtigt: Die Zähringer wollten nicht, »daß der badische Thronfolger von jeder beliebigen Seite auf jede beliebige Weise angegriffen werden könnte«.106 Sein Familienoberhaupt sah sich deshalb in der Pflicht, seinen Vetter gleichsam vor sich selbst zu schützen – und damit den Ruf seiner Dynastie. So geriet die Kanzlerkandidatur von Anbeginn an in ein ausgesprochen schiefes Licht. Gewollt und gefördert wurde sie vorzugsweise von Leuten, denen Max politisch-ideologisch gar nicht nahestand, bei denen er aber vielleicht davon ausging, sie politisch unter seine Kontrolle bringen zu können, möglichst in Einklang und in Abstimmung mit den militärpolitischen Vorgaben der OHL . Und abgelehnt haben sie diejenigen, deren Herrschaft der Prinz durch die Turbulenzen des Weltkrieges retten wollte. Daß er die »Unwahrhaftigkeit der demokratischen Parole« empfindet, daraus hat Prinz Max seinen Werbetrommlern gegenüber nie ein Hehl gemacht.107 So zeigte er sich auch im August 1917 ausgesprochen »entrüstet« über die Versuche der Mehrheitsparteien im Reichstag, mehr Einfluß auf die Regierungspolitik zu nehmen und Michaelis das Leben schwer zu machen. Eine solche Abhängigkeit könne und würde er selbst – auch als potentieller Regierungschef – »unmöglich ertragen«. Überhaupt sei er »unzufrieden« mit der derzeitigen »Rolle« der Reichstagsmehrheit, »die knapp an’s Unpatriotische streift«. Was die Friedensresolution und auch die Parlamentarisierung angehe, stehe er »auf demselben Standpunkt wie Michaelis«. Was den letzteren Aspekt betrifft, müsse es mit der Übernahme von Parlamentariern in den Regierungsapparat ein für alle Mal »genug sein«. »Ceterum censeo: die Mittelparteien [Zentrum, Nationalliberale und Fortschrittliche] sollen sich bescheiden, klug mitarbeiten und die Regierung wo immer möglich unterstützen.« Außerdem sollten sie »sich zusammentun und den Sozialdemokraten Einhalt gebieten«.108 Johannes Müller gegenüber wurde er noch deutlicher. Hoffentlich gelinge es Michaelis »bald, die Führung wieder an sich zu reißen und mit Hilfe der Mittelparteien die tyrannischen Velleitäten der Sozialdemokratie einzudämmen und unschädlich zu machen«.109 Aber nicht allein der Reichstag hatte sich in Max’ Augen »als ganz unfähig erwiesen, tüchtige Politik zu machen«; auch mit der Haltung der großen liberal-demokratischen Blätter war er »nicht zufrieden«. Er fand es »schlimm«, was etwa die Frankfurter Zeitung oder das Ber323 323
liner Tageblatt damals über die Notwendigkeit einer Neuorientierung der Reichspolitik schrieben. »Sie treiben es noch soweit, daß sie schließlich als schlechte Patrioten tatsächlich gelten werden«, beklagte er sich bei Kurt Hahn, der über gute Verbindungen zu den Chefredaktionen verfügte. »Kann man diese Zeitungen nicht beeinflussen und ihnen eine glücklichere Richtung geben?«110 Seine vornehmste politische Aufgabe sah Max noch während seines Schwarzwaldurlaubs darin, die Systemkrise nun seinerseits »zum Stehen zu bringen«; und zwar dadurch, daß er einzelne Parlamentarier persönlich ins Gebet nahm, ihre oppositionellen Allüren abzustellen. So schrieb er an den badischen Zentrumsabgeordneten Konstantin Fehrenbach, der damals Vorsitzender des Interfraktionellen Ausschusses im Reichstag war, »daß es Pflicht seiner Partei sei dafür zu sorgen, daß alle gemäßigt Denkenden dahin zusammenwirkten, daß der kommende Reichstag das deutliche Bild eines siegessicheren, kampfbereiten Deutschlands darstelle, und ferner seine Aufgabe darin erblicke, die Regierung zu stützen, wo immer das möglich sei und sie vor Vergewaltigung seitens der Ultra-Linken zu bewahren. Auf keinen Fall ein neues Friedensangebot seitens des Reichstags.«111 Er hat Fehrenbach sogar nach St. Blasien zitiert und ihm dort auch noch einmal mündlich »die Notwendigkeit auseinandergesetzt, dem Reichstag ein siegesgewisses Gesicht zu geben, da das Friedensgerede anfinge, recht unwürdig und sehr bedrohlich zu werden«.112 Wie erfolgreich er mit dieser politischen Zähmungsmaßnahme tatsächlich war, zeigt die programmatische Rede, die Fehrenbach nur kurze Zeit nach seinem Besuch im Deutschen Reichstag gehalten hat. Sie gab, wie Max beim Lesen freudig konstatierte »ungefähr das wieder, was ich mit ihm besprochen habe«.113 In der Tat beinhalteten die Ausführungen des badischen Zentrumsmannes eine starke Relativierung, ja, sie deuteten jene umstrittene Resolution des Reichstags um, der Fehrenbach selbst erst vor wenigen Monaten zugestimmt hatte. Die Rede entwertete diese parlamentarische Friedensinitiative. Besser gesagt, sie zielte auf deren Überwindung zugunsten einer Rückkehr zum Geist vom August 1914. Neben dem Zentrumsredner meldete sich noch ein weiterer von Max vorbereiteter Politiker im Reichstag zu Wort, um im Sinne des Prinzen zu sprechen. Es war der Fortschrittsmann Conrad Haußmann.114 Auch er bekannte sich zur Mehrheitsresolution, »nicht um des Friedens willen, sondern um des Krieges willen. Unsere Majori324 324
tätsresolution gab die Hand zum Frieden, wenn die Feinde ihn wollten; sie ist eine Kampfansage, wenn sie ihn nicht wollen, sie ist eine Waffe, die aus einer Scheide und einem Schwert besteht.« Sein persönlicher Einfluß auf die beiden Politiker – so konnte Max sich einreden – war nicht ohne politischen Erfolg geblieben: »Das Friedensresolutions-Fieber ist Gottlob stark verrauscht, jedenfalls beim Zentrum und den Freisinnigen, ebenso der Wunsch nach Parlamentarisierung.«115 Einige Monate später hat er Freund Müller gegenüber »im Vertrauen« sogar behauptet: »die Mehrheitsparteien ließen mir im August sagen, sie würden mir freie Hand zusichern, wenn ich Kanzler würde, und keine Kontrolle beanspruchen, weil sie mich in den Menschheitsfragen als unbedingt sicher ansähen und sich meiner Führung blind anvertrauten«.116 Daß er sich auf die Rolle des führenden Staatsmanns nun ernsthaft einlassen wollte, geht aus dem immer engeren Kontakt hervor, den Max mit Kurt Hahn pflegte. Allein für die Dauer des 8-wöchigen Kuraufenthalts in St. Blasien sind acht Korrespondenzstücke des Prinzen an ihn überliefert, dazu Telefongespräche und ein persönlicher Besuch Hahns im Schwarzwald. Die ganze Intensität der Verbindung dürfte damit noch nicht einmal erfaßt sein. Hält man sich an das, was Max über seine mögliche Schilderhebung dem Papier anvertraut hat, so begegnet uns zunächst vorzugsweise Skepsis. Er sorgte sich wegen der unwägbaren politischen wie gesundheitlichen Anforderungen und gestand Hahn, »je mehr ich diese Aufgabe betrachte, um so weniger erscheint mir Ihre Lösung durchführbar. Es bedeutete fruchtlose Erschöpfung und Selbstvernichtung.« Nicht einmal die Begabungen, öffentlich gut reden zu können und schlagfertig zu sein, brächte er von Haus aus mit.117 Doch all diesen Lamenti zum Trotz hat er Hahns Projekt nie komplett verworfen. Das legt die Vermutung nahe, daß Max’ ständige Verweise auf die Probleme eher dem Zweck dienten, den politischen Preis für sein Engagement in die Höhe zu treiben. Kurz vor der Entlassung von Michaelis Ende Oktober 1917, als er zum ersten Mal in breiteren Kreisen als möglicher Nachfolger gehandelt wurde, redete Max auch gleich so etwas wie Klartext. An Hahn schrieb er, seine Entscheidung würde »von der Genehmigung jener Faktoren, an die ich gebunden bin, abhängen 1) von der Position, die von oberster Stelle [Wilhelm II.] eingenommen beziehungsweise eingeräumt werden wird, und 2) von der Stellung der [Reichstags-]Mehrheit zu gewissen Fragen. – Zu 1). 325 325
Das Vertrauensverhältnis muß von Anfang an präzisiert werden. Die Frage des Preußischen Minister-Präsidenten geregelt.118 Meine Entlastung in weitgehender Weise sichergestellt. – Zu 2). Freie Hand in der belgischen Politik.« Über die Mehrheitsparteien hinaus müßten auch die Nationalliberalen mit im Boot dieser großen Koalition an parlamentarischen Unterstützern seiner Regierung sein. Und: »Die Zeitungen der Mehrheit – gerade auch die Frankfurter Zeitung – müssen das Friedensgerede aufgeben. Sie haben uns enorm geschadet.«119 Das klingt nach einem durchgeplanten Szenario und läßt auf den ernsthaften Willen zu einer Kanzlerschaft schließen. Einer speziellen freilich, einer extraordinären. Dies spiegeln die Sätze, mit denen Max seinem Freund Müller gegenüber das besagte Szenario umriß: »Man wollte mich gern in der Nähe von Berlin haben, ich habe es abgelehnt, denn ich will keinen Finger rühren in dieser Sache. Kommt sie nicht von selbst, aus der Not geboren, so ist sie von Übel, denn ich bin ja kein Kanzler-Kandidat wie Bülow p. p., sondern mehr eine Art Symbol nach Innen und Außen. Das ist meine Kraft, alles Übrige ist Schwäche an mir, das weiß ich besser als sonst jemand. Auf diese Eigenschaften müßte die ganze Stellung zugeschnitten sein, sonst scheitere ich an der Arbeitslast und verliere den Wert, den ich besitzen mag.«120 Max setzte auf Fremdoptimierung. Und das mußte er auch, denn als Reichskanzler im herkömmlichen Sinne konnte er sich nicht profilieren. In einem Anflug von Erkenntnis ist ihm entfahren, was der Reichspolitik damals wirklich nottat. »Wir brauchen einen Charakter von Bismarckscher Willenskraft, die ungeheure Aufgabe zu lösen und die neuen Strömungen in die richtigen Kanäle zu leiten«.121 Doch auf diese warnende innere Stimme ist Max nie wieder zurückgekommen. Ende Oktober 1917 wandte er sich stattdessen mit einem persönlichen Brief an den Hausminister des Kaisers, den Grafen Eulenburg, der auf eine verbrämte Bewerbung des Prinzen um eine Führungsrolle in der Reichspolitik hinauslief. »Mein Adressat« – so ließ er Kurt Hahn wissen – »wird wohl dem Obersten Herrn davon Mittheilung machen. Es konnte nur in großen Zügen geschehen: Freier Entschluß der Krone, moralische Offensive, allgemein menschliche Ziele als Angriffswaffe, Gefahr der Kandidatur Bülow. Von Ihrem Kandidaten kein Wort. Das ist ausgeschlossen. Ich kann sie nicht anbieten, schon deshalb, weil hier [im Karlsruher Schloß] die Opposition sich eher verschärft als verringert.«122 Dieser anhal326 326
tend hartnäckige Widerstand hätte tatsächlich nur durch ein entschiedenes Machtwort des Kaisers überwunden werden können. Noch einmal wies Max Hahn auf die Grenzen seiner körperlichen Belastbarkeit hin: »Wie ich gesundheitlich der Anstrengung auf die Dauer gewachsen sein kann, ohne daß die Arbeit leidet, ist mir heute rätselhaft; es sei denn, daß man mir eine Extrastellung einzuräumen vermag und alle Faktoren, auch der Reichstag, gewillt sind dies zu tun.« Eine Extrastellung – das bringt die Sache auf den Punkt. Ein souveräner Kanzler aus eigener fürstlicher Wurzel wollte er sein, möglichst unverantwortlich und unhinterfragt. »To be chosen, not to choose, das sagt ungefähr, was ich empfinde.« Als Ende Oktober 1917 die Entscheidung über einen geeigneten Nachfolger für Michaelis nahte, machte sich der badische Thronfolger nach Brüssel auf, um dort Sondierungsgespräche über die politische Zukunft des von Deutschland besetzten Belgien zu führen. Wohl wissend, daß er mit dieser Rolle eines entfernten »Zuschauers« Kurt Hahn zur Verzweiflung brachte. Aber nach seiner Erfahrung sei es »die einzige, die ich jetzt spielen kann und darf. Ich habe das ausgesprochene Gefühl, daß ich jetzt stillhalten muß und den Mächten, die in allerletzter Instanz die Entscheidung bringen, nicht in’s Handwerk pfuschen darf.« Dies umso mehr zu tun, war aber seit dem Sommer das erklärte Anliegen der Kanzlermacher Hahn, Haußmann und Delbrück gewesen. Von der Werbekampagne dieser umtriebigen Männer soll im Folgenden die Rede sein. Sie setzte bereits im August ein, weil man dem Verlegenheitskanzler Michaelis von vornherein keine Chance gab. Die Parole lautete deshalb, dem vorhersehbaren Ausbruch einer weiteren Regierungskrise durch einen ebenso mutigen wie freien Entschluß der Krone vorzubeugen. Am 22. August 1917 erklärte Hahn, »daß heute mit unerhörter dramatischer Kraft die Kanzlerkrisis ausgebrochen ist«. Und er kombinierte: »Die Mehrheit scheint zur Beseitigung entschlossen. Erzberger sprach erneut von der Lösung, die auch ich will, zu Haussmann. Der Weg, via Michaelis an die Krone die neue Lösung heranzubringen, wird von Haussmann ernst erwogen. Man denkt daran, an sein Gewissen zu appellieren. Auch v[on]. H[aeften]. empfiehlt diesen Weg. Ein Hineinziehen der Obersten Heeresleitung in diesem Stadium wäre nach v. H. ein schwerer Fehler. Erst müßte die Sache hier reifen«.123 Hahn setzte auch sogleich ein Exposé zum gezielten Kanzlersturz auf, mit dem er Haußmann, Eduard David und Del327 327
brück zu entsprechendem Handeln drängte.124 In einem Schreiben, das Delbrück an Rudolf von Valentini, den Chef des kaiserlichen Zivilkabinetts, gelangen ließ, wird ausgeführt, »daß wir einen ehrenvollen Frieden haben könnten, wenn wir einen Reichskanzler hätten, der selbständig zu handeln fähig ist und Vertrauen genießt.«125 Zwar liefen solche Vorstöße zunächst ins Leere, da Michaelis in allerhöchsten Kreisen seinen Kredit noch keineswegs verspielt hatte,126 doch sechs Wochen später drehte sich der Wind. Nach einem weiteren Eklat, den der Regierungschef im Reichstag provozierte, fühlte man allgemein eine Art »Kanzlerdämmerung«. Damit wurde die Nachfolgefrage in der zweiten Oktoberwoche des Jahres 1917 tatsächlich akut, und das Hahn-Konsortium trat abermals auf den Plan. Inzwischen hatte es mit dem Hamburger Bankier Max Warburg einen weiteren einflußreichen Förderer hinzugewonnen.127 Warburg verfügte über exzellente Kontakte zur wirtschaftlichen und politischen Prominenz im Reich.128 So wundert es nicht, wenn er während eines Kuraufenthaltes in Bad Homburg die Gelegenheit eines Kaiserbesuches dort nutzte, um dem Kabinettschef Valentini seine Aufwartung und bei dieser Gelegenheit Reklame für – Max von Baden zu machen.129 Hauptsächlich propagiert wurde der Prinz aber von Hahns engsten Gesinnungsgenossen, von Delbrück, Haußmann und David. Die drei einte ihre gemeinsame Sympathie für den Kandidaten und darüber hinaus die Bereitschaft zu akzeptieren, daß die anstehende Entscheidung über den neuen Kanzler rein informell getroffen werden würde, in dem ihnen persönlich verschlossenen Beraterkreis des Kaisers. Darauf war ihre ganze Taktik der indirekten Einflußnahme abgestellt. Nicht öffentliches Eintreten für Max von Baden im Parlament und in der Presse also, mit entsprechender Begründung, sprich politischer Überzeugungsarbeit, sondern Hintertreppenpolitik, das findungsreiche Ausspähen von Mitteln und Wegen, auf denen der Kandidat ins höchste Staatsamt lanciert werden konnte. Nolens volens trugen sie damit zur Selbstausschaltung des Parlaments als machtpolitische Instanz im Prozeß der Kanzlerkürung bei. Man kann dies exemplarisch an Conrad Haußmann studieren, dem württembergischen Fortschrittsmann aus demokratischem Hause.130 Der Reichstag, so schrieb er an seinen Sohn Robert, müsse bei einer Regierung Max von Baden »klar, klug und gelenkig mitarbeiten«.131 Haußmann war wie verrannt in die Vorstellung, durch eine Regie328 328
rung Max von Baden der Welt zeigen zu können, »daß wir eine höhere Ordnung schaffen und aufbauen können, ohne der äußeren Ordnung und uns selbst den Kopf einzuschlagen«.132 Er blieb so gefesselt von diesem Gedanken, daß er alle parlamentarischen Ansprüche hintanstellte und die Entscheidung ganz dem kaiserlichen Prärogativ überlassen wollte. Selbst in der Führung der MSPD blieb man nicht ganz nüchtern, als man die Kanzlerfrage erörterte. Diesen Eindruck gewinnt man mit Blick auf den Sozialdemokraten Eduard David, der in der Reichstagsfraktion eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Schon auf dem SPD -Parteitag in Würzburg hatte Hahns Verbündeter am 15. Oktober 1917 in der Frage der Parlamentarisierung des Reiches auffällig moderate Töne angeschlagen.133 Kurz darauf sprach er mit dem Parteivorsitzenden Ebert darüber, wie sich die Reichstagsfraktion nun zur Kanzlerfrage verhalten sollte. An den Fraktionskollegen Südekum schrieb er dazu: Von allen Kandidaten »erscheint mir Prinz Max von Baden in der gegebenen Situation noch der beste (Stellung zum Kaiser = Vizekaiser. Machtverhältnis zu den Kreuznachern [die Führer der OHL]). Er müßte natürlich klares demokratisches Programm anerkennen und entsprechende Zusammensetzung der Regierung vornehmen.« Der Parteivorsitzende Ebert habe gegen Prinz Max »keine besonderen Einwendungen« gemacht. »Er brachte selbst die Sprache auf ihn.«134 So scheinen auch einige führende Sozialdemokraten damals ganz arglos gewesen zu sein gegenüber dem Risiko, vielleicht doch eine Katze im Sack zu kaufen. Am vernünftigsten nimmt sich noch das aus, was Hans Delbrück zugunsten einer Reichskanzlerschaft Max von Baden artikuliert hat. Dafür sprächen vor allem zwei Gründe. Daß sie sehr gut im Auslande und daß sie auch sehr gut im Reichstage aufgenommen werden würde. Die »weltgeschichtliche Erfahrung« lehre außerdem, »daß Demokraten sich ganz besonders gern von Aristokraten leiten lassen. Auch die Rechte würde durch die Rücksicht auf den Rang des Prinzen wenn schon nicht gewonnen, doch in ihrem Widerspruch einigermaßen gedämpft sein. Ich füge hinzu, daß der Bundesfürst eine gute Garantie sein würde gegen die Parlamentarisierung.«135 Den monarchistischen Hintergedanken dieser Kandidatur hat Delbrück auch dem Staatssekretär Solf gegenüber nachdrücklich betont. Man könne davon ausgehen, »daß wenn der Prinz seine Aufgabe glücklich durchführt, die Stellung des gesamten Fürstentums in Deutschland davon 329 329
moralischen Gewinn haben wird«.136 Hier sollte also eindeutig der liberale Bonus des Kandidaten politisch in Dienst genommen werden, damit sich das überkommene System behaupten konnte. Man wollte nicht wissen, was Max politisch dachte, was er konkret wollte. Es handelt sich mithin um einen »Attributierungsprozeß« (Wolfram Pyta), der politischem Wunschdenken entsprang. Augenscheinlich bewirkte das gerade die ästhetische Ausstrahlungsund Überzeugungskraft unserer Hauptfigur. Sie qualifizierte Max zum idealen Anwärter auf die Position eines Staatslenkers – einer moralischen Autorität. Fraglos hat auch er selbst in jenen »Attributierungen« einen wichtigen Rückhalt seiner Legitimation erblickt. Er scheint es darauf angelegt zu haben, als royal wahrgenommen zu werden, aber zugleich grundverschieden von dem Bild, das etwa der deutsche Kaiser, aber auch andere Symbolfiguren des Reiches der Welt vermittelten. Insbesondere dem feindlichen Ausland gegenüber, wo die in Berlin Herrschenden das denkbar schlechteste Image besaßen.137 Diesem Kandidaten traute man offensichtlich zu, die fehlende Glaubwürdig der amtierenden Machthaber ausgleichen zu können. Das sah nach politischem Kapital aus, und es glänzte, wenn man es optimistisch anlachte. Aber es war eben nicht alles politisches Gold, was da strahlte. Anders gesagt, der Prinz stand nur deshalb bei den Fortschrittsliberalen und einem Teil der Mehrheitssozialdemokraten so überaus gut da, weil man in ihm einen Hoffnungsträger sehen wollte, weil man sein vermeintliches Potential politisch derart auflud, daß seine Eignung für höchste Aufgaben dadurch außer Frage stand. Auf dem Hintergrund dessen, was wir zu seinen tatsächlichen Vorstellungen von großer Politik und über seine Befähigung zum Politikmachen eruiert haben, muß man von maßlos überzogenen Erwartungen sprechen. Projektionen, von denen auch der Begünstigte hätte wissen müssen, daß er sie aus sich heraus niemals hätte erfüllen können. Insofern haben wir es bei dem politischen Zueinanderfinden mit einem grandiosen Mißverständnis zu tun, mit einer politischen Droge, deren Risiken und Nebenwirkungen aber von keiner Seite hinterfragt wurden.
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Abfuhr und Neustart Es dürfte die Hoffnung gewesen sein, daß eine Kanzlerschaft Max von Baden systemstabilisierend wirke, die schließlich die beiden Kaiserberater Valentini und Eulenburg bewegte, Wilhelm II. auf diesen Personalvorschlag explizit aufmerksam zu machen.138 Aber es half nichts, der Kaiser lehnte den Prinzen als Reichskanzler schon bei der ersten Erwähnung am 25. Oktober 1917 in seinem Neuen Palais in Potsdam so entschieden ab, daß Valentini keinen neuen Vorstoß mehr wagte. Stattdessen entschied sich der Monarch für den bayerischen Ministerpräsidenten Hertling.139 Später wurde kolportiert, Wilhelm hätte Max wegen dynastischer Bedenken zurückgewiesen, um den badischen Thronprätendenten nicht auf einen so angreifbaren politischen Posten zu stellen. Aber das war nur vorgeschoben – ebenso wie die Hypothese, »die Badener hätten nicht gewollt, weil er [Prinz Max] ihr Thronfolger ist«.140 Tatsächlich waren die Gründe, warum er abgelehnt wurde, so heikler Natur, daß Valentini sie nicht einmal dem Privatbrief anvertrauen wollte, mit dem er Delbrück über den Ausgang der Kanzlerkrisis informierte. »Ich habe Ihren Kandidaten, der auch mir sehr einleuchtete – zumal nachdem ich auch Conrad Haussmann gesprochen –, lebhaft propagiert – aber ohne jeden Erfolg. Die Gründe teile ich Ihnen wohl einmal mündlich mit.«141 Delbrücks Kollegen, dem Theologen Adolf von Harnack gegenüber, der sich ebenfalls bei Valentini für Max von Baden eingesetzt hatte, wurde der Kabinettschef schon ein klein wenig deutlicher. Der »von Ihnen genannte Kandidat ist wegen gewisser persönlicher Eigenschaften so gut wie ausgeschlossen«142 – damit kann eigentlich nur die Homosexualität des Kandidaten gemeint sein; alles andere hätte man offener ansprechen können. Wir erinnern uns, wie süffisant Wilhelm II. seinerzeit das unglückliche Liebesleben seines Vetters kommentiert hatte. Und wir können uns vorstellen, welche Sorge er nach dem Eulenburgskandal gehabt haben mußte, daß wieder Personen mit »normwidrigen« sexuellen Vorlieben in seinem unmittelbaren Umfeld Politik machen würden. Damit war der Vorschlag à fonds perdu. Eine Woche nachdem Georg von Hertling ins Reichskanzleramt eingezogen war, meldete sich Max von Baden aus Brüssel bei Kurt Hahn mit einer interessanten Reaktion auf den Ausgang des Verfahrens.143 »Ich habe keine Ahnung, wie die Dinge in Berlin gingen. Wer 331 331
hat z. B. ins Ausland wissen lassen, daß dynastische Gründe die Kandidatur unmöglich machten? In Baden wurde meines Wissens nicht angefragt. Bin ich dem Kaiser genannt worden? Wer hat Hertling gemacht?« Er wisse, »wie sehr Sie die andere Lösung ersehnten«, und er könne Hahns »schwere Enttäuschung nachempfinden«. Dennoch habe er nicht anders handeln können, denn jedes Hervortreten hätte »meine Position auf das Schwerste geschädigt und geschwächt«. Ob Max jemals mit der ganzen Wahrheit konfrontiert wurde? Wir wissen es nicht genau.144 Sein Adjutant, von Racknitz, hat Bruchstücke einer Unterhaltung mit Max überliefert, die er auf die Zeit des gemeinsamen Feldbesuches im Oktober 1917 datiert. Er zitiert den offenbar schwer enttäuschten Prinzen etwas rhapsodisch wie folgt: »Man will mich von ihm [Wilhelm II .] fernhalten. Umgebung. Ich heiße der schlappe Süddeutsche. Sie [Auguste Viktoria] ist dumm und borniert. Sie sagte: Ich gehe mit Stolz auf das Schafott. Antwort von Max: ›Wenn ich nur nicht mitzugehen brauche‹. Es sind sonst keine Bundesfürsten da, die etwas [beim Kaiser] machen könnten.« Sein Vetter und Familienchef Großherzog Friedrich II . von Baden sei »zu beschränkt, faßt die Sache kaum«, durch ihn werde Max »von Berlin ferngehalten«145 Das klingt nach starker Frustration. Doch wer glaubt, dieses Fiasko hätte Kurt Hahn von seiner Obsession abgebracht oder entmutigt, der sieht sich durch den unmittelbaren Fortgang der Ereignisse eines Besseren belehrt. Noch im Dezember 1917 ging das Projekt »Kanzler Max von Baden« neu an den Start. Vorausgegangen war eine spektakuläre, programmatische Rede des Kandidaten – eine Mischung aus politischem Credo und verkappter Bewerbung für höhere Aufgaben. Hervorgebracht hatten sie zwei arbeitsintensive Klausurtagungen des Prinzen mit Kurt Hahn. Die eine fand Ende November auf Schloß Kirchberg am Bodensee statt, die andere Anfang Dezember in Karlsruhe. Der Besucher aus Berlin nahm im Herzen des badischen Thronfolgers nun definitiv einen Sonderplatz ein. Verantwortlich dafür war das »höchstpersönliche« gemeinsame Erleben jener Tage, »in denen wir mit einander gearbeitet und gekämpft uns gefreut und gelitten haben«. Für Max »etwas Unwahrscheinliches«, das er nicht hätte gestatten können, »wenn wir nicht beide ›brennende Herzen‹ hätten. So habe ich mich sehr über Ihr Kommen und sehr an Ihrer Gegenwart gefreut, und diese letzten Wochen, in denen ich mich zu der heutigen Rede durchgerungen habe, sind für mich von außerordentlicher Bedeu332 332
tung gewesen. Die Geduld, die Sie dabei geübt haben, hatte etwas sehr rührendes für mich. Sie haben recht, wenn Sie sagen, daß es keine Zufälle gibt in Dingen von Bedeutung für das Leben oder einer Sache, um die es sich lohnt zu leben«.146 Mit seinem rhetorischen Geschick hatte Hahn Max’ Leben wieder einen neuen Sinn eingegeben. Der Prinz von Baden stand nun als jemand da, der Weisheiten öffentlich aussprach und moralische Haltung zeigte; als jemand mit Begabung zum Praeceptor Germaniae. Hypnopolitische Kunst, so könnte man mit Peter Sloterdijk diesen Geniestreich von Hahn nennen, der Politik zum »Ausfluß höheren Wunschdenkens« gemacht hatte.147 Und es Max ermöglichte, sich als öffentliche Person neu zu erfinden. Zwar hatten sie politisch nicht unbedingt mehr gemeinsam, dafür aber das Zusammengehörigkeitsgefühl ihrer »brennenden Herzen«. Für Kurt Hahn scheint dies kein Problem gewesen zu sein. Zum Nachdenken über die eigenen politischen Gewißheiten hatte er keine Zeit mehr; unverrückbar fest stand für ihn nur, daß ein erfolgreicher Neustart seines Kandidaten eine neue politische Ethik erzwinge. Dabei wußte Hahn nach wie vor kaum etwas von den tatsächlichen Aufgaben und den Möglichkeiten eines deutschen Reichskanzlers. Seine Vorstellung von Politik ging auf den Kernsatz zurück: Bevor du etwas tust, schreibe oder rede öffentlich darüber. Er glaubte tatsächlich, daß sich allein durch das möglichst geistreiche und emotionale Ansprechen bestimmter Dinge politisch etwas bewirken ließe. Das öffentliche Wort an sich, der Speech würde etwas verändern, erschaffen. Das versuchte er nun dem Prinzen Max einzuimpfen, gipfelnd in dem Diktum: »Wer die sieghafte Kraft des menschlichen Fühlens und Tuns als Echo aus Feindesland gehört hat, weiß, mit wie wenig man die Welt erobern kann«.148 Hahns Credo, die Kampfbereitschaft des westlichen Feindlagers durch Versittlichung der deutschen Kriegszielpolitik unterhöhlen und im eigenen Vaterland zugleich steigern zu können, war ein politisch gefährlicher Trugschluß – eine Intellektuellenmarotte. Noch verhängnisvoller aber war, daß es Hahn gelingen konnte, gegenüber Max wie ein Erziehungsberechtigter aufzutreten und ihm diesen falschen Gedanken so einzuschärfen, daß er den Prinzen tatsächlich zum idealen Projektionspolitiker machte, der sich am Ende selbst als der berufene Vorkämpfer für die erlösende Idee betrachtete. Die Entscheidung seines Lebens, in der großen Politik eine Rolle spielen zu sollen, war nicht mehr zu korrigieren. Zwar besaß Max in Kurt Hahn ein vorzügliches 333 333
Spieglein an der Wand, und einen Motivationskünstler dazu – aber daß er die politischen Ziele seiner Mission klarer vor Augen hatte, kann nicht behauptet werden.
»Einheitswillen« und »Weltgewissen«. Das Programm des Kandidaten Mit seiner Kundgebung am 14. Dezember 1917 vor der Ersten Badischen Kammer setzte der Prinz zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie ein politisches Zeichen. Eines, mit dem er die Gewaltigen im Reich gezielt auf seine politischen Qualitäten aufmerksam machen wollte. Es sollte bezeugen, daß er prinzipiell zu staatsmännischem Wirken bereit war, und ihn als einen führungsfähigen Kopf in den öffentlichen Raum stellen. Es war aber auch Ausdruck einer inneren Überzeugung, wie die zahlreichen nachträglichen Interpretationen dieser Rede durch den Prinzen selbst verdeutlichen. Ja, im Grunde ist Max über sein politisches Credo während seines ganzen Auftretens vor und auch hinter den Kulissen der Macht niemals hinausgelangt – gedanklich wie praktisch. Wir müssen uns also ausführlicher mit diesem Dokument beschäftigen. Vorangegangen waren, wie schon erwähnt, intensive Beratungen mit Kurt Hahn. Zwei Besuche Hahns in Baden sowie die Fortsetzung des Gedankenaustausches per Brief hatten dem Redemanuskript zu intellektuellem Niveau verholfen. Es sollte der Stimme des Geistes wieder Gehör in der Politik verschaffen und den Zuhörern durch neues Vokabular imponieren. Ein übriges tat das Redigieren des Manuskriptes durch den routinierten Lektor. Im Zuge der Kooperation hat sich zwischen diesen beiden so ungleichen Männern eine Verbindung aufgebaut, die als solche nie formuliert wurde, aber wie selbstverständlich wirkte. Hahn war eindeutig der Gebende in der Beziehung. Freilich ausdrücklich animiert durch Max, der ihm schrieb, er nehme »jedes Urteil von Ihrer Seite mit dankbarem Vertrauen entgegen«.149 So konnte der junge Freund zu großer Form auflaufen: als erster Interpret von Max’ Wirkenwollen, wobei er es verstand, sich geradezu mimetisch an die Denkfiguren seines Schützlings anzuschmiegen; und als Stichwortgeber für Ideen, die Hahns eigener Vorstellung entstammten. Was und vor allem wie Hahn schrieb, machte Eindruck. Es war gründlich durchgearbeitet und filigran zugleich, 334 334
kultiviert und geistig anspruchsvoll, aber auch ausgeklügelt und das, was die Engländer oversophisticated nennen. Nur den grundsätzlichen Standpunkt des Redners, den hatte der Prinz vorgegeben: »Ich will nicht als Wortführer der Mehrheitsparteien, viel weniger als ein solcher erscheinen, der sie zu gewinnen sucht. Ich muß ganz ich selbst reden.« Denn: »[I]ch soll ja die Lösung dieses Problems sein, wie Sie mir einmal sagten.«150 Das war in der Tat Hahns unerschütterlicher Glaube, seine Projektion. Kurz zusammengefaßt enthielt Max’ Ansprache vier zentrale Botschaften.151 Erstens suggerierte sie, daß die »moralische Offensive«, die Deutschlands Feinde mit ihrer »demokratischen Parole« gestartet hätten, gescheitert sei am »Vertrauen suchenden Einheitswillen von Krone und Volk« – einem Prinzip, das in der »Eigenart« des deutschen Volkes angelegt sei. Zweitens appellierte die Rede an die Bereitschaft der Deutschen zu »Hingabe und Gefolgschaft« gegenüber den »Autoritäten« und »Führern«, auf daß insbesondere letztere, vom »Gemeinschaftswillen« getragen, »über sich selbst hinauswachsen«. Drittens forderte der Redner alle Parteien eindringlich auf, zum »großen, befreienden Gemeinschaftsgefühl der ersten Kriegsmonate« zurückzukehren und den »Burgfrieden« zu erneuern. Die Kundgebung versuchte schließlich, viertens, Deutschlands berechtigten Anspruch auf seine Weltmachtstellung neu zu legitimieren: »Soll die Welt sich mit der Größe unserer Macht versöhnen, so muß sie fühlen, daß hinter unserer Kraft ein Weltgewissen steht […], das Verantwortungsgefühl gegenüber der Menschheit.« Das alles wurde von einer prinzipiell unabhängigen, überparteilichen Warte aus formuliert, wie sie nur einem Souverän und Monarchen zukam. Die Rede hatte ein ganz eindeutiges Ziel: das Kaiserreich und seinen Souveränen den Krieg gewinnen und den innerpolitischen Burgfrieden von 1914 zu einem Dauerzustand werden zu lassen. Psychologisch gesprochen, wollte Max die Gewalten im Reich zur Aufrechterhaltung ihres Willens zur Macht ermutigen und dem von ihnen geführten Untertanenvolk Kraft zu weiterer Ausdauer und Entbehrung einflößen. Im Kern ging es darum, der totalen Kriegsführung der OHL emotionspolitisch zu Hilfe zu kommen und im Verein mit deren Waffen die »Welt von Feinden« zu einem »deutschen Frieden« zu nötigen. Die Adressaten der Rede waren primär die politische Klasse, Max’ Standesgenossen und ihr Primus, Wilhelm II . Mit Blick auf den fürstlichen Herrscherstand zielte die Hahnsche Rhetorik darauf, mit 335 335
klangvollen Euphemismen die krisenhafte politische Wirklichkeit zu überblenden und so das Gespenst eines Scheiterns der monarchischen Herrschaft zu bannen. Für den Hauptempfänger dieser zentralen Botschaft, den deutschen Kaiser, enthalte die Formel des »vertrauensuchenden Einheitswillens von Krone und Volk« – so Max an Bethmann Hollweg – »die stille Aufforderung an die Krone und ihre Räte, durch Klugheit, Intelligenz und zielsicheren Willen die Führerschaft zu bewahren«.152 Wilhelm II. gegenüber drückte er sich so aus: Die Basis, auf die die Krone sich stelle, »muß breit sein und tief im Volkswillen und Volksvertrauen verankert«. Das setze freilich voraus, daß ihr »Träger den Wünschen des Volkes sein Ohr leiht und jeder in Ehrfurcht vorgetragenen Vertrauensäußerung zugänglich sei«. Nur so könne eine »Atmosphäre geschaffen werden, die die Demagogie und Massenaufpeitschung niederhält«.153 Der Empfänger verstand die Botschaft und erklärte durch Valentini gleich sein d’accord. Auch er sehe die »Schicksalsaufgabe der Monarchie« darin, »daß sie es versteht, die ungeheure Umwälzung, die dieser Krieg auch in der inneren Orientierung der Völker mit sich bringen wird, so zu lenken und zu nützen, daß sie nicht geschwächt, sondern gestärkt daraus hervorgeht«.154 Daß Wilhelm II . weder die von Max geforderte Klugheit noch den Führerwillen besaß, steht dabei auf einem anderen Blatt. Und daß eine Neuausrichtung, womöglich Neuerfindung der Monarchie in Deutschland nur gelungen wäre, wenn er sein Volkskönigtum auf eine plebiszitäre oder eine demokratische Grundlage gestellt hätte, kann hier nur am Rande angemerkt werden. Tatsächlich gab es für das Programm des Prinzen im Winter 1917/18 überhaupt nur eine Hoffnung. Das war die OHL mit ihrem politischen Plan eines Siegfriedens und mit dem hohen Respekt, den sie in weiten Teilen der (besseren) Gesellschaft und der politischen Klasse noch genoß. Auch Max war durchdrungen von der Idee, daß Hindenburg und Ludendorff unentbehrlich waren, glaubte an deren Endsiegparolen und akzeptierte damit stillschweigend den Primat des Militärischen. Doch waren die Hoffnungen, die Max in die OHL setzte, darüber hinaus auch ideologisch motiviert. Er wollte ihr gleichsam entgegenarbeiten. So hat er, indem er sich programmatisch auf das »Weltgewissen« berief, einen »neuen und recht weitgedehnten Boden« charakterisieren wollen, »auf dem wir siegen und uns gewissermaßen Annexionen holen können«.155 Damit war auch 336 336
endlich die Verbindung zu Houston Steward Chamberlain wiederhergestellt, den Prinz Max lange vernachlässigt hatte. Seine Kammeransprache bot die passende Gelegenheit, sich bei dem Gralshüter der reinen Lehre in Erinnerung zu rufen. Und zwar als welterfahrener Wagnerianer. »Ich bin fest davon überzeugt, daß Deutschland allein der Welt noch das Heil zu bringen in der Lage ist«, erläuterte er den Bayreuther Freunden sein politisches Anliegen. In deutschem Munde sei das Weltgewissen »keine Phrase, denn durch die ganze deutsche Geistesgeschichte leuchtet das Verantwortungsgefühl gegenüber der Menschheit. Anders kann ich mir Luther, anders den Parzifal nicht deuten. Befreiung und Erlösung, und zwar der Menschheit. Eine Frucht des deutschen Geistes. Hier steht neben dem Schwert unsere Siegesmöglichkeit.« Auch die OHL wünsche deshalb die weite Verbreitung seiner Ansprache.156 Was der Prinz und sein Berater bezweckten, war eine Sache. Wie die Rede in der politischen Öffentlichkeit aufgenommen wurde, war etwas ganz anderes. Auffällig ist zunächst einmal, welch starke politische Resonanz Max’ Hervortreten fand.157 Dies verdankte sich vor allem zwei Umständen. Einmal der Werbetrommel Hahns, die der über seine einschlägigen Verbindungen gerührt hatte. Und der außergewöhnlichen Rhetorik dieser Ansprache. Statt abgegriffener Figuren immer gleicher patriotischer Kriegsreden hatte man große Worte gehört. Der süddeutsche Prinz fand Aufmerksamkeit, weil er ganz neue Töne in die öffentliche Diskussion brachte – und nicht weil das, was er sagte, politisch besonders erhellend oder richtungsweisend erschien. Die Rede war unbestimmt und lud dazu ein, alles Mögliche in sie hineinzulesen, sie als bluescreen für eigene Vorstellungen zu nutzen. Das genau war die Kunst der Hahnschen Redaktion gewesen: bestimmte Inhalte hinter gedanklich nur schwer nachvollziehbaren Konstruktionen zu verbergen und damit die Punkte zu vernebeln, an denen aus Idealismus bereits Ideologie geworden war. Das alles hatte der Verkünder nicht realisiert, als er sich darauf einließ. Entsprechend »verblüfft«, ja »erschreckt« zeigte er sich über das Echo, das er mit seiner Ansprache hervorrief.158 Überwiegend günstig besprochen wurde die Rede in Kreisen, die Max’ Kandidatur schon im Sommer 1917 favorisiert hatten. Sie reichten vom sozialdemokratischen Vorwärts über die linksliberale Frankfurter Zeitung und Friedrich Naumanns Hilfe bis hin zu den gemäßigt konservativen Preußischen Jahrbüchern. Das war nun aus337 337
gerechnet jenes Lager reform- und friedensorientierter Kräfte, denen Max erklärtermaßen das Wasser abgraben wollte – Lob von der falschen Seite also. Daß ihn seine fürstlichen Standesgenossen zu der »großartigen« Rede beglückwünschten, ergab da schon sehr viel mehr Sinn.159 Aber selbst in seinem Stolz darauf saß er – wie gleich zu zeigen sein wird – eher einer Täuschung auf, zumindest was Wilhelm II . anlangt. Richtig in die Bredouille brachte ihn dagegen eine Besprechung Ernst zu Reventlows in der völkisch orientierten Deutschen Tageszeitung.160 Der warf der Rede nämlich »bedenkliche Fehlgedanken« vor, die auf »deutschem Boden nicht gewachsen« seien. Dabei bezog sich der Kritiker explizit auf Max’ rhetorische Figuren vom »Weltgewissen« oder von der »Versöhnung der Welt«, die Reventlow als »wirklichkeitswidrig« hinstellte. Für einen angehenden Monarchen waren das – gemessen an den Standards der Zeit – unerhört harsche Worte, die den badischen Thronfolger umso mehr trafen, als er sich mit der nationalistischen Rechten nicht im Widerspruch wähnte. Er war außer sich über dieses »Wutgeheul bei den Alldeutschen«, das er als »saudumm« bezeichnete.161 Doch damit wollte er seinen Protest nicht bewenden lassen; er bat Johannes Müller, der dem Alldeutschen Verband als Mitglied angehörte,162 Reventlow sagen zu lassen, daß er »mit Erstaunen« die Wirkung seiner Rede erfahren habe und »bedauerte, daß sie sich die Waffen, die ich ihnen geliefert hätte, nicht zu eigen gemacht hätten«.163 Während Max die kontroverse Aufnahme seiner Kammerrede durch die politische Öffentlichkeit ziemlich verunsicherte,164 fühlte er sich durch zwei eher halböffentliche Reaktionen beglückt und nachhaltig bestärkt. Es war dies einmal das schon erwähnte Telegramm des deutschen Kaisers, der Max’ »große und großzügige Rede« als eine »Tat« feierte und dabei die »schönen und hohen Gedanken« pries, »denen Du in so vollendeter Form Ausdruck gegeben hast«. Max konnte nicht wissen, daß diese Post auf eine persönliche Initiative des Kabinettschefs Valentini zurückging, der dem im Oktober noch so kläglich gescheiterten Kanzlerkandidaten – auf Anregung von Hans Delbrück übrigens – etwas Gutes tun wollte.165 So beeilte sich Max schon einen Tag nach dem Erhalt des Telegramms in einem mehrseitigen Brief für die »ganz einzigartige Freude«, die ihm »die schönen Worte ehrender Anerkennung« bereitet hatten, seinen »tief empfundenen Dank zu Füßen« zu legen. Und weil er 338 338
daraus »Zustimmung herauszulesen glaubte«, lieferte Max gleich noch einen Kommentar zu seiner Rede mit.166 Der Kaiser hat sich mit diesem politischen Annäherungsversuch nicht weiter aufgehalten, sondern Valentini mit der Antwort betraut.167 Damit war der Fall für ihn erledigt. Nicht aber für Max, der fortan überzeugt blieb, bei Wilhelm einen Stein im Brett zu haben.168 Er glaubte, sein Vetter habe das Telegramm »sofort spontan selbst an mich niedergeschrieben«.169 Die andere Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, von der Max sich ernst genommen fühlte, war Altkanzler Bethmann Hollweg. Der hatte in der Rede – nicht ganz zu Unrecht übrigens – eine Reihe ihm eigener politischer Gedanken erkannt.170 Es sei »gut, daß bei uns jetzt solche Worte von markanter Stelle aus gesprochen werden – und gesprochen werden können«.171 Max griff dies dankbar auf, um dem früheren Kanzler in einem sorgfältig ausgearbeiteten Schreiben eine Probe seines eigenen staatsmännischen Denkens zu übermitteln. Auch dieses Mal mußte das Mittel den Zweck heiligen. Denn letztendlich wollte Max von Bethmann nur erfahren, ob der ihn für befähigt hielt, das Amt des Reichskanzlers zu übernehmen.172 Bethmanns Antwort war insofern verhängnisvoll, als er Max nicht mit unmißverständlichen Worten von einem solchen Abenteuer abriet. Zwar kann man aus seinen gewundenen Formulierungen durchaus Skepsis gegenüber einer Kanzlerschaft herauslesen, doch er redet dem »gnädigsten Prinzen« auch nach dem Mund: »Haben wir aber nochmals eine große Krisis und es ergeht dann ein Ruf an Eure Hoheit, dann kann die äußere und innere Lage so zugespitzt sein, daß Euer Hoheit auch diesen Konflikten zum Trotz im besten vaterländischen Interesse anzunehmen gezwungen sind.«173 Vielleicht war es sogar dieser eine Satz, der das politische Schicksal des Prinzen Max von Baden besiegelte. Schließlich handelte es sich um den vielleicht tiefgründigsten Staatsmann, den die politische Kultur des Wilhelminismus hervorgebracht hat. Bethmann wird nicht geahnt haben, daß sein fehlender Mut zum Klartext Max zum Verhängnis wurde, weil der das dienstbeflissene Kanzlerschreiben ebenso zum Nennwert nahm wie das Kaisertelegramm von Valentini. Nichts hätte ihn mehr motivieren können, nun den von ihm propagierten »Führerwillen« zu zeigen, als diese beiden vermeintlichen Ritterschläge. In einer politischen Grundsatzfrage allerdings hat Bethmann dem Prinzen Max gegenüber Farbe bekannt; die der Parlamentarisierung. 339 339
Aller berechtigten Kritik daran zum Trotz – so die Antithese des Altreichskanzlers – »ist das Verlangen, daß die Regierung auch in ihren Personen ein Ausdruck des im Parlament verkörperten Volkswillens sei, eine so naturnotwendige Folgerung aus den gekennzeichneten allgemeinen Folgen des Krieges, daß sie auf die Dauer nicht abgelehnt werden kann«. Für Max, der erklärtermaßen auf eine »Verhöhnung der demokratischen Parole des Westens« geeicht war,174 bedeutete dies einen Schlag ins Kontor. Dem sollte mit der Entlassung des Zivilkabinettschefs Rudolf von Valentini Mitte Januar 1918 noch ein weiterer folgen. Handelte es sich doch bei dieser Personalveränderung in der unmittelbarsten Umgebung des Kaisers um eine Maßnahme der OHL , die den Monarchen von dem unliebsamen Einfluß durch einen alten Parteigänger Bethmann Hollwegs abschneiden sollte. Max beraubte sie seines wichtigsten Fürsprechers im kaiserlichen Hoflager, ohne den man dort kaum Notiz von seiner Karlsruher Deklamation genommen hätte.175 Weitgehend zur Makulatur wurde seine programmatische Rede durch zwei politische Großereignisse, die Anfang 1918 die politische Aufmerksamkeit im Inund Ausland fesselten. Dies waren das Friedensprogramm des amerikanischen Präsidenten Wilson sowie die Massenproteste deutscher Arbeiter für Frieden und Demokratie.176 Durch sie geriet die Politik des Reiches in ein ganz neues Fahrwasser.
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Kapitel 8
Tatsächlich Kanzler: Geschichte einer politischen Fehlgeburt Das Wilhelminische Reich vor dem Ende Auch wenn der Reichstag ihn mit großer Mehrheit ratifizierte, der deutsche Diktatfrieden von Brest-Litowsk Anfang März 1918 trug in allen wesentlichen Zügen die militante Handschrift der OHL.1 Eine abermalige Großoffensive an der Westfront war seine logische Konsequenz. Denn man mußte auf deutscher Seite wissen: Mit einem Reich, das derartige Eroberungsziele verfolgte, wie sie in Brest-Litowsk offenkundig geworden waren, würde die Entente keinen politisch-diplomatischen, für Deutschland ehrenvollen Verständigungsfrieden aushandeln; sie würde eher noch kompromißloser agieren, mit guter Propaganda an der Heimatfront. Daran hätte auch eine deutsche Erklärung über die Wiederherstellung der nationalstaatlichen Souveränität und Integrität Belgiens nichts geändert. So blieb dem Kaiserreich nur mehr die Möglichkeit, den Kriegswillen seiner Gegner auf rein militärischem Wege zu brechen. Seitens der OHL war das so gewollt. Nicht ohne Grund hatten Hindenburg und Ludendorff allen Friedensstiftern – angefangen vom amerikanischen Präsidenten über den Papst bis hin zu den Initiatoren der Friedensresolution des Reichstags – immer wieder ins Handwerk gepfuscht. Alles wartete nun gespannt darauf, daß »Ludendorffs Hammer« an der Westfront vernichtend und siegreich zuschlagen würde. Viele deutsche Generale sahen diesem Schlag allerdings besorgt entgegen.2 Während sich die monarchische und politische Elite verzweifelt an die Siegeszuversicht ihrer militärischen Führer klammerte, wuchsen die Bedenken der Militärs, die der leitenden Ebene untergeordnet waren. Schon weil Ludendorff offensichtlich gar nicht daran dachte, den Zweifrontenkrieg tatsächlich zu beenden. In der jungen Sowjetunion begann nach Brest-Litowsk ein Bürgerkrieg zwischen der bolschewistischen »Roten Armee« und konterrevolutionären »weißen Truppen«. Das nutzten die deutschen Truppen im Osten 341 341
zu einem groß angelegten Vormarsch über die vertraglich vereinbarten Grenzen hinaus. Bis zum September 1918 hatten sie das Baltikum und Finnland erobert und bedrohten Petrograd. In Zentralrußland marschierten sie auf Moskau und im Süden eroberten sie Rostow am Don. Ein Ostimperium entstand, das nicht weniger als 50 deutsche Divisionen band, insgesamt über anderthalb Millionen Soldaten. Nach Westen verlegte der General nur ein Kontingent von 18 Divisionen. Damit waren die dort eingesetzten deutschen Truppen ihren alliierten Gegnern militärisch kaum überlegen. Die Generalstäbe, die den entscheidenden Angriff kommandieren sollten, waren äußerst irritiert, als ihnen Ludendorff selbst im März 1918 noch immer kein Konzept für die Ziele seiner Westoffensive vorlegen konnte. Betrachtet man schließlich, was das deutsche Westheer im Frühjahr 1918 in seinem Innersten ausmachte, so darf bezweifelt werden, ob die Truppen zu einer Offensive à la Ludendorff überhaupt noch willens und in der Lage waren.3 Mit erfahrenen, kampferprobten, gut ausgerüsteten, verpflegten und motivierten Soldaten des Jahres 1914 hatte man es nach dreieinhalb Jahren Stellungskrieg nicht mehr zu tun. Unterhalb der Kommandeursebene waren inzwischen so viele Frontoffiziere gefallen, daß diese militärischen Einheiten großenteils von blutjungen Reserveleutnants oder Offiziersstellvertretern geführt wurden. Zudem war im vierten Kriegswinter die Versorgungslage so schlecht wie nie zuvor. Nicht nur für die Zivilbevölkerung, sondern gerade auch für die einfachen deutschen Soldaten. Mit anderen Worten: Das Westheer vom Frühjahr 1918 trug bereits Züge einer reichlich demoralisierten, schlecht ernährten und ausgebluteten Truppe, was sich an der hohen Zahl von Desertionen und unerlaubten Entfernungen von der Truppe bemerkbar machte. Der Geist von 1914 war verflogen. Mit einer solchen Armee war kein Ludendorffscher Endsieg mehr möglich. Ganz abgesehen davon, daß es dem deutschen Heer sowohl an Reserven hinter den Angriffsverbänden fehlte als auch an taktisch-operativer Beweglichkeit, die dem defizitären Transportsystem geschuldet war. Doch dieser militärischen Lagebeurteilung hat sich die OHL verweigert.4 So traten am 21. März 1918 etwa 1,4 Millionen deutsche Soldaten bei St. Quentin in Nordfrankreich zur »Operation Michael« an – in religiösem Pathos nach jenem Erzengel benannt, der in der Offenbarung des Johannes die Mächte der Finsternis besiegt. 6600 Artilleriegeschütze und 3500 Granatwerfer eröffneten mit ihrem kon342 342
zentrierten Trommelfeuer die lange angekündigte, große deutsche Westoffensive. Dann trat die deutsche Infanterie an der Nahtstelle zwischen den im Norden stationierten britischen und den südlicher stehenden französischen Truppen zum Angriff an. Die alliierten Truppen erlitten fürchterliche Verluste. Innerhalb weniger Tage wurde eine breite Lücke in ihre Front gerissen. Panik breitete sich bei der militärischen und politischen Führung der westlichen Demokratien aus. In Paris, London und Washington jagte eine Krisensitzung die nächste. Der britische Oberbefehlshaber, General Douglas Haig, plädierte dabei zeitweise sogar für ein alliiertes Waffenstillstandsangebot an Deutschland. Am 4. April wurde dann erstmals in diesem Krieg ein gemeinsames alliiertes Oberkommando unter dem französischen Marschall Ferdinand Foch etabliert. Doch da war bereits das geschehen, was die kritisch gestimmten deutschen Generale von vornherein befürchtet hatten: Es gab keinen Plan, wie man die entstandene Frontlücke strategisch ausnutzen sollte, keine mobilen Truppen in der zweiten Linie. Die Logistik war unzureichend, nicht auf einen schnellen Vormarsch vorbereitet. Ausgehungerte deutsche Soldaten plünderten die Nahrungsdepots der Feinde, so war ein koordinierter Kampfeinsatz kaum möglich. Unter erneut fürchterlichen Verlusten konnten die britischen und französischen Truppen die entstandene Lücke Stück für Stück wieder schließen. Bereits am 5. April mußte Ludendorff die Offensive abbrechen.5 Damit war der Krieg militärisch entschieden – Deutschland hatte ihn verloren. Doch genau das wollte – das konnte Ludendorff nicht wahrhaben. Seit Monaten hatte er auf die eine große Entscheidungsschlacht hingearbeitet. Eine militärische Niederlage Deutschlands war in seinem Weltbild nicht vorgesehen. Das machte ihn rat- und hilflos, und er verweigerte sich erst einmal der Realität. Gefangen in ihrer eigenen Doktrin trieb die OHL im Mai und Juni 1918 die deutsche Armee in zwei weitere Offensiven, im Juli folgte noch eine letzte bei Reims. Sie alle kosteten Hunderttausenden von Soldaten Leben oder Gesundheit, doch diese Angriffe konnte die Entente ohne weitere Krisen abwehren, eine zweite Lücke in der alliierten Front entstand nicht. Bei der Abwehr der Julioffensive wurden erstmals amerikanische Truppen in großem Umfang an der Westfront eingesetzt. Mittlerweile standen bereits rund eine Million US-Soldaten auf dem Kontinent; weitere Kontingente waren im Anmarsch. Am 18. Juli gingen die 343 343
französischen und amerikanischen Truppen bei Reims schließlich zur Gegenoffensive über und erzielten innerhalb von kurzer Zeit beträchtliche Gebietsgewinne. Dabei wurde in großem Umfang auch eine neue Waffe eingesetzt, die das Patt in den Schützengräben überwinden und wieder einen schnellen Bewegungskrieg ermöglichen sollte: der Panzer. Das Heft des Handelns ging nun endgültig in die Hände der Alliierten über. Am 8. August eröffneten britische und französische Truppen eine weitere erfolgreiche Offensive gegen deutsche Stellungen, bei der wiederum in großem Umfang Panzer zum Einsatz kamen. Diese neue Waffentechnologie war von der OHL schlicht verschlafen worden, gegen Panzer besaßen die deutschen Soldaten keinerlei Abwehrmittel. Es kam zu panikartigen, unkoordinierten Fluchten und Massendesertionen zehntausender deutscher Soldaten. Ludendorff sollte später vom 8. August als dem »Schwarzen Tag« der deutschen Armee sprechen – mit katastrophalen Folgen für die Moral der Truppe. Zwei Tage später fand er sich mit Hindenburg ungewohnt kleinlaut beim Kaiser ein. Das Heer habe eine »schwere Niederlage« erlitten. Der Kaiser reagierte konsterniert. Er werde umgehend über den spanischen König eine Friedensinitiative lancieren. Das Dioskurenpaar widersprach nicht mehr.6 Indes, Wilhelm II . blieb passiv, schon bald war wieder alles beim alten. Wunschdenken und eine Politik des »Augen zu und durch« bestimmten in den folgenden Wochen das Geschehen. Immer noch sah sich der Monarch als geweihter Gottesdiener, dem Volk und Armee zu unverbrüchlicher Treue verpflichtet seien, denen er allein zu befehlen habe. Daß dem so war, verdankte er einer reaktionären Hofkamarilla, in deren Mittelpunkt die gerade erst von einem Schlaganfall genesende Kaiserin Auguste Viktoria trat. An der Seite eines besiegten, depressiven Kaisers resigniert von der großen Bühne abzutreten, das kam ihr nicht in den Sinn. Im Gegenteil. Sie wollte nicht akzeptieren, daß auch die Monarchie für den Verlauf und die gigantischen Kosten dieses Krieges würde zahlen müssen – materiell, politisch, symbolisch. So ging sie daran, ihren labilen, hoffnungslos überforderten Gemahl wenigstens nach außen hin bei der Stange zu halten. Bereits im Januar 1918 hatte sie mit Unterstützung der OHL einen engen Vertrauten und Gesinnungsgenossen, Friedrich von Berg, zum Chef des Zivilkabinetts machen lassen, der nun ihr wichtigster Kollaborateur wurde. Dies verstärkte das falsche politische Denken, indem die beiden damals wichtigsten Einflüsterer 344 344
des Kaisers sich in ihrer Realitätsferne gegenseitig bestärkten, um jeden andersgearteten Einfluß auf den Monarchen abzuwehren. So behielt dieser Krieg auch im fünften Jahr noch immer die surrealen Züge eines Kabinettskrieges, indem wichtige Entscheidungen weiterhin unter striktem Ausschluß der politischen Öffentlichkeit herbeigeführt wurden. Und was taten derweil Reichsleitung und Parlament? Nichts – oder doch so gut wie nichts. Erst nachdem die dritte deutsche Offensive gescheitert war, versuchte Außenamtsleiter Richard von Kühlmann in gutem Glauben auf eine Rückendeckung durch den Reichskanzler die Öffentlichkeit »vorsichtig darauf vorzubereiten, daß man sich eventuell mit einem sogenannten Vergleichsfrieden begnügen müsse«.7 Am 24. Juni 1918 hielt er im Reichstag eine von oben abgesegnete Rede,8 in der er anprangerte, daß »jeder Annäherungsversuch von den Gegnern einer Annäherung in den verschiedenen Ländern sofort aufs heftigste denunziert werde«. Es sei deshalb nicht absehbar, »wie irgendwie ein Gedankenaustausch eingeleitet werden kann, der zum Frieden führen soll.« Ohne einen solchen Gedankenaustausch werde man aber »durch rein militärische Entscheidungen allein ohne alle diplomatische Verhandlungen ein absolutes Ende kaum« erwarten können.9 Damit hatte erstmals ein Vertreter der deutschen Reichsleitung offiziell ausgesprochen, daß Deutschland diesen Krieg militärisch nicht mehr würde gewinnen können. Zwischen den Zeilen hieß das aber, daß die von der OHL propagierte Siegeszuversicht letztlich nur Selbstagitation darstellte, ja Augenwischerei. Ein Skandal! Ein Sturm der Empörung in Parlament und Presse brach los. Die OHL protestierte energisch, weil sie einen Ansehensverfall ihrer Autorität befürchtete – mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Moral ihrer dezimierten Kampftruppen. Reichskanzler Hertling versuchte zwar noch, sich schützend vor den Leiter seiner Außenpolitik zu stellen – vergebens. Nur zwei Tage nach seiner Rede mußte Kühlmann zurücktreten. Mit Paul von Hintze folgte ihm ein Admiral nach, von dem erwartet wurde, solche Fettnäpfchen umgehen zu können. Auch sollte eine Kanzlerkrise verhindert werden, zumal sich Ludendorff damals verläßlichen Angaben zufolge »ausgezeichnet« mit Hertling stand, und dieses »absolute Vertrauensverhältnis« nicht gefährden wollte.10 Betrachtet man den historischen Kontext, kam Kühlmanns Vorstoß zu spät, um friedenspolitisch überhaupt noch etwas bewirken 345 345
zu können. Daß sich die Kriegsparteien auf dem Verhandlungswege annähern, war zu diesem Zeitpunkt bereits so gut wie ausgeschlossen. Die Entente wollte jetzt ihren Siegfrieden. Bemerkenswert ist dennoch die panische Reaktion, die seine Rede in der politischen Klasse auslöste, weil sie offenbar an ein Tabu gerührt hatte – den Glauben an den durch die genialen Heerführer verbürgten Sieg. So konnte die politische wie die militärische Leitung ihren Krieg der Illusionen weiter fortsetzen. Dem neuen Außenamtschef Hintze präsentierte sie sich noch in der letzten Juliwoche »in optimistischster Stimmung«.11 Doch Kühlmanns Sturz war das letzte politische Gefecht der OHL vor dem Eingeständnis der Niederlage. Am 25. September mußte das verbündete Bulgarien um Waffenstillstand ersuchen. Auch die beiden anderen Verbündeten, Österreich-Ungarn und Türkei, standen vor dem militärischen Aus. Eine neue Südfront drohte sich aufzutun, für die Deutschland keine Truppen mehr zur Verfügung hatte – zumal zur selben Zeit die Alliierten begannen, mit einer neuen Offensive die deutsche Westfront aufzurollen. Nur drei Tage später rief die OHL selbst ultimativ nach sofortigem Waffenstillstand und nach innenpolitischen Reformen. Verkehrte Welt? Nein, sie wollte auch im Falle der Kriegsniederlage weiter die Regie führen, aber die Schuld für dieses Verhängnis anderen in die Schuhe schieben. Das Ehrenschild der deutschen Armee sollte unbefleckt bleiben und vor allem der Mythos seiner beiden Nationalhelden gerettet werden. Alles übrige – insbesondere die politische Verantwortung – fiel wieder auf die Reichsleitung zurück. Die rieb sich entsetzt die Augen, als sie gewahr wurde, daß sich die Bismarcksche Struktur des Kaiserreichs als definitiv unhaltbar erwies. Und sie wußte keinen Rat. Erst in dem historischen Augenblick der Kriegsniederlage Ende September 1918 durfte Prinz Max von Baden die Bühne der großen Politik betreten. Endlich, denn schon seit Anfang dieses Schicksalsjahres hatte er sich mit wachsendem Verlangen um eine Hauptrolle beworben – freilich nicht um die, die ihm schließlich untergeschoben wurde.
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Neues politisches Wirken Durch die 14 Punkte, mit denen US-Präsident Wilson Frieden schaffen wollte, geriet die deutsche Reichspolitik gleich zu Beginn des Jahres 1918 mächtig unter Zugzwang. Gleichzeitig setzte das eigene Volk sie unter Druck. Denn die zahlreichen Streiks und andere Protestformen ließen kaum mehr einen Zweifel: Die Grenzen der Opferwilligkeit waren erreicht.12 Max erhielt Mahnschreiben seines Gewährsmanns Hahn. Von einer »dämonischen Ungeduld besessen«, hat er die »denkbar verworrene« Situation wie folgt ausgemalt. »Wir haben militärisch noch nie so glänzend dagestanden. Wir haben einen wunderbaren Hintergrund für eine große politische Aktion.« Dieser »gute Moment« werde aber »fruchtlos vorüberziehen«, weil die gegenwärtige Regierung politisch so »lahm« agiere. Insbesondere die Monarchien seien dadurch gefährdet. Sie müßten »dahinsinken, wenn sie nicht durch Führerkraft ihren Beruf erweisen, zu herrschen«, und den Frieden brächten.13 Zehn Tage später beschwor er den Prinzen erneut, politisch aktiv zu werden. »Deutschland ist in der größten Gefahr seit Kriegsbeginn, trotz unserer glänzenden militärischen Lage.« Denn »die moralische Kraftquelle unseres Krieges ist im Versiegen«. Es lägen »häßliche Instinkte in den Volksmassen auf der Lauer«, die leicht in »revolutionäre Zuckungen« ausarten könnten. »Noch ist alles zu retten.« Aber der Kaiser müsse das tun, er »muß sich auf die Seite des Volkes stellen, sonst ist das Ansehen der Monarchie verloren«.14 Anfang Februar 1918 reiste Max von Baden tatsächlich wieder nach Berlin, wo er sich ein halbes Jahr nicht mehr hatte sehen lassen. Dort machte er erstmals Reichskanzler Hertling seine Aufwartung.15 Daß er sich politisch unbedingt nützlich machen wollte, geht aus einem sogenannten Interview hervor, das Wolff’s Telegraphisches Büro – das amtliche Sprachrohr des preußisch-deutschen Staates – am 16. Februar veröffentlichte. Es füllte eine ganze Zeitungsseite.16 Die politische Kernbotschaft lautete, daß den Deutschen ein historisch begründetes Verdienst um die westliche Zivilisation gebührt, nämlich das Abendland vor tödlichen Gefahren aus dem Osten zu bewahren – aktuell im Kampf gegen die revolutionären Umtriebe der Bolschewisten. Dieser Hinweis sollte das Kaiserreich in positives Licht rücken, namentlich bei den Engländern. Die friedensfühlerische Tendenz seiner Auslassung wirkte freilich nicht ganz durch347 347
dacht, weil Max’ allgemein gehaltener Verweis auf »Menschheitsziele« zur Anbahnung von Verhandlungen kein wirkliches Angebot enthielt. Nur eines merkt man dem Text deutlich an; er war nicht von Kurt Hahn inspiriert. Kein Wort von einer deutschen Friedensoffensive, und erst recht kein klärendes zu Belgien. Wesentlich größer scheinen dafür die Schnittmengen mit der politischen Linie Bethmann Hollwegs gewesen zu sein.17 Wenn nicht alles täuscht, so waren es Gedanken des früheren Reichkanzlers, nach denen Max da ganz staatsmännisch vorschlug, der »Weltunordnung Trotzkis« eine ethisch fundierte deutsche »Weltordnung« entgegenzusetzen. Nicht ohne Grund hatte Max während seines Berlinaufenthaltes in Fortsetzung ihrer politischen Korrespondenz zum Jahreswechsel den persönlichen Kontakt zu Bethmann Hollweg gesucht.18 Viel mehr stand dem Prinzen vorläufig nicht zu Gebote. Das hat der damalige deutsche Gesandte in den neutralen Niederlanden, Friedrich Rosen, in seinen Memoiren recht ungeschminkt überliefert, der sich Mitte Februar 1918 ebenfalls in Berlin aufhielt.19 Hahn hatte dem Diplomaten eingeredet, Max sei gerade dabei, »den Gedanken an Verhandlungen [mit den Westmächten] bei den maßgebenden Stellen durchzudrücken«. Doch, so Rosen nach einem Gespräch mit ihm: »Der Prinz wußte keinen rechten Rat, in welcher Weise er eingreifen könnte. Als ich ihm sagte, er sollte einfach zum Kaiser gehen, der doch sein Vetter wäre, und ihm seine Gedanken auseinandersetzen, meinte er, das wäre eine Umgehung des Reichskanzlers, Grafen Hertling, das könnte er nicht tun. Auf meine weitere Frage, ob er nicht einige gleichgesinnte Männer zusammenbringen könnte, um seinen Plan zu verwirklichen und ihm mehr Nachdruck zu verleihen, antwortete er, das würde wie ein Komplott aussehen. Er sei auch nicht in der Lage, in dieser Angelegenheit stark hervorzutreten, das verbiete ihm seine doppelte Stellung als Erbprinz des Großherzogtums Baden und als Präsident der Ersten Badischen Kammer.« Das alte Dilemma mithin: Passivität aus Verlegenheit. Denn mit einer entschlossenen Friedensinitiative hätte Max sich selbst in seinen politischen Anschauungen verleugnen müssen und zugleich Kaiser wie Kanzler gegenüber in Widerspruch zu dem gesetzt, was er ihnen noch vor kurzem als authentische Interpretation seiner Kammerrede zugetragen hatte. Rosen zeigte wenig Verständnis für diese »Begrenzungen, denen seine Persönlichkeit ausgesetzt war«. 348 348
Doch Hahn ließ nicht locker. Unterstützt durch Haeften, Max Warburg und insbesondere Alfred Weber, der seinerzeit als eine Art persönlicher Referent beim Staatssekretär des Reichsschatzamtes, Graf Siegfried von Rödern, fungierte20, bemühte er sich weiterhin, den politisch reanimierten Prinzen an eine maßgebliche Stelle zu bringen, damit er dort mit seiner fürstlichen Autorität Bedenken gegen eine militärische Offensive ohne friedenspolitische Propaganda anmelden könnte. Als idealer Ansprechpartner dafür waren die OHL beziehungsweise Ludendorff ausersehen, für den Max von Baden ein politisch noch unbeschriebenes Blatt darstellte. Bevor er nach Kreuznach ins militärische Hauptquartier aufbrach, ließ er sich gründlich vorbereiten – sowohl in Gesprächen als auch durch schriftliche Expertisen. Daß so viele Köpfe sich bereit fanden, solch zeitintensive Zuarbeit für einen Mann zu leisten, der als politische Größe eigentlich eher ein Phantom war, scheint auf den ersten Blick verwunderlich.21 Es war Max gewinnende Persönlichkeit, die das bewirkte. Dies läßt sich an Alfred Weber demonstrieren, der zunächst gar nicht davon angetan schien, daß Kurt Hahn den Prinzen »auf mich gehetzt hat«.22 Als sie sich dann persönlich trafen, war der bürgerliche Gelehrte gleich Feuer und Flamme für seinen Gesprächspartner. »Der wär’s, tatsächlich ein Reichskanzlerkandidat, ein Mann, wie wir ihn jetzt brauchten, eine ganz famose Erscheinung und mit seinen 50 Jahren – er erzählte mir am Schluß, daß er jetzt so alt sei – jung elastisch – absolut ein Mensch unserer Art – in der ganzen Haltung in geistiger und seelischer Beziehung«, so schrieb er begeistert an seine Partnerin.23 Schon einen Tag später ließ Weber dem Prinzen ein Memorandum zukommen, für das Max mit den Worten dankte: »Ihre Ausführungen ergänzen das, was ich von Ihnen mündlich zu erfahren die Freude hatte. Die tiefe und weit tragende Bedeutung dieser Gedanken und Vorschläge ist mir vollkommen deutlich und klar.«24 So gelang ihm eine weitere psychologische Eroberung. Nicht viel anders als dem Heidelberger Nationalökonomen dürfte es dem Hamburger Bankier Max Warburg gegangen sein, der sich auch – gleich nach der ersten ausführlichen Beratung mit Max – an die Ausarbeitung einer politischen Denkschrift zur Lösung der Belgienfrage machte, die dieser bei ihm in Auftrag gegeben hatte.25 Sie folgte im wesentlichen den Argumentationsmustern Hahns; doch dadurch, daß es diesmal ein weltkluger und erfolgreicher Geschäftsmann war, der diese Überlegungen aufgriff und unter dem Firmen349 349
schild seines angesehenen Bankhauses propagierte, erhielten sie ein ganz neues politisches Gewicht. Auch Warburg betonte, daß eine unverzügliche politische Offensive unbedingt notwendig sei. Ausgangspunkt könne nur eine Erklärung über die Wiederherstellung Belgiens als souveräner Staat sein: »Deutschland befindet sich nicht nur auf dem Gipfel seiner Macht, sondern auch auf dem Höhepunkt seiner inneren Krisis, die zum Untergang führen kann, wenn Führung und Volk nicht die Fähigkeit zur schöpferischen Tat und den Mut zur Abkehr von den Halbheiten und den Unklarheiten der Vergangenheit aufbringen.« Dann war da schließlich noch die scharfsinnige Analyse des renommierten Schweizer Militärschriftstellers Hermann Stegemann vom 16. Februar 1918, die über Conrad Haußmann seinen Weg in die Gruppe um Hahn fand.26 Darin hatte dieser ebenfalls dringend dafür plädiert, noch vor Beginn der Frühjahrsoffensive dem Gegner Friedensverhandlungen anzubieten. Würden nämlich die Ziele des deutschen Angriffs nicht erreicht, dann hätte die OHL keine weitere Trumpfkarte mehr in der Hand und müsse ihre Hoffnung auf einen Siegfrieden endgültig begraben. Alfred Weber sah eine große Parallele zwischen Stegemanns und seinen eigenen Überlegungen. »Und offenbar will der Prinz versuchen, noch einmal bei Ludendorff nach der Richtung zu wirken – er ist heut zu ihm gereist.«27 Das war am 21. Februar. Nur acht Tage hatte es gedauert, um den Prinzen Max auf die politische Linie Hahns zu bringen. Denn das war er, wie sein Schreiben an Johannes Müller dokumentiert, der eben erst wieder einen nationalistisch eingefärbten Aufsatz in seinen Grünen Blättern veröffentlicht hatte.28 Müllers Vorschlag, seine Propagandaschrift gemeinsam mit der Kammerrede des Prinzen in einer Flugschrift zu verbreiten, lehnte Max ab.29 Ihm gehe es um »das Brechen des Kriegswillens hinter der feindlichen Front und [die] Abwehr der feindlichen Suggestionen durch das Aufstellen eigener Menschheitsziele in der Erkenntnis, daß der Bann mit dem Schwert allein nicht gebrochen werden kann«. Deshalb sollte es, »wenn irgend möglich, vor der Offensive zu einer Verständigung kommen«. Zumal »mit jedem Monat mehr sich unsere Kriegsschuld bedrohlich mehrt, und die subversiven Elemente in allen Ländern an Boden gewinnen. Ein sozialistisches Ministerium in England bedeutete eine ungeheuere Stärkung des Sozialismus in Deutschland. […] Eine Offensive, die nicht den Zusammenbruch der Feinde bringt, schweißt die Feinde wieder zu350 350
sammen, während sie jetzt stark auseinanderstreben; bringt Wilson oben auf, was wiederum eine Stärkung des demokratischen Gedankens am Verhandlungstisch unerfreulich mit sich bringt.« Der »springende Punkt« sei »die belgische Frage, und alles kommt darauf an, die Formel zu finden, die das verständigungsbereite England an den Verhandlungstisch zwingt und uns doch die Sicherungen gegen englischen Einfluß in Belgien gibt.« Man stünde »inmitten der deutschen Schicksalsstunde. Sie kann uns, nachdem die östliche Frage mit Ausnahme der polnischen zu den allerschönsten Hoffnungen berechtigt, eine Weltstellung bringen, wie sie unseren höchsten Erwartungen nur entspricht, und unsere moralische Führung in der Welt verbürgen.«30 Man sieht, Max von Baden hatte sich den politischen Vorstellungen seiner Berliner Vordenker nun weitgehend angenähert. Doch die Theorie einer Strategie war das eine, diese in die Praxis der Politik umzusetzen, etwas ganz anderes. Worüber Max’ Begegnung mit Ludendorff interessante Aufschlüsse gibt. Wie wir erfahren, hatte der Generalquartiermeister dem Prinzen in Kreuznach höflich zugehört und das getan, was die Mächtigen tun, wenn sie von einer Sache nicht gleich überzeugt sind: Er hatte weitere Prüfung versprochen. An Max’ redlichem Bemühen, die OHL mit den Mitteln der politischen Moral bei ihrem Vorhaben zu unterstützen, den Krieg zu gewinnen, dürfte es auch für Ludendorff keinen Zweifel gegeben haben. Aber im übrigen war der Feldherr überzeugt, daß die bereits befohlene Offensive unabdingbar sei. Denn erstens hatte Max keinen Vorschlag in petto, wie man die Kriegsgegner an den Verhandlungstisch bringen und damit die geplante Offensive tatsächlich überflüssig machen könnte. Und zweitens glaubte er sich weder autorisiert noch sachlich berechtigt, dem selbstbewußten Leiter dieser militärischen Operation in den Arm zu fallen, dafür war sein Vertrauen in die Genialität dieser OHL viel zu groß. Ludendorff hat dies in seinen Kriegserinnerungen so auf die Nachwelt gebracht: Man habe sich »lange unterhalten« und auch »interessiert zugehört. Viel gemeinsam hatten wir nicht.«31 Max war in Kreuznach nicht als Politiker aufgetreten – gar als jemand, der politische Führung für sich in Anspruch nahm –, der selbst die Initiative ergreifen und Widerstand überwinden wollte. In den Augen der damaligen Machthaber blieb er ein politisches Leichtgewicht. Daß er sich zu politischer Verantwortung gedrängt fühlte, 351 351
konnte man ebenfalls nicht erkennen; dafür war sein ethischer Grundimpuls offenbar doch nicht stark genug. Auch als Hoffnungsträger der Männer um Hahn und der friedenssehnsüchtigen Reichstagsmehrheit hatte er letztlich versagt. Zwar waren es eigene Kanzlerambitionen gewesen, die hinter seiner Intervention bei Hertling und Ludendorff standen, aber von einer Selbstausrufung wollte er nach wie vor nichts wissen. Mit seinem Rückzug ins Privat- und Landleben auf Schloß Salem schon Ende Februar zog er insofern die logische Konsequenz aus seiner politischen Wirkungslosigkeit. Außerdem stand er nach seinem sogenannten Interview schon wieder im Begriff, in ein schiefes öffentliches Licht zu geraten. Ausgerechnet der sozialdemokratische Vorwärts lobte die »ruhige Objektivität« seiner Ausführungen als »sehr vernünftig gedacht«, während ihn die nationalistische Rechte heftig angriff: Er produziere nur »Worte, die Zeit scheint aber nach Taten zu verlangen«.32 Ein bedenkliches Omen, vor allem aus der Sicht des badischen Herrscherhauses, dessen Chef seinen Vetter immer wieder davor gewarnt hatte, welch leidiges Metier die Politik für einen Fürsten sei. Doch Hahns politische Rettungsphantasien ließen keine Pause zu. Die Parole lautete nun, den Kaiser direkt für das Programm einer – wie Max das ausdrückte – »ethischen Fundamentierung unserer äußeren Politik zur Fruktifizierung unserer materiellen Macht« zu gewinnen.33 Grundlage dafür sollte eine entsprechende Denkschrift sein, für deren Ausarbeitung sich Kurt Hahn Anfang März eigens nach Salem begab.34 Das Ergebnis war eine lange Abhandlung, ein Konglomerat von Versatzstücken weltanschaulich unterschiedlichster Provenienz, in der Hahn die politische Lage beurteilte, wie wir das aus seinem Kreis bereits kennen.35 Max war nun die Aufgabe zugedacht, dies als eine Art Regierungsprogramm zu verkaufen, insbesondere dem Kaiser – aber auch dem Reichskanzler und sonstigen Meinungsbildnern der politischen Klasse. Das entsprechende Anschreiben an den Kaiser, dem er »seine« Schrift übermitteln ließ, kennen wir nicht, doch daß sie erst versendet wurde unmittelbar vor Beginn des deutschen Feuersturms im Westen signalisiert, daß sich Max mit der Ludendorffschen Gewaltlösung abgefunden, ihr seine präventive Verhandlungsinitiative geopfert hatte. Nicht einmal den Besuch Wilhelms in Karlsruhe am 2. April wagte er zu einem politischen Vorstoß zu nutzen, sondern blieb in Salem und ließ sich mit Krankheit entschuldigen.36 So besaß das Schriftstück für die 352 352
Reichspolitik von vornherein bestenfalls abstrakten Wert. Mehr als ein höfliches Dankschreiben Hertlings für die »beherzigenswerten Anregungen«37 hat es denn auch nicht bewirkt. Noch wußte es der Reichskanzler besser, wie er dem Chef des Zivilkabinetts wenige Tage später verkündete. »Es ist bisher gelungen, den größten Teil des deutschen Volkes und seiner Vertretung zusammenzuhalten, Unruhen und Streiks zu vermeiden oder zum mindesten ungefährlich zu machen. Im Reichstag vollzieht sich ganz von selbst ein Umschwung in der Richtung, daß die annexions- und kontributionslose Resolution [vom Juli 1917] unter dem Druck der Ereignisse immer mehr in den Hintergrund tritt. Die Regierung wird auch weiterhin in der Lage sein, diese Einheit festzuhalten und durchzuführen, wenn sie auf dem bisherigen Wege fortschreitend im Einvernehmen mit dem Parlament im Volk den Glauben an ihre Absicht, einen für Deutschland ehrenvollen Frieden herbeizuführen, aufrechterhält.« Nach dem »erkämpften Siege« werde sie »keinen Augenblick zögern, Bedingungen durchzusetzen, die unsern Opfern gerecht werden«.38 Mit dieser Ansage wollte die Reichsleitung im alten Geschirr den Karren der Politik eine weitere Wegstrecke lang hinter der OHL herziehen. In umgekehrtem Verhältnis zu diesem Fatalismus standen die politischen Erwartungen, die Hahn & Co an die Proklamation des »Ethischen Imperialismus« durch den badischen Prinzen knüpften. Schon Mitte März 1918 wurde der Initiator in Max’ Palais in Karlsruhe vorstellig, um dafür zu sorgen, daß sich der Hausherr persönlich für sein Programm einsetzte; möglichst in direkter Ansprache des Kaisers.39 Der Autor erklärte es zu einer »Geheimreligion. Sie durch einen würdigen Mund auf der Höhe der militärischen Situation dem erstaunten deutschen Volke und der noch mehr überraschten Welt verkünden zu lassen, das ist die große Gelegenheit für den Kaiser, sich seine verlorene Macht wieder zu holen. Wir dürfen damit nicht warten, bis unsere militärischen Erfolge abgeschlossen sind.«40 Auch Haußmann fühlte sich nach dem Studium dieser »ausgezeichneten Arbeit von Prinz Max« mehr denn je in seiner Auffassung bestätigt, »daß er irgendwie in die Regierung kommen muß«.41 Doch der Kandidat hielt sich vorerst bedeckt. Er brauche erst einmal »fest umrissene Personalienaufstellungen«, denn nur damit könne er »überhaupt Personalia anschneiden, wenn der Zeitpunkt gekommen ist«.42 Letztlich blieb er passiv. Das »ethische Programm muß jetzt warten«, er353 353
mahnte er den ungeduldigen Hahn. Denn die militärische Kraftprobe sei unvermeidlich geworden. »Jetzt müssen wir den Himmel um Siege anflehen und dankbar sein, wenn durch diese möglichst viel Wahrheit wird« – vor allem die Unterlegenheit der Feinde des Reiches.43 Zurückhaltend war Max auch wegen seines sich erneut verschlechternden Gemütszustands. Durch den »Druck der politischen Lage« waren seine Nerven »wieder renitent« geworden. Augenscheinlich ein Zeichen von Überforderung. Zwar erhoffte er Großes von der militärischen Offensive. Doch »wüßte man, daß die Reichsleitung ebenso sicher wirkt wie die militärische, so dürfte man freier atmen«.44 Max verbrachte die nächsten Wochen in Baden-Baden – zur Kur. Ein größerer Kontrast zu dem Horror an der Westfront, wo nur etwa 300 Kilometer nordwestlich Hunderttausende von Soldaten auf grauenvolle Weise »die letzten Tage der Menschheit« (Karl Kraus) erlebten, läßt sich kaum denken. Doch scheint dies seine Massagen nicht beeinträchtigt zu haben. Sie lassen »gutes erhoffen«, schrieb er schon Mitte April 1918 an Kurt Hahn.45 Von kleineren Unterbrechungen abgesehen, kurierte sich der Prinz bis Ende Juni.46 Unterdes überkamen Hans von Haeften wachsende Skrupel, was die Erfolgsaussichten von Ludendorffs Offensiven anbelangt. Seinen eigenen Aufzeichnungen zufolge hat er nach einem Gespräch mit seinem Vorgesetzten am 7. Mai »die dringende Notwendigkeit einer baldigen Kriegsbeendigung« erkannt.47 Offenbar mochte die OHL intern schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr garantieren, noch eine militärische Entscheidung zugunsten Deutschlands herbeiführen zu können. Während Haeften mit seinem Adlatus Hahn darüber brütete, wie dieser Erstarrungszustand zu überwinden wäre, raffte sich Max zu einem einwöchigen Frontbesuch auf, der allerdings weniger den badischen Regimentern galt als vielmehr dem Obersten Kriegsherrn beziehungsweise der OHL ; und vor allem Kronprinz Rupprecht von Bayern. Mit diesem Standesgenossen vollzog er nun so etwas wie einen politischen Schulterschluß.
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Ein weiterer Verbündeter von Rang Wie bereits erwähnt, war Kronprinz Rupprecht von Bayern einer der wenigen profilierten Heerführer im Ersten Weltkrieg aus dem Fürstenstand.48 Als Oberbefehlshaber der 6. Armee und später der nach ihm benannten Heeresgruppe war er mit allen Schwierigkeiten der Kriegsführung im Westen bestens vertraut und dabei stets ein scharfer, etwas skeptischer Beobachter des Kaisers wie auch der OHL. Als Thronfolger in Bayern zeigte sich der Wittelsbacher politisch äußerst wach und interessiert. Seine kritische Sicht auf die Reichspolitik blieb dabei nicht frei von Ressentiments. In seiner antipreußischen Grundhaltung, die nicht zum wenigsten von dynastischen Unterlegenheitsgefühlen gesteuert wurde, meinte er überall bayerische Interessen unterminiert zu sehen. Ihn stieß das vermeintliche Hegemoniestreben und die Herrschsucht der Hohenzollern ab; immer wieder wetterte er gegen das Gespenst des Unitarismus. Die mythische Überhöhung der dritten OHL fand er nicht nur aus rationalen Gründen unerträglich, hier schwang eine gehörige Portion Mißgunst mit. Dennoch bewahrte sich Rupprecht ein bemerkenswert distanziertes und kritisches Urteil gegenüber dem politischen und militärischen Geschehen. Womit er häufig in Gegensatz zu seinem Vater und sogar zum bayerischen Reichskanzler Hertling geriet. In seinem Kriegstagebuch zeichnete er ein ungeschöntes Bild der militärischen Lage, das es ihm ermöglichte, eine halbwegs realistische Einschätzung des Kriegsgeschehens zu geben. So wußte er Anfang 1918 vielleicht besser als die Granden der OHL um den Zustand der Truppen und um den ungewissen Ausgang der Offensive im Westen, der er einen annehmbaren Verständigungsfrieden entschieden vorzog. Vergeblich hatte er im Februar 1918 bei einem Besuch in München versucht, den Kaiser und seinen Vater, König Ludwig III., von seinen Anschauungen zu überzeugen.49 Empört über diese »VogelStrauß-Politik«, beschritt er nun informelle Wege, um auf die Kriegspolitik einzuwirken. Über Victor Naumann, einen intellektuellen Gewährsmann, der ihm als Informant und Berater diente,50 ließ er Hertling Ende Februar 1918 wissen, wie ernst er die Lage sah.51 Sehr skeptisch, ob selbst eine siegreiche Offensive im Westen den Krieg entscheiden könne, habe der Kronprinz scharf die Politik Ludendorffs kritisiert, den er einen »Verlängerer« des Krieges nannte. Bel355 355
gien sollte frei- und auch alle Annexionspläne aufgegeben werden. Deutschland müßte endlich zum Frieden kommen. Auch sei es »notwendig, daß die Idee des Gottesgnadentums der Idee weiche, das Fürstentum stamme aus dem Volk und habe nur im Volk seine Berechtigung. Von dieser Idee ausgehend, kritisierte der KP [Kronprinz] auf die freieste und offenste Weise die innere deutsche Politik. Er vermisse den großen demokratischen Gedanken in ihr und die richtige Auffassung der sozialen Lage. In dem preußischen Junkertum und der Schwerindustrie sah er die eigentlichen Feinde.« Aktuell handele es sich darum, »sowohl den Zentralismus zu bekämpfen, den man in Berlin nur allzu sehr wünsche, als auch durch richtige Gesetzgebung und weises Maßhalten in den Kriegszielen revolutionäre Ereignisse zu vermeiden, die allen Fürsten gleichmäßig gefährlich sein müßten und würden.« Dieser Mann scheint als öffentliche Person und politischer Charakter ein anderes Kaliber gewesen zu sein als unser Protagonist; seine ganze Energie wurde freilich bis in den April 1918 hinein durch die »Operation Michael« gebunden. Erst nach dem Scheitern von Ludendorffs Großversuch, einen deutschen Frieden auch im Westen militärisch zu erzwingen, sprach sich Rupprecht wieder mit Nachdruck dafür aus, den Krieg mit politischen Mitteln sogleich zu beenden. Doch er wußte, daß die OHL immer noch »allmächtig« war und den Kanzler Hertling mehr oder weniger in der Hand hatte.52 Unterdes hatte Max von Kurt Hahn erfahren, daß der bayerische Standesgenosse »rechten Sinnes« sei, die politische Lage ähnlich besorgt beurteile. Hahn meinte: Es könne »nur noch von fürstlichen Kreisen Rettung kommen«.53 Wenige Tage nach Eintreffen dieser Nachricht machte der Prinz sich auf den Weg ins Hauptquartier des Kronprinzen. Volle drei Tage brachte er dort zu mit »sehr eingehende[n] Gespräche[n] über die Lage und die Aussichten auf Sieg und Frieden«. Zuvor hatte er die 28. (Badische) Infanterie-Division kurz begrüßt, die gerade »aus schwersten Kämpfen« zurückgezogen worden war, besuchte bei dieser Gelegenheit Feldmarschall Hindenburg und Ludendorff, die ganz in der Nähe wohnten, und verbrachte einen »sehr interessanten Abend« bei ihnen. Nach den Gesprächen bei Rupprecht ging er für zwei Tage nach Brüssel, wo Max die »Kunst in vollen Zügen genoß und mit den maßgebenden Persönlichkeiten sprechen konnte«.54 Auf dem Heimweg machte er noch Station beim Kaiser im Großen Hauptquartier. Dann nahm er seine »so bald un356 356
terbrochene Kur in Baden-Baden wieder auf, die mir gut tut und sehr nötig war«.55 Der Besuch bei Kronprinz Rupprecht war ein voller Erfolg.56 Auch der Wittelsbacher hielt in seinem Tagebuch fest, daß man sich beim Urteil über die politische Situation weitgehend einig gewesen sei.57 Schon während des Besuchs des badischen Prinzen hatte Rupprecht bei einer Besprechung mit Ludendorff, diesem Max als »einen durchaus zuverlässigen Charakter« empfohlen, als den »vielleicht fähigsten unter den deutschen Prinzen«.58 Doch als der Kronprinz anregte, den Hochgelobten unter Umständen mit der Leitung des Auswärtigen Amtes zu betrauen, winkte Ludendorff ab und wies darauf hin, daß Max schon im letzten Herbst als Kandidat für den Kanzlerposten gescheitert sei. Er habe aber nichts dagegen, wenn der badische Thronerbe »eine Anknüpfung« für eventuelle Friedensverhandlungen mit den Westmächten versuchen würde. Rupprecht wertete diese Worte »als versteckte Ablehnung«. Nach dieser negativen Erfahrung legte der Wittelsbacher seinem Besucher noch am gleichen Tag »nahe, den Kaiser und womöglich den Kanzler über die Lage zu sprechen, wobei er sich auf mich berufen dürfe«. Das sei »unumgänglich nötig«, denn die OHL sei »verblendet«. Während Rupprecht verabredungsgemäß begann, ein Mahnschreiben an den Reichskanzler auszuarbeiten,59 fiel Max in Spa einmal mehr seinem Kleinmut zum Opfer. Sein Besuch beim Kaiser, so ließ er seinen neuen fürstlichen Verbündeten wissen, »hatte in so fern kein Resultat, als ich nur beim Frühstück gesehen wurde und ihn nach Tisch nur wenige Augenblicke unter vier Augen zu sprechen Gelegenheit hatte«. Es seien »wenige Worte« gewesen, »ohne Bedeutung«, heißt es an anderer Stelle.60 Offenbar spürte er erneut, wie sein Streben nach einer politischen Rolle deutlich zurückgewiesen wurde, so daß er den Kaiser nicht weiter zu behelligen wagte. Auch von dem verabredeten Besuch beim Reichskanzler trat er zurück. »Im Verlauf meiner Gespräche in Spa bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß eine Reise nach Berlin jetzt besser zu unterlassen sei, und daß ich vor Allem Anderen darauf bedacht sein muß, mich in einen brauchbaren Zustand zu versetzen, wozu meine Baden-Baden Kur mir verhelfen soll.«61 Über seinen Mißerfolg ging Prinz Max mit dem Verweis hinweg, daß die Zeit für staatsmännische Entscheidungen noch nicht reif sei. Erst der Juli und August würden die »entscheidungsvollen Monate« 357 357
sein.62 Um sich auf diese politische Zukunft in aller Ruhe vorzubereiten, orderte er bei Kurt Hahn gleich ein »Exposé« zur Übersendung nach Baden-Baden. Es sollte eine Kurzfassung von Hahns »Ausführungen über ethischen Imperialismus« sein, wie sie ihm in Gestalt der Märzdenkschrift bereits vorlagen. Aber nunmehr zugespitzt auf folgende Direktive: »Heraushebung der Vorteile der humanen d. h. Menschheitsziele nach Seiten der äußeren Machtentfaltung und der Überwindung der Sozialdemokratie.«63 Auch zu diesem Zeitpunkt war für Max im Prinzip »die Frage offen, ob das Heer uns allein den Frieden zu erkämpfen vermag«.64 Immer noch hing er der Utopie einer äußeren Machtentfaltung des Kaiserreichs durch geschickte politische Propaganda an. Da war sein neuer Verbündeter aus Bayern wesentlich weiter. Der wußte, daß das deutsche Heer dem Gegner keine entscheidende Niederlage mehr würde bereiten können. Deshalb war er auch zu völligem Gewinnverzicht gegenüber der Entente bereit. Und hielt es für höchste Zeit, unverzüglich Friedensverhandlungen anzubahnen; am besten mit einer sofortigen Erklärung der deutschen Regierung, »die Selbständigkeit Belgiens unangetastet erhalten zu wollen«.65 Max’ politische Positionierung war und blieb unklar, weil er sich nicht verbindlich festlegen mochte und weil unterschiedliche, sachlich widerstreitende Einflüsse in ihm wirksam blieben. Auch wußte er nicht bestimmt zu sagen, was davon in praktische Politik umgesetzt werden konnte – und vor allem wie. Da dem meisten von dem, was er politisch vertrat, ohnedies das Ideengut anderer zugrunde lag und nicht selbständige Analyse, war er in Kontroversen mit Vollblutpolitikern schnell am Ende seines Lateins. Wie sollte er versierte Machthaber von der Richtigkeit seiner Ansichten überzeugen, wenn diese nur als halbherzige Reproduktionen übernommener Standpunkte daherkamen? So wurde er zwar überall für einen sympathischen und politisch interessierten Prinzen gehalten, aber als potentieller Staatsmann mochte er nur denjenigen erscheinen, die ihn aus emotional-psychologischen Gründen verehrten und von seinen Mängeln nichts wissen wollten. Das scheint bei Kronprinz Rupprecht – ungeachtet aller vorhandenen Sympathie für den Zähringer – eher nicht der Fall gewesen zu sein. Was die beiden damals verband, war denn auch primär die gemeinsame Sorge, daß die Zukunft der Monarchie durch den Kriegsverlauf ruiniert würde; namentlich durch die fatale Rolle, die der Kaiser und seine Herrscherdynastie dabei 358 358
spielten. Dabei scheint Max das antipreußische Ressentiment des Wittelsbachers ein Stück weit übernommen und bedient zu haben. Es sei nicht »wegzuleugnen«, schreibt er beispielsweise im Sommer 1918 an seinen Freund Müller, »daß es preußische Art ist, sich unbeliebt zu machen. Könnte dieser Punkt überwunden werden, vieles stünde dann besser.«66 Solche Töne hatte man vorher von ihm nicht gehört. Noch mehr Kontur gewinnt dieser Aspekt, wenn wir aus einem Bericht des bayerischen Gesandten in Berlin erfahren, Max habe beim Reichskanzler – dem alten politischen Weggefährten von Ludwig Windthorst, dem Führer der katholischen Zentrumspartei, der sich seinerzeit so für das Königshaus Hannover ins Zeug gelegt hatte – den brisanten Vorschlag gemacht, das Königreich Hannover unter der welfischen Dynastie wiederherzustellen, und zwar durch einen großzügigen Verzicht des Königs von Preußen, der dadurch einen kaum zu überschätzenden Prestigegewinn in England einfahren würde.67 Wie ernst gemeint dieses Ansinnen war, wird klar aus den Beratungen, zu denen der Großherzog von MecklenburgSchwerin, Max’ Schwager »Fritzi«, Ende Juni zu König Ludwig nach München reiste. »Ich glaube, er wird dort die Sache, die ich auch mit Dir besprach, bereden wollen«, raunte Max daraufhin Kronprinz Rupprecht zu.68 Er wußte nur zu gut, wie sympathisch ein solches Zurückschneiden der preußischen Hegemonie – womöglich hinter den Stand von 1866 zurück – dem bayerischen Herrscherhaus sein mußte. Daß der Vorstoß im zerfallenden Kaiserreich kaum eine Chance besaß realisiert zu werden, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls wurde bis in den August 1918 hinein im bayerischen Königshaus lebhaft über diese Frage diskutiert.69 Als Ende Juni Außenamtschef Kühlmann auf Druck der OHL zur Disposition gestellt werden mußte, wurde in Berlin sogleich wieder die Werbetrommel für Max von Baden als dem wohl fähigsten Nachfolger gerührt. Natürlich von den üblichen Verdächtigen wie Conrad Haußmann, Hans Delbrück oder Max Warburg.70 Doch dieses Mal soll mit Kronprinz Rupprecht von Bayern auch ein wichtiger Heerführer und potentieller König den Prinzen Max der OHL und auch Hertling »dringend empfohlen« haben.71 Damit war eine neue Situation geschaffen, da solche hochkarätigen Ratschläge nicht mehr ohne weiteres beiseite geschoben werden konnten. Zwar machte mit Paul von Hintze am 8. Juli 1918 noch einmal der Wunschkandidat des Kaisers das Rennen,72 aber der Hut des Kandidaten Max lag nun im 359 359
Ring. Er selbst wollte sich aber immer noch höchstens ex negativo ins Spiel bringen. »Es müssen doch noch Männer da sein, die aufrecht und klug uns zu führen verständen«, schrieb er an Rupprecht. »Von mir kann nach meiner Ansicht nicht die Rede sein, da ich viel zu wenig Sachkenntnis besitze und in der Debatte völlig versage. Auch körperlich fühle ich mich einer so anstrengenden Tätigkeit nicht gewachsen. Was ich mitzubringen imstand bin, verschwindet hinter diesen fehlenden Eigenschaften und kann wohl kaum durch tüchtige Mitarbeiter ersetzt werden. Vielleicht weißt Du Rat und kannst ihn an zuständiger Stelle anbringen.«73 Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Noch vor der Ernennung von Hintze durfte Max von seinem »treuen Vetter Rupprecht« folgende Ermunterung lesen: »Ich erachte Dein Wirken für außerordentlich wichtig und aussichtsreich und wüßte niemand anderen, der der Dir sich bietenden Aufgabe so gewachsen wäre wie Du!«74 Max war beglückt von diesem »lieben Brief und das große Vertrauen, das Du darin zu meinen schwachen Fähigkeiten zum Ausdruck bringst«. Durch die Ernennung Hintzes sei der Würfel anders gefallen, als von Rupprecht erwünscht, »und ich fürchte, er fiel nicht gut.« Er halte den neuen Mann »für keine Persönlichkeit von starker moralischer Kraft.« Er werde »kaum imstand sein, ein großes weltgewinnendes Programm aufzustellen und mit seiner Person zu decken«; auch »nicht Vertrauen stärkend wirken, dort wo nur Vertrauen zum Ziel führt«. Die Kritik war nichts anderes als Eigenwerbung. Doch damit nicht genug, Max reklamierte gleich auch noch Ludendorff als seinen Gönner und behauptete, der habe »sich nun tatsächlich für mich eingesetzt«.75 Diplomatisch geschickter hätte der Prinz im Sommer 1918 seine staatspolitischen Ambitionen kaum kommunizieren können. Mit der Gewinnung des bayerischen Thronfolgers zum Eideshelfer und Förderer war eine weitere wichtige Weiche in Richtung Kanzlerkandidatur gestellt. Dabei galt dessen Vertrauensvorschuß – wie wir noch sehen werden – weder den besonderen intellektuellen Qualitäten noch dem »großen weltgewinnenden Programm« seines Hoffnungsträgers. Er galt auch hier einer Projektion, die sich aus tiefem Mißtrauen gegenüber den Granden der OHL, dem Reichskanzler und am meisten gegenüber dem Kaiser speiste. An den Prinzen Max von Baden knüpfte Rupprecht die (übertriebene) Hoffnung, den ruinösen Einfluß jener Instanzen steuern, ihn konterkarieren 360 360
und womöglich überwinden zu können. Zum Segen eines föderaler ausgerichteten Monarchiemodells in Deutschland. Max’ Anteil an dieser Projektion bestand umgekehrt darin, habituell solche Hoffnungen zu wecken, zu nähren – und damit zu erreichen, daß große Erwartungen in ihn gesetzt wurden.
