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German Pages 316 Year 1997
MICHAEL ROTHGANG
Ökonomische Perspektiven des Naturschutzes
Abhandlungen zur Nationalökonomie Herausgegeben von Professor Dr. Karl-Dieter Grüske in Zusammenarbeit mit den Professoren Dr. Wolfgang Harbrecht, Dr. Joachim Klaus, Dr. Werner Lachmann, Dr. Manfred Neumann
BandS
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Okonomische Perspektiven des Naturschutzes Analyse naturschutzpolitischer Ansätze im Hinblick auf das Zusammenwirken von ökologischen Begrenzungen, institutionellen Strukturen und ökonomischen Erfordernissen
Von Michael Rothgang
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Rothgang, Michael: Ökonomische Perspektiven des Naturschutzes: Analyse naturschutzpolitischer Ansätze im Hinblick auf das Zusammenwirken von ökologischen Begrenzungen, institutionellen Strukturen und ökonomischen Erfordernissen / von Michael Rothgang. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Abhandlungen zur Nationalökonomie; Bd. 8) Zug!.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08996-0
n2 Alle Rechte vorbehalten
© 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-4595 ISBN 3-428-08996-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Einführung der Herausgeber Mit dem vorliegenden Band wird die Schriftenreihe Abhandlungen zur Nationalökonomie weitergeführt, die von den Mitgliedern des Volkswirtschaftlichen Instituts der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1994 begründet wurde. Mit der Reihe soll das weite Spektrum der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung an der Nürnberger Fakultät präsentiert werden. Eine wissenschaftliche Arbeit, die sich mit einem zunehmend wichtigeren Randgebiet der Ökonomie beschäftigt, ist in besonderem Maße mit Einschätzungen, Erwartungen und Fragen aus unterschiedlichsten Richtungen konfrontiert. Im Bereich der volkswirtschaftlichen Disziplin wird mitunter bezweifelt, inwieweit es sinnvoll ist, Fragen des Naturschutzes zum Gegenstand ökonomischer Untersuchungen zu machen. Innerhalb der Ökologie kann wiederum die Rechtfertigung einer gesellschaftswissenschaftlichen Analyse, welche nicht zuvorderst Ökosysteme "an sich", sondern Wertungen und Einschätzungen der Individuen zu einem zentralen Untersuchungsgegenstand erhebt, in Frage gestellt werden. Aus der Perspektive der praktischen Naturschutzarbeit schließlich werden häufig Bedenken hinsichtlich der Relevanz theoretischer Modellanalysen für den Einzelfall erhoben. Gegenüber derart zweifelnden Haltungen etablierte sich demnach vornehmlich in den letzten Jahren unter dem Schlagwort einer nachhaltigen Entwicklung eine fachübergreifende Sichtweise, die die gegenseitige Abhängigkeit sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Einflußgrößen als Determinanten der Umweltproblematik im Allgemeinen als Ausgangspunkt hat. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Umweltökonomie existiert eine vergleichsweise geringe Zahl von Arbeiten, die eine in sich geschlossene und relativ umfassende Darstellung der Naturschutzproblematik aus Sicht der Ökonomie bieten. Das Forschungsanliegen von Michael Rothgang bestand zu einem wesentlichen Teil darin, die Vielfalt einzelner in der Literatur aufgegriffener und unter anderer Ziel richtung auffindbarer Theoriestücke und Forschungsergebnisse zu einer Gesamtsicht zusammenzufügen und ihre gegenseitigen Bezüge aufzuzeigen. Die Arbeit weist einen großen Facettenreichtum insofern auf, als an der Front der Forschung die Ergebnisse mehrerer Diszipli-
Einführung der Herausgeber
6
nen sowie auch Teildisziplinen der Wirtschaftswissenschaften selbst für die Ökonomie des Naturschutzes verarbeitet werden. Die Arbeit bietet zunächst eine sehr detaillierte Auffächerung der theoretischen Grundlagen einer Ökonomie des Naturschutzes; hier sind die Unterabschnitte über "Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur" und "Institutionenökonomie und Naturschutz" an der Front der Forschung. In dem stärker anwendungsorientierten Teil, der sich mit ökonomisch relevanten Ausgestaltungsformen befaßt, werden zunächst Zielsetzungen, Planungs- und Entscheidungserfordernisse behandelt; für praktische Zwecke bieten die sehr differenziert dargestellten instrumentellen Alternativen bzw. Maßnahmenpaletten ökonomisch fundierte Ansatzstellen für eine praktische Ausgestaltung zukünftiger Naturschutzpolitik. Ein interdisziplinärer Ansatz, wie er von Michael Rothgang gewählt wird, bildet die Voraussetzung für eine problemgerechte Auseinandersetzung mit der Naturschutzproblematik, deren Lösungsansätze sicherlich nicht innerhalb einer Disziplin allein - sei sie nun sozialwissenschaftlich oder naturwissenschaftlich ausgerichtet - zu finden ist. Hier ergibt sich im Anschluß an die vorliegende Arbeit ein weites Feld für zukünftige Forschungen, das sowohl in theoretischer Hinsicht als auch für die Analyse praktischer Naturschutzpolitik noch vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Nürnberg im August 1997 Karl-Dieter Grüske
(Geschäftsführender Herausgeber)
Joachim Klaus
(Mitherausgeber)
Vorwort des Verfassers Die Entwicklung der ökonomischen Wissenschaft ist in den letzten Jahren unter anderem dadurch gekennzeichnet, daß Problembereiche, die ursprünglich als die Domäne anderer Disziplinen galten, sich einer gesteigerten Aufmerksamkeit erfreuen. Dieser teilweise beklagte Imperialismus offenbart die Möglichkeiten hinsichtlich der Aufdeckung der Determinanten unterschiedlichster Knappheitsprobleme, die in wirtschaftswissenschaftlichen Analyseinstrumenten verborgen sind. Das Unterfangen, sich in neue Forschungsbereiche vorzuwagen, ist jedoch, wie sich im Verlauf meiner Beschäftigung mit der Naturschutzproblematik mit großer Deutlichkeit herausstellte, auch mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden. So offenbaren sich, sobald die Frage nach einer geeigneten theoretischen Grundlage für die Problemanalyse gestellt wird, auch die Begrenzungen, die die in einer Disziplin getroffenen Aussagen häufig beinhalten. Eine rein auf wirtschaftliche Aspekte abstellende Sichtweise, die lediglich eine Messung und Saldierung von Nutzen und Kosten der Naturzerstörung vornimmt und nicht zusätzlich gesellschaftliche Faktoren und ökologische Zusammenhänge berücksichtigt, wird dem vieldimensionalen Erscheinungsbild von Naturschutzfragen keinesfalls gerecht. Diese Erkenntnis bewegte mich dazu, zunächst in der ersten Hälfte der Arbeit die Frage nach einem geeigneten theoretischen Grundgerüst in den Mittelpunkt meiner Überlegungen zu stellen. Trotz der in andere Wissenschaftsdisziplinen hineinragenden Fragenkomplexe bildet die Offenlegung der Eigenschaften des Angebotes und der Nachfrage nach Natur einen fruchtbaren Ausgangspunkt für die Analyse der Wirkungen und Einfiußgrößen staatlicher Regulierungen, welche Gegenstand der zweiten Hälfte der vorliegenden Arbeit ist. Maßgeblichen Anteil an dem Entstehen und am wissenschaftlichen Resultat dieser Arbeit hatte zunächst mein Doktorvater Professor Dr. Joachim Klaus. Den kritischen Fragen, mit denen er immer wieder auf offene Aspekte und in theoretischer Hinsicht auftauchende Widersprüche in der gängigen Umweltdiskussion aufmerksam machte, verdanke ich äußerst wertvolle Denkanstöße. Für einige sehr hilfreiche Anregungen, vor allem hinsichtlich der Erfordernisse einer Unterstützung umweltrelevanter Entscheidungen durch geeignete Um-
8
Vorwort des Verfassers
weltinformations- und Umweltberichterstattungssysteme, habe ich meinem Zweitreferenten Herrn Professor Dr. Maaß zu danken. Ohne die Unterstützung durch meine Freunde und Kollegen wäre ein Entstehen der Arbeit in der gegenwärtigen Form nicht möglich gewesen. Diese Hilfestellungen umfaßten sowohl zahlreiche Diskussionen an unserem Lehrstuhl als auch die Mithilfe bei der redaktionellen Bearbeitung des Textes. Hierfür danke ich den Mitarbeitern an unserem Lehrstuhl und an anderen Lehrstühlen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, insbesondere Herrn Privatdozent Dr. Klaus Georg Binder, Dr. Georg Krieger, Dr. Jung-Su Choi, Dr. Wilhelm Falk und Toni Fischer. Weitere, unschätzbare Hilfestellungen, verdanke ich meinen Eltern, die mich in vielfältiger Weise unterstützt haben. Nürnberg im August 1997
Michael Rothgang
Inhaltsübersicht
Erstes Kapitel
Grundlegung und Konzeption der Arbeit l.
2.
3.
Schutz der Natur als - auch - ein ökonomisches Problem Ökonomische Analyse des Natur- und Landschaftsschutzes - Entwicklungen und zentrale Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Konzeption der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 29 36
Zweites Kapitel
Theoretische Grundlagen einer Ökonomie des Naturschutzes l.
2.
3.
Neoklassische Sichtweise des Naturschutzes Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur . Institutionenökonomie und Naturschutz .....
39 39
55
107
Drittes Kapitel
Ökonomische Untersuchung verschiedener Ausgestaltungsformen des Naturschutzes l.
2. 3.
Grundsätzliche Ausgestaltung des Naturschutzes: Zielsetzungen, Planungs- und Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationsbedarf, Bewertungen und Aggregation von Daten als Grundlage von Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instrumente des Naturschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139 139 180 239
Viertes Kapitel
Ordnungspolitische Charakterisierung unterschiedlicher Herangehensweisen an die Naturschutzproblematik Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290 296 313
Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel
Grundlegung und Konzeption der Arbeit
23
1. Schutz der Natur als - auch - ein ökonomisches Problem
23
2. Ökonomische Analyse des Natur- und Landschaftsschutzes - Entwicklungen und zentrale Konzepte ........................
29
2.1. Die Entwicklung des Naturschutzgedankens . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Naturschutz in der Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2.3. Neuere Entwicklungen: Ökologische Ökonomie, Institutionenökonomie und Sustainable Development . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Konzeption der Arbeit . . . . . . . . . . . . . .
Zweites Kapitel
Theoretische Grundlagen einer Ökonomie des Naturschutzes I. Neoklassische Sichtweise des Naturschutzes
32
36
39 39
1.1. Grundlagen und Vorgehensweise der ökonomischen Analyse 1.2. Ein Markt für Naturschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1. Marktallokation des Gutes Natur . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2. Die Nachfrage nach Natur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3. Eigenschaften des Gutes Natur und individuelle Präferenzen: Irreversibilität und mangelnde Substituierbarkeit .. 1.2.4. Auswirkungen von Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Ansatzpunkte für staatliches Eingreifen in den Marktprozeß 1.4. Möglichkeiten, Unzulänglichkeiten und Erweiterungen der neoklassischen Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
29 30
39 40 40 41 45 49 51 53
....
55
2.1. Die Disziplin der Ökologischen Ökonomie ...
55
12
Inhaltsverzeichnis 2.1.1. Die Natur als Marktanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2. Interdependenzen zwischen ökonomischen und ökologischen Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Charakteristika ökologischer Systeme 2.2.1. Funktionen und Dienstleistungen von Ökosystemen ... 2.2.2. Gleichgewicht, Stabilität und Belastbarkeit ökologischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3. Schutz der Biodiversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1. Ökonomischer Nutzen der biologischen Vielfalt. 2.2.3.2. Biologische Vielfalt und Ökosystemstabilität 2.2.3.3. Biodiversität und Marktkoordination . . . . 2.3. Sustainability - Sichtweisen in der Ökologischen Ökonomie 2.3.1. Das Leitbild eines Sustainable Development . . . . . . . . .. 2.3.2. Konzepte und Ausprägungen eines Sustainable Development in der Ökologischen Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Dimensionen einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung und Biodiversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1. Marktbewertungen unter den Bedingungen von Unsicherheit und Irreversibilität und intergenerationale Verteilungsfragen 2.4.2. Biologische Vielfalt und Sustainability: Die Fragen der intergenerationalen Verteilung und der regionalen Differenzierung 2.4.2.1. Grundmodell einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.2. Intergenerationale Gerechtigkeit . . . . . . . . 2.4.2.3. Räumliche Differenzierung . . . . . . . . . . . . 2.5. Gesellschaftliche Risikopräferenzen, ethische Werthaltungen und Versionen einer Sustainability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1. Der Safe Minimum Standard-Ansatz und das Precautionary Principle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2.5.2. Unterschiedliche ethische Werthaltungen und Sustainability 2.5.3. Weltanschauliche Ausrichtungen und Ausprägungen von Sustainability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6. Folgerungen der Ökologischen Ökonomie für den Naturschutz
55 56 60 60 63 67 68 70 72 74 74 77 80 80 82 84 87 91 96 96 99 102 105
3. Institutionenökonomie und Naturschutz . . . . . . . . . . . .
107
3.1. Institutionenökonomische Analyse des Naturschutzes
107
Inhaltsverzeichnis 3.1.1. Grundlegende Charakteristika und Bedeutung von Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.1.2. Merkmale der Situation im Naturschutz und die Rolle von Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3. Institutionenökonomische Sichtweisen und das Marktmodell 3.1.4. Institutionenwandel, Naturschutz und Sustainability 3.2. Eigentumsrechte, Transaktionskosten und Naturschutz 3.2.1. Marktallokation und private Eigentumsrechte . . . . . . . . 3.2.2. Arten von Eigentumsrechten und rechtliche Eigentumsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Struktur und Einflußfaktoren von Entscheidungsprozessen 3.3.1. Sichtweisen von Entscheidungsprozessen in der Ökonomie. 3.3.2. Ein institutionenökonomisches Modell der Einflußfaktoren von Entscheidungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.4. Entscheidungsprozesse und Bewertungen: Eine institutionenökonomische Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.4.1. Individuelle Präferenzen für die Natur, sozio-kultureller Zusammenhang und sozialer Wandel . . . . . . . . 3.4.2. Das Modell des "political-economic man" .. . 3.4.3. Sichtweisen von Bewertungen in der Ökonomie 3.4.4. Die Rolle des Gutachters . . . . . . . . . . . . .
13
107 108 111 114 116 117 120 123 123 126 128 129 130 131 136
Drittes Kapitel
Ökonomische Untersuchung verschiedener Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
139
1. Grundsätzliche Ausgestaltung des Naturschutzes: Zielsetzungen, Planungs- und Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
1.1. Institutionelle Sichtweise von Entscheidungen im Naturschutz
139
1.2. Ursachen der Naturzerstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
1.3. Möglichkeiten zur Ableitung von Zielsetzungen des Naturschutzes
143
1.4. Ausgestaltungsformen von Entscheidungs- und Koordinationsverfahren des Naturschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146
1.4.1. Ein Modell des Institutionenwandels auf unterschiedlichen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
14
Inhaltsverzeichnis l.4.2. Grundsätzliche Einflußfuktoren und Problematik der Ausgestaltung von Entscheidungsprozessen des Naturschutzes. .. l. 4.3. Marktkoordination und staatliche Regulierungsformen . . .. 1.4.4. Unterschiedliche Ausgestaltungsformen von Entscheidungsprozessen: bürokratisches Handeln, Mediationsverfahren und der Einfluß von Interessengruppen . . . . . . . . . . . . 1.4.4.1. Einflußgrößen behördlicher Entscheidungen über Fragen des Naturschutzes . . . . . . . . . . . . . . 1.4.4.2. Behördenentscheidungen und Einflußnahme von Interessengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . l.4.4.3. Verhandlungen im Rahmen von Entscheidungsprozessen: Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . 1.5. Kompetenzverteilung und die ökonomische Theorie des Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l.5.l. Kriterien einer optimalen räumlichen Kompetenzverteilung im Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l.5.2. Problembereiche des Naturschutzes und Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l.5.3. Entwicklungslinien des Naturschutzes und der Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. l.5.4. Möglichkeiten und Grenzen der Kompetenzverlagerung auf die globale und supranationale Ebene . . . . . . . . . . . . ..
150 151 153 153 155 158 163 163 166 171 174
1.6. Probleme und Entscheidungserfordernisse einer grundsätzlichen Ausgestaltung des Naturschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
2. Informationsbedarf, Bewertungen und Aggregation von Daten als Grundlage von Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
180
2.l. Informationen als Grundlage von Planung und Entscheidungen im Naturschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
180
2.1.1. Umweltberichterstattungs- und Umweltinformationssysteme 2.l.2. Der Markt für Umweltinformationen . . . . . . . . . . . . . . 2.l.3. Bezugssystem für die Informationserfordernisse des Naturschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Relevante Informationen: Indikatoren, Nutzen- und Kostengrößen 2.2.l. Indikatoren und Indizes als Hilfsmittel der Umweltpolitik .. 2.2.2. Direkte und indirekte Verfuhren zur Bewertung des Nutzens der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2.2.3. Monetäre Bewertung der Nachfrage nach Natur: Die Befragungsmethode . . . . . . . . . . . . . . .
180 182 184 187 187 189 192
Inhaltsverzeichnis 2.2.3.1. Anwendung der Befragungsmethode . . . . . . . . 2.2.3.2. Validität der Befragungsergebnisse: Theoretische Einwände und empirische Resultate . . . . . . . 2.2.3.3. Interpretation der Ergebnisse von Befragungen im Vergleich mit Marktbewertungen . . . . . . . . 2.2.3.4. Einftußfaktoren der Validität der Befragungsergebnisse . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . ...... 2.2.4. Bewertung anhand von Schattenprojekten 2.2.5. Kosten des Naturschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Umweltinformationen aus der Sicht der Marktteilnehmer 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.3.4.
Ökonomisch orientierte Modelle .. Ökologisch orientierte Modelle ... Institutionelle Sichtweise . . . . . . . Die Nachfrage nach Informationen
15 192 194 200 201 202 206 206 207 211 213 215
2.4. Umweltökonomische Berichterstattung und ökologische Indikatorensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2.4.1. Ansätze einer Umweltökonomischen Gesamtrechnung 2.4 .1.1. Das SEEA der Vereinten Nationen . . . . . . 2.4.1.2. Wohlfahrtseffekte der Naturzerstörung ... 2.4.1.3. Beurteilung der betrachteten Ansätze .... 2.4.2. Ökologische Indikatorensysteme . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.1. Verschiedene Systemansätze und Indikatoren des Naturzustandes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2.4.2.2. Verwendbarkeit der Indikatoren im Rahmen eines Makro-Indikatorensystems . . . . . . . . . . . . . .. 2.4.3. Verknüpfung von Indikatorwerten für Naturhaushaltsfunktionen mit ökonomischen Bewertungen . . . . . . . . . . . . . ..
217 218 222 225 227
2.5. Gegenwärtiger Entwicklungsstand und weiterer Forschungsbedarf .
237
3. Instrumente des Naturschutzes . . . . . . . . . . . . .
228 231 233
239
3. I. Instrumentelle Alternativen und Ansatzpunkte
239
3.2. Generelle Wirkungen der verschiedenen Instrumente ....
245
3.2.1. Wirkungen auf den Naturzustand: Schattenprojekte, Nutzungsverzichte oder Nutzungsänderungen 3.2.2. Veränderung der Verfügungsrechte . . . . . . . . . . .
245 247
3.3. Wirkungsanalyse: Vor- und Nachteile der verschiedenen Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
248
16
Inhaltsverzeichnis 3.3.1. Anreizwirkung, intrinsische Motivation und ökonomische Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.1. Ressourcennutzungsproblem . . . . . . . . 3.3.1.2. Erstellung eines öffentlichen Gutes 3.3.1.3. Wirkung auf die intrinsische Motivation 3.3.2. Grad der ökologischen Wirksamkeit . . . . . . . . . 3.3.3. Verteilungswirkungen und politische Durchsetzbarkeit
251 252 258 263 266 267
3.4. Beurteilung der Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . ....
271
3.5. Instrumente des Naturschutzes in der Bundesrepublik .....
275
3.5.1. 3.5.2. 3 .5 . 3. 3.5.4.
Ausweisung von Schutzgebieten . . . . . . . . . . . . . . Die Eingriffsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Naturschutzabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Förderung des privaten Naturschutzes: Vertragsnaturschutz und Unterstützung von Naturschutzorganisationen ..
275 277 280 283
3.6. Kombination der Instrumente und Umsetzung des SustainabilityLeitbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285
Viertes Kapitel Ordnungs politische Charakterisierung unterschiedlicher Herangehensweisen an die Naturschutz-Problematik
290
Literaturverzeichnis
296
Sachregister .....
313
Tabellenverzeichnis Tabelle 11,1:
Primäre und Sekundäre Funktionen des Naturhaushalts. .
Tabelle 11,2:
Ökonomischer Nutzen, Naturhaushaltsfunktionen und bio-
Tabelle 11,3:
Begründungen des Naturschutzes in der Ökologischen
logische Vielfalt.
...................... .
Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 11,4:
Verschiedene mögliche Regelungen für Anspruche aus Eigen-
Tabelle 11,5:
Kategorien monetärer und nicht monetärer Folgen von Ent-
tumsrechten. ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. scheidungen im Naturschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Tabelle I1I,I:
Kriterien für die regionale Kompetenzzuweisung im Umwelt-
Tabelle I1I,2:
Begründungen für die Verlagerung von Entscheidungskom-
bereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . petenzen auf verschiedene fOderale Ebenen. . . . . . . . . . .
61 69 106
122 137
164 170
Tabelle I1I,3:
Existierende Verteilung von Entscheidungskompetenzen auf unterschiedliche föderale Ebenen. . . . . . . . . . . . . . .
173
Tabelle I1I,4:
Biologische Vielfalt als internationales öffentliches Gut.
176
Tabelle I1I,5:
Indikatoren für die Bedrohung der biologischen Vielfalt.
188
Tabelle I1I,6:
Indikatoren für die Beschreibung der ökologischen Qualität und der Erholungseignung von Räumen. . . . . . . . . . . . . . . . ..
Tabelle m,7:
Staatliche Möglichkeiten zur Beeinflussung von Landnutzungen im Naturschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
Tabelle m,8:
274
Konkretisierung von Ausprägungsformen des SustainabilityKonzepts im Naturschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Rothgang
265
Unterschiedliche institutionelle Alternativen beim Instrumenteneinsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tabelle IV,I:
241
Wirkung von staatlichen Regulierungen auf die intrinsische Motivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
Tabelle m,9:
230
292
Abbildungsverzeichnis Abb.I,I:
Vorgehensweise.
38
Abb. lI,I:
Markt für Schutz und Nutzung der Natur.
41
Abb. lI,2:
Interdependenzen zwischen ökonomischem und ökologischem System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Abb. Ir,3:
Darstellung eines Ökosystemkreislaufs nach Holling. . .... .
66
Abb. lI,4:
Sustainability-Konzepte und Einstellung gegenüber Risiken der Naturzerstörung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
Abb. lI,5:
Elemente der Weltanschauung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
Abb. lI,6:
Pareto-Optima bei unterschiedlicher Ausgangsverteilung der Eigentumsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
Abb. lI,7:
Einflußfuktoren von Entscheidungsprozessen des Naturschutzes.
127
Abb. III, 1:
Schematische Darstellung der Rolle von Entscheidungen über institutionelle Regelungen im Naturschutz.
Abb. III,2:
..........
140
Verursacher des Artenrückgangs nach Zahl der gefahrdeten Rote Liste-Arten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
Abb. III,3:
Ansatzpunkte zur Ableitung von Zielsetzungen des Naturschutzes.
145
Abb. III,4:
Ebenen gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse im Naturschutz.
148
Abb. III,5:
Nutzenentgang durch den Verlust der biologischen Vielfalt auf unterschiedlichen regionalen Ebenen.
Abb. III,6:
Bezugssystem ökonomischer und ökologischer Informationserfordernisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abb. III,7:
Abb. III,9:
184
Ökonomische, ökologische und institutionelle Informationen als Grundlage für Entscheidungen.
Abb. I1I,8:
167
.....................
186
Wertkategorien zur Monetarisierung des ökonomischen Werts der Natur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
Einflußfuktoren der Validität von Befragungsergebnissen .
202
Abb. III,lO: Monetäre Bewertung anhand eines Schattenprojekts. .....
204
Abb. III, 11: Ökonomische Ableitung von Sustainability-Zielsetzungen auf der Grundlage des Marktmodells. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2'
209
20
Abbildungsverzeichnis
Abb. m,12: Leitbild einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung und
212
Umweltindikatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. m, 13: Institutionelle
~rmittlung
der Zielsetzungen im Rahmen politi-
scher Entscheidungsprozesse.
214
....................
Abb. m,14: Aufbau des SEEA-Systems der Vereinten Nationen. . . . . . . . .
219
Abb. m,15: Markt für die Artenvielfalt in der Bundesrepublik.
224
.........
Abb. m,16: Zuordnung der Naturhaushaltsfunktionen zu ökonomischen Wert-
234
kategorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb.
m, 17: Verknüpfung der Indikatoren für Naturhaushaltsfunktionen mit ökonomischen Nutzenkategorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
236
Abb. m,18: Ansatzpunkte der Instrumente des Naturschutzes . . . . . . . . .
. 240
Abb. m,19: Wirkungsmuster unterschiedlicher Instrumente des Naturschutzes.
244
Abb. m,20: Instrumente des Naturschutzes und Veränderung der Verfügungs-
248
rechte. Abb. m,21: Klassifikation der Instrumente nach der Eignung für bestimmte Problembereiche des Naturschutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . .
250
Abb. m,22: Verhaltenswirkungen und Anreize zur Kostenminimierung unterschiedlicher Instrumente des Naturschutzes.
............
262
Abb. m,23: Ökologische Wirksamkeit der verschiedenen Instrumente im Naturschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
Abb. m,24: Verteilung der Nutzen "0" und Kosten "X" von Naturschutzmaßnahmen auf Schützer, Nutzer und Steuerzahler. . . . . . . . . . .
270
Abb. m,25: Kriterien einer Auswahl zwischen verschiedenen Instrumenten des Naturschutzes
...........................
272
Abb. m,26: Geeignete Mechanismen zur Verhaltensregulierung in Abhängig.......
273
Abb. m,27: Schema der Prüfung eines Vorhabens nach § 8 BNatSchG. ....
278
keit von den Eigenschaften des Naturschutzproblems.
Abkürzungsverzeichnis ANL
Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege
BNatSchG
Bundesnaturschutzgesetz
BSLU
Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen
CV
Contingent Valuation
DAV
Deutscher Alpenverein
FDES
Framework for the Development of Environmental Statistics
Eurostat
Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaft
GEF
Global Environmental Facility
OECD
Organisation of Economic Co-Operation and Development
SEEA
System of Environmental and Economic Accounts
SNA
System of National Accounts
SMS
Safe Minimum Standard
SRU
Sachverständigenrat für Umweltfragen
UN
United Nations
UNEP
United Nations Environment Programme
UVP
Umweltverträglichkeitsprüfung
VGR
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
WCED
World Commission on Environment and Development
WCMC
World Conservation Monitoring Center
"The charming landscape which I saw this morning, is undubitably made up of some twenty or thirty farms. Miller owns this field, Locke that, and Manning the woodland beyond. But none of them owns the landscape. There is a property in the horizon which no man has but he whose eye can integrate all the parts, that is, the poet. This is the best part of these men's farms, yet to this their land deeds give them no tide. "I
Erstes Kapitel
Grundlegung und Konzeption der Arbeit 1. Schutz der Natur als - auch - ein ökonomisches Problem Auf den ersten Blick erscheinen Natur und Ökonomie häufig als ein Gegensatzpaar. Wirtschaftliche Aktivitäten tragen immerhin in überwältigendem Ausmaß zur Naturzerstörung bei. Dennoch besteht zwischen beiden häufig eine Symbiose in der Form, daß ein bestimmtes Aussehen der Landschaft ganz spezifische Nutzungsformen bedingt, so daß Naturschutz und Naturnutzung idealerweise miteinander einhergehen. Die zentrale Fragestellung des Naturschutzes umfaßt demgemäß in der Praxis genaugenommen nicht die Frage Schutz oder Nutzung, sondern vielmehr die Auswahl der naturverträglichsten Nutzungsform. Dieser Verknüpfung von Wirtschaften und Natur stehen auf der theoretischen Ebene die Ökonomik als Theoriegebäude, welches sich mit Tauschvorgängen auf Märkten befaßt und die Ökologie als Wissenschaft von den Wechselwirkungen der Lebewesen untereinander und mit ihrer Umwelt gegenüber. Als positive Wissenschaften beschäftigen sich beide mit der Beschreibung komplexer Systeme. Während in der Ökologie wirtschaftliche Aktivitäten als Ursache für die Beeinträchtigung und Veränderung von Ökosystemen gesehen werden, wird innerhalb des ökonomischen Ansatzes die Natur als ein Gut betrachtet, das unter bestimmten Annahmen auf Märkten gehandelt werden könnte.
1
Ralph Waldo Emerson, Nature, 1836.
