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German Pages 680 [684] Year 1923
Η. Κ BERT
LEHRBUCH DER PHYSIK IN ZWEI BÄNDEN
ERSTER BAND
LEHRBÜCH DER PHYSIK NACH VORLESUNGEN AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZU MÜNCHEN
VON
DR. H. EBERT WEILAND PROFESSOR DEB PHYSIK AM DER TECHNISCHEN HOCHSCHÜLE ZU MÜNCHEN ORDENTLICHEM MITOLIBDE 1)BB KOL. BAYERISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ERSTER BAND MECHANIK · WÄRMELEHRK MIT 168 ABBILDUNGEN IM TEXT ZWEITE UNVERÄNDERTE AUSGABE
LEIPZIG VERLAG VON VEIT & COMP. 1917
COPYRIGHT 1911 BY Β. ö . TEUBXEK IN LBIPZtR
ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES OflEBSETZUNGSKECHTS, VORBEHALTEN
Vorwort. In unserer fast überreichen Lehrbücherliteratur fehlt es nicht an vorzüglichen Darstellungen des Gesamtgebietes der Physik; erinnert sei nur an die bekannten und vielverbreiteten aue U n i v e r s i t ä t s vorlesungen erwachsenen Lehrbücher der Experimentalphysik. Warum also, wird man fragen, zu all den guten Büchern, die schon vorhanden sind, noch ein neues? Um diese Frage zu beantworten, sei gestattet, kurz zu schildern, wie das vorliegende Buch entstanden ist. Als ich Ostern 1898 die Lehraufgabe für Physik an der technischen Hochschule zu München übertragen erhielt, hatte ich bis dahin den physikalischen Unterrichtsbetrieb nur an Universitäten, teils als Lernender, teils als Lehrender genauer kennen gelernt (Leipzig, Erlangen, Leipzig, Kiel). In meiner Münchener Stellung mußte ich mir bald darüber klar werden, daß die Anforderungen an eine gedeihliche naturwissenschaftliche, insbesondere physikalische Vorbildung bei den Lehraufgaben an einer technischen H o c h s c h u l e wesentlich andere sind. Speziell die Ausbildung der jungen Ingenieure erfordert eine andersgeartete Auswahl, Anordnung und Ausgestaltung des Lehrstoffes, als sie bei einer Universitätsvorlesung geboten erscheint; letztere ist ja in erster Linie für die Studierenden der Medizin, Chemie, Pharmazie und allgemeinen Naturwissenschaften bestimmt; auch Juristen und Theologen wählen sie an einzelnen Universitäten gern als eines der von ihnen geforderten „Philosophies". Um mich zunächst darüber zu orientieren, welche physikalischen Kenntnisse in den Fachvörlesungen einer technischen Hochschule vorausgesetzt werden müssen, in welcher Form und in welchem Umfange sie also in der „Physik" zu bieten sind, studierte ich die betreffenden Vorlesungen meiner Herrn Kollegen der technischen Fächer (besondere Anregung verdanke ich in dieser Beziehung der technischen
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Vorwort·.
Mechanik des Herrn A. F ö p p l , den elektrotechnischen Darstellungen des Herrn C. H e i n k e , der technischen Thermodynamik des Herrn M. S c h r ö t e r sowie den Arbeiten, welche aus dem Laboratorium für technische Physik unter der Leitung der Herren K. von Linde und 0. Knoblauch hervorgegangen sind). Außerdem gaben mir zahlreiche Vortrage in hiesigen Ingenieurvereinen, ferner Exkursionen mit Kollegen technischer Fächer sowie Besprechungen mit hervorragenden Vertretern der Technik bei den Zusammenkünften für das Deutsche Museum in München willkommene Belehrung und boten Gelegenheit, auch technische Unterrichtsfragen zu erörtern. Endlich waren die Ausführungen der Unterrichtskcn;mission der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte hierbei von Wert. Auf Grund aller der so erhaltenen Anregungen reifte zunächst der Entschluß, von dem üblichen Schema der Stoffanordnung abzuweichen und statt dessen alles um diejenigen Allgemeinbegriffe zu gruppieren, welche bei den Anwendungen der physikalischen Gesetze die Hauptrolle spielen: die E n e r g i e mit ihrem Erhaltungegesetze und die E n t r o p i e mit dem Gesetze ihres unabänderlichen Anwachsens bei allen natürlichen Prozessen; eine derartige Einteilung und Anordnung ist bereits von Herrn F. Auerbach in seinem „Kanon der Phyeik" mit Glück durchgeführt worden. Hierdurch wurde zunächst der Vorteil gewonnen, daß denjenigen Hörern, welchen schon vor ihrem Eintreten in die Hochschule ein reichliches Maß physikalischer Vorkenntnisse geboten wurde, der Gesamtstoff in einer auch für sie neuen Ausgestaltung vorgeführt und gewissermaßen von einer höheren Warte aus gezeigt werden konnte. Stellt man den Satz von der E r h a l t u n g der E n e r g i e als eines der bestbegründeten Fundamentaltheoreme unserer gesamten naturwissenschaftlichen Erkenntnis an die Spitze dee ganzen Lehrgebäudes, sc ergeben sich andererseits die Spezialsätze in den Gebieten aller Einzelenergieformen verhältnismäßig einfach und direkt. Ferner wurde den g r a p h i s c h e n V e r f a h r e n , die in der Technik eine so überaus große Bedeutung gewonnen haben, hier ein breiter Kaum vergönnt, und ζ. B. neben dem „Spannungsdiagramme" auch das „Wärmediagramm" mit aufgenommen. Um eine möglichste Vertrautheit mit diesen Hilfsmitteln anzubahnen und um darzutun, wie sie nicht nur den dargestellten Prozeß veranschaulichen, sondern auch seine Bilanz liefern (durch die umfahrene Fläche), sind „Kreis
Vorwort.
VII
p r o z e s s e " schon bei den einfachen mechanischen Arbeitsumsetznngen eingeführt worden. Von der Verwendung der Grundoperationen der Dift'erentialund I n t e g r a l r e c h n u n g brauchte nicht zurückgeschreckt zu werden; die Abiturienten der Oberrealschulen sind mit denselben nach deii neuen Lehrplänen vertraut; den anderen Zuhörern könaan sie an der Hand einfacher Beispiele in der Vorlesung selbst zunächst erläutert werden; ihre Vertiefung findet dann diese Begriffswelt ia den parallel gehenden mathematischen Vorlesungen. E s ist geradezu erwünscht, daß die ungeheure Fruchtbarkeit der infiaitesimalen Methoden auch durch zahlreiche physikalische Verwendungsbeispiele anschaulich gemacht wird. Dies gilt insbesondere auch für die Ausbildung der Lehramtskandidaten für Mathematik und Physik, welche in Bayern nicht nur den Landesuniversitäten, sondern auch der technischen Hochschule anvertraut ist, eine Maßnahme, die sich durchaus bewährt hat. Endlich soll durch zahlreiche B e c h e n b e i s p i e l e , deren Behandlung mittels Rechenschiebers empfohlen wird, die unmittelbare Anwendbarkeit des eben Erläuterten gezeigt ua5. 196. 197. 198.
Ιχώ al tsverzeich ais.