Die »Kandidatur des Wunschlosen« Ende Juli 1918 gab es für Max kein Halten mehr. Endgültig hatte ihn nun die Vision durchdrungen, »retten zu müssen«.76 Mit einem ganzen Paket gezielter Selbstinszenierungen und -empfehlungen blieb er in den folgenden beiden Monaten ununterbrochen bemüht, sich im Blickfeld der Politik zu verankern. Das begann am 15. Juli mit einer patriotischen Rede in Konstanz und endete mit geheimen Sondierungsgesprächen, die er in den letzten Septembertagen mit ausgewählten Vertretern der Mehrheitsparteien in der Villa Hahn am Berliner Wannsee führte. Parallel dazu wurde fleißig an einem Schattenkabinett gebastelt. Daß Max in der Geheimsprache seiner Spin doctors immer noch »der Wunschlose« hieß, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Er selbst definierte die »Kandidatur des Wunschlosen« als Opfergang, hielt sie aber gleichzeitig für eine historische »Notwendigkeit«. Hauptsächlich war seine Rettungsvision, wie Max schreibt, eine »Empfindung«. Hervorgerufen und verfestigt hatten sie viele unterschiedliche Einflüsse, ausdrücklich aber diese: Erstens ein »Brief des Jüngeren Verwandten [Rupprecht von Bayern], der mit dem Reichskanzler gesprochen hat und die Überzeugung gewonnen hat, daß dieser für eine Rolle des Wunschlosen ein offenes Ohr und Auge habe, und der das Gleiche vom Onkel [Paul von Hindenburg] behauptet.« Zweitens ein »Brief der Herzogin Witwe v. Anhalt [Max’ Schwester Marie], die in der Kandidatur des Wunschlosen das einzige und letzte Heil erblickt. Früher starke Abneigung dagegen aus persönlichen Gründen.« Als einen dritten zentralen Motivationsschub muß man auch die monatelange hochemotionale Agitation von Kurt Hahn anführen, die den Prinzen immer empfänglicher gemacht hatte für Hahns sehnlichsten Wunsch einer offensiven Kanzlerkandidatur. Er habe, so räumte Max sichtlich bewegt ein, wohl einige »points, die tatsächlich keiner aufzuweisen hat, das gebe ich zu, und er [Max von Baden] wird die besten Kräfte ein361 361
binden können, die ihm zur Seite stehen werden. Das schöne und stolze Wort des Neffen [Hans von Haeften] wird mir dauernd im Ohr klingen.« Wir können nur erahnen, was Haeften gesagt hat. Ganz ähnlich erging es dem »Wunschlosen« mit einem Zitat Hindenburgs, das Hahn ihm übermittelte. »Was Sie mir über des Onkels Stellung zu mir geschrieben haben, hat mich geradezu gerührt. Es ist ein Bekenntnis, auf das ich stolz sein kann und das den Mann selbst als einen Wahrheitssucher schön und edel charakterisiert.«77 Wer wäre bei so vielen Vorschußlorbeeren nicht schwach geworden? »Innerlich habe ich den Entschluß durchgerungen, das Opfer auf mich zu nehmen«, schrieb Max Ende August 1918 an Johannes Müller. Es sei eine »Sache des Glaubens und der Hingabe für die Erhaltung Deutschlands und sein stolzes Hervorgehen aus dieser Wirrnis.«78 Gegenüber diesen hochemotionalen Motiven traten die sachlichen Gründe zurück. Dies kann gar nicht deutlich genug herausgestrichen werden, weil es vieles von dem erklärt, was dann so gründlich danebenging bei dieser Kanzlerwerdung. Aber auch politische Rettungsphantasien bringen geschichtsmächtige Impulse hervor; vor allem dann, wenn die Phantasten ohne Korrektiv bleiben und die sich dramatisch zuspitzende Lage der sachlichen Vernunft enge Grenzen setzt. An einer solchen Zügelung seiner Ambitionen hat es dem Kandidaten damals gefehlt, so daß er aus der idyllischen Perspektive von Baden-Baden und Salem heraus glaubte beurteilen zu können, daß und wie man dem Reich noch einmal zu neuem (alten) Glanz verhelfen und insbesondere in seiner Weltmachtstellung erhalten könnte. Nämlich: Durch die Berufung des Prinzen Max von Baden zum Staatslenker und zum charismatischen Verkünder des »ethischen Imperialismus«. Doch mit offenem Visier wollte er immer noch nicht in die Arena steigen. Er zog es vor, seinem Freund Rupprecht, »die Führung und Förderung unserer Sache vertrauensvoll anheim[zu]gebe[n]«, weil er befürchtete, »daß ich beim Großherzog [Friedrich II . von Baden] und sogar im Land [Baden] auf große Abneigung gegen mein Hervortreten stoßen werde«.79 Das politische Programm, mit dem der Prinz noch im August und September 1918 Deutschland retten zu können wähnte, war in einer Auftragsarbeit fixiert, deren Autor einmal mehr Kurt Hahn hieß. Es handelt sich um eine zugespitzte Fassung des »ethischen Imperialismus« vom Februar des Jahres und trägt den Titel Die gegenwärtigen Aufgaben der auswärtigen Politik.80 Darin sprach Max’ Ghostwriter 362 362
immer noch von einem möglichen Machtzuwachs für Deutschland, sogar von nichts Geringerem, »als für Deutschland die Stellung als Führerstaat in Europa, ja schließlich in der Welt zu erringen«. Er wolle »keineswegs verschleiern, daß Deutschland einen erheblichen Machtzuwachs als Resultat dieses Krieges erstrebt. Im Gegenteil, der ethische Imperialismus will ja gerade die Versöhnung der Welt mit der deutschen Macht.« Dies sollte eine neue Kriegsführung möglich machen, die alle Widerstände gegen jenen Anspruch mit militärischen und moralischen Waffen niederringen müßte. Das Programm richtete sich zugleich gegen die »demokratische Welle«, die heute die Grundlage jedes Imperialismus bedrohe. »Nur wenn sich der Imperialismus ethisch fundamentiert, kann er der Flut standhalten.« Dabei gelte es, den »Führergedanken« zu retten gegenüber den aktuellen Herausforderungen von Auflehnung und rebellischer Verzweiflung. Dieser »Geist des Aufruhrs« sei in dem Augenblick besiegt, wo eine Führerschaft sich erhebt, die ihren Anspruch »als Heilsbringer« geltend macht. »So wird der Herrscheranspruch entgiftet und die Geführten werden zur loyalen Gefolgschaft.« Englands guter Name sei im Erlöschen. »Die moralische Führerrolle in der Welt ist frei.« Das Kaiserreich solle durch konkrete »deutsche Machtforderungen beweisen«, daß es bereit stünde, diese Rolle zu übernehmen. Die Forderungen seien: Ein deutsches Kolonialreich, Freiheit der Meere, Wirtschaftsfrieden, mutatis mutandis auch Völkerbund und Abrüstung. Dafür braucht man aber »eine deutsche Monroedoktrin für das Neuland im Osten« mit Optionen, die von Angliederung über zeitweilige militärische Besetzung bis hin zu defensiven Militärbündnissen reichten. Keine Revision des Friedens von Brest-Litowsk also, sondern nur die sich vollziehende neue Ordnung »auf eine neue, unangreifbare Rechtsbasis stellen«. Schließlich eine Garantieerklärung für ein unabhängiges Belgien bei gleichzeitiger Unterstützung der Flamen, um eine »Verwelschung« des Landes zuhintertreiben. Dies – so Prinz Max noch im August 1918 – »stellt das Programm dar, das ich für das beste halte, uns zum Ziel zu führen«.81 Die möglichst rasche Realisierung durch Initiative des Kaisers sollte verhüten, »daß, unter dem Druck der Enttäuschung, der Reichstag unter Führung der Sozial-Demokratie, einen Zwang auf die Regierung ausübt und die Krone in eine Notlage versetzt, die ihre Entschlüsse bindet«.82 Das Volk werde »weiter kämpfen und seine alte Treue und Standhaftigkeit bewähren, wenn es weiß, daß sein Kaiser der Hüter seiner inneren Einigkeit ist«.83 363 363
Daß dieses Programm den Ernst der Lage verkannte – und zwar außen- wie innenpolitisch –, das sah bereits Max’ enger Verbündeter Kronprinz Rupprecht, der als Fazit seiner Lektüre an den Rand schrieb: »alles zu spät!«84 Der bayerische Thronfolger warnte Max eindringlich vor einer solchen Sicht auf die Dinge. Die militärische Lage habe sich inzwischen »so rapide verschlechtert, daß ich nicht mehr glaube, daß wir über den Winter werden durchhalten können, ja es kann sein, daß bereits früher eine Katastrophe eintritt«. Er könne daher »nur wiederholen: Es ist in jeder Hinsicht höchste Eile geboten! – und es müssen entscheidende Entschlüsse gefaßt und leider auch Opfer gebracht werden, um noch viel Schlimmeres zu verhüten.« Dabei plädierte er nachdrücklich für ein schnelles und realistisches Friedensangebot an England.85 Am Schloßherrn von Salem prallte das ab. Ein Friedensangebot erschien ihm selbst Ende August 1918 noch »unmöglich, weil es ein zu eklatantes Eingeständnis unserer Schwäche bedeuten würde und die bully-Instinkte der AngloAmerikaner zu wecken und zu stärken geeignet wäre. Wir haben doch noch Trümpfe in der Hand.« Max geriet nun immer mehr vom Pfad der Realpolitik ab, zu intensiv hatte er sich in seine Prädestination zum Friedensbringer – eines deutschen Friedens – hineinimaginiert. Er bezeichnete sich sogar selbst als »den Mann, der allein imstande ist, die Lage zu unseren Gunsten zu wenden«, vorausgesetzt er würde »möglichst bald« Reichskanzler. »Ich zweifle nicht mehr daran, daß ich das deutsche Volk in seiner überwiegenden Mehrheit auf meiner Seite haben werde. Die besten Kräfte des Geistes und des Charakters stehen jetzt schon hinter mir. Mit der Obersten Heeresleitung werde ich gut auskommen, dafür bürgt mein gutes Verhältnis zu Ludendorff, der mir gewogen ist, wie ich ihm. Nach dem Ausland werde ich zu wirken imstande sein. Allein meine Ernennung bedeutet in den Augen Englands die Niederlage des ›Preußischen Militarismus‹.«86 Drei Tage später fügte er dieser Selbststilisierug noch hinzu. »Ich genieße das notwendige Vertrauen im Volk, und die Majorität wird nicht wagen, mir mit diesen Dingen zu kommen, aus Angst mich zu verlieren.« Das seien vielleicht auf den ersten Blick »eingebildet scheinende Sätze« fügte er hinzu, »heute aber steckt mein Herzblut dahinter«.87 Aus kritischer Distanz muß man Glaubenssätze wie diese als Anzeichen einer Bewußtseinstrübung werten, als Anflüge von Erlöser364 364
wahn. Womit Max sich politisch vollends vergaloppierte. Wir sehen, daß der Prinz emotional fern- oder fremdgesteuert agierte. Ihm fehlten nicht nur viele Eigenschaften, die ein erfolgreicher Regierungschef hätte haben müssen, er besaß auch manche Eigenschaften, die ein politischer Führer auf keinen Fall haben darf. Andererseits sollte man aber nicht den historischen Verhängniszusammenhang ignorieren, in den Max Mitte 1918 hineingezogen wurde – durch mancherlei Zwänge: Die Leidenschaft etwa, mit der ihn Kurt Hahn anbetete und permanent zu stimulieren suchte; die schmeichelhaften Projektionen seines Umfelds; die Untergangsstimmung einer versinkenden Epoche, die nach Rettern schrie; das Trauma seines Versagens als Militär auf dem Kriegsschauplatz und sein inneres Verlangen, diese Schuld endlich durch Heroismus zu tilgen; die anthropologische Konstante seiner Erlösungsphantasien; nicht zuletzt die Vorspiegelung falscher Tatsachen durch die militärischen und politischen Machthaber seit Kriegsbeginn, die auch seine Weltsicht verschleierte. Das alles zusammen gab ihm im Sommer 1918 die fixe Vorstellung als real ein, daß »sich gewisse Richtungen in mir ihren Kristallisationspunkt suchen. Da ist ein Verstummen eben nicht mehr möglich.«88 Seine Diktion kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie sehr ihn die Hoffnung beseligte, endlich eine Heldenrolle spielen zu dürfen. Er habe, so schrieb er Mitte August 1918 an Johannes Müller aus Salem, dort »eine Reihe der glücklichsten Wochen meines Leben verbracht«. Vom Bodensee ging er – »auf meine völlige Gesundung bedacht«89 – weiter nach St. Blasien in den Schwarzwald. Mit gepackten Koffern für Berlin. Sechs Wochen später hieß es von dort: »Wer Deutschland rettete – das hatte ich schon lange erkannt – hatte die Zukunft in Händen.« Und: »Für diese Aufgabe bin ich von der Vorsehung aufbewahrt worden.«90 Doch »um das Vaterland zu retten«, bedurfte er endlich einer »die Reichsleitung bestimmende[n] Stellung«.91 Wie ging Max nun vor? Zunächst einmal wollte er seinen wichtigsten royalen Bündnispartner Rupprecht von seinem Rettungskonzept überzeugen, indem er ihm den Besuch seiner Berater ankündigte. Er nannte Max Warburg, Conrad Haußmann, Hans Delbrück und später noch Paul Rohrbach.92 Kurt Hahn als den mit Abstand wichtigsten nannte er nicht. Zeitgleich hat er den Mann aber schon in sein Schattenkabinett berufen und moralisch verpflichtet. »Über365 365
legen Sie sich ganz genau«, forderte er Hahn Ende August 1918 auf, »wie Sie sich und den Neffen [Hans von Haeften] unzertrennlich an den Wunschlosen heften können. Das ist Vorbedingung jeden Entschlusses in dieser Richtung. Es stehen Ihnen böse Tage der Anstrengung bevor«, denn er selbst könne ja »nur als wandelnde Figur wirken. Die Arbeit müssen die anderen machen. Aber das Eine weiß der Wunschlose, daß wenn diese feste Angliederung möglich gemacht wird, er sich in einer großen Geborgenheit fühlen darf.«93 Kurz darauf bestellte er Hahn zu weiteren Direktiven in den Schwarzwald ein. Ganz anders, nämlich bescheiden, ja devot, trat Max gegenüber dem Kaiser mit seinem Anliegen auf. Durch persönliche Intervention seines Landsmanns Werner von Grünau, der im Großen Hauptquartier arbeitete und mit dem Prinzen schon länger auf vertrautem Fuße stand, hatte Wilhelm II. seinen schon erwähnten Brief relativ freundlich beantwortet – allerdings mit zweiwöchiger Verspätung.94 Zu gern nahm Max diese Höflichkeitsgeste einmal mehr für bare Münze. Den besten Dank des Monarchen für seine »so treue Sorge um Kaiser und Reich« erwiderte er umgehend, »gehorsamst«. Dritten gegenüber gab er das kaiserliche Telegramm als »warm« und durchaus »hoffnungsvoll« aus.95 Dabei hatte er wieder einmal nichts erreicht mit seinem langen Schreiben an den Reichsmonarchen, das darauf zielte, diesen zu mehr regierungspolitischer Präsenz zu animieren. Das Volk müsse sehen, »daß die deutsche Reichsleitung diejenigen Wege geht, die dazu geeignet sind, nicht allein die militärischen, sondern auch die moralischen Widerstände niederzuzwingen und zu beseitigen, die zwischen uns und einem ehrenvollen Frieden liegen«. Sich selbst hatte er hierbei nur indirekt ins Spiel gebracht, indem er fortfuhr: »Hierzu müssen alle ethischen Kräfte herangezogen werden, über die Deutschland verfügt«. Auch in dem heftig entbrannten »Kampf der Geister« müßten die Deutschen »Sieger sein, wollen wir überhaupt als Sieger aus diesem Krieg hervorgehen«. Nichts liege ihm ferner, als »auch nur den Schein zu erwecken, als wolle ich mich in Dinge mischen, die mich nichts angehen«. Wenn da nicht »mein unbegrenztes Vertrauen zu Deiner mir günstigen Gesinnung« gewesen wäre.96 Gemessen an dem strebsamen Geist, der durch diese Zeilen spricht, war Wilhelms Höflichkeitsdepesche nichts anderes als eine verbrämte Abfuhr. Die Max aber partout nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Im Gegenteil. »Sollten alle Stricke reißen«, 366 366
so ließ er Hahn wissen, »glaube ich in der Lage zu sein die Kandidatur des Wunschlosen selbst vorzubringen, da der Boden an höchster Stelle jetzt sehr vorbereitet ist«.97 So wurde mit vereinten Kräften ein neues Bewerbungsschreiben nebst Anlagen an Wilhelm II . aufgesetzt und durch den Freiherrn von Racknitz auf den Weg gebracht.98 Racknitz, Max’ damaliger Adjutant, sollte es dem Monarchen persönlich nebst anderen Schriftstücken in Kassel übergeben, wo sich der Kaiser seit Ende August in seinem Schloß Wilhelmshöhe aufhielt, um an der Seite seiner erkrankten Gattin die militärische Niederlage zu verarbeiten.99 Aushändigen konnte der Botschafter des Prinzen die Dokumente dem hohen Adressaten aber erst am 10. September 1918 in Essen. Dort hatte Wilhelm II. gerade mit einer Propagandarede an die Krupp-Arbeiter versucht, verlorenes Vertrauen in die Monarchie zurückzugewinnen – ohne Erfolg. Racknitz war ihm auf Befehl seines Herrn unverzüglich hinterhergereist. Denn – so kombinierte Max – dort, in der Konfrontation des Kaisers mit dem kriegsmüden Volk, würden vielleicht »die besten Entschlüsse gefaßt werden können und von dort aus die Mise en scène am leichtesten sich vollziehen.«100 Wenn es zu einer solchen Regieanweisung Wilhelms käme, also der Designierung des Prinzen zum deutschen Reichskanzler, sei das benachbarte »Köln der richtige Treffpunkt«. Mit Blick auf die abenteuerlichen Begleitumstände muß man den überbrachten Schriftstücken einen außerordentlichen Stellenwert für Max’ politische Biographie beimessen. Dazu paßt, daß ihr Verfasser Abschriften vernichtet und die Auszüge daraus in seinen Erinnerungen äußerst kryptisch sind.101 Ein Grund dafür wird gewesen sein, daß er seinem Vetter für den Fall seiner Kanzlerschaft angeboten hat, für sich und seinen Sohn auf die Thronfolge in Baden zu verzichten.102 Damit glaubte er, den größten Stolperstein seiner Kandidatur aus dem Weg räumen zu können. Auch wollte er damit zeigen, daß er die dynastische Raison zwar prinzipiell akzeptierte, ihr jedoch mit Blick auf den vorliegenden Notfall seine Interessen zu opfern bereit war. Ihm war deutlich geworden, er konnte nicht preußischer Beamter in Berlin werden, nicht einmal im höchsten zu vergebenden Staatsamt, und künftiger Souverän im Großherzogtum Baden und somit potentieller Mit-Souverän im Reich. Der informelle Thronverzicht versuchte diese Aporie zu umgehen. Max’ Angebot einer solchen Entsagung unterstreicht noch einmal, wie sehr die politische 367 367
Mission inzwischen zur Manie geworden war, und damit auch eines großen persönlichen Opfers wert. Der andere Grund, warum diese Quelle verschleiert werden mußte, lag in ihrem konkreten Inhalt. Denn beim Original kann es sich nur um ein Regierungsprogramm gehandelt haben, an dem er seine Arbeit als Reichskanzler später auf keinen Fall messen lassen wollte. Immerhin hat Max den Wortlaut des Antworttelegramms preisgegeben, das ihm der Reichsmonarch schon am 11. September 1918 zukommen ließ: »Ich danke Dir von Herzen, ich empfinde tief Deine selbstlose Treue und Deine freundschaftliche Gesinnung, unsere Ansichten sind in der Grundlage übereinstimmend, in diesem Sinne arbeite ich und sind von mir alle Weisungen gegeben und die Vorbereitungen getroffen. Zur Zeit kann anderes nicht in Aussicht genommen werden.«103 Das heißt, Wilhelm II . hatte den Ambitionen seines badischen Verwandten abermals eine Absage erteilt, sich aber gleichzeitig mit der monarchischen Gesinnung und den politischen Ansichten mehr oder minder identifiziert. Wenn man weiß, was der Preußenkönig damals für politische Anschauungen vertrat,104 läßt das interessante Rückschlüsse auf die Bewerbung des Kandidaten zu. Noch aufschlußreicher erscheint in diesem Zusammenhang ein Privatbrief, den der Bewerber etwa zeitgleich an Johannes Müller richtete und der sich explizit auf seine Nachricht an den Kaiser bezieht.105 Verknüpft man dies mit den Andeutungen in den Memoiren, dürfte der Inhalt des vernichteten Briefes etwa folgender gewesen sein: Die Krone solle aus freiem Entschluß eine Regierung der nationalen Einheit und Erhebung berufen – parteiübergreifend zusammengesetzt aus Männern mit politischem Prestige im In- und Ausland; mit einem Charakter an der Spitze, der als Vertrauensmann des Kaisers die Führung des Volkes übernimmt. Der Reichstag müsse als politisch bestimmender Faktor weitgehend ausgeschaltet werden, am besten durch eine Kampfrede des besagten politischen Führers, die alle Hilfsquellen der Nation mobilisiere und die eine verbesserte Weltstellung Deutschlands zum Menschheitsziel ausrufe.106 Auf diese Weise seien die Moral, das Ansehen sowie die militärische Schlagfertigkeit des Reiches wiederhergestellt. Noch könne Kaiser Wilhelm solch eine rettende Tat vollbringen, für die es aber wohl keine weitere Chance mehr gebe, da die Autorität der Monarchie sowie das Kapital an Vertrauen in sie rapide schwinden. Man stehe an der 368 368
Schwelle zum Abgrund. Wenn der Kaiser in dieser heiklen Lage einen treuen Ratgeber, der kommende Volkskaiser für seine neue Führungsaufgabe einen Steigbügelhalter brauche, so stehe er, Max, jederzeit zur Verfügung. Inhaltlich mag Wilhelm II . einem solchen Vorschlag nicht unbedingt widersprochen haben, er bestritt nur Max’ persönliche Eignung für dieses Amt; denn für den kommenden Mann, den politischen Führer gar in seinem Reich hielt er den Absender nicht. Mit dieser Meinung stand er keineswegs alleine da. So hatte Max’ alter Freund und Gönner Eisendecher, der preußische Gesandte in Karlsruhe, am 13. September 1918 dem Reichskanzler Hertling erklärt, der Prinz wäre »der gewaltigen Aufgabe schon gesundheitlich nicht gewachsen«. Eine Bemerkung, die Wilhelm II. mit der Randnotiz: »Überhaupt nicht!«107 versah. Aber auch ein weiterer Förderer des Prinzen mit viel politischer Erfahrung, der frühere Zivilkabinettschef des Kaisers, Valentini, glaubte nicht, daß Max von Baden Reichskanzler Hertling »ersetzen« könnte; dafür fehlten ihm »die erforderlichen Eigenschaften«.108 Schließlich entgegnete Vizekanzler Payer – der, wie gezeigt, große persönliche Sympathien für den Badener hegte – Max Warburg am 22. September 1918 auf dessen Werben für Max: »Aber welches Programm hat denn schließlich Max von Baden? Und wird er den verschiedenen Stellen gegenüber Energie zeigen? Ist er nicht schwach?«109 Schon Payers Vorgänger Helfferich hatte zu Max von Baden »kein Vertrauen«.110 Der noch amtierende Kanzler stand seinem Herausforderer ebenfalls ausgesprochen skeptisch gegenüber, was nicht mit Mißgunst verwechselt werden darf.111 Auch von »meinem Chef«, dem badischen Großherzog erhielt der ambitionierte Prinz »einen warnenden Brief«.112 Solche Bedenken nahm der Kandidat nur mehr zur Kenntnis. Er hatte – wie er Kronprinz Rupprecht »in tiefstem Vertrauen« mitteilte – inzwischen einen Weg gefunden, »an Oberster Stelle wissen zu lassen, daß der Kandidat bereit ist einzuspringen«. Es käme nun alles darauf an, daß Wilhelm in den Stand gesetzt werde, so zu handeln, als ob er den Kandidaten Max »selbst erfunden habe«. In diesem Sinne, so bat er Rupprecht »inständigst«, solle auch der bayerische Thronfolger wirken. Nämlich genau so, »daß die Oberste Stelle wenigstens den Schein eigenster Erfindung und Initiative bewahren und beanspruchen kann. Das ist psychologische Notwendigkeit, die Du aus eigener Erfahrung verstehen wirst.«113 369 369
Diesem komplizierten Ränkespiel scheint eine informelle Absprache zugrunde gelegen zu haben, die der Prinz mit dem bereits erwähnten Werner von Grünau getroffen hatte. Dieser in Karlsruhe geborene Diplomat vertrat damals das Auswärtige Amt und den Reichskanzler beim Kaiser im Großen Hauptquartier, wohin er mit Kriegsausbruch attachiert worden war. In dieser Funktion hatte er seit 1916 eine Immediatstellung inne, das heißt, er stand permanent in direktem Kontakt mit Wilhelm II. und konnte ihn auf diese Weise bisweilen beeinflussen.114 Grünau gehörte aber nicht nur zur Entourage des Obersten Kriegsherrn; er war 1904 auch großherzoglichbadischer Kammerjunker geworden und bekleidete damit ein Ehrenamt am Karlsruher Hof. Dem Prinzen Max war er seit seiner Kindheit persönlich bekannt;115 von etwa 1917 an standen sie auch politisch in engerer Verbindung. Grünau betätigte sich als Informant des Zähringers im Großen Hauptquartier, aber auch als sein Kurier und Resonanzverstärker. Bei seinem Kaiserbesuch im Mai 1918 hatte Max – wie wir aus seinem Brief an Kronprinz Rupprecht wissen – »sehr ausgiebig« mit »Grünau verhandelt, der die Dinge auch im Allgemeinen so ansieht, wie Du und ich«.116 Seitdem war der badische Hofmann seine wichtigste Verbindung zu Wilhelm II . Merkwürdig nur, daß »der kleine Landsmann«, wie Grünau in Max’ Geheimsprache hieß,117 den Fürsten nicht vor den Ressentiments gewarnt hatte, die der Kaiser dem badischen Vetter gegenüber selbst vor seinen Stabsleuten an den Tag legte. Wegen seiner Höflingsmentalität fehlte dem Freiherrn von Grünau wohl der Freimut, rückhaltlos offen zu sein.118 Daß er ein großer Verehrer des Prinzen gewesen zu sein scheint,119 brachte für Max den Vorteil mit sich, daß er seine Haut nicht selbst zu Markte tragen mußte. Aber zugleich auch den erheblichen Nachteil, daß er sich bis weit in den September 1918 hinein darüber täuschte, wie schlecht Wilhelms II. Meinung von ihm tatsächlich war. Max sei – so der Kaiser ganz unverblümt – »ein Mann von weichem, schwankenden Charakter, der weder militärisch noch sonst im Leben etwas geleistet habe«; und deshalb auch für ein verantwortungsvolles politisches Amt denkbar ungeeignet.120 Dieses Urteil dürfte nicht allein auf persönliche Antipathie zurückgehen, sondern – so befremdlich dies klingen mag – auf kaiserliche Fürsorge. Aus mehr als 25-jähriger leidvoller Erfahrung wußte Wilhelm II. nur zu gut, welche Gefahren gerade der Reichskanzlerposten barg, der das umstrittenste und allen Verdächtigungen am mei370 370
sten ausgesetzte Amt war und einen Fürsten wie Max von Baden stark gefährden konnte. Insofern kann man seine Bedenken nicht als unbegründet abtun. Und da er immer nur schwarz oder weiß sah, mußte er Max’ Ambitionen rigoros ablehnen. Während sich das komplizierte Verhältnis von Kaiser und Kanzlerkandidat trotz Quellenlücken noch halbwegs verläßlich durch andere Überlieferungsstränge rekonstruieren läßt, so fällt dies bei Max’ Beziehung zu Ludendorff schon wesentlich schwerer. Denn hier fehlt authentisches Quellenmaterial fast komplett. Wir erinnern uns, daß der Prinz Ende August 1918 noch etwas jovial sein »gutes Verhältnis zu Ludendorff« betont hatte, »der mir gewogen ist, wie ich ihm«.121 Das hielt Haeften aber als Basis für eine erfolgreiche Kandidatur noch nicht für ausreichend. Deshalb hatte er den Prätendenten aufgefordert, eine entsprechende Absichtserklärung in brieflicher Form an Ludendorff zu richten – verbunden mit einem ausdrücklichen »Wort des Vertrauens«.122 Solch ein Schreiben konnte letztlich nur auf eine politische Loyalitätsadresse hinauslaufen, auf eine Selbstempfehlung als treuer Paladin der OHL. Max hatte jedenfalls verstanden: »An den Brief an Ludendorff mache ich mich sofort«, ließ er Haeftens Botschafter Hahn wissen.123 Keine zwei Wochen später hielt er eine Antwort »dieses hervorragenden Mannes« in Händen.124 Den genauen Inhalt dieses Briefwechsels kennen wir nicht. Im Salemer Familienarchiv soll allerdings ein vom 3. September 1918 datierter Brief von Kurt Hahn an den Prinzen liegen, in dem davon die Rede ist, Hans von Haeften könne und wolle sich bei der OHL nicht für die Kanzlerkandidatur verwenden. Der Grund: Sein Chef Ludendorff sei »durch ein gewisses Loyalitätsverhältnis gebunden«, nichts gegen »seinen alten, willenlosen Mitgänger« Hertling zu unternehmen.125 Somit scheint Max’ Treuegelöbnis gegenüber Ludendorff nicht besonders positiv auf seine Kanzlerambitionen gewirkt zu haben. Immerhin hat sich Haeften aber einflußreichen Kreisen in Berlin gegenüber dahingehend geäußert, »daß vielleicht der Prinz Max von Baden der geeignetste Kandidat für den Reichskanzlerposten wäre«.126 Freilich hatte sich Max mit seiner doppelten Selbstbindung gegenüber dem Kaiser und Ludendorff einen – noch unsichtbaren – Strick um den Hals gelegt. Die Adressaten seiner Loyalitätsschreiben mochten sich hingegen keineswegs an den Bewerber binden. Man kann darüber spekulieren, ob der sonst so feinfühlige Kandidat die la371 371
tente Ablehnung der Machthaber nicht irgendwie gespürt oder geahnt hat. Es gibt kaum äußere Anzeichen dafür. Seine überlieferten Äußerungen deuten eher darauf hin, daß er die Skepsis einfach nicht wahrhaben wollte. Allerdings will mir scheinen, als ob der gleich näher zu schildernde politische Coup, den Max Mitte September noch von St. Blasien aus startete, ganz wesentlich dadurch motiviert worden ist, seinen unschätzbaren Wert für die Reichspolitik unwiderlegbar zu demonstrieren. Vermutlich ging auch dies auf den findungsreichen Genius von Kurt Hahn zurück. Die Aktion zielte darauf, in einer Nacht- und Nebelaktion den sozialdemokratischen Parteiführer Friedrich Ebert präventiv in das Herrschaftskonzept des »ethischen Imperialismus« einzubinden. Angesichts der eskalierenden Systemkrise bestand eine der drängendsten Aufgaben erfolgreicher Regierungsarbeit darin, die patriotische MSPD bei der Stange zu halten. Die Gefahr, gerade hier zu versagen, wurde für den Kanzler Hertling im September 1918 täglich größer, weil er von einer aktiven Mitarbeit der Sozialisten in der hohen Staatsbürokratie immer noch nichts wissen wollte. Max dagegen hatte sich all seinen antidemokratischen Ressentiments zum Trotz inzwischen eines Besseren belehren lassen.127 »Gegen einen vernünftigen Sozialisten als Mitarbeiter [im Sinne von Zuarbeiter] habe ich nichts einzuwenden«; nur »mehr Parlamentarismus widersteht mir außerordentlich« und käme »mit mir nicht vorwärts«.128 Nun bestand also das Kunststück darin, aus dieser strategischen Option ein verlockendes Angebot in Richtung MSPD -Vorstand zu machen. Wer wäre dafür besser geeignet gewesen als der gewinnende und liebenswürdige Kandidat? Das sah wohl auch sein sozialdemokratischer Anhänger in Berlin, Eduard David, so, der deshalb Hahn und Delbrück am 10. September 1918 eine baldige persönliche Begegnung des Parteichefs Ebert mit Max von Baden ans Herz legte.129 Anton Fendrich – ein alter sozialdemokratisch angehauchter Freund von Johannes Müller – hatte etwa zeitgleich bei einem Besuch beim Prinzen im Schwarzwald den gebürtigen Heidelberger Ebert »als wahren Volksfreund« empfohlen.130 So wurde in einer konzertierten Aktion eine geheime Unterredung eingefädelt, die Mitte September im Südschwarzwald nicht weit von Max’ Kurort St. Blasien stattfinden sollte.131 An der Station Höllsteig der Höllentalbahn wollte der Prinz Friedrich Ebert zusammen mit Kurt Hahn am Nachmittag in Empfang nehmen. 372 372
Zwar wird in den Erinnerungen Max von Badens behauptet, die Begegnung sei schließlich »durch ein Mißverständnis« nicht zustande gekommen,132 doch das scheint wenig glaubwürdig. Beide Seiten hatten damals ein so großes Interesse an einem Kontakt, daß dieser an einem »Mißverständnis« gewiß nicht gescheitert ist. Vielleicht aber mußte er an der absoluten Geheimhaltung, auch den eigenen Leuten gegenüber, zumindest offiziell scheitern.133 Gemessen an dem Inhalt der Rede, die Ebert eine Woche später auf der gemeinsamen Sitzung von MSPD-Fraktion und Parteiausschuß gehalten hat,134 dürfte sich das Trio unterhalb des berühmten Ravennaviadukts leicht darüber verständigt haben, politisch ganz gut miteinander auskommen zu können. Dazu gleich noch mehr. Gehen wir einmal davon aus, daß die Unterredung im Schwarzwald tatsächlich stattgefunden hat – auch wenn es keinen Beleg dafür gibt. Ihren nachhaltigen Wert, so schrieb Anton Fendrich damals an den Prinzen, hätte die Zusammenkunft mit Ebert, »wenn zwischen Ihnen beiden Männern symbolisches Zusammenstehen auf Tod und Leben sich als Ausdruck der Wahrheit und Wirklichkeit Deutschlands dokumentieren könnte«.135 Ob es bei der – hier unterstellten – Verständigung am Höllsteig tatsächlich so weit gekommen ist, erscheint fraglich, aber die Saat für eine solche Verbindung, die könnte gelegt worden sein. Denn der Patriot Ebert dürfte kaum einen Zweifel daran gelassen haben, daß er sich mit dem Schicksal des bedrängten Kaiserreiches identifizierte; ebenso wenig wie an seiner Bereitschaft, dem liberal auftretenden badischen Thronerben einen politischen Bonus zuzubilligen – gerade bei dessen Ankündigung, falls er das Steuerrad des schlingernden Staatsschiffes übernehme, werde die Sozialdemokratie einen Platz auf der Kommandobrücke erhalten. Im Prinzen Max sah Ebert den idealen Mentor und Mediator einer dringend gewünschten Koalition aus MSPD und bürgerlicher Demokratie.136 So betrachtet, ergab der politische Kredit, den er dem Fürsten einräumte, durchaus Sinn. Umgekehrt lieferte der Thronfolger in Baden ein wahres Meisterstück auf dem Weg zur Kanzlerschaft ab, indem er den badischen Handwerkersohn in seine Ambitionen einband. Ob dabei die Landsmannschaft eine Rolle spielte, ist nicht überliefert; doch scheint mir auch dieser Faktor wert, erwogen zu werden. Max schrieb einen Tag nach der sehr wahrscheinlichen Begegnung mit Ebert an Kronprinz Rupprecht, daß ihm nun »von allen Seiten« bestätigt werde, »daß er große Aussicht auf einigende und 373 373
friedenbringende Wirkung« habe. Nun müsse durch eine baldige »Initiative der Krone« dafür gesorgt werden, »dem Reichstag zuvorzukommen und ein Ministerium des Volksvertrauens zu schaffen, das so stark ist, daß das Parlament ohne weitergehende Forderungen sich befriedigt sieht«.137 Das war seine wichtigste politische Referenz nach oben: seine Fähigkeit, die Mehrheitsparteien des Reichstags wirksamer disziplinieren zu können, als dies die beiden Nachfolger von Bethmann Hollweg hatten bewerkstelligen können. Mit ihm als Reichskanzler würde das Parlament es nicht mehr wagen, Machtfragen zu stellen. Eine knappe Woche später fuhr er nach Berlin; genauer: ins Residenzschloß nach Dessau, etwa eine Zugstunde von der Reichshauptstadt entfernt, wo er bei seiner Schwester Marie, der verwitweten Herzogin von Dessau, Zwischenstation machte. Zur Tarnung. Ab dem 20. September 1918 stand Deutschlands Retter ante portas.
Wie und warum Prinz Max zum deutschen Reichskanzler gemacht wurde Ludendorffs Vabanquespiel, die deutsche Niederlage mit einer militärischen Großoffensive im Westen noch einmal abwenden zu können, war bereits im April 1918 verloren. Aber immer noch glaubte der geschlagene Feldherr, den Kriegswillen der feindlichen Übermacht lähmen zu können – mit einer strategischen Defensive. Die weiße Fahne zu hissen, blieb nach wie vor ein Tabu. Erst in der letzten Septemberwoche wurde es gebrochen; sogar mit einer ultimativen Direktive der OHL an die Reichsleitung: den Feind über den amerikanischen Präsidenten Wilson sofort um Waffenstillstand, das heißt um Frieden zu bitten. Und man setzte noch eins drauf, indem – diesmal durch Befehl des Kaisers – eine mehr oder minder parlamentarische Regierung zur unabdingbaren Voraussetzung aussichtsreicher Verhandlungen mit den Alliierten erklärt wurde.138 Damit war – nach einem halben Jahr des Sich-im-Kreise-Drehens – die zivile Reichsleitung plötzlich wieder am Zug. Sie sollte nun retten, was vielleicht noch zu retten war; vor allem den Ruf einer im Feld unbesiegten kaiserlichen Armee. Denn hätten der Oberste Kriegsherr oder Hindenburg das Waffenstillstandsgesuch selbst unterschrieben, so wäre das auf eine glatte Kapitulation hinausgelaufen. Diese 374 374
Schmach sollte verhindert werden. Ludendorff mußte den Krieg unbedingt beenden, weil seine Truppen nahezu kampfunfähig waren und damit ein totaler militärischer Zusammenbruch im Westen mit unabsehbaren Folgen für die Integrität des Reiches immer wahrscheinlicher wurde. Aber er wollte die militärische Führung aus der Verantwortung für diese von ihm verschuldete Zwangslage unbedingt heraushalten. Solange er sich noch vom siegreichen Ausgang des militärischen Kampfes überzeugt gab – offiziell bis in den Sommer 1918 hinein139 –, durfte die Reichsleitung jenen Kampf politisch nur unterstützen. Nun sollte sie den Karren ganz allein und eigenverantwortlich aus dem Dreck ziehen. Die monatelange Passivität der Regierung Hertlings hatte für solch eine Aufgabe ihrerseits die denkbar schlechtesten Voraussetzungen geschaffen. Mit welchen Kräften sollte die politische Regie der Niederlage geführt werden? Regierungsintern stellte sich die Lage nach den Aufzeichnungen des preußischen Ministers Drews in Berlin noch im September 1918 wie folgt dar: Hertling hätte sich ganz zuversichtlich gegeben, schon bald »einen ehrenvollen Frieden herbeizuführen«, und mit keinem Wort angedeutet, »daß die Lage irgendwie bedrohlich sei«. Auch der Vertraute Ludendorffs, Haeften, habe Drews auf seine eindringliche Frage, ob die OHL den Krieg verloren gebe, glaubwürdig erklärt, nein, man sei dort »durchaus zuversichtlich« und vertraue »auf einen Frieden ohne Verluste für uns«.140 Ähnlich zweckoptimistisch verbreitete sich damals selbst Vizekanzler Payer.141 Diese Vogel-Strauß-Politik wirkte bis in den Vorstand der MSPD hinein, wo sich Albert Südekum noch drei Wochen vor dem Offenbarungseid der OHL überzeugt zeigte, »daß der Krieg weder von der einen noch von der anderen Seite durch einen entscheidenden militärischen Sieg und durch einen diktierten Frieden beendet werden kann«. Um hinzufügen: Der anstehende »Wechsel der Regierung sollte nicht im Wege eines Konflikts, sondern im Wege einer Verständigung mit den jetzigen Inhabern der Ämter angestrebt werden. Deutschland kann sich in seiner jetzigen Lage keinen krisenhaften Regierungswechsel erlauben.«142 Dieser mentalen Selbstblockade der politischen Klasse im September 1918 entsprach die schwindende Zurechnungsfähigkeit des deutschen Kaisers in politicis.143 Da klingt der »sehr betrübte« Tagebucheintrag des bayrischen Kronprinzen Rupprecht vom 21. September 1918 auch nur noch wie 375 375
das Rufen des Propheten in der Wüste. »Es ist, wie wenn die O. H. L. wie die Reichsleitung nicht glauben wollten, was sie wissen«, schreibt er. »Man ließ sich so lange von anderen anlügen, bis man sich selbst belog. Die Unwahrhaftigkeit ist das Grundübel unserer Politik und die Ursache unserer politischen wie militärischen Mißerfolge«, weil sie nur »falsche Hoffnungen nährte«.144 Dort Abhilfe zu schaffen, hätte freilich bedeutet: das militärische wie politische Führungspersonal einschließlich des Reichsmonarchen weitestgehend auszutauschen sowie den Regierungsstil grundlegend zu ändern. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man auf die Gegebenheiten des policy making im deutschen Kaiserreich von 1918 blickt. Welcher starke Mann aus dem Establishment hätte so einen gewaltigen Ruck vollziehen und das Vertrauen des Volkes in die (monarchische) Staatsraison zurückgewinnen sollen? Wer diese Revolution von oben wagen mögen? Man muß wohl eher ganz bescheiden fragen: Welcher politische Gestaltungswille war im politischen Berlin überhaupt noch vorhanden? Wer konnte, wer wollte helfen?145 Nichts kennzeichnete den Zustand der politischen Klasse besser als ihre Unfähigkeit, aus ihren eigenen Reihen einen Kandidaten für das Amt des politischen Krisenmanagers zu rekrutieren. Nicht der Mangel an Qualifizierten hat das verhindert. Heiß gehandelt wurden seriöse Kandidaten, namentlich: Vizekanzler Payer, der Sekretär des Reichsschatzamtes Graf Rödern oder der Reichstagspräsident Fehrenbach; doch alle drei weigerten sich strikt, nominiert zu werden. Weder Reichskanzler Hertling noch sein Außenamtschef Hintze wollten indes das Staatsschiff noch weiter steuern. Zwischenzeitlich liebäugelte der Reichsmonarch damit, diktatorische Vollmachten an einen General zu erteilen – was bei der desolaten Stimmung in Deutschland von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Selbst die Absicht, Vorkriegskanzler Bülow zu reaktivieren, wurde von den Beratern des Kaisers ernsthaft erwogen, konnte aber innenpolitisch nicht durchgesetzt werden. Die Mehrheitsparteien des Parlaments schickten auch keinen eigenen Favoriten ins Rennen, sondern wollten das Prävenire einmal mehr den obrigkeitlichen Autoritäten überlassen. Kein Wunder, daß unter diesen Umständen die OHL erneut die Initiative ergriff, um die Regie der Niederlage in der von ihr gewünschten Form politisch wirksam werden zu lassen. Und kein Wunder auch, daß sie dabei auf die werbende Gestalt des Prinzen Max verfiel, der sich selbst wiederholt 376 376
für höhere Staatsaufgaben empfohlen hatte – wenn auch nicht als Konkursverwalter des militärisch besiegten Reiches. Seine politische Zweckdienlichkeit hatte er vor allem damit demonstriert, daß es ihm Ende September 1918 mit Hilfe seiner politischen Freunde und Mittelsmänner in Berlin und durch eigene Präsenz dort tatsächlich gelungen war, wichtige Repräsentanten der Mehrheitskoalition des Reichstags hinter sich zu bringen, die bereit waren, freiwillig auf eigene Machtansprüche zu verzichten, zugunsten einer Beteiligung an den Regierungsgeschäften. Das galt in erster Linie für die Sozialdemokraten, die stärkste Parlamentsfraktion, die in den Augen der alten Machthaber zugleich die politisch gefährlichste war. Bei diesen informellen Unterhandlungen konnte der Kandidat mehr denn je auf das große Engagement von Max Warburg bauen, den versierten Kenner des politischen Berlin, der neben Kurt Hahn zu seinem wichtigsten und treuesten Mitstreiter wurde.146 Und noch etwas: Der persönliche Adjutant überliefert, daß sich Max im letzten Drittel des Monats September teils im Dessauer Schloß und teils – mehr oder minder inkognito – in der Wannseevilla der Hahns aufgehalten habe, »wo er bis zur Berufung bei der Mutter des Juden Hahn ›heimlich‹ wohnte«.147 Ideale Orte für heikle Sondierungsgespräche. Über solch ein Tête-à-tête am 23. September in der Anhaltinischen Residenz berichtet Max Warburg in einer Aufzeichnung. Er habe dem Prinzen damals gesagt, daß er es als Jude und als »Vertreter der kapitalistischen Richtung« ablehnen müßte, in einer Regierung Max von Baden Minister zu werden. Er wollte ihm aber »jederzeit zur Verfügung stehen«, um »mit Rat und Tat zu helfen«. Aus einer weiteren Niederschrift von Warburg wissen wir, daß er in jenen Septembertagen auch eine weitere informelle Verbindung zwischen Friedrich Ebert und dem Prinzen einfädelte, beim »Lunch in meinem Zimmer im Hotel Adlon«. Der SPD-Führer, den er schon Mitte Juni in Hamburg bei einem Besuch von Reichstagsabgeordneten in der Hansestadt näher kennengelernt hatte, »war kein Kostverächter, und in der ersten Zeit hatte ich öfter den Eindruck, daß er den Alkohol zu sehr liebte«. Warburg suchte Ebert damals nach eigenen Worten »den Wert eines organischen Übergangs klar zu machen«, nachdem sein Gast ihm versichert hatte, daß er sich selbst außerstande sehe, »mit seiner Partei die Regierung zu übernehmen«.148 Jahre später erst ist die Tatsache dieser Geheimverhandlungen mit der SPD-Spitze bekanntgeworden.149 Einzelheiten sind bis heute 377 377
nicht bekannt. Nur daß Max – wie Warburg schreibt – gleich wieder »von Ebert sehr gut beeindruckt« war. Doch wir kennen den redigierten Text einer Rede, die Ebert am 23. September 1918 auf der gemeinsamen Sitzung von MSPD -Fraktion und Parteiausschuß gehalten hat.150 Darin kam der Parteiführer nicht nur betont vage auf diverse Verhandlungen »vertraulichen Charakters« mit nicht näher bezeichneten Instanzen zu sprechen, die notwendig seien, da seitens der SPD politisch nichts »versäumt« werden dürfe. Das Wichtigste sei schließlich, daß die Leitung der Politik endlich in die Hände einer Zivilregierung gelegt werde. Ansonsten sei die Parteiführung verständigungsbereit, rücksichtsvoll und wolle keine Ultimaten stellen. Weder fordere man eine Revision des Friedens von Brest-Litowsk noch den Verzicht auf Elsaß-Lothringen. Auch innenpolitisch sollte man den Bogen nicht überspannen und nicht unbedingt auf einer sofortigen Parlamentarisierung des politischen Systems beharren. Bei einer Fundamentalopposition, einer »revolutionären Taktik« gar »überlassen [wir] das Schicksal der Partei der Revolution«. Das könne angesichts der Entwicklung in Rußland niemand wünschen. »Wir müssen uns im Gegenteil in die Bresche werfen, wir müssen sehen, ob wir genug Einfluß bekommen, unsere Forderungen durchzusetzen und, wenn es möglich ist, sie mit der Rettung des Landes zu verbinden, dann ist es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das zu tun.« Wenn das kein Freibrief für eine Kanzlerschaft Max von Baden war, was dann? Der Arbeiterführer aus Baden zeigte Bereitschaft, dem ambitionierten Fürsten einen politischen Vertrauensvorschuß einzuräumen, den man einzigartig nennen darf. Man greift wohl nicht einmal zu hoch, wenn man sagt, daß Ebert zu einem der politisch Hauptverantwortlichen für dieses Kanzlerschaftsprojekt wurde. Umgekehrt wußte auch Max nur zu gut, »warum ich in höchster Not auf Ebert griff, um das Schlimmste zu verhüten«. So hat er es jedenfalls einige Jahre später ausgeplaudert, wobei er noch hinzufügte, Ebert habe zwar »die Beschränkungen des Sozialdemokraten, was ihm einiges von seinem Wert nimmt«, aber er sei »ein Mann und guten Willens« gewesen; fest entschlossen, »das Reich tapfer gegen den Bolschewismus, den er so haßte [zu] verteidigen«.151 Friedrich Eberts Überzeugung war, daß die MSPD jeden radikalen Systembruch vermeiden müsse; auch reformerische Systemveränderungen sollten am besten von oben inauguriert werden – mit nur ver378 378
haltenem Druck von unten. Dazu bedurfte es solcher seltenen Symbol- und Integrationsfiguren, wie sie der badische Thronfolger in Eberts Augen ausmachte. Ohne monarchische Abfederung hielt der Sozialdemokrat es einfach für zu riskant, den überlebten Obrigkeitsstaat überwinden zu wollen; gerade auch, wenn es darum ging, seine Arbeiterbewegung erfolgreich in den bürgerlichen Staat zu integrieren. Und noch etwas kommt hinzu: Die MSPD wollte Regierungspartei werden, aber sie wollte nicht selbst regieren, die Politik des Reiches nach Maßgabe eigener Vorstellungen aktiv und selbstbewußt gestalten. Es reichte ihr, einen Einfluß auf den leitenden Staatsmann auszuüben. Von daher war Eberts fast vorbehaltlose Unterstützung des Hoffnungsträgers aus seiner Heimat Baden nicht allein plausibel, sondern auch ganz aufrichtig und überzeugungstreu gemeint. Max wurde unterdes nicht müde, einflußreiche Männer, die das Ohr des Kaisers hatten, auf die Vorteile seiner Kanzlerschaft hinzuweisen.152 Zum Beispiel den aussichtsreichen Mitbewerber um das Kanzleramt, den Grafen Roedern. Wie Roedern selbst in seinen Erinnerungen berichtet, war er schon vorher mehrfach mit dem Kandidaten zusammengekommen; er wußte, daß der Prinz »schon seit der Bethmannkrisis sich mit dem Gedanken einer Übernahme des Kanzleramtes selbst ernsthaft beschäftigte, wobei er allerdings immer betonte, daß er sich nur bereitfinden lassen würde, wenn die äußerste Not des Vaterlandes von ihm, dem Thronfolger eines Bundesstaates, einen solchen, der Selbstaufopferung des römischen Ritters Curtius vergleichbaren Sprung in den Abgrund der Tagespolitik forderte«.153 Weniger metaphorisch ließ Max seine Bereitschaft zur Reichskanzlerschaft auch Grünau noch einmal wissen; schließlich drängte er den Kronprinzen Rupprecht hervorzutreten.154 Da die Entscheidungsgewalt des Kaisers in der Kanzlerfrage auch im September 1918 noch gänzlich unhinterfragt im Raum stand,155 war Max’ Vorgehen an und für sich durchaus ratsam. Dennoch ging sein Kalkül erst einmal nicht auf, weil seine Kanzlerschaft für Wilhelm II . bis zum 30. September undenkbar blieb. Das mußten seinerzeit alle diejenigen erfahren, die ihn auf diese Personalie ansprachen: Hertling, Rödern, Berg, Grünau, Müller und sicher noch einige andere.156 Da der Monarch aber keinen eigenen Personalvorschlag machte, erhielt sein Kabinettschef Berg freie Hand zur Kanzlersuche. Der plötzliche Umschwung trat am folgenden Tag ein, als sich Wilhelm II . 379 379
bereits in seinem Hofzug auf dem Weg nach Berlin befand – also buchstäblich über Nacht. Es war der massive Druck der OHL, dem sich der enervierte Monarch ein weiteres Mal beugen mußte – »sehr bedrückt«, wie ein Begleiter in sein Tagebuch notierte.157 Die Schlüsselfigur im Hintergrund dieser Einflußnahme zugunsten des Prinzen am 1. Oktober scheint dabei Ludendorffs Mann in Berlin, Hans von Haeften, gewesen zu sein. Den hatten ihrerseits Kurt Hahn und Conrad Haußmann unter Strom gesetzt. So war Haeften von letzterem mehrfach bestürmt worden, keine Zeit zu verlieren und dadurch »das Schlimmste« eintreten zu lassen, nämlich politische »Kopflosigkeit«. Allein Prinz Max könne noch »retten, was zu retten ist. Aber jedenfalls muß blitzschnell gehandelt werden, weil in der Schnelligkeit ein Wille erkannt wird. Seine Vollmachten müssen weitgehend sein.« Und dann noch etwas speziell für Ludendorffs Ohren: »Wir wissen, um was es geht und wie groß der Schaden der Unterlassung und der Nichtrechtzeitigkeit ist. Das Volk sollte gleichzeitig mit der niederdrückenden [militärischen] Kunde die Kunde von einer Mehrheitsregierung mit den zur Verteidigung antretenden Sozialdemokraten unter einem sympathischen Kanzler erhalten.«158 Mit derartigen Parolen war Haeften wiederholt im Großen Hauptquartier vorstellig geworden, zuletzt telefonisch am 30. September 1918, als immer noch kein geeigneter Nachfolger für Hertling in Sicht war. Er konnte das umso nachdrücklicher tun, als er am Tag zuvor die Nachfolge von Winterfeldt angetreten hatte, der die OHL bis dato beim Reichskanzler in Berlin vertrat.159 Damit war Haeften zum wichtigsten Gegenspieler von Zivilkabinettschef Berg geworden, dem autorisierten Kanzlermacher Wilhelms II. Allem Anschein nach wußte Haeften diese Stellung zu nutzen, um »mit großer Energie für den Prinzen Max einzutreten« und schließlich »in einer recht erregten Auseinandersetzung« mit Berg dessen Widerstand gegen den Prinzen zu überwinden.160 Ohne die Rückendeckung von Ludendorff und Hindenburg wäre ein solcher Erfolg gegen den mächtigen Duzfreund des Kaisers völlig undenkbar gewesen. Offenbar wurde Berg am Morgen des 1. Oktober von der OHL so in die Pflicht genommen, daß er den Prinzen in den engeren Kreis der Kanzlerkandidaten mit einbeziehen und noch für den gleichen Tag zu entsprechenden Beratungen nach Berlin einladen mußte.161 Freilich fühlte sich Haeften bei seinem Engagement für Max vorzugsweise dem Interesse der Militärs verpflichtet, während persönliche 380 380
Vorlieben für den Kandidaten eher zweitrangig waren. Er wußte nur zu gut, auf welchen heißen Kohlen Ludendorff und Hindenburg saßen. Als sie die militärische Niederlage eingestanden, war eine verhandlungsfähige Regierung notwendig geworden, um das Gesuch um Waffenstillstand zu formulieren und an Wilson zu adressieren. Haeften wußte aber auch, daß erfolgreiche Friedensverhandlungen eine Regierung nötig machten, die von sich behaupten konnte, das Vertrauen der Mehrheit des deutschen Volkes hinter sich zu haben – unter Einschluß der Sozialdemokratie. Für eine solche Staatsleitung kamen vor allem zwei Männer in Betracht – Friedrich Ebert und Max von Baden. Da war die Wahl nicht sonderlich schwer. Zumal nachdem der Prinz in einem weiteren Geheimtreffen mit dem Sozialistenführer noch vor seinem offiziellen Auftreten in der Reichshauptstadt politisch handelseinig geworden war.162 »Ebert hat mich nicht enttäuscht«, stellte der Prinz in seinen Memoiren fest.163 Worüber Haeften selbstredend vor allen anderen im Bilde und erfreut war. Max’ gutes Verhältnis zu dem einflußreichen Arbeiterführer galt ihm als ein wichtiges Moment der Herrschaftssicherung gegen revolutionäre Gefahr, vor der sich auch Ludendorff fürchtete. Kein Wunder, daß auch er nur wenig später ganz offen auf Ebert setzte als den Agitator, dem es gelingen könnte, für eine anhaltende Kriegsbereitschaft im deutschen Volk Sorge zu tragen.164 »Dein Wunsch, dessen Erfüllung jetzt höchstes Gebot der Stunde geworden ist, fand guten und ernsten Wiederhall an entscheidendsten Stellen«, konnte Max von Baden deshalb am Abend des 1. Oktober an Kronprinz Rupprecht telegrafieren.165 Auch aus anderen Quellen geht hervor, daß sich die OHL an diesem Tag mit Nachdruck dafür verwendet hat, Prinz Max auf den Kanzlerstuhl zu hieven und dem Kaiser ein entsprechendes Plazet abnötigte.166 Selbst ein Veto von Max’ Familienoberhaupt aus Karlsruhe konnte auf telegrafischem Wege noch in der Nacht zum 2. Oktober unwirksam gemacht werden.167 Da Ludendorff kein wirklicher Staatsmann war, da der politische Auftrag der OHL klar und eng begrenzt – Waffenstillstandsgesuch und Beruhigung des Reichstags – und außerdem noch durch Haeften dafür gesorgt war, daß die OHL einen direkten Zugriff auf diesen Kanzler haben würde, meinte das Große Hauptquartier das Restrisiko der Personalie Max durchaus eingehen zu können. Ja, gegenüber den angeführten Vorteilen wogen selbst die schweren Bedenken des deutschen Kaisers, der seinen Prinzen in jeder Hinsicht 381 381
besser kannte als die Militärs, eher gering.168 Erst nach der Intervention der OHL beim Kaiser war Max tatsächlich so gut wie Reichskanzler. Allerdings mit einem klaren Auftrag derjenigen, die ihn dazu gemacht hatten: schnelle Bildung eines nach außen glaubwürdigen Kabinetts des Volksvertrauens und sofortige Unterzeichnung eines Waffenstillstandsgesuches. Von Kabinettschef Berg erhielt er schon am 1. Oktober zusätzlich noch den kaiserlichen Befehl, sich um jeden Preis schützend vor Wilhelm II . zu stellen und möglichst keine Vorrechte der Krone preiszugeben.169 Das waren die rigiden Bedingungen seiner Nominierung, gegen die Widerspruch zwecklos war. Was die Stunde geschlagen hatte, wurde Max deutlich, als ihn der Kaiser am Abend des 2. Oktober gleich bei ihrer ersten persönlichen Aussprache im Kronrat auflaufen ließ – als Bedenkenträger gegenüber einem sofortigen Waffenstillstandsgesuch. »Du hast Dich nicht angeboten, um der Obersten Heeresleitung Schwierigkeiten zu machen«, so seine brüskierenden Worte.170 Der Kronrat fungierte immer noch als das höchste Organ der monarchischen Prärogative, gleichsam als Regierung vor der Regierung.171 Wenn nicht das Protokoll dieser politischen Konferenz später vernichtet worden wäre,172 so könnte man genauer studieren, wie rücksichtslos dieses Direktorium die Interessen der OHL durchsetzte. Jedenfalls darf man davon ausgehen, daß die anhaltende Kompetenzanmaßung der überkommenen Gewalten die autoritäre Machtpolitik ebensowenig beendete, wie sie die Herrschaftskultur des Kaiserreichs auch nur im Ansatz erneuerte. Daß Max, der dies doch eigentlich herbeiführen sollte, gleich bei der ersten Konfrontation mit diesem Machtzentrum nicht gekämpft und den Monarchen nicht auf den Boden der Tatsachen geholt hat, scheint ebenfalls gewiß. Wilhelm wollte keine Diskussion, und Max wagte kein Widerwort. Diese gelungene Einschüchterung sollte man nicht unterschätzen. Denn sie war mehr als eine Blamage. Sie war symptomatisch, da sie bereits bei Amtsantritt zeigte, daß unser Protagonist dem Stil der Herrschaftsausübung keinen eigenen Willen zur Macht entgegenzusetzen hatte. In den Memoiren des Prinzen Max steht, daß sich der Reichsmonarch äußerst selbstsicher, ja arrogant gegeben haben soll.173 Zweck der Veranstaltung scheint denn auch gewesen zu sein, den künftigen Kanzler auf die Politik Wilhelms II. und der OHL zu verpflichten und dies vor Zeugen beglaubigen und protokollieren zu lassen. Damit war formell festgeschrieben, daß dieser – wie seine beiden Vorgänger – nicht aus sich 382 382
selbst heraus, aus eigener Richtlinienkompetenz, würde regieren können, sondern nur als Kanzler des Kaisers und der Kriegsherrn – eine schwere Hypothek. Eigentlich war es sogar noch schlimmer. In dem Verständnis der OHL und wohl auch dem von Kabinettchef Berg sollte ein entsprechend präparierter Max von Baden als ihr Mann ins Berliner Rennen gehen: Er sollte die eigentlich ungewollte Parlamentarisierung des Reiches nach außen wie nach innen glaubhaft machen, nach erfolgreichen Friedensverhandlungen aber wieder die Rückkehr zu einem autoritären System ermöglichen. Statthalter und Scharnier für ein späteres Rollback sollte der Prinz sein, ein Übergangskanzler, der den Reichstag hinhalten, die Entente – insbesondere den US-Präsidenten Wilson – gnädig stimmen und eine Machtprobe mit den Kräften der Demokratie vorläufig vertagen sollte. Max’ politische Handlungsfreiheit war damit – noch bevor er offiziell ernannt wurde – praktisch gleich Null, sein Programm des »ethischen Imperialismus« sinnlos geworden. So saß er am Vorabend seiner langersehnten Kanzlerschaft im Berliner Hotel Adlon in einer Falle, die er sich selbst gestellt hatte. Sich ihr noch einmal zu entwinden, das hätte er nur noch tun können, wenn er den Verlust von Ansehen und Moral in Kauf genommen hätte. So blieb ihm gar keine andere Wahl, als weiter den vermeintlichen Ritter Curtius zu spielen und tatsächlich mit dem Mut letzter Verzweiflung in den Erdspalt zu springen – koste es, was es wolle. Die Heldentaten, die er in den Monaten zuvor erträumt hatte, zerstoben wie Seifenblasen, kaum daß er die Wilhelmstraße betreten hatte. Ehe er sich’s versah, war er zum Bevollmächtigten einer politisch unmöglichen Koalition von Autokraten und Demokraten geworden – und zum Erfüllungsgehilfen beider Seiten. Auch will er gleich bei seiner Ankunft in Berlin erkannt haben, »daß keine militärische Macht mehr hinter meiner Politik stehen würde, und wir auf dem Schlachtfeld bankrott waren«. Dazu kam »der völlige Zusammenbruch des alten preußischen Systems«.174 Und trotzdem weiter? Sehenden Auges in den Abgrund? Am Abend des 3. Oktober 1918 unterschrieb Wilhelm II. die Urkunde, die Max von Baden zum achten deutschen Reichskanzler kürte; unmittelbar darauf unterzeichnete der neue Regierungschef das Waffenstillstandsgesuch, das noch in der gleichen Nacht herausging. 24 Stunden lang will er mit der OHL über dessen tatsächliche Not383 383
wendigkeit noch gerungen haben. Dann hatte ihn das Feldherrnduo, das ihm bis dahin als unverbrüchlicher Garant des deutschen Siegs galt, weichgeklopft. Daß er sich dem Diktat der OHL unterwerfen mußte, bewirkte für Max einen seelischen Knacks, von dem er sich nie wieder erholen sollte. Am Tag darauf konnte sein Kabinett die Regierungsarbeit aufnehmen.175 Ihm gehörten als neue Männer auf Reichsebene drei Zentrumspolitiker und zwei Sozialdemokraten an, zehn Tage später sollte noch ein Fortschrittsparteiler hinzukommen. Das Auswärtige Amt übernahm zusätzlich zum Reichskolonialamt Staatssekretär Wilhelm Solf. Payer blieb Vizekanzler. Graue Eminenz der Reichskanzlei wurde Walter Simons, bis dahin im Auswärtigen Amt als Geheimrat tätig.176 Als wichtige Berater im Hintergrund wirkten neben den altvertrauten Kurt Hahn, Max Warburg und Conrad Haußmann auch Friedrich Ebert, der aus diesem Grund auf seinen Eintritt in die Regierung verzichtet und seinem Genossen Scheidemann den Vortritt gelassen hatte. Am 5. Oktober wollte Prinz Max das politische Programm der neuen Reichsleitung dem deutschen Parlament und der Weltöffentlichkeit vorstellen. Doch was versprach man sich von dem neuen Mann? Was traute man ihm zu? Mit Blick auf die deutsche Tagespresse brauchen wir uns mit den Elogen der von dem Netzwerk um Kurt Hahn beeinflußten Organe nicht weiter aufzuhalten, da man etwas anderes als Vorschußlorbeeren nicht erwarten konnte.177 Dies gilt namentlich für die Frankfurter Zeitung, das Berliner Tageblatt sowie den Berliner Börsen Courier – vielgelesene Blätter der linken Mitte.178 Die es dann freilich in ihrem etwas aufdringlichen Lobpreis ein wenig zu gut meinten, indem sie Max letztlich zu einem Übermenschen stilisierten und damit halsbrecherische Maßstäbe setzten, um seine Regierungspolitik zu beurteilen.179 Auch auf die alldeutsch-konservativen Gegenreflexe muß nicht näher eingegangen werden. Denn – wie es die Deutsche Tageszeitung selbst formulierte – »unsere Stellung zu dem neuen Kanzler steht von vornherein fest. Er war und ist nicht unser Mann.«180 Bemerkenswerter ist da schon die nationalliberale Presse, die den neuen Kanzler durchweg positiv beurteilte.181 Das läßt auf Sympathie schließen, die der neue Regierungschef gerade auch in bürgerlichen Kreisen genoß, in denen man sich nach dem Interregnum von Michaelis und Hertling eine Rückkehr zu den Zeiten und Zuständen à la Bethmann Hollweg versprach. Doch es gab dort durchaus auch warnende Stimmen. 384 384
Die eine erhob der linksliberale Journalist Georg Bernhard, stellvertretender Chefredakteur der Vossischen Zeitung.182 Der stellte gleich zu Beginn seines Leitartikels die Forderung auf, daß Deutschland einen »Mann mit Programm« brauche, der tatsächlich den Frieden brächte. Die »schönsten Reden« könnten es nicht – und genau das sei die »Illusion«, der auch der designierte Kanzler Max von Baden anhänge. Was man von dessen »politischen Auffassungen« kenne, lasse eher »nicht erwarten, daß es ihm möglich sein wird, das Programm der Tat vorzuweisen oder anzunehmen, das in der augenblicklichen Lage Deutschland einzig und allein retten kann«. Bernhard fragte: »Welche Garantie hat man dafür, daß Prinz Max überhaupt ein Politiker von irgendwelchem Format ist?« Er könne ja ein »ausgezeichneter Kammerpräsident« sein, und brauche dennoch »nicht die geringste Eignung zum Kanzler zu haben«. Etwa zeitgleich ging in den eher freikonservativen Hamburger Nachrichten ein nicht gezeichneter Artikel mit der Nominierung gerade dieses Kandidaten ins Gericht.183 Es sei doch »seltsam und befremdlich, daß die erste parlamentarische Regierung im Deutschen Reich, die aus rein demokratischen und sozialistischen Fraktionen gebildet wird, einen Prinzen und Thronfolger in einem deutschen Bundesstaat zu ihrem Leiter bestellt«. Das »Gegebene« wäre es doch gewesen, »daß die Demokratie auch entschlossen hervortrat und zuvörderst den ersten und verantwortlichen Staatsmann, den Reichskanzler aus ihrer Mitte stellte. Aber da zuckte sie zurück.« Woraus gefolgert wurde: »Wenn die Demokratie so wenig ihrer Sache sicher ist, daß keiner ihrer bekanntesten Parlamentarier das verantwortungsvolle Kanzleramt übernehmen will, so ist der Erfolg der Politik, die sie treiben und mit der sie zum Frieden gelangen will, doch von vornherein recht zweifelhaft«. Während Bernhard zu Recht nach dem Masterplan des leitenden Staatsmannes fragte und nach dessen Befähigungsnachweis für den Posten, legten die Hamburger Nachrichten mit nicht weniger Berechtigung den Finger in eine andere Wunde, die politische Verantwortungsfurcht der Mehrheitsparteien: Den Volksvertretern der Mitte-links-Mehrheit im Deutschen Reichstag mangelte es an genuin-demokratischem Selbstvertrauen und politischem Gestaltungswillen. Erst dieses partout Nicht-herrschen-Wollen auf Seiten der Mehrheitsparteien eröffnete die Lücke im politischen System, in die Max von seinen Anhängern hineinlanciert werden konnte. Auch 385 385
hier gleichsam als Retter in der Not, aber in der beinahe komischen Variante, daß er den ängstlichen Parlamentariern die politische Verantwortung für deren eigenes Programm abnehmen sollte. Ein Programm, hinter dem er selbst inhaltlich gar nicht stand, von dem er aber annehmen mochte, daß es sich vielleicht um ein Menu handelte, das längst nicht so heiß gegessen werden würde, wie es gekocht wurde. Bezeichnend ist denn auch, wie sich die SPD-Presse politisch positionierte, wofür exemplarisch der Leitartikel von Johannes Meerfeld in der Rheinischen Zeitung steht.184 Als Mitglied der SPDReichstagsfraktion, die Max tags zuvor mit auf den Schild gehoben hatte, versuchte der Chefredakteur diese Entscheidung nun dem einfachen Genossen plausibel zu machen. Nicht die vielzitierten Karlsruher Reden des Kandidaten, behauptet Meerfeld, hätten Max als Kanzler empfohlen, auch nicht die »Garantien, die die Persönlichkeit geben kann«. Es sei vielmehr »das Programm des neuen Mannes«, das er gemeinsam mit den Vertretern der Mehrheitsparteien aufgestellt habe. Darauf müsse der Prinz auch »verpflichtet« werden. Schließlich sei die sich vollziehende »Bildung einer parlamentarischen Regierung« ein entscheidender Fortschritt – und »ein bleibendes Verdienst der Sozialdemokratie«. Sie springe »in die Bresche, um das deutsche Volk vor völligem Untergang zu bewahren«. Der Vorwärts, das Zentralorgan der MSPD, verzichtete ebenfalls auf ein politisches Portrait des neuen Regierungschefs und half sich über die augenscheinliche Verlegenheit mit dem Satz hinweg: »Es wird Sache des Prinzen sein, zu zeigen, daß er in sein hohes Amt gekommen ist, nicht weil, sondern obwohl er Prinz ist.«185 Die nicht minder gewundene Phrase von den noch »zu erweisenden Fähigkeiten« des neuen Mannes läßt für den Leser gar keinen anderen Schluß zu als den, daß die MSPD dem geschenkten Gaul partout nicht ins Maul schauen wollte. Und die radikale Linke? Die der USPD nahe Presse nahm es ironisch. Im Leitartikel der Leipziger Volkszeitung stand: »Wie der Parlamentarismus unter Ausschluß des Parlaments durchgeführt wird, so beginnt jetzt die Demokratisierung Deutschlands unter der Führung eines Prinzen.«186 Ein Fürst könne noch so »wohlwollend« sein, er käme immer aus »jenen Kreisen, denen die Demokratie ein Greul ist«. Hoffentlich werde sich bald allgemein die Erkenntnis durchringen, »daß ein Volk nicht dadurch schon seine Geschicke selbst bestimmt, daß es mehrere Dutzend Parlamentarier in gehei386 386
men Beratungen politische Geschäfte abschließen läßt«. Es werde »noch ganz anderer Veränderungen in unserm Staatsleben bedürfen, ehe das Volk rufen kann: Eine neue Zeit ist angebrochen!« Damit hatte der linke Flügel der deutschen Sozialisten den Eintritt der MSPD in die Reichsregierung nicht unzutreffend als Resultat eines Kuhhandels charakterisiert, der weder einer Volksregierung entgegenarbeitete noch auf parlamentarische Demokratie zielte. Ins bizarre Bild dieser Kanzlerkürung gehört auch, daß gestandene und hochrangige Weltkriegsgeneräle wie Einem, Falkenhausen oder Gallwitz zunächst an einen Kalauer glaubten, als sie die Nachricht von der Berufung des Prinzen erhielten. »Wer hätte an den Bademax gedacht und nicht gelacht!«187 Eine »erbärmliche Verweichlichung des Gefühls« repräsentiere dieser »Philosophieprofessor von einem Lyzeum als Staatsmann« – verspottete der nationalistische Türmer in aller Öffentlichkeit den kommenden Reichskanzler.188 Kein gutes Omen für einen Mann, der angetreten war in dem Glauben, »das deutsche Volk in seiner überwiegenden Mehrheit auf meiner Seite [zu] haben«, und deshalb auch meinte es souverän im Sinne seiner Ideen führen zu können.189 Selbst so treue Anhänger wie Max Warburg hielten den Prinzen letztendlich für »nicht kräftig genug, um das, was er für richtig erkannt hatte, durchzusetzen«.190 Ganz zu schweigen von den nicht wenigen anderen kritischen Stimmen aus dem politischen Berlin, die sich einen erfolgreichen Staatslenker Max von Baden ebenfalls wegen seiner »so weichen Natur« kaum vorstellen konnten.191 Es war gerade dieser Aspekt, den die Presse der Kriegsgegner Deutschlands aufgriff und ausschlachtete. Hier schaute man genauer auf das Profil des neuen Kanzlers. Etwa der Pariser Figaro, der von »la figure douceâtre du Prince Max de Bade« sprach, was man vielleicht mit »effeminierter Persönlichkeit« übersetzen kann. Der Autor des Artikels wunderte sich überhaupt, wie dieser Mann durch seine »scharlatanesken« Reden den Ruf eines Friedensbringers erlangen konnte. Das, was »l’orateur princier« – der prinzliche Redner – tatsächlich gesagt habe, spreche eine ganz andere, kriegerische Sprache.192 Nicht weniger sarkastisch kommentierte La Liberté den ihrer Meinung nach »kuriosen« Beginn eines parlamentarischen Deutschlands. Ausgerechnet der Cousin und Erbe eines Monarchen »spiele« den Parlamentarier, ein Etikettenschwindel, den sich ein Bismarck wohl nie hätte träumen lassen. Auch die englische Presse fand Max 387 387
als »Manifestation einer demokratischen Bekehrung« ganz und gar nicht passend. Wenn der Prinz von Baden mit seinen »dürftigen Fähigkeiten« der beste Staatsmann sei, den das Kaiserreich augenblicklich hervorbringen könnte, dann zeige das nur, wie arm Deutschland tatsächlich dran sei.193 Die Londoner Times nannte ihn einen »Münzer von besänftigenden Phrasen«, der sich als ein »Apostel der sogenannten Demokratie« aufspiele und dabei noch durch und durch »antiBritish, anti-French and anti-American« eingestellt sei.194 Weder die stärkere Anteilnahme von gewählten Volksvertretern an der neuen Regierung noch der gute Ruf der Galionsfigur wurden als Zeichen dafür gewertet, daß im Feindesland eine Abkehr von dem autoritären Staatswesen eingeleitet worden war. Den farbenechten Demokraten nahm die Presse der Entente dem neuen Reichskanzler einfach nicht ab – und seinen aufrichtigen Willen zum Frieden ebensowenig. Wer daran übrigens auch nicht glauben mochte, das waren die deutschen Bundesfürsten. Nach dem Credo von Max’ Schwager Friedrich Franz, dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, war die »innenpolitische Umwälzung« ganz allein dem »völlig unerwartet eintretenden Zusammenbruch der Armee« geschuldet: Ein »Zukreuzekriechen« habe die Monarchie »nicht vertragen, dazu bedurfte es der Übernahme der Verantwortung vor dem Volke durch die Volksvertreter«. Und sein Kollege, Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen, der Schwiegersohn des Kaisers, schrieb damals ergänzend: »So unsympathisch uns auch das Paktieren mit der Demokratie ist, es mußte sein und war nicht zu ändern«. Mehr »darf ich jetzt nicht sagen«.195 Nach aufrichtigem Willen zu politischer Selbstüberwindung, zu demokratischen Reformen gar, klingt das nicht. Und in scharfem Gegensatz zu Prinz Max von Baden, dem Standesgenossen, war dies wohl auch nicht gedacht. Bis zu seinem Amtsantritt hatte der schließlich erklärtermaßen eine seiner wichtigsten politischen Aufgaben darin gesehen, die parlamentarische Demokratie in Deutschland gleichsam überflüssig zu machen, und sich zugetraut, zumindest die patriotischen Demokraten mit dem monarchischen Prinzip auszusöhnen. Er hatte einen neuen Typus von monarchischer Herrschaft und Herrschern in das politische System einführen wollen, eine Art Vize-Kaiser, zuständig für die großen ideologischen Glaubensfragen der Politik.
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Fünf nach zwölf Als der Reichsanzeiger am Freitag, dem 4. Oktober 1918, zur Mittagszeit die Ernennung Max von Badens offiziell verkündete, hatte dieser wenige Stunden zuvor seinen Diensteid auf die Bismarcksche Reichsverfassung und insbesondere auf seinen Dienstherrn, den deutschen Kaiser, abgeleistet. Außerdem war der neue Amtsinhaber nun um rund 25 000 Mark reicher, das entspricht etwa 100 000 Euro.196 Das Jahresgehalt des ranghöchsten Staatsbeamten belief sich damals auf 100 000 Mark und wurde vierteljährlich im voraus gezahlt. Diese materielle Entschädigung scheint dem badischen Ritter Curtius nicht gänzlich bedeutungslos gewesen zu sein. So gesteht er dem Hamburger Bankier Max Warburg am 5. Oktober halb scherzhaft, halb ernst: »Wenn ich hinausgeschmissen werde, müssen Sie mich versorgen.«197 Für die Regierungsarbeit stand ihm der bürokratische Apparat der Wilhelmstraße zu Gebote, eine Dienstwohnung bezog er dort aber vorläufig nicht. Vielmehr mietete er sich ein Appartement im Hotel Adlon, seinem traditionellen Berliner Quartier, das damit zur Nebenbühne seiner Politik wurde.198 Umso mehr, als auch Max Warburg, sein damals wichtigster informeller Berater, dort residierte – und Friedrich von Prittwitz und Gaffron, der amtliche Adjutant des Reichskanzlers sowie Wilhelm von Radowitz, der Leiter des Reichskanzleramtes. Letzteren hätte der Regierungschef am liebsten gleich durch seinen alten Freund Haußmann oder durch den neuen, Walter Simons, ersetzt.199 Ins Adlon ließ er auch sogleich aus Karlsruhe seinen Adjutanten von Racknitz kommen, der sich in Zusammenarbeit mit dem Chauffeur Baumert und dem Kammerdiener Flum um die persönlichen Dinge des hohen Herrn zu kümmern hatte. Den Koch im Reichskanzlerpalais übernahm er von seinem Vorgänger.200 Zu Max’ vorrangigen Aufgaben als Regierungschef zählten die Rekrutierung eines persönlichen Mitarbeiterstabes, Besprechungen mit Parteiführern und Kabinettskollegen sowie die Einberufung des Reichstags zur baldigen Abgabe einer Regierungserklärung.201 Letztere hatten Hahn und Warburg von vornherein als eine rhetorische Haupt- und Staatsaktion konzipiert, auf daß ihr Favorit die Bühne der großen Politik gleich mit Aplomb würde betreten können.202 Für diese Rede war ein ganzer Stab an Zuarbeitern zusammengestellt worden, der schon am 3. Oktober seine Arbeit aufnahm – im Reichskolonialamt in der Wilhelmstraße 62, wo der Staatssekre389 389
tär Solf entsprechende Büroräume zur Verfügung stellte. Neben Max Warburg, Kurt Hahn, Lina Richter und Conrad Haußmann gehörten diesem informellen Gremium noch Hahns weltläufiger Kollege, der Schriftsteller Colin Ross,203 sowie Walter Simons an. Außerdem hatte Warburg seinen Kompagnon, den Finanzfachmann Carl Melchior aus Hamburg nach Berlin gebeten, um der Kommission mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.204 Eingeweiht in die halbamtliche, letztlich geheime Auftragsarbeit waren neben Solf, dem neuen Außenamtschef, noch der Vertreter der OHL beim Reichskanzler, von Haeften. Bei einem Frühstück in der Wannseevilla der Hahns am Nachmittag des 2. Oktober hatten Warburg und Hahn vom designierten Kanzler grünes Licht für ihr Vorhaben erhalten, den Prinzen noch vor der Herausgabe einer Friedensnote vor die Weltöffentlichkeit treten zu lassen – mit einer von ihnen zu erarbeitenden programmatischen Rede zur politischen Lage, im Geiste des »ethischen Imperialismus«. Das war freilich vor dem blamablen Auftritt im Kronrat am Abend und der Konferenz mit Hindenburg am nächsten Morgen, die bekanntermaßen zur Folge hatten, daß Max noch am 3. Oktober seine Unterschrift unter das Waffenstillstandsgesuch setzen mußte, um nicht der erstrebten Kanzlerschaft noch in letzter Minute verlustig zu gehen. Dennoch schien die geplante Kundgebung für Max und seine engsten Gesinnungsgenossen durchaus noch einen Sinn zu ergeben. Vielleicht sogar mehr denn je, da sie dieser diplomatisch verbrämten Kapitulation durch eine parallele moralische Kampfansage an die Alliierten ihren erniedrigenden Stachel nehmen wollte. Es ging darum, die Friedensbereitschaft des Reiches so zu relativieren, daß möglichst keine Kapitulationstendenz hineingelesen werden konnte, schon gar keine bedingungslose. So legten sich die Beteiligten mächtig ins Zeug, während der Prinz diverse Sondierungsgespräche zu führen hatte. Was sich an diesem 4. Oktober im Reichskolonialamt konkret abspielte, beschreibt Max Warburg: »Unglaublich systemloses, geniales Arbeiten. Hahn in höchster Ekstase, fast verrückt. Unter höchster Anstrengung waren bis 9 Uhr abends nur zwei Seiten geschrieben. Dr. Melchior und ich mußten die Fertigstellung und Zusammenfassung schließlich übernehmen«.205 Am späten Freitagabend erst glückte diese schwere Geburt, das Rohmanuskript einer Rede war endlich da, für dessen Text vor allem Hahn und Simons verantwortlich zeichneten. Die ursprüngliche Fassung existiert nicht mehr, 390 390
die später veröffentlichten Konjekturen schaffen dafür keinen belastbaren Ersatz.206 Entscheidender als der Inhalt ist ohnehin das, was dieses Konzept regierungsintern auslöste. Regierungsintern meint nicht kabinettsintern, denn von den neuberufenen Staatssekretären der Reichsregierung wurde niemand in den Prozeß miteinbezogen. Dennoch gab es bereits einen Tag nach Max’ Ernennung gleichsam zwei Fraktionen in der Reichsleitung, die – von mir so genannte – Adlonfraktion des informellen Beraterkreises um den prinzlichen Kanzler, bestehend vor allem aus Warburg, Hahn, Haußmann und Simons – und die staatsbürokratischen Meinungsmacher um Vizekanzler Payer und dessen Vorgänger Graf Roedern. Zwischen beiden Zirkeln changierend, aber mit größerer Affinität zu den letztgenannten, bewegten sich Solf und Haeften. So prüften etwa zeitgleich am 4. Oktober zu mitternächtlicher Stunde die beiden Gruppen separat das besagte Redekonzept und gelangten dabei zu höchst unterschiedlichen Urteilen. In Max’ Hotelzimmer Unter den Linden verbreitete der Kanzler beim Rezitieren und kollektiven Redigieren der Vorlage zusehends Euphorie über den großen Wurf, der vielleicht noch alles gut werden lassen könnte. Einige hundert Schritte weiter dagegen in der Wilhelmstraße verfinsterten sich die Mienen der hohen Staatsbeamten. Nach der späteren Aussage des Konferenzteilnehmers Solf gaben sich alle sogleich überzeugt, daß die Rede »vollständig unmöglich war«.207 Einmal, weil sie jeden einzelnen der 14 Punkte, die US-Präsident Wilson zur Conditio sine qua non aller Friedensverhandlungen erklärt hatte, abweichend von der Absicht ihres Urhebers auslegte und überdies noch um einen 15. anreicherte, der eine neutrale Untersuchung der Kriegsschuldfrage intendierte. Dieses »Deuteln und Drehen« – so Solf – »drohte diesen einzigen und letzten Ausweg [aus der Katastrophe] zu versperren, ganz abgesehen davon, daß es auch eine erneute Unehrlichkeit gegenüber dem eigenen Volk dargestellt hätte«. Aber auch den offenbar sehr kriegerisch-patriotisch gehaltenen Passagen zur Innenpolitik wurde scharf widersprochen. Das behauptete jedenfalls Haeften, der der Runde ebenfalls beiwohnte. Er schreibt auch, daß die Vorlage nicht nur »einstimmig verworfen« wurde, sondern daß der Vizekanzler sogar mit seinem Rücktritt gedroht habe, wenn der Text öffentlich vorgetragen würde. Von Payer, Roedern und Solf sei er dann beiseite genommen und eindringlich gebeten worden, »auf den Prinzen Max einzuwirken, von dieser Re391 391
de Abstand zu nehmen, ich sei hierfür am besten geeignet, da ich dem Prinzen am nächsten stünde und er am ehesten auf mich hören würde«.208 Haeften übernahm den Auftrag und begab sich nachts um halb eins ins Hotel Adlon, wo er Max und den Seinen das Veto der Wilhelmstraße mitteilte. Was sich danach abspielte, wissen wir von Solf: »Es war natürlich, daß Herr Hahn als Verfasser des abgelehnten Entwurfs sofort erregt aufgesprungen war und seiner Enttäuschung Luft gemacht hatte. Aber was weit schlimmer war: Diese Empfindlichkeit hatte auch den Prinzen angesteckt und ihn zu der Äußerung hinreißen lassen: Ich [Wilhelm Solf], dem er sein Vertrauen geschenkt habe, schiene ihn in der ersten schweren Stunde verraten zu wollen. Angesteckt von Hahns Erregung, wollte er seinen Entwurf nicht aufgeben und verlor den Kopf schließlich so weit, daß er dem Obersten [Haeften] sagte: ›Bevor ich den Entwurf zurückziehe, wollen Sie ihn bitte dem General Ludendorff zur Stellungnahme unterbreiten!‹ Es war ein Glück, daß der kluge und taktvolle Generalstabsoffizier die Tragweite eines solchen verhängnisvollen Schrittes instinktiv erkannte. […] Haeften antwortete dem verwirrten Prinzen, daß der General den Entwurf zur Kenntnis bekommen und ihn ebenfalls als ungeeignet zurückgewiesen habe. Diese Notlüge rettete das Kabinett Max von Baden vor dem sofortigen Zusammenbruch und vor dem ewigen Fluch der Lächerlichkeit.«209 Aus Haeftens eigener Darstellung des Eklats ist nur zu entnehmen, daß er den »Landsturmmann Hahn« damals offiziersmäßig zusammengestaucht und zum Schweigen gebracht hat. Und daß Prinz Max die »peinliche Szene« damit abbrach, »daß er mich in sein Schlafzimmer bat, wo wir uns in kurzer Zeit dahin einigten, daß der Prinz die Rede preisgab und mich beauftragte, den Vizekanzler zu ersuchen, eine neue Rede ausarbeiten zu lassen, die tragbar wäre«.210 Wie Warburg noch mitteilt, war Max am meisten über das Nichterscheinen, die Feigheit von Solf erbittert; Hahn aber geradezu »entsetzt; ich habe nie einen Menschen so erschüttert gesehen wie ihn, der die Kanzlerschaft des Prinzen seit Monaten betrieben hatte, sich jetzt am Ziel sah und fühlte, als wenn er gerade vorm Ziel zusammenbrach.«211 Hahn fürchtete, daß durch diese Intervention der Wilhelmstraße »der Kanzler erledigt sein würde«. Deshalb suchte er noch um drei Uhr nachts den abtrünnigen Solf in seiner Wohnung auf, wo ihm aber – seiner späteren Verlautbarung zufolge – »die bitterste Enttäuschung meines Lebens 392 392
zuteilwurde«, weil dieser ihm klipp und klar sagte, »die moralische Offensive sei durch unsere militärische Niederlage unmöglich geworden« – »jetzt heiße es einen anderen Kurs steuern«.212 Dieses nächtliche Gespräch, an dem sich auch Haeften noch kurzfristig beteiligte, scheint sehr unsachlich verlaufen zu sein. Die Folge war, daß Hahn am nächsten Morgen die dienstliche Aufforderung erhielt, 14 Tage Urlaub zu nehmen, »da er überreizt sei«. Das schreibt Warburg und fügt gleich hinzu: »Er kam zu mir vollkommen gebrochen, es wäre alles verloren, wir würden einen neuen Fall Michaelis erleben, er hätte Schuld und mache sich die größten Vorwürfe den Prinzen veranlaßt zu haben.« Später hatte Hahn auch noch »einen Weinkrampf, indem er ein Ende mit Schimpf und Schande prophezeite«.213 Der Kanzlermacher Hahn hatte sich mit seinen hysterischen Auftritten für das Amt des Ratgebers unmöglich und sowohl Solf als auch seinen alten Chef Haeften zu persönlichen Gegnern gemacht. Zudem wurde der neue Außenamtschef fortan vom Prinzen Max als »Hochverräter« gehandelt, und man erwog sogar ernsthaft, die Leitung des Auswärtigen Amtes einer Doppelspitze anzuvertrauen und die Grafen Rantzau oder Bernstorff neben den unsicheren Kantonisten Solf zu stellen, dem sein eigenes »inneres Verhältnis zum Kanzler« fortan natürlich ebenso »vergällt« vorkam.214 Es ist erstaunlich, daß auch dieser Vorfall den Prinzen weit weniger tangiert zu haben scheint als seinen politischen Eckermann und daß er sich mehr oder weniger spontan dazu bestimmen ließ, auf den moderaten Kurs der Wilhelmstraße einzuschwenken. Vielleicht hat dazu Max Warburg maßgeblich beigetragen, der in seinen Erinnerungen schreibt: »Am Freitagabend war ich noch mit dem Prinzen allein und flößte ihm Zutrauen ein, am nächsten Morgen bat er mich ganz früh [zu sich], war frisch und zuversichtlich im festen Glauben an seine Mission.«215 Zwar wurde Hahn nicht fallengelassen, aber sein Kanzler hatte offenbar keine Probleme damit, einen ganz anderen Redetext aufzusagen – diesmal aus der Feder von Reichspressechef Deutelmoser, dem wiederum Staatssekretär Lewald vom Reichsamt des Inneren zugearbeitet hatte. Durch Rödern vorbereitet, ging Max noch am Morgen des 5. Oktober auf die Fraktion der Hahn-Kritiker zu und akzeptierte die von ihr in Auftrag gegebenen Ausführungen zu seiner Regierungserklärung. »Es komme zwar in ihnen nicht sein eigentliches Fühlen und Denken zum Ausdruck«, soll er gesagt haben, »doch werde dazu wohl später einmal Gelegenheit sein«.216 393 393
Soviel zum Thema »Hochverrat« – in eigener Sache. Am frühen Nachmittag studierte Deutelmoser im Adlon die Rede mit dem Kanzler ein, bevor sie dann gegen halb sechs im Reichstag zur Verlesung kam. Am gleichen Abend gab Max seinem sich langsam wieder beruhigenden Hahn in einem Gespräch unter vier Augen die Gelegenheit, »sowohl das Vergangene zu glätten, wie die Zusammenarbeit für die Zukunft zu bereden«.217 Anschließend ließ er Warburg zu sich ins Hotelzimmer bitten – »außerordentlich herzlich und dankbar«. Wie der Bankier zwei Tage später aus Hamburg seinem Bruder Fritz schrieb, waren für ihn die letzten Tage in Berlin »wohl die aufregendsten, die ich je durchgemacht habe«; was ihn vor allem »mürbe gemacht« hätte, wären »die Arbeitsmethode (Kurt H[ahn]), die Vorbereitung, die Intrigen, das Arbeiten mit neuen Ideen durch alte widerspenstige Schläuche« gewesen. Er bedaure inzwischen sein starkes Engagement beim »jetzigen Reichskanzler«, weil »die lieblichen Berliner schon ihre Bemerkungen darüber machen, daß wir unsere Finger überall drin haben müssen«. Sein Fazit: »Unsere Mitwirkung in stärkerem Maße würde die Regierung belasten, man würde von jüdischkapitalistischen Mitarbeitern reden.«218 Deshalb hat er auch den von ihm für etwas meschugge gehaltenen Kurt Hahn an die Kandare genommen, wie aus seinem Brief an Conrad Haußmann hervorgeht: »Ich habe noch einmal an unseren KikerikiFreund geschrieben. Er muß sich ruhig halten, denn dieses Toben auf Vorplätzen, Hallen und Straßen bleibt ja nicht unbemerkt«.219 Bei Max’ Auftritt vor dem Deutschen Reichstag handelte es sich um eine politische Inszenierung, deren Ablauf viel über den Zustand der parlamentarischen Kultur in Deutschland aussagt. Trotz der ernsten Zeiten und Zustände trug dieser Antrittsbesuch im Parlament groteske Züge. Der vom Kaiser auf politischen Druck der OHL zum Reichskanzler gemachte Max von Baden empfahl sich den frei gewählten Volksvertretern als Chef einer neuen Regierung, die – wie er behauptete – »von dem festen Vertrauen der breiten Massen des Volkes getragen ist«.220 Und das mit einer von Vertretern des alten Systems aufgesetzten Rede, hinter deren Inhalt er persönlich gar nicht stand, und über die es eine parlamentarische Aussprache gar nicht erst geben sollte, die aber den Mehrheitsparteien nach dem Munde geredet war. Der Thronerbe und Drei-Sterne-General kam in Zivil, im bürgerlichen Gehrock, den er sich wenige Stunden vor dem Auftritt von 394 394
einem Diplomaten hatte ausleihen müssen.221 Reklamemäßig angekündigt durch den Parlamentspräsidenten Fehrenbach als ein Mann, dessen Name »einen guten Klang in der ganzen Welt [hat]. Seine freiheitliche Denkungsart, sein humaner Sinn, sein Vertrauen zur Menschheit, das er während vier Kriegsjahren nicht verlor, sind solide Grundlagen seiner Wirksamkeit.« Der Rest der Vorstellung bestand im monotonen Ablesen des Redemanuskriptes, welches eine gute halbe Stunde in Anspruch nahm und mehr als dreißigmal von durchweg kurzen Beifallsbekundungen aus dem Plenum unterbrochen wurde. Margarethe Ludendorff, die von der Hofloge aus den Auftritt verfolgte, schreibt in ihren Erinnerungen, daß Max sich beim Vorlesen seines Redetextes »so tief über seine Akten [beugte], daß man sein Gesicht nicht sehen konnte, und seine Worte manchmal unverständlich blieben«.222 Alles in allem kein Aufbruch zu neuen Ufern. »Das Parlament ist dem großen Wendepunkt nicht gewachsen«, mußte selbst Max’ glühender Verehrer Conrad Haußmann zugeben. »Es hat nicht die Menschen, die den Stil für diesen Beginn seiner Herrschaftsperiode finden.«223 Davon, daß das Parlament am 5. Oktober 1918 in Deutschland seine politische Herrschaft angetreten hatte, kann überhaupt gar keine Rede sein. Auch der Rede des Prinzen Max kann man keine Anhaltspunkte für eine solche Zeitenwende entnehmen. Mitwirkung von Parlamentariern an den Regierungsgeschäften, Übernahme der Regierungsverantwortung des Kanzlers nach vorherigem Einvernehmen mit den Führern der Mehrheitsparteien und eine gewisse Mitverantwortung des Reichstags für die Regierungspolitik – sehr viel weiter sollte die Mitbestimmung auch bei Max nicht gehen. Bemerkenswert war höchstens, daß er sich auf die Friedensresolution des Reichstags vom Juli 1917 hatte vereidigen lassen und auch bei seinen weiteren friedenspolitischen Ausführungen zugestehen mußte, daß der ihm eigentlich zutiefst suspekte Wilson »ein Programm aufgestellt hat, das wir als Grundlage für die Verhandlungen annehmen können«.224 Gleichzeitig aber rief er das Volk zum »Endkampf auf Leben und Tod« für den Fall auf, daß sich die »Tür zu einem baldigen ehrenvollen Frieden des Rechts und der Versöhnung« nicht öffnen sollte. Mit dieser relativen Friedensbereitschaft korrespondiert die Verwischung der Tatsache, daß er bereits am 3. Oktober das deutsche Waffenstillstandsgesuch an den US-Präsidenten unterschrieben hatte. Kein Wort davon. Stattdessen machte er die Öffentlichkeit glauben, er ha395 395
Zeitgenössische Portraitzeichnung von Ludwig Ehrenberger, um 1918
be »in der Nacht zum 5. Oktober« an Wilson »eine Note gerichtet, in der ich ihn bitte, die Herbeiführung des Friedens in die Hand zu nehmen« – eine kleine, aber nicht unbedeutende Weichzeichnung der harten Fakten. Und vor allem ihrer Ursache: Ludendorffs Offenbarungseid. Folgt man dem Text seiner Reichstagsrede wörtlich, so konnten die Leser kaum verstehen, warum es überhaupt ein deutsches Waffenstillstandsangebot gegeben hatte. Daß sich das überkommene Regime im Herbst 1918 noch halbwegs im Sattel halten konnte, das verdankte sich nicht zum wenigsten dem fehlenden Willen des deutschen Parlaments zu moderner Demokratie. Dieses Defizit muß man ausdrücklich den führenden Repräsentanten jener linken Mehrheitskoalition zur Last legen, die schon wenige Monate später zur Speerspitze der ersten deutschen Demokratie werden sollte. Schließlich war es der Reichstagspräsident, der mit seinem euphorischen Willkommensgruß an den Reichskanzler zum Ausdruck brachte, daß dem Reichstag eine kritische Distanz gegenüber dem kommenden Mann nicht zustehe. Und niemand Geringeres als Friedrich Ebert war es, der mit seiner ganzen Autorität dafür eintrat, daß eine parlamentarische Aussprache über die Regierungserklärung unterblieb, während er gleichzeitig die Behauptung aufstellte, mit der Regierung Max von Baden sei in Deutschland »die Demokratie geboren«.225 Zu beantworten ist noch die Frage, ob es Zufall war, daß Max sich in dieser Phase besonders eng an zwei profilierte Juden angeschlossen und deren politischen Rat gesucht hat. An der außergewöhnlichen Präsenz von Hahn und Warburg im politischen Leben des badischen Prinzen in jenen Tagen gibt es keinen Zweifel. Warburg selbst schreibt, daß er täglich, »manchmal viermal am Tage vom 396 396
Kanzler gerufen wurde« und von diesem darüber hinaus auch öfters in seinem Hotelzimmer »überrascht« wurde; ja, daß er ihn bitten mußte, »auf sein Zimmer zu gehen, um unnötige Rederei darüber, daß er bei mir war, zu vermeiden«.226 In den Aufzeichnungen von Racknitz finden sich Bemerkungen wie: »Die Warburg und Hahn sind dauernd bei Max«, »sein großer Freund ist immer Hahn, der ›Haushahn‹ wird er deshalb genannt«. »Max sprach von ihm und von den Juden überhaupt als besonders ›treue‹ Menschen«. Was machte den Prinzen Max gerade für diese Seilschaft so empfänglich? War er doch selbst von antisemitischen Ressentiments keineswegs frei. Das Svengali-Muster erklärt dies ebenso wenig wie das Wort vom »Kaiserjudentum«.227 Das Geheimnis der Adlonfraktion läßt sich wohl nur über die Eigenart der beteiligten Individuen enträtseln. Als Beispiel mag die Symbiose Warburg-Baden dienen, bei der zwei dezidierte Außenseiter aufeinandertrafen, die sich aber ernst nahmen und mit aufrichtigem Respekt begegneten. Sie verstanden sich auf Anhieb, weil sie nur zu gut um den schwankenden Boden wußten, auf dem sie sich bewegten. Hier der etwas aus der Art geschlagene Fürst, dessen politische Ambitionen von seinen Standesgenossen degoutiert, von hohen Militärs belacht und von den meisten Berufspolitikern der Regierungszentrale als dilettantisch bezeichnet wurden. Dort der reiche und erfolgreiche Bankier und Hanseat, gelegentlicher Berater von Kaiser Wilhelm II. und dessen Kanzlern und Staatssekretären; ein Shooting-Star, der aber stets fürchtete, als Jude stigmatisiert zu werden. Beiden Männern waren Minderwertigkeitskomplexe nicht unbekannt, während ihnen ihr sehr hohes soziales Prestige erlaubte, auf Augenhöhe miteinander zu verkehren. Was den gedanklichen und emotionalen Austausch anlangt, so brauchte sich keiner von beiden zu verstellen. Warburgs politisches Engagement entsprach seiner Vision, einer erfolgreichen deutsch-jüdischen Assimilation patriotischer Männer. Zugleich befriedigte dies seinen Ehrgeiz. In die Geheimnisse der großen Politik eingeweiht zu sein, muß ihm Genugtuung gewesen sein – vielleicht auch Kompensation seiner beiden vergeblichen Versuche, Senator in Hamburg zu werden. Geschäftliche Interessen dürften hingegen kaum im Spiel gewesen sein. Aber daß Warburg bei seiner tatkräftigen Unterstützung des Kanzlers nur im Hintergrund wirken wollte und einen exponierten Posten in der Reichsregierung aus Sor397 397
ge vor antisemitischen Anfeindungen ausdrücklich ablehnte, zeigt, wie unsicher er sich auf dem politischen Parkett der Reichshauptstadt bewegte. Spätestens seit der sogenannten Judenzählung des preußischen Kriegsministeriums 1916/17 wußte er um die akute Gefahr einer wirklichen Emanzipation.228 Nichtsdestoweniger wollte er, indem er den Reichskanzler rückhaltlos unterstützte, auch das deutsch-jüdische Projekt retten. In seinem Hin-und-her-gerissenSein zwischen jüdischer Identität und patriotischem Verantwortungsgefühl, zwischen politischem Selbstvertrauen und Unsicherheit berührte er sich wohl am intensivsten mit der ähnlichen mentalen Disposition des Prinzen. Die jüdische Herkunft seines informellen Ratgebers war Max durchaus gegenwärtig, er dürfte darin eher einen Vorzug, einen Reiz gesehen haben, und kein Hindernis.229 Dennoch hat diese geheimnisumwobene Zusammenarbeit der Kanzlerschaft nicht unbedingt zum Guten gereicht. Man kann auch nicht erkennen, daß Warburg seinem Partner tatsächlich zu mehr politischem Weitblick verholfen hat oder dazu, das Dilemma seiner Lage in aller Schärfe zu realisieren. Dazu fühlte er sich wahrscheinlich nicht berechtigt. Und das, obwohl sein Namensvetter ihm auch die Selbsterkenntnis nicht vorenthalten haben dürfte, die da lautete: »Ich glaubte, fünf Minuten vor zwölf zu kommen, und bin fünf Minuten nach zwölf gerufen worden.«230 Alles in allem haben wir es mit einem erstaunlichen Szenario zu tun, das diese Kanzlerschaft am 3. Oktober 1918 ermöglicht hat. Einem kakophonischen Zusammenspiel gegensätzlicher Kräfte, die untereinander nicht kommunizieren konnten oder wollten. Die nur ein gemeinsames Ziel verband: Den Untergang des Kaiserreichs aufzuhalten, aber aus ganz unterschiedlichen Motiven und mit durchaus divergierenden Interessen. Sie alle vereint nur, daß sie nicht fähig waren, sich die ganze Wahrheit einzugestehen, die Wahrheit, daß es innerhalb der politischen Strukturen des Kaiserreichs nur mehr Konkurs zu verwalten gab. Daß mithin die einzige Rettung darin bestand, diesen Strukturen endlich den Rücken zu kehren und sich auf die Suche nach Alternativen zu begeben. Als deutscher Reichskanzler stand Max von Baden mit Beginn seiner Amtszeit auf verlorenem Posten. Als Vertreter des Programms des »ethischen Imperialismus« hatte er nach seiner Unterschrift unter das Waffenstillstandsgesuch am 3. und seiner Reichstagsrede vom 398 398
5. Oktober 1918 eigentlich keine politische Existenzberechtigung mehr. Auch für einen ehrenhaften deutschen Frieden war es längst zu spät. Es gab keine Pfunde mehr, mit denen er in den Verhandlungen mit Wilson noch hätte wuchern können, einen persönlichen Prestigebonus schon gar nicht. Um das alte Regime abzuwickeln, fehlten ihm Wille und Bereitschaft, außerdem die Autorität, sich gegenüber den Militärs und Wilhelm II. durchzusetzen. Ausführen konnte er das Programm der Mehrheitsparteien nicht, da er davon nicht überzeugt war. Was also blieb dem Retter des Vaterlandes noch übrig zu tun?
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Kapitel 9
Die Havarie des kaiserlichen Staatsschiffes Das politisch Richtige und Notwendige in der prekären Lage des Reiches zu beschließen, war im Oktober 1918 gewiß nicht leicht. Und es zu exekutieren erst recht nicht – doch es war keineswegs unmöglich. Vorausgesetzt der Wille zu einem Umbau des Herrschaftssystems war da. Dieser hätte sich auf drei Aufgaben konzentrieren müssen: die Abdankung von Kaiser und Kronprinz beziehungsweise deren Ersetzung durch einen Reichsverweser; die Entmachtung von Hindenburg und Ludendorff, das heißt diktatorische Alleingänge der OHL zu unterbinden; sowie schließlich eine wirksame Kontrolle der Reichsleitung durch die parlamentarische Vertretung des deutschen Volkes möglich zu machen. Dazu hätte es eines leitenden Staatsmannes bedurft, der ein politischer Kopf mit einem zupackenden Willen gewesen wäre. Prinz Max von Baden war indes ein Mann, der zauderte. Vor allem konnte er eine solche Reformpolitik nicht mit seiner inneren Haltung bezeugen.
Eine kaiserliche Volksregierung? Am Nachmittag des 5. Oktober 1918 – etwa zwei Stunden vor Eröffnung jener Reichstagssitzung, bei der er erstmals öffentlich als leitender Staatsmann reüssieren sollte – trat Prinz Max von Baden vor den Bundesrat. Diese Vertretung der sogenannten Verbündeten Regierungen aus den deutschen Monarchien und den drei Hansestädten war bis dato – nach der Verfassung jedenfalls – die Föderativregierung des Reiches. Und der Reichskanzler war eigentlich ihr Mann, als Kopf des Bundesratspräsidiums, das der König von Preußen innehatte – also Wilhelm II. Der neue Regierungschef kam gleich zur Sache: Aufgrund des kaiserlichen Erlasses vom 30. September habe er, in Absprache mit den Mehrheitsparteien des Reichstags, eine neue Regierung unter Einbeziehung von Parlamentariern gebildet. Zwar werde diese am bundesstaatlichen Charakter des Reiches 400 400
festhalten – dafür garantiere er mit seiner fürstlichen Person. Unabhängig davon leite er aber dem Bundesrat ein Gesetz zur Änderung der Verfassung zu, das den in die Regierung berufenen Abgeordneten ermöglichen solle, Parlamentsmitglieder zu bleiben. Das preußische Landtagswahlrecht werde nach demokratischen Prinzipien reformiert; wie auch alle anderen Bundesstaaten verpflichtet seien, sich entsprechend zu demokratisieren. Außenpolitisch strebe seine Regierung einen Verständigungsfrieden an. Sie betrachte das 14-Punkte-Programm des US-Präsidenten als geeignete Verhandlungsgrundlage und habe eine entsprechende Note an Wilson übermittelt.1 Max erklärte also Demokratie und Völkerverständigung zu den Zielen seiner Regierungsarbeit – für eine kaiserliche, also preußischdeutsche Regierung eine ganz neue Ausrichtung. Aber das Wichtigste sagte der neue Mann an der Spitze des Reiches nicht: daß mit der sogenannten Parlamentarisierung der Reichsleitung der Kanzler gar kein Organ des Bundesrates mehr war, daß sich mithin die Verbündeten Regierungen einen neuen Geschäftsführer suchen mußten. Auch über die preußische Dimension seines Amtes sprach er nicht, was schon deshalb erstaunlich war, weil er bei seiner Ernennung auf die sonst übliche Personalunion Reichskanzler und Preußischer Ministerpräsident verzichtet hatte. Daß er dieses Gremium über den verlorenen Krieg und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Reich aufklärte wollte, davon war keine Rede. Trotz des großen Klärungsbedarfs ein eher vorpolitisch-dilatorischer Amtsantritt. In ihrer institutionellen Form wie in ihrer Arbeitsweise war die Regierung Max von Baden ein Novum.2 Der Architekt des deutschen Herrschaftsmodells Otto von Bismarck hatte bewußt darauf verzichtet, eine kollegiale Reichsregierung mit Ressortministern zu etablieren und stattdessen nur Reichsämter errichtet, deren leitende Staatssekretäre seiner Weisungsbefugnis unterstanden. Es gab auch keine politische Meinungs- und Willensbildung auf Kabinettsebene. Das sollte sich nun ändern. Zwar blieben die Amtstitel formal bestehen, aber der Übergang zu regelrechten Reichsministerien war unverkennbar. Auch wurde ein Kabinett ins Leben gerufen, das sich mindestens einmal wöchentlich zu regulären Sitzungen traf. Darüber hinaus bildete sich aus dem engeren Zirkel der Staatssekretäre der wesentlichen Reichsämter, der Vertreter der Reichskanzlei und einiger Staatssekretäre ohne Portefeuille ein sogenanntes Kriegska401 401
binett, das fast täglich zusammentrat – bei Bedarf sogar mehrmals täglich.3 Einflußreiche Stimmen dort wurden die beiden Zentrumspolitiker Matthias Erzberger und Adolf Gröber, außerdem der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann. Auch den von der Regierung Hertling übernommenen Vizekanzler Friedrich von Payer wird man in diesen parlamentarisch gefärbten Wirkungszusammenhang stellen müssen. Als Prinz Max ab etwa Mitte Oktober den Kabinettssitzungen zunehmend fernblieb, wuchs sein Stellvertreter in die Rolle eines »Regierungsmanagers« hinein, der nicht nur die meisten bürokratischen Amtsgeschäfte besorgte, sondern auch wichtige Sitzungen leitete. Ansonsten fällt noch auf, daß alle Exekutivbefugnisse in den Händen hoher Bürokraten aus der Vorkriegszeit verblieben – und daß diese fast alle dem ehemaligen Reichskanzler Bethmann Hollweg nahestanden. Zu ihnen zählte etwa der neue Chef des Auswärtigen Amtes, Wilhelm Solf, der neue und alte Chef der Reichskanzlei Arthur Wahnschaffe, der am 11. Oktober auf den angestammten Posten zurückkehrte, und ebenso – außerhalb der Reichsregierung – der letzte Chef des Kaiserlichen Zivilkabinetts, Clemens von Delbrück, vormals Bethmanns Vizekanzler und Staatssekretär im Reichsamt des Innern. Hinter den Kulissen war auch der alte Reichskanzler selbst in die Regierungsgeschäfte seines dritten Nachfolgers involviert.4 Insgesamt betrachtet, hatte dieser Umbau der Reichsleitung viel von einer Stegreifschöpfung unter Rückgriff auf erfahrenes Personal. Eine neue Geschäftsordnung für die zentralstaatliche Willensbildung und ministerielles Handeln sucht man vergeblich. An dieser Stelle muß ein Wort über Kurt Hahn gesagt werden. Nach seinem Fiasko im Kontext von Max’ Antrittsrede hatte er als Möchtegerninspirator der neuen Reichsleitung für einige Tage ins zweite Glied zurücktreten müssen. Aber aus Warburgs Aufzeichnungen geht hervor, daß er weiterhin im Basislager des Prinzen aktiv blieb. Als dieses Mitte Oktober vom Hotel Adlon in das Reichskanzlerpalais in die Wilhelmstraße 77 umzog und es – für kurze Zeit – den Anschein hatte, als würde sich der neue Regierungschef dort richtig etablieren,5 wollte Max seinem wichtigsten Vor- und Mitdenker eine Art von Stabsstelle geben. Doch dieses Vorhaben scheiterte. Denn »man konnte Kurt Hahn nicht bürokratisieren« – wie ein damaliger Beamter schreibt. »Mit seinem Herumirren im Reichskanzlerpalais, seiner Durchbrechung aller Formregeln, seiner Neigung zu langen grundsätzlichen Gesprächen […] war nicht viel anzufangen.«6 Doch 402 402
Das Kabinett der Regierung Baden, Plakatdruck Oktober 1918
nicht nur die Bürokraten »schüttelten über ihn den Kopf«. Selbst viele Regierungsmitglieder haben nach einer Bemerkung von Vizekanzler Payer den »jungen Herrn von pazifistischem Einschlag« und dünnem Nervenkostüm – »uns allen unbekannt und undurchsichtig« – überwiegend »mit ziemlichem Mißtrauen«, sogar »mit Abneigung angesehen«.7 Diese Aversion wurde schließlich so groß, daß sich sogar das Kriegskabinett am 27. Oktober mit Kurt Hahn und dessen mutmaßlichen Einflüssen auf den Reichskanzler befaßte.8 Wahnschaffe und auch Solf versicherten damals den Gegnern Hahns, daß dieser »alte Freund« des Prinzen durchaus »zuverlässig« und überdies ohne »besonderen Einfluß« wäre. Was ihnen die meisten Kolle403 403
gen jedoch nicht so recht abnehmen wollten. So berichtet Scheidemann in seinen Memoiren von einer privaten Zusammenkunft, an der »außer Gröber, Erzberger, Haußmann und mir noch einer der Staatssekretäre aus kaiserlicher Zeit [vermutlich von Roedern] teilnahm«. Dort »haben wir die Frage besprochen, wie man den Prinzen von dem jungen Mann loslösen könnte. Mit Bestimmtheit erinnere ich mich, daß Haußmann damals gesagt hat, es werde kaum gelingen, Herrn Hahn aus dem Reichskanzlerpalais zu entfernen.«9 Und so war es. Unter der Ägide von Walter Simons, dem nun hauptamtlichen Berater des Kanzlers, durfte Hahn weiterhin seine Rolle als ein Vertrauter von Max spielen. Dessen persönlicher Adjutant Racknitz hat allerdings aus seiner Zeit in der Reichskanzlei berichtet, daß »man die Freundschaft dort nicht gern sah«. Zumal sich Hahn wohl intensiv in das Privatleben des Regierungschefs einmischte. So besorgte er dem an Spannkraft einbüßenden Max zum Beispiel eine spezielle Masseuse und mußte auch bei anderen Problemen »immer wieder herbeigeholt werden«.10 Gleichviel, Hahns Einfluß auf den Gang der politischen Ereignisse in diesen Wochen darf bei all seiner Nähe zu Max nicht überschätzt werden. Bei den meisten der wenigen Entschließungen des Kanzlers lag die Federführung wohl eher bei Simons oder bei Wahnschaffe. Ein übriges tat der eingespielte Geschäftsbetrieb der Staatsbürokratie, der Schamanen wie Hahn nicht gebrauchen konnte. Und was schließlich alles Informelle anbelangt, so dürfte es bis Ende Oktober eher Max Warburg gewesen sein, auf den Max hörte. Immer wenn er an jene Zeit zurückdenke, so versicherte er dem Hamburger noch ein Jahr später, »gedenke ich Ihrer mit Dankbarkeit. Wenn Sie ins Zimmer traten, brach immer so etwas wie ein Hoffnungsstrahl durch die finstere Atmosphäre, die Berlin erfüllte.«11 Unbestritten ist dennoch die psychologische Sicherheit, die Hahn dem Kanzler durch seine universelle Verfügbarkeit und Anwesenheit gab. Außerdem tat er das Menschenmögliche, um den Prinzen allen Widrigkeiten zum Trotz in dem Glauben an seine deutsche Sendung zu bestärken, seine große geschichtliche Aufgabe. Nach einer Bemerkung von Max Warburg blieb Hahns Stellung den ganzen Oktober über wohl dennoch »schwierig«.12 Bei näherer Betrachtung der Strukturen innerhalb der Reichsleitung springen die vielen informellen Zirkel und Stäbe ins Auge, die neben dem offiziellen Kabinett existierten und diesem wesentliche Ent404 404
scheidungskompetenzen entzogen. Der neue Kanzler verlagerte den Schwerpunkt seiner Tätigkeit schon bald nach Amtsantritt aus den beiden offiziellen Gremien von Gesamt- und Kriegskabinett in sein Privatkabinett, bestehend aus engen Vertrauten.13 Aber auch einzelne Kabinettsmitglieder wurden von ihm in unterschiedlicher personeller Zusammensetzung zu vertraulichen Beratungen herangezogen; einige davon während einer Grippe sogar an seinem Krankenbett. »Regieren«, das war unter Max, was die politische Meinungsbildung betrifft, ein recht polymorphes Gefüge. Auf der exekutiven Ebene ließ man das bürokratische Gouvernement aus Wilhelminischer Zeit weitgehend unangetastet und auch die Zugänge der höfischen Hintertreppen offen. Bis Ende Oktober gab es keinerlei Einfluß der Regierung auf den Militärapparat. OHL und Seekriegsleitung verwehrten der Regierung jeden tieferen Einblick in innermilitärische Angelegenheiten. So blieb das ganze Ausmaß der Kriegsniederlage selbst für die Reichsleitung unklar. Wenn innerhalb des Kabinetts bis zuletzt die Möglichkeit einer Fortführung des Krieges ventiliert wurde, dann ging das hauptsächlich auf eben jenes Informationsdefizit der Reichsleitung zurück. Ebenso unangetastet blieb auch die kaiserliche Prärogative. Beides änderte sich erst mit der dritten Note des amerikanischen Präsidenten, der am 23. Oktober forderte, den Einfluß der »bisherigen militärischen Befehlshaber und monarchischen Autokraten« sichtbar zu unterbinden. Woraufhin die Regierung ein zweites die Verfassung änderndes Gesetz vorlegte. Erst diese Verfassungsreform vom 28. Oktober band den Reichskanzler in militärische Entscheidungen ein und beendete monarchische Vorrechte, indem sie die parlamentarische Verantwortlichkeit des Regierungschefs gesetzlich fixierte und dies von Kaiser Wilhelm II. ausdrücklich bestätigen ließ. Ab diesem Zeitpunkt kann man formal von einer parlamentarischen Regierung in Deutschland sprechen. »Formal«, weil sich die Reichsleitung nie uneingeschränkt zum parlamentarischen Regierungssystem bekannt hat.14 Was sie schon deswegen nicht konnte, weil selbst über die zweite Verfassungsreform hinaus der Reichsmonarch – wie überhaupt die Monarchie schlechthin – als eine politisch zentrale Instanz angesehen wurde. Den Übergang zu einer selbstbestimmten demokratisch-parlamentarischen Regierungsweise jenseits des Kaisers hat das Kabinett Max von Baden gar nicht erst zu schaffen versucht. Nach außen sollte zwar das deutsche Volk als die legitima405 405
tionsstiftende Quelle des Regierungshandelns erscheinen,15 tatsächlich aber ging das Bestreben dahin, die Reichspolitik vom Volkswillen möglichst abzuschotten und insbesondere das Parlament von den politischen Entscheidungsprozessen fernzuhalten. In dem Augenblick, wo sich die improvisierte parlamentarische Monarchie in der Praxis als solche bewähren sollte, verweigerte sie sich ihrer Bestimmung. Eine andere Art von Selbstbescheidung zeigt der Blick auf die konkrete politische Agenda dieser Regierung. Liest man all die umfangreichen Sitzungsprotokolle und nimmt noch das hinzu, was an Quellen über die Vorgänge in den diversen Nebenregierungen überliefert ist, so zeigt sich deutlich, die Aufgabe bestand im Grunde nur aus einem einzigen Punkt: den verlorenen Krieg abzuwickeln. Und zwar in Form einer politischen Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Präsidenten Wilson. Alles Denken, Tun und Lassen dieser Regierung war letzten Endes auf diesen einen Ansprechpartner ausgerichtet. Und auf die Hoffnung, durch seine Vermittlung in der restlos verfahrenen Situation doch noch einen annehmbaren »guten Frieden« zu erhalten. So geriet auch die innerdeutsche Politik in den Sog von Wilsons Vorgaben. Der Takt der Antwortnoten Wilsons bestimmte den Takt der Arbeit der Regierung Max von Baden.16 In den gut fünf Regierungswochen hat es dabei deutlich unterscheidbare Phasen gegeben. Zunächst wurde noch der Eindruck aufrechterhalten, business as usual betreiben zu können. Das heißt, die 14 Punkte Wilsons wurden gewissermaßen als eigenes Handlungskonzept adaptiert – namentlich jene Punkte, die Deutschland direkt und besonders hart trafen: die vollständige Aufgabe aller von ihm besetzten Gebiete, die Abtretung von Elsaß-Lothringen an Frankreich sowie die Abtretung von Posen und Westpreußen an einen neu zu gründenden polnischen Staat. Diese Bemühungen irritierte die erste Note Wilsons vom 8. Oktober zunächst noch wenig, weil der Präsident der USA – statt eine Antwort auf das deutsche Waffenstillstandsgesuch zu geben – zunächst einmal Fragen stellte. Allen voran diese: Für wen die neue deutsche Regierung eigentlich spreche? Seine zweite Note vom 16. Oktober trübte jedoch bereits die Stimmung der zunächst leidlich zuversichtlichen Regierungsmitglieder. Wilson forderte die unverzügliche Einstellung des deutschen U-Boot-Krieges. Die Regierung stimmte zu – gegen den Widerstand der Militärs, die dabei erstmals in einem Kon406 406
flikt mit der Reichsleitung den kürzeren zogen. Mit seiner dritten Note ließ Wilson die drohende Regierungskrise real werden. Denn sie zwang die Reichsleitung in ungewollte Opposition zur OHL, die weitere Verhandlungen mit Amerika rigoros ablehnte und den »Endkampf« ausrief. Wollte die Wilhelmstraße nun nicht politisch entmündigt dastehen, mußte sie den Kopf Ludendorffs fordern. Die letzte deutsche Note an den amerikanischen Präsidenten versuchte den zwischenzeitlich angerichteten Schaden wieder gutzumachen. In ihrem Kern war sie kaum mehr als eine höfliche Bitte um Gnade. Die Reichsleitung kapitulierte. Und provozierte damit auch die Frage nach der Abdankung des deutschen Kaisers, die schlagartig in den Mittelpunkt des politischen Geschehens rückte. Was die Arbeit des Reichskanzlers anlangt, so verlegte er sich zunächst darauf, die sogenannte Volksregierung nach außen zu repräsentieren – und das gar nicht einmal schlecht: Seine beiden einzigen Reden vor dem Reichstag am 5. und 22. Oktober 1918 waren rhetorisch überdurchschnittlich und durchaus von Esprit getragen. In der letzten beschwor er als erster deutscher Kriegskanzler überhaupt den Rechtsfrieden einer weltweit vernetzten internationalen Staatengemeinschaft – durch geistvolle Interpretation des 14. Punktes von Wilsons Programm. Doch zu den drängenden aktuellen Fragen war von Prinz Max nichts zu vernehmen – schon gar nicht konkrete Argumente, die dem Regierungslager im Parlament Rückenwind gegeben hätten. Kabinettsintern fungierte er anfangs als eine Art Vorsitzender, der Sitzungen zu leiten verstand und intelligente Nachfragen stellte – so, wie er es als Präsident der Ersten Badischen Kammer getan hatte. Mit seinem Wesen erweckte er viel persönliche Zuneigung unter seinen Kabinettsmitgliedern, aber Respekt flößte er ihnen weniger ein. Zumal er in Sachfragen so gut wie keine Entscheidungen herbeiführte – und nach etwa zwei Wochen seine Beteiligung an den Kabinettssitzungen sogar weitgehend einstellte. Nur ein einziges Mal während seiner Kanzlerschaft schien er von seiner politischen Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, im engeren Sinne zu regieren. Bezeichnenderweise allerdings ex negativo, und zwar im Zusammenhang der Monarchiekrise Ende Oktober. Es war die kaiserkritische Einstellung Scheidemanns, die Max zu der Vorgabe nötigte, dem Kabinett in der Abdankungsfrage jede Eigeninitiative zu untersagen. Diese Disziplinierung kam einer Aufforderung zur Selbstausschaltung der Regierung gleich – und das in einer politischen Kardi407 407
nalfrage, in der der Kabinettschef sich nicht einmal seinen Regierungsmitgliedern gegenüber eindeutig positioniert hatte. Doch das Denkwürdige geschah: Die Regierung erstarrte in Untätigkeit. Eine ganze Woche, bis zum 7. November, tauchte sie buchstäblich ab und blieb in dieser Gretchenfrage völlig passiv.17 Selbst die Sozialisten ließen sich vorübergehend beschwichtigen. Das mußte gerade jenen Kräften im Lande Auftrieb geben, die ohnedies der Überzeugung waren, daß die Monarchie als Friedens- und Wohlfahrtshindernis generell abgeschafft gehört. Mit ihrer Untätigkeit schadete die Regierung somit sich selbst am meisten, setzte Vertrauen aufs Spiel. Doch gegen den Reichskanzler zu opponieren, ihn auf demokratische Weise zur Raison zu bringen, das blieb für seine Kabinettskollegen tabu. Selbst wenn es darum ging, ihn vor den unabsehbaren Folgen seiner Zumutung zu bewahren – oder die eigene, öffentlich reklamierte Rolle als »Regierung des Volksvertrauens« (Friedrich Ebert) glaubwürdig auszufüllen. Und noch etwas war deutlich geworden. Der Kanzler hatte zu erkennen gegeben, daß er seine Regierungsmannschaft nicht als sein Team und das Kabinett als politisches Spielfeld betrachtete – sondern beides eher als eine Art Klotz am Bein seiner Bewegungsfreiheit empfand. Und wie stand es mit dem Verhältnis zum Parlament? Die Fraktionen als wesentliche politische Einheiten des Reichstags blieben bis zum 7. November 1918 mehr oder weniger außerhalb des Betätigungsfelds der Regierenden. Allein die SPD-Fraktion wurde von ihren Vertretern über einzelne Regierungsschritte informiert und durfte dann mitdiskutieren und -entscheiden. Auch ein weiteres parlamentarisches Instrument, das seiner Struktur nach eigentlich eine recht effektive Verbindung zwischen Regierung und Parlament hätte herstellen können, kam nicht zum Zug: der Interfraktionelle Ausschuß. Er trat bis zum 7. November nur ein einziges Mal politisch in Erscheinung – in der sogenannten Briefaffäre, die uns später noch beschäftigen wird. Im übrigen verharrte er in freiwilliger Gefolgschaft. So konnte eine parlamentarisch vermittelte Rückkoppelung des Staats-, genauer: des Regierungswillens an den Volkswillen nicht stattfinden. Zwar sprach der Regierungschef im Reichstag von einer »Volksregierung« und vermittelte damit den Eindruck, sie exekutiere den Willen des Volkes.18 Tatsächlich hat aber eine kommunikative Verbindung von Volk und Regierung niemals bestanden. Das Versprechen einer neuen Politik beschränkte sich auf die Suche nach ge408 408
eigneten Metaphern, die das Ansehen der Exekutive rhetorisch erhöhen sollten. Eine wirkliche Übereinstimmung mit der Volksmehrheit hat die Regierung Max von Baden nicht gesucht. Dafür hätte sie nicht zuletzt auch die Zensur aufheben müssen, die seit Ausbruch des Krieges in Deutschland herrschte. Denn die freie Meinungsbildung im Volk war und blieb die strukturelle Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Das fand aber nicht statt.19 Effektiv isolierte sich die Regierung damit vom Volk und verlor gesichertes Wissen über die Stimmung in den Massen, insbesondere über den Verfall jeglicher Kriegsbegeisterung.20 Dieselbe Scheu der Regierungsvertreter vor einer freien Debatte zeigte sich schließlich im Reichstag. Wie hoch der Diskussionsbedarf selbst bei jenen Abgeordneten war, die die Regierung politisch unterstützten, zeigte sich nach dem zweiten Auftritt des Prinzen Max von Baden vor dem Reichstag. Diesmal mußten die Regierungsvertreter dem Bedürfnis nach einer Aussprache nachkommen – und diese führte prompt zu einer fünftägigen, leidenschaftlich geführten Debatte. Einer Debatte, in der die Protagonisten der Regierung recht blaß blieben – und der Kanzler gar nicht erst anwesend war.21 So konnte er der wichtigen Scharnierfunktion des Parlaments nicht gewahr werden, die es in dieser historischen Stunde zwischen dem Volk und der Regierung unbedingt wahrnehmen wollte; nun, wo nach einem Wort von Hugo Haase »die Demokratisierung der deutschen Verfassungszustände anzubahnen versucht wird«.22 So redeten Regierung und Volk weiter aneinander vorbei auf dieser letzten Sitzung vor dem Ausbruch der deutschen Revolution. Über die Strukturen, Mentalitäten und Handlungsoptionen einer mehr oder weniger bürokratischen Staatsleitung im Geiste eines parlamentarisch aufgeklärten Absolutismus, also von oben herab, gelangte diese Regierung nicht hinaus.23 Daran, den Belagerungszustand im Innern zu lockern oder gar aufzuheben, hat sie nie ernsthaft gedacht. Die Regierung versuchte, so gut sie konnte, nach allen Seiten das Gesicht zu wahren; gerierte sich mal als Präzeptor einer deutschen Demokratie, mal als selbstbewußter Verhandlungspartner der Alliierten im Stile des »ethischen Imperialismus« – und, das vor allem, als eine immer noch funktionstüchtige Staatsmaschinerie. Auch unter Max von Baden behielt das Regime seinen autoritären Charakter – bevormundend im Namen der Demokratie. Von den sich selbst organisierenden Massenbewegungen nahm es kaum Notiz. So stieß 409 409
es nur bis an das letzte Ende jener systempolitischen Sackgasse vor, die Bismarcks Konstitutionalismus vorgegeben hatte. Und der Chef dieser Regierung? Der war weder ihr politischer Reformator noch ein Spiritus rector – eher ihre Galionsfigur. Er lavierte zwischen den verschiedenen politischen Kräften und Optionen, zwischen höfischer Sphäre, OHL sowie seinem im Grunde ungeliebten Kabinett. Politische Beziehungen zu den Trägern der Parteien und Fraktionen unterhielt er kaum, wenn man einmal von Friedrich Ebert absieht. Viel Zeit widmete er dem Netzwerk seiner informellen Aushilfen. Führungsqualitäten, Sachkompetenz und Souveränität entfaltete er bei alledem nicht.
