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German Pages 428 Year 2014
Daniel Botz Kunst, Code und Maschine
Für meine Eltern
Daniel Botz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunstpädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München_ Sein Forschungsgebiet umfasst digitale und audiovisuelle Bewegtbildmedien_
DANIEL BoTZ
Kunst, Code und Maschine Die Ästhetik der Computer-Demoszene
[ transcript]
Zugleich Diss. Ludwig-Maximilians- Universität München 2008 Alle abgedruckten Screenshots und sonstigen Bilder sind Eigentum ihrer jeweiligen Produzenten und erscheinen hier ausschließlich im Rahmen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem entsprechenden Gegenstand. Der Autor möchte an dieser Stelle dennoch für die freundliche Genehmigung zum Nachdruck von Copyright-Material danken. Sollte es in Einzelfallen nicht gelungen sein, Copyright-Inhaber zu benachrichtigen, so werden diese gebeten, sich zu melden. Alle verwendeten Markennamen dienen ausschließlich der Beschreibung und sind teilweise eingetragene Warenzeichen.
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Inhalt
Vorwort
7
Intro .................................................................................... Spielregeln ... . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . ......... ........................ ... . . . . . . . . . Zielsetzungen . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . Theoriehintergrund .. .... ..... .... ..... .... ..... .... ..... .... ..... .. .. . . .. .. .. . Quellenkunde .....................................................................
11 13 18 24 30
Voraussetzungen ........................ ...................................... Maschinen ................................................................ .......... Hacker ................................................................................. Der Personal Computer
33 33 36 40
Stationen .................................................. ................. ........ Der Commodore 64 . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . Dealer Quality Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Compunet & Competitions .... ..... .... ..... .... ..... .... ......... .. ... .. Der Amiga ... ..... .... .............. .... ......... ..... .... ........... ............... Die dritte Dimension . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . Trackmos .... ..... .... ..... .... ..... .... ... .. .... ..... .... .. .... ... .. .. .. . . .. .. . .. .. Design ........ ............................................................ ............ Techno Video Demo . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . Die C-64-Szene nach dem Amiga ... ..... .. .. .. .. . .. .. .... .. . .. .. .. .. Der IBM-PC ................................. .......... ... ...... ........... ...... .. AGA- die neuen Amigas ............. ......................... ...... ...... Die »New School« des C-64 .......... ..................................... 3D setzt sich durch ................ ...................... ..................... Layerdemos ............................................................ ....... .... Grenzauslotung der Geometrie
45 46 74 84 103 1 53 183 201 21 1 214 218 232 241 249 266 276
Ästhetische Strategien .............. ................................. ..... Echtzeit .............................................................................. Restriktionen ............................. .............................. .......... Entgrenzung und Tiefe ........................................... .. .... .... Hacker-Ästhetik als Medienaneignung ........ ........... ........
289 289 303 325 331
Ästhetische Bezugsfelder .... ............. .............................. Standbildgrafik . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . Schrift ....................................................... ............. ............ Räume und Architektur .......... ............................... .......... Strukturen und Inhalte .......... ............................... ...........
335 33 5 345 354 362
Materialisierung und Entmaterialisierung
387
Fazit ....................................................................................
391
Literatur ................ ................................ .............................
395
Plattformen ..... ......... ......... ..... .... ..... ......... .... .....................
405
Bildnachweise
411
Register .................................................... .........................
41 7
Vorwort
Die Idee, eine Arbeit über die Computer-Demoszene zu schreiben, entstand vor etwa neun Jahren. Damals war es natürlich in den Geisteswissenschaften nichts Außergewöhnliches mehr, über Computer zu schreiben, vor allem im Hinblick darauf, wie deren Darstellungsfahigkeiten unsere Wahrnehmung der Welt und damit unsere ästhetischen Vorstellungen umkrempeln würden. Man schrieb dabei jedoch meistens über »den Computer«, das abstrakte Phänomen, das wie kein anderes dazu fahig sei, Kunst und Gesellschaft zu revolutionieren. Selten schrieb man über »die Computer«, die eigentlichen Geräte: Verlötungen von Mikrochips, Steckverbindungen und buntem Flachbandkabel auf grünen Platinen in muschelgrauen Gehäusen mit integrierter oder abgesetzter Tastatur. Diese Computermodelle waren immer zu schnell wieder veraltet, um der Untermauerung kultureller Fortschrittsthesen zu dienen. Sie eigneten sich denkbar schlecht für eine universelle Theoriebildung des digitalen Zeitalters und genauso wenig für die Einlösung kunstphilosophischer Heilsversprechen. Man erwartete von der digitalen Gestaltung nichts weniger als die endgültige Ablösung des Ästhetischen vom Material, die komplette Virtualisierung der künstlerischen Idee. Da erschien es eher müßig, über Rechnermodelle, Hardware-Komponenten, Prozessorgeschwindigkeiten und Speicherbestückung reden zu müssen. Das zu diskutieren war nicht Aufgabe der Geisteswissenschaften, sondern das Tagesgeschäft von Computerzeitschriften und Elektronikhandel-Katalogen. Die Demoszene, um die es in diesem Buch geht, ist von der Betrachtung des Personal Computer als konkrete Hardware nicht zu trennen. Sie macht es nötig, sich von dem Gedanken an eine universelle Computerästhetik zu verabschieden und sich jenen Maschinen zuzuwenden, die durch ihre Sprödigkeit, ihre Launen und ihre natürlichen Grenzen meistens dabei versagen mussten, die künstlerischen Vorstellungen Ihrer Benutzer exakt einzulösen und die Science Fiction einzuholen, die ihnen stets vorauseilte. Maschinen, die gerade deshalb jedoch zu Forschungsobjekten ihrer Besitzer wurden, zum gestalterischen Material, dass auf seine Leistungsfahigkeit, seine Widerspenstigkeit und seine Grenzen hin getestet wurde. Die Demoszene steht wie keine andere Kulturgemeinschaft für die Überzeugung, dass sich die künstlerische Idee nicht trennen lässt vom Code, in dem sie formuliert wird und von der Maschine, auf der dieser ausgeführt wird. Will man diese Szene verstehen, muss man das kulturprägende Potenzial der einzelnen Maschinen selbst erkennen, ihre Fähigkeit, Interessens- und Wertegemeinschaften sowie gestalterische Praktiken zu begründen. In dieser Hinsicht hat sich in den letzten neun Jahren vieles getan. Es gab eine beachtliche Zahl von Veröffentlichungen über die frühen Jahre der Computerkunst im 20. Jahrhundert und ihre technischen Bedingungen, über die Ästhetik von Computerspielen und die Entwicklung der klassischen Heim-
8 I Kunst, Code und Maschine
