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German Pages 434 [448] Year 1999
Thomas Brockmeier
Wettbewerb und Unternehmertum in der Systemtransformation: Das Problem des institutionellen Interregnums im Prozeß des Wandels von Wirtschaftssystemen
Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft
Herausgegeben von Prof. Dr. Gernot Gutmann, Köln Dr. Hannelore Hamel, Marburg Prof. Dr. Klemens Pleyer, Köln Prof. Dr. Alfred Schüller, Marburg Prof. Dr. H. Jörg Thieme, Düsseldorf
Unter Mitwirkung von Prof. Prof. Prof. Prof.
Dr. Dr. Dr. Dr.
Dieter Cassel, Duisburg Karl Hans Hartwig, Münster Hans-Günter Krüsselberg, Marburg Ulrich Wagner, Pforzheim
Redaktion: Dr. Hannelore Hamel Band 59:
Wettbewerb und Unternehmertum in der Systemtransformation: Das Problem des institutionellen Interregnums im Prozeß des Wandels von Wirtschaftssystemen
Lucius & Lucius · Stuttgart • 1998
Wettbewerb und Unternehmertum in der Systemtransformation: Das Problem des institutionellen Interregnums im Prozeß des Wandels von Wirtschaftssystemen
Thomas Brockmeier
Lucius & Lucius · Stuttgart · 1998
Anschrift des Autors: Dr. Thomas Brockmeier Institut für Genossenschaftswesen an der Philipps-Universität Marburg Am Plan 2 D-35032 Marburg
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Brockmeier, Thomas: Wettbewerb und Unternehmertum in der Systemtransformation / Thomas Brockmeier. Stuttgart : Lucius und Lucius 1998 (Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft; Bd. 59) Zugl.: Marburg, Univ. Diss. 1997 ISBN 3-8282-0097-4 NE: Brockmeier, Thomas; GT
© Lucius & Lucius Verlags-GmbH · Stuttgart · 1998 Gerokstraße 51 · D-70184 Stuttgart Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Einband: ROSCH-BUCH Druckerei GmbH, 96110 Scheßlitz Printed in Germany
ISBN ISSN
3-8282-0097-4 1432-9220
Inhalt
·V •
Inhalt:
Vorwort
1
KAPITEL 1: PROBLEMSTELLUNG UND GANG DER UNTERSUCHUNG
7
1. Grundsätzliche Anmerkungen
7
2. Systemtransformation und „institutionelles Interregnum"
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3. Methodik und Aufbau der Arbeit
15
4. Das (Schein-)Problem der „Empirielosigkeit"
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KAPITEL 2: ÖKONOMISCHE TRANSFORMATIONSFORSCHUNG: DARSTELLUNG UND KRITIK 1. Grundsätzliche Anmerkungen zum Transformationsproblem
23 23
1.1. Terminologische Grundlagen 1.1.1. Wirtschaftssystem und Wirtschaftsordnung 1.1.2. Transformation und Reform
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1.2. Theoretische Grundlagen 1.2.1. Der Ausgangspunkt: Gibt es ein allgemeines Theoriedefizit? 1.2.2. Das Problem: Die Komplexität des Transformationsphänomens 1.2.2.1. Das „Dilemma der Gleichzeitigkeit" von politischer und wirtschaftlicher Transformation 1.2.2.2. Zur Notwendigkeit einer interdisziplinären Transformationstheorie 1.2.2.3. Bausteine einer ökonomischen Theorie der Transformation 1.2.2.4. Empirischer Exkurs/historischer Rückblick: Der Zusammenbruch der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften 1.2.2.4.1. Die systemimmanenten Schwächen der Zentralverwaltungswirtschaft 1.2.2.4.2. Wirtschaftsreformen im realen Sozialismus 1.2.2.4.3. Das Scheitern der Reform und der Zwang zur Transformation 1.2.3. Der Lösungsansatz: Transformationstheorie als eine „Theorie komplexer Phänomene"
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VI
Inhalt
2. Entwicklung, aktueller Stand und Defizite der traditionellen ökonomischen Transformationsforschung 2.1. Die überholte Strategiedebatte „Schocktherapie versus Gradualismus" 2.1.1. Inhalt und Gegenstand der Debatte 2.1.2. Kritische Würdigung der Debatte aus erkenntnis- bzw. wissenschaftstheoretischer Perspektive: Fruchtbare Auseinandersetzung oder bloße „Spiegelfechterei"? 2.1.3. Die Anschlußdebatte über „Timing and Sequencing" 2.1.4. Abschließende Beurteilung: Systemtransformation und die „Anmaßung von Wissen" 2.2. Transformation versus Evolution: Das Dilemma zwischen gewünschter Gestaltbarkeit und prinzipieller Offenheit des Transformationsprozesses und die Sehnsucht der Politik nach einer normativen Transformationstheorie 2.3. Defizite des neoklassisch-monetaristischen „Main Streams": Illusion eines mikroökonomischen Anpassungsautomatismus und Vernachlässigung des Interdependenzproblems 2.3.1. Defizite im Bereich „Unternehmertum, Innovation, wirtschaftliche Entwicklung" oder: Der mikroökonomische Attentismus der traditionellen Transformationsforschung 2.3.2. Defizite im Bereich „Ordnungstheorie und - politik" oder: Die Vernachlässigung des Interdependenzproblems 3. Die Alternative: Entwurf einer „synthetischen" Transformationstheorie
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64 72 77
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85 90 93
3.1. Grundlagen einer unternehmerischen Perspektive
93
3.2. Zur ordnungspolitischen Perspektive im Transformationsprozeß
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KAPITEL 3: INSTITUTIONEN, WETTBEWERB UND UNTERNEHMERTUM: DAS INSTITUTIONELLE INTERREGNUM UND DIE UNTERNEHMERISCHE PERSPEKTIVE IM TRANSFORMATIONSPROZEß
105
Vorbemerkung
105
1. Institutionen und Wettbewerb: Rahmen und Bindeglied für die Verknüpfung von unternehmerischer und ordnungstheoretischer Perspektive
110
1.1. Das Grundproblem: Die Entdeckung „kluger Produktionsumwege"
110
1.2. Wettbewerbstheoretische Grundlagen 1.2.1. Wettbewerbstheorie versus Preistheorie 1.2.2. Einige wettbewerbstheoretische Ansätze im Überblick
116 116 117
Inhalt
VII
1.3. Grundlagen einer Theorie des Unternehmertums: Unternehmertypen und die Determinanten unternehmerischen Verhaltens - ein erster Überblick
124
1.4. Institutionelle Voraussetzungen von Wettbewerb und Unternehmertum 1.4.1. Institutionen und institutioneller Wandel 1.4.1.1. Grundsätzliche Anmerkungen 1.4.1.2. Idealtypus 1 : Gewachsene bzw. „spontane" Ordnung nach von Hayek 1.4.1.3. Idealtypus 2: Gesetzte Ordnung nach Eucken 1.4.1.4. Grundlage eines Realtypus: Das Amalgam aus formellen und informellen Institutionen 1.4.2. Institutionen und institutionelles Interregnum: Zur Pfadabhängigkeit des institutionellen Wandels 1.4.2.1. Grundsätzliche Anmerkungen 1.4.2.2. Die theoretische Basis: Pfadabhängigkeit und technologischer Wandel 1.4.2.3. Die Anwendung: Pfadabhängigkeit und institutioneller Wandel als Problem der Systemtransformation
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1.5. Zwischenergebnis und Ausblick
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2. Unternehmertum und Systemtransformation 2.1. Innovatives Unternehmertum: Der schöpferische Unternehmer nach Joseph A. Schumpeter 2.1.1. Der Zusammenhang von Unternehmertum, Innovation und wirtschaftlicher Entwicklung 2.1.1.1. Innovation und wirtschaftliche Entwicklung 2.1.1.2. Innovationswettbewerb als „schöpferische Zerstörung" 2.1.1.3. Funktionaler Unternehmerbegriff und die Motive des „schöpferischen Unternehmers" 2.1.2. Determinanten innovativen (Unternehmer-)Verhaltens: Das „FilterModell" nach J.Röpke 2.1.2.1. Der Filter „Dürfen": Innovationsfreundliche Handlungsrechte (Property Rights) 2.1.2.2. Der Filter „Können": Kognitive und motivationale Kompetenzen als innovationsrelevante Fähigkeiten 2.1.2.3. Der Filter „Wollen": Mittelschwere Aufgaben als innovationsaktivierende Umweltherausforderungen 2.1.3. Schöpferisches Unternehmertum und Systemtransformation im Lichte des Filtermodells 2.1.3.1. Innovationsfreundliche Handlungsrechte und Transformation 2.1.3.2. Innovationsrelevante Fähigkeiten und Transformation 2.1.3.3. Innovationsaktivierende Umweltherausforderungen und Transformation
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Vili
Inhalt
2.2. Arbitrage-Unternehmertum: Der findige Unternehmer nach Israel Kirzner 2.2.1. Grundsätzliche Anmerkungen 2.2.2. Wettbewerb und Unternehmertum als „Einheit" 2.2.2.1. Der „findige" Unternehmer als treibende Kraft des Marktprozesses 2.2.2.2. Marktwissen, Markttest, Wettbewerb: Der Marktprozeß als Lernprozeß 2.2.3. Kirzners und Schumpeters Unternehmer- und Wettbewerbsverständnis sowie das Zusammenspiel verschiedener Antriebskräfte im Vergleich 2.2.3.1. Zum Verhältnis von Arbitrage und Innovation 2.2.3.2. „Überschüsse" und Realkapitalbildung: Zur Bedeutung der Akkumulation 2.2.3.3. Das Zusammenwirken von Arbitrage, Akkumulation und Innovation 2.3. Unternehmertum und Einzelmarktbetrachtung: Unternehmertypologie und Marktphasenschema nach Ernst Heuß 2.3.1. Grundsätzliche Anmerkungen 2.3.1.1. Zur Integration der Figur des Unternehmers in den Markt(prozeß) 2.3.1.2. Die Marktphasentheorie im Überblick 2.3.2. Der (spontan) imitierende und der (unter Druck) reagierende Unternehmer als „Vehikel" von Arbitrage und Akkumulation 2.4. Routine-Unternehmertum: Zum Unternehmerverständnis der Neoklassik 2.4.1. Grundsätzliche Anmerkungen: Die „naive" Variante des neoklassischen Unternehmerbegriffs 2.4.2. Das Modell von Theodore W. Schultz: Die „aufgeklärte" Variante des Routine-Unternehmers 2.5. Zusammenfassende Gesamtbetrachtung: „Nicht-schöpferisches" Unternehmertum und Systemtransformation im Lichte des Filtermodells
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Inhalt
IX
KAPITEL 4: ZUM PRIMAT DER ORDNUNGSPOLITIK IM TRANSFORMATIONSPROZEß: DIE ORDNUNGSPOLITISCHE PERSPEKTIVE FÜR DIE LÖSUNG DES INTERDEPENDENZ-PROBLEMS
271
Vorbemerkung: Systemtransformation als Kampf um formale und materielle Freiheit
271
1. Liberalisierung
276
1.1. Liberalisierung im weitesten Sinne: Schaffung einer „Offenen Gesellschaft freier Menschen" 1.1.1. Das Ziel einer neuen Gesellschaftsordnung 1.1.2. Zur Bedeutung abstrakter Regeln für die Schaffung und Sicherung von Freiheit 1.1.3. Organisationen, konkrete Regeln und die Vernichtung von Freiheit 1.2. Liberalisierung im engeren Sinne: Schaffung einer Marktordnung 1.2.1. Wohlstand durch „laissez faire"?! 1.2.2. Euckens Konzept der Wettbewerbsordnung - die konstituierenden Prinzipien „funktionsfähiger Preismechanismus" und „Offenheit der Märkte" als theoretische Basis 1.2.3. Liberalisierung als Transformationsaufgabe: Zur Anwendung der Prinzipien „freie Preisbildung" und „Öffnung der Märkte" im Rahmen der Transformation 1.2.3.1. Grundsätzliche Anmerkungen 1.2.3.2. Der Zusammenhang von binnen- und außenwirtschaftlicher Liberalisierung: Zum Verhältnis von Transformation und Integration 1.2.3.3. Außenwirtschaftliche Liberalisierung im engeren Sinne 1.2.3.3.1. Handelspolitische Liberalisierung 1.2.3.3.2. Währungspolitische Liberalisierung
2. Stabilisierung 2.1. Stabilisierung im weitesten Sinne: Schaffung von „Systemvertrauen" 2.1.1. Das Ziel: Stabilisierung der Erwartungen 2.1.2. Das (konstituierende) Prinzip: Konstanz der Wirtschaftspolitik 2.2. Stabilisierung im engeren Sinne: Makroökonomische (monetäre) Stabilisierung 2.2.1. Das Grundproblem der monetären Stabilisierung: Zum „Primat der Währungspolitik" 2.2.2. Exkurs: Geld ohne Freiheit in Zentralverwaltungswirtschaften
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310 310 310 314 316 317 318
χ
Inhalt
2.2.3. Abbau des Geldüberhangs: Bestandsgrößenstabilisierung zu Beginn der Transformation 2.2.4. Schaffung eines zweistufigen Bankensystems und Stromgrößenstabilisierung durch eine stabilitätsorientierte Geldpolitik 2.2.4.1. Unabhängigkeit der Zentralbank 2.2.4.2. Geschäftsbanken als Universalbanken 2.2.5. Schaffung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes 2.2.6. Stabilitätsorientierte Fiskalpolitik: Budgetdisziplin als Grundsatz 3. Privatisierung
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3.1. Privatisierung im weitesten Sinne: Schaffung einer Privatrechtsordnung ... 339 3.1.1. Grundsätzliches zu Begriff und Inhalt der Privatrechtsordnung 339 3.1.2. Theoretische Basis: Die Elemente einer Privatrechtsordnung 340 3.1.2.1. Verfassung 340 3.1.2.2. Das konstituierende Prinzip „Privateigentum" 341 3.1.2.3. Das konstituierende Prinzip „Vertragsfreiheit" 344 3.1.2.4. Das konstituierende Prinzip „Haftung" 344 3.2. Privatisierung im engeren Sinne: Schaffung eines leistungsfähigen Privatsektors 3.2.1. Privatisierung als Entstaatlichung „von oben" 3.2.1.1. Grundsätzliche Anmerkungen 3.2.1.2. Konzepte und Verfahren der Privatisierung „von oben" 3.2.1.2.1. Privatisierung über den Kapitalmarkt 3.2.1.2.2. Privatisierung durch Direktverkauf („Treuhand-Modell") 3.2.1.2.3. Privatisierung über Ausgabe von Vouchers/Coupons 3.2.2. Entflechtung als unverzichtbares Privatisierungskomplement: Das regulierende Prinzip „Monopolbekämpfung" und seine Anwendung im Transformationsprozeß 3.2.3. Privatisierung „von unten" durch Neugründung: „Grass-rootsPrivatization" 3.2.3.1. Grundsätzliche Anmerkungen 3.2.3.2. Zu den Grundvoraussetzungen von Unternehmensgründungen 4. Interdependent und die "Zusammengehörigkeit" der konstituierenden Prinzipien
LITERATURVERZEICHNIS
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Vorwort Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis einer „Metamorphose", in deren Verlauf sich die ursprüngliche gewählte Fragestellung nicht unwesentlich gewandelt hat: Im Jahre 1993 begann ich meine Dissertation zum Rahmenthema „Systemtransformation" in der Absicht, einen systematischen Vergleich der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zweier „Transformationsländer" vorzunehmen: Als Gegenstand dieses Vergleichs hatte ich die sog. neuen Bundesländer auf der einen und Rußland auf der anderen Seite gewählt. Ursprünglich war ich der Ansicht, ein ergiebiges Forschungsfeld betreten zu haben, standen doch zwei Länder im Mittelpunkt, die in ihren transformationspolitischen Ausgangsbedingungen unterschiedlicher nicht hätten sein können. Sie stellten gleichsam die beiden Extrema bzw. Pole eines Kontinuums ordnungspolitischer (Instabilität dar. Durch die genaue Analyse und einen systematischen Vergleich dieser so unterschiedlichen Transformationsländer hoffte ich, eine Art ordnungstheoretischen Gesamtrahmen erstellen zu können, der dann eine hinreichende Fülle entsprechender Kriterien enthalten sollte, um auch für Analysen und Vergleiche anderer Transformationsländer Mittel- und Osteuropas nutzbar zu sein. Nach mehreren Forschungsaufenthalten in Rußland (und auch in Polen) in den Jahren 1993 und 1994 kam ich jedoch zu der Überzeugung, daß die Schaffung eines stabilen ordnungstheoretischen bzw. -politischen Rahmens allein - ungeachtet seiner unbestrittenen grundsätzlichen Bedeutung, ja Unverzichtbarkeit - noch keine hinreichende Voraussetzung für das Gelingen der Transformation des konkreten Wirtschaftssystems eines bestimmten Landes darstellt. An dieser Stelle ließe sich nun einwenden, daß diese Erkenntnis allein schon vor dem Hintergrund der in der ökonomischen Transformationsforschung damals schon - und im Grunde auch weitgehend heute noch - üblichen (um nicht zu sagen dominierenden) Dreiteilung der Transformationsaufgabe in die Teilaufgaben „Erneuerung der institutionellen Infrastruktur", „makroökonomische (monetäre) Stabilisierung" und „mikroökonomische (realwirtschaftliche) Anpassung" doch wohl keineswegs so überraschend (gewesen) sein könne. Dem kann zwar grundsätzlich zugestimmt werden, gleichwohl bezog bzw. bezieht sich obige Anmerkung zur Bedeutung des ordnungspolitischen Rahmens nicht etwa auf dessen notwendige „Ergänzung" durch die beiden anderen o.g. Teilaufgaben der Transformation, sondern vielmehr darauf, daß sich die Erneuerung der institutionellen Infrastruktur immer nur auf die formellen Institutionen - wie etwa das Rechtssystem (geschriebenes Recht: Verfassung, Gesetze, Verordnungen etc.) -, nicht aber auf informelle Institutionen (Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche etc.) beziehen kann. Gerade letztere sind jedoch von großer Bedeutung fur das konkrete Verhalten der Menschen, wirken sie doch auch dann noch verhaltensprägend, wenn die formellen Institutionen bereits verändert worden sind. In diesem Zusammenhang kommt dem unternehmerischen Verhalten besondere Bedeutung zu, wird doch eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den postsozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas schwerlich in Gang kommen, wenn es nicht gelingt, privatwirtschaftliches Unternehmertum zu mobilisieren, das schöpferisch-innovativ tätig wird. Der Zusammenhang zwischen Unternehmertum, Innovation und wirtschaftlicher Entwicklung wurde bereits von Joseph A. Schumpeter zu Anfang dieses
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Vorwort
Jahrhunderts deutlich herausgestellt. Um so erstaunlicher und bedauernswerter ist es deshalb, daß der weitaus größte Teil der ökonomischen Transformationsliteratur die Bedeutung des Themenkreises „Unternehmertum und Innovation" für die Systemtransformation nahezu vollständig vernachlässigt hat. Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, die o.g. Defizite der ökonomischen Transformationsliteratur zu verringern. Beabsichtigt ist, sich dem Transformationsproblem zunächst aus mikroökonomischer Perspektive zu nähern, ohne freilich die Bedeutung eines stabilen ordnungspolitischen Rahmens aus den Augen zu verlieren. Damit wird denn auch deutlich, worin die eingangs erwähnte Veränderung bzw. Wandlung der ursprünglich gewählten Fragestellung besteht: Sollte es anfangs („lediglich") um einen systematischen Vergleich der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zweier Transformationsländer gehen, so entschied ich mich dann dazu, den Versuch einer grundsätzlichen, kritischen Auseinandersetzung mit der wirtschaftswissenschaftlichen Transformationsliteratur zu unternehmen. Das Abrücken vom ursprünglichen Vorhaben des Vergleichs lag darin begründet, daß sich ein solcher Vergleich wegen der jeweiligen Besonderheiten der gewählten Länder schon recht bald als wenig fruchtbar erwies - sowohl der ostdeutsche als auch der russische Fall können als „extreme Sonderfälle" der Transformation angesehen werden. Im Laufe der dann anstelle des Vergleichs vorgenommenen grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Transformationsliteratur zeigte sich einerseits, daß der ordnungstheoretische Ansatz zwar durchaus ein „wohltuendes Gegengewicht" zu jenen Beiträgen darstellte, die insbesondere die frühe (vor allem angelsächsische) Transformationsliteratur dominierten und die vornehmlich auf die - sicherlich ebenfalls unverzichtbare - makroökonomische Stabilisierung ausgerichtet waren. Andererseits jedoch wurde deutlich, daß die Reichweite des für die Teilaufgabe der Erneuerung der institutionellen Infrastruktur herangezogenen ordnungstheoretischen Ansatzes weitgehend auf die formellen Institutionen beschränkt ist. Mithin schien es angezeigt, noch andere theoretische Instrumente einzusetzen, die es - zumindest ansatzweise - ermöglichen sollten, den im weitesten Sinne kulturellen Besonderheiten verschiedener Transformationsländer Rechnung zu tragen. Dieser vermittels „institutionenökonomischer Werkzeuge" unternommene Versuch wiederum ging gleichsam Hand in Hand mit dem Bemühen, eine Theorie des Unternehmertums für das Problem der Systemtransformation nutzbar zu machen. Die hiermit vorgelegte Schrift hat also letztlich weniger den Charakter einer reinen Transformationsarbeit. Aus dem ursprünglich beabsichtigten Vergleich zweier konkreter Transformationsfalle ist also letztlich eine Untersuchung über grundlegende Aspekte und Zusammenhänge der (institutionellen) Voraussetzungen, des Ablaufs und der Wirkungen von Markt- und Wettbewerbsprozessen bzw. der diese antreibenden unternehmerischen Kräfte sowie der Versuch entstanden, die Ergebnisse dieser im Grunde allgemeinen Untersuchung für das Problem der Systemtransformation nutzbar zu machen, sie gleichsam „transformationsspezifisch" zu deuten. Ohne der eigentlichen Untersuchung bzw. ihrem Ergebnis vorgreifen zu wollen, kann bereits an dieser Stelle folgendes zunächst Verblüffende und später - bei näherem Hinsehen - gleichsam „Selbstverständliche" festgestellt werden: Beim Bemühen, Einblick in die Ursachen der Probleme des vielschichtigen und komplexen Transformationspro-
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Thomas Brockmeier
zesses zu gewinnen, läßt sich Schritt für Schritt zu Erkenntnissen gelangen, die keinesfalls neu oder originell sind. So wurde die ursprünglich auf ein hochaktuelles Phänomen (allgemein: Systemtransformation; speziell: Vergleich zweier Transformationsländer bzw. -fälle) beschränkte Untersuchung gleichsam zu einer „archäologischen Exkursion" durch die ökonomische Theoriegeschichte, wobei „Ausgrabungen" an Stellen nötig wurden, die man zunächst für längst „abgegrast" halten könnte. Dennoch bin ich rückblickend der Überzeugung, daß sich die mitunter beschwerliche Reise gelohnt hat, legen doch manche der zutagegeförderten „Funde" beredtes Zeugnis davon ab, daß die Grundlagen menschlicher Freiheit und materiellen Wohlergehens vor „Verschüttung" bewahrt werden, mithin stets aufs Neue „freigelegt" werden müssen, wenn man nicht in Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit erstarren will. So ist denn auch der Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaften in den vormals sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas für die Anhänger und Befürworter marktwirtschaftlicher Ordnungen beileibe kein Anlaß, sich bequem oder gar selbstgefällig zurückzulehnen und etwa einen „historischen Sieg" zu feiern, im Gegenteil: Die Ursachen dieses Zusammenbruchs sowie einige der Ursachen des mancherorts nur sehr schleppend voranschreitenden Transformationsprozesses sollten uns „etablierten Marktwirtschaftlern" ein willkommener bzw. mahnender Anlaß sein, vor der eigenen Türe zu kehren, steht doch zu vermuten, daß die mehrere Jahrzehnte anhaltenden Steigerungen materiellen Wohlstands in Westeuropa und Nordamerika manchen, die glauben, es hier mit einer Art „WohlstandsAutomatismus" zu tun zu haben, offenbar den Blick für die Voraussetzungen der Entstehung und Erhaltung dieses Wohlstands verklärt haben. So kann es nicht schaden, sich die Zusammenhänge von Wettbewerb und Unternehmertum - mithin den Ablauf und die Funktionsweise von Marktprozessen - sowie deren ordnungspolitische Voraussetzungen im engeren wie auch deren institutionelle Voraussetzungen im weitesten Sinne immer wieder vor Augen zu fuhren, um so den o.g. Blick stets aufs Neue zu schärfen. In diesem Sinne ließe sich die hiermit vorgelegte Arbeit unter folgendes Motto stellen: „Alles Gescheite mag schon siebenmal gedacht worden sein. Aber wenn es wieder gedacht wurde, in anderer Zeit und anderer Lage, war es nicht mehr dasselbe." (Ernst Bloch)
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Vorwort
Keine Forschungsarbeit entsteht „im Alleingang", schon gar nicht kann sie ohne die Unterstützung kooperations- und hilfsbereiter Menschen abgeschlossen werden. Das Geringste, das ein Autor tun kann, - und zugleich seine angenehmste Aufgabe - besteht darin, diesen Personen Dank zu sagen. Zunächst danke ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Ulrich Fehl, insbesondere für die Geduld, mit der er nicht nur die keineswegs unwesentlichen Veränderungen der ursprünglichen Themenstellung der Arbeit mitgetragen, sondern auch die Endphase ihrer Fertigstellung begleitet und ertragen hat. Herrn Prof. Dr. Alfred Schüller danke ich für die spontane Bereitschaft zur Übernahme des Zweitgutachtens. Ferner sei ihm und Frau Dr. Hannelore Hamel sowie den anderen Herausgebern für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe gedankt. Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. Jochen Röpke für seine Diskussionsbereitschaft sowie für manchen Hinweis und manche Einsicht.
Dann möchte ich einigen Menschen danken, die - jede und jeder auf ganz besondere, individuelle Weise - zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben: Mein besonderer Dank gilt Dr. Ralf L. Weber, der sich in vielen langen Diskussionen nicht nur als bewundernswerter und oft im besten Wortsinne „vorbildlicher" Sparringspartner in Transformationsfragen, sondern darüber hinaus auch als ein wirklicher Freund erwiesen hat, der mir - buchstäblich zu jeder Tages- und Nachtzeit - mit Rat und Tat zur Seite stand. Es war nicht zuletzt seine stete Hilfs- und Diskussionsbereitschaft, die mir jenes Gefühl von „Sicherheit" vermittelte, ohne das insbesondere die Endphase der Anfertigung einer Dissertation nur schwer zu überstehen ist. Danken möchte ich auch Herrn Dr. Helmut Leipold, der mir spontan einen damals noch unveröffentlichten Artikel überließ, dessen Inhalt - wie sich dann zeigen sollte - einen nicht unerheblichen Einfluß auf den Fortgang der Arbeit nahm. Ein besonderes Dankeschön gebührt Dr. Marina Etti für ihre große Hilfe und ihre konstruktiven Vorschläge bei der formalen Korrektur: Ihre bewundernswerte Ausdauer und Akribie bei der Fehlersuche hat die Arbeit vor mehr als nur manchem „Buchstabendreher" bewahrt. Zu danken habe ich auch Martin Peters - einem „bibliophilen Bruder im Geiste" - nicht nur für die technische „Formalisierung" des Literaturverzeichnisses. Mein Dank gilt auch Dipl.-Geograph Rudi Wenzel, der - die eigene EDV-Ausstattung im Gepäck - auch weite Anreisen nicht gescheut hat, um dafür zu sorgen, daß ich irgendwann tatsächlich eine gedruckte (und abgabereife) Fassung meiner Dissertation in Händen hielt. Seine beruhigende Souveränität und Umsicht sowie insbesondere seine Geduld und Nachsicht im Umgang mit „technischen Laien" waren auch diesmal - wie schon in unzähligen anderen „Notfällen" zuvor - wirklich bewunderswert. Mein Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich über Jahre im Institut für Genossenschaftswesen an der Philipps-Universität zusammenarbeiten durfte: Meinem Freund Marc-Peter Bailay (Laumann) sowie Gabriele Failing, Dr. Holger Klose, Dr. Jens-Peter Lux, Dr. Lorenz Neugebauer, Elisabeth Orb, Helga Perz (Born), Dipl. -Kauffrau Cornelia Schädel und Dr. Andreas Stork danke ich herzlich für die gute Zusammenarbeit sowie für die insgesamt wirklich familiäre Atmosphäre im Institut.
Thomas Brockmeier
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Dank schulde ich vor allem auch all jenen lieben Menschen - Freundinnen und Freunden sowie Familienangehörigen -, die immer ein offenes Ohr für meine Sorgen hatten und mich stets aufs Neue motiviert haben. Wer mir nahesteht, wird Verständnis dafür haben, daß ich mich an dieser Stelle nicht bei allen namentlich und ausführlich bedanken kann. Danken möchte ich - neben Marina und Rudi (s.o.) - auch Doro, Kerstin, Peter, Piwi und natürlich Conni für einige wunderschöne Jahre in Marburg. Mein besonderer Dank gilt Frau Dipl.-Kooperationsökonomin Délai Atmaca für ihre innige Freundschaft sowie für die Dauer und Tiefe der unzähligen Diskussionen, zu denen sie sich immer wieder bereitfand. Ich habe nicht nur von diesen Diskussionen fachlich sehr profitiert, sondern auch und gerade von ihr persönlich viel gelernt. Insbesondere im Hinblick auf die damit verbundene grundsätzliche „Horizonterweiterung" verdanke ich - und damit auch diese Arbeit - ihr sehr viel. Herzlich zu danken habe ich meinen Eltern, Christel Brockmeier und Heinz van Dreumel, - nicht nur für ihr aufrichtiges Interesse und die vielen aufmunternden Worte, mit denen sie den Fortgang der Arbeit begleitet haben, sondern auch für ihre stete Bereitschaft, einfach nur „da" zu sein und zuzuhören, wenn es ihrem Filius einmal nicht so gut ging (im übrigen auch und gerade unabhängig von der Dissertation...). Ganz besonderen Dank schulde ich den drei Frauen in meinem Leben: Meiner Mutter und auch meiner Großmutter „Oma Mimi" danke ich vor allem für ihre Liebe sowie für die Kraft und für viele gute Wegweisungen, die ich von ihnen für mein Leben erfuhr. Meiner Mutter danke ich insbesondere auch für den Freiraum, den sie mir - trotz mancher Sorge - stets gewährt und die Eigenständigkeit, die sie mir so ermöglicht hat. Meiner Liebe danke ich dafür, daß sie mich auf jede erdenkliche Weise unterstützt und immer wieder motiviert hat: Insbesondere in der Endphase der Arbeit hat sie im wahrsten Sinne des Wortes „mit-gelitten": Einerseits brachte sie großes Verständnis für meine häufige - physische wie geistige - Abwesenheit auf; andererseits hat sie meine „Launen" mit großherziger Geduld und Langmut ertragen. Ihnen gemeinsam ist diese Arbeit gewidmet.
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Vorwort
Danken möchte ich im übrigen jenen Wissenschaftlern, deren Schriften mir grundlegende Einsichten und Zusammenhänge für diese Arbeit vermittelt haben: „Die außerordentlichen Nachteile, die mit der zentralverwaltungswirtschaftlichen Lenkung verbunden sind, haben die Menschen im 20.Jahrhundert kennengelernt. Die Konzentration der wirtschaftlichen Macht, ihre Vereinigung mit der politischen Gewalt, die Unsicherheit und Geringfügigkeit der Versorgung mit Konsumgütern (...), die Bedrohung des Rechtsstaates und der Freiheit - davon brauchen wir nicht in Büchern zu lesen, sondern wir erlebten und erleben sie im Alltag." Walter Eucken (1952/90, S. 243). „Die Reformstaaten Ost- und Ostmitteleuropas haben mit dem Umbau ihrer politischen und wirtschaftlichen Ordnung ein Projekt in Angriff genommen, für das es in der Geschichte moderner Gesellschaften kein Beispiel gibt." Helmut Wiesenthal (1995, S. 532). „Alles hat seinen Preis, besonders aber fundamentale Wirtschaftsreformen." Andrzej Komar ( 1993, S. 106). „Schumpeterian entrepreneurship (...) is not a matter of liberalization, privatisation, or tight monetary policy but of non-economic factors that point at the necessity of an interdisciplinary theoretical approach." Frank Messner und Andreas Wittkowsky (1992, S. 29). „Es besteht (...) nicht nur eine ökonomische Interdependenz, sondern auch eine Interdependenz der Wirtschaftsordnung mit allen übrigen Lebensordnungen. Das will verstanden sein." Walter Eucken (1952/90, S. 14). „Frühere Zeiten, welche die Wirtschaftsordnung wachsen lassen konnten, hatten es einfacher." Walter Eucken (1952/90, S. 253). „Wir haben im Augenblick wahrlich wenig Grund, stolz zu sein: Als Fachleute haben wir Schlimmes angerichtet!" Friedrich August von Hayek (1975, S. 12). „Es ist die große Lehre der Wissenschaft, daß wir zum Abstrakten Zuflucht nehmen müssen, wo wir das Konkrete nicht meistern können." Friedrich August von Hayek (1969, S. 45/46).
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KAPITEL 1: PROBLEMSTELLUNG UND GANG DER UNTERSUCHUNG 1. Grundsätzliche Anmerkungen Seit Ende der achtziger/Beginn der neunziger Jahre dieses Jahrhunderts ist die Welt Zeuge einer gewaltigen und faszinierenden Veränderung: Die vormals sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas befinden sich in einem Prozeß grundlegender Umwandlung bzw. Umgestaltung („Transformation") ihrer Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme. Der Beginn dieses Prozesses war das Ergebnis einer „friedlichen Revolution", an die die Menschen große Hoffnungen und Erwartungen geknüpft hatten; eine dieser Hoffnungen war zweifelsohne das möglichst schnelle Erreichen materiellen Wohlstands. Nun muß bei einem Blick in die Realität mit einer gewissen Ernüchterung festgestellt werden, daß sich die materiellen Lebensverhältnisse für viele Menschen in den postsozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas noch nicht entscheidend gebessert haben. In manchen Ländern ist der Transformationsprozeß nur schleppend in Gang gekommen; wieder andere Länder hatten zwar einen guten Start, nach einigen Anfangserfolgen jedoch geriet der Prozeß ins Stocken - eine einen wirtschaftlichen Aufschwung tragende Eigendynamik war offenbar nicht in Gang gekommen. Dies wirft die Frage auf, ob es in Theorie und Politik der Transformation grundsätzliche und nahezu allen Ländern gemeinsame Fehler gegeben hat, die hätten vermieden werden können, oder ob der Lauf der Dinge durch die Schwierigkeit der Gesamtaufgabe im allgemeinen sowie die in den verschiedenen Ländern jeweils obwaltenden Umstände im besonderen quasi „vorbestimmt" und deshalb ohne Alternativen war. In dieser Arbeit wird die These vertreten, daß es tatsächlich grundlegende Fehler bzw. Defizite gegeben hat. Diese These mag zunächst wenig überraschen, wurde doch seit Beginn der Transformation vielerorts und häufig betont, bisweilen sogar regelrecht beklagt, daß die Transformation nicht zuletzt deshalb so schwierig sei, weil es weder historische Vorbilder noch brauchbare theoretische Grundlagen gebe, an denen man sich orientieren, auf die man zurückgreifen könne. Hierauf ließe sich einwenden, daß dies nun einmal die logische Konsequenz der Tatsache sei, daß schließlich jeder in der historischen Zeit stattfindende Vorgang im besten Wortsinne einmalig und deshalb unwiederholbar sei. Will man sich jedoch - aus verständlichen Gründen - auf einen solchen Allgemeinplatz nicht zurückziehen und von dieser grundsätzlichen Einmaligkeit eines jeden historischen Ereignisses abstrahieren, dann läßt sich die Systemtransformation „schlicht" als ein Phänomen des institutionellen Wandels verstehen. Es ist dies ein Phänomen, das namhafte Autoren bereits zum Gegenstand ihrer Forschungen gemacht haben, deren Ergebnisse durchaus interessante und aufschlußreiche Zusammenhänge fiir die Analyse und das Verständnis des konkreten historischen Ereignisses „Systemtransformation in Mittel- und Osteuropa" aufzeigen könnten.1 Darüber hinaus ist der These
North (1988), North und Thomas (1973), Olson (1985); weitere interessante Ansätze finden sich bei: Kikuchi und Hayami (1980), Ruttan und Hayami (1984), Ruttan (1984), Lin
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von der angeblichen historischen Beispiellosigkeit selbst dann nicht vollständig zuzustimmen, wenn man die „Kreise" noch enger zieht, d.h. sich noch weiter vom Abstrakten ins Konkrete begibt: Das historisch wirklich Einmalige reduziert sich dann letztlich darauf, daß es sicherlich bisher keinen Fall gegeben hat, in dem die maßgeblichen Institutionen in Wirtschaft und Gesellschaft bzw. Politik gleichzeitig einem derartigen Veränderungsdruck ausgesetzt waren, wie er für den gegenwärtigen Transformationsprozeß in den post-sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas charakteristisch ist.2 Gleichwohl darf nicht übersehen werden, daß es - gerade auch in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte - durchaus konkrete Versuche zur Umgestaltung administrativplanwirtschaftlicher in marktwirtschaftliche Systeme gegeben hat. In diesem Zusammenhang sei etwa auf entsprechende Beispiele von Versuchen grundlegender Wirtschaftsreformen in Lateinamerika verwiesen. 3 Hierbei ging es zumeist um sog. „Strukturanpassungs-Programme", die größtenteils über Kredite der großen internationalen Geberinstitutionen wie IWF und Weltbank finanziert wurden. Wenngleich diese die Kreditvergabe an die Erfüllung bestimmter Auflagen in verschiedenen Bereichen knüpften - so forderte beispielsweise der IWF in der Regel den Nachweis einer rigorosen makroökonomischen Stabilisierungspolitik, während die Weltbank in erster Linie Wert auf eine möglichst umfassende Liberalisierung in Verbindung mit Bemühungen zur Privatisierung legte -, kann letztlich doch festgestellt werden, daß das Schwergewicht der Reformen insgesamt eindeutig auf Bemühungen zur monetären Stabilisierung lag. 4 Es versteht sich beinahe von selbst, daß Versuche zur erfolgreichen Umsetzung dieser Programme bzw. zur Erfüllung der unterschiedlichen Auflagen in der Regel auch grundlegende institutionelle Reformen erforderten. Dies wiederum stellt nun eine interessante Parallele zur Gesamtaufgabe der Transformation in Mittel- und Osteuropa dar (vgl. etwa Rybczynski 1991). Diese läßt sich als Summe dreier Teilaufgaben verstehen: Insgesamt geht es um die primär ordnungspoliti-
(1989) sowie beispielhaft zum im Text genannten Themenkreis ferner: Leipold (1991a); einen guten Überblick vermittelt - gleichsam „en passant" - Herrmann-Pillath (1991). Genau - und ausschließlich - in diesem Sinne ist übrigens das der Arbeit vorangestellte Zitat von Helmut Wiesenthal (1995) zu verstehen. Gleichwohl ist zu betonen, daß es sich in diesen Fällen nicht um die „Extremvariante" einer Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs handelte. Auch in Europa hat es freilich unter anderen Vorzeichen und deshalb gewiß nur bedingt vergleichbar - Versuche zur Etablierung marktwirtschaftlicher Systeme im Zusammenhang mit Demokratisierungsbemühungen gegeben; so etwa in Spanien in der Zeit nach Franco oder auch in Portugal (vgl. hierzu etwa: Pardo und Wisseman (1991) sowie O'Donnell, Schnätler und Whitehead (1986). Dieser monetäre Schwerpunkt der von IWF und Weltbank entwickelten Stabilisierungsprogramme ist vor dem Hintergrund der Schuldenkrise zu sehen, die zu Beginn der achtziger Jahre ausgebrochen war: Viele lateinamerikanische Länder litten unter großen Zahlungsbilanzdefiziten und galoppierenden Inflationsraten, deren Ursache man in Verzerrungen auf dem Geldmarkt - genauer: in einem enormen „Geldüberhang" - vermutete. Dessen Ursache wiederum wurde insbesondere in der mangelnden Budgetdisziplin gesehen: Die Finanzierung der Haushaltsdefizite erfolgte vor allem durch Kreditaufnahme im Ausland; die Stabilisierungsmaßnahmen stellten entsprechend primär auf die rigorose Eindämmung der öffentlichen Ausgaben ab. Vgl. dazu Wolff {1989).
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sehe Aufgabe der Erneuerung der institutionellen Infrastruktur, um die primär prozeßpolitische Aufgabe der makroökonomischen (monetären) Stabilisierung und um die Aufgabe der mikroökonomischen (realwirtschaftlichen) Anpassung. 5 So ist es denn auch keinesfalls zufällig, daß nicht wenige der anfangs - insbesondere von amerikanischen Experten und Beratern - vorgeschlagenen Transformationsprogramme fur Mittelund Osteuropa bisweilen erstaunliche Ähnlichkeit mit den o.g. Strukturanpassungsprogrammen aufwiesen, die ursprünglich für lateinamerikanische Länder entwickelt worden waren. Auf diesen Umstand verweist etwa auch Keilhofer (1995, S. 311): „Die 'orthodoxen' Stabilisierungsstrategien wurden in der ursprünglichen Konzeption u.a. in Mexiko und Bolivien eingeführt (...; es) wurde das neoklassisch/monetaristische Paradigma aufgegriffen, um durch eine Reduktion der öffentlichen Ausgaben das Geldmengenwachstum einzudämmen und dadurch eine Anpassung der Güternachfrage an das Güterangebot zu erreichen." 6 Die damit verbundenen Schwierigkeiten sollen hier zunächst nicht weiter kommentiert werden - darauf wird noch ausführlich einzugehen sein; festzuhalten bleibt an dieser Stelle lediglich, daß es von Beginn an theoretische Konzepte und praktische Programme im Sinne einer „Transformationsanleitung" gegeben hat. 7 2. S y s t e m t r a n s f o r m a t i o n und „institutionelles I n t e r r e g n u m " Kehren wir nun zurück zu der Fage, ob es grundlegende Defizite bzw. Fehler in Theorie, Beratung und Politik der Transformation gegeben habe: Vor dem Hintergrund der obigen Feststellung, daß es durchaus (Beratungs-)Programme im Sinne einer „Transformations-Anleitung" für die politisch Verantwortlichen in Mittel- und Osteuropa gegeben hat, könnte man zunächst geneigt sein, die Fehler in der konkreten politi-
Vgl. beispielhaft etwa Siebert (1992). Nota: Im Vorgriff auf spätere Ausfuhrungen sei bereits an dieser Stelle betont, daß es sich bei der o.g. Dreiteilung der Transformationsaufgabe selbstverständlich nur um eine idealtypische handelt, die allein analytischen Zwecken dient; realiter bestehen vielfältige Verflechtungen und wechselseitige Abhängigkeiten („Interdependenzen") zwischen den einzelnen Problembereichen bzw. Teilaufgaben der Transformation. So stellten beispielsweise die Vorschläge von Jeffrey Sachs im wesentlichen eine Kopie deijenigen Maßnahmen dar, die er bereits als wissenschaftlicher Berater und Begleiter der o.g. „structural adjustment programs" des IWF und der Weltbank in Lateinamerika (etwa für Bolivien) empfohlen hatte. Sachs wartete als einer der ersten westlichen Berater in Mittel- und Osteuropa mit geschlossenen, gleichsam „maßgeschneiderten" Transformationsprogrammen auf (so etwa fiir Polen) und erwarb sich so - insbesondere zu Beginn des mittel- und osteuropäischen Transformationsprozesses - recht schnell den Ruf, einer der profiliertesten „Transformations-Experten" zu sein. Vgl. Lipton und Sachs (1990) und (1990a); einen Kurzüberblick liefert Sachs (1990). Eine Einfuhrung bzw. einen Überblick zu den grundsätzlichen Konzepten sowie den Politikempfehlungen und Kreditauflagen der großen internationationalen Geberinstitutionen liefern folgende Kurzbeiträge im Sammelband von Fischer, Messner und Wohlmuth (1992): Pissulla (1992), von Monbart (1992), Aghion (1992). (Nota: Aghion betont, daß bei der Kreditvergabe der EBRD eher politische und rechtliche denn wirtschaftliche Kriterien im Vordergrund stünden; d.h., potentielle Kreditnehmer hätten also in erster Linie für die Garantie der Wahrung der Menschenrechte - in der Regel für die Etablierung demokratischer Strukturen etc. - zu sorgen.); interessant in diesem Zusammenhang ferner der Beitrag von Ners (1992) im selben Sammelband.
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sehen Umsetzung dieser Programme zu vermuten. Anders gewendet, man könnte annehmen, daß es sich („lediglich") um „Anwendungsfehler" gehandelt habe. Gegen die Richtigkeit dieser Vermutung spricht allerdings zumindest der Umstand, daß es in den einzelnen Transformationsländern letztlich zwar eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien, Programme und Maßnahmen, gleichwohl aber ähnliche Probleme gegeben hat. Dies legt die Schlußfolgerung nahe, daß es in den betroffenen Ländern ein oder mehrere gleichsam musterhaft wiederkehrende Probleme gegeben haben bzw. noch immer geben muß 8 , deren Ursachen in „Theorie und Praxis" der Transformation bisher nicht hinreichend berücksichtigt wurden, die aber zugleich so gravierend und transformationsspezifisch bzw. „transformations-typisch" sind, daß sie einer eigenen Analyse bedürfen. Eben dies scheint etwa Kloten (1991) im Sinn zu haben, wenn er von „phänotypischen Merkmalen von Transformationsprozessen" spricht. Indes fragt sich, ob dieser Begriff sehr glücklich gewählt ist: So versteht Kloten unter solchen „phänotypischen Merkmalen" einerseits „dem Transformationsprozeß inhärente Sachverhalte als beobachtbare charakteristische Begleiterscheinungen des Systemwandels"; diese seien „immer wieder erneut, wenn auch im jeweiligen historischen Zusammenhang, zu beobachten" (Hervorhebung von mir). Zu den solche „phänotypischen Merkmale von Transformationsprozessen" begründenden Kräften zählt Kloten insbesondere „die Reaktionen der Wirtschaftsindividuen auf die jeweiligen politischen Datensetzungen und die volkswirtschaftlichen Prozesse auf der Mikro- und Makroebene" (alle Zitate ms. Kloten 1991, S. 10-11 und S. 21-33). Da man in der Biologie unter einem Phänotyp den realen und insoweit beobachtbaren Ausdruck des zugrundeliegenden Genotyps versteht - genauer: da Gegenstand der Beobachtung die phänotypische Ausprägung eines bestimmten genotypischen Merkmals ist - scheinen gegen den von Kloten verwendeten Begriff zunächst keine Einwände zu bestehen. Dem steht indes entgegen, daß Kloten diese zunächst klare Definition und damit deren eindeutige Zuordnung gleichsam verwässert, indem er andererseits ausführt, daß diese von ihm so bezeichneten phänotypischen Merkmale „insofern allen Teilen einer Fallmenge gemeinsam" seien (Hervorhebung von mir). Hier scheint Kloten m.E. einer Art „Verwechslung" aufzusitzen, läßt sich doch gerade dieser letzte Satz so interpretieren, als wolle er gerade aus der Vielzahl der in realen Transformationsprozessen (diese scheinen zumindest mit der o.g. „Fallmenge" gemeint zu sein) immer wieder zu beobachtenden - eben phänotypischen (!) - Merkmale auf ein diesen allen gemeinsam zugrunde liegendes „Etwas" schließen. 9 Trifft diese Interpretation zu, dann kann es
Selbstverständlich ließe sich an dieser Stelle einwenden, daß die Unterschiedlichkeit der ergriffenen Maßnahmen doch grundsätzlich auch unterschiedliche Anwendungsfehler impliziere. Mit Blick auf spezifische „Einzelprobleme" bestimmter Länder ist ein solcher Einwand zweifelsohne berechtigt; indes geht es hier in erster Linie um solche Probleme, die im Grunde allen Transformationsländern gemeinsam sind - und zwar unabhängig von der jeweils gewählten Strategie und den möglichen länderspezifischen „Anwendungsfehlern". Zu den mit der Verwendung der Begriffe des Geno- und Phänotyps im Bereich der Sozialwissenschaften verbundenen Schwierigkeiten sowie zu den prinzipiellen Unterschieden aber auch Parallelen - zwischen biologischer und sozialer Evolution vgl. etwa Schreiter 1994 (insbes. S. 5-10, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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Kloten jedoch eigentlich nur um die Identifikation genotypischer Merkmale von Transformationsprozessen gehen - wobei die Häufigkeit und Verbreitung der beobachteten phänotypischen Merkmale freilich eine wichtige Rolle spielt.10 Da man unter dem Genotyp (bzw. der genotypischen Ausprägung) eines Merkmals gewissermaßen ein auf die Erbsubstanz eines Organismus codiertes, mit diesem also untrennbar verbundenes Faktum versteht, bedeutet die Suche nach genotypischen Merkmalen von Transformationsprozessen mithin die Suche nach Umständen, Vorgängen etc., die mit solchen Prozessen im o.g. Sinne „untrennbar" - also auch „unvermeidbar" - verknüpft sind. Vor diesem Hintergrund liegt nun der Versuch nahe, von den in verschiedenen Transformationsländern zu beobachtenden und von einem Großteil der wirtschaftswissenschaftlichen Transformationsliteratur nicht „antizipierten" bzw. von den entsprechenden Autoren in dieser Form nicht erwarteten, gleichwohl offenkundigen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der empfohlenen Transformationsprogramme - von „phänotypischen Merkmalen" nach Kloten - auf solche „genotypischen" Merkmale von Transformationsprozessen zu schließen. Genau dieser Versuch - im Sinne der Suche nach einer Art „genetischem Musterproblem" von Transformationsprozessen - soll hier unternommen werden. Worin findet nun dieses „Muster-Problem" seinen Ausdruck, und welches sind seine Ursachen? In der vorliegenden Arbeit wird das Musterproblem in einem Umstand gesehen, den ich als „ institutionelles Interregnum " bezeichnen möchte: Gegenstand der Forschung ist der Transformations/?raze/?. Dieser spielt sich ab zwischen Start und Ziel der Transformation, genauer: zwischen dem Zeitpunkt des Zusammenbruchs der maroden Zentralverwaltungswirtschaft (Start) und dem Zeitpunkt, an dem eine funktionierende marktwirtschaftliche Ordnung etabliert sein wird (Ziel). Das wesentliche Charakteristikum dieses Prozesses besteht nun darin, daß die alten Institutionen entwertet wurden und ihre Gültigkeit verloren haben, während die neuen Institutionen erst noch aufgebaut werden müssen bzw. sich noch nicht bewährt haben." Auf eine kurze Formel gebracht:
Für diese Interpretation scheint mir im übrigen allein schon der Umstand zu sprechen, daß die gleichsam ziellose „Ansammlung" bestimmter Beobachtungen - sprich: phänotypischer Merkmale - allein wenig Erkenntnisgewinn verspricht; dazu später mehr. Dabei ist es zunächst ohne Belang, welches Institutionsverständnis jeweils zugrunde gelegt wird; grundsätzlich lassen sich folgende (institutionenökonomische) Ansätze unterscheiden: Versteht man unter Institutionen primär Regeln, so läßt sich - etwa mit North zwischen formellen bzw. formgebundenen und informellen bzw. formlosen Institutionen unterscheiden. Zu ersteren zählen Gesetze, Verordnungen - im weitesten Sinne also schriftlich kodifiziertes Recht - während unter letzteren Normen, Traditionen, Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche subsumiert werden können. Femer ließen sich unter dem Begriff „Institutionen" Organsationen im Sinne hierarchisch strukturierter, oft bürokratischer Gebilde wie Behörden, Ministerien etc. verstehen. Bei einem wieder anderen Verständnis von Institutionen wird - etwa bei Williamson u.a. (in Anlehnung an grundlegende Arbeiten von Coase) - unter dem Begriff der „Institution" ein bestimmtes Arrangement bzw. ein
bestimmter Mechanismus zur Koordination wirtschaftlicher Transaktionen verstanden: In diesem Zusammenhang wird unterschieden zwischen der dezentralen Koordination über den Markt und der zentralen Steuerung über die Unternehmung/Hierarchie. Abschließend sei noch auf die von Lachmann vorgenommene Differenzierung zwischen inneren und äußeren Institutionen verwiesen. (Nota: Da auf sämtliche dieser Ansätze im Verlauf der Arbeit - unter Verweis auf entsprechende Quellen - näher eingegangen werden wird, scheint es statthaft, an dieser Stelle auf solche Verweise zu verzichten).
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Die Institutionen des alten Systems sind nicht mehr und die des neuen Systems noch nicht gültig bzw. wirksam. Eben dies macht den grundlegenden Charakter des Transformationsprozesses aus, der mithin in einer „Umgebung" abläuft, die als institutionelles Interregnum charakterisiert werden kann, und mit dessen Ende - wenn denn eine neue Wirtschafts- (und Gesellschafts-)ordnung etabliert sein wird - auch dieser „Zwitterzustand" beendet sein wird. Dieser Umstand wird in einem Großteil der Transformationsliteratur - insbesondere freilich im Rahmen neoklassisch-othodoxer (oder auch: „neoklassisch-monetaristischer") Ansätze, deren theoretisches Fundament bekanntlich ohnehin weitgehend ohne Institutionen auskommt, - nicht hinreichend beachtet.12 Von einigen wenigen frühen Ausnahmen abgesehen, ist erst in jüngerer Zeit ein verstärktes Interesse an „institutionellen" Fragestellungen im Rahmen der ökonomischen Transformationsforschung zu entdecken. 13 Doch zurück zur weitgehend „institutions- bzw. institutionenlosen Standardliteratur": Eine Gruppe von Autoren verharrt gleichsam am Start des Prozesses und versäumt, die Bemühungen insgesamt auf ein bestimmtes Ziel auszurichten. Wieder andere scheinen bei ihren Empfehlungen davon auszugehen, als sei das Ziel bereits erreicht - ihre Vorschläge stellen eher aufbereite etablierte Marktwirtschaften sowie deren Funktionsmechanismen und Akteure denn auf ein solches „Interregnum" ab. Wenn nun aber der gegenwärtige Prozeß der Systemtransformation in Mittel- und Osteuropa mit Wagener (1992, S. 1) „as one of the most complex forms of institutional change" zu charakterisieren ist, dann empfiehlt es sich kaum, bei dessen Analyse auf die Berücksichtigung einiger grundlegender Einsichten zu verzichten, die wir etwa der Theorie der Institutionen und des instititutionellen Wandels verdanken. Nun ließe sich einwenden, daß doch mancherorts - so etwa insbesondere im vereinigten Deutschland - von einem solchen „institutionellen Interregnum" nicht die Rede sein könne, da doch dort sehr schnell neue Institutionen geschaffen worden seien bzw. Gültigkeit erlangt hätten. Hierzu sei jedoch gesagt, daß allein die rein formale Gültigkeit neuer Institutionen an dem o.g. Charakter des Transformationsprozesses grundsätzlich nichts ändern würde, bliebe doch das Problem bestehen, daß die „alten" Menschen den Umgang mit diesen neuen Institutionen erst noch lernen, sich an sie gewöhnen müßten. Hiermit ist der grundsätzliche Unterschied zwischen formellen und informellen Institutionen angesprochen, dem im Transformationsprozeß besondere Bedeutung zukommt: Zwar läßt sich eine Art Kontinuum ordnungspolitischer Stabilität denken, in das die
Hier beschränkt sich die Beachtung „institutioneller" Aspekte im Zusammenhang mit der Systemtransformation weitgehend auf die Empfehlungen zur sog. „Erneuerung der institutionellen Infrastruktur" im Rahmen der bereits erwähnten, in der „Standardliteratur" üblichen Dreiteilung der gesamten Transformationsaufgabe. So findet sich etwa bei von Delhaes/Fehl (1991, S. 457) folgender Hinweis: „Mit der Etablierung (einer formell, T.B.) neuen Regelstruktur (...) sind zwar die Grundlagen für die Anpassung des Verhaltens der Wirtschaftssubjekte an die neue Ordnung gelegt, aber man wird nicht davon ausgehen können, daß das neue Verhalten schlagartig einsetzt, sondern es wird dazu entsprechender Lernprozesse bedürfen." Nota: Da im Verlauf dieser Untersuchung auf verschiedene sowohl der frühen wie auch der aktuelleren Arbeiten in „dieser Richtung" näher eingegangen wird, sei an dieser Stelle ebenfalls auf ausdrückliche Quellenverweise verzichtet.
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unterschiedlichen Länder in Abhängigkeit vom Fortschritt der Maßnahmen zur sog. „Erneuerung der institutionellen Infrastruktur" eingeordnet werden könnten; da solche Maßnahmen sich jedoch zunächst immer nur auf die formellen Institutionen (insbesondere das Rechtssystem: Gesetze, Verordnungen etc.) beziehen können, weil sich die informellen Institutionen (Traditionen im weitesten Sinne, Wertvorstellungen, Sitten und Gebräuche, Verhaltensgewohnheiten etc.) einer unmittelbaren bewußten Einflußnahme von außen entziehen und sich das o.g. Kontinuum demnach zunächst ausschließlich auf die rein formale Erneuerung der Institutionen beziehen kann, bleibt das Problem des institutionellen Interregnums im materiellen Sinne bestehen: So mag ein neues formelles Institutionenkorsett angefertigt und den Menschen per Dekret „verordnet" werden, sofort „passen" wird es indes kaum. So ließen sich etwa die sog. „neuen Bundesländer" als ein Musterbeispiel fiir ordnungspolitische Stabilität verstehen, stellen sie doch gleichsam den einen Extrempol eines entsprechenden Kontinuums dar, dessen zweiter Extrempol auf der anderen Seite etwa von Rußland gebildet wird, das mit Blick auf das angestrebte Ziel ordnungspolitischer Stabilität lange Zeit eher einem Chaos glich (und zum Teil auch heute noch gleicht...). Durch die deutsche Wiedervereinigung (Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion bzw. Einigungsvertrag) wurde die Aufgabe der (formalen) Erneuerung der institutionellen Infrastruktur gleichsam „über Nacht" gelöst. Dies mag aus ordnungspolitischer Sicht begrüßt werden, wurde doch damit gleichsam im Handstreich ordnungspolitische Stabilität hergestellt. Das Problem des „Interregnums" stellt sich jedoch weiterhin, da das neue „Korsett" natürlich noch nicht „paßt": Das Korsett „zwickt" an allen Ecken und Enden, die aus den im alten System gemachten Erfahrungen und den dort gewachsenen Werten, Gewohnheiten und Verhaltensweisen bestehen. Um ein ähnliches Bild zu verwenden: Das Gehen in neuen Schuhen will gelernt sein; bis sie eingelaufen sind, wird noch so manche Blase an den Füßen zu verschmerzen sein. So stellt sich das Problem des Interregnums gleichsam in zweifacher Hinsicht: In dynamischer, d.h., zeitrairabezogener Betrachtung geht es um den zwischen Start und Ziel im o.g. Sinne liegenden Prozeß; in statischer, d.h., zeitpu«M>ezogener Betrachtung geht es um die „Auseinandersetzung" bzw. das Spannungsverhältnis zwischen (neuen) formellen und (alten) informellen Institutionen. 14
Vor dem Hintergrund der o.g. Zusammenhänge leuchtet ein, daß der hier verwendete Begriff des institutionellen „Interregnums" nicht etwa gleichzusetzen ist mit dem bisweilen in der Literatur anzutreffenden Begriff des institutionellen oder ordnungspolitischen „Vakuums": Ein Vakuum hört eben bereits dann auf, ein Vakuum zu sein, sobald es mit „irgendetwas" gefüllt wird, mithin nicht mehr völlige Leere herrscht. So könnte man im Zusammenhang mit der hier im Mittelpunkt stehenden Frage beispielsweise dazu neigen, ein solches Vakuum bereits als „gefüllt" und damit das Problem als gelöst anzusehen, sobald nur erst die wichtigsten ordnungspolitischen Weichenstellungen - etwa im Sinne der bereits mehrfach erwähnten Erneuerung der „institutionellen Infrastruktur" - erfolgt sind (vgl. hierzu Brockmeier 1997a, insbes. S. 346 f.). Nota: Dies sollte indes keinesfalls darüber hinwegtäuschen, daß grundlegende ordnungspolitische Weichenstellungen für das Gelingen der Transformation zweifelsohne unverzichtbar sind. Nicht zuletzt deshalb können beispielsweise der früheren DDR deutlich bessere Start- und damit auch Erfolgschancen im Transformationsprozeß attestiert werden als wohl den meisten anderen Transformationsländern; dies kann - trotz oder gerade wegen der unbestrittenen Probleme in Ostdeutschland - nicht oft und deutlich genug betont werden.
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Der Transformationsprozeß ist also ein (Lern)Prozeß des „Trial and Error", in dem die Kategorie des Wissens - dessen Erwerb und Verarbeitung - eine zentrale Rolle spielt: Die Entwertung überkommenen systemspezifischen und die Nutzung (noch) nicht entwerteten Wissens sowie die Adaption bzw. der Erwerb neuen Wissens sind immer mit Risiken verbunden, da im spezifischen Umfeld der Transformation im Grunde mit jeder Aktion, mit jedem Schritt Neuland betreten wird; beinahe jede Handlung - insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses - gerät zu einer „kleinen Innovation". 15 Das Umfeld ist ungewohnt, viele Akteure sind verunsichert; es gibt so etwas wie eine „transformationsspezifische Unsicherheit" in zweifacher Hinsicht: Zum einen sind die meisten Handlungen in diesem Umfeld als Aktionen unter Ungewißheit - gleichsam im Sinne von „objektiver Unsicherheit" - zu verstehen, m.a.W.: Der Beginn des Transformationsprozesses bedeutet im Grunde das Ende von Routinehandeln (bzw. im Transformationsprozeß - insbesondere zu Beginn - ist derjenige Bereich des Handelns, der zuvor als Routinehandeln angesehen werden konnte, auf ein Minimum zusammengeschrumpft). 1 6 Zum anderen sind die Akteure selbst durch die neuen Lebensumstände subjektiv stark verunsichert, sie fiihlen sich unsicher. Es spricht manches dafür, den Hintergrund für einen nicht unbeträchtlichen Teil der gegenwärtig noch immer bestehenden Schwierigkeiten in Mittel- und Osteuropa in dem Umstand zu vermuten, daß viele der Verantwortlichen in Theorie und Praxis das o.g. wesentliche Charakteristikum des Transformationsprozesses und damit das „MusterProblem" des institutionellen Interregnums bzw. dessen Implikationen nicht erkannt,
Ich bin mir der Tatsache sehr wohl bewußt, daß ein solches „subjektives Innovationsverständnis", von dem im weiteren Verlauf der Arbeit ausgegangen wird, insbesondere vor dem Hintergrund bestimmter Abgrenzungsschwierigkeiten nicht immer unproblematisch ist; an dieser Stelle möge zunächst folgender Hinweis genügen: Innovatives Verhalten bedeutet grundsätzlich ein Abweichen von der Norm, vom Gewohnten - und damit letztlich auch vom „Gewöhnlichen". Unter „Norm" wird in der Regel schlicht das verstanden, was die meisten Menschen - innerhalb eines bestimmten (gewohnten) Umfeldes - tun. Nun könnte man einwenden, daß der Beginn der Transformation „lediglich" die Norm verändert habe; dies ändert freilich nichts an der Tatsache, daß ein in diesem neuen Sinne „normales" Verhalten für die meisten Menschen eine Abweichung von der alten, internalisierten Norm bedeutet: Die Anpassung an die neue Norm verlangt bzw. bedeutet die Abweichung von der seit langem verinnerlichten Norm - und damit ein Abweichen von der Gewohnheit. Bei Schumpeter finden wir folgende Charakterisierung der Ausgangssituation bzw. des Innovationsumfeldes, in das ein potentieller „schöpferischer Unternehmer" eingebettet ist, der innovativ tätig werden will: „Was dort ("im allseits wohlbekannten Kreislauf', T.B.) Stütze war, wird hier Hindernis. Was vertrautes Datum war, zu einer Unbekannten. Wo die Grenze der Routine aufhört, können deshalb viele Leute nicht weiter und der Rest kann es nur in sehr verschiedenem Maße." Eine bessere Beschreibung des aktuellen Transformationsumfeldes ist kaum möglich - gleichwohl wollte Schumpeter hier (lediglich) begründen, warum „die Durchsetzung neuer Kombinationen (die Innovation, T.B.) eine besondere Funktion und Privileg von Leuten (ist), die viel weniger zahlreich sind als jene, die die äußere Möglichkeit dazu hätten (...). Deshalb sind Unternehmer ein besonderer Typus (...)." Schumpeter (1993, S. 118/119). Der entscheidende Unterschied besteht nun darin, daß Schumpeter ein Umfeld beschreibt, das sich der schöpferische Unternehmer im Grunde selbst schafft, indem er innovativ tätig wird, während das Transformationsumfeld über viele Menschen gleichsam „hereingebrochen" ist.
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sondern sich stattdessen zu sehr auf die Lösung konkreter Einzelprobleme konzentriert oder - gleichsam losgelöst von der Realität und den Besonderheiten eines jeden Landes mit der Konstruktion einer vermeintlich allgemeingültigen, zu abstrakten Schablone begnügt haben. 17 Eine solche These will näher begründet sein; diese Begründung erfolgt ausführlich im nächsten Kapitel (siehe auch den nun folgenden Abschnitt 3). Im Vorgriff darauf sei an dieser Stelle lediglich bemerkt, daß die Verkennung des sog. institutionellen Interregnums als Hauptcharakteristikum und damit im Rahmen des Transformationsprozesses entscheidendes Problem in zwei Defiziten der „traditionellen" ökonomischen Transformationsliteratur zum Ausdruck kommt: Das eine Defizit besteht in der Vernachlässigung der Bedeutung privatwirtschaftlichen Unternehmertums im Transformationsprozeß; es ist also ein „Mangel an unternehmerischer Perspektive" zu beklagen. Das andere Defizit ist in dem mangelnden Bemühen um eine angemessene ordnungstheoretische Fundierung und ordnungspolitische Konsistenz der entsprechenden Transformationsprogramme zu sehen; in diesem Zusammenhang ist also ein „Mangel an ordnungspolitischer Perspektive" zu konstatieren. 18
3. Methodik und Aufbau der Arbeit Auch wenn beabsichtigt ist, sich dem gesamten Problem der Systemtransformation aus mikroökonomischer bzw. individueller - sprich: unternehmerischer - Perspektive zu nähern, so besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit doch nicht etwa darin, eine Art „transformationsspezifische Unternehmertheorie" vorzulegen. Die Zielsetzung ist eine viel bescheidenere: Zunächst soll die bisherige (wirtschaftswissenschaftliche) Transformationsliteratur einer kritischen Betrachtung unterzogen werden, wobei insbesondere die erwähnten Defizite aus (bzw. „an") unternehmerischer und ordnungspolitischer Perspektive aufzuzeigen sind. Dann sind entsprechende, theoretisch begründete Vorschläge zu entwickeln, um diese Defizite aufzuarbeiten bzw. auszugleichen.
Um es bildhaft auszudrücken: Die einen sahen den Wald vor lauter Bäumen nicht, für die anderen war „Wald gleich Wald" - unabhängig von den jeweiligen naturräumlichen Besonderheiten vor Ort und unabhängig davon, ob es sich im jeweiligen Einzelfall primär um einen Laubwald, einen Nadelwald etc. handelte. Beiden gemeinsam ist jedenfalls, daß es sich insgesamt um ein Ökosystem handelt, in dem es vielfältige Interdependenzen gibt, in dem kein Gewächs losgelöst von anderen betrachtet und kein Eingriff an irgendeiner Stelle des „Ökokreislaufs" ohne Folgen an anderer Stelle bleiben kann. An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich betont, daß mit den Begriffen „traditionelle", „herkömmliche" oder auch „dominierende" Transformationsliteratur diejenige neoklassisch-monetaristischer Prägung gemeint ist. So sei denn zur Relativierung des zweiten Defizits angemerkt, daß insbesondere Vertreter der deutschen Ordnungstheorie und des Systemvergleichs gleich zu Beginn der Transformation auf die Bedeutung hingewiesen haben, die dem Bemühen um ordnungspolitische Konsistenz bei der Entwicklung von Transformationsprogrammen zukommt. Gleichwohl stand (auch) hier die - freilich ordnungspolitisch-konsistente - Rahmensetzung eindeutig im Vordergrund. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit hingegen geht es vornehmlich darum, den Prozeßcharakter der Transformation in den Vordergrund zu rücken; in diesem Zusammenhang kommt dem Zusammenspiel von Wettbewerb und Unternehmertum eine entscheidende Rolle zu.
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Der Versuch einer kritischen Würdigung der „traditionellen" Transformationsliteratur wird in Kapitel 2 unternommen. Nach einigen grundsätzlichen Anmerkungen zum Transformationsproblem folgt eine Darstellung der Entwicklung, des gegenwärtigen Standes und der Defizite der ökonomischen Transformationsforschung. Dabei wird zu zeigen sein, daß sich ein Großteil der Fachliteratur bisweilen geradezu „sklavisch" an die bereits erwähnte Dreiteilung der Transformationsaufgabe hält, dem Ziel einer sukzessiven „Abarbeitung" der drei Teilaufgaben „Erneuerung der (formellen) institutionellen Infrastruktur, makroökonomische (monetäre) Stabilisierung und mikroökonomische (realwirtschaftliche) Anpassung" gleichsam „verfallen" scheint. Es ist zu betonen, daß im Zusammenhang mit der letzten Teilaufgabe zumeist von der Illusion eines mikroökonomischen Anpassungsautomatismus ausgegangen wird. Vor diesem Hintergrund muß man beinahe zwangsläufig den Eindruck gewinnen, als stellte der Aspekt des Unternehmertums im Rahmen der Systemtransformation nur ein „Fußnotenproblem" dar.19 Im Grunde ist mit der „traditionellen" Dreiteilung der Transformationsaufgabe - so sinnvoll oder gar notwendig sie aus rein analytischen Gründen auch sein mag - auch das Defizit an ordnungspolitischem Weitblick (bzw. das dem diesem zugrundeliegende Defizit an „ordnungstheoretischem Tiefgang") verbunden, wie es in nicht wenigen transformationstheoretischen bzw. transformationspolitischen Arbeiten zum Ausdruck kommt: Vielfach läßt sich der Eindruck gewinnen, als stünden die wichtigen Probleme der Liberalisierung, der Stabilisierung und der Privatisierung gleichsam als „echte Einzelprobleme" isoliert voneinander da, ja als könne etwa - womöglich gar im Sinne einer grundsätzlichen und allgemein gültigen „Problem-Hierarchie" - eine eindeutige Aussage darüber getroffen werden, welches „Einzelproblem" denn nun das wichtigste und deshalb mit höchster Priorität zu lösende sei.
In Kapitel 3 erfolgt dann der Versuch, das Unternehmertum als Faktor von zentraler transformationstheoretischer Bedeutung in den Vordergrund der Betrachtung zu rücken. Dies erscheint nur folgerichtig, da auf diese Weise nun denjenigen Umständen Rechnung getragen wird, die zuvor herausgearbeitet worden sind: Zum einen wird das entscheidende Transformationsproblem in der Existenz eines institutionellen Interregnums und dies wiederum als wesentliche Ursache dafür angesehen, daß der von der „traditionellen" Transformationstheorie unterstellte mikroökonomische Anpassungsautomatismus ausbleibt. Zum anderen wird davon ausgegangen, daß die von den Unternehmen zu bewältigende (realwirtschaftliche) Anpassung auf der Mikroebene von grundlegender Bedeutung nicht nur für das kurz- und mittelfristige Gelingen des Transformationsprozesses, sondern insbesondere auch für das Ingangkommen eines mittelund langfristigen Entwicklungs- und Aufholprozesses der mittel- und osteuropäischen
Eine gleichsam „buchstäbliche" - und gewiß unfreiwillige - Bestätigung dieses Eindrucks liefert Daianu (1997, S. 41): „A fundamental tenet in economic theory - which was confirmed by reality - is that a command system allocates resources poorly because of the impossibility of economic calculation." Dann folgt eine Fußnote (sic!), in der es heißt: „Apart from suppression, or divertion, of the entrepreneurial spirit, which - as best indicated by the Austrian School (Schumpeter, von Mises, Kirzner, Rothbard) - is vital for the dynamics of an economy."
Problemstellung
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Länder ist. Die bei der Konstruktion des Entwurfs einer transformationsspezifisch zu deutenden Unternehmertheorie verwendeten „Bausteine" sowie die in diesem Zusammenhang geschilderten Zusammenhänge von Wettbewerb und Unternehmertum sind keineswegs neu: So wird in diesem Kapitel auf bewährte Arbeiten von Schumpeter, von Mises und Kirzner sowie Heuß und auch von Hayek zurückgegriffen. Der Bedeutung des Unternehmertums soll zum einen dadurch Rechnung getragen werden, daß zwischen verschiedenen Arten von Unternehmertum bzw. verschiedenen Unternehmertypen differenziert wird; im Vordergrund stehen hier der „schöpferische" Unternehmer nach Schumpeter, der „findige" Unternehmer nach Kirzner, die differenziertere Unternehmertypologie nach Heuß sowie der „Routine-Unternehmer" ursprünglich neoklassischer Provinienz in einer besonderen Ausprägung. Zum anderen wird besonderer Wert auf die Untersuchung der Determinanten des Unternehmerverhaltens gelegt, um so später Aufschluß über diejenigen Kräfte und Einflußfaktoren gewinnen zu können, die der Entwicklung unternehmerischer Aktivität im Transformationsprozeß möglicherweise entgegenstehen bzw. diese fördern könnten; dabei wird auf ein Modell von Jochen Röpke zurückgegriffen. Da das Problem des institutionellen Interregnums stets „mitgedacht" und den institutionellen Voraussetzungen von Wettbewerb und Unternehmertum besondere Bedeutung beigemessen wird, werden einige grundlegende Anmerkungen über die Theorie der Institutionen und des institutionellen Wandels in dieses Kapitel integriert.
Nach diesen Bemühungen, das o.g. Defizit der Transformationsforschung an unternehmerischer Perspektive aufzuarbeiten, wird dann in Kapitel 4 der Versuch unternommen werden, dasselbe mit Blick auf das erwähnte Defizit an ordnungspolitischer Perspektive zu tun. Dieses Ziel wäre dann erreicht, wenn es gelänge, dem Interdependenz-Problem hinreichend Rechnung zu tragen. Auch hier bewährt sich die Abweichung von der herkömmlichen idealtypischen Dreiteilung der Transformationsaufgabe: Im Rahmen einer „problemorientierten" Herangehensweise wird der Versuch unternommen, wichtige Einzelprobleme der Transformation - Liberalisierung, Privatisierung und Stabilisierung - jeweils „für sich" einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen. Dieses Vorgehen - die „Aufspaltung" in Einzelprobleme - mag auf den ersten Blick zunächst den Eindruck erwecken, dem Ziel der Berücksichtigung des Interdependenz-Problems gerade exakt zuwiderzulaufen. Eben dies ist jedoch nicht der Fall - im Gegenteil: Wollte man sich an der herkömmlichen Dreiteilung der Transformationsaufgabe orientieren (und dies dann in der Gliederung entsprechend zum Ausdruck bringen, indem etwa jeder der o.g. Teilaufgaben ein Kapitel gewidmet würde), wäre man dazu gezwungen, die o.g. Probleme gleichsam zu zerreißen: Bei näherer Betrachtung zeigt sich nämlich, daß alle genannten Problembereiche im Grunde sowohl ordnungspolitische als auch prozeßpolitische und mikroökonomische Aspekte berühren und somit für alle drei Teilbereiche von Relevanz sind. Dies sei kurz am Beispiel der Privatisierung verdeutlicht: Das Transformationsproblem der Privatisierung hat nicht nur eine rein ordnungspolitische Komponente, die bereits auf der konstitutionellen Ebene beginnt (so denke man etwa an die grundsätzliche, durch die Verfassung abgesicherte Etablierung von Privatei-
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gentum sowie einen entsprechenden Gesetzesrahmen 20 ), sondern selbstverständlich wird durch die Privatisierung im Sinne tatsächlicher Entstaatlichung, d.h. durch die Übertragung vormals staatlicher Eigentums- und Verfügungsrechte von staatlichkollektiven auf private Hände - ungeachtet ihrer ordnungspolitischen Relevanz - insbesondere auch die Teilaufgabe der realwirtschaftlichen Anpassung auf mikroökonomischer Ebene berührt. Beschränkt man die Privatisierung im letztgenannten Sinne nicht auf die reine Eigentumsübertragung im Falle der alten Unternehmen, sondern begreift auch die Gründung neuer Unternehmen als Privatisierungsaufgabe 21 - wofür ich mit Blick auf das übergeordnete Ziel des in den Transformationsländem dringend gebotenen Auf- und Ausbaus des privatwirtschaftlichen Sektors unbedingt plädieren würde -, dann wird schon allein wegen der Bedeutung der dafür notwendigen Rahmenbedingungen sowohl die ordnungs- als auch die prozeßpolitische Teilaufgabe berührt. Letzteres gilt im übrigen auch mit Blick auf die in den Transformationsländern bei der Eigentumsübertragung verwendete Vielfalt an Privatisierungsmethoden bzw. -verfahren: So banal es auch klingen mag - eine Privatisierung über den Kapitalmarkt kann selbstverständlich nur dort in Frage kommen, wo es bereits einen funktionsfähigen Kapitalmarkt gibt; den Aufbau eines solchen wiederum könnte man etwa als „ordnungspolitische Aufgabe mit prozeßpolitischem Einschlag" bezeichnen. Vor dem Hintergrund dieser hier nur angedeuteten Zusammenhänge wird deutlich, daß es bei der gliederungssystematisch vermeintlich so klaren Einhaltung der idealtypischen Dreiteilung der Transformationsaufgabe unumgänglich gewesen wäre, ein- und dasselbe Problem an unterschiedlichen Stellen immer wieder aufzugreifen. Bei der in der vorliegenden Arbeit stattdessen gewählten „problemorientierten" Herangehensweise wird dies vermieden; die Relevanz der drei genannten Teilaufgaben der Transformation wird in die einzelnen Kapitel eingewoben und spiegelt sich jeweils an bestimmten konkreten Einzelproblemen wider. Auf diese Weise wird die angestrebte Beachtung der Interdependenz der Teilbereiche und vielfältigen Einzelprobleme der Systemtransformation gleichsam „gliederungstechnisch verankert"; die einzelnen Aspekte werden also - wie eingangs gefordert - im Lichte des Primats der Ordnungspolitik betrachtet. Auch hier sind die grundlegenden Erkenntnisse keineswegs neu: So wird in diesem Zusammenhang auf das Konzept der „Wettbewerbsordnung" von Walter Eucken zurückgegriffen, da davon ausgegangen wird, daß die „konstituierenden Prinzipien" zur Schaffung und die „regulierenden Prinzipien" zur Erhaltung der Wettbewerbsordnung eine solide theoretische Basis zur Entwicklung von Lösungsansätzen fiir einige der wichtigsten transformationspolitischen Probleme bieten und Euckens Konzept deshalb die wichtigsten Anforderungen an eine geeignete ordnungspolitische Gesamtkonzeption im eingangs erläuterten Sinne erfüllt. Euckens Plädoyer für die Beachtung der „Interdependenz
Insgesamt geht es in diesem Zusammenhang im weitesten Sinne um die Schaffung einer „Privatrechtsordnung" im Sinne Franz Böhms. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch hat sich hierfür der Begriff „grass-rootprivatization" durchgesetzt, der sehr gut veranschaulicht, daß es hierbei um eine Privatisierung „von unten" geht; diese unterscheidet sich verständlicherweise grundlegend von der „angeordneten" Privatisierung im Sinne eines bloßen Eigentümerwechsels, die als Privatisierung „von oben" anzusehen ist.
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der (Teil-)Ordnungen" gibt also im Hinblick auf die Transformationsaufgabe die „Interdependenz der Teilaufgaben" bzw. deren Beachtung vor.22 Da in dieser Arbeit versucht wird, die Vielschichtigkeit des Transformationsprozesses insgesamt und die Komplexität der in seinem Rahmen zu bewältigenden Aufgaben und Probleme zu verdeutlichen, erscheint es notwendig, die Betrachtung nicht auf das rein Ökonomische zu beschränken: Die von den Menschen in Mittel- und Osteuropa zu Beginn der Transformation am häufigsten genannten Ziele waren „Freiheit" und „materieller Wohlstand". Mithin kann der Transformationsprozeß als das Streben nach formeller und materieller Freiheit verstanden werden. Um dies angemessen berücksichtigen zu können, wird bei der Erörterung der wichtigsten „Einzelprobleme" der Transformation in Kapitel 4 jedes dieser Probleme zunächst „im weiteren Sinne" betrachtet, bevor dann die - in der Transformationsliteratur übliche - Betrachtung „im engeren (ökonomischen) Sinne" erfolgt. Die beiden Kapitel 3 und 4 dieser Arbeit stellen also den Versuch dar, die beiden genannten Hauptdefizite der traditionellen Transformationsforschung „auszugleichen" und die entsprechenden Ausfuhrungen möglichst miteinander zu verknüpfen. Dabei wird das entscheidende Bindeglied im Phänomen des Wettbewerbs gesehen, und es soll die Interdependenz der Aspekte „Unternehmertum und Innovation" sowie „ordnungspolitische Konsistenz" verdeutlicht werden. Es wird zu zeigen sein, daß zwar einerseits die Entfaltung privatwirtschaftlichen (schöpferischen) Unternehmertums ohne die Setzung eines stabilen ordnungspolitischen Rahmens nicht erwartet werden kann, daß aber andererseits - wegen bestimmter transformationsspezifischer Besonderheiten - die Setzung eines solchen Rahmens allein eben nicht ausreicht, um „das Skelett mit Fleisch zu füllen". Die wichtigste dieser Besonderheiten wird darin gesehen, daß die Hinterlassenschaft der alten Ordnung und ihrer plötzlich ungültig gewordenen formalen Institutionen - die innerhalb dieses alten Rahmens gewachsenen Wertvorstellungen, Normen, Gewohnheiten und Erfahrungen der Menschen - die Akzeptanz, das Verständnis und die Anwendung der neuen formalen Institutionen erschwert. Dieses in das Neue hineinwirkende und noch immer verhaltensprägende Erbe des Überkommenen berührt letztlich den Kern des Transformationsproblems: das institutionelle Interregnum, das sich gleichsam als Spannungsverhältnis bzw. Konkurrenz zwischen „gewachsener und gesetzter Ordnung" verstehen läßt (vgl. hierzu Leipold 1997a). 4. Das (Schein-)Problem der „Empirielosigkeit" Es ist selbstverständlich, daß eine solche Arbeit an Qualität gewinnt, wenn die theoretischen Ausführungen nicht nur vereinzelt, sondern möglichst durchgängig mit der
Es sei konzediert, daß auch die Anwendung des Euckenschen Konzepts auf das Transformationsproblem keineswegs neu ist - so wird denn auch hier auf entsprechende (Vor)Arbeiten zurückgegriffen: Gutmann (1991), Weber (1992) und (1995, hier insbes. S. 916) sowie femer Brockmeier (1994a); sehr ausführlich im übrigen: Keilhofer (1995). Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Arbeit von Song (1992), der in jeweils gesonderten Kapiteln die Bereiche „Privateigentum und Privatisierung", „Wettbewerb und Liberalisierung" sowie „Geldwertstabilität und Währungs- bzw. Bankenreform" bearbeitet - allerdings ohne Eucken auch nur in einer Fußnote oder im Literaturverzeichnis zu erwähnen.
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Realität konfrontiert, d.h. anhand empirischer Daten überprüft werden. Allerdings versteht es sich ebenso von selbst, daß es bei der Vielfalt und dem Umfang der hier betrachteten Zusammenhänge ein geradezu uferloses - und deshalb hoffnungsloses - Unterfangen gewesen wäre, hätte man dies denn tatsächlich auch nur mit annäherndem Anspruch auf Vollständigkeit tun wollen. Eine aussagekräftige Überprüfung der theoretischen Aussagen anhand zuverlässiger empirischer Daten aus möglichst vielen Ländern hätte zwangsläufig die inhaltliche Beschränkung auf einen wesentlichen Teilaspekt der Transformation - beispielsweise die Privatisierung - erfordert. Genau dies allerdings soll die vorliegende Arbeit ja gerade nicht leisten.23 Zum anderen erscheint mir die vordergründig erscheinende „Empirielosigkeit" der vorliegenden Arbeit darüber hinaus auch wegen des grundsätzlich unausweichlichen Problems der stets unzureichenden Aktualität empirischer Daten relativ unbedenklich zu sein: Die im Rahmen einer solchen Arbeit verwendeten empirischen Daten dürften - insbesondere angesichts der Dynamik der Veränderungsprozesse - zum Zeitpunkt der Veröffentlichung längst überholt sein.24 Neben diesen eher „pragmatisch-praktischen" Begründungen für die „Empirielosigkeit" dieser Arbeit gibt es außerdem noch ein wissenschaftstheoretisches Argument, mit dem begründet werden kann, warum eine Arbeit wie die vorliegende geradezu zwangsläufig von geringem empirischen Gehalt sein muß - doch dazu später mehr (vgl. Kapitel 2, Abschnitt 1.2.3 „Transformationstheorie als eine Theorie komplexer Phänomene"). Im übrigen ließe sich auch darauf hinweisen, daß der hier vorgestellte Entwurf einer „synthetischen Transformationstheorie" eine Reihe von Theorie-Elementen enthält, die bereits durch Anwendung in anderem Zusammenhang getestet und nicht falsifiziert wurden - also auch insofern keinesfalls im engeren Sinne „empirielos" sind. So wird gleichsam aus der Not eine Tugend: Die vorliegende Schrift ist als Einladung zur empirischen Überprüfung an alle zu verstehen, die einen theoretischen Gesamtrahmen für die Analyse von Transformationsprozessen suchen, in den die individuellen
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Diese - vermeintliche - „theoretische Schlagseite" dieser Arbeit „zu Lasten" der Empirie ist also allein schon deshalb kein so gravierendes Problem, weil es ja bereits eine unüberschaubare Vielzahl empirischer Studien zu verschiedenen Aspekten der Systemtransformation in einzelnen Ländern gibt, die zusammengenommen ein nahezu vollständiges empirisches Bild der Transformationsprozesse in Mittel- und Osteuropa zeichnen: Wer immer empirisches Material zum Fortgang des Transformationsprozesses in einzelnen Ländern, Regionen, Branchen etc. benötigt, dem steht eine Fülle potentieller Informationsquellen zur Verfugung. Es schien mir wenig sinnvoll, dieser Literaturfulle eine weitere Arbeit über ein bestimmtes Land oder einen bestimmten Teilaspekt der Transformation hinzufugen. Nota: Die erwähnte „Schlagseite zu Lasten der Empirie" bedeutet im übrigen keinesfalls, daß gänzlich auf jedwede empirische Absicherung verzichtet wird: Selbstverständlich wird an verschiedenen Stellen auf die Empirie verwiesen bzw. auf Daten und Fakten der realen Entwicklungen des Transformationsprozesses in Mittel- und Osteuropa eingegangen; dies ist jedoch nicht auf ein bestimmtes Land oder auf einen bestimmten Teilbereich der Transformation beschränkt, sondern geschieht wahlweise jeweils dort, wo es zum besseren Verständnis bzw. zur Illustration der theoretischen Ausfuhrungen besonders sinnvoll erscheint. In diesem Zusammenhang ist folgende Äußerung Euckens (1940/1989, S. 232) recht aufschlußreich bzw. zutreffend: „Je ausschließlicher die Nationalökonomen die jeweilige Gegenwartssituation beachten, (...) je krampfhafter sie modern sein wollen - umso rascher veralten sie."
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Probleme unterschiedlicher Länder sowie bestimmte Teilaspekte - an der jeweils ,.richtigen" Stelle - gleichsam eingebettet werden können. 25 Dadurch wird diese Arbeit zu einer Art Referenzrahmen für die Beschreibung, Analyse, Einordnung, theoretische und empirische Erfassung, Überprüfung sowie die kritische Beurteilung und Bewertung von Transformationsprozessen. Im Idealfall soll sie also - bildlich gesprochen - eine Art Brille sein, durch die hindurch der Blick auf das Transformationsproblem bzw. den Transformationsprozeß insgesamt klarer wird und die den Betrachter auch bestimmte Zusammenhänge zwischen vermeintlich voneinander isolierten Teilaspekten und Einzelproblem der Transformation erkennen läßt.
Anforderungen an eine Transformationstheorie in diesem Sinne formulieren etwa auch Mondelaers (1991) und Nutzinger (1991).
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KAPITEL 2: ÖKONOMISCHE TRANSFORMATIONSFORSCHUNG: DARSTELLUNG UND KRITIK 1. Grundsätzliche Anmerkungen zum Transformationsproblem 1.1. Terminologische Grundlagen 1.1.1. Wirtschaftssystem und Wirtschaftsordnung Die Wirtschaftsordnung ist Teil des Wirtschaftssystems: „Ein Wirtschaftssystem umfaßt erstens die wirtschaftlichen Elemente (Faktoren), d.h. die natürlichen Ressourcen, die produzierten Güter und die Menschen in ihrer Rolle als Produzenten und Konsumenten, zweitens die wirtschaftlichen Beziehungen und Handlungen, d.h. die Produktions-, Verteilungs- und Konsumprozesse in und zwischen den Wirtschaftseinheiten und drittens die wirtschaftliche Ordnung, die sich aus der Gesamtheit der für den Wirtschaftsprozeß verbindlichen Rechtsregeln und sozialen Normen konstituiert. Das Wirtschaftssystem umfaßt also den Wirtschaftsablauf und die Wirtschaftsordnung" (Leipold 1988, S. 58, Hervorhebungen von mir). Die „verbindlichen Rechtsregeln" sind in der Verfassung sowie in Gesetzen und Verordnungen niedergelegt („kodifiziert") und werden in ihrer Gesamtheit auch als „Wirtschaftsverfassung" bezeichnet; diese begründet also „zusammen mit den ungeschriebenen Normen und Institutionen die Wirtschaftsordnung" {Leipold, 1991c, S. 11). Die jeweilige Wirtschaftsordnung bestimmt also maßgeblich den konkreten Wirtschaftsablauf (oder auch „Wirtschaftsprozeß"); so lesen wir etwa bei Eucken (1952/1990, S. 23): „Die Wirtschaftsordnung eines Landes besteht in der Gesamtheit der jeweils realisierten Formen, in denen Betriebe und Haushalte miteinander verbunden sind, in denen also der Wirtschaftsprozeß in concreto abläuft." Bei Leipold (1991c, S. 11) heißt es dazu: „Durch die jeweilige Gestaltung der Wirtschaftsordnung werden die wirtschaftlichen Verhaltensweisen und Beziehungen, also die Wirtschaftsprozesse, geprägt." Es klang bereits an, daß diese Formen ihrerseits keinesfalls etwa ausschließlich ökonomisch determiniert, sondern jeweils Ergebnis bzw. Ausdruck des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren sind; dies wird sehr gut dokumentiert durch eine Definition Hensels (1972/1992, S. 18), die wir deshalb an dieser Stelle abschließend anfuhren wollen: „Wirtschaftsordnungen sind sittliche, rechtliche und morphologische Gebilde. Jede konkrete Ordnung ist charakterisiert durch herrschende Sitten und Gebräuche; das Verhalten der Menschen ist geleitet durch Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein oder auch durch Verantwortungslosigkeit, durch Bindung an Religionen, durch sittliche Normen oder auch durch Sittenlosigkeit" (vgl. ferner Hensel 1979). Spätestens hier wird deutlich, daß es schon bei der Transformation einer Wirtschaftsordnung - und damit auch eines ganzen Wirtschaftssystems - um wesentlich mehr geht als nur um die Umstellung einiger ökonomischer Hebel: „Es sind (...) die alten Entscheidungs-, Informations- und Motivationsstrukturen abzulösen und durch völlig neue
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zu ersetzen" (Gutmann 1990a, S. 23)1 Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, daß wie etwa Dubrowsky (1993, S. 204) betont - „die Transformation von Plan- zu Marktwirtschaften ein sehr komplexer Prozeß der radikalen Veränderungen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Politik und Verwaltung, insbesondere aber im Denken und Handeln der Menschen ist." Entsprechend sind neben ökonomischen auch soziale Aspekte sowie deren mögliche politische Auswirkungen zu berücksichtigen; nicht nur politische Entscheidungen haben maßgeblichen Einfluß auf ökonomische und soziale Geschehnisse, sondern letztere wiederum wirken nachdrücklich in den politischen Bereich hinein. Nichts anderes ist mit der „Interdependenz der Ordnungen" gemeint, deren Beachtung Eucken stets so vehement gefordert hat und deren Bedeutung vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Transformationsprobleme nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.2 Als die o.g. sittlichen, rechtlichen und morphologischen Gebilde stellen Wirtschaftsordnungen „eine Gesamtheit von Handlungs-, Verfugungs- oder Planungsrechten (dar). Diese (wiederum) manifestieren sich in bestimmten ökonomischen Institutionen, den Ordnungsformen, vor allem der Planung und Lenkung des Wirtschaftsgeschehens und des Eigentums an den Produktionsmitteln (...)" (Schüller 1991b, S. 1). Neben den Ordnungsformen der Planung und Lenkung sowie den Eigentumsverhältnissen ist die Wirtschaftsrechnung, d.h. das zur Ermittlung der Knappheitsverhältnisse verwendete Verfahren, ein weiteres wichtiges Charakteristikum zur Unterscheidung von Wirtschaftsordnungen. „Zusammen mit (...) der laufenden wirtschaftspolitischen Gestaltung des Wirtschaftsgeschehens durch den Staat prägen die Ordnungsformen den Handlungsund Entscheidungsspielraum der Menschen in charakteristischer Weise" Schüller (1991b, S. 1). Schüller (ebd., S. 22-25) unterscheidet folgende Wirtschaftsordnungen: Typ A
: Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs
Typ Β1 : Sozialistische Marktwirtschaft staatssozialistischen Typs Typ B2 : Sozialistische Marktwirtschaft partizipatorisch-syndikalistischen Typs Typ C
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: Marktwirtschaft als dezentralisierte Wirtschaftsplanung mit folgenden Varianten: Typ C l : Kapitalistische Marktwirtschaft Typ C2: Soziale Marktwirtschaft Typ C3: Wohlfahrtstaatliche Marktwirtschaft
Vgl. in diesem Zusammenhang die Definition von Neuberger und Duffy (1976): Sie verstehen Wirtschaftssysteme als „socially established mechanisms for making decisions" und sehen die systembestimmenden Merkmale in eben jenen Entscheidungs-, Informations- und Motivationsstrukturen; konsequenterweise sehen sie sich denn auch als Vertreter eines „entscheidungstheoretischen Ansatzes" in der systemvergleichenden Forschung. (Nota: Verstünde man Euckens Ansatz entsprechend, ließe sich in diesem Sinne - cum grano salis - beinahe die gesamte deutsche Ordnungstheorie als „entscheidungsorientiert" ansehen.); vgl. hierzu femer: Gutmann (1990a, insbes.: S. 197/198). Zur Interdependenz der Ordnungen siehe: Eucken (1952/1990, insbes. S. 14-16, S. 180184, S. 304-308, S. 332-334); ferner: Krüsselberg (1989), Hoppmann (1995, insbes. S. 48/49) sowie Kammler (1990).
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An dieser Stelle wird bereits deutlich, daß es kein allgemeinverbindliches (Detail)Ziel für alle Transformationsländer Mittel- und Osteuropas geben kann; vielmehr ist es in deren eigenes Ermessen und deren eigene Entscheidung gestellt, welches Ziel sie für sich definieren und ob sie ein bestimmtes Vorbild wählen wollen (Typ Cl entspräche etwa dem US-Modell, Typ C2 dem bundesdeutschen Modell und Typ C3 dem schwedischen Modell einer Marktwirtschaft). 3 So soll es auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit keinesfalls darum gehen, eine Art Schablone einer Wirtschaftsordnung zu entwerfen, die dann womöglich - im normativen Sinne - als Ideallösung anzustreben wäre. Auch wenn sich keine „Blaupause" entwerfen läßt, so ist es doch keineswegs so, als könne etwa überhaupt keine Orientierungshilfe gegeben werden. So geht es denn primär darum, die Grundelemente einer Wirtschaftsordnung vorzustellen, die in ihrem ökonomischen Kern auf einer Wettbewerbsordnung ordo-liberaler Prägung beruht, und der eine auf Gerechtigkeit, sozialen Frieden und breite Akzeptanz fußende Sozialordnung als gleichberechtigte Partnerin an die Seite gestellt wird. Da in jedem einzelnen der postsozialistischen Länder jeweils spezifische Transformationsbarrieren in sektoraler und regionaler sowie politischer und institutioneller Hinsicht zu überwinden sind, ist es zwingend geboten, einen transformationstheoretischen Entwurf vorzustellen, der einerseits weit genug ist, um als Gerüst für alle Länder dienen zu können, der andererseits jedoch gleichzeitig konkret und „trennscharf' genug ist, um a) mehr als bloße Allgemeinplätze liefern und b) als Alternative zu dem bisher dominierenden neoklassischmonetaristischen Ansatz dienen zu können. 1.1.2. Transformation und Reform In der Diskussion um den Übergang von einer Zentralverwaltungswirtschaft zu einer Marktwirtschaft werden die Begriffe Reform und Transformation in unterschiedlichster Weise - nicht selten sogar synonym - verwandt.4 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll unter Reform eine Änderung einzelner Elemente bzw. Ordnungsformen innerhalb der bestehenden Wirtschaftsordnung verstanden werden. Bei einer Transformation hingegen handelt es sich um einen „Prozeß der für eine Wirtschaftsordnung konstituierenden Merkmale durch konstituierende Merkmale einer anderen Ordnung" ( Wentzel 1991, S. 163), also um den Übergang von einer Wirtschaftsordnung zu einer anderen i.S. einer grundsätzlichen Umwandlung. Bei der hier im Mittelpunkt stehenden Transformation Ähnlich auch Newbery (1992, S. 63): „The essence of the transformation problem is to transform a Soviet-type economy and tum it into a market economy. While it is not difficult to describe the key features of a Soviet-type economy, the concept of a market economy encompasses a wide range of possible models." (Gleichwohl: „Nevertheless, they have some key features in common...", ebd.). So beispielsweise Wohlmuth (1992), der die Begriffe „Transformation", „Systemreform" und „Systemtransformation" synonym verwendet: Da wird beispielsweise der „Transformationsprozeß durch ein Reformprogramm in Gang gesetzt" und als „lern- und anpassungsfähiges System begriffen", für das es lediglich eine „allgemeine Reformrezeptur" gebe . Wenngleich er den drei o.g. synonym verwandten Begriffen immerhin den Terminus „Wirtschaftsreform" gegenüberstellt - woraus man mit etwas gutem Willen auf das Begriffspaar „Transformation und Reform" schließen kann - muß doch gefragt werden, wie man zu größerer Klarheit gelangen will, wenn schon auf der terminologischen Ebene eine derartig babylonische Vielfalt herrscht.
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der Wirtschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa geht es i.S. der genannten Systematik also in erster Linie um den Übergang von Typ A nach Typ C. Entsprechend heißt es bei Schüller (1991b, S. 1/2): „Nur in den Übergängen von A nach C wird eine effektive Transformation gesehen, weil B1 und B2 wegen mehr oder weniger weitgehenden zentralen Preisregulierungen einerseits und der staatlichen bzw. gesellschaftlichen Eigentumsrechte andererseits einen so hohen staatswirtschaftlichen Regulierungsbedarf verursachen, daß beide Typen höchst instabil sind und entweder im Gravitationsfeld von A liegen oder in Richtung C1-C3 tendieren." O.g. Zusammenhang gilt im übrigen unbeschadet der Tatsache, daß sicherlich darüber diskutiert werden kann, ob zu Beginn der Transformation die Wirtschaftsordnungen bestimmter Länder - wie etwa diejenige Ungarns oder Jugoslawiens - nicht doch ebenso gut eher dem Typ B1 bzw. B2 zuzuordnen gewesen wären. Wie auch immer die Zuordnung einzelner Länder letztlich erfolgt - es ist eine Tatsache, daß auch bei Klassifizierung der meisten Länder bzw. deren Wirtschaftsordnung als „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs" eine detaillierte Bewertung des jeweils individuellen Ausgangszustands eine Vielzahl von Unterschieden zutage fördern würde. Das bedeutet: Es bestehen durchaus gravierende Unterschiede nicht nur hinsichtlich des von den einzelnen Ländern grundsätzlich anstrebbaren Endzustandes der Transformation (unterschiedliche Ausprägungen einer marktwirtschaftlichen Ordnung), sondern auch hinsichtlich des jeweils konkreten Ausgangszustandes der Transformation. Mit Blick auf eines der zu Beginn angesprochenen grundsätzlichen Probleme wird vor dem Hintergrund der o.g. Unterschiede hinsichtlich tatsächlicher Ausgangslage und potentiell anstrebbarer Endzustände (nochmals) deutlich, daß sich sowohl eine rein normative als auch eine rein positive Transformationstheorie verbietet - nach einer „Patentlösung" wird man mithin vergeblich suchen.
1.2. Theoretische Grundlagen 1.2.1. Der Ausgangspunkt: Gibt es ein allgemeines Theoriedefizit? Seit Beginn des Transformationsprozesses wurde und bis heute wird vielfach beklagt, „daß es weder im Osten noch im Westen eine interdisziplinär angelegte und empirisch gehaltvolle Theorie (...) der Transformation von Zentralverwaltungswirtschaft und politischer Diktatur in Marktwirtschaft und Demokratie gibt, die dann als Grundlage für wissenschaftlich erarbeitete Instrumente zur politischen Gestaltung der Transmission dienen könnte" (' Gutmann 1991, S. 63). 5 Ist dies lediglich eine Feststellung oder als
Ähnlich äußert sich beispielsweise Peterhoff (1992, S. 30): „Eine allgemein anwendbare Theorie der Transformation im Sinne eines zeitlich und sachlich optimal abgestimmten Vorgehens steht auch westlichen Ökonomen (trotz mancher Attitüden) nicht zur Verfugung (..., greift) doch die Transformation eines Gesellschaftssystems, in dem sogar die "Lebensweise" des einzelnen Menschen durch die Ideologie determiniert werden sollte, über den Bereich üblicher wirtschaftspolitischer Einwirkungsfelder weit hinaus." Bei Kratz und Thieme (1991, S. 409) heißt es: „(Eine) Transformationstheorie der Wirtschaftsysteme (...), aus der konsistente Strategien und Instrumentenbündel abgeleitet werden könnten (...), existiert jedoch gegenwärtig nicht." Als jüngeres Beispiel diene stellvertretend folgende Feststellung von Backhaus und Schäfer (1997, S. 11/12 u. S. 30): „Unfortunately, the political and economic sciences individually and collectively do not
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Kritik zu verstehen? Träfe letzteres zu, wäre ein solcher Vorwurf berechtigt? Im nun folgenden Abschnitt soll zu dieser Frage kurz Stellung genommen werden, um eine Vorstellung darüber zu gewinnen, wie eine Theorie der Transformation grundsätzlich aussehen könnte bzw. welche Erwartungen und Ansprüche an eine solche Theorie berechtigterweise überhaupt gestellt werden können - und welche nicht. Zweifellos kann die Bedeutung einer guten Theorie gerade ftir das Gelingen einer so komplexen Aufgabe, wie sie die Transformation ganzer Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme darstellt, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Treffend heißt es bei Leipold (1992a, S. 73): „Without an adequate theory a successful transition is hardly possible." Es muß allerdings erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß mit derselben Verve und Häufigkeit, mit der bisweilen die „Theorielosigkeit" der Wissenschaft im Zusammenhang mit der Systemtransformation behauptet bzw. beklagt wird, ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, daß die in Mittel- und Osteuropa anstehende Transformationsaufgabe in ihrem Gesamtumfang eine Herausforderung ohne historisches Beispiel ist: „Die Reformstaaten Ost- und Ostmitteleuropas haben mit dem Umbau ihrer politischen und wirtschaftlichen Ordnung ein Projekt in Angriff genommen, für das es in der Geschichte moderner Gesellschaften kein Beispiel gibt" ( Wiesenthal 1995, S. 532). Es darf wohl mit einiger Berechtigung davon ausgegangen werden, daß dieses Zusammenfallen von „Theorielosigkeit" und „historischer Beispiellosigkeit" 6 keinesfalls zufällig ist, denn schließlich haben sich Wissenschaftler in ihrer theoretischen Forschungsarbeit und ihrem Erkenntnisinteresse zu allen Zeiten von sog. „praktischen Problemen" inspirieren und leiten lassen; so sind sie immer (auch) Kinder ihrer jeweiligen historischen Zeit. Dies gilt selbstverständlich auch für die Vertreter der Wirtschaftswissenschaft: So wären beispielsweise Marxens Theorien ohne das damalige wirtschaftsund sozialhistorische Umfeld des blühenden Kapitalismus sowie des durch diesen erstmals in konzentrierter Form sichtbar gewordenen und nicht minder blühenden sozialen Elends ebenso undenkbar wie die Keynessche „General Theory" ohne den „Great Crash" und die Weltwirtschaftskrise mit Millionen von Arbeitslosen. Dieser Zusammenhang läßt sich kaum treffender zum Ausdruck bringen, als es etwa Kuhn mit seiner
have the necessary theoretical and methodological Instrumentarium to come up with clear and precise recommendations as to what strategies of change could make this transformation process stable and lead to the common goal, the establishment of a democratic system with a market economy (...). There is still no generally agreed upon theory of the transformation of economic systems from central planning in physical units to decentrai market coordination." Bemerkenswerterweise gab es trotz dieses Mangels an transformationsspezifischhistorischem und theoretischem Wissen - insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses - erstaunlich viele Berater, die nur wenig Hemmungen hatten, in Mittel- und Osteuropa als „Transformationsexperten" aufzutreten und dort ihre „Patentrezepte" feilzubieten. Entsprechend kritisch heißt es bei Trillenberg (1992, S. 61): „Schon seit einiger Zeit bieten sich Vertreter unterschiedlicher Marktwirtschaftskonzeptionen in Osteuropa als Berater fur Transformationsprozesse an. Unerklärlich ist, woher sie ihre "Erfahrungswerte' nehmen. Es gab bisher noch keine erfolgreich abgeschlossene Transformation von Plan- in Marktwirtschaften. (...). Es bietet sich bisher noch keine anerkannte (...) Transformationstheorie als Grundlage für seriöse Beratungen an."
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Feststellung getan hat, „daß Krisen eine notwendige Voraussetzung für das Auftauchen neuer Theorien sind" {Kuhn 1976, S. 90). 7 So mag man denn das Fehlen einer in sich geschlossenen und „allumfassenden" Theorie der Systemtransformation bedauern und beklagen, ein berechtigter Vorwurf an die (Wirtschafts-)Wissenschaft läßt sich daraus jedoch kaum konstruieren; es sei denn, es gäbe jemanden, der seit jeher, verstärkt aber gegen Mitte und Ende der achtziger Jahre dieses Jahrhunderts, glaubhaft und überzeugend das friedliche Ende des „real existierenden Sozialismus" zur Jahreswende 1989/1990 prophezeit hätte. Oberg (1993, S. 130) bringt dies auf den Punkt: „Machen wir uns nichts vor: Wer hat vor fünf Jahren (1988, T.B.) geglaubt, daß es irgendwann einmal eine Wiedervereinigung Deutschlands geben wird, oder wer hat geglaubt, daß sich das sozialistische System so sang- und klanglos in Osteuropa verabschieden würde?"8 Eine Theorie, die dem Anspruch genügen soll, eine Theorie der Transformation zu sein, kann also berechtigterweise erst dann erwartet werden, wenn sich die Transformationsaufgabe in concreto stellt. 9 Wenngleich nun also die Tatsache, daß es keine allgemeine oder gar empirisch abgesicherte Theorie der Sytemtransformation gibt (wie auch - nachdem erst wenige Jahre vergangen sind, die der empirischen Absicherung hätten dienen können?! 10 ), vor dem Hintergrund der o.g. Argumente nicht ausreicht, der Wissenschaft insgesamt völliges Versagen vorzuwerfen - für eine vollständige „Amnestie" besteht indes ebensowenig Anlaß. Dies gilt nicht zuletzt für die Wirtschaftswissenschaften im allgemeinen und die systemvergleichende Forschung im besonderen: Es mutet in der Tat etwas merkwürdig
In seinem Werk „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" entwickelt Kuhn eine Theorie der Wissenschaftsentwicklung und prägt den Begriff des „Paradigma-Wechsels". Dieser ist für seinen Entwurf von zentraler Bedeutung und hat, wie etwa Schmidt (1981) hervorhebt, „den Einzelwissenschaften starke Impulse gegeben, sich stärker (...) für die Entwicklungsbedingungen der eigenen Geschichte zu interessieren." Ahnlich auch Novy (1990, S. 7): „Gab es schon keine ernsthafte Theorie der Transformation einer kapitalistischen in eine sozialistische Ordnung, obwohl das Thema realpolitisch seit knapp 75 Jahren immer wieder anstand, so gibt es für den umgekehrten Prozeß nun keinerlei Konzeptualisierung. Eine Transformation von bürokratischem Sozialismus in eine mehr oder weniger kapitalistische Marktwirtschaft stand ja auch nicht auf der historischen Tagesordnung." Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der meisten postsozialistischen Länder in den ersten Jahren der Transformation ließe sich - noch einmal auf das o.g. Zitat von Kuhn bezugnehmend - gleichsam mit einer Prise Zynismus feststellen: Die Transformations-ÄTme ist da, mit einer Transformations-77¡eon'e wäre also in Bälde zu rechnen... Dies betont auch Wagner (1991, S. 36): „Eine ausgereifte Theorie des Systemwandels (bezogen aus Osteuropa) ist (...) nicht in Sicht. Dies ist nicht verwunderlich. Denn es handelt sich hier um etwas, was zum großen Teil noch im Entwicklungsprozeß ist. Das heißt, der Systemwandel hat (...) erst begonnen!" Ähnlich Rupf, Schimmelmann und Stall (1993, S. 127): „Vor dem Hintergrund einer überprüften Transformationstheorie können sich Diskussionen über die Reformprozesse in Osteuropa kaum bewegen. Auch ist daran zu erinnern, daß die systemvergleichende Wirtschaftsbeobachtung der vergangenen Jahrzehnte vom Zusammenbruch der sozialistischen Volkswirtschaften Osteuropas eher überrascht wurde, als daß sie ihn deutlich und früh vorausgesehen hätte. Bescheidenheit im theoretischen Anspruch, der sich daraus ergibt, darf aber gleichwohl nicht zu einem Verzicht auf zumindest theoretische Überlegungen fuhren."
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an, daß auch und gerade diese Disziplin zu Beginn der Transformation nicht zumindest über „Schubladen-Modelle" einer entsprechenden Theorie verfügte, obwohl einige ihrer namhaftesten Vertreter bereits vor langer Zeit nachdrücklich auf die systemimmanenten Schwächen zentralgeleiteter Wirtschaftssysteme hingewiesen, ja sogar die „Unmöglichkeit" ihres Funktionierens bzw. Überlebens behauptet hatten (man denke beispielsweise nur an die einschlägigen Arbeiten von Hayeks und von Mises').11 Diesen Vorwurf - und damit letztlich auch die o.g. These von der grundsätzlichen „Krisen-Bestimmtheit" neuer Theorien - relativierend, sei an dieser Stelle der Vollständigkeit bzw. „historischen Redlichkeit" wegen darauf hingewiesen, daß es in Deutschland schon recht früh erste Ansätze transformationstheoretischer Überlegungen gegeben hat. Diese standen im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Ziel einer zukünftigen deutschen Wiedervereinigung - insofern war so mancher Aspekt des späteren Sonderfalls der (ost-)deutschen Transformation bereits in Grenzen durchaus „vorgedacht". Eine wahre Fundgrube in diesem Zusammenhang sind etwa die (offiziellen) Tätigkeitsberichte des am 24. März 1952 ins Leben gerufenen Forschungsbeirats für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen (erster Bericht 1954; zweiter Bericht 1957; dritter Bericht 1961). Dem Forschungsbeirat wurden „zu Beginn seiner Tätigkeit zwei Aufgaben gestellt: (Erstens) eine Klärung der Lage in den einzelnen Wirtschaftszweigen, ihrer Entwicklung, ihrer Kapazitäten sowie ihrer gegenwärtigen Organisation und der für sie geltenden Prinzipien der Wirtschaftsordnung (sowie zweitens, T.B.) die Erstellung eines Sofortprogramms, d.h. die Vorbereitung aller derjenigen Maßnahmen, die im Falle einer Wiedervereinigung alsbald, also etwa innerhalb des ersten Jahres, notwendig sein würden. (...). Im Forschungsbeirat herrschte Einigigkeit darüber, daß die sowjetzonale Zwangswirtschaft und damit auch das System der Planauflagen mit der Wiedervereinigung zu beseitigen sind (...und daß) eine sofortige Umgestaltung des Wirtschaftssystems zur Schaffung der Voraussetzungen einer marktgerechten Produktion auf möglichst hohem Niveau und zur Verbesserung der Versorgung unbedingt notwendig sei." Femer wurde „die Sicherung der Kontinuität der Produktion und der Arbeitsplätze" angestrebt, die „ausser der Änderung der Stellung des Staates in der Wirtschaft auch eine Änderung der Verhältnisse in den Betrieben und in den zwischenbetrieblichen Beziehungen" erfordere (Forschungsbeirat fiir Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands: Tätigkeitsbericht 1952/1953 (vertraulich), S. 8 und S. 32). Im dritten (offiziellen) Forschungsbericht findet sich ein Hinweis darauf, daß das Gelingen der Wiedervereinigung insgesamt die Lösung bzw. Erfüllung zweier Aufgaben zur Voraussetzung habe, von denen die eine als notwendige und die andere als hinreichende Bedingung angesehen werden kann: Die „vollständige Wiedervereinigung" bedürfe der Transformation und der Integration'. „Die Transformation der sowjetzonalen Wirtschaft ist zwingende Voraussetzung für die Bewältigung der anderen Aufgabe der ökonomischen Wiedervereinigung, nämlich für die Zusammenführung, für die eigentliche wirtschaftliche Integration (...). Während die Transformation im wesentlichen eine
Vgl. etwa von Mises (1920) sowie seine weiteren Beiträge zum „Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung" in den Jahren 1923/1924 und 1928, ebenfalls im Archiv fir Sozialwissenschafl und Sozialpolitik; beispielhaft von Hayek (1945) sowie weitere Beiträge im Sammelband von Hayek (1976).