Die Briefaffäre Einen Beweis für seine moralische Integrität oder zumindest seine politische Lernfähigkeit hätte der Reichskanzler aus Baden schon eine Woche nach seiner Einsetzung erbringen können, als es zu einer für ihn peinlichen Enthüllung kam. Ein Privatbrief kam ans Licht, den er im Januar 1918 an den Prinzen Alexander zu Hohenlohe-Schillingsfürst geschrieben hatte, um diesen über sein Programm des »ethischen Imperialismus« ins Bild zu setzen.24 Vor seiner damaligen Meinungsäußerung mußte die Reichstagsrede vom 5. Oktober als Farce, sogar als Etikettenschwindel erscheinen. Denn Max hatte sich in dem besagten Brief nicht nur ganz entschieden gegen die parlamentarische Demokratie verwahrt, sondern auch jede Verständigung verhöhnt, die den Weltmachtanspruch des Deutschen Reiches zunichte zu machen drohte: den sogenannten Verzichtfrieden à la »Erzberger-Scheidemann«. Es war dieser eklatante Widerspruch zwischen Schein und Sein, der den in der neutralen Schweiz lebenden Pazifisten, Prinz Alexander zu Hohenlohe-Schillingsfürst bewog,25 den Brief zur Veröffentlichung freizugeben.26 Unverkennbar zielte sein Vorstoß darauf, das Vertrauen in den Kanzler vor allem im Ausland zu untergraben und seinen Ruf als demokratischer Reformer zu beschädigen. Ein Wink mit dem Zaunpfahl namentlich an die Adresse Wilsons, der seine Wirkung auch nicht verfehlte. Der fürstliche Taufpate der sogenannten Demokratie – schrieb die New York Times sehr hämisch – stünde nun »as a slippery character« da, was man durchaus mit »schlüpfrig« übersetzen kann. Dieses neuerliche Fias410 410
Kein Kanzler der Alliierten: Wilson gibt Max von Baden die »(be-)trügerische« Friedensnote als »wertlos« zurück, Karikatur New York Times, 1918
ko, so hieß es weiter, werde den Glauben der Alliierten an die Aufrichtigkeit der jüngsten deutschen Zusicherungen gewiß nicht stärken.27 In Paris und London waren die Presse-Reaktionen ähnlich.28 Die Regierungen der Entente dürften indes nicht sonderlich überrascht gewesen sein, da sie dem kaiserlichen Regierungschef ohnedies nicht über den Weg trauten.29 Der Flurschaden auf dem diplomatischen Terrain war das eine.30 Das andere war, daß dieser Brief auch in der deutschen Öffentlichkeit für erhebliche Irritationen sorgte. Nicht allein, daß sein erst jüngst propagiertes Idealbild eine erhebliche Trübung erfuhr,31 auch sein Ansehen als besonders vertrauenswürdige, gradlinige Persönlichkeit wurde so beschädigt.32 In seinem Erinnerungswerk von 1927 äußerte Max sich gegenüber diesem politischen Störmanöver wie folgt: »Meine Verlegenheit war jetzt groß, umso größer, als ich bei meinem Amts411 411
antritt gezwungen war, meine eigene Politik zu verleugnen: ich hatte eine Regierung zu vertreten, die ich nicht gebildet hatte, und wie ich sie nie gebildet haben würde, und ein Angebot [i. e. das Waffenstillstandsangebot an Wilson vom 3. Oktober 1918] zu unterzeichnen, das ohne mich beschlossen und gegen mich aufrechterhalten worden war. […] Bisher hatte ich keine Gelegenheit gefunden, mich zu meinem eigenen Programm zu bekennen, das nun die Entente ans Licht zog.«33 Das könnte man nachträglichen Bekennermut nennen, denn das scheint tatsächlich einiges von seinem damaligen Befinden einzufangen. Doch hatte die Sache einen Haken. »Gezwungen« zu den erwähnten Selbstverleugnungen hatte ihn nämlich – wie wir wissen – ausschließlich er selbst; die Tragik seiner Ambition, eine politische Heldenrolle spielen zu wollen. Es waren mithin lauter selbstgemachte Probleme, die sich nach und nach aus dem Berg seiner politischen Vergangenheit lösten, um als gefährlicher Steinschlag auf seinen Weg zu stürzen. Aus dieser Gefahrenzone hätte er sich befreien können. Wenn er seiner eigenen Logik gefolgt wäre. Wenn er etwa die Enthüllung zum Anlaß genommen hätte, sich tatsächlich zu seinem »eigenen Programm«, zu seiner »eigenen Politik« zu bekennen, also zum »ethischen Imperialismus«. Damit hätte er nach seinen ersten fahrigen Tast- und Gehversuchen auf dem Berliner Parkett wenigstens aus dem bisherigen Stolpern heraus etwas Tritt fassen, mithin auf eigene Beine kommen können. Doch wäre die Politik des 5. Oktober überhaupt noch rückgängig zu machen gewesen? Hätte das Reich unter den Fahnen des »ethischen Imperialismus« weiter Krieg führen sollen – bis zum bitteren Ende? Max wußte es nicht, wollte sich die Option aber offen halten – und hat das auch bis Ende Oktober versucht.34 Besser wäre freilich das gewesen, was sich intellektuelle Sympathisanten des Bedrängten wie namentlich Theodor Wolff oder Maximilian Harden wünschten.35 »Der Prinz konnte, als ihm der Brief vorgelegt wurde, einfach sagen: ›Ich muß Ihnen, werte Herren, offen gestehen, ich wußte selbst nicht mehr, daß ich noch im Januar 1918 so verrückte Stunden gehabt habe.« Er hätte »Unsinn« geschrieben, die »Stimmung« ihm »das Urteilsorgan überflutet. Wollen Sie, daß ich gehe, dann gehe ich; wollen Sie, daß ich bleibe und Sie mich nach meinen Taten beurteilen, nicht nach Zufallsgerede, dann bin ich auch morgen Ihr Mann.‹«36 Mit so einer Geste wäre die Reichsregie412 412
rung womöglich nach links gerückt, und ihr Chef hätte sich vielleicht mit der Rolle ihres altfürstlich legitimierten Aushängeschildes begnügen müssen. Aber er wäre in der politischen Wirklichkeit angekommen. Er hätte Charakter gezeigt – fähig zu erkennen, wie die Entwicklung weitergehen werde, nachdem das Waffenstillstandsgesuch die Alliierten einmal erreicht hatte. Realpolitische Schadensabwicklung eben – und keine Politik der großen Worte und noch größeren Hintergedanken. Max hat es weder mit der einen noch mit der anderen Option versucht, sondern – wieder einmal – mit der Quadratur des Kreises und der Politik der Halbwahrheit. Am liebsten wäre es ihm sogar gewesen, den Zwischenfall kommentarlos auszusitzen; aber dafür hatte dieser Brief schon zu viele Leute mit politischem Gewicht aufgebracht. Den einflußreichen Finanzminister Graf Rödern zum Beispiel, der nachgerade »außer sich« war über diese »Entgleisung auf der sonst so gut angelegten Bahn«.37 Oder Friedrich Ebert, der sich durch den Briefinhalt in seinem treuen Glauben an den Prinzen so düpiert fühlte, daß er im Interfraktionellen Ausschuß sagte: »Prinz Max von Baden ist und bleibt für alle Zeiten gerichtet.« Er »muß gehen«.38 Es bestand also akuter Handlungsbedarf. Aber was war zu tun? Max wußte es nicht, weder im Kabinett noch gar im Parlament mochte er über die Sache sprechen, geschweige denn diskutieren. Seinen Brief zu veröffentlichen, das erlaubte er ebenfalls nicht. So mußte sich seine Entourage daranmachen, den Unglücklichen aus der Schußlinie zu bringen. Simons und Haußmann – zwei gewiefte Juristen – brüteten mit Hilfe von Hahn eine Erklärung aus, durch deren Verlesung im Interfraktionellen Ausschuß sich der Prinz am 12. Oktober rechtfertigen sollte. Das Kunststück bestand darin, an der Wahrheit vorbeizureden, ohne als Lügner dazustehen. Die Erklärung lief im Kern darauf hinaus, die politische Täuschung der Reichstagsmehrheit zu vertuschen und die Politik der Doppelzüngigkeit fortzuschreiben. Wenn die spätere Veröffentlichung seiner Verteidigungsrede authentisch ist,39 so blieb Max bestrebt, sich gegen den vermeintlichen »Verdächtigungsversuch« vor allem mit damals unüberprüfbaren Halbwahrheiten zur Wehr zu setzen. So ließ er verlautbaren, seine politische Gesinnung habe sich in den letzten vier Jahren »in gerader Linie fortentwickelt, und ich spreche hier nur aus, daß das, wofür ich heute überzeugt eintrete, ein logischer Schritt in dieser Entwicklung ist«. So brauchte Max weder zu sagen, wofür er 413 413
im Oktober 1918 überzeugt eintrat, noch mußte er für sein Programm des »ethischen Imperialismus« Abbitte leisten. Zum Schluß ließen ihn seine professionellen Advokaten noch folgendes sagen: »Drängt sich mir die Überzeugung auf, daß meine Person ein Hindernis auf dem Weg des Friedens ist, so werde ich es in diesem wie in jedem anderen Fall für meine Pflicht halten, mein Amt zu verlassen.« Sprach’s und verließ sofort den Raum. Das also verstand man im Reichskanzlerpalais unter einer vertrauensbildenden Maßnahme. Gleichwohl hat dieser Kanzlermonolog, der aus dem Fehltritt keine Konsequenz ziehen mochte, den Prinzen exkulpieren und vor der offenen Desavouierung tatsächlich retten können. Allerdings nur bei den Führern der Mehrheitsparteien und seinen Regierungskollegen, die allesamt bei der Stange blieben.40 Für die schien die Kanzlerkrise tatsächlich schon am 14. Oktober mehr oder weniger beschworen, »weil auf allen Seiten der feste Wille vorherrschte, die unangenehme Briefaffäre in die Versenkung verschwinden zu lassen«; das heißt keinen Kanzlerwechsel vorzunehmen.41 Die MSPD insgesamt zierte sich noch etwas, ehe sie am Tag darauf unter Einwirkung von Ebert, Scheidemann und David klein beigab; vielleicht nicht ohne politische Hintergedanken – so bemerkte Otto Braun: »Nachdem der Mann uns diese Schwäche gezeigt hat, stärkt er unsere Position. Der Mann kann getrieben werden!«42 Gleichviel, ein Befreiungsschlag war das nicht; konnte es auch gar nicht sein. Denn das Problem selbst, der doppelzüngige Kanzler, war ja geblieben. Das einzig Gute für die Regierungskoalition war vielleicht noch, daß sich ihr Chef nun einen weiteren antidemokratischen Fehltritt nicht mehr leisten konnte.
Die Entlassung Ludendorffs Max’ vielleicht größte Unterlassung bestand darin, daß er dem deutschen Volk die fatale militärische Lage im Herbst 1918 nicht vermitteln wollte. Am 16. Oktober erklärte der Reichskanzler seinem Kabinett ganz ungeniert, »das Volk habe [heute] ebenso wenig eine Ahnung von der [militärischen] Lage, wie er sie gehabt habe, als er nach Berlin gekommen sei und man ihm die Friedensnote zur Unterschrift in die Hand gezwungen habe«.43 Das heißt, zwei Wochen nach Installation der Volksregierung Max von Baden saßen die Gran414 414
den der OHL politisch weiterhin so fest im Sattel, daß sie die – nicht zum wenigsten auch psychologische – Kriegsführung des Reiches unverändert nach eigenem Gusto bestimmen konnten, auch der neuen Reichsleitung gegenüber.44 Noch am 14. Oktober hatte Hindenburg aus dieser Selbstherrlichkeit heraus bei Max von Baden eine »eingehende Beeinflussung des Volkes« in dem Sinne eingefordert, daß es für die Deutschen nur mehr »zwei Wege gibt: Ehrenvoller Friede oder Kampf bis zum äußersten«.45 Diesem Diktat war zwei Tage zuvor die Rücktrittsdrohung des OHL-Chefs für den Fall vorangegangen, daß die Regierung versuchen sollte, eine Ablösung seines »treuen Ratgebers« Ludendorff zu erwirken. Ein immer noch erfolgreicher Erpressungsversuch, wie die eilfertige Antwort des Prinzen zeigt. Er teile Hindenburgs Ansicht über die »Unersetzlichkeit« des Generalquartiermeisters und »stehe hierin treu zu E[uer] E[xellenz]«.46 Dabei wäre wahrscheinlich nichts von den Reformansprüchen der Regierung Max von Baden so sehr zum Guten ausgeschlagen, als sich beherzt von Hindenburg und Ludendorff zu emanzipieren und an deren Stelle eine loyale und politisch verläßliche militärische Führungsriege zu etablieren. Für einen solchen Personalwechsel standen die Zeichen angesichts des rapiden Ansehensverlustes der beiden Heerführer mehr als gut. Sie hatten sich durch ihren militärischen Offenbarungseid schon ein ganzes Stück weit selbst entzaubert. Sogar Ludendorffs fachliche Autorität war inzwischen alles andere als unumstritten. Seine überraschende Forderung, den Krieg zu beenden, galt als Fanal der Niederlage – einer Niederlage, die von vielen Seiten dem großen Feldherrn in die Schuhe geschoben wurde; er bot sich deshalb als Sündenbock geradezu an. Dies hätte freilich den Rücktritt von Hindenburg fast zwangsläufig nach sich gezogen – so glaubte man wenigstens. Doch davor schreckten fast alle zurück; auch die Regierung Max von Baden. Die meisten Skrupel vor einem solchen radikalen Schnitt hatte der Prinz selbst. Zum einen, weil er sich seit dem Frühjahr 1918 um Ludendorffs Gunst bemüht hatte und nun in dessen Pflicht stand. Aber auch deshalb, weil er einfach nicht im Bilde war, vielleicht auch gar nicht sein wollte, daß an der Kriegsniederlage tatsächlich kein Weg mehr vorbeiführte. Außerdem wußte er praktisch nichts über die Pläne des Generalstabs zur Kriegsführung für die Zeit nach der militärischen Bankrotterklärung Ende September 1918. Er ahnte nicht einmal, daß es sie nicht gab. 415 415
Die Regie der Niederlage und damit Deutschlands Zukunft waren für die OHL letztlich eine Art black box. Und für die ahnungslose Reichsleitung war sie das erst recht. Politik wurde das, was dieser Regierung gerade passierte. Der große Antreiber hinter dem Handeln der Reichsleitung blieb letztlich der amerikanische Präsident Wilson. Daß Deutschland unter diesen Umständen machtpolitisch enorm zurückstecken mußte, um aus der militärischen Niederlage wenigstens noch halbwegs glimpflich herauszukommen, das mochte Anfang Oktober 1918 regierungsintern zunächst nur Wilhelm Solf, der Chef des Auswärtigen Amtes, begreifen. Dafür hatten die eindringlichen Berichte der beiden Vertreter seiner Behörde im Großen Hauptquartier, Grünau beziehungsweise dessen Vertreter Lersner, gesorgt. Sie hielten mit Schreckensbotschaften über die Kriegslage ebensowenig hinterm Berg wie mit massiver Kritik an Ludendorff und Hindenburg.47 Der Kanzler selbst wußte sich hingegen lange keinen Rat. Über seine verwandtschaftlichen Beziehungen versuchte er auf informellen Wegen herauszufinden, »ob die Lage an der Westfront tatsächlich hoffnungslos ist« – und erhielt »erschütternde« Eindrücke.48 Ähnliches hörte er in einer persönlichen Unterredung mit Lersner am Abend des 8. Oktober und erfuhr von ihm auch, daß Ludendorffs Autorität im Felde »gelitten« habe, während »Hindenburg, wie ein Fels, nach wie vor bei der Armee im höchsten Ansehen« stünde.49 Dennoch hat er aus seinem Wissen keine Konsequenzen gezogen; auch nicht widersprochen, als Ludendorff am nächsten Tag vor seiner versammelten Regierungsmannschaft in Berlin erklärte: Für die weitere Kriegsführung könne die Reichsleitung der OHL weiterhin die Alleinverantwortung überlassen. Es gelte nun, die Armee unbedingt zu retten, das heißt, sie kampffähig zu erhalten. Dafür benötige sie erstens Ruhe und zweitens möglichst viel Ersatztruppen aus der Heimat. Außerdem brauche man »etwas zur Hebung des nationalen Schwunges«. Das klang beinahe anmaßend, wenn man bedenkt, daß Ludendorff nicht verhehlte, daß es nach wie vor ungewiß war, ob die Westfront überhaupt zu halten sei, und sogar zugab, daß er die Moral der Truppe für unberechenbar halte.50 So durfte der unbelehrbare Feldherr Berlin in dem Gefühl verlassen, die Zügel immer noch fest in der Hand zu halten. Kein Wort der Kritik an ihm war laut geworden, kein Regierungsmitglied hatte ihm oder gar der OHL einen Vorwurf für die desaströse Kriegslage gemacht, keiner seinen Nimbus in Frage gestellt. Den autokratisch 416 416
agierenden Heerführer auf die Politik der Reichsleitung zu verpflichten und selbst die Regie der Kriegsführung zu beanspruchen, das war niemandem aus der Reichsleitung in den Sinn gekommen. Auch Max von Baden nicht. Die Gründe dafür hat er einen Tag später gegenüber Wilhelm von Hohenzollern-Sigmaringen in einer Privataudienz angedeutet. Er wolle mit einem Tatsachenbericht zur militärischen Lage »noch nicht an die Öffentlichkeit treten, um das Vertrauen von Heer und Volk in die Oberste Heeresleitung nicht zu erschüttern«.51 In diesem Sinne hat er auch am Tag darauf seinem Kabinett erklärt: Wenn etwa die Abtretung von Elsaß-Lothringen und der polnischen Gebiete »von uns verlangt wird, wird die OHL entscheiden müssen, ob wir es durch Kampf abwenden können«. Man müsse sich offen halten, unter Umständen noch einmal zu den Waffen zu greifen.52 Demnach war die schon erwähnte Loyalitätserklärung des Prinzen gegenüber Hindenburg am 13. Oktober durchaus folgerichtig, und keineswegs Opportunismus. Sie ging völlig konform mit der Haltung, wie sie Max seit eh und je der dritten OHL gegenüber eingenommen hatte. Mit dem oben erwähnten Telegramm Hindenburgs zur Befeuerung der Kriegsstimmung scheint die OHL jedoch Mitte Oktober den Bogen überspannt zu haben. Solf sah darin jedenfalls eine Provokation und den unlauteren Versuch, die Verantwortung für die andauernd schlechte Stimmungslage im Reich »zu verschieben«.53 Auch andere Regierungsmitglieder zeigten sich indigniert. Sie forderten, weitere Armeeführer hinzuzuziehen, um sich ein realistisches Bild der Lage machen zu können. So geriet auch der Regierungschef unter Druck. Von seinen Mitarbeitern hatte er einen Fragekatalog an Ludendorff aufsetzen und ihm mit der Bitte zuleiten lassen, umgehend in Berlin Auskunft zu geben, was die Armee noch zu leisten imstande sei. »Wegen der Anhörung anderer Heerführer«, so erklärte Max seinen Kabinettskollegen am 16. Oktober, »habe er Seiner Majestät Vortrag gehalten und erwarte noch im Verlaufe des Tages die Entscheidung des Kaisers, von der seine weiteren Schritte abhängig seien. Man müßte damit rechnen, daß Hindenburg und Ludendorff die Zuziehung persönlich nehmen würden.« Immer noch traute er sich nicht, deren Selbstherrlichkeit Einhalt zu gebieten und eigene Führung zu reklamieren. Sollte es doch der Oberste Kriegsherr richten. Der gab ihm tatsächlich grünes Licht, noch andere militärische Persönlichkeiten »außer Ludendorff« zu hören. Ob ihm das viel genützt 417 417
hat bei dem Vier-Augen-Gespräch, das er am 17. Oktober mit dem Kopf der OHL führte, ist eher zweifelhaft. Denn Ludendorff ging gleich in die Offensive, indem er die Befragung weiterer Heerführer zu einem »Mißtrauensvotum« gegen die OHL erklärte und für diesen Fall mit »sofortigem Rücktritt« drohte.54 Daß dies seine Wirkung nicht verfehlte, zeigte sich auf der Sitzung des engeren Kriegskabinetts, die kurz nach der besagten Begegnung stattfand. Dort zeigte Max Bedenken, »ob man den Abschied der beiden verantworten könne«. Worauf sein Kabinettskollege Graf Rödern die interessante Frage aufwarf, »ob es nicht denkbar sei, daß der Kaiser den Generalfeldmarschall bewege, das höchste Opfer zu bringen und auch ohne Ludendorff zu bleiben«. Das sei vielleicht »nicht ganz unmöglich«, entgegnete der Kanzler, aber »sehr unwahrscheinlich, weil Hindenburg sich doch sehr mit Ludendorff identifiziert habe. Ludendorff sei der, der die Entschlüsse fasse.«55 So überließ er Ludendorff bei dessen letztem Auftritt vor einer erweiterten Kabinettsrunde am Nachmittag des 17. Oktober wieder das Feld, um den Repräsentanten der Reichsleitung dessen aktuellen Ratschluß zur Kriegsführung nahezubringen.56 Wenn er bald einen Truppennachschub aus der Heimat bekäme, so der General, sähe er »vertrauensvoll in die Zukunft«. Er appelliere an die Regierung: »Pakken Sie das Volk. Reißen Sie es hoch. […] Es muß gelingen.« Wenn die Armee durch die nächsten vier Wochen käme, »so sind wir ›fein heraus‹«. Im übrigen dürfte die Reichsleitung nur solche Waffenstillstandsbedingungen annehmen, die der OHL eine »Wiederaufnahme der Feindseligkeiten« ermöglichten. Spätestens an diesem Punkt hätte man Ludendorff von Seiten der Regierung in den Arm fallen müssen. Aber der einzige, der es wagte zu widersprechen, war Solf, der das Gehörte weder überzeugend noch hilfreich fand. Er stünde »wie vor einem Rätsel. Was ist der wirkliche Grund, weshalb geht jetzt, was vorher für unmöglich erklärt worden war?« versuchte er in Ludendorff zu dringen. Doch kein Kabinettskollege assistierte dem Außenamtschef, so daß der Vorstoß ins Leere lief. Die Regierung empfand sich nicht als politischer Kontrahent der OHL, sondern nahm eher die Haltung eines Befehlsempfängers ein. So konnte General Ludendorff letztlich unangefochten auf seinen Posten ins Große Hauptquartier in Spa zurückkehren. Allerdings scheint er durch die mutige – und für den selbstgefälligen Ludendorff geradezu unerhörte – Intervention von Solf erste Zeichen von Unsicherheit ver418 418
raten zu haben, wie sein Generalstabsoffizier Thaer am 19. Oktober in seinem Tagebuch vermerkte. »Ich finde ihn jetzt doch recht aufgeregt und jach.«57 Daß Max von Baden Solf im Stich gelassen hatte, konnte letzteren freilich nicht davon abbringen, dem als unheilvoll erkannten politischen Einfluß der OHL erst recht entgegenzutreten. Davon zeugt das Schreiben, das Solf nur einen Tag nach dem Zusammenstoß mit Ludendorff an den preußischen Kriegsminister Scheuch schickte. Er bestand darauf, weitere Heerführer nach Berlin zu zitieren, um ein angemessenes Bild der militärischen Lage zu gewinnen. »Auch auf die Gefahr hin, daß Hindenburg und Ludendorff die Befragung der Armeeführer zum Anlaß nehmen wollten, ihren Abschied einzureichen.« In diesem Fall müsse dann eben »der wahre Grund ihres Rücktritts […] klargestellt werden«.58 Das war eine offene Kampfansage, die auch den Regierungschef unter Zugzwang brachte. Der hatte unterdes zwei hohe Militärs auf informellem Wege um Auskunft gebeten, seinen Freund Rupprecht, den bayerischen Kronprinzen und Armeeführer an der Westfront, sowie den 1916 entlassenen Großadmiral von Tirpitz. Für Rupprecht gab es keinen Zweifel: »Unsere Truppen sind übermüdet und in erschreckender Weise zusammengeschmolzen.«59 Tirpitz hingegen erklärte Wilson kurzerhand zum »politischen Erpresser«, der das Deutsche Reich »vernichten« und das Volk »zu Lohnsklaven unserer Feinde« machen wolle. Seine Konsequenz: »Entschlossene Verstärkung unserer Westfront durch alle nur verfügbaren Mannschaften, Formierung von Bürgerbataillonen zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Heimat, rücksichtslose Fortsetzung des Ubootskrieges« und dergleichen martialische Endkampfmaßnahmen mehr.60 Wie Tirpitz in seinen Memoiren unwidersprochen schreibt, hat Prinz Max seinen Brief »sorgfältig gelesen« und ihn »mit markierten Stellen« an Payer und Solf weitergegeben. Dies unterstreicht noch einmal, daß ihm Tirpitz’ und mithin auch Ludendorffs Durchhalteparolen keineswegs indiskutabel erschienen. Einen Tag später erkrankte der Kanzler an Grippe, und am Morgen des 24. Oktober traf die dritte Note Wilsons ein. War es Zufall, daß sich die politischen Turbulenzen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt verstärkten, als der Chef der Reichsleitung das Bett hütete?61 Der Text, den der amerikanische Präsident nach Berlin sandte, war ein Meisterstück politischer Taktik.62 Scharfsichtig und gnaden419 419
los nutzte er die verworrenen Machtverhältnisse in Deutschland aus, um den kollabierenden Kriegsgegner noch mehr in die Enge zu treiben. Voraussetzung für den Waffenstillstand und Friedensverhandlungen seien die militärische Kapitulation, also Waffenstreckung. Außerdem wolle seine Regierung nur mit wahrhaftigen Vertretern des deutschen Volkes verhandeln, da die Völker der Welt kein Vertrauen mehr in die Worte derjenigen setzten, die bisher die Deutschen beherrscht hätten, die militärischen und monarchischen Autokraten. Sie müßten dem Volkswillen unterworfen werden. Damit war endgültig die Illusion zerplatzt, man könne vielleicht über Wilson noch etwas erreichen, ohne an den überkommenen Machtverhältnissen grundsätzlich rütteln zu müssen. Nun kam es zum Schwur – und zu schmerzlichen Opfern. Wilson hatte den deutschen Machthabern das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Die OHL reagierte mit dem Trotz des öffentlich Düpierten, der sich partout nicht zum Sündenbock abstempeln und schon gar nicht entmachten lassen wollte. Ohne Absprache mit der Reichsleitung begehrte Ludendorff mit einem Heeresbefehl gegen Wilsons Zumutungen auf und ordnete für seine Armee an, »den Widerstand mit äußersten Kräften fortzusetzen«.63 Die Pathosformel war unverkennbar auf Kaiser Wilhelm II . gemünzt, den Wilson ja ebenfalls politisch entmachten wollte und der sich nicht minder bedroht fühlen mußte. Entsprechend empört war Wilhelms Reaktion ausgefallen.64 Insofern lag es mehr als nahe, daß die drei Wilsonschen Prügelknaben zusammenhielten – wenn es sich hier nicht um die wechselseitige Unterstützung von Strauchelnden gehandelt hätte. Dies raubte der Sache jede Aussicht auf Erfolg. Es bestand im Gegenteil die akute Gefahr, daß das offenkundige Fiasko der OHL in einer Art Anstekkungseffekt den Kaiser mit ins Verderben reißen könnte.65 Mithin nahm sich die von Ludendorff betriebene Umarmungsstrategie für die Monarchie sogar eher als Bedrohung aus. Ludendorff hatte für die Hohenzollern nur ein heroisches Untergangsszenario in petto, keinen Weg aus der Misere heraus. Ihm hätte eine solche Götterdämmerung – sofortiger Abbruch der Verhandlungen mit Wilson, Aufruf zur nationalen Verteidigung, Weiterkämpfen um jeden Preis – vielleicht ein Ruhmesblatt im Geschichtsbuch gesichert, dem preußischen Königshaus sicher nicht. Der deutsche Kaiser war nicht hellsichtig genug, diese tödliche 420 420
Gefahr selbst zu erkennen. Noch am 25. Oktober 1918 tönte er in bekannter Manier: »Diesmal können wir nicht nachgeben; falls die Regierung es trotzdem will, muß sie weg. Dann entweder neue Regierung mit anderer Mehrheit oder Militärdiktatur; gleichzeitig Aufruf ans Volk, Verstärkung der Armee, und dann wird geschlagen. Die Truppen haben sich in der letzten Zeit glänzend gehalten. Der Kanzler ist den Verhältnissen nicht gewachsen, das Auswärtige Amt hat die Hose bereits wieder gestrichen voll.«66 Doch so fahrlässig wollte ihn sein wichtigster politischer Berater dann doch nicht durchkommen lassen: Clemens von Delbrück, seit etwa zehn Tagen neuer Chef seines Zivilkabinetts.67 Als langjähriger Staatssekretär und Vizekanzler unter Bethmann Hollweg, als Bundesratsbevollmächtigter und als Vizepräsident des Preußischen Staatsministeriums war mit ihm noch einmal ein erfahrener Politiker angeheuert worden, der wußte, was die Stunde geschlagen hatte. Zusammen mit Solf gelang es ihm bei einer Besprechung im Hausministerium, Wilhelm II. von übereilten Schritten abzuhalten und zu bewegen, sich hinsichtlich einer angemessenen Reaktion auf die Note Wilsons mit der Reichsregierung abzustimmen. Dennoch blieb der Monarch bei einem ersten Treffen mit Hindenburg und Ludendorff am Nachmittag des 25. Oktober letzterem gegenüber zunächst noch ausgesprochen »gnädig«, ja zeigte ihm »volles Vertrauen« – nur entscheiden wollte er nicht sogleich, ob weiter gekämpft werden sollte oder nicht. Das sollten die beiden erst einmal mit dem Reichskanzler abklären.68 Der Reichskanzler fühlte sich außerstande, seiner Pflicht nachzukommen, und schickte stattdessen seinen Vertreter Payer ins Gefecht. Max war aber nicht zu krank, um selber Farbe zu bekennen;69 er war zu willensschwach und zu geniert, um den beiden Heerführern in persönlicher Konfrontation zu opponieren. Aber klug genug, sein eigenes Schicksal nicht an das des sinkenden Sternes Ludendorff zu hängen, das war er schon. Also ließ er den Vizekanzler die Kastanien aus dem Feuer holen. Payer wurde angewiesen, sich hinsichtlich des geforderten Abbruchs der Verhandlungen mit Wilson »auf einen anderen Standpunkt« zu stellen; es gelte erst einmal, sich in Washington nach den konkreten Friedensbedingungen zu erkundigen. Und die OHL mit der Gretchenfrage in Verlegenheit zu bringen, »welche Chancen wir bei einem Weiterkämpfen hätten, einen besseren Frieden zu erlangen«.70 Noch in seinen Kriegserinnerungen zeigte sich Ludendorff ganz konsterniert über diesen merkwürdigen 421 421
Empfang beim Vizekanzler. »Sein persönliches Verhalten war ablehnend, ganz anders wie bei sonstigen Zusammenkünften. Er wußte wohl, daß das Kabinett meinen Abgang wollte«.71 Damit lag Ludendorff zwar richtig, aber die treibende Kraft hinter dieser Demontage war zu diesem Zeitpunkt weder der Kanzler noch sein Stellvertreter – treibende Kraft war nach wie vor Solf. Schon am Abend des 24. Oktober hatte er mit vorerst nur mäßigem Erfolg seine Kabinettskollegen beschworen, die »Abdankung Ludendorffs« zu unterstützen und ein Zeichen zu setzen, daß die Zivilregierung die entscheidende Macht über die Militärgewalten innehabe. »Können wir beides zusagen, so haben wir guten Waffenstillstand und guten Frieden.«72 Auf den Kaiser und Clemens von Delbrück hat Solf am nächsten Morgen im gleichen Sinne eingewirkt. »Die Verbindung zu Wilson abzubrechen, sei unmöglich« und »wenn Ludendorff geht, so wäre das für die Politik ein großer Vorteil«.73 Ergänzend hat er später noch hinzugefügt, sein Vortrag beim Kaiser habe in dem Vorschlag gegipfelt, »Ludendorff abzusetzen, Hindenburg aber zu behalten«.74 Damit hatte der Außenamtschef – auf nicht autorisierte Weise – für die Regierung Max von Baden eine Fahne aufgepflanzt, die sie praktisch nicht mehr einrollen konnte. Zum Glück war mit dem Vorschlag, das Dioskurenpaar der OHL womöglich zu trennen, die goldene Brücke gefunden worden, über die schließlich auch Max von Baden ins Lager der Ludendorff-Gegner überlaufen konnte. Bewirkt hat diese Selbstüberwindung freilich nicht Solf allein, sondern es traten – wie gleich zu zeigen sein wird – auch noch weitere Kräfte auf den Plan. Doch warum tat sich Max hier eigentlich so schwer? Er hatte Ludendorff Treue geschworen, war durch Ludendorffs Gnaden überhaupt nur Kanzler geworden – und mußte ihn gleichwohl verraten. Denn die Stimmen mehrten sich, die solch einen Treuebruch am 25. Oktober nachdrücklich verlangten. Rupprecht von Bayern etwa, der Max bestürmte: »Ludendorff muß fort, und er verdient auch nichts besseres, denn er hat die heurigen Offensiven erbärmlich schlecht geleitet, und sollte Hindenburg mit ihm gehen, der mir menschlich ja sympathisch ist, wäre es in militärischer Hinsicht auch kein Unglück, in politischer aber ein Glück. […] Wir müssen ungesäumt Frieden machen, sonst haben wir das Allerschlimmste zu erwarten. Ich beschwöre Dich bleibe fest!«75 Oder sein alter Freund Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, der ihm aus Bern im Anschluß 422 422
an ein Gespräch mit einem »Gewährsmann«, der gute Beziehungen ins amerikanische State Department hatte, telegrafierte. In Washington wisse man: »Unser Zusammenbruch sei nur eine Frage der Zeit. Ein Versuch, den Endkampf hinauszuziehen, würde nur als erneuter Beweis des Vorwiegens militärischer Einflüsse angesehen werden und den Verdacht nähren, daß auf unsere ganze innerpolitische Wandlung kein Verlaß sei.«76 Die wirksamste Überzeugungsarbeit dürfte an jenem Freitag aber Walter Simons, der gute Geist der Reichskanzlei, geleistet haben, in dessen Nachlaß sich diverse Aufzeichnungen hierüber befinden. Auf einer dieser Notizen heißt es: »Das Doppelereignis: Beschränkung der Kommandogewalt des Kaisers und Abdankung Hindenburgs und Ludendorffs« schaffe »gleichzeitig die verfassungsmäßigen Garantien des Systems und den Machtbeweis der Regierung, nach dem Wilson verlangt«. Mit weniger sei »der Kaiser nicht zu retten. Wenn auch Wilson ihn nicht stürzen wird, das deutsche Volk wird seine Abdankung fordern. Wir können nicht 48 Stunden mehr ohne eine befreiende Tat auskommen.«77 Mit dieser Argumentationshilfe scheint sich Max von Baden tatsächlich über seine Skrupel vor einer aktiven Mitbeteiligung am Sturz der 3. OHL hinübergerettet zu haben. Noch am Abend des 25. Oktober ließ er Simons und seinen Reichskanzleichef Wahnschaffe ein Schreiben an den deutschen Kaiser aufsetzen, mit dem er die ihm zugewiesene Rolle im Drehbuch des Sturzes von Ludendorff tatsächlich übernahm.78 Es müsse »Klarheit geschaffen« werden, so lautet der Text des Entwurfs, in der Frage der Stellung der OHL zur gegenwärtigen Reichsregierung, »wenn ich die Geschäfte des Reichskanzlers weiter führen soll. […] Wir brauchen das ruhige Urteil anderer Heerführer, die nicht durch schroffen Meinungswechsel an Vertrauen eingebüßt haben. Dem widersetzen sich die beiden Herren; also müssen sie ihre Entlassung erhalten.« Während sich sein Beraterstab bemühte, den Primat des Politischen wenigstens ein Stück weit zurückzugewinnen, hat der Reichskanzler in seiner eigenhändigen Transkription dieses Briefkonzeptes den Machtwillen seiner Regierung wieder abgeschwächt.79 Statt auf den Abschied der beiden Gegenspieler zu bestehen, erbat er nur noch, ihn selbst »in Gnaden aus meinem Amt zu entlassen, falls ein Wechsel in der Obersten Heeresleitung nicht möglich ist«. Ein »Wechsel in der Obersten Heeresleitung«, das konnte alles mögliche bedeuten. Und genauso vage hatte Max es auch 423 423
gemeint, als er seinen Brief noch am gleichen Abend an Clemens von Delbrück übergab. Der Kabinettschef machte sich umgehend nach Potsdam auf, um den Kaiser zu mitternächtlicher Stunde zu bearbeiten.80 Danach durfte Wilhelm II . am 26. Oktober zum letzten Mal in seiner Rolle als Souverän eine historische Entscheidung exekutieren. Die Folgen sind bekannt. Als eine Art von Bauern-, besser: Damenopfer mußte Ludendorff das politische Schachbrett verlassen, während Hindenburg bleiben konnte.81 Als der Generalquartiermeister Wilhelm II ., verärgert über das geschwundene Vertrauen des Monarchen, um seine Entlassung bat, soll dieser wörtlich geantwortet haben: »Ich danke Ihnen, wenn Sie gehen. Sie erleichtern mir dadurch die Lage ungemein«.82 Das klingt glaubwürdig, denn auch der Kaiser dürfte sich in seiner Rolle nicht besonders wohl gefühlt haben. Indem Wilhelm II . mit Hindenburg dem Generalstab der OHL seinen Leuchtturm und Übervater beließ, den Feldmarschall in seiner symbolischen und politischen Bedeutung noch einmal enorm aufwertete, verhinderte er gerade, daß die Politik ihre Vormachtstellung zurückgewann, und beließ den Kanzler in seiner selbstverschuldeten Ohnmacht. Hindenburg machte denn auch so weiter wie bisher. Das zeigte sich sogleich in der Einsetzung von General Groener als Nachfolger für Ludendorff, die er noch am gleichen Tag verfügte.83 Max’ Lavieren in der Causa Ludendorff und OHL war seiner Vergangenheit und seiner politischen Konfusion geschuldet. Er selbst hat sie dokumentiert in dem Schreiben, das er dem Geschaßten einen Tag nach dem Rauswurf zukommen ließ. »Meine Verehrung und Sympathie und meine Dankbarkeit für das Große, das sich an Ihren Namen knüpft, werden stets mit Ihnen sein«, heißt es da.84 Dieses Bekenntnis ist durchaus aufrichtig. Es zeugt von seinem schlechten Gewissen, aber auch von seiner Furcht, sich diesen Mann zum Feind zu machen. Gleichzeitig gibt es aber auch zu erkennen, warum der Reichskanzler der ungeeignete Mann war, die OHL in die Schranken zu weisen. Ohne das beherzte Eingreifen von Solf, Simons und vor allem von Delbrück und ohne die Vorurteile des Kaisers gegen den ungeliebten Sieger von Tannenberg wäre Max nicht einmal die Verhängnisgestalt Ludendorff losgeworden. Nun unterstand freilich auch die neue OHL nicht seiner politischen Kontrolle.85 Und die Instanz des Obersten Kriegsherrn stand Ende Oktober 1918 ebenfalls in 424 424
schönster politischer Blüte. Nicht einmal eine verbindliche Kooperation mit Hindenburg hat der Kanzler zu treffen vermocht. So konnten zwei wichtige Symbolfiguren des preußisch-deutschen Militärstaates und damit des verhaßten Militarismus weiterhin eine prominente Rolle spielen.
Das Abdankungsdilemma Betrachtet man die existentielle Krise, die die deutsche Monarchie und ihr königliches Ensemble im Oktober 1918 erfaßte und innerhalb weniger Wochen komplett dahinraffte, treten insbesondere die verzweifelten Bemühungen des preußischen Königshauses in den Vordergrund, sich mit immer neuen Manövern möglichst lange an den Kaiserthron zu klammern.86 Und die enormen politischen Anstrengungen des großherzoglich-badischen Erbprinzen und deutschen Reichskanzlers, sein hoch und heilig gegebenes Versprechen einzulösen, dem Vetter Wilhelm die Krone zu bewahren. Doch um den 20. Oktober herum, als deutlich wurde, daß mit dieser unglücklichen Herrscherfigur partout kein Staat mehr zu machen sein würde, scheint Max von Baden von seiner Selbstverpflichtung abgerückt und auf die Suche nach monarchiekonformen Alternativen gegangen zu sein. Zwar stellte er sich nach außen mitsamt seinem Kabinett bis Ende Oktober immer wieder schützend vor den Kaiser und seine vielen Kritiker. Wiegte diesen sogar noch am 25. Oktober in dem Glauben, »er könne sich mit der Sozialdemokratie ein neues Reich aufbauen«.87 Doch intern spann er bereits eine Intrige, die helfen sollte, den nicht zu rettenden Verwandten aus der Geschichte fallen zu lassen – so honorig wie möglich natürlich. Richtschnur war dabei eine Idee, die Warburg und andere Berater ihm eingegeben hatten:88 eine Art dynastisches Lösungsmodell. Max überzeugt seinen kaiserlichen Vetter von einer freiwilligen und damit historisch rühmenswerten Abdankung mit großzügiger Geste. Dieser macht Max dann mit Zustimmung des Reichstags zum sogenannten Verweser für den zum Thronprätendenten auszurufenden minderjährigen ältesten Kaiserenkel im Reich. Zugleich gewinnt Max einen weiteren Vormund, dieses Mal aus dem Hause Hohenzollern, als Regent für den 12-jährigen Kronprinzensohn im Königreich Preußen. Statt Max von Baden wird ein Berufspolitiker aus demo425 425
kratischem Schrot und Korn mit Vertrauenskredit beim deutschen Volk parlamentarischer Kanzler des Reiches, zum Beispiel Friedrich Ebert. Diesem politischen Planspiel kann man die Zukunftsfähigkeit nicht pauschal absprechen; es war aller Ehren wert.89 Wir haben es hier mit einer ernstzunehmenden Idee zu tun, das hochkompliziert konstruierte deutsche Monarchiemodell in eine Staatsform zu überführen, die gegenwartstauglich und entwicklungsfähig war. Indem es die Reizfiguren monarchischer Herrschaft von der Bühne abtreten ließ, den süddeutschen (nichtpreußischen) Faktor in den Vordergrund holte und einen echten Volkskanzler in der Schaltzentrale der Regierungsmacht etablierte, hätte dieses Konzept die Monarchie in Deutschland vielleicht noch retten und eine Integrationsinstanz schaffen können, die die bürgerkriegsartigen Zeiten und Zustände des nachfolgenden Jahrzehnts womöglich aufgehalten oder doch zumindest abgemildert hätte. In diesem Konzept fungierte Max von Baden als Dreh- und Angelpunkt – der Prinz war sozusagen die politische Bank des ganzen Unternehmens. Ohne ihn war dies undurchführbar, schon weil sich weit und breit kein weiterer Kandidat für eine solche Regentschaft im Reich anbot. Gegenüber dem vielleicht noch in Frage kommenden Kronprinzen Rupprecht von Bayern besaß der Zähringer den entscheidenden Vorteil enger Verwandtschaft mit dem Kaiserhaus und stand nicht in dem Ruf jener antipreußischen Ressentiments, die die Wittelsbacher im politischen Establishment (außerhalb der blauweißen Grenzpfähle) nicht unbedingt willkommen machten. Der dynastiepolitische Rettungsplan war am einfachsten auf dem Weg eines feierlich erklärten Thronverzichts Kaiser Wilhelms ins Werk zu setzen, der wiederum die Voraussetzung einer einvernehmlichen Regelung der Reichsverweserschaft schaffen, das heißt, die höheren Weihen für eine Inthronisation des Regenten Max von Baden liefern sollte. Die politische Alternative wäre nur ein kalter Staatsstreich gewesen – nicht undenkbar, auch machtpolitisch nicht unbedingt aussichtslos, aber vom Kandidaten keinesfalls erwünscht. Der Reichskanzler wollte sich partout über und durch den Monarchen legitimieren und in die Funktion des Thronverwesers bringen lassen. Genau das aber war der große Schwachpunkt seines Konzepts, Max’ Befangenheit in legitimistischen Vorurteilen. Hätte der Kandidat das ganze Projekt nicht mit den Scheuklappen seiner dynastisch-monar426 426
chischen Ressentiments wahrgenommen, hätte er zwischen seiner Person und der übergeordneten Sache, der Etablierung einer modernen monarchischen Staatsform unterscheiden können, so wäre dieses Projekt politisch durchaus nicht chancenlos gewesen. Um die Idee im politischen Berlin zu streuen, unterhielt sich der Kanzler am späten Nachmittag des 22. Oktober im Garten des Reichskanzlerpalais mit dem einflußreichen Journalisten Theodor Wolff, ein Arrangement ihres gemeinsamen Freundes Conrad Haußmann. Max wollte sich versichern, daß er im Falle einer Abdankung des Kaisers als Reichsverweser, also quasi als Ersatzkaiser, den politischen Kreisen, für die Wolff schrieb, willkommen war.90 Unter der Regentschaft eines Max von Baden – so signalisierte man ihm – hätten die Monarchie in Deutschland und sogar die Dynastie Hohenzollern durchaus noch ihre Existenzberechtigung. Als der Diplomat Friedrich Rosen den Prinzen am selben Tag zum Gespräch in der Reichskanzlei traf, fiel ihm gleich auf, daß Max »wenig Interesse an der Erhaltung des Kaisers auf dem Throne zu haben schien«. Wie er schon vorher erfahren hatte, sei die damals im politischen Berlin vorherrschende Idee »die Errichtung einer Regentschaft unter Prinz Max« gewesen.91 General Groener, der Nachfolger Ludendorffs, hörte es sogar im fernen Kiew raunen von »der Regentschaft vom Badener Max«.92 Mit der dritten Note Wilsons kam die Abdankungsdebatte am 25. Oktober so richtig in Fahrt. Die politische Entsorgung Wilhelm II. stand ganz oben auf der Agenda nicht allein der öffentlichen Meinungsbildung, sondern auch des Regierungsgeschäftes. Denn daß dies notwendig war, wurde nunmehr in allen Kreisen so gut wie allgemein anerkannt. Nur des Kaisers Entourage wollte immer noch nicht merken, daß dessen Zeit abgelaufen war. Für sie war es vielmehr der Regierungskurs, »welcher Deutschland unzweifelhaft ebenso ins Verderben führen wird, wie er den Hohenzollern die Krone kosten wird«.93 Um den 28. Oktober hatte es freilich für einen kurzen Augenblick den Anschein gehabt, als wolle sich der Reichsmonarch in sein Schicksal fügen und durch Abdankung zugunsten seines Enkels wenigstens seine Dynastie retten. Es gibt – allerdings vage – Quellen, die auf einen solchen Anflug von Einsicht und Resignation bei Kaiser Wilhelm hindeuten.94 Aber es blieb bei der Stimmung eines Augenblicks, aus der ihn seine unmittelbare Umgebung wieder herausriß. Und zwar mit Verve. Die Kamarilla um die deutsche Kaiserin, den Ex-Zi427 427
Das deutsche Kaiserpaar im Herbst 1918
vilkabinettschef Berg, den Generaladjutanten Plessen, den Chef des Militärkabinetts Marschall und den Hausminister Eulenburg beschloß in einer Art von Torschlußpanik am 29. Oktober, den labilen Kaiser dem unguten Einfluß der Berliner Reichsleitung komplett zu entziehen, und schob ihn noch am gleichen Abend vom Neuen Palais in Potsdam in das Große Hauptquartier nach Spa ab. Der Dynast nahm das Versprechen seiner Söhne mit auf die Reise, sich der Regierung für eine etwaige Regentschaft niemals zur Verfügung zu stellen. Warum diese Reaktion? Wie Oberstleutnant Niemann, damals als Angehöriger des kaiserlichen Gefolges in Potsdam, schreibt, »fühlte der Kaiser den wachsenden Druck des Prinz-Reichskanzlers, auf Umwegen die Abdankung des Monarchen zu erreichen. Dadurch war schließlich eine unerträgliche Atmosphäre des Mißtrauens, der persönlichen Kränkung und der politischen Intrige entstanden.«95 Den gleichen Eindruck erhielt man im Großen Hauptquartier in Spa, als Wilhelm II . dort am 30. Oktober eintraf. Dem Staatssekretär 428 428
Hintze sagte der Monarch bei der Ankunft als Grund für die Reise wörtlich: »Die Regierung des Prinzen Max von Baden arbeitete auf seine Beseitigung hin, dem hätte er in Berlin sich weniger entgegenstellen können als inmitten seiner Armee.« Diesem offenherzigen Bekenntnis hätten sich dann sogleich »scharfe persönliche Angriffe auf den Prinzen Max«, ja sogar »persönliche Gehässigkeiten« angeschlossen.96 Und was tat der Vielgeschmähte? Einige Stunden vor der Abfahrt des Hofzuges war er von dem Fluchtplan des Monarchen in Kenntnis gesetzt worden. Er hätte diesen später immer wieder als fatal bezeichneten Rückzug noch verhindern, jedenfalls den abtrünnigen Monarchen in echte Bedrängnis bringen können – sei es durch sein energisches Veto, einen entsprechenden Kabinettsbeschluß oder sein unangemeldetes persönliches Erscheinen in Potsdam. Aber Max schickte erst einmal wieder andere vor – Minister und Kabinettchef – und ließ so wertvolle Zeit verstreichen, bevor er schließlich am Abend selbst noch zum Hörer griff.97 Doch auch in diesem Telefongespräch mit Wilhelm II. beließ er es schließlich bei höflichem Bitten, welches den Monarchen in seinem Entschluß zu reisen nicht beirren konnte. Dabei soll der Kaiser »derartig ausfallend gewesen sein, daß [der mithörende Adjutant] Prittwitz den Hörer hinlegen mußte«. Zum Schluß habe Prinz Max »sehr kühl« gesagt: »Ja dann wünsche ich eben gute Reise.«98 Die Intervention konnte nicht fruchten, weil der Kanzler in der zugespitzten Situation ohne festen inneren Halt dastand. Er hatte Angst davor, Farbe zu bekennen. Seinem Gewährsmann Grünau soll er gesagt haben: »Wenn ich jetzt hinausgehe [nach Potsdam], muß ich dem Kaiser die Abdankungsfrage vorbringen.«99 Und das wollte er auf gar keinen Fall. So mußte er Wilhelm ziehen lassen und konnte ihm damit nicht einmal mehr das Schicksal ersparen, vom eigenen Volk noch mehr verachtet und verwünscht zu werden. Gleichwohl blieb die Bewältigung der Monarchenkrise als immer drängenderes Problem auf dem Tisch der Reichsregierung – ab dem 30. Oktober dominierte es sogar alle anderen. Doch während dies auf der einen Seite die Handlungsfähigkeit der Regierung lahmlegte, brachte sie andererseits innerhalb weniger Tage ganz Erstaunliches zuwege. Schon am 31. Oktober zeichnete sich nämlich folgendes ab. Max bekannte sich intern nun endlich klar und deutlich dazu, daß eine Abdankung des Kaisers politisch notwendig sei, »und zwar so rasch als möglich«.100 Er gab bei Simons einen Gesetzentwurf zur Rege429 429
lung der sogenannten Reichsverwesung in Auftrag, also einer Stellvertretung des regierungsunfähigen Monarchen im Reich, der im Reichsamt des Inneren von dem dortigen Unterstaatssekretär Theodor Lewald rasch weiterbearbeitet und schon bald dem Reichstag vorgelegt werden sollte.101 Simons Entwurf zielte darauf, diese Stellvertretung unabhängig von einer Regentschaft in Preußen zu implementieren; unter Umständen auch durch den Reichstag, das heißt unter Umgehung des Reichsmonarchen. Sie war nach dem Urteil aller daran Beteiligten ganz »offenbar auf die Person des Prinzen Max von Baden zugeschnitten«.102 Zudem hatte die Reichskanzlei bereits Abdankungsurkunden für Wilhelm II. ausgearbeitet nebst zwei Entwürfen für patriotische Aufrufe des scheidenden Monarchen an Heer und Volk.103 Schließlich hatte sich Friedrich Ebert in prominenter Runde mehr oder weniger offiziell für den Erhalt der Monarchie ausgesprochen. »Aber damit wir die Monarchie erhalten und eine Republik vermeiden können«, so lautete sein Argument, »muß der jetzige Monarch zurücktreten«; und auch der höchst unbeliebte Kronprinz. Er, Ebert »denke an eine Reichsverweserschaft durch eine Persönlichkeit wie Prinz Max, unter einer Regentschaft der Kronprinzessin [im Königreich Preußen]«.104 Auf Seiten der Berliner Reichsleitung waren damit bemerkenswerte Vorkehrungen für eine neue Runde im Planspiel um die Macht im Staate getroffen. Doch das Spiel konnte nicht beginnen, weil Max sich weigerte, überhaupt am Spieltisch Platz zu nehmen. Denn er hatte den ganzen Aufbau unter eine fatale Vorbehaltsklausel gestellt: Er würde an die Stelle des Reichsmonarchen treten, aber nur und ausschließlich auf dem Weg eines freiwilligen Thronverzichts des amtierenden Kaisers. Da es nach Wilhelms Flucht so gut wie ausgeschlossen schien, daß dieser von sich aus erkannte, daß er seine politische Zukunft verspielt hatte – der Kanzler sich aus seiner Positionierung aber nicht einfach wieder davonstehlen konnte –, blieb nur die Strategie, Wilhelm II . die Abdankung nahezulegen. Sie sollte von ihm nicht direkt verlangt, ihm gegenüber nicht einmal in Vorschlag gebracht werden. Man wollte ihm lediglich höflich zu verstehen geben, daß es sinnvoll wäre, darüber ernsthaft Ratschluß zu halten. So absonderlich dieses Vorgehen am Vorabend der deutschen Revolution auch erscheinen mag, diese Strategie war eine – vielleicht die einzige – genuine politische Hervorbringung des Max von Baden, und sie war ganz ernst und durchaus wohlgefällig, ja honett gemeint; wenngleich dieses 430 430
Über-Bande-Spielen durchaus auch Züge von Durchstecherei nach dem Muster der Hofintrige aufwies. Im vorliegenden Fall kam freilich noch hinzu, daß Max seinem Vetter hoch und heilig versprochen hatte, ihm den Kaiserthron zu erhalten – koste es, was es wolle. Dieses Versprechen hatte ihn überhaupt nur in sein hohes Staatsamt gebracht, noch am 25. Oktober 1918 hatte er es in seinem oben zitierten Brief erneuert. Deshalb konnte er es nicht einige Tage später einfach brechen, ohne als Verräter dazustehen. Die Abdankungsfrage war zwischen den beiden Vettern politisch einfach nicht kommunizierbar. In seiner Funktion als Reichskanzler alten Stils hatte Max aufgehört zu existieren, weil er seinen Kaiser in einer politischen Lebensfrage verantwortlich nicht mehr beraten mochte. In seiner Funktion als moderner Volkskanzler, der sich allein dem Gemeinwohl verpflichtet und der Volksvertretung verantwortlich fühlte, war Max noch längst nicht angekommen. Mit einem Wort, Max wollte ihn, den Thronverzicht, aber diesen Akt in eigener Person politisch herbeizuführen, das hielt er für eine unverzeihliche Sünde. Eine ganz und gar widersinnige Konstellation. Denn wenn überhaupt jemand den Thronverzicht des in der Volksmeinung bereits entkrönten Kaisers praktisch-politisch hätte bewirken können, dann war es der seit den Verfassungsreformen vom 28. Oktober 1918 richtlinienkompetente und politisch allein verantwortliche Kanzler des Deutschen Reiches. Max wählte die Option der vorsätzlichen Unterlassung, weil ihm der dadurch verursachte politische Schaden harmloser erschien als der wagemutige Schritt, den Kaiser durch persönliche Einflußnahme zur Abdankung zu bestimmen. Das war intuitives Denken, aber kein politischer Ausweg. Immerhin blieb er drei Tage lang mit dem Mut der Verzweiflung bemüht, selbst unter den Bedingungen der besagten Selbstblockade tatsächlich noch Politik zu machen – ein surrealistisches Polittheater freilich, das aber vielleicht zu dem Aufregendsten aus der Endzeit des deutschen Kaiserreichs gehört. Der wichtigste Schachzug in diesem Stück dürfte wohl Max’ geheimer Rückversicherungsvertrag mit Friedrich Ebert gewesen sein. Die bereits dokumentierte Bereitschaft des Parteiführers, sich in das Projekt einer Reichsverwesung unter der Ägide des badischen Prinzen einbinden zu lassen, verhalf dem strauchelnden Kanzler zu einem Flankenschutz, den man politisch gar nicht hoch genug taxieren kann.105 Zur gleichen Zeit hat Max in einem Vier-Augen-Ge431 431
spräch in der Reichskanzlei den MSPD-Staatssekretär Scheidemann mit »steinerweichenden Einwänden« noch vom Krankenbett aus erfolgreich davon abhalten können, einen sofortigen Kabinettsbeschluß in der Abdankungsfrage herbeizuführen. Wie dem Parteiführer erst viele Jahre später auffiel, sei »das Bemerkenswerteste an dieser Aussprache« das Argument des Prinzen gewesen, daß Scheidemann »mit seiner Forderung doch nicht die sozialdemokratische Partei geschlossen hinter sich habe, daß vielmehr von einflußreichen Sozialdemokraten der gegenteilige Standpunkt vertreten werde«.106 Max hat also vermutlich die beiden untereinander konkurrierenden Sozialdemokraten gegeneinander ausgespielt, was wiederum nahelegt, daß er auch mit Ebert in persönlichen Kontakt getreten sein muß. Woher hätte er sonst wissen sollen, daß der Parteiführer sich noch am 31. Oktober lebhaft darum bemühte, »einen Beschluß der sozialdemokratischen Fraktion, durch den die Abdankung verlangt würde, zu verhindern«?107 Der Kanzler muß seinem wichtigsten Bündnispartner deshalb auch etwas Reelles angeboten haben, die Übergabe seiner Kanzlerschaft an ihn, sobald Max selbst Reichsverweser würde. Quellen für eine solche Absprache gibt es keine, da sie beide Seiten auf das heftigste kompromittiert hätten, aber politisch plausibel erscheint ein solches Schutz- und Trutzbündnis allemal. Allein, wenn man bedenkt, welch ein starkes Interesse auch Ebert daran hatte, daß das Reich möglichst mit einem Mindestmaß an innerer Erschütterung aus dem verlorenen Krieg herauskam. Jedenfalls hat Ebert sich bereits zwei Tage nach seinem Bekenntnis zur Monarchie nicht mehr – wie noch einen Monat zuvor – strikt geweigert, »eventuell die Zügel der Regierung in die Hand zu nehmen«.108 Auf informellem Weg wandte sich Max am 30. Oktober 1918 auch an seinen Standesgenossen, den Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, der beim Eintreffen dieser Nachricht aus Berlin gerade mit dem Schwager des deutschen Kaisers Prinz Friedrich Karl von Hessen (-Kassel) in seinem schönen Schloß Wolfsgarten zu Tisch saß. In den Aufzeichnungen des Letztgenannten heißt es dazu, Max habe in dem Telegramm den Großherzog um Rat gebeten. Dieser »entschloß sich sofort abzureisen und fragte mich, wie wärs, wenn Du mitkämst? Ich sagte, wenn ich ihm und dem Reichskanzler nützen könnte, so wäre ich natürlich bereit.«109 Bis zum Eintreffen der beiden Fürsten in Berlin sollten allerdings noch fast 24 Stunden ver432 432
gehen. Diese Zeit wußte Prinz Max für weitere Sondierungen zu nutzen. So ließ er am Morgen des 31. Oktober bei König Ludwig von Bayern in München anfragen, ob dieser wohl gewillt wäre, dem deutschen Kaiser die Abdankung nahezulegen. Noch am gleichen Nachmittag wurde er vom bayerischen Ministerpräsidenten abschlägig beschieden.110 Des weiteren hat er den Kaisersohn August Wilhelm von Preußen zu sich gebeten, von dem er sich wohl noch am ehesten versprach, ihn vielleicht mit einer Regentschaft in Preußen ködern und auf diesem Wege bestimmen zu können, seine Mutter beziehungsweise seinen Vater im Sinne einer freiwilligen Abdankung zu beeinflussen. Er habe aber kein Verständnis dafür gefunden, so sollte es später in den Memoiren des Badeners heißen.111 Vielleicht hat Ebert deshalb wenige Stunden später davon gesprochen, daß die deutsche Kronprinzessin Cecilie, die als resolut und eigenwillig galt, die Regentschaft für ihren Ältesten in Preußen übernehmen könnte, nachdem sich August Wilhelm dieser Offerte verweigert hatte.112 Dann beriet sich Max in ausgesuchter kleiner Politikerrunde über die Lage – also in camera caritatis, wie man damals so schön sagte. Bei diesem informellen Spitzentreffen, über das ein vollständiges Protokoll nicht erhalten ist,113 trat er mit Behauptungen hervor wie: »Hätte der Kaiser vor 14 Tagen abgedankt, so könnten wir jetzt kämpfen.« Wichtiger noch war Max’ Feststellung, »ihm scheine, daß die alte Sozialdemokratie in der Kaiserfrage mehr und mehr nach links steuere und daß sie, wenn der Kaiser nicht abdanken wolle, aus der Regierung austreten werde. In letzterem Fall müsse er von seinem Amt zurücktreten, da er dasselbe als Mandatar der Mehrheitsparteien einschließlich der Sozialdemokraten übernommen habe und nur als solcher weiterführen könne.« Mit diesen Halbwahrheiten, die seine eigenen Aktivitäten in dieser Angelegenheit vollkommen im Dunkel ließ, wollte Max die hohe Staatsbürokratie auf seinen – politisch absurden – Standpunkt der Passivität verpflichten. »Er beabsichtige, den Kaiser durch eine neutrale Persönlichkeit informieren zu lassen. Ein Ultimatum bezüglich des Rücktritts könne er aber dem Kaiser nicht stellen.« Die Dramatisierung verfehlte ihre Wirkung nicht. Nach dem Ende der Besprechung, so hat Drews notiert, »wurde ich zum ersten Mal in meinem Leben ohnmächtig«. Und noch etwas hat er überliefert, und zwar in einem späteren Brief an den damaligen Kanzler: Er, Drews, habe auf der besagten Sitzung »ausgeführt, daß, wenn Kaiser und Kronprinz auf ihrem Posten blie433 433
ben, die Dynastie und die Monarchie als solche auf das Ernsteste gefährdet seien«. Seine Anregung, der Kanzler möge doch bitte selbst zu Wilhelm II. fahren, hätte Max aber damals wegen seines »gespannten persönlichen Verhältnisses zum Kaiser ab[gelehnt]«.114 Damit sind wir an dem heikelsten Punkt dieser Schicksalstage angelangt, Max’ Repertoire an vorgeschobenen Gründen, warum er – was eigentlich das Naheliegende war – dem Kaiser die Entscheidung nicht selbst abringen wollte. Denn es war allein am amtierenden Reichskanzler, die Initiative zu ergreifen und dem Monarchen zum Thronverzicht zu raten. Schon der Kaisersohn August Wilhelm hatte ihn das gefragt – und die Antwort erhalten, »dies als ›Verwandter und Freund‹ nicht tun zu können, auch fühle er sich viel zu krank, um derartige Aufregungen zu ertragen«.115 Nun war es den Staatspolitikern gegenüber auf einmal das angespannte persönliche Verhältnis zwischen ihm und Wilhelm. Und am nächsten Morgen gegenüber dem Diplomaten und Grafen Johann Heinrich von Bernstorff lehnte Max es »kategorisch« ab, zum Kaiser nach Spa zu reisen, »mit den Worten: das kann ich als badischer Thronfolger und deutscher Fürst nicht tun, worauf ich [Bernstorff] schnell sagte, dann hätten Sie auch nicht Kanzler werden dürfen«.116 In der Tat, hier lag eine eklatante Begründungsnot vor, die der Prinz letztlich nicht zu kaschieren vermochte. Deshalb konnte er damals auch niemanden von dem rationalen Sinn seiner Tatenlosigkeit überzeugen.117 Allein das deutsche Kaiserpaar wußte es besser. In den Worten Wilhelms II. am 1. November: »Der Prinz Max ist ein Verräter; er will zunächst Reichsverweser, dann selbst Kaiser werden«.118 In dieser seiner politischen Stigmatisierung, die sich Wilhelms Kanzler wohl auch mitgeteilt haben wird, lag ein weiteres Risiko für Max’ politisches Vorgehen. Die nicht auszuschließende Gefahr, bei einem Besuch in Spa auf Befehl des Obersten Kriegsherrn als Hochverräter gefangengesetzt zu werden.119 Noch mochte er freilich nicht aufgeben, und so schritt er tapfer zu einem weiteren Coup, genauer, zur Sitzung seines engeren Kabinetts, wo er den nächsten theaterreifen Auftritt hinlegte.120 Er zog gleich zu Beginn der Beratung einen Zettel aus der Tasche und las folgenden politischen Orakelspruch: Ohne Unterlaß habe er die Frage der Abdankung in den letzten Tagen ventiliert und die »Vertrauensmänner Seiner Majestät« darüber fortlaufend mit entsprechendem Aufklärungsmaterial aus dem In- und Ausland versorgt. Er müsse aber ausdrücklich erklären, daß die Abdankung des Monarchen »nur eine 434 434
freiwillige sein kann und darf«. Außerdem bestehe er darauf, »daß mir die Freiheit des Handelns nicht beeinträchtigt und vermieden wird, einen Druck auf mich auszuüben«. Dieser Appell richtete sich unverkennbar an den sozialdemokratischen Kabinettskollegen Scheidemann, der denn auch gleich nach des Kanzlers Worten entgegnete: Weder wolle er einen Kabinettsbeschluß herbeiführen, der vom Kaiser den Thronverzicht fordert, noch käme es ihm in den Sinn, mit Rückzug aus der Regierung zu drohen, wenn Wilhelm nicht sofort zurücktrete. Das reichte dem Prinzen Max, der sofort darauf den Sitzungssaal verließ – mit dem Verweis auf dringlichere Pflichten. Max entzog sich dieser politisch so eminent wichtigen Debatte über die Abdankungsfrage, um sich stattdessen ganz seinem fürstlichen Besuch aus Hessen zu widmen. Nicht genug damit, daß der Kanzler des deutschen Reiches nicht mit dem Staatsoberhaupt über dessen Rücktritt sprechen wollte, den er als unaufschiebbar erklärt hatte121; selbst mit seiner eigenen Regierung wollte er sich in dieser zentralen Frage nicht inhaltlich auseinandersetzen bzw. verständigen; ihr nicht einmal seine Meinung sagen. So klingt es wie Hohn, wenn er zeitgleich nach außen verkündete: »Mit dem ancien régime ist es endgültig vorbei«, nun habe die »neue deutsche Demokratie« das Sagen.122 »Der Kaiser muß abdanken!«, beschwor Max den Großherzog von Hessen, als dieser am frühen Abend des 31. Oktober in der Wilhelmstraße eintraf.123 Ernst Ludwig – seit eh und je alles andere als ein Freund seines Kaisers – sah ebenso wie manch andere Bundesfürsten, daß die Stellung des deutschen Reichsmonarchen unhaltbar geworden war. Aber was geschehen sollte, um diesen Thronverzicht zu erreichen, darüber herrschte schon bald große Ratlosigkeit in der kleinen Fürstenrunde, nachdem der Hesse erklärt hatte, daß er für das Himmelfahrtskommando ins Große Hauptquartier keineswegs zur Verfügung stand. Zum Glück bot sich ersatzweise Max’ alter Jugendfreund Prinz Friedrich Karl an, die Rolle des Unglücksboten zu übernehmen. Als eine Art Vorauskommando hat der Regierungschef noch am gleichen Abend den preußischen Innenminister Drews gedrängt, dem Kaiser schon am 1. November »in dieser furchtbar ernsthaften Sache« einen eingehenden Vortrag zu halten. Zwischen Kanzler und Minister wurde ausdrücklich festgelegt, dem Kaiser keinen Vorschlag zur Abdankung zu überbringen, sondern ihm lediglich »den objek435 435
tiven Stand der Bewegung bezüglich seiner Abdankung referierend dar[zu]legen« – ein unmöglicher Auftrag, an den sich der brave Beamte aber in Spa »strengstens gehalten« hat.124 Der Adressat durchschaute den Zweck dieser Mission sofort. Drews sei bei ihm gewesen, so sagte der Kaiser gleich jedem, der es wissen sollte, »um mir von der Regierung aus Berlin, von dieser sogenannten Regierung, nichts Geringeres als meine Abdankung nahezulegen«. Und wer solle dann an seine Stelle treten? »Etwa der famose Max v. Baden, der Regentschaft oder Präsidentschaft erstrebt?« Nun sitze der mit seiner »ganzen klugen Regierung« zusammen in Berlin, und sie »beraten und beraten, kriegen immer dickere Köppe und keiner weiß, was er eigentlich will«.125 Ganz falsch lag Wilhelm damit nicht. Auch aus dem Mund des Ludendorff-Nachfolgers Groener mußte sich Drews solche Beschimpfungen anhören und auch Invektiven ganz persönlicher Art, die sich direkt gegen Max von Baden richteten.126 Kurzum: Das, was der Prinz und Kanzler für taktisches Geschick gehalten hatte, entfaltete einen solchen Bumerang-Effekt, daß am Ende er es war, der sich am meisten kompromittiert hatte. Für die preußische Herrscherfamilie hatte sich der »verfluchte« Max endgültig als »Schuft« entlarvt.127 Der Kaiser, so ließ Grünau – Max’ Zwischenträger aus dem Hoflager – aus Spa verlauten, erblicke »in Eurer Hoheit einen Gegner, der ihm persönlich Abbruch tun will«; er sei ausgesprochen »erzürnt« auf den Kanzler.128 Und das war noch milde ausgedrückt. Man könnte diese – eigentlich vorhersehbare – Pervertierung der Drewschen Mission als Quittung dafür ansehen, daß unsere Hauptfigur eine pflichtschuldige Beamtenseele so verantwortungsscheu in die Bredouille gebracht hatte, nur um sich weiter bedeckt zu halten und seiner Beraterpflicht zu entkommen. Doch er konnte nicht anders, weil er selbst ein Getriebener war; getrieben von der Idee, Deutschlands Monarchie durch einen Ersatzkaiser Max von Baden retten zu müssen; aber ohne zu wissen, wie denn eigentlich. Bis der Reichskanzler in Berlin des Verhängnisses, das er da heraufbeschworen hatte, richtig gewahr wurde, verging freilich noch ein ganzer Tag, denn das Desaster in Spa nahm erst am Nachmittag des 1. November seinen Lauf. So konnte Max an dem besagten Freitag noch ein letztes Mal nach eigenen Vorstellungen politisch aktiv werden – und weiter an seinem Komplott schmieden. Dazu hatte er für 11 Uhr Vormittag diverse diplomatische Vertreter der deutschen Bundesstaaten in die bayerische 436 436
Gesandtschaft eingeladen.129 Er wäre dankbar – so vermittelte er den Herren – zu erfahren, welche Haltung beziehungsweise Stellung die »hohen Souveräne und Regierungen« der Bundesstaaten eigentlich in der Abdankungsfrage einnähmen. Das sollten sie ihn – natürlich unter dem Mantel strengster Geheimhaltung – alsbald wissen lassen, damit er darüber im Bilde wäre, »wenn der Tage käme, wo ich persönlich mit Seiner Majestät reden müßte«. Man sollte ihm persönliche Telegramme schicken mit der Nachricht »Ja« (für die Abdankung) beziehungsweise »Nein« (dagegen). Auf die berechtigte Nachfrage, warum er selbst in dieser zentralen Angelegenheit immer noch nichts tun wollte, wartete Max mit einer interessanten neuen Begründung auf. Er könne dem Kaiser die Abdankungsfrage »nur dann mit Nachdruck stellen, wenn ich die Kabinettsfrage stellen würde. Dies will ich aber unter allen Umständen vermeiden«, weil sonst »die ganze Regierung in Gefahr [käme] gestürzt zu werden«. Für den Fall eines tatsächlichen Thronverzichts sei seine Auffassung von der Regentschaft die, »daß ein preußischer Prinz in Preußen und im Reich die Regentschaft zu übernehmen hätte«. Im wahrsten Sinne des Wortes unglaublich, was Max hier zum Besten gab – jedenfalls wenn man es der kritischen Prüfung unterzieht. Der Reihe nach: Er will immer noch den Kaiser stürzen, aber letztlich in Gestalt eines politischen Harakiri, für das Vetter Max nur die Messer liefern will. Eines dieser Messer wollte er nun durch Aushebelung der Fürstensolidarität präparieren. Schließlich war der Solidaritäts- und Freundschaftspakt der Souveräne mit dem Reichsmonarchen ein elementares Konstruktionsprinzip jenes Herrschaftssystems, das Bismarck in Gestalt des deutschen Kaiserreiches etabliert hatte. Der sollte nun offenbar relativiert werden. Mit seiner diskreten Umfrageaktion zielte der siebte Nachfolger des Reichsgründers zunächst einmal darauf, einen offenen Meinungsaustausch innerhalb der Fürsten über diese Frage zu verhindern; eine gesamtmonarchische Willensbildung unter Einschluß des kaiserlichen Primus inter pares sollte unterbleiben. Darüber hinaus intendierte der Vorstoß aber noch weit mehr: Die Bundesfürsten sollten ihren höchsten Verbündeten auf kaltem Wege de-legitimieren. Staatsrechtlich betrachtet, hätte die Frage eines Thronverzichts des deutschen Kaisers vor den Bundesrat gehört, schließlich ging es um das Schicksal jenes Würdenträgers, der auch nach der Verfassungsreform vom 28. Oktober 1918 das Präsidium innehatte. Insofern trug diese staats437 437
politisch nicht legitime Meinungsumfrage starke Züge einer Verschwörung. Als Wilhelm II . ein Jahr später in seinem holländischen Exil von dieser »ungeheuerlichen« Geheimaktion seines letzten »hundsföttischen Kanzlers« erfuhr, fühlte er sich erinnert an »das alte Spiel aus dem Mittelalter – Heinrich der Löwe und Barbarossa contra die Fürsten, die sich gegen den Kaiser wenden«.130 Ganz unrecht hatte er mit dieser Assoziation nicht. Die ganze Aktion in der bayerischen Gesandtschaft ergab nur einen politischen Sinn, wenn sie bezweckte, einen anderen, einen besseren, einen zeitgemäßen Fürsten aus den eigenen Reihen an Wilhelms Statt auf den Schild zu heben. Andernfalls hatte der royale Herrscherstand weder Recht noch Grund, den Hohenzollern seine Gefolgschaftspflicht aufzukündigen. Daß Max sich als potentieller Kandidat bedeckt halten wollte, kann man vielleicht noch verstehen. Aber warum legte er sich so fest, nur ein preußischer Prinz könne an die Stelle des deutschen Kaisers und Königs von Preußen treten? Wo er doch zum damaligen Zeitpunkt bereits durch August Wilhelm wußte, daß gar kein Hohenzollernprinz für diese Aufgabe zur Verfügung stand. Gut möglich, daß seine Aussage zur Regentschaftsfrage so ernst gar nicht gemeint, daß sie eine Nebelkerze war. Vielleicht war sie überhaupt nur deshalb erfolgt, weil Max bereits in Erfahrung gebracht hatte, daß etwa die königlich-bayerische Regierung zwar für die Abdankung des deutschen Kaisers war, aber »gegen die von manchen propagierte Kandidatur des badischen Thronerben und gegen eine Trennung der Reichsverweserschaft von Preußen«.131 Dann schien es tatsächlich schon günstiger, zunächst einmal eine bundesfürstliche Opposition gegen Kaiser Wilhelm zu formieren und alles weitere halboffen zu lassen. Oder wie Max es selbst ausdrückte: »Ich werde meine endgültige Haltung danach einrichten, wie die Situation sich gestaltet.« Interessanterweise wollte er ja auch auf keinen Fall riskieren, seine Regierung durch sein ultimatives Vorpreschen in der Abdankungsfrage stürzen zu lassen. Vom Kaiser stürzen zu lassen, muß man ergänzen. Das heißt: Max muß damit gerechnet haben, vom Kaiser entlassen zu werden, wenn er ihn ernsthaft zum Rücktritt aufforderte. Denn damit wäre in der Tat die Geschäftsgrundlage der politischen Kooperation der beiden Vettern zerstört worden, die sie Anfang Oktober 1918 vereinbart hatten. Somit war die persönliche Beziehung selbst zum Politikum geworden; schließlich hatte sie Max’ Legitimation als Staatslenker mitbegründet. Ohne die Reichskanzlerschaft hätte 438 438
er aber sämtliche Macht in diesem politischen Spiel eingebüßt, hätte die Bühne des Staats-Theaters als Verlierer und Verfemter verlassen müssen. Nur wenn man alle diese Faktoren mit einbezieht, gewinnt das sonst schleierhafte politische Vorgehen des Prinzen an Plausibilität und tieferem Sinn – an Eigensinn. Auch noch als leitender Staatsmann stellt Prinz Max sich die Welt der Politik im Grunde als einen Kosmos vor, der nach ähnlichen Mechanismen funktionierte wie die Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen im europäischen Hochadel. Deshalb konnte bei seinem Rettungsplan nicht viel mehr als die Konstruktion eines Kartenhauses herauskommen, das bekanntlich bei der geringsten Erschütterung in sich zusammenfällt. Das trat denn auch prompt ein, sobald ihn jemand als Politiker tatsächlich ernst nahm; ihm offen Opposition machte; ihn sogar persönlich angriff und in die Schranken wies. Solche Kämpfe machen das Wesen von Politik aus, doch in Max’ politischer Sozialisation – auch während der letzten vier Wochen als Kanzler – hatten sie vollständig gefehlt. Einer politischen Auseinandersetzung um Inhalte, einer Kontroverse gar, hatte er sich stets entzogen oder verweigert – sei es im Parlament, im Kabinett oder im Bundesrat. Und auch bei seinen zahllosen informellen Konsultationen hat es niemals Streit gegeben. So konnte Max politisch nichts dazulernen, vor allem, er konnte keine politische Autorität erwerben und ausüben. Mit seinen persönlich integeren Eigenschaften allein konnte er die strukturellen Defizite seiner politischen Führerqualitäten nicht ausgleichen. Die Stimmungen, die sein Bewußtsein durchfärbten, hemmten schließlich jede Handlung. Selbst seine ihm freundschaftlich so verbundenen Standesgenossen und Eideshelfer aus Hessen, mit denen er ganz ungeschützt reden konnte, mochte er nicht überzeugen und machtbewußt in Pflicht und Bringschuld nehmen. Prinz Friedrich Karl fand ihn »eigentlich willen- und wortlos«, so daß Max’ amtlicher Ratgeber Simons schließlich ein Machtwort sprach, als er merkte, daß auch dieser Gewährsmann als Emissär abspringen wollte. Das war am 1. November gegen Mittag. »Als ich abends halb acht Uhr zum Reichskanzler kam«, so fährt Prinz Friedrich Karl in seinen Aufzeichnungen fort, »überlegte ich noch bei mir, wie ich ihm am schonendsten eröffnen könnte, daß ich entschlossen sei, nicht [nach Spa] zu reisen. Aber er schlug mir selbst die Brücke, indem er – ohne mich zu Wort kommen zu lassen – von dem Drewsschen Desaster anfing und mir den Widerstand malte, dem ich mich 439 439
gegenüber finden würde. Ich erwiderte nun hierauf, ob er denn noch wirklich glaube, daß der absolut freiwillige Entschluß nach der furchtbaren Sortie [i. e. der wütende Ausfall des Kaisers], die er Drews bereitete, noch möglich sei.« Die Frage mußte unbeantwortet bleiben, denn der Hessenprinz fand seinen Freund Max bereits »buchstäblich hin- und herschwankend. Es war die Auflösung«.132 Auch ein anderer Besucher der Reichskanzlei, Fürst Egon von Fürstenberg, hat den Regierungschef an jenem Freitag so angetroffen: »vollständig gebrochen und entschlußlos«.133
Max’ Zusammenbruch Die Quellen verraten uns nicht genau, wann und wie Max von Baden an diesem »schwarzen Freitag« von dem Fiasko der Drewsschen Mission erfuhr. Wir wissen nur, daß der Kanzler an diesem Tag einen schweren Nervenzusammenbruch erlitt und danach bis Montagmorgen nicht mehr ansprechbar war. Hans von Haeften, der als Vertreter der OHL auch nach dem Abgang Ludendorffs weiterhin Dienst in der Reichskanzlei tat, will erfahren haben, daß im Anschluß an das Debakel in Spa noch »ein telefonischer Gedankenaustausch zwischen dem Kaiser und dem Prinzen stattgefunden [hat], der den Prinzen seelisch so mitnahm, daß er in einen Zustand krankhafter Erregung geriet«.134 Eine solche Begebenheit ist aber wenig wahrscheinlich, da niemand aus dem damaligen Umfeld Wilhelms II. in Spa etwas Derartiges berichtet hat.135 Es scheint eher so, als ob die deutsche Kaiserin vom Neuen Palais in Potsdam aus jenen Telefonanruf in der Reichskanzlei getätigt hat – schäumend vor Wut über das, was der badische Verwandte ihrem Gatten gerade antat. Auguste Viktoria war in der Endzeit der preußisch-deutschen Monarchie gerade auch in politicis eine Instanz im Lager der Kaisertreuen und das Alter ego ihres Gatten.136 Daß ihre im Wortsinn re-aktionäre Umtriebigkeit schon Anfang Oktober 1918 in Max von Baden ihr Ziel fand, ist ebenfalls belegt. Viel früher als ihr Mann war sie von dem Glauben abgefallen, daß der badische Thronprätendent als politische Speerspitze gegen alle antipreußischen und antimonarchischen Ambitionen wirken würde. Sie sah mit wachsendem Mißmut, wie Vetter Max seine loyalen Versprechungen Zug für Zug seiner Mehrheitsparteienregierung opferte. Was schrieb doch Max’ 440 440
Cousine, die schwedische Königin Victoria, damals so pointiert: »Von dem Augenblick an, an dem ich erfuhr, daß Prinz Max Kanzler werden sollte, wußte ich auch, wohin das ging und ließ die Hoffnung fahren. Denn da war das Zeitalter der Zugeständnisse/Kompromisse da, und wohin das führt, das wissen wir ja«.137 Ähnliches wird auch die deutsche Kaiserin gedacht haben. Umso mehr, als sie wie ihre Amtskollegin in Stockholm um die dunklen Schatten im Privatleben des Prinzen wußte. Jedenfalls hielt sie diesen »schwachen Mann« für einen »schwankenden Charakter«.138 Mitte Oktober bezweifelte sie im vertraulichen Gespräch ganz offen, ob er überhaupt »den Willen, den Mut und die Kraft haben [würde], sich hinter seinen Kaiser zu stellen« – und vor ihn schon erst recht.139 Bald darauf schlugen Skepsis und Ressentiments in offene Feindschaft um, die sich zu Haßgefühlen steigerten, als sie in Erfahrung brachte, daß die Politik des leitenden Staatsmannes in Berlin auf einen Thronverzicht des deutschen Kaisers zielte – mit der fatalen Konsequenz, auch sie selbst ins Abseits zu stellen. Ihr liebstes Kind, August Wilhelm, hat später einen solchen hochemotionalen Ausbruch aus den letzten Oktobertagen des Jahres 1918 überliefert, in dem die Reichsleitung zu einem »Bündel« von Männern wird, »das aus überreizten Nerven, Angst, feigster Angst, Selbstsucht, Eitelkeit und Landesverrat – ganz abgesehen von Eidbruch gegen Monarchen und Kriegsherrn – zusammengebacken war«. Aus einer solchen Sippschaft – mit dem Kanzler gleichsam als Prototypen – konnte »keine Rettung für Volk und Vaterland entstehen«.140 Damit hatte Max eine Intimfeindin gegen sich, die nicht allein unberechenbar und in ihrem Selbsterhaltungstrieb durchaus skrupellos war, sondern die er auch als bösen politischen Geist nicht ausschalten konnte. Selbst in der Kunst der Intrige war die deutsche Kaiserin ihm überlegen. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß es Auguste Viktoria war, die ihre Söhne darauf verpflichtete, sich allen Regentschaftsplänen rigoros zu verweigern. Sie war es, die die hastige Abreise ihres Gatten ins Große Hauptquartier inspirierte – zwei geschickte Gegenintrigen zu dem Vorhaben ihres Feindes Max, die den Gegenspieler in arge Bedrängnis brachten. Als dieser dann mit der Mission Hessen und Drews einen weiteren Versuch startete, ihr Paroli zu bieten, scheint die Kaiserin die Contenance verloren zu haben und zur Furie geworden zu sein. So jedenfalls kann man sich das Szenario vorstellen, das den Prinzen am Abend des 1. November zur Strecke gebracht hat: ein 441 441
Telefonanruf von Auguste Viktoria mit einer wüsten Suada aus massivsten Vorwürfen, wütenden Beschimpfungen, persönlichen Beleidigungen, Tränen und – auch das vielleicht – denunziatorischen Drohungen. Jedenfalls paßt dies in hohem Maße zu den Krankheitssymptomen, die den Kanzler so massiv gepeinigt haben, daß ihn der Arzt schließlich in eine Art Koma versetzen mußte. Das wissen wir aus den Aufzeichnungen seines persönlichen Adjutanten von Racknitz, dem sich jene Stunden tief ins Gedächtnis einprägten. Max sei »total zusammengeklappt«, so daß er dringend die ärztliche Hilfe von Professor Wilhelm Zinn in Anspruch nehmen mußte, einem Internisten an der Berliner Universitätsklinik. Dieser habe »zunächst Beruhigungs- und Schlafmittel in steigenden Dosen« verabreicht – aber nichts wollte richtig anschlagen. Deshalb sei der Arzt den ganzen Abend in der Reichskanzlei geblieben. »Gegen 11 Uhr wacht Max auf, stöhnt. Gut, daß Zinn noch da war; weint; stöhnt: ›ich schieße mir eine Kugel durch den Kopf‹«. Daraufhin habe der Arzt Pantopon verordnet. »Das Mittel wird gegen 12 Uhr nachts aus der Apotheke geholt. Eingegeben und nach 10 Minuten war Max für 24 Stunden eingeschlafen.« In einer anderen Aufzeichnung von Racknitz hierzu heißt es ergänzend: Bevor Max »das Pantopon erhielt, reagierte er auf ein anderes Schlafmittel gar nicht. Wacht wieder auf, weint, stöhnt, phantasiert: will sich eine Kugel vor den Kopf schießen. ›Da sitzen sie und wissen nicht, was vorgeht (er meinte die Kaisers), Gott o Gott, schrecklich, ich schieße mir eine Kugel vor den Kopf, das kann ja kein Mensch mehr ertragen‹ (so ungefähr ziemlich wörtlich).« 141 In einer nachträglichen Anamnese, die von dem behandelnden Arzt überarbeitet und beglaubigt wurde, hat Hans von Haeften noch weitere Details dieser Heimsuchung des Regierungschefs überliefert.142 Danach sei die um Mitternacht verabreichte Dosis Pantopon nur eine Tablette zu 0,01 Gramm gewesen. Erst gegen zwei Uhr habe der Prinz »einen oft unterbrochenen Schlaf« gefunden. »Professor Zinn verließ den Kranken etwa um 3 Uhr morgens.« Auch am nächsten Mittag habe der Patient »selbst auf energisches Anrufen und Rütteln des Körpers« durch den zurückgekehrten Arzt kaum reagiert. Auf Haeftens Befragen, ob der Reichskanzler in diesem Zustand überhaupt politikfähig sei, habe Zinn ihm erwidert, »daß ihm aus den höchst erregten, ja verwirrten Reden des Prinzen in der vergangenen Nacht bekannt sei, worum es sich jetzt handele. Er müsse pflichtmäßig erklären, daß der Prinz psychisch 442 442
und physisch für die nächste Zeit nicht in der Lage sei, schwere Verantwortungen zu tragen, geschweige denn Entscheidungen von großer Tragweite zu treffen.« Wie lange dieser Zustand noch andauern werde, habe Zinn nicht sagen können. »Jedenfalls sei der Prinz zur Zeit zur Führung der Geschäfte des Reichskanzleramtes nicht fähig.« Auch am Abend des 2. November soll Max’ Zustand noch so kritisch gewesen sein, daß er »niemanden empfangen konnte, und Professor Zinn die Erledigung irgendwelcher amtlichen Angelegenheiten durch ihn streng untersagte«. Und selbst am Sonntag, den 3. November, wurde ihm ärztlicherseits dringend »völlige Schonung und Fernhaltung von den Geschäften empfohlen«. Bei dem verabreichten Pantopon handelte es sich um ein Opiumvollpräparat, das die Pharmaindustrie erst 1909 auf den Markt gebracht hatte. Damit wurden vor allem psychische Störungen, insbesondere (schwere) depressive Angst- und Erregungszustände behandelt.143 Dabei setzten die Ärzte auf die Doppelwirkung des Präparats: einmal die sedative, die die Erregbarkeit des Patienten herabsetzt, und dann die narkotische, die Tiefschlaf erzeugen sollte. Bei einer Einzeldosis von 0,01 Gramm Pantopon, wie in dem Bericht angegeben, ging man damals allerdings von einer nur etwa achtstündigen Wirkung aus. Nicht selten wurde deshalb danach noch eine weitere Dosis gegeben.144 Wendet man das damalige medizinische Wissen auf den vorliegenden Fall an, so ergeben sich mehr Fragen, als Klärungen möglich sind. Vor allem: Welches Syndrom wurde hier eigentlich behandelt? Auffällig ist, daß sich der Arzt selbst nach dem Tod seines Patienten in der erwähnten Anamnese noch um eine klare Diagnose herumdrückte. Dabei hat es sich bei dem krankhaften Zustand des Prinzen doch wohl um einen Nervenzusammenbruch gehandelt, um einen schweren Fall von seelischer Erschöpfung, dem offenbar mit konventionellen Beruhigungsmitteln nicht mehr beizukommen war. Es bestand sogar Suizidgefahr! Die nächste Frage lautet, warum die vergleichsweise geringe Dosis des Psychopharmakons bei Max eine solch enorme Wirkung entfalten konnte, daß er über 36 Stunden in komatösem Zustand verblieb. Das legt die Vermutung nahe, daß ihm wohl doch mehr Opium zugeführt worden ist, als der Arzt später zugeben mochte. Auch die Tatsache, daß Zinn ihm noch zwei Tage nach der Einnahme des Pantopon strenge Bettruhe verordnete, stärkt die Annahme einer Lebensgefahr, die dieser Zusammenbruch heraufbeschworen hatte.145 Worum es sich bei dem 443 443
Anfall handelte, so schreibt Doktor Zinn, habe er erst aus den »höchst erregten, ja verwirrten Reden des Prinzen« während des künstlichen Komas ersehen. Das läßt tiefer blicken, als es die Expertise zu erkennen geben wollte. Wenn nicht alles täuscht, fühlte sich Max von Baden so, als wäre er plötzlich zum Tode verurteilt worden. Und durch was? Was konnte eine solche eklatante Bestürzung bewirken, wenn nicht der Rufmord, den die böswillige Kaiserin mit ihrem Telefonanruf angedroht hatte und auch wohl betreiben wollte. Max sollte sich schämen und dadurch handlungsunfähig werden. Schließlich wissen wir nicht, in welchem gesundheitlichen Zustand sich der Kanzler nach seinem Kollaps befand und wie seine weitere ärztliche Behandlung aussah, welche Mittel er nahm. Wie Phönix aus der Asche ging der Prinz aus diesem Zusammenbruch ganz gewiß nicht hervor. Am 4. November erzählten sich die Beamten der Wilhelmstraße, der Regierungschef »liege an nervöser Erschöpftheit im Bett«.146 Altkanzler Bülow, der damals vom Hotel Adlon aus das Regierungstreiben argusäugig beobachtete, hat mit der ihm eigenen Boshaftigkeit auf die Nachwelt gebracht, daß die Leistungsfähigkeit des Kanzlers Max zuletzt nur noch von »Brom und Chloral abhing«147 – von Tranquilizern also. Nach Meinung des Kronprinzen Rupprecht von Bayern »nahm er damals Morphium«.148 Und Hans von Haeften, der Mann mit dem meisten Arkanwissen, bescheinigt dem Staatslenker für die erste Novemberwoche nur mehr »völliges Versagen«.149 Kein Wunder bei Max’ anhaltend miserabler körperlicher und seelischer Verfassung, zu der auch die deutsche Kaiserin weiterhin das ihr Mögliche beitrug. Einmal dadurch, daß sie ununterbrochen ihren Gemahl gegen den vermeintlichen Totengräber ihres Hauses aufhetzte.150 Und dann durch Drohbriefe, die sie Max durch persönliche Boten in die Reichskanzlei schicken ließ – mit der Aufforderung um Empfangsquittung!151 So kann man behaupten, daß der politische Kopf des derangierten Prinzen Anfang November nur mehr sehr locker auf seinem Hals saß. Vergebens hatte Haeften versucht, diesem unwürdigen Spiel mit einem kranken Reichskanzler, den es als politische Autorität schon gar nicht mehr gab, ein Ende zu machen, indem er Vizekanzler Payer bestürmte, die Regierungsverantwortung ganz offiziell zu übernehmen, wo er die Regierungsgeschäfte doch ohnedies schon führte. Max’ engste Mitarbeiter in der Reichskanzlei wußten diesen Stabwechsel in letzter Minute zu verhindern. Allerdings ist er bis zum 444 444
Telegramm vom 4. November 1918 mit Marginalien Wilhelms II .
7. November 1918 auf politisch irgendwie relevante Weise nicht mehr auf den Plan getreten. Seit Max sich von seinem Krankenlager wieder erheben durfte, war er nicht mehr derselbe. Von der Rolle seines Lebens in der Politik hatte er sich innerlich so gut wie verabschiedet, unter Tränen und Schmerzen. Umso mehr, als nach dem erfolgreichen Matrosenaufstand in Kiel am 3. November die deutsche Revolution nun schon im ganzen Reich unaufhaltsam auf dem Vormarsch war.152 Indes wollte der Kaiser immer noch nicht gehen, und Max mochte ihm auch nicht mehr zur Abdankung raten. So steht es jedenfalls in seinem Telegramm, das am 7. November in Spa eintraf.153 Während Max zum Moratoriumskanzler wurde, schlug die Stunde für seinen immer noch wichtigsten, nibelungentreuen Verbündeten Friedrich Ebert, der lagerübergreifend zum neuen politischen Hoffnungsträger avancierte. Seit dem 3. November waren selbst die kaiserlichen Eliten in Berlin der Meinung, Deutschlands Rettung verlange einen Reichskanzler Ebert, sonst falle man dem Bolschewis445 445
mus anheim.154 Ebert wollte dem deutschen Volk zwei Dinge bringen, die es von Max nicht bekommen hatte: Frieden und die Staatsform einer parlamentarisch-demokratischen Monarchie mit sozialem Gewissen, aber ohne Wilhelm II . Freilich blieb er dem Zähringer gegenüber loyal und freundschaftlich gesinnt, selbst Anfang November zeigte er noch Bereitschaft, die Schonfristen zu verlängern, um die der Prinz ihn immer wieder gebeten hatte, auf daß der vielleicht doch noch realisierte, was er mit dem Arbeiterführer längst verabredet hatte: Eberts Kanzlerschaft unter dem Reichsverweser Max von Baden. Letztlich bis zum 9. November fühlte sich der MSPD-Vorsitzende moralisch-politisch dem gemeinsamen Projekt verpflichtet; und dem Prinzen verschrieben, obwohl er sah, daß dessen bettelnde Arroganz zu gar nichts mehr führte.155 »Die Sozialdemokratie« – so schreibt der diese Dinge damals besonders scharf beobachtende Chronist Richard Müller – »war in dieser revolutionären Zeit fast monarchischer als die bürgerlichen Parteien.«156 Wegen Ebert, muß man hinzufügen. Noch am 7. November 1918 hatte das sozialdemokratische Zentralorgan Vorwärts auf seiner Titelseite eine für diesen Publikationsort doch eher ungewöhnliche »Mahnung« des Kanzlers veröffentlicht, der die MSPD-Genossen »zur Aufrechterhaltung der bisher gewahrten Ordnung in freiwilliger Manneszucht« anhielt.157 Dies sei eine »unerläßliche Forderung, die jede Volksregierung stellen muß«. In genau diesem Sinne waren Ebert und Scheidemann bis dahin bemüht geblieben, die unruhigen Volksmassen hinter die Regierung zu bringen. Ein Modus vivendi schien gefunden. Aber mit diesem politischen Arrangement ließ sich die deutschlandweite Welle revolutionärer Erhebungen nicht mehr eindämmen, insbesondere nicht um das Machtzentrum Reichshauptstadt herumleiten. Sie artikulierte sich so unüberhörbar auch innerhalb Berlins, daß die dortigen Befehlshaber des Heimatheeres martialische Maßnahmen ergreifen mußten, um den vorhersehbaren Aufruhr überhaupt noch niederschlagen zu können.158 Auch das Reichskanzlerpalais erhielt am 7. November 1918 eine militärische Wache vom 2. Garde-Regiment gestellt. Angesichts dieser Entwicklung blieb selbst dem geduldigen sozialdemokratischen Parteiführer keine andere Wahl mehr, als den von Max selbst so genannten »Pakt« bei seinem Partner einzuklagen.159 Nun mußte Ebert sich der paralysierten Regierung gegenüber wenigstens zum entschiedenen Sprecher der Volksmeinung in der 446 446
Abdankungsfrage machen, wollte er das Feld nicht der radikalen Linken überlassen. Damit zwang, ja stieß er den Prinzen Max ungewollt erneut auf die Bühne der Weltgeschichte. Dort stand er nun – und siehe da: Er lief noch einmal kurzzeitig zu großer Form auf. Freilich nicht mehr als Ritter Curtius oder gar als Volkstribun Rienzi, sondern als existentieller Schauspieler.
Die Revolution – und ein letztes Gespräch Die historische Überlieferung zu den epochalen Vorgängen in Berlin am 9. November 1918 ist zwar breit und lang, fast überbordend; aber sie ist alles andere als kohärent.160 Wir wissen sogar relativ wenig Gesichertes über das, was sich auf den zentralen politischen Entscheidungsebenen tatsächlich abgespielt hat. Weil es sich hinter verschlossenen Türen vollzog und auch langfristig noch von solcher Brisanz war, daß sich die Protagonisten hinterher zur historischen Wahrheit nicht mehr bekennen mochten oder durften.161 Der zu Recht beklagte »vor Klärung aller Fragen eingefrorene Forschungsstand«162 dürfte nicht zum wenigsten auf diese Unübersichtlichkeit des disparaten Quellenmaterials zurückgehen. Um mich nicht im Unterholz dieses Dickichts aus widersprüchlichen Zeugnissen und geschichtspolitisch aufgeladener Revolutionsgeschichtsschreibung zu verlieren, möchte ich zwei Hypothesen voranstellen: Erstens war es Friedrich Ebert, der in Berlin das Geschehen auf der zentralen politischen Entscheidungsebene bestimmt hat – in enger Kollaboration mit Max von Baden.163 Und zwar nach dem Drehbuch eines abgekarteten Planspiels, das auf eine systemimmanente Transformation der Staatspolitik zielte, eine gewaltlose und möglichst breit legitimierte Revolution von oben: die Einführung einer parlamentarisch-demokratischen Monarchie nach westlichem Muster mit dem Prinzen Max als monarchischem Treuhänder und dem Arbeiterführer Ebert als Chef einer sozialdemokratisch dominierten Koalitionsregierung im Reich. Dieses Vorhaben aber, so lautet meine zweite Vorüberlegung, wurde noch im Verlauf des 9. November durch die unvorhersehbare Eigendynamik der revolutionären Massenerhebung schwer bewaffneter Arbeiter und Soldaten, also eine Revolution von unten über den Haufen geworfen, so daß es sich nur mehr in rudimentärer Gestalt verwirk447 447
lichen ließ, weil sich die MSPD-Führung gezwungen sah, mit fliegenden Fahnen zur Revolution überzulaufen. Nun zu den drei geschichtsmächtigen Tagen im November. Hier ist die präzise Chronologie entscheidend. Am späten Nachmittag des 7. November wurden Ebert und Scheidemann auf Drängen ihres Fraktions- und Parteivorstandes, mehr aber noch auf Druck der Berliner Ortsleitung der MSPD in der Reichskanzlei vorstellig, um Kanzler und Vizekanzler eine Resolution mit Reformforderungen ihrer Genossen zu überbringen.164 Es ging um mehr Einfluß der Partei in der Reichsregierung, um die Demokratisierung des Herrschaftssystems in Preußen und – vor allem – den sofortigen Thronverzicht von Kaiser und Kronprinz. Man glaubte den Kaiser nun endgültig opfern zu müssen, um nicht die Kontrolle über die Arbeiterbewegung zu verlieren. »Letzte Forderungen« nannte das Scheidemann ganz richtig, denn bis zum kommenden Mittag wollte man »eine befriedigende Antwort« haben und anderenfalls aus der Regierung austreten. Angesichts »der sich überstürzenden [i. e. revolutionären] Ereignisse« habe seine Partei keine andere Wahl, »da wir zu der Überzeugung gekommen sind, daß der Reichskanzler von sich aus doch nicht den Entschluß fassen würde, den Kaiser zur Abdankung zu bewegen«; ja überhaupt »nicht die nötige Entschlossenheit in der Kaiserfrage gezeigt hat«.165 Prinz Max reagierte auf diese wenig schmeichelhafte Anmutung wie ein Tintenfisch: Er ging in Deckung und vernebelte die politische Gefahrenzone. Hinter dieser Tintenwolke läßt er Simons eine Art Entlassungsgesuch an den Kaiser aufsetzen.166 Darin heißt es, unter dem Damoklesschwert des neuerlichen Ultimatums der Sozialdemokratie sei »die Einheitlichkeit der heutigen Reichsleitung« nicht mehr aufrechtzuerhalten. Weshalb er um Entbindung von seinem Amt bitten müsse. Bis zur allerhöchsten Entscheidung wolle er »selbstverständlich« die Leitung der Reichsgeschäfte in seiner Hand behalten. Mit dieser halböffentlichen Bekundung seiner Amtsmüdigkeit hatte Max wieder ein Eisen im Feuer, das er nun nach zwei Seiten hin schmiedete. Gegenüber dem störrischen Monarchen konnte er mit dem Ultimatum, das seine Regierung sprenge, die dramatische Zuspitzung seiner (Wilhelms) Lage ins Gewissen schreiben und den Entscheidungsdruck erhöhen. Seinen Kabinettskollegen gegenüber konnte er seine Hände in Unschuld waschen und konnte sie Scheidemann gegenüber in Stellung und ihn damit in seiner Funktion als 448 448
Staatssekretär zugleich in arge Verlegenheit bringen. Eigentlich war es ja unerhört und sogar ungehörig, daß der Reichskanzler der bezüglichen Kabinettssitzung fernblieb, die an jenem frühen Abend des 7. November nur wenige Schritte entfernt von seinem Arbeitszimmer im Reichskanzlerpalais stattfand. Doch das war Kalkül. So gelang es Payer & Co. tatsächlich, Scheidemann zu isolieren und sogar ein wenig einzuschüchtern. Schließlich schlug der – nach zwischenzeitlicher Rücksprache mit Ebert – vor: »Weder der Reichskanzler noch wir ziehen die äußersten Konsequenzen, bis der Waffenstillstand abgeschlossen ist.« Außerdem teilte er den Regierungskollegen die wichtige Beobachtung von Friedrich Ebert mit, »daß unsere Forderungen auf die Arbeiterschaft außerordentlich beruhigend gewirkt haben. Sie haben versprochen, nichts zu unternehmen, bis die Entscheidung gefallen ist«. Friedrich Ebert war an diesem Abend tatsächlich unentwegt bestrebt geblieben, beruhigend auf die Arbeiterschaft einzuwirken. Auf einer Sitzung der sozialdemokratischen Vertrauensleute der Berliner Großbetriebe soll er die Forderung nach sofortiger Abdankung des Kaisers sogar als eine »Treulosigkeit« gegenüber dem Kanzler bezeichnet haben.167 Ebert selbst lag solche Illoyalität gänzlich fern, wie auch sein Aufruf an die »Besonnenheit« der Arbeiter und Parteigenossen dokumentiert, den der Vorwärts am nächsten Morgen veröffentlichte. Dem Gewerkschaftsführer Legien teilte er mit, Prinz Max werde wohl noch zwei Tage »nötig haben, um die Forderungen der Sozialdemokratie durchzusetzen«.168 Und so kommt es auch nicht von ungefähr, wenn Max von Baden noch viele Jahre später in seiner Retrospektive auf den 7. und 8. November 1918 so viel Wert auf die Feststellung gelegt hat: »Mein Vertrauen zu Ebert hielt stand. Dieser Mann war entschlossen, sich mit seiner ganzen ungebrochenen Autorität der Revolution entgegenzustemmen.«169 Dem Prinzip der politischen Vertragstreue hat dann auch Max selbst in gewisser Weise gehuldigt, indem er seinem Rücktrittsgesuch an Wilhelm II . noch am gleichen Abend ein Telegramm hinterhersenden ließ, in dem er den Kaiser dringend vor der Errichtung einer Militärdiktatur warnte, »die unvermeidlich in blutigem Bürgerkrieg und in der Zerstörung des deutschen Volkskörpers durch den Bolschewismus enden müßte«. Das sei die unvermeidliche Konsequenz einer »Regierung ohne und gegen die Sozialdemokratie«; außerdem würde schon der Versuch, sie durchzuführen »scheitern, da die Truppen größtenteils zu den Auf449 449
rührern übergehen würden«.170 Seinem Telefongespräch mit Paul von Hintze, einem der damals wichtigsten Männer aus der Entourage des Monarchen, hatte Max nämlich entnehmen können, daß Wilhelm sich tatsächlich mit solchen Bürgerkriegsplänen trug.171 Was der Prinz eher nicht wußte, aber vielleicht hätte ahnen können, war, daß der Kaiser ihn selbst für diese »schandbare Situation« verantwortlich machte, die den Monarchen zu so einem militanten Vorgehen nötige: »den Schuft von Max« und dessen »total willenlose Revolutionsregierung«.172 An diesem schlechten Stand, den der Kanzler als vermeintlicher Hauptübeltäter in Spa hatte, änderte sich also durch seine neuerliche Intervention rein gar nichts. Das kann man noch der offiziellen Reaktion entnehmen, mit der der Kaiser am Mittag des 8. November die beiden Schreiben aus Berlin quittierte: »Das ist nun die Folge des schlappen Verhaltens des Prinzen Max, der sich nur treiben ließ, aber nicht gehandelt hat. Erst brockt er mir die Sache ein, nun läßt er mich sitzen. Ich habe geantwortet, daß er im Amt bleiben muß, bis der Waffenstillstand abgeschlossen ist.«173 Schon am Abend zuvor hatte Walter Simons in der Reichskanzlei ein Memorandum ausgearbeitet, das darauf zielte, mehr Bewegung in die Abdankungsfrage zu bringen. Sein Tenor: Der Kanzler möge Wilhelm auffordern, sofort einen provisorischen Stellvertreter zu bestellen, und baldige Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung ausschreiben. Die formelle Abdankung könnte später erfolgen.174 Doch Max wollte erst noch eine Nacht darüber schlafen. Nicht nur, weil ihn wieder alte Skrupel plagten, sondern auch, weil es ihm ein echtes Anliegen war, dem Kaiser einen Rest von Autonomie zu belassen und wenigstens den Schein eines Thronverzichtes in Würde zu wahren. Schließlich ließ er den Vorschlag nach Spa übermitteln, allerdings – wir ahnen es schon – hintenherum. Der Chef der Reichskanzlei, Wahnschaffe, forderte den Vertreter des Auswärtigen Amtes im Großen Hauptquartier, Grünau, auf, dem Kaiser im Auftrag des Kanzlers eine kühne Idee vorzutragen, »den demokratischen Gedanken durch eine demokratischere Lösung zu retten, als das Ultimatum [der MSPD] es enthält«. Das bedeute, die Abdankung des Kaisers könne warten, bis »der Stand der Waffenstillstandsverhandlungen die Ausschreibung von Neuwahlen für eine verfassunggebende Nationalversammlung gestattet, der die endgültige Neugestaltung der Staatsform […] zufallen würde. Diese Nationalversammlung würde dann zu den Verfassungsfragen Stellung nehmen, die 450 450
mit der Thronentsagung zusammenhängen. Bis dahin würde Seine Majestät einen Stellvertreter bestellen.«175 Grünau – nichts Gutes ahnend – fühlte sich mit diesem Auftrag überfordert und erbat Hilfe von Staatssekretär Hintze, seinem früheren Chef im Auswärtigen Amt. Der nahm zuerst telefonische Rücksprache mit der Reichskanzlei, wo ihm der Kanzler persönlich und Amtschef Wahnschaffe zugeschaltet wurden. Hintzes wichtigste Frage nach Berlin war, wann Wilhelm denn nun abdanken solle. »Das gab« – wie sich der Diplomat erinnerte – »ein langes Hin und Her mit dem Reichskanzler, teils mit Herrn Wahnschaffe, bis endlich letzterer erklärte, es sollte bedeuten, daß der Kaiser sofort abdankte. Entweder waren sich der Reichskanzler und Wahnschaffe selbst über den Zeitpunkt nicht klargeworden, oder sie wünschten die Frage des Zeitpunktes möglichst unbestimmt zu lassen, um die Abdankung dem Kaiser ›als nicht sofort‹ annehmbar zu machen.« Auf Hintzes Frage, wer denn das Kaiseramt führen sollte, bis die Nationalversammlung zusammentritt, »kam keine Antwort, nur vage Auslassungen«.176 Beim darauf folgenden Vortrag fühlte sich der Kaiser zwar nicht an Drews Rede erinnert, da Hintze aus seiner inneren und inhaltlichen Ablehnung des Reichskanzleiprojektes keinen Hehl machte, aber die Reaktion war die gleiche wie schon zuvor. »Seine Majestät hat es völlig abgelehnt, auf die Vorschläger Eurer Großherzoglichen Hoheit in der Thronfolge einzugehen«,177 telegrafierte Grünau an Max. Wilhelm dachte gar nicht daran, abzudanken. Ganz im Gegenteil, seiner Frau schrieb er wutentbrannt, er wolle nach Berlin marschieren und die »ganze Chose« der Reichsregierung »fortfegen«.178 Dort bemühte sich Friedrich Ebert gerade, im Interfraktionellen Ausschuß Verständnis für das sogenannte Ultimatum seiner Partei einzuwerben. Nicht nur im Reich, sondern auch in Berlin hätten sich die Dinge gestern »furchtbar überstürzt«. Es hätten »dringende Nachrichten« aus den Berliner Betrieben vorgelegen, so daß die Forderungen an den Reichskanzler »die einzige Möglichkeit« gewesen wäre, »dieser Bewegung entgegenzuwirken«. »Wir mußten schnell handeln und mußten auch eine Frist stellen. Weil wir nur mit der Friststellung unsere Arbeiter beruhigen konnten.« Diese Frist solle aber bis zum Abend verlängert werden, vielleicht auch noch darüber hinaus.179 Daß sein Partner Ebert politisch absolut zuverlässig war, dessen durfte sich der Reichskanzler also unverändert gewiß sein; 451 451
aber die besagte Frist saß ihm gleichwohl im Nacken. So ließ er sich am Abend des 8. November von seinen Beratern zu einem direkten Telefongespräch mit Wilhelm II. überreden. Zu diesem inneren Kreis war übrigens inzwischen Johann Heinrich von Bernstorff gestoßen, der letzte kaiserliche Botschafter in Washington. Der aus seinem aktuellen Dienstort Konstantinopel nach Berlin beorderte Diplomat sollte dem Kanzler helfen, »die Monarchie [zu] retten«, wie Bernstorff in seinen Erinnerungen schreibt.180 Die wechselseitige Sympathie hatte sogleich ein Freundschaftsverhältnis zwischen den beiden Männern begründet, die sich »täglich zweimal« zu »vertrauensvollen« Spaziergängen im Garten des Reichskanzlerpalais verabredeten, wo sie sich dann offen über die »Forderungen des Tages« aussprachen. Bernstorffs Neffe Albrecht, ein alter Bekannter von Kurt Hahn aus gemeinsamen Oxforder Tagen, der damals ebenfalls im Auswärtigen Amt Dienst tat, weiß zu berichten, daß »Onkel Johnny« von Kanzler Max deswegen so viel herangezogen wurde, weil der Prinz »seine ruhige Art mit viel sense of humour schätzt«.181 Was in diesen Tagen »größter Spannung« in der Tat von beträchtlichem psychologischen Wert gewesen sein muß. Gut möglich, daß der entscheidende Anstoß zu dem Telefongespräch, das Max schließlich mit Kaiser Wilhelm II. geführt hat, von Bernstorff ausging. Es sollte übrigens der letzte Kontakt sein, den die beiden Vettern miteinander hatten. Liest man nun das mutmaßliche Gesprächsprotokoll dieses Telefonats, das der Prinz ein knappes Jahr später veröffentlicht hat,182 so gewinnt man gleich den Eindruck, daß es sich hier um alles andere als ein persönliches Gespräch, eine Diskussion, gar um das gemeinsame Suchen nach einer politischen Lösung gehandelt hat, sondern eher um einen Austausch in Gestalt von Monologen, die im wesentlichen aneinander vorbeigeführt wurden. Um etwaige Invektiven seines kaiserlichen Verwandten zu unterbinden, hatte Max seinen persönlichen Referenten von Prittwitz zugeschaltet, der dann auch das etwa zwanzigminütige Gespräch zu Protokoll nahm. Auf die Nachwelt gebracht hat der Prinz vorzugsweise das, was er – vielleicht – in den Hörer gesprochen hat. »Die Abdankung seiner Majestät sei notwendig geworden, um den Bürgerkrieg in Deutschland zu vermeiden und um die Mission als Friedenskaiser bis zum Schluß zu erfüllen. Wenn jetzt durch Verzicht des Kaisers der Bürgerkrieg und Schlimmeres verhütet werde, so werde der Namen in der Geschichte 452 452
gesegnet sein. Wenn jetzt nichts erfolge, so werde im Reichstag die Forderung nach Abdankung erhoben werden und durchgehen.« Es bestünden nur »zwei Möglichkeiten: 1. Abdankung, Ernennung eines Stellvertreters und Einberufung einer Nationalversammlung. 2. Abdankung, Thronverzicht des Kronprinzen und Regentschaft für den Enkel.« Er, Max, favorisiere die erstgenannte, denn sie biete »alle Chancen für die Monarchie«. Würde der Kaiser einen dieser beiden Schritte tun, so »könne mit Hilfe der Sozialdemokratie die Situation gehalten werden. Sonst stehe Revolution und Republik bevor.«183 Was der Reichsmonarch seinem Gefolge über seine eigenen Worte weitererzählt hat, das liest sich so: Zunächst habe er eine Entlassung des Kanzlers strikt abgelehnt, und zwar mit der Begründung: »Du hast den Waffenstillstand eingeleitet, nun mußt Du ihn auch unterschreiben. Der Reichstag allein kann mich nicht absetzen, dazu müssen Bundesfürsten und Bundesrat gehört werden, die mich eingesetzt haben. Werdet Ihr in Berlin nicht anderen Sinnes, so komme ich nach Abschluß des Waffenstillstandes mit meinen Truppen nach Berlin und schieße die Stadt zusammen, wenn es sein muß!«184 Im Großen Hauptquartier verlautbar wurde außerdem, das Gespräch sei »nicht heftig und ohne Ausfälle oder Ausbrüche verlaufen«.185 So erscheint es wenig wahrscheinlich, daß Max für eine seiner beiden Abdankungsszenarien entschieden gekämpft hat. Wenn nicht alles täuscht, dann war es auch bei dieser letzten direkten Konfrontation mit der Symbolfigur des untergehenden Kaiserreichs lediglich eine Politik des »rein informatorischen Vorgehens«, die Max da noch am Vorabend der Revolution in Berlin verfolgt hat. Doch die Lage dürfte nach dieser resultatlosen Telefonkonferenz für den Prinzen wesentlich bedrohlicher gewesen sein als für den Kaiser, der sich weiterhin fernab vom politischen Brennpunkt des Reiches in seine Scheinwelt zurückziehen konnte und wohl nicht einmal im Traum daran dachte, daß ihn die OHL schon 24 Stunden später nach Holland abschieben würde. Für den Regierungschef im hochexplosiven Berlin dagegen standen nun zwei akute Aufgaben ins Haus, denen er absolut gar nichts abgewinnen konnte: Er sollte in den nächsten Tagen die Waffenstillstandsbedingungen unterschreiben, die Erzberger gerade in Compiègne von den Alliierten diktiert wurden,186 und damit die demütigende Kriegsniederlage des Deutschen Reiches mit seinem Namen beglaubigen. Das dürfte wohl das allerletzte gewesen sein, was er mit seinem Griff nach der Kanzler453 453
Novemberrevolution 1918: Besatzung des Berliner Stadtschlosses
schaft vor fünf Wochen für denkbar gehalten hatte. Und außerdem sollte er die revolutionäre Unruhe in der Reichshauptstadt bändigen, sie gleichsam unterlaufen und in politisch halbwegs erträgliche Bahnen lenken – in Bahnen, die der Monarchie wenigstens den Hauch einer Überlebenschance zusicherten. So stand er am späten Abend des 8. November vor der mit Abstand größten Herausforderung seiner politischen Karriere. Gab es da überhaupt eine Perspektive für ihn? Seine engsten Vertrauten sollen versucht haben, ihn wenigstens zu einer echten »Führertat« zu drängen, zur Flucht nach vorne, die Abdankung des Kaisers von sich aus zu erzwingen, um weiter politisch eigenmächtig zu handeln, wie es die Situation gebot.187 Eine Art Staatsstreich also. Aber Max traute sich nicht. Seine Angst vor dem Schmerz eines Ansehensverlustes wog so schwer, daß sie seinen politischen Verstand außer Kraft setzte.