Seite Seit« : $ 269 216 ' 227. Der Drallvektor 261 216 228. :r-ehwniijräder 217 22ö. ΐ> ^bilitiitseigenschaften rotierender Bewegungen 262 217 230. Kreisel 264 199. ! Reziprozitätseigenechaften der 218 231. Kreiselbewegungen 270 Kre'iselbewegungeu bei be200. 218 232. schränkten Freiheitsgraden . 271 Pr&zesBK>ncbii Regungen . . . 274 201. 219 202. 220 !233. 203. 222 j C. S y s t e m e m i t o s z i l l i e r e n d e n Energiebeträgen.. 204. i 222 | 234. Diva einfache Pendel . . 279 205. | 2i>6. Erhalten,^ der ScL· w ingungs226 ! ebene 280 206. 226 ! 236. Anwendung auf die Erd207. 228 i drehung 281 208 230; 237. Ableitung der Pendelgesetze 282 209. 230 1 235. Exporimentelle Erläuterung 210. 231 : der Ptiidelgesotze 284 211. 239. Ermit'Jüiig der Fallbeschleu232 I nigung mittels Pendelm es212. I buiigen 286 284 j 240. Energieinhi.lt schwingender 219. 2351 Systeme -286 214. 237 ! 241. D»a elastische Pendel. . . . 287 216. 242. D : p h y s i s c h e Pendel. . . . £87 240 243. Der f>cL iiiigungspunkt . . . 286 21β. 240 Auäüiuck für die reduzierte 244. PenJeiiange 217. . 289 242 Bestimmung von Massenträg218. 243 246. heitsmomentdn 289 Ermittlung der FlächenträgB. K i n e t i s c h e E n e r g i e r o t i e r e n d e r 246. heitemomente von Profilen . 290 Bewegungen. Bestimmung des Torsions290 219. Zentral bewegnng 246 247. moduls 220. Berechnung der zentripetalen Umkehrbarkeit des Petaela Beschleunigung 248 ( «48. in bezug auf den Schwiiiguugspunkt 291 221. .enwendungsbeispiele . . . . 2ö0 I ! Uererbionspendel 292 222. Experimentelle Erläuterung ; 249. Methode der Koinzidenzen 292 der Gesetze der Zentralbe293 wegung 264 '260. Pendeluhren 294 223. Planetenbewegung 265 261 Planetenbewegung I 262. 224. Bewegung auf vorgeschrieD. W e l l e n b e w e g u n g . bener Bahn 266 253. Schwingungsübertragung . . 296 225. KmetiecheEnergie rotierender Systeme 267 264. Entstehung einer Well· bei elastischer Koppelung . . . 296 226. Das Maeeenträgheitsmoment. 268
Die Krafteinheit: Dyne . . . Die Arbeitseinheit: Erg. . . Das Joula => 10' e r g . . . . Arbeitsleistung, Effekt oder Arbeitsatärke Pferdestärke, Watt und Kilo•watt . Wattstunde und Kilowattstunde Allgemeine Massenanziehung Gravitationsgesetz Die Gravitationskonstante . . Nachweis der Grai itation mitteis der Drehwage . . . . . Bestimmung deiErdmasseund der mittleren Erddichte . . . Zentraler ela-itischer Stoß . . Impuls und Bewegungggröße Schiefer Stoß Stoß plastischer Körper . . . Grundlagen der Ballistik . . Das Torricellische Ausflußtheorem Ausflußmenge und Strahlvereugung StrömungHgleichung . . . . Flüssigkeitsstoß und -riiekstoß Avsflußgeschwindigkeit bei Gasen und Dämpfen . . . . teffimometerersoheinuugen . Rücketoßeracheimingen bei Gas- und Dampfstrahlen . . Erscheinungen an Gasstrahlen
Inhaltsverzeichnis. I 266. Orbitalbewegung und Wellenbewegung 266. Ableitung transversaler und longitudinaler Wellen. . . . 267. Schallfortpflanzung dt::ch die Luft 268. Hauptgleichung der Wellenbewegung 269. Schallgeschwindigkeit in Luft 260. Energieinhalt der Wellenbewegung 261. Tonerzeugung 262. Stehende Schwingungen. . . '263. Zusammensetzung von Schwingungen 284. Stimmgabel 266. Stehende Transversal wellen . 7. K a p i t e l . |
IV
Seite Seit· I $ I 266. Seilschwingungen, Grund-und
297 | Oberschwingungen 316 j 267. Saifcensohwingungen . . . . 318 300 ! 268. Stehende Longitudinalwellen 819 "269. Kundtsche Staubfiguren. . . 821 324 301 270. Resonanz 328 271. Schwebungen 880 302 272. Interferenz 381 273. .Dopplersches Prinzip . . . . 303 274. Schalleitung in beliebigen Materialien . 338 304 276. Ermittlung des Elastizitäts304 moduls aus der Schallge306 i schwindigkeit 336 ! 276. Schallgeschwindigkeit in Gasen 336 308 i 313 j 277. Art der Zustandsänderung bei 316 ι der Schallbewegung . . . . 338
Mechanische Ausgleiohsersoheinimgen.
278. Ausgleich von Niveauditfereozen 279. Orailatorische Ausgleiche. . 280. FlieÜen von Flüssigkeiten durch engere Röhren; Druckgefälle 281. Flüssigkeit:; «.'iVeug 282. Gedämpfte Schwingungen, logarithmisches Dekrement . 283. Strömen durch Röhren; GescL wirid'gkeitsverteilung über den Rohrquerschnitt . . . . 284. DurchtluJBmenge; Gesetz von Poiseuille (1842) 286. Vergieichung von Reibungskoeffizienten bei Flüssigkeiten 236. Auftreten von Turbulenz . . 287. Gasreibung . 288. Der Reibungskoefuzient dor Gase
Seite
g
Seite
289. Gasdiffusion 356 341 290. Freie Diffusion und Membran843 diffusion . 867 291. Diffusion von Flüssigkeita368 teilcben . . . 344 292. Gl.itendc Reibung zwischen 346 360 festen Körpern 293. Reibun^swinkel undReibunge348 364 kegel 366 294. Rollende Reibung 296. Nutzeffekt und Wirkungsgrad. 350 Brczneungeiner Kraftmaschine 367 350 296. Intensität»- und Extensitäts(Kapazitätt-)Faktor der Ener369 gie 361 362 297. Das allgemeine Schema der 372 Ausgleichsprozesse 363 298. Konservative und finitive Sy354 ! steme 373
XVI
II. A b s c h n i t t .
Die Wärmeenergie. 1. K a p i t e l
Temperaturbegriff; absolute Temperatnrsküia; Waraeausdehnaag der Körper.
Δ Temperaturmeesting und die a b s o l u t e Skala, g
299. Temperafcorempfindung . . . 300. Temperaturmessung . . . . 301. Zuatandaänderangen bei konetantem Drucke und bei konstantem Volumen 802- Mikrogasiiiertnometer . . . . 805. Dilferenfcialgasthermometer . 304. Differeutialthermoskop (nach Loser; 305. Amontons Gasspannungethermometer 806. Fundamental^ veaua derTemperaturskala 807. Höhe der Temperature· ifer. 308. Die h-indert teilige Temperaturskala 309. Joilys Konstantvolum«; agttsthermometer 310. Wasserstoff- und Heliumthermometer 311. Der Spannungs^oeffizieut . . 812. Der absolute Nullpunkt der Temperaturskala 313. Die absolute Temperaturskala
317. Die allgemeine ZustandsgieiSeite i chung d*v>: Gase 380 i 318. Die Gaskonstante 381> 319. Berechnung der isothermen ! Voluinenanderungsarbeit . . ; 320. Die molekulare Gaskonstante 3821 S21. G i sU instante für Gasgemische 384 j Verhalten flüssiger Körper bei Temperaturimderungen . . . 3851 1 323. V'oiuniinmiaimumund Dichtemaximum des Wassers . . . 385 1 ; 324. Graphische Darstellung der thermischen Volumenände386 ι rungeu von Flüssigkeiten . . I Tragfähigkeit verschieden 387 ; 325. temperierten. Wassers; Was388 ' serzirkulation
388 326. Ausdehnuagskoefiisiienten -on Flüssigkeiten 389 327. Reduktion von Quecksilbersäulen auf Null Grad (die Nomaliemperat^r) 391 328. Quecksilbertherwometer. . . 392 . m Kontrolle eines Thermometers 3ί)ί! 330. Thermische Nachwirkung , . 33') 331 Besondere Thermometerfw men 332. Verhalten fester Körpex· bei B. Die V o l u m e n ä n d e r u n g e n Temperatnrändemngen . . . der K ö r p e r b e i T e m p e r a t u r 333. Läugenänderung bei Tempe"äntle mngei!. I ratuTäniieruugen 814. VolumenänUerungen der Gase 395 i 334 Verschiedenueifc der Wiirme316. Das Charles - Gay - Luasaesche j ausdehuung bei vericiiiedenim Gesetz; AuadehnungskoeffiI festen Materialien zient der Gase . . . . : . 396 336. Der lineare Ausdehnungs816. Vereinigung der beiden therI koeffizient Μ -
M/S.