computer. Gleichzeitig hielten unter dem Stichwort »Retrocomputing« pixelige Grafiken und rohe »Chiptune«-Klänge Einzug in die Welt von Popmusik, Videoclips und Werbung. Der Rückblick auf drei Jahrzehnte Homecomputerkultur scheint allgegenwärtig und kann längst nicht mehr befriedigend als reines Nostalgiephänomen erklärt werden. Das neue Interesse an alten Schaltkreisen legt vielmehr nahe, dass nicht die universelle Natur des Digitalen, sondern die spezifischen Eigenarten der Geräte und Systeme unsere Wahrnehmung und Vorstellung von Computertechnologie geprägt haben. Es ist daher in einem Buch wie diesem nicht zu vermeiden, die Beschreibungen hin und wieder mit technischem Fachjargon zu konfrontieren, schon deshalb nicht, weil die Verwendung technischer Sprache und die Prägung eigener Fachbegriffe wichtige Aspekte der kulturellen Selbstbehauptung der Demoszene sind. Wenn also in der vorderen Kapiteln der ein oder andere Exkurs in die Tiefen der Transistorwelt nicht unmittelbar verständlich wird oder gar abschreckt, so sei darauf verwiesen, dass die Konsequenzen dieser Fallbeispiele für die Ästhetik vornehmlich in den hinteren Kapiteln des Buchs verhandelt werden und manche technische Detailstudie somit erst nachträglich begründet wird. Kaum war zu ahnen, welchen immensen Beitrag die Demoszene selbst bei ihrer historischen Aufarbeitung leisten würde, indem sie die globalen Strukturen des Web 2.0 aufsuchen würde, um ihr digitales Erbe in offenen Archiven zu verwalten. Viele wichtige Beiträge zum Thema erschienen erst in den letzten Monaten, und meist aus der Feder von Demoszene-Beteiligten, die sich selbst in Internet-Artikeln oder Abschlussarbeiten an verschiedenen Institutionen mit akademischem Interesse dem Phänomen widmeten. Auch wenn viele dieser kürzlich publizierten Beiträge nicht mehr berücksichtigt werden konnten, wurde versucht, das Buch so grundlegend, so umfassend und dennoch so aktuell wie möglich zu gestalten. Mit der durchgehenden Bebilderung des Buches soll nicht die Behauptung aufgestellt werden, dass sich ein dynamisches, audiovisuelles und in den allermeisten Fällen äußerst farbenfrohes Phänomen wie eine Computerdemo nur annähernd in einer Serie von eingefrorenen, stummen SchwarzweißStandbildern darstellen ließe. Bestimmte ästhetische Aspekte, wie die Leuchtkraft gesättigter Bildschirmfarben und die Mosaikbildung begrenzter Sildschirmauflösungen können im Druck nur sehr unzureichend wiedergegeben werden. Filigrane grafische Elemente wie Punktmuster, Linienzeichnungen oder Pixelschraffuren werden oft vom schwarzen Hintergrund oder dem Druckraster verschluckt. Die Illustration mancher Entwicklungen in der Demo-Ästhetik wie das irrwitzige Ringen um die Erhöhung der Anzahl darstellbarer Farben auf alten Systemen müssen auf diese Weise zwangsläufig scheitern. Das Bildmaterial ist also lediglich zum besseren Nachvollzug der Beschreibung bestimmter visueller Qualitäten abgedruckt, da die besprochenen Szene-Produktionen nicht für jeden Leser als bekannt vorausgesetzt werden können. Die Bilder von C-64- und Amiga-Demos wurden zur Vermeidung von Übertragungsstörungen zum größten Teil mit Software-Emulatoren auf einem PC erstellt, seltener kamen Originalcomputer zum Einsatz, deren Videoausgang an einen PC mit Videoschnittkarte angeschlossen wurde. Beschnitte und Vergrößerungen sind entsprechend gekennzeichnet, grundsätzlich entfernt wurden ungenutzte Overscan-Bereiche von Amiga-Demos, die beim Monitor
Vorwort I 9 immer in den Rändern der Bildröhre verschwinden und lediglich im Ausdruck als schwarze Ränder sichtbar werden würden. Der breite Rahmen von C-64-Demos, der sogenannte Border, wurde jedoch beibehalten, da er in vielen Fällen in die Gestaltung einbezogen wird. Bei allen Abbildungen sind die Demos mit den Angaben Platrform, Typ und Jahr bezeichnet. Eine Demo-Plattform kann z.B. ein Betriebssystem wie Windows, ein Homecomputer wie der C-64, ein Handheld-Gerät wie der Nintendo Gameboy oder ein Hardware-Chipsatz wie Amiga OCS oder AGA sein. Es wird generell empfohlen, die beschriebenen Demos, die alle im Internet frei verfügbar sind, in ihren digitalen Formen anzusehen. Das Abbildungsverzeichnis im Anhang des Buches liefert zu jeder Produktion einen Internet-Link. Dort sind die besprochenen Computerdemos als ausführbare Datei (für die entsprechende Computerplattform), in einigen Fällen auch als Videodatei abrufbar. Um die Internet-Adressen nicht alle von Hand eingeben zu müssen, gibt es ein anklickbares Online-Verzeichnis aller Links aus diesem Buch, zu finden auf der Internetseite http://demoszene.danielbotz.de. Natürlich liegt es in der Natur von Internetseiten, öfters umzuziehen, vorübergehend unerreichbar zu sein oder sich auch endgültig in Nichts aufzulösen. Daher kann für das Bestehen der Linksammlung keine Garantie gegeben werden. Ich werde mich jedoch bemühen, die Liste so vollständig und aktuell wie möglich zu halten. Familie, Freunde und Kollegen haben auf unterschiedlichen Wegen zur Entstehung dieses Buchs beigetragen. Bedanken möchte ich mich in erster Linie bei meiner Frau Birgit und meinem Sohn David für die stets geduldige und tatkräftige Unterstützung, bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Wolfgang Kehr, bei Prof. Dr. Ernst Rebe! und Prof. Dr. Bernd Scheffer für wertvolle Hinweise. Bei Michael Botz, Ingrid Huber, Bernd Hegewisch, Nicky Amann, Marion Gauch, Carsten Weimann und Christine Metelmann für unermüdliches Korrekturlesen und sonstige Hilfen. Bei Markku Reunanen und Anders Carlsson furanregende Diskussionen. Ich danke auch allen Demoszene-Aktivisten, die mich in meiner Arbeit auf verschiedene Weise unterstützt haben, besonders Jürgen »Bobic« Beck, Thomas »Pro« Obermaier, Ivan »Rayzn« Rasin, Henrik »Photon« Erlandsson, Eike »Romeo Knight« Steffen, Florian »Delta« Link, Johan »Hollowman« Bengtson, Häkon »Archmage« Repstad, Thomas »Fiver2« Mahlke und Timo »Visualice« Harju. Schließlich gilt mein Dank all den Webseiten-, Blog- und Forenautoren, die ihr Wissen unentgeltlich mit anderen teilen sowie den Programmierern freier Software, die für die Erstellung dieses Buches verwendet wurde. Das betrifft vor allem die Emulatoren Win Vice, CCS64, WinUAE und MAME sowie DOSBox und das CaptureTool .kkapture. Ohne diese Werkzeuge wäre ein Projekt wie dieses kaum möglich gewesen.
Intro Bingen am Rhein im April 2007. In diesem Jahr sind es etwa eintausendvornehmlich männliche - Jugendliche und junge Erwachsene, die aus den verschiedensten Teilen Europas angereist sind und in einer Sporthalle versammelt auf eine große Leinwand blicken, auf der sich ein bemerkenswertes Schauspiel vollzieht. Ein computergeneriertes Szenario erscheint: Eine Kulisse aus unverputzten, gemauerten Wohnblocks mit Balkonen, hängenden Oberleitungen und eisernen Feuertreppen. Die virtuelle Kamera schwankt wie von einem Amateurfilmer geführt. Während sie in der Erwartung von etwas Dokumentationswürdigem den richtigen Ausschnitt zu finden versucht, zeigt sie unter dem schwefelgelb erleuchteten Nachthimmel der Großstadt geteerte Flachdächer und Hochtrassen der S-Bahn, rostige Monumente der Ingenieursarchitektur. Eine Bahn fährt vorbei, die Kamera greift die Bewegung auf, fährt an einem Zaun entlang. Hinter diesem senkt sich ein großer, leuchtend weißer Würfel auf die Freifläche vor einem Parkhaus. Nervös nach der richtigen Zoom-Einstellung suchend hält die Kamera fest, wie der Kubus in Tausende kleinerer Würfel aufbricht, welche sich zu einem Strom formieren, der nun in die Straße einbiegt und sich dort mit anderen Strömen von Würfeln vereinigt, um die menschenleere graue Industrietristesse zu bevölkern. Die Überwachungskamera einer Tiefgarage registriert die unheimliche Invasion genauso wie der unsichtbare Passagier eines S-B ahn-Waggons. Die Würfel schrauben sich zwischen den erleuchteten Wohnblocks hervor, winden sich um die verschlungenen Highways, quellen aus rostigen Leitungen, die sich wie ein Nest von Kobras unbarmherzig voranschlängeln und Gebäude und Straßen zusammenschnüren. Schließlich, wie von den Würfelmassen beseelt, setzen sich die Bahntrassen in Bewegung und durchpflügen die Straßenzüge in wellenartigen Bewegungen, dass Boden und Kamera zu beben beginnen, legen sich waghalsig in die Kurven wie eine Achterbahn. Die Highways lösen sich in Kehrensegmente aufund kreisen die Hochhäuser ein, diese gleiten wie auf einer Eisfläche von ihren Fundamenten und begeben sich in Rotation. Im Würgegriff der Würfel-Armada drehen und verschieben sich ganze Wohnblocks, große Schriftzüge erscheinen wie Stahlträger zwischen den Ziegelbauten und zersplittern in Tausende von Trümmern. Schließlich rieseln auch die Fassaden als Trümmer herab und hinterlassen weißglühende Leere, wo vorher noch Häuser waren. Die marodierenden Bahntrassen krachen in den Teer der Straßen und wirbeln ihn auf. Das Firmament zerfällt in graue Paneele und regnet staubend auf die Erde, die rostverkrusteten EiSenkonstruktionen durchbrechen den Boden und versinken im Nichts. Ein einzelner Würfel folgt ihnen, übrig bleibt nur ein blendendes statisches Rauschen.