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Abgang So kam der 9. November 1918. Diesen Tag hatten die revolutionären Obleute in den Berliner Betrieben zum großen Aktionstag der Arbeiter und Soldaten ausgerufen, mit dem erklärten Ziel, das alte Regime in die Knie zu zwingen. Am Morgen steht für Max zunächst einmal die Besprechung der Lage mit Ebert an. »Sie ist streng geheim«, wird Eberts erster Biograph nach dessen Tod enthüllen.188 Der Kanzler und der Arbeiterführer verabreden eine Neujustierung ihres Machtergreifungsplanes: Ebert soll die Geschäfte des deutschen Reichskanzlers noch im Verlaufe dieses Vormittags übernehmen, während Max alles daransetzt, die Abdankung Kaiser Wilhelms zu erzwingen, nötigenfalls auch durch eigenmächtige Verkündung.189 Die Frage der Reichsverweserschaft muß zu diesem Zeitpunkt offenbleiben, da man nicht weiß, wie man ein solches neues Staatsamt politisch eigentlich kreieren soll – in der kurzen Zeit. Insgeheim mag der Prinz immer noch gehofft haben, vom scheidenden Kaiser damit betraut zu werden. Wenig später beschließt die Führung der MSPD unter der Ägide ihres Vorsitzenden, im Falle eines erfolgreichen Generalstreiks »gemeinsam mit den Arbeitern und Soldaten vorzugehen« und dann die Regierung aufzufordern, »uns die Macht zu übergeben«.190 Währenddessen setzen in der Reichskanzlei Wahnschaffe und Simons ihre Gegenspieler im Großen Hauptquartier mit immer neuen Hiobsbotschaften über den Vormarsch der Revolution in der Reichshauptstadt sowie dringenden Mahnungen, den Kaiser endlich zum Thronverzicht zu bewegen, telefonisch unter Druck. Gleichzeitig wird fieberhaft über einen öffentlichen Aufruf beraten, der eine Klärung der äußerst verworrenen Lage in der Reichsleitung annoncieren soll.191 Wie es in der Machtzentrale der Wilhelmsstraße gegen 10 Uhr tatsächlich aussah, beschreibt ein Beamter aus dem Auswärtigen Amt, der dort zu Rate gezogen wurde: »In der Reichskanzlei versammelten sich in dem an das Arbeitszimmer des Reichskanzlers anstoßenden Zimmer seines Adjutanten: Wahnschaffe, Deutelmoser, Simons, Kurt Hahn, Major von Racknitz und Prittwitz. Hier spielte sich ein wesentlicher Teil der Vorgänge des Vormittags ab, einen anderen Teil konnte man im Arbeitszimmer beobachten.« Wie Racknitz ergänzend festgehalten hat, wurden die Telefonate mit den Stabsstellen des Kaisers in dem besagten Adjutantenzimmer geführt,192 455 455
dem früheren Bismarckschen Anrichtezimmer: »Von 9 Uhr ab Gespräch mit Spa. Man verhandelt über die Abdankung. Direkte Verbindung war mit dem [Großen] Hauptquartier hergestellt. Große Nervosität. Max kam nur einige Mal während des Gespräches in das Zimmer, in dem telefoniert wurde. Irgendeiner – ich glaube Deutelmoser – reckt die Faust gen Himmel und stöhnt: ›Oh wenn das Schwein nur endlich ginge‹. Die Nervosität wird zur Siedehitze. Man wechselt sich am Telefon ab. Keiner spricht mehr laut. Alles in unsagbarer Aufregung. Der Kaiser sei im Garten [seiner Villa Fraineuse], man soll ihn wieder dies und das fragen. Und auf einmal heißt’s: Er hat abgedankt.«193 Das muß gegen 11 Uhr gewesen sein. Tatsächlich gab es nicht viel mehr als eine sehr vage Andeutung in diese Richtung aus Spa, deren genauer Wortlaut und deren Urheber auch später – in den großen »Memoirenschlachten« der zwanziger Jahre – nie geklärt werden konnten. Gleichviel, nun war immerhin ein Hauch von offiziösem Beweggrund da, um die von Simons längst ausgearbeitete Erklärung öffentlich zu verbreiten. Mit Max’ Unterschrift versehen, erreichte sie gegen 11.30 Uhr das Wolff’sche Telegraphische Büro und wurde um die Mittagszeit publik. »Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen«, so lautete ihr erster Satz. Der Reichskanzler, so hieß es weiter, bleibe nur noch so lange im Amt, bis die mit der Abdankung »und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfes wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen für die verfassunggebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volkes […] endgültig festzustellen.« Da es, als diese Proklamation veröffentlicht wurde, weder den Text einer offiziellen Abdankungsurkunde noch einen legitimen Reichsverweser gab, beinhaltete die Erklärung der Reichskanzlei eigentlich nur einen historischen Fußtritt für Wilhelm II. sowie die nicht minder historische Antizipation des kommenden Kanzlers der Sozialdemokraten, Friedrich Ebert. Ihre Herausgabe zielte hauptsächlich auf Zeitgewinn und somit darauf, Max von Baden noch eine gewisse Kontrolle über den politischen Prozeß zu erhalten. Daß man in der Wilhelmstraße die Person des Prinzen durchaus noch im Rennen halten wollte, geht schon daraus hervor, daß sich Simons un456 456
mittelbar im Anschluß an die Absegnung seiner Wolff-Depesche zu Theodor Lewald ins Reichsamt des Innern begab, um mit dem Unterstaatssekretär über die Frage einer Regentschaftsproklamation zu konferieren.194 Mit welchem Ergebnis, wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß der Reichskanzler einige Gesandte deutscher Bundesstaaten für den Mittag des 9. November in das Reichskanzlerpalais einbestellte.195 Erweitert man den Betrachtungswinkel, so läßt sich in der eigenmächtigen Verkündung des kaiserlichen und königlich-preußischen Thronverzichts durchaus ein kleiner Staatsstreich, sogar eine Rettungstat erblicken, der allerdings der entscheidende Folgeschritt fehlte, nämlich: Max von Baden sogleich selbst zum Reichsverweser auszurufen. Allein diese Konsequenz, die in der inneren Logik der ganzen Proklamation lag, hätte die Monarchie vielleicht noch in eine neue, volkstümliche Form hinüberretten können. Erst damit hätte die politische Mission des badischen Prinzen eigentlich begonnen; wenn er denn den Mut gehabt hätte, sich dieser Herausforderung zu stellen. Aber Max zog es vor, sich offiziell bedeckt und intern zugleich alle Schlupflöcher offenzuhalten. So wurde aus einer wagemutigen politischen Idee eine opportunistische Halbheit. Und nicht zum wenigsten ein Teilverkauf seines Paktes mit Ebert. Über die Vorgänge in der Reichskanzlei, die dann zwischen 12 und 14 Uhr zur Übergabe der Regierungsgeschäfte führte – nicht der Regierungsverantwortung, die man nicht einfach per Handschlag mit dem Amtsvorgänger übernehmen konnte –, ist viel geschrieben und publiziert worden.196 Gesichertes Wissen über diesen regierungsinternen Prozeß der Machtverschiebung haben die sich vielfach widersprechenden Quellen nicht gebracht. Was sich jedoch einigermaßen deutlich gezeigt hat, ist, daß die maßgeblichen Exponenten der Regierung Max von Baden zu diesem Zeitpunkt noch fest davon ausgegangen sind, daß Ebert sein neues Amt »auf dem Boden und im Rahmen der Reichsverfassung zu führen« gedachte.197 Davon zeugen auch die beiden Aufrufe, die der sozialdemokratische Kanzler unmittelbar im Anschluß an seine Inthronisation noch in der Reichskanzlei gegen 14 Uhr unterzeichnet hat und die beide deutlich die Handschrift ihres Verfassers Simons trugen. In dem einen heißt es: »Der bisherige Reichskanzler Prinz Max von Baden hat mir unter Zustimmung sämtlicher Staatssekretäre die Wahrnehmung der Geschäfte des Reichskanzlers übertragen. Ich bin im Begriffe, die neue Regie457 457
rung im Einvernehmen mit den Parteien zu bilden, und werde über das Ergebnis der Öffentlichkeit in Kürze berichten. – Die neue Regierung wird eine Volksregierung sein. Ihr Bestreben wird sein müssen, dem Deutschen Volke den FRIEDEN schnellstens zu bringen und die FREIHEIT, die es errungen hat, zu befestigen.« Und dann bat Ebert seine Mitbürger noch »dringend, verlaßt die Straßen, sorgt für Ruhe und Ordnung!« Die alten Eliten ließ »Reichskanzler Ebert« in einer weiteren Erklärung wissen: »Die neue Regierung hat die Führung der Geschäfte übernommen, um das deutsche Volk vor Bürgerkrieg und Hungersnot zu bewahren und seine berechtigten Forderungen nach Selbstbestimmung durchzusetzen.«198 Nach Usurpation oder gar Revolution klingen diese beiden Geburtsurkunden der neuen Regierung nicht; umso mehr improvisiert und provisorisch: Ebert als gleichsam nur geschäftsführender Kanzler, der das bestehende Kabinett umbilden will, der im Prinzip der gleichen Programmatik huldigt wie auch schon die vorherige Volksregierung. Bezeichnend ist zudem, daß die beiden Dokumente die Frage der zukünftigen Staatsform vollkommen offenhalten und damit auch das politische Schicksal des Prinzen Max. Nach der Verabschiedung der fünfköpfigen MSPD -Delegation, mit der Ebert kurz nach 12 Uhr in der Reichskanzlei erschienen war, um sich zum neuen Chef der Reichsleitung küren zu lassen, hatte sich Max von Baden in Begleitung von Bernstorff, der an diesem denkwürdigen Tag sein ständiger Begleiter war und blieb, in sein Arbeitszimmer zurückgezogen.199 Dort eröffnete er dem Grafen, er habe die Gesandten der deutschen Staaten in ein anderes Zimmer bestellt, um mit ihnen »die Frage zu besprechen, ob er versuchen solle, als Reichsverweser die Ordnung wiederherzustellen. Ohne Zustimmung der deutschen Fürsten wolle er das Amt des Reichsverwesers nicht übernehmen.« Bernstorff »redete ihm nach Möglichkeit zu« und durfte Max dann zu den Gesandten begleiten. In seinen Memoiren kann er sich nicht mehr entsinnen, welche Herren an der Besprechung teilnahmen. »Erinnerlich ist mir nur, daß der bayerische Gesandte Graf Lerchenfeld dem Prinzen ebenso warm zuredete, wie ich es vorher getan hatte.«200 Von diesem Zwischenspiel, dieser Nebendiplomatie, hat die historische Literatur ebensowenig Kenntnis genommen wie von der sich daran anschließenden Beratung unter vier Augen zwischen Ebert und Max von Baden im Arbeitszimmer des Reichskanzlers gegen 13 Uhr.201 Dabei vermitteln beide Begebenhei458 458
ten wichtige Aufschlüsse über den Charakter dieser deutschen Zäsur des 9. November 1918. Zunächst das Treffen mit den Gesandten der Bundesstaaten. Mit welchen Vertretern welcher Staaten eigentlich genau? Und was wollte Max mit den Diplomaten beraten? Wenn etwas anhängig war, dann doch höchstens das Ergebnis seiner geheimen Umfrage bei den Bundesfürsten, die er vor acht Tagen auf den Weg gebracht hatte. Oder hatte er zwischenzeitlich eine weitere Geheimsache angezettelt, die auf die direkte Unterstützung seiner Stellvertreter-Ambitionen zielte? Indizien dafür gibt es.202 Außerdem ist zu fragen: In welcher Eigenschaft wollte Max überhaupt verhandeln – kraft welcher Autorität? Seine Kanzlerschaft hatte er gerade erst suspendiert beziehungsweise delegiert. Und allein Graf Lerchenfeld soll den Prinzen ohne Amt ermutigt haben, Reichsverweser zu werden? Der Gesandte des Königs von Bayern, der von seinem eigenen Volk erst vor zwei Tagen entthront worden war?203 Fragen über Fragen, die aber allesamt unterstreichen, daß unser Protagonist politisch damals ganz gewiß auf noch mehr als nur zwei Schultern trug. Auch daß dieses Treffen in der einschlägigen Memoirenliteratur entweder beschönigt oder marginalisiert wird, macht bedenklich. Könnte das durch eine Art »Fremdschämen« motiviert gewesen sein? Es steht nämlich zu vermuten, daß schon die Beteiligung an jener Versammlung im Reichskanzlerpalais nur noch minimal war. Und daß in dem traurigen Häuflein der noch Anwesenden die Selbstauflösung der bundesfürstlichen Dynastien bereits mit Händen greifbar war. Zu sehr standen die einzelstaatlichen Souveräne, sofern sie denn in ihren Ländern überhaupt noch regierten, bereits mit dem Rücken zur Wand, als daß sie sich noch einmal zu einer solidarischen Rettungstat hätten aufraffen mögen. Daher war von ihnen keine Entschließung mehr zu erwarten, durch die sie ihrem badischen Standesgenossen auf dem halbwegs legalen Wege einer Bundesratsinitiative doch noch zur Legitimierung seiner Reichsverwesung hätten verhelfen können. Auch ein Mandat als provisorischer Reichsmonarch mochten sie ihm nicht mehr erteilen. Die fürstlichen Mitinhaber des deutschen Kaiserthrons waren der historischen Aufgabe, den Fortbestand der Monarchie in Deutschland zu sichern und durch eine innovative Tat zu rechtfertigen, nicht mehr gewachsen. Kein Wunder also, daß Max schon nach kurzer Zeit wieder in sein Arbeitszimmer zurückkehrte – gewiß tief enttäuscht und um eine wichtige Hoffnung ärmer. Wahrscheinlich die vorletzte 459 459
in der Stellvertreterfrage, blieb doch als buchstäblich letzte nur noch, daß sie mit der ja immer noch nicht eingegangenen Verzichtsurkunde des Kaisers eventuell neu aufgeworfen werden würde. Dann kam Ebert zu ihm zum vertraulichen Gespräch. Von dessen Inhalt hat die Welt bis heute nichts erfahren. Wir können aber eine plausible Rekonstruktion des Gesprächsinhaltes anbieten. Dazu muß noch einmal betont werden: Der Bündnispakt der beiden Männer war von der Grundannahme ausgegangen, daß sie die akute Krise des Kaiserreiches einigermaßen systemkonform lösen könnten: Durch eine Arbeitsteilung, was die Übernahme der vollziehenden Gewalt im Staate anlangt. Doch nicht nur Wilhelms Intransigenz, Max’ notorische Skrupel sowie die politische Selbstentmannung des bundesfürstlichen Personals machten einen dicken Strich durch diese Rechnung, sondern auch die revolutionäre Entschlossenheit der Arbeiterund Soldatenmassen. Zwang das eine Manko den Prinzen in die Gewissensnot: Aufgabe oder Staatsstreich, Fehlschlag oder Risiko; so zwang der andere Umstand Ebert dazu, auch die USPD -Führung unbedingt in seine Regierungsgeschäfte einzubinden. Das heißt, nun ging es nicht mehr nur darum, die Reichsregierung unter einem sozialdemokratischen Kanzler umzubilden, sondern um die – jedenfalls provisorische – Leitung des Zentralstaats durch sozialdemokratische Politiker, auch dezidiert linker und nicht zuletzt republikanischer Couleur. Das war die veränderte Ausgangskonstellation bei dem hier in Frage stehenden Treffen, und die Suche nach einer Antwort auf diese neue Lage dürfte den Hauptgegenstand der Unterhaltung gebildet haben. Der Prinz wird seine Skepsis über die Aussichten einer Reichsverwesung durch ihn zum Ausdruck gebracht haben, auch seine Neigung abzuspringen; Ebert die Unumgänglichkeit einer mehr oder weniger rein sozialistischen Regierung. Doch noch ein Anliegen soll Ebert an jenem 9. November den Erinnerungen seines Gesprächspartners zufolge artikuliert haben: »Zu meiner größten Überraschung bat er mich zu bleiben, und sagte mir, er habe noch die Hoffnung, daß meine Reichsverweserschaft erreicht werde.«204 Definitiv zerschlagen scheint das gemeinsame Projekt also selbst in diesem Augenblick noch nicht; und auffliegen lassen wollten es die beiden Konspiranten schon erst recht nicht. Das kann man noch dem Gespräch anmerken, das Ebert unmittelbar im Anschluß an seine Unterhaltung im Arbeitszimmer des Prinzen mit Repräsentanten der USPD einige Räume weiter geführt hat. »Wir fragten« – 460 460
so hat es einer von Eberts ungeliebten Ansprechpartnern überliefert –, »ob es richtig sei, daß der Kaiser abgedankt hätte, was Ebert bejahte. Weiter fragten wir, ob die Regierung, in die unser Eintritt gewünscht werde, eine republikanische sein solle; auch diese Frage wurde von Ebert bejaht, und er fügte hinzu, eine später einzuberufende Nationalversammlung solle endgültig über die künftige Staatsform entscheiden.«205 Eine vorläufig-republikanische Koalitionsregierung der beiden sozialdemokratischen Parteien also sollte es bestenfalls sein – und keineswegs die vollständige Übernahme der vollziehenden Gewalt im Staate durch das Volk. Wer weiß, wozu der Prinz ohne Amt da noch alles gut und nützlich sein konnte – mag sich Ebert gedacht und deshalb mit seiner Bitte zu bleiben eine letzte Anstrengung unternommen haben, seinem sichtlich angeschlagenen Bündnispartner ein wenig Stärkung einzuhauchen. Das entsprach nicht nur seiner angeborenen Achtung vor dem alten System, das entsprach auch seinem politischen Grundverständnis der Situation: Ebert wollte den demokratischen, also bürgerlich-revolutionären Willen der Volksbewegung nicht auffangen und in radikale Systemreformen umsetzen, er wollte ihn abfangen – auch mit Hilfe von noch halbwegs heilgebliebenen Symbolfiguren des Kaiserreichs. Er dachte gar nicht daran, reinen Tisch zu machen.206 Während der MSPD-Führer also immer noch auf die Zugpferdqualitäten seines badischen Landsmannes reflektierte, dürfte sich dieser bereits am frühen Nachmittag des 9. November damit abgefunden haben, daß seine Rolle im politischen Berlin ausgespielt war. Die definitive Bestätigung dafür fand er in dem, was gegen 14 Uhr aus dem Großen Hauptquartier verlautbar wurde. Danach – so Bernstorffs Erinnerung an das »traurige letzte Frühstück des Prinzen im Reichskanzlerpalais, an dem ich allein teilnahm« – wollte Max das Amt des Reichsverwesers nicht mehr übernehmen.207 Vor dem Hintergrund der politischen Willensbildung, wie sie sich inzwischen im Umfeld des Kaisers in Spa vollzogen hatte, leuchtet diese Resignation unmittelbar ein. Obwohl sich auch über diese Vorgänge trotz reichhaltiger Überlieferung letzte Klarheit nicht gewinnen läßt, kann doch als gesichert gelten, daß um 14 Uhr ein Telefongespräch zwischen Wahnschaffe (Reichskanzlei) und Hintze (Großes Hauptquartier) stattgefunden hat, das den tagelangen nervenzehrenden Querelen ein Ziel setzte. Auf Hintzes Bemühen, dem Berliner Kollegen die nunmehrige Entscheidung des Kaisers zu erläutern, 461 461
nämlich: Abdankung als deutscher Kaiser, aber weiterhin König von Preußen, hat Wahnschaffe mit Unterstützung des herbeigeeilten Simons diese voluntaristische Konstruktion sofort für staatsrechtlichen Unsinn erklärt und nun endlich den Text von Max’ Abdankungserklärung bekanntgegeben, der bereits seit zwei Stunden in der Welt war. Sehr interessant ist nun zu sehen, wie Wilhelm II. diese »ganz unerhörte Tat«208 aufnahm. Folgt man den Notizen seines ständigen Begleiters Ilsemann, so hat er das »Wolff-Telegramm« wörtlich so gelesen, wie es logischerweise auch eigentlich hätte lauten müssen: »Kaiser und Kronprinz haben abgedankt, Prinz Max ist Reichsverweser, Ebert Reichskanzler.«209 Dem entspricht der empörte Brief, den der Noch-Monarch wenig später seiner Gattin geschrieben hat: »Max hat seinen Verrat voll durchgeführt, den er seit Wochen mit Scheidemann gesponnen. Ohne mich zu fragen und ohne einen Schritt von mir zu erwarten, hat er mich abgesetzt. […] Ebert haust in Bismarcks Zimmer, vielleicht bald im Schloß.«210 Wie Grünau berichtet, erhob Wilhelm sofort »die schwersten Vorwürfe gegen den Prinzen Max und sprach mit Bitterkeit davon, daß ein Prinz von Baden den König von Preußen gestürzt habe«.211 Zwar soll er durch den Affront furchtbar mitgenommen gewesen sein, aber noch durchaus rachsüchtig. Ilsemann zufolge dekretierte er sogar, »den Truppen mitzuteilen, daß der Kanzler dies Wolff-Telegramm über seinen Kopf hinweg abgefaßt und veröffentlicht habe; Seine Majestät bliebe als König von Preußen bei seinen Truppen«.212 Ein anderer Zeuge schreibt präzisierend: Der Kaiser wollte »sich gegen diese Vergewaltigung wehren, die Erklärung des Prinzen Max dementieren«. Der bei ihm weilende Kronprinz sollte »das sofort bei seiner Heeresgruppe bekannt machen. In fieberhafter Hast bedeckt der Monarch ein Telegrammformular nach dem anderen mit der Kundgebung seines Protestes.«213 Mit einer solchen Aktion wäre Max von Baden für alle Zeiten öffentlich blamiert und gebrandmarkt gewesen: als politischer Hochverräter und als Eidbrecher. Man kann davon ausgehen, daß ihm diese Drohgebärden aus dem Großen Hauptquartier nicht verborgen blieben. Sie machten die Lage für ihn so prekär, daß er sich selbst unverzüglich aus der Schußlinie bringen mußte. Und das konnte nur noch heißen: sofortiger Rückzug aus Berlin und Verabschiedung aus der Reichspolitik. In den unbeholfenen Worten seines Adjutanten Racknitz: »Bis etwa 2 oder 3 Uhr nachmittags wurde [mit dem Großen 462 462
Hauptquartier in Spa] telefoniert. Jetzt aber nix wie fort von Berlin. Ich mußte den Extrazug bestellen.«214 Während Max seine Koffer packen ließ, überschlugen sich die politischen Ereignisse an gleich zwei Fronten. Zum einen wurde Wilhelm II . noch im Laufe des Nachmittags von der OHL überredet oder auch genötigt, sich nach Holland ins Exil abzusetzen.215 Zum anderen entfaltete die Revolution in der Reichshauptstadt eine derart explosive Eigendynamik, daß den alten Gewalten die Macht völlig entglitt. Unter diesen Umständen konnten die tieferen Gründe für Max’ Reißausnehmen in den Hintergrund treten. Insbesondere der rasche Siegeslauf der Revolution ermöglichte ihm ein Rückzugsmanöver, das seine Flucht aus verzweifelter Lage als allein den sozialrebellischen Zeitumständen geschuldet erscheinen ließ. Faktisch mußte er Berlin als politischer Versager und auch als Verräter seines Kaisers verlassen. Nun konnte er aber den Schein wahren, als ein Ehrenmann zu gehen, der keinerlei Mitschuld an dem Zusammenbruch des Kaiserreichs verspürte; der die Welt sogar glauben machte, er könne keine weitere Verantwortung mehr übernehmen, weil er doch als Monarchist mit der Revolution schlechterdings nicht paktieren dürfe. Da war der Prinz Max einmal wirklich im Glück. Oder besser: Die erfolgreiche Revolution war ein Glücksfall für ihn. Am frühen Samstagnachmittag war offenkundig geworden, daß der politische Generalstreik der revolutionären Arbeiter- und Soldatenmassen der deutschen Geschichte eine radikale Wende abtrotzen würde, zunächst in Gestalt einer entschlossenen Überwindung des Wilhelminischen Obrigkeitsstaates.216 Angesichts dieser revolutionären Entschiedenheit, den Volksstaat zu erkämpfen, blieb den alten Mächten gar nichts anderes übrig, als zu kapitulieren. Nun mußte auch die MSPD -Führung, die so einen politischen Massenstreik partout hatte verhindern wollen, einsehen, daß es mit Thronverzicht und Regierungswechsel allein nicht mehr getan war. Daß man den Massen schon mehr verheißen mußte, wenn man nicht ihr Vertrauen verlieren wollte. Daß man nun auch in Revolution machen mußte, wo sich im öffentlichen Bewußtsein wohl so etwas wie ein Quantensprung vollzogen hatte. In den Worten des Berliner Korrespondenten einer großen Wiener Tageszeitung: »Wenn in einem Volke, das seit Jahrhunderten an militärischen Gehorsam gewöhnt ist, ganze Regimenter sich mit den Aufständischen verbinden; wenn in einem Land, wo der Obrigkeitsstaat, die Unterordnung und die Überordnung sich 463 463
im Blute festgesetzt haben, die Soldaten mit Geschützen und Maschinengewehren auf die Straße ziehen und jeder Widerstand versagt, da sind große Veränderungen im öffentlichen Geiste.«217 In der Tat. So war der Reichstag inzwischen von bewaffneten Revolutionären besetzt worden, rote Fahnen wehten auf Kasernen und Ministerien und sogar Polizeipräsidien. Die Macht des alten Regimes war innerhalb weniger Stunden im politischen Berlin nicht mehr präsent. Aber nicht nur symbolisch lag die alte Staatsgewalt am Boden, auch faktisch. Kaiser Wilhelms Thronverzicht und die Bildung einer neuen Regierung durch Ebert waren somit zu Nebenereignissen geworden, die alten Planspiele einer parlamentarischen Monarchie zu Makulatur. Das mindeste war nun die Republik. Anders konnte das drohende Machtvakuum kaum mehr geschlossen werden. Wie sehr die MSPD-Führer durch die Zuspitzung der Lage am Nachmittag des 9. November unter Zugzwang standen, zeigt schon die legendäre Rede, mit der Philipp Scheidemann gegen 14 Uhr vom Balkon des Reichstags die deutsche Republik hochleben ließ.218 Ein vielleicht sogar noch deutlicheres Zeichen des politischen Seitenund Richtungswechsels setzte das Flugblatt des sozialdemokratischen Vorwärts, dessen Text Friedrich Ebert kurz nach der ScheidemannRede, die er spontan noch als unlauteren Wettbewerb kritisiert hatte, im Reichstagsgebäude dem Redakteur Haenisch diktierte.219 Es dokumentiert, daß auch Ebert verstanden hatte, was die Stunde schlug. Vor allem anderen galt es, einem bewaffneten revolutionären Massenaufstand Herr zu werden, die politische Führung auf gar keinen Fall den Spartakisten zu überlassen, damit deren Parole von der »Freien sozialistischen Republik Deutschland« nicht zum Fanal des politischen Geschehens werde. Stattdessen suchte Ebert die »Arbeiter, Soldaten, Mitbürger« mit folgenden Parolen hinter sich zu bringen: »Der freie Volksstaat ist da! Kaiser und Kronprinz haben abgedankt! Fritz Ebert, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei, ist Reichskanzler geworden und bildet im Reiche und in Preußen eine neue Regierung aus Männern, die das Vertrauen des werktätigen Volkes in Stadt und Land, der Arbeiter und Soldaten haben. Damit ist die öffentliche Gewalt in die Hände des Volkes übergegangen. Eine verfassunggebende Nationalversammlung tritt schnellstens zusammen. Der Sieg des Volkes ist errungen, er darf nicht durch Unbesonnenheiten entehrt und gefährdet werden. Wirtschaftsleben und Verkehr müssen unbedingt aufrechterhalten werden, damit die 464 464
Volksregierung unter allen Umständen gesichert wird. Folgt allen Weisungen der neuen Volksregierung und ihren Beauftragten. Sie handelt in engstem Einvernehmen mit den Arbeitern und Soldaten. – HOCH DIE DEUTSCHE REPUBLIK !«220 Die tiefere Ironie dieser Proklamation liegt wohl darin, daß sie implizit das zur Lebenslüge machte, was die MSPD bis dato noch der Vorgängerregierung unter dem Prinzen Max öffentlich bescheinigt hatte, nämlich eine Volksregierung zu sein und das Vertrauen der Massen bereits zu besitzen. Ebert mußte bestätigen, daß es erst einer siegreichen Revolution bedurfte, um die öffentliche Gewalt tatsächlich in die Hände des Volkes zu bringen. Außerdem stellte die Erklärung Eberts Kanzlerschaft unter ganz neue Auspizien: den freien republikanischen Volksstaat! Als Deutschlands erster sozialdemokratischer Kanzler nach dieser publizistischen Intervention ins Revolutionsgeschehen gegen 15.30 Uhr wieder vom Reichstag in die Reichskanzlei zurückkehrte, hatte er sich politisch geläutert. Sein neues Wirkungszentrum fand er ebenfalls stark verändert vor, die Gardesoldaten hatten »vor den Roten kapituliert, und das Reichskanzlerhaus befand sich in der Hand der Revolutionäre«, die nach einer anderen Beobachtung »bis an die Zähne bewaffnet« ein ziemlich wildes Treiben in dieser altehrwürdigen Machtzentrale des kaiserlichen Deutschland veranstaltet haben sollen.221 Unterdessen hatte Kurt Hahn »eine Leiter im Garten aufstellen lassen, damit Max eventuell aus dem Garten in eines der Nachbarhäuser fliehen könnte, worüber dieser sichtlich getröstet und sehr erfreut war; ›Hahn denkt eben an alles‹, meinte er«.222 Soweit mußte es »beim Ausreißen aus dem Reichskanzler-Palais am 9. November abends« dann aber doch nicht kommen. Denn der ehemalige Reichskanzler verstand es ganz gut, sich kurzfristig mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren. Nach übereinstimmenden Berichten glaubwürdiger Zeugen hat er am frühen Nachmittag allen politischen Ambitionen definitiv entsagt und seine Abreise noch für denselben Tag vorbereitet.223 Daß er es fertigbrachte, für seine private Flucht noch einmal veritable Mittel des Staates in Anspruch zu nehmen, darf man ohne weiteres zu den Treppenwitzen der Geschichte zählen.224 Schon am Nachmittag erreichte die Eisenbahndirektion in Berlin von der Reichskanzlei der dringende »Wunsch des Prinzen, möglichst rasch, unauffällig und unbelästigt die Rückreise nach Karls465 465
ruhe ausführen zu können«. Er benötige einen über Aschersleben umzuleitenden Zug, da er noch Familienangehörige auf- und mitnehmen müsse. Diesem Ersuchen, das der Staatskasse Kosten in Höhe von umgerechnet 25 000 Euro verursachen sollte, wurde entsprochen, und zwar in Gestalt eines Sonderzuges, der am Abend des 9. November gegen 20 Uhr auf dem Potsdamer Bahnhof für ihn bereitstand. Vorher war Max noch mit Wahnschaffe bei Scheidemann gewesen, »um einen Geleitbrief für seine Reise zu erbitten«; diesen Schutzbrief, so der in seiner neuen Funktion als Staatsautorität sichtlich geschmeichelte Scheidemann, habe er »selbstverständlich sofort« geschrieben,225 so daß sich Max nebst Leibdiener und Adjutant unter dem Schutz der roten Wache des Reichskanzlerpalais gefahrenlos zum Potsdamer Platz begeben und von dort rasch hinfort begeben konnte. Von der Reichshauptstadt sollte es ein Abschied für immer werden. Über die insgesamt an die 15 Stunden dauernde Zugreise liegen unterschiedliche Eindrücke vor. Max wollte in seinem ersten Rückblick auf die »unsagbar schweren Tage, die nun hinter mir liegen« darüber »absichtlich« nichts sagen, weil er das Erlebte verdrängen wollte.226 Seine Schwägerin, die Kaisertochter Victoria Luise, die Max’ Sonderzug in Aschersleben mit ihrem Mann, dem Herzog von Braunschweig, und Kindern aufnahm,227 schreibt hingegen, diese Fahrt sei »grauenhaft« gewesen, ein »Inferno«, was sie insbesondere auf die chaotischen Zustände in diversen Bahnhöfen bezog, wo die »Roten« schon deutschlandweit ihr revolutionäres Unwesen getrieben hätten. »Aber immerhin kam der Zug voran. Wir näherten uns Karlsruhe und hofften, dort Ruhe zu finden. Wir kamen vom Regen in die Traufe. In Karlsruhe war der Teufel los. Auf dem Bahnhof wurden mein Schwager und wir von den Leuten des Soldatenrates festgenommen und abtransportiert. Prinz Max fragte die Roten: ›Bin ich Ihr Gefangener, oder was soll das hier heißen?‹ Eine Antwort hielt man für überflüssig. Es folgte eine furchtbare Nacht. Wir glaubten, daß wir allesamt umgebracht würden. Die Mienen der roten Wachen ließen uns nichts anderes erwarten.«228 Das Bild der beiden Revolutionstage im Leben des Prinzen Max von Baden wird komplettiert durch eine Aufzeichnung seines Adjutanten von Racknitz. »Am 10. November abends wurde ich noch einmal zu Max berufen, der mir auf einem kleinen Bogen die Abdankungs466 466
urkunde für sich und seinen Sohn gab mit dem Auftrag, diese sofort dem Großherzog zu bringen. Um 11 Uhr abends ging ich in das Palais, wo der Großherzog mich sofort empfing, die Abdankungsurkunde aber zuerst unter keinen Umständen annehmen wollte. Die Großherzogin kam auch noch, und er sagte sehr empört zu ihr: das ist ja unglaublich, schickt der Max seine Abdankung, die nehme ich unter keinen Umständen an. Zum Schluß, als ich den Großherzog bat, mir die Urkunde wieder mitzugeben, sagte er sehr zögernd, er wolle sie doch behalten. Ich ging wieder zu Max zurück, der in dieser Nacht noch nach Baden-Baden ausreißen wollte. Unsere Vorstellungen, daß das doch bedeutend gefährlicher sei als hierzubleiben, überzeugten ihn schließlich, von seinem Vorhaben abzustehen. Er meinte nun, man würde ihn totschlagen und befand sich in unaussprechlicher Nervosität und Angst.« Racknitz’ Schwester, die sich am 10. November 1918 ebenfalls im Karlsruher Palais des Prinzen Max aufhielt, schreibt ergänzend, daß am Karlsruher Bahnhof ein vom Arbeiterund Soldatenrat abgestellter Wachposten auf das Trittbrett des Autos von Max gesprungen sei, um die Gesellschaft bis nach Hause zu begleiten. Dort stieg der Revolutionär dann ab und »blieb an der Pforte bis tief in die Nacht. […] Leise Beratungen wurden gepflogen. Was tun? Wohin gehen? – Nur still, daß der Soldatenrat nichts hört. Die Braunschweigschen wollten zu einem früheren Diener in die Nähe von München fahren. Nachts drei Uhr rückte endlich der Soldatenrat ab. Eilig wurde gepackt, an das Auto eine rote Fahne gesteckt und die herzogliche Familie fuhr weg. Die Prinzlichen warteten den Morgen ab, hatten vorsichtshalber ebenfalls ein rotes Wimpel am Wagen und nahmen Baden-Baden zum Ziel. Nicht im Schloß, sondern bei der Blumenhändlerin Wittelsbach, die in der freigiebigsten Weise ihre Wohnung umräumte, wurde Quartier bezogen.«229 Hier also, in der Privatwohnung einer Blumenhändlerin im Kurort Baden-Baden, endete die politische Karriere unseres Titelhelden. Doch noch etwas anderes begleitete diesen historischen Moment, etwas, das in den nächsten Jahren immer prägender wird. Max beginnt sein Scheitern zu rechtfertigen und zu verklären. »Wir saßen noch nicht ganz im Zug«, so hat die Kaisertochter Victoria Luise die Geburtsstunde dieses neuen Lebensabschnittes in der Nacht vom 9. zum 10. November geschildert, »da berichtete mein Schwager von den letzten Ereignissen in Berlin«. Er wisse, so habe Max wörtlich gesagt, »›daß man mich sehr belasten wird. Aber ich konnte doch 467 467
den Kaiser nicht vom Pöbel absetzen lassen.‹ Wiederholt kamen die Worte: ›Ich habe keine andere Wahl gehabt – es gab keinen anderen Weg.‹«230 Nur wenige Tage danach ließ Max sogar in Berlin einen Epilog auf seine Kanzlerschaft veröffentlichen, in dem er den »Zusammenbruch meiner Politik« vor allem diesen Faktoren zur Last legen wollte: den »militärischen Autoritäten«, die ihn zu einem Waffenstillstandsangebot genötigt hätten, das innen- wie außenpolitisch nur die verderblichsten Wirkungen zeitigen konnte; dem »Ultimatum der Sozialdemokratie«, das er als eine »Vergewaltigung« empfunden habe; schließlich der revolutionären Ungeduld der Massen, die nur 24 Stunden hätten warten mögen – und alles wäre noch gut geworden. Und abermals – wie schon gegenüber Ludendorff – artikulierte sich Max’ schlechtes Gewissen dem verratenen Kaiser gegenüber, den er vor jeder Kritik in Schutz nimmt, um die Entourage um Wilhelm II. umso heftiger zu schelten.231 Allerdings war Mitte November 1918 in der politischen Öffentlichkeit nichts mehr so wie noch zu Max’ Kanzlerzeiten; es herrschte nämlich Pressefreiheit. So nahmen gerade die bürgerlichen Zeitungen politische Kundgebungen wie diese nicht mehr einfach nur wohlwollend zur Kenntnis, sondern übten auch Kritik daran. So charakterisierte die Rheinisch-Westfälische Zeitung die »lange Auslassung des frühen Kanzlers« unverblümt als eine einzige »Rechtfertigung seiner vollkommen gescheiterten Politik«.232 Noch härter, weil subtiler, ging das linksliberale Berliner Tageblatt mit ihm ins Gericht. Daß er »die Schuld an seinem Mißerfolg« nun Ludendorff »zuschiebe«, sei ein Ablenkungsmanöver. Denn wenn Prinz Max »von der Verkehrtheit des Waffenstillstandsangebots überzeugt war, dann durfte er es eben nicht unterstützen. Er hätte von vornherein auf das Kanzleramt verzichten sollen.« Überhaupt sei die ganze Darstellung »darauf berechnet, die Zauderpolitik des Prinzen Max zu entschuldigen«, die für das deutsche Volk »verhängnisvoll« gewesen sei.233 Das war ein kleiner Vorgeschmack darauf, was den Havaristen in Zukunft erwarten würde, wollte er nach seinem überstürzten Abschied aus der Politik weiterhin in ihrem Dunstkreis sich aufhalten. Für diese Ambition hat er sich schon sehr früh folgendes Fazit seiner Kanzlerschaft zurechtgelegt: »Ich brachte das ungeheure Opfer, in der Stunde der letzten Not unseres Vaterlandes mich diesem ganz hinzugeben, mit dem Willen, ohne Rücksicht auf mich selbst, zu retten, was noch zu retten war, und mit der klaren Erkenntnis, daß ich 468 468
zu spät gerufen, selbst über dieser Aufgabe zugrunde gehen könnte. Ich trat zurück, als ich erkennen mußte, daß ich durch mein Bleiben weder den Kaiser noch das Vaterland mehr zu retten vermochte.«234
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Teil IV 1919–1929
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Kapitel 10
Die Nachkriegszeit Rückzug in bewährte Lebenswelten Als Max sich Mitte November 1918 in Baden-Baden vorläufig niederließ, lagen »unsagbar furchtbare Tage« hinter ihm; eine Zeit »namenlosen Leidens«, deren Bedrängnisse er »so schnell als möglich abzuschütteln« suchte. Doch das war leichter gesagt als getan, denn sein Schlaf war nun komplett »dahin« – und womöglich auch all das, »was das Leben schön und wertvoll machte«.1 Schon der preußische Gesandte in Karlsruhe, sein alter Gönner Eisendecher, hatte ihn nach seiner Rückkehr aus Berlin »sichtlich gealtert und schwer bedrückt durch die Zukunftsgefahren« angetroffen, während Freund Müller ihn sogar »entsetzlich elend« vorfand mit einer »ganz fahlen ungesunden Gesichtsfarbe«, und offenbar innerlich zermürbt.2 Wenn der Gezeichnete in der Folgezeit dennoch relativ rasch wieder aufgerichtet und mit neuem Lebensmut erfüllt wurde, so läßt sich dieser Erfolg im wesentlichen auf drei Faktoren zurückführen: Den Seelentrost und Zuspruch durch Johannes Müller, mit dem er sogleich wieder Kontakt aufnahm; die tagespolitisch ausgerichtete Beschäftigungstherapie, die ihm der unermüdliche Kurt Hahn angedeihen ließ; schließlich, drittens, die überaus erfreuliche Regelung seiner Vermögensverhältnisse. Über den politischen Inhalt von Max’ Kollaboration mit Hahn wird später berichtet werden. Hier geht es um deren äußerst positiven emotionalen Effekt. Von ihrer vor allem auch seine eigenen inneren »Wunden« heilenden Wirkung war und blieb der Zurückgetretene überzeugt. »Das Gesunden«, sagte er seiner alten Bekannten Marie Paulcke, »kann nur im Kampf geschehen, nur durch konsequentes Einsetzen für das, was ich wollte«3 – eigentlich wollte, müßte man hinzufügen. Als Max Warburg im Sommer 1920 in Salem das Zusammenspiel des Schloßherrn mit dem, wie er meinte, »meschuggenen Hahn« in näheren Augenschein nahm, schrieb er seiner Frau, es habe »einen Hang ins unbewußt Religiöse, Missionsbewußtsein 473 473
und doch Natürliche«.4 Allerdings sollte sich bald schon physisch »rächen«, daß Max mit seinem fortgesetzten Engagement »eine Aufregung nach der anderen bestehen mußte« und sich »seit der Revolution« überhaupt nicht mehr »richtig erholen« konnte.5 Parallel und ergänzend dazu hat Johannes Müller brieflich ebenso wie im persönlichen Gespräch sein Möglichstes getan, Max mit neuer Zuversicht zu erfüllen. Insbesondere hat er ihn ermutigt, sich »kraftvoll« über die »qualvollen Erlebnisse« seiner mißratenen Kanzlerschaft zu erheben, »in dem Bewußtsein Furchtbares bestanden« und sich dem Vaterland geopfert zu haben.6 »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar und glücklich ich bin, daß Sie zu mir gekommen sind«, goutierte Max diese spontane Hilfsbereitschaft, die nun auch gleich wieder in mehreren Besuchen des alten Freundes in Baden-Baden zum Tragen kam, denn »ich bedarf inmitten des Chaos, in dem wir leben, dringend der inneren Klärung, um den Weg deutlich zu erkennen, den ich gehen muß«. Ja, er bedurfte nun dieser »inneren Hilfe« dieses »stärkenden Zusammenseins« mit Müller und dessen »wohlwollenden Verstehens« mehr denn je.7 Es tat Max unendlich gut, sich Müller anzuvertrauen mit seinen »inneren Nöten«8. Wie denn umgekehrt die eklatante Hilfsbedürftigkeit seines Schutzbefohlenen den alten Seelsorger abermals zu therapeutischer Höchstleistung motivierte: »Ich bin doch schließlich der einzige, dem er rückhaltlos sein Herz ausschüttet, und das erleichtert ihn sehr.«9 So erneuerten die beiden seit dem Winter 1918/19 wieder ihre zuletzt doch etwas abgekühlte Freundschaftsbeziehung, die Max dann fortan auch mehrfach in Müllers neue Wirkungsstätte, das 1916 eröffnete luxuriöse Erholungsheim Schloß Elmau führte.10 Zu Müllers 60. Geburtstag im Jahre 1924 schrieb er ihm voll Dankbarkeit, »daß ich die schweren Jahre seit 1918 nicht hätte bestehen können, ohne innerlich Schiffbruch zu erleiden, wenn ich durch Sie nicht das Wesen des Glaubens und die Macht verstehender Liebe kennen gelernt hätte«.11 Außer der psychologischen brauchte der Schiffbrüchige aber auch materielle Sicherheit, da er von seiner Kanzlerpension kaum standesgemäß hätte weiterleben können. Deshalb lag ihm die Wahrung seiner materiellen Interessen ebenso am Herzen. Hier war ihm tatsächlich ein durchschlagendes Erfolgserlebnis vergönnt. Nachdem die sogenannte Revolutionsregierung, die in Karlsruhe am 10. November 1918 als Staatsautorität mehr oder weniger eigenmächtig 474 474
auf den Plan getreten war, dem Großherzog schon am Tage seiner Abdankung versichert hatte, daß sich die Vermögensauseinandersetzung mit dem Herrscherhaus »in der loyalsten Weise und in der angenehmsten Form vollziehen soll«, wurde um die Jahreswende 1918/19 unter Ausschluß der Öffentlichkeit eine entsprechende Vereinbarung ausgehandelt.12 De facto handelte es sich bei diesem Vertragswerk um eine großzügige Abfindung für die Dynastie, dem das Koalitionsministerium die Krone am liebsten gelassen hätte, wenn nicht der Druck der Arbeiter- und Soldatenräte die Einführung der demokratischen Republik politisch unabdingbar gemacht hätte. Entsprechend großzügig fiel die Entschädigung aus, die die Anwälte der Zähringer den reichlich unbedarften und politisch verunsicherten Ministern der provisorischen Staatsregierung abzuhandeln vermochten – unter ausdrücklichem Ausschluß des Rechtsweges. Auf diese Weise wurde aus dem bisherigen Bodensee-Fideikommiß, also den »oberbadischen Besitzungen« des Großherzogs um den Fürstensitz Salem herum, kurzerhand »Privateigentum« des Prinzen Max »und sollten ihm als solche verbleiben«.13 Damit war die juristisch durchaus umstrittene Frage am grünen Tisch politisch vorentschieden worden, ob dieses ihm eigentlich nur zum Nießbrauch überlassene Stammgut der Zähringer nicht eher als Staatsbesitz zu betrachten sei. Ebenso freigebig wurden auch die übrigen drei Repräsentanten des Hauses Baden von den nunmehrigen Hütern des Gemeinwohls bedacht. Zusätzlich zu dieser generösen Überlassung diverser Schlösser und Ländereien sah der schon am 18. Dezember 1918 fertiggestellte ministerielle Entwurf zum Abfindungsvertrag vor, den früheren Großherzog Friedrich und seine Gattin mit insgesamt sechs Millionen Mark und den ehemaligen Thronprätendenten Max von Baden mit immerhin noch drei Millionen für den Wegfall der sogenannten Zivilliste des Fiskus zu entschädigen, aus der die großherzogliche Familie bislang ihr jährliches Einkommen von zuletzt insgesamt 1,5 Millionen Mark bezogen hatte.14 Die »Trennung von Volk und Fürstenhaus«, so ließ Max wenig später auch Rupprecht von Bayern wissen, habe »bei uns« in Baden »in möglichst glücklicher Form sich vollzogen«. Er sei »heute stolzer denn je, ein Badener zu sein«, schreibt er etwa zeitgleich an Müller, denn »von allen Seiten sieht man den guten Willen, sich nicht unnötig weh zu tun«.15 Was für die ehemals großherzogliche Familie bedeutete, ein standesgemäßes Leben wie bisher ohne finanzielle Sor475 475
gen führen zu können und – zu dürfen. Es war aber nicht allein die außergewöhnlich kulante Regelung der Vermögensfrage, die Max so goutierte; es war auch die ausgesprochen zuvorkommende Behandlung in Baden-Baden, wo er schon bald in der villenartigen Dependance des Luxushotels Russischer Hof wieder ein recht komfortables Unterkommen mit Personal fand.16 Der Gestrandete war auf eine Insel gespült worden, die den revolutionären Umbruch im Reich weitestgehend von ihm fernhielt. Dennoch war er heilfroh, Ende Juni 1919 endlich wieder in sein geliebtes Salem an den Bodensee zurückkehren zu können. Gegenüber Cosima Wagner hat er der Rückkehr sogar eine existentielle Bedeutung zugesprochen. »Hätte ich es nicht gekonnt, so wäre ich wohl zugrunde gegangen. So aber vermochte ich mich in dieser Beziehung hinüberzuretten.«17 In seinem äußeren Leben durfte sich der nunmehrige Staatsbürger einer Republik endlich wieder halbwegs als das empfinden, was er vor seinem Berliner Abenteuer gewesen war: ein sehr wohlhabender Grandseigneur, dem es vergönnt blieb, einen fürstlichen Lebensstil in großer Ungebundenheit und Selbstbezüglichkeit zu führen. »Es war ein Gesunden, das sofort einsetzte und durch die Bemerkung freundlichsten und frohsten Entgegenkommens aller Leute [in Salem], klein und groß auf eine feste und erfreuende Basis gestellt wurde.«18 Zwar hatte die badische Nationalversammlung noch einmal etwas Wasser in den süßen Wein der Regierungsvorlage eines Staatsvertrags mit der Zähringer Dynastie gegossen, aber Max’ Status eines privilegierten Standesherrn hatte das kaum tangieren können.19 Außer dem Schloßkloster Salem und seinen Dependancen Kirchberg und Birnau besaß er rund 3500 Hektar landwirtschaftlich genutztes Gelände und knapp 4500 Hektar Waldgrundstücke; zudem waren ihm in einem Erbvertrag mit dem ehemaligen Großherzog Friedrich zwei Millionen Mark von dem Kapitalvermögen abgetreten worden, das die badische Regierung dem Chef des Hauses Zähringen als Ausgleich für die in Staatsbesitz übernommenen Liegenschaften pauschal zugeschoben hatte – was nach heutiger Währung etwa 10 Millionen Euro sind.20 Das war für den Sproß einer fürstlichen Seitenlinie, der niemals regiert, seine Thronanwartschaft ausdrücklich suspendiert und sich auch sonst keine herausragenden Verdienste um den badischen Staat erworben hatte, eine beneidenswerte Sinekure. Für deren effiziente Verwaltung engagierte Max mit Franz von Hornstein einen versierten Generaldirektor, der zugleich auch als Kammerherr und 476 476
Hofmarschall fungierte. Darüber hinaus beschäftigte er in der Verwaltung seiner markgräflichen Bodenseegüter an die 30 sogenannte Beamte, während ein halbes Dutzend Diener sich um das standesgemäße Leben im Schloß kümmerten.21 Doch kaum war der Abfindungsvertrag ausformuliert, sah Max schon mit Sorge voraus, daß eine »Vermögensabgabe und die starke Progression der zu erwartenden Steuer gerade auch die fürstlichen Vermögen treffen und langsam zum Verschwinden bringen werden«. Überhaupt sei »die Gier nach Geld ungeheuer«.22 In der Tat hatte der badische Finanzminister schon im März 1919 eine solche Vermögensabgabe in Aussicht gestellt, die dann aber erst im Herbst des Jahres – nach der Reform der Reichsfinanzen – in Gestalt eines national erhobenen sogenannten Reichsnotopfers kommen sollte. Bis dahin lebten die Angehörigen bundesfürstlicher Häuser praktisch steuerfrei. Max brachte noch im Sommer 1919 einige seiner Vermögenswerte in Sicherheit. So ließ er zwei Kästen mit kostbarem Familienschmuck durch einen Diener nach Schloß Mainau in die Obhut seiner Cousine, der Königin Victoria von Schweden, überstellen und für diese Wertgegenstände ihren »freundlichen Schutz erbitten«. Er wußte, daß sie dort »unantastbar« waren, weil die noch amtierende Monarchin in Deutschland einen exterritorialen Status genoß. »Geht Ihr in die Schweiz, so passieren sie ohne Untersuchung. In letzterem Fall wirst Du froh sein, ihn [den Schmuck] baldmöglichst loszuwerden. […] Ich gebe Dir die Adresse eines Mannheimer Herrn, der unbedingt zuverlässig ist und alles tun wird, um Euch und uns zu helfen.«23 Auch daß er seine Frau nebst Kindern im Juli 1919 »in einem staatlichen Jagdboot« für einige Zeit in die Schweiz schickte,24 könnte ähnliche Motive gehabt haben.25 Die Sorge zu verarmen trieb Max weiter um. Es gab Tage, an denen er daran sogar »fast verzag[t]e«. Die »völlige Veränderung der Grundlagen meiner ganzen Existenz« seien doch »einschneidender Art«, schrieb er an Rupprecht von Bayern; zumal man »durch Erziehung und die Entwickelung, die wir durchlaufen haben, so wenig dafür eingerichtet und vorbereitet« sei. Wie solle man da »überhaupt noch seinen Namen tragen können, denn es gibt nichts Elenderes als einen armen Prinzen«. Am schlimmsten war ihm das Gefühl, dieses große »Opfer« einem Staat bringen zu müssen, »den man als etwas so Fremdes und Ekelhaftes empfindet, daß man nur den einen Wunsch hat, sich und seine Habe vor seinen Klauen zu flüchten und 477 477
gute Gesellschaft aufzusuchen«.26 Bisweilen steigerte er sich in diese Sorge so hinein, daß er gar von Existenzvernichtung sprach. Max Warburg gewann 1920 bei seinem mehrtägigen Besuch in Salem allerdings einen ganz anderen Eindruck. »Hier in diesem wundervollen Klosterschloß möchte man glauben, daß diese Welt noch nicht aus den Fugen wäre.« Auch in der weiteren Umgebung »hat der Prinz eine Behandlung, wie er sie zu großherzoglichen Zeiten nicht besser gehabt haben kann«.27 Nur kam dem Schloßherrn das selbst nicht so vor, weil er den »Prinzen« und den »Menschen« Max nach wie vor »unzertrennlich in mir verbunden« fühlte und sich deshalb angesichts der politischen Umbruchzeit zu einer »notgedrungen traurige[n] Rolle« verurteilt sah. So kristallisierte er eine neue Form seiner Larmoyanz heraus, und parallel dazu stellten sich wieder körperliche Gebrechen ein, die uns schon häufiger begegnet sind: »innere Müdigkeit«, »rheumatische Beschwerden«, »Nervenentzündung«.28 Erneut sollten die bewährten Heilmittel und Therapeuten der Vorkriegszeit Abhilfe schaffen. Von seinem Wiederanschluß an Johannes Müller war bereits die Rede; bald fand sich auch Axel Munthe nach mehrjähriger Abwesenheit in Salem ein. Im Frühjahr 1920 sehen wir Max als Kurgast in St. Blasien, danach verschrieb er sich auch endlich wieder eine Erholungsreise in »mein heißgeliebtes Engadin«29. Er suchte an den bewährten Stellen »Rettung vor der grauenvollen Wirklichkeit und der Dummheit der Menschen«, so »todmüd und geekelt« wie er war. Der Zähringer war freilich in Deutschland damals nicht der einzige Adelige, den Ängste vor Wohlstands- und Ansehensverlust plagten.30 Hatte doch die Weimarer Verfassung im August 1919 deren öffentlichrechtliche Privilegien definitiv abgeschafft und überdies die prestigeträchtigen Adelsbezeichnungen zum Bestandteil des bürgerlichrechtlichen Namens erklärt, so daß aus der vormals »Großherzoglichen Hoheit Prinz Max von Baden« ein schlichter »Herr Max Prinz von Baden« geworden war.31 Gleichwohl gehörte aber gerade er zu jener winzigen aristokratischen Spitzengruppe, die ihren Elitestatus fast ungeschmälert in die neue Zeit hatte hinüberretten können; die freie Herren in des Wortes umfassender Bedeutung waren – insbesondere jeder Notwendigkeit enthoben, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dieser Sonderstatus hätte ihm erlauben können, den durch den Untergang der Monarchie ausgelösten Fall mental einigermaßen aufzufangen und mit dem ihm verbliebenen ökonomischen, 478 478
sozialkulturellen und nicht zuletzt auch moralpolitischen Kapital zu kompensieren. Schließlich waren die äußeren Bedingungen dafür nicht schlecht. Denn im Gegensatz zu Preußen oder Bayern hatte die Volksrepublik Baden kein eigenes Gesetz erlassen, das den Artikel näher ausführte, der in der Weimarer Reichsverfassung die Adelsvorrechte aufhob.32 Da insbesondere landesgesetzliche Vorschriften über den Namen der vormals landesherrlichen Familie fehlten, fühlten sich deren Mitglieder ermutigt, sich weiterhin so zu benennen und auch habituell so aufzutreten wie vor der Revolution. Das gilt insbesondere für Max und seine Familie, die nun wieder in die Nebenlinie des Hauses Baden zurückgestuft waren,33 sich aber weiterhin wie altfürstliche Herrschaften hofieren ließen. Zwar war die deutsche Reichsverfassung natürlich auch auf dem standesherrlichen Territorium von Salem in Kraft, so daß die vier Zähringer hier eigentlich nur mehr gesellschaftliche bzw. kulturelle Geltung nach Sitte und Gewohnheit in Anspruch nehmen durften; doch de facto schienen die überkommenen Vorrechte des großherzoglich-badischen Herrscherhauses hier auch in den zwanziger Jahren noch mehr oder minder ungeschmälert in Kraft. Jedenfalls trat die harte Wirklichkeit des revolutionären Umsturzes auf der Fürsteninsel Salem lebensalltäglich kaum in Erscheinung. Hier war Max Prinz und durfte er’s sein. Tatsächlich spiegelt sein Wehklagen auch ein anderes Manko seines damaligen Lebenszusammenhangs wider. Die Tatsache nämlich, daß es ihm bei aller Kultiviertheit und Noblesse seines immer noch fürstlichen Lebensstils an echtem Glück mangelte, an Liebe. Es war nur die halbe Wahrheit, wenn er erklärte: »Ein Leben voll Arbeit ist mir geblieben und die Heiterkeit und Wärme meines Heimes. Mit großer Tapferkeit, die aus ihrem selbstlosen und gläubigen Herzen stammt, hat meine Frau mir in diesen Nöten beigestanden, und meine Kinder gedeihen in einer Atmosphäre, die ihnen das Leiden fernhält, das Mitleiden nahe bringt.«34 Blendet man die Innensicht mit ein, ergibt sich ein weniger idyllisches Bild. So hatte im April 1919 das Amtsgericht Karlsruhe Max als dem Inhaber der elterlichen Gewalt die juristische Vertretung seiner beiden Kinder entzogen, weil hinsichtlich der Verteilung der vom badischen Staat zu leistenden Abfindungssumme ein erheblicher Gegensatz zwischen Max und den Nachgeborenen bestand.35 Da die Kinder noch nicht mündig waren – Marie Alexandra war 16 und Berthold 13 Jahre alt –, kann nur 479 479
die Sorge der Mutter vor Übervorteilung ihrer Kinder der Anstoß zu diesem gerichtlichen Schritt gewesen sein. Was nicht das beste Licht auf den Zustand dieser Ehe wirft. Überhaupt fand die schwedische Königin Victoria Max’ Gattin Marie Louise damals auch physisch wieder sehr heruntergekommen. »Ich befürchte, daß dies Erscheinungsbild viel über ihre Befindlichkeit verrät«, schrieb sie an Axel Munthe. »Ich glaube sie hütet eine Menge Geheimnisse und leidet beträchtlich darunter, was wir nicht wissen [können]«.36 Nach Familienglück sah das nicht aus, und schon bald gingen die beiden Eheleute sich denn auch wieder weiträumig aus dem Weg. Soviel ersichtlich, konnte Max aber einen Glücks- oder Liebesersatz wie einst bei Axel Munthe auf Capri, bei Cosima Wagner in Bayreuth oder bei Wilhelm Paulcke im Engadin nicht mehr finden. Noch etwas anderes kam hinzu. Das Bewußtsein oder vielleicht auch nur die Ahnung, daß sein Salemer Wohlleben in keinem sicheren Boden mehr wurzelte. Denn mit dem Inkrafttreten der Reichsverfassung und der Konsolidierung des republikanischen Staatswesens auf Reichs- und Länderebene war ja tatsächlich eine tiefgreifende Änderung der objektiven Stellung der vormaligen Herrscherfamilien eingetreten. Vor dem Gesetz und allgemeinpolitisch waren die Fürsten von Salem seit 1919 Bürger wie alle anderen, mit einem märchenhaft klingenden Namen. Sie konnten nun weder gebührenfrei Post oder Telegramme verschicken noch unentgeltlich im Salonwagen durch Deutschland fahren – um nur zwei ihrer vielen Privilegien aus der Zeit des Kaiserreichs zu nennen. Selbst die pièce de résistence ihres Fürstenstatus, die Steuerfreiheit, büßten sie ein. Da hieß es, äußerst wachsam zu bleiben, was die Wahrung und Verteidigung von Vermögensinteressen vor staatlichen Übergriffen anlangt.
Die Schulgründung Schloß Salem Die Gründungsgeschichte dieses so berühmten Landschulheims gehört eigentlich in die wissenschaftliche Biographie des Kurt Hahn. Er war die Triebkraft, der Kopf, der zielstrebige Umsetzer und unermüdlich findungsreiche Organisator, über viele Jahre sogar das Lebenselixier des Projektes.37 Doch unbeteiligt blieb unser Protagonist an dieser Hahnschen Hervorbringung natürlich nicht, offiziell figuriert er sogar als Miterzeuger.38 Max’ willige Adoption hatte ihr 480 480
Hauptmotiv darin, daß das Projekt in Gestalt einer markgräflichen Schulstiftung ins Leben trat und ihr zunächst gar kein moderner reformpädagogischer, sondern ein ausgesprochen nationalkonservativer politischer Bildungsauftrag innewohnte. Außerdem bot er mit dieser staatlich anerkannten Privatschule seinen beiden Kindern, aber auch denen seiner neben Hahn wichtigsten politischen Mitarbeiterin Lina Richter eine dereinst bis zum Abitur führende höhere Bildungsanstalt unmittelbar vor Ort. So erfüllte sich Kurt Hahn mit seinem Landschulheim einen Lebenstraum, für den Mitbegründer und eigentlichen Stifter Max war es eher ein dem Utilitarismus verschriebenes Unternehmen, mit dem allerdings »unschätzbaren« Nebeneffekt, seinem Berthold eine angemessene Erziehung angedeihen zu lassen, ohne daß dieser »das Elternhaus dafür hat aufgeben müssen«.39 Der bereits im September 1919 konzipierte Plan bestand darin, eine gymnasiale Tagesschule mit erst einmal zwei Klassen nebst Alumnat für zunächst nur ganz wenige Schüler im weiträumigen Nordflügel des Salemer Schlosses einzurichten.40 Seiner erzieherischen Bestimmung nach scheint das Projekt anfangs auf eine ganz merkwürdige Mischform von reformorientierter Odenwaldschule à la Paul Geheeb und jener eher konservativ ausgerichteten Prinzenschule im holsteinischen Plön hinausgelaufen zu sein, die der deutsche Kaiser in der Vorkriegszeit zur Ausbildung seiner fünf Söhne unterhalten hatte.41 »Das Problem der Erziehung unserer Söhne wird darin liegen, daß sie trotz des Verlustes ihrer sozialen und politischen Stellung […] die Tradition ihrer großen Vergangenheit in sich lebendig erhalten und in ihrem äußeren Auftreten bekunden«, hatte Max schon zu Jahresbeginn dem früheren Kronprinzen von Bayern bekundet.42 Dazu kamen Versatzstücke einer Pädagogik, die Kurt Hahn sich auf dem Hintergrund seiner eigenen schulischen Sozialisation teils selbst ausgedacht, teils von außen aufgenommen hatte. Wesentlich wichtiger als der etwas eigenartige pädagogische Impetus scheint aber 1919 »die Sicherstellung der finanziellen Basis« gewesen zu sein, für die wiederum Max von Baden sich ganz allein zuständig fühlte.43 Nicht weil sein mäzenatisches Bedürfnis, Gutes zu tun, so besonders groß war, sondern weil die ökonomische Seite ein Kardinalproblem seiner ganzen damaligen Vermögensverwaltung berührte. Besonders umgetrieben hat ihn dabei eine fiskalpolitische Maßnahme der deutschen Reichsregierung, die im Sommer 1919 für große Aufregung 481 481
sorgte, das schon erwähnte Reichsnotopfer, mit dem die immense Staatsverschuldung abgebaut und darüber die Mittel für Deutschlands Reparationsleistungen aufgebracht werden sollten.44 Vorgesehen war eine einmalige steuerliche Belastung des Besitzes von vermögenden Staatsbürgern zum 31. Dezember des Jahres, und zwar mit einer rigorosen Progression der Veranlagung, die bis zu 65 Prozent des Vermögens betragen konnte.45 Es kam nun für die Reichen darauf an, die veranlagungsfähige Vermögensmasse so zu reduzieren, daß die steuerliche Abgabe so gering wie möglich blieb. Darüber war auch Max von Baden sofort im Bilde. Das kommende Reichsnotopfer, so schrieb er seinem Freund Müller, »erfordert einen ungeheuren Aufwand an Nachdenken und Erwägen«. Ihm schwebe die Gründung einer Schule vor, »in der mein Sohn in einem kleinen Internat, an dessen Unterricht die gleichalterige Jugend des Ortes teilnehmen kann, erzogen und unterrichtet werden soll. Hierzu muß ich vor dem großen Bluten eine Stiftung machen. Schwierig ist nun die Fassung der Stiftungsurkunde, da ich dem Staat keine, der Gemeinde wenig Rechte der Einmischung zubilligen will, weil sonst die ganze Sache vertan ist.«46 Doch mit seinen unverändert sehr guten Beziehungen zum badischen Staatsministerium in Karlsruhe war es Max ein leichtes, etwaige Bedenken auszuräumen, so daß die Stiftungsurkunde am 16. Dezember 1919 notariell beglaubigt werden konnte und eine Woche später vom badischen Staatsministerium approbiert wurde.47 Damit hatte er den erklärten Zweck tatsächlich erreicht, »aus dem Untergang meines Vermögens doch noch einiges Gute vielleicht für die Arbeit an der Zukunft zu retten«.48 Denn ausdrücklich hatte die Urkunde der Markgräflichen Schulstiftung Salem die Bereitstellung von immerhin 800 000 Mark an die Bedingung geknüpft, »daß das für sie bestimmte Vermögen nicht bei Uns [sic!] zum Reichsnotopfer herangezogen wird«. Vorsitzender des Verwaltungsrats der Stiftung – so hatte der Stifter des weiteren verfügt, »wollen Wir selbst oder Unser Rechtsnachfolger sein«, das heißt Max’ Gemahlin beziehungsweise der älteste männliche Abkömmling.49 Nach Genehmigung durch das Karlsruher Kultusministerium konnte die nichtstaatliche höhere Schule für Knaben und Mädchen in Salem im April 1920 feierlich eröffnet werden. Mit einer Rede des offiziellen Schulstifters – wieder einmal aufgesetzt von Kurt Hahn.50 Diese Ansprache war eminent politisch. Sie reflektierte auf die Zeitdiagnose, daß das deutsche Volk »nicht groß in der Niederlage« sei. 482 482
Statt Volkstrauer »herrscht heute eine ruchlose, heidnische Vergnügungssucht ohne Ehrfurcht vor Gott und ohne Rücksicht auf die Leiden der Volksgenossen«. Insbesondere in den Städten sei »unser Volksleben« »krank«; es sei »Gift für den werdenden jungen Menschen«. Von dort also »kann heute nicht die Erneuerung kommen; nur das Land kann sie bringen«, dem der Redner »eine große heilende Kraft« attestiert. Er zeigte sich überzeugt, daß für die heranwachsende Jugend »hier in Salem die denkbar besten Bedingungen körperlicher und moralischer Gesundheit gegeben sind«. Durch die Schulgründung könne wirksam verhindert werden, »daß auch unsere Kinder Opfer des Krieges werden« – also Opfer der deutschen Kriegsniederlage und der deutschen Revolution. In politischer Hinsicht war das Salemer Projekt nichts anderes als ein Nebenprodukt jenes Revisionismus, den wir im nächsten Abschnitt eingehender betrachten werden. Kurt Hahn hat aus diesem nationalpädagogischen Anliegen kein Hehl gemacht: »Uns ist die Erkenntnis aufgegangen, daß ohne eine moralische Gesundung der Sitten auch an eine politische Wiederaufrichtung [des Bismarckreiches] nicht zu denken ist.« Hierfür müsse man »bei den Kindern anfangen«. »Wollen wir die Seele unseres Volkes erobern, so müssen wir, wie Wilhelm der Eroberer unsere Zwingburgen aufrichten. Wir brauchen ummauerte Kulturzentren«. Darin sollten »die Kinder für die Wirklichkeit, allerdings nicht in der Wirklichkeit erzogen werden, denn darüber müssen wir uns ganz klar sein: Die gegenwärtige Wirklichkeit kann nicht die modernen Ritter, die tatenfrohen Denker erziehen, die sie am allermeisten braucht.«51 Käme Deutschland »wieder auf den Weg zur Weltmacht«, so hat er es einige Jahre später Hans Delbrück gegenüber noch schärfer ausgedrückt, hinge »alles davon ab, daß, wenn einmal wieder eine große Stunde kommt, sie ein würdigeres Geschlecht findet als 1914«.52 So wurde der 1920 – zunächst noch in kleinstem Maßstab – errichtete Salemer Schulstaat sukzessive zu einer Trutz- und Zwingburg im ideologischen Kampf gegen das demokratisch-republikanische Weimarer System ausgebaut, der gleichzeitig sehr modern war bei den Methoden der Reform- und Erlebnispädagogik, die er anwendete; insbesondere die sportliche Ertüchtigung nach angelsächsischen Vorbildern spielte eine herausragende Rolle.53 Die politisch-manipulative Erziehung im Sinne eines ethisch veredelten Deutschnationalismus ist damaligen Schülern der Anstalt zumeist erst nachträglich zu Bewußtsein gelangt.54 483 483
Bis zum Jahr 1924, als die ersten fünf Abiturienten – vorläufig noch extern – examiniert wurden, war das schulische Kleinstaatswesen auf 75 Schüler angewachsen, von denen ungefähr 40 im Internat wohnten.55 Nach Bekundung des markgräflichen Stifters hatte das Schullandheim während der Hyperinflation der Jahre 1922/23 »eine ziemlich schwere finanzielle Krise durchzumachen«, die zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung der ökonomischen Basis des Unternehmens nötigte. Bis dato hatte man nämlich, »recht viele nichts oder sehr wenig [Schulgeld] zahlende Kinder aufgenommen«, und befand sich nun, »nachdem das von mir gestiftete Kapital ›weginflatiert‹ war, in schweren Nöten«.56 Die wurden umso größer, als sich der badische Ministerpräsident Heinrich Köhler wenig beeindruckt zeigte von den horrenden Aufwertungsansprüchen, mit denen das Haus Baden vom südwestdeutschen Freistaat im Jahre 1924 nicht weniger als 6 Millionen Mark Inflationsausgleich forderte – mit vierprozentiger Verzinsung auf Goldbasis, solange das eingeforderte Kapital nicht flösse.57 Doch selbst mit ihrer Drohung, gegen den Staat zu klagen, bissen die Rechtsvertreter bei der Zentrumsregierung auf Granit. Also mußte auch für das Salemer Projekt ein Sanierungsplan gefunden werden. Der sah einmal so aus, daß Kurt Hahn mit seinen beiden wichtigsten Mitarbeiterinnen Lina Richter und Marina Ewald eine »Vereinigung der Freunde Salems« ins Leben rief, über die sie Spendengelder für das Schullandheim akquirierten. Soweit ersichtlich, scheint es sich bei den gefundenen Wohltätern vor allem um reiche Juden gehandelt zu haben, die auch vermehrt dazu bewogen werden konnten, ihre Kinder in Salem erziehen zu lassen. Hier sind etwa die Namen Warburg und Mosse zu nennen, aber auch die Familie von Kurt Hahn, dessen sehr wohlhabende Mutter sogar Mitte der zwanziger Jahre zu ihm auf den Hermannsberg zog. Darüber hinaus wurde in der Person Elisabeth von Thaddens eine Art kaufmännische Schuldirektorin engagiert, die offenbar Wesentliches zur Rentabilität des Unternehmens beitrug.58 Max von Baden lobte die neue »wirtschaftliche Leiterin« jedenfalls als »einen guten Griff«.59 Und er benannte 1925 noch einen weiteren betriebswirtschaftlichen Eingriff: »Zu den notwendig gewordenen Maßnahmen der Sanierung gehörte auch die Aufnahme möglichst vieler vollzahlender Kinder und eine bedeutende Steigerung ihrer Zahl.« So kam es, daß sich im Internat »eine gewisse Überfüllung oder besser ein starkes Zusammenrücken« ergab, »immerhin 484 484
unter voller Wahrung des sanitären Gesichtspunktes«. Trotz dieser nun nachgerade spartanischen Unterbringung der Zöglinge forderte das Internat für jeden Schüler beziehungsweise jede Schülerin »jetzt 200 M[ark] pro Monat und einige geringfügige Extras«. Das war schon mehr als ein stolzer Preis, über den selbst so gutsituierte Familien wie die des Schriftstellers Thomas Mann stöhnten.60 Durch die geänderte Rekrutierungspolitik veränderten sich Struktur und vermutlich auch Mentalität der nun rasch wachsenden Schülerschaft, und nicht minder die Hierarchien und Entscheidungsprozesse der operativen Schulleitung. Welche Entscheidungen im Rahmen dieser Umstrukturierung noch von Max von Baden getroffen wurden, ist aus den vorliegenden Quellen nicht ersichtlich. Was aus seinem Stiftungskapital wurde, ebenfalls nicht. Zu seinem eigenen Erstaunen nahm er schon Mitte der zwanziger Jahre in Salem »ein wahres Sammelsurium von Menschen« wahr, gab sich aber gleichwohl unverändert davon überzeugt, daß diese Menschen »von dem einen Wunsch beseelt und zusammengeschweißt sind, etwas Positives für Deutschlands Gesundung zu tun«.61 1926 hat Berthold Prinz von Baden sein Abitur gemacht. Damit war auch das schulpolitische Engagement seines Vaters zu Ende, und sein Generalbevollmächtigter von Hornstein nahm sich dieser Dinge an.
Politische Schwanengesänge Das Fiasko seines Kanzlers Max hatte Kurt Hahn nicht aus der Bahn werfen können. Auch zum Jahreswechsel 1918/19 glaubte er noch daran, für die deutsche Politik ein großes Rad drehen zu können. Fast hat es den Anschein, als ob seine Getriebenheit ihn gar nicht bemerken ließ, daß die Novemberrevolution eine enorme politische Zäsur gesetzt hatte.62 Sie wurde von ihm verdrängt – sowohl was die revolutionäre Umgründung als auch was die katastrophale Niederlage des Deutschen Reiches anlangt. Die Friedensbedingungen der Siegermächte schienen ihm ebenso verhandelbar, wie auch die sich abzeichnende neue demokratische Staatsform für ihn keine Zwangsläufigkeit war. Er wollte den politischen Kampf, genauer die moralische Offensive für seinen ethischen Imperialismus noch ein zweites Mal durchkämpfen. Für diese Fortsetzung brauchte er Verbündete, die alten sowieso, aber auch neue, womöglich charismatischere. Vor allem 485 485
aber brauchte er Max von Baden, der seinen Kredit als Staatsmann zwar verspielt hatte, der aber immer noch einen prominenten, in einigen politischen Kreisen sogar respektablen Namen besaß – gerade bei denen, die sich nun zur Deutschen Demokratischen Partei formierten. Auch Max brauchte Hahn mehr denn je. Da es Hahn gewesen war, der ihn in das politische Abenteuer seiner unseligen Kanzlerschaft hineingeritten hatte, sollte der ihm nun auch helfen, sich aus jenem Verhängnis wieder herauszupauken. Die Angst des Gescheiterten vor extremem Ansehensverlust war groß – und nur zu berechtigt. Dazu hatte Hahn – das Perpetuum mobile – gleich neue Ideen im Sinn. Hauptbezugsfeld seiner Politik wurde im Winter 1918/19 das sich abzeichnende Friedensdiktat der Alliierten, wie es bereits in den rigiden Waffenstillstandsbedingungen vom 11. November 1918 aufschien.63 Jene bittere Konsequenz des militärischen und politischen Bankrotts also, den das kaiserliche Deutschland bei seinem »Griff nach der Weltmacht« erlitten hatte – eines Konkurses, den selbst der Sozialdemokrat Friedrich Ebert erst ein Vierteljahr nach dem 9. November 1918 öffentlich eingestehen mochte.64 Für Kurt Hahn war so ein Eingeständnis tabu; schon deshalb, weil es seine ganze politische Vorstellungswelt in ein Luftschloß verwandelt hätte. Seinen ersten neuen einflußreichen Verbündeten fand er noch im Dezember 1918 in dem Diplomaten Graf Brockdorff-Rantzau, den langjährigen deutschen Gesandten in Kopenhagen, dem damals auf ausdrücklichen Wunsch Eberts die Leitung des Auswärtigen Amtes übertragen wurde.65 Im – wiederum informellen – Beraterkreis des demokratisch angehauchten Aristokraten, mit dem Hahn bereits während der Kanzlerschaft Max von Badens in näheren Kontakt getreten war,66 wußte der Vertraute des ehemaligen Kanzlers sich rasch neuen Einfluß auf das politische Geschehen zu sichern, der etwa bis Mai 1919 anhielt.67 Darüber hinaus versuchte Hahn, mit dem schon recht berühmten und vor kurzem in die Politik gegangenen Gelehrten Max Weber in Verbindung zu treten. Daß Webers öffentliches Ansehen und seine inzwischen erworbene Ausstrahlungskraft als tagespolitischer Redner und Publizist einem so scharfen Beobachter wie Kurt Hahn nicht entgehen konnte, liegt auf der Hand.68 Hinzu kamen Webers immer wieder öffentlich artikulierter Haß auf die Novemberrevolution, seine unverhohlene Animosität gegenüber der Regierungssozialdemokratie69 und nicht zuletzt sein Plädoyer für ei486 486
ne von den Parteien unabhängige »Führerauslese«,70 – all dies prädestinierte ihn zum potentiellen Mitstreiter. Max von Baden blieb an den beiden politischen Eroberungen seines Vordenkers nicht unbeteiligt. Hahns Suggestion dauerte unverkennbar an: »Es ist mir, als hielten unsichtbare Mächte mich fest und zerrten mich einem noch unbekannten Ziel entgegen«, schrieb er Weihnachten 1918 an Freund Müller. Er »setze große Hoffnungen auf Brockdorff-Rantzau, mit ihm wäre ich imstande, gut zusammenzuarbeiten. Hätte ich ihn nur statt Solf gewählt, vieles wäre besser gewesen.«71 Auch war es kein Zufall, daß er ausgerechnet im Januar 1919 persönliche Beziehungen mit Max Weber anknüpfte, wie dessen Frau Marianne überliefert hat. »Die Männer verstanden sich gut und gewannen große Sympathie füreinander.« Und sie verband gleich ein gemeinsames politisches Ziel, nämlich »der Entente noch einen erträglichen Frieden abzuringen«.72 So dürfte es Max nicht besonders schwergefallen sein, den Gelehrten zu veranlassen, seine Heidelberger Villa für eine programmatische Versammlung diverser Repräsentanten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zur Verfügung zu stellen.73 Von Anfang an aber war Kurt Hahn die treibende Kraft hinter diesem Unternehmen, das sich die Gründung einer »Arbeitsgemeinschaft für ethische Politik« zum Ziel gesetzt hatte. Diese Vereinigung sollte der Politik des Revisionismus, wie sie das Auswärtige Amt in Berlin gerade konzipierte, mit dem Geld von Sponsoren aus der Wirtschaft, aber auch mit Prominenten aus der Wissenschaft ein größeres Gewicht verleihen – übrigens auch der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gegenüber, die in Sachen Friedenspolitik eher auf Zurückhaltung plädierte. Um die illustre Gesellschaft programmatisch zu orientieren, die sich am 3. und 4. Februar 1919 in Webers schönem Domizil am Neckarufer vis-à-vis vom Heidelberger Schloß einfand, ließ Hahn Max von Baden ein langes Referat halten, dessen Originaltext sich nicht erhalten hat, das aber einige Wochen später in elaborierter Fassung in den Preußischen Jahrbüchern erschien.74 Wichtiger noch als die Verlesung – und auch die offenbar etwas ziellose Diskussion – dieser sogenannten Denkschrift scheint die am Ende verabschiedete sogenannte Zustimmungserklärung, deren Entwurf und Endredaktion ebenfalls auf Kurt Hahn und dessen Mitarbeiterin Lina Richter zurückgeht. Wichtiger deshalb, weil es diese Programmatik war, die Mitte Februar 1919 an die Presse gegeben wurde. Sie berief sich explizit auf die von Max’ 487 487
Referat inspirierten Grundgedanken der sich nun »Arbeitsgemeinschaft für Politik des Rechts« nennenden Heidelberger Versammlung. Damit wurde die mit 22 Unterschriften75 versehene Affirmation des von Kurt Hahn Erdachten zugleich auch zu einer Art Ehrenerklärung für die politische Integrität des Ex-Kanzlers, die damals öffentlich bereits heftig bestritten wurde.76 Ihre Eckpunkte lauteten: Einsetzung einer unparteiischen neutralen Untersuchungskommission zur Klärung der Schuldfrage; Wilsons 14-Punkte-Programm müsse den Geist der Friedensverhandlungen bestimmen; Verpflichtung des ganzen deutschen Volkes, »in den eigenen Grenzen einen Zustand des Rechts und der Ordnung herzustellen«; Aufrechterhaltung des »Führergedankens« auch in einer neu zu schaffenden »Volkswehr«.77 Politische Breitenwirkung entfaltete diese Initiative zunächst einmal wenig, jedenfalls in der öffentlichen Meinung.78 Als »Dr. Hahn« Harry Graf Kessler mit seinem Heidelberger Projekt einer Wiederaufrichtung des deutschen Nationalbewußtseins kam, winkte der gleich skeptisch ab. Schon wegen der seiner Meinung nach gefährlichen »Verquickung von Ethik und Propaganda« war er »gegen die ganze Sache«, aber auch »wegen der Persönlichkeit des Prinzen Max«, den er in dessen neuer Rolle »ziemlich misstrauisch« beäugte.79 Immerhin scheint sich der neue Außenminister Graf Brockdorff-Rantzau etwas mehr der Hahnschen Prämissen angenommen zu haben, das legt zumindest die Rede nahe, die er am 14. Februar 1919 in der Weimarer Nationalversammlung gehalten hat.80 Auch daß der Leiter der deutschen Friedensdelegation einige Unterzeichner des Heidelberger Aufrufs – namentlich Kurt Hahn und Max Weber – in seinen Mitarbeiterstab berief und im Mai mit nach Versailles nahm, läßt das Unternehmen als nicht ganz vergeblich erscheinen.81 Aber vorzugsweise doch nur als ein Unternehmen in eigener Sache – der Firma Hahn alias Max von Baden.82 Letzterer hat dann auch ungeniert die Druckfassung seines Heidelberger Referates als eine Schrift annonciert, »in der ich versucht habe, der deutschen Diplomatie einen Boden zu gewinnen, von dem aus noch etwas in auswärtigen Angelegenheiten für Deutschland zu erreichen sein könnte«.83 Schon im Dezember 1918 hatte Max einen von ihm gezeichneten Aufruf in die Frankfurter Zeitung lanciert, in dem es hieß: »Wem die unserem Volk angetane Schmach ebenso heiß in der Seele brennt wie mir, der erhebe in Wort und Schrift seine Stimme gegen die unerhör488 488
te Vergewaltigung, die feindliche Machtsucht und Siegestrunkenheit über die Heimat verhängt haben durch auferlegte, erniedrigende Waffenstillstandsbedingungen, die unser nationales Leben in ihren Grundfesten bedrohen«.84 Seitdem war es ihm darum zu tun gewesen, möglichst starke »moralische Offensive[n] gegen unsere Feinde loszulassen«, weil das »der einzige Weg« sei, »unser Recht zur Geltung zu bringen«.85 Unser Recht, das meinte vor allem die Forderung nach Wiederherstellung des Wilson-Programms als Verhandlungsgrundlage, letztlich die Wiedereinsetzung des Deutschen Reiches in den Stand einer ebenbürtigen Großmacht. Diese Einstellung war damals bis weit in die Mitte der politischen Kultur von Weimar verbreitet.86 Sie offenbart, wie wenig man die außenpolitische Lage Deutschlands verstehen wollte oder verstehen konnte. Eine Haltung, die die definitive Kriegsniederlage ebensowenig in Rechnung stellte wie die Tatsache, daß die Reichsverfassung das Volk zum alleinigen Souverän im Staate erhoben hatte. Wohl war die überzogene – weil ebenso demütigende wie repressive – Politik der Siegermächte gegenüber Deutschland verfehlt und damit durchaus auch kritikwürdig; schon weil sie die nationalistische Feindbildpflege der Fundamentalopposition gegen das Weimarer System stärkte. Für das Gemeinwohl des geschlagenen Reiches wirken wollen, hätte aber vor allem anderen bedeutet, sich auf den Boden der neuen Staatsordnung zu stellen und von dort aus nationalpolitisch zu agieren – auch gegen die Alliierten.87 Doch dies wollte Max von Baden nicht, es entsprach nicht seinem politischen Weltbild. Deshalb lehnte er auch ohne Zögern eine Kandidatur für die verfassunggebende Nationalversammlung ab, die ihm die Deutschdemokratische Partei auf einem sicheren Listenplatz angeboten hatte.88 Als Anfang Mai 1919 die Friedensbedingungen der Siegermächte bekannt wurden, zeigt sich Max in seinem Nationalgefühl tief verletzt. »Daß ich Namenloses durchgemacht habe seit Bekanntgabe der Friedensbedingungen, haben Sie mit der Intuition des Mitgefühls gespürt«, schrieb er an Müller.89 Zwar war das Versailler Diktat seit langem vorhersehbar, aber erst jetzt starb die letzte Hoffnung auf ein erträgliches Friedensangebot der Alliierten endgültig. Mit diesem Schock stand Max von Baden beileibe nicht allein in Deutschland. »Zu tief« – so der Historiker Hans-Ulrich Wehler – »wirkte der Absturz aus den Höhen wilhelminischer ›Weltpolitik‹ und exorbitanter Kriegsziele, zu schmerzhaft der ›karthagische Schandfrie489 489
den‹.«90 Für den ehemaligen Kanzler war es der bislang massivste Angriff auf seine politischen Vorstellungen, der ihm vielleicht zum ersten Mal das ganze Ausmaß der Katastrophe seiner Kanzlerschaft ins Gewissen schrieb. War dies der Startpunkt eines pathologischen Lernprozesses? Nein, Max reagierte eher mit den zeitgeisttypischen Abwehrreflexen der alten politischen Eliten. Nachzulesen ist dies in einem pathetischen Aufruf zum Kampf, den er im Juni 1919 veröffentlichte.91 Darin ermahnte er die Deutschen, »die Unterzeichnung [des Friedensvertrags] zu verweigern und die Konsequenzen auf sich zu nehmen«. Nötigenfalls »müssen wir die Feinde in die Zwangslage versetzen, die letzte unmenschliche Konsequenz aus ihrer Gesinnung zu ziehen«.92 Diese Aufforderung zum politischen Märtyrertum, die ihn selbst wenig kostete, aber ein ganzes Volk moralisch in Haftung nehmen wollte, läßt tiefer blicken. Zum einen erkennt man, wie sehr seine Parameter der Welt von gestern entstammten. Es sind Deutschlands Ehre, Größe, Weltgeltung, die hier um jeden Preis behauptet werden müssen, allesamt gerechtfertigt durch das Dogma von der deutschen Kriegsunschuld. Zum andern erkennt man aber Max’ trotziges Aufbäumen gegen die Folgen des von ihm bis zum Schluß bejahten Krieges. Seine moralische Empörung ist insofern echt, als sie der Bewahrung seiner Illusionen dient; gleichzeitig ist sie die verbale Kriegserklärung eines Privatpolitikers, der an den Maximen traditioneller Machtpolitik festhält, um eine Neuorientierung zu verhindern. Somit war sein Manifest auch eine implizite Kampfansage an die noch keineswegs konsolidierte Weimarer Republik. Und war damit Teil jener Verantwortungslosigkeit, die Hugo Preuss, der Vater der demokratischen Reichsverfassung, damals einen »verbrecherische[n] Irrsinn« genannt hat, weil er alle chauvinistischen Drohgebärden den Siegermächten gegenüber für nationalpolitischen Selbstmord hielt.93 Nachdem das Versailler Friedensdiktat durch die Mehrheit der Weimarer Nationalversammlung und eine neue Reichsregierung notgedrungen akzeptiert worden war, hat der inzwischen nach Schloß Salem zurückgekehrte Max seinen Feldzug »gegen das Versailler Verbrechen und alles, was damit zusammenhängt«94, noch eine ganze Zeitlang fortgesetzt. Auch Kurt Hahn war inzwischen dort ansässig geworden, so daß die beiden Männer ihrer Chimäre der Weltrettung wieder gemeinsam nachjagen konnten. Wobei sie es auch an offen re490 490
vanchistischen Drohgebärden nicht fehlen ließen. Im Sommer 1919 wies Max von Baden den Bischof von Uppsala darauf hin: »Zunächst handelt es sich darum, alle moralischen Kräfte in allen Ländern für die Revision des Friedens mobil zu machen. Wenn aber dieser unblutige Kampf vergeblich sein sollte, so kann ein Deutscher nur auf einen künftigen Freiheitskrieg hoffen.« Denn der Versailler Vertrag beruhe »auf einer Lüge«, er »vernichtet die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes. Er ist kein Rechtsspruch, sondern pharisäisch verhüllte Räuberei.«95 Mehr denn je gab Max sich überzeugt davon, daß »der Hohe Rat von Versailles die Welt mit einem ungeheuren Aufwand an Macht, List und Betrug zu beherrschen sucht«.96 Das verpflichte zum »Kampf gegen die Lüge mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln«.97 Die strategische Führung in diesem Federkrieg überließ er seinem kampferprobten Mitstreiter Kurt Hahn. Nun wäre es verkürzt, in Kurt Hahn eine mephistophelische Verhängnisgestalt, einen besonders enragierten, verbohrten und einfach nicht zu bremsenden Einzelkämpfer zu sehen. Nein, Hahns revisionistisches Engagement berührte sich vielfach mit Positionen, die damals eine breite Kampffront nationaler Kräfte vertrat.98 Sie reichte von rechtsaußen bis in die liberale Mitte hinein.99 Dort war überall jene fatale Mischung aus frustriertem Nationalismus und politischer Unreife anzutreffen, die sich als böses Erbe des Kaiserreichs in den Köpfen der Menschen eingenistet hatte. Von daher muß Hahns Beitrag zur Mobilisierung nationaler Ressentiments gegen den außenpolitischen Status quo als Teil einer durchaus breiteren Kampagne gegen Versailles begriffen werden. Was freilich nichts daran ändert, daß er antidemokratischem Denken entsprang – mit dem Ziel, eine Fundamentalopposition gegen die Weimarer Republik und ihre Repräsentanten ins Werk zu setzen. Hahn wollte aus den schmerzlichen Erfahrungen der Jahre 1918/19 nichts lernen; seine Mißerfolgstoleranz war enorm, ihm fehlte jede Form der Selbstkorrektur. Hahns Aufbereitung des deutschen »Kriegsschuldsyndroms« orientierte sich hauptsächlich an der Vergangenheit und richtete sich direkt gegen Verständigungs- und Entspannungsbereitschaft auf deutscher Seite.100 Seine Revisionspropaganda trug dazu bei, den Übergang von der politischen Kriegskultur zu einer Friedenskultur zu boykottieren, und damit auch dazu, eine ganz neue, demokratisch-eigenständige Außenpolitik der Weimarer Republik zu vereiteln. Was er dachte 491 491
und zu tun vorschlug, befeuerte zugleich die persönlichen Ressentiments Max von Badens, war diesen vielfach nachempfunden. Insofern war enge Kollaboration hier gleichsam vorprogrammiert. In innenpolitischen Fragen scheint Max hingegen einer solchen Weisung kaum mehr bedurft zu haben. Hier leistete er sich eine eigene Meinung; vorzugsweise da, wo er glaubte, rückhaltlos reden zu können. Dabei durfte er mit dem Verlauf der Revolution in Baden erst einmal ganz zufrieden sein.101 Zwar hatte auch dort die Monarchie der demokratischen Republik weichen müssen, aber sich schon bald eine ausgesprochen gutbürgerlich orientierte Staatsregierung etablieren können. Dieser Koalition aus Sozialdemokratie, Zentrum und Deutschdemokratischer Partei gelang es rasch, die sozialen und politischen Turbulenzen unter Kontrolle zu bringen, »erfreulicher Weise«, wie auch der frühere Thronfolger anerkannte: Das ganze badische Volk wolle »Ordnung, nur eine kleine Gruppe steht zu den wahren Umstürzlern, ein Geschenk des Nordens« – gemeint war Preußen. Die Parole müsse deshalb lauten: »festes Zusammenstehen aller derer, die bei uns russische Zustände vermeiden wollen«.102 Zu dem wohl entschiedensten Vertreter dieser Richtung zählte der neue Innenminister Ludwig Haas von der DDP .103 In ihm besaß Max gleich zu Beginn der neuen politischen Zeitrechnung in Baden wieder einen Ansprechpartner und Dolmetscher in Karlsruhe. »Jude und Demokrat, aber klug und edel«, so faßte er sein Urteil über den neuen Freund prägnant zusammen.104 Auf ihn konnte sich der Zähringer verlassen, denn schon während seiner Kanzlerzeit hatte sich der badische Reichstagsabgeordnete Haas als ein ausgesprochener Befürworter seines großen Landsmanns profiliert. Gleich bei Regierungsantritt war der Parlamentarier mit einer Eloge auf den neuen Kanzler an die politische Öffentlichkeit getreten und hatte seine Politik auch noch kurz vor deren definitivem Scheitern in den höchsten Tönen gelobt.105 Schon im Dezember 1918 war Max’ Draht zur badischen Landesregierung so gut, daß er glaubte, ihr wieder Ratschläge erteilen zu können.106 Während der Ex-Kanzler seine Heimat als »ein[en] Hort der Ordnung in der Wirrnis des armen deutschen Volkes«107 erlebte, blickte er mit großer Sorge auf Berlin. Vor allem die anhaltenden revolutionären Wirren in der Reichshauptstadt machten ihm Angst, und sie setzten in seinem Inneren erstaunliche antipreußische Ressentiments frei. »Der Haß gegen Berlin-Preußen ist bei uns ganz unge492 492
heuer«, schrieb er an Rupprecht von Bayern. »Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich heute sage, daß er größer ist als der gegen Frankreich.« Aber auch abgesehen von diesem akuten Ärgernis trieb Max die Sorge um, »daß das Übergewicht eines demokratisierten Preußens einen sehr unheilvollen Einfluß auf Süddeutschland haben könnte«.108 Denn die parlamentarische Demokratie wollte er immer noch nicht, hoffte vielmehr, daß in der Weimarer Nationalversammlung »die Arbeit treuer deutscher Männer wieder aufbauen [möge], was der 9. November [die deutsche Revolution] zerstörte«.109 Von einem politischen Lernprozeß konnte also bei Max auch auf diesem Feld keine Rede sein. Das einzige, was er tun wollte, war: »dazu beitragen, den revolutionären Sumpf und die moralische Verwahrlosung abzubauen«.110 Was man auch umschreiben kann mit: den erfolgreichen Aufbruch in ein demokratisches Staatswesen zu behindern. So neigte er in seinem politischen Fühlen, Denken und Wollen schon zu Beginn der ersten deutschen Demokratie autoritären Gedanken zu. Seine geistige Nähe zu den rhetorischen Figuren, mit denen das Lager der extremen Nationalisten zeitgleich die deutsche Nachkriegsordnung angriff, ist unübersehbar.111 Selbst der Ruf nach einem politischen Führer, der Deutschland retten soll, fehlt nicht. Wobei man – nach den Befunden von Stephan Malinowski – wissen muß, daß vor allem »der Mythos des Führertums zu den wichtigsten kommunikativen Brücken [gehört], über die Adel und Nationalsozialismus [Ende der zwanziger Jahre] zueinanderfanden«.112 Wie denn auch der Sog, den diese Führererwartung als politisch-ideologische Schubkraft des Erfolgs der NS -Bewegung erzeugte, gar nicht überschätzt werden kann.113 Zwar war Max kein Rechtsradikaler, doch mit seinen hämischen Verdikten, wonach die Deutschen »nicht gesund [sind]«114, der liebe Gott gar nicht mit dem deutschen Volke sein könne, weil es heute »jeder Würde bar, häßlich an Leib und Seele dasteht«115 – mit solchen Animositäten stand er geistig nicht mehr sehr weit von dem Milieu entfernt, wo Intoleranz, Illiberalität, Haß und autoritäre Gefolgschaftsideologie parteimäßig zu Hause waren. Indem seine Rhetorik den deutschen Volkskörper als krankhaft auffaßte, gab sie nur zu deutlich zu erkennen, daß Max das demokratisch-republikanische Prinzip einer pluralistischen Gesellschaft für ungesund und schädlich hielt. Weil er sich als öffentliche Person vollständig hinter den von Kurt Hahn konzipierten und dirigierten,116 politisch halbwegs korrekten Propaganda-Kampf gegen den Friedens493 493
vertrag von Versailles verschanzte117, kam diese Seite seines Denkens kaum zum Vorschein. Und zum Tragen kam sie letztlich auch nicht, weil er die Arena des offenen Meinungskampfes niemals betreten hat. Er war nur als eine warnende Stimme aus dem Off zu vernehmen und blieb ansonsten unsichtbar. Die Scheu vor öffentlichen Auftritten war groß; sie nahm bei ihm geradezu Züge einer Phobie an. Das zeigte sich sehr deutlich, als der parlamentarische Untersuchungsausschuß, den die Weimarer Nationalversammlung zur Untersuchung von Schuldfragen im Weltkrieg eingesetzt hatte, seine Arbeit aufnahm.118 Dort standen dem letzten Kanzler mit Hans Delbrück und Bernd Schwertfeger zwei versierte Sachverständige zu Gebote, die sich wünschten, ihrem Idol vor diesem Forum eine ähnliche Genugtuung zu verschaffen, wie dies Ludendorff und Hindenburg schon im November 1919 mit ihrem spektakulären Auftritt gelungen war. Indem sich die beiden Militärs damals mit größtmöglicher Arroganz zu Herren des Verfahrens aufschwangen, konnten sie, ohne daß ihnen jemand zu widersprechen wagte, jede Verantwortung für die Kriegsniederlage von sich auf die Heimat abwälzen, die das Frontheer im Herbst 1918 so schmählich verraten hätte.119 Warum sollte Max von Baden – mit umgekehrten Vorzeichen – nicht ähnliches gelingen? Doch der Geforderte ließ alle Souveränität, allen Mut für ein solches öffentliches Auftreten vermissen. Er müsse »jede Art von Verhör oder Gerichtsverhandlung ablehnen«, schrieb er merklich angefaßt im August 1922 an den werbenden Schwertfeger. Für die Untersuchung seiner politischen Tätigkeit sei ein prüfendes Verfahren vor dem Ausschuß »nicht angängig«, weil es keine »gerechte Beurteilung« erwarten lasse. Schlimmer noch: »Die Form der Ausfragung, wie sie bei solchen Verhandlungen vorherrscht, zwängt die Ausführungen der Verhörten in die Bahn, die den Gedankengängen der Verhörenden entspricht.«120 Das mochte er sich nicht bieten lassen. Auch als sich knapp drei Jahre später im aufsehenerregenden »Dolchstoßprozeß« in München erneut die Möglichkeit abzeichnete,121 als Zeuge geladen und zur Politik seiner Kanzlerschaft vernommen zu werden, reagiert Max panisch. Schon im Vorfeld der Verhandlungen beschwor er Delbrück, der dort als Sachverständiger fungieren sollte, ihn vor der »abscheulichen Lage« eines Erscheinens vor Gericht zu bewahren. »Mein ganzes Gefühl bäumt sich gegen eine solche Zumutung auf«.122 Nur durch sofortige und massive Intervention von Delbrück und Schwertfeger bei der 494 494
Verteidigung, konnte Max’ Vorladung in letzter Minute verhindert werden.123 Diese Angst, ja, Kopfscheu des Ex-Kanzlers vor der öffentlichen Erklärung seiner Regierungspolitik vermittelt, wie furchtbar peinlich es Max von Baden berührte, sein politisches Handeln als Staatsmann noch einmal legitimieren zu müssen, es gar einer öffentlichen Diskussion unter eigener Beteiligung auszusetzen. Wo war sein aristokratischer Stolz geblieben, seine fürstliche Souveränität, sein Ehrgefühl, seine Überzeugung? Man registriert diese Schrumpfung seines Formats fast mit Mitleid – wenn da nicht seine anhaltende Propaganda in Dingen gewesen wäre, wo es nichts kostete, den Mund gegen die demokratische Grundordnung aufzumachen. So zu beobachten im Herbst 1923, als sich im Schatten des Ruhrkampfes antidemokratische Kräfte von rechts- und von linksaußen formierten, um gegen die Weimarer Republik mobil zu machen.124 Da engagiert sich Max in einer Konspiration um den bayerischen Generalstaatskommissar (mit damals quasi-diktatorischen Vollmachten) Gustav Ritter von Kahr und den früheren Kronprinzen von Bayern, Rupprecht, die bis heute kaum erforscht ist.125 Wir wissen immerhin, daß es um die militante Abwehr akuter Staatsstreichgefahren von links durch bewaffnete vaterländische Kampfverbände ging, aber auch darum, eine Rechtsdiktatur im Reich zu errichten. Und nicht zum wenigsten ging es um die Aktivierung partikularistischer Bestrebungen, die die Restauration der Monarchie in Bayern, aber womöglich auch die Errichtung eines von Preußen wieder abgelösten Freistaats Hannover zum Ziel hatten.126 Es war ausgerechnet Adolf Hitler – ursprünglich Bündnispartner jener Kampfgemeinschaft –, der durch seine eigenmächtige Handlung und insbesondere durch seinen Schulterschluß mit dem politisch reaktivierten Weltkriegsgeneral Ludendorff die Sache vorzeitig auffliegen und nach seinem übereilten Putsch am 9. November 1923 sogar vollends scheitern ließ.127 Sehr zum Leidwesen auch Max von Badens, der gewiß nur eine Randfigur der damaligen Aktivisten war, aber darum nicht weniger leidenschaftlich engagiert. Das zeigt seine Reaktion auf Hitlers Düpierung, wie man sie seinem Brief an Johannes Müller entnehmen kann, nur zu deutlich. »Welche Tiefen öffnen sich durch den Hitler-Putsch. Wortbruch, Gewalt, völlige Verwirrung aller Begriffe von Patriotismus, Anstand, Recht und Ehre. Es ist zum Entsetzen.« Von »der Unfähigkeit der Regierung in Berlin und dem elen495 495
den Parlament« wolle er schweigen. »Wir brauchen eine Auflösung des Reichstags und Neuwahlen, und dann einen volksgewählten Präsidenten, oder aber einen Diktator.«128 Auch gegenüber Rupprecht, der bis zum 9. November 1923 »allgemein als ungekrönter König betrachtet wurde und an allen [antidemokratisch-monarchistischen] Veranstaltung ganz offiziell teilnahm«,129 beklagte Max sich unter Rekurs auf die Hitlerbewegung zutiefst, »daß pathologische Schwärmer und politische Analphabeten mit demagogischen Mitteln und sinnlosen Anschlägen die große nationale Sache lächerlich machen und schänden«.130 Was er Hitler ankreidete, war nicht dessen politische Ideologie schlechthin. Was Max so wütend machte, war, daß Hitlers dilettantisches Vorpreschen auch das mit in den Abgrund gerissen hatte, worauf er selbst seine Hoffnung setzte: eine halbwegs legal etablierte Diktatur unter allerdings monarchischem Vorzeichen. Deshalb ging ihm die »demagogische Aufpeitschung der Massen« durch die Nationalsozialisten so contre cœur. Und noch etwas: »Wir wollen uns darüber nicht täuschen, wir finden bei den s. g. völkischen, Hitler, Ludendorff und tutti quanti nicht nur einen blödsinnigen Antisemitismus, sondern auch, was noch bedenklicher ist, eine gefährliche Hetze gegen die katholische Kirche. Motto: Sie hat die Zerstörung des deutschen Reichs gewollt wegen des protestantischen Kaisertums, sie will jetzt Deutschland durch Gründung eines süddeutsch-österreichischen katholischen Reiches in zwei Teile spalten.«131 Mit diesem Verdikt hatte Hitler in der Tat sehr erfolgreich den auch von Max favorisierten Plan durchkreuzt, die Monarchie in Bayern unter Rupprecht zu restaurieren. Und damit verbrannte Erde hinterlassen. Für den Ex-Kanzler sollte es dagegen ureigenste Sache der früheren deutschen Bundesstaaten (inzwischen Bundesländer) bleiben, »zwischen Republik und Monarchie zu wählen«. Durch seine »schlechte Verfassung« hätte das deutsche Volk »seine Fürsten ausgeschaltet, in seiner höchsten Not führend mitzuarbeiten«. Deshalb sollte man dem Volk eine »andere« Verfassung geben; eine, die den »Notwendigkeiten entspricht«. Die große politische Sache, das blieb für Max eine »nationale Erhebung, die zu gegebener Stunde kommen muß, wenn wir nur die Gefahr des Bruderkrieges bannen und ein Volk von Brüdern werden, was wir im August 1914 waren und nicht mehr sind«.132 An der Spitze einer so formierten Volksgemeinschaft wünschte Max sich die »denk496 496
bar beste Staatsautorität, das heißt wir brauchen die Diktatur«. In diesem Sinne hatte er gleich nach dem Hitlerputsch öffentlich an den Reichspräsidenten appelliert, sich endlich »der ungeheuren Vollmachten [zu] bedienen, die die Verfassung für Notfälle vorsieht«. Allerdings: »Ein im Krieg bewährter Führer würde am besten die Sehnsucht des Volkes befriedigen.«133 Außerdem, so meinte er Standesgenossen gegenüber, »brauchten wir eine Partei der Parteilosen, die bloß auf Vaterlandsliebe und Christenglauben eingeschworen wäre«. Nur so dürfte man hoffen, alle die »wertvollen Kräfte« insbesondere der deutschen Jugend »in einen langsamer fließenden, aber tiefer begründeten Kanal zielbewußten nationalen Empfindens zu sammeln und sie überparteilich auf den deutschen Freiheitskrieg vorzubereiten« – den »Befreiungskrieg« gegen Frankreich. Er selbst würde jedenfalls unter denen zu finden sein, die einen solchen »Krieg vorbereiten und predigen werden«.134 Dies ist die letzte noch halbwegs tagespolitisch orientierte Positionierung des Max von Baden, die auf die Nachwelt gekommen ist. Gut fünf Jahre vor seinem Tod. Der Rest war öffentliches Schweigen und privates Schimpfen. Die nationale Politik noch irgendwie geistvoll zu kommentieren, daran hatte er bald kein Interesse mehr. Denn die Geschichte der Weimarer Republik ist über seine krude Vorstellung einer Kombination von legaler Führerdiktatur und außenpolitisch abgesichertem Revanchekrieg gegen Frankreich bald hinweggeschritten. Nachdem er das realisiert hatte, sah er »es schon allein als eine Erholung an, außerhalb der deutschen Grenzen zu sein. Von der s. g. Freiheit in Deutschland spüre ich nichts. Im Gegenteil, […] das kommt wohl von der Tyrannei der Parteien, an die man verraten und verkauft ist. Überall herrscht Willkür und Gemeinheit und das Wort Freiheit ist eine Phrase und bedeutet nur Freiheit des schlechten Benehmens und Schutz für dieses.«135 Das möge reichen zur Kennzeichnung seiner sich steigernden politischen Verbitterung. Bis zu seinem 57. Lebensjahr hatte er sich gegen den Umbruch von 1918 gestemmt. Immer wieder hat er dabei seine tiefe Abneigung gegen demokratische Strukturen und Prozeduren zu erkennen gegeben, die geeignet schienen, die politischen Entscheidungsträger in ihrer Souveränität zu beschränken. Mehr noch, die Etablierung der Demokratie empfand er als politische Niederlage, die ihn auch ganz persönlich traf. Weil sie sich niemals als innere Befreiung, als Chance für einen Neuanfang anfühlte, rief sie bei ihm vorzugsweise 497 497
Animositäten hervor, die sich dann entsprechend artikulierten. Bei seinen politischen Kundgebungen war es Max (hintergründig) auch immer darum gegangen, seinen ramponierten Ruf im rechten Lager durch neue dezidiert vaterländische Postulate nach Kräften zu reparieren. Die Konsequenzen seiner politischen Visionen blendete er aus. Er dachte eben niemals vom praktischen Gemeinwohl bzw. von den elementaren Bedürfnissen einer liberalen modernen Zivilgesellschaft, oder von einer europäischen Friedensordnung her. Seine politische Orientierung fixierten die überkommenen ideologischen Wertmuster von Deutschlands Größe, Würde, Weltgeltung und seine Staatsautorität im Inneren, für deren Verkörperung er einen neuen Führer suchte. Etwas im Kern ganz Ähnliches wollten nun paradoxerweise auch diejenigen Leute, die den Ex-Kanzler in den Anfangsjahren der Weimarer Republik am heftigsten politisch-publizistisch angegriffen haben.136
Öffentliche und familieninterne Anfeindungen Zum Wortführer seiner Gegner im Lager der preußischen Konservativen wurde gleich Anfang 1919 Kuno Graf von Westarp, der bis 1918 die Fraktion der Deutschkonservativen Partei im Reichstag geführt und sich auch an deren Umbildung zur Deutschnationalen Volkspartei maßgeblich beteiligt hatte.137 Mit Unterstützung der traditionsreichen Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung startete er bereits im Januar eine Kampagne gegen Max von Baden.138 Sein Ziel: die Rettung des monarchischen Gedankens, der durch den fahnenflüchtigen deutschen Reichsmonarchen im November 1918 enorm geschädigt worden war. Westarp wollte die aufkommende Kritik seiner Standes- und Gesinnungsgenossen an diesem unwürdigen Abgang auffangen und propagandistisch so umbiegen, daß sich ihre Spitze nunmehr gegen den eigentlich Schuldigen richtete: gegen den letzten Kanzler des Kaisers. Das war schlau. Denn gerade die konservative Elite in der Reichshauptstadt mit ihrem bis 1918 exzellenten politischen Insiderwissen wußte nur zu gut um die Angriffsflächen und Schwachpunkte des Max von Baden. Dabei schreckte Westarp nach eigenem Bekunden vor nichts zurück: »Das Verhalten des Prinzen Max erschien mir als so unerhört und so verhängnisvoll, daß ich […] meinem Angriff bewußt – ohne Rücksicht auf die Pistole des 498 498
Prinzen Max – eine persönliche Schärfe gab, die über die Grenzen hinausging, die ich sonst einzuhalten pflegte.«139 Am 20. März 1919 konstatierte er zeitungsöffentlich, daß der Kanzler »seiner Stellung in keiner Weise gewachsen war und keinen Begriff von seiner staatsrechtlichen und geschichtlichen Verantwortung gehabt hat. Die unmittelbaren Folgen seiner Handlungsweise bestanden in dem vollständigen Zusammenbruch der Ordnung im Reiche und in der Auflösung großer Teile des Heeres, dem er durch seine gefälschte Bekanntmachung [der Abdankung Wilhelms II .] den Obersten Kriegsherren genommen hatte. […] So sah sich der Kaiser von seinem ersten politischen Ratgeber und von seinem Vetter verraten, der bei Übernahme des Amtes ausdrücklich erklärt hatte, er tue das, um die Dynastie zu retten.«140 Das war stark, weil Westarps Angriff nicht allein auf monarchistische Legendenbildung, sondern fast noch mehr auf die persönliche Diskreditierung Max von Badens zielte. Ihre Wirkung verfehlte sie umso weniger, als der Angegriffene den Duellpistolenkasten geschlossen ließ, aber auch mit seinen Versuchen, über Mittelsmänner auf die Redaktion der Kreuz-Zeitung einzuwirken, scheiterte.141 Damit war Max in bestimmten Kreisen endgültig unten durch. Das blieb auch seinem Freund Johannes Müller nicht verborgen, als er sich Anfang April 1919 in Berlin aufhielt und anschließend Max die Eindrücke dieser Reise referierte: »Ja, es ist gar keine Frage, daß die konservativen Kreise Ihnen die Schuld geben, daß die Revolution gesiegt hat, und infolgedessen, wie sie meinen, der völlige Zusammenbruch Deutschlands eingetreten ist.«142 Eine der Folgen dieser feindseligen Einstellung war der Ausschluß des immer noch Generals à la suite Max von Baden aus dem Regimentsverband der preußischen Gardekürassiere – eine Demütigung, die den vormaligen Offizier nun militärisch ehrlos dastehen ließ.143 Da paßt es ins Bild, wenn General Ludendorff seinem anhaltenden Bewunderer Max ebenfalls den Laufpaß gab.144 In einem offenen Brief an Scheidemann hat er schon Ende Februar 1919 die Politik des Reichskanzlers von Baden massiv angegriffen: diese Regierung sei »trotz meines Einspruchs den [Weg] der Kapitulation, des Bankerotts und des Friedens um jeden Preis gegangen«.145 Vergeblich beschwor der Kritisierte nun den gestürzten Feldherrn, den »Kampf um die Vergangenheit« doch bitte ruhen zu lassen. »Er hat mir auf das Unverschämteste geantwortet«, schreibt Max an Müller, »und das billige Motiv der 499 499
vermeintlichen Kaiserabsetzung dazu benutzt, mir mitzuteilen, daß das Tischtuch zwischen ihm und mir zerschnitten sei«.146 So konnte Westarp seine rufmörderische Kampagne ungenierter denn je fortsetzen. Im Sommer 1919 wiederholte er seine öffentliche Anklage und setzte sogar noch eins drauf, indem er Max’ politisches Denken überhaupt als »kindlich naiv« bezeichnete, das »alle Eigenschaften und Fähigkeiten eines führenden und seiner Verantwortung bewußten Staatsmannes vermissen läßt«.147 Das gab Westarps Gesinnungsgenossen – dem damals sehr erfolgreichen Militärschriftsteller Friedrich von Bernhardi – sogleich das Verdikt ein, daß man Max’ Regierungspolitik »unter anderen Umständen als Landesverrat bezeichnet haben dürfte«.148 Doch nicht nur in der Presse der alten Machteliten stand der ehemalige Fürst und Kanzler 1919 am Pranger, auch im Lager seiner Standesgenossen hatte Max allen Kredit verspielt. Hauptgrund dafür war der beinahe pathologische Haß, mit dem der entthronte deutsche Kaiser aus seinem holländischen Exil heraus den »hundsföttischen Kanzler« verfolgte;149 ihn gleichsam für vogelfrei erklärte. Symbolisch besiegelt wurde dies durch Max’ Ausschluß aus dem Schwarzen Adlerorden, dessen Ritter sich bis 1918 zu den höchsten Würdenträgern der preußischen Monarchie zählen durften. Schon im März 1919 hatte Wilhelm II. diese bewußte Herabwürdigung seines Vetters verfügt, infolgedessen Prinz Max auch seine sämtlichen anderen preußischen Orden einschließlich des Eisernen Kreuzes zurückgab.150 Doch selbst diese Stigmatisierung des Verwandten konnte Wilhelms Rachsucht noch nicht besänftigen. »Man leidet moralisch entsetzlich«, lamentierte er wenig später gegenüber seinem alten Freund Max Egon von Fürstenberg. »Wo ist im Ausland der deutsche Namen hingesunken!? Und das Alles das Werk von Max Baden, dieser Erzverräter lebt noch! Nach einem Brief von ihm an [den Gesandten] Eisendecher beim Zurücksenden des S. A. O. [Schwarzen Adlerordens] macht er le beau geste, und betrachtet sich noch als Retter des Vaterlands! Halunke!«151 Die aggressive Antipathie des Entkrönten täuscht nur zu leicht darüber hinweg, daß noch mehr im Spiel war als reines Haßgefühl. Bei Wilhelms Wutgeheul schwang stets auch die Enttäuschung über den Treuebruch mit, den er mindestens ebenso schmerzlich empfand wie seine Absetzung durch den badischen Verwandten. Es ging letztlich um eine Frage der Ehre, die Max so eklatant verletzt hatte. Wir wissen um die extreme Politisierung dieser Topoi weit 500 500
über den Ersten Weltkrieg hinaus.152 Der Exilkaiser sollte deshalb auch keineswegs der einzige Vertreter aus dem fürstlichen Herrscherstand bleiben, der dem Zähringer nach seiner Integrität trachtete. Manche taten das unter vorgehaltener Hand, wie etwa Wilhelm Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen153 – andere ganz brutal öffentlich, wie etwa Friedrich Wilhelm Prinz zur Lippe-Biesterfeld. Der besaß die Stirn, in der Kreuz-Zeitung den »verräterischen Sturz des deutschen Kaiserhauses« durch die Hand des Max von Baden einen »unauslöschlichen Schandfleck auf dem Schilde des Hauses Zähringen« zu nennen. »Kraft und Mut und edles Mark« hätten diesem Kanzler »stets gefehlt«, weshalb seine »unmännlichen Taten« letztlich auch keine Überraschung gewesen seien.154 Zuspruch für diesen Vorstoß dürfte der Biesterfelder nicht allein vom ehemaligen preußischen Kronprinzen Wilhelm erfahren haben, der ihm aus Holland wörtlich geschrieben haben soll: »Endlich einmal ist dieser elendste aller Deutschen in seiner ganzen Erbärmlichkeit an den Pranger gestellt worden. Der Mann, der sein Vaterland verraten hat und seinem Kaiser den Fahneneid gebrochen«.155 Mit dieser öffentlichen Beleidigung hatte die persönliche Anfechtung eine neue Qualität erreicht. Nicht von ungefähr kam Max sofort der Gedanke, »ob ich diesen Gelbschnabel nicht fordern sollte«; fügte dann freilich sogleich hinzu: er stehe »schon lange auf dem Standpunkt, daß Duelle ein untaugliches Mittel zur Verteidigung der Ehre sind«.156 Nach heutigen Wertmaßstäben wird man diese Einstellung eher abgeklärt finden; doch gemessen an dem ungeschriebenen Ehrenkodex, den das Gros des Adels und Offizierskorps selbst um 1920 noch internalisiert hatte, konnte dieses Zurückweichen auch wie eine indirekte Bestätigung des Vorwurfes wirken.157 Letztlich hatte Max hier wohl nur die Wahl zwischen Scylla und Charybdis. Deshalb verzichtete er selbst auf die bürgerliche Variante einer Ehrenrettung in Form einer Beleidigungsklage. So mußte diese Demontage durch einen Standesgenossen, die ohne Beispiel ist, mehr oder weniger unwidersprochen stehenbleiben. Weder gelang es Max, privatim einzelne Fürsten aus der Fronde gegen ihn zu sich herüberzuziehen, noch sich innerlich zu salvieren. Es wäre »unwahr«, schrieb er im Dezember 1919 an Johannes Müller, »wenn ich sagen würde, daß ich nicht leide, oder, wie Sie es fassen, daß ich kein Martyrium durchmache«.158 Daß er im Hause Hohenzollern gehaßt wurde und insbesondere 501 501
auch die von ihm geschätzte frühere deutsche Kronprinzessin Cecilie »Partei gegen mich« ergriff, hat dem Verfemten am meisten zugesetzt.159 Auch die familienintern immer noch dominante Ex-Großherzogin Luise, seine Tante, stand, wie er beklagte, »innerlich ablehnend zu mir und meiner Kanzlerschaft«.160 Selbst seine alten Freunde und politischen Weggefährten Rupprecht von Bayern und Ernst Ludwig von Hessen mochten sich nur mehr halbherzig zu dem Kanzler ihres einstigen Vertrauens bekennen. Als Sigurd von Ilsemann sie im Herbst 1920 aufsuchte, um im Auftrag Wilhelms II. deren Einstellung zu sondieren, meinte der Wittelsbacher: »Ich glaube, Max hat nicht bewußt schlecht gehandelt; er hat in jenen Tagen den Kopf verloren, wie Hindenburg und alle anderen. Zudem nahm er damals Morphium.« Und der Hesse, so Ilsemann, hätte über Wilhelms Haßfigur »ebenso« gedacht wie Rupprecht, gleichwohl gemeint, »ich soll den Kaiser von dessen Unschuld überzeugen«.161 So reduzierte sich für Max der Kreis an Standesgenossen, die ihm noch aufrichtig zugetan waren, auf das Ehepaar Friedrich Karl Prinz von Hessen und das Braunschweigische Ex-Herzogspaar. Die Ehefrau des erstgenannten war immerhin die Schwester, die des letztgenannten die Tochter des früheren deutschen Kaisers. Als beide Paare ihn im Sommer 1920 in Salem besuchten, war Max ganz beseligt. Er konnte »endlich wieder frei aufatmen und mich wohlfühlen«, was ihm erklärtermaßen »umso wohler tat«, als ihm ähnliches schon seit langem nicht mehr widerfahren war.162 Man darf daraus folgern, wie sehr er sich nach einer Rückkehr in den Schoß des dynastischen Familienverbandes gesehnt haben muß. Doch vor so einer möglichen Wiederaufnahme stand das rigorose Veto des entthronten Kaisers. Wilhelm II . hielt unbeirrbar an seinem Kurs fest, »vom Prinzen Max von Baden nie anders als von dem ›Hochverräter‹ zu sprechen«,163 wohingegen der Verstoßene stets seine anhaltende »tiefe Freundesliebe« zu dem Erzürnten betonte, den er immer noch als »von bestem Willen beseelt« charakterisierte.164 Zwar blieb Wilhelms öffentliche Abrechnung mit seinem letzten Kanzler vergleichsweise zurückhaltend,165 dynastieintern ging er dafür umso so schonungsloser mit ihm um. So weigerte sich sein alter Generaladjutant General Plessen, den er im April 1923 als seinen offiziellen Abgesandten zu den Beisetzungsfeierlichkeiten für seine Tante Luise nach Baden-Baden geschickt hatte, ganz bewußt, Max die allgemein übliche Reverenz zu erweisen. Wolfgang Prinz von 502 502
Hessen hat die denkwürdige Szene beobachtet: Im Karlsruher Mausoleum habe die großherzogliche Familie am Sarg die Kondolenzen der Trauergäste entgegengenommen. »Ich habe selbst gesehen, wie die Reihe an Plessen kam, Prinz Max ihm die Hand bot und Plessen, ohne die Hand zu ergreifen, weiterging. Prinz Max sagte betreten: ›Hier auch?‹ Es war ein schwerer Affront vor so vielen Menschen.«166 Deshalb wurde der Vertreter des früheren Kaisers auch kurzerhand von den weiteren Trauerfeierlichkeiten ausgeschlossen. Wie der Chronist der Exiljahre Wilhelms II . berichtet, habe der Kaiser die Brüskierung nachträglich ausdrücklich gebilligt, und zwar in einem offiziellen Schreiben an den Chef des Hauses Baden Friedrich II.167 Trotz dieses kaum mehr zu überbietenden Eklats hat Max auch in den kommenden Jahren nichts unversucht gelassen, eine Aussöhnung mit seinem Intimfeind herbeizuführen.168 Vergeblich. Nicht einmal der Tod seines badischen Vetters konnte Wilhelm gnädig stimmen. Als Max beerdigt wurde, nannte er ihn seiner Schwester Mossy gegenüber immer noch »den verdammten Verräter Max von Baden, der jetzt vor dem Richterstuhl Gottes stehe, um sich für sein meuchlerisches Tun zu verantworten […] und für die Ruinierung des Deutschen Reiches, dessen Kanzler er war«.169 Daß Max diese Ehrabschneidung hinnahm, ohne sich seinerseits zu ähnlichen Respektlosigkeiten hinreißen zu lassen, verweist auf ein außerordentlich hohes Maß an Leidensfähigkeit, aber auch darauf, wie tief er seine moralische Pflicht verinnerlicht hatte, dem monarchischen Gedanken zu dienen, auch nach dem Ende der Fürstenherrschaft. Denn es wäre ihm möglich gewesen, den umstrittenen Exil-Monarchen öffentlich zurechtzuweisen und familienintern auf das menschliche Maß eines rachsüchtigen Verlierers zurückzuführen. Doch das brachte er nicht über sich. Es war sein Unterlegenheitsgefühl, das ihn die Auseinandersetzung meiden ließ, aber auch seine größte Angst, daß er in einen echten Kampf mit einem gefürchteten Gegner verwickelt würde. Max’ immer wieder beteuerte ewige Liebe zu Wilhelm verbrämte diese strukturellen Zusammenhänge. Dabei sollte man freilich die psychischen Kosten nicht übersehen, die unserer Titelfigur aus seiner Zurückhaltung erwuchsen. »Er sieht entsetzlich elend aus«, so beschrieb ihn sein Freund Müller beim Einsetzen der Querelen im Jahre 1919. Als ihn ein alter Bekannter acht Jahre später in einem Hotel in Rom wieder traf, sah er Max gleich mit erschreckender Deutlichkeit an, »daß die Verleumdung des Kaisers und 503 503
seiner Freunde gegen den Prinzen auch äußerlich ihre Wirkung nicht verfehlt hatte«.170 Nicht genug, daß Max sein ganzes letztes Lebensjahrzehnt über mit dem Haß und der Rachsucht Wilhelms II. geschlagen blieb; auch noch von ganz anderer Seite mußte er dieses Schicksal erleiden. Im September 1922 hat ihn der Berliner Kriminalkommissar a. D. Hans von Tresckow in seinem Bestseller Von Fürsten und anderen Sterblichen als homosexuell geoutet.171 Den Mut zu so einer Denunziation à la Maximilian Harden hätte der pensionierte preußische Beamte wohl kaum gefaßt, wenn er Max’ Ruf nicht schon für gänzlich ruiniert gehalten hätte. Denn insgesamt hielt der Autor sich trotz seines Intimwissens mit der Nennung von neuen Namen homosexueller Prominenter eher zurück. Soweit erkennbar, hat Max auf die Bloßstellung nicht reagiert – jedenfalls nicht mit einer öffentlichen Erklärung oder gar einer Beleidigungsklage. In einem Brief an Müller hat er allerdings kurz nach Erscheinen des Enthüllungsbuches von »sehr unangenehmen Fragen« geraunt, die ihn zu seinem Leidwesen im Moment daran hinderten, sich mit seinem Lebensberater zu treffen. Dabei gebe es manches, »über das ich mir Ihnen gegenüber das Herz gern erleichtert hätte«.172 Ängstlich scheint er zunächst einfach abgewartet zu haben, welche publizistische Wellen das Buch schlagen würde. Interessanterweise waren es so gut wie keine. Es hatte den Anschein, als würde dieser Schirlingsbecher an Max vorbeigehen und er selbst auf Gegenmaßnahmen verzichten können. Doch dieser Eindruck trog. Denn schon Ende Oktober 1922 veröffentlichte der nationalistische Publizist August Keim in der Reihe Reichsverderber seine polemische Schrift »Max von Baden und das Kriegskabinett«, die den bislang wohl schärfsten persönlichen Angriff enthielt.173 In seinen Memoiren hat Keim seinen Vorstoß später mit Verweis auf »die ganz verworrene weibische Geistesverfassung des Prinzen, seine Verständnislosigkeit für hohe Politik« gerechtfertigt.174 Das Bedrohliche an dieser Hetzschrift war, daß Keim als ein Schwergewicht – ein hochdekorierter Militär im Range eines Generalleutnants – in diese Fehde steigen konnte, was seinem Angriff von vornherein ein ganz anderes moralisches Gewicht verlieh als Tresckows Boulevardpublikation. Keim biß sich an derselben Achillesferse des vermeintlichen Reichsverderbers fest wie der Berliner Polizeikommissar. Er sah es als erwiesen an, daß der frühere Regierungs504 504
chef »als Mensch nach Veranlagung und weiterer Entwicklung eine innerliche Struktur aufweist, die man, kurz ausgedrückt, als eine feministische [gemeint war: eine effeminierte] zu bezeichnen pflegt. Daß solche Artung die denkbar schlechteste Voraussetzung für die Tätigkeit eines leitenden Staatsmannes im Weltkriege bildet, liegt auf der Hand.« Doch hieraus ergebe sich »eine Erklärung für das Verhalten des Prinzen als Reichskanzler. Seine Natur gestattete es ihm nicht anders.« Keim zeigte sich zugleich bestürzt darüber, »daß in der politisch wie militärisch gespanntesten Periode des Krieges weder die Krone noch deren moralisch verantwortliche Ratgeber es für ihre Pflicht hielten, sich genau und zuverlässig über die […] Persönlichkeit zu unterrichten, die an die Spitze der Staatsgeschäfte treten sollte«.175 Man male sich das Entsetzen aus, mit dem Max von Baden dies gelesen haben wird. Stand damit nicht seine ganze Existenz auf dem Spiel? Würden seine militärischen Vorgesetzten weitere Details aus seinem Intimleben preisgeben? In dieser verzweifelten Lage scheint ihm der inzwischen zum Präsidenten des Reichsgerichts avancierte frühere Ratgeber Walter Simons in alter Verbundenheit hilfreich zur Seite gesprungen zu sein. Der riet ihm nämlich dringend, keine Strafanträge gegen die Denunzianten zu stellen, und zwar mit der Begründung: »Wollte ich jede Publikation verfolgen, die, statt meine Politik zu bekämpfen, meine Person verunglimpft, so würde ich aus den Prozessen überhaupt nicht herauskommen.«176 Mag sein, daß diese Sprachregelung nebst vornehmer Zurückhaltung dem Bedrängten aus der ärgsten Verlegenheit geholfen hat, zumal weitere Anzüglichkeiten tatsächlich ausblieben. Aber auslöschen konnte Max diese öffentliche Entwürdigung mit seinem Schweigen nicht. Der Makel hing ihm an. Dennoch war es vermutlich tatsächlich klüger, auf gerichtliche Schritte zu verzichten, das lehrte ihn allein schon seine Erinnerung an die Moltke-Eulenburg-Prozesse vor gut zehn Jahren. Hätte Max sich 1922 vor Gericht tatsächlich souverän exkulpieren können, so hätte ihm Simons wohl auch dazu geraten. Denn das wäre eine denkbar große Chance für einen Befreiungsschlag gewesen. Doch so blieb er zwischen allen Stühlen stehen. Was für seelische Verheerungen dieses Kesseltreiben angerichtet hat, läßt sich nur erahnen.