(11)
Man erhält also das Molekularvolumen, wenn man das Molekulargewicht Μ der Verbindung durch ihr spezif. Gew. s dividiert. A u f g a b e 28. Stückchen von Bleiglanz (Bleisulfid, P b S , . 3 i = 2 0 7 + 32 = 289) ergaben nach der Pyknometermethode (S. 27) 8 — 7,2; Stückchen von Zinkblende (Zinksulfid, ZnS, Μ = 66,4 + 32 = 97,4) dagegen β = 3,9. Wie groß ist das Molekularvolumen beider Verbindungen? Man erhält für PbS: vUol =«=» 38,2; für ZnS: vUol = 26,0.
Die Molekularvolumina vieler chemischer Verbindungen sind sehr nahe gleich der Summe der Atomvolumina der in ihnen enthaltenen chemischen Elemente. Eine derartige Eigenschaft nennt man eine additive Eigenschaft. So ergeben sich für PbS und ZnS aus der Tabelle S. 86 als Summe der relativen Volumina der in ihnen enthaltenen Atome 18,2 + 1 6 , 7 = 88,9 bzw. 9,1 + 1 6 , 7 = 24,8, was mit den ob&n direkt gefundenen Zahlen ziemlich gut übereinstimmt.
43 Vielfach ist das Molekularvolamen aber auch kleiner als die Summe der Atomvolumina. Man sagt, daß dann „Kondensation" eingetreten sei. Gerade diese Abweichungen vom rein additiven Verhalten sind für den Chemiker sehr wichtig, weil sie ihm Fingerzeige über Eigentümlichkeiten der Bindungsverhältnisse geben.
3 3 . Molekularvolumina der Oase. Durch die ganze Physik hindurch wird sich die Erkenntnis bewahrheiten, daß die Materie ganz besonders einfache, aber darum auch ganz hervorragend beachtenswerte Eigenschaften zeigt, wenn sie uns in der Gasform entgegentritt. Dies hängt offenbar damit zusammen, daß hier die einzelnen materiellen Bausteine, die Moleküle, im Durchschnitt durch große Bäume voneinander getrennt sind, wenn sie dazwischen auch mannigfach miteinander kollidieren und an die Wände anprallen.
In der folgenden Tabelle sind zunächst die spezif. Gew. (in g/1) und die spezif. Yol. (in 1/g) sowie die Molekulargewichte einiger der wichtigsten Gase angeführt. Tabelle der Molekularvolumina der Gase bei 0° Temperatur und 760 mm Druck. V pro g 1 1 Waeserstoff Hs wiegt: 1 „ Sauerstoff 0 , 11 1 „ Stickstoff Ν, 11 1 „ Kohlenoxyd CO 1 „ Grubengas CH4 11 ' X „ Ammoniak NHS 11
0,08988 1,4291 1,2507 1,2507 0,7146 0,7621
g ,, „ „ „ „
11,13 0,6998 0,7995 0,7995 1,899 1,312
1 „ „ „ „ „
Μ
«w
2 32 28 28 16 17
22,3 22,4 22,4 22,4 22,4 22,3
1 „ „ „ „ „
Die Baumerfüllung der Oase wird auf das merklichste durch Temperatur· und Druckbedingungen beeinflußt, so daß die über der Tabelle stehenden, einen gewissen „Normalzustand" darstellenden Zueätze zu beachten sind. Die Chemie lehrt, daß bei den drei zuerst angeführten einfachen Gasen nicht die Atome selbst durch den Gasraum fliegen, sondern immer Paare solcher Atome, welche vielleicht durch elektrische Kräfte zu „zweiatomigen Molekülen" zusammengehalten werden. Daher ist für Wasserstoff Hg, für Sauerstoff 0 , , für Stickstoff Nj zu schreiben. Die Kolonne der spezif. Vol. läßt noch keine einfachen Gesetzmäßigkeiten erkennen, sie zeigt etwa nur, welch enormen Baum Wasserstoff erfordert, wenn nur 1 g unter den obengenannten Bedingungen untergebracht werden soll.
Auffallend ist das Ergebnis der Multiplikation von spezif. Vol. und Molekulargewicht. Gasvolumina, welche sich auf Mols der betreffenden Substanz beziehen, zeigen das denkbar einfachste Gesetz, das der Konstanz: die M o l e k u l a r v o l u m i n a der Gase sind ein-
44 ander
1. Kapitel. gleich,
2 2 , 4 3 1 p r o Mol.
nach
Der Arbeitsbegriff und seine Paktoren. den neuesten
D a s gleiche
Bestimmungen
im MiH./i
gilt für die überhitzten Di'mpfe
gleich oder
die eog. „Heißdämpfe". Es wird sich daher auch für später empfehlen, immer Gas- und Dampfvolumina zueinander in Beziehung zu setzen, welche sieh auf die m o l e k u l a r e n M e n g e n oder die Mols der betreifenden Gase beziehen. A u f g a b e 24. Das spezif. Vol. und das spe/if. Gew. des Chlorgases (unter den Normalbedingungen) werde berechnet. C1 hat nach der Tabelle S. 35 das Atomgewicht 35,46, das Chlorgas also das Mol.-Gew. 70,92. Da auch h i e r - M ß = 22,43 sein muß, so ist s = 3,16 g/1 und ν = 0,316 1/g.
34. Das Avogadrosche Gesetz. D e n i m vorhergehenden gewonnenen E r f a h r u n g s s a t z k a n n m a n auch noch anders aussprechen. D a f ü r alle Gase (und Heißdämpfe) n a c h § 3 3 : ?;Mül =
M/s =
Konst. =
22,43
(12)
ist, so heißt d a s : D i e M o l e k u l a r g e w i c h t e v o n G a s e n ( u n d H e i ß d ä m p f e n ) v e r h a l t e n s i c h wie i h r e spezif. Gew. Da sich zeigt, daß Gase und Heißdämpfe in g l e i c h e r Weise ihr Volumen ändern, wenn Druck und Temperatur wechseln, so gilt dieser Satz ganz allgemein fär jede Druckstufe und jedes Temperaturniveau, bei dem die Gase, bzw. Dämpfe miteinander verglichen werden. K e n n t m a n also von irgendeinem Gase das Molekulargewicht, ζ. B . von H 2 = 2 oder 0 2 = 3 2 , so b r a u c h t m a n n u r das Verhältnis der E i g e n g e w i c h t e eines anderen Gases oder Heißdampfes in bezug a u f dieses Gas festzustellen, u m sein M o l e k u l a r g e w i c h t b e r e c h n e n zu können. Dies ist für den C h e m i k e r v o n h ö c h s t e r W i c h t i g k e i t , da er hieraus E i n b l i c k in den Moiekularbau der gasförmigen K ö r p e r gewinnt. Hierzu werden die „Gas- oder Dampfdichtebestimmungen" (vgl. später in Kapitel 12) herangezogen. A u f g a b e 25. Diäthylätherdampf (Dampf des sog. „Schwefeläthers") wird 37mal schwerer als Wasserstoffgas von derselben Temperatur beim gleichen Drucke gefunden. Wie groß ist sein Molekulargewicht? Nach dem Avogadroschen Satze berechnet sich dasselbe zu 2 χ 37 — 74. In der T a t , aus der chemischen Formel 0 ( C , H 6 ) 8 , welche sich in dieser Weise kontrollieren ließe, ergibt sich 16 + 48 -f-10 = 74. A u f g a b e 26. Wieviel g wiegt 1 1 Kohlen dioxydgas? Da dieses Gas (fälschlich „ K o h l e n s ä u r e " genannt) die Zusammensetzung C O j , also das Mol.-Gew. 1 2 - f - 3 2 = 44 hat, so erweist es sich 22 mal so schwer als H s , wiegt also 1,975 g/1. A u f g a b e 27. Bei vielen Dampfdichtemethoden, namentlich den einfachen „Verdrängungsmethoden", wird die L u f t als Vergleichsgas eingeführt. Wie groß ist deren Molekulargewicht anzusetzen? Luft ist ein Gemenge von 2 1 % Sauerstoff, 7 8 % Stickstoff und 1 % Argongas. Entnimmt man die spezif. Gew. der Tabelle S. 35, wobei man Ax wie Ν
45 rechnen kann, eo e A ä l t man hiernach für das Gemisch Luft das Molekulargewicht 28,9. Kohlendioxyd ist hiernach 44,0/28,9 = l,i>2inal schwerer als Luft.
Die auf Luft gleich 1 bezogene Gas- oder Dampfdichte ergibt also durch Multiplikation mit 28,9 das Molekulargewicht.