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Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist, entsteht Integration durch einen Prozeß, der zwar von der Wirtschaftspolitik zu ermöglichen, von der Wirtschaft selbst aber zu vollziehen ist." {Forschungsbeirat... 1961, S. 19).12 Daß der Transformationsprozeß wie jedes in historischer Zeit stattfindende Ereignis einmalig und unwiederholbar ist, wurde bereits erwähnt; daß dieser Vorgang sowie die dadurch entstandenen Probleme zudem hochkomplex sind ist, scheint die Aufgabe eines möglichst umfassenden Entwurfs einer Transformationstheorie nicht unbedingt zu vereinfachen. So dürfte denn „mit Blick auf die epochale Einmaligkeit und Einzigartigkeit der sich in den ehemaligen sozialistischen Ländern vollziehenden gesamtgesellschaftlichen Transformation der Zeitpunkt der Theoriebildung noch immer nicht gekommen sein" ( Wollmann, Wiesenthal und Bönker 1995, S. 26). 13 1.2.2. Das Problem: Die Komplexität des Transformationsphänomens 1.2.2.1.
Das „Dilemma der Gleichzeitigkeit" von politischer und wirtschaftlicher Transformation
Die wenigen Anmerkungen des obigen Abschnitts lassen bereits erahnen, daß eine ausfuhrliche Diskussion darüber, ob der gegenwärtige Transformationsprozeß in Mittelund Osteuropa denn nun wirklich „historisch einmalig" sei oder nicht, letztlich wenig fruchtbar zu werden verspricht. Eines läßt sich indes - gleichsam als versöhnlicher Kompromiß - allemal feststellen: „Die simultane Einführung von politischen und wirtDen Hinweis auf diese Quelle verdanke ich meinem Freund und großartigen „Sparringspartner" in Transformationsfragen, Dr. Ralf L. Weber. Bei Hensel (1992, S. 178/179) findet sich eine nahezu wortgleiche Formulierung: Er spricht ebenfalls von „zwei großen Aufgaben, die im Prozeß der Wiedervereinigung zu erfüllen wären. Erstens wäre die Wirtschaftsordnung der DDR zu transformieren, und zweitens wären die Wirtschaftsprozesse dieser beiden Gebiete zu integrieren. (...) Während die Transformation der WirtschaftsorAm/ig der DDR eine wirtschaftspolitische Aufgabe (...der gesamtdeutschen Regierung) wäre, müßte die Integration der Wirtschafts/jrozesse (...) von den wirtschaftenden Menschen selber besorgt werden." (Nota: Es ist übrigens davon auszugehen, daß diese Ähnlichkeit keinesfalls zufällig ist; höchstwahrscheinlich stammt die Formulierung des Forschungsbeirats von Hensel selbst - er war im Winter 1953/1954 in den sog. „Forscherkreis" des Forschungsbeirats berufen worden.). Dieser hier auf die deutsche Wiedervereinigung beschränkte Hinweis scheint mir vor dem Hintergrund des „institutionellen Interregnums" von grundlegender und allgemeiner Bedeutung zu sein. Hensels Einschätzung erfuhr im übrigen eine eindrucksvolle Bestätigung: „Der Transformationsprozeß in Ostdeutschland wurde durch den Prozeß der deutschen Einigung von einer umfassenden Übertragung des bundesrepublikanischen (...) Systems geprägt und überlagert. Wir haben es also genaugenommen mit zwei Prozessen zu tun, einerseits mit der Transformation des real-sozialistischen Systems der DDR und andererseits mit der Integration Ostdeutschlands in das (...) System der Bundesrepublik" (Eisen 1996, S. 40). (Um die Hinweise auf deutschsprachige Arbeiten aus der „Vor-Transformationszeit" abzuschließen, sei ferner sei noch verwiesen auîPropp 1964). Ähnlich - wenngleich einige Jahre zuvor - äußerte sich beispielsweise Watrin (1990, S. 28): Angesichts der Komplexität des Transformationsphänomens insgesamt sowie der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in den einzelnen Ländern spräche nach seiner Auffassung „daher einiges dafür, das Projekt einer Theorie der Transformationsprozesse vorerst zu vertagen."
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schaftlichen Reformen (eines solchen Ausmaßes, T.B.) ist ohne Vorbild in der Geschichte" (Losoncz 1993, S. 157). Dort heißt es weiter: „Doch die rationalen Erfordernisse der politischen Reformen unterscheiden sich wesentlich von den rationalen Erfordernissen der wirtschaftlichen Reformen. Diese Tatsache beengt den Spielraum der Wirtschaftspolitik. In einer pluralistischen Gruppendemokratie können nämlich nur solche Entscheidungen getroffen werden, die die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung haben" (Hervorhebungen von mir). 14 Mit dieser Feststellung - der sicherlich alle an der o.g. Diskussion um die historische Einmaligkeit im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners werden zustimmen können -, ist denn auch ein grundsätzliches Problem der Systemtransformation angesprochen, das für die Komplexität der Gesamtaufgabe maßgeblich mit verantwortlich ist. Gemeint ist ein Phänomen, das man mit Wiesenthal (1995, S. 524) als die „Inkompatibilität der Wirkungen von Demokratie und der Erfolgsvoraussetzungen von Marktwirtschaft" bezeichen könnte: „Es gibt keinen historischen Präzedenzfall, in dem eine demokratisch zustande gekommene und um ihre Wiederwahl besorgte Regierung in einem derartigen Umfang und gegen die manifesten Egalitätspräferenzen der Bevölkerung die Marktallokation von Existenzchancen einzuführen plante." So fanden die bisherigen Versuche grundlegender Wirtschaftsreformen entweder isoliert, d.h. ohne gleichzeitige gravierende politische Veränderungen statt. Oder aber die politischen Veränderungen - so es denn welche gab - hatten in gewaltsamer Form (etwa durch eine Revolution) im unmittelbaren Vorfeld der dann von den neuen Machthabem beschlossenen Wirtschaftsreformen stattgefunden. In jedem Fall aber wurde die neue Wirtschaftsordnung autoritär von oben dekretiert und nicht selten gewaltsam durchgesetzt. Insofern ist das aktuelle Projekt einer friedlichen Simultan-Transformation von Wirtschafte- und Gesellschaftsordnung in den vormals sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas tatsächlich ein Novum. Dies wird im übrigen besonders deutlich, wenn man einen Blick auf diejenigen Transformationsprozesse im 20. Jahrhundert wirft, in denen der umgekehrte Weg beschritten, d.h. die Umwandlung einer grundsätzlich auf marktlicher Ko-
Zu der hiermit angesprochenen grundlegenden Frage, vermittels welcher politischen Ordnung eine marktwirtschaftliche Ordnung wohl am besten herbeigeführt und auf Dauer erfolgreich stabilisiert werden kann, vgl. jüngst etwa: Pies (1997, S. 41-69). Wie Umfrageergebnisse bestätigen, waren und sind die meisten Menschen in den Transformationsländem davon überzeugt, daß Demokratie und Marktwirtschaft in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen; es ist davon auszugehen, daß bei dieser Einschätzung die wirtschaftlich hochentwickelten westlichen Industrienationen als Referenzmodell Pate gestanden haben. Vor dem Hintergrund dieser „Vorbilder" erhofft man sich von der Demokratie stabile politische Verhältnisse und ein gesamtgesellschaftliches „Klima", das als wesentliche Voraussetzung einer raschen wirtschaftlichen Gesundung angesehen wird. Zu dieser Einschätzung ließe sich im übrigen auch - gleichsam im Umkehrschluß - gelangen, wenn man die Ergebnisse empirischer Forschung heranzieht, die die Schlußfolgerung nahelegen, daß politische Instabilität sich negativ auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bzw. wirtschaftliches Wachstum eines Landes auswirkt (vgl. etwa Barro 1991); grundlegend in diesem Zusammenhang ferner: Lambertz (1990).
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ordination und Privateigentum beruhenden in eine staatliche Zentralplanwirtschaft betrieben wurde: Diese wurden sämtlich autoritär durchgesetzt. 15 Dies ist gegenwärtig in Mittel- und Osteuropa völlig anders: Mit dem Versuch der friedlichen Etablierung ökonomischer bzw. materieller Ungleichheit (durch die Einführung marktwirtschaftlich-preisgesteuerter Steuerung im ökonomischen Bereich) bei gleichzeitiger Gewährung politischer bzw. formeller Gleichheit (durch Einfuhrung von Demokratie fur Willensbildung und Entscheidung im politischen Bereich) wird ein Grundproblem der Transformation angesprochen, das Offe (1991) einmal sehr treffend als „Dilemma der Gleichzeitigkeit" charakterisiert hat. Andere Autoren äußerten gar die Überzeugung, daß dieses Dilemma nicht aufzulösen, d.h. die gleichzeitige Einfuhrung von Marktwirtschaft und Demokratie schlicht „unmöglich" sei. 16 Diese Skepsis erschien durchaus angebracht, ist doch der Prozeß der Systemtransformation - insbesondere zu Beginn - für eine Vielzahl von Menschen mit erheblichen Problemen und Einbußen verbunden: Leidet die Mehrheit der Bevölkerung darunter, ist davon auszugehen, daß diese von ihren neugewonnenen politischen Freiheiten in Form demokratischer Wahlrechte Gebrauch machen und die jeweilige Regierung, die sie für die Misere verantwortlich macht, bei nächster Gelegenheit durch Abwahl aus der Verantwortung entlassen wird. Die politischen Entscheidungsträger werden dies schwerlich vermeiden können, da davon auszugehen ist, daß sich verschiedene Interessengruppen („pressure groups") herausbilden werden und nicht alle führenden Lobbyisten bzw. die von diesen vertretenen Interessen gleichermaßen werden bedient werden können. Von manchen Vertretern der gradualistischen Strategie ist bisweilen darauf hingewiesen worden, daß eine solche Aufsplitterung in verschiedene pressure groups gar nicht zu erwarten sei; dies wurde mit dem Hinweis darauf begründet, daß der Umsturz des alten Systems doch schließlich auch ein den meisten Menschen gemeinsames Ziel gewesen sei. Insofern habe die sog. „Olson-These" ausgedient, nach der es nicht nur keinesfalls selbstverständlich, sondern in der Regel sogar höchst unwahrscheinlich sei, daß durch ein gemeinsames Ziel verbundene Gruppen von Menschen es tatsächlich schaffen, dieses gemeinsame, sie verbindende Ziel zu erreichen (vgl. Olson 1968). Freilich kann nicht bestritten werden, daß der durch gemeinsame Anstrengungen vieler Menschen letztlich auf friedlichem Wege erreichte und kaum für möglich gehaltene Umsturz der früheren sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa der OlsonThese von der „Logik des kollektiven Handelns" auf den ersten Blick zu widersprechen
Vgl. hierzu Wentzel (1995, S. 3) sowie ferner Wagener (1990, S. 100 f.). Im übrigen fand so manche gewaltsame Transformation gar auf entsprechender theoretischer Grundlage statt: So ließ etwa Nikolai Bucharin in seinem 1920 erschienenen Werk „Die Ökonomik der Transformationsperiode" (Neuauflage - „mit Randbemerkungen von Lenin": Berlin 1990) „keinen Zweifel daran, daß die Überfuhrung des 'alten Apparates' auf ein "neues Geleise' (...) nicht unter dem System von freien Wahlen, von Koalitions- und Meinungsfreiheit gelingen, sondern nur in Form einer 'brutalen Konfiskation' vollzogen werden könne" (Schüller 1991b, S. 3. Nota: In diesem Zusammenhang verweist Schüller (ebd., S. 2) darauf, daß Bucharin sich „beiläufig (gar, T.B.) über die friedlichen Transformationsvorstellungen von Franz Oppenheimer und Otto Bauer lustig gemacht" habe). Elster Jon: The Necessity and Impossibility of Simultaneous Economic and Political Reform, in: Ploszajaski, Piotr (ed.): Philosophy of Social Choice, Warsaw, S. 309-316.
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scheint. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß nach dem erfolgreichen Umsturz nun für alle die Karten neu gemischt werden, d.h., der Boden für die Aufgabe eines großen gemeinsamen Interesses zugunsten verschiedener Gruppeninteressen bestellt und damit dem 0/so«-Argument wieder zugänglich war: Das vormalige, von vielen Menschen gemeinsam angestrebte Kollektivgut „Transformation", das anfangs ein einfaches Zielsystem aufwies, änderte nach erfolgreichem Start - Umsturz des alten Systems plötzlich seinen Charakter und verwandelte sich in ein multipolares Zielsystem - mit den entsprechenden Folgen fur die Möglichkeit zur Herausbildung verschiedener Interessengruppen geringeren Umfangs und deren Einflußnahme auf den politischen Willensbildungsprozeß (vgl. Cassel 1992). Die Interessengruppen in den Transformationsländern rekrutieren sich in erster Linie aus Vertretern der früheren, „meist parteigebundenen, staatsbürokratischen Planungs-, Lenkungs- und Kontrollinstanzen; (...es ensteht, T.B.) eine so komplexe Vielfalt von Interessen, daß (...) eine enge ökonomische Erklärung von Reform- und Transformationsvorgängen nicht befriedigen kann" (Schüller 1991, S. 3; vgl. in diesem Zusammenhang femer Herrmann-Pillath 1991). Mit Blick auf rivalisierende Interessengruppen und deren Einfluß auf die (Wirtschafts-)Politik stellte Walter Eucken (1952/1990, S. 13) bereits vor fast einem halben Jahrhundert fest: „Es ist nicht etwa nur die Wirtschaft, aus der heraus sich das ordnungspolitische Problem ergibt, sondern auch die Veränderung der politisch-gesellschaftlichen Lage." (Auf diese grundsätzlichen Fragen der Systemtransformation und ihre Behandlung durch die Theorie wird an späterer Stelle noch ausfuhrlich einzugehen sein.) 1.2.2.2. Zur Notwendigkeit einer interdisziplinären Transformationstheorie Es kann nicht oft genug betont werden, daß - wie auch im letzten Abschnitt dargelegt - „die Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft kein rein ökonomisches Phänomen (ist). Sie ist daher auch nicht ausschließlich mit ökonomischer Theorie hinreichend analysierbar" (Dubrowsky 1993, S. 204). Daraus folgt, daß die von der Wissenschaft geforderte „umfassende" Transformationstheorie nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit entstehen und von einer fruchtbaren Kooperation zwischen Ökonomen, Soziologen, Juristen, Historikern, Politologen und wohl auch Psychologen erwartet werden kann.17 Nun ist verständlich, daß sich Wissenschaftler bei der Beschäftigung
Die Forderung nach einer interdisziplinären Transformationstheorie wird von verschiedener Seite erhoben. Für die „Zunft" der Ökonomen seien hier beispielhaft und ausfuhrlich entsprechende Äußerungen zweier Autoren zitiert: „Ein Kernproblem der theoretischen Analyse (von Transformationsprozessen, T.B.) stellen die ebenso engen wie komplexen Beziehungen zwischen der wirtschaftlichen, der rechtlichen, der politischen und der gesellschaftlichen Ordnung dar. In Ubergangsphasen werden die meisten Rahmenbedingungen des Wirtschaftens, die Wirtschaftswissenschaftler gemeinhin zu den "gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten' rechnen, zu interdependent bestimmten Variablen. Vielschichtigkeit und Komplexität des Geschehens bedingen interdisziplinäres Forschen. Gefordert sehen sich zunächst freilich die ökonomische Theorie und die Theorie der Wirtschaftspolitik, insbesondere die traditionelle Lehre von den Wirtschaftssystemen, auch die Neue Ökonomische Institutionenlehre. Angesprochen sind zudem die Rechts- und Gesellschaftswissenschaften, femer die Wirtschafts- und die Zeitgeschichte. Eine systematische Untersuchung der Transformation wird sich nicht allein um die Bildung theoretischer Modelle bemühen, sondern sich vor allem mit den historischen Fällen des Systemwandels be-
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mit dem Transformationsproblem auf die jeweils „eigene" Disziplin beschränken (müssen), auch wenn sie von der Notwendigkeit interdisziplinärer Forschung überzeugt sind. Solange sie dies jedoch auf undogmatische Weise tun, d.h. ihren Kopf heben, um gleichsam als interessierte Laien - über den Tellerrand ihres Faches hinaus einen Blick in andere Disziplinen zu werfen, solange ist eine solche Beschränkung m.E. nicht nur tolerierbar, sondern sogar wünschenswert und unabdingbar notwendig, wenn man überhaupt zu einem verwertbaren (Teil-) Ergebnis kommen will. Gelänge dies einer jeden Teildisziplin, so könnte irgendwann - durch verständige Zusammenführung bzw. Verknüpfung der unterschiedlichen Teilergebnisse - eine Transformationstheorie entstehen (bzw.: zusammengestellt werden), deren Fragmente dann jeweils gebildet würden von einer ökonomischen, einer soziologischen, einer politologischen etc. Theorie der Transformation. Gegenwärtig freilich muß die Forderung nach einer solchen Theorie noch als frommer Wunsch gelten und in den Bereich der Utopie verwiesen werden. 18 1.2.2.3. Bausteine einer ökonomischen Theorie der Transformation Der Verfasser der vorliegenden Arbeit ist Ökonom und möchte folgerichtig seine Schrift als Entwurf einer ökonomischen Theorie der Transformation verstanden wissen. Vor dem Hintergrund der „eigentlich" notwendigen Interdisziplinarität einer Transformationstheorie ist er sich der mit einem solchen, primär auf die ökonomischen Zusammenhänge konzentrierten Theorieentwurf unvermeidlich verbundenen Einschränkungen und Unzulänglichkeiten sehr wohl bewußt. Dies ist jedoch ein Problem, dem niemand ausweichen kann, der es vorzieht, lieber von etwas zumindest ein wenig zu verstehen und weiterzugeben - als von vielem im Grunde nichts. Auch der in diesem Zusammenhang - gerade vor dem Hintergrund der realiter bestehenden komplexen Zusammenhänge und Verflechtungen zwischen ökonomischen und außer-ökonomischen Phänomenen - gern geäußerte Vorwurf der zu starken Abstraktion trifft mich nicht zu hart; ein gewisses Mindestmaß an Abstraktion ist so sinnvoll wie notwendig und angesichts der Komplexität des Themas letztlich auch unvermeidlich. Schließlich ist es - wie bereits eingangs dieser Arbeit zitiert - „die große Lehre der Wissenschaft, daß wir zum Abstrakten Zuflucht nehmen müssen, wo wir das Konkrete nicht meistern können. Das Konkrete
fassen wollen; ihr Anliegen wird sein, möglichst zu allgemein gültigen Aussagen zu gelangen" (Kloten 1991, S. 12). Ähnlich Wagner (1991, S. 35): „In einer Theorie des Systemwandels (...) ist die Interdependenz zwischen ökonomischem, politischem und soziokulturellem System (...) zu berücksichtigen. (...). Eine Theorie des Systemwandels in Osteuropa bedarf eines weiteren als nur eines ökonomischen Erklärungsansatzes. Zum einen handelt es sich dort um einen Gesellschaftswandel und nicht nur um einen Austausch von Wirtschaftssystemen. Zum anderen (...) könnten traditionelle Forschungsschwerpunkte und Sichtweisen innerhalb anderer Sozialwissenschaften (...) durchaus fruchtbar mit integriert werden. Im Grunde müßte eine (zufriedenstellende) Theorie des Systemwandels in Osteuropa eine gesamtgesellschaftliche Theorie sein, die die Interdependenzen verschiedener gesellschaftlicher Subsysteme ins Zentrum stellt." 18
So auch Wohlmuth (1992, S. 37): „Immer wieder wird betont, daß es noch keine Theorie der Systemtransformation gibt (...). Angesichts der Tatsache, daß eine solche Theorie einen äußerst multidimensionalen Charakter aufweisen müßte, ist es wenig erstaunlich, daß bisher keine fundierten Ansätze in diesem Bereich existieren. Die ökonomische Theorie allein wird kaum als Grundlage für eine Theorie der Systemtransformation ausreichen."
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vorziehen bedeutet, auf die Macht zu verzichten, die uns das Denken gibt" (Hayek 1969, S. 45/46). Beim Versuch des Entwurfs einer ökonomischem Transformationstheorie kann m.E. durchaus auf einige „Bausteine" zurückgegriffen werden, die die traditionelle Wirtschaftstheorie bereithält. So gibt es beispielsweise, wie Peterhoff (1992, S. 30) treffend feststellt, eine „aussagefahige Ordnungstheorie (...sowie...) durch Erfahrung gesicherte Erkenntnisse der Wirkungen und Wechselwirkungen wirtschaftspolitischer Instrumente", d.h. „Einsichten in die Stärken und Schwächen alternativer Systeme der Koordination von Wirtschaftsplänen, in die Wechselwirkungen zwischen staatlichem und privatem Sektor, in die Rolle des Privateigentums (...), in die Allokationsfunktion des Preissystems, in die Effizizienzkriterien der makroökonomischen Politik und so fort" (Kloten 1989, S. 101). Diese Erkenntnisse wurden - insbesondere in Teilen der deutschsprachigen Transformationsliteratur - durchaus bereits genutzt. Anders verhält es sich jedoch mit den Erkenntnissen der Innovations- und Unternehmertheorie, der Markt- und Wettbewerbstheorie usw. - Autoren wie Schumpeter und Kirzner wurden bereits genannt -, die bisher nicht in hinreichendem Maße Eingang in die Transformationsforschung gefunden haben.19 Ein weiterer interessanter Ansatz könnte etwa darin bestehen, das Marktphasenschema von Heuß (1965) auf den Transformationsprozeß anzuwenden. 20 Zeit ist ein knappes Gut - dieser Umstand ist auch und insbesondere mit Blick auf den Transformationsprozeß von Bedeutung; vor diesem Hintergrund erklärt sich im übrigen die Vielzahl der Beiträge, in denen der Transformationsprozeß in unterschiedlichste Zeitphasen eingeteilt wird; die diversen Phasenschemata dokumentieren das Bemühen, den Faktor Zeit angemessen zu berücksichtigen bzw. besser in den Griff zu bekommen. 21
Auf eine bemerkenswerte Ausnahme sei gleichwohl hingewiesen: Es handelt sich um den
hochinteressanten Beitrag von Hartwig, Karl-Hans, Erich Staudt, Sibylle Bestel und Martin Rahe (1998), auf den an späterer Stelle noch in aller Kürze eingegangen werden wird; leider wurde ich auf diesen Beitrag (incl. einiger vielversprechender Nachweise) erst unmittelbar vor Drucklegung dieser Schrift aufmerksam. Einen solchen Versuch unternehmen beispielsweise Hartwig (1997 und 1997a) sowie Hartwig et al. (1998). Nota: Zwar wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit noch ausführlich auf das Heuß sehe Phasenschema eingegangen werden, gleichwohl sei bereits an dieser Stelle folgender Hinweis erlaubt: Dem von Heuß vorgestellten Schema liegt eine Einzelmarktbetrachtung zugrunde, d.h., die einzelnen Phasen sind gleichsam als Etappen der Entwicklung bzw. des „Lebenszyklus" eines bestimmten einzelnen Marktes zu verstehen. Die Wechselwirkungen und Verknüpfungen mit vor- und nachgelagerten Märkten bleiben außer Ansatz. Diesen Umstand gilt es stets „im Hinterkopf zu behalten, wenn das Heußsche Modell im Rahmen einer Analyse transformationsspezifischer Probleme Anwendung finden bzw. eine gesamtwirtschaftliche Perspektive eingenommen und - im Analogieschluß - etwa die ganze Volkswirtschaft eines Transformationslandes dem //einsehen Einzelmarkt „gleichgesetzt" werden soll. Zum Faktor „Zeit" sowie zur Phaseneinteilung des Transformationsprozesses siehe etwa folgende Arbeiten: Krakowski (1991), von Delhaes und Fehl (1991), Lösch (1992) sowie Kloten (1993); ferner sei hingewiesen auf das Vier-Phasen-Schema des Ungarn Kâdàr, das zwar sehr grob, gleichwohl recht aufschlußreich ist, weil es ausdrücklich zwischen der Transformation des Politischen Systems (Phase 1) und des ökonomischen Systems (Phase 2) unterscheidet. Als weitere Phasen werden genannt: Die Phase der Krisenbewältigung
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Darüber hinaus stellt auch die sog. Neue Institutionenökonomik22 einige Instrumente bereit, die sich durchaus für die Analyse bestimmter Transformationsprobleme und deren möglicher Ursachen eignen. Als zentrale Elemente dieses Forschungsprogramms seien genannt: die „Property-Rights-Theorie" (Theorie der Handlungsrechte mit der wichtigen Unterscheidung zwischen Verfügungs- und Nutzungsrechten), die „PrincipalAgent-Theorie" (mit dem Problem der asymmetrischen Informationsverteilung) sowie die „Transaktionskosten-Theorie". So ließe sich beispielsweise das problematische Verhältnis zwischen den Betrieben und den diesen übergeordneten Instanzen - das an späterer Stelle näher erläuterte Phänomen der sog. „weichen Pläne" -, in dem eine wesentliche Ursache für den Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaften zu sehen ist, mittels dieser Theorie-Elemente analysieren.23 Daneben sei noch auf die ökonomische Theorie der Verfassung („Constitutional Economics") sowie die ökonomische Theorie der Politik („Public-Choice-Theorie": ökonomische Theorie/n der Demokratie, der Bürokratie, der Verbände) als weitere Elemente der Neuen Institutionenökonomik hingewiesen. 24 Diese wiederum scheinen als Instrumente zur Analyse von Problemen geeignet zu sein, die insbesondere (wenn auch nicht ausschließlich) zu Beginn, aber auch während des Transformationsprozesses virulent sind - hier sei etwa das Problem der Auswahl einer geeigneten Transformationsstrategie genannt, auf das an späterer Stelle (Kapitel 2, Abschnitt 2.1) noch ausführlich eingegangen werden wird. Diese kurzen Bemerkungen mögen genügen, um zu verdeutlichen, daß die These von der grundsätzlichen „Theorielosigkeit" der - insbesondere ökonomischen - Wissenschaft in der vielfach zu stark vereinfacht vorgetragenen Form nicht haltbar ist.25 Es ist also
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und der Einfuhrung von law and order (Phase 3: Übergangsphase) sowie Phase 4 (Erholung der Wirtschaft und strukturelle Modernisierung). Einen guten Überblick bietet etwa der Sammelband von Richter und Furubotn (1996). Beim Forschungsprogramm der Neuen Institutionenökonomik stehen zwei grundlegende Erkenntnisziele im Vordergrund: „erstens die Erklärung der Entstehung und des Wandels von Institutionen (choice of rules) und zweitens die Erklärung der Wirkungen von Institutionen (choice within rules)". Leipold (1991b, S. 97; Fettdruck im Original). Zur Anwendung auf Transformationsprobleme vgl. allgemein Krug (1991) sowie Leipold (1991a). Die zentralen Planinstanzen wären hier als „principal" zu sehen, dem es aufgrund des institutionellen Gesamtarrangements nicht gelingt, sich wirksam vor einem „shirking" seitens der von ihm beauftragten „agents" zu schützen. Die Betriebe bzw. deren Leiter hatten als reine Ausfuhrungsorgane kaum Handlungsfreiheit: Gegenüber der Zentrale waren sie nicht nur in ihren Handlungs- bzw. Verfugungsrechten („usus") massiv eingeschränkt, wichtiger noch: Sie besaßen im Grunde auch keinerlei Nutzungsrechtsrecht („usus fructus"), d.h. erwirtschaftete Erträge standen nicht etwa ihnen, sondern der Zentrale zur beliebigen Verwendung zu (vgl. Leipold 1983a und 1988). Eine interessante Ergänzung aus transaktionskostentheoretischer Sicht liefert beispielsweise Wegehenkel (1981). Vgl. zur allgemeinen Einführung etwa: Richter (1990); ferner folgende Kurzbeiträge - mit weiteren Nachweisen - im Sammelband von: Schüller und Krüsselberg (Hrsg.) (1991): Leipold, Helmut: Ökonomische Theorie der Verfassung (S. 110-114) sowie Fehl, Ulrich: Neue Politische Ökonomik (S. 115-116), Public Choice (S. 118-120), Bürokratie (S. 121123). Starbatty - der gar vorgibt, die Klagen über die angebliche Theorielosigkeit bisweilen „als ein einziges Gejammere" empfunden zu haben, - bringt es auf den Punkt: „Die traditionelle Theorie leistet eine ganze Menge, wenn man sie richtig anwendet - gerade auch die Ordnungstheorie" (Starbatty 1993, S. 172).
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keineswegs so, als müßte vor dem Hintergrund der historischen Einmaligkeit des Transformationsphänomens gleichsam das Rad neu erfunden werden. Diese Feststellung ist indes nicht als Aufforderung zum selbstgefälligen „Sich-zurück-Lehnen" zu verstehen im Gegenteil: Die verschiedenen Erkenntnisse der Wirtschaftstheorie mögen zwar grundsätzlich als potentielle „Bausteine" für eine ökonomische Theorie der Transformation vorhanden sein, sie müssen jedoch auch als solche erkannt und zu einer Art „Grund-Gerüst" eines möglichst stabilen und konsistenten (Theorie-)Gebäudes zusammengesetzt werden. Davon freilich kann bisher nicht (immer) unbedingt die Rede sein. Folgerichtig ist die kritische Auseinandersetzung mit den bisherigen wirtschaftswissenschaftlichen Beiträgen zur theoretischen Transformationsforschung notwendiger denn je - und zwar sowohl wegen deren oftmals zu einseitiger Ausrichtung als auch vor dem Hintergrund der bisherigen Zwischenergebnisse der tatsächlichen Transformationsprozesse in den verschiedenen Ländern. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit, die einen Beitrag zu einer solchen kritischen Auseinandersetzung liefern will, wird versucht, bereits vorhandene Werkzeuge zu nutzen, d.h. verschiedene Instrumente bzw. Teilgebiete der ökonomischen Theorie miteinander zu verknüpfen. Dabei versteht sich von selbst, daß jede kritische Auseinandersetzung mit der Transformationsliteratur immer im Lichte der spezifischen Merkmale des Transformationsprozesses stattzufinden hat. Bevor damit begonnen wird, erscheint es jedoch angebracht, zumindest kurz auf die Ursachen einzugehen, die überhaupt zur „Geburt" des Transformationsphänomens gefuhrt haben; wir wollen uns dabei auf die ökonomischen Ursachen konzentrieren, d.h. auf diejenigen Faktoren, deren „Zusammenspiel" letztlich die für den endgültigen Zusammenbruch der maroden Zentralverwaltungswirtschaften in Mittel- und Osteuropa verantwortlich war. Dies ist nicht nur für das bessere Gesamtverständnis der Ausgangssituation zu Beginn der Transformation, sondern möglicherweise auch noch aus einem anderen Grunde bedeutsam: Die Ineffizienz der Zentralverwaltungswirtschaften ist selbstverständlich auch den damaligen sozialistischen Machthabern nicht entgangen; in nahezu allen Ländern wurden also noch zu Zeiten des „real existierenden Sozialismus" wiederholt Versuche zur umfassenden Verbesserung der wirtschaftlichen Lage unternommen. Diese Reformversuche sind jedoch letztlich alle gescheitert. Auch wenn wie eingangs betont wurde - im Rahmen dieser Arbeit unter einer Reform etwas grundsätzliches anderes verstanden werden soll als unter einer Transformation, könnte es interessant sein, sich kurz mit den Ursachen des Scheiterns dieser „historischen WirtschaAsreformen" zu beschäftigen; möglicherweise gibt es da Aufschlußreiches zu entdecken, das auch für die Einschätzung bzw. kritische Bewertung der bisherigen Transformationsbemühungen von Bedeutung und Interesse sein könnte. 1.2.2.4.
Empirischer Exkurs/historischer Rückblick: Der Zusammenbruch der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften
1.2.2.4.1. Die systemimmanenten Schwächen der Zentralverwaltungswirtschaft Die vergleichende Systemforschung, insbesondere die deutsche Ordnungstheorie, hat eine Fülle von Arbeiten zu diesem Thema vorgelegt, wobei zu differenzieren ist zwischen dem grundsätzlichen Vergleich idealtypischer und dem empirischen Vergleich
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Thomas Brockmeier
realtypischer Wirtschaftssysteme.26 Im folgenden soll es lediglich darum gehen, die wichtigsten Ergebnisse in Form eines Grobüberblicks wiederzugeben. •
Umfassende Beherrschung aller Lebensbereiche sich selbstperpetuierender Interventionismus
(„totale Kollektivierung")
und
„Das Verlangen nach Planwirtschaft entspringt oft dem Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit" (Hensel 1964, S. 336). Entsprechend war denn auch die Zentralverwaltungswirtschaft mit dem Ziel angetreten, die Menschen vor den vermeintlich ausschließlich in kapitalistischen bzw. marktwirtschaftlichen Systemen auftretenden Unsicherheiten und Risiken infolge ständig wechselnder Wirtschaftslagen (insbesondere Arbeitslosigkeit und Inflation) zu bewahren. Die Menschen sollten sich - auf der Basis verläßlicher Planungsgrundlagen - in einem Hort wirtschaftlicher Ruhe und Ordnung, Stabilität und Sicherheit wähnen, der allen die Erreichung materiellen Wohlstands ermöglichte. Doch es zeigte sich, daß dieses Ziel des „Wohlstands in Ruhe und Planbarkeit" nicht erreicht werden konnte; dies wird durch das folgende ausfuhrliche Zitat Alfred Miiller-Armacks illustriert, das zwar bereits ein halbes Jahrhundert (sic!) alt ist, mit Blick auf die Zeit unmittelbar vor Beginn der Transformation aber nichts von seiner damaligen Aktualität eingebüßt hat: „Das Versprechen, den breitesten Schichten der Bevölkerung eine stabile und in sich beruhigende Lebensordnung geben zu können, wurde in keiner Weise erfüllt. Vielmehr zeigte sich die Planwirtschaft von einem rastlosen Zwang ergriffen, von Eingriff zu Eingriff weiterzugehen, weil mit jedem Eingriff eine weitere Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts eintrat, welche neue Eingriffe verlangte und so fort bis zum völligen Erstarren in einer totalen Planwirtschaft. (...). Im Zwang, von Intervention zu Intervention überzugehen, entsteht jene totale Kollektivierung des Lebens, die zuletzt nicht mehr als ein von den Menschen gelenkter, sondern als ein über sie hinweggehender Geschichtsprozeß empfunden wird (...)" (Müller-Armack 1948, S. 130 u.132). •
Verwaltung des Mangels statt
Konsumentensouveränität
Die Methode der zentralen Planung und Lenkung nach Maßgabe der (naturalen) Knappheiten, die durch die Saldierung von Planbilanzen ermittelt wurden, führte zwangsläufig dazu, daß die Konsumenten nahezu vollständig aus derjenigen Funktion im Wirtschaftsleben verbannt wurden, die sie in marktwirtschaftlich koordinierten SyNeben den frühen und grundlegenden, nicht zur „Ordnungstheorie" i.e.S. zählenden Arbeiten von Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises sei hingewiesen auf die einschlägigen Arbeiten zu Grundsatzfragen der Wirtschaftsordnung sowie zu allgemeinen und speziellen Fragen des Systemvergleichs von Autoren wie Franz Böhm, Walter Eucken, Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke, Alfred Müller-Armack, Karl Paul Hensel, Friedrich Haffner, Karl C. Thalheim, Erik Boettcher, Gemot Gutmann, Helmut Leipold, Alfred Schüller, Hannelore Hamel, H. Jörg Thieme, Dieter Cassel, Hannsjörg F. Buck, Hans-H. Höhmann, Manfred E. Streit, Hans-Jürgen Wagener u.a.; ein gesonderter Hinweis sei gestattet auf die Habilitationsschrift von Ernst Heuß: Wirtschaftssysteme und internationaler Handel, Zürich/St. Gallen 1955; aus dem angelsächsischen Raum sei verwiesen auf Arbeiten von George N. Halm, Morris Bornstein, Alee Nove; aus dem osteuropäischen Raum sei etwa hingewiesen auf Arbeiten von Oskar Lange, Wladimir Brus, Ota Sik, Janos Kornai oder auch Jiri Kosta. (Unnötig zu erwähnen, daß dieses „Who is Who des Systemvergleichs" keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt...).
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Ökonomische Transformationsforschung
stemen üblicherweise ausüben: nämlich „das letzte Wort" im Sinne eines letztinstanzlichen Urteils über das Angebot und damit die Wirtschaftstätigkeit in einer abgelaufenen Periode zu sprechen. Diese Vernachlässigung der Konsumentenwünsche, die die dauerhafte Etablierung von Verkäufer- statt Käufer-,.Märkten" in nahezu allen Branchen bedeutete, hing zunächst einmal grundlegend mit der Tatsache zusammen, daß, worauf bereits Müller-Armack (1947, S. 21) hinwies, „der Wirtschaftslenkung jegliches Kriterium für die Übereinstimmung von Bedarf und Produktion fehlt", so daß ihm in folgender Feststellung grundsätzlich zugestimmt werden kann: „Die Wirtschaftslenkung ist daher mit einer Freiheit des Konsumenten nicht zu vereinbaren." 27 Erschwerend kam noch hinzu, daß die Verantwortlichen glaubten, durch die massive Förderung der Schwerindustrie erhebliche Wachstumserfolge und so das erklärte Ziel der „Überflügelung des Kapitalismus" möglichst rasch erreichen zu können; diese einseitige Förderung der Schwerindustrie mußte sich zusätzlich nachteilig auf die Konsumgutproduktion und damit auf die ohnehin schon schlechte Versorgungslage auswirken. Zur „Verteidigung" - auch und gerade mit einem Blick auf das o.g. Ziel der Geborgenheit und sozialen Sicherheit - wurde meist das Argument ins Feld geführt, die Versorgungslage der Menschen in den „real-sozialistischen" Ländern sei so schlecht nicht, da sie doch von den sehr niedrigen Preisen für die Güter des täglichen Bedarfs profitierten. Diese Preise waren selbstverständlich staatlich fixierte Höchstpreise - mit den hinlänglich bekannten negativen Folgen, auf die hier nicht en detail eingegangen zu werden braucht. Folgendes Zitat Müller-Armacks möge genügen, um die These vom angeblichen Wohlstand durch niedrige Preise in zentral geplanten und gelenkten Wirtschaftsordnungen als Märchen zu entlarven: „Es ist (...) eine Illusion zu erklären, der niedrige Preis liege im Interesse der Konsumenten. Der niedrige Preis ist vielmehr nur eine Ursache für die Störung des Marktmechanismus, und was dem Konsumenten an scheinbarer Verbilligung der Ware zugute kommt, wird ihm auf der anderen Seite dadurch genommen, daß mit der Verknappung Kontingentierungen notwendig werden, Rangordnungen entstehen, bei denen keineswegs klar ist, ob er am Zuge bleibt" (Müller-Armack 1947, S. 23).28 • Funktionslose rechnung
Preise, verzerrtes Preissystem
und der Bruch in der
Wirtschafts-
„Das Lenkungssystem besitzt selbst beim besten Willen, auf die Konsumentenwünsche einzugehen, überhaupt nicht die Möglichkeit, diese in ihrer Dringlichkeit zu erkennen und entsprechend zu berücksichtigen. Die tatsächliche Vernachlässigung des Konsumenten in diesem System ist nur der äußere Ausdruck dieses unausweichlichen Faktums" (MüllerArmack 1947, S. 23; wiederabgedruckt in: derselbe (1966), S. 19-170, hier: S. 36/37 u. 39). Derselbe ähnlich an anderer Stelle: „Die Stabilisierung der Preise bedeutet an sich für den Konsumenten noch keinen endgültigen Vorteil, da es ja nicht nur darauf ankommt, ob er die Güter zu einem festen Preis erhält, sondern ob er sie überhaupt erhält und in welchen Mengen. Die mit der Wirtschaftslenkung überall verbundene Stabilisierung der Preise hat durchweg die Steuerung der Produktion durch den Konsumenten beseitigt. Das Versprechen, für diese Einschränkung Güter in erhöhten Mengen zu verbilligten Preisen den Massen zur Verfügung stellen zu können, blieb unerfüllt" (Müller-Armack 1948, S. 134).
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Der Umstand, daß das mit dem künstlichen Einfrieren der Preise für Güter des täglichen Bedarfs vorgeblich verfolgte Ziel des „Verbraucherschutzes" letztlich nicht erreicht werden konnte, änderte jedoch nichts an der Tatsache, daß diese formell niedrigen Preise - wie das gesamte System staatlich festgelegter Preise überhaupt - den Eindruck vermitteln sollten, in Zentralverwaltungswirtschaften gäbe es keine Inflation, die Menschen könnten also vor dieser Geißel kapitalistisch-marktwirtschaftlicher Systeme wirksam geschützt werden. Dies war selbstverständlich ebenfalls eine Illusion, ist doch die für Marktwirtschaften typische (offene) Preisinflation letztlich nur eine von vielen Inflationsarten; so litten denn die Zentralverwaltungswirtschaften vor allem unter der Kassenhaltungsinflation.29 Dies wurde spätestens zu Beginn der Transformation überdeutlich, als es im Rahmen der anstehenden Stabilisierungsbemühungen vor allem darum ging, das mit dieser Inflationsart eng verknüpfte - und damit für Zentralverwaltungswirtschaften typische - Problem des Geldüberhangs zu lösen (dazu später mehr). Ferner gab es die Variante der versteckten Inflation, bei der die Geldentwertung bzw. Kaufkraftverschlechterung weder offen zutage tritt noch durch erzwungene Geldhortung mangels Konsumgelegenheiten (Zwangssparen), sondern dadurch zustande kommt, daß ein bestimmtes Gut bei gleichbleibendem Preis gegen ein ähnliches Gut schlechterer Qualität ausgetauscht wird. Ein weiterer „inflationsträchtiger" Bereich in Zentralverwaltungswirtschaften ist der Bereich der Schattenwirtschaft bzw. Parallelwirtschaft 30 , in dem die Entwicklung des Preisniveaus „der Kontrolle der staatlichen Lenkungsorgane vollends entzogen ist (...). Indikator für die geringe Wertschätzung der sozialistischen Währungen ist der Versuch der Wirtschaftssubjekte, bei den schattenwirtschaftlichen Transaktionen die eigene Weichwährung zu meiden und Nebenwährungen, wie z.B. Dollar oder DM, als Tauschmittel zu verwenden" (Wentzel 1995, S. 15)31 Vor dem Hintergrund der o.g. Argumente und angesichts der vielfältigen Preisverzerrungen bedarf die Feststellung keiner weiteren Erläuterung, daß von einem „konsistenten Preissystem" in den Zentralverwaltungswirtschaften trotz bzw. gerade wegen der staatlichen Planung keine Rede sein konnte. Die staatlichen Preisfixierungen und die vielfältigen Verzerrungen innerhalb des zentral geplanten Preissystems bedeuteten, daß die Preise in den Zentralverwaltungswirtschaften selbstverständlich nicht die „üblichen" Preisfunktionen wahrnehmen konnten. Nun könnte man einwenden, daß Preise die Indikatorfunktion als Knappheitsanzeiger, die Allokationsfuktion als Lenkungsinstrument und die Motivationsfunktion als Leistungsvehikel - um nur die wichtigsten Preisfunktionen zu nennen - tatsächlich auch nur innerhalb marktwirtschaftlicher Systeme zu übernehmen hätten; m.a.W.: Da Preise innerhalb einer Zentralverwaltungswirtschaft prinzipiell gar nicht als KnappheitsVgl. beispielhaft und ausfuhrlich Wentzel (1995, S. 14 f., mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Bisweilen findet sich auch die Bezeichnung „Ausweichwirtschaft"; vgl. hierzu grundsätzlich: Cichy (1990). (NOTA: Mit „Ausweichwirtschaft" werden hier alle Bereiche bezeichnet, auf die der staatliche Lenkungsapparat nicht wirkungsvoll zugreifen kann, während mit „Schattenwirtschaft" in der Regel nur diejenigen Tätigkeiten erfaßt werden, die keinen Eingang in die VGR finden; vgl. dazu etwa: Cassel (1986). Wentzel verweist ferner auf: Seil und Thieme (1980) sowie auf Wingender (1989); vgl. auch Cassel (1987).
Ökonomische Transformationsforschung
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anzeiger oder Motivationsinstrument vorgesehen seien, sei es unerheblich, wenn die Preise staatlich festgelegt würden - gäbe es doch keine Funktion innerhalb des Systems, die die Preise dadurch verlieren könnten. Die Berechtigung dieses „trickreichen" Arguments steht und fällt allerdings mit dem Ausmaß, in dem die o.g. Preisfunktionen in Zentralverwaltungswirtschaften von anderen „Funktionsträgern" - gleichsam ersatzweise - würden wahrgenommen werden können: Preise sind kein Selbstzweck, sie sind nicht um ihrer selbst willen wichtig, sondern erhalten nur als „Funktionsträger" zur Lösung bestimmter Probleme ihren Sinn. Nun sind allerdings die Grundprobleme bzw. Grundtatbestände des Wirtschaftens systerrw«spezifische Probleme: In Marktwirtschaften versucht man diese über freie Preisbildung auf Wettbewerbsmärkten zu lösen, in Zentralverwaltungswirtschaften auf andere Weise. Gleichwohl werden Preise auch in Zentralverwaltungswirtschaften spätestens dann „allokationsrelevant", wenn durch ihre Verwendung reine Mengengrößen zu Wertgrößen werden (s.u.). Um das o.g. Argument als „Schein-Argument" zu entlarven, reicht es bereits aus, darauf hinzuweisen, daß Preise selbstverständlich auch für die Menschen in den sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften eine „Orientierungsgröße" darstellen; insofern versteht es sich im Grunde von selbst, daß ein verzerrtes Preissystem auch im „realen Sozialismus" durchaus ein Störelement sein kann. So zeigte sich, daß die realen Zentralverwaltungswirtschaften tatsächlich weder über ein konsistentes Preissystem noch über ein Preis-Äquivalent verfugten, das die Grundprobleme des Wirtschaftens, denen sich jedes Wirtschaftssystem zu stellen hat, mit vergleichbarer Leistungsfähigkeit hätte lösen können, mit der freie Preise in Marktwirtschaften dies tun: So versagten beispielsweise die als Knappheitsanzeiger vorgesehenen Salden der - naturalen - Planbilanzen kläglich. Und selbst wenn es - gewissermaßen zufällig - einmal gelungen wäre, die tatsächlichen Güterknappheiten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln, diese dann ihrer - politisch und damit willkürlich festgelegten - Dringlichkeit entsprechend zu ordnen und in den Zentralplan einzubauen, dann hätte diese Dringlichkeitssystematik natürlich noch mit den ermittelten Knappheiten der vorhandenen Produktionsfaktoren abgeglichen werden bzw. diesen entsprechen müssen, um zu einem insgesamt widerspruchsfreien, in sich konsistenten Gesamtsystem zentraler Planung und Lenkung gelangen zu können. Doch selbst bei theoretischer Lösung dieses - im Grunde „statischen" - Problems taucht unweigerlich die nächste Hürde auf: Angenommen, man könnte zu einem bestimmten Zeitpunkt eine solche eher „zufällige" Lösung finden und versuchte dann, diese durch die wiederum politisch-willkürliche Festlegung eines Gesamtpreissystems zu fixieren oder „einzufrieren", dann hätte man in der Folge unweigerlich mit einem weiteren, im Grunde unlösbaren - „dynamischen" - Problem zu kämpfen: Wie wollte man wohl die im Zeitablauf sowohl auf Güter- als auch auf Faktorenseite unweigerlich auftretenden Veränderungen der Knappheitsverhältnisse innerhalb dieses zentral geplanten starren Systems der eingefrorenen Werte einfangen?! 32
Vgl. zu diesem Problem grundlegend: Eucken (1944). Auf jene Arbeit Euckens ausdrücklich bezugnehmend, formuliert beispielsweise Müller-Armack (1947, S. 27) in diesem Zusammenhang treffend: „Wenn (...) versucht werden sollte, ein solches autonom festgelegtes Preissystem zu fixieren, so ergibt sich damit die (...) Schwierigkeit, daß Variationen in der Dringlichkeit der Nachfrage und der Knappheit der Produktionsfaktoren im Wertsy-
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Thomas Brockmeier
Mithin läßt feststellen, daß sich in der jahrzehntelangen Praxis der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften Mittel- und Osteuropas das Urteil eindrucksvoll bestätigt hat, das Müller-Armack (1947, S. 28) bereits vor einem halben Jahrhundert über die zentrale Wirtschaftslenkung fällte: „Die eigentliche ökonomische Gefahr des (zentralverwaltungswirtschaftlichen, T.B.) Lenkungssystems liegt im Fehlen jeglichen Kriteriums und jeglicher Kontrolle darüber, ob der angesetzte Dringlichkeitsplan der Güter a) der Dringlichkeit der Bedürfnisse, b) der Knappheit der wirtschaftlichen Güter entspricht und ob die gewählten Produktionsmethoden auch die ökonomischsten sind." Die oben beschriebenen monetären Instabilitäten und die Verzerrungen innerhalb des staatlichen Festpreissystems sowie die praktisch unlösbaren Schwierigkeiten, dieses den entsprechenden Veränderungen im Zeitablauf anzupassen, haben letztlich ihre Ursache in der grundsätzlichen Unvereinbarkeit von naturaler Planung und monetärer Bewertung (Bewertung in Geldpreisen). Da nun die Verantwortlichen in den Zentralverwaltungswirtschaften des „real existierenden Sozialismus" im Sinne der Ordnungskonformität einerseits auf das System der naturalen Planung und Bilanzierung nicht verzichten wollten und andererseits aufgrund der Größe und Komplexität ihrer großen, arbeitsteiligen Wirtschaftsgesellschaften auf die Verwendung von Geld als Tauschmittel und Recheneinheit allein schon wegen der dadurch bewirkten Reduzierung der theoretisch denkbaren Tauschrelationen grundsätzlich nicht verzichten konnten 33 , wurde durch die Praxis der Zentralverwaltungswirtschaft letztlich eine These eindrucksvoll bestätigt, die Ludwig von Mises bereits vor vielen Jahren aufstellte und die als „Unmöglichkeitstheorem " ihren Platz in der ökonomischen Theoriegeschichte gefunden hat: „Die Rolle, die das Geld in der freien Wirtschaft auf dem Gebiete der Produktionsrechnung spielt, kann es in der sozialistischen Gemeinschaft nicht behalten. Die Wertrechnung in Geld wird hier unmöglich" (Mises 1920, S. 90; Hervorhebung von mir). Wenn die Wertrechnung in Geld unmöglich wird, auf diese - und damit auf die Verwendung von Preisen jedoch wegen der Komplexität arbeitsteiliger Volkswirtschaften unabhängig von der jeweils gewählten Wirtschaftsordnung grundsätzlich nicht verzichtet werden kann, dann wird die Zentralverwaltungswirtschaft im Falle von Preisverzerrungen gleichsam ein Opfer der Interdependenz von Planungs- bzw. Lenkungsverfahren und Methode der Knappheitsermittlung: Die optimale Allokation innerhalb der Zentralverwaltungswirt-
stem (der zentralen Planung und Bilanzierung, T.B) nicht zum Ausdruck gebracht werden können" (Hervorhebungen von mir). Bei einer angenommenen Menge von η Gütern gibt es n*(n-l)/2 mögliche Tauschrelationen. In einer rein naturalen Tauschwirtschaft bedeutet dies eine Anzahl von relativen (Güter-)Preisen in gleicher Höhe. Durch die Einfuhrung von Geld als Tauschmittel und Recheneinheit können alle Tauschrelationen „auf ein und dasselbe Medium bezogen werden". Durch die Einfuhrung eines solchen gemeinsamen Nenners wird die Anzahl der möglichen Tauschrelationen bzw. (Geld-)Preise auf die Anzahl der Güter reduziert (genauer: auf (n-1), da ja das Gut „Geld" nun als Bezugseinheit fungiert). Beispiel: Bei n=100 Gütern gibt es in einer Naturaltauschwirtschaft 4.950 mögliche relative Preise, jedoch nur 99 Geldpreise; bei n= 1.000 beträgt das Verhältnis bereits 499.500 zu 999 usw; vgl. etwa: Borchert (1987, S. 673). Nota: Der Vollständigkeit halber sei daraufhingewiesen, daß obige Argumentation nur im fiktiven Zustand des Gleichgewichts gilt. Im realen Wirtschaftsleben ist davon auszugehen, daß zwischen zwei gleichen stets mehrere Tauschrelationen bestehen werden; vor diesem Hintergrund ist die Leistung des Geldes umso höher einzuschätzen.
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Ökonomische Transformationsforschung
schaft setzt voraus, daß die Zentrale die echten Knappheitsverhältnisse kennt; dies wiederum setzt voraus, daß die für den wichtigsten und gemäß der M a n s c h e n Arbeitswertlehre allein wertschaffenden Produktionsfaktor - menschliche Arbeit - die ,gichtigen" Einsatzzeiten (Arbeitszeiten) ermittelt worden sind, die der optimalen Allokation entsprechen würden. Dann müßten die mit diesen Arbeitszeiten korrespondierenden und „Tauschwerte" darstellenden relativen Preise ermittelt und den Betrieben als verbindliche (naturale) Planziele vorgegeben werden. Indes war es - wie im nun folgenden Abschnitt zu zeigen sein wird - für die Betriebe in den Zentralverwaltungswirtschaften aus subjektiver bzw. individueller Sicht durchaus rational, von der nach o.g. Methode ermittelten optimalen Allokation im gesamtwirtschaftlichen Sinne abzuweichen: Mit dem P h ä n o m e n der sog. „weichen Pläne", das wir nun erörtern wollen, ist letztlich nicht nur „nachgewiesen, daß die Marasche Arbeitswerttheorie inkompatibel mit der optimalen Allokation ist" (Fehl 1974, S. 299) 3 4 , sondern zugleich der, w e n n m a n so will, interne Sprengsatz des Systems der Zentralverwaltungswirtschaft identifiziert. •
Das Phänomen
der „weichen
che, technisch-wirtschaftlicher fähigkeit
auf
V o n Ulrich
Pläne"
als interner
Stillstand
Sprengsatz:
und die Verschleierung
Innovationsschwäder
Leistungs-
Mikroebene Wagner,
einem Schüler Hensels,
stammt folgende Definition: „Unter
weichen Plänen versteht m a n die Gesamtheit aller B e m ü h u n g e n der Betriebe, sich leicht erfüllbare Planauflagen zu verschaffen." 3 5 Karl Paul Hensel hatte bereits sehr früh die
„Die Arbeitswerttheorie Marxscher Prägung vermag zur Lösung des Allokationsproblems nichts beizutragen." Zu einer ausfuhrlichen theoretischen Begründung dieser Schlußfolgerung bzw. zum Nachweis dafür, „daß die Marxsche Arbeitswerttheorie zu Tauschrelationen fuhrt, die mit dem Preissystem, das die optimale Allokation tatsächlich zustande bringt, nicht zu vereinbaren sind", siehe: Fehl (1974, Zitate hier: S. 299, 303 u. 309). Fehl macht deutlich, daß der „Kardinalfehler" in der gleichsam doppeldeutigen Verknüpfung und Gleichsetzung der input- und outputbezogenen Bedeutung des Begriffes „Wert" (der menschlichen Arbeit) besteht, die Marx vornimmt (So spricht Fehl denn auch treffend vom „Doppelcharakter des "Wertes'", ebd., S. 311): Bekanntlich erhält nach Marx jeder Arbeiter als Lohn lediglich den „Wert" seiner Arbeitskraft, sprich: seine Reproduktionskosten. Hier meint „Wert" offenbar nichts anderes als die eingesetzte Arbeitszeit (Arbeitsstunden bzw. Arbeitsmengen), die nach Marx für alle Arbeiter identisch sind. Weiterhin heißt es bei Marx, daß allein menschliche Arbeit „Werte" (gemeint sind Güter bzw. „Waren") hervorbringe. In der weiteren These nun, daß jeder Arbeiter den gleichen Wert schaffe, liegt die eigentliche Crux, werden damit doch letztlich Aufwandsgrößen (Arbeit bzw. „Wert" als Input) als Ertragsgrößen („Wert" der hergestellten Waren „in Arbeit" als Output) identifiziert bzw. einander gleichgesetzt. Anders ausgedrückt: Es wird behauptet, „daß etwas den gleichen Ertrag erbringt, nur weil es die gleichen Kosten hervorruft. So bleibt Marx schließlich in den Kostenkategorien stecken und vermag nicht, die Brücke zu den Ertragsgrößen zu schlagen. Er ist deshalb gezwungen, um die Profitrate bzw. den Zinssatz bestimmen zu können, von einer statisch ermittelten, einheitlichen Mehrwertrate auszugehen" (Fehl ebd., S. 324). Nota: Auf die - verhängnisvollen - Implikationen dieser (statischen) Betrachtung des Kapitalzinses für die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung der Zentralverwaltungswirtschaften wird noch einzugehen sein (vgl. Kapitel III. 1 .)• „Je besser die Pläne erfüllt werden, desto bessere Arbeit hat der Betrieb im Sinne der planenden Instanzen geleistet. Die Planauflagen sind deshalb zugleich Maßstab für die Messung der Leistung des Betriebes (...). Die Betriebe versuchen also, möglichst niedrige Planauflagen zu erhalten und diese weichen Pläne auch nur 'in Maßen' überzuerfullen, um
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Thomas Brockmeier
mit dem Phänomen „weichen Pläne" verbundenen Probleme und Gefahren erkannt und darauf hingewiesen, daß hier die Ursache für einen permanenten inneren Reformdruck der Zentralverwaltungswirtschaften - einen geradezu systemimmanenten „Zwang zum wirtschaftspolitischen Experiment" - liege (vgl. Hensel 1954/1979 und 1959). So war denn dieses fur Zentralverwaltungswirtschaften typische Phänomen tatsächlich fur deren mangelnde Leistungsfähigkeit und damit deren Zusammenbruch letztlich maßgeblich mitverantwortlich. Um ihr Ziel leicht erfüllbarer Planauflagen zu erreichen, bedienten sich die Betriebsleiter vielfältiger Handlungsstrategien und -taktiken, die ihnen innerhalb des zentralverwaltungswirtschafilichen Systems zur Verfügung standen. Eine Auswahl dieser Möglichkeiten findet sich etwa bei Wagner (1968, S. 280): „Sie (die Betriebe, T.B.) handeln im Sinne der 'Tonnenideologie', wehren sich gegen den technischen Fortschritt, haben nur geringes Interesse an Kostensenkungen, stellen hohe Investitionsanträge, sind aber gleichzeitig an 'Investitionsruinen' interessiert, verbessern die Qualität ihrer Produkte nicht und verhindern die Produktion neuer Güter." Dieses Verhalten konnte in allen sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas beobachtet werden; mag es auch für die gesamtwirtschaftliche Lage und die Entwicklungsfähigkeit der Volkswirtschaft insgesamt letztlich katastrophale Auswirkungen gehabt haben, so war es aus der subjektiven Sicht der Betriebsleiter unter den obwaltenden Umständen durchaus rational: Sie hatten ausschließlich an der (Über-)Erfüllung der Planvorgaben interessiert zu sein; diesem Interesse mußte jede Handlung zuwiderlaufen, die die möglichst exakte „Planbarkeit" des Betriebsergebnisses gefährdet, d.h. Risiko und Unsicherheit bedeutet hätte. Aus diesem Grunde wurden die Betriebsleiter im Sinne der „Systemrationalität" regelrecht zur Risikoaversion und Innovationsfeindlichkeit gezwungen. Einen Leistungs- und Innovationswettbewerb im Sinne eines positiven Zwangs zu technisch-wirtschaftlichem Fortschritt gab es nicht, im Gegenteil: Dieser wurde eher ersetzt durch einen negativen Zwang zu technisch-wirtschaftlichem Rückschritt.36 Es kann also festgestellt werden, daß das System der zentralverwaltungswirtschaftlichen Planung und Lenkung „für die Entfaltung eines schöpferischen Unternehmertums keinen Spielraum mehr läßt" (Müller-Armack 1947, S. 30); darauf wird noch ausführlich zurückzukommen sein. Die mit der Innovations- und Investitionsfeindlichkeit der Betriebe verbundenen gesamtwirtschaftlichen Probleme konnten nun keinesfalls etwa durch entsprechende Anstrengungen des Staates ausgeglichen oder gar überkom-
sich für das nächste Jahr wieder eine niedrige Auflage zu sichern" (Wagner 1968, S. 287 u. 289); vgl. ferner ausfuhrlich Wagner (1967). Wiederum bei Müller-Armack finden wir folgende zutreffende, wenngleich etwas „steife" Formulierungen: ist (...) der klare Tatbestand gegeben, daß bei Einführung eines (zentralverwaltungswirtschaftlichen, T.B.) Lenkungssystems der Betrieb einem positiven Zwang zu wirtschaftlicher Fortschrittlichkeit nicht mehr unterliegt. (...Die Erfahrungen) zeigen, daß durchweg die Wirtschaftslenkung in der Gefahr steht, technisch rückständig zu werden" (Müller-Armack 1947, S. 26 und S. 48; Hervorhebungen im Original). Nota: An dieser Stelle sei grundsätzlich angemerkt, daß sich die „Erfahrungen" mit der zentralen Wirtschaftslenkung, von denen Müller-Armack hier spricht, auf die Zeit der totalen Zwangswirtschaft in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges beziehen; deren interne Funktionslogik, Mechanismen und Folgen sind jedoch im rein ökonomischen Sinne durchaus übertragbar auf die späteren Zentralverwaltungswirtschaften sowjetischen Typs in den sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas.
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pensieri werden, im Gegenteil: Ganz abgesehen davon, daß eine exakte - zumal zentralstaatliche - Planung von Innovationen i.e.S. schon grundsätzlich schlechterdings unmöglich ist, „mußte es (darüber hinaus) den technischen Fortschritt schwer schädigen, wenn der Produktionsvorgang durch Rohstoff-, Investitions-, Kredit- und Absatzregelungen viel zu gefestigt ist, um Neues ohne Schwierigkeiten zu assimilieren. (...Fazit, T.B.:) In der schnellen Durchsetzung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts erwies sich die freie marktwirtschaftliche Ordnung durchweg überlegen." 37 Wenngleich dies also seit längerem bekannt war, zeigte sich das tatsächliche Ausmaß dieser Unterlegenheit des Systems zentraler Planung und Lenkung in aller Deutlichkeit jedoch erst, als das Kind bereits in den Brunnen gefallen, d.h. der endgültige Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaften in den sozialistischen Ländern Mittelund Osteuropas bereits erfolgt war. Es wurde deutlich, daß man die mit diesem System verbundenen Ineffizienzen sowie den wirtschaftlichen Entwicklungsrückstand letztlich doch unterschätzt hatte. Die mit dem Phänomen der „weichen Pläne" verbundene bewußte Verschleierung der wahren Leistungsfähigkeit der Betriebe war gleichsam auf die Gesamtwirtschaft durchgeschlagen und hatte letztlich eine zutreffende Einschätzung auch deren wahrer Leistungsfähigkeit - oder besser: des tatsächlichen Ausmaßes ihrer wahren Leistungs««fähigkeit - verhindert. • Das Außenwirtschaftsmonopol als Herrschaftsinstrument: Abschottung nach auauf Makroebene ßen und die Verschleierung der wahren Leistungs(un)fähigkeit Zu dieser „makroökonomischen Verschleierung" hat selbstverständlich neben den Auswirkungen des Phänomens der „weichen Pläne" auch die außenwirtschaftliche Abschottung der nur innerhalb des RGW gleichberechtigt grenzüberschreitend tätigen sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften beigetragen. Erst die Aufhebung dieses staatlichen Außenwirtschaftsmonopols - das Schüller (1991b) als eine von „vier komplementären Säulen der polit-bürokratischen Herrschaftsausübung im Sinne einer durchgreifenden Subordinationsordnung" bezeichnet 38 - stellte zu Beginn der Trans-
„Die Festlegung des technischen Prozesses durch Typisierung und (Normierung), die Begrenzung der Neuinvestitionen, die Fortnahme eines wirtschaftlichen Zwanges zur Fortschrittlichkeit durch eine Preis- und Kontingentierungspolitik, die dem einzelnen Unternehmer jegliche Sorge um seinen Absatz abnehmen, führen insgesamt zu einer technischen Rückschrittlichkeit, die nicht dadurch aufgehoben wird, daß durch die Massierung staatlicher Einsätze an bestimmten Punkten hier und dort technisch imposante Leistungen vorgewiesen werden" (Müller-Armack 1947, S. 50). Schüller verweist in diesem Zusammenhang auf eine Äußerung von Wilhelm Röpke, nach der durch das staatliche Außenwirtschaftsmonopol via Nationalisierung der außenwirtschaftlichen Beziehungen die „Nationalisierung der Menschen" gesichert werden sollte {Röpke, Wilhelm: Maß und Mitte, Erlenbach-Zürich 1950, S. 24 ff.). Laut Schüller beruht das System noch auf folgenden drei anderen Säulen: „(1) dem 'Demokratischen Zentralismus' als denk- und handlungsmonopolistisches Organisationsprinzip der Kommunistischen Partei, mit dem diese ihren Führungsanspruch in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft im Stile einer Einparteiendiktatur zu sichern versucht; (2) der Durchsetzung des monopolistischen Herrschaftsanspruchs der Kommunistischen Partei mittels des Zentralplans als dem verbindlichen volkswirtschaftlichen Lenkungsinstrument; (3) dem dominierenden Staatseigentum an den Produktionsmitteln (...)" (Schüller 1991b, S. 2; Fettdruck im Original); vgl. hierzu ferner von Delhaes (1991).
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formation den ersten Schritt zur außenwirtschaftlichen Öffnung durch Außenhandelsliberalisierung und Währungskonvertibilität dar 39 , ohne die das Ausmaß der durch die Zentralverwaltungswirtschaft angerichteten Schäden nicht hätte aufgedeckt werden können: Erst die sukzessive Anwendung marktwirtschaftlicher Prinzipien, Koordinationsmechanismen und Bewertungsverfahren - auch im Außenhandel - konnte nach und nach Licht ins Dunkel des Erbes jahrzehntelanger Mißwirtschaft bringen. In diesem Zusammenhang ist - wieder einmal - eine frühere Äußerung Miiller-Armacks von geradezu frappierender Aktualität: „(...Und) es entsteht direkt die Gefahr, daß sich ganze Volkswirtschaften über ihren ökonomischen Leistungsstand im unklaren befinden. Normalerweise pflegt dies bei dem Export dann sichtbar zutage zu treten" {MüllerArmack 1947, S. 26/27).40 1.2.2.4.2. Wirtschaftsreformen im realen Sozialismus Sicherlich trifft es zu, daß sich (auch) die politisch Verantwortlichen in den sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas über den wahren Leistungsstand ihrer Wirtschaftsordnung nicht vollständig im klaren waren; gleichwohl war ihnen - wie bereits erwähnt - jedoch keineswegs entgangen, daß Maßnahmen zur Steigerung der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Zentralverwaltungswirtschaft bereits ab einem recht frühen Zeitpunkt dringend erforderlich waren. So gab es in Rußland bzw. der Sowjetunion bereits in den zwanziger Jahren die ersten Wirtschaftsreformen; in unregelmäßigen Abständen folgten immer wieder weitere Reformversuche in nahezu allen heutigen Transformationsländern. Es wurde bereits betont, daß im Streben der Betriebe nach „weichen Plänen" eine der Hauptursachen für den letztlich unvermeidlichen Zusammenbruch der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften in Mittel- und Osteuropa gesehen werden muß. 41 So setzten denn auch die meisten der früheren Reformversuche zu sozialistischer Zeit an
Zu diesem Thema siehe grundsätzlich und ausfuhrlich Weber (1995). In dieser größeren Transparenz bezüglich vorhandener Probleme und erreichter Erfolge läßt sich übrigens ein grundsätzlicher Vorteil der marktwirtschaftlichen gegenüber der zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnung entdecken - ein Umstand, auf den MüllerArmack (1947, S. 35) ebenfalls bereits hingewiesen hat: „Der Unterschied zwischen der marktwirtschaftlichen Ordnung und der (zentralverwaltungswirtschaftlichen, T.B.) Lenkung könnte (...) dahin charakterisiert werden, daß in der Marktwirtschaft die (...) unvermeidbare Unvollkommenheit der Wirtschaftsordnung in einem offen ausgewiesenen Brachliegen der wirtschaftlichen Kräfte zutagetritt, während die Wirtschaftslenkung ihre Unwirtschaftlichkeit verschleiert." An dieser Stelle wollen wir noch einmal Hensel (1972/1992, S. 180) selbst zu Wort kommen lassen: „Die zentrale Planung der Wirtschaftsprozesse sowie die damit verbundene Beschränkung wirtschaftlicher Freiheiten und wirtschaftlicher Autonomie der Einzelwirtschaften und der wirtschaftenden Menschen begründen die Tendenz zu weichen Plänen und zur Unwirtschaftlichkeit überhaupt; eine Tendenz, gegen die die politischen Führungen immerzu ankämpfen müssen, wozu sie einen enormen Verwaltungs- und Kontrollapparat brauchen, der dennoch bisher nicht in der Lage war, diese Tendenz zu stoppen. Mit dieser Ordnung ist ein Gegensatz zwischen den wirtschaftlichen Interessen der politischen Führungen und den Interessen der wirtschaftenden Menschen konstituiert, der sich wohl erst mit der Beseitigung dieser Ordnung aufheben läßt."
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den Betrieben an; Fragen der betrieblichen Plan- und Leistungskennziffern sowie entsprechender Anreize (Prämienregelungen etc.) standen stets im Mittelpunkt der Reformbemühungen. Man versuchte insbesondere, auf Untemehmensebene „marktwirtschaftliche Anreize" zu setzen, die „materielle Interessiertheit" der Betriebsleiter zu wecken, um sie zu effizienterem Verhalten anzuregen. Dies sollte etwa durch die vereinzelte Erlaubnis zur Bildung „flexibler Preise", durch den verstärkten Einsatz verschiedener „ökonomischer Hebel" sowie durch „Wirtschaftliche Rechnungsführung" und andere Instrumente erreicht werden. 42 Dies alles diente also letztlich dazu, die mit dem Phänomen der „weichen Pläne" verbundenen Probleme abzumildern. Eines der schwerwiegendsten Probleme war das der Kapitalverschwendung. Da dieses Problem schon bald besorgniserregende Ausmaße annahm, konnte es den Verantwortlichen schwerlich verborgen bleiben. Folgerichtig gab es auch hier Reformversuche: So versuchten man etwa, dem Problem der Kapitalverschwendung mit Hilfe der sog. „Produktionsfondsabgabe" beizukommen. Diese Abgabe floß gemeinsam mit anderen Mitteln in den sog. „Akkumulationsfonds" ein, den man sich als eine Art „Kapitalsammelstelle" vorzustellen hat. Analog zur marktwirtschaftlichen Terminologie gilt es auch hier, zwischen verschiedenen Kapitalbegriffen zu differenzieren: Im ,Akkumulationsfonds" wurde Kapital angesammelt, das als Geld für verschiedene Investitionszwecke (Finanz- oder Geldkapital) zu verstehen ist, mithin also der Bildung, Erhaltung und Erweiterung des Realkapitalstocks der Volkswirtschaft diente. Etwas verwirrend wirkt bisweilen die nicht immer eindeutige Verwendung des Begriffes „Produktionsfonds": Mal scheint er mit dem „Akkumulationsfonds" gleichgesetzt und damit als Geldkapital verstanden zu werden, mal wird er mit dem „Produktionsgrundfonds" identifiziert, der wiederum als Realkapitalstock der Volkswirtschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt verstanden zu werden scheint. 43 Wie dem auch immer sei, für uns ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, daß „die Produktionsfondsabgabe als die Rehabilitierung des Kapitalzinses aufgefaßt werden (kann), so
Zum Konzept der „wirtschaftlichen Rechnungsführung" (im Russischen „Chosrastschot" ein aus chosjaistwennyi rastschot gebildetes Kunstwort) siehe etwa Förster (1956/1957) und (1967); zu Reformen des Preissystems in Zentralverwaltungswirtschaften und zu Reformversuchen in der UdSSR allgemein siehe Haffner (1968), Buck (1969), Höhmann (1978); zum berühmten ,JLiberman-Plan" von 1962, der zu einer lebhaften Diskussion über die Zukunft des sowjetischen Wirtschaftssystems im In- und Ausland führte, siehe Liberman (1962, Übersetzung des russischen Originalartikels „Plan, pribyl', premija", Prawda vom 9.9. 1962) und (1974); ferner: Linder (1967), Turner (1966); zu Wirtschaftsreformen in der DDR (insbesondere zum „Neuen Ökonomischen System" (NÖS) zwischen 1963 und 1970), die als erstes Land praktische Konsequenzen aus der „LibermanDiskussion" zu ziehen versuchte, so daß kurzzeitig sogar darüber spekuliert wurde, ob man in der DDR gar eine sozialistische Marktwirtschaft etablieren wolle, siehe etwa Wagner (1971), Hamel (1975), Gutmann (1983) sowie Hamel und Leipold (1987) und (1989). So heißt es beispielsweise in einem Buch zur Volkswirtschaftsplanung, das „als Lehrbuch für die Ausbildung an Universitäten und Hochschulen der DDR anerkannt" war (Innentitel): „Er (der Akkumulationsfonds, T.B.) wird verwendet für Nettoinvestitionen zur Erweiterung der Produktionsgrundfonds; Investitionen zur Erhaltung, Modernisierung und Erweiterung der Grundfonds in den nichtproduzierenden Bereichen; die Erhöhung der Umlaufmittel (Bestände) im produzierenden Bereich der Volkswirtschaft; die Bildung und Vergrößerung von Reserven" (Kinze, Knop und Seifert 1975, S. 263).
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daß die sozialistische sich tendenziell wieder der kapitalistischen Preisbildung annäherte" (Fehl 1974, S. 298/299). 4 4 A u f die theoretischen Implikationen dieses Umstandes wird an anderer Stelle (Kapitel 3, Abschnitt 1.1) noch ausfuhrlich einzugehen sein; an dieser Stelle genügt es, darauf hinzuweisen, daß im Z u g e der Reformversuche der von Marx und den späteren Apologeten der zentralen Planung und L e n k u n g vernachlässigte bzw. zu „einseitig" interpretierte Kapitalzins - zumindest im Grundsatz - gleichsam durch die Hintertür Einzug in ein Wirtschaftssystem hielt, dessen Befürworter stets geglaubt hatten, ohne ihn auskommen zu können. Freilich ging es den Reformern keinesfalls etwa darum, tatsächlich die kapitalistische Preisbildung einzuführen - w a s sie indes hätten tun müssen, u m das Allokationsproblem lösen zu können; so blieben selbstverständlich weiterhin grundlegende Unterschiede zwischen der Preisbildung in den Zentralverwaltungswirtschaften und derjenigen in dezentral koordinierten Marktwirtschaften bestehen. 4 5 So überrascht es nicht, daß die Lösung des Allokationsproblems nicht gelang - darüber legt nicht zuletzt die trotz der zahlreichen Reformversuche fortdauernde Existenz des P h ä n o m e n s der weichen Pläne und der damit verbundenen Schwierigkeiten beredtes Zeugnis ab. Der U n g a r Jänos Kornai hat die mit diesem P h ä n o m e n z u s a m m e n h ä n g e n d e n Fragen z u m Hauptgegenstand seiner wissenschaftlichen Arbeit gemacht. Er betont, daß das Ringen der Betriebe u m weiche Pläne aus deren Sicht nicht zuletzt deshalb rational sei, weil sie letztlich die Folgen einer Fehlkalkulation bestenfalls mittelbar tragen müßten: Schließlich gebe es keinen Wettbewerb und damit faktisch kein Haftungs- bzw. Konkursrisiko, etwaige Verluste würden v o m Staat gedeckt etc.; in einfachster Diktion heißt das: Die Betriebe können mehr ausgeben als sie einnehmen - mit den weichen Plänen hängen also weiche Budgetrestriktionen (,¿ofi budget constraints") eng zusammen. 4 6 Somit k o m m t es zu einer gleichsam perversen Input/Output-Relation, die schließlich mehr als alles andere zu der maßlosen Ressourcenverschwendung beigetragen hat, an der die Zentralverwaltungswirtschaflen zwangsläufig zusammenbrechen mußten: Das System zwang die Betriebsleiter regelrecht zur Outputminimierung bei gegebenem
Fehl (ebd.) zitiert u.a. folgende Ausführungen Thalheims, die auch mir in diesem Zusammenhang der Wiedergabe wert erscheinen: „Die Einfuhrung der Produktionsfondsabgabe bedeutet also ... die Anerkennung der Knappheit des Kapitals und der Notwendigkeit, mit ihm 'ökonomisch', d.h. sparsam umzugehen. Kapital wird damit zu einem Produktionsfaktor, der den Staatsbetrieben nicht mehr, wie bisher, kostenlos zur Verfugung steht. Insofern ist die in westlichen Kommentaren häufig gezogene Parallele zwischen Produktionsfondsabgabe und Kapitalzins nicht unberechtigt" (zitiert nach Thalheim 1964, S. 80). So betont auch Fehl, daß „die auch weiterhin bestehenden gravierenden Unterschiede nicht in Abrede gestellt werden (sollen). Was hier allein zählt, ist die Tatsache, daß auch in einer sozialistischen Planwirtschaft auf den Zins zurückgegriffen werden muß, um eine optimale oder kostenminimale Kombination der Produktionsfaktoren zu erreichen" (Fehl 1974, S. 299). Nota: Diese Tatsache ist implizit in der temporalen Kapitaltheorie BöhmBawerks angelegt, auf deren Grundzüge deshalb in Kapitel III. 1 kurz eingegangen werden soll. „The 'softening' of the budget constraint appears when the strict relationship between expenditure und earnings has been relaxed, because expenditure over earnings will be paid for by some other institution, typically by the State" (Kornai 1986, S. 4); vgl. ferner Kornai (1959), (1980), (1990) und (1992).
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(zugeteiltem) Input bzw. zur Inputmaximierung bei vorgeschriebenem Output. Nach Kornais Einschätzung ist in der Härte der Budgetrestriktionen, denen die Unternehmen eines Landes ausgesetzt sind, das entscheidende Kriterium für die Beurteilung des Charakters bzw. der „marktwirtschaftlichen Qualität" einer Wirtschaftsordnung zu sehen: Je härter die Budgetrestriktion, desto größer der Zwang zu effizientem Unternehmensverhalten, desto „marktwirtschaftlicher" also der Charakter der jeweiligen konkreten Wirtschaftsordnung. So können denn die Wirtschaftsreformen, mit denen die verschiedenen sozialistischen Länder Ost- und Mitteleuropas in den vergangenen Jahrzehnten eine Verbesserung ihrer ökonomischen Lage zu erreichen versuchten, als fortgesetzte Bemühungen um ein solches „hardening of soft budget constraints" verstanden werden. Wenngleich sicherlich zugegeben werden kann, daß einige Länder - so beispielsweise Ungarn - darin erfolgreicher waren als andere, muß doch insgesamt festgestellt werden, daß dieser Umstand nicht notwendigerweise einen entscheidenden Vorsprung beim Start in das die gesamten alten Strukturen auflösenden „Transformationsrennen" darstellen muß. Schließlich war die gesamtwirtschaftliche Lage der mittel- und osteuropäischen Länder gegen Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre weitaus problematischer, die zu deren Behebung notwendigen Maßnahmen drastischer und der Wille zu deren politischen Umsetzung nach der „sanften Revolution" ungleich stärker als jemals zuvor im realen Sozialismus. Gleichwohl kann der von Kornai im Zusammenhang mit der früheren Äe/ormdiskussion in den Mittelpunkt gerückte „Härtegrad der betrieblichen Budgetrestriktion" selbstverständlich durchaus auch als Kriterium zur Beurteilung des Transformationserfolges herangezogen werden. Darauf weist etwa Farrell (1991) hin, der als weitere mögliche Indikatoren nennt: Konzentrationsgrad der Industrie (Je geringer der Konzentrationsgrad der ehemals stark monopolisierten Industrien in den früheren Zentralverwaltungswirtschaften ist, desto ausgewogener ist die Marktstruktur, d.h. desto erfolgreicher waren offenbar die Bemühungen um die Etablierung eines neuen KMU-Sektors.); Grad der Lohndifferenzierung (Vom Ausmaß der Heterogenität der ehemals nahezu vollständig nivellierten Lohnstruktur wird auf die Dynamik der Marktund Produktivitätsentwicklung in unterschiedlichen Branchen und Sektoren - und damit auf das Fortschreiten des Transformationsprozesses insgesamt - geschlossen.); Ausmaß der Unternehmensfluktuation (Dynamik der Marktein- und -austritte). Wohlmuth (1992, S. 40) macht berechtigterweise darauf aufmerksam, daß sich solche ,.meßbaren Dimensionen der Transformation (...) auch für die Bewertung der Äe/br/wunfähigkeit sozialistischer Planwirtschaften ex post (eignen und verweist auf das Beispiel Polens, wo, T.B.) eine Bewegung in bezug auf diese (...) Indikatoren erst für 1989 zu erkennen ist, während die Veränderungen seit 1982 fast bedeutungslos waren" (Hervorhebungen von mir). Gerade das letztgenannte Zitat verdeutlicht, daß der Transformationsprozeß keineswegs etwa bereits in den sechziger oder siebziger Jahren begonnen hat, wie unter Hinweis auf diese früheren Reformversuche mancherorts behauptet wird. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß die Fülle der WirtschaftsT-e/ormen, die es bereits zu realsozialistischer Zeit gegeben hat, lediglich darauf ausgerichtet war, Verbesserungen innerhalb der bestehenden Wirtschaftsordnung zu erreichen - man wollte die durchaus erkannten Effizienzschwächen beseitigen, allerdings ohne die Wirtschaftsordnung selbst abzuschaffen (vgl. auch Losoncz 1993, S. 156). Dies versuchte man in erster Linie durch
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die o.g. Maßnahmen zu erreichen, die sämtlich dazu dienen sollten, die Betriebe zu effizienterem Verhalten anzuregen. Das jedoch hätte letztlich nur erreicht werden können, wenn man den Betrieben bzw. deren Leitern auch die entsprechenden Kompetenzen und Handlungsfreiheiten eingeräumt hätte. Wer nicht über die formale Freiheit wirtschaftlicher Betätigung verfugt, dem nützt die beste materielle Ausstattung nichts. So stellte bereits Müller-Armack (1947, S. 28) treffend fest: „Es wäre jedoch ein Irrtum, anzunehmen, die Wirtschaftslenkung könne sich des zu neuer Wertschätzung gelangten Mittels der Preisbeweglichkeit bedienen, ohne ihr eigentliches Prinzip aufzugeben." Doch die Angst davor, durch entsprechende Lockerungen der Vorschriften auf Betriebsebene letztlich das ganze System ins Wanken zu bringen, ließ die politisch Verantwortlichen davor zurückschrecken. Dieses letztlich eher zaghafte Bemühen, marktwirtschaftliche Elemente in ein rigides, zentral geplantes System einführen, ohne gleichzeitig an den Grundpfeilern der bestehenden Ordnung zu rühren, mußte geradezu zwangsläufig scheitern, gleicht es doch dem berühmten Versuch der Quadratur des Kreises, über dessen Erfolgsaussichten sich alle Mutmaßungen erübrigen. 1.2.2.4.3. Das Scheitern der Reform und der Zwang zur Transformation Vor dem Hintergrund der Ausführungen im obigen Abschnitt läßt sich folgern: Im Scheitern der Reform liegt der Zwang zur Transformation !" In Anlehnung an Hensel ließe sich feststellen, daß der ständige „Zwang zum wirtschaftspolitischen Experiment" letztlich von immer stärker werdenden „immanenten Transformationstendenzen", mithin vom Zwang zur Transformation abgelöst wurde. Dieser Zwang entsteht dann, wenn sich innerhalb des alten Systems letztlich eine „kritische Masse nicht kompensierbarer Nachteile" gebildet hat {Schüller 1991c, S. 73). Treffend schrieb Hensel (1972/1992, S. 178) bereits vor einem Vierteljahrhundert: „Diese Transformationstendenzen sind in den sozialistischen Ländern deutlich zu beobachten, und sie sind außerordentlich stark. Es bereitet den politischen Führungen dieser Länder die größten Schwierigkeiten, alle die Kräfte, die auf freiheitlichere Lebensformen hinstreben, unter Kontrolle zu halten." Die Transformation dient dem grundsätzlichen Ziel, die ineffiziente Zentralverwaltungswirtschaft als Wirtschaftsordnung insgesamt abzuschaffen und gegen eine völlig andere Wirtschaftsordnung - etwa eine Marktwirtschaft - „einzutauschen". Die Reformen konnten also die o.g. systemimmanenten Schwächen der Zentralverwaltungswirtschaft nicht beseitigen; ihre „Hinterlassenschaft" umschreibt nun den Umfang der Transformationsaufgabe bzw. die Kembereiche, auf die alle Transformationsbemühungen im Rahmen einer schlüssigen Gesamtkonzeption auszurichten sind. Fassen wir diese noch einmal kurz zusammen: • Die Verbindung von zentraler Planung und Lenkung mit dem dominierenden Staatseigentum an den Produktionsmitteln ließ keinen Raum für private, selbständig agierende Wirtschaftseinheiten. Infolgedessen konnte sich kaum eigenverantwortliche unternehmerische Initiative entwickeln: Es gab faktisch kein privatwirtschaftliches Unternehmertum und damit auch keinen Wettbewerb. Eng damit verknüpft war
Der Begriff „Transformationszwang" findet sich u.a. auch bei Cichy (1990).
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das Problem der vermachteten ,, Marktstrukturen " durch die eindeutige Dominanz großer Kombinate: Es gab kaum kleinbetriebliche Strukturen und keinen Mittelstand, d.h. der für wettbewerbliche Marktwirtschaften charakteristische KMU-Sektor fehlte im Grunde völlig. Vor diesem Hintergrund fehlenden Unternehmertums und fehlender Wettbewerbsmärkte konnte die für die Zentralverwaltungswirtschaften charakteristische Innovationsschwäche nicht verwundem. • Die o.g. Betriebsgrößenstruktur diente nicht zuletzt der einfacheren Durchsetzung der staatlich vorgegebenen Plandaten. Da eines der maßgeblichen Ziele die Überflügelung der westlichen Marktwirtschaften war, mußten dauerhaft hohe Wachstumsraten erzielt werden. Dies hoffte man am einfachsten durch massive Förderung der industriellen Produktion - insbesondere der Schwerindustrie - erreichen zu können. Diese einseitige Ausrichtung auf extensives Wachstum im (schwer-)industriellen Bereich hatte eine entsprechende Vernachlässigung der Ge- und Verbrauchsgüterproduktion zur Folge. Diese - insbesondere gemessen an den Verbraucherpräferenzen in Marktwirtschaften - völlig unzureichende Konsumgutproduktion bedeutete letztlich geradezu zwangsläufig auch die „Überflüssigkeit" eines entwickelten Dienstleistungssektors. Die so bewirkte Güterknappheit kam letztlich einem staatlich verordneten Zwangssparen gleich, das jahrzehntelang anhielt und so zu einem massiven Geldüberhang - und damit letztlich zu makroökonomischen Instabilitäten - führte. • Neben den o.g. Zusammenhängen, die sich bereits „zu Lebzeiten" der Zentralverwaltungswirtschaften im „realen Sozialismus" als problematisch erwiesen hatten, sei noch auf ein weiteres Charakteristikum des alten Systems hingewiesen, das sich erst im Rahmen der Transformation als Problem von besonderer Tragweite herausstellen sollte: Wegen der Einkommens garantie in Form staatlich garantierter Arbeitsplätze und niedriger Lebenshaltungskosten infolge massiver Subventionierung der Güter des lebensnotwendigen Bedarfs (Grundnahrungsmittel, Wohnung, Transportmittel, Energie) bestand im Grunde keine Notwendigkeit einer wirksamen Sozialversicherung für Notfälle. Individuelle Notfälle innerhalb einer Leistungsgesellschaft wurden verhindert, indem man die Leistungsgesellschaft selbst verhinderte und so im Grunde alle gleichermaßen zu Leistungsträgem und Notfällen zugleich machte. So gab es in den sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas paradoxerweise faktisch kein umfassendes Netz sozialer Sicherung - es sei denn, man wollte das Gesamtsystem der zentralverwaltungswirtschaftlichen Praxis selbst als ein solches verstehen... 48 Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen fällt es nicht schwer, die Frage nach den Ursachen des Scheiterns der früheren Wirtschaftsreformen im Sozialismus zu beantworten: Diese Reformen bzw. die in ihrem Rahmen verabschiedeten Maßnahmen und die diesen zugrunde liegenden theoretischen Konzepte sind letztlich alle an ihrer Inkonsequenz und Inkonsistenz im Hinblick auf das grundsätzliche Verhältnis von wirtschaftli-
An dieser Stelle sei - auch im Hinblick auf die erwähnte „Dienstleistungsschwäche" - darauf hingewiesen, daß beispielsweise ein Großteil sog. „sozialer Dienstleistungen" in die Betriebe integriert war (Kinderbetreuung in sog. „Kinderhorten", Betreuung älterer Menschen etc.); auf die Bedeutung des Wegfalls dieser Einrichtungen im Rahmen der Transformation wird an entsprechender Stelle noch gesondert einzugehen sein.
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cher und politischer bzw. individueller Freiheit im allgemeinen und im Hinblick auf die mangelhafte Abstimmung der einzelnen Maßnahmen aufeinander im besonderen gescheitert 49 : Zum einen setzten diese Äe/brwbemühungen nicht an den entscheidenden Ursachen der Probleme an, und zum anderen waren sie nicht hinreichend aufeinander abgestimmt. Dies sollte uns für die Transformation eine Lehre sein: Auch sie wird scheitern, wenn die in ihrem Rahmen ergriffenen Maßnahmen nicht aufeinander abgestimmt, auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet und in eine entsprechende Gesamtkonzeption eingegliedert werden: Der „Primat der Ordnungspolitik" 50 ist also aktueller denn je. Ebenso wird darauf zu achten sein, ob die (potentiellen) Betriebsleiter bzw. Unternehmer überhaupt über diejenigen Fähigkeiten und materiellen Ressourcen verfugen, die notwendig sind, um ihre - im Gegensatz zu früheren Zeiten - nun gewonnene formelle Freiheit auch tatsächlich sinnvoll zur Erreichung materieller Freiheit nutzen zu können. Angesichts des Umstandes, daß sich auf eben diese Aspekte die wesentlichen Kritikpunkte beziehen, die gegen die bisherigen Transformationsbemühungen bzw. die diesen zugrunde liegenden Theoriekonzepte vorgebracht werden können, fragt sich, was man aus den damaligen Erfahrungen gelernt hat. Zur Vermeidung einer Wiederholung bzw. zur Korrektur der hier kritisierten grundsätzlichen Fehler ist also ein stabiles und konsistentes Theoriegebäude der Systemtransformation vonnöten. In der vorliegenden Arbeit soll der - freilich höchst bescheidene Versuch unternommen werden, zumindest den „Grundriß" eines solchen Gebäudes zu entwerfen. Im nun folgenden Abschnitt wird zunächst grundsätzlich begründet, warum ein solches Theoriegebäude notwendig immer nur ein abstraktes sein kann. 1.2.3. Der Lösungsansatz: Transformationstheorie als eine „Theorie komplexer Phänomene" 51 Wir haben festgestellt, daß es sich bei der Transformation ganzer Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme um ein hochkomplexes Phänomen handelt. Unser Wissen über komplexe Phänomene bzw. komplexe Strukturen ist verschwindend gering; sie bieten
„Die früheren Erfahrungen haben gezeigt, daß mehrmalige Versuche zur Reform zentralistischer Planwirtschaft immer wieder gescheitert sind, weil graduelle Schritte im Endeffekt zu einer Verwässerung des gesamten Vorhabens gefuhrt haben" (Olszynski 1993, S. 74). Es mag verwundern, daß Eucken selbst diesen Begriff nie benutzt hat; gleichwohl hat er stets gefordert, daß jede wirtschaftspolitische - also auch jede im engeren Sinne prozeßpolitische - Maßnahme stets auf ihre Vereinbarkeit mit der ordnungspolitischen Grundsatzentscheidung hin überprüft werden müsse: „Jede wirtschaftspolitische Maßnahme erhält nur im Rahmen des allgemeinen Bauplanes der Wirtschaftsordnung ihren Sinn. Zugleich bewirkt sie ihrerseits eine größere oder kleinere Veränderung dieser Wirtschaftsordnung. Jeder einzelne wirtschaftspolitische Akt sollte also in Ansehung der Wirtschaftsordnung stattfinden, die gewollt ist. (...). Die ordnungspolitische Gesamtentscheidung hat also vor den einzelnen wirtschaftspolitischen Handlungen zu stehen - wenn überhaupt sinnvolle Wirtschaftspolitik getrieben werden soll. Dies ist - wie sich zeigte - eine Forderung, die sich aus der wirtschaftspolitischen Erfahrung und nicht etwa aus einer Doktrin ergibt" (Eucken 1952/1990, S. 250, Hervorhebung im Original); vgl. in diesem Sinne auch seinen Schüler Hensel (1970, S. 41). Zur „Theorie komplexer Phänomene" vgl. Hayek (1972).
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uns, wie von Hayek (1980, S. 63/64) betont, „besondere Schwierigkeiten bei unserem Bemühen, sie zu erklären, wie bei jedem Versuch, ihren Charakter zu beeinflussen. Da wir bestenfalls die Regeln kennen können, die von den Elementen verschiedener Arten befolgt werden, aus denen die (komplexen, T.B.) Strukturen bestehen, aber nicht alle individuellen Elemente und nie alle besonderen Umstände, in denen sich jedes von ihnen befindet, ist unser Wissen auf den allgemeinen Charakter der Ordnung beschränkt, die sich bildet. Und selbst da, wo wir, wie es in einer menschlichen Gesellschaft der Fall ist, vielleicht in der Lage sind, zumindest einige der Verhaltensregeln zu ändern, die die Elemente befolgen, so werden wir dadurch nur den allgemeinen Charakter der sich ergebenden Ordnung beeinflussen können, nicht aber ihre Einzelheiten" (Hervorhebungen von mir). Dieser allgemeine Charakter einer Ordnung erschließt sich uns in einem ersten Schritt dadurch, daß wir ein sich wiederholendes „Muster" bzw. „einen ähnlichen Zug in sonst unterschiedlichen Umständen" wiedererkennen (Hayek 1972, S. 8). Nun ist es allerdings keineswegs so, „daß sich ein Muster immer von selbst enthüllt, wenn wir nur lange genug beobachten oder wenn natürliche Ereignisse in einer hinreichenden Zahl von Fällen auftreten. (...Bisweilen) müssen wir das Muster erst erfinden, ehe wir in den Phänomenen dessen Vorhandensein entdecken können." Damit sind wir auch schon bei dem, was eine Theorie leisten kann: „Eine Theorie definiert immer nur eine Art (oder Klasse) von Mustern, und die individuelle Erscheinungsform des zu erwartenden Musters hängt von den individuellen Umständen ab (den 'Anfangsbedingungen' und den 'Randbedingungen') (...)" (Hayek 1972, S. 10). Diese Anfangs- und Randbedingungen werden üblicherweise als „Daten" bezeichnet. Ob wir in der Lage sein werden, eine Voraussage treffen zu können, „hängt davon ab, wieviele dieser Daten wir ermitteln können" (ebd.). Mit Blick auf den Charakter des jeweils zugrunde liegenden Phänomens ist es nun wichtig, zwischen der Voraussage über das Auftreten des Musters einer bestimmten Art oder Klasse - dessen Beschreibung uns die Theorie liefert - und der Voraussage über das Auftreten eines individuellen Erscheinungsfalles aus dieser Klasse zu unterscheiden. Handelt es sich um einfache Phänomene, so sind individuelle, einzelfallbezogene Voraussagen mit hohem Spezifitätsgrad möglich; geht es indes um komplexe Phänomene, muß dies allerdings keineswegs immer der Fall sein - im Gegenteil: Hier sind oft bestenfalls „Muster-Voraussagen" („pattern predictions", Hayek 1969i) möglich. Welche Phänomene sind nun aber einfach und welche komplex zu nennen? Nach von Hayek beschäftigt sich die Naturwissenschaft, i.e. die Physik, mit einfachen Phänomenen. 52
„Dies ist auch der Grund, weshalb „die Naturwissenschaftler im allgemeinen (...) zu der Annahme tendieren, daß es prinzipiell immer möglich ist, die Voraussagen bis zu jedem gewünschten Grad zu spezifizieren" (Hayek 1972, S. 11). Es versteht sich von selbst, daß Ökonomen - die sich mit „komplexen" Phänomenen befassen - nicht der Versuchung erliegen sollten, sich diese typisch naturwissenschaftliche Annahme ebenfalls zu eigen zu machen. Genau dies jedoch haben nicht wenige, nicht zuletzt in der „wissenschaftlichen" Politikberatung, allzu oft getan - ein wenig erfreulicher Umstand, der Anlaß zur (Selbst)Kritik gibt, wie von Hayek in seiner berühmten Rede anläßlich der Verleihung des NobelPreises deutlich gemacht hat: „Wir haben im Augenblick wahrlich wenig Grund, stolz zu sein: Als Fachleute haben wir Schlimmes angerichtet! Daß es den Ökonomen nicht gelun-
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Hingegen sind „die nicht-physikalischen Phänomene komplexer, weil wir das, was durch relativ einfache Formeln beschrieben werden kann, physikalisch nennen." (ebd., S. 13). Zu diesen nicht-physikalischen, also komplexeren Phänomenen zählt von Hayek die „biologischen, geistigen und gesellschaftlichen" (ebd., S. II). 5 3 Diese zeichnen sich unter anderem dadurch aus, daß die besondere konkrete Form des jeweiligen Musters, das wir durch eine Theorie zu beschreiben versuchen, bei komplexen Phänomenen von einer Daten- bzw. Variablenfulle determiniert wird, die viel gößer ist „und viel schwieriger feststellbar und kontrollierbar als bei einfachen Phänomenen"; so erklärt es sich, daß die Muster-Voraussagen bezüglich solcher Phänome letztlich immer nur „MusterVoraussagen mit unvollständigen Daten" sein können: „Die Hauptschwierigkeit (...) besteht darin, tatsächlich alle Daten festzustellen, die eine individuelle Erscheinungsform des in Frage stehenden Phänomens determinieren, eine Schwierigkeit, die oft rein praktisch, manchmal sogar absolut unüberwindbar ist" (Hayek 1972, S. 14 u. S. 15). Mit Blick auf die Unterscheidung zwischen einfachen und komplexen Phänomenen erscheint nun das vielzitierte „Fehlen einer Transformationstheorie" in einem besonderen Licht: Hat man sich erst vergegenwärtigt, daß es sich bei der Transformation um ein komplexes Phänomen im o.g. Sinne handelt, dann kann und muß eine Theorie der Transformation mithin nur eine solche sein, die der hier in aller Kürze wiedergegebenen von Hayekschen Beschreibung einer „Theorie komplexer Phänomene" entspricht - nicht mehr und nicht weniger. Dies scheint nicht allen bewußt (gewesen) zu sein, die das Fehlen einer Transformationstheorie nicht nur nüchtern festgestellt, sondern geradezu wehleidig beklagt und der (Wirtschafts-) Wissenschaft gar zum Vorwurf gemacht haben. Vor diesem Hintergrund könnte folgende, ein Vierteljahrhundert alte Feststellung von Hayeks aktueller nicht sein: „Menschen, die hauptsächlich mit einfachen Phänomenen
gen ist, die Politik mit mehr Erfolg anzuleiten, scheint mir eng mit ihrer Neigung zusammenzuhängen, die Verfahren der exakten Naturwissenschaften, die so überaus erfolgreich waren, möglichst genau nachzuahmen - ein Versuch, der in unserem Gebiet zu schweren Fehlem fuhren kann." (Hayek sagte dies insbesondere mit Blick auf die auf Keynes zurückgehende „Behauptung, daß es eine einfache positive Beziehung zwischen der Gesamtbeschäftigung und der Gesamtgröße der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen gibt") (Hayek 1975a, S. 12). Diese These - die im übrigen nicht etwa von Hayek allein vertritt (vgl. entsprechende Verweise bei Hayek 1972, S. 12, FN 8) - hat verständlicherweise zu kontroversen Diskussionen und mancherlei Mißverständnissen gefuhrt. Zum Zwecke der Klärung wollen wir deshalb von Hayek selbst zu Wort kommen lassen: „Gelegentlich ist die Frage aufgeworfen worden, ob die biologischen, geistigen und gesellschaftlichen Phänomene wirklich komplexer sind als die physikalischen. Der Grund hierfür scheint meist eine Verwechslung zu sein zwischen dem Komplexitätsgrad, der jeweils für eine spezielle Art von Phänomenen charakteristisch ist und jenem Komplexitätsgrad, der für jede Art von Phänomenen durch Kombination einzelner Elemente erreicht werden kann. Natürlich können auf die zuletzt genannte Art (auch, T.B.) physikalische Phänomene jeden Grad von Komplexität erreichen. Betrachten wir jedoch die Frage vom Gesichtspunkt der Mindestzahl bestimmter Variablen, die eine Formel oder ein Modell besitzen muß, um die charakteristischen Muster der Strukturen verschiedener Gebiete zu reproduzieren (oder, um die allgemeinen Gesetze zu zeigen, denen jene Strukturen gehorchen), dann wird, sobald wir von den unbelebten Phänomenen zu den ( höher organisierten') belebten und gesellschaftlichen vordringen, der zunehmende Komplexitätsgrad ziemlich offensichtlich" (Hayek 1972, S. 12/13; Hervorhebung im Original).
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zu tun haben, sind oft geneigt anzunehmen, daß in diesem Fall (...) wissenschaftliches Vorgehen es verlange, eine Theorie von genügender Einfachheit zu finden, die es uns ermöglicht, Vorhersagen über individuelle Ereignisse aus ihr abzuleiten. Für sie ist die Theorie, nämlich das Wissen über das Muster, nur ein Werkzeug, dessen Nützlichkeit völlig davon abhängt, ob es die Darstellung solcher Umstände, die ein individuelles Ereignis hervorbringen, ermöglicht. Für die Theorien einfacher Phänomene trifft das weitgehend zu. Es gibt jedoch keine Rechtfertigung für die Auffassung, daß es immer möglich sein müsse, solche einfachen Regelmäßigkeiten zu entdecken (...)" (Hayek 1972, S. 15/16, Hervorhebung von mir). Vor diesem Hintergrund der von einer Transformationstheorie als „Theorie komplexer Phänomene" im o.g. Sinne zu erfüllenden (bzw. nicht zu erfüllenden) Anforderungen wird auch der Vorwurf der bereits erwähnten „Empirielosigkeit" entkräftet, der gegen die vorliegende Arbeit möglicherweise erhoben werden könnte: Diese vermeintliche Empirielosigkeit ist also eher eine unvermeidliche Begleiterscheinung, die geradezu notwendig mit dem grundsätzlichen theoretischen Anspruch und Charakter der Arbeit zusammenhängt, denn eine echte Schwäche, gilt doch „unser Interesse (...) nicht nur individuellen Ereignissen und nicht nur empirisch testbaren Voraussagen über individuelle Ereignisse, (...sondern vielmehr; T.B.) der Wiederkehr abstrakter Muster als solchen; und (im übrigen, T.B.) ist die Voraussage, daß unter genau umrissenen Umständen das Muster einer bestimmten Art erscheinen wird, (sehr wohl, T.B.) eine falsifizierbare (und deshalb empirische) Aussage" (Hayek 1972, S. 15/16). Für uns ist nun von Interesse, unter welchen Bedingungen bzw. Umständen ein solches Muster entsteht. Aus der Mathematik kennen wir die Begriffe des „Wertebereichs" und des „Definitionsbereichs" für eine bestimmte Funktionsgleichung bzw. Formel. Wenn wir uns nun die das Muster beschreibende Theorie als eine solche Formel vorstellen, dann werden die o.g. „Umstände oder Bedingungen (...) durch den Bereich der Werte definiert, die für die Variablen der Formel eingesetzt werden können. Alles, was wir wissen müssen, um eine solche Theorie auf eine (konkrete, T.B.) Situation anwendbar zu machen, besteht deshalb darin, daß die Daten bestimmte Eigenschaften allgemeiner Art haben (bzw. daß sie zu jenen gehören, die im definierten Bereich der Werte für die Variablen liegen). Darüber hinaus brauchen wir nichts über ihre individuellen Eigenschaften zu wissen, solange wir uns damit begnügen, lediglich die Art des auftretenden Musters und nicht seine individuelle Erscheinungsform abzuleiten" (Hayek 1972, S. 15/16). Mit dem so beschriebenen Hauptcharakterzug einer solchen Theorie ist zugleich auch „das endgültige Resultat unserer theoretischen Bemühungen" erreicht, denn: „Eine solche Theorie, die 'algebraisch' bleiben muß, weil wir tatsächlich keine speziellen Werte für die Variablen einsetzen können, hört dann auf, ein bloßes Werkzeug zu sein (...)" (Hayek 1972, S. 17). Damit können wir dann auch die Diskussion um die bereits mehrfach angesprochene „Empirielosigkeit" endgültig beenden: Karl Popper verdanken wir die Einsicht, „daß der empirische Gehalt einer Theorie mit ihrem Falsifizierbarkeitsgrad wächst." 54 Deshalb ist von Hayek zuzustimmen, der in diesem Zusammenhang - noch-
„Eine Theorie ist falsifizierbar (...), wenn es zu ihr mindestens eine verbotene homotype Klasse von Basissätzen, eine nichtleere Klasse von Falsifikationsmöglichkeiten gibt. (...). Wir könnten (...) sagen, daß die Theorie, deren Klasse der Falsifikationsmöglichkeiten
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mais - ausdrücklich betont, daß „eine solche Theorie (komplexer Phänome, T.B.) natürlich (...) von geringem empirischen Gehalt ist, weil sie uns lediglich erlaubt, bestimmte allgemeine Züge einer Situation vorauszusagen oder zu erklären, die mit sehr vielen individuellen Umständen kompatibel sind. (...). Das ist der Preis, den wir für ein Vordringen in das Gebiet der komplexen Phänomene zu zahlen haben." 55 Hier schließt sich gleichsam der Kreis: So sehr man vor dem Hintergrund obiger Ausfuhrungen einerseits berechtigt und in der Lage ist, einen Großteil der geäußerten Wünsche und Sehnsüchte nach einer geschlossenen, allumfassenden, interdisziplinären, der Politik dienlichen normativen und zugleich empirisch abgesicherten (und damit positiven) Transformationstheorie ins Reich der Utopie zu verweisen, so sehr berechtigt erscheint andererseits die Frage, ob nicht insbesondere die Vertreter der die ökonomische Transformationsforschung dominierenden neoklassisch-monetaristischen Theorieschule mitunter dem Irrglauben aufgesessen sind, bei der Transformation handele es sich um ein „einfaches" Phänomen, dem mit einer entsprechenden „Theorie einfacher Phänomene" im o.g. Sinne beizukommen sei. Eben dieser Frage soll im folgenden nachgegangen werden; sollte sie bejaht werden müssen, könnte das Scheitern so mancher Theorie und so manchen darauf fußenden Politikprogramms kaum noch überraschen, denn: „Eine einfache Theorie über Phänomene, die ihrer Natur nach komplex sind, ist wahrscheinlich notwendigerweise falsch." {Hayek 1972, S. 16). 2.
E n t w i c k l u n g , aktueller Stand und Defizite der traditionellen ökonomischen T r a n s f o r m a t i o n s f o r s c h u n g
2.1. Die Uberholte Strategiedebatte „Schocktherapie versus Gradualismus" Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich die Gesamtaufgabe der Transformation als Summe dreier Teilaufgaben verstehen läßt: Von Beginn an bestand weitgehend Einigkeit darüber, welche Maßnahmen im Rahmen der ordnungs- und prozeßpolitischen Teilaufgaben - institutionelle Erneuerung und makroökonomische (monetäre) Stabilisierung - grundsätzlich zu ergreifen waren: Hier ging es im wesentlichen um Preisfreigabe, binnen- und außenwirtschaftliche Marktöffnung, Geldwertstabilisierung durch eine neue Währungsordnung und restriktive Geldpolitik, Herstellung von Währungskonvertibilität, grundsätzliche Einfuhrung von Privateigentum und Privatisierung der Staatsbetriebe, Konsolidierung der Staatsfinanzen etc. Von einer Einigkeit darüber, wie und in welcher Geschwindigkeit diese Maßnahmen zu ergreifen seien - ob man sie möglichst alle gleichzeitig durchsetzen oder besser sukzessive vorgehen solle -, war man zu Beginn
'größer' ist, mehr Gelegenheiten hat, durch mögliche Erfahrung widerlegt zu werden (...): sie ist 'in höherem Grade falsifizierbar'" (Popper 1971, S. 77; zum Begriff des „Basissatzes" im allgemeinen vgl. ebd., S. 20/21, S. 55-59 und S. 66 ff.; zum Begriff der „homotypen" - zu einem Vorgang gehörenden - Basissätze vgl. ebd., S. 57). „Der Fortschritt der Wissenschaft wird sich so in zwei verschiedene Richtungen entwikkeln müssen: Während es einerseits gewiß wünschenswert ist, unsere Theorien so falsifizierbar wie möglich zu machen (dies gilt für die Theorien einfacher Phänomene, T.B), müssen wir andererseits in Gebiete vorstoßen, in denen, wenn wir vordringen, der Grad der Falsifizierbarkeit notwendig abnimmt" (Hayek 1972, S. 17 u. S. 18).
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der Transformation allerdings weit entfernt. 56 Über diese Fragen entbrannte schon bald eine heftige und kontroverse Debatte. Diese Debatte um die richtige TransformationsStrategie beherrschte die Diskussion in Wissenschaft und Praxis während der ersten Jahre der Transformation und ging schließlich in eine Diskussion über den jeweils „richtigen" Zeitpunkt und die „optimale" Reihenfolge der zu ergreifenden Maßnahmen über: Aus der Strategiedebatte war gewissermaßen eine Debatte über die richtige Taktik der Transformation geworden; diese Debatte über das sog. „Timing and Sequencing" könnte man letztlich auch als Umsetzung der Strategie-Debatte oder gar „versöhnliche Synthese" zwischen den an dieser Diskussion beteiligten zwei „feindlichen Lager" verstehen. Das Ergebnis des nun folgenden Abschnitts vorwegnehmend, sei bereits an dieser Stelle festgestellt, daß der Verlauf dieser Diskussion, der im Grunde als Spiegelbild der ökonomischen Transformationsforschung angesehen werden kann, letztlich zweierlei deutlich machte: Zum einen zeigte sich, daß viele „Experten" den Bereich der mikroökonomischen Anpassung offenbar „vergessen" hatten - jedenfalls wurde diesem (dritten) Teilbereich der Transformation längst nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteil wie den Teilbereichen der institutionellen Erneuerung und der Stabilisierung der makroökonomischen Aggregate. Zum anderen gewann man den Eindruck, als habe ein nicht geringer Teil der an der Diskussion Beteiligten schlichtweg übersehen, daß sich die gesamte Transformationsaufgabe nur idealiter in die erwähnten drei Teilaufgaben aufgliedern läßt, die als Basis dienende Dreiteilung also immer nur eine idealtypische sein kann, die im Grunde allein analytischen Zwecken dient. Realiter jedoch bestehen zwischen den einzelnen Problembereichen bzw. Teilaufgaben der Transformation vielfältige Verflechtungen und wechselseitige Abhängigkeiten („Interdependenzen"), die in der Theorie schwerlich „eingefangen" werden können, wenn man sich geradezu sklavisch an die idealtypische Dreiteilung hält. 2.1.1. Inhalt und Gegenstand der Debatte Die o.g. prinzipielle und weitgehende Übereinstimmung der Fachwelt zu Beginn des Transformationsprozesses hinsichtlich derjenigen Maßnahmen, die im Rahmen der Erneuerung der institutionellen Infrastruktur und der makroökonomischen Stabilisierung zu ergreifen seien, konnte kaum überraschen, war sie doch letztlich Ausdruck der weitverbreiteten Einigkeit darüber, daß das anzustrebende Ziel der Transformation in einer wettbewerblichen Marktwirtschaft bestehen solle. In der Frage indes, mit welcher Strategie und auf welchem Wege dieses Ziel am ehesten erreicht werden könne und solle, „Die Frage nach dem ' W a s ' der Transformation wird in der Transformationsdebatte kaum kontrovers diskutiert. (...). Wesentlich umstrittener und komplexer sind die Fragen nach dem ' W i e ' und nach dem ' W a n n ' der Transformation" (Wohlmuth 1992, S. 37; vgl. ebd. auch Abb. 1 auf S. 38: „From Socialism to Capitalism: Things to do"; diese stammt im übrigen aus Farrell 1991, S. 13); ähnlich auch Sieverl (1995, S. 20): „Wie fast jedermann inzwischen weiß, bedarf es für eine marktwirtschaftliche Reorganisation des Wirtschaftsprozesses einer Reihe wesentlicher Voraussetzungen, wobei das Problem weniger ist, sich darauf zu einigen, welche Voraussetzungen fur besonders wichtig zu halten sind, als vielmehr, beizeiten und möglichst gleichzeitig alle wesentlichen Voraussetzungen zu schaffen."