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Nicht nur von rechts, sondern auch von links, von sozialdemokratischer und selbst von bürgerlich-demokratischer Seite, erfuhr Max in den zwanziger Jahren öffentliche Anfeindungen. Den Anfang machten im Herbst 1921 die badischen Sozialisten, die bei ihrer Aufarbeitung der Ermordung von Reichsminister Matthias Erzberger in Erfahrung brachten, daß dieser sich gar nicht dazu gedrängt hatte, 1918 die Leitung jener deutschen Waffenstillstandskommission zu übernehmen, die am 11. November im Wald von Compiègne die Bedingungen der Alliierten für eine Waffenruhe akzeptieren mußte.177 Daß es vielmehr Max von Baden gewesen war, der Erzberger bestürmt hatte, sich dafür »aufzuopfern«. Deshalb die öffentliche Aufforderung an den früheren Regierungschef: »Jetzt müssen Sie reden! Sie müssen sich äußern, sowohl um des Ermordeten wie auch um Ihrer selbst willen«, denn man habe ihm bislang noch »Achtung bewahrt. Die steht auf dem Spiel, wenn Sie auch jetzt noch schweigen würden.« Max schwieg und hatte dafür mit einem schweren Ansehensverlust zu bezahlen. Aber auch in linksbürgerlichen Kreisen mußte er Federn lassen. Hier ist vor allem die Zeitschrift Weltbühne zu nennen, in der es immer wieder Seitenhiebe auf ihn gab.178 Hellmuth von Gerlach hat ihn dort im Jahre 1925 beispielsweise einen »ethischen Sonntagsnachmittagsprediger« genannt, der »offenbar aus seiner Prinzenhaut nicht heraus[konnte], trotz all seinem scheinbaren Liberalismus«.179 Gut anderthalb Jahre später setzte der linksliberale Historiker Veit Valentin am selben Ort diese Polemik fort, als er die inzwischen erschienenen Erinnerungen des – so Valentin – »Bademax« besprach und namentlich Kurt Hahn als dessen Einflüsterer denunzierte.180 Wenn viel Feind tatsächlich auch viel Ehr bedeutet, dann muß Max von Baden in diesen zwanziger Jahren eine der ehrenwertesten Persönlichkeiten in Deutschland gewesen sein. Doch hätte es damals bereits repräsentative Meinungsumfragen gegeben, so wäre das Ergebnis wohl keineswegs günstig für ihn ausgefallen. Vieles mag im allgemeinen Getümmel des ideologischen Bürgerkriegs in der Weimarer Republik jener Jahre untergegangen sein oder sich nicht so gravierend ausgewirkt haben, wie dies der erste Eindruck nahelegt. Gleichwohl kann man davon ausgehen, daß die Kampagnen gegen Max ihm persönlich und seinem politischen Image irreparablen Schaden zugefügt haben. Da er keinen Bonus besaß, von dem er etwa aus der Zeit seiner Kanzlerschaft hätte zehren können, konnte er aus sei506 506
ner Rolle als Opfer nicht hinausgelangen. Das mußte sich insofern verheerend auswirken, als der politische Meinungsmarkt 1918/19 in Deutschland revolutionäre Veränderungen erfahren hatte und die Printmedien im Begriff standen, eine echte Gewalt in der öffentlichen Urteilsbildung zu werden. Wer öffentlich als Autorität bestehen wollte, der mußte das enorm gesteigerte Informations- und Aufklärungsbedürfnis bedienen und durfte sich nicht auf die anhaltende Wirkkraft seiner angestammten Würde, seines Adels, seines Namens verlassen. Dieser Herausforderung zeigte sich Max nicht gewachsen. Keine Frage, die Angriffe auf ihn waren taktlos und verletzend, gar bösartig. Aber – und das machte die Sache noch schlimmer für ihn – gänzlich aus der Luft gegriffen waren sie nicht, wenn man einmal von den fanatischen rechtsradikalen Anwürfen absieht. Jedenfalls besaßen fast alle Kritikpunkte einen wahren Kern. Max’ pauschale Weigerung, sich auch nur auf eines dieser Monita inhaltlich einzulassen, war verständlich; diese Polemik mußte er als unter seinem Niveau abtun. Überdies diente sein Abtauchen der Wahrung seiner Selbstachtung. Doch dies hatte seinen Preis, weil es ihn immer weiter in die Defensive drängte. Es steigerte seine Angst davor, sich für irgendeine seiner politischen Handlungen gerichtlich oder vor anderen Gremien rechtfertigen zu sollen. So hat er um alle Kreise der Urteilsbildung nach dem 9. November 1918 einen immer größeren Bogen gemacht. Weder der Schrumpf-Hofstaat des deutschen Ex-Kaisers in Holland noch das deutsche Parlament, weder eine politische Organisation noch ein Gerichtssaal, weder ein führender Politiker des Weimarer Systems noch sonst ein gewesener Staatsmann von Rang, weder eine Zeitungsredaktion noch ein Podium hat Max von Baden jemals zu Gesicht bekommen. Dieser totale Rückzug hatte etwas von Vogel-Strauß-Taktik und Wagenburg-Mentalität zugleich. Zum Glück existierte in Gestalt von Kloster Salem, dem weltabgeschiedenen Fürstensitz am Bodensee, seit Sommer 1919 eine solche Wagenburg auch ganz real für Max. Allerdings kam sein Rückzug dorthin auch einem selbstgewählten Exil im eigenen Vaterland gleich.
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Vergebliche Regenerationsversuche – und ein letzter Coup Obwohl Max mit seinen diversen Aktivitäten zu Beginn der zwanziger Jahre einer mehr oder minder bewußten (Über-)Lebensstrategie folgte, die helfen sollte, ihn mental und psychisch aufrechtzuerhalten, hat er sich ununterbrochen um seine Gesundheit sorgen müssen. Er wußte nur zu gut um seine Gebrechen und seine schwache Konstitution; und um das, was ihm hier besonders gut tat. Als »das einzig bewährte Mittel wahrer Erholung für mich« bezeichnete er nach wie vor die Höhenlage des Engadin.181 Dort sehen wir ihn auch von 1921 bis 1924 jeden Sommer ausgiebig Urlaub machen, genauer: »Kraft (zu) sammeln für das künftige Ungewisse«.182 Die Reisen dorthin dienten ihm auch zur Flucht aus der Bedrängnis, die ihm die alltägliche Konfrontation mit den für ihn krankhaften Zuständen im deutschen Reich der Weimarer Republik bereitete. »Die Rückkehr aus sicheren, gesunden Verhältnissen in die unsrigen war erschütternd«, schrieb er im September 1923. »Ich habe selten einen solchen Kontrast erlebt.«183 Ende März 1922 machte er sich mit seiner ganzen Familie auch noch einmal nach Süditalien an den Golf von Neapel auf, um in Axel Munthes Torre di Materita auf der Insel Capri auszuspannen – nota bene als »Graf Salem«.184 Das würde ihm sicher »seelisch und körperlich gut« tun, so hatte er Müller gegenüber diese Italienreise als »Überraschung« angekündigt, »einer Einladung folgend«.185 Was sich in diesen sechs Wochen der intensiven Wiederbegegnung mit einem so zentralen Schauplatz seines Ehe- und Liebeslebens und dessen vielleicht wichtigster Bezugsperson genau ereignet und was es insbesondere seiner Familie bedeutet hat, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Doch für das Leben des doch erst gut Fünfzigjährigen scheint sich keine rechte Perspektive mehr eröffnet zu haben. »Ich habe sehr viel Glück in der ersten Hälfte meines Lebens erleben dürfen«, so sinnierte er schwermütig im Frühjahr 1924, »nun gilt es, sein Teil Ungemach an’s Ziel zu tragen.«186 Selbst die standesgemäße Verheiratung seiner Tochter Marie Alexandra mit Wolfgang Prinz von Hessen, den Sohn seines treuen Freundes Friedrich Karl, durch deren Hochzeitsfeier am 17. September 1924 mit dem hohen Besuch früherer Throninhaber noch einmal für ein paar Tage ein Hauch alter Fürstenherrlichkeit nach Salem zurückkehrte,187 vermochte ihn nicht mehr aus 508 508
diesem lethargischen Fatalismus herauszureißen. Im Frühjahr 1925 durfte er abermals »schöne Tage in Italien verleben«;188 dann war es mit seiner Lebensfreude vorbei. Der Wirbel um seine eventuelle öffentliche Vernehmung vor Gericht in München oder vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß in Berlin nahm ihn sehr mit. Seine Frau Marie Louise sprach von einer besonders »schweren Last«, die diese bedrohlichen Aussichten für ihren Mann auch auf ihr eigenes Herz gelegt hätten; für den Fall einer Zwangsvorladung scheint sie sogar das Schlimmste befürchtet zu haben.189 Den letzten Rest gab Max dann wohl die Aufregung um eine Volksabstimmung über die entschädigungslose Enteignung der vormals regierenden Herrscherhäuser, die eine große (informelle) Koalition linker Kräfte im Frühjahr 1926 auf den Weg gebracht hatte.190 Die damit verbundene Propaganda, die auch vor seinem Bodenseekreis nicht haltmachte, muß ihm sehr nahe gegangen sein. Das Referendum zerstörte nachhaltig seinen Glauben an die loyale Gesinnung der Bürger im Freistaat Baden ihrem entthronten Herrscherhaus gegenüber. Vor allem das erfolgreiche Volksbegehren dafür, bei dem sich im März 1926 fast 35 Prozent der Badener in die ausgelegten amtlichen Listen eintrugen, darunter auch sehr viele Oberbadener,191 muß ihn erschüttert haben. »Wir werden durch den Fürstenenteignungsrummel in Atem gehalten«, schrieb er. Was die »Demagogie« aus dieser Sache »zu machen verstanden hat, ist hanebüchen, und die Kurzsichtigkeit des Bürgertums, das nur von dem schönen Gedanken erfaßt und geblendet war: dem andern dürfe es nicht besser gehen und dabei alle Konsequenzen der Enteignung übersah, empfiehlt seine Intelligenz sehr wenig.«192 Im Amtsbezirk Überlingen, wo Salem lag, stimmten am 20. Juni 1926 fast 47 Prozent der stimmberechtigten Einwohner für die entschädigungslose Enteignung der Fürstenvermögen, mithin auch speziell für die Expropriation des Herrn Max Prinz von Baden.193 So war ihm ein weiteres Ideal zerbrochen, auf das er fest gebaut hatte: die Anhänglichkeit des badischen Volkes an seine angestammte Dynastie. Dabei rächte sich hier nichts anderes als der demokratiepolitisch schwerwiegende Fehler der ersten sogenannten Volksregierung in Baden, die Vermögensauseinandersetzung mit dem großherzoglichen Herrscherhaus 1919 unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt zu haben. Wie sich zeigte, war jene Angst vor der Volksmeinung zu diesem Thema begründet gewesen. Und noch etwas zeigte sich: Die Re509 509
Die Ex-Monarchen feiern das Scheitern des Volksbegehrens zur Fürstenenteignung. Karikatur Simplicissimus, 1926
gierung hatte damals nicht den Willen des Volkes exekutiert, als sie die Zähringer so großzügig abfand. Das demonstrierten ihr sieben Jahre später die badischen Zahlen zur Fürstenenteignung deutlich. Fast 550 000 Badener waren dafür; eine Stimmenzahl, die nicht wesentlich unter der lag, mit der bei den Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung im Januar 1919 Sozialdemokraten und Fortschrittsdemokraten zusammen bedacht worden waren.194 Ein nicht zu übersehender politischer Denkzettel. Noch bevor der Volksentscheid im Juni 1926 dann tatsächlich scheiterte, mußte Max sich wegen zu hohen Blutdrucks in ärztliche Behandlung begeben. Zu Dr. August Heisler, einem frühen Protagonisten ganzheitlicher Medizin, der im Luftkurort Königsfeld im Südschwarzwald praktizierte. Dort ließ er sich im Frühjahr 1926 mehrere Wochen lang kurieren und dabei auch das Rauchen abgewöhnen – »eine unmenschliche Prozedur, welche einen nahe am Irrsinn vorbeiführt«.195 Als er im Anschluß daran versuchte, sein Leben 510 510
in Salem, »ohne zu rauchen, so gut und schlecht es geht zu fristen«196, traf ihn dort Ende Juni 1926 zum ersten Mal der Schlag.197 Trotz »lange[r] Schonungszeit und strenge[r] ärztlicher Behandlung« hat sich Max von diesem Zusammenbruch niemals wieder richtig erholen können. Wegen seiner leichten Ermüdbarkeit und der nun ganz zerfahrenen Handschrift konnte er selbst seine Privatkorrespondenz nicht mehr besorgen. Hier wie auch in vielen anderen Dingen sprang ihm seine Frau Marie Louise helfend zur Seite, von der sie in den kommenden Monaten nun auch nicht mehr weichen sollte. Mehr denn je wurde sie nun wieder zum Lebensanker ihres Gatten. Was den sichtlich Lebensmüden überhaupt noch am Leben hielt, scheint nur mehr die Aussicht auf den baldigen Abschluß des Buchmanuskripts gewesen zu sein, an dem Kurt Hahn mit Lina Richter jahrelang gearbeitet hatte.198 Es sollte eine historische Meistererzählung der politischen Karriere Max von Badens in den letzten drei Weltkriegsjahren werden – in der Anlage autobiographisch und dokumentarisch zugleich. Eine überzeugende Ehrenrettung des Helden von großem historiographischen Format. Hahn machte gar kein Hehl daraus, daß es in dieser Darstellung um Max’ »Entlastung vor der Geschichte« ging, um eine möglichst plausible »Rechtfertigung seiner Handlungsweise«.199 Für den Autobiographen kam noch ein weiterer Aspekt hinzu. Mit den politischen Memoiren, so hat ein Insider überliefert, wollte Max »›dem Sohne eine Waffe in die Hand geben‹ – diesen Ausdruck hat er immer gebraucht –, um seinen Vater gegen falsche Angriffe und Anschuldigungen verteidigen zu können«.200 Anders gesagt: Er wollte die Geschichte seiner Kanzlerschaft so überliefern, daß sich niemand für ihn zu schämen brauchte. Das kostete Zeit, Geld, Gedanken und sehr viel Fassadenfarbe. Im Herbst 1926 konnte – nach jahrelanger Vorarbeit – endlich an die Drucklegung gedacht werden. Dafür mußte der offizielle Autor Hahns Meisterwerk aber imprimieren;201 also vorher selbst noch einmal durcharbeiten und womöglich redigieren. Was bei seiner schweren Krankheit damals zum Problem zu werden drohte. Zu dessen Lösung wurde im September eigens der Krisenmanager, Freund und Leibarzt Axel Munthe nach Salem gerufen.202 Mit leidlichem Erfolg, wie wir Kurt Hahns Bulletins entnehmen können. So schritt die Arbeit voran, und Anfang 1927 konnte das Manuskript tatsächlich bei der Deutschen Verlagsanstalt in die Herstellung gehen.203 Marie Louise hoffte sehr, »daß das befreiende Gefühl, daß das Buch nun 511 511
endgültig abgeschlossen ist, auch auf die Gesundheit des Prinzen einen guten Einfluß haben wird«. »Wir beabsichtigen in der Zeit, in der es heraus kommt, abwesend zu sein, um den ersten Ansturm, der dann wohl erfolgen wird, nicht aus der Nähe mit zu erleben.«204 Im Februar trat sie mit ihrem Mann ihre letzte gemeinsame Italienreise an. Als sie Ende April nach Salem zurückkehrten, war das Werk unter dem Titel Erinnerungen und Dokumente erschienen und verkaufte sich innerhalb weniger Wochen über 5000 Mal. Das war ein beachtlicher Erfolg. Dies ist nicht der Ort, den wissenschaftlichen bzw. den politischen Stellenwert dieser Publikation eingehend zu untersuchen.205 Für unsere Belange können wir uns darauf konzentrieren zu zeigen, wie Max selbst seine geschichtspolitische Selbstbehauptung wahrnahm, was sie bei ihm persönlich bewirkte. Gegenüber seinem Freund Müller ließ er darüber folgendes verlautbaren: »Für mich persönlich hat das Erscheinen des Buchs den Wert, daß die Legende, ich sei ein Verräter und der Totengräber des Reiches nicht aufrecht gehalten werden kann. In dieser Beziehung feiere ich eine Art Auferstehung und habe mein eigenes Gesicht wieder gefunden«.206 Studiert man die Rezeption des Werkes, so darf allerdings an dieser optimistischen Einschätzung gezweifelt werden. Sieht man einmal von den mehr oder minder bestellten Rezensionen befreundeter Kreise ab,207 so war die Reaktion eher verhalten. Einen Meinungsumschwung im ideologischen Bürgerkrieg jener Jahre hat das Buch nicht bewirkt. Das mußte auch Kurt Hahn eingestehen. Er hat sich das dahingehend zurechtgelegt, daß natürlich »lieb gewordene Positionen nicht kampflos geräumt werden« könnten, aber er hätte doch das »Gefühl, daß der Wahrheit eine Gasse gebahnt ist«.208 Dieses Gefühl versuchte er auch dem offiziellen Autor zu vermitteln, nicht zuletzt dadurch, daß er ihm kritische Besprechungen einfach vorenthielt. Auch andere vehemente Einsprüche von am politischen Geschehen damals unmittelbar Beteiligten dürften Max kaum zu Ohren gekommen sein.209 So konnte er sich bis zu seinem Lebensende an die nun öffentlich gemachte Legende seiner Rettungstat halten. 1928 hat er sie ein letztes Mal notieren lassen, in einem an Rupprecht von Bayern gerichteten Briefdiktat. Es waren, so kann man dort lesen, »die verpfuschte Lage & das drohende Ende, aus denen schließlich bei mir der verzweifelte Entschluß reifte, dem Vaterland das schwerste Opfer zu bringen 512 512
& als Reichskanzler einen letzten Versuch zu machen, die Wege, die wir als die notwendigen erkannt hatten, zu unserer Rettung durchzusetzen. […] Das von Luderdorf [sic!] erzwungene Waffenstillstandsangebot vernichtete meinen Friedensversuch, die Weigerung des Kaisers, freiwillig abzudanken, meinen Kampf mit der Revolution.« Sein »Rettungsversuch« sei »ja auch« nur zu »natürlich & selbstverständlich« gewesen, »bis andere die schrecklichen Komplikationen hineinbrachten«.210 Besser hätte man Hahns Meistererzählung nicht resümieren können. Daß sich von dieser selbstgerechten Version seines politischen Engagements selbst lebenslange Freunde am Ende düpiert fühlten, diese unangenehme Erfahrung blieb aber dem greisen Max nicht erspart. So kündigte ihm Friedrich Karl von Hessen, sein Kamerad und langjähriger Vertrauter, die Freundschaft, als er lesen mußte, wie Hahn ihn in Erinnerungen und Dokumente vereinnahmt hatte. Nur weil der bis dato ihm so eng verbundene Standesgenosse »bereits von einer schweren Krankheit gezeichnet war«, habe Friedrich Karl damals weiter nichts unternommen, teilt dessen Sohn in seinen Erinnerungen mit.211 Aus ebendiesem Grunde dürfte auch manch andere Gegendarstellung unterblieben sein.212 Psychologisch genommen, hat das Buch die Erwartungen seiner Urheber im wesentlichen erfüllt: Max von Baden nebst Familienanhang, aber auch seinen Freunden, Zuarbeitern und Sympathisanten ein bleibendes und ehrenvolles Andenken an gemeinsam erlebte und erlittene Zeiten und Zustände zu sichern, und zwar so, daß alle ihren Frieden damit machen konnten. Als Geschichtswerk ist es freilich über den Rang einer autobiographisch komponierten Reportage vor realhistorischem Hintergrund nicht hinaus gelangt. Nach Erscheinen des Erinnerungswerkes blieb unserem Protagonisten noch eine letzte Lebensaufgabe. Was sollte nach dem sich nun immer deutlicher abzeichnenden baldigen Tod Friedrichs II . von Baden aus dem Hause Zähringen werden? Namentlich aus dem Hausvermögen? Dem Abfindungsvertrag vom 7. Mai 1919 zufolge drohte das nämlich nach dem Ableben des letzten badischen Kronenträgers an den Fiskus zurückzufallen, weil es sich nur »im ehelichen Mannesstamm des großherzoglichen Hauses vererben« konnte.213 Und der war nicht vorhanden. Eine ganz erhebliche Erbmasse stand auf dem Spiel: das Neue Schloß in Baden-Baden, das ehemals Sickingensche Palais in Freiburg und das Herrschaftshaus in Badenwei513 513
ler jeweils mit allen dazugehörigen Gebäuden, Grundstücken und Einrichtungsgegenständen; ferner der Nießbrauch an Waldbesitz von rund 4000 Hektar mit einem jährlichen Ertragswert von heute etwa 1,5 Millionen Euro. Außerdem wären das Haus- und Hofarchiv sowie die private Verfügungsgewalt über diverse andere Kulturgüter, insbesondere Gemälde der Kunsthalle in die Hände des Staates gelangt. Daß diese Aussichten Begehrlichkeiten beim ehemaligen Thronfolger weckten, der es im Gegensatz zum früheren Großherzog immerhin zu einem männlichen Nachkommen gebracht hatte, kann man sich unschwer ausmalen. Warum also sollte das Geschlecht der Zähringer aussterben? Nun waren die persönlichen Beziehungen des letzten Monarchen in Baden zu seinem »wenig geliebten Vetter« Max nach dessen desaströser Kanzlerschaft noch mehr abgekühlt als ohnehin schon. »Das macht natürlich Begegnungen nicht gerade leicht und fruchtbar«, mußte auch Max unumwunden zugeben.214 Vermutlich war das der Grund, warum er seinen Sohn Berthold nach dem Abitur zum Wintersemester 1926/27 zunächst nach Freiburg zum Studieren schickte. Denn dort wohnte der vormalige Großherzog mit seiner Frau Hilda, zurückgezogen und bürgerlich bescheiden in seinem Palais, erblindet und immer wieder von schweren Erkrankungen heimgesucht.215 Wie sich die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Onkel und Tante und ihrem einzigen (badischen) Neffen tatsächlich gestalteten, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir wissen aber, daß Max im Mai 1927 »ziemlich in Unruhe lebt[e]«, nachdem sein inzwischen 70-jähriger Familienchef wieder einmal sterbenskrank danieder lag und man kaum mehr damit rechnete, daß Friedrich »den Juni überleben wird«.216 Zwar wurde die Krise sehr knapp überstanden, aber sie zeitigte ein mehr als überraschendes Ergebnis: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion nahmen Friedrich II . und Hilda am 8. August 1927 Berthold von Baden »an Kindes Statt« an, in Form eines notariellen Adoptionsvertrages, der vom Amtsgericht Freiburg kurz darauf bestätigt wurde.217 Vier Tage später änderte der letzte Großherzog von Baden sein Testament.218 Rein sachlich betrachtet,219 erlangte Berthold durch die Adoption die rechtliche Stellung seines ehelichen Kindes und durfte Friedrich nun als legitimen Abkömmling beerben. Gleichzeitig blieb er aber auch seinen leiblichen Eltern gegenüber erbberechtigt und sogar ein Mitglied seiner Herkunftsfamilie. Er erhielt also für sich – und übrigens 514 514
auch seine Nachkommen – ein doppeltes Erbrecht: nach den leiblichen und nach den Adoptiveltern. Damit konnte der gesamte dem Haus Baden verbliebene Besitz, und zwar ungeschmälert durch Erbschaftssteuern, auf ihn übertragen werden. Außerdem hebelte die Adoption den Paragraphen 2 des Abfindungsvertrages vom 3. Mai 1919 auf kaltem Wege aus, da von einem »Erlöschen des ehelichen Mannesstammes des Großherzoglichen Hauses« nun keine Rede mehr sein konnte, so daß die besagten Vermögensteile auch nicht an den badischen Staat zurückfallen mußten. Schließlich wurde damit auch die schriftliche Erklärung, mit der Max von Baden im November 1918 ausdrücklich auf alle Ansprüche eines Thronerben verzichtet hatte, stillschweigend wieder kassiert. In der dynastischen Rangfolge rangierte der junge Mann, der seinen Namen übrigens beibehielt, nun bereits vor seinem 60-jährigen Vater. Erst gut zwei Monate nach Unterzeichnung der Adoptionsurkunde wurde dem Staatsministerium in Karlsruhe durch den Standesbeamten der Landeshauptstadt Kenntnis von diesem Akt gegeben. Mit dem Adoptivcoup der beiden altersschwachen Zähringer sei dem badischen Staat am Ende noch ein rechter »Streich« gespielt worden, urteilt der damalige Ministerpräsident Heinrich Köhler in seinen Erinnerungen.220 Das ist eine Verharmlosung. Wenn man sich anschaut, wie gewieft hier ein dynastisches Problem gelöst wurde, so wird man eher den Eindruck eines Komplotts gewinnen. Von einem Wunsch des greisen Exgroßherzogpaares nach Begründung einer echten Eltern-Kind-Beziehung, wie ihn der Gesetzgeber als das Hauptmotiv für eine solche »Annahme an Kindes Statt« ursprünglich im Sinne hatte, konnte im vorliegenden Fall ebensowenig die Rede sein wie von fürsorglichen Absichten gegenüber dem schon von Haus aus wohlhabenden Neffen. Keiner der Adoptionsbeteiligten hatte damals vor, die innerfamiliären Verhältnisse im Hause Baden in irgendeiner Weise umzugestalten, zumal Berthold ja eine Elternfamilie besaß. Die Kindesannahme war aus dem rein materiellen Grund der Vorteilsnahme erfolgt, in der Absicht, den badischen Fiskus zu schädigen. Es wurden Tatbestände fingiert, um gesetzlichen Erfordernissen formal zu genügen, in Wahrheit aber Mißbrauch damit betrieben. Indem man etwas vortäuschte und damit gleichzeitig etwas anderes verdunkelte, korrumpierte man das Institut der Adoption zumindest moralisch. Was hatte Max dem gemeinen Volk nach der Revolution nicht immer wieder vorgehalten: »Die Begehrlichkeit der 515 515
Menschen ist ungeheuer und ruft Verleumdung und Verdächtigung zu Hilfe, um ihre Ziele zu erreichen.«221 Wie aber hat der badische Staat auf diese Düpierung reagiert? Hat er den Adoptivvertrag überhaupt anerkannt? Hat er seine Anfechtung betrieben? Gerichtlich oder wenigstens politisch-moralisch? Hat er den Coup wenigstens öffentlich gemacht? Nichts dergleichen. Nicht einmal in der vertrauten Runde ihrer Staatsministerialsitzungen hat die Regierung den Vorgang erörtern wollen; sie hat ihn schlichtweg ignoriert. Der Souverän blieb ausgeschaltet, die Öffentlichkeit desinformiert, das Interesse des Staates mißachtet. Nachdem dem Hause Zähringen in Gestalt von Berthold auf so doppelt wundersame Weise ein Stammhalter, Erbfolger und Familienchef in spe erstanden war, verlosch ein Jahr darauf das Lebenslicht des letzten noch tatsächlich regiert habenden Monarchen dieser Dynastie. Es gibt ein interessantes Foto von den Beisetzungsfeierlichkeiten in Karlsruhe am 16. August 1928,222 das das neue dynastische Gefüge des Hauses Baden auf sehr eindringliche Weise festhält. Wir sehen ganz vorne links als sichtbaren Anführer einer prominenten Gruppe hochadeliger Ehrengäste – neben dem nur aus protokollarischen Gründen dort postierten Oberhofmarschall – den inzwischen 22 Jahre alten Berthold von Baden im ordensgeschmückten Frack, hinter ihm in gebührendem Abstand seinen sichtlich hinfälligen Vater Max Prinz von Baden, der sich ein letztes Mal in die Gala-Uniform eines Generals der badischen Leibdragoner mit Panasch-Helm gekleidet hat und sogar einen Marschallsstab in seiner rechten Hand trägt. Max, der stets das Image des Antimilitärs, des Liberalen, des Hoffnungsträgers einer zivilen bürgerlich-demokratischen Ordnung und des schöngeistigen Mäzens bürgerlicher Hochkultur in der Öffentlichkeit gepflegt hatte, wirkte bei seinem letzten öffentlichen Auftritt wie die versteinerte Symbolfigur des lange schon beerdigten Kaiserreichs. Ein letztes Staatsschauspiel oder letztes Bekenntnis? Äußerlich und auch habituell hätte der Kontrast zwischen den beiden Generationen kaum größer sein können. Doch in dem mit protokollarischem Bedacht arrangierten Szenario ist auch ein starkes Moment der Kontinuität eingeschlossen, genauer: ein Moment der Übertragung höherer Weihen an einen neuen jungen Dynasten durch die hinter ihm versammelte Fürstenschar. Wie man einschlägigen Zeitungen entnehmen konnte, ließ sich der junge Berthold von jenem Tag an mit »Königliche Hoheit« anreden223 – einem Titel, der zwar 516 516
Trauerfeier für Großherzog Friedrich II. Vorne links Berthold Prinz von Baden, rechts dahinter Max von Baden, 1928
namensrechtlich gar keinen Bestand mehr hatte,224 doch in der politisch-kulturellen Semantik der Zeit durchaus noch einen respekterheischenden Stellenwert besaß, weit über den Charakter einer Höflichkeitsformel hinaus. Insofern war die Leichenfeier von Karlsruhe auch eine Art von Inthronisation: Le roi est mort, vive le roi! Freilich hat sich dieser tiefere symbolische Zweck der Veranstaltung, für den Berthold damals sogar eine Amerikareise kurzfristig abbrechen mußte,225 den meisten Zeitgenossen gar nicht erschlossen. Die Öffentlichkeit fragte nicht danach, woher auf einmal die »Königliche Hoheit« des jungen Mannes herrührte; warum gerade er im Mittelpunkt dieser Staatsaktion stand; warum er die Spitze des Hochadels bildete, der bei der Überführung hinter dem Leichenwagen her schritt – zusammen mit König Gustaf von Schweden, dem einzigen noch regierenden Monarchen in jener Hochadels-Corona. In der Presse wurde denn auch übereinstimmend »Prinz Max, der von schwerer Krankheit sehr angegriffen aussieht«, als nunmehriger »Chef des Großherzoglich Badischen Hauses« gehandelt.226 Offenbar traute sich niemand der Eingeweihten, der Öffentlichkeit über die 517 517
innerdynastische Rochade reinen Wein einzuschenken, so daß es verständlich allein für Eingeweihte zelebriert werden konnte. Selbst die Kommunisten gingen damals davon aus, daß »das Land Baden nunmehr die Güter des ohne Erben verschiedenen armen Mannes (wird) übernehmen müssen«.227 Die SPD, die es durch ihre Regierungsbeteiligung natürlich besser wußte,228 hielt sich wohlweislich bedeckt. Was man einen Beitrag zur Stärkung demokratischen Staatsbewußtseins schlechterdings nicht nennen kann. Der Fluch der schlechten Tat jenes Bärendienstes, den die nicht wirklich republikanischen Parteien der Weimarer Demokratie 1918/19 mit ihrer falschen Rücksichtnahme auf die Interessen der abzuwickelnden Monarchien erwiesen hatten, wirkte immer weiter fort.
Tod und Nachtod Max von Baden hat die Aufregung der Karlsruher Feierlichkeiten unter Aufbietung letzter körperlicher Willenskraft halbwegs gut überstanden.229 Als Wilhelm Solf sich kurz darauf nach seinem Befinden erkundigte, will er von Marie Louise die Nachricht erhalten haben, »daß der Prinz nach mehreren Schlaganfällen körperlich und geistig ziemlich debil sei«.230 Am 6. November 1929 starb der lange Todgeweihte mit nur 62 Jahren in einem Konstanzer Krankenhaus an Nierenversagen. Noch am gleichen Tag würdigte im neugewählten badischen Landtag der Präsident Eugen Baumgartner (Zentrum) den Verstorbenen in einer Gedenkrede. Bei ihrer Verlesung verließen die Deutschnationalen und die Nationalsozialisten den Sitzungssaal, während die Kommunisten demonstrativ auf ihren Bänken sitzen blieben.231 Sowohl vom Reichspräsidenten Hindenburg als auch vom sozialdemokratischen Reichskanzler Müller trafen Beileidstelegramme bei den Hinterbliebenen ein. Die meisten Tageszeitungen vermeldeten das Ableben mit mehr oder weniger langen biographischen Würdigungen – die meisten davon freilich farblose Schubladenprodukte. Am 9. November 1929 wurde Max’ Leichnam in Salem auf würdige, unspektakuläre Weise beerdigt. Grabreden durften keine gehalten werden.232 »Wir können ja alle nur dankbar sein, daß der Prinz von seinen Leiden erlöst ist, das Leben war nicht mehr schön für ihn, und er sehnte sich nach dem Ende«,233 hat seine Frau den späten Lebensabend des Verstorbenen zusammengefaßt. 518 518
Ein ehrendes Gedenken scheinen ihm in der Öffentlichkeit vor allem Repräsentanten des Zentrums und der Deutschen Demokratischen Partei bewahrt zu haben.234 Dagegen ging der Dritte im Bunde seiner Kanzlerschafts-Koalition, die SPD, am Ende bereits auf deutliche Distanz zu ihm.235 Im übrigen blieb er selbst als Toter so umstritten wie über den ganzen Zeitraum seines letzten Lebensjahrzehnts hinweg. Unerbittlich attackiert vom gesamten rechten Lager wie von linken Blättern.236 Doch auch innerlich unabhängige linksbürgerliche Köpfe zeichneten das Bild des Toten in vorzugsweise kritischen Tönen. So selbst der Diplomat Harry Graf Kessler,237 und am prononciertesten vielleicht der vormalige badische Staatspräsident und Psychologie-Professor Willy Hellpach.238 Der nahm keinen Anstand, auch sehr spezifische Persönlichkeitsmerkmale des letzten kaiserlichen Kanzlers mutig in sein Portrait hinein zu skizzieren: die »schwierigen und neurotischen Wesenszüge« dieses Prinzen etwa; dessen missionarischen Ehrgeiz; und selbst, daß er im Kriege »der Front sehr bald den Rücken kehrte«, weil er sich nicht zur »Charge eines unfähigen Generals« vordrängen wollte. »Wir in seinem Lande wußten um seine Nervosität, seine Stimmungen, seine unberechenbaren Nachgiebigkeiten. Seiner ganzen Konstitution nach mußte dieser Mann an der Aufgabe, die man ihm stellte, scheitern.« Dieser Kanzler war nach Hellpach unfähig, »den Wagen vom Abgrund zurück zu reißen«, aber seine Verkündung des Thronverzichts Wilhelms II . hätte eine »erlösende, notwendige, rettende Tat« sein können. »In diesem Augenblick reckt die Figur des Prinzen sich plötzlich zur geschichtlichen Größe auf – um im nächsten auf ihre alltäglichen Maße zurück zu schrumpfen; denn anstatt sich zum Reichsverweser auszurufen und damit vielleicht ein deutsches Kaiserreich in neuen, volkstümlichen Formen zu retten, reist er heim und legt alle Auswirkungen seiner eigenen Kühnheit vertrauensvoll in die Hände Friedrich Eberts. Hier ist der tragische Bruch und die tragische Schuld im Wirken des Prinzen.« Max »wählte trotzdem das für ihn und uns Richtige; denn er wäre einer solchen Mission, wie er nun einmal war, nicht gewachsen gewesen«.239 Sehr viel besser kann man die Problematik dieser politischen Biographie nicht resümieren. Das menschlich einfühlsamste Lebensbild des Verstorbenen wurde erst einige Monate nach dessen Tod unter Pseudonym veröffentlicht. Es handelt sich um einen gewissen Alexander Schaible, der um die Jahrhundertwende in der badischen Gesandtschaft in Berlin als 519 519
Legationssekretär tätig gewesen war.240 Wenn man seine mit reichlich Insiderwissen ausgestattete Darstellung aufmerksam liest, so kann kein Zweifel aufkommen, daß er dem Verstorbenen sehr nahe gestanden haben muß. Das gab ihm allem Anschein nach das Recht, unter dem Schutz der Anonymität und mit zeitlichem Abstand eine so diskret-intime Skizze an die Öffentlichkeit zu bringen. Die folgenden Auszüge sollen hier gleichsam als Epilog stehen. Für Schaible besaß die Persönlichkeit Max von Badens ein »Sondergepräge«. Das »war die Vereinigung so vieler, oft gegensätzlicher Gaben in einem Menschen – war die Vereinigung zu einem Ganzen, das nicht so sehr den Eindruck von Größe und Kraft vermittelte, als den des Besonderen, Außergewöhnlichen«. Wegen dieser seiner »Seltenheit und Fremdartigkeit«, ja vielleicht sogar »Undurchdringlichkeit« sei er schon den Zeitgenossen vielfach ein »Rätsel« geblieben. Dann war da Max’ »Hang zu mystischer Ergriffenheit, zu einer schwärmerischen Verbundenheit mit Personen«, die er liebte. Ein Mann von »körperlicher Schönheit« sei er gewesen, dem man »eine Ähnlichkeit mit dem Apoll von Belvedere« nachsagte.241 Über Max’ »Vorliebe für den Umgang mit jüngeren Menschen« und seinen »Verkehr mit Personen, die außerhalb seines sonstigen Geschmackes, seiner gesellschaftlichen und Interessenkreise standen«, hätte man sich immer wieder gewundert. »Und es ist wohl charakteristisch für den Prinzen gewesen, daß der Zauber seiner Person sich so oft bei den von ihm Berührten zu einem Vergleich mit griechischem Wesen verdichtete.« Und was hat Max von Baden zum politischen Akteur gemacht? Mit Ausbruch des Weltkrieges, so erklärt es Schaible, ergoß sich »das ganze Sein des Mannes in den Drang zum Handeln, zur Tat. Das war wie eine ›Erweckung‹. Denn was nach außen als praktischpolitisches Wirken auftrat, kam aus einer mystisch gehobenen Grundstimmung seiner Seele.« Außerdem habe dieser eine »Mission gegenüber dem ganzen Stande der Dynastien, dem er angehörte«, empfunden. Das war ein weiterer bemerkenswerter Zugang zum schiffbrüchigen Leben unseres Titelhelden – vorbehalten denjenigen, die Max von Baden aus vollem Herzen geliebt haben.
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Nachwort
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Epochal gescheitert Dies ist die Biographie des wohl interessantesten deutschen Prinzen, den das Fin de Siècle hervorgebracht hat. Man könnte in Max von Baden die aristokratische Galionsfigur jener Epoche par excellence sehen; wenn er nicht als »eine rara avis unter den deutschen Fürsten« gegolten hätte – als eine Art Paradiesvogel also.1 Diesem komplexen Charakter galt es nachzuspüren und in seinen wesensprägenden Elementen facettenreich einzufangen. Was freilich nicht bedeutet, alles irgendwie Wissenswerte über Max von Baden und sein Prinzenleben episch auszubreiten. Das mögen andere tun.2 Meine biographischen Forschungen waren von Anfang an ein primär wissenschaftlich motiviertes Unternehmen Es ging mir darum, etwas durchaus Erklärungsbedürftiges herauszufinden, nämlich: Was hat diesen von Haus aus eigentlich unpolitischen Hocharistokraten im (damals) vergleichsweise hohen Alter von 50 Jahren dazu getrieben, in der »Großen Politik« des späten Kaiserreichs als die Führungspersönlichkeit reüssieren zu wollen; und warum ist er dort so epochal gescheitert? Denn auch das war und ist unser Prinz aus Baden: die tragische Schlüsselfigur eines missglückten Politikwechsels in Deutschland. Genauer: der Hauptakteur eines Ensembles, das den Untergang des Bismarckreiches im Herbst 1918 provozierte – und damit historisch-politisch mit zu verantworten hat. Mit Blick auf den letzten Kanzler war dies ein Drama, das eben nur ergründen kann, wer sich so eingehend wie möglich mit der Vita dieses Prinzen befasst und in diesem Kontext sein Politikerprofil bestimmt – Profillinien, die Erklärungskraft besitzen für ein bemerkenswertes Phänomen der deutschen Politikgeschichte. Als Resümee dieser im engeren Sinne
1 So Prinz Alexander zu Hohenlohe-Schillingsfürst an Wilhelm Muehlon vom 10.11.1918, in: Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München ED 142/11. 2 So ist zu begrüßen, dass inzwischen auch die badische Landesgeschichtsschreibung den Prinzen Max wiederentdeckt und ihm 2016 sogar eine Ausstellung mit interessanten Exponaten gewidmet hat: Vgl. den von Konrad Krimm herausgegebenen Katalog: Der Wunschlose. Prinz Max von Baden und seine Welt, Stuttgart 2016. (Darin lesenswert vor allem die Beiträge von Uta Hintz und Enrico Valsangiacomo über Max’ Tätigkeit in der Gefangenenfürsorge, die in meiner Biographie aus Platzgründen etwas kurz kommen musste).
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politischen Biographie, lässt sich festhalten: gewogen, und für zu leicht befunden. Oder in seinen eigenen Worten: »Ich selbst habe so gründlich in meiner Kanzlerzeit Fiasko gemacht, dass ich allen Grund habe, andere schonend zu behandeln.«3 Solch eine schonende Behandlung können wir unserem Protagonisten als kritische Historiker leider nicht angedeihen lassen – jedenfalls kann es der historische Analytiker nicht, der in der Kanzlerschaft des Prinzen Max von Baden ein Unglück für Deutschlands Politik im 20. Jahrhundert sieht.
I. Das Register seiner politischen Sünden ist lang. Es reicht von der Einfalt, Fiktionen zu Richtlinien für staatspolitisches Handeln machen zu wollen, über die Verkomplizierung der politischen Situation durch endloses Hinauszögern von Entscheidungen bis hin zu Max‘ fehlgeleiteten Anstrengungen zu verhindern, dass dem deutschen Volk endlich die Augen über die tatsächliche Lage geöffnet wurde. Unverkennbar war der erste Mann in der zivilen Reichsleitung unzulänglich darin, seinen Kanzler-Beruf professionell auszuüben, nämlich: sich über eine politikfähige Agenda schlüssig zu werden, Entschließungen herbeizuführen und öffentlich überzeugend zu begründen. Überhaupt ging ihm die Einsicht in den politisch-gestaltenden Charakter seines Amtes ab. Was waren die tieferen Ursachen dieses Unvermögens? Warum konnte er nicht zum politischen Kraftzentrum seiner Regierung werden? Warum hat er kein politisches Kapital hinterlassen? Eine der wichtigsten Gründe für seinen Misserfolg scheint mir darin zu liegen, dass Max’ Anspruch auf politische Führung weder durch ausgewiesene Leistungen noch durch Kompetenz gedeckt war. Hinzu kommt, dass seine Aneignung des Politischen stets monarchisch überformt blieb, und emotional überfrachtet dazu. Selbst da, wo ein primär rationales sachliches Ringen um die Einsicht in politische Notwendigkeiten im Spiel war, vermochte er dieses Problembewusstsein nicht auf das Niveau einer scharfsichtigen
3 Undatierte, eigenhändige Aufzeichnung des Max von Baden (vermutlich 1920), in: GLA Karlsruhe, FA N 6741.
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Analyse, eines dezidierten Urteils und einer praktikablen Bearbeitungsform zu bringen. Er verharrte im Zustand einer halböffentlichen Prinzenpersönlichkeit, die den royalen Moralisten vom modernen Politiker niemals trennen konnte. Auch für den Gefühlspolitiker Max von Baden gilt, dass seine Emotionen nicht allein Affekte, sondern eher ein Reservoir gespeicherter Erfahrungen waren, dass man sein politisches Gefühlswissen4 mithin nicht von seinem Erfahrungswissen trennen kann. Und das war eben – was das Politikmachen anlangt – äußerst schmal, ja dynastisch-borniert. Deshalb erkannte er nicht das Ausmaß an gesamtgesellschaftlicher Verantwortung, die ihm aus der Übernahme des Kanzler-Amtes erwuchs. Er ahnte nicht, was ihm im Herbst 1918 wirklich bevorstand: ein hartes Umdenken nämlich über das, was die Welt der Politik damals tatsächlich zusammenhielt und über die Rolle, die Deutschland in dieser Welt überhaupt noch spielen konnte. Max hätte einen Bruch in seiner Biographie riskieren müssen, um seiner historischen Aufgabe gerecht zu werden. Es war aber eine Art Hybris, die ihn antrieb – keine frevelhafte; eher eine arglose. Max wollte helfen, retten, dem Vaterland heroisch dienen und mehr noch der Monarchie. Warum? Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war auch die komplette Existenz des Prinzen Max in einen unheilvollen Kriegszustand geraten. Denn nolens volens hatte er nun als Divisionskommandeur Bewährung an der Front zu suchen – und versagte dort nervlich so elendig, dass er sich schon nach wenigen Wochen aus dem Kampfgeschehen gänzlich zurückzuziehen musste. Die außerordentlich peinliche Erfahrung wurde ihm zur biographischen Bruchstelle. Sie überschattete sein Leben, ließ ihn so etwas wie eine existenzielle Verlorenheit spüren. Ein Gefühl der Scham, der Selbstentwertung stellte sich ein. Aus dieser inneren wie äußeren Demütigung erwuchs sein Verlangen nach Kompensation. Weil er sich militärisch nicht beweisen konnte, versuchte er es in der Politik. Ab Sommer 1917 macht Max sich innerlich auf den Weg zu diesen für ihn ganz neuen Ufern der »Großen Politik«. Er definiert sich in eine neue Rolle hinein, und zwar in die eines potenziellen Nationalhelden, auf den ein Schicksal warte: die Rettung des deut4 Hier im Sinne von Ute Frevert u.a., Gefühlswissen. Eine lexikalische Spurensuche in der Moderne, Frankfurt a.M. 2011; vgl. außerdem Jan Plamper, Geschichte und Gefühl. Grundlagen der Emotionsgeschichte, München 2012.
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schen Kaiserreichs vor einer akuten Gefahr. Er imaginiert sich als neuen Marcus Curtius, jene Heldenfigur aus der antiken Mythologie, die Rom seinerzeit durch eine sich selbst opfernde Heldentat vor drohendem Untergang bewahrte. Durch einen solchen voluntaristischen Kraftakt wollte er seine Scharte auswetzen und versuchen, seinem Prinzen-Dasein doch noch eine Wende zum Ehr-, ja Bewunderungswürdigen zu geben. Doch der Prägekraft seiner ganz persönlichen Geschichte konnte er damit ebenso wenig entkommen, wie ihn seine vermeintliche politische Mission aus dem Schatten seiner royalen Zwangsverpflichtungen treten ließ. Zwar war er übermotiviert, aber praktisch-politisch auf seine konkrete Aufgabe überhaupt nicht vorbereitetet, und dann auch kaum mehr lernfähig. Sein öffentliches Auftreten erschöpfte sich im Verlesen von Rollentexten. Informell beurteilte er aber die politische Situation und insbesondere die neuen Phänomene emanzipatorischer Massenbewegungen mit den Kriterien der alten (gerade untergehenden) Welt. Deshalb konnte er auch keine nachhaltigen Neuerungen bewirken. Es blieb Rhetorik, die der politischen Öffentlichkeit keine Lichter aufsteckte, deren Inhalte keinen charismatischen Rückhalt in seiner Person besaßen. Weil er nicht offen sagte, nicht sagen mochte, wofür er wirklich stand. Bei allem, was er politisch vertrat, ließ er sich moralische Schlupflöcher offen, die er dann zur Rechtfertigung ständig abweichender Verhaltensmuster benutzte. Sein reformpolitischer Horizont reichte letztlich über das Format eines im altliberalen Sinne modernisierten Obrigkeitsstaates (nach großherzoglich-badischem Muster) nicht hinaus.5 Er blieb guten Glaubens, mit der Kopie eines Regierungsstils, wie er ihn von seinem badischen Onkel kannte, auch noch im 20. Jahrhundert erfolgreich Politik machen zu können. Die konstitutive Bedeutung des Volkes für die staatliche Ordnung, die er repräsentierte, hat er niemals anerkannt. Freilich darf man nicht übersehen, dass sich auch die meisten Mitglieder seiner Regierung viel zu sehr dem alten System verpflichtet fühlten, insbesondere zur Loyalität gegenüber der Monarchie, um nun ihrerseits energisch auf machtbewusste Schritte in 5 Hierzu ausführlich Lothar Machtan, Star-Monarch oder Muster-Monarchie? Zum politischen Herrschaftssystem des Großherzogtums Baden im langen 19. Jahrhundert. In: Detlef Lehnert (Hg.), Konstitutionalismus in Europa, Göttingen 2014, S. 257–286.
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Richtung Demokratie zu drängen. Aber dass diese sogenannte Volksregierung selbst gegenüber der – ihr ausdrücklich übertragenen – Aufgabe einer Parlamentarisierung des Reiches so erschreckend unsicher, so schwankend, so übervorsichtig blieb, das geht in allererster Linie auf die Risikoscheu ihres Chefs zurück, der sich einfach nicht traute, politisch voranzugehen. So konnten die Mühlen der faktischen Macht auch im Herbst 1918 noch mehr oder minder unkontrolliert weiterarbeiten. Prinz Max von Baden setzte bis zum Schluss lieber auf seine persönlichen Verbindungen, mehr auf informelle Gespräche und Nebendiplomatie als auf die politische Meinungs- und Willensbildung in seinem Kabinett. Politik im Schatten der Intransparenz. Schließlich war da noch der Faktor Kurt Hahn, ein Konglomerat aus Freund, Sekretär, Ideengeber, Projektemacher, Antreiber und noch vielem mehr. Max’ innere Verschreibung an diese merkwürdige politische Potenz trägt vielleicht das meiste zur Erklärung bei, woran dieser Unglückskanzler gescheitert ist. Nämlich an den Aporien, die jener faszinierende junge Mann in seine politische Biographie hat implantieren können. Hahn war wie besessen von seiner Überzeugung, zu wissen, wie die zentralen Probleme der »Großen Politik« im einstürzenden Kaiserreich gelöst werden könnten. Er konzipierte eine Roadmap nach der anderen und wurde nicht müde, dafür zu agitieren – bis zum letzten. Viele seiner Ideen klangen genialisch, originell und plausibel – und fanden im Prinzen Max ihren dankbarsten Rezipienten und Adaptoren. Umso mehr, als sie das Image des so bedeutungsbedürftigen Zähringers mit einem Geistreichtum ausstaffierten, der dem Beschenkten sichtlich gefiel. Dass diese Hahn’schen Ideen ihn überhaupt erst zu einem ernsthaften Kanzlerkandidaten qualifizierten, war das eine. Fatal wurde dann, dass der Prinz sich bei Antritt seiner Kanzlerschaft – selbst nach erzwungener Unterschrift unter das Waffenstillstandsgesuch – von diesen tief verinnerlichten Fixpunkten seiner ethischimperialistischen Weltanschauung nicht verabschieden mochte. Denn erstens baute das politische Wollen Hahns auf Illusionen, insbesondere auf anglomanischem Wunschdenken auf, war also wirklichkeitsfremd. Und zweitens erwiesen sich die Wege, die Hahn glaubte weisen zu können, schon beim ersten Schritt als politischpraktisch gar nicht gangbar, weil es nur Worte und Metaphern 527
waren. Das musste seinen vermeintlichen Heilsbringer über kurz oder lang ins Verderben stürzen. Durch seinen übereilten Abgang von der politischen Bühne hat der Prinz-Reichskanzler sich noch in allerletzter Minute von zwei Alpträumen freimachen können: zum Eideshelfer der deutschen Revolution zu werden und – die Schamade mit blasen zu müssen. So konnte er sich bei seinem Rückzug aus der Reichspolitik immerhin einreden, dass seine Mission zwar ein Misserfolg, aber keine Schande war. Ein Bankrott vielleicht, den aber andere zu verantworten hatten. Und dennoch: Wenn jemand das Nichtzustandekommen einer demokratisch legitimierten parlamentarischen Monarchie in Deutschland am Ende zu verantworten hat, dann war das nicht allein – wie immer wieder fälschlich behauptet wird6 – der abdankungsunwillige Kaiser Wilhelm II. Den hätte man mit dem nötigen politischen Willen im Oktober 1918 relativ leicht auf ein königliches Abstellgleis befördern können, ungeachtet des formellen Vetorechtes, das ihm bis zum Schluss zustand. Es war mehr noch die politische Selbstaufgabe des fürstlichen Herrscherstandes, verkörpert in seinem vielleicht klügsten, jedenfalls ambitioniertesten Repräsentanten, dem Prinzen Max von Baden. Rein subjektive Faktoren hielten ihn davon ab, Mögliches zu tun, einer vorhandenen Voraussetzung Wirklichkeit zu verleihen. Weil er nicht wagte, was zu erreichen war, konnte er weder seine eigentliche Stunde erkennen noch die schmale, aber realhistorisch durchaus gegebene Chance nutzen, der Monarchie ein Überleben zu sichern.
II. Als Historiker des Politischen sollte man es mit dieser biographischen Kontextualisierung freilich nicht bewenden lassen. Will man seinen Platz in der deutschen Zeitgeschichte bestimmen, so muss man Max’ Schicksal aus der subjektiven Dimension herauslösen und intersubjektiv ausdeuten. Will sagen: Auch die deutsche Zäsur, die der Prinz-Reichskanzler ein kleines, aber entscheidendes Stück weit mitgestaltet hat, ist es wert, im Lichte seiner Biographie noch
6 Zuletzt wieder Volker Sellin, Gewalt und Legitimität. Die europäische Monarchie im Zeitalter der Revolutionen, München 2011, S. 130ff.
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einmal neu betrachtet zu werden. Denn aus ihr ergibt sich eine veränderte Perspektive auf diese bedeutsame Weggabelung in der neueren deutschen Geschichte, die sich 2018 zum hundertsten Male jährt. Eine Sicht, die vor allem die relative Offenheit der damaligen Entscheidungssituation erkennbar macht. Der Anteil, den der letzte Kanzler des Kaisers daran hatte, diese Offenheit zu minimieren, erweist sich dabei als so bedeutsam, dass man Deutschlands Weg ins 20. Jahrhundert nicht angemessen erfassen kann, wenn man sie marginalisiert. Insofern ist diese Neuauflage als ein Beitrag zur geschichtspolitischen Diskussion unserer Gegenwart gedacht. Ein Statement zum aktuellen Thema: Wie alternativlos war eigentlich dieser Untergang des deutschen Kaiserreichs – der dann die Sturzgeburt der Weimarer Republik bewirkte? Zur Diskussion stellen möchte ich die folgenden fünf Anmerkungen zum deutschen Herbst von 1918. Erstens: Eine sogenannte Reichsverweserschaft anstelle des amtierenden Kaisers Wilhelm II. war im Herbst 1918 ein durchaus belastbares Modell zum Erhalt der deutschen Monarchie als Staatsform; mehr noch: zur endlichen Etablierung einer politisch eigenmächtigen Reichsleitung, gestützt auf das Vertrauen der parlamentarischen Vertretung des Volkes. Die politische Lage war damals so, dass Wilhelm II. sein ganz persönliches Fiasko als Reichsmonarch immer mehr zu einer allgemeinen Staatskrise abstrahierte. Ohne Rücksicht auf die Folgen für das Volk und bar jeder eigenen zukunftsweisenden politischen Agenda klammerte er sich an seinen Kaiserthron, den er faktisch längst verspielt hatte. Seinen letzten Kanzler benutzte er ungeniert als Mittel zum Zweck des eigenen Machterhalts. Und die staatlichen Institutionen sollten weiterhin der Maximierung seiner dynastischen Vorteile dienen. Diesen politischen Flurschaden hätte ein wirklich leitender Staatsmann abwenden müssen. Wo Max von Baden doch wusste, dass angesichts der drohenden Kriegsniederlage ein weiterhin auf die preußische Hegemonie begründetes Reichsgefüge nicht mehr zu halten war. Er durfte nicht zulassen, dass der drastische Bedeutungsverlust der Hohenzollern zu einer Erosion von politischer Autorität schlechthin führte. Aber um den unverantwortlichen Ambitionen des deutschen Kaiserhauses etwas Wirksames entgegenzusetzen, musste der Regierungschef die Situation konsequent 529
von Deutschlands Staatsraison her denken. Ein solches staatskluges Verständnis war dem Prinz-Reichskanzler nicht gegeben. Denn er konnte keinen mentalen Abstand von dem eigensinnigen Komment seiner dynastischen Welt gewinnen und von seiner eigenen heiklen Privatgeschichte darin. Deshalb waren Kopf und Herz nicht da, wo es um sachliche Lösungen für die akute Systemkrise ging. So verfing sich ein Problem von kapitaler politischer Wichtigkeit im Unterholz höchstpersönlicher Ressentiments. Es wurde auf das Niveau von Intrigen herabgedrückt und damit unbeherrschbar. Zweitens: Die Rekonstruktion der damaligen Erwartungshaltung im Regierungslager zeigt, dass den politischen Akteuren in ihrer Mehrheit eine parlamentarisch-repräsentative Monarchie als definitiver Staatszustand vorschwebte, und keine massendemokratisch legitimierte Republik. Die staatsrechtlichen Voraussetzungen dafür hatte die Verfassungsreform vom 28. Oktober 1918 endlich geschaffen. Jetzt ging es darum, diesem Regimewechsel auch ein angemessen neues und vor allem vertrauenswürdiges Gesicht zu geben. Für die Sichtbarkeit des politisch Neuen, und damit für die glaubwürdige Verwirklichung der verkündeten Reformen war die Entthronung Kaiser Wilhelms II. die unabdingbare Voraussetzung. Genauer: seine Ersetzung durch eine achtbare Symbolfigur mit royalem Nimbus, die sowohl für Tradition als auch für Innovation stand, für Kontinuität und Wandel. Diesem Regenten wäre eine machtstrategisch wichtige und zugleich integrative Position an der Spitze des transformierten Herrschaftssystems sicher gewesen. Für diese Rolle stellte die dekorative und biegsame Persönlichkeit des Prinzen Max eigentlich einen Glücksfall dar, zumal er ja bereits auf der politischen Bühne stand. Umso tragischer war es, dass er sich dort zu der historischen Aufgabe nicht bekennen mochte, und deshalb die Grenzen seiner tatsächlichen Möglichkeiten weit unterschritt. Als sich Ende Oktober überall in Deutschland potenziell revolutionäre Unruhe ausbreitete und der im Volk immer mehr verhasste Kaiser einfach keinen Thronverzicht leisten wollte, hatte die Reichsleitung praktisch nur mehr eine Handlungsoption, um Herr der prekären Lage zu bleiben: sofortige Absetzung Wilhelms II. und eigenmächtige Ausrufung des Prinz-Reichskanzlers Max zu seinem Vertreter auf dem deutschen Kaiserthron. Wollte der Regierungschef den monarchischen Gedanken jetzt überhaupt noch retten, so 530
musste er im Interesse der Monarchie den Monarchen direkt bekämpfen, der im Begriff stand, diesen Gedanken heillos zu diskreditieren und überdies im Volksmund als das größte Friedenshindernis nachgerade verflucht wurde. Das heißt: Er musste dem Reich in seiner Person einen neuen, einen vertrauenswürdigen Monarchen schenken, einen volkstümlichen Ersatzkaiser mit dem erklärten Willen zur Demokratie. Für einen solchen politischen Coup besaß unser Protagonist weder das erforderliche Machtbewusstsein noch den moralischen Mut eines Staatsführers aus eigener Kraft, der auch vor rebellischen Optionen nicht zurückschreckt, wenn das politische Schicksal eines ganzen Volkes auf dem Spiel steht. Was ihm fehlte, war die innere Freiheit zur Selbstkompetenz. Zwar ließ er sich am 9. November 1918 tatsächlich noch herbei, von sich aus endlich Schluss zu machen mit dem fatalen Regiment seines Vetters Wilhelm, indem er den vollständigen Thronverzicht der Hohenzollerndynastie wahrheitswidrig in Berlin verkünden ließ. Und er setzte seinen treuen Verbündeten, den Sozialdemokraten Friedrich Ebert als (geschäftsführenden) Reichskanzler ein – was verfassungsrechtlich gar nicht zulässig, also durchaus so etwas wie ein kleiner Staatsstreich war.7 Aber sich nun gleichzeitig konsequenterweise selber zum Leiter der verwaisten Zentralgewalt aufzuraffen, als (provisorisches) Staatsoberhaupt verantwortlich in das politische Geschehen einzugreifen, das traute sich Prinz Max von Baden nicht mehr zu, obwohl ihm alle seine damaligen Mitarbeiter und Freunde eindringlich zu dieser politisch zwingenden Machtergreifung rieten. Stattdessen ist er noch am gleichen Tag fluchtartig und auf Nimmerwiedersehen von der politischen Bühne verschwunden. Drittens: Moralisch betrachtet, lief sein Davonlaufen auf einen Halbverrat nach zwei Seiten hinaus: Untreue gegenüber denjenigen, die in ihm den Verfechter einer parlamentarischen Monarchie auf liberaler Grundlage sahen und unterstützten; aber auch gegenüber denjenigen, die ihn als vermeintlichen Retter monarchischer Herrschaft im Abwehrkampf gegen die Demokratie engagiert hat7 In der Wahrnehmung von Kaiser Wilhelm II. wurde er »von Max von Baden gestürzt« – so die handschriftliche Eintragung in sein persönliches Exemplar Die täglichen Losungen und Lehrtexte der Brüdergemeinde für das Jahr 1918, S. 197, zit. nach dem Faksimile im Katalog Der letzte Kaiser Wilhelm II. im Exil, Gütersloh/ München 1991, S. 160.
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ten. Der definitive Verfall der Legitimität der deutschen Monarchie am 9. November 1918 ging somit auf sein Konto. Ihm, dem zaudernden Endzeitkanzler, fällt die Verantwortung dafür zu, dass aus dem persönlichen Versagen des deutschen Kaisers (und seiner fürstlichen Kollegen in den deutschen Bundesstaaten) ein Staatsversagen wurde. Mit seiner Weigerung, in Gestalt einer Thronverweserschaft das Schicksal der deutschen Monarchie selbst in die Hand zu nehmen, wurde er nolens volens zum Totengräber des Kaiserreichs. Was dessen Einsturz hinterließ, war ein Machtvakuum – mit destabilisierenden Langzeitfolgen. Auf dem Weg in die Demokratie fehlte der Reichspolitik fortan eine halbwegs überparteiliche und ausgleichende Instanz, wie sie die Institution Monarchie prinzipiell hätte darstellen können – freilich nur in einem sichtbar erneuerten Format, am besten als Garant einer tatsächlichen Durchführung der Demokratie in Deutschland. Dazu entschlossen, hätte der Regent es in der Hand gehabt, die meisten Anhänger des überkommenen Staatswesens mitzunehmen auf dem Weg in ein moderneres politisches System, der mit der Mobilisierung des deutschen Volkes seit 1914 vorgezeichnet war. Ein Zivilist als Träger des neudeutschen Kaisertums mit einem wachen Verständnis von den politischen Verpflichtungen seines hohen Amtes gegenüber der neuen Verfassung hätte endlich auch in Deutschland ein demokratisch-liberales Element im monarchischen Gedanken verankern können. Und damit eine nachvollziehbare Abkehr einleiten von der politischen Kultur und Moral der vorzugsweise preußisch ausgerichteten Militärmonarchie. In einer politisch gewollten Allianz mit dem eigenen Volk hätte ein solcher Reichsverweser eine moralpolitische Autorität von zentraler Bedeutung für den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft entfalten und damit Wesentliches dazu beitragen können, dass das Land beizeiten wieder zu einer halbwegs stabilen politischen Ordnung fand. Viertens: Die ungeschehene Geschichte einer historisch durchaus möglichen Behauptung der Monarchie durch eine demokratische Revolution von oben ist Deutschlands politischer Zukunft zum Schlechten ausgeschlagen. Eine im Volk halbwegs beliebte Monarchie hätte den Möglichkeitsspielraum für einen charismatischen Führer vom Schlage Hitlers ganz sicher begrenzt. Seinen rücksichtslosen Willen zur gewaltsamen Macht konnte ein solcher Führer nur deshalb so wirkungsvoll zur Geltung bringen, weil viele 532
Deutsche noch jahrelang unter dem Phantomschmerz des plötzlichen Verfalls von staatlicher Autorität litten, wie sie der kollektive politische Selbstmord der gekrönten Häupter hervorgerufen hatte.8 Der datiert vom November 1918, als durch die anhaltende Lähmung der Macht so etwas wie eine fundamentalpolitische Entwurzelung vonstattenging. Weil viel zu wenige nur sich erklären und damit verstehen konnten, was gerade um sie herum passierte. Anders gesagt: 1933 beginnt insofern schon 1918, als gerade der erschreckende Mangel an Widerstandsfähigkeit der monarchischen Ordnung das politische Weltbild so vieler Menschen nachhaltig erschüttert hat. Umso mehr, als an die Stelle der alten Autoritäten keine selbstbewussten Kräfte traten, die dem royalen Herrscherstand die Macht in einem genau darauf zielenden Kampf siegesstolz abgerungen hatten, sondern – Konkursverwalter. Wohl selten ist ein fundamentaler Machtwechsel parteipolitisch so ungewollt eingetreten. Der Volksaufstand vom 9. November 1918 wurde allein deshalb unumgänglich, weil ihn die alten Machthaber durch eine Art Insolvenzverschleppung und durch andauernde Bilanzfälschung geradezu herausgefordert haben. Die umrissene Alternative hierzu war eine monarchisch gelenkte Demokratie, die spätestens Ende Oktober machtbewusst auf den Plan treten musste, um das katastrophale Schicksal des Kaiserreichs noch abwenden zu können. Sie war damals politisch möglich, und man kann sie trotz fragmentarischer Überlieferung zu einer plausiblen Geschichte zusammenfügen. Man muss es sogar, wenn man nicht einer teleologischen Verklärung der deutschen Zäsur von 1918 aufsitzen will. Eine solche unorthodoxe Lesart dieser Wende drängt sich auf, wenn man auch die Bedingungen möglicher Ereignisse gewissenhaft eruiert und nach den prospektiven Wirkungen solch einer – wenn auch letztlich vertanen – Optionen fragt.9 Es ist vielleicht nur ein Seitenblick auf diese Vergangenheit,
8 Stellvertretend für große Teile des deutschen Bildungsbürgertums hat der große Historiker Friedrich Meinecke vier Jahre nach der Novemberrevolution ganz aufrichtig verkündet: »Der Schmerz aller derjenigen Schichten, die die Träger des monarchischen Staates und Gedankens waren, ist tief und brennt noch heute in ihren Seelen.« Ders.: Das Ende der monarchischen Welt, in: Neue Freie Presse Nr. 20940 vom 24.12.1922. 9 Ich folge hier Reinhart Kosellecks Theorie möglicher Geschichte: Vgl. ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 1989, hier S. 165 bzw. 175.
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aber ein Blick vor dem Vergessen. Eine Hypothese überdies, die die Grenzen des Behauptbaren nicht überschreitet, weil ihr die einschlägigen Quellen nicht widersprechen. Fünftens: Die relative Offenheit der historisch-politischen Situation noch im Oktober 1918 ist die eine Entdeckung, die ich beim Schreiben dieser Biographie machen durfte. Die andere ist die Natur der Gründe, warum das historisch Mögliche schließlich doch unterblieb. Hier geht mein Befund dahin, dass psychologische Färbungen und emotionale Dynamiken den damals zentralen Entscheidungsträger daran gehindert haben, die politische Kontrolle über das Staatshandeln in Deutschland zu behalten. Deshalb konnte er aus der prekären Lage nicht das womöglich Beste für Deutschland machen, nämlich: höchstselbst zum Lebensnerv einer demokratischen Monarchie zu mutieren. Dabei lag sein Versagen nicht an seiner prinzipiellen Unfähigkeit, die politischen Aufgaben seines Amtes Mitte Oktober in einem anderen Licht zu sehen als bei Regierungsantritt. Seine neue politische Rolle, die öffentliche Figur eines Ersatzkaisers, konnte er sehr wohl in sich selbst finden. Auch das geistige Potenzial, etwas zu verändern, dürfte er durchaus in sich gespürt haben. Er hatte nur riesige Angst davor, es tatsächlich zur Entfaltung zu bringen. Nicht einmal aus Skrupel vor dem Bruch getroffener Vereinbarungen, und auch nicht aus interdynastischer Nibelungentreue. Vielmehr muss seine Politikunfähigkeit Ende Oktober 1918 im Wesentlichen auf seinen schwierigen psychischen Zustand zurückgeführt werden, auf seine ganz persönliche Befangenheit, seine besondere Empfindungsweise: Er erstarrte in der Furcht vor den hochnotpeinlichen gesellschaftlichen Konsequenzen politisch unkorrekten Handelns. Dieses Gefühl des Selbst-Elementar-Bedrohtseins war es, das seine Urteils- und Entschlusskraft maßgeblich paralysiert hat. Insofern – aber auch nur insofern – geriet er in eine unlösbare Situation: Obwohl er sich über die hohen Risiken seines Nichthandelns durchaus im Klaren war, vermochte er seiner Angst vor Verletzungen, Demütigungen und Bloßstellungen nicht Herr zu werden und konnte deshalb auch keine angemessenen Lösungen zur Abwehr der politischen Gefahr eines Systemkollaps exekutieren. Die Abgründe seiner privaten Biographie waren in eine so unheilvolle Beziehung mit seinem Politikerleben getreten, dass eine ganz bizarre, hochemotionale Gemengelage entstand: ein Melodram mit 534
politischem Kollateralschaden. Erst mit ungeniertem Blick auf seine chaotische Gefühlswelt und die von diesem Chaos gesteuerten Reaktionen erschließt sich der Nachwelt, warum der Möglichkeitsraum für sein politisches Handeln so restringiert, ja verschlossen blieb. Prinz Max von Baden selbst verkörperte die Grenze der politischen Offenheit der Lage im deutschen Herbst von 1918. So wurde der ebenso abrupte wie voluntaristische Übergang zu einer republikanisch-demokratischen Staatsordnung in Deutschland unausweichlich – eine allerdings prekäre Weichenstellung, wie wir heute wissen. Problematisch vor allem deshalb, weil es eine politische Sturzgeburt war, auf die die politische Klasse und die Funktionseliten überhaupt nicht vorbereitet waren und die von vielen sogar als ein untergeschobenes Kind betrachtet wurde. Aber auch ihre Demiurgen scheinen mit der Aufgabe überfordert gewesen zu sein, diesem ihrem politischen Projekt einen die Mehrheit der Deutschen begeisternden Sinn zu stiften. Dennoch wird man diese Notlösung als letztlich alternativlos ansehen müssen, weil alle sonstigen Möglichkeiten, dem politischen System seine obrigkeitsstaatlichen Fesseln abzunehmen und das Politikmachen durch neuen Geist zu beleben, im mit dem Abgang des potenziellen deutschen Ersatzkaisers definitiv ausgeschöpft waren. Das barg auch eine historische Chance, die man nicht kleinschreiben darf. Die Chance nämlich, Politik endlich stocknüchtern und entlang der realen Gegebenheiten zu sehen und zu betreiben, wie Friedrich Ebert dies ab dem 10. November 1918 konsequent getan hat.
III. Mit dem vorstehenden Destillat meiner politisch-biographischen Forschungsergebnisse ist das politische Erkenntnispotenzial noch einmal auf den Begriff gebracht, das diese Lebensgeschichte birgt. Doch meine Autorenaufgabe, diese Vita einem breiten Lesepublikum auf interessante Weise zu erschließen, bestand noch in etwas anderem als darin, den Lebensstoff des Prinzen Max von Baden analytisch zu durchdringen. Sie bestand erst einmal darin, sein Leben und seine Persönlichkeit überhaupt in sicheres Licht treten zu lassen. Dafür braucht man zunächst und vor allem zuverlässiges 535
Quellenmaterial. Das stand mir nach ausgiebigen Recherchen in so überreichem Maße zu Gebote, dass die Weigerung des Hauses Baden, mir die Auswertung der Nachlasspapiere meines Protagonisten zu ermöglichen, zwar sehr bedauerlich, aber doch verschmerzbar war. Die überaus freundliche Aufnahme, die mein Buch 2013/14 gefunden hat, haben mir die Solidität meiner Biographie hinreichend deutlich gespiegelt. Inzwischen sind Teile dieses Nachlasses (in einem freilich nicht ganz transparenten Verfahren) aus Schloss Salem als private »Leihgabe« des Hauses Baden in das Generallandesarchiv in Karlsruhe überführt und mit öffentlichen Geldern archivalisch-professionell inventarisiert worden. Da diese Papiere erklärtermaßen der historischen Forschung zur Verfügung stehen sollen, habe auch ich mich mit Blick auf diese Neuauflage entschieden, erneut einen Benutzungsantrag zu stellen. Fast vier Monate hat das Haus Baden gebraucht, um sich schließlich davon überzeugen zu lassen, dass es seinem öffentlichen Ansehen vielleicht unzuträglich wäre, dem ersten wissenschaftlichen Biographen seines Vorfahren weiterhin die Auswertung dieser Papiere zu verbieten. Ich durfte also nachrecherchieren und gespannt darauf sein, ob sich dabei neue Türen der Erkenntnis für mich öffnen würden. Sie öffneten sich nicht. In dieser Hinsicht haben mich meine Nachforschungen in Karlsruhe enttäuscht; enttäuscht auch insofern, als der Nachlass kaum irgendwelche Zeugnisse enthält, die es etwa erlauben würden, die blinden Flecken in der Privat- bzw. Familiengeschichte des Prinzen aufzulösen. Oder Dokumente, die weiteren Aufschluss über seine intime Persönlichkeit, seine persönlichen Probleme geben könnten. Überhaupt kann man das, was jetzt in Karlsruhe liegt, kaum einen echten Nachlass im klassischen Sinne nennen; eher eine überdimensionierte Materialsammlung von vorzugsweise politisch eingefärbten Dokumenten unterschiedlichster Provenienz, durchmischt mit Teilen der Originalkorrespondenz des Prinzen mit diversen Zeitgenossen. Es wird jedoch leicht erkennbar, dass das Material vorzugsweise die Weltkriegsjahre abdeckt und die frühen 1920erJahre. Für den Kenner der Materie sind immerhin diverse Probebohrungen möglich, die für mich aufschlussreich insofern waren, als ich in dieser Überlieferung nichts habe entdecken können, was meinen begründeten Vermutungen zur politischen und privaten Dimension dieser Prinzenbiographie widerspricht oder auch nur 536
zweifelhaft erscheinen ließe. Im Gegenteil. Speziell mit Blick auf die Ambitionen und Taten des Endzeitkanzlers fühle ich mich durch die Karlsruher Archivalien in dem, was ich rekonstruiert und analysiert habe, nachhaltig bestätigt. Gewiss, mit dem jetzt vorliegenden Archivmaterial könnte man meine Biographie an einigen Stellen stofflich anreichern, die eine oder andere Kontur noch schärfer zeichnen – aber umgeschrieben muss nichts werden. Deshalb darf und soll dieses Lebensbild im Wesentlichen in der gleichermaßen wissenschaftlichen wie literarischen Form erscheinen, wie ich es vor nunmehr fünf Jahren nach bestem Wissen und Gewissen ausgearbeitet habe. Bremen, im September 2017
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Anhang
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Dank In ihrem wissenschaftlichen Fundament geht diese Studie auf die Ergebnisse mehrjähriger historischer Forschungen zurück, für deren großzügige Förderung ich mich der Deutschen Forschungsgemeinschaft, aber auch der Gerda Henkel Stiftung verpflichtet weiß. Von den vielen Kollegen, die mich bei meinen Arbeiten unterstützt beziehungsweise klug beraten haben, möchte ich namentlich diese herausheben – in alphabetischer Reihenfolge: Holger Afflerbach, Jaromir Balcar, Heinz Haefner, Bengt Jangfeldt, Anders Jarlert, Tilmann Lahme, Detlev Lehnert, René Ott, Wolfram Pyta, Dieter Richter, Torsten Riotte und nicht zuletzt Hans Rudolf Wahl. Malte Ritter und mehr noch Till Zimmermann haben ebenso einfühlsam-verständig wie professionell-souverän dafür gesorgt, daß aus meinem Rohmanuskript dieses schöne Buch hat werden können. Dafür waren auch diverse Regieanweisungen von Thomas Sparr sehr einträglich. Ohne den emotionalen Rückhalt und die psychologische Sicherheit, die mir Ursula Steuerwald in der letzten Schreibphase gegeben hat, wäre ich bei meinen Bemühungen, dieser Vita ein angemessenes biographisches Profil zu geben, ganz sicher nicht so zügig vorangeschritten. Zum Glück haben darüber hinaus auch andere mir Nahestehende an dem Netz des moralischen Rückhalts in Zeiten großer geistiger Herausforderung mit gewoben. Ich nenne hier nur meinen Sohn Thies Machtan sowie die Freunde Herbert und Renate Knopp. Schließlich möchte ich noch einige Namen dankbar erwähnen, die selbst am besten wissen, was ihr schätzenswerter Beitrag zu dieser Biographie ist, nämlich: Martina Fetting, Julia Gebke, Rainer von Hessen, Carola Häntsch, Christa Putz, Annika Saerbeck, Florian Reible, Uwe Richardsen, Heinrich Graf von Spreti, Stefanie Walther, Barbara Wenner und Andrea Wörle. Bremen, im Juli 2013
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Editorische Notiz Die Archivalien, die in diesem Buch verwendet werden, weisen bisweilen sprachliche Fehler auf und folgen keiner einheitlichen Rechtschreibung. Diese Fehlschreibungen wurden stillschweigend bereinigt, charakteristische Eigenheiten jedoch bewahrt. Um die Lesbarkeit nicht zu beeinträchtigen, wurden die in diesem Buch verwandten Texte gegebenenfalls auf die alte Rechtschreibung umgestellt. Graphische Hervorhebungen, wie Sperrungen oder Unterstreichungen, werden kursiv wiedergegeben. Alle Anmerkungen des Verfassers, Veränderungen, Auslassungen und Zusätze in den Zitaten sind durch eckige Klammern gekennzeichnet. Alle Übersetzungen sind, soweit nicht anders vermerkt, vom Verfasser.
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Abkürzungen AHH BA B BA K BA -MA
BayHStA BayStabi BFA FAvR GHA GLA GStA HA K HHStA W HStA H HStA S HZA LHA S MPI ER MvB MWG NA RWS NDB NL ÖTM OHL PA AA SBB PK
Archiv Hessische Hausstiftung, Eichenzell Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde Bundesarchiv Koblenz Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg im Breisgau Bayrisches Hauptstaatsarchiv, München Bayrische Staatsbibliothek, München Bernadotteska familjearkivet, Stockholm Familienarchiv von Racknitz, Burg Ehrenburg, Heinsheim am Neckar Geheimes Hausarchiv (Abt. III des BayHStA) Generallandesarchiv Karlsruhe Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem Historisches Archiv Stadt Köln Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein Landeshauptarchiv Schwerin Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main Max von Baden Max Weber-Gesamtausgabe Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth Neue Deutsche Biographie Nachlaß Österreichisches Theatermuseum, Wien Oberste Heeresleitung Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung 543 525
Schweizerisches Literaturarchiv, Bern Riksarkivet, Stockholm Bayrisches Staatsarchiv Coburg Hessisches Staatsarchiv Darmstadt Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg im Breisgau StA H Staatsarchiv Hamburg StA K Stadtarchiv Konstanz StA M Staatsarchiv München S tA Mgd Stadtarchiv Magdeburg StA O Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Oldenburg StA W Stadtarchiv Wuppertal S tA S ig Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Sigmaringen StadtBib Trier Stadtbibliothek, Trier SWA Stiftung Warburg Archiv, Hamburg-Blankenese ThStA Mgn Thüringisches Staatsarchiv Meinigen UA FR Universitätsarchiv Freiburg im Breisgau UA H Universitätsarchiv Heidelberg UB Freiburg Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau UB Heidelberg Universitätsbibliothek Heidelberg UB Jena Universitätsbibliothek Jena ZGO Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins SLA SRA StA C StA D StA FR
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Anmerkungen Prolog 1 2
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Vgl. zum Folgenden die »forschungsstrategische« Einleitung von Hergemöller (Hg.), Mann für Mann, Bd. 1, S. 2 ff. Unter Rekurs auf die wissenschaftlichen Standards, wie sie die Forschung für solche Untersuchungen bereithält. Vgl. dazu die beiden Kompendien: Fetz (Hg.), Biographie; und C. Klein (Hg.), Handbuch. Vgl. die biographischen Skizzen: Gall, »Max von Baden«; Kaller, »Prinz von Baden«; G. Schulz, »Maximilian«; Fenske, »Max«; Fenske, »Prinz Max«. – Mit kritischem Akzent erstmals Urbach und Bucher, »Briefwechsel«. Max’ Urenkel, Bernhard Prinz von Baden, teilte dem Verfasser am 31. 12. 2009 mit, daß er das Projekt einer wissenschaftlichen Biographie nicht unterstützen werde und eine Einsichtnahme in den Nachlaß der Familie ablehnen müsse. Sein »Entschluß« sei vielmehr, »das in meinen Augen überreiche schriftliche Erbe meines Vorfahren erst einmal selbst zu sichten«. Vgl. Machtan, »Autobiographie«. Im Sinne von Plamper, Gefühl, S. 44 ff. – Vgl. auch Rattner und Danzer, Psychoanalyse, S. 109 f. Vgl. Machtan, Abdankung. Hierzu schon die aufschlußreiche Quellenedition Regierung Max von Baden.
Teil I 1867-1897 Kapitel 1: Spezielle Herkunft und die »Schicksalswende« eines Lebens 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. grundsätzlich Machtan, »Herrscherstand«; außerdem Gottwald, Fürstenrecht und Staatsrecht. Der Begriff in Anlehnung an Ciompi und Endert, Gefühle machen Geschichte, S. 29. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 9. 1894, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Johannes Müller aus Karlsruhe, 5. 12. 1908, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 7. 1. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Vgl. Wagner, Prinzenerziehung; dort auch weitere Literatur. Zit. nach: E. Meyer, Prinzenerziehung, in: Rein (Hg.), Handbuch der Pädagogik, Bd. 5 (1898), S. 497-504; Bd. 7 (1908), S. 1-10, hier S. 4 und 8f. Vgl. MvB an Houston S. Chamberlain, 30. 12. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 174. Max’ Briefe an seinen Vetter Ludwig sind zwar seit dem Jahr 1876 überliefert, 545 527
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sind aber erst ab 1883/84 so vertraulicher Art, daß sie einen biographischen Erkenntniswert abwerfen. MvB an Prinz Ludwig von Baden, 23. 1. 1885, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b. MvB an Ludwig von Baden, 8. 4. 1884, in: ebd. MvB an Ludwig von Baden, 8. 2. 1885, in: ebd. Zit. nach: E. Meyer, Prinzenerziehung, in: Rein (Hg.), Handbuch der Pädagogik, Bd. 5 (1898), S. 497-504; Bd. 7 (1908), S. 1-10, hier S. 8f. E. Schuster, Burgen und Schlösser, S. 278. Ebd., S. 11. Vgl. Krimm, »Das Haus Baden«. BFA , Drottning Victoria arkiv II . Nr. 21. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 3. 12. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 6. 1. 1894, in: ebd. Erst mit 19 Jahren hat Max angefangen Russischunterricht zu nehmen: vgl. MvB an seinen Vetter, Ludwig von Baden, 17. 10. 1886, in: GLA, 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b. MvB an Houston S. Chamberlain, 30. 12. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 174. Vgl. den Bericht des stets gut informierten preußischen Gesandten Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 21. 1. 1889: »Seine ausgezeichnete und hochbegabte Frau Mutter […] hat für seine geistige und sonstige Erziehung den besten Grund gelegt.« (in: Kremer [Bearb.], Berichterstattung, Bd. 1, S. 395 f.) MvB an Cosima Wagner, 26. 12. 1895, in: NA RWS, III A4. Vgl. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 24. 8. 1885, in: HZA, LA 142 Nr. 736, in dem er sich sichtlich erleichtert zeigt, »das …« nach bestandenem Abitur endlich los zu sein; außerdem MvB an Ludwig von Baden, 4. 8. 1885, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83c, aus dem hervorgeht, daß es wohl nur Max’ Vater war, der Roscher »liebte«. – Vgl. auch den retrospektiven Brief MvB s an Cosima Wagner, 10. 10. 1894, in: NA RWS , III A4. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 18. 4. 1897, in: HZA , LA 142, Nr. 737. Vgl. L. Müller, »Gustav Wendt«. Wendt, Lebenserinnerungen, S. 130 f. Vgl. hierzu die aufschlußreichen Beobachtungen von Wagner, »Prinzen, Mütter, Erzieher«. MvB an Ludwig von Baden, 4. 8. 1885, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b. Vgl. ausführlich W. Fuchs, »Großherzog Friedrich und seine Söhne«, hier S. 156 ff. MvB an Ludwig von Baden, 23. 1. 1885, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b. MvB an Ludwig von Baden, 19. 7. 1885, in: ebd. MvB an Ludwig von Baden, 4./5. 2. 1886, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83c; dort auch das folgende Zitat. Der letzte Satz dieses Zitats lautet im Original: »I never will be able to do it.« Neben dem gezeigten existiert noch ein Pendant, auf dem anstelle von Mary von Baden ihre Cousine Victoria zu sehen ist; beide Aufnahmen befinden sich in einem Album im Bernadotteschen Familienarchiv. 546 528
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MvB an Ludwig von Baden, 4. 8. 1885, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b; im Original teilweise französisch. MvB an Ludwig von Baden, 12. 1. 1884, in: ebd.; vgl. auch MvB an Ludwig von Baden, 12. 4. 1885: »Unsere badische Familie erfreut sich wenigstens äußerlich des Friedens.« (Ebd.) MvB an Ludwig von Baden, 4./5. 2. 1886, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83c. MvB an Cosima Wagner, 5. 9. 1895, in: NA RWS , III A4. MvB an Ludwig von Baden, 13.-15. 9. 1885, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83c. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 22. 9. 1886, in: HZA , LA 142 Nr. 736; dort auch zum Folgenden. Vgl. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 3. 1895, in: HZA , LA 142, Nr. 737; dort auch das folgende Zitat. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 10. 10. 1891, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. hierzu Urbach, »Introduction«; mit weiterer Literatur. Es handelt sich um diejenigen Fürstenhäuser, die diesen Rang vor 1582 erhalten hatten. Vgl. K. O. v. Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 107 ff. Reichsdeputationshauptschluß, § 31: »Die Kurwürde wird […] dem Markgrafen von Baden, dem Herzoge von Wirtemberg, und dem Landgrafen von HessenKassel (ertheilt)«. De facto erhielt Baden die pfälzische Kur, die durch die Vereinigung der Pfalz mit Bayern 1777 obsolet geworden war, zusammen mit dem Gebiet der rechtsrheinischen Pfalz. Das sollte einen dynastischen Dauerstreit mit den Wittelsbachern zur Folge haben, der bis tief ins 19. Jahrhundert hinein anhielt. Neuere Darstellungen: Fiedler, »Der Markgraf«; ders., »Revolution – Krieg – Friede«; ders., »Der Kurfürst und Großherzog«; Borchardt-Wenzel, Karl Friedrich von Baden; Oster, Die Großherzöge, S. 9-63. Zur reformorientierten Wohlfahrtspolitik vgl. die Studie von Holenstein, »Gute Policey« und lokale Gesellschaft. Vgl. Kollbach, Aufwachsen bei Hof, S. 46. Vgl. Kohnle, »Modernisierungspolitik und Integration«. Seit Cosimo I. de’ Medici (1519-1574), vom Papst 1569 verliehen, vom Kaiser 1575 bestätigt. Vgl. Schumann, Geschichte Italiens, S. 139. – Die Anrede »Königliche Hoheit« hatte jedoch bereits der toskanische Großherzog 1699 angenommen, vgl. Lüning, Neueröffnetes Europäisches Staats-Titular-Buch, S. 304. – Die Annahme des neuen Titels erfolgte äußerst unspektakulär durch eine Protokollnotiz des Geheimen Rates am 13. 8. 1806, nachdem sie eine Woche zuvor in der Rheinbundakte völkerrechtlich sanktioniert worden war. Vgl. im übrigen auch Rödel, »Badens Aufstieg«, S. 34, und auch Wierichs, »Entstehung der Großherzogswürde«. Vgl. Rödel, »Badens Aufstieg«, S. 18. – Karl Friedrich war durch Auftragsforschungen auf die Abstammung der Badener von den Zähringern gestoßen. – In der Romantik erfanden sich viele Fürstenhäuser neu; vorher hatte man nie von Habsburgern, Hohenzollern, Wittelsbachern, Zähringern gesprochen, sondern vielmehr vom Haus Österreich, Brandenburg usw. 547 529
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Vgl. Rödel, »Badens Aufstieg«, S. 36-43; Engehausen, Geschichte des Großherzogtums, S. 21 ff. Vgl. R. Haas, Stephanie Napoleon. Die Drittgeborene, Luise, wurde Elisabeth, Gemahlin Alexanders I., Zarin von Rußland. Ihre Schwestern heirateten in das bayerische bzw. schwedische Königshaus, Marie wurde Herzogin von Braunschweig, Wilhelmine Großherzogin von Hessen. Vgl. Borchardt-Wenzel, Frauen, S. 71 ff.; Zollner, Greif & Zarenadler, S. 13 ff. Zu ihrer Person vgl. Furtwängler, »Luise Caroline Reichsgräfin von Hochberg«. Vgl. Bollmann, Die Lehre von der Ebenbürtigkeit, S. 60. Die Literatur über Hauser ist unübersehbar. Zuletzt Schiener, Der Fall Kaspar Hauser; mit Blick auf die psychologischen Auswirkungen auf das Haus Baden vgl. W. Fuchs, »Das Kaspar-Hauser-Problem«. § 4 der Badischen Verfassung bestimmte den Inhalt des Hausgesetzes zum »wesentlichen Bestandtheil der Verfassung«. Vgl. Pütter, Ueber Mißheirathen. Vgl. Zollner, Leopold, S. 29; außerdem Schill, Baden und die preußische Unionspolitik, S. 10 f. Eigentlich dem Haus Schleswig-Holstein-Gottorf(-Oldenburg-Delmenhorst). – Großherzog Friedrich August I. von Oldenburg heiratete 1831 Sophies jüngere Schwester Cäcilie; Gustavs Töchter galten also keineswegs als deklassiert, obwohl dieser nach der Scheidung von Königin Friederike 1812 ein Bohemien-Leben führte, während letztere mit den Töchtern geruhsam in Karlsruhe lebte. Vgl. W. Fuchs, »Das Kaspar-Hauser-Problem«, S. 32; auch Queen Victoria und ihre Tochter, die Kaiserin Friedrich, müssen von der Erbprinzentheorie überzeugt gewesen sein: »Dies sei in den Fürstenhäusern der allgemeine Glaube gewesen« (ebd., S. 17, Anm. 15). Bei dem lebhaften Interesse, das Ludwig I. von Bayern an dem Fall Hauser nahm, ist diese Furcht nicht völlig von der Hand zu weisen; bayerisches Kalkül hoffte immer noch auf die Rückübertragung der Kurpfalz. Konzentriert lassen sich diese Vorwürfe sowie weitere Gerüchte in der Flugschrift Todten-Gericht (vermutlich 1849) nachlesen, in welcher die Schatten von Kaspar Hauser, Großherzog Karl, Rotteck u. a. auftreten und Leopold anklagen. Vgl. speziell hierzu die Quellenverweise von Valentin, »Baden und Preußen im Jahre 1849«, S. 107-110; das folgende Zitat ebd., S. 109; außerdem Engehausen, Geschichte der Revolution in Baden, S. 162 ff. Nominell einer Kompanie der Infanterie entsprechend, d. h. etwa 100 Mann. »Das taktvolle Benehmen Sr. K. H. des Prinzen von Preußen […] hat […] dazu beigetragen, bei dem Großherzoge das Gefühl der Niedergedrücktheit oder Abhängigkeit zu verscheuchen, dessen Hervortreten man nach den traurigen Ereignissen der jüngsten Vergangenheit hätte befürchten können […]«. Savigny an Schleinitz, 29. 8. 1849, in: Real (Hg.), Großherzogtum, S. 310. Diese Äußerung Franz von Roggenbachs dokumentiert Johann Heinrich Gelzer in seinem Tagebuch, 2. 12. 1882, zit. nach: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I ., Bd. 2, S. 199. Vgl. den unter Pseudonym veröffentlichten Artikel »Aus dem Liebesleben eines 548 530
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Fürsten«, in der (seriösen) Zeitschrift Der Türmer, Jg. 10 (Juli 1908), S. 477 f.; vgl. auch die Andeutungen bei Dove, Großherzog Friedrich, S. 25. – Bis zum heutigen Tag macht das Haus Baden aus dieser Pathogenese ein Geheimnis. So wurde 2007 dem Heidelberger Professor für Psychiatrie, Heinz Häfner, durch Bernhard Prinz von Baden der Zugang zu medizinischen Unterlagen im badischen Familienarchiv im GLA verwehrt, weil er, nach Mitteilung von Häfner, von einer medizinischen Klärung der Diagnose negative Auswirkungen auf den damals heftig entbrannten öffentlichen Streit um den Ankauf badischer Kulturgüter befürchtete. Der Verfasser dankt Heinz Häfner für seinen Brief vom 8. 1. 2010. Zit. nach: Denkschrift des Staatsministers Wilhelm Rivalier von Meysenbug für den Regenten Friedrich, 31. 8. 1856, in: GLA, 233/31676. Vgl. dort auch zum Folgenden. Eine überarbeitete Druckfassung der Denkschrift zum diplomatischen Gebrauch in: GStA, III . HA MdA I Nr. 2374. Sachsen-Coburg-Gotha, Aus meinem Leben, Bd. 1, S. 67; dort auch die folgenden Zitate. Hierzu im einzelnen GLA KA 233/31676; vgl. auch: F. v. Baden, Reden und Kundgebungen, S. 11 f. Vgl. hierzu die anregende Studie von Einhaus, Franz von Roggenbach; wichtig darüber hinaus Blum, Staatsminister August Lamey; W. Fuchs, »Franz von Roggenbach«; sowie Becht, Badischer Parlamentarismus, S. 697 ff. Zit. nach: Dove, Großherzog Friedrich, S. 33. Nach dem Originalplakat der Proklamation, in: GLA, 233/31676; abgedruckt in: F. v. Baden, Reden und Kundgebungen, S. 22 f. Am 24. 9. 1855 hatte Prinzgemahl Albert seinem Bruder Ernst nach Coburg über »die Wichtigkeit« dieser Doppelverlobung geschrieben: »die Verlobung der Schwester [des Prinzen Friedrich von Preußen] mit Deinem Schwager [Prinzregent Friedrich von Baden] schließt auch Dich und Alexandrine [Ernsts Gemahlin] umso fester in diese Bande«. (Zit. nach: Sachsen-Coburg-Gotha, Aus meinem Leben, Bd. 1, S. 338) Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, der Bruder von Friedrichs Schwager Ernst, hatte 1840 Queen Victoria geheiratet. Gotha 95. Jg. (1858), S. 5. Hierzu im einzelnen das Hoftagebuch, Januar 1858, in: GLA , 47/2066; sowie BayHStA, MA 2037 (mit zahlreichen offiziellen Dokumenten zur Hoftrauer). Vgl. GLA , Rep. 56/128; zum Kontext vgl. Bartmann, Anton von Werner, S. 332 ff. Vgl. hierzu grundlegend Schönpflug, Die Heiraten der Hohenzollern. Zu Luise vgl. Asche, »Großherzogin«; Scheidle, »Emanzipation«; sowie Borchardt-Wenzel, Frauen, S. 243 ff. Hessen-Darmstadt, Erinnertes, S. 109. Wilhelm von Baden an seine Schwester, Alexandrine von Baden, 29. 4. 1871, in: StA C, LAA 8634/2. Vgl. den programmatischen Artikel von 1898 von Kekule von Stradonitz, »Ebenbürtigkeit«; außerdem Abt, Mißheiraten in den deutschen Fürstenhäusern. – Eine aufschlußreiche Darstellung der Ebenbürtigkeitslehre im ausgehenden 19. Jahrhundert enthält Max Nordaus 1904 erschienener Roman (Nordau, Morganatisch, bes. S. 411 ff.). – Vgl. zu den strikten Vorgaben auch Brauer, Im Dienste Bismarcks, S. 388 f. 549 531
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Das Zitat hat Max überliefert; MvB an Johannes Müller, 5. 12. 1908, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Hadenius, Gustaf V. Zur Geschichte der Bernadottes Sjöberg und Hagsgård, Bernadotte Portraits; zum Anteil des schwedischen Reichstags an diesem Herrscherwechsel Hadenius, The Riksdag in Focus, S. 127 ff.; zum Minderwertigkeitsgefühl der Dynastie Bernadotte mit reichem Quellenmaterial Eimer, Sophie zu Nassau, S. 75 ff. Friedrich von Baden an Johann Heinrich Gelzer, 9. 3. 1881, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 2, S. 93 f. Zit. nach: Eimer, Sophie zu Nassau, S. 241; Roggenbach sprach vom »indolenten Naturell« der Kronprinzessin, vgl. Tagebuch Gelzer, 2. 12. 1882, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 2, S. 199. Hierzu detailliert Platen, Bakom den gyllne fasaden, S. 59 ff. Hierzu im einzelnen Jangfeldt, Axel Munthe, S. 135 ff. Luise von Baden an Gustaf von Schweden, 17. 7. 1889, in: BFA, Gustaf V, Nr. 47. Zum Vergleich: Sein gleichaltriger Vetter und spätere Kaiser Wilhelm von Preußen, der 1881 geheiratet hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits Vater von drei Söhnen und kommandierender General. Vgl. zu dieser Verheiratung W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 2, S. 164, 199 und bes. 202 f. Queen Victoria an ihre älteste Tochter und Kronprinzessin von Preußen, Victoria, 14. 3. 1883, in: Fulford (Hg.), Private correspondence, Bd. 5, S. 135; vgl. auch die Briefe an ihre Enkelin Prinzessin Victoria von Hessen, 1. 1. bzw. 7. 3. 1883, in: Hough (Hg.), Advice to a Grand-daughter, S. 41 bzw. 44; außerdem Röhl, Jugend des Kaisers, S. 305. Vgl. dazu W. Fuchs, »Großherzog Friedrich und seine Söhne«; L. Müller, »Friedrich II . als Erbgroßherzog«; L. Müller, »Friedrich II . Großherzog«; Oster, Die Großherzöge, S. 209-220; außerdem hagiographisch, aber mit Bildmaterial Fehrle (Hg.), Die Großherzöge. Vgl. Hough (Hg.), Advice to a Grand-daughter, S. 45 sowie Hessen-Darmstadt, Erinnertes, S. 109; außerdem die ungedruckten Erinnerungen der Prinzessin Victoria von Hessen, in: StA D , Großherzogliches Familienarchiv Abt. D 24 64.1, hier Kapitel III . Zum folgenden vgl. die bei W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I ., Bd. 2, S. 255-311, dokumentierte Korrespondenz zwischen Herzog Adolf und Großherzog Friedrich von Juli 1884 bis Februar 1885. Vgl. dazu den Ausstellungskatalog Adolph Herzog zu Nassau; sowie Eimer, Sophie zu Nassau, S. 148 ff. So der preußische Gesandte Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 12. 7. 1888, in: PA AA, R 2660. Vgl. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 10. 11. 1886, in: HZA, LA 142 Nr. 736. Wahrscheinlich geht die Kinderlosigkeit auf eine Insuffizienz ihres Gatten zurück. Die Ehe wurde gleich zu Beginn von einer schweren, ja lebensbedrohlichen Erkrankung des Mannes überschattet, an der er von Februar 1886 bis Juli 1888, also fast zweieinhalb Jahre laborieren mußte. Solange das badische Familienarchiv versperrt bleibt, läßt sich darüber allerdings nur mutmaßen. Zur Erkran550 532
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kung vgl. L. Müller, »Friedrich II . als Erbgroßherzog«, S. 332 ff.; W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 2, S. 395; F. Kraus, Tagebücher, S. 502. Zum folgenden vgl. die Dokumente bei W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I ., Bd. 2, S. 510 ff.; außerdem F. Kraus, Tagebücher, S. 533 ff.; GStA, III . HA MdA I Nr. 2376. MvB an Gustaf von Schweden, 26. 2. 1888, in: BFA , Gustaf V , Nr. 47. Wilhelm I. von Preußen an Albert von Puttkamer, 24. 2. 1888, zit. nach: Puttkamer (Hg.), Staatsminister, S. 142. Tagebuch der Hofdame Mathilde Gräfin von Keller; Keller, Vierzig Jahre, S. 71. (Eintrag vom 24. 2. 1888.) Anonymer Artikel »Aus dem Liebesleben eines Fürsten«, in: Der Türmer, Jg. 10 (Juli 1908), S. 483. Kieler Neueste Nachrichten, 6. 1. 1909; die Erinnerungen wurden in drei Folgen (Nr. 4, Mittwoch, 6. 1. 1909; Nr. 6, Freitag, 8. 1. 1909; Nr. 7, Sonnabend, 9. 1. 1909) unter dem Pseudonym Freiherr von Schlicht veröffentlicht. Solange das badische Hausarchiv nicht der wissenschaftlichen Erforschung der Familiengeschichte geöffnet wird, steht diese Version gleichberechtigt neben der offiziellen Lesart. – Selbst der gut informierte preußische Gesandte Karl von Eisendecher stellte in seinem Bericht an Otto von Bismarck nur fest, »daß die Obduktion der Leiche des Prinzen als wahrscheinliche unmittelbare Todesursache einen übergroßen Blutandrang nach dem Gehirn ergeben hat«. 26. 2. 1888, in: GStA, III . HA MdA I Nr. 2376; ebd. auch das folgende Zitat. Zit. nach: Corti, Elisabeth von Österreich, S. 354. Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 24. 10. 1888, in: PA AA , R 2660. Zum genealogischen Bezugsfeld der folgenden Ausführungen vgl. Hohlfeld, Ahnentafel. Vgl. Poten, »Wilhelm, Prinz von Baden«; Vgl. Prinz Wilhelm von Baden. Zur Enthüllung seines Denkmals in Karlsruhe; Bachmann, »Herzogin Alexandrine von Sachsen-Coburg und Gotha«. Vgl. hierzu den Bericht seines Schwagers Sachsen-Coburg-Gotha, Aus meinem Leben, Bd. 2, S. 271 ff. – Wilhelm vertrat das großherzoglich-badische Haus 1855 bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für Zar Nikolaus I. und 1856, als Zar Alexander II . gekrönt wurde. Vgl. Massenbach, Tagebuch, S. 92 f. Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach an Franz Roggenbach, 9. 1. 1867, zit. nach: Heyderhoff (Hg.), Ring, S. 69. Vgl. Zollner, Greif & Zarenadler, S. 178 ff. Vgl. Massenbach, Tagebuch, S. 152. Vgl. Sachsen-Coburg-Gotha, Aus meinem Leben, Bd. 3, S. 271 f.; Meisner (Hg.), Friedrich III . Tagebücher, S. 181. Nach »Apanagegesetz vom 21. Juli 1839«, in: Hermann Schulze (Hg.), Hausgesetze, Bd. 1, S. 210 ff. Vgl. hierzu wie auch zum Folgenden Gall, Liberalismus, S. 364 ff. Vgl. Oncken (Hg.), Großherzog Friedrich I ., Bd. 1, S. 532; sowie Spitzemberg, Tagebuch, S. 69 (Eintrag 3. 7. 1866). Sehr anschaulich dokumentiert bei Oncken (Hg.), Großherzog Friedrich I ., Bd. 2, S. 32 ff. 551 533
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Friedrich I . von Baden an Wilhelm von Baden, 10. 2. 1867 (ebd., S. 55). Vgl. die lakonischen Zeilen, mit denen Arthur von Brauer, damals im Stabe Prinz Wilhelms tätig, in seinen Memoiren über dessen Fronttätigkeit hinweggeht: Brauer, Im Dienste Bismarcks, S. 21 f. Vgl. die Darstellung in: Prinz Wilhelm von Baden. Zur Enthüllung seines Denkmals in Karlsruhe, S. 18 f. Hierzu Weech, Karlsruhe, Bd. 3, Tl. 1, S. 193 ff. Vgl. Stalmann, Die Partei Bismarcks, S. 88. Vgl. ebd., S. 282, 286 und 347; außerdem Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 1, S. 82 f. Hierzu im einzelnen Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 1, S. 117 ff. Vgl. dazu Gall, »Sozialistengesetz«, S. 523 f. und 554 f.; W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I ., Bd. 1, S. 308 ff.; Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 1, S. 157. Wilhelm von Baden an seine Schwester, Alexandrine von Baden, 26. 12. 1879, in: StA C, LAA 8634/2. Vgl. Maria von Leuchtenberg an ihre Nichte, Victoria von Baden, 29. 6. 1881, in: BFA , Drottning Victoria arkiv II . Nr. 21, wo sie über ihre Schwägerin Luise u. a. schreibt: »Umarme Mama und sage ihr, daß ich für sie und Großmutter bete.« Im Original französisch. Vgl. Blémus, Eugène de Beauharnais. Zit. nach: Diener, »Beauharnais«, S. 13; vgl. auch Hintermayr, Fürstentum Eichstätt. Hierzu eindringlich Stadelmann, Romanovs, S. 156 ff. Vgl. A. v. Rußland, Großfürst, S. 154 ff.; Massenbach, Tagebuch, S. 215; sowie A. v. Bayern, Herzen, S. 256 bzw. 268. Vgl. dazu die kontroverse Auffassung Queen Victorias und ihrer nach Preußen verheirateten Tochter Victoria, in: Fulford (Hg.), Private correspondence, Bd. 1, S. 218 ff. Württemberg, Traum der Jugend, S. 177. Bismarck, Werke, Bd. 15: Erinnerung und Gedanke, S. 151 f. Vgl. Massenberg, Tagebuch, S. 152. Meisner (Hg.), Friedrich III . Tagebücher, S. 179. Vgl. Victorias Briefe an ihre Mutter, 21. und 24. 3. 1863, in: Fulford (Hg.), Private correspondence, Bd. 2, S. 183-186. Vgl. Massenberg, Tagebuch, S. 180. Mohl, Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 385. Das überlieferte Kronprinz Friedrich von Preußen, der spätere Kaiser Friedrich III ., dem seine Schwippschwägerin bei dieser Gelegenheit »gescheit wie immer« vorkam, sie »durchschaut unsere Lage treffend«, in: Meisner (Hg.), Friedrich III. Tagebücher, S. 412 f. Vgl. den Ehevertrag im GLA. Vgl. Hansjakob, In der Residenz, S. 224 ff. Vgl. die Artikelserie zur »Geschichte des Hotels Russischer Hof«, in: Badische Neueste Nachrichten, 21. 3. 1984 sowie Stegemann, Erinnerungen, S. 165 f., der ihren Ausspruch zitiert, sie habe sich bei den Russen dort »un peu chez soi« gefühlt. Eine Anspielung auf ihre unglückliche Ehe enthält – erstaunlich für dieses Genre – ein poetischer Nachruf »Zum Hinscheiden Ihrer Kaiserlichen Hoheit«, 552 534
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den das Badener Tageblatt am 17. 2. 1914 veröffentlichte. Dort heißt es: »Und pflückte sie des Glückes Rosen / An Ihrem Lebenswege hin: / Auch Dornen ritzten Ihr die Hände, / Die Günstling nur des Schicksals schien! // Wohl jedem, dem in dunklen Stunden / Mit Hell- und Heilstrahl naht das Licht; / Stets schien ins Herz Ihr, auf die Pfade / Der große, heilge Stern der Pflicht!« MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 18. 3. 1888, in: HZA , LA 142 Nr. 736; ebd. auch die folgenden Zitate. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 4. 1888, in: ebd. Vgl. auch MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 14. 5. 1888, in: ebd., in dem er über einen weiteren Aufenthalt in Berlin berichtet. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 18. 3. 1888, in: ebd. Vgl. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 4. 11. 1891, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 14. 12. 1891, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 30. 7. 1892, in: ebd. MvB an Cosima Wagner, 10. 10. 1894, in: NA RWS , III A4; dort auch alle folgenden Zitate des Absatzes. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 10. 6. 1887, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Prinz Ludwig von Baden, 23. 1. 1885, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b.