24
Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit
Eine ökonomische Analyse in diesem Spannungsfeld zwischen Natur und Ökonomie erfordert über diese positiven Sichtweisen hinaus die Berücksichtigung normativer Aussagen darüber, welche Zwecke mit dem Schutz der Natur verfolgt werden. Als Ausgangspunkt dafür bietet es sich an, eine allgemeine Definition des Naturschutzes heranzuziehen: Der Naturschutz umfaßt die "Gesamtheit der Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der natürlichen Lebensgrundlagen aller Lebewesen, insbesondere von Pflanzen und Tieren wildlebender Arten und ihrer Lebensgemeinschaften, sowie zur Sicherung von Landschaften und Landschaftsteilen in ihrer Vielfalt und Eigenart. "2 Diese Abgrenzung beinhaltet den Schutz von Arten, Biotopen und Landschaften, wobei die möglichen Begründungen für deren Erhalt offen bleiben, so daß neben anthropozentrische, rein auf Nutzungsaspekten fußende, genauso biozentrische Rechtfertigungen treten können, welche der Natur ein Eigenrecht auf Existenz zubilligen. Auf den ersten Blick wirkt diese Fragestellung nicht sonderlich ökonomisch. Eine Beschäftigung mit dem Thema war für Ökonomen, solange die Natur ein freies Gut war, auch nicht erforderlich. Sobald jedoch die Natur in gewissen Bereichen ein knappes Gut wird, bekommt auch der Naturschutz eine ökonomische Dimension. Die Problemstellungen in diesem Bereich betreffen die Allokation und das Management der natürlichen Umwelt und im Zusammenhang damit ihre Bewertung. Zwei zentrale Fragen des Naturschutzes lauten demzufolge: Was soll geschützt werden, und mit welchen Mitteln soll dieses Ziel erreicht werden. Während erstere Fragestellung eine Bewertung der Natur und damit letztlich eine Abwägung zwischen unterschiedlichen Nutzungen für ein betrachtetes Naturgut impliziert, beschäftigt sich die zweite mit der Wirksamkeit und Effizienz der für die Zielerreichung eingesetzten Mittel. Die beiden genannten Fragestellungen haben eine effiziente Nutzung knapper Ressourcen zum Ziel und sind somit typisch ökonomischer Art. Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß es inzwischen eine recht umfangreiche ökonomische Literatur gibt, die sich mit diesen Problemstellungen beschäftigt, wobei sich auf dem wohlfahrtsökonomischen neoklassischen Ansatz fußend zwei Schwerpunktbereiche herausgebildet haben: 3 Im Rahmen der Nutzen-Kosten-
Vgl. ANL (Hrsg.), 1994. Trotz der vielflHtigen ökonomischen Fragestellungen, die sich in diesem Bereich ergeben, gab es lange Zeit zumindest im deutschsprachigen Raum noch kaum Ökonomen, die sich damit beschäftigten. Das hat sich zuletzt geändert. Eine umfangreiche 2
3
1. Schutz der Natur als - auch - ein ökonomisches Problem
25
Analyse werden vertieft Möglichkeiten einer Monetarisierung der Nutzen und Kosten des Erhalts von Naturgütern untersucht. 4 Außerdem liegt in der wissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahre ein weiterer Schwerpunkt auf der Frage der Schaffung eines funktionsfähigen Marktes durch staatliche Markteingriffe. 5 Der ökonomische Nutzen bzw. die Kosten, die der Gesellschaft beim Schutz der natürlichen Umwelt entstehen, werden an einigen Stellen überaus deutlich. Ein Beispiel für hohe Kosten, die mit dem Naturschutz verbunden sein können, bietet der Widerstand von Interessengruppen des Naturschutzes, der heutzutage zumeist bei öffentlichen und privaten Projekten auftritt, welche mit einer Naturbeeinträchtigung verbunden sind. Seine rechtlich-institutionelle Entsprechung findet dieser Widerstand gegen Naturbeeinträchtigungen in der seit dem Jahr 1977 existierenden Eingriffsregelung des Bundesnaturschutzgesetzes. Sie verpflichtet Unternehmen, die mit ihrem Eingriff in die Natur verbundenen Schäden zu minimieren bzw. auszugleichen. Es erscheint durchaus als angebracht zu hinterfragen, ob und an welchen Stellen diesen Kosten ein entsprechender gesellschaftlicher Nutzen gegenübersteht. Auf der anderen Seite kann eine Nichtberücksichtigung unserer Abhängigkeit von Ökosystemen bzw. deren Funktionen und Dienstleistungen zu Nutzenverlusten führen, deren negative Auswirkungen häufig erst in der Zukunft deutlich werden. Ein in letzter Zeit häufig in der Literatur diskutiertes Beispiel, welches sich anschaulich in monetären Größen quantifizieren läßt, stellt der mit dem Rückgang der Artenvielfalt in den tropischen Regenwäldern verbundene Informationsverlust für pharmazeutische Anwendungen. Nach einer Schätzung liegt der kommerzielle Wert der aus Pflanzen abstammenden Drogen und Pharmazeutika derzeit bei jährlich etwa 40 Mrd. US-$. Die Gewinnung dieser Präparate aus Pflanzen hat somit eine nicht unwesentliche wirtschaftliche Bedeutung. 6 Es handelt sich dabei jedoch nur um eine von zahlreichen ökono-
Bibliographie der Literatur, die zu diesem Bereich gezählt werden kann, findet sich beispielsweise bei Hampicke, 1991, S. 311 ff. 4 Die hier existierenden Ansätze in der Literatur werden im Hinblick auf die Informationserfordernisse des Naturschutzes in Kapitel III,2 kritisch analysiert. 5 Vgl. beispielsweise Hartje, 1994, Frey/ Blöchliger, 1991 und Blöchliger, 1992. 6 Vgl. Myers, 1993, S. 77.
26
Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit
mischen Nutzungen der Natur. Deren Nichtberücksichtigung bei ökonomischen Entscheidungen kann somit zu erheblichen Fehlallokationen führen. Trotz dieser sehr plakativ in ökonomischen Nutzen- und Kostenkategorien faßbaren Aspekte des Naturschutzes ist im Einzelfall das "Gut Natur" mit Eigenschaften behaftet, die es von den ansonsten in ökonomischen Analysen betrachteten Gütern unterscheidet und die daher in der folgenden Analyse eine besondere Berücksichtigung erfordern: (1)
In der Ökonomie wird ein Gut dann als ein wirtschaftliches Gut bezeichnet, für das ein Allokationsproblem existiert, wenn sein Angebot in Relation zur Nachfrage knapp ist. Das ist bei der Betrachtung von Naturgütern häufig anders, denn wenn eine außergewöhnliche Naturlandschaft zerstört wird oder eine Art ausstirbt, liegt eine absolute Knappheit auf der Angebotsseite vor. Natureingriffe sind dann häufig in der Hinsicht irreversibel, daß die Entscheidung zur Zerstörung der Natur nicht mehr revidiert werden kann.
(2)
Nicht nur das Angebot, sondern auch die Nachfrage nach Natur ist mit Besonderheiten behaftet. Eine weitere Eigenschaft von Entscheidungen im Naturschutzbereich ist die häufig existierende Unsicherheit über den zukünftigen Nutzen von Naturgütern. Beispielhaft dafür kann der unsichere zukünftige Nutzen der Artenvielfalt in pharmazeutischen Anwendungen angeführt werden.
(3)
Den rein auf den Nutzungsgesichtspunkt abstellenden Begründungen des Naturschutzes stehen andere gegenüber, die eine moralische Verpflichtung zum Erhalt der Natur in den Vordergrund stellen. Diese Verpflichtung kann in einer anthropozentrischen Sichtweise gegenüber zukünftigen Generationen und in einer biozentrischen gegenüber anderen Lebewesen existieren. Eine zentrale Frage im Rahmen einer ökonomischen Analyse des Naturschutzes ist, in welcher Form dieser Aspekt berücksichtigt werden bzw. ob er auf Nutzen- und Kostenkategorien reduziert werden sollte.
Aufgrund der dargestellten wirtschaftlichen Aspekte des Naturschutzes liegt eine ökonomische Analyse des Problembereiches Naturschutz, die gleichwohl ökologische Zusammenhänge und Erkenntnisse mitberücksichtigt, nahe. Darüber hinaus sind unsere Anstrengungen für den Naturschutz eben gerade nicht auf eine von sozio-kulturellen Faktoren unabhängige Vorstellung von der zu schützenden Natur ausgerichtet. Vielmehr bestimmen entwicklungsgeschichtlich bedingte Vorstellungen und Mythen unsere Vorstellungen von Natur, so daß das, was wir an der Natur schützen wollen, nicht mit einer "objektiven Realität" entspricht, sondern immer auch untrennbar mit kulturellen Einflußgrößen
I. Schutz der Natur als - auch - ein ökonomisches Problem
27
verbunden ist: 7 "Wie die Natur definiert, registriert und beurteilt wird, was Natur für den einzelnen und seine Mitmenschen bedeutet, welche Rolle Natur und Naturschutz im Lebensalitag zukommt, wer für die Betreuung und Pflege der Natur, d. h. für Naturschutz, zuständig ist, wer dafür die personellen und sachlichen Mittel bereitzustellen hat, in welcher Form mit der Natur umzugehen ist: All dies ist kulturell vermittelt und erheblichen Wandlungen unterworfen. "8 Aus dieser Verbindung resultiert mitunter dann eine erhebliche Verwirrung, wenn unsere Vorstellung davon, was als Natur bzw. eine naturverträgliche Landschaftsgestalt gilt, zur Realität in Widerspruch steht. Diese Gegensätzlichkeit zwischen unserer Vorstellung und der Realität zeigt sich beispielsweise dann, wenn sich herausstellt, daß die Anlage unserer Städte teilweise sogar sehr günstige Lebensbedingungen für bestimmte Arten bietet. 9 Diese Tatsache hat sehr wohl Auswirkungen auf die ökonomische Herangehensweise an Fragen des Naturschutzes, da die sozio-kulturellen und institutionellen Rahmenbedingungen einen Einfluß auf die Zielsetzungen des Naturschutzes haben und somit in die Analyse zu integrieren sind. Dieser Aspekt, der bisher in Arbeiten in diesem Bereich zu wenig Beachtung fand, wird im folgenden eine zentrale Rolle spielen. Neben einer angemessenen Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Faktoren wird daher gefragt, in welcher Form und an welchen Stellen diese institutionellen Aspekte im Rahmen des Naturschutzes berücksichtigt werden sollen. Die Verwendung des Begriffs Naturschutz in einer ökonomischen Analyse erscheint aufgrund seiner sozio-kulturellen Prägung auf den ersten Blick als problematisch. In die ökonomische Literatur hat in den letzten Jahren vor allem auch in Zusammenhang mit den Auswirkungen der Zerstörung des tropischen Regenwaldes der Begriff der biologischen Vielfalt oder Biodiversität Eingang gefunden. Diese ökologisch geprägte und gegenüber dem Naturschutz weniger wertbeladene Bezeichnung umfaßt die genetische Vielfalt innerhalb einer Art, die Artenvielfalt, sowie die Vielfalt der Ökosysteme. Im folgenden findet daher an den Stellen, wo eine dementsprechende Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes sich als angebracht erweist, der Terminus der Biodiversität Anwendung. Demgegenüber stellt sich die Unschärfe dessen, was konkret unter Naturschutz verstanden wird, dann als vorteilhaft heraus, wenn gerade
7 Diesen Ursprüngen unserer kulturell geprägten Vorstellung von der Natur geht Simon Schama sehr überzeugend und akribisch nach (Vgl. Schama, 1995). 8 Büschges, 1995, S. 492. 9 Vgl. Reichholf, 1994.
28
Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit
der Aspekt berücksichtigt und betont werden soll, daß eine kulturelle Determiniertheit der Naturvorstellung existiert. Trotz der zahlreichen ökonomischen Aspekte, die bei Entscheidungen über Schutz oder Nutzung der Natur eine Rolle spielen können, muß hier also ein Aspekt beachtet werden, der für das Verständnis Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Herangehensweise an dieses Problem von Bedeutung ist: Die mit dem Schutz der Natur verbundenen Fragestellungen sind nicht auf eine wissenschaftliche Disziplin begrenzt, sondern benötigen zu ihrer Beantwortung Ansätze aus mehreren verschiedenen Disziplinen. Zur Lösung der hier existierenden Probleme wird eine inter- bzw. transdisziplinäre Zusammenarbeit von Disziplinen wie der Ökologie, den Politikwissenschaften, der Landschaftsplanung oder der Ökonomie erforderlich. 10 So ist es in dieser Arbeit nur möglich, dieses Problem aus einer, nämlich der ökonomischen, Perspektive zu betrachten und zu zeigen, daß diese Herangehensweise sinnvoll ist, um neue Erkenntnisse zu erlangen. Eine Lösung der mit dem Naturschutz verbundenen Probleme und Fragestellungen allein durch den ökonomischen Ansatz ist nicht möglich und wird auch nicht angestrebt. Diese Begrenzung der Perspektive bleibt erhalten, obwohl versucht wird, Erkenntnisse aus anderen Disziplinen zu integrieren und in der Arbeit zu berücksichtigen.
10 Während eine interdisziplinäre Zusammenarbeit die Übernahme von theoretischen Konzepten aus anderen Disziplinen beinhaltet, bedeutet Transdisziplinarität, daß zudem über die übliche Abgrenzung verschiedener Disziplinen hinaus neue Konzepte zur Bearbeitung offener Fragestellungen entwickelt werden (V gl. Folke! Hammer! Costanza! Jansson, 1994, S. 3). Zahlreiche Probleme im Umweltbereich überschreiten die enge Abgrenzung unserer wissenschaftlichen Disziplinen. Somit kann der Versuch, diese innerhalb der Disziplinen zu lösen, von vorneherein zum Scheitern verurteilt sein. In dem Grade, in dem dies der Fall ist, liegen die vorhandenen Schwierigkeiten bei der Lösung der auftretenden Probleme nicht allein in der Komplexität der Materie selbst, sondern zusätzlich in der mangelnden Flexibilität unserer wissenschaftlichen Forschung begründet, auf Probleme interdisziplinärer Art mit entsprechenden Forschungsansätzen zu antworten.
2. Ökonomische Analyse des Natur- und Landschaftsschutzes
29
2. Ökonomische Analyse des Natur- und Landschaftsschutzes Entwicklungen und zentrale Konzepte Neben der bereits durchgeführten sachlichen Verortung des Themas erweist sich eine kurze Skizzierung von für die Arbeit zentralen Entwicklungen im Bereich der ökonomischen Theorie als hilfreich und gleichzeitig erforderlich. Diese sind im Kontext mit der Entstehung und Entwicklung des Naturschutzgedankens und mit Entwicklungen im umweltpolitischen Bereich zu sehen. Auf dieser Grundlage können im Anschluß die in der Arbeit diskutierten Themenfelder besser verortet werden.
2.1. Die Entwicklung des Naturschutzgedankens Die Anfänge des Naturschutzes liegen im 19. Jahrhundert und sind eng mit der beginnenden Industrialisierung und dem mit ihr einhergehenden wirtschaftlichen Wohlstand verknüpft. II Mit steigendem Einkommen entwickelte sich über die Funktion der natürlichen Umwelt als Quelle für Ressourcen hinaus eine Nachfrage nach Natur für Erholung und Tourismus sowie wissenschaftliche Forschung. Es entstand darüber hinaus auch die Überzeugung, daß neben diesen Nutzungen die Natur "an sich" schützenswert sei. Zu Beginn des Naturschutzgedankens stand vor allem der Schutz typischer Landschaftsformen und einzelner seltener Arten, der seine Wurzeln im Heimatschutz hatte, im Mittelpunkt. 12 So beinhaltete das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 zum einen Regelungen zum Artenschutz und andererseits die Möglichkeit der Ausweisung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten für die Erhaltung einzelner schutzwürdiger Landschaftsteile. 13 In der neue ren Entwicklung im Bereich des Naturschutzes treten immer mehr eine Fundierung auf der Wissenschaft der Ökologie und in diesem Zusammenhang Interdependenzen und Prozesse innerhalb von Ökosystemen in den Vordergrund. Dem entspricht eine Entwicklung vom Erhalt einzelner Arten und Landesteile hin zum Schutz von Biotopen und Ökosystemen. Primäres Ziel des gegenwärtigen Naturschutzes ist, daß die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes durch die verschiedenen Nutzungen nicht übermäßig beeinträchtigt wird. 14 Diese Zielsetzung liegt dem Bundesnaturschutzgesetz von 1976 zugrunde, das als wichtigste Neuerung die Landschaftsplanung mit dem
11 12
13 14
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Zirnstein, 1994, S. 178. Jessel, 1994, S. 497. Reichsnaturschutzgesetz, v. 1. Juli, 1935, Reichsgesetzblatt Teil I, S. 821 ff. § 1,1 BNatSchG.
Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit
30
Ziel eines Schutzes der Natur im gesamten Raum und die Eingriffsregelung enthält. 15 Die Beeinflussung durch das häufig als mechanistisch erachtete Weltbild der Naturwissenschaften, welches als zentralen Aspekt die Nutzbarkeit der Natur für den Menschen umfaßt, führte zu einem Zurückdrängen ethischer Begründungen des Naturschutzes. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren teilweise wieder umgekehrt. 16
2.2. Naturschutz in der Ökonomie Der Naturschutz befaßt sich, ökonomisch gesehen, mit der Erhaltung natürlicher Ressourcen in einer sehr weiten Abgrenzung. Eine erste Arbeit, die sich umfassend mit diesem Thema beschäftigte, wurde im Jahr 1952 von CiriacyWantrup unter dem Titel "Resource Conservation - Economics and Policies" veröffentlicht. 17 In dieser Arbeit wird ein wichtiges theoretisches Konzept, nämlich das eines "Safe Minimum Standards", also eines Minimalbestands einer Ressource, der zur Sicherung von deren Fortbestand erhalten werden soll, diskutiert. Dieses Konzept wurde später insbesondere in der Diskussion über den Artenschutz erneut aufgegriffen. 18 Begonnen hat die "eigentliche" Diskussion über die ökonomischen Aspekte des Naturschutzes mit der Frage, ob über den Markt eine optimale Menge des Gutes Natur bereitgestellt werden kann. Milton Friedman, der sich mit diesem Thema befaßte, argumentierte, daß in diesem Bereich nur bei der Existenz von Externalitäten staatliches Eingreifen gerechtfertigt ist: "Parks are an interesting example because they illustrate the difference between cases that can and cases that cannot be justified by neighborhood effects, and because almost everyone at first sight regards the conduct of National Parks as obviously a valid function of government. ,,19 Friedman argumentierte, daß es bei einem Stadtpark für einen privaten Betreiber extrem aufwendig sei, eine Gebühr von jedem zu verlangen, der aus dessen Besuch einen Nutzen zieht. Beim Yellowstone-Nationalpark jedoch, der nur über eine geringe Zahl von Zugängen verfügt, sei es ohne Probleme möglich, eine Eintrittsgebühr zu erheben, und: "If the public wants this kind of an activity enough to pay for it, private enterprises will have every incentive to
15 16
17
18 19
Vgl. etwa Jessel, 1994, S. 498 ff. Vgl. Plachter, 1991, S. 5 f. Vgl. Ciriacy-Wantrup, 1952. Vgl. Bishop, 1978 und Bishop, 1993. Friedman, 1962, S. 31.
2. Ökonomische Analyse des Natur- und Landschaftsschutzes
31
provide such a park. ... I cannot myself conjure up any neighborhood effects or important monopoly effects that would justify governmental activity in this area. "20 Die darauf folgende wissenschaftliche Diskussion kann als Versuch angesehen werden, zu zeigen, warum und in welchen Fällen diese Aussagen aufgrund von Marktunvollkommenheiten nicht zutreffen, und in welcher Form der Staat in diesem Fall eingreifen sollte. Die These Friedmans rief sehr schnell Widerspruch hervor. Weisbrod wies darauf hin, daß es aus Wohlfahrtsgründen selbst dann sinnvoll sein kann, einen Park zu erhalten, wenn die Einkünfte nicht ausreichen, um die Kosten zu decken. Er argumentierte, daß es zusätzlich zur erwarteten Konsumentenrente eine Zahlungsbereitschaft für die Option gibt, in Zukunft die Möglichkeit zu besitzen, den Nationalpark noch zu besuchen. 21 Der These Friedmans, daß kein staatliches Eingreifen im Bereich des Naturund Landschaftsschutzes notwendig ist, wurde auch von Krutilla widersprochen, der darauf aufmerksam machte, daß die Konsumenten eine Zahlungsbereitschaft für die reine Existenz von Arten, Biotopen und Naturlandschaften äußern, die unabhängig von der Nutzung der Natur ist, der Existenzwert. 22 Weiter argumentierte er, daß die Natur für die Individuen einen Vermächtniswert besitzt, eine Zahlungsbereitschaft dafür also, daß zukünftige Generationen sich noch an ihr erfreuen können. Diese Zahlungsbereitschaft dafür wird durch die Spendenbereitschaft und Aktivitäten der Individuen in Naturschutzorganisationen belegt. 23 Wegen des Kollektivgutcharakters des Naturschutzes - ein Individuum profitiert von den Naturschutzaktivitäten der anderen, ohne dafür zahlen zu müssen - ist es jedoch fraglich, ob ein optimales Niveau der Naturschutzaktivitäten ohne staatliches Eingreifen erreicht wird. Die besonderen Eigenschaften der natürlichen Umwelt haben auch Auswirkungen auf deren Behandlung im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsanalysen des öffentlichen Sektors. Die erste Untersuchung, die dies berücksichtigte, wurde während der 60er Jahre in den USA durchgeführt. 24 Dabei ging es um die Frage, ob einige Staudammprojekte im Hells Canyon, der im Nordwesten der USA zwischen Idaho und Oregon liegt, durchgeführt werden sollten. In der Wirtschaftlichkeitsanalyse wurden insbesondere die Irreversibilität des Eingriffs
20
21 22
23 24
Friedman, 1962, S. 31. Vgl. Weisbrod, 1964. Vgl. Krutilla, 1967. Vgl. Blöchliger, 1992, S. 20. Vgl. Fisherl Krutillal Cicchetti, 1972, S. 605 ff.
32
Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit
und die asymmetrische Wirkung des technischen Fortschritts auf den Strompreis und den Erholungsnutzen des Tals berücksichtigt. Diesen ersten Veröffentlichungen folgte eine große Zahl von Analysen, die sich einerseits mit einzelnen theoretischen Problemstellungen wie der Frage nach dem Vorzeichen des Optionswerts befaßten oder andererseits im Rahmen staatlicher Nutzen-Kosten-Analysen eine monetäre Bewertung der Natur anstrebten. Im deutschsprachigen Raum erschienen erst in den 80er Jahren die ersten Veröffentlichungen zur ökonomischen Analyse des Naturschutzes. Ein Beitrag faßte die Diskussion über den Optionswert und Quasioptionswert zusammen, während Hampicke einen allgemeineren Überblick über den Problembereich Ökonomie und Naturschutz skizzierte. 25 Den ersten wirklich neuen Ansatzpunkt in diesem Bereich lieferte die Arbeit von Hampicke et al., die in einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes in zwei Szenarien die Kosten eines Arten- und Biotopschutzprogramms für die Bundesrepublik berechneten und diesen die Nachfrage nach der natürlichen Umwelt gegenüberstellten, die mit Hilfe der Befragungsmethode erhoben wurde. 26
2.3. Neuere Entwicklungen: Ökologische Ökonomie, Institutionenökonomie und Sustainable Development In den letzten Jahren erhielt die Diskussion um den Themenbereich Ökonomie und Naturschutz Impulse sowohl ausgehend von theoretischen Überlegungen als auch von praktischen Problemen im Zusammenhang mit einer Verschlechterung der Umweltsituation. Es entstand einerseits der Forschungsbereich der Ökologischen Ökonomie, der sich interdisziplinär mit Fragestellungen befaßt, die die Interdependenzen zwischen Wirtschaft und Ökosystemen betreffen und damit eine Verbindung der Wissenschaften Ökologie und Ökonomie herstellt. Andererseits kommen wichtige neue Denkanstöße aus dem Bereich der Institutionenökonomie, wo die Rolle institutioneller Regelungen beispielsweise von Eigentumsrechten und deren Veränderung zu Zwecken des Umwelt- und Naturschutzes -, gleichfalls aber auch die Begrenzungen des Marktmodells, auf dem der neoklassische ökonomische Ansatz basiert, einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.
25 26
Müller, 1983 und Hampicke, 1987 (a). Vgl. Hampicke, 1991.
2. Ökonomische Analyse des Natur- und Landschaftsschutzes
33
Das Forschungsfeld der Ökologischen Ökonomie beinhaltet eine weite, interdisziplinäre Herangehensweise an die Umweltproblematik. Das Verhältnis zwischen ökologischen und ökonomischen Systemen in der weitesten Sichtweise wird diskutiert. Die Agenda für die Analyse ist jedoch nicht von vorneherein festgelegt: "Ecological Economics ... will be what Ecological Economists do. "27 Ziel dabei ist es, einen neuen Ansatz zu finden, der - das Wissen über ökologische Wirkungen und Interdependenzen in die Ökonomie integriert, - die Ökologie mehr sensibilisiert für ökonomische Kräfte, Anreize und Beschränkungen und - es ermöglicht, das ökonomisch-ökologische Gesamtsystem mit einem gemeinsamen konzeptionellen und analytischen Instrumentarium zu analysieren. 28 Für die ökonomische Theorie bedeutet dies, daß nach neuen theoretischen Konzepten geforscht wird, um die Fragestellungen zu diskutieren, die sich aus den ökologischen Problemen ergeben. Diese unterscheiden sich aufgrund der veränderten Aufgabenstellung von konventionellen ökonomischen Analysen des Zusammenspiels von Haushalten, Unternehmen und Nationen in kurz- und mittelfristiger Hinsicht. 29 Diese in den letzten Jahren erkennbare Entwicklung von einer Sichtweise, die hauptsächlich die Freizeitnutzung und altruistische Motive wie den Existenzwert als ökonomische Begründungen für den Naturschutz in den Vordergrund stellte, hin zu einer Einbeziehung ökologischer Erkenntnisse in die Ökonomie, kann parallel zu der beschriebenen Veränderung der Zielsetzungen im Bereich des Naturschutzes in Hinsicht auf eine Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge gesehen werden. Im Rahmen der Diskussion über Fragen des Naturschutzes in der Ökonomie hat sich auch der Untersuchungsgegenstand geändert. Während zu Beginn vor allem der Schutz einzigartiger Naturlandschaften und gefährdeter Arten untersucht wurde, setzt sich die Ökologische Ökonomie in den letzten Jahren unter anderem als Schwerpunkt mit dem Wert der biologischen Vielfalt auseinander. Neben der Entwicklung hin zu einer mehr ökologisch orientierten Ökonomie kamen einige neue Impulse für die umweltökonomische Diskussion aus dem
27 Costanza, 1989, S. 2. Für einen ersten Überblick über Problembereiche und Zielsetzungen des Ecological Economics - Ansatzes vgl. Proops, 1989, S. 59 ff. 28 Costanza, 1989, S. 1. 29 Proops, 1989, S. 73.
3 Rothgang
34
Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit
Bereich der Institutionenökonomie. Kennzeichnend für diesen Ansatz der Neuen Institutionellen Ökonomie ist, daß die Modellanalyse in ihrer Form gegenüber dem neoklassischen Marktmodell aufrecht erhalten bleibt, was zur Folge hat, daß in einem Rational Choice-Modell untersucht wird, welche Wahlhandlungen Individuen innerhalb gegebener Handlungsbeschränkungen durchführen, und welche Ergebnisse daraus resultieren. In der institutionenökonomischen Analyse werden die Rahmenbedingungen der Marktkoordination, etwa in Form einer bestimmte Allokation von Eigentums- und Verfügungsrechten, die in der neoklassischen Analyse als gegeben angesehen werden, in die Untersuchung einbewgen. Im Gegensatz zum neoklassischen Ansatz wird in vielen Modellen der Institutionenökonomie zudem die Annahme eines eigeninteressierten Individuums aufgegeben, so daß etwa altruistische Motive das Handeln beeinflussen können. Institutionenökonomische Sichtweisen werden teilweise im Gegensatz zu dem als mechanisch und reduktionistisch empfundenen Weltbild der Neoklassik gesehen. Eine Darstellung der wichtigsten Elemente des Ansatzes des Amerikanischen Institutionalismus, dem diese GrundeinsteIlung zugrundeliegt, stammt von Swaney: "The institutional approach, couched in an organic, holistic worldview where few things are merely the sum of their parts (some are more, some are less, and some are incommensurable) and values are hierarchical and often conflicting, is premised on endogenous interdependent 'preferences' of individuals and groups, socially defined and limited private ownership, a variety of evolving entitlements, and a political economy where political and economic power mix with market forces in a process that serves both private interest and social need (although it may do neither weIl). "30 Dieses in vielerlei Hinsicht in scharfem Kontrast zur neoklassischen Sichtweise stehende Weltbild berücksichtigt die Bedeutung sozio-kultureller Einflußfaktoren auf die individuellen Werthaltungen und Handlungsweisen, die, wie gezeigt, gerade für Entscheidungen im Bereich des Naturschutzes eine zentrale Rolle spielen. Die Institutionenökonomie stellt ein umfassendes Instrumentarium zur Analyse der Wirkungen institutioneller Gegebenheiten und der mit ihnen verbundenen Anreizstrukturen für das Ergebnis von Marktprozessen und damit für die Resultate staatlicher Markteingriffe im Umweltbereich zur Verfügung. Es bietet sich daher an, bei der Untersuchung der Wirkungen alternativer Strategien staatlicher Umwelt- und Naturschutzpolitik unter der Zielsetzung einer umweltgerechten Entwicklung institutionenökonomische Aspekte mit zu berücksichtigen. Gleichzeitig bedingt die Untersuchung der Einflußfaktoren
30
Swaney, 1987 (b), S. 1739.