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war man - wie bereits erwähnt - von einer solchen Einigkeit weit entfernt. Die über diese Frage entbrannte, kontroverse Diskussion war anfangs stark polarisiert - es entstanden zwei „feindliche Lager", deren Vertreter jeweils eine bestimmte Strategie präferierten: Die Befürworter des sog. „Big Bang" - in der deutschen Fassung etwas weniger martialisch meist als „Schock-Therapie" bezeichnet - forderten eine möglichst schnelle und gleichzeitige Umsetzung der für notwendig erachteten Schritte. Demgegenüber plädierten die Vertreter des anderen Lagers für eine sukzessive, allmähliche Umsetzung, die als „Piecemeal-Engineering" - oder auch als „Gradualismus bzw. gradualistische Strategie" - bezeichnet wurde. 57 „Die Transformation eines Wirtschaftssystems ist (...) nicht einfach und verursacht immense Kosten" (Cassel 1992, S. IX). Den Befürwortern der gradualistischen Strategie ging es nun im wesentlichen darum, diese Kosten bzw. die für die einzelnen Wirtschaftssubjekte zu erwartenden Belastungen gleichsam durch eine Streckung der Transformation auf einen größeren Zeitraum zu verteilen und so eine bessere „soziale Zumutbarkeit" ( Wiesenthal) zu erreichen. 58 Ein solches Vorgehen freilich hätte grundsätzlich nur dann eine gewisse Aussicht auf Erfolg, wenn es eine Regierung gäbe, „die laufend die Höhe der anstehenden Umverteilungen festlegt und durchsetzt. (Dies wiederum bedeutet) aber nichts anderes, als daß die Regierung nach und nach den einzelnen Interessengruppen ihre Privilegien entziehen muß, um die sich anschließende Einkommensverteilung dann dem Markt zu überantworten" (Apolte 1992, S. 4). Genau damit ist nun gleichsam die „Achilles-Ferse" eines gradualistischen Vorgehens identifiziert: die Anfälligkeit gegenüber dem Druck von Vertretern verschiedener Partikularinteressen, die letztlich verhindern könnte, daß es überhaupt zur Erarbeitung und Verabschiedung eines konsequenten Transformationsprogramms kommt 59 ; hier wäre insbesondere an Maß-
Siehe hierzu allgemein: Song (1992, S. 124-137: „Gradualismus" und S. 138-152: „Schock-Therapie") sowie Jens (1991); femer stellvertretend fur die Befürworter des „Big-Bang" folgende Autoren: Herrmann-Pillath (1991a, S. 19): „...nur der 'Big-Bang' einer simultanen Stabilisierung und Systemtransformation (ist) erfolgversprechend"; Maier (1991, S. 89): „Es zeigte sich, daß mit gradualistischen Maßnahmen (...) nicht nur keine Beschleunigung des ökonomischen Wachstums zu erreichen war, sondern es auch immer schwieriger wurde, das bereits erreichte Niveau zu halten"; weitere Befürworter des „Big Bang": Nunnenkamp und Schmieding (1991). Vgl. stellvertretend die Arbeiten von Caselli und Pastrelli (1990), Gohrisch et al. (1991) und (1992), Gohrisch und Laski (1991) sowie Schrettl (1990). Ähnliches hat damals bereits Eucken (1952/1990) ebenfalls beklagt, als er nach den „ordnenden Potenzen" fragte, die geeignet sein könnten, die Wettbewerbsordnung zu verwirklichen. Mit Blick auf den Staat, an den man bei der Beantwortung dieser Frage „unwillkürlich zunächst" denke, zeigte er sich skeptisch: „Inwieweit aber darf man etwas von ihm (dem Staat, T.B.) erhoffen, nachdem die geschichtliche Entwicklung so viele Enttäuschungen gebracht hat und der Staat sich nur zu oft als schwach, als Spielball in den Händen von Interessengruppen erwiesen hat?" (S. 325/326). Diese „Enttäuschungen" hat es nach Euckens Einschätzung auch und gerade in der jüngsten Vergangenheit gegeben: „(Der) weitaus wichtigste Wesenszug staatlicher Entwicklung im 20. Jahrhundert ist die Zunahme im Umfange der Staatstätigkeit und die gleichzeitige Abnahme der staatlichen Autorität" (S. 327). Eucken begründet diese Einschätzung mit Beobachtungen, die nicht nur mit Blick auf das hier im Mittelpunkt stehende Transformationsproblem interessant und aktuell sind: „Der Zerfall des Staates geht in doppelter Form vor sich: Einmal, indem Interessengruppen seine Politik bestimmen. (...). Zugleich aber kommt der Autoritätsver-
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nahmen zur konsequenten Erneuerung der institutionellen Infrastruktur zu denken. 60 Mit diesem Problem der „transformationsfreundlichen" Organisation bzw. Kanalisierung gesellschaftlicher Interessen hat sich etwa Apolte im Rahmen seiner Dissertation ausführlich beschäftigt und als Ausweg „eine vertragstheoretisch abgesicherte Wirtschaftspolitik (vorgeschlagen), die den Wechsel des Wirtschaftssystems mit einer umfassenden Reform der Verfassung und einem mit qualifizierter Mehrheit beschlossenen Transformationsprogramm einleitet" (Cassel 1992, S. X). 61 Ob und in welchem Ausmaß dieser Vorschlag zu einer solchen „vertragstheoretisch fundierten" und den einmal begonnenen Transformationsprozeß absichernden Strategie tatsächlich in einigen Ländern Pate gestanden hat, kann letztlich nicht mit Sicherheit festgestellt werden. 62
lust darin zum Ausdruck, daß Machtgruppen gewisse Kompetenzen, die der Staat bisher ausübte, selbst übernehmen. (...). Abhängig von einem Geschiebe von Machtgruppen - das ist das Bild, das der heutige Staat gewährt" (S. 328). Gleichwohl ist kritisch anzumerken, daß Eucketi - bei aller Schärfe seiner Beobachtungen und Kritik - jedoch keine wirklich überzeugende Antwort auf die von ihm selbst gestellte Kernfrage liefert: „Wie kann der moderne Staat zu einer Potenz werden, die eine brauchbare Wirtschaftsordnung verwirklicht?" (S. 327). Er postuliert zwei „staatspolitische Grundsätze", von denen der erste zwar dem hier behandelten Problem der pressure groups gewidmet ist - ein Ausdruck, der Eukken selbst übrigens bereits geläufig war (vgl. S. 333, Forts. FN 1) -, aber viel zu allgemein bleibt: ,ßrster (staatspolitischer, T.B.) Grundsatz: Die Politik des Staates sollte darauf gerichtet sein, wirtschaftliche Machtgruppen aufzulösen oder ihre Funktion zu begrenzen." Wie dies in concreto zu bewerkstelligen sein könnte, darüber schweigt sich Eucken indes aus (Nota: alle Hervorhebungen im Original). „The essence of systemic transformation is an institutional revolution" (Schmieding 1991, S. 1). Diese muß jedoch zunächst einmal in Gang gebracht werden; hier geht es also - in der Diktion der Neuen Institutionenökonomik - um die „choice of rules". Apolte s Arbeit, zu der Cassel (1992) ein Vorwort verfaßt hat, fußt auf dem Grundgerüst der Vertragstheorie James M. Buchanans. Dieser kann als Vertreter einer „kontrakttheoretischen Ordnungstheorie" angesehen werden, die insgesamt die Ansicht vertritt, daß Ordnungen (bzw. Regeln) das Resultat vertraglicher Vereinbarungen seien. Wenngleich dazu an späterer Stelle (Kap. III. 1.) noch einige grundsätzliche Anmerkungen und bibliographischen Angaben gemacht werden, sei hier auf eine Arbeit Buchanans verwiesen, deren Titel allein schon die Anwendung bzw. Bedeutung seines Forschungsprogramms auf das hier in Rede stehende, spezifische (Interessen-)Problem im Rahmen der Transformation zum Ausdruck bringen, dem sich Apolte ausfuhrlich gewidmet hat: Buchanan (1993): How can Constitutions be designed so that Politicians who seek to serve „Public Interest" can survive?; vgl. ferner Buchanan (1993a). Gleichwohl läßt ein Blick in die Empirie vermuten, daß einige Länder in bestimmten Bereichen so oder zumindest ähnlich verfahren sind: So hat es in der praktischen Transformationspolitik durchaus „Politikbindungen" gegeben, die einer Umsetzung des ApolteVorschlags nahekommen: Man denke etwa an die vertraglichen Wechselkursbindungen in Estland (mit der DM bzw. dem US-$ als „Ankerwährung"), die offenbar dazu dienen sollten, die eigene Währung (Estnische Krone) bei Teilnahme am internationalen Handel vor einer anhaltenden, massiven Abwertung zu schützen. Das gelang zwar, allerdings um den Preis eines dann ständig zunehmenden Aufwertungsdrucks. So machte man letztlich einen zumindest zweifelhaften Tausch: Man bezahlte das grundsätzlich gewiß wichtige Vertrauen in die eigene Währung, das durch die „künstliche" Binnenstabilität infolge der Wechselkursanbindung erreicht wurde, durch Verluste der einheimischen Exportwirtschaft. Im übrigen sei an dieser Stelle angemerkt, daß es vertragliche Politikbindungen im Sinne Apolte s - wenn überhaupt - im Grunde immer nur im Bereich der makroökonomischen Stabilisierung gegeben hat. Inwieweit eine Umsetzung der Überlegungen und Vorschläge
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Diese Anfälligkeit gegenüber dem Druck verschiedener „pressure groups" wollten die Befürworter der Schock-Therapie vermeiden; ihnen ging es in erster Linie darum, den einmal begonnenen Transformationsprozeß unumkehrbar zu machen. Dazu hielten sie eine möglichst schnelle und umfassende Durchsetzung der wichtigsten Maßnahmen für unabdingbar, um klare Verhältnisse zu schaffen, d.h., etwaigen Interessengruppen erst gar keine Zeit zu geben, sich formieren und den Fortgang des Prozesses verschleppen bzw. das Transformationsprojekt insgesamt kippen zu können. 63 In diesem Zusammenhang war insbesondere an die Eliten des alten Systems zu denken: Die Schicht der Parteikader, Funktionäre, Kombinatsdirektoren usw. - die sog. „Nomenklatura" - hatte schließlich durch einen Systemwechsel den Verlust ihrer Privilegien zu befürchten, so daß von ihren Mitgliedern das für ein Gelingen der Transformation notwendige Mindestmaß an Bereitschaft zur Aufgabe alter Vermögenspositionen (in der Hoffnung auf die Schaffung neuer innerhalb des zukünftigen Systems) kaum erwartet werden konnte.64 Es leuchtet unmittelbar ein, daß die alten Eliten mit einer „Politik der kleinen Schritte", wie sie die Umsetzung der gradualistischen Strategie bedeuten würde, schwerlich zur Aufgabe ihrer Privilegien zu bewegen sein dürften.65 Stellvertretend für
Apoltes etwa auch im Bereich der institutionellen Erneuerung von größerer Bedeutung hätten sein können, steht dahin. Zur Formierung und zum Verhalten von (Interessen-)Gruppen vgl. grundlegend Olson (1968, 2.Auflage 1985). Wie weiter oben bereits angedeutet, hat Olson darauf aufmerksam gemacht, daß eine wirksame Interessenvertretung eher durch kleine als durch große Gruppen möglich sein wird: „Kleine Gruppen werden ihre gemeinsamen Interessen besser fördern als große Gruppen" (ebd., 2. Auflage, S. 50). Dieser Umstand hängt mit einer Art Fühlbarkeits- oder auch Ohnmachtsschwelle zusammen: Jedes Gruppenmitglied geht davon aus, daß sein individueller Einfluß und auch Beitrag bei zunehmender Größe der Gruppe tendenziell sinkt. Daraus ließe sich nun - gleichsam im Umkehrschluß - auf einen „überproportional heftigen" Widerstand der alten Eliten schließen: Sie hätten schließlich durch eine Veränderung wenig zu gewinnen, aber sehr viel zu verlieren und könnten sich deshalb zwecks Widerstand zu - relativ kleinen - Interessengruppen zusammenschließen. (Die „Duldung" einer solchen Tendenz zur Privatisierung von Erträgen bei gleichzeitiger Sozialisierung von Verlusten - „concentrated benefits and dispersed costs" - hat exakt mit der o.g. „Fühlbarkeitsschwelle" zu tun.); vgl. auch Olson (1990) sowie Siegenthaler (1989). „Sie (die Transformation, T.B.) verlangt von vielen durchgreifende Umstellungen und die Bereitschaft, bisherige Positionen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten aufzugeben. Da ist es nur zu verständlich, wenn sich der einzelne diesen Anforderungen gerne entziehen und die Lasten lieber anderen aufbürden möchte. (...). Weit mehr als in etablierten Marktwirtschaften bedrohen solche Verteilungskämpfe die erfolgreiche Transformation eines Wirtschaftssystems, zumal der Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft nicht ohne ein erhebliches Maß an Um- und Neuverteilung von Vermögens- und Einkommenspositionen zu haben ist" (Cassel 1992, S. IX). Bei Eucken (1952/1990, S. 16-18) finden wir einige Ausfuhrungen zur grundsätzlichen Bedeutung und Notwendigkeit einer Wirtschaftsorifawwgspolitik, die im Grunde das in diesem Abschnitt diskutierte Problem betreffen bzw. es vorwegzunehmen scheinen: „Jede Gesellschaft wird von einer Führerschicht geleitet. (...). Seit der französischen Revolution und seit dem Beginn der Industrialisierung sind wir in ein Zeitalter rascher Zirkulation der Führerschichten eingetreten, und diese Zirkulation hat sich im 20.Jahrhundert wesentlich beschleunigt. (...). Politische und wirtschaftliche Führerschichten sind es, die Macht anstreben oder verteidigen. (...). Genau genommen sind es also nicht die Massen, sondern die wechselnden Führerschichten der Massen, welche - im Kampf miteinander - die Wirt-
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die Bedenken der Vertreter der Schock-Therapie gegenüber der gradualistischen Strategie sei hier eine Äußerung Kantzenbachs (1991, S. 39) zitiert: „Diese Strategie (des Gradualismus, T.B.) muß (...) versagen, wenn es um die grundlegende Transformation eines Wirtschaftssystems geht. Ein schrittweises Vorgehen läßt die Gefahr von Dysfunktionalitäten entstehen. Vor allem aber ist damit zu rechnen, daß die Führungseliten des bisherigen planwirtschaftlichen Systems alles ihnen Mögliche unternehmen werden, um den Reformprozeß scheitern zu lassen. Schließlich droht er, sie um ihre Privilegien zu bringen. Für eine grundlegende Systemtransformation eignet sich deshalb nur die Strategie eines abrupten und umfassenden Wechsels der Rechtsordnung - der sog. "big bang'". Eine gradualistische Strategie hat jedoch nicht nur diesen offenkundigen Nachteil nämlich die Gefahr, potentiellen „gegenreformistischen" Interessengruppen die nötige Zeit zur Formierung zu verschaffen -, sondern sie begibt sich darüber hinaus auch noch eines möglichen Vorteils, über den eine Schocktherapie verfugt: Ein solches Radikalkonzept ist nämlich „unter günstigen Umständen geeignet, im Laufe seiner Anwendung die sozialen Voraussetzungen seines Erfolges zu verbessern. Ballen sich die gravierendsten Nachteile in der Startphase (...), so bestehen günstige Aussichten, daß nach der Latenzfrist große Bevölkerungsteile Verbesserungen bemerken und daraufhin den Fortgang des Vorhabens unterstützen" (Wiesenthal 1995, S. 525). Es mag tatsächlich vieles dafür sprechen, daß die Kooperations- bzw. „Leidensbereitschaft" der sog. „Transformationsverlierer" zu Beginn des radikalen Veränderungsprozesses am größten ist. Die politisch Verantwortlichen können sich diesen Umstand freilich nur zunutze machen, indem sie der Bevölkerung von Anfang an reinen Wein eingeschenken: Es darf nichts beschönigt, sondern es muß im Gegenteil darauf hingewiesen werden, daß nach der Einführung der neuen Regeln schmerzhafte Einschnitte und eine Durststrecke von nicht zu prognostizierender Dauer zu erwarten sein werden. Die Verantwortlichen haben stets darum bemüht zu sein, den Menschen klarzumachen, daß alle in nächster Zukunft anstehenden Entbehrungen um der langfristig guten Sache willen in Kauf zu nehmen, aber wegen der später anstehenden Verbesserungen eben nicht „umsonst" seien. Hiermit wird der wichtige Aspekt der Erwartungsbildung angesprochen: Ohne grundlegende Transformationsschritte, mit denen zu Beginn des Prozesses glaubhaft die formalen Institutionen - und damit letztlich auch die zukünftige „Marschroute" für die Prozesse auf das Ziel einer grundsätzlich neuen Gesamtordnung ausgerichtet werden, wird die Erwartungsbildung der Wirtschaftssubjekte nicht entscheidend im Sinne der neuen anzustrebenden Ordnung beeinflußt werden können. 66 Ohne die Bildung „stabiler" Erwar-
schaftspolitik zu beeinflussen suchen (...). Wie soll in diesem Getümmel der Machtkämpfe und Ideologien das Ordnungsproblem gelöst werden? (...). Gibt es in diesem ideologischen Kampf der Führerschichten und Gruppen von Interessen überhaupt die Erkenntnis zureichender Ordnung? Ist es wirklich möglich, Grundsätze der Wirtschaftspolitik zu entwikkeln, die etwas anderes sind als interessengebundene Ideologien?" Institutionen bzw. Regeln dienen der Reduktion von Ungewißheit. Zu ihrer Bedeutung für die Erwartungsbildung, deren Einfluß wiederum auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte und damit letztlich auf die Gestalt und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Gesamtordnung sowie die vielfaltigen Rückkopplungen zwischen diesen unterschiedlichen Ebenen bzw. Elementen vgl. etwa North (1988) und (1992). Regeln schränken nicht nur das
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tungen wiederum werden die für den vollständigen A u f b a u der neuen Gesamtordnung notwendigen Verhaltensänderungen k a u m induziert werden können. 6 7 In der Kombination rascher grundlegender Weichenstellungen im Bereich der Ordnungspolitik mit der „Ehrlichkeit" der politisch Verantwortlichen zu B e g i n n des Transformationsprozesses ist also die Voraussetzung sowohl für die Bewältigung des „Interessengruppen- bzw. Nomenklatura-Problems" als auch für die Erwartungsbildung zu sehen. D e n n nur eine solche Kombination glaubhafter Signale einer grundlegenden Ä n d e r u n g kann die Bevölkerung auf die neue Wirtschaftsordnung „einschwören", die Bildung neuer „stabiler" Erwartungen ermöglichen, die Menschen zu Verhaltensänderungen (bzw. das B e m ü h e n darum) motivieren und sie so für die Überwindung der schweren und entbehrungsreichen sowie dadurch für die politisch Verantwortlichen gefährlichsten Phase des Beginns „disziplinieren" ( Wiesenthal 1995, S. 525). A n dieser Stelle sei angemerkt, daß sich die Transformation der früheren D D R w e g e n der Vereinigung mit der damaligen Bundesrepublik auch in diesem Z u s a m m e n h a n g als „Sonderfall der Transformation" erwies, nahm doch die Informations- und Aufklärungspolitik der Verantwortlichen - sowie das davon in starkem M a ß e abhängige Stimmungsbarometer in der Bevölkerung - hier einen gänzlich anderen Verlauf. Die besondere Bedeutung der Psychologie für die Akzeptanz und den Fortgang des Transformationsprozesses kann übrigens durchaus deutlich gemacht werden, ohne erneut das mittlerweile zu trauriger Berühmtheit erlangte Bild der frühen Versprechungen von in Bälde zu erwartenden „blühenden Landschaften im Osten" b e m ü h e n zu müssen; so reicht es m.E. aus, d a r a u f h i n z u w e i s e n , daß „in den neuen Bundesländern (...) die Startphase durch ein Bündel von Gratifikationen geprägt war, denen dann die Anlässe der Enttäuschung folgten, als die unvermeidlichen Übergangskosten mit deutlicher Verzögerung und (- infolge fehlender W a r n u n g e n seitens der politisch Verantwortlichen -, T.B.) unerwartet auftraten" (Wiesenthal 1995, S. 525). Nota: N u r vor d e m Hintergrund der so geweckten zu hohen Erwartungen ist im übrigen die weitverbreitete Enttäuschung über das bisher Erreichte im Osten Deutschlands zu verstehen. U m nicht falsch verstanden zu werden: Nichts liegt mir ferner, als die zweifelsohne noch immer bestehenden gravierenden Probleme - insbesondere die Arbeitslosigkeit - schönzureden, mit denen viele Menschen in Ostdeutschland noch immer zu kämpfen haben und wohl auch noch geraume Zeit zu k ä m p f e n haben werden. Gleichwohl grenzt es fast schon an verantwortungslose Wirklichkeitsverzerrung und
Verhalten eines Individuums ein (subjektiver Nachteil), sondern schaffen gleichzeitig auch die Möglichkeit, Erwartungen bezüglich des Verhaltens anderer Individuen zu bilden und damit Unsicherheit zu reduzieren (subjektiver Vorteil). Leschke (1993, S. 26) formuliert dies wie folgt: „Allgemeine, abstrakte Regeln müssen daher für eine unbekannte Zahl künftiger Fälle gelten und beschränken die eigenen Handlungsmöglichkeiten, damit anderen kein unnötiger Schaden zugefugt wird; aber sie verhindern auch, daß man selbst willkürlichem Handeln anderer ausgesetzt ist." Regeln steigern gleichsam die „Prognostizierbarkeit" (im nicht-utopischen Sinne) zu erwartender (bzw. nicht zu erwartender) Handlungen und der von Handlungen hervorgerufenen Wirkungen; vgl. dazu Hayek (1969f, insbes.: S. 157 f.) und Hayek (1981, S. 23 f.). (Nota: Zu der in diesem Zusammenhang bedeutsamen Unterscheidung zwischen abstrakten und konkreten Regeln vgl. ausführlich Kap. III. 1.4 der vorliegenden Arbeit.). Zur Bedeutung von Erwartungen als treibende Kraft gesellschaftlichen Wandels vgl. grundsätzlich Huntington (1968).
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„Geschichtsklitterung", wollte man die tatsächlichen Startbedingungen des Transformationsprozesses in der früheren DDR vergessen und das aktuelle Fortkommen bzw. das bisher Erreichte unter Berufung auf das gebetsmühlenartig vorgetragene, in seiner grundlegenden Bedeutung offenbar völlig mißverstandene und deshalb gleichsam zum „Totschlagsargument" verkommene Gebot der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnnisse" mit dem Standard einer über Jahrzehnte hinweg entwickelten Marktwirtschaft vergleichen, nicht aber mit den Startbedingungen und dem Fortkommen anderer Transformationsländer: Den ökonomischen Standard der „alten" Bundesländer zur Referenzposition zu erheben, heißt, sich dem Problem im Sinne des berühmt-berüchtigten „Nirvana-Approach" zu nähern - und eben daran sind die politisch Verantwortlichen keinesfalls schuldlos. 68 Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß die zwei grundlegenden Vorteile einer Schock-Therapie zum einen in der „Entschärfung" des Interessenproblems durch Verhinderung der Formierung und des Einflusses von „pressure groups" und zum anderen in der Möglichkeit zu sehen sind, durch eine ordnungspolitische Grundsatzentscheidung zur Bildung stabiler Erwartungen beizutragen. Durch eine rasche und konsequente Durchfuhrung grundlegender Maßnahmen werden gleichsam die wichtigsten Stützpfeiler des Fundaments einer neuen Wirtschaftsordnung errichtet. Einen detaillierten Bauplan gibt es zwar nicht; gleichwohl existiert ein Plan des Rohbaus - und zwar in Gestalt der zuvor gefällten ordnungspolitischen Grundsatzentscheidung. Durch die „Stützpfeiler" werden nun eindeutige und glaubwürdige Signale gesetzt, die die Menschen auf die Umsetzung des Gesamtkonzepts vertrauen und sie entsprechende Erwartungen bilden lassen, von denen wiederum ihr Verhalten maßgeblich bestimmt wird. Von diesem wiederum hängt es letztlich ab, welchen Beitrag die Menschen selbst zum Bau und zur Vollendung des neuen Hauses, i.e. der neuen Wirtschaftsordnung, leisten werden. Die Empirie schien - insbesondere in den ersten Jahren des Transformationsprozesses - den Befürwortern der Schocktherapie recht zu geben: So zeigte sich mancherorts, daß die mit dem Gradualismus verbundene Anfälligkeit der wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger gegenüber dem Druck verschiedener Interessengruppen und dem damit verbundenen Bestreben, einmal diese und einmal jene Lobbyisten zufriedenzustellen, tatsächlich nicht zu einer Transformations-„Strategie", sondern eher zu eine bloßen Ansammlung inkonsistenter Maßnahmen ohne jede klare Leitlinie führte: So konnte man etwa bei Beobachtung der Entwicklung in Rußland lange Zeit den Eindruck gewinnen, daß man es dort - entgegen anderslautenden Bekenntnissen - doch wohl eher mit einer halbherzigen Reform denn mit einer, wenngleich gradualistischen, so doch letztendlich auf die Errichtung einer Marktwirtschaft ausgerichteten, Transformationssfraieg/e zu tun habe. Die ständige Hommage an die Vertreter der verschiedenen Partikularinteressen muß offenbar geradezu zwangsläufig zu allgemeiner Verunsicherung, zur Vér-
in genau diesem Sinne - ebenfalls unter Verwendung dieses von Demsetz geprägten Begriffs - äußern sich etwa Apolte, Cassel und Cichy (1994, S. 125): „So kann man schon jetzt die ostdeutsche Transformation bei allen Unterlassungssünden zu den erfolgreichsten, wenn nicht gar zu der erfolgreichsten zählen, wenn man sie nur an der Realität mißt und nicht in einem Nirwana-Approach."
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schleierung von Informationen usw. führen, kurzum: zum genauen Gegenteil der schon von Walter Eucken zur Etablierung einer Wettbewerbsordnung geforderten „Konstanz der Wirtschaftspolitik". In einem solchen Klima kann schwerlich neue Wirtschaftswcfnung gedeihen, die diese Bezeichnung verdient. 2.1.2. Kritische Würdigung der Debatte aus erkenntnis- bzw. wissenschaftstheoretischer Perspektive: Fruchtbare Auseinandersetzung oder bloße „Spiegelfechterei"? Vor dem Hintergrund der o.g. - im engeren Sinne „ökonomischen" - Argumentation scheinen die Vorteile des „Big Bang" eindeutig zu überwiegen, handelt es sich doch offenbar um eine Strategie, die zur Bildung neuer, stabiler Erwartungen beiträgt und zur Vermeidung von Widerständen, Blockaden und Inkonsistenzen im Transformationsprozeß besser geeignet ist als andere; so plädierten denn auch insbesondere Ökonomen für die Schock-Therapie als „beste" Transformationsstrategie. Nun stößt man bisweilen auf die These, daß die Schock-Therapie als konkreter Musterfall für einen sog. „holistischen Politikansatz" ( Wiesenthal 1995) verstanden werden könne, während die gradualistische Strategie eher einem „inkrementalen Politikansatz" entspräche. Dies wiederum wäre aus wissenschaftstheoretischer Perspektive bemerkenswert: So bekennen sich gerade Ökonomen häufig zum „Kritischen Rationalismus". Diese von Karl Popper in bewußter Abgrenzung zum Empirismus (//uwescher Prägung) auf der einen und zum „konstruktivistischen Rationalismus" (Descartesscher Prägung) auf der anderen Seite entwickelte wissenschafts- bzw. erkenntnistheoretische Methode geht von der Grundüberzeugung der Begrenztheit menschlicher Vernunft und ihrer Anwendungsmöglichkeiten aus. Im Hinblick auf die Planung, den Entwurf und die Reform von Institutionen - wie im Hinblick auf gesellschafts- und wirtschaftspolitische Reformen überhaupt - findet diese Grundüberzeugung ihren Ausdruck in Poppers Empfehlung, sich in diesen Bereichen der sog. „Stückwerk-Technik" (auch: „StückwerkTechnologie", bisweilen „Stückwerk-Sozialtechnologie") zu bedienen, d.h., „piecemeal engineering" zu betreiben (vgl. Popper 1969; zur „Stückwerktechnik" insbes. S. 47-57). Darum wissend, daß grundsätzlich „nur eine Minderheit sozialer Institutionen bewußt geplant wird, während die große Mehrzahl als ungeplantes Ergebnis menschlichen Handelns einfach 'gewachsen' ist" (Popper 1969, S. 52), ist diese „Stückwerk-Technik des Herumbastelns" als Alternative zu einer ganzheitlichen - holistischen - Gesellschaftsplanung gedacht, deren utopischer Anspruch darin besteht, „die Gesellschaft als Ganzes" auf der Basis eines - synoptischen - Gesamtplans zu gestalten und „die Schlüsselpositionen in die Hand zu bekommen". 69 „Der typische Stückwerk-Ingenieur (...) ist
Popper zitiert hier (ebd., S. 54) aus einem Buch von Karl Mannheim (Man and Society in an Age of Reconstruction. Studies in modern social structure, London, 1940; späterer Neudruck 1954), den er als maßgeblichen Vertreter der „holistischen" oder auch „synoptischen" (Gesellschafts-)Planung heftig kritisiert hat. Popper hebt an anderer Stelle die Vorzüge der „Stückwerktechnik" gerade im Hinblick auf die Planbarkeit von Institutionen und Reformen hervor, wird gleichsam zum Verfechter einer „inkrementalen" Planung: „Der Sozialtechnologe und der Techniker der kleinen Schritte können die Konstruktion neuer Institutionen und die Umformung der alten planen; sie können sogar die Mittel und Wege planen, die zu diesen Veränderungen fuhren; aber dies macht die 'Geschichte'
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nicht dafür, daß die Gesellschaft als Ganzes neu geplant wird. Was immer seine Ziele sein mögen, er sucht sie schrittweise durch kleine Eingriffe zu erreichen, die sich dauernd verbessern lassen. (...). Wie Sokrates weiß (er), wie wenig er weiß. Daher wird er nur Schritt für Schritt vorgehen und die erwarteten Resultate stets sorgfältig mit den tatsächlich erreichten vergleichen, immer auf der Hut vor den bei jeder Reform unweigerlich auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen. Er wird sich auch davor hüten, Reformen von solcher Komplexität und Tragweite zu unternehmen, daß es ihm unmöglich wird, Ursachen und Wirkungen zu entwirren und zu wissen, was er eigentlich tut" (Popper 1969, S. 53/54). Wir sahen bereits, daß die meisten Ökonomen als Befürworter der Schocktherapie gerade mit Blick auf die spezifischen Probleme der Transformation offenbar doch erhebliche Zweifel hatten, ob diese Strategie der schrittweisen Reform hier geeignet sei. Stellvertretend für viele seien hier (noch einmal im Zusammenhang) die Bedenken Kantzenbachs (1991, S. 38) zitiert, der sich im übrigen des oben beschriebenen „geistigen Spagats" durchaus bewußt ist und ausdrücklich auf Popper Bezug nimmt: ,yPopper empfiehlt bei wirtschafte- und gesellschaftspolitischen Reformen bekanntlich die Stückwerk-Technik, das sog. 'piecemeal social engineering'. Um nicht durch unrealistische Utopien in die Irre gefuhrt zu werden, sollen danach Reformen schrittweise durchgeführt, und vor jedem weiteren Reformschritt der Erfolg des vorangegangenen empirisch überprüft werden. Diese Strategie muß jedoch versagen, wenn es um die grundlegende Transformation eines Wirtschaftssystems geht (...; siehe oben, T.B.) Für eine grundlegende Systemtransformation eignet sich deshalb nur die Strategie eines abrupten und umfassenden Wechsels der Rechtsordnung - der sog. 'big bang'". Bemerkenswerterweise waren (und sind) die Ökonomen bzw. deren überwiegende Mehrheit mit ihrer Forderung nach einem „big bang" innerhalb der Sozialwissenschaften in der Minderheit: Die meisten anderen Sozialwissenschaftler blieben auch und gerade im Zusammenhang mit der Systemtransformation ihrer auf die grundsätzlichen Überlegungen Karl Poppers zurückgehenden Skepsis gegenüber „holistischen Reformkonzepten" treu: Nach ihrer Auffassung gelten „umfassende Reformen der politischen und ökonomischen Institutionen (...) in modernen Gesellschaften als unrealisierbar" (;Wiesenthal 1995, S. 515).70 Versteht man nun die Transformation ganzer Wirtschaftsund Gesellschaftssysteme via „Big Bang" als ein solches „holistisches Reformkonzept" - was noch zu diskutieren sein wird - dann erscheint dessen Ablehnung aus der wissen-
nicht besser vorhersagbar. Denn sie planen nicht für die gesamte Gesellschaft (...)" (Popper 1992, S. 169). Unter anderem auf von Hayeks Schrift „Freedom and the Economic System" (Chicago 1939) bezugnehmend, in der auf die Gefahren für die individuelle Freiheit hingewiesen wird, die mit einer zentral geplanten Wirtschaft einhergehen, lehnt Popper jeden Versuch einer ganzheitlichen, zentralen Gesellschaftsplanung ab. Entsprechendes gilt also auch und gerade fur Mannheims Idee des Planens; da diese „betont kollektivistisch und holistisch ist", zeigt sich Popper „überzeugt, daß sie zur Tyrannei und nicht zur Freiheit führen muß" (Popper 1992, S. 412; Hervorhebungen im Original). Gleichwohl wird konzediert: „Diese weitgehend geteilte Erkenntnis wird durch das Projekt des gesteuerten Übergangs vom Sozialismus zu Demokratie und Marktwirtschaft in Frage gestellt, (erfüllen doch...die) im Rahmen der Transformation erfolgenden Eingriffe (...) alle Kriterien eines holistischen Reformprojekts" (Wiesenthal 1995, S. 515).
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schafts- bzw. erkenntnistheoretischen Perspektive des „Kritischen Rationalismus" tatsächlich nur konsequent. 71 Diese auf dem Bewußtsein der allgemeinen Begrenztheit des Wissens und der Vernunft beruhenden grundsätzlichen, eher abstrakten Bedenken wurden häufig auf konkrete Wissenslücken bezüglich bestimmter Aspekte bezogen: So wurde beispielsweise - insbesondere von soziologischer Seite - häufig zu bedenken gegeben, daß eine Schocktherapie zwar langfristig effizient sein möge, über Art und Umfang der damit notwendigerweise kurzfristig verbundenen Produktions- und Beschäftigungseinbrüche jedoch bestenfalls spekuliert werden könne: „Man weiß im vorhinein (...) nicht, wie tief der Sturz sein wird und wie rasch die neuen Anreize wirken werden. Der Mangel an theoretischem und prognosefähigem Wissen von den Folgen des abrupten Institutionenwandels läßt das holistische Konzept riskant scheinen" ( Wiesenthal 1995, S. 523). Diese Bedenken scheinen durchaus berechtigt und können im Grundsatz zweifellos geteilt werden. Indes fragt sich, wie stattdessen die Alternative einer gradualistischen Strategie denn nun konket hätte aussehen sollen (bzw. aussehen soll), wenn man von ihr im Hinblick auf die Bewältigung der Transformationsaufgabe zumindest mit gewisser Berechtigung größere Erfolge erwarten will. Dazu muß festgestellt werden, daß sich die Befürworter der gradualistischen Stratgie leider weitgehend auf die Kritik an der Schocktherapie konzentriert und selbst keine überzeugende Alternative in Form eines „sanfteren" Transformations- (bzw. Reform-)programms angeboten haben. Insgesamt wird deutlich, daß die meisten Ökonomen offenbar im Grundsatz von der „Machbarkeit" des „Projekts Systemtransformation" ausgingen, während viele der übrigen Sozialwissenschaftler einem solchen Großprojekt grundsätzlich eher geringe Erfolgsaussichten einräumen wollten bzw. dessen „Machbarkeit" i.e.S. gänzlich ausschlössen. Interessanterweise spiegelt sich dieser Optimismus bzw. Pessimismus bezüglich der grundsätzlichen „Machbarkeit" des Gesamtprojektes jedoch nicht in der je unterschiedlichen Einschätzung bzw. Bewertung der konkreten Ausgangssituation zu Beginn der Transformation wider: Während die meisten der (im Grundsatz ja eher „optimistischen") Ökonomen angesichts des Erbes der maroden Zentralverwaltungswirtschaften hinreichend Anlaß hatten und auch nicht müde wurden, den traurigen Zustand der von mehreren Dekaden zentraler Planung und Mißwirtschaft ruinierten Volkswirtschaften zu beklagen, wurden das Transformationsprojekt bzw. seine Startbedingungen von Seiten anderer (der Transformation als „holistisches Konzept" insgesamt grundsätzlich eher skeptisch gegenüberstehender) Sozialwissenschaftler optimistischer eingeschätzt, da es „ - zumindest dort, wo soziale Bewegungen die Umwälzung bewirkten - mit einem soliden Konsens der Bevölkerung über die wichtigsten Transformationsziele (begann und...) durch empirisches und theoretisches Wissen von vielen funktionalen Details moderner Gesellschaften informiert und insoweit besser gerüstet (ist), politische und ökonomische Erfolgsvoraussetzungen zu beachten als das frühere Projekt des Übergangs vom Kapitalismus zum Staatssozialismus. Das Transformationsprojekt
Insofern könnte man mit Blick auf den von vielen Ökonomen offenbar empfundenen „trade o f f zwischen dem Hang zum kritischen Rationalismus im Abstrakten auf der einen und dem Transformationszwang im Konkreten auf der anderen Seite deren Position letztlich als die von „inkonsequenten Pragmatikern" beschreiben.
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genießt darüber hinaus das Wohlwollen aller maßgeblichen Industrieländer und internationalen Institutionen" ( Wiesenthal 1995, S. 515; Hervorhebungen von mir). Genau an dieser Stelle nun bietet es sich an, noch einmal kurz auf unsere wissenschaftstheoretischen Überlegungen zurückzukommen: Mit dem Begriff des von mir im letztgenannten Zitat hervorgehobenen „empirischen und theoretischen Wissens" hebt der (die Schock-Therapie als „holistisches Konzept" ablehnende) Verfasser dieses Zitats offenbar auf ein Wissen ab, das man nun im Sinne Poppers als „vorläufig bestätigtes Vermutungswissen" verstehen kann und dem im Prozeß der Erkenntnisgewinnung nach Popper entscheidende Bedeutung zukommt. Es wurde erläutert, daß die SchockTherapie von den Gradualisten zumeist unter Berufung auf Popper abgelehnt, da als sog. „holistisches Reformkonzept" identifiziert wird. Da nun die meisten der einer „Schock-Therapie" gegenüber prinzipiell positiv eingestellten Ökonomen sich „ansonsten" durchaus zur Methode des Kritischen Rationalismus nach Popper bekennen, scheint in gewisser Hinsicht eine paradoxe Situation vorzuliegen. Dieses Paradoxon ist jedoch nur ein scheinbares, das wie folgt aufgelöst werden kann: Der erste Schritt zur Auflösung dieses scheinbaren Widerspruches besteht darin, sich zunächst einmal Klarheit darüber zu verschaffen, was unter dem Begriff der SchockTherapie bzw. des Big Bang überhaupt zu verstehen ist. Verstünde man darunter die schnellstmögliche und gleichzeitige Umsetzung aller Maßnahmen, über deren Bedeutung und Notwendigkeit grundsätzlich weitgehende Einigkeit bestand, dann ließe sich tatsächlich berechtigterweise von einem „holistischen Reformkonzept" sprechen, das wohl eher eine Utopie denn eine ernstzunehmende Strategie darstellte und deshalb durchaus auch unter Berufung auf Popper - abzulehnen wäre. Im übrigen darf wohl ohne Überheblichkeit festgestellt werden, daß es kaum mehr als eines Mindestmaßes gesunden Menschenverstandes bedarf, um einzusehen, daß die Durchsetzung der verschiedene Ebenen und Bereiche betreffenden unterschiedlichen Maßnahmenbündel sowie deren Wirksamkeit selbstverständlich in unterschiedlichem Maße Zeit benötigen, also nicht gleichsam uno actu dekretiert werden können. Apolte bringt es auf den Punkt: „Stellt sich die Alternative eines Big Bang überhaupt? Sicherlich sind einige Schritte der Transformation an einem Stichtag implementierbar, wozu etwa die Freigabe der Preise und die Abschaffung der zentralen Planung gehören. Aber wie ist es um die Privatisierung bestellt (...)? Was ist mit dem Umbau der öffentlichen Verwaltung (...)? Wie steht es mit der Neuformierung eines Kapitalmarktes und der Einführung eines neuen Bankensystems? Wichtige Schritte der Transformation bedürfen offenbar einer gewissen Zeit, (...so...) sind Veränderungen wichtiger Institutionen schon aus technischen Gründen nur innerhalb eines zeitlichen Prozesses möglich" {Apolte 1992, S. 5 u. 6). Wäre mit dem Big Bang allerdings die schlagartige Durchsetzung der einen oder anderen Einzelmaßnahme ohne weitere flankierende Maßnahmen gemeint, d.h., verstünde man unter einer Schock-Therapie das „Herumdoktern" an einzelnen Symptomen, ohne weder die jeweils unterschiedlichen individuellen Ausgangs- und Rahmenbedingungen noch die möglichen Rückwirkungen solcher „isolierten" Maßnahmen zu berücksichtigen, dann kann die Ablehnung eines so verstandenen „Big Bang" von jedem „kritisch rationalen" Menschen gewiß nur begrüßt werden. (Hier sprechen im übrigen auch die negativen Erfahrungen Bände, die man in der Praxis dort hat machen müssen, wo man
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just ein solches „Herumdoktern" praktiziert hat 7 2 : So sei etwa auf die negativen Folgen der schlagartigen (und isolierten) Preisfreigabe in Rußland verwiesen 7 3 ; weitere Beispiele sind fehlgeschlagene Versuche einer möglichst schnellen (großen) Privatisierung ohne vorangegangene, begleitende oder zumindest nachträgliche De-Monopolisierung und Entflechtung; entsprechende Erfahrungsberichte, die es aus nahezu allen Transformationsländern gibt, sind mittlerweile Legion. Betrachtet m a n die Bedingungen, unter denen solche Privatisierungsbemühungen bisweilen stattfanden, so überrascht es durchaus nicht, daß die mißbräuchliche Ausnutzung monopolistischer Machtpositionen weiterhin anhält und die Etablierung einer Wettbewerbswirtschaft - trotz grundsätzlicher Etablierung von Privateigentum - noch immer auf sich warten läßt. Als letztes Beispiel für die als „Big B a n g " (miß)verstandene D u r c h f ü h r u n g isolierter Einzelmaßnahmen seien die mancherorts unternommenen Versuche rigoroser makroökonomischer Stabilisierung ohne gleichzeitige B e m ü h u n g e n um ein Mindestmaß an sozialpolitischer Abfederung genannt. N u n ist allerdings noch eine andere Variante bzw. Interpretation einer SchockTherapie denkbar, die ich einmal als „Schock-Therapie im wohlverstandenen Sinne" bezeichnen möchte: Verstünde m a n darunter schlicht eine ordnungspolitische Grundsatzentscheidung bezüglich eines politisch gewollten und konsequent anzustrebenden Transformationsziels zu Beginn des Transformationsprozesses, so könnte schwerlich j e m a n d ernsthaft bezweifeln wollen, daß es ohne einen „Big B a n g " in diesem Sinne irgendeine Aussicht auf baldigen Erfolg geben könnte. Bei Schüller (1992a, S. 6) heißt es hierzu unmißverständlich: „Keiner wirtschaftspolitischen M a ß n a h m e wird eine dauerhafte Erfolgswirkung z u k o m m e n , w e n n der Transformationspfad nicht an der angestrebten Ordnung ausgerichtet wird." Die Gründe d a f ü r wurden bereits erläutert, indem d a r a u f h i n g e w i e s e n wurde, daß ohne eine solche ordnungspolitische Weichenstellung zu Beginn des Transformationsprozesses die Wirtschaftspolitik bzw. die transformationspolitischen M a ß n a h m e n an keiner Zielgröße würden ausgerichtet werden und damit weder das „O/son-Problem" der Verhinderung einer Formierung rentensuchende Verteilungskoalitionen (konkret: Bändigung der „Nomenklatura-Interessen") noch das ,JVorthP r o b l e m " der Erwartungsbildung würden gelöst werden können. Der Attraktivität einer so verstandenen „Schock-Therapie" wird sich schwerlich irgendein „kritisch-rationaler" M e n s c h verschließen können: Die Therapie bestünde schlicht in der konsequenten U m setzung bestimmter grundlegender M a ß n a h m e n , die zur glaubwürdigen Etablierung eines zumindest groben neuen Ordnungsrahmens - und damit zur Bildung neuer
Hier wäre etwa zu denken an das Problem der Bankenliberalisierung ohne vorherige Entschuldung, an die jüngsten Erfahrungen mit der Preisreform in Litauen etc. pp - die Reihe ließe sich im Grunde endlos fortsetzen; vgl. dazu die Fülle praktischer Beispiele bei Gros und Steinherr (1995) sowie ferner entsprechende Angaben in: World Bank (1996). Die daraufhin geradezu explodierenden Inflationsraten hätten sich verhindern bzw. zumindest abschwächen lassen, wenn man die Freigabe der Preise mit einem die vorhandene Geldmenge reduzierenden Währungsschnitt gekoppelt hätte. Auf diesen Zusammenhang hatte eine Vielzahl von Autoren - nicht zuletzt unter Bezugnahme auf die in diesem Zusammenhang durchaus interessanten und lehrreichen Erfahrungen mit der deutschen Währungsreform und dem Leitsätzegesetz von 1948 - bereits frühzeitig aufmerksam gemacht, vgl. etwa Willgerodt (1991) sowie Schüller und Wentzel (1991, insbes. S. 297-299).
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„stabiler" Erwartungen - unabdingbar notwendig sind. Nun kann hierbei durchaus auf bewährte Erkenntnisse der Ordnungstheorie, der Theorie des Systemvergleichs und der Neuen Institutionentheorie zurückgegriffen werden. Mit dieser Feststellung nun gelangen wir an den zur Auflösung des o.g. Paradoxons entscheidenden Punkt: Wir hatten festgestellt, daß es paradox anmutet, daß ausgerechnet die meisten der prinzipiell dem „Kritischen Rationalismus" nach Popper „verpflichteten" Ökonomen die Schock-Therapie (und damit vermeintlich ein „holistisches Reformkonzept") bevorzugen, während die meisten anderen Sozialwissenschaftler eine gradualistische Strategie propagieren, die vermeintlich eaxt dem von Popper propagierten Reformkonzept des „piecemeal engineering" entspricht. Um das vermeintliche Paradoxon endgültig aufzulösen, ist es nun lediglich notwendig, sich von der auf den „Piecemeal"-Begriff beschränkten Popper-Interpretation zu lösen, da diese zumindest eine grobe Verkürzung der Popperschen Auffassung bedeutet (um nicht gar von einer „Vulgär-Interpretation" zu sprechen...): Popper ist zuvorderst Wissenschafts- bzw. Erkenntnistheoretiker. Vor diesem Hintergrund sind letztlich alle seine Aussagen zu sehen; und nur vor diesem Hintergrund können sie - gerade auch mit Blick auf den Transformationsprozeß - angemessen interpretiert und verstanden werden. Eine der zentralen Botschaften Poppers betrifft die Überzeugung, zu der er im Zusammenhang mit der Suche nach den „wirklichen, den reinen Quellen unserer Erkenntnis" gelangte: Es ist die „Überzeugung, daß es solche reinen, unverfälschten und unfehlbaren Quellen nicht gibt. (...Mit anderen Worten, T.B.): Es gibt keine letzten Quellen der Erkenntnis" (Popper 1995, S. 33 u. 35). So haben denn nach Poppers Überzeugung „die Fragen der Wissenschaftslehre mit Quellen eigentlich nichts zu tun" (ebd., S. 35). Vor diesem Hintergrund schlägt er vor, „die Frage nach den Quellen unserer Erkenntnis durch eine ganz andere Frage zu ersetzen: 'Gibt es einen Weg, Irrtümer zu entdecken und auszuschalten?'" (ebd., S. 33). Die von ihm vorgeschlagene Antwort auf diese Frage faßt letztlich „eine Einstellung zusammen, die man 'Kritischen Rationalismus' nennen könnte: Durch Kritik an den Theorien und Vermutungen anderer und - falls wir uns dazu erziehen können - durch Kritik an unseren eigenen Theorien und spekulativen Lösungsversuchen (...) haben wir Aussicht, Irrtum zu erkennen und auszuschalten" (ebd.). Worauf es in diesem Zusammenhang ankommt, ist zu fragen, „ob eine Behauptung wahr ist - das heißt, ob sie mit den Tatsachen übereinstimmt. (...). Es gibt (allerdings, T.B.) kein Kriterium, an dem wir die Wahrheit erkennen können (...). Aber es gibt Kriterien, die (wenn wir Glück haben) es uns ermöglichen, Irrtümer und Unwahrheiten als solche zu erkennen. (...). Eine der häufigsten Methoden ist, zu prüfen, ob zwischen unseren Theorien und unseren Beobachtungen kein Widerspruch besteht" (Popper 1995, S. 35 u. 37). Unsere Aussagen, Behauptungen, Hypothesen und Theorien müssen also empirisch überprüfbar sein. Da es keine endgültige Wahrheit und kein gesichertes Wissen geben kann, ist ein Beweis im Sinne einer Verifikation - unmöglich: „Falsch ist, daß wir unsere Erkenntnis oder unsere Theorie durch positive Gründe rechtfertigen müssen, das heißt durch Gründe, die imstande sind, unsere Theorien zu beweisen" (ebd., S. 38, Hervorhebungen im Original). Was uns im Sinne der Wissenschaft als wohlverstandenes Bemühen um Erkenntnis zu tun bleibt, ist das ständige „Streben nach Falsifikation". Unsere Behauptungen und Theorien können letztlich niemals mehr sein als bloßes „Vermutungswissen", das stets Gefahr läuft, an den Tatsachen zu scheitern, d.h., im Wege der empirischen Überprü-
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fling widerlegt, i.e. falsifiziert zu werden. Diese Gefahr jedoch sollten wir gleichsam als positive Bedrohung empfinden, stellt sie doch den einzigen Weg des Erkenntnisfortschritts dar. Solange die Widerlegung nicht gelungen ist, d.h., eine Behauptung bzw. Theorie alle Falsifikationstests unbeschadet überstanden hat, kann sie als vorläufig bestätigt gelten. Der einzige Weg, auf dem Erkenntnisfortschritt erreicht werden kann, besteht nun darin, diese vorläufig bestätigten Erkenntnisse solange anzuwenden, bis sie durch die Tatsachen widerlegt werden. Und genau dies wird beispielsweise getan, wenn die Transformationsstrategie einer „Schock-Therapie" im o.g. wohlverstandenen Sinne angewandt wird. So hat der, wenn man so will, „erkenntnistheoretisch gewendete" Popper uns im Zusammenhang mit der Debatte um die „richtige" Transformationsstrategie durchaus mehr mitzuteilen als die schlichte Botschaft, daß selbstverständlich nur eine gradualistische „PiecemealStrategie" in Frage käme: Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, daß die sozialistische These von der Überlegenheit zentraler Wirtschaftsplanung und -lenkung bei dominierendem Staatseigentum an den Produktionsmitteln als an den Tatsachen gescheitert, damit eindeutig widerlegt bzw. empirisch falsifiziert angesehen werden kann. Demgegenüber kann die (liberale) Theorie, die einen „Effizienzvorsprung" dezentral über Märkte und Preise koordinierter Wettbewerbswirtschaften mit dominierendem Privateigentum gegenüber Zentralverwaltungswirtschaften postuliert, weiterhin als vorläufig bestätigt gelten. Insofern wäre die transformationsbezogene Umsetzung dieser grundlegenden und bisher nicht widerlegten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Wege eines „Big Bang" in dem o.g. wohlverstandenen Sinne einer ordnungspolitischen Grundsatzentscheidung „pro wettbewerbsgesteuerter Marktwirtschaft" und der konsequenten Umsetzung deqenigen Maßnahmen, die zur Etablierung der wichtigsten Grundelemente einer solchen neuen Ordnung als unverzichtbar anzusehen sind, durchaus mit der zentralen „Botschaft" des „Kritischen Rationalismus" nach Popper vereinbar.74 Abschließend läßt sich also feststellen, daß das ganze Paradoxon seine Ursache letztlich in der „Vereinnahmung" Poppers durch die Vertreter eines „naiven" Gradualismus hatte. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen ließe sich die Strategie der von mir so bezeichneten „Schock-Therapie im wohlverstandenen Sinne" durchaus ebenso als Strategie eines „aufgeklärten Gradualismus" verstehen; die Grenzen zwischen ernstzunehmenden Vertretern der beiden vermeintlich „feindlichen Lager" verschwimmen beträchtlich. Damit wird deutlich, daß es sich bei der Diskussion um die „richtige" Transformationsstrategie zwischen den Befürwortern der Schock-Therapie auf der einen und den Vertretern des Gradualismus auf der anderen Seite letztlich lediglich um eine Scheindebatte bzw. „Spiegelfechterei" gehandelt hat. Diese Schlußfolgerung läßt sich nicht nur aus den Ergebnissen der oben geführten wissenschaftstheoretischen Diskussi-
In diesem Sinne kann beispielsweise Pies (1997, S. 42) verstanden werden, der - wenngleich auch in einem etwas anderen Zusammenhang - feststellt: „Die theoretischen und empirischen Argumente zugunsten der Marktwirtschaft (gegenüber der Zentralplanwirtschaft, T.B.) waren und sind so überwältigend, daß man (im Systemstreit, T.B.) guten Gewissens, d.h. unter durchgängiger Wahrung wissenschaftlicher Seriösitätsstandards, eindeutig Stellung beziehen konnte. Das ökonomische Plädoyer für die Marktwirtschaft war (und ist, T.B.) ein wissenschaftlich fundiertes Plädoyer" (Hervorhebungen von mir).
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on, sondern schlicht aus der Komplexität der Transformationsaufgabe, insbesondere aus dem Interdependenzproblem, ableiten: Die vielfältigen „Einzelprobleme" der Systemtransformation sind so eng miteinander verknüpft, daß sich der Versuch, diese isoliert in Einzelschritten sukzessive abarbeiten zu wollen, ohnehin von selbst verbietet. Doch selbst wenn man die „künstliche Aufteilung" in isolierte Einzelprobleme - die zu formal-analytischen Zwecken zweifellos sinnvoll und notwendig ist - auch bei der praktischen Bearbeitung dieser Probleme beibehalten wollte, muß sich zeigen, daß die unterschiedlichen Maßnahmen selbstverständlich einen unterschiedlichen Zeitraum in Anspruch nehmen; dies wurde bereits betont und wird im übrigen durch einen Blick in die Empirie eindrucksvoll bestätigt: „Die Praxis zeigt, daß für die Einfuhrung der verschiedenen Elemente (der Systemtransformation, T.B.) sehr unterschiedliche Zeitperioden erforderlich sind. Während man beispielsweise die Liberalisierung der Preisbildung und des Außenhandels per Dekret durchfuhren kann (...), ist das bei der 'großen' Privatisierung, bei der Schaffung funktionsfähiger Kapitalmärkte und bei der Installation einer ausreichend großen Zahl marktwirtschaftlich agierender Manager für die Unternehmen nur in einem längeren Prozeß möglich. (...). Insofern ist die Diskussion 'Schock oder Gradualismus' überholt. Entscheidend ist, daß zu Beginn der Transformation einige Transformationsschritte entschlossen und schnell eingeführt werden, während man sich für andere mehr Zeit lassen und dabei vor allem die Wirkungen der einzelnen Schritte auf den Transformationsprozeß abschätzen muß" (Dubrowsky 1993, S. 203; Hervorhebung von mir). Insofern wird jede emstzunehmende Transformationsstrategie letztlich sowohl (im wohlverstandenen Sinne) „schockartig" als auch (aufgeklärt) „gradualistisch" sein.73 Insofern erübrigt sich die Beantwortung der Frage, welchem der beiden Lager denn nun letztlich zuzustimmen ist, wer „recht" hat, welche Strategie die bessere ist - die Frage selbst hat sich erübrigt. Durch die „Auflösung" der Strategiedebatte ist nun freilich das entscheidende Transformationsproblem des „institutionellen Interregnums" keineswegs gelöst, allerdings erscheint es gleichsam in hellerem Licht. Zur Verdeutlichung möge folgendes Zitat dienen, das sich indes primär auf das „alte" Verhältnis zwischen den an dieser Debatte Beteiligten bezieht: „So scheint sich die Konkurrenz zwischen Radikalismus und Gradualismus darauf zu reduzieren, daß Radikalreformer ein neues Regelsystem oktroyieren, dem es an passenden Akteuren fehlt, während Gradualisten den alten Akteuren gestatten, sich selbst neue Regeln zu verordnen" (Wiesenthal 1995, S. 523). Im Zusammenhang mit der Erläuterung der Schock-Therapie wurde bereits dargelegt, daß dieses am Ende des o.g. Zitat angesprochene und für die Strategie des „naiven" Gradualismus charakteristische Problem, „den alten Akteuren zu gestatten, sich neue Regeln zu verordnen", unter allen Umständen vermieden werden muß. Wir sahen darüber hinaus aber auch, daß dieses Problem von einer ernstzunehmenden und erfolgversprechenden Trans-
So jüngst auch Leipold (1997a, S. 46): „Die Unterscheidung zwischen Schocktherapie und Gradualismus ist ohnehin fragwürdig. Schockartige Reformen gab es lediglich im Bereich der makroökonomischen Stabilisierung und der mikroökonomischen Liberalisierung, die mit geringen Zeitabständen in allen Reformländern mehr oder weniger konsequent durchgeführt wurden. Dagegen verlief und verläuft der ordnungspolitische Umbau überall eher schleppend, also gradualistisch."
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formationsstrategie durchaus vermieden werden kann, gleichviel, ob man diese nun als „wohlverstandene Schock-Therapie" oder „aufgeklärten Gradualismus" bezeichnet. Was indes durch keine Strategie vermieden werden kann, ist das im ersten Teil des o.g. Zitats beschriebene Problem: Neue formale Institutionen in Gestalt neuer Regeln, neuer Gesetze etc. können geschaffen, gar über Nacht dekretiert werden, neue Akteure hingegen lassen sich nicht einfach schaffen. Die Akteure bleiben dieselben, und sie müssen den Umgang mit den neuen Regeln erst lernen, sie müssen sich an sie gewöhnen. Dieser Lernprozeß erfordert Zeit, und im Verlaufe dieses Prozesses wird es immer wieder zu „Kollisionen" mit den alten Gewohnheiten und Erfahrungen kommen. Unbeschadet der formalen Gültigkeit der neuen Institutionen wirken die unter den Bedingungen des alten Systems gewachsenen Normen und ungeschriebenen Regeln nach - der geradezu klassische Fall des „institutionellen Interregnums" in materieller (eben nicht nur formeller) Hinsicht. Angewendet auf die Transformation stellt sich das Problem des „Zusammenhangs zwischen gewachsener und gesetzter Ordnung" (Leipold) also nicht nur bei der Frage, ob die neue Ordnung (etwa in Anlehnung an Euchen) „gesetzt" werden oder ob man sie (etwa in Anlehnung an von Hayek) „wachsen lassen" soll, sondern das Problem stellt sich unabhängig von der Beantwortung dieser Frage in jedem Fall ganz grundsätzlich, da ja offenbar auch eine gesetzte Ordnung stets auf die alten Akteure und damit gleichsam auf die in diesen inkorporierte Hinterlassenschaft der alten gewachsenen Ordnung trifft. 76
2.1.3. Die Anschlußdebatte Uber „Timing and Sequencing" Eine mit der Grundsatzdiskussion über die „beste" Transformationasira/egze eng verknüpfte Debatte betraf den jeweils optimalen Zeitpunkt bzw. die richtige Reihenfolge das sog. „Timing and Sequencing" - der zu ergreifenden Maßnahmen und Reformschritte; hierbei ging es also gewissermaßen um die beste Transformationstate'ft. 77 Die im Rahmen dieser Debatte präsentierten verschiedenen Sequencing-Szenarien stellen - cum grano salis - so etwas wie die „versöhnliche Synthese" zwischen den zuvor unvereinbar scheinenden Positionen der Big-Bang- und Gradualismus-Vertreter dar. Im folgenden seien einige Anmerkungen gestattet, die einerseits diese „Timing-and Sequencing-
Dabei ändert es im konkreten Fall der Transformation in Mittel- und Osteuropa nur wenig, daß die dort abzulösende Ordnung ursprünglich geradezu als Musterbeispiel einer - dazu gewaltsam - „gesetzten" Ordnung gelten kann. Da diese Ordnung in allen Transformationsländem eine Zeitspanne von zumindest zwei, mancherorts mehr Generationen überdauerte, beinhaltet sie hinreichend viele verhaltensprägende Elemente, die es berechtigt erscheinen lassen, ihr zu Beginn der Transformation einen „gewachsenen Charakter" zuzubilligen. Das Argument wird noch verstärkt, wenn man sich vor Augen hält, daß die Menschen diesseits des „eisernen Vorhangs" zum selben Zeitpunkt über einen Vorsprung von gleicher Zeitdauer bezüglich des Einübens bestimmter Verhaltensweisen innerhalb einer tatsächlich buchstäblich „gewachsenen" Ordnung verfugten, die nun für viele Menschenjenseits dieses Vorhangs zur „gesetzten" wird. Einen hervorragenden Überblick liefert Funke (1993, siehe insbes. die tabellarische Übersicht auf S. 3); vgl. femer: Wentzel, Dirk: Geldordnung und Systemtransformation, Stuttgart/Jena/New York 1995 (dieselbe Übersicht findet sich hier in Graphik 7, S. 75). Da in Funke s Übersicht ausschließlich englisch-sprachige Autoren erfaßt wurden, sei noch verwiesen auf den Beitrag von Westphal und Herr (1991).
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Debatte" im engeren Sinne betreffen, die aber andererseits allerdings auch darüber hinausgehen, also eher grundsätzlichen Charakters sind. Ich halte es für sinnvoll, sich sowohl der Frage nach der Wahl des richtigen Zeitpunkts einer bestimmten Maßnahme („Timing") als auch nach der richtigen Reihenfolge mehrerer Maßnahmen („Sequencing") dadurch zu nähern, daß man die in Rede stehenden Maßnahmen zunächst grob nach ihrer überwiegenden Relevanz für eine bestimmte Marktseite differenziert. Unterscheidet man neben der Angebots- und Nachfrageseite auch noch zwischen vorwiegend mikro- oder vorwiegend makroökonomischer Relevanz transformationspolitischer Maßnahmen, so lassen sich m.E. nicht nur einige grundsätzliche Mißverständnisse bezüglich des Zeitbedarfs einzelner Maßnahmen bzw. ihrer Wirksamkeit vermeiden, sondern darüber hinaus auch noch wichtige Einblicke in die Vielschichtigkeit des Transformationsprozesses selbst gewinnen; daß dies wiederum dazu beitragen kann, einen Sensus für die bereits mehrfach betonte Bedeutung der Interdependenz der mit der Transformation verbundenen Probleme und Teilbereiche zu entwickeln, ist sicherlich mehr als nur ein positiver Nebeneffekt. Mit Blick auf die bereits mehrfach erwähnte Dreiteilung der gesamten Transformationsaufgabe ist auf der Angebotsseite zu differenzieren zwischen den den ordnungspolitischen Rahmen betreffenden Maßnahmen zur Erneuerung der institutionellen Infrastruktur und den auf mikroökonomischer Ebene stattfindenden unternehmerischen Anpassungsprozessen; bei letzteren wiederum ist zu unterscheiden zwischen Umstrukturierungsmaßnahmen bei sog. „Altunternehmen" (Privatisierung, Sanierung bzw. Modernisierung) und echten Unternehmensneugründungen, wobei letztere in Art und Umfang wiederum wesentlich abhängen von den institutionellen Emeuerungsmaßnahmen auf der Makroebene. Auf der Nachfrageseite ist zu differenzieren zwischen der makroökonomischen Stabilisierungspolitik und den Geschehnissen auf der mikroöokonomischen Ebene, dem tatsächlichen Nachfrageverhalten der Haushalte. Letzteres wird zwar unmittelbar von den Maßnahmen der makroökonomischen Stabilisierung beeinflußt, hängt aber wohl letztlich vor allem entscheidend vom Erfolg der Erneuerungs- und Gründungsbemühungen der Marktgegenseite ab (s.o.). Als weitere wichtige Nachfragekategorie ist die Auslandsnachfrage - insbesondere die des westlichen Auslands (Westeuropa, Nordamerika) - zu nennen; freilich gilt in diesem Zusammenhang - und zwar sowohl angebotsals auch nachfrageseitig -, daß vom Ausland allein keine wirkliche „Heilung" erwartet werden kann: Ausländische Direktinvestitionen können in großem Umfang niemals einheimisches Unternehmertum „ersetzen", und ohne eine kaufkräftige Binnennachfrage auf breiter Basis kann ebenfalls keine dauerhafte Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Transformationsländer erwartet werden. Der Versuch, die gravierendsten Probleme der Transformationsländer nach Angebots- und Nachfrageseite sowie nach ihrer vorwiegend mikro- oder makroökonomischen Relevanz zu differenzieren, scheint durchaus eine sinnvolle Zuordnung dieser Probleme zu einer bestimmten TransformationspAase zu erlauben - womit ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung der Timing-and-Sequencing-Debatte geleistet wäre. Nach meiner festen Überzeugung sind die bei einem solchen „Systembruch" zu bewältigenden grundsätzlichen Probleme sowohl auf makroökonomischer als auch auf mikroökonomi-
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scher Ebene in erster Linie angebotsseitiger Natur. Sind angebotsseitig erst die richtigen Signale gesetzt, kommen Unternehmensneugründungen und Produktionsprozesse in Gang, durch die dann diejenige Kaufkraft geschaffen wird, die zur nachfrageseitigen Auslastung der neuen Kapazitäten notwendig ist, mit anderen Worten: „Die Anbieter müssen um Nachfrage konkurrieren 'müssen'" (Fehl). (Dies lehrt uns übrigens auch die Erfolgsgeschichte des vermeintlichen deutschen „Wirtschaftswunders" nach dem Zweiten Weltkrieg. Das „Wunder" bestand schlichtweg in der für Ökonomen wenig überraschenden Reaktion der Unternehmen auf die entsprechenden angebotsseitigen Maßnahmen wie Währungsreform in Verbindung mit der Preisfreigabe, i.e. Aufhebung der Bewirtschaftungsvorschriften durch das sog. „Leitsätzegesetz"; die entsprechende Reaktion der nun sukzessive mit der notwendigen Kaufkraft ausgestatteten Nachfrageseite folgte auf dem Fuße. (So feierte das die (klassische) Nationalökonomie bis zu Keynes' „General Theory" beherrschende forsche Theorem gleichsam fröhliche und überzeugende Urständ...). Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß ich diese Auffassung ausgerechnet mit den Vertretern deijenigen - angebotsorientierten - „Schule" teile, die im Rahmen dieser Arbeit heftig kritisiert werden. Dies steht jedoch keineswegs im Widerspruch zur hier vertretenen These von der Existenz des „institutionellen Interregnums" als Kernproblem der Systemtransformation und von der Illusion der neoklassisch-monetaristischen Theoretiker von einem - angebotsseitigen - mikroökonomischen Anpassungsmechanismus, im Gegenteil: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte berechtigterweise durchaus von der weitgehenden Gültigkeit eines solchen Automatismus auf Seiten der Unternehmen ausgegangen werden: Zwölf Jahre Nazibarbarei hatten zwar ausgereicht, einen halben Kontinent zu verwüsten und ganze Ethnien auszulöschen; diese kurze Zeitspanne von einer halben Generation konnte - trotz „totaler Zwangswirtschaft" [bei formell weiterhin gültigem Privateigentum (sie!)] - jedoch bei weitem nicht hinreichen, um den Menschen die wichtigsten Fähigkeiten, Kenntnisse und Verhaltensmuster privatwirtschaftlicher (Unternehmer-)Tätigkeit „auszutreiben". Die vielfach gezogenen Parallelen zwischen der Situation Deutschlands zur Zeit der Währungsreform im Jahre 1948 und der Lage der früheren DDR im vereinigten Deutschland des Jahres 1990 gehen insbesondere wegen dieses fundamentalen Unterschiedes fehl und dokumentieren m.E. deutlich die weitverbreitete Verkennung des „institutionellen Interregnums". Wenn hier die grundsätzliche Bedeutung angebotsseitiger Maßnahmen für das dauerhafte Gelingen der Transformation in den Vordergrund gerückt wird, so ist dies im übrigen keinesfalls etwa gleichbedeutend mit einem fahrlässigen Übersehen der zweifelsohne dringenden Notwendigkeit einer schnellen und soliden makroökonomischen Stabilisierungspolitik zu Beginn der Transformationsprozesses. Diese auf die Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageseite ausgerichteten Maßnahmen dienen jedoch m.E. eher der Vermeidung einer absoluten Katastrophe infolge der „Abwicklung" des alten Systems und sind insofern eher als „Notfallmedizin" im Sinne einer lebensrettenden Erstversorgung zu verstehen - Stabilisierung der lebensnotwendigen Funktionen eben. Eine grundsätzliche Verbesserung des Zustande im Sinne wirklicher Heilung ist allerdings nur durch eine grundlegende und ganzheitliche - freilich bisweilen schmerzhafte und vor allem zeitaufwendige - Therapie zu erreichen. In Gang gesetzt werden
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muß diese Therapie durch die richtigen Signale und Maßnahmen auf der Angebotsseite. Um im Bild zu bleiben: Die zweifellos dringend notwendige Erstversorgung der unzähligen Knochenbrüche und Schürfwunden stellt noch keine Therapie im engeren Sinne dar. Aufgabe einer solchen grundsätzlichen und „ganzheitlichen" Therapie wäre es vielmehr, ein Parkett zu schaffen, auf dem das ständige Ausrutschen nicht schon vorprogrammiert ist: So müßten etwa - bildlich gesprochen - ein Blutaustausch vorgenommen, eine Vitamin- und Mineralienkur durchgeführt sowie weitere Maßnahmen ergriffen werden, um den gesamten Organismus resistenter und das Skelett weniger porös zu machen. Freilich wird keinesfalls übersehen, daß die zu privatisierenden und zu sanierenden Altuntemehmen des abgelösten planwirtschaftlichen Systems, die der Umstrukturierung harren, selbstverständlich von Anfang an mit einem gravierenden Nachfrageproblem konfrontiert sind: Die im alten System geltenden Absatzgarantien entfallen, die alten Absatz-„Märkte" brechen weg - neue Nachfrage muß gewonnen werden. Gleichwohl sei mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß es sich hierbei tatsächlich um eine „neue" Nachfrage im besten Wortsinne handelt: Es geht eben nicht einfach darum, die fehlende alte „Plan-Nachfrage" lediglich durch eine andere zu ersetzen, sondern es kommt nun erstmalig darauf an, echte „Markt-Nachfrage" zu gewinnen; dies freilich kann nur gelingen durch entsprechende „Vorbereitungsmaßnahmen" auf der Angebotsseite. In diesem Zusammenhang denkt man beinahe unwillkürlich an die „Selbstzündung der Nachfrage" nach Ernst Heuß, die man sich selbstverständlich nicht etwa derart vorzustellen hat, daß sie gleichsam völlig voraussetzungslos zustande käme: „Ähnlich wie bei der Kreierung eines neuen Produktes verhält es sich auch in der zweiten Hälfte der Experimentierungsphase, wenn es gilt, einen Markt für das kreierte Produkt zu schaffen bzw. die Dinge soweit vorwärts zu treiben, bis es zur Selbstzündung der Nachfrage kommt. Auch hier bedarf es verschiedener Anläufe, bis der Durchbruch zum Markt gelingt" (Heuß 1965, S. 113). Die Empirie scheint diese Überlegungen vorläufig zu bestätigen: Ein Blick in die Realität zeigt uns, daß die Transformationsprogramme in nahezu allen Ländern tatsächlich mit Maßnahmen zur makroökonomischen Stabilisierung - also durchaus im Sinne der o.g. „lebensrettenden Sofortmaßnahmen" begannen -, dann aber häufig ins Stocken gerieten. Mit der Stabilisierung zu beginnen, war sicherlich richtig und angesichts der makroökonomischen Ungleichgewichte (Kassenhaltungsinflation, große Budgetdefizite und hohe Auslandsverschuldung) in den meisten Transformationsländern zunächst einmal im wahrsten Sinne des Wortes überlebensnotwendig. Oberste Priorität hatte die Beseitigung der aufgestauten Inflation, d.h., es ging primär um einen möglichst schnellen Abbau des für zentralverwaltungswirtschaftliche Systeme typischen und die gesamte Volkswirtschaft destabilisierenden Geldüberhangs, um so auf möglichst schnellem Wege zur dringend notwendigen Herstellung eines stabilen Geldwertes zu gelangen. So notwendig die Bereinigung bzw. Stabilisierung dieser makroökonomischen Bestandsgröße auch sein mag, eine hinreichende Stabilisierungsmaßnahme ist sie freilich nicht. Es kommt darauf an, gleich im Anschluß an diese „lebensrettenden Sofortmaßnahmen" weitere Schritte einzuleiten, die auch zur Stabilisierung der makroökonomischen Stromgrößen führen, damit die schnellen Erfolge der Bestandsgrößenstabilisierung nicht wir-
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kungslos verpuffen. 78 Dieser zweite Schritt der makroökonomischen Stabilisierungsbemühungen - die Stabilisierung der Stromgrößen - kann freilich nur gelingen, wenn dazu im Rahmen grundlegender ordnungspolitischer Maßnahmen die entsprechenden institutionellen Voraussetzungen bzw. Rahmenbedingungen auf den Güter- und Faktormärkten geschaffen werden. Diese Maßnahmen zur Erneuerung der institutionellen Infrastruktur sowie ergänzende Maßnahmen zur Demonopolisierung, Entflechtung etc. sollten sämtlich auf die Herstellung wettbewerblicher Rahmenbedingungen abzielen. Gelingt dies nicht, wären nicht einmal die notwendigen Bedingungen für das Ingangkommen wirtschaftlicher Dynamik auf der Mikroebene erfüllt - von den hinreichenden ganz zu schweigen... Es scheint allerdings, als wären diese grundlegenden Zusammenhänge nicht immer erkannt und beim Entwurf bzw. der Umsetzung der Transformationsprogramme genügend beachtet worden: Der feste Glaube an den mikroökonomischen Anpassungsautomatismus verstellte den Blick auf die Notwendigkeit der Schaffung wettbewerblicher Rahmenbedingungen auf der Mikroebene selbst; dies stellte beispielsweise Dubrowsky (1993, S. 205/206) bereits in den frühen neunziger Jahren fest: „Die Erfahrungen der bisherigen Transformationsschritte zeigen, daß sich die Wirtschaftspolitik sehr stark auf die unausweichliche makroökonomische Stabilisierung konzentriert, dabei aber die Transformation im mikroökonischen Bereich unzulässig vernachlässigt. (...). Setzt sich diese Entwicklung fort, konterkariert sie die makroökonomische Stabilisierung (...)." Heute können wir feststellen: Sie hat sich fortgesetzt...: So wurde bereits erwähnt, daß heute kaum mehr entscheidende Unterschiede in der gesamtwirtschaftlichen Lage der verschiedenen Transformationsländer auszumachen sind, die eindeutig auf die grundsätzliche Über- bzw. Unterlegenheit einer bestimmten Strategie oder einer bestimmten „Sequencing-Technik" zurückgeführt werden könnten. Interessant in diesem Zusammenhang ist beispielsweise ein Vergleich zwischen Ländern wie Polen und der Tschechischen Republik als ehemalige „Musterknaben des Big Bang" auf der einen und Ungarn, das eine eher gradualistische Strategie verfolgte, auf der anderen Seite: „Obwohl die 'Radikal-Reformer' in Polen und in der (damaligen, T.B.) CSFR mit dem Anspruch einer Alternative zum Gradualismus' angetreten waren, unterscheiden sich die gesamtwirtschaftlichen Zielverfehlungen in Ungarn nicht wesentlich von den Vergleichswerten in diesen big-bang-Volkswirtschaften. Die gleichartigen Ergebnisse der unterschiedlichen "Strategien' haben das Vertrauen in die Wirksamkeit der 'stabilizationfirst'-Konzeption erschüttert und die Frage nach den 'sequencing errors' aufgeworfen. (...). Die schwachen Angebotsreaktionen, die auf dem Gütermarkt nach dem big-bang festzustellen waren, richteten den Blick auf die ordnungspolitischen Kernfragen der
Darauf weist beispielsweise auch Keilhofer (1995, S. 303) ausdrücklich hin: Eine „Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Bestandsgrößen am Beginn der Transformation bliebe in bezug auf das Ziel: Geldwertstabilität ohne nachhaltige Wirkung, wenn nicht der zweite Ursachenkreis fur eine ungleichgewichtige Entwicklung, die Instabilität der Stromgrößen des Wirtschaftsprozesses, behoben wird. Der Nachfrageüberhang auf dem Gütermarkt kann unter den Bedingungen der Transformation fortlaufend perpetuiert werden, wenn funktionsuntüchtige Faktormarktordnungen und/oder die Budgetpolitik des Staates zu einer monetären Überversorgung der Volkswirtschaft fuhren" (vgl. ferner die dort in FN 7 angegebene Literatur).
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T r a n s f o r m a t i o n (...)" ( K e i l h o f e r 1995, S. 317; H e r v o r h e b u n g v o n mir). 7 9 In diesem Sinn e hatte sich beispielsweise Portes (1992, S. 664) bereits einige Jahre zuvor geäußert; so m u t m a ß t e er: „ W e m a y have paid too m u c h attention to m a c r o e c o n o m i c instruments (...). Ordnungspolitik - creating the right institutional e n v i r o n m e n t s for m a r k e t s but not intervening in t h e m - is necessary." 2.1.4.
A b s c h l i e ß e n d e Beurteilung: S y s t e m t r a n s f o r m a t i o n u n d die „ A n m a ß u n g von Wissen"
D i e bisherigen A u s f ü h r u n g e n zu den Debatten über die richtige Strategie und Taktik der T r a n s f o r m a t i o n scheinen die S c h l u ß f o l g e r u n g nahezulegen, daß viele der Beteiligten - s o w o h l Vertreter beider „feindlichen L a g e r " in der Strategiedebatte als auch viele T e i l n e h m e r der „ g e m ä ß i g t e r e n " T i m i n g - a n d - S e q u e n c i n g - D e b a t t e - in ihren A r g u m e n ten, a u f ihre j e eigene, spezifische W e i s e eine G r u n d ü b e r z e u g u n g o f f e n b a r t und sich damit eines „ V e r g e h e n s " schuldig gemacht haben, die (bzw. das) von Hayek
(1975a)
einmal zutreffend als „ A n m a ß u n g von W i s s e n " bezeichnet hat. E s sei betont, daß dieser im folgenden Abschnitt näher begründete „ A n m a ß u n g s - V o r w u r f lediglich gegen die g l e i c h s a m naiven E x t r e m a u f f a s s u n g e n bzw. Extremvarianten der beiden Antipoden der Strategiedebatte gerichtet ist. So wird k e i n e s w e g s bestritten, daß Vertreter beider „ L a g e r " zweifellos wichtige und nachvollziehbare A r g u m e n t e in die Diskussion eingebracht haben; dies w i r d im übrigen in e i n e m späteren Abschnitt (Kapitel 2, Abschnitt 3) n o c h deutlich w e r d e n . D e r V o r w u r f bezieht sich also lediglich auf die bisweilen k o m -
Keilhofer zog diese Schlußfolgerung auf der Basis der makroökonomischen Rahmendaten von 1993 (vgl. Tab. 15); aber auch heute zeigt ein Vergleich der Wachstumsraten des BIP, des Anteils des Privatsektors an der Entstehung des BIP, der Arbeitslosenquote, der Schuldendienstquote etc. keine signifikanten Unterschiede, die eindeutig den jeweils unterschiedlichen Strategien zugerechnet werden könnten. Es sei noch erwähnt, daß Keilhofer seine Vergleiche auf die Tschechische und die Slowakische Republik, Polen, Ungarn und die frühere DDR beschränkt. Nun ist es selbstverständlich keineswegs so, als ließen sich anhand von Statistiken etwa keine oder nur geringfügige Unterschiede im ökonomischen Leistungsstand der verschiedenen Länder dokumentieren, im Gegenteil: So gibt es durchaus erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern. Diese können allerdings nicht immer und schon gar nicht eindeutig auf die jeweils gewählte Transformationsstrategie zurückgeführt werden. Auffallend ist, daß die Gruppe der mitteleuropäischen Transformationsländer insgesamt bessere Ergebnisse vorzuweisen hat als die der osteuropäischen, und diese schneidet wiederum etwas besser ab als die Gruppe der südosteuropäischen Länder. Diesen „Trend", der den jüngsten Statistiken eindeutig zu entnehmen ist (vgl. Weltentwicklungsbericht 1996) hatte etwa Barisitz (1995) bereits vor geraumer Zeit festgestellt, als er versuchte, die mittel- und osteuropäischen Transformationsländer in eine „Erfolgsskala" einzustufen. Die von ihm zu diesem Zwecke verwendeten Kriterien (Inflationsrate, Budgetdefizit, Größe bzw. BIP-Anteil des privaten Sektors etc.) sind eng an die traditionelle Dreiteilung der Transformationsaufgabe angelehnt. Da hier nicht auf Details eingegangen werden kann, sei lediglich das bereits angedeutete Endergebnis wiedergegeben: Barisitz stellt letztlich ein „Mittel-/Ost-Südost-Gefälle" fest: Polen, Tschechien und Kroatien nehmen Spitzenplätze vor Estland, Ungarn und der Slowakei ein; das Ende der Skala des Transformationserfolges zieren Länder wie Bulgarien, Rumänien, Rußland und die Ukraine. Auf die möglichen Ursachen dieses offenkundig nicht strategiebedingten „Gefälles" wird an späterer Stelle (Kapitel III.) noch eingegangen werden; hier sei lediglich angedeutet, daß die Ursachen im „außerökonomischen", insbesondere im - im weitesten Sinne - „kulturellen" Bereich vermutet werden.
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promißlose Grundauffassung beider Seiten, die jeweils in der von ihnen gleichermaßen eingenommenen „Entweder-oder-Position" zum Ausdruck kam. Auf den Hintergrund dieses Anmaßungsvorwurfs wurde implizit bereits an anderer Stelle eingegangen: Nach voti Hayek (1975a, S. 19) beruht die von ihm so bezeichnete .Anmaßung von Wissen (...) auf der oberflächlichen Ähnlichkeit des (sozialwissenschaftlichen, T.B.) Verfahrens mit dem der exakten Naturwissenschaften" und der daraus abgeleiteten irrigen , Annahme, daß die Lage im Gebiet der komplexen Erscheinungen dieselbe sein muß wie die im Gebiet der einfacheren." Wir haben bereits hervorgehoben, daß wir mit dem „Falsifikationstest" nach Karl Popper über ein Instrument verfugen, das - oder besser: dessen (Nicht-)Anwendbarkeit - uns Aufschluß über die (Un-)Wissenschaftlichkeit einer Hypothese bzw. Voraussage gibt: Die empirische Überprüfbarkeit muß gewährleistet sein. Im Gegensatz zu einer Theorie, die einfache Phänomene zum Gegenstand hat und sich deshalb auf eine eng begrenzte Anzahl von Tatsachen bezieht, muß „eine Theorie inhärent komplexer Phänomene sich auf eine große Anzahl besonderer Tatsachen beziehen, und zur Ableitung einer Voraussage oder zu ihrer Überprüfung müssen wir alle diese Einzeltatsachen feststellen" {Hayek 1975a, S. 19). Eben diese „Feststellung der besonderen Tatsachen" ist jedoch gerade bei komplexen Erscheinungen in der Regel nicht möglich; hierin liegt also „die wirkliche Schwierigkeit, zu deren Überwindung die Wissenschaft nicht viel beitragen kann" (ebd.). Die Anmaßung von Wissen besteht nun darin, diesen Umstand zu übersehen bzw. zu ignorieren: Wer sich trotz der Komplexität bestimmter Phänomene zu Voraussagen auf der Basis vermuteter einfacher Ursache/Wirkungs-Zusammenhäge hinreißen läßt, der maßt sich an, über das Wissen aller relevanten Tatsachen zu verfugen, das hierzu notwendig wäre. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, daß man bestimmten Vertretern beider „Lager" letztlich die Anmaßung von sozialtechnischem Steuerungswissen bzw. von transformationsspezifischem Gestaltungswissen vorwerfen kann: Die Befürworter der gradualistischen Strategie mag diese These besonders wundern, wurde doch ihr inkrementaler Ansatz bekanntlich als bewußter Gegensatz zum synoptischen bzw. holistischen Konzept des „Big Bang" entwickelt, der in ihren Augen, wie dargelegt, gleichsam eine „Per-se-Anmaßung von Wissen" darstellte (s.o.). Der gradualistische Ansatz selbst bringt jedoch ebenfalls eine Anmaßung von Wissen zum Ausdruck, offenbart er doch eben jene Illusion von der Steuerbarkeit und „Dosierbarkeit" sozialer Prozesse, auf die wiederum die Vertreter der Schock-Therapie so überzeugend hingewiesen haben. In der prinzipiell lobenswerten Absicht, den sog. „menschlichen Faktor" zu berücksichtigen, indem unzumutbare Härten für potentielle Verlierer zu Beginn einer Radikaltransformation vermieden werden, d.h., die Verluste breiter Bevölkerungskreise in Grenzen gehalten werden sollten, machten die dem Gradualismus anhängenden Sozialingenieure gleichsam den zweiten Schritt vor dem ersten: Sie übersahen nämlich einen anderen „menschlichen Faktor" und offenbarten eine erstaunliche Naivität (um nicht zu sagen ,31indheit") gegenüber dem zu erwartenden Widerstand derjenigen alten Eliten, die bei einer grundlegenden Transformation des sie privilegierenden Systems wenig zu gewinnen, aber alles zu verlieren hatten. Das Problem wurde quasi „wegdefiniert": Denn letztlich käme es zu einer grundlegenden Umgestaltung - die im Laufe der Zeit unzumutbare Härten fur die Bevölkerung hätte bedeuten können - gar
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nicht erst, wenn man denjenigen, die sich sofort und unmittelbar vom Verlust ihrer Macht und Privilegien bedroht sahen - der sog. „Nomenklatura" - durch zu langes Zögern erst die Möglichkeit zur Blockade und wirksamen Verhinderung des gesamten Reformprojekts einräumte. Die Anmaßung von Wissen der Befürworter des Gradualismus wird also in deren Annahme bzw. Illusion gesehen, sie könnten sich gleichsam über das „O/son-Problem" hinwegsetzen, d.h., den Transformationsprozeß gegen den Widerstand einer kleinen, aber mächtigen Gruppe von „Sofort-Verlierern" in Gang bringen und ihn dann so steuern, daß möglichst keine große Gruppe von ,.Anschluß- bzw. Folgeverlierern" hinzukäme. (Man könnte fast sagen, die Gradualisten wollten den „Transformationswagen" waschen, ohne ihn naß zu machen...) Auf der Seite der Befürworter des , 3 i g Bang" neoklassisch-monetaristischer Prägung besteht nun die Anmaßung von Wissen ebenfalls in einer verzerrten bzw. asymmetrischen Wahrnehmung des sog. „menschlichen Faktors": Sie sahen das Hauptproblem darin, die „Sofortverlierer", d.h., die alten Eliten und damit denjenigen menschlichen Faktor auszuschalten, der das Ingangkommen des Transformationsprozesses überhaupt hätte verhindern können; insofern erkannten sie „messerscharf' diejenige kritische Stelle, die die Gradualisten übersehen hatten. Andererseits waren sie jedoch auf genau demjenigen Auge blind, auf dem wiederum die Gradualisten sehr gut sehen konnten: Sie unterschätzten das potentielle Ausmaß an Enttäuschung über geradezu zwangsläufig nicht-erfüllte Erwartungen und den damit möglicherweise verbundenen Akzeptanzverlust oder gar Widerstand des anderen „menschlichen Faktors" in Gestalt weiter Bevölkerungskreise, wenn das vordringlichste Ziel - nämlich ein erfolgreicher Start des Transformationsprozesses - erst einmal erreicht sein würde: Ein erfolgreicher Start setzt selbstverständlich die Ausschaltung der alten Machtapparate voraus; dies sah man sehr wohl und glaubte, dies durch konsequente Liberalisierung, rigorose makroökonomische Stabilisierung und möglichst schnelle Privatisierung erreichen zu können. Man übersah jedoch, daß diese Maßnahmen einer Koordination im Sinne eines ordnungspolitischen Gesamtkonzepts bedurft hätten, um tatsächlich die gewünschte Wirkung zu entfalten und nicht doch den „anderen menschlichen Faktor" in Gestalt deijenigen Transformationsverlierer auf den Plan zu rufen, die aufgrund der geweckten Hoffnungen nicht unbedingt damit rechnen konnten, zur Gruppe der Verlierer zu gehören. Deren Mitglieder hatte man - gleichsam „vereinbarungsgemäß" - fast ausschließlich in der alten Nomenklatura vermutet. In der Regel jedoch hatte man sich weder um die Einbindung der verschiedenen Maßnahmen in ein ordnungspolitisches Gesamtkonzept bemüht noch hatte man den Sensus dafür bewiesen, keine falschen Hoffnungen bzw. übertriebene Erwartungen zu wecken; eher das Gegenteil war oft der Fall. Gewiß käme es ebenfalls einer Anmaßung von Wissen gleich, wollte man sich im Nachhinein anheischig machen, berechnen und nachweisen zu wollen, um wieviel Prozentpunkte die massiven Preissteigerungen sowie Produktions- und Beschäftigungsrückgänge, die mit schmerzhaften Einkommens- bzw. Wohlstandseinbußen für einen Großteil der Bevölkerung verbunden waren, bei einem „Mehr an Ordnungspolitik" wohl hätten geringer ausgefallen können. Allen Verantwortlichen war im Grunde klar, daß solche „Rückschläge" zu Beginn des Transformationsprozesses unvermeidlich sein würden; dies wird allein schon durch die weitverbreitete Vorstellung eines sog. „J-Kurven-Verlaufs" der Transformation hinlänglich dokumentiert (vgl. beispielhaft etwa Rosati 1992, S. 253). Gleichwohl darf da-
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von ausgegangen werden, daß durch eine bessere Koordination der Maßnahmen bestimmte Extremausschläge nach unten hätten „abgeflacht" und durch eine redlichere Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit die Bildung falscher Erwartungen hätten vermieden werden können. Auf diese Weise hätte die Gefahr verringert werden können, daß der enttäuschte „zweite menschliche Faktor" - zumal im Rahmen einer jetzt demokratischen Gesellschaftsordnung - den Fortgang des erfolgreich begonnenen Transformationsprozesses ins Stocken bringt. (Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß erlittene Nachteile grundsätzlich stets intensiver (schmerzhafter) empfunden werden als genossene Vorteile - insbesondere dann, wenn die Nachteile früher anfallen als die Vorteile...). Die Anmaßung von Wissen auf Seiten der Befürworter der neoklassichmonetaristischen Schock-Therapie bestand also in deren Annahme, sie könnten den mittels einer „Radikalkur" gegen den Widerstand der „Sofort-Verlierer" einmal erfolgreich begonnenen Transformationsprozeß so steuern, daß kein Widerstand potentieller „Anschluß-Verlierer" zu erwarten sei. Dies jedoch erwies sich ebenso als Illusion wie die Vorstellung einer „sozialtechnischen Steuerbarkeit in kleinen Schritten"; die bisherigen „Transformationserfolge" Rußlands mögen als - abschreckendes - Paradebeispiel für die Aussichtslosigkeit einer so verstandenen gradualistischen Strategie dienen (sofern man dort überhaupt von einer „Strategie" im herkömmlichen Wortsinne reden kann...). An dieser Stelle bietet es sich an, nochmals einen Blick in die Empirie zu werfen, denn hier spiegelt sich die o.g. „zeitliche Asymmetrie" eindeutig wider: So schien sich anfangs die Skepsis der Gradualisten bezüglich der grundsätzlichen „Machbarkeit" der Transformation nicht zu bestätigen: „So stringent die systematischen Zweifel an der Möglichkeit eines demokratischen Übergangs zum Kapitalismus wirken, so wenig scheinen sie mit den in der frühen Phase des Transformationsprojekts gemachten Beobachtungen vereinbar. (...). Die Designer des holistischen Reformkonzepts vermochten es, die von den (gradualistischen, T.B.) Theoretikern beschriebene Klippe zu umschiffen. Sowohl in Polen als auch in der CSFR konnten umfassende und schmerzhafte sozio-ökonomische Eingriffe vorgenommen werden, ohne stürmische Proteste der negativ Betroffenen auszulösen" (Wiesenthal 1995, S. 524). Andererseits jedoch wurden die anti-kommunistischen Reformkräfte der ersten Stunde in manchen Ländern später bei nächstbester Gelegenheit gleich wieder abgewählt - eine Tatsache, die wiederum eindrucksvoll dokumentiert, „daß die günstigen Startbedingungen inzwischen aufgebraucht sind" ( Wiesenthal 1995, S. 525). Die teilweise recht rapide Abnahme der zu Beginn der Transformation mancherorts zu verzeichnenden regelrechten „Anfangseuphorie" wird auch durch jüngste Umfrageergebnisse eindrucksvoll belegt. 80 Wenngleich also die tat-
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Leipold (1997a) spricht in diesem Zusammenhang von einer regelrechten „Reformmüdigkeit" und verweist u.a. auf die in Shlapentokh (1996) veröffentlichten Umfrageergebnisse. Nach den Angaben dieser Quelle hat eine im Sommer 1995 in Rußland durchgeführte Befragung ergeben, daß die Anzahl derjenigen Menschen, die mit den neuen sozio-ökonomischen Bedingungen unzufrieden waren, diejenigen der Zufriedenen um das Achtfache überstieg. Leipold nennt eine weitere Quelle (Sztompka 1995), nach deren Angaben in Polen die wirtschaftliche Umgestaltung bereits im Jahre 1993 nur noch von 30% der befragten Menschen unterstützt wurde; im Jahr daraufnahm die Akzeptanz nicht zu - mehr als 50% der Befragten empfanden die wirtschaftlichen Bedingungen gar als Ver-
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sächlichen Entwicklungen kaum dazu angetan scheinen, in Jubelstürme auszubrechen, gibt es andererseits zur Resignation ebenfalls keinen Anlaß: Ein insgesamt doch recht vielversprechender Anfang ist gemacht, in den meisten Transformationsländern sind die Weichen für eine umfassende Erneuerung gestellt, es bleibt zu hoffen, daß diese Weichenstellung trotz der o.g. Schwierigkeiten unumkehrbar ist.81 Im übrigen sei angemerkt, daß der Vorwurf der „Anmaßung von Wissen" selbstverständlich nicht nur auf die an der Äraieg/e-Diskussion Beteiligten, sondern auch auf die „Taktiker" der Systemtransformation zutrifft, die sich im Rahmen der „Timing-andSequencing-Debatte" zu Wort meldeten: Es sollte sich schon recht bald zeigen, daß man den Transformationsprozeß aufgrund seiner Komplexität und der vielfältigen Interdependenzen eben nicht einfach „sequencen" kann (um einmal einen „schönen Anglizismus" zu verwenden...). Beide Diskussionen und die darin zum Ausdruck kommenden Varianten der „Anmaßung von Wissen" offenbaren letztlich ein weiteres wesentliches Charakteristikum bzw. Grundproblem des Transformationsprozesses, das scheinbar will man es politisch in den Griff bekommen - zu einem unlösbaren Problem wird: Wie will man einen so hochkomplexen Prozeß wie den Transformationsprozeß bewußt und zielbezogen gestalten, d.h., regelrecht „von oben" steuern, wenn es sich hierbei doch um einen prinzipiell ergebnisoffenen Entwicklungs- bzw. Evolutionsprozeß handelt? Die nun folgenden Ausführungen sollen dazu dienen, dieses grundsätzliche Problem etwas
schlechterung gegenüber der Ausgangslage im Noch-Sozialismus. Hochinteressant und sehr aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist der bereits erwähnte Beitrag von Hayo (1997). Im Rahmen einer umfangreichen Befragung hat Hayo untersucht, wie die Menschen in den Transformationsländern (insbesondere in Polen, Ungarn und der damaligen CSFR) die ökonomische Lage ihres Landes sowie ihre persönliche wirtschaftliche bzw. finanzielle Situation in Verlauf der ersten drei Jahre des Transformationsprozesses (19901992) einschätzten und empfanden. Die Ergebnisse seiner Untersuchung sind nicht zuletzt deshalb so interessant, weil sie eindrucksvoll dokumentieren, welche Bedeutung Erwartungen (genauer: der Bildung sowie Erfüllung oder Enttäuschung statischer, adaptiver und rationaler Erwartungen) im Rahmen des Transformationsprozesses zukommt. Hayo konstruiert ein Modell, in dem er den Einfluß verschiedener Faktoren auf die Erwartungsbildungsbildung der Menschen bezüglich der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lage des Landes und ihrer persönlichen ökonomischen Situation untersucht. (Als Variablen gehen folgende Merkmale („Eigenschaften" der Befragten) in das Modell ein: Politisches Interesse, Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, (Aus-)Bildungsstand, Geschlecht, Alter, relative Position in der „Einkommenspyramide", Größe/Einwohnerzahl des Wohnortes. Eine gewisse Skepsis kommt bei Pickel/Pickel (1996) zum Ausdruck: Als Ergebnis ihres Versuchs, die Stabilität der noch jungen Demokratien in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas zu erfassen - was insbesondere durch einen Vergleich der von der Bevölkerung im Rahmen entsprechender Befragungen zum Ausdruck gebrachten Einstellung gegenüber der neuen demokratischen Gesellschaftsordnung mit deijenigen der Menschen in westeuropäischen Ländern erreicht werden soll - äußern sie gewisse Zweifel, ob die „Legitimität und Wirksamkeit" demokratischer Institutionen bereits hinreichend groß sei, um von wirklich stabilen (oder gar „im Grundsatz unumkehrbaren") Verhältnissen sprechen zu können. Dies ist insofern von Bedeutung, als in der „Legitimität und Wirksamkeit demokratischer Institutionen" die Voraussetzung für politische Stabilität zu sehen ist (vgl. Lipset 1981). Politische Stabilität wiederum kann als eine wesentliche Bedingung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Entwicklung gesehen werden (vgl. etwa Barro 1991).
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näher zu beleuchten und der Frage nachzugehen, ob seine Lösung tatsächlich einen im Grunde unmöglichen „geistigen und praktischen Spagat" erfordert. 2.2.
Transformation versus Evolution: Das Dilemma zwischen gewünschter Gestaltbarkeit und prinzipieller Offenheit des Transformationsprozesses und die Sehnsucht der Politik nach einer normativen Transformationstheorie
Da ist auf der einen Seite die Auffassung der Systemtransformation als „von oben" zu verordnendes und - politisch - gestaltbares Phänomen 82 ; auf der anderen Seite gibt es diejenige Auffassung, die die Systemtransformation als einen prinzipiell ziellosen Entwicklungs- bzw. Evolutionsprozeß mit offenem Ausgang begreift, der gleichsam „von selbst und von unten" zu entstehen und abzulaufen habe (sehr anschaulich bei Murreil 1990 und 1992). Als zentrales Problem des Transformationsprozesses wurde hier die Schaffung und tatsächliche Wirksamkeit neuer Institutionen herausgestellt; es geht also um die Frage, ob und wie diese neuen Institutionen zu „gestalten" oder ob sie in ihrer Entstehung gleichsam „sich selbst", d.h., einem eigendynamischen Entwicklungs- bzw. Evolutionsprozeß zu überlassen sind. 83 Die Unterscheidung zwischen diesen beiden grundsätzlichen Möglichkeiten der Entstehung und des Wandels von (ökonomischen) Institutionen findet sich im Grunde bereits bei Carl Menger, der sehr anschaulich zwischen der „pragmatischen" und der „organischen" Entstehung von Institutionen differenziert hat. 84 „Institutionen können das Ergebnis zweckgerichteter Entscheidungen der Gemeinschaft oder ihrer Herrscher sein. (...). Es gibt jedoch zahlreiche Sozialphänome-
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So heißt es beispielsweise bei Kloten (1991, S. 8/9): „Transformation von Wirtschaftssystemen soll hier jener durch politischen Gestaltungswillen und politisches Handeln ausgelöste Prozeß heißen, der durch eine Substitution gegebener ordnungskonstituierender Merkmale durch andere einen 'qualitativen Sprung' derart bewirkt, daß es zu einer Ablösung des alten Systems durch ein neues kommt" (Hervorhebung von mir). Ein Musterbeispiel für eine Transformation „von oben" stellt ohne Zweifel die Transformation der früheren DDR im Rahmen der deutschen Vereinigung dar. Ein Beispiel für das andere Extrem ließe sich etwa im gegenwärtigen Transformations- und Entwicklungsprozeß Chinas entdecken; vgl. etwa Krug (1996). Menger, Carl: Gesammelte Werke, Band II (2.Auflage), Tübingen 1969 (hier: „Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften, und der Politischen Ökonomie insbesondere", ursprgl.: Leipzig 1883, III. Buch). Von Hayek (1969, S. 36, FN 7) spricht in diesem Zusammenhang - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Mengers o.g. Werk, das nach seiner Auffassung „noch immer die klassische Behandlung dieses Gegenstandes darstellt" - von „genetischen und funktionalen Aspekten"; er erläutert dies im Rahmen seiner Überlegungen zu den „Arten der Ordnung": „Spontane Ordnungen finden wir nicht nur in Institutionen wie der Sprache und dem Recht (...), die eine erkennbare dauernde Struktur zeigen, welche das Ergebnis einer langsamen Entwicklung ist; sie finden sich auch in den Beziehungen des Marktes, die sich ständig bilden und erneuern müssen und bei denen sich nur die Bedingungen, die zu ihrer ständigen Erneuerung fuhren, durch eine solche Entwicklung gebildet haben. Die genetischen und funktionellen Aspekte dieser Erscheinungen können nie ganz getrennt werden." Nota: Es war im übrigen die o.g. Schrift Mengers, die den sog. (älteren) „Methodenstreit" zwischen ihm und Gustav Schmoller auslösen sollte, auf den an späterer Stelle (II. 3.) noch kurz eingegangen werden wird: Schmollers negativer Rezension der Mengerschen Schrift (vgl. Schmoller 1883) folgte dann Mengers scharfe Entgegnung „Die Irrtümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie", Wien 1884).
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ne, die nicht einer derartigen pragmatischen Konstruktion entspringen, sondern die das unreflektierte Ergebnis gesellschaftlicher Entwicklung sind" (Wagener 1991, S. 8 - im übrigen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Menger ). Die Vertreter der neoklassisch-monetaristisch geprägten „reinen Marktlehre" scheinen auf die Selbstheilungskräfte des Marktes selbst da zu vertrauen, wo es (noch) gar keine Märkte gibt. Die zu Beginn der Transformation insbesondere von manchen amerikanischen Beratern empfohlenen Programme waren eng an die Empfehlungen angelehnt, mit denen zu Beginn der achtziger Jahre die buchstäblich kollabierten Volkswirtschaften mancher lateinamerikanischer Länder „reformiert" werden sollten. Die Vertreter dieser Programme offenbarten ein bisweilen geradezu naives Vertrauen in das gleichsam voraussetzungslose Spiel der Marktkräfte. Dieses Vertrauen ließ sie fest von der „gestalterischen" Kraft der unsichtbaren Hand überzeugt sein und brachte ihnen bisweilen den Vorwurf ein, Befürworter eines neuen „Laissez-faire" zu sein. Das Hauptaugenmerk dieser Programme war auf eine rigorose makroökonomische Stabilisierung gerichtet, weitere Schwerpunkte waren eine umfassende Liberalisierung und schnellstmögliche Privatisierung. Letztlich lassen sich diese Programme als Konglomerate von mehr oder weniger isolierten Einzelmaßnahmen verstehen, wobei die „lebensrettenden Sofortmaßnahmen" der Stabilisierung eindeutig im Vordergrund standen. Insofern überrascht es kaum, daß diesen Transformationsprogrammen und ihrer Umsetzung letztlich kaum eine wirklich „ordnungsbildende" Kraft bzw. Wirkung zukommen konnte. Den Vertretern dieser Programme kann sicherlich im Grundsatz vorgeworfen werden, beim Entwurf ihrer Theoriekonzepte und praktischen Vorschläge getreu neoklassischer Tradition gleichsam „geschichtsblind" bzw. „ohne Ansehen von Raum und Zeit" vorgegangen zu sein.85 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ließe sich letztlich wohl von einer „ naiv-konstruktivistischen " Transformationsvariante der reinen Marktlehre sprechen. Indes sollte in diesem Zusammenhang ein Aspekt zumindest nicht völlig übersehen werden: Die inhaltlich zu Recht kritisierten „Schnellschuß-Programme" neoklassischmonetaristischer Provinienz stellten letztlich durchaus auch eine Reaktion auf einen historischen Umstand dar, der als Sehnsucht der Politik nach einer normativen Transformationstheorie bezeichnet werden könnte. So spürten die politisch Verantwortlichen in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas schmerzlich ihre Ohnmacht, den Transformationsprozeß aktiv steuern bzw. regelrecht „gestalten" zu können. Sie signalisierten bisweilen überdeutlich, wie gem sie in dieser Lage auf konkrete, von der Wissenschaft bereitgestellte Theorien im Sinne praktischer „Handlungsanweisungen" wollten zugreifen können. Mithin bestand akuter Handlungsbedarf, und man wollte man die Transformationsländer bei ihrem Sprung ins kalte Wasser nicht völlig „allein" lassen. Bleiben wir im Bild: Um lange und ausdauernd schwimmen zu können, bedarf es jedoch aufeinander abgestimmter Bewegungen. Ein solcher koordinierter Bewegungsablauf will gelernt sein, ist er doch von anderer Qualität als einige hektische Schwimmbe-
Bezugnehmend auf diese Transformationskonzepte neoklassischer Provinienz schreibt Leipold (1997a, S. 44) treffend: „Die Reformländer erscheinen als tabula rasa, als geschichtsloses und moralfreies Feld (...)."
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wegungen, die kurzfristig ausreichen mögen, um das Ertrinken zu vermeiden. Das Lernen wird erleichtert, wenn bereits bei der Vermittlung der Grundlagen besonderer Wert auf die Koordination gelegt, d.h., die grundlegenden Schritte aufeinander abgestimmt sind. Eben daran jedoch gebrach es den meisten der neoklassisch-monetaristischen Sofort-Programme: Ihnen fehlte die ordnungspolitische Perspektive. Der „naiv-konstruktivistischen" ist also eine gleichsam „aufgeklärtkonstruktivistische" Variante gegenüberzustellen, die versucht, sich die Erkenntnisse der Ordnungstheorie und -politik zunutze zu machen, indem sie sämtliche zielorientierten, „aktiv-gestalterischen" Bemühungen zur Transformation der ehemals zentralgeleiteten Planwirtschaften „von oben" einem Primat der Ordnungspolitik unterwirft. Diese Variante sollte nun gleichzeitig „offen" genug sein, um Unternehmertum und Innovationen im Rahmen der Transformation eine zentrale Rolle spielen und so den notwendigen Spielraum für die Entwicklung „von unten" zu lassen; nur so würde der Tatsache Rechnung getragen, daß der Transformationsprozeß eines jeden Landes in seinem konkreten Verlauf und seinen Ergebnissen nicht prognostizierbar ist und die neue Wirtschaftsordnung letztlich nicht zur Gänze von oben „dekretiert" werden kann. Damit wäre eine solche Variante zugleich ,pragmatisch-evolutionistisch". M.a.W.: Im Mittelpunkt steht das Bemühen um die Verknüpfung von zielgerichteter Transformation auf der einen und prinzipiell ergebnisoffener Evolution auf der anderen Seite. Damit ist denn auch die Schwierigkeit der Aufgabe skizziert, von der letztlich niemand sagen kann, ob sie wirklich zufriedenstellend zu bewältigen sein wird: „Die Unwissenheit über den Fortgang der Dinge konfrontiert das Vorhaben, eine Theorie der Transformation zu entwickeln, die Ursachen und Ablauf eines historischen Prozesses vorab erklären würde (...), mit unlösbaren methodischen Anforderungen: Erstens können die dynamischen Merkmale der Transformation nicht zureichend berücksichtigt werden, denn '(...) das heutige ökonomische Denken steht erst am Anfang eines Weges (...) von der klassischen Gleichgewichtsmechanik hin zu einer (...) evolutorischen Ökonomik' {Hans G. Nutzinger). Zweitens ist fraglich, ob eine Theorie des Systemwandels gefunden werden kann, die die Offenheit der geschichtlichen Entwicklung berücksichtigt und '...als gesamtgesellschaftliche Theorie die Interdependenz verschiedener gesellschaftlicher Subsysteme ins Zentrum (stellt)"' (Keilhofer 1995, S. 9; das genannte Zitat incl. der Nutzinger zugeschriebenen Äußerungen stammt aus Wagner 1991, S. 34 und S. 36).86 Vor dem Hintergrund der in den bisherigen Ausführungen skizzierten Besonderheiten bzw. spezifischen Merkmale des Transformationsprozesses und der damit verbundenen Schwierigkeiten in Theorie und Praxis soll im folgenden Abschnitt untersucht werden, ob die Ergebnisse des international bisher dominierenden Ansatzes in der ökonomischen Transformationsforschung dazu geeignet sind, den daraus abzuleitenden und an eine entsprechende Transformationstheorie zu stellenden Anforderungen zu genügen.
Wagner selbst zitiert hier nach eigenen Angaben aus Nutzinger (1991, S. 324).
Ökonomische Transformationsforschung
2.3.