Kapitel 2: Zwischen Pflicht und Neigung. Portrait des Prinzen als junger Mann 1 2 3
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Wilhelm von Baden an Friedrich I. von Baden, 14. 7. 1885, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 2, S. 358. MvB an Ludwig von Baden, 19. 7. 1885, in: GLA , 69 Slg. Baden 1995 N Ludwig 83b. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 24. 8. 1885, in: HZA , LA 142 Nr. 736 bzw. MvB an Ludwig von Baden, 24. 8. 1885, in: GLA, 69 Slg. Baden 1995 N Ludwig 83b. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 5. 11. 1885, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. über diesen kirchenpolitisch einflußreichen Gelehrten Graf, Liberaler Katholik. F. Kraus, Tagebücher, S. 496 (Eintrag 25. 12. 1885); dort auch das folgende Zitat. MvB an Franz Xaver Kraus, 31. 12. 1885, in: StadtBib Trier, NL Kraus. Vgl. mit weiteren Verweisen Leuchtmann, Der Fall Philipp Eulenburg, S. 97 ff. Das bezeugen die Briefregister, die Kraus für jedes Jahr angelegt hat (StadtBib Trier, NL Kraus). Die Briefe selbst sind wohl vernichtet worden, außer einigen Telegrammen. Vgl. F. Kraus, Tagebücher, S. 503, 513, 516 f. und passim. Folgende Zitate aus MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 24. 8., 5. 11. 1885 und 9. 5. 1886, in: HZA, LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 10. 6. 1887, in: ebd. Vgl. auch Max’ »Studien- und Sittenzeugnis«, 23. 7. 1886, in: UA FR , Juristische Fakultät B 44/18. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 10. 11. 1886, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. auch die außergewöhnliche Verewigung der beiden Studenten im Matrikelbuch, in: UA H, A-702/12. 553 535
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MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 10. 6. 1887, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Cosima Wagner, 10. 10. 1894, in: NA RWS , III A4. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 23. 1. 1888, in: HZA , LA 142 Nr. 736.
Vgl. hierzu die Schilderungen in den Briefen an Ludwig von Baden, 29. 10. und Dezember 1887, in: GLA, 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83c. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 14. 5. 1888, in: HZA , LA 142 Nr. 736; dort auch das folgende Zitat. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 17. 6. 1888, in: ebd.; dort auch das folgende Zitat. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 5./6. 10. 1888, in: ebd.; dort auch die beiden folgenden Zitate. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 12. 12. 1888, in: ebd. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 23. 11. 1888, in: ebd. MvB an Kuno Fischer, 12. 12. 1888, in: UB Heidelberg, Heid. Hs. 2616, 13. MvB an Kuno Fischer, 11. 5. 1889, in: ebd. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 5./6. 10. 1888, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. die spärlichen Angaben darüber, in: UA H , H-II , 111/103; in den Akten der Juristischen Fakultät ist nicht einmal ein Protokoll des Rigorosums überliefert. – Zu Gefälligkeitspromotionen junger Fürsten vgl. Machtan, »Doktor«. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, April 1889, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, November 1889, in: ebd. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 29. 7. 1891, in: ebd. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 12. 5. 1887, in: ebd. Als Einstieg H. Müller, Byron. In Briefen an den Freund Ernst von Hohenlohe hat sich Max zu Anlage und Fortgang des Dramas geäußert, die als Text selbst nicht überliefert ist. Vgl. Kailuweit, Dido – Didon – Didone. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 27. 4. 1887, in: HZA , LA 142 Nr. 736; dort auch das folgende Zitat. Vgl. Borchmeyer, Das Theater Richard Wagners, S. 73. Rückblickend sprach Max von einem »Glücks- und Freudenrausch«, die ihm Wagners Musik geschenkt habe. Und er ergänzte, hinter Wagners »ungeheurem Schaffen« stehe »ein übergroßes Leid. Auch das fühlte ich schon sehr früh durch die verständnislosen Angriffe, die auch meine Bereitschaft zur Hingabe fand.« MvB an Houston S. Chamberlain, 30. 12. 1917, zit. nach: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 173. Vgl. Aschheim, Nietzsche und die Deutschen, S. 17 ff.; das folgende Zitat Kesslers ebd., S. 23. Hierzu vor allem das Persönlichkeitsprofil aus Sicht des Psychologen Häfner, Ein König wird beseitigt, S. 34 ff. Vgl. Ruppert, Der moderne Künstler, S. 280-289; sowie Martynkewicz, Salon Deutschland, S. 71-93. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 23. 11. 1888, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, o. D. [Juni 1889], in: ebd. Am 15. 8. 1889 schreibt Max, die Militärsachen seien »meiner innersten Natur eigentlich 554 536
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ganz antipod« (Ebd.). – Vgl. MvB an Kuno Fischer, 11. 5. 1889, in: UB Heidelberg, Heid. Hs. 2616, 13; dort heißt es, es sei für ihn »unumgänglich nötig«, »gute Miene zu bösem Spiel zu machen«. Frz. im Gefolge von. Max war berechtigt die Regimentsuniform zu tragen, aber sonst ohne dienstliche Stellung. Vgl. GLA, 47/2097 sowie Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 27. 10. 1889, in: PA AA , R 2661. Max wurde für sein »vorzügliches« Examen vom Kaiser ausdrücklich belobigt: GLA, GFA 16, Fasc. 244. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, [Mitte] November 1889, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Hier im Sinne von Marburg und Matzerath, »Vom Stand zur Erinnerungsgruppe«, S. 11 f. Vgl. etwa den autobiographischen Roman Fritz von Unruhs, Kaserne und Sphinx, S. 120 ff. Vgl. Hindenburg, Am Rande, S. 38. Hindenburg war Adjutant des Feldmarschalls beim Kaisermanöver 1895 bei Stettin. Schon mit 14 Jahren ritt er allein mit seiner Schwester aus; vgl. Brief von Max’ Schwester, Marie von Baden, an ihre Cousine Victoria, 28. 6. 1881, in: BFA, Drottning Victoria arkiv II . Nr. 21. Militärisches Reiten nach der 1882 neu gefaßten »Reitinstruktion für die Kavallerie« mußte jedoch erlernt werden, die Teilnahme am Offiziersreitunterricht war für Premier- und Sekondeleutnants vorgeschrieben. Schaible veröffentlichte unter dem Pseudonym C. A. Voß, »Prinz Max von Baden«. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 14. 12. 1891, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. eindringlich Unruh, Kaserne und Sphinx. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 4. 2. 1890, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. die Schilderungen bei Hindenburg, Am Rande, S. 50, über seine »Junker«-Zeit im Kasino der Gardedragoner. Vgl. Hillard, Herren und Narren, S. 151 f. sowie vor allem Funck, »Vom Höfling zum soldatischen Mann«, S. 213 und 224. – Eine zeitgenössische Apotheose dieser Strukturen bietet Leexow, Armee und Homosexualität. Hindenburg, Am Rande, S. 69, berichtet von einem »Gasttag in unserem Kasino mit einer Menge Fürsten«. So berichtet Max vom Herbstmanöver 1890 in Lübben: »Lesen thue ich fast mehr als in Berlin und sehr interessante Sachen. […] – Du siehst, ich habe meine freien Stunden nicht verloren und gedenke auf diesem Wege fortzufahren«. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 4. 9. 1890, in: HZA, LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 27. 9. 1892, in: ebd. Vgl. Rang- und Quartier-Liste 1893, S. 286. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 5. 7. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 29. 4. 1893, in: ebd. Nr. 737. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: ebd. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 13. 9. 1894, in: ebd. Vgl. Schwarz, Schweninger, S. 186 ff. Vgl. MvB an Cosima Wagner, 26. 12. 1895, in: NA RWS , III A4. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 29. 9. 1895, in: HZA , LA 142 Nr. 737. 555 537
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Vgl. Anm. 53 sowie Funck, »Bereit zum Krieg?«. Funcks Thesen geben zweifellos einen Schlüssel zu einem Phänomen, das vor allem in der Erinnerungsliteratur (vgl. z. B. Anm. 45 und 53) oft beschrieben, aber kaum je durchdacht worden ist. – Außerdem Neff, »Dekorationsmilitarismus«. »Besonderer Wert wurde darauf gelegt, daß die Offiziere in der Gesellschaft Berlins verkehrten und an den Hoffestlichkeiten teilnahmen«, teilt die Regimentsgeschichte mit; Geschichte des Garde-Kürassier-Regiments, S. 15. Zobeltitz, Chronik der Gesellschaft, Bd. 1, S. 11 f. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 14. 12. 1891 bzw. 16. 1. 1895, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Aus letzterem Schreiben das folgende Zitat. Zur Hofkultur generell mit weiteren Verweisen vgl. Maurer, Kulturgeschichte, S. 227 ff.; speziell zum Berliner Hof vgl. Röhl, »Hof und Hofgesellschaft«; Kohlrausch, »Hof und Hofgesellschaft«; Kohlrausch, »Hofzeremoniell«; Bösch, »Kaisergeburtstage«. – Als historische Quelle für die neunziger Jahre außerdem aufschlußreich Roden, »Hofgesellschaft«; sowie Berlin und die Berliner, S. 294 ff. Vgl. dazu auch das lebensgroße Portrait des Prinzen in der Galauniform der Gardekürassiere, das Otto Propheter um 1900 schuf. Es zeigt Max perfekt stilisiert, ähnlich den Selbstinszenierungen Kaiser Wilhelms II . Vgl. Abbildung bei Dargel (Hg.), Prinz Max von Baden, S. 10. Roden, »Hofgesellschaft«, S. 502. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 4. 11. bzw. 14. 12. 1891, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. zu Bernhard von Sachsen-Meiningen das biographische Portrait von Erck und Schneider, »Facetten«. Vgl. Röhl, Persönliche Monarchie, S. 708 ff.; außerdem Charlottes Briefe an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, in: HZA, LA 142 Nr. 752, sowie ihre Korrespondenz mit der Gattin ihres Schwiegervaters, Helene Freifrau von Heldburg, in: T hStA Mgn, NL Freifrau von Heldburg, Hausarchiv Nr. 342 und 343. – Viele zutreffende Beobachtungen auch bei Radziwill, Secrets, S. 241 ff. Vgl. Erbstößer, Auguste Victoria, S. 79 ff; hier nach dem Manuskript der Dissertation Frankfurt am Main 2008. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 3. 12. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 736. – Auch Charlottes Mutter, die Kaiserin Friedrich, war »immer etwas beunruhigt, von dem ganzen Unsinn, Unfug & Klatsch, den sie mit sich herumträgt, den man ihr glaubt, nicht ahnend, was für eine Verwirrung sie immer stiftet«. (Zit. nach: Röhl, Persönliche Monarchie, S. 710.) MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 10. 2. 1893, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Die wesentlichen Details dieser deutschen Halsbandaffäre bei T. Bringmann, Zweikampf, S. 152 ff., sowie Röhl, Persönliche Monarchie, S. 741-755. – Pointierter, aber wissenschaftlich unergiebig Wippermann, Skandal. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 14. 12. 1891, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Ein wenig schmeichelhaftes Portrait des Bruders der deutschen Kaiserin zeichnet Röhl, Persönliche Monarchie, S. 728 ff. Anonymes Schreiben an die Gräfin Hohenau mit Poststempel Berlin, 23. 12. 1892, in: GStA, Rep. 89, Nr. 3307/10, Bl. 43. 556 538
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Vgl. Hergemöller (Hg.), Mann für Mann, Bd. 1, S. 564 ff., mit einschlägigen Quellenverweisen. Charlotte von Sachsen-Meiningen an Helene von Heldburg, 20. 5. 1895, in: T hStA M gn, NL Freifrau von Heldburg, Hausarchiv Nr. 342. Vgl. hierzu auch die Erinnerungen von Kotzes Anwalt Friedmann, Was ich erlebte!, Bd. 2, S. 2 ff. Laut Poststempel datieren die Schreiben auf den 20. 4. bzw. 4. 6. 1892, in: GStA , Rep. 89, Nr. 3307/10. Dies hat vor allem der Journalist Maximilian Harden beschrieben. Vgl. seine Artikel »Hofskandal« und »Schloßlegende«. – Zu den staatlichen Bemühungen, die Privatsphäre der Hofleute vor den Medien zu schützen, vgl. unter weitgefaßter Perspektive jetzt auch Bösch, Öffentliche Geheimnisse, S. 117 ff. Die öffentliche Kritik am »Schranzengift«, »Mummenschanz«, ja an den höfischen »Verbrechern im Ordensschmuck« setzte erst nach der Jahrhundertwende ein. Vgl. dazu Kohlrausch, »Hofzeremoniell«, S. 47 f. Charlotte von Sachsen-Meiningen an Helene von Heldburg, 26. 6. 1894, zit. nach: Röhl, Persönliche Monarchie, S. 754. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: HZA , LA 142 Nr. 737. – Auf welche Affäre hier angespielt wird, ist nicht bekannt. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg aus Salem, 5. 2. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. die Belege bei Bösch, Öffentliche Geheimnisse, S. 398. Vgl. Dobler, Duldungspolitik, S. 205 ff. – Angaben zur Kartothek von Homosexuellen aus den obersten Kreisen finden sich im Nachruf von Adolf Glaser auf Meerscheidt-Hüllessem; G., »In memoriam«. Vgl. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 159, S. 410 (13. 1. 1898). Vgl. Tresckow, Von Fürsten, S. 114 ff. Ebd., S. 240. Bemerkenswerterweise hat Max von Baden gegen diese im September 1922 veröffentlichte Denunziation nicht geklagt. Vgl. Dobler, Duldungspolitik, S. 216 ff., 245 ff., 258, 322 ff. und 336. Vgl. Tresckow, Von Fürsten, S. 88 ff. oder 117 f. Als »Urninge« oder »Uranier« bezeichnete man Homosexuelle, nach dem griechischen Gott Uranus, der ohne Mitwirken einer Mutter Vater von Aphrodite wurde. Harden, »Notizbuch«, S. 252. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, [Mitte] November 1889, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 10. 10. 1891, in: ebd. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 4. 11. 1891, in: ebd. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 29. 7. 1891, in: ebd. Vgl. die Schilderungen dieses Milieus bei Herberts Schwester Helene von Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 39 ff. Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 44. – Vgl. außerdem Wilhelmy, Der Berliner Salon, S. 655 ff. MvB an Cosima Wagner, 5. 9. 1895, in: NA RWS , III A4; vgl. Hindenburg, Am Rande, S. 89: Er begegnete Max dort und fand das Rathsche Haus »herrlich durch seine erlesenen Möbel und Kunstgegenstände und den warmen roten 557 539
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Ton seiner Tapeten und Draperien«. Im übrigen Wilhelmy, Der Berliner Salon, S. 274-281, 345-348, 531-533 und 820-829. Vgl. zum Folgenden Bossmann und Uebe, »Cornelie Richter«; Wilhelmy, Der Berliner Salon, S. 343 ff. und 807 ff. Vgl. Kessler, Tagebuch, Bd. 2, S. 302 f., 314 und passim. – Hans Moeller bereitet eine Edition des Briefnachlasses von Cornelie Richter vor; vgl. vorläufig Moeller, »Cornelie Richter«. Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 60 f. Spitzemberg, Tagebuch, S. 268 f. (Eintrag 15. 2. 1890). Vgl. MvB an Cornelie Richter, 17. 8. 1900: »Ich habe Ihnen viel zu danken für so mannigfaltige Beweise freundlicher Gesinnung und für schöne Stunden sympathischsten Austausches von Gedanken und Empfindungen, die Alles das umfaßten, was mir schön und groß erscheinen darf. Daß mir solches gewährt wurde, betrachte ich als ein hohes Glück und eine Verwöhnung des Schicksals.« (Hansund-Luise-Richter-Stiftung, Stadtmuseum Berlin, RS 2000/18 QA 9) Erste literarische Salons entstanden in Paris im frühen 17. Jahrhundert (Scudéry, Rambouillet), ihre Glanzzeit hatten sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vgl. Heyden-Rynsch, Europäische Salons. Eine treffende Zusammenfassung der Bedeutung des »Salons« bei Kuhrau, »Amalie Beer«, S. 50 f., der auf die entscheidende jüdische Initiative zur Gründung von Berliner Salons hinweist. Amalie Beer war Cornelie Richters Großmutter. Dorothee Fürstin Radziwill an Cornelie Richter, 30. 9. 1898, in: Hans-und-Luise-Richter-Stiftung, Stadtmuseum Berlin, RS 2000/18 QA 9. Münz, Bülow, S. 299. Vgl. Hergemöller (Hg.), Mann für Mann, Bd. 1, S. 668 f. (Knesebeck) und 837 ff. (Moltke); zu seiner Beziehung zu den beiden: MvB an Cosima Wagner, 5. 9. 1895, in: NA RWS, III A4; Kessler, Tagebuch, Bd. 2, S. 352 (Eintrag 2. 5. 1895). Kessler, Tagebuch, Bd. 4, S. 351 (Eintrag 29. 10. 1907). Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 57 f.; vgl. auch Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 1.-3. 11. 1911, wo sie an der Persönlichkeit »unseres Freundes Knesebeck« besonders dessen »unübertrefflichen Tact« hervorhebt: Wagner, Briefwechsel Hohenlohe-Langenburg, S. 306; oder Bernhard von Bülow, der spätere Kanzler, der Knesebeck in seinen Erinnerungen seinen »besten Freund« nennt und seine »vortrefflichen Formen« lobt; Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 246. Vgl. Tresckow, Von Fürsten, S. 119 bzw. 140. – Vgl. auch zeitgenössisch über die Berliner Szene: Ostwald, Männliche Prostitution; Hirschfeld, Drittes Geschlecht, S. 97, 118 und 174; sowie die anonyme Schrift Das perverse Berlin. Vgl. Spitzemberg, Tagebuch, S. 436; Kessler, Tagebuch, Bd. 4, S. 433 f. Zedlitz-Trützschler, Zwölf Jahre am deutschen Kaiserhof, S. 171. Hierzu in extenso Röhl, Weg in den Abgrund, S. 588 ff.; sowie Domeier, Eulenburg-Skandal, S. 86 ff. Hierzu die aufschlußreiche Diskursanalyse von Ph. Weber, Trieb zum Erzählen. MvB an Philipp Eulenburg, 26. 10. 1899, in: BA K, N 1029 (Eulenburg) Nr. 55. Vgl. das Manuskript: »Aufzeichnungen des Fürsten Eulenburg (Hintergründe des Prozesses)« [ca. 1910], in: BA K, N 1029 (Eulenburg) Nr. 75, S. 211. 558 540
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MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 25. 8. 1891, in: HZA , LA 142 Nr. 236. Vgl. MvB an Ludwig von Baden, 5. 10. 1887, in GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Lud-
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MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 25. 8. 1891, in: HZA , LA 142 Nr. 236;
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über den Großherzog zuletzt Ehrlich und Ulbricht (Hg.), Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach. Vgl. Vogel, Sachsens letzte Königin; Fellmann, Sachsens Könige, S. 158 ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 20. 7. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 236; Max war Carola von Sachsen bereits während seiner Studienzeit in Leipzig nähergetreten; vgl. MvB an Prinz Ludwig von Baden, 11. 12. 1887 bzw. 31. 1. 1888, in: GLA, 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83c. MvB an Großherzog Friedrich von Baden, 8. 5. 1892, in: GLA , GFA 16, Fasc. 244. Vgl. Hessen-Darmstadt, Erinnertes, S. 33 f. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 17. 6. 1895, in: HZA , LA 142 Nr. 237. Sämtliche Zitate nach MvB an Cosima Wagner, 5. 9. 1895, in: NA RWS, III A4. Sämtliche Zitate nach MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 10. 7. 1895, in: HZA , LA 142 Nr. 237. Vgl. hierzu detailliert Röhl, Persönliche Monarchie, S. 97 ff.; außerdem Clay, König, Kaiser, Zar. MvB an Cosima Wagner, 4. 4. 1895, in: NA RWS , III A4. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 3. 1895, in: HZA , LA 142, Nr. 737. Seit der Hochzeit mit Prinzessin Alexandra von Hessen-Darmstadt, einer Enkelin Queen Victorias, lebte das Zarenpaar überwiegend im AlexanderPalais von Zarskoje Selo, etwa 25 Kilometer von Petersburg entfernt; vgl. Clay, König, Kaiser, Zar, S. 220 ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 2. 11. 1894, in: HZA , LA 142 Nr. 237. MvB an Ludwig von Baden, 5. 10. 1887, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83c. Vgl. Freller, Adlige auf Tour. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 4. 1893, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 2. 7. 1893, in: ebd. Nr. 237. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: ebd. Vgl. Kluge, Adolf Kußmaul. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 6. 1. 1894, in: HZA , LA 142 Nr. 237. MvB an Cosima Wagner, 26. 12. 1895, in: NA RWS, III A4. MvB an Cosima Wagner, 10. 10. 1894, in: ebd. Zu diesem Ereignis vgl. die Aufzeichnungen des Diplomaten Raschdau, In Weimar, S. 69 f. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 4. 2. 1890, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Großherzog Friedrich von Baden, 8. 5. 1892, in: GLA , KA , GFA 16, Fasc. 244. MvB an Cosima Wagner, 5. 9. 1895, in: NA RWS , III A4. Vgl. z. B. Friedrichs persönliche Intervention zugunsten seines Neffen in einer Etikettenfrage bei Kaiser Wilhelm im Februar 1896, dokumentiert bei W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 3, S. 497 f. Zu Karl von Eisendechers Karriere, die als Korvettenkapitän begann und über 559 541
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die Gesandtschaftsposten in Tokio und Washington nach Karlsruhe führte, vgl. H. Hildebrand (Hg.), Deutschlands Admirale, Bd. 1, S. 282 f.; Auswärtiges Amt (Hg.), Biographisches Handbuch, Bd. 1, S. 500 f.; sowie Pantzer und Saaler, Japanische Impressionen, S. 19 ff. Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 2. 9. 1885, zit. nach: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 2, S. 359 f. Vgl. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 22. 2. 1887, in: HZA, LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 23. 8. und 14. 5. 1888, in: ebd. Vgl. Pantzer und Saaler, Japanische Impressionen, S. 20 sowie Anm. 18; außerdem Spitzemberg, Tagebuch, S. 386. Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 21. 1. 1889, in: PA AA, R 2660. Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 27. 10. 1889, in: ebd., R 2661. Vgl. aus zeitgenössischer Sicht Hindenburg, Am Rande; und Raschdau, In Weimar. – Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive: Schreckenbach, Gesandtschaften; sowie Grypa, Diplomatischer Dienst. – Eine autobiographische Miniatur über den Karlsruher Hof von dem zeitweiligen Vertreter von Karl von Eisendecher bei Miquel, Karlsruhe. MvB an Ludwig von Baden, 12. 1. 1884, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b. MvB an Ludwig von Baden, 3. 6. 1884, in: ebd. MvB an Ludwig von Baden, 3. 5. 1885, in: ebd. Neben Max’ Unterschrift befindet sich die Zeichnung einer Amorette: ein nackter, geflügelter Knabe und Begleiter des Liebesgottes Amor. MvB an Ludwig von Baden, 29. 10. 1887, in: ebd. 83c. MvB an Ludwig von Baden, 31. 3. bzw. 11. 4. 1886, in: ebd. MvB an Ludwig von Baden, 11. 12. 1887, in: ebd. MvB an Ludwig von Baden, 12. 4. 1885, in: ebd. 83b. MvB an Ludwig von Baden, 13. 7. 1886, in: ebd. 83c. Vgl. zu seinem biographischen Profil Nicklas, »Ernst II .«; außerdem Urbach, »Diplomat«, S. 357ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 9. 1894, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 10. 6. 1887, in: ebd. Nr. 736. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 3. 12. 1892, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 14. 12. 1887, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 12. 7. bzw. 2. 8. 1888, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 5./6. 10. 1888, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 12. 12. 1888, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 4. 2. 1890, in: ebd. Ernst zu Hohenlohe-Langenburg an seinen Vater, Hermann zu Hohenlohe-Langenburg, aus Berlin, 29. 4. 1890, in: HZA, LA 140 Bü 57; vgl. auch ebd. seinen Brief, 16. 5. 1890. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 7. 1891, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Leider konnte der Verfasser die Gegenüberlieferung nicht einsehen; dies wurde mir vom Haus Baden verwehrt. Ernsts Beitrag zu dieser Freundschaft muß also weitgehend im Dunkeln bleiben. 560 542
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MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: HZA , LA 142 Nr. 737;
Hervorhebung des Verfassers. Vgl. Hilmes, Herrin des Hügels. Biographisches über ihn bei Huldén, Königsabenteuer, S. 197 ff.; sowie Franz, Haus Hessen, S. 164 bzw. S. 170 ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 4. 2. 1890, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. Max’ Briefe an seinen Vetter, Ludwig von Baden, 1. 6. 1886, Dezember 1887 sowie 16. 2. 1888, in: GLA, 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b bzw. 83c. Über die Korrespondenz der beiden läßt sich nichts Näheres sagen, da sie (wohl absichtsvoll) vernichtet wurde. Der Verfasser dankt Rainer von Hessen für die freundliche Auskunft. Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 6. 12. 1888, in: PA AA , R 2660. Karl von Eisendecher an Leo von Caprivi, 25. 10. 1890, in: ebd., R 2661; ebd. auch das folgende Zitat. Zum Heiratszwang und den seelischen Problemen, die er anrichtete, vgl. auch Beck, Glanz, Pomp und Tränen. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 4. 2. 1890, in: HZA , LA 142 Nr. 236. Lee (Hg.), Empress Frederick writes to Sophie, S. 71 bzw. 117; im Original englisch. Queen Victoria an Victoria von Hessen, 18. 9. 1891, zit. nach: Hough (Hg.), Advice to a Grand-daughter, S. 111; im Original englisch. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 10. 2. 1893, in: HZA , LA 142 Nr. 236. Vgl. Röhl, Persönliche Monarchie, S. 726 f. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 5. 7. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 236. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: ebd. Nr. 237. Vgl. über diese nach Deutschland verheiratete und früh verwitwete Zarenenkelin die Biographie von P. Sauer, Wera von Württemberg, vor allem S. 72 ff.; den Beginn dieser Annäherung datierte Max später auf Ende 1892. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 9. 1894, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 9. 1895, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 18. 4. 1897, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 3. 12. 1892 bzw. 18. 4. 1897, in: ebd. Nr. 736 bzw. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 14. 8. 1894, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 9. 1895, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 15. 4. 1897, in: ebd.; dort auch das folgende Zitat. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 18. 4. 1897, in: ebd. Hierzu grundsätzlich Schmale, Geschichte der Männlichkeit. Spitzemberg, Tagebuch, S. 331. Hierzu in der Zusammenschau nach wie vor unübertroffen Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 990 ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 4. 1893, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 10. 2. 1893, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 6. 1. 1894, in: ebd. MvB an Cosima Wagner, 4. 4. 1895, in: NA RWS , III A4. 561 543
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MvB an Ludwig von Baden, 19. 7. 1885, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig
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MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 17. 6. 1888, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Karl von Eisendecher an Otto von Bismarck, 21. 1. 1889, in: PA AA, R 2660.
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Hierzu ausführlich Röhl, Persönliche Monarchie, S. 492 ff. und 780 ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 5. 7. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: ebd. Nr. 737. MvB an Ludwig von Baden, o. D. [1887], in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 N Ludwig 83b. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 16. 1. 1895, in: HZA , LA 142, Nr. 737. MvB an Cosima Wagner, 4. 4. 1895, in: NA RWS , III A4. So entfuhr es ihm nach einer längeren Passage über die sozioökonomische Entwicklung in Deutschland: »Verzeih mir, wenn ich dummes Zeug schreibe über Dinge, die ich nicht verstehe.« (MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: HZA, LA 142 Nr. 737). Vgl. L. Müller, »Friedrich II . als Erbgroßherzog«, S. 339. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 6. 1. 1894, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Näheres zu dieser dynastischen Heirat in: GStA, III . HA MdA I Nr. 2377; PA AA , R 2610 und 2661 sowie GLA, 47/2097; außerdem MvB an Ernst zu HohenloheLangenburg, 18. 1. 1889, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Nach Hesse, Erinnerungen an Dessau, Bd. 1, S. 14 f., war Friedrichs einzige Liebe die Opernmusik. Vgl. Maximilian Harden an Friedrich von Holstein, 5. 7. 1908, in: PA AA, NL Holstein, Bd. 42; vgl. auch das Denunziationsschreiben an den preußischen Justizminister, 29. 4. 1908, in: GStA, Rep. 84a Nr. 49830; sowie Hirschfeld, Von einst bis jetzt, S. 88 f. Vgl. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 5. bzw. 30. 7. 1892, in: HZA, LA 142 Nr. 737. Vgl. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 2. 7. 1893, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 10. 1893, in: ebd.; dort auch das folgende Zitat. Vgl. im einzelnen die Vermerke im Karlsruher Hoftagebuch von 1893 und 1894, in: GLA, 47/2101 und 47/2102. Vgl. Ernst zu Hohenlohe-Langenburg an Cosima Wagner, 20. 3. 1894, in HZA, LA 142 Nr. 882. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 14. 8. 1894, in: ebd. Nr. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. bzw. 18. 9. 1894, in: ebd. Vgl. H.-J. Schulz, »Salem nach der Säkularisation«, S. 165 und 184 f.; außerdem Krimm, »Das Haus Baden«. Vgl. die bildreichen Beschreibungen von Knapp, Salem; sowie C. Müller, Kloster und Schloß Salem. MvB an Cosima Wagner, 10. 10. 1894, in: NA RWS , III A4; dort auch das Zitat im folgenden Absatz. Vgl. MvB an Johannes Müller, 15. 3. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller. MvB an Cosima Wagner, 26. 12. 1895, in: NA RWS, III A4. MvB an Cosima Wagner, 5. 9. 1895, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 16. 1. 1896, in: HZA , LA 142 Nr. 737. 562 544
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Details zum Ableben finden sich im Karlsruher Hoftagebuch von 1897, in: GLA , 47/2105. Friedrich von Baden an Gustaf von Schweden, 29. 4. 1897, in: BFA , Gustaf V , Nr. 47. Prinzessin Wilhelm von Baden an ihre Schwägerin, Alexandrine von SachsenCoburg-Gotha, 7. 5. 1897, in: StA C , LAA 8634/3; im Original französisch. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 24. 5. 1897, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Cosima Wagner, 1. 10. 1897, in: NA RWS , III A4; dort auch die beiden folgenden Zitate. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 24. 5. 1897, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Vgl. hierzu die überaus scharfsinnigen Bemerkungen Hugo von Hofmannsthals, der im Mai 1898 gegenüber Harry Graf Kessler über die Angehörigen des Hauses Habsburgs sagte, dies seien »von der Menschheit Abgesprengte, Einsame, in sich selbst, ohne Kontakt mit Andren«. (Kessler, Tagebuch, Bd. 3, S. 144.) Besonders eindrucksvoll zuletzt Radkau, Max Weber. Vgl. hierzu und zum Folgenden Ammerer, Perversion; außerdem immer noch Gay, Leidenschaft, S. 314 ff. Vgl. Eschenburg, Kampf der Geschlechter. Hierzu jetzt exemplarisch Domeier, Eulenburg-Skandal, S. 141 ff. Erhellend hierzu mit Blick auf den niederen Adel: Seelig, »Kampf gegen die Moderne«. Hierzu vor allem H. Kennedy, Karl Heinrich Ulrichs. Vgl. Ph. Weber, Trieb zum Erzählen, S. 107 ff.
Teil II 1898-1913 Kapitel 3: Zeit der Krisen: An den Klippen des wirklichen Lebens 1 2 3 4 5 6
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MvB an Cosima Wagner, 1. 10. 1897, in: NA RWS, III A4; ebd. auch das folgende Zitat. Vgl. außerdem GLA, 47/2105. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 24. 9. 1897, in: HZA , LA 142, Nr. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, o. D. [Ende März 1897], in: ebd. Vgl. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 15. 4. 1897, in: ebd.; dort auch die
folgenden Zitate. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 18. 4. 1897, in: ebd.; dort auch die folgenden Zitate. MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenburg, 24. 5. 1897, in: ebd.; vgl. auch GLA , 47/2105 sowie MvB an seine Tante (väterlicherseits), Herzogin Alexandrine von Sachsen-Coburg-Gotha, 23. 6. 1897, in: StA C, LAA 8634/3. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 24. 9. 1897, in: HZA , LA 142, Nr. 737. Kessler, Tagebuch, Bd. 3, S. 115 f. (Eintrag 29. 1. 1898). Vgl. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 159, S. 410 (13. 1. 1898). – Da die Unterlagen des Geheimen Militärkabinetts größtenteils im Zweiten Weltkrieg ver563 545
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nichtet wurden, läßt sich der Päderasten-Ukas des Kaisers nicht mehr aus den Akten rekonstruieren. Aus der Tagespresse geht hervor, daß der Kaiser am 18. 1. mit dem Chef seines Militärkabinetts, Wilhelm von Hahnke, und zwei Tage später noch einmal mit Hahnke und dem preußischen Kriegsminister Heinrich von Goßler konferierte; vgl. Neue Preußische Zeitung Nr. 28 und 32, 18. und 20. 1. 1898. Vgl. GLA, 47/2106. Mein Portrait dieser Schlüsselfigur für Max orientiert sich an den beiden ausgezeichneten (biographischen) Studien zu Axel Munthe: Steinfeld, Der Arzt; sowie Jangfeldt, Road to San Michele. Bei Jangfeldts Buch handelt es um die nicht unwesentlich gekürzte, englische Ausgabe seiner breit angelegten schwedischen Biographie Jangfeldt, Osalig Ande. – Beide Bücher »erfinden« diesen Mann auf sehr unterschiedliche Weise neu, während meine Narration auf eine durch eigenes empirisches Material angereicherte Synthese von Steinfelds und Jangfeldts Interpretation zielt. Das 1927 verfaßte Manuskript erschien erstmals 1929 in englischer Sprache und wurde bald darauf zum Weltbestseller, der sich bis heute verkauft. Es wird im Folgenden zitiert nach der Neuauflage der deutschen Ausgabe von 1931: Munthe, San Michele; das folgende Zitat ebd., S. 278 f. – Zum literarischen Verständnis dieses hintersinnigen Lebensromanes, in dem der Autor selbst der einsame Held ist, vgl. Steinfeld, Der Arzt, S. 205 ff. Es gibt eine Entsprechung zu dieser Episode aus Max’ Feder. Es handelt sich um folgende Passage in dem englischsprachigen Brief MvB s an Axel Munthe, 9. 10. 1898, in: SRA, NL Munthe, Korr., Nachtragsband 2), die in deutscher Übersetzung etwa so lautet: »Ich traf den Mann, mit dem Du in Paris warst und dem Du dort so viel Gutes getan hast. Er ist jetzt [der Großfürstin Helen] versprochen. Seine Gefühle bestehen aus Freundschaft, [Selbst-]Vertrauen, einem großen Interesse an der Natur und Kunst, Zufriedenheit darüber, diesen Weg gegangen zu sein [und] aus Hoffnung für die Zukunft. […] Eine gewisse Sorge besteht immer noch, aber der Effekt von Paris ist noch nicht verschwunden. Das Experiment hier [in Berlin] zu wiederholen, ist ganz ausgeschlossen. […] Ich werde immer auf Dich zählen als mein Freund und meine Hilfe mit einem Herz voller Dankbarkeit und unveränderlicher Anhänglichkeit.« Hierzu mit Parallelbeispielen: Bogousslavsky (Hg.), Following Charcot; sowie Pintar und Lynn, Hypnosis, S. 76 ff. Hierzu mit unterschiedlicher Bewertung der Qualität dieser Beziehung Jangfeldt, Osalig Ande, S. 257 ff.; sowie Hadenius, Victoria, S. 91 ff. – Über das Seelenleben Victorias vgl. auch die Studie von Jarlert, Victoria. So wurde er z. B. im Berliner Tageblatt (27. 3. 1900) in einem Telegrammbericht aus Rom als ein »gewisser skandinavischer Arzt« denunziert, »der, ohne akademische Titel zu besitzen, in der vornehmsten Fremdenkolonie praktiziere, und circa hundertfünfzigtausend Francs jährlich verdiene«. Daurauf liegt der Fokus der Untersuchung des Munthe-Phänomens bei Steinfeld, Der Arzt, S. 229ff. Vgl. Munthe und Uexküll-Schwerin, Das Buch, S. 60, wo es noch ergänzend heißt: »Die gerade, fast steile Haltung wurde durch den zurückgeworfenen Kopf mit blondem Knebelbart noch betonter. Das scharfe Profil und die Augen waren 564 546
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vom breiten Rande des verwitterten Filzhutes beschattet. […] Von den schmalen Schultern flatterte wie ein dunkles Dreieck ein Radmantel, unter dessen Falten ein großer russischer Windhund einhertrabte, so daß Herr und Hund eine einzige bizarre Silhouette bildeten.« Munthe, San Michele, S. 275 ff. Vgl. hierzu Radkau, Max Weber, S. 241 ff.; außerdem Pintar und Lynn, Hypnosis. Hierzu differenziert Jarlert, Victoria, S. 167 ff. Axel Munthe an Victoria von Schweden, Mai 1893, zit. nach: Jangfeldt, Road to San Michele, S. 139. Victoria von Schweden an Axel Munthe, 27. 11. 1893, in: SRA, NL Munthe Vol. 2. Axel Munthe an Kronprinz Gustaf von Schweden, November 1893, zit. nach: Jangfeldt, Osalig Ande, S. 288 f.; im Original schwedisch. Vgl. Großherzogin Luise von Baden an Gustaf von Schweden, 17. 7. 1889 (in: BFA , Gustaf V , Nr. 47), in dem sie beunruhigt, und durchaus weitsichtig »diese ganz neuen Sorgen für die Zukunft« antizipierte, die sich aus Victorias Befindlichkeit ergaben. Kronprinzessin Victoria von Schweden an Axel Munthe, 27. 11. 1893, in: SRA, NL Munthe Vol. 2. Vgl. den Tagebucheintrag Philipp Eulenburgs, 19. 7. 1893, nach einem Besuch beim Kronprinzenpaar in Schloß Tullgarn: »Die arme Kronprinzessin trägt den Arm in einer Schlinge; es sollen nervöse Schmerzen sein; sie sieht aber mit ihren leuchtenden Augen und ihrer elastischen schönen Figur wohl dabei aus.« (Eulenburg, Nordlandreisen, Bd. 1, S. 263). Vgl. GLA, 47/2102. Lagergren, Efterlämnade, Bd. 1, S. 320; im Original schwedisch. Bjørnstjerne Bjørnson an seine Tochter Bergliot, 11. 12. 1894, zit. nach: Jangfeldt, Osalig Ande, S. 292 f.; im Original schwedisch. MvB an Gustaf von Schweden, 11. 4. 1894, in: BFA , Gustaf V , Nr. 47. So der gemeinsame Freund von Max und Victoria, Philipp Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 245. MvB an Gustaf von Schweden, 11. 4. 1894, in: BFA , Gustaf V , Nr. 47. Ein äußerst facettenreiches Bild davon vermitteln die Memoiren von Colonna di Sermoneta, Erinnerungen; außerdem die zeitgenössische Studie von P. Fischer, Italien und die Italiener, vor allem S. 35 ff. und 409 ff. Vgl. hierzu sehr eindringlich Snowden, Naples. Erbgroßherzog Friedrich an seinen Vater, Friedrich I. von Baden, 30. 5. 1894, in: GLA , 69 Baden Slg. 1995 A 17. Königin Sophie an ihren Gatten, Oskar II . von Schweden, 5. 5. 1894, zit. nach: Eimer, Sophie zu Nassau, S. 240. Vgl. das Schreiben von Großherzog Friedrich von Baden an seinen Schwiegersohn Kronprinz Gustaf von Schweden, 4. 9. 1894, in: BFA, Gustaf V, Nr. 47; vgl. auch MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 9. 1894, in: HZA, LA 142 Nr. 737, sowie Axel Munthe an Georg Sibbern, 28. 8. 1894, zit. nach: Jangfeldt, Osalig Ande, S. 295; dort heißt es, das Resultat einer solchen Untersuchung werde zwar gleich null sein, sie sei aber »notwendig wegen ihrer Mutter«. Axel Munthe an Georg Sibbern, 9. 10. 1894, zit. nach: Jangfeldt, Osalig Ande, S. 296; im Original schwedisch. 565 547
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Die Einsicht in den im Familienarchiv des Hauses Baden liegenden Befund wurde dem Verfasser verwehrt. Axel Munthe an Georg Sibbern, 17. 2. 1895, zit. nach: Jangfeldt, Osalig Ande, S. 297; im Original schwedisch. Ein Zitat aus William Ernst Henleys Gedicht »Invictus« (1875); statt »mind« steht dort allerdings »fate«. Vgl. Jangfeldt, Munthes Capri. MvB an Cosima Wagner, 26. 12. 1895, in: NA RWS , III A4; vgl. auch MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 9. 1895, in: HZA, LA 142 Nr. 737 sowie GLA , 47/2103. Der Verfasser dankt Bengt Jangfeldt für diesen Hinweis. Vgl. Jangfeldt, Road to San Michele, S. 156 f.; außerdem Wilde, Complete Letters, S. 965: »wonderful personality«. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 4. 1898, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Zur vergeblichen Brautwerbung des bayerischen Thronfolgers vgl. dessen autobiographischen Aufzeichnungen bei D. Weiß, Rupprecht von Bayern, S. 56. Die am 29. 1. 1882 geborene Großfürstin Helen Wladimirowna war damals gerade sechzehn Jahre alt. Vgl. das biographische Portrait von Beéche, »Helen Wladimirovna«; außerdem die Memoiren des Bruders, des Großfürsten, C. W. v. Rußland, My Life. Max’ Mutter hatte sich schon Mitte März – offiziell zum Besuch ihrer Schwester Eugenia, einer Herzogin von Oldenburg – nach Nizza begeben; GLA, 47/2106. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 20. 8. 1898, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Vgl. hierzu auch Reibnitz-Maltzahn, Gestalten, S. 30 f. und 49 f. Biographisches Profil bei Solodkoff, »Großfürstin Wladimir«; Barkowez, Prinzessinnen, S. 189-221; sowie Grigorian, Romanows, S. 143ff. Vgl. Stadelmann, Romanovs, S. 211 f. Vgl. MvB an Axel Munthe, 9. 10. 1898, in: SRA, NL Munthe, Korr., Nachtragsbd. 2. Vgl. GLA, 47/2106. Auch der badische Großherzog kurte mit seiner Frau in diesem Sommer in St. Moritz und wurde in das Heiratsprojekt miteinbezogen. Wie der preußische Gesandte in Baden nach Berlin berichtete, würden die großherzoglichen Herrschaften »zweifellos eine deutsche Gemahlin für den Prinzen Max vorziehen, sind indessen doch erfreut über die längsterhoffte nunmehrige Aussicht auf dessen Verheiratung«. (Karl von Eisendecher an Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 1. 9. 1898, in: PA AA, R 2664). MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 20. 8. 1898, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 7. 1. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 22. 9. 1898, in: PA AA, R 2664. Karlsruher Zeitung Nr. 254, 15. 9. 1898. Großfürstin Marie Pawlowna an ihren Bruder, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin, 22. 9. 1898, in: LHA S , 5.2-4/1 Hausarchiv Mecklenburg-Schwerin/ NL Herzog Johann Albrecht, Nr. 24a. Dies notierte sein alter Mentor Xaver Kraus am 7. 10. 1898 nach einem Besuch in Baden-Baden, in: F. Kraus, Tagebücher, S. 711 f. MvB an Axel Munthe, 9. 10. 1898, in: SRA , NL Munthe, Korr., Nachtragsbd. 2. Die deutsche Übersetzung der gesamten Passage lautet: »Die besagte Person ist eine schwarze Schönheit [mit] enormen Augen, schwarzem Haar, ausdrucks566 548
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vollem Mund, kurzer Nase. Sie kann sowohl von ausgelassener Fröhlichkeit sein als auch bisweilen tief ernst. Diese Seite ist es, die dominiert und [wohl] auch immer stärker hervortreten wird. Sie ist verblüffend intelligent und von schneller Auffassungsgabe und weiß schon um viele Dinge, die man in ihrem Alter eigentlich noch nicht weiß. Sie ist religiös in meinem Sinne. Ihre Gefühle zeigt sie nicht leichtfertig; mit ihrer brüsken Art verletzt sie sogar Menschen, die sie am liebsten mag. Sie ist das Gegenteil von zärtlich, und sie klammert auch nicht. Sie geht ihren eigenen Weg, und mischt sich nicht ein, wenn andere dasselbe tun. Sie bittet nicht darum, liebkost zu werden, aber nimmt Liebkosungen freundlich an, allerdings ohne sie fast jemals zu erwidern. Sie ist großzügig, hat Mitgefühl, haßt Ungerechtigkeit, ist absolut und unfehlbar aufrichtig. Sie strotzt nur so vor Gesundheit und Energie.« Jagemann, Fünfundsiebzig Jahre, S. 155. Vgl. zu diesem Ereignis auch GLA, 47/2106 sowie Neue Preußische Zeitung Nr. 474 und 475, 10. bzw. 11. 10. 1898. – Wie die Karlsruher Zeitung berichtete, war auch Max’ Onkel, Großherzog Friedrich, zur Teilnahme an der kaiserlichen Hoftafel nach Berlin geeilt und nahm »Gelegenheit, die Bekanntschaft der Großfürstin Helene in Gegenwart des Prinzen Maximilian zu machen«. »Die hohe Verlobte wurde auch von Ihren Kaiserlichen Majestäten sehr liebevoll aufgenommen.« (Nr. 281, 12. 10. 1898) Zu dieser Tour vgl. Großfürstin Marie Palowna an ihren Bruder Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin, 22. 9. 1898, in: LHA S , 5.2-4/1 Hausarchiv Mecklenburg-Schwerin/ NL Herzog Johann Albrecht, Nr. 24a. Den Terminus scheint Max dem berühmten Buch des Sexualforschers KrafftEbing, Psychopathia sexualis, von 1886 entnommen zu haben. Der Autor selbst schreibt in seinem Vorwort zur 12. Auflage (1903): »Der unerwartet große buchhändlerische Erfolg ist wohl der beste Beweis dafür, daß es auch unzählige Unglückliche gibt, die in dem sonst nur Männern der Wissenschaft gewidmeten Buche Aufklärung und Trost hinsichtlich rätselhafter Erscheinungen ihrer eigenen Vita sexualis suchen und finden«. (S. VII) MvB an Axel Munthe, 19. 10. 1898, in: SRA , NL Munthe, Korr., Nachtragsbd. 2; im Original englisch. Zudem sichert ein solches Dokument des grenzenlosen Vertrauens auch den eigenen Nachruhm. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 7. 1. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737. MvB an Cosima Wagner, 8. 1. 1899, in: NA RWS , III A4; dort auch die weiteren Zitate dieses Absatzes. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 12. 2. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Tagebuch Hildegard von Spitzemberg, 16. 5. 1899, in: BA K, N 1429/92. Großfürstin Marie Pawlowna an ihren Bruder Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin, 2. 4. 1899, in: LHA S, 5.2-4/1 Hausarchiv MecklenburgSchwerin/ NL Herzog Johann Albrecht, Nr. 24a. Erbfürstin Alexandra zu Hohenlohe-Langenburg an ihren Ehemann Ernst, 10. 6. 1899, in: HZA, LA 142 Nr. 628; dies hatte sie von ihrem russischen Onkel, einem Bruder des Brautvaters Wladimir, erfahren. Telegramm von Legationsrat Heinrich von Tschirschky aus der Deutschen Botschaft in St. Petersburg an das Auswärtige Amt, Berlin, 17. 5. 1899, in: PA AA , R 2673. 567 549
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Heinrich von Tschirschky an Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 30. 5. 1899, in: ebd. Vgl. die Tagebuchaufzeichnung des Gesandten Ludwig Raschdau, 27. 4. 1896: »Wie ich nachträglich von einem der Beteiligten höre, ging der Aufenthalt des Kaisers in Coburg nicht ohne Zwischenfälle vor sich. […] Die sonst wohlgesinnte Großfürstin Wladimir redete er an der Tafel an, und als sie nicht zu hören schien, korrigierte er sie: wenn er mit ihr rede, solle sie aufpassen. Sie drehte ihm den Rücken, und nun suchte er den Vorfall gut zu machen.« (Raschdau, In Weimar, S. 69 f.) – Bei einer Fürstenhochzeit in Schwerin im Oktober 1896 müssen die Provokationen fortgesetzt worden sein; vgl. Tagebuch Alfred von Waldersee, 25. 10. 1896, in: Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 374 f. Vgl. etwa Eulenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 3, S. 1537 und 1562; vgl. auch Pückler, Diplomatenleben, S. 55, der berichtet, daß sich Maria Pawlowna auch persönlich von Radolin schlecht behandelt fühlte. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 25. 6. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 25. 5. 1899, in: BA K, N 1016 (Bülow) Nr. 59; ebd. auch weitere Marginalien des Kaisers, wie »er soll brechen, das wird eine deutsche Fürstin, nie!« Diese wollten einen Eklat tunlichst vermeiden: Vgl. Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 3. 6. 1899, in: BA K, N 1016 (Bülow) Nr. 59. Diesem Bericht zufolge soll Max’ Mutter noch in allerletzter Minute mit einem Versöhnungsvorschlag per Brief in St. Petersburg interveniert haben. Tagebuch Hildegard von Spitzemberg, 11. 6. 1899, in: BA K, N 1429/92; vgl. außerdem das Schreiben von Ernst zu Hohenlohe-Langenburg an seine Ehefrau Sandra, 11. 6. 1899, in: HZA, LA 143 Nr. 35; sowie den Bericht des k. u. k. Gesandten in Stuttgart an Außenminister Graf Agenor Gołuchowski, 13. 6. 1899, in: HHStA, P VI, Kart. 43. So der badische Staatsminister, Arthur von Brauer, gegenüber dem badischen Gesandten in Berlin, Eugen von Jagemann, 17. 6. 1899, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 156-158. In seinem privaten Begleitbrief an seinen Duzfreund Jagemann spricht Brauer freilich von einer »betrübenden Angelegenheit«. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 27. 7. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Hierzu die etwas klatschsüchtigen Enthüllungen einer Eingeweihten: Radziwill, Secrets, S. 40 ff.; vgl. außerdem die Zeugnisse bei Maylunas und Mironenko, Nikolaus und Alexandra, S. 180 ff. Vgl. Karlsruher Zeitung, Nr. 230, 24. 10. 1899. Vgl. dazu den Bericht der Karlsruher Zeitung Nr. 230, 22. 8. 1899; sowie GLA, 47/2107. MvB an Philipp Eulenburg, 26. 10. 1899, zit. nach dem vollständigen Abdruck in: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 248; vgl. auch BA K, N 1029 (Eulenburg) Nr. 55. Vgl. hierzu noch einmal pars pro toto die Verteidigung seines Schützlings durch den Gesandten Karl von Eisendecher in dessen Schreiben an Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst, 11. 6. 1899, in: PA AA, R 2673. Vgl. Philipp zu Eulenburg an Wilhelm II ., 15. 11. 1899, schreibt noch ein halbes Jahr nach dem Verlobungsdesaster: »Seine Mutter war noch ganz auseinander über das Scheitern der russischen Projekte und verhält sich gegenüber allen an568 550
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deren Gedanken des Sohnes völlig passiv.« (Zit. nach: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 251 f.) MvB an Johannes Müller, 15. 3. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. besonders das Portrait von Hilmes, Herrin des Hügels; dazu auch Machtan, »Rezension Hilmes«. Vgl. hierzu überaus scharfsichtig Martynkewicz, Salon Deutschland, S. 100 ff. Whitman, Erinnerungen, S. 191. Vgl. dazu überaus lesenswert Nagele, Parsifals Mission. Sie war die uneheliche Tochter von Franz Liszt, eine Ehebrecherin bzw. Bigamistin und ihr zweiter Mann Richard Wagner stand lange Zeit im Ruf, ein extravaganter, politisch eher revolutionär gesinnter Tonkünstlers zu sein. Kessler, Tagebuch, Bd. 3, S. 71 und 139 (Einträge 20. 7. 1897 und 16. 4. 1898). Morani-Helbig, Jugend, S. 217. Ernst zu Hohenlohe-Langenburg an seine Mutter, Leopoldine von Baden, 2. 8. 1899, in: HZA, LA 141 Bü 37; vgl. auch Hessen-Darmstadt, Erinnertes, S. 118, der »den unauslöschlichen Eindruck, den der ›Parsifal‹ auf mich machte«, in seinen Memoiren festgehalten hat. Kessler, Tagebuch, Bd. 3, S. 70 (Eintrag 19. 7. 1897). Panizza, »Bayreuth und die Homosexualität«, S. 91 f. Vgl. F. Haas, Magier am Dirigentenpult, S. 43 ff. und 85. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 23. 3. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 736. Vgl. auch Max’ ersten (überlieferten) Brief an Cosima Wagner, 28. 1. 1892, wo er sich »auf’s tiefste ergriffen« zeigt von Cosimas »so lieben Antheilnahme an dem, was meinem innersten Wesen zustößt« (NA RWS , III A4). MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 3. 12. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 5. 7. 1892, in: ebd.; vgl. ebd. seinen Brief, 13. 10. 1893: »Gott gebe, daß Bayreuth uns erhalten bleibe und daß es mehr und mehr ein Probestein wahren Kunstenthusiasmus werde.« Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 8. 4. 1893, in: Wagner, Briefwechsel Hohenlohe-Langenburg, S. 45 f. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 5. 7. 1892, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Cosima Wagner, 17. 1. 1894, in: NA RWS , III A4. Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 8. 4. 1893, in: HZA, LA 142 Nr. 782. MvB an Cosima Wagner, 10. 10. 1894, in: NA RWS , III A4; ebd. auch die folgenden Zitate. Das erwähnte Foto konnte nicht ermittelt werden. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 2. 11. 1894, in: HZA , LA 142 Nr. 736. MvB an Cosima Wagner, o. D. [ca. 20. 7. 1896], in: NA RWS , III A4. Vgl. hierzu auch Förster, Kulturpolitik, bes. S. 159 ff. MvB an Cosima Wagner, o. D. [ca. 20. 7. 1896], in: NA RWS , III A4. Chamberlain, Wagner; Chamberlains biographischer Beitrag »zu einem besseren Verständnis dieses Geistes- und Herzenshelden« ist besonders dort interessant, wo er sich dem »Bayreuther Gedanken« widmet; vgl. ebd., S. 338 ff. MvB an Cosima Wagner, 30. 12. 1898, in: NA RWS , III A4. Hierzu allgemein S. Müller, »Die musikalische Weltmacht«, bes. S. 259-261. MvB an Cosima Wagner, 1. 10. 1897, in: NA RWS , III A4. 569 551
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Hierzu ausführlich Hergemöller, »Friedrich Franz III . von Mecklenburg-Schwerin«. Cosima Wagner an Gräfin Marie von Schleinitz-Wolkenstein, 13. 6. 1899, in: NA RWS , Hs 190. MvB an Cosima Wagner, 8. 1. 1899, in: NA RWS, III A4; ebd. auch die beiden folgenden Zitate. Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 13. 7. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 784. MvB an Cosima Wagner, 18. 7. 1898, in: NA RWS , III A4; ebd. auch das folgende Zitat. Vgl. auch MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 27. 7. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737: »Ich sehne mich nach Parsifal und möchte Frau Cosima wieder sehen.« Vgl. mit weiteren Hinweisen Hilmes, Cosimas Kinder, S. 151 ff.; sowie Hilmes, Herrin des Hügels, S. 288 ff. bzw. 371 f.; außerdem Pachl, Siegfried Wagner, S. 236, und Schostack, Wahnfrieds Mauern, S. 51 ff. MvB an Axel Munthe, 1. 6. 1899, in: SRA , NL Munthe; im Original englisch. Dies in Anlehnung an den zeitgenössischen Leitfaden von Gattel, Neurasthenie und Angstneurose. Vgl. Ph. Weber, Trieb zum Erzählen, S. 77 ff. bzw. 201 ff. Seit seiner sehr diskreten Behandlung der Schwiegermutter des deutschen Kaisers hatte der berühmte Arzt in adeligen Kreisen einen seriösen Ruf; vgl. Ammerer, Perversion, S. 89 ff. und 186 ff. Hier im Sinne von Maasen, »Therapeutisierung sexueller Selbste«. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 25. 6. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737; Max verriet auch Cosima Wagner nur, »daß ich seit Wochen in absoluter Zurückgezogenheit gelebt habe, um meine abgespannten Nerven zu heilen und Gesundheit des Geistes und des Körpers in der Stille wiederzufinden« (18. 7. 1899, in: NA RWS , III A4). Bei »der Leiden Pfade« handelt es sich um ein Zitat aus Wagners Parsifal. Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 3. 6. 1899, in: BA K, N 1016 (Bülow) Nr. 59. – In der offiziellen Hofberichterstattung hatte es sogar geheißen, der Prinz habe sich nach Berchtesgaden begeben, um dort mit Mutter und Schwester »in Gemeinschaft einige Zeit zu verweilen« (GLA, 47/2107 bzw. Karlsruher Zeitung Nr. 171, 24. 6. 1899). MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 27. 7. 1899, in: HZA , LA 142 Nr. 737. Ernst zu Hohenlohe-Langenburg an seine Mutter, Leopoldine von Baden, 2. 8. 1899, in: HZA, LA 141 Bü 37. Der umfangreiche Nachlaß mit vielen Fallaufzeichnungen befindet sich in der Wellcome Library, London. Hierzu aus aktueller medizingeschichtlicher Perspektive vor allem Oosterhuis, Stepchildren of Nature; Sigusch, »Kaan und Freud«, S. 211-238; Sigusch, »Nachlaß und Genogramm«; Ammerer, Perversion. – Aus der Sicht eines Freundes und Kollegen Schüle, »Nekrolog«; aus der Sicht seines Lieblingsschülers A. Fuchs, »Neurologie«; A. Fuchs, »Krafft-Ebing. 1840-1902«; aus der Sicht eines neutralen Kollegen Kraepelin, Lebenserinnerungen, S. 58 f. Vgl. Topp, »Psychiatric Institutions«. So im Vorwort bei A. Fuchs, Konträre Sexualempfindung; zu den auch persönlich 570 552
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engen Beziehungen zwischen Fuchs und der Familie Krafft-Ebings vgl. die Schriftstücke, in: Wellcome Library London, PP / KEB /B/4. In seinem Kondolenzschreiben an die Witwe, bezeichnete sich Fuchs als »Lieblingsschüler« des Verstorbenen, mit dem er seit 1890 eng zusammengearbeitet habe. (29. 12. sp1;1902, in: ebd.) Sigusch, Geschichte, S. 183 f. Vgl. hierzu vor allem seinen Aufsatz: Krafft-Ebing, »Die Nervosität unserer Zeit«. Der Nachruf Hirschfelds erschien anonym, »Jahresbericht 1902/03«, S. 1292. Krafft-Ebing, »Homosexualität«. A. Fuchs, Therapie der Anomalen Vita Sexualis; mit einem Vorwort von KrafftEbing. Ein gutes Jahr später veröffentlichte Fuchs seine »Erfahrungen in der Behandlung conträrer Sexualempfindungen« (A. Fuchs, »Erfahrungen«), worin er über die in Unterpurkersdorf angewandte Therapie berichtete. Ein Pionier dieser neuen Kombination von Sexualpathologie und Hypnose- bzw. Suggestionstherapie war zu Beginn der neunziger Jahre der Arzt Albert von Schrenck-Notzing in München; vgl. Dierks, Geisterbaron, S. 107 ff. Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis, 12. Aufl., S. 259; weitere Zitate ebd., S. 309, 318, 319 ff., 324. Vgl. speziell hierzu Möbius, Behandlung von Nervenkranken; sowie Krafft-Ebing, Gesunde und kranke Nerven. Vgl. schon Hirschfeld, Homosexualität, S. 396 ff.; außerdem Ammerer, Perversion, S. 299 ff. MvB an Philipp zu Eulenburg-Hertefeld, 26. 10. 1899, in: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 247 ff. Hierzu knapp, aber mit weiterführender Literatur Aschoff, Welfen, S. 256 ff. Zu den Heiratsstrategien europäischer Fürstenhäuser vgl. die Fallstudie von Knöfel, Dynastie und Prestige. Philipp zu Eulenburg an Bernhard von Bülow, 14. 11. 1899, in: Eulenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 3, S. 1967. Hierzu wie auch zum Folgenden: BA K, N 1029 (Eulenburg) Nr. 55; W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I ., Bd. 4, S. 203 ff.; Hohenlohe, Denkwürdigkeiten, S. 539 ff.; Eulenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 3, S. 1966 f.; Hoftagebuch, 9. und 14. 11. 1899, in: GLA, 47/2107; Karlsruher Zeitung Nr. 312, 11. 11. 1899. Vgl. die biographische Miniatur mit Proben ihrer Dichtkunst Weiberg, Prinzessin Feodora; sowie das sehr empathische Kapitel von Lehrs, Gesammeltes, S. 120-130, oder die Erinnerungen von Morani-Helbig, Jugend, S. 365 f. Bernhard von Bülow an Großherzog Friedrich von Baden, 31. 12. 1899, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 217 f. Karl von Eisendecher an Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 1. 1. 1900, in: PA AA , R 4186; ebd. auch das folgende Zitat. – Tatsächlich hatte das Herzogspaar drei Töchter: Marie Louise, geb. 1879, Alexandra, geb. 1882, und Olga, geb. 1884; letztere war damals noch nicht im heiratsfähigen Alter. MvB an Philipp Eulenburg, 25. 1. 1900, in: BA K, N 1029 (Eulenburg) Nr. 55. Heute beherbergt es die Botschaft der Tschechischen Republik. Karl von Eisendecher an Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 31. 1. 1900, in: PA AA , R 4186. 571 553
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Philipp zu Eulenburg an Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 16. 2. 1900, in: ebd.; vgl. auch ebd. den Bericht Karl von Eisendechers, 6. 2. 1900, indem sich dieser auf einen Brief des Prinzen aus Wien bezieht. (Neben Eulenburg hat Max in diesen Monaten auch die Dienste Eisendechers wiederholt in Anspruch genommen.) – Vgl. außerdem HHStA, Allg. Reg. F 2/33 Baden sowie Neue Freie Presse Nr. 12732 und 12745, 3. bzw. 16. 2. 1900. Notiz Philipp zu Eulenburgs, 28. 2. 1900, in: BA K, N 1029 (Eulenburg) Nr. 55. MvB an Großherzog Friedrich von Baden, 4. 3. 1900, in: PA AA , R 4186 (Abschrift). Philipp zu Eulenburg an Kaiser Wilhelm II ., 17. 2. 1900 bzw. an Bernhard von Bülow, 28. 2. 1900, zit. nach: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 255. MvB an Großherzog Friedrich von Baden, 4. 3. 1900, in: PA AA , R 4186 (Abschrift). Vgl. auch den Brief von Max’ Mutter an den badischen Staatsminister Arthur von Brauer, 5. 3. 1900, in dem es heißt, auf Wunsch der Cumberlands würde ihr Sohn noch eine Weile in Wien bleiben, um »langsam Fortschritte« bei der Tochter zu machen. (Brauer, Im Dienste Bismarcks, S. 389 f.) Philipp zu Eulenburg an Prinzessin Wilhelm von Baden, 8. 3. 1900, zit. nach: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 263 f. MvB an Cosima Wagner, 21. 4. 1900, in: NA RWS , III A4. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenberg, 21. 5. 1900, in: HZA , LA 142, Bü 737. Karl von Eisendecher an Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 17. 2. 1900, in: PA AA , R 4186; der sich bei seiner Schilderung auf einen Brief des Prinzen an seine Mutter berief. MvB an Großherzog Friedrich von Baden, 4. 3. 1900, in: PA AA , R 4186. MvB an Cosima Wagner, 21. 4. 1900, in: NA RWS , III A4. Vgl. Spitzbart, »König Georg V.«; außerdem Steckhan, Welfenbericht, S. 46 ff. Vgl. Neue Freie Presse Nr. 12736, 6. 2. 1900. Prinz Wilhelm von Baden an seine Schwester Alexandrine, 4. 7. 1885, in: StA C , LAA 8634/2. – »Man kann nicht ungestraft ein Gottesgnadentum bekennen und das seiner Vettern u. Standesgenossen nicht achten und vergewaltigen«, sollte Max viele Jahre später diesen Gedanken hochhalten. (MvB an Bernhard Schwertfeger, 30. 11. 1923, in: BA K, NL 15 Schwertfeger Nr. 549). Vgl. Arthur von Brauer an den badischen Gesandten in Berlin Jagemann, 13. 3. 1900, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 232 f. Philipp zu Eulenburg an Kaiser Wilhelm II ., 17. 2. 1900, zit. nach: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 255. Eulenburg an Bülow, 28. 2. 1900, in: BA K, N 1029 (Eulenburg) Nr. 55; dort auch das folgende Zitat. Er wurde seitens der preußischen Regierung sofort veröffentlicht: Staatsanzeiger Nr. 163, 12. 3. 1892. Bernhard von Bülow an Großherzog Friedrich von Baden, 31. 12. 1899, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 217 f. – Vgl. auch das Telegramm Bülows an Philipp zu Eulenburg, 3. 3. 1900, in dem es noch ein Vierteljahr später unmißverständlich heißt: Der Standpunkt des Kaisers sei unverändert der, »daß die Prinzessin unter entschiedener Abwendung von allen welfischen Velleitäten [zögerndes Wollen] auch hinsichtlich Braunschweig sich voll und ganz auf den Standpunkt des neuen Reiches, der Integrität der preußischen Monarchie wie 572 554
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der persönlichen Beziehung des Prinzen zum Kaiser stellen müsse«. (Zit. nach: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 259 f.) MvB an Großherzog Friedrich von Baden, 4. 3. 1900, in: PA AA , R 4186. Philipp zu Eulenburg an Großherzog Friedrich von Baden, 7. 3. 1900, zit. nach: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 262. Großherzog Friedrich von Baden an Kaiser Wilhelm II ., 8. 3. 1900, in: PA AA, R 4186. Philipp zu Eulenburg an Kaiser Wilhelm II ., 9. 3. 1900, zit. nach: Eulenburg, Erlebnisse, Bd. 2, S. 262. Zu dieser hochpolitischen Etikettenfrage, die in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert wurde, vgl. PA AA , Wien geheim 5. Dieser Brief liegt im HStA H . – Eine Einsichtnahme wurde dem Verfasser seitens des Welfenhauses verweigert. Johannes von Miquel an Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst, 8. 4. 1900, in: PA AA , R 4186. Vgl. GLA, 47/2108. Erinnerungen von Ludwig Alpers an seinen Besuch in Gmunden, 9. 10. 1918, in: Manuskript in Privatbesitz. Bericht des k. u. k. Botschafters in Berlin an das Außenministerium, 11. 4. 1900, in: HHStA, P. A. III /153. Vgl. GLA, 47/2108. Vgl. die auch graphisch prachtvoll ausgestattete Urkunde, in: GLA , FA 16 Nr. 246; außerdem das Schreiben von Arthur von Brauer an Großherzog Friedrich, 10. 6. 1900, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I ., Bd. 4, S. 250. Dazu existiert eine reiche Überlieferung in: HZA, LA 142 Nr. 230, GLA, 47/2108, S. 84 ff.; sowie HStA H , Dep 37S Nr. 290; außerdem Waldschläger, Erinnerungsblätter; Salzkammergut-Zeitung, Fest-Ausgabe, u. a. Materialien im Archiv Kammerhofmuseum der Stadt Gmunden. Neue Freie Presse Nr. 12887, 10. 7. 1900. Waldstedt, Hofdame, S. 365 (Tagebucheintrag 20. 6. 1900). Details in: GLA, 47/2108, S. 92 ff., sowie Deutsche Volkszeitung Nr. 8309, 29. 7. 1900, die diesem Empfang 11/2 Seiten widmete. Karl von Eisendecher an Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 16. 7. 1900, in: PA AA , R 4186. Bericht Karl von Eisendecher, 12. 11. 1901, in: PA AA , R 2673.
Kapitel 4: Das »schwerste Jahr meines Lebens«. 1
MvB an Cosima Wagner, 31. 12. 1901, in: NA RWS , III A5.
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Das handschriftliche Original dieses »Taormina« betitelten und wohl an Axel Munthe gesandten Gedichts mit der Datierung »Taormina July 1901« befindet sich im Archiv der Axel-Munthe-Stiftung in Anacapri. Das handschriftliche Original mit der Datierung »Gmunden, September 1901« befindet sich im Archiv der Axel-Munthe-Stiftung in Anacapri. Vgl. W. Fuchs, »Das Kaspar-Hauser-Problem«. MvB an Cornelie Richter, 17. 8. 1900, in: Hans-und-Luise-Richter-Stiftung, Stadtmuseum Berlin, RS 2000/18 QA 9. – Vgl. auch GLA, 47/2108.
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Wilhelm von Schoen an Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 12. 10. 1900, in: PA AA , R 5282. Schönburg-Waldenburg, Erinnerungen, S. 155; vgl. auch GLA , 47/2108. F. Kraus, Tagebücher, S. 745 f. (Eintrag 26. 10. 1900). MvB an Ernst von Hohenlohe-Langenberg, 30. 11. 1900, in: HZA , LA 142 Bü 737. MvB an Cosima Wagner, 27. 12. 1900, in: NA RWS , III A4; ebd. auch die folgenden Zitate. Darüber könnten vielleicht die Briefe Marie Louises an ihre Eltern Auskunft geben. Sie sind für den Verfasser gesperrt; vgl. HStA H , Dep. 103 II Nrn. 123/6 und 123/7. Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 16. 4. 1901, zit. nach: Wagner, Briefwechsel Hohenlohe-Langenburg, S. 210; vgl. auch Cosima Wagner an Marie von Schleinitz-Wolkenstein, 1. 2. 1901, in: NA RWS, Hs 190. Vgl. Jangfeldt, Munthes Capri, S. 28 ff. – Allgemein vgl. Griebens Reiseführer, Bd. 101, S. 53 ff.; Proelß, Deutsch Capri. MvB an Kaiser Wilhelm II ., 10. 4. 1901, in: GStA , HA Rep. 53 J Lit. B Nr. 2; daraus auch das folgende Zitat. Vgl. hierzu mit pikanten Details Van der Kiste, Princess Victoria Melita; außerdem Holzhauer und Franz, »Ernst Ludwig und Victoria Melita«, sowie Fetting, Selbstverständnis, S. 161 ff. Der italienische König Viktor Emanuel III . hat dem deutschen Botschafter in Rom im Herbst 1901 erklärt, der Großherzog von Hessen »komme alle Augenblikke, oft nur für kurze Zeit nach Capri« und bewege sich dort »in einer höchst verrufenen Gesellschaft und speziell 3 dortige Einwohner schienen sein Interesse zu fesseln, für deren Einen er aber eine ganz besondere Vorliebe dokumentiere und diesem gälten denn auch wohl in erster Linie die häufigen Besuche. Damit man ihn auf der Insel sonst möglichst in Ruhe lasse, tue der Großherzog allerlei für dieselbe und habe noch jüngst die Stadtmusik auf seine Kosten neu uniformieren lassen. Täglich aber, fuhr der König fort, fürchte er einen öffentlichen Skandal. Wenn der Großherzog sich einmal mit einem seiner Freunde verunreinige, so könne ihm das, nach hiesiger Landessitte, bei erster Gelegenheit einen Messerstich eintragen und da es sich um einen Souverän handele, so würde das dadurch erregte Aufsehen ein sehr großes und für Ihn, den König, ein im höchsten Grade peinliches sein«. (Karl von Wedel an Friedrich von Holstein, 1. 12. 1901, in: BA K, N 1016 [Bülow] Nr. 129). Wilhelm II . an Ernst Ludwig von Hessen, 11. 11. 1901, in: PA AA , Abt. I a, Hessen Nr. 56 Nr. 1 Bd. 1 (Abschrift). Vgl. dazu Wilhelm II . an Bernhard von Bülow, 26. 1. 1901, in: PA AA, Asservat Nr. 4.4. Vgl. dazu die Schilderungen anderer Gäste, die Munthe damals zu sich eingeladen hatte: Gathorne-Hardy (Hg.), Ottoline, S. 105 ff.; sowie Jangfeldt, Road to San Michele, S. 158 f. Vgl. Jangfeldt, Road to San Michele, S. 186; sein Entlassungsgesuch wurde von der schwedischen Königin abgelehnt und Munthe eindringlich beschworen, weiter als Leibarzt tätig zu sein. »Du magst es nicht erraten, manche Bücher führen (ja) in die Irre, aber daß sie (am Ende) als Freunde schieden, das glaube ich wirklich.« (»You might guess 574 556
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wrong, some books deceive – They passed as friends, I really believe«) – Für Einsicht in diese einzigartige Quelle, die sich in Familienbesitz befindet, dankt der Verfasser Bengt Jangfeldt, der eine Kopie besitzt. Gedicht Max von Badens für Axel Munthe, o. D., zusammen mit einem Foto aus Capri Sommer 1901, in: SRA, NL Munthe Vol. 2: »Forget what I wrote, and close your eyes upon a sight which cannot please you. I close the gates of my heart again and put on my mask«. Die handschriftlichen Originale befinden sich im Archiv der Axel-Munthe-Stiftung, San Michele, Anacapri. Die Englischen sind »Fare Well« und »Two Crowns«, das Deutsche ist »Taormina« betitelt (vgl. dazu S. 154-156). Vgl. Hirschfeld, Homosexualität, S. 571. Vgl. auch Gloeden, Taormina, S. 21 ff. Dieses eigenhändige Gedicht, datiert »Karlsruhe, den 24. 2. 1902«, ist ebenfalls Taormina betitelt. Vgl. Tagebuch Felix Mottl, 15. 8. 1901, in: BayStabi, Ana 452. MvB an Cosima Wagner, 31. 12. 1901, in: NA RWS , III A5. Nach der Gästeliste der Alpinen Post (16. und 23. 8. sowie 6. 9. 1901) hatte er sich ursprünglich mit Gattin avisiert, war dann aber solo dort. Aar-Bote, 15. 8. 1901. Für diese freundliche Auskunft dankt der Verfasser Dr. Martina Bleymehl-Eiler, Leiterin des Kur-Stadt-Apothekenmuseums Bad Schwalbach, die auch den historischen Hauptwerbespruch des Kurortes kolportiert: »Durch Moor und Stahl erhältst Du Kinder ohne Zahl«. – Zum medizinhistorischen Kontext Fleischer, Frau ohne Schatten. Vgl. Jangfeldt, Osalig Ande, S. 124 ff. Herzogin Thyra von Cumberland an Prinzessin Mary von Hannover, 19. 8. 1901, zit. nach einer Kopie des Originals dieses Briefes, die mir Torsten Riotte (Frankfurt am Main) freundlicherweise aus der Quellensammlung seines Forschungsprojektes »Exilmonarchen in Europa« zur Verfügung stellte. Hierzu im einzelnen W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 325 ff.; sowie Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 39 ff. Großherzog Friedrich von Baden an Kronprinz Gustaf von Schweden, 15. 8. 1901, in: BFA, Gustaf V, Nr. 47. Kronprinz Gustaf von Schweden an Großherzog Friedrich von Baden, 18. 8. 1901, in: ebd. (Abschrift). Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 25. 10. 1901, in: PA AA , R 11234. – Im Nachsatz zu diesem Schreiben »in privater Form« heißt es: »Für einen amtlichen Bericht scheinen mir die vorstehenden, streng vertraulichen Mittheilungen des Kronprinzen nicht geeignet, für Ew. Exzellenz gewähren sie aber doch wohl einiges Interesse.« Gustaf von Schweden an seine Mutter Königin Sophie, 26. 8. 1901, in: BFA, Gustaf V, 47. – Für den Hinweis auf dieses Schreiben sowie die Übersetzung des Zitats dankt der Verfasser Anders Jarlert (Universität Lund). Arthur von Brauer an Großherzog Friedrich, 1. 6. 1901, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 327. Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 22. 6. 1901, in: PA AA, R 2674. Arthur von Brauer an Großherzog Friedrich von Baden, 7. 7. 1901, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 335. 575 557
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Philipp zu Eulenburg an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 14. 7. 1901, in: BA K, N 1029 Eulenburg Nr. 59. Eulenburg nahm diese Invektive gegen seinen badischen Freund so ernst, daß er Reichskanzler Bernhard von Bülow darüber noch einmal gesondert »mit der nächsten Post« schreiben wollte. Dieses Schreiben ist nicht überliefert. Arthur von Brauer an Großherzog Friedrich, 7. 7. 1901, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 335. Kronprinz Gustaf von Schweden an Großherzog Friedrich von Baden, 18. 8. 1901, in: BFA, Gustaf V, Nr. 47 (Abschrift). Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 4. 9. 1901, in: PA AA , R 2673. Karl von Wedel an Karl von Eisendecher, 25. 7. 1901, in: PA AA , NL Eisendecher 2-3. Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 4. 9. 1901, in: PA AA, R 2673. Philipp zu Eulenburg an Bernhard von Bülow, 26. 9. 1901, in: Eulenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 3, S. 2034. GLA , 47 Nr. 2109. Auf dem handschriftlichen Original im Archiv der Axel-Munthe-Stiftung in Anacapri findet sich von Max’ Hand der Vermerk »Gmunden September 1901«. Die folgenden Zitate des Absatzes ebd. Erschienen unter dem Pseudonym Gregor Samarow; Samarow, Krone Dornen. – Meding war damals ein äußerst erfolgreicher Schriftsteller, der sogar einmal in Diensten der Welfendynastie gestanden hatte. Fürbringer, Störungen; Fürbringer, »Sterilität des Mannes«. Zum medizin- bzw. mentalitätsgeschichtlichen Kontext dieser »Entdeckung« von Sexualtherapien für die ärztliche Praxis vgl. Putz, Verordnete Lust, S. 157 ff. Vgl. hier insbesondere Munthes in korrektem Deutsch angefertigte Exzerpt des Artikels von Paul Dittmar, »Zur Kritik der Gassenschen Apparate für die Behandlung der Potentia virilis«, in: Die Medicinische Woche 44, 3. 11. 1902, in: Archiv der Axel-Munthe-Stiftung Anacapri. Vgl. hierzu die entsprechenden Einträge im Karlsruher Hoftagebuch von 1901, in: GLA 47/2109. Telegramm aus Karlsruhe, 13. 10. 1901, in: Stadtarchiv Trier, NL Kraus; mit dem Zusatz: »wäre sehr glücklich«! Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 20. 10. 1901, in: PA AA , R 2666. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 12. 11. 1901, in: PA AA , R 2673. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 3. 1902, in: HZA , LA 142, Bü 737. Sogar das Karlsruher Hoftagebuch vermeldete das »Eintreffen des Dr. Munthe aus Rom.« (GLA , 47/2109). Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 25. 10. 1901, in: PA AA, R 11234. Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 28. 10. 1901, in: ebd.; vgl. auch Karlsruher Zeitung, 5. 11. 1901. Vgl. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 12. 11. 1901, in: PA AA , R 11234. 576 558
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Zit. nach Jangfeldt, Road to San Michele, S. 190. Es befindet sich als handschriftliches Original im SRA , NL Munthe. Vgl. dazu Benninghaus, »Männliche Unfruchtbarkeit«, S. 144 ff. MvB an Axel Munthe, 22. 12. 1912, in: SRA , NL Munthe. Originaltext in Englisch. Vgl. hierzu die Fallstudien von Fetting, Selbstverständnis. Hierzu mit Verweisen auf die einschlägige Literatur: Gajda, Katharina II . Vgl. etwa die Studie über das dänische Königshaus von Langen, Den afmægtige, S. 205 ff. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 12. 11. 1901, in: PA AA , R 11234 bzw. 24. 11. 1901, in: ebd., R 2666; vgl. auch GLA , 47/2109. Marginalie Wilhelms II . zum Bericht des Gesandten Eisendecher, 12. 11. 1901, in: PA AA Berlin R 2673. Kaiser Wilhelm II . an Großherzogin Luise von Baden, 9. 1. 1902, in: GStA , BPH, Rep. 53 Nr. 60. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 24. 1. 1902, in: PA AA , R 2666. Cosima Wagner an ihre Freundin Gräfin Wolkenstein, 17. 5. 1902, in: NA RWS, Hs 190 Nr. 379. Vgl. Königlich Preußische Ordensliste, 1905, Teil 1, S. 2 und 11. – Die Verleihung der Kette erfolgte im Jahre 1903. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 6.6. 1902, in: PA AA , R 2666. Vgl. Der Seebote, 25. 8. 1901 sowie Bote vom Salemer Thal, 26.8. 1902. Außer dem badischen Großherzogspaar war von der monarchischen Prominenz des Reiches niemand bei der Taufe vertreten. Der Kaiser hatte seinen Vetter geschickt, Prinz Leopold von Preußen. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 13. 1. 1903, in: BA K, N 1016 Bülow Nr. 59; vgl. auch die einschlägigen Dokumente, in: PA AA , R 2666. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 29. 3. 1902, in: HZA , LA 142/737. MvB an Cosima Wagner, 31. 12. 1901, in: NA RWS , III A5. Zitate aus seinem bereits oben ausführlich gewürdigten Gedicht »Harmony«. MvB an Cosima Wagner, 11. 2. 1903, in: NA RWS , III A5. Vgl. auch GLA , 47/2111 sowie PA AA, R 2667. Zu diesem und anderem Grunderwerb von Munthe in dieser Zeit vgl. Jangfeldt, Osalig Ande, S. 380 ff. Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 11. 6. 1903, in: HZA, LA 142/785; ebd. auch das folgende Zitat. Hierzu GLA , 47/2111. MvB an Cosima Wagner, 4. 12. 1903, in: NA RWS , III A5. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 30. 1. 1904, in: PA AA , R 2667. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 15. 2. 1904, in: ebd. Vgl. Valentini, Kaiser und Kabinettschef, S. 73; Munthe und Uexküll-Schwerin, The Story, S. 73; Neue Preußische Zeitung Nr. 144 und 145, 25. und 26.3. 1904; Die Post, 30. 3. 1904; Vossische Zeitung, 30. 4. 1904. – In dem Fotoalbum »Mittel577 559
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meerreise 1904«, das sich im Bildarchiv der Stiftung Haus Doorn befindet, gibt es eine Aufnahme, die Wilhelm und Victoria vor dem Hotel Morano (heute Hotel San Michele) zeigt, das nur ein paar hundert Meter von der Villa San Michele entfernt lag. Vgl. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 16.4. 1904, in: PA AA , R 2667. Vgl. GLA, 47/2112. MvB an Cosima Wagner, 8. 7. 1904, in: NA RWS , III A5. Es handelt sich um seinen damaligen Adjutanten Kurt von Bohlen und Halbach. MvB an Cosima Wagner, 24. 9. 1904, in: NA RWS , III A5; dort auch die beiden folgenden Zitate. Vgl. Großherzog Friedrich von Baden an Kronprinz Gustaf von Schweden, 4. 9. 1904, in: BFA, Gustaf V, Nr. 47. – Der Brief berichtet, daß das Resultat von Pagenstechers Untersuchung »nicht ungünstig« gelautet habe. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 28. 9. 1904, in: PA AA , R 2667. GLA , 47/2113 (hier S. 58-73). Großherzog Friedrich von Baden an Kronprinz Gustaf von Schweden, 4. 9. 1904, in: BFA, Gustaf V, Nr. 47. GLA , 47/2113 (hier S. 73). GLA , 47/2113 (hier S. 81 bzw. 91); vgl. auch Engadin Express & Alpine Post, 20. 6. bzw. 11. 7. 1905. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 31. 7. 1905, in: PA AA , R 2667. MvB an Max von Fürstenberg, 30. 8. 1905, in: Fürstlich Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen. Vgl. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 21. 9. 1905, in: PA AA , R 2667. MvB an Cosima Wagner, 11. 10. 1905, in: NA RWS , III A5. MvB an Johannes Müller, 10. 5. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 25. 2. 1906, in: PA AA , R 2668. Vgl. auch Bray-Steinburg, Geschichte, S. 298 ff. Marie von Radziwill an General de Robilant, 24./25. 2. 1906, in: Radziwill, Lettres, Bd. 3, S. 233 f.; im Original englisch. Wilhelm II . an Großherzog Friedrich von Baden, 3. 3. 1906, in: W. Fuchs (Hg.), Großherzog Friedrich I., Bd. 4, S. 628. Vgl. GLA , 47/2114: Hoftagebuch 1906, S. 36 ff.; sowie Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bernhard von Bülow, 3. 4. 1906 (mit Zeitungsbeilagen), in: PA AA , R 2668. Sie ist auf den 3. November 1963 datiert und überliefert nicht nur Munthes Selbstbezichtigung, sondern teilt auch mit, daß Munthes Sohn Malcom, aus seiner 1907 geschlossenen Ehe, Oliv diese Verwandtschaft mit den Worten bestätigt habe: »Ja, er ist mein Halbbruder, das ist allgemein bekannt.« (SRA, NL Munthe, Korrespondenzen Nr. 2). Auch Munthes Biograph Bengt Jangfeldt vetritt eine solche Hypothese; vgl. Jangfeldt, Osalig Ande, S. 377 f. 578 560
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Vgl. hierzu den zeitgenössischen Diskurs bei Benninghaus, »Great expectations«; sowie Schreiber, Befruchtung, S. 102 ff. – Pionierarbeit auf diesem äußerst heiklen – da nicht nur medizinisch, sondern auch ethisch und juristisch damals noch heftig umstrittenen – Gebiet leistete mit seiner Untersuchung der Sexualwissenschaftler Rohleder, Die Zeugung beim Menschen. Für diesen Arzt war eine künstliche Besamung auch bei jenen »Impotenzformen, welche eine normale Ejaculatio spermatis in vaginam unmöglich machen«, indiziert, worunter er ausdrücklich »Perversionen (Homosexualität)« zählte (ebd., S. 239 f.). – Möglicherweise hat Munthe ein Verfahren antizipatorisch angewandt, das erst viele Jahrzehnte später zur gynäkologischen Praxis wurde. Vgl. Hommel, »Hermann Rohleder«. Vgl. GLA, 47/2114: Hoftagebuch 1906, S. 121 ff. Freundliche Auskunft von Frau Unger von der RWS (Bayreuth) bzw. Frau Huber von der Bibliothek St. Moritz. Fritz Rhena an Johannes Müller, 20. 11. 1906, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller. Fritz Rhena an Johannes Müller, 10. 12. 1906, in: ebd. MvB an Cosima Wagner, 7. 7. 1905, in: NA RWS , III A5. Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 1. und 3. 11. 1901, in: PA AA , R 2666. – Max’ Brief an den Kaiser ist im Original nicht überliefert. Vgl. hierzu wie auch zum Folgenden: Bray-Steinburg, Geschichte, S. 278 ff.; außerdem GLA , 47/2111. Karl von Eisendecher an Bernhard von Bülow, 3. 6. 1903, in: PA AA, R 2666. MvB an Cosima Wagner, 4. 12. 1903, in: NA RWS , III A5. Vgl. Rangliste der Königlich Preußischen Armee 1903, S. 33. – Zu Kurt von Bohlen und Halbach, der 1907 zu einem Husarenregiment versetzt wurde und 1908 ganz aus dem Militärdienst ausschied, um nach Argentinien auszuwandern, war trotz intensiver Recherche kaum etwas in Erfahrung zu bringen. MvB an Cosima Wagner, 24 .9. 1904, in: NA RWS , III A5; dort auch das folgende Zitat. Vgl. dazu die biographischen Aufzeichnungen der Schwester von Racknitz’, die damals Hofdame bei der Großherzogin Luise war. Der Verfasser dankt Dr. Wolfram Frhr. von Racknitz (Bad Rappenau), der mir diese Unterlagen zur Verfügung stellte. – Darin heißt es noch: »Der Prinz hatte sich in letzter Zeit öfter mit Karl befaßt, hatte seine geistigen vielseitigen Interessen erkannt, ihn besucht, ihm Bücher ausgeliehen.« (FA vR) MvB an Johannes Müller, 5. 12. 1908 bzw. 1. 8. 1909, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). K. Kraus, »Maximilian Harden«, S. 53. Hier interessiert vor allem die biographische Ebene. Die Geschichtswissenschaft hat die Bedeutung des Eulenburg-Skandals inzwischen erkannt und differenziert erforscht. Vgl. Machtan, »Politische Moral«. Tresckow, Von Fürsten, S. 164 f. Vgl. Robert von Zendlitz-Trützschler, Zwölf Jahre am deutschen Kaiserhof, Berlin und Leipzig 1924, S. 161. Vgl. GLA, 47/2115. Das Nachfolgende nach einer Aufzeichnung Philipp zu Eulenburgs, in: BA K, N 1029 Eulenburg Nr. 75. 579 561
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Zit. nach: Domeier, Eulenburg-Skandal, S. 169. Vgl. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 229, S. 1909 f., 1916 (29. 11. 1907) und 2014 f. (3. 12. 1907) (in der Reihenfolge der angeführten Zitate). Vgl. die Belege bei Domeier, Eulenburg-Skandal, S. 338 f. MvB an Daniela Thode, 30. 12. 1907, in: NA RWS , H3 64/III -5. BA K, N 1029 Eulenburg Nr. 75. Axel Munthe an Philipp zu Eulenburg, 28. 6. 1908, in: Eulenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 3, S. 2186 f. MvB an Johannes Müller, 18. 4. bzw. 1. 8. 1909, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. zur militärgeschichtlichen Zeitenwende Funck, »Bereit zum Krieg?« sowie Schilling, Kriegshelden, S. 195 ff. Einen Einblick in die Routine eines kommandierenden Generals vermittelt Schönburg-Waldenburg (Erinnerungen, S. 111 ff.), der 1895/96 als militärischer Adjutant bei der Kavalleriebrigade in Karlsruhe Dienst tat. MvB an Johannes Müller, 25. 1. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 11. 3. 1910, in: PA AA , R 2671 sowie MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenberg, 4. 4. 1910, in: HZA , LA 142, Bü 738. Vgl. GLA, 47/2117. MvB an Johannes Müller, 19. 4. bzw. 11. 5. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). – Seine Vorgesetzten in Karlsruhe waren damals der Befehlshaber des XIV . Armeekorps Ernst von Hoiningen sowie der Kommandeur der 28. Division Eberhard von Krosigk. MvB an Johannes Müller, 24. 6. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller, (Abschrift). Vgl. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 9. 6. 1911, in: PA AA , R 2671, wo von einer »besonders gnädigen Kabinettsorder [des deutschen Kaisers], die ich lesen durfte«, die Rede ist. Abgebildet im Katalog: Sommerfrische in Salem, S. 81. Vgl. die zahlreichen Beispiele bei Warning und Wehle (Hg.), Fin de siècle; außerdem J. Schuster, »Wellenschlag«. MvB an Cosima Wagner, 8. 7. 1904, in: NA RWS , III A5.
Kapitel 5: Verbürgerlichung auf prinzlichem Niveau 1 2
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Das Folgende nach Haury, Von Riesa nach Schloß Elmau. Brandenburg, Feuer, S. 249. – Von dem Schriftsteller Hans Brandenburg stammt eine der dichtesten Beschreibungen des Phänomens und Menschen Johannes Müller; vgl. ebd., S. 248 ff. Fendrich, Mainberg, S. 67, 109 und 117. Bahr-Mildenburg, Erinnerungen, S. 127 ff. J. Müller, »Erinnerungen«, S. 214 ff. Friedrich Rhena an Johannes Müller, 25. 2. bzw. 25. 9. 1899, in: Archiv Schloß 580 562
Elmau, NL Müller.