35. Gasmolekülzahl in der Ramneinheit.
Wenn gleiche,
mit verschiedenen Gasen erfüllte Räume, ζ. B. je 1 1 , bei denselben Temperatur- und Druckbedingungen Gewichte aufweisen, die sich wie die Relativgewichte ihrer kleinsten Bausteine, der Moleküle, verhalten, so kann dieses nicht anders zustande kommen, als dadurch, daß in diesen gleichen Räumen von jedem Gase immer gleichviel Moleküle enthalten sind. Man kann den Satz von Avogadro demnach auch so ausdrücken: Bei g l e i c h e n T e m p e r a t u r - und D r u c k b e d i n g u n g e n enthalten gleiche R ä u m e g l e i c h viele M o l e k ü l e der v e r s c h i e densten Gase oder Heißdämpfe.
36. Die Loechmidteche Zahl.
Aus den bisherigen Daten
läßt sich noch nicht ermitteln, wieviele Gaemoleküle im Liter unter den normalen Verhältnissen enthalten sind. Auf drei Wegen kann man aber zu einer Kenntnis dieser wichtigen Zahl Ν gelangen, die zuerst von LoHchmidt ermittelt wurde. Zunächst gaben Betrachtungen der kinetischen Gastbeorie Anhaltspunkte dafür. Sodann kann man ans der P l a n c k e c h e n Strahlungstheorie auf diese Größe schließen, lindlich hat in neuester Zeit die radioaktive Forschung Hilfsmittel angegeben, um Ν indirekt zu bestimmen. So verschieden die Wege sind, auf denen man zu dieser Zahl gelangt, um eo bemerkenswerter ist die auffallende Übereinstimmung der durch die genannten Methoden erhaltenen Werte. Dies gewährt eine neue gewaltige Stütze für die Atomistik und die Lehre von dem Aufbau der Materie aus diskreten Massenteilchen.
Als der beste Mittelwert kann für die Loschmidtsche Zahl zurzeit der Betrag: Ν = 2,56 · 1019 Moleküle/cm3 (13) gelten (für die Normalbedingungen 0° Temp., 760 mm Druck). A u f g a b e 28. Mit unseren neuesten Quecksilberluftpumpen (ζ. B. der Gaedepumpe, vgl. § 96) können wir leicht ein Gas bis auf Viooooooooo seiaee Anfangsvolumens verdünnen. Wieviel Gasmoleküle sind in einem Kubikzentimeter noch enthalten, wenn wir vom Atmosphärendruck auegehen und etwa bei 0° arbeiten? Offenbar immer noch 2,56 · 1 0 " , also eine so erhebliche Zahl, daß etwa von einem ,.absoluten" Vakuum selbst· hier noch keine Rede sein kann. Methoden, diesem näher zu kommen, besprechen wir später.
37. Drucke äquimolekularer Oasmengen. Wegen des Ver-
gleiches mit eigentümlichen (später zu besprechenden) Erscheinungen
46
1. Kapitel.
Der Arbeitsbegriff nnd seine Faktoren.
bei den verdünnten Losungen wollen wir den Avogadroschen Satz noch anders formulieren: Drängen wir von verschiedenen Gasen oder Heißdämpfen Gewichtsmengen in dieselben Volumina hinein, welche sich wie ihre Molekulargewichte verhalten, so sind die Drucke, welche diese Gasmengen gegen die Wände ihrer Gefäße ausüben, bei derselben Temperatur gleich groß, ζ. B. bei Mols im Liter, gleich 760 mm Hg-Säule bei 0°, wie wir oben gesehen haben. Die Eigenschaften solcher Mengen sind also hier (und auch sonst, wie wir später sehen werden) besonders einfache und übersichtliche. Man nennt sie „äquimolekulare Mengen". Der Satz sagt also aus: „ Ä q u i m o l e k u l a r e " (oder „isomole") Gasmengen üben bei derselben T e m p e r a t u r im gleichen E a u m e dieselben D r u c k e aus.
Zweitee Kapitel.
Arbeitsumformer. Im vorhergehenden Kapitel haben wir den Arbeitebegriff und seine Faktoren erläutert und gezeigt, in welchen Maßeinheiten dieselben auszudrücken sind. Jetzt wollen wir zu den Vorrichtungen übergehen, welche in der Praxis zur Vollführung von Hubleistungen hauptsächlich herangezogen werden. Es sind dies die einfachen „Hebezeuge", die „einfachen Maschinen" oder „elementaren Potenzen" (Pappus, 390 η. Chr.) der Mechanik. Es soll an ihnen namentlich das „Prinzip der Äquivalenz von geleisteter und verbrauchter Arbeit" erläutert werden, die „goldene Regel der Mechanik", welche sich bereits als ein, allerdings noch sehr spezieller Fall des Hauptund Grundgesetzes der ganzen Physik erweisen wird, des „Prinzips von der Erhaltung der Arbeit oder der Energie". Dabei wird eich Gelegenheit geben, einige allgemeine Grundprinzipien der Mechanik einzuführen. Wir beginnen mit Arbeiteumwandlungen, die noch nicht mit Kraftsteigerangen verbunden sind, sondern bei denen zunächst nur das Sinken eines Gewichtes, das Heben eines g l e i c h großen anderen zur Folge hat. Wenn dieser Vorgang auch zunächst als zu einfach erscheinen mag, um einer besonderen Erläuterung zu bedürfen, so werden wicdoch sehen, daß schon durch ihn Vorgänge illustriert werden, die in der Wärmelehre eine große Bolle spielen.
38. Einfacher, umkehrbarer Kreisprozeß. Der hier zu betrachtende Arbeitsprozeß werde zuerst an einem Modelle, sodann durch ein Diagramm erläutert. Versuch 9. Neben das Modell der Tafelwage von Versuch 4, S. 7, werden zwei Etageren mit je zwei horizontalen Tafeln, eine in dem höheren Niveau Hly die andere in dem tieferen -ET2 gestellt. Auf der einen, etwa der linken, sei ein Gewicht G in dem höheren Niveau gegeben, auf der anderen ein gleiches in dem tieferen Ε r r Wir führen beide Gewichte von beiden Seiten her in die Maschine ein. Um anzudeuten, daß dies (nach § 2) ohne wesentlichen Arbeiteaufwand geschehen kann, sind die Tafeln sowohl der Etageren, wie der Wage mit Spiegelglasplatten belegt.
48
2. Kapitel.
Arbeitsumformer.
Dann wird beim Sinken des einen Gewichtes um die Strecke Hx — Ht = h das andere gerade von dem niederen Niveau i f 3 in das höhere H^ emporgehoben. Hierauf ist alles wie vorher. Wir haben wieder ein Gewicht G im höheren Niveau, ein gleiches im niederen, in unserem System hat sich in bezug auf den Gesamtenergievorrat nichts geändert. Wir können den Prozeß mit genau gleichen Zwischenstufen u m k e h r e n und das eben gehobene Gewicht wieder sinken und das andere damit heben lassen. Wir erteilen der Arbeit G h = a zweckmäßig ein V o r z e i c h e n , je nachdem sie gewonnen oder entzogen wird und treffen dabei die folgende Festsetzung: Arbeit wird von einer Kraft geleistet, wenn sich ihr Angriffspunkt in d e m s e l b e n Sinne, in welchem sie selbst wirkt, verschiebt: p o s i t i v e Arbeit der Kraft. Wird der Angriffs punkt gegen die Richtung der Kraft verschoben, so muß Arbeit (von außen her) geleistet werden, es wird eine bestimmte Energiemenge verbraucht, die dann das System gewinnt. Bei der Schwere entsprechen den höher gelegenen Niveaus höhere Potentialwerte Π (§ 17, S. 21), die Kraft seihst ist also nach unten, d. h. nach den abnehmenden Potentialwerten gerichtet, nnd einer „positiven" Arbeitsleistung derselben entspricht eine Abnahme des Potentiales: G · dh = — d H (wie es dem Energieprinzipe tatsächlich entspricht, das ja verlangt, daß -(- G · dh. + dll — 0 sein mu8\ so daß G = — dlljdh zu setzen ist. Das (im homogenen Energiefelde [§ 16] konstante) Verhältnis — d l l i d h nennt man das „ P o t e n t i a l g e f ä l l e " ; die Kraft hat die liiehtung des Potentialgefälles. In unserem Beispiele wird zunächst links von G die Arbeit -f- α = G • h geleistet, weil die Zugkraft von G und der Weg beide vertikal nach unten gerichtet sind. An derselben Maschine wird aber die Arbeit — α verbraucht, um ein dem G gleiches Gewicht zu h e b e n . Die Arbeitsbilp.nz ergibt in diesem einfachsten Falle: + G A — ( ? Ä = 0.