12 I Kunst, Code und Maschine
Farbrausch - fr-041: debris (Windows-Demo, 2007)
Bereits im letzten Drittel des projizierten Spektakels ist ein Großteil des Publikums von seinen Sitzen aufgesprungen, um ungläubig den Kopf zu schütteln, den Nachbar mit dem Ellenbogen anzustoßen, auf den Schirm zu deuten und anfeuernde Ausrufe oder spontanen Szenenapplaus zu spenden. Die offensichtliche Begeisterung über das eben Gesehene macht sich in den Mienen der Zuschauer und kurz danach in den Kommentaren auf der Internet-Plattform Pouet breit, wo von »Meilenstein«, »atemberaubend« und »brilliant« die Rede ist. 1 Bei dem projizierten 7-Minuten-Clip Debris von der Hamburger Formation FARBRAUSCH handelte es sich nicht um die Vorschau eines computeranimierten Hollywood-Films, nicht um eine avantgardistische Musikvideo-Premiere, den Werbetrailer einer Animationsfirma oder das Showreel einer Agentur für Special-Effects. Er wurde nicht auf der letzten Generation von Supercomputern oder Grafik-Workstations in wochenlangen RenderSchichten erstellt, nicht durch die Belegschaft eines Produktionsstudios, nicht einmal durch das Budget eines Filmhochschulabschlusses realisiert. Der Clip wurde nicht von einem Filmprojektor, einer DVD oder einem anderen Videoabspielgerät wiedergegeben, er besteht aus einer Datei, die auf einem handelsüblichen PC mit Grafikkarte ausgeführt, in Echtzeit berechnet und ausgegeben wurde. Die Datei ist 177 Kilobyte groß. Der Clip ist kein Clip, er ist eine Demo.
Vgl. http://\N\IIiW.pouet.net/prod . php?which~30244
Intro
I 13
Demo-Party »Breakpoinl« in Bingen am Rhein, während einer Campefition (2006)
Spielregeln Die Veranstaltung »Breakpoint« in Bingen gehört zu den größten Veranstaltungen der Demoszene, eines weltweiten Netzwerks von Computer-Enthusiasten, welches sich bereits in den 1980er Jahren als Subkultur der Homecomputerkultur etablierte. Filipe Cruz beschreibt diese Underground-Struktur anlässlich einer »Breakpoint«-Dokumentation als »the most bizarre, immersive, creative, passionate and yet isolated computer community that exists.« 2 Als künstlerisches Gestaltungsformat und namensgebender Begriff dieser Szene ist Demo weder im Sinne einer politischen Massenkundgebung noch der selbstproduzierten musikalischen Visitenkarte einer Amateurband oder der kostenlosen Vorab- bzw. Testversion einer Computersoftware gemeint. »Demo« bezeichnet im weitesten Sinne eine programmierte, von einem Computer generierte, zeitbasierte audiovisuelle Präsentation, bei deren Gestaltung ästhetische Intensionen genauso eine Rolle spielen wie technologischer Sachverstand. Wahrscheinlich ist der Begriff selbst nicht in der Demoszene erfunden worden, er bezog sich ursprünglich auf Software-Demonstrationen, die mit einem Computer mitgeliefert wurden oder auf Technik-Messen dazu dienten, das Publikum von den Fähigkeiten eines Rechnersystems zu überzeugen.3 Die Artefakte der Demoszene bewerben jedoch weder eine Hardware, noch sind sie selbst Gegenstand von Verkauf oder kostenpflichtiger Nutzung. Ihre Herstellung verfolgt keinerlei kommerzielle Interessen; sie werden ab dem Datum ihrer Fertigstellung im Internet zum Herunterladen angeboten, so wie sie in Zeiten vor dem World Wide Web auf Online-Mailboxsystemen (BBS) bereitgestellt und noch viel früher auf Disketten getauscht undperPost versendet wurden. Das Wort Demo bzw. Demonstration bezieht sich vielmehr auf die reine Zurschaustellung der gestalterischen Ideen und programmiertechnischen Fähigkeiten der Urheber, also eines talentierten Computerfans oder einer Gruppe von Programmierern, grafischen Künstlern und Musikem.4 2 3
Cruz 2005, 5.9 Die Verwendung des Begriffs »DemoJack the Nipper 2«.
Stationen I 85
STE'86-Aliens
Scoop- Aliens
(C-64-Grajik, 1986)
(C-64-Demo, 1987)
Bei Aliens wird zusätzlich die sogenannte !die State-Grajik genutzt, um ein bewegtes Punktraster in den oberen und unteren Bildschirmrahmen zu zeichnen. Es handelt sich dabei um »Buchstabenmüll«, der nicht unterd1iickbar, aber unter bestimmten Voraussetzungen als Zeichenmuster kultivierbar ist. Dieser Effekt wird aufgrund seiner rätselhaften Ursache auch Ghostbyte genannt.
die Erzeugnisse eines jeden Benutzers bewerten konnten, um Empfehlungen darüber abzugeben, ob ein Bild oder eine Demo die verhältnismäßig lange Ladezeit rechtfertigte. Compunet war das virtuelle Spielfeld der britischen Demoszene. Neben Standbild-Künstlern wie STE oder DOKK brachte es die ersten reinen DemoTeams wie ASH & DAVE oder IAN & MIC hervor. ASH & DAVE distanzieren sich im Serailtext zu Smooth Criminal betont von Cracking-Tätigkeiten, denn die Öffentlichkeit neigte meist dazu, Demo-Programmierer undifferenziert der illegalen Szene zuordnen. Wie IAN & MIC musste das Programmierer-Duo den Umweg über die Cracker-Intros nicht gehen, um ihre Produktionen zu veröffentlichen, da sie mit dem Compunet über einen eigenen Vertriebsweg und eine eigene Öffentlichkeit verfügten. Das Compunet stellte eine alternative Plattform zum schnellen, weitverzweigten und gut funktionierenden Netzwerk der Software-Piraterie dar und viele der dort beheimateten Künstler nutzten ihre Präsenz, um den Sprung in die Professionalität zu wagen. STE beispielsweise erhielt zahlreiche Aufträge von der Softwareschmiede Codemasters für Computerspiel-Ladegrafiken. 39 Seine zweckfreien Arbeiten fanden dagegen auch in Demos Verbreitung. Mit qualitativ herausragenden Multicalor-Grafiken wie denen von STE mussten Demos nicht mehr auf schwingende Farbbalken und Text-Akrobatik beschränkt sein. Die niederländische Gruppe SCOOP beispielsweise verwendete STEs Grafik mit einem Monster im Profil aus dem Kinofilm »Aiien«, färbten diese ein und ergänzten Text und einen SeroHer durch den unteren Border - eine durchaus typisches Beispiel für die Kombinations-Ästhetik der Compunet-Demos. 1986 bewegten sich schließlich sowohl die Demos der Compunet- als auch die der Cracker-Szene vorwiegend innerhalb dieses stilistischen Rahmen: Die Grafik war meist formatflillend, aufwendig mit einem Malprogramm durch Setzen der einzelnen Pixel erstellt, aber im Großen und Ganzen statisch und nur durch lokale, vereinzelte Sprite-Animationen aufgelockert. 39 Informationen über Compunet und einige der ehemaligen Benutzer sind auf der Hornepage http://WV>W.64apocalypse.com zu finden.
86 I Kunst, Code und Maschine
Star Frontiers- Wasseimühle
Borderzone Dezi~orn Team- Futnre Shock
(C-64-Demo, 1985)
(C-64-Demo, 1986)
Diese kleinen kinetischen Gimmicks standen in der Tradition der STAR FRONTIERS-Cracktros und MING, der Grafiker dieser Formation hatte bereits 1985 eindrucksvoll eine Wassermühle, ein Bildmotiv von M. C. Escher, großformatig in Szene gesetzt und mit einem drehenden Rad und fließendem Wasser animiert. Zur Standbildgrafik tritt der obligatorische Scroller, der jedoch selten ästhetisch in die Gesamtkomposition einbezogen wurde. Animierte Farbbalken und andere Rastereffekte, mehrere parallele Scrolltexte und die typische Zonenaufteilung von zeitgenössischen Cracktras kommen nur vereinzelt vor. Das Öffnen des Bildschirmrahmens stellt den einzigen technischen Zusatzkniff dar und dient in der Regel dazu, Scroller und zusätzliche Sprite-Effekte an der Standbildgrafik vorbeizufuhren, die durch die Verwendung gängiger Multicalor-Editoren wie Koala Painter formatfixiert waren oder ohnehin als Ganzes von Compunet-Künstlern entliehen wurden. Sowohl von Demoprogrammierern als auch von Crackern immer wieder als »Lieblingsdemo« des Jahres 1986 genannte Produktion ist Future Shock von BORDERZONE DEZIGN TEAM, auch bekannt als MAT & PSY. In einer gelungenen Multicalor-Grafik ist ein Amiga 1000 dargestellt, auf dessen Bildschirm wechselweise die Maske des Tutanchamun und der springende Amiga-Ball erscheint - beides inzwischen Markenzeichen des gerade auf dem europäischen Markt erschienenen Computers. Der obere Border wird für den Scrolltext, der untere fur das Logo genutzt. »Future Shock«, der Titel der Demo spielt auf die aktuell allerorts in der Szene stattfindenden Spekulationen und Diskussionen um die Rolle des Amiga für die Computerwelt statt. Wird er den C-64 vom Markt verdrängen? Welche C-64-Szene-Gruppen werden zum Amiga wechseln?40 In dem Bereich der Demoszene, die von »hauptamtlichen« Crackergruppen bestritten wurde, hatten Demos weiterhin vornehmlich den Sinn, über Kontaktadressen, Personaländerungen oder den Stand szeneinterner Fehden zwischen Gruppen oder Mitgliedern zu informieren. So gab die KRABAT CREW die Auflösung ihrer Vorgängerformation D.S. COMPWARE in Form einer Multicalor-Grafik bekannt, auf der ein durchs Weltall fliegender Sarg zu sehen ist. Der Kommentar: »Wir haben DSC auf den Mond geschossen«. Die schwedischen TRIAD nutzten von Anfang an Demos, um ihr Team anzukündigen, das in den nächsten Jahren in der Crackerszene Furore machen 40
Der Commodore Amiga 1000 diente in den folgenden Jahren weiterhin als Motiv verschiedener Demos auf dem C-64, beispielsweise 8/a 8/a God Knows von IAN & MIC.