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Friedrich Rhena an Johannes Müller, 12. 5. 1902, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller. Friedrich Rhena an Johannes Müller, 20. 11. bzw. 10. 12. 1906, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller. Johannes Müller an seine Frau Irene, 6. 3. 1907 (Privatbesitz Uwe Richardsen, Garmisch-Partenkirchen). Friedrich Rhena an Johannes Müller, 10. 8. 1907, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller. Vgl. GLA, 47/2116. Friedrich Rhena an Johannes Müller, 11. 11. 1908, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller. MvB an Johannes Müller, 24. 11. 1908, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); daraus auch die Zitate im folgenden Absatz. MvB an Johannes Müller, 5. 12. 1908, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). J. Müller, »Erinnerungen«, S. 214 f.; dort auch das folgende Zitat. Die Briefe Müllers an MvB haben sich nicht erhalten; Müller schreibt, Max habe sie 1914 vernichtet: ebd., S. 218. Johannes Müller rückblickend an MvB , 30. 1. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 4. 5. 1909, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 16. 5. 1909, in: ebd. Johannes Müller an MvB , o. D. [Mai 1909], diese Briefabschrift zit. nach: J. Müller, »Erinnerungen«, S. 218 f. MvB an Johannes Müller, 16. 5. 1909, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch das folgende Zitat. Vgl. MvB an Johannes Müller, 7. 7. 1909, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 1. 8. 1909, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 18. 9. 1909, in: ebd. Max habe sich als »dankbarer Schüler gefühlt«, während Müller ihm »die neue Art Leben gezeigt« habe. (J. Müller, »Erinnerungen«, S. 216 f.) MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 4. 4. 1910, in: HZA , LA 142, Bü 738. MvB an Anna Bahr-Mildenburg, 13. 10. 1912, in: Österreich Theatermuseum Wien, NL Bahr. Brandenburg, Feuer, S. 258. MvB an Johannes Müller, 5. 10. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 31. 10. 1910, in: ebd. J. Müller, »Freiwillige Armut«. MvB an Johannes Müller, 20. 12. 1909 bzw. 8. 2. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); aus dem letztgenannten Brief auch das folgende Zitat. MvB an Johannes Müller, 22. 10. 1912, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 16. 5. 1909, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 22. 10. 1912, in: ebd. MvB an Houston S. Chamberlain, 10. 9. 1909, zit. nach: Urbach und Bucher, »Briefwechsel«, S. 137 f. Ernst zu Hohenlohe-Langenburg an Cosima Wagner, 5. 3. 1910 (HZA, LA 142, 581 563
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Bü 886): »Vor einigen Tagen konnte ich mehrere Stunden mit meinem Vetter Max von Baden verbringen […] Er sprach mir mit vieler Teilnahme von den Schriften eines Johannes Müller, die darauf hinwirken sollen, die Vertiefung und Entwickelung der eigenen Persönlichkeit auf der Basis des von Christus in seinem Leben gegebenen Beispiels als den Weg zur Besserung der kulturlosen, barbarischen Zustände hinzustellen.« Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 12.-26. 3. 1910, zit. nach: Wagner, Leben, S. 719. MvB an Johannes Müller, 28. 8. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 28. 8. 1911, in: ebd. Johannes Müller an Hermann Bahr, 30. 6. 1912, in: ebd. Brandenburg, Feuer, S. 261. Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, Juni 1914, in: Wagner, Briefwechsel Hohenlohe-Langenburg, S. 329 f.; vgl. auch den Brief, 24. 6. 1913, ebd., S. 321. Vgl. Bahr-Mildenburg, Erinnerungen, S. 119. Die folgenden Zitate nach J. Müller, Geheimnis, Bd. 2, S. 179 ff. Vgl. hierzu im einzelnen Canis, Deutsche Außenpolitik 1902-1914. MvB an Johannes Müller, 5. 1. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Cosima Wagner, 8. 7. 1904, in: NA RWS , III A5 bzw. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 31. 7. 1908, in: HZA, LA 142, Bü 738. – Vgl. auch MvB an Johannes Müller, 16. 11. 1909, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Zu den Einzelheiten dieses Konfliktes vgl. Winzen, Kaiserherrlichkeit, S. 47 ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 12. 6. 1906, in: HZA , LA 142, Bü 738. MvB an Daniela Thode, 30. 12. 1907, in: NA RWS , H3 64/III -5. MvB an Daniela Thode, 30. 12. 1907, in: ebd. Zur Entstehungsgeschichte, realhistorischen Bezügen und der zeitgenössischen Rezeption dieses »Hofromans« vgl. Th. Mann, Hoheit, und Th. Mann, Essays, S. 344 ff.; vgl. außerdem die Fallstudie von Post, »Spiegelungen«. Unter der Überschrift »Unsre Fürsten und wir« veröffentlicht Der Kunstwart drei Beiträge: Nach einer halbseitigen Einleitung von Ferdinand Avenarius (S. 1), kritisiert »Ein deutscher Füst«, der anonym bleibt, den Roman (S. 1-3), auf diese Kritik antwortet Thomas Mann (S. 4-6). Ein Beitrag von Avenarius beschließt den Artikel (S. 7-11); vgl. Avenarius u. a., »Unsre Fürsten und wir«. Avenarius, »Unsre Fürsten und wir«, S. 7-11; daraus auch die folgenden Zitate. MvB an Johannes Müller, 9. 4. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Avenarius, »Die Fürsten und Thomas Mann«. Bernhard von Bülow an Wilhelm II ., 17. 7. 1906, in: GStA, BPH Rep 53 I Lit B Nr. 16a Bd· III . – Der Verfasser dankt Martina Fetting für diesen Hinweis. MvB an Johannes Müller, 4. 11. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Dazu im einzelnen und mit weiteren Literaturverweisen Röhl, Weg in den Abgrund, S. 706 ff. 582 564
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So der preußische Gesandte in Darmstadt, Jenisch, an Bernhard von Bülow, 14. 1. 1909, in: PA AA, R 3060. Zur besorgten Reaktion der gekrönten Häupter auf den Prestigeverlust des Kaisers vgl. auch das vertrauliche Schreiben von dessen Schwester Charlotte an ihren Leibarzt Ernst Schweninger, 18. 11. 1908, in: BA Berlin, NL Schweninger Nr. 131 sowie Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 476. Wilhelm II . an Luise von Baden, 5. 2. 1909, in: GStA, BPH Rep. 153 Nr. 81. PA AA , NL Eisendecher Nr. 1-2. Vgl. GLA, 47/2117. MvB an Johannes Müller, 8. 2. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Nach dem wörtlichen Abdruck des Schreibens bei Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 3, S. 339. J. Weiß, Lebenserinnerungen, S. 113 f. MvB an Johannes Müller, 25. 1. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. beide Zitate. MvB an Daniela Thode, 30. 12. 1907, in: NA RWS , H3 64/III -5. Nach dem Stenogramm von Max’ Eröffnungsansprache, 27. 11. 1907, zit. nach: GStA , I . HA Rep. 81 Gesandtschaft Karlsruhe Nr. 107. Vgl. hierzu ausführlich Thiel, Großblockpolitik; Fenske, Der liberale Südwesten, S. 169 ff.; M. Braun, Emil Maier, S. 59 ff.; Franzen, Suche, Bd. 1, S. 135 ff. Alle Zitate dieses sowie des folgenden Absatzes: MvB an Johannes Müller, 25. 1. bzw. 8. 2. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Zu Frank vgl. Watzinger, Ludwig Frank. Zu Kolb als Schlüsselfigur der deutschen Vorkriegssozialdemokratie vgl. Franzen, Suche, Bd. 2, S. 287, 698 und passim. MvB an Johannes Müller, 19. 4. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Karl von Eisendecher an Theobald von Bethmann Hollweg, 26. 4. 1910, in: PA AA , R 2671. Vgl. (auch zum Folgenden) Urbach und Buchner, »Briefwechsel«. MvB an Houston S. Chamberlain, 10. 9. 1909, in: ebd., S. 139. MvB an Johannes Müller, 15. 10. 1909, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch das folgende Zitat. MvB an Johannes Müller, 24. 8. 1911, in: ebd.; MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 10. 9. 1913, in: HZA, LA 142 Bü 738. Field, Evangelist of Race. Vgl. die komprimierte Exegese bei Large, »Spiegelbild des Meisters?«, S. 150 ff. MvB an Johannes Müller, 25. 1. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 8. 2. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). So Karl von Eisendecher in seinem Bericht an den Reichskanzler Bethmann Hollweg, 22. 2. 1910, in: Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 328. Nach dem preußischen Gesandten Karl von Eisendecher »zu Unrecht«, wie er am 22. 2. 1910 gegenüber Reichskanzler Bethmann Hollweg bemerkte; ebd., S. 344. Vgl. dazu ebd., S. 337, 338 f., 345 f., 379, 383 und passim. 583 565
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Verhandlungen der Stände-Versammlung des Großherzogtums Baden 1909/1910, S. 878 f. MvB an Daniela Thode, 17. 7. 1910, in: NA RWS , Hs 64/III -7. Dies bezog sich vor allem auf die Debatte des SPD -Parteitages in Magdeburg, wo die badischen Genossen wegen ihrer Budgetbewilligung unter argen Beschuß seitens der Parteileitung in Gestalt von August Bebel geraten waren. Ludwig Frank hatte daraufhin versucht, das obrigkeitsfreundliche Verhalten seiner Landtagsfraktion mit dem Argument zu rechtfertigen, »daß man diejenigen Monarchen, die sich uns nicht direkt entgegenstellen und sich konstitutionell zurückhalten, eben nicht persönlich zu bekämpfen braucht«. Bebel hätte doch letztens selbst im Reichstag gesagt, »bei einer eventuellen Kaiserwahl wäre es der Prinz Ludwig von Bayern, für den er stimmen würde«. Er (Frank) »möchte aber, damit wir Badener nicht benachteiligt sind, und damit es wenigstens zur Stichwahl kommt, auch den badischen Thronfolger, Prinz Max, zu berücksichtigen bitten (große Heiterkeit), denn der hat sich auch für ein besseres Wahlrecht ausgesprochen, der ist auch für die Berücksichtigung der Interessen der unteren Klassen eingetreten, er hat sich sozialer erwiesen als der Vertreter der Scharfmacherliberalen in der Ersten Kammer und des Zentrums. Aber diese Dinge sind nicht so unbedingt aktuell, daß es sich lohnen würde, über diese Alternative uns gegenseitig Unannehmlichkeiten zu sagen.« (Protokoll des Parteitages der SPD. Magdeburg 1910, S. 274 und 371). MvB an Johannes Müller, 28. 9. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch die folgenden Zitate. Vgl. hierzu Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 354 ff. – Der Begriff in der Nationalzeitung, 29. 10. 1910. Vgl. Karlsruher Zeitung, 6. 11. 1910; außerdem Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 5. 11. 1910, in PA AA, R 2671. Nach dem Redeabdruck in der Karlsruher Zeitung, 21. 1. 1911. MvB an Johannes Müller, 3. 2. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Daß es sich bei dieser Kaninchenzüchter-Abordnung um Personen handelte, »die sozialdemokratische Stimmzettel abgeben«, ebd. MvB an Johannes Müller, 25. 5. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 15. 6. 1911, in: ebd. Münchener Neueste Nachrichten, 9. 6. 1911; vgl. auch Frankfurter Zeitung, 8. bzw. 9. 6. 1911. Damit entsprach Max jenem neuen Anforderungsprofil für Politiker im späten Kaiserreich, das jüngst als »Ästhetisierung des Politischen« beschrieben worden ist, ein seit 1900 zu beobachtendes Phänomen.Vgl. Wolfram Pytas Vortrag »Genie und Charisma« auf einer Heidelberger Tagung im Juni 2011 zum gleichen Thema; dort wird ausgeführt, »wie sehr deutungskulturelle Meinungsführer in Deutschland etwa von 1900 an erpicht waren, die Träger politischer Herrschaft ästhetisch zu erhöhen und ihnen auf diese Weise über die aus rationaler Herrschaft stammenden Befugnisse hinaus zusätzliche charismatische Ressourcen zu erschließen«. – Der Verfasser dankt Wolfram Pyta für die Einsicht in sein noch unveröffentlichtes Vortragsmanuskript. 584 566
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Bernhard von Bülow an Großherzog Friedrich von Baden, 28. 10. 1906, in: Philippi, Preußen, S. 242. Hermann Hodenhagen an MvB , 7. 9. 1906, in: HStA H , Dep. 37S Nr. 290 (Konzept). Vgl. Gahlen, Offizierskorps; sowie Rumschöttel, Offizierskorps. Nach dem dynastischen Prinzip war 1884 der vakante Thron des Herzogtums Braunschweig an das 1866 entkrönte Königshaus Hannover gefallen. Reichskanzler Bismarck hatte diese Erbfolgeregelung aber zu verhindern gewußt, da er die Welfendynastie als reichsfeindlich einstufte. So wurde in Braunschweig erst ein preußischer Prinz als Regent eingesetzt, dem 1907 Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin nachfolgte. Dessen ungeachtet war Max’ Schwiegervater – nach damals geltendem Recht – der einzig legitime Herrscher in dem Bundesstaat. MvB an Prinz Ludwig von Bayern, 16. 1. 1908, in: BayHStA, GHA NL König Ludwig III ., Nr. 161. MvB an Prinz Ludwig von Bayern, 19. 2. 1908, in: ebd. Vgl. Ernst August von Cumberland an Prinz Ludwig von Bayern, 26. 5. 1908, in: ebd., Nr. 164. Ernst August von Cumberland an Prinz Ludwig von Bayern, 14. 8. 1908, in: ebd. Vgl. Machtan, Abdankung, S. 37 ff. Keller, Vierzig Jahre, S. 284 (Eintrag vom 21. 5. 1910). Zur Ereignisgeschichte vgl. Steckhan, Welfenbericht, S. 110 ff. Zu diesem Notenwechsel im einzelnen PA AA, R 4191. Zu den Einzelheiten vgl. Former, »Hochzeit«. MvB an Johannes Müller, 21. 5. 1912, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. auch GLA , Best. 47/2120. Neue Freie Zeitung, 30. und 31. 5. 1912 (»Kaiser Wilhelm und die Familie Cumberland«). So der Welfenführer Ludwig Alpers in »Meine Beziehungen zu Prinz Max von Baden«, in: Privatbesitz, Hamburg-Harburg. Vgl. das Schreiben von Großherzog Friedrich Franz IV. von MecklenburgSchwerin an seinen Onkel Johann Albrecht, 9. 6. 1912, in: LHA S, 4/1 NL Johann Albrecht Nr. 32; dort auch die folgenden Zitate. – Vgl. außerdem PA AA , R 2894. Lokal-Anzeiger, 1. 6. 1912. Vgl. die Denkschrift Bethmann Hollwegs, 31. 5. 1912, in: GStA, Rep. 89 Nr. 13123, die der Kaiser am 1. 6. an den Chef seines Geheimen Zivilkabinetts weiterleitete. Zit. nach: Former, »Hochzeit«, S. 88. Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin an seinen Onkel Johann Albrecht, 9. 6. 1912, in: LHA S, 4/1 NL Johann Albrecht Nr. 32. Vgl. Konrich, Festbüchlein, S. 6: »Seit Jahren schon wollten die Gerüchte von einer bevorstehenden Verlobung des Welfensprosses mit der Zollerntochter nicht zum Schweigen kommen.« MvB an Kaiserin Auguste Viktoria, 28. 12. 1912, in: GStA , BPH , Rep. 53 W Nr. 2. Vgl. Karl von Eisendecher an Bethmann Hollweg, 4. 2. 1913, in: PA AA, NL Eisendecher Nr. 1-8; zudem Braunschweig, Kaiserin, S. 165. 585 567
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MvB an den Minister des Königlichen Hauses Graf August von Eulenburg, 18. 1. 1913, in: GStA, BPH , Rep. 53 W Nr. 2; dort auch die ersten Zitate des näch-
sten Absatzes. Übrigens hat auch die Forschung keine Notiz von diesem Akt vorauseilenden Gehorsams genommen. Nach dem handschriftlichen Original, datiert auf 21. 1. 1913, in: GStA , BPH , Rep. 53 W Nr. 2; dort auch das erwähnte Begleitschreiben MvB s. Kaiser Wilhelm II . an MvB , 27. 1. 1913, in: ebd. (von Wilhelm abgezeichnetes Konzept). MvB an Frau von Brauer, 31. 1. 1913, in: GLA , 69 NL v. Holzing-Berstett Nr. 305g. So seine Marginalie auf dem Telegramm Maxens aus Anacapri, 3. 2. 1913, in: GStA , BPH , Rep. 53 W Nr. 2. Neue Freie Presse, 11. 2. 1913. Vgl. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 12. 2. 1913, in: PA AA , R 4191, dem gegenüber der Kaiser sich »sehr anerkennend« über die Vermittler-Tätigkeit von Max ausgesprochen hat. Wilhelm II . hat auf dem Karlsruher Residenzschloß bestanden, weil er – aus symbolischen Erwägungen – Wert darauf legte, daß seine greise Tante Luise als Tochter des preußischen Königs und erstem Reichsmonarchen Wilhelm I. dem Brautpaar seinen Segen gibt. Max hatte sich das oberbayerische Partenkirchen als Verlobungsort gewünscht. – Zu den Feierlichkeiten ausführlich GLA , Best. 47/2121 sowie Keller, Vierzig Jahre, S. 237 ff. Vgl. Adels- und Salonblatt Nr. 3/1913, S. 38. Zum Kontext vgl. Lange, Fahneneid, S. 57 ff. Vgl. die ausführliche, auch die Welfenpresse ausgiebig zitierende Darstellung in der Neuen Freien Presse, 13. bzw. 14. 2. 1913. Vgl. die mehrspaltige Hofberichterstattung der Neuen Preußischen Zeitung, 2. bzw. 3. 3. 1913; außerdem Konrich, Festbüchlein, S. 19 ff. Vgl. neben Philippi, Preußen; und W. Bringmann, Thronfolgefrage; vor allem die detaillierte Rekonstruktion bei Hartwieg, Braunschweigs Thron. Das Welfenhaus war damals von einer Thronbesteigung in Braunschweig kategorisch ausgeschlossen worden. GStA , Rep. 89 Nr. 13123. Überliefert ist dies als 12-seitiges Typoskript in: LHA S , 2.26-1. Großherzogliches Kabinett II Nr. 1292. Ob dem Autor von Sachkennern zugearbeit wurde, ist nicht überliefert. – Die Zitate im folgenden Absatz entstammen diesem Dokument. Hierzu mit vielen Details vor allem zum äußeren Ablauf Konrich, Festbüchlein, S. 35 ff. Keller, Vierzig Jahre, S. 289. Vgl. hierzu im einzelnen die von großer Irritation zeugende Berichterstattung der Deutschen Volkszeitung seit Mai 1913 sowie die handschriftliche Aufzeichnung des Welfenführers Ludwig Alpers »Zur Thronfolge in Braunschweig«, in: KA Bremervörde, NL Alpers. – Zur Hohenzollernschen Wahrnehmung dieser Umtriebe vgl. GStA, Rep. 89 Nr. 13123. Vgl. GLA, Best. 47/2121. Zu Bethmann Hollwegs Entwurf, dessen redaktionelle Bearbeitung sowie zur hier zitierten Endausfertigung vgl. die Dokumente, in: GStA, Rep. 89 Nr. 13123. 586 568
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Über den Text dieser Verzichtsurkunde, die Ernst August von Cumberland Anfang September 1913 ausfertigte, sollte es im Herbst noch einigen redaktionellen Streit geben; vgl. dazu Hartwieg, Braunschweigs Thron, S. 94 ff. MvB an Johannes Müller, 26. 4. 1912, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). HStA H , Dep. 37 S Nr. 289. Bethmann Hollweg an Kaiser Wilhelm II ., 22. 4. 1913, in: GStA , Rep. 89 Nr. 13123. Vgl. Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 10, S. 96; in der Sitzung vom 3. 5. 1913 machte Bethmann Hollweg seinen Kollegen »vertrauliche Mitteilungen über die Verhandlungen mit dem Herzog von Cumberland und dem Prinzen Ernst August wegen des Verzichtes auf Hannover«. So der Chef des Geheimen Zivilkabinetts Valentini an den preußischen Hausminister Eulenburg, 11. 10. 1913, in: GStA, Rep. 89 Nr. 13123. Vgl. Konrich, Festbüchlein, S. 44 ff.; weitere Verweise und Bildmaterial bei Former, »Hochzeit«, S. 97 ff.; sowie Steckhan, Welfenbericht, S. 128 ff. Telegramm Kaiser Wilhelms II . an das Herzogspaar von Cumberland, 26. 5. 1913, in: GStA, BPH, Rep. 53 W Nr. 2 (Abschrift). Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 5. 6. 1913. Zur Vorgeschichte dieser Veröffentlichung sowie des Artikels in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vgl. GStA, Rep. 89 Nr. 13123 sowie PA AA, R 4192. Theobald von Bethmann Hollweg an Wilhelm II ., 1. 9. 1913, in: GStA, Rep. 89 Nr. 13123 (Konzept). Vgl. auch Philippi, Preußen, S. 177. Vgl. PA AA, R 2909. Zit. nach dem stenographischen Protokoll in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, 14. 1. 1914. Neue Zürcher Zeitung, 27. 12. 1913: »Die Welfenfrage in Deutschland«. MvB an Johannes Müller, 15. 3. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. hierzu auch die Dokumente in: PA AA, R 4191. Hierzu mit einschlägigen Quellen Aschoff, Bewegung, S. 303 ff.; ebd., S. 310 auch das Zitat. Vgl. den Essay von Bruch, »Das wilhelminische Kaiserreich«, S. 21. Vgl. hierzu auch Machtan, Abdankung, S. 48 ff. Karl Otto Erdmann, Das monarchische Gefühl, Florenz und Leipzig 1898, S. 11. MvB an Anna Bahr-Mildenburg, 13. 8. 1912, in: ÖTM , NL Bahr. MvB an Bethmann Hollweg, 20. 12. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 642. MvB an Johannes Müller, 25. 1. 1910, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 15. 10. 1909, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 5. 1. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 26. 4. 1909, in: ebd. bzw. Ernst zu Hohenlohe-Langenburg an Cosima Wagner, 5. 3. 1910, in: HZA, LA 142, Bü 886 über sein neuliches Gespräch mit Max, wo er »von seiner Frau sprach«. Cosima Wagner an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 12.-26. 3. 1910, zit. nach: Wagner, Leben, S. 719. 587 569
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Johannes Müller an seine Frau, Irene Müller, 23. 3. 1909 (Privatbesitz Richardsen). MvB an Johannes Müller, 10. 5. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. GLA, Best. 47/2119. MvB an Johannes Müller, 5. 3. 1911, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 10. 5. 1911, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 13. bzw. 25. 5. 1911, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 28. 11. 1912, in: ebd. Marie Louise von Baden an Axel Munthe, 9. 12. 1912, in: SRA, NL Munthe, Ergänzungsband 2; im Original englisch. MvB an Johannes Müller, 26. 4. 1913, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Axel Munthe, 22. 12. 1912, in: SRA , NL Munthe, Ergänzungsband 2; im Original englisch. MvB an Frau von Brauer, 31. 1. 1913, in: GLA , Best. 69 NL v. Holzing-Berstett/305g (II .). MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 31. 7. 1908, in: HZA , LA 142, Bü 738. MvB an Johannes Müller, 13. 8. 1912, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Cosima Wagner, 21. 8. 1911, in: NA RWS , III A5. MvB an Anna Bahr-Mildenburg, 20. 7. 1912, in: ÖTM , NL Bahr. MvB an Anna Bahr-Mildenburg, 17. 9. 1912, in: ebd. MvB an Frau Paulcke, 11. 12. 1912, in: GLA , NL Paulcke Nr. 2. MvB an Johannes Müller, 4. 5. 1909, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Biographische Angaben zu dem damals 29-jährigen Geiger aus Wien finden sich in seiner Personalakte, in: GLA , 57a/629. MvB an Johannes Müller, 26. 4. bzw. 18. 6. 1909, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 1. 8. 1909, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 26. 4. 1909, in: ebd. Vgl. die wenig aufschlußreiche biographische Skizze K. Sauer, »Paulcke«; ergiebiger sind Paulckes Erinnerungen Berge als Schicksal. Die privaten Briefe Paulckes haben seine Nachkommen dem Hause Baden übereignet; andere Nachlaßteile bewahrt das GLA . Zu dieser Schau, die am 18. 12. 1909 eröffnete, vgl. die Berichte in der Karlsruher Zeitung, 21. bzw. 23. 12. 1909. Paulcke, Berge als Schicksal, S. 95 ff.; ebd., S. 96 auch das folgende Zitat. Vgl. MvB an Marie Paulcke, 18. 2. 1912, in: GLA KA , N Paulcke Nr. 1. Auf dieser ersten überlieferten Briefkarte mit Ansichten, Hotel Margna in Sils-Baselgia im Ober-Engadin schreibt Max, daß Wilhelm Paulcke zu ihm ins Gebirge gekommen sei, »um mir die Geheimnisse des Skilaufs und die tiefe Sprache des Hochgebirges zu erschließen, wie gerade er es so vorzüglich vermag«. – Auf dieses gemeinsame Erlebnis ist er später immer wieder als ein zutiefst beglückendes zurückgekommen. MvB an Marie Paulcke, 10. 7. 1912, in: GLA , NL Paulcke Nr. 1; vgl. auch ebd. sei588 570
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nen Brief, 30. 4. 1912, wo er der »wundervollen Frau« dafür dankt, »was sie mir von sich aus gegeben hat«. MvB an Marie Paulcke, 25. 7. 1912, in: ebd. Marie Paulcke an MvB von »Ende Juli« 1912, in: ebd. (Konzept). MvB an Marie Paulcke, 1. 8. 1912, in: ebd. MvB an Marie Paulcke, 22. 8. 1912, in: ebd. Paulcke, Berge als Schicksal, S. 98. MvB an Marie Paulcke, 18. 12. 1912, in: GLA , NL Paulcke Nr. 1. MvB an Marie Paulcke, 1. 1. 1913, in: ebd. MvB an Marie Paulcke, 8. 4. 1913, in: ebd. So Max’ Charakterisierung des Ehepaares Paulcke in seinem Brief an Anna Bahr-Mildenburg, 20. 11. 1912, in: ÖTM , NL Bahr; ebd. auch das nächste Zitat. Marie Paulcke an MvB aus Karlsruhe, 8. 4. 1913, in: GLA, NL Paulcke Nr. 1 (Konzept). Vgl. hierzu das einschlägige Fotobildmaterial, in: ebd., Nr. 274. MvB an Anna Bahr-Mildenburg aus Sils, 13. 8. 1912, in: ÖTM , NL Bahr, bzw. an Johannes Müller, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Paulcke, Berge als Schicksal, S. 164 ff. MvB an Marie Paulcke, 3. 8. 1913, in: GLA , NL Paulcke Nr. 2. Vgl. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 20. 7. 1913, in: HZA, LA 142 Bü 738 sowie MvB an Johannes Müller, 23. 7. 1913, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Marie Paulcke, 6. 8. 1913, in: GLA , NL Paulcke Nr. 2. MvB an Marie Paulcke, 16. 7. 1913, in: ebd. MvB an Marie Paulcke, 18. 8. 1913, in: ebd. Vgl. ebd., (undatierte Gedichtkarte). MvB an Johannes Müller, 15. 3. bzw. 19. 4. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Marie Paulcke, 3. 5. 1914, in: GLA , NL Paulcke Nr. 3; vgl. außerdem Max’ Postkarte an die Großherzogin Luise aus Florenz, 22. 4. 1914, in: ebd., 69 Baden Sammlung 1995 F I. MvB an Marie Paulcke, 3. 8. 1914, in: GLA , NL Paulcke Nr. 3.
Teil III 1914-1918 Kapitel 6: Prinz Max im Kriegszustand 1 2
MvB an Johannes Müller, 4. 8. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Ab-
schrift). Das Karlsruher Hoftagebuch verzeichnete bereits am 27. 8. 1914 seine Rückkehr nach Karlsruhe, von wo er am 31. noch einmal für ein paar Tage ins Große Hauptquartier nach Luxemburg ging; am Tag zuvor war er von Großherzog Friedrich II . noch mit dem Kommandeurkreuz mit Stern des Militärischen Karl-Friedrich-Verdienstordens hoch dekoriert worden. Für den Mo589 571
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nat September findet sich kein weiterer Eintrag mehr über ihn: GLA , Best. 47/2122. MvB an Johannes Müller, 14. 9. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 20. 9. 1914, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 9. 4. 1917, in: ebd. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 12. 2. 1915, in: HZA , LA 142 Nr. 738. Vgl. an Erinnerungswerken vor allem: Unser Korps; Deuringer, Schlacht in Lothringen und den Vogesen; Deimling, Zeit; Szczepanski, »Kampf«; Mohr, Erinnerungen; Die Badener im Weltkrieg; außerdem: Deisenroth, Reiseführer; Th. Müller, Dellmensingen; Zirkel, Deimling, S. 95 ff.; sowie Herwig, Marne 1914, S. 76 ff. Schließlich die archivalische Überlieferung, in: GLA, Best. 59/316. Vgl. hierzu die gründliche Analyse von Storz, »Stellungs- und Festungskrieg«, S. 176-184. Die Badener im Weltkrieg, S. 36; vgl. auch mit eindrucksvollen Kampfschilderungen und Bildern Unser Korps, S. 25 ff. Deimling, Zeit, S. 182. In seiner Privatkorrespondenz ist von einer schweren Darminfektion die Rede, von der er nach 14 Tagen wiederhergestellt war. Vgl. GLA, 47/2122, hier S. 91 f. Die Badener im Weltkrieg, S. 510. Das Kommandeurkreuz mit Stern haben im Ersten Weltkrieg acht Personen erhalten. MvB an Johannes Müller, 9. 4. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Karl von Eisendecher an Theobald von Bethmann Hollweg, 17. 8. 1914, in: Kremer (Bearb.) Berichterstattung, Bd. 2, S. 461. MvB an Johannes Müller, 14. 9. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. eindringlich Jünger, Kriegstagebuch. Unser Korps, S. 25; über die martialischen Kampfhandlungen der LothringenSchlacht anschaulich ebd., S. 26 ff. MvB an Johannes Müller, 14. 9. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 10. 10. 1914, in: ebd. MvB an Houston S. Chamberlain, 24. 9. 1914, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 143 f. Houston S. Chamberlain an MvB , 22. 9. 1914, in: NA RWS , NL Chamberlain (Abschrift). Vgl. Der Feldgraue, S. 48 ff. Ebd., S. 60 f. Karl von Eisendecher an Theobald von Bethmann Hollweg, 8. 10. 1914, in: Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 465. Karl von Eisendecher an Theobald von Bethmann Hollweg, 11. 7. 1915, in: PA AA , R 2673. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 13. 4. 1916, in: ebd. Vgl. Wilhelm II . als Oberster Kriegsherr, S. 1 ff., sowie Röhl, Weg in den Abgrund, S. 1184 ff. 590 572
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Vgl. GLA, Best. 47/2122. Vgl. den bezüglichen Telegrammwechsel zwischen Kaiser Wilhelm II . und Großherzog Friedrich, 9. 11. 1914, den die Karlsruher Zeitung am 21. 11. 1914 veröffentlichte. Vgl. den Tagebucheintrag des Admirals Alexander von Müller, 6. 11. 1914, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 68. – Vgl. auch MvB an Johannes Müller, 29. 10. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Schlacht an der Yser und bei Ypern, S. 72 f.; sowie Deimling, Zeit, S. 194 ff.; R. v. Bayern, Kriegstagebuch, Bd. 1, S. 247 ff.; außerdem Afflerbach, Falkenhayn, S. 194 ff.; Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr, S. 27, 190 ff. bzw. 688 ff. Kessler, Tagebuch, Bd. 5, S. 249 (Eintrag 8. 3. 1915); ebd. auch das folgende Zitat. Von Kronprinz Rupprecht wissen wir nur, daß er den Prinzen im November 1914 tatsächlich in seinem Hauptquartier in Lille gesprochen hat: Brief an seinen Vater König Ludwig III ., 18. 11. 1914, in: BayHStA, GHA, NL König Ludwig III . Nr. 59. Lyncker an seine Gattin, 17. 11. 1914, zit. nach: Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr, S. 200. Vgl. Chamberlain, Briefe 1882-1924, Bd. 2, S. 244 f. – Chamberlain stilisierte Wilhelm II . zum »Friedenskaiser« und »großen und guten, von seinen Standesgenossen so schmählich betrogenen Fürsten«. (Kriegsaufsätze, S. 13 f.) Zum Feldherrn im Weltkrieg vgl. die (stellenweise etwas überzeichnete) Darstellung von D. Weiß, Rupprecht von Bayern, S. 96 ff.; vgl. auch Machtan, Abdankung, S. 97 ff. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 7. 12. 1914, in: BayHStA, GHA , NL Kronprinz Rupprecht, Nr. 433. Und noch ein Kompliment machte er ihm: »Wenn ich stets für Bayern und sein Königshaus die wärmsten Empfindungen der Achtung und Sympathie gehabt habe, so sind sie im Verlauf dieses Krieges nur noch gewachsen, und ich habe es als ein großes Glück erachtet, daß wir in schweren Schlachten in engster Fühlung mit den bayerischen Truppen unter Deiner Führung haben kämpfen dürfen. Meine Landsleute haben mit mir dies Gefühl geteilt, welches in der Bewunderung für bayrische Tapferkeit und der festen Zuversicht in die Sicherheit und Klarheit der Führung gipfelte.« MvB an Axel Munthe, 5. 1. 1915, in: SRA , NL Munthe: »This Xmas will ever remain for me one of the most beautiful ones possible. I am happy I was there.« – Vgl. auch MvB an Johannes Müller, 11. 1. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Rupprechts Kriegstagebuch, 20. 12. 1914, in: BayHStA, GHA, NL Kronprinz Rupprecht, Nr. 701 sowie MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 7. 12. 1914, in: ebd. Nr. 433. Zit. nach: Wilhelm II . als Oberster Kriegsherr, S. 714. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 26. 2. 1915, in: HZA , LA 142, Nr. 738. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 11. 7. 1915, in: PA AA , R 2673. Diese Korrespondenz befindet sich vermutlich im Nachlaß der Großherzogin, der nach Auskunft des GLA im Familienarchiv des Hauses Baden in Salem unter Verschluß liegt. – Von ihrer historischen Existenz und Relevanz berichtet der preußische Gesandte in Karlsruhe, Karl von Eisendecher, an den Reichskanzler 591 573
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am 1. 11. 1916 mit den Worten, man könne »diesen ununterbrochenen Austausch von Meinungen und Stimmungen der hervorragenden ältesten Angehörigen des Hauses Hohenzollern mit dem Kaiserlichen Neffen in schwerer Kriegszeit nur als segensreich lebhaft begrüßen«. Was Wilhelm II . mit der Marginalie »ja« quittierte: PA AA, R 2376. Hierzu Machtan, Abdankung, S. 92 ff. MvB an Johannes Müller, 29. 10. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Hessen-Darmstadt, Erinnertes, S. 147; Kasten, »Großherzog«, S. 267 f.; Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 464 f. Vgl. Tagebuch Valentini, 30. 3. 1915, zit. nach der Abschrift, in: BA K, N 1058/26. Vgl. Kriegstagebuch Rupprecht, 6. 4. 1915, in: BayHStA, GHA, NL Kronprinz Rupprecht Nr. 702; zum Kontext Afflerbach, Falkenhayn, S. 218 ff. Vgl. Die Badener im Weltkrieg, S. 126 ff. sowie 478. MvB an Johannes Müller, 12. 6. 1915, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 12. 3. 1917, in: ebd. In der offiziösen Karlsruher Zeitung findet sich nicht eine Zeile über Max’ dreiwöchigen Dienst an der Waffe. Vgl. Lutzer, Frauenverein, S. 188 ff.; vgl. auch Lauter, Luise von Baden, sowie die Zeugnisse bei Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 463 und passim. Kriegstätigkeit des Badischen Landesvereins, S. 24. So das großherzogliche Genehmigungsschreiben vom 10. 10. 1914 im Staatsanzeiger, zit. nach: Karlsruher Zeitung, 13. 10. 1914. MvB an den Karlsruher Oberbürgermeister Karl Siegrist, 14. 10. 1914, in: Stadtarchiv Karlsruhe, 8/Autographen. Vgl. hierzu StA K, S. II Nr. 5993; zum historischen Kontext Leiber, »Kriegsfürsorge«, S. 197 ff. Zur Kriegsgefangenenproblematik vgl. mit weiterführender Literatur Oltmer, Kriegsgefangene. Vgl. MvB an Axel Munthe aus Berlin o. D. [September 1915], in: SRA, NL Munthe Vol. 2: »My principle work is with the prisoners of the war.« Wie seine Begrüßungsansprachen an die Austauschverwundeten zeigen (vgl. etwa Konstanzer Zeitung, 24. 7. bzw. 20. 12. 1916), hat sich Max als Propagandist eines dezidiert monarchischen Kriegspatriotismus hervorgetan. Vgl. die biographische Skizze von Meyer-Pritzl, »Rechtshistoriker und Pionier«. Einschlägiges Quellenmaterial hierzu im NL Partsch, MPI ER . Allerdings erst viele Jahre später, nach Partschs Tod; vgl. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 76 f. Gemeint war der Zeitpunkt des Antritts der Kanzlerschaft Max von Badens, als diese Fürsorgetätigkeit des Prinzen auf einmal eine herausragende Bedeutung erhielt. Joseph Partsch an seine Eltern, 4. 10. 1918, in: MPI ER, NL 4 (Partsch), 77:8. Zarin Alexandra an Zar Nikolaus II ., 25. 6. 1915, zit. nach: Aleksandra, Letters of the Tsaritsa, S. 112. Zum Kontext vgl. Wurzer, Kriegsgefangenen der Mittelmächte. Vgl. Gerard, Jahre in Deutschland, S. 270 ff. 592 574
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MvB an Großherzogin Eleonore von Hessen-Darmstadt, 24. 8. 1915, in: StA D ,
D 24 Nr. 57/1. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 11. 7. 1915, in: PA AA , R 2673. MvB an Johannes Müller, 18. 8. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Aus dem Nachruf eines »M.Sch.« in der Konstanzer Zeitung, 7. 11. 1929, der sich selbst als Freund des Verstorbenen bezeichnet. Quervain, Unter Kriegsgefangenen, S. 179 f. Gerard, Jahre in Deutschland, S. 268. Ebd., S. 267 f. – Vgl. auch MvB an Johannes Müller, 17. 3. 1916, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller, Abschrift: Zwei Aufgaben lägen vor ihm, »die eine führt mich nach Luzern, wo ich mit einem englischen Delegierten des Roten Kreuzes verhandeln soll, die andere nach Berlin, wo ich eine Gesellschaft zur Pflege der Gefangenen in Deutschland und Rußland gründen muß«. Zur deutschen Außenpolitik nach Kriegsbeginn K. Hildebrand, Reich, S. 321 ff.; außerdem Winterhager, Mission. Vgl. K. Hildebrand, Reich, S. 343. Hierzu speziell Linke, Rußland, S. 98 ff. Vgl. Wilhelm II . als Oberster Kriegsherr, S. 25 ff., sowie Röhl, Weg in den Abgrund, S. 1195 ff. Notizen der Königin Victoria von Schweden über ihre Unterredung mit Kaiser Wilhelm II . in Berlin am 17./18. 12. 1914, zit. nach: Carlgren, Neutralität, S. 63. Kronprinz Wilhelm von Preußen an Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, 6. 2. 1915, in: StA D, D 24 37/2. Vgl. dazu das vernichtende Urteil des Ex-Kanzlers: Vgl. Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 3, S. 155 ff. und passim. Hierzu wie auch zum Folgenden vgl. Hürter, »Staatssekretäre«, S. 219 ff. Tagebuch Plessen aus Charleville, 25. 11. 1914, zit. nach: Wilhelm II . als Oberster Kriegsherr, S. 702 bzw. Lerchenfeld an Hertling aus Berlin, 17. 10. 1915, zit. nach: Deuerlein (Hg.), Briefwechsel Hertling-Lerchenfeld, Bd. 1, S. 545. Gerard, Jahre in Deutschland, S. 34 f.; Spitzemberg, Tagebuch, S. 551ff.; Zimmermanns Korrespondenz mit dem Magdeburger Zeitungsverleger Faber, in: S tA Mgd, Rep. 30 NL Faber. Vgl. Kessler, Tagebuch, Bd. 5, S. 250 ff.; Zitat S. 254. Vgl. GLA, 233/34836 bzw. 34824. Bei Aufenthalten in Salem ließ er sich die diplomatischen Akten nachsenden. Vgl. Wagner, Leben, S. 732. Kessler, Tagebuch, Bd. 5, S. 247 (Einträge 4. und 7. 3. 1915). – Zum historischen Kontext vgl. Hindenburg, Am Rande, S. 284ff.; Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 3, S. 193 ff.; (analytisch) Afflerbach, Falkenhayn, S. 274 ff.; Jordan, Alpen, S. 66 ff.; sowie Isnenghi und Rochat, Grande Guerra, S. 99 ff. MvB an Johannes Müller, 12. 3. 1915, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 12. 6. 1915, in: ebd. Zum Folgenden vgl. Winterhager, Mission, S. 646 ff.; sowie Afflerbach, Falkenhayn, S. 295 ff. 593 575
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F. Fischer, Weltmacht, S. 158 und ff. Hierzu nach wie vor die fundierte Untersuchung von Carlgren, Neutralität, S. 120 ff.; eine dichte Aktenüberlieferung der entsprechenden Vorgänge findet sich in: PA AA, R 11301. Schiff-Drost, Knoten, S. 4. Vgl. Warburgs »Mission in Schweden«, in: SWA, NL Max Warburg; daraus das unten folgende Briefzitat Ballins. Vgl. Warburgs Briefe an Albert Ballin, 21. 6., 28. 6. und 3. 7. 1915, in: SWA, NL Max Warburg. MvB an Johannes Müller, 12. 6. 1915, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). In dem erwähnten Buch von Carlgren, Neutralität, S. 125 f. wird Max’ Brief an Gustaf V . nach dem Original im Archiv des schwedischen Außenministeriums paraphrasiert. Wie das Archiv mitteilte, ist dieses Original allerdings unauffindbar, so daß der Inhalt nach Carlgren referiert werden muß. »Euer Exzellenz haben den Prinzen, wie ich von ihm weiß, unlängst eingehender gesprochen und dabei wohl ebenfalls den Eindruck seiner nützlichen Tätigkeit gewonnen«, schrieb Karl von Eisendecher am 11. 7. 1915 sichtlich erfreut an seinen Chef, in: PA AA , R 2673. Das Original dürfte sich unter seinen Nachlaßpapieren im Archiv des Hauses Baden in Salem befinden. MvB an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 29. 6. 1915, in: PA AA , R 11301. Wie Anm. 101. Bethmann Hollweg an MvB , 4. 7. 1915, in: PA AA , R 11301 (Konzept). Hierzu auch die Überlieferung in: HHStA, AR F2/33 Baden. MvB an Bethmann Hollweg, 10. 7. 1915, in: PA AA , R 11301; daraus die folgenden Zitate. MvB an Theobald von Bethmann Hollweg, 22. 7. 1915, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 658. So der deutsche Militärattaché bei den Nordischen Reichen, von Aweyden, nach Berlin, vgl. PA AA , R 11301; vgl. Jarlert, Victoria, S. 266 f. MvB an Johannes Müller, 11. 9. 1915, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 14. 10. 1915, in: ebd. MvB an Kaiser Wilhelm II ., 20. 11. 1915, in: PA AA , R 11303. Vgl. Telegramm Treutlers an Bethmann Hollweg, 2. 11. 1915, wo es heißt, Falkenhayn »freut sich, daß auch Ew. Exzellenz keine sehr weitgehenden Hoffnungen auf Schweden setzen. Auch der Kaiserliche Gesandte in Stockholm Lucius sah ein Scheitern der geplanten Mission voraus«, in: PA AA, R 11303. Die Einzelheiten sind bei Carlgren, Neutralität, S. 213 ff., mitgeteilt; vgl. außerdem den »Bericht über die um Mitte November 1915 in Stockholm durch Prinz Max von Baden, Großh. Hoheit und den ihm zugeteilten Oberst im Generalstabe Freiherrn von Hammerstein geführten Verhandlungen über ein Bündnis einer Militärkonvention in Schweden«, in: PA AA, R 11303. MvB an Kaiser Wilhelm II ., 20. 11. 1915, in: PA AA , R 11303. MvB an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 20. 4. 1916, in: ebd., R 20463. Nach dem Tagebuch des Admirals Müller, 27. 11. 1915, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 141. 594 576
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MvB an Johannes Müller, 12. 3. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Ab-
schrift). In seinen Memoiren hieß es später etwas gefälliger: »Ehe ich [aus Berlin] abreiste, beschloß ich, meine Bemühungen um einen russischen Separatfrieden in ein neues Stadium zu leiten.« (Baden, Erinnerungen und Dokumente [1927], S. 84; dort S. 84 f. auch weitere Informationen). Eine dritte Variante lautete so: »Ich war in Coburg, als die Abdankung des russischen Kaisers gemeldet wurde. Tante Marie und ich waren starr vor Erstaunen, umso mehr als ich gerade im Auftrag des Reichskanzlers mit ihr einen Weg suchte, dem russischen Kaiser seine kritische Lage zur Kenntnis zu bringen und eine Besprechung in Stockholm, zu der ich mich deutscherseits anbot, vorzuschlagen.« (MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 30. 4. 1917, in: HZA, LA 142, Nr. 738) – Zur Realgeschichte vgl. allerdings PA AA, R 2672 bzw. R 20476; außerdem die Erinnerungen von Paul Rohrbach, in: BA K, N 1403 NL Rohrbach Nr. 53, hier S. 233. Hierzu im einzelnen Altrichter, Rußland 1917, S. 132 ff.; sowie Carrère d’Encausse, Nikolaus II ., S. 422 ff. MvB an Houston S. Chamberlain, 1. 4. 1916, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 149 f. Vgl. Hürter, »Staatssekretäre«, S. 235 ff. Kessler, Tagebuch, Bd. 5, S. 353 f. MvB an Johannes Müller, 11. 4. 1916, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 11. 9. 1915, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). – Zur politischen Biographie Helfferichs vgl. Williamson, Helfferich, S. 111 ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 26. 2. 1915, in: HZA , LA 142, Nr. 738. Chamberlain gegenüber hatte er wenige Monate zuvor noch wesentlich positiver geurteilt: »Von dem hohen und edlen Sinn des Reichskanzlers habe ich in längeren Gesprächen einen tiefen und erfreuenden Eindruck gewonnen. Er ist ein Deutscher schönsten Schlags. Ob er die schöpferische Gestaltungskraft besitzt, die die ungeheure Aufgabe eines Friedensschlusses, wie wir ihn brauchen, und die Neugestaltung Deutschlands nach einem solchen zu lösen vermag, darüber maße ich mir heute noch kein Urteil zu. Wie er ist, ist er gerade jetzt recht«, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 145. Vgl. etwa die Tagebuchaufzeichnungen des Journalisten Guttmann, Schattenriß, S. 120 ff. Bethmann Hollweg an MvB , 25. 4. 1916, in: PA AA, R 20463 (Konzept). – Es ging um ein Treffen von Max mit dem englischen Journalisten und Parlamentarier Ian Malcolm in Luzern, das aber nicht zustande kam. Vgl. BA K, N 1016 Bülow Nr. 59. MvB an Johannes Müller, 30. 7. 1916, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); dort auch die nächsten Zitate. – Vgl. auch MvB an Ernst zu HohenloheLangenburg, 14. 8. 1916, wo es über den gleichen Vorgang heißt: »Man sprach von Friedensmöglichkeiten, und die Spitze richtete sich ziemlich allgemeine hauptsächlich gegen Rußland. Da sagte ich: England ist aber dennoch unser größter und gefährlichster Gegner. Bethmann wandte sich scharf gegen mich und frug: Wie soll man beweisen können, daß England unser gefährlichster Gegner ist? Sie 595 577
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sind alle gleich gefährlich. Damals wunderte ich mich nur etwas, jetzt aber verstehe ich, daß er in meinen Worten eine Kritik seiner Gedanken erblickte«, in: HZA , LA 142 Nr. 738. Vgl. Steinert, Land, S. 381 f. MvB an Houston S. Chamberlain, 19. 8. 1916, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 159. Gottlieb von Jagow an MvB , 5. 7. 1916, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1927), S. 23. MvB an Johannes Müller, 30. 7. 1916, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); dort auch die nächsten Zitate. Hierzu jetzt im einzelnen Pyta, Hindenburg, S. 214 ff.; sowie Nebelin, Ludendorff, S. 206 ff. MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 14. 8. 1916, in: HZA , LA 142 Nr. 738. MvB an Houston S. Chamberlain, 4. 9. 1916, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 159 ff. Er sei »nicht grundsätzlich Antisemit«, erklärte er ein Jahr später dem Schriftsteller Walter Bloem, »aber die Fremdheit der Rasse empfinde er doch«. (Tagebuch Bloem, 15. 4. 1917, in: StA W, ND S 2 NL Bloem, Karton 18: Kriegstagebuch Bd. 5) Vgl. hierzu Stibbe, Anglophobia. Seit 1914 hatte Max ein selbständiges Polen für ganz »ausgeschlossen« erklärt: MvB an Johannes Müller, 10. 10. 1914, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 2. 1. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); daraus auch die folgenden Zitate. MvB an Houston S. Chamberlain, 22. 1. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 166. Kaiser Wilhelm II . an Houston S. Chamberlain aus dem Großen Hauptquartier in Pless, 15. 1. 1917, in: NA RWS , NL Chamberlain. Hierzu detailliert Steglich, Bündnissicherung. Zur historisch-kritischen Einordnung dieser nicht zuletzt taktischen Initiative souverän: Pyta, Hindenburg, S. 236 ff. Vgl. Röhl, Weg in den Abgrund, S. 1198 ff.; vgl. auch Breuer, Rechte, S. 140 ff., der bereits vor 1914 eine Affinität des deutschen Kaisers zur radikalen Rechten feststellt. MvB an Houston S. Chamberlain, 22. 1. 1917, in: Urbach und Bucher, »Briefwechsel«, S. 165 f. In seinen öffentlichen Ansprachen an die Kriegsinvaliden hat Max auch immer wieder betont, daß das »Band, das das deutsche Volk mit seinem Kaiser verbindet, unzerreißbar« sei. (Zit. nach: Konstanzer Zeitung, 24. 7. 1916) MvB an Axel Munthe, 11. 9. 1915 (SRA , NL Munthe); an Johannes Müller, 14. 9. 1915, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); an Houston S. Chamberlain, 17. 9. 1915, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 139 ff. Vgl. mit weiteren Hinweisen Jeismann, »Propaganda«. – Ideengeschichtlich grundlegend Verhey, Geist von 1914. Vgl. J. Müller, Geheimnis, Bd. 2, S. 359 ff.; sowie Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 130 ff. – Zur intellektuellen Mobilmachung im Sinne der »Ideen von 1914« vgl. allgemein Bruendel, Volksgemeinschaft. 596 578
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233 ff. Außerdem MvB an Johannes Müller, 30. 7. bzw. 11. 9. 1915, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. MvB an Axel Munthe, 5. 1. 1915, in: SRA , NL Munthe. Zu Elmau vgl. Haury, Von Riesa nach Schloß Elmau, S. 85 ff. Ausführliche Schilderung dieses Vorfalls bei MvB an Marie Paulcke, 30. 6. 1915, in: GLA, N Paulcke Nr. 4. – Zu den Luftangriffen auf Karlsruhe im Ersten Weltkrieg vgl. allgemein Asche u. a., Karlsruhe, S. 371 ff. MvB an Johannes Müller, 1. 12. 1915, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. die merkwürdig distanzierten Berichte in MvB an Munthe, Müller und Hohenlohe-Langenburg, 6., 30. 7 und 14. 8. 1916, in: SRA, NL Munthe; Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); HZA, LA 142 Nr. 738. Vgl. MvB an Axel Munthe, 6. 7. 1916, in: SRA, NL Munthe; MvB an Johannes Müller, 30. 7. 1916, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 14. 8. 1916, in: HZA, LA 142 Nr. 738. MvB an Axel Munthe, 6. 7. 1916, in: SRA , NL Munthe. MvB an Houston S. Chamberlain, 4. 8. 1916, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 160. Vgl. MvB an Marie Paulcke, 1. 9. 1916, in: GLA, N Paulcke Nr. 5. J. Müller, Geheimnis, Bd. 2, S. 426. MvB an Johannes Müller, 12. 3. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. die Briefe von Johannes Müller an seine Frau Irene, 31. 3. und 1. 4. 1917, in: Archiv Richardsen Garmisch-Partenkirchen sowie MvB an Johannes Müller, 9. 4. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Die entsprechende Meldung der Karlsruher Zeitung, 3. 4. 1917 lautete: »Nachdem Seine Großherzogliche Hoheit Prinz Max im vergangenen Jahr durch die Mitarbeit an der Fürsorge für unsere Kriegsgefangenen in Feindesland, ferner durch wiederholte Besuche unserer Internierten in der Schweiz und beim Austausch der Schwerverwundeten in Konstanz sowie durch andere wichtige Geschäfte in Berlin vollständig in Anspruch genommen war, hat er sich heute wieder an die Front begeben, um die badischen Truppen zu besuchen.« MvB an Houston S. Chamberlain, 20. 4. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 170. Zum Alltag in dieser wichtigen Etappenstadt um 1916, die auch Sitz des deutschen Militärgerichts war, vgl. Arnold Zweigs 1935 erschienenen Roman Erziehung vor Verdun. Vgl. Jung, Max von Gallwitz, S. 77 ff. BA -MA , N 710/32. So die Bezeichnung von Walter Bloem, dem Chef der Feldpressestelle, nach einem Besuch des Prinzen; Tagebuch Bloem, 15. 4. 1917, in: StA W, ND S 2 NL Bloem, Karton 18, Kriegstagebuch Bd. 5. MvB an Johannes Müller, 9. 4. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch das folgende Zitat. Vgl. auch MvB an Johannes Müller, 24. 4. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift), wo es ergänzend zu diesem Statement noch heißt: »Es ist eben über mich, wie über jeden, geklatscht worden. Das hat mir Rack598 580
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nitz auf meine Fragen auch gesagt. Er wußte auch den Mühlhauser Blödsinn«. Vgl. Pyta, Hindenburg, S. 117 ff. Zum biographischen Hintergrund Bloems vgl. die Skizze von Stauffer, Bloem. Aufschlußreich auch Bloems autobiographische Veröffentlichung: Bloem, Vormarsch, S. 451 ff. Tagebuch Bloem, 15. 4. 1917, in: StA W , ND S 2 NL Bloem, Karton 18, Kriegstagebuch Bd. 5. Zit. nach: Verhandlungen der Stände-Versammlung Großherzogtum Baden 1917/18, S. 3 ff. (Sitzung 24. 4. 1917) MvB an Johannes Müller, 24. 4. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); vgl. auch ebd. seinen Brief, 29. 4. 1917. Vgl. Johannes Müller an seine Frau Irene, 7. 5. 1917, in: Archiv Richardsen Garmisch Partenkirchen. Protokoll der Fakultätssitzung, 9. 5. 1917, in: UA FR , Bestand B 110/329; vgl. auch ebd. das Protokoll, 14. 5. 1917 sowie GLA, 47/2125, S. 34. Chickering, Freiburg, S. 401; vgl. auch zum Folgenden ebd. ff. Vgl. unter verallgemeinernder Perspektive die Einleitung der Anthologie von Böhme (Hg.), Aufrufe. Nach dem Original in: GLA , 235/4681. Alle badischen Blätter haben anläßlich des Festaktes am 11. 6. 1917 im Karlsruher Schloß darüber in großer Aufmachung berichtet. Johannes Müller an MvB, 22. 6. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 24. 6. 1917, in: ebd. Zu Beerfelde vgl. Wieland, »Kriegsschuldfrage«. – Außerdem Young, Prince Lichnowsky, S. 149 ff. sowie die autobiographische Skizze: Beerfelde, Kurzbericht. Reiches Quellenmaterial zu dieser Freundschaft findet sich im NL Müller, Archiv Schloß Elmau. Vgl. Rathenau, Briefe, Bd. 2, S. 1705 f.; Wolff, Tagebücher, Bd. 1, S. 503; Beerfelde, Kurzbericht, S. 4 f.; und Johannes Müller an Hans-Georg von Beerfelde, 6., 7. und 23. 6. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschriften). MvB an Johannes Müller, 24. 6. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 31. 8. bzw., 1. 10. 1917, in: ebd. Der große Berliner Journalist Theodor Wolff charakterisiert Beerfelde in seinen Lebenserinnerungen als einen »schönen Schwärmer« und »Phantasten«. Keiner von dieser Spezies »konnte selbstloser, aufrichtiger und reiner sein als er, und keiner war so zeitfremd wie dieser Gralsritter und kindliche Abenteurer des Glaubens, in dem sich die Mystik mit dem sozialen Idealismus vereinte« (Wolff Epoche, S. 189). MvB an Karl Eduard von Racknitz, 27. 6. 1917, in: FA vR. MvB an Houston S. Chamberlain, 30. 6. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 171 f. MvB an Kurt Hahn, 14. 10. und 27. 8. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 619 und 624. MvB an Axel Munthe, 14. 10. 1917, in: SRA , NL Munthe: »[…] in the end I had a break down, my nerves were used too much«; ebd. auch das folgende Zitat. 599 581
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MvB an Johannes Müller, 29. 12. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift).
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Eine konzise Darstellung des im Folgenden Umrissenen bei Neitzel, Weltkrieg, S. 95 ff.; erhellend auch die Analyse im Einleitungskapitel »Deadlock, 19141917«, in: Stevenson, With Our Backs, S. 1-29. Vgl. hierzu detailliert Schlott, Friedensnote, S. 30 ff. Vgl. zum Folgenden Nebelin, Ludendorff, S. 219 ff. – Auf der referierenden Ebene ist dieser Darstellung wenig hinzuzufügen; die analytischen Akzente und Urteile stammen allerdings vom Verfasser. Hierzu grundlegend Pyta, Hindenburg, S. 205 ff. Dazu und zum Folgenden Machtan, Abdankung, S. 79 ff. Tagebuch Rupprecht von Bayern, 14. 7. 1917, in: BayHStA, GHA, NL Kronprinz Rupprecht Nr. 706 (S. 2716 f.). Eine eingehende Untersuchung des Kanzlerwechsels im Sommer 1917 liefert Becker, Michaelis, S. 354 ff. Zum Folgenden Seils, Weltmachtstreben, S. 15 ff. sowie 223 ff. Auch hierzu sehr detailliert Seils, Weltmachtstreben, S. 462 ff. MvB an Houston S. Chamberlain, 4. 2. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 167. Tagebucheintrag, 3. 2. 1917, zit. nach: Quervain, Unter Kriegsgefangenen, S. 188 f. MvB an Houston S. Chamberlain, 4. 2. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 167. Chamberlain, Wille zum Sieg, S. 15 f. MvB an Johannes Müller, 19. 1. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Tagebuch Müller, 14. 1. 1917, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 250; vgl. Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr, S. 466. Chamberlain, Wille zum Sieg, S. 18; mit deutlicher Anspielung auf die Reichsregierung hatte Chamberlain offen kritisiert, daß »von sehr einflußreichen Stellen aus, dem Willen zum Sieg, wie wir ihn wecken und großziehen müßten, entgegengearbeitet« würde. Vor allem nachdem er davon gehört hatte, daß der Kaiser sich über solche Intrigen empörte; vgl. Militär und Innenpolitik, Bd. 2, S. 670 ff. MvB an Houston S. Chamberlain, 9. 3. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 169; ebd. auch die folgenden Zitate. Weitere Zeugnisse dieser Verlegenheit enthalten die beiden Briefe von MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 10. 3. 1917, in: BayHStA, GHA, NL Rupprecht Nr. 433, sowie an Johannes Müller, 12. 3. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller. MvB an seinen Adjutanten Karl Eduard von Racknitz, 27. 6. 1917, in: FA vR. Vgl. Militär und Innenpolitik, Bd. 2, S. 689 f. bzw. 711 f. MvB an Johannes Müller, 24. 6. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). 600 582
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Vgl. Pöhlmann, Kriegsgeschichte, S. 37 f. Vgl. Militär und Innenpolitik, Bd. 1, S. LVII f. MvB an Hans von Haeften, 7. 7. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 150; ebd., S. 149 f. auch das folgende Zitat. Zur Einstellung Max von Badens gegen ein demokratisches Wahlrecht im Sommer 1917 vgl. die Erinnerungen des badischen Schriftstellers Anton Fendrich (Die Kluft, S. 70 ff.), der über seine (vergeblichen) Versuche berichtet, den Thronanwärter von einem solchen Wahlrecht zu überzeugen; der blieb dabei, daß es »eine innere Unwahrheit« sei. Friedrich Payer an seine Frau, 10. bzw. 14. 7. 1917, in: BA K, N 1020/45. Riezler, Tagebücher, S. 439. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 152 bzw. 157. MvB an Johannes Müller, 17. 7. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Hierzu im einzelnen Becker, Michaelis, S. 354 ff., der allerdings das politische Gewicht seines Protagonisten aufwertet; vgl. auch Röhl, Weg in den Abgrund, S. 1219 ff. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 160. Wilhelm II . an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 12. 5. 1917, zit. nach: Militär und Innenpolitik, Bd. 2, S. 748 ff. So das Konzept eines Schreibens MvB s an Kaiser Wilhelm II ., 16./17. 7. 1917, in: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 159. Vgl. hierzu sowie zum Folgenden die Aufzeichnung von Conrad Haußmann, die er unmittelbar im Anschluß an die Unterredung niederschrieb, in: HStA S , Q 1/2 Bü 29. Vgl. außerdem Kurt Hahn an MvB , 19. 7. 1917, zit nach dem Faksimile bei Dargel (Hg.), Prinz Max von Baden, S. 17; Original im Privat-Archiv Baden in Salem. Vgl. Friedrich von Payer an seine Frau Alwine, 10., 13. und 14. 7. sowie 21. 8. 1917, in: BA K, N 1020/45. Vgl. die Zeugnisse bei Haußmann, Schlaglichter, S. 95 ff. sowie Haußmanns tagebuchartigen Aufzeichnungen und Notizen zur Juli-Krise von 1917, in: HStA S, Q 1/2 Nr. 205. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 165. MvB an Johannes Müller, 28. 7. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch die folgenden Zitate. – Vgl. auch die entsprechenden Eintragungen aus dieser Zeit im Karlsruher Hoftagebuch, in: GLA , 47/2125. Kurt Hahn an Conrad Haußmann, 22. 7. 1917, in: HStA S, Q 1/2 Bü 54. Ein ausführlicher Bericht über den Salembesuch von Hahn ist in Max’ Schreiben an Johannes Müller, 12. 8. 1917 zu finden, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch das folgende Zitat. MvB an Kurt Hahn, 18. 8. 1917, zit. nach der Abschrift, in: SLA , NL Golo Mann D-2-a-1/2. MvB an Kurt Hahn, 27. 12. 1917, zit. nach der Abschrift, in: SLA , NL Golo Mann D-2-a-1/2. Kurt Hahn an MvB , 22. 8. 1917: »Ein Hineinziehen der Obersten Heeresleitung in diesem Stadium wäre nach v. Haeften ein schwerer Fehler«, zit. nach dem Faksimileabdruck des Briefes bei Dargel (Hg.), Prinz Max von Baden, S. 26. – 601 583
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Ihre politische »Hauptaufgabe« sah die OHL damals vielmehr darin, »eine starke Regierung zu schaffen, die Volk und Parlament führt« und dabei »die Zügel fest in die Hand nimmt«: Denkschrift Ludendorffs für Reichskanzler Michaelis von Oktober 1917, aufgesetzt von Oberstleutnant Bauer, in: BA K, N 102272. Für eine solche Aufgabe schien Max von Baden Ludendorff denkbar ungeeignet. Eine wissenschaftliche Biographie dieser wichtigen Persönlichkeit der Zeitgeschichte existiert bis heute nicht. Zu den thematisierten Aspekten: G. Mann, »Kurt Hahn als Politiker«; Hahn, Reform; Angress, »Berater«; Friese, Hahn. Koch, »Hahn«; es handelte sich um Röhren- und Walzwerke, die zur Stahl verarbeitenden Montanindustrie zählten. Zur Firmengeschichte des Stammwerkes vgl. Wessel, »Die Hahnschen Werke«. Vgl. auch zum Folgenden die familiengeschichtlichen Aufzeichnungen von Charlotte Arner, geb. Hahn, aus New York, einer Nichte Kurt Hahns. Diese datieren von 1998 und sind mit Bildmaterial angereichert. Als »Sammlung Hahn«, in: Heimatmuseum Berlin-Charlottenburg. Lepsius, Erinnerungen, S. 177. Vgl. zur malkünstlerischen Inszenierung der Hahns Dorgerloh, Künstlerehepaar, S. 58. Vgl. Plöger, »Hanover Club«, S. 203 ff. Hierzu mit weiteren Verweisen Oppelt, Film und Propaganda, S. 107. Vgl. Jäckh, Pflug, S. 462; Erinnerungen Paul Rohrbachs, in: BA K, N 1408 Rohrbach Nr. 53, S. 227; ebd. das folgende Zitat. Zu Rohrbachs Weltanschauung vgl. die »Gedankenbiographie« von Fehlberg, Protestantismus, S. 241-314. Vgl. Lässig, Bürgertum. Erinnerungen Paul Rohrbachs, in: BA K, N 1408 Rohrbach Nr. 53, S. 227. Rubinstein, Erinnerungen, S. 47 f. Walther Rathenau an seinen Bruder Erich Rathenau, 24. 11. 1893, zit. nach: Rathenau, Briefe, Bd. 1, S. 459; vgl. auch ebd., S. 474 und passim. Hierzu sehr einleuchtend B. Hahn, »Encounters at the Margins«. Lepsius, Erinnerungen, S. 209. Hahn, Verheißung. Familiengeschichtliche Aufzeichnungen von Charlotte Arner geb. Hahn, Heimatmuseum Berlin-Charlottenburg. Hahn, Verheißung, S. 43. Vgl. Rohrbach, Handschrift, S. 182 ff., Zitat S. 209; zum Kontext vgl. Mogk, Rohrbach; sowie Fehlberg, Protestantismus, S. 300 ff. Es existiert keine wissenschaftliche Biographie, nur Handbuchartikel mit Literaturverweisen. Aufschlußreich für unsere Fragestellung immer noch Daniels und Rühlmann (Hg.), Webstuhl, S. 75 ff.; sowie Thimme, Kritiker, S. 116 ff. Vgl. hierzu die seit Anfang 1915 datierende Korrespondenz Hahn-Delbrück, in: SBB PK, NL Delbrück, Briefe. Delbrück an den Chef des Geheimen Zivilkabinetts Valentini, 22. 10. 1917 in: ebd., Briefkonzepte. Hahn, »Kriegswille«. Siehe dazu die entsprechenden Notizen aus den Jahren 1915/16 in: David, Kriegstagebuch, S. 121, 123, 134, 144, 171 f., 176 und passim. Außerdem Harry Kessler, der 602 584
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über eine »englandfreundliche antirussische Partei (Lina Richter, Hahn)« berichtet. (Kessler, Tagebuch, Bd. 5, S. 589 f.; Eintrag 13. 8. 1916) Vgl. Fricke, »BNV«. Vgl. Vietsch, Wilhelm Solf, S. 142 ff., sowie Vietsch (Hg.), Briefwechsel Metternich-Solf, S. 43 ff. Vgl. hierzu den instruktiven Beitrag von Sösemann, »Jenseits von Partei und Parlament«. Vgl. hierzu erhellend Haupts, Friedenspolitik, S. 103 ff. sowie 126 ff.; außerdem Toury, Orientierungen, S. 316 ff. Dazu Friese, Hahn, S. 50 ff. Brecht, Aus nächster Nähe, S. 203. Vgl. auch zum Folgenden Plöger, »Hanover Club«. Übersetzung der wörtlichen Zitate aus dem Versammlungsprotokoll 24. 10. 1911 bzw. 9. 3. 1912; ebd., S. 203 ff. Vgl. Weber, Our Friend, S. 79. BA K, N 1408 NL Rohrbach Nr. 53, Manuskript »Erinnerungen«, S. 239 ff.; ebd. auch das folgedende Zitat. Vgl. Fest, »War Aims«, S. 303 ff; Robbins, Abolition, S. 137 ff.; French, Strategy, S. 199 ff.; Ceadel, Idealists, S. 226 ff. Hahn, »Der einzige Weg zu Deutschlands Sieg«, in: Hahn, Reform, S. 66 ff. Der liberale Parteiführer Herbert Henry Asquith war Lloyd Georges Vorgänger als britischer Premierminister; Arthur Balfour von 1916 bis 1919 britischer Außenminister. Kurt Hahn an Conrad Haußmann, 17. 8. 1917, in: HStA S, Q 1/2 Nr. 115. Im Folgenden zitiert nach dem Abdruck in der Karlsruher Zeitung, Nr. 343, 16. 12. 1917. Zit. nach: Prittwitz, Petersburg und Washington, S. 206. MvB an Johannes Müller, 29. 12. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Solf an Jagow, 23. 7. 1921, in: BA K, N 1053 Solf Nr. 114 (Durchschlag). – Auch Philipp Scheidemann, der spätere Staatssekretär in der Regierung Max von Baden, war empört darüber, »daß der Reichskanzler ohne Herrn Kurt Hahn völlig hilflos war«. Er habe in seiner »ganzen politischen Laufbahn nicht einen Menschen kennengelernt, der sich in so vollkommener Abhängigkeit befand«. (Ph. Scheidemann, Memoiren, Bd. 2, S. 195 f.) Solf an von dem Busche, 26. 4. 1923, in: BA K, N 1053 Solf Nr. 69 (Durchschlag). Vgl. Pick, Svengali’s Web; anregend auch Pintar und Linn, Hypnosis, S. 1 ff. Zu Hahns für viele Zeitzeugen durchaus auffälligen »Eigenheiten und Eigenarten« – speziell was seine zwischenmenschlichen Beziehungen anlangt – vgl. auch die zahlreichen Verweise bei Friese, Hahn, S. 258 ff. G. Mann, Erinnerungen, S. 146 ff. Auch die Hamburger Bankiersfamilie Warburg, in die Kurts jüngerer Bruder Rudolf 1921 einheiratete, vermutete unterdrückte homosexuelle Neigungen; vgl. Chernow, Warburgs, S. 506 f. Vgl. Lahme, Golo Mann, S. 41 ff. und 137 ff. Hierzu mit diversen Belegen Friese, Hahn, S. 268 ff. MvB an Kurt Hahn, 27. 8. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 617 ff. 603 585
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Vgl. MvB an Marie Paulcke, 31. 8. 1917, in: GLA , N Paulcke Nr. 6: »Gesund werde ich erst wieder dort oben [in den Schweizer Alpen] werden. Hier suche ich mühsam wieder in die Höhe zu kommen, es ist aber nicht so leicht.« Vgl. MvB an Axel Munthe, 14. 10. 1917, in: SRA, NL Munthe; Marie Louise von Baden an Marie Paulcke, 9. 11. 1917, in: GLA, NL Paulcke Nr. 6; MvB an Johannes Müller aus Karlsruhe, 30. 11. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller; MvB an Bethmann Hollweg, 28. 12. 1917, in: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 644. Victoria von Schweden an Axel Munthe, 28. 8. 1917, in: SRA, NL Munthe Nr. 2; Original auf englisch. – Die Königin berief sich auf vertrauliche Mitteilungen ihrer Mutter aus Karlsruhe. MvB an Johannes Müller, 30. 11. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 28. 10. 1917, in: ebd. Vgl. hierzu wie auch zum Folgenden Hagenlücke, Vaterlandspartei, S. 153 f., 162 ff. sowie 194 f. Vgl. die Korrespondenzstücke, in: BA-MA, N 253 Tirpitz Nr. 186. Johannes Müller an MvB , 17. 8. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). – Das Schreiben war fünfeinhalb eng beschriebene Schreibmaschinenseiten lang. MvB an Johannes Müller, 31. 8. 1917, in: ebd. Vgl. Hagenlücke, Vaterlandspartei, S. 161; ebd. ff. auch zum Folgenden. Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin an seinen Onkel Herzog Johann Albrecht, 28. 8. 1917, in: LHA S , 5.2-4/1 Hausarchiv, NL Herzog Johann Albrecht, Nr. 32. Karl von Eisendecher an Reichskanzler Georg Michaelis, 7. 9. 1917, in: PA AA, R 2673. MvB an Johannes Müller, 28. 10. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. hierzu auch den Brief des damaligen badischen Ministerpräsidenten Dusch an seinen württembergischen Kollegen Weizsäcker, 30. 10. 1917, in: HStA S, Q 1/18, Nr. 143. MvB an Bethmann Hollweg, 28. 12. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 644. MvB an Kurt Hahn, 18. 8. 1917, zit. nach: ebd., S. 176. MvB an Kurt Hahn, 27. 8. 1917, zit. nach: ebd., S. 617 ff. MvB an Johannes Müller, 31. 8. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Kurt Hahn, 12. 9. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 621 ff. MvB an Kurt Hahn, 12. 9. 1917, zit. nach: ebd., S. 621 ff. MvB an Johannes Müller, 1. 10. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Kurt Hahn, 14. 10. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 624 f. Der im Folgenden zitierte Redetext nach: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 310, S. 30807 ff. (9. 10. 1917). Zum Kontext vgl. den folgenden Abschnitt; Redetext nach: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 310, S. 3822 ff. (10. 10. 1917). 604 586
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kumente (1968), S. 625 und 628. Wie aus späteren Dokumenten hervorgeht, schwebte Max vor, dieses zumeist in Personalunion mit der Reichskanzlerschaft versehene Amt weiterhin von Georg Michaelis versehen zu lassen. MvB an Kurt Hahn, 20. 10. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 625 f. MvB an Johannes Müller, 28. 10. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch das folgende Zitat. MvB an Kurt Hahn, 14. 10. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 625. MvB an Johannes Müller, 28. 10. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch die folgenden Zitate. – Eine Abschrift des Originalschreibens an die Adresse des Kaisers soll im Salemer Familienarchiv liegen. Kurt Hahn an MvB , 22. 8. 1917, zit. nach dem Faksimile-Abdruck bei Dargel (Hg.), Prinz Max von Baden, S. 26. Vgl. David, Kriegstagebuch, S. 251 (24. 8. 1917); Lina Richter an MvB , 23. 8. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 617 f.; SBB PK , NL Delbrück, Briefe (Hahn). Delbrück an Valentini, 26. 8. 1917, in: GStA, Rep. 92 NL Valentini Nr. 4; ebd. auch Delbrücks Brief, 5. 9. 1917 mit ganz ähnlichem Tenor. Vgl. hierzu wie auch zum Folgenden Becker, Michaelis, S. 488 ff. Der jüdische Bankier stand seit längerer Zeit in geschäftlichen Beziehungen zu den Hahnschen Röhrenwerken. 1921 verheiratete er seine älteste Tochter Lola mit Kurts jüngerem Bruder Rudolf, was darauf schließen läßt, daß neben den geschäftlichen auch private Beziehungen zwischen den Familien Warburg und Hahn bestanden. Vgl. Chernow, Warburgs, S. 222 ff.; außerdem Angress, »Berater«, und G. Hoffmann, Warburg, S. 239 ff. Vgl. dazu Valentinis Tagebucheintrag (9. 10. 1917) nach der Abschrift in: BA K, N 1058 Thimme Nr. 26; Max Warburg an Albert Ballin, 10. 10. 1917, in: SWA, NL Max Warburg sowie Warburgs Jahresbericht für 1917 (ebd.). Vgl. die biographische Skizze von Frölich, »Haußmann«. Conrad Haußmann an seinen Sohn Robert, 21. 10. 1917, zit. nach: Haußmann, Schlaglichter, S. 148 f. Conrad Haußmann an Kurt Hahn, 10. 11. 1917, zit. nach: ebd., S. 152. Vgl. Protokoll des Parteitages der SPD. Würzburg 1917, S. 138 ff. bzw. 336 ff. Eduard David an Albert Südekum, 23. 10. 1917, in: BA K, NL Südekum Nr. 18. Delbrück an Valentini, 12. 10. 1917, in: GStA, Rep. 92 NL Valentini Nr. 4; vgl. auch ebd. Delbrücks Schreiben, 22. 10. 1917. Delbrück an Wilhelm Solf, 28. 10. 1917, in: SBB PK, NL Delbrück, Briefkonzepte. Der Verfassungsrechtler Hugo Preuß sprach von der »unsagbar schädigende[n] außenpolitischen Abstoßungskraft«, der Reichsleitung mittels ihres Führungspersonals; zit. nach: Preuß, Politik und Gesellschaft, S. 677 (Artikel vom 10. 11. 1917). 605 587
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So Valentini in der späteren Aufzeichnung »Der Kanzlerwechsel Michaelis – Graf Hertling«, zit. nach: Valentini, Kaiser und Kabinettschef, S. 177. Vgl. darüber hinaus (auch zum Folgenden) Valentinis Tagebuchaufzeichnungen, 24. und 25. 10. 1917, in: BA K, N 1058 Thimme Nr. 26. Hierzu im einzelnen Röhl, Weg in den Abgrund, S. 1225 ff. sowie Becker, Michaelis, S. 513 ff. Kessler, Tagebuch, Bd. 6, S. 189 (Eintrag 11. 11. 1917). Valentini an Hans Delbrück, 3. 11. 1917, in: SBB PK , NL Delbrück, Briefe. Valentini an Harnack, 3. 11. 1917, in: SBB PK, NL Harnack Nr. 44. Zu dieser Korrespondenz vgl. Zahn-Harnack, Harnack, S. 456 f. MvB an Kurt Hahn, 6. 11. 1917, in: SBB PK, NL Delbrück, Briefe (Abschrift). Vgl. MvB an Johannes Müller, 30. 11. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller: »Übrigens war meine Kandidatur viel weiter gediehen, als ich selbst wußte, und scheine ich sogar dem Kaiser genannt worden zu sein.« Undatierte Aufzeichnung Racknitz, in: FA vR. MvB an Kurt Hahn, 14. 12. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 631 f.; ebd. das folgende Zitat. Sloterdijk, Zeilen und Tage, S. 537. MvB an Johannes Müller, 2. 1. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); es handelt sich um ein von Max für Müller verdolmetschtes Kernargument Hahns. MvB an Kurt Hahn, 29. 11. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 629; ebd. das folgende Zitat. MvB an Johannes Müller, 17. 12. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. zum Folgenden den Redetext nach dem Abdruck in der Karlsruher Zeitung, 16. 12. 1917. MvB an Bethmann Hollweg, 20. 12. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 642 ff. MvB an Wilhelm II ., 21. 12. 1917, in: GStA , Rep. 92 NL Valentini Nr. 23 (Abschrift). Zit. nach dem undatierten Antwortkonzept von Valentini in: BA K, N 1015 Schwertfeger Nr. 206. MvB an Bethmann Hollweg, 20. 12. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 643; dort ist auch davon die Rede, daß Max auf Kriegsentschädigung für Deutschland setze, »um unseren Finanzen aufzuhelfen«. MvB an Houston S. Chamberlain, 30. 12. 1917, in: Urbach und Buchner, »Briefwechsel«, S. 172 ff. Einen Überblick über diese Reaktionen findet man in der Presseausschnittssammlung des Reichslandbundes, in: BA B, R 8034 III Nr. 303; in: PA AA , R 2673 sowie in: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 202 ff. MvB an Prinz Alexander von Hohenlohe-Schillingsfürst, 12. 1. 1918, in: BA K, N 8 Hohenlohe Nr. 68 (Kopie); ebd. das folgende Zitat. – Max’ Irritation ging so weit, daß er sich an Delbrück mit der Frage wandte, »ob er gewillt sei, in einem Aufsatz auf dieses Schulbeispiel schiefer Beurteilungsart aufmerksam zu machen und auf das Überparteiliche meiner Absichten hinzuweisen, damit das Brauchbare in meiner Ansprache doch nicht ganz unter den Tisch falle, nur wegen 606 588
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der Dummheit einiger Redakteure« (MvB an Johannes Müller, 29. 12. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller). Telegramm Kaiser Wilhelm II . an MvB, 20. 12. 1917, in: PA AA, R 22327 sowie Ernst August von Braunschweig an seinen Schwager Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin, 22. 12. 1917, in: LHA S , 2.26-1 Nr. 1281b. – Vgl. auch den Bericht des österreichischen Gesandten in Stuttgart, Graf Nemes, nach Wien, 19. 12. 1917, in: HHStA, PA IV /Karton 59, Dokument Nr. 83. Deutsche Tageszeitung, Nr. 650, 25. 12. 1917. MvB an Johannes Müller, 29. 12. 1917 bzw. 2. 1. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); aus dem letztgenannten Brief auch das folgende Zitat. Zu den Motiven dieser Mitgliedschaft vgl. den Brief von Johannes Müller an den völkischen Schriftsteller Karl Cesar Eiffe, 28. 12. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Kurt Hahn, 18. 12. 1917, zit. nach der Abschrift, in: SLA , NL Golo Mann D-2-a-1/2. Wegen der öffentlichen Reaktionen auf die Rede – so gestand er Kurt Hahn am 19. 1. 1918 – möchte er »oft vor mir selbst davonlaufen«; zit. nach der Abschrift, in: ebd. Zu den Einzelheiten dieser Lancierung vgl. GStA, Rep. 92 NL Valentini Nr. 4; PA AA , R 22327; BA K, N 1015 Schwertfeger Nr. 206. MvB an Kaiser Wilhelm II ., 21. 12. 1917, zit. nach der Abschrift in: GStA , Rep. 92 NL Valentini Nr. 23. Vgl. Grünau an Valentini, 23. 12. 1917, in: PA AA, R 22327. MvB an Johannes Müller, 29. 12. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Kurt Hahn, 27. 12. 1917, zit. nach der Abschrift, in: SLA , NL Golo Mann D-2-a-1/2. Bethmann Hollweg an MvB , 17. 12. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 202 (Teilabdruck). Bethmann Hollweg an Karl von Eisendecher, 19. 12. 1917, in: PA AA, NL Eisendecher Nr. 1-2. MvB an Bethmann Hollweg, 28. 12. 1917, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 642 ff. Bethmann Hollweg an MvB, 17. 1. 1918, zit. nach: Vietsch, Bethmann, S. 327 ff.; ebd. das erste Zitat des folgenden Absatzes. MvB an Johannes Müller, 29. 12. 1917, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Wilhelm II . als Oberster Kriegsherr, S. 95 f.; Tagebuch Müller, 16. 1. 1918, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 344 f. Zu Wilson vgl. Winkler, Zeit der Weltkriege, S. 82 ff. und zu den Demonstrationen Luban, »Massenstreiks«.
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Kapitel 8: Tatsächlich Kanzler: Geschichte einer politischen Fehlgeburt 1
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Zu OHL und dem Vertrag von Brest-Litowsk vgl. Pyta, Hindenburg, S. 314 ff.; Nebelin, Ludendorff, S. 343 ff.; zur Ratifizierung des Vertrages durch den Reichstag Seils, Weltmachtstreben, S. 519 ff.; K. Hildebrand, Reich, S. 363 ff. Hierzu wie zum Folgenden vgl. Storz, »Aber was hätte geschehen sollen?«; zur skeptischen Stimmung der deutschen Generalität vgl. Seils, Weltmachtstreben, S. 545 ff.; zur Perspektive der 3. OHL vgl. Barth, Dolchstoßlegenden, S. 11 ff. Vgl. zu diesem Aspekt ausführlich Watson, Enduring the Great War, S. 184 ff. Vgl. Epkenhans, »Politik der militärischen Führung«; vgl. auch Stachelbeck, Heer und Marine, S. 64 ff. Zu den militärischen Ereignissen an der Westfront zwischen März und September 1918 vgl. Neitzel, Weltkrieg, S. 76 ff.; Nebelin, Ludendorff, S. 401 ff.; Seils, Weltmachtstreben, S. 545 ff. – Zu einem exemplarischen Blick auf die Perzeption dieser Vorgänge durch die Frontsoldaten vgl. Th. Weber, Hitlers erster Krieg, S. 277 ff. Dazu und zum Folgenden vgl. Machtan, Abdankung, S. 144 ff. Kühlmann, Erinnerungen, S. 574. Wie Admiral Müller später erfuhr, war Kühlmanns Rede dem Kaiser und dem Kanzler zuvor bekannt gewesen und bezweckte eine von beiden gebilligte Annäherung an England; Tagebuch Müller, 4. 7. 1918, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 393. Zit. nach: Seils, Weltmachtstreben, S. 586; zur Kühlmann-Krise vgl. ebd., S. 585 ff. und Nebelin, Ludendorff, S. 429 ff. Aufzeichnung Holtzendorff, 17. 7. 1918, in: StA H, 621-1/95, 1580 Bd. 20. – Der politische bestens vernetzte Holtzendorff fungierte als Vertrauensmann des einflußreichen Reeders und Kaiserfreundes Albert Ballin. So Vizekanzler Payer am 31. 7. 1918 gegenüber Holtzendorff, zit. nach: Holtzendorff an Ballin, 31. 7. 1918, in; StA H, 621-1/95, 1580 Bd. 20). Vgl. Luban, »Massenstreiks«. Kurt Hahn an MvB , 17. 1. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 225. Kurt Hahn an MvB , 27. 1. 1918, zit. nach: ebd., S. 227 f. – Auch seinen Vorgesetzten Haeften hat Hahn mit seinen politischen Erlösungsphantasien nicht verschont. Am 20. 1. 1918 schrieb er: »Ich sehe das Vaterland ins Verderben gehen und Herrn Oberstleutnant in der Lage, es zu retten.« Zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente [1927], S. 213; in der Neuauflage von 1968 wurde diese Passage gestrichen. Vgl. Hertling, Reichskanzlei, S. 77; sowie Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 238. De facto wurden schriftlich eingereichte Überlegungen des badischen Thronerben zum politischen Weltgeschehen lanciert, denen der Direktor der Nachrichtenagentur eine journalistische Form gegeben hatte: Vgl. dazu MvB an Johannes Müller aus Salem, 2. 3. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); MvB an Reichskanzler Hertling, 20. 3. 1918, in: BA B, R 43/2447 Bd. 2; PA AA , 608 590
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R 2673 sowie Hertling, Reichskanzlei, S. 77. Zum pressepolitischen Kontext vgl. Basse, Wolff’s, S. 157 ff. Vgl. Graf Albrecht von Bernstorff, der damals privat vielfach in Hohenfinow, Bethmanns Wohnsitz, verkehrte, an seine Freundin, Elly von Reventlow, 14. 1. 1918, in: Gutsarchiv Altenhof, NL E. von Reventlow Bd. 10. Dies geht aus den Erinnerungen des Diplomaten Friedrich Rosen hervor; Rosen, Wanderleben, Bd. 3/4, S. 143 f.; vgl. auch Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 239. Rosen, Wanderleben, Bd. 3/4, S. 143; ebd., S. 143 f. auch das Folgende. Vgl. Demm, Liberaler, S. 180 ff. Ein Reichskanzler Max von Baden war ein Phantom insofern, als er überwiegend aus den Projektionen von bestimmten Vertretern der politischen Kultur des Wilhelminismus bestand. Alfred Weber an Else Jaffé, 21. 2. 1918, in: BA K, N 1197/83. Alfred Weber an Else Jaffé, 16. 2. 1918, in: ebd. MvB an Alfred Weber aus dem Berliner Hotel Adlon, 20. 2. 1918, in: BA K, N 1197/19. Zu seinen »eingehenden Gesprächen« mit Haeften und Max von Baden sowie den daraus resultierenden Ausarbeitungen für letzteren vgl. Warburgs Jahresbericht zur Firmengeschichte für 1918 (mit diversen Anlagen) sowie seinen Brief an Albert Ballin, 28. 2. 1918, in: SWA , NL Max Warburg. – Die im Folgenden zit. Denkschrift trägt die Aufschrift »Belgien«, datiert »Februar 1918«. Stegemann, Erinnerungen, S. 421 f.; vgl. Haußmann, Schlaglichter, S. 171 f.; Rosen, Wanderleben, Bd. 3/4, S. 142. Alfred Weber an Else Jaffé, 21. 2. 1918, in: BA K, 1197/83. Vgl. J. Müller, »Krieg und Frieden«. Kammerrede und Interview hatte Max hingegen in einer 13-seitigen Broschüre separat veröffentlichen lassen, unter dem Titel »Deutschlands moralische Aufgabe im Weltkrieg: 2 Kundgebungen des Prinzen Max von Baden« in der vom Kiepenheuer-Verlag in Weimar herausgegebenen Schriftenreihe »Flugschriften der deutschen Politik«. MvB an Johannes Müller, 2. 3. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Ludendorff, Kriegserinnerungen, S. 204. – Was dort zu dem (falsch datierten) Treffen geschrieben wird, sind nachträgliche Konjekturen; vgl. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 242 ff.; dazu ausführlicher Kapitel 10. Vorwärts, 16. 2. 1918 (»Prinz Max von Baden über den Frieden«); Deutsche Zeitung, 16. 2. 1918 (»Menschheitsziele des Prinzen Max«); Bayerische Landeszeitung, 18. 2. 1918 (»Das Weltgewissen des Prinzen Max«). MvB an Georg von Hertling, 20. 3. 1918, in: BA B, R 43/2447 Bd. 2. Vgl. Kurt Hahn an Hans Delbrück, 4. 3. 1918, in: SBB PK Berlin, NL Delbrück, Briefe. Die wichtigsten Ideen- und Stichwortgeber dürften Alfred Weber, Paul Rohrbach, Max Warburg, Theobald von Bethmann Hollweg sowie Johannes Müller gewesen sein. Zum Inhalt vgl. Kapitel 7. Vgl. Potthoff (Bearb.), Berg, S. 127; Karlsruher Zeitung, 3. 4. 1918. Georg von Hertling an MvB , 26. 3. 1918, in: BA B, R 43/2447 Bd. 2. 609 591
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Georg von Hertling an den Chef des Geheimen Zivilkabinetts Berg, 3. 4. 1918, in: GStA , I . HA , Rep. 89/32410. MvB an Kurt Hahn, 23. 3. 1918, zit. nach der Abschrift, in: SLA , NL Golo Mann D-2-a-1/2. Kurt Hahn an MvB , 27. 3. 1918, zit. nach: Erinnerung und Dokumente (1968), S. 268 f. Conrad Haußmann an seine Frau Helene, 21. 3. 1918, zit. nach: Haußmann, Schlaglichter, S. 185. MvB an Kurt Hahn, 23. 3. 1918, zit. nach der Abschrift, in: SLA , NL Golo Mann D-2-a-1/2. MvB an Kurt Hahn, 18. 4. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 632 f. MvB an Johannes Müller, 3. 4. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Kurt Hahn, 18. 4. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 633. Vgl. MvB an Johannes Müller, 22. 6. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift) sowie Königin Victoria von Schweden an Axel Munthe, 1. 7. 1918, in: SRA, NL Axel Munthe, Vol. 2. Hans von Haeften, Erlebnisse 1918, in: BA-MA, N 35/4. Vgl. auch Stegemann, Erinnerungen, S. 436 ff., der über einen vorangegangenen Besuch Haeftens bei ihm in der Schweiz berichtet. Hierzu wie zum Folgenden die Fakten bei D. Weiß, Rupprecht von Bayern, S. 96 ff. Vgl. seine Tagebuchaufzeichnungen, 19. und 20. 2. 1918, in: BayHStA, GHA, NL Kronprinz Rupprecht Nr. 707; dort auch das folgende Zitat. Vgl. Naumann, Profile, S. 149. Die folgenden Zitate nach Naumanns »persönliche[r] Aufzeichnung« einer »sehr langen und eingehenden Unterredung« mit Kronprinz Rupprecht, die er am 27. 2. 1918 dem Reichskanzler Hertling »vertraulichst« übersandte, in: BA K, N 1036/40. Kronprinz Rupprecht an seinen Vater König Ludwig III ., 19. 4. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Ludwig III ., Nr. 59. Vgl. auch seine Tagebuchaufzeichnungen, 12. bzw. 14. 5. 1918, in: ebd., NL Rupprecht Nr. 708. Kurt Hahn an MvB , 11. 5. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 274. – Hahn berief sich bei seiner Vermutung auf den Militärschriftsteller Stegemann, der damals auch mit Kronprinz Rupprecht in Verbindung stand. MvB an Johannes Müller, 22. 6. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). – Bei Ludwig von Falkenhausen, dem Generalgouverneur von Belgien hinterließ Max’ Besuch dort keinen besonderen Eindruck: er habe sich zwar »sehr lebhaft interessiert gezeigt, ohne aber doch ernsthaft genommen werden zu können« (BA -MA, N 21 Falkenhausen Nr. 2, Erinnerungen S. 372 f.). MvB an Johannes Müller, 22. 6. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 28. 5. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650. 610 592
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Vgl. (auch zum Folgenden) Rupprechts Tagebucheintragungen, 19. und 20. 5. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 708. Tagebuch Rupprecht, 20. 5. 1918, in: BayHStA, GHA, NL Rupprecht Nr. 708; ebd. bis zum nächsten Nachweis auf das Folgende. Der Text dieses vom 1. 6. 1918 datierten Schreibens an Reichskanzler Hertling ist abgedruckt bei Sendtner, Rupprecht, S. 351 f.; vgl. auch D. Weiß, Rupprecht von Bayern, S. 151. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 28. 5. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650 bzw. MvB an Kurt Hahn, 28. 5. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 634 f.; ebd. auch das folgende Zitat. Zum Besuch des Prinzen Max am 23. 5. 1918 in Spa vgl. auch die (spätere) Aufzeichnung des neuen Chefs des kaiserlichen Zivilkabinetts Berg. Dort heißt es: »Ich hatte mit ihm eine längere Unterhaltung, aus der ich keinen unsympathischen Eindruck mitnahm, nur daß ich jedoch das Gefühl hatte, daß wir mit unseren Ansichten stark auseinandergingen, wenn es auch nicht zum Ausdruck kam.« Max wiederholte gegenüber Berg seine Auffassung, »daß man vor der großen Offensive, als man noch alle Truppen unversehrt hatte, ein erneutes Friedensangebot hätte machen sollen. Ich stimmte ihm nicht bei, weil ich es für nutzlos gehalten hätte, und der Feind es wieder als ein Beweis der Schwäche angesehen hätte.« MvB an Johannes Müller, 22. 6. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Kurt Hahn, 28. 5. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 634 f. MvB an Johannes Müller, 22. 6. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Sendtner, Rupprecht, S. 351 f. MvB an Johannes Müller, 22. 6. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Lerchenfeld an den bayerischen Ministerpräsidenten Dandl, 24. 6. 1918, in: BayHStA, Bayerische Gesandtschaft Berlin 1918: Nr. 1094 (Konzept). – Vgl. hierzu auch den Bericht des badischen Gesandten in Berlin an das Staatsministerium in Karlsruhe, 25. 6. 1918, in: GLA , Bestand 233 Nr. 34824. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 27. 6. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650. Vgl. etwa das Tagebuch der Königstochter Prinzessin Wiltrud von Bayern, 18. 8. 1918, in: BayHStA, GHA, NL Herzogin Wiltrud von Urach Nr. 610. Vgl. Conrad Haußmann an Gothein, 18. 7. 1918, in: HStA S, Q 1/2 Nr. 114; Hans Delbrück an den Minister des Preußischen Königshauses Eulenburg, 30. 6. 1918, in: SBB PK, NL Delbrück, Briefkonzepte; Tagebuch Admiral Müller, 4. 7. 1918, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 390. Das hat Conrad Haußmann von Vizekanzler Payer am 27. 6. 1918 erfahren; vgl. seinen Brief an Gothein, 18. 7. 1918, in: HStA S, Q 1/2 Nr. 114; vgl. auch Hertling, Reichskanzlei, S. 129 ff. Vgl. hierzu im einzelnen Hürter (Hg.), Hintze, S. 75 ff. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 27. 6. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650. 611 593
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Kronprinz Rupprecht an MvB , 5. 7. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650 (Fotokopie eines eigenhändigen Schreibens). MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 12. 7. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650. Dieses Zitat sowie alle weiteren Zitate des folgenden Absatzes entstammen dem Brief MvB s an Kurt Hahn, 2. 8. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 635 ff. MvB an Kurt Hahn, 21. 7. 1918, in: SLA , NL Golo Mann D-2-a-1/2 (Abschrift). MvB an Johannes Müller aus Salem, 30. 8. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 7. 8. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650. Das Folgende nach dem im Nachlaß von Kronprinz Rupprecht überlieferten Exemplar, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 7. 8. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650 bzw. MvB an Kurt Hahn, 2. 8. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 637. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 7. 8. 1918, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht, Nr. 650. MvB an Kaiser Wilhelm II ., 15. 8. 1918, in: PA AA , R 22328. BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. Kronprinz Rupprecht an MvB , 15. 8. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650 (Kopie). MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 24. 8. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 27. 8. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. MvB an Kurt Hahn, 13. 8. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 290. MvB an Johannes Müller aus Salem, 30. 8. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Großherzog Friedrich II . von Baden, 15. 10. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 386 f. MvB an Johannes Müller, 30. 8. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 23. bzw. 27. 8. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. Vgl. auch das ausführliche Schreiben von Paul Rohrbach an Kronprinz Rupprecht, 11. 9. 1918, in: BA K, N 1408/122. MvB an Kurt Hahn, 28. 8. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 638 ff. Vgl. die entsprechenden Schriftstücke in: PA AA , R 22328; ebd. der nachstehend erwähnte Telegrammwechsel, 27./28. 8. 1918. MvB an Kurt Hahn, 28. 8. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 638 ff. MvB an Kaiser Wilhelm II ., 15. 8. 1918, in: PA AA , R 22328. MvB an Kurt Hahn, 28. 8. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 638 ff. 612 594
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Vgl. MvB an Kurt Hahn, 10. 9. 1918, zit. nach: ebd., S. 640 sowie die (undatierte) Aufzeichnung des Karl Eduard von Racknitz, in: FA vR (Abschrift). Hierzu wie auch zum Folgenden detailliert Machtan, Abdankung, S. 146 ff. MvB an Kurt Hahn, 10. 9. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 640; ebd. auch das folgende Zitat. Vgl. Golo Manns Anmerkung in der Neuausgabe der Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 306 und 301 ff. – Auch Wilhelm II . hat das Schreiben nicht zu den Akten, sondern zur später vernichteten Privatkorrespondenz nehmen lassen. Aufzeichnung Racknitz, in: FA vR (Abschrift). – In einem späteren Brief an den Kaisersohn Joachim ist Max auf diesen Punkt zurückgekommen: »[I]ch habe – was kein anderer zu opfern hatte – meine Thronfolge offenen Auges aufs Spiel gesetzt, als ich am 1. Oktober 1918 nach Berlin kam«. MvB an Joachim von Preußen, 30. 9. 1919, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 309. – Wie sich aus den Aufzeichnungen von Racknitz’ ergibt, hat Max einen Tag nach dem Ende seiner Kanzlerschaft Großherzog Friedrich II . von Baden seinen formellen Thronverzicht eingereicht; vgl. dazu Kapitel 9. Wilhelm II. an MvB , 11. 9. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 307. Hierzu Machtan, Abdankung, S. 149 ff. MvB an Johannes Müller, 11. 9. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. auch die folgenden Zitate. Mit einem »rough sketch der ersten Rede« hat Max bereits zwei Tage nach seinem Brief an Wilhelm II . Kurt Hahn beauftragt: MvB an Kurt Hahn, 10. 9. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 640. Beide Zitate nach Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 625. Valentini an Delbrück, 15. 9. 1918, in: Stabi Berlin PK, NL Delbrück, Briefe. Notiz Warburg über das Gespräch mit Friedrich Payer in Berlin, 22. 9. 1918, in: SWA , NL Max Warburg. Vgl. Müller, Regierte der Kaiser?, S. 425. Vgl. Hertling, Reichskanzlei, S. 176 ff. MvB an Kurt Hahn, 10. 9. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 640. Vgl. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 15. 9. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. Vgl. Hubatsch, »Hauptquartier«, S. 428 und 450 ff. – Eine Biographie Grünaus fehlt bis heute, vgl. aber Auswärtiges Amt (Hg.), Biographisches Handbuch, Bd. 2, S. 120 f.; sowie die Hinweise auf sein Wirken bei Müller, Regierte der Kaiser?, S. 203 und 209 f. Vgl. MvB an Reichskanzler Hertling, 20. 3. 1918, in: BA B, R 43/2447 Bd. 2. – Biographische Daten zu Grünau finden sich in: PA AA, Personalakten 4.933. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 28. 5. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650; vgl. auch Tagebuch Müller, 27. 2. 1918, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 359. Vgl. MvB an Kurt Hahn, 27. 9. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 641: »Marie [Max von Baden] telegraphiert auch an den kleinen Landsmann, um ihm freundschaftlich seine Nähe zu melden.« 613 595
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Schon Admiral von Müller, der Chef des Marinekabinetts, der Grünau durchaus zu schätzen wußte, hat in seinem Tagebuch die mangelnde »Autorität« des Diplomaten beklagt; vgl. Müller, Regierte der Kaiser?, S. 209 f. Vgl. Werner von Grünau an Prinz Friedrich Karl von Hessen, 14. 10. 1918, in: AHH , NL Landgraf Friedrich Karl von Hessen, in dem er den »glühenden Idealismus« von Max lobt und den »unverrückbaren Glauben an seine Mission dazu«; »er kann unser Retter werden. Seine Gelassenheit und seine Kühnheit, mit der er sich über sich selbst hinaushebt, sind bewundernswert.« Das hat sich Graf Roedern über ein Gespräch notiert, das er am 29. 9. 1918 mit Wilhelm II . geführt hat: BA K, Kl. Erwerbungen Nr. 317-1 (ungedruckte Erinnerungen über den Ersten Weltkrieg). MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 24. 8. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. Vgl. die wiederum kryptischen Andeutungen darüber in Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 296 (Anm. a) bzw. S. 638. MvB an Kurt Hahn, 28. 8. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 639. MvB an Johannes Müller, 11. 9. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); vgl. auch ebd. seinen Brief an Müller, 30. 8. 1918. Zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 300, Anm. a. Aufzeichnung Holtzendorff, 3. 9. 1918, in: StA H, 621-1/95, 1580 Bd. 20. Entscheidend dazu beigetragen haben dürfte Conrad Haußmanns Besuch in St. Blasien Anfang September 1918: vgl. dessen Brief an Payer, 9. 9. 1918, in: HStA S, Q 1/2 Nr. 116. MvB an Kurt Hahn, 28. 8. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 638. Vgl. David, Kriegstagebuch, S. 382; vgl. außerdem Hahn an MvB , 11. 9. 1918, zit. nach den Paraphrasen in Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 309 (Anm. a) und 310 (Anm. b). Und außderdem bemerkt, »im Gegensatz zu dem streberisch veranlagten Scheidemann«. Zit. nach: Fendrich, »Hundert Jahre Tränen«, in: Stadtarchiv Freiburg, NL Fendrich Nr. 2 (S. 159 f.); vgl. Fendrich, Die Kluft, S. 91 ff. Vgl. das Telegramm MvB s an Hans Delbrück, 13. 6. 1918, in: SBB PK , NL Delbrück, Briefe. – Wenig ergiebig hierzu Mühlhausen, Ebert, S. 98 ff. Vgl. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 310. Vgl. Interfraktioneller Ausschuß 1917/18, Bd. 2, S. 492 f. bzw. 670 f. – Vgl. hierzu auch die späteren Enthüllungen Scheidemanns über die heimlichen Zusammenkünfte Eberts mit dem Prinzen noch vor dem Regierungseintritt der MSPD (Ph. Scheidemann, »Kritik«, S. 94). Vgl. Reichstagsfraktion der Sozialdemokratie, Bd. 2, S. 438 ff. Anton Fendrich an MvB , 19. 9. 1918, zit. nach: Fendrich, Die Kluft, S. 93. Zur andauernden Debatte um eine adäquate Deutung und historische Bewertung des politischen Wollens von Friedrich Ebert vgl. B. Braun, »Anmerkungen«; Grebing, »Rezeption«; Mühlhausen, »Typus«. MvB an Kronprinz Rupprecht von Bayern, 15. 9. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. Hierzu im einzelnen Hürter (Hg.), Hintze, S. 640 ff. 614 596
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Vgl. die einschlägigen Dokumente, in: GStA, I. HA, Rep. 89/32410. Zum Kontext Pyta, Hindenburg, S. 330 ff. sowie Nebelin, Ludendorff, S. 446 ff. Aufzeichnung Drews, datiert »Mitte November 1918«, in: GStA, VI , NL Drews Nr. 159. Payer an seine Frau Alwine aus Spa, 24. 8. 1918, in: BA K, N 1020 Nr. 46. Suedekum an Hauptmann Westphal, 4. 9. 1918, in: BA K, N 1190 Nr. 158. Vgl. Machtan, Abdankung, S. 149 ff. BayHStA, GHA, NL Kronprinz Rupprecht Nr. 708. Zum Folgenden mit weiteren Verweisen Machtan, Abdankung, S. 160 ff. Hierzu bereits Alfred Vagts, M. M. Warburg & Co. Ein Bankhaus in der deutschen Weltpolitik 1905-1933, in: VSWG, 45, 1958, hier S. 365 ff. sowie Angress, »Berater«, S. 244-252. Trotz Racknitz Eifersucht auf Max’ »intimen Freund« und seines Antisemitismus war er als naher Beobachter ein glaubwürdiger Zeuge. In seinen etwas rhapsodischen Erinnerungsblättern ist er zudem immer wieder auf diesen Punkt zu sprechen gekommen: FA vR (Abschrift). Max Warburg, Fritz Ebert (Typoskript), in: SWA , NL Max Warburg. In einem Prozeß hat Scheidemann im Jahre 1924 auf ausdrückliches Befragen nicht bestritten, daß Max von Baden ihn und Ebert um den 23. 9. 1918 getroffen habe. Der Prinz habe damals erklärt, daß er die Regierung nur übernehmen würde, wenn die Sozialdemokratie einträte (nach dem Prozeßbericht im Vorwärts, 12. 12. 1924). – Darüber hinaus, so Scheidemann einige Jahre später, habe Ebert auch noch »häufig mit dem Prinzen Max allein vertraulich verhandelt und ihm Ratschläge gegeben« (Ph. Scheidemann, »Kritik«, S. 94). Die folgenden Zitate nach dem Abdruck in: Reichstagsfraktion der Sozialdemokratie, Bd. 2, S. 438 ff. MvB an das Ehepaar Paulcke, 28. 3. 1922, in: GLA , NL Paulcke Nr. 12. MvB an Kurt Hahn, 27. 9. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 640; dort auch die folgenden Zitate. BA K, Kl. Erwerbungen Nr. 317-1. Es handelt sich um die aufschlußreiche Anspielung auf eine Gestalt der römischen Sage, den Ritter Marcus Curtius. Er opferte sich heldenhaft für seine Mitmenschen, um einen tiefen Erdbebenspalt im Forum Romanum zu schließen. Krafft von Dellmensingen an Ministerpräsident Dandl, 27. 9. 1918 aus Spa, in: BayHStA, MA 945. Vgl. Wilhelm II . als Oberster Kriegsherr, S. 7 f. bzw. 25 ff. Belege bei Müller, Regierte der Kaiser?, S. 422 f.; Delbrück, Mobilmachung, S. 265 f.; Roedern, Erinnerungen, in: BA K, Kl. Erwerbungen Nr. 317-1, hier Bl. 335 f.; Hertling an Ministerpräsident Dandl, 1. 10. 1918, in: BA K, N 1036/48; Hertling, Reichskanzlei, S. 178; Potthoff (Bearb.), Berg, S. 182; Lerchenfeld an Dandl, 2. 10. 1918, in: BA yHStA, Gesandtschaft Berlin Nr. 1096 (Konzept). Zit. nach: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 422 f. Haußmann an Haeften, 26. 9. 1918, in: HStA S, Q 1/2 (I 47) Nr. 20 (Briefkonzept); vgl. auch Haußmann, Schlaglichter, S. 223 f. bzw. 229 f. Vgl. Militär und Innenpolitik, Bd. 1, S. LVII. Roedern, Erinnerungen, in: BA K, Kl. Erwerbungen Nr. 317-1, hier Bl. 338. Vgl. Ludendorff, Urkunden, S. 527 f.; Delbrück, Mobilmachung, S. 266; Steglich 615 597
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(Hg.), Friedensaktion, S. 249 f.; Aufzeichnung Drews, in: GStA, VI , NL Drews Nr. 159. Die Modalitäten liegen bis heute im Dunkeln, da beide Seiten nach dem Untergang des Kaiserreichs ein brennendes Interesse daran hatten, sich von derartigen Unterhandlungen zu distanzieren. Wir wissen nur, daß sie stattgefunden haben; vgl. David, Kriegstagebuch, S. 286; sowie Ph. Scheidemann, Memoiren, Bd. 2, S. 189. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 328. So zum Beispiel auf der Sitzung des Kriegskabinetts, 17. 10. 1918, in: Regierung Max von Baden, S. 230. BayHStA, GHA NL Rupprecht Nr. 650. Die beiden wichtigsten Quellen hierzu sind das Tagebuch von Ludendorffs Generalstabschef Albrecht von Thaers, 1. 10. 1918, zit. nach: Thaer, Generalstabsdienst, S. 234 ff., sowie die ungedruckten Kriegserinnerungen Kurt von Lersners, des Vertreters des Auswärtigen Amtes bei der OHL , in: BA-MA, N 468 Nr. 19, hier Bl. 380 ff. – Vgl. darüber hinaus die nachträglich redigierten Aufzeichnungen Haeftens, in: Ludendorff, Urkunden, S. 528 ff. – Zum Geschichtspolitiker Haeften, der bemüht blieb, seine Rolle als Kanzlermacher im Oktober 1918 herunterzuspielen, vgl. Pöhlmann, Kriegsgeschichte, S. 258 ff.; außerdem den Bericht des bayerischen Gesandten in Berlin, Lerchenfeld, an Ministerpräsident Dandl, 2. 10. 1918, in: BayHStA, Gesandtschaft Berlin Nr. 1096 (Konzept); Tagebuch Ilsemann, 2. 10. 1918, in: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 20. – Daß nach dem Fiasko der Regierung Max von Baden Hindenburg, Ludendorff und Haeften von ihrem Komplott zugunsten des Prinzen nichts mehr wissen wollten und die Spuren ihrer Einflußnahme zu verwischen suchten, steht auf einem anderen Blatt. Wilhelm II . hat noch im August 1927 erklärt, daß es Ludendorff war, der von ihm »Waffenstillstand und Regierungsveränderung mit neuem Kanzler verlangte, und zwar sofort«, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 2, S. 69. Vgl. Tagebuch Müller, 2. 10. 1918, zit. nach: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 424; Aufzeichnung Busche, zit. nach: Ludendorff, Urkunden, S. 529 f.; Potthoff (Bearb.), Berg, S. 186 f. – Der frühere Reichskanzler Bülow hat berichtet, die erste Anfrage in Karlsruhe sei von Großherzog Friedrich II . mit der Rückanfrage quittiert worden, »ob es sich um ein Chiffre-Versehen handle oder um einen nicht ernstzunehmenden Einfall Seiner Majestät« (Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 3, S. 294). Vgl. den Tagebucheintrag des Generals von Gallwitz, 3. 10. 1918, in: BA -MA, N 710/32. Ihm zufolge war die Verschlechterung der militärischen Lage eigentlich nur noch »durch eine starke Diktatur zu hemmen«, die er aber von innenpolitischen »Erschütterungen begleitet« sah. Seine Schlußfolgerung: »Sollte die nun erfolgende Überkleisterung [der Lage durch die Berufung des Prinzen Max] wenigstens die Mäuler für einige Zeit stopfen und den Willen zum Durchhalten wieder allgemeiner machen, dann hätte sie wenigstens ein Gutes.« Vgl. Potthoff (Bearb.), Berg, S. 186 f. So überlieferte den Ausspruch Kurt Hahn; zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 332 (Anm. a). Das Wolff’sche Telegraphenbüro meldete die Zusammenkunft als wichtiges Treffen von Kaiser Wilhelm II ., Generalfeldmarschall von Hindenburg, dem 616 598
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noch amtierenden Reichskanzler Hertling nebst Vizekanzler Payer sowie dem Chef des Geheimen Zivilkabinetts Berg mit dem kommenden Mann im Reichskanzlerpalais: nach Berliner Lokal-Anzeiger, 3. 10. 1918. Vgl. die Belege bei Machtan, Abdankung, S. 373. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 332. MvB an Großherzog Friedrich II . von Baden, 15. 10. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 386 f. Hierzu im einzelnen die Dokumentation Regierung Max von Baden, S. 3 ff.; Bermbach, Vorformen, S. 285 ff.; Seils, Weltmachtstreben, S. 626 ff. – Vgl. auch »Personalsachen des Reichskanzlers Prinz Max von Baden«, in: BA K, R 43/I Nr. 2777. Vgl. Gründer, Simons, S. 20 ff. Eine repräsentative Sammlung einschlägiger Zeitungsartikel findet sich in: BA B, R 901 Nr. 55480. Vgl. Frankfurter Zeitung, 3. 10. 1918 bzw. 4. 10. 1918 (»Persönliches vom Prinzen Max von Baden«); Berliner Tageblatt, 3. 10. 1918 (»Der neue Kanzler«); Berliner Börsen Courier, 2. 10. 1918 (»Die Kandidatur des Prinzen Max von Baden«). Den gleichen Fehler machte übrigens selbst die halbamtliche Karlsruher Zeitung, 5. 10. 1918 (»Prinz Max von Baden deutscher Reichskanzler«). Vgl. Deutsche Tageszeitung, 4. 10. 1918 (»Seine Großherzogliche Hoheit, der Herr Reichskanzler«); vgl. ebd. die Polemik »Die Neubildung der Regierung«, 2. 10. 1918; Kreuz-Zeitung, 2. 10. 1918 (»Politische Tagesübersicht«). Vgl. Kölnische Zeitung, 4. 10. 1918 (»Der neue Kanzler«); Magdeburgische Zeitung, 4. 10. 1914 (»Prinz Max von Baden«); Berliner Börsen-Zeitung, 2. 10. 1918 (»Das Werk der Neuordnung«). Vgl. Vossische Zeitung, 2. 10. 1918 (»Prinz oder Programm?«); zum Kontext vgl. M. Klein, Bernhard, S. 17 ff. Hamburger Nachrichten, 3. 10. 1918 (»Der neue Reichskanzler«). Rheinische Zeitung, 3. 10. 1918 (»Prinz Max von Baden«). Vorwärts, 4. 10. 1918. Das Folgende nach der Leipziger Volkszeitung, 3. 10. 1918 (»Der Prinz an der Spitze«). Generaloberst von Einem in einem Privatbrief, 7. 10. 1918, zit. nach: Einem, Armeeführer, S. 447. Vgl. zudem Falkenhausen, »Erinnerungen«, in: BA-MA , N 21/2, S. 374: »Die Wahl des Prinzen Max wurde zuerst als ein schlechter Scherz aufgefaßt«; Tagebuch Gallwitz, 2. 10. 1918, in: BA-MA, N 710/32. Der Türmer, Jg. 21 (Oktober 1918), S. 48. MvB an Kronprinz vom 24. 8. 1918, in: BayHStA, GHA NL Rupprecht, Nr. 650. Manuskript »Prinz Max von Baden«, in: SWA, NL Max Warburg (undatiert). Naumann, Dokumente, S. 389. Vgl. Hampe, Kriegstagebuch, S. 748 (29. 9. 1918); Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 3, S. 296; Niemann, Kaiser, S. 75. Le Figaro, 5. 10. 1918 (»Le prince Max de Bade«). Ähnlich Le Matin (4. 10. 1918), der in Max’ Kandidatur ein deutliches Symptom der »Crise Allemande« sieht und davor warnt, im Prinzen von Baden einen Pazifisten zu sehen. Manchester Guardian, 4. 10. 1914 (»In the Enemy Countries«). The Times, 4. 10. 1918 (»Prince Max of Baden – German ›Democracy‹«). 617 599
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Zit. nach: Machtan, Abdankung, S. 177. Vgl. BA K, R 43 I Nr. 2777. Zit. nach den Aufzeichnungen Warburgs über seine Tätigkeit in Berlin im Oktober 1918, in: SWA, NL Max Warburg. Vgl. Adlon, Hotel Adlon, S. 81. Vgl. Haußmann, Schlaglichter, S. 235 ff.; Gründer, Simons, S. 20 f. – Erst am 11. 10. 1918 löste der frühere Chef der Reichskanzlei von Bethmann Hollweg, Arnold Wahnschaffe, den ungeliebten Radowitz ab. Hierzu die lebensgeschichtlichen Aufzeichnungen Karl Eduard von Racknitz’, in: FA vR. Zu den Einzelheiten vgl. Regierung Max von Baden, S. XXIX ff., sowie BA B, R 703/169. Zur Rekonstruktion der Ereignisse wurden folgende Quellen ausgewertet: Aufzeichnungen Warburgs, Berlin, Oktober 1918, in: SWA, NL Max Warburg; Heaftens Erinnerungen »Die Entstehung der Rede des Prinzen Max in der Reichstagssitzung vom 5. Oktober 1918« (ca. 1927), in: BA-MA, N 35 Haeften Nr. 4; Aufzeichnung Solf von 1926, in: BA K, N 53 Nr. 75; Brecht, Aus nächster Nähe, S. 172 f. und 497 ff.; Haußmann, Schlaglichter, S. 235 ff.; Baden, Erinnerungen und Dokumente (1927), S. 353 ff. Ross sollte den militärischen Teil der Rede abfassen: vgl. seine 1920 aufgesetzte Denkschrift über seine Tätigkeit »vor und während der Revolution«, in: PA AA , R 121300. Vgl. die biographischen Portraits über ihn von Freimark, »Melchior«; sowie von I. Lorenz, »Melchior«. Aufzeichnungen Warburgs über seine Tätigkeit in Berlin im Oktober 1918, in: SWA , NL Max Warburg. Vgl. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 344 ff., sowie Brecht, Aus nächster Nähe, S. 497 ff. Aufzeichnung Solf, 28. 8. 1926, in: BA K, N 53/75; daraus auch die folgenden Zitate. Haeftens Erinnerungen (ca. 1927) mit dem Titel »Die Entstehung der Rede des Prinzen Max in der Reichstagssitzung vom 5. Oktober 1918«, in: BA-MA, N 35 Haeften Nr. 4. Aufzeichnung Solf, 28. 8. 1926, in: BA K, N 53/75. Haeftens Erinnerungen (ca. 1927), in: BA-MA , N 35 Haeften Nr. 4. Aufzeichnungen Warburg, in: SWA, NL Max Warburg. Kurt Hahn an Hans Delbrück, 7. 10. 1922, in: SBB PK, NL Delbrück, Briefe. Aufzeichnungen Warburg, in: SWA, NL Max Warburg. Aufzeichnungen Racknitz, in: FA vR; Aufzeichnungen Warburgs über seine Tätigkeit in Berlin im Oktober 1918, in: SWA, NL Max Warburg; Aufzeichnung Solf vom 28. 8. 1926, in: BA K, N 53/75. SWA , NL Max Warburg (Anlage 2 zum Geschäftsbericht von 1918, hier eigenhändige Einfügung in die Maschinenschrift). Nach den »Mitteilungen des Staatssekretärs Dr. Lewald, Generals Dr. h. c. von Haeften und Ministerialdirektor Deutelmoser«, in: BA-MA, N 35/4. Aufzeichnungen Warburgs über seine Tätigkeit in Berlin im Oktober 1918, in: SWA , NL Max Warburg; ebd. auch das folgende Zitat. 618 600
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Brief vom 7. 10. 1918, in: SWA, NL Max Warburg, Anlage zum Jahresbericht 1918. Max Warburg an Conrad Haußmann vom 7. 10. 1918, zit. nach: Angress, »Berater«, S. 248. Dieses und alle weiteren Zitate nach: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 314, S. 6150-6153 (5. 10. 1918); zum Kontext vgl. auch Seils, Weltmachtstreben, S. 634 ff. Zu dieser Nebenposse vgl. die Aufzeichnungen des Grafen Max zu Solms, zit. nach: Solms, Lebensgang, S. 119 f.; Aufzeichnungen Racknitz, in: FA vR; »Mitteilungen des Staatssekretärs Dr. Lewald, Generals Dr. h. c. von Haeften und Ministerialdirektor Deutelmoser«, in: BA -MA, N 35/4. M. Ludendorff, Ludendorffs Frau, S. 188. Tagebucheintrag Haußmann, 5. 10. 1918, zit. nach: Haußmann, Schlaglichter, S. 240. Wie aus einer Aufzeichnung des Fürsten Wilhelm von Hohenzollern-Sigmaringen über seine Besprechungen mit dem Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt von Stumm und Reichskanzler Max von Baden in Berlin am 10. 10. 1918 hervorgeht, hielt das Auswärtige Amt Wilson »für einen ehrlichen, anständigen Mann«, während »der Reichskanzler entgegengesetzter Meinung« war (S tA S ig, FAS HS 1-80 T 10 Nr. 21). Verhandlungen des Reichstags, Bd. 314, S. 6161 (5. 10. 1918). Zum politisch-ideologischen Kontext dieser Einstellung vgl. Schwitanski, Freiheit des Volksstaats, S. 105 ff. Bericht von Max Warburg über seine Tätigkeit während der Kanzlerschaft Max von Badens in Berlin, im Kasten »Menschen, die ich traf«, in: SWA , NL Max Warburg. Hierzu Cecil, »Wilhelm II . und die Juden«. – Vgl. auch Angress, »Berater«. Hierzu zuletzt Berger, Eisernes Kreuz, Doppeladler, Davidstern, S. 50 ff. Dies parallel zu Thomas Mann; vgl. zu dessen Einstellung gegenüber den Juden Kurzke, Thomas Mann, S. 206 ff. MvB an Großherzog Friedrich II . von Baden, 15. 10. 1918, zit. nach: Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 386 f.