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Defizite des neoklassisch-monetaristischen „Main Streams": Illusion eines mikroökonomischen Anpassungsautomatismus und Vernachlässigung des Interdependenzproblems
Nun sei die anfangs aufgestellte These begründet, daß nicht wenige Autoren das „institutionellen Interregnum" als Kern- bzw. Musterproblem der Systemtransformation nicht erkannt bzw. nicht hinreichend beachtet hätten. Zu diesem Zweck sei ein Blick auf die Fülle der Transformationsliteratur geworfen. Es fällt auf, daß es hier, trotz deren prinzipieller Unüberschaubarkeit, einen „roten Faden" im Sinne einer bestimmten Hauptrichtung - neu-deutsch: „main stream" - gibt: Dieser ist neoklassischmonetaristisch und von einem entsprechend unerschütterlichen Glauben an die Selbstheilungskräfte des Marktes geprägt. Allerdings werden durch diese verengte Sichtweise zwei für das Verständnis und mögliche Lösungsansätze des Transformationsproblems elementar wichtige Aspekte nahezu völlig ausgeklammert, denen deshalb im folgenden besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll: Es sind dies die Bereiche „Unternehmertum, Innovation und wirtschaftliche Entwicklung" sowie „Ordnungstheorie und -politik". Diese beiden gravierenden und „eigentlich" offenkundigen Defizite weiter Teile der Transformationsliteratur sind letztlich Ausdruck der Tatsache, daß das tieferliegende und grundsätzliche (Muster-)Problem der Transformation nicht erkannt wurde, oder - um es bildhaft auszudrücken: Diese beiden Defizite sind die (offenkundigen) Symptome einer (versteckten, aber dennoch weitverbreiteten) Krankheit, die gleichsam den „grauen Star" (um nicht zu sagen: die Blindheit) der dominierenden Transformationsforschung darstellt: Die unter dieser „Krankheit" Leidenden haben das Transformationsproblem schlechthin - das Problem des institutionellen Interregnums bzw. dessen theoretische und praktische Implikationen - schlicht übersehen. So kam es denn, daß der überwiegende Teil der Transformationsliteratur den beiden ersten der drei genannten Teilaufgaben, der Erneuerung der institutionellen Infrastruktur und der makroökonomischen Stabilisierung, gewidmet wurde; das Übergewicht lag anfangs - aus Gründen, auf die noch einzugehen sein wird - eindeutig auf der makroökonomischen Stabilisierung. Von einem eigenen „Literaturzweig", der sich systematisch und ausdrücklich mit dem dritten Bereich der idealtypischen Dreiteilung - der mikroökonomischen Anpassung - beschäftigt, sucht man weitgehend vergeblich. 2.3.1. Defizite im Bereich „Unternehmertum, Innovation, wirtschaftliche Entwicklung" oder: Der mikroökonomische Attentismus der traditionellen Transformationsforschung Daß es kaum Literatur zum mikroökonomischen Bereich der Systemtransformation gibt, hängt wohl vor allem damit zusammen, daß die Vertreter der insbesondere zu Anfang sehr stark dominierenden neoklassisch-monetaristisch geprägten Transformationsliteratur offenbar von so etwas wie einem „mikroökonomischen Anpassungsautomatismus" ausgingen: Sie nahmen offenbar an, die Betriebe (und Haushalte) würden schon wissen, was zu tun sei, nachdem nur erst die „höheren" Aufgaben der makroökonomischen Stabilisierung und institutionellen Erneuerung erledigt - also die ordnungsund prozeßpolitischen „Hausaufgaben" gemacht - seien. Es wurde also angenommen, man könne die Wirtschaftssubjekte - insbesondere die Unternehmer - mit der von ihnen
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zu bewältigenden A u f g a b e der Anpassung an die geänderten
makroökonomischen
Rahmenbedingungen „allein lassen". In dieser irrigen A n n a h m e spiegelt sich eines der angesprochenen Defizite der gängigen Transformationsliteratur wider: Die Bedeutung selbständigen Unternehmertums und dessen Voraussetzungen bzw. Bestimmungsgründe wurden unterschätzt - dies bringt einen Mangel an unternehmerischer
Perspektive zum
Ausdruck. Eine Vielzahl von Autoren glaubt offenbar, einen so grundlegenden (Um)Wandlungsprozeß wie den Transformationsprozeß ganzer Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme beschreiben, analysieren und erklären zu können, ohne dazu Begriffe wie „Unternehmertum" oder „Innovation" auch nur ansatzweise b e m ü h e n zu müssen. Dies ist insofern sehr erstaunlich, als doch Unternehmer grundsätzlich als wichtige „Agenten dieses W a n d e l s " (Röpke 1992) anzusehen sind. G e n a u dies scheint j e d o c h vielen nicht hinreichend bewußt zu sein, was bereits in d e m weitverbreiteten Verständnis der „mikroökonomischen A n p a s s u n g " als Bereich der vornehmlich passiven
Reakti-
on auf äußere Anreize z u m Ausdruck kommt. So gibt es doch auf der Mikroebene noch den ungleich wichtigeren Bereich der unternehmerischen
Aktion, in dem es vor allem
darum geht, durch innovativ-schöpferische Unternehmertätigkeit Strukturbrüche in der Sphäre der Bestandsgrößen und entsprechende U m b e w e r t u n g e n herbeizuführen. Diese aktive unternehmerische
Tätigkeit unterscheidet sich grundlegend von der in der gängi-
gen Transformationsliteratur als überwiegend passiv-reaktiv
dargestellten U n t e m e h m e r -
rolle: Indem der „main-stream" der Transformationsliteratur d e m Unternehmertum diese passive Rolle zuweist, degradiert er es letztlich z u m bloßen Erfüllungsgehilfen auf d e m Weg
zu
maximaler
allokativer
Effizienz
-
dem
Endziel
allen
(neoklassisch-
monetaristischen) Wirtschaftens. So wie für die makroökonomische Ebene festgestellt werden muß, daß Märkte nicht von selbst entstehen, sondern - entgegen der Überzeugung m a n c h e r Ö k o n o m e n - regelrecht „gemacht" und „gepflegt", d.h., funktionsfähig erhalten werden m ü s s e n 8 7 , so läßt
Dies ist eine der zentralen Botschaften des Ordo-Liberalismus der Freiburger Schule. So heißt es bei Eucken (1952/1990, S. 14): „Nun muß versucht werden, Ordnungen aufzubauen, die dem Zeitalter der Industrialisierung, (...) der Verstädterung und Technisierung gerecht werden. Von selbst werden diese Ordnungen nicht entstehen." Mit Blick auf das „Machen" von Märkten und die auf diesen sich bildenden Preise durch Schaffung einer Wirtschafts- bzw. Wettbewerbsordnung spricht Franz Böhm (1937) von einer „rechtsschöpferischen Leistung". Nach Böhms Auffassung ist eine „bereinigte Wettbewerbsordnung" ohne eine bestimmte „rechtliche Struktur" nicht zu erreichen: „Das WettbewerbsrecAi in Verbindung mit der gesamten den Wirtschaftsverkehr regelnden Rechtsordnung (Zivilrecht, Prozeßrecht, Strafrecht, freiwillige Gerichtsbarkeit, Verwaltungsrecht, politische Verfassung) steuert den Wettbewerb. In dem vom Recht gesteuerten Wettbewerb bilden sich (...) Marktpreise (...). Diese Marktpreise steuern die Wirtschaft" Böhm (1950, S. 27/28, Hervorhebungen im Original); Böhm an anderer Stelle: „Wenn es gelingt, eine Wettbewerbsordnung herzustellen, dann läuft freilich der Wirtschaftsprozeß weitgehend in der von der theoretischen Wirtschaftswissenschaft angegebenen Weise automatisch ab. Aber diese Wettbewerbsordnung selbst kommt nicht automatisch zustande" Böhm (1951, S. 13). Bei Schüller (1994, S. 468) heißt es in diesem Zusammenhang: „Weil knappe Ressourcen immer nur eigentumsrechtlich vermittelt zugänglich sind, kann Tauschfreiheit - und mit ihr die motivationale Bedingung für ein effiziente Wissensverarbeitung mit Hilfe von Preisen - nur in dem Maße effektiv werden, wie die Rechtsordnung exklusive und transferierbare Eigentumsrechte in einer anreizkompatiblen und wettbewerbskonformen Gestalt begründet. Die Erweiterung des Geltungsbereichs des Preissy-
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sich auch für den mikroökonomischen Bereich feststellen, daß Unternehmen und Unternehmer nicht „vom Himmel fallen". Die Vernachlässigung dieser Tatsache, die darin zum Ausdruck kommt, daß nahezu in der gesamten Transformationsliteratur die Bestimmungsgründe unternehmerischen Verhaltens überhaupt nicht thematisiert werden, ist insofern erstaunlich, als zu Beginn des Transformationsprozesses das Problem des Fehlens privatwirtschaftlichen Unternehmertums in den Transformationsländern in aller Munde war. Offenbar nahm man jedoch an, daß sich dieses Problem gleichsam „in Luft" auflösen werde, wenn nur die notwendigen makroökonomischen Reformmaßnahmen erst durchgesetzt worden seien. Des weiteren überrascht die Kurzsichtigkeit der Analyse: Es leuchtet unmittelbar ein, daß das Hauptproblem der Transformationsländer auf mittlere und längere Sicht ein Problem wirtschaftlicher Entwicklung ist, dem allein mit formeller Preisfreigabe, schnellem Eigentümerwechsel und rigoroser makroökonomischer Stabilisierung nach „Schema F " schwerlich beizukommen sein wird. „Alle Vorschläge zur Transformation müssen sich also danach fragen lassen, welchen Beitrag sie zur dauerhaften wirtschaftlichen Entwicklung in den Reformländern leisten" (Dubrowsky 1993, S. 206). Folgt man Schumpeters These, daß in der „Durchsetzung neuer Kombinationen", d.h. in der Innovationstätigkeit „schöpferischer Unternehmer", die alleinige Ursache bzw. treibende Kraft wirtschaftlicher Entwicklung zu sehen sei, dann bedarf es keiner weiteren Erläuterung, daß ohne die ausdrückliche Berücksichtigung der Determinanten unternehmerischer Tätigkeit alle Überlegungen darüber, wann und wie der wirtschaftliche Entwicklungsrückstand der mittel- und osteuropäischen Transformationsländer gegenüber den etablierten Industrieländern Westeuropas möglicherweise aufgeholt werden könnte, von vornherein Makulatur sind. 88 Treffend heißt es bei Messner und Wittkowsky (1992, S. 29): „Schumpeterian entrepreneurship (...) is not a matter of liberalization, privatisation, or tight monetary policy but of non-economic factors that point at the necessity of an interdisciplinary theoretical approach." Welche Gründe mögen wohl für die Vernachlässigung des Unternehmertums, fur diesen Mangel an unternehmerischer Perspektive in der Transformationsliteratur verantwortlich sein? Zum einen wäre es denkbar, daß man nach vielen Jahrzehnten staatlicher Bevormundung nun vordringlich an der raschen Zurückdrängung des lange Zeit
stems setzt demgemäß eine Weiterentwicklung des Rechtssystems voraus. Das Preissystem ist deshalb eine 'rechtsschöpferische Leistung'"·, Hervorhebung von mir). Als einer der wenigen macht Müller (1991, S. 497/498) auf eben diesen Zusammenhang aufmerksam: „Wenn unterstellt wird, daß die Unternehmerfunktion im Schumpeterschen Sinne von ausschlaggebender Bedeutung (...) ist, so gilt es zwangsläufig, die Rolle dieses Unternehmertyps insbesondere unter den Bedingungen des Wiederaufbaus einer zerrütteten oder stark deformierten Volkswirtschaft zu stärken. Auf diesen Umstand hat Schumpeter im Kontext der Konversion der durch den Ersten Weltkrieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Wirtschaft Österreichs in Richtung hin zur Friedenswirtschaft auf marktwirtschaftlicher Grundlage explizit verwiesen. (...). Im übertragenen Sinne haben wir es heute bei der Systemtransformation (...) mit einem ähnlich gelagerten Phänomen zu tun." Nota: Müller bezieht sich hier auf Schumpeters Schrift „Die Krise des Steuerstaates" (Graz/Leipzig 1918, wiederabgedruckt in: Schneider, Erich/Spiethoff, Arthur (Hrsg.): Aufsätze zur Soziologie, Tübingen 1953), in der dieser die politisch Verantwortlichen „beschwört, dem Unternehmer auf privatwirtschaftlicher Basis volle und freie Entfaltungsmöglichkeiten einzuräumen" (Müller ebd.).
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dominierenden staatlichen Sektors interessiert war und offenbar glaubte, weitergehende Maßnahmen zur Etablierung eines leistungsfähigen Privatsektors seien entweder nicht notwendig oder aber zwingend mit einer neuen Welle staatlicher Intervention auf der Mikroebene verbunden - die man ja nun gerade nicht wollte. Es wäre jedoch noch eine andere, grundsätzlichere Erklärung für die „Innovations- und Entwicklungsschwäche" der Transformationsliteratur denkbar: Diese könnte damit zusammenhängen, daß in der dem Transformationsproblem „gedanklich vorgeschalteten" Literatur zum Systemvergleich jahrzehntelang nahezu ausschließlich die Ineffizienz der zentralgeleiteten Planwirtschaften sowjetischen Typs beklagt wurde; diesem Aspekt wurde die überwiegende Mehrzahl der entsprechenden „effizienz-logischen" Publikationen der systemvergleichenden Fachliteratur gewidmet. Dabei standen meist statische Effizienzkriterien (technische und allokative Effizienz) im Vordergrund; man beklagte - völlig zu Recht die enorme Ressourcenverschwendung bzw. die „suboptimale" Allokation in den Zentralverwaltungswirtschaften; die Bedeutung dynamischer Effizienzkriterien und deren Analyse jedoch geriet etwas in den Hintergrund 89 : So beschränkte man sich in diesem Zusammenhang meist auf die Betonung der produktiven (In-)Effizienz und beklagte die nicht vorhandene Konsumentensouveränität bzw. die unzureichende Ausrichtung der Produktion auf die Wünsche der Nachfrager. Kriterien wie X-(In-) Effizienz 90 oder auch adaptive (In-) Effizienz wurden nur selten in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Gerade die adaptive Effizienz jedoch, die die Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit eines Systems, i.e. dessen Fähigkeit zur Schock-Absorption beschreibt, hängt primär von der Innovationsdynamik ab. Diese Anpassungsfähigkeit ist ceteris paribus desto größer, je komplexer („entwickelter") ein System ist, d.h., je mehr Zustände es selbst annehmen (bzw. tolerieren) kann.91 Indes befaßten sich nur vergleichsweise wenige Autoren ausdrücklich mit der Innovations- und der daraus resultierenden Entwicklungsschwäche der Zentralverwaltungswirtschaften; zu den Ausnahmen von dieser „Regel" zählen insbesondere Arbeiten von Autoren in der Tradition Hensels.92
Einen interessanten Überblick bietet Watrin (1970). Dieses Konzept geht auf Leibenstein zurück, der versucht, eine Theorie zur Erklärung von Leistungsunterschieden zu entwickeln, die im Rahmen der Homogenitäts- und Optimalitätsprämissen der herkömmlichen Modelle nicht erklärt bzw. mit den „Standard"Effizienzbegriffen nicht hinreichend erfaßt werden können. Als entscheidende Determinante des Grades bzw. Ausmaßes der X-Effizienz identifiziert Leibenstein den jeweils vorherrschenden Wettbewerbsdruck, der wiederum - neben dem Stand des technischen Wissens - maßgeblich von motivationalen Faktoren beeinflußt wird (vgl. Leibenstein 1966). „Um der Selbstaufgabe zu entgehen, muß ein System also zumindest über soviel Vielfalt verfugen wie die Umwelt, an die es sich anpassen muß oder mit der es interagiert. Es muß in gleichem Umfang über Variationsmöglichkeiten verfugen, wie seine Umwelt störende Einflußmöglichkeiten aufweist. Diese Einsicht wurde von Ashby als 'Gesetz der erforderlichen Vielfalt' bezeichnet" (Röpke 1977, S. 39; dort heißt es weiter:: „...nur Vielfalt kann Vielfalt zerstören", zitiert nach Ashby 1974, S. 299). In diesem Zusammenhang sei ein „bon mot" von Ulrich Fehl wiedergegeben, der - mit Blick auf die Hinterlassenschaft der Zentralverwaltungswirtschaft - dieses Zitat von Ashby mit der trockenen Bemerkung kommentierte: „Manchmal allerdings auch EinfaW." Ausnahmen sind insoweit v.a.: Schüller, Leipold und Hamel (Hrsg.) (1983), Schüller (Hrsg.) (1984) sowie Weifens und Balcerowicz (Hrsg.) (1988). Weifens (1988, S. 18) be-
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Vor diesem Hintergrund ist es dann nicht mehr gar so verwunderlich, daß der „mainstream" der Transformationsliteratur seit etwa 1990 auf die Herstellung von (statischer) Effizienz ausgerichtet wurde. Diesem Ziel fühlen sich nun einmal die neoklassischmonetaristischen Autoren in besonderer Weise verpflichtet und haben denn auch recht schnell das Forschungsfeld „Transformation" in entsprechender Weise „besetzt". Betrachtet man jedoch die Transformationsaufgabe nicht ausschließlich aus „effizienzbzw. allokationslogischer" Perspektive, sondern versteht sie insgesamt - aus „entwicklungslogischer" Sicht - als Herausforderung zur Etablierung innovations- und damit entwicklungsfähiger Marktwirtschaften, dann darf der Innovationsaspekt nicht derart sträflich vernachlässigt werden, wie es die dominierende Transformationsliteratur tut. Das Transformationsproblem eignet sich insoweit besonders gut zur Illustration eines grundsätzlichen Zielkonflikts, den Kerber (1997, S. 32) zutreffend als „trade off zwischen statischer Effizienz und wirtschaftlicher Entwicklung" bezeichnet hat. 93 So ist beispielsweise der Weltentwicklungsbericht des Jahres 1996 zwar ausschließlich dem Transformationsproblem gewidmet (vgl. World Bank 1996); die cht umfangreiche Auswahlbibliographie der diesem Bericht zugrunde liegenden Fachliteratur zur Transformation jedoch enthält nicht einmal eine Handvoll Arbeiten von Autoren, die sich dem Transformationsproblem aus innovations- bzw. entwicklungstheoretischer Perspektive nähern. 94
tont hier ausdrücklich die Bedeutung des o.g. engen Zusammenhangs zwischen Innovationsdynamik und Entwicklung i.S. größerer Fähigkeit zur Schock-Absorption: „Angesichts der ausgeprägten weltwirtschaftlichen Innovationsdynamik ergibt sich der hohe Stellenwert einer durch im Wirtschaftssystem und in den Industriestrukturen angelegten Anpassungsflexibilität sowie der durch entsprechende Anreizsysteme stimulierten Innovationsund Anpassungswilligkeit. Die technologischen Herausforderungen (...), die Ölpreisschocks und die Änderungen im internationalen Währungs-, Finanz- und Handelssystem, wurden von den Kemregionen und den einzelnen Ländern in der Weltwirtschaft in unterschiedlichem Maße bewältigt." Kerber verweist in diesem Zusammenhang auf folgende Bemerkung von Jochen Röpke, die diesen trade off mit folgender Formulierung ebenfalls gut einfängt: „An economic system which is better off in terms of productivity and innovativeness will have to operate in conditions of (neo-classical) allocative inefficiency" (Röpke 1990, S. 116). Hier sind im Grunde nur zwei (!) Arbeiten zu nennen: King und Levine (1993) und (1993a). Einen Kurzbeitrag aus innovationstheoretischer Sicht liefert Müller (1991); interessant femer Staudt (1994) sowie neuerdings vor allem Hartwig et al. (1998). Erwähnt sei noch die Dissertation von Sitter (1995), bei deren Lektüre sich jedoch leider herausstellt, daß der Titel - „Perestroika und Innovation. Konzeptionen zur Umgestaltung der sowjetischen Wirtschaft aus innovationstheoretischer Sicht" - etwas mißverständlich gewählt ist: So erschöpft sich die „innovationstheoretische Sicht" leider darin, daß der Verfasser die von der Gorbatschow-Administration in den Jahren 1985-1991 entwickelten unterschiedlichen Reformkonzepte selbst als Innovationen begreift, und zwar als „organisatorische Innovationen" im Sinne Schumpeters. Dies ist freilich ein origineller und interessanter Ansatz, der jedoch für unser Thema wenig hergibt - es sei denn, man begnügte sich damit, die Anwendung der Euckenschcn Konzeption einer Wettbewerbsordnung auf das Transformationsproblem ebenfalls als „organisatorische Innovation" zu werten und es damit fur den uns interessierenden Zusammenhang von Transformation und Innovation bewenden zu lassen.
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2.3.2. Defizite im Bereich „Ordnungstheorie und - politik" oder: Die Vernachlässigung des Interdependenzproblems Das andere Defizit besteht in einem Mangel an ordnungspolitischer Perspektive im Transformationsprozeß, einer Vernachlässigung des Interdependenzproblems, die darin zum Ausdruck kommt, daß ein Großteil der transformationstheoretischen Arbeiten nahezu ausschließlich bestimmten Einzelproblemen gewidmet und/oder auf bestimmte Länder, Regionen oder Branchen beschränkt ist. Zwar gibt es darunter eine Fülle außerordentlich detaillierter, umfangreicher und sehr kenntnis- und aufschlußreicher Arbeiten - beispielsweise über die Privatisierung oder die Stabilisierung im Rahmen der Transformation (bzw. hier wiederum etwa um eine oder mehrere Privatisierungsmethoden); oder es gibt Studien, die den Fortgang des gesamten Transformationsprozesses in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Region beschreiben (bisweilen werden auch Ländervergleiche bezüglich bestimmter Transformationsteilaspekte angestellt). M.a.W.: Es läßt sich zunächst einmal festzustellen, daß es der Literatur insgesamt an Arbeiten insbesondere Monographien - mangelt, die sich aus theoretischer Sicht mit dem Problem der Systemtransformation als Ganzem befassen; damit wird das Interdependenzproblem in der Literatur grundsätzlich vernachlässigt. Zum anderen fällt darüber hinaus auf, daß eine Vernachlässigung der Interdependenz selbst bei denjenigen wenigen Arbeiten zu beklagen ist, die insofern eine Ausnahme von dieser Regel darstellen, als sie sich nicht ausschließlich mit einer bestimmten Teilfrage, Branche oder Region beschäftigen, sondern versuchen, die gesamte Bandbreite der notwendigen institutionellen und stabilitätspolitischen Maßnahmen abzudecken: So lobenswert ein solcher Ansatz im Grundsatz auch sein mag - bisweilen kann man sich hier des Eindrucks einer beinahe zusammenhanglosen, bloßen „Aufzählung" einzelner Aspekte nicht erwehren. Da es einer Vielzahl transformationstheoretischer Beiträge an ordnungstheoretischer Fundierung mangelt, kann es kaum verwundern, daß es den entsprechenden Beratungsprogrammen und den letztlich beschlossenen und durchgeführten transformationspolitischen Maßnahmen meist an ordnungspolitischer Konsistenz fehlt(e): In den wirtschaftspolitischen Konzeptionen der verschiedenen Transformationsländer wurden grundlegende Erkenntnisse der Ordnungstheorie vernachlässigt. Es gab keine ordnungspolitische Gesamtkonzeption, in die die einzelnen Reformmaßnahmen hätten eingebettet und in deren Rahmen sie aufeinander hätten abgestimmt werden können, kurz: Es fehlte ein Primat der Ordnungspolitik in Theorie und Praxis. So läßt sich denn sowohl im Hinblick auf die „Gesamtlage" der Transformationsliteratur und hinsichtlich vieler einzelner Arbeiten als auch im Hinblick auf die daraus abgeleitete Transformationspolitik feststellen: „Vor allem fehlt es an einem: die Interdependenz der Ordnungen wird nur von wenigen erkannt" (Eucken 1952/1990, S. 16). Eine solche Gesamtkonzeption wäre jedoch wegen der Vielschichtigkeit des Transformationsphänomens dringend erforderlich (gewesen). Ist das Interdependenzproblem erst in seiner ganzen Bedeutung erkannt, werden automatisch die Schwächen der Überbetonung einzelner Teilaspekte der Transformation deutlich, unter denen ein nicht geringer Teil der Literatur leidet: Die einen sehen in der Privatisierung den „Stein der Weisen", andere versprechen sich offenbar die Lösung aller Probleme nahezu ausschließlich von der Liberalisierung und hoffen auf das „freie Spiel der Marktkräfte", für wieder andere scheint der Großteil der Transfor-
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mationsprobleme bereits nach einer rigorosen makroökonomischen (insbesondere monetären) Stabilisierung gelöst. Ich bin der Überzeugung, daß eine „gleichberechtigte" Behandlung aller Aspekte notwendig ist. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn alle Maßnahmen zur Lösung der Einzelprobleme gleichsam auf ein gemeinsames Ziel „eingeschworen" bzw. diesem untergeordnet, d.h. im Lichte des Primats der Ordnungspolitik betrachtet werden; dazu gehört eben auch der Blick auf den mikroökonomischen Bereich: Der Wettbewerbsprozeß wird nicht von selbst in Gang kommen - entsprechende Weichenstellungen sind notwendig, können jedoch nur gelingen, wenn die unternehmerische Perspektive in eine „aufgeklärte" ordnungspolitische Perspektive integriert wird. Damit ist denn auch die wichtigste Anforderung genannt, die eine ordnungspolitische Gesamtkonzeption zu erfüllen hätte. Auch hier liefert ein kurzer Blick in die Empirie insofern eine - letztlich wenig überraschende - gleichsam spiegelbildliche Bestätigung unserer Ausführungen, als er die dringende Notwendigkeit einer solchen „aufgeklärt-ordnungspolitischen" Gesamtkonzeption eindrucksvoll belegt: So zog beispielsweise Grzegorz Kolodko, ÖkonomieProfessor und zwischenzeitlich polnischer Wirtschafts- und Finanzminister, für sein Land, das mit einem Big-Bang gestartet war und bis etwa 1992 geradezu als „Musterknabe" und Vorbild für die anderen Transformationsländer galt 95 , bereits im Jahre 1993 eine im Grunde vernichtende Zwischenbilanz der Transformation, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt: „Es hat sich erstens gezeigt, daß die makroökonomische Stabilisierung offenbar über das Ziel hinausgeschossen ist, daß die Reihenfolge der Durchführung einiger Maßnahmen falsch war (insbesondere in der Geldpolitik) und daß die erforderliche wirtschaftspolitische Flexibilität - als Schwäche mißverstanden - bei den verantwortlichen Wirtschaftspolitiken! nicht hoch im Kurs stand. Zweitens wurden viele Fehler im Zusammenhang mit institutionellen Veränderungen gemacht, die nicht auf das langsame Tempo der Umsetzung, sondern auf mangelnde Kohärenz und Konsistenz der Veränderungen zurückzuführen sind. Der größte Fehler im Bereich der mikroökonomischen Umstrukturierung lag schließlich (drittens, T.B.) im Fehlen wettbewerbsfördernder Maßnahmen und in der irrtümlichen Annahme eines Automatismus der gewünschten mikroökonomischen Anpassungsprozesse. Diese Fehler entstanden nicht in einem Vakuum. Die gesamte Transformationsstrategie basierte auf der neoliberalen/monetaristischen Doktrin. Vereinfacht ausgedrückt liefert diese Doktrin einige wesentliche Richtlinien für die Maßnahmen der Systemtransformation, die das tendenzielle Scheitern des gesamten wirtschaftspolitischen Entwurfs bestimmen" (Kolodko 1993, S. 221).96 Aus Ländern, in denen eine grundlegend andere Trans-
Grundlage des polnischen Transformationsprogramms war der sog. „Balcerowicz-Plan", der einen konsequenten Übergang zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung vorsah. Zu den Einzelheiten vgl. ausführlich etwa Bäk und Scharff (Hrsg.) (1991). Diese kritische Analyse Kolodkos deckt sich übrigens weitgehend mit der bereits erwähnten Auffassung von Dubrowsky (1993) (vgl. Kapitel II. 2.1.3). In dieselbe Richtung geht die Kritik von Gleske (1993, S. 108/109): „Das Beispiel Polens zeigt besonders deutlich, daß eine noch so gut konzipierte makroökonomische Politik an Grenzen stößt und zu unbefriedigenden Ergebnissen führt, wenn nicht auch gleichzeitig die mikroökonomische Basis für den Transformationsprozeß gelegt wird. Die Implementierung der Strukturreformen - insbesondere die Herstellung von Markt und Wettbewerb (...) - wurde verzögert
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formationsstrategie als in Polen verfolgt wurde, wird von ähnlichen Problemen berichtet - so etwa aus Rußland: „Von Anfang an war die Regierung bestrebt, durch eine harte Geld- und Haushaltspolitik die Inflation einzudämmen und zugleich (...) die Freigabe der Preise zu initiieren. Bald stellte sich jedoch heraus, daß weder der monetaristische Ansatz noch die Hoffnung auf die invisible hand zum Ziele führten" (Grinberg 1993, S. 128). Halten wir also fest: Unabhängig davon, ob eine Schocktherapie oder eine gradualistische Strategie gewählt wird, letztlich müssen die ergriffenen Maßnahmen scheitern, sofern sie nicht in eine ordnungspolitische Gesamtkonzeption eingebunden werden, die darauf ausgerichtet ist, zunächst einmal diejenigen Märkte und Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, von denen man sich dann die von den neoklassisch-monetaristischen Theoretikern und Beratern offenbar als selbstverständlich vorausgesetzten Effekte der „Lehrbuch-Ökonomie" erhoffen kann. Dies ist im übrigen auch insofern interessant, als nun festgestellt werden kann, daß die Strategie-Debatte zwischen Schock-Therapie und Gradualismus also wohl auch vor dem Hintergrund der Empirie als überholt gelten muß: Es ist nicht nur so, daß auch die heutigen wirtschaftlichen Rahmendaten der Transformationsländer, die unterschiedliche Strategien verfolgt haben, keine eindeutige Aussage darüber zulassen, welche Strategie denn nun prinzipiell die bessere sei, sondern darüber hinaus zeigen die tatsächlichen Entwicklungen, daß es selbst in Ländern, die mit einem „Big Bang" gestartet waren, früher oder später zu denjenigen Interessenkonflikten bzw. Verquickungen von Wirtschaft und Politik kam, die man anfangs nur bei Anwendung der gradualistischen Strategie befürchtet hatte: Auch hier sind die Schilderungen Kolodkos (1993) über die Probleme in Polen sehr aufschlußreich: So berichtet er zum einen, daß man anfangs angesichts sich formierender Interessengruppen unter enormem Zeitdruck gestanden habe - und bestätigt insofern die Richtigkeit der von den Befürwortern der Schock-Therapie vorgebrachten Bedenken. Andererseits führt er die im Rahmen der dann ergriffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen gemachten Fehler überwiegend auf just diesen Zeitdruck zurück, unter dem man handeln zu müssen glaubte, um die Transformation überhaupt auf den Weg bringen zu können. Insofern gewinnt man fast den Eindruck, als habe das grundsätzliche Problem nicht gelöst, sondern lediglich „vertagt" werden können. Dies wiederum scheint die Bedenken der „Gradualisten" zu bestätigen, die prinzipiell bezweifelten, daß es möglich sei, ein umfassendes und zugleich konsistentes Politikprogramm für ein so komplexes Phänomen wie die Systemtransformation zu entwerfen und erfolgreich um- bzw. durchzusetzen. Entsprechend heißt es bei Kolodko (1993, S. 217): „Die Rückkopplungen zwischen wirtschaftlicher und politischer Entwicklung sind stark ausgeprägt, und es kann kein Zweifel daran bestehen, daß sie in der jetzigen Phase der Transformation destabilisierend wirken. (...). Wenn wir diese schwierige Lage meistern wollen, muß die Wirtschaftspolitik grundsätzlich umorientiert werden. Dabei sollte angestrebt werden, (...) die Wirtschaft als Ganzes (...) zu stabilisie-
(...). Die makroökonomische Politik fuhrt (...) zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn sie, vor allem im industriellen Bereich, auf monopolistische Strukturen und auf Verhaltensweisen trifft, die noch stark von der planwirtschaftlichen Vergangenheit bestimmt werden."
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ren. Vor diesem Hintergrund muß eine neue Wirtschaftspolitik formuliert werden, die auf einem neuen Sozialvertrag basiert." Vor dem Hintergrund der o.g. Defizite und des grundsätzlichen Dilemmas zwischen Transformation (als bewußte Gestaltung) und Evolution sowie mit Blick auf die vergangenen Debatten über die „richtige" Strategie und Taktik der Transformation ließe sich also als Zwischenergebnis folgendes feststellen: Den Vertretern der „holistischen" Strategie in Form einer Schock-Therapie, die die Transformation gleichsam „aus der Vogelperspektive" von oben verordnen wollen (normative Variante), fehlt der Blick für die tatsächlichen Gestaltungsprobleme, -möglichkeiten und -erfordernisse - nicht zuletzt auf mikroökonomischer Ebene -, und den Vertretern der „inkrementalen" Strategie des Gradualismus fehlt mitunter der Blick für das sog. „Ganze" (was sie gleichwohl nicht anficht, da sie ohnehin davon ausgehen, daß ein solcher grundsätzlich so wenig sinnvoll wie möglich sei und man insofern ohnehin nur die „Froschperspektive" einnehmen könne). Stark verkürzt könnte man konstatieren: Dem holistischen Ansatz fehlt die unternehmerische und dem inkrementalen Ansatz die ordnungspolitische - und damit letztlich beiden die entscheidende wettbewerbspolitische - Perspektive.97 Noch anders ausgedrückt: Was den jeweiligen Blick bzw. die Perspektive angeht, fehlt es den „Ordnenden im Großen" also gewissermaßen an „Gestaltung im Kleinen" und den „Gestaltenden im Kleinen" fehlt es an „Ordnung im Großen". 98 3.
Die Alternative: Entwurf einer „synthetischen" Transformationstheorie
3.1. Grundlagen einer unternehmerischen Perspektive Die vorliegende Arbeit will einen bescheidenen Beitrag zum Abbau der o.g. Mängel leisten, indem sie sich um eine theoretische Gesamtbetrachtung des Transformationsphänomens bemüht, die dadurch erreicht werden soll, daß der Prozeß sowohl aus unternehmerischer als auch aus ordnungspolitischer Perspektive betrachtet wird. Damit wird die Hoffnung verknüpft, den Blick für das institutionelle Interregnum und das Interdependenzproblem als Spezifika des Transformationsprozesses zu schärfen. Die Betrachtung aus unternehmerischer Perspektive erfordert zum einen die Differenzierung zwischen verschiedenen - oder besser: denjenigen - Arten von Unternehmertum, die für die erfolgreiche Bewältigung der im Transformationsprozeß anfallenden Aufgaben und
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An dieser Stelle sei auf einen Abschnitt bei Keilhofer (1995, S. 317) verwiesen, dessen Ausfuhrungen - übrigens unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Walter Eucken - hier hervorragend passen und unseren grundsätzlichen Überlegungen sehr nahe kommen: „'Schock-Therapie' und 'Gradualismus' geben auf die ordnungs- und ablaufpolitischen Herausforderungen der Transformation keine schlüssigen Antworten (...): In einer graduellen' Strategie kann die Mißachtung der Interdependenzen zwischen den Güterund Faktormarktordnungen dazu führen, daß Verzögerungen in einer Teilordnung den Gesamtablauf zum Stillstand zwingen. Hingegen wird im Konzept der 'Schock-Therapie' unterschätzt, daß durch eine Stabilisierung der Bestandsgrößen erst eine notwendige Bedingung der Transformation erfüllt wird. Eine zentrale Kanalisierung der Stromgrößen (...) kann die wettbewerbliche Strukturierung der Marktordnungen nicht ersetzen." Diese letzte Formulierung verdanke ich - in leicht abgewandelter Form - Dr. Ralf L. We-
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Probleme relevant sind: So leuchtet beispielsweise ein, daß das zu Beginn der Transformation vielfach beklagte Fehlen von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Managementfähigkeiten eine andere Art von „Unternehmertum" betrifft als jenes, das wir in Anlehnung an Schumpeter unter schöpferischem bzw. innovativem Unternehmertum verstehen. M.E. kann kein Zweifel daran bestehen, daß in den meisten Transformationsländern ein erheblicher Mangel an Unternehmertum in verschiedenen Bereichen besteht: So ist das Innovationsproblem besonders virulent bzw. schöpferisches Unternehmertum besonders gefordert, weil angesichts des vollständigen Zusammenbruchs der alten „Märkte" vermarktbare Produkte und Verfahren im Grunde sämtlich neu geschaffen werden müssen. Im Lichte der Theorie stellten der schöpferische Unternehmer bzw. die von ihm durchgesetzten Produkt- und Verfahrensinnovationen Kräfte dar, die Ungleichgewichte schaffen. Der findige Unternehmer im Sinne Kirzners spürt die durch solche Ungleichgewichte bewirkten bzw. diese „repräsentierenden" Preisunterschiede in Raum und Zeit auf und nutzt sie gewinnbringend aus. Eben dadurch allerdings bewirkt er selbst einen sukzessiven Abbau dieser Preisunterschiede und trägt letztlich zu höherer Markttransparenz bei. Anders gewendet: Der findige Unternehmer bzw. die von ihm betriebene Arbitragetätigkeit wirkt gleichgewichtsbildend. Der Schaffung höherer Markttransparenz kommt sicherlich gerade vor dem Hintergrund weitverbreiteter Unsicherheit im Transformationsprozeß besondere Bedeutung zu; allerdings liegt es in der Natur der Sache, daß diese gesamtwirtschaftlich wichtige „Aufklärungsarbeit" für manche mitunter recht schmerzhaft sein wird. Ein dritter Unternehmertyp, der spontanimitierende Unternehmer nach Heuß, ist gleichsam zwischen den beiden ersten Unternehmertypen angesiedelt. Er folgt dem schöpferischen Unternehmer unmittelbar auf dem neuen Pfad, den dieser mit seiner Innovation geschaffen bzw. als erster betreten hat. Die Tatsache, daß dies letztlich auch für den spontan-imitierenden Unternehmer das Betreten von Neuland darstellt, macht deutlich, daß auch er nicht völlig risikoavers sein darf. Daß er offenbar willens und auch in der Lage ist, dem Innovator sofort zu folgen, läßt vermuten, daß er entweder selbst als potentieller Innovator angesehen werden kann, dem just jemand zuvorgekommen ist, oder daß er gleichsam nur auf den „Startschuß" gewartet hat. In jedem Fall wird deutlich, daß auch dem spontan-imitierenden Unternehmer ein schöpferisches Element innewohnen muß. Als weiterer Unternehmertyp sei der sog. ÄoHfwe-Unternehmer genannt, der in unterschiedlicher Gestalt auftreten kann: Zum einen wäre hier zu denken an den Manager bzw. Verwaltungsexperten, einen „soliden Rechner" mit entsprechenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Zum anderen drängt sich eine Parallele zum (Ober-)Begriff des „konservativen" Unternehmers nach Heuß auf. Eine weitere „Verwandtschaft" läßt sich entdecken zur rein reagierenden bzw. exekutiven Funktion der Unternehmerfigur der Neoklassik. Neben dieser Differenzierung verschiedener Arten von Unternehmertum bzw. Unternehmertypen sind zum anderen einige grundsätzliche Anmerkungen zu den Bestimmungsgründen des Untemehmerverhaltens vonnöten. Dabei wird deutlich werden, daß zu den Determinanten unternehmerischer Tätigkeit u.a. ein bestimmter institutioneller Rahmen gehört. Insbesondere durch diesen Rahmen, der von den jeweiligen Handlungsrechten aufgespannt bzw. abgesteckt wird und als „Ordnungsrahmen" im engeren Sinne
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verstanden werden kann, wird dann die Brücke zur Ordnungstheorieschlagen."
und -politik ge-
3.2. Zur ordnungspolitischen Perspektive im Transformationsprozeß Nun soll es um das Bemühen gehen, das ordnungspolitische Defizit der neoklassischmonetaristisch dominierten Transformationsliteratur abzubauen: Zwecks Betrachtung aus ordnungspolitischer Perspektive wird der Versuch unternommen, sich dem Transformationsproblem bzw. dessen (ansatzweiser) Lösung mit Hilfe des ordo-liberalen Konzepts einer Wettbewerbsordnung zu nähern, das Walter Eucken bereits vor langer Zeit entwickelt hat. Gemeinsam mit den bereits genannten, in der ordnungstheoretischen Tradition Euckens und seines Schülers Hensel stehenden Autoren wird davon ausgegangen, daß die dem Aufbau und der Erhaltung der Wettbewerbsordnung dienenden konstituierenden und regulierenden Prinzipien eine wertvolle theoretische Grundlage für die Durchsetzung des „Primats der Ordnungspolitik" bieten können. Diesem Primat kommt gerade im Transformationsprozeß grundlegende Bedeutung zu; eine besondere Rolle spielt hierbei die „Zusammengehörigkeit" der Prinzipien, da nur deren Beachtung einen angemessenen Umgang mit dem transformationsspezifischen „InterdependenzProblem" ermöglicht. Das Euckensche Konzept der Wettbewerbsordnung liefert eine wichtige Orientierungshilfe zur Entwicklung von Lösungsansätzen für einige der wichtigsten transformationspolitischen Probleme und kann als eine Art „Kriterienkatalog" zur Analyse, kritischen Beurteilung und Bewertung der bisherigen Politikprogramme und Transformationsanstrengungen der verschiedenen Länder dienen 100 ; damit erfüllt es die oben erwähnten Anforderungen, die an eine solide ordnungspolitische Gesamtkonzeption zu stellen sind. In dieser Arbeit wird gleichsam eine „Instrumentalisierung" der Eucken sehen Ordnungskonzeption für das Unternehmerproblem im Transformationsprozeß vorgenommen. Euckens Wettbewerbsordnung kann als Entwurf von Spielregeln verstanden werden. Spätestens seit Adam Smith wissen wir, daß das Spiel „Marktwirtschaft" nur dann zur Freude möglichst vieler Menschen gespielt werden kann, wenn der Staat für die Erfüllung bestimmter Grundvoraussetzungen sorgt. Euckens großes Verdienst liegt nun darin, sich auf den Wettbewerb als die „Seele" dieses Spiels konzentriert zu haben. Ihm verdanken wir nicht nur die Konkretisierung und Verfeinerung des Regelwerks für „Spiele" auf Märkten ganz allgemein, sondern eben auch die Einsicht, daß dem Staat (oder einer anderen „ordnenden Potenz") eine aktive Rolle nicht nur beim „Anpfiff',
Insgesamt wird deutlich werden, daß freilich nicht nur die Handlungsrechte, sondern auch die anderen Determinanten des Untemehmerverhaltens von ordnungspolitischer Relevanz sind, oder besser: maßgeblich von der jeweiligen Wirtschaftsordnung bzw. dem in historischer Zeit konkret obwaltenden „Ordnungszustand" geprägt werden. 100
Der stellvertretende Direktor des „Russischen Unabhängigen Instituts für soziale und nationale Probleme" (Moskau), Dr. Alexander Tschepurenko, bezeichnete im Rahmen eines Vortrages, den er am 10.6. 1997 in Marburg hielt, das Euckensche Ordnungskonzept wegen dessen Betonung der Interdependenz und der damit zusammenhängenden ordnungspolitischen Konsistenz gar als den „einzig brauchbaren Maßstab" zur Bewertung transformationspolitischer Maßnahmen und Ergebnisse.
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sondern auch während des gesamten Spielverlaufs zukommt: Er erläßt nicht nur die Regeln, sondern entsendet auch den Schiedsrichter, der die Einhaltung der Regeln überwacht. Dieser Schiedsrichter bringt nicht nur den Ball mit und überläßt die Akteure dann sich selbst: Er muß in diesem Spiel, das wir als Wettbewerbsprozeß verstehen wollen, stets auf Ballhöhe sein; er darf aktiv ins Spielgeschehen eingreifen, den Spielverlauf unterbrechen, Verwarnungen aussprechen und bestimmte Akteure vom Spiel ausschließen. Obgleich es keinesfalls die Aufgabe des Schiedsrichters ist, das Spielergebnis vorherzusagen oder etwa per Dekret „anzuordnen", kann die Art und Weise, in der er seine Aufgabe wahrnimmt, sehr wohl Einfluß auf den Spielverlauf nehmen. Der Staat als Schiedrichter kann das Spiel „zerpfeifen": So kann er den Spielfluß und damit die Dynamik und den Wettbewerbscharakter des Spiels zerstören, indem er „zu kleinlich" pfeift und das Spiel „überreguliert". Wenn der kleinste Rempler als Foul bestraft wird und beinahe jeder Vorstoß wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung abgepfiffen wird, dann wird dieses Spiel - beispielsweise Fußball - irgendwann einmal unattraktiv für eben jene Akteure, die ihm Leben einhauchen und es erst zu dem machen, was es „eigentlich" sein sollte: Ein gewiß bisweilen harter sportlicher Wettkampf, der jedoch stets fair, d.h., unter Einhaltung der Regeln, ablaufen sollte und in dem der Bessere gewinnen möge. Der Staat als Schiedsrichter kann allerdings auch geradezu „kriegsähnliche Zustände" heraufbeschwören, indem er seinen Ermessensspielraum bei der Regelauslegung zu großzügig nutzt und das Spiel zu einem „catch as catch can" ausarten läßt. Dann wird nicht der Bessere, sondern der Rücksichtslosere, der Brutalere gewinnen; für welche Art von Akteuren ein solches Spiel dann noch attraktiv wäre, braucht hier nicht näher ausgeführt zu werden... Es ist hinreichend deutlich geworden, daß der Staat durch seine Bemühungen zur Regelschaffung und Regeleinhaltung, aber auch durch die ständige „Pflege" und die Anpassung der Regeln an die sich im Zeitablauf verändernden Verhältnisse maßgeblichen Einfluß auf den Spielverlauf bzw. den Charakter des Spiels hat. Grundsätzlicher noch: Von den staatlichen Spielregeln sowie von der Art und Weise, in der der Staat deren Einhaltung überwacht, wird es maßgeblich abhängen, ob und welche Spieler auf den Plan gerufen werden. Mit der Frage nach den Akteuren stoßen wir nun an die Grenzen staatlicher Einflußnahme, mit anderen Worten: Die Ordnungskompetenz des Staates erstreckt sich nicht darauf, zu bestimmen, wer letztlich Mitglied in einem Fußballverein wird; dies muß der freien und persönlichen Entscheidung eines jeden Einzelnen überlassen bleiben. Dabei leuchtet unmittelbar ein, daß diese Entscheidung nicht nur erstens davon abhängt, ob überhaupt und nach welchen Regeln Vereinsfußball gespielt werden darf, sondern zweitens natürlich auch davon, ob der Einzelne über die notwendigen körperlichen und geistigen Fähigkeiten sowie den notwendigen Wettbewerbsgeist verfügt, und drittens, ob die jeweilige Umgebung dazu angetan ist, diesen Wettbewerbsgeist des potentiellen Spielers anzusprechen bzw. zu aktivieren, d.h., ihn dazu zu motivieren, von seinen Rechten und Fähigkeiten auch tatsächlich Gebrauch zu machen. In diesem Zusammenhang wird es insbesondere darauf ankommen, auf geeignete Gegner zu treffen; wenn es unserem Sportler um eine echte sportliche Auseinandersetzung geht, von deren Verlauf und Ergebnis er sich Aufschluß über seine eigene wahre Leistungsfähigkeit erhofft, dann sollten dies verständlicherweise Gegner derselben „Liga" bzw. „Gewichtsklasse" sein. Die Tatsache, daß der Staat bestenfalls Spielregeln, aber keine
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Spieler schaffen kann, also mit dem vorhandenen Reservoir an potentiellen Akteuren auskommen muß, denen er weder die für das von ihm präferierte Spiel notwendigen Fähigkeiten noch den grundsätzlich notwendigen Wetbewerbsgeist „einhauchen" kann, wird insbesondere dann zum Problem, wenn es um eine Situation geht, in der dieses Spiel für eine Vielzahl von Menschen völlig neu und demzufolge das Regelwerk völlig ungewohnt ist. Eine solche Situation liegt nun aber im Grundsatz in den Transformationsländern vor: In den vormals sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas war das marktwirtschaftliche Spiel des Wettbewerbs verboten und verpönt. Stattdessen wurde ein anderes Spiel mit entsprechenden Regeln „verordnet". Nachdem dieses Spiel nun abgepfiffen wurde, müssen neue Regeln geschaffen werden. Selbst wenn diese nun in aller Eile von anderen kopiert und nicht erst mühsam selbst entwickelt werden, wirken die Regeln des alten Spiels nach: Die Menschen müssen die neuen Regeln akzeptieren und den Umgang mit ihnen erst noch lernen, und sie müssen erst die entsprechenden Fähigkeiten entwickeln, um in diesem neuen Spiel erfolgreich bestehen zu können. Genau dies ist mit dem Begriff des „institutionellen Interregnums" gemeint, durch den der Schwebezustand während des Zeitraumes zwischen Verlassen der alten und Erreichen bzw. Verwirklichung der neuen Ordnung beschrieben wird. Insofern gibt es in prozeßorientierter Betrachtung stets und unvermeidlich ein materielles Neben-, Mit- und Gegeneinander von „gewachsener und gesetzter Ordnung" (Leipold), sofern „gewachsen" mit „alt" und „gesetzt" mit „neu" gleichgesetzt wird. Dies gilt also selbst dann, wenn das Problem in entscheidungsorientierter Hinsicht rein formal beispielsweise dadurch gelöst wurde, daß man sich dafür entschieden hat, die neue Ordnung „zu setzen", d.h., sie nicht „wachsen zu lassen". Im Zusammenhang mit dem „wohlverstandenen Big Bang" wurde bereits die Bedeutung einer jeden „ordnungspolitischen Grundsatzentscheidung" als conditio sine qua non einer erfolversprechenden Transformationsstrategie erläutert. Vor dem Hintergrund des Zusammenhangs von gewachsener und gesetzter Ordnung bedeutet dies in entscheidungsorientierter Perspektive geradezu zwingend ein eindeutiges Plädoyer für die Setzung einer neuen Ordnung, genauer: für die bewußte Schaffung der dazu dringend notwendigen Voraussetzungen in Gestalt der wichtigsten formalen Institutionen dieser angestrebten neuen Ordnung. In dieser Hinsicht kommt dem auf Walter Eucken zurückgehenden ordo-liberalen Konzept der Wettbewerbsordnung zweifellos eine wichtige Vorbildfunktion zu, da es uns gleichsam die wichtigsten Säulen des neuen Ordnungsgefüges vorgibt, die es im Sinne einer konsequenten und glaubwürdigen Umsetzung einer ordnungspolitischen Grundentscheidung pro Marktwirtschaft „zu setzen" gilt. Der Umstand, daß der Transformationsprozeß - wie alle realen, in historischer Zeit ablaufenden Prozesse - grundsätzlich einen Entwicklungsvorgang mit prinzipiell offenem Ausgang darstellt, über dessen Verlauf und Ergebnisse darum keinerlei detaillierte Prognosen abgegeben werden können, bedeutet eben keinesfalls, daß über den möglichen Verlauf dieses Prozesses, in Abhängigkeit von den jeweiligen „Start-" und Rahmenbedingungen, nicht etwa zumindest „Mustervoraussagen" (von Hayek) möglich wären. Mit dem Plädoyer für eine stärkere Berücksichtigung der Eucken-Konzeption im Zusammenhang mit dem Versuch des Entwurfs einer Theorie der Systemtransformation soll weder die Illusion einer völligen (politischen) Gestaltbarkeit des Transformationsprozesses bzw. einer vollständigen „Setzbarkeit" einer neuen Gesamtordnung geweckt noch etwa eine
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Art „Schablone" der Transformation geschaffen werden, durch die man dann die Spezifika eines jeden Landes nur noch zu pressen bräuchte, um das gewünschte „optimale" Ergebnis zu erhalten. Entgegen anderslautender Vorurteile sei hier in aller Deutlichkeit festgestellt, daß eine solche Art Dogmatismus gerade auch Eucken völlig fremd war. Deshalb geht auch die in diesem Zusammenhang vielfach geäußerte Kritik völlig fehl, bei einer 'schablonenhaften' Umsetzung der Euckenschen Prinzipien würde dem Umstand der unterschiedlichen sozio-ökonomischen Ausgangsbedingungen sowie der unterschiedlichen historischen, politischen, religiösen und kulturellen Traditionen der verschiedenen Länder nicht hinreichend Rechnung getragen. Mit einer solchen Kritik nimmt man Eucken deutlich unter Niveau; sie wäre nur dann berechtigt, wenn man nachweisen könnte, daß Eucken angenommen habe, man könne durch bewußte Gestaltung gleichsam in jedem Land der Welt die gleiche Wirtschaftsordnung realisieren. Im übrigen wird - offenbar in Unkenntnis der Primärquellen - bisweilen „vergessen", daß Eucken selbst explizit auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der j e unterschiedlichen Ausgangslage hingewiesen hat; wir wollen ihn deshalb an dieser Stelle ausfuhrlich selbst zu Wort kommen lassen: „Die jeweilige konkrete Lage der einzelnen Länder muß (...) berücksichtigt werden. (...). In jedem Lande sind andere Ausgangssituationen, andere Machtkonstellationen, andere Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik und andere Einzelaufgaben gegeben. Die Wirtschaftspolitik kann nicht von der jeweiligen geschichtlichen Situation der einzelnen Länder losgelöst werden. Man kann nicht ein umfassendes wirtschaftspolitisches Gesetzbuch aufstellen, das für alle Länder Geltung gewinnen könnte. Aber: So falsch es wäre, den historischen Moment mit seinen besonderen Machtkonstellationen und Imponderabilien zu vernachlässigen, so gefährlich wäre es, auf grundsätzliche Überlegungen zu verzichten und in den verhängnisvollen Fehler der Vergangenheit mit ihrer punktuell-ungrundsätzlichen Wirtschaftspolitik zurückzufallen. Wie ist dieses Dilemma zu überwinden? - Kurz gesagt: indem man das Prinzip und seine Anwendung im historischen Moment unterscheidet." 101 Dies bedeutet, daß es keine „Patentlösung" geben kann, die dann etwa - unabhängig von den jeweiligen konkreten Ausgangsbedingungen - einem bestimmten Staat bzw. dessen Volkswirtschaft nur noch 'übergestülpt' zu werden bräuchte. Es kommt im Gegenteil darauf an, „die eine Wettbewerbsordnung begründenden Prinzipien (...) im konkreten historischen Moment anzuwenden" (Gutmann 1991, S. 66). Exkurs: In diesem Zusammenhang sollte noch einmal betont werden, daß die Transformation des Wirtschaftssystems der früheren DDR keinesfalls als Musterfall mit Vorbildcharakter angesehen werden kann - im Gegenteil: „Ostdeutschland ist ein Sonderfall im Transformationsprozeß einer Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft. Denn von den drei großen Gebieten (der Transformation, T.B.) - der Schaffung der institutionellen Infrastruktur, der monetären Stabilisierung und der realwirtschaftlichen Anpassung - sind zwei große Bereiche im wesentlichen bereits erledigt. Durch den Beitritt (...)
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„Die Anwendung stellt eine besondere Leistung dar, Fall der Durchdenkung. (...). In der Anwendung auf sich die Anpassung an die Verschiedenartigkeit und 1952/1990, S. 251/252, erste Hervorhebung von mir, nal). (Siehe auch Gutmann 1991, insbeS. S.65/66.)
und sie bedarf jeweils von Fall zu den historischen Moment vollzieht Beweglichkeit der Dinge" (Eucken weitere Hervorhebungen im Origi-
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wurde die westdeutsche institutionelle Infrastruktur übernommen; durch die Währungsunion wurde die monetäre Stabilität bereitgestellt" (Siebert 1992, S. 26). Auf weitere Besonderheiten der DDR-Transformation weist etwa Nicolai hin: So wurde durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik - der im übrigen gleichzeitig die Vollmitgliedschaft in der EU bedeutete - nicht nur eine eindeutige ordnungspolitische Grundsatzentscheidung zugunsten des Modells der „Sozialen Marktwirtschaft" getroffen und durch die Währungsunion eine neue stabile Währung und völlige Konvertibilität eingeführt (was die DDR gleichsam im Handstreich von jedweder Zahlungsbilanzrestriktion befreite), sondern der deutsche Transformationsfall stellt die bisher einzige Kombination von 'extremer Schocktherapie' mit gleichzeitiger umfassender sozialer Sicherung „durch ein beispielloses finanziell stark ausgebautes Abfederungssystem" dar (Nicolai 1992, S. 186). Dieses durch die Sozialunion bedingte Abfederungssystem kam faktisch einer Vereinbarung über hohe Mindestlöhne gleich, deren Allokationswirkungen sattsam bekannt sind. Manche Autoren weisen femer darauf hin, daß es angesichts des sehr offenen Arbeitsmarktes (keine Sprachbarrieren und keine formalen Einschränkungen der Freizügigkeit) einen faktischen Zwang zu hohen Reallöhnen gegeben habe (vgl. Sievert 1995, S. 22/23). Inwieweit diese These vom „Lohndruck durch Migrationsdruck", die sich gleichsam auf die berühmte normative Kraft des Faktischen beruft, wirklich zutrifft, muß indes dahingestellt bleiben, da der Gang der Dinge sie letztlich gegen eine empirische Überprüfung immunisiert hat.102 Sievert (1995, S. 23) macht im übrigen darauf aufmerksam, daß die (ost-)deutsche Transformation insbesondere insofern ein Sonderfall sei, als es sich hierbei im Grunde um einen „Fall der Regionalpolitik" handele: „Daß öffentliche Güter, Wirtschaftsförderung und transformationsbedingte Lasten während der Transformationsperiode nur zu einem kleinen Teil von der Bevölkerung des Transformationsgebietes bezahlt werden mußten, hat das Ganze im Grunde zu einem Fall der Regionalpolitik gemacht, anders als in den uns benachbarten Staaten Mittel/Osteuropas." Vor dem Hintergrund des grundsätzlichen Spannungsverhältnisses zwischen „Transformation" (als bewußter und aktiver Gestaltung im Sinne einer gesetzten Ordnung) und „Evolution" (als offenem und nicht zielgerichteten Prozeß mit einer zu jedem Zeitpunkt jeweils gewachsenen Ordnung) betrachtet, werden die o.g. Äußerungen Eukkens zum Zusammenhang zwischen Prinzip und historischem Moment - gerade auch in Verbindung mit der im Rahmen dieser Arbeit besonders betonten unternehmerischen Perspektive - gleichsam zu einem Plädoyer für ein ganz spezifisches Verständnis des Transformationsprozesses, das man vielleicht am ehesten als „Prinzipien-gelenkte Evolution" umschreiben könnte. Eine Transformationspolitik des „Laissez-faire" jedenfalls - womöglich noch unter ausdrücklicher Berufung auf den dadurch vermeintlich ermöglichten grundsätzlichen Evolutionscharakter des Transformationsprozesses - kann angesichts der aktuell drängenden ökonomischen Probleme der Transformationsländer unter gar keinen Umständen in Frage kommen. Es geht also - wie von Delhaes und Fehl (1997, S. 24) es jüngst sehr treffend ausgedrückt haben - um „den auch in einem offe-
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Gleichwohl verliert diese These allein schon vor dem Hintergrund der damals auch in der damaligen alten Bundesrepublik zu beklagenden Arbeitslosigkeit in Millionenhöhe an Überzeugungskraft.
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nen System (Evolution, T.B.) politisch zu gestaltenden Teil der Wirtschaftsordnung (Transformation i.e.S., T.B.)." Es müssen ähnliche Überlegungen gewesen sein, die Eucken (1952/1990, S. 253) damals zu folgender Äußerung bewogen haben: „Frühere Zeiten, welche die Wirtschaftsordnung wachsen lassen konnten, hatten es einfacher." Gerade diese Äußerung Euckens, in der er es ausdrücklich ablehnt bzw. ausschließt, eine neue Ordnung wachsen lassen zu können, identifiziert ihn zweifelsohne eindeutig als „Befürworter" einer gesetzten, oder besser: einer bewußt zu setzenden Ordnung. Dies ist im Grandsatz sicherlich unstreitig und wird allein schon durch bestimmte Formulierungen wie etwa „Bauplan der Wirtschaftsordnung", „gewollte Wirtschaftsordnung" etc. sowie durch den von ihm geforderten Primat der Ordnungspolitik dokumentiert: „Jeder einzelne wirtschaftspoltische Akt sollte also in Ansehung der Wirtschaftsordnung stattfinden, die gewollt ist. (...). Die ordnungspolitische Gesamtentscheidung hat also vor den einzelnen wirtschaftspolitischen Handlungen zu stehen - wenn überhaupt sinnvolle Wirtschaftspolitik getrieben werden soll" {Eucken 1950/1992, S. 250; Hervorhebung im Original). Gleichwohl gibt es m.E. keinerlei Anlaß, Eucken etwa als dogmatischen und geschichtsblinden Apologeten der reinen Lehre von der gesetzten Ordnung zu diffamieren, wie es bei manchen seiner Kritiker bzw. bei manchen Kritikern der Ordnungstheorie im allgemeinen bisweilen den Anschein hat. Denn einer solchen Kritik steht - wie oben dargelegt - Euckens ausdrücklicher Hinweis auf die Bedeutung des „historischen Moments" und seiner Berücksichtigung in der Wirtschaftspolitik entgegen. Dieser Hinweis dokumentiert eindeutig, daß Eucken die grundsätzliche Bedeutung der „gewachsenen Ordnung" keinesfalls völlig übersehen hat. Mit dem Begriffspaar „Prinzip und Moment" hat Eucken nicht zuletzt auch einen wichtigen Beitrag geleistet, um das stets - und gerade auch im Hinblick auf den Transformationsprozeß - aktuelle Spannungsverhältnis zwischen normativer und positiver Ökonomik „einzufangen": Die Forderung der Beachtung der Prinzipien steht für das normative Element, während die Berücksichtigung des „historischen Moments" die positive Ökonomik „anspricht". Hier findet die wohl wichtigste Leistung Euckens - die Beilegung des sog. älteren Methodenstreits zwischen der jüngeren historischen Schule um Gustav Schmoller und der von Karl Menger begründeten österreichischen Schule, die Auflösung der „großen Antinomie" zwischen induktiver und deduktiver Methode in der Nationalökonomie - gleichsam ihren anwendungsorientierten Ausdruck: Nach Eukkens Überzeugung mußte die historische Schule mit ihrem Versuch scheitern, der unüberschaubaren Fülle historischer Tatsachen Herr zu werden, indem sie diese nach verschiedenen, möglichst trennscharf voneinander abgegrenzten Wirtschaftsepochen gliederte, um „dann für jede Epoche eine passende Theorie zu ersinnen. (...Denn): Die geschichtliche Wirklichkeit ist stets (...) zu mannigfaltig und wechselnd, als daß sie durch Wirtschaftsstufen oder Wirtschaftsstile abgebildet werden könnte" {Eucken 1947, S. 30).103 Andererseits war klar, daß man ohne die Berücksichtigung der konkreten histori103
Damit hatte sich die historische Schule just in einer solchen „Faktenhuberei" verloren, wie sie oben erwähnt wurde; diesen Begriff verwendet etwa auch Fehl (1991a, S. 39): „So besteht bei Schmollers Vorgehensweise die Gefahr, daß die Sammlung historischen Materials zur Faktenhuberei werden kann, wenn ihr eine entsprechende, theoretisch inspirierte Fragestellung fehlt." (Vgl. hierzu ausführlich Eucken (1940/1989) und (1938) sowie die Entgegnung von Laum (1940)).
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sehen Tatsachen ebenfalls nicht auskommen kann - eine „geschichtsblinde" Nationalökonomie kommt also ebenfalls nicht in Frage, im Gegenteil: „Sie muß von der geschichtlich-individuellen Mannigfaltigkeit ihres Gegenstandes ausgehen." Dies wiederum versäumten die Theoretiker der österreichischen Schule, die die deduktive Methode anwandten; ihnen „fehlte das volle Verständnis fur geschichtliches Werden. Sie unterschätzten die Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Wirklichkeit. (...). Immer schwebt die theoretische Nationalökonomie in Gefahr, daß das Denken sich von seinem Gegenstand ablöst, daß logische Präzision mit Wirklichkeitsfremdheit erkauft wird" (Eucken 1947, S. 26/27 und S. 28). 104 Euckens Ziel bestand nun darin, eine Methode zu entwikkeln, „durch welche historische und statistische Erfahrung mit theoretischem Denken zum Zusammenwirken gebracht werden (konnte)" (Eucken 1947, S. 29). Es bleibt sein großes Verdienst, entdeckt zu haben, daß die Fülle der wechselnden wirtschaftlichen Erscheinungen im Zeitablauf eben nicht einer Gesetzmäßigkeit im deterministischen Sinne einer vorbestimmten Abfolge von „Entwicklungsstufen" folgt - in dieser These gipfelte letztlich die „Theorie" der historische Schule -, sondern vielmehr stets neue Kombinationen immer wiederkehrender weniger elementarer Ordnungselemente darstellt, sich also letztlich auf eine eng begrenzte Anzahl von Ordnungsformen zurückfuhren läßt: „(So) stößt man sehr bald auf das Faktum, daß die reinen Formen, aus denen alle konkreten Wirtschaftsordnungen (...) zusammengesetzt sind, häufig wiederkehren. (...). Obwohl jeder einzelne historische Moment einen besonderen Charakter trägt, wird es nun (nach Einführung und Nutzung der „wissenschaftlichen Morphologie" als Lehre von den Ordnungsformen, T.B.) möglich, durchgehende Formen festzustellen und auf dieser Basis Erfahrungen zu gewinnen, die auch für die Wirtschaftspolitik grundlegend sein können. (...). Ohne sie (die Morphologie, T.B.) ist die Erkenntnis der wirtschaftlichen Wirklichkeit unmöglich" {Eucken 1952/1990, S. 21 u. 23). 105 Nun endlich konnten die beobachteten Tatsachen sinnvoll verwertet werden, wichtiger bzw. grundsätzlicher noch: Durch die Morphologie wurde es überhaupt erst möglich, eine Tatsache überhaupt als solche zu erkennen.106 Diese Lehre von den Ordnungsformen läßt sich also gleich-
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Ahnlich an anderer Stelle: „Wer Modelle frei konstruiert und nicht die Formen in der Wirklichkeit sucht, treibt ein Spiel - nicht mehr" (Eucken 1952/1990, S. 24). Hans Albert sollte später einmal - nicht zuletzt auch mit Blick auf die mathematisch-eleganten Gleichgewichtsmodelle neoklassischer Provinienz - kritisch vom „Modell-Platonismus" sprechen (.Albert 1963); vgl. hierzu ferner Albert (1959), (1967), (1971) und (1979). Mit dem Begriff „Modell-Platonismus" kritisiert Albert die Bildung theoretischer Aussagensysteme, die dem Popperschen Falsifikationstest nicht zugänglich und damit - wie Jochimsen und Knobel (1971, S. 44) es treffend ausdrücken - „gegen das Risiko des Scheitems an den Tatsachen immunisiert (sind)". Bei seinem Schüler Hensel (1970, S. 41) heißt es dazu: „Kernstück jedes Wirtschaftssystems sind die Wirtschaftsordnungen, die stets rechtliche, morphologische und sittliche Gebilde sind. Unter morphologischem Aspekt (...) sind die Wirtschaftsordnungen Kombinationen möglicher Ordnungsformen." Von Hayek (1972, S. 7/8) schreibt dazu: „(Selbst) die aufmerksamste und beharrlichste Beobachtung der bloßen Tatsachen kann diese nicht erkennbar machen, solange wir nicht wissen, worauf wir zu achten haben. Genaue Kenntnis der Tatsachen ist gewiß wichtig, aber systematisch können wir erst beobachten, nachdem sich Fragen gestellt haben. Bevor wir nicht in der Lage sind, bestimmte Fragen zu stellen, können wir unseren Verstand nicht anwenden. Fragen setzen aber voraus, daß wir bereits eine vorläufige Hypothese
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sam als eine (Taucher-)Brille begreifen, durch die hindurch der Forscher das Meer der historischen Tatsachen betrachten kann, die ohne ein solches theoretisches Instrument „stumm" bleiben müßten. In den wenigen elementaren Ordnungsformen, die Eucken „entdeckt" hatte, steht nun ein theoretisches Instrument zur Charakterisierung und Analyse aller realen Wirtschaftsordnungen zu jeder historischen Zeit und an jedem Ort zur Verfügung. Durch dieses Instrument „schafft sich die Wissenschaft eine feste, auf Erfahrung gestützte Grundlage theoretischer Forschung und wird zugleich der Mannigfaltigkeit der Geschichte gerecht" {Eucken 1947, S. 36). 107 Die Antinomie zwischen theoretischer und historischer Betrachtung war überwunden - der Methodenstreit der Nationalökonomie „beigelegt". Nicht zuletzt dieser Hintergrund ist es, der den Euckenschen Ansatz und sein Konzept der Wettbewerbsordnung als Werkzeuge zur „Bearbeitung" unserer Fragestellung gerade auch in methodologischer Hinsicht - so aktuell und geeignet erscheinen läßt. In diesem Zusammenhang sei noch auf einen weiteren Aspekt hingewiesen: Die o.g. „Werkzeuge" Euckens entstammen dem „Werkzeugkasten" der Ordnungstheorie - und eben diese „ist nicht ausschließlich wirtschaftstheoretisch fundiert. Sie geht vielmehr davon aus, daß sich die Empirizität ökonomischer Erklärungen erst im interdisziplinären Kontext konstituiert. Damit wendet sie sich gegen ontologische Universalisierungen des sogenannten 'ökonomischen Theorieimperialismus'"108 und scheint uns deshalb insbesondere auch vor dem Hintergrund der hier betonten grundsätzlichen Notwendigkeit
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oder Theorie über die Geschehnisse gebildet haben." Bei Popper (1969, S. 95/96) heißt es: „Man kann sagen, daß die Wissenschaft in jedem Moment ihrer Entwicklung vor Problemen steht. Sie kann nicht mit Beobachtungen oder der 'Sammlung von Daten' beginnen (...). Bevor wir Daten sammeln können, muß unser Interesse an Daten einer bestimmten Art geweckt sein: das Problem kommt stets zuerst" (Hervorhebung im Original). Diese faszinierende Kurzformel findet sich ebenfalls bei Friedman·. „Everything depends on the problem" (Friedman 1953, S. 36). Bei Popper heißt es an anderer Stelle: „Die Erfahrungswissenschaften sind Theoriensysteme. (...). Wissenschaftliche Theorien sind allgemeine Sätze. (Hervorhebung von mir, T.B.) (...). Unsere Alltagssprache ist voll von Theorien; Beobachtung ist stets Beobachtung im Licht von Theorien" (Popper 1971, S. 31, Hervorhebung im Original). Popper (1995, S. 29) weist im übrigen daraufhin, „daß jede Beobachtung eine Interpretation im Lichte unserers theoretischen Wissens in sich schließt, oder anders ausgedrückt, daß ein rein auf Beobachtung gegründetes Wissen - ein Wissen, das keinerlei Theorie enthält - völlig unfruchtbar und uninteressant wäre." Eucken an anderer Stelle (1940/1989, S. 209): „Die Lösung der Antinomie gelang deshalb, weil die exakte Untersuchung konkreter Einzelwirtschaften ergab, daß die Welt der Wirtschaft in ihrer unübersehbaren Mannigfaltigkeit aus einer übersehbaren Zahl idealtypischer Wirtschaftssysteme und ihrer Formen zusammengesetzt ist, daß also diese Mannigfaltigkeit auf einheitliche Formen reduziert werden kann. In diesem Sinne ergibt die Analyse doch eine gewisse 'Invarianz des Gesamtstils', das heißt eine Gleichförmigkeit der elementaren Strukturformen, welche die theoretische Behandlung und damit - in der Anwendung - die Bewältigung der konkreten Probleme ermöglicht" (Hervorhebung - durch Sperrschrift - im Original). „Die ökonomische Theorie begründet zwar eine bestimmte regionale Ontologie, Wirklichkeit setzt sich aber aus einer Vielfalt derartiger Ontologien zusammen. Entsprechend betrachtet die Ordnungstheorie Sozialwissenschaft als ein Netzwerk von Theorien (...). Eine wesentliche Aufgabe der Ordnungstheorie besteht daher darin, die Schnittstellen zwischen voneinander unabhängigen sozialwissenschaftlichen Theorien zu identifizieren (...)" (.Herrmann-Pillath 1991, S. 32).
Ökonomische Transformationsforschung
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einer interdisziplinären Transformationstheorie ein geeigneter Ansatz- bzw. Ausgangspunkt zur Entwicklung einer solchen zu sein. Insgesamt soll durch die Verknüpfung der beiden von einem Großteil der Transformationsliteratur bisher vernachlässigten Aspekte „Unternehmertum und Innovation" und damit mittel- und langfristig auch „Entwicklung bzw. Evolution" - auf der einen und „Ordnungstheorie und -politik" auf der anderen Seite also der Versuch unternommen werden, die beiden oben skizzierten, offenbar grundsätzlich verschiedenen, einander scheinbar widersprechenden und vermeintlich unvereinbaren Auffassungen bzw. Interpretationen des Transformationsproblems miteinander zu verknüpfen. Diese „Versöhnung" der Auffassung von der Transformation als einer auf die Erreichung eines konkreten Ziels ausgerichteten bewußten Gestaltung mit deijenigen, die die Transformation als einen im Grunde nicht gestaltbaren und prinzipiell ergebnisoffenen Entwicklungs- bzw. Evolutionsprozeß begreift, bedarf nun einer Verbindung der unternehmerischen und ordnungspolitischen Perspektive, die ihrerseits dem obersten Gebot - der Beachtung der Interdependenz - insgesamt Rechnung trägt: So soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit einerseits verdeutlicht werden, daß eine Bewältigung der Aufgaben der Stabilisierung, Liberalisierung und Privatisierung nur dann für einen mehr oder minder verläßlichen Rahmen sorgt, der selbst als wesentliche Voraussetzung für die dringend notwendige Aktivierung unternehmerischen Verhaltens aufgefaßt werden kann, wenn die zur Bewältigung dieser Aufgaben ergriffenen Maßnahmen einem „Primat der Ordnungspolitik" unterworfen bzw. an diesem ausgerichtet werden; dabei soll durch die ausführliche Erörterung der grundsätzlichen Determinanten unternehmerischen Verhaltens die Gefahr vermieden werden, erneut der Illusion eines mikroökonomischen Anpassungsautomatismus aufzusitzen. Andererseits kann und wird natürlich ein leistungsfähiges, aktives privatwirtschaftliches Unternehmertum wiederum mittel- und langfristig eine Veränderung der Rahmenbedingungen (des Datenkranzes), eine - die geneigte Leserschaft möge mir dieses Wortspiel verzeihen - Verschiebung der Transformationskurve nach außen bewirken: Ordnungspolitische und unternehmerische Perspektive bzw. Ordnungsstabilität und Unternehmertum gehen also Hand in Hand. Gegenstand der nun folgenden Ausführungen soll es sein, diese Zusammenhänge näher zu beleuchten.
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KAPITEL 3: INSTITUTIONEN, WETTBEWERB UND UNTERNEHMERTUM: DAS INSTITUTIONELLE INTERREGNUM UND DIE UNTERNEHMERISCHE PERSPEKTIVE IM TRANSFORMATIONSPROZEß
Vorbemerkung Wie bereits mehrfach erwähnt, zeichnet sich ein Großteil der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zum Transformationsproblem dadurch aus, daß das Unternehmertum - insbesondere in seiner Bedeutung für Innovation und wirtschaftliche Entwicklung, aber auch im Hinblick auf andere „volkswirtschaftliche Funktionen" - geradezu sträflich vernachlässigt wird, wenn nicht gar vollständig unberücksichtigt bleibt. 1 Es verwundert doch sehr, daß über einen Wandlungsprozeß vom Ausmaß der in Mittel- und Osteuropa stattfindenden Transformation ganzer Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme Bibliotheken mit Fachliteratur gefüllt werden können, ohne maßgebliche „Agenten dieses Wandels" (Röpke 1992, S. 14)2, a i s welche Unternehmer ohne Zweifel anzusehen sind, zu erwähnen, geschweige denn, ihnen einen eigenen Forschungsschwerpunkt zu widmen, wie es etwa für die makroökonomische Stabilisierung, die Privatisierung oder auch die Liberalisierung offenbar selbstverständlich war. Zwar gibt es - wie gesehen - im Rahmen der „Standard-Dreiteilung" der gesamten Transformationaufgabe eine Art eigene Teilaufgabe, die zumeist als „realwirtschaftliche Anpassung" bezeichnet wird. Man ist sich auch weitgehend einig darin, daß diese „sich darauf bezieht, wie die Unternehmen ihre Aktivitäten auf die neuen Bedingungen umstellen (...und daß es, T.B.) eine zentrale Frage ist, wie schnell und in welchem Ausmaß neue Unternehmen gegründet werden und wie der Umbau der alten Unternehmen gelingt. Die alten Unternehmen sind zu entflechten und neu abzugrenzen" (Siebert 1992, S. 25/26). Eine Vielzahl von Autoren räumt zwar auch durchaus ein, daß „das Ziel auf der Unternehmensebene darin (besteht), daß es zu einem Maximum an Dynamik kommt, wofür neu gegründete Unternehmen vielleicht sogar wichtiger sind als privatisierte" ( R u p f , Schimmelmann und Stalf 1993, S. 128/129). Indes muß weitgehend unklar bleiben, wie dies bewerkstelligt wer-
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Nun könnte man etwas sarkastisch anmerken, daß der Umstand der Vernachlässigung des Themenkreises „Unternehmertum und Innovation" zwar bedauerlich, letztlich aber angesichts der lange Zeit neoklassisch dominierten Transformationsliteratur kaum verwunderlich sei, kommt doch die neoklassische Theorie traditionell ohne die Figur des aktiven Unternehmers aus (sieht man einmal von der Oligopoltheorie ab, die insoweit eine gewisse Ausnahme darstellt): So wird der Unternehmer dort bekanntlich zum Mengenanpasser „degradiert"; beispielsweise sucht man in den meisten neoklassischen (Einfiihrungs)Lehrbüchem zur MikroÖkonomik die Figur des Unternehmers auch heute noch vergeblich.
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Eine ähnliche Formulierung findet sich bei North (1990, S. 100), der darauf hinweist, „that the immediate instruments of institutional change are (...) entrepreneurs". (In der von Monika Streissler angefertigten deutschen Übersetzung heißt es, die Unternehmer seien „die unmittelbaren Träger institutionellen Wandels" (North 1992, S. 118; Hervorhebung von mir).
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den soll, wenn nicht zuvor eingehend untersucht wird, unter welchen Bedingungen grundsätzlich überhaupt mit der Entfaltung unternehmerischer Initiative und Dynamik gerechnet werden kann. Die Vernachlässigung des Themenkreises „Unternehmertum und Innovation" in weiten Teilen der Transformationsliteratur ist aus mehreren Gründen so verwunderlich wie bedauerlich: Zum einen wurde zu Beginn des Transformationsprozesses vielerorts und mit Nachdruck der Mangel an Unternehmertum als eines der wesentlichen Defizite bzw. Hauptprobleme in den postsozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas beklagt. Diese Klagen waren nur zu berechtigt und verständlich, hatte es doch innerhalb der Zentralverwaltungswirtschaften über Jahrzehnte hinweg kaum Freiraum für die Entfaltung selbständiger unternehmerischer Privatinitiative gegeben. So mußte es im Grunde von Beginn des Transformationsprozesses an verstärkt um die Entfaltung unternehmerischer Initiative bzw. das Bemühen um deren Entfaltung gehen. Solche Bemühungen können freilich nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn man über gewisse Erkenntnisse darüber verfugt, von welchen Bestimmungsfaktoren unternehmerisches Verhalten denn überhaupt abhängt. Die Tragweite des Problemkreises „Unternehmertum" für die Transformationsländer Mittel- und Osteuropas wird unmittelbar deutlich, wenn man der Argumentation Schumpeters folgt, daß „schöpferische Unternehmer" bzw. die von diesen hervorgebrachten Innovationen die treibende Kraft und Ursache wirtschaftlicher Entwicklung sind. Schumpeter stellt also - in bewußter Abgrenzung zur neoklassischen Theorie - den Unternehmer als handelnden Menschen dar. 3 Damit ist das mittel- und langfristig wohl gravierendste Problem der Transformationsländer angesprochen: Ohne Unternehmertum wird es für sie keine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung geben, und ohne diese wird der wirtschaftliche Entwicklungsrückstand gegenüber den hochindustrialisierten Ländern nicht nur nicht aufgeholt werden können, sondern immer größer werden. Zwar gibt es in der Fülle der Transformationsliteratur durchaus Arbeiten, die ausdrücklich dem mikroökonomischen Bereich gewidmet sind. Gleichwohl beschäftigen sich diese Arbeiten i.d.R. primär mit technischen Fragen der Umstrukturierung des Unternehmenssektors, also mit der sog. „Transformation der alten Betriebsstrukturen"; diese Arbeiten stammen insbesondere aus der Anfangszeit des Transformationsprozesses. Spätere Arbeiten zum mikroökonomischen Bereich sind zumeist „Erfahrungs berichte aus der Praxis", die den Werdegang von Unternehmen verschiedener Branchen während der ersten Transformationsjahre beschreiben; dabei geht es in erster Linie um entflochtene, privatisierte und/oder sanierte Altunternehmen oder Unternehmensteile,
Diese Auffassung findet im übrigen ihre gleichsam (sprich)wörtliche Entsprechung im von Msesschen Begriff bzw. (Untemehmer-)Bild des homo agens. Bei aller Übereinstimmung, was ihre Grundauffassung von unternehmerischer Tätigkeit angeht, unterscheiden sich Schumpeter und von Mises indes maßgeblich hinsichtlich ihrer Vorstellungen darüber, was denn nun den konkreten Inhalt bzw. Gegenstand oder gar Charakter des spezifisch „Unternehmerischen" ausmache. Darauf wird im Zusammenhang mit der Darstellung und Erläuterung verschiedener Unternehmertypen zwar noch ausfuhrlich einzugehen sein, gleichwohl sei bereits an dieser Stelle der Hinweis erlaubt, daß dort der von Misessche Unternehmer durch die gleichsam „modernere Variante" des sog. „findigen" Unternehmers nach Kirzner „ersetzt" wird.
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seltener um neugegründete Unternehmen. Kaum ein Beitrag jedoch beschäftigt sich auf theoretischer Ebene mit den grundsätzlichen Determinanten unternehmerischen Verhaltens sowie der möglichen Bedeutung aktiven Unternehmertums für das Gelingen des Transformations- und das Ingangkommen eines langfristigen Entwicklungsprozesses. So nimmt es nicht wunder, daß auch bei der Analyse der ordnungs- und prozeßpolitischen Fragestellungen der Blick durch die unternehmerische Brille häufig fehlt. Wie bereits erläutert, trifft dies insbesondere auf die englischsprachige Literatur des neoklassisch-monetaristischen „Main-Streams" zu. Derjenige Teil der vornehmlich deutschsprachigen Literatur, der sich etwa der Tradition Euckens und der Freiburger Schule verpflichtet sieht, vermag zwar in wohltuender Weise das ordnungstheoretische und ordnungspolitische Defizit des „Main-Streams" auszugleichen. Indes gelingt ihm die Füllung der „unternehmerischen Lücke" nur bedingt bzw. indirekt, da die Überlegungen auf die Setzung eines neuen Ordnungsrahmens konzentriert sind. So läßt sich etwa die Verwirklichung der Euckenschen Wettbewerbsordnung als erstrebenswertes Ziel der Transformation verstehen. Zwar gibt uns im Grunde das Ziel selbst die ersten zu seiner Erreichung notwendigen Schritte zwingend vor: So kann beispielsweise als unstrittig gelten, daß die Setzung wichtiger Elemente eines solchen Rahmens zu Beginn der Transformation als unabdingbare Voraussetzung fur deren Erfolg anzusehen ist. Allerdings darf neben dieser unabdingbar notwendigen Ordnungs- bzw. Strukturkomponente die Prozeßkomponente, d.h., die innere Logik des Markt- und Wettbewerbsprozesses, nicht vernachlässigt werden. Schließlich besteht das mit der Schaffung und Erhaltung der Wettbewerbsordnung verfolgte Ziel in nicht mehr (aber auch nicht weniger) als der Gewährleistung eines Ordnungsrahmens für das Zustandekommen und den Ablauf von Wettbewerbsprozessen, in deren Zentrum als treibende Kraft das Unternehmertum steht. Beide werden kaum wie Manna vom Himmel fallen - weder die Wettbewerbsordnung im Sinne Euckens noch der diesen Rahmen mit Leben füllende Wettbewerbsprozeß sowie die diesen antreibenden unternehmerischen Kräfte. Daß in Euckens Betrachtung eine dezidierte Analyse der Bestimmungsfaktoren unternehmerischen Verhaltens sowie des Wettbewerbsprozesses im engeren Sinne fehlt, ist zwar unbestritten; gleichwohl steht dahin, ob es in der damaligen historischen Situation einer solchen überhaupt bedurfte, um sein Hauptanliegen deutlich zu machen. Genau dies ist im Hinblick auf die gegenwärtige Transformationsproblematik jedoch anders. Dies deutlich zu machen, ist ein Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit. Freier, gleichwohl Regeln gehorchender Wettbewerb und privatwirtschaftliches Unternehmertum sind die beiden wichtigsten Merkmale entwickelter marktwirtschaftlicher Systeme. Diese Systeme sind nicht per Dekret geschaffen worden, sondern haben sich über einen längeren Zeitraum hinweg entwickelt. Auch und gerade während dieses Entwicklungsprozesses selbst jedoch haben Wettbewerb und Unternehmertum ebenfalls eine entscheidende Rolle gespielt: Sie prägen also nicht nur das Bild bereits etablierter Marktwirtschaften, sondern sie haben diese in starkem Maße „mit-etabliert". Insoweit ist ein Verständnis der inneren Logik des Ablaufs wettbewerblicher Prozesse auch und gerade im Hinblick auf die Transformation von Zentralverwaltungswirtschaften in wettbewerbliche Marktwirtschaften von Bedeutung. Insbesondere der Theorie des institutionellen Wandels verdanken wir Einsichten in die maßgebliche Bedeutung, die Institutio-
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nen in dem Prozeß der Entwicklung marktwirtschaftlicher Systeme zugekommen ist bzw. ihnen innerhalb solch langfristiger und im Grunde stets ergebnisoffener Prozesse grundsätzlich - und deshalb auch weiterhin - zukommt. Der Beginn des Transformationsprozesses in Mittel- und Osteuropa läßt sich demgegenüber als Beispielfall eines abrupten Wandels verstehen. Dennoch kann auch hier die Bedeutung von Institutionen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auch vor diesem Hintergrund leuchtet ein, daß eine neoklassisch dominierte Theorie wenig Fruchtbares zur Erhellung des Transformationsprozesses wird beitragen können, steht doch gerade die Neoklassik fur ein Theorieverständnis, das just von Institutionen und deren Bedeutung für wirtschaftliches Handeln - und damit den Verlauf sowie die Ergebnisse wirtschaftlicher Prozesse - zu abstrahieren pflegt. In einer historischen Situation, in der es jedoch maßgeblich auf die angemessene Berücksichtigung der spezifischen institutionellen „Konstellation" wirtschaftlichen Handelns ankommt, muß eine Theorie, die nicht nur Unternehmer-, sondern auch institutionenfrei und geschichtsblind ist, notwendigerweise versagen, wenn es darum geht zu verstehen und zu erklären, warum den bisherigen Bemühungen um die Etablierung wettbewerbsgesteuerter Marktwirtschaften in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas noch nicht in vollem Umfang der gewünschte Erfolg beschieden war (vgl. in diesem Sinne etwa auch Ees und Garretsen 1994). Autoren wie Schumpeter, Kirzner und auch Heuß* verdanken wir grundlegende Einsichten in die Funktionsweise und den Ablauf von Markt- und Wettbewerbsprozessen. In ihren Arbeiten konzentrieren sie sich auf die solche Prozesse antreibenden internen Kräfte. Ihre Überlegungen stellen also primär auf die system-endogenen Merkmale und Triebkräfte des Markt- und Wettbewerbsprozesses ab: Bei Schumpeter etwa stehen diejenigen Kräfte im Vordergrund, die den komplexen Markt- und Wettbewerbsprozeß ins Rollen bringen, ihn anstoßen. Kirzner wiederum konzentriert sich in seiner Betrachtung auf diejenigen Kräfte, die über besondere Fähigkeiten zum Aufspüren bzw. zur Entdekkung noch ungenutzter Gewinnchancen verfügen; er spricht in diesem Zusammenhang von „Findigkeit" („alertness") und beschreibt den Markt- und Wettbewerbsprozeß „as an ongoing process of creative discovery" (Kirzner 1985, S. IX; Hervorhebung im Original): Der findige Unternehmer nutzt die von ihm aufgespürten und in Preisunterschieden in Raum und Zeit bestehenden Gewinnchancen zu seinem eigenen Vorteil und trägt so gleichzeitig zur Neuerungs- bzw. Wissensdiffusion bei. Beide Unternehmertypen stehen somit gleichsam für eine bestimmte „volkswirtschaftliche Funktion": Der schöpferische Unternehmer Schumpeters für die Innovation und der findige Unterneh-
In diesem Zusammenhang dürfen selbstverständlich von Hayek und von Mises nicht „vergessen" werden. Die Beschränkung auf die drei im Text genannten Autoren ist jedoch keinesfalls zufallig, stellen doch ihre Arbeiten gewissermaßen die Bausteine der an späterer Stelle folgenden Unternehmertypologie dar. Auf von Hayeks Arbeiten zur Wettbewerbsfreiheit im weitesten Sinne sowie zum „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren" und Selektionsprozeß wird an entsprechender Stelle eingegangen. Die Arbeiten Kirzners beruhen im wesentlichen auf dem auf von Mises zurückgehenden (Prozeß-)Verständnis von Wettbewerb und Unternehmertum, so daß dessen Gedankengut und wesentliche Vorarbeiten implizit in den Kirznerschen Überlegungen enthalten und durch diesen weiterentwikkelt worden sind; insofern wird im Zusammenhang mit Kirzners Überlegungen die von Misesschs Vorstellung vom Markt- und Wettbewerbsprozeß im Grunde stets mitgedacht bzw. findet in diesen letztlich ihren gleichsam „aktualisierten Ausdruck".
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mer Kirzners für die Arbitrage. Gleichwohl sei betont, daß diese Zuordnung lediglich einer abstrakten und idealtypischen Betrachtung entspringt. So sollte man sich von der Vorstellung freihalten, daß dem Verhältnis der beiden Unternehmertypen sowie der von ihnen „wahrgenommenen" gesamtwirtschaftlichen Funktionen etwa ein zeitliches Abfolgeschema zugrunde läge: Es handelt sich eher um sich wechselseitig speisende und verstärkende Parallelprozesse, denn um eine zeitliche Abfolge im Sinne eines eindeutigen Ursache-/Wirkungs-Zusammenhangs. Zu einem tieferen Verständnis dieser Zusammenhänge läßt sich gelangen, indem auf die differenzierte Unternehmertypologie zurückgegriffen wird, die Ernst Heuß auf der Basis der Schumpeterschen Polaritätskonstruktion zwischen dem schöpferischem Unternehmer auf der einen und dem „Wirt" auf der anderen Seite entwickelt hat. Nun ist zwar die Heußsche Theorie - und auch seine Untemehmertypologie - für den Einzelmarkt entworfen bzw. auf diesen und dessen Entstehung, Entwicklung und Niedergang bezogen. Dennoch vermittelt sie Einsichten, die durchaus eine differenzierte Betrachtung auch der grundsätzlich gesamtwirtschaftlich, mithin nicht einzelmarktspezifisch konzipierten Theorien Schumpeters und Kirzners, ermöglichen. So gehaltvoll und geeignet die Arbeiten der genannten Autoren zum Verständnis des Markt- und Wettbewerbsprozesses einerseits auch sein mögen, um uns einen Einblick in dessen interne Entstehungs- und Ablaufbedingungen zu gewähren, so wenig können sie uns andererseits helfen, wenn es um die Klärung der externen Voraussetzungen des Zustandekommens von Markt- und Wettbewerbsprozessen geht: Über die dafür notwendigen - inbesondere institutionellen - Rahmenbedingungen (und auch deren Entstehungshintergründe selbst wiederum) erfahren wir wenig. Gerade diese sind jedoch auch und insbesondere für den Transformationsprozeß von entscheidender Bedeutung, da ohne sie das angestrebte Ziel einer wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft im Sinne der o.g. Prozesse nicht erreicht werden kann. Genau an diesem Punkt nun erscheint es sinnvoll, sich der Empfehlungen Walter Euckens für die Schaffung und Erhaltung einer Wettbewerbsordnung zu erinnern. Mit Blick auf den Transformationsprozeß können seine „konstituierenden und regulierenden Prinzipien" auch nach nunmehr fast fünf Jahrzehnten als hervorragende, wenn nicht gar unverzichtbare, Orientierungshilfe angesehen werden, wenn es um die Schaffung und Erhaltung einer Ordnung geht, die als institutioneller Rahmen zur Sicherung des im Zentrum stehenden Wettbewerbs - und damit des Herzstücks eines von wirtschaftlichen Machtgebilden weitgehend freien bzw. ungestörten Marktprozesses - verstanden werden kann (vgl. auch Brendel 1997, S. 98). Indes darf nicht übersehen werden, daß sich ein gewisser Teil der - institutionellen Wirklichkeit dem unmittelbaren Einfluß bewußt gestaltender Ordnungspolitik im Sinne eines „direkten Zugriffs" entzieht. Hiermit ist der Bereich informeller Institutionen wie Normen, Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche etc. angesprochen. Diese werden zwar durchaus von den formellen und einer Ordnungspolitik im Euckenschen Sinne zugänglichen Institutionen maßgeblich geprägt; gleichwohl wirkt sich dieser Einfluß eher im Verlauf längerfristiger Entwicklungsprozesse aus. Eben dieser Umstand berührt den Kern des sog. „institutionellen Interregnums" im Transformationsprozeß. Das Ziel des nun folgenden Kapitels besteht darin, die komplexen Zusammenhänge zwischen formel-
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len und informellen Institutionen sowie unternehmerischem Verhalten und Wettbewerb sowohl grundsätzlich als auch mit Blick auf die Transformation zu erhellen. 1.
Institutionen und Wettbewerb: Rahmen und Bindeglied für die Verknüpfung von unternehmerischer und ordnungstheoretischer Perspektive
1.1. Das Grundproblem: Die Entdeckung „kluger Produktionsumwege" Der Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme hat gezeigt, daß diese offensichtlich nicht über hinreichend effiziente und auch effektive Verfahren der Knappheitsminderung verfügten. Die entsprechenden Ausführungen in Kapitel 2 haben verdeutlicht, daß die sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften Mittel- und Osteuropas Mängel aufwiesen, die innerhalb des Systems dauerhaft nicht behoben werden konnten: Wie dargelegt, war der enormen Ressourcenverschwendung (allokative Ineffizienz) einerseits und der Innovationsschwäche (geringe adaptive Effizienz) andererseits mit halbherzigen Reformen nicht beizukommen - so war der Zusammenbruch letztlich unvermeidlich. In Anlehnung an Eugen von Böhm-Bawerk ließe sich dies zusammenfassend etwa so formulieren: Die sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften haben bei der Entdeckung „mehrergiebiger" bzw. bei der „klugen Wahl lohnender Produktionsumwege" versagt, anders gewendet: Sie haben unkluge Wege (bzw. Umwege) ausgewählt. Die Ausführungen über die Preisverzerrungen und das Phänomen der weichen Pläne gaben uns bereits Aufschluß darüber, daß die Verfehlung des Allokationsziels nicht zu vermeiden war, solange man sich in der Produktionsplanung gleichsam auf dem Boden der Marx sehen Arbeitswertlehre bewegte und deren bereits erläuterten „Kardinalfehler" (Fehl) weiterhin mit sich herumschleppte. Marx hatte, so steht zu vermuten, offenbar „gerade den Gesichtspunkt der "optimalen Allokation' übersehen und (...konnte) insofern keine zutreffende Interpretation des 'Mehrwertes' bzw. des Kapitalprofits geben (...). Oder anders gesagt, indem Marx dem Zins nur eine 'sozialökonomische', aber keine 'naturalökonomische' Rolle zubilligte, nahm er eine 'falsche Abstraktion' vor, so daß er die eigentlichen Produktions- bzw. Wertbildungsvorgänge im kapitalistischen Wirtschaftsprozeß nicht adäquat erfassen konnte" (Fehl 1974, S. 299).5 Die von Marx übersehene bzw. zumindest vernachlässigte ,.naturalökonomische Funktion" (oder auch: „naturale Existenz") des Zinses wurde insbesondere von Eugen von Böhm-Bawerk erkannt und herausgestellt, der vor dem zeitgeschichtlichen HinterDie Berechtigung dieser Vermutung hat sich bereits im Zusammenhang mit der Einführung der sog. „Produktionsfondsabgabe" gezeigt, die ganz offensichtlich mit der Marxschen Arbeitswertlehre nicht in Einklang zu bringen war. Fehl (1974, S. 299) trifft den Nagel auf den Kopf, indem er die Lage der marxistischen Theoretiker in dieser Frage als Dilemma-Situation charakterisiert, deren Überwindung gleichsam einen geistigen Spagat erforderte, den freilich niemand vollbringen kann: „Sie (die marxistischen Theoretiker, T.B.) geraten geradezu in ein Dilemma: insoweit sie Arbeitswerttheoretiker bleiben, können sie nichts über die optimale Allokation der Faktoren aussagen, und insoweit sie die optimale Allokation anstreben, müssen sie die Arbeitswerttheorie aufgeben."
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grund der „Sozialen Frage" einerseits sowie dem theoriegeschichtlichen Hintergrund der Auseinandersetzung mit Marxens Hauptwerk „Das Kapital" andererseits um eine theoretische Erklärung der Ursachen bzw. Entstehungsgründe des Kapitalzinses bemüht war. Den Ausgangspunkt seiner Erklärung bildete die Überzeugung, daß Güter desto weniger wert seien, je später über sie letztlich verfugt werden könne. Diese auf der unterschiedlichen zeitlichen Verfügbarkeit der Güter beruhende Bewertungsdifferenz faßte BöhmBawerk gleichsam als ein die Basis des positiven Kapitalertrages bzw. Kapitalzinssatzes darstellendes Agio auf: „Ich halte es (...) für einen vollkommen richtigen Gedanken, daß der Zins seine letzte Wurzel in einer verschiedenenen Schätzung gegenwärtiger und zukünftiger Güter hat; ich halte es femer für vollkommen richtig, daß an dieser Schätzung (...) Gründe rein psychologischer Natur (...) einen sehr wesentlichen Anteil nehmen" (Böhm-Bawerk 1921, Band I, S. 301 f.) Neben diesem psychologischen Aspekt der „systematischen Minderschätzung zukünftiger Bedarfe" sah Böhm-Bawerk noch eine produktionstechnisch bedingte Ursache des Kapitalzinses: Auf „Erfahrungstatsachen" verweisend, die „keinen Zweifel" zuließen, zeigte er sich davon überzeugt, „daß auch Tatsachen der Produktionstechnik hier ihren Einfluß ausüben" (ebenda). Die Verquickung dieser beiden Teilursachen führte Böhm-Bawerk letztlich zu einer Theorie des Produzentenver/ia/ie«5, das sich nach seiner Auffassung im Grundsatz letztlich nicht von dem der Konsumenten unterscheide: Für das Verhalten der Produzenten sei die von diesen vorgenommene Bewertung der zu unterschiedlichen Zeitpunkten verfügbaren Güter gleichermaßen von Bedeutung wie für die Konsumenten; diese Bewertung selbst wiederum beruhe ihrerseits maßgeblich auf der „größereren technischen Ergiebigkeit der zeitraubenden Produktionsumwege." 6 Die der Böhm-Bawerkschen Theorie des Produzentenverhaltens zugrunde liegende Vorstellung vom Produktionsprozeß als einem zeitraubenden technischen Vorgang, der durch die Existenz von Kapitalgütern im Sinne „vorgetaner Arbeit" erst ermöglicht werde, war im Grundsatz keineswegs neu.7 Da Kapitalgüter jedoch nicht nur als derivative Produktionsfaktoren verstanden werden können, sondern als Hilfsmittel zur Produktion von Konsumgütern gleichzeitig selbst Güter geringer Konsumreife (vulgo: „unfertige Konsumgüter") darstellen, lassen sie sich gleichsam als „Indikatoren eines Umweges in der Produktion"
"Ich bemühe mich darzulegen, daß die Tatsachen der Produktionstechnik, die ich unter den Gesichtspunkt einer größeren technischen Ergiebigkeit der zeitraubenden Produktionsumwege bringe, selbst einen Teilgrund dafür abgeben, daß gegenwärtige Güter, deren Besitz uns das Einschlagen jener ergiebigen zeitraubenden Umwege gestattet, höher geschätzt werden als künftige. Nach dieser Auffassung wirken die produktionstechnischen und die psychologischen Tatsachen schon zu allem Anfang koordiniert, indem sie ihre Wirksamkeit zunächst zu dem gemeinsamen Ergebnisse vereinigen, daß gegenwärtige Güter höher geschätzt werden als künftige: dieses Ergebnis steht dann allein als erklärendes Zwischenglied zwischen den Teilursachen, die es selbst hervorbringen, und dem Kapitalzins, der aus ihm als weitere Folge hervorgeht" (Böhm-Bawerk 1921, Band I, S. 302). So weist etwa Hennings (1989, S. 184) daraufhin, daß auch schon Francois Quesnay „auf die Notwendigkeit von 'avances' (Vorschüssen) für die landwirtschaftliche Produktion den Prototyp einer zeitraubenden Produktion - hingewiesen" habe. Als weitere Autoren nennt er Adam Smith und David Ricardo, in deren Werken sich derselbe Grundgedanke finden lasse. Hennings verweist ferner auf von der Fachwelt „übersehene" Arbeiten von Longfield und Rae aus dem Jahre 1834 sowie auf die „vielbeachteten Schriften" von Senior (1836) und Jevons (1871).
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verstehen: „Sie (die Kapitalgüter, T.B.) werden ja nicht um ihrer selbst willen produziert, sondern nur, um die Produktion von Konsumgütern zu erleichtern oder überhaupt erst möglich zu machen. (...). Ein Teil der in einer Periode zur Verfügung stehenden Ressourcen wird nicht direkt zur Produktion von Konsumgütern verwendet, sondern in der Form von Kapitalgütern gebunden, weil auf diese Art die Ergiebigkeit des Produktionsprozesses gesteigert werden kann. Eine solche 'Umwegproduktion' ist notwendig zeitraubend" (Hennings 1989, S. 184). Es zeigt sich, daß das von Böhm-Bawerk bemühte Bild vom „Umweg" in zweifacher Hinsicht verstanden werden kann. Die Kapitalgüterproduktion bedeutet zum einen einen Umweg in (proà\i\&ions-)technischer Hinsicht; es handelt sich im Grunde um eine „indirekte" Produktion, da hier - im Gegensatz zur direkten (unmittelbaren) Konsumgutproduktion - gleichsam eine Produktionsstufe „vorgeschaltet" wird, auf der zunächst die „Werkzeuge" hergestellt werden, die dann auf der nächsten Produktionsstufe zusammen mit den originären Produktionsfaktoren zur Produktion von Konsumgütern eingesetzt werden. Zum anderen kann in zeitlicher Hinsicht von einem Umweg gesprochen werden: Infolge der zusätzlichen Produktionsstufe nimmt der Produktionsprozeß mehr Zeit in Anspruch; die Kapitalgutproduktion ist also nicht nur eine indirekte, sondern auch eine zeitraubende Produktion. Nun legt die Hinterlassenschaft der jahrzehntelangen Mißwirtschaft der maroden Zentralverwaltungswirtschaften beredtes Zeugnis davon ab, daß die längsten Produktionsumwege keineswegs die besten bzw. „ergiebigsten" sein müssen. Mit anderen Worten: Kein Produktionsprozeß wird allein deshalb notwendig eine höhere Produktivität aufweisen, weil in ihm mehr Kapitalgüter eingesetzt werden. „Klug gewählte Produktionsumwege" im Böhm-Bawerkschen Sinne sind vielmehr (nur) solche, die einer Produktionsfunktion gehorchen, nach der das Produktionsergebnis (der Konsumgüterertrag) pro Periode und Einheit der eingesetzten Faktoren mit zunehmender Zeitdauer (Länge) der Produktionsperiode wächst. 8 Wir wollen Böhm-Bawerk in seiner Annahme folgen, daß sich das Verhalten von Produzenten bezüglich zeitversetzt verfügbarer Güter (auch) aus technischen Gründen nicht von demjenigen der Konsumenten unterscheidet. So läßt sich denn schlußfolgern, daß es in einer Wirtschaft, die sich zeitraubender Produktionsmethoden bedient, immer einen Kapitalzins geben muß. Der Zinssatz hängt dann von der 'Zeitpräferenz' der Konsumenten und der intertemporalen Produktionsstruktur ab. Mithin sah Böhm-Bawerk im Kapitalzins also nicht, wie Hennings (1989, S. 186) zutreffend feststellt, „den Preis für irgendeinen Produktionsfaktor, wie immer wieder vorgeschlagen worden war (...). Kapitalertrag ist (also auch, T.B.) nicht Ausbeutung, sondern die notwendige Folge der unterschiedlichen Bewertung von Gegenwart und Zukunft (...und) stellt sich als eine ökonomische Kategorie heraus, die elementaren ökonomischen Ursachen entspringt." Böhm-Bawerk hat dies ausdrücklich betont, indem er darauf hinwies, daß der Kapitalzins ein systemindifferentes Phänomen, d.h., unabhängig von
Von der Erörterung der Frage, ob eine solche Produktionsfunktion überhaupt existiert und wie sie formuliert werden kann, soll hier ebenso abgesehen werden wie vom Problem der Definition einer „durchschnittlichen" Produktionsperiode. Zu diesen beiden von der Böhm-Bawerkschen Kapitaltheorie unbeantworteten Fragen vgl. ausfuhrlich Fehl (1973); einen Überblick über die wichtigsten Aspekte und grundlegenden Zusammenhänge liefert Fehl (1976a).
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der jeweiligen Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung stets überall dort anzutreffen sei, wo „Gegenwart und Zukunft unterschiedlich bewertet werden" (BöhmBawerk 1921, Band II, S. 347). Damit schließt sich gewissermaßen der Kreis: Wir sind im Grunde zu unserem Ausgangspunkt zurückgekehrt, stellt doch die Betonung des systemindifferenten Charakters des Kapitalzinses nichts anderes als die Anerkennung seiner oben so bezeichneten „naturalökonomischen Funktion" dar. Böhm-Bawerks Äußerungen und Schlußfolgerungen sind insbesondere vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs und der gegenwärtigen Transformation der ehemals „real-sozialistischen" Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa von bemerkenswerter Aktualität. So bestätigte sich endgültig, was sich bereits mit der oben erörterten Einführung der sog. „Produktionsfondsabgabe" angedeutet hatte: daß nämlich der Kapitalzins als ökonomisches Phänomen selbst in einem System entstehen wird, in dem (vermeintlich) „alles Privateigentum an Boden und Kapital aufgehoben (ist), alle Produktivmittel in der Hand der Gesamtheit vereinigt (sind), alle Volksglieder als Arbeiter im Dienste der Gemeinheit tätig (sind) und das Nationalprodukt an Alle (sie!, T.B.) nach Maßgabe der geleisteten Arbeit aufgeteilt (wird)" (Böhm-Bawerk 1921, Band II, S. 431). Um im Bild der „klugen Produktionsumwege" zu bleiben, könnte man sagen, daß in den Zentralverwaltungswirtschaften die „Hauptstraßen" denkbar unklug gewählt waren. In den Improvisationsanstrengungen auf Betriebsebene wiederum ließe sich ein vorsichtiges Bemühen um das Entdecken und leise Beschreiten „kluger Schleichwege" erkennen. Im Zusammenhang mit den Erläuterungen zum Phänomen der weichen Pläne wurde indes deutlich, daß diese Bemühungen, die ja unter den obwaltenden Bedingungen subjektiv durchaus rational waren, gegen die Systemrationalität verstießen und letztlich wie ein „interner Sprengsatz" wirkten. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen läßt sich die Transformationsaufgabe in ökonomischer Hinsicht als das Bemühen um das Beschreiten klügerer Produktionsumwege verstehen. Bevor diese klügeren bzw. ergiebigeren Produktionsumwege jedoch beschritten werden können, müssen sie freilich zunächst einmal entdeckt werden. Eben darin läßt sich nun die vornehmste Aufgabe privatwirtschaftlichen Unternehmertums entdecken. Indem Unternehmer klügere bzw. „mehrergiebige/ergiebigere Produktionsumwege" entdecken und beschreiten, werden sie tatsächlich zu den von J.Röpke so bezeichneten ,.Agenten des Wandels" hin zu einem Wirtschaftssystem, das über effizientere Verfahren der Knappheitsminderung verfügt als die untergegangenen Zentralverwaltungswirtschaften. Die bessere Lösung des Knappheitsproblems erfordert zunächst die Einführung eines in sich widerspruchsfreien Preissystems (zur Lösung des Allokationsproblems i.e.S. durch Erhöhung der allokativen Effizienz), das für beide Marktseiten entsprechende „Signale" setzt und die Orientierung der Produktion an den Wünschen der Nachfrager ermöglicht (produktive Effizienz). Das Preissystem sollte femer Anstrengungen zur Verbesserung der Produktionstechnik bzw. zur Entwicklung neuer Produktionsverfahren lohnenswert erscheinen lassen und so zur Förderung des technischen Fortschritts beitragen (Erhöhung der adaptiven Effizienz).
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Nun mögen die o.g. Veränderungen zwar durch ein entsprechendes Preissystem ermöglicht werden, erzwungen werden sie freilich erst durch den Wettbewerb? Mit dem Wettbewerb ist denn auch das im Verein mit dem Unternehmertum für das Gelingen der Transformation entscheidende Phänomen angesprochen: So ist davon auszugehen, daß dem Zusammenspiel von Wettbewerb und Unternehmertum eine Schlüsselstellung nicht nur im Rahmen bereits etablierter Marktwirtschaften, sondern eben auch und gerade bei der Entdeckung des „richtigen" Weges dorthin, d.h., beim Aufbau und der Entwicklung marktwirtschaftlicher Strukturen und Prozesse zukommt. Nun fallen, wie bereits betont, weder privatwirtschaftliches Unternehmertum noch Wettbewerb wie Manna vom Himmel, im Gegenteil: Ihr Auftreten bzw. Zustandekommen ist an die Erfüllung bestimmter - insbesondere auch institutioneller - Voraussetzungen geknüpft. Dies zu betonen bedeutet, gleichsam den Finger in die Wunde eines Großteils der „traditionellen" Transformationsliteratur zu legen, die sowohl die Bedeutung privatwirtschaftlichen Unternehmertums und seiner Determinanten sowie derjenigen des Wettbewerbsprozesses als auch - damit eng zusammenhängend - die Bedeutung der Voraussetzungen zur Etablierung einer Wettbewerbsordnung bisweilen unterschätzt und entsprechend vernachlässigt hat. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, diese bestätigen jedoch die Regel: So gibt es auch in der englischsprachigen Literatur einige Beiträge, die sich mit „competition" und „entrepreneurship" in der Transformation beschäftigen. Sehr häufig jedoch stehen Fragen wie die Etablierung eines geeigneten Wettbewerbsrechts (incl. Schaffung einer Antimonopolbehörde etc.) oder letztlich doch wieder „traditionelle" Fragen der Privatisierung im Vordergrund. Werden Wettbewerbs theoretische Fragen diskutiert, so ist den meisten selbst dieser, mit Blick auf den „main stream" der Transformationsliteratur zu begrüßenden, „Ausnahmebeiträge" jedoch gemeinsam, daß die Msiktstruktur im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Nach einer Analyse des Markt- bzw. Wettbewerbs/vozesses sucht man zumeist vergeblich. Es sei noch erwähnt, daß auch in einigen Beiträgen der deutschsprachigen Transformationsliteratur, die einen ordnungstheoretischen Schwerpunkt aufweisen - und sich insoweit wohltuend vom „main stream" der Trans-
An dieser Stelle sei beispielsweise auf das seinerzeit vieldiskutierte Wettbewerbskonzept Kantzenbach^ hingewiesen, der dem Wettbewerb die Erfüllung bestimmter gesamtwirtschaftlicher Funktionen zuschreibt. Darauf wird hier allein deshalb zurückgegriffen, weil mir die von Kantzenbach in diesem Zusammenhang vorgenommene Differenzierung zwischen „statischen und dynamischen Funktionen" vor dem Hintergrund obiger Ausführungen zum Preissystem gut zu passen scheint, können doch die Preise ihre Funktionen bekanntlich nur unter Wettbewerbsbedingungen erfüllen. So schreibt Kantzenbach dem Wettbewerb zum einen Allokations- und Distributionsfunktionen zu: Er soll für die optimale Allokation der Produktionsfaktoren sowie der produzierten Güter und Dienstleistungen sorgen, um auf diese Weise sowohl eine kostengünstige und an den Präferenzen der Nachfrager orientierte Produktion als auch eine marktleistungsgerechte Entlohnung und Einkommensverteilung zu ermöglichen. Zum anderen kommen dem Wettbewerb Adaptions- und Fortschrittsfunktionen zu: So soll durch den Wettbewerb sichergestellt werden, daß die flexible Anpassung der Produktionskapazität und des Produktionsablaufs an nachfrage- und angebotsseitige Datenänderungen gelingt. Die Fortschrittsfunktion des Wettbewerbs hängt eng mit der Anpassungsfunktion zusammen: So soll der Wettbewerb auch für eine beschleunigte Durchsetzung des technischen Fortschritts sorgen. Insoweit könnte man in diesem Zusammenhang auch von einer Innovations- und einer Imitations- bzw. Diffusionsfunktion des Wettbewerbs sprechen (vgl. ausfuhrlich Kantzenbach 1966).
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formationsliteratur abheben -, die Analyse des Wettbewerbsprozesies· und seiner „Agenten" in Gestalt verschiedener Unternehmertypen ebenfalls zu kurz kommt. In diesen Arbeiten wird (i.d.R. in enger Anlehnung und/oder unter ausdrücklicher Berufung auf Walter Eucken) zwar die Bedeutung der Voraussetzungen zur Etablierung einer Wettbewerbs Ordnung betont, das Unternehmertum bleibt allerdings auch hier häufig eine Art .Anhängsel". 1 0 Was insgesamt, d.h. sowohl in der englisch- als auch in der deutschsprachigen Transformationsliteratur, in der Regel ebenfalls fehlt, ist die „Personalisierung" bzw. „Ent-Institutionalisierung" der Entrepreneurship-Diskussion: Der Unternehmer selbst wird kaum einmal in den Vordergrund gestellt, geschweige denn wird eine Differenzierung verschiedener Unternehmertypen vorgenommen." Allerdings möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich auf eine Ausnahme von dieser „Regel" aufmerksam machen, auf die ich leider erst unmittelbar vor der Drucklegung bzw. Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit aufmerksam geworden bin: Hartwig, Staudt, Bestel und Rahe (1998) haben jüngst einen Beitrag vorgelegt, in dem sie sich explizit mit „Gründertypen im Transformationsprozeß" beschäftigen. Dieser Beitrag ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil in ihm tatsächlich „das unternehmerische Element in der Transformation" in den Mittelpunkt gerückt und - in völliger Übereinstimmung mit der hier vertretenen Kernthese - festgestellt wird, daß „ein zentraler Faktor im Übergang vom Plan zum Markt (...) private Unternehmer sind, die als ökonomische Impulsgeber den Transformationsprozeß beschleunigen (...und durch ihre, T.B.) Kreativität und unternehmerische Findigkeit das Fundament für strukturelle, beschäftigungs- und wachstumspolitische Effekte (bilden)" (ebd., S. 219). Über diese allgemeine Feststellung - und die bereits darin zum Ausdruck kommende grundsätzliche Übereinstimmung mit unserem Ansatz hinaus - ist dieser Beitrag jedoch noch aus zwei „spezielleren" Gründen hochinteressant: Die Autoren differenzieren nicht nur ausdrücklich zwischen verschiedenen Typen von Unternehmensgründem, sondern sie stellen diese „Gründertypen" in die dynamische Entwicklung des Transformationsprozesses hinein, wobei sie - in Anlehnung an die Marktphasentheorie von Heuß - verschiedene
Vgl. neben den einschlägigen Beiträgen von Schüller, Gutmann, Weber u.a. auch die hervorragende Monographie von Keilhofer (1995). Es sei noch einmal betont, daß die hier genannten Arbeiten nicht zum kritisierten „main stream" der „traditionellen" (neoklassisch-monetaristischen) Transformationsliteratur gezählt werden, sondern insoweit bereits Ausnahmen darstellen. Die Autoren des „main stream" vernachlässigen sowohl das Unternehmertum und den Wettbewerbsprozeß als auch grundlegende Erkenntnisse der Ordnungstheorie insgesamt geradezu sträflich. Der entscheidende Grund für diesen bedauernswerten Umstand wird wohl schlicht in der Tatsache bestehen, daß deutschsprachige Literatur - und die ordnungstheoretische Literatur ist zumeist deutschsprachige Literatur - insbesondere in den USA kaum zur Kenntnis genommen wird.