Einen solchen einfachen Prozeß wollen wir jetzt auch graphisch darstellen: Ähnlich wie in Fig. 3, S. 20, tragen wir in Fig. 11 in den von einem gemeinsamen Bezngsniveau, etwa dem Meeresspiegel, an gezählten Höhen Ήχ und H 2 von einer gemeinsamen Höhenaxe aus Strecken nach rechts hin ab, die den Gewichtön entsprechen, im vorliegenden Falle also gleichlange Strecken. Wir setzen aber neben diese Strecken Pfeile, etwa über die obere einen von links nach rechts weisenden, unter die andere einen von rechts nach links zeigenden, dem Umstände entF i g . 11. sprechend, daß wir das obere Gewicht von links, das untere von rechts her in die Maschine eingeführt haben. Be-
Schweilinien.
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zeichnen wir auch die von beiden durchmessenen Hübe mit Pfeilen, so erhalten wir eine vollständig umfahrene Figur. Ihr Flächeninhalt entspricht der verwandelten Arbeitsgröße a = G X h. Wir kommen in dem Diagramme zum Anfangspunkte zurück. Prozesse, bei denen dies der Fall ist, nennt man „Kreisprozesse". Wir haben hier einen „einfachen und umkehrbaren Kreisprozeß" durch das Diagramm erläutert. Dabei besteht nach § 21 in jedem Momente Gleichgewicht an der Maschine. Wenn, der Prozeß umkehrbar ist, kann auch die Richtung aller Pfeile vertauscht werden.
3 9 . Schwerlinien. Jeder Körper besteht aus einer größeren Anzahl einzelner Teile, welche im Schwerefelde alle der Anziehungskraft der Erde unterworfen sind, also Gewichte repräsentieren. Es fragt sich, unter welchen Bedingungen ein Körper unter der Wirkung der an seinen e i g e n e n Teilen angreifenden Gewichtskräfte im Gleichgewichte sich befindet? Als Kennzeichen dieses Gleichgewichtes betrachten wir dabei wieder die Umkehrbarkeit der Arbeitsleistungen. Versuch 10. Ein Lineal ist mit seiner oberen Kante horizontal auf zwei Ständern hochkant aufgestellt. Ein Metermaßstab von prismatischem Querschnitte wird auf dem Lineale quer zu deesen Längsrichtung in seiner Mitte so aufgelegt, daß er sich in der Schwebe halten, d. h. mit seinen Enden auf- und abpendeln kann. Dadurch ist dann das Gleichgewicht zwischen den Gewichten in beiden Hälften angezeigt. In der Nähe der Auflagefläche muß sich eine Linie finden, in bezug auf die sich die Schwerkräfte der beiden Stabhälften gerade im Gleichgewichte halten. Eine solche Linie nennt man eine „Schwerlinie". Versuch 11. Aus einem schweren aber überall gleich dicken und gleich beschaffenen Bleche ist eine Dreieckfläche ausgeschnitten. Jeder Quadratzentimeter derselben ist (bei homogenem Materiale) durch das gleiche Gewicht ausgezeichnet. Das Blech wird so auf die Linealkante gelegt, daß eine Spitze auf der Kantenmitte auflagert und die entsprechende Schwerlinie gesucht. Man findet, daß diese durch die Mitte der Gegenseite hindurchgeht. Daß diese „Seitenhalbierende Transversale" in der Tat eine Schwerlinie sein muß, erkennt man, wenn man sich die Dreiecksfläche durch Parallele zur betrachteten Seite in viele schmale Flächenstreifen zerlegt denkt. Für jedes einzelne derselben geht die Schwerlinie nach Versuch 10 durch die Mitte. Alle diese Mitten liegen aber (nach einem bekannten geometrischen Satze) auf der genannten Transversalen.
In ähnlicher Weise findet man die durch die anderen Seiten gehenden Schwerlinien. Man sieht, daß sie alle durch einen Punkt £ b e r t : Experimentalphysik.
4
2. Kapitel.
Arbeiteumformer.
gehen, ebenfalls eine bekannte Eigenschaft der gefundenen Transversalen. In dieser Weise kann man die Schwerlinien auch für ganz "beliebig g e s t a l t e t e , homogene "Flächen finden. 4 0 . Schwerpunkt. Dort, wo zwei oder mehr Schwerlinien sich schneiden, liegt ein Punkt, in bezug auf den sich alle Gewichtskräfte, welche an einem Körper angreifen, im Gleichgewichte halten: „Schwerpunkt", manchmal auch „Kräftemittelpunkt" genannt. Wird der Körper in ihm unterstützt, so läßt sich sein Gesamtgewicht durch eine einzige hier angreifende Kraft ausbalancieren. Versuch 12. Die soeben benutzten Flächen balancieren in dem Durchschnittspunkte der ermittelten Schwerlinien auf einer Spitze: Wenn sich eine Hälfte der Platte senkt, hebt sich die andere und umgekehrt. Die geleistete und verbrauchte Arbeit verwandeln sich also vollkommen umkehrbar ineinander. Der gefundene und unterstützte Punkt ist demnach der Schwerpunkt. 41. Anfauchen des Schwerpunktes. Wird eine der soeben benutzten Blechtafeln in der Nähe des Randes durchbohrt und hier an einem Haken aufgehängt, so wird das im Schwerpunkte angreifende Gesamtgewicht diesen Punkt möglichst tief herabziehen und vertikal unter den Unterstützungspunkt stellen. Lotet man also mit einem Senkel vom Aufhängepunkte herab, so muß der Lotfaden der entsprechenden Schwerlinie folgen und folglich auch durch den Schwerpunkt hindurchgehen. Hängt man also einen Körper nacheinander an zwei verschiedenen Punkten seines Umfanges auf, lotet von ihnen herab und bezeichnet man den Verlauf der so ermittelten Schwerinien, so findet man den Schwerpunkt als Schnittpunkt zweier derartiger Linien. Bei regelmäßigen Formen und bekannter Verteilung der einzelnen Körpergewichte kann man die Schwerpunktslage auch rechnerisch ermitteln (vgl. später in § 49), was viele willkommene Anwendungsbeispiele für die höhere Mathematik abzugeben pflegt.
Versuch 13. Um ζ. B. den Schwerpunkt eines aus Stabeisen geformten Halbringes vom Durchmesser d zu finden, hängt man den Halbring etwa zunächst in der Mitte auf. Die Symmetrielinie ist sicher eine Schwerlinia Man bringt hier einen Träger in der Ebene des Halbringes senkrecht zu seinem Umfange an. Sodann hängt man dei Korper an einem seiner beiden Enden frei beweglich auf und lotet gegen den Träger hin, auf dem dann der Schwerpunkt bezeichnet wird. Die Rechnung ergibt, dafi der Schwerpunkt in der Entfernung dl π vom geometriechen Mittelpunkte des Kreisbogens aus entfernt liegen muß, wo er (nur
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Gleichgewichtsformen.
durch dae Trägergewicht etwas nach außen hin verschoben) durch die Ablotung tatsächlich angetroffen wird.
42. Gleichgewichtsformen. Wird ein Körper im Schwerp u n k t e drehbar unterstützt, so befindet er sich im „ i n d i f f e r e n t e n Gleichgewichte". Alsdann hat, er kein Bestreben, irgendeine Bewegung auszuführen. Die Gewichte aller seiner einzelnen Teile befinden eich in allen Lagen im gegenseitigen Gleichgewichte. Die bisher benutzten einfachen Maschinen, dae Bad (Versuch 2) und die gleicharmige Tafelwage (Versuch 3 und 9) waren in dieser Form des Gleichgewichtes, so daß die Eigengewichte der Maschinenteile selbst aus den Arbeitsbetrachtungen herausfielen.