Kapitel 9: Die Havarie des kaiserlichen Staatsschiffes 1 2
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Nach Regierung Max von Baden, S. 83 ff. Vgl. zum Folgenden auch Haupts, Friedenspolitik, S. 186 ff., insbes. S. 188 ff.; Epstein, »Regierung«, bes. S. 147 ff.; Schumacher, »Vorstellungen«, bes. S. 79 ff.; Schöne, Reichskanzlei, S. 70 ff. Hierzu wie auch zum Personal der Regierung: Regierung Max von Baden, S. XXIX ff. Zur Kooperation zwischen Bethmann Hollweg und der Reichskanzlei, die in einschlägigen Denkschriften ihren Niederschlag fand, vgl. etwa die einschlägigen Dokumente, in: BA B, R 43 I Nr. 2447/2 sowie die Berichte von Holtzendorff an Ballin von Oktober 1918, in: StA H, 621-1/95, 1580 Bd. 20; außerdem Seils, Weltmachtstreben, S. 658 f.; zur Personalpolitik Regierung Max von Baden, S. XXIX ff. 619 601
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Zur Lage und den räumlichen Gegebenheiten dieses Gesamtkunstwerkes aus höchster Staatsbehörde und repräsentativem Domizil vgl. Zur Geschichte des Reichskanzlerpalais und der Reichskanzlei, sowie Wilderotter, Alltag, S. 41 ff. bzw. 294 ff. Dies nach den Memoiren des Geheimrats im Reichskanzleramt Brecht, Aus nächster Nähe, S. 204 f. Payer, Erinnerungen, S. 120; vgl. auch Holtzendorffs Bericht an Ballin, 14. 10. 1918, (StA H, 621-1/95, 1580 Bd. 20), in dem es heißt, daß Metternich sich sehr über den Einfluß beklagt habe, »den jetzt Herr Hahn beim Kanzler hätte«. Vgl. Regierung Max von Baden, S. 388 f. Ph. Scheidemann, Memoiren, Bd. 2, S. 196. Aufzeichnungen Racknitz, in: FA vR. MvB an Max Warburg, 29. 10. 1919, in: SWA , NL Max Warburg. Ebd. auch Warburgs Brief an seine Frau, 28. 6. 1920 aus Salem, wo er Gast des Prinzen war: »Prinz Max war wirklich glücklich, seine ›Amme‹, wie er sagte, wieder zu sehen, ich war ›der Sonnenschein‹ in den Oktobertagen 1918.« Aufzeichnung über den 28. 10. 1918, in: SWA , NL Max Warburg. Dazu Haupts, Friedenspolitik, S. 186 ff. Hierzu sehr aufschlußreich Bollmeyer, Demokratie, S. 118 ff. Selbst der politisch hellsichtige Hugo Preuß, der wenig später die Weimarer Verfassung konzipierte, hat sich von dieser vermeintlichen Zäsur blenden lassen: vgl. seinen Artikel »Die Improvisierung des Parlamentarismus«, in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 26. 10. 1918; dazu auch Pyta, »Hugo Preuß«, S. 265 ff. Dazu Seils, Weltmachtstreben, S. 637 ff. – Die einzelnen Phasen der Meinungsbildung sind dokumentiert in den Sitzungsprotokollen in: Regierung Max von Baden, S. 83 ff. – Zu Wilsons Politik vgl. R. Kennedy, Will to Believe, S. 128 ff.; zum tieferen Verständnis des europäischen Kontextes Stevenson, With Our Backs, S. 509 ff. Regierung Max von Baden, S. 574 ff. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 314, S. 6158 (22. 10. 1918). Vgl. hierzu die Fallstudie von Luban, »Novemberrevolution«, S. 60 ff. Eine differenzierte Annäherung an die Befindlichkeit der Deutschen im Krieg bei Flemming (Hg.), Lebenswelten. Hierzu eingehend Bollmeyer, Demokratie, S. 116 ff. sowie Seils, Weltmachtstreben, S. 659 ff. So Haase bereits bei der Antrittsrede des neuen Reichskanzlers: »Aufgabe der Volksversammlung wäre es […], auf das künftige Schicksal des deutschen Volkes entscheidenden Einfluß zu üben und die Souveränität des Volkes zur Geltung zu bringen«, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 314, S. 6154 (5. 10. 1918). Vgl. die kritischen Resümees bei Seils, Weltmachtstreben, S. 661 ff.; Snell, »Republik«; sowie Lütge, Politik, S. 174 ff. Vgl. Kapitel 8. Vgl. Stalmann, »Prinz«. Allerdings blendet die kenntnisreiche biographische Miniatur die Briefaffäre vollständig aus. Seine undurchsichtige Rolle bei dieser Provokation hat Hohenlohes ohnehin zweifelhaften Ruf in Deutschland endgültig ruiniert. Vgl. dazu den Bericht der Bayerischen Gesandtschaft in Berlin an Ministerpräsident Dandl, 14. 10. 620 602
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1918, in dem davon die Rede ist, die englische und französische Presse sei bemüht, den deutschen Reichskanzler »unter Anspielung auf gewisse Neigungen des Prinzen Hohenlohe möglichst zu diskreditieren«. (Zit. nach: Regierung Max von Baden, S. 189) – Vgl. auch Solfs Aussage vor dem Interfraktionellen Ausschuß am 12. 10. 1918, wonach Prinz Hohenlohe »anational« und »pervers« sei. (Zit. nach ebd., S. 171) – In der Täglichen Rundschau (14. 10. 1918) wurde es als »ein Fehler des neuen Reichskanzlers« bemängelt, »daß er sich mit solch einem Menschen überhaupt auf einen Briefwechsel einließ«. – Zuerst veröffentlicht hatte den Brief die in Bern erscheinende Freie Presse (9. 10. 1918), von wo aus er rasch in die Weltöffentlichkeit gelangte: vgl. Regierung Max von Baden, S. 136 f. New York Times, 15. 10. 1918. Vgl. Le Figaro, 12. 10. 1918 (»Wilson et Max de Bade«); Le Temps, 16. 10. 1918 (»A Berlin: crise de chancellerie«); London Times, 9. 10. 1918 (»Max of Baden. Real Character Revealed By Himself«). – An diesem Tenor änderte sich auch im weiteren Verlauf der Kanzlerschaft kaum etwas. Insbesondere in der französischen Presse galten Wilson und Max von Baden als politische Antipoden: vgl. etwa La Gironde, 25. 10. 1918 (»Le chancelier et le president«). Vgl. Snell, »Republik«, S. 199 f.; Snell, »Wilson«, S. 366; Regierung Max von Baden, S. 136 ff. – Daß Abschriften des Briefes von Max an Lloyd George und Clemenceau gingen, berichtet Harry Graf Kessler, der damals bei der Deutschen Gesandtschaft in Bern attachiert war (Kessler, Tagebuch, Bd. 5, S. 567 f.). – Vgl. auch French, Strategy, S. 268 f.; Sedlmaier, Deutschlandbilder, S. 102 ff. bzw. 321 ff. sowie Schickel, Wilson und Lenin, S. 116 ff. Vgl. hierzu im einzelnen die Dokumente in: PA AA, R 21873. Vgl. Artikel von Hans Delbrück »Prinz Max als Reichskanzler« in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 9. 10. 1918. Welt am Montag, 14. 10. 1918 (»Ein unmöglicher Kanzler«). Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 379. Noch Monate nach seinem Rückzug aus der operativen Politik hat er sich zu den Kernelementen des Programms des ethischen Imperialismus bekannt: MvB an Johannes Müller, 29. 3. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Der Chefredakteur des Berliner Tageblatts sprach in seiner ausführlichen Analyse der Briefaffäre von »Fehlern der Vergangenheit«, überwundenen »Irrmeinungen«; er unterstellte Max »eine recht gründliche Wandelung« und wollte den Brief als verzeihlichen »vorehelichen Fehltritt« werten. (14. 10. 1914) – Zu Wolffs politischer Orientierung in den letzten Kriegsjahren vgl. Sösemann, Wolff, S. 129 ff. Nach einer Rede in der Berliner Philharmonie am 19. 10. 1918, zit. nach dem Abdruck, in: Die Zukunft, 26. 10. 1918, hier S. 34 f. Tagebuch Müller, 12. 10. 1918, in: BA-MA , N 159/7. Zit. nach: Regierung Max von Baden, S. 155. Vgl. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1927), S. 400 ff. – Für die Authentizität dieses Dokumentes spricht, daß die Ansprache nach ihrer Verlesung an diverse Teilnehmer verteilt wurde, von denen die meisten 1927 noch lebten. Vgl. Regierung Max von Baden, S. 168 ff. 621 603
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So ein »parlamentarischer Freund« Holtzendorffs, zit. nach dessen Brief an Ballin, 14. 10. 1918, in: StA H, 621-1/95, 1580 Bd. 20. Vgl. im Einzelnen Reichstagsfraktion der Sozialdemokratie, Bd. 2, S. 470 ff. (Votum Otto Braun S. 472). – Aber auch »rein menschliche«, will sagen moralische Verpflichtung von Friedrich Ebert durch den Prinzen Max spielte eine Rolle. Über dieses 4-Augen-Gespräch der beiden Bündnispartner am Morgen des 14. 10. 1918 hat der MSPD -Vorsitzende im Anschluß auf der Gemeinsamen Sitzung von Partei- und Fraktionsvorstand nach dem Stenogramm eines Teilnehmers folgendes verlautbart: »Der Prinz hat rein menschlich mit ihm gesprochen. Brief diente der Abschüttelung. Scharfe Worte bedauere er sehr. Er leide öfter unter Nervosität. Er würde gern gehen, aber es sei für das Land furchtbar, nach allen den eingeleiteten Dingen wieder stillzustehen. Man sollte Flinte nicht ins Korn werfen.« – Was davon authentische Wiedergabe ist, läßt sich kaum entscheiden; nur Max’ Larmoyanz ist unverkennbar. – Auch Haeften hat Ebert noch namens der OHL ins Gebet genommen; vgl. Regierung Max von Baden, S. 178, Anm. 7. Zit. nach: Regierung Max von Baden, S. 215. Vgl. Barth, Dolchstoßlegenden, S. 81 ff. Hindenburg an MvB , 14. 10. 1918, zit. nach: Amtliche Urkunden, S. 112 f. Telegrammwechsel, 12./13. 10. 1918, in: BA K, R 43/2403 Nr. 6. Vgl. hierzu Lersners unveröffentlichte Erinnerungen, in; BA K, N 1682 Nr. 19, Bl. 360 ff. sowie Amtliche Urkunden, S. 210; zudem den Brief Grünaus an Prinz Friedrich Karl von Hessen, 14. 10. 1918, zit. nach: Hessen, Aufzeichnungen, S. 112 f. – Vgl. auch Nebelin, Ludendorff, S. 488 f. Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin an den Generalstabschef der Heeresgruppe deutscher Kronprinz, Graf Schulenburg, 7. bzw. 9. 10. 1918, in: LHA S , 2.26-1, Großherzogliches Kabinett II , Nr. 1073. – Der Großherzog war ein Schwager unseres Prinzen und der deutsche Kronprinz, der eine eigene Heeresgruppe führte, Schwager von Friedrich Franz. – Vgl. außerdem die Aufzeichnung von Max Warburg über seinen Aufenthalt in Berlin am 9. 10. 1918; der Prinz habe ihm gesagt, »daß die militärische Lage noch schlechter sei« als befürchtet. (SWA, NL Max Warburg). Ungedruckte Erinnerungen Lersners, zit. nach: BA K, N 1685/19, S. 391 f. Nach Regierung Max von Baden, S. 115 ff. Aufzeichnung Fürst Wilhelm von Hohenzollern-Sigmaringen über Besprechung mit MvB in Berlin, 10. 10. 1918, in: S tA S ig, FAS HS 1-80 T 10 Nr. 21. Regierung Max von Baden, S. 141. Auf der Sitzung des Kriegskabinetts, 16. 10. 1918, zit. nach: Regierung Max von Baden, S. 205 ff.; ebd. auch das Folgende. Zur Begegnung vgl. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 417; Ludendorff, Kriegserinnerungen, S. 204 f. Regierung Max von Baden, S. 218 ff. Vgl. zum Folgenden: Ebd., S. 220 ff. Zit. nach: Thaer, Generalstabsdienst, S. 242. Zit. nach: Amtliche Urkunden, S. 155. Kronprinz Rupprecht von Bayern an MvB , 18. 10. 1918, in: BayHStA, GHA, NL Rupprecht Nr. 650 (Abschrift). 622 604
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Zit. nach Tirpitz, Erinnerungen, S. 290ff; ebd. S. 292 auch das folgende Zitat. – Vgl. auch BA-MA, N 253/186. Vgl. die Meldung des Wolff’schen Telegraphischen Büros, 23. 10. 1918 (Mittag). Erst nachdem er die durch die Briefaffäre ausgelöste Kanzlerkrise überwunden hatte, war Max Mitte Oktober 1918 vom Hotel Adlon in die Wohnung des Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße umgezogen. Dort hat er am 23. 10. auch sein Krankenlager aufgeschlagen. Zum Folgenden vgl. Link (Hg.), Woodrow Wilson, Bd. 51, S. 400 ff. Amtliche Urkunden, S. 196; zur Eigenmächtigkeit dieser Manifestation vgl. Thaer, Generalstabsdienst, S. 243. Vgl. die Tagebuchaufzeichnungen von Sigurd von Ilsemann, 25. 10. 1918, in: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 25 ff. Zur Monarchenkrise vom Oktober 1918 vgl. ausführlich Machtan, Abdankung, S. 189 ff. So der von Ilsemann überlieferte Monolog auf der Fahrt von Potsdam nach Berlin, 25. 10. 1918, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 25; vgl. die Aufzeichnungen des weiteren Zeitzeugen Niemann, Umsturz, S. 182 ff. Vgl. zu Delbrück die biographische Skizze von Steinbach und Dathe, »Delbrück«. Belege bei Regierung Max von Baden, S. 360 ff. (Aufzeichnung Haeften); Ludendorff, Kriegserinnerungen, S. 212; Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 25 f. So meldete Wolff’s Telegraphisches Büro am 25. 10. 1918 (Abend): »Im [gesundheitlichen] Befinden des Reichskanzlers ist eine wesentliche Besserung eingetreten.« – Auch hat Max an diesem Tag ununterbrochen berufene und unberufene Ratgeber und Mitarbeiter an seinem Krankenbett empfangen. Payers Bericht über diese Begegnung auf der Kabinett-Sitzung, 26. 10. 1918, zit. nach: Regierung Max von Baden, S. 368. Ebd., S. 212. Vgl. auch den emotionalen Bericht eines Vertreters der Seekriegsleitung, in: Granier (Hg.), Seekriegsleitung, Bd. 4, S. 254 f., in dem es heißt, Payer hätte »jeden Glauben an die Widerstandskraft des Volkes und des Heeres verloren«. Regierung Max von Baden, S. 332 ff. Tagebuch von Ilsemann, 25. 10. 1918, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 25 f. BA K, N 1053/111. Kronprinz Rupprecht von Bayern an MvB , 25. 10. 1918, in: BayHStA, GHA, NL Rupprecht Nr. 650, Abschrift. PA AA , R 22328. BA K, N 1504 (noch unverzeichneter Nachlaß). Das Briefkonzept ist überliefert in: BA B, R 43 I Nr. 2777. Max’ eigenhändiges Schreiben an den Kaiser ist überliefert in: GStA, Rep. 89 Nr. 3578. Hierzu Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 28 ff.; sowie Müller, Regierte der Kaiser?, S. 436 f. Zu den Vorgängen im einzelnen Pyta, Hindenburg, S. 343 ff. und Nebelin, Ludendorff, S. 485 ff. Das hat Ludendorffs erste Frau in ihren Memoiren überliefert; M. Ludendorff, Ludendorffs Frau, S. 203. 623 605
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Hindenburg an General Moser, 4. 11. 1925, zit. nach: Groener-Geyer, Groener, S. 87 f. Zit. nach dem vollständigen Abdruck bei M. Ludendorff, Ludendorffs Frau, S. 190. Vgl. Regierung Max von Baden, S. 366. Vgl. dazu Machtan, Abdankung. Dieses Diktum hat Ludendorff glaubwürdig überliefert; vgl. Ludendorff, Vom Feldherrn, Bd. 1, S. 22 f. Aufzeichnung von Max Warburg über seine am 25. 10. 1918 stattgefundenen Beratungen mit MvB am Krankenbett des letzteren: »Überlegung Abdankung S. M., Regent Max von Baden. 11-12 [Uhr] wieder gerufen. Note, Kaiser.« (SWA , NL Max Warburg). – Involviert in die Ausarbeitung entsprechender Pläne waren außerdem Simons und der Geheime Rat in der Reichskanzlei Arnold Brecht, Aus nächster Nähe, S. 162 ff. Vgl. hierzu auch die Überlegungen von Pyta, »Kunst des rechtzeitigen Thronverzichts«. Vgl. Wolff, Epoche, S. 161 ff. Rosen, Wanderleben, Bd. 1, S. 210 und 214. So die Bemerkung Groeners in einem Brief an seine Frau, 25. 10. 1918, zit. nach: Groener-Geyer, Groener, S. 86. Tagebuch Plessen, 26. 10. 1918, zit. nach: Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr, S. 932; desgleichen Kriegskabinettschef Marschall gegenüber Admiral Müller, 28. 10. 1918, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 440. – Zum historischen Kontext vgl. Machtan, Abdankung, S. 195 ff. sowie Hull, Entourage, S. 288 ff. So schreibt Johannes Müller rückblickend, Wilhelm II . habe »dem Prinzen persönlich nach einer Aussprache zu[gesagt], zugunsten seines Enkels abzudanken« (J. Müller, Geheimnis, Bd. 2, S. 458 f.). Auch in den Aufzeichnungen des Adjutanten Racknitz wird berichtet, Max habe nach einer der letzten mündlichen Unterhaltungen mit dem Monarchen gesagt: »Ich habe dem Kaiser alles sagen können, er hat alles von mir angenommen.« (FA vR). Schließlich gibt es im Tagebuch des Kaiserbruders Heinrich unter dem 27. 10. 1918 die lapidar-aufschlußreiche Eintragung: »In unseren Kreisen wird die Möglichkeit über Wilhelm’s Abdankung […] besprochen«. Und zwei Tage später: »Antworttelegramm von Wilhelm am Vormittag, daß er meinen Besuch am Donnerstag erwarte« (Archiv des Internationalen Maritimen Museums, Hamburg). Aufschlußreich deshalb, weil Prinz Heinrich als einziger Bruder des Kaisers einer der Regentschaftskandidaten im Königreich Preußen war. – Vgl. auch den Brief des hervorragend vernetzten Friedrich Naumann an Robert Bosch, 4. 11. 1918, wo es heißt: »Der Kaiser selbst soll […] einige Tage dem Gedanken des Rücktritts nahe gewesen sein, ist dann aber vor den Schwierigkeiten […] des verfassungsmäßig geregelten Regentschaftssystems zurückgeschreckt.« Zit. nach: Heuß, Naumann, S. 573. Niemann, Umsturz, S. 212. Aufzeichnungen von Hintze, zit. nach dem Abdruck bei: Niemann, Kaiser, S. 366. Vgl. die bestens informierte Studie von Nowak, Chaos, S. 62 ff. Aufzeichnung Racknitz, in: FA vR. Zit. nach: Nowak, Chaos, S. 64. Lerchenfeld an Dandl, 30. 10. 1918, in: BayHStA, MA , Gesandt Berlin 1918 624 606
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Nr. 1095; vgl. außerdem Tagebuch Müller, 30. 10. 1918, in: Müller, Regierte der Kaiser?, S. 442; Ph. Scheidemann, Memoiren, Bd. 2, S. 255 f.; Hessen, Aufzeichnungen, S. 116. Vgl. die Entwürfe in: BA B, N 2176 Lewald Nr. 28; zur politischen Bedeutung Lewalds vgl. Pfeiffer und Krüger, »Lewald«. Lerchenfeld an Dandl, 29. 10. 1918, in: BayHStA, MA, Gesandt Berlin 1918 Nr. 1095; vgl. zudem Tagebucheintrag Haußmann, 29. 10. 1918, zit. nach: Haußmann, Schlaglichter, S. 261, sowie Geheimrat Gottfried von Dryander (Geheimes Zivilkabinett) an Clemens von Delbrück, 31. 10. 1918, in: UB Jena, NL Delbrück Nr. 74. Vgl. Brecht, Aus nächster Nähe, S. 163; vgl. auch Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 525 ff. Zit. nach: Jäckh, Pflug, S. 448 f.; vgl. Holtzendorff an Ballin, 31. 10. 1918, in: StA H , 621-1/95, 1580 Nr. 20. Vgl. das »Protokoll der geheimen Sitzung im Arbeitszimmer des Reichskanzlers am 31. Oktober 1918«, zit. nach: Kaller, »Kaiserfrage«, S. 498 f.; dort das folgende Zitat; Ernst Jäckh an Clemens von Delbrück bzw. an Prinz Friedrich Karl von Hessen, 31. 10. 1918, zit. nach: Jäckh, Pflug, S. 448 f.; vgl. auch Haase, Leben und Wirken, S. 169 f. Vgl. Ph. Scheidemann, »Kritik«, S. 93 f.; außerdem Ph. Scheidemann, Memoiren, Bd. 2, S. 253 ff. – Vgl. auch die Interpretation von Gellinek, Scheidemann, S. 25 ff. So MvB vor Vertretern der deutschen Bundesstaaten in der bayerischen Gesandtschaft, 1. 11. 1918, zit. nach dem Protokoll, in: HStA S, Q 1/18 Bü 79. Solf über seine Unterredung mit Ebert am 2. 11. 1918, in: BA K, N 1058/58; Ebert habe auf diese Frage ausweichend geantwortet; vgl. auch Gründer, Simons, S. 32. Hessen, Aufzeichnungen, S. 115. Telegramm Lerchenfeld an Ministerpräsident Dandl, 31. 10. 1918 sowie die 4 Stunden später erfolgende Rückantwort aus München, in: BayHStA, MA, Bayer. Gesandtschaft Berlin, 1918, Nr. 1095. Vgl. mit einschlägigen Belegen Machtan, Kaisersohn, S. 84 f. Zu Kronprinzessin Cecilie vgl. das Portrait ihrer Schwägerin Viktoria Luise: Braunschweig, Kronprinzessin, bes. S. 195 ff. Noch in der Autobiographie des Kaiserenkels Louis Ferdinand ist davon die Rede, daß seine Mutter »die Verantwortung auf sich genommen hätte, wenn es etwa zu einer Regentschaft gekommen wäre«; Preußen, Geschichte, S. 64. Bei dem 1971 veröffentlichten »Protokoll der geheimen Sitzung im Arbeitszimmer des Reichskanzlers am 31. Oktober 1918« (Kaller, »Kaiserfrage«) handelt es sich um einen unvollständigen Auszug; auch das Memoirenwerk (Baden, Erinnerungen und Dokumente [1968], S. 514 ff.) bringt nur Bruchstücke, eine schönfärbende nachträgliche Re-Inszenierung dieses reichlich bemühten Theaters. Zuverlässiger ist die handschriftliche Aufzeichnung des preußischen Innenministers Drews vom November 1918, in: GStA, VI , NL Drews Nr. 159. Aus dieser und dem »Protokoll« stammen die folgenden Zitate. – Neben Drews waren anwesend: Vizekanzler Payer, die Minister Scheuch (Krieg) und Friedberg (Justiz und quasi Ministerpräsident), Außenamtschef Solf sowie die beiden Köpfe der Reichskanzlei, Wahnschaffe und Simons. 625 607
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Drews an MvB , 20. 6. 1922, in: BA B, R 43/2403f (Abschrift). Niemann, Kaiser, S. 121, der sich bei dieser Angabe auf Tagebuchauszüge des Prinzen August Wilhelm von Preußen beruft. Bernstorff, Erinnerungen, S. 177 f. Simons damaliger Zuarbeiter in der Reichskanzlei stellte es noch ein halbes Jahrhundert später als eine »mir stets unbegreifliche Tatsache« dar, »daß Prinz Max nicht persönlich zum Kaiser fuhr, um den Versuch zu machen, ihn zur Abdankung im Interesse des Vaterlandes und der Erhaltung der Monarchie zu veranlassen« (Brecht, Aus nächster Nähe, S. 169). So Drews in seinen 1922 aufgezeichneten »Nachträge[n] aus der Unterredung am 1. 11. 1918«, die er mit dem deutschen Kaiser in Spa führte, in: GStA, VI, NL Drews Nr. 159. Auf die Eventualität eines solchen Szenarios hat Ernst Troeltsch in seinem aufschlußreichen Artikel »Die Revolution in Berlin« hingewiesen, der vom 30. 11. 1918 datiert, aber erst ein Jahr später veröffentlicht wurde, hier zit. nach: Ernst Troeltsch, Die Fehlgeburt einer Republik. Spektator in Berlin 1918 bis 1922. Zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Johann Hinrich Claussen, Frankfurt 1994, hier S. 7. Hierzu mit weiteren Quellenverweisen Regierung Max von Baden, S. 437 ff. Am 1. 11. 1918 erklärte Haußmann dem Journalisten Wolff noch einmal, daß der Prinz »trotz der dynastischen Beziehungen und trotz der Peinlichkeit, die daraus für ihn entstehe, sich jetzt ganz für die Abdankung ausspreche« (Wolff, Tagebücher, Bd. 1, S. 141 f.). So die Schlußbemerkung in dem Interview, das er am 1. 11. 1918 dem Direktor des Hollandsch Nieuwsbureaus, Herrn Nevens, in Berlin gab, zit. nach dem Abdruck in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, 3. 11. 1918. Vgl. Hessen, Aufzeichnungen, S. 116 ff.; Regierung Max von Baden, S. 449 ff.; Machtan, Abdankung, S. 219 ff. Drews an MvB , 20. 6. 1922, in: BA B, R 43/2403f (Abschrift). Eine detaillierte Rekonstruktion der Drewschen Mission in Spa nebst Zitatnachweisen findet sich bei Machtan, Abdankung, S. 214 ff. Vgl. Kaiser Wilhelm II ., Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878-1918, Leipzig 1922, S. 239 f. So Wilhelm II . in einem Privatbrief an seine Gattin Auguste Viktoria, 7. 11. 1918, hier zit. nach der Abschrift in: PA AA, NL Johannes Kriege Bd. 5. Grünau an MvB aus dem Großen Hauptquartier, 6. 11. 1918 (nach der Abschrift von der Hand des Prinzen Friedrich Karl von Hessen), in: AHH , NL Landgraf Friedrich Karl von Hessen. – Für die Einsicht in dieses Dokument danke ich Rainer von Hessen. Das Folgende nach dem Protokoll, in: HStA S, Q 1/18 Bü 79. Wilhelm II . an seinen Justiziar Kriege, 14. 10. 1919, in: PA AA, NL Johannes Kriege Bd. 5. Gottfried von Dryander an Clemens von Delbrück, 31. 10. 1918, in: UB Jena, NL Delbrück Nr. 74. – Das hatte der Geheimrat im kaiserlichen Zivilkabinett vom Grafen Eulenburg, dem Minister des preußischen Königshauses, in Erfahrung gebracht, der es wiederum vom bayerischen Ministerpräsidenten Dandl gehört hatte. – Zur etwas widersprüchlichen Haltung von bayerischer Regierung und 626 608
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Herrscherdynastie in der Abdankungsfrage vgl. BayHStA, MA, Gesandtschaft Berlin, Politischer Schriftwechsel 1918 II , Die Abdankungsfrage; sowie das Tagebuch von Rupprecht in den Monaten Oktober und November 1918, in: Ebd., GHA , NL Kronprinz Rupprecht Nr. 708. Hessen, Aufzeichnungen, S. 119 f. So Fürstenberg zu General Erich von Gündell; zit. nach: Gündell, Aus seinen Tagebüchern, S. 324 f. (2. 12. 1918). BA -MA , N 35/6. Vgl. hier insbesondere die detaillierten Aufzeichnungen von kaisernahen Zeitzeugen wie Alfred Niemann und Sigurd von Ilsemann, die diesen Vorfall sicher erwähnt hätten. – Auch in der Expertise, die Haeften 1930 mit Hilfe des von Max konsultierten Arztes Professor Dr. Zinn erstellt hat, fehlt dieser Hinweis; vgl. BA-MA, N 35/6. Vgl. Machtan, Abdankung, S. 146 ff. und passim. Victoria von Schweden an Sven Hedin, 12. 10. 1918, in: SRA, NL Hedin. Für den Hinweis auf das Dokument dankt der Verfasser seinem schwedischen Kollegen Anders Jalert (Universität Lund), der auch das Zitat übersetzte. So der kaiserinnahe Alfred Niemann in seinen Erinnerungen; Niemann, Kaiser, S. 75. Ebd., S. 193. Zit. nach: Machtan, Kaisersohn, S. 85. Aufzeichnung Racknitz, in: FA vR. Zum Folgenden die Erinnerungen Haeftens, in: BA -MA, N 35/6 nebst Anlage 2; vgl. auch Regierung Max von Baden, S. 474 ff. Vgl. Boltenstern, Pantopon. Vgl. Jahrsdörfer, Pantopon, S. 13 ff. Vgl. Wahnschaffe an Grünau aus Berlin am 2. 11. 1918 (PA AA, R 22328): »Kanzler auf ärztliche Anordnung heute und morgen wieder bettlägerig«. Tagebuch Gustav Mayer, 4. 11. 1918, der das von Arthur Nasse wußte, zit. nach: Niedhart (Hg.), Mayer, S. 177 f. Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 3, S. 297. Nach einer Gesprächsnotiz des Vertrauten des Ex-Kaisers im holländischen Exil Sigurd von Ilsemann über seine Unterhaltung mit dem Kronprinzen Anfang November 1920, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 164. Erinnerung von Haeften, zit. nach: Regierung Max von Baden, S. 476. Vgl. Grünau an MvB aus dem Großen Hauptquartier, 6. 11. 1918 (nach der Abschrift von der Hand des Prinzen Friedrich Karl von Hessen), in: AHH , NL Landgraf Friedrich Karl von Hessen, wo es heißt, daß der Kaiser durch Briefe seiner Gattin »gegen Eure Hoheit beeinflußt wird«. – Vgl. auch Tagebuch Kronprinz Rupprecht, 4. 11. 1918 (Bayr. HSTA , Abt. III Geh. Hausarchiv, NL Kronprinz Rupprecht Nr. 708): »Fast komisch berührte mich, daß der Kaiser mich bat, ich möchte dem Kanzler schreiben und in seinem Sinne beeinflussen, nachdem er zuvor Max von Baden einen Ideologen genannt und dann wieder angedeutet hatte, dieser strebe an, Präsident einer deutschen Republik zu werden.« In den Aufzeichnungen von Racknitz wird ein solcher »ziemlich hochfahrender« Brief der Kaiserin erwähnt, den der Adjutant dem Adressaten vorlesen mußte, »da Max noch im Halbschlaf des Schlafmittels«. Darin habe es immer wieder 627 609
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geheißen: »Stell Dich vor S. M.« (FA vR). – Sein späterer Biograph Alexander Schaible will von Max persönlich erfahren haben, die Kaiserin habe dem Prinzen damals einen Brief geschrieben, in dem sie den krassen Vorwurf erhob, der Prinz habe den Reichskanzlerposten nur mit dem geheimen Ziel übernommen, den Kaiser zu beseitigen, nach dem Motto: »Ôte-Toi, que je m’y mette!« (Hebe Dich weg, damit ich Deine Stelle einnehme; Spruch von Saint-Simon; zit. nach: Voß, »Prinz Max von Baden«, Nr. 29, 20. 7. 1930. Zu dieser Fanalwirkung vgl. zuletzt Wette, Noske; sowie Hoffrogge, Richard Müller, S. 63 ff. Aufzeichnung Hintze über die Vorgänge in Spa am 7. 11. 1918, zit. nach: Niemann, Umsturz, S. 368 f. Vgl. Bunsen, Zeitgenossen, S. 162; Niedhart (Hg.), Mayer, S. 177 f. – Auch die nationalliberale Weser-Zeitung wußte, daß Ebert schon im Vorfeld des 9. 11. 1918 »der einzige Kanzlerkandidat blieb für den Fall, daß Prinz Max von Baden seine Mission nicht erfüllen könnte«. (10. 11. 1918). Hierzu mit neuem Quellenmaterial Luban, »Spartakusgruppe«, S. 37 f.; Luban, »Novemberrevolution«, S. 53 ff. R. Müller, Novemberrevolution, S. 250. Der amtliche Aufruf datierte vom 6. 11. 1918; dort auch das folgende Zitat. Hierzu immer noch eindrucksvoll Schmidt, Heimatheer, S. 214 ff. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 567. Dieser wichtige Aspekt ist in der aktuellen Spezialforschung weitgehend unberücksichtigt geblieben: Vgl. Gallus, »Revolution«; Schildt, »Historisierung«; sowie Kolb und Schumann, Weimarer Republik, S. 166 ff.; außerdem Keßler, »Geschichtswissenschaft«. – Die zur Zeit eindringlichste Darstellung der Ereignisse (aus Sicht der Revolutionäre) ist die schon 1924/25 erschienene Trilogie des Aktivisten Richard Müller (R. Müller, Novemberrevolution). Ein Beispiel für den ängstlichen Umgang mit dieser Vergangenheit ist die Vernichtung von Eberts persönlichen Papieren, die er in den frühen zwanziger Jahren durch seinen Sohn vornehmen ließ: vgl. Mühlhausen, Ebert, S. 30 ff. Zit. nach: Gallus, »Revolution«, S. 37; vgl. auch den neuesten Literaturbericht von Freytag, »Neuerscheinungen«. Für die Zeit vom 6. bis 9. November bedeutete das ganz konkret: ununterbrochene direkte Fühlungnahme, oft mehrmals täglich, jenseits des formellen Geschäftsbetriebs in der Berliner Regierungszentrale. Zum Folgenden die disparaten Informationen in Reichstagsfraktion der Sozialdemokratie, Bd. 2, S. 513 f.; Regierung Max von Baden, S. 574 ff.; Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 571 f. Sämtliche Scheidemann-Zitate nach dem Protokoll der Kriegskabinett-Sitzung, 7. 11. 1918, bei Regierung Max von Baden, S. 574 ff. BA B, R 43 I Nr. 2777 Vgl. Ph. Scheidemann, »Kritik«, S. 95. Tagebuch Gustav Mayer, 8. 11. 1918, der dies von Legien erfuhr, zit. nach: Niedhart (Hg.), Mayer, S. 182. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 579; ebd., S. 597 auch das folgende Zitat. 628 610
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Hierzu mit Quellenmaterial Pyta, Hindenburg, S. 364 ff.; und Wilhelm II . als Oberster Kriegsherr, S. 623 ff. Wilhelm II. an Auguste Viktoria, 7. 11. 1918, in: PA AA, NL Johannes Kriege Nr. 5 (eigenhändige Abschrift der Adressatin). Tagebuch Ilsemann aus Spa, 8. 11. 1918, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 35; das Antworttelegramm aus Spa, das gegen Mittag in Berlin eintraf, in: PA AA , R 22328. Vgl. Goldschmidt (Hg.), Ein Jahrhundert Deutscher Geschichte, Nr. 135. PA AA , R 22328. Aufzeichnung Hintze, zit. nach: Niemann, Umsturz, S. 369 f. Grünau an MvB aus Spa, 8. 11. 1918, zit. nach dem Konzept in: PA AA, R 22328. Wilhelm II . an seine Frau Auguste Viktoria, 8. 11. 1918, nach der Abschrift von der Hand der Empfängerin in: PA AA, NL Johannes Kriege Nr. 5. Sitzung des Interfraktionellen Ausschusses, 8. 11. 1918 um 11 Uhr, zit. nach: Regierung Max von Baden, S. 297 f. – Vgl. auch zeitgleich Scheidemanns Wirken auf der Fraktionssitzung der MSPD , wo er den Beschluß herbeiführte, daß man bis zum Abschluß des Waffenstillstands weder den Rücktritt des Kanzlers wünsche noch selbst die Regierung verlassen wolle (Reichstagsfraktion der Sozialdemokratie, Bd. 2, S. 515 f.). Bernstorff, Erinnerungen, S. 176 f., ebd. auch zum Folgenden. Albrecht von Bernstorff an Elly von Reventlow, 8. 11. 1918, in: Gutsarchiv Altenhof, NL E. von Reventlow Bd. 11; ebd. auch das folgende Zitat. Baden, 9. November 1918, S. 5. – In überarbeiteter Form ist diese Denkschrift im August 1918 in diversen Tageszeitungen erschienen, z. B. Frankfurter Zeitung, 9. 8. 1918. Vgl. die zur heroischen Ansprache erweiterte Fassung des Gesprächsprotokolls in Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 588 f. Tagebuch Ilsemann aus Spa, 8. 11. 1918, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 35. Aufzeichnung Hintze über die Vorgänge in Spa am 8. 11. 1918, zit. nach: Niemann, Umsturz, S. 370. Hierzu mit anschaulichen Details Matthias Erzberger. Buch zur Dauerausstellung, S. 42-50. Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 594. Felden, Eberts Leben, S. 300; ebd. auch das weitere. Vgl. außerdem Ph. Scheidemann, Memoiren, Bd. 2, S. 302 f. – Der Theologe, Politiker und Schriftsteller Felden war Pfarrer in Bremen und mit Ebert und seiner Familie eng verbunden. Seine Lebensgeschichte galt als eine Auftragsarbeit der Familie, die Felden auch diverse Materialien zukommen ließ. Scheidemann zeigte sich noch ein Jahrzehnt später »bitter böse« wegen Eberts Verhalten, wie Harry Graf Kessler berichtet: »Ebert habe hinter seinem Rücken mit dem Prinzen Max verhandelt, habe sich eingebildet, er könne von diesem einfach die Geschäfte übernehmen, das sollte dann eine Revolution gewesen sein!« (Kessler, Tagebuch, Bd. 9, S. 256; Eintrag 11. 8. 1929) So Ebert auf der Sitzung der Fraktion mit Berliner Arbeitervertretern, 9. 11. 1918, 9 Uhr, zit. nach: Reichstagsfraktion der Sozialdemokratie, Bd. 2, S. 518 f.
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Vgl. Niemann, Kaiser, S. 371 ff., Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 36 ff. sowie Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 597 ff.; außerdem Regierung Max von Baden, S. 614 ff.; das folgende Zitat ebd., S. 614. Eine detaillierte Chronologie der Ereignisse im Großen Hauptquartier liefert Strenge, Spa, S. 150 ff. Aufzeichnungen Racknitz, in: FA vR. Vgl. Regierung Max von Baden, S. 617 f. Vgl. Bernstorff, Erinnerungen, S. 178. Vgl. die einschlägige Übersicht bei Kolb und Schumann, Weimarer Republik, S. 1-22. So der damalige Vizekanzler Payer, Erinnerungen, S. 164. Vgl. im übrigen Regierung der Volksbeauftragten, Bd. 1, S. 3 ff.; Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968), S. 60 ff.; Ph. Scheidemann, Memoiren, Bd. 2, S. 305 ff. Beide Aufrufe nach dem Abdruck im Vorwärts, 10. 11. 1918. Das hat Bernstorff später in einem Artikel für die Zeitschrift Das demokratische Deutschland (Nr. 22, 2. 6. 1922) publik gemacht, wo es heißt, der habe am 9. 11. 1918 »von dem ersten Augenblicke an neben dem Prinzen Max gestanden und sein letztes Mahl im Reichskanzlerpalais mit ihm allein geteilt«. Bernstorff, Erinnerungen, S. 178. Überliefert ist sie durch die Erinnerungen Haeftens, wo es heißt: Er sei gegen 13 Uhr »unangemeldet« in das Arbeitszimmer des Reichskanzlers eingedrungen »und fand ihn in einer Besprechung mit Herrn Ebert. Er ersuchte mich dringend, ihn nicht zu stören.« (Zit. nach: Regierung der Volksbeauftragten, S. 18 f.). So erfuhr Wilhelm II . später durch briefliche Meldung seines jüngsten Sohnes Joachim, daß ihm der Onkel seiner Frau – Prinz Aribert von Anhalt, der damalige Regent des Herzogtums – mitgeteilt habe, er (Aribert) habe im November 1918 »ein offizielles Schreiben vom Kanzler Prinzen Max erhalten, worin derselbe ihn ersucht, durch Unterschrift unter ein beiliegendes Manuskript, seinem Einverständnis Ausdruck zu geben, daß der Kanzler durch die deutschen Fürsten ermächtigt werde, den Kaiser in ihrem Auftrag abzusetzen«. Der Ex-Kaiser vermutete, »daß der hundsföttische Kanzler jedem einzelnen Fürsten – um ihm seine Unterschrift zu entlocken – dasselbe mitgeteilt haben wird: ›die anderen hätten schon unterschrieben‹«: Wilhelm II. (eigenhändig) an Kriege, 14. 10. 1919, in: PA AA , NL Johannes Kriege, Bd. 5. Vgl. Machtan, Abdankung, S. 239 ff. Diesen Satz der Aufzeichnung »9. November 1918« zitiert die annotierte Neuausgabe von Baden, Erinnerungen und Dokumente (1968, S. 608, Anm. b) mit Verweis auf den Nachlaß des Prinzen Max im Salemer Familienarchiv. Dittmann, Erinnerungen, Bd. 2, S. 555 ff. – Vgl. auch Scheidemanns Mitteilung über den Besuch in der Reichskanzlei gegenüber der Reichstagsfraktion gegen 13.30 Uhr (Reichstagsfraktion der Sozialdemokratie, Bd. 2, S. 521). Zu Eberts Mentalität immer noch lesenswert Tucholsky, »Ebert-Legende«; vgl. auch die demnächst erscheinende biographische Studie von Dieter Buse über Ebert, deren Manuskript mir der Autor freundlicherweise zu lesen gab. Bernstorff, Erinnerungen, S. 178. – Das »Frühstück« wurde in den besseren Kreisen der Wilhelminischen Gesellschaft am frühen Nachmittag eingenommen. 630 612
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So der kaiserliche Generaladjutant Plessen in seinem Tagebuch, zit. nach: Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr, S. 933. Tagebuch Ilsemann, 9. 11. 1918, in: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 37. PA AA , NL Johannes Kriege Nr. 5 (Abschrift). Aufzeichnung Grünau, 15. 12. 1918, in: PA AA , R 13352. Tagebuch Ilsemann, 9. 11. 1918, in: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 37 f. Niemann, Kaiser, S. 139 f. Aufzeichnungen Racknitz, in: FA vR. Hierzu zuletzt detailliert Pyta, Hindenburg, S. 364 ff. Vgl. hierzu Hoffrogge, Richard Müller, S. 70 ff.; Luban, »Spartakusgruppe«, S. 37 f.; Luban, »Novemberrevolution«. – Dokumentarisch nah an der Realhistorie der 1932 erschienene Roman Plivier, Kaiser, S. 259 ff. Neue Freie Presse, 10. 11. 1918. Der Originaltext findet sich in Drann und Friedegg (Hg.), Revolutionsalmanach 1919; vgl. auch die Textvariante im Bericht des Korrespondenten der Neuen Freien Presse, 10. 11. 1918. Vgl. Felden, Eberts Leben, S. 301 f.; Ph. Scheidemann, Memoiren, Bd. 2, S. 315 f. Flugblatt als 3. Extra-Ausgabe des Vorwärts, 9. 11. 1918, in: GStA, XII. HA Drucksachen, IV Flugblätter und Plakate. Aufzeichnungen Haeftens über den 9. 11. 1918, zit. nach: Regierung der Volksbeauftragten, S. 18 f.; Aufzeichnungen des Adjutanten des Preußischen Kriegsministers Gustav Böhm über den 9. 11. 1918, zit. nach: Böhm, Adjutant, S. 62 f. Aufzeichnungen Racknitz, in: FA vR; ebd. auch das folgende Zitat. Vgl. Bernstorff, Erinnerungen, S. 178; Aufzeichnung Solf bzw. Haeften, in: Regierung der Volksbeauftragten, S. 14 ff. bzw. 18 f.; Aufzeichnung Haußmann, zit. nach: Haußmann, Schlaglichter, S. 271 f. Vgl. zum Folgenden die Schriftsätze in: BA B, R 43 I Nr. 2777. So Scheidemann in einem Artikel für den Vorwärts, 14. 4. 1927. MvB an Johannes Müller, 15. 11. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. die Aufzeichnungen des herzoglich-braunschweigischen Kammerdieners Spindler, in: Stadtarchiv Blankenburg. Braunschweig, Leben, S. 218 f.; vgl. auch Karlsruher Zeitung, 12. 11. 1918 (»Prinz Max von Baden wieder in Karlsruhe«) sowie die Berichte des preußischen Gesandten, Karl von Eisendecher, 9., 11. und 13. 11. 1918, in: Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 647 ff. – Zum Novemberumsturz in Baden: Machtan, Abdankung, S. 328 ff. Beide Aufzeichnungen Rackwitz in: FA vR. Braunschweig, Leben, S. 218. Der Epilog erschien am 15. 11. 1918 als Sonder- bzw. Vorabdruck aus den Preußischen Jahrbüchern und in deren Dezemberheft. Die wichtigsten Tageszeitungen veröffentlichten Auszüge daraus. Die folgenden Zitate entstammen dem vollständigen Abdruck in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, 16. 11. 1918. Rheinisch-Westfälische Zeitung, 16. 11. 1918 (»Der politische Schiffbruch des letzten Kanzlers«). Berliner Tageblatt, 16. 11. 1918 (»Ein Epilog des Prinzen Max«). MvB an Cosima Wagner, 19. 2. 1919, in: HZA , LA 142 Bü 891. 631 613
Teil IV 1919-1929 Kapitel 10: Die Nachkriegszeit 1
MvB an Johannes Müller, 15. 11. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift) bzw. an Cosima Wagner, 19. 2. 1919, in: NA RWS , Hs 67-23(1).
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Karl von Eisendecher an das Auswärtige Amt, 11. 11. 1918, zit. nach: Kremer (Bearb.), Berichterstattung, Bd. 2, S. 648; Johannes Müller an seine Frau Irene, 29. 5. 1919, in: Privatbesitz Richardsen, Garmisch-Partenkirchen. MvB an Marie Paulcke, 15. 7. 1919, in: GLA , NL Paulcke Nr. 11; dort auch das folgende Zitat. Max Warburg an seine Frau, 28. 6. 1920, in: SWA , NL Max Warburg. – Aus Sicht des Dienstpersonals stellte sich die Beziehung Baden – Hahn so dar: »Der Jude hatte den Prinz am Zügel und gab ihn nicht mehr frei«; Aufzeichnung der Schwestern von Max’ früherem Adjutanten von Racknitz, die im Haushalt der Familie Prinz von Baden in Baden-Baden mithalfen, in: FA vR. MvB an Johannes Müller, 24. 5. 1920, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Johannes Müller an MvB , 12. 11. 1918, in: ebd.; vgl. ebd. auch Müllers Schreiben an MvB , 23. 12. 1918. MvB an Johannes Müller, 16. bzw. 24./25. 12. 1918, in: ebd. MvB an Johannes Müller, 29. 3. 1919, in: ebd. Johannes Müller an seine Frau Irene, 29. 5. 1919, in: Privatbesitz Richardsen, Garmisch-Partenkirchen. Hierzu Müller-Elmau, Geschichte der Elmau, S. 42 ff. MvB an Johannes Müller, 8. 4. 1924, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Eine geschichtswissenschaftliche Analyse dieser Vermögensauseinandersetzung, die auch die politischen und psychologischen Faktoren dieses Vorganges berücksichtigt, steht noch aus. Kaum überzeugend die rechtshistorisch-positivistische Expertise des Autorenkollektivs um Laufs, Eigentum, bes. S. 107 ff. Dort finden sich immerhin ein weiterführendes Literaturverzeichnis sowie Regesten und ein Verzeichnis der einschlägigen Archivquellen. – Vgl. hierzu C. v. Aretin, »Umgang«; W. Klein, »Monarch wird Privatier«. – Das Zitat aus dem Protokoll der Sitzung des badischen Staatsministeriums, 22. 11. 1918, in: BA B, N 1342/119. Aus dem Beschluß-Protokoll der Verhandlungen Bodmanns mit dem badischen Finanzministerium, 6. 12. 1918, in: GLA, Best. 237/36331; aus dieser Akte auch zum Folgenden. – Vgl. darüber hinaus ebd. Best. 234/10070. Aus diesen Akten des badischen Justizministeriums geht die Rechtsauffassung hervor, daß MvB als früherer Inhaber des Stammgutes Salem mit der Staatsumwälzung automatisch Eigentümer dieses früheren Partikularfideikommisses geworden war. Übergriffe der Reichsgesetzgebung auf die badische Regelung der Vermögensverhältnisse des ehemals großherzoglichen Hauses lehnte das Justizministerium rigoros ab. Hierzu im einzelnen GLA , Best. 234/10064 sowie Best. 327/36331.
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MvB an Rupprecht von Bayern, 17. 2. 1919, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 694, bzw. an Johannes Müller, 6. 3. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller
(Abschrift). Vgl. Haebler, Geschichte, Bd. 2, S. 176 f.; außerdem MvB an Johannes Müller, 29. 3. 1913, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); Johannes Müller an seine Frau Irene, 30. 5. 1919, in: Privatbesitz Richardsen, Garmisch-Partenkirchen. MvB an Cosima Wagner, 26. 12. 1920, in: NA RWS, Hs 67-23(1). MvB an Marie Paulcke, 15. 7. 1919, in: GLA , NL Paulcke Nr. 11. Vgl. im einzelnen hierzu GLA , Best. 233/24312 bzw. Best. 237/36318; Karlsruher Zeitung, 25. und 26. 3. 1919; BA K, N 1342/119 (Unterredung des badischen Finanzministers Wirth mit MvB ); UB Freiburg, NL Bodmann Nr. 617-619; Amtliche Berichte der Badischen Nationalversammlung Nr. 14, 1. 4. 1919, S. 533-546. Vgl. GLA, Best. 237/36321 bzw. Best. 240/8161. Vgl. GLA, Best. 240/8161 (Stand 1925). MvB an Rupprecht von Bayern, 17. 2. 1919, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 694. MvB an Königin Victoria von Schweden, 16. 6. 1919, in: BFA , Drottning Victoria arkiv II . Nr. 21. Mitteilung von Innenminister Remmele an das badische Staatsministerium, 11. 7. 1919, zit. nach: GLA , Best. 233/24313. Vgl. Frankfurter Zeitung, 23. 7. 1919. MvB an Johannes Müller, 27. 1. 1920, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Max Warburg an seine Frau, 28. 6. 1920, in: SWA, NL Max Warburg. Hierzu im einzelnen MvB an Marie Paulcke, 15. 7. 1919, in: GLA, NL Paulcke Nr. 12; MvB an Axel Munthe, 8. 9. 1919, in: SRA, NL Munthe, Nachtragsband 2; MvB an Johannes Müller, 27. 1. 1920, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller; MvB an Rupprecht von Bayern, 6. 5. 1920, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 694. MvB an Marie Paulcke, 15. 7. 1919, in: GLA , NL Paulcke Nr. 14; dort auch das folgende Zitat. Hierzu Dissow, Adel im Übergang; vgl. zu dieser Thematik auch Malinowski, Vom König zum Führer, S. 259 ff. Vgl. Dumoulin, Adelsbezeichnung, S. 75 ff. Es handelte sich um Weimarer Reichsverfassung, Artikel 109 III . Vgl. zeitgenössisch Rensch, Der adelige Name, S. 127. Vgl. Gotha 156. Jg. (1919), S. 4. MvB an Cosima Wagner, 26. 12. 1920, in: NA RWS, Hs 67-23(1). Zu den Einzelheiten vgl. GLA , Best. 237/36318. Königin Victoria von Schweden an Axel Munthe, 15. 5. 1921, in: SRA, NL Axel Munthe Vol. 9. Zur vorläufigen Orientierung sei verwiesen auf Röhrs (Hg.), Bildung; Köppen, Schule; Hahn, Erziehung; Poensgen, »Schule Schloß Salem«, S. 26-31; Friese, Hahn. Vgl. den Ausstellungskatalog Dargel (Hg.), Prinz Max von Baden. So in der Rückschau MvB an Marie Paulcke, 27. 11. 1925, in: GLA, N Paulcke Nr. 14. 633 615
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Vgl. hierzu Kurt Hahn an Marina Ewald, 19. 9. 1919, in: Kurt-Hahn-Archiv Salem. Zu Geheebs Landschulheim vgl. die einführende Betrachtung von Herrmann (Hrsg.), Odenwaldschule, S. 9 ff.; zur Prinzenschule vgl. Machtan, Kaisersohn, S. 24 ff. – Vgl. außerdem in diesem Kontext Amlung (Hg.), Versuchsschulen. MvB an Rupprecht von Bayern, 17. 2. 1919, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 694. Kurt Hahn an Marina Ewald, 22. 11. 1919, in: Kurt-Hahn-Archiv Salem. Zu den Einzelheiten dieser Erzbergerschen Finanzreform vgl. Akten der Reichskanzlei. Kabinett Bauer, S. 99 ff. Abgabepflichtig waren hohe Nettovermögen, die über einem Freibetrag von 10 000 Euro (für Verheiratete) lagen und progressiv besteuert wurden; von 10 % aufwärts bis zu 65 % bei einem Besitz von über 7 Millionen Mark. MvB an Johannes Müller, 4. 12. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). Vgl. GLA, Best. 235/35663. MvB an Johannes Müller, 27. 1. 1920, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). §§ 10 bzw. 4 der Stiftungsurkunde, in: GLA, Best. 235/35663. Zit. nach dem Exemplar, in: Kurt-Hahn-Archiv Salem; das Deckblatt von Hahns getipptem Redeentwurf mit eigenhändigen Korrekturen (aus dem Privatbesitz des Hauses Baden) findet sich faksimiliert bei Dargel (Hg.), Prinz Max von Baden, S. 35. Kurt Hahn an Max Warburg, 6. 8. 1921, in: Kurt-Hahn-Archiv Salem. – Der gleiche Satz findet sich bereits in einem als »Unterredung« mit dem Prinzen Max von Baden drapierten Artikel der Neuen Badischen Landeszeitung, 18. 8. 1920. Kurt Hahn an Hans Delbrück, 13. 5. 1927, in: SBB PK, NL Delbrück, Briefe. Vgl. E. Hoffmann, »Schule in Schloß Salem«; dort ist von »Kurt Hahns pädagogischer Demiurgik« die Rede, die als »irrationaler Faktor« Wesentliches zum »Gedeihen des Ganzen« beitrage. Vgl. dazu Mosse, Erinnerungen; vor allem S. 107 ff.; außerdem Poensgen, »Schule Schloß Salem«, S. 27 f. Vgl. Miscoll, Schule Schloß Salem, S. 53. MvB an Johannes Müller, 23. 4. 1925, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. zeitgenössisch Köhler, Lebenserinnerungen, S. 109 f.; außerdem Lahme, Golo Mann, S. 28 ff., sowie Kappeler, Landerziehungsheim, S. 227 ff. Diese finanzielle Neustrukturierung bedarf noch einer genaueren Erforschung. Erste Hinweise bei Chernow, Warburgs, S. 516 und passim; Mosse, Erinnerungen, S. 104 ff.; Miscoll, Schule Schloß Salem, S. 53. MvB an Johannes Müller, 23. 4. 1925, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); ebd. das folgende Zitat. Vgl. Lahme, Golo Mann, S. 30. MvB an Johannes Müller, 23. 4. 1925, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). Vgl. zuletzt die Bilanzierung der Zäsur durch Brandt, »Ort der Revolution«. Zur Außenpolitik zwischen November 1918 und Juni 1919 vgl. Schwabe (Hg.), Friedensschluß, bes. die Einleitung; zudem K. Hildebrand, Reich, S. 396 ff.; Krumeich (Hg.), Versailles; Kolb, Frieden, S. 70 ff. sowie Th. Lorenz, Weltgericht. 634 616
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In seiner Eröffnungsrede zur Nationalversammlung, in: Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 326, S. 1 f. (6. 2. 1919). Vgl. C. Scheidemann, Brockdorff-Rantzau; außerdem Mühlhausen, Ebert, S. 247 ff. Vgl. Regierung Max von Baden, S. 427. C. Scheidemann, Brockdorff-Rantzau, S. 405 ff. Hierzu W. Mommsen, Weber und die Politik, S. 305 ff. Hierzu eindringlich Radkau, Max Weber, S. 772 ff. Vgl. Weber, »Der Reichspräsident«, in: MWG, Bd· I/16, S. 220-224; erstmals publiziert am 25. 2. 1919. MvB an Johannes Müller, 24./25. 12. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). Marianne Weber, Lebensbild, S. 696; vgl. auch das Telegramm von MvB an Brockdorff-Rantzau, 28. 4. 1919, wo er Max Weber vor allem wegen »seiner großen rednerischen und publizistischen Kraft« für eine politische Verwendung empfiehlt: PA AA, R 23066; zum Kontext vgl. Wengst, Brockdorff-Rantzau, S. 41 ff. Hierzu wie auch zum Folgenden vgl. die Dokumentation in: MWG, Bd· I/16, S. 196-207 bzw. 518-525; außerdem HStA S, Q 1/2 Bü 92; sowie Marianne Weber, Lebensbild, S. 697. Als Autor des von Hahn verfaßten Aufsatzes war »Prinz Max von Baden« angegeben; vgl. Baden, »Völkerbund«. Es handelt sich u. a. um Robert Bosch, Lujo Brentano, Hans Delbrück, Konstantin Fehrenbach, Conrad Haußmann, Friedrich Meinecke, Ernst Troeltsch und Max Weber. Vgl. hierzu das Unterkapitel »Öffentliche und familieninterne Anfeindungen«. Baden, »Völkerbund«, S. 319 f. Nach Auffassung von Marianne Weber »verwehte [sie] der Sturm« (Lebensbild, S. 696). Johannes Müller schrieb an Max, er möge doch dafür Sorge tragen, daß seine öffentlichen Worte »nicht ungelesen bleiben wie Ihre letzte [Heidelberger] Rede«; Brief an MvB , 6. 4. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Kessler, Tagebuch, Bd. 7, S. 143 f. (Eintrag 17. 2. 1919). Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 326, hier S. 66 f. (14. 2. 1919). Hierzu im einzelnen PA AA, R 23066. MvB an Archivdirektor Obser, 10. 3. 1919, in: GLA , NL Obser Nr. 147. MvB an Archivdirektor Obser, 10. 3. 1919, in: ebd. Frankfurter Zeitung, 7. 12. 1918. MvB an Johannes Müller, 25. 5. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Heinemann, Niederlage, S. 219 ff.; sowie Graml, Bülow, S. 23 ff. Über die offenen politischen Handlungsräume zu Beginn der Weimarer Republik vgl. immer noch Mommsen, Republik, S. 73 ff. – Über die demokratischen Potentiale in den politisch relevanten Geistesströmungen jener Zeit vgl. etwa T. Pohl, Denken; Wirsching, »Vernunftrepublikanismus«; Groh, Staatsrechtslehrer. MvB an Johannes Müller, 27. 1. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). 635 617
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MvB an Johannes Müller, 25. 5. 1919, in: ebd.
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Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 409; vgl. auch Th. Lorenz, Weltgericht, S. 411 ff., der die allgemeine Zurückweisung des Friedensvertrages treffend als »vielstimmigen Gleichklang« bezeichnet. Berliner Tageblatt, 11. bzw. 13. 6. 1919: »Der Kampf ums Recht«. MvB an Johannes Müller, 29. 7. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Preuß, »Nationale Demokratie (1920)«, in: Preuß, Politik und Verfassung, hier S. 152. MvB an Rupprecht von Bayern, 29. 10. 1919, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 694; vgl. auch MvB an Johannes Müller, 4. 12. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). MvB an Bischof Nathan Söderblom, 28. 7. 1919, in: GLA , Best. 46/7493 (Durchschlag). MvB an Cosima Wagner, 26. 12. 1920, in: NA RWS, Hs 67-23(1). MvB an Johannes Müller, 29. 7. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. Heinemann, Niederlage, S. 238 ff.; Th. Lorenz, Weltgericht, S. 108 ff. Vgl. Heß, Nationalismus; zum Folgenden ebd., S. 323 ff. Außerdem Graml, Bülow, S. 33 ff. Hier im Sinne von Salewski, »Revisionssyndrom«; vgl. auch Hagen Schulze, »Versailles«, S. 417 ff. Zu den wichtigsten Darstellungen des Revolutionsgeschehens in Baden vgl. Oeftering, Umsturz; Kaller, »Tätigkeit«; Kaller, »Klumpp-Putsch«; Brandt und Rürup, Volksbewegung; M. Pohl, Marum, S. 348 ff.; Machtan, Abdankung, S. 328 ff. Vgl. auch die Quellenedition Furtwängler (Bearb.), Protokolle der Regierung der Republik Baden. MvB an Johannes Müller, 15. 11. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Zum Politiker Haas vgl. Luckemeyer, Haas; zur Persönlichkeit und zum Judentum vgl. Schrag-Haas, »Erinnerungen«, S. 73 ff. MvB an Johannes Müller, 27. 1. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); zu ihren persönlichen Kontakten schon in den ersten Umsturztagen vgl. Oeftering, Umsturz, S. 168 f., 217 und passim. Vgl. Berliner Tageblatt, 3. 10. 1918 (»Der neue Kanzler«) bzw. Karlsruher Zeitung, 29. 10. 1918, über Haas’ Rede in Karlsruhe am 27. 10. 1918. Darin hatte er den Regierungschef als die für die Demokratisierung des Reiches »geeignetste Persönlichkeit« gepriesen. Vgl. MvB an Johannes Müller, 24./25. 12. 1918, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift): »Ich gebe heute noch der Badischen Regierung den Rat, die Main- und Neckargrenze zu sperren und Truppen hinzusenden.« MvB an Payer aus Baden-Baden, 29. 1. 1919, in: HStA S, Q 1/12 NL Payer. MvB an Rupprecht von Bayern, 17. 2. 1919, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 694; vgl. auch seinen Brief an Johannes Müller, 4. 12. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift), dort heißt es, seine »größte Besorgnis sei«, daß wir durch die demokratische Reichspolitik »noch mehr verpreußt werden«. »Berlin ist doch eben die Inkarnation des preußischen Geistes. Gott bewahre uns davor!«
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MvB an Payer aus Baden-Baden, 29. 1. 1919, in: HStA S, Q 1/12 NL Payer. MvB an Johannes Müller, 27. 1. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Ab-
schrift). Hierzu auf dem neuesten Forschungsstand Leicht, Heinrich Claß, S. 259 ff. Malinowski, Vom König zum Führer, S. 489; vgl. auch ebd., S. 293 ff. sowie Breuer, Ungleichheit, S. 105 ff. Hierzu eindringlich Mergel, »Führer«; sowie Wildt, »Volksgemeinschaft«. MvB an Archivdirektor Obser, 13. 9. 1920, in: GLA , NL Obser Nr. 147. MvB an Johannes Müller, 10. 12. 1920, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Zum Einfluß Hahns auf die außenpolitischen Äußerungen Max’ in den frühen zwanziger Jahren vgl. Hahns Korrespondenz mit Delbrück, in der er z. B. über die Notwendigkeit »der von uns [sic!] geplanten Offensive gegen den Versailler Frieden« sagt: »Wir können die deutsche Würde und den Kampf um die Wahrheit der Gegenwart und Vergangenheit nicht in den Händen unserer Regierung lassen«, die »gelähmt« sei »durch ihre Erfüllungspolitik«; 7. 10. 1920, in: SBB PK , NL Delbrück, Briefe. Vgl. hierzu die beiden Veröffentlichungen aus dem Frühjahr 1921 (unter dem Namen Max von Baden) »Gegen Lloyd George«, in: Das demokratische Deutschland, Nr. 14, S. 313 ff. und Baden, Offensive. – Diese Wiederholungen und Variationen des bereits Vorgetragenen bezweckten, die Gründung eines »Instituts für Auswärtige Angelegenheiten« zu präparieren; es wurde 1923 als private Stiftung aus hanseatischen Geldern in Hamburg aus der Taufe gehoben. Vgl. hierzu Gantzel-Kress, Geschichte des Instituts. Vgl. dazu Fischer-Baling, »Schuldfragen«; außerdem Pöhlmann, Kriegsgeschichte, S. 267 ff.; und Sammet, Dolchstoß. Vgl. Pyta, Hindenburg, S. 405 ff. MvB an Schwertfeger, 2. 8. 1922, in: BA K, N 15/549. Angestrengt hatte das Gerichtsverfahren im Frühjahr 1925 der Herausgeber der Süddeutschen Monatshefte, Cossmann, einer der publizistischen Vertreter der Dolchstoßlegende, durch eine Beleidigungsklage gegen den sozialdemokratischen Redakteur Gruber, der den Dolchstoß-Mythos in der Münchener Post als Geschichtsfälschung zurückgewiesen hatte. Vgl. Permoser, »Dolchstoßprozeß«; Hirschberg, Demokrat, S. 251 ff.; Barth, Dolchstoßlegenden, S. 510 ff. – Die Prozeßakten in: StA M, AG 69108; die wichtigsten Vernehmungen in DolchstoßProzeß in München. MvB an Hans Delbrück, 11. 5. 1925, in: SBB PK, NL Delbrück, Briefe. Vgl. Delbrücks Brief an Rechtsanwalt Hirschfeld, 26. 10. 1925, wo es heißt: »Ich glaube kaum, daß dem Prinzen viel daran liegen wird, im Rahmen des Prozesses die historische Rolle, die er gespielt hat, zu erörtern, denn ich weiß bestimmt, daß in der nächsten Zeit seine Memoiren über diese Epoche erscheinen soll[en], wo er natürlich alles viel besser darzulegen imstande ist als in einem Prozeß, in den dieses Problem ja gar nicht hineingehört. […] Ich würde an Ihrer Stelle dem Gericht erklären: Möge der Prinz sich verteidigen, wie er will, die Sozialdemokratie, deren Sache hier verhandelt wird, geht das nichts an«, in: SBB PK , NL Delbrück, Konzepte. Hierzu die eingehende Studie von C. Fischer, Ruhr Crisis. 637 619
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Einige verstreute Hinweise finden sich bei Gengler, Monarchisten, S. 122 ff.; Hoser, Tagespresse, Bd. 1, S. 472 ff.; Garnett, Swastica, S. 90 ff.; Seidel, »Mission«; D. Weiß, Rupprecht von Bayern, S. 211 ff. Vgl. die Aufzeichnung des welfischen Politikers Hermann von Hodenberg »Gespräch mit Prinz Max von Baden« von 1930, in der er über ein solches konspiratives Treffen in München im September 1923 berichtet, auf dem er auch MvB traf, in: HStA H , Dep 37 S Nr. 295; ebd., Nr. 290 gibt Aufschlüsse über die deutsch-hannoverschen Kampfverbände, die den niedersächsischen Freistaat erzwingen sollten. Vgl. außerdem die Memoiren von Rupprechts Schwager Prinz Heinrich von Sachsen, (Sachsen, Lebensweg, S. 175 ff.) sowie Weberstedt (Hg.), Rupprecht gegen Ludendorff. – Zu den monarchisch-separatistischen Bestrebungen in Hannover vgl. auch die Gespräche, die der Vertrauensmann des deutschen Kaisers, Ilsemann, mit diversen Persönlichkeiten in Deutschland Anfang November 1920 führte: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 162 ff. Vgl. Kershaw, Hitler 1889-1936, S. 243 ff. MvB an Johannes Müller, 14. 11. 1923, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). So der ebenfalls in das Münchener Komplott involvierte frühe Großherzog von Mecklenburg-Schwerin Friedrich Franz in einem Brief an seinen Vermögensverwalter Rantzau, 12. 4. 1924, in: LHA S , 5.2-5 Nr. 32b; vgl. auch ebd. sein Schreiben an Rantzau aus München, 4. 11. 1923. MvB an Rupprecht von Bayern aus Salem, 6. 1. 1924, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 694. MvB an Wilhelm Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen, 3. 4. 1924, in: S tA S ig, FAS HS 1-80 T 9 R 53, 220/7; ebd. auch die folgenden Zitate dieses Absatzes. Ansprache MvB s an eine Versammlung von Bürgermeistern aus dem Bezirk Überlingen in Salem am 16. 11. 1923, zit. nach dem Manuskript, in: GLA , N Obser Nr. 147. »Appell des Prinzen Max von Baden an den Reichspräsidenten Ebert«, nach einem Artikelausschnitt der Lokal-Zeitung Der Bote vom Salemer Tal, 1. 12. 1923, in: GLA, N Obser Nr. 147. MvB an Wilhelm Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen, 3. 4. 1924, in: S tA S ig, FAS HS 1-80 T 9 R 53, 220/7. MvB an Johannes Müller, 16. 5. 1927, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Zum Folgenden vgl. Sammet, Dolchstoß, S. 95 ff. sowie Gruhlich, Geschichtspolitik, S. 104 ff. Vgl. zu Westarps historisch-politischer Bedeutung Jones und Pyta (Hg.), Westarp. – Vgl. zum Folgenden Barth, Dolchstoßlegenden, S. 308 ff., Malinowski, Vom König zum Führer, S. 232 ff. sowie Pyta, Hindenburg, S. 411 ff. Vgl. Westarp an Graefe bzw. Goltz, 10. 1. bzw. 4. 2. 1919, in: BA B, N 2329/35; Westarp, Ende der Monarchie. Westarp, Ende der Monarchie, S. 21. Neue Preußische Zeitung, 20. 3. 1919 (»Die gefälschte Abdankungserklärung vom 9. November«). Schreiben vom 7. 4. 1919, in: HZA, LA 142, Nr. 739; ebd. auch die Korrespondenz mit Max von Baden sowie die entsprechenden Artikelentwürfe. 638 620
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Johannes Müller an MvB , 6. 4. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Durchschlag). Vgl. Prittwitz, Petersburg und Washington, S. 100 f. Vgl. MvB an Cosima Wagner, 19. 2. 1919, in: NA RWS, Hs 201-14: »Heute noch bin ich einer der wärmsten Bewunderer Ludendorffs, ja ihm mit herzlicher Sympathie ergeben«. Das Schreiben datiert vom 28. 2. 1919, wurde aber erst gut zwei Wochen später, am 16. 3. 1919, im Vorwärts wie auch im Berliner Tageblatt veröffentlicht (»Ludendorff und Scheidemann. Ein Briefwechsel«). MvB an Johannes Müller, 29. 3. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Neue Preußische Zeitung, 13. 8. 1919. Bernhardi, Heldenkampf, S. 524. Wilhelm II . (eigenhändig) an Johannes Kriege, 14. 10. 1919, in: PA AA , NL Johannes Kriege, Bd. 5. Vgl. GStA, I. HA Rep. 90 A Nr. 2581 sowie Rep. 168 Abt. B Sect. III Lit M Nr. 4. Wilhelm II . an Max Egon von Fürstenberg, 4. 5. 1919, in: Fürstlich Fürstenberg’sches Archiv Donaueschingen. Vgl. Conze, »Helden und Verräter«, S. 371 ff. Vgl. Wilhelm II . an den früheren Chef des kaiserlichen Zivilkabinetts Berg, 8. 1. 1919, in: Staatsarchiv Allenstein/Olsztyn, NL Berg: »Wenn heute unser Max nach den Schuldigen sucht, so soll er nicht im Kriege als solchen, in den Persönlichkeiten des Kaisers und des deutschen Heerführers, in den Königen und Fürsten und den Ministern die Schuldigen suchen und finden, sondern er soll sich an die eigene Brust schlagen und mea culpa sagen. Der Max ist der Hauptschuldige an dem Zusammenbruch.« Neue Preußische Zeitung, 28. 3. 1919. Diesen Brief vom 19. 8. 1919 brachte die Welt am Montag Jahre später zum Abdruck (22. 10. 1928). MvB an Ernst II . Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, 31. 3. 1919, in: HZA , LA 142, Nr. 739. Vgl. Bernd-A. Rusinek, »Offiziere«. MvB an Johannes Müller, 4. 12. 1919, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). Zum politischen und persönlichen Profil der zur heimlichen Chefin des Hauses Preußen avancierten Cecilie, die Max weltanschaulich durchaus nahestand, vgl. Machtan, Kaisersohn, S. 153 ff. MvB an Johannes Müller, 10. 12. 1920, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). Ergänzend hierzu heißt es dort: »Etwas besser steht es zwischen mir und dem [badischen] Großherzogspaar, mit dem ich wenigstens offen reden kann. Aber ein wahres Sichverstehen besteht auch hier nicht. Das macht natürlich Begegnungen nicht gerade leicht und fruchtbar.« Vgl. Ilsemann über seine Gespräche im November 1920, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 164 und 166. MvB an Johannes Müller, 10. 12. 1920, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). So Wilhelms Bruder Heinrich gegenüber Ilsemann bei einem Besuch in Doorn, 15. 2. 1922, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 199. 639 621
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So in einem Gespräch mit Welfenpolitiker Alpers bei dessen Besuch in Salem am 13./14. 9. 1922, zit. nach: Alpers Aufzeichnungen (Privatbesitz, Hamburg-Harburg). In seinem Ende September 1922 erschienenen Erinnerungswerk (Wilhelm, Ereignisse und Gestalten) ließ der Ex-Kaiser Max von Baden als ganz in der Hand von Scheidemann erscheinen. Der habe »den Prinzen dazu gebracht, den Kaiser, die Fürsten und das Reich preiszugeben, und ihn dadurch zum Zerstörer des Reiches gemacht. Dann stürzte Scheidemann den schwachen prinzlichen ›Staatsmann‹« (S. 244). Hessen, Aufzeichnungen, S. 157. Tagebuch Ilsemann, 15. 5. 1923, zit. nach: Ilsemann, Kaiser in Holland, Bd. 1, S. 276. Vgl. hierzu etwa das Tagebuch von Wilhelms Leibarzt in Doorn Hähner, 4. 8. 1923, in: HA K, NL Hähner Nr. 12; MvB an Johannes Müller, 8. 4. 1924, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift); MvB an Schwertfeger, 10. 4. bzw. 3. 6. 1926, in: BA K, N 1015/549; MvB an Rupprecht von Bayern, 6. 5. 1928, in: BayHStA, GHA, NL Rupprecht Nr. 694. Wilhelm II . an seine Schwester Margarethe, 18. 11. 1929, in: Archiv der Hessischen Hausstiftung, Schloß Fasanerie Eichenzell; freundliche Mitteilung von Rainer Prinz von Hessen. – Rückübersetzung aus dem englischen Originaltext: »the d-d [dammed] traitor Max of Baden, now up before his judge to answer for his treacherous behaviour […] + for the ruin of the German Empire whose Chancellor he was«. Johannes Müller an seine Frau Irene, 29. 5. 1919, in: Privatbesitz Richardsen, Garmisch-Partenkirchen bzw. Aufzeichnung Hodenbergs, 7. 10. 1930, in: HStA H , Dep 37 S Nr. 290 (»Gespräch mit Prinz Max von Baden«). Zu Tresckow und seiner literarischen Verarbeitung seiner Erfahrungen als Leiter des Homosexuellenreferats beim Berliner Polizeipräsidium vgl. die Studie von Dobler, Duldungspolitik, S. 303 ff. – Das Buch war im F. Fontane Verlag in Berlin erschienen und soll sich in mehr als 30 000 Exemplaren verkauft haben. Der konservative Biograph des homosexuellen Fürsten Philipp Eulenburg, Johannes Haller, zitierte 1926 aus Tresckows Werk mit der ausdrücklichen Entschuldigung: »Der Historiker darf sich nicht scheuen, das Gold der Wahrheit aufzulesen, gleichviel wo er es findet, und von Tresckow, der ehemalige Kriminalkommissar, besitzt manche gute Kenntnis, wenn er sie auch in ebenso niedriger wie fahrlässiger Weise verwendet« (Haller, Leben, S. 340). MvB an Johannes Müller, 22. 9. 1922, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). Die von Keim herausgegebenen und weitverbreiteten Monatshefte für Politik und Wehrmacht hatten Max von Baden schon im Sommer 1922 heftig angegriffen: Vgl. Schwertfeger an MvB aus Pyrmont, 30. 6. 1922, in: BA K, N 1015/549. Keim, Erlebtes, S. 255. Keim, Max von Baden, S. 4 f. MvB an Johann Graf Bernstorff aus Salem, 3. 12. 1922, zit. nach: Bernstorff, Erinnerungen, S. 180 f.; ebd. der Verweis auf Ratgeber Simons. Dies wie auch das Folgende nach dem sozialdemokratischen Organ für Mittelbaden, Volksfreund, 15. 9. 1921. – Zum Kontext mit der einschlägigen Literatur vgl. Matthias Erzberger. Buch zur Dauerausstellung, S. 42 ff. und 67 ff. 640 622
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Vgl. Madrasch-Groschopp, Weltbühne; außerdem Takemoto, Außenpolitik. Weltbühne, 10. 11. 1925. Ebd., 15. 5. 1927. MvB an Johannes Müller, 22. 9. 1923, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). MvB an Max Warburg, 21. 9. 1922, in: SWA , NL Max Warburg. MvB an Obser, 8. 9. 1923, in: GLA , NL Obser Nr. 147. MvB an Marie Paulcke, 28. 3. 1922, in: GLA , NL Paulcke Nr. 15. MvB an Johannes Müller, 26. 3. 1922, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). MvB an Johannes Müller, 8. 4. 1924, in: ebd. Vgl. hierzu die Erinnerungen von Max’ Schwiegersohn (Hessen, Aufzeichnungen, S. 156 ff.); außerdem die Hochzeitsbilder in: GLA , N Paulcke Nr. 13. MvB an Johannes Müller, 8. 5. 1925, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Marie Louise von Baden an Schwertfeger, 30. 11. 1925, in: BA K, N 1015/549. Vgl. den Artikel »Fürstenenteignung« bei Wikipedia mit Links und Verweisen auf die wissenschaftliche Literatur. Dazu im einzelnen Volksbegehren und Volksentscheid, S. 48 ff.; außerdem GLA , Best. 237/36321. – Zum regionalgeschichtlichen Vergleich Schnabel, »Niederlage«, S. 98 ff.; und Fulda, Press and Politics, S. 200 ff. (Provinz Brandenburg). MvB an Schwertfeger, 16. 3. 1926, in: BA K, N 1015/549. – Mit der Anspielung auf das »frühere Kirchengut« hat es die Bewandtnis, daß das sehr reiche Reichsstift Salem dem Hause Baden im Jahre 1802 als Säkularisationsobjekt zugefallen, das heißt dem Zisterzienserorden und damit der katholischen Kirche letztlich geraubt worden war. In Analogie zu dieser gewaltsamen Besitzergreifung glaubten zahlreiche Katholiken in Baden, es nun von dem Privatmann Max auch wieder entschädigungslos für den Staat zurückfordern zu dürfen. Schon 1919 waren solche Forderungen erhoben worden: vgl. Badischer Landsmann, 7. 4. 1919. – Zu Max’ Empörung vgl. auch seinen Brief an Marie Paulcke, 19. 1. 1926, in: GLA , N Paulcke Nr. 15. Vgl. im einzelnen die Statistik, in: Volksbegehren und Volksentscheid, S. 9 ff. Vgl. M. Braun, Landtag, S. 606; bei den letzten badischen Landtagswahlen (25. 10. 1925) hatten Zentrum und Sozialdemokratie zusammen gerade einmal knapp 444 000 Stimmen erhalten (ebd., S. 617). MvB an Marie Paulcke, 21. 5. 1926, in: GLA , NL Paulcke Nr. 16. MvB an Schwertfeger, 26. 5. 1926, BA K, N 1015/549. Hierzu Kurt Hahn an Hermann Onken, 3. 7. 1926, in: StA O, Best 271-14 Nr. 193; Delbrück an Hahn, 16. 7. 1926, in: SBB PK , NL Delbrück, Konzepte; MvB an Johannes Müller, 8. 5. 1925, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (maschinenschriftliches Diktat mit eigenhändiger fahriger Unterschrift); ebd. das folgende Zitat. Vgl. auch Marie Louise Prinzessin von Baden an Marie Paulcke, 14. 7. 1926, wo es heißt: »Schuld an der Erkrankung sind die Aufregungen und Gemütsbewegungen der ganzen letzten Jahre, und jetzt zuletzt die monatelange Spannung durch die Verhandlungen bis zur Abstimmung über die Enteignung.« Vgl. hierzu im Detail Machtan, »Autobiographie«. Kurt Hahn an Friedrich Karl Prinz von Hessen, 31. 10. 1926, zit. nach: Hessen, Aufzeichnungen, S. 121. Voß, »Prinz Max von Baden«, Nr. 29, 20. 7. 1930. 641 623
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In einem Artikel für Die Zeit (31. 5. 1956) hat Hahns engste Mitarbeiterin Lina Richter ganz ungeniert publik gemacht, »daß er selbst [Hahn] es war, der diese Memoiren schrieb«. Vgl. Kurt Hahn an Hermann Onken, 23. 9. bzw. 25. 11. 1926, in: StA O, Best 271-14 Nr. 193. Die meisten Anteile an dem Unternehmen hatte damals Robert Bosch, ein alter politischer Verbündeter, der auch bei der Finanzierung der »Heidelberger Vereinigung« mitgeholfen hatte. Marie Louise von Baden an Schwertfeger, 28. 1. 1927, in: BA K, N 1015/549. Eine solche kritische Analyse müßte sich nicht auf den offiziellen Autor, sondern auf Kurt Hahn beziehen. Sie müßte aber auch andere Väter dieser Hervorbringung berücksichtigen wie Hans Delbrück, Bernhard Schwertfeger, Hermann Onken sowie weitere Mit- und Zuarbeiter. Und außerdem noch die geschichtspolitische Kultur der späten zwanziger Jahre miteinbeziehen, in die das Buch meinungsbildend hineinwirken wollte; vgl. Machtan, »Autobiographie«. MvB an Johannes Müller, 16. 5. 1927, in: Archiv Schloß Elmau, NL (Abschrift). Daß man sich in Salem solcher Gefälligkeitsrezensionen gerne und reichlich bediente, um damit auf die Rezeption des Buches einzuwirken, kann man zum Beispiel in folgenden Briefen lesen: MvB an Schwertfeger, 7. 5. 1927, in: BA K, N 1015/549; MvB an Archivdirektor Obser, 16. 5. 1927, in: GLA, N Obser Nr. 145; MvB an Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, 9. 11. 1927, in: HZA , LA 142, Nr. 239. Kurt Hahn an Hermann Onken, 27. 4. 1927, in: StA O, Best 271-14 Nr. 193. Hierzu Machtan, »Autobiographie«. MvB an Rupprecht von Bayern, 6. 5. 1928, in: BayHStA, GHA , NL Rupprecht Nr. 694. Hessen, Aufzeichnungen, S. 121; vgl. hierzu auch Brandenburg, Feuer, S. 276 ff. Vgl. Solf an Friedrich Heilbronn, 1. 9. 1928, nach der Durchschrift, in: BA K, N 1053/111. Hier und im Folgenden zit. nach dem notariell beglaubigten Vertrag, 3. 5. 1919, in: GLA, Best. 230/60. MvB an Johannes Müller, 10. 12. 1920, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Vgl. L. Müller, »Friedrich II . Großherzog«, S. 364 f. So Kurt Hahns Mitteilung in seinem Brief an Herrmann Onken, 30. 5. 1927, in: StA O , Best. 271-14 Nr. 193; vgl. auch MvB an Johannes Müller, 16. 5. 1927, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift), dort ist von seinem bevorstehenden Besuch beim »schwer erkrankten« Großherzog in Freiburg die Rede. StA FR , B 18/22 Freiburg Abt. II Nr. 31424. Leider verweigert das Notariat Freiburg mit Verweis auf die Schweigepflichtbestimmung der Bundesnotarordnung die Einsicht in diese Quelle. – Ersatz bietet das Standesregister des Großherzoglichen Hauses, in: GLA , Best. 47/2296; dort ist der Adoptionsvorgang offiziell beurkundet. Vgl. C. v. Aretin, »Umgang«, S. 180 (Anm. 78). Vgl. Bickler, Erwachsenenadoption; Roth, Adoption, S. 42 ff.; Neukirchen, Entwicklung, S. 84 ff. Köhler, Lebenserinnerungen, S. 110. 642 624
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MvB an Johannes Müller, 1. 2. 1923, in: Archiv Schloß Elmau, NL Müller (Abschrift). Hierzu aufschlußreich die Presse- und sonstigen Zeugnisse, in: GLA , Best. 233/23848. Vgl. die Badische Zeitung, 17. 8. 1928: »Namens der Stahlhelmkameraden legte der Landesverbandsführer Major von Neufville in der Stadtkirche einen prächtigen Lorbeerkranz in den alten deutschen und badischen Farben nieder, wofür S. Kgl. Hoheit Prinz Berthold von Baden dankte.« Ebensowenig wie der Titel »Markgraf«, den sich Max Prinz von Baden etwa zeitgleich vindizierte: vgl. Gotha 166. Jg. (1929), S. 5. Auch der war – rechtlich besehen – kein Bestandteil des seit 1919 bürgerlichen Namens, sondern eine selbstreferentielle Bezeichnung – so wie »Minister« oder »Treuhänder«, der aber freilich einen vornehmer anmutenden Klang besaß. Ein Adelstitel war der »Markgraf« nicht und konnte es nicht sein, weil der Neuerwerb eines Adelstitels nach 1919 in Deutschland gar nicht mehr statthaft war. – Hätte man in der Weimarer Republik – so wie in Österreich – den Adel konsequenterweise grundgesetzlich abgeschafft, wäre all dies niemals in Erscheinung getreten: vgl. Rieckher, Aufhebung der Adelsvorrechte. Vgl. Breisgauer Zeitung, 10. 8. 1928. Badische Presse, 16. 8. 1928; gleichlautend auch die überregionalen Zeitungen. Arbeiter-Zeitung, 17. 8. 1928 (»Die letzte Parade«). Vgl. M. Braun, Landtag, S. 457 f. Marie Louise Prinz von Baden an Schwertfeger, 28. 8. 1928, in: BA K, N 1015/549. Wilhelm Solf an Friedrich Heilbronn, 1. 9. 1928, in: BA K, N 1053/11 (Kopie). Vgl. Vossische Zeitung, 7. 11. 1929; Frankfurter zeitung, 7. 11. 1929. Zur Leichenfeier vgl. die Aufzeichnungen des damaligen Rektors der Universität Freiburg, Paul Uhlenhut, in: UA FR , C 67/28, S. 4 ff. Marie Louise Prinz von Baden an Marie Paulcke, 24. 12. 1929, in: GLA , NL Paulcke Nr. 16. Exemplarisch hierzu die Gedächtnisreden des badischen Zentrumspolitikers Baumgartner (Karlsruher Zeitung, 7. 11. 1929) sowie des DDP -Politikers Hermann Dietrich, des damaligen Reichsernährungsministers und früheren badischen Staatsdieners, im Deutschen Rundfunk (Druckfassung in Wolff’s Telegraphisches Büro, Nr. 2289, 6. 11. 1929). Vgl. den bei aller Höflichkeit substantiell wenig schmeichelhaften Nachruf im Vorwärts, 6. 11. 1918 (Abendausgabe): »Er war weiter nichts als ein Mann von anständiger Gesinnung und von gutem Willen, der sich Unmögliches zugemutet hatte und vom Sturm des Schicksals gezaust wurde.« Er stehe außerdem für »den hoffnungslosen Niedergang des monarchischen Systems«. Zu den rechten Blättern vgl. die Nachreden in der Kreuz-Zeitung und in Der Tag (jeweils 7. 11. 1929) sowie im Völkischen Beobachter, 8. 11. 1929. – Bemerkenswert dabei ist, daß das NS -Organ den Verstorbenen nicht in ihrem sonst üblichen Jargon als »Novemberverbrecher« denunzierte, sondern als »eine der tragischsten Gestalten der welterschütternden Geschichte der letzten Jahre«. Mehr noch: Der Prinz sei ein notorisch »kränklicher Mensch« gewesen. »Seine daraus resultierende Schwäche und Weichheit mag ihm zugute gehalten werden.« – Zu den 643 625
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linken Blätten vgl. den medisanten Artikel in der linkssozialistischen Boulevardzeitung Die Welt am Abend (6. 11. 1929), sowie die demonstrative 7-Zeilen-Notiz auf der 3. Seite des Zentralorgans der KPD Rote Fahne (7. 11. 1929). Vgl. seinen Nachruf für The Manchester Guardian (8. 11. 1929), der vor allem darauf abhebt, »that he had no real understanding of politics«. Max »did his best, but the whole training and temperament unfitted him for the pulling of wires and the management of men. He was a very simple but highly cultured gentleman.« Zum historischen Kontext seines politischen Denkens vgl. Kaune, Willy Hellpach, S. 61 ff. Kölnische Zeitung, 7. 11. 1929. Voß, »Prinz Max von Baden«. – Seiner Personalakte (GLA Best. 466/15766) zufolge durchlief der 1870 geborene Schaible eine klassische Beamtenkarriere in Baden, wo er eine Zeitlang als Polizeidirektor in Karlsruhe wirkte. Nach dem Krieg war er Landrat in Konstanz und verstarb am 4. 10. 1933 ledig im schweizerischen Lugano. – Unter dem Pseudonym C. A. Voß hat er sich in der Vorkriegszeit auch als Literat bzw. Lustspieldichter versucht. Zum homoerotischen Bildprogramm des 19. Jahrhunderts vgl. Fischbacher, Des Königs Knabe, S. 110 ff.; Wilson, Goethe, Männer, Knaben, S. 180 f. und 278 ff.
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Abbildungsnachweis Badisches Landesmuseum Karlsruhe: S. 38 Berliner Zeitung, 03. 11. 1918: S. 255 bpk/Alfred Groß, Berlin: S. 454 Wilhelm von Bray-Steinburg, Geschichte des 1. Badischen Leibdragoner-Regiments Nr. 20 und dessen Stammregiments des Badischen Dragoner-Regiments von Freystedt von 1803 bis zur Gegenwart, auf Befehl des Regiments bearbeitet durch Graf von Bray, Berlin 1909, nach S. 298: S. 183 Bundesarchiv Koblenz, Plakatsammlung: S. 403 Deutscher Revolutionsalmanach, hg. v. Ernst Drahn und Ernst Friedegg, Hamburg 1919, S. 87: S. 396 Fondazione Axel Munthe Villa San Michele, Capri: S. 178 Fotosammlung Kammerhof Museen, Gmunden: S. 151 (cn/88), 176 Generallandesarchiv Karlsruhe: S. 27 (J-Aa M 18), 62 (J-Aa M 39), 90 (69 Baden Sammlung 1995 N Ludwig 83b), 229 (J-Aa M 33), 234, 235, 238 (alle N Paulcke 273) Marlene A. Eilers Koenig Collection, Alexandria (Virginia, USA): S. 113 MatrixMedia Verlag, Göttingen: S. 147 (Foto: Otto Kamm [Hannover], Gmunden 1913), 220 (Foto: Arthur Floeck, Gmunden 1913) Hans Müller, Badische Fürsten-Bildnisse, Bd· 2: Von Markgraf Friedrich (1756-1817) bis zur Gegenwart, Karlsruhe 1893, S. [137]: S. 46 New York Times, 13. 10. 1918: S. 411 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (Signatur 22328): S. 445 Privatarchiv der Familie Munthe: S. 164 Privatsammlung Bengt Jangfeldt, Stockholm: S. 184 Privatsammlung, München: S. 162 (Bilder rechts oben und unten) Marc Rosenberg, Badische Fürstenbildnisse aus der von Seiner Königlichen Hoheit dem Hochseligen Großherzog Friedrich I. von Baden veranlaßten Ausstellung im Karlsruher Kunstverein, 29. Dezember 1906 bis 13. Januar 1907, Karlsruhe 1908, Tafel 36: S. 52 Simplicissimus. München, Nr. 21, 18. 08. 1913: S. 107; Nr. 44, 01. 02. 1926: S. 510 Bernhard Steinert, Sankt Blasier Land. Berichte und Dichtungen um eine Landschaft und ihre Geschichte, Bd. 1, St. Blasien 1987, nach S. 328: S. 270 (Foto: Bernd Haine) Staatsarchiv Coburg, Bildsammlung IX 211 Nr. 84, Foto: Eduard Uhlenhuth, mit freundlicher Genehmigung der Familie Uhlenhuth: S. 86 Stadtarchiv Karlsruhe, (c) und Foto: S. 124 (Signatur: 8/PBS ol 122), 517 (Signatur: 8/PBS oXl 141) The Bernadotte Library/The Royal Collections/Royal Palace, Stockholm: S. 25 Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln: S. 428 ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo Scherl: S. 217 Weitere Abbildungen stammen aus dem Archiv des Autors oder des Suhrkamp Verlages. Der Verlag hat sich bemüht, die Rechteinhaber der Bilder zu ermitteln – nicht in allen Fällen war dies möglich. Wir bitten die Rechteinhaber, sich mit dem Verlag in Verbindung zu setzen. 678 660
Personenregister Adalbert, Prinz von Preußen 218, 481
Bahr, Hermann 200
Adelheid Marie, Herzogin von Naussau
Bahr-Mildenberg, Anna 193, 198, 201,
42 f.
231
Adolf, Herzog von Nassau 42 f.
Balfour, Arthur James 317
Alberino, Giovannina 161
Ballin, Albert 262
Alexander I., Zar von Rußland 31, 33, 57
Baudissin, Wolf Graf 44
Alexander II., Zar von Rußland 266
Baumert (Chauffeur) 389
Alexander III., Zar von Rußland 83 f.
Baumgartner, Eugen 518
Alexandra (Alix), Zarin von Rußland
Bäumler, Christian 43
95 f., 128, 256
Beatrice, Prinzessin von Sachsen-
Alexandra Fjodorowna, Zarin von Rußland 47
Coburg-Gotha 112 f. Beauharnais, Eugène de, Herzog von
Alexandra, Prinzessin von Cumberland
Leuchtenberg, Fürst von Eichstätt
143, 148 Alexandra, Prinzessin von Dänemark, Herzogin von Yorck 83 Alexandra, Prinzessin von Groß
47, 50 Bebel, August 76, 113, 188 Beerfelde, Hans-Georg von 287–289 Beneckendorf-Hindenburg, Conrad von
britannien, Fürstin von HohenloheLangenburg 86
78 Beneckendorf-Hindenburg, Sophie von
Alexandrine, Herzogin von SachsenCoburg-Gotha 104, 112 Alexei Michailowitsch, Großfürst von
77 f., 260 f. Benedikt XV., Papst 254, 291, 341 Berg, Friedrich von 344 f., 353, 379 f.,
Rußland 26
382 f., 428
Alfons XIII., König von Spanien 344
Bernadotte, Jean-Baptiste Karl XIV.
Alpers, Ludwig 150
Amalie, Prinzessin von Hessen-Darmstadt, Prinzessin von Baden 30 f.
Bernhard III., Herzog von Sachsen-
Asquith, Herbert Henry 317 August Wilhelm, Prinz von Preußen 216, 433 f., 441, 481 Augusta, deutsche Kaiserin, Königin von Preußen 87
Meiningen 72 f., 75, 388 Bernhard, Georg 385 Bernhardi, Friedrich von 500 Bernstorff, Albrecht Graf von 452 Bernstorff, Johann Heinrich Graf von
Auguste Amalie, Prinzessin von Bayern, Herzogin von Leuchtenberg 50
393, 434, 452, 458, 461 Berthold, Prinz von Baden 182 f., 196,
Auguste Viktoria, deutsche Kaiserin,
229, 231, 281, 321, 367, 467, 479,
Königin von Preußen 72 f., 80, 151, 157, 217–222, 332, 344 f., 367, 427,
Johann, König von Schweden und Norwegen
481 f., 485, 511, 513–517 Bethmann Hollweg, Theobald von 187,
433 f., 441 f., 444, 451, 462
203, 207, 217, 221, 223–225, 227,
Auguste, Herzog von Leuchtenberg,
248, 258, 260, 263–271, 275, 290–
Prinzgemahl der Königin von
294, 297–299, 301–303, 306, 336,
Portugal 50 Avenarius, Ferdinand 204 f.
339, 348, 374, 384, 402, 421 Bildt, Alexandra 172
679
Bildt, Carl 172 Bismarck, Otto Fürst von 12, 37, 44, 47, 49, 51, 53, 57, 59 f., 64, 69, 88, 98 f., 141 f., 147 f., 205, 224, 227, 278, 294, 326, 346, 387, 389, 401, 410, 437, 456, 483
Charlotte, Prinzessin von Preußen, Herzogin von Sachsen-Meiningen 72 f., 74 f. Christian IX., König von Dänemark 82, 151, 157 Christian, Prinz von Cumberland 169
Björnsen, Björnstjerne 117 f. Blanc, Alberto de 119 Bloem, Walter 285 Bodmann, Johann Hermann Freiherr von 211 Bohlen und Halbach, Kurt von 179, 181, 185 f. Böhm, Franz 232 Borries, Georg von 186 f. Brandenburg, Hans 193 Brauer, Arthur von 167 f. Brauer, Karola von 231 Braun, Otto 414 Brecht, Arnold 315, 402 Brockdorff-Rantzau, Ulrich Graf von 393, 486–488 Bülow, Bernhard Fürst von 128, 143, 167, 185, 203, 205–207, 214, 269, 326, 376, 444 Bülow, Bertha von 195 Bülow, Maria Anna Rosalia Fürstin von 207 Burckhardt, Jacob 63 Butler, Judith 80 Byron, George Gordon Lord 64 Cäcilie, Großfürstin von Rußland, Prinzessin von Baden 26, 46 Carl Alexander, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 82 Carlyle, Thomas 63 Carola, Königin von Sachsen 82 Cecilie, deutsche Kronprinzessin, Kronprinzessin von Preußen 217, 430, 433, 502 Chamberlain, Eva 201 Chamberlain, Houston Stewart 30, 134, 200, 210 f., 247, 251, 269, 271, 273 f., 276, 278–280, 289, 298 f., 337 Charcot, Jean Martin 114 f.
D’Annunzio, Gabriele 262 Dandl, Otto von 433 David, Eduard 313, 327–329, 372, 414 Decken, Charlotte von der 73 f. Delbrück, Clemens von 402, 421 f., 424 Delbrück, Hans 312 f., 327–331, 338, 359, 365, 372, 483, 494 Deman, Rudolf 232 Deutelmoser, Erhard 393 f., 456 Dittmann, Wilhelm 461 Douglas, Lord Alfred 120 f. Douglas, Ludvig Graf 261–264 Drews, Wilhelm (genannt Bill) 375, 433, 435 f., 439, 441, 451 Du Maurier, George 319 Ebert, Friedrich 329, 372 f., 377–379, 381, 384, 396, 408, 410, 413 f., 426, 430–433, 445–449, 451, 455–461, 464 f., 486, 497, 519 Einem, Karl von 188, 387 Eisendecher, Karl von 44 f., 64, 88f., 94 f., 99, 123, 128, 137, 143, 152, 167–169, 171, 175 f., 178, 180–182, 185, 207, 210, 248 f., 322, 369, 473 Eitel Friedrich, Prinz von Preußen 216, 481 Eleonore, Großherzogin von HessenDarmstadt 256 Elisabeth, Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn 44, 170 Elisabeth, Prinzessin von Hessen- Darmstadt 42 Elisabeth, Zarin von Rußland 31 Elsa, Prinzessin von Württemberg 96 Engels, Friedrich 209 Erb, Wilhelm 120, 136 f., 172 Ernst August, Herzog von Cumberland 141, 144, 146–150, 152, 157 f., 165 f., 175, 180, 215 f., 218, 220, 222–225, 229, 250
680
Ernst August, Prinz von Cumberland, Herzog von Braunschweig 214–226, 252, 466 f., 502 Ernst Günther, Herzog von SchleswigHolstein-Sonderburg-Augustenburg 73 Ernst Ludwig, Großherzog von HessenDarmstadt 39 f., 82 f., 128, 159 f., 168, 206, 259, 432, 435 Erzberger, Matthias 322, 402, 404, 410, 453, 506 Eulenburg, August Graf von 218, 326, 331, 428 Eulenburg, Philipp Fürst zu 77, 80 f., 141–145, 149 f., 168 f., 186 f., 189, 331, 505 Ewald, Marina 484 Falkenhausen, Ludwig von 387 Falkenhayn, Erich von 249 f., 252 f., 258–260, 265, 267, 272 f. Fehrenbach, Konstantin 324, 376, 395 f. Fendrich, Anton 372 f. Feodora, Prinzessin von Schleswig- Holstein-Sonderburg-Augustenburg 143 Field, Geoffry G. 210 Fischer, Fritz 261 Fischer, Kuno 63 f. Flum (Kammerdiener) 389, 466 Foch, Ferdinand 343 Frank, Ludwig 209 f. Franz Joseph, Kaiser von Österreich, König von Ungarn 70, 144, 147, 261, 263 Friedberg, Robert 296 Friederike, Königin von Schweden 32 Friedrich Franz III., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 134 Friedrich Franz IV., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 217, 322, 359, 388 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 438 Friedrich I., Großherzog von Baden 18, 21, 24, 26, 33–50, 52, 54 f., 57, 60 f., 64, 82, 87–89, 99, 102, 117, 128 f., 141, 143 f., 146, 149–151, 167 f.,
171 f., 175, 180, 182 f., 194, 206, 211, 214, 369 Friedrich II., Großherzog von Baden 18, 24, 39, 42 f., 55 f., 71, 94, 97, 104, 119, 123, 151, 157, 167, 174, 182, 190, 206, 208 f., 212, 214, 243, 246, 252 f., 263, 281, 286, 306, 321–323, 332, 352, 362, 369, 381, 467, 475 f., 503, 513–517 Friedrich II., Herzog von Anhalt 101 Friedrich III., deutscher Kaiser, König von Preußen 37, 54, 99 Friedrich Karl, Prinz von Hessen-Kassel 94, 96, 432, 435, 439 f., 502, 508, 513 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 33 f. Friedrich Wilhelm, Prinz zur Lippe- Biesterfeld 501 Friedrich, Prinz von Baden 30 Fuchs, Alfred 138 f. Fürbringer, Paul 170 Fürstenberg, Max Egon Fürst von 181, 187, 440, 500 Gallwitz, Max von 283 f., 387 Geck, Adolf 213 Geheeb, Paul 481 Georg I., König von Griechenland 151 Georg V., König von Hannover 141, 146, 216, 220 Georg, Prinz von Cumberland 214 f. George, Herzog von Yorck 83 Gerard, James W. 256 f. Gerlach, Hellmuth von 506 Gröber, Adolf 402, 404 Groener, Wilhelm 424, 427, 436 Grünau, Werner Freiherr von 366, 370, 379, 416, 429, 436, 450 f., 462 Gustaf IV. Adolf, König von Schweden 32, 41 Gustaf V., König von Schweden 41, 55, 82, 104, 118, 120, 167 f., 182, 261–266, 517 Haas, Ludwig 492 Haase, Hugo 409 Haeften, Hans von 299, 307 f., 314 f., 327, 349, 354, 362, 366, 371, 375, 380 f., 390–392, 440, 442, 444
681
Haenisch, Konrad 464 Hahn, Charlotte 308, 310–312, 377, 484 Hahn, Franz 309 Hahn, Georg 309 Hahn, Kurt 306–321, 324–329, 331–337, 347–354, 356, 358, 361–367, 371 f., 377, 380, 384, 389–394, 396 f., 402– 404, 413, 452, 465, 473, 480–488, 490 f., 493, 506, 511–513 Hahn, Oskar 308 f. Hahn, Rudolf 309 Hahn, Walter 309 Haig, Douglas 343 Hammarskjöld, Hjalmar 265 Hammerstein-Gesmold, Hans-Emil von 265 f. Harden, Maximilian 77, 80 f., 186–188, 412, 504 Harnack, Adolf von 331 Harrach, Ferdinand Graf 78 Harrach, Helene Gräfin 78 Hauser, Kaspar 28, 31–33, 40, 44, 57, 157, 182 Haußmann, Conrad 303–307, 317, 324 f., 327–329, 350, 353, 359, 365, 380, 384, 389–391, 394 f., 404, 413, 427 Haußmann, Robert 32 Hayling (Rittmeister) 66, 68 Hecht, Moritz 283 Heeringen, Josias von 245 Heilbronn, Friedrich 455 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern 438 Heinrich, Prinz von Preußen 163, 182, 298 Heisler, August 510 Helena Wladimirowna, Großfürstin von Rußland 121–128, 134, 137 Helfferich, Karl 267–269, 271, 369 Hellpach, Willy 519 Helmholtz, Anna von 126 Hertling, Georg Graf von 292, 294, 296, 331 f., 345, 347 f., 352 f., 355–357, 359–361, 369–372, 375 f., 379 f., 384, 402
Hilda, Großherzogin von Baden 42 f., 94, 97, 123, 157, 182, 206, 212, 467, 475, 514 f. Hindenburg, Herbert von 261 Hindenburg, Paul von 258, 261, 269 f., 272, 278, 284 f., 293, 295, 314, 336, 341, 344, 356, 361 f., 374, 380 f., 383 f., 390, 400, 415–419, 421–425, 494, 502, 518 Hintze, Paul von 345 f., 359 f., 376, 429, 450 f., 461 Hirschfeld, Magnus 138 Hitler, Adolf 495–497 Hochberg, Luise Karoline Gräfin von 30–32, 40 Hodenberg, Hermann 222 f. Hoffmann, Friedrich 33 Hohenau, Friedrich Graf von 73–76 Hohenau, Wilhelm Graf von 186–188 Hohenlohe-Langenburg, Ernst, Fürst zu 12, 22, 61, 63, 66, 75, 85 f., 88, 92–94, 96 f., 100 f., 104 f., 111 f., 121–123, 126, 128, 131–133, 136 f., 145, 158 f., 171, 176, 198, 200 f., 203 f., 251, 270, 277, 422 f. Hohenlohe-Schillingsfürst, Alexander Prinz von 410 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu 143, 150 Hoiningen-Huene, Ernst von 246 Hornstein, Franz von 476, 485 Ilsemann, Sigurd von 462, 502 Jaffé, Else 349 Jagemann, Eugen von 124, 260 Jagow, Gottlieb von 257, 260 f., 267, 269, 272, 318 Joachim, Prinz von Preußen 481 Johann Albrecht, Herzog von Mecklenburg-Schwerin 126 f., 216, 221 Johannes, Apostel 342 Joséphine, Kaiserin der Franzosen 30 Kafka, Franz 13 Kahr, Gustav Ritter von 495 Karl Friedrich, Großherzog von Baden 28–31, 57, 246, 249, 263 Karl I., König von Württemberg 38
682
Karl Ludwig, Prinz von Baden 30
Ludwig I., König von Bayern 50
Karl XIV. Johann, König von Schweden
Ludwig II., Großherzog von Baden 34 f.,
und Norwegen (d. i. Jean-Baptiste Bernadotte) 41 Karl, Großherzog von Baden 30–32
37, 40, 45, 57 Ludwig II., König von Bayern 38, 65 Ludwig III., König von Bayern 215, 296,
Karl, Prinz von Baden 40, 45, 183 f., 194–196
355, 359, 433, 459 Ludwig IV., Großherzog von Hessen-
Karoline Luise, Markgräfin von Baden 30 Katharina II., Zarin von Rußland 175
Darmstadt 42, 51, 95 Ludwig, Prinz von Baden 18, 20, 24 f.,
Katharina, Großfürstin von Rußland 33
39, 43 f., 54, 59, 62 f., 87, 89–91, 98,
Keim, August 504 f. Keller, Mathilde von 216, 222
157 Luise, Großherzogin von Baden 20, 24 f.,
Kennan, George F. 203
36 f., 39, 42 f., 45, 47, 49 f., 54 f.,
Kessler, Harry Graf 65, 78, 80, 113, 131,
61, 87, 102, 117, 119, 128, 141, 151,
260 f., 267, 488, 519
167, 171 f., 175, 180, 182 f., 196,
Knesebeck, Botho von dem 79–81
206, 209, 211 f., 252, 254, 273, 281,
Köhler, Heinrich 484, 515 Kolb, Wilhelm 210, 222, 283
321 f., 502 Luitpold, Prinzregent von Bayern 215,
Konstantin, Kronprinz von Griechenland 63, 90 f.,
250 Luther, Martin 337
Kotze, Leberecht von 73
Lynar, Johannes Graf von 188
Krafft-Ebing, Richard Freiherr von 114,
Lyncker, Moriz Freiherr von 250
136–140, 142, 157, 171 Kraus, Franz Xaver 61, 158, 171
Macauly, Thomas Babington 63
Kraus, Karl 186, 354
Malinowski, Stephan 493
Kühlmann, Richard von 345 f., 359
Mann, Golo 319 f.
Kußmaul, Adolf 85
Mann, Thomas 204, 485 Margarethe, Prinzessin von Preußen,
Lahme, Tilmann 320
Prinzessin von Hessen-Kassel 95 f.,
Legien, Carl 449
502 f.,
Lenbach, Franz von 190
Maria II., Königin von Portugal 50
Leopold, Großherzog von Baden 30,
Maria Josepha, Erzherzogin von Öster-
32–34, 36 f., 40, 45, 57 Lepsius, Sabine 308, 311
reich 147 Maria Maximilianowa, Großfürstin von
Lerchenfeld, Hugo Graf von 458 f.
Rußland, Prinzessin von Leuchten-
Lersner, Kurt Freiherr von 416
berg, Prinzessin von Baden 17 f.,
Lewald, Theodor 393, 430, 457
22 f., 25 f., 47, 49–54, 57, 96, 101 f.,
Louise, Königin von Dänemark 82, 157
104 f., 112, 122 f., 129, 145, 157,
Ludendorff, Erich 258, 272, 288, 290, 292 f., 299, 307 f., 314, 336, 341–
170, 199 f. Maria Pawlowna, Großfürstin von Ruß-
345, 349–352, 354–357, 364, 371,
land, Prinzessin von Mecklenburg-
374 f., 380 f., 383 f., 392, 396, 400, 407, 414–424, 436, 440, 468, 494–
Schwerin 121, 123 f., 126–128, 135 Maria Theresia, Prinzessin von Neapel-
496, 499 f., 513 Ludendorff, Margarethe 394
Sizilien 91 Maria Nikolajewna, Großfürstin von
Ludwig I., Großherzog von Baden 30–32,
Rußland, Herzogin von Leuchtenberg
262
50
683
Marie Alexandra, Prinzessin von Baden, Herzogin von Anhalt 176, 229, 281, 371, 479, 508 Marie Louise, Prinzessin von Cumberland, Prinzessin von Baden 143–146, 151 f., 154, 157–166, 169–182, 184 f., 191, 194, 219, 228–233, 281, 321, 479 f., 482, 509, 511 f., 518 Marie, Herzogin von Sachsen-CoburgGotha 266 Marie, Prinzessin von Baden, Herzogin von Anhalt 18, 22, 25, 101–104, 170, 281, 361, 374 Marschall von Bieberstein, Adolf Freiherr 207 Marschall, Ulrich Freiherr von 428 Marx, Karl 209 Maud, Prinzessin von Großbritannien 95 Maximilian, Herzog von Leuchtenberg 50 f. Maximilian, Prinz von Baden (Bruder des Großherzogs Leopold von Baden) 30 Meding, Oskar 170 Meerfeld, Johannes 386 Meerscheidt-Hüllessem, Leopold von 76 Meier, Emilie 40 Melchior, Carl 390 Meyerbeer, Giacomo 78 Michaelis, Georg 291 f., 294, 296, 302, 306 f., 322 f., 327 f., 384, 393 Michail Nikolajewitsch, Großfürst von Rußland 26, 47, 51 Moltke, Kuno von 79–81, 186–189, 505 Monroe, James 363 Müller, Georg Alexander von 379 f. Müller, Hermann 518 Müller, Irene 195 Müller, Johannes 12, 192–202, 204, 207, 209 f., 212, 228–230, 243 f., 252 f., 261, 269, 272, 276, 280–284, 286– 289, 301 f., 305, 322 f., 325 f., 338, 350, 359, 362, 365, 368, 372, 473– 475, 478, 482, 487, 489, 495, 499, 501, 503 f., 508, 512 Müller, Richard 446 Münster-Ledenburg, Georg Herbert Graf zu 78
Munthe, Axel 12, 114–122, 124 f., 135 f., 156 f., 159–166, 168–182, 187, 189, 191, 219, 229–231, 289, 321, 478, 480, 508, 511 Musil, Robert 190 Napoleon I., Kaiser der Franzosen 28–30, 32, 41, 47, 57 Naumann, Friedrich 337 Naumann, Victor 355 Nicolis de Robilant, Mario Antonio 182 Niemann, Alfred 428 Nietzsche, Friedrich 65 Nikolaus I., Zar von Rußland 33, 50 Nikolaus II., Zar von Rußland 83 f., 96, 122, 127 f., 256, 259–261, 266 Nostitz, Helene von 78, 80 Olga, Prinzessin von Württemberg 96 Oliv, Josef 182 Oppenheim, Benoit 313 Oscar II., König von Schweden und Norwegen 41, 119 Paasche, Hermann 188 Pagenstecher, Hermann 180 Partsch, Karl Joseph 255 f., 286 Paulcke, Marie Elisabeth 233–239, 473 Paulcke, Wilhelm 232–239, 280, 282– 284, 480 Payer, Alwine von 300, 305 Payer, Friedrich von 296, 300 f., 303– 306, 369, 375 f., 384, 391, 402 f., 419, 421, 444, 448 f. Peter III., Zar von Rußland 175 Plessen, Hans Georg von 251, 428, 502 f. Preuss, Hugo 490 Prittwitz und Gaffron, Friedrich von 389, 429, 452, 455 Propheter, Otto 190 Pyta, Wolfram 330 Quervain, Theophil de 256, 298 Racknitz, Charlotte Freiin von 467 Racknitz, Eduard Freiherr von 186, 283, 289, 332, 367, 389, 397, 404, 442, 455 f., 462 f., 466 f.
684
Radolin, Hugo Fürst von 127 Radowitz, Wilhelm von 389 Radziwill, Dorothee Fürstin von 79 Radziwill, Marie Prinzessin von 182 Ranke, Leopold von 62 Rath, Anna von 78 Rathenau, Walther 311 Reventlow, Ernst Graf zu 338 Rhena, Friedrich Graf 40 f., 183 f., 192, 194–197 Rhena, Rosália Gräfin 40 f., 194–196 Richter, Cornelie 78–80, 311 Richter, Gustav 78 f. Richter, Lina 311, 313, 390, 481, 484, 487, 511 Richter, Raoul 311 Riezler, Kurt 301 Roberts, Frederick Sleigh Earl 67 Roden, Carl von 72 Rödern, Siegfried Graf von 349, 376, 379, 391, 393, 404, 413, 418 Roggenbach, Franz von 35 Rohrbach, Paul 310, 313, 365 Roscher (Hauslehrer) 22 f., 61 Rosen, Friedrich 318, 348, 427 Ross, Colin 390 Rubinstein, Arthur 310 f. Rupprecht, Kronprinz von Bayern 121 f., 245, 250–252, 267, 293, 354–362, 364 f., 369 f., 373, 375 f., 379, 381, 419, 422, 426, 444, 475, 477, 481, 493, 495 f., 502, 512 Sattler, Carlo 282 Schaible, Alexander 67 f., 519 f. Scheidemann, Philipp 322, 384, 402, 404, 407, 410, 414, 432, 435, 446, 448 f., 462, 464, 466, 499
Schubert, Franz 116 Schweninger, Ernst 69 f. Schwertfeger, Bernd 494 Sibbern, Georg 166 Simons, Walter 384, 389–391, 404, 413, 423 f., 429 f., 439, 448, 450, 455– 457, 462, 505 Singer, Paul 209 Sloterdijk, Peter 333 Söderblom, Nathan 491 Solf, Wilhelm 314, 318 f., 329, 384, 390– 393, 402 f., 416–419, 421 f., 424, 487, 518 Sophie, Königin von Schweden und Norwegen 41, 119, 167 Sophie Wilhelmine, Großherzogin von Baden 32 f., 35, 45 Spitzemberg, Hildegard Freifrau von 78 f., 98, 126 Stegemann, Hermann 350 Stéphanie Napoleon, Großherzogin von Baden 30 f. Stroganow, Grigori Graf 51 Südekum, Albert 329, 375 Sybel, Heinrich von 63 Szöyény-Marich, Ladislaus von 150 Thadden, Elisabeth von 484 Thaer, Albrecht von 419 Thode, Daniela 188 Thurn und Taxis, Albert Fürst von 63 Thyra, Prinzessin von Dänemark, Her zogin von Cumberland 145–147, 157 f., 165 f., 180, 218, 220, 229 Tirpitz, Alfred von 322, 419 Treitschke, Heinrich von 62 Tresckow, Hans von 76 f., 187, 504 Trotzki, Leo 348 Tschirschky, Heinrich von 127
Schele, Eduard Freiherr von 223 Scheüch, Heinrich 419
Ulrich, Karl Heinrich 108
Schiff-Drost, Max 262 Schiller, Friedrich 10 Schleinitz-Wolkenstein, Marie Gräfin von 134 Schoen, Wilhelm von 157 Schönburg-Waldenburg, Heinrich von 157
Valentin, Veit 506 Valentini, Rudolf von 328, 331, 336–340, 369 Victoria Luise, Prinzessin von Preußen, Herzogin von Braunschweig 217– 220, 224, 466 f., 502
685
Victoria Melitta, Großherzogin von
89, 98–100, 111, 113, 127–129, 133,
Hessen-Darmstadt 159 f.
141–144, 146, 148–152, 157, 159 f.,
Victoria, deutsche Kaiserin, Königin
167–169, 171, 175, 178, 182, 185–
von Preußen 37, 51, 73, 95
187, 189 f., 203 f., 205–207, 215–
Victoria, Königin von Großbritannien 37,
224, 231, 249–252, 254, 259 f., 265–
42, 51, 83, 86, 95
267, 269–275, 277, 285 f., 288, 291,
Victoria, Königin von Schweden 22, 39,
293 f., 297–300, 302–304, 306 f.,
41–43, 55, 82, 115, 117–120, 141,
325–328, 330–332, 335 f., 338–340,
151, 167–169, 172, 178, 182, 256,
344 f., 347 f., 352 f., 355–360, 363,
259, 263–265, 321, 441, 477, 480
366–371, 374–376, 379–383, 388 f.,
Victoria, Prinzessin von Hessen-
394, 394, 397–400, 405, 407, 417,
Darmstadt 95
420–441, 445 f., 448–456, 460–464, 468 f., 498–504, 507, 513, 519
Wagner, Cosima 12, 83, 85 f., 93 f., 100,
Wilhelm, deutscher Kronprinz, Kron-
102 f., 105, 126, 130–135, 145, 154,
prinz von Preußen 180, 259 f., 285,
158, 166, 175, 177 f., 181, 188,
400, 425, 430, 433, 453, 462, 464,
200 f., 210, 228, 231, 281, 476, 480
481, 501
Wagner, Richard 65, 80, 92, 102, 117,
Wilhelm, Fürst von Hohenzollern-
130 f., 210, 231 f., 271, 278
Sigmaringen 417, 501
Wahnschaffe, Arthur 402–404, 423,
Wilhelm, Prinz von Baden 17 f., 21 f.,
450 f., 455, 461 f., 466
24–26, 32, 41, 45–54, 57, 59 f., 63 f.,
Wallenberg, Knut 262, 265 f.
91, 102, 104–106, 111, 147
Wallenberg, Marcus 262
Wilhelm, Prinz von Baden (Bruder des
Warburg, Alice 473
Großherzogs Leopold von Baden) 30
Warburg, Friedrich 394
Wilhelm, Prinz von Preußen (Enkel des
Warburg, Max 262, 328, 349 f., 359,
Kaisers) 425, 427, 453
365, 369, 377 f., 384, 387, 389–394,
Wilhelm, Prinz von Schweden 168
396–398, 404, 425, 473, 478
Wilson, Woodrow 291, 340 f., 347, 351,
Weber, Alfred 349 f.
374, 381, 383, 391, 395 f., 399, 401,
Weber, Marianne 487
405–407, 410–412, 416, 419–421,
Weber, Max 486 ff.
423, 427, 488 f.
Wedel, Karl von 168 f.
Windthorst, Ludwig 359
Wehler, Hans-Ulrich 489
Winterfeldt, Detlof von 380
Weinbrenner, Friedrich 20
Wirth, Joseph 477
Weiß, John Gustav 208
Wittelsbach (Blumenhändlerin) 467
Wendt, Gustav 23
Wladimir Alexandrowitsch, Großfürst
Wense, Georg von der 224
von Rußland 121, 127 f., 160
Wera, Herzogin von Württemberg 96
Wolff, Theodor 412, 427
Werner, Anton von 38
Wolfgang, Prinz von Hessen-Kassel
Westarp, Kuno Graf von 498–500
502 f.
Wilde, Oscar 108, 120 f. Wilhelm I., deutscher Kaiser, König von
Zedlitz-Trützschler, Robert von 80
Preußen 34, 37, 43 f., 48, 54
Zimmermann, Arthur 260–262, 266 f.,
Wilhelm II., deutscher Kaiser, König von
269, 272
Preußen 9, 54, 60, 66 f., 69–73, 86 f.,
Zinn, Wilhelm 442
686
Informationen zum Buch Vor 100 Jahren schrieb Prinz Max von Baden Geschichte: Mit seiner eigenmächtigen Erklärung, Wilhelm II. habe abgedankt, wurde Deutschlands Kaiserreich zur Republik. Diese weichenstellende Entscheidung war jedoch nicht die mutige Tat eines Visionärs, sondern Resultat seiner Überforderung in der finalen Krise der Monarchie. Wie es dazu kommen konnte, kann nur verstehen, wer sich eingehend mit der Vita des badischen Prinzen auseinandersetzt.
Informationen zum Autor Lothar Machtan ist emeritierter Professor für neuere Geschichte an der Universität Bremen. Er forscht zur Kultur- und Politikgeschichte Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert und ist ausgewiesener Spezialist für die Geschichte der Novemberrevolution. Machtan ist Autor für Spiegel, ZEIT und FAZ sowie Verfasser zahlreicher erfolgreicher Sachbücher.
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