Vgl. beispielhaft etwa die Beiträge von Sereghyovà (1993) Dallago, Ajani und Grancelli (eds.) (1992) sowie Estrin und Cave (eds.) (1993), die im Grunde alle die o.g. „Defizite" aufweisen. Gleichwohl sollen einige begrüßenswerte Ausnahmen nicht verschwiegen werden: Vgl. dazu insbesondere etwa Brezinski und Fritsch (eds.) (1996 und 1997) sowie ferner OECD (ed.) (1996). Dort heißt es sehr zutreffend (S. 7): „The development of small and medium-sized enterprises (SMEs) in central and eastern Europe has received relatively little attention in comparison with other aspects of the transition process. This is surprising because SMEs are playing a key role in the restructuring of former centralised economies."
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Transformationsphasen unterscheiden. Das von ihnen behauptete Analogon zur (Kernaussage der) Heußsehen Theorie begründen die Autoren mit der Feststellung, daß bestimmte Transformationsphasen von bestimmten Gründertypen dominiert bzw. maßgeblich geprägt werden. 12 1.2. Wettbewerbstheoretische Grundlagen 1.2.1. Wettbewerbstheorie versus Preistheorie Wettbewerbliche Vorgänge sind hochkomplex und vielschichtig. „Es ist daher kaum möglich, einen Begriff von Wettbewerb verbindlich vorzugeben" (Delhaes und Fehl 1997, S. 2). Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, daß es auch nicht die Wettbewerbstheorie, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher wettbewerbstheoretischer Ansätze gibt. Allen diesen Ansätzen ist jedoch eines gemeinsam: die Unzufriedenheit mit der traditionellen neoklassischen Preistheorie und dem Modell der vollkommenen Konkurrenz als wettbewerbliches Referenzmodell. Es versteht sich, daß diese Ansätze hier nicht sämtlich aufgeführt und erläutert zu werden brauchen 1 3 , gleichwohl soll im nächsten Abschnitt auf einige wenige etwas näher eingegangen werden. Die o.g. Unzufriedenheit mit der traditionellen Preistheorie als Mikrotheorie läßt sich zum einen bereits an dem gleichsam programmatischen Begriff selbst festmachen: Eine mikroökonomische Theorie - will sie tatsächlich eine Theorie der Unternehmung sein hat die Entstehung, das Überleben und das Ausscheiden von Unternehmen im Wettbewerbsprozeß zu erklären. Will eine solche Theorie auch nur einen minimalen Anspruch auf Brauchbarkeit für die Erklärung realer Phänomene erheben dürfen, so kann sie schwerlich nur den Preis als Aktionsparameter berücksichtigen. Es gilt also, zu einer mikroökonomischen Theorie zu gelangen, die mehr als bloße Preistheorie ist, da ja der Wettbewerb zwischen Unternehmen längst nicht (mehr) nur als Preiswettbewerb stattfindet. 14 Die Kritik richtete sich zum anderen gegen die Gleichgewichtsorientierung der
Auch wenn - aus den bereits angedeuteten Gründen - auf Einzelheiten nicht (mehr) näher eingegangen werden kann (bzw. konnte), so soll doch folgende prinzipielle Anmerkung nicht fehlen: Den interessanten und bemerkenswerten Überlegungen von Hartwig/Staudt et al. ist im Grundsatz zwar zuzustimmen, gleichwohl sei kritisch angemerkt, daß die Analogie zwischen den //einsehen Marktphasen und den von den Autoren beschriebenen Transformationsphasen zumindest in einem nicht unwesentlichen Punkt „hinkt": Heußens Theorie stellt auf die Entwicklung des Einzelmarktes ab, die vom innovativen Unternehmer „angestoßen" wird. Es fragt sich, wie das Auf und Ab, das Neben- und Übereinander der verschiedenen Zyklen hier analog erfaßt und dargestellt werden soll, wenn als Vergleichs- bzw. Referenzgröße gleichsam die gesamte Transformation „an sich" (bzw. die Transformation „als solche") gewählt wird. Vgl. etwa die Kurzübersicht bei Fehl (1990); einen Überblick liefert ferner Berg (1995, hier insbes. S. 245-261); zum Verhältnis von Preis- und Wettbewerbstheorie siehe etwa Borchert und Grossekettler (1985). Schumpeter (1950/1993a, S. 139/140) brachte dies einst treffend wie folgt zum Ausdruck: „Das erste, was weichen muß, ist der überlieferte Begriff des modus operandi der Konkurrenz. Die Ökonomen entwachsen nun endlich dem Stadium, wo sie nur Preiskonkurrenz sahen und sonst nichts. Sobald die Qualitätskonkurrenz und der Kundendienst in die geheiligten Gefilde der (neoklassischen, T.B.) Theorie zugelassen werden, ist die Preisva-
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Preistheorie, wobei im Mittelpunkt deren Ausrichtung auf den Gleichgewichtszustand, mithin ihr statischer Charakter steht. Die Welt der neoklassischen Preistheorie besteht aus Daten: Es wird von gegebenen Präferenzen und Produktionsfunktionen, d.h., von gegebenen Nachfrage- und Angebotsfunktionen, sowie von einer festen Anzahl von Teilnehmern auf beiden Marktseiten, also von einer gegebenen Marktstruktur bzw. Marktform ausgegangen. Während sich die Preistheorie auf die Analyse von Gleichgewichtszuständen konzentriert, „die sich innerhalb eines bestimmten Datenkranzes herausbilden (...), interessiert sich die Wettbewerbstheorie (...) mehr für die Marktprozesse, welche allenfalls zu solchen Gleichgewichtslagen erst hinfuhren können" {Fehl 1990, S. 1276; Hervorhebung im Original). Für den zwischen zwei (fiktiven) Gleichgewichtszwständen liegenden Marktprozeß ist also das Ungleichgewichtige gewissermaßen konstitutiv. Insofern ist die Wettbewerbstheorie, die den Marktprozeß zum Gegenstand hat, also stets und grundsätzlich eine Ungleichgewichts-Theorie. Es gibt eine Vielzahl wettbewerbstheoretischer Ansätze, die den Ungleichgewichts- bzw. Prozeßcharakter des Wettbewerbs in unterschiedlicher Art und Weise thematisieren. Die letztlich allen der im folgenden grob skizzierten wettbewerbstheoretischen Ansätzen gemeinsame Aufgabe kann darin gesehen werden, über die Funktionsmechanismen und den Ablauf wettbewerblicher Prozesse im Sinne grundlegender Ursache-AVirkungs-Zusammenhänge aufzuklären. Nur wenn die Wettbewerbstheorie diese Aufgabe erfüllt, kann sie als wissenschaftliche Grundlage praktischer Wettbewerbspo/¡í/¿ dienen 15 und so letztlich die beiden Hauptanforderungen erfüllen, die etwa Hans Albert (1976) an die Wissenschaft im allgemeinen - also auch die Wirtschaftswissenschaft im besonderen - stellt: Sie soll aufklären und steuern.16
1.2.2. Einige wettbewerbstheoretische Ansätze im Überblick • Allokations- versus Innovationsfunktion des Wettbewerbs: Grundsätzliche kungen zum Ausgangspunkt einer evolutorischen Wettbewerbstheorie
Anmer-
nable aus ihrer beherrschenden Stellung vertrieben. Es ist jedoch immer noch die Konkurrenz innerhalb eines starren Systems unveränderter Bedingungen (...), die praktisch alle Aufmerksamkeit monopolisiert. In der kapitalistischen Wirklichkeit jedoch, im Unterschied zu ihrem Bild in den Lehrbüchern, zählt nicht diese Art von Konkurrenz, sondern die Konkurrenz der neuen Ware, der neuen Technik, der neuen Versorgungsquelle, des neuen Organisationstyps (...) - jene Konkurrenz, die über einen entscheidenden Kostenoder Qualitätsvorteil gebietet und die bestehenden Firmen nicht an den Profit- und Produktionsgrenzen, sondern in ihren Grundlagen, ihrem eigentlichen Lebensmark trifft. Diese Art der Konkurrenz ist um so viel wirkungsvoller als die andere (die innovationslose „Schlafmützenkonkurrenz", T.B.), wie es ein Bombardement ist im Vergleich zum Aufbrechen einer Tür" (Hervorhebung im Original). Zum Verhältnis von Wettbewerbstheorie und -politik siehe neben dem bereits genannten Beitrag von Berg (1995) grundsätzlich etwa: Willeke (1980), Herdzina (1993) sowie Schmidt (1993). Auch hier hat die Preistheorie im übrigen „versagt" - ein Aspekt, der zweifellos mit zu der weitverbreiteten Unzufriedenheit beigetragen hat. So weist etwa Fehl (1990, S. 1276) darauf hin , daß „sich die überlieferte Preistheorie als unzulänglich (erwies), als man sie auf konkrete Wettbewerbsfälle im Rahmen der Rechtsprechung der Antitrust-Politik anzuwenden begann."
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Da es in der preistheoretischen Betrachtung üblich ist, „den Wettbewerb von seinem Ergebnis, nämlich vom Endzustand der optimalen Allokation, her zu beurteilen" und die Analyse hier auf einen anzustrebenden Gleichgewichtszustand innerhalb eines Rahmens konstanter Daten („Datenkranz") abstellt (s.o.), bedeutet dies, den Wettbewerb letztlich als „Maschinerie zur Herbeiführung der sogenannten optimalen Allokation" zu betrachten (Delhaes und Fehl 1997, S. 2 und S. 3). Die grundlegende Kritik an dieser gleichgewichtsorientierten, auf maximale (statische) Effizienz ausgerichteten, allokationslogischen Betrachtung geht bekanntlich auf Schumpeter zurück: In seiner im Jahre 1912 erschienenen „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" stellt er der herrschenden (Preis-)Theorie und ihrer Betonung der Allokationsfunktion die Innovationsfunktion des Wettbewerbs gegenüber und wird damit - wie Delhaes und Fehl (1997, S. 3) hervorheben - „zum Vater der evolutionären Wettbewerbstheorie. In dieser Sicht wird der Wettbewerb als ein gleichgewichtsfernes Geschehen unter Ungewißheit aufgefaßt." Zwar legt Schumpeter damit keine Theorie des Wettbewerbs/wzesses im engeren Sinne vor (vgl. auch Arndt 1994, S. 29, FN 7), gleichwohl kommt ihm das Verdienst zu, dem Gleichgewichts-Extrem der geschichts-, Institutionen- und unternehmerlosen neoklassischen Preistheorie ein Ungleichgewichts-Extrem gegenübergestellt und damit gleichsam einen Gesamtrahmen wettbewerbstheoretischer Analyse abgesteckt zu haben. Von zentraler Bedeutung fur Schumpeters Ansatz ist die Figur des „schöpferischen Unternehmers", durch dessen Innovationstätigkeit („Durchsetzung neuer Kombinationen") die o.g. Ungleichgewichte erst geschaffen, d.h., die bestehenden Strukturen des Datenkranzes aufgebrochen werden. Ist der Innovator erfolgreich, so ruft er Nachahmer auf den Plan, die an den neu erschlossenen Gewinnmöglichkeiten partizipieren wollen. Von der Geschwindigkeit des Auftretens dieser Imitatoren hängt es ab, wie lange der erfolgreiche Innovator seine temporäre Monopolstellung halten kann. Ob und unter welchen Umständen tatsächlich mit einem schnellen und - in seiner Diktion - „scharenweisen" Auftreten der Imitatoren zu rechnen ist, darüber finden sich bei Schumpeter keine Angaben; gerade dies jedoch wäre etwa für eine /Voze/ftheorie im engeren Sinne notwendig gewesen. Gleichviel: Sind die Imitatoren erst einmal angelockt, wird der schöpferische Unternehmer zu einer erneuten Innovation gezwungen, da er der zunehmenden Erosion seiner Gewinne aus der „alten" Innovation nur durch Schaffung einer neuen (temporären) Monopolstellung entgegenwirken kann. • Konzept des „funktionsfähigen Wettbewerbsfreiheit"
Wettbewerbs"
versus „neuklassisches
Konzept
der
Auch wenn Schumpeter zwar keine Theorie des Wettbewerbsprozesses im engeren Sinne vorgelegt hat, wird vor dem Hintergrund obiger Anmerkungen doch immerhin deutlich, daß wir ihm den Hinweis auf den grundsätzlichen Prozeßcharakter des Wettbewerbs verdanken: Wettbewerb läßt sich verstehen als ein Prozeß von „Vorstoß und Verfolgung" (Schumpeter), als Wechselspiel zwischen Innovation und Imitation. Die Geschwindigkeit, mit der die Vorsprungsgewinne eines erfolgreichen Innovators durch die nachfolgenden Imitatoren weggeschmolzen werden, war etwa für Kantzenbach Indikator der auf dem betreffenden Markt vorhandenen „Wettbewerbsintensität". In seiner bereits erwähnten Habilitationsschrift „Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs" (1966) ging er der Frage nach, ob es eine „optimale Wettbewerbsintensität" gebe, von der die
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bestmögliche Erfüllung der gesamtwirtschaftlichen Funktionen des Wettbewerbs erwartet werden könne. Bekanntlich bejahte er diese Frage und stellte die These auf, daß die optimale Wettbewerbsintensität erreicht werde, wenn eine bestimmte Marktform (das „weite Oligopol") im Verein mit einem bestimmten „Grad der Marktunvollkommenheit" („mäßige Produktdifferenzierung und eingeschränkte Markttransparenz") vorliege. Obwohl diese Hauptthese des in Anlehnung an Clark („workable competition") entwikkelten Kantzenbachschen Ansatzes, der fest auf dem Boden des Marktstruktur/Marktverhalten/Marktergebnis-Paradigmas steht, in der Fachwelt keinesfalls nur Zustimmung fand, hat sie erheblichen Einfluß auf die Wettbewerbspolitik in Deutschland gehabt. So stand diese These beispielsweise Pate bei der GWB-Novelle von 1973, in deren Rahmen mit der Fusionskontrolle als wettbewerbspolitisches Instrument eine eindeutig auf die Marktstruktur abstellende Vorschrift in das Gesetz aufgenommen wurde.17 Wenngleich die vielfältige Kritik an Kantzenbachs Konzept hier nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden kann, soll doch zumindest auf einige Einwände kurz eingegangen werden: Zum einen wurde eine starke Vereinfachung in der Behauptung gesehen, die Intensität des Wettbewerbs sei ausschließlich von einer bestimmten Marktstruktur - dem „weiten Oligopol" - abhängig. Damit eng verbunden ist die Kritik an der Statik des Ansatzes - schließlich wird eine dynamische Betrachtung im Grunde ausgeschlossen. Entsprechend bemängelt beispielsweise Berg (1995, S. 256), daß „dieses Konzept die kaum akzeptable Behauptung einer abnehmenden (potentiellen) Intensität des Wettbewerbs beim Eintritt neuer Anbieter in einen als weites Oligopol strukturierten Markt (impliziert). Auch wird ungeachtet möglicher Unterschiede in der Innovationshäufigkeit für alle Märkte ein Wettbewerb gleicher Intensität angenommen, auf denen die Geschwindigkeit, mit der Vorsprungsgewinne weggeschmolzen werden, gleich groß ist." Auch Kaufer (1966) bezweifelt, ob das weite Oligopol per se die besten Voraussetzungen für rege Innovationstätigkeit bietet. Ferner fragt sich, wie das weite Oligopol konkret vom Polypol auf der einen und vom engen Oligopol auf der anderen Seite abgegrenzt werden soll. Unklar bleibt auch, ob und auf welche Weise die Wettbewerbsintensität exakt gemessen werden kann (vgl. Zohlnhöfer 1991). Mit Blick auf die konkrete wettbewerbspolitische Relevanz ist im übrigen zu fragen, ob nicht mit dem „weiten" Oligopol als Referenz- bzw. Zielgröße ein zu einfaches Rezept für die Wettbewerbspolitik abgeleitet und eine gewisse „Machbarkeit" der Marktform suggeriert wird. Denn schließlich muß ja konsequenterweise ausgehend vom engen Oligopol eine Entflechtung, ausgehend vom Polypol die Förderung von Kooperationsvereinbarungen oder gar Fusionen empfohlen werden, um auf politischen Wege die „optimale" Marktform des „weiten" Oligopois zu erreichen (vgl. hierzu auch Berg 1995, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Neben den o.g. Einwänden ist noch eine ganz bestimmte, grundsätzliche Kritik am Kantzenbachschen Ansatz zu nennen, auf die im folgenden etwas näher eingegangen werden soll. Diese Kritik wurde insbesondere von Erich Hoppmann vorgebracht, der
Vgl. dazu ausfuhrlich Kartte (1969), Fehl und Schreiter (1998).
(1997) sowie auch
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dem Konzept des „funktionsfähigen Wettbewerbs" das von ihm selbst so bezeichnete „neuklassische Konzept der Wettbewerbsfreiheit" gegenüberstellte. 18 Hoppmann kritisiert Kantzenbachs Ansatz wegen dessen ausschließlich ökonomisch-funktionaler Ausrichtung: Der Wettbewerb sei schließlich mehr als ein bloßes Instrument zur bestmöglichen Erfüllung rein (gesamt)wirtschaftlicher Funktionen, er habe bzw. sei ein „Wert an sich". Hoppmann begründet dies unter Rückgriff auf die liberalen Ideen der Klassiker damit, daß durch den Wettbewerb Freiheitsspielräume geschaffen würden, die den Menschen Entfaltungsmöglichkeiten böten, welche nicht nur im rein ökonomischfunktionalen bzw. instrumentalen Sinne zu verstehen, sondern darüber hinaus auch als Chance zur Verwirklichung, Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu interpretieren seien: Nach Hoppmann (1967a, S. 150) ist „wirtschaftliche Freiheit (...) nur ein Aspekt der individuellen Freiheit im gesamten gesellschaftlichen Bereich." Da das Zustandekommen von Wettbewerb jedoch ebenfalls an die Bedingung von Freiheit geknüpft ist, stehen Wettbewerb und Freiheit in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis: Einerseits ist Wettbewerb ohne Wettbewerbsfreiheit (i.e. Freiheit zu wettbewerblichem Handeln) nicht denkbar. Andererseits schafft der Wettbewerb selbst immer wieder neue Freiheitsspielräume. Da die Freiheit eines einzelnen dort an Grenzen stößt, wo ihre Nutzung bzw. Ausübung die Freiheit eines anderen einschränkt 19 , bedarf das
Vgl. insbesondere Hoppmann (1966) und Kantzenbachs Erwiderung (1967) sowie ferner Hoppmann (1968). Als weiterer Vertreter des neuklassischen Konzepts der Wettbewerbsfreiheit, das mit von Hayeks Idee einer auf Basis abstrakter Regeln entstehenden spontanen Ordnung korrespondiert, sei etwa - neben von Hayek selbst - auch Dieter Schmidtchen genannt (vgl. Schmidtchen 1976/1977, 1978 und 1988). Nota: Im Zusammenhang mit der kritischen Diskussion der Kernargumente Kantzenbachs ist selbstverständlich auch auf die Marktphasentheorie von Emst Heuß zu verweisen. Zwar sind die in seiner „Allgemeinen Markttheorie" (1965) vorgestellten Überlegungen - wie unschwer allein schon aus der zeitlichen Überschneidung zu erkennen ist - nicht in expliziter Auseinandersetzung mit Kantzenbachs Arbeit (1966) entstanden. Gleichwohl sei die Marktphasentheorie, auf die noch ausführlich eingegangen werden wird, an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt, da sie einen Versuch darstellt, die drei Elemente Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis in verschiedene Phasen der Marktentwicklung einzubetten. Auf diese Weise wird die eindimensionale und deterministische Verknüpfung dieser Elemente aufgehoben, wie sie im „traditionellen" MS-MV-ME-Paradigma zum Ausdruck kommt, das letztlich auch dem Modell Kantzenbachs zugrundeliegt. In diesem Sinne auch Eucken (1948, S. 73): „So wenig der Mensch seine eigene Freiheitssphäre aufheben darf, so wenig darf er die Freiheitssphäre der anderen mißachten. Hier an der Freiheitssphäre der anderen findet seine Person ihre Grenzen." Indes kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, daß es sich bei dieser Feststellung um einen Gemeinplatz handelt. Den Versuch einer Konkretisierung findet man bei von Hayek (1971, S. 174): „Der Zweck dieses (geschützten) Bereichs kann nicht sein, die Menschen gegen alle Handlungen anderer, die sie schädigen könnten, zu schützen, sondern nur gewisse Daten für ihre Tätigkeit gegen die Manipulation durch andere zu schützen. Bei der Bestimmung, wo die Grenzen des geschützten Bereichs gezogen werden sollen, ist die Frage wichtig, ob die Tätigkeiten anderer Personen, die wir verhindert sehen wollen, die vernünftigen Erwartungen der geschützten Person tatsächlich stören" (Hervorhebungen von mir; zur Konkretisierung des o.g. „Gemeinplatzes" vgl. im übrigen auch Röpke (1977, S. 423 ff.). Nota: An dieser Stelle klingt die bereits erwähnte - und an späterer Stelle noch etwas ausführlicher zu erläuternde - besondere Bedeutung an, die Regeln bzw. Institutionen für die Reduktion von Ungewißheit zukommt: Sie sollen die Bildung von Erwartungen - insbesondere bezüglich des Verhaltens anderer - ermöglichen bzw. erleichtern.
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Abstraktum ,Freiheit" einer gewissen Konkretisierung. Diese Konkretisierung erfolgt dadurch, daß ein gewisser Freiraum abgesteckt wird, innerhalb dessen jene wettbewerblichen Aktivitäten möglich bzw. erlaubt sind, die dann letztlich die Schaffung der o.g. Freiheitsspielräume ermöglichen sollen. Die Abgrenzung dieses Freiraums, die der Schaffung und Sicherung der Wettbewerbsfreiheit dient, erfolgt durch Festlegung von Handlungsrechten20 ; insoweit gewinnt die Theorie der Handlungsrechte („Property Rights") an Bedeutung, auf die an späterer Stelle noch ausfuhrlich eingegangen werden wird. So notwendig die Wettbewerbsfreiheit auch ist, sie allein garantiert noch nicht das Zustandekommen von Wettbewerb, müssen doch die durch sie grundsätzlich geschaffenen Möglichkeiten auch tatsächlich genutzt werden. Dazu wiederum bedarf es der Aktion von Menschen, die über die entsprechende WeXtbeweibsbereitschaft und Wettbewerb sfahigkeit verfügen, mit anderen Worten: Als hinreichende Bedingung für Wettbewerb müssen hinzukommen „der Wille und die Befähigung zur kompetitiven Aktion" (Berg 1995).21 Nun ist davon auszugehen, daß diese Fähigkeit und Bereitschaft unter den Akteuren keinesfalls etwa gleichverteilt ist: Die Menschen - hier vor allem: die Unternehmer - unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Kompetenz und Motivation. Damit ist, wie Fehl (1990, S. 1277) zu Recht betont, „ein wichtiges Moment des Wettbewerbsprozesses bezeichnet, nämlich die Verschiedenartigkeit. Diese bezieht sich (jedoch, T.B.) keineswegs nur auf die Unterschiedlichkeit der Menschen (...), sondern auch auf die Unterschiedlichkeit der Aktionsparameter: Nicht alle Akteure müssen gleichzeitig zum selben Aktionsparameter greifen, sondern können dem Vorstoß eines Konkurrenten durchaus mit einem anderen Aktionsparameter begegnen. Auf diese Weise lebt der Wettbewerbsprozeß von der Vielfalt und produziert zugleich Vielfalt" (Hervorhebung im Original). Offensichtlich kommt es also auf die Verbindung von Wettbewerbsfreiheit mit unternehmerischer Initiative und Dynamik an. Hoppmann ist davon überzeugt, daß diese stets auch ökonomische Vorteile erwarten lasse. In einer Art „Harmoniethese" (Berg 1995, S. 257) verquickt er die Wettbewerbsfreiheit untrennbar
Dies korrespondiert im übrigen ebenfalls mit den Vorstellungen von Hayeks: Dieser hebt bekanntlich, wie von Delhaes und Fehl (1997, S. 6 und S. 7) betonen, „den Wettbewerb nicht nur als Entdeckungsverfahren hervor, sondern betont in der Nachfolge der Klassiker (...), daß dieser Wettbewerbsprozeß nur innerhalb eines bestimmten Systems von allgemeinen, abstrakten und für unbestimmte Zeit gültigen Regeln ablaufen kann. (...). Die Berücksichtigung von Regelsystemen oder ganz allgemein von Institutionen bedeutet zugleich, die jeweiligen Handlungsrechte der Wirtschaftssubjekte im Wettbewerbsgeschehen als bedeutsam herauszustellen." Hoppmann (1968, S. 11) spricht im Zusammenhang mit der hier erwähnten Wettbewerbsbereitschaft von einer Art „Wettbewerbsgeist": „Erstens muß bei wenigstens einem Teil der an diesem Marktprozeß Teilnehmenden ein 'spirit of competition' vorhanden sein; zweitens müssen die Marktprozesse durch wirtschaftspolitisch installierte 'Spielregeln' in die gewünschten Bahnen gelenkt werden können." Erst dann könne davon ausgegangen werden, daß es sich bei „diesem Marktprozeß" (s.o.) tatsächlich um „Wettbewerb" handele, denn: „Unter Wettbewerb verstehen wir jenes komplexe System von Marktprozessen, das aufgrund der Freiheit, an Marktprozessen teilnehmen und innerhalb dieser nach eigenem Plan tätig werden zu können, herauswächst. Wettbewerb ist deshalb mit Hilfe der Wettbewerbsfreiheit als der differentia specifica zu definieren" (Hoppmann 1972, S. 9; Hervorhebung von mir).
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mit „guten ökonomischen Marktergebnissen": „Wettbewerbsfreiheit und ökonomische Vorteilhaftigkeit sind zwei Aspekte desselben wettbewerblichen Prozesses, sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb kann es keinen Konflikt und kein Problem der Vorrangigkeit zwischen beiden Zielen geben" (Hoppmann 1968, S. 21). Nach Hoppmanns Verständnis bedeutet Wettbewerbsfreiheit zunächst die grundlegende Abwesenheit von Wettbewerbsbeschränkungen; deren Verhinderung bzw. Beseitigung wird damit zur wichtigsten Aufgabe der Wettbewerbspolitik. Ein solches Wettbewerbshemmnis könne beispielsweise in Gestalt „ungebührlicher Marktmacht (undue market power)" {Hoppmann 1968, S. 31) auftreten. Marktmacht könne insgesamt eine Reduktion von Wettbewerbsfreiheit und damit auch schlechtere ökonomische Marktergebnisse bedeuten, wenn ihre Träger sie (mißbräuchlich) nutzen, um die Freiheit anderer einzuschränken. Auf diese Weise würde Wettbewerb zu einem Nullsummenspiel, evtl. gar zu einem Negativsummenspiel. Von der Existenz solch „ungebührlicher Marktmacht" bzw. entsprechend negativen Auswirkungen könne immer dann ausgegangen werden, „wenn die Freiheit zum Wettbewerbsvorstoß und zur Reaktion auf wettbewerbsrelevante Aktionen - oder auch die Freiheit, zwischen Alternativen wählen zu können - nicht mehr hinreichend gegeben ist" (Berg 1995, S. 257; Hervorhebung von mir). 22 •
Weitere Anmerkungen zur evolutorischen „Evolutionsfunktion " des Wettbewerbs
Wettbewerbstheorie:
Wissen und die
An dieser Stelle bietet es sich an, noch einmal auf das Schumpetersche Wettbewerbsverständnis als Prozeß von Vorstoß und Verfolgung zurückzukommen, das sich in obigem Zitat widerspiegelt. Wir sahen bereits, daß der Wettbewerb nach Schumpeter Innovationen hervorbringt, ja gleichsam zur Innovation zwingt. Diese durch den Wettbewerb vorangetriebene "Durchsetzung neuer Kombinationen", die innovative "Andersverwendung des Produktionsmittelvorrates" (Schumpeter) konkretisiert sich beispielsweise in neuen Produkten und Produktionsverfahren, kurz: in neuem Wissen. In Anlehnung an von Hayek (1969i, S. 249), der „den Wettbewerb (...) als ein Verfahren zur Entdeckung von Tatsachen" bezeichnet hat, „die ohne sein Bestehen entweder unbekannt bleiben oder doch zumindest nicht genutzt werden würden", ließe sich sagen, daß dieses neue Wissen gleichsam durch den Wettbewerb „entdeckt" wird. Da das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung von Wettbewerb, wie dargelegt, an die Gewährung von Wettbewerbsfreiheit gebunden und die vom Wettbewerb entdeckten Tatsachen bzw. die Marktergebnisse grundsätzlich nicht vorhersagbar sind, ist die Gewährung und Ausnutzung von Wettbewerbsfreiheit offensichtlich untrennbar mit dem Phänomen der Ungewißheit verknüpft. Eben diese Ungewißheit bezieht sich auch auf den Markt- bzw.
Die im Text erwähnte „Freiheit, zwischen Alternativen wählen zu können", hebt im Grunde ab auf eine zweite Dimension der Wettbewerbsfreiheit, die bisher vernachlässigt wurde. So ist für Hoppmann (1968, S. 15) das Vorliegen eines wettbewerblichen Marktprozesses an die Voraussetzung geknüpft, daß „diese Freiheiten auf beiden Marktseiten gegeben sind" (Hervorhebung von mir). Es geht also offenbar nicht nur, wie etwa Tolksdorf (1969, S. 62) betont, um die „Freiheit zu Wettbewerb unter den Konkurrenten, d.h. Freiheit zu Initiative, zu Vorstoß in technisches, ökonomisches und organisatorisches Neuland, aber auch zu Nachfolge und Imitation, sondern eben auch um die Freiheit der Marktgegenseite, aus mehreren Alternativen auswählen zu können, die ihr aufgrund des freien Wettbewerbs die andere Seite anzubieten vermag" (Hervorhebung von mir).
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Wettbewerbsprozeß selbst. Entsprechend heißt es bei Hoppmann (1967, S. 84): „Welche Art von Marktprozessen das schöpferische Ingenium des Menschen bei aufrechterhaltener Wettbewerbsfreiheit hervorbringen wird, ist deshalb grundsätzlich unbekannt." 23 Der Wettbewerb ist also nicht nur ein Instrument zur möglichst effizienten Nutzung des in einer Gesellschaft weitverstreuten vorhandenen Wissens, sondern auch zur Schaffung neuen Wissens: „Wettbewerb wird als ein wissensverwertender und damit letztlich auch als wissenschaffender Prozeß interpretiert" (von Delhaes und Fehl 1997, S. 5; in diesem Sinne auch Schreiter 1997, S. 105). Auf diese Weise wird der Wettbewerb zu einem Werkzeug, das einerseits der Bewältigung von Vielfalt und Komplexität dient, darüber hinaus jedoch andererseits selbst zur Schaffung neuer bzw. zusätzlicher Vielfalt und Komplexität beiträgt. Vor diesem Hintergrund ließe sich also von einer „Evolutionsfunktion" des Wettbewerbs sprechen. So ist es gerade diese Bedeutung des Wettbewerbs als „Motor" zur Schaffung neuen Wissens (unbeschadet seiner Bedeutung als Instrument zur Nutzung vorhandenen Wissens), die letztlich den Kern des auf Schumpeter zurückgehenden evolutorischen Wettbewerbskonzepts ausmacht (so auch Kerber 1997, S. 32): Der Wettbewerb bringt Innovationen und damit neues Wissen hervor. Dieses Wissen kann jedoch seine positive Wirkung zum Wohle der gesamten Volkswirtschaft letztlich nur entfalten, wenn es nicht Monopolwissen des Innovators bleibt. Das Wissen muß diffundieren - und eben dafür sorgt die der Innovation nachfolgende Imitation 24 . Dies macht deutlich, „wie der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren arbeitet. Es ist die Rivalität, welche die Akteure dazu veranlaßt, neues Wissen nicht nur ständig zu suchen, sondern es auch so rasch wie möglich umzusetzen. Neuerungen werden damit zur entscheidenden Triebkraft des Wettbewerbsprozesses, der dadurch eine evolutorische Dimension enthält" (Fehl 1990, S. 1277; Hervorhebung im Original). • Die Theorie des Marktprozesses als Wettbewerbstheorie: Zur „ Vervollkommnung" der evolutorischen Wettbewerbstheorie Die o.g. evolutorische Dimension des Wettbewerbsprozesses wird jedoch durch Schumpeters Theorie allein nicht hinreichend erfaßt bzw. „ausgeleuchtet"; das in Gestalt dieser Theorie verfugbare Gerippe muß gleichsam noch mit Fleisch gefüllt werden. Hierzu hat insbesondere die Österreichische Schule wichtige Beiträge geliefert: Auch sie kritisiert die Gleichgewichtsorientierung der traditionellen Preistheorie und hebt stattdessen „auf den Marktprozeß, also auf Gleichgewichtsferne und auf die Subjektivität von Präferenzen, Perzeptionen und Erwartungen ab. Mit der Herausstellung der Zum Verhältnis von Freiheit und Ungewißheit vgl. femer grundsätzlich Heuß (1965a). So auch von Delhaes und Fehl (1997, S. 6): „Gerade die Imitation ist es aber, die zur Verbreitung von Wissen im Marktsystem beiträgt." Sie weisen daraufhin, daß es sich bei der Imitation nicht notwendig stets um eine „schlichte Replikation" der Innovation handeln muß: Zum einen kann es eine 'Abweichung nach unten' geben; das bedeutet, „daß eine vermeintliche Replikation infolge Irrtums durchaus bereits Varianten hervorbringen kann". Zum anderen kann es eine 'Abweichung nach oben' geben: So wird „der Imitator oft nicht eine schlichte Kopie der Aktivitäten des Innovators, sondern gleichzeitig eine Verbesserung derselben anstreben. So kommt in aller Regel ein Überflügelungsverhalten ins Spiel: Der Wettbewerbsdruck erzeugt damit durch das Zusammenspiel von Innovation und Imitation eine anhaltende Motivation, neues Wissen zu suchen mit der Intention, ein prozessuales Monopol aufzubauen (...)."
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Subjektivität kommen aber Kategorien wie Verschiedenartigkeit (Heterogenität) und Vielfalt ins Spiel" (von Delhaes und Fehl 1997, S. 6). Diese Kategorien waren bereits als bedeutsam herausgestellt worden. Durch sie werden, wie die vorgenannten Autoren (ebd.) betonen, „zusammen mit dem Wettbewerbsdruck, der aus Innovation und Imitation resultiert, (...) dem Knappheitsminderungsverfahren Wettbewerb wichtige Dimensionen erschlossen." Die Bedeutung der Österreichischen Schule bzw. der von ihr wesentlich geprägten Marktprozeßtheorie für eine Theorie des evolutionären Wettbewerbs klingt im Grunde bereits in von Hayeks Begriff des „Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren" an. Die ausdrückliche Bezugnahme auf von Hayek gebietet es jedoch, gerade mit Blick auf die hier in Rede stehenden Wissenskategorien eine gewisse Relativierung - oder besser: Konkretisierung - vorzunehmen: Im Zusammenhang mit dem von Innovationen vorangetriebenen Wettbewerbsprozeß war bereits von „neuem Wissen" die Rede. Wenn von Hayek (1969i, S. 250) von „Tatsachen (spricht, T.B.), die wir mit Hilfe des Wettbewerbs entdecken wollen", stellt er allerdings primär auf eine Wissenskategorie ab, die etwa als „Preis- und Marktwissen" bzw. „ökonomisches Wissen im engeren Sinne" bezeichnet werden könnte. Dasselbe gilt, wenn er im Zusammenhang mit seiner Kritik an der preistheoretischen Annahme einer 'gegebenen' Menge knapper Güter darauf hinweist, daß „einer der Umstände, die der Wettbewerb erst entdecken soll", ja gerade derjenige ist, „welche Güter knapp oder welche Dinge Güter sind, oder wie knapp oder wertvoll sie sind" {Hayek 1969i, S. 253). Auf die Kategorien des technischen und/oder organisatorischen Wissens indes geht von Hayek in seiner Betrachtung nicht ein, was er im übrigen selbst ausdrücklich betont („Auf die Rolle, die der Wettbewerb im Fortschritt des verfugbaren technischen Wissens spielt, will ich hier nicht eingehen", ebd., S. 260). Nun haben wir bereits angedeutet, daß aber gerade diese Wissenskategorien für den hier im Mittelpunkt stehenden Innovationswettbewerb von besonderer Bedeutung sind. Eben daraufheben auch von Delhaes/Fehl (1997, S. 8) mit ihrem Hinweis ab, daß „der gesamte Neuerungsprozeß aufs engste mit der Erzeugung, Verarbeitung und Übertragung von neuem Wissen verschwistert (ist)". Auch sie betonen, daß „sich von Hayek in seinen frühen Arbeiten zwar in erster Linie auf Informationen über Preise oder Verfügbarkeiten von Gütern und Dienstleistungen konzentriert" habe und heben hervor, daß „die gleiche Argumentation a fortiori (auch, T.B.) für technisches und organisatorisches Wissen" gelte.
1.3. Grundlagen einer Theorie des Unternehmertums: Unternehmertypen und die Determinanten unternehmerischen Verhaltens - ein erster Überblick Die Konkursverwaltung ist ein außerordentlich schwieriges und kompliziertes Geschäft, das in der Regel Fachanwälten und Wirtschaftsprüfern überlassen wird. Die Verwaltung einer so gewaltigen Konkursmasse, wie sie die Hinterlassenschaft der maroden Zentralverwaltungswirtschaften und ihrer jahrzehntelangen Mißwirtschaft darstellt, ist eine Aufgabe gewaltigen Ausmaßes, an deren Lösung sich in den letzten Jahren neben den o.g. Berufsgruppen auch eine Fülle von Politikern und Bürokraten mehr oder weniger erfolgreich versucht hat. Es ist dies nicht der Ort, darüber zu spekulieren, was hätte vermieden werden und wer was unter welchen Umständen hätte besser machen können. Wie dem auch immer sei - unbeschadet bisheriger Erfolge (und Mißerfolge) im Bereich der ,.Konkursverwaltung" im engeren Sinne steht jedenfalls fest, daß
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der Aufbau neuer wirtschaftlicher Substanz, die Gründung neuer und die Sanierung alter Unternehmen sowie die „Gestaltung" des Wirtschaftsprozesses (im nichtkonstruktivistischen Sinne) weder von Anwälten oder Wirtschaftsprüfern noch von Politikern und Bürokraten, sondern in erster Linie von privatwirtschaftlichen Unternehmern erwartet werden kann: Die Entdeckung und „Eroberung" kluger bzw. ergiebiger Produktionsumwege zur effektiveren und effizienteren Knappheitsminderung ist eine zuvorderst unternehmerische Aufgabe. Die Unternehmer haben sich im Markt- bzw. Wettbewerbsgeschehen zu bewähren; in diesem Zusammenhang wurde bereits auf das Phänomen der Verschiedenartigkeit und Vielfalt hingewiesen. So verwundert es nicht, daß der um möglichst realitätsnahe Abbildung und Erklärung unternehmerischen Handelns im Wettbewerbsprozeß bemühte Teil der wirtschaftstheoretischen Literatur verschiedene Arten von Unternehmertum beschreibt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß es realiter eine Vielzahl von Unternehmertypen gibt, deren Verhalten mit dem schlichten Gewinnmaximierungskalkül allein keinesfalls hinreichend erklärt werden kann. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit sollen einige dieser Unternehmertypen, die jeweils eine bestimmte Art von Unternehmertum repräsentieren, vorgestellt werden. Dabei wird allerdings keine gänzlich neue Untemehmertypologie vorgelegt, vielmehr wird auf einzelne Elemente bereits vorhandener Unternehmertypologien zurückgegriffen. Im Vordergrund stehen hier der „schöpferisch-innovative" Unternehmer als Hauptfigur der Entwicklungstheorie nach Schumpeter und der „findige" Unternehmer, dem in der Theorie des Marktprozesses der Österreichischen Schule - hier in der an von Mises angelehnten Version von Kirzner - zentrale Bedeutung zukommt. Ferner werden betrachtet der „spontan-imitierende" und der „unter Druck reagierende" Unternehmer, die in der einzelmarktorientierten Marktphasentheorie nach Heuß eine wichtige Rolle spielen, sowie der sog. „Routine-Unternehmer". Dessen Figur entstammt zwar grundsätzlich der neoklassischen Theorie; indes soll deren „naiver" Version in dieser Arbeit eine „aufgeklärte" Version - etwa in Anlehnung an die Theorie von Schultz - gegenübergestellt werden. Bevor auf die o.g. Unternehmertypen en detail eingegangen wird, bedarf es freilich zunächst einer Analyse der grundsätzlichen Determinanten unternehmerischen Verhaltens. Dabei wird auf eine Art „Filter-Modell" zurückgegriffen, das von Jochen Röpke entwickelt wurde. 25 Danach hat unternehmerisches Verhalten - wie jedwedes menschliche Verhalten überhaupt - bestimmte „Filter" zu passieren, bevor es letztendlich aktualisiert und damit tatsächlich beobachtbar wird: Das Verhalten muß erstens erlaubt, das betreffende Individuum zweitens zu diesem Verhaltenföhig und drittens dazu motiviert sein. Das in Rede stehende Verhalten darf also vom bestehenden System der Handlungsrechte nicht untersagt sein, das betreffende Individuum muß über die fur dieses Verhalten notwendigen motivationalen und kognitiven Fähigkeiten verfugen, und es muß sich von den konkreten Umweltherausforderungen zu diesem bestimmten Verhal-
In diesem Zusammenhang wären verschiedene Arbeiten Röpkes zu nennen. Darauf wird jedoch an dieser Stelle bewußt verzichtet, da es hier zunächst lediglich um einen ersten Überblick bzw. eine kurze Einfuhrung in die Thematik gehen soll. Im weiteren Verlauf der Arbeit jedoch wird dann selbstverständlich auf die entsprechenden Quellen verwiesen werden.
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ten motiviert fühlen. 26 In enger Anlehnung an Röpkes Analyse wird dieses Modell zunächst ausführlich zur Untersuchung der Bestimmungsgründe innovativen Unternehmerverhaltens genutzt, bevor dann der Versuch unternommen wird, es auch auf die anderen Unternehmertypen anzuwenden. Bei diesem Vorgehen lassen sich selbstverständlich gewisse Überschneidungen bzw. Wiederholungen nicht vermeiden; sie werden jedoch bewußt kurz gehalten, indem auf die entsprechenden Ausführungen an früheren Stellen verwiesen wird. Es wird davon ausgegangen, daß die Anwendung dieses Modells vor dem spezifischen Hintergrund der Transformation durchaus fruchtbar sein und interessante Einblicke in die Hintergründe der noch weitgehend unzureichenden wirtschaftlichen (unternehmerischen) Eigendynamik in vielen Transformationsländem vermitteln kann. Obwohl der Versuch unternommen wird, das „Filter-Modell" auf verschiedene Unternehmertypen anzuwenden, liegt das Hauptaugenmerk - sowie die entsprechend ausführlichste Analyse - auf seinem ursprünglichen Anwendungsbereich: den Bestimmungsgründen des Verhaltens schöpferisch-innovativer Unternehmer im Sinne Schumpeters, da davon ausgegangen wird, daß dies gerade auch im Zusammenhang mit dem Problem der Systemtransformation von besonderer Bedeutung ist. Die kurzen Ausführungen zum Konzept der Wettbewerbsfreiheit und auch die wenigen Andeutungen über die Bedeutung des handlungsrechtlichen Filters („Dürfen") für das Unternehmerverhalten haben deutlich gemacht, daß unternehmerisches Handeln bzw. das Zustandekommen von Wettbewerb zunächst an die Erfüllung bestimmter notwendiger Bedingungen geknüpft ist. In diesem Zusammenhang kommt den institutionellen Voraussetzungen von Wettbewerb und Unternehmertum besondere Bedeutung zu; diesen bzw. deren Erörterung ist der nun folgende Abschnitt gewidmet. Da die Zusammenhänge von Institutionen, institutionellem Wandel, Wettbewerb, Unternehmertum und ökonomischer Leistungsfähigkeit letztlich von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Hauptanliegens der vorliegenden Arbeit sind und nach meiner festen Überzeugung den Kern des hier behandelten Transformationsproblems ausmachen, wird der Gegenstand der „Institutionen" bewußt ausführlich behandelt. 1.4. Institutionelle Voraussetzungen von Wettbewerb und Unternehmertum Institutionelle Voraussetzungen von Wettbewerb und Unternehmertum lassen sich zunächst als äußerer (Ordnungs-)Rahmen verstehen, der eine gewisse Mindeststabilität
Im Vorgriff auf spätere Ausfuhrungen sei bereits darauf hingewiesen, daß ein System von Handlungsrechten aus formellen und informellen Handlungsrechten bzw. Institutionen besteht, die gleichsam den „Rahmen" wirtschaftlicher Aktivität darstellen. Hierzu finden wir bei North (1992, S. 40) eine interessante Bemerkung, die eine enge Verwandtschaft mit dem oben skizzierten „Filter-Modell" von Röpke aufweist: „Institutionen schaffen für den Tausch den Rahmen (...). Wie gut Institutionen die Probleme der Koordination und Produktion lösen, hängt ab von der Motivation der Spieler (deren Nutzenfunktion), der Komplexität der Umwelt und der Fähigkeit der Spieler, die Umwelt zu erfassen und zu ordnen (...)" (Hervorhebung von mir). Nota: Im weiteren Verlauf der Arbeit wird verschiedentlich auf das amerikanische Original dieser Schrift zurückgegriffen (North 1990). An dieser Stelle erschien mir jedoch die von Monika Streissler stammende deutsche Übersetzung fast passender als das Original, wo es heißt: „Institutions provide the structure for exchange (...)" (ebd., S. 34; Hervorhebung von mir).
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aufweisen muß, damit innerhalb der von ihm abgesteckten Grenzen der von unternehmerischem Handeln angetriebene und geprägte dynamische Wettbewerbsprozeß ablaufen kann. Nun hat jedoch nicht nur der Wettbewerb Prozeßcharakter, sondern auch der institutionelle Rahmen selbst ist im Zeitablauf - insbesondere in langer Frist - gewissen Veränderungen unterworfen. Diese Veränderungen des Rahmens schaffen nicht nur stets andere Bedingungen fur die Wettbewerbsprozesse, sondern werden ihrerseits selbst wiederum vom Verlauf der Wettbewerbsprozesse bzw. vom diese maßgeblich prägenden unternehmerischen Verhalten stark beeinflußt, wenn nicht gar mitverursacht. Um diese Zusammenhänge näher zu erläutern, werden im nun folgenden Abschnitt zunächst einige grundlegende Anmerkungen zur Theorie der Institutionen und des institutionellen Wandels gemacht. Dabei wird deutlich werden, daß die gegenwärtige Transformation in Mittel- und Osteuropa einen - abrupten - Sonderfall des üblicherweise schrittweise verlaufenden Prozesses institutionellen Wandels darstellt. In diesem Zusammenhang werden wir zwangsläufig auf das für den Transformationsprozeß charakteristische Phänomen des „institutionellen Interregnums" stoßen. 1.4.1. Institutionen und institutioneller Wandel 1.4.1.1. Grundsätzliche Anmerkungen Wollte man sich der berühmten Worte bedienen, die Theodor Fontane den alten Briest aussprechen läßt, so ließe sich sagen, daß wir mit dem Bereich der Institutionen „ein weites Feld" betreten. Dies wird allein schon anhand der geradezu babylonisch zu nennenden Vielfalt der Definitionen deutlich, in deren Gestalt uns der Begriff der „Institutionen" begegnet. Bei Truu (1997, S. 141) findet sich ein ganzer Katalog von Definitionen dieses Begriffs. 27 Auch Kiwit/Voigt (1995, S. 117) beklagen, „daß der Begriff der Institution als Sammelbecken für die unterschiedlichsten Phänomene dient. Sitten, Konventionen, Gesetze, Verträge, Schiedsgerichte, Supermärkte und der Preismechanismus: es scheint kaum ein Phänomen zu geben, das nicht unter den Begriff der Institution gefaßt wird." In diesem Sinne äußert sich auch Leipold (1996, S. 104), der in Anlehnung an Nelson (1995, S. 81) - von einem „Sammeltopf (spricht, T.B.), in den höchst unterschiedliche Objekte gesteckt werden." Klärung tut also not, schließlich gilt, wie Ostrom (1986, S. 4) zu Recht betont: „No scientific field can advance far if the participants do not share a common understanding of key terms in their field (..., and) the multiplicity of uses for a key term like 'institutions' signals a problem." Selbstverständ-
Danach werden unter „Institutionen" unter anderem verstanden: „widely prevalent habits of thought" (Vehlen, 1924:190), „established ways of doing things" (Mitchell, 1969:611), „broad patterns of behavior" (Dixon, 1941:13), „nodal points of society" (Lachmann, 1970:50), „patterns of economic organization" (Gruchy, 1966:8), „regularity in social behavior" (Schotter, 1981:11), „rules of conduct" (Hayek 1976:128) sowie „enablers for human action" (Hodgson, 1993:xvii). Nota: Auf den Seiten 152/153 des Beitrages von Truu (1997) finden sich die vollständigen bibliographischen Angaben zu den o.g. Zitaten, die im übrigen - mit Ausnahme der Zitate Hayeks und Lachmanns - von mir ungeprüft übernommen wurden.
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lieh soll hier keine „Begriffsnationalökonomie" (Eucken 1940, S. 33 ff.)28 betrieben werden. Gleichwohl erscheint es angebracht, zunächst eine gewisse Struktur in die nahezu unüberschaubare Vielfalt der verwendeten Begriffe und Definitionen zu bringen. Entsprechend wird der Versuch unternommen, sie vermittels einiger weniger Kriterien zu ordnen bzw. zumindest grob zu klassifizieren. So lassen sich unter dem Begriff „Institutionen" zum einen Organsationen im Sinne hierarchisch strukturierter, oft bürokratischer Gebilde wie Behörden, Ministerien etc., aber auch Unternehmen verstehen. Zum anderen kann unter dem Begriff der Institution - wie u.a. etwa bei Williamson (in Anlehnung an grundlegende Arbeiten von Coase) ein bestimmtes Arrangement bzw. ein bestimmter Mechanismus zur Koordination wirtschaftlicher Transaktionen verstanden werden: In diesem Zusammenhang wird unterschieden zwischen der dezentralen Koordination über den Markt und der zentralen Steuerung über die Unternehmung/Hierarchie. Ferner sei noch auf die von Lachmann vorgenommene Differenzierung zwischen inneren und äußeren Institutionen verwiesen. Schließlich lassen sich unter Institutionen auch primär Regeln verstehen. Ein solches Institutionenverständnis, dem wir uns im weiteren Verlauf dieser Arbeit anschließen wollen, findet sich etwa bei North, der zwischen „formgebundenen" und „formlosen" Institutionen unterscheidet. Zu ersteren zählen Gesetze, Verordnungen - im weitesten Sinne also schriftlich kodifiziertes Recht -, während unter letzteren soziale Normen, Traditionen bzw. traditionelle Wertvorstellungen, Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche („Verhaltenskodices") subsumiert werden können. 29 Der Northschen Unterscheidung zwischen „formlosen und formgebundenen Beschränkungen" entsprechen also die von mir bisher verwendeten Begriffe „formelle und informelle Institutionen". Ebenso besteht eine enge Verwandtschaft zur Unterscheidung zwischen „formellen und informellen Handlungsrechten" (vgl. Brockmeier 1997), auf die an späterer Stelle noch kurz eingegangen werden wird, sowie - freilich mit gewissen Einschränkungen - zu der bereits erwähnten, von Lachmann (1963) vorgenommenen Differenzierung zwischen „inneren und äußeren Institutionen". Allerdings sei betont, daß Lachmanns Analyse gleichsam einen „wirtschaftssystemspezifischen Anwendungsfall" der Institutionenanalyse darstellt: Er stellt ausdrücklich auf die Institutionen der Marktwirtschaft ab. Mithin liegt die o.g. Verwandtschaft zwischen formellen und informellen Institutionen im allgemeinen und den von Lachmann so bezeichneten „inneren und äußeren Institutionen der Marktwirtschaft" im besonderen weitgehend nur für die „äußeren" und die „formellen" Institutionen vor: Unter den äußeren Institutionen versteht Lachmann (1963, S. 66/67) das „notwendige Rahmenwerk der marktwirtschaftlichen Ordnung", das von den ,.klassischen Nationalökonomen (...) im wesentlichen mit der Rechtsordnung identifiziert (wurde)" (Hervorhebung von mir). Er nennt
Die entsprechenden Ausfuhrungen Euckens in seinen oben zitierten „Grundlagen der Nationalökonomie" sind im übrigen als eigenständiger Kurzbeitrag u.d.T. „Kritik der 'Begriffsnationalökonomie'" wiederabgedruckt in: Jochimsen und Knobel (Hrsg.) (1971, S. S. 161-165). Da auf sämtliche dieser Ansätze im Verlauf der Arbeit - unter Verweis auf entsprechende Quellen - näher eingegangen werden wird, scheint es statthaft, an dieser Stelle auf solche Verweise zu verzichten.
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insoweit die Eigentumsordnung, den allgemeinen Rechtsschutz bzw. Rechtssicherheit, den Gläubigerschutz und die Gerichtsbarkeit. Davon unterscheidet er nun „die inneren Institutionen, die sich im Marktgeschehen langsam herausbilden und die Entwicklung von primitiven zu höheren Marktformen begleiten, wie etwa das Termingeschäft, die Börse und das Versicherungswesen. Sie sind Geschöpfe, nicht Voraussetzungen des Marktes. Sie entstehen, um Erfordernissen des Marktes zu genügen (...). Ihe Entstehung, Wandlung und ihr Dahinsinken stellen also Anpassungserscheinungen dar" (ebd., S. 67). Der Unterschied des Begriffspaares „äußere und innere" Institutionen zu dem allgemeineren der „formellen und informellen/formlosen" Institutionen besteht offenbar darin, daß Lachmann - gleichsam an die Tradition des sog. „Älteren Institutionalismus" der Klassiker wie Smith, Mill et al. anknüpfend - einen mehr oder weniger eindeutigen Ursache-/Wirkungszusammenhang zwischen diesen beiden Arten von Institutionen betont und die inneren Institutionen gewissermaßen als Resultante der äußeren Institutionen darstellt: Die inneren Institutionen entstehen und vergehen innerhalb des durch die äußeren Institutionen erst ermöglichten und „umrahmten" wettbewerblichen Anpassungs- und Ausleseprozesses (vgl. hierzu etwa auch Schüller 1983d). Insofern mag man aus Sicht der Theorie des institutionellen Wandels, die (gemeinsam mit der evolutorischen Wettbewerbstheorie) eben auch die äußeren Institutionen dem Wandel bzw. der wettbewerblichen Selektion unterwerfen will, bemängeln, daß der Charakter des Miteinanders bzw. der wechselseitigen Beeinflussung der verschiedenen Institutionen etwas zu kurz kommt - und damit der mögliche Einfluß von allgemeinen Überzeugungen, Werten, Traditionen, Sitten und Gebräuchen, Verhaltensgewohnheiten etc. auf die Herausbildung und insbesondere die Wirksamkeit äußerer Institutionen. 30 Gleichwohl sind Lachmanns Ausfuhrungen bzw. die von ihm vorgenommene Differenzierung im Zusammenhang mit dem Problem der Systemtransformation durchaus von Bedeutung, unterstreichen sie doch mit Nachdruck die Unverzichtbarkeit insbesondere einer stabilen Rechtsordnung fur das Zustandekommen wettbewerblicher Marktprozesse. Im Vorgriff auf den weiteren Verlauf der Arbeit sei an dieser Stelle betont, daß die einander „entsprechenden" Bezeichnungen auf der formellen wie der informellen Seite (Institution, Regel, Beschränkung, Handlungsrecht) im folgenden - vorbehaltlich ausdrücklich anderer Kennzeichnung - zunächst synonym verwandt werden, wobei der Begriff der „Institution" gleichsam eine Art Oberbegriff darstellt.31 Die Hauptfunktion von
Darauf wird an späterer Stelle unter dem Stichwort „Amalgam" von Institutionen bzw. „Institutionenmatrix" noch ausfuhrlich eingegangen werden. Ähnlich Kiwit/Voigt (1995); anders hingegen beispielsweise Schreiter (1994, S. 11, FN 37), der folgende Differenzierung (bzw. Konkretisierung) vornimmt: „Regeln werden nur dann zu Institutionen, wenn sie sich auf breiter Front durchsetzen und als Beurteilungskriterium ftir das Verhalten anderer Marktteilnehmer benutzt werden, also für deren Verhalten eine Restriktion setzen." Schreiter stellt offenbar darauf ab, daß jede Regel umgangen werden kann, ohne daß deshalb zwangsläufig gleich deren „Hülle" untergehen muß. Indes fragt sich, welche Wirksamkeit eine Regel entfalten kann bzw. welche Funktion ihr überhaupt zukommt, wenn sie keine wirksame „Verhaltensrestriktion" setzt bzw. nicht als „Beurteilungskriterium für das Verhalten anderer" aufgefaßt werden kann. So kann gewiß davon ausgegangen werden, daß auch „einfache" Regeln zu ihrer Wirksamkeit der allgemeinen Anerkennung und Gültigkeit bedürfen. Im folgenden sollen, wie bereits betont, die Begriffe „Regel" und „Institution" synonym verwandt werden, wobei allerdings durchaus
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Institutionen ist darin zu sehen, daß sie den Menschen die Bildung wechselseitig verläßlicher Verhaltenserwartungen ermöglichen. Um die Erfüllung dieser Funktion sicherstellen zu können, bedarf es neben den zwei o.g. Arten von Institutionen, die auch als formelle und informelle Regeln bezeichnet werden können, noch einer dritten Art, die der Durchsetzung dieser Regeln dient. Leipold (1996, S.105) spricht in diesem Zusammenhang von „Metaregeln"; North selbst (1990 bzw. 1992) geht auf diese dritte Art von Institutionen nicht ausdrücklich ein. 32 Dennoch scheint mir seine folgende Definition als begriffliche Grundlage für die weitere Untersuchung am besten geeignet zu sein: „Institutionen sind die Spielregeln einer Gesellschaft oder, formlicher ausgedrückt, die von Menschen erdachten Beschränkungen menschlicher Interaktion. (...). Um es in der Sprache des Ökonomen zu sagen: Institutionen definieren und limitieren den Wahlbereich des einzelnen. Unter Institution verstehen wir jegliche Art von Beschränkung, die Menschen zur Gestaltung menschlicher Interaktion ersinnen. (...). Institutionelle Beschränkungen umfassen sowohl das, was dem einzelnen zu tun untersagt ist, als gelegentlich auch die Voraussetzungen, unter denen Personen gewisse Tätigkeiten vornehmen dürfen. Nach dieser Definition sind sie also der Rahmen für menschliche Interaktion. (...). Dementsprechend gestalten sie die Anreize im zwischenmenschlichen Tausch, sei dieser politischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art" (North 1992, S. 3 u. S. 4). Nach eigenen Angaben besteht das Hauptziel seiner Arbeit für North darin, „eine Erklärung für die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von Wirtschaften über die Zeit zu finden." Für ihn steht „praktisch außer Frage, daß Institutionen die Leistung von Wirtschaften beeinflussen (und) daß die unterschiedliche Leistung von Wirtschaften über die Zeit wesentlich davon beeinflußt ist, wie sich deren Institutionen wandeln." Zusammengefaßt bedeutet dies: „Institutioneller Wandel bestimmt die Art und Weise der Entwicklung von Gesellschaften über die Zeit" (alle Zitate aus North 1992, S. VII und S. 3). Dem kann nur ausdrücklich zugestimmt werden - auch und gerade vor dem aktuellen Hintergrund des Zusammenbruchs der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften und deren gegenwärtiger Transformation. Mit o.g. Feststellungen hat North im Grunde die beiden wesentlichen Erkenntnisziele des Forschungsprogramms der sog. Neuen Institutionenökonomik umrissen: „Erstens die Erklärung der Entstehung und des Wandels von Institutionen (choice of rules) und zweitens die Erklärung der Wirkungen von Institutionen auf das Verhalten der Individuen und damit auf wirtschaftliche und politische Prozesse (choice within rules)" (Leipold 1996, S. 93; Hervorhebungen von mir). Da die Transformation von Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen, bei der es bekanntlich insbesondere um eine grundlegende Veränderung der institutionellen Rahdie grundsätzliche Möglichkeit der Existenz „inhaltsleerer" formeller Institutionen konzediert sei. In seiner Ansprache anläßlich der Verleihung des Nobel-Preises (am 9.Dezember 1993) allerdings erwähnt North diese dritte Art von Institutionen, die er als „enforcement characteristics of institutions" bezeichnet: „Institutions are the humanly devices constraints that structure human interaction. They are made up of formal constraints (e.g., laws, constitutions), informal constraints (e.g., norms of behavior, conventions, self-imposed codes of conduct), and their enforcement characteristics. Together they define the incentive structure of societies and specificically economies" (North 1994, Hervorhebungen von mir).
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menbedingungen geht, hier im Mittelpunkt der Betrachtung steht, wollen wir uns im folgenden auf das erste Erkenntnisziel konzentrieren. Ich bin der Überzeugung, daß die Northschc Theorie der Institutionen und des institutionellen Wandels eine wichtige Grundlage für das Verständnis des institutionellen Interregnums darstellt und damit einen Ansatzpunkt fur die Klärung des mit diesem eng verbundenen, komplexen „Zusammenhangs zwischen gewachsener und gesetzter Ordnung" bietet (Leipold 1997a). Diese Zusammenhänge zu erläutern, ist das Ziel der nachfolgenden Ausfuhrungen. Wie dargelegt, geht es bei der Konzentration auf das o.g. erste Erkenntnisziel der Neuen Institutionenökonomik um die Beantwortung der Frage nach den Entstehungsgründen von Institutionen sowie den Bestimmungsgründen des institutionellen Wandels. North (1990, S. 4) folgend, wollen wir im folgenden zwei grundsätzliche Arten der Entstehung und Veränderung von Institutionen unterscheiden: „Institutions may be created (...); or they may simply evolve over time" (Hervorhebungen von mir). Es bedarf nicht erst des Hinweises darauf, daß „die Begriffe Ordnung und Institution meist synonym verwendet werden" (Leipold 1997a, S. 48), um zu erkennen, daß hiermit der „Zusammenhang zwischen gewachsener und gesetzter Ordnung" angesprochen ist (ebd.). Zwar gibt es zahlreiche Arbeiten verschiedener Autoren zu diesen beiden Varianten bzw. Entstehungsmodi von Ordnungen. Gleichwohl wollen wir uns im folgenden auf jeweils einen „Repräsentanten" des einen bzw. andereren Erklärungsmusters beschränken: Friedrich August von Hayek hat bekanntlich die „spontane Ordnung" in den Mittelpunkt seiner Analyse gestellt. Diese Konzentration auf die gewachsene Ordnung weist ihn als Vertreter einer „evolutorischen Ordnungstheorie" aus: Von Hayek weitet den in der ökonomischen Theorie (genauer: der Wettbewerbstheorie) üblicherweise auf die Ebene des Marktprozesses beschränkten Entdeckungs- und Selektionsgedanken des Wettbewerbs auf die Ebene der Institutionen aus, die dessen Verlauf bekanntlich maßgeblich prägen (vgl. auch von Delhaes und Fehl 1997, S. 6/7 und S. 19 ff.). Von Hayek geht von der Vorstellung aus, daß die (spontane) Ordnung das - nicht intendierte - Ergebnis des Handelns vieler Menschen ist, die über einen längeren Zeitraum hinweg ihre eigenen, individuell verschiedenen, subjektiven Zielvorstellungen verfolgen. Den Kern seiner Theorie bildet die These, „daß die Regeln, die das menschliche Zusammenleben ordnen und die die zivilisatorische Entwicklung begründet haben, das Ergebnis eines langen Siebungsvorganges sind" (Leipold 1996, S. 101). Demgegenüber läßt sich Walter Eucken als Vertreter einer - im wertneutralen Sinne „konstruktivistischen Ordnungstheorie" verstehen, die auf der Vorstellung beruht, daß die Ordnung bewußt entworfen, geplant und gestaltet werden könne. Er fragt nach den Voraussetzungen, Komponenten und Maßnahmen zur Schaffung und Erhaltung einer (Wettbewerbs-)Ordnung, gibt also der Variante der „gesetzten" Ordnung den Vorzug.33 Als ein weiterer maßgeblicher Vertreter der Theorie sog. „gesetzter" Ordnungen ist etwa James M. Buchanan zu nennen. Nach seiner Überzeugung kann eine Ordnung durch vertragliche Vereinbarungen geschaffen werden; er läßt sich somit als Verfechter einer kontrakttheoretischen Ordnungsvariante zur Schaffung bzw. Begründung des Rechtsschutzund Leistungsstaates verstehen; vgl. ausführlich Buchanan (1975, deutsche Fassung 1984)
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Auf beide Ansätze wird im weiteren Verlauf der Arbeit ausführlich eingegangen werden, dennoch seien bereits an dieser Stelle einige grundsätzliche Anmerkungen gestattet. 1.4.1.2. Idealtypus 1: Gewachsene bzw. „spontane" Ordnung nach von Hayek Im Hinblick darauf, „wie eine (...) Ordnung der vielfältigen Tätigkeiten von Millionen von Menschen entsteht oder hervorgebracht werden kann" (Hayek 1969, S. 32/33), differenziert von Hayek zwischen der „spontanen Ordnung (Kosmos)" und der „Organisation (Taxis)": „Während ein Kosmos oder eine spontane Ordnung (...) keinen Zweck hat, setzt jede Taxis (Anordnung, Organisation) ein bestimmtes Ziel voraus, und die Menschen, die eine solche Organisation bilden, müssen denselben Zwecken dienen." 34 In einer Organisation werden (also) „die Teile nach einem vorgefaßten Plan in Beziehung zueinander gebracht". Diese Ordnungsform erscheint von Hayek kaum als adäquate Lösung, wenn es um „die Ordnung sozialer Geschehnisse, (...mithin um, T.B.) eine abstrakte und (...) sehr komplexe Ordnung (geht, T.B.), die - obzwar das Ergebnis der Tätigkeit der Menschen - nicht in dem Sinn von Menschen geschaffen worden ist, daß sie die Elemente nach einem vorgefaßten Plan bewußt angeordnet hätten." 35 Wie gesehen, gibt es aber neben der Organisation auch noch „Ordnungen anderer Art (...), die nicht vom Menschen entworfen worden sind, sondern aus der Tätigkeit der Individuen ohne ihre Absicht resultieren. (...). Diese Art von Ordnung (...) wird nicht von irgend jemand gemacht, sondern sie bildet sich." Aus eben diesem Grande wird diese Art von Ordnung als „spontane Ordnung" bezeichnet, „die weder ganz unabhängig von menschlichem Handeln ist, noch auch das bezweckte Ergebnis solcher Handlungen, sondern das unvorhergesehene Ergebnis von Verhalten, das die Menschen angenommen haben, ohne ein solches Resultat im Sinn zu haben." Spontane Ordnungen sind also gleichsam ein Kuppelprodukt der ungezählten vielfältigen Handlungen, die an den je unterschiedlichen, zueinander durchaus konfliktären, subjektiven Zielvorstellungen vieler Individuen ausgerichtet sind; sie stellen mithin „Ergebnisse menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs" dar {Hayek 1969d). •
Spontane Ordnungen generieren
Komplexität
und (1977); Buchanan und Tullock (1965) sowie Buchanan und Brennan (1985, deutsche Fassung 1993). Hervorragende Darstellungen der „Auseinandersetzung" zwischen Buchanans kontrakttheoretischer und von Hayeks evolutionstheoretischer Erklärungsvariante der Entstehung von Regeln (bzw. Ordnungen/Institutionen) finden sich etwa bei Vanberg (1981), Bund (1984) und Leschke (1993). Eine interessante Anwendung der Theorie Buchanans auf die Systemtransformation findet sich in der bereits mehrfach erwähnten Arbeit von Apolte (1992). "Ein Kosmos entsteht durch Regelmäßigkeiten im Verhalten der Elemente, aus denen er sich zusammensetzt. In diesem Sinne ist er ein endogenes oder (...) sich 'selbstregulierendes' oder sich 'selbstorganisierendes' System. Eine Taxis andererseits wird durch eine außerhalb der Ordnung stehende Wirkungskraft bestimmt und ist in demselben Sinne exogen oder auferlegt" (Hayek 1969h, S. 209); zu den Begriffen „Kosmos" und „Taxis" vgl. ferner ausführlich Hayek (1980, S. 57-79). Die beiden Zitate des vorstehenden Satzes sowie alle nachfolgenden wörtlichen Zitate sind - soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet - entnommen aus: Hayek (1969, S. 3335).
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Von Hayek weist darauf hin, daß diese „indirekte Methode" der Ordnungsentstehung „der direkten Methode gegenüber bedeutende Vorteile (bietet): sie läßt sich auch dann anwenden, wenn kein einzelner alles kennt, was auf die Ordnung einwirkt" (Hayek 1969h, S. 209). Dies impliziert, „daß auf diese Weise komplexere Ordnungen gebildet werden können, als wir schaffen könnten, indem wir die einzelnen Teile an den entsprechenden Platz setzen" (Hayek 1969, S. 35). Hiermit wendet sich von Hayek - im übrigen gemeinsam mit Popper - gegen den Anspruch des konstruktivistischen Rationalismus Descartesscher Prägung: Er hebt „die grundsätzliche und unheilbare Unwissenheit (...) über die Vielfalt der einzelnen konkreten Tatsachen (...hervor), die in die Ordnung menschlichen Handelns eingehen" (Hayek 1969h, S. 206) und erteilt allen Bestrebungen bzw. Anmaßungen, sich über diese „konstitutionelle Unwissenheit" hinwegsetzen zu wollen, eine deutliche Absage. Er brandmarkt die Vorstellung, eine Ordnung vollständig planen, entwerfen und gestalten - also bewußt „setzen" - zu können, als „irrigen konstruktivistischen (...'naiven') Rationalismus". Diesem stellt seinen Entwurf eines „evolutionären (oder, wie Sir Karl Popper ihn nennt, 'kritischen') Rationalismus 36 (...entgegen, T.B.), der sich nicht nur der Kräfte, sondern auch der Schranken der Vernunft bewußt ist und anerkennt, daß diese Vernunft selbst ein Produkt der sozialen Evolution ist. Das Verlangen nach jener Art durchsichtiger Ordnung, die den Maßstäben der Konstruktivisten genügte, muß andererseits zu einer Zerstörung einer Ordnung führen, die weit umfassender ist als jede Ordnung, die wir bewußt konstruieren können" (Hayek 1981, S. 49; Hervorhebung von mir). Von Hayek (1980, S. 25 u. 26) kritisiert vehement das im Zusammenhang mit der Descartesschm Suche nach Kriterien für die (absolute) Wahrheit von Aussagen entstandene Konstrukt des sog. „radikalen Zweifels" und die diesem zugrunde liegenden Grundannahmen. Denn diese ließen „ihn (Descartes, T.B.) sich weigern (...), irgend etwas als wahr hinzunehmen, das nicht logisch aus expliziten Prämissen abgeleitet werden konnte, die 'klar und deutlich' und deshalb jenseits möglichen Zweifels waren; (dies) beraubte alle jene Regeln des Verhaltens der Gültigkeit, die nicht in dieser Weise gerechtfertigt werden konnten. (...). Dies wurde die charakteristische Einstellung des cartesischen Konstruktivismus mit seiner Verachtung für Tradition, Gebräuche und Geschichte überhaupt. Allein seine Vernunft sollte den Menschen befähigen, die Gesellschaft von neuem zu errichten. (...). Es ist einfach nicht wahr, daß unsere Handlungen ihre Wirksamkeit einzig oder hauptsächlich einem Wissen verdanken, das wir in Worte formulieren können und das deshalb die expliziten Prämissen eines Syllogismus darstellen kann. Viele der Institutionen der Gesellschaft, die unentbehrliche Bedingungen für die erfolgreiche Verfolgung unserer bewußten Ziele sind, sind in der Tat das Ergebnis von Bräuchen, Gewohnheiten oder Praktiken, die weder erfunden worden sind, noch mit irgendeiner solchen Absicht vor Augen eingehalten werden" (Hervorhebungen von mir).
Anders ausgedrückt: Nach von Hayek (1980, S. 18 u. 19) geht es darum, „(zu) erkennen, daß die grundlegende Ordnung der Großen Gesellschaft nicht vollständig auf einem Entwurf beruhen und daher auch nicht auf bestimmte vorhersehbare Ergebnisse abzielen kann". Ganz in diesem Sinne heißt es an anderer Stelle: „Die Erkenntnis, daß nicht alle
Ordnung, die sich aus dem Zusammenspiel menschlichen Handelns ergibt, auch beabsich-
tigt ist, steht (...) am Beginn der Sozialtheorie" (Hayek 1969h, S. 207; Hervorhebung im Original).
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Gerade diese von von Hayek gegeißelte Verachtung für Tradititon und Geschichte verträgt sich nicht mit dem Grundgedanken der Freiheit, der doch, wie von Hayek (1971, S. 78) unmißverständlich deutlich macht, das wesentliche Charakteristikum spontaner Ordnungen ist: „So paradox es klingen mag, eine erfolgreiche freie Gesellschaft wird immer eine in hohem Maße traditionsgebundene Gesellschaft sein. Es gab wahrscheinlich nie einen echten Glauben an die Freiheit und gewiß keinen erfolgreichen Versuch, eine freie Gesellschaft zu schaffen, ohne eine echte Ehrfurcht vor entstandenen Einrichtungen, vor Bräuchen und Gewohnheiten und vor allen jenen Sicherungen der Freiheit, die sich aus lang bestehenden Regelungen und alten Gepflogenheiten ergeben" (Hervorhebungen von mir). Die Menschen müssen den Ursprung der Regeln, die sie befolgen, und die Entstehungsgeschichte der Tradition, die sie achten, nicht kennen, um sich das darin gleichsam inkorporierte Wissen zunutze zu machen; die Menschen befolgen viele Regeln, ohne sich deren Hintergrund und Bedeutung überhaupt bewußt zu sein. Vor diesem Hintergrund ist von Hayeks o.g. These zu verstehen, daß die Vernunft selbst das Ergebnis („Produkt") der sozialen bzw. kulturellen Evolution sei: Nicht der reinen Ratio verdanken Regeln ihre Entstehung, sondern in ihnen „speichert sich Wissen aus früheren Generationen über vor- oder nachteilige Verhaltensweisen in der Vergangenheit. (Kurz, T.B.:) Regeln verdichten die (...) Erfahrungen von Menschen" (Leipold 1996, S. 101; Hervorhebungen von mir). Die Menschen früherer Generationen, deren Regeln wir heute (unbewußt) befolgen, haben diese selbstverständlich ebenfalls nicht bewußt entworfen. Von Hayek (1971, S. 78) betont dies ausdrücklich: „Weit davon entfernt anzunehmen, daß jene, die die Einrichtungen geschaffen haben, gescheiter waren als wir, gründet sich die evolutionistische Auffassung auf die Einsicht, daß das Ergebnis des Experimentierens vieler Generationen mehr Erfahrung verkörpern kann, als der einzelne Mensch besitzt". Demnach wäre es geradezu absurd, die sozio-kulturelle Evolution als „Konstrukt der Vernunft" {Leipold) interpretieren zu wollen. Gerade seine Kritik an der Traditions- und Geschichtsignoranz des auf Descartes zurückgehenden naiv-konstruktivistischen Rationalismus, der eben diesen absurden Versuch unternimmt, „in allen kulturellen Erscheinungen das Ergebnis wohlüberlegter Entwürfe (...zu sehen, T.B.) und (der) auf dem Glauben (beruht), daß es sowohl möglich als auch wünschenswert sei, alle gewachsenen Institutionen nach einem vorbedachten Plan zu rekonstruieren", weist von Hayek (hier: 1969e, S. 109) als engagierten Verfechter der Idee einer „gewachsenen" Ordnung aus, in der Traditionen, Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche mithin gerade die informellen Institutionen bzw. formlosen Beschränkungen - von Belang sind. Die zunächst auf die allgemeine Ordnung des sozialen Geschehens bezogenen Ausführungen zur spontanen Ordnung spezifiziert von Hayek dann für den ökonomischen Bereich: Die Differenzierung bzw. Zweiteilung konkretisiert sich hier in den beiden Ordnungen „Wirtschaft (Organisation)" und „Katallaxie (spontane Ordnung)". Mit „Wirtschaft" bezeichnet er „die bewußte Anordnung oder Organisation von Ressourcen im Dienste einer einheitlichen Zielhierarchie wie einem Haushalt, einer Unternehmung (etc.)". Demgegenüber ist die „Katallaxie (...) das Gefüge vieler ineinandergreifender Wirtschaften, (...die) einer bestimmten Zielhierarchie weder dienen soll noch kann und
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(...deren) Leistungen deshalb nicht aufgrund einer Summe bestimmter Ergebnisse beurteilt werden können. (...). Die Auffassung, wonach die Leistungsfähigkeit der Marktordnung nur daran gemessen werden kann, bis zu welchem Grad eine bestimmte Zielhierarchie erreicht wurde, ist (...) ganz irrig. Da niemand diese Ziele in ihrer Gesamtheit kennt, ist jede Diskussion, die sich solcher Begriffe bedient, notwendigerweise leer" (alle Zitate aus Hayek 1969h, S. 224-226)" Damit beschreibt von Hayek (1981, S. 151) eine Ordnung, die „von der gegenseitigen Anpassung vieler individueller Wirtschaften auf einem Markt zustandegebracht wird. Eine Katallaxie ist so die besondere Art spontaner Ordnung, die vom Markt dadurch hervorgebracht wird, daß Leute innerhalb der (abstrakten, T.B.) Regeln des Eigentums-, Schadensersatz- und Vertragsrechts handeln." Diese abstrakten Regeln sollen also keine Ordnung durch bewußte (willkürliche) Anordnung schaffen, sondern vielmehr jene Bedingungen herstellen, unter denen sich eine andere Ordnung von selbst bilden kann. Der Umstand, daß die Menschen ihre Handlungen in einer spontanen Ordnung nicht an einer konkreten allgemeinverbindlichen Zielvorgabe auszurichten haben, sondern ihre je individuellen eigenen Ziele verfolgen können, rechtfertigt es, auch von einer „polyzentrischen Ordnung" zu sprechen {Hayek 1969, S. 35). Die Individuen werden stets bemüht sein, ihre eigene Lage zu verbessern; ihre Erwartungen werden erfüllt oder enttäuscht werden, sie werden innerhalb des wechselseitigen Anpassungsprozesses sowohl ihre Ziele als auch die Mittel zu deren Erreichung ändern müssen. Auf diese Weise entsteht gleichsam ein sich selbst perpetuierender Prozeß, der ständig eine Vielfalt neuer Ziele und Mittel hervorbringt. So ist denn auch, wie von Hayek (1969, S. 35-37) betont, „die Arbeitsteilung, auf der unser Wirtschaftssystem beruht, (...) das beste Beispiel einer solchen sich täglich erneuernden Ordnung (..., die) auf einer Anpassung an alle die vielfältigen Umstände beruht, die keine Einzelperson kennen kann." Was sich im Bereich des allgemeinen sozialen Geschehens zeigte, bestätigt sich also auch in der ökonomischen Sphäre: Die das Marktgeschehen steuernde berühmte „unsichtbare Hand" läßt eine spontane Ordnung entstehen, die Vielfalt bzw. Komplexität schafft. •
Spontane Ordnungen prozessieren
Komplexität*8
Bemerkenswerterweise ist nun eine Komplexität generierende spontane Ordnung gleichzeitig das einzige Medium, das diese Komplexität bewältigen hilft: So kann beispielsweise der Markt zur Überwindung der „grundsätzlichen und unheilbaren Unwissenheit" (Hayek) nur und gerade deshalb beitragen, weil er , jeden einzelnen veranlaßt, seine einzigartigen Kenntnisse und Möglichkeiten für seine persönlichen Zwecke zu nutzen; (so - und nur so, T.B.) kann eine umfassende Ordnung erreicht werden, die in ihrer Gesamtheit das verstreute Wissen nutzt, das insgesamt niemandem zugänglich ist" (Hayek 1969h, S. 226). Hierbei spielt das Phänomen der Verschiedenartigkeit eine entscheidende Rolle. Die Verschiedenheit bezieht sich auf die Akteure selbst, auf die von diesen jeweils verfolgten Ziele und ihre Fähigkeiten sowie auf die je konkrete Umweltsituation: „Solche Nutzbarmachung verstreuten Wissens wird (...) durch die Tatsa-
Zur „Marktordnung oder Katallaxie" vgl. femer ausfuhrlich Hayek (1981, S. 149-178). Diese Formulierung - die das passende Pendant zur Komplexität generierenden spontanen Ordnung bildet - verdanke ich Gabriele Wagner.
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che möglich gemacht, daß die Gelegenheiten für die verschiedenen Individuen verschieden sind. Gerade weil die Umstände, in denen sich die verschiedenen Individuen in einem gegebenen Augenblick befinden, verschieden sind und weil viele dieser besonderen Umstände nur ihnen bekannt sind, ergibt sich die Gelegenheit für die Nutzbarmachung so viel verschiedenen Wissens - eine Funktion, die die spontane Ordnung des Marktes erfüllt" (Hayek 1981, S. 24). Dazu wiederum ist eine Organisation nicht in der Lage: „Das Wissen, das in (...ihr, T.B.) genutzt werden kann, wird (...) immer beschränkter sein als in einer spontanen Ordnung, in der alles Wissen, über das die Elemente verfügen, zur Bildung der Ordnung herangezogen werden kann, ohne daß dieses Wissen erst einem zentralen Organisator zugeleitet werden muß. Und während die Komplexität der Handlungen, die zu einer Taxis (bzw. Organisation, T.B.) geordnet werden können, notwendigerweise durch das Wissen beschränkt wird, das der Organisator haben kann, gibt es in einer spontanen Ordnung keine ähnliche Grenze" {Hayek 1969h, S. 210). Im Marktgeschehen spielen die Preise die entscheidende Rolle, wenn es um die Nutzung des weitverstreuten Wissens geht: Sie reflektieren - gleichsam in Form seiner Bewertung - sämtliches Wissen, das von den Beteiligten in den Marktprozeß eingespeist wurde, und über das zu verfügen einer Zentralinstanz niemals möglich wäre. Die Preise sind diejenigen Signale, an denen jeder Marktteilnehmer das Wissen der anderen Marktteilnehmer ablesen kann. Die enorme Kapazität spontaner Ordnungen zur Verarbeitung von Wissen beruht nun just darauf, daß jeder Marktteilnehmer dieses in Form der Preise gleichsam „geronnene Wissen" der anderen mit seinem eigenen Wissen kombinieren und zur Erreichung seiner individuellen Ziele nutzen, mithin zu seinem ganz persönlichen Vorteil verwerten kann. Damit stellt ihm die spontane Ordnung letztlich einen Wissensvorrat zur Verfügung, über den er allein niemals verfügen könnte. Diesem potentiellen Vorteil steht allerdings ein möglicher Nachteil entgegen - es wird ein gewisser Druck auf den einzelnen Marktteilnehmer ausgeübt: Nutzt er diesen immensen Wissensvorrat nicht - reagiert er also nicht entsprechend auf die (Preis-)Signale des Marktes - so droht wirtschaftliche Unbill. Genau dies betont von Hayek (1969g, S. 168), indem er daraufhinweist, „daß diese Handelnsordnung (die spontane Ordnung, T.B.) jeden Teilnehmer nötigt, sein Handeln an viel mehr Umstände anzupassen, als er unmittelbar kennt. In den Preisen und Preisänderungen, an denen er sich orientieren muß, schlagen sich gewissermaßen die relevanten Ereignisse von manchmal über die ganze Welt verstreuten Vorgängen nieder, die dadurch den einzelnen so beeinflussen, daß er handelt, als ob er von ihnen wüßte." 39 Im Zusammenhang mit von Hayeks Auf-
An anderer Stelle heißt es dazu ähnlich: "Die Nutzung des weitverstreuten Wissens in einer Gesellschaft mit fortgeschrittener Arbeitsteilung kann nicht darauf beruhen, daß die einzelnen alle die konkreten Verwendungen kennen, die von den Dingen ihrer Umgebung gemacht werden können. Ihre Aufmerksamkeit wird von den Preisen gelenkt, die der Markt für die verschiedenen Güter und Dienste bietet" (Hayek 1969i, S. 253). An wieder anderer Stelle: „Wessen er (ein Marktteilnehmer, T.B.) bedarf, um erfolgreich unter den ihm bekannten günstigen Gelegenheiten auswählen zu können, sind Signale in der Form bekannter Preise, die er fur die alternativen Dienste oder Güter, die er zu produzieren vermag, erzielen kann. Ist diese Information gegeben, dann ist er in der Lage, sein Wissen von den Umständen seiner Umgebung zu benutzen, um sein unmittelbares Ziel oder die Rolle auszuwählen, von der er sich die besten Ergebnisse versprechen kann. Dank dieser
Institutionen, Wettbewerb und Unternehmertum
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fassung vom „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren" sei hier noch auf eine besondere Bedeutung der Preise hingewiesen: Bereits an früherer Stelle wurden etwa die Allokations- und die Anreiz- bzw. Motivationsfunktionen der Preise genannt. Nun verbirgt sich dahinter nicht in erster Linie eine quantitative, sondern eine qualitative Dimension, worauf von Hayek (1969i, S. 258 u. S. 253) ausdrücklich hinweist: „In diesem Zusammenhang wird oft der Ausdruck 'Anreize' (incentives) in einer Weise gebraucht, die leicht zu Mißverständnissen Anlaß gibt, nämlich als ob sie hauptsächlich den Zweck hätten, die einzelnen zu veranlassen, sich genügend anzustrengen. Die wichtigste Funktion der Preise ist aber, daß sie uns sagen, nicht wieviel, sondern was wir leisten sollen. (...Mithin sind es, T.B.) jeweils die vorläufigen Ergebnisse des Marktprozesses (in Gestalt der Preise, T.B.), die den einzelnen sagen, wonach zu suchen es sich lohnt." Dies zielt auf den zum Verständnis des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren entscheidenden Punkt, denn: Wieviel geleistet werden soll, könnten die Preise uns selbstverständlich nur dann sagen, wenn das erst noch zu Entdeckende bereits bekannt wäre. Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß sich Kosmos und Taxis, Katallaxie und Wirtschaft - kurz: spontane Ordnung und Organisation - hinsichtlich des Grades an Vielfalt bzw. Komplexität unterscheiden, der durch sie sowohl hervorgebracht als auch verarbeitet werden kann. In der Möglichkeit zur spontanen und ökonomisch sinnvollen Verwertung neuen Wissens ist also ein wesentlicher Grund für die Überlegenheit von Marktwirtschaften (verstanden als spontane Ordnungen) gegenüber zentral koordinierten Systemen zu sehen, in denen neues Wissen und dessen spontane Verwertung häufig eher mit der „Rationalität des Zentralplans" kollidiert (vgl. beispielhaft Röpke 1976). •
Zur Bedeutung von Regeln: Abstrakte und konkrete
Regeln
Es wurde festgestellt, daß die Individuen innerhalb spontaner Ordnungen ihre je eigenen Ziele verfolgen. Unter der Voraussetzung der Verschiedenartigkeit nicht nur individueller Ziele, sondern auch menschlicher Bedürfnisse, Fähigkeiten, Begabungen etc. wird es unter Knappheitsbedingungen stets zu Erwartungsenttäuschungen kommen. Damit ergibt sich nicht nur ein Koordinationsproblem in rein ökonomischer Hinsicht, sondern ein ganz grundsätzliches Ordnungsproblem: Damit eine Gesellschaft unter den o.g. Voraussetzungen nicht in den Hobbesschen Urzustand verfällt, bedarf es gewisser Regeln (womit wir wieder bei der „choice of rules" angelangt wären, deren Erklärung wir weiter oben als das erste Erkenntnisziel der Neuen Institutionenökonomik bezeichnet haben). Bei von Hayek (1971, S. 179) heißt es dazu kurz und knapp: „Das Leben der Menschen in der Gesellschaft (...) ist nur möglich, wenn die Individuen sich nach bestimmten Regeln verhalten." 40 „Regeln sind ein Mittel, um mit unserer konstitutionellen
Wahl unmittelbarer Ziele, für ihn selbst lediglich ein generalisiertes Mittel, um seine höchsten Ziele zu erreichen, benutzt der Einzelne sein besonderes Tatsachenwissen im Dienste der Bedürfnisse seiner Mitbürger; und auf diese Weise wird die Nutzbarmachung des auf die Gesellschaft verstreuten Wissens dank der Freiheit erreicht, die Ziele der eigenen Aktivitäten zu wählen" (Hayek 1981, S. 24). In diesem Zusammenhang wird oft vom sog. ,flobbesschen Ordnungsproblem" gesprochen. Dieser Begriff, der das Problem auf den Punkt bringt, ob und auf welche Weise in einer Gesellschaft, die aus vielen verschiedenen, ihre jeweils subjektiven Interessen ver-
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Unwissenheit fertigzuwerden. (...). Der Mensch hat Verhaltensregeln entwickelt, nicht weil er weiß, sondern weil er nicht weiß, welches alle Konsequenzen einer besonderen (eigenen oder fremden, T.B.) Handlung sein werden. (...). Tatsächlich bestünde kein Bedarf an Regeln, wenn Menschen alles wüßten (...)" {Hayek 1981, S. 23 u. 38). Im folgenden soll eine grobe Unterscheidung zwischen zwei Arten von Regeln vorgenommen werden, die gleichsam als sinnkonstitutiv für jeweils eine der beiden grundsätzlichen Arten bzw. Entstehungsmodi von Ordnungen angesehen werden können: In Anlehnung an von Hayek wollen wir grob zwischen abstrakten und konkreten Regeln differenzieren. 41 Abstrakte Verhaltensregeln dienen dazu, „gewisse allgemeine Bedingungen zu schaffen, deren Auswirkungen auf die verschiedenen Individuen unvoraussagbar sind (und...) die sich im Lichte vergangener Erfahrung als besonders vorteilhaft für die Bildung einer spontanen Ordnung erwiesen zu haben scheinen (...), weil sie an die Lösung wiederkehrender Problem-Situationen angepaßt sind." Diese abstrakten Regeln stellen allgemeine Werte dar, d.h., sie werden um ihrer selbst willen angestrebt und nicht als bloßes Mittel zum Zweck angesehen. 42 „Sie sind (...) in einem Prozeß der Evolution ausgelesen worden (...und dienen damit, T.B.) der Erhaltung einer Ordnung, deren Existenz sich diejenigen, die sie anwenden, oft nicht einmal bewußt sind" (alle Zitate aus Hayek 1981, S. 26, 33 u. 38; Hervorhebung von mir) 4 3 Demgegenüber sind die Regeln, „die eine Organisation leiten, (...) Regeln für die Ausführung zugewiesener Aufgaben. Sie setzen voraus, daß der Platz jedes Individuums in einem festen Ordnungsgerüst durch bewußte Zuweisung bestimmt wird und daß die Regeln, die für jeden einzelnen gelten, von dem Platz abhängen, der ihm in dieser Organisation zugewiesen ist. Sie regeln auf diese Weise nur die Einzelheiten der Tätigkeiten bestellter Funktionäre oder Behörden - oder die Arbeitsweise einer durch Anordnung geschaffenen Organisation" (Hayek 1969, S. 41). Auf den Punkt gebracht läßt sich also feststellen, daß abstrakte Regeln eher negative Verhaltensbeschränkungen in Gestalt allgemeiner Verbote
folgenden Individuen besteht, eine friedfertige Ordnung entstehen und der Kampf aller gegen alle vermieden werden kann, geht auf Talcott Parsons (1937) zurück; vgl. hierzu auch den entsprechenden Hinweis bei Leipold (1996, S. 93). Vgl. Hayek (1981, insbes. S. 26-34 und S. 171 ff.) sowie Hayek (1971, insbes. S. 178-184). Wäre dem nicht so, verlören abstrakte Regeln ihren Sinn, sie würden überflüssig. Das Regelwerk würde zwangsläufig ausgehöhlt, wenn es stets willkürlich von jedem und jeder für die eigenen Zwecke benutzt bzw. mißbraucht werden könnte. Von Hayek (1981, S. 38) bringt dies wie folgt auf den Punkt „Strikter Handlungs-Utilitarismus muß natürlich zur Verwerfung aller Regeln führen." Ähnlich an anderer Stelle: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir uns nicht nur deshalb erfolgreich orientieren können und unsere Handlungen eine gute Chance haben, ihr Ziel zu «Teichen, weil unsere Mitmenschen von bekannten Zwecken oder bekannten Verknüpfungen zwischen Mitteln und Zielen geleitet werden, sondern weil sie auch durch Regeln eingeschränkt sind, deren Absicht oder Ursprung wir oft nicht kennen, ja, von deren Existenz wir oft nicht einmal wissen. Der Mensch ist ebenso sehr ein Regeln folgendes wie zweckgeleitetes Lebewesen. Und er ist erfolgreich nicht, weil er weiß, warum er diese Regeln beachten sollte, die er beachtet, oder weil er sogar fähig ist, alle diese Regeln in Worte zu fassen, sondern weil sein Denken und Handeln von Regeln geleitet wird, die sich in einem Selektionsprozeß in der Gesellschaft, in der er lebt, entwickelt haben und die auf
diese Weise das Produkt der Erfahrung von Generationen sind" (Hayek 1980, S. 26/27; Hervorhebung von mir).
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darstellen, während konkrete Regeln eher positive Verhaltensvorschriften in Gestalt zielbzw. zweckgerichteter Gebote sind (vgl. auch Leschke 1993, S. 26 u. 27). Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausfuhrungen versteht sich, daß eine Organisation primär auf konkreten Regeln beruht, während für spontane Ordnungen allgemeine, abstrakte Regeln sinnkonstitutiv sind. Ein wichtiger Unterschied zwischen abstrakten und konkreten Regeln betrifft im übrigen den für ihre materielle Gültigkeit bzw. faktische Wirksamkeit relevanten Zeithorizont: Damit abstrakte Regeln wirken können, muß an ihnen über einen längeren Zeitraum festgehalten werden. Geschieht dies nicht, verlieren sie ihre eigentliche Funktion: Sie können dann weder ordnungsbildend noch erwartungsstabilisierend wirken.44 Diejenigen, die die allgemeinen Verhaltensregeln beschlossen und verabschiedet haben, kennen ja eben nicht die jeweils individuellen und verschiedenen Ziele und Absichten derer, die diese Regeln anwenden sollen. Dies betont von Hayek (1981, S. 47 u. 48) ausdrücklich: Die abstrakten Verhaltensregeln, insbesondere solche, „die bewußt von einer Autorität niedergelegt sind, wie es im Recht der Fall ist, werden (...) also ihre Funktion nur erfüllen, wenn sie die Grundlage für die Pläne der Individuen werden. Die Aufrechterhaltung einer spontanen Ordnung durch die Durchsetzung von Verhaltensregeln muß deshalb immer auf langfristige Resultate zielen, im Gegensatz zu den Organisationsregeln, die bekannten besonderen Absichten dienen, die wesentlich auf voraussagbare kurzfristige Resultate zielen müssen" (Hervorhebung von mir). Wie gesehen, dienen die konkreten Regeln einer Organisation dazu, die konkrete und allgemeinverbindliche Zielvorgabe der Organisation bestmöglich zu erfüllen, indem den Akteuren bzw. Elementen entsprechende Handlungsanweisungen gegeben werden. Dadurch verfügen die Elemente konkreter Ordnungen über einen deutlich geringeren Verhaltensspielraum als diejenigen spontaner Ordnungen (die sog. „Freiheitsgrade" sind geringer). Bei Jochen Röpke (1980, S. 86) heißt es dazu: „Zwischen einer Variation des Freiraums für individuelles Handeln und dem Ordnungsgefüge bestehen (...) eindeutige Beziehungen, und zwar so eindeutige, daß man die Art der Ordnung auf den jeweiligen Freiheitsgrad, über den die Elemente der Ordnung verfugen, reduzieren kann." Indes bedürfen die größeren Freiheitsgrade der Elemente spontaner Ordnungen „zusätzlich zu den abstrakten Regeln auch eines Ordnungsmechanismus (...), damit das relativ freie Handeln der Individuen (...) nicht in einem undurchsichtigen Chaos mündet." Bekanntlich ist dieser Ordnungsmechanismus in der Marktwirtschaft - die als ein „Standardbeispiel für eine spontane Ordnung (angesehen werden kann, T.B.) - das System flexibler Preise, welches negative Rückkopplungseffekte verursacht und damit eine ordnende, unsichtbare Hand darstellt" (Leschke 1993, S. 28).
Dieses Argument findet sich - freilich bezogen auf Institutionen im weitesten Sinne - u.a. bei: Kiwit/Voigt (1995), Leipold (1997) und North (1992). Vgl. ferner Priddat (1994, S. 22): „Die Effizienz von Institutionen beruht auf ihrer Persistenz, d.h. auf der auch künftig erwartbaren Regelmäßigkeit des Handelns (...)." Nota: Vermutlich meint Priddat nicht (nur) die „Effizienz", sondern (auch) die „Effektivität" von Institutionen; vgl. im übrigen auch Priddat (1995).
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1.4.1.3. Idealtypus 2: Gesetzte O r d n u n g nach
Eucken
Walter Eucken teilt den auf die liberalen Klassiker zurückgehenden Optimismus der evolutorischen Ordnungstheorie von Hayeks
nicht:
Treffend heißt es bei
Leipold
(1997a, S. 44): „Es dominiert die Skepsis gegenüber der unsichtbaren Hand, die nach Eucken nicht ohne weiteres Ordnungsformen schafft, in denen Einzel- und Gesamtinteresse harmonieren."
In diesem U m s t a n d k o m m e
der, wie Eucken
es
ausdrückt,
„fundamentale Fehler (...) der Politik des Laissez-faire" z u m Ausdruck. So beklagt er ausdrücklich, daß „durch das spontane einzelwirtschaftliche Handeln, mithin durch die Bestätigung des Einzelinteresses, Formen entstanden (seien, T.B.), in deren R a h m e n der n u n m e h r ablaufende alltägliche Wirtschaftsprozeß nicht mehr so gelenkt wird, daß Einzel-
und
Gesamtinteresse
miteinander
übereinstimmen"
{Eucken
1952/1990,
S.
359/360). Eine wesentliche Ursache dieser Disharmonie entdeckte Eucken im Phänomen der wirtschaftlichen Macht, die er als "die andere Seite des Problems der Freiheit in der modernen industrialisierten Wirtschaft" bezeichnete (1952/1990, S. 175). Entsprechend k o m m t der Lösung des Machtproblems innerhalb der ordo-liberalen Konzeption grundsätzliche Bedeutung zu, denn der "Besitz von Macht provoziert Willkürakte, gefährdet die Freiheit anderer Menschen, zerstört gewachsene und gute Ordnungen." W e n n nun "Träger privater Macht imstande (...sind), garantierte Freiheitsrechte anderer zu beseitigen " (ebd., S. 174 u. 175), dann läßt sich offenbar das Allokationsproblem mit der grundlegenden Frage der Freiheit des Menschen aufs engste verknüpfen (so auch Keilhofer 1995, S. 20). Eucken erläutert dies durch seine Kritik an der NachtwächterstaatsPolitik des Laissez-faire. Diese hatte - aus Angst vor Beschneidungen der gerade gew o n n e n e n Gewerbefreiheit - insbesondere zu Beginn der Industrialisierung in vornehm e r Zurückhaltung Machtgebilde entstehen lassen, die später k a u m mehr kontrolliert werden konnten. Dies galt unbeschadet der Tatsache, daß die a u f k o m m e n d e Industrialisierung j a nicht zuletzt der Philosophie der A u f k l ä r u n g und des Liberalismus - und damit d e m Freiheitsgedanken bzw. seiner " A u s d e h n u n g " auf die ökonomische Sphäre ihre Entstehung verdankte. Einem im Grunde liberalen Ö k o n o m , der sich n u n dem Phän o m e n der wirtschaftlichen Macht recht hilflos gegenübersah, ging es also ähnlich wie Goethes b e r ü h m t e m Zauberlehrling. Entsprechend schreibt Eucken (1990, S.174 u. S.175): „Und zwar war es die wirtschaftliche Sphäre, der die Freiheit so sehr zustatten kam, aus der die Freiheit zuerst bedroht wurde. (...). Der Geist der Freiheit hat die Industrialisierung schaffen helfen - und diese Industrialisierung ist zu einer schweren Bedrohung der Freiheit geworden." 4 5
Ganz ähnlich äußert sich beispielsweise Müller-Armack (1947, S. 13): „Ein sehr verhängnisvoller Mangel der liberalen Marktordnung war das Fehlen jeglicher festen Form und Sicherung zu ihrer Erhaltung. (...). Aus einem alten (...) Harmonieglauben erwuchs die Auffassung von der Selbstregulierung der wirtschaftlichen Dinge, von der Steuerung des Marktes durch den Preis (...). So sehr auch diese Regelung der Dinge durch die Entstehung monopolistischer Marktbindungen in der liberalen Ära selbst unterminiert wurde, und so sehr auch das Heraufkommen von Massenbewegungen mit einer gegen die Freiheitsordnung gerichteten Ideologie frühzeitig die Gefahrdung dieses Wirtschaftssystems ankündigte, glaubte man dennoch, diese Erscheinungen ohne eine Sicherung des Gesamtsystems assimilieren zu können. So fehlte dem Liberalismus das Wissen um die Notwendigkeit, die
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Eucken ist also insgesamt der Überzeugung, daß der von den Befürwortern einer spontanen Ordnung im festen Vertrauen auf die gestalterischen und selbstheilerischen Kräfte der unsichtbaren Hand erwartete Gleichklang individueller und gesamtwirtschaftlicher Interessen nur im Rahmen einer Weltbewerbsordnung erreicht werden könne, durch die der Wettbewerb gleichsam an die Leine genommen werde. Eben darum werde es „zur großen Aufgabe der Wirtschaftspolitik", für die Schaffung und Erhaltung einer Wettbewerbsordnung zu sorgen, um insbesondere die Entstehung und den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht zu verhindern und so „die Kräfte, die aus dem Einzelinteresse entstehen, in solche Bahnen zu lenken, daß hierdurch das Gesamtinteresse gefördert wird, daß also eine sinnvolle Koordination der Einzelinteressen stattfindet" (Eucken 1990, S. 360). Indes sei daraufhingewiesen, daß wirtschaftliche Macht keineswegs nur von Privaten mißbräuchlich genutzt werden kann. So kann selbstverständlich auch der Staat Träger wirtschaftlicher Macht sein und wird sich in deren mißbräuchlicher Nutzung von Privaten kaum unterscheiden. Dies sieht freilich auch Eucken (1952/1990, S. 174): „Staatliche Monopole haben regelmäßig die gleiche Politik betrieben wie private Monopole." So haben uns nicht zuletzt die Erfahrungen mit mehreren Jahrzehnten Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs gelehrt, daß die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen des Staates derjenigen in privater Hand keineswegs vorzuziehen ist; Eucken (ebd., S. 175) dazu: „Es ist das feierliche Grundprinzip des Rechtsstaates, daß die Freiheit und Rechtssphäre des einzelnen Bürgers nach zwei Seiten hin gesichert wird: Gegen die Bedrohung durch andere Bürger und gegen den Staat selbst (...)." 1.4.1.4.
Grundlage eines Realtypus: Das Amalgam aus formellen und informellen Institutionen
Die beiden oben skizzierten Muster bzw. Entstehungsmodi von Ordnungen („Institutionen") betreffen nun die formlosen und formgebundenen Beschränkungen in unterschiedlicher Weise. Es ist darauf hinzuweisen, daß die verschiedenen Institutionen in Gestalt der formellen, zumeist schriftlich fixierten Regeln und die informellen, i.d.R. ungeschriebenen Regeln stets nebeneinander existieren, oder besser: eng miteinander verknüpft sind: Die informellen Regeln wie Sitten, Gebräuche und Verhaltenskodices etc. liegen den formellen Regeln einerseits zugrunde, andererseits ergänzen sie diese und werden in langer Frist selbst von ihnen geprägt.46 Das heißt, das in einem bestimmvon ihm geschaffene Wirtschaftsordnung durch klare Bestimmung ihrer nicht zu überschreitenden Grenzen in sinnvoller Funktion zu erhalten" (Hervorhebung von mir). Offenbar mit Blick auf Franz Böhms Arbeit „Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung" (Stuttgart 1936) heißt es bei Müller-Armack
(1947) weiter: ,J¡rst die neuere Forschung hat begriffen, daß die marktwirtschaftliche Organisationsform ihre Überlegenheit nur zu entfalten vermag, wenn ihr aus geistigen und politischen Kräften eine feste äußere Ordnung gegeben wird" (ebd., Hervorhebung im Original). Nicht zuletzt deshalb läßt sich - sieht man einmal von dem Kriterium der schriftlichen Kodifizierung ab - nicht immer eindeutig zwischen diesen beiden Arten von Beschränkungen bzw. Regeln differenzieren. Die Trennung zwischen formellen und informellen Regeln ist also (lediglich) eine analytisch-idealtypische, die im Einzelfall durchaus willkürlich erscheinen mag. Realiter sind die Übergänge (bisweilen) durchaus fließend, worauf
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ten Land oder einem bestimmten Ort zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt anzutreffende Institutionengefuge wird stets eine Art Amalgam aus formellen und informellen Institutionen sein - fast ist man geneigt, von einer Art „Symbiose" zu sprechen. Beide Arten von Institutionen gemeinsam machen in ihrer konkreten Verzahnung den jeweils individuellen Charakter einer bestimmten Gesamtordnung zu einem gegebenen Zeitpunkt aus. North spricht in diesem Zusammenhang von einer ,Jnstitutionenmatrix aus formlosen und formgebundenen Beschränkungen" (unwillkürlich fühlen wir uns an die Henselsche Definition einer Wirtschaftsordnung als „sittliches, rechtliches und morphologisches Gebilde" erinnert; vgl. Kapitel 2, Abschnitt 1.1.1.). Jede konkrete Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung wird also zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt ein solches Amalgam formloser und formgebundener Beschränkungen bzw. eine Institutionenmatrix aufweisen. In der Regel kann wohl davon ausgegangen werden, daß es sich hierbei um eine weitgehend „harmonische" Verbindung handeln wird, zumindest dann, wenn der betreffenden Wirtschafts- und Gesellschaftordnung (bzw. den formellen und informellen Institutionen) ein nicht näher zu bezifferndes Mindestmaß an Zeit zur Verfügung stand, um diese Matrix aufzubauen bzw. zu einem harmonischen Amalgam zu verschmelzen. Diese Annahme gründet sich schlicht auf den Umstand, daß die meisten Menschen zumindest eine gewisse „Sehnsucht nach Ordnung" verspüren: Sie haben ein Grundbedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit, dessen Befriedigung sie insbesondere von dem sie umgebenden Institutionengeflecht erwarten. Da also Institutionen dazu dienen, den Menschen eine gewisse Orientierung, einen Halt zu geben, gleichsam ein Mindestmaß an „Ordnung und Klarheit" in ihr Leben zu bringen, wäre ein andauernder Spannungszustand zwischen formellen und informellen Institutionen im Grunde unerträglich. Selbstverständlich wird es niemals eine „Ideallösung" geben, gleichwohl ist davon auszugehen, daß die Menschen sich letztlich - zumindest für eine gewisse Zeit - immer und überall mit der institutionellen Umwelt, in die sie eingebettet sind, arrangieren werden. Auf diese Weise prägt sich in unterschiedlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssordnungen das heraus, was jüngst Schlicht (1997) - offenbar in Anlehnung an einige Vertreter der jüngeren historischen Schule (wieder) als „Stil" („style") bezeichnet hat. 47 In eine ähnliche Richtung mögen die Überlegungen gegangen sein, die Klump (1996) zur Herausgabe eines Buches über „Wirtschaftskultur, Wirtschaftsstil und Wirtschaftsordnung" bewogen haben. Der Umstand, daß es sich bei der Beziehung zwischen formlosen und formgebundenen Beschränkungen keinesfalls etwa um eine „Einbahnstraße" im Sinne einer einseitigen, sondern vielmehr um eine wechselseitige Beeinflussung bzw. Abhängigkeit handelt, sei kurz näher erläutert: So darf beispielsweise nicht übersehen werden, daß etwa die Wirksamkeit der formellen Regeln, wie Leipold (1997a, S. 60/61) ausdrücklich betont, „ein Mindestmaß an moralischen Bindungen" im Sinne eines moralischen Unter-
im übrigen auch North (1992, S. 55) ausdrücklich hinweist: „(Der) Unterschied zwischen formlosen und formgebundenen Beschränkungen ist ein gradueller." Schlicht präferiert allerdings den Begriff „custom" gegenüber dem der „culture", wie bereits aus dem von ihm gewählten Titel deutlich wird („On Custom in the Economy"); im Deutschen hätte man - trotz mancher unbestrittener, gleichwohl unvermeidlicher Unscharfe - gewiß den Begriff „Kultur" gewählt.
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baus voraussetzt: „Die Befolgung der rechtlichen Regeln verlangt moralische Tugenden wie Ehrlichkeit, Verläßlichkeit, Anstand (...; so ist, T.B.) das staatlich organisierte Rechtssystem ohne einen gewachsenen Unterbau an verläßlichen moralischen Bindungen überfordert (...), Recht und Ordnung zu schaffen oder zu sichern" (ebd.). Mit anderen Worten: Die formgebundenen, insbesondere rechtlichen, Regeln und die formlosen primär kulturell geprägten - Beschränkungen müssen also buchstäblich zueinander „passen". Dieser Zusammenhang zwischen einer Art „moralischem Unterbau" und dem darauf,.ruhenden" formalen Rechtssystem wird beispielsweise sehr anschaulich dargestellt im „Schichtenmodell der Umweltdifferenzierung" von Diilfer (1981, 1982 und 1997): In diesem Modell, das nach seinen eigenen Angaben ursprünglich als „Orientierungshilfe zur Umweltberücksichtigung im Internationalen Management" entwickelt wurde und so die Basis für die von ihm angestrebte Verknüpfung verschiedener Ansätze der Umweltberücksichtigung mit entscheidungstheoretischen Überlegungen darstellen soll 48 , unterscheidet er u.a. folgende Schichten: „kulturell bedingte Wertvorstellungen", „soziale Beziehungen und Bindungen" sowie „rechtlich-politische Normen". Diese sind wie folgt miteinander verknüpft: Die kulturell bedingten Wertvorstellungen, zu denen „Glaube, Einstellungen, Prinzipien und Ziele des Individuums (gehören), bilden ihrerseits die Voraussetzung für die Herstellung 'sozialer Beziehungen und Bindungen', die in vielfältigsten Formen informeller Gruppierung oder organisierter Mitgliedschaft auftreten. (...). Zwischen diesen beiden Schichten bestehen besonders enge Interdependenzen, da die individuellen Wertungen durch Gruppenbeziehungen beeinflußt werden. Die sozialen Beziehungen wiederum sind Voraussetzungen dafür, daß menschliche Kommunikation und Verhaltensweisen zwecks Harmonisierung des Zusammenlebens durch 'rechtliche Normen' verfestigt werden. Solche Normen sind daher immer erst Ergebnis sozialer Beziehungen, selbst wenn sie selbst wiederum die Weiterentwicklung dieser Beziehungen beeinflussen" (Dülfer 1981, S. 31/32; Hervorhebung von mir). Dies bedeutet zwangsläufig, daß sich eine Analyse der das Verhalten von Individuen beeinflussenden Faktoren - insbesondere im interkulturellen Zusammenhang - nicht auf das formelle Rechtssystem beschränken darf. Dies wird denn auch von Dülfer ausdrücklich betont: „Die Auffassung, daß es in dieser Hinsicht (einer „weitergehenden Analyse verhaltensbestimmender Einflüsse", T.B.) ausschließlich (...) auf die Ermittlung abweichender Rechtsnormen (...) ankomme, erweist sich schnell als häufig vertretener Irrtum. Zwar ist das positive Recht wegen der darin (rein formell, T.B.) enthaltenen Sanktionsmöglichkeiten ohne Zweifel von besonderer Relevanz. Diese nimmt aber im gleichen Maße ab, in dem die Kulturdifferenz zunimmt, weil in letzterem Falle gewohnheitsrechtliche Regeln und sozialethische Verhaltensnormen positives Recht ersetzen oder ggfls. sogar verdrängen. Verantwortlich sind dafür jene Einflußfaktoren, aus denen die rechtlich-politischen Normen erst erwachsen, nämlich die 'sozialen Beziehungen und Bindungen', die ihrerseits auf den 'kulturell bedingten Werturteilen' basieren" (Dülfer 1982, S. 58).49
Vgl. das aus dem „Schichtenmodell" abgeleitete „Filtermodell der Entscheidungssituation" (Dülfer 1981, insbes. Abb.9, S. 36). Selbstverständlich bin ich mir der Gefahr einer Wiederholung durchaus bewußt. Diese nehme ich indes um der „runderen" Argumentation und der Vermeidung eines Auseinan-
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Darauf, daß nicht allein die formellen Regeln bzw. formgebundenen Beschränkungen das Verhalten der Menschen bestimmen - und darüber langfristig die Entwicklung von Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen prägen -, sondern daß gerade letztere ihrerseits wiederum das Verhalten von Menschen mitbestimmen, hat etwa Hensel ebenfalls aufmerksam gemacht; rufen wir uns noch einmal seine bereits an anderer Stelle (vgl. Kap. 2, Abschnitt 1.1.1.) zitierte Feststellung in Erinnerung: „Jede konkrete Ordnung ist charakterisiert durch herrschende Sitten und Gebräuche; das Verhalten der Menschen ist geleitet durch (...) Verantwortungsbewußtsein oder auch durch Verantwortungslosigkeit, durch Bindung an Religionen, durch sittliche Normen oder auch durch Sittenlosigkeit" (Hensel 1972/1992, S. 18). Die gewiß komplizierten Zusammenhänge zwischen Moral und Wirtschaftsordnung können hier nur im Grundsatz angedeutet werden, wiewohl davon auszugehen ist, daß sie für die Transformation von besonderer Bedeutung sind. In diesem Sinne ist etwa auch der von Schüller/Weber (1993, S. 448/449) verwendete Begriff des „moralischen Kitts" zu verstehen, der nach Ansicht der Autoren aus „gemeinsamen Wertsetzungen, Idealen und kulturellen Traditionen" besteht und in dem sie einen unverzichtbaren Faktor für das Gelingen „von Transformations- und Integrationsbemühungen" sehen. Dies kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden. Ich bin der festen Überzeugung, daß sich dahinter letztlich der Schlüssel für das Verständnis gravierender Probleme der Systemtransformation - insbesondere für das Verständnis des institutionellen Interregnums - verbirgt. 1.4.2. Institutionen und institutionelles Interregnum: Zur Pfadabhängigkeit des institutionellen Wandels 1.4.2.1. Grundsätzliche Anmerkungen Wie gesehen, ließe sich zu jedem historischen Zeitpunkt durch eine Momentaufnahme des Amalgams der unterschiedlichen institutionellen Beschränkungen gleichsam ein „Standbild" des an dem jeweiligen Ort gerade aktuellen Neben-, Mit- oder/und Gegeneinander von gesetzter und gewachsener Ordnung gewinnen. Vor diesem Hintergrund erscheint fraglich, ob mit Blick auf das Transformationsproblem tatsächlich davon ausgegangen werden kann, daß hier eine transformationsspezifische Entscheidungssituation in dem Sinne vorliegt, daß etwa darüber abgestimmt werden könnte, ob eine neue Ordnung denn nun zu „setzen" sei oder ob man sie „(weiter-)wachsen" lassen solle. Mehr noch: Es sieht eher danach aus, als sei diese Frage gewissermaßen falsch gestellt. Diese Einschätzung bedarf einer Begründung: Es wurde bereits betont, daß es sich bei der Transformation (genauer: beim Beginn des Transformationsprozesses) um einen Sonderfall des institutionellen Wandels handelt: Es geht nicht um einen langfristigen Entwicklungsprozeß, der durch im Grunde unendlich viele graduelle, für die in einem bestimmten historischen Zeitpunkt (davon) Betroffenen kaum merkliche Veränderungen gekennzeichnet ist, sondern eher um einen abrupten Wandel. Dieser stellt eben keine kontinuierliche Veränderung, sondern eine regelrechte Zäsur dar. Dies ist nicht zuletzt
derreißens des Originaltextes willen bewußt in Kauf; dies gilt insbesondere fur die wörtliche Wiedergabe des letzten Satzes.).