Stationen
Krabat Crew- Krabat Info 2
Triad- Seek and Destroy Part I
(C-64-Demo, /986)
(C-64-Demo, 1986)
I 87
sollte, die Programmierfähigkeiten ihres Crackers MR. Z anhand eines Diagonalserollers zu demonstrieren oder ihre lokale Konkurrenz - die SWEDISH CRACKING CREW mit Spott-Demos zu bedenken. Neben verbalen Breitseiten und Atompilzen in Multicolor produzierten sie mit Seek and Destroy Part 1 die erste Cracktm-Parodie in der Geschichte der Demoszene: Wie beim klassischen SCC-Intro von 1985 sinken die 3 Initialien-Sprites pathetisch von oben herab, um dann jedoch von einem Hubschrauber unter Beschuss genommen und von einer Schrottpresse zerstampft zu werden. Die Demoszene - insbesondere die Compunet-Szene - schien einen bilderfreundlichen Raum zu bilden, in dem der Ikonoklasmus der Cracktros nicht galt und wo sich auch ansonsten spartanisch auftretende »Elite«-Gruppen grafische Späße und Spöttereien erlaubten. Das Schema »Multicolor-Grafik I Sprite-Animation I Scrolltext« gerann jedoch so schnell zum Klischee, dass man bereits ein Jahr danach damit keine Anerkennung mehr gewinnen konnte. MAD ALL lästerte in der Zeitschrift Illegal #24 über die Demos der HANSEATIC CRACKING ASSOCIATION: »Before they made demos with a simple Koala·picture, a simple Soundmonitor-sound and a simple scroll text on the top of the screen. Now they changed their demos totally: they consist now of a simple lI don't think the higher end Amiga is going to go into accounting departments, but I do think it is going to go into areas where there is a degree of creativity, if you will. I have had my 64 for more than 4 years now and of course l'd like to have 4096 colours, 4 stereo voices and 512 1>When comparing the movies to theater, theater is often referred to as an interactive and direct form of art. Theater performances are live, while movies are pre·recorded. Demosare much more like theater performances than movies, videos or animations.« 11 9
Tasajärvi empfindet den Vergleich von Demos mit Filmen als inadäquat, da Filme über Möglichkeiten der Montage, Trickbearbeitung und Postprodukti-
118 Vgl. Reunanen 2010, S. 47 119 Tasajärvi 2004, 5. 18
1 86
I Kunst,
Code und Maschine
Scoopex - Mental Hangover (Amiga-OCS-Demo, 1992) Die Titelsequenz von Mental Hangover mischt eingeblendete Logo-Fixe/grafiken mit rotierenden Vektor-Schriftzügen und stellt damitfiir sich bereits ein temporeiches Spektakel dar.
on verfügen, die die tatsächlichen Leistungsgrenzen von Akteuren, Set und Kamera im Endprodukt bedeutungslos werden lassen. Ein Theaterregisseur kann bei der Planung der Aufführung von allen Beteiligten jedoch nur das verlangen, was sie physisch zu leisten fahig sind und auch die Kulissen nur gemäß ihrer realen physikalischen Kapazitäten nutzen. Genau vor diesem Problem steht auch der Demo-Programmierer, der im Gegensatz zum Produzenten gerenderter Animationsfilme mit realen Leistungs- und Kapazitätsgrenzen der Hardware zu tun hat und sich Gedanken über Speicherökonomie machen muss. Der Theatervergleich ist daher bei der Erläuterung des Phänomens Trackmo hilfreich: Eine Megademo entspricht technisch gesehen einer klassischen Theateraufführung in mehreren Akten. Nach jedem Akt fällt der Vorhang, es entstehen Pausen, die ftir den verborgenen Umbau der Bühne genutzt werden. Ist der Umbau vollzogen, kann der Vorhang wieder aufgezogen werden und das Stück wird in einer anderen Kulisse fortgesetzt. Um diese zum Teil recht langwierigen Unterbrechungen zu vermeiden, wurde in der Bühnentechnik das Konzept der Drehscheibe entwickelt. Beim Einsatz einer Drehbühne findet der Umbau statt, während auf der Vorderseite gespielt wird. Es entstehen keine langen Umbaupausen, die Bühne wird gedreht und die Vorführung kann nahezu nahtlos weitergehen.120 Der Unterschied zwischen Megademos und Trackmos basiert auf dem gleichen technischen Prinzip. Bei einer Megademo entspricht der Loader dem Vorhang im Theater. Während der Demopart in den Speicher geladen und zur Ausführung vorbereitet wird, betrachtet der Zuschauer den Loader-Screen. Ist der Computer soweit, verschwindet der Loader-Screen und das Spiel geht weiter. Bei einer Trackmo wird der nächste Part geladen, während der vorhergehende noch spielt, der »Umbau« des Computers geht unsichtbar vonstatten. Musik und Dramaturgie der Demo-Effekte sind darauf programmiert, die Kaschierung der Lade-Intervalle zu unterstützen. Statt Loader-Unterbrechungen enthält die SCOOPEX-Demo Teile, in denen der Bildschirm kurz sanft 120 Die erste Drehbühne in Deutschland wurde durch Carl Lautenschläger 1896 im Münchner Residenztheater für »Don Giovanni« eingebaut. Tobias Griess erläutert die Beweggründe dieser technischen Implementierung, die genausogut geeignet sind, eine Trackmo zu beschreiben: »Oberstes Gebot war, ein Ablauf von zwei bis zwölf Interieurs ins Werk zu setzen, ohne ab- und umhauen zu müssen. Fast unbemerkt, weil hingerissen vom Strom der dramatisch, gesteigerten Empfindungen, sollte der Blick vom Salon in die Bibliothek, das Boudoir, oder die Küche und wieder zurück schweifen können.rafischen Gespür einer Amiga-Trackmo.