Ist ein Körper so unterstützt, daß der S c h w e r p u n k t u n t e r halb des U n t e r s t ü t z u n g s p u n k t e s liegt, so befindet er sich im „ s t a b i l e n Gleichgewichte". Ist der Körper um den Unterstützungspunkt drehbar, so kehrt er, aus der stabilen Gleichgewichtslage herausgebracht, von selbst wieder in diese zurück. Die bei den Versuchen 6 und β benutzten Wagen befinden sich im stabilen Gleichgewichte, welches ihnen eine bestimmte Ruhelage anweist. Bei den Gewichtsvergleichungen beteiligten eich demnach auch Gewichte der beweglichen Teile des Vergleichsmechanismus. Da dieser Einflnß aber um so kleiner ausfällt, je empfindlicher die Wage ist, und je näher wir der Gleichgewichtslage kommen, so konnten auch sie zunächst aus der Betrachtung ausscheiden.
Liegt der S c h w e r p u n k t oberhalb des U n t e r s t ü t z u n g s punktes, so befindet sich der Körper, wenn er um den Unterstützungspunkt drehbar ist, im „labilen Gleichgewichte". Der Körper verläßt dieses, wenn er durch irgendeine kleine Zusatzkraft aus dieser Gleichgewichtslage herausgebracht wird, und sucht die stabile Gleichgewichtsform auf. Versuch 14. Ein rechteckiges, überall gleichdickes Holzbrett, bei dem der Schwerpunkt offenbar mit dem Schnittpunkte der Diagonalen zusammenfällt, kann durch einen hindurchgeschobenen Stift, der auf einer Gabel ruht, in die drei Gleichgewichtslagen gebracht und selbst im labilen Gleichgewichte erhalten werden unter Zuhilfenahme der Reibungskräfte. Liegt der Schwerpunkt oberhalb des Stützpunktes, so genügt aber ein geringer Anstoß, um das Brett zum Umschlagen und zum Ubergang in das stabile Gleichgewicht zu bringen. Bei einer auf dem Tische ruhenden Kugel liegt der Schwerpunkt zwar auch oberhalb des Unterstützungspunktee, doch liegt hier augenscheinlich ein Fall indifferenten Gleichgewichtes vor.
43. Energetieohe Merkmale der Gleichgewichtslagen. Wir wollen uns nach Kriterien für die verschiedenen Gleichgewichts4«
52 lagen umsehen, welche unabhängig davon sind, ob wir die Lage von Unterstützungspunkt und Schwerpunkt tatsächlich beobachten können, ja sogar unabhängig daveiL, ob> soleh» Punkte überhaupt vorbanden sind. Die im folgenden entwickelten Kriterien gelten für beliebige Systeme, ζ. B. auch für „chemische Gleichgewichte". Der Schwerpunkt ist bei dem Modelle des Versuches 14 (vermöge ,der starren Verbindung zwischen ihm und dem Unterstützungspunkte) gezwungen, bei der Bewegung des Körpers auf einer Kreisbahn zu bleiben. Der tiefste Punkt derselben ist offenbar erreicht, wenn der Schwerpunkt vertikal unter dem Unterstützungspunkte liegt, der höchste, wenn er vertikal darüber liegt. Nun greift aber das Gesamtgewicht des Körpers im Schwerpunkte an. Wenn sich derselbe hebt, wachst der im Körper angehäufte Energievorrat, seine Distanzenergie oder potentielle Energie (17) nimmt zu. Der Inhalt an dieser Energieform ist also am kleinsten, ein Minimum, wenn der Körper die s t a b i l e Gleichgewichtslage inne hat, am größten, ein Maximum, wenn er sich im instabilen oder l a b i l e n Gleichgewichte befindet, ähnlich sind (ganz allgemein) die instabilen oder labilen Gleichgewichtsformen eines Systems dadurch gekennzeichnet, daß bei ihnen ein größerer Vorrat an potentieller Energie vorhanden ist, als in jedem Nachbarzustande, in den das System gelangen kann. Die stabilen Z u s t ä n d e sind durch einen Minimalwert der p o t e n t i e l l e n E n e r g i e gekennzeichnet. Im instabilen Zustande kann sich ein System im allgemeinen nicht halten. Kein labile Zustände kommen ζ. B. in der Chemie überhaupt nicht vor. Wir haben es hier höchstens mit „metastabilen Bedingungen" zu tun, Ein kleiner Anstoß, eine „Auslösung" genügt, um den Energievorrat zu entfesseln. Der Uberschuß wird meist in Wärme verwandelt, ζ. B. auch bei dem Pendeln des Brettchens in Versuch 14 infolge der Reibung an der Axe und gegen die Luft. Erst wenn das Energieminimum erreicht wird, ist das System stabil geworden.
4 4 . Standfestigkeit, Kipplinie. Wird ein Körper um eine (eventuell nur durch zwei Punkte bestimmte) Begrenzungslinie seiner Basisfigur gekippt, so hebt sich sein Schwerpunkt. Es muß daher Arbeit geleistet werden. Das Maximum derselben ist in dem Körper offenbar in dem Momente enthalten, in welchem sich sein Schwerpunkt gerade vertikal über der „Kipplinie" befindet. Alsdann tritt er aber nach obigem in das labile Gleichgewicht über. Ein geringes weiteres Neigen läßt ihn umschlagen. Ein Körper ist also nur so lange „stabil" aufgestellt, als sich die lotrechte Projektion seines Schwerpunktes innerhalb der Kipplinie befindet, und er ist um so „standfester", eine je größere Kraft nötig ist, um ihn anzuheben.
53 Hiernach hängt die Standfestigkeit in erster Linie von der Lage des Schwerpunktes in bezug auf seine Basis und von der Größe und Richtung der in ihm angreifenden Gesamtkraft ab. Die Baumeister der Gotik, welche die Gesetze der Statik sehen in einer erstaunlichen Weise beherrschten, haben davon bei ihrer fortschreitenden Auflösung der Gebäudemaesen in tragende und stützende Glieder bereits die weitestgehenden Anwendungen gemacht, indem sie ζ. B. den Gewölbeschub durch Pfeiler aufnehmen ließen, die eich hochkant den auf sie übertragenen Drnckkräften entgegenstellten. Durch Aufsetzen von Fialen, Türmchen und Figuren wurde die Stabilität erhöht. Diese dienen also außer ornamentalen auch statischen Zwecken. Schließlich gingen sie (ζ. B. in dem großartigen Chor der unvollendet gebliebenen Kathedrale zu Beauvais [Departement Oise, nördlich von Paris], 12.—14. Jahrhundert) bis an die äußerste Grenze der Standfestigkeit, indem sie Konstruktionen wagten, die zwar mit heutigem Materiale (ζ. B. Eisenbeton) noch ausführbar wären, aber über die Leistungsfähigkeit ihres Steinmateriales hinausgingen.
A. Umformer vom Hebeltypus. Bei den bisherigen Beispielen bestand die Arbeitsuniformung nur darin, daß beim Sinken einee Gewichtes ein g l e i c h e s gehoben wurde, es wurde also nur der Sinn, in dem sich die Arbeitsleistung vollzog, umgekehrt. Wir können aber aus dem Diagramm Fig. 11, S. 48, ohne weiteres entnehmen, daß eine Umformung von Arbeit auch möglich ist mit Steigerung des einen Faktors auf Kosten des anderen; denn nach einem bekannten planimetrischen Satze bleibt die Größe einer Rechtecksfläche ungeändert, wenn seine Basis in demselben Verhältnis vermindert, wie seine Höhe vergrößert wird. Die einfachste Maschine, bei der dies verwendet wird, ist der Hebel. Wir wollen hier aber zugleich eine Reihe anderer Maschinen betrachten, welche aus Hebeln zusammengesetzt angesehen werden können: Rolle, Rad an der Welle, Riemen- und Zahnkuppelungen.
4 5 . Hebeltransformation und ihr Diagramm. So einfach die Hebelübersetzung auch ist, so wollen wir doch ihr Prinzip etwas eingehender betrachten, weil wir wiederum dabei Beziehungen erläutern können, denen eine allgemeinere Bedeutung für das Folgende innewohnt. V e r s u c h 15. Hebelmodell. Neben eine Stangenanordnung, welche eine Parallelführung zweier horizontaler Tafeln bedingt, Fig. 12, ähnlich wie das bei Versuch 4, S. 7, benutzte Modell der Tafelwage, nur mit ungleichen Armlängen, links ζ. Β. 1 m, rechts 2 m, sind zwei Etageren mit je zwei horizontalen Tafeln gestellt, welche aber in entsprechenden Höhen in v e r s c h i e d e n e n , vertikalen Abständen voneinander angebracht sind (links ζ. B. in % m Niveaudifferenz, rechts in 1 m Höhenunterschied).