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auch deshalb besonders interessant, weil durch den Beginn der gegenwärtigen Transformation ein historischer Prozeß in den ehemals sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas abrupt beendet wurde, der seinerzeit ebenfalls abrupt begonnen hatte: Auch die Russische Oktoberrevolution von 1917 sowie auch die Etablierung der neuen Ordnung unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten für die davon betroffenen Menschen innerhalb des sowjetischen Einflußbereichs noch radikalere Zäsuren bedeutet. 50 Der zwischen diesen beiden Radikalschnitten in historischer Zeit abgelaufene Prozeß hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, daß zumindest dieses „realsozialistische Experiment" gescheitert ist. Im Lichte der Theorie der Institutionen und des institutionellen Wandels läßt sich dieses gescheiterte Experiment einerseits zwar als Bestätigung des auf Erkenntnissen der Ordnungstheorie und der systemvergleichenden Forschung beruhenden „Vermutungswissens" bezüglich des Zusammenhangs von (insbesondere formellen) Regeln/Institutionen und wirtschaftlichem Verhalten der Akteure bzw. tatsächlicher erbrachter wirtschaftlicher Leistung verstehen. Andererseits jedoch wirft das gescheiterte Experiment der sog. „real-sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme" - insbesondere was seine Dauer angeht - durchaus auch einige Fragen auf. Zunächst hat sich bestätigt, daß „schlechte" Institutionen zu „schlechtem" Verhalten und damit letztlich zu negativen Ergebnissen führen. Mit anderen Worten: Sind die Regeln schlecht, wird schwerlich ein gutes Spiel erwartet werden können; die Spieler werden sich kaum um Fairness bemühen, wenn Fouls nicht bestraft werden, und sie werden sich kaum ums Tore-Schießen bemühen, wenn der Schiedsrichter ständig „Abseits" pfeift oder sie im Falle eines Sieges keine Prämie bekommen. 51 Gleichwohl fragt sich, warum die Wirtschaftsordnung der Zentralverwaltungswirtschafl trotz der Fülle der von ihr beherbergten „schlechten" Institutionen letztlich doch so lange hat existieren können und warum ähnliche Ordnungsmuster - wenn auch nur in einigen wenigen Ländern noch immer existieren. Diese historischen Tatsachen lassen die insbesondere aus der „evolutionistischen" (aber auch aus der „konstruktivistischen") Ordnungstheorie ableitbare These fraglich erscheinen, daß sich stets nur die effizientesten Institutionen durchsetzen werden. 52 Wenn also, wie Leipold (1996, S. 94) es formuliert, „die Geschichte reiches Anschauungsmaterial sowohl für unterschiedliche als auch für ineffiziente institutionelle Entwicklungen (liefert)", dann läßt sich feststellen, daß die Empirie der je-
So bezeichnet beispielsweise North (1992, S. 44) die „Russische Revolution (als) die vielleicht weitestgehende Umgestaltung einer Gesellschaft, die wir j e erlebt haben." Bei North (1992, S. 4) findet sich eine ähnliche Analogie: „Institutionelle Beschränkungen (...) entsprechen ganz genau den Regeln im Mannschaftssport. Das heißt, sie bestehen aus förmlichen, schriftlich niedergelegten Regeln ebenso wie aus typischerweise ungeschriebenen Verhaltenskodices, welche den formgebundenen Vorschriften zugrundeliegen bzw. sie ergänzen (...). Gemeinsam bestimmen die formgebundenen und die formlosen Regeln sowie Art und Wirksamkeit ihrer Anwendung den gesamten Charakter des Spiels." Bei Leipold (1996, S. 94) heißt es in diesem Zusammenhang: „Beide (...) Erklärungsansätze betonen unterschiedliche Ursachen und Formen der Ordnungsentstehung. Paradoxerweise gelangen sie jedoch zu dem nahezu identischen Ergebnis, daß sich die 'erfolgreichen' oder 'effizienten' Institutionen durchsetzen."
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weiligen „Reinform" der beiden oben skizzierten Theorievarianten zur Erklärung der Entstehung von Ordnungen bzw. Institutionen offenbar Rätsel aufgibt. Wichtige Ansatzpunkte zur Lösung dieses Rätsels finden wir in der Northschen Theorie des institutionellen Wandels, in der die These von der Effizienzüberlegenheit bestimmter Institutionen als notwendige (oder womöglich gar hinreichende) Bedingung für deren Durchsetzungsvermögen und dauerhaftes Überleben in Frage gestellt wird. North, dessen Theorie sich im Laufe der Jahre ebenfalls „gewandelt" bzw. weiterentwickelt hat, bietet uns im wesentlichen zwei Erklärungsmuster für das offenkundige Beharrungsvermögen ineffizienter Institutionen an: Im Mittelpunkt des einen Erklärungsmusters (North 1981, deutsche Fassung 1988) steht das Phänomen der Macht (in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen); die in diesem Zusammenhang benutzten theoretischen Instrumente sind insbesondere die Property-Rights-Theorie und die Transaktionskosten-Theorie. Im Mittelpunkt des anderen (North 1990, deutsche Fassung 1992) steht das Phänomen der Pfadabhängigkeit des institutionellen Wandels. In den folgenden Ausführungen soll auf das erste Erklärungsmuster nur kurz, auf das zweite ausführlich eingegangen werden. Dabei werden wir im übrigen sehen, daß beide Erklärungen - zumindest in Ansätzen - durchaus bereits sowohl bei von Hayek als auch bei Euchen angelegt sind. Diese im Grundsatz vorhandenen Parallelen sind insofern bemerkenswert, als North mit seiner Theorie des institutionellen Wandels ja gerade dazu „angetreten" ist, entsprechende Defizite auszugleichen, die sich - wie dargelegt nicht zuletzt (auch) in den Arbeiten dieser beiden Forscher (bzw. den von ihnen repräsentierten „Schulen") entdecken lassen. Wenn wir mit North (1990, S. 3) davon ausgehen, daß die Hauptaufgabe von Institutionen darin besteht, „(to) reduce uncertainty by providing a structure to everyday life", dann müssen sie nicht notwendigerweise effizient sein. Die Schaffung eines leidlich stabilen Ordnungsrahmens dient dazu, die für menschliches Handeln bzw. Verhalten unabdingbar notwendige Bildung stabiler Erwartungen zu ermöglichen; dazu bedarf es nicht notwendig und primär der Effizienz dieses Rahmens. North (1992, S. 6, S. 19 u. S. 30) betont dies ausdrücklich: „Der Hauptzweck der Institutionen in einer Gesellschaft besteht darin, durch die Schaffung einer stabilen (aber nicht notwendig effizienten) Ordnung die Unsicherheit menschlicher Interaktion zu vermindern. (...). Institutionen werden nicht unbedingt, nicht einmal üblicherweise, geschaffen, um (...) effizient zu sein; vielmehr werden sie, oder zumindest die formalen Regeln, geschaffen, um den Interessen derjenigen zu dienen, die die Verhandlungsmacht haben, neue Regeln aufzustellen. Die Institutionen haben den Zweck, die Unsicherheiten menschlicher Interaktion zu vermindern. (...). Diese Feststellung besagt in keiner Weise, daß die Institutionen effizient sind" (Hervorhebungen von mir). Diese hier zum Ausdruck kommende Betonung des Machtphänomens zur Erklärung der dauerhaften Existenz offenkundig ineffizienter Institutionen stellt eine bemerkenswerte Weiterentwicklung des Northschen Theorieansatzes dar. So war North nach eigenen Angaben in früheren Arbeiten - insbesondere etwa in Νorth/Thomas (1973) - selbst noch von einem „effizienzorientierten Verständnis" des institutionellen Wandels ausgegangen: In dieser Arbeit, so berichtet North (1992, S. 8) rückblickend, „stellten wir (...) die relativen Preisveränderungen als Ursache institutionellen Wandels hin (...): Veränderungen der relativen Preise schaffen
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Anreize zur Einrichtung effizienterer Institutionen. (Indes, T.B.): Der Fortbestand ineffizienter Institutionen (...) fugte sich nicht in den theoretischen Rahmen" - womit wir beim Kernproblem wären. Später rückte North (1981) erstmals von der Effizienzerklärung ab: Das Machtproblem rückte in den Mittelpunkt; dieses - und damit letztlich die Existenz ineffizienter Institutionen - versuchte er, vermittels der Property-Rights- und der Transaktionskosten-Theorie in den Griff zu bekommen: ,.Herrscher schufen Eigentumsrechte in ihrem eigenen Interesse, und Transaktionskosten sorgten dafür, daß typisch ineffiziente Eigentumsrechte überwogen." Bevor auf das zweite Erklärungsmuster - die Northschs These, daß der Prozeß des institutionellen Wandels pfadabhängig sei - näher eingegangen wird, sei zunächst in aller Kürze ein interessanter Erklärungsansatz skizziert, den Cheung (1982) vorgelegt hat.. Dieser Ansatz läßt sich m.E. an dieser Stelle deshalb gut einfügen, weil er - wie eben auch ein Teil der oben beschriebenen früheren Arbeiten von North - transaktionskostenorientiert ist: Nach Cheung wird es zum institutionellen Wandel - hier: dem Beginn der Transformation - so lange nicht kommen, wie die Transaktionskosten dieses Wandels zu hoch sind. Anders gewendet: Die Kosten des Wandels selbst dürfen die Einsparungen nicht übersteigen, die durch diesen Wandel von einem institutionellen Arrangement zu einem anderen angestrebt werden. Es versteht sich von selbst, daß die konkrete Höhe dieser potentiellen Einsparungen, die aus der Differenz zwischen den „laufenden Transaktionskosten" der Beibehaltung des alten und dem zuküftigen „Betrieb" des neugewählten institutionellen Arrangements bestehen, ebensowenig exakt zu quantifizieren ist wie die Kosten des Wandels selbst. Gleichwohl lassen sich immerhin bestimmte Kostenkomponenten bzw. -kategorien identifizieren: Diese sieht Cheung a) in den Suchkosten nach einem solchen alternativen Arrangement, b) in den Verhandlungs- bzw. Koordinationskosten, die im Zuge der für das Zustandekommen des Wandels notwendigen Konsensbildung zwischen den einem Wandel zugeneigten relevanten gesellschaftlichen Gruppen anfallen, sowie c) den Widerstandskosten, die dann anfielen, wenn eine Alternative gefunden würde und dann „nur noch" der Abstimmungs- bzw. Einigungsprozeß der „Umstürzler" abzuschließen und der Widerstand der Befürworter der alten Ordnung zu überwinden wäre. Cheung wendet dieses interessante Modell auf China an. Insgesamt verwundert es kaum, daß er die Kosten eines institutionellen Wandels dort als sehr hoch einschätzt. Für die Bereiche b) und c) leuchtet das unmittelbar ein, im Bereich a) allerdings mag man zunächst stutzen bzw. eher skeptisch sein. Doch auch für diesen Bereich wird Cheungs Einschätzung verständlich, wenn man einen Blick auf die in China noch immer andauernde, fruchtlose Diskussion um eine möglicherweise anzustrebende „(staats-)sozialistische Marktwirtschaft" als neue Ordnung wirft. So einleuchtend Cheungs transaktionskostenorientierte Argumentation mit Blick auf China wirkt, so überzeugend wirkt die am Machtphänomen orientierte Argumentation von North mit Blick auf die untergegangenen und jetzt den Transformationsprozeß durchlaufenden (Zentralverwaltungs-)Wirtschaften in den (post-)sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas. Eine überzeugendere Bestätigung der Northschen Ausfuhrungen über das Machtphänomen als die Praxis der früheren Zentralverwaltungswirtschaften sowie die verzweifelten Überlebensbemühungen der sog. „Nomenklatura" werden
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sich schwerlich finden lassen. Mithin können die maroden Zentralverwaltungswirtschaften als zwar ineffiziente, den Menschen gleichwohl eine gewisse Stabilität und Sicherheit vermittelnde - also die Bildung verläßlicher Erwartungen ermöglichende - Institutionen verstanden werden. Analog bedeutet dann die Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien eine empfindliche Störung dieser Stabilität: Sie bewirkt Unsicherheit, mag sie auch noch so „effizient" sein. Mit dem von North thematisierten Machtproblem scheint zunächst - insbesondere, wenn man die Perspektive auf den ökonomischen Bereich konzentriert - tatsächlich der Finger auf die Wunde gelegt zu werden, die die wohl offenkundigste Schwäche insbesondere des „liberalen Evolutionismus" (Vanberg) von Hayekscher Prägung markiert: Die scheinbar vollständige Abstraktion von einem so wichtigen Phänomen wie dem der wirtschaftlichen Macht, die in von Hayeks evolutorischer Ordnungstheorie und dem diese auszeichnenden „Effizienz-Optimismus" zum Ausdruck kommt, stellt denn auch einen wichtigen Unterschied - gleichsam die Demarkationslinie - zwischen diesem und dem ordo-liberalen Ordnungsentwurf dar: So hat etwa Eucken stets betont, daß die Entstehung wirtschaftlicher Macht verhindert und - wenn dies sich als unmöglich erweise zumindest deren Mißbrauch verhindert werden müsse. Gleichwohl scheint mir in diesem scheinbar so offenkundigen Unterschied letztlich der Schlüssel zur Gemeinsamkeit zu liegen: Das problematische Phänomen der Macht wird durchaus bei beiden thematisiert. Der Unterschied besteht nun darin, daß der klassisch- (bzw. evolutions-)liberale von Hayek sich auf die Warnungen vor dem die (spontane) Ordnung bedrohenden „Schreckgespenst" der Ausuferung staatlicher Macht konzentriert hat 5 3 , während der ordo-liberale Eucken (wie die Vertreter der Freiburger Schule überhaupt) eher um die Verhinderung bzw. Beschränkung privafwirtschaftlicher Macht bemüht war. Mit Norths Macht-Argument war zwar ein Ansatz zur Erklärung des Vorhandenseins ineffizienter Institutionen gefunden, indes blieb ein Problem weiterhin ungelöst: „(...) warum sorgte denn der Wettbewerbsdruck nicht fur ihre Beseitigung?" (North 1992, S. 8). Wenn die Institutionen so offenkundig ineffizient waren, warum wurden sie nicht von effizienteren überflügelt und entsprechend „selektiert"? Formuliert man diese Frage etwas anders und bedient sich dabei eines durch mittlerweile fast inflationäre Verwendung beinahe zur bloßen Floskel verkommenen Begriffspaares von Hirschman (1974), so ließe sich fragen: Warum wurden die ineffizienten Institutionen nicht durch „Abwanderung und Widerspruch" unterhöhlt bzw. beseitigt? Warum kündigten die Menschen ihre „Loyalität" {Hirschman) nicht auf? Dem aufmerksamen Beobachter wird kaum entgangen sein, daß diese Frage unter Berufung auf das Machtphänomen bzw. den Mißbrauch der Herrschergewalt selbst schwerlich beantwortet werden kann, ohne sich der Gefahr der Tautologie auszusetzen: Wenn Abwanderung und Widerspruch zur Beseitigung ineffizienter Institutionen schlechterdings deshalb nicht in Frage kommen, weil die Gewalt- und Willkürherrschaft eine solche Opposition nicht zuläßt, andererseits allerdings diese Diktatur selbst wiederum als primäre Ursache fur die Ineffizienz der Institutionen überhaupt herhalten muß, dann „beißt sich die Katze in den Schwanz", will
Vgl. insbesondere sein diesbezügliches Hauptwerk „The Road to Serfdom", 1944 (pbk.-ed. London 1962; deutsche Fassung u.d.T.: „Der Weg zur Knechtschaft", München 1971).
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sagen: dann sind wir von einer tautologischen Argumentation tatsächlich nicht weit entfernt. Zum wohl entscheidenden Hintergrund für die Erklärung bzw. das Verständnis des offenkundigen Beharrungsvermögens ineffizienter Institutionen, das - wie gesehen insbesondere der evolutionistisch-liberalen Theorie der Regelentstehung nach von Hayek („evolutorische Ordnungstheorie"), aber auch der ordo-liberalen Theorie der „gesetzten" Ordnung nach Eucken „Rätsel" aufgibt, stößt North (1990, deutsche Fassung 1992) letztlich mit seiner These von der „path dependence" (Pfadabhängigkeit) der Entstehung und des Wandels von Institutionen vor.54 Die Northsche These fußt auf einer Grundidee bzw. Überzeugung, die er selbst in faszinierender Weise auf folgende Kurzform gebracht hat: „History matters" (North 1990, S. VII). Er weist daraufhin, daß „Gegenwart und Zukunft durch den Fortbestand der Institutionen einer Gesellschaft mit der Vergangenheit verbunden sind. Die Entscheidungen von heute und von morgen werden durch die Vergangenheit mitgestaltet. Und die Vergangenheit läßt sich nur als Geschichte institutioneller Evolution deuten" (ebd., Hervorhebungen von mir). Freilich ist es keineswegs so, als habe North diese Erkenntnis exklusiv. So findet sich der Northsche Grundgedanke durchaus bereits bei einer Fülle anderer Autoren, so etwa auch bei Heuß (1965, S. 95). Im Rahmen eines dogmenhistorischen Exkurses zur Oligopoltheorie spricht dieser - im Zusammenhang mit der Bildung von Erwartungen und der Bedeutung von Erfahrungen - von der „Zeitbezogenheit" des Menschen und betont: „Er (der Mensch, T.B.) denkt an die Zukunft, handelt in der Gegenwart und wird von der Vergangenheit geformt. Würde er nicht über Erfahrungen verfügen, so befände er sich in einem Vakuum ohne jegliche Anhaltspunkte. Daß dies in theoretischen Modellen sehr häufig der Fall ist (...), zeigt, wie wenig das Sensorium dafür in der theoretischen Nationalökonomie entwickelt ist" (Hervorhebungen von mir; zum Begriff der „Zeitbezogenheit" vgl. ausführlich ebd., S. 212 ff.). Für das hier im Mittelpunkt stehende Thema ist zu betonen, daß die Menschen ihre Erfahrungen in einer ganz bestimmten Umwelt machen, die wiederum maßgeblich von Institutionen gebildet bzw. geprägt wird. Im Vorgriff auf spätere Ausführungen sei bereits an dieser Stelle angedeutet, daß beispielsweise bei einem plötzlichen Wegfall gewohnter äußerer Rahmenbedingungen (wie z.B. bei plötzlicher Ungültigkeit formeller Institutionen) die innerhalb dieses Rahmens gebildeten Erfahrungen entwertet werden können. In einem solchen Falle werden
In der deutschen Fassung wurde dies mit „ Verlaufsabhängigkeit" übersetzt (North 1992, S. 53). Es steht zu vermuten, daß Monika Streissler den Begriff ,ffadabhängigkeit" bei der Übersetzung bewußt vermeiden wollte, da dieser ursprünglich einen terminus technicus aus dem Bereich der technologischen Entwicklung darstellt und sie möglicherweise weder unnötige „Verwirrung" stiften noch zur - später dann doch erfolgten - gleichsam inflationären Verbreitung dieses Begriffs in den Sozialwissenschaften beitragen wollte. Indes bin ich davon überzeugt, daß der Begriff bzw. das zugrunde liegende Konzept der „Pfadabhängigkeit" durchaus auf den Bereich des institutionellen Wandels - und damit auch auf das Problem der Systemtransformation - angewendet werden kann. Dies darf freilich keine kritiklose Übernahme sein, sondern bedarf der sorgfaltigen Abwägung und Analyse bestehender Unterschiede und möglicher Parallelen zwischen technologischem und institutionellem Wandel (vgl. auch den entsprechenden Hinweis bei Brockmeier (1997a). Die hier geforderte Analogieprüfung wird - auf Basis der Arbeiten von Kiwit/Voigt (1995) und Leipold (1996) - im nächsten Abschnitt vorgenommen.
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die Menschen in ihrem Streben nach Sicherheit und Geborgenheit um so stärker Zuflucht zu informellen Institutionen nehmen, die ihre Gültigkeit nicht plötzlich verloren und die entsprechenden diesbezüglichen Erfahrungen noch nicht entwertet haben. Eingangs dieses Unterkapitels (1.4.2) wurde bereits angedeutet, daß die Grundidee des mit North eng verbundenen Konzeptes der Pfadabhängigkeit institutioneller Entwicklung (ebenso wie bereits die Betonung des Machtphänomens) ebenfalls sowohl in der Ordnungstheorie von Hayeks als auch in deqenigen Euchens angelegt ist. Dies sei im folgenden kurz erläutert: Bei Hayek kommt dies - wie dargelegt - sehr deutlich in seiner grundlegenden Kritik an der Geschichts- und Traditionsfeindlichkeit des naivkonstruktivistischen Rationalismus Descartes' und der diesem gegenübergestellten „evolutionistischen Alternative" zum Ausdruck. Bei Eucken wird der Bezug zur Tradition und Geschichte - mithin zur „gewachsenen" Ordnung - durch sein Postulat der Berücksichtigung des „historischen Moments" dokumentiert. 55 Gleichwohl sei noch einmal betont, daß sich die Gemeinsamkeiten lediglich auf die Grundidee - oder besser: den (geschichts-philosophischen) Hintergrund - des Konzepts der Pfadabhängigkeit beziehen: So ist für von Hayeks Ansatz bekanntlich eine Art Evolutions-Opfr>m'sm«s charakteristisch, der für sog. „Lock-in"-Effekte 56 , d.h. für die Persistenz ineffizienter Institutionen, im Grunde keinen Raum vorsieht (vgl. auch das Zwischenergebnis in Abschnitt 1.4.3). Eben deren Existenz jedoch soll mit diesem Konzept ja gerade erklärt werden. Wenn die Grundüberzeugung zutrifft, daß „historische Bedingungen aktuelle Entscheidungen und über diese die zukünftigen Entwicklungen präformieren" (Leipold 1996, S. 95), und wenn man berücksichtigt, daß „bei jedem Schritt in (...der) Entwicklung politische und ökonomische Entscheidungen zwischen echten Alternativen zu treffen (waren, sind und sein werden)", dann bedeutet das schlicht: „Mit der Behauptung der Verlaufsabhängigkeit engt man die vorgestellte Entscheidungsmenge ein und verbindet die Entscheidungen über die Zeit miteinander" {North 1992, S. 117). Dies wiederum bedeutet - zumindest im Grundsatz - einen potentiellen Verlust an Vielfalt bzw. Komplexität, wodurch allerdings gerade das Essentielle spontaner (gewachsener) Ordnungen empfindlich berührt wird. Gleichwohl ist die These von der Verlaufs- bzw. Pfadabhängigkeit nicht etwa so zu verstehen, als sollte hier womöglich einem strikten historischen Determinismus das Wort geredet werden: Ganz in diesem Sinne betont denn auch North (1992, S. 117): „Es ist dies keine Geschichte unvermeidlicher Abläufe, in der die Vergangenheit die Zukunft klipp und klar vorhersagt." Leipold (1996, S. 95) bringt es auf den Punkt, wenn er - unter Berufung auf Hallpike (1988) - von einem „historisch gerichteten Verlauf' spricht, bei dem es methodisch wohl eher um einen „Mittelweg zwischen dem zufälligen Verlauf einerseits und einem determinierten Verlauf von Ereignissen andererseits" geht. Im übrigen ist das hier zum Ausdruck kom-
Darauf verweist beispielsweise auch Leipold (1997a, S. 44) ausdrücklich: „Die Relevanz der gewachsenen Ordnung berücksichtigt Eucken zumindest mit dem Verweis auf das 'historische Moment' (...)"; vgl. in diesem Sinne auch von Delhaes und Fehl (1997). Mit einem „Lock-in"-Effekt ist das Verharren in einer „ineffizienten" Lage im Sinne einer Blockierung gemeint, die mit dem Umstand zusammenhängt, daß das Verwerfen einer Lösung bzw. eines Lösungsweges, die/den man sich einmal zu eigen gemacht hat, mitunter sehr schwer sein kann.
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mende Verständnis von „Geschichte" und „Entwicklung" - worauf Leipold ebenfalls hinweist - keineswegs neu, sondern liegt unterschiedlichen Entwicklungstheorien verschiedener Disziplinen zugrunde. Bei Müller-Armack (1963, S. 14/15) finden wir eine beispielhafte Formulierung, die genau dieses Geschichtsverständnis zum Ausdruck bringt: „So ist die Geschichte nicht ein Hineingehen des Menschen in ein Reich völliger Freiheit, vielmehr ein konkreter Prozeß, in dem nur das realisiert zu werden vermag, was in der Geschichte Macht erlangen kann und sich durchsetzt. Auch im sozialen Prozeß folgt die konkrete geschichtliche Bewegung nicht dem Spiel grenzenloser Möglichkeiten, die dem Menschen vorschweben. Sie verwirklicht sich nur, wo das geistig Neue mit den realen Kräften übereinstimmt. Die Geschichte bewegt sich in einem Ablauf, in dem die Dialektik der Kräfte voll gewahrt bleibt. Sie ist ein Vorgang, in dem der Vorstoß in die geschichtliche Freiheit nie die Gebundenheit an die realistischen Kräfte aufgibt. Sie ist eine Vorwegnahme der Zukunft, die stets aus den Kräften und mit den Kräften der Vergangenheit erfolgt" (Hervorhebungen von mir). 1.4.2.2. Die theoretische Basis: Pfadabhängigkeit und technologischer Wandel Werfen wir nun einen Blick auf die ursprüngliche Verwendung des Konzepts der Pfadabhängigkeit im Bereich des technologischen Wandels, bevor dann Überlegungen zur möglichen Übertragbarkeit auf den institutionellen Wandel angestellt und einige Schlußfolgerungen für das Problem der Systemtransformation gezogen werden. Das Konzept der Pfadabhängigkeit fand ursprünglich bzw. findet in der Regel Anwendung auf zwei Phänomene im Bereich der technologischen Entwicklung: Erstens geht es um den Bereich zweier miteinander konkurrierender Technologien bei der Herstellung eines bestimmten Gutes. Die beiden Technologien, mit denen das bewußte Gut hergestellt werden kann, zeichnen sich durch folgende zwei Merkmale aus: a) hohe Fixkosten und b) Lerneffekte (vgl. Arthur 1988 und 1989). Diese Merkmale bewirken, daß die Stückkosten des in Rede stehenden Gutes mit steigender Ausbringungsmenge sinken (ähnlich der Situation beim natürlichen Monopol) und/oder die eine Qualitätssteigerung bewirken (vgl. auch das Konzept der sog. „Erfahrungskurve" in der BWL). Welche der beiden Technologien sich schließlich durchsetzt, kann mittels des Analyseinstrumentariums der ökonomischen Theorie allein nicht bestimmt werden, da aufgrund der o.g. besonderen Voraussetzungen für keine der beiden Technologien ein eindeutiges Betriebsoptimum definiert werden kann. So können letztlich geringste außer-ökonomische Faktoren zum berühmten Zünglein an der Waage werden und darüber entscheiden, welche der beiden rivalisierenden Technologien sich schließlich durchsetzt. Ist dies einmal geschehen, kommt es mitunter zu sog. „Selbstverstärkungseffekten", die bewirken können, daß „eine der beiden Techniken - und nicht notwendig die effizienteste (...) schließlich den gesamten Markt beherrscht." 57 Eben damit ist der besondere Charakter bzw. „Wesenskern" der Pfadabhängigkeit beschrieben: Es ist dies „die merkwürdige Tatsache (...), daß allmähliche Veränderungen einer Technik, sobald sie einmal einen
„Beispiele (...) betreffen die Konkurrenz zwischen verschiedenen Techniken zur Erzeugung von Atomstrom oder die Konkurrenz zwischen Verbrennungs- und Dampfmotoren"
(Kiwit und Voigt 1995, S. 128).
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bestimmten Weg eingeschlagen haben, dazu führen kommen, daß eine technische Lösung eine andere aussticht, selbst wenn sie weniger effizient sein mag, als es die aufgegebene alternative Technik gewesen wäre" {North 1992, S. 110/1 II). 5 8 Indes drängt sich unweigerlich die Frage auf, woher jemand wissen will, wie effizient eine solche „aufgegebene Technik" denn tatsächlich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang kommt einem unwillkürlich von Hayeks Diktum von der .Anmaßung von Wissen" in den Sinn, leuchtet doch ein, daß es zur Beantwortung einer solchen Frage im Grunde geradezu prophetischer Fähigkeiten bedürfte. Im übrigen fragt sich, welchen Effizienzbegriff man hier sinnvollerweise als Referenzgröße zugrunde legen kann, will man sich nicht dem Vorwurf aussetzen, das ganze Vorgehen ähnele doch sehr stark dem, was Demsetz (1966) einmal als „Nirvana-Approach" bezeichnet hat. Zweitens kann sich die Anwendung des Konzepts der Pfadabhängigkeit auf die Untersuchung sog. „Netzwerkeffekte" beziehen (vgl. beispielhaft Katz 1994 sowie Liebowitz und Margolis 1994). Mit einem „Netzwerk" ist in diesem Zusammenhang die Gesamtheit der Nutzer bzw. Anwender eines bestimmten Gutes oder einer bestimmten Technologie gemeint. Solche werden dann als „Netzwerkgüter" bezeichnet, bisweilen ist auch von „Kommunikationsgütern" die Rede (vgl. dazu Blankart und Knieps 1994 sowie Tietzel 1994). Von „Netzwerkeffekten" wird dann gesprochen, wenn der individuelle Nutzen eines jeden Teilnehmers eines solchen (Güter- bzw. TechnologieNetzwerkes mit zunehmender Anzahl der Nutzer bzw. Anwender steigt; Arthur (1988, S. 10) spricht in diesem Zusammenhang von „coordination effects", die eine Zusammenarbeit mit ähnlich handelnden Akteuren angezeigt erscheinen lassen. Auch hier geht es also um eine Art Selbstverstärkungsmechanismus (vgl. Kiwit/Voigt 1995, S. 128, sowie Leipold 1996, S. 97). 59 Häufig genannte Beispiele sind etwa die nach der entsprechenden Anordnung der Buchstaben so bezeichnete „QWERTY-Tastatur" der Schreibmaschine (David 1985) 60 , die Dominanz des sog. „VHS-Standards" bei Videokassetten,
58
60
Beispiele sind nach North (1992, S. 111) etwa die „Beibehaltung der Schmalspurgleise, der Erfolg des Wechselstroms gegenüber dem Gleichstrom und der Sieg des Benzinmotors über den Dampfmotor." Arthur (1988, S.10) nennt auch die Möglichkeit einer Selbstverstärkung durch die Bildung adaptiver Erwartungen (wenn die sukzessive Verbesserung einer Marktposition dazu fuhrt, daß ein weiterer Ausbau dieser Position erwartet wird), so daß nun neben den hohen Fixkosten und den Lerneffekten sowie den Netzwerk- bzw. Koordinationseffekten insgesamt vier Merkmale bzw. Mechanismen der Selbstverstärkung existieren. Hierbei handelt es sich um das Standardbeispiel einer pfadabhängigen technologischen Entwicklung schlechthin, auf das beispielsweise auch North (1992, S. 110) Bezug nimmt: Nach seiner Aussage „versucht David zu erklären, wie die merkwürdige Anordnung der Buchstaben auf der Tastatur der Schreibmaschine standardisiert bzw. festgelegt wurde, und (...) welche Kette von Zufälligkeiten anscheinend diese einmal getroffene Anordnung fortbestehen ließ - selbst angesichts effizienterer Alternativen." Eine solche „effizientere" Alternative, gegen die sich die QWERTY-Tastatur letztlich durchsetzte, existierte angeblich in Gestalt der sog. „Dvorak-Tastatur" (so etwa auch David 1985). Bei Kiwit/Voigt (1995, FN 32, S. 130) findet sich zu diesem Fall folgende interessante Randnotiz: Unter Berufung auf eine andere Quelle (Liebowitz und Margolis 1990) bezweifeln sie die angebliche Überlegenheit der Dvorak-Tastatur, da diese sich offenbar auf eine Studie gründet, „deren Leiter eben jener Herr Dvorak war, der die konkurrierende Tastatur entworfen hatte."
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der sich gegen das von vielen Experten aus rein technischer Sicht ursprünglich für überlegen gehaltene System „V-2000" durchgesetzt hat. Ferner kann auf bestimmte Computer-Hard- und Software verwiesen werden, die sich gegenüber vermeintlich besserer („effizienterer") Konkurrenz durchgesetzt hat. Beispiele in diesem Zusammenhang wären etwa Geräte der Firma IBM oder Programme der Firma Microsoft, die sich letztlich gegenüber der Konkurrenz von Apple/Macintosh durchgesetzt haben, obwohl nicht wenige Nutzer beklagten (und noch beklagen), daß etwa verschiedene MS-Programme sowohl technische als auch Schwächen im Bereich der „Anwenderfreundlichkeit" hätten.61 Um das ursprünglich auf den technologischen Wandel angewandte Konzept der Pfadabhängigkeit auf das Phänomen des institutionellen Wandels übertragen zu können, müßte zunächst zweierlei geklärt werden: Da bekanntlich gilt, daß aus Falschem Beliebiges folgt, wäre erstens zu überprüfen, ob das Konzept der Pfadabhängigkeit überhaupt in seinem ursprünglichen Anwendungsbereich, d.h., „in dem Bereich plausibel ist, aus dem die Analogie übertragen werden soll, also dem Bereich konkurrierender Techniken mit hohen Fixkosten sowie Lerneffekten und dem Bereich konkurrierender Standards mit Netzwerkeffekten" (Kiwit/Voigt 1995, S. 129). Nach einem solchen „PlausibilitätsTest" wäre dann zweitens zu überprüfen, ob die o.g. „typischen" Merkmale der (technologischen) Pfadabhängigkeit als Kriterien zur Feststellung einer etwaigen Pfadabhängigkeit im institutionellen Bereich brauchbar sind; dies kann als „KriterienTest" bezeichnet werden. Beide „Tests" wurden bereits von anderen Autoren vorgenommen und ausfuhrlich dokumentiert, so daß wir uns in dieser Hinsicht kurz fassen und beispielsweise auf die Ergebnisse der bereits genannten Untersuchung von Kiwit/Voigt (1995) zurückgreifen können. • Plausibilitäts-Test: Wie plausibel ist das Konzept der Pfadabhängigkeit logischen Bereich ?
im techno-
Kiwit/Voigt (1995, S. 129) kommen aufgrund der von ihnen im oben beschriebenen Sinne vorgenommenen Plausibilitäts-Prüfung zu dem Ergebnis, daß einige der Annahmen, auf denen das Konzept der Pfadabhängigkeit des technologischen Wandels beruht, „äußerst fragwürdig erscheinen." Dazu zählen sie etwa den diesem Konzept zugrundeliegenden Effizienzbegriff. Ferner bezweifeln sie, daß es notwendig zur Monopolisierung des Marktes und zu dauerhaft ineffizienten Lösungen kommen müsse. Die auf den Effizienzbegriff bezogene Kritik muß hier nicht näher vorgestellt und erläutert werden, da sie im Grundsatz mit der hier bereits geäußerten übereinstimmt (s.o.). Indes scheint Gerade an diesem Beispiel läßt sich recht gut verdeutlichen, daß es in manchen Bereichen tatsächlich bestimmte positive Erfahrungen mit den letztlich „ausgebooteten" bzw. aufgegebenen Alternativen gegeben hat. Diese können in der Weise interpretiert werden, daß es offenbar doch zumindest gewisse Anhaltspunkte für die von den oben „belächelten Propheten" behauptete (potentielle) Effizienzüberlegenheit solcher der Pfadabhängigkeit zum Opfer gefallenen Alternativen gegeben hat. So wurde und wird beispielsweise AppleTechnik verstärkt in der Weltraumforschung (insbesondere in der Physik und Mathematik) eingesetzt; eine stärkere Verbreitung bei privaten Anwendern und PC-Nutzern mag freilich - neben bzw. im Verein mit anderen Gründen (s.o.) - an prohibitiv hohen Preisen gescheitert sein. (Nota: Die Hinweise auf die o.g. Firmenbeispiele verdanke ich Dr. Marina
Etti.).
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mir die von Kiwit/Voigt gelieferte Begründung für ihre Kritik an der Annahme notwendig dauerhaft ineffizienter Lösungen - gerade auch vor dem Hintergrund der angestrebten und für unser Thema besonders wichtigen Übertragung auf den Bereich des institutionellen Wandels - besonders interessant zu sein: Unter Berufung auf den bereits genannten Beitrag von Liebowitz/Margolis (1994) argumentieren Kiwit/Voigt (1995, S. 129), daß gegen die von Vertetern des Konzepts der Pfadabhängigkeit behauptete Persistenz ineffizienter Lösungen „das unternehmerische Element" spreche: „Der Übergang zu einem anderen Pfad bietet neben Risiken auch Gewinnmöglichkeiten, die von Unternehmern wahrgenommen werden können. Es ist gerade Kennzeichen des unternehmerischen Elements, daß Risiken eingegangen werden." • Kriterien-Test: Wie brauchbar sind die Merkmale technologischer keit als Prüfkriterien für den institutionellen Bereich?
Pfadabhängig-
Bei der Überprüfung, ob die Merkmale der hohen Fixkosten und Lerneffekte einerseits sowie die Netzwerkeffekte andererseits „überhaupt unverändert als Prüfkriterien im institutionellen Bereich eingesetzt werden können" (ebd., S. 130), kommen Kiwit/Voigt zu folgendem Ergebnis: Unter Anwendung des Kriteriums hoher Fixkosten läßt sich keine Pfadabhängigkeit im institutionellen Bereich begründen. Sie „mögen zwar die Errichtung von (alternativen bzw. konkurrierenden, T.B.) Institutionen erschweren, da sie ein Problem des kollektiven Handelns aufwerfen, führen aber nicht zu einer Pfadabhängigkeit der institutionellen Entwicklung im Sinne sich selbst verstärkender Mechanismen" (ebd., S. 130). Indes muß die Anwendung des Fixkosten-Kriteriums keinesfalls auf die Errichtung von Institutionen beschränkt bleiben, sondern kann durchaus auf die Ebene der innerhalb dieses institutionellen Rahmens ablaufenden Prozesse ausgedehnt werden. So bietet es sich nicht zuletzt angesichts der verhaltensbeeinflussenden bzw. verhaltensprägenden Wirkung von Institutionen an, „zwischen der Ebene der Institutionen (selbst, T.B.) und der Ebene des Marktprozesses (innerhalb des Rahmens zunächst unveränderter Institutionen, T.B.) zu unterscheiden", um dann zu untersuchen, „ob hohe Fixkosten bei den Handlungen anfallen, die als Folge der institutionellen Anreize im Marktprozeß getätigt werden" {Kiwit/Voigt 1995, S. 131). Diese Unterscheidung zwischen der Ebene der Institutionen und der Ebene des Marktprozesses läßt es also offenbar angezeigt erscheinen, das Kriterium hoher Fixkosten dahingehend zu modifizieren, daß es gleichsam in „spezifische Investitionen"62 umgedeutet bzw. durch diese ersetzt wird. Vor dem Hintergrund dieser Modifikation des Fixkosten-Konzepts ist im Rahmen des Kriterien-Tests dann folgerichtig zu fragen, ob durch die spezifischen Investititonen, die - bedingt durch das bestehende institutionelle Umfeld - im Marktprozeß vorgenommen werden, tatsächlich eine Pfadabhängigkeit der institutionellen Entwicklung be-
Der Begriff der „spezifischen Investition" spielt bekanntlich in der transaktionskostendominierten Institutionenökonomik eine wichtige Rolle. Hier sind insbesondere etwa folgende Arbeiten von Williamson zu nennen: Markets and Hierarchies. Analysis and Antitrust Implications, New York/London 1983 (1. Auflage 1975), sowie The Economic Institutions of Capitalism, Firms, Markets, Relational Contracting, New York/London 1985 (1. Auflage 1983; deutsche Ausgabe u.d.T. „Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus. Unternehmen, Märkte, Kooperationen, Tübingen 1990; vgl. zum Konzept der „spezifischen Investitionen" darin insbes. S. 60 ff.).
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gründet werden kann. Laut Kiwit/Voigt müssen, um diese Frage bejahen zu können, „zwei Voraussetzungen erfüllt sein: (1) Die (spezifischen, T.B.) Investitionen, die im Vertrauen auf den Fortbestand bestimmter Institutionen vorgenommen werden, werfen unter einem geänderten institutionellen Rahmen geringere Erträge ab. (...). (2) Damit ein Widerstand der von einer potentiellen institutionellen Änderung negativ Betroffenen überhaupt sinnvoll sein kann, muß die Existenz einer Instanz vorausgesetzt werden, die bewußt Einfluß auf die Gestaltung von Institutionen nehmen kann und damit als Adressat für die Betroffenen in Frage kommt" (ebd., S. 131).63 Wenden wir uns nun der potentiellen Eignung des Kriteriums der Lerneffekte zur Überprüfung einer Pfadabhängigkeit von Institutionen bzw. deren Wandel zu. Hier können wir uns kürzer fassen und uns die oben beschriebene Modifikation bzw. das Konzept der sog. „spezifischen Investitionen" zunutze machen: Analog zum Kriterium der hohen Fixkosten im technologischen Bereich, das nach der Modifikation als spezifische Investition in Sachvermögen interpretiert wurde, lassen sich Lerneffekte als spezifische Investitionen in Humanst rmögen verstehen. Diese „können zum einen getätigt werden, um die institutionelle Situation zu erfassen (Kenntnis der Gesetze beispielsweise), zum anderen aber auch, um besondere Fertigkeiten bei der Ausübung der Tätigkeiten zu erlangen, die durch die jeweils geltenden Institutionen begünstigt werden. Lassen diese etwa Betrug als lohnenswertes Unterfangen erscheinen, so werden einige Akteure in Humankapital investieren, das die Ausübung dieser Tätigkeit erleichtert" (Kiwit/Voigt 1995, S. 132). Gerade darauf wird im Zusammenhang mit dem spezifischen institutionellen Umfeld einiger Transformationsländer (so insbesondere etwa Rußland) noch einzugehen sein. Von Netzwerkeffekten dem dritten Kriterium - könnte im institutionellen Bereich dann gesprochen werden, wenn der Nutzen, den ein Individuum aus der Befolgung einer Regel oder eines Gesetzes zieht, desto höher ist, je mehr Menschen dasselbe tun. Zusammenfassend kann an dieser Stelle festgestellt werden: Die grundlegenden Anmerkungen zum Konzept der Pfadabhängigkeit und seinem ursprünglichen Anwendungsbereich sowie die vorgenommenen „Tests" haben ergeben, daß es - vorbehaltlich gewisser Modifikationen - grundsätzlich möglich ist, dieses Konzept auch auf den Bereich des institutionellen Wandels anzuwenden. Dies soll im folgenden - mit Blick auf die Systemtransformation als „Sonderfall" des institutionellen Wandels - versucht werden.
Diese Argumentation wirkt durchaus überzeugend. Indes scheint mir - insbesondere mit Blick auf das Transformationsproblem - die dieser Argumentation zugrunde liegende Modifikation des Fixkosten-Kriteriums und dessen Integration in das Konstrukt der „spezifischen Investitionen" doch um den Preis einer geringeren Trennschärfe zwischem dem Gesamtkonzept der Pfadabhängigkeit und dem bereits ausfuhrlich diskutierten „O/ion-Problem" des kollektiven Handelns erkauft zu sein: Die Grenzen zwischen diesen Konzepten, die beide die Möglichkeiten des institutionellen Wandels beeinflussen können, verschwimmen hier doch zusehends.
156 -
1.4.2.3.
Thomas Brockmeier
Die Anwendung: Pfadabhängigkeit und institutioneller Wandel als Problem der Systemtransformation
Nach den getroffenen „Vorbereitungen" kann die Anwendung des Konzepts der Pfadabhängigkeit auf den Bereich der Institutionen bzw. des institutionellen Wandels nunmehr im Grundsatz nach demselben Muster erfolgen wie im ursprünglichen (technologischen) Anwendungsbereich. Genau dies tun Kiwit/Voigt (1995), indem sie die entsprechend modifizierten Kriterien „spezifische Investitionen in Sach- und Humanvermögen" sowie „Netzwerkeffekte" nun auf verschiedene Arten von Institutionen anwenden, um zu überprüfen, ob - und wenn ja, welche - dieser Institutionen sich möglicherweise pfadabhängig entwickeln bzw. einem pfadabhängigen Wandel unterliegen. Selbstverständlich braucht hier nicht die gesamte Untersuchung in extenso wiedergegeben zu werden; vielmehr wollen wir uns auf eine kurze Präsentation und Erläuterung der wichtigsten Ergebnisse beschränken. Kiwit und Voigt haben bei der Zusammenstellung des Kataloges derjenigen Institutionen, die sie auf eine mögliche Pfadabhängigkeit hin überprüfen, offenbar auf die von Lachmann (1963) vorgenomme Differenzierung zwischen inneren und äußeren Institutionen zurückgegriffen: In Anlehnung an diese Unterscheidung differenzieren sie zwischen „internen" und „externen" Institutionen. Unter diesen beiden Kategorien subsumieren sie insgesamt fünf verschiedene Arten bzw. Typen von Institutionen: Als interne Institutionen werden genannt: 1. Konventionen (z.B. Grammatikregeln der Sprache, Konvention des Rechtsfahrens im Straßenverkehr), 2. ethische Regeln (z.B. die Zehn Gebote, „kategorischer Imperativ" nach Kant), 3. Regeln der Sitte (z.B. gesellschaftliche Umgangsformen), 4. private Regeln (z.B. selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft) 64 ; als externe Institutionen werden die Regeln des positiven Rechts (z.B. Privat- und Strafrecht) genannt, wobei hier noch zwischen bestimmten und unbestimmten Regeln differenziert wird. 65 Kiwit/Voigt kommen zu folgendem Ergebnis: Als Ursache für eine Pfadabhängigkeit der einer „Selbstüberwachung" unterliegenden Institutionen vom Typ 1" (Konventionen) kommen vor allem Netzwerkeffekte in Betracht; spezifische Investitionen in Sachvermögen können, allerdings in geringerem Umfang, ebenfalls als Ursache in Frage kommen, spezifische Investitionen in Humanvermögen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Ähnliches gilt für die einer Überwachung durch „imperative
Der korrekten Wiedergabe halber sei darauf hingewiesen, daß bei Kiwit/Voigt von ,.formellen privaten Regeln" die Rede ist. Einen überzeugenden Grund für diese Einschränkung vermag ich indes nicht zu erkennen, im Gegenteil: Die ausschließliche Betrachtung formeller privater Regeln scheint mir insbesondere mit Blick auf gewisse Probleme im Transformationsprozeß (Mafia, Korruption etc.) recht unglücklich zu sein. Deshalb hielt ich es für gerechtfertigt, diese Einschränkung durch Übergehen des Begriffes „formell" zu vermeiden. Zwar wird eingeräumt, daß diese Differenzierung „nur als idealtypische Unterscheidung zu verstehen ist, da jede Regel mehr oder weniger unbestimmt ist", gleichwohl ist sie auch für das im Rahmen dieser Arbeit im Vordergrund stehende Transformationsproblem - durchaus interessant, weil unbestimmte Rechtsregeln gleichsam „eine Schnittstelle zwischen internen und externen Institutionen bilden, und zwar in dem Sinne, daß bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ein gewisses kulturelles Vorverständnis nötig ist, das sich zu einem großen Teil in internen Institutionen niederschlägt" (Kiwit/Voigt 1995, S. 123/124; Hervorhebung von mir).
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Selbstbindung" unterliegenden Institutionen vom Typ 2" (Regeln der Ethik), wenn auch für alle drei Kriterien in abgeschwächter Form: Netzwerkeffekte kommen nur „unter Umständen" als Ursache für eine Pfadabhängigkeit dieser Institutionen in Betracht, nämlich dann, wenn davon ausgegangen werden kann, „daß sich die ethischen Grundüberzeugungen der Interaktionspartner gegenseitig verstärken"; spezifische Investitionen in Sach- und Humanvermögen hingegen kommen als Ursache für das Beharrungsvermögen dieser Institutionen kaum bis gar nicht in Betracht, da sich ethische Regeln einer unmittelbaren Beeinflussung oder gar bewußten Steuerung entziehen und insofern kaum davon auszugehen ist, „daß die Gefahr einer Entwertung spezifischer Folgeinvestitionen (in den genannten Bereichen, T.B.) organisierten Widerstand hervorruft" (Kiwit/Voigt 1995, S. 133). Weitgehend dieselbe Argumentation gilt für die „Institutionen vom Typ 3" (Sitten), die einer „informellen Überwachung durch andere Akteure" unterliegen und einer bewußten Steuerung ebenfalls weitgehend entzogen sind. Während bei den ersten drei Typen interner Institutionen also primär Netzwerkeffekte als Ursache für eine Pfadabhängigkeit in Frage kommen, sind bei „Institutionen vom Typ 4", „die einer organisierten (privaten, T.B.) Überwachung unterliegen, (...) hinreichende Angriffspunkte für einen organisierten Widerstand gegen Änderung der Regeln vorhanden, so daß spezifische Folgeinvestitionen in Sach- und Humankapital als Ursache einer Pfadabhängigkeit in Frage kommen. Netzwerkeffekte qualifizieren sich demgegenüber hier nicht als Ursache von Pfadabhängigkeit." 66 Dasselbe gilt für externe Institutionen, mithin die „Institutionen vom Typ 5" (bestimmte und unbestimmte Regeln positiven Rechts), die einer organisierten staatlichen Überwachung unterliegen: „Nutzen Politiker ihre diskretionären Spielräume, um die Nachfrage von Interessengruppen nach begünstigenden Regelungen zu befriedigen, so können spezifische Folgeinvestitionen in Sach- und Humankapital im Vertrauen auf den Fortbestand der institutionellen Lage ein starkes Hindernis für den Wandel externer Institutionen darstellen. Bereits die Tatsache, daß spezifische Investitionen von Entwertung bedroht sind, wenn die institutionelle Lage sich ändert, reicht aus, um einen Widerstand gegen solche Änderungen und damit ein Element der Pfadabhängigkeit zu begründen. (...). Netzwerkeffekte liegen hingegen aus den gleichen Gründen wie bei den Institutionen vom Typ 2 und 4 nicht vor" (Kiwit/Voigt 1995, S. 134; Hervorhebung im Original). Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß es pfadabhängige Entwicklungen auch im Bereich des institutionellen Wandels geben kann, wobei allerdings „die Ursachen einer Pfadabhängigkeit nicht für alle Institutionen identisch sind" (Kiwit/Voigt 1995, S. 136). Kehren wir nun - vor dem so aufgespannten Hintergrund - zur Northschtn Auffassung der Pfadabhängigkeit im Bereich der institutionellen Entwicklung bzw. des institutionellen Wandels zurück. Wir finden dort einige Argumente, die mit einigen unserer bisherigen Ausführungen im Einklang stehen: Nach seiner Überzeugung hängt der Pfad
"Nicht, weil andere die formellen privaten Regeln einhalten, lohnt es sich für mich, diese auch einzuhalten, sondern weil der Regelbruch eine Sanktionierung nach sich zieht" (Kiwit/Voigt 1995, S. 133/134; Hervorhebungen im Original). Nota: Gerade auch an diesem Beispiel zeigt sich m.E., daß die Beschränkung auf formelle private Regeln unglücklich ist, kann doch bekanntlich auch die Verletzung informeller privater Regeln empfindliche Sanktionen nach sich ziehen.
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des institutionellen Wandels im wesentlichen von zwei Faktoren ab: Zum einen von steigenden Erträgen vorhandener und genutzter Institutionen, zum anderen von unvollkommen Märkten, „die an ihren signifikanten Transaktionskosten kenntlich sind" {North 1992, S. 112). Diese beiden Faktoren lassen sich gleichsam als Ober- und Untergrenze eines Korridors verstehen, innerhalb dessen sich die institutionelle Entwicklung abspielt. Mit anderen Worten: Diese Faktoren markieren die Bandbreite des (pfadabhängigen) Verlaufs des institutionellen Wandels. North identifiziert die zunehmenden Erträge bestehender Institutionen „mit den Tauschvorteilen, die aus der wachsenden Arbeitsteilung und Spezialisierung resultieren. Die Wahrnehmung dieser Vorteile verlangt wiederum wechselseitig respektierte Regeln zwischen den Tauschpartnern, weshalb Institutionen von Belang seien" (Leipold 1996, S. 97). Hier begegnet uns offenbar derjenige Selbstverstärkungsmechanismus wieder, den wir bereits bei der Erläuterung des ursprünglichen Anwendungsbereichs des Konzepts der Pfadabhängigkeit kennengelernt hatten. Dieser kann bekanntlich aus mehreren Quellen gespeist werden: aus ,flohen Fixkosten" und aus „Lerneffekten" sowie aus „Netzwerk- bzw. Koordinationseffekten". Eben diese Merkmale lassen sich auch in den Northschen Ausführungen entdecken: Zunächst stellt er klar, daß „in einer Welt (...), in der die Märkte Konkurrenzmärkte (ohne bzw. mit minimalen Transaktionskosten, T.B.) sind, Institutionen ohne Belang sind" (North 1992, S. 112). Löst man sich jedoch Schritt für Schritt von dieser Vorstellung und geht beispielsweise zunächst einmal von einer Situation aus, in der Institutionen steigende Erträge (genauer: zunehmende Ertragszuwächse) bewirken können, so sehen wir auch im Bereich der institutionellen Entwicklung die o.g. Mechanismen bzw. Merkmale der Selbstverstärkung am Werk; in diesem Zusammenhang wollen wir North (1992, S. 113) ausfuhrlich selbst zu Wort kommen lassen: „Es kommt zu hohen Gründungskosten, wenn die Institutionen völlig neu geschaffen werden (...). Es kommt zu signifikanten Lerneffekten für Organisationen, die im Zusammenhang mit der durch das Institutionensystem geschaffenen Möglichkeitenmenge entstehen. Die ins Leben gerufenen Organisationen werden sich so entwickeln, daß sie die institutionell vorgegebenen Möglichkeiten zu ihrem Vorteil gebrauchen (...).67 Es wird Koordinationseffekte geben (...) durch Verträge mit anderen Organisationen (...). Wichtiger noch ist, daß die formgebundenen Regeln vielfältige formlose Beschränkungen entstehen lassen werden, die
Mir scheint, als seien wir an dieser Stelle auf das entscheidende „Bindeglied" zwischen der technologischen und der institutionellen Entwicklung gestoßen: die Organisationen. So ließen sich die im wesentlichen auf Arthur (1988) basierenden grundlegenden Ausführungen zum technologischen Wandel dahingehend modifizieren, daß nicht Technologien unmittelbar miteinander konkurrieren, sondern wohl eher Organisationen, in denen diese konkurrierenden Technologien entwickelt und angewendet werden. Dies ist insofern von Bedeutung, als damit die Kateorie des Wissens in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden: Die in den Organisationen angewendeten und - mittelbar - miteinander konkurrierenden Technologien spiegeln letztlich das in der jeweiligen Organisation verfugbare technische und organisatorische Wissen bzw. die den Wettbewerbsprozeß prägenden diesbezüglichen Unterschiede wider. Diesen Zusammenhang betont auch North mit Nachdruck; ausdrücklich auf die bereits zitierte Arbeit von Arthur (1988) Bezug nehmend, weist er darauf hin, daß „sich Arthur (letztlich) mit Entscheidungsmodellen in Organisationen (und nicht mit unmittelbarem Wettbewerb zwischen Technologien, T.B.) beschäftigt, genauso wie das institutionelle Modell der vorliegenden Untersuchung" (North 1992, S. 112).
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die formgebundenen Regeln modifizieren und sie auf eine Vielzahl spezifischer Anwendungen ausdehnen. Es kommt zur Anpassung der Erwartungen, weil die zunehmende Häufigkeit von Vertragsabschlüssen, die sich auf eine spezifische Situation beziehen, die Unsicherheiten über den Fortbestand dieser Regel vermindert. Kurz gesagt, die wechselseitigen Zusammenhänge innerhalb der institutionellen Matrix erzeugen massive zunehmende Erträge" (Hervorhebungen von mir). Vor dem so beschriebenen Hintergrund eines „effizienten" Entwicklungsverlaufs ist beispielsweise die evolutorische Ordnungstheorie von Hayeks, zu sehen: Die Vorstellung einer Komplexität generierenden und prozessierenden spontanen bzw. gewachsenen Ordnung, deren (abstraktes) Regelwerk insgesamt zwar das Ergebnis menschlichen Handelns, nicht aber eines bewußten menschlichen Entwurfs ist und eine anderen Ordnungsformen überlegene Wissensnutzung (und -hervorbringung) ermöglicht, kann geradezu als Paradebeipiel für einen Selbstverstärkungsmechanismus im Northscheri Sinne verstanden werden. Entsprechend heißt es etwa bei Leipold (1996, S. 103): „Die Überlegenheit der spontanen Ordnung gegenüber konstruierten Ordnungen gründet sich (...bekanntlich, T.B.) auf die effektivere Verwertung des begrenzten Wissens. Der durch das abstrakte Regelwerk geordnete Prozeß der Wissensverwertung läßt sich nach dem Muster selbstverstärkender Mechanismen interpretieren. Die Regeln sind durch Probierprozesse in der Vergangenheit entstanden. Die dabei angefallenen Kosten sind gleichsam abgeschrieben, während die Erträge über die Zeit genutzt werden können. Daraus resultieren steigende Erträge der Regeln." Etablierte wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaften mit über Jahre hinweg gewachsenen und funktionsfähigen Institutionen entsprechen noch am ehesten diesem Ordnungsmodell. Die Zusammenhänge stellen sich indes völlig anders dar, „wenn (...) die Märkte unvollständig sind, die Informationsrückkopplung bestenfalls bruchstückhaft erfolgt, und Transaktionskosten erheblich sind. (Dann nämlich..., T.B.) werden die subjektiven Modelle der Akteure, die sowohl durch sehr unvollkommene Rückkopplung als auch durch Ideologien beeinträchtigt sind, den Entwicklungsverlauf bestimmen. Dann kann es nicht nur zu divergierenden Entwicklungsverläufen und anhaltend schlechter Leistung kommen, sondern es werden die historisch gewonnenen Wahrnehmungen der Akteure deren Entscheidungen prägen" (North 1992, S. 113). Nun liegen allerdings im Falle der Systemtransformation - inbesondere in der frühen Phase des Transformationsprozesses - just jene Voraussetzungen vor, die North hier beschreibt: Von etablierten, gut funktionierenden und auch nur annähernd „vollkommenen" (in einem nicht-utopischen Sinne) Märkten kann nicht die Rede sein, die Transaktionskosten sind hoch. Unter diesen Umständen gibt es für eine Art „Evolutionsoptimismus" mithin wenig Anlaß, anders ausgedrückt: Etwaige Hoffnungen auf ein gleichsam „automatisches" Zustandekommen des oben beschriebenen Selbstverstärkungsmechanismus sind trügerisch und werden notwendig enttäuscht werden. Insoweit ist das Bedürfnis, „etwas zu tun", handelnd bzw. gestaltend eingreifen zu wollen, mehr als verständlich. Ebenso kann schwerlich bestritten werden, daß es (transformations-)politischen Handlungsbedarf erheblichen Ausmaßes gibt. Indes sollte man sich vergegenwärtigen, daß der Prozeß des institutionellen Wandels „ein komplizierter Vorgang (ist), weil die einzelnen Veränderungen eine Folge der Veränderung
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von Regeln, von formlosen Beschränkungen und von Art und Wirksamkeit ihrer Anwendung sein können" (North 1992, S. 7). Damit ergeben sich für die Umsetzung des in der aktuellen Transformationssituation verständlichen Wunsches einer „politischen Gestaltung" gravierende Probleme. Schließlich fragt sich, an welchem Punkt man ansetzen soll: So lassen sich zwar die formgebundenen Beschränkungen bzw. formellen Regeln/Institutionen, wie auch North (1992, S. 7) betont, durch politische oder gerichtliche Entscheidungen über Nacht ändern. Im Unterschied dazu jedoch sind die formlosen Beschränkungen „durch eine vorsätzliche Politik nur sehr viel schwerer zu beeinflussen. Diese in einer Kultur gewachsenen Beschränkungen verbinden (...) die Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft (...)" {North 1992, S. 7). In dieser kulturellen Einbindung ist das entscheidende Charakteristikum informeller Institutionen zu sehen. Sie ist „mitverantwortlich für die Allmählichkeit, mit der Institutionen sich entwickeln, so daß sie also eine Ursache der Verlaufsabhängigkeit derselben ist" (ebd., S. 53; Hervorhebungen von mir).68 Insoweit wird unsere These bestätigt, daß die gegenwärtige Systemtransformation als ein Sonderfall des institutionellen Wandels anzusehen ist: Wie bereits betont, ändern Institutionen „sich typischerweise kontinuierlich, Schritt für Schritt, und nicht abrupt" (ebd., S. 54). Nun sind die formlosen Beschränkungen, wie dargelegt, nicht nur selbst einem direkten Zugriff entzogen, sondern sie lassen sich „nicht (einmal, T.B.) unmittelbar in Reaktion auf Veränderungen der formgebundenen Regeln ändern" (ebd.). Mithin sind selbst ihrer mittelbaren bzw. indirekten Beeinflussung via Veränderung des formellen Regelwerks - zumindest in kurzer Frist - enge Grenzen gesetzt. Nun bliebe als potentielle „Zugriffsmöglichkeit" noch die Anwendung der Institutionen. Doch diese zu beeinflussen, ist ebenfalls schwierig, da sie durch Akteure erfolgt, die als Individuen (und von diesen gebildete Organisationen) auftreten, deren Verhalten (und Entstehung) selbst maßgeblich von den jeweils obwaltenden institutionellen Rahmenbedingungen abhängt. Und deren konkrete Gestalt wird in langer Frist ihrerseits wiederum vom Verhalten der Akteure beeinflußt. Aus dem oben Gesagten läßt sich schlußfolgern: Es wird immer dann Spannungen geben, wenn es zu einer plötzlichen Änderung der maßgeblichen formellen Regeln kommt und das neue Regelsystem nicht zu den alten Akteuren sowie zu denjenigen Überzeugungen, Werten, Verhaltensweisen, Gewohnheiten etc. paßt, die diese in langer Frist entwickelt haben. Die Analogie zum Sport erneut zu Hilfe nehmend, bedeutet dies, daß man kurzfristig zwar die Spielregeln, nicht aber die Spieler - und auch nicht deren Spielverständnis und -verhalten - ändern kann. Denn schließlich wirken die alten Regeln nach, und der alte Bewegungsablauf (das Verhalten) ist irgendwann „in Fleisch und Blut" übergegangen. Durch eine plötzliche Änderung der formgebundenen Beschränkungen wird die mehr oder weniger harmonische Verschmelzung der Komponenten des Amalgams der Institutionen aufgebrochen, die „Institutionenmatrix" {North) wird zerstört, da einzelne Elemente gleichsam gewaltsam ausgetauscht und dadurch die Beziehungen zwischen den Elementen erschüttert bzw. aufgelöst werden. Es kommt zu einer
Im amerikanischen Original liest sich die entsprechende Textstelle so: „...the cultural processing (...) that underlies informal constraints is that it plays an important role in the incremental way by which institutions evolve and hence is a source of path dependence" {North 1990, S. 44; Hervorhebung von mir).
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„Spannung zwischen veränderten formgebundenen Regeln und den (zunächst, T.B.) unverändert weiterbestehenden formlosen Beschränkungen." (North 1992, S. 54). Es ist davon auszugehen, daß der Neuaufbau stabiler Verbindungen zwischen den neuen formellen Regeln bzw. Institutionen auf der einen und den kulturgebundenen formlosen auf der anderen Seite einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Um ein anderes - mit den Begriffen „Fleisch und Blut" kompatibles - Bild zu bemühen: Es wird mitunter lange dauern, bevor der Organismus sich mit den neu implantierten Organen „angefreundet" hat; es besteht stets die Gefahr, daß die gesunden neuen Organe abgestoßen werden. (Dies gilt im übrigen unbeschadet des Umstandes, daß der Patient ohne Transplantation, d.h., bei Erhaltung der erkrankten Organe, möglicherweise oder gar höchstwahrscheinlich nur noch kurze Zeit zu leben gehabt hätte...). Von einem solchen Zeitbedarf könnte nur dann abgesehen werden, wenn sich von einer Situation ausgehen ließe, die beispielsweise Jones (1995) als „cultural nullity'''' bezeichnet hat: Mit diesem Begriff umschreibt er eine Situation, in der die ökonomische Leistung („performance") keinerlei kulturellen Einflüssen unterliegt, oder genauer: Allein die - freilich sehr stabilen - formellen Institutionen nehmen maßgeblichen Einfluß auf den Ablauf und die Ergebnisse der Marktprozesse. Mehr noch: Kommt es zu einem Konflikt bzw. Spannungsverhältnis zwischen formellen und (kulturbedingten) informellen Institutionen, so passen sich die informellen gleichsam „nahtlos" an, d.h., der Konflikt wird im Grunde durch die eindeutige Dominanz der formellen Institutionen „gelöst". Das genaue Gegenteil wäre der Fall, wenn die informellen Institutionen die klar dominierende Rolle einnähmen; in einem solchen Fall spricht Jones von „cultural fixity": Das kulturgeprägte Gefuge der informellen Institutionen ist so stark und starr, daß jeder Versuch, einige mit diesem „inkompatible" formelle Regeln bzw. Institutionen einzuführen, von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. 69 1.5. Zwischenergebnis und Ausblick Im Hinblick auf die gegenwärtige Transformationsaufgabe bedeuten die bisherigen Ausfuhrungen zum Zusammenhang von Institutionen, institutionellem Wandel und Systemtransformation sowie zu Wettbewerbsfreiheit, Wettbewerbsordnung und Unternehmertum letztlich folgendes: Die Lösung des Transformationsproblems kann realistischerweise weder vom reinen Konzept einer „gesetzten Ordnung" noch vom gleichsam tatenlosen Vertrauen auf die gleichsam automatische Entstehung einer „spontanen Ordnung" erwartet werden. So wäre es einerseits, wie Leipold (1997a, S. 43 u. 44) es treffend formuliert, „etwa paradox, die Bedingungen für die Entfaltung einer spontanen Ordnung entweder bewußt
Der Vollständigkeit halber sei noch der dritte von Jones (1995) diskutierte Fall erwähnt: Dieser liegt gleichsam zwischen den beiden o.g. Extrema und wird von ihm mit dem Begriff „cultural reciprocity" umschrieben. Hier hängt der Ausgang eines etwaigen Konflikts zwischen den beiden Arten von Regeln bzw. Institutionen von deren Zusammenspiel unter den jeweils obwaltenden konkreten Bedingungen ab; da dieser Konflikt eine gewisse Eigendynamik entfalten kann, lassen sich keinerlei Prognosen darüber abgeben, welche Regelart bzw. Institution sich letztlich „durchsetzen", d.h., wie das neue Institutionengefiige schlußendlich aussehen wird; vgl. in diesem Zusammenhang ferner DiMaggio (1994).
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gestalten oder auf deren spontane Entstehung warten zu wollen." Andererseits indes leuchtet ebenfalls ein, daß sich eine „funktionsfähige Wirtschaftsordnung (...) offensichtlich nicht verordnen (läßt...). Solange der Einfluß der gewachsenen Ordnung vernachlässigt wird, kann die staatliche Umgestaltungspolitik nicht das halten, was deren Advokaten versprechen." Auch bei Kiwit/Voigt (1995, S. 143) findet sich eine ähnliche Aussage, die zwar nicht explizit auf das Transformationsproblem bezogen ist, allerdings ohne Schwierigkeiten darauf angewendet werden kann: „Aufgrund der relativ hohen Stabilität interner Institutionen ist die Steuerbarkeit sozialer Prozesse mittels externer Institutionen beschränkt. Vernachlässigen Wirtschaftspolitiker diese Nebenbedingung, so riskieren sie, daß interne und externe Institutionen in ein konfligierendes Verhältnis geraten und das Wachstumspotential einer Gesellschaft dadurch reduziert wird." Die Schlußfolgerung, daß die Lösung des Transformationsproblems realistischerweise weder vom reinen Konzept einer „gesetzten Ordnung" noch vom Warten auf die Entstehung einer „spontanen Ordnung" erwartet werden kann, mag zunächst etwas ernüchternd klingen. Mancher mag sich gar zu spontanem Widerspruch aufgefordert fühlen. Deshalb soll diese Schlußfolgerung im folgenden noch einmal bekräftigt bzw. deren Hintergründe erläutert werden: Zu diesem Zweck wird auf beide Ordnungskonzepte speziell mit Blick auf das Transformationsproblem jeweils kurz noch einmal gesondert eingegangen. So könnte man etwa die o.g. These von der letztlich doch wohl nur „begrenzten Brauchbarkeit" des ordo-liberalen Konzepts der Euckenschcn Wettbewerbsordnung angesichts des sog. „deutschen Wirtschaftswunders" der Nachkriegszeit für empirisch widerlegt halten. Anders ausgedrückt: Hat nicht das Wirtschaftswunder „bewiesen", daß das Konzept einer gesetzten Ordnung „funktioniert", daß man tatsächlich eine Wirtschaftsordnung (durch eine andere er-)setzen kann? Indes greift diese Argumentation bestenfalls auf den ersten Blick; bei näherem Hinsehen überzeugt sie keineswegs, da sie einen entscheidenden Punkt übersieht: Der Kern meines Arguments beruht bekanntlich auf den Nachwirkungen vormals gültiger formeller Institutionen, die eben auch dann noch verhaltensprägend wirken, wenn sie plötzlich durch neue formelle Regeln abgelöst werden, sowie auf der Wirksamkeit nach wie vor vorhandener informeller Institutionen. Anders gewendet, die Gültigkeit der formellen Regeln kann im Handstreich beendet bzw. geändert werden, nicht aber die Relevanz der informellen Institutionen, die ja nicht zuletzt auch als von den ehedem gültigen formellen geprägtes „Erbe" anzusehen sind. Die Stärke bzw. Nachhaltigkeit der verhaltensprägenden Wirkung der alten formellen und der noch immer bestehenden informellen Regeln hängt vor allem von der Dauer ihrer ehemaligen offiziellen Gültigkeit ab. Selbst wenn man nun etwa die Zeit der totalen Zwangswirtschaft in Deutschland während der Nazi-Diktatur auf den gesamten Zeitraum von 1933 bis 1945 ausdehnte, so reichte diese Zeitspanne doch bei weitem nicht aus, um das gesamte zuvor vorhandene freie unternehmerische und marktwirtschaftliche Denken und Handeln zu verlernen. Es mag während dieser unseligen Zeit massiv unterdrückt worden sein, völlig verlernt oder gar „verschwunden" war es gleichwohl keineswegs. Indes darf bezweifelt werden, ob die Währungsreform in Verbindung mit dem sog. „Leitsätzegesetz" im Juni 1948 auch dann gleichsam im Handstreich für die berühmten vollen Regale gesorgt hätte, wenn die vorherige Zwangswirtschaft beispielsweise mehrere Generationen lang angedauert hätte. Genau darin besteht der maßgebli-
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che Unterschied zur gegenwärtigen Transformationsproblematik in den vormals sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas: Die mehr als vierzig (mancherorts gar mehr als siebzig) Jahre währende Zentralverwaltungswirtschaft hat bei den Menschen im Hinblick auf den ökonomischen Bereich Verhaltensdeformationen bewirkt, die eben nicht im Handstreich beseitigt werden können (vgl. beispielhaft von Delhaes 1994, insbes. S. 373-378). Ein über gewisse ordnungstheoretische und institutionenökonomische Grundkenntnisse verfugender Mensch wird in der Wirtschaftsentwicklung Westdeutschlands nach dem Sommer 1948 sowie später der Bundesrepublik weniger ein „Wirtschaftswunder" denn eine - zumindest in der grundsätzlichen Ausrichtung - beinahe logische Konsequenz des Zusammenwirkens bestimmter formeller Regeln im Sinne „guter" Anreizstrukturen mit bestimmten ökonomisch relevanten grundsätzlichen Zielen, Einstellungen und Verhaltensgewohnheiten sehen. Um es bildhaft auszudrücken: Von einem Sprinter mit Freude am schnellen Laufen und am Wettkampf, dem man für die Dauer eines gewissen Zeitraums schwere und unbequeme Stiefel aufgezwungen hat, die ihn gleichsam am Boden „festgenagelt" und ihm die Freude an seinem Sport verleidet bzw. dessen Ausübung gar unmöglich gemacht haben, wird man gewiß erwarten können, daß er sich - erleichtert und froh über die wiedergewonnene Freiheit - sofort wieder auf die Sprintstrecke begeben wird, sobald man ihm nur erlaubt, die schweren Stiefel abzustreifen und wieder in seine geliebten, bequemen Sportschuhe zu schlüpfen. 70 Indes ist zu betonen, daß die Berechtigung dieser Erwartung damit steht und fällt, daß es sich um denselben Sprinter handelt, oder besser: daß die von den schweren Stiefeln befreiten Füße tatsächlich dieselben geblieben sind. Es leuchtet unmittelbar ein, daß davon freilich nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann, wenn das Joch der schweren Stiefel solange angedauert hat, daß beispielsweise a) die Füße schmerzen und geschwollen sind, so daß die vormals so bequemen, weil eingelaufenen Sportschuhe nicht mehr passen, b) das lange „Festgenagelt-Sein" gar zu einer Thrombose in den Beinen, einer Lähmung o.ä. geführt hat, oder c) die Stiefel aufgrund der langen Dauer der zwangsweisen Zweckentfremdung mittlerweile gar nicht mehr von den Beinen eines Sprinters, sondern von denen eines anderen Menschen - beispielsweise des Sprinters „Erben" - „bewohnt" werden, welche die Sportbegeisterung ihres Altvorderen nicht teilen, oder d) es womöglich am Ende kaum noch Sprinter gibt, weil dieser sportliche Wettkampf zu lange untersagt und überdies die Sportschuhproduktion überhaupt eingestellt worden war. (Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen...). Unbeschadet all dieser Möglichkeiten ist darüber hinaus nicht auszuschließen, daß unserem Sprinter - so er denn überhaupt noch existiert - mittlerweile schlicht die Freude am sportlichen Wettkampf dadurch vergällt ist, daß seine Konkurrenten von einst keine Zwangspause einlegen mußten, sondern fleißig trainieren und Wettkampfpraxis sammeln konnten; daß ein solcher Vorsprung der Konkurrenz durchaus demotivierend wirken kann, braucht wohl kaum besonders erläutert zu werden. Übertragen auf die reale Welt, d.h., angewendet auf das gegenwärtige Transformationsproblem, illustriert diese bildhafte Darstellung aus
Dies gilt um so mehr, wenn auch die meisten Konkurrenten - aus welchen Gründen auch immer - ebenfalls eine „Trainings- und Wettkampfpause" einlegen mußten, es während dieser Zeit ohnehin kaum Wettkämpfe gab und deshalb nun - da allerorten der „Startschuß" zu neuen Rennen fallt - gleichsam alle bei „null" anfangen und es entsprechend viele Gewinnchancen (fur Viele) gibt.
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der Welt des Sports auf sehr anschauliche Weise unsere These, daß es in den vormals sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas mit der rein formellen Einfuhrung bestimmter Rechtsregeln und marktwirtschaftlicher Prinzipien - so notwendig und unverzichtbar dies zweifelsohne auch ist - nicht getan sein wird, um eine wirklich leistungsfähige neue Wirtschaftsordnung zu erhalten. Es kommt auch und vor allem darauf an, daß sich die Menschen in den Transformationsländern an die neuen formellen Institutionen gewöhnen, den Umgang mit ihnen lernen. Sie müssen die für den reibungslosen Umgang mit den neuen Regeln notwendigen Verhaltensweisen sukzessive entwickeln, sich diese regelrecht „antrainieren". Ein solcher Prozeß braucht viel Zeit und wird wohl nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn es zumindest eine gewisse Mindestschnittmenge des formellen neuen Ordnungsgefüges mit den noch immer bestehenden alten informellen Institutionen gibt. Werfen wir, wie angekündigt, (auch) noch einmal einen abschließenden Blick auf die Brauchbarkeit der evolutorischen Ordnungstheorie im Zusammenhang mit der Systemtransformation. Auch wenn dieses Modell der gewachsenen Ordnung das Phänomen der Systemtransformation offenkundig kaum zu erfassen scheint - handelt es sich dabei doch bekanntlich um einen (abrupten) Sonderfall des (üblicherweise kontinuierlichen) institutionellen Wandels (dies gilt insbesondere für die „umstürzende Transformation" (Schoppé) der früheren DDR) -, so steht es doch keinesfalls im Gegensatz zu unseren bisherigen Ausführungen: Die diesem Ordnungsmodell innewohnende und vielfach kritisierte These von der „Per-se-Effizienz" bestehender Institutionen gewinnt nämlich gerade vor dem Hintergrund des o.g. Problems der Zerstörung der mehr oder minder harmonischen Institutionenmatrix an Bedeutung, impliziert sie doch, daß ein gesamtes Institutionengefüge nicht von heute auf morgen völlig wertlos werden, gleichsam über Nacht jedwede Bedeutung verlieren kann. Der Prozeß der Evolution verläuft schließlich auch nicht in dieser Weise sprunghaft, sondern ist ein Prozeß gelungener (oder mißlungener) Anpassung. Dieser Anpassungsprozeß braucht zum einen eine gewisse Zeit, und zum anderen ist es keinesfalls ausgeschlossen (bzw. wird in der Regel sogar so sein), daß einige Eigenschaften und Werte aus dem alten Institutionengefüge in das neue „hinübergerettet" werden, bei der erforderlichen Anpassung also durchaus gute Dienste leisten können. Entscheidend für die gelungene Anpassung wird „lediglich" sein, daß völlig inkompatible Fähigkeiten, Werte, Verhaltensweisen etc. abgestoßen, entsprechend notwendige neue ausgebildet und entwickelt werden, verwertbare alte jedoch evtl. in leicht abgewandelter („angepaßter" Form) - eben durchaus erhalten bleiben. Bei James Buchanan (1981, S. 45) findet sich ein Bild, das sich hier trefflich zur Illustration eignet: „Wenn man geltende Regeln, bzw. eine bestehende Ordnung (vollständig, T.B.) zerstört (...), dann verfährt man etwa so, als würde man Apfelbäume als Brennholz verwerten, ohne sich um die Anpflanzung neuer Bäume zu kümmern." Um im Bild zu bleiben: Sich um die Anpflanzung neuer Bäume zu kümmern, sollte mit Blick auf die Transformation eben nicht bedeuten, den alten Baumbestand gleichsam mit Stumpf und Stiel auszurotten, einen völlig neuen Boden und entsprechend neues Saatgut zu „erfinden". Vielmehr muß es auch und insbesondere darum gehen, sich um die sinnvolle Verwertung dessen zu bemühen, was noch an Wachstums- und Entwicklungspotential
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in den Altbeständen steckt 7 1 . Allerdings setzt dieses Bemühen selbstverständlich voraus, daß man die Altbestände nicht in erster Linie als Alt lasten, sondern eben auch als gewachsene Vermögensbestände begreift, denen grundsätzlich durchaus etwas Erhaltenswertes und Entwicklungsfähiges (eben gerade an Werten, Überzeugungen, Fähigkeiten etc.) innewohnen kann. Genau dies hat auch Buchanan (1981, S. 45) im Sinn, wenn er daraufhinweist, „daß bestehende Institutionen (immer, T.B.) einen Kapitalwert besitzen, den ein Gemeinwesen nicht fahrlässig aufs Spiel setzen sollte." Wird auf solche Bemühungen verzichtet, so besteht die Gefahr, daß die oben gefordete kritische Mindest-Schnittmenge zwischen neuen formellen und noch bestehenden informellen Institutionen nicht erreicht und damit die Überwindung des institutionellen Interregnums letztlich unmöglich gemacht bzw. zumindest für sehr lange Zeit unnötig erschwert wird. Es kann nicht oft genug betont werden, daß die gegenwärtige Systemtransformation im Grunde eine Art - wenn auch friedliche - Revolution darstellt, die sich durch eine plötzliche Änderung der formgebundenen Beschränkungen auszeichnet. Dadurch wird zwangsläufig das Verhältnis von zwei sich wechselseitig beeinflussenden Regelarten gestört, die gleichsam in einem koevolutiven Prozeß über einen längeren Zeitraum hinweg zu einem mehr oder weniger harmonischen Amalgam zusammengewachsen sind; jedenfalls sind sie zumindest eine „Zweckgemeinschaft" eingegangen. Wollte man zugegebenermaßen etwas vereinfachend - eine Zweiteilung vornehmen und den insbesondere faJtargebundenen informellen Regeln die formellen Regeln als von der Vernunft entworfene gegenüberstellen, so ließe sich von einer Art Koevolution von Ratio und Kultur (bzw. Tradition) sprechen. 72 Wir sahen, daß die in diesem Zusammenhang drohenden Spannungen die Reichweite und Erfolgsaussichten des Modells einer gesetzten Ordnung begrenzen, das sich notwendig auf die bewußte Änderung formeller bzw. externer Institutionen beschränken muß. Kiwit/Voigt (1995, S. 142) bringen dies wie folgt auf den Punkt: „Wenn es stimmt, daß interne Institutionen einer Änderbarkeit we-
Um etwaigen Mißverständnisse vorzubeugen, sei gleich betont, daß hiermit nicht etwa der mittlerweile überstrapazierten Forderung nach der Erhaltung sog. „industrieller Kerne" das Wort geredet werden soll; zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser Forderung vgl. etwa Baumann und Gröner (1994). Zum Begriff der Koevolution heißt es etwa bei Schreiter (1994, S. 7): "Ko-Evolution bezeichnet (...) den durch eine Entwicklung einer Spezies ausgelösten Rückkopplungsprozeß, der sich positiv auf die Überlebensmöglichkeiten einer anderen Spezies auswirkt (Symbiosebeziehungen)." (Laut Schreiter stammt diese Definition von Boulding 1981, S. 30). Nota: Bei dieser „Anleihe" aus der Biologie verwundert es kaum, daß wir auch hier auf das weiter oben verwendete Bild einer symbiotischen Beziehung zwischen formellen und informellen Regeln stoßen. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, daß es koevolutive Prozesse nicht nur im Rahmen symbiotischer Beziehungen, sondern auch bei anderen Interaktionen - z.B. Räuber/Beute-Beziehungen - geben kann. In diesem Zusammenhang sei etwa auf das Verhältnis von Parasit und Wirt hingewiesen: Hier soll nun keine naturwissenschaftliche Diskussion darüber geführt werden, wer von einer solchen Beziehung letztlich am meisten profitiert. Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang lediglich, daß das den Wirt im Grunde schädigende parasitäre Verhalten letztlich nicht zu dessen Aussterben, sondern lediglich zu wechselseitigen Anpassungen - sog. „KoAdaptationen" - fuhrt, die durchaus auch dann für beide ko-evolvierenden und koevolvierten Arten vorteilhaft sein können, wenn keine symbiotische Beziehung vorliegt. Nota: Auch diese Hinweise verdanke ich Dr. Marina Etti.).
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niger leicht zugänglich sind als externe Institutionen, beide aber gerade in einem komplementären Verhältnis die Funktion der Erwartungsstabilisierung in hohem Ausmaß erfüllen, dann zieht dies der Möglichkeit einer erfolgreichen Umgestaltung externer Institutionen enge Schranken." Die Tatsache, daß bestimmte Menschen zu bestimmten Zeiten unter bestimmten Bedingungen mit einem bestimmten Institutionengefüge bzw. Regel- und Rechtssystem gute Erfahrungen gemacht haben, mag zwar für andere Menschen zu anderen Zeiten und unter anderen Bedingungen eine interessante Information sein. Sie mag sogar unter Umständen durchaus Vorbildcharakter und Motivationswirkung haben - ein überzeugendes Argument oder gar eine Erfolgsgarantie für die kopiehafle und womöglich kritiklose Übertragung dieses Gefüges ist sie indes keineswegs. Von der Entwicklung neuer Regeln kann - worauf von Hayek (1981) hingewiesen hat immer nur innerhalb einer bereits bestehenden „faktischen Ordnung" ausgegangen werden, „die mehr oder weniger adäquat funktioniert; und die Zweckmäßigkeit einer Regel kann auf jeder Stufe nur als Teil eines solchen funktionierenden Systems beurteilt werden." Genau dies jedoch wird ausgeschlossen, wenn ein altes System gleichsam über Nacht verschwindet und ohne Bindung durch ein gänzlich neues ersetzt wird. Von Hayek (1981) trifft den Nerv des Problems, wenn er betont: „Aber wir können niemals auf dieselbe Weise das ganze System von Regeln rekonstruieren, weil uns die Kenntnis all der Erfahrungen fehlt, die in seine Bildung eingegangen sind. (...). Da jedes bestehende System von Verhaltensregeln auf Erfahrungen beruht, die wir nur zum Teil kennen, und einer Ordnung des Handelns in einer Weise dient, die wir nur zum Teil verstehen, können wir nicht hoffen, es dadurch zu verbessern, daß wir es zur Gänze neu rekonstruieren." 73 Wenn jedoch - wie im Falle der gegenwärtigen Systemtransformation - die bewußte Neukonstruktion von Regeln (die sog. „Erneuerung der institutionellen Infrastruktur") unerläßlich ist, dann ist das oben skizzierte Problem der Zerstörung der Institutionenmatrix bzw. das Aufbrechen des Amalgams formeller und informeller Institutionen im Grundsatz zwar unvermeidlich, gleichwohl auf längere Sicht keinesfalls unlösbar: Zur Lösung allerdings, d.h., zum Abbau der Spannungen, bedarf es, wie bereits betont, eines
„Wenn wir vollen Gebrauch von all der Erfahrung machen sollen, die nur in der Form traditioneller Regeln überliefert worden ist, müssen alle Kritik und alle Anstrengungen zur Verbesserung besonderer Regeln innerhalb eines Rahmens gegebener Werte vor sich gehen, der für die gegenwärtige Absicht als keiner Rechtfertigung bedürftig akzeptiert werden muß. Wir wollen diese Art von Kritik, die sich innerhalb eines gegebenen Systems von Regeln bewegt (...), "immanente Kritik' nennen." Zur Erläuterung: „Die Notwendigkeit immanenter Kritik leitet sich also in einem großen Maß von dem Umstand her, daß die Wirkungen der Handlung einer beliebigen Person von den verschiedenen Regeln abhängen, die die Handlungen seiner Mitbürger leiten. Die 'Konsequenzen von jemandes Handlungen' sind (...) nicht einfach eine physische Tatsache, unabhängig von den Regeln, die in einer gegebenen Gesellschaft vorherrschen, sondern hängen sehr weitgehend von den Regeln ab, denen die anderen Mitglieder der Gesellschaft gehorchen; und selbst wo es jemandem möglich ist, eine neue Regel zu entdecken, die wohltätiger fur alle sein könnte, wenn sie allgemein akzeptiert würde, müssen die Regeln, denen die anderen tatsächlich folgen, unter den Daten sein, von denen er seine Überzeugung (...) herleiten muß" (Hayek 1981, S. 19/20, S. 40, S. 41/42 und S. 44).
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Lern- und „Einübungsprozesses" 74 , über dessen Dauer keinerlei konkrete Prognosen abgegeben werden können. Als Musterbeispiel in diesem Zusammenhang kann die Transformation der früheren DDR - und hier insbesondere der Akt der Rechtsübertragung - angesehen werden: So läßt sich das Problem des institutionellen Interregnums keineswegs etwa durch den Hinweis aus der Welt schaffen, daß das neue und gleichsam komplett transferierte Rechts- bzw Regelsystem doch „in sich konsistent" sei. Solcherlei „innere Konsistenz" ist zwar gewiß eine grundsätzlich notwendige, gerade in einem solchen Übertragungsfall jedoch keinesfalls eine hinreichende Bedingung für eine gut funktionierende, harmonische neue Gesamtordnung. Darauf weist etwa von Hayek (1981, S. 42) ausdrücklich hin: „Ob zwei oder mehr beliebige Regeln konsistent sind oder nicht, hängt (...) zum Teil von den faktischen Bedingungen der Umgebung ab; und dieselben Regeln können deshalb hinreichend sein, Streit in der einen Art von Umgebung zu verhindern, nicht dagegen in einer anderen." Anders ausgedrückt, bedeutet dies, „daß die Regel, der man in einer gegebenen Gesellschaft und unter besonderen Umständen folgen sollte, um die besten Konsequenzen hervorzubringen, nicht die beste Regel in einer anderen Gesellschaft zu sein braucht, wo das System der allgemein angenommenen Regeln anders ist" (ebd., S. 44/45). Wie häufig die grundsätzliche Bedeutung des o.g. Einübens bzw. Lernens der Anwendung neuer Regeln im institutionellen Interregnum des Transformationsprozesses außer acht gelassen - oder doch zumindest mit einer gewissen Nonchalance übergangen - wird, illustriert folgendes Zitat eines Ökonomen (Hintergrund ist auch wieder der ostdeutsche Transformationsfall, konkret: die Bedeutung des Rechts bzw. der Rechtsübertragung von West- auf Ostdeutschland): „Die Übernahme westdeutschen Rechts war (...) ein Vorgang, der in kürzester Zeit eine im Prinzip in sich stimmige Rechtsordnung fur die jetzigen Bundesländer verfugbar machte. Daß ihre Anwendung zunächst mühsam war, steht auf einem anderen Blatt" (Sievert 1995, S. 21). In diesem Zusammenhang soll ein anderes Beispiel nicht unerwähnt bleiben: Lageman/Friedrich et al. (1994, S. 46) versteigen sich - in einem ansonsten höchst aufschlußreichen und sehr interessanten Werk - zu folgender These, die zumindest kurios, um nicht zu sagen „abenteuerlich" anmutet: „Terminiert man das Ende der Transformation mit der vollständigen Herstellung der rechtlichen und institutionellen Grundlagen für eine marktwirtschaftliche Ordnung, so kann man den Transformationsprozeß sogar mit einigem Recht als abgeschlossen ansehen. Was nun ansteht, ist die Umsetzung existierender Normen." Eine krassere Verkennung dessen, worum es beim Transformationsproze/? im engeren Sinne geht, ist kaum vorstellbar: Hier werden offenbar die entscheidenden ordnungspolitischen Weichenstellungen, die eben jenen Prozeß erst einleiten sollen, gleichsam in sein Ende um-
Dieser Begriff findet sich beispielsweise bei Schüller (1992a, S. 7), der - ähnlich wie Leipold (1997a) - ebenfalls auf den „Zusammenhang zwischen gewachsener und gesetzter Ordnung" hinweist und sich dazu eines sehr anschaulichen Beispiels bzw. Bildes bedient, indem er betont, „daß man eine Marktwirtschaft nicht wie eine neue Kulisse auf die Bühne ziehen und das dazu passende Stück sofort perfekt spielen kann. Die Marktwirtschaft als ein vielschichtiges Gefüge von gesetzten und gewachsenen Ordnungen kann nur allmählich in einem komplizierten Einübungs-, Aneignungs- und Identifikationsprozeß verhaltensbestimmende Koordinationskraft und in Verbindung damit die wohlfahrtsstiftende Dynamik gewinnen."
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gedeutet (mit den im Zitat genannten „institutionellen" Grundlagen sind zweifelsohne ausschließlich formelle Institutionen gemeint). Nach meiner Auffassung ist es wenig ratsam, gerade das Problem der Anwendung einer neuen Rechtsordnung mit dem lapidaren Hinweis, daß es „auf einem anderen Blatt stehe", „lösen" zu wollen, indem man es mehr oder weniger elegant - „weg-definiert". Ein solches Vorgehen erscheint mir insbesondere dann problematisch, wenn die in Rede stehende neue Rechtsordnung zudem nicht von den Menschen, die sie betrifft, selbst entwickelt, sondern gleichsam über ihnen „ausgeschüttet" wurde, wie es etwa in den sog. neuen Bundesländern der Fall war. Jauernig (1997, S. 2705) spricht die damit zusammenhängenden Probleme offen an: "Die fast totale Einführung bundesdeutschen Rechts im Gebiet der ehemaligen DDR bereitet nach wie vor rechtliche Schwierigkeiten und - vielleicht mehr noch - Probleme mentaler Akzeptanz" (Hervorhebung von mir).75 Um nicht mißverstanden zu werden: Selbstverständlich kann die Bedeutung einer stabilen, in sich stimmigen bzw. konsistenten Rechtsordnung für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung eines Landes gar nicht hoch genug eingeschätzt werden (vgl. auch Brockmeier 1997); dies gilt selbstverständlich auch und insbesondere für die postsozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas. Mithin ist in der Schaffung einer solchen Rechtsordnung eine der wichtigsten Transformationsaufgaben (bzw. im Scheitern entsprechender Bemühungen eine der Hauptursachen für ausbleibende Transformationserfolge) zu sehen. Diese Zusammenhänge können emsthaft nicht bestritten werden. Insofern sei konzediert, daß ein wesentlicher Vorteil der sog. neuen Bundesländer gegenüber anderen Transformationsländern (insbesondere etwa Rußland) darin bestand, daß über ihnen - um im Bilde zu bleiben - immerhin nicht weniger als der gesamte, etwa von Buchanan (1975) in seiner Bedeutung so eindrucksvoll beschriebene, Rechtsschutzstaat von oben „ausgeschüttet" wurde. Gleichwohl darf nicht übersehen werden - und eben darauf kommt es mir in diesem Zusammenhang an -, daß ein formell neues Rechtssystem seine ordnende und wohlfahrtsstiftende Wirkung erst dann voll zu entfalten vermag, wenn es tatsächlich zu den gleichsam darunter liegenden, kulturgebundenen informellen Institutionen „paßt". Denn - wie ausführlich beschrieben - bestimmen über den Umgang mit Gesetzen und kodifizierten Regeln bzw. deren Anwendung nicht nur diese formellen Regeln selbst, sondern eben auch solche formlosen Beschränkungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg von den Menschen internalisiert wurden. Wenn dies vernachlässigt wird, dann erscheint eine Kritik angebracht, wie sie in folgendem Zitat Buchanans (1981, S. 47/48) treffend zum Ausdruck kommt: „Eine konstruktivistische Torheit stellt allerdings jeder Versuch eines Neuentwurfs oder einer Umgestaltung von Institutionen dar, der in irgendeiner Weise voraussetzt, daß die Menschen sich ganz anders verhalten werden, als es jenen Mustern entspricht, die sich aus der unbewußten Befolgung der kulturell geformten abstrakten Regeln ergeben" (Hervorhebung von mir). Es gibt wohl kaum einen Satz, der eine solche konstruktivistische Torheit, die - wie wir bereits im Zusammenhang mit der entsprechenden grund-
Diese Feststellung ist um so bemerkenswerter, als gerade Jauernig zu denjenigen Autoren gehört, die der Illese, „der Westen" habe der früheren DDR eher eine Rechtsordnung „übergestülpt", als daß diese sie „übernommen" habe, grundsätzlich eher kritisch gegenüberstehen.
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sätzlichen Kritik von Hayeks gesehen hatten - keinerlei Rücksicht auf Tradition, Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche etc. nimmt, besser zum Ausdruck bringt als folgendes Diktum Voltaires: „Wenn ihr gute Gesetze wollt, so verbrennt die, die ihr habt, und macht neue." 76 Spätestens an dieser Stelle mag sich der Eindruck aufdrängen, als seien die abstrakten Regeln im Sinne von Hayeks identisch mit den formlosen Beschränkungen (informal constraints) nach North, die wir auch als informelle Regeln/Institutionen bezeichnet haben. Dieser Eindruck täuscht indes: Abstrakte Regeln sind keinesfalls grundsätzlich identisch mit informellen Regeln, insofern sind die Begriffe „abstrakt" und „informell" hier keinesfalls synonym zu verwenden. Der Hintergrund dieser „optischen Täuschung" ist wohl in dem Umstand zu sehen, daß abstrakte Regeln zunehmend nur noch in Gestalt informeller Regeln existieren, wiewohl sie selbstverständlich durchaus formelle Gestalt haben könnten. So spricht beispielsweise nichts gegen einen abstrakten Charakter von Verfassungen und Gesetzen - im Gegenteil. Gleichwohl ist festzustellen, daß gerade formelle Regeln zunehmend konkreter" werden. Darüber hinaus nimmt ihre schiere Anzahl - in Gestalt zusätzlicher Gesetze, Sonder- und Spezialgesetze, Verordnungen etc. - ständig zu. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung informeller Regeln immer stärker ab. Dies gilt insbesondere fìir die von zunehmender Individualisierung (der mangelnden Pflege sowie dem damit zwingend verbundenen Verlust außerökonomischer, sozialer Beziehungen und traditioneller Werte) geprägten, wirtschaftlich hochentwickelten Industrieländern. Vielfach wird beklagt, daß außerökonomische, soziale Beziehungen immer weniger gepflegt werden. Der nicht zuletzt im Aussterben von Institutionen wie Großfamilie und Familie, in zunehmender Vereinsamung nicht nur älterer Menschen usw. zum Ausdruck kommende Verlust „traditioneller Werte" läßt diejenigen Lebensbereiche und sozialen Beziehungen, die primär von informellen Institutionen geprägt werden, immer mehr an Bedeutung verlieren. Da jedoch gerade die informellen Regeln gleichsam als „letzte Bastion" der Regeln vorwiegend abstrakten Charakters verstanden werden können, kommt es - mit Blick auf die vorherrschenden Regeln - zunehmend zu einer Art „(Ver-)Konkretisierung" der Gesellschaft. Zwangsläufige Folge einer solchen zunehmenden Regelungsdichte ist ein Verlust an Freiheit·. Die individuelle Handlungsfreiheit wird beschnitten, die Handlungsspielräume der Individuen - und damit zwangsläufig auch der Gesellschaft - werden immer enger. Dies ist ein Umstand, vor dem von Hayek im Grunde Zeit seines Lebens gewarnt hat: Die „konstitutionelle Unwissenheit" verunsichert die Menschen. In ihrer Sehnsucht nach mehr Sicherheit, Planbarkeit und Prognostizierbarkeit neigen sie zwangsläufig dazu, sich eine tendenziell kurzfristige Perspektive zu eigen zu machen. Dadurch wiederum werden sie gleichsam dazu gezwungen, immer stärker auf konkrete Regeln zurückzugreifen, was letztlich zu einem zunehmend dirigistischen Charakter der Ordnung fuhrt: Die spontane Ordnung mutiert
So zitiert bei von Hayek (1969e, S. 109). Nicht zuletzt an dieser im Grundsatz ähnlichen Kritik zeigt sich, daß es auch Buchanan - als einem Befürworter einer bestimmten (hier: vertragstheoretischen) Variante des Modells einer gesetzten Ordnung - keinesfalls an Geschichts- und Traditionsverbundenheit mangelt, die ansonsten insbesondere etwa von Hayek als Verfechter einer gewachsenen Ordnung auszeichnet bzw. seiner Vorstellung einer „Evolution von Regeln" zugrunde liegt.
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zur Organisation, der Freiheitsverlust wird unvermeidbar. So hat von Hayek in diesem Zusammenhang stets davor gewarnt, den Rechtsstaat zum Gesetzesstaat verkommen zu lassen: Die mit einer spontanen Ordnung kompatible Herrschaft des Rechts ließe sich durchaus - und ausschließlich - vermittels einiger weniger Gesetze abstrakten Charakters sichern. Die Herrschaft der Gesetze freilich, die sich in einer wahren Regelungsflut ständig neuer Gesetze, Gesetzesänderungen und Verordnungen manifestiere, die immer stärker zweckorientiert, d.h., auf die - i.d.R. gar schnellstmögliche - Erreichung konkreter Ziele ausgerichtet seien, bedeute das Ende der spontanen Ordnung, mithin das Ende der Freiheit: „Tatsächlich fuhrt es auf die Dauer gewiß zum Tod der Freiheit, wenn wir uns auf unmittelbare Resultate konzentrieren. Eine nomokratische Gesellschaft muß Zwang völlig auf die Durchsetzung von Regeln beschränken, die einer langfristigen Ordnung dienen" {Hayek 1981, S. 48). Schon jetzt sei darauf hingewiesen, daß sich vor dem Hintergrund der Hayekschen Warnungen in Verbindung mit der aktuellen Transformationsproblematik einige Lehren ziehen lassen, die auch und gerade einigen der wirtschaftlich hochentwickelten Industriestaaten als warnende Botschaften mit auf den Weg gegeben werden könnten: Regeln dienen der Schaffung und Erhaltung von Ordnung und Freiheit. Daß Freiheit und Ordnung sich nicht ausschließen, sondern durchaus miteinander vereinbar sind, sich gar gegenseitig bedingen, hat etwa Eucken (1952/1990, S. 179) hinreichend begründet: „Freiheit und Ordnung sind kein Gegensatz. Sie bedingen einander. (...). Freilich - zum Gedanken der Freiheit gehört es ebenso wie zur Idee der Ordnung, daß die Freiheit ihre Grenzen hat, und zwar da, wo die Ordnung durch sie selber bedroht wird. Zwischen Freiheit und Ordnung besteht auch noch eine weitere Beziehung: Aus der Freiheit heraus entstehen spontane Ordnungsformen. (...). Alles spitzt sich damit auf die Frage zu: Welche Ordnungsformen gewähren Freiheit?" Das „Ober- bzw. Doppelziel" der Gewährung von Ordnung und Freiheit wird mithin nur erreicht werden können, solange die beiden Unterziele in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen. Dies wiederum kann mit desto höherer Wahrscheinlichkeit erwartet werden, je größer der Anteil abstrakter Regeln ist, die diejenige Ordnung (bzw. deren Charakter) ausmachen, von der man berechtigterweise die Schaffung und Erhaltung von Freiheit erwarten kann.77 Hiermit nun, so scheint mir, ist der Hintergrund skizziert, vor dem eine grundsätzliche und auch transformationsspezifische „Versöhnung" der beiden hier vorgestellten, auf den ersten Blick vermeintlich inkompatiblen Ordnungsmodelle möglich ist. Vergegenwärtigen wir uns zunächst (noch einmal), daß der aktuelle Hintergrund der Systemtransformation ein ganz grundsätzliches Problem berührt: Offenbar stellt sich die grundlegende Frage, wie angesichts einer offenkundigen und unbestreitbaren Notwendigkeit institutioneller Reformen überhaupt der evolutionäre Charakter des eine bestimmte gesellschaftliche und ökonomische Ordnung konstituierenden Gefuges von (abstrakten) Regeln aufrechterhalten werden kann. Eine Schwierigkeit in diesem Zusammenhang besteht unter anderem darin, daß die rein evolutionistische Perspektive im Grunde keinen konkreten Ansatzpunkt und keinerlei Kriterien bietet, um institutionelle
Es bedarf keiner besonderen Erläuterung, daß in diesem Zusammenhang die Sicherung formaler wie materieller Freiheit gleichermaßen gemeint ist.
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Reformen entwickeln und bewerten zu können. Zwar hat beispielsweise von Hayek die grundsätzliche Möglichkeit oder gar Notwendigkeit solcher Eingriffe keinesfalls übersehen oder bestritten 78 : So schreibt er etwa im Zusammenhang mit seiner bereits erläuterten Kritik am naiv-konstruktivistischen Rationalismus Descartesscher
Prägung:
„(Wir können) stets einen Teil des Ganzen nur im Sinne dieses Ganzen prüfen, das wir nicht vollständig rekonstruieren können und dessen größeren Teil wir ohne Prüfung akzeptieren müssen. Wie es auch ausgedrückt werden könnte: wir können immer nur an Teilen eines Ganzen herumbasteln, aber es niemals gänzlich neu entwerfen" ( H a y e k 1981, S. 43; vgl. ferner Hayek 1969e). 79 Ähnlich äußert er sich an anderer Stelle (Hayek 1971, S. 10), wo er durchaus einräumt, daß „(...) wir zwar stets bemüht sein müssen, unsere Einrichtungen zu verbessern, wir sie aber nie als Ganzes neu schaffen können." Eine konkrete Begründung
für die Notwendigkeit institutioneller Reformen im Sinne
planmäßiger Verbesserungen liefert von Hayek indes nicht. Er teilt uns zwar mit, welchen Ansatzpunkt er wählen will bzw. welche Instrumente er für geeignet hält, um „den allgemeinen Charakter der Ordnung beeinflussen zu können, die sich bilden wird, nämlich die Regeln des Rechts." Diese stellen für ihn deshalb „das Hauptwerkzeug dar (...), weil wir sie absichtlich formen können." 80 Weitgehend unklar bleibt indes, in welcher Situation bzw. zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang von Hayek „Umformungen" für notwendig hält. Dies betont etwa auch Leipold
solche
(1996, S. 103/104),
der darauf hinweist, daß von Hayeks evolutorische Ordnungstheorie „viele Details der Entwicklung und insbesondere der Fehlentwicklungen von Ordnungen offen (läßt)"
Darauf weisen etwa auch von Delhaes und Fehl (1997, S. 15) hin. Im Zusammenhang mit dem Nachdruck und der Deutlichkeit, mit dem/der von Hayek „seine Warnung vor konstruktivistischem Vorgehen in der Gestaltung von Wirtschaftsordnungen" wiederholt habe, treten sie völlig zu Recht einer zu einfachen bzw. einseitigen und extremen Interpretation dieses //ayefechen „Caveat" entgegen: „Sicherlich aber war von ihm {Hayek, T.B.) nicht gemeint, daß auf vorbedachtes Gestalten in diesem Bereich (...) zu verzichten sei (...)." Auch und gerade in der hier zitierten konkreten Formulierung offenbart sich die große gedankliche Nähe und enge Verbindung zwischen von Hayek und Popper, der bekanntlich im Zusammenhang mit dem von ihm so bezeichneten „piecemeal-engineering" ebenfalls von „Herumbasteln" sprach (vgl. Kapitel II dieser Arbeit). Hayek (1981, S. 209) verweist sogar ausdrücklich auf Poppers Begriff der „Stückwerk-(Sozial)Technologie". Mit der inhaltlichen Bedeutung bzw. Kernaussage dieses Begriffs stimmt von Hayek im Hinblick auf die Möglichkeit und Reichweite (institutioneller) Reformen zwar überein, gleichwohl gibt er zu, daß ihm dieser Begriff „etwas widerstrebt, weil 'engineering' (...) zu stark ein technologisches Rekonstruktionsproblem auf der Basis der Gesamtkenntnis aller physikalischen Daten zu suggerieren scheint, während der wesentliche Punkt bei der praktischen Verbesserung ein experimenteller Versuch ist, das Funktionieren von Teilen zu verbessern, ohne ein vollständiges Verständnis von der Struktur des Ganzen zu besitzen" (Erläuterung zu FN 25 auf S. 43 desselben Bandes). "Diese Regeln (...) sind notwendig, weil nur, wenn der einzelne weiß, welche Wege ihm offenstehen, und er selbst die Folgen seiner Wahl zu tragen hat, die sich ergebende Ordnung erwünschte Züge zeigen wird. Die geeignete Abgrenzung der individuellen Sphäre ist die Hauptfunktion der Rechtsregeln und ihr zweckmäßiger Gehalt eines der Hauptprobleme der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Das wird durch die Tatsache nicht geändert, daß ihre wünschenswerte Form in weitem Maße durch die angesammelte Erfahrung von Jahrhunderten gefunden worden ist und daß auch ihre weitere Verbesserung mehr von einer experimentellen schrittweisen Entwicklung als von einem Neuaufbau des Ganzen zu erwarten ist" (Hayek 1969, S. 40).
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(vgl. ferner Leipold 1997a). Von Hayek (1980, S. 123) räumt zwar ein, daß „der spontane Wachstumsprozeß aus verschiedenen Gründen in eine ausweglose Situation fuhren (kann), aus der er sich aus eigenen Kräften nicht befreien kann", so daß hier unter Umständen „eine Korrektur durch bewußte Gesetzgebung den einzig praktikablen Ausweg darstellen kann (...)."Allerdings bleibt dieser Hinweis insgesamt zu vage. Dennoch scheinen mir einige seiner in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente gerade vor dem Hintergrund unserer Diskussion über das Konzept der Pfadabhängigkeit recht aufschlußreich zu sein: „Die Entwicklung des Fall-Rechts (Common Law, T.B.) ist in mancher Hinsicht eine Art Einbahnstraße: wenn es sich schon eine beträchtliche Strecke in eine bestimmte Richtung bewegt hat, kann es oft nicht wieder zurück, wenn sich manche Implikationen früherer Entscheidungen als offensichtlich unerwünscht erweisen. Die Tatsache, daß ein Recht, das sich in dieser Weise entwickelt hat, bestimmte wünschenswerte Eigenschaften hat, beweist nicht, daß es immer gutes Recht sein wird oder auch nur, daß einige seiner Regeln nicht sehr schlecht sein können. Es bedeutet daher nicht, daß wir völlig auf Gesetzgebung verzichten können" {Hayek 1980, S. 124). Die in diesen Ausfuhrungen anklingende Idee einer möglichen Pfadabhängigkeit ist m.E. durchaus bemerkenswert, scheint doch von Hayeks grundsätzlicher Evolutionsoptimismus, der bekanntlich unterstellt, „daß sich in einer wettbewerblichen Umgebung langfristig die effizienten Institutionen durchsetzen, (...) die Möglichkeit des Verharrens in einem ineffizienten Entwicklungspfad (ansonsten im Grunde, T.B.) zu verneinen" (Kiwit und Voigt 1995, S. 137). Das grundsätzliche Problem, um das die oben skizzierten Überlegungen von Hayeks kreisen, hat Buchanan (1981, S. 46) einmal treffend in folgende Worte gekleidet: "Ist es möglich, den spezifischen Gehalt der (Mryefechen) Vorstellung von der Evolution abstrakter Regeln beizubehalten, und gleichzeitig nach Kriterien für institutionellkonstitutionelle Reformen zu suchen?" Hiermit ist nichts anderes angesprochen als die Frage nach der prinzipiellen Vereinbarkeit der beiden scheinbar unversöhnlichen Konzepte der gewachsenen Ordnung auf der einen und der gesetzten Ordnung auf der anderen Seite. Für die vertragstheoretische Variante des Modells der gesetzten Ordnung (nach Buchanan) hat beispielsweise Vanberg (1981) gezeigt, daß eine „Versöhnung" zwischen der evolutionistischen und der bisweilen als „konstruktivistisch" gegeißelten Perspektive durchaus möglich ist81 : Reformen müssen nicht notwendig konstruktivistisch sein, und der die Reformfreudigkeit - trotz Einsicht in die prinzipielle Reformnotwendigkeit - bisweilen lähmende Wunsch zur Aufrechterhaltung eines prinzipiell ergebnisoffenen Evolutionsprozesses zwingt nicht notwendigerweise zum passiven Nichts-Tun im Sinne eines Laisser Faire. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll es ebenfalls um eine solche „Versöhnung" gehen; hier allerdings steht die Verbindung der evolutorischen Perspektive mit der ordo-liberalen Variante der gesetzten Ordnung im Sinne Euckens im Vordergrund. Wie oben angedeutet, scheinen die Erfolgsaussichten
Zu einer ausfuhrlichen Diskussion der beiden Ansätze Hayeks und Buchanans sowie ihrer Anwendung auf eine konkrete Ordnung siehe etwa die Dissertation von Leschke (1993); zu einer konkreten Anwendung des Buchananschen Vertragsmodells auf das spezifische Problem der institutionellen Reform im Transformationsprozeß siehe die bereits mehrfach erwähnte Dissertation von Apolte (1992).