Weitere Entwicklungen im Bereich der Oberflächen brachte Solstice von VALHALLA, der Gewinner der Wired '95-Democompetition im November 1995. Nach einem kleinen Rundflug durch das nächtliche Stonehenge-Heiligtum mit Texture Mapping und - angesichts der Dunkelheit relativ widersinningen- Blendenflecken, die als Lens Flare aus der Welt der analogen Fotografie entlehnt wurden, widmet sich auch diese Produktion den »Object Shows«. Dabei sind die Objekte nicht mehr von getönten Metallschichten überzogen, sie zeigen auf ihren extrem glatten aber solide texturierten Oberflächen weiche Glanzlichter, was sie eher wie geschliffener Marmor oder poliertes Holz erscheinen lässt. Zusätzlich demonstriert Solstice Bumpmapping auf einem eierförmigen Klumpen. Bei dieser Technik wird eine Textur verwendet, die als Reliefstruktur interpretiert wird. Helligkeitsunterschiede dieser Bumpmap werden als Erhebungen und Vertiefungen wiedergegeben. Auf diese Weise erhält das Objekt eine unebene, detailreiche Oberfläche, die der Szenenbeleuchtung entsprechend korrekt schattiert wird, ohne die Komplexität der Geometrie zu erhöhen. Solstice kombiniert dieses Verfahren im Finale der Demo zusätzlich mit Environment Mapping, wo sich zwei dreidimensionale Logos in einer Spiegelkugel reflektieren, die zwischen glatter und unebener Oberfläche wechselt. Die »Object Shows« des Jahres 1995 leiteten eine neue Ära der Formgebung von Vektorgrafik-Modellen ein. Eigentlich wäre die Bezeichnung »Smface Shows« treffender, da es um die plastische Gestaltung der Objekte eigentlich nicht geht. Dope, Stars und Solstice stehen am Anfang einer Ent-
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·· ~. in'"'· Valha/la - Solslice (MS-Dos-Demo. 1995)
254 I Kunst, Code und Maschine wiekJung in der Demoszene, in der rotierende 3D-Objekte weder geometrische Primitive wie Würfel, Polyeder oder Torus etc. bezeichnen noch Motive der realen Welt repräsentieren. Die Asteroiden, assymetrischen Spheroiden oder Stachelbälle sind amorphe Abstraktionen, deren Botschaft nicht die räumliche Form, sondern die Oberfläche ist. Sie sind allein auf die Fähigkeit, Lichtbrechung und Reflexionsverhalten ihrer Hülle zur Geltung zu bringen, hin gefonnt, auf die Absicht, Glanzlichter möglichst elegant über ihre Außenhaut gleiten zu lassen und gespiegelte Umwelt effektvoll zu verzerren. Die eigentliche Botschaft der rotierenden Körper ist die Approximation des physikalischen Systems, in dem sie dargestellt werden. DER ORGANISCHE STIL
1995 war ein Jahr des Umbruchs für den Amiga. »The Party 1994« war mit vielen qualitativ hochwertigen Demo-Beiträgen ein absoluter Höhepunkt für die Amiga-Szene gewesen, daran anzuschließen fiel jedoch sehr schwer. Das hatte mehrere Gründe. Zunächst hatte der Bankrott von Commodore im April 1994 Ratlosigkeit beschert. Alle Programmierer, die in einen neuen A4000 oder Al200 investiert hatten, sorgten sich darum, welche Firmen in Zukunft Peripherie, Erweiterungen und Ersatzteile herstellen würden. Amiga-Nutzer, die noch im Besitz eines A500 waren und sich einen neuen Rechner anschaffen wollten, waren umso mehr verunsichert und viele kauften sich stattdessen einen PC. Das hatte zur Folge, dass die Tage der alten OCS/ECS-Plattform schließlich gezählt waren und mit ihr verschwanden zahlreiche wichtige Gruppen aus der Szene wie ANDROMEDA oder SANITY, die außerdem nach und nach von Computerspielfirmen angeworben wurden. Kompatibilitätsprobleme waren weiterhin ein Thema, da die letzte Generation von A500Programmierem - von Perfektionisten wie SANITY abgesehen - oft einen derart maschinennahen und direkten Programmierstil pflegten, um das Letzte an Leistung aus der in die Jahre gekommenen Hardware herauszuholen, dass ihre Demos auf den neuen Maschinen zum Teil nicht lauffahig waren. Auch das trug zum Frust und zur Spaltung der Amiga-Szene bei. Der PC hatte den Amiga an Leistungsfähigkeit längst überholt und bot die ideale Plattform für Demos, die hauptsächlich auf komplex schattierten und texturierten 3D-Szenen basierten. Solche Routinen beanspruchen vor allem den Hauptprozessor eines Computers und der war beim PC inzwischen um ein Vielfaches schneller als bei einem neuen A4000. Die einzige Möglichkeit, die 14 MhZTaktgeschwindigkeit des beliebten A1200 aufzustocken, bestand im Erwerb vergleichsweise teurer Turbokarten mit 68030- oder 68040-Prozessor. Das ehemals revolutionäre Zusammenspiel der Grafikhardware-Komponenten spielte bei den aktuellen 3D-Trends jedoch kaum noch eine Rolle. Die Spezialchips der Commodore-Rechner helfen bei zweidimensionalen Verzerrungen, aber nicht bei dreidimensionalen Projektionen. Copper und Blitter kamen den Design-Demos der A500-Zeit entgegen. Mit ihnen lassen sich leicht Pixelgrafiken bewegen, Plasmas und Farbverläufe erzeugen, Punkt- und Linieneffekte zeichnen sowie Vektorflächen füllen, bei den Berechnungen von plastischen Oberflächen oder Reflexionen sind sie jedoch nutzlos.
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Para/lax - Zif (Amiga-AGA-Demo, 1995) Mithilfe von C2P-Routinen konnten die Amiga-Demos von 1995 an die PC-Ästhetik anschlie-
ßen.
Ein weiteres Problem war die unterschiedliche Verwaltung des Grafikspeichers bei Amiga und PC. Der Amiga verwendet den sogenannten planar mode, bei dem sich ein farbiges Bild aus mehreren Schichten, den Bitplanes zusammensetzt. Die bit-weise Addition der übereinanderliegenden Bildpunkte ergibt dann die Farbe des jeweiligen Pixels. Verwendet man nur wenige Farben, benötigt man auch weniger Bitplanes und spart kostbaren Speicherplatz. Aber je mehr Farben im Spiel sind, um so langsamer wird das Bild gezeichnet, da für jedes Pixel die entsprechenden Werte in jeder Bitplane gesetzt werden müssen. Darum ist es auf dem Amiga extrem schwierig, schnell einzelne Punkte mit bestimmten Farbwerten zu setzen, im Gegensatz zum PC, bei dem die Grafikdaten einfach linear im Speicher abgelegt werden der sogenannte Chunky Mode - und das präzise Ansteuern einzelner Bildpunkte daher mit einem einzigen Speicherzugriff erledigt werden kann. Bei komplexen 3D-Effekten wie Texture Mapping, Reflection Mapping oder Phong Shading muss jeder Punkt eines Objektes in jedem Bild neu berechnet und gesetzt werden. Um diese Effekte auf den Amiga übertragen zu können, programmierten viele Coder sogenannte Chunky-to-Planar-Konverter oder kurz C2P-Routinen. Dabei werden die Szenen wie auf dem PC in einem Speicherbereich mit linear abgelegten Farbwerten erstellt und anschließend in die Werte für die einzelnen Bitplanes umgerechnet, was natürlich kostbare Prozessor-Zeit kostet. Daher griffen viele Coder zu bekannten Notlösungen, indem sie bei besonders anspruchsvollen 3D-Szenen die Bildauflösung halbierten, nur jede zweite Zeile zeichneten oder auch mal das Format verkleinerten. Nicht nur dieser Widersinn der Programmierung wurde von vielen älteren Szenem kritisch aufgenommen. Durch die neuen Trend-Routinen wurden auch die Stärken des Amiga nicht mehr genutzt. Halbtransparente Bildelemente, Shadebob-Routinen, Delay Vectors, Interferenzmuster- alle diese Bitplane-basierten Effekte verschwanden in der Versenkung, während versucht wurde, die PC-Trends auf dem Amiga nachzubilden. Ein gutes Beispiel für die Dmchsetzung von C2P-Methoden ist der Gewinner der Amiga-Compo auf der »Assembly 1995«, Zifvon der finnischen Gruppe PARALLAX. Diese Demo gehört zu den wenigen herausragenden Produktionen des Jahres 1995, ist ihrer Form nach jedoch eine typische Wettkampf-Demo: Jeder optische Effekt erhält seine eigene Szene, diese werden nacheinander vorgeführt. Pixelgrafiken werden auf bewährte Weise eingebaut, in dem sie eingeblendet werden, wenige Sekunden zum Betrachten verharren, um dann in einer weiteren Szene plastisch verbogen oder auf 3D-Kör-
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CNCD & ParallCLY - Deep (Amiga-AGA-Demo, 1995)
perprojiziert zu werden, eine Praxis, die sozusagen die aktualisierte Variante der Tech-Tech-Verzerrungen darstellte, wie sie zu Beginn der Amiga-Szene üblich waren. Sobald eine der Grafiken in einen Bewegungseffekt verwickelt wird, halbiert sich die vertikale Auflösung, um mehr Flexibilität zu erhalten. Auf diese Weise konnten PARALLAX auch unregelmäßige Objekte mit vielen Polygonen und diffizilen Schattierungsmethoden verwenden, um dem aktuellen PC-Standard, den COMPLEX mit Dope wenige Monate zuvor formuliert hatte, die Stirn zu bieten. Zu den Höhepunkten von Zif gehören mehrere Asteroidenformen, die durch den geschickten Einsatz von projizierten Texturen wie Reflection Maps von verschiedenfarbigen Lichtquellen erhellt zu werden scheinen und in einer anderen Szene durch einen Twist-Effekt wie ein Handtuch »ausgewrungen« werden. Zif steht exemplarisch für den Drang der Amiga-Szene, das gesamte stilistische Erbe der Trackrnos und Design-Demos über Bord zu werfen und sich vollständig der Entwicklung fortgeschrittener 3D-Engines zu widmen. Während in Alien von SCOOPEX oder Control von OXYGENE noch Filled Vectors, Texture Mapping und Gouraud Shading unbekümmert nebeneinander existieren können, verbannten Gruppen wie PARALLAX, STELLAR oder PYGMY alle rechteckigen, flach schattierten Elemente aus ihren Produktionen und begegneten damit PC-Demos wie Stars von NOOON auf ihrem eigenen Gebiet. Richtungsweisend für die Implementierung dieser Entwicklung in ein neues Selbstverständnis von Design war jedoch eine andere Produktion des Jahres 1995: Deep von CNCD & PARALLAX. CNCD steht als Abkürzung für CARILLON und CYBERIAD, zwei ebenfalls finnischen Szenegruppen, die bereits 1993 fusionierten. Die Formation war stark an Grafikern und Musikern, nahm sich bei ihrem ersten großen Erfolg jedoch die Coder von PARALLAX ins Boot. Während die Handschrift der 3D-Routinen daher ihre Verwandtschaft zu Zifnicht verhehlen, hat das Gesamtdesign eine ganz andere Qualität. Deep hat bei einer Vielfalt von Effekten eine ungewohnte stilistische Kohärenz, hergestellt durch die Wahl von Farben und Oberflächenstrukturen. Nahezu alle Teile der Demo verwenden ein ähnliches Farbschema, von hellen Orange- bis zu dunklen Violetttönen in unterschiedlichen Intensitäten. Im Gegensatz zu bisherigen DesignDemos, die sich vor allem über flächige, zweidimensionale Kompositionen auszeichneten, benutzten CNCD die Farbpalette, um die neu entdeckte Räumlichkeit zu organisieren. Beim zentralen Teil von Deep, einer Wolfenstein-Routine, wählte man warme, pastellige Farben für die Vordergründe und stumpfes Violett für den Hintergrund, texturierte die Wände des Labyrinths mit einem wolkigen, immateriellen Gewebe aus hellen Fasern und er-
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CNCD & Parallax - Deep - The Psilocybin Mix (Amiga-AGA-Demo, 1995) Nfit einer einfachen Collage-Technik gelang es CNCD, die standardisierten 3D-Effekte wieder in spontane Bildkompositionen zu verwandeln.