54 Die ungleichen Gewichte auf beiden Seiten der Drehpunkte sind durch eine links aufgelegte Bleiplatte ausbalanciert, so daß eich auch dieses Modell in indifferentem Gleichgewichte befindet. Alle Tafeln sind mit Glasplatten belegt.
In dem höheren Niveau ist linka ein großes Gewicht G t (etwa 2 kg) gegeben, in dem niederen rechts ein halb so großes 6?ä. Werden beide Gewichte gleichzeitig in die Maschine eingeführt, so genügt ein kleines, mir zur Überwindung der Zapfenreibung dienendes (und daher durch geeignete Maßnahmen beliebig klein zu machendes) Gewicht, um beim Sinken des großen Gewichtes um hl das kleine zu heben, aber um
m«. i». die doppelte Höhe Umgekehrt· kann beim Sinken von G3 das große Gewicht G1 gehoben werden, aber immer nur halb so hoch, als die Senkung von Gä beträgt. Der Prozeß ist also umkehrbar, und zwar nicht nur im ganzen, Κ G, sondern auch in jedem kleinsten Teile seines Ablaufes. Wir gehen daher nach S. 23 durch lauter Gleichgewichtszustände hindurch. Die Fig. 13 gibt das Diagramm dieses Vorganges; die beiden Fig. IS. umfahrenen Rechtecke sind augenscheinlieh flächengleich. Die geleistete Arbeit ist im zweiten Falle Gt X hlf die verbrauchte Gixhi. Hier sind zwei Prozesse aneinander gereiht, die mit verschiedenen Körpern vorgenommen worden sind. Der Prozeß ist umkehrbar, wenn er auch in dem Diagramm Fig. 13 nicht als Kreisprozeß erscheint.
Von besonderer Bedeutung ist bei diesem Versuche die Tatsache, daß wir mit einem kleinen Gewichte Ga ein größeres Gewicht Gr
Aqui valenzprinzip. heben können. Darauf beruht die Anwendung dieser sowie aller analogen Anordnungen als „Kraftsteigerer".
48. Prinzip von der Äquivalenz der geleisteten und der verbrauchten Arbeit. Im idealen Falle (d. h. abgesehen v o n den zur Überwindung der in der Maschine selbst auftretenden Reibungen benötigten Arbeiten) läßt sich an einer Maschine die zugeführte Arbeit vollkommen in die von der Maschine wieder abgegebene Arbeit umwandeln. W i r sprechen in diesem Sinne von einer „Umwandlung" oder „Transformation". D a die Arbeit durch das Produkt v o n Kraft mal \Veg (in der Kraftrichtung, hier also in der Richtung des vertikalen Hubes"! bestimmt ist, so muß, wenn die geleistete der verbrauchten Arbeit gleich sein soll, die Steigerung des einen, etwa des Kraftfaktors, eine Verminderung der zugehörigen anderen, des W e g (Hub-)Faktors bedingen („Goldene Regel der Mechanik"): „ D i e K r ä f t e müssen sich u m g e k e h r t wie die W e g e ihrer A n g r i f f s p u n k t e verhalten." „ W a s an K r a f t g e w o n n e n wird, g e h t an W e g verloren." „ P r o d u k t aus Kraft mal W e g ist konstant." Diesen wichtigen Satz wollen wir auf eine Reihe von einfachen H e b e z e u g e n anwenden. Wir finden die Kraftsteigerung unmittelbar, wenn wir das Verhältnis der Wege aufsuchen, das im allgemeinen leicht aufzufinden ist. Außerdem erhalten wir auf diese Weise nach § 20, S. 23, auch unmittelbar die Gleichgewichtsbedingungen für die betreffenden Maschinen. Ist Gleichgewicht vorhanden, so werden nach dem hier auseinandergesetzten Prinzipe bei irgendeiner mit den Bedingungen des Systems verträglichen („fakultativen") Veriückung die Angriffspunkte der Kräfte Wege zurücklegen müssen, die sich umgekehrt wie die Kräfte selbst verhalten, so daS die Produkte beider immer einander gleich bleiben („Prinzip der fakultativen Verrückungen oder virtuellen Verschiebungen"). Dabei spielt die Zeit noch keine Rolle. Unser Prinzip ist auch identisch mit dem in der analytischen Mechanik viel verwendeten sogenannton „Prinzip der virtuellen Geschwindigkeiten." Das Äquivalenzprinzip, auf das wir uns bei allen folgenden Betrachtungen stützen wollen, sagt nichts anderes aus, als daß durch keinen Mechanismus mehr Arbeit geleistet werden kann, als in ihn hineingesteckt wird, mit anderen Worten, daß die Erschaffung von Arbeitswerten aus nichts, das sog. „Perpetuum mobile", unmöglich ist. Dieser Satz ist einer der best- und meistuntersuchten der ganzen Mechanik. Zahllose Versuche,- die angestellt wurden, ein solches Perpetuum mobile zu schaffen, geben durch ihr Fehlschlagen ebenso viele direkte Beweise dafür ab, daß der Äquivalenzsatz keine Ausnahme erleidet; derselbe stellt also nicht eine Hypothese oder eine aprioristische Wahrheit, ein Axiom dar, sondern eiren wohl begründeten E r f a h r u n g s s a t z .
47. Das Transformationsverhältnis, die Übersetzung. Wir wollen das V e r h ä l t n i s d e r K r ä f t e bei einfachen Maschinen und zwar in dem Sinne: „Große Kraft durch kleine Kraft" als das „Übereetzungs- oder Transformationsverhältnis" oder kurz als die „Uber-
56 Setzung Ν" bezeichnen. So ist beim Hebel Ν = 6r,/6r2 = Aa,/7iu weil nach dem Prinzipe der Äquivalenz von verbrauchter und geleisteter Arbeit Gt · \ — G i h i = α sein muß. Bei dem Modelle Fig. 12 ist also die Übersetzung G1/Gi — 2. In diesem Sinne können wir alle einfachen Maschinen als „ m e c h a n i s c h e T r a n s f o r m a t o r e n " bezeichnen. Wir werden sehen, daß das hier entwickelte Prinzip auch bei anderen Umwandlungen von Energien, ζ. B. der elektrischen, bei den elektrischen Transformatoren, in analoger Weise in Geltung bleibt, nur daB es dort andere Faktoren sind, welche gesteigert bzw. vermindert werden.
4 8 . Maschinenbedlngung, Mascliinengleichung, Hebel-· gesetz. Daß sich die Kräfte umgekehrt wie die Wege verhalten, hat für alle Maschinen in gleicher Weise Geltung. Im einzelnen vermögen wir aber das Wegverhältnis und damit auch das Transformationsverhältnis noch anders auszudrücken, indem wir Beziehungen benutzen, die der betreffenden Maschine eigentümlich sind. So lesen wir ζ. B. aus Fig. 12, S. 54, unmittelbar ab, daß hs: \
= li:l1,
d. h.
daß sich die Hubhöhen wie die „Hebelarme" verhalten, so daß wir für diese Maschine als Übersetzung finden: Cr, \
h
(14)
und als Bedingung des Gleichgewichtes (vgl. S. 23): Gt · ly — 6TJ · 2g
(15)
„Die Kräfte verhalten sich beim Hebel umgekehrt wie die Hebelarme, beim G l e i c h g e w i c h t muß das Produkt aus Kraft mal Hebelarm b e i d e r s e i t i g g l e i c h sein." Solche, einen besonderen Maschinentypus charakterisierende Gleichungen wie h^jhy = Zj/ij nennen wir eine „Maschinengleichung". a
Durch andere Wahl der Hebellängen können wir andere Kräfteverhältnisse erzielen; denn dieselbe Arbeitsmenge α kann durch sehr verschiedene Gewichte Gl, Gt, Gs, . . ., welche um die Höhen Α,, Λ,, \ , . . . sinken, dargestellt werden, wenn nur Gs · ä„ = · • · = α ist. Bei verlustloser Um· Κ = G* • h wandlung können diese Ärbeitsbeiräge- einander vertreten, sie sind einander „ ä q u i v a l e n t " . Alle Rechtecke der Fig. 14 sind ζ. B. einander flächengleich und repräsentieren daher Arbeitsbeträge, die restlos ineinander traneformiert werden können. Schieben wir das schneidenartig verjüngte Endo einer Stange unter einen Steinblock, legen wir sie so auf einen Klotz (um den sie kanten kann), daß das frei emporragende Ende zehnmal länger als das andere ist, so ist die Kräftig Steigerung die zehnfache. Wir können also mit dem Drucke unserer Hand Lasten be14 · wegen, die dem direkten Anheben unter
Statisches Moment.