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eines solchen „Versöhnungs-Versuchs" dann am größten zu sein, wenn man sich auf die grundlegenden Begriffe „Freiheit" und „Ordnung" bzw. deren Verknüpfung 8 2 sowie die von Eucken und von Hayek im Zusammenhang mit institutionellen Reformen als geeignet eingestuften Instrumente konzentriert: Den bewußt und absichtlich zu formenden (abstrakten) „Regeln des Rechts" der //aye^-Konzeption entspräche dann - cum grano salis - die im Rahmen der £uc£ew-Konzeption zu gestaltende „Wirtschaftsverfassung", auf die im nächsten Kapitel etwas ausführlicher eingegangen werden soll (vgl. in diesem Sinne auch von Delhaes und Fehl 1997, S. 21). Die vorangegangenen Ausfuhrungen dienten der grundlegenden Erläuterung von Institutionen, dem Verhältnis bzw. Zusammenwirken von formellen und informellen Institutionen sowie deren Bedeutung fur das Phänomen des institutionellen Wandels. Indes darf nicht übersehen werden, daß, wie auch North betont, „Institutionen Schöpfungen von Menschen sind. Sie entstehen und verändern sich durch Einwirkung von Menschen; unsere Theorie muß daher beim Einzelmenschen beginnen." 8 3 So kann der Einfluß der - letztlich von Menschen geschaffenen - Institutionen auf menschliches Verhalten schwerlich angemessen analysiert werden, wenn nicht zuvor einige Überlegungen bezüglich der grundsätzlichen Bestimmungsfaktoren menschlichen Handelns angestellt worden sind. Ein besonderes Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit richtet sich auf die Bestimmungsgründe unternehmerischen Verhaltens. Vor diesem Hintergrund sind die folgenden Ausfuhrungen zu sehen.
Bezöge man dies beispielsweise (ausschließlich) auf den Wettbewerbszusammenhang, so ginge es entsprechend etwa um die Verquickung von Wettbewerbs-Fra'Aeif (von Hayek) und Wettbewerbs-Odnurtg (Eucken). "Zugleich sind die Beschränkungen, die Institutionen für individuelle Wahlmöglichkeiten bedeuten, sehr weitreichend. Die Verbindung von individuellen Wahlhandlungen mit den Beschränkungen, welche Institutionen für den Wahlbereich des einzelnen bedeuten, wäre ein großer Schritt in Richtung auf die Vereinheitlichung sozialwissenschaftlicher Forschung" (North 1992, S.6).
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2. U n t e r n e h m e r t u m und Systemtransformation 2.1.
Innovatives Unternehmertum: Der schöpferische Unternehmer nach Joseph A. Schumpeter
2.1.1. Der Zusammenhang von Unternehmertum, Innovation und wirtschaftlicher Entwicklung 2.1.1.1. Innovation und wirtschaftliche Entwicklung Joseph Schumpeter (1911/1993, S. 95) folgend, sollen unter wirtschaftlicher Entwicklung „nur solche Veränderungen des Kreislaufs des Wirtschaftslebens verstanden werden, die die Wirtschaft aus sich selbst heraus zeugt, nur eventuelle Veränderungen der 'sich selbst überlassenen', nicht vom äußeren Anstoße getriebenen Volkswirtschaft." Ganz offensichtlich geht es Schumpeter also um die Betrachtung endogener Veränderungen, mithin um diejenigen Situationen bzw. Punkte im Wirtschaftsleben, „wo das wirtschaftliche Leben selbst seine eigenen Daten ruckartig ändert." 84 Nach Schumpeter ist die entscheidende Ursache bzw. treibende Kraft der so verstandenen wirtschaftlichen Entwicklung in der „Durchsetzung neuer Kombinationen" zu sehen, die wir im folgenden auch als „Innovation" 85 bezeichnen wollen. Unter den von Schumpeter genannten Möglichkeiten, durch die wirtschaftliche Entwicklung grundsätzlich bewirkt bzw. den drei Erscheinungsformen, in denen wirtschaftliche Entwicklung auftreten könne, ist nach seinen Angaben die Durchsetzung neuer Kombinationen die „weitaus wichtigste". 86 Diese äußere sich darin, „daß manche Individuen über die wirtschaftliche Erfahrung und die erprobte und gewohnte Routine hinausgreifend in den
„Hier wird auch das bloße Wachstum der Wirtschaft, wie es sich in Bevölkerungs- und Reichtumszunahme darbietet, nicht als Entwicklungsvorgang bezeichnet. (...). Sie (die wirtschaftliche Entwicklung, T.B.) ist die Veränderung der Bahn, in welcher sich der Kreislauf erfüllt, im Gegensatz zur Kreislaufbewegung, die Verschiebung des Gleichgewichtszustands im Gegensatz zum Vorgang der Bewegung nach einem Gleichgewichtszustand. Aber nicht jede solche Veränderung oder Verschiebung, sondern nur (...) erstens spontan der Wirtschaft entspringende und zweitens diskontinuierliche" (Schumpeter 1912/1993, S. 94 u. S. 96 sowie S. 98/99; Hervorhebung - im Text - von mir). An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß von der hier in Rede stehenden Innovation die Invention zu unterscheiden ist. Die Invention (Erfindung) ist der Innovation gleichsam vorgelagert; letztere kann als kommerzielle Umsetzung im Sinne ökonomischer Nutzbarmachung und Verwertung der Invention verstanden werden kann. Auf dieses „Auseinanderfallen" von Invention und Innovation macht im übrigen Schumpeter (1912/1993, S. 120) selbst aufmerksam: „Die Funktion des Erfinders (...) und die des Unternehmers fallen nicht zusammen. (...). Der Unternehmer als solcher ist nicht geistiger Schöpfer der neuen Kombination, der Erfinder als solcher weder Unternehmer noch Führer anderer Art." Schumpeter (1928, S. 483) nennt noch zwei andere Möglichkeiten, durch die wirtschaftliche Entwicklung bewirkt werden könne: „Erstens durch stetiges Wachstum, besonders der Bevölkerung und des Apparates an produzierten Produktionsmitteln. Zweitens durch außerwirtschaftliche Ereignisse, die in die Wirtschaft hereinwirken, wie Naturereignisse, soziale Umwälzungen, politische Eingriffe."
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jeweils gegebenen Verhältnissen des Wirtschaftslebens neue Möglichkeiten erkennen und durchsetzen. Diese dritte Art von Entwicklung ist die weitaus wichtigste, auch die beiden ersten wirken zum Teil - indem sie Anlässe zum Entstehen neuer Möglichkeiten bieten - durch sie hindurch" (Schumpeter 1928, S. 483). Träger der für wirtschaftliche Entwicklung notwendigen und hinreichenden Innovationstätigkeit, die „den fundamentalen Antrieb (darstellt), der die kapitalistische Maschine in Bewegung setzt und hält" (Schumpeter 1950/1993a, S. 137) und die es „einem System (erlaubt), mehr Zustände einzunehmen oder mehr Möglichkeiten zu tolerieren" (Röpke 1987, S. 227), ist nach Schumpeter der Typus des sog. „schöpferischen Unternehmers". Nun muß die von diesem betriebene Durchsetzung neuer Kombinationen „in der Regel (...) die Produktionsmittel, die sie braucht, irgendwelchen alten Kombinationen entziehen". Dies ist ein Aspekt, auf den Schumpeter (1911/1993, S. 102/103 und 1928, S. 483) ausdrücklich hinweist, indem er hervorhebt, „daß wir uns die Durchsetzung der neuen Kombinationen und das Entstehen ihrer Verkörperungen grundsätzlich niemals so vorzustellen haben, wie wenn sie ungenützte Produktionsmittel in sich vereinigten." Die Neukombination der Produktionsfaktoren bewirkt bzw. bedeutet also letztlich nichts anderes eine ,Andersverwendung des Produktionsmittelvorrates der Volkswirtschaft" (Schumpeter 1912/1993, S. 100). Dies stellt nun einen grundlegenden Unterschied zum passiv-reaktiven Unternehmerbild der traditionellen (neoklassischen) ökonomischen Theorie dar. So bemerkt Heuß (1965, S. 8) in diesem Zusammenhang treffend, daß „der hervorstechendste Zug seines (Schumpeters, T.B.) Unternehmers gerade darin (besteht), daß alle die Größen, die in der Theorie als gegeben unterstellt werden, für ihn Aktionsparameter darstellen. In seinen Augen bedeuten daher Produkt, Kosten und Nachfrage keine Daten, sondern es sind vielmehr Größen, die von ihm geschaffen und gestaltet werden. In der Durchsetzung neuer Kombinationen werden seine Handlungen zu kreativen Akten." Die innovative Andersverwendung oder Neukombination der Produktionsfaktoren kann sich auf verschiedene Größen bzw. Ebenen beziehen. So unterscheidet Schumpeter insgesamt fünf Fälle der Durchsetzung neuer Kombinationen, die heute üblicherweise als verschiedene „Innovationsarten" bezeichnet werden; sie seien hier in wörtlicher Wiedergabe vorgestellt: 1. „Herstellung eines neuen, d.h., dem Konsumentenkreise noch nicht vertrauten Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes; 2. Einführung einer neuen, d.h., dem betreffenden Industriezweig noch nicht praktisch bekannten Produktionsmethode (...); 3. Erschließung eines neuen Absatzmarktes, d. h. eines Marktes, auf dem der betreffende Industriezweig des betreffenden Landes bisher noch nicht eingeführt war, mag dieser Markt schon vorher existiert haben oder nicht; 4. Eroberung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen oder Halbfabrikaten, wiederum: gleichgültig, ob diese Bezugsquelle schon vorher existierte - und bloß sei es nicht beachtet wurde sei es für unzugänglich galt - oder ob sie erst geschaffen werden muß, 5. Durchführung einer Neuorganisation, wie Schaffung einer Monopolstellung (z.B. durch Vertrustung) oder Durchbrechen eines Monopols" (Schumpeter 1912/1993, S. 100/101). In etwas modernerer Diktion werden die ersten beiden Innovationsarten heute zumeist als „Produktund Verfahrensinnovation" bezeichnet. Wie an späterer Stelle im Zusamnmenhang mit dem //einsehen Marktphasenschema noch deutlich werden wird, ist die dritte Innovati-
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onsart - die Eroberung bzw. Erschließung eines neuen Absatzmarktes - i.d.R. untrennbar mit der Kreation eines neuen Produktes, mithin mit der ersten Innovationsart, verbunden. Zur fünften Innovationsart ist anzumerken, daß sie im Grunde jede Art der Neuorganisation - insbesondere also auch innerhalb des Unternehmens (Neuordnung betrieblicher Strukturen und Abläufe) - einschließen kann. (Um auch hier einen „moderneren" Begriff ins Feld zu fuhren, ließe sich darauf hinweisen, daß erfolgreiche Bemühungen zur Reduzierung von „X-Ineffizienz" 87 auf Innovationen in diesem Sinne zurückgeführt werden können; vgl. in diesem Sinne auch Röpke 1983, S. 114). 2.1.1.2. Innovationswettbewerb als „schöpferische Zerstörung" Schumpeter (1950/1993a, S. 136) beschreibt die kapitalistische Wirtschaftsweise als eine solche, für die die Innovationstätigkeit im Sinne der oben beschriebenen endogenen Veränderungen charakteristisch sei: „Als wesentlichster Punkt ist festzuhalten, daß wir uns bei der Behandlung des Kapitalismus mit einem Entwicklungsprozeß befassen. (...). Der Kapitalismus ist also von Natur aus eine Form oder Methode der ökonomischen Veränderung und ist nicht nur nie stationär, sondern kann es auch nie sein" (Hervorhebung von mir).88 Schumpeter betont insoweit den „evolutionären Charakter" des Kapitalismus: Das System selbst bringt diejenigen Kräfte und Veränderungen hervor, die es im Laufe der Zeit gleichsam auf immer höhere Entwicklungsstufen katapultiert. Die gravierenden Veränderungen des Produktionsapparates in den verschiedenen Sektoren bzw. Branchen (Landwirtschaft, Industrie, Energie, Transport) von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg betrachtend, spricht Schumpeter gar von einer „Geschichte von Revolutionen." 89 Eben diesen Prozeß, „der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft", bezeichnet er als „Prozeß der schöpferischen Zerstörung". Dieser stelle „das für den Kapitalismus wesentliche Faktum" dar {Schumpeter 1950/1993a, S. 137/138). Die wesentlichen Anstöße gibt jeweils der schöpferische Unternehmer: Seine Innovation bricht gleichsam die alten Strukturen auf, das alte Gleichgewicht wird gestört. Da der Innovator, wie gesehen, die zur Durchsetzung seiner Innovation benötigten Ressourcen anderen Verwendungen entziehen muß, geht der von ihm hervorgerufene Struktur-
Zum Begriff und Konzept der „X-(In-)Effizienz" siehe die grundlegenden Beiträge von Leibenstein (1966, S. 397 ff.) und (1976) sowie femer Frantz (1988). Weiter heißt es (ebd., S. 136): „Es mag merkwürdig scheinen, daß ein so offensichtlicher Sachverhalt, der zudem schon von Karl Marx hervorgehoben worden war, überhaupt übersehen werden kann. Und doch wird er von jener fragmentarischen Analyse, die den Großteil unserer Behauptungen über das Funktionieren des modernen Kapitalismus liefert (gemeint ist selbstverständlich die neoklassische Wirtschaftstheorie, T.B.), beharrlich vernachlässigt" "Diese Revolutionen sind nicht eigentlich ununterbrochen; sie treten in unsteten Stößen auf, die voneinander durch Spannen verhältnismäßiger Ruhe getrennt sind. Der Prozeß als ganzer verläuft jedoch ununterbrochen - in dem Sinne, daß immer entweder Revolution oder Absorption der Ergebnisse der Revolution im Gang ist; beides zusammen bildet das, was als Konjunkturzyklus bekannt ist" (Schumpeter 195071993a, S. 137).
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bruch letztlich mit einer Umbewertung von Beständen einher90 : So werden etwa durch erfolgreiche Produkt- oder Verfahrensinnovationen überkommene Produkte und Verfahren entwertet, „so daß sich wettbewerbliche Vorstöße negativ auf die Vermögensposition der Mitwettbewerber auswirken" (Kerber 1997, S. 41). Dieser Prozeß der Bestandsgrößenumbewertung ist desto umfassender und tiefgreifender, je stärker sich die erfolgreiche Innovation ausbreitet: Das „scharenweise" (Schumpeter) Auftreten der Imitatoren sorgt für die Diffusion der Innovation, mithin für die Verbreitung neuen Wissens in der Volkswirtschaft. Es findet ein regelrechter Innovationswettbewerb statt, den Schumpeter denn auch treffend als „Prozeß von Vorstoß und Verfolgung" charakterisiert. Mit Blick auf den positiven Vermögens- und Einkommenssaldo zwischen der durch die Innovation neu geschaffenen Kaufkraft einerseits und den von den „Innovationsverlierem" erlittenen Verlusten andererseits können wir zum Begriff der „schöpferischen Zerstörung" also abschließend feststellen: ,JDieser Wettbewerb ist nicht nur 'schöpferisch ', weil er zur Durchsetzung neuen Wissens führt, sondern weil der Entwertung traditionaler Faktorkombinationen eine diese überkompensierende Neuschaffung von Werten gegenübersteht: Die Innovationsgewinner wären in der Lage, die Verlierer zu entschädigen und immer noch einen Überschuß zu erhalten" (Röpke 1983, S. 127; Hervorhebungen von mir). Nun hat man sich diesen Prozeß der schöpferischen Zerstörung freilich nicht so vorzustellen, als gingen das Auftreten der Neuerung - im Sinne der ersten beiden Innovationsarten beispielsweise eine Produkt- oder Verfahrensinnovation - und der Untergang des Überkommenen etwa uno actu vor sich. Es handelt sich vielmehr um ein zeitweiliges Nebeneinander der konkurrierenden Produkte, Techniken etc.; auf diesen „Wettbewerbsaspekt" weist Schumpeter (1911/1993, S. 101) ausdrücklich hin: „(So) treten der Idee und auch der Regel nach die neuen Kombinationen, bzw. die sie verkörpernden Firmen, Produktionsstätten usw., nicht einfach an die Stelle, sondern zunächst neben die alten, die aus sich heraus meist gar nicht in der Lage wären, den neuen großen Schritt zu tun." Die Durchsetzung der neuen Kombinationen erfolgt „durch das Niederkonkurrieren der alten."
2.1.1.3.
Funktionaler Unternehmerbegriff und die Motive des „schöpferischen Unternehmers"
Da fur Schumpeter (1928, S. 483) also „im Erkennen und Durchsetzen neuer Möglichkeiten auf wirtschaftlichem Gebiet (...) das Wesen der Unternehmerfunktion (liegt), mithin „das Wesen der Unternehmerfunktion (...) das eigentliche Grundphänomen der wirtschaftlichen Entwicklung" darstellt (Schumpeter 1912/1993, S. 94 ff.), ist es nur folgerichtig, daß er eine solche funktionale Definition des Unternehmers wählt. Dies ist insofern von Bedeutung, als sein Unternehmerbegriff eine bewußte Abgrenzung zu den Definitionen anderer Autoren darstellt, die den Begriff des Unternehmers eher an formale Kriterien wie Selbständigkeit sowie Eigentums- oder Vermögensverhältnisse knüpfen. Schumpeter (1911/1993, S. 111/112 u. S. 116) betont diese Abgrenzung ausdrück-
Wir werden noch sehen, daß diese Interpretation freilich nur idealiter gilt: Denkt man die prozeßorientierte Betrachtungsweise konsequent weiter, so fragt sich, mit welcher Berechtigung man überhaupt noch von „Beständen" im engeren Sinne sprechen kann, wenn doch letztlich „alles im Fluß" ist.
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lieh: „Unter unseren Begriff fallen nicht alle selbständigen, für eigne Rechnung handelnden Wirtschaftssubjekte, wie das üblich ist. Eigentum am Betrieb (...) ist für uns kein wesentliches Merkmal. (...). Halten wir fest, daß jemand grundsätzlich nur dann Unternehmer ist, wenn er eine 'neue Kombination' durchsetzt - weshalb er den Charakter verliert, wenn er die geschaffenen Unternehmung dann kreislaufmäßig weiterbetreibt" (Hervorhebung von mir). Es sei betont, daß im weiteren Verlauf dieser Arbeit durchgängig an einem funktionalen Unternehmerbegriff festgehalten werden soll, der dann freilich - j e nach gerade im Vordergrund stehenden Unternehmertypus - in jeweils unterschiedlicher Weise konkretisiert werden wird. Damit schließt eine solch funktionale Unternehmerdefinition beispielsweise die theoretische Existenz von Unternehmern in Zentralverwaltungswirtschaften keinesfalls a priori aus, sie ist wirtschaftssystemunspezifisch. 91 Wenngleich Schumpeter sich nicht eingehend mit den vielfältigen und komplexen Bestimmungsgründen innovativen Verhaltens auseinandergesetzt hat und insoweit auch berechtigterweise dafür kritisiert wurde, keine wirkliche Innovationstheorie als Herzstück seiner Entwicklungstheorie vorgelegt, sondern sich im Grunde auf rein „entwicklungs-logische" Aussagen beschränkt zu haben 9 2 , darf gleichwohl nicht verschwiegen werden, daß er sich durchaus mit möglichen Motiven schöpferischer Unternehmertätigkeit beschäftigt hat. Er tat dies im übrigen auf eine Weise, die - wie wir an anderer Stelle noch sehen werden - durchaus bereits Stoff für zumindest einige derjenigen ,$austeine" liefern kann, die andere Forscher (insbesondere aus dem Bereich der Motivationspsychologie) letztlich als Determinanten des Innovationsverhaltens herausgearbeitet und zumindest zu einer „Mauer" eines entsprechenden Theoriegebäudes zusammengefügt haben. Ganz in diesem Sinne betont auch Röpke (1983, S. 115), daß Schumpeter mit seiner Darstellung der Unternehmermotive bereits einen Teil der Ergebnisse der neueren Motivationsforschung vorweg(nimmt)." Bei Schumpeter (1911/1993, S. 137) selbst heißt es dazu in Kurzform: "Unter unserem Bild vom Unternehmertypus steht das Motto: plus ultra." Er war davon überzeugt, daß rein wirtschaftliche Motive zur Erklärung des Verhaltens schöpferischer Unternehmer keinesfalls hinreichend seien. Die Motive des Unternehmers, schöpferisch-innovativ tätig zu sein, sei-
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Röpke (1977, S. 122 FN 39), der den funktionalen Untemehmerbegriff Schumpeters ebenfalls übernimmt, schreibt dazu: "Der Unternehmer gilt als Träger der schöpferischen Funktion im Teilsystem Wirtschaft. Der Unternehmer muß daher weder ein Kapitalist noch ein Inhaber von Spitzenpositionen in einer Organisationshierarchie sein. Die erste Einschränkung zielt auf die Trennung von Eigentum und Kontrolle des Produktionskapitals; daraus folgt das Auftreten von Unternehmern auch in Wirtschaftsordnungen, die die Institution des Privateigentums an Produktionsmitteln nicht kennen. Die zweite Einschränkung bezieht sich auf die Tatsache, daß Unternehmerpersönlichkeiten auf allen Ebenen einer Organisationshierarchie auftreten, daß sich in Hierarchiespitzen oftmals Personen halten, die des unternehmerischen Talents entbehren, und es schließlich von den organisatorischen Regelsystemen und Aufstiegsmustern abhängt, welcher Möglichkeitsbereich kreativen Persönlichkeiten offensteht." So heißt es etwa bei Röpke (1980, S. 82) zutreffend: "Allerdings beschreibt Schumpeter mit seiner Innovationstheorie lediglich die Funktionsweise eines abstrakten Entwicklungsmechanismus, eine Entwicklungslogik gleichsam, welche für die Erklärung und Begründung von Entwicklungsprozessen zunächst noch relativ wenig hergibt (...)."
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en keinesfalls primär auf Gewinn- oder Einkommensmaximierung bzw. eine „grenzenlose" Ausweitung seiner Konsummöglichkeiten ausgerichtet: „Sein (des schöpferischen Unternehmers, T.B.) 'wirtschaftliches' Motiv - Streben nach Gütererwerb - ist nicht verankert am Lustgefühl, das die Konsumtion der erworbenen Güter auslöst" {Schumpeter 1912/1993, S. 134). Maximierungsziele in einem solchen Sinne seien bestenfalls den „Wirten" - also den Unternehmern der statischen Welt des Kreislaufs und Gleichgewichts -, nicht aber dem schöpferischen Unternehmer zu unterstellen: „Der typische Unternehmer frägt sich nicht, ob jede Anstrengung, der er sich unterzieht, auch einen ausreichenden 1 Grenzüberschuß' verspricht. Wenig kümmert er sich um hedonistische Früchte seiner Taten. Er schafft rastlos, weil er nicht anders kann, er lebt nicht dazu, um sich des Erworbenen genießend zu erfreuen (...); wir bemerken, daß sich bei solchen Leuten (schöpferischen Unternehmern, T.B.) geradezu eine bemerkenswerte Gleichgültigkeit, ja selbst Abneigung, gegen untätigen Genuß zeigt" (Schumpeter 1912/1993, S. 136 u. 137). Nach Schumpeter Auffassung (1911/1993, S. 138/139) sind zur Ergründung der wahren Motive des schöpferischen Unternehmers keine besonderen Anstrengungen vonnöten, liegt doch „die sein Verhalten adäquat interpretierende Motivation nahe genug: Da ist zunächst der Traum und Wille, ein privates Reich zu gründen (...), das Raum gewährt und Machtgefiihl. (...). Da ist sodann der Siegerwille. Kämpfenwollen einerseits, Erfolghabenwollen des Erfolgs als solchen wegen andrerseits. (...). Wirtschaftliches Handeln als Sport. (...). Freude am Gestalten endlich ist eine dritte solche Motivfamilie (...). Das kann sowohl Freude am Tun sein: Der 'Wirt schlechtweg' bewältigt mühsam seinen Arbeitstag, unser Typus hat einen Kraftüberschuß, der, wie andere Felder der Betätigung, so auch das wirtschaftliche wählen kann und an der Volkswirtschaft ändert und in der Volkswirtschaft wagt, um des Änderns und Wagens und gerade der Schwierigkeiten willen. Als auch speziell Freude am Werk, an der Neuschöpfung als solcher. Sei das nun etwas Selbständiges oder ununterscheidbar von der Freude am Tun." Der Unterschied zu den lehrbuchhaften Zielen bzw. Antrieben des gewinnmaximierenden Wirts wird nicht zuletzt darin deutlich, daß die von Schumpeter aufgeführten „intrinsischen Motive des Wachstums und der Selbstverwirklichung (...) keine Sättigungsgrenze kennen" (Röpke 1983, S. 115). Wenngleich positiv zu bewerten ist, daß Schumpeter sich grundsätzlich über die Beweggründe des Verhaltens des schöpferischen Unternehmers Gedanken macht und in o.g. Katalog durchaus einige Motive nennt, die es nahelegen, den Unternehmer mit Blick auf die schöpferisch-innovative Tätigkeit etwa als „leistungsmotivierten" Menschen etwa im Sinne McClellands (s.u.) zu verstehen, muß dennoch betont werden, daß dies allein keinesfalls als hinreichende Erklärung innovativen Verhaltens angesehen werden kann: Wie gesehen, beschränkt Schumpeter seine Analyse ausschließlich auf die vom Unternehmer selbst verfolgten Ziele und stellt insoweit lediglich auf die - wie ich es einmal nennen möchte - subjektiv-internen („intra-personalen") Innovationsbedingungen bzw. die intrinsischen Innovationsmotive des schöpferischen Unternehmers ab. Diese Beschränkung bringt es allerdings mit sich, daß seine Analyse zwangsläufig gleichsam im luft- bzw. institutionenleeren Raum stattfinden muß. Eine solche Vernachlässigung der institutionellen Voraussetzungen unternehmerischer Tätigkeit erweckt den Eindruck, daß der schöpferische Unternehmer Schumpeters niemals lediglich ein potentieller Innovator in dem Sinne sein könnte, daß widrige Umstände irgendwelcher Art
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ihn an der Ausübung innovativer Aktivitäten zu hindern vermöchten. Über potentielle Innovationsbarrieren, die jenseits der persönlich-individuellen Ziele des Unternehmers und damit außerhalb seines unmittelbaren Einflußbereichs liegen, erfahren wir - mit Ausnahme des Hinweises, „daß jeder Schritt aus dem Bezirk der Routine Schwierigkeiten hat", - kaum etwas. Hinter diesem Umstand verbirgt sich seines Erachtens auch die Antwort auf die Frage, warum die Durchsetzung einer Innovation denn überhaupt als etwas Besonderes anzusehen sei. Die Antwort auf diese Frage, die hier ausführlich zitiert sei, liefert er gleich mit: „Während im gewohnten Kreislauf jedes Wirtschaftssubjekt, seines Bodens sicher und getragen von dem auf diesen Kreislauf eingestellten Verhalten aller anderen Wirtschaftssubjekte, mit denen es zu tun hat und die ihrerseits wieder das gewohnte Verhalten von ihm erwarten, prompt und rationell handeln kann, so kann es das nicht ohne weiteres, wenn es vor einer ungewohnten Aufgabe steht. (...). Wo die Grenze der Routine aufhört, können deshalb viele Leute nicht weiter (...). Deshalb ist die Durchsetzung neuer Kombinationen eine besondere Funktion und Privileg von Leuten, die viel weniger zahlreich sind als jene, die die äußere Möglichkeit dazu hätten (...). Deshalb sind Unternehmer ein besonderer Typus" (alle Zitate aus Schumpeter 1912/1993, S. 117-119 u. S. 124). Die Natur der Schwierigkeiten, denen sich schöpferische Unternehmer in ihrem Bemühen um die Durchsetzung von Neukombinationen häufig gegenübersehen, entdeckt Schumpeter (1911/1993, S. 126 u. 127) unter anderem „in dem Gegendruck, mit dem die soziale Umwelt jedem begegnet, der überhaupt oder speziell wirtschaftlich etwas Neues tun will. Dieser Gegendruck kann sich zunächst in dem Vorhandensein rechtlicher oder politischer Hindernisse äußern (...). Weiter kann es zu gesellschaftlicher Ablehnung des Betreffenden und schließlich zu einer physischen Verhinderung seiner Absicht kommen und zum direkten Angriff auf ihn." Damit macht Schumpeter zweifellos auf einen wichtigen Aspekt aufmerksam, der durchaus als externe Innovationsbarriere - etwa im Sinne innovationsfeindlicher Handlungsrechte (s.u.) zu verstehen ist. Die anderen von ihm genannten Punkte (siehe ebd., S. 125/126) tragen m.E. allerdings nicht als echte Argumente im Sinne externer Innovationshürden, sondern können im Hinblick auf das Essentielle jedweden Neuerungshandelns eher als „Allgemeinplätze" bezeichnet werden, so daß sich ihre Wiedergabe hier erübrigt. Abschließend muß also festgestellt werden, daß Schumpeters Werk letztlich nur wenig Aufschluß über die Determinanten des Innovationsverhaltens selbst gibt. Damit jedoch bleiben die eigentlichen Quellen bzw. Antriebskräfte der wirtschaftlichen Entwicklung im Dunkeln. Die von schöpferischen Unternehmern getragenen Innovationen scheinen, wie an anderer Stelle bereits angedeutet, im Grunde unabhängig von Zeit und Raum stattfinden zu können. Eben dies ist jedoch selbstverständlich keineswegs der Fall: Bekanntlich gibt es eine Fülle institutioneller und sonstiger Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit aus einem potentiellen Innovator SchumpeterscheT Prägung auch tatsächlich ein aktueller bzw. realer Innovator wird. Soll jedoch der Prozeß wirtschaftlicher Entwicklung erklärt und nicht nur im Sinne eines Funktionsmechanismus beschrieben werden, dann gilt es, Aufschluß über eben jene Voraussetzungen zu gewinnen. Die entscheidende Frage, die beantwortet werden muß, um diesen „nomologischen Mangel der Schumpeterschen Theorie (zu) beseitigen", lautet also: „Von welchen Umständen hängt die (...) Durchsetzung neuer Kombinationen ab?" (Röpke 1980, S. 82). Um die Beantwortung eben dieser Frage geht es in den nun folgenden Ausführungen.
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Diese beruhen im Grundsatz auf einem Modell von Jochen Röpke, der sich um die Erklärung der Determinanten des Innovationsverhaltens bemüht und seine Analyse damit im Grunde genau an derjenigen Stelle beginnt, an der Schumpeter einst aufgehört hat. 2.1.2.
Determinanten innovativen Modell" nach J. Röpke
(Unternehmer-)Verhaltens:
Das
„Filter-
Das im folgenden erläuterte Modell Röpkes kann prinzipiell zur Erklärung jedweden menschlichen Verhaltens - also auch zur Erklärung des hier im Mittelpunkt stehenden Innovationsverhaltens - verwendet werden. Es beruht auf einem „verhaltenstheoretischen Ansatz (...), der das Verhalten einer Person von drei Kausalfaktoren abhängig macht: 1. von Verhaltensregeln oder Normen, die den Möglichkeitsbereich individuellen Verhaltens beschränken (externe Beschränkungen des Verhaltens); 2. von den Fähigkeiten oder Kompetenzen einer Person (interne Beschränkungen des Verhaltens); 3. von Merkmalen und Ereignissen in der Umwelt oder von situationsbezogenen Faktoren, die auf eine Person einwirken" (Röpke 1977, S. 83; Hervorhebungen von mir). Angewendet bzw. übertragen auf die hier in Rede stehende Innovation bedeutet dies, daß das Innovationsverhalten durch das Zusammenwirken dreier Faktoren erklärt werden kann, die gleichsam als diesem vorgelagerte „Filter" begriffen werden können 93 : Erstens·. Das innovative Verhalten muß zunächst einmal erlaubt sein, d.h., es muß ein System von Handlungsrechten existieren, das einem potentiell schöpferischen Unternehmer einen entsprechenden Freiraum bietet, den er innovativ nutzen darf. Zweitens: Es reicht jedoch nicht aus, daß innovatives Verhalten nach dem vorherrschenden Normen- und Rechtssystem erlaubt ist, sondern „Individuen müssen (auch) über ein Minimum an Fähigkeiten und Kompetenzen verfugen, um Neuerungen durchsetzen zu können. Diese Kompetenzen beziehen sich auf motivationale und kognitive Attribute potentieller Neuerer: Eine Person muß motiviert sein, um ökonomische Pionierleistungen zu vollbringen, und muß kognitive Fähigkeiten besitzen (...), um mit neuen Ideen experimentieren und sie durchsetzen zu können" (Röpke 1980, S. 83). Drittens schließlich bedarf es neben der Erlaubnis und Fähigkeit auch noch der Bereitschaft zur Innovation, d.h., ein Individuum muß durch die äußeren Umstände (genauer: durch die jeweils aktuellen Umweltherausforderungen) gleichsam zur Aktualisierung desjenigen innovativen Verhaltens motiviert werden, das ihm durch Normen, Recht und Gesetz grundsätzlich erlaubt und zu dem es persönlich aufgrund seiner Fähigkeiten in der Lage ist. Daß mit schöpferisch-innovativem Verhalten eines Menschen also dann gerechnet werden kann, wenn dieses Verhalten erlaubt ist (Dürfen), der Mensch über die dazu notwendigen Fähigkeiten verfügt (Können) und durch einen entsprechenden Herausforderungsgrad der Umwelt dazu motiviert wird (Wollen), bedeutet freilich nicht, daß man sich diese drei Filter als statisches Konstrukt - gleichsam „in Reihe geschaltet" - vorzustellen hat. Es ist also nicht so, daß diese Filter jeweils nacheinander passiert werden müßten. Vielmehr ist davon auszugehen, daß es erst aufgrund der Interaktion der Filter
Die nun folgenden Ausfuhrungen stützen sich im wesentlichen, sofern nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, neben den bereits genannten Arbeiten von Röpke (1977 u. 1980) noch auf Röpke (1976) und (1982, insbes. S. 38-67).
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zur Aktualisierung des Innovationsverhaltens kommt. Die drei Ebenen sind auf verschiedene Art und Weise miteinander verknüpft. So ist beispielsweise anzunehmen, daß es einen Zusammenhang zwischen einem bestehenden Handlungsrechtssystem und dem von diesem ausgehenden Anreizen fur die Menschen gibt, Investitionen in die Steigerung der eigenen (innovativen) Fähigkeiten vorzunehmen: "Je stärker die Handlungsrechte die Möglichkeiten von Individuen und Gruppen beschränken, neue Kombinationen durchzusetzen, desto geringer wird deren Neigung sein, (...) Fähigkeiten zur innovativen Meisterung von Problemen zu entwickeln" (Röpke 1982, S. 66). Über solche Verknüpfungen untereinander hinaus werden die „Filter" ihrerseits wiederum vom Innovationsverhalten bzw. dem davon erwarteten Nutzen selbst beeinflußt, so daß gleichsam von einer Interaktion im Sinne einer wechselseitigen Abhängigkeit zwischen dem Innovationsverhalten und dessen Determinanten ausgegangen werden kann (vgl. ausfuhrlich Röpke 1983). Die vielfältigen Interdependenzen lassen sich also nur im Rahmen einer idealtypischen Analyse voneinander trennen. In diesem Sinne sollen die einzelnen „Filter" in den nun folgenden Abschnitten jeweils gesondert untersucht werden. 2.1.2.1.
Der Filter ,J)ürfen": Rights)
Innovationsfreundliche Handlungsrechte (Property
Innovatives Verhalten muß zunächst einmal grundsätzlich erlaubt sein. Es darf also durch die maßgeblichen institutionellen Regeln, in die es eingebettet ist, nicht verboten und negativ sanktioniert sein. Damit ist der erste Filter angesprochen, den potentielle Innovatoren zu passieren haben: der Filter der Handlungsrechte. Dieser umfaßt neben dem rechtlichen Rahmen - dem formellen Rechtssystem - auch ungeschriebenes Recht, tradierte Normen, Sitten und Gebräuche sowie kulturell bedingte Wertvorstellungen der den potentiellen Innovator umgebenden Gesellschaft bzw. des für ihn und sein Verhalten maßgeblichen sozialen Umfeldes. Da hierzu im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen formellen und informellen Institutionen bereits Grundlegendes gesagt worden ist, sollen die folgenden Ausfuhrungen auf einige wenige (zusätzliche) Anmerkungen zur Theorie der Handlungsrechte (Property Rights) und deren mögliche Innovationsrelevanz beschränkt werden.
Sich mit der Frage zu beschäftigen, „welchen Einfluß alternative rechtlichinstitutionelle Regelungen auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte haben" (Leipold 1978, S. 518), stellt zweifellos einen Fortschritt gegenüber der traditionellen neoklassischen Theorie dar, in der, wie Schüller (1983c, S. VII) betont, „der institutionelle Rahmen des Wirtschaftens bekanntlich als Datum" aufgefaßt wird. Nun ist die grundsätzliche Erkenntnis, daß es einen fundamentalen Zusammenhang zwischen Institutionen und der ökonomischen Anreizstruktur gibt, keineswegs neu (vgl. etwa die Übersicht bei Furubotn/Pejovich 1972): So haben bekanntlich schon hervorragende Vertreter der Klassik wie Adam Smith, John Stuart Mill oder auch Jean-Baptiste Say mit Nachdruck auf die Bedeutung des institutionellen Rahmens für den Ablauf und Erfolg des Marktgeschehens - mithin für das wirtschaftliche Wohlergehen eines Landes - hingewiesen. Doch wurden die Werke der Klassiker, wie Röpke (1983, S. 111) treffend feststellt, „von ihren
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neoklassischen Nachfolgern von allen handlungsrechtlichen Bezügen gereinigt." 94 So mußten denn seit der „Geburtsstunde" der Nationalökonomie als wissenschaftliche Disziplin nahezu zwei Jahrhunderte vergehen, bis sich einige Wissenschaftler 95 darum bemühten, mit der Theorie der Property Rights gleichsam ein „Spezialwerkzeug" zu konstruieren, das eine genauere Analyse und explizite Berücksichtigung des Einflusses verschiedener institutioneller Handlungsbeschränkungen bei der Erklärung wirtschaftlicher Phänomene erlauben sollte. Dabei ging es den meisten Vertretern dieser Theorie jedoch nicht etwa darum, die neoklassische Theorie insgesamt aus den Angeln zu heben; vielmehr waren sie („lediglich") um eine institutionelle Auffrischung bzw. Anreicherung dieser Theorie bemüht. 96
Handlungsrechte können als ökonomisch gewendete Interpretation bzw. als auf die Nutzung ökonomischer Ressourcen verengter Ausschnitt des oben definierten allgemeinen (Ober-)Begriffs der „Institution" verstanden werden. Folgende Definition von Alchian und Demsetz (1973, S. 17) - von Leipold (1978, S. 518) als „geistige Väter" der Property-Rights-Theorie bezeichnet - möge dies verdeutlichen: „(Property Rights...) are rights to use resources, (...) and these rights are always circumscribed, often by the prohibition of certain actions. (...). It is not the resource itself, which is owned; it is a bundle, or a portion, of rights to use a resource that is owned." Ähnlich äußern sich Furubotn und Pejovich (1972, S. 1149) deren Definition nach Reynolds (1985, S. 942) „(the) conventional definition of property rights (...)" darstellt und die deshalb an dieser Stelle ausführlich zitiert sei: „Property rights do not refer to relations between men and things but, rather, to the sanctioned behavioral relations among men that arise from the existence of things and pertain to their use. Property rights assignments specify the norms of behavior with respect to things that each and every person must observe in its interactions with other persons, or bear the cost of non-oberservance. The prevailing system of property rights (...) can be described, then, as the set of economic and social relations defining the position of each individual with respect to the utilization of scarce resources." Es werden also bestimmte Verhaltensregeln bzw. Normen festlegt, die nicht nur bestimmen, wem welche Güter und Ressourcen innerhalb eines Sozialgefuges bzw.
94
In diesem Sinne äußert sich beispielsweise auch Schüller (1983d, S. 148 u. 145): „In (...der) klassischen Perspektive des nationalökonomischen Institutionalismus wird der Frage nach den adäquaten marktwirtschaftlichen Institutionen besondere Bedeutung beigemessen. (...). Die weitgespannte Marktbetrachtung der klassischen Wettbewerbstheone, die vor allem rechtlich-institutionelle Bedingungen einer freien Handlungsorientierung umfaßte, ging in den Wettbewerbsvorstellungen der neoklassischen Preistheorie weitgehend verloren" (Fettdruck im Original). Als Pionierarbeiten zur Theorie der Property Rights seien genannt: Coase (1960), Demsetz (1964 und 1967), Alchian (1965), Alchian und Demsetz (1973); vgl. ferner den Überblick
bei Furubotn und Pejovich (1972). Im übrigen sei betont, daß es sich bei der Theorie der Property Rights nicht etwa um ein klar umrissenes oder gar geschlossenes Konzept handelt, worauf etwa Schüller (1983c, S. VII) zu Recht hinweist: ,J)en Property-Rights-Ansatz als homogenes theoretisches Lehrgebäude gibt es ohnehin (...) nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Sammelbezeichnung fur ein analytisches Konzept, das zum Teil (...) auf sehr heterogenen begrifflichen und inhaltlichen, nicht selten auch auf umstrittenen und ungeklärten Vorstellungen beruht."
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Gemeinwesens im engen eigentumsrechtlichen Sinne gehören, sondern sie regeln insbesondere auch, auf welche Weise Menschen die ihnen zur Verfugung stehenden Ressourcen verwenden dürfen (oder besser: auf welche Weise sie diese nicht verwenden dürfen; vgl. Opp 1983, S. 12). Property Rights stellen also den Umgang mit Gütern bzw. Ressourcen regelnde Handlungsbeschränkungen dar, wobei vorausgesetzt wird, daß sie „im Sinne von Handlungs- oder Verfügungsrechten an allen wirtschaftlichen Vorgängen beteiligt sind" (Schüller 1983d, S. 148 u. 145; Hervorhebung fett im Original, kursiv von mir).
Offensichtlich ist es nicht ganz einfach, eine zutreffende deutsche Übersetzung für den Begriff „Property Rights" zu finden: Spricht man beispielsweise von „Eigentumsrechten", so mag dies eine zu enge Übersetzung sein, besteht doch die Gefahr, daß der o.g. Verwendungsaspekt zu wenig beachtet wird. So könnte unter Umständen angenommen werden, durch die Zuteilung eines Eigentumstitels sei gleichzeitig auch die mögliche Verwendung bzw. Nutzung des Eigentums geregelt. 97 Will man dies nicht annehmen, so kommt man freilich ohne weitere Regeln nicht aus. So scheint einiges für den Begriff,.Handlungsrechte" als zutreffende Übersetzung zu sprechen, wenngleich hier u.U. die Gefahr besteht, daß der Unterschied zum allgemeineren Begriff der „Institution" verschwimmt (s.o.). 98 Nun könnte man geneigt sein, für das Heraufbeschwören dieser Gefahr Alchian und Demsetz (1973) selbst verantwortlich zu machen, sprechen sie doch bisweilen schlicht von „socially recognized rights of action". Damit, so glaube ich, sind wir beim Kern der ganzen Übersetzungsproblematik 99 angelangt: Englischsprachige Autoren können sich eine solche allgemeinere Umschreibung durchaus „leisten", da im englischen Begriff „property" der spezifisch ökonomische Bezug bzw. die spezifisch ökonomische Relevanz der entsprechenden Rechte bereits unmittelbar zum Ausdruck kommt. Dies freilich ist im Deutschen nicht der Fall, zumindest nicht beim Begriff der „Handlungsrechte", bei dem das spezifisch Ökonomische gleichsam gesondert mitgedacht werden muß. Dies ist ein gewisser Nachteil, der bei der Verwendung des zumindest in dieser Hinsicht wiederum unmißverständlichen Begriffs der „Eigentumsrechte" zweifellos vermieden wird. Dennoch wollen wir im folgenden den Begriff „Handlungsrechte" verwenden, da dieser beide wesentlichen Aspekte einschließt: sowohl den eigentumsrechtlichen Aspekt im engeren juristischen Sinn als auch den verwendungs- bzw. verfugungsrechtlichen Aspekt im handlungstheoretischen Sinn. 100 Auf diese Weise wird im übrigen auch dem o.g. ,J3ündelcharakter" („property
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In diesem Sinne etwa Opp (1983, S. 11). Zur Verwendung des Begriffs „Eigentumsrechte" vgl. beispielsweise Veit (1988, S. 5/6), ferner Stolz (1983, S. 52) sowie Gotthold (1980). So finden wir etwa bei Röpke (1982, S. 45) folgende Definition: „Handlungsrechte lassen sich als in Gruppen erlaubte Handlungsmöglichkeiten verstehen, (...die) regeln, welche Beeinträchtigungen anderer, die durch eigenes Handeln entstehen, erlaubt sind." Weitere in der Literatur zu findende Übersetzungen: „Verfügungsrechte", Opp (1983, S. 11); sehr ähnlich Tietzel (1981, S. 209), der von „Dispositionsrechten" spricht. Diesen „Doppelaspekt" wollte Monika Streissler vermutlich zum Ausdruck bringen, als sie bei der Übertragung des Buches von North (1990) ins Deutsche den Begriff „Property Rights" mit „Verfügungs- oder Eigentumsrechten" übersetzte (North 1992, S. 39). Sollte meine Vermutung nicht zutreffen und diese erfahrene Übersetzerin die beiden Elemente
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rights as a bundle of rights", Alchian/Demsetz 1973) dieser Rechte entsprechend Rechnung getragen: So sind mit dem Begriff der Property Rights, wie dargelegt, eben nicht nur die den Eigentumstitel selbst bezeichnenden bzw. begründenden Eigentumsrechte gemeint, sondern eben auch - wie es etwa Meyer (1983, S. 23) ausdrückt Entscheidungsrechte über Güterverwendungen, alleinige Verantwortlichkeit für die Folgen von Entscheidungen über Güterverwendungen und das Recht auf freie Übertragbarkeit dieser Rechte." Die Tatsache, daß Property Rights sich nicht auf das physische Gut selbst beziehen, sondern vielmehr auf das Recht zu dessen Nutzung, mithin gleichsam mí „anything that yields utility or satisfaction to a person" (Furubotn/Pejovich 1972, so zitiert nach Opp 1983, S. 12/13), impliziert, daß zwei physisch identische Güter von völlig unterschiedlichem Wert sein können (vgl. Dunn, Röpke und Sälter o.J., S. II). Nicht das (physische) Gut selbst, sondern die mit ihm verknüpften Handlungsrechte bilden also die Basis seiner Wertbestimmung. Eben dies macht ihre unmittelbare ökonomische Relevanz aus: „(...) consequently, the content of property rights assignments affects the allocation of resources, output mix and distribution of income" (Pejovich o.J., S. 107).101 Ändert sich die Struktur der Handlungsrechte, bedeutet dies also stets, daß die an diese geknüpften Nutzenströme neu verteilt werden. Von besonderer Bedeutung für unser Thema ist nun die Tatsache, daß „Veränderungen der Handlungsrechte (...) über Veränderungen der Anreizstruktur unternehmerischen Handelns die Innovationswahrscheinlichkeit, damit die Produktivität des Faktoreinsatzes, die Faktorentgelte und die personale und funktionale Verteilung von Einkommen und Vermögen (beeinflussen)" (Röpke 1982, S. 46). 102 Einerseits können neue Handlungsmöglichkeiten einen starken Anreiz für deren „Entdecker" darstellen, die bestehende Struktur der Handlungsrechte zu verändern, sofern diese der Wahrnehmung der neuen Handlungsmöglichkeiten im Wege steht; „andererseits beeinflußt die Art und Weise, wie die Veränderung von Rechten selbst geregelt ist, a) die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung neuer Kombinationen und ihrer Diffusion und b) die Verteilung der Erträge und Kosten der Neuerungstätigkeit" (Röpke 1982, S. 50; Unterstreichung im Original). Vor diesem Hintergrund scheint sich die Frage nach einer bzw. der im Hinblick auf ihre ökonomische Ergiebigkeit „optimalen" Handlungsrechtsstruktur sowie nach ent-
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der von ihr gewählten Übersetzung eher substitutiv bzw. synonym (also alternativ im Sinne eines „Sich-nicht-festlegen-Wollens") denn komplementär gemeint haben, so wäre dies nur ein weiterer Beleg fur die Schwierigkeit einer zutreffenden Übersetzung von „Property Rights". Ähnlich auch Hesse (1980, S. 482/483) sowie Leipold( 1978, S. 518). Derselbe Autor hat an anderer Stelle die vorstehenden Überlegungen wie folgt zusammengefaßt: „Handlungsrechte beeinflussen (...) die zu erwartenden Nutzenströme von Handlungsmöglichkeiten und damit auch den Wert der zu ihrer Durchsetzung benötigten Ressourcen. Eine Änderung der Handlungsrechte impliziert immer eine Neuverterteilung der mit bestimmten Handlungsmöglichkeiten verknüpften Nutzenströme (der Werte) und damit auch eine Neuverteilung wirtschaftlicher Ressourcen. Bei dieser Betrachtungsweise sind dann auch nicht Güter und Ressourcen die eigentlichen Tauschobjekte, sondern Bündel mehr oder weniger exklusiver Verfügungsrechte an ihnen" (Röpke 1983, S. 122; Fettdruck im Original).
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sprechenden Methoden zu ihrer Ausgestaltung geradezu aufzudrängen. Indes läßt sich auf diese Frage allein schon deshalb keine konkrete, für alle Menschen und Gesellschaften allgemein-verbindliche Antwort geben, weil es kulturelle Unterschiede und kulturelle Beschränkungen gibt. So müssen wir Ökonomen uns denn zumeist (doch) auf die Auswahl einer bestimmten Eigentumsordnung beschränken, wobei - zumindest bei nicht- marxistischen Theoretikern - weitgehende Übereinstimmung darüber herrscht, daß weder Gesellschafts-(bzw. Gemeinschafts-) noch Staats-, sondern Pn'vaieigentum am besten dazu geeignet ist, effizientes Verhalten seitens der Wirtschaftssubjekte zu induzieren: 103 Je exklusiver die Eigentumsrechte, desto größer sind die Chancen zur Internalisierung der ökonomischen Erfolge eigener Anstrengungen. Auf diesen Zusammenhang führen beispielsweise North und Thomas (1977) die sog. „neolithische Revolution" zurück: Aus dem zuvor prinzipiell allen Stämmen zur freien Nutzung zugänglichen Gemeinschaftseigentum an natürlichen Ressourcen wurden exklusive Stammesrechte. 104 Röpke (1982, S. 53) macht darauf aufmerksam, daß (auch) „die zweite ökonomische Revolution (nach der neolithischen „ersten", T.B.), die in die industrielle Revolution einmündete, (...) mit einem weiteren Anstieg des Exklusivitätsgrades (...), der Entstehung individueller Eigentumsrechte und damit der Möglichkeit exakter Zurechnung von innovativem Erfolg und Mißerfolg (verbunden war)." Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, nach einer ordnenden Instanz Ausschau zu halten, der die Aufgabe überantwortet werden kann, ein System zu schaffen, in dem die Handlungsrechte klar definiert sind und in dem geeignete Sanktionsmechanismen zur Verfügung stehen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Eine solche Instanz wird häufig in einem sog. „starken Staat" gesehen. In diesem Zusammenhang sind nun zwei Aspekte von Bedeutung: Zum einen ist hervorzuheben, daß sich - wie bereits an früherer Stelle eingehend erläutert - die bewußte Schaffung bzw. Gestaltung eines solchen Systems immer nur auf
103
Die entsprechenden Argumente dürfen hier zwar als hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden, dennoch sei darauf hingewiesen, daß auf einige an späterer Stelle - insbesondere im Zusammenhang mit der Privatisierung in den Transformationsländern - noch kurz eingegangen werden wird. Im übrigen sei ein kurzer Hinweis auf einige Quellen erlaubt, deren Autoren auf bestimmte „Ausnahmefälle" aufmerksam machen, in denen die Form des Gemeinschaftseigentums nicht notwendig die schlechteste Lösung zu sein braucht, es mithin nicht zwangsläufig zur berühmten "Tragedy of the Commons" kommen muß: Jagannathan (1986, S. 21 ff.), Dunn (1990) sowie Runge (1986, S. 623), wo es ausdrücklich heißt: „the 'Tragedy of the Commons' (...) is an unsatisfactory model of common property." (Auf die spezifischen Bedingungen, unter denen solche „Ausnahmefalle" möglich sind, kann hier nicht eingegangen werden). Diesen hier auf die ökonomische Entwicklung der frühen vorchristlichen Zeit bezogenen Grundgedanken hatten dieselben Autoren bereits im Jahre 1970 auf einen späteren Zeitraum (das Mittelalter) angewandt: Dieser Beitrag {North und Thomas 1970) bildete die Grundlage für das wenig später gemeinsam verfaßte Buches „The Rise of the Western World. A New Economic History". Dort findet sich folgende Kurzzusammenfassung des o.g. Grundgedankens: „Efficient organization is the key to growth; the development of an efficient economic organization in Western Europe accounts for the rise of the West. Efficient organization entails the establishment of institutional arrangements and property rights that can create an incentive to channel individual economic effort into activities that bring the private rate of return close to the social rate of return" (North und Thomas 1973, S. 1); vgl. in diesem Zusammenhang ferner den bereits erwähnten grundlegenden Beitrag von Demsetz (1967).
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formelle Handlungsrechte beziehen kann (etwa eine bestimmte Rechtsordnung); hier sei noch einmal an die beispielhaften Werke Böhms und Euckens erinnert. Zum anderen stellt sich die Frage, welche Konsequenzen wohl zu erwarten sind - oder besser: was zu tun ist -, wenn es einen solchen starken Staat gar nicht gibt bzw. der Staat den ihm im o.g. Sinne zugewiesenen Aufgaben nur in höchst unzureichender Weise nachkommt. Die hier angesprochene grundlegende Frage nach den Hintergründen und Entstehungsbedingungen eines modernen Rechtsstaates haben beispielsweise auch die o.g. Vertreter der Freiburger Schule weitgehend unbeantwortet gelassen. Genau darauf weist beispielsweise Paraskewopoulos (1997, S. 14) hin:,.Kritisch ist (...) anzumerken, daß es in der liberalen Konzeption keine plausible Theorie gibt, die erklärt, wie man zu jener Variante des starken Rechtsstaates kommt." 105 Damit wird zweifellos ein wichtiges Problem berührt, dessen Lösung als Voraussetzung für die Verbesserung der ökonomischen Lage mancher Transformationsländer (und wohl auch vieler Entwicklungsländer) angesehen werden muß: Wenn der Staat schwach und die Verwaltung etc. korrupt ist, dann wird die Figur des Rechtsschutz- und Leistungsstaates zur Schimäre: So setzt denn, wie bereits an früherer Stelle betont wurde, „die Entstehung des Staates und anderer Institutionen (...selbst, T.B.) die Existenz originärer ordnungsstiftender Faktoren voraus. Dazu gehören (...) die verwandtschaftlichen Bindungen und die durch Religion oder Ideologien fundierten Wertsysteme" (Leipold 1994, S. 3). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann und soll nicht der Versuch unternommen werden, das Zustandekommen dieser insbesondere kulturell bedingten und geprägten originären Ordnungsfaktoren, die den „moralischen Unterbau" einer jeden Ordnung ausmachen, ausführlich zu erklären. 106 Gleichwohl sei noch einmal betont, daß diese Faktoren durchaus von grundsätzlicher Bedeutung für den Erfolg bzw. Mißerfolg der Transformationsbemühungen in bestimmten Ländern sein können. So wird denn an späterer Stelle auf die „Transformationsrelevanz" der o.g. Faktoren noch eingegangen werden. Es sei noch erwähnt, daß in Ländern bzw. Gesellschaften, in denen ein starker und leistungsfähiger Rechtsstaat zur Etablierung und Durchsetzung eines „guten" formellen Rechtssystems nicht existiert bzw. dessen Herausbildung - zumindest in kurzer Frist - wegen eines fehlenden moralischen Unterbaus nicht zu erwarten ist, die Menschen verstärkt auf informelle Handlungsrechte als Ordnungs- bzw. Regelungsinstrument zurückgreifen (müssen). Property Rights können also auch außerhalb des formellen Rechtssytems entstehen, sind mithin nicht notwendig an die Existenz eines (starken) Staates gebunden. 107 Solche informellen Handlungsrechte, die etwa Jagan-
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Unbeschadet der grundsätzlichen Berechtigung dieser Kritik sei indes die Vermutung erlaubt, daß dieses „Versäumnis" der ordo-liberalen Schule schlicht damit zusammengehangen haben mag, daß man glaubte, sich diese Frage - aus in der damaligen historischen Situation wohl verständlichen Gründen - erst gar nicht stellen zu müssen. Vgl. dazu zwei weitere Beiträge Leipolds, in denen er eben diese „Frage nach den Ursprüngen und Arten von moralischen Bindungen" zu klären versucht und letztlich „rationale, natürliche (emotionale), ideologische und erzwingbare (rechtliche) Bindungen" unterscheidet (Leipold 1997a, S. 54, sowie 1997). Eine ähnliche Argumentation findet sich bei Benson (o.J.), der in seiner Untersuchung aufzeigt, daß auch sog. "primitive societies" private Handlungsrechte und "legal institutions" entwickeln können, ohne dabei eines Staates zu deren Durchsetzung zu bedürfen.
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nathan (1986) ausführlich untersucht hat, können durchaus von erheblicher ökonomischer Relevanz sein, wie in der Vergangenheit insbesondere einige Beispiele aus Ländern der sog. Dritten Welt gezeigt haben. Sie können beschrieben werden als „norms of social and cultural behavior which define close inter-group relations, (and which, T.B.) by creating expected utility, can act as intangible sources of wealth generation during either production or exchange" (Jagannathan 1986, S. VI und S. 21). Offenbar ist also selbst in Abwesenheit eines stabilen formellen Rechtssystems fur gar nicht so wenige Menschen durchaus mehr als lediglich bares Überleben möglich; ein gleichwertiger Ersatz fur eine stabile und zuverlässige formelle Rechtsordnung kann ein solches Geflecht aus informellen Handlungsrechten freilich nicht sein - dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung einer entsprechenden Rechtsordnung für die wirtschaftliche Entwicklung. 108 Die grundlegende Erkenntnis, daß Menschen mangels staatlicher Ordnungsinstanzen und formeller Institutionen vermittels eines dichten sozialen Beziehungsgeflechts durchaus Ordnungsmuster von erheblicher Stabilität aufbauen können, ist keineswegs neu: Gleichwohl verdanken wir diese Erkenntnis in erster Linie anthropologischen Forschungsarbeiten, deren Verfasser ihre Studien i.d.R. auf sog. „primitive" (Stammes-)Gesellschaften konzentriert haben. 109 Jagannathan (1986) löst sich nicht nur von dem verengten Fokus auf traditionale Stammesgesellschaften, sondern bemüht sich insbesondere auch darum, die ökonomische Relevanz informeller Handlungsrechte nachzuweisen und zu zeigen, daß diese durchaus einen Wert im engeren ökonomischen Sinne haben. Dies stellt zweifellos einen Fortschritt gegenüber der „traditionellen" Property-Rights-Theorie dar, die sich im wesentlichen auf die Erforschung formeller Handlungsrechte konzentriert. Es sind verschiedene Arten des Zusammenspiels zwischen formellen und informellen Handlungsrechten denkbar: So können informelle Handlungsrechte gleichsam als „Ersatzlösung " in Frage kommen, wenn beispielsweise das formelle Rechtssystem eines Staates bzw. Landes nur von minderwertiger Qualität ist und nicht für alle Menschen einen stabilen und zuverlässigen Rechtsrahmen bereitstellt. So berichtete etwa
108
Zur Bedeutung formeller und informeller Handlungsrechte fur die wirtschaftliche Entwicklung vgl. die Ergebnisse der umfangreichen empirischen Untersuchung in Lima bei DeSoto (1989), auf die ich mich im übrigen selbst in einem eigenen Beitrag gestützt habe (Brockmeier 1997, insbes. S. 129-143). Nota: Die peruanische Originalausgabe des Buches von DeSoto erschien in Lima im November 1986 u.d.T.: "El Otro Sendero. La Revolución Informal" und avancierte binnen kurzer Zeit zu einem regelrechten Bestseller der sog. „Entwicklungsliteratur". Stellvertretend sei hier die Arbeit von Colson (1974) genannt: Sie beschreibt ausfuhrlich das aus informellen Regeln bestehende, ordnungsstiftende Beziehungsgeflecht der Tonga: „Whether we call them customs (...), usages, or normative rules seems of little importance. What is important is that communities such as the Tonga do not leave their members free to go their own way and explore every possible avenue of behavior. They operate with a set of rules or standards which define appropriate action under a variety of circumstances. The rules, by and large, operate to eliminate conflict of interests by defining what it is people can expect from certain of their fellows. (...). Rules do not solve all problems; they only simplify life. They also give a framework for organizing activities. Standards and some means of applying sanctions are necessary complements to the rules if a system of social control is to operate within a community" (Colson 1974, S. 51 u. 53). Als Beispiel fur eine interessante Arbeit eines Nicht-Anthropologen sei verwiesen auf Posner (1980).
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DeSoto (1989) in seiner bereits erwähnten Untersuchung des informellen Sektors in Lima (Peru) - deren Ergebnisse im übrigen die theoretischen Ausführungen Jagatinathans weitgehend bestätigten -, daß viele Menschen vom undurchsichtigen und bürokratisch überfrachteten offiziellen, formellen Rechtssystem geradezu in die Informalität gezwungen würden. Davon seien insbesondere Menschen mit „entrepreneurial spirit" betroffen. Diese könnten gar nicht umhin, sich ein eigenes - informelles - Rechtssystem aufzubauen, um ihrer unternehmerischen Tätigkeit nachgehen zu können. Auch wenn einige dieser sog. „hidden entrepreneurs" es durchaus zu bescheidenem Wohlstand brächten, seien die durch das „schlechte" formelle Rechtssystem verursachten volkswirtschaftlichen Wohlstands- und Entwicklungseinbußen indes enorm. So finden wir bestätigt, daß das informelle Rechtssystem letztlich immer nur eine „Second-bestLösung", niemals aber einen vollwertigen Ersatz für ein gut funktionierendes, formelle Handlungsrechte garantierendes Rechtssystem unter der Obhut eines starken Rechtsschutzstaates etwa im Buchananschen Sinne darstellen kann. Interessant ist gleichwohl, daß informelle Handlungsrechte keinesfalls nur in Stammesgesellschaften sowie im sog. „informellen Sektor" vieler sog. Entwicklungsländer, sondern durchaus auch in hochentwickelten Wirtschaftsgesellschaften von Bedeutung sind. Auch dort wird also keineswegs ausschließlich auf das vorhandene und grundsätzlich funktionsfähige formelle Rechtssystem zurückgegriffen. Ganz in diesem Sinne heißt es etwa bei North (1992, S. 47 - unter Berufung auf einige interessante Beipiele): „Formlose Beschränkungen sind auch in modernen Wirtschaften auf Schritt und Tritt zu finden."110 In diesem Zusammenhang sei nicht zuletzt auf die Berichte und Klagen über eine die Iiinovationsfreude hemmende, zu hohe Regelungsdichte bzw. die entsprechenden Forderungen nach Deregulierung und Entbürokratisierung in den wirtschaftlich hochentwickelten Industrieländern verwiesen, die mittlerweile Legion sind. Wieder andere Fälle sind solche, in denen die vom offiziellen Rechtssystem bereitgestellten formellen Handlungsrechte etwa unternehmerisch-innovative Tätigkeit durchaus erlauben bzw. begünstigen, informelle Handlungsrechte jedoch - oder informelle Institutionen allgemein - der tatsächlichen Wahrnehmung dieser formell grundsätzlich erlaubten Handlungsmöglichkeiten entgegenstehen. Auf solche Fälle wird mit Blick auf die Systemtransformation noch einzugehen sein; an dieser Stelle möge der Hinweis genügen, daß die in diesem Zusammenhang angesprochenen informellen Handlungsrechte keine bewußt geschaffenen „Ersatzregeln" darstellen, sondern - im Hinblick auf unternehmerische Tätigkeit und wirtschaftliche Entwicklung - eher als ein retardierendes Element im Sinne allgemeiner informeller Institutionen anzusehen sind, das historisch-kulturell bedingt ist und sich, wie ausführlich dargelegt, einer unmittelbaren, bewußten und zielgerichteten Einflußnahme und Gestaltung entzieht. Mithin läßt sich abschließend fest-
110
North verweist in diesem Zusammenhang auf mehrere (von mir nicht eingesehene, T.B.) Arbeiten EHicksons, die nach seinen Angaben „eine Fülle (...) empirischer Belege für die weite Verbreitung formloser Beschränkungen" in modernen Wirtschaftsgesellschaften enthalten: Ellickson, Robert: Of Coase and Cattle: Dispute Resolution Among Neighbors in Shasta County (California), in: Stanford Law Review (Vol. 38) 1986, S. 624-687; derselbe: A Critique of Economic and Sociological Theories of Social Control, in: Journal of Legal Studies (Vol. 16) 1987, S. 67-100, sowie derselbe: Order without Law, Cambridge (Mass.), 1991).
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stellen, daß es offenbar verschiedene Aspekte zu berücksichtigen gilt, wenn es um die Beurteilung der „Innovationsfreundlichkeit" eines Systems von Handlungsrechten geht. 2.1.2.2.
Der Filter „/fönnen": Kognitive und motivationale Kompetenzen als innovationsrelevante Fähigkeiten
Ein freiheitliches Handlungsrechtssystem mag zwar die Durchsetzung neuer Kombinationen erlauben, tatsächlich ermöglicht sind sie damit indes noch nicht: Die potentiellen Innovatoren müssen neben dem entsprechenden Freiraum, der vom „handlungsrechtlichen" Umfeld bereitgestellt wird, auch über die notwendigen Fähigkeiten zur Innovation verfugen. In Anlehnung an Jochen Röpke (1977, S. 84) wollen wir „die Verhaltens- oder Innovationskompetenz einer Person (...) dabei in zwei Komponenten (zerlegen): 1. Die Komponente der Kognition, die durch die Begriffe Können, Wissen und Kreativität beschrieben werden kann. Diese kognitive Komponente liegt der Fähigkeit eines Individuums zugrunde, neue, kreative Ideen zu schaffen, zu imitieren und durchzusetzen. 2. Die Komponente der Motivation, die durch das Bedürfnis oder Wollen gekennzeichnet ist, neue Ideen zu entwickeln und durchzusetzen" (Hervorhebungen von mir). 111 Im Rahmen der Erörterung wettbewerbstheoretischer Grundlagen wurde unter anderem die Bedeutung der Verschiedenartigkeit fur den Ablauf und das Verständnis wettbewerblicher Prozesse herausgestellt. Dabei wurde bereits auf die in diesem Zusammenhang besonders bedeutsamen Unterschiede der Wirtschaftssubjekte - v.a. der Unternehmer - hinsichtlich ihrer Motivation und Kompetenz hingewiesen. Auf eben diesen Aspekt kommen wir nun zurück: Kurioserweise blieben nicht wenige Ökonomen letztlich doch weitgehend dem Theorieverständnis der neoklassischen Preistheorie verhaftet, obwohl sie sich dieser Verschiedenartigkeit im Grundsatz selbstverständlich bewußt sind. So haben sie die o.g. Zusammenhänge gleichsam „traditionellerweise (...) durch Rückgriff auf das Profitmotiv oder das Gewinnmaximierungspostulat ausgeklammert und damit eine recht einseitige Betrachtung bevorzugt. Kognitive Fähigkeiten wurden als gleichverteilt unterstellt und Motivation galt als ausschließlich extrinsisch bestimmt. Dieser Rückgriff auf interpersonal unterschiedslose Kompetenzen erlaubt es jedoch nicht, unterschiedliche Verhaltensweisen und unterschiedliche Markt- und Innovationsergebnisse zu erklären (...)" (Röpke 1982, S. 54). • kognitive Kompetenz Wenden wir uns zunächst den kognitiven Fähigkeiten zu: Es sind dies „Speicherfähigkeiten" wie Gedächtnis, Erfahrung und Geschick etc. sowie „Prozeßfähigkeiten" wie Kreativität, Intuition, Geschicklichkeit, Intelligenz usw. (vgl. Röpke 1982, S. 54). Diese werden bekanntlich im wesentlichen durch Erziehung, allgemeine sowie schulische und berufliche Bildung und Ausbildung etc. gebildet bzw. gefordert und können als Grundelemente kognitiver Innovationskompetenz angesehen 111
Neugebauer (1997, S. 69) macht auf eine Fülle von Arbeiten aufmerksam, deren Autoren in diesem Zusammenhang „in Anlehnung an Röpke verfahren"; stellvertretend fur viele sei hier hingewiesen auf Thom (1980), der etwa das in diesem Zusammenhang griffige Begriffspaar „Könnenssphäre" und „Willenssphäre" verwendet.
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werden: So belegen „Ergebnisse empirischer Erhebungen (...) eindeutige (positive, T.B.) Korrelationen zwischen der Innovationskraft von Unternehmen und der formalen Qualifikationshöhe der bei ihnen beschäftigten Ingenieure und Wissenschaftler (...)."112 Obwohl darauf an späterer Stelle noch näher einzugehen sein wird, sei schon jetzt auf die Ergebnisse entsprechender empirischer Untersuchungen über das Profil von Unternehmensgründem in den Transformationsländern hingewiesen, die durchweg diese signifikant positive Korrelation zwischen (Aus-)Bildungs- bzw. Qualifikationsniveau und Innovation bestätigen." 3 (Nota: Hier wird davon ausgegangen, daß Untemehmensneugründungen in den meisten Branchen und in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle tatsächlich mit einer Innovation verbunden sind bzw. eine solche darstellen; dies ist jedoch keinesfalls selbstverständlich 114 ). Zwar brauchen die Zusammenhänge zwischen Innovationskraft und allgemeinem Bildungs- bzw. Ausbildungsstand hier nicht ausfuhrlich erläutert zu werden. Gleichwohl seien in aller Kürze einige grundsätzliche Anmerkungen darüber gestattet, wovon die Hervorbringung neuer Ideen bzw. die kognitive Fähigkeit eines Menschen dazu denn nun konkret abhängt. Die folgenden Überlegungen gehen im Grunde auf einige wenige grundlegende Zusammenhänge zurück, die als elementare Grundkenntnisse sytemtheoretischer und psychologischer Forschung angesehen werden können; sie beruhen im wesentlichen auf den entsprechenden Ausführungen in den Arbeiten von Neugebauer (1997) und Röpke (1977) sowie der dort angegebenen Literatur. 115 Jedes Individuum kann als ein offenes, mit seiner Umwelt interagierendes System verstanden werden. Das Individuum nimmt Veränderungen in seiner Umwelt als von dieser ausgesandte Signale wahr, auf die es entweder passiv (abwartend bzw. erduldend) oder aber aktiv reagieren und so durch sein Verhalten selbst wiederum - freilich innerhalb bestimmter Grenzen - auf die Umwelt verändernd einwirken kann. Die Verschiedenartigkeit der Menschen bringt es nun mit sich, daß verschiedene Individuen „objektiv" identische Signale subjektiv unterschiedlich wahrnehmen. Das bedeutet, jeder Reaktion eines Menschen auf seine Umwelt geht eine subjektiv-individuelle Interpretation des entsprechenden Signals voraus. Für die Art und Weise dieser individuellen Interpretation - und damit der jeweiligen (Verhaltens-)Reaktion - ist nun die individuelle kognitive Kompetenz der jeweiligen Person von entscheidender Bedeutung: „Der reak112
"Sie zeigten, daß Unternehmen, die 'radikale' Innovationen durchsetzten, einen eindeutig höheren Anteil an (Mitarbeitern...) mit Hochschulabschluß beschäftigten als Innovationen, die weniger radikalen Zuschnitt hatten. Mit abnehmender Zahl des hochqualifizierten Personals - auch des Ausbildungsgrads des Firmenchefs - dauerte die Adaptionsentscheidung länger" (Schlecht 1983, S. 19; Hervorhebung im Original).
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Vgl. in diesem Zusammenhang etwa den aufschlußreichen Kurzbericht von Thomas (1996) sowie weitere Beiträge im Sammelband von Brezinski/Fritsch (eds.) (1996).
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Hierzu sei angemerkt, daß diese weitgehende Gleichsetzung von Unternehmensgründung, Markteintritt und Innovation wohl nur vor dem spezifischen Hintergrund der Transformationssituation zulässig erscheint, da dort gleichsam allerorten von gerade erst im Entstehen begriffenen Produkt-, Unternehmens- und Marktlebenszyklen auszugehen ist. In einer entwickelten Marktwirtschaft indes wäre ein Markteintritt wohl eher als Imitation denn als Innovation anzusehen (ganz in diesem Sinne übrigens ausdrücklich Heuß 1965, S. 11). Auf von Röpke und Neugebauer verwendete Quellen wird im folgenden Abschnitt nur dann ausdrücklich verwiesen, wenn es unbedingt notwendig erscheint.
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tionsauslösende Stimulus ist insofern durch diese Reaktion determiniert, als er von der wahrnehmungsmäßigen bzw. kognitiven Kompetenz abhängt (...). Darüber hinaus versucht eine Person, ihre Umwelt entsprechend ihren Vorstellungen, Plänen, Bedürfnissen bzw. Zielen zu beeinflussen." 116 Dieser übliche Verhaltensmechanismus setzt freilich voraus, daß die kognitive Kompetenz des Individuums ausreicht, um die entsprechende Umweltkonstellation bzw. die von dieser für die betreffende Person aufgeworfene Komplexität zu bewältigen. Ist dies nicht der Fall - taucht also ein Problem auf -, muß nach neuen Lösungswegen gesucht werden: „Versagt (...diese) traditionelle Strategie, wird das System mit einer Umweltsituation konfrontiert, für die es keine Antwort bereit hat, dann sieht es sich einem Problem gegenüber. Es muß Prozesse problemlösender Adaption initiieren, es muß neuartige System-Umwelt-Beziehungen einspielen. Ein Problem kommt also erst zustande, wenn die traditionelle Interaktion zwischen System und Umwelt 'gestört' ist. Die Störung kann bedingt sein durch eine Änderung der Systemumwelt, durch die explorative Entdeckung neuer Umweltbereiche und durch die neugier- und leistungsmotivierte Suche nach neuen Lösungen" (Röpke 1977, S. 86; Hervorhebungen von mir). In diesem Zusammenhang ließe sich etwa auf die auf Simon (1973, hier: S. 183) zurückgehende Unterscheidung zwischen „well-structured and illstructured problems" zurückgreifen. Bei Neugebauer (1997, S. 75) heißt es dazu: „Ein wohl-definiertes Problem liegt vor, wenn folgende Merkmale gegeben sind: - Es gibt (gemeint ist offenbar „liegt", T.B.) eine bekannte endliche Anzahl sich gegenseitig ausschließender Handlungsalternativen vor, deren Konsequenzen (...) in bezug auf klar formulierte Ziele (...) bekannt sind; - überdies sind Entscheidungsregeln gegeben, die die Bildung einer eindeutigen Rangordnung der Alternativen ermöglichen; - schließlich existieren Lösungsalgorithmen, die die zielgerichtete Auswahl einer Alternative aus der gegebenen Alternativenmenge erlauben. Ein schlecht definiertes Problem (...) ist dadurch charakterisiert, daß ihm mindestens eines der Merkmale wohl-defmierter Probleme fehlt." Zur Lösung dieser verschiedenartigen Probleme sind unterschiedliche Problemlösungstechniken erforderlich, und die Anwendung dieser Techniken wiederum setzt selbstverständlich unterschiedliche Niveaus kognitiver Kompetenz voraus. Der weitaus größte Teil der „traditionellen Problemlösungstheorie" - insbesondere der Betriebswirtschaftslehre - ist überwiegend der Lösung wohl-defmierter Probleme gewidmet. Der Untersuchung der sog. „ill-structured problems" hingegen hat sich erst die neuere Kreatvitätsforschung zugewandt. Interessant wäre es nun, genaueren Aufschluß über den Prozeß zu gewinnen, der zwischen der individuellen Wahrnehmung eines Problems
„Die über die sensorische Hierarchie aufgenommenen Umweltsignale werden somit erst durch ihre geordnete Interpretation durch kognitive Gestalten oder Konfigurationen für das System aufgeschlossen, bekommen Sinn und erlauben dadurch eine zweckhafte Rückwirkung auf die Umwelt. (...). Hieraus geht hervor, daß die Reaktion einer Person auf Umweltereignisse zunächst von der (subjektiven, T.B.) Wahrnehmung dieses Ereignisses abhängt und nicht von dem 'objektiven' Ereignis selbst (...)" (Röpke 1977, S. 85). Röpke verweist in diesem Zusammenhang auf grundlegende Arbeiten von MacKay, Donald M.: Information, Mechanism, and Meaning, Cambridge (Mass.)/London 1969 (hier insbes. S. 108 f.), sowie auf Carson, Robert C.: Interaction Concepts of Personality, London 1969 (hier insbes. S. 15).
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und der letztlich getroffenen Entscheidung liegt. Röpke (1977) liefert einen Überblick über die Arbeiten einiger Autoren, die genau dies vermittels verschiedener Stufenmodelle versuchen. Auf Einzelheiten dieser möglichen Verknüpfungen zwischen Problem und Entscheidung darstellenden Stufen- bzw. Phasenmodelle soll hier nicht eingegangen werden. Stattdessen wollen wir uns auf solche Situationen konzentrieren, die innovative Lösungen erwarten lassen bzw. „erzwingen", anders gewendet: Im Vordergrund sollen solche Arten bzw. Typen von Problemen stehen, deren Lösung innovativ-schöpferische, mithin kreative Lösungen erfordern. Es wird deutlich, daß - trotz der oben betonten gleichsam „künstlichen Trennung" zwischen Problem und Entscheidung - diese beiden Kategorien selbstverständlich eng miteinander verknüpft sind (vgl. etwa Neugebauer 1997, S. 74, FN 26). So sind, wie Röpke (1977, S. 89) betont, „innovative Entscheidungen (...) Ausfluß einer schlecht-definierten Situation. Das 'ill-defined' kann sich entsprechend den Begriffsmerkmalen der Entscheidungssituation auf die Problemdefinition und/oder auf die Problemlösungs- und Ausführungsprogramme beziehen." 117 Hauschildt (1993, S. 24) beschreibt genau diesen Sachverhalt ausfuhrlich und treffend wie folgt: „Die Innovationsentscheidung ist extrem komplex. Sie hat fur den Entscheidungsträger weder eine klare Kontur, noch eine klare Struktur: Er kennt die Neben- und Folgeprobleme nicht. Er hat keine Vorstellung von den Komponenten der Entscheidung. Er hat für diese Entscheidung keine vorgegebene Zielsetzung. Er kennt die Alternativen nicht. Er muß neue Informationen beschaffen, gewichten, verknüpfen, er kennt die funktionalen Beziehungen zwischen den Variablen nicht, j a er kann noch nicht einmal die Qualität des Informationslieferanten ermessen. Die Anzahl der Variablen ist 'unübersehbar', sie sind überdies in unbekannter Weise verschlungen." Besonders interessant für unser Thema sind allerdings solche Situationen, in denen ein bestimmtes Problem weder als wohl- noch als schlecht-definiert, mithin weder als „operational" noch als „nicht-operational" klassifiziert werden kann 1 1 8 , weil das Problem als solches gleichsam erst noch „entdeckt" werden muß. Gerade hier kommt es auf Fähigkeiten wie Intuition, Phantasie, Kreativität etc. an. Bei Getzels/Csikzentmikhalyi (1967, S. 83) heißt es dazu: „Some problem solvers (...) do not wait for others to pose the task of identifying problems but are continually sensitive to identifying unformulated problems themselves. This takes imagination and divergent thinking" (so auch zitiert in Röpke 1977, S. 91, FN 4). In Anlehnung an ein auf den Psychologen Guilford zurückgehendes Begriffspaar spricht Neugebauer (1997, S. 70) in diesem Zusammenhang von „divergentem Denken", das das Gegenstück zum „konvergenten Denken" darstellt. Letzteres bezeichnet „die Fähigkeit, aufgrund analytischer Beurteilung zu einer einzigen
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Anders ausgedrückt: „Innovative, nicht-programmierte Entscheidungen (...) können sowohl mit Lösungen operationaler („schlecht-definierter") wie nicht-operationaler („wohldefinierter") Probleme verbunden sein. Ihr primäres Merkmal ist somit, daß das Individuum über ein Ausfuhrungsprogramm oder ein Rechenverfahren (Algorithmus) nicht verfügt. Es muß sich daher heuristischer Programme bedienen, die im Einzelfall die Lösung einer Entscheidungsaufgabe nicht garantieren" (Röpke 1977, S. 90/91). Diese oben bereits angedeutete Differenzierung geht zurück auf Kirsch (1971, S. 147); vgl. ferner grundlegend March und Simon (1958/1976).
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'richtigen', vorbestimmten und konventionellen Lösung eines Problems zu gelangen." 119 Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen zum Problemlösungs- und Entscheidungsverhalten lassen sich somit grob zwei grundlegende Denkmuster unterscheiden: ein rational-logisches Denkmuster einerseits und ein „intuitiv-prälogisches (vorbewußtes oder überbewußtes") andererseits. Wie gesehen, läßt sich der erste Denkstil „der algorithmischen und heuristischen Lösung gegebener oder präsentierter Probleme" zuordnen, während das andere Denkmuster bei der Lösung solcher Probleme zum Tragen kommt, „die erst entdeckt und strukturiert werden müssen" {Röpke 1977, S. 98). Dies bedeutet jedoch nicht etwa, daß bei der Lösung erst noch „zu entdeckender" Probleme rational-logische Denkmuster keine Anwendung fänden - im Gegenteil. Es ist lediglich so, daß dies erst im Anschluß an die o.g. schöpferisch-intuitive bzw. innovative Phase erfolgt. Beide Denkmuster stehen sich also nicht etwa unversöhnlich gegenüber, sondern ergänzen einander. Auf diesen Zusammenhang hat nicht zuletzt auch von Hayek (1967, S. 43 ff.) aufmerksam gemacht, der - in Übereinstimmung mit Forschungsergebnissen aus dem Bereich der kognitiven Psychologie - diese beiden Denkmuster gleichsam in eine „hierarchische Struktur" eingebunden sah. Auch Röpke (1977, S. 98 u. 99) beschreibt in diesem Zusammenhang eine Art Hierarchie von Denkprozessen: „Das menschliche Denken spielt sich auf zwei Ebenen ab. Auf der Ebene bewußter kognitiver Tätigkeit werden konkrete Probleme angegangen (...). Diese Ebene (...) löst Anpassungsprobleme logisch-analytisch Schritt für Schritt. Wenn die geistige Kapazität durch sequentielle kognitive Tätigkeit nicht ausgelastet ist oder die analytischen Lösungsstrategien blockiert sind, spielen sich auf einer zweiten Ebene vorbewußte Denkprozesse ab." 120 Wir können hier keinerlei detaillierte Hinweise darüber geben, wie etwa der von Intuition etc. geprägte Prozeß kreativen Denkens möglicherweise abläuft 121 , sondern wollen uns mit dem Hinweis auf die in diesem Zusammenhang für unser Thema interessante Frage bescheiden, daß beispielsweise ein schöpferisch-innovativer Unternehmer im Sinne Schumpeters eine Marktlücke „fühlt" oder daß etwa ein findiger Unternehmer im Sinne Kirzners entsprechende Preisunterschiede bzw. Gewinnmöglichkeiten (auf-)"spürt". • motivationale
Kompetenz
Die Fähigkeiten zu innovativem Verhalten beziehen sich über die bisher erörterte Komponente der kognitiven Kompetenz hinaus noch auf die sog. motivationale Kompe-
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Zu den Einzelheiten vgl. ebd., S. 70-74, sowie ferner grundsätzlich die von Neugebauer genannte Quelle Guilford, J.P.: Persönlichkeit (6. deutsche Auflage), Weinheim/Basel 1974 (Original u.d.T.: Personality, New York 1959). "Das psychische System spielt mit Ideen auf der Grundlage gespeicherter Informationen ungehindert von den akuten Anforderungen der Umwelt und mit der Möglichkeit, auch irrationalen, inkonsistenten Vorstellungen und abwegigen Gedanken nachgehen zu können. Die in diesem Primärprozeß entstandenen Gedanken und Einfalle können vom rationalen Sekundärprozeß übernommen, selektiert und weiterentwickelt werden. Beide Prozesse ergänzen sich also" (Röpke 1977, S. 99). Vgl. hierzu etwa Röpke (1977, S. 102-117), sowie Neugebauer (1997, S. 68-90), jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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tenz. Damit ist hier insbesondere die etwa von der Motivationspsychologie als „Leistungsmotiv" bezeichnete innere Bereitschaft bzw. der manchen Menschen eigene innere Drang und Wille gemeint, besondere, stets bessere Leistungen zu erbringen, kurz: „erfolgreich" zu sein. So sind nach den Worten des amerikanischen Psychologen David McClelland (1961/1976) leistungsmotivierte Menschen von dem Wunsch beseelt, „to do something better, faster, more efficiently, with less effort." In der deutschen Ausgabe seines Buches (McClelland 1966) wird das Leistungsmotiv als „Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab" definiert (im Original: „competition with a standard of excellence").122 Zwar kann sich das von McClelland so bezeichnete „achievement motive" auch durchaus darauf beziehen, in einem Vergleich mit anderen besser abzuschneiden, diese zu übertreffen. Gleichwohl ist dies nicht der entscheidende Punkt. Leistungsmotivierten Menschen in dem hier beschriebenen Sinne kommt es vielmehr darauf an, sich selbst ganz persönliche Ziele zu setzen, die als individueller Anspruch an die eigene Person zu verstehen sind. Leistungsmotivierte Menschen wollen durch die Leistungen, die sie erbringen, Aufschluß über ihre tatsächliche Leistungsfähigkeit gewinnen können. Ein leistungsmotivierter Mensch will, wie Röpke (1977, S. 137) es ausdrückt, „die Wirkungen seines Handelns auf sich selbst als Urheber (...beziehen können, T.B.), um seine eigene Fähigkeit und nicht nur ihre Umweltwirkungen zu erfahren. Damit stellt er ein kausales Beziehungsverhältnis zwischen sich selbst und seinem Tätigkeitsprodukt her. Das jeweilige Leistungsergebnis (Erfolg oder Mißerfolg) muß als Wirkung der eigenen Tüchtigkeit aufgefaßt werden (können, T.B.). (...). Das Handlungsergebnis muß vom Handelnden selbst verursacht, von ihm beabsichtigt und zustande gebracht worden sein. Der Handelnde muß das Wirken auf sich selbst als Urheber zurückbeziehen können." Leistungsmotivierte Menschen werden sich also Herausforderungen suchen, denen sie eine Art Aufklärungs- bzw. Spiegelbildfunktion über ihre eigenen wahren Fähigkeiten beimessen. Mithin ist die Zielerreichung bzw. der je individuelle Soll-Ast-Vergleich eine ganz persönliche Angelegenheit, die weitgehend ohne Quervergleiche mit anderen Personen und deren Leistungen auskommt. 123
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So ist es, worauf Neugebauer (1997, S. 92) hinweist, „einzig (...dieser, T.B.) individuelle 'Gütemaßstab', der einem Handlungseffekt den Charakter einer 'Leistung' gibt. Demnach ist Handeln oder Verhalten immer dann leistungsbezogen, wenn das Individuum dessen Resultat anhand von selbst auferlegten Gütemaßstäben (...) bewertet (Hervorhebung von mir)." Dem entspricht etwa die Auffassung von Heckhausen (1965, S. 604), der das Leistungsmotiv definiert als „das Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in all jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hoch zu halten, in denen man einen Gütemaßstab fur verbindlich hält und deren Ausfuhrung deshalb gelingen oder mißlingen kann" (siehe auch Heckhausen 1974).
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Dies soll an einem kurzen Beispiel aus dem Bereich des Sports verdeutlicht werden. Ein in o.g. Sinne leistungsmotivierter Sprinter, dessen Bestzeit über 100 Meter bei 10,0 Sekunden liegt, wird - unabhängig von seiner Placierung - mit seiner Leistung in einem Rennen dann zufrieden sein, wenn er nicht länger als 9,99 oder 10,0 Sekunden für diese Distanz benötigt. Selbst wenn er das Rennen nicht gewinnt, sondern seine Zeit lediglich für einen der hinteren Ränge ausreicht, wird er mit seiner Leistung zufrieden sein, weil er in diesem Rennen seine persönliche Bestleistung erbracht oder gar verbessert hat. Ganz analog wird der in diesem Sinne leistungsmotivierte Sprinter, wiederum unabhängig von der Placierung, enttäuscht und mit seiner Leistung nicht zufrieden sein, wenn er beispielsweise erst
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Zu betonen ist, daß sich dieser Drang bzw. Wille zur Leistung keineswegs auf den ökonomischen Bereich konzentrieren bzw. beschränken muß, und das Kriterium „Erfolg" bedeutet keinesfalls etwa notwendig materiellen Erfolg. Der Fülle potentieller Betätigungsfelder für leistungsmotivierte Menschen sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt. Grundsätzlich kann weder eine allgemeingültige Aussage darüber getroffen werden, „wie der Gütemaßstab aussieht, (...noch darüber, T.B.,) welchem der gesellschaftlichen Teilsysteme (Wirtschaft, Sport, Politik usw.) sich Leistungsmotivierte zuwenden werden" {Röpke 1982, S. 56). Die hier behauptete „Indifferenz" wird übrigens nur scheinbar relativiert, wenn ein leistungsmotivierter Mensch als innovativer Unternehmer im Wettbewerbsprozeß auf den Plan tritt. Der ökonomische Wettbewerb kommt eo ipso nicht ohne Quervergleiche aus, stellt er doch im Grunde selbst einen Prozeß des unaufhörlichen Vergleichens dar. In unserem Sinne entscheidend ist hier vielmehr die o.g. Fülle recht eindeutiger Leistungsindikatoren wie Gewinn, Umsatz, Marktanteil usw., die der ökonomische Bereich bereitstellt und auf die es im ökonomischen Wettbewerb entscheidend ankommt. Eben diesen Zusammenhang hebt auch Röpke (1982, S. 56) hervor: „Da (...) gerade im ökonomischen System relativ exakte und anerkannte Gütemaßstäbe vorliegen (Gewinn und Verlust, Umsatz, Marktanteil, Wachstumsrate, Rentabilität usw.), scheinen hochleistungsmotivierte Personen sehr oft ökonomische Tätigkeitsfelder zu wählen." 124 In diesem Zusammenhang bekommen die o.g. ökonomischen Kategorien einen besonderen, gleichsam instrumentell-funktionalen Charakter: Der Gewinn allgemein - und schon gar nicht der „größtmögliche" - wird nicht zum eigentlichen Ziel oder zum Selbstzweck, sondern „lediglich" zum Indikator für den Grad der individuellen Zielerreichung. Fehl (1987, S. 24) bringt dies wie folgt auf den Punkt: „Leistungsmotivation ist nicht Folge des Gewinnstrebens, sondern es dient umgekehrt die Gewinnerzielung der Realisierung des Leistungsmotivs." Vor diesem Hintergrund stellt die wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft ein geradezu ideales Betätigungsfeld für leistungsmotivierte Unternehmer dar. So sind denn auch für unser Thema diejenigen leistungsmotivierten Menschen von besonderem Interesse, die sich dem ökonomischen Bereich zuwenden, mithin unternehmerisch tätig werden wollen. Es wird sich noch zeigen, daß das Leistungsmotiv gerade in diesem Bereich eine wichtige, wenn nicht gar dominierende Rolle spielt. Mit Blick auf die vorgenommene Differenzierung zwischen kognitiver und motivational er Kompetenz ließe sich nun mit Röpke (1982, S. 52) - in Anlehnung an Adam Smith - allgemein formulieren: „Zum Können muß also das Wollen zur Leistung, der 'Gewerbefleiß' (...kommen)." Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, daß auch der Schumpetersche Unternehmer ein leistungsmotivierter Mensch ist, dessen Leistungsmotiv bzw. innerer Wille darauf ausgerichtet ist, ökonomische Pionierleistungen zu vollbringen, d.h. Neuerungen durchzusetzen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen,
nach 10,5 Sekunden ins Ziel kommt - selbst dann, wenn er besagtes Rennen gewinnen sollte. 124
Ähnlich an anderer Stelle: „Es bedarf keines ausfuhrlichen Hinweises, daß die im Marktprozeß durch (Gewinn in, T.B.) Geld rechenbar gemachten Wirkungen unternehmerischen Handelns einen relativ objektiven und präzisen Maßstab des Leistungserfolges geben" (Röpke 1977, S. 157).
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daß Schumpeter selbst diesen Willens- bzw. Motivationsaspekt ausdrücklich betont: Die Unterscheidung zwischen (schöpferischen) Unternehmern und Nicht-Untemehmern („Wirten", Arbeitnehmern usw.) beruhe, so Schumpeter (1928, S. 482), „letztlich auf (...) Unterschieden der individuellen Befähigungen (...), wobei das Gewicht erst in zweiter Linie auf intellektuellen Eigenschaften (Weite des Gesichtskreises, 'Aufgewecktheit' usw.), in erster Linie jedoch auf Willenseigenschaften liegt." Der schon bei Smith und Schumpeter angelegte und von diesen für den Bereich der Ökonomie behauptete „Willen zur Leistung" wurde dann, wie bereits angedeutet, von der modernen Motivationstheorie „(wieder-)entdeckt": So hat McClelland das Leistungsmotiv als das für unternehmerisch-innovative Aktivität und wirtschaftliche Entwicklung maßgebliche „Schlüsselmotiv" identifiziert, ein Ergebnis, das im übrigen durch empirische Forschungen weitgehend bestätigt wurde (vgl. beispielhaft etwa Freeman (1976) sowie femer Tekiner (1980). Deren Ergebnisse zeigen, „daß es (i.d.R. tatsächlich, T.B.) vor allem die leistungsthematischen Bezüge sind, die unternehmerischen Tätigkeiten zugrundeliegen" (Röpke 1980, S. 83). Interessant ist in diesem Zusammenhang ferner, daß - worauf etwa Röpke (ebd.) mit Blick auf entsprechende Untersuchungsergebnisse hinweist - das so umschriebene „Leistungsstreben (...offenbar, T.B.) nicht nur eine im westlichen Kulturkreis verbreitete, sondern eine generell gültige und vorherrschende Motivationsbasis unternehmerischer Tätigkeit darstellt" 125 - darauf wird noch zurückzukommen sein. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, daß das Leistungsmotiv - trotz seiner unbestritten großen Bedeutung - keineswegs notwendig das einzige Motiv des „schöpferischen Wirtschaftsmenschen" darstellt (einige andere denkbare Motive wurden nicht nur in diesem Abschnitt, sondern bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der Schumpeterschen Unternehmertheorie genannt). Auch wenn zwar allgemeingültig selbstverständlich nicht vorhergesagt werden kann, welche von diesen im Einzelfall konkret von Bedeutung sein mögen, so legen neuere Untersuchungen jedenfalls den Schluß nahe, daß - unbeschadet der grundsätzlichen Möglichkeit (oder gar Wahrscheinlichkeit) der Dominanz des Leistungsmotivs - in der Regel wohl von einer mehrdimensionalen Motivbasis unternehmerischen Verhaltens auszugehen ist.126 Aus dem Gesag-
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Ähnlich an anderer Stelle: „Bemerkenswert scheint weiterhin zu sein, daß die Beziehungen zwischen Leistungsmotivation, Unternehmerverhalten und wirtschaftlichem Erfolg auf mikro- und makroökonomischer Ebene auch für nicht-westliche Kulturkreise nachgewiesen sind (...)" (Röpke 1982, S. 57). So etwa Neugebauer (1997, S. 90 ff.), der allerdings betont, daß hinsichtlich der genauen wechselseitigen Beziehungsmuster zwischen den einzelnen Elementen dieses Motivkatalogs noch Forschungs- bzw. Aufklärungsbedarf besteht. Darauf hat im übrigen Röpke (1982, S. 57) bereits hingewiesen: „Um individuelle Leistung - auch im Gruppenkontext und bei unterschiedlicher Struktur der Handlungsrechte - zu verstehen, ist vermutlich von einem multidimensionalen Verhaltensmuster auszugehen. Die Beziehung zwischen Leistungsmotivation und anderen Motivkomponenten ist jedoch nicht hinreichend geklärt. So bestätigte etwa Varga in einer Untersuchung über Forschung und Entwicklung in größeren Unternehmen einerseits die Beziehung zwischen Innovationen und Leistungsmotivation; er fand aber auch, daß hochleistungs- und machtmotivierte Personen gleichfalls überdurchschnittlich erfolgreich waren; einseitig machtmotivierte Personen dagegen verwirklichten eher ökonomische und technische Fehlschläge" (Unterstreichung im Original; nota: Die von Röpke hier angegebene Quelle lautet: Varga, Karoly: nAchievement, nPower and
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ten geht nicht nur hervor, daß die Beweggründe menschlichen Verhaltens, also auch innovativen Verhaltens, durchaus vielfaltig sind - dies allein könnte schließlich kaum überraschen. Vielmehr wird durch das das Abheben auf den konkreten Einzelfall die Situationsgebundenheit menschlichen Verhaltens betont; auf die bereits Lewin (1946) hingewiesen hat. Nach dessen Auffassung läßt sich menschliches Verhalten als eine Funktion des Individuums und der von diesem wahrgenommenen Umwelt interpretieren, wobei die verschiedenen denkbaren Motive gleichsam als latente interne und letztlich durch bestimmte Stimuli der externen Umwelt zu aktivierende bzw. aktualisierende „Wegweiser" des Verhaltens verstanden werden können. Damit nun haben wir im Grunde den Übergang zum dritten „Filter" des Innovationsverhaltens - den Umweltherausforderungen - erreicht. Bevor darauf näher eingegangen wird, erscheint es jedoch angebracht, zunächst den für manchen Betrachter auf den ersten Blick nicht immer eindeutigen Unterschied zwischen „Motiv" und „Motivation" kurz zu erläutern: Der Unterschied zwischen Motiv und Motivation des Verhaltens beruht keinesfalls etwa auf bloßer Haarspalterei, sondern ist - nicht zuletzt für das Verständnis des hier verwendeten Filtermodells - von grundlegender Bedeutung. Dies wird im übrigen in der modernen Motivationstheorie ausdrücklich betont (vgl. etwa Heckhausen 1965 und 1974 sowie Weiner 1975). Diese hat - im übrigen auf die grundlegende Auffassung Lewins zurückgreifend - mit dem Leistungsmotiv auf die besondere Bedeutung eines bestimmten Motivs für schöpferisch-innovatives Unternehmerverhalten hingewiesen. So ist die motivationale Kompetenz - hier etwa das Leistungsmoriv oder auch irgendein anderes Motiv - ein internes bzw. intrapersonales Konstrukt {Neugebauer 1997, S. 91, nennt als mögliche Synonyme auch „Bedürfnis, Drang, Trieb, Wunsch etc."), während der Begriff der Motivation auf Möglichkeiten der externen bzw. extrinsischen Verhaltensbeeinflussung abstellt. Fehl (1987, S. 21) zitiert in diesem Zusammenhang ausfuhrlich folgende Differenzierung von Jochen Röpke·. „Unter Motiv kann man eine gelernte, zeitlich relativ überdauernde, nur langfristigen Änderungen unterliegende Disposition einer Person zu einem bestimmten Verhalten verstehen (z.B. Leistungsmotiv, Machtmotiv, Sozial- oder Anschlußmotiv). Aus dem Zusammenwirken eines überdauernden Motivs und anregenden Faktoren und Gegebenheiten der Situation oder der Umwelt entsteht eine momentane Tendenz, bestimmte Verhaltensweisen zu vollziehen oder zu unterlassen. Diese kurzfristige Handlungstendenz, die Aktualisierung der zeitlich relativ stabilen überdauernden Disposition, läßt sich als Motivation oder Motivierung bezeichnen" (Hervorhebung von mir). 127
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Effectiveness of Research and Development, in: Human Relations, Vol. 28, 1975, S. 571590). Das Originalzitat findet sich bei Röpke (1977, S. 136). Nota: Fehl (1987, S. 24, FN 22) macht im übrigen zu Recht darauf aufmerksam, daß Röpke selbst die Unterscheidung zwischen Motiv und Motivation nicht immer konsequent durchhält; er verweist insoweit auf Röpke (1977, S. 157), wo es heißt: „Das Schlüsselmotiv der Unternehmerinitiative ist hohe erfolgszuversichtliche Leistungsmotivation." Eine ähnliche Unschärfe findet sich beispielsweise auch in einer anderen Arbeit Röpke s (1982, S. 55): „Als Verhaltensmotive gelten (...) Anschlußmotivation (Gefalligkeitsmotivation, Machtmotivation und Leistungsmotivation."
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Der Filter „Wollen": Mittelschwere Aufgaben als innovationsaktivierende Umweltherausforderungen
Zur Aktualisierung eines bestimmten - hier: innovativen - Verhaltens reicht es nicht aus, daß dieses Verhalten erlaubt ist und das entsprechende Individuum auch über die zu dessen Umsetzung notwendigen kognitiven und motivationalen Fähigkeiten verfügt. Das Individuum muß vielmehr darüber hinaus durch die entsprechenden äußeren Umstände auch zu innovativem Verhalten motiviert werden. Die Umwelt bzw. die von dieser repräsentierte Herausforderung muß also so beschaffen sein, daß ein Individuum diese Erlaubnis sowie seine Fähigkeiten auch tatsächlich in entsprechender Weise aktualisiert: Der Herausforderungsgrad der Umwelt muß das betreffende Individuum dazu motivieren, von seinen Rechten und Fähigkeiten zu innovativem Verhalten auch wirklich Gebrauch zu machen. Nun stellt sich die Frage, wann genau das der Fall sein wird, anders ausgedrückt: „Welche Art von Problemen, Aufgaben oder Umweltherausforderungen sind entwicklungsrelevant in dem Sinne, daß ihre Lösung oder Meisterung im Durchschnitt mit erfolgreicher Neuerungstätigkeit gekoppelt ist?" (Röpke 1980, S. 84). Zur Beantwortung dieser Frage lassen sich mit Röpke zunächst drei von den Individuen subjektiv empfundene Schwierigkeitsgrade unterscheiden, denen dann unterschiedliche Aufgaben bzw. Herausforderungen zugeordnet werden: Es wird zwischen sehr einfachen, sehr schweren und mittelschweren Aufgaben unterschieden. Sich auf entsprechende Forschungsergebnisse der Psychologie stützend, geht Röpke nun davon aus, daß der Herausforderungsgrad der Umwelt in bezug auf innovatives Verhalten fur leistungsmotivierte Individuen dann optimal ist, wenn er diese mit mittelschweren Aufgaben konfrontiert. Der Herausforderungsgrad der Umwelt ist also dann innovations- (und damit entwicklungs)optimal, wenn er leistungsmotivierte Menschen weder über- noch unterfordert.128 Es wird zu zeigen sein, „daß Unternehmer systematisch derartige entwicklungsrelevante Problemherausforderungen auswählen, bzw. daß derartige Herausforderungen zu leistungsthematischem Handeln aktivieren" (Röpke 1980, S. 83) 129 , mit anderen Worten: Wenn unterstellt wird, daß schöpferisch-innovative Unternehmer leistungsmotivierte Menschen in o.g. Sinne sind, dann werden sie vor allem daran interessiert sein, ihr Fähigkeitspotential zu testen, sie möchten möglichst genau Aufschluß über ihre eigene Leistungsfähigkeit gewinnen. Das bedeutet, sie werden sich Aufgaben bzw. Herausforderungen zuwenden, deren Bewältigung oder Nichtbewältigung auch wirklich entsprechend zuverlässige Rückschlüsse zuläßt. Im nun folgenden Abschnitt soll kurz erläutert werden, warum dies i.d.R. sog. „mittelschwere" Aufgaben sein werden. 130
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Vorschläge zur Messung von Unter- und Überforderung finden sich bei Röpke (1982, S. 21 ff.).
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Vgl. ferner die bei Röpke (1980) genannte Literatur zur Motivationspsychologie; neben der bereits erwähnten Arbeit von McClelland siehe etwa Werner (1975) sowie Heckhausen (1977).
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Nun ließe sich gewiß einwenden, daß die Bestimmung des subjektiv empfundenen Schwierigkeits- bzw. damit Herausforderungsgrades keineswegs unabhängig vom Kompetenzniveau des jeweiligen Individuums erfolgen kann; so werden besonders „kompetente" Menschen die Lösung einer bestimmten Aufgabe für vergleichsweise einfach halten, die
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a) Aufgaben mit geringem Schwierigkeitsgrad Einfache Aufgaben werden einen leistungsmotivierten schöpferischen Unternehmer schwerlich zur Aktivierung seines Innovationspotentials bewegen: Er empfindet keine echte Herausforderung, weil die Erfolgswahrscheinlichkeit zu hoch bzw. die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns gleich null ist. Die Bewältigung solcher Aufgaben erfordert keine besonderen Fähigkeiten; um hier zum Erfolg zu kommen, bedarf es keiner besonderen Anstrengungen, sondern lediglich eines Routinehandelns. Genau davon wird nun ein leistungsmotivierter schöpferischer Unternehmer im o.g. Sinne nicht motiviert, da die Lösung eines „Routineproblems" keine zuverlässigen Informationen über seine wahre Leistungsfähigkeit bzw. seine Leistungsgrenzen im Hinblick auf die Durchsetzung von Neuerungen zuläßt. Der mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende Erfolg könnte nicht der eigenen Anstrengung und Leistungsfähigkeit - mithin nicht internen Ursachen - zugeschrieben werden, sondern wäre in erster Linie auf die günstigen äußeren Umstände zurückzufuhren. Wenn sich nun im Hinblick auf Neuerungsaktivität leistungsmotivierte Unternehmer gerade solchen Aufgaben nicht zuwenden werden, ist also mit Röpke (1980, S. 84) davon auszugehen, daß „der Innovationsgehalt von solchen Aufgaben gering (ist). Derartige Probleme sind daher auch offensichtlich von geringer Entwicklungsrelevanz oder bezogen auf die Individuen, die sich bevorzugt der Lösung solcher einfachen Probleme zuwenden: diese Individuen sind keine Träger des Entwicklungsprozesses, keine Produzenten von Wandel und keine Unternehmer." b) Aufgaben mit hohem Schwierigkeitsgrad Ähnlich sieht es bei Aufgaben mit einem sehr hohem Schwierigkeitsgrad aus: Die Wahrscheinlichkeit des Scheitems ist sehr hoch. Da die sehr geringe Erfolgswahrscheinlichkeit selbst unter Aufbietung aller Kräfte und Fähigkeiten bestehen bleibt, fühlen sich leistungsmotivierte Menschen von solchen Aufgaben eher überfordert denn motiviert: Sie werden sich solchen Aufgaben nicht zuwenden, da der höchstunwahrscheinliche Erfolg, sollte er denn wider Erwarten doch eintreten, eher Glück und Zufall denn der eigenen Leistungsfähigkeit bzw. den eigenen Anstrengungen zugeschrieben werden müßte. Sich auf solche Aufgaben einzulassen, ist ein höchst riskantes, ja unberechenbares Unterfangen, bedeutet „also ein sehr hohes Neuerungsrisiko. Ihre Meisterung erfordert ein starkes Abweichen von traditionellen Lösungen; die hohe Wahrscheinlichkeit eines Mißerfolges, Fehlschlages oder Verlustes bedeutet jedoch, daß auch dieser Typus trotz hohen potentiellen Neuerungsgehaltes nicht entwicklungsrelevant ist. (...). Individuen, die eine Vorliebe für derartige, sehr schwierig zu meisternde Aufgaben aufweisen, können daher gleichfalls nicht als Träger des Entwicklungsprozesses bezeichnet werden" (Röpke 1980, S. 84). c) Aufgaben mit mittlerem Schwierigkeitsgrad Bei diesen Aufgaben handelt es sich um solche, deren erfolgreiche Bewältigung einem Menschen bei gegebenen Fähigkeiten weder ohne jegliche Anstrengung gleichsam „von selbst" noch trotz Mobilisierung aller Kräfte und Fähigkeiten höchstwahrschein-
fur andere bereits eine unüberwindliche Hürde darstellen mag. Auf diese Zusammenhänge wird an späterer Stelle noch näher eingegangen werden.
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lieh niemals gelingen wird.131 Menschen, die sich mittelschweren Aufgaben stellen, lassen sich gewissermaßen auf eine Art Gratwanderung zwischen Erfolg und Scheitern ein, wobei die eingegangenen Risiken allerdings durchaus kalkulierbar sind: Zwar wird der Erfolg nur mit Lösungsansätzen erreichbar sein, die einen gewissen Innovationsgehalt aufweisen, indes ist der Erfolg nicht von Zufälligkeiten wie etwa einer geglückten Spekulation abhängig. Damit weisen Aufgaben mittleren Schwierigkeitsgrades einerseits gegenüber sehr einfachen Aufgaben einen innovativen Gehalt auf, andererseits fordern sie jedoch - im Gegensatz zu sehr schwierigen Aufgaben - keine Hasardeure, sondern vielmehr Menschen heraus, die die mit diesen Aufgaben verbundenen Risiken vergleichsweise nüchtern kalkulieren. Es läßt sich also mit Röpke (1980, S. 84) schlußfolgern, „daß Probleme oder Aufgaben von mittlerem Schwierigkeitsgrad unternehmerischer Tätigkeit zugrundeliegen; enthält die Umwelt Herausforderungen derartiger mittlerer Qualität, können wir behaupten, daß sie entwicklungsrelevant sind (...)." 2.1.3. Schöpferisches Unternehmertum und Systemtransformation im Lichte des Filtermodells 2.1.3.1. Innovationsfreundliche Handlungsrechte und Transformation Das oben beschriebene Bemühen der Property-Rights-Theorie, die Bedeutung der Schaffung staatlich garantierter Handlungsrechte innerhalb eines formellen Rechtssystems sowie mögliche Konsequenzen der Abwesenheit solcher formellen Rechte zu verdeutlichen, findet in der aktuellen Systemtransformation eine praktische Entsprechung bzw. empirische Bestätigung, wie sie eindrucksvoller kaum sein könnte: So stellen die entsprechenden Transformationsbemühungen in den vormals sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas sowohl quantitativ als auch qualitativ die wohl umfassendste Anstrengung zur Etablierung formeller privater Handlungsrechte in der (jüngeren) Wirtschaftsgeschichte dar. Schließlich ging (und geht) es nicht darum, einzelne Gesetze zu novellieren, sondern es mußten ganze Rechtssysteme gleichsam vollständig „auf den Kopf gestellt" bzw. gänzlich neue Rechtssysteme geschaffen werden. So waren (und sind) die politisch Verantwortlichen in den weitaus meisten Transformationsländern offensichtlich davon überzeugt, daß die Etablierung eines privatwirtschaftlich-untemehmerische Tätigkeit grundsätzlich erlaubenden Rechtssystems als unverzichtbarer Bestandteil eines Programms zur Schaffung marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen anzusehen ist. Auch wenn wir diese grundlegende Einsicht nicht erst
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Bei Röpke (1980, S. 84) heißt es entsprechend: „Weder ist der Erfolg automatischroutinemäßig gegeben, noch liegt er jenseits der eigenen Fähigkeiten." Heckhausen (1981, S. 298/299) beschreibt diesen Zusammenhang wie folgt: „Die Aufgabe darf weder zu leicht noch zu schwer sein. Leichte Aufgaben müssen noch eine gewisse Möglichkeit des Mißlingens und schwere Aufgaben eine gewisse Möglichkeit des Gelingens besitzen. Liegt der Schwierigkeitsgrad in der Mitte zwischen den Extremen, so muß die internale Ursachenzuschreibung maximal sein. Denn hier, bei Gleichwahrscheinlichkeit von Erfolg und Mißerfolg, hängt das erzielte Ergebnis, das Eintreten von Erfolg oder von Mißerfolg, von den kleinsten Unterschieden der eingesetzten Fähigkeiten und der aufgewendeten Anstrengung ab" (Hervorhebung von mir).
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Vertretern der Freiburger Schule verdanken 132 , erscheint es angebracht, Franz Böhm an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich zu erwähnen. Schließlich hat er die griffige und bildhafte Formulierung geprägt, daß das wettbewerbliche Marktsystem als „rechtsschöpferische Leistung" zu verstehen sei (vgl. Böhm 1936, 1966 und 1973). Damit ist nichts anderes gemeint, als „daß sich ein Nebeneinander freier, gleichberechtigter und autonom planender Individuen (erst dann, T.B.) zu einer leistungsfähigen und menschenwürdigen Ordnung zusammenfugt, wenn bestimmte Vorkehrungen des Rechtssystems vorliegen" (Schüller 1983d, S. 149). Zu diesen „bestimmten Vorkehrungen" zählen - worauf noch ausführlicher einzugehen sein wird - insbesondere das Privateigentum, die Vertragsfreiheit und -Sicherheit sowie eine entsprechende Gerichtsbarkeit mit Sanktionsgewalt (also geeignete „formgebundene" Institutionen im Sinne Norths bzw. „äußere" Institutionen im Sinne Lachmanns). In den Transformationsländern ging (und geht) es also zunächst einmal grundsätzlich darum, solche Rechtsordnungen einzuführen, die den Menschen die grundsätzliche Möglichkeit zu selbständiger wirtschaftlicher - also auch innovativ-unternehmerischer - Tätigkeit einräumen. Diese grundsätzliche Möglichkeit ist als derjenige Freiraum zu verstehen, ohne den unternehmerische Initiative nicht denkbar ist. Damit wäre ein wesentlicher Bestandteil des Handlungsrechtssystems erneuert, das in seiner Gesamtheit den „Freiheitsgrad" einer Wirtschaftsordnung bestimmt, den man letztlich als deren konstituierendes Merkmal ansehen kann. In diesem Sinne heißt es etwa bei Röpke (1980, S. 86): „Zwischen einer Variation des Freiraums für individuelles Handeln und dem Ordnungsgefüge, in welches dieses Handeln eingebettet ist, bestehen nun eindeutige Beziehungen, und zwar so eindeutige, daß man die Art der Ordnung auf den jeweiligen Freiheitsgrad, über den die Elemente der Ordnung verfügen, reduzieren kann." In den Zentralverwaltungswirtschaften war dieser Freiheitsgrad bekanntlich gering; Innovationen blieben zwangsläufig aus, da sie sich schwerlich zentral durchsetzen bzw. von oben dekretieren lassen. In dezentral geplanten und über Märkte koordinierten Wettbewerbswirtschaften ist dies bekanntlich anders: Dort ist der Freiheitsgrad entsprechend höher. Dadurch wird „ceteris paribus die Möglichkeit zu Innovationen und damit das Entwicklungspotential eines Systems steigen: zunehmend umfangreichere Bereiche der Wirklichkeit werden für wettbewerbliche Entdeckungsverfahren aufgeschlossen" (Röpke 1980, S. 86). In den meisten Transformationsländem sind diese primär das formelle Rechtssystem bzw. die formellen Institutionen betreffenden Voraussetzungen im Sinne notwendiger Bedingungen mittlerweile weitgehend erfüllt (Ausnahmen bestätigen die Regel...). Auf die mit der Etablierung formeller Handlungsrechte (hier insbesondere: Eigentumsrechte) zusammenhängenden praktischen Schwierigkeiten (Restitutionsansprüche, Entschädigungs- und Bewertungsfragen, fehlende Grundbuchämter etc.) soll an dieser
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So hat bereits Adam Smith (1776/1974, S. 785) ausdrücklich betont, daß die Entwicklung reger Wirtschaftstätigkeit und wirtschaftlichen Wohlstands schwerlich in einem Land zu erwarten sei, „das ohne gesondertes Rechtswesen ist, in dem sich die Menschen ihres Eigentums nicht sicher fühlen, in dem das Vertrauen in Verträge nicht durch das Gesetz gestärkt wird, in dem man nicht regelmäßig den Einsatz der Staatsgewalt erwarten kann, damit zahlungsfähige Schuldner auch zur Leistung gezwungen werden. Kurz, Handel und Gewerbe können selten in einem Staat aufblühen, in dem nicht ein gewisses Maß an Vertrauen in die von der Regierung zu gewährleistende Rechtssicherheit besteht."
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Stelle nicht näher eingegangen werden; die Literatur zu diesen Fragen füllt Bibliotheken. Es sei lediglich erwähnt, daß die Art und das Tempo der Schaffung neuer Rechtsordnungen in den verschiedenen Transformationsländern Mittel- und Osteuropas höchst unterschiedlich verliefen: Die Bandbreite reichte vom deutschen Sonderfall eines „Radikalmodells" der Schaffung einer neuen Rechtsordnung per Dekret bis zum geradezu end- und ziellos anmutenden „muddling through" in Rußland. Im deutschen Transformationssonderfall der früheren DDR schuf sich nicht ein Land ein eigenes neues Rechtssystem, sondern durch den Beitritt zur Bundesrepublik wurde der Anwendungsbereich eines bereits bestehenden Rechtssystem auf ein anderes Land ausgedehnt. In Rußland hingegen hatte man lange Zeit nicht unbedingt den Eindruck, daß es überhaupt um die Schaffung eines neuen, in sich geschlossenen Rechtssystems im engeren Sinne, sondern eher um ein zielloses „Stochern im Nebel" ging. Dies konnte freilich kaum verwundem: Wenn die ordnungspolitische Grundsatzentscheidung für eine bestimmte neue Wirtschaftsordnung als anzustrebendes Ziel fehlt, dann läßt sich schwerlich Klarheit darüber gewinnen, wie man denn nun mit dem Instrument des Rechts verfahren soll, das ja sowohl ein wichtiges Werkzeug zur Schaffung einer neuen Wirtschaftsordnung als auch letztlich wesentlicher Bestandteil derselben ist. Gerade in Rußland (wie auch in anderen Transformationsländern insbesondere Ost- und Südosteuropas) kommt jedoch noch ein weiterer, die Entwicklung eines stabilen formellen Rechtssystems hemmender Umstand hinzu: Dort hat sich wegen fehlender Rechtstradition kein (Un)Rechtsbewußtsein herausbilden können. Schmidt-Häuer (1993) hat diesen Umstand und dessen Hintergründe zum Gegenstand eines Buches gemacht, das einige hochinteressante und aufschlußreiche Einsichten vermittelt: Er beschreibt die in der Geschichte und Kultur Rußlands tief verwurzelte „Ohnmacht der Gesetze", in der er „die eigentliche Schwäche dieses Landes zwischen Aufbruch und Aufruhr" zu erkennen glaubt: ,Rußlands Reformer suchen die Zukunft in einer einheitlichen Grund- und Wirtschaftsordnung. Doch die zaristische und kommunistische Vergangenheit hat kein Rechtsbewußtsein hinterlassen, das Land und Leute, Regionen und Nationalitäten zusammenhält." In dem aktuellen Hintergrund „ungesicherter Grenzen zwischen Kommerz und Kriminalität, Selbstschutz und Selbstjustiz (...) und Mafia" spiegele sich die Tradition einer „Herrschaftsordnung, von der sich das Recht nie als eigenständige Institution ablösen konnte." 133 Damit nun rückt ein Aspekt in den Vordergrund, der das bereits erwähnte „moralische Fundament" betrifft, das sowohl für die Entstehung als auch für die Wirksamkeit eines jeden formellen Rechtssystems - und damit auch für innovatives Verhalten und wirtschaftliche Entwicklung sowie den Transformationserfolg - von grundlegender Bedeutung ist. Im Zusammenhang mit der Debatte um die ,.richtige" Transformationsstrategie war darauf hingewiesen worden, daß die empirischen Daten die theoretisch abgeleitete 133
Interessant ist in diesem Zusammenhang femer die Arbeit von Margolina (1994), die ebenfalls deutlich macht, daß es stets „ein übermächtiger, keine andere Quelle nationaler Identität als sich selbst duldender Staat" war, der die „Zivilisierung" der russischen Gesellschaft verhindert hat, sei es nun im Zarenreich oder in der Sowjetunion. Die von Margolina aufgeworfene entscheidende Frage lautet: „Ist eine derart geschwächte Gesellschaft überhaupt in der Lage, aus sich selbst heraus demokratische und zivile Entwicklungen in Gang zu setzen?"
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Feststellung stützen, es habe sich hierbei um eine Scheindebatte bzw. Spiegelfechterei gehandelt: So ließen die bestehenden Unterschiede in den bisherigen Transformationserfolgen von Ländern, die weitgehend die gleiche Strategie angewandt hatten, ebensowenig eine strategiebezogene Erklärung zu, wie der Umstand, daß es ähnliche Transformationsfortschritte bei Ländern gab, die verschiedene Strategien gewählt hatten. Was indes festgestellt werden konnte, war ein „Mittel-/Ost-Südost-Gefälle": Die zentralosteuropäischen Länder wie Polen, Tschechien und Kroatien weisen größere Transformationserfolge auf als ost- bzw. südosteuropäische Länder wie etwa Rumänien, Rußland und die Ukraine. Dieser regionalspezifische Trend, der sich beispielsweise aus den Ergebnissen herauslesen läßt, die der von Barisitz (1995) für die Jahre 1993 und 1994 vorgenomme Vergleich und „Einstufungsversuch" verschiedener Länder(gruppen) ergeben hat, hält bis heute an (vgl. etwa die Studien von Urban/Podkaminer (1996) sowie Clement, Frensch und Gruber et al. (1997), die zu ähnlichen Ergebnissen kommen). Sich explizit auf einige dieser Quellen beziehend, geht Leipold (1997a) in einem hochinteressanten Beitrag möglichen Ursachen dieses „Gefälles" nach und kommt zu Ergebnissen, die in etwa mit den o.g. Beobachtungen Schmidt-Häuers im Einklang stehen. Er vermutet, daß der retardierende Einfluß der (alten) gewachsenen Ordnung in den ost- und südosteuropäischen Transformationsländern stärker sei als in den mitteleuropäischen. In diesem Zusammenhang mißt er dem Rechtssystem und der Tatsache, daß dessen Festigkeit und Wirksamkeit „ein Mindestmaß an moralischen Bindungen voraussetzen), die sich ihrerseits weder dekretieren noch erzwingen lassen", entscheidende Bedeutung bei (Leipold 1997, S. 60, Hervorhebungen von mir). Nach seiner Auffassung hängen die unterschiedlichen, offenbar eindeutig Strategie-unabhängigen Transformationserfolge zwischen den mittel- und ost- bzw. südosteuropäischen Ländern mit den „deutlichen länderspezifischen Unterschiede(n) im Tempo und Umfang der rechtlichen Instabilitäten" zusammen (ebd., S. 62; Hervorhebungen von mir), deren Ursachen wiederum weit in die Geschichte zurückreichten. Leipold stellt insoweit,pfadabhängige Unterschiede (...) in der Idee und Qualität des Rechts" zwischen Ost und West bzw. zwischen ost- und südosteuropäischen Transformationsländern auf der einen und mittel(ost)europäischen (Transformations-)Ländern auf der anderen Seite fest (ebd., S. 63). Diese wirkten bis heute nach und schlügen sich in den aktuellen Transformations(miß)erfolgen nieder: „In den mitteleuropäischen Ländern gelang es relativ schnell, die transitorischen Instabilitäten aufzufangen und einigermaßen verläßliche Rechtsverhältnisse zu etablieren, während in den ost- und südosteuropäischen Ländern nach wie vor erhebliche Defizite an Rechtsstaatlichkeit bestehen. Die unterschiedlichen Rechtsverhältnisse finden ihr Spiegelbild in den unterschiedlichen wirtschaftlichen Ergebnissen" (ebd.). Den historischen Wurzeln dieser Defizite an Rechtsstaatlichkeit nachspürend, verweist Leipold (1997a, S. 63) beispielsweise darauf, daß es „weder im oströmischen Reich noch im zaristischen Rußland ein Nebeneinander von kirchlicher und staatlicher Gewalt" gab. Dies war in West- bzw. Mitteleuropa anders, man denke etwa nur an den Investiturstreit. 134 Entsprechend heißt es bei Leipold
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Vgl. in diesem Sinne etwa auch Brockmeier, Thomas: Außerökonomische Einflußfaktoren des Transformations(miß)erfolges in Rußland (Manuskript), ursprgl.: Korreferat zu Peterhoff (1994). Vgl. ferner den sehr aufschlußreichen Beitrag von Pfeiler (1993). Dort heißt
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(ebd.): „In den mitteleuropäischen Reformländern existierten offenbar noch Restbestände der jahrhundertelang gewachsenen Rechtstradition, die für die aktuelle Reformpolitik aktiviert werden konnten. (...). Die für den westeuropäischen Sonderweg wohl entscheidende Weichenstellung erfolgte durch die päpstliche Revolution im 11 .Jahrhundert, welche die Trennung zwischen kirchlicher und weltlich-staatlicher Macht einleitete (s.o., T.B.,...). Die Trennung zwischen Kirche und Staat und die Verweltlichung der staatlichen Herrschaft bahnten den Pfad für die Herrschaft durch das Recht und die Unterstellung des Staates durch das Recht. Dieser Pfad führte über Umwege zur Autonomie der Wissenschaft, zur Aufklärung und schließlich zum demokratischen Rechtsstaat und zur Marktwirtschaft." 135 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, daß die Rechts- und Wirtschaftsentwicklung der ost- und südosteuropäischen Länder einen anderen Verlaufnahm, gab es doch dort, wie Leipold (1997a, S. 63/64) betont, schließlich „keine zu Westeuropa vergleichbaren Entfaltungsräume für bürgerliche Freiheiten, für freie Städte, für autonome Wissenschaften, für Aufklärung und für Rechtsstaatlichkeit. (...). Vor allem blieb die systematische Entwicklung des Rechtssystems auf der Strekke". Leipold (ebd., S. 64) weist femer darauf hin, daß das grundlegende Manko der „Unterentwicklung des Rechts und die über Jahrhunderte bestehende Dominanz des Macht- oder Befehlsprinzips gegenüber dem Rechtsprinzip" durch „die kommunistische Diktatur (...) nicht behoben, sondern eher verschärft (wurde)." In dieser Hinsicht haben die ost- und südosteuropäischen Länder also mit einem in zweifacher Weise belastenden Erbe zu kämpfen, während die mitteleuropäischen Länder zum Teil auf eine zwar vor mehreren Jahrzehnten gewaltsam verschüttete, aber doch zumindest noch in Rudimenten vorhandene rechtsstaatliche Substanz zurückgreifen können. Die Vorstellung einer Art kulturbedingter, ökonomisch relevanter Grenzlinie zwischen dem von Rom aus christianisierten Teil Mittel- und Westeuropas auf der einen und dem unter byzantinisch-orthodoxem Einfluß stehenden Teil Ost- und Südosteuropas auf der anderen Seite ist keineswegs neu. Anders als in Max Webers (1920) berühmter (und bis heute kontrovers diskutierter) Studie wird hier jedoch nicht davon ausgegangen, daß die Religion selbst entscheidenden Einfluß auf den wirtschaftlichen Erfolg ausübt. Vielmehr wird die jeweilige Religions- bzw. Kirchenzugehörigkeit lediglich als Indikator benutzt, um auf grundlegende Unterschiede in der geschichtlichen Entwicklung zu schließen, die letztlich zu der kulturellen Grenzlinie gefuhrt haben (vgl. auch Panther 1997, S. 96). Gerade vor dem Hintergrund der Bedeutung informeller Institu-
es u.a. (S. 19): „Einen Konflikt zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt, wie ihn das abendländische Europa im 11. und 12.Jahrhundert erlebte, hat es in Rußland nicht gegeben. (...). Aus orthodoxer Sicht gab es eine Einheit, ein und denselben Geist bei Zar und Patriarch. Das Weltbild fiel nicht auseinander in eine weltliche und eine geistige Sphäre. Imperium und Sacerdotium bildeten einen einheitlichen staatlich-kirchlichen Organismus. Darauf gründete sich auch der Anspruch auf die Einheit des Herrschaftsgebietes und der Christenheit.". Ganz ähnlich weist auch Teckenberg (1993, S. 86) hin auf „das opportunistische Arrangement der orthodoxen Kirche mit den jeweiligen Machthabern. Die schon immer auf eine der Ideologie verwandte Teleologie angewiesene orthodoxe Kirche (war und) ist weit davon entfernt, politisch oppositionelle Gruppen zu binden, wie dies (etwa) für die katholische Kirche in Polen und die protestantische in der DDR galt." 135
Vgl. in diesem Sinne femer Jones (1981) sowie Leipold (1997).
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tionen scheint mir der Versuch Leipolds, diese Grenzlinie bzw. deren Entstehungsgeschichte in die Erklärung des o.g. „Regional-Gefälles" der bisherigen Transformationserfolge verschiedener Länder(gruppen) einzubringen, außerordentlich begrüßenswert, tendieren Ökonomen doch meist dazu, ausschließlich ökonomische Faktoren im engeren Sinne (Ressourcenausstattung, Nähe zu nationalen und internationalen Absatzmärkten etc.) sowie formelle Institutionen (stabile Rechtsordnung mit Privateigentum, Vertragsfreiheit und unabhängiger Gerichtsbarkeit, funktionierende Verwaltung etc.) für den Transformationserfolg verantwortlich zu machen. Einen ähnlichen Versuch wie Leipold unternimmt beispielsweise Panther (1997) der uns auch über den ungefähren Verlauf der unterstellten Grenzlinie aufklärt: „The line suggested runs roughly between Estonia, Latvia, Lithuania, Poland, Slovakia, Hungary and Croatia in the West and Russia, Belarus, Ukraine, Romania and Serbia cum Montenegro in the East." 136 Auch Panther betont die im Verlauf dieser Arbeit bereits mehrfach hervorgehobene Relevanz informeller Institutionen: „Up to now, (...) in the transition process (...) establishing the institutional framework guaranteeing stable property rights and enforceable contracts (...) have been considered as (...) decisive. However, the formal institutional framework even in modern societies does not present the total picture. It would do so, only if it were possible to specify and enforce an all-encompassing set of property rights perfectly, and, building on this, specify and enforce contracts perfectly. The world we live in, however, knows only incompletely specified and enforced property rights and contracts. (...Hence, T.B.) the culture of a society becomes an important factor codetermining economic and political performance (...)" (Panther 1997, S. 96/97; Hervorhebungen von mir). Panthers Beitrag ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil er sich hier offenbar einer transaktionskostenorientierten Argumentation bedient: In einer Welt ohne Transaktionskosten könnte von einer perfekten Koordination über den Markt ausgegangen werden, Unternehmen wären überflüssig (vgl. hierzu ursprgl. Coase 1937); unter einer solchen Prämisse wären auch „negative (sprich: transaktionskostenverursachende, T.B.) kulturbedingte Einflüsse" auf das Marktergebnis a priori ausgeschlossen. Die reale Welt marktwirtschaftlicher Ordnungen entspricht zwar diesen Idealbedingungen nicht, dennoch liefern diese Ordnungen relativ gute ökonomische Ergebnisse. Dies kann und wird nicht nur damit zusammenhängen, daß diese Ordnungen i.d.R. auf einem „passenden" Fundament informeller Institutionen ruhen (freilich nicht im statischen Sinne), sondern auch damit, daß die Menschen darüber hinaus innerhalb des von den formellen Institutionen dieser Ordnungen aufgespannten Rahmens weitere Institutionen - hier etwa im Sinne der Lachmannschen „inneren Institutionen" - entwickeln, die die Nachteile der unvermeidbaren „formellen Imperfektion" ausgleichen helfen. Beispiele fur diese Arten informeller Institutionen, auf denen einerseits die formellen Institutionen ruhen (die
136 x-pjjg countries west of this line are predominantly Roman-Catholic or Protestant. Before the reformation they had all been Roman-Catholic, constituting the area of Latin Christianity. This is the rationale for the use of the shorthand 'Latin' to denote the countries in this group (...). The countries east of the above line as far as they are geographically part of Europe were belonging to the Orthodox branch of Christianity" (Panther 1997, S. 95/96).
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mithin so etwas wie deren „moralischen Unterbau" darstellen) und die andererseits erst innerhalb dieses von den formellen Institutionen aufgespannten Rahmens entstehen, wären etwa der während der Aufklärung geprägte Grundsatz „pacta sunt servanda" sowie der Grundsatz von „Treu' und Glauben". Ohne solche im Laufe der Zeit von den Menschen gleichsam „verinnerlichte" Grundsätze wäre nicht nur das Instrument der Vertragsfreiheit weitgehend wertlos, sondern ein funktionierender Geschäftsverkehr wäre angesichts der unvermeidlichen Schwäche notwendig unvollkommener Verträge schlechterdings unmöglich, und Institutionen wie etwa das Termingeschäft oder die Börse wären undenkbar. Vor diesem Hintergrund gilt es nun, mit Blick auf die aktuelle Systemtransformation folgende Besonderheiten zu beachten: Zum einen ist in einer solchen Situation des plötzlichen Umbruchs von einer größeren Unsicherheit und einem höheren Risiko wirtschaftlicher Tätigkeit auszugehen, die Transaktionskosten steigen sprunghaft (vgl. Röpke 1992, S. 15). In verallgemeinernder Form ließe sich also argumentieren, daß die Kosten der Marktnutzung fur die Menschen in den Transformationsländern - insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses - höher sind als in bereits etablierten Marktwirtschaften (dies wurde bereits an früherer Stelle betont). Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive wäre es nicht nur wichtig, schnellstmöglich „gute" formelle Institutionen aufzubauen, sondern es wäre ferner außerordentlich hilfreich, über entsprechende informelle Institutionen zu verfügen, die a) als „Fundament" und b) als „Komplement" der neuen formellen Institutionen fungieren könnten. Und um die Voraussetzungen dafür ist es in den zentralosteuropäischen Transformationsländern besser bestellt als in den ost- und südosteuropäischen, sind letztere doch durch eine Art „kulturelles Erbe" in Gestalt bestimmter informeller Institutionen besonders belastet. Gerade dies haben die mit der These von der Existenz eines institutionellen Interregnums bestens korrespondierenden Ausführungen Panthers und auch Leipolds deutlich gemacht. In manchen Ländern stehen bestimmte Wertvorstellungen, Normen, Sitten und Gebräuche, Verhaltensgewohnheiten etc., die im Laufe eines längeren Entwicklungsprozesses in historischer Zeit geprägt und gefestigt wurden, sowohl der Einführung als auch der Wirksamkeit der Grundelemente einer marktwirtschaftlichen Ordnung in besonderer Weise entgegen. Als Beispiel für einen solchen, der erfolgreichen Transformation gerade in Ländern Ost- und Südosteuropas entgegenstehenden Umstand wurde bereits mehrfach auf die dort fehlende Rechtstradition bzw. das kaum vorhandene Rechtsbewußtsein hingewiesen. Eine Reihe von Autoren hat dieses Problem am Beispiel Rußlands ausführlich erläutert - insbesondere Schmidt-Häuer, aber auch Peterhoff und Leipold wurden bereits erwähnt. Im folgenden wollen wir noch zwei weitere Autoren ausführlich zu Wort kommen lassen. Dabei mögen gewisse Überschneidungen und Wiederholungen auftreten, diese sind jedoch m.E. in Kauf zu nehmen und letztlich unvermeidlich, wenn insgesamt ein ,Rundes Bild" gezeichnet und bestimmte Kernsätze nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden sollen. So heißt es etwa bei Pfeiler (1993, S. 23): „Die Sowjetunion und überhaupt die gesamte russische Kultur war davon gekennzeichnet, daß sich in diesem Reiche niemals eine eigene Rechtskultur so wie in West- und Mitteleuropa entwickelt hatte. Deshalb ist es dort eher eine Selbstverständlichkeit, daß geschriebenes Recht nicht ohne weiteres auch angewendetes Recht sein muß. (...). Rechtsprechung und das Gerichtswesen (sind) unterentwickelt. Die Rechtsnormen sind unpräzise, unvoll-
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ständig und unbestimmt. Die Verwaltung hat einen extrem hohen Ermessensspielraum. Weite Bereiche werden statt durch Gesetze durch Verwaltungsvorschriften geregelt, die den Bürgern nicht zugänglich sind. (...). Die Rechtsstaatswidrigkeit der bisherigen sowjetischen Staatsordnung war so von den folgenden vier Momenten gekennzeichnet: a) Gewalteneinheit, b) einem Verwaltungsregime politischer Zweckmäßigkeit, c) Schutzlosigkeit der Bürgerrechte und d) Abhängigkeit und Parteilichkeit der Gerichte" (Hervorhebungen von mir). Pfeilers Schlußfolgerungen für die Transformation fallen entsprechend ernüchternd aus: Entgegen manchen anfänglichen Erwartungen sind die Aussichten, einen Rechtsstaat aufzubauen und zu verwirklichen, kurz- und mittelfristig gering. Und das liegt nicht einmal am fehlenden Wollen der politischen Führung, sondern an den fehlenden Traditionen, der fehlenden Kultur von Rechtsstaatlichkeit. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die von den Zaren praktizierte Selbstherrschaft und die in der Sowjetunion praktizierte 'fuhrende Rolle der KPdSU' nur geringfügig" (ebd., Hervorhebungen von mir). 137 Ähnliche Ausfuhrungen finden wir etwa bei Teckenberg (1993, S. 79-81), dessen Rückblick und aktuelle Zustandsbeschreibung der „russischen Realität" hier ebenfalls ausführlich wiedergegeben werden, da sie noch einige weitere Faktoren enthalten, die die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Rußlands (sowie einiger anderer ost- bzw. südosteuropäischer Länder) gleichsam pfadabhängig geprägt haben: „ Vom Zarenreich nach kurzer Interimsphase des Parlamentarismus direkt in 70 Jahre Sozialismus zu münden, hat eine tiefgreifendere Prägung der gesellschaftlichen Institutionen und des Selbstverständnisses der Bevölkerung bewirkt als in den ehemals demokratischen Anrainerstaaten. Hinzu kommt noch die Abschaffung sämtlicher Formen des landwirtschaftlichen Privatbesitzes, des Kleinbürgertums und des privaten Handels unter Stalin zu Anfang der dreißiger Jahre, die in dieser Radikalität in den mittelosteuropäischen Staaten, vor allem in Polen und Ungarn, nicht stattgefunden hat. (...). Des weiteren sind für die konkreten Orientierungen und Verhaltensweisen im Alltag (...) immer noch die (...) für den Sowjetsozialismus typischen Organisationsformen, Institutionen und durch sozio-ökonomische Lagen bestimmten Erwartungshaltungen relevant. (...Es) bleiben alte Vorstellungen einer instrumenteilen Gestaltbarkeit der Gesellschaft \on oben ' virulent (...). Jene Verfahrensmechanismen sind weit entfernt von einem Verständnis, wonach sich Wirtschaft als das freie Spiel der Kräfte formiert und die Kooperation unter rational kalkulierenden Egoisten letztlich zu einer organischen Verflechtung der Wirtschaftsgesellschaftßhrt. (...). Der paternalistische Staat hat jahrelang weiten Teilen der Bevölkerung ein niedriges, aber auskömmliches Lebensniveau garantiert, das man als Gleichheit in relativer Armut charakterisieren kann. (...). Russische Kultur und Sozialismusdeutungen sind ein Amalgam eingegangen, dessen Kollektivismus dem Ethos russischer Bauerngemeinden, dem Mir, oder feudalen städtischen (heute eher: betrieblichen) Vergemeinschaftungen verwandter ist als der funktionalen Ausdifferenzierung moderner Industriegesellschaften. Die Gerechtigkeitsvorstellungen sind ebenfalls den kollektivistischen egalitären Normen verpflichtet und individuelle Abweichungen von diesen Normen werden als Bedrohung empfunden" (Hervorhebungen von mir)
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Vgl. hierzu ferner ausfuhrlich Luchterhandt (1990, insbes. S. 6-14).
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Es versteht sich von selbst, daß unter solchen Bedingungen keine „Innovationsoffensive" erwartet werden kann: Wie dargelegt, bedeutet eine Innovation stets eine Abweichung von der Norm. Wird eine solche Abweichung jedoch vom relevanten gesellschaftlichen Umfeld nicht goutiert bzw. gar massiv negativ sanktioniert, so ist davon auszugehen, daß sie selbst dann unterbleiben wird, wenn die neuen formellen Institutionen wie etwa das Rechtssystem ihr prinzipiell nicht mehr entgegenstehen. Doch selbst das hat beispielsweise in Rußland länger gedauert als in anderem Ländern: Klaus von Beyme (1994) hat einmal von einer „Zuteilungsgesellschaft" gesprochen, in der bestimmte Ansprüche Gegenstand materiellen Rechts, mithin juristisch festgeschrieben waren (vgl. auch von Beyme 1991). Diese Ansprüche, die in unterschiedlichen Elementen der formellen Institutionen festgeschrieben waren (in der Verfassung, in Kollektivverträgen auf Betriebsebene oder auch im faktisch als Bestandteil des materiellen Rechts geltenden Parteiprogramm), wurden mit Beginn des Transformationsprozesses erst nach und nach „formell getilgt", einige bestehen auch heute noch.138 Die Folgen dieses historischen Erbes sind unübersehbar. So heißt es etwa bei Teckenberg (1993, S. 81/82): „Das Beharren auf langjährigen Privilegien, das Anspruchsdenken und die Forderungen verschiedener Berufsgruppen und Stände, das Berechtigungswesen je nach Rang, Wirtschaftssektor oder politisch definierter gesellschaftlicher Bedeutsamkeit werfen heute große Probleme der Interessenvermittlung auf, zumal geeignete Institutionen zu deren Kanalisierung - insbesondere im ökonomischen Bereich - noch fehlen." Doch selbst wenn man diese formellen Hindemisse - so wie etwa im Falle des Beitritts der früheren DDR zur Bundesrepublik - gleichsam uno actu hätte beseitigen und neue Spielregeln einfuhren können, die Akteure bzw. Spieler hätte man schließlich nicht auswechseln können. Ihre innerhalb des alten Systems gebildeten und von diesem maßgeblich geprägten Einstellungen, Erwartungen und Gewohnheiten hätten dennoch nachgewirkt und wären zunächst weiterhin verhaltensprägend geblieben. Unter diesen Umständen können, wie wiederum Teckenberg (1993, S. 82/83) zutreffend feststellt, „keine Vorstellungen von wirtschaftlicher Effizienz aufkommen und besonders auf der Ebene der Betriebsbelegschaften eher Vorstellungen über eine (weiterhin, T.B.) paternalistische Versorgung bei suboptimalem Arbeitseinsatz entstehen als eine unternehmerische Kultur und innovationsfreundliche Gesinnung." Dieses Problem stellte sich - insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses - im Grundsatz zwar sicherlich in allen postsozialistischen Ländern. Gleichwohl zeigte sich schon recht bald, daß die Lösung dieses Problems in den mitteleuropäischen und zentralosteuropäischen Ländern wie etwa Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik oder auch der früheren DDR (bei weitgehender Abstraktion von den Spezifika dieses Sonderfalls) offenbar schneller voranschritt als etwa in Rußland.
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Erwähnenswert ist allerdings, daß viele der in den materiellen Rechtsvorschriften festgeschriebenen Rechte und Ansprüche rein deklarativen Charakters sind, mithin formalrechtlich nicht eingeklagt werden können. So macht etwa Pfeiler (1993, S. 22) darauf aufmerksam, daß dies insbesondere fur die sowjetischen Verfassungen gegolten habe, zu denen es vielfach „keine Ausfuhrungsgesetze und -bestimmungen" gegeben habe. Dies wiederum bestätigt einmal mehr die These von der fehlenden Rechtstradition und Rechtskultur.
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Als kurzes Zwischenfazit können wir an dieser Stelle folgendes festhalten: Zur Schaffung innovationsfreundlicher Handlungsrechte in den Transformationsländern bedarf es zunächst der Etablierung eines entsprechenden formellen Rechtssystems, das die Institution des Privateigentums grundsätzlich zuläßt sowie Vertragsfreiheit, Haftung etc. etabliert (darauf wird an späterer Stelle noch eingegangen werden). Es hat sich jedoch gezeigt, daß es um die Voraussetzungen für eine Etablierung einer solchen Rechtsordnung nicht in allen Transformationsländern gleich gut bestellt ist: Hier läßt sich ein ,Regionales Gefalle" im Rechtsbewußtsein und der Rechtskultur zwischen den mitteleuropäischen bzw. zentralosteuropäischen Transformationsländern auf der einen und den ost- bzw. südosteuropäischen Ländern auf der anderen Seite feststellen. Dessen Ursprung wird in der historisch gewachsenen Trennlinie vermutet, die - vereinfacht ausgedrückt - zwischen den in römischer Tradition stehenden bzw. von dieser geprägten Ländern auf der einen und den in byzantinischer Tradition stehenden auf der anderen Seite verläuft. Doch selbst wenn fehlende Rechtstradition und fehlendes Rechtsbewußtsein der Schaffung einer gänzlich neuen Rechtsordnung nicht entgegenstünden und diese gleichsam uno actu erfolgen könnte, bliebe darüber hinaus noch immer das Problem ihrer Anwendung und Wirksamkeit bestehen: Die neue Rechtsordnung muß von den Menschen akzeptiert und im besten Wortsinne praktiziert werden. Auch dies wiederum hängt nicht zuletzt vom in der Bevölkerung verwurzelten (Un-)Rechtsbewußtsein ab: Solange es nicht selbstverständlich ist, daß geschriebenes Recht auch angewendetes Recht zu sein hat, solange also keine Kongruenz zwischen de-jure-Gültigkeit und defacto-Gültigkeit formeller Rechtsvorschriften hergestellt ist, solange bleibt auch die beste Rechtsordnung Makulatur. Informelle Institutionen in Gestalt eines „ungeeigneten moralischen Unterbaus" können also nicht nur die Entstehung einer guten formellen Rechtsordnung „aus eigener Kraft" verhindern, sondern auch die Wirksamkeit einer solchen Ordnung im Falle einer Schaffung „von außen" massiv einschränken. In einem solchen Fall werden es dann ebenfalls informelle Regeln und Normen sein, die an die Stelle der fehlenden bzw. wirkungslosen formellen Institutionen treten und gleichsam ersatzweise Ordnungsfunktion übernehmen, wobei allerdings davon auszugehen ist, daß dies immer nur eine „Second-best-Lösung" sein kann. So sei noch einmal betont: Auch wenn es offenbar kein Patentrezept zur Etablierung einer neuen und faktisch wirksamen Rechtsordnung gibt, die entsprechende formelle Handlungsrechte festschreibt - eine Alternative zu einer solchen Rechtsordnung im Sinne einer formellen Verankerung privatwirtschaftlich-innovationsfreundlicher Handlungsrechte gibt es nicht, jedenfalls dann nicht, wenn eine marktwirtschaftliche Ordnung angestrebt werden soll. Wie bereits an früherer Stelle erläutert, wird es ohne die glaubhafte Vorgabe einer „grundsätzlich neuen Richtung" - die eben maßgeblich von einer entsprechenden Rechtsordnung abhängt bzw. nicht zuletzt durch diese dokumentiert wird - nicht gelingen, den Menschen die Bildung verläßlicher Erwartungen und die Reduktion von Unsicherheit zu ermöglichen. Die hier geforderte „ordnungspolitische Gesamtentscheidung" zieht also die Entscheidung für eine entsprechende Rechtsordnung zwingend nach sich.
2.1.3.2. Innovationsrelevante Fähigkeiten und Transformation Eingangs dieses Unterkapitels wurde bereits darauf hingewiesen, daß die einzelnen Ebenen bzw. „Filter" auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind. Dies läßt sich
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insbesondere am Z u s a m m e n h a n g zwischen den vorstehenden A u s f u h r u n g e n zu innovationsfreundlichen Handlungsrechten und dem nun zu erläuternden zweiten Filter innovativen Verhaltens verdeutlichen. Im Rahmen dieses Filters wurde zwischen innovationsrelevanten kognitiven und motivationalen K o m p e t e n z e n unterschieden. Zu ersteren sei hier zunächst angemerkt, daß das allgemeine Bildungs- und Ausbildungsniveau der meisten Transformationsländer Mittel- und Osteuropas, insbesondere in naturwissenschaftlichen Fächern und in Mathematik, dem der westlichen Länder in nichts nachsteht. Bedingt durch das herrschende System der Handlungsrechte konnte j e d o c h kaum jemand unternehmerische Kompentenz im Sinne praktischer Erfahrung mit privatwirtschaftlicher Aktivität im allgemeinen sowie mit innovativer unternehmerischer Aktivität im besonderen entwickeln. Allerdings zeigen empirische Untersuchungen in den Transformationsländem, daß diejenigen, die als Jungunternehmer „ins kalte Wasser" des Wettbewerbs springen, durchweg über ein hohes Ausbildungsniveau verfugen 1 3 9 ; insofern bestätigt sich auch hier die an früherer Stelle hervorgehobene positive Korrelation zwischen Innovationstätigkeit und Bildungs- bzw. Ausbildungsniveau. D a die Menschen über keinerlei Erfahrung darüber verfugen, wie m a n sich als Unternehmer in einem privatwirtschaftlichen, über Märkte koordinierten Wettbewerbssystem zu bewegen hat, und da sie aus verständlichen Gründen auch nicht auf ihre innerhalb des alten Systems entwickelten, weitgehend standardisierten Problemlösungsverfahren zurückgreifen können, läßt sich zunächst einmal grundsätzlich und allgemein folgendes feststellen: Die alte Routine der Menschen greift nicht mehr, sie ist innerhalb des neuen Systems weitgehend unbrauchbar und damit entwertet. Die Menschen sind gezwungen, während des Wandlungsprozesses, an dessen Ende einmal das neue System stehen soll, gleichsam „neue Routine" zu entwickeln. N u n hatten wir bereits festgestellt, daß innovatives Handeln stets eine Flucht aus der Routine bedeutet, insofern also verstärkt solche kognitiven Fähigkeiten von Bedeutung sind, die z u m „divergenten" Denken zählen (Intuition, Kreativität usw.). Z w a r ist davon auszugehen, daß diese Fähigkeiten grundsätzlich systemunabhängig unter den Menschen streuen, mithin also beispielsweise über die west-, mittel- und osteuropäischen Länder gleichverteilt sind. Indes gab es bekanntlich innerhalb des zentralverwaltungswirtschaftlichen Systems wenig Möglichkeiten, diese Fähigkeiten im wirtschaftlichen Alltag auszuleben. 1 4 0 Andererseits ist - worauf
139
Vgl. beispielhaft etwa die Ergebnisse der vom „Russischen Unabhängigen Institut für nationale und soziale Probleme" (RUFI) durchgeführten Untersuchungen: Nach Angaben seines stellvertretenden Direktors haben die Umfragen dieses Instituts gezeigt, „daß (...) das Bildungsniveau der befragten Unternehmer weit über dem Durchschnitt der erwerbstätigen Bevölkerung insgesamt liegt und etwa dem der oberen Managementebene in Staatsbetrieben entspricht" (Tschepurenko 1995, S. 38). An dieser Stelle sei angemerkt, daß das in diesem Zusammenhang bisweilen vorgebrachte Argument nicht überzeugt, die Menschen in den real-sozialistischen Wirtschaftssystemen wären allein schon wegen der schlechten Rahmenbedingungen der „Mangelwirtschaft" förmlich dazu gezwungen gewesen, wahre Improvisationskünstler zu werden, und insoweit sei im Grunde stets Phantasie, Kreativität und Spontaneität gefordert gewesen. Dieses Argument halte ich deshalb nicht fur brauchbar, weil das „Improvisationstalent" bzw. entsprechende Anstrengungen im o.g. Sinne stets auf ein mehr oder weniger klar umrissenes Ziel ausgerichtet war(en): Der äußere Rahmen war gesetzt, das jeweilige Problem wohl-
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etwa Schumpeter
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und Heuß
a u f m e r k s a m gemacht haben - davon auszugehen, daß
schöpferisch-innovative Untemehmerpersönlichkeiten grundsätzlich dünn gesät sind, so daß der o.g. Hinweis auf die der Zentralverwaltungswirtschaft immanente Kreativitätsund Innovationssperre im Hinblick auf deren Bedeutung als mögliches „Präjudiz" für einen besonders eklatanten Mangel an schöpferischen Unternehmern in den postsozialistischen Ländern relativiert wird. Mit diesen skizzenhaften A u s f u h r u n g e n zu den innovationsrelevanten kognitiven
Fähigkeiten im R a h m e n der Transformation m ö g e es
hier sein B e w e n d e n haben; wenden wir uns nun den motivationalen
Fähigkeiten zu:
Wie ausführlich erläutert, spielt bei der motivationalen K o m p e t e n z das von Psychologen wie McClelland, Heckhausen et al. betonte sog. „Leistungsmotiv" eine entscheidende Rolle. Hier scheint nun auf den ersten Blick ein Widerspruch zu einigen der o.g. Feststellungen zu bestehen: So haben die genannten Autoren im R a h m e n der „modernen Leistungsmotivationstheorie den Z u s a m m e n h a n g zwischen durch Erziehung vermittelten Werthaltungen und Leistungsstreben, als einem Schlüsselmotiv unternehmerischen Handelns, zu präzisieren versucht" (Röpke 1983, S. 131). Damit wird im Grunde auf der berühmten (bis heute umstrittenen) These Max Webers aufgebaut, so daß die weiter oben beschriebene Vermutung von der gleichsam „universalen Gültigkeit" des Leistungsmotivs in Frage gestellt zu sein scheint. Indes ist zu beachten, daß - wie bereits an früherer Stelle betont - diese durch j ü n g e r e Forschungsergebnisse gestützte Vermutung sich eben nicht notwendig auf den ökonomischen Bereich beziehen muß. Die Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs gelingt also schlicht durch den Hinweis darauf, daß sich die - unbeschadet kultureller Unterschiede - in jeder Gesellschaft vorhandenen leistungsmotivierten M e n s c h e n unterschiedlichen Aufgabenbereichen zuwenden (können): Ob diese Menschen sich nun verstärkt d e m Sport, den schönen Künsten, der Politik, der Wissenschaft oder der Ö k o n o m i e bzw. unternehmerischer Betätigung zuwenden werden, dies wiederum hängt freilich durchaus in starkem M a ß e vom jeweiligen „kulturellen U m f e l d " ab. 141 So ist also davon auszugehen, daß es in den Transformati-
definiert („well-structured", s.o.), die Entscheidungssituation mithin alles andere als komplex. Eben dies ist jedoch - wie hinlänglich erläutert - im Falle von „echten Innovationsentscheidungen" grundlegend anders. 141
Auf diesen Umstand hat - neben anderen - auch Heuß (1965, S. 12/13) ausdrücklich hingewiesen; mit Blick auf den Typ des „schöpferischen" Unternehmers Schumpeterscher Prägung heißt es dort: „Wie die abendländische Geschichte zeigt, haben bis in die Neuzeit hinein die initiativen Köpfe ihre Entfaltung weniger in der Wirtschaft als in anderen Lebensbereichen gesucht. Dafür ist vor allem das niedrige soziale Prestige verantwortlich zu machen, welches die ökonomische Betätigung früher besaß (...). Erst der mit der Renaissance einsetzende Säkularisierungsprozeß hat schrittweise eine Wandlung in der Wertschätzung der wirtschaftlichen Betätigung gebracht. Mit dem Vordringen des ökonomischen Prestiges (...) gewinnt aber dieser Bereich an Anziehungskraft fur diejenigen, denen es (...) um den Erfolg des Erfolges wegen geht (...). Hieraus ergibt sich, daß in einer säkularisierten Welt (...), wie siefìir den größten Teil des Westens zutrifft, der Fonds an Pioniertypen zum großen Teil der ökonomischen Sphäre zugute kommt, (d.h., T.B.) weit mehr initiative Kräfte dem ökonomischen Bereich zuströmen als in einer Welt, in der Kirche, Militär, Staat und Politik den überwiegenden Teil davon absorbieren (Hervorhebungen von mir)." Vor diesem Hintergrund sei noch eine kurze Anmerkung gestattet: Mir scheint, als habe etwa Hofstede (1980, S. 171) die o.g. Zusammenhänge übersehen, als er - in einer im übrigen hochinteressanten Arbeit - ausdrücklich bezweifelte, „ob McClellands Lei-
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onsländern zwar grundsätzlich ebensoviele leistungsmotivierte Menschen im o.g. Sinne gibt wie etwa in Westeuropa oder auch Nordamerika. Weiterhin darf sicherlich davon ausgegangen werden, daß sich nach dem Zusammenbruch der von Einparteienherrschaft sowie zentraler Planung und Lenkung geprägten realsozialistischen Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme viele dieser Menschen dem Bereich der Ökonomie bzw. unternehmerischer Betätigung werden zuwenden wollen, der ihnen zuvor als geeignetes „Tummelfeld" zum Ausleben und zur Aktualisierung ihres Leistungsmotivs versperrt war. Indes läßt die von Max Weber (freilich in gewisser Verengung auf religiöse Werte) ausdrücklich behauptete und etwa von Heuß, Leipold, Panther, Pfeiler, Teckenberg und anderen in einen allgemeineren Zusammenhang gestellte sowie empirisch erhärtete These einer „Interaktion von Kultur und Kompetenz" (J. Röpke) erwarten, daß sich Tempo und Ausmaß der Ausbreitung privat-unternehmerischer Tätigkeit in den einzelnen Transformationsländern unterscheiden werden. Zwar lassen sich dafür durchaus auch sichtbare" Defizite als Ursachen ausmachen: In diesem Zusammenhang wäre insbesondere an unzureichende formelle Rahmenbedingungen unternehmerischer Tätigkeit wie etwa undurchsichtige oder gar gänzlich fehlende gesetzliche Grundlagen in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Konkursrecht, Handelsrecht etc. zu denken - eine Situation, die beispielsweise für Rußland seit Transformationsbeginn charakteristisch war und sich erst langsam bessert. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausfuhrungen zur Bedeutung kulturbedingter informeller Institutionen sowie der bisherigen empirischen Ergebnisse zu den Transformationsfortschritten der verschiedenen Ländergruppen (mitteleuropäische und zentralosteuropäische sowie ost- und südosteuropäische Transformationsländer) liegt allerdings der Schluß nahe, daß es sich bei diesen „sichtbaren" Problemen im Bereich der (formellen) institutionellen Erneuerung sowohl um die Ursache als auch um die Wirkung bestimmter Probleme zugleich handelt: So ist etwa in der noch immer undurchsichtigen und wenig stabilen russischen Rechtsordnung einerseits zweifelsohne eine wesentliche Ursache für die nach wie vor unzureichende privatwirtschaftlich-unternehmerische Dynamik zu sehen. Andererseits jedoch kommt in dieser Instabilität des formellen Institutionengefüges - wie eingehend erläutert - durchaus auch die „kulturbedingte" spezifische Schwäche des entsprechenden Unterbaus in Gestalt bestimmter informeller Institutionen zum Ausdruck; mithin läßt sich der instabile äußere Rechtsrahmen auch als Wirkung einer gleichsam tieferliegenden Ursache verstehen. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, daß es auch in Rußland mittlerweile durchaus Anzeichen einer Veränderung gibt. So ist etwa ein langsamer Wertewandel in weiten Teilen der Bevölkerung zu verzeichnen: Traditionelle Werte wie das insbesondere ökonomische Unterschiede nivellierende sozialistische Gleichheitsideal rücken mit fortschreitender Dauer des Transformationsprozesses zunehmend in den Hintergrund, während andere Ziele wie etwa das Streben nach einer interessanten Arbeit oder auch „schlicht" nach materiellem Wohlstand an Bedeutung gewinnen. 142 Die Bedeutung ei-
stungsmotiv als ein universales Modell für den wirtschaftlichen Erfolg von Ländern angeboten werden sollte." Weiter heißt es kritisch: ,McClelland, ein Amerikaner, hat einen typisch angloamerikanischen Wertekomplex beschrieben (...)." 142
Dies berichtete beispielsweise Dr. Alexander Tschepurenko, stellvertretender Direktor des „Russischen Unabhängigen Instituts für soziale und nationale Probleme" (Moskau), im Rahmen eines Vortrages, den er im Juni 1997 in Marburg hielt.
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nes solchen Wertewandels für den Abbau von Innovationshemmnissen bzw. für die Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen unternehmerischer Tätigkeit kann kaum überschätzt werden 143 , hatten wir doch im vorigen Abschnitt gesehen, daß insbesondere in den ost- und südosteuropäischen Transformationsländern (auch) die informellen Institutionen derzeit überwiegend noch nicht als sehr innovationsfreundlich angesehen werden können. 2.1.3.3. Innovationsaktivierende Umweltherausforderungen und Transformation Es wurde dargelegt, daß innovatives Verhalten von entsprechend lei stungsmo ti vierten Individuen dann erwartet werden kann, wenn die Innovation für sie eine Aufgabe mittleren Schwierigkeitsgrades, d.h., die obwaltende „Innovationsumwelt" einen für sie optimalen Herausforderungsgrad darstellt. Es versteht sich von selbst, daß der Grad der Herausforderung, als den ein potentieller Innovator die ihn umgebende Umwelt empfindet, nicht unabhängig von dessen individuellen Fähigkeiten beurteilt werden kann. Zumindest leuchtet dies unmittelbar ein, wenn man - wie in der vorliegenden Arbeit - nicht nur mit einem, sondern mit mehreren Unternehmertypen operieren will. Eben dies hebt etwa auch Fehl (1987, S. 25/26) zu Recht hervor, daß „verschiedene Typen leistungsmotivierter Unternehmer lediglich in Abhängigkeit vom Kompetenz-Niveau gebildet werden (können...). Zur Typenbildung ist nur die explizite Annahme nötig, daß es tatsächlich leistungsmotivierte Personen mit unterschiedlichem Kompetenz-Niveau gibt. (...). Leistungsmotivierte Personen mit außerordentlicher, das heißt weit überdurchschnittlicher, Kompetenz werden einen mittleren Schwierigkeitsgrad in solchen Aufgaben erblicken, die Personen mit leicht überdurchschnittlicher bis durchschnittlicher Kompetenz für sich als bereits zu schwierig einstufen." Auch wenn insgesamt mehrere Unternehmertypen behandelt werden, soll die Betrachtung in diesem Abschnitt jedoch zunächst auf einen (bestimmten) Untemehmertypus konzentriert werden: den schöpferisch-innovativen Unternehmer im Sinne Schumpeters, den wir annahmegemäß als leistungsmotivierten Menschen mit außerordentlicher Kompetenz einstufen wollen. Nehmen wir für die beiden der Umweltherausforderung gleichsam „vorgeschalteten Filter" einmal günstige Voraussetzungen an, d.h., gehen wir einmal von der (für manche Transformationsländer gewiß heroischen) Annahme aus, daß zum einen sowohl die formellen als auch die informellen Handlungsrechtsstrukturen bereits innovationsfreundlich ausgestaltet seien und daß zum anderen eine hinreichend große Anzahl von Menschen über
143
Nun mag manche/r zu bedenken geben, daß doch wohl angesichts der hohen Kriminalitätsrate, insbesondere im Bereich der sog. „organisierten" Kriminalität (die ja schließlich auch mit dem „Streben nach materiellem Wohlstand" zusammenhänge) und anderer negativer Auswüchse wenig Anlaß bestünde, in Jubel über einen „pro-materiellen" bzw. „proökonomischen" Wertewandel in den ehemals sozialistischen Ländern auszubrechen. Diese Art von „Streben" hat indes nichts gemein mit dem wohlverstandenen Interesse an materiellem Wohlstand, das hier angesprochen ist: Es geht um nichts anderes als das zarte Pflänzchen des zunehmend spürbarer werdenden Interesses bzw. Willens der Menschen, durch eigene Aktivität und Leistung ihren Lebensunterhalt zu verdienen und zu („bescheidenem") Wohlstand zu gelangen. Dies (und nur dies) ist gemeint und zu begrüßen - unbeschadet der bedauerlichen und gerade auch im Rahmen dieser Arbeit beklagten Tatsache, daß es insbesondere in Rußland um die Rahmenbedingungen für die Umsetzung solcher Ziele derzeit (noch) alles andere als gut bestellt ist.
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die kognitiven und motivationalen Kompetenzen zu innovativer unternehmerischer Tätigkeit verfüge. Könnte unter diesen Voraussetzungen in den Transformationsländem mit einer „Innovationsoffensive" gerechnet werden? Diese Frage wäre bekanntlich dann zu bejahen, wenn das „Transformationsumfeld" für den potentiellen Innovator einen optimalen Herausforderungsgrad darstellen, d.h., ihn mit mittelschweren Aufgaben konfrontieren würde. Wenngleich es selbstverständlich auch hier letztlich der subjektiven Beurteilung bzw. dem subjektiven Empfinden des jeweiligen b e t r o f f e n e n " überlassen und dem außenstehenden Beobachter insoweit verborgen bleiben muß, ob und unter welchen konkreten Umständen der Transformationsprozeß tatsächlich innovationsoptimale Umweltherausforderungen bereithält, kann m.E. durchaus auf einige gleichsam allgemein-gültige Zusammenhänge aufmerksam gemacht werden. Ein zweifellos sehr wichtiger Aspekt betrifft etwa die im engeren Sinne materiellen Voraussetzungen des Innovationsverhaltens, d.h., die finanziellen Mittel, über die ein potentieller Innovator verfügen kann - seien es nun eigene Finanzmittel oder entsprechende Möglichkeiten der Kreditfinanzierung. Freilich wird dieser Aspekt bei der in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zu Innovationsfragen weitverbreiteten groben Zweiteilung in limovationsbereitschafi einerseits und Innovations/aTi/gfe'/ andererseits üblicherweise unter letzterer „Rubrik" behandelt. Da in der vorliegenden Arbeit im Bereich der Innovationsfähigkeit jedoch dezidiert zwischen kognitiven und motivationalen Kompetenzen unterschieden wurde und der Aspekt der Ausstattung mit Finanzmitteln weder in der einen noch der anderen (zudem an die individuelle Persönlichkeit anknüpfenden) Kompetenzkategorie befriedigend „untergebracht" werden kann, erscheint es durchaus angebracht, das Problem der Innovationsfinanzierung dem Bereich der „Umweltherausforderungen" zuzuordnen. 144 In diesem Zusammenhang ist zunächst der grundlegende Umstand zu beachten, daß jede Innovation - als Abweichung von der Norm und Ausbrechen aus der Routine - nicht nur, wie an anderer Stelle bereits angedeutet, möglicherweise ein soziales, sondern immer auch ein ökonomisches Risiko bedeutet. Dieses grundsätzlich unvermeidbare neuerungsimmanente Risiko wird beispielsweise niemand eingehen, der im Falle eines Scheitems gleich mit dem Verlust seiner ökonomischen Existenz rechnen muß. Anders ausgedrückt: U m einen potentiellen Innovator, der sowohl über die formal-rechtliche und soziale Erlaubnis als auch persönlich über die individuellen kognitiven und motivationalen Fähigkeiten zur Innovation verfügt, tatsächlich zu innovativem Verhalten zu motivieren, bedarf es u.a. einer gewissen materiellen Mindestausstattung, um das mit jeder Neuerung verbundene Risiko eines Fehlschlags abzufedern und so die „Fehlerfreundlichkeit" des Innovationsverhaltens zu erhöhen: Empirische Untersuchungen in Ländern bzw. Gesellschaften der sog. Dritten Welt zeigen, daß das Handeln von am Rande des Subsistenzminimums lebenden Menschen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - durchweg von einer hohen Risikoaversion geprägt ist. Diese Risikoaversion ist freilich durchaus rational, gibt es doch keinen Grund, von einem Verhalten Abschied zu nehmen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit wenn auch keine wirtschaftliche Entwicklung, so doch zumindest das
144
Gleichwohl bin ich mir der Tatsache bewußt, daß eine solche Zuordnung letztlich immer in gewisser Weise willkürlich erscheinen muß. Dies allerdings verdeutlicht wiederum um so mehr, wie eng die einzelnen Ebenen bzw. Filter bisweilen miteinander verknüpft sind.
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Überleben sichert. In einer solchen Umgebung ist ein Verhalten gleichsam programmiert, das das Verharren in einem solchen Zustand der sog. „effizienten Armut" bewirkt {Röpke 1983, S. 139/140). Die Betonung der Notwendigkeit einer gewissen materiellen Mindestausstattung für potentielle Innovatoren klingt zunächst wie eine Banalität. In der Tat mag in der o.g. Feststellung zunächst insbesondere dann wenig mehr als ein Gemeinplatz gesehen werden, wenn man davon ausgeht, daß der Anteil leistungsmotivierter Individuen im hier verstandenen „pionier-unternehmerischen" Sinne an einer Grundgesamtheit von am Subsistenzminimum lebenden Menschen ohnehin verschwindend gering ist. Für die Richtigkeit dieser Vermutung mag manches sprechen, und in der Tat ist mit der Frage der Sicherung des materiellen Existenzminimums im Transformationsprozeß ein schwerwiegendes ökonomisches Problem angesprochen, das zur unmittelbaren Entschärfung zunächst eher einer sozialpolitischen denn einer im engeren Sinne „unternehmerischen" Lösung durch die Betroffenen selbst zu bedürfen scheint. Doch gerade auch der Aufbau eines sozialen Sicherungssystems erfordert erhebliche finanzielle Mittel. Und unabhängig von der jeweils gewählten Finanzierungsmethode eines entsprechenden Sozialversicherungssytems, d.h., unabhängig davon, welches Verfahren zur Versicherung der verschiedenen Risiken gewählt wird, ist in jedem Fall der von innovativem Unternehmertum voranzutreibende und zu tragende Aufbau eines leistungsfähigen privatwirtschaftlichen Sektors notwendig. Er ist sowohl eine unabdingbare Voraussetzung, um die kritische Masse potentieller Beitragszahler aufzubauen, die für ein Umlageverfahren nötig wären, als auch unverzichtbar, um hinreichende Einkommensmöglichkeiten für möglichst viele Menschen im Falle der Finanzierung via Kapitalisierungsverfahren zu schaffen. Hier schließt sich der (kleine) Kreis: Denn gerade zum Aufbau eines leistungsfähigen Privatsektors durch innovative Unternehmer bedarf es (ebenfalls) finanzieller Mittel. Hierzu sei - im (ausführlich zitierten) Originalwortlaut auf auf die berühmte Schumpeterschc These von der Notwendigkeit der Innovationsfinanzierung durch (Bank-)Kredite zurückgegriffen: 145 „Zur Durchsetzung der neuen Kombinationen bedarf es der Verfugung über Produktionsmittel. (...). (Wer) eine neue Kombination durchsetzen will, die nicht wie eine bestehende durch schon fließende Erträge finanziert werden kann, (ist gezwungen, T.B.,) Kredit in Geld oder Geldersatzmitteln aufzunehmen und dafür die nötigen Produktionsmittel zu kaufen. Diesen Kredit bereitzustellen ist offenbar die Funktion jener Kategorie von Wirtschaftssubjekten, die man 'Kapitalisten' nennt. (...). Das Problem des Abkommandierens der (...) Produktionsmittel aus dem Kreislauf und ihre Zuweisung an die neue Kombination (...) geschieht durch den Geldkredit, vermittelst dessen wer neue Kombinationen durchsetzen will, die Kreislaufproduzenten überbietet und ihnen die von ihm benötigten Produktionsmittelmengen entreißt. (...). Das bedeutet freilich nichts anderes, als daß das kapitalistische Kredit- bzw. Bankensystem selbst diejenigen neuen Kombinationen ermöglicht, die dann die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen, von der bzw. innerhalb derer nun die Banken selbst prosperieren und dann irgendwann auch die ihnen meist
145
Diese könnte man etwa als Schumpetersche „Sekundär-Hypothese" zur wirtschaftlichen Entwicklung bezeichnen (neben der „Primär-Hypothese", daß wirtschaftliche Entwicklung die Folge der Durchsetzung neuer Kombinationen durch schöpferische Unternehmer sei.).
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ausschließlich zugewiesene Funktion des Kreditvermittlers bzw. Katalysators wahrnehmen können. Der Bankier ist also nicht (...) in erster Linie Z w i s c h e n h ä n d l e r mit der Ware 'Kaufkraft', sondern vor allem P r o d u z e n t dieser Ware. (...). Er steht zwischen jenen, die neue Kombinationen durchsetzen wollen, und den Besitzern der Produktionsmittel. (...). Er ermöglicht die Durchsetzung der neuen Kombinationen, stellt gleichsam im Namen der Volkswirtschaft die Vollmacht aus, sie durchzufuhren. Er ist der Ephor der Verkehrswirtschaft (Schumpeter 1912/1993, S. 103-107 u. S. 110; Sperrschrift im Original, sonstige Hervorhebungen von mir). Meines Erachtens läßt sich auf diese These ungeachtet der mit ihr bzw. ihren theoriegeschichtlichen Hintergründen verbundenen Kontroverse über die Entstehungsgründe des Kapitalzinses zurückgreifen, die einst Schumpeter etwa mit Böhm-Bawerk ausfocht. Schließlich benötigen die Unternehmer zur Durchsetzung ihrer neuen Kombinationen Kaufkraft, unabhängig davon, ob dieser Kapitalbedarf nun durch „Kredit aus dem Nichts" (wie Schumpeter im Grunde unterstellt) oder aus zuvor gebildetem Sparvolumen bedient wird. Dennoch sei in aller Kürze auf diese Kontroverse eingegangen, in deren Mittelpunkt Schumpeters These stand, daß es in einer stationären Gleichgewichtswirtschaft keinen Zins gäbe (Böhm-Bawerks Auffassung wurde bereits eingangs dieses Kapitels in Grundzügen skizziert). Diese These beruht im wesentlichen auf zwei Annahmen: Schumpeter ging erstens davon aus, daß eine Minderschätzung zukünftiger Bedarfe und Güter für Wirtschaftssubjekte keinen Sinn ergäbe, die in einer Gleichgewichtswelt mit einem andauernden Einkommensstrom in stets gleicher Höhe rechnen könnten. Er nahm zweitens an, daß es in einer solchen Gleichgewichtswelt niemals sinnvolle Investitionsmöglichkeiten geben könne, die noch nicht wahrgenommen seien. Da alle (statischen) Erwartungen stets erfüllt würden, so Schumpeter (1911/1993, S. 47), hätten die Produzenten auch niemals eine Veranlassung, ihre Produktionsmethoden zu ändern: „Wenn die nötigen Mengen an Produktionsmitteln einmal vorhanden sind, wird ohne jedes Wählen diese Methode (- die ursprünglich einmal gewählte, T.B. -) immer wieder durchgeführt werden. (...). Ich mag wohl gegenwärtige Güter höher schätzen, wenn mir ihr Besitz mehr Güter als bisher für die Zukunft sichert. Ich werde das aber nicht mehr tun und meine Wertungen für Gegenwart und Zukunft müssen sich ausgleichen, wenn ich des ergiebigeren Güterstroms gewiß bin und meine Wirtschaft sich auf ihn eingerichtet hat. Vom Besitze von Gegenwartsgütern sind dann eben nicht 'mehr' Güter in der Zukunft abhängig." Ohne hier auf Details eingehen zu können, sei betont, daß Schumpeter sich hier offenbar in der engen Welt seiner eigenen Prämissen verfangen hat, ergeben doch seine Annahmen nur dann einen Sinn, wenn man keinen anderen Unternehmertypus als den Routine-Unternehmer (den „Wirt") zuläßt. Abstrahiert man jedoch von dieser idealtypischen Annahme, so kann man - ohne auf den Typus des schöpferischen Unternehmers zurückgreifen zu müssen - auch im „normalen" Wirtschaftskreislauf, d.h., auch ohne technischen Fortschritt (in Gestalt neuer und effizienterer Produktionsverfahren), davon ausgehen, daß es im Grunde stets, gleichsam unbegrenzt, profitable Investitionsmöglichkeiten gibt. Die entsprechende Nachfrage nach Kapital sorgt dann für einen positiven Kapitalzins. Eine solche Kapitalnachfrage entsteht also eben nicht notwendigerweise nur auf Seiten innovationswilliger schöpferi-
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scher Unternehmer, sondern es läßt sich völlig unabhängig davon von einem im Grunde unbegrenzten Kapitalbedarf sprechen. 1 4 6 Selbstverständlich ließe sich in diesem Zusammenhang insbesondere auch noch auf die von Schumpeter
„übersehene" (bzw. ne-
gierte) Möglichkeit verwiesen werden, daß die schöpferischen Unternehmer ihre Innovation realiter - zumindest teilweise - sehr wohl auch aus zuvor verdienten Gewinnen finanzieren könnten. W a s hat dies nun für die hier in Rede stehende Transformationsproblematik zu bedeuten? Nun, ein wichtiger A n k n ü p f u n g s p u n k t ist zunächst in d e m U m s t a n d zu sehen, daß gerade die o.g. Möglichkeit der Innovationsfinanzierung aus thesaurierten Gewinnen den meisten Unternehmen in den postsozialistischen Transformationsländern zumindest zu Beginn des Transformationsprozesses kaum offenstehen dürfte. Viele Altbetriebe sind hochverschuldet und verfugen über keinerlei Reserven. Doch durch diese Altschulden sind auch der Kreditfinanzierung von Innovationen enge Grenzen gesetzt. N u n ließe sich noch einwenden, daß sich gerade deren Innovationsanstrengungen doch wohl ohnehin in engen Grenzen hielten - dies insbesondere vor d e m Hintergrund der vielfältigen Erfahrungen, die m a n in den ersten Jahren der Transformation (und auch heute noch) in vielen Ländern mit den u m ihre Existenz k ä m p f e n d e n und u m Subventionen bettelnden (ehemaligen) Staatsbetrieben hat machen müssen. D o c h auch, wenn m a n d e m weitgehend zustimmen kann, bleibt doch für wirklich innovationswillige (neue) Unternehmen, die naturgemäß über keinerlei finanzielle Reserven verfügen können, die Kreditfinanzierung aus verschiedenen Gründen ein Problem. So standen zum einen zu Beginn des Transformationsprozesses w e d e r ein funktionsfähiges Bankensystem noch ein Kapitalmarkt zur Verfügung. 1 4 7 A u c h wenn die Verantwortlichen in den meisten Ländern schon recht bald vielversprechende grundlegende Weichenstellungen in diesem Bereich vornahmen, wurden mit z u n e h m e n d e m Voranschreiten des Transformationsprozesses einige gravierende Probleme offenbar, deren Ursachen überwiegend im Erbe der spezifischen Organisationsstruktur des früheren sozialistischen Bankensystems und der damaligen Kreditvergabepraxis begründet waren bzw. sind. A u f die Herausforderungen, die mit der S c h a f f u n g eines funktionsfähigen Bankensystems und mit der Bewältigung der alsbald aufgetretenen, noch heute o f f e n k u n d i g e n („Zusatz")Probleme verbunden sind, wird im nächsten Kapitel noch etwas ausführlicher eingegangen werden; für eine grobe Einschätzung derjenigen Probleme, mit denen potentielle Innovatoren bzw. Investoren an der „Finanzierungsfront" zu k ä m p f e n haben, mögen an dieser Stelle einige wenige, grundsätzliche Bemerkungen genügen: In vielen Transformationsländem wird auch nach der formellen Einführung eines zweistufigen Bankensystems eine effiziente Kapitalallokation verhindert, da viele inländische Banken aufgrund der immensen Altschulden der Betriebe insbesondere von ihren wichtigsten Kun-
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Zur „Zins-Kontroverse" vgl. insbesondere auch das mit fünfte Kapitel bei Schumpeter (1912/1993, S. 240-317), sowie die Kurzdarstellung bei Haberler (1951); zur Gegenposition vgl. Böhm-Bawerk (1921) und (1926).
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Die Literatur zu diesem Thema ist beinahe unüberschaubar. Pars pro toto seien deshalb an dieser Stelle lediglich zwei Arbeiten aus den ersten Jahren der Transformation genannt, die sich mit den grundlegenden Aspekten und Hauptschwierigkeiten dieser frühen Phase beschäftigen: Saunders und Walter (1992) sowie Schmieding und Buch (1992).
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den - den ehemaligen und/oder noch aktuellen großen Staatsbetrieben - abhängig sind. 148 Die meisten Banken zeigen sich bei der Kreditvergabe an junge Unternehmen sehr reserviert. Doch selbst wenn man von der (an späterer Stelle noch näher zu erläuternden) Altschuldenproblematik absieht, erscheint das risikoaverse Verhalten der inländischen Banken durchaus rational: Warum sollten sie Kredite an Unternehmen vergeben, die keinerlei Rreditsicherheiten beibringen können? Die jungen Unternehmen haben wenig mehr als eine neue (Produkt- oder Verfahrens-)Idee vorzuweisen, weder das Unternehmen selbst noch seine Produkte haben eine „Geschichte": Allerorten und in jeder Hinsicht steht man gleichsam am Beginn eines Lebenszyklus, von dem vielfach nicht zuletzt aufgrund des Kapitalmangels bzw. des Kreditproblems - angenommen werden muß, daß er endet, bevor er richtig angefangen hat. Ob in diesem Zusammenhang beispielsweise von den (westlichen) Auslandsbanken eine Verbesserung bzw. Belebung der Lage erwarten werden kann, darf zumindest bezweifelt werden: Zum einen hat sich selbst in der Bankenlandschaft der etablierten Marktwirtschaften - sieht man einmal von den USA und entsprechend spezialisierten „venture-capital"-Gesellschaften ab - noch nicht so etwas wie eine echte „Risiko-Kultur" im Bereich der Innovationsfinanzierung herausgebildet. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus fraglich, ob die in der Regel eher konservativen West-Banken in den Transformationsländern gerade jene Lücke im Kreditbereich füllen könnten, die in der dortigen Bankenlandschaft aus den oben angedeuteten Gründen klafft. Zum anderen - und das ist ein grundsätzliches Problem - wird das Engagement westlicher Banken in vielen Transformationsländem von den dortigen Verantwortlichen nicht überall unbedingt begrüßt. 149 Ein mit der Risikoscheu der Banken - einerseits als Folge, andererseits als Ursache eng zusammenhängendes Problem ist das in vielen Transformationsländem weit verbreitete Streben nach „schnellem Gewinn". Das Geschäftsklima ist vielerorts von Mißtrauen geprägt, die Voraussetzungen für den Aufbau stabiler Geschäftsbeziehungen sind denkbar schlecht. Insofern kann bzw. muß das Geschäftsklima gleichsam als Spiegelbild des gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Klimas in vielen Transformationsländem angesehen werden: So hat etwa Sztompka (1995) ein weitverbreitetes „Syndrom des Mißtrauens" ausgemacht. Er ist überzeugt, im gegenseitigen Vertrauen die entscheidende „fehlende Ressource" im Transformationsprozeß entdeckt zu haben. Das Mißtrauen wird aus vielfältigen Quellen gespeist: Die Bevölkerung mißtraut staatlichen Institutionen (Parlament, Regierung, Verwaltung, Justiz, Polizei etc.) bzw. den diese repräsentierenden Personen und verdächtigt sie der Korruption sowie der willfährigen Kooperation mit der Mafia bzw. der organisierten Kriminalität generell. Von einigen sehr aufschlußreichen, geradezu erschreckenden Umfrageergebnissen berichtet Saboxv (1997): Die sog. „Staatliche Abteilung der Russischen Akademie", die unter dem
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Jochem (1996) spricht in diesem Zusammenhang anschaulich von einem „großen Ausmaß notleidender Kredite"; vgl. hierzu ferner Nuli (1993). Einen Vergleich der länderspezifischen Ausprägung der gravierendsten Probleme liefert Müller (1993); vgl. dazu auch OECD (ed.) (1993). Auf die Gründe für derlei Ressentiments, die unter anderem in entsprechend restriktiven Zulassungs-Gesetzen ihren Ausdruck finden, wird an anderer Stelle noch kurz eingegangen werden.
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russischen Präsidenten gegründet wurde, konfrontierte in den Jahren 1995 bis 1997 insgesamt 2.500 Personen mit der Frage: „Zu welchen Institutionen besitzen Sie das größte Vertrauen?" Hier eine Aufzählung deijenigen Institutionen, die besonders schlecht abschnitten: Präsidialverwaltung und Regierung (überhaupt schnitten alle vom Präsidenten geleiteten Institutionen durchweg am schlechtesten ab - nota bene: hiermit gleichsam „offiziell" von der „Präsidialakademie" bestätigt!), die Organisationen der Geschäftsleute und Unternehmer, die politischen Parteien, das Parlament und die Institutionen des Justizwesens. Sabow berichtet ferner von den Ergebnissen einer Umfrage des „Instituts für Soziologie des Parlamentarismus" (Moskau) unter 6.000 innerhalb ganz Rußlands als „repräsentative Stichprobe" ausgewählten Personen: F.: Haben Sie zum Präsidenten selbst Vertrauen? Α.: Nein (62%), Ja (11%). Dasselbe Ergebnis ergab sich fur die Regierung·, für die bisweilen noch immer als „alt-kommunistisch gefärbt" und „antipräsidial" eingestellte Duma lautet das Ergebnis: Nein (55%), Ja (10%). Hochinteressant ist die Tatsache, daß unter den „staatlichen" Institutionen die Kirche (sie!) und die Armee mit 48% bzw. 44% die meisten Ja-Stimmen erhielten. Doch wie sieht es nun am Ende der von Sabow so bezeichneten „Bürokratiekarawane" aus? Auch da gibt es wenig Erbauliches zu berichten: F.: Welche Meinung haben Sie über die Staatsbeamten im heutigen Rußland hinsichtlich der Erfüllung folgender Aufgaben: Α.: a) Sie wenden das Gesetz an (13%), b) sie leisten selbst den Gesetzen überhaupt nicht Folge (60%). F.: Besitzen die Staatsbeamten das Vertrauen der Bürger? Α.: a) Ja (10%), Nein, ganz und gar nicht (56%). F.: Welche Interessen vertreten die Staatsbeamten in erster Linie? Α.: a) ihre eigenen, d.h. persönliche (45%), die ihres Chefs (13%), die des Staates (3%). Vergleicht man die Ergebnisse entsprechender Umfragen in verschiedenen Ländern miteinander, so fallt auf, daß auch hier die ost- und südosteuropäischen Transformationsländer insgesamt schlechter abschneiden als die zentralosteuropäischen. Dazu sei an dieser Stelle gleichsam als zusammenfassende Auswertung - ausführlich folgende sehr anschauliche Schilderung wiedergegeben, die Leipold (1997a, S. 48) jüngst als Quintessenz aus mehreren solcher Umfragen herauskristallisiert hat: „Viele Berichte und Studien über die sozialen Verhältnisse in den ost- und südosteuropäischen Reformländern zeichnen ein düsteres Bild: Lohn- und Soldzahlungen werden unterschlagen, Steuern werden endemisch hinterzogen, vertragliche Abmachungen werden mißachtet, verwertbare oder separierbare Bestände des Staats- und Kollektiwermögens einschließlich der Waffenbestände der ehemals ruhmreichen Armeen werden verschachert, Zulassungen und Zeugnisse werden meistbietend verwertet und Privatisierungsanteile der Beschäftigten werden von den Managern gegen vage Arbeitsplatzgarantien abgehandelt. Die Liste der illegalen Verfehlungen ließe sich leicht verlängern." Von diesem Virus bzw. Bazillus des allgemeinen Mißtrauens können selbstverständlich die Wirtschafts- und Geschäftsbeziehungen nicht verschont bleiben. Im Hinblick auf das Finanzierungsproblem bedeutet dies für potentielle Innovatoren bzw. Investoren etwa, daß sie mit der Vergabe von Krediten längerer Laufzeit - gewissermaßen „unabhängig" von der (bzw. zusätzlich zur) ohnehin schon ausgeprägten Risikoaversion der Banken - im Grunde gar nicht rechnen können. Daran freilich sind nicht zuletzt auch die in manchen Ländern noch immer unzureichenden formal-rechtlichen, aber auch durch die allgemeine Wirtschaftspolitik gesetzten Rahmenbedingungen schuld. Darauf wird im Zusammenhang mit der Euckenschen Forderung nach einer „Konstanz der
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Wirtschaftspolitik" im Rahmen des nächsten Kapitels noch näher einzugehen sein; deshalb möge an dieser Stelle der kurze Hinweis darauf genügen, daß in manchen Ländern - insbesondere wiederum in Rußland - die insgesamt fehlende „klare Linie" stark zur allgemeinen Verunsicherung beiträgt: Auch wenn ausführlich erläutert wurde, daß die fehlende Rechtstradition und das fehlende Rechtsbewußtsein ein gravierendes Problem darstellen, da geschriebenes Recht in den Augen vieler Menschen offenbar nur dann auch als geltendes Recht anerkannt wird, wenn die Befolgung bestimmter Gesetze und Verordnungen aufgrund der zu einem bestimmten Zeitpunkt obwaltenden Umstände zufällig gerade den eigenen Interessen frommt, darf daraus doch nicht geschlossen werden, das formelle Recht habe schlechthin keinerlei Signalwirkung (mehr): So wird sich auch - und gerade - in einem Land „ohne Rechtskultur" schwerlich eine Verbesserung der Lage bzw. eine Stabilisierung der Erwartungen erreichen lassen, wenn die Institution des Rechts dauerhaft zum willfährigen Instrument der Durchsetzung von Partikularinteressen verkommt und die Gesetze und Verordnungen quasi täglich „ihre Farbe wechseln". Wenn schon der Gesetzgeber und mit ihm das materielle Recht zum Chamäleon wird, die Herstellung von Rechtssicherheit mithin bestenfalls ein frommer Wunsch - um nicht zu sagen: eine Utopie - wird, dann steht jede (insbesondere längerfristige) Investitionsentscheidung auf tönernen Füßen. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die Finanzierungsseite, denn: „Kreditvergabe und Geldanlage sind in der Regel langfristige Transaktionen und erfordern daher besondere Vorkehrungen zur Gewährung des Vertrauensschutzes" (Müller 1997, S. 53). Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wird erneut die bisweilen sehr enge Verknüpfung zwischen den einzelnen Ebenen bzw.,»Filtern" deutlich, die wir mit Röpke als Determinanten des Innovationsverhaltens identifiziert haben. Ähnlich wie im Falle der fehlenden Finanzmittel, bei dem eine enge Verbindung bzw. Überschneidung mit dem Fähigkeits-Filter zu konstatieren war, fällt hier eine enge Verbindung zum Filter der Handlungsrechte auf: In dem Maße, in dem der Staat an Stärke und Einfluß verliert, da seine Amtsträger in den verschiedenen Bereichen und auf nahezu allen Ebenen als korrupt angesehen werden - und er deshalb als „ordnende Potenz" im Sinne Euckens immer weniger in Frage kommt -, werden sich zunehmend andere Organisationen bilden, die gleichsam ersatzweise „Ordnungsfunktionen" übernehmen und sich zu diesem Zwecke selbst geschaffener Handlungsrechte bedienen. So läßt sich etwa die Mafia cum grano salis als ein solches „Ordnungssubstitut" verstehen, das die Einhaltung der selbstgeschaffenen Regeln scharf überwacht und durch glaubhafte Androhung brutalster Sanktionen auch wirkungsvoll durchzusetzen weiß.150 So ist es beispielsweise durchaus denkbar, daß leistungsmotivierte potentielle Innovatoren unter Umständen deshalb nicht aktiv werden, weil sie befürchten müssen, im Falle einer erfolgreichen Innovation und/oder Untemehmensgründung nicht nur Imitatoren im Schumperterschen Sinne, sondern auch noch ganz andere „Neider" auf den Plan zu rufen. Dies wiederum wäre gleichbedeutend mit einer besonders krassen Form von „sozialer Innovationskontrolle".
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Zur „Ordnungswirkung" der russischen Mafia vgl. den interessanten Beitrag von Luttwak (1996); zur außergewöhnlichen Brutalität ihrer „Sanktionsmechanismen" vgl. etwa: Kreye (1996).
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In aller Kürze sei noch auf ein weiteres Problem eingegangen, das den Schwierigkeitsgrad der Innovationsaufgabe insbesondere zu Beginn der Transformation möglicherweise in prohibitive Höhe schrauben könnte: Ein solches Problem läßt sich in der von der Zentralverwaltungswirtschaft hinterlassenen „Marktstruktur" - oder besser: Betriebsgrößenstruktur - entdecken. Im Gegensatz zur Situation in Marktwirtschaften, in denen die Betriebsgrößenstruktur sich im Laufe der Marktprozesse herausbildet, hatte sich die Betriebs- und Kombinatsstruktur in den Zentralverwaltungswirtschaften der sozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas bestmöglich in das gesamtwirtschaftliche zentrale Planungssystem einzufügen. Um dies sicherzustellen, wurde sie gleichsam „von oben gemacht" (vgl. hierzu Fehl 1991). Zu einer möglichst systemrationalen Struktur gehörte es, die einzelnen Kombinate qua zentraler Anordnung zu faktischen Monopolen für ein bestimmtes Gütersortiment bzw. gar eine bestimmte Branche zu machen (auf womöglich gar länderspezifische - Einzelheiten braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden). Die monopolartige Betriebs- bzw. Kombinatsstruktur stellt eine aus wettbewerbspolitischer Sicht wenig erfreuliche Hinterlassenschaft des alten Systems dar. Dies ist im Zusammenhang mit dem hier im Mittelpunkt stehenden „Innovationsproblem" durchaus von Interesse: Mit dem Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaften hört die Betriebsgrößenstruktur auf, Gegenstand zentraladministrativer Planung zu sein; sie kann und muß sich nun - wie in Marktwirtschaften üblich - im Rahmen spontaner Prozesse gleichsam „von unten" bilden. Dazu bedarf es in besonderem Maße der Initiative schöpferisch-innovativer Unternehmer. Auch wenn, wie an anderer Stelle angedeutet, davon ausgegangen werden kann, daß es grundsätzlich weder eine optimale Betriebs- bzw. Unternehmensgröße noch eine wettbewerbsoptimale Marktstruktur gibt, so herrscht doch zumindest weitgehende Einigkeit darüber, daß das vorrangige Ziel in den Transformationsländern in der „Schaffung" (im nichtkonstruktivistischen Sinne) einer ausgewogeneren Marktstruktur besteht: Die Entstehung kleiner und mittlerer Unternehmen und die Entfaltung schöpferisch-innovativen Unternehmertums sind mithin aufs Engste miteinander verknüpft. In vielen Transformationsländern zeigt sich jedoch, daß ein solcher, die überkommene Marktstruktur nachhaltig verändernder, „Innovationsschub" auf sich warten läßt bzw. deutlich hinter den zu Beginn des Transformationsprozesses mancherorts geäußerten Erwartungen zurückbleibt. Die Gründe dafür mögen nicht zuletzt in dem in manchen Ländern erstaunlich großen Beharrungsvermögen der alten Kombinate zu suchen sein: In einem undurchsichtigen Knäuel beschäftigungs- und sozialpolitischer Sachzwänge sowie Verstrickungen von Korruption und Bestechung gefangen, sind Politiker, Staatsbeamte und die häufig noch immer mächtigen Direktoren der alten Kombinate und großen Staatsbetriebe eine bisweilen unheilige Allianz eingegangen: Nicht wenige der alten Großbetriebe werden noch immer massiv subventioniert, die sog. „große Privatisierung" kommt in vielen Ländern noch immer nur schleppend voran, Beziehungen zu Lieferanten wie Geschäftsbeziehungen überhaupt sind nicht immer in erster Linie ökonomische Leistungsbeziehungen im engeren Sinne usw. Alle diese Zusammenhänge, die hier bestenfalls angedeutet werden können, tragen nicht unbedingt dazu bei, ein „freundliches Klima" im Sinne innovationsoptimaler Herausforderungen fur potentielle leistungsmotivierte, schöpferische Unternehmer zu schaffen, bedeuten doch künstliche Wettbewerbsverzerrungen im hier angedeuteten Sinne stets Überforderung für die einen und Unterforde-
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rung für die anderen. Wie dargelegt, wird in keinem der beiden Fälle das Innovationspotential leistungsmotivierter Unternehmer aktiviert. Vor dem Hintergrund dieser Ausfuhrungen zeigt sich, daß die Innovationsproblematik in Transformationsökonomien weitaus komplexer und grundlegender ist als in sog. etablierten Marktwirtschaften, in denen - wie etwa Heuß, Krüsselberg und andere überzeugend dargelegt haben - ständig Technologie-, Produkt- und Marktzyklen zeitversetzt nebeneinander (bzw. „übereinander") laufen. Demgegenüber müssen in den Transformationsökonomien in allen Bereichen gleichsam neue Lebenszyklen gestartet, muß im Grunde alles neu geschaffen werden. Dies wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch deutlicher werden - so insbesondere etwa im Schlußteil des nächsten Kapitels, wenn im Rahmen des Abschnitts zur „Privatisierung" auf die in der Transformationsliteratur bisher stark vernachlässigte Privatisierung „von unten" eingegangen wird. Diese sog. „grass-roots-privatization" weist vielfältige und enge Verbindungen zum hier behandelten Aspekt „schöpferisch-innovatives Unternehmertum und Systemtransformation" auf bzw. ist beinahe „deckungsgleich" damit (zumindest sofern mit einer Innovation eine private Unternehmensgründung oder -Vergrößerung, mithin eine Ausweitung des privatwirtschaftlichen Sektors, verbunden ist). So läßt sich dieser spätere Abschnitt zur Privatisierung „von unten" gleichsam als konkrete transformationsspezifische Anwendung unserer bis dahin entwickelten (theoretischen) Überlegungen zum Unternehmertum verstehen. Mit Blick auf die bereits in dieses Kapitel integrierten Abschnitte zum Zusammenhang von „Unternehmertum und Systemtransformation" sei schon jetzt darauf hingewiesen, daß es dabei gewisse Überschneidungen bzw. Wiederholungen geben wird. Gleichwohl denke ich, daß diese im Sinne einer insgesamt stringenten Argumentation und einer klaren Struktur der Arbeit letztlich nicht nur unvermeidlich, sondern durchaus sinnvoll sind.
2.2. Arbitrage-Unternehmertum: Der findige Unternehmer nach Israel M. Kirzner 2.2.1. Grundsätzliche Anmerkungen Der Ausgangspunkt der Kirznerschen Überlegungen ist - ebenso wie bei Schumpeter - die Unzufriedenheit mit der mikroökonomischen Preistheorie der Neoklassik bzw. deren „Alleinvertretungsanspruch" als theoretische Basis zur Erklärung ökonomischer Zusammenhänge. 151 Auch Kirzner (1978, S. 6) sieht das wesentliche Merkmal des Marktgeschehens im unternehmerischen Element: So ist der Unternehmer auch nach seiner Auffassung „die treibende Kraft im gesamten Marktprozeß." Genau dies werde vom „herrschenden (neoklassischen, T.B.) Ansatz" übersehen, der „sich vor allem mit Gleichgewichtszuständen befaßt und von der Preistheorie die Erklärung der Gleichge151
So hebt Kirzner (1978, S. 3) kritisch hervor, „daß die herrschende Preistheorie, indem sie bestimmte Merkmale des Marktes durch Vernachlässigung anderer besonders hervorgehoben hat, gedanklich ein Marktmodell konstruierte, in dem eine Anzahl solcher Merkmale tatsächlich weggelassen ist, die für ein volles Verständnis des Marktgeschehens entscheidende Bedeutung haben." Weitere wichtige Arbeiten in diesem Zusammenhang sind Kirzner (1983), (1985) und (1992). Eine Kurzfassung seiner wichtigsten Überlegungen in deutscher Sprache findet sich in Kirzner (1983a).
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wichtsbedingungen erwartet. (Allein, T.B.), im Gleichgewicht gibt es keinen Platz für Unternehmer. Wenn die Entscheidungen aller Marktteilnehmer völlig aneinander angepaßt sind, so daß jeder Plan zutreffend die korrespondierenden Pläne der anderen Teilnehmer unterstellt und keine geänderten Pläne auftreten können, die simultan von den relevanten Marktteilnehmern vorgezogen werden, dann gibt es für einen Unternehmer nichts zu tun. (...). (So, T.B.) kann er keinen Beitrag zur Reallokation der Ressourcen oder Produkte liefern, um aus der Unwissenheit entstandene UnWirtschaftlichkeiten und Koordinationsmängel zu beseitigen, weil es diese Unwissenheit und Koordinationsmängel im Gleichgewicht nicht gibt. Eine Ökonomie, die besonderen Wert auf das Gleichgewicht legt, übersieht deshalb tendenziell die Unternehmerrolle (..., die darin besteht, T.B.) eine überlegene Kennntnis über Preisdiskrepanzen innerhalb des ökonomischen Systems auszunutzen (...)" (Kirzner 1978, S. 21, Hervorhebungen von mir). Die vorrangige Aufgabe einer wohlverstandenen Theorie wird von Kirzner entsprechend eben „nicht in der vorwiegenden Beschäftigung mit der Preis- und Mengenkonfiguration gesehen, die im Gleichgewicht erfüllt ist, (...sondern) vielmehr (in) der Erklärung, wie die aufeinander einwirkenden Entscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer die Marktkräfte hervorrufen, die die Veränderungen von Preisen, produzierten Mengen, Produktionsmethoden und der Ressourcenallokation erzwingen. (M.a.W., T.B.:) Gegenstand unseres wissenschaftlichen Interesses sind die Veränderungen selbst, nicht jedoch die Beziehungen, denen die Preise und Mengen im Gleichgewicht unterworfen sind. (Denn, T.B.:) Die Leistungsfähigkeit des Preissystems hängt (...) nicht vom Bestehen (oder Nichtbestehen) der optimalen Ressourcenallokation des Gleichgewichts ab; sie hängt vielmehr von dem Ausmaß ab, in dem die Marktkräfte erfolgreich spontane Korrekturen der im Ungleichgewicht bestehenden Allokationsmuster bewirken können" (Kirzner 1978, S. 5). An dieser Stelle klingt bereits ein wesentliches Charakteristikum des Kirznerschen Ansatzes an, das diesen insbesondere von der Auffassung Schumpeters unterscheidet: Kirzner bleibt - bei aller Kritik an der neoklassischen Preistheorie - im Grunde letztlich doch dem Gleichgewichtsdenken verhaftet: Er beschränkt sich in seiner Kritik auf das für die Neoklassik charakteristische Abheben auf den Gleichgewichtszustand und rückt stattdessen den auf diesen Zustand hinführenden Prozeß bzw. die diesen maßgeblich vorantreibenden und prägenden Kräfte in den Vordergrund: Da „Korrekturen" immer nur im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel vorgenommen und bewertet werden können, bedeutet das zumindest die Ausrichtung der Marktkräfte bzw. des diese antreibenden Motors in Gestalt des Unternehmers auf eben ein solches Ziel. Offenbar geht es Kirzner um eine Tendenz zum Gleichgewicht. Ganz in diesem Sinne heißt es bei Kerber (1997, S. 36) zutreffend, „daß der Marktprozeß sich immer auf einen (wenn auch unbekannten) Gleichgewichtszustand zubewegt, indem er noch bestehende Koordinationslücken schließt und insofern gleichgewichtsbildenden Charakter hat. Der Kirznersche Marktprozeß zielt somit auf ein Koordinationsgleichgewicht ab."
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2.2.2. Wettbewerb und Unternehmertum als „Einheit" 2.2.2.1. Der „findige" Unternehmer als treibende Kraft des Marktprozesses In dem von der Neoklassik als erstrebenswertes Endziel in den Mittelpunkt gestellten Gleichgewicht gibt es bekanntlich keine Preisunterschiede - es herrscht das berühmte „law of one price" (Jevons). Damit ist das Gleichgewicht als gewinnloser Zustand definiert - eine für Wettbewerbswirtschaften seltsam anmutende Annahme, wie bereits Schumpeter (1911/1993, S. 38) sehr früh betont hat: „Daß die Volkswirtschaft gerade im vollkommensten Zustande gewinnlos arbeiten sollte, ist ein Paradoxon." Dies ist im Ungleichgewicht anders: Die Unterschiedslosigkeit der Preise ist aufgehoben, mithin existieren Gewinnmöglichkeiten. Kirzner (1978, S. 21) entdeckt nun die spezifisch unternehmerische Aufgabe eben darin, diese Preisunterschiede - schneller als andere - aufzuspüren und den so gewonnenen Informationsvorsprung gewinnbringend auszunutzen, d.h., „eine überlegene Kenntnis über Preisdiskrepanzen innerhalb des ökonomischen Systems auszunutzen." Der Gewinn des von Kirzner in seiner wesentlichen Funktion so beschriebenen Unternehmers besteht also in der Belohnung für seine Aufmerksamkeit, seine Cleverness - kurz: seine Bindigkeit" („alertness") -, neugeschaffene Gewinnmöglichkeiten schnell zu entdecken (oder auch solche, die bis dato übersehen worden waren): „Unternehmertum wird für die Entdeckung der Gewinnmöglichkeiten benötigt" {Kirzner 1978, S. 30, FN 4; Hervorhebung im Original). 132 Es liegt deshalb nahe, den Unternehmer Kirznerscher Prägung als „findigen Unternehmer" zu bezeichnen. Dieser Unternehmer „fühlt" förmlich die im ungleichgewichtigen Markt bestehenden und noch nicht entdeckten Gewinnmöglichkeiten. 153 Die vom findigen Unternehmer zu entdeckenden Gewinnmöglichkeiten enstehen nach Kirzner (1978, S. 69) dann, „wenn die Produktpreise auf den Produktmärkten nicht den Faktorpreisen auf den Faktormärkten angepaßt sind. (...). Der Unternehmer bemerkt die Preisunterschiede vor anderen." Der findige Unternehmer „spürt" also diese Preisunterschiede (auf) und nutzt sie gewinnbringend zu seinem ökonomischen Vorteil aus. Da das Ausnutzen von Preisunterschieden in Raum und Zeit gemeinhin als „Arbitrage" bezeichnet wird, scheint auch die Bezeichnung Arbitrageur" zur Kennzeichnung des Kirznerschen Unternehmertypus angebracht. Gleichwohl steht zu vermuten, daß Kirzner selbst mit dieser Bezeichnung nicht sehr glücklich wäre, da er sie wohl als nicht hinrei-
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„(It) is useful to recognize the central role played by alertness of the entrepreneur. What is entrepreneurial (...) is the decision maker's belief that he has discovered possibilities that both he and his or potential competitors had hitherto not seen. Such discoveries may reflect alertness to changed conditions or to overlooked possibilities" (Kirzner 1985, S. 7; Hervorhebung im Original). Dieser Unternehmertypus ist im übrigen eng an von Misessche Überlegungen angelehnt, wie Kirzner (1978, S. 68) selbst betont: „In den Schriften von Professor M i e i findet man (...) die meisten Ideen, aus denen ich meine (...) Untersuchung der Unternehmerrolle entwickelt habe. Ferner waren es Mises' Einsichten in den Charakter des Marktprozesses, die die Grundlage für den Aufbau dieser Theorie des Unternehmertums geliefert haben. Mises' Ausdrucksweise für das, was ich unternehmerische Findigkeit genannt habe, ist menschliches Handeln 'unter dem Aspekt der Unsicherheit, die jedem Handeln innewohnt'"; Kirzner zitiert hier nach eigenen Angaben aus: Mises (1949, S. 254).
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chend für die Erfassung dessen ansähe, was er unter dem spezifisch Unternehmerischen versteht. So betont er denn auch ausdrücklich, daß sich „diese (oben beschriebene, T.B.) Situation von dem üblichen Fall der Arbitrage dadurch (unterscheidet), daß (hier, T.B.) der Faktorkauf dem Verkauf der Produkte vorausgeht·, zum Zeitpunkt der Produktionsentscheidung gibt es noch keine Produktpreise, sondern nur Preiserwartungen. Der Unternehmer nimmt an, daß die zukünftigen Produktpreise den heutigen Preisen des Faktoreinsatzes nicht völlig entsprechen" (Kirzner 1978, S. 69; Hervorhebungen von mir). 154 Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, weshalb Kirzner (1985, S. 6) die Bezeichnung „Arbitrageur" in die Aufzählung deijenigen „variety of conflicting conclusions concerning the essential character of (...) entrepreneurial activities" aufgenommen hat, zu denen die ökonomische Wissenschaft nach seiner Einschätzung im Laufe von fast zweieinhalb Jahrhunderten währender Forschung gelangt sei und von denen er seine Auffassung bzw. „seinen" Unternehmertypus abgegrenzt wissen wollte. Insgesamt scheint also einiges für die o.g. Vermutung zu sprechen, daß Kirzner mit der Bezeichnung des findigen Unternehmers als „Arbitrageur" kaum vorbehaltlos einverstanden wäre, da dies aus seiner Sicht eine ungerechtfertigte „Verengung" seiner Auffassung darstellen muß. Dennoch scheint es mir zulässig, den findigen Unternehmer auch weiterhin als „Arbitrageur" zu bezeichnen, da auf diese Weise zugleich auf die „gesamtwirtschaftliche Funktion" abgestellt wird, die der findige Unternehmer erfüllt; darauf wird noch einzugehen sein. (Von meiner „Starrköpfigkeit" in dieser Frage bleibt selbstverständlich die Tatsache unberührt, da der übliche Arbitragebegriff, von dem Kirzner sich hier offenkundig distanziert, sich auf die Ausnutzung von Preisunterschieden auf nur einem Markt - mithin Güter- oder Faktormarkt - bezieht.) Nach Kirzners Auffassung ist davon auszugehen, „daß alles menschliche Handeln ein Element enthält, das mit der Kategorie des Ökonomisierens im Sinne eines Maximierens allein nicht hinreichend erfaßt und analysiert werden kann, obwohl es ganz allgemein für ökonomisierende Aktivitäten entscheidend ist" (Kirzner 1978, S. 25). Wenngleich dieses von ihm als „unternehmerisches Element" bezeichnete Phänomen im Grunde ein außerökonomisches ist, kommt ihm als „eine entscheidende Ursache für ökonomisierendes individuelles Handeln" (ebd.) gleichwohl besondere ökonomische Bedeutung zu. Dieses „unternehmerische Element" sieht Kirzner (1983, S. 7) in der bereits erwähnten „Findigkeit": „This alertness is the entrepreneurial element in human action, a concept lacking in analysis carried out in exclusively Robbinsian terms. At the same time that it transforms allocative decision making into a realistic view of human action, entrepreneurship converts the theory of market equilibrium into a theory of market process." 155 Die ,Jiobbinssche" Ökonomie geht von bekannten und gegebenen Res-
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Gerade in diesem gleichsam „spekulativen Element" kommt die enge Verwandtschaft zu von Mises' Überlegungen besonders deutlich zum Ausdruck; so heißt es bei diesem etwa: „Gewinn entsteht dadurch, daß der Unternehmer, der die zukünftigen Produktpreise genauer vorausschätzt als andere, einige oder alle Produktionsfaktoren zu Preisen kauft, die von der zukünftigen Marktsituation her gesehen zu niedrig sind" (Mises 1949, S. 253/254; so auch zitiert in Kirzner 1978, S. 69). Kirzner hebt mit dieser Kritik am von ihm so bezeichneten ,Jlobbinsschen Unternehmer" ab auf die von Lionel Robbins (1948, S. 16) wie folgt skizzierte Auffassung von Ökonomie: „Economics is the science which studies human behaviour as a relationship between
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sourcen aus, die es in bestmöglicher - „effizientester" - Weise zur Erreichung gegebener und in eine feste Hierarchie eingebundener Ziele einzusetzen gilt. Der als Optimierer bzw. Ökonomisierer wirkende Robbinssche Unternehmer ist freilich wenig hilfreich, wenn es zunächst einmal darum geht, die ungenutzten Gelegenheiten überhaupt erst zu entdecken·. Denn genau dies, wie Kirzner (1978, S. 33) betont, „erfordert Findigkeit. Rechenoperationen nützen nichts, und Ökonomisieren und Optimieren an sich werden dieses Wissen nicht hervorbringen. Deshalb kann die Entscheidung unseres neuen Entscheidungsträgers nicht einmal im Prinzip einfach aus den Daten 'herausgelesen' werden; sie ist in den Umständen, in die er hineingestellt ist, überhaupt nicht enthalten." In eben dieser Situation findet der homo agens nach von Mises sein Betätigungsfeld: So hebt denn Kirzner (1983, S. 7) auch hervor, daß es „sich als außerordentlich hilfreich erweisen (wird) , wenn man statt des Ökonomisierens den umfassenderen Begriff des menschlichen Handelns von Mises in den Mittelpunkt stellt. Mit dem von Mises entwikkelten Konzept des homo agens läßt sich alles, was man mit Hilfe der Begriffe Ökonomisieren und Effizienzstreben erreichen kann, ebenfalls erreichen. Aber das Konzept des menschlichen Handelns begrenzt die Entscheidungsträger (oder die ökonomische Analyse seiner Entscheidungen) nicht auf gegebene Mittel und Zwecke, wie es das Allokations- und Ökonomisierungskonzept tut. (...). Robbins' ökonomisierender Mensch hat nur das Bestreben, gegebene Mittel gegebenen Zwecken anzupassen. Gerade dieses Konzept setzt die Vorstellung gegebener Zwecke und Mittel voraus; ohne eine solche Vorstellung kann Ökonomisieren überhaupt nicht beginnen. Der Msessche homo agens dagegen will nicht nur effizient Zwecke verfolgen, sofern Zwecke und Mittel bereits klar festgestellt sind, sondern er hat auch den Willen und die Findigkeit, um (neue) anzustrebende Ziele und (bisher unbekannte) verfügbare Mittel herauszufinden und festzustellen" CKirzner 1978, S. 26/27; Hervorhebungen im Original).156 Wenn nun - wie Kirzner hier betont - nicht einmal ökonomisches Handeln im besonderen ausschließlich mit individuellem Gewinn- bzw. Nutzenmaximierungsstreben hinreichend erklärt werden kann - menschliches Handeln im allgemeinen ohnehin nicht -, dann „kann auch die Allokationsfunktion des Marktprozesses nicht durch die Interaktion individueller Maximierungsaktivitäten allein erklärt werden. Ein Markt, der nur aus ökonomisierenden, maximierenden Individuen zusammengesetzt ist, ruft den Marktprozeß, den wir erklären wollen, nicht hervor" (Kirzner 1978, S. 25). Mithin erweist sich
ends and scarce means which have alternative uses." Kirzner kritisiert diese Auffassung, da sie nach seiner Überzeugung einer gleichsam „verengten" Interpretation menschlichen Handelns im allgemeinen und wirtschaftlichen Handelns im besonderen entspringt. 156
An anderer Stelle heißt es: „Natürlich war es (...) Mises' Hervorhebung des menschlichen Handelns, das ich dem Robbinsschen Ökonomisierer gegenübergestellt habe. Meine Identifizierung eines Unternehmerelements im menschlichen Handeln, das beim Ökonomisieren definitorisch ausgeklammert ist, ist einfach eine Wiederholung der Misesschen Feststellung, daß die Unternehmerrolle - der spekulative Aspekt des Handelns - jedem Handeln inhärent ist" (Kirzner 1978, S. 69; Hervorhebungen im Original). Eine ausfuhrliche Gegenüberstellung der unterschiedlichen Aufassungen Robbins' und von Mises' findet sich bei Kirzner (1960, insbes. S. 108-185); die wichtigsten Argumente können in Kurzform beispielhaft nachgelesen werden bei Kirzner (1978, S. 34 f., S. 41 f. u. S. 69).
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das in der Ökonomik dominierende Menschenbild des homo oeconomicus als bestenfalls eingeschränkt brauchbar. 2.2.2.2.
Marktwissen, Markttest, Wettbewerb: Der Marktprozeß als Lernprozeß
Ungeachtet der Unterschiede zwischen Schumpeters und Kirzners Ansatz, auf die noch einzugehen sein wird, verstehen beide den Markt- und Wettbewerbsprozeß als einen Prozeß von Versuch und Irrtum („trial and error"): Sowohl der Schumpetersche schöpferische Unternehmer mit seinem innovativen Vorstoß als auch der Kirznersche findige Unternehmer mit seinem Arbitrageversuch unterziehen ihre Pläne durch ihr Verhalten letztlich einem „Markttest". Doch damit nicht genug: Da ein solcher Markttest nur durch einen Vorstoß in bis dato unbekannte Gefilde möglich ist, unterzieht der Unternehmer mit jedem solchen Vorstoß auch seine Konkurrenten diesem Test. Insofern stellt der mit dem Preisvorstoß des findigen Unternehmers nach Kirzner verbundene Markttest bzw. dessen Konsequenz in Form der wettbewerblichen Selektion gleichsam das Analogon zu Schumpeters „Prozeß der schöpferischen Zerstörung" dar: "Jeder tastet sich voran, indem er Gelegenheiten bietet, die etwas attraktiver sind als die der anderen. Sobald seine Wettbewerber ihrerseits gewahr werden, wogegen sie selbst konkurrieren müssen, werden sie gezwungen, ihre dem Markt gebotenen Gelegenheiten weiter zu verbessern; und so weiter. (...). Auf diese Weise testen im Verlauf des Marktprozesses die Marktteilnehmer unaufhörlich ihre Wettbewerber" (Kirzner 1978, S. 10; Hervorhebung im Original). Mithin überrascht es nicht, daß Kirzner den Marktprozeß als Lernprozeß versteht: „Marktwissen (wird erworben) im Wege der Erfahrungen, die durch Beteiligung am Marktprozeß gemacht werden" (1978, S. 26). Da der Marktprozeß ein Prozeß ist, in dem es wechselseitige Abhängigkeiten gibt, ist dieser Lernprozeß, wie angedeutet, keinesfalls auf nur eine Marktseite beschränkt: „Im Verlauf der gegebenen Periode wird Entscheidungsträgern dadurch, daß sie den Entscheidungen anderer ausgesetzt sind, Wissen vermittelt, das ihnen ursprünglich fehlte. (...). Dieses neue Wissen über die Pläne anderer kann fur die darauffolgende Zeitperiode eine Korrektur der Entscheidungen erwarten lassen" (ebd., S. 26/27; Hervorhebung von mir). Hiermit nähern wir uns dem Kirznerschen Grundverständnis des Marktprozesses, das sich in einem wesentlichen Punkt von demjenigen Schumpeters unterscheidet: So vertritt Kirzner (1978, S. 8) die Auffassung, daß selbst „ohne Veränderung der grundlegenden Marktdaten (nämlich: Verbraucherbedürfnisse, technische Möglichkeiten, verfugbare Ressourcen...) die in einer Periode gemachten Entscheidungen systematische Änderungen der entsprechenden Entscheidungen für die darauffolgende Periode (verursachen)" (Hervorhebung von mir).157
„Im Zeitablauf betrachtet, stellen die in dem wechselseitig verbundenen Netzwerk von Marktentscheidungen aufeinanderfolgenden systematischen Änderungen den Marktprozeß dar. Der Marktprozeß entsteht also aus den Wirkungen, die aus der anfanglichen Unwissenheit der Marktteilnehmer resultieren. Der Prozeß selbst besteht aus systematischen Planrevisionen, die durch den Strom der durch die Teilnahme am Markt ausgelösten Marktinformationen versursacht werden - das heißt, durch das Testen der Pläne im Markt" (Kirzner 1978., S. 8; Hervorhebung von mir).
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Nach Kirzners Verständnis sind die systematischen Anpassungen der individuellen Pläne und Entscheidungen der Marktteilnehmer, die im Zuge dieses trial-and-errorProzesses bzw. im Anschluß an einen jeden Markttest stattfinden, für den Marktprozeß konstitutiv: Die Menschen erwerben (neues) Marktwissen, sie machen Erfahrungen, sie lernen. Das Zustandekommen dieses als Diffusions-, Erfahrungs- und Lernprozeß beschreibbaren Marktprozesses ist nun von der Existenz des findigen Unternehmers abhängig. Ohne ihn und die von ihm entdeckten Gewinnmöglichkeiten käme der Prozeß gar nicht erst in Gang: „(...Unser) Vertrauen in die Fähigkeit des Marktes, Erfahrungen zu sammeln, einen kontinuierlichen Strom von Marktinformationen nutzbar zu machen, und so den Marktprozeß voranzubringen, (hängt) entscheidend davon ab, daß wir von dem nützlichen Vorhandensein des Unternehmerelements überzeugt sind" (ebd., S. 11). Damit ist nachgewiesen: „Der wettbewerbliche Marktprozeß ist seiner Natur nach unternehmerisch. (Dies...) lehrt uns, daß die beiden Begriffe Wettbewerb und Unternehmertum zumindest in dem hier gebrauchten Sinne analytisch untrennbar sind" (ebd., S. 12).158 Damit kann festgestellt werden, daß Kirzners Analyse hält, was der programmatische Titel seines Buches verspricht. 2.2.3. Kirzners und Schumpeter* Unternehmer- und Wettbewerbsverständnis sowie das Zusammenspiel verschiedener Antriebskräfte im Vergleich 2.2.3.1. Zum Verhältnis von Arbitrage und Innovation Mit der Betonung der Rolle, die Kirzner dem Unternehmertum im Wettbewerb als einem gleichgewichtsbildenden Prozeß zuweist, gelangen wir an einen entscheidenden Punkt, der den grundsätzlichen Unterschied zu Schumpeters Ansatz ausmacht: Beiden geht es zwar um die Erfassung und Erklärung des von der neoklassischen (PreisTheorie vernachlässigten unternehmerischen Elements. Während allerdings Schumpeter dieses in der Innovation und damit in der Störung des Gleichgewichts bzw. in der Schaffung des Ungleichgewichts sieht, entdeckt Kirzner den entscheidenden unternehmerischen Beitrag in der Korrektur der im Ungleichgewicht bestehenden Allokationsmuster durch Ausnutzung dieses Ungleichgewichts bzw. der sich in ihm bietenden Gewinnmöglichkeiten. Während Schumpeter also die das Gleichgewicht zerstörenden Kräfte und Akteure in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt, stehen bei Kirzner diejenigen Kräfte und Akteure im Vordergrund, die das System auf ein neues Gleichgewicht hinführen, mithin gleichgewichtsò/Meni/ wirken. Kirzner selbst betont diesen Unterschied ausdrücklich: Schumpeters Unternehmer handelt, um ein bestehendes Gleichgewicht zu zerstören. Unternehmeraktivität sprenge den fortdauernden Kreislauf. Der Unternehmer wird als deijenige dargestellt, der Veränderungen einleitet und neue Gelegenheiten schafft. (...). Im Gegensatz hierzu hebt meine Betrachtungsweise des
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Ahnlich an anderer Stelle: „Die systematische Änderung der Entscheidungen von einer Periode zur nächsten macht jede dem Markt dargebotene Gelegenheit gegenüber der in der vorangegangenen Periode dargebotenen konkurrenzfähiger - das heißt, es wird in größerer Kenntnis der anderen am Markt bereitgestellten Gelegenheiten, mit denen man konkurrieren muß, angeboten. (...). In diesem Sinne ist der Markt als solcher wettbewerblich"
(Kirzner 1978, S. 9).
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Unternehmers die gleichgewichtsbildenden Aspekte seiner Rolle hervor. Ich betrachte die Situation, auf die die Unternehmerrolle stößt, als die eines inhärenten Ungleichgewichts und nicht eines Gleichgewichts - eine Situation voller Gelegenheiten für wünschbare Veränderungen und keine Situation ruhiger Ausgeglichenheit" (.Kirzner 1978, S. 58/59). Insoweit scheint Kirzner mit seiner Kritik an der neoklassischen Preistheorie und deren Prämissen beinahe „konsequenter" als Schumpeter, stellt er doch bereits in der Ausgangssituation seiner Betrachtung auf das Ungleichgewicht ab, während Schumpeter seine Betrachtung bzw. „seinen" Unternehmer aus dem stationären System des Kreislaufs, mithin aus einer Gleichgewichtssituation heraus „starten" läßt. Doch lassen wir Kirzner selbst noch einmal ausfuhrlich zu Wort kommen: „Obwohl auch für mich Veränderungen nur durch Unternehmer entstehen können, betrachte ich sie als gleichgewichtsbildende (sie!, T.B.) Veränderungen. Für mich sind die durch den Unternehmer eingeleiteten Veränderungen immer auf den hypothetischen Gleichgewichtszustand ausgerichtet; es sind Veränderungen, die als Reaktion auf die vorhandenen Fehlentscheidungen, die durch verpaßte Gelegenheiten gekennzeichnet sind, hervorgebracht werden. In meiner Betrachtungsweise bringt der Unternehmer nicht-übereinstimmende Elemente, die aus früherer Marktunwissenheit entstanden waren, zu gegenseitiger Anpassung. Der Nachdruck, den ich auf diesen Unterschied zwischen Schumpeters Untersuchung und meiner eigenen lege, unterstreicht die entscheidende Bedeutung des Unternehmertums für den Marktprozeß. Ein Vorgehen wie das von Schumpeter, das das Unternehmertum als exogene (sie!, T.B.) Kraft herbeiruft, um die Wirtschaft aus einem Gleichgewichtszustand herauszuführen (um schließlich einen anderen Gleichgewichtszustand als Ergebnis von 'Nachahmern' zu erhalten), kann leicht den Eindruck erwekken, daß für das Erreichen des Gleichgewichts im Prinzip überhaupt keine Unternehmerrolle erforderlich ist. Mit anderen Worten, ein solches Vorgehen kann leicht die völlig irrige Meinung erzeugen, daß der Gleichgewichtszustand sich von selbst einstellen könnte, ohne daß es irgendeine soziale Einrichtung zur Nutzung und Zusammenführung der verstreuten Wissensstücke gibt, die die einzige Quelle eines solchen Zustandes sind. Ich meine genau das Gegenteil, nämlich daß ausschließlich das Unternehmertum (...) letztlich zum Gleichgewicht fuhren kann. Deshalb erscheint es mir notwendig, das Augenmerk darauf zu richten, daß das Unternehmertum eine reagierende (sie!, T.B.) Kraft ist. Ich betrachte den Unternehmer nicht als Quelle schöpferischer Ideen ex nihilo, sondern als findig bezüglich der Gelegenheiten, die bereits bestehen und auf ihre Entdekkung warten. Auch in der wirtschaftlichen Entwicklung ist der Unternehmer als jemand anzusehen, der Gelegenheiten nicht schafft, sondern auf sie reagiert, der Gewinngelegenheiten nicht erzeugt, sondern sie wahrnimmt" (Kirzner 1978, S. 59; Hervorhebungen im