zeugte so den größtmöglichen Kontrast zu den schweren Stahlpaneelen seiner Vorgänger. Die zusätzliche Bewegungsunschärfe verwandelt die ursprünglich massive und kantige Welt der 3D-Labyrinthe in surreale Passagen. Ein unkonventioneller Drum'n'Bass-Soundtrack von YOLK und LEGEND sowie das Timing der Effekte tragen viel zum Fluss und zur psychedelischen Stimmungbei. Das Organische an Deep rührt nicht zuletzt daher, dass die Gesamtregie der Demo in einer einzigen Hand lag. »Directed by DESTOP« ist prominent im Titel zu lesen, was bedeutet, dass farbliche, räumliche und zeitliche Komposition hier die Sache des Grafikers und nicht des Coders ist. Nachvollziehen lässt sich diese neue Schwerpunktsetzung an einem Experiment, das von den beiden Musikern der Gruppe ausging. YOLK und LEGEND veröffentlichten ein halbes Jahr später Deep - The Psilocybin Mix. Dabei handelt es sich um einen »Remix« von Deep mit den selben Routinen in veränderter Reihenfolge, aber ausgetauschten Farben und Grafiken. Um dem psychedelischen Titel gerecht zu werden, wurde vor allem die Farbsättigung verstärkt und eine schwer verdauliche !DM-Musik begleitet den »Trip«. Zusätzlich wurden die Szenen mit absurden schwarzweißen Collagen aus Textfragmenten und gescannten Modefotografien überlagert, bei denen die Körperteile von Supermodels auf befremdliche Weise zusammenmontiert sind. Damit meisterten CNCD ein grundsätzliches Designproblem der Zeit- die Integration zweidimensionaler grafischer Kompositionen in die inzwischen fast durchgehend räumlich-begehbare Organisation von Demos. Auch die Praxis des »Remix«, die aus der Club-Musik stammt, auf eine Demo anzuwenden, war neu und- wie man sich denken kann- nicht unumstritten, da die extensive Zweitverwertung von Routinen als unoriginell bemängelt wurde. Tatsächlich ist The Psilocybin Mix jedoch eine völlig neue Demo, womit CNCD den Beweis antraten, dass der Charakter einer Demo nicht zwangsläufig vom Code abhängig, sondern zu einem großen Teil vom Design bestimmt ist. Der Remix ermöglichte ein Quentehen an Respektlosigkeit vor den heiligen Kühen der Programmiererzunft - niemand hatte es bis-
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CNCD - Closer (Amiga-AGA-Demo, 1995) Closer demonstrierte eindrucksvoll den Vorspnmg, den die Amiga-Szene in Sachen Design immer noch vor dem technL~ch leistungsfähigeren PC hatte. Die abstrakten Texturen kommen ganz ohne Anlehnung an stereotype Materialien wie Marmor oder Holz aus. Die Oberflächen wirken eher wie die jarbverkmstete Palette eines Malers.
her gewagt, ein Wolfenstein-Labyrinth mit ausgeschnittenen Fotografien und Texten zuzudecken. Die experimentelle Vorgehensweise des Mixens betrachtete die Demo-Bestandteile als prinzipiell gleichwertiges Rohmaterial, das auf seine visuelle Kombinationsfähigkeit überprüft wurde und nicht die Leistungsfähigkeit seiner Routinen- die sowieso schon bekannt waren- demonstrieren sollte. The Psilocybin Mix verschaffte dem Betrachter damit eine Vorschau auf eine Zeit, die erst Jahre später anbrechen sollte- eine Demoszene jenseits des Selbstbehauptungszwangs von 3D-Engines. CNCD führten mit ihren Versionen von Deep mehrere wichtige Konzepte in die Demoszene ein: Die Organisation der Effekte als eine kontinuierliche Bewegung innerhalb abstrakter, surrealer Räume, die ständige Suggestion eines organischen Fließens mit weichen, dynamischen Deformationseffekten ohne Unterbrechung durch kantige Geometrie und die Integration vorgefundener Versatzstücke aus Printmedien als applizierte Schichten. Die ersten beiden Linien setzte das Team um DESTOP vor allem mit Closer fort, der Siegerdemo von »The Party 1995« die fast ausschließlich aus flüssigen, metallischen Strukturen besteht, Relieftexturen durch Bumpmapping und Wirbeleffekten, bei denen eine Grafik spiralförmig zur Bildmitte eingedreht wird. Die Innovation der Fotomontagen führte CNCD im folgenden Jahr mit Inside auf den PC, wo die ausgeschnittenen Fotografien sogar mit bewegtem Schattenwurf in die abstrakten, von organischen Farbmustern bedeckten Räume und Tunnels integriert werden. Interessanterweise setzte sich diese CutOut-Technik in der Folge eher auf dem PC durch und wurde von der AmigaSzene erst später wieder reimportiert Die einzige Produktion auf dem AmiCNCD-lnside (MS-Dos-Demo, 1996) Waren bei Deep - The Psilocybin Mix die überlagerten Fotocollagen und Texte noch reine Design-Zutaten, werden die ausgeschnittenen Figuren bei Inside durch bewegte Schlagschatten in den Bildraum integriert.
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Virtual Dreams - F aktOty (Amiga-AGA-Demo, 1995)
ga, die diese Ästhetik unmittelbar aufgriff, war Paktory von VIRTUAL DREAMS, ebenfalls auf» The Party 1995«. Bei dieser exzeptionellen Demo werden die bewegten Effekte - verzerrte metallische Reflexionen, Tunnel und 3D-Objekte - in rechteckige Fenster eingefasst, die mit großen Pixelgrafik-Collagen auf fotografischer Basis gestaltet sind und mit ihrer satten, flächigen Farbigkeit einen wirksamen Kontrast zu den bewegten Szenen bilden. Paktory liest sich gerade in der Bild-im-Bild-Trennung beider Aspekte wie eine Forderung zur Ausbalancierung von Code-bestimmten 3D-Effekten und grafischem Design. Motiviert durch CNCDs Design-Innovationen konnte die Amiga-Szene 1996 wieder Fuß fassen. Die Auffassung von Demos als ein stilistisch kohärentes, atmosphärisches Erlebnis mit einem subtilen Spannungsverhältnis von auditiven und visuellen Elementen erinnerte an alte Amiga-Traditionen und ließ die einschüchternden, kargen Kraftdemonstrationen der PC-Demos von COMPLEX und VALHALLA besser ertragen. Dieses neue Selbstbewusstsein wird an mehreren herausragenden Produktionen deutlich. »The Gathering 1996« bescherte der schwedischen Formation THE BLACK LOTUS ihren ersten großen Demoszene-Erfolg mit Tint. Diese Demo begeisterte die Amiga-Gemeinde durch mehrere Aspekte. C2P-Routinen und die 2x2-PixelAuflösung wurden so intensiv auf ihre Leistungsfähigkeit getestet, dass eine Vielzahl neuer Effekte und Möglichkeiten realisiert werden konnte, die vorher schlicht gar nicht denkbar war. Dazu gehörte beispielsweise eine Phongschattierte Nierenform, die transparent wie ein zartes Glasobjekt vor einem farbigen Hintergrund rotiert oder eine Voxellandschaft, die die farbige Brechung des Sonnenlichts durch eine Wolkenformation simuliert. Diese Szenen
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The Black Lotus- Tint (Amiga-AGA-Demo, 1996)
wurden erstmals durch »18-Bit«-Farbe oder »True Color« ermöglicht, einem speziellen HAM8-Modus, der eine ungewohnt hohe Anzahl von Farben erlaubte, die für subtilste Mischungen und Abstufungen genutzt werden konnten. Aber darüber hinaus überzeugte Tint vor allem quantitativ. Die Demo enthielt mehr als 20 Parts, darunter Bumpmapping-Reliefs auf einem Fisch, eine verdrehte Bierdose, zahlreiche Tunnels mit effektvollen Texturen, ein metallisch glänzendes Gesicht, dass sich aus einem Quader ausbeult, viele Bitmap-Effekte wie verzerrende Vergrößerungslinsen, unscharfe Überlagerungen oder Spiegelungen auf organischen Tropfenformen. THE BLACK LOTUS verzichteten bewusst auf eine stilistische Engführung und riskierten lieber eine gewisse Heterogenität und Inkohärenz zugunsten der angestrebten Vollständigkeit. Die Bandbreite von Effekten ist so immens, dass Tint strukturell an die klassischen »großen« Amiga-Trackmos der späten OCS/ECSZeit erinnert. Der Verlust vieler etablierter und überfällig gewordener Routinen aus der Trackmo-Zeit, der zuvor für eine gewisse Kargheit der aufwenige 3D-Routinen reduzierten Demos gesorgt hatte, war damit zu verschmerzen. Das Repertoire von Effekten in der Amiga-Szene war wieder aufgefüllt, entsprach dem Standard der Zeit und wurde mit ebensoviel Tempo und Überzeugung präsentiert wie zuletzt bei Nexus 7. Tint hatte einen großen Einfluss auf die Demo-Auslese des Jahres 1996. Die hell leuchtenden Farben, vor allem das magische Glühen zuckender Blitze, das THE BLACK LOTUS gerne als Tunneltextur benutzten, setzte einen wichtigen Trend. Die Gruppe perfektionierte die Kohärenz ihrer Effekte so-