57
Umständen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegensetzen. Auf diese, im Prinzipe unbegrenzte Kraftsteigerung, also auf „Transformationsfähigkeit" und nicht auf die Formulierung einer Gleichgewichtsbedingung bezog sich auch das stolze Wort des A r c h i m e d e s , welcher zuerst das Hebelprinzip auesprach: „Gib mir, wo ich stehen kann und ich bewege die Erde!" 1 ) Greifen an einem Hebel zwei Kräfte auf derselben Seite des Drehpunktes an, so nennt man ihn „einarmig"; zweiarmig, wenn die Angriffspunkte auf verschiedenen Seiten vom Drehpunkte liegen, dieser eich also zwischen ihnen befindet. Bei Druckpumpen verwendet man gewöhnlich einarmige Hebel, wobei man das Hebelende direkt mit der eigenen Körperschwere belastet; der Sehnenangriff am Unterarme, der auf der Hand eine Last trägt, ist ebenfalls nach dem Typus des einarmigen Hebels gestaltet. Bei Saugpumpen, bei denen ein Stempel und eine Waesersäule zu heben ist, gibt man dem zweiarmigen Hebel (mit Pumpenschwengel) den Vorzug Doch ist die Unterscheidung der Hebel nicht immer ganz scharf durchführbar. Man überlege ζ. B., zu welcher Hebelart man das Ruder, Schiffseteuer oder einen Schlüssel zu rechnen habe.
49. Die statischen Momente, Verallgemeinerung des H e b e l e a t z e s . Die Produkte: Kraft mal Hebelarm: G l nennt man die „statischen Momente" oder „Drehmomente". Dabei sei zunächst vorausgesetzt, daß G senkrecht an l angreife (die entsprechende Verallgemeinerung wird in § 65 durchgeführt). Die am selben Hebel angreifenden Kräfte können Drehungen von verschiedenem Richtungssinne hervorbringen. Dem trägt man am besten dadurch Rechnung, daß man ihren Drehmomenten ein bestimmtes Vorzeichen, + oder —, gibt. Festzusetzen ist dann nur noch, welchem Drehsinne man das positive, welchem des negative Zeichen zuweisen soll. Wir wollen durchweg an der folgenden Regel festhalten: P o s i t i v werde stets j e n e Drehung g e z ä h l t , w e l c h e der U h r z e i g e r b e w e g u n g entsprechend um die Blickrichtung., herum führt. Wir haben in Blickrichtung und Zeigerbewegung einer Uhr das einfachste Modell der uns sehr häufig vorkommenden Verbindung einer Richtung, ζ. B. einer Axenrichtung, mit einer Drehung in bestimmtem Sinne vor uns; das Modell ist stets zur Hand (jedenfalls dem Vorstellungsvermögen immer gegenwärtig) und eindeutig, da wohl kaum je ein Uhrmechanismus konstruiert worden ist, bei 1) Ich halte diese Übersetzung des bekannten: „Sog μοι πον ατω καϊ κινώ την γήν" für sinn- und sachgemäßer als die sonst wohl beliebte: „Gib mir eine Stütze und ich hebe die Erde aus ihren Angeln!" Der Stützpunkt allein würde nichts nützen, wenn der den Hebel Gebrauchende nicht zugleich ein Widerlager und einen festen Standpunkt zugewiesen erhielte. Mit diesem ist aber auch der „Stützpunkt" dann von selbst mit gegeben, ferner kommt im AusSpruche selbst der Begriff der „Angeln" (nämlich der Erdaxe) gar nicht vor, wenn derselbe dem Archimedes vielleicht auch geläufig war, denn schon vor der speziellen Ausgestaltung des Hebelgesetzes durch ihn hatte Aristarch von Samoa (280 ν. Chr.) die Bewegung de» Erde um die Sonne gelehrt.
58
2. Kapitel.
Arbeitsumformer.
dem sich die Zeiger links herum bewegten, wiewohl das natürlich mechanisch ohne weiteres ausführbar wäre. Ordnet man drei senkrecht zueinander orientierte (positive) Richtungen (Koordinatenaxen, vgl. § 30, S. 40) unserer Regel entsprechend so an, daß man einer entlang blickend die zweite in die dritte Richtung durch eine p o s i t i v e , also Rechts- oder Uhrzeigerdrehung überführt, so erhält man ein „Rechtesystem" (auch „englisches'1 oder „weinwendiges" System genannt, weil sich eine Weinranke in diesem Sinne an einem Stabe emporrankt, im Gegensätze etwa zu eine* Hopfenranke). Drehungen, welche im Uhrzeigersinne verlaufen, wollen wir kurz „ z e i g e r m ä ß i g e " , die umgekehrten „ g e g e n z e i g e r m ä ß i g e " nennen.
Bei unserer Festsetzung würde also beim Einschieben der Gewichte in die Maschine (Fig. 12) Gt • lt negativ, · ls positiv zu rechnen sein. Da G l e i c h g e w i c h t nur bestehen kann, wenn die in einem Sinne wirkenden Drehmomente von den im anderen Sinne wirkenden gerade aufgehoben werden, so muß — Gt · lx + Gs • ls = 0 sein, was mit (15) identisch ist. „Die a l g e b r a i s c h e Summe der s t a t i s c h e n M o m e n t e muß g l e i c h Null sein." Diesen Satz kann man wesentlich erweitern: Greifen an einer horizontalen, um den Punkt D drehbaren, im indifferenten Gleichgewichte befindlichen Stange (Fig. 15) die Gewichte Glf Gt, Ga . . .
J
Ά
υ —
\EG F i g . 15.
in verschiedenen Entfernungen l 1} l i7 l3 . . . senkrecht an, so übt jede einzelne ein Drehmoment aus, das proportional ihrem G und ihrem l ist. Die Gewichte sind in Fig. 16 durch Strecken dargestellt, deren Längen ihnen selbst proportional sind.
Alle die untereinander parallelen Gewichtskräfte können wir uns aber nach § 40, S. 50, in einem einzigen Punkte, dem Schwerpunkte S, vereinigt denken, an dem dann die Summe aller dieser Kräfte angreifen würde. Solche Summen wollen wir durch das Zeichen ^ darstellen, so daß im Schwerpunkte S das Gesamtgewicht ^G angreift. Liegt S um die Strecke s vom Drehpunkte D entfernt, so ist das statische Moment dieser Kraft (da in Fig. 15 zeigermäßig drehend)
59 + s ·^G. Dies muß im Falle des Gleichgewichtes die Summe aller übrigen Drehmomente zu Null ergänzen, d. h. es muß sein:
+
oder s . 2 G = 2 G l
und
0
8 - 2 G I / 2 G .
(16)
Durch diese Gleichung kann die Lage des Schwerpunktes eines an einer Geraden angreifenden beliebigen Systems paralleler Kräfte rechnerisch gefunden werden (vgl. § 41, S. 50). Dei Beweis dafür, daß diese Gleichgewichtebedingung auch noch erfüllt sein muß, wenn sich die Stauge neigt, so daß alle Kräfte den gleichen Winkel mit ihr bilden, sowie die Modifikation, die eintritt, wenn einzelne Kräfte schief angreifen, wird später behandelt (vgl. § 64). A u f g a b e 29. Man weise nach, daß diese Bedingung bei der durch Fig. 16 gekennzeichneten Kräfteverteilung tatsächlich erfüllt ist. Mißt man die Entfernungen ab, so erhält man: l, = 6,
i, = 16, J, = 25, l t = 30, 2b = 40,
Ze = 45, l, = 60 mm
mit Gewichten, die den Zahlen G, = 1 5 ,
= 20, G3 = 15, G< = 10,