2. Ökonomische Analyse des Natur- und Landschaftsschutzes
35
staatlicher Entscheidungen unmittelbar die Hinterfragung der diesen zugrunde liegenden Werturteile. Parallel zu diesen neuen theoretischen Ansatzpunkten einer Erweiterung und Modifikation des ökonomischen Ansatzes werden in den letzten Jahren auf der politischen Ebene aus Befürchtungen um die Umweltsituation heraus Probleme diskutiert, die in einem engen Zusammenhang mit dem Leitbild eines Sustainable Development stehen. 31 Einen derartigen Problembereich stellt der Rückgang der biologischen Vielfalt in den Regenwaldländern dar. Während im Brundtland-Bericht von 1987 der Schutz von Arten und Ökosystemen bereits einigen Raum einnimmt,32 erhielt die Diskussion über ökonomische Aspekte des Naturschutzes durch die Rio-Konferenz im Juni 1992 und die dort verabschiedete Konvention über die biologische Vielfalt einen weiteren entscheidenden Impuls. 33 Diese politische Umorientierung gab also gleichzeitig Anstöße für neue theoretische Überlegungen: In den letzten Jahren erschienen daher zahlreiche Veröffentlichungen, die sich mit den verschiedenen ökonomischen Aspekten der Biodiversität, also ihrem ökonomischen Wert und möglichen Maßnahmen zu deren Erhalt, auseinandersetzen. 34 Dabei wurde verstärkt auch die Bedeutung institutioneller Regelungen für den Erhalt von Biodiversität untersucht. 35 Durch den Brundtland-Bericht und die Ergebnisse der Rio-Konferenz fand die Frage der Erhaltung der Biodiversität auch Eingang in die Sustainability Literatur, wobei diskutiert wird, in welcher Hinsicht der Verlust an biologischer Vielfalt eine Begrenzung für eine umweltgerechte Entwicklung darstellt.
31 Das Leitbild eines Sustainable Development umfaßt die im politischen Bereich vor allem mit dem sogenannten Brundtland-Bericht (WCED, 1987) bekannt gewordene Forderung nach einer dauerhaft umweltgerechten Ausgestaltung der wirtschaftlichen Entwicklung. Die möglichen Konkretisierungen dieser politischen Forderungen im Rahmen der Fragestellung dieser Arbeit werden unten in den Kapiteln 11,2.4 und 11,2.5 diskutiert. 32 Vgl. WCED, 1987, S. 147 ff. 33 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), o. J. 34 Beispielsweise zählen zu diesen Veröffentlichungen neben zahlreichen Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften die beiden Bücher von Pearce und Moran bzw. von Barbier, Burgess und Folke, die sich einerseits mit der ökonomischen Bewertung der Biodiversität und andererseits mit Ursachen des Verlusts an Biodiversität und Strategien zu dessen Bekämpfung befassen. 3S Vgl. Barbier/ Burgess/ Folke, 1994, S. 77 ff.
3*
36
Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit
3. Zur Konzeption der Arbeit Im Rahmen dieser Arbeit werden auf der Grundlage einer Gegenüberstellung verschiedener Ansatzpunkte der ökonomischen Analyse des Naturschutzes alternative institutionelle Ausgestaltungsformen der Naturschutzpolitik diskutiert. Die Arbeit ist, wie aus Abb. 1,1 zu ersehen ist, in drei zentrale Kapitel gegliedert, wobei sich im Anschluß an die im ersten Kapitel dargestellten Vorüberlegungen das zweite Kapitel mit den theoretischen Grundlagen einer Naturschutz-Ökonomie beschäftigt. Zentrale Aufgabenstellung ist hier die Skizzierung eines theoretischen Rahmens als Grundlage für die Diskussion verschiedener alternativer Ausgestaltungsformen der Naturschutzpolitik im dritten Kapitel. Im vierten Kapitel werden dann Überlegungen dazu angestellt, inwieweit aus dieser Analyse Erkenntnisse für die Konzeptionierung einer Naturschutzpolitik unter dem Leitbild eines Sustainable Development gewgen werden können. Zu Beginn des zweiten Kapitels werden in Abschnitt II,l zunächst die Grundlagen der neoklassischen Analyse des Naturschutzes, die auf dem Markt als zentralem Koordinationsmechanismus wirtschaftlicher Aktivitäten beruht, geschildert, um darauf aufbauend Ansatzpunkte für staatliche Eingriffe aufzuzeigen. Dieser theoretische Rahmen wird in zwei Richtungen erweitert. In der Ökologischen Ökonomie, deren Grundgedanken in Abschnitt II,2 dargestellt werden, wird angestrebt, Kenntnisse über Interdependenzen zwischen ökologischen und ökonomischen Systemen bei Entscheidungen im Naturschutz zu berücksichtigen. In Zusammenhang mit dem politischen Leitbild eines Sustainable Development hinterfragt die Ökologische Ökonomie darüber hinaus, ob und in welcher umweltpolitischen Ausgestaltungsform Grenzen ökonomischer Aktivitäten und damit der marktlichen Handlungskoordination aufgrund ökologischer Sachverhalte gesetzt werden sollten. Je nach weltanschaulicher Grundposition gehen hier auf den dargestellten Begründungen fußende meritorische Argumente, die letztlich die Einschränkung der Marktkoordination durch staatliche Eingriffe implizieren, in unterschiedlichem Ausmaß in die theoretischen Überlegungen ein. 36 Im Blickfeld der institutio-
36 Es mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, daß die im Rahmen des Naturschutzes sehr zentralen ethischen Begründungen erst an dieser Stelle berücksichtigt werden. Diese Art der Darstellung entspricht jedoch der Ausrichtung der betrachteten theoretischen Ansätze. Während im ökonomischen Ansatz der Neoklassik die Wertschätzung der Individuen erfaßt wird, ohne die zugrunde liegenden Motive näher zu beachten, sieht auch die Ökologie die Natur in erster Linie aus dem Nutzungsgesichtspunkt. Erst die Hinwendung zu verschiedenen weltanschaulichen Grundhaltungen in der Sustainable-Development-Diskussion berücksichtigt diese Dimension des Naturschutzes.
3. Zur Konzeption der Arbeit
37
nenökonomischen Analyse in Abschnitt 11,3 steht im Anschluß an diese mehr grundsätzlichen Aspekte die Frage nach den generellen Rahmenbedingungen und Einflußfaktoren politischer und behördlicher Entscheidungsprozesse des Naturschutzes über Eingriffe in die Struktur der Eigentumsrechte. Diese Etablierung und Veränderung von Eigentumsrechten der Wirtschaftssubjekte resultiert letztlich wiederum in einem veränderten Marktergebnis. Im dritten Kapitel werden auf der Grundlage der theoretischen Analyse verschiedene Elemente und Ausgestaltungsformen einer Naturschutzpolitik diskutiert. Im Zentrum dieses Kapitels stehen die Entscheidungsprozesse über institutionelle Regelungen, sowie die in deren Zusammenhang relevanten Bestimmungsgrößen und Wirkungszusammenhänge. In Abschnitt III,l wird zunächst nach grundsätzlichen Zielsetzungen, alternativen Ausgestaltungsformen von Entscheidungsprozessen, sowie nach Anhaltspunkten für eine optimale föderale Kompetenzverteilung des Naturschutzes gefragt. Ein weiterer Schwerpunkt der Analyse liegt auf den in Abschnitt III,2 diskutierten Informationserfordernissen im Rahmen der Entscheidungsprozesse. In Abschnitt III,3 werden schließlich die Instrumente des Naturschutzes im Hinblick auf die mit ihnen verbundene Veränderung von Eigentumsrechten und die damit einhergehenden Verhaltenswirkungen analysiert. Aufbauend auf diese Gegenüberstellung verschiedener Ausgestaltungsformen werden im vierten Kapitel generelle Alternativen einer konzeptionellen Konkretisierung der Naturschutzpolitik gegenübergestellt. Im Zentrum steht die Frage, in welchen Ausprägungsformen sich das Leitbild einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung bei der Ausgestaltung einer Naturschutzpolitik umsetzen läßt.
38
Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit Erstes Kapitel: Grundlegung und Konzeption der Arbeit Zweites Kapitel: Theoretische Grundlagen einer Ökonomie des Naturschutzes lI,l: Neoklassische Ökonomie - Markt als zentraler Koordinationsmechanismus Erweiterungen der neoldassischen
11,2: Ökologische Ökonomie
energie
---;;.
Verschmutzung degradierte Energie
Recycling
Quelle: leicht veränderte Darstellung in Anlehnung an Folke, 1991, S. 86
Abb. 11,2: Interdependenzen zwischen ökonomischem und ökologischem Syst.em
Die Ökologische Ökonomie grenzt sich insofern von dein bisher dargestellten neoklassischen Modell ab, als davon ausgegangen wird, ein zentraler Grund dafür, die Natur zu erhalten, läge darin, daß sie für unsere Gesellschaft eine wichtige Lebensgrundlage bildet. 37 Dieser Aspekt fand in der Vergangenheit in der Ökonomie nur wenig Beachtung. Man nahm vielmehr an, daß neben
37
Vgl. Folke et al., 1994, S. 3.
58
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
einer Nachfrage nach der Natur für die Freizeitgestaltung die altruistische Wertschätzung die wichtigste ökonomische Rechtfertigung für den Naturerhalt darstellt. Die mit dem Schutz der Natur verbundenen Probleme und Fragestellungen werden in der Ökologischen Ökonomie somit weiterhin vorwiegend aus einer anthropozentrischen Sichtweise heraus beleuchtet, bei der die Wohlfahrt der Individuen im Mittelpunkt steht. 38 Für eine Politik zum Schutz der Natur ergeben sich aus der Betonung der Interdependenzen zwischen den betrachteten Systemen heraus neue Implikationen. Die grundlegenden Eigenschaften ökologischer Systeme bilden hierbei den Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung, deren Zielsetzung letztlich darin besteht, grundlegende Prinzipien, Herangehensweisen und Ausgestaltungsformen einer Naturschutzpolitik abzuleiten. Die Analyse der Ansatzpunkte, die die Ökologische Ökonomie hierfür liefert, ist stufenweise aufgebaut, wobei sich von der methodischen Herangehensweise insbesondere der Aspekt als von zentraler Bedeutung erweist, in wieweit es sich bei den dargestellten Problembereichen des Naturschutzes um Koordinationsmängel des Marktes handelt bzw. an welchen Stellen und auf welcher fundamentalen Grundlage zusätzlich normative Wertungen in die Sichtweisen der Ökologischen Ökonomie eingehen. Zunächst werden in Abschnitt 2.2 für die Analyse zentrale Charakteristika ökologischer Systeme in Hinblick auf ihre Implikationen für die Marktkoordination betrachtet. Zu diesen gehören die Stabilitätseigenschaften von Ökosystemen, die Funktionen und Dienstleistungen, die diese bereitstellen und die biologische Vielfalt als zentraler Aspekt, unter dem die Folgen der Naturzerstörung in der letzten Zeit primär diskutiert werden. Aus dieser Betrachtung ergibt sich zunächst lediglich eine erweiterte und vertiefte Sichtweise der Naturschutzproblematik und der aus ihr ableitbaren Folgerungen für die Marktkoordination, aus welcher in einem nächsten Schritt die Ansatzpunkte für eine Naturschutzpolitik abgeleitet werden. Im Kontext mit diesen theoretischen Modellvorstellungen bildet die Frage nach der Umsetzung des politischen Leitbildes einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung einen weiteren zentralen Forschungsbereich der Ökologischen Ökonomie. Diese Problemstellung impliziert die in Abschnitt 2.3 diskutierte Frage, an welchen Stellen ökonomischen Aktivitäten aufgrund ökologischer
38 Trotzdem das ökonomische System als Teil des ökologischen Systems betrachtet wird, ist die Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt gegenwärtiger und zukünftiger Generationen die zentrale Zielsetzung in der Ökologischen Ökonomie (V gl. Folke/ Hammer/ Costanza/ Jansson, 1994, S. 3).
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
59
Sachverhalte Grenzen gesetzt werden sollten. Eine solche Grenze stellt beispielsweise die Tragfähigkeit des Ökosystems Erde als Ganzes dar, die Daly mit dem Begriff eines "maximal scale" ökonomischer Aktivität belegt hat. 39 Derartige Begrenzungen können jedoch nicht direkt aus ökologischen Konzepten abgeleitet werden. Der Grund dafür ist deren rein deskriptive Natur. 4O Für das Ziehen von Schlußfolgerungen bezüglich einer Begrenzung ökonomischer Aktivitäten ist eine zusätzliche Bewertung der beschriebenen Sachverhalte im Rahmen von Entscheidungsprozessen des Naturschutzes, deren Einflußgrößen den Gegenstand von Abschnitt II,3 darstellen, erforderlich. Um die Aufgabe leisten zu können, Schlußfolgerungen für die politische Umsetzung der Forderung nach dem Schutz der Natur in Form der biologischen Vielfalt abzuleiten, erweist es sich als sinnvoll, hier die Modellvorstellung schrittweise zwei Richtungen zu erweitern. Diese Erweiterungen umfassen - die Wahl eines dynamischen Ansatzes, der die biologische Vielfalt als qualitativen Aspekt des Naturkapitalstocks begreift, dessen Erhalt eine zentrale gesellschaftliche Zielsetzung darstellt, - und in diesem Kontext die Ableitung von Begründungen für dessen Erhalt aufgrund intergenerationaler Verteilungsüberlegungen, einer risikoaversen Einstellung der Gesellschaft gegenüber einer irreversiblen Naturzerstörung, sowie auf der Grundlage unterschiedlicher moralischer Werthaltungen gegenüber der Natur. Es ergeben sich im Rahmen der Betrachtungen dann unterschiedliche Ausprägungsformen eines Sustainable Development in Abhängigkeit von den zugrundeliegenden Werthaltungen. Zielsetzung der Analyse in den Abschnitten 2.4 und 2.5 ist es demgemäß, zu hinterfragen und konkretisieren, in welcher Form solche normativen Aussagen bezüglich des Schutzes der biologischen Vielfalt existieren und zu analysieren, welche Folgerungen aus ihnen abgeleitet werden können. In Abschnitt 2.6 werden daraufhin die zentralen Folgerungen aus der Analyse im Hinblick auf die Konkretisierung des Sustainable Development-Leitbildes in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Dimension zusarnmengefaßt. Man erhält hier ein vielgestaltiges Bild unterschiedlicher Herangehensweisen an die
Vgl. Daly, 1992. Beim Versuch, direkt aus den ökologischen Modellen Schlußfolgerungen abzuleiten, handelt es sich demgemäß um einen "naturalistischen Fehlschluß" (vgl. Kapitel III,I.3). 39
40
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
60
Naturschutzproblematik, welches je nach zugrundeliegender weltanschaulicher Haltung in unterschiedlichem Ausmaß über die Perspektive des Marktmodells hinausgeht. 2.2. Charakteristika ökologischer Systeme
2.2.1. Funktionen und Dienstleistungen von Ökosystemen Grundlage der Herangehensweise an Ökosysteme, die nach deren Funktionen und Dienstleistungen fragt, ist ein " ... Verständnis von Ökosystemen als funktionellen Wirkungsgefügen aus Lebewesen, unbelebten natürlichen und von Menschen geschaffenen Bestandteilen, die untereinander und mit ihrer Umwelt in energetischen, stofflichen und informatorischen Wechselwirkungen stehen. ,,41 Der Gesichtspunkt, unter dem der Funktionenbegriff in der Ökologie Verwendung findet, kann in einer systemtheoretischen Sichtweise erläutert werden, die Funktion von Struktur eines Systems unterscheidet. Struktur kennzeichnet die mehr oder weniger stabilen Zusammenhänge zwischen den Elementen eines Systems. Unter Funktionen wird allgemein die Aufgabe verstanden, die ein Element für Teile eines Systems oder für das gesamte System leistet. 42 Die Funktionen eines Ökosystems können daher aus anthropozentrischer Sichtweise als "... capacity of the natural processes and components to provide goods and services that satisfy human needs (directly and/ or indirectly)"43 definiert werden. Ziel dieser gegenüber dem ökonomischen Ansatz in der Hinsicht differenzierteren Sichtweise, daß auch die Dynamik und Interdependenzen in Ökosystemen Berücksichtigung finden, ist es, die gesellschaftliche Bedeutung von Ökosystemen zu erfassen und zu bewerten. 44 Aus ökonomischer Sichtweise stellen die Funktionen des Naturhaushaltes mögliche Verwendungen der Natur als ökonomische Ressource dar. 45 Wenn bzw. insoweit wie ein Nutzungskonflikt zwischen verschiedenen Verwendungen entsteht, kommt es zum Verlust von Naturhaushaltsfunktionen. Dieser entstehende Nutzungskonflikt kann als ein "Wettbewerb zwischen verschiedenen Funktionen" interpretiert werden.
41 42
43
44
45
SRU, 1987, S. 74. Siehe dazu auch SRU, 1987, S. 123. Vgl. Brösse, 1978, S. 17. De Groot, 1992, S. 7. Vgl. de Groot, 1992, S. 4. Vgl. Hueting, 1991, S. 198.
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
Tabelle ll,l Primäre und sekundäre Funktionen des Naturhaushalts
Art der Funktionen
Charakteristika
Primäre Naturhaushaltsfunktionen
Regulierungsfunktionen sorgen für die Umweltbedingungen, die dafür notwendig sind, daß die anderen Funktionen aufrecht erhalten werden und damit ökonomische Nutzen bereitstellen können. Eine Beeinträchtigung und Störung dieser Funktionen führt zu Schäden für das ökonomische System.
Klimaregulierung Erosionsvermeidung/ Bodenschutz Speicherung und Recycling von organischer Materie und Mineralien Erhaltung biologischer Vielfalt Sekundäre Naturhaushaltsfunktionen Produktionsfunktionen Sauerstoff Wasser für Haushalte und Industrie Genetische Ressourcen Ornamentale Ressourcen
Abiotische und biotische Ressourcen, die natürliche oder halb natürliche Ökosysterne zur Verfügung steilen. Bei der Nutzung von biotischen Ressourcen besteht häufig die Gefahr der Übernutzung.
Trägerfunktionen (Erhaltung von Raum ais Grundlage für Siedlungen, Landwirtschaft, Naturschutz, Erholungsaktivitäten, etc.)
Die Nutzung der Trägerfunktionen ist häufig exklusiv, so daß andere Funktionen verloren gehen.
Informationsfunktionen
Die natürliche Umwelt bietet eine Umgebung für künstlerische Inspiration, Erholung, Forschung und Erziehung. Diese Funktionen können von der unberührten Natur, aber zum Teil auch von Parks und Gärten erfüllt werden.
Ästhetische Informationen Spirituelle/ religiöse Informationen Künstler.! kulturelle Inspiration Wissenschaft und Erziehung
Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an de Groot, 1992, S. 15
61
62
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
Eine mögliche Grundlage der Erfassung und Bewertung dieser verschiedenen Nutzungen ist eine Aufspaltung der Naturhaushaltsfunktionen in primäre und sekundäre Funktionen. Die primären Funktionen erhalten die Fähigkeit von Ökosystemen, sich zu entwickeln und ihre Funktion aufrecht zu erhalten, also die Kapazität der Ökosysteme zur Selbstorganisation. 46 Diese Funktionen ermöglichen einem Ökosystem, verschiedene Dienstleistungen für das sozioökonomische System bereitzustellen, die sekundären Naturhaushaltsfunktionen. Die primären Naturhaushaltsfunktionen bilden in dieser Sichtweise eine Art Infrastruktur für das Ökosystem und stellen die Stabilität von Ökosystemen gegen exogene Schocks sicher. Primäre Naturhaushaltsfunktionen können demgemäß auch als Vorleistungen für die Produktion sekundärer Naturhaushaltsfunktionen gesehen werden. Die sekundären Naturhaushaltsfunktionen oder Dienstleistungen, die ein Ökosystem bereitstellt, korrespondieren zu dem, was als ökonomisches Gut betrachtet und für das eine ökonomische Wertschätzung direkt gemessen werden kann. Sie können in Produktions-, Träger- und Informationsfunktionen untergliedert werden. In Tabelle 11,1 sind die Naturhaushaltsfunktionen zusammengefaßt. Die Dienstleistungen, die die Natur dem Menschen zur Verfügung stellt, haben in der Regel den Charakter öffentlicher Güter, so daß ihr Wert vom Preissystem nicht reflektiert wird und somit über Märkte eine zu geringe Menge dieser Leistungen bereitgestellt wird. Um die Entscheidung über Naturerhalt bzw. -nutzung zu treffen, können die Dienstleistungen erfaßt und entsprechend der Nachfrage bzw. dem mit ihnen verbundenen gesellschaftlichen Nutzen bewertet werden. 47 Im Rahmen einer Bewertung von Naturhaushaltsfunktionen wird versucht, eine Kombination ökonomischer und ökologischer Ansätze zu erreichen. Einerseits kann eine Bewertung aufgrund von marktlichen individuellen Präferenzen oder gesellschaftlichen Zielsetzungen erfolgen, während andererseits das Wissen über die Interdependenzen sowohl innerhalb des ökologischen Systems als auch zwischen dem sozio-ökonomisehen und dem ökologischen System sowie die Funktionen, die ökologische Systeme für uns erfüllen, berücksichtigt wird. 48 Obwohl sie nicht direkt zur Erstellung der Leistungen von Ökosystemen beitragen, müssen die primären Naturhaushaltsfunktionen bei der Entscheidung über den Naturerhalt berück-
Vgl. Perrings! Opschoor, 1994, S. 4. Vgl. Drittes Kapitel, Abschnitt 2. 48 de Groot spricht von einer sozio-ökonomischen Analyse, die sowohl ökologische als auch ökonomische Faktoren umfaßt (1992, S. 6). 46
47
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
63
sichtigt werden, da sie aufgrund der Interdependenzen innerhalb des ökologischen Systems für die Leistungserstellung als 'Inputs' erforderlich sind. 2.2.2. Gleichgewicht, Stabilität und Belastbarkeit ökologischer Systeme Eine Eigenschaft ökologischer Systeme, die bestimmt, wie diese auf anthropogene Beeinflussungen reagieren und, welche Rückwirkungen auf das sozio-ökonomische System sich ergeben, ist deren dynamisches Verhalten bzw. ihre Stabilität. Je nachdem, welche Stabilitätseigenschaft für ökologische Systeme angenommen wird, kommt man zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen über die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten, die in die Natur eingreifen. Das wiederum determiniert die Haltung bezüglich der Zielsetzungen und Instrumente einer Naturschutzpolitik. Ein im Rahmen der politischen und wissenschaftlichen Diskussion häufig herangezogenes Konzept ist das ökologische Gleichgewicht als "Innerhalb einer bestimmten Zeitspanne konstanter Zustand des Ausgleichs zwischen den verschiedenen physikalischen, chemischen und biologischen Wechselbeziehungen sowie Energie-, Stoff- und Informationsflüssen in einem Ökosystem oder einer Landschaft. "49 Dabei handelt es sich weniger um präzise naturwissenschaftlich fundierte Modellvorstellungen als vielmehr häufig um " ... einen phänomenologisch stationären Zustand verschiedener ökologischer Systeme über eine bestimmte Zeit. ,,50 Die dem ökonomischen Ansatz in diesem Bereich zugrundeliegende Weltanschauung über die Stabilität von Ökosystemen kann als "quiescent earth mentality" umschrieben werden. 51 Die Natur besteht nach diesem Ansatz aus anpassungsfähigen und trägen Elementen, die ohne signifikante negative Auswirkungen auf das menschliche Leben verändert werden können. Eine mögliche Begründung für diese Haltung ist, daß die Biosphäre in Relation zur menschlichen Aktivität als sehr groß angesehen wird. Ein Beispiel für diese Perspektive gegenüber ökologischen Systemen in der Ökonomie ist die Theorie des Abbaus regenerierbarer Ressourcen. Auf der Grundlage des aus diesem Bereich stammenden Konzepts des "Maximum Sustainable Yield" wird versucht, einen maximalen, gleichbleibenden Ertrag einer natürlichen regenerierbaren Ressource zu erreichen. Diese Haltung gegenüber der Stabilität ökologischer
49
50 51
ANL, 1994, S. 86. SRU, 1994, S. 72. Vgl. Swaney, 1987 (b), S. 1746.
64
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
Systeme, die zumindest nicht generell mit dem Verhalten der Natur in der Realität gleichzusetzen ist, fußt auf einer deterministischen und gleichgewichtsorientierten Sichtweise ökologischer Systeme. 52 Was dabei nicht berücksichtigt wird, sind die Interdependenzen und Feedback-Mechanismen, die innerhalb ökologischer Systeme und zwischen ökologischen und ökonomischen Systemen existieren. 53 Das Gegenstück zu dieser stabilitätsoptimistischen Weltanschauung bildet eine Sichtweise, die Ökosysteme als im allgemeinen sehr empfindlich und die entstehenden Gleichgewichte als generell instabil ansieht. Diese teilweise auch von radikalen Umweltschützem vertretene These wurde mit dem Begriff der "frail earth mentality" belegt. 54 Eine dieser Anschauung entsprechende Sichtweise der Stabilität ökologischer Systeme hat auch ihre Entsprechung in der Ökologie. 55 Um letztlich die Auswirkungen exogener Schocks auf Ökosysteme abschätzen zu können und damit ein differenzierteres Bild von den Stabilitätseigenschaften von Ökosystemen zu erhalten, muß man sich mit dem Verhalten komplexer Systeme auseinandersetzen. Eine Eigenschaft dieser Systeme ist, daß man das Verhalten aggregierter Größen nicht einfach vorhersagen kann, indem man das Verhalten auf der Ebene disaggregierter Größen aufaddiert. 56 Ein Meßkonzept, das in der Ökologie für die Anpassungsfähigkeit bzw. die Belastbarkeit eines Ökosystems herangezogen wird, ist die Resilience. 57 Resilience bezeichnet die Fähigkeit eines Ökosystems, Streß zu absorbieren, ohne seine Selbstorganisation zu verlieren. Sie ist ein Maß für die Störungen, die auftreten können, bevor ein Ökosystem, das um ein stabiles Gleichgewicht zentriert ist, in ein anderes wechselt. 58 Während mit dem Stabilitätsbegriff die Vorstellung einer Rückkehr in die Ausgangslage nach einer exogenen Störung verbunden ist und dieser daher also ein statisches Bezugssystem erfordert,
Vgl. Holling, 1994, S. 84. 53 Vgl. Perrings, 1995, S. 60. Ein besonders drastisches Fallbeispiel dafür, zu welchen Ergebnissen ein auf dieser Grundlage durchgeführtes Ressourcenmanagement führen kann, liefert die Fischereiwirtschaft in der Ostsee (vgl. Hammer/ Jansson/ Jansson, 1993, S. 97 ff.). 54 Vgl. Swaney, 1987 (b), S. 1745. 55 Vgl. Holling, 1994, S. 84 f. 56 Vgl. Costanza et al., 1993, S. 545. 57 Vgl. Holling, 1973 und Holling, 1986, S. 296 f. 58 Vgl. Arrow et al., 1995, S.5. 52
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
65
bezieht sich der Begriff der Anpassungsfähigkeit auf die Fähigkeit eines Ökosystems, bestimmte Belastungen ohne Veränderung seiner Strukturen und Funktionen zu tolerieren. 59 Im Gegensatz zum Gleichgewichtskonzept beschreibt Resilience also bestimmte Aspekte des Verhaltens von Ökosystemen wie ..... boundaries of astability domain and events far from equilibrium, high variability, and adaption to change." 60 Um also zu sehen, welche Faktoren die Anpassungsfähigkeit eines Ökosystems determinieren, muß man die bei einem exogenen Schock ablaufenden Prozesse betrachten und analysieren, welche Faktoren die Resilience des Systems beeinflussen. Ein sehr einfaches und schematisches, häufig herangezogenes Modell, das stilisiert die Abläufe innerhalb eines Ökosystems beschreibt, die beim Auftreten von Schocks ablaufen, und anhand dessen die Einfiußfaktoren der ÖkosystemResilience diskutiert werden können, stammt von Holling. 61 Dieses in Abb. 11,3 dargestellte Modell beruht auf einem Kreislauf mit vier Phasen. In der Ausbeutungsphase wird die Struktur des Ökosystems in einem Reorganisationsprozeß freigesetzt. Dieser Phase folgt eine Erhaltungsphase, in der das Ökosystem, was gespeicherte Biomasse und Interdependenz der Elemente anbetrifft, ein Maximum erreicht. Darauf findet ein Zerstörungs- oder Freisetzungsprozeß, etwa durch einen exogenen Schock, in welchem Masse und Energie freigesetzt werden, statt. In der vierten Phase erfolgt eine Reorganisation auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt zahlreich vorhandenen Ressourcen, von der das System wieder in die Ausbeutungsphase übergeht. Ein typisches Beispiel für dieses zyklische Verhalten von Ökosystemen ist die Sukzession von Wäldern. 62 Dieser Zyklus kreativer Zerstörung kann eine sehr wichtige Rolle für die Resilience und Funktionsfähigkeit eines Ökosystems spielen. Ein Beispiel sind die immer wieder vorkommenden, lokalen Waldbrände im Yellowstone Nationalpark, die die interne Stabilität des gesamten Systems sicherstellen. 63 In Abb. 11,3 ist weiterhin dargestellt, wie das System in der Phase der Reorganisation in eine andere Struktur überwechseln kann, die dann zu ganz anderen Systemeigenschaften und dem Verlust der mit dem Ökosystem verbundenen Funktionen und Dienstleistungen führen kann. Dies passiert, wenn
59 60 61 62
63
SRU, 1994, S. 72 f. Holling, 1986, S. 297. Vgl. Holling, 1987. Vgl. Costanza et al. , 1993, S. 522 oder Perrings, 1995, S. 61. Vgl. Berkesl Folke, 1994, S. 6.
5 Rothgang
66
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
Reorganisation
Erhaltung
Ausbeutung
Freisetzung
307
Abb. 11,3: Darstellung eines Ökosystemkreislaufs nach Holling
kritische Limits (Thresholds) erreicht werden, bei denen das Ökosystem in ein anderes Gleichgewicht springt. Die Belastbarkeit eines Ökosystems gegenüber exogenen Schocks sichert also dessen Möglichkeit, auch in Zukunft bestimmte Dienstleistungen und Funktionen für das ökonomische System zur Verfügung zu stellen. Von einer allgemeinen Stabilität ökologischer Gleichgewichte, wie sie in der Bioökonomie häufig angenommen wird, kann dabei nicht ausgegangen werden. Allerdings scheint nach empirischer Evidenz im allgemeinen die Resilience von Ökosystemen gegenüber exogenen Einwirkungen relativ groß zu sein. 64 Grund dafür ist, daß "... the stability domains that define the type of system ... are so large that external disturbances have to be extreme and/or persistent before the system flips irreversibly into another state. Except under extreme c1imatic conditions, Mother Nature is not basically in astate of delicate balance ... 65
Vgl. Holling, 1994, S. 84 ff. Holling, 1994, S. 89. Diese Stabilitätseigenschaften können Ökosysteme auf verschiedenen zeitlichen und räumlichen Ebenen umfassen (vgl. Holling, 1986, S. 297 und Jansson/ Jansson, 1994, S. 88). 64
65
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
67
Im Bereich der Ökologie ist jedoch noch weitgehend unklar, welche Faktoren im Einzelnen die Resilience von Ökosystemen beeinflussen. 66 Sehr kontrovers wird die Frage diskutiert, in wieweit die biologische Vielfalt diese beeinfiußt. Andererseits können kleinere Störungen eine wichtige Rolle für die Erhaltung der Ökosystemstabilität spielen. Eine Umweltpolitik, die solche Störungen aktiv verhindert, kann die Belastbarkeit gegenüber stärkeren Störungen sogar vermindern. Selbst wenn es gelingt, mehr über diese Zusammenhänge in Ökosystemen zu erfahren, so wird trotzdem ein Unsicherheitsbereich darüber bestehen bleiben, wo die relevanten Beschränkungen sich befinden, mit denen die Umweltpolitik umzugehen hat. Um dem zu begegnen, wurde von den Befürwortern der Ökologischen Ökonomie eine eher vorsichtige Herangehensweise an die Probleme vorgeschlagen, die mit den Begriffen des Precautionary Principle und des Safe Minimum Standards umrissen wird.
2.2.3. Schutz der Biodiversität Ein Aspekt des Naturschutzes, der in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit in der politischen Diskussion auf sich gezogen hat und der auch eine zentrale Rolle in der Ökologischen Ökonomie einnimmt, ist der ökonomische Nutzen, der mit der Vielfalt des Lebens auf der Erde verknüpft ist. Obwohl der Schutz der Biodiversität als politische Forderung schon innerhalb des Brundtland Berichtes von 1987 eine wichtige Rolle spielte, rückte dieses Thema erst mit der Verabschiedung der Konvention über die Biodiversität 1992 auf der RioKonferenz in den Vordergrund der UmweltdiskussionY Eine Frage, die hier diskutiert wird, betrifft die Prioritäten, die bei Anstrengungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt gesetzt werden sollten und in Zusammenhang damit, welche Gesichtspunkte primär den Nutzen der biologischen Vielfalt bestimmen und damit Begründungen für deren Schutz liefern. Während zunächst vor allem ethische Bedenken gegen eine Verminderung der Artenvielfalt sowie der ökonomische Nutzen der mit ihr verbundenen genetischen Vielfalt im Rahmen pharmazeutischer Verwendungen im Vordergrund standen,68 wurden in der letzten Zeit zunehmend auch andere Aspekte als wichtig erachtet. Dabei wurde
Vgl. Berkes/Folke, 1994, S. 5. Vgl. WCED, 1987, S. 144 ff. und UNEP, 1992. Im Anschluß an die Rio-Konferenz wurde beispielsweise eine OECD-Expertengruppe mit der Aufgabe ins Leben gerufen, die Möglichkeiten eines Einsatzes ökonomischer Instrumente zur Erhaltung der biologischen Vielfalt zu untersuchen. 68 Vgl. WCED, 1987, S. 144 f. 66 67
5'
68
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
die These vertreten, daß "... auempting to protect all species in protected areas within the mega-diversity regions of the world has less priority than maintaining a subset of species in all regions that are responsible for controlling the structure and dynamics of ecosystems ... 69 2.2.3.1. Ökonomischer Nutzen der biologischen Vielfalt Unter Biodiversität wird sowohl die genetische Vielfalt innerhalb einer Art als auch die Artenvielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme verstanden. 70 Diese Unterscheidung korrespondiert zu drei unterschiedlichen, hierarchischen biologischen Organisationsstufen, den Individuen, Arten und Ökosystemen. 71 Der Erhalt jeder dieser Formen von Vielfalt ist mit bestimmten ökonomischen Nutzen verbunden. Genetische Vielfalt umfaßt " ... the sum of genetic information contained in the genes of individuals of plants, animals, and micro-organisms." 72 Die Organismen einer Species unterscheiden sich, was ihre genetische Information betrifft. So ist die genetische Information einer vom Aussterben bedrohten Art geringer als die einer großen Population. Selbst wenn sich eine ehemals vom Aussterben bedrohte Population wieder erholt, bleibt die genetische Vielfalt geringer als zuvor. 73 Der Term Biodiversität wird häufig mit Artenvielfalt gleichgesetzt. Eine Art umfaßt " ... populations within which gene flow occurs under natural conditions ... 74 Der ökonomische Nutzen einer Art ist unter anderem davon abhängig, welche Bedeutung sie in der Struktur eines Ökosystems hat. 7S Auf der Ebene der Ökosysteme bedeutet Biodiversität "... the variety of habitats, biotic communities and ecological processes in the biosphere as weIl as on different levels and scales ... 76 Eine genaue Abgrenzung und Erfassung der Ökosystemvielfalt wird generell als schwierig erachtet. 77
69 70 71
72
73 74 75 76 77
Folke/Holling/Perrings, 1994, S. 2. Vgl. u.a. UNEP, 1992, S. 3. Vgl. Pearce/ Moran, 1994, S. 2 und Barbier/ Burgess/ Folke, 1994, S. 6. Pearce/Moran, 1994, S. 2. Vgl. Pearce/Moran, 1994, S. 2. Vgl. Pearce/Moran, 1994, S. 3. Vgl. WCMC (Hrsg.), 1992,S. xiv. Pearce/Moran, 1994, S. 5. Vgl. WCMC (Hrsg.), 1992, S. xiv.
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
69
Tabelle 1I,2
Ökonomischer Nutzen, Naturhaushaltsfunktionen und biologische Vielfalt
Betroffene Ökosystemfunktionen
Erläuterung
Ökonomische Nutzenkategorie
Primäre Naturhaushaltsfunktionen
Genetische Vielfalt als Basis für die zukünftige Evolution.
zukünftiger Gebrauchswert
Rolle der Biodiversität für die Stabilität von Ökosystemen, Gefahr des Verlusts von Funktionen und Dienstleistungen.
Versicherungswert
Produktionsfunk tion
Ökonomische Nutzung in Form von Lebensmitteln, Medikamenten etc.
Genetische Ressourcen (Gebrauchswert)
Trägerfunktion
Ästhetischer Wert natürlicher Umwelt und der wildlebenden Arten im Rahmen von Erholung und Freizeitnutzung.
Gebrauchswert (Freizeitaktivitäten! Erholung)
Informationsfunktion
Natur als "Museum" für die Erdgeschichte, wissenschaftliche Nutzung, Erziehung, künstlerische Inspiration.
Wissenschaftlicher und kultureller Wert
Intrinsische Wertschätzung
Ethische oder anderweitig begründete Wertschätzung für die Natur, die zwar nicht von den Naturhaushaltsfunktionen und den ökonomischen Nutzungen getrennt werden kann, aber unabhängig von der tatsächlichen Nutzung ist.
Existenzwert, Vermächtniswert
Quelle: eigene Darstellung
Tabelle 11,2 gibt einen Überblick über die verschiedenen Arten von ökonomischen Nutzen, die mit der biologischen Vielfalt verbunden sind. Den erläuterten Arten von ökonomischen Nutzungen sind dabei sowohl die zugehörigen Naturhaushaltsfunktionen als auch die ökonomischen Nutzenkategorien zugeordnet. Hier ergibt sich wiederum eine Unterteilung nach primären Naturhaushaltsfunktionen, also der Rolle, welche die biologische Vielfalt für die Ökosystemstabilität spielt und auf die im folgenden Abschnitt näher eingegan-
70
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
gen wird, und den sekundären Naturhaushaltsfunktionen, also dem unmittelbaren Nutzen, der mit dem Schutz der Biodiversität verknüpft ist. Neben den Begründungen, welche auf einer unmittelbaren oder mittelbaren Nutzung beruhen, existiert jedoch auch eine intrinsische Wertschätzung für die biologische Vielfalt und welcher eine ökonomische Wertgröße in Form des Existenzund Vermächtniswertes gegenübersteht. Der genetischen Vielfalt kommt demgemäß schon heute eine erhebliche ökonomische Bedeutung zu. Eine abnehmende genetische Vielfalt kann sich beispielsweise in einer verminderten Fertilität oder in einer erhöhten Anfälligkeit einer Population für Krankheiten zeigen. 78 Einen ökonomischen Nutzen kann die genetische Vielfalt beispielsweise im Rahmen der Landwirtschaft finden, wo Arten gezüchtet werden können, die weniger anfällig für Krankheiten sind. 79 Außerdem ergibt sich aus der Erforschung verschiedener Pflanzenarten die Möglichkeit zur Entwicklung neuer Medikamente. 80 Dieses Argument betrifft vor allem die Länder, die mit dem Regenwald ein riesiges Reservoir an genetischen Ressourcen besitzen. Dort können durch falsche Marktanreize erhebliche Ressourcen verlorengehen, die langfristig wirtschaftlich nutzbar wären. Es stellt sich jedoch in diesem Zusammenhang die Frage, ob erhebliche Anstrengungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt sich auch für die industrialisierten Länder lohnen, die eine weitaus geringere biologische Vielfalt besitzen. Hier ist es erforderlich, eine ökonomische Abwägung zwischen dem Erhalt der biologischen Vielfalt und wirtschaftlichen Aktivitäten zu treffen. 2.2.3.2. Biologische Vielfalt und Ökosystemstabilität Eine vielbeachtete Theorie, die im Rahmen der Diskussion um den Erhalt der Biodiversität aufgekommen ist, beruht auf der These, daß ein Zusammenhang zwischen der Stabilität von Ökosystemen und damit der Möglichkeit, Dienstleistungen für das ökonomische System zu erstellen, und der biologischen Vielfalt existiert. Diese Diversitäts-Stabilitäts-Theorie, die besagt, daß eine hohe Diversität mit einer hohen Stabilität verbunden ist,81 liefert ein sehr starkes Argument für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Um zu sehen, wie dieser generelle Zusammenhang beschaffen ist, müssen die Interdependenzen
78 79
80 81
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Pearce/Moran, 1994, S. 2 f. beispielsweise Tietenberg, 1992, S. 56. etwa Pearce/ Moran, 1994, S. 100 ff. SRU, 1994, S. 72.
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
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und Wirkungszusammenhänge in Ökosystemen betrachtet werden. Dies ist nicht einfach, da Ökosysteme komplexe Systeme sind, die durch die Existenz von Nichtlinearitäten, Rückkopplungen und Diskontinuitäten gekennzeichnet sind. Eine mögliche Begründung des unterstellten Zusammenhangs zwischen Biodiversität und Stabilität geht auf Laborexperimente zurück: 82 Artenschwund führt in Experimenten mit wenigen Arten zu Funktionsverlust. Ökosysteme unter Streß erhalten andererseits jedoch stärker ihre Funktionsfähigkeit als die Artenvielfalt. Grund dafür ist, daß relativ wenige Prozesse die Dynamik eines Ökosystems bestimmen, die von einer geringen Anzahl an Arten, den "keystone process species", angetrieben werden. Die restlichen Arten besetzen dabei die Nischen innerhalb des Ökosystems und haben keinen unmittelbaren Einfluß auf die Ökosystemfunktionen. Die Hypothese über den Zusammenhang zwischen Ökosystemstabilität und Artenvielfalt beruht auf der Prämisse, daß von verschiedenen lokal stabilen Gleichgewichten, die ein Ökosystem charakterisieren, jedes zu bestimmten Umweltbedingungen korrespondiert, und von unterschiedlichen Arten kontrolliert wird. So können auch Arten, die für das momentane Funktionieren eines Ökosystems keine Rolle spielen, unter anderen Umweltbedingungen sehr wohl im Rahmen der kritischen Prozesse unersetzbar sein. Eine Verringerung der biologischen Vielfalt führt in diesem Fall zu einer geringeren Belastbarkeit des Ökosystems und zu einer größeren AnfalJigkeit für exogene Störungen. Es kann also sein, daß bei geringerer Artenvielfalt ein exogener Anstoß zu einern Sprung in ein anderes Gleichgewicht und damit zu einern Verlust der mit dem Ökosystem verbundenen Funktionen führt. Die Biodiversität bildet in diesem Ansatz einen Puffer bzw. eine Versicherung gegen die Wirkung solcher Schocks. Die Anfälligkeit der zentralen Prozesse innerhalb eines Ökosystems ist abhängig von den Arten, die diese Prozesse aufrecht erhalten können, wenn Störungen auftauchen. Damit ist die Anpassungsfähigkeit und die Selbstorganisationsfähigkeit von Ökosystemen von der Biodiversität abhängig. Diese Verringerung des "Versicherungswertes" der biologischen Vielfalt durch menschliche Einwirkungen wird nicht über den Preismechanismus wiedergespiegelt. So kann auf der Grundlage des Marktmodells staatliches Eingreifen mit dem Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten, begründet werden. Die gerade dargestellte Theorie kann jedoch nicht eine allgemein anerkannte Darstellung des Zusammenhangs zwischen Ökosystem-Stabilität und Biodiver-
82
Vgl. Folkel Hollingl Perrings, 1994, S. 4.
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sität angesehen werden, sondern wird vielmehr lediglich durch einzelne Beispiele gestützt. 83 So betrachtet beispielsweise der Sachverständigenrat für Umweltfragen die These, daß ein allgemeiner Zusammenhang zwischen Stabilität und Diversität bestünde, sogar für widerlegt. 84 Die Ausrottung einzelner Arten oder die Einführung neuer Arten können demgegenüber sehr wohl Auswirkungen auf die betroffenen Ökosysteme haben, auch wenn aufgrund der komplexen Struktur der Ökosysteme ein so allgemeiner Zusammenhang, wie ihn die obige These impliziert, nicht allgemein feststellbar ist. 8S Unabhängig davon, in welchem Ausmaß ein derartiger genereller Zusammenhang zwischen Biodiversität und Ökosystemstabilität existiert bzw. beobachtet werden kann, können Ökosysteme durch menschliche Eingriffe aus ihrem Gleichgewicht gebracht werden, was mit erheblichen Rückwirkungen und Kosten für das sozio-ökonomische System verbunden sein kann. 86 Dies gilt beispielsweise für das Management von Ressourcen (Landwirtschaft), das die Ökosysteme anfälliger für Krisen macht. Ziel dieses Managements ist es, die Variabilität der ökologischen Ressourcen (z.B. Output, Ertrag) zu reduzieren, um unabhängig von der Natur zu werden. Die Veränderungen treten hier meist unmerklich und graduell über Jahrzehnte hinweg auf, wobei der Verlust der Belastbarkeit der Ökosysteme über lange Zeiträume hinweg nicht bemerkt wirdY 2.2.3.3. Biodiversität und Marktkoordination Auf der Grundlage des in Kapitel 11, 1 zugrunde gelegten Marktmodells läßt sich das ökonomische Problem des Schutzes der Biodiversität veranschaulichen. 88 Im Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragekurve ergibt sich das optimale Niveau an Biodiversität. Die Fläche, die bis zum Optimum unterhalb der Angebotskurve liegt, repräsentiert die Opportunitätskosten des Naturerhalts. Das hypothetische Optimum wird wiederum aufgrund des Freifahrerproblems in der Regel über Markttransaktionen nicht erreicht. Ein weiteres zen-
83 Vgl. Pitelka, 1994, S. 483. Einige Beispiele liefern Folke/Holling und Perrings (1994), S. 5 ff. 84 SRU, 1994, S. 72 f. 85 Vgl. Plimm, 1994, S. 347 ff. 86 Vgl. Folke/ Hammer/ Costanza/ Jansson, 1994, S. 6. 87 Vgl. Holling, 1994, S. 91 ff. 88 Vgl. Tietenberg, 1992, S. 56 ff.
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
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trales Problem im Zusammenhang mit der Marktkoordination, welches über internationale Übereinkommen prinzipiell lösbar ist, besteht beispielsweise darin, daß keine international durchsetzbaren Eigentumsrechte an der biologischen Vielfalt existieren. 89 Es erscheint an dieser Stelle als angebracht, einige zusätzliche im Rahmen von Entscheidungen des Naturschutzes relevante Aspekte des Marktversagens näher zu beleuchten, die eine ökonomische Bewertung des Nutzens erschweren, der aus der Biodiversität resultiert. Ein Kernaspekt ist, daß die individuellen Präferenzen in eine bestimmte Richtung verzerrt sind. So ist im allgemeinen der Nutzen der biologischen Vielfalt, wie gezeigt, mit vielfältigen und komplexen Begründungen verbunden und daher für das Individuum schwer faßbar, so daß andere Umweltprobleme, wie etwa Giftmüll oder die Gewässerverschmutzung, eher als Bedrohung empfunden werden. 90 Die Verringerung der biologischen Vielfalt stellt demgegenüber keine direkt erkennbare Bedrohung dar. Der Nutzen der Biodiversität ist zudem eng verknüpft mit ethischen Werturteilen, die nicht allgemein akzeptiert sind und daher nicht leicht bewertet werden können.
In der öffentlichen Diskussion steht daher weniger der Erhalt der Diversität an sich, sondern vielmehr der Schutz einiger prominenter Großtierarten im Vordergrund. Der ästhetische Wert dieser Arten dominiert also solche Aspekte wie den schwer faßbaren Wert der Stabilität ökologischer Gleichgewichte oder ethische Bedenken gegenüber der Naturzerstörung. Die Entscheidung über den Erhalt der biologischen Vielfalt erfordert zusätzlich zu der Erfassung des ökonomischen Nutzens die Berücksichtigung der Irreversibilität vieler Entscheidungen, unbekannter und unsischerer Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf Ökosysteme und deren Elemente, sowie das Entstehen schwer abschätzbarer zukünftiger Nutzenverluste. Darüber hinaus betreffen die angesprochenen Fragen des Naturschutzes jenseits von Marktmechanismen liegende Fragestellungen wie intergenerationale Entscheidungsfragen und ethische Überzeugungen. Diese Aspekte erfordern eine gegenüber dem statischen Marktmodell erweiterte, langfristige Betrachtungsweise und werden in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels unter dem Gesichtspunkt einer umweltgerechten Entwicklung vor dem Hintergrund der Frage diskutiert, in wieweit der marktliche Koordinationsmechanismus aufgrund staatlich festgelegter Standards begrenzt werden sollte.
89
90
Vgl. etwa Goldstein, 1991. Vgl. Pitelka, 1994, S. 482.
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Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
2.3. Sustainability - Sichtweisen in der Ökologischen Ökonomie
2.3.1. Das Leitbild eines Sustainable Development In verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und in der politischen Diskussion werden mit dem Stichwort eines Sustainable Development gänzlich unterschiedliche Inhalte verbunden. Für die Ökonomen ist im allgemeinen vor allem der Aspekt von Interesse, in wieweit in den verschiedenen SustainabilityAnsätzen die Möglichkeit einer Marktkoordination ökonomischer Aktivitäten in Frage gestellt wird. Die traditionelle ökonomische Sichtweise beschäftigt sich in diesem Kontext unter anderem mit der Gefährdung der gesellschaftlichen Wohlfahrt durch die Ausbeutung und die Bestandsverringerung an natürlichen Ressourcen. Die Natur kann dabei parallel zum produzierten Kapitalstock und zum Humankapitalstock als ein weiterer Kapitalstock gesehen werden. In dieser Sichtweise beinhaltet der Begriff in einer weiten Auslegung die zuvor skizzierten Naturhaushaltsfunktionen, welche die ökonomischen Nutzungen der Natur umfassen und als deren qualitative Komponente die biologische Vielfalt angesehen werden kann. In der Ökologie wiederum steht das Ökosystem und dessen Fähigkeit zur Selbstorganisation im Mittelpunkt. 91 Zentrales Konzept ist hier die Tragekapazität von Ökosystemen. Dieses umreißt die maximale Population, die eine Region "tragen" kann, ohne die Fähigkeit zu verlieren, die gleiche Population in Zukunft zu unterstützen. 92 Dabei wird unterschieden zwischen der biophysikalischen Tragfähigkeit, d. h. der maximalen Bevölkerung, die bei gegebenen technischen Mitteln unterstützt werden kann und der sozialen Tragfähigkeit, der maximalen Bevölkerung, die unter gegebenem sozialen Rahmenbedingungen - beispielsweise Konsumgewohnheiten und Einkommen - aufrecht erhalten werden kann. Eine umweltgerechte Entwicklung nach diesem Kriterium ist erreicht, wenn die Bevölkerung bei oder unterhalb der Tragfähigkeit des Ökosystems ist. 93
9\ Das Verhältnis zwischen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Standards im Rahmen des Sustainability-Ansatzes erläutert beispielsweise Cansier, 1995, S. 5 ff. Für eine Darstellung aus der Sichtweise der Ökologie vgl. Haber, 1994 (a), S. 11 und Toman, 1992. 92 Vgl. Dailyl Ehrlich, 1992, S. 762. 93 Ein Problem bei diesem Ansatz besteht darin, daß die ökologische Tragfahigkeit sich im Laufe der Zeit, beeinflußt durch mannigfaltige Einflußfaktoren, wie z.B. Einkommen, Übernutzung von Ressourcen oder eine sich verändernde Technologie, wandeln kann. Genauso kann natürlich über interregionalen Handel die ökologische
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Aus einer institutionenökonomischen Perspektive, auf deren Charakteristika in Abschnitt 3 näher einzugehen ist, werden die institutionellen Anpassungen an geänderte Präferenzen und Werthaltungen gegenüber der Natur und die diesen vorgeschalteten Entscheidungsprozesse als zentral für die Umsetzung des Sustainability-Gedankens erachtet. Innerhalb dieser Prozesse können basierend auf wissenschaftlichen Konzepten Standards für die Grenzen menschlicher Einwirkungen auf die Umwelt abgeleitet werden, sowie über den Einsatz verschiedener Regulierungsinstrumente zur Begrenzung der Marktkoordination entschieden werden. Die verschiedenen Perspektiven innerhalb des Sustainability-Ansatzes zeigen sich auch in unterschiedlichen gebräuchlichen Übersetzungen des Begriffs als nachhaltige bzw. dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung. 94 Der Begriff der Nachhaltigkeit selbst hat seinen Ursprung in der Forstwirtschaft, wo er eine auf einen langfristig hohen Ertrag ausgerichtete Waldbewirtschaftung bezeichnete. 95 Alternativ zu diesem eher die Rolle der Natur als eine auf Dauer genutzte Ressource charakterisierenden Terminus wurde vom Sachverständigenrat für Umweltfragen die Übersetzung von Sustainable Development als dauerhaftumweltgerechte Entwicklung geprägt. 96 Die Umschreibung stellt eher die ökologischen Erfordernisse und die Rolle der Einwirkungen ökonomischer Aktivitäten auf Ökosysteme in den Vordergrund. In einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive können viele Ansätze und Problembereiche des Sustainable Development in ihrem Kern als eine Auseinandersetzung mit der Frage angesehen werden, welche Ausprägungen eine soziale Wohlfahrtsfunktion in ihren unterschiedlichen Dimensionen besitzt. 97 Während mitunter der Sustainability-Begriff sehr weit gefaßt wird und dann auch Ziele wie kulturelle Vielfalt, Demokratie, Mitbestimmung sowie konkrete Verteilungszielsetzungen beinhaltet, stehen in einer engeren Abgrenzung die Grenzen anthropogener Aktivitäten durch Umweltrestriktionen, die sich aufgrund gesellschaftlicher Zielsetzungen ergeben, im Mittelpunkt. 98 Die auf der
Tragfähigkeit einer Region erhöht werden. Das Konzept der Tragfähigkeit muß daher, um als Grundlage für Umweltpolitik zu dienen, in verschiedene Richtungen, etwa zeitlich und regional, näher spezifiziert werden. 94 Vgl. Rennings, 1994, S. 12. 95 Vgl. Haber, 1994 (a), S. 10. 96 Vgl. SRU, 1994, S. 9. 97 Diese Frage stellt beispielsweise Stengel in den Mittelpunkt ihrer Erläuterungen des Nachhaltigkeitskonzepts (1995, S. 24 ff.). 98 Vgl. Stengel, 1995, S. 25 bzw. Bartelmus, 1994, S. 4.
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Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
Grundlage jener gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion determinierten Grenzen ökonomischer Aktivitäten resultieren in einer Ableitung konkreter Umweltmanagementregeln, anband derer der Sustainability-Ansatz in verschiedenen Dimensionen konkretisiert und operationalisiert wird. Im folgenden Abschnitt wird die Frage aufgeworfen, inwieweit auf der Grundlage der zuvor diskutierten theoretischen Konzepte unter dem Leitbild einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung Ansatzpunkte für eine Naturschutzpolitik abgeleitet werden können. Hierbei wird das Konzept eines Naturkapitalstocks auf die Diskussion des Schutzes der Biodiversität angewandt. 99 Die Heranziehung des Naturkapitalstock-Konzeptes geht auf einen Ansatz von Hicks zurück. lOO Nach seiner Argumentation ist Einkommen der Fluß an Nutzenstiftungen aus einem Kapitalstock, der die Kapazität dieses Kapitalstocks erhält, den gleichen Einkommensfluß in der Zukunft zu erzeugen. Diese Definition ist konsistent mit einer egalitären sozialen Wohlfahrtsfunktion, die das gleiche Wohlstandsniveau wie für die gegenwärtige auch für nachfolgende Generationen anstrebt. 101 Diese Bedingung einer egalitären Wohlfahrtsverteilung ist dann erfüllt, wenn der Wert des Kapitalstocks, d. h. die abgezinsten zugehörigen Nutzenströme, die mit den Nutzungen des gesamten Kapitalstocks verbunden sind, im Zeitablauf konstant ist. Die Ausstattung des Naturkapitalstocks bestimmt die Funktionen und Dienstleistungen, die für das ökonomische System zur Verfügung gestellt werden können. Dieser besteht aus verschiedenen Ressourcen, die für Produktion und Konsum genutzt werden und deren Gebrauchswert von der verwendeten Technologie und den individuellen Präferenzen der Individuen abhängig ist. Techni-
99 Außer Acht bleiben daher Ansätze, die sich mit der quantitativen Erschöpfung nicht erneuerbarer oder erneuerbarer natürlicher Ressourcen und deren Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum oder mit den intragenerationalen globalen Verteilungsfragen beschäftigen. Aus diesem Grund bietet es sich auch an, im weiteren Verlauf der Arbeit Sustainability synonym mit dem Begriff einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung zu belegen, wie er vom Sachverständigenrat für Umweltfragen gesehen wird. Gerade die hier angesprochenen Fragestellungen eines Sustainable Development haben für die Umweltpolitik in der Bundesrepublik eine besondere Bedeutung, da hier weniger Verteilungsfragen oder Fragen der Erschöpfung von natürlichen Ressourcen als vielmehr die Auswirkungen einer veränderten Bodennutzung durch die Ausbreitung von Siedlungsgebieten oder Straßen und die intensive Land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung auf die natürliche Umwelt im Vordergrund stehen. 100 Vgl. Rieks, 1939. 101 Vgl. Perrings, 1994, S. 98.
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scher Fortschritt und gewandelte Präferenzen führen dazu, daß gegenwärtig nicht nutzbare Teile des Naturkapitalstocks in Zukunft einen ökonomischen Nutzen stiften können. Es kann daher sinnvoll sein, Teile des Naturkapitalstocks, die heute noch nicht genutzt werden können, aufgrund möglicher zukünftiger Nutzungen zu erhalten. Die wohl bekannteste Konkretisierung des Begriffs der Sustainability stammt von der World Commission on Environment and Development und umreißt Sustainable Development als "... development that meets the needs of the present without comprising the future generations to meet their own needs." 102 Neben dieser sachlichen und zeitlichen Dimensionen, welche die Bedürfnisse gegenwärtiger und zukünftiger Generationen umfassen, kristallisiert sich als für die Ableitung umweltpolitischer Forderungen kritischer Aspekt die Substituierbarkeit hinsichtlich der qualitativen Aspekte des Naturvermögens in räumlicher Hinsicht heraus. Mögliche Begründung für eine unterstellte Substituierbarkeit bzw. Komplementarität innerhalb des Naturvermögens werden im Zusammenhang mit der Irreversibilität der Naturzerstörung, mit intergenerationalen Verteilungsüberlegungen, unterschiedlichen Einstellungen gegenüber den Risiken, die mit der Naturzerstörung verbunden sind, und ethischen Werthaltungen bezüglich der Rolle des Menschen in der Natur gesehen. Dabei wird in sachlicher Hinsicht zwischen einer Wertdimension, die den Gebrauchswert der Natur umfaßt, und der qualitativen Dimension hinsichtlich der mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt verbundenen Möglichkeiten differenziert. In zeitlicher Hinsicht wird gefragt, inwieweit sich auf der Grundlage des Wohlfahrtsverlusts zukünftiger Generationen eine Rechtfertigung für den Naturschutz geben läßt. Unter dem räumlichen Aspekt wird weiterhin untersucht, ob bzw. auf Grundlage welcher Kriterien eine geeignete regionale Abgrenzung für die Umsetzung der Sustainability-Zielsetzung existiert bzw. abgeleitet werden kann.
2.3.2. Konzepte und Ausprägungen eines Sustainable Development in der Ökologischen Ökonomie Die dargestellten theoretischen Konzepte aus dem Bereich der Ökologischen Ökonomie beschreiben über den neoklassischen Ansatz hinausgehend bestimmte Eigenschaften von Ökosystemen, die für die Entscheidung über den Naturerhalt relevant sein können (Resilience, Biodiversität) und zusätzliche Nutzungen bzw. Nutzen (Naturhaushaltsfunktionen), die mit dem Naturerhalt verbunden
102
WCED, 1987, S. 43.
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sind. Sie können als Entscheidungsgrundlage unabhängig von der Frage gesehen werden, ob im Einzelfall die Alternative Naturerhalt oder -zerstörung vorgezogen wird bzw. ob eine Nutzungsform als umweltgerecht eingestuft wird. Dafür müssen die verfolgten und in einer sozialen Wohlfahrtsfunktion konkretisierten Ziele und die dahinter liegenden Kriterien bzw. normativen Grundlagen der Entscheidung zusätzlich offengelegt werden. Diese Beschreibungen ökologischer Sachverhalte und der Auswirkung anthropogener Aktivitäten auf die Natur sind klar von den im Anschluß gegenübergestellten unterschiedlichen Interpretationen bzw. Ausprägungen des Sustainability-Gedankens zu trennen, die auf verschiedenen normativen Kriterien einer umweltgerechten Entwicklung und damit auf unterschiedlichen weltanschaulichen Grundhaltungen basieren, welche diesen theoretischen Konzepten eine jeweils unterschiedliche Bedeutung für die Entscheidungen des Naturschutzes zumessen und den aus ihnen abgeleiteten Umweltmanagementregeln. In der Sustainability-Diskussion der Ökologischen Ökonomie wird zwischen den Ausprägungen eines Weak Sustainability und eines Strong Sustainability differenziert. Diese Ansätze können nach der unterstellten Substituierbarkeit zwischen verschiedenen Teilen des Naturvermögens unterschieden werden. 103 Einen Extrempunkt bildet eine No-Sustainability-Position, welche den Naturschutz ausschließlich als private Aufgabe und staatliche Eingriffe in diesem Bereich als nicht erforderlich erachtet. Der Very Weak Sustainability - Ansatz der neoklassischen Sichtweise geht davon aus, daß ein sehr hohes Ausmaß an Substituierbarkeit zwischen den verschiedenen Formen von Kapital möglich ist. 104 Dementsprechend bildet hier der Markt das zentrale Koordinationsinstrument, wobei dem Staat die Aufgabe zugesprochen wird, zur Beseitigung von Marktunvollkommenheiten einzugreifen. Der Weak Sustainability-Ansatz zielt vorrangig auf eine Erweiterung der Neoklassik um die Konzepte der Ökologischen Ökonomie ab. Zentrale gesellschaftliche Zielsetzung bleibt weiterhin die Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage des instrumentellen Wertes der Natur, die eine dauerhafte Umweltnutzung voraussetzt. Basierend auf der Hickssehen Einkommensdefinition ist die Zielsetzung des Weak Sustainability-Ansatzes, daß, um ein konstantes Wohlstandsniveau sicherzustellen, der gesamte Kapitalstock bestehend aus Naturkapital und Sachkapital aufrecht erhalten wird. lOS Um ein konstantes
103 Vgl. dazu etwa Turnerl Pearcel Bateman, 1994, S. 55 f., Hodge, 1995 (a), S. 54 oder Costanzal Daly, 1992, S. 44. 104 Vgl. Turner, 1993, S. 3. 105 Vgl. Costanzal Daly, 1992, S.44.
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Wohlfahrtsniveau sicherzustellen, wird jedoch zusätzlich auf der Grundlage der ökologischen Konzepte berücksichtigt, an welchen Stellen Komplementaritäten innerhalb des Naturkapitalstocks auftreten und somit eine Schutzstrategie vorzuziehen ist. Demgegenüber fußt der Strong Sustainability-Ansatz einerseits stärker auf der Kritik an der Annahme der Substituierbarkeit im neoklassischen Ansatz und andererseits zusätzlich auf ethisch motivierten Vorbehalten gegen die Naturzerstörung. Bei dieser mehr ökologisch orientierten Sichtweise wird der Naturschutz an sich zu einem gesellschaftlichen Ziel, so daß nicht mehr eine Wohlfahrtsmaximierung angestrebt wird, sondern der" ... gemeinsamen Ziele des natürlichen, ökonomischen und sozialen Systems im Bereich ihrer Schnittmenge. "106 Die Vertreter des Strong Sustainability gehen demzufolge eher von einer Komplementarität der verschiedenen Elemente des Naturkapitalstocks aus, so daß, um eine konstante gesellschaftliche Wohlfahrt sicherzustellen, die einzelnen Elemente erhalten werden müßten. Die ökozentrierte Sichtweise eines Very Strong Sustainability, die teilweise auch mit dem Begriff "Deep Ecology" belegt wird, liegt am anderen Ende der Skala von Sustainability-Ansätzen. 107 Nach dieser teilweise von Fundamentalökologen vertretenen Position sollte die Natur nicht als aus Gütern bestehend gesehen werden, die für menschliche Verwendung genutzt werden. In dieser Perspektive stellt die Natur nicht mehr allein einen Kapitalstock dar, sondern ihr Erhalt wird aus ethischen Motiven mit deren intrinsischem Wert begründet, so daß der Naturschutz auf der Grundlage bioethischer Betrachtungen gerechtfertigt wird. 108 Innerhalb der Naturschutzpolitik stellt sich die Frage, welche Kriterien herangewgen werden sollen, um zwischen den Möglichkeiten der Substitution zu wählen. Je geringer die Substituierbarkeit, von der ausgegangen wird, desto eher bleibt der Zustand des Naturkapitals bezüglich des Ausgangszustandes erhalten. Je größer die angenommene Substituierbarkeit ist, desto mehr kann die Gesellschaft die Eigenschaften des Naturkapitalstocks nach ihren Vorstellungen modifizieren bzw. eine räumliche oder zeitliche Veränderung des Naturkapitalstocks bewirken. Um diese Alternativen irri Hinblick auf die verschiedenen Dimensionen des Sustainability zu konkretisieren, wird dieser Zusammenhang im folgenden näher untersucht.
106 101
108
Barbier, 1987, zitiert nach Busch-Lüty, 1992, S. 9. Vgl. Turner/ Pearce/ Bateman, 1994, S. 31. Vgl. Turner/ Pearce/ Bateman, 1994, S. 31.
80
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2.4. Dimensionen einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung und Biodiversität
2.4.1. Marktbewertungen unter den Bedingungen von Unsicherheit und lrreversibilität und intergenerationale Verteilungs/ragen
Mit den Implikationen von Unsicherheiten und Irreversibilitäten sowie der Rolle intergenerationaler Verteilungsfragen für Entscheidungen über den Naturerhalt beschäftigt sich der neoklassische Ansatz unter dem Gesichtspunkt der Marktunvollkommenheiten, etwa bei deren Bewertung im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsanalysen des öffentlichen Sektors. Die Ökologische Ökonomie setzt sich mit dem grundsätzlicheren Problem auseinander, welche theoretischen Konzepte für die Analyse dieser Fragen geeignet sind und mit welchen Strategien eines Umweltmanagements man diesen besonderen Eigenschaften umweltrelevanter Entscheidungssituationen gerecht werden kann. Als Ausgangspunkt für die Analyse des Zusammenhangs zwischen Unsicherheit, Irreversibilität und intergenerationaler Verteilung soll hier wiederum die Vorstellung von einem Markt für Natur herangezogen werden. Bei funktionierenden Märkten bietet sich für die Individuen die Gelegenheit, über für beide Seiten vorteilhafte Tauschvorgänge Gewinne zu erzielen. Das Ergebnis ist optimal im Sinne des Pareto-Kriteriums. Diese Optimalität des Marktergebnisses kann im allgemeinen auch bei der Existenz von Risiken aufrecht erhalten werden, da es bei perfekten Märkten für diese Risiken dem Individuum möglich ist, eine optimale Reallokation des Einkommens zwischen unterschiedlichen Umweltzuständen vorzunehmen. I09 Aufgrund von Marktunvollkommenheiten durch moral hazard-Verhalten, adverse selection und die Komplexität der betrachteten Risiken für die Individuen kommen entsprechende Märkte jedoch normalerweise nicht zustande. 110 Diese Marktunvollkommenheiten
109 Diese Allokation, der sogenannte Fair-Bet-Point, wird erreicht, wenn ein perfekter Markt für Kompensationszahlungen existiert. Die Individuen alloziieren ihr Einkommen optimal zwischen den verschiedenen zukünftig denkbaren Umweltzuständen, so daß der Grenznutzen des Einkommens in allen Zuständen gleich groß wird (vgl. Bishop, 1986, S. 142). 110 Moral hazard-Verhalten entsteht, wenn die Individuen nach Abschluß eines Versicherungs vertrages keinen Anreiz besitzen, sich vorsichtig zu verhalten und damit der Schutz gegen das Risiko beeinträchtigt wird. Das adverse selection-Problem einer negativen Auslese ist durch die ungünstige Zusammensetzung der Versicherungsnehmer bedingt. Diese hat entweder zur Folge, daß kein Markt entsteht, oder, daß ein Versicherungszwang eingeführt werden muß (vgl. etwa Frey/ Kirchgässner, 1994, S. 94 f., für die Auswirkungen auf die Marktallokation vgl. Bishop, 1986, S. 142 f.).
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können als eine mögliche Begründung für regulierendes Eingreifen des Staates dienen, der ein auf dem Konzept der Nutzen-Kosten-Analyse beruhendes Ressourcenrnanagement betreiben kann. 111 Es ist zudem fraglich, ob es gelingt, eine derartig ökonomisch effiziente intergenerationale Ressourcenallokation für die Natur zu erreichen, da keine Märkte existieren, auf denen die nächsten Generationen ihre Zahlungsbereit schaft offenbaren können, indem sie der gegenwärtigen Generation Kompensationszahlungen für den Naturerhalt anbieten. ll2 Da somit die Kompensationsforderungen zukünftiger Generationen nicht bekannt sind, wird im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsanalysen zumindest die Wertschätzung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen durch die gegenwärtige Generation über den Vermächtniswert erfaßt. Weiterhin beinhaltet die Entscheidung über den Schutz der biologischen Vielfalt jedoch auch eine intertemporale Verteilungsfrage. Ein wie auch immer bestimmter effizienter Zeitpfad der wirtschaftlichen Entwicklung ist nur effizient in Abhängigkeit von einer gegebenen Anfangsausstattung. Selbst wenn also eine intergenerational effiziente Ressourcenallokation erreicht werden kann, so gibt es abhängig von der Anfangs-Ressourcen-Ausstattung eine unendliche Zahl effizienter Zeitpfade mit unterschiedlichen Verteilungsergebnissen. Besonders deutlich wird die Problematik, wenn man eine Situation annimmt, in der mit Hilfe einer Nutzen-Kosten-Analyse ein Projekt bewertet werden soll, bei dem eine Tierart ausgerottet wird. Angenommen wird, daß nach dem Kriterium einer potentiellen Paretoverbesserung der Nettonutzen des Projekts positiv ist und damit das Projekt durchgeführt wird. Nach dem Entscheidungskriterium einer potentiellen Pareto-Verbesserung ist das dann der Fall, wenn die gegenwärtige Generation die zukünftigen für den mit dem Verlust der Tierart verbundenen Nutzenverlust entschädigen könnte. Eine tatsächliche Entschädigung muß jedoch nicht erfolgen, so daß die gegenwärtige Generation die Ressourcen zu sich hin realloziiert hat. Alle Entscheidungen, die auf diesem Kriterium beruhen, sind in dieser Hinsicht zugunsten der gegenwärtigen Generation verzerrt, da sich die Ressourcen, über deren Allokation entschieden wird, zuerst einmal in der Anfangsausstattung der gegenwärtigen Generation
111 Hier stellt sich jedoch das bisher ungelöste Problem, auf das in Abschnitt 111.3 noch näher eingegangen wird, daß sich die Non-Use-Va lues bisher einer mit den Annahmen des Marktmodells konsistenten Bewertung entziehen. 112 Vgl. Bishop, 1993, S. 71.
6 Rothgang
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befinden. Diese Allokationsentscheidungen sind also effizient im Sinne des Pareto-Kriteriums, es gibt jedoch keinen Mechanismus, der sicherstellt, daß sie gerecht in der Hinsicht sind, daß die Ausstattung zukünftiger Generationen nicht schlechter als die der gegenwärtigen sein wird. Um das zu gewährleisten, müßten also andere Entscheidungskriterien entwickelt werden, die diese Verteilungsfrage berücksichtigen. Ein Modellansatz aus dem Bereich der Ökologischen Ökonomie, der diese Aspekte näher beleuchtet, wird hier herangezogen und an einigen Stellen modifiziert und erweitert. 113 Ausgangspunkt ist die Vorstellung von einem Naturkapitalstock, dessen qualitative Komponente in Form der biologischen Vielfalt im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Untersucht wird eine Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, daß Eingriffe in die Natur teilweise irreversibel und zukünftige Nutzungen der biologischen Vielfalt nicht bekannt sind. Die Vermeidung von irreversiblen Naturveränderungen kann andererseits mit sehr hohen Kosten für die gegenwärtige Generation verbunden sein. So ist etwa ein Großteil des Wachstums und auch des Anstiegs der Nahrungsmiuelproduktion in den letzten Jahrzehnten nur mit Hilfe einer Spezialisierung in der Verwendung natürlicher Ressourcen und damit im Zusammenhang mit einem erheblichen Verlust an biologischer Vielfalt möglich gewesen." 4 Eine weitere Eigenschaft der Entscheidungssituation, mit der sich die Analyse auseinandersetzen muß, ist die Tatsache, daß die Präferenzen zukünftiger Generationen ebenso wie die zukünftige Technologie und daher auch die zukünftigen Nutzungen der biologischen Vielfalt unbekannt sind. Das betrachtete Modell bietet eine Möglichkeit, deren Bedürfnisse im Rahmen gegenwärtiger Entscheidungsprozesse zu berücksichtigen. Es ist insbesondere geeignet, um die Frage der Substituierbarkeit hinsichtlich der qualitativen Beschaffenheit des Naturkapitals in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Dimension zu analysieren. 2.4.2. Biologische Vielfalt und Sustainability: Die Fragen der intergenerationalen Verteilung und der regionalen Differenzierung Das hier betrachtete Modell beruht hinsichtlich der Frage einer intergenerational gerechten Wohlfahrtsverteilung auf einer unterstellten egalitären Wohlfahrtsfunktion. Zukünftige Generationen sollen die gleichen Chancen genießen wie die gegenwärtige. In bezug auf die Elemente dieser Wohlfahrtsfunktion wird zwischen einer Wertdimension und einer Dimension, die die
113 114
Vgl. Perrings, 1994, S. 92 ff. Vgl. Perrings, 1994, S. 93.
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Wahlmöglichkeiten zukünftiger Generationen zwischen unterschiedlichen Alternativen beschreibt, unterschieden. Die Wertdimension umfaßt den ökonomischen Wert der Natur, also den auf der Grundlage der individuellen Präferenzen der gegenwärtigen Generation bewerteten Nutzen der Natur. Die Analyse der Wertdimension basiert allein auf der extrinsisch motivierten Wertschätzung der Natur aufgrund der Bewertung der mit ihr verbundenen Nutzungsmöglichkeiten. Intrinsische Wertschätzungen, die auf ethischen Grundhaltungen beruhen, wie etwa, daß die Natur "an sich" ein Eigenrecht auf Existenz hat, bleiben dabei außer betracht. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit der Schutz der Biodiversität aus diesen rein extrinsischen Motiven auf der Grundlage des Leitbildes einer dauerhaftumweltgerechten Entwicklung gerechtfertigt werden kann. Die Dimension der Wahlmöglichkeiten zukünftiger Generationen hat das Ziel, diesen Alternativen offenzuhalten und die Irreversibilität von Eingriffen in die Natur zusätzlich zur reinen Wertdimension zu berücksichtigen. So ist etwa eine Verminderung der biologischen Vielfalt unabhängig davon, ob irgendwelche gegenwärtigen Nutzungen davon betroffen sind, mit einer Reduktion der Optionen zukünftiger Generationen verbunden. Diese Vorstellung kann als eine Konkretisierung des Vermächtniswertes gesehen werden, da letzterer eine Wertschätzung für den Naturerhalt für zukünftige Generationen darstellt, der unabhängig von der tatsächlichen gegenwärtigen Nutzung der Natur existiert. Auch der Existenzwert der biologischen Vielfalt wird indirekt berücksichtigt, da dieser mit den qualitativen Eigenschaften der Komponenten des Naturkapitalstocks verknüpft ist. Der Unterschied zu dem Existenz- und Vermächtniswert ist jedoch, daß die Aufrechterhaltung zukünftiger Optionen unabhängig von den gegenwärtigen Präferenzen ist und somit ein von Bewertungen unabhängiges Kriterium für eine umweltgerechte Entwicklung darstellt. Dieses dem Modell zugrunde liegende Kriterium beruht auf dem Prinzip der Startgerechtigkeit, das als gesellschaftlicher Grundwert auf die Frage einer intergenerational gerechten Chancenverteilung angewendet wird. 1I5 Es stehen also nicht, wie bei sonstigen Gerechtigkeitskriterien, die Ergebnisse wirtschaftlicher Handlungen sondern die Ursachen in Form gleicher Startchancen im Mittelpunkt des Interesses.
115
6*
Vgl. Streit, 1991, S. 216.
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2.4.2.1. Grundmodell einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung Ausgangspunkt der Überlegungen ist eine Modellgesellschaft, die einen Zeithorizont T besitzt. Die bis T zur Verfügung stehende Ausstattung mit produzierten und natürlichen Ressourcen sei Kr- Die Zahl der Faktoren in Kr. sei gleich der Kardinalität #KT = n. Die alternativ wählbaren Ressourcenkombinationen seien multiplikativ durch II(KT) dargestellt. Die Nettowohlfahrt aus der Wahl einer Ressourcenkombination K;(t) E II(KT) entspricht den abgezinsten Nettonutzen zum Zeitpunkt t. Da zwischen n verschiedenen Elementen gewählt werden kann, enthält KJt) höchstens #K,(t) = n Faktoren. Betrachtet wird nun zuerst der Fall, daß allein der ökonomische Wert als Kriterium für Sustainability herangezogen wird. Es wird weiterhin angenommen, daß ein Entscheider zum Zeitpunkt t auf der Grundlage der unterstellten gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion zwischen den verschiedenen Elementen die Ressourcenkombination auswählt, die die Nettowohlfahrt maximiert. Als Entscheidungsgrundlage dient der Focus der Kapitalausstattung. Der Focus stellt die Wertschätzung bezüglich eines Elementes des Naturkapitalstocks dar. Dahinter steht die Annahme, daß ein Großteil der Naturkapitalausstattung keinen direkten Nutzen stiftet und daher im Rahmen der Entscheidung auf der Grundlage der Wertdimension der Biodiversität keine Berücksichtigung findet. Der Focus f[K(-)] des Entscheiders verengt sich daher auf eines oder mehrere Elemente des Naturkapitalstocks, mit denen ein direkter Nutzen verbunden ist. Er bildet einen Index des Gebrauchswerts der Natur. Für die Wahl zwischen den Ressourcenausstattungen wird folgendes Axiom aufgestellt: Axiom 1:
Für alle KP+s) '" Km E II(KT) über s E {O, ... , T-tl KP+s) = #K;- j[Kh(t+s)] und j[Ki(t)] >- j[Kh(t)] folgt [KP+s) U Kh(t+s)] >- [Kt(t) U Kh(t)].
Axiom 2b:
Für alle K h E [Kp+s)UKlt)] mit j[KP+s)] >j[Kh(t+s)] und j[Ki(t)] >- j[Kh(t)] folgt aus [KP+s) >- Ki(t)] , daß Kp+s)\Kh(t+s) >- K; #Kj(t) und j[KP+s)] - j[Kj(t)], dann folgt K}t+s) >- Km·
Aufgrund der größeren Wahlfreiheit wird Kß+s} bei gleichem Gegenwartswert des Nutzens vorgewgen. Dieses Axiom führt dazu, daß jede Entwicklung, die mit einer Einschränkung der gesellschaftlichen Wahl möglichkeiten etwa
117 Kaule verweist darauf, daß von den etwa 50 000 in der Bundesrepublik heimischen Arten etwa 300 bis 500 direkt genutzt werden. Von diesen wiederum ist nur ein Teil, etwa zur Herstellung von Nahrungsmitteln, wirklich lebensnotwendig (vgl. Kaule, 1991, S. 14 f.).
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durch einen verminderte biologische Vielfalt verbunden ist, unabhängig von dem mit ihr verbundenen Gebrauchswert nicht mehr vorgezogen werden kann, da sie das Sustainability-Kriterium nicht erfüllt. Andererseits werden Möglichkeiten, die mit natürlichem Kapitalbestand verbunden sind, nicht apriori denen vorgezogen, die der produzierte Kapitalbestand bietet. So ist es nicht notwendig, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschenden Wahlmöglichkeiten, etwa die biologische Vielfalt in ihrer Ausprägung, aufrecht zu erhalten, sondern nur deren Zahl. Eine Verminderung der Möglichkeiten zukünftiger Generationen durch eine geringere biologische Vielfalt kann durch zusätzliche Möglichkeiten, die über die Erweiterung des Kapitalstocks in anderen Bereichen geschaffen werden, ausgeglichen werden. Dieses Axiom läßt keine Substitution zwischen Gebrauchswert und Zahl der Wahlmöglichkeiten zu. Die zugrunde gelegte soziale Wohlfahrtsfunktion geht also von vollständiger Komplementarität dieser beiden Aspekte des Kapitalbestandes aus. Neben den Präferenzen zukünftiger Generationen wird auch deren Grenzrate der Substitution zwischen Gebrauchswert und Wahlmöglichkeiten als unbekannt betrachtet. 2.4.2.2. Intergenerationale Gerechtigkeit Um Aussagen über die Eigenschaften einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung ableiten zu können, werden die Extrempositionen einer vollständig auf Naturerhalt abstellenden Umweltpolitik und einer Politik, die bei konstanter Wahlfreiheit weder Naturerhalt noch die Schaffung neuer Möglichkeiten durch neu aufgebaute Kapitalbestände bevorzugt, einander gegenübergestellt. Diese beiden Alternativen bilden die Extrempunkte einer sehr ausschließlich auf Naturerhalt ausgerichteten Very Strong Sustainability-Politik und einer rein auf Nutzung der Natur zielenden Very Weak Sustainability-Position, welche die bestehenden Ressourcenbestände generell durch neue für substituierbar hält. Hierauf fußend können dann Folgerungen über den Zusammenhang zwischen Naturerhalt und Sustainability in zeitlicher Hinsicht abgeleitet werden. Zuerst wird von einem Zustand ausgegangen, in dem der Naturkapitalstock vollständig erhalten wird, so daß #K.(t+s) = #K.(t) gilt. Wenn das Axiom 1 gilt und in einer stationären Wirtschaft der Wert des gleichbleibenden Kapitalstocksf[K,(t)} sich nicht verändert, dann ist die Hicks-Bedingung für umweltgerechtes Wirtschaften erfüllt. Proposition 1:
Wenn ein Km E II(KT) existiert, so tklß gilt j[K;(t+s)] - j[K;(t)] für alle s E {I, ... , T -tl und wenn Axiom 1 erfüllt ist, tklnn ist somit K;(t+s) - K;(t).
Die sich im Zeitablauf nicht verändernden Wahlmöglichkeiten #K.(t+s) #K.(t) führen dazu, daß bei gleichbleibendem Gebrauchswert das Sustainability-
88
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
Kriterium erfüllt ist. 118 Aus diesem Zusanunenhang ergibt sich die häufig im Rahmen intergenerationaler Gerechtigkeitsüberlegungen geäußerte Forderung nach einer Zeitpräferenzrate von null. 119 Dies ist augenscheinlich, wenn die Bedingung des konstanten Wertes für den Kapitalstock betrachtet wird. Eine positive Zeitpräferenzrate würde nämlich zur Folge haben, daß der diskontierte Gebrauchswert der Gegenwart höher eingeschätzt wird als der zukünftige, also f[K,(t)] >- f[K,(HS)]. Der gleiche Ressourcenbestand wird zumindest auf der Grundlage gegenwärtiger Präferenzen nur bei einer Diskontierung zukünftiger Nutzen mit der Rate null zu jedem Zeitpunkt gleich geschätzt, so daß f[K,(t)] - f[K,(Hs)] gilt. In einer extremen, ökozentrierten Sichtweise ist demzufolge jedes Ökosystem erhaltenswert, da die mit ihm verbundenen Funktionen einmalig und ihre irreversible Zerstörung unakzeptabel ist. Ein solcher Grundsatz wäre jedoch nicht mit einer auf gesellschaftlichen Wohlstand ausgerichteten Politik vereinbar und entspricht ganz und gar nicht ökonomischen Prinzipien. 120 Desweiteren wäre er natürlich auch nicht vereinbar mit dem dynamischen Verhalten von Ökosystemen, bei denen Veränderung ein zentrales Ordnungsprinzip darstellt. Nun ist eine stationäre Wirtschaft, in der der Kapitalstock, was Nutzungsmöglichkeiten und Umfang betrifft, konstant bleibt, keine realistische Annahme. Deswegen wird alternativ eine Entwicklung betrachtet, bei der sowohl die Anzahl der Nutzungsmöglichkeiten als auch der Wert des Kapitalstocks variieren kann. Die entscheidende Frage ist, wann in einer derartigen Wirtschaft unter den gegebenen Annahmen die Entwicklung als umweltgerecht betrachtet werden kann. Da hier auch etwa ein zunehmender Wert des Kapitalstocks möglich ist, wird als Grundlage eine was die Wertseite betrifft etwas veränderte Definition von Sustainability herangezogen. Eine Entwicklung wird demnach dann als umweltgerecht eingestuft, wenn die Wohlfahrt zukünftiger Generationen auf der Grundlage des gegenwärtigen Kapitalstocks mindestens so groß ist als die der gegenwärtigen, also Kß+s) (: K,(t).121 Dann ergeben sich zwei Propositionen für die Bedingungen einer umweltgerechten Entwicklung:
118 Die Aussage ist intuitiv unmittelbar einleuchtend. Die formale Verifizierung erhält man, wenn man Axiom 1 betrachtet (vgl. Perrings, 1994, S. 106). 119 Vgl. Perrings, 1994, S. 106. 120 Vgl. Cansier, 1995, S. 11. 121 Vgl. Perrings, 1994, S. 98.
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur Proposition 2:
89
Wenn ein KP+s) erreichbar ist mit #KP+s) = #Km und j[KP+s)] ~j[Kj(t)] und die Relation ~ das Axiom 1 erfüllt,dann ist KP+s) /!: Km.
Dieses Resultat ergibt sich unmittelbar aus Axiom 1. Wenn also ein Entwicklungspfad existiert, bei dem die Wahlfreiheit konstant bleibt und gleichzeitig f[K U] nicht abnimmt, dann wird dieser als sustainable betrachtet. Gleichzeitig bedeutet eine nicht abnehmende Wahlfreiheit bei gleichbleibendem Wert des Focus Sustainability: Proposition 3:
Wenn ein KP+s) erreichbar ist mit #KP+s) ~ #Kj(t) und j[kP+s)] -j[Kj(t)] und die Relation ~ die Axiome 2a und 3 erfüllt,dann ist KP+s) ~ Km.
Der Beweis ergibt sich folgendermaßen: Angenommen sei #~(t+s) ~ #K,(tJ und ff~(t+s)] - ffK,(t)]. Die Menge Ko = ~(t+s)\l((t)l/f~(t+s)] enthält keinen der beiden Foci. Aufgrund der größeren Anzahl an Alternativen ist wegen Axiom 3 f[~(t+s)JljKo ~ f[K,(t)]. Nach Axiom 2a ist eine Erweiterung möglich zu f[~(t+s)JljKoU{K,(t) I/fK;(t)]} ~ f[K,(t)Jlj{K;(t) I/fK;(t)]}. Gemäß Proposition 1 ist aber ~(t+s) - f[~(t+s)JljKoU{K,(t) I/fK,(t)]}. Wenn daher die Transitivitätsannahme erfüllt ist, dann erhält man ~(t+s) ~ K.(t). Der dritte mögliche Fall ist hier durch die Annahme #~(t+s) < #K,(tJ charakterisiert, wobei ff~(t+s)] ~ f[K.(t)]. Eine Substitution zwischen Wahlmöglichkeiten und dem Gebrauchswert der Natur gilt gemäß den zugrunde liegenden Annahmen in der betrachteten Modellgesellschaft als nicht akzeptabel. In diesem Fall sind die beiden Ressourcenausstattungen Kß+s) und K.(t) nicht miteinander vergleichbar. Die normative Forderung, die dem zugrunde liegt, ist, daß sich die Diversität der zukünftigen Wahlmöglichkeiten im Zeitablauf nicht verengt. In einem weiteren Schritt kann noch gezeigt werden, daß die Erreichung eines effizienten und intergenerational gerechten Zeitpfades folgerichtig durch die Schaffung neuer Alternativen möglich ist. Die Voraussetzungen dafür liefert Präposition 4. Gesucht wird ein zusätzliches Möglichkeitsset Kh(t+s), das den Verlust an Wahlfreiheit ausgleicht und gleichzeitig die zukünftige Wahlfreiheit sicherstellt:
90 Proposition 4:
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes Wenn ein KP+s) erreichbar ist mit #KP+s) < #Km und j[KP+s)] >-j[Kj(t)],die Relation ~ die Axiome 1 und 2a erfollt,und wenn ein Kh(t+s) mit dem Wert der verlorenen Möglichkeiten K/,(t) existiert, dann gilt Kp+s)UKh(t+s) ~ Km.
Angenommen sei #KJt+s) < #K,(t), wobei f[KJt+s)) >- f[K,(t)). Ohne Erweiterung des Möglichkeitsraumes zum Zeitpunkt t + s ist hier, wie sich aus Proposition 3 ergibt, keine umweltgerechte Entwicklung möglich. Es existiert jedoch ein Möglichkeitsset K',(t) mit #K'Jt) = #~(t+s), wobei f[K,(t)) E K',(t). Aufgrund von Axiom 2a gilt f[~(t+s)1UK',(t) \j[K,(t)) ~ f[K,(t)1U K',(t) \jfK,(t)). Aus Axiom 1 ergibt sich wegen der gleichen Zahl der Wahlmöglichkeitenf[~(t+s)1U{K',(t) \j[K,(t)]} - f[~(t+s)1U~(t+s) \j[~(t+s))} ~(t+s). Aufgrund der Transitivität der gesellschaftlichen Präferenzordnung ist daher ~(t+s) ~ f[K,(t)1UK',(t)\j[K,(t)). Nun wird K",(t) definiert als K"Jt) = K',(t) \jfK,(t)). Wenn nun ein K.(t+s) mit K.(t+s) - K".(t) existiert, dann ist aufgrund von Axiom 1 K,,(t+s)U~(t+s) ~ f[I((t)1UK',(t) \j[I((t))U K' ',(t) und daher auch K,,(t+s)U~(t+s) ~ K,(t). Die intuitiv einleuchtende Interpretation dieses Ergebnisses ist, daß, damit eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung sichergestellt wird, ein Möglichkeitsset K,,(t+s) mit dem gleichen Gegenwartswert und der gleichen Wahlfreiheit wie das gegenwärtig verlorene wieder geschaffen werden muß. Die beiden in Proposition 1 und den Propositionen 2 bis 4 abgeleiteten Sustainability-Kriterien auf der Grundlage der Hicks'schen Einkommensdefinition bilden die Extrempunkte einer auf Naturerhalt ausgerichteten Very Strong Sustainability-Politik und einer Weak Sustainability-Politik, welche die Alternativen Erhalt und die Schaffung neuer Optionen apriori gleich gewichtet. Die meisten Ausprägungen des Sustainability siedeln sich jedoch an einer Stelle zwischen den Extrempunkten dieser Skala zwischen Erhalt und Nutzung an. Kriterien dafür, wie die beiden Alternativen gegen einander gewichtet werden, bilden in der sozialen Wohlfahrtsfunktion zum einen die unterstellte Substituierbarkeit zwischen verschiedenen Arten des Naturkapitalstocks, welche durch die gesellschaftlichen Risikopräferenzen und das Gewicht ethischer Argumente und Einstellungen determiniert wird. 122 Durch die Konkretisierung dieser Aspekte
122 Wie oben schon erläutert wurde, hängt die Frage der in der Wohlfahrtsfunktion unterstellten Substituierbarkeit sehr stark mit dem Focus des Entscheidungsträgers zusammen. Andererseits bestehen nur an wenigen Stellen absolute Grenzen der Substitution, so daß unterschiedliche Formen der Substituierbarkeit existieren.
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
91
ergeben sich dann die gesuchten Standards für die Begrenzung der marktlichen Koordinationsmechanismen. In dem zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge betrachteten Modellansatz bestehen die Risiken zum einen darin, daß von vorneherein unsicher ist, ob ein Möglichkeitsset K,,(t+s) mit den geforderten Eigenschaften existiert, das nach Proposition 4 eine umweltgerechte Entwicklung sicherstellt. Weiterhin besteht auch Unsicherheit darüber, daß der Gebrauchswert für zukünftige Generationen mindestens so groß ist wie in der Gegenwart, da deren Technologie und Präferenzen annahmegemäß unbekannt sind. Daher ist auch unklar, inwieweit von einer zukünftigen Substituierbarkeit zwischen den verschiedenen Elementen des Naturkapitalstocks ausgegangen werden kann. Eine risikoaverse Einstellung impliziert daher, dem Naturerhalt auf der Grundlage von Proposition 1 den Vorrang vor der Naturzerstörung zu geben. Je stärker diese Risiken also im Entscheidungsprozeß gewichtet werden, desto mehr wird die Alternative Naturerhalt gewählt. Eine risikoneutrale Einstellung würde hier einer unterstellten vollständigen Substituierbarkeit neuer und alter Wahl möglichkeiten entsprechen. Welche Ausprägungen des Sustainable Development mit unterschiedlichen Graden der Risikoaversion verknüpft sind und welche institutionellen Resultate für die Wahl zwischen den Alternativen Nutzung oder Schutz abgeleitet werden können, ist im weiteren der Gegenstand von Abschnitt 2.4.3. Die ethische Komponente der Naturschutzproblematik ist in diesem Modell in der Form berücksichtigt, daß die Wohlfahrt zukünftiger Generationen und deren Handlungsmöglichkeiten ein Argument in der gegenwärtigen Wohlfahrtsfunktion bilden. Keine direkte Berücksichtigung findet in dem Modell die Tatsache, daß es eine intrinsische Wertschätzung der Natur gibt, die sich etwa in Befragungen in der Form eines positiven Existenzwerts äußert. Dieser Aspekt der Nachfrage nach Natur, der tendenziell die Alternative des Naturerhalts favorisiert, wird in dem betrachteten Modell nur indirekt über die Dimension der Wahlmöglichkeiten erfaßt. Je stärker solche moralischen Bedenken gegen die Naturzerstörung ins Gewicht fallen, desto stärker muß demgemäß die Alternative des Naturschutzes im Rahmen von Entscheidungen Berücksichtigung finden. 2.4.2.3. Räumliche Differenzierung Nach dem zeitlichen und sachlichen Aspekt soll nun die Ergänzung der auf einem Ansatz von Perrings fußenden Betrachtung um räumliche Dimension der dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung untersucht werden. Es wird von zwei räumlichen Ebenen ausgegangen, eine übergeordnete Gesamtregion, die aus einer beliebigen Anzahl von Teilregionen besteht. Über die Axiome 1 bis 3
92
Zweites Kapitel: Ökonomie des Naturschutzes
hinaus muß zusätzlich angenommen werden, daß eine intertemporale soziale Wohlfahrtsfunktion für jede der einzelnen Teilregionen genauso wie für die Gesamtregion besteht. Es wird also für jede räumliche Abgrenzungsebene unterstellt, daß der Wert des Kapitalstocks und gleichzeitig die Zahl der Wahlmöglichkeiten im Zeitablauf nicht abnehmen soll. Aufbauend auf dieser Grundannahme können die Bedingungen umweltgerechter Nutzung in räumlicher Hinsicht, die in Proposition 5 und 6 dargestellt sind, abgeleitet werden. Diese ergeben sich für die Teilregion k == {I, ... ,l} unmittelbar als Verallgemeinerungen von Proposition 2 und 3: Proposition 5:
Wenn ein K?)Ct+s) erreichbar ist mit #Kfk)Ct+S)
=
#K;(k)Ct)
und j[kt)Ct+s)] ",j[K;(k)Ct)]und die Relation '" das Axiom erfüllt, dann ist K?)Ct+s) '" K?)Ct), V k.
Proposition 6:
Wenn ein Kfk)Ct+s) erreichbar ist mit #!S(k)Ct+S) ~ #Kik)Ct) und j[kt1Ct+s)] -j[K?)Ct)] und die Relation", die Axiome 2a und 3 erfüllen, dann ist !SCt+S)'1c) ~ K?)(t), V k.
Nunmehr soll weiter gezeigt werden, welches die hinreichenden Bedingungen für Sustainability in der Gesamtregion sind und, ob diese bei umweltgerechter Entwicklung in den Teilregionen erfüllt sind. Für die Beweisführung wird vereinfachend angenommen, daß die Gesamtregion aus k==2 Teilregionen besteht. Proposition 7 gibt die Voraussetzungen für umweltgerechtes Wachstum in der Gesamtregion wieder: Proposition 7:
Wenn K;(k)Ct) E TICKT) für k=1,2 existieren, mit j[Kt>Ct+s)] ~ j[K?)Ct)] sowie #~GCt+s) =#KjGCt), dann ist KjGCt+s) '" K;GCt).
Das kann folgendermaßen gezeigt werden: Aufgrund von Proposition 5 ist K//f(t) und ~(2)(t+S) ~ K i(2)(t). Angenommen sei weiterhin, daß der Focus von Region 1 hinsichtlich des Gebrauchswertes dominiert, so daß f[~(I)(t+S)] ~ f[~(2)(t+S)] und f[K,oi(t)] ~ f[K/ 2i(t)]. Bei der angenommenen Kardinalität HK/Gi(t+s) == rn haben K~ == ~(li(t+S) U ~(2i(t+S) \f[Iql)(t+s)] und K'i == K,oi(t) UKi(2i(t) \f[Ki(/) (t)] die Kardinalität rn-I. Aufgrund von Axiom 1 ist f[~(li(t+s)]UK~ ~ f[~(/)(t)]UK'i' Also gilt auch ~(/)(t+s) U~(2i(t+S) ~ K i(l)(t)UK/2i (t) und somit ~(G)(t+s) ~ K/Gi(t). ~(I)(t+S) ~
2. Ökologische Ökonomie und Schutz der Natur
93
Entscheidende Voraussetzung dafür, daß Sustainability auf einer Ebene auch Sustainability auf der übergeordneten Ebene zur Folge hat, ist, daß HK/O)(I+s) = HI(IO) (I) = mist. Sustainability auf der disaggregierten Ebene sichert jedoch lediglich für jede einzelne regionale Teilebene HK/)(I+s) = HK/k) (I). Diese Bedingung kann im allgemeinen nicht sicherstellen, daß auf der übergeordneten Ebene die Zahl der Wahlmöglichkeiten nicht abnimmt. Beispielsweise tritt der Fall, daß eine umweltgerechte Entwicklung in den Teilregionen nicht zu Sustainability auf der Ebene der Gesamtregion führt, dann ein, wenn die durch den Verlust an Biodiversität in beiden Teilregionen verursachte Verringerung der Wahlmöglichkeiten durch neue Optionen ersetzt werden, die in beiden Teilregionen gleich sind. Eine derartige Angleichung der Handlungsoptionen zwischen den Teilregionen führt insgesamt zu einer nicht umweltgerechten Entwicklung. So kann etwa die Entwicklung in einem Land, das einen Teil seiner Biodiversität vernichtet, um produziertes und Humankapital zu akkumulieren, durchaus sustainable in der Hinsicht sein, daß die Zahl der Handlungsoptionen nicht abnimmt. Global gesehen vermindert sich jedoch die Zahl der Wahlmöglichkeiten. Eine umweltgerechte Entwicklung kann dann nur sichergestellt werden, indem die verloren gegangenen Handlungsoptionen auf der aggregierten Ebene durch neue ersetzt werden, welche den gleichen Gebrauchswert aufweist. Die notwendige Bedingung dafür ist aus Proposition 8 zu ersehen: Proposition 8:
Es existieren Kj(k)(t) mit JIK?)(t+s)] t JIK?)(t)] .
(k)
(k)
be
G
G
mit #Kj (t+s) =#Kj (t), a r #Kj (t+s)
1institutioneller Rahmen beeinflußt
.~.~.~.
bestehende Institutionen - Eigentumsrechte _ staat!. Regulierungen 0"
~
c
U.
~
o
ii"
OQ' "
"!!.~
iÜ
minimierung
Anreiz zur Kosten-
Verhaltenswirkung
Verhaltenswirkung Anreiz zur Kostenminimierung marginaler Unternehmer
intramarginaler Unternehmer
- öffentliches Gut
- Ressourcennutzung Verhaltenswirkung Anreiz zur Kostenminimierung
nein
nein
nein
nein
nein
nein nein
nein
Produktionseinstellung
nein
ja
abhängig von der Ausgestaltung
ja
ja
ja
Produktionsausdehnung
Produktionsausdehnung ja
keine individuelle Einsehr. der Kompensations- Naturschutz- staatliche Regulierung Genehmigung Verfügungs- maßnahme abgabe Kompensationsrechte zahlung
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3. Instrumente des Naturschutzes
263
dies mit erhöhten Kompensationszahlungen verbunden ist. Für den Fall, daß die Preisrelationen verschiedener Güter am Markt die tatsächlichen Knappheitsverhältnisse wiedergeben, können hier nur die Kompensationszahlungen in Höhe der positiven externen Effekte zu einem gesamtwirtschaftlich optimalen Ergebnis führen, wenn man annimmt, daß die Landwirte das öffentliche Gut Natur als Nebenprodukt herstellen. Hintergrund ist, daß aufgrund des Freifahrerverhaltens über den Markt zu wenig von diesem Gut hergestellt wird. Bei der Veränderung der Eigentumsrechte über das Verbot bestimmter Bewirtschaftungsweisen führt die Verteuerung der Produktion dazu, daß dem positiven externen Effekt naturverträglicher Bewirtschaftung durch die intramarginalen Unternehmer der negative Effekt dadurch gegenübersteht, daß marginale Unternehmer die Produktion einstellen. Eine landwirtschaftliche Produktion ist jedoch meist Voraussetzung für die Existenz bestimmter schutzwürdiger Arten und damit für die positiven externen Effekte. Kompliziert wird eine weiterführende Gesamtbeurteilung der Situation in der Landwirtschaft dadurch, daß die subventionierten Agrarpreise innerhalb der EG die Knappheit der produzierten Güter nicht korrekt wiedergeben und der Agrarsektor nicht nur positive, sondern auch negative externe Effekte produziert. Zudem können die unterschiedlichen Instrumente auch erhebliche regionale Verteilungswirkungen bewirken. In Regionen mit schlechten landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen existieren in der Regel viele marginale Landwirte, so daß die Wahl eines Instruments Auswirkungen auf die regionale Verteilung von Einkommen und der natürlichen Umwelt haben kann. 3.3.1.3. Wirkung auf die intrinsische Motivation Neben der Wirkung auf das extrinsisch motivierte Verhalten besitzen staatliche Regulierungen auch einen Einfluß auf die intrinsische Motivation, freiwillig einen Beitrag für den Naturschutz zu leisten. Es wird jedoch nicht nur die Einstellung zum Naturschutz beeinflußt, sondern es kann allgemein ein Einfluß auf die umweltethische Einstellung bestehen, der sich unter anderem negativ auf das Umweltverhalten in Bereichen auswirkt, in welchen der Staat aufgrund zu hoher Überwachungskosten auf kooperatives Handeln des Einzelnen angewiesen ist. 205 Bei der Analyse von Auswirkungen staatlicher Regulierungen für das Verhalten des Einzelnen muß, wie Tabelle III,8 zeigt, zwischen der Wirkung auf
205
Vgl. Frey, 1992 (a), S.170.
264
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
die Schutzinteressierten und die Nutzungsinteressierten unterschieden werden. 206 Eine direkte Regulierung des Verhaltens durch eine Einschränkung der Eigentumsrechte oder individuelle Genehmigungsverfahren reduziert die Selbstbestimmung der Nutzer, da diese nicht frei über ihr Eigentum entscheiden können. 207 Gleichzeitig mit diesem negativen Effekt auf die intrinsische Motivation der Naturnutzer erhöht die Regulierung, die bestimmte umweltschädliche Tätigkeiten als falsch sanktioniert, die Selbsteinschätzung der Naturschützer, so daß deren intrinsische Motivation zum Naturschutz tendenziell eher unterstützt wird. Preisregulierungen in Form einer Naturschutzabgabe oder die Verpflichtung zu Kompensationsmaßnahmen wirken sich wiederum nicht so stark negativ wie direkte Regulierungen des Verhaltens auf die intrinsische Motivation der Naturnutzer aus, da deren Selbstbestimmung nicht grundSätzlich eingeschränkt wird. Andererseits kann die intrinsische Motivation der Naturschützer dann reduziert werden, wenn durch die Abgabe die Natur als käuflich abqualifiziert wird. 208 Eine allgemeine negative Wirkung auf die Umweltethik kann von direkten oder preislichen Regulierungen ausgehen, wenn mit deren Implementation die implizite Auffassung verbunden ist, persönliches Engagement für den Naturschutz sei gar nicht notwendig oder sogar irrational, da durch die Marktallokation von selbst ein gesellschaftliches Optimum erreicht wird. 209 Andererseits wird die Verpflichtung von Naturnutzern zu Kompensationsmaßnahmen von den Schutzinteressierten wohl eher als Unterstützung ihrer Interessen aufgefaßt werden und erhöht somit ihre intrinsische Motivation. Eine Subventionierung naturfreundlichen Verhaltens, wie sie durch die Kompensationszahlungen an Landwirte oder durch Zahlungen an Naturschutzorganisationen zum Ausdruck kommt, hat tendenziell eine positive Wirkung auf die
206 Nicht nur Individuen, sondern auch Unternehmer als Nutzungsinteressierte können aus verschiedenen Gründen, wie Frey zeigt, Interesse an umweltfreundlichem Verhalten haben, das durch staatliche Regulierungen beeinträchtigt werden kann (Frey, 1992 (b), S. 405 f.). Ein Beispiel dafür sind Landwirte, die Bio-Produkte ohne Pestizid-Einsatz herstellen. 207 Vgl. Frey, 1992 (a), S. 168. 208 Ein Beispiel hierfür findet sich in einem Beitrag über die Ausgleichsabgabe im Naturschutz, die im Saarland eingeführt wurde, in weIchem der' Ausverkauf der Natur' beklagt wird. Dieser trägt den Titel "Winterschlußverkauf - Warum die Ausgleichsabgabe mehr Natur zerstört" (o.V., 1993, S. 24). 209 Vgl. Frey, 1992 (a), S. 169.
3. Instrumente des Naturschutzes
265
intrinsische Motivation, da damit der Beitrag zum Naturschutz sowohl von Schützern als auch von Nutzern anerkannt wird. Tabelle III,8 Wirkung von staatlichen Regulierungen auf die intrinsische Motivation
Art der Regulierung
Beeinflussung der intrinsischen Motivation der Schützer
Nutzer
direkte Regulierung (Einschränkung der Eigentumsrechte )
+
-
Kompensationsmaßnahmen
+
0
Preisregulierung
-
0
Subventionierung von Naturschutzorganisationen, Kompensationszahlungen
+
+
Quelle: eigene Darstellung
Neben der Interessenposition der Naturnutzer und Naturschützer entscheidet darüber, ob eine bestimmte Maßnahme einen Einfluß auf die intrinsische Motivation besitzt, auch die Frage, ob diese als fair erachtet wird. 2lO Die Frage von Fairness staatlicher Regulierungen wird vor allem mit der Vorstellung eines Referenzpunktes verbunden, der dadurch gegeben ist, was als normal und üblich empfunden wird. So würde beispielsweise die Einschränkung von zuvor staatlich geschützten Eigentumsrechten von den Individuen nur dann als fair erachtet werden, wenn mit dieser eine finanzielle Kompensation verbunden ist. In dieser Hinsicht spielt die Einstellung darüber, welche Art der Regulierung als gerecht erachtet wird, auch im Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen über den Einsatz verschiedener Instrumente im Naturschutz eine Rolle. Im Rahmen von politischen Machtkämpfen verschiedener Interessengruppen, in denen der politische Druck auf eine Veränderung der Eigentumsrechte ausgeübt wird, kann sich jedoch auch die Ansicht darüber, was als
210 Vgl. Bromley, 1991 (a), S. 199. Kahnemann, Knetsch und Thaler (1986) untersuchen beispielsweise auch den Einfluß von Fairness bei der Preisbildung auf das Marktverhalten von Individuen.
266
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
fair erachtet wird, längerfristig gesehen verändern. So kann es zu einer Veränderung der Eigentumsrechte an der Natur kommen, die dann konsistent mit der Vorstellung davon ist, welche Regulierung als gerecht angesehen wird. 211 3.3.2. Grad der ökologischen Wirksamkeit Unter ökologischer Wirksamkeit eines umweltökonomischen Instruments wird dessen Genauigkeit bezüglich der Zielerreichung, also der Einfluß des einzelnen Instruments auf die Umweltqualität verstanden. 212 Diese hängt im Einzelfall von den ökologischen Wirkungen, die erreicht werden sollen, und von der konkreten Ausgestaltung des Instruments ab. Weiterhin spielt neben der Genauigkeit insbesondere bei der Gefahr irreversibler Schäden auch die Geschwindigkeit der Zielerreichung durch einzelne Instrumente eine Rolle für die Einschätzung eines Instruments im Hinblick auf dieses Kriterium. Klassifikation der Ressourcennutzungssituation
~~
Grad der Wirksamkeit
Ressourcennutzung
öffentliches Gut
sichere ökologische Wirkung
individuelle Genehmigung
staatliche Bereitstellung Einschränkung von Eigen~echten
Kompensations-
abhängig von Kompensierbarkeit abhängig von dem Verhalten der Marktteilnehmer
maßnahme
Naturschutzabgabe
Unterstützung von Naturschutzorganisationen Kompensationszahlungen
Quelle: eigene Darstellung
Abb. III,23: Ökologische Wirksamkeit der verschiedenen Instrumente im Naturschutz
211
212
Vgl. Bromley, 1991 (a), S. 199 f. Vgl. Knüppel, 1989, S. 78 und OECD, 1989, S. 19.
3. Instrumente des Naturschutzes
267
Um bestimmte ökologische Ziele sicher und mit geringer zeitlicher Verzögerung zu erreichen, sind, wie aus Abb. III,23 zu ersehen ist, direkte staatliche Verhaltensregulierungen im allgemeinen besonders geeignet, da damit das Verhalten der Wirtschaftssubjekte in genau vorhersehbarer Form gelenkt wird. Voraussetzung ist eine wirksame Kontrolle der Regulierungen. Daher eignen sich diese Regulierungsformen besonders bei der Gefahr irreversibler Schäden für sehr wertvolle Naturgüter. Bei den Instrumenten, die sich auf Preissignale verlassen, ist die ökologische Wirkung vom individuellen Verhalten der Marktteilnehmer abhängig. Es besteht beispielsweise bei einer Abgabenerhebung die Gefahr, daß der Abgabensatz zu tief angesetzt wird und daher die Verhaltenswirkung nicht im erwünschten Ausmaß besteht. Außerdem kann dieses Instrument nur schwer differenziert eingesetzt werden, da die Bewertung der Natumutzung schwierig ist. 213 Bei der Unterstützung von Schutzorganisationen kann zusätzlich das Problem entstehen, daß die ökologischen Zielsetzungen deren Mitglieder nicht mit den staatlichen Ziel vorgaben übereinstimmt und daher eine Wirkungsprognose unsicher ist. So könnte eine Schutzorganisation beispielsweise nur an spektakulären Aktionen zum Schutz besonders bekannter Naturgüter interessiert sein. 214 Bei der Durchführung von Kompensationsmaßnahmen durch einen Eingreifer ist deren Wirksamkeit zusätzlich zur erforderlichen Kontrolle auch davon abhängig, ob die gegebenen ökologischen Ziele mit diesen Maßnahmen erreicht werden können und damit, ob eine Kompensierbarkeit der Nutzenverluste gegeben ist.
3.3.3. Verteilungswirkungen und politische Durchsetzbarkeit Die Verteilungseffekte verschiedener Regulierungsmuster und deren Auswirkungen auf den Staatshaushalt zeitigen unmittelbare Folgen für deren Durchsetzbarkeit im Rahmen politischer Entscheidungsprozesse. Die Inzidenz verschiedener Instrumente bestimmt über den Grad der Einflußnahme politischer Interessengruppen im Entscheidungsverfahren. Neben den Verteilungswirkungen beeinflußt möglicherweise auch die Ausgabenwirksamkeit die politische Durchsetzbarkeit. Bei einem knappen Staatshaushalt sind haushaltsneutrale Maßnahmen bzw. diejenigen, die die staatlichen Einnahmen erhöhen, leichter durchzusetzen als Markteingriffe, die mit erhöh-
213
Vgl. Freyl Blöchliger, 1991, S. 80.
214
Freyl Blöchliger, 1991, S. 72.
268
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
ten Staatsausgaben verbunden sind. Von der Ausgabenwirksamkeit her sind die Eingriffe in den Ordnungsrahmen als neutral einzustufen, solange keine Kompensationszahlungen mit ihnen verbunden sind. Die Naturschutzabgabe führt zu einer Erhöhung der Einnahmen, was sich positiv auf das Budget des Staates auswirkt, solange die Mittel nicht zweckgebunden für den Naturschutz verwendet werden müssen. Die staatliche Unterstützung von Naturschutzorganisationen, staatliche Akquisition von Land und staatliche Kompensationszahlungen sind an Ausgaben gekoppelt und wirken somit negativ auf den Saldo des Staatsbudgets. Innerhalb ökonomischer Argumentationslinien ist keine allgemein gültige Aussage über eine apriori wünschenswerte Verteilung möglich. Die Auswahl einer Verteilung von Handlungsmöglichkeiten bzw. Einkommen zwischen verschiedenen Individuen und Gruppen bleibt daher letztlich eine Aufgabe politischer Entscheidungsprozesse. Der ökonomische Analyseansatz eignet sich jedoch für eine Systematisierung der Verteilungswirkungen einer Maßnahme, gegebenenfalls verbunden mit einer Bewertung der im Einzelfall auftretenden Kosten und Nutzen. Diese können die Form von Einkommen oder Umweltnutzen annehmen und in personeller sowie regionaler Hinsicht differenziert werden. Staatliche Markteingriffe zur Regulierung des Verhaltens von Wirtschaftssubjekten im Bereich des Naturschutzes sind in jedem Fall mit Verteilungswirkungen gegenüber einer Ausgangssituation verbunden. Dies trifft auch für die Einschränkung der Eigentumsrechte zu, die ja oben als die Kontrolle über Nutzen- oder Einkommensströme definiert wurden. Somit werden bei einer Veränderung von Eigentumsrechten durch den Staat in jedem Fall auch Nutzen- und Einkommensströme umverteilt. Wenn die Wirkung staatlicher Regulierungen auf der Grundlage einer Ausgangssituation betrachtet wird, dann existiert schon eine spezifische Ausgangsverteilung der mit Umweltschäden verbundenen Nutzeneinbußen. Der staatliche Eingriff führt zu einer bestimmten Aufteilung der Nutzenzuwächse aufgrund der Naturschutzmaßnahme und der Kosten der Umweltverbesserung auf die Naturschützer, die Naturnutzer und die Steuerzahler. Eine Analyse der personellen Inzidenz würde also erfordern, die Mitglieder der einzelnen Gruppen und die Aufteilung von Nutzen und Kosten auf diese zu identifizieren. Hier soll in einer groberen Rasterung aufgezeigt werden, wie sich die aus dem Naturschutz resultierenden Vor- und Nachteile bezüglich der verschiedenen Instrumente auf die genannten Gruppen verteilen.
3. Instrumente des Naturschutzes
269
Der Nutzen des Naturschutzes kommt auf jedem Fall der Gruppe der Schutzinteressierten zu, so daß die Verteilungswirkungen sich darin konkretisieren, in welchem Ausmaß dieser Nutzen entsteht und wie die entstehenden Kosten auf Schützer, Nutzer und Steuerzahler aufgeteilt werden. Diese Aufteilung der Kosten wiederum hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, wer die Eigentumsrechte an der Natur besitzt. Grundsätzlich kann man zwei juristische Regelungen für die Zuteilung von Eigentumsrechten unterscheiden, nämlich das Abgeltungs- und das Verursacherprinzip. Nach dem Abgeltungsprinzip bleiben die Eigentumsrechte bei den Naturnutzern und die Naturschützer bzw. stellvertretend für diese der Staat muß die Nutzer für die bei einem Nutzungsverzicht oder deren Einschränkung auftretenden Kosten entschädigen. 215 Andererseits werden bei der Anwendung des Verursacherprinzips die Eigentumsrechte den am Schutz der Natur Interessierten zugeteilt und die Nutzer müssen die Schützer für die Naturzerstörung entschädigen. 216 Diese Klassifikation kann noch weiter differenziert werden, wenn man danach trennt, welche Form der Eigentumsrechte jeweils auf der Seite der Schützer oder Nutzer existiert. Somit ergibt sich die in Abb. III,24 aufgezeigte Verteilung der Kosten und Nutzen von Naturschutzmaßnahmen. Die Eingriffe in den Ordnungsrahmen haben zur Folge, daß die Kosten des Naturschutzes in Form verringerter Einkommensströme von den Nutzern zu tragen sind. Es besteht jedoch - etwa bei der Einschränkung von Eigentumsrechten - die Möglichkeit, Kompensationszahlungen an die Nutzer zu entrichten, um diese Verteilungseffekte zu verringern. Auch bei der Verpflichtung zur Zahlung einer Naturschutzabgabe tragen die Naturnutzer die Kosten des Naturschutzes. Hier und bei der Verpflichtung zur Durchführung von Kompensationsmaßnahmen kann es jedoch sein, daß das Naturgut ganz oder teilweise zerstört wird und keine angemessene Kompensation erfolgt, so daß bei den Naturschützern ein Nutzenverlust zu verzeichnen ist. Bei staatlichen Akquisitionen, der finanziellen Unterstützung von Naturschutzorganisationen und Kompensationszahlungen tragen die Steuerzahler die Kosten der durchgeführten Maßnahmen. Eine Übereinstimmung zwischen Zahlern und Schützern existiert dann, wenn im Zusammenhang mit der UnterVgl. beispielsweise Frey/ Blöchliger, 1991, S. 57. Diese Klassifikation kann, worauf Frey und Blöchliger hinweisen, nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten vorgenommen werden, da in ökonomischer Sichtweise beide Gruppen, sowohl die Naturnutzer als auch die Naturschützer, Nachfrager nach dem Gut Natur und damit Verursacher einer Knappheitssituation sind (Frey/ Blöchliger, 1991, S. 38). 215
216
270
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes d
NaturSchützer
Naturnutzer
Steuerzahler
0 (0) (0)
X X X
(X)
Naturschutzabgabe
(0)
X
staatliche Unterstützung von Schutzorganisationen
OX
Art der Regulierung
Nutzen
Eingriffe in den Ordnungsrahmen Veränderung von Eigenturnsrechten Kompensationsmaßnahmen individuelle Genehmigungen Prozeßeingriffe
staatliche Acquisition
0
staatliche Kompensationszahlung
0
X X X
Quelle: eigene Darstellung
Abb. 1II,24: Verteilung der Nutzen "0" und Kosten "X" von Naturschutzmaßnahmen auf Schützer , Nutzer und Steuerzahler
stützung von Schutzorganisationen die intrinsische Motivation der Schutzinteressierten erhöht wird, etwas für den Schutz der Natur zu tun. Der Nutzen f,HIt bei dem am Naturschutz interessierten Teil der Bevölkerung an. Die Kosten von Kompensationsmaßnahmen müssen in der Regel die Nutzer tragen. Der Nutzen kann in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung in Form von erhaltener Natur oder der Kompensationsmaßnahme selbst anfallen und ist von deren Ausgestaltung und von der Möglichkeit abhängig, die Naturschützer für den mit der Naturzerstörung verbundenen Nutzenverlust zu entschädigen. Bei individuellen Genehmigungsverfahren entstehen die Kosten in Form von Opportunitätskosten der Nutzung und der Nutzen des Naturerhalts in den Fällen, in welchen die Genehmigung versagt wird. Die politische Durchsetzbarkeit von Maßnahmen des Naturschutzes ist davon abhängig, für welche gesellschaftlichen Gruppen die Nutzen und Kosten des Naturschutzes entstehen. Je kleiner und homogener die betroffene Interessengruppe ist und je höher die Kosten bzw. Nutzen sind, die pro Gruppenmitglied zu verzeichnen sind, desto mehr lohnt sich das Rent Seeking-Verhalten, da die Organisationskosten noch relativ zum Nutzen gering sind. Beim Nutzenanfall
3. Instrumente des Naturschutzes
271
muß weiter differenziert werden, da ja die Naturschützer keine homogene Gruppe darstellen, sondern sich in unterschiedlich gut organisierten, teilweise politisch engagierten Interessengruppen auffächern. Solange keine prekäre Situation des Staatshaushalts besteht, ist eine Finanzierung der betreffenden Maßnahmen über die Steuerzahler relativ leicht durchsetzbar, da diese Gruppe sehr inhomogen ist und die marginalen Kosten einer Naturschutzmaßnahme ohnehin für den einzelnen kaum merkbar sind. Bei den Instrumenten, die die Kosten auf die Naturnutzer überwälzen, muß im einzelnen untersucht werden, welche Gruppe von Nutzern besonders betroffen ist. Hier kann speziell der Widerstand landwirtschaftliche Bodennutzer groß werden, welche auf eine sehr effektiv organisierte politische Interessenvertretung zurückgreifen können. Wenn andererseits die Kosten allgemein auf wirtschaftliche Nutzer verteilt werden, die eine sehr inhomogene Gruppe darstellen, sind tendenziell eher keine großen Widerstände zu erwarten.
3.4. Beurteilung der Instrumente Um für staatliche Maßnahmenkataloge die Vorteile der einzelnen Instrumente nutzen zu können und Aussagen darüber treffen zu können, bei welchen Situations- und Wirkungscharakteristika bestimmte Instrumente besser geeignet sind, müssen die verschiedenen Instrumente hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile miteinander verglichen werden. Bei der Beurteilung der Vor- und Nachteile verschiedener Regulierungsalternativen wird davon ausgegangen, daß, wie es in der Bundesrepublik der Fall ist, ein System privater und staatlicher Eigentumsrechte bereits besteht, so daß sich die Frage stellt, inwieweit in dieses eingegriffen werden sollte, um die Resultate des Marktprozesses zu beeinflussen. Unter dieser Annahme zeigt sich gemäß Abb. III,25 , daß die ökonomischen Instrumente, die über freiwillige Handlungsanreize in das Marktgeschehen eingreifen, ihre Vorteile in der Anreizwirkung zu einem kostenminimierenden Verhalten der Marktteilnehmer und in der Verstärkung der intrinsischen Motivation besitzen. Die über die Steuerzahler finanzierten Maßnahmen sind, so lange die Staatsfinanzen nicht zu stark belastet sind, auch politisch gut durchsetzbar, da sich die Kosten der Maßnahmen auf viele Steuerzahler verteilen. Die Eingriffe in den Ordnungsrahmen beinhalten keinen generellen Anreiz zu einem kostenminimierenden Verhalten der Marktteilnehmer. Dafür ist die ökologische Wirksamkeit relativ hoch. Die Wirkung auf die intrinsische Motivation ist im allgemeinen eher negativ. Dies muß jedoch differenziert gesehen werden, da durch eine Beteiligung der von einer Entscheidung Betroffenen an
272
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
~
Instrumente
Ökonomische Anreizwirkung
Intrinsische Motivation
Wirksamkeit
~litische
urchsetzbarkeit
Eingriffe in den Ordnungsrahmen
Festlegung von Eigentumsrechten
+
+
Veränd. von Eigentumsrechten
-
-
Kompensationsmaßnahmen
0
0
+ +
0
0
-
0
-
-
+
0
+ +
-
staatliche Unterstützung von Anbietem/Nachfragem
0 0
0
staatliche Akquisition
0
0
individuelle Genehmigungen Prozeßeingriffe Naturschutzabgabe
staatliche Kompensationszahlung
+
+ +
+ 0
+
0
+
Quelle: eigene Darstellung
Abb. m,25: Kriterien einer Auswahl zwischen verschiedenen Instrumenten des Naturschutzes (gute (+), befriedigende (0) oder schlechte (-) Erfüllung)
der Entscheidungsfindung und das Gefühl einer Einflußnahmemöglichkeit auf die Entscheidung ein positiver Einfluß auf die Motivation resultiert. Eine Ausnahme stellen hier jedoch Kompensationsmaßnahmen dar, die bei entsprechender Ausgestaltung einen Anreiz zur Kostenminimierung induzieren können. Deren ökologische Wirksamkeit ist jedoch von der prinzipiellen Möglichkeit einer Kompensation der Schäden abhängig. Grundsätzlich kann, wie in Abb. III,26 zu sehen ist, die Gesamtwirksamkeit verschiedener Maßnahmen in Hinblick auf staatliche Zielerreichung in einer konkreten Entscheidungssituation danach differenziert analysiert werden, in welcher Höhe die Kosten des Naturschutzes anfallen und inwieweit die Naturzerstörung mit dem Risiko eines irreversiblen Nutzenverlustes behaftet ist. Während im Fall eines reversiblen Eingriffs die Marktallokation mit staatlichem Eingriff tendenziell zu einem optimalen Zustand führt, ist bei einer irreversiblen Naturzerstörung eine individuelle Handlungskoordination durch staatliche Entscheidungsprozesse tendenziell überlegen. Dies bedeutet im Fall sowohl einer irreversiblen Naturzerstörung als auch hoher gesellschaftlicher üpportunitätskosten, daß eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung aller gesellschaftlicher Aspekte erforderlich ist. Naturschutzabgaben sind hier deswegen in der Regel weniger gut geeignet, weil es sich im Naturschutz-
3. Instrumente des Naturschutzes hohe Kosten Kompensation
niedrige Kosten
Anreizwirkung
273
individuelle Entscheidung
Erhaltung
( 'b I Grad der Irreversibilität ) reverSl e irreversibel MarktAllokation ~(------7)
staatliche Entscheidungsmechanismen
Quelle: eigene Darstellung
Abb. III,26: Geeignete Mechanismen zur Verhaltensregulierung in Abhängigkeit von den Eigenschaften des Naturschutzproblems bereich um relativ inhomogene Güter mit einer unstetigen Schadensfunktion handelt, so daß bei einer Marktkoordination hier kaum mit einem befriedigenden Allokationsergebnis zu rechnen ist. Wenn wiederum die gesellschaftlichen Opportunitätskosten des Naturschutzes gering sind, dann sind im allgemeinen diejenigen Alternativen akzeptabel, die den Naturerhalt im Einzelfall sicherstellen. Marktliche Koordinationsmechanismen können im Fall eines relativ geringen Nutzens des Naturerhalts und andererseits hoher Opportunitätskosten bei Nutzungsverzicht beispielsweise über Kompensationsmaßnahmen zur Begrenzung der entstehenden Schäden führen. Wenn sowohl Kosten, als auch Nutzen des Naturerhalts niedrig sind, dann bestimmt der marktliche Anreizeffekt der eingesetzten Instrumente das entstehende Resultat. Daraus ergeben sich die in Tabelle 111,9 dargestellten Alternativen für die Auswahl von Regulierungsinstrumenten.
18 Rothgang
274
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
Tabelle [lI,9 Unterschiedliche institutioneUe Alternativen beim Instrumenteneinsatz
reversible Beeinträchtigung
irreversible Naturzerstörung
hohe Kosten
Verzicht auf Bereitstellung Naturschutzabgabe Kompensationsmaßnahmen keine Maßnahme
Individuelle Entscheidung (i. V. m. Beschränkung der Eigentumsrechte; evtl. Kompensationszahlungen)
niedrige Kosten
Beschränkung der Eigentumsrechte Kompensationszahlungen Kompensationsmaßnahmen Naturschutzabgabe keine Maßnahme
Beschränkung der Eigentumsrechte Kompensationszahlungen Staatliche Akquisition Unterstützung von Naturschutzorganisationen
Quelle: eigene Darstellung
Individuelle Entscheidungen, etwa im Rahmen behördlicher Genehmigungsverfahren sind in der Regel mit hohem administrativem Aufwand verbunden und lohnen sich lediglich dann, wenn mit einer Entscheidung eine irreversible Naturzerstörung und gleichzeitig beim Naturschutz hohe üpportunitätskosten zu erwarten sind. In diesem Fall ist eine genaue Abwägung der verschiedenen Wirkungen einer Entscheidung, etwa in Gestalt eines Mediationsverfahrens, gerechtfertigt. Mit einer Versagung der Genehmigung für die Nutzung sind dann Einschränkungen der Eigentumsrechte verbunden, die gegebenenfalls über Kompensationszahlungen entschädigt werden können. Zudem kann die Durchführung von Schauenprojekten zur Verhinderung oder Kompensation des Schadensanfalls in Erwägung gezogen werden. Im Fall geringer Kosten, aber möglicher irreversibler Effekte der Naturzerstörung bestehen neben der Auswahlmöglichkeit einer Einschränkung der Verfügungsrechte die Alternativen staatlicher Kompensationszahlungen, staatlicher Akquisition der betroffenen Flächen, oder der Unterstützung von freiwilligen Maßnahmen des Naturschutzes über Naturschutzorganisationen und Stiftungen. Ein Anwendungsfall ist hier der Schutz wertvoller, kleinräumlicher Biotope. Primäres Kriterium für den Einsatz dieser Instrumente ist deren schnelle und flexible Einsetzbarkeit, da sie im Regelfall nicht, wie etwa bei behördlichen Einzelentscheidungen, eine lange Verfahrensdauer erfordern. In den Fällen, die mit hohen üpportunitätskosten, aber einem relativ geringen Nutzen des Naturerhalts verbunden sind, besteht neben dem generellen Verzicht auf staatliche Regulierungen die Mög-
3. Instrumente des Naturschutzes
275
lichkeit, mit Hilfe von zweckgebundenen Naturschutzabgaben und der Verpflichtung zu Kompensationsmaßnahmen neben einem Anreizeffekt zur Reduzierung der Beeinträchtigung auch die Kompensation der Schäden zu ermöglichen. In den Entscheidungsalternativen, die mit relativ geringen Kosten, aber auch einem geringen Nutzen für den Naturschutz verbunden sind, neben der Möglichkeit, nicht in den Marktprozeß einzugreifen, die Alternative, den Anreizeffekt von Naturschutzabgaben und Kompensationsmaßnahmen auszunützen, um die negativen externen Effekte zu reduzieren. Naturschutzabgaben und die Verpflichtung zu Kompensationsmaßnahmen sind besonders geeignet, um die kumulativen Effekte häufiger kleiner Eingriffe in die Natur zu reduzieren und auszugleichen, so lange keine irreversiblen Schäden zu erwarten sind.
3.5. Instrumente des Naturschutzes in der Bundesrepublik
Die traditionelle Regulierungsform des Naturschutzes in der Bundesrepublik ist die Ausweisung von Schutzgebieten, in denen bestimmte Nutzungseinschränkungen existieren. In den letzten Jahren hat sich der Maßnahmenkatalog des Naturschutzes erweitert. Mit der Eingriffsregelung ist ein administratives Instrument zur Bekämpfung der Wirkungen kontinuierlicher Landnutzungsänderungen außerhalb der Schutzgebiete neu geschaffen worden. Daneben wurden jedoch auch ökonomische Instrumente verstärkt angewendet. Diese umfassen Naturschutzabgaben, die Unterstützung von privatem Naturschutz, insbesondere über die Finanzierung von Naturschutzstiftungen und den Vertragsnaturschutz. Diese Instrumente werden im folgenden hinsichtlich ihrer Charakteristika und bezüglich der in der Praxis gesammelten Erfahrungen gegenübergestellt. 217
3.5.1. Ausweisung von Schutzgebieten Durch die Ausweisung von Schutzgebieten können von den Naturschutzbehörden bestimmte Landschaftsteile geschützt werden. Je nach Zweck der Unterschutzstellung, sowie gemäß der im Einzelnen erforderlichen Schutzmaßnahmen und Gegebenheiten, kann zwischen den Ausgestaltungsformen als Naturschutzgebiet, Nationalpark, Landschaftsschutzgebiet, Naturpark, Natur-
217 Die Darstellung beschränkt sich hier auf die Instrumente zur Verhaltensbeeinflussung im Gegensatz zu den für Entscheidungsprozesse weiterhin wichtigen Planungsinstrumenten .
1S'
276
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
denkmal und geschütztem Landschaftsbestandteil unterschieden werden. 218 In Schutzgebieten werden die Eigentumsrechte der Grundbesitzer in unterschiedlichster Form eingeschränkt, wobei das Naturschutzgebiet, in dem ein besonders intensiver Schutz der Natur bezweckt wird, die wirksamste Schutzmaßnahme darstellt. Die Beeinträchtigung der Eigentumsrechte umfaßt bestimmte neue Landnutzungen, die gemäß der Unveräußerlichkeitsregel untersagt werden. Bereits bestehende Landnutzungen - etwa im Bereich der Landwirtschaft - werden dadurch nicht beeinträchtigt. 219 Die Ausweisung von Naturschutzgebieten umfaßt ein formelles behördliches Verfahren. 22o Die Schutzgebiets ausweisung ist mit einigen Problemen verbunden, die teilweise mit Hilfe der anderen Instrumenten des Naturschutzes angegangen werden können: - Für die Erreichung der Zielsetzungen des Naturschutzes ist häufig eine Ausdehnung des Schutzes über konkrete Schutzgebiete hinaus nötig. Ein möglicher Grund dafür besteht in der erforderlichen Vemetzung von Biotopen. 221 Eine Begrenzung auf Schutzgebiete würde den Erkenntnissen und Grundsätzen der Ökologischen Ökonomie widersprechen, da sich die von Ökosystemen produzierten Dienstleistungen nicht auf geschützte Bereiche beschränken. - Die Ausweisung von Schutzgebieten konzentriert in der gegenwärtigen Ausgestaltungsform die Anstrengungen im Bereich des Naturschutzes auf die Aufrechterhaltung des Status Quo, ohne daß Verbesserungen der Umweltsituation angestrebt werden, da etwa landwirtschaftliche Nutzungen innerhalb von Naturschutzgebieten erlaubt sind. - Der schlechte Pfiegezustand vieler Schutzgebiete verringert die Wirksamkeit dieses Instrumentes. 222 - Ein weiterer Behinderungsfaktor der Wirksamkeit einer Ausweisung von Schutzgebieten besteht in der langen Verfahrensdauer, die bis zu 5 Jahren beträgt. Dies kann eine zwischenzeitliche Zerstörung der Biotope bewirken, die eigentlich geschützt werden sollten. 223
§§ 13-18 BNatSchG. Vgl. Siedhoff, 1995, S. 167. 220 Für den Ablauf dieses Verfahrens vgl. Plachter, 1991, S. 320 f. und Haarmannl Pretscher, 1988. 221 Vgl. SRU, 1994, S. 183. 222 Vgl. Haarmann/ Pretscher, 1988, S. 260. 223 Vgl. Bürger, 1987. 218
219
3. Instrumente des Naturschutzes
277
3.5.2. Die Eingriffsregelung Die Eingriffsregelung nach § 8 BNatSchG stellt ein weiteres administratives Instrument des Naturschutzes dar, das zum Ziel hat, über die UnterschutzsteIlung ökologisch wertvoller Teile von Natur und Landschaft hinaus die Verschlechterung des Zustandes der natürlichen Umwelt außerhalb von Schutzgebieten zu verhindern und den Status Quo aufrecht zu erhalten. 224 Da dieses Verfahren inzwischen in der Bundesrepublik - sowohl als administratives Regelungsinstrument des Naturschutzes, als auch als Rahmen für die Erhebung der Ausgleichsabgabe - einen sehr zentralen Stellenwert besitzt, ist eine genauere Skizzierung hier erforderlich. Die Eingriffsregelung beruht, wie auch die Schutzgebietsausweisung, auf einem formalen Behördenverfahren, dessen Aufbau in Abb. m,27 dargestellt ist. Zuständig für die Eingriffsregelung ist die für das fachliche Genehmigungsverfahren zuständige Fachbehörde unter Beteiligung der Naturschutzbehörde, welche je nach Bundesland unterschiedlich stark eingebunden ist. 225 Die Eingriffsregelung ist in das jeweilige fachliche Genehmigungsverfahren integriert und wird daher auch nur für Vorhaben durchgeführt, für die eine behördliche Gestattung oder Anzeige erforderlich ist. 226 Sie wird bei Eingriffen im Sinne von § 8 (I) BNatschG angewandt, d. h. Veränderungen der Gestalt und Nutzung von Grundflächen, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich (d.h. intensiv) oder nachhaltig (in zeitlicher Hinsicht) beeinträchtigen können. Was unter einem Eingriff zu verstehen ist, ist in der Literatur umstritten. 227 Alle Länder haben daher zur Vereinfachung der Verwaltungspraxis sogenannte Positivlisten für Veränderungen von Grundflächen, die auf jeden Fall als Eingriff anzusehen sind, und Negativlisten für Veränderungen, die nicht als Eingriff gelten, erstellt. 228 Vermeidbare Eingriffe sollen nach § 8 (11) unterlassen werden. Das bedeutet insbesondere, daß die zuständige Behörde ermächtigt wird, Auflagen mit dem Vgl. Böhme et al. , 1993, S. 7. Vgl. Böhme et al. , 1993, S. 7. Die Regelung in § 8 BNatSchG hat einen rahmengesetzlichen Charakter, so daß den einzelnen Ländern eine Freiheit bei der Ausgestaltung bleibt. 226 Einige Länder schreiben für Eingriffe, bei denen keine behördliche Genehmigung notwendig ist, ein eigenes naturschutzrechtliches Genehmigungsverfahren vor (vgl. Stöcker, 1993, S. 26). 227 Böhme et al. , 1993, S. 14 ff. 228 Für eine umfassende Darstellung der Inhalte dieser Positiv- und Negativlisten vgl. Böhme et al. , 1993, S. 28 ff. 224
225
278
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
Maßnahme, die Gestalt oder Nutzung von Grundflächen verändert Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erheblich oder nachhaltig beeinträchtigt ?
kein Eingriff im Sinne des BNatSchG. Beeinträchtigung 1 - - - - - 1 unterlassen
Festsetzung von Ausgleichs maßnahmen durch die Naturschutzbehörde
Beeintr. nicht ausgleichbar (Behördenentsch. )
Untersagung des Eingriffs
Festsetzung von Ersatz- Festlegung einer Ausmaßnahmen oder leichSzahlung durch die zuständige Fachbehörde aufgrund von Läildergesetzen
Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an Sukopp, 1985. S. 43
Abb. m,27: Schema der Prüfung eines Vorhabens nach § 8 BNatSchG
3. Instrumente des Naturschutzes
279
Ziel festzulegen, die Schädigung der Natur durch den Eingriff möglichst gering zu halten. 229 Diese können die Festlegung eines vom Naturpotential her weniger wertvollen Standorts oder von Modifikationen bei der Projektausführung durch die Behörde umfassen. Unvermeidbare Eingriffe sollen durch Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes so ausgeglichen werden, daß keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zurückbleibt. Der Eingriff wird dann als ausgeglichen erachtet, wenn die Kompensation den Hauptfunktionen des gestörten Ökosystems entspricht. Die Ausgleichsrnaßnahmen sollen daher im geschädigten Landschaftsgebiet stattfinden. 230 Bei der Auslegung dieser Regelungen besitzt die jeweils zuständige Behörden erhebliche Interpretationsspielräume. 231 Bei nicht vermeidbaren und nicht bzw. nur teilweise ausgleichbaren Eingriffen muß die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der durchgeführten Ausgleichsrnaßnahmen weiterhin abwägen, ob die Belange des Naturschutzes vorgehen. Soweit dies der Fall ist, soll der Eingriff untersagt werden. Gemäß den praktischen Erfahrungen werden jedoch die Umweltbelange bei der Frage der Genehmigung von Eingriffen normalerweise als eher unbedeutend erachtet. 232 Ist der Eingriff nach Einschätzung der Behörde zulässig, so ermächtigt § 8 (IX) BNatschG die Länder, weitergehende Vorschriften zu erlassen. Diese Ermächtigung ist auf unterschiedliche Weise in die Ländergesetzgebung umgesetzt worden. Die zwei Ausgestaltungsalternativen beinhalten die Verpflichtung des Eingriffsverursachers zur Durchführung von Ersatzrnaßnahmen, die den Eingriff kompensieren sollen233 oder zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe, die dann zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege verwendet wird. 234 Die Eingriffsregelung setzt wie auch die Schutzgebietsausweisung nicht an bereits bestehenden, sondern an neuen Landnutzungen an. Den Eingreifern wird das Eigentumsrecht hinsichtlich einer Veränderung der Landnutzung
Vgl. Stöcker, 1993, S. 23. Stöcker, 1993, S. 24. 231 Böhme et al., 1993, S. 26. 232 Vgl. Haber et al., 1993, S. 73. 233 Bucher et al. , 1993, S.29. 234 Rechtliche Bedenken gegen die Erhebung einer Ausgleichsabgabe, die teilweise vorgebracht wurden, sind inzwischen ausgeräumt (Weihrich, S. 71 f. in Böhme et al. , 1993). 229
230
280
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
entzogen. Wenn der Eingriff genehmigt wird, besteht nach der Kompensationsregel eine Verpflichtung zum Ausgleich bzw. zur Kompensation. Hinsichtlich der Anwendung der Eingriffsregelung ergeben sich jedoch einige Kritikpunkte: - Als behördlich-administratives Verfahren ist die Eingriffsregelung von vorneherein mit hohen Verwaltungskosten verbunden und beinhaltet gleichzeitig für die betroffene Behörde keinen Anreiz zu einer kostenminimalen Ausgestaltung der einzelnen administrativen Entscheidungen. - Der Ausschluß der landwirtschaftlichen Bodennutzung aus der Eingriffsregelung stellt einen Kritikpunkt dar, der häufig vorgebracht wird. 235 Andererseits muß jedoch näher untersucht werden, ob und in welcher Form die Eingriffsregelung ein Instrument zur Lösung der durch die Beeinträchtigung der Natur in der landwirtschaftlichen Bodennutzung auftretenden Probleme darstellt. Immerhin wird diese nur bei veränderten Landnutzungen wirksam und hat daher keinen Einfluß auf bereits bestehende Nutzungen. - Ein anderer Ansatzpunkt betrifft insofern die allgemeine Kritik an Behördenentscheidungen, als unklar ist, in welcher Richtung die Behörde ihren diskretionären und gerade bei der derzeitigen Ausgestaltung erheblichen Entscheidungsspielraum nutzt. 3.5.3. Naturschutzabgaben
Einige Bundesländer erheben im Rahmen der Eingriffsregelung eine Ausgleichsabgabe. Insgesamt ist die Abgabe in den Ländergesetzen insgesamt als nachrangiges Instrument konzipiert und kann deshalb die verschiedenen denkbaren Zielvorgaben bislang kaum ausfüllen. In den letzten Jahren wurden jedoch in Hessen, auf Bundesebene und in Berlin Konzepte für die Erhebung einer Ausgleichsabgabe erstellt, die dieser eine zentralere Rolle in der Eingriffs regelung zumessen. 236 Es können drei derzeit praktizierte Formen der Ausgleichsabgabe unterschieden werden: 237
Vgl. SRU, 1994, S. 183, Siedhoff, 1995, S. 164 oder Böhme et al., 1986, S. 60. Vgl. Hessisches Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, 1992, Schemel et al., 1993 und Auhagen, 1994. 237 Vgl. Burmeister, 1988, S. 38 f. 235
236
3. Instrumente des Naturschutzes
(1)
(2) (3)
281
Subsidiäre Ausgleichsabgabe: Erhebung einer Ausgleichsabgabe, wenn Ersatz- oder Ausgleichsrnaßnahmen nicht möglich sind oder nicht vom Verursachers selbst durchgeführt werden können. Es besteht kein Wahlrecht zwischen Kompensationsmaßnahmen und der Ausgleichsabgabe (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen). Alternative Ausgleichsabgabe: Die Ausgleichsabgabe kann von der Behörde alternativ zur Ersatzmaßnahme gefordert oder geleistet werden (N ordrhein-Westfalen, Niedersachsen). "Unechte" Ausgleichsabgabe: Diese Form der Ausgleichsabgabe dient der zuständigen Behörde zur Beschaffung von Geldmitteln für Ersatzrnaßnahmen, wenn der Verursacher zu deren Durchführung nicht imstande ist (N iedersachsen, Sachsen-Anhal t, Rheinland -Pfalz).
Die Ausgleichsabgabe ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich gestaltet. 238 In Bayern ist eine Ausgleichsabgabe gesetzlich nicht vorgesehen. In den Ländern Bremen, Berlin und Niedersachsen ist die Erhebung einer Ausgleichsabgabe zwar gesetzlich vorgesehen, wird aber nicht durchgeführt. Von diesen Ländern planen jedoch Berlin und Bremen deren Einführung. In Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wird die Ausgleichsabgabe erhoben, jedoch ohne die Existenz einer Verordnung, die Höhe der Abgabe regelt. Hamburg plant die Einführung einer Verordnung. In den übrigen Ländern - also Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen - wird die Ausgleichsabgabe auf der Grundlage einer Ausgleichsabgabenverordnung erhoben, so daß eine Beurteilung im Hinblick auf die Wirksamkeit möglich ist. Während in Hessen ein ausgearbeitetes Bewertungsverfahren als Grundlage für die Festsetzung der Abgabenhöhe existiert, werden in den weitgehend identischen Regelungen der drei anderen Bundesländer nur sehr stark vereinfachte Verfahren zur Berechnung der Ausgleichsabgabe herangezogen. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland wird die Größe bzw. Ausdehnung eines Eingriffs als Bemessungsgrundlage herangezogen, die als sehr grober Anhaltspunkt für die Beeinträchtigung der Natur dient. 239 In
238 Grundlage für die folgende Diskussion ist zum einen die Darstellung in Schemel et al., 1993, S. 8 ff. und zum anderen eine eigene Umfrage bei den Umweltbehörden durch den Autor. 239 In den drei Ländern existieren Rahmensätze, innerhalb derer die Ausgleichsabgabe
282
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
dieser Ausgestaltung kann die Naturschutzabgabe als eine sehr stark vereinfachte Form der Lenkungsabgabe mit dem Zweck interpretiert werden, insgesamt die Beeinträchtigung des Naturhaushaltes zu verringern. Innerhalb der gesetzlich festgelegten Rahmensätze bemißt sich die Höhe der Ausgleichsabgabe in allen drei Ländern nach der Dauer und Schwere des Eingriffs - beispielsweise dem Zeitraum der Beeinträchtigung -, wobei im Saarland insbesondere der Biotopwert der in Anspruch genommenen Fläche als Kriterium genannt wird. In diesen Ländern können die Rahmensätze in besonderen Fällen - etwa bei Eingriffen in Naturschutzgebieten - verdoppelt werden. Zusätzlich zur Dauer und Schwere des Eingriffs wird in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Abgabe innerhalb der Rahmensätze nach Wert oder Vorteil für den Verursacher (z.B. Umsatz) und in Baden-Württemberg nach wirtschaftlicher Zumutbarkeit für den Verursacher bestimmt. Die praktische Ausgestaltung der Ausgleichsabgabe führt jedoch dazu, daß diese ihre intendierte Lenkungswirkung kaum entfalten kann: - Insbesondere die Festlegung nach der wirtschaftlichen Zumutbarkeit beeinträchtigt in erheblichem Maße die Lenkungswirkung der Abgabe. 240 - Es existieren nur grobe Rahmensätze hinsichtlich der Abgabenhöhe, so daß immer noch ein erheblicher diskretionärer Spielraum für die Umweltbehörde existiert. Für den Unternehmer ist die Abgabenhöhe ex ante unsicher. - Die Abgabesätze werden als zu gering kritisiert. 241 - Der Zusammenhang zwischen der Bemessungsgrundlage und den staatlichen Zielsetzungen ist sehr vage und es findet keine Erfolgskontrolle in Bezug auf die Wirkungsmuster statt. Das hessische Verfahren enthält sowohl Elemente einer Sozialkostenabgabe als auch des Schattenprojektansatzes. 242 Auf der Grundlage einer Klassifizierung der beeinträchtigten Biotoptypen wird der Zustand vor und nach dem
festgelegt wird. In Baden-Württemberg sind dies beispielsweise je nach Vorhabensform (1) Bei Festsetzung nach der Fläche 2.00 bis 10.00 DM/m2 (2) Bei Festsetzung nach der Entnahme 0,50 bis 1,50 DM/m2 (3) Bei Festsetzung nach den Baukosten 1 bis 5 %. 240 Vgl. Ewringmann, 1984, S. 572. 24\ Vgl. Hartje, 1994, S. 345. 242 Grundlage der Beschreibung des Verfahrens sind das Gutachten zum Biotopwertverfahren von Aicher und Leyser sowie die Richtlinien zur Bemessung der Naturschutzabgabe (Hessisches Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, 1992 und Aicherl Leyser, 1991).
3. Instrumente des Naturschutzes
283
Eingriff unter Einbeziehung der Durchführung von Ausgleichsrnaßnahmen anhand einer Punktzahl hinsichtlich des ökologischen Wertes eingeschätzt. Die Kriterien für diese Bewertungen sind aus den gesetzlichen Zielvorgaben abgeleitet. Die Biotopwertdifferenz zwischen dem Wert vor und nach dem Eingriff wird im Anschluß mit einem Rekultivierungskostenindex multipliziert, der sich nach den durchschnittlich aufzuwendenden Kosten für Ersatzrnaßnahmen bemißt, die erforderlich wären, um den Eingriff zu kompensieren. Die Höhe der Ausgleichsabgabe hängt damit von den ersparten Rekultivierungskosten ab. Gegenüber den anderen derzeit praktizierten Ausgestaltungsformen der Naturschutzabgabe ergeben sich damit einige Vorteile dieses Verfahrens: - Aufgrund des klaren Bewertungsverfahrens kann der Eingreifer die Berechnung nachvollziehen. 243 Somit ist durch die Orientierung an der Verschlechterung der Biotopqualität für den Eingreifer ein Anreizeffekt zur Vermeidung der Naturbeeinträchtigung gegeben. - Die Orientierung an den ersparten Rekultivierungskosten hat bei der Verwendung der Abgabe für Naturschutzmaßnahmen zur Folge, daß einer Verschlechterung der Naturqualität effektiv entgegengewirkt werden kann.
3.5.4. Förderung des privaten Naturschutzes: Vertragsnaturschutz und Unterstützung von Naturschutzorganisationen Grundsätzlich existieren in Gestalt der direkten Unterstützung des Naturschutzes über Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes und indirekte Finanzhilfen an Naturschutzorganisationen zwei mögliche Vorgehensweisen einer staatlichen Unterstützung privater Naturschutzaktivitäten. Im Bereich des Vertragsnaturschutzes werden Pflegernaßnahmen und naturschonende Bewirtschaftungsweisen in der Land- und Forstwirtschaft finanziert. Ein Beispiel hierfür stellen die Naturschutzprogramme in den einzelnen Bundesländern dar. In Bayern etwa wurde das Ausmaß dieser seit Anfang der 80er Jahre existierenden Programme kontinuierlich ausgeweitet. 244 Es werden jedoch einige Defizite hinsichtlich der Umsetzung beklagt, die unter anderem die geringe finanzielle Ausstattung, eine unübersichtliche Programmvielfalt und
Vgl. Hartje, 1994, S. 341. Vgl. BSLU, 1994, (Hrsg.), S. 61 f. Diese Programme umfassen einen Erschwernisausgleich für Feuchtflächen, ein Wiesenbrüterprogramm, ein Programm für Magerund Trockenstandorte, ein Acker-, Wiesen- und Uferrandstreifenprogramm, ein Landschaftspflegeprogramm, ein Pufferzonenprogramm und ein Programm für Teiche und Stillgewässer (vgl. ebd., S. 62 ff.). 243
244
284
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
unzureichende Beratung und Kontrolle der betroffenen Landwirte umfassen. 245 Die bisher laufenden Programme dieser Art betreffen hauptsächlich die landwirtschaftliche Produktion, wobei auch schon länger eine Übertragung auf die Forstwirtschaft diskutiert wird. 246 Die indirekte Unterstützung von Naturschutzmaßnahmen über Naturschutzorganisationen als "Intermediäre" bietet die Möglichkeit, die Zielvorgaben des Naturschutzes über eine flexible und wenig bürokratische Alternative zu erreichen. Der Staat kann entweder schon bestehende Naturschutzorganisationen unterstützen oder neue Organisationen in Form von Stiftungen gründen, die bestimmte Aufgaben, wie beispielsweise das Anwerben, die Pacht und Pflege von zu schützenden Flächen, übernehmen. Diese Art von Naturschutzstiftungen existiert bereits in den meisten Bundesländern. 247 Mit der in der Bundesrepublik weniger üblichen Unterstützung des privaten Naturschutzes wurden in Großbritannien, wo dieser eine weit größere Bedeutung hat, überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Die bedeutendste Organisation dieser Art ist der National Trust, der zu den größten britischen Landbesitzern gehört. Eine Besonderheit dieses National Trust ist, daß er auch besondere Eigentumsrechte an dem erworbenen Land besitzt und beispielsweise nur über Parlamentsbeschluß enteignet werden kann. 248 Gegenüber anderen staatlichen Maßnahmen des Naturschutzes besitzt diese Unterstützung privater Initiativen einige Vorteile: - Es ist keine so intensive staatliche Überwachung als im Fall der Naturschutzprogramme erforderlich, da die betreffenden Organisationen ein eigenes Interesse an einer effizienten Miuelverwendung besitzen, während etwa Landwirte eher einen Anreiz besitzen, die im Rahmen des Vertragsnaturschutzes geforderten Maßnahmen mit den geringst möglichen Kosten durchzuführen. 249 - Naturschutzorganisationen sind hinsichtlich der Miuelverwendung flexibler als eine staatliche Behörde. - Im Gegensatz zu einer administrativ gelenkten Politik wie der EG-Agrarpolitik kann die Unterstützung verschiedener Schutzorganisationen zu einer
245 246 247 248 249
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
SRU, 1996 (b), S. 91. SRU, 1996(b), S. 94. Terhardtl Wörlen, 1985. Hodge, 1995 (a), S. 103 f. Hodge, 1995 (a), S. 101.
3. Instrumente des Naturschutzes
285
Produktdifferenzierung durch die privaten "Naturschutzunternehmen" führen. Diesen Vorteile stehen jedoch wiederum Nachteile der Förderung eines privaten Naturschutzes gegenüber, die bei der Ausgestaltung von Unterstützungsmaßnahmen berücksichtigt werden sollten: - Die privaten Organisationen können eigene Ziele verfolgen und Güter anbieten, die nicht den staatlichen Ziel bereichen entsprechen. - Die Kreativität, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der privaten Naturschutzorganisationen könnten durch die staatliche Unterstützung beeinträchtigt werden. 250
3.6. Kombination der Instrumente und Umsetzung des Sustainability-Leitbildes Vor dem Hintergrund der Anwendungsbereiche und Wirkungsmuster der einzelnen Instrumente und deren derzeitigen Ausgestaltung in der Bundesrepublik können Anknüpfungspunkte für Maßnahmenkataloge des Naturschutzes herausgearbeitet werden, welche geeignet sind, die derzeit bestehenden Probleme und Ineffizienzen anzugehen. Notwendiger Ausgangspunkt dafür ist das bestehende Netz großteils konkurrierender Landnutzungen und Verfügungsrechte. Aus den verschiedenen Landnutzungsformen resultiert ein komplexes Muster positiver und negativer externer Effekte, die über die Beeinträchtigung bzw. Beeinflussung der biologischen Vielfalt und der direkt mit ihr verbundenen Nutzengrößen weit hinausgehen. Diese Nutzungen haben im unterschiedlichen Ausmaß Eigenschaften öffentlicher Güter, welche bei reiner Marktallokation bestenfalls als Nebenprodukt anfallen. 251 Diese nachfrageseitigen und teilweise konkurrierenden Nutzungsansprüche an die Fläche können insbesondere im Konzept der Naturhaushaltsfunktionen systematisch erfaßt werden. Ihnen steht auf der Anbieterseite eine nicht minder komplexe Struktur an Eigentumsrechten gegenüber, die teils private Handlungsrechte umfassen, teils jedoch auch über staatliche Regulierungsformen geregelt sind. Diese Eigentumsrechtsstruktur ist in der Bundesrepublik nach einem klaren Muster aufgebaut und so beschaffen, daß die bereits bestehenden Nutzungen im Regelfall
250 251
Vgl. SRU, 1996 (a), S. 250. Vgl. Whitby, 1990, S. 39.
286
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
durch die Eigentumsregelungen geschützt werden, während neue Nutzungsformen häufig in ihren Ansprüchen sehr stark restringiert sind. In der ursprünglichen Form des Naturschutzes bewg sich diese Beschränkung neuer Nutzungsansprüche lediglich auf Schutzgebiete. Während sich die unterschiedlichen Schutzgebietsformen in ihrer Fläche in den letzten Jahren immer weiter ausdehnten, hat die Einführung der Eingriffsregelung die bestehende Belastung neuer bzw. veränderter Nutzungen auf die gesamte Fläche erweitert, wobei diese hauptsächlich die Kompensationsregel umfaßt, nach der - sofern die zuständige Behörde einen Eingriff erlaubt - die Durchführung von Schattenprojekten zur Kompensation der Eingriffe in die Natur verlangt wird. Für die Flächennutzer hat diese Regelung in jedem Fall zur Folge, daß sich die neuen Flächennutzungen verteuern, was je nach Ausmaß und Art des Markteingriffs zur Entstehung volkswirtschaftlicher Opportunitätskosten in unterschiedlicher Höhe führt. Zur Veränderung der gegenwärtigen Nutzungsformen - vor allem in der Landwirtschaft - in Richtung auf eine größere Naturverträglichkeit wurden hauptsächlich marktkonforme Maßnahmen herangewgen. Beispielsweise wurden in den letzten Jahren Formen des Vertragsnaturschutzes, staatliche Flächenankäufe und die Unterstützung von Naturschutwrganisationen als Maßnahmen zur Beeinflussung des Marktprozesses im Rahmen des bestehenden Ordnungsrahmens eingesetzt. Diese Eingriffsstruktur hat nicht nur spezifische Verteilungseffekte sondern sie ist auch mit Wirkungen auf die Qualität der natürlichen Umwelt verbunden. Grund ist, daß, wie schon in Kapitel II,3.3. gezeigt wurde, bei positiven Transaktionskosten das Ausmaß der Naturnutzung von der Verteilung der Eigentumsrechte abhängt. Eine Eigentumsrechtsstruktur, die Landnutzungsrechte bei bestehenden Nutzungsformen aufrechterhält, führt insoweit, als diese Nutzungen die biologische Vielfalt negativ beeinträchtigen, zu einer Verschiebung des Marktoptimums in Richtung auf die Naturnutzung. Dies gilt unabhängig davon, ob durch staatliches Eingreifen in den Marktprozeß ein prinzipielles Erreichen des Marktoptimums ermöglicht wird. Eine Beurteilung dieser Entwicklungslinien vor dem Hintergrund des Sustainability-Leitbildes ist in Hinblick auf die Frage möglich, ob die derzeitige Ausgestaltungsform geeignet erscheint, den Naturkapitalstock zu bewahren und somit einer Verschlechterung des Zustands der natürlichen Umwelt entgegenzuwirken. Sowohl die Eingriffsregelung als auch die Schutzgebietsausweisung sind prinzipiell in Hinblick auf diese Zielvorgabe zu verwenden. Dies gilt insbesondere auch bei der integrierten Durchführung von Kompensationsmaßnahmen, welche einen Ausgleich bzw. Ersatz der Naturbeeinträchtigung bezwekken.
3. Instrumente des Naturschutzes
287
Die Abgabenerhebung ist für die Umsetzung des Sustainability-Gedankens im Naturschutz isoliert betrachtet nicht geeignet, da mit diesem Instrument immer ein Flächenverbrauch verbunden ist und damit eine Verschlechterung der Qualität des Naturkapitalstocks resultiert. Dem kann jedoch entgegengewirkt werden, wenn die Abgabe gemäß dem Schattenprojektansatz so ausgestaltet ist, daß die Einnahmen für Kompensationsmaßnahmen genutzt werden. Vertragsnaturschutz und privater Naturschutz verbessern den Naturzustand, so daß dem Flächenverbrauch entgegengewirkt werden kann. Eine Aussage darüber, ob die Naturnutzung insgesamt als nachhaltig gelten kann, ist letztlich jedoch nur unter Berücksichtigung der kombinierten Wirkungscharakteristika dieses Maßnahmenkatalogs zu beurteilen. Die Probleme in der praktischen Umsetzung und in Zusammenhang mit dem diskretionären Entscheidungsspielraum der zuständigen Fachbehörde schränken die Effektivität ordnungsrechtlicher Maßnahmen erheblich ein. Andererseits werden die flexibleren privatwirtschaftlichen Instrumente bislang nur in sehr geringem Ausmaß eingesetzt, so daß insgesamt gesehen wohl nur sehr eingeschränkt von einer nachhaltigen Bewahrung der natürlichen Umwelt in der Bundesrepublik gesprochen werden kann. Vor dem Hintergrund der Analyse der Eignung verschiedener Instrumente des Naturschutzes ergeben sich somit folgende Anknüpfungspunkte hinsichtlich einer Verbesserung des bestehenden Regulierungsmusters: - Bei Landnutzungsänderungen, die mit reversiblen Effekten verbunden sind, ist die Marktregulierung aufgrund der Flexibilität und dem Anreiz zu einer effizienten, kostenminimierenden Produktion behördlichen Eingriffen überlegen. Hier wäre durch die Verpflichtung zur Zahlung einer Naturschutzabgabe eine flexiblere Marktlösung wohl den diskretionären Behördenentscheidungen überlegen. - Die Entscheidung über bedeutende Eingriffe, die mit teilweise irreversiblen Eingriffen in die Natur verbunden sind, werden derzeit oftmals in der Form individueller Behördenentscheidungen getroffen. Hier kann durch eine Öffnung der Entscheidungsprozesse und die Beteiligung der Betroffenen - etwa im Rahmen von Mediationsverfahren - teilweise eine bessere Konfliktlösung ermöglicht werden. - Die Beeinflussung von Nutzungsformen über Kompensationszahlungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes würde im großen Ausmaß sicherlich aufgrund der dafür erforderlichen Mittel nicht möglich sein. Dennoch bietet dieses Instrument eine Möglichkeit, kleine Gebiete mit seltenen Arten, die eine bestimmte Form der Landbewirtschaftung benötigen, in bedeutenderem Ausmaß als bislang zu schützen.
288
Drittes Kapitel: Ausgestaltungsformen des Naturschutzes
- Die Unterstützung des privaten Naturschutzes in Gestalt von Stiftungen und die Subventionierung von Naturschutzorganisationen fördern gleichzeitig die intrinsische Motivation, sich für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu engagieren. Die Intensivierung dieser Ausgestaltungsformen des Naturschutzes kann, insoweit als die Pflege und der Schutz einzelner sehr wertvoller Biotope und Landschaftsteile zur Debatte steht, eine sinnvolle Alternative zu staatlichen Naturschutzmaßnahmen darstellen. Grenzen bezüglich dieser Art des Naturschutzes existieren dann, wenn sich die Zielsetzungen der Naturschutzorganisationen nicht mit denen des Staates decken. - Die existierende Struktur der Eigentumsrechte beeinflußt das Niveau der positiven und negativen Externalitäten von Landnutzungen. Veränderte Präferenzen gegenüber diesen externen Effekten bilden eine mögliche Grundlage für die Veränderung der Eigentumsrechte. In soweit, als diese Einschränkung der Verfügungsrechte für ungerecht erachtet wird, kann sie von Kompensationszahlungen begleitet werden. 252 Da Eigentumsrechte Institutionen mit dem Zweck darstellen, einer Verfolgung gesellschaftlicher Zielsetzungen zu dienen, besteht kein Grund, bei deren Modifikation im Rahmen der Naturschutzpolitik die neuen Nutzungsformen gegenüber den alten systematisch zu benachteiligen und die Eigentumsrechte von letzteren unabhängig davon, in welchem Ausmaß sie negative Externalitäten produzieren, langfristig unangetastet zu lassen. Daher bieten staatliche Eingriffe in die Struktur der Eigentumsrechte einen für künftige Maßnahmenkataloge zentralen Ansatzpunkt für die Naturschutzpolitik. Eine in Hinblick auf die multidimensionale staatliche Zielstruktur optimierte Ausgestaltung des Naturschutzes ist weder allein über die Marktkoordination noch nur über staatliche Eingriffe und Regulierungen zu erreichen. Sie erfordert vielmehr eine kontinuierliche Anpassung staatlicher Eingriffsmuster in den Marktprozeß und die Struktur der Eigentumsrechte in Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen und Änderungen der Präferenzen der Individuen. Diese Flexibilität der Anpassungsreaktionen ist sinnvoll, um zu verhindern, daß eine zu starke Regulierung des Marktes an einigen Stellen zu sehr hohen Opportunitätskosten führt, während veränderte Landnutzungen in wiederum anderen Bereichen eine irreversible Naturzerstörung zur Folge haben oder unerwünschte Verteilungseffekte aus der gegebenen Struktur der Eigentumsrechte resultieren. Gerade die staatlichen Eingriffe in die Struktur der Verfügungsrechte, welche den Handlungsrahmen der Wirtschaftssubjekte beschränkt, stellen eine zielgenaue, wenn auch mit teilweise hohen Opportunitätskosten verbundene Form der Regulierung dar. Eine flexiblere, in weiten Bereichen anwendbare
252
Vgl. Bromley, 1991, S. 200.
3. Instrumente des Naturschutzes
289
Form staatlicher Regulierungsmaßnahmen, die insbesondere bei Nutzungsänderungen sehr wirksam sein kann und mit einer ökonomischen SustainabilitySichtweise konform ist, stellt die Verpflichtung zu Kompensationsmaßnahmen auf der Grundlage des Schattenprojektansatzes dar. Die Opportunitätskosten dieses Instruments werden durch das Ausmaß an Substituierbarkeit bestimmt, das zwischen verschiedenen Elementen des Naturkapitalstocks zugelassen wird. Dieses wiederum variiert mit der weltanschaulichen Grundhaltung, die einer konzeptionellen Ausgestaltung des Naturschutzes zugrundeliegt. Wie jedoch gerade das Beispiel Großbritanniens zeigt, könnte durch eine Stärkung der Marktkoordination gegenüber staatlichem Eingreifen zur Verhinderung von Landnutzungsänderungen wohl eine Verbesserung des Naturzustandes mit relativ geringen Kosten erreicht werden.
19 Rothgang
Viertes Kapitel
Ordnungspolitische Charakterisierung unterschiedlicher Herangehensweisen an die Naturschutzproblematik Die ordnungspolitische Beurteilung der Vielfalt verschiedener Herangehensweisen an die Sustainability-Problematik vor dem Hintergrund der Grundsätze einer Wirtschaftsordnungspolitik erfordert zunächst deren Einordnung anband zentraler Charakterisierungskriterien. Die Aufgabe beinhaltet an dieser Stelle jedoch keine allgemeine, sowohl ökologische, ökonomische und soziale Aspekte umfassende Skizzierung des Sustainability-Leitbildes, sondern in Hinblick auf die ThemensteIlung der Arbeit vielmehr eine Konkretisierung hinsichtlich der Fragen des Naturschutzes, welche insbesondere die Berücksichtigung von primär ökonomischen und ökologischen Aspekten verlangt. Voraussetzung einer Ableitung naturschutzpolitischer Konzeptionen bildet die Ausfüllung der Leerformel einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung. Dem wirtschaftsliberalem Paradigma der Neoklassik stellt hier die Ökologische Ökonomie die Vorstellung von biologischer Vielfalt als zentralem Darstellungsmerkmal, welches den gesellschaftlichen Wert der Natur umschreibt und bedingt, gegenüber. Eine weitere, ökologisch geprägte Vorstellung, die sich in diesem Zusammenhang entwickelte, wird mit einer Begrenzung ökonomischer Aktivität durch ökologische Restriktionen umschrieben. Diese Restriktionen nehmen jedoch nur in den seltensten Fällen die Form absoluter, unumstößlicher Grenzziehungen ein. Vielmehr besteht das Neue in der Sichtweise der Ökologischen Ökonomie in der Betonung des systemischen Eingebundenseins ökonomischer Wirtschaftsprozesse in ökologische Kreisläufe, folglich also einem Hinzufügen einer ökologischen Dimension zu der umweltökonomischen Vorstellungswelt. Damit einher geht weiterhin eine Relativierung traditioneller ökonomischer Erklärungsmuster hinsichtlich der Begründung von Marktregulierungen. Als Essenz der angestellten Überlegungen zu den verschiedenen Sichtweisen der Naturschutzproblematik resultiert kein generelles Paradigma, sondern es existieren mehrere klar gegeneinander abgrenzbare konzeptionelle Muster nebeneinander, welche in Hinblick auf ihre Eigenschaften konkretisiert werden können. Diese umfassen zuvorderst die Wahl von Mechanismen zur Hand-
Viertes Kapitel: Ordnungspolitische Charakterisierung
291
lungskoordination zwischen Marktsteuerung und staatlicher Planung. Eine weitergehende Festlegung des Sustainability-Leitbildes führt zur Ableitung naturschutzpolitischer Ziel bereiche hinsichtlich der Prinzipien staatlicher Eingriffe. Deren Operationalisierung erfolgt in Form konkreter Umweltindikatoren als Handlungsgrundlage für regulierende Maßnahmen des Naturschutzes, welche je nach Ausprägung des Sustainability-Gedankens unterschiedlich stark in den Marktprozeß eingreifen. Die Dichotomie zwischen Schutz und Nutzung der Natur korrespondiert zu den verschiedenen in Tabelle IV,l dargestellten Sustainability-Sichtweisen. Während No Sustainability und Very Weak Sustainability noch primär den Nutzungsgesichtspunkt in das Blickfeld rücken und daher tendenziell auf ökonomischen Ordnungskonzepten aufbauen, beruhen Weak und Strong Sustainability weiterhin auch auf ökologischen Ordnungsvorstellungen und heben daher in erster Linie den Schutzaspekt hervor. Diese Ausprägungsformen vertrauen in unterschiedlichem Ausmaß auf den Marktmechanismus als zentralem Koordinationsmechanismus im Gegensatz zu staatlichen Eingriffen in den Markt. In Abgrenzung zu der traditionellen ökonomischen Sichtweise, welche Naturschutz rein als private Aufgabe ansieht, I beruht die Very Weak Sustainability-Position auf der von Pigou begründeten ökonomischen Tradition, die staatliches Eingreifen zur Internalisierung externer Effekte von Marktaktivitäten empfiehlt. 2 Naturschutz wird an den Stellen des Wirtschaftssystems betrieben, wo er in den geringsten Opportunitätskosten resultiert, so daß eine räumliche Trennung von Schutz und Nutzung erfolgt. Diesem wirtschaftsliberalen Ansatz entspricht auch die traditionelle ökologische Sichtweise, die Naturschutz getrennt von wirtschaftlichen Aktivitäten in vor menschlichen Aktivitäten möglichst zu schonenden Schutzgebieten anstrebt. Der zentrale Unterschied zu den Weak- bzw. Strong Sustainability-Ansätzen besteht darin, daß letztere n ••• von biotischen, abiotischen und sozioökonomischen Landschaftsstrukturen aus[gehenJ, die in der Landschaft nicht beliebig austauschbar sind, sondern sich koevolutiv entwickelt haben und miteinander in Beziehung stehen. n3 Aus diesem Vernetzungsdenken resultiert auch, daß das Problem der Naturzerstörung als eine Frage der Begrenzung ökonomischer
Vgl. Friedman, 1962, S. 31. Vgl. Pigou, 1920. 3 Ganzert, 1994. Dieser trifft eine Unterscheidung zwischen einem wirtschaftsliberalen und einem kulturlandschaftlichen Ansatz. I
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Markt als zentraler Koordinationsmechanismus; staatliche Beseitigung von Marktunvollkommenheiten
Begrenzung der Marktkoordination durch gesellschaftlieh determinierte Standards
Ablehnung der Marktkoordination; Staatliche Verfügungsrechte an der Natur
Weak Sustainability
Strong! Very Strong Sustainability
Marktmechanismus funktioniert
Rolle des Marktprozesses
Very Weak Sustainability
No Sustainability
Versionen von Sustainability
Ökologische! ökonomische Informationen als gemeinsame Entscheidungsgrundlage
Ablehnung monetärer Bewertungen; ökologisehe Informationen als alleinige Entscheidungsgrundlage
Effiziente Naturnutzung, jedoch Berücksichtigung öko log ischer Zusammenhänge; Rolle ethischer! intergenerationaler Aspekte; risikoavers Schwerpunkt auf ethisehen Begründungen und intergenerationalen Aspekten; sehr risikoavers
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Monetarisierte Daten als Entscheidungsgrundlage; ökologische Informationen als Voraussetzung für die Bewertung
Keine Informationserfordernisse
Inforrnationserfordernisse
Effiziente Naturnutzung als Grundlage; risikoneutrale Einstellung hinsichtlich der Naturzerstörung
Naturschutz als private Aufgabe
Konkretisierung des Leitbildes
Bevorzugung ordnungsrechtlicher Instrumente (Verbote; Schutzgebietsausweisungen)
Beschränkung der Marktkoordination auf abgegrenzte Bereiche
Abgaben; dezentrale, private Verhandlungen; Sicherung privater Eigentumsrechte
Keine staatlichen Markteingriffe
Regulierungssystern
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