The Black Lotus- Glow
Mellow Chips- Dim
(Amiga-AGA-Demo, 1996)
(Amiga-AGA-Demo, 1996)
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Artwork- The Gate
Artwork- Dawn Remix
Artwork- Exil Planet Dust
(Amiga-ACA-Demo, 1996)
(Amiga-ACA-40k, 1996)
(Amiga-ACA-Demo, 1996)
wie das Zusammenspiel der Objekte in der nachfolgenden Demo Glow, wobei sie diese leuchtenden, mit einem unscharfen Glühen umgebenen Blitze und Lichtpunkte kultivierten- eine bedeutsame Erfindung, die vor allem von MELLOW CHIPS in der Demo Dirn aufgegriffen und in Zukunft zu einem essenziellen Bestandteil von Amiga-Demos werden sollte. Das diffuse Glühen transformierte glatte, profane 3D-Grafik in impressionistische Lichtspiele, erinnerte beispielsweise an Langzeitbelichtungen nächtlicher Autobahnen. Neben der Vielfalt von Tint und der Atmosphäre von Glow lebte auch der strenge Qualitätsanspruch an leistungsfahige, flexible und flüssige Routinen wieder auf, wie er bislang hauptsächlich von SANITY bekannt war. Diese Linie wurde nun vor allem durch die deutsche Formation ARTWORK vertreten. Coder AZURE entwickelte eine 3D-Engine, die auf einem durchschnittlich ausgerüsteten Amiga - inder Regel ein Al200 mit 68030-Turbokarte alle Szenen und Effekte in voller Auflösung darstellen konnte - eine Qualität, die in Zukunft mit dem Schlagwort »1x 1« verbunden wurde. Ästhetisch beschränkten sich Demos wie The Gate und Exit Planet Dust jedoch weitgehend auf zeittypische Rotationsobjekte in der Bildmitte, was ihnen den Vorwurf der technokratischen Demonstration eintrug. AZUREs Palette an 3DModellen bewegte sich in den meisten Fällen zwischen einem vollrunden und einem kleeblattförmigen Torus mit unterschiedlichen Texturierungen. m Die Szene sehnte ein Ende der einförmigen Object Shows mit rotierenden Ringen oder Stachelbällen herbei, egal wie hoch sie aufgelöst waren und wie flüssig sie sich bewegten. Jedoch, die Entwicklung neuer Stilistiken in der 3D-Grafik kam nicht der Amiga-Szene zu, sie fand auf dem PC statt. VoM OBJEKT zuR SzENE
In den Jahren nach 1995 erlebte die PC-Szene eine rasante Entwicklung polygonbasierteT 3D-Grafik, was in Einklang mit den Strategien der PC-Spieleindustrie stand, die vermehrt aufinteraktive 3D-Szenarien setzte. Von der Konzentration auf Shading- oder Mapping-Aigorithmen, die an einzelnen, in der Bildmitte rotierenden Objekten durchexerziert wurden, verlagerte sich das Interesse nun auf die Ausweitung der Kameraperspektive und die Darstellung komplexer Szenen im dreidimensionalen Raum. Vorreiter dieser Entwicklung 185 Vgl. TOUCHSTONE von ESSENCE: »As a coder I can weil say that Azure is really one of the best coders in today's scene.[...) but when it comes to visuals I have to ask Artwork toSTOP this torture! All the bump·mapped objects or transparent tubes areweil coded, very fast and in the expected Artwork quality, but like others commented, they Iook boring«, MoP 1997, Scene Mag
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I Kunst,
Code und Maschine
gab es bereits Anfang der 1990er Jahre mit der Vectorworld, Mitte des Jahrzehnts mit der Adaption von Wolfenstein- oder Doom-Routinen. Doch diese Methode der Darstellungen von Raumsituationen stellte lediglich eine Annäherungstechnik dar, erst in den späten 1990er Jahren erlaubte die Prozessorleistung der Intel-PCs die komplette Konstruktion von detaillierten, texturierten 3D-Szenen mit agierenden Figuren. Die Routinen, die das Verwalten und Umsetzen solcher polygonbasierter Kulissen bewältigten, werden Scene Graph Renderer genannt. Szenengraphen beschreiben räumliche und strukturelle Situationen nicht lediglich als eine Ansammlung von Geometrie, sondern als ein komplexes hierarchisches System von Objekten, Materialien, Lichtquellen und Kameras. Innerhalb einer solchen Hierarchie wird festgelegt, dass ein Finger zu einer Hand, die Hand zu einem Arm und der Arm zu einer Person gehört. Alle Objekte sind durch solche Parent-Child-Beziehungen miteinander verknüpft, damit, wenn eine Person bewegt wird, sich auch Arm, Hand und Finger mitbewegen. Tatsächlich stellte diese Übertragung der Szenendefinitionstechnik aus der Welt der Computerspiele zunächst keine Revolutionierung der Ästhetik dar. Die Coder waren so sehr damit beschäftigt, 3D-Engines zu schreiben, die mit der gigantischen Anzahl an Polygonen in akzeptabler Geschwindigkeit fertig werden sollten, dass kaum Zeit blieb, Konzepte zu entwickeln, wie solche Welten überhaupt gestaltet sein könnten und womit man sie bevölkern solle.' 8" Die Erweiterung der räumlichen Bühnenfläche von Demos überforderte in erster Linie nicht die Maschinen, sondern die Demoprogrammierer, die dafür Objekte, Texturen, Lichtsysteme und Kamerafahrten erstellen mussten, um den kohärenten räumlichen Eindruck der Szene zu gewährleisten. Solche Projekte überstiegen den Arbeitsaufwand durchschnittlicher Demo-Planungen bei weitem und entsprachen eher dem Anspruch einer Filmoder Computerspielproduktion. Nach dem in der Szene altbekannten Prinzip, dass entwickelte Routinen schnell Eingang in Demos finden müssen, auch wenn Konzept, Objektdesign und Komposition dabei zu kurz kommen, entwickelte sich zunächst eine neue Flyby-Ästhetik, bei der ein sparsam zusammengesetztes Interieur mit einer simplen Kamerafahrt erkundet wird. So trat nach 1996 zum ersten Mal das Phänomen der menschenleeren Schächte und Kammern, der fensterlosen Säulenkrypten mit steinernen Texturen auf, das sich jedoch zu einem eigenen Genre entwickelte. Hin und wieder kehrten rotierende Objekte in diese Höhlensysteme zurück, wo sie plötzlich einer wirklichkeitsbezogenen Deutung unterworfen werden und wie geisterhafte Artefakte im Raum schweben. Dass viele dieser unterirdischen Matrix- The Fulcrum (MS-Dos-Demo, 1998) In dieser Demo sind Interaktion und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Objekten der Szenen stark ausgeprägt. Ein in die Handlung integriertes Spotlicht, das der Hauptfigur beständig folgt, sorgt dajiir, dass der dynamische Schattenv,urf auf Boden und Wänden effektvoll zum Tragen kommt. 186 Vgl. Burger; Paulovic; Hasan 2002, Online im Internet
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Nomad & Bomb!- Squeezed
Exceed- Spot
(MS-Dos-Demo, 1998)
(Windows-Demo, 2000)
