Kunsttransfer: Effizienz durch unangepasstes Denken 9783839438992

Creativity is not a prisoner of art! About synergies of logically justifiable knowledge and the artistic skill of naviga

329 79 23MB

German Pages 304 Year 2017

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort/Preface
Teil 1. Gedacht
The Missing Link
Non-Lineares Denken und Handeln Entwickeln
Wissenschaftliches Denken und Arbeiten
Intelligentes Nichtwissen
Poröse Zustände
Was Ist das Gegenteil Von Frosch?
Der Künstlerische Prozess
Künstlerisches Denken und Handeln
The Artistic Attitude
Navigieren im Offenen System
Ein Muster für die Zukunft
Anders Denken – Wo Geht Das?
Teil 2
Gefordert
Resolution
Kunst Fördert Wirtschaft
Bemustert
Die Denkfabrik [ID] Factory
Young Lab Forschungsfragen aus der Wirtschaft
Professional Lab: Interventionen für die Wirtschaft
Besprochen
Januar Forum Factory
Kulturwerkstatt Cleuyou
Innovation – Wie Geht Das?
Kunst Fördert Wissenschaft
Überführt
Modelle, Strategien, Prinzipien
Das Prinzip Kunsttransfer
Das Prinzip Sanduhr
Das Modell Kleeblatt
Das Prinzip Bolero
Anhang
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Kunsttransfer: Effizienz durch unangepasstes Denken
 9783839438992

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Ursula Bertram KUNSTTRANSFER

Image | Band 114

Das Zentrum für Kunsttransfer/[ID]factory wurde 2012 ausgezeichnet als innovativer »Ausgewählter Ort 2012« durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW.

Ursula Bertram (Prof.), geb. 1952, ist Künstlerin und Professorin an der TU Dortmund. Ihr Forschungsschwerpunkt ist der Transfer künstlerischen Denkens in außerkünstlerische Felder wie Wirtschaft und Wissenschaft. Sie ist Mitbegründerin des Modellprojekts »Zentrum für Kunsttransfer« mit der [ID]factory als interdisziplinärem Lehr- und Entwicklungsraum für non-lineares, künstlerisches Denken. Künstlerische Arbeiten im öffentlichen Raum in Deutschland, den USA, Russland und Venezuela.

Ursula Bertram

KUNSTTRANSFER Effizienz durch unangepasstes Denken

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OLIVER SCHEYTT

GRUSSWORT

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mit Denkskizzen von Werner Preißing

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INHALTSVERZEICHNIS

10 VORWORT/PREFACE

TEIL 1 GEDACHT 26 THE MISSING LINK 32 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 1 34 NON-LINEARES DENKEN UND HANDELN ENTWICKELN 40 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 2 50 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 3 52 WISSENSCHAFTLICHES DENKEN UND ARBEITEN – KÜNSTLERISCHES DENKEN UND ARBEITEN 62 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 4 68 INTELLIGENTES NICHTWISSEN 72 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 5 78 PORÖSE ZUSTÄNDE 84 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 6 88 WAS IST DAS GEGENTEIL VON FROSCH? 94 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 7

INHALTSVERZEICHNIS

98 DER KÜNSTLERISCHE PROZESS 100 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 8 104 KÜNSTLERISCHES DENKEN UND HANDELN 126 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 9 132 THE ARTISTIC ATTITUDE 150 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 10 156 NAVIGIEREN IM OFFENEN SYSTEM 162 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 11 166 EIN MUSTER FÜR DIE ZUKUNFT 180 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 12 186 ANDERS DENKEN – WO GEHT DAS? 198 KÜNSTLERISCHE ARBEIT 13

TEIL 2 GEFORDERT 204 RESOLUTION 206 KUNST FÖRDERT WIRTSCHAFT/SYMPOSIUM 2010

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INHALTSVERZEICHNIS

FORTSETZUNG

TEIL 2



BEMUSTERT 216 DIE DENKFABRIK [ID]FACTORY 218 YOUNG LAB – FORSCHUNGSFRAGEN AUS DER WIRTSCHAFT 222 KUNSTTRANSFER-PARTNER: BÜRO FÜR INNOVATIONSFORSCHUNG 224 KUNSTTRANSFER-PARTNER: GREENPEACE ENERGY 226 KUNSTTRANSFER-PARTNER: SCHALLSCHUTZUNTERNEHMEN IBK KOHNEN 230 KUNSTTRANSFER-PARTNER: PERSONALBERATUNG PERS.X 232 KUNSTTRANSFER-PARTNER: BILFINGER SE/SACHSENFONDS 236 KUNSTTRANSFER-PARTNER: ISAS LEIBNIZ-INSTITUT FÜR ANALYTISCHE WISSENSCHAFTEN 238 KUNSTTRANSFER-PARTNER: KPE/CREDIT SUISSSE 242 KUNSTTRANSFER-PARTNER: WIGASTONE/STEINTRADING 244 KUNSTTRANSFER-PARTNER: SIE! 246 PROFESSIONAL LAB: INTERVENTIONEN FÜR DIE WIRTSCHAFT

INHALTSVERZEICHNIS

BESPROCHEN 254 JANUAR-FORUM DER [ID]FACTORY 258 KULTURWERKSTATT CLEUYOU 260 INNOVATION – WIE GEHT DAS? 262 KUNST FÖRDERT WISSENSCHAFT/SYMPOSIUM 2012

ÜBERFÜHRT 272 MODELLE, STRATEGIEN, PRINZIPIEN 274 DAS PRINZIP KUNSTTRANSFER 276 DAS PRINZIP SANDUHR 278 DAS MODELL KLEEBLATT 280 DAS PRINZIP BOLERO

ANHANG 296 PUBLIKATIONEN 298 LITERATURVERZEICHNIS 301 BILDNACHWEISE 304 IMPRESSUM

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10 10

VORWORT/PREFACE

VORWORT/ PREFACE Was ist Kunsttransfer? Warum Umwege? What is Artistic Transfer? Why Detours?

VORWORT/PREFACE

Tumulte auf der Straße in Lima, einer Stadt in Peru mit neun Millionen Einwohner und einer hoffnungslosen Situation in den Armenvierteln, sind das Ergebnis einer menschenverachtenden Diktatur von Alberto Fujimori im Jahre 2000. Letztlich zwingen ihn die Aufstände, zu flüchten und zurückzutreten. 2002 lässt der Künstler Francis Alys vor Ort 500 freiwillige Helfer mit Schaufeln ausrüsten, um gemeinsam eine 200 Meter hohe und 500 Meter lange Sanddüne um 10 Zentimeter zu versetzen. Der Berg vor ihnen überragt ihr eigenes Körpermaß um das hundertfache. Sie wirken winzig angesichts Zen-Buddhismus einer schier unendlichen Fläche, die sie mit Schaufeln bearbeiten. In halbkreisförmiger Linie werfen peruanische Arbeiter eine Schippe Sand Stück für Stück nach vorne, Stunde um Stunde, bis der Berg versetzt ist. Sein Werk »When Faith Moves Mountains« (Wenn der Glaube Berge versetzt) findet weltweite Beachtung. Seine Bilder spiegeln die Willenskraft des Volkes und bleiben im kollektiven Gedächtnis. »Maximum effort, minimal result«, kommentiert der Künstler, most efficient, sei ergänzt.

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»Wenn du es eilig hast, mache einen Umweg.«

Der Pestizidhersteller Dr. Hans-Dietrich Reckhaus aus Bielefeld bittet die Schweizer Konzeptkünstler Frank und Patrick Riklin vom Atelier für Sonderaufgaben im Jahr 2012 um ein neues Marketingkonzept für seine frisch patentiere Fliegenfalle. Stattdessen schlagen ihm die Künstler nach reiflicher Überlegung eine Ausgleichsfläche für Insekten vor und stellen ihm die Aufgabe, genauso viele Fliegen zu retten, wie er durch seine Produkte vernichtet. Den Auftakt macht das Dorf Deppendorf, wo in einer bewegenden Aktion 900 Stubenfliegen gemeinsam mit den Anwohnern gerettet werden. Andere Aktionen folgten. Inzwischen gründet er die Firma Insect Respect, die über die Rückinvestition von 10 Cent pro Packung ökologische Ausgleichsflächen schafft. Reckhaus wurde zum Botschafter der Kreativwirtschaft, Preisträger des Querdenker-Awards 2014, Nominiert für den Unternehmerpreis, Umweltpreisträger Kyocera, Preisträger des Swiss Award for Excellenz und des Schweizer Ethik Preises 2015. Berichtet wurde in der FAZ, der Zeit, im Wissenschaftsmagazin Nano/3Sat, im WDR und im Wirtschaftsmagazin Brand Eins. Die erste Fliege namens Erika wurde zum Kunstwerk erklärt. Unangepasstes Denken oder auch passungsfreies Denken ist die Basis von Neuschöpfungen, die zweifellos mit Nebenwirkungen einhergehen und von dem Ökonomen Joseph A. Schumpeter bereits 1942 als Creative

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VORWORT/PREFACE

Destruction beschrieben werden. Die schöpferische Zerstörung verdränge und zerstöre letztlich alte Strukturen. Dies sei unabdingbar und kein Systemfehler, um Neuordnungen zu ermöglichen. Der Kognitionswissenschaftler Edward de Bono beschreibt das System des lateralen Denkens1, das neue Sichtweisen eröffnet durch sprunghafte, gegensätzliche Denkprozesse. Der Musiker Christopher Dell empfiehlt Improvisationskraft2 als Kunst und Technik für den Umgang mit Unsicherheit. Improvisieren, Wegdenken und das Verlassen von Übereinkünften ist unabdingbar für die Entwicklung von Zukunft. Darin besteht Übereinkunft. Meist bleibt es jedoch bei der Theorie. Die Praxis ist ungleich schwerer zu erringen und zumeist unbeliebt, weil es ein Verlassen von Strukturen, Vereinbarungen oder Sichtweisen bedeutet, die nicht nur des Diskurses wegen extrem verteidigt werden. Tröstlich daher: Im Dunkeln kann man besser unangepasst denken. Das ist das Ergebnis eines Experiments an der Technischen Universität Dortmund (TU Dortmund), bei dem Probanden einer Frage ausgesetzt wurden (»Was lässt sich mit einem bestimmten Produkt alles machen?«). Dabei saß die eine Gruppe im taghellen, die andere in einem dunklen Raum. Im Ergebnis produzierten die Probanden im dunklen Raum signifikant mehr und bessere Ideen. Grund dafür seien die Überwindung sozialer Barrieren und die Angst, sich zu blamieren, so der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Hartmut Holzmüller. Wen wundert es? Je normierter ein System ist, desto empfindlicher reagiert es auf kreative Neuschöpfungen. Mitunter haben es Künstler hier leichter, weil ihre Disziplin keine Passform kennt. Sie sind somit keinen Vereinbarungen und normativen Erkenntnissen ihres Bereichs ausgesetzt, die eine Flucht aus der Anpassung erfordern würden. Im Gegenteil: Die Profession ist eher von einem Subsystem der freien Verfügbarkeit in der Unsicherheit geprägt. Es ist erforderlich, passungsfrei Dinge zu sehen, zu sichten, zu bedenken, zu betrachten, zu verknüpfen und zu überführen in eine Form oder einen Prozess. Diese wertvolle Kompetenz wird im derzeitigen Diskurs als bedeutende Ressource für außerkünstlerische Felder begriffen, hocheffizient für festgefahrene Systeme. Aus meinen Erfahrungen mit etwa 400 Werkbegleitungen, in der Arbeit und bei der Begegnung mit jungen, engagierten und sensiblen Menschen ist allerdings das Erringen dieser Kompetenz, das Loslassen von bewährten Wahrnehmungs- und Denkmustern eine der größten Hürden, die es zu bewältigen gibt, um künstlerisch zu 1 | De Bono, Edward: Laterales Denken für Führungskräfte. Reinbeck: Rowohlt 1972. 2 | Dell, Christopher: Die improvisierende Organisation. Bielefeld: transcript 2012.

VORWORT/PREFACE

arbeiten. Ich bezeichne dies als künstlerisches Denken und Handeln, was die Fähigkeit einschließt, mit non-linearen Prozessen umzugehen. Es bedeutet, ich muss in der Lage sein, in offene Systeme überzuwechseln und eigene Subsysteme kreieren, deren Regeln ich mit dem Produkt gleichzeitig auf die Welt bringe. Ohne Frage kann diese Kompetenz in der »Ursuppe Kunst« erlernt werden und möglicherweise in anderen Feldern, die aus dem Unbestimmbaren schöpfen und hierfür ein geeignetes System entwickelt haben. Der Philosoph Alexander Düttmann begründete in seinem Vortrag auf der dOCUMENTA 13, dass »das Ungedachte der Motor des Denkens ist« und somit das Unbestimmbare der Motor des Bestimmbaren. Er führt aus, dass sich dieser Vorgang als sehr anstrengend erweist: »Anstrengend heißt, sich in der angestrengten Offenheit zu bewegen, weil ich nicht sicher bin.« Wie man zu dieser anstrengenden Offenheit kommt, welche Formen die Probebohrungen des Kunsttransfers in der Denkfabrik [ID]factory hervorgebracht haben und welche Muster sich daraus ableiten lassen, wird in diesem Buch in den Kapiteln »Gedacht«, »Gefordert«, »Bemustert«, »Besprochen« und »Überführt« in Texten und Bildern vermittelt. Es geht um ein Potential, das schwer zu erringen und zudem schwer zu erkennen ist. In den vorliegenden Texten, Interviews und Vorträgen, die in diesem Buch erstmals gebündelt wurden, geht es im Wesentlichen um dieses Potential, seine Entwicklung, seine Hindernisse, seine Muster, seine Wirkung und seine Einsatzbereiche. Kunst fördert ästhetische Erfahrung, Wahrnehmungs- und Persönlichkeitsentwicklung. Sie ist eine autonome Form der Weltaneignung und des Weltverständnisses. Gleichzeitig kann sie einen Transfer leisten in außerkünstlerische Felder, somit in soziale, wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenhänge unserer Gesellschaft. Wir sprechen einerseits von Kunsttransfer, wenn das Potential und die Strategien des künstlerischen Denkens und Handelns eingesetzt werden, um in anderen Disziplinen und Wissensbereichen eine bewusste Bereicherung zu erzielen. Andererseits können Methoden oder Erfahrungen außerkünstlerischer Felder in die Entwicklung künstlerischer Prozesse eingebracht werden, sodass Werke entstehen, die ohne die transdisziplinäre Verschränkung nicht möglich erscheinen. Klaus Heid und Rüdiger Johns beschreiben letzteres als Transferkunst, der künstlerische For-

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VORWORT/PREFACE

schung zugrunde liegt3. Mit der spezifischen differenzierten, kritischen Weltsicht oder der unkonventionellen Herangehensweise, die dem Subsystem Kunst zu eigen ist, können Prozesse in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft Impulse erfahren, die dort neue Sichtweisen fördern, wie in der Firma Reckhaus. Ebenso kann die künstlerische Werkentwicklung synergetisch von Prozessen und Strategien der außerkünstlerischen Felder profitieren, die sie in die Werkentwicklung integriert. So der legendäre »Kunsthase Alba«, der durch biotechnische Verpflanzung eines fluoreszierenden Gens in der Dunkelheit leuchtet, oder die Verwendung von Leistungsprozessen, um einen Berg in Lima zu versetzen. Die TU Dortmund hat 2016 als eine der ersten Hochschulen wissenschaftliche und künstlerische Forschung gleichgestellt, in ihrer Grundordnung verankert und somit einen Paradigmenwechsel im Begreifen von Forschung angestoßen, der seit der methodischen Trennung von Objekt und Subjekt durch René Descartes über 300 Jahre Bestand hatte und rein wissenschaftlich definiert war. In der vorliegenden Publikation »Kunsttransfer« geht es immer wieder um eine neue Art der Effizienz, die durch Umwege und unangepasstes Denken erreicht wird. Die Texte, Werke und Bilder leben aus der Perspektive der künstlerischen Arbeit: Wie man feste Konnotationen als Ballast abwerfen kann, ohne die Orientierung zu verlieren. Wie man im Meer einen Brief schreibt. Wie man wegdenkt, ohne die Bausteine seines Weltverstehens aufzugeben, die neu verknüpft werden können. Welche Rolle ein gelber Sessel am Sandstrand spielt. Wie Nichtkonformität Innovationen hervorbringen kann. Kurz, wie man künstlerisches Denken erproben kann, das die Problemlösungen problemlos mit sich führt. Hierfür gibt es ein Modell, welches ich in dem Kapitel »Überführt« vorstelle. Es ist hochmächtig, sieht ganz einfach aus und heißt Kleeblatt. In Anwendung des Kleeblatts habe ich Hunderte von Impulsen entwickelt, die non-lineares Denken befördern. Einige davon werden in den gesammelten Texten im Kapitel »Gedacht« erwähnt. Für die Konstellation des Buches habe ich das Kleeblatt angewendet, um verschiedene Zugangsweisen zu ermöglichen und selbst zu erproben. In der 2007 an der TU Dortmund gegründeten Denkfabrik [ID]factory mit Gründungspartner Werner Preißing vom Büro für Innovationsforschung 3 | Heid, Klaus/John, Ruediger: Was ist Transferkunst? Ein Terminus für transdisziplinäres, künstlerisches Arbeiten. In: JUNI kunst zeit schrift, 2003, o.S.

VORWORT/PREFACE

in der Nachfolge der Denkwerkstatt LeDreff von 2003, konnten wir einen fantastischen Ort für Andersdenken, experimentelles Handeln und überfachliche Diskurse nutzen. Die ehemaligen Chemiehallen erlebten mit dem Spirit und der Unnachgiebigkeit unseres künstlerischen Nachwuchses, mit den Gegenreden unseres universitären Umfeldes, mit der Neugierde Gleichgesinnter und den vielen inspirierenden Köpfen aus allen Feldern, wie dem Künstler Timm Ulrich, dem Kunstwissenschaftler Bazon Brock, dem Philosoph Julian Nida-Rümmelin, dem Hirnforscher Gerald Hüther, dem Physiker Metin Tolan, dem Musiker Christopher Dell, dem Soziologe Fritz Böhle, der Choreografin Reinhild Hofmann, der Organisation Greenpeace Energy, dem Unternehmen Bilfinger SE, um nur einige zu nennen, einen Hype, der Kräfte entfesselt und gleichermaßen bindet, angedeutet in dem Kapitel »Besprochen«. Wir stellten uns der Frage, wie wir eine Haltung erzeugen, aus der heraus künstlerisches Denken grenzenlos wird, um mühelos in anderen Disziplinen und Feldern sichtbar und fruchtbar zu werden, ohne Verlust von Authentizität. Wir entwarfen eine Empfehlung für Entscheidungsträger, die in dem Kapitel »Gefordert« die Resolution zeigt, die im Verlauf des Symposiums »Kunst fördert Wirtschaft« entwickelt wurde. Es ging um die Freisetzung von Energie mit den Mitteln der Kunst für außerkünstlerische Anliegen. Das Prinzip Bolero lässt sich dabei direkt übertragen, das Modell Kleeblatt ist die Grundlage für eigene Strategieentwicklungen und das Prinzip Sanduhr zeigt, wie künstlerische Fragestellungen in allgemeine Fragestellungen und Bedürfnisse umgewandelt werden können. Im Jahre 2084 wird es ganz selbstverständlich sein. In den Schulen wird inzwischen dem Wegdenken große Bedeutung beigemessen. Überfachliche Erfinderwerkstätten sorgen für den non-linearen Input und eine hohe Erfindungsgabe, die nicht materiell ist. Eine hellwache Jugend wächst nach, die lateral und flexibel denken kann. An den Universitäten wurde der Anteil der künstlerischen Professuren auf immerhin 15 Prozent angehoben, sodass der Transfer in außerkünstlerische Disziplinen schon fast zur selbstverständlichen Denkweise geworden ist. Längst hat sich eine synergetische Forschung entwickelt, die historische Berührungsängste weit hinter sich gelassen hat. Künstler arbeiten mit innovativen Führungskräften und Wissenschaftlern. Unternehmen haben ihre gesellschaftliche Verantwortung inzwischen angenommen, legen Wert auf Authentizität, gemeinsames soziales Handeln, Diversität und ökologische Wertschöpfung und betrachten Effizienz nicht mehr eingleisig. Arbeit wird von den Arbeitnehmern als Entwicklung einer lebenswerten Welt verstanden, ge-

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VORWORT/PREFACE

meinsam mit den demokratisch organisierten Verantwortungsträgern, den Rest übernehmen selbstorganisierte Maschinen. Dieses Buch wagt es, mit Bildern, Texten und eigenen künstlerischen Werken Annäherungen zu schaffen zu einer Zugangsweise, die umso mehr ihre Identität verliert, je mehr versucht wird, sie in ein logisch nachvollziehbares Muster zu pressen. Diese Erwartung hat Blüten erzeugt bei meinen Studierenden, die aus der schier unmöglichen Anforderung Gegenentwürfe geboren haben. So entstand ein Rezept bei SEMABESAHINMangel4, um Kunst besser zu verstehen. Sollte es mir nicht gelungen sein, trotz visueller und textlicher Probebohrungen die andere Zugangsweise von Effizienz nahezubringen, verspreche ich Ihnen ein Erfolgsrezept in Tropfenform.

DANK Ich danke den Mitspielern auf allen Ebenen für die Entstehung dieses Buches, insbesondere den Studierenden der TU Dortmund für ihren neugierigen und widerspenstigen Umgang mit Fragen der Forschung und dem Team der [ID]factory, das mich immer wieder zu neuen Gedanken herausforderte. Großer Dank gebührt dem Rektor Eberhard Becker für die Bereitschaft, das Experiment [ID]factory 2007 zu wagen. Dank auch an die Rektorin Ursula Gather für die Möglichkeit der Weiterentwicklung und an den Senat für die zukunftsweisende Gleichstellung der künstlerischen und wissenschaftlichen Forschung im Jahre 2016. Ohne die engagierte Mitarbeit von Brigitte Hitschler seit Anbeginn und in der Folge mit Judith Klein wäre manches nicht möglich gewesen. Dank an diejenigen, die mich in großer Zuneigung und Freiheit großgezogen und begleitet haben, meinen Eltern und meiner Schwester Marion. Ein besonderer Dank gilt Werner Preißing, dessen positives, analytisches und visuelles Denken ein Ping-Pong-Spiel erlaubte, das zu Hunderten von diskursiven Denkskizzen führte, zu Erkenntnissen, Modellen, Methoden und lateralen Workshops in der Kulturwerkstatt am Meer und im Zentrum für Kunsttransfer.

4 | Johanna Bielawski: »Skulptan Plus«, ein Medikament in Tablettenform mit inneliegendem Rezept und Gegenanzeigen. Anzuwenden, wenn man Skulpturen nicht versteht.

VORWORT/PREFACE

Abb. 1: Werner Preißing: Kunst im Kopf

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VORWORT/PREFACE

Tumult on the streets of Lima, a city of 9 million inhabitants in Peru, and a desperate situation in the city’s slums. In the year 2000, this was the outcome of Alberto Fujimori’s inhumane dictatorship. He was eventually forced to step down by the mass unrest and fled the country. In 2002, likewise in Lima, the artist Francis Alÿs armed 500 volunteers with shovels in order to shift a 200-metre-high and 500-me-trewide sand dune 10 centimeters. The mountain towered over them, 100 times larger than their own physical dimensions. They appear miniscuZen-Buddhismus le in the face of a seemingly endless expanse of sand, which they work at with their shovels. In an arced line, the Peruvian workers toss forwards scoops of sand, bit by bit, hour by hour, until the mountain has been moved. Alÿs’ work »When Faith Moves Mountains« received global attention. His images reflect the will power of the people, and became lodged in the collective consciousness. »Maxi-mum effort, minimal result«, comments the artist, »most efficient«, we might add.

»If you are in a hurry, take a detour«

In the year 2012, the Bielefeld-based pesticide producer Dr Hans-Dietrich Reckhaus asked the Swiss conceptual artists Frank and Patrick Riklin from the Atelier für Sonderaufgaben (Workshop for Special Tasks) for a new marketing concept for his newly patented fly traps. Instead, after careful consideration, the artists suggested creating a regeneration zone for the insects, and set him the task of saving one fly for every fly that he kills with his products. The campaign was launched in the village of Deppendorf, where in a moving event, 900 houseflies were rescued with the help of the residents of the village. More events followed. Since then, Reckhaus has founded the company Insect Respect, which invests 10c from every packet sold to create ecological insect regeneration zones. Reckhaus became the ambassador for the creative economy. He won the 2014 Lateral Thinker Award, was nominated for the German Entrepreneur Prize, won the Kyocera Environmental Prize, the Swiss Award for Excellence and the 2015 Swiss Ethics Prize. There were reports in the Frankfurter Allgemeine Zeitung, the Zeit, in the science magazine Nano/3Sat, WDR and in the business magazine Brand Eins. The first fly, by the name of Erika, was declared a work of art. Unruly thought, or thought that doesn’t fit inside the box, is the basis of creative innovation, which without a doubt also occasion adverse side effects, having been described as ›creative destruction‹ by the economist Joseph Schumpeter as far back as 1942. Ultimately, creative destruction

VORWORT/PREFACE

expels and destroys old structures. This is an indispensible component of facilitating the creation of new regimes, and is as such no mere system error. The cognitive scientist Edward De Bono has outlined the system of ›lateral thinking‹,1 which opens up new perspectives through unpredictable, contradictory thought processes. The musician Christopher Dell recommends improvisation2 as an art form and technique for dealing with uncertainty. Improvising, mentally suppressing and abandoning assumed notions is indispensible for the development of futurity. On this, there is agreement. But it is rarely taken beyond the theoretical realm. The practice is disproportionately difficult to achieve and usually unpopular, because it means abandoning structures, commonly agreed-upon ideas or perspectives, which are vehemently defended, not just for the sake of the argument. So it’s consoling to know that unruly thinking is easier in the dark. That is the outcome of an experiment conducted at the Technical University of Dortmund, in which study subjects were asked to suggest all the possible uses for a specific product. One group gave their answers to the question by the light of day, the other in a dark room. In the results, the subjects in the dark room produced significantly more and better ideas. According to Professor Holzmüller, a researcher in the field of economics, the reason for this is that in the dark, it is easier to overcome social barriers and the fear of embarrassment. Which is hardly surprising. The more norm-based a system is, the more reluctantly it reacts to creative innovations. Sometimes artists have an easier time of it, because their discipline knows no set forms. As such, they are not subject to the agreements and normative knowledge of their field, which would force them to attempt to break out of these confines. On the contrary, their profession is characterized more by a subsystem of free availability in uncertainty. They are required to view, inspect, consider observes and draw connections between things without bias, in order to then transmit them into a form or a process. This valuable skill is viewed as a significant resource for non-artistic fields in contemporary discourse, and is highly efficient for systems which find themselves at an impasse. However from my experiences with some 4000 instances of working and interacting with young, committed and sensitive individuals in creating artworks, acquiring this skill of letting go of traditional models of perception and thought is one of the greatest hurdles that have to be surmounted in order to begin to work 1 | De Bono, Edward: Lateral Thinking for Management: A Handbook. London: Penguin Books 1990.

2 | Dell, Christopher: Die improvisierende Organisation. Bielefeld: transcript 2012.

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VORWORT/PREFACE

artistically. I refer to this as artistic thought and action, which includes the capacity to deal with non-linear processes. It means that I have to be able to switch over into open systems and create my own subsystems, the rules of which I bring into the world at the same time as the product itself. There is no doubt that this skill is acquired in the »primordial soup of art« and possibly in other fields which draw on the indeterminable, and which have developed a suitable system for doing so. In his talk at dOCUMENTA 13, the philosopher Alexander Düttmann explained that »that which is unthought is the engine of thinking«, and therefore, the indeterminable is the engine of the determinable. He continued that this procedure proves to be very stressful: »Stressful means moving into the stress of indeterminacy, because I am uncertain«. The chapter ›Thought, challenged, modeled, discussed and translated‹ looks into how we arrive at this stressful indeterminacy, the forms of exploratory drilling of artistic transfer which have been carried out in our think tank [ID]factory, and which patterns can be ascertained from them. The focus is on a capability which is both difficult to achieve and difficult to recognize. The texts, interviews and papers gathered together for the first time in this book are primarily concerned with this capability, its development, the obstacles to attaining it, its patterns, its effects and its fields of application. Art promotes the development of aesthetic experience, perception and personality. It is an autonomous form of actively appropriating and understanding the world. At the same time, it can perform a transfer into fields beyond art, into social, economic and academic contexts. On the one hand, we speak of artistic transfer when the potentialities and strategies of artistic thought and action are deployed in order to deliberately enrich other disciplines and fields of knowledge. On the other hand, methods or experiences from outside of the field of art can be incorporated into the development of artistic processes, such that works emerge which would not be possible without transdisciplinary interaction. Klaus Heid and Rüdiger Johns describe the latter as transfer art, which is the foundation of artistic research.3 The specific, nuanced, critical worldview or unconventional approach which is inherent to the subsystem of art can 3 | Heid, Klaus/John, Ruediger: Was ist Transferkunst? Ein Terminus für transdisziplinäres, künstlerisches Arbeiten. In: JUNI kunst zeit schrift, 2003, o.S.

VORWORT/PREFACE

provide processes in science, economics and society more generally with impulses which promote new perspectives, as with the company Reckhaus. Likewise, the development of artworks can profit synergetically from processes and strategies from outside of the field of art, which can be integrated into the development of the work. Take, for example, the legendary art rabbit, Alba, which was made to glow in the dark through the biotechnological implantation of a luminescent gene; or indeed the use of labour processes to move a mountain in Lima. In 2016, the Technical University of Dortmund became one of the first tertiary education institutions to give scientific and artistic research equal recognition, which they embedded in their constitution, thus initiating a paradigm shift in the concept of research which had endured for over 300 years, ever since Descartes’ methodological division of object and subject, which defined research as purely scientific. In this publication, »Kunsttransfer (Artistic Transfer)« the focus is always on a new kind of efficiency, which is reached through detours and unruly thinking. The texts, works and images originate from the perspective of artistic work: how set connotations can be jettisoned like ballast without losing orientation. How to write a letter at sea. How to think beyond assumed notions, without giving up the building blocks of your understanding of the world, but rather reassembling them. The role played by a yellow chair on the beach. How non-conformity can produce innovation. In short, how a form of artistic thinking can be tried out which effortlessly delivers the solutions to its problems. There is a model for this, which I present in the chapter ›Carried Over‹. It is very powerful, looks utterly simple and is called ›clover leaf‹. In applying the clover leaf I have developed hundreds of cues which promote non-linear thinking. A number of them are mentioned in the texts gathered in the chapter ›Thought Out‹. I used the clover leaf technique when determining the structure of the book in order to facilitate multiple modes of approach, and to experiment with these myself. At the think tank [ID]factory, which I founded in 2007 together with Werner Preißing from the Büro für Innovationsforschung (Office for Innovation Research) at the Technical University in the tradition of the Denkwerkstatt LeDreff from 2003, we had the opportunity to utilize a fantastic space for thinking differently, for experimental action and interdisciplinary discourse. With the spirit and the relentlessness of our budding artists, with the objections of our university environment, with the curiosity of like-minded people and the many inspiring minds from all fields, such

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VORWORT/PREFACE

as the artist Timm Ulrich, art theorist Bazon Brock, philosopher Julian Nida-Rümmelin, neuroscientist Gerald Hüther, physician Metin Tolan, musician Christopher Dell, sociologist Fritz Böhle, choreographer Reinhild Hofmann, the organization Greenpeace Energy and the company Bilfinger SE (to name just a few) these former chemistry halls experienced a hype which unleashed and harnessed energies in equal measure, an impres-sion of which you’ll find in the chapter ›Discussed‹. We posed ourselves the question of how we could create a posture from which artistic thinking would transgress its boundaries, allowing it to effortlessly become visible and productive in other disciplines, without losing its authenticity. We drafted up a suggestion for policy-makers (contained in the chapter ›Challenged‹) which outlines the resolution which was developed over the course of the symposium ›Art Promotes Commerce‹. The aim was to set energy free using the means of art for the purpose of extra-artistic concerns. The Bolero Principle can be directly applied here, the clover leaf model is the foundation for tailored strategy developments and the Hourglass Principle shows how artistic investigations can be transformed into general investigations and needs. Of course in the year 2084, all this will be taken for granted. By then, unruly thinking will have been assigned great significance in schools. Interdisciplinary invention workshops will provide students with non-linear input and a high level of non-material inventiveness. A generation of alert young people is emerging that can think laterally and flexibly. At universities, artistic professorships will have been increased to at least 15% of all positions, meaning that the transfer into extra-artistic disciplines has already become an almost universally accepted way of thinking. The development of a synergetic academia will have taken place a long time ago, with the disciplines having long since cast aside their fear of contact. Artists will be working with innovative leadership staff and researchers. Businesses will have accepted their social responsibility, come to value authenticity, collective social action, diversity, ecological value creation and no longer view efficiency as a in a one-dimensional manner. Work will be viewed by employees as the development of a livable world which is carried out together with democratically organized management staff. The rest is done by autonomous machines. With images, texts and our own artistic works, this book dares to propose models toward a methodology which loses its identity the more you

VORWORT/PREFACE

attempt to force it into a logically comprehensible form. This prospect has helped my students to blossom, and in response to the sheer impossibility of the challenges they were set, they have given birth to alternate visions. One example is a prescription medication for those suffering from a BEHOLDBETA deficiency,4 in order to better understand art. If, despite my visual and textual exploratory drilling, I haven’t managed to provide you with an understanding of a different way of approaching efficiency, I promise you a recipe for success in the form of a solution that can be administered as droplets. Thanks I would like to thank everybody, across all levels, who was involved in the evolution of this book, in particular the students of the TU Dortmund for their curious and rebellious approach to the focuses of the research, and the team at the [ID]factory, who continually challenged me to think differently. I owe a big thank you to our vice chancellor Eberhard Becker for his faith in the audacious [ID]factory experiment in 2007. Thanks to the vice chancellor Ursula Gather for the opportunity for continue to develop the project, and to the senate for their forward-thinking decision in 2016 to give equal recognition to artistic and scientific research. Without the committed work of Brigitte Hitschler right from the beginning, and then also from Judith Klein once she came on board, so much of this would not have been possible. I would like to thank those people who raised me and have accompanied me in my life, and who have provided me with such affection and freedom: my parents and my sister Marion. My heartfelt thanks goes to Werner Preißing, whose positive, analytic and visual thinking allowed a game of ping pong to develop which led to hundreds of discursive visions, to discoveries, models, methods and lateral workshops in the cultural workshop by the sea and in the Center for Artistic Transfer.

Translation: Joel Scott

4 | Johanna Bielawski: »Skulptan Plus«, a medicine in tablet form with INSTRUCTIONS inside and contraindications. To be used in the case of not understanding a sculpture.

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Teil 1

GEDACHT

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GEDACHT

THE MISSING LINK Die Bedeutung der Kunst für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft*

* Publiziert in: Bertam, Ursula (Hg.): Kunst fördert Wirtschaft. Zur Innovationskraft des künstlerischen Denkens. Bielefeld: transcript 2012.

THE MISSING LINK

Was haben ein Physiker, ein Neurologe und ein Künstler gemeinsam? Werden wir eine gemeinsame Sprache finden? Können wir uns verstehen? Ist die Zeit reif für die Durchlässigkeit von fachlichen, kulturellen und politischen Grenzen? Die Generation, die noch einen getrennten Pausenhof für evangelische und katholische Schüler kennt, ist heute gerade mal 60 Jahre alt. In getrennten Terrains waren die Kinder gut sortiert, haben sich angefremdelt und nach der Schule verprügelt. Auch Hochschulen verantworten letztendlich fachspezifische Abgrenzungen als Folge der disziplinären Wissensvermittlung. Die Grenzziehung der unterschiedlichen Fächer an einer Universität führt beileibe nicht zu Prügeleien, aber das Fremdeln kann man erstaunlicherweise bei Studierenden, die eben noch in einer gemeinsamen Abiturklasse saßen, schon nach wenigen Semestern eines Fachstudiums feststellen. Mitunter verstärkt sich das und reicht ins Berufsleben hinein, in dem sich dann ein interdisziplinäres Team gegenübersitzt, dass hinreichend Integrationsprobleme hat, da der ungeübte Blick über die Fachgrenze hinaus Unsicherheiten erzeugt. Der Wandel scheint heute seine Richtung zu wechseln. Bildhaft gesehen von der traditionellen Richtung des vertikalen Fortschrittglaubens in die quer dazu liegenden Netze und von hier in ein vibrierendes System von sich gegenseitig potentiell zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, interdisziplinär, interkulturell und international. Disziplinäre Monokulturen sind out, fachübergreifende Gegenbewegungen sind in. Dazu gehört die Begegnung von Kindern aus zehn Nationen und Fachvertretern zum Thema interkulturelle Bildung auf dem jüngsten Symposium der Stiftung Mercator im Juli 2010 in Essen, ebenso die Konzeption der Ruhr.2010, die sich gleichermaßen in der angedachten beweglichen offenen Formation des Dortmunder U widerspiegelt, die Fragen des Symposiums »Artistic Research« und das Stipendiumskonzept von Schloss Solitude in Stuttgart. Ausstellungen wie die des bekannten Dortmunder Hartware MedienKunstVereins, dessen mediales Konzept – wie auch das der ISEA – Grenzen auflöst, schaffen neue Positionen. Bildungsprojekte wie »Rhythm is it«, bei dem ein professionelles Tanzprojekt mit Schülern und den Berliner Symphonikern nicht eigentlich dem Tanzen diente, sondern der Kompetenz- oder Potentialentwicklung von jungen Menschen durch eine non-lineare Methodik. Das durch den Choreografen entfachte leidenschaftliche Engagement und die Erprobung einer Zugehörigkeit gaben den Kindern neue Werte, und zwar ausgerechnet den eingangs genannten und sogenannten bildungsfernen Schichten aus sozial schwierigen Schulen des Berliner Milieus.

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Zu den überfachlichen Bewegungen gehört auch, dass es neue vernetzte Studiengänge gibt, dass Chemiker, Mathematiker, Künstler, Raumplaner, Journalisten und Orientalisten schon in der Ausbildung zusammen agieren, auch in kleinen innovativen Modellen wie der kreativen Kompetenzförderung des Bronnbacher Stipendiums an den Universitäten Bochum und Mannheim, die Erforschung von musikalischen Mustern in Unternehmensorganisationen seitens des MICC-Projektes der Universität Duisburg-Essen oder die fachübergreifenden Innovationswerkstätten für künstlerisches Denken der [ID]factory an der TU Dortmund. Interdisziplinär arbeiten bedeutet frühzeitig Integrationskompetenz erwerben, für alle nur denkbaren Verschiedenheiten, darunter natürlich auch die der Migration. Die unterschiedlichen Denk- und Erfahrungswelten von Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft besitzen ein hohes Potential für eine neue Form des Austauschs. Nur unzureichend erfassen die Begriffe Interdisziplinarität oder Transdisziplinarität die möglichen Abläufe in der Realität. Wir sind in Bewegung. Nur bewegen sich bekanntlich nicht mehr Kategorien und feste Schichten aufeinander zu oder voneinander weg, sondern formieren sich längst immer wieder neue temporäre Leistungs- und Forschungskonstellationen, wie Schneisen quer durch die vibrierenden Systeme, die eher mit dem System Google zu vergleichen sind als mit geordneter Analyse und abgrenzenden Definitionen. Die meisten Wissenschaftler und Unternehmer sind überzeugt, dass wir die Zeit der engen Kategorien und Abgrenzungen überwunden haben und die Zeit der Vernetzung und Zusammenschlüsse gekommen ist, um die Zukunft zu bewältigen. Die Frage ist: Sind wir mit dem Denken schon hinterhergekommen? Und sind wir in der Lage, das Gedachte zu leben, in die Alltagsebene zu transferieren und als Haltung zu realisieren? Welcher Kompetenzen bedarf es denn in einer Gesellschaft, die Grenzen hinter sich lässt, flexibel ausgerichtet ist, hybride Energiebalancen sucht, bei klarer Positionierung integrativ, überdisziplinär, transnational und folglich ohne kategorische Sicherheiten non-linear agiert? Wie denkt man grenzenlos ohne beliebig zu werden? Und wo können wir hinschauen, um Beispiele oder Persönlichkeiten zu sehen, die die neue Denkrichtung schon verinnerlicht haben und verbreiten? Gibt es Disziplinen oder Felder, die in den neuen Kompetenzen geübter sind als andere? Gibt es Personen, die diese »Probierbewegungen« (nach Karl R. Popper) schon vorweggenommen haben und die

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Non-Linearität bereits leben? Und wie übertrage ich dies von einem Feld auf das andere, nachhaltig und nicht als Kurzschluss von der Physik auf die Neurologie und das Management, von der Kunst auf die Wissenschaft und auf die Wirtschaft? Um dieser Frage näher zu kommen, möchte ich Ihnen Persönlichkeiten vorstellen, die dies schon leben, und Sie ermutigen, Ihre eigenen Entdeckungen von interdisziplinären Querverbindungen zu machen. Ich bin davon überzeugt, dass sich von hier aus ein Zug entwickelt oder ein Sog, der mit dem Rückenwind ähnlich denkender Gruppen, die hier anwesend oder im Energiepack der Ruhr.2010 vertreten sind, eine große Bewegung sein könnte. Allein die Tatsache, dass es gelungen ist, diese Anzahl großer Denker hier auf das Symposium mit dem provokanten Titel »Kunst fördert Wirtschaft« zu holen, die bereit sind, in diesem exotischen Themenzusammenhang zu sprechen, obgleich ihr Schwerpunktthema mitunter weder Kunst noch Wirtschaft ist, zeigt, dass »Kunst« mittlerweile als eine bestimmte Denkweise gesehen wird, die sich in anderen Disziplinen abbilden lässt. Zu erwarten sind also keine Kreativrezepte, sondern Haltungen. Diese Haltungen haben etwas mit Neugier zu tun, mit Offenheit, authentischer Positionierung, mit Vorstellungskraft und Entdeckerfreude, mit Werten und unüblichen Zugängen, mit Querdenken und Zulassen, Zweifeln, Aufräumen und Neuentwerfen. Dabei sind die anzutreffenden Strategien von einer hohen Entdeckerlust, non-linearen Experimenten, einer radikalen Risikobereitschaft und einem außerordentlichen Durchsetzungsvermögen gekennzeichnet. Prozesse, die das künstlerische Denken und Handeln bewegen, bedürfen genau solcher Elemente und Potentiale. Um es vorwegzunehmen: Künstlerisches Denken hat viele Namen und lässt sich in Prozessen wissenschaftlicher Forschung genauso finden wie in den Gedankennetzen der Innovationsabteilung eines Wirtschaftsunternehmens, so das Potential erkannt, gefördert und wertgeschätzt wird. Wie das funktioniert und welche Ergebnisse grenzüberschreitendes, überfachliches Denken und Handeln produziert, kann man am Besten in den folgenden Wort- und Bildbeiträgen derer ablesen, die sich das Doppelleben wissenschaftlicher Präzision und künstlerischer Innovationsfähigkeit zu eigen gemacht haben. »Should Art be good to you?« fragt die Tate Gallery in der groß angelegten Offensive der »Great British Art Debate« im Herbst 2011 und berührt damit die Frage des Transfers von Kunst und Kultur.

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Ganz offenbar hat die Fokussierung auf das »Produkt« in der Wirtschaft und in der Kunst den Blick auf den »Prozess« immer wieder verstellt und im Ergebnis auf das eigene Terrain verwiesen. Der Transfer zwischen den Disziplinen und die Ergänzung wissenschaftlichen Denkens durch künstlerisches Denken, auch laterales, inventives oder »culture-based creativity« Denken, bietet eine neue Perspektive der Heranbildung und Ausbildung von Kompetenzen, die ein Exzenter wissenschaftlicher Forschung bedeuten kann und somit zu einer ungleich höheren Innovationsfähigkeit führen wird. Die Hochzeit der Gegensätze wird im Ergebnis für unser Wirtschaftssystem der Zukunft von großer Bedeutung sein, wenn sie denn leidenschaftlich erfolgt. Die europäische Studie von KEA kommt bereits 2009 zu dem Schluss: »Die einzigartige Eigenschaft der Künste und der Kultur, sich über rein wirtschaftliche und nutzenorientierte Zwänge hinwegzusetzen, hat zur Folge, dass Kunst und Kultur maßgeblich dazu beitragen, Wohlstand mit Nachhaltigkeit und der Achtung gemeinsamer humanistischen Werte zu verbinden. Als Bürger und Verbraucher können wir Kultur und Kreativität nutzen und dazu beitragen, neue, nachhaltigere Wege für unsere Lebens- und Arbeitswelt zu schaffen. […] Europa sollte zur zentralen Plattform für die Zusammenkunft und Plattform von Einflüssen und Ideen werden, um Kreativität und innovatives Unternehmertum zu steigern. Auf diese Weise können Kreativität, Kunst und Kultur als treibende Kraft des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts in Europa genutzt werden.«1 Die Zusammenführung von Künstlern, Wissenschaftlern und Wirtschaftsexperten auf dem Symposium »Kunst fördert Wirtschaft« soll die relevante Rolle non-linearer und künstlerischer Denkprozesse und Methoden in Erkenntnisprozessen identifizieren, eine nachhaltige Verankerung in Lehre und Praxis anstoßen und die zukünftige Zusammenarbeit der Experten verschiedener Disziplinen optimieren. Es versteht sich von selbst, dass die Untersuchung eines vielversprechenden non-linearen Feldes nicht linear erfolgt. Es geht nicht um Rezepte und eine passgenaue Integration künstlerischen Denkens in eine erfolgreiche ökonomische oder außerkünstlerische Anwendung. Der angestrebte Diskurs ist eine enorm indirekte Angelegenheit, wodurch erst Raum geschaffen wird für eine interdisziplinäre Begegnung und Bewe1 | KEA European Affairs (Hg.): Der Einfluss von Kultur auf Kreativität. Eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission. Generaldirektion Bildung und Kultur. Brüssel: KEA European Affairs 2009.

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gung. Das wirkliche Abenteuer findet in den Köpfen der Zuhörer und Leser statt, die im Sinne der [ID]factory zu Entdeckern ihrer eigenen Sehnsucht werden können. Das dürfte der Missing Link sein, der uns befähigt, unser Wissen in Bewegung zu setzen, um in uns selbst Potentiale zu erschließen, die uns neue und bisher unvorstellbare Möglichkeiten des gemeinsamen Handelns eröffnen.

Abb. 1: Der Wissenswürfel, Zeichnung: Werner Preißing

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 1

Ursula Bertram

TOR DER WISSENSCHAFTEN

Universität Kaiserslautern Institut für Künstliche Intelligenz, 1987 Granit und Stahl



TOR DER WISSENSCHAFTEN

Die Renaissance ist der Wendepunkt für eine neue wissenschaftliche Forschung, die sich vom Primat des Glaubens löst. Besonders in der Medizin hat die analytische und anatomische Forschung eine neue Zeit eingeläutet, die zuvor als Einmischung in den Schöpfungsakt Gottes galt. Das TOR DER WISSENSCHAFTEN reflektiert assoziativ diesen Umbruch. Die tragende Säule des neuen Wissenschaftsverständnisses läuft in das Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz der Universität Kaiserslautern und hier erst einmal in das Ungewisse. Das Tor der Wissenschaften ist heute Treffpunkt frisch gebackener Doktoranten und Logo der Universität Kaiserslautern.

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NON-LINEARES DENKEN UND HANDELN ENTWICKELN Improvisationskraft, Erfindungsgabe und Probierbewegungen*

* Publiziert in: praeview – Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention. 5. Jg. 2014, S. 8–9.

NON-LINEARES DENKEN UND HANDELN ENTWICKELN

Vorab: Das künstlerisch-schöpferische Denken ist weder eine Kreativitätstechnik, noch geht es darum, Bilder zu malen oder Plastiken herzustellen. Das ist ein Vorurteil, das wir abschütteln müssen: Creativity is not a Prisoner of Art. Vielmehr liegt das künstlerische Denken, genau wie das wissenschaftliche Denken, eine Ebene darüber. Künstlerisches Denken kann sich überall befinden, in allen Köpfen, in jeder Disziplin, in jedem Lebensbereich. Es ist das Denken, das übrig bleibt, wenn ich letztlich die »Bilder« abziehe. Es ist eine Haltung, die sich in der Zuwendung ins Offene zeigt auf einer Art Flüssigkeitsmatrix des Möglichen zwischen Begeisterung, Neugierde, Achtsamkeit und der Lust der Begegnung, auch mit sich selbst. Es ist das non-lineare, schöpferische Denken und Handeln, das sich auf ein Navigieren in offenen Systemen mit mehreren Unbekannten versteht. Wir sollten es entwickeln, wenn wir weiterhin in der Balance bleiben wollen in einer Arbeitswelt, die Unsicherheit und permanente Neuorientierung als systemimmanent begriffen hat. Es ist nicht die Frage, wie wir das kostbare Gut eines Schöpfungsprozesses nennen, sondern dass es uns zur Verfügung steht: täglich, verlässlich und perspektivisch. lnnovationskompetenz, Erfindungsgabe, laterales Denken (de Bono 1996), inventive Organisation (Mauzy/Harimann 2003), Improvisationskunst (Dell 2002). Probierbewegungen (Popper 2002) oder schlicht künstlerisches Denken und Handeln (Bertram 2011) sind einige Stichworte, die aus dem in die Jahre gekommenen Melting-Pot der Kreativität als Freizeitvergnügen ein begehrenswertes Lebens-Mittel für hochkomplexe Entwicklungsprozesse in Wirtschaft und Wissenschaft gemacht haben. Aus den unterschiedlichsten Fachperspektiven ebbt die Frage nach der Zusammensetzung dieses Lebens-Mittels und seiner Bedeutung für die zukünftige Entwicklung nicht mehr ab. Ohne Zweifel ist der Wert von Schöpfungspotential heute erkannt. Hunderte von Forschungsprojekten in den Wissenschaften fahnden daher nach einem Muster der Innovationsfähigkeit und ihrer Provenienz, nach Bedingungen, Voraussetzungen und evaluierbaren Prozessen. Wenn ein effektiver Weg und eine Garantie für die Heranbildung von Erfindungspotential nachgewiesen wären, würde dies vermutlich wie das Feuer des Olymps in die etwas atemlose Wirtschaftswelt getragen. Arbeitssoziologen, Bildungswissenschaftler, Innovationsmanager, Wirtschaftsexperten und Biochemiker haben in der Vergangenheit darüber nachgedacht, wie Innovation

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zu generieren ist und ob innovative Prozesse übertragbar sind. Nur selten saß man dazu an einem Tisch. Es wurde alles einzeln unter die Lupe genommen: die Kunst, die Musik, die Neurologie, die Nanotechnologie, die Biogenetik und andere Forschungsfelder. Auf diesem Weg wurde beispielsweise die semipermeable Haut des Frosches als Vorbild für neue Oberflächen in der Werkstoffindustrie entdeckt. Die neuen Mikroskope im Nanobereich erlauben einen präzisen Blick. Die Innovation bestand in der Imitation der Natur. Der Frosch ist der genuine lnnovator. Er hat die Haut in ein paar Millionen Jahren eines genetischen Prozesses generiert. Wie werde ich also zum Frosch, ohne einige Millionen Jahre in der Innovationsabteilung zu verbringen? Können Kreativtechniken diesen Prozess auf ein paar Stunden verkürzen? Und verfügen Künstler, deren Werke bekanntlich aus bis zu 100 Prozent Innovation bestehen, über die Formel der Schöpfungskraft? Zweifelsohne entstand in der Insellage Kunst über Jahrhunderte ein stabiles Innovationspotential, dessen Geheimnis inzwischen auch für Ökonomen von großem Interesse ist. Hier gibt es keine Regeln, keine Zielvorgaben und keine Konventionen, wie dies sonstige Organisationsstrukturen aufweisen. Lässt sich, wie beim Frosch, hier etwas Entscheidendes imitieren? Und wie sieht das unter dem Mikroskop aus? Ist ein Muster erkennbar? Popper spricht von Probierbewegungen. Das sind experimentelle Bewegungen. Das probeweise Verrücken oder auch Verrücktsein, gepaart mit extremer Wachsamkeit für das Umfeld und dem Willen, sich genauso gerne zu verlieren wie sich durchzusetzen, das sollte jeder lernen dürfen. Allerdings braucht das Raum und Zeit, viel Zeit. Wenn wir diese Kompetenz perspektivisch nicht bereits in der Schule ausreichend fördern, wird uns das Potential für Neuentwicklung nicht zur Verfügung stehen. Es ist unumgänglich, dass die Ausbildung in Schulen und Universitäten den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung tragen und das traditionelle lineare ergebnisorientierte Lernen durch die Vermittlung überfachlicher, non-linearer Kompetenzen »auf Augenhöhe« ergänzt wird. Es geht um Interdisziplinarität, flexible Sichtweisen, alternative Vorgehensweisen, vernetzte Denkvorgänge, persönliche Entfaltung und visionäre Entwicklungspotentiale als Anforderungen der Zukunft. Wir bewegen uns gegenwärtig und zukünftig zunehmend in offenen statt geschlossenen Systemen. Während geschlossene Systeme Sicherheit,

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Ordnung und Orientierung bieten, die wir benötigen, um nicht jeden Tag neu erfinden zu müssen, zeichnen sich offene Systeme durch das Fehlen dieser Komponenten aus.

Abb. 1: Werner Preißing: Geschlossene und offene Systeme

»Unser System lebt von den Suchbewegungen im Offenen als Teil einer lebendigen Demokratie. [...] Zweifel ist im wissenschaftlichen System kein Systemfehler, sondern Grundlage der Forschung [...]. Wir wissen, dass der klassische Prozess von Forschung mit späterer Anwendung längst nicht mehr Ausschließlichkeit genießt«, war von Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede am 4. Juli 2012 vor dem Auditorium der TU  Dortmund anlässlich der DFG-Veranstaltung »Von der Idee zur Erkenntnis« zu hören. Er fügte hinzu, dass er eine Balance der Wissenschaften zwischen Beschleunigung, Ruhe und Muße empfiehlt. Den Keywords zufolge (Suchbewegungen, Navigieren in offenen Systemen, Zweifel, Entkonventionalisierung der Forschung, Entschleunigung) wollte selbst das Staatsoberhaupt die Universität ausdrücklich ermutigen, Andersdenken zu wagen. Andersdenken ist ambivalent: unbequem, unbeliebt und unverzichtbar. Der Philosoph Alexander Düttmann, Professor of Philosophy and Visual Culture an der Goldsmiths University, London, bekannt durch sein Buch »Derrida und ich«, begründete in seinem Vortrag »What is Thinking« (Düttmann 2012) auf der dOCUMENTA 13, dass »das Ungedachte der Motor des Denkens ist« und somit das Unbestimmbare der Motor des Bestimmbaren. Er führt aus, dass sich dieser Vorgang als sehr anstrengend erweist: »Anstrengend heißt, sich in der angestrengten Offenheit zu bewegen, weil ich nicht sicher bin.«

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In der Unsicherheit zu bestehen, macht erst einmal Angst und kostet ungleich mehr Kraft als die Orientierung im Gewohnten. Es muss schon einiges zusammenkommen, damit das Gehirn seine Komfortzone verlässt, der Körper Kräfte dafür bereitstellt und die Vernunft signalisiert, dass sich Umwege lohnen, von denen nicht bekannt ist, ob sie zu einem Ergebnis führen. Ein solches Signal wird nur dann ausgesendet, wenn das Gehirn große Attraktivität wittert. Es sollte die Anziehung haben von einer Insel mit Palmen und Kokosnüssen im blauen Pazifik und der Gewissheit, etwas Unwiderrufliches zu verpassen. Das Verlassen fester Räume ist keinesfalls bequem, weder für den, der diesen Schritt wagt, noch für den, der diese Tür öffnet und Schranken abbaut.

Abb. 2: Werner Preißing: Die Vertreibung aus dem Paradies

Es besteht ein großes Missverständnis darin zu glauben, dass es leicht sei, in offene Systeme überzuwechseln bzw. offene Systeme offen zu halten. Das Loslassen von bewährten Wahrnehmungs- und Denkmustern ist eine der schwierigsten Hürden eines künstlerischen Studiums. Der Hauptanteil der Lehre von Kunst besteht im »Abbauen«, nicht im »Aufbauen«. Das Schwierigste am Kunststudium ist nicht das Produzieren, sondern das Loslassen. Der Ökonom Schumpeter spricht in diesem Zusammenhang von »kreativer Zerstörung«.

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Und nun wird diese Insellage Kunst nicht nur als gesellschaftsfähig, sondern vielleicht sogar als betriebsfähig in Augenschein genommen. Eine unverbrauchte Ressource für anderes Handeln, deren unkonventionelle Zugangsweisen eine Art Muster für unkontrollierbare Vorgänge hervorgebracht hat. So hofft man jedenfalls. Aber dieses Muster ist schwer zu erkennen, da es sich aus der Antithese von linearer Berechenbarkeit und Logik heraus entwickelt hat, erfahrungsbasiert und in ständiger Wandlung begriffen ist. Und es kommt noch schlimmer. Das Muster der Kunst, das uns Bilder gibt, Bewegung, Tanz, Klänge, Farben und unsere Fantasie entfacht, ist kein Kleid, es ist eine Haut. Es lässt sich nicht einfach ausziehen und weitergeben. Das Muster muss mit der Person wachsen, ganz langsam, Schicht für Schicht. Es existiert nicht als käufliches Produkt, auch nicht in der Verpackung einer Kreativtechnik. Es bedarf eines Prozesses, der eine Haltung hervorbringt. Die »Abfallprodukte« dieser Haltung erzeugen dann die Produkte. Wenn man nur die Produkte in den Mittelpunkt der Bemühungen stellt, verflüchtigt sich das Muster. Alle blicken gespannt und neugierig auf ein unsichtbares Muster, das ganz besonders wertvoll erscheint für die Felder außerhalb der Kunst und das verspricht, die Zukunft zu verändern (Bertram 2012). Längst haben sich non-lineare Vorgehensweisen nicht nur im Web, sondern auch im Maschinenbau und der Logistik unter dem Stichwort »Industrie 4.0« etabliert, wo die neuartige Fabrik mit einer Jazzband verglichen wird: »Es gibt ein grobes Schema, an das sich alle Maschinen halten müssen, aber es gibt auch Raum für Improvisationen«, so Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Das Zentrum für Kunsttransfer/[ID]factory stellt sich die Frage, wie in diesen offenen Systemen die Innovation im Kopf funktioniert, wie die dazu notwendigen Kompetenzen der Improvisationskraft vermittelt werden können und wie folglich künstlerisches Denken in außerkünstlerische Felder transferiert und im Bildungssystem der Zukunft wirksam werden kann.

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 2

Ursula Bertram

SENECA

Kaiserthermen Trier, 1996 Szenische Installationen in den unterirdischen Versorgungsgängen einer römischen Badeanstalt

Die Installation SENECA weist in sieben Stationen auf die unterirdische Badewelt der römischen Kaiserthermen hin, deren Vision in Trier vorstellbar wird. Im dunklen Irrgarten der verbliebenen Mauern kennzeichnet das grelle Pfeifen von Wasserkesseln den Weg. Von weitem leuchten Objekte, die mit Lüftungsmotoren oder Druckluft betrieben werden. Ein immenser Sack aus roter Fallschirmseide scheint wie ein Lungenflügel in einem zu engen Gang zu atmen. Eine emotionslose Schilderung von Zerteilen, Schneiden und Verbrühen wird mit 24 Lautsprechern ins Ohr geflüstert. Ein schlichtes Kochrezept entwickelt ein ambivalentes Eigenleben. Videoarbeiten von skurriler Nacktheit, Lärm und Feuerprojektionen auf Wasserflächen legen die fragilen Zustände des Überlebens unterhalb des sichtbaren (Bade-)Vergnügens offen.

URSULA BERTRAM

SENECA

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OLIVER SCHEYTT

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SENECA

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OLIVER SCHEYTT

WAS IST KÜNSTLERISCHES DENKEN?

»Ich will verloren sein, wenn es wahr ist, was man gewöhnlich glaubt, Stille sei dem Studierenden unentbehrlich. Der mannigfaltigste Lärm umrauscht mich hier von allen Seiten: Ich wohne gerade über dem Bad. Nun stelle dir alle die verschiedenen Töne vor, die einen dazu bringen können, dass man seinen eigenen Ohren grollt. Wenn die Stärkeren sich üben und ihre mit Blei beschwerten Hände schwingen, wenn sie sich abarbeiten, oder Arbeitende nachahmen, so vernehme ich ein Geächze und, so oft sie den angehaltenen Atem ausstoßen, dessen heftiges Zischen. Wenn es sich fügt, dass ein plumper Masseur sein Wesen treibt, der sich begnügt, auf die ganz gemeine Weise zu Werk zu gehen, so höre ich das Klatschen der Hand auf den nackten Schultern, was, je nachdem die Hand hohl oder flach auffällt, verschiedene Töne gibt. Kommt nun auch noch ein Ballschläger dazu und fängt an, seine Schläge zu zählen, so ist kein Bleiben mehr.« Seneca, Sen.epist.56

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 3

Ursula Bertram

TEXTPERFORMANCE KUNST ≠ WISSENSCHAFT

Wissenschaftliches Denken und Arbeiten – Künstlerisches Denken und Arbeiten

Uraufgeführt 2007 zum Wissenschaftstag der TU Dortmund Ein Sprecher und eine Sprecherin, frontal zum Publikum, Zwischenraum voneinander 4,0 Meter auf einem Podest der Standhöhe 0,30 Meter. Der Text wird Satz für Satz abwechselnd mit neutralem Blick zum Publikum gesprochen. Es findet kein Blickkontakt zwischen den Performern statt.

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Rainer Holl und Tobias Rauh

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WISSENSCHAFTLICHES DENKEN UND ARBEITEN

1. Wissenschaft unterscheidet sich von Kunst. 2. Bei der klassischen wissenschaftlichen Forschung sind künstlerische Methoden nicht vorgesehen. 3. Individuelle Herangehensweisen können nur akzeptiert werden, wenn diese entweder einer bestehenden Methode entsprechen oder mindestens zum richtigen Ergebnis führen. 4. Die Richtigkeit der Ergebnisse des wissenschaftlichen Arbeitens muss verifiziert sein.

TEXTPERFORMANCE, KUNST ≠ WISSENSCHAFT

KÜNSTLERISCHES DENKEN UND ARBEITEN

1. Kunst unterscheidet sich von Wissenschaft. 2. Bei der Generierung von Kunst sind klassische wissenschaftliche Methoden und klassisches wissenschaftliches Denken kontraproduktiv. 3. Individuelle Herangehensweisen sind erforderlich und können zu einer eigenen Methode entwickelt werden.

4. Es gibt kein richtiges oder falsches Ergebnis.

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GEDACHT

WISSENSCHAFTLICHES DENKEN UND ARBEITEN

5. Erkenntnisse, die individuelle Methoden mit individuellen Ergebnissen hervorbringen, müssen bewiesen und von anerkannten Wissenschaftlern anerkannt werden! Der Beweis muss objektiv geführt werden, sodass die individuellen Erkenntnisse objektiviert werden können. 6. Wissenschaftliches Denken und Handeln unterliegt allgemein verbindlichen Regeln. 7. Die Regeln sind formal festgelegt.

8. Um die Erkenntnisse zu kommunizieren, muss eine bestimmte Sprache verwendet werden.

TEXTPERFORMANCE, KUNST ≠ WISSENSCHAFT

KÜNSTLERISCHES DENKEN UND ARBEITEN

5. Erkenntnisse sind immer subjektiv und individuell.

6. Künstlerisches Denken und Handeln passiert in eigenen Subsystemen. 7. Die Stimmigkeit des jeweiligen Subsystems ist über seine Form erfahrbar. Je stimmiger ein Subsystem ist, desto eher spricht man von einer Position. Maßgeblich sind individuelle Methoden mit individuellen Ergebnissen. Der Kern der individuellen Methode ist die differenzierte Subjektivität. Das Verfahren ist frei wählbar.

8. Um die Erkenntnisse zu kommunizieren, muss eine bestimmte Sprache gefunden werden.

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GEDACHT

WISSENSCHAFTLICHES DENKEN UND ARBEITEN

9. Die Sprache muss allgemein anerkannte Begrifflichkeiten benutzen. Sollte eine Begrifflichkeit neu kreiert werden, ist diese zu definieren. Bei der Definition müssen klare Abgrenzungen zu ähnlichen Begriffen gesetzt werden. 10. Begriffe dürfen nicht unbestimmt sein. Sie sind nach allen Seiten hin zu klären und abzusichern. Beispiele ihrer möglichen Verwendung sollen vorliegen. 11. Methoden dürfen nicht beliebig sein. 12. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung werden in der Regel in (Druck-)Medien veröffentlicht.

TEXTPERFORMANCE, KUNST ≠ WISSENSCHAFT

KÜNSTLERISCHES DENKEN UND ARBEITEN

9. Die Sprache der Kunst besteht aus künstlerischen Mitteln, deren Kanon ständig erweitert wird.

10. Medien dürfen unbestimmt sein.

11. Methoden dürfen beliebig sein. 12. Die Ergebnisse künstlerischer Forschung werden in der Regel durch Ausstellungen veröffentlicht.

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GEDACHT

WISSENSCHAFTLICHES DENKEN UND ARBEITEN

13. Wissenschaftliches Arbeiten erfordert Wissensbestände, die sukzessiv aufgebaut werden und zu bestimmten Wissensfeldern führen. 14. Verknüpfung von Wissen darf nicht zu unklaren Konstellationen führen. 15. Außerhalb des Wissens gibt es Erkenntnisse. 16. Erkenntnisse müssen objektivierbar sein.

17. Unerklärliche Erkenntnisse werden durch den wissenschaftlichen Diskurs erklärbar oder ausgeschlossen.

TEXTPERFORMANCE, KUNST ≠ WISSENSCHAFT

KÜNSTLERISCHES DENKEN UND ARBEITEN

13. Künstlerisches Arbeiten erfordert Innovation, die ständiger Antennen bedarf, die sukzessiv aufgebaut werden und zu bestimmten Erfahrungsfeldern führen. 14. Verknüpfung von Wissen soll zu unbekannten, innovativen Konstellationen führen. 15. Kunst ist Erkenntnis. 16. Erkenntnis ist untrennbar mit der individuellen Person verbunden. 17. Unerklärliche Erkenntnisse sind Triebfedern künstlerischen Tuns.

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WISSENSCHAFTLICHES DENKEN UND ARBEITEN

18. Erkenntnisse, die individuell sind und nur für einen Wissenschaftler zutreffen, sind nicht wissenschaftlich. 19. Die Weitergabe wissenschaftlich geführter Erkenntnisse ist Wissensvermittlung, nicht die Generierung von Erkenntnis. 20. Alle Bestandteile einer wissenschaftlichen Arbeit sollen erklärbar sein. 21. Geheimnisvolle Dinge sollen nicht verehrt, sondern analysiert und enthüllt werden.

TEXTPERFORMANCE, KUNST ≠ WISSENSCHAFT

KÜNSTLERISCHES DENKEN UND ARBEITEN

18. Künstlerisches Denken ist individuell und originär.

19. Kreativität ist die Generierung von Erkenntnis.

20. Bestandteile einer künstlerischen Arbeit sollen keine Erklärung abgeben. 21. Die Bewahrung von Unentdecktem ist für künstlerisches Arbeiten unabdingbar.

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 4

Ursula Bertram

TAG UND NACHT

Vorplatz Staatstheater Mainz, Kleines Haus, 1997/98 Kegelobjekte, Glas, Metall und Schriftfragmente

Der geniale Entwurf des Architekten Klaus Möbius, das »Kleine Haus« unterirdisch mit dem bestehenden »Großen Haus« von Moller zu verbinden und somit für dieses zusätzliche Proberäume zu erschaffen, erlaubte es den erforderlichen enormen Raumbedarf auf der Fläche eines ehemaligen innerstädtischen Parkplatzes zu stemmen. Zwei Orchesterproberäume saßen direkt unter dem Theatervorplatz und sollten dennoch Licht von oben erhalten. Zudem erforderte der Platz ein Zeichen für den Eingang zum Theater. Die Idee der Kegel korrespondiert mit beiden Anforderungen. Tagsüber fällt das Licht durch die Glasflächen in die unterirdischen Räume, des Nachts beleuchten sie den Platz von innen heraus. Die Glasspitze des kleineren Nachtkegels ist mundgeblasen und die einzige, die aus der Herstellungsreihe von 15 Glaskegeln makellos hervorging. Die Texte wurden einzeln in das Metall geschnitten, während beim 8 Meter hohen Tagkegel die Sandstrahltechnik zwei Vorteile hat: Der Chorraum wurde von außen uneinsehbar durch die opake Oberfläche und die Schrift wurde lesbar. Die Textfragmente stammen aus der Feder des Kunstwissenschaftlers Dr. Dieter Mahlow, dessen non-lineare Denkweise sich in seiner Art zu ­schreiben manifestiert. Sie sind gleichsam Zeichen für die künstlerischen Prozesse der Inszenierungen, die mindestens so viel Chaos wie Ordnung erfordern.

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Abb. 1: Staatstheater Mainz, Architekt Klaus Möbius

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INTELLIGENTES NICHTWISSEN Ein Interview von Doris Rothauer mit Ursula Bertram

INTELLIGENTES NICHT WISSEN

DR: Wie definiere ich künstlerisches Denken und Handeln? UB: Die Frage nach einer Definition ist wissenschaftlicher Natur, da es sich um den Versuch einer endgültigen Festlegung und Entschlüsselung handelt (De-finition). Daher habe ich in der Vergangenheit bereits vorgeschlagen, die Definition von künstlerischem Denken und Handeln statt mit Tinte mit Wasser zu schreiben. Somit ist die temporäre Gültigkeit auch visuell nachvollziehbar. Sichtbar wird ein offenes Feld. Es gilt das Feld zu bespielen, nicht zu entschlüsseln. Eine Entschlüsselung beinhaltet immer eine bestimmte Wahrheit, die zu finden ist. Folglich befinde ich mich im Defizit, wie bei der Lösung von Mathematikaufgaben. Hier nicht: Die Lösung verbirgt sich nicht im Defizit, sondern auf einer Spielwiese des Möglichen und des intelligenten Nichtwissens. Nichtwissen bedeutet dabei nicht die Erprobung von Dummheit, sondern die Erprobung des Zweifelns, des Loslassens, des nicht normierten Denkens, des Wegdenkens, Experimentierens, des freien Erfindens und des Querdenkens. Solange ich nur auf das Ergebnis fixiert bin, werde ich kaum ans Ziel kommen. Künstlerisches Denken ist weder eine Kreativtechnik noch eine Wissenschaft, somit weder in der Anwendung noch im Hoheitsfeld der Logik zu finden. Künstlerisches Denken hat keine Vereinbarungen wie wissenschaftliches Arbeiten, es sei denn die, dass es keine Vereinbarungen gibt. Es beansprucht keine Worte und kommt mit dem Produkt gleichzeitig auf die Welt. Es handelt sich um einen gewissermaßen porösen Zustand einer offenen Wahrnehmung und Erfindungskraft, die keinen Konventionen folgt, die nicht auf Wissen basiert, sondern durch ihre Eigenart Wissen hervorbringt. Es ist eine Haltung, die sich in der Zuwendung ins Offene zeigt auf einer Art Flüssigkeitsmatrix der Möglichkeiten. DR: Wie manifestiert sich der Unterschied zwischen künstlerischer Kreativität und normaler Kreativität? UB: Aus meiner Sicht gilt: Creativity is not a prisoner of Art. Künstlerisches Denken und Handeln ist das, was übrig bleibt, wenn man die »Bilder« abzieht. Es befindet sich in den Köpfen von Wissenschaftlern, Ökonomen und Künstlern, so es sich dort etabliert hat, dafür gibt es gute Beispiele. Es ist eine Art Muster für unkontrollierbare Vorgänge. Es ist mehr wie eine Haut, weniger wie ein Kleid und lässt sich nicht einfach ausziehen und weitergeben wie ein Rezept. Künstlerisches Denken ist keine Technik, auch keine Kreativitätstechnik, genauso wie das logische Denken keine Technik ist. Es ist vielmehr eine Haltung, die wachsen muss mit der Person. Aus dieser lateralen Haltung heraus wird die so-

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ziale, ökonomische und ökologische Zukunft bewältigt werden können. Mög­licherweise sind es auch laterale Teams. Es wird sich um die Synergie des logisch begründbaren Wissens und der künstlerischen Fähigkeit des Navigierens im offenen System handeln.

DR: Was können wir von künstlerischer Kreativität lernen? UB: Im Einzelnen: - wie man mit Unsicherheit umgeht und in offenen Systemen navigiert, - wie man sich ein Subsystem schafft, das ohne Normen dennoch Orientierung bietet, - wie man eine Position entwickelt, - was es bedeutet, ohne Auftrag motiviert zu arbeiten, - wie man auf einer Insel überlebt, die nicht zum Mainstream gehört, - was es heißt, sich selbst Stück für Stück kennen zu lernen, - wie man ohne Worte etwas sagen kann, was jeder versteht, - welche Bedeutung Subjektivität für Prozesse haben kann, - wie Begeisterung Blockaden auflöst, - welche Möglichkeiten es gibt zu kommunizieren, - warum es bei Künstlern keinen Burnout gibt, - wie sich Werte verschieben können, - wie wegdenken geht, - wie man durch Umwege effizient wird, - wie man Innovationen generiert. DR: Warum ist es wichtig, dass Sie dieses Denken und Handeln transferieren in außerkünstlerische Bereiche? UB: Am 26. Juli 2014 gewann Markus Rehm mit einer Weite von 8,24 Metern die Deutsche Meisterschaft der nichtbehinderten Sportler. Er schlug dabei den ehemaligen Europameister Christian Reif (8,20 Meter) und verbesserte seinen eigenen Paralympic-Weltrekord dabei um 29 Zentimeter. Den Erfolg verdankt er einer inzwischen weltweit bekannten Prothese, die ein Team aus einem Designer, einem Mediziner und einem Technologen entwickelt hat durch eine völlig andere Denkweise, die ich künstlerisch nennen würde. Das Wegdenken aus den bestehenden Konventionen gehört zur Kernkompetenz Kunst. Das ist weit mehr als eine zielorientierte Optimierung von bisherigen Erfolgen und viele Unternehmen haben das mittlerweile erkannt. Der Innovationsmanager der Deutschen Post DHL Uwe Radetzki

INTELLIGENTES NICHT WISSEN

fordert Schnittstellen zu den einzelnen Kreativfronten. In der Wirtschaft schließen sich Unternehmen zu großen Forschergruppen zusammen, wie »Connect Creativity« von future-bizz unter Einbezug des künstlerischen Nachwuchses. Eine der erfolgreichsten Konferenzen ist die Berliner Veranstaltung »Falling Walls«, die die Fachdisziplinen, insbesondere auch die Kunst, in großen Zukunftsprojekten zusammen führt. Längst haben sich non-lineare Vorgehensweisen nicht nur im Web, sondern auch im Maschinenbau und der Logistik unter dem Stichwort »Industrie 4.0« etabliert, wo die neuartige Fabrik mit einer Jazzband verglichen wird: »Es gibt ein grobes Schema, an das sich alle Maschinen halten müssen, aber es gibt auch Raum für Improvisationen«, so Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Es geht um Interdisziplinarität, flexible Sichtweisen, alternative Vor­ ge­hensweisen, vernetzte Denkvorgänge, persönliche Entfaltung und visionäre Entwicklungspotentiale als Anforderungen der Zukunft. Es ist unumgänglich, dass die Ausbildung in Schulen und an Universitäten den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung tragen muss und das traditionelle lineare ergebnisorientierte Lernen durch die Ver­mittlung überfachlicher, non-linearer Kompetenzen »auf Augenhöhe« ergänzt wird. Das Zentrum für Kunsttransfer/[ID]factory hat mit bereits 500 begeisterten Studierenden aus allen Bereichen erprobt, was es bedeutet, künstlerische Kernkompetenz in außerkünstlerische Felder einzusetzen. Gemeinsam mit Unternehmen entwickeln wir Strategien, wie die Navigation im offenen System Kunst transferiert werden kann, wie die dazu notwendigen Kompetenzen der Improvisationskraft ver­mittelt werden können und wie folglich künstlerisches Denken in außerkünstlerische Felder übertragen und im Bildungs- und Wirt­schafts­system der Zukunft wirksam werden kann.

Doris Rothauer ist als Kulturmanagerin, Kuratorin und Beraterin an der Schnittstelle zwischen Kunst und Ökonomie sowie im Bereich der Kreativwirtschaft tätig. Im Herbst 2006 gründete sie mit Martin Sirlinger das BÜRO FÜR TRANSFER in Wien, das sie seit Anfang 2009 als Einzelunternehmerin führt.

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 5

Ursula Bertram

MARIA LIEBT RE

Ein Zusammenklang von Tanztheater, Installation und Video Eröffnungsveranstaltung der 1. Dortmunder Forschungstage im Harenberge City Center, Dortmund, Januar 1995 Konzept und Installation: Ursula Bertram, Dortmund Choreografie und Tanz: O.S.M. Tanztheater, Wiesbaden Komposition und Musik: Robert Merdzo, München Begleitet von Bodo Harenberg und Dietrich Groh 2 Tänzer, 1 Musiker, eine Blechschale, Leiterobjekte, 1 Motor, 600 Rosen, 4 Monitore

Die Idee, dass die Religionen sich lieben könnten, statt sich zu bekämpfen, führte zur Konzeption einer multiplen Inszenierung an verschiedenen Orten. Der schönste Ort dafür war das Harenberg City Center in Dortmund. Es hatte einen Luftraum im Foyer über 4 Stockwerke als quadratisches Treppenauge, in das wir 600 rote Rosen wie eine Duftwolke an unsichtbaren Fäden einbrachten, bis unter die Decke. Alle Blütenköpfe zeigten auf Maria, die zu Beginn in einem roten Kleid verharrte. Bindeglied der Religionen waren die hohen schmalen Leitern und ein Holzobjekt, dessen halbrunde glatte Fläche das Gleiten der Körper ermöglichte und der Idee einer Barke entliehen war. Der Rhythmus des Tanzes und der Inszenierung wurde von den unprätentiösen Tönen einer großen Blechschale beherrscht, der Robert Merdzo eine großartige Komposition entlockte. Und tatsächlich: Maria liebte Re!

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MARIA LIEBT RE

Der ägyptische Sonnengott Re fährt in seinem Tagesablauf am Himmel in zwei Barken, am Abend geht er in die Unterwelt ein. Morgens nennt er sich Chepre, am Mittag Re, am Abend Atum. Er verwandelt sich in ein Wesen mit Vogelkopf, in eine Sonnenscheibe, in einen Skarabäus. Er kämpft gegen die Götter der Unterwelt und sammelt auf seiner himmlischen Fahrt mit der Barke jeden Tag aufs Neue das Höchstmaß an Welterfahrung. Er ist vital, wandelbar, faszinierend und unbesiegbar. Er ist verflochten in das Weltbild der Himmelsgöttin Nut, die sich abends mit dem Erdgott Geb vereint; tagsüber hält der Luftgott Schu Gott und Göttin auseinander. Maria entdeckt sich als Frau, verlässt ihre Kultur und Vorsehung und reist nach Ägypten. Sie nimmt den Namen Nut an.

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OLIVER SCHEYTT

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PORÖSE ZUSTÄNDE Zitronenschrift als Zukunftsmodell*

* Publiziert in: Engels, Sidonie/Schnurr, Ansgar/Preuss, Rudolf (Hg.): Feldvermessung Kunstdidaktik. Positionsbestimmungen zum Fachverständnis. München: kopaed 2013, S. 252–260.

PORÖSE ZUSTÄNDE

Als Kind habe ich »Zitronenschrift« geschrieben, wegen der Geheimnisse. Mit Zitrone geschriebene Schrift ist zunächst unlesbar, vor allem für Erwachsene. Eingeweihte halten das Blatt dann über eine Kerze, wodurch die Schrift sichtbar wird. Jetzt bin ich erwachsen und überlege, ob die Zitronenschrift nicht das geeignete Werkzeug ist, um künstlerisches Denken in Worte zu fassen, wozu ich aufgefordert bin. Das ist fraglos unaufdringlicher als ein sichtbarer Text und wahrscheinlich vielsagender. Documenta-Teilnehmerin Karen Barad beschreibt es so: »Das Nichts ist nicht Abwesenheit, sondern die unendliche Fülle von Offenheit.«1 Zitronenschrift gibt ihr Geheimnis nicht gleich preis, ist nicht gedankenlos zu konsumieren und schließt interesseloses Lesen aus. Eine gute Voraussetzung, um Kunst auf die Spur zu kommen. Eine Steigerung von Zitronentexten sind Wassertexte, deren Geheimnisse auch durch Kerzenlicht nicht mehr an die Oberfläche kommen. In dieser Weise ist das künstlerische Denken ganz hervorragend zu verschriftlichen. Zur besseren Orientierung habe ich jeden Gedanken mit einem Punkt abgeschlossen, und wo erforderlich, das Komma gesetzt. Gehen wir davon aus, dass das Weglassen nur die Buchstaben betrifft, nicht das Denken; dass also die Abwesenheit von Worten nicht Gedankenlosigkeit ist, sondern lediglich die Abwesenheit des Alphabets. Es sind Gedanken, die nicht alphabetisiert werden wollen. Die Nichtanwendung des Alphabets ist eine Form des Wegdenkens konventioneller Lesevereinbarungen. Ein unsichtbares Schreiben zum schärferen Denken. Das hilft auch beim Malprozess.

1 | Barad, Karen: Was ist das Maß des Nichts? Unendlichkeit, Virtualität, Gerechtigkeit (dOCUMENTA 13): 100 Notes – 100 Thoughts, 100 Notizen – 100 Gedanken # 099. Ostfildern: Hantje Cantz 2012.

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LESEANLEITUNG: LESEN SIE UNVOREINGENOMMEN. NEHMEN SIE SICH ZEIT. SCHEUEN SIE SICH NICHT, DIE INTERPUNKTION DURCH EIGENES DENKEN ZU VERÄNDERN. Leseanleitung: Lesen Sie unvoreingenommen. Nehmen Sie sich Zeit. Scheuen Sie sich nicht die Interpunktion durch eigenes Denken zu verändern.

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Auch das Kehren eines Atelierbodens zur Einstimmung auf den Malprozess kann mitunter als unsichtbares Malen empfunden werden. Künstlerkollege Jan Kolata nennt das Luftmalen und beschreibt dazu ein Erlebnis in China. »Auf einem großen gepflasterten Platz in Wuhan malte ein alter Mann, ausgerüstet mit einem Eimer Wasser und einem langstieligen Pinsel, in ganzkörperlicher, fast tanzender Bewegung ein seine Körpermaße übersteigendes Schriftzeichen aufs Pflaster. Gestalt und Ausdehnung des Zeichens bestimmten die beinahe choreografisch anmutende Spur, ein Schriftzeichen, das in prägnanter Schwärze auf dem Pflaster stand, um dann wieder zu verdunsten. Die innere Haltung ist immer entscheidend, das Bild ist die sichtbare Spur.«3 Ausgangspunkt war die Definition des künstlerischen Denkens und Handelns, dessen begründeter wissenschaftlicher Nachvollzug in der Unsichtbarkeit des Textes enthalten, aber auch verschwunden ist. Sichtbar wird ein offenes Feld. Jetzt nur nicht in eine Sackgasse laufen! Es gilt, das Feld zu bespielen, nicht zu entschlüsseln. Eine Entschlüsselung beinhaltet immer eine bestimmte Wahrheit, die zu finden ist. Folglich befinde ich mich im Defizit, wie bei der Lösung von Mathematikaufgaben. Hier nicht: Die Lösung verbirgt sich nicht im Defizit, sondern auf einer Spielwiese des Möglichen und des intelligenten Nichtwissens. Nichtwissen bedeutet dabei nicht die Erprobung von Dummheit, sondern die Erprobung des Zweifelns, des Loslassens, des nicht normierten Denkens, des Wegdenkens, Experimentierens, des freien Erfindens und des Querdenkens. Solange ich nur auf das Ergebnis fixiert bin, werde ich kaum ans Ziel kommen. Künstlerisches Denken ist weder eine Kreativtechnik noch eine Wissenschaft, somit weder in der Anwendung noch im Hoheitsfeld der Logik zu finden. Künstlerisches Denken hat keine Vereinbarungen wie wissenschaftliches Arbeiten, es sei denn die, dass es keine Vereinbarungen gibt. Es beansprucht keine Worte und kommt mit dem Produkt gleichzeitig auf die Welt. Es handelt sich um einen gewissermaßen porösen Zustand einer offenen Wahrnehmung und Erfindungskraft, die keinen Konventionen folgt, die nicht auf Wissen basiert, sondern durch ihre Eigenart Wissen hervorbringt. Es ist eine Haltung, die sich in der Zuwendung ins Offene zeigt auf einer Art Flüssigkeitsmatrix der Möglichkeiten.

3 | Kolata, Jan: Innovation und Invention im Prozess der Malerei. In: Bertram, Ursula: Innovation – wie geht das? Studien zur Kunst in außerkünstlerischen Feldern. Band 1, Norderstedt: BoD 2010, S. 132.

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Ursula Bertram

HAMLET Kopenhagen/Dänemark, 1996 Eröffnungsveranstaltung der Europäischen Kulturhauptstadt Kopenhagen Eine Inszenierung am Schloss Helsingör, am alten Hafen und am Meer mit dem Tanztheater teatret cantabile und Nullo Facchini. Direktor: Nullo Facchini Komponist: Marco Spallanzani Scenograf: Ursula Bertram Kostume: Gerda Graf Regisseur: Kristian Knudsen Installationen vor Ort, Bühnenbilder, Objekte, Videoperformance

Die Figur des Hamlets blieb bis zum Schluss ambivalent. Er löste die Rätsel, die man ihm stellte, ohne dass sein Wahnsinn bewiesen werden konnte. So gab es das Puzzle aus drei großen Teilen, das man ihm gab, um seinen Verstand zu testen. Er baute es zu einem Thron zusammen. Das war eine Aufgabe der Szenografie: ein perfektes Puzzle, ein perfekter Thron. Die Installationen begleiteten den drei Kilometer langen Aufführungsraum im Schloss Helsingör am alten Hafengelände, in dem die Zuschauer sich von Ort zu Ort bewegten. Eine überdimensionale Krone wurde zum Gerüst, ein verstecktes Videoauge in der Krone auf dem Haupte Hamlets warf die bewegten Bilder des Kampfes direkt über Funk an die große Schlossmauer. In einer alten Hafenhalle wurde der Hahnenschrei des Geistes von Shakespeares Drama übersetzt: Ein großer brauner Hahn stürzte aus 9 Metern tot von der Decke. Er »starb« genau 11 Mal, bei jeder Aufführung erneut. Zwischendurch wurde er eingefroren. Die 12 Schauspieler von Nullo Facchini, der Lichtingenieur, die Kostüme und die Inszenierung des vorgefundenen Ortes verwoben sich zu Bildern, die so eindrücklich wurden, dass man sie mitnehmen konnte – im Kopf.

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WAS IST DAS GEGENTEIL VON FROSCH? Ein Interview von m:conVISIONS mit Ursula Bertram*

* Publiziert in: m:conVISIONS, Ausgabe April 2013, S. 10–13.

WAS IST DAS GEGENTEIL VON FROSCH?

m:con: Welche Impulse versprechen Sie sich vom Transfer des künstlerischen Denkens in andere Bereiche? UB: Ich möchte das wissenschaftliche und das künstlerische Denken und Handeln gleichermaßen voranbringen. Aus meinen Erfahrungen heraus verspreche ich mir von einem Transfer des künstlerischen Denkens in andere Bereiche, zum Beispiel in die Wissenschaft, dass eine ganz neue Art der Innovationsfähigkeit entsteht. Es befähigt uns, das Wissen flüssig zu halten, die Methoden immer wieder zu erneuern, an den Grenzen zu operieren und insofern eine neue Integrationsfähigkeit zu erreichen. Wir sind gerade erst dabei, die »heilige« Grenze zwischen Kunst und Wissen­schaft anzukratzen. m:con: »Kunst fördert Wissenschaft« war der Titel eines Symposiums, das Sie im November 2012 veranstaltet haben. Welche neuen Erkennt­nisse haben Sie gewonnen? UB: Das Symposium – ein Nachfolgesymposium von »Kunst fördert Wirt­ schaft« aus dem Jahr 2010 – stieß auf großes Interesse. 22 Hochschulen haben daran teilgenommen. 24 Disziplinen waren vertreten – ange­fan­gen von Wirtschaft, Kunst, Kunstwissenschaft und Theologie bis hin zu Chemie, Physik und Mathematik. Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Kunst waren bunt gemischt. Dies zeigt: Das überfachliche Interesse an Inhalten, die Kunst und Wissenschaft voranbringen, wächst. Unsere bestehenden Systeme sind in Sackgassen geraten. Wir haben an allen Ecken und Enden Probleme. Da geraten Systeme ins Blickfeld, die sich bisher sozusagen im Inseldasein fortgesetzt haben, wie die Kunst. Management, Führungskräfte und Wissenschaftler öffnen sich zunehmend künstlerischen Strategien. Das Symposium bestätigte, dass an vielen Stellen genau an diesem Thema gearbeitet wird. m:con: Was charakterisiert das künstlerische Denken im Unterschied zum wissenschaftlichen Denken? UB: Zunächst: Das wissenschaftliche Denken ist ein Konstrukt. Das Gehirn selbst interessiert sich gar nicht dafür, ob wir das, was es tut, wissenschaftlich oder künstlerisch nennen. Es denkt einfach so vor sich hin. Professor Gerald Hüther, ein großer Denker und Neurologe, hat dies in seiner »Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn« ausgeführt. Nutzt man das Gehirn allerdings lange Zeit auf eine bestimmte Art, dann richtet es sich dementsprechend aus und denkt dann so. Während das wissenschaftliche Denken nach Logik, Objektivität und Wahrheit sucht und ein Regelsystem aufgestellt hat, das alles ausschließt, was nicht beweisbar

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ist, funktioniert das künstlerische Denken vor allem nach der Regel, dass es keine Regel gibt. Es gibt zwar eine Kunstwissenschaft, die Kunstwerke nach diesen oder jenen Methoden analysiert. Wenn aber ein Kunstwerk generiert wird, steht man völlig allein da mit seinem Subsystem und muss in der Unsicherheit navigieren. Und jeder, der sagt, es gebe hierfür eine Regel, der täuscht sich. Mit dieser Unsicherheit umzugehen, haben wir vielfach nicht gelernt, aber es wäre gut, das zu lernen. Denn auch in der Wirtschaft und in der Wissenschaft finden sich die Verantwortlichen heute immer häufiger in solchen instabilen Prozessen und Situationen wieder.

m:con: Das heißt, wir sind alle in unserem Denken konditioniert? UB: Ja. In der Schule lernen wir vor allem das logisch-rationale Denken und das künstlerische Denken verschwindet in einem einstündigen Kunstunterricht, der ebenfalls zu 80 Prozent linear abläuft und bei Eng­ pässen ausfällt. Non-lineares, zweckfreies Denken wird nicht geför­dert und insofern denken wir auch nicht künstlerisch, weil wir es nicht können. Wir haben mit rationalem Denken in Europa zweifelsohne große Erfolge erzielt, sowohl in der Medizin als auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Aber wir sollten unser Wissen in Bewe­gung halten. m:con: Ist denn künstlerisches Denken so eine Art Kreativitätstechnik? UB: Das künstlerisch-schöpferische Denken ist weder eine Kreativi­täts­­ technik noch geht es dabei darum, Bilder zu malen oder Plastiken herzustellen. Das ist auch ein Vorurteil, das wir abschütteln müssen: Creativity is not a prisoner of art. Vielmehr liegt das künstlerische Denken, genau wie das wissenschaftliche Denken, eine Ebene darüber. Künstlerisches Denken kann sich überall befinden, in allen Köpfen, in jeder Disziplin, in jedem Lebensbereich. Es ist das Denken, das übrig bleibt, wenn ich die »Bilder« abziehe. Es ist das non-lineare, schöpferische Denken und das ist überfachlich. m:con: Wie kann man das trainieren? UB: Jeder kann in seinem Berufsfeld künstlerisch denken. Zum Beispiel könnte sich dies darin äußern, einfach mal das Gegenteil zu denken. Wenn man eine Weile darüber nachgedacht hat, was das Gegenteil von einem Frosch ist, dann beginnt man, neue Perspektiven zu ahnen. Ist es ein Elefant? Ist es ein Warmblüter? Ist es ein Stein? Wichtig ist, dass es bei den Übungen kein richtig und falsch gibt. Denn künstlerisches Denken

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braucht Vertrauen und Offenheit, sonst bleibt es bei der Kreativtechnik, die ich auch ohne Vertrauen aus dem Hut zaubern kann.

m:con: Kann jeder die Sprache der Kunst lernen? UB: Wir haben bestimmte Denkschemata im Kopf und diese produzieren bestimmte Weltsichten und Wahrheiten. Ein Wandel kann hier nur eintreten, wenn die Regelwerke im Gehirn es zulassen, dass wir an­dere Wege beschreiten und die ausgetretenen Gedankenpfade ver­lassen. Popper nennt dies Probierbewegungen. Das sind non-lineare Bewegungen. Und dieses probeweise Verrücken oder auch Verrücktsein, das kann jeder lernen. Wer kennt das nicht: Die besten Ideen fallen einem unter der Dusche oder beim Spaziergang im Wald ein. Warum? Weil das ein Moment der Loslösung ist, in dem der schöpferische Gedanke sich entfalten kann. Wenn wir das schon in der Schule genügend üben, wenn wir das genügend fördern würden, dann stünde uns ein ganz anderes schöpferisches Potential zur Verfügung. Wissenschaft und Wirtschaft würden sich noch besser bewegen können auf einer Art Flüssigkeitsmatrix des Denkens. m:con: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen? UB: Ich würde sagen: Jede große wissenschaftliche Neuerung ist mit künstlerischem Denken gepaart, ob man das so bezeichnet oder nicht. Die beiden Zellforscher John B. Gordon und Shinya Yamanaka haben gerade den Nobelpreis für die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in einen Zustand, in dem sie sich wie embryonale Stammzellen zu allen möglichen Gewebearten entwickeln können, erhalten. Sie haben also das Gegenteil gedacht zur bisherigen Forschungsrichtung. Fantastisch – egal, was man jetzt davon hält. Aber mal das Gegenteil zu denken von dem, was man die ganze Zeit tut, das gehört zum Feld des künstlerischen Denkens. Und das findet meines Erachtens bei allen innovativen wissen­schaftlichen Erkenntnissen statt, auch wenn man es noch nicht so be­zeichnet. Auch für die Wirtschaft könnte es hilfreich sein, sich vor großen Ent­ scheidungen einen Tag lang mit einem Menschen auszutauschen, der künstlerisch denken kann und die Entscheidung mit einem neuen Blick durchleuchtet. Bevor man die Entscheidung bis zum Ende abwickelt und dann merkt, dass es nicht funktioniert.

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m:con: Wie können Wissenschaft und Kunst zueinanderfinden – welche Voraussetzungen müsste man dafür schaffen? UB: Das ist gar nicht so einfach! Die Erkenntnisbasis ist die gleiche, aber die Regelwerke von Wissenschaft und Kunst scheinen unvereinbar. Die einen suchen in Richtung von der Person weg Objektivität und die anderen suchen in Richtung zur Person hin Subjektivität. Aber beide Systeme befruchten sich gegenseitig und darin liegt das Potential. Die DocumentaLeiterin Carolyn Christov-Bakargiev hat das erkannt, als sie im September 2012 Wissenschaftslabore in die Kunstausstellung holte. Damit hat sie Kunst als Forschung und Forschung als Kunst bestärkt. Die wichtigste Voraussetzung, um Synergien zu schaffen, wäre, dass man schon in der Schule ab dem ersten Schuljahr Erfinderwerkstätten zuließe, in denen das künstlerische Denken sich entfalten kann. Erfinderwerkstätten, in denen permanent erfunden wird – egal ob mit oder ohne Sinn. Das wäre auf Dauer noch nachhaltiger, als Tagungen und Kongresse es sind, wenngleich wir damit elementare Grundlagen schaffen. Die Wirtschaft betrachtet den Austausch mit sehr viel Neu­gierde. Unsere Publikation »Kunst fördert Wirtschaft« kam gerade zur rechten Zeit. m:con: Wie müsste eine solche Erfinderwerkstätte aussehen? UB: Die ideale Erfinderwerkstätte müsste ohne Noten und ohne Angst funktionieren, mit höchstmöglicher Begeisterung. Denn nur mit Begei­ sterung – das haben die Neurologen bestätigt – kann man schnell lernen. Es müsste Erfindungen geben, die im jeweiligen Schulalter interessieren, und es müssten alle Erfindungen zugelassen werden, ob sie sinnvoll oder sinnlos sind – zwar ohne Zweck, aber mit Verstand. Ideal wäre, wenn sich an Erfinderwerkstätten nicht nur Kunstpädagogen, sondern auch Kollegen aus den wissenschaftlichen Disziplinen beteiligen würden. Zusammen nach vorn. m:con: Ist man als Künstler oder als Wissenschaftler geboren? UB: Man ist eher als Künstler geboren und dann formieren sich allmählich die Erkenntnisse, dass es irgendwelche Ordnungen gibt, und die gehen dann über in das Vernunftregelwerk. Wenn man dann das erste Mal einen Ball aufgestochen hat und merkt, dass der gar nicht mehr hüpft, dann ist das non-linear gelernt und vieles lernt sich non-linear. Ich denke mir, man wird mehr als Künstler geboren und als Wissenschaftler formiert man sich. Aber es steckt in jedem von uns ganz viel Kreativität; man muss es nur zulassen und natürlich muss es auch unser Umfeld zulassen. Wir arbeiten daran!

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ZEITENWENDE

Ein Zusammenklang von Tanztheater, Installationen und Video Eröffnungsveranstaltung der 3. Dortmunder Forschungstage der Universität im Harenberg City Center, Dortmund, Januar 1999 Konzept und Choreografie: Ursula Bertram Eine Kooperation der Universität Dortmund mit der University of Iowa/ USA, mit Carlos Matos und Sabrina Sifrig vom Theater Dortmund, Tanz; Ursula Steffens, Kostüm; Andre Vlatten und Sascha Kendiorra, Schach; Eric Janson, Komposition; Joachim Striepens, Klarinette; Maik Hester, Akkordeon; Carsten Bebder, Schlagzeug; Brigitte Hitschler, Wort; Horst Hauschke, Kaninchen. Begleitet von Bodo Harenberg und Dietrich Groh. Mit von der Partie: 1 Kostüm für 2, Momente des Lebens auf Video, 2 Klangstücke zur Zeit, 1 Eintagsfliege, 1 Stein, 2 Tänzer, 2 Schachspieler, 5 Kaninchen und 1 Tango

Unbeeindruckt spielen die Schachspieler weiter, als das Tangopaar über das Schachbrett fegt. Hasen mümmeln im gläsernen Aufzug Karotten, auf Riesenkissen im Luftraum laufen Videos mit Alltagsszenen. Zwei Tänzer versuchen, sich ein Kostüm zu teilen. Ein Stein erzählt von seiner Geburt, die Eintagsfliege versucht, ein Bruchstück davon zu erleben. Gedanken zur Zeitenwende in Szene gesetzt mit Klängen, Bildern, Worten, Kostümen und Figuren.

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Abb. 1: Ursula Bertram: Zeitenwende

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DER KÜNSTLERISCHE PROZESS*

* Publiziert in: Bertram, Ursula/Preißing, Werner: Navigieren im offenen System. Filderstadt: Container-Verlag 2007, S. 53.

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Abb. 1: Werner Preißing: Der künstlerische Prozess

Ich möchte etwas, das diffus in mir ist, klar vor mir sehen. Sobald ich es begrifflich fassen will, ist das Etwas bereits verunklart. Es ist nicht mehr ganzheitlich geheimnisvoll mit mir verbunden. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als das Etwas in seiner ganzheitlich diffusen Weise in mir weiter wachsen zu lassen und dafür Formen zu entwickeln. Wenn ich eine Form geschaffen habe und sie nicht dem entspricht, was ich will, erkenne ich es. Dennoch kann ich aber nicht sagen, wie die Form wirklich ist und wie es weitergeht. Ich arbeite in Schichten. Manchmal fühle ich, dass ich ganz dicht davor bin. Ich probiere es weiter und es ist möglich, dass ich mich wieder unsäglich weit entferne. Ich weiß nie, was der nächste Versuch ergibt. Im besten Fall begegne ich auf diesem Weg der Form, die unsichtbar schon in mir war. Ich erkenne sie, wenn ich sie vor mir sehe.

Abb. 2: Ursula Bertram: Der künstlerische Prozess

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Ursula Bertram

LÜGEN HÜHNER?

Eine Installation anlässlich der Kunsttage Trier im Keller Kesselstadt Trier, 1995 Kunstverein Trier, Kuratorin Dr. Birgit Schwarz, Wien Installation und Liveübertragung mit 6 Monitoren, 14 Hühnern, 12 Lautsprechern unter 12 Weinfässern mit Hahnengeschrei und circa 80 Gästen

Der Konflikt ist perfekt: Hühner plustern sich auf, gackern und bilden Gruppen im temporären Hühnerstall. Im hinteren Weinkeller findet die Finissage einer anstrengenden Kunstwoche statt. Man plustert sich auf, gackert und bildet Gruppen im Weinkeller. Per Monitor werden die beiden Gruppen gemischt, live übertragen, bis der Lärm eins wird. Lügen Hühner?

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KÜNSTLERISCHES DENKEN UND HANDELN*

* Publiziert unter dem Titel »Künstlerisches Denken und Handeln« in: Tröndle, Martin/Warmers, Julia (Hg.): Kunstforschung als ästhetische Wissenschaft. Bielefeld: transcript 2011, S. 293–316.

KÜNSTLERISCHES DENKEN UND HANDELN

Gleich vorab: Es geht a priori weder darum, wie wir dieses Terrain des künstlerischen Denkens und Handelns benennen, noch darum, wer es für sich beansprucht. Vielleicht findet sich ein besserer Begriff, der auch diejenigen nicht ausschließt, die keine Künstler sind. Künstlerisches Denken als Kompetenz passiert im Kopf – eines Wissenschaftlers, Kün­stlers oder Unternehmers –, wenn es zu einem Erfahrungsrepertoire gemacht wurde. Allerdings ist es nicht einfach zu erringen: Das »pure Wissen« darüber nützt nichts, wir befinden uns hier in einem anderen Modus der Erkenntnis, und um diesen soll es hier gehen. Durch die allmähliche Herausdifferenzierung dessen, was Wissenschaft sein und beinhalten sollte, hat sich parallel dazu ein Umfeld gebildet, in dem alles vorkommt, was nicht wissenschaftlich verifizierbar, objek­ tivierbar und falsifizierbar ist. Aus dieser, oder besser: im Laufe dieser Grenzziehung entsteht auch das »System der Kunst«. Die Kunst könnte bei dieser Art von Betrachtung auch als ein interessantes Abfall­produkt gesehen werden, das sich in der verordneten Abspaltung von der wissenschaftlichen Methode optimal verdichten konnte. Dieses An­derssein ist so eklatant, dass bis heute die Begrifflichkeiten Kunst und Wissenschaft parallel und offensichtlich unvereinbar im Grundgesetz geführt werden1. Das Ziel sollte jedoch sein, eine große Chance wahrzunehmen, die in der parallelen Entwicklung beider Systeme steckt. Dies ist schon fast meine These, die ich allerdings noch schärfer formulieren werde, damit Wissenschaftler an dieser Stelle auch wei­ter­lesen. Denn das Formulieren einer These hat nichts mit künst­lerischem Denken und Handeln zu tun, im Gegenteil. Künstler wie­derum beenden an dieser Stelle wahrscheinlich die Lektüre, da eine These in gewisser Weise keine Offenheit besitzt, zielgerichtet und ergebnisorientiert funktioniert, und es letztlich darum geht, die These zu verifizieren und argumentativ zu begleiten. Im künstlerischen Prozess geht es aber um den zweckfreien Prozess, der ein offenes Ergebnis produziert und sich nicht auf eine bestimmte Art der Lesbarkeit und schon gar nicht auf den Beweis festlegt. Künstlerisch gesehen ist jeder Gedanke, den der Leser für sich aus diesen Gedanken entnehmen kann, genauso richtig und wichtig wie der, den ich verfolge. Hieraus ergibt sich eine Reihe von Thesen, die ich im zweiten Teil

1 | Siehe Grundgesetz Art. 5 GG Abs. 3.

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meiner »Probierbewegungen«2, wie Karl R. Popper es so schön formuliert hat, vertiefen möchte. Thesen: • Wissenschaftliche Forschung hat eine Richtung (weg vom Forschenden). • Künstlerische Forschung hat eine Richtung (hin zum Forschenden). • Die beiden Richtungen sind gegenläufige Setzungen. • Künstlerisches Potential ist ein Exzenter für Wissenschaft und letztlich für Wirtschaft. • Künstlerisches Potential kann nicht durch wissenschaftliche Methoden herangebildet werden, sondern generiert sich aus non-linearen Prozessen. Diese sollten im Ausbildungskonzept jedes Studiengangs ebenso selbstverständlich sein wie die Ausbildung wissenschaftlichen Potentials. Meine Aufforderung ist also die, mehrfach und probeweise verschiedene Denkrichtungen einzuschlagen, um am Ende einen Blickwinkel einzu­ nehmen, der vielleicht eine neue Perspektive erschließt. Die Annäherung erfolgt in drei Punkten: Zunächst möchte ich mich der Grenze von Wissenschaft und Kunst nähern, an die heutige Forschungsfelder im derzeitigen Wandel territorialer Betrachtungen oft stoßen. Alsdann begeben wir uns auf eine Irrfahrt zwischen Tradition und Wandel, um dann im letzten Kapitel das künstlerische Denken und Handeln zu skizzieren, welches ich zuerst innerhalb der Kunst und kunstnaher Felder erforsche, um dann die interessante, aber anspruchsvolle Grenze, nämlich die zu außerkünstlerischen Feldern, zu überschreiten. Mit Hilfe der ersten beiden Abschnitte und einigen Beispielen aus der Praxis möchte ich zeigen, dass das Gelingen der Kunstforschung mehr mit dem Abbau von Territorien, Grenzen und mentalen Blockaden zu tun hat als mit dem Versuch des Wissensaufbaus. Die heilige Grenze der Wissenschaft zur Kunst Die Vermischung, oder besser: die Überlagerung der Fächer hat noch keine lange Tradition. Wird in den 1980er Jahren noch eine klare Unterschei2 | Vgl. Popper, Karl R.: Alles Leben ist Problemlösen. Über Erkenntnis, Geschichte und Politik. München: Piper 1996, S. 15–45.

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dung zwischen Physik, Geografie oder beispielsweise Bio­lo­gie getroffen, gestalten sich diese Grenzen heute fließend: Geo­physik, Geobiologie, Biophysik (»We bring your physics back to life!«3) und Biogeologie verwischen die alten Fachgrenzen und spalten sie in diversen Masterstudiengängen noch multipel auf. Google präsentiert die erstaunlichsten Studienkombinationen. So ergibt beispielsweise die Kombination der Suchbegriffe »Biologie« und »Kunst« Resultate zur sogenannten »Biokunst«, einer Kunstrichtung oder künstlerischen Strategie, die gentechnische oder biotechnologische sowie chirurgische Möglichkeiten aufgreift.4 Sie lässt sich kaum linear definieren, fokussiert jedoch Künstler, die wissenschaftliche Erkenntnisse künstlerisch betrachten und zumeist mit den dazugehörigen Labortechniken ar­beiten. Eine der bekanntesten Protagonistinnen für körperliche Gestalt­schöpfung oder -veränderung ist die Künstlerin ORLAN aus Frankreich, die sich seit Jahren durch chirurgische Eingriffe das Gesicht verändern lässt.5 Andere Künstler arbeiten mit halblebigen Biomassen. In der performativen Installation »Disembodied Cuisine« zum Zwecke »opfer­ loser Fleischproduktion« schafft das australische »Tissue Culture  & Art Project« beispielsweise mittels Gewebezucht eine pseudo-positivistische Junkfood Alternative zur Massentierhaltung: Essbare »halb-lebendige Skulpturen« werden aus isolierten Froschmuskelzellen auf biodegradablen Polymergerüsten in Bioreaktoren gezüchtet. Sie werden täglich von den Bio-Künstlern mit Nährlösung »gefüttert«, um nach der achtwöchigen Live-Zellkultur im Galerie-Labor im Rahmen eines NouvelleCuisine-Grillabends, in Calvados flambiert verspeist zu werden. Das Polymergerüst biologischer Fleischzüchtung stellt sich als zäh und schlecht verdaulich heraus, was ein gewisses, tatsächlich physisches Risiko darstellt. Dem Mahl wohnen vital quakende Frösche in Aquarien bei, um die Verschonung des Lebendigen noch zu verdeutlichen.6

3 | Slogan des Instituts für Biophysik, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2009. 4 | Von Peter Weibel wurde diese Kunstrichtung bereits anlässlich der Ars Electronica 1993 beschrieben, vgl. Gerbel, Karl/Weibel, Peter: Ars Electronica 93. Genetische Kunst – künstliches Leben. Linz: PVS verleger 1993. 5 | Dieses Projekt der Selbsthybridisierung der Künstlerin ORLAN trägt den Titel »The Re-Inkarnation of St. Orlan« (1990–1993). 6 | Vgl. Hauser, Jens: Bio Kunst – Taxonomie eines Wortmonsters, in: Hybrid – living in paradox. Ars Electronica 2005. Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft. Hrsg. von Gerfried Stocker et al. Ostfildern: Hatje Cantz 2005, o.S.

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Jeremy Rifkin schildert bereits 2003 sehr deutlich, wie die Grenze zwischen Wissenschaft und Kunst in Bewegung gekommen ist, und benennt eine ganze Palette an Grenzgängerschaften zwischen Labor- und Atelierarbeit:7 Wissenschaftler, wie beispielsweise Craig Venter mit seinem Unternehmen Celera Genomics, nutzen das Credo der künstlerischen Schöpfung als Legitimation für die Manipulation der Natur. Andere haben in den genetischen Code von Tomaten das Anti-Frost-Gen einer Flunder eingesetzt, um sie winterhart zu machen. Oder es werden die Gene von einem Schaf und einer Ziege zu einer neuen Kreatur namens »Geep« zusammengesetzt, also einer Mischung von goat und sheep, die einen Schafskopf und einen Ziegenkörper besitzt.8 Hybride Kreaturen wie diese werden in wissenschaftlichen Labors entwickelt. Auch Künstler haben seit einigen Jahren die DNA als neue Gestaltungsmöglichkeit entdeckt und benutzen biotechnologische Werkzeuge wie ihre Vorgänger den Pinsel. Der amerikanische Künstler Eduardo Kac soll einen Hasen zum Leuchten gebracht haben, indem er in Zusammenarbeit mit einem französischen Labor das für Fluoreszenz verantwortliche Gen einer Qualle in die DNA eines Hasens namens Alba gepflanzt hat. Ist die Grenze zwischen Wissenschaft und Kunst nach einem halben Jahrtausend nun in Auflösung begriffen? Meines Erachtens schauen wir mit dieser Frage in die falsche Richtung. Die künstlerische Expansionslust hat mit biologischen oder biotechnischen Mitteln ein neues Terrain gefunden, das andere und neue technische Möglichkeiten des künstlerischen Exkurses und Dialogs mit Hilfe interdisziplinärer Kollaborationen bietet. Biokunst mag als begriffliche Verortung für eine sicher erstaunliche Arbeitsweise herhalten; sie ist jedoch nicht der Beweis eines verbesserten Austauschs von Kunst und Wissenschaften. Die Kollaboration mit den neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften ist durch alle Zeiten gegeben, wenn es auch nicht immer so deutlich wird wie bei der Doppelbegabung Leonardo da Vincis. Die Wissenschaft kann der Kunst als Motor, Zuarbeiter oder Animateur dienen, als Plattform für Reibungen oder auch als Wundertüte. Die Blickrichtung ist heute auf die digitalen Möglichkeiten und die Gentechnologie gerichtet, doch schon morgen wird es etwas anderes 7 | Vgl. Rifkin, Jeremy: Dazzled by the Science. Biologists who dress up hi-tech eugenics as a new art form are dangerously deluded. In: The Guardian vom 14.01.2003, https://www.theguardian. com/education/2003/jan/14/highereducation.uk (Aufruf: 10.05.2011). 8 | Ironisch vorweggenommen hat diese Entwicklung Timm Ulrichs mit seiner Arbeit »Wolf im Schafspelz – Schaf im Wolfspelz« (1995/2010), gezeigt im Kunstverein Hannover.

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sein. Mit Nam Jun Paik beginnt der digitale Einzug in die künstlerische Arbeit und die nächste Generation von Künstlern wird man vielleicht Nanokünstler nennen. Es wird sich die Erkenntnis entwickeln, dass die Perspektive mechanistischen Hantierens mit Genmaterial oder mit Hyperware nicht ausreicht für ein prinzipiell neuronales und ganzheitliches Prinzip zwischen Kunst und Wissenschaft, allenthalben belebt man damit wieder ein neokartesianisches System. Der neue Künstler vom Typ Wissenschaftskünstler oder Kunstforscher ist solange nicht interessant, als er mit dem Endprodukt wieder in seinem Terrain landet. Welche Grenze sich auch immer am Horizont zeigt, die zeitgenössische Kunst und Wissenschaft werden sie untersuchen und sich genau in diesem Bereich ansiedeln, immer auf dem Weg weiterer Entdeckungen, Exkurse und Erkenntnisse. Ob die Grenze zwischen Wissenschaft und Kunst dabei wirklich nachhaltig überschritten wird, bleibt abzuwarten. Noch sind wir Lichtjahre davon entfernt. Ein fluoreszierender Hase verändert die Grundhaltung des Bildungsalltags noch nicht. Und die Gabe, Grenzen kreativ zu überschreiten, gehört trotz der bekannten Forderung nach »kreativer Zerstörung« des Ökonomen Joseph Alois Schumpeter9 nicht zur überfachlichen Grundkompetenz jedes Studie­renden. Es hat rund 100 Jahre gedauert, bis Pablo Picassos Prinzip der Collage im Bildungssystem angekommen ist und fachübergreifende Ausbildungskonzepte mit hybriden oder multiplen Masterstudiengängen geboren werden. Die Entwicklungen der Experimente im Labor von Kunst und Wissenschaft sind ohne Zweifel bemerkenswert. Solange dies jedoch auf der Ebene von »Leiharbeit« geschieht, indem die gegenseitigen Errungenschaften wieder ins eigene Feld einverleibt werden, kann von einer Annäherung im Sinne eines Kompetenzaustauschs nicht gesprochen werden, sondern eher von einer seismografischen Tendenz an der Oberfläche. Zweifelsohne ist die Grenze der Ort der Entwicklung. Es könnte spannend werden, den Blick weg von den Produkten hin zu den übergeordneten Prozessen zu wenden, Kreativität als Prisoner of Art zu autonomisieren und als künstlerisches Denken und Handeln in das Bildungspotential von Wissenschaft zu integrieren. Künstlerische Strategie als Inselkompetenz in den Regelwerken der Wissenschaft zu verankern, bedeutete einen Paradigmenwechsel in der Auffassung von Wissenschaft. 9 | Vgl. Schumpeter, Joseph A.: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. Stuttgart : UTB 2005, hier insbes. Kap. 7, »Das Konzept der schöpferischen Zerstörung als Grundprinzip«.

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Hin und weg: Künstlerische Forschung hat eine Richtung Die Dramaturgie, die sich bei der Annäherung von Kunst und Wissenschaft im Moment noch zeigt, sei es in Kongressen oder Laboren, spricht Bände. Es herrschen Schwerfälligkeit und Gezwungenheit vor, die das Ende fester Terrains, die Positionierung inmitten sich ständig verändernder Systeme, den Verlust von Sicherheit und folglich die Frage nach Orientierung, verbunden mit der großen Frage der Werte beziehungsweise des Maßstabs der Werte erkennen lassen. Verständlich, dass nicht wenigen die »bodenlose Freiheit« ohne Halt nach allen Seiten hin Angst macht; das Navigieren über die Grenzen der Disziplinen hinaus wird nicht geübt und der Ruf nach festen Regeln ertönt. Die Sehnsucht nach überschaubaren Feldern wächst, so man sie je verlassen hat. Kunst als Prozess in außerkünstlerischen Feldern zu sehen, wird auch an vielen Kunsthochschulen durchaus noch als Verirrung, Verrat oder Übergriff empfunden. Hieran scheint auch Joseph Beuys mit seinen 7.000 Eichen und dem ökologischen Ansatz nichts geändert zu haben.10 Der maßgebliche Grund hierfür, neben verständlichen Ängsten der territorialen Verluste und Sehnsüchten nach einem begrenzten und damit scheinbar verlässlichen oder wenigstens überschaubaren Bezugssystem, scheint mir in der unterschiedlichen Richtung zu liegen, der sich künstlerische und wissenschaftliche Forschung festgeschrieben beziehungsweise verortet haben. Artistic Research oder wie ich es vorzugsweise nenne: Künstlerisches Denken und Handeln sind anders als wissenschaftliches Arbeiten, denn: 11 1. Zeitgenössische Forschung geht beim wissenschaftlichen Arbeiten weg von der Person im Bemühen um Objektivierung und einem möglichst zielorientierten Ergebnis. Ausgangslage ist die fachlichanalytische Positionierung im »Spezialwissen«, überwiegend in sprachlicher Form.

10 | Vgl. Joseph Beuys, »7.000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung«, documenta 7, 19.06.-28.09.1982. 11 | In den letzten zehn Jahren habe ich dieses »Anders« immer wieder beobachtet, beschrieben und künstlerisch bearbeitet. So zum Beispiel in einer konkreten Gegenüberstellung von 21 Statements des wissenschaftlichen beziehungsweise künstlerischen Denkens, als Performance uraufgeführt bei dem Symposium »Artistic Research als Ästhetische Wissenschaft?« in Stuttgart. Siehe Bertram/Preißing 2007, S.68–71.

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2. Bei der künstlerischen Arbeit ist die Richtung schwerpunktmäßig hin zur Person unter der Prämisse intersubjektiver Positionierung mit dem Merkmal einer Prozessorientierung. Ausgangspunkt ist die persönlich-authentische »Handschrift« mit Wiedererkennungswert, überwiegend in visueller Form. Die Andersartigkeit bezieht sich also im Wesentlichen auf eine Richtung, die im einen Fall von der Person wegführt und im anderen Fall zu der Person hinführt. Hieraus entstehen zwangsläufig Konflikte, vor allem wenn diese beiden Praktiken miteinander verwunden werden sollen. Insbesondere in der pädagogischen Praxis hat dies Konsequenzen. Das Gehirn hat keine Richtung, um bei der Metapher zu bleiben, jedenfalls zunächst nicht. Wenn es allerdings lange genug auf be­stimmte Vorgänge trainiert wird, verändert es sich entsprechend seiner Benutzung, wie Gerald Hüther in seiner Bedienungsanleitung für ein Gehirn12 schreibt. Bereits nach 20 Jahren Schulzeit unter dem Primat des wissenschaftlichen Denkens hat das Gehirn reagiert und den Innenausbau entsprechend eingerichtet. Das hat zur Folge, dass wir bei der Benutzung des gebräuchlichen Pfades der Denkvereinbarungen stets die Rückmeldung bekommen, dass wir »richtig« liegen, was dem Hamsterrad einer selffulfilling prophecy gleicht. Wenn vielen ein gleiches Denkschema nahe gebracht wird, hat es zusätzlich zur Folge, dass wir auch von außen, von der Gemeinschaft der Denkenden, Bestätigung erhalten, und sich so ein Denkschema etabliert. Wir kennen alle den großen Vorteil einer funktionierenden gemeinsamen Verständnisbasis und den Nachteil, dass andere Denk- und Handlungsstrukturen als irritierend, unvermögend oder falsch empfunden werden, vor allem von der Person selbst, also ihrem eigenen Gehirn. Dies meldet alsbald, dass man sich auf einem falschen Pfad befindet, und es versucht, seine gewöhnliche oder gewohnte Nutzung vorzuschlagen. Diejenigen, die schon frühzeitig vom Schema wegdenken und keine Autobahnen der rational analytischen und dialektischen Vorgehensweise gebildet haben, werden es schwer haben, wenn eben dieses überprüft wird. Misserfolge oder mäßige Erfolge sind dann die Regel, weil das System sich selbst überprüft. Das hat mit dem Potential des Menschen, der da überprüft wird, nur bedingt zu tun. Festlegungen fördern zweifelsohne 12 | Hüther, Gerald: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006.

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eine gemeinsame Verständigung, sie wahren die Tradition, hemmen aber gleichzeitig eine alternative Entwicklung oder Wandlung. Unsere gesamte Pädagogik ist auf Denkschemata aufgebaut, bis zur kleinsten Einheit im schulischen Lehrplan. Diese Denkschemata setzen sich im Kopf fest und produzieren bestimmte Weltsichten und Wahrheiten. Wandel kann nur herbeigeführt werden, wenn die Regelwerke im Gehirn es zulassen, andere Wege zu beschreiten, eingefahrene Gedankenpfade zu verlassen und die Richtung versuchsweise zu verändern. Popper nennt dies »Probierbewegungen«13 und erachtet sie für die gesamte evolutionäre Entwicklung als grundlegend. Ich halte die Einübung der Kompetenz von geistiger Beweglichkeit, der Aufdeckung von versteckten Mustern, des probeweisen Verrückens oder Verrücktseins, gepaart mit dem Bestehen auf singulären Standpunkten für überaus wichtig. Nicht zufällig rückt die Kunst in den Mittelpunkt des Interesses als »Innovationsgeber« durch die Option, »Quer-Denken« zu dürfen. Die Frage ist jedoch, wie diese begehrenswerte Kompetenz errungen werden kann. Jede theoretische Untersuchung ist vom Ansatz her wissenschaftlich. Auch diese soeben geführte Herleitung führt möglicherweise zu weiteren Diskursen, Widersprüchen und Überlegungen, aber es führt keinesfalls zu einer Annäherung an den originären künstlerischen Prozess. Im Gegenteil entfernen wir uns zunehmend von dessen lebendigem Kern. Immer wieder wird versucht, mit wissenschaftlichen Beschreibungen den künstlerischen Prozess zu entschlüsseln. Wenn der künstlerische Prozess nur ein toter Gegenstand der Betrachtung sein soll und dieser nicht als lebendiger Prozess in das Leben, das Denken und Handeln integriert werden will, lässt sich so vorgehen. Allerdings mutiert er artfremd als reine Theorie und wird somit unter Verlust seiner Eigenheit wissenschaftlich absorbiert. Künstlerische Prozesse lassen sich letztlich theoretisch schwer beschreiben14 und durch Anwendung von Wissen nicht erlernen. Sie sind nicht wissens-, sondern erfahrungsbasiert. Künstlerische Prozesse kann ich nicht zu meinem Repertoire oder meiner Kompetenz hinzugewinnen, wenn ich sie von außen betrachte. Ich muss praktisch mittendrin sein, probieren, agieren, nachdenken, wegdenken, umsetzen, experimentieren, verwerfen und entdecken, mit Kameras, Performance, Pixeln, Farben, Worten, Aktionen, Konfrontationen, Kooperationen, Projekten. Ich muss diese Richtung zulassen, geradewegs in die Mitte meiner Person, authen13 | Vgl. Popper 1996, S. 15–45. 14 | Vgl. Bertram 2010; insbes. Birgit Luxenburger, »Ohne Titel« (2010).

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tisch und individuell positioniert, jenseits von Beliebigkeit. Die erforderliche Schärfe einer solchen Position ist nicht ganz einfach zu lernen. Dem steht die Richtung wissenschaftlichen Arbeitens mit dem Ringen um Objektivität und analytische »Wahrheitstreue«, möglichst weit weg von einer

Abb. 1: Werner Preißing: Der künstlerische Prozess 1

Abb. 2: Ursula Bertram: Der künstlerische Prozess 2

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subjektiven »einzigartigen« Verflechtung, entgegen. Nur eine Richtung zu kennen, ist heute zu wenig. Zwei Richtungen zu kennen, ist der Anfang einer Akzeptanz. Zwei Richtungen zu akzeptieren und sich eine davon anzueignen, deutet auf erfolgreiche Teamarbeit hin. Zwei Richtungen zu kennen und verinnerlicht zu haben, könnte die Zukunft sein. Im folgenden Teil werde ich versuchen, anhand einiger Beispiele die Natur des künstlerischen Prozesses zu vermitteln, der – wie bereits betont – auf dem Papier (wie auch hier) ein toter Prozess bleibt und sich nur schwerlich theoretisch darstellen lässt; visuelle Abbildungen sind näher am Prozess. Das wissenschaftliche Denken beruht auf einem Konstrukt, einer Vereinbarung. Das Gehirn denkt a priori weder wissenschaftlich noch künstlerisch, sondern es denkt. Von sich aus und ungestört denkt es eher nonlinear. Da ich mein Gehirn aber trainieren kann und die wissenschaftlich analytische Methode in der Ausbildung geübt wird, können die meisten Menschen am besten logisch, rational, analytisch, kontrolliert und im besten Fall strukturiert denken. Bei leidenschaftlicher Anwendung bildet sich nach Hüther eine Dominanz aus,15 und es ist anzunehmen, dass diese Dominanz alle Gedanken beflügelt, die in dieses System passen, und andere blockiert. Die Denkrichtung des künstlerischen Prozesses bleibt insofern für die Entwicklung persönlicher Potentiale weitgehend ungenutzt. Es ist daher anzuraten, das künstlerische Denken sehr früh in der Bildung zu verankern und dessen Spezifik möglicherweise besser nicht innerhalb des Kunstunterrichts anzusiedeln, sondern als »Erfinderwerkstätten« zusätzlich und außerhalb des Kunstunterrichts auszuweisen. Das hilft, Missverständnisse auszuschließen und der Musterbildung von »werkeln und dreckeln«, »Kunst produzieren« oder »in die Farbe tauchen« beziehungsweise dem Klischee von Kreativworkshops von vornherein zu entgehen. Künstlerisches Denken und Handeln – wie geht das? Wie Beuys schon sagt, ist künstlerisches Denken kaum zu lehren, da es sich nur in unbelastetem Terrain bildet, unbelastet von Mustern, Rezepten, Vorbildern (zu der Lehrende gehören!) oder Klischees sowie von Angst, Erfolgszwang und Misstrauen. Es entwickelt sich auf einer flüssigen Möglichkeitsmatrix zwischen Begeisterung, Neugierde und der Lust, sich mit der eigenen Person zu beschäftigen. Den größten Erfolg beim 15 | Vgl. Hüther 2006.

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»künstlerischen Denken« habe ich immer errungen, wenn die Teilnehmer nicht gemerkt haben, dass sie es tun. Es besteht dann keine Veranlassung, dagegen zu sein oder in bekannte Klischees zu rutschen. Auch »Navigieren im offenen System«16oder »Wegdenken« gehört dazu. Unbelastet schaffen es unsere Nachwuchskräfte, großartige Werke zu kreieren, ob als Performance, als Vortrag, Gedanken oder filmische Umsetzung. Ich kann beobachten, wie der zwar wohldurchdachte, aber optimalerweise unsichtbar oder unmerklich vermittelte Input Knoten löst und die nonlineare Zugangsweise zu erstaunlichen Ergebnissen und Erkenntnissen führt. In kürzester Zeit können nachhaltige Veränderungen im persönlichen Umgang mit der Unsicherheit des Neuen erzeugt werden. Der Prozess wird nicht bewusst wahrgenommen, sondern unbewusst erfahren. Das hat nicht selten zur Folge, dass die Teilnehmer das Ergebnis auch nicht unbedingt auf den Input zurückführen, sondern für sich feststellen: »Heute war ich aber ungeheuer gut drauf!« Künstlerisches Denken und Handeln werden allenfalls indirekt erlernt. Eine Vorlesung über Grenzen nutzt nichts, eine Vorlesung über Grenz­ überschreitungen anhand von Werken bekannter Künstler erweist sich ebenfalls als nutzlos. Das wäre pure Wissensvermittlung, künst­lerisches Denken und Handeln hingegen wachsen auf dem Boden von Erfahrung. Die eher praxisbezogene Aufforderung: »Stellen Sie eine Grenze dar!«, bringt dann vollends alle Muster und Klischees an die Oberfläche, die je eine Grenze gebildet hat (Stacheldraht, Kanonen, Mauern etc.). Die Initiierung, über Grenzen nachzudenken und zu recherchieren, hilft auch nichts, und am wenigsten nutzt es, wenn man über seine eigene Erfahrung berichtet, wie man oder andere eine Grenze überschritten haben, denn Erfahrung lässt sich nur selbst machen, nicht vermitteln. Die Vermittlung von Erfahrung ist bekanntermaßen reine Wissensvermittlung. Es kann nur darum gehen, Situationen, Räume und Impulse zu schaffen, die den Erfahrungsprozess fördern und im besten Fall initiieren. Eine komplexe Angelegenheit, die der Lehrende oder Moderator nicht direkt steuern kann, da der künstlerische Denkprozess nur unterstützt wird, wenn dieser Leichtigkeit und Zwanglosigkeit behält. Um dies zu illustrieren, sollen einige Übungen beschrieben werden, die wir an der [ID]factory der TU Dortmund durchführen. Dabei werden auch die Irrläufer und Klischeebildungen deutlich.

16 | Bertram/Preißing 2007.

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1. Die Rede Diese Übung findet in der Denkwerkstatt in Le Dreff statt, einer Außen­ stelle der [ID]factory in der Bretagne an der Küste. Ich gebe den Teilnehmern drei Umschläge, die sie sukzessiv öffnen, aber immer erst dann, wenn Sie die Aufgabe im vorherigen Umschlag erfüllt haben: • Umschlag 1: Bereiten Sie eine Rede vor. Vertreten Sie dabei das, was Ihnen am liebsten ist. Vertreten Sie es entschlossen. • Umschlag 2: Ziehen Sie sich zu Ihrem Auftritt besonders gepflegt an. • Umschlag 3: Gehen Sie bis zur Hüfte ins Meer. Halten Sie dort Ihre Rede. Sprechen Sie so laut, dass Sie trotz der Wellengeräusche gehört werden. Die in der Abbildung zu sehende Teilnehmerin hat sich für »ihre Rede« einen Tisch mitgenommen, den wir einer bretonischen Gastwirtin unter viel Mühen abhandeln mussten. Es sollte dieser sein und kein beliebiger Tisch. Stuhl und Lampe kamen hinzu, ein Blatt Papier und ein Stift. Die Performance beginnt letztlich spontan in den just ansteigenden Wellen im Meer gegen Abend. Die Studentin sitzt im getupften Kleid halbwegs im eisigen Wasser auf dem Stuhl am Schreibtisch und beginnt, langsam einen Brief zu schreiben, dessen einzelne Sätze sie immer laut mitspricht. Wir stehen in einiger Entfernung, sodass der Wind ihre Worte bis auf Grundtöne verschlingt. Sie macht Pausen, überlegt, schreibt, während ihr die Wellen in den Rücken platschen. Als der Brief beendet ist, steht sie auf, geht zur Seite weg, während das Wasser den Stuhl umkippt und das Blatt erfasst, das ganz langsam ins Meer hinaustreibt. Keiner sagt etwas, obgleich wir sonst jede Performance mit großem Applaus oder lautstarken Kommentaren bedenken. Es ist eine unergründliche Stille eingekehrt. Der Stuhl und das Blatt Papier tanzen auf den Wellen und wir wissen nicht genau, warum wir so ergriffen sind. Wir können es nicht so recht einordnen. Einen Tag später erzählt mir die Studentin, dass der Brief an ihren Vater gerichtet war, von dem sie sich nie richtig verabschiedet hat, weil er ganz plötzlich aus dem Leben schied, als sie noch ein Kind war. Allein die Authentizität der Situation, nicht die für uns unverständlichen Worte ihres Briefes, hat diese Verdichtung erzeugt.

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Abb. 3–4: Performance Steffi Zeiler, 2003

90 Prozent meiner Ansprechpartner in außerkünstlerischen Feldern glauben nicht, dass es sie in irgendeiner Weise weiterbringt, wenn sie im Meer eine Rede halten. 90 Prozent der Teilnehmer, die sich auf eine solche Situation eingelassen haben, wollen diese Erfahrung nicht mehr missen. Langes Erklären schadet dabei und blockiert die Erfahrung des Ausführenden. Eine weiteres Beispiel:

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2. Die Hölle Als ich mit dem italienischen Regisseur Nullo Facchini im Bereich der Choreografie und des Tanztheaters zusammenarbeitete, konnte ich ein außergewöhnliches Beispiel non-linearen Zuschnitts erleben: Wir inszenieren im Jahr 1990 Dantes »Göttliche Komödie« in der von den Amerikanern gerade verlassenen Cruise-Missile-Station in Hahn-Hasselbach. Die Arbeit findet auf einem gespenstischen Gelände aus Zeiten des Kalten Krieges statt: in den Raketenbunkern, dem Übungsgelände und in den großen Hangars. An einem Morgen sollen erste tänzerische Entwürfe für bestimmte Stationen der Höllen nach Dante entwickelt werden. Facchini schreibt, wie auch Pina Bausch in Wuppertal, seinen Tänzern keine Schrittfolge oder präzise Bewegungen vor, sondern setzt auf die persönliche Körpersprache und Fantasie. Er lässt Ideen stets in Varianten, rekursiv von mehreren Teammitgliedern entwickeln. An dem Morgen gibt er jeweils zwei männlichen Tänzern die Anweisung, so zu tanzen, dass sie immer wieder erneut eine einzige Skulptur aus ihren zwei Körpern bilden. Sie sollen sich in Zeitlupe versetzen. Die abendliche Präsentation findet im technisch anmutenden kargen Hangar statt. Alle drei Teams aus je zwei Männern zeigen ihre Choreografie, jeder in einer anderen Raumecke, jemand spielt Geige. Immer wieder gleiten die männlichen Körper langsam aneinander herunter in eine neue Position, in der sie kurz verharren als untrennbares Ganzes. Das Ergebnis ist für das Thema äußerst überzeugend. Was die Tänzer nicht wissen: Es geht um die Hölle der Homosexuellen – bei Dante noch als Missetat angesehen. Die Tänzer arbeiten ausschließlich und unbelastet am Prozess, nicht aber am unmittelbaren Ziel einer visuellen »Übersetzung« oder gar der Illustration von Homosexualität. Der Choreograf Facchini eliminiert so jegliche Muster- und Klischeebildung. Diese Vorgehensweise lässt sich übertragen auf alle Prozesse, die Innovationen erforderlich machen und sich als eine non-lineare Methode begreifen. 3. Die Puppe Das nächste Beispiel zeigt den Weg einer Studentin, deren Werk­ entwicklung linear, durch sämtliche Klischees geradewegs hindurch auf eine sehr schöne Lösung zuläuft, die allerdings ständigen Input und Korrekturen erforderlich macht. Das von mir gegebene Thema ist nicht etwa »Mensch, Figur oder Puppe«, sondern liegt in der Aufforderung, ganz

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frei etwas mit dem Material »Stoff« zu entwickeln. Als erstes bleibt die Studentin auf bekanntem Terrain: Es entsteht eine niedliche Puppe, da Stoffpuppen zweifelsohne zum geläufigen Repertoire gehören. Durch Gespräche wird dann das Muster ins Straucheln gebracht. (Warum »Puppe«, wenn Stoff? Und die Beuys-Frage: Interessiert dich das [die Puppe] wirklich?) Die dann folgenden Zwischenergebnisse sind von großer Willenskraft, aber auch von purer Verzweiflung der eigenen Repertoire- und Haltlosigkeit geprägt. Es folgt eine Hand aus Stoff und Pflanzen, mit Schrauben und Draht bespickt: als Plastik völlig desolat, aber zum Ausbruch offenbar geeignet, wenngleich im gegenüberliegenden Klischee gelandet. Nach weiteren Gesprächen wird die verloren gegangene Dreidimensionalität mit geradezu luftiger Objekthaftigkeit wieder ins Blickfeld gerückt, wobei das Stoffliche keine Eigenart mehr besitzt, sondern oberflächlich benutzt wird: Ein Draht wird mit Faden umwickelt und gebogen. Meine Interventionen sind für die Studentin sicher anstrengend. Es gibt weder formale Vorschläge zu dem Objekt noch zu konkreten materiellen Verbesserungen; es findet eher eine Art der Befreiung und Beseitigung von Gedankenmüll statt.

Abb. 5–7: Prozessentwicklung 1 einer Studentin zur Themenstellung »Stoff«

Trotz der temporären und geheimen Ungeduld beider Seiten, kommt im Anschluss die erstaunliche Wende: Es werden plötzlich Strick­handschuhe und Socken einbezogen und diese auf unbekannte Art zusammengestellt. Von hier aus entwickelt sich sehr schnell die Serie der nun folgenden drei Objekte, letztes ein sehr eigenständig positioniertes Werk, in einer keinesfalls mehr redundanten oder plakativen Umsetzung, plastisch dreidimensional und außerordentlich spannend. Der abgebildete Prozess umfasst eine Zeitspanne von drei Monaten mit einem wöchentlichen Seminar von zwei Stunden. Beim Vermittlungsprozess geht es weniger darum, etwas aufzubauen, als vielmehr darum, etwas abzubauen, was sich

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als Standard im Gehirn eingenistet hat. Als das »staubfreie Denken und Handeln« hergestellt ist, erweist sich die weitere Entwicklung als unproblematisch.

Abb. 8–10: Prozessentwicklung 2 einer Studentin zur Themenstellung »Stoff«

An dem Beispiel wird deutlich, welche Konnotationen uns mitunter bestimmen; die assoziative Verknüpfung des Materials Stoff mit »Puppe« lässt sich zweifelsohne auf komplexere Zusammenhänge übertragen. Die Generierung von Innovationen macht ein Wegdenken von Konventionen und Standards erforderlich. Das ist oftmals kein leichter Prozess, wie uns Kreativkurse vorgaukeln. Wenn es ein nachhaltiger Prozess sein soll, der nicht nur in Experimenten jenseits des Alltags verschwindet, sondern das Navigieren in offenen Systemen ermöglicht, bedarf es vor allem eines Durchhaltens, wenn die anstrengende Phase einer gewissen Orientierungslosigkeit kommt, die offenen Lösungen vorgeschaltet ist. Und es bedarf einer Vermittlung, die den Gedanken hinter dem Produkt ständig hinterfragt, nicht die Produktoberfläche. Die Distanz vom Produkt führt erst zur Transfermöglichkeit des Prozesses, nicht nur beim künstlerischen Denken und Handeln. Abb. 11–12: Ursula Bertram: Präzisionsfabrik (2008)

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4. Die Präzisionsfabrik In der Öffentlichkeit einer Wiesbadener Allee stelle ich anlässlich der Aufforderung zu einem temporären Skulpturenpark eine signalrote »Kleinstfabrik« auf einen Elektroverteiler. Sie ist groß genug für einen Stuhl mit Versuchsperson, eine Kamera und einen Controller. Eine aufwändige Stahltreppe führt ins Innere, seitlich hängt ein Kasten mit der Gebrauchsanleitung auf einer Postkarte, auf der zu lesen ist:

»Lernen Sie nachfolgenden Text auswendig: Bin ich ein Kunstwerk oder bin ich ein Mensch? Kann ein Mensch ein Kunstwerk sein? Kann ein Kunstwerk sprechen? Ist Kunst sinnlos? Bin ich jetzt sinnlos? Bin ich nicht sinnlos, wenn ich entlohnt werde? Muss ich mich schämen, ein Künstler zu sein?

Sprechen Sie diesen Text auswendig vor laufender Kamera in der Prä­zi­ sionsfabrik zu nachfolgenden Produktionszeiten: 11. Mai bis 6. Juli 2008. Wenn Sie völlig fehlerfrei sprechen, bekommen Sie 5,- Euro Lohn, bei ausgewiesenem Migrationshintergrund bekommen Sie 6,- Euro Lohn. (Ab 16 Jahre, Ausweis erforderlich) Sie haben 3 Versuche. Den Kameramitschnitt können Sie außerhalb der Produktionszeiten an der Präzisionsfabrik erleben.«

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Abb. 13: Ursula Bertram: Präzisionsfabrik (2008)

Ein Teilnehmer ruft mich nach einem Jahr an und berichtet, dass er den Text immer noch auswendig aufsagen kann und der Text sich beim Betrachten von zeitgenössischer Kunst immer wieder in seine Gedanken mischt. Ich habe Hunderte von Aufnahmen von Menschen verschiedensten Alters, sozialer Herkunft und Nationalität, die ver­suchen, diesen Text fehlerfrei aufzusagen. Am erstaunlichsten ist ein 80-jähriger Chinese, der fehlerfrei in die Kamera spricht. Zunächst halten sich die meisten mit dem Erfolg oder Misserfolg ihres Vorsprechens auf, allmählich kommt dann erst das Nachdenken darüber, was eigentlich passiert ist und ob das denn Kunst sei. Das Nachdenken darüber ist sicherlich ohne Weiteres zugänglich, denn der Text bleibt im Kopf und das Bild der knallroten Kleinstfabrik im Gedächtnis. Da die Teilnehmer die Kernfragen dessen, was sie im Anschluss bewegt haben mag, auswendig gelernt und sich auf den Prozess eingelassen haben, ist die Entkonventionalisierung perfekt. Viele Menschen mögen sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit und nachträglichen Verwunderung als zeitgenössisches Kunstwerk entdecken, da sie durch den indirekten Prozess die Möglichkeit der Ablehnung gar nicht ins Auge gefasst haben.

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Fazit Das wirkliche Problem beim Erlernen künstlerischen Denkens liegt in der bestehenden Standardisierung des Denkens über Lernen und über Kunst und die damit einhergehende Abwehrhaltung. Was »Sinn« macht, wird uns in der schulischen Ausbildung vermittelt und betrifft sicher nicht die beschriebenen Übungen. Solange aber künstlerisches Denken in der Schublade der Konventionen oder der Wissenschaften gesucht wird, kommt es nicht zum Educational Turn. Vermittlung selbst ist eine enorm indirekte Angelegenheit. Je direkter man Ziele anstrebt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, sie zu verfehlen. Künstlerisches Denken ist ein Prozess, der sich dem klassischen analytisch-wissenschaftlichen Denken entzieht, wenngleich er diesem in seiner Eigenart nützlich sein kann. Ein großes Missverständnis entsteht bei der Mutmaßung, dass künstlerisches Denken zu Kunst führen muss und im wissenschaftlichen Kontext nicht vorkommt. Künstlerisches Denken und Handeln eignen sich hervorragend als Exzenter im Prozess für wissenschaftliche Erkenntnis: »Creativity is not a prisoner of art.« Künstlerisches Denken subsumiert Forschungen, in denen es auch oder sogar insbesondere um Intuition und Zufall, Loslassen und Wegdenken geht, also nur um schwerlich objektivierbare und personenunabhängige Faktoren. Wie wir wissen, bedingt grundlegender, wissenschaftlicher Fortschritt immer das Verlassen gewohnter Denkweisen und beinhaltet das Überschreiten von Grenzen, um daraus eine neue Sichtweise der Zusammenhänge zu gewinnen. Es handelt sich um den Moment einer intuitiven, andersartigen Idee, eines Einfalls, der nicht auf einem wissenschaftlichen Prozess im klassischen Verständnis von Wissenschaft beruht: der Moment, in dem etwas Non-Lineares passiert, das die bisherigen überprüfbaren, falsifizierbaren und objektiven Erkenntnisse auf den Kopf stellt; der Moment des Wegdenkens, des über das eigene Wissen Hinausdenkens, Unscharfwerdens und Anderssehens. Dieser Prozess ist nicht mit wissenschaftlichem Denken zu erklären, sondern allein mit künstlerischem Denken, das in guten Momenten in der Kunst, aber ebenso im wissenschaftlichen Kontext stattfinden kann.

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Abb. 14: Ursula Bertram/Werner Preißing: Educational Turn

Wer denkt künstlerisch? Das könnte man, wenngleich unzureichend, folgendermaßen charakterisieren: Künstlerisch denken alle, - die versuchen, über die gesetzten Grenzen hinaus zu denken, - die Neuland betreten, ohne zu wissen, was auf sie zukommt, - die einem Gedanken auch dann nachgehen, wenn er sich wissenschaftlich und wirtschaftlich nicht abbilden lässt, - die Konventionen in Frage stellen und über die methodischen und formalen Grenzen ihrer Disziplin hinaus denken, - die zweifeln können und Irritationen aushalten, - die eigene persönliche Erfahrung für genauso wichtig halten wie Wissen, - die in der Lage sind, Wissen und Erfahrung zu verknüpfen, - die den Mut haben, eigene rezeptfreie Positionen zu finden und zu vertreten, - die staubfrei denken und handeln können und Klischees meiden.



KÜNSTLERISCHES DENKEN UND HANDELN

Der Moment des grenzüberschreitenden künstlerischen Denkens ist im wissenschaftlichen Regelwerk bisher nur wenig erfasst und bleibt ungefördert, da er sich naturgemäß im außerwissenschaftlichen Bereich abspielt. Eine kleine Umfrage in der TU Dortmund verdeutlicht dies: 90 Prozent der von mir befragten Wissenschaftler stimmen zu, dass kreative Gedanken in ihrer Arbeit eine bedeutende Rolle spielen. 60 Prozent glauben, dass diese Fähigkeit nicht direkt auf die angewandte wissenschaftliche Methode zurückzuführen ist, und nur 10 Prozent trainieren jene Fähigkeit. In meiner kleinen Umfrage verneinen fast alle Wissenschaftler zunächst die Frage, ob sie etwas von künstlerischem Denken verstehen. Die Frage, ob in ihrer Arbeit Kreativität steckt, beantworten die meisten mit einem vehementen Ja. Die Frage, wie sie ihre Kreativität schulen und optimieren, wird meist nicht klar beantwortet, und es folgen Diskussionen darüber, wie so etwas funktionieren kann. Auch führt die Vorstellung, künstlerisches Denken sei erforderlich, nicht selten zu Abwehrhaltungen. Aus diesen Erfahrungen und Überlegungen heraus habe ich die [ID]factory gegründet, die künstlerisches Denken in außerkünstlerische Felder bringt, überfachlich, interdisziplinär und non-linear. Ein Experiment mit offenem Ausgang.

Abb. 15: Werner Preißing: Synergien

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Ursula Bertram

DIE HÖLLE – LA CITTA DOLENTE NACH DANTE

Eine Inszenierung in der Raketenabschussbasis Hahn/Hasselbach mit dem Tanztheater teatret cantabile und Nullo Facchini, 1994

DIE HÖLLE – LA CITTA DOLENTE NACH DANTE

Die amerikanische Liegenschaft Hahn/Hasselbach war die zentrale Abschussstelle für die Langstreckenraketen der Amerikaner, die im Ernstfall von Deutschland aus Russland erreichen sollten in der Zeit des Kalten Krieges. Inmitten einer idyllischen Landschaft im Hundsrück liegt Hahn, ein Ort mit 188 Einwohnern, der im Laufe seiner Geschichte den Franzosen zugesprochen wurde, dann auch den Preußen, später dem neu gegründeten Rheinland-Pfalz, aber im Grunde den amerikanischen Besatzern. Sie bauten ein ständig bewachtes und hoch abgesichertes Militärgelände, weit größer als die Ortschaft selbst. Als wir mit den Schauspielern von Nullo Facchini nach dem Mauerfall 1989 und dem Ende des Kalten Krieges erstmals 1993 das inzwischen aufgelassene Gelände besichtigten, fanden wir es vor, als wäre es gestern verlassen worden: Stacheldraht, Hallen, Wachtürme, Bunker, die uns gespenstig zur Verfügung standen. Es ging darum, den Menschen das Gelände zugänglich zu machen, die Gespenster im Kopf zu ordnen und dem Ort Bilder zu

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 9

geben, die im Gedächtnis bleiben. Dantes »Göttliche Komödie« half uns dabei. Wir nutzten die Erzählung als Assoziationsfeld. Der Wolf, der sich in Dantes Gesängen in den Weg zum Jenseits stellt, tritt den Menschen in einer dunklen Halle entgegen, die sie durchqueren müssen, um zum anderen Ende zu gelangen. Im Monitor im oberen Metallregal erzählt ein Amerikaner ganz sachlich vom Atomversuch auf dem Bikini-Atoll, den er überlebt hatte; wo die Amerikaner 1946 zum Wohle der Menschheit Tiere verglüht und die Erde pulverisiert hatten. Er zeigt auch seine Hand, die so groß ist wie ein Fußball: Spätfolgen. »If you do, what you are told, there will be no harm«, hatten seine Vorgesetzten gesagt. 500 Menschen kommen bei der Inszenierung im Militärgelände jeden Tag ab Dunkelheit. Sie werden durch die Stationen geführt mit Trillerpfeifen und Hunden. Alle sind in graue Decken gehüllt, nicht nur der Kälte wegen. Eines Abends verharren sie alle in einem 100 Meter langen Tunnel, an dessen Ende jeder Einzelne durch einen blauen Laservorhang schreiten muss. Sein grelles Licht lässt nicht erkennen, was einen an der anderen Seite erwartet. Ein Choral ist zu

DIE HÖLLE – LA CITTA DOLENTE NACH DANTE

hören, sonst nichts. Das Gefühl des Durchschreitens dieser immateriellen Wand erscheint wie eine Vorahnung der unumstößlichen Realität des Todes. Wir haben die Tendenz, Unfassbares zu verdrängen, vielleicht mit Blümchentapeten, die liebevoll in einen Raketenbunker geklebt wurden und die noch Jahre später dort waren, als Bild, wie wir uns einrichten mitten im Grauen. Zwei Männer bilden immer wieder erneut mit ihren Körpern eine untrennbare Skulptur, eine Geige spielt verloren im Raum. Es ist trostlos in der Leere einer großen Halle: die Hölle der Homosexuellen nach Dante. Die Schauspieler von Nullo Facchini waren grandios. Sie spielten nicht das Leben, sie lebten das Spiel. Mit allen zusammen haben wir dem Ort eine neue Identität gegeben. Noch Jahre später wurde hier im Spiel das Gelände zum Frieden konvertiert.

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OLIVER SCHEYTT

GRUSSWORT

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THE ARTISTIC ATTITUDE Ein Interview von Dirk Dobiéy (Age of Artists) mit Ursula Bertram*

* Das Interview auf Deutsch ist nachzulesen unter: http://www.ageofartists.org/portfolio-item/an-artistic-attitude-does-notdevelop-overnight-interview-with-ursula-bertram (Abruf: 18.01.2017)

THE ARTISTIC ATTITUDE

Introduction Prof. Ursula Bertram (www.ursula-bertram.de) is visual artist with a traditional education in sculpture and an artistic focus on three-dimensional environments. She is professor at the Technical University in Dortmund Germany where her research focus is art transfer, more precisely the transfer of artistic thinking into other disciplines. Ursula Betram is co-founder of the [ID]factory (www.id-factory.de), a cross-disciplinary community that focuses on how artistic thinking and action can be used for scientific insight and economic development. She is a known and wellrespected author in her research field and truly passionate about her mission to put artistic thinking and action on par with established scientific and economic views on the world.

Interview

AoA: How have you developed artistically, respectively how did you come to art and which artistic practice do you pursue? UB: I really don't know any more how I came to art. I only know that journalism and art motivated me. Looking back I represent the artistic position of pushing back your boundaries and continually trying to open new doors. In addition I had classical training in sculpture and plastic art, for example life-modelling and portraits, which was greatly dedicated to realism. Moreover I had a very, very good teacher. His name was Heinz Hemrich and he taught us the philosophical dimension over and above the manual work. I had only just left the university when I began to explore related topics, and these were architecture, music and journalism. I have attempted, sometimes painstakingly, to open one door after another. I always needed a few years until I could handle these new topics. When I had tried out all the related areas my curiosity took me to a new boundary, which was no longer artistic, and that was the boundary to management and economics. At this point a whole new outlook opened up for me which then led me, with a different perspective, into the sciences, as an area beyond art. This is basically my personal way: always moving along at the boundaries. There are, of course, several special, personal pieces of work which play a role in this process.

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AoA: So your artistic work consistently reflects the new boundary experience? UB: Yes. I believe it's the first adventure if you're technically good, that is you have the basis you need to begin with juggling more than two balls. After my degree course I simply occupied myself with architecture until I understood what architecture is and what matters here. I drew like an architect. I learned to draw up plans, to read plans, to work to scale and so on. Introducing a finished product, that is the sculpture or the object, into architecture and opening the dialogue changes both, the architecture and the product. That was the first adventure. I've worked in this area of situational art for years and I've never completely lost touch with this. Actually I've never worked independently of space, only that I now call space environment. What was previously my three-dimensional space is today my social environment. This led me to another adventure. I was given the task of converting a site, which exists here in Mainz, and which was used during the Cold War and then abandoned. This woodland area was to be given a memorial of the Cold War. This was a challenging assignment when you consider all the memorials you know. I took up this challenge and the social environment was very important in doing so: the space, the past, the future. I decided against creating an object as such for the three countries Russia, Germany and America, which played a large role in the Cold War, but instead I went on a documentary journey to these countries. To choose the destinations I took a large military map, closed my eyes and pointed to Russia, Germany and America, and the places that my fingers touched seemed to be selected. I continued to enlarge the scale of the map until I could see houses in the vicinity where I had pointed to. I left things to chance for I asked myself who it should be then? Who in America? A woman or a man, a boy, an old person, an intellectual or somebody else? Handicapped or not handicapped - everyone was included. Next I travelled with a team to exactly these places and these houses and recorded these people because I wanted to set an example. I described where they lived. I wasn't interested in the Cold War. I simply portrayed these three nationalities in the woodland area. Finally glass stelae were erected, which can be still be seen in the woods today, with a photo of the house residents, with a short description of where and who that is and what they are doing at that moment. This was a piece of work that moved along boundaries in both senses of the word. AoA: Because different aspects of your training and your artistic development were combined?

THE ARTISTIC ATTITUDE

UB: Exactly, and because the social context is very important since it is, so to say, going from architectural space into inhabited human space. Over time societal and social aspects became more and more important to me. Not in the way that you shape it and make portraits of people who have produced some sort of social achievement, but in that I go into society and actively develop something with the people. This was a milestone for participatory approaches in what followed.

AoA: I'm interested in the evolution of your work over time. How do you see this aspect? UB: Time is an important aspect. It doesn't run on a linear path, of course. Looking back there is perhaps logic in this. But when you are in the process, you don't actively know what the next step is. Above all when you are searching for something. You can't assess this. Just as little as you can assess how long it will take. If someone had asked me how long do you want to examine architecture and art, I would have said it is my life and I'll continually develop it. Suddenly it's no longer interesting because you have completed it. But it's quite difficult to say how long that will take. On the other hand if someone asks me today, »How long did you need for the drawing or the design?,« then I've perhaps worked seven hours on it. But I would say I've worked 20 years and seven hours. Because it plays a part in what has developed. AoA: So it doesn't make sense for a work of art to stand alone at a point in time? UB: I don't think so. – I believe there are milestones where you have learned something fundamental. But I wouldn't say that it stands alone. Especially as it is connected with a person. I experience this with my students. I'm searching more for what there is in the person and what the characteristic features are. If I can crack that, then doors are opened for the students, who then suddenly realize, »It's about me, I can be myself and this is my particular characteristic«. 'I believe that searching for a special characteristic is an important search which makes every single person that which they are. AoA: Finding a position is important for artists. There was a report about the final papers of students of the Dresden Academy of Fine Arts in a local newspaper, and that too much content and not enough courage were in them. Is that your experience too?

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UB: I'm not acquainted with the final papers in Dresden. However I do also observe a movement that you describe as a lot of content. A lot of information. Perhaps there is a lot of science in it. This is a new movement which is clearly relevant and important. Art and artistic work contain a scientific contingent and in this sense they perhaps contain a lot of information to begin with. But I don't believe that this goes against innovation. Suddenly you are no longer searching yourself, like perhaps in the 1960s, but you are establishing the link to scientific work. I believe that this is innovative. I don't know whether this was rightly seen in the report about Dresden. I appreciate internal searching but also the inclusion of external input.

AoA: Not a loss of courage, but simply another trend? UB: Not at all. I believe that courage was the same at all times and, after all, I can look back on a few years, to my teaching activity which I began in 1992. There is one group which just wants to have a profession and that as soon as possible. They simply pursue the goal of obtaining credit points quickly and getting through the Bachelor and Master degree courses as soon as possible. It's quite difficult to intervene here because you need an incredibly large lever to crack this. There has always been this goaloriented group everywhere, and perhaps it has become rather larger due to the Bachelor and Master process and our current economic development. Around seven per cent of school subjects are concerned with art in the broadest sense. Seven per cent of artists, this is such a magic number, make a living from their art. And about seven per cent of first year students, who I have in front of me, are ruthlessly interested. This is my impression and my experience, about seven to ten per cent. AoA: We also talk about ten per cent on the topic of high potentials, top talents and similar interested persons in the economy, even when we know that around seven per cent in Germany do not get a school-leaving qualification. UB: That's extremely interesting. We can see that already in the first term. But of course this doesn't mean that one or another can't find a very good place in professional society, because it is not only innovators and inventors that we need. We also need shapers to creatively transform the material available. Another figure I invented was the wolpertinger, accentuated by its environment and strong in the social area. We all need these. AoA: The aspect of artistic attitude is very important. Are the seven per cent you spoke of also the people who possess this artistic attitude?

THE ARTISTIC ATTITUDE

UB: Yes. At the end of their training.

AoA: How does this attitude manifest itself to you? What does this attitude consist of? UB: There is, of course, an artistic attitude, and also a scientific attitude. This manifests itself to me in the way that it has become like a skin. A skin has to grow. It's almost like a biological process. You can't remove a skin without damaging it and you can't put it on like a dress. This belongs to an attitude, and an attitude needs, of course, a certain process, a certain time and, of course, a strong will and constancy. Once you have an attitude, then you can easily apply this to other areas. This means that, with an artistic attitude, you can not only paint pictures, but also conduct processes in totally different fields. You can also go into science with this, into economics, everywhere. However, if it is not an attitude but a result or products, then they remain singular. Perhaps I should also say about this that this artistic attitude, in a certain sense, is synergistically contradictory to scientific thinking and activity. Artistic thinking and activity lead to an attitude which, at best, make thinking and activity options possible, and they in turn produce material or immaterial results. Scientific and artistic approaches are like oil and water. It's my opinion that they should not be mixed. If you mix colours, for example, you get grey. This doesn't look good. If you mix together all of the bright colours you have – as in shown by Goethe's colour circle – you will always get grey. Just imagine, no matter which colours you mix together, you will always get grey. Different shades of grey, but still grey. And I believe that the approaches we have in economics, art or in science should not be a grey area. They should be oscillating, bright areas which are not mixed together like in impressionism, but which stand alone next to each other and perhaps result in one colour when viewed from a distance, but unmixed and next to each other at close quarters. I believe we shouldn't apply a set theory here. We are quick to draw two circles which overlap in the middle to obtain the wonderful mix of art and economics. This is not true in my opinion because this mixing only gives you a common denominator and this, you know, is the lowest, the lowest common denominator. AoA: That means that, to maintain such pointillism, we have to keep the areas separate from each other. Does that relate to the attitude or the activity or both?

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UB: In my view the approaches in the processes should remain separate. There is a logical, scientific, provable process, the science approach, which is based on justification, falsification and verification. In art there is quite a different approach which relates to curiosity, chance, playfulness, non-linearity, and this is a separate approach. They can combine together in the product but they should remain separate in the processes.

AoA: That reminds me of the overview which you have also repeatedly used in your publications and which contrasts the areas of science and art. If the areas should remain separate, but be combined in the product, can we then maintain that artistic attitude is not applicable to all areas? UB: It seems to me that this artistic thinking is not equally important in all areas. However I would say that it doesn't do any harm to think artistically and thus have the attitude available. It's the same with scientific thinking. It doesn't do any harm to think logically. It's useful to have two or more attitudes available, which you can slip back and forth between, or use one way or another. This is, however, far from being the case. We are unilaterally characterized by all of our training and the artistic attitude falls by the wayside. This is present for about one to ten per cent but definitely no more. In this respect it's my view that artistic thinking, innovative thinking, should be embedded in everyone, in order to be able to use it at the right time. AoA: You have also described this artistic thinking in one of your publications. An attempt to capture this thinking, even though this is difficult. You also described how you can think artistically, but how can you act artistically? UB: Just let me say one thing about artistic thinking. There must not be a misunderstanding so that people think artistic thinking is only to be found among artists. Sometimes you can't find it there at all. But it can often be found in non-artistic areas. This artistic thinking is in the minds of professional artists, and just as much in other creative minds. As you already said I have tried to grasp this, and have said then, that everyone who tries to think above and beyond set boundaries and enter new territories without knowing what lies in store for them, thinks artistically. Who pursue their thoughts even when they cannot be displayed immediately, at least not in a scientific or economic way. Who question patterns and conventions, observe intensely and can think above and beyond their disciplines. People who have doubts and can endure irritations. And also people who want to experience things subjectively and objectively and who consider both to be equally important. People who are able to link knowledge

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and experience, to find their own, non-prescribed positions and are also able, in a certain way, to think freely, to think clearly. Artistic thinking contains all this. When you look at these concepts you can see that art occurs in them not one single time. It doesn't even occur »visually« in them, or is something else that you associate with pictures or sculptures. This means it is the platform or the basis which is actually that which defines thinking artistically. Taking this as the starting point we can either invent a product in the economy, organize a great conference, paint a picture or act artistically in any other way.

AoA: If the points you have named as defining artistic thinking occur in other areas. Is it still necessary for me to concern myself with art by taking up art, or producing art myself in order to learn such a way of thinking, or are there other possibilities? UB: That's an extremely interesting point which you find just as interesting as I do. This is also a central research point. I believe you can also achieve this otherwise than through art. We are doing trials with inventor workshops here. They have nothing to do with art in the proper sense of the word, and nothing at all to do with art products, but more with inventing. Of course art is a good field for having doubts, to learn without fear, to try things out, to work without pressure or the like. Art is really a great field for doing this. But if we can find possibilities to override norms, patterns, role models, prescriptions or standards, how we can avoid prejudices and not yield to pressure or fear or failure – if we can find, introduce, generate such practices or processes, then I believe we can manage without art. You are then in the middle of art, it's just that the results no longer look like pictures. I believe this is something quite crucial. If I take away a picture from an artist, the artistic thinking will remain, and that is the essence that I can apply to other areas if it has become an attitude. If I associate art only with pictures, then I will only have a very small island which I can portray with a few colours, content and thoughts, but I cannot transfer it. I find this transfer possibility exciting. By the way not only in art, but also in science. What if I take words away from scientists? What remains then? There should be some scientific thinking remaining? How will that be realized? We have drawings, sketches, systems, etc. I would also go so far as to ask what if you take money or figures away from the economy? What remains then? Economic thinking. If we take the three essences together, economic thinking without figures, scientific thinking without words and artistic thinking without pictures and objects, if we put these together, then we will get a super essence.

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AoA: The super essence is the meaning of life or the search for truth and knowledge? UB: At the end of the day it's the search for knowledge, in the philosophical sense, which drives us. With increasing knowledge you realize in yourself and in your environment that there are other perspectives. But I find this too general. I've just had grandchildren. When a child is growing up, it gradually discovers a natural ego and then, step by step, its environment. At some time it discovers that when the environment is thriving, he or she is thriving too. Later on the circles become wider and wider as the child discovers that when society is thriving, he is thriving too. These are thoughts which I would consider to be very positive in the economy. If people working with me thrive when I can get them to reach the peak of their abilities, then a lot will come across. Not if I take something away from them or build up competition, but like if, in a jazz band, I encourage the individual with glances, approaches and accompaniment to play a solo before it is passed on to the next one. If we could get that far, then I believe we will have done it. Of course manual skills and that which you have built up belong to this, but letting go and trusting other do too. These processes are not goal-oriented, but are an offer to play, swim, fly and navigate. AoA: Would that be the play instinct as defined by Friedrich Schiller? UB: I would rather quote de Bono than Schiller. Of course the play instinct belongs to this, but there is still more to it than that. It's like igniting, and you always need two to ignite. One to ignite and the other who is ignited. I can't motivate someone to play who doesn't want to play and, of course, trusting and endeavouring to establish such a situation, which gives rise to this, belong to playing. You need places of self-assurance and letting go. AoA: What do you mean by place in this context? UB: I'm not quite so sure there myself, whether we are talking about a space. It's definitely no bad thing to have spaces. But whether these are inner or outer spaces, I don't exactly know. Perhaps I never will know. But I'm working together, for example, with an independent art school for child and youth development. I consider this to be extremely important. These are real places. The [ID]factory is also a real laboratory. I know other institutions too which are real places where you can get together. But there are also intellectual spaces. Our conversation just reminds me of that now. During my first conversation with you I realized that there is such a space. Although connected by telephone you can't speak of a proper space. This

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is then more of an intellectual space. I believe that, to begin with, we need real spaces to generate things such as, for example, the placement of artistic processes next to scientific and economic processes. Google, for example, has understood about creating spaces for its employees, which are really quite different. There are spaces with green dots and swings where you can just hang out, and small acoustic islands which used to be there have been removed and replaced by others. They also have a rule that you can decide what to do yourself for part of the working time. This all takes place on ideal premises. People are attracted magically by this and so there should be more often such fields which facilitate the development of potential and enthusiasm.

AoA: So one characteristic of an artistic attitude is substantially influenced by the environment in which you work? In the light of your statements could we also replace the concept of environment with the concept of an open system? UB: You've said something important there, with open systems. In short, without openness, no innovation. If I visualize this figuratively, that I spread my arms wide to be open, then the spears, spikes and weapons of the others naturally strike extremely central and are possible deadly. Everyone who has tried out such systems has experienced this. There are at least two involved here. Because if there is no agreement, no structure, or someone has been forced into or prescribed an open system, then it can be very difficult. I've also experienced that. It's certain that there must be an agreement a structure which makes navigation possible at all. Musicians can do this well, for example jazz musicians. When they play free jazz and one of them passes the notes on to another until he finds a point where he can take over. You also see this development in the glances. There are therefore tones and glances and then another person takes over. But someone who has no antenna, he doesn't notice that someone is passing the notes on to him, not will he take over voluntarily. The playing is therefore linked to rules. Unfortunately there is also a certain hardening, which often has something to do with a certain age, where it simply becomes very difficult. I don't know if that's your experience too? AoA: As regards age I am rather more sceptical there because throughout my career I have profited from colleagues, no matter how old or experienced they were. I was able to learn from them because they set an example with their attitude which helped me on my way. I find it much more significant how people of all ages at school and in training are led away from art, and that

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incentives are created in professions which tend to limit innovations rather than to encourage them. For many people this development leads to a limited view of things. For some people earlier, for others later. UB: I believe we are working on a large process, which exceeds a lifetime. If we have wandered on the paths of Descartes for 500 years, who separated truth and logic on the one hand and magic on the other hand from one another, then such a paradigm shift will not occur overnight. I've noticed that in working with students there is a certain point beyond which it is very difficult to promote openness. Something existential has to occur for openness to be achieved. Therefore it's my opinion that you should begin with these processes very early. Starting at school. It is really imperative that this happens very early and that we continually try out open processes. Just as we try out goal-oriented work and logic, we must also try out ignorance and illogicalness, but to quite a different extent from today. If you picture to yourself that it really wouldn't take so long if we confront a six-year-old with open processes today, then we will already have this new constellation of switching between free navigation and goal-oriented work ten years later at the end of training. I don't regard ten years as being very long. AoA: So you are also of the opinion that there should be a balance between this free navigation and goal-oriented work. Does that hold for artists as well as for other disciplines? UB: At the moment we have many people who can think in an incredibly logical and precise manner and this is very valuable. Our success in Europe in the last centuries is based on this. And we have people who are very good at navigating freely. It's my wish to combine both in one person, or at least to achieve an awareness and appreciation for others despite personal focus, and to enable excellent cooperation from this insight. AoA: Above all, that you don't oppose the other person? UB: That's right. It would be sufficient if you accepted it. You don't have to do it yourself, but have to accept it and namely on an equal footing. Therefore it's my opinion that a 50/50 concept makes sense in training. 50 per cent applying to goal-oriented scientific work as before, and 50 percent for navigating in an open system. That's my suggestion for optimal training. AoA: How does pull develop then in an open system?

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UB: Basically, pull develops in love when a man gets to know a woman or vice versa; a pull of attraction develops and if you could transfer this to processes in open systems, I would consider this optimal. Therefore it's worthwhile to think about what attraction is and where it comes from, and also where enthusiasm comes from. It's really a matter of literally igniting the spirit. When enthusiasm emerges, then a pull develops. This pull doesn't actually emerge when you sit down together with document files just for a coffee, but often in a domain of encounters, conversations, experiences and happiness. Pull develops when you make music together. But you can also talk to each other in a creative manner. The environment has to feel right here. Therefore I'll repeat once again: I'm in favour of creating places, domains which enable you to interact with each other in an atmosphere of trust.

AoA: If we create these spaces, is it conceivable that people, who have already finished their training, will be able to find their way around such open situations and systems? UB: I think that a lot is submerged. Submerged by some circumstances or other, training and by day-to-day actions. If we open up possibilities to uncover that which is submerged, then quite astounding changes will even be possible for adults, for example through exciting processes in an open system, which are sometimes exhilarating, have a euphoric effect and generate enthusiasm. This can happen then very quickly. We've been researching this since 2003. AoA: I agree with your assessment and was able to observe this, for example, when design thinking was introduced into a large organization and what enthusiasm was unleashed in many people. UB: If we can now embed this enthusiasm, then we'll have done it. AoA: From attitude to activity. How can you act artistically? UB: Artistic activity cannot be separated absolutely from artistic thinking, therefore we will probably always keep coming back to this. How do you act artistically? Let's take the example of my students. Artistic activity means that I can take some action without knowing where it is going to lead me. I'm confident that I could also be on the wrong track. Artistic activity doesn't mean scientific activity, that I think about something, analyse it, aim for a result and then implement this. It doesn't mean that. With artistic activity the product is born at the same time as the process. Therefore there is no linear way, but a complexity of wrong tracks com-

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peting with each other and contributory streams which are in dispute with one another. It's similar to the internet. At some time I produce something where not logic, but my feelings tell me, »That's it.« You can't actually even say what it is that you are going to produce. But when it is in front of you, you know it immediately. Then you say, »Yes, that's it.« This is the very special thing about artistic activity. There is curiosity as a starting point, you need courage but there's no such thing as failure, but only interim products on the way to a »work of art.« It could also be that you don't get a result. Picasso demonstrated this in a very outstanding way in a film by Henri-Georges Clouzot, namely that you sometimes have to, or be able to tear something up. I would consider all of these processes to be artistic activity.

AoA: I'll throw a few concepts at you now which we've frequently come across up to now. Doubts and the artistic crisis. What is your opinion on this? UB: I can do rather do something with the word »doubts.« A crisis, to quote Schumpeter, is firstly a form of creative destruction. These doubts about what is, about the norm, the pattern are important but uncomfortable. But first of all I have to know that I am in a pattern. I have to realize that there is a pattern and to be able to question this notwithstanding. This is only possible if I have balance somewhere, self awareness, a place of support or just a space where I can get support. Otherwise I will probably really drift into a crisis. AoA: The place of support is then part of the attitude? UB: When I've got to the point that I've found an attitude, then that is my place of support. Then I am, so to say, self-supporting. But if I haven't yet found my attitude, then I need protected spaces available where I can get orientation and confidence and subsequently assurance. AoA: I get the idea that intellectual space could also include the artists who were on earth before us? UB: Yes. AoA: Picasso: »Good artists copy, great artists steal?« Find your own position by comparing and expanding that which was? UB: Yes, precisely. AoA: How do you see the role of criticism which can go from being unfriendly to painful candour?

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UB: It's easier to go with the flow than to constantly be the target of criticism. Perhaps there's another word for this. I'm talking about the development of potential. Such processes can hurt, but are unquestionably necessary. This is also how it is handled in the academies. You have a position and defend this in an area under critical eyes. The critical questions posed serve the purpose that you can stand up for yourself in a world that is not only friendly to you. The artistic world is definitely not only simple. It also serves to examine whether your own arguments are sufficient for the position which you have just worked out. If they are not sufficient then that will lead to new concerns of the person concerned who will then certainly – and this must be translated as positive – get a new chance to sharpen the position. This is a very critical moment which can be successful when confidence is there. But this doesn't always happen without damage, and you're not always successful in doing it yourself. That is clear. Those who develop potential should take a lot of time here to find out how the criticism was expressed exactly, but not generate any sustainable frustration.

AoA: Do not cause damage to others but everyone should continue to develop further together? UB: I don't wish to be romantic here. The art scene is ultimately an economic scene. The art market doesn't have much to do with artistic thinking. It's simply market, market activity and marketing. Everyone does just as he or she pleases and there is a great deal of competition. You can't see that as being romantic at all, and it's a cutthroat business. But even there it's been realized that you can't always make progress with this approach. There are a large number of groups of artists who mutually support one another. There are interdisciplinary conferences which do not set up barriers against one another, but where they attempt to work together with one another. The Falling Walls conference in Berlin, for example, in which many disciplines work together. I would not like to mix the art market and art marketing with artistic thinking. That would require a lot of backbone. AoA: In the economy a lot is spoken about vision, mission, values and so on. We at Age of Artists believe in a future in which organizations pursue as their objectives things like sustainability, social responsibility and innovative strength on an equal footing with profit. To achieve this the persons acting must be very free, due to the variety of objectives when shaping the processes. Artistic processes could develop in this way. This development would lead to different visions, missions and values. Is there an equivalent to this in art?

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UB: Artistic processes seem to have an incredible value for those who do these because everyone who works artistically knows that only seven per cent of them can live from this. But that doesn't stop them from doing so at the limit of economic feasibility, sometimes for their whole life. This way of living seems therefore to possess incredible value. Otherwise there wouldn't be so many of them. Otherwise many more of them would cease to do so. These are, so to say, the ideal workers. They work twelve hours a day for a minimum wage. This is the way it is, apart from the cases who can really earn money. It would be worthwhile to establish for once what the great value of this is then. I think that the value of this is, that I can also deal with myself in the reflection of my environment. I can, so to say, develop a very personal statement. This is definitely important. This leads first of all to a position. A position is defined for me by a magic triangle. This means that there are three things here. These are the person concerned, the environment and the idea. And these three things are inseparable for me. They are very important in order to pursue that which you perhaps call vision, but I call idea, and to consolidate it. The consolidation of the idea, the own person, what you consider to be valuable on the way to where you want to get. How can this be realized in my environment and what lies ahead of me? These are the three points which consolidate together into one position and at the same time, a long distance which is pursued in art.

AoA: If I picture this as three circles which overlap with one another, then a small space emerges in the middle. Is this the position which emerges at the interface of person, environment and idea? UB: No. I don't see it like that. That's set theory for me and that no longer applies. I know what you mean and that's even how we always draw it. I don't believe that it is an interface. It's another space, another level. If I take your image then I would assume a higher level where the idea, the vision is, and then there would be the relationship points to those three other important things I've named. The image with the overlapping areas, that's all grey to me. Therefore we should go upwards and form a sort of pyramid. There's a model by Werner Preißing which I use. He calls it the »Spindelhub« (spindle stroke). It's a three-dimensional field which positions the idea at the tip of the pyramid and there is a circle on the material, formal and organizational area below where different factors can gather. The factors in this case are, of course, environment, persons and so on. There are other pyramids in the surrounding area which are attached to it. In this way you can move up and down infinitely. But at the end it's important that each single factor of this interaction is ultimately

THE ARTISTIC ATTITUDE

connected with the overriding idea in some way. I believe it's imperative that it follows an idea.

AoA: I think we're actually talking about synonyms, for example vision and idea. UB: What is interesting is that I am working with a visual system like Spindelhub, which comes from management, in art. Werner Preißing developed this from his research into company issues. I've projected this onto art and it fits absolutely. My students are great at handing the spindle and it helps them not to become linear, i. e. not to implement the first idea immediately. I find it a great misfortune if the first idea is implemented immediately where you don’t really need a lot of time to produce a second, third, fifth, tenth idea. Possibly after the tenth or even the twentieth idea, because only when you're tired and have discarded the first layer of ideas, then the right ones come along. How long does that take? An hour, perhaps two. Then we can say for sure, »Aha, now I've been through everything there is as an alternative.« and perhaps go back to the first idea, but perhaps also on to another one. In my opinion the method of alternative factor fields to gather ideas is really important and doesn't just stop at mind mapping. I'm no friend of mind mapping. It's so one-dimensional and separates the fields and factors from each other. Those from Potsdam are clearly further on with their design thinking that we have developed further into non-artistic fields with artistic thinking. AoA: What are your wishes for the future at the interface of art, science and economics? UB: When we look each other in the eyes today, everyone usually knows what scientific thinking means. Everyone knows what that is. But if I talk about artistic thinking then first of all there is an aversion or many people reject it, and secondly no one knows what it is. We really have to do more work on this point so that we can get to the stage where we can talk to each other on an equal footing and that a community of people allows us to say that now we are thinking scientifically and now thinking artistically. What actually moves and drives me is that artistic thinking and activity will be established in equal measure alongside scientific thinking and activity and on an equal footing. The issue is not that creativity disappears in some slot or other of some science or other, because scientists and artists today are naturally already creative, but this is of no use to us here. We can't make progress if we use old words like creativity because that which we wish to describe is not an attribute but a whole way: scientific

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thinking and artistic thinking. The brain doesn't care about this at all. It neither thinks in an artistic way nor in a scientific way. It just thinks. It's more a question of an agreement we have in society. The agreements we made in the past led to certain rules and patterns, namely how I can, and should, think scientifically. I've been doing this for decades and at some stage highways have formed in my brain, which also functions like this. And on the other hand there is artistic thinking. No highways form here, at the most a highway network, but on the other hand there are fears that we could behave like a child, there are team problems, there are challenges which are difficult to address. When we then begin to talk about creativity too, then it's all over because no one sees the necessity to continue researching. Because we are creative anyway and we have the rather oldfashioned creative workshops. That summarizes apparently everything. Therefore it's really important to me to call this something different conceptually and to proceed from the Grundgesetz (Basic Law). Art and science are placed side by side in the Grundgesetz. By the way, it says, »Art and science are free.« We concentrate on this »free« the whole time. But we should concentrate on the fact that the legislators, the creators of the Grundgesetz, have separated art and science from one another because they are apparently incompatible and because we apparently have the same value in one as in the other, otherwise they would not have been placed on equal terms. Although there are, at the most, ten per cent artists and 90 per cent scientists, the concepts are placed on equal terms. At this point we still have resources which are undiscovered and which are apparently being tested, searched for, explored and elaborated in a very great movement across all disciplines. This is an incredibly exciting area for me, just like speaking to you today since you come from the field of economics. And we're talking about such a topic. That would have been impossible 20 years ago. I think that's great.

AoA: Because we from the field of economics recognize that the established values, structures and processes are no longer sufficient to shape the future successfully. On looking for solutions over and above the concepts of creativity and innovation we are in the process of identifying transferable patterns, although art doesn't seem to allow any clear formation of patterns. And yet there is something there. UB: It's that what I call the liquid matrix of possibility. We are trying to find a transferable pattern for something which allows no norm. That was defined really well. Such a liquid matrix of possibility is constantly moving. It is a matrix but it is liquid and, in this respect, it cannot be exactly located,

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and is not quite tangible. It's a matter of possibilities. I find this is a lovely image for a dynamic pattern, which looks rather different from set theory, or mind mapping or other linear systems.

Abb. 1: Werner Preißing: Systemskizze Positionierung

The interview was conducted by Dirk Dobiéy (Age of Artists, AoA) on 18 August 2014 by telephone after an introductory conversation on 21 July 2014. Professor Ursula Bertram was in Mainz, Dirk Dobiéy in Meissen near Dresden. This text is licenced under Creative Commons BY-NC-SA 4.0 (creative commons.org).

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Ursula Bertram

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Installation in den Konversionsliegenschaften des ehemaligen Cruise-­­Missile-Gelände 9 Glasstehlen mit Porträts von 3 deutschen, 3 russischen und 3 amerikanischen Familien In Kooperation mit dem Innenministerium Rheinland-Pfalz, den Landschaftsarchitekten Bierbaum und Aichele, dem Fotograf Christian Kain, dem Filmemacher Alfred Engler und dem Musiker Werner Preißing.

Das Projekt bringt Menschen der Nationen zusammen, deren Schicksal zur Zeit des Kalten Krieges mit dem Ort des ehemaligen amerikanischen Stützpunktes OBEROLMERWALD verwoben war. Nach dem Zufallsprinzip wählt Ursula Bertram aus militärischen Landkarten Häuser in Russland, in den USA und in Deutschland aus. Die Reise im Jahr 2001 führt sie zweimal nach Sibirien, einmal in die Nähe von Moskau, nach Kalifornien, Kansas und Kentucky, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Insgesamt legt sie mit einem Fotografen, einem Kameramann und einem Gitarristen 15.000 Kilometer zurück. Fotos und Videoaufnahmen dokumentieren den Projektablauf und die ungewöhnlichen Begegnungen mit den Familien.

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Es hätte jeden treffen können. Der Fotoanschlag galt irgendwelchen Häusern, die per Zufall auf Militärlandkarten ermittelt wurden. Das Zufallsprinzip entschied zunächst in zunehmender Fokussierung über die Region, dann den Ort und schließlich ein einzelnes Haus. Getroffen wurden Nishnij Nowgorod bei Moskau, Irkutsk und Angarsk in Sibirien, Reedley/Kalifornien, Hickory/Kentucky, Meade/Kansas, Holzkirchen in Bayern, Paderborn in Nordrhein-Westfalen und Mühlhausen in Thüringen.

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Alexander, Valentina und Katija tanzen in Russland; Breda, Curtis und Francesco in den USA; Karin, Thomas und Ulla in Deutschland. Wer repräsentiert ein Land? Was macht den Unterschied von Krieg und Frieden aus, Supermacht oder Looser, bedeutend oder unbedeutend. Ein Konversionsprojekt zum Ende des Kalten Krieges in Kooperation mit dem Innenministerium Rheinland-Pfalz.

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Pam sammelt Kristallglocken, seit Curtis ihr anlässlich seiner ersten Liebeserklärung eine Glocke schenkte, die eine rote Rose trug. Pams größter Wunsch ist ein Kind von Curtis. Sie leben mit zwei Hunden in Hickory, einem Ort mit 100 Einwohnern und drei Kirchen, im Bundesstaat Kentucky, USA.

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NAVIGIEREN IM OFFENEN SYSTEM*

* Publiziert in: Bertram/Preißing 2007, S. 41.

NAVIGIEREN IM OFFENEN SYSTEM

Wir haben alle in der Schule gelernt, was geschlossene Systeme sind. Die Mathematikaufgabe 1 + 1 = 2 ist richtig gelöst. Jede andere Lösung ist falsch. (Das duale Zahlensystem lernen wir erst später, bei dem 1 + 1 = 10 ist.) Paris liegt nicht am Ganges, sondern an der Seine. Die Schlacht bei Issos war im Jahre 333 v. Chr. Unauslöschlich haben sich solche eminent wichtigen Essentials in unser Gedächtnis eingeprägt. Ein Kennzeichen geschlossener Systeme ist u.a., dass es »richtig« und »falsch« und somit eindeutig identifizierbare Fehler gibt. Gesellschaftliche Systeme haben Konventionen, Tabus, Gesetze im Sinne geschlossener Systeme. Geschlossene Systeme bieten dabei Sicherheit und Ruhe. Man ist ein Glied der (geschlossenen) Gesellschaft. Geschlossene Systeme sind so allgegenwärtig, dass sich damit eine ganze Lebensphilosophie verbinden kann. Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen bedeutet einen Angriff auf das System. Geschlossene Systeme bieten Sicherheit, sind aber grundsätzlich wachstumsfeindlich. Offene Systeme dagegen ermöglichen Wachstum, beinhalten aber auch Risiken. Wer als Unternehmer oder verantwortliche Führungskraft eine wichtige Entscheidung über die Zukunft seines Unternehmens treffen muss, weiß, was es heißt, im offenen System zu navigieren. Ist es richtig, eine Niederlassung in China zu gründen oder falsch? Zur Abwägung von Chancen und Risiken werden Unmengen von Daten systematisch erhoben, Potentiale eingeschätzt und mögliche Gewinnmargen kalkuliert, letztlich mit der geheimen Sehnsucht, aus dieser Operation ein geschlossenes System zu machen. Das geht aber nicht. Das System bleibt offen. Politische Einflüsse können gravierende Folgen haben. Unvorhersehbare Konkurrenz tummelt sich im gleichen Markt. Die für den Auslandseinsatz vorgesehenen Mitarbeiter wollen plötzlich nicht mehr in die Fremde. Deswegen aber nichts zu unternehmen ist falsch, denn absolute Sicherheit gibt es nicht, jedenfalls nicht im offenen System. Also steht schlussendlich nach sorgfältiger Prüfung aller Eventualitäten der Entscheider allein da.

Wie entscheidet er? Antwort: einsam!

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Nicht nur bei ganz großen strategischen Schachzügen, sondern auch bei der täglichen Arbeit müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Hier besteht der fatale Hang, u.a. auch aus Zeitgründen, im vermeintlich sicheren geschlossenen System zu bleiben. Eine Vielzahl solcher »kleineren« Entscheidungen im sicheren Bereich verfestigt jedoch die Geschlossenheit des Systems und reduziert die Entwicklung neuer Perspektiven des Unternehmens. Wer sich als Unternehmer oder Führungskraft die Notwendigkeit des Navigierens im offenen System bewusst gemacht hat, lernt, sich entsprechender Methoden zu bedienen und wird auch kleinere Entscheidungen bewusster und souveräner treffen können. Es gibt einen Berufszweig, der sich auf das Navigieren im offenen System spezialisiert hat wie kein anderer, für den sich das Arbeiten in geschlossenen Systemen sozusagen per Definition geradezu ausschließt, der Methoden und Überlebensstrategien entwickelt hat, weitgehend ohne diese selbst zu reflektieren, der Produkte in die Welt setzt mit hochattraktiver Ausstrahlung: Es ist der Berufszweig der Künstler, genauer gesagt, guter Künstler. Von wem könnte man also das Navigieren im offenen System besser lernen? Allerdings ist wohl kaum ein Unternehmer bislang auf die Idee gekommen, ausgerechnet bei einem Künstler zuzuschauen, wie sein Kunstwerk entsteht, abgesehen davon, dass wohl kaum ein Künstler auf die Idee kommen würde, einen Unternehmer bei diesem Prozess zuschauen zu lassen. Vermutlich würde sich das wohl auch ausschließen. Somit bleiben die Elemente dieses Prozesses in der Regel im Dunkeln. »Navigieren im offenen System« bedeutet, künstlerische Prozesse offen zu legen und erfahrbar zu machen, um dann die Elemente dieser Prozesse auf die Unternehmensführung zu übertragen. Der Extrakt des künstlerischen Prozesses wirkt wie eine Infusion und setzt ungeahnte Potentiale frei.

Zum Transfer dienen non-lineare Methoden wie: - Faktorenfeldmethode - Kleeblattmodell - Systemvisualisierung

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Abb. 1: Werner Preißing: Faktorenfeldmethode

Abb. 2: Ursula Bertram: Kleeblatt-Modell

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Künstlerische Prozesse werden in praktischen Übungen transparent, die Systemvisualisierung zeigt Methoden zum Transfer in die Unternehmensrealität. Spielerisch wegzudenken, zu experimentieren und sich selbst innerhalb dieses offenen Prozesses neu oder besser zu positionieren, sind Komponenten des Repertoires. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, eine Unternehmung als offenes System und nicht als geschlossenes Regelwerk zu begreifen. Die Erfahrung zeigt, dass eine elementare Umgebung wie in den Seminaren am äußersten Ende der Bretagne, im Finistère, dabei einen eigenartigen, besonders positiven Einfluss hat. Die elementare Natur tut das ihre, um elementare Gedanken zu fassen.1

1 | Dieser Text stammt wahrscheinlich aus der Feder von Werner Preißing. Durch die enge Verzahnung der Forschung erscheint den Autoren die Zuordnung manchmal nicht möglich und auch gänzlich unnötig.Die hier im Buch erscheinenden Denkskizzen sind nur ein kleiner Teil der visuellen Diskurse, die im Buch von Werner Preißing (Visual Thinking. Probleme lösen mit der Faktorenfeldmethode. München: Rudolf-Haufe 2008) ausführlicher behandelt werden.

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Abb. 3: Ursula Bertram: Der Ort der Entwicklung

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Ursula Bertram

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Fotografien und eine Ausstellungsperformance im Museum am Ostwall, Dortmund, 2004 Kuratorin: Dr. Rosemarie E. Pahlke, Dortmund 10 Schwarzstrickerinnen, 1 Lohnbüro, 10 weiße Stühle, 10 Wollcontainer, 10 Zeituhren, 900 Meter farbige Wolle

In einfacher Stricktechnik wird der Strickliesel ein Wollfaden um ihre auf dem Kopf befindliche Krone gewickelt. Dieser Faden tritt schließlich unter dem Rock der Strickliesel als ein nicht enden wollender Wollschlauch wieder hervor. Ursula Bertram hat diesen wundersamen Produktionsprozess einer Kopfgeburt in fotografische Selbstbildnisse übertragen. Wie eine vergessene Nabelschnur kommt unter ihrem Rock und zwischen ihren Beinen ein Strickschlauch hervor, der als Metapher für die Schaffung einer künstlerischen Welt gesehen werden kann.1 1 | Marina Schuster, Kunstpalast Düsseldorf, in: Ursula Bertram, Zeitarbeit. München: Salon 2004.

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Bertrams Produktions-Performance hinterfragt auf subtile Weise die soziopolitischen Dimensionen sowohl der Wirtschafts- als auch der Kunstwelt. Mit dem visuellen Erlebnis, bzw. der Möglichkeit des praktischen Miterlebens einer Wertschöpfung, wird Kunst für den Besucher wie auch für den Mitwirkenden als Ergebnis von Arbeit sichtbar gemacht. Ursula Bertram ex­trahiert in der von ihr konzipierten Performance die strukturellen Faktoren von Arbeitsprozessen der Wirtschaftswelt – zum Beispiel Produktionsablauf und Zeittakt, Konzentration und Monotonie, Kooperation und Engagement – in eine künstlerische Parallelwelt. Sie konstruiert eine spezifische Arbeitssituation, hat 6 Strickerinnen engagiert, die über einen Zeitraum von 11 Tagen schwarze Wolle verstricken werden. Sie hat zudem einen Controller engagiert, der dafür zu sorgen hat, dass die Wollzufuhr für die Strickliesel ununterbrochen läuft und das Lohnbüro betreut ist. Aushänge werben für die Zeitarbeit im Low-Budget-Bereich. Gezahlt werden 5,- Euro im 60-Minuten-Takt einer tickenden Zeituhr am Arbeitsplatz.

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EIN MUSTER FÜR DIE ZUKUNFT Künstlerisches Denken in außerkünstlerischen Feldern*

* Publiziert in: Bertram 2012.

EIN MUSTER FÜR DIE ZUKUNFT

Wer hat das nicht als Kind gemacht: mit Zitronensaft auf Papier geheime Botschaften geschrieben, die nur durch die Flamme einer Kerze zu entschlüsseln waren? Für Erwachsenenaugen unlesbar, unsichtbar, eine geschützte Sprache nur für Kinder. So dachten wir als Kinder zumindest, da wir uns schwerlich vorstellen konnten, dass die Erwachsenen auch mal Kinder waren und unsere Geheimschrift bereits von Generation zu Generation weitergegeben und immer wieder begeistert ausprobiert wurde. Und nun dürfen Erwachsene das auch oder wieder tun in der Kunsthalle in Emden bei einem Projekt mit dem Namen »WTFT-11/1«.1 Ist das nicht albern? Schreiben in einem weißen Raum, ohne dass es erkennbar ist. Nur einmal am Tag wird das Schwarzlicht eingeschaltet und dann werden Gedanken sichtbar, heute durch Fluor, früher durch Zitrone. Keiner kann sehen, was der Stift macht, es bleibt unsichtbar. Ich schreibe also an die Wand. Es hat etwas Archaisches, aber auch ungewohnt Unkontrolliertes und Unkontrollierbares, weil ich selbst nicht sehen kann, ob ich die Gedankenspuren eines anderen kreuze. Ich muss mir das aber auch nicht überlegen, denn ich könnte – selbst wenn ich suchte – keine Regeln und Vorgaben entdecken. Also bleibe ich Anarchist, Erfinder und Kind. Und während das dort ganz viele Museumsbesucher so machen und immer weitere unsichtbare Zeichen in dem weißen Raum sprießen, passiert zeitgleich etwas wirklich Unerwartetes: Die Kunst wächst aus dem Museum hinaus mitten ins Leben. Und das ist das eigentliche Geheimnis, das zunächst oder vielleicht auch für immer unsichtbar bleibt. Während ich mich an den Fluorzeichen aufhalte, schreibt mir die Museumspädagogik einen Prozess in den Kopf, genau so hinterhältig wie fantastisch, der nicht durch Schwarzlicht, sondern durch parallele Erfahrung ans Tageslicht kommt, als eine Art »Geheimschrift der Kunstvermittlung«, die zweifelsohne weit über die Zitronenschrift hinausweist. Nein, ich bin kein Alchemist. Ich spreche von der Kunst außerhalb der Kunst, genauer gesagt vom künstlerischen Denken und Handeln in außerkünstlerischen Feldern, wie denen der Wissenschaft und der Wirtschaft. Auch wenn ich befürchte, dass in Emden eine Geheimsprache erfunden wurde, die so geheim ist, dass es vermutlich Jahrzehnte dauert, bis sie 1 | Die partizipatorische Ausstellung »WTFT-11/1« fand bis zum 29. Januar 2012 in Emden in der von Henry und Eske Nannen gegründeten Kunsthalle statt. Mit Fluorstiften konnte frei und beliebig an die Wand geschrieben werden. Einmal am Tag wurden die Inskriptionen durch Schwarzlicht sichtbar. Siehe unter: http:// www.ndr.de/regional/niedersachsen/oldenburg/kunsthalle277.html (Abruf: 01.03.2012).

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erkannt und entschlüsselt wird, schließen sich viele dieser Grenzgänger zusammen zu einer Bewegung, die spürbar macht, dass wir noch nicht alle Potentiale erschöpft haben, um die Veränderungen zu bewirken, die für ein Navigieren in Zukunftsfeldern notwendig sind. Vielleicht bedarf es gar keiner »kreativen Zerstörung«, wie sie der österreichische Ökonom Joseph A. Schumpeter2 vorschlug, um in offenen Systemen zu navigieren.3 Möglicherweise eignen sich vielmehr Konzepte, die sich wie hier auf leisen Sohlen ins Leben einmischen, mit einer enorm indirekten und daher desto effektiveren Komponente. Partizipationen, die wie gute Kunst ein Geheimnis bewahren, teilen sich nicht durch Wissensvermittlung, sondern über Erfahrung mit. Mit der Erkenntnis des Chemikers und Nobelpreisträgers Ilya Prigogine, dass »die Unbestimmtheit das Schlüsselmerkmal natürlicher Phänomene ist«4, hat die Idee des Diffusen längst einen Stellenwert in den Naturwissenschaften gewonnen und sich in den Schriften des Physikers Fritjof Capra fortgesetzt. Die rationale, reduktionistische und lineare Analyse ist einer kontextbezogenen, intuitiven, ganzheitlichen und nicht-linearen Synthese gewichen.5 Arbeiten wie »Fashionloop«6 der Künstlerin Sabine Groß beschäftigen sich mit Ordnungssystemen und so mit dem inhärenten Chaos aller Art, das immer wieder die Subjektivität der Wahrnehmung und der Beurteilung verdeutlicht. Groß ließ Außenstehende an der Auswahl ihrer Kleidung und ihrer Erscheinung partizipieren und versuchte, genau die Ratschläge umzusetzen, die ihr gegeben wurden. Das realisierte Ergebnis ihres neuen Outfits stellte sie dem nächsten Betrachter vor mit der Bitte, einen Rat für Verbesserungen zu geben. Es entstand eine unendliche Reihe von fotografisch festgehaltenen Optimierungsversuchen, die mit jedem neuen Blick eine Variante erfuhr, ohne zu einer Lösung zu kommen. Der Philosoph Vilém Flusser hat Unsicherheiten als Chance begriffen: »Alles, woran man bisher als etwas Wirkliches glaubte und zu dem man

2 | Das Konzept der schöpferischen Zerstörung ist ein Grundmotiv von Schumpeters Werk »Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie«, vgl: Schumpeter, Joseph A.: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. Bern: Francke 1946. 3 | Bertram 2007. 4 | Vgl. Prigogine, Ilya/Stengers, Isabelle: Das Paradox der Zeit. Zeit, Chaos und Quanten. München: Piper 1993, o.S. 5 | Vgl. Capra, Fritjof: Lebensnetz. Ein Verständnis der lebendigen Welt. Bern: Scherz 1996. 6 | »Fashionloop«, Kunsthalle Göppingen 2001, dazu auch der Ausstellungsband: Groß, Sabine: Fashionloop. hrsg. von Goldrausch Künstlerinnenprojekt Frauennetzwerk Berlin e. V., Ausst.-Kat. Kunsthalle Göppingen 2001.

EIN MUSTER FÜR DIE ZUKUNFT

bisher als etwas Realem Vertrauen hatte, hat sich als eine notwendig gewordene, zufällig entstandene Möglichkeit erwiesen […]. Zur Überraschung aller Beteiligten führt dieser Glaubensverlust an die Wirklichkeit nicht in eine dunkle Verzweiflung, als sei uns der Boden unter den Füßen entzogen worden. Sondern es erfasst uns ein Taumel der Befreiung für kreatives, künstlerisches Leben.«7 Das mag für Flusser, Heisenberg, Prigogine, Capra, Bazon Brock und andere innovative Wissenschaftler und Künstler als Lebenskonzept gelten und zudem für einige wenige Unternehmen, darunter die erfolgreichen wie Google und Apple. In den Alltag unseres Bildungs- und Wirtschaftssystems sind dissipative Strukturen und nicht-lineare Systeme jedoch noch nicht eingezogen. Unsicherheiten sind noch immer negativ konnotiert, trotz aller Erkenntnisse, dass instabile oder flexible Systeme zur Selbstorganisation des Lebens gehören. Der Künstler Joseph Beuys beklagte in den 1980er Jahren bereits die »Aufsplitterung des ganzheitlich angelegten Menschen in Spezialisten« und die Atomisierung der Welt in Fachbereiche. Erst langsam gewinnt die Einsicht Boden, dass wir möglicherweise nicht ständig versuchen sollten, das Chaos zu analysieren, zu besiegen und aufzuräumen, sondern lernen sollten, damit umzugehen und eine neue Haltung zur Unsicherheit zu entwickeln, die bei Flusser kreatives, künstlerisches Leben genannt wird, bei Edward de Bono laterales Denken und im Zentrum für Kunsttransfer8 in Dortmund schlicht IDdenken. »Wir kümmern uns um non-lineares Denken«, haben wir in Dortmund auf die Außenfassade unserer Querdenkerfabrik inmitten einer technischen Universität geschrieben, um künstlerische Kompetenz mit anderen zu teilen. Kunst als Lust, ohne Orientierung auszukommen. Angstfrei Worte und Sätze entwickeln, ins Ungewisse schreiben, Fehler zulassen, aus Lust an Strukturen mitwirken, deren Ergebnisse sich erst im gemeinsamen Prozess ergeben, Unsichtbares und Non-lineares als Entwicklungspotential für intuitive Prozesse nutzen, bewusst spielen und unnütz sein, sich fallen lassen und Unerwartetes zulassen, entspannen und so sein, lachen, das Gegenteil von etwas denken, künstlerisch an Wissenschaft herangehen und wissenschaftlich an Kunst, neugierig werden, Begeisterung entfachen, mit Lust arbeiten, Neues erzeugen … Wie klingt das? Und vor allem: Wie geht das? 7 | Vgl. Flusser, Vilém: Das Ende der Tyrannei. In: arch+ 111, 1992, S. 20–25. 8 | www.id-factory.com

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Die Wirtschaft hat großes Interesse an diesen Prozessen, die aus jedem Mitarbeiter einen Überzeugungstäter seiner Aufgabe machen würden, so wie in der Kunst. Das ist also einfach. Je näher man an die Kunst kommt, je näher kommt man an das Profil der Zukunft. Machen wir uns auf den vielversprechenden Weg. Versuchen wir also ganz einfach ein Ziel nonlinear anzugehen. Nur wie das geht, haben wir leider fast vergessen. Nonlinear war in den letzten 500 Jahren nicht gefragt, seit Descartes begann, die Welt mit einem Filter zu versehen, der nur noch objektiv nachvollziehbare Beweisketten zuließ. Erst Mitte des letzten Jahrhunderts hat das Non-lineare in der Chaosforschung einen bescheidenen Platz gefunden. Da dynamische Systeme jedoch sehr schwierig zu berechnen sind, erwiesen sie sich als untauglich für unseren Alltag, der auf ein funktionstüchtiges mechanistisches System kalkulierbarer Fakten setzt, wo die Vernunft vorherrscht. Die Unvernunft durfte in der »Natur« vorkommen, die sich dem Fortschrittsdenken nicht anschloss. Sie zeigt sich beispielsweise in wilden Wolkenformationen, in Wildwasserbächen und Wetterveränderungen, die sich immer noch nicht, beziehungsweise allenfalls für eine banale Zeit von Tagen berechnen lassen. Non-lineare Prozesse zeigen sich auch in der Vielfalt der Gesichter und Gestalten, die unsere Gene produzieren, und überhaupt in allem, was nicht linear zu verstehen, zu kategorisieren, zu ordnen, zu fixieren und zu lernen ist wie künstlerisches Handeln. Nun zeigt sich jedoch das Unbestimmbare plötzlich auch in der Kommunikation, deren festgelegte hierarchische Konventionen nicht mehr funktionieren, seit das Internet alle Möglichkeiten der Partizipation zulässt, auch die der Anonymität. Am Höhepunkt der Unordnung sind wir aktuell gerade angekommen, nachdem die Bienenkönigin unseres Systems sich als unzuverlässig erwiesen hat. Das Banken- und Finanzsystem als Wertegarant ist angeschlagen. Alan Greenspan hat abgeschworen. Und jetzt? Nun reiben sich die Experten aller Disziplinen die Augen und beginnen mit einem System zu hadern, das uns in den vergangenen Jahrhunderten getragen und durchaus großen Fortschritt gebracht hat. Haben wir etwas übersehen? Müde und gefasst schauen wir nach Inseln aus, die andere Überlebensstrategien entwickelt haben und versuchen herauszufinden, nach welchen Mechanismen sie funktionieren und was ihr Geheimnis ist. Managementtheoretiker schauen hinter die Kulissen des Kulturbetriebs und interessieren sich für dessen Organisation und dessen Arbeitsbedingungen. Lange Zeit überwogen in den Wirtschaftsunternehmen Tugenden wie Pünktlichkeit, Sparsamkeit, Gehorsam et cetera, die langsam aber stetig durch künstlerische Kompetenzen beziehungsweise individuelle

EIN MUSTER FÜR DIE ZUKUNFT

Talente wie Kreativität, Spontanität, Improvisationsvermögen abgelöst werden.9 Zudem hat eine weltweit angelegte Untersuchung von Prof. Dr. Anne Bamford10 bezüglich der Grundlagen für die Innovationsentwicklung bei Heranwachsenden ein erstaunliches Ergebnis hervorgebracht: Die Innovationsqualität steigt mit der Partizipation an Kunst und Kultur. Und nun wird diese Insellage Kunst nicht nur als gesellschaftsfähig, sondern vielleicht sogar als betriebsfähig in Augenschein genommen. Eine unverbrauchte Ressource für anderes Handeln, deren unkonventionelle Zugangsweisen eine Art Muster für unkontrollierbare Vorgänge hervorgebracht hat. So hofft man jedenfalls. Aber dieses Muster ist schwer zu erkennen, da es sich aus der Antithese von linearer Berechenbarkeit und Logik heraus entwickelt hat, erfahrungsbasiert und in ständiger Wandlung begriffen ist. Und es kommt noch schlimmer: Das Muster der Kunst, das uns Bilder gibt, Bewegung, Tanz, Klänge, Farben und unsere Fantasie entfacht, ist kein Kleid, es ist eine Haut. Es lässt sich nicht einfach ausziehen und weitergeben. Das Muster muss mit der Person wachsen, ganz langsam, Schicht für Schicht. Es existiert nicht als käufliches Produkt, auch nicht in der Verpackung einer Kreativtechnik. Es bedarf eines Prozesses, der eine Haltung hervorbringt. Die Abfallprodukte dieser Haltung erzeugen die Produkte. Wenn man nur die Produkte in den Mittelpunkt der Bemühungen stellt, verflüchtigt sich das Muster. Alle blicken gespannt und neugierig auf ein unsichtbares Muster, das ganz besonders wertvoll erscheint für die Felder außerhalb der Kunst und das verspricht, die Zukunft zu verändern.

9 | Vgl. dazu die Studien von Doris Ruth Eikhoff: http://www.management.stir.ac.uk/ people/stirling-institute-for-socio-management/academic-staff/dr-doris-ruth-eikhof (Abruf: 23.02.2012). 10 | Anne Bamford erstellte 2006 die von der UNESCO beauftragte Studie »Der Wow-Faktor«, die unter anderem feststellt, dass Innovationsfähigkeit extrem erhöht wird durch: Human Capital, Openess, Diversity, Culture environment, Technology, Institutional Environment, and Creative Output. Vgl.: Bamford, Anne: Der Wow-Faktor. Eine weltweite Analyse der Qualität künstlerischer Bildung. Münster u.a.: Waxmann 2010.

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Wie sich non-lineare Muster bilden Um dieses Muster zu entwickeln brauchen wir:





Orte der Selbstvergewisserung, des Loslassens von Regeln, Routinen und Normen, der Ignoranz und des Zweifelns, eine fehlerfreie Zone, einen Raum für ungestrafte Versuche und Irrtum, eine Nische der freien Umsetzung, was immer betrifft und betroffen macht, ein Ermöglichungsfeld für Potentialentwicklung und Begeisterung. Einen Acker zum persönlichen Umpflügen mit einer Freiluftzone für Empörung. Eine Fläche für das Ausprobieren eigener Fähigkeiten, für übersprachliche Kommunikation, für tiefes Schweigen und Ausmustern von Ideenplunder. Einen Raum für Ideen aus der Kinderstube, spielen und So-Sein. Eine Insel der unangefochtenen Sicherheit, auf die ich mich retten kann, wenn ich Orientierung und Liebe brauche. Eine Werkstatt, in der ich selbst denken darf und nicht etwas Bestimmtes rauskommen muss. Einen Ort, an dem ich Vorbilder sichten und wieder wegwerfen darf. Einen Weg, der Probewege erlaubt in Augenhöhe zu anderen Zugangsweisen.

Alle diese Orte führen zum Muster des künstlerischen Denkens und Handelns. Damit ist nicht das Denken gemeint, das zur Kunst führt oder führen muss, sondern vielmehr das Denken und Handeln, das übrig bleibt, wenn ich die Bilder von der Kunst subtrahiere. Es ist eine Zugangsweise, die dem Feld der Kunst entwächst. Sie basiert vor allem auf non-linearen Denk- und Handlungsoptionen, auf dem Umgang mit dem Ungewissen und Unbestimmten, dem Einbezug des Subjektiven, der individuellen Erfahrung und der Begeisterung. Ihre Absicherung findet sich nicht durch Beweise, wie es dem Verfahren in den Naturwissenschaften entspricht, sondern in der Durchsetzungskraft in offenen und unbestimmten Systemen. Das sollten wir dringend üben und diese Orte schon morgen einrichten. Zweifellos ist das der geeignete Boden für die Entwicklung von Kompetenzen, die wir in Zukunft brauchen, um in einem System bestehen zu können, das ständig mutiert, global rotiert und nicht mehr auf Druck,

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sondern auf Sog gepolt ist. Eine Kompetenz, die nicht fachlich gebunden ist. Eine Kunst in außerkünstlerischen Feldern, die in den innovativsten Köpfen von Wissenschaftlern und Ökonomen genauso zu Hause ist wie in den Köpfen guter Künstler. Die Strukturen sind mit dem World Wide Web längst Wirklichkeit geworden, lediglich das Navigieren im offenen System haben wir noch nicht wirklich als notwendig erkannt, geschweige denn gelernt. Der Maler Gerhard Richter11 weiß das. An der Düsseldorfer Akademie hat er einer Studentin innerhalb kürzester Zeit zu einer Haltung und Entscheidungsfähigkeit verholfen, die manche ihr ganzes Leben nicht erreichen. Und dies ganz schlicht mit drei Würfeln, einem roten, einem gelben und einem blauen. Er regte an, die Objekte zu malen. Nach dem ersten Bild veränderte er die Position der Würfel leicht und forderte das nächste Bild ein. Das wiederholte sich solange, bis sie sich endlich weigerte, ihm zu folgen. Sie begann zu malen, was sie wirklich interessierte, und wechselte das Atelier. Auch der Choreograf und Regisseur Nullo Facchini12 weiß es und erachtet Umwege als notwendig und effizient. Seine dänische Tanztheatergruppe war gerade dabei Dantes »Göttliche Komödie« auf dem Gelände der 1990 aufgelassenen Cruise-Missile-Station im Hunsrück/RheinlandPfalz zu entwickeln. Facchini setzte immer auf die Kreativität des Teams und ließ Choreografien von mehreren Tänzern erproben, hier im Nachlass des Kalten Krieges, in den ehemaligen Raketenbunkern, auf dem Übungsgelände und in den großen Hangars, deren graugrüne Leere gespenstig war. An einem Morgen gab er jeweils zwei männlichen Tänzern die Anweisung so zu tanzen, dass sie immer wieder erneut eine einzige Skulptur aus ihren zwei Körpern bildeten. Sie sollten sich in Zeitlupe versetzen. Die abendliche Präsentation fand im technisch anmutenden kargen Hangar statt. Alle drei Teams aus je zwei Männern zeigten ihre Choreografie, jeder in einer anderen Raumecke, jemand spielte Geige. Immer wieder glitten die männlichen Körper langsam aneinander herunter in eine neue Position, in der sie kurz verharrten als untrennbares Ganzes. Das Ergebnis war eindrucksvoll. Was die Tänzer nicht wussten und was sie somit in der Entwicklung der Choreografie nicht behinderte: Es ging um die Hölle der Homosexuellen, bei Dante noch als Missetat angesehen. Die Tänzer arbeiteten ausschließlich und unbelastet am Prozess, 11 | Gerhard Richter (* 9. Februar 1932 in Dresden) ist einer der bekanntesten deutschen Maler. Er war von 1971 bis 1993 Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. 12 | Nullo Facchini, Ursula Bertram: »Dantes Göttliche Komödie«, Tanztheater im Raketengelände in HahnHasselbach, 1990.

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nicht aber am unmittelbaren Ziel einer visuellen »Übersetzung« oder gar der Illustration von Homosexualität. Der Choreograf Facchini hat damit jegliche Musterbildung und Klischees eliminiert. Diese Vorgehensweise lässt sich übertragen auf alle Prozesse, die Innovationen erforderlich machen, und begreift sich als eine non-lineare Methode. Und die zeitgenössische Wissenschaft weiß es auch. Prof. Dr. Hans Peter Dürr erklärt die Unordnung als das Normale und weist darauf hin, dass die Instabilität ein Moment der höchsten Sensibilität ist. Der ehemalige Mitarbeiter von Werner Heisenberg und Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik wirft der modernen Naturwissenschaft Fundamentalismus vor, die einer westlichen »wissenschaftlich-technisch-wirtschaftlichen Ideologie« folgt und andere Sichtweisen vernachlässigt. Er benutzt als Beispiel das Bild einer Schallplatte, bei der die Musik in Rillen verpresst ist. Sucht man den Sopran, wird man diesen nicht finden, indem man die Rille mit einem Vergrößerungsglas untersucht. »Der Sopran mit seinen vielfältigen Klangfarben ist nämlich in der Gestalt der Rille verborgen, in einer Beziehungsstruktur verschlüsselt.« Er nennt diese Sichtweisen »poetisch«. Im Gegensatz zur »Schärfe« des Blicks auf isolierte Details richtet sich die »poetische Betrachtung« auf die Beziehungsstruktur. Wer dafür keinen Sinn entwickeln kann, verhält sich wie ein »Analphabet«, der zum Beispiel ein Gedicht von Goethe nicht lesen und schon gar nicht verstehen kann und stattdessen stolz darauf ist, die Buchstaben des Gedichtes ihren Formen nach zu ordnen und auf diese Weise eine übersichtliche Struktur zu schaffen.13

Abb. 1 -2: Ursus Wehrli: »Beethovens ›für Elise‹ aufräumen«

13 | Vgl. Dürr, Hans-Peter: Das Lebende lebendiger werden lassen. München: oekom 2011; Wehowsky, Stephan: Die lebendige Welt eines Physikers (Buchbesprechung). In: Journal 21, vom 05.11.2011, http://www. journal21.ch/die-lebendige-welt-eines-physikers (Abruf: 05.08.2012).

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Der Schweizer Künstler Ursus Wehrli verdeutlicht auf seine humorvolle Weise, dass die ordnende Strategie bei künstlerischen Produkten nicht zielführend ist. Der Versuch, non-lineare ganzheitliche Gefüge durch Analyse und Ordnung zu verstehen, generiert zweifelsohne verblüffende Ergebnisse.14 Eine Anzeige im Magazin Brand Eins, bekannt für das andere Denken in wirtschaftlichen Kontexten, lässt darauf schließen, dass das hoffnungsvolle Konzept in unternehmerischen Nischen bereits Eingang findet. Die Annonce hatte folgenden Text: »Wir suchen einen Mitarbeiter. Ihre Fachrichtung ist uns egal. Wir bieten neue Arbeitsfelder für Menschen, die in der Lage sind, eigene Qualitäten zu entdecken, zu fördern, die bewusst selbst handeln und die im Austausch ihre Intelligenz und ihren Einfallsreichtum gemeinsam im Pulk entwickeln und sich mit einer Idee identifizieren können.«15 Trotz der sich etablierenden Ahnung, dass Kunst ein spezifisches Potential besitzt, das unsere wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung weiterbringt, zusätzlich genährt durch das Versagen der bestehenden Systeme, sind die Berührungspunkte von Kunst und Wirtschaft heute immer noch auf einem höchst oberflächlichen, geradezu naiven Niveau. Vielleicht liegt das Missverständnis in der allzu direkten Verdrahtung von Künstlern und Unternehmern, Kunstwerken und Wirtschaftsprodukten, Kunststrategien und Wirtschaftsstrategien, die regelmäßig zum Kurzschluss führen. Kurzatmige Angebote und lineare Kreativtechniken ersetzen keine fundamentale und nachhaltige Verankerung in Aus- und Weiterbildung. Das wirkliche Problem beim Erlernen des künstlerischen Denkens liegt in der bestehenden Standardisierung des Denkens über Lernen und über Kunst und die damit einhergehende Abwehrhaltung. Was »Sinn« macht, wird uns in der schulischen Ausbildung vermittelt und betrifft sicher nicht die beschriebenen non-linearen Übungen. Solange aber künstlerisches Denken in der Schublade der Konventionen oder in der Schublade der Wissenschaften gesucht wird, kommt es nicht zum Educational Turn. Wenn allein diese Schublade Gültigkeit für unsere Bildungsstruktur hat, wird es nicht zur Heranbildung dieses Potentials kommen. Nach Walter Graßkamp gehört künstlerisches Denken zur schönsten und privilegiertesten Form der Arbeit. »Diese Privilegien werden (den Kunstaka14 | Wehrli, Ursus: Die Kunst aufzuräumen. Zürich: Klein & Aber 2010. 15 | Siehe Stellenanzeige, Magazin Brand Eins 3/2001.

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Abb. 3: Werner Preißing: Geschlossene und offene Systeme

demien) aber nicht gewährt, weil der Staat bestimmte Reservate unterhält, in denen Exotisches getan werden soll, sondern weil etwas extrem Schwieriges zu lernen ist«16 – hinzugefügt: und etwas enorm Wertvolles. Künstlerisches Denken entwickelt sich allmählich. Durch das Verlassen des kreativen Paradieses im zarten Alter von sechs Jahren wird das Potential mit Wissensbergen erstmal verschüttet. Künstlerisches Denken bedeutet Abstand nehmen von gewohnten Mustern und Denkklischees. Ich habe festgestellt, dass studierende Erstsemestler voller Elan beginnen, Kunst zu studieren. Es gibt schnelle Erfolge in den Grundkursen, es wird modelliert, geschweißt und gemalt. Die meisten sind sich sicher, dass die ersten mühevollen oder kecken Werke zutiefst Kunst sind. Ab Ende des zweiten bzw. dritten Semesters kommt ein Loch. Sie spüren, dass etwas nicht stimmt, dass es wohl um eine andere Art des Zugangs geht, die ihnen jedoch nicht verständlich ist. In diesem Moment findet eine nachhaltige Verabschiedung von bekannten Mustern statt – meist zunächst ohne sichtbare Alternativen. Das Verlassen fester Räume ist nicht einfach 16 | Grasskamp, Walter: ohne Titel. In: Klasse Olaf Metzel: Küssen und Fahrradfahren. München: Akademie der Bildenden Künste/Martin Luther 1996, S. 9.

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und keinesfalls bequem. Schon gar nicht, wenn Copy-Strategien sich im Sinne der Nachhaltigkeit als nutzlos erweisen und nur noch das Navigieren im offenen System bleibt. Hier hilft ein Ort, der ohne das Handlungskonzept von richtig oder falsch auskommt, an dem persönliche Kompetenzen und Stärken ausgebildet werden. Eine Freiluftzone, um in eigener Verantwortung Erfahrungen zu machen, die nicht durch Wissen generiert werden, sondern die Wissen erzeugen. Ein überfachlicher Ort, der Kreativität zulässt, die auch die Grenzen der Kunst überwindet.

Wozu künstlerisch denken? Wir brauchen die Fähigkeit des künstlerischen Denkens und Handelns als Korrektiv, wie die Logik die Intuition. Es ist der Motor für Innovation, das Gleichgewicht für komplexe Entscheidungen, das Korrektiv für Objektivität, eine Plattform für Probierbewegungen und Erfahrung, ein Labor für Neuentwicklungen und seismografische Zukunftserscheinungen. Ein Exzenter für unentdeckte Perspektiven, ein Kraftfeld für Energien, die nicht nur Produkte, sondern Prozesse und auf Dauer eine Haltung erzeugen. Künstlerisches Denken ist eine Kompetenz, die nicht fachlich gebunden ist, genauso wenig wie wissenschaftliches Denken fachlich gebunden ist. Es geht um eine Kunst in außerkünstlerischen Feldern, die perspektivisch in den Köpfen von Wissenschaftlern und Ökonomen genauso zu Hause ist wie in den Köpfen der Künstler. Eine Option, die einen neuen Umgang mit dem Ungewissen verspricht. Ein Modell für Forschung aus eigenem Antrieb und in eigener Verantwortung nach Zielen, die erst durch deren Erscheinung sichtbar werden, die uns begeistern und jedes Engagement wert sind. Wir brauchen künstlerisches Denken und Handeln als Selbstvergewisserung, als Potentialentwicklung für Erfahrung, als Gärungsprozess eigener Positionierung. Solche Prozesse sind transferierbar auf alle Disziplinen und Organisationsprozesse. Und wir brauchen dies, um Fehlentwicklungen zu vermeiden, Ressourcen und Finanzen zu sparen und um endlich die Organisationsstrukturen in der Wirtschaft und in der Wissenschaftssociety zu kreieren, die Unbestimmtheit und Offenheit implizieren, ohne beliebig zu werden und authentischen Haltungen Wert beimessen.

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Fazit Künstlerisches Denken muss zunächst in Augenhöhe zu wissenschaftlichem Denken erkannt und erprobt werden. Der Prozess, bei dem es zu subjektiver Erfahrung kommt, muss als genauso wichtig angesehen werden wie objektive Wissensanreicherung. Die Empfehlung sind Impulswerkstätten und Erfinderlabore, die die Potentialentwicklung unterstützen durch Aufgaben, die keine Fehler haben können, die non-lineares Denken fördern durch offene Prozesse ohne vorgegebene Lösungen. Die Innovationswerkstätten sollten so früh wie möglich in der Schule verankert und in der Weiterbildung angestoßen werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten sie nicht in den Kunstunterricht integriert werden, sondern ein eigenständiges Erfahrungslabor bilden, an dem verschiedene Disziplinen beteiligt sind. Hierzu bedarf es Vermittler, die nicht das Produkt im Auge haben, sondern den Prozess: Den transferierbaren Prozess, der zu einer Haltung führt und erst von hier aus wieder zum Produkt. Hier müssen wir von den künstlerischen Produkten zum künstlerischen Denken abstrahieren. Es ist sicher für niemanden verkehrt, in seinem Leben ein Porträt modelliert zu haben, aber nur, wenn es nicht zum rezeptiven Selbstläufer wird. Sobald Kreativität in definierten Bahnen, als Dressur und zur Verfestigung der Ästhetik dient, ist sie zum Feind der Kunst geworden, subsumiert Heiner Goebbels. Er plädiert daher für Modellprojekte zeitgenössischer Produktionsweise, die keiner institutionellen Schwerkraft unterliegen, sondern sich als Labor der Zukunft eignen.17 Nichtwissen erproben, Zutrauen zur eigenen Erfahrung gewinnen, zu multiplen Problemlösungen und auf diesem Weg Ballast abwerfen und Freiräume für Neuentwicklungen schaffen, auch an der eigenen Persönlichkeit. »Creativity is not a prisoner of Art« habe ich an die Wand geschrieben in der Kunsthalle Emden mit einem Stift aus Fluor in Geheimschrift, die verhindert, dass wir frontal darauf zugehen können und unser Verstand es sofort in sein dafür vorgesehenes Kästchen packt und ins Archiv verfrachtet. Überlistet! Wir müssen es nicht verstehen, wir müssen es einfach nur leben.

17 | Rede von Heiner Goebbels auf dem »Forum d’Avignon Ruhr« am 09.03.2012.

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»Die Kunst, die moderne Kunst zumal, ist vielleicht der Bereich menschlicher Praxis, der am innovativsten ist.«

Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 12

Ursula Bertram

ZEITARBEIT VII

Dortmunder U Galerie der Hochschuletage Dortmund, 2011/12 4 Monitore, 2 Kartencontainer, Karten, 1 Stuhl, 1 Kamera, Schriftzüge auf den Wänden, 1 Kameramann, Aufsager

Es geht darum, einen Text auswendig aufzusagen, ohne jeglichen Versprecher. Wenn es gelingt, bekommen Menschen ohne Migrationshintergrund 5,- Euro, Menschen mit Migrationshintergrund 6,- Euro. Die Präzisionsfabrik hat feste Produktionszeiten und klare Anweisungen. Jeder Aufsager erhält eine Arbeitsbescheinigung.

ZEITARBEIT VII

Lernen Sie nachfolgenden Text auswendig: »Bin ich ein Kunstwerk oder bin ich ein Mensch? Kann ein Mensch ein Kunstwerk sein? Kann ein Kunstwerk sprechen? Ist Kunst sinnlos? Bin ich jetzt sinnlos? Bin ich nicht sinnlos, wenn ich entlohnt werde? Muss ich mich schämen, ein Künstler zu sein?«

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 12

ZEITARBEIT VII

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OLIVER SCHEYTT

GRUSSWORT

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ANDERS DENKEN – WO GEHT DAS?*

* Publiziert in: Journal für Hochschuldidaktik 1–2, 2012, S. 34–38.

ANDERS DENKEN – WO GEHT DAS?

Andersdenken hat Konjunktur. Wen wundert es? Wenn die Prognosen für die Zukunft eher düster klingen und die erste Phase der strengeren Regeln und Verordnungen, Überprüfungen und Vermauerung der Schutzschilde der Konventionen vorbei ist, verändern sich spätestens dann die Suchbewegungen in bisher unbeachtete Nischen des Denkens und Wahrnehmens. Notstände sind eine durchaus ideale Bedingung für die Entdeckung unverbrauchter Ressourcen. Optimalerweise erfahren in Notständen auch Kulturen von »Andersdenken« Beachtung, wodurch eine Weiterentwicklung stattfinden kann. Allerdings nur dann, wenn bei der Entdeckung von anderen Denkkulturen keine Überreaktion stattfindet. Weder Ignoranz noch die Aufgeregtheit, die das Entdeckte allzu begeistert nach Hause tragen lässt, ist förderlich. Eine übertriebene Integration gleicht dem Raubbau des »Anderen«, wenn dessen Spezifika, Bilder, Worte und Begrifflichkeiten applikativ ins eigene Feld verbaut wird, dadurch subsumiert und restlos absorbiert seine Eigenart verliert. Die aktuelle Organisation der Hochschullehre befördert eher die Anpassung von Lernenden. Unsere Erfahrung in zahlreichen Gesprächen mit Lehrenden und Studierenden zeigt die Ausrichtung aller Beteiligten auf eine möglichst »effiziente« Durchführung des Studiums. Dazu gehört seitens der Studierenden die generelle Vermeidung von »Fehlern« und Widerständen, die »unnötig« Zeit kosten oder die Benotung negativ beeinflussen könnten. Die Studierenden lernen, ihre Arbeit mit Blick auf die Prüfungen an den Erwartungshaltungen der Lehrenden anzupassen, um möglichst effektiv die notwendigen Credit Points zu erwerben. In der extremen Form bedeutet das (und das ist gar nicht mal eine seltene Ausnahme), eigene Meinungen und Ideen zurückzustellen und stattdessen die Positionen von Prüfern wiederzugeben, als verlässlicher Weg zu einer guten Benotung bei geringem Aufwand. Vor dem Hintergrund enger Curricula und vielfältiger weiterer Aufgaben fehlt auch vielen Lehrenden die Zeit oder der Mut, ihren Studierenden einen Ausbruch aus diesem System zu ermöglichen. Andersdenkende stellen insofern eine Gruppe von Studierenden oder auch Dozenten dar, die im Widerspruch zu dieser Form von Lehre und Studium stehen. Zu den Lehrzielen von Universitäten sollte selbstverständlich auch die Fähigkeit gehören, sich im offenen Raum, jenseits sicherer Routinen und Normen, zu bewegen, also auch eigene Wege zu finden, und die damit einhergehenden Unsicherheiten auszuhalten. An dieser Stelle sind wir bei der Frage, welche Orte, Räume und Wege (physisch und im übertragenen Sinn), Andersdenkende brauchen, um das Andersdenken zu wagen und sich nicht in der Anpassung zu verbrauchen. Wie müssten solche

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Orte, Räume und Wege aussehen, und was könnten Universitäten dazu beitragen, diese zur Verfügung zu stellen, damit Andersdenkende sich auch wieder an Hochschulen treffen?1 Andersdenken wagen »Unser System lebt von den Suchbewegungen im Offenen als Teil einer lebendigen Demokratie, [...], Zweifel ist im wissenschaftlichen System kein Systemfehler, sondern Grundlage der Forschung [...]. Wir wissen, dass der klassische Prozess von Forschung mit späterer Anwendung längst nicht mehr Ausschließlichkeit genießt«, war von Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Rede am 4. Juli 2012 vor dem Auditorium der TU Dortmund zu hören.2 Er fügte hinzu, dass er eine Balance der Wissenschaften zwischen Beschleunigung, Ruhe und Muße empfiehlt. Den Keywords zufolge (Suchbewegungen, Navigieren in offenen Systemen, Zweifel, Entkonventionalisierung der Forschung, Entschleunigung) wollte selbst das Staatsoberhaupt die Universität ausdrücklich ermutigen, Andersdenken zu wagen. Der Philosoph Alexander Düttmann3, bekannt durch sein Buch »Derrida und ich«, begründete in seinem Vortrag »What is Thinking«4 auf der ­dOCUMENTA 13, dass »das Ungedachte der Motor des Denkens ist« und somit das Unbestimmbare der Motor des Bestimmbaren. Er führte aus, dass sich dieser Vorgang als sehr anstrengend erweist: »Anstrengend heißt, sich in der angestrengten Offenheit zu bewegen, weil ich nicht sicher bin.« In der Unsicherheit zu bestehen macht erstmal Angst und kostet ungleich mehr Kraft als die Orientierung im Gewohnten. Es muss schon einiges zusammenkommen, damit das Gehirn seine Komfortzone verlässt, der Körper Kräfte dafür bereitstellt und die Vernunft signalisiert, dass sich Umwege lohnen, von denen nicht bekannt ist, ob sie zu einem Ergebnis führen. Ein solches Signal wird nur dann ausgesendet, wenn das Gehirn

1 | Aus einem Dialog mit Dr. Tobias Haertel, Zentrum für Hochschulbildung, TU Dortmund. 2 | Anlässlich der Veranstaltung der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) »Von der Idee zur Erkenntnis«, 04.07.2012. 3 | Professor of Philosophy and Visual Culture an der Goldsmiths University, London. 4 | Alexander Düttmann, »What is Thinking«, Vortrag am 16.07.2012 auf der dOCUMENTA (13) im Ständehaus in Kassel.

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Abb. 1: Werner Preißing: geschlossene und offene Systeme (Bertram/Preißing 2007) Im Augenblick des Übergangs von einem geschlossenen System in ein anderes ergibt sich ein temporär offenes System, eine ungeschützte Position, die Risiken beinhaltet und dementsprechend auch Angst macht.

große Attraktivität wittert. Es sollte die Anziehung haben von einer Insel mit Palmen und Kokosnüssen auf dem blauen Pazifik und der Gewissheit, etwas Unwiderrufliches zu verpassen. Das Verlassen fester Räume ist keinesfalls bequem, weder für den, der diesen Schritt wagt, noch für den, der die Türe öffnet und Schranken abbaut. Es besteht ein großes Missverständnis darin zu glauben, dass es leicht sei, in offene Systeme überzuwechseln, bzw. offene Systeme offen zu halten. Das Loslassen von bewährten Wahrnehmungs- und Denkmustern ist eine der schwierigsten Hürden eines künstlerischen Studiums. Der Hauptanteil der Lehre von Kunst besteht im »Abbauen«, nicht im »Aufbauen«. Das Schwierigste am Kunststudium ist nicht das Produzieren, sondern das Loslassen. Der Ökonom Schumpeter spricht in diesem Zusammenhang von »kreativer Zerstörung«.

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Abb. 2: Kunstmuster

Das andere Muster Kunst Und nun wird diese Insellage Kunst nicht nur als gesellschaftsfähig, sondern vielleicht sogar als betriebsfähig in Augenschein genommen. Eine unverbrauchte Ressource für anderes Handeln, deren unkonventionelle Zugangsweisen eine Art Muster für unkontrollierbare Vorgänge hervorgebracht hat. So hofft man jedenfalls. Aber dieses Muster ist schwer zu erkennen, da es sich aus der Antithese von linearer Berechenbarkeit und Logik heraus entwickelt hat, erfahrungsbasiert und in ständiger Wandlung begriffen ist. Und es kommt noch schlimmer: Das Muster der Kunst, das uns Bilder gibt, Bewegung, Tanz, Klänge, Farben und unsere Fantasie entfacht, ist kein Kleid, es ist eine Haut. Es lässt sich nicht einfach ausziehen und weitergeben. Das Muster muss mit der Person wachsen, ganz langsam, Schicht für Schicht. Es existiert nicht als käufliches Produkt, auch nicht in der Verpackung einer Kreativtechnik. Es bedarf eines Prozesses, der eine Haltung hervorbringt. Die »Abfallprodukte« dieser Haltung erzeugen dann die Produkte. Wenn man nur die Produkte in den Mittelpunkt der Bemühungen stellt, verflüchtigt sich das Muster. Alle blicken gespannt und neugierig auf ein unsichtbares Muster, das ganz besonders wertvoll erscheint für die Felder außerhalb der Kunst und das verspricht, die Zukunft zu verändern.5 5 | Bertram 2012.

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Um dieses Muster zu entwickeln, brauchen wir



Orte der Selbstvergewisserung, des Loslassens von Regeln, Routinen und Normen, der Ignoranz und des Zweifelns, eine fehlerfreie Zone, einen Raum für ungestrafte Versuche und Irrtum, eine Nische der freien Umsetzung, was immer betrifft und betroffen macht, ein Ermöglichungsfeld für Potential- entwicklung und Begeisterung. Einen Acker zum persönlichen Umpflügen mit einer Freiluftzone für Empörung. Eine Fläche für das Ausprobieren eigener Fähigkeiten, für übersprachliche Kommunikation, für tiefes Schweigen und Ausmustern von Ideenplunder. Einen Raum für Ideen aus der Kinderstube, spielen und So-Sein. Eine Insel der unangefochtenen Sicherheit, auf die ich mich retten kann, wenn ich Orientierung und Liebe brauche. Eine Werkstatt, in der ich selbst denken darf und nicht etwas Bestimmtes rauskommen muss. Einen Ort, an dem ich Vorbilder sichten und wieder wegwerfen darf. Einen Weg, der Probewege erlaubt in Augenhöhe zu anderen Zugangsweisen.

Abb. 3: Bileam Kümper und Nora Kühnen, ein Gemeinschaftswerk zwischen Musik und Kunst

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Offene Systeme funktionierten nur mit Sog, nicht mit Druck. Der Intendant der Ruhrtriennale und Komponist Heiner Goebbels plädiert daher für Modellprojekte zeitgenössischer Produktionsweise, die keiner institutionellen Schwerkraft unterliegen, sondern sich als Labor der Zukunft eignen6. Solche Laboratorien können die Innovationsfähigkeit von Hochschulen beflügeln. Da sie nur mit großen Schwierigkeiten flächendeckend zu integrieren sind, sollten es Open Spaces sein. Inseln für neue Muster und Andersdenkende, die interdisziplinär und überfachlich arbeiten, aus Begeisterung, die notwendig ist, um die Komfortzone zu überwinden und in offenen Systemen zu navigieren. Mit der [ID]factory des Zentrums für Kunsttransfers an der TU Dortmund wurde der Versuch unternommen, einen solchen Ort einzurichten in einer Wissensgesellschaft, die bereits erkannt hat, dass wir ohne Freidenker, Andersdenker und Innovatoren mit dem vorhandenen Wissen keine Forschungs- und Entwicklungssprünge machen werden. Forschungsbereich Non-Lineares Denken in der [ID]factory Das Modellprojekt »Zentrum für Kunsttransfer« an der TU Dortmund erforscht seit 2003 im Vorläufer Denkwerkstatt und seit 2007 in der Querdenkerfabrik [ID]factory das non-lineare Denken und Handeln in offenen Systemen. Die [ID]factory ist ein Experimentierfeld für Suchbewegungen und Erprobung von Unsicherheit, ein Reflexionsraum für Utopien, gesellschaftliche Bewegung, bildungspolitische Probehandlungen und partizipatorische Prozesse. Ein Ort als Heterotopie im Sinne Foucaults, mit entsprechend non-linearer Ausrichtung und genügend unprogrammierter Fläche. Ebenso wie ein Museum als alternativer, widerspenstiger Ort verstanden wird, an dem Neues möglich wird, »Anderes« manifestiert werden kann, unterdrücktes Wissen zum Vorschein kommt und Gegenerzählungen ihren Platz finden, verstehen wir die [ID]factory als Zwischenraum von Disziplinen, als Initiationsfeld überfachlicher Impulse und als Ort der Intuition im Sinne einer konstruktiven kreativen Zerstörung (nach Schumpeter), um für Neuland Platz zu schaffen, einen Raum für die kritische Auseinandersetzung mit dem Normativen, und als Platz für »trial and error«. 6 | Bertram 2012.

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Wie sieht die Theorie in der Praxis aus? Kunsttransfer, 2007–2012. In Kooperation mit verschiedenen Universitäten in etwa Leipzig, Bochum, Duisburg, Steinbeis Hochschule Berlin, Merida (Venezuela) wird das Querdenken erprobt. Die Veranstaltungen sind offen für alle Fakultäten und interdisziplinär besetzt mit bislang etwa 530 Studierenden aus 54 verschiedenen Fächern. Begleitend hierzu wurde eine »Erfinderwerkstatt« entwickelt, die non-lineares Denken in Objekt- und Prozesszusammenhänge transportiert. Den Seminaren für Kunsttransfer und Kunst in außerkünstlerischen Feldern folgten Studierende des Maschinenbaus, der Informatik, der Kunst, der Raumplanung, der Soziologie, der Theologie, der Mathematik, der Journalistik, der Orientalistik, der Archäologie, der Kunstwissenschaften und der Statistik, um nur einige zu nennen, die alle non-lineare Lernprozesse erfahren und weiterentwickeln wollten. Das Konzept wird inzwischen von verschiedenen Universitäten des Ruhrgebiets und darüber hinaus wahrgenommen. Die [ID]factory war Partner der Kulturhauptstadt RUHR.2010 mit dem Symposium »Kunst fördert Wirtschaft«, und dem Nachfolgesymposium »Kunst fördert Wissenschaft« November 2012. Die Querdenkerfabrik wurde 2012 ausgezeichnet von der Initiative »Deutschland – Abb. 4: Ergebnispräsentation

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Land der Ideen« in Kooperation mit der Deutschen Bank mit dem Preis »365 Ausgewählte Orte« für den »nachhaltigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Deutschlands«. Ständige Kooperationen bestehen mit dem BfI – Büro für Innovationsforschung in Mainz, dem Institut für Zukunftsorientierte Kompetenzentwicklung (IZK) der Hochschule Bochum und dem Optionalbereich der Universität Bochum, der Universität Duisburg, mit IFAN, einer bundesweit zusammengesetzten Forschergruppe der Universitäten Berlin, München, Duisburg, Osnabrück und Dortmund zum Themenfeld »Künstlerisches Denken als Motor für gesellschaftliche Veränderung«. [ID]factory-Preis 2007–2011. In Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen (u.a. Greenpeace Energy, Credit Suisse, Firmenkonsortium Future Bizz) wurde bereits zum siebten Mal der [ID]factory-Preis ausgelobt für den Forschungstransfer künstlerischen Denkens und Handelns in die unternehmerische Praxis, gleichzeitig als Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses. Die interdisziplinäre Ringvorlesungen 2008/2009 und eine Junior-Ringvorlesung zum Thema »Innovation – wie geht das?«7 fanden in Kooperation mit den Fakultäten Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und Maschinenbau statt und führten zur gleichnamigen Publikation, in der sich 14 Vertreter aus höchst unterschiedlicher Perspektive (Tanz, Umweltschutz, Kunst, Maschinenbau etc.) zur Innovationsgenerierung in geistes-, natur- und ingenieurwissenschaftlichen Handlungsfeldern äußern. Das Projekt »Connect Creativity« von der future_bizz community, einem bundesweites Netzwerkprojekt, erforscht und visualisiert zukünftige Wohnwelten in Kooperation mit mehreren Hochschulen und einem Unternehmenskonsortium. Die factory war dabei das Zentrum der bundesweiten Begegnung mit moderierten Workshops in den Fabrikhallen der TU Dortmund im April 2008. Projektpartner der Unternehmenscommunity: Fa. Bayer, Fa. Grohe, Fa. Melitta, Fa. Duravit, Fa. Hochtief, Fa. Vorwerk, Fa. Vaillant u.a. Projektpartner der Hochschulen: TU Dortmund, TU Darmstadt, TU Delft, Universität Bremen, FH Lippe Höxter, FH Coburg, FH Köln, FH Burg Halle, FH Pforzheim, Universität Wuppertal.

7 | Bertram 2010.

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Abb. 5: Connect Creativity, Veranstaltung 2008

Der Erfolg des Projektes lässt sich – wie üblich – in Zahlen, in dem Stellenwert von Kooperationspartnern und Preisen ablesen. Viel überzeugender ist jedoch, dass die Studierenden des Maschinenbaus die­ [ID]factory als Kultfabrik bezeichnen, dass die Studierenden der Kulturwissenschaften den Ort aufsuchen, um ihre beliebten Poetry-Slams dort zu veranstalten, dass Studierende, u.a. der Raumplanung, ihrer Gruppe den Rat geben, mal in die factory zu gehen, »dann fängst du an, anders zu denken«. Dass aus den non-linearen Prozessen heraus bereits Firmengründungen entstanden, wie die »Knüppelknifte«8. Dass Teambildungen und Freundschaften entstanden zwischen Fachexperten, die sich sonst nie getroffen hätten. Und dass junge Dozenten und Nachwuchswissenschaftler aus anderen Disziplinen immer wieder die [ID]factory als Ort aufsuchen, um sich auszutauschen oder eine besondere Veranstaltung durchzuführen. Dass junge Forscher und Unternehmen anfragen, ob es eine Möglichkeit der Zusammenarbeit gibt. Kurzum, der Ort wird wahrgenommen und scheint anziehend zu sein. Warum das so ist, kann ich nicht endgültig sagen. Es hat mit Offenheit zu tun. Das Feedback eines Studierenden der Kulturwissenschaften mag da aufschlussreicher sein als Blick von außen. 8 | Die Knüppelknifte ist ein pfiffiges Gastronomiekonzept, bei dem das Stockbrot vom Lagerfeuer zum Designprojekt avanciert: www.knueppelknifte.de.

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GEDACHT

Feedback von John-Sebastian K., 12. Semester, Kulturwissenschaften: Leider habe ich die [ID]factory erst im letzten Semester meines Studiums an der TU Dortmund kennengelernt, [...] weil ich einfach mal etwas anderes machen wollte. Der Aufbau des Seminars, die Umgebung, die Lehrkräfte [...] haben mir in der kurzen Zeit, die dieses Semester erst alt ist, eine komplett neue Sichtweise auf viele Dinge gegeben. So habe ich gelernt, wie Ideen entstehen, wie man Kreativität fördern kann und was es heißt »wegzudenken«. Die Räume der factory helfen in diesem Zusammenhang sehr, weil sie eine Atmosphäre schaffen, die ich als Geisteswissenschaftler so gar nicht mit einer Universität in Verbindung bringe – und genau das ist das Positive. Kommt man in die Hallen der factory, ist es, als würde man eine andere Welt (akademisch gesehen) betreten, in der es viel mehr um Ausprobieren, Denken und Kreieren geht als in einem normalen Seminarraum. Die verschiedenen Hallen, der Werkstattbereich, der Ausstellungs- und Seminarraum, die Cafete und auch der Außenbereich versprühen für mich das, was eine Universität ausmachen sollte, ohne dass es (aus meiner Sicht betrachtet) aussieht, als sei ich in einer Universität. Genau hier ist der Gegensatz, der mich persönlich immer wieder einfängt und festhält. Die factory drückt für mich die Lust an Neuem aus, die Lust sich selbst und sein Denken neu zu entdecken, die Lust feststehende Dinge aus neuen Blickwinkeln zu sehen. Das passiert sowohl durch die sehr offene Form des Seminars als auch durch die Räumlichkeiten, die genau diese »Lust am Denken« fördern. Zwei Stunden in der factory reichen aus, um mir (nach einem Seminar) ein Gefühl zu geben, dass ich heute nicht nur etwas gelernt habe, sondern dass ich mein eigenes Selbst etwas weiter nach vorne gebracht habe, dass ich anders bin als zwei Stunden zuvor. Kreativität in ihrer reinsten Form, die etwas Kindliches und doch Erwachsenes hat, zugleich verspielt und todernst sein kann und mich als Menschen immer wieder aufs neue berührt und mitreißt. Dabei ist vor allem der interdisziplinäre Austausch von großer Bedeutung. Denn nur durch die verschiedenen Sichtweisen, die im Seminar zum Tragen kommen, entsteht die besondere Atmosphäre der factory. Im Zuge der Umbenennung in eine Technische Universität mit der Ausrichtung auf beides – Mensch und Technik – sind die factory-Seminare die Anwendung des übergreifenden Mottos der TU. [...] Der Mix aus Praxis und Theorie, aus Diskussion und Kreationen, aus Universität und Maschinenhalle, aus Natur- und Geisteswissenschaften – das sind die Faktoren, die die [ID]factory ausmachen [...], von der ich hoffe, dass noch viele (auch fachfremde) Studierende in ihren Genuss kommen werden. Für mich endet das factory-Erlebnis leider schon nach einem Semester.

ANDERS DENKEN – WO GEHT DAS?

Abb. 6: Kursteilnehmer Kunsttransfer

Es ist schlicht ein Irrtum zu glauben, dass die offensichtlich so wertvollen Kompetenzen wie freies, überfachliches und innovatives Denken im Team einfach so vom Himmel fallen. Das Wort »Einfall« ist irreführend und wird fälschlicherweise so interpretiert, als müsse man für die Rekrutierung von Ideen nichts anderes tun als abzuwarten, dann fällt es einem so zu, vom Himmel in den Bauch und von dort wieder in den Kopf. Vielleicht bedarf es einfach nur ein paar solcher Inseln, wie beispielsweise die [ID]factory, als Win-win-Spiel für ein bestehendes System, das Andersdenken woanders fördert, um gemeinsam an der Zukunft zu arbeiten.

Abb. 7: Werk von Alischa Leutner

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KÜNSTLERISCHE ARBEIT 13

Ursula Bertram

ZEITARBEIT V

Wiesbaden Innenstadt Interaktive Arbeit auf Zeit Wiesbadener Sommer, 2008 Kuratorin: Dr. Isolde Schmitt, Wiesbaden 1 roter Container aus Stahl, Werbefahnen, 1 Monitor an Halterung, 1 Kartencontainer, 1 Stahltreppe, 1 roter Stuhl, 1 Kamera, 1 Kameramann, Aufsager

Präzisionsfabrik Eine leuchtend rote Kleinstfabrik sitzt in einem Container und produziert in Lohnarbeit Präzision. Jeder Mensch kann sich als Lohnarbeiter bewerben. Teilnehmer bekommen 5,- Euro Lohn. Alle 15 Minuten kann ein anderer den Produktionsort benutzen. Produktionsziel: Herstellung eines fehlerfrei gesprochenen Text. Es wird erwartet, dass ein Text präzise und völlig fehlerfrei vor der Kamera gesprochen wird. Wenn ein Sprechfehler auftaucht, wird der Versuch abgebrochen. Wenn der Text auswendig und fehlerfrei aufgesagt wird, bekommt der Arbeiter 5,- Euro. Der Text liegt am Produktionsort aus und kann zum Erlernen mitgenommen werden. Es handelt sich um einen kurzen Text mittleren Anspruchs, der durchaus mit einigem Training auswendig gelernt werden kann. Dessen Inhalt dreht sich um Kunst und ist genauso schlicht und schnörkellos wie das Innere der Fabrik. Außerhalb der Produktionszeiten ist die Türe verschlossen. Ein Monitor überträgt die Aufnahmen der jeweiligen Vortage nach außen.

ZEITARBEIT V

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OLIVER SCHEYTT

GRUSSWORT

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OLIVER SCHEYTT



GRUSSWORT

Teil 2

GEFORDERT BEMUSTERT BESPROCHEN ÜBERFÜHRT

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GEFORDERT

Resolution Wir fordern, dass non-lineares, künstlerisches Denken und Handeln im Bildungssystem verankert wird, um in die Zukunft wirken zu können. Wir plädieren, über die reine Wissensvermittlung hinauszugehen, offene Systeme zu erproben und überfachliche Kompetenzen auszubilden. Wir begreifen Kunst und Wissenschaft auf Augenhöhe.1 Wir fordern die Gleichstellung von Kunst und Wissenschaft.2

1 | Zusammenfassende Empfehlung der 170 Teilnehmer des Symposiums »Kunst fördert Wirtschaft« 2010. 2 | Der Antrag auf Gleichstellung von Kunst und Wissenschaft lautete, dass Forschung in Zukunft nicht nur als wissenschaftliche, sondern auch als künstlerische Forschung definiert werden soll. Dies stellt klar, dass zu den Aufgaben der Technischen Universität Dortmund nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Kunst gehört. Dem Antrag der Senatorin Bertram wurde im Senat am 22.4.2015 mit breiter Mehrheit stattgegeben und in der Präambel der Grundordnung vom 16.10.2015 der Technischen Universität Dortmund verankert. »Soweit Bestimmungen dieser Grundordnung auf die Wissenschaft Bezug nehmen, gelten sie für die Kunst entsprechend. Forschung im Sinne dieser Grundordnung ist wissenschaftliche und künstlerische Forschung.«

GRUSSWORT

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OLIVER SCHEYTT

Symposium 2010

KUNST FÖRDERT WIRTSCHAFT Künstlerisches Denken in außerkünstlerischen Feldern

VORTRAGENDE PROF. DR. OLIVER SCHEYTT (GESCHÄFTSFÜHRER DER RUHR.2010 GMBH) | GRUSSWORT | PROF. URSULA BERTRAM (KÜNSTLERIN) KÜNSTLERISCHES DENKEN IN AUSSERKÜNSTLERISCHEN FELDERN | BIRGIT LUXENBURGER (KÜNSTLERIN) O.T. (DER KÜNSTLERISCHE PROZESS) | ALBERT SCHMITT (MUSIKER, MANAGER) DAS 5-SEKUNDENMODELL IN MUSIK UND WIRTSCHAFT | PROF. TIMM ULRICHS (KÜNSTLER) TOTALKUNST | PROF. DR. GERALD HÜTHER (NEUROBIOLOGE) WAS DIE WIRTSCHAFT VON DER HIRNFORSCHUNG LERNEN KANN | PROF. DR. GERHARD KILGER (PHYSIKER, PHILOSOPH) KÜNSTLERISCHE ANSÄTZE ZUR VERMITTLUNG UND VISUALISIERUNG IN DER WISSENSCHAFTLICHEN FORSCHUNG | REINHILD HOFFMANN (CHOREOGRAFIN) GRENZEN UND KREATIVITÄT | PROF. DR. METIN TOLAN (PHYSIKER) NON-LINEARE WISSENSCHAFT MIT JAMES BOND | DR.-ING. WERNER PREISSING (ARCHITEKT) VISUAL THINKING | PROF. DR. JULIAN NIDA-RÜMELIN (PHILOSOPH) MODERNE KUNST ALS PARADIGMA WIRTSCHAFTLICHER INNOVATION | ECKARD FOLTIN (INNOVATIONSMANAGER) WIE WERDEN WIR 2030 LEBEN?

KUNST FÖRDERT WIRTSCHAFT

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»Kunst fördert Wirtschaft«1 war das Thema des interdisziplinären Symposiums im Rahmen der Kulturhauptstadt RUHR.2010 mit Vorträgen, Workshops und Open Spaces renommierter Wissenschaftler, Künstler und Querdenker aus verschiedensten Disziplinen. Die Fokussierung des »Produktes« in der Wirtschaft und in der Kunst hat den Blick auf den Prozess immer wieder verstellt und im Ergebnis auf das eigene Terrain verwiesen. Der Transfer zwischen den Disziplinen und die Ergänzung wissenschaftlichen Denkens durch künstlerisches Denken bietet eine neue Perspektive der Heranbildung und Ausbildung von Kompetenzen. Sie kann ein Exzenter wissenschaftlicher Forschung bedeuten und somit zu einer ungleich höheren Innovationsfähigkeit führen. Dies wird im Ergebnis für unser Wirtschaftssystem der Zukunft von großer Bedeutung sein. Aus dem Diskurs zwischen Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft wurden im Abb. 1: Prorektor Prof. Dr. Claus Weihs, Rektor Prof. Dr. Eberhard Becker, Verlauf des interdisziplinären Prof. Dr. Bazon Brock Symposiums »Kunst fördert Wirtschaft« Empfehlungen für eine innovationsfähige Zukunft verfasst, die die Rolle des non-linearen Denkens heraus­stellt. Unter den 170 Fachleuten aus unterschiedlichsten Dis­ziplinen waren u.a. die Choreografin Reinhild Hoffmann, Berlin, der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther, Göttingen, der Philosoph Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin (Staatsminister a.D.), München. Die Empfehlungen für Handlungs- und Entscheidungsträger wurden in einer Resolution formuliert. Die Zusammenführung von Künstlern, Wissenschaftlern und Wirt­ schaftsexperten soll die relevante Rolle von non-linearen Denkprozessen und Methoden in Erkenntnisprozessen identifizieren, eine nachhaltige Verankerung in Lehre und Praxis anstoßen und eine zukünftige Zu­ sammenarbeit der Experten verschiedener Disziplinen zum Thema er­ möglichen. Dies war zentrales Anliegen des Symposiums. 1 | Bertram, 2012.

Reinhild Hoffmann und Thomas Koch

Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin

Prof. Dr. Gerhard Kilger

Prof. Dr. Oliver Scheytt

Prof. Dr Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund

OLIVER SCHEYTT

Eckard Foltin

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Birgit Luxenburger

Prof. Ursula Bertram

Dr,-Ing. Werner Preißing

Albert Schmitt

Prof. Timm Ulrichs

Prof. Dr. Metin Tolan

Prof. Dr. Gerhard Hüther

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OLIVER SCHEYTT

Wie entsteht Innovation und welche Rolle spielt dabei die »Kunst«?

GRUSSWORT

Inwieweit ist non-lineares, respektive künstlerisches Denken und Handeln verantwortlich für nachhaltig erfolgreiche Leistungsprozesse und wirtschaftliche Entwicklung?

Welche Prozesse und Methoden sind charakteristisch für non-lineares Denken?

Und wie lassen sie sich in außerkünstlerischen Bereichen beobachten?

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GRUSSWORT



Teil 2

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Die Denkfabrik [ID]FACTORY

DIE DENKFABRIK [ID]FACTORY

Die [ID]factory ist ein Reflexionsraum für Utopien, gesellschaftliche Bewegung, bildungspolitische Probehandlungen und partizipatorische Prozesse. Ein Ort als Heterotopie im Sinne Foucaults, mit entsprechend nonlinearer Ausrichtung und genügend unprogrammierter Fläche. Ebenso wie Laumann ein Museum als alternativen, widerspenstigen Ort verstehen will, an dem Neues möglich wird, »Anderes« manifestiert werden kann, unterdrücktes Wissen zum Vorschein kommt und Gegenerzählungen ihren Platz finden,1 verstehen wir die [ID]factory als Zwischenraum von Disziplinen, als Initiationsfeld überfachlicher Impulse und Ort der Intuition im Sinne einer konstruktiven kreativen Zerstörung (nach Schumpeter), um für Neuland Platz zu schaffen, einen Raum für die kritische Auseinandersetzung mit dem Normativen, und einen Platz für »trial and error«. Ausgangspunkt sind künstlerische Strategien und ihr bisher wenig erforschter Transfer. Das Zentrum für Kunsttransfer forscht mit einem interdisziplinären Think Tank auf dem Gebiet fachübergreifender Schlüsselkompetenzen für angehende Führungskräfte, Lehrer und das Berufsumfeld künftiger Fachkräfte, die Problemlösungen anders und fachübergreifend begreifen wollen. Das Zentrum steht Künstlern, Wissenschaftlern und Wirtschaftsunternehmen zur Verfügung als Knotenpunkt für überfachliche Innovationsentwicklung. Gegründet 2007 als Nachfolger der Denkwerkstätten 2001 vom BfI Mainz und dem Fachgebiet Plastik und Interdisziplinäres Arbeiten (PIA), verankert am Seminar für Kunst und Kunstwissenschaften der TU Dortmund, verbunden mit der Expertise von Forschern aus den Bereichen der Bildung, Soziologie, Neurologie, Kunst, Musik, Arbeitspsychologie, Wirtschaft, dem Management und weiteren Disziplinen. Die [ID]factory ist Ort und Denkfabrik für künstlerische Prozesse in außerkünstlerischen Feldern, offen für alle Disziplinen. Die factory versteht sich als Entwicklungsraum für KUNST – TRANSFER und als Forschungsfeld für Erfahrungen mit der Entwicklung von Neuem, Ungeplantem, Überraschendem und non-linearen Prozessen. Seit 2003 werden Seminare durchgeführt im interdisziplinären Feld des Kunsttransfers und des Visual Thinking. Die [ID]factory/Zentrum für Kunsttransfer ist ein Forschungsprojekt an der TU Dortmund unter der Leitung von Prof. Ursula Bertram, Institut für Kunst und Materielle Kultur, Fachgebiet PIA in Kooperation mit Werner Preißing, BfI Mainz. 1 | Siehe hierzu: Divjak, Paul: Integrative Inszenierungen. Zur Szenografie von partizipativen Räumen. Bielefeld: transcript 2012.

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BEMUSTERT

YOUNG LAB FORSCHUNGSFRAGEN AUS DER WIRTSCHAFT

YOUNG LAB – FORSCHUNGSFRAGEN AUS DER WIRTSCHAFT

Der [ID]factory-Preis wird vergeben für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Kunst im fachübergreifenden [ID]factory-Pool. Das Seminar Kunsttransfer ist offen für Studierende aller Fakultäten. Ziel ist die interdisziplinäre Bearbeitung einer Forschungsfrage aus einem Unternehmen oder einer Organisation mit einer außergewöhnlichen Zugangsweise. Studierende aller Fächer können sich auf das Seminar bewerben, um sich aus ihren verschiedenen Perspektiven mit einer offenen Fragestellung auseinander zu setzen. Der gut dotierte Preis wird seit 2007 ausgelobt vom Zentrum für Kunsttransfer der TU Dortmund und dem BfI Mainz, vergeben von einer Jury aus Wissenschaftlern, Künstlern, Unternehmern und Vertretern des aktuellen Unternehmenspartners. Die bisherigen Teilnehmer kamen aus 53 verschiedenen Fächern der Universitäten Dortmund und Bochum. Gäste kamen aus Berlin, Leibzig und Merida (Venezuela).

Abb. 1: Daniel Braun: Reisesalzstreuer

Abb. 2: Alischa Leutner: Unternehmer III

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OLIVER SCHEYTT

Wir zerlegen Unternehmen in ihre Bestandteile und setzen die Teile neu zusammen. Wir knüpfen Worte an Fragen, erfrischen Homepages mit einer kalten Dusche und tauchen Gedanken solange in Champagner, bis sich Elementarteilchen bilden als Ausgangspunkt für neue, klare und atemberaubende Konstellationen eines Unternehmens und dessen ID in Gedanken, Worten, Formen, Pixeln und Systemen.

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Preisverleihung mit Greenpeace Energy

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: BÜRO FÜR INNOVATIONSFORSCHUNG MAINZ

[ID]factory-Preisträgerin 2007/8: Sehra Karakus

WIE FUNKTIONIERT EINE DENKFABRIK?

Die [ID]factory stellt sich selbst zur Disposition, um sich aus der Distanz beobachten zu lassen. Die künstlerische Forschung im Young Lab findet zu prägnanten Bildern. Sehra Karakus sieht die [ID]factory als Labor für non-lineare Prozesse und ungewöhnliche Produktionsweisen. Die Gruppe Ilona Kohut, Alischa Leutner, Stephanie Zeiler, Birgit Mittelstenschee entwirft ein Tandem als Zeichen des Transfers zwischen Kunst und Wirtschaft. In Erinnerung bleiben auch eine fahrende Dorade, ein sprechendes Dixie-Klo, eine Spielanleitung zum Wegdenken und eine Kunstformel auf der Basis der NavierStokes-Gleichung. Abb. 3: Ilona Kohut, Alischa Leutner, Birgit Mittelstenschee, Stephanie Zeiler: factory-Tandem

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Abb. 4: Sehra Karakus: Das factory-Labor

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: GREENPEACE ENERGY, HAMBURG

[ID]factory-Preisträger 2011: Erik Schwarzer

WIE KANN DER ANTEIL AN ÖKOSTROM IN DER GESELLSCHAFT DURCH VIRALES MARKETING ERHÖHT WERDEN?

Ein kleiner schwarzer Käfer wird vom Tor der Greenpeace-Gesellschaft in Hamburg nach Fukushima in Japan reisen und nach zehntausenden von Kilometern mittels Helfershelfern dort am Tor eines Atomkraftwerks abgegeben werden. Seine Reise endet im Inneren einer verstrahlten und immer noch strahlenden Brennstabkammer. Er wird begleitet von Hunderten von Menschen, die einen Ausstieg aus der Atomkraft fordern und sich im Web zusammenschließen mit Hilfe eines Käfers, der Travelbug genannt wird. Ein Travelbug ist ein kleiner Metallchip mit einer eingestanzten oder aufgedruckten Nummer des webbasierten, GPS-gestützten Spiels namens Geocaching, deren Zielgruppe »Schatzsucher« sind. Es gibt über 1,5 Millionen registrierte Schätze und eine unbekannte Zahl von weltweiten Spielern, die in die Millionen geht. Bugs werden versteckt, gefunden und weitergespielt mit einem vom Besitzer vorgegebenen, speziellen Auftrag. Der Energy Bug hat die Aufgabe, von Deutschland nach Fukushima zu reisen und auf diesem Weg das Konzept der ökologischen Energie zu stärken und damit Energiekonzerne wie Greenpeace Energy. Die Finder können sich mit einer eigenen Botschaft mit dem Greenpeace-Energy-Bug fotografieren lassen. Anhand der Nummer bei geocaching.com werden Tausende die Reise verfolgen können.

GRUSSWORT

Abb. 5: Erik Schwarzer: Travel Bug to Fukushima

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: IBK KOHNEN, FREINSHEIM

[ID]factory-Preisträgerinnen 2008/9: Anja Reißig und Amelie Lüdke

WIE KANN SCHALLSCHUTZ ERKENNBAR WERDEN? »Die größten Ereignisse - das sind nicht unsere lautesten, sondern unsere stillsten Stunden« zitiert Anja Reißig Friedrich Nietzsche. Sie zeigt ein anderes Verständnis von Klang mit Gebärdensprache und Federn, die über unhörbare Schallwellen bewegt werden, während Marcus Wiludda Schall in Eis schockgefriert und Schwarzlärm erzeugt. Abb. 6: Anja Reißig: Labo(h)rklang

GRUSSWORT

Lärm wegpuscheln? Wenn ich vor einer Versammlung von Ratsmitgliedern stehe, um mit ihnen Schallschutzmaßnahmen der Stadt zu besprechen, könnte dieses Video statt einer langen Einführungsrede das Ziel emotional auf den Punkt bringen und den Diskurs optimal eröffnen.

Abb. 7: Christine Böse: Puschel

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BEMUSTERT

Es müsste eine mobile Behausung geben, die einen auf dem Lebensweg begleitet. Etwas, das ein Zuhause bleibt, eine Konstante, eine Sicherheit, unabhängig davon, wohin es geht. Ein Haus zum Mitnehmen, auch wenn man dem Lärm entfliehen will. Amelie Lüdke setzt auf Lückenbebauung mit mobilen Wohnelementen, die per Hubschrauber transportiert werden. Abb. 8: Amelie Lüdtke mit Prof. Dr. Künne, Fachbereich Maschinenbau TU Dortmund: Blowball

GRUSSWORT

Die Schallwellen des Straßenlärms bringen die Laternen auf der Kreuzung zum Leuchten. Dort, wo der Schall nicht zu verhindern ist, sollte man ihn nutzen.

Abb. 9: Jakob Dawid und Fabian Menke: airnergy

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: PERSONALANALYSTEN, FILDERSTADT

[ID]factory-Preisträgerinnen 2010: Nicola Gördes und Elza Javakhishvilli

WIE ERKENNT MAN KOMPETENZ?

Der Blick des Anderen. Eine Personalberatungsfirma wollte mit Hilfe der Querdenkerfabrik ­[ID]­factory ihren Messeauftritt verbessern. Es ging darum, im Einerlei der gleichförmigen Statements hunderter von Ausstellern herauszustechen. Es ging um die Frage, wie Personalberatung klug visualisiert werden kann. Die [ID]factory fokussierte den Aspekt der Kompetenz und warb mit einem Plakat mit der Aufschrift: »Wen würden Sie einstellen?« Zu sehen waren neun Frauen in verschiedenen Outfits und mit höchst unterschiedlichster Ausstrahlung. Es könnte sich um ein Bewerbungsfoto oder Bewerbungsgespräch handeln. Auf den zweiten Blick zeigte sich, dass hinter den neun individuellen Gesichtern eine einzige Person stand. Der Entwurf wurde benutzt als Plakat und irritierender Blickfang beim Messeauftritt. Gleichzeitig wurde er als Postkarte verteilt, die reißenden Absatz fand. Die Werbung durch »Wegdenken« von einer linearen Botschaft war sehr erfolgreich. Die Beratungsfirma kam mit ihren Kunden ins Gespräch über Kompetenzen und deren Analyse. Der Entwurf geht weit über schlichte Werbung hinaus und verankert sich performativ mit dem »Blick des Anderen«, der Wahrnehmung und dem »Schönen Schein«.

YOUNG LAB – FORSCHUNGSFRAGEN AUS DER WIRTSCHAFT

Wie erkennt man ... „Kompetenz“ ? Wen würden Sie einstellen? Wie erkennt man ... „Kompetenz“? Wie erkennt man ... „Kompetenz“?

Abb. 10 Nicola Gördes und Elza Javakhishvilli: Wie erkennt man Kompetenz?

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: BILFINGER SE, MANNHEIM SACHSENFONDS

[ID]factory-Preisträgerin 2013: Judith Klein

WELCHES ZEICHEN BRAUCHT DAS HAUS?

Es geht darum, den Ort durch künstlerische Interventionen von anderen Orten prägnant unterscheiden zu können, gleichzeitig die Möglichkeiten des Raumes auszuschöpfen und eine klare Sprache zu finden. Abb. 11: Donja Nasseri: Autonome Blätter

GRUSSWORT

Abb. 12: Donja Nasseri: Autonome Blätter

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OLIVER SCHEYTT

Die Arbeit von Judith Klein überzeugt durch die klare und sensible Realisation von einem Gedanken, der sowohl die Wirtschaft als auch die Naturwissenschaften und die Geistesswissenschaften betrifft: die Dualität von Welle und Materie, von Physik und Philosophie, dargestellt durch einen Siebdruck auf einer großen Glasfläche in Digitaldruck. Symbolisch leiten die dargestellten Frequenzen die Energie weiter an das Unternehmen und seine Mitarbeiter.

GRUSSWORT

Abb. 13: Judith Klein: Dualität

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: LEIBNIZ-INSTITUT FÜR ANALYTISCHE WISSENSCHAFTEN ISAS

[ID]factory-Preisträgerin 2016: Julia Batzdorf

WAS IST EINE OBERFLÄCHE?

Abb. 14: Julia Batzdorf: GLEAM

YOUNG LAB – FORSCHUNGSFRAGEN AUS DER WIRTSCHAFT

Es wird eine Oberfläche erzeugt, die sich erst durch Bewegung und Geschwindigkeit zu einer solchen konstituiert. Sichtbare Motoren lassen grellgrüne Schläuche um ihre eigene Achse rotieren und erschaffen damit eine kaum sichtbare Oberfläche, die aus Fliehkraft und Geschwindigkeit resultiert. Damit wird gleichzeitig auf die Konsistenz aller physikalischen Oberflächen hingewiesen, die bekanntlich aus Atomen, Elektronen und Geschwindigkeit bestehen. Oberfläche ist letztlich Illusion.

Abb. 15: Julia Batzdorf: GLEAM

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: KPE ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT, FRANKFURT AM MAIN CREDIT SUISSE, FRANKFURT AM MAIN

[ID]factory-Preisträger 2009/10: Jan-Gerd Terhürne

WELCHE IDEE HAT DAS HAUS? Die Forschungsfrage kommt von einem Architektenteam, das ein Gebäude, den Westfalentower in den Mittelpunkt visueller Erfindungen im Außenbereich stellt. Aus den Entwürfen wurden sechs Objekte im urbanen Raum am Westfalendamm in Dortmund realisiert. Eine Aufgabe für interdisziplinäre Erfinder-Teams, integrative Denker und professionelle Umsetzer. Abb. 16: Katrin Eßer: Wir wandern hin und her

GRUSSWORT

Abb. 17: Lisa Karnagel: Nest

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OLIVER SCHEYTT

GRUSSWORT

Abb. 18: Jan-Gerd Terhürne: Urbaner Wachturm (hinterer Sockel)

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: WIGASTONE, STEINWENDEN STEINTRADING INTERNATIONAL

[ID]factory-Preisträger 2008: Stefan Bröckerhoff und Georg Luttermann

WIE KÖNNEN WIR STEIN IN SZENE SETZEN?

Abb. 19: Stefan Bröckerhoff und Georg Luttermann: o.T.

YOUNG LAB – FORSCHUNGSFRAGEN AUS DER WIRTSCHAFT

Abb. 20: Stefan Bröckerhoff und Georg Luttermann: o.T.

Die Inszenierung des Materials Stein der Studierenden aus dem Maschinenbau war verblüffend. Ein mit Sand gefüllter grüner Eimer hängt im 8 Meter hohen Luftraum der [ID]factory. Im Pendeln durch den Raum bilden sich nicht vorhersehbare Linien aus Sand, der durch ein kleines Loch austritt.

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BEMUSTERT

KUNSTTRANSFER-PARTNER: SIE!

Ein Rezept

WAS SIE AUF JEDEN FALL TUN KÖNNEN

YOUNG LAB – FORSCHUNGSFRAGEN AUS DER WIRTSCHAFT

Abb. 21–23: Nicola Gördes und Elza Javakhishvilli: Videostills, Text: Ursula Bertram

Anleitung für einen vernünftigen Abstand Nehmen Sie Abstand. Machen Sie das immer, wenn Sie die Distanz verloren haben, und gehen Sie dabei nicht zu einseitig vor. Nehmen Sie eine Brille, nehmen Sie eine Schere, zerkratzen Sie mit der Schere die Brille. Setzen Sie nun die Unschärfebrille auf. Machen Sie das immer, wenn Sie die Übersicht verloren haben.

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BEMUSTERT

PROFESSIONAL LAB: INTERVENTIONEN FÜR DIE WIRTSCHAFT EIN PROTOTYP

PROFESSIONAL LAB – INTERVENTIONEN FÜR DIE WIRTSCHAFT

Eine Einladung zu einer Konferenz – ›nicht schon wieder‹, denken sich die meisten Teilnehmenden. Eine stressige und lange Anreise, Übernachten in fremden Betten, sich von morgens bis abends im Anzug bewegen, viel Smalltalk und nicht enden wollende PowerPoint-Vorträge über Themen, die nicht wirklich was mit der eigenen Arbeit zu tun haben. Als Vortragender blickt man von der Bühne aus in eine Wand von reglosen Gesichtern, und egal wie plakativ man sein Anliegen vorträgt, das Smartphone scheint interessanter zu sein. Eine von vielen Konferenzen, in der viel Arbeit und Geld steckt, aber über deren Ende sich die meisten Teilnehmer freuen und die schnell in Vergessenheit gerät. Das macht nicht sonderlich viel Spaß – weder dem Veranstalter noch den Vortragenden oder Teilnehmern. Natürlich braucht eine Konferenz gewisse Normen und Formen. Und vor allem braucht sie die Inhalte, denn es geht schließlich um die Ergebnisse und Leistungen der Experten, die ein Unternehmen zu dem machen, das es ist. Aber wie schafft man es, den Leiter der Abteilung A für die Ergebnisse der Abteilung Z zu begeistern oder für das große Ganze, das Innovationsverständnis des Unternehmens? Wie bringt man Mitarbeiter dazu, einmal eine völlig neue Perspektive einzunehmen? Wie schafft man eine Atmosphäre, die trotz aller Formalitäten Spontanität, Offenheit und Kreativität nicht nur zulässt, sondern anregt? Mit gezielten, punktuellen Interventionen der [ID]factory werden die Mitarbeiter abgeholt und aus ihrer Komfortzone hinauskatapultiert, ohne dass sie es direkt merken. So wirken die Interventionen in das große Abb. 1: Judith Klein: Der Schirm. Ein Tool für mobilophile Konferenzteilnehmer

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BEMUSTERT

Ganze ein, ohne die Form zu kippen. Denn selbstverständlich werden die Ergebnisse der Break Out Sessions dem Plenum vorgetragen – mit der NoPowerPointPolicy. Der Höhepunkt der Innovation Conference ist auch im von der [ID]factory entwickelten Gesamtwerk der zentrale Punkt: Die Award Ceremony bleibt genauso feierlich und formell, aber die Zuhörer bestimmen mit einer non-linearen Konferenzstruktur, was und wen sie zu einem bestimmten Thema hören wollen. Und die Giveaways, die z.T. mit unternehmensintern entwickelten Verfahren und Technologien hergestellt werden können, stellen auch in zwei Jahren noch einen direkten Bezug zur Veranstaltung her. Gemeinsam wird eine Atmosphäre geschaffen, die nachhaltig in Erinnerung bleibt. Die von der [ID]factory speziell für eine Unternehmens-Konferenz entwickelten oder neu interpretierten Interventionen und partizipativen Formate finden auf verschiedenen Ebenen statt: Produkte, Prozesse und Perspektiven. Die unterschiedlichen Ebenen ermöglichen es, sowohl die Mitarbeiter als auch die Produkte des Unternehmens in die gesamte Veranstaltung zu integrieren. Die [ID]factory arbeitet im Detail und punktuell, aber nachhaltig wirksam; wir setzen Impulse, die zum non-linearen Denken und Handeln anstoßen. Dadurch wird das Unternehmen als Ganzes innovativ und kreativ spürbar gemacht. Alles dreht sich um das Zusammenspiel von Kreativität und Organisation; um das Navigieren im offenen System.

Abb. 2: Ursula Bertram und Brigitte Hitschler: Skizze Innovation-Conference

PROFESSIONAL LAB – INTERVENTIONEN FÜR DIE WIRTSCHAFT

Abb. 3: Ursula Bertram und Brigitte Hitschler: Skizze Innovation-Conference

Partizipatorisches Konferenzformat »position-on-demand« Auf der Bühne: - ein Moderator - zwei Redner (Experten zu einer bestimmten Fragestellung) - mehrere Videos (Videostills) mit vorab produzierten Interviews mit unterschiedlichen Positionen zur Fragestellung Im Publikum: Jeder Zuhörer hat einen Laserpointer, mit dem er auf diejenige Position zeigen kann, die er hören möchte, also auf ein Videostill oder eine Person auf der Bühne. Die Position mit den meisten »hits« wird vorgetragen bzw. das Video abgespielt.

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BEMUSTERT

PROFESSIONAL LAB – INTERVENTIONEN FÜR DIE WIRTSCHAFT

»Innotan«, ein Giveaway der Konferenz Innotan ist ein Rezept gegen Innovation. Auf dem Beipackzettel wird erläutert, wie garantiert keine Innovationen entstehen können. Falls aus Versehen doch einmal eine Innovation zustande kommt, gibt es: die Pille danach.

Abb. 4: Johanna Bielawski: aus der Serie »Skulptan«

Abb. 5: Ursula Bertram und Brigitte Hitschler: Skizze Innovation-Conference

Der Entwurf hat drei Bereiche: Produkte, Prozesse und Perspektiven. Der Schwerpunkt ist ein non-lineares Veranstaltungsformat von 60 bis 90 Minuten elementare Perspektiven: Wir-Gefühl, Prozessoffenheit, Partizipation.

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OLIVER SCHEYTT



GRUSSWORT

Teil 2

GEFORDERT BEMUSTERT BESPROCHEN ÜBERFÜHRT

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BESPROCHEN

Vortragsreihe 2015–2017

JANUAR FORUM FACTORY INNOVATIVE ANSÄTZE DES KÜNSTLERISCHEN DENKENS IN AUSSERKÜNSTLERISCHEN KONTEXTEN Immer im Januar++immer mittwochs++immer 18 Uhr

ROBERT KOCH

TU Dortmund, Institut für Musik und Musikwissenschaft IDF three rooms – three pieces

PROF. DR. LORENZ SCHWACHHÖFER TU Dortmund, Fakultät für Mathematik MATHEMATISCHES DENKEN Grundlagen der Mathematik und ihr axiomatischer Aufbau

PROF. URSULA BERTRAM

TU Dortmund, Zentrum für Kunsttransfer KÜNSTLERISCHES DENKEN

Jedes Jahr im Januar lädt das Zentrum für Kunsttransfer/ [ID]factory zu einer außerordentlichen Vortragsreihe ein, die das Zusammenspiel von Kunst und Wirtschaft beleuchtet.

JANUAR FORUM FACTORY

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DIRK DOBIÉY

Age of Artists, Dresden, ehem. Manager bei SAP WARUM DIE ZUKUNFT EIN AGE OF ARTISTS SEIN WIRD Wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen mit künstlerischen Strategien begegnen

GEORG MALLITZ

Rottstr5KUNSTHALLEN, Bochum ACCIDENTAL PLAY Verunfallung kuratorischer Klischees und Ambulantes Denken

DORIS ROTHAUER Büro für Transfer, Wien

KUNSTTRANSFER – WIE GEHT DAS? Die neue Bedeutung von Kunst in Wirtschaft und Gesellschaft

DR. MARCO WEHR

Physiker, Tänzer und Philosoph DIE LOGIK DES GELINGENS eine unzeitgemäße Betrachtung

PROF. DR. OLIVER SCHEYTT

Vordenker der Kulturpolitik

WAS KANN KULTURPOLITIK VOM MUSIKHÖREN LERNEN?

JULIA BATZDORF

Künstlerin

ARTISTIC INTERVENTION Warum künstlerische Forschung in die Wirtschaft muss

R A U N JA U M F O R ORY FACT

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OLIVER BESPROCHEN SCHEYTT

Wie kann Neues generiert werden?

Warum ist künstlerisches Denken nicht nur bei Künstlern entscheidend und wie werden Maschinen erfunden?

JANUAR FORUM GRUSSWORT FACTORY

Warum ist Innovation für die Zukunft entscheidend?

Wie entstehen Innovationsprozesse?

Wie wirken sie in wirtschaftlichen Zusammenhängen?

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OLIVER BESPROCHEN SCHEYTT

[ID]FACTORY MOBIL:

KULTURWERKSTATT CLEUYOU

Die Kulturtage am Ende der Welt, im schönen Finistère, haben Tradition: Jedes Jahr verwandeln Künstler und Wissenschaftler das Manoir in einen Ort spannender und unerwarteter interdisziplinärer Begegnungen unterschiedlichster Fachgebiete wie Mathematik, bildende Kunst, Musik, Informatik, Gestalttherapie und Kochkunst. Bis in die späten Nächte wird im ehrwürdigen Salon du Cleuyou diskutiert, musiziert und kommuniziert.

[ID]FACTORY MOBIL: KULTURWERKSTATT GRUSSWORT CLEUYOU

Während 2013 die Kulturtage ganz im Zeichen der Musik standen und mit den Konzerten von Prof. Eva-Maria Houben (Orgel) und Bileam Kümper (Tuba/beide TU Dortmund) in der Kirche Saint-Guinal in Ergue-Gaberic (Frankreich) und in Salonkonzerten eine unvergessliche Welt der stillen und differenzierten Töne eröffnete, stand im darauffolgenden Jahr die Begegnung von Kunst und Wissenschaft, von künstlerischem und mathematischem Denken besonders im Fokus, geleitet von Marion Bertram. In einer Matinée stellte der Mathematiker Prof. Dr. Lorenz Schwachhöfer von der TU Dortmund in seinem Vortrag die Grundlagen der Mathematik, ihren axiomatischen Aufbau vor. Die Gegenüberstellung der Mathematik mit den anschließenden künstlerischen Kompositionen und Interventionen des Musikers Robert Koch (TU Dortmund), den bildnerischen Installationen von Claudia Rottsahl und einem kulinarischen Finale setzte Diskurse frei: Worin unterscheiden sich künstlerisches und mathematisches Denken? Wo gibt es Parallelen? Bewegen sich Kunst und Wissenschaft aktuell aufeinander zu wie die Experten im geschichtsträchtigen französischen Tagungsort?

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BESPROCHEN

Vortragsreihe April 2008 bis Juli 2009

INNOVATION – WIE GEHT DAS?

Einblicke in Innovationsgenerierung und Erfindungsprozesse unterschiedlichster Fachgebiete

INNOVATION – WIE GEHT DAS?

VORTRAGENDE DR.-ING. WERNER BAUMANN (UMWELTFORSCHUNG, TU DORTMUND) DIE INNOVATION DES RECYCLINGS | UWE HASENBECK (MARKETING, KONZEPTHAUS MEDIEN & MARKETING, MÜNCHEN) INNOVATION – WIE GEHT DAS? AM BEISPIEL DOCMED.TV | PROF. DR. NILS BÜTTNER (KUNSTWISSENSCHAFT, TU DORTMUND) INNOVATION ALS GRUNDPRINZIP KUNSTHISTORISCHEN ARBEITENS ODER: WIE MAN TOTE MALER UND MATERIE ZUM SPRECHEN BRINGT | PROF. DR. BERND KÜNNE UND DIPL.-ING. BJÖRN PALM (MASCHINENBAU, TU DORTMUND) INNOVATIV SEIN IM MASCHINENBAU – DIE KERNKOMPETENZ DES INGENIEURS | PROF. DR. KLEMENS STÖRTKUHL | (BIOLOGIE, RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM) DER DUFT DES BLAUEN LICHTS | PROF. JAN KOLATA (KUNST, TU DORTMUND) INNOVATION UND INVENTION IM PROZESS DER MALEREI | PROF. DR. KLAUS HENNING UND ESTHER BOROWSKI (MASCHINENBAU/INFORMATIK, RWTH AACHEN) DIE ZUKUNFT FEST IM BLICK: INTERDISZIPLINÄRE INNOVATIONEN | PROF. URSULA BERTRAM (KUNST, TU DORTMUND) KÜNSTLERISCHES DENKEN IST INNOVATIONSKOMPETENZ | PROF. DR. MICHAEL V. SCHWARZ (KUNSTGESCHICHTE, UNIVERSITÄT WIEN) WIE KOMMT DER RAUM IN DIE FLÄCHE UND WAS FANGEN DIE EUROPÄER DAMIT AN? | PROF. DR. HORST GESCHKA (WIRTSCHAFT, UNTERNEHMENSBERATUNG, DARMSTADT ) GELENKTE KREATIVITÄT – SYSTEMATISCHE IDEENGENERIERUNG IM RAHMEN BETRIEBLICHER INNOVATIONSPROZESSE | DR. -ING. WERNER PREISSING (ARCHITEKT UND SYSTEMANALYTIKER, MAINZ) VISUAL THINKING – PROBLEME LÖSEN MIT DER FAKTORENFELDMETHODE | ECKHARD GRANSOW (WIRTSCHAFT, GROHE AG, HEMER) WIE ENTSTEHEN INNOVATIONEN IM UNTERNEHMEN? BEISPIEL GROHE AG | MICHAEL KÜSTERMANN (THEOLOGIE, PFARRER ST. REINOLDI, DORTMUND) AKKU - KIRCHE UND KULTUR PROJEKTE DORTMUND | PROF. DR. BRIGITTE FALKENBURG (PHILOSOPHIE/PHYSIK, TU DORTMUND) INNOVATION UND INDIVIDUUM – DAS NEUE IN TECHNIK UND WISSENSCHAFT AUS PHILOSOPHISCHER SICHT | PROF. DR. KLAUS-PETER BUSSE (KUNSTDIDAKTIK, TU DORTMUND) HOT SPOT: BILD, ORT, INSTITUTION | BIRGIT GÖTZ (TANZ, LIQUID MOVE, DORTMUND) BRAUCHT DER TANZ EINE BÜHNE? DER TANZ UND SEINE INNOVATIVEN ENTWICKLUNGEN | BIRGIT LUXENBURGER (KUNST, MAINZ) OHNE TITEL

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BESPROCHEN

Symposium 2012

KUNST FÖRDERT WISSENSCHAFT Non-lineares Denken als innovative Verunsicherung für Wissenschaft

KUNST FÖRDERT WISSENSCHAFT

VORTRAGENDE PROF. DR. METIN TOLAN (PHYSIKER/GRUSSWORT ) PROREKTOR DER TU DORTMUND | PROF. URSULA BERTRAM (KÜNSTLERIN) KÜNSTLERISCHES DENKEN ALS INNOVATIVE VERUNSICHERUNG VON WISSENSCHAFT | PROF. DR. BAZON BROCK (KÜNSTLER UND KUNSTWISSENSCHAFTLER) WAS KUNST UND WISSENSCHAFT VERBINDET UND WARUM SIE NICHT ZUSAMMENGEHÖREN | PROF. DR. WOLFGANG STARK, CHRISTOPHER DELL (ERZIEHUNGSWISENSCHAFTLER, MUSIKER) IMPROVISATION ALS BASIS FÜR ORGANISATIONSFORMEN | PROF. DR. FRITZ BÖHLE (ARBEITSSOZIOLOGE) WISSENSCHAFT DURCH NICHT-WISSENSCHAFTLICHES DENKEN UND HANDELN – EINE ARBEITSSOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVE | KUNST- UND WISSENSCHAFTSSLAM MIT RAINER HOLL UND TOBIAS RAUH | JULIAN KLEIN (THEATERREGISSEUR, KOMPONIST) PER.SPICE! | PROF. DR. BERND RUPING, EVA RENVERT (THEATERPÄDAGOGEN) VOM NUTZEN DER KUNST: ZUM PARADOXON DES THEATRALEN FORSCHENS IN ORGANISATIONEN | GERALD NESTLER (KÜNSTLER UND RESEARCHER) WISSEN VERSUS NICHTWISSEN. EPISTEMISCHE STRATEGIEN IN KUNST, WISSENSCHAFT UND ÖKONOMIE | MODERATION: THOMAS F. KOCH (SWR)

263

Prof. Dr. Metin Tolan

Gerald Nestler

Prof. Dr. Bazon Brock

Julian Klein

Prof. Dr. Fritz Böhle

Marion Bertram

Prof. Dr. Wolfgang Stark und Christopher Dell

Prof. Dr. Bernd Ruping

Eva Renvert

264 OLIVER SCHEYTT

Prof. Dr. Gerhard Kilger

Rainer Holl, Tobias Rauh, Slammer

Prof. Dr. Albert Klein und Prof. Dr. Metin Tolan

Thomas Koch (Moderator)

Prof. Ursula Bertram

Dr.-Ing. Werner Preißing

GRUSSWORT 265

266

OLIVER SCHEYTT BESPROCHEN

Lässt sich Wissenschaft überhaupt verunsichern und wozu?

KUNST FÖRDERT WISSENSCHAFT GRUSSWORT

Fördert non-lineares Denken Innovation?

Was hat Kunst damit zu tun?

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Die Labore

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Wissenschaftslabor Wissenschaftslabor science slam

Die Labore

BESPROCHEN

mit Kunst

science slam Korsakow-Podium

mitArena Kunst

Kunstlabor Arena

mit Wissenschaft

Kunstlabor

mit Wissenschaft

Korsakow-Podium Generierung von

Generierung von

Generierung von

Generierung von

Wissenschaft mit Wissenschaft mit künstlerischen Methoden künstlerischen Methoden

Kunst mit Kunst mit wissenschaftlichen wissenschaftlichen Methoden Methoden

Wissenschaftler bedienen sich Wissenschaftler bedienen sich non-linearer Methoden non-linearer Methoden für wissenschaftliche für Forschung wissenschaftliche Forschung

Künstler bedienen sich Künstler bedienen sich wissenschaftlicher Methoden wissenschaftlicher Methoden für künstlerische Forschung für künstlerische Forschung

Anwendungsfelder: Anwendungsfelder: Wissenschaft / Wirtschaft / Bildung Wissenschaft / Wirtschaft / Bildung

Anwendungsfeld: Kunst Anwendungsfeld: Kunst

Abb. 1: Ursula Bertram: Wissenschaftslabor – Kunstlabor

Abb. 2: Prof. Tolan beim Experiment

KUNST FÖRDERT WISSENSCHAFT

Das Loslassen von bewährten Wahrnehmungs- und Denkmustern ist eine der wichtigsten und schwierigsten Hürden einer künstlerischen Entwicklung. Das Aushalten non-linearer Phasen der Haltlosigkeit, der Probierbewegungen in der Unsicherheit, das Navigieren in unbegrenzt offenen Systemen ohne Versprechen hat etwas von einer Geisterbahn, ebenso schön wie gruselig. Es ist die Grundvoraussetzung für künstlerische Arbeit. Das gilt gleichermaßen für wissenschaftliche Innovation. Die Welt ist in Schwingung geraten. Zeitgenössische Künstler und Wissenschaftler erproben die Wechselwirkung ihrer Strategien. Zum aktuellen Stand der Forschung referieren Pioniere der neuen Denkweise aus unterschiedlichsten Fachdisziplinen.

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OLIVER SCHEYTT



GRUSSWORT

Teil 2

GEFORDERT BEMUSTERT BESPROCHEN ÜBERFÜHRT

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ÜBERFÜHRT

MODELLE, STRATEGIEN, PRINZIPIEN

MODELLE, STRATEGIEN, PRINZIPIEN

Es ist zutiefst menschlich, hinter allen Erscheinungen in der realen Welt ein Prinzip zu suchen und damit das Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit zu befriedigen. Funktioniert das auch, wenn Vernunft und Logik außer Kraft gesetzt werden? Verbirgt sich gar der Schlüssel zur Effizienz in den, der künstlerischen Arbeit zugrunde liegenden Modellen, so zum Beispiel »Wegdenken« an Stelle von »Nachdenken« im Kleeblattmodell, oder in der Oszillation zwischen Fakten und Ideen im Spindelmodell? Trifft der Transfer künstlerischer Strategien vielleicht ganz besonders auch Bedürfnisse in Unternehmen, wie das Prinzip »Sanduhr« zeigt? Lässt sich das Prinzip »Bolero« etwa nur als Rahmen künstlerischer Prozesse verstehen, oder vielmehr auch als Leitlinie für die Entwicklung unternehmerisch effizienter Strategien? Unangepasstes Denken setzt Vernunft und Logik nicht außer Kraft, sondern bringt angepasstes Denken in Bewegung.

273

274

ÜBERFÜHRT

DAS PRINZIP KUNSTTRANSFER Die Transferspindel Die Transferpyramide Der Transfer zwischen Kunst und Wirtschaft findet nicht auf der Tagesebene statt, sondern in der Welt der Ideen. Künstlerisches und ökonomisches Denken haben einen gemeinsamen Ursprung: das Denken an sich. Transferdenken – im Sinne eines unangepassten, überdisziplinären Denkens – ist der Ansatz für ungewöhnliche Problemlösungen und damit äußerst effizient. Die Transferpyramide verdeutlicht das Gerüst für die konkrete Umsetzung.

Transfer

Abb. 1: Ursula Bertram, Werner Preißing: Transferspindel (angewandte Zeichnung auf Basis des »Spindelmodells« von Werner Preißing)

MODELLE, STRATEGIEN, PRINZIPIEN

Kunst

Transfer Management

Abb. 2: Ursula Bertram: Transferpyramide

275

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ÜBERFÜHRT

DAS PRINZIP SANDUHR Der künstlerische Prozess als Innovationspool

Die Essenz künstlerischer Prozesse wird konzentriert. Aus den erkennbaren künstlerischen Strategien werden entsprechende Workshops konzipiert:

- Non-lineare Problemlösungen - Effizienz durch Umwege - Guerillakompetenz - Spontane Professionalität - Improvisationstalent - Authentische Positionierung - Visual Thinking – Komplexität verhandeln - Partizipatorisches Talent

Den einzelnen Workshops können unterschiedliche Übungen/Formate zugeordnet werden, abhängig von Zielsetzung und Teilnehmern.

Zentrum für Kunsttransfer

[ID] factory MODELLE, STRATEGIEN, PRINZIPIEN

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Der künstlerische Prozess als Innovationspool Marina Abramovic

Peter FischliMarcel und David Weiß Duchamps

Pablo Picasso Doug Aitken

künstlerische Prozesse Künstler/in A

Künstler/in B

Francis Alys

Erwin Wurm

Erfinderwerkstatt

Impulsvortrag Life-Performance

künstlerische Strategie

Patentfusion 24-Stunden-Selbstversuch Das Einstein-Experiment

Apollo-Projekt

Konzentration - Nonlineare Problemlösungen - Effizienz durch Umwege - Guerillakompetenz - Spontane Professionalität - Improvisationstalent - authentische Positionierung - Visual Thinking - Komplexität verhandeln - partizipatorisches Talent

Transfer

Impulsübungen

Wer das Bild hat, hat die Macht

Standfestigkeit bei völliger Ahnungslosigkeit

Offene Systeme

© U. Bertram

Abb. 3: Ursula Bertram: Das Prinzip Sanduhr

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ÜBERFÜHRT

DAS MODELL KLEEBLATT

Wenn man sein Hirn gewähren lässt, sucht es im Bewährten und schlägt vor, was quantitativ am wahrscheinlichsten ist. Vor allem, wenn es eigentlich unbeteiligt und weder angeregt noch aufgeregt ist. Dann arbeitet es auf Sparflamme. Nur so wird es Aufgaben schnell los und bleibt leistungsfähig. Was das Gehirn brauchbar gedacht und umgesetzt hat, holt es immer wieder aus dem Archiv heraus. Darin wurde es ausgebildet, sowohl auf der kognitiven Ebene als auch auf der Verhaltensebene. Es sorgt dafür, dass wir Vereinbarungen (wie rote Ampeln) einhalten, Normen bedienen, Gesetzmäßigkeiten erkennen. So kann es in einer gewissen Komfortzone ohne Überanstrengung durch den Tag kommen. Nach Hirnforscher Gerald Hüther agiert unser Hirn so, wie wir es am häufigsten gebrauchen und gebraucht haben. Auf das Kleeblatt bezogen handelt es sich um die linke Seite der Ordnung und Logik, die in der Regel 90 Prozent unserer (Aus-)Bildung einnimmt.

Ratio

Intuition

geschlossene Systeme

offene Systeme

linear

Abb. 4: Werner Preißing: Hemisphärenmodell

non-linear

© Ursula Bertram

MODELLE, STRATEGIEN, PRINZIPIEN

Die rechte Seite des Kleeblatts schafft vor allem eines: ungezwungene, offene, anarchische und hochkreative Prozesse zu unterstützen, die Neuordnungen und Innovationen ermöglichen. Zunächst funktioniert das im Schlaf. Neurologen beobachten in Traumphasen, dass das Gehirn in einen völlig anderen Modus schaltet. Wie in einer Werkstatt von Hochkreativen werden im Traum Eindrücke und Erinnerungen zerlegt und zu etwas Neuartigem zusammengefügt. Dabei entsteht das, was jeder Mensch so dringend braucht: ein Plan für die Zukunft, so US Forscher Domhoff. Bewegung durch Wegdenken ist die Grundlage jeder Entwicklung, eine Schlüsselrolle für non-lineares unangepasstes Denken. Das Kleeblatt ist ein hochmächtiges Modell für eine energetische Balance, die auch als Kleeblatt-Team denkbar ist . Dabei werden Neuentwicklungen generiert in geradezu atemberaubender Weise. Künstlerisches Denken bedeutet Bewegung und kann in jedem Kopf zuhause sein.

TRIEBLICHE FÖRDERUNG IONSFÖRDERNDER KOMPETENZEN

RATIO

INTUITION

denken

DENKEBENE

wegdenken

formal

Wissensvermittlung klassisch

linear

Probierbewegungen künstlerisch

Entkonventionalisierung non-lInear

Umwege

stringent

HANDLUNGSEBENE

offenes System

angewandte Wissenschaft

Wissensumsetzung ergebnisorientiert

zielgerichtet

konventionell umsetzen

ORDNUNG Abb. 5: Ursula Bertram: Kleeblatt-Modell

IMMATERIELL

Prozess

experimentell

non-linear

erfahrungsbasiert

künstlerisch

offen

Probierbewegungen

experimentieren

ANARCHIE

MATERIELL

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ÜBERFÜHRT

DAS PRINZIP BOLERO

Das Prinzip Bolero ist eine Struktur für die Konstruktion von non-linearen Impulsen in sechs Schritten. Hier manifestiert sich künstlerisches Denken und Handeln für verschiedene Zielbereiche. Es dient der Entdeckung eigener Ressourcen und dem Erleben neuartiger Zugangsweisen für Prozesse. Die sechs Schritte sind dabei das Backstage für intelligente, situative und non-lineare Erfindungen von Übungen seitens des Coachs. Die Kennzeichnungen (Be ..., open ... etc.) bleiben dabei zunächst im Hintergrund, da sie sonst zu linearen Klischeehandlungen verführen. Prinzipiell wichtig für einen gelungenen Bolero sind abwechslungsreiche Orte, das energetische Umfeld des Zutrauens, ein lustvoller Verlauf, klare und gleichzeitig offene Ansagen, eine präzise Zeitorganisation, die den Zufall nicht ausschließt, die Entwicklung von anspruchsvollen Ergebnissen gleichzeitig mit dem Prozess und eine hohe Achtsamkeit und Sensitivität des Coachs für den Moment und die Personen. Die durchlebten Schritte sind mit jeder künstlerischen Disziplin umsetzbar und übertragbar auf außerkünstlerische Entwicklungsprozesse. Letzteres ist für das Verständnis und die nachhaltige Verankerung im Lebens- oder Berufsalltag unumgänglich. Hierfür bedarf es starker innerer Bilder, die aus dem Prozess Bolero heraus haften bleiben. Im besten Fall sind es auch extern wahrnehmbare Bilder, die Erlebtes auf den Punkt bringen und Kunst im Kopf übertragbar machen, wie der versetzte Berg bei Francis Alys. Einige wenige davon werden im Anschluss gezeigt und auf die Schritte und ihre Begrifflichkeit rückgeführt.

MODELLE, STRATEGIEN, PRINZIPIEN

BOLERO BE OPEN MIND LINK YOUR DESIRE EXPLORE THE FIELD REDUCE THE FOCUS OPEN UP THE RESULT

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ÜBERFÜHRT

MODELLE, STRATEGIEN, PRINZIPIEN

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OLIVER SCHEYTT

BOLERO

be

GRUSSWORT

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OLIVER SCHEYTT

BOLERO

open mind

GRUSSWORT

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OLIVER SCHEYTT

BOLERO

link your desire

GRUSSWORT

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OLIVER SCHEYTT

BOLERO

explore the field

GRUSSWORT

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OLIVER SCHEYTT

BOLERO

reduce the focus

GRUSSWORT

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OLIVER SCHEYTT

BOLERO

open up the result

GRUSSWORT

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296

ANHANG

PUBLIKATIONEN

Ursula Bertram (Hg.) PIA – Ein Forschungsprojekt zum Non-Linearen Dortmunder Schriften zur Kunst, Studien zur Kunst in außerkünstlerischen Feldern – Band 4 © 2016 [ID]factory, Dortmund

Ursula Bertram (Hg.) KUNST FÖRDERT WIRTSCHAFT Zur Innovationskraft des künstlerischen Denkens Bielefeld: transcript 2012 Eine Publikation zum Symposium »Kunst fördert Wirtschaft«, November 2010

1

Ursula Bertram

Künstlerisches Denken und Handeln

Ursula Bertram KÜNSTLERISCHES DENKEN UND HANDELN Textauszug aus: Martin Tröndle, Julia Warmers (Hg.): Kunstforschung als ästhetische Wissenschaft. Bielefeld: transcript 2011

Der Sitzungsort wurde kurzfristig verlegt, Ihre Powerpoint-Präsentation können Sie vergessen, weil es dort keinen Beamer gibt. Anstelle von Abteilungsleiter M. sitzt Ihnen ein dreiköpfiges Vorstandsgremium gegenüber und erwartet, dass Sie Ihr Projekt präsentieren, das Sie eigentlich für die nächste Woche vorbereitet hatten. Spätestens jetzt lernen Sie das Navigieren im offenen System. Innovative Ziele finden, kreative Wege zur strategischen Umsetzung, Entscheidungen in nicht-standardisierten Situationen, dies alles verlangt

Offenheit und die Fähigkeit, über

normative Grenzen hinauszudenken. Gute Künstler tun dies, sind notorische Querdenker und erzielen mit intuitiver Intelligenz erstaunliche Ergebnisse. Der Transfer künstlerischer Prozesse in außerkünstlerische Felder ist Inhalt der Publikation.

Ursula Bertram/Werner Preißing

Navigieren im offenen System

Bertram/Preißing

Unternehmensführung ist ein künstlerischer Prozess

Navigieren im offenen System

herausgegeben anlässlich der Preisverleihung »Land der Ideen – Ausgewählter Ort 2012« in der [ID]factory, Dortmund, März 2012

Ursula Bertram, Werner Preißing NAVIGIEREN IM OFFENEN SYSTEM Filderstadt: Container-Verlag 2007

Beherrschen Sie das Navigieren im offenen System?

richten sich an alle, die etwas unternehmen und Entscheidungen treffen. Spindelhub bedeutet, mit Humor und Souveränität über den Dingen zu stehen. In kompakter Form werden schwierige und

komplexThmenausdem

Wirtschaftsleben durch bildhafte Sprache leicht verständlich.

container-verlag

Navigieren umschlag2 .indd 1

14.02.2007 12:18:12

Werner Preißing VISUAL THINKING Probleme lösen mit der Faktorenfeldmethode München: Haufe 2008

PUBLIKATIONEN

297

Ursula Bertram (Hg.) Öffentliche Sätze – Unerlaubte Fragen Ein Forschungsprojekt zum Non-Linearen Labor für künstlerische Forschung © 2014 [ID]factory, Dortmund

Ursula Bertram (Hg.) INNOVATION – WIE GEHT DAS? Dortmunder Schriften zur Kunst – Band 1. Norderstedt: BoD 2010 Beiträge der Ringvorlesung »Innovation – wie geht das?« Eine Veranstaltung der [ID]factory, Zentrum für Kunsttransfer, TU Dortmund, 2008/2009

Studien zur Kunst in außerkünstlerischen Feldern | Band 3

Ursula Bertram (Hg.)

GUERILLABUG TRIFFT ENERGIETOMATE

Ursula Bertram (Hg.)

GUERILLABUG TRIFFT ENERGIETOMATE

Non-lineare Ideen für Ökostrom

DORTMUNDER SCHRIFTEN ZUR KUNST

Ursula Bertram (Hg.) GUERILLABUG TRIFFT ENERGIETOMATE Non-lineare Ideen für Ökostrom Ein Kooperationsprojekt der [ID]factory/Zentrum für Kunsttransfer, TU Dortmund, Institut für Kunst und Materielle Kultur in Kooperation mit Greenpeace Energy eG © 2012 [ID]factory

Ursula Bertram NON-LINEARES DENKEN UND HANDELN ENTWICKELN. Improvisationskraft, Erfindungsgabe und Probierbewegungen in: praeview – Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 5. Jg. 2014, S. 8–9

Ursula Bertram PORÖSE ZUSTÄNDE. ZITRONENSCHRIFT ALS ZUKUNFTSMODELL in: Engels, Sidonie/Schnurr, Ansgar/Preuss, Rudolf (Hg): Feldvermessung Kunstdidaktik. Positionsbestimmungen zum Fachverständnis. München: kopaed 2013

Ursula Bertram WERDEN WIE EIN FROSCH? Innovationsgenerierung – Wie es geht in: »Exzellenz NRW – Das Clustermagazin Nordrhein-Westfalen« Ausgabe 7 vom 04.09.2013

298

ANHANG

LITERATURVERZEICHNIS Bamford, Anne: Der Wow-Faktor. Eine weltweite Analyse der Qualität künstlerischer Bildung, Münster u.a.: Waxmann 2010.

Preuss, Rudolf (Hg.): Feldvermessung Kunstdidaktik. Positionsbestimmungen zum Fachverständnis. München: kopaed 2013, S. 252–260.

Barad, Karen: Was ist das Maß des Nichts? Unendlichkeit, Virtualität, Gerechtigkeit (dOCUMENTA 13): 100 Notes – 100 Thoughts, 100 Notizen – 100 Gedanken # 099. Ostfildern: Hantje Cantz 2012.

Bertram, Ursula: Non-lineares Denken und Handeln entwickeln. Improvisationskraft, Erfindungsgabe und Probierbewegungen. In: praeview – Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention, 5. Jg. 2014, S. 8–9.

Bertram, Ursula: Innovation – wie geht das? Studien zur Kunst in außerkünstlerischen Feldern. Band 1, Norderstedt: BoD 2010, S. 132.

Bertram, Ursula/Preißing, Werner: Navigieren im offenen System. Filderstadt: Container-Verlag 2007.

Bertram, Ursula: In die Zukunft schreiben. Wie sich künstlerische Strategien in unser Leben mogeln. In: Schmidt, Frank/Ohmert, Claudia (Hrsg.): Labor im Museum – Fünf museumspädagogische Projekte der Kunsthalle Emden. Emden: Kunsthalle Emden 2012, o.S. Bertram, Ursula: Künstlerisches Denken und Handeln. In: Tröndle, Martin/ Warmers, Julia (Hg.): Kunstforschung als ästhetische Wissenschaft. Bielefeld: transcript 2011, S. 293–316. Bertram, Ursula (Hg.): Kunst fördert Wirtschaft. Zur Innovationskraft des künstlerischen Denkens. Bielefeld: transcript 2012. Bertram, Ursula: Anders denken – Wie geht das? In: Journal für Hochschuldidaktik 1–2, 2012, S. 34–38. Bertram, Ursula: Poröse Zustände. Zitronenschrift als Zukunftsmodell. In: Engels, Sidonie/Schnurr, Ansgar/

Bertram,Ursula: PIA, Plastik und Interdisziplinäres Arbeiten, 2014 IDfactory Capra, Fritjof: Lebensnetz. Ein Verständnis der lebendigen Welt, Bern: Scherz 1996. De Bono, Edward: Laterales Denken für Führungskräfte. Reinbeck: Rowohlt 1972. De Bono, Edward: Edward de Bono’s Denkschule. Zu mehr Innovation und Kreativität. München: MVG 1996. Dell, Christopher: Prinzip Improvisation. Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2002. Dell, Christopher: Die improvisierende Organisation. Management nach dem Ende der Planbarkeit. Bielefeld: transcript 2012.

LITERATURVERZEICHNIS

Divjak, Paul: Integrative Inszenierungen. Zur Szenografie von partizipativen Räumen. Bielefeld: transcript 2012 Dobiéy, Dirk: The artistic attitude does not develop overnight. Interview with Ursula Bertram. In: Age of Artists vom 27.08.2015, http://www.ageofartists. org/portfolio-item/an-artistic-atti tude-does-not-develop-overnightinterview-with-ursula-bertram/ (Abruf: 01.12.2016). Dürr, Hans-Peter: Das Lebende lebendiger werden lassen. München: oekom 2011. Düttmann, Alexander Garcia: Kein Denker versteht sich selbst. Vortrag der Seminar- und Vortragsreihe »Was ist Denken. Oder ein Geschmack, der gegen sich selbst reagiert« auf der dOCUMENTA (13), 16.07.2012. Düttmann, Alexander Garcia: 2008: Derrida und ich. Das Problem der Dekonstruktion. Bielefeld: transcript 2012. Flusser, Vilém: Das Ende der Tyrannei. In: arch+ 111, 1992, S. 20–25.

Hauser, Jens: Bio Kunst – Taxonomie eines Wortmonsters, in: Hybrid – living in paradox. Ars Electronica 2005. Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft. Hrsg. von Gerfried Stocker et al. Ostfildern: Hatje Cantz 2005, o.S. Heid, Klaus/John, Ruediger: Was ist Transferkunst? Ein Terminus für transdisziplinäres, künstlerisches Arbeiten. In: JUNI kunst zeit schrift, 2003, o.S. Hüther, Gerald: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006. KEA European Affairs (Hg.): Der Einfluss von Kultur auf Kreativität. Eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission. Generaldirektion Bildung und Kultur. Brüssel: KEA European Affairs 2009. Kolata, Jan: Innovation und Invention im Prozess der Malerei, in: Bertram, Ursula: Innovation – wie geht das? Studien zur Kunst in außerkünstlerischen Feldern. Band 1, Norderstedt: BoD 2010, S. 132.

Gerbel, Karl/Weibel, Peter: Ars Electronica 93. Genetische Kunst – künstliches Leben. Linz: PVS verleger 1993.

Mauzy, Jeff/Harimann, Richard A.: Creativity, Inc.: Building an Inventive Organization. Harvard Business School Press: Boston 2003.

Grasskamp, Walter: ohne Titel. In: Klasse Olaf Metzel: Küssen und Fahrradfahren. München: Akademie der Bildenden Künste/Martin Luther Verlag 1996, S. 9.

m:convisions: Was ist das Gegenteil von Frosch? Ein Interview von m:convisions mit Ursula Bertram. In: m:convisions, Ausgabe April 2013, S. 10–13.

Groß, Sabine: Fashionloop. hrsg. von Goldrausch Künstlerinnenprojekt Frauennetzwerk Berlin e. V., Ausst.Kat. Kunsthalle Göppingen. Berlin: Medialis 2001.

Popper, Karl R.: Alles Leben ist Problemlösen. Über Erkenntnis, Geschichte und Politik. München: Piper 1996.

299

300

ANHANG

Preißing Werner: Visual Thinking. Probleme lösen mit der Faktorenfeldmethode. München: Haufe 2008.

Schumpeter, Joseph A.: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. Stuttgart: UTB 2005.

Prigogine, Ilya/Stengers, Isabelle: Das Paradox der Zeit. Zeit, Chaos und Quanten. München: Piper 1993.

Schuster, Marina: Kunstpalast Düsseldorf. In: Bertram, Ursula: Zeitarbeit. München: Salon 2004.

Rifkin, Jeremy: Dazzled by the Science. Biologists who dress up hi-tech eugenics as a new art form are dangerously deluded. In: The Guardian vom 14.01.2003, https://www.theguardian. com/education/2003/jan/14/higher education.uk (Aufruf: 10.05.2011).

Wehrli, Ursus: Die Kunst aufzuräumen, Zürich: Klein & Aber 2010. Wehowsky, Stephan: Die lebendige Welt eines Physikers (Buchbesprechung). In: Journal 21, vom 05.11.2011, http:// www.journal21.ch/die-lebendige-welteines-physikers (Abruf: 05.08.2012).

Schumpeter, Joseph A.: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Bern: Francke 1946.

Abb. 1: Ursula Bertram: Die Submarinestrategie der [ID]factory

BILDNACHWEISE

BILDNACHWEISE S. 4–5: Foto: Ursula Bertram; Denkskizze: Werner Preißing S. 17: Kunst im Kopf, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 1) S. 31: Der Wissenswürfel, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 1) S. 33: Ursula Bertram: Tor der Wissenschaften, 1987, Foto: Jürgen Hill S. 37: Geschlossene und offene Systeme, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 1) S. 38: Die Vertreibung aus dem Paradies, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 2) S. 41–49: Ursula Bertram: Seneca, Installationen, 1996, Fotos: Elmar Herlet S. 51: Symposium »Kunst fördert Wissenschaft « 2012, Poetry-Slam, Foto: Andreas Wahlbrink S. 63–65: Ursula Bertram: Tag und Nacht, Installation Theater Mainz, 1997/98, Fotos: Gerhard Kassner S. 66–67: Staatstheater Mainz, Architekt Klaus Möbius, Foto: Gerhard Kassner S. 73–77: Ursula Bertram: Maria liebt Re, Dortmund 1995, Fotos: Elmar Herlet S. 83: Zitrone, Foto: fotolia 5896010, pixel 66 S. 85–87: Ursula Bertram: Szenografie zu Hamlet, Kopenhagen 1996, Fotos: Ursula Bertram S. 93: Frosch: fotolia S. 95–97: Ursula Bertram: Zeitenwende, Dortmund 1999, Fotos: Elmar Herlet S. 97: Zeitenwende, Dortmund 2000, Zeichnung: Ursula Bertram (Abb. 1) S. 99: Der künstlerische Prozess, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 1)

S. 99: Der künstlerische Prozess, Zeichnung: Ursula Bertram (Abb. 2) S. 101–103: Ursula Bertram: Lügen Hühner? Trier 1995, Fotos: Elmar Herlet S. 113: Der künstlerische Prozess 1, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 1) S. 113: Der künstlerische Prozess 2, Zeichnung: Ursula Bertram (Abb. 2) S. 117: Performance Steffi Zeiler, 2003, Fotos: Ursula Bertram (Abb. 3–4) S. 119–120: Prozessentwicklung 1 und 2 einer Studentin zur Themenstellung »Stoff«, Fotos: Ursula Bertram (Abb. 5–10) S. 120–122: Ursula Bertram: Präzisionsfabrik, Wiesbaden 2008, Fotos: Birgit Luxenburger (Abb. 11–13) S. 124: Educational Turn, Zeichnung: Ursula Bertram und Werner Preißing (Abb. 14) S. 125: Synergien, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 15) S. 127–131: Ursula Bertram: Die Hölle – La Citta Dolente nach Dante, Hahn-Hasselbach 1994, Fotos: Elmar Herlet S. 149: Systemskizze Positionierung, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 1) S. 151–155: Ursula Bertram: US3OBEROLMERWALD, Mainz 2000/2004, Fotos: Christian Kain und Alfred Engler S. 159: Faktorenfeldmethode, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 1) S. 159: Kleeblatt-Modell, Zeichnung: Ursula Bertram (Abb. 2) S. 161: Der Ort der Entwicklung, Zeichnung: Ursula Bertram S. 163–165: Zeitarbeit II, Fotos: Ursula Bertram, Mark Wohlrab

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ANHANG

S. 174: Urs Wehrli: »Beethovens ›für Elise‹ aufräumen«, aus: Wehrli 2004, S. 40/41 (Abb. 1–2) S. 176: Geschlossene und offene Systeme, Zeichnung: Werner Preißing (Abb. 3) S. 181–185: Ursula Bertram: Zeitarbeit VII, Fotos: Erik Schwarzer S. 189: Geschlossene und offene Systeme, Zeichnung: Werner Preißing, aus: Bertram/Preißing 2007 (Abb. 1) S. 190: Kunstmuster, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 2) S. 191: Bileam Kümper und Nora Kühnen, Gemeinschaftswerk, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 3) S. 193: Ergebnispräsentation, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 4) S. 195: Connect Creativity Veranstaltung 2008, Foto: future bizz (Abb. 5) S. 197: Kursteilnehmer Kunsttransfer, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 6) S. 197: Werk Alischa Leutner, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 7) S. 199–201: Zeitarbeit V, Fotos: Birgit Luxenburger S. 205: Resolution, Foto: Mark Wohlrab S. 206–209: Symposium »Kunst fördert Wirtschaft«, Impressionen, Fotos: Mark Wohlrab S. 210–211: Bileam Kümper und Nora Kühnen, Gemeinschaftswerk, Foto: Mark Wohlrab S. 214–215: Seminareindruck Kunsttransfer, Foto: Ursula Bertram S. 216: [ID]factory, Foto: Mark Wohlrab S. 219: Daniel Braun: Reisesalzstreuer, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 1) S. 219: Alischa Leutner: Unternehmer III, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 2) S. 220–221: Preisverleihung, Foto: Mark Wohlrab S. 222: Gemeinschaftsarbeit factoryTandem, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 3) S. 223: Sehra Karakus: Das factoryLabor, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 4)

S. 225: Erik Schwarzer: Travel Bug to Fukushima, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 5) S. 226: Anja Reißig: Labo(h)rklang, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 6) S. 227: Christine Böse: Puschel, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 7) S. 228: Amelie Lüdtke: Blowball, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 8) S. 229: Jakob Dawid und Fabian Menke: airnergy, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 9) S. 231: Wie erkennt man Kompetenz? Plakat: Nicola Gördes und Elza Javakhishvilli (Abb. 10) S. 232–233: Donja Nasseri: Autonome Blätter, Fotos: Roland Baege (Abb. 11–12) S. 234–235: Judith Klein: Dualität, Foto: Roland Baege (Abb. 13) S. 236–237: Julia Batzdorf: GLEAM, Fotos: Michael Larßen (Abb. 14–15) S. 238: Katrin Eßer: Wir wandern hin und her, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 16) S. 239: Lisa Karnagel: Nest, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 17) S. 240–241: Ausstellungsfoto mit Modellen, Jan-Gerd Terhüne: Urbaner Wachturm, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 18) S. 242–243: Stefan Bröckerhoff und Georg Luttermann: o.T., Fotos: Mark Wohlrab (Abb. 19–20) S. 244–245: Nicola Gördes und Elza Javakhishvilli: Anleitung für einen vernünftigen Abstand, Videostills, Fotos: Mark Wohlrab (Abb. 21–23) S. 247: Judith Klein: Der Schirm, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 1) S. 248–249: Skizzen Innovation-Conference, Zeichnungen: Ursula Bertram und Brigitte Hitschler (Abb. 2–3) S. 250: Foto: Andreas Wahlbrink S. 251: Johanna Bielawski: aus der Serie »Skulptan«, Foto: Mark Wohlrab (Abb. 4)

BILDNACHWEISE

S. 251: Skizze Innovation-Conference, Zeichnung: Ursula Bertram und Brigitte Hitschler (Abb. 5) S. 254–255: Januar Forum Factory, Vortrag Doris Rothauer, Foto: Mareile Vaags S. 254: Porträt Robert Koch, Foto: privat S. 254: Porträt Lorenz Schwachhöfer, Foto: privat S. 254: Porträt Ursula Bertram, Foto: Jürgen Huhn S. 255: Porträt Dirk Dobiéy, Foto: Dada Lin S. 255: Porträt Georg Mallitz, Foto: privat S. 255: Porträt Doris Rothauer, Foto: privat S. 255: Porträt Marco Wehr, Foto: Marc Wohlrab S. 255: Porträt Oliver Scheytt, Foto: Marc Wohlrab S. 255: Porträt Julia Batzdorf, Foto: Marc Wohlrab S. 256–257: Mikrofone in der [ID]factory, Foto: Mark Wohlrab S. 258–259: Manoir du Cleuyou/ Publikum, Foto: Ursula Bertram S. 259: Bileam Kümper im Salon, Foto: Ursula Bertram S. 259: Eva-Maria Houben an der Orgel, Foto: Ursula Bertram S. 259: Vortrag Werner Preißing, Foto: Ursula Bertram S. 259: Manoir du Cleuyou/Totale, Foto: Ursula Bertram S. 260–261: [ID]factory, Foto: Mark Wohlrab S. 262–263: Symposium »Kunst fördert Wissenschaft« 2012, Vortrag Renvert/Ruping, Foto: Andreas Wahlbrink S. 264–265: Symposium »Kunst fördert Wissenschaft« 2012, Impressionen, Fotos: Andreas Wahlbrink, Mark Wohlrab

S. 266–267: Symposium »Kunst fördert Wissenschaft« 2012, Performance Team Ruping, Foto: Andreas Wahlbrink S. 268: Wissenschaftslabor – Kunstlabor, Zeichnungen: Ursula Bertram S. 269: Symposium »Kunst fördert Wissenschaft« 2012, Vortrag Metin/ Tolan, Foto: Andreas Wahlbrink S. 274: Transferspindel, Zeichnung: Ursula Bertram, Werner Preißing, angewandte Zeichnung auf der Basis des »Spindelmodells« von Werner Preißing, aus: Preißing 2008 (Abb. 1) S. 275: Transferpyramide, Zeichnung: Ursula Bertram (Abb. 2) S. 277: Das Prinzip Sanduhr, Zeichnung: Ursula Bertram (Abb. 3) S. 278: Hemisphärenmodell, Zeichnung: Werner Preißing, aus: Preißing 2008 (Abb. 4) S. 279: Das Kleeblatt-Modell, Zeichnung: Ursula Bertram (Abb. 5) S. 282–283: Der gelbe Sessel, Foto: Ursula Bertram S. 284–285: Bretagne-Seminar, Foto: Ursula Bertram S. 286–287: Bretagne-Seminar, Foto: Katrin Voidel S. 290–291: Bretagne-Seminar, Foto: Ellen Prieditis S. 292–295: Bretagne-Seminar, Fotos: Ursula Bertram S. 300: Ursula Bertram: Die Submarinestrategie der [ID]factory Dank an den Fotografen Mark Wohlrab für fixierte Momente seit 2007

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IMPRESSUM

Dortmunder Schriften zur Kunst Studien zur Kunst in außerkünstlerischen Feldern – Band 5

Autorin Ursula Bertram Redaktion Ursula Bertram Brigitte Hitschler

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Grafik und Satz Brigitte Hitschler Frank Georgy Lektorat Tanja Jentsch, 7Silben, Bottrop

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