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Rundfahrten verdächtig nach nackten Game-Engine-Tests aussehen, ist kein Zufall. In den späten 1990er Jahren ist die Nachfrage der Computerspielindustrie nach talentierten Nachwuchsprogrammierern hoch und eine eigene 3D-Engine dient dabei als erfolgversprechende Visitenkarte. 187 Dennoch kam es im Laufe der Jahre zu höchst ambitionierten Unternehmen im Bereich von Scene Graph Rendering. NOMAD & 80MB! nehmen den Betrachter in Squeezed mit auf eine rasante Fahrt durch die Tunnels der Pariser Metro. EXCEED präsentierten mit Spot ein sichtbar von Pixar Animation Studios inspiriertes Abenteuer, bei dem die Gegenstände auf einem Schreibtisch zum Leben erweckt werden. Environmental Mapping zaubert glasige Reflexionen auf Spielwürfel, die nach dem Pixar-Vorbild Luxo gestaltete Tischlampe zeichnet bewegte Schatten auf Tisch und Wände. Diese Vorstöße in 3D-Computerspiel- oder Animationsfilmwelten blieben jedoch vereinzelte Fleißarbeiten und stellten nicht den Telos der Entwicklung von Computerdemos dar. Daft.ir hatte einerseits die ungegenständliche Formensprache der Demoszene schon eine zu lange Tradition, andererseits wurde die Ästhetik zeitgenössischer 3D-Computerspiele, vor allem in der allgemeinen Reduzierung auf das Prinzip texturierter Polygonmodelle, stets kritisch beäugt. Die Grenzen des Machbaren traten hier vor allem dann zutage, wenn es darum ging, komplexere Motive differenziert darzustellen, insbesondere bewegte menschliche Körper. Um diese flüssig bewegen zu können, war es nötig, die Polygonzahl möglichst niedrig zu halten, was zu groben, klotzigen Strukturen führte. Diesem Manko begegnete man mit entsprechend kleinteiligen Texturen. Es ist auffällig, dass die Demoszene der Jahrtausendwende diese Technik aus der Welt der 3D-Shooter kaum aufnahm. Offensichtlich ließ sich die Grobschlächtigkeit und mangelnde Überzeugungskraft solch kantiger Charaktere bei einem immensen Produktionsaufwand nicht mit etablierten Szene-Qualitätsmaßstäben vereinen, die weiterhin geometrischen bis floral-abstrakten, aber glatten und harmonischen Rotationskörpern den Vorzug gaben. Dennoch gibt es vereinzelte Demos, in denen detaillierte Oberflächen um grobe Polygonkörper gewunden werden, die daher wie gefaltete Papiermodelle aussehen. Ein gutes Beispiel ist Just a touch offunk von DIGITAL MURDER, eine Musikvideo-Demo zu einem Titel der Funk-Band L.A. Connection, in der ein Sänger mit Afro-Frisur und weißem Anzug eine Hinterhotkulisse entlang
187 Vgl. Tasajärvi 2004, S. 31
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Digital Murder-Just a Touch ofFunk (Windows-Demo. 2000)
schlendett, um auf einer Kellerparty zu tanzen. IRR Er liefert eine lippensynchrone Interpretation des Songs, während aus den umliegenden Garagen Breakdancer auftauchen, die auf dem Pflaster ihre akrobatischen Figuren zum besten geben. Diese Demo von DIGITAL MURDER stellt hinsichtlich der aufwändig choreografierten Figurenkinetik eine absolute Ausnahmeerscheinung dar. Sie bot dem Betrachter die Ästhetik zeitgenössischer Computerspiele mit bewegten menschlichen Charakteren und damit das Extremum dessen, was man mit texturierten Low-Polygon-Modellen erreichen konnte. 1R9 Just a Touch ofFunk erhielt durchweg begeisterte Kritiken, blieb jedoch komplett ohne Nachfolge. Statt sich auf das Perfektionieren von Polygon-Engines zu versteifen, wurden im Zuge von Scene Graph Rendering auch alternative Schattierungen zu fotorealistischen Beleuchtungs- und Oberflächenmodellen entwickelt. Das geschah vor allem durch die Reproduktion bestimmter Ästhetiken, die durch Print- und filmische Medien bekannt waren. Ein frühes Beispiel von Cartoon Shading stammt aus dem Jahr 1996, Paper von PSYCHIC LINK. Hier wird scheinbar eine Bleistiftzeichnung koloriert und animiert. Tatsächlich besteht die Szene mit Haus, Baum und Blume jedoch aus 3D-Geometrie. Diese wird lediglich farbig gefüllt und mit schwarzen, skizzenhaften Konturen umrissen, während der Hintergrund mit einer rauhen Papiertextur versehen ist. Dieser Look wird auch Cel Shading genannt, nach dem englischen Wort für Zei188 Hierbei handelt es sich um eine häufig anzutreffende Kontamination des FrisurenStils afroamerikanischer Funk-Bands der 1970er mit John Travoltas Outfit in dem Film >>Saturday Night Fever«. Dieser Archetypus tritt auch in den Demos Saturday Night Scenervon CONSPIRACY (2004) und Boogie Factorvon FAIRUGHT (2006) auf 189 Das Prinzip Charakter-Animation hat, genauso wie das Erstellen komplexer Scene Graphs oder das Modellieren aufwändiger geometrischer Skulpturen, nie wirklich in der Szene Fuß fassen können. Bereits 1991 hatte TRISTAN LORACH mit
Vector All
Times eine Studie mit bewegten Charakteren vorgestellt. Dabei wandte er kinemati-
sehe Gesetze an, was es ihm es ermöglichte, zur Bewegung eines menschlichen Armes die anatomisch korrekten Folgebewegungen von Ellenbogen, Schulter und Rumpf zu berechnen. Aus Gründen der Komplexität und um diese Funktionsweise zu verdeutlichen, griff Lorrach dabei auf Unevectors zurück. Die tanzenden und singenden Charaktere von just a tauch offunk wurden dagegen im Rotoskopie-Verfahren hergestellt: Ihre Bewegungen wurden Bild für Bild von Filmvorlagen auf die 3D-Charaktere übertragen.
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Psychic Link & Acme- Paper (MS-Dos-64k, 1996)
chentrickfilm. Viele Computerspiele und Werbespots greifen heute auf diese Technik zurück, da es damit relativ einfach ist, eine »handgezeichnete« Ästhetik zu imitieren. 190 Ce! Shading kann jedoch ganz unterschiedlich ausfallen. Gerbera von MOPP!, eines der prominentesten Beispiele der Demoszene benutzt starke schwarze Umrisslinien für seine tanzenden Roboter, während die Binnenzeichnung aus dünneren Linien besteht. Beschriftungen und Bedienelemente sind als gescannte Grafiken von echten Geräten abgenommen und auf die Cartoon-Roboter texturiert. Le petit prince von KOLOR, eine Hommage an das Buch von Antoine Saint-Exupery, nutzt eine andere Art von Schattierung, bei der die Umrisslinien dezenter sind und an manchen Stellen unterbrochen werden. Weiches Gouraud Shading, abgetönte Farben und die durchsichtigen Wolken, die den Planeten des kleinen Prinzen umkreisen, lassen an ein Aquarell oder an einen Comic von Herge denken. Bekannte Medienformate wie Cartoons zu zitieren, ist eine Strategie, den reinen 3D-Routinen zu entkommen, die in der Szene ungern pur genossen werden. Wer zur Jahrtausendwende eine 3D-Engine programmierte, konnte sich nicht mehr darauf ausruhen, da neue Grafikkarten mit ihren 3D-Beschleunigern die harte Arbeit selbst erledigten. Der neue Glaubensstreit >>Software Rendering« gegen »Hardware Rendering« forderte die Imaginationskraft der Programmierer beim Entwickeln neuer polygonbasierter DemoStile heraus. Gleichzeitig forderten die vernachlässigten zweidimensionalen Elemente ihr Recht auf eine Rückkehr in den Kanon der Demo-Ästhetik.
Moppi- Gerbera
Kolor- Le Petit Prince
(Windows-Demo, 2001)
(Windows-Demo, 2001)
190 »Celjust add waterDie völlige Gleichgültigkeit der Generation Golf gegen Theoriege· bäude jeder Art, ihr Hang zur praktischen Philosophie sind sicherlich ganz maßgeb· lieh geprägt durch das Ende des Lege-Zeitalters. Die Playmobii·Hersteller erkannten frühzeitig, daß es ihrer Kundschaft nicht mehr um Science·Fiction ging, um Zukunfts· bauten und Raumschiffe, die man sich mit Lego noch zusammenbasteln konnte. Wer Playmobil kaufte, kaufte Fachwerkhäuser, Ritterburgen, Bauernhäuser. Er kaufte Traditionsbewußtsein, Geschichtspflege, Konservativismus.>Have you ever noticed that Lego plays a far more important role in the lives of computer people than in the general population? [...] Lego is ontologically not unlike computers. This is to say that a computer by itself is, weil ...
nothing. Computers only become something when given a specific application. Ditto Lego. [... ] Lego anticipates a future of pixelated ideas. lt is digital. The charm and fun of Lego derives from reducing the organic to the modular.>State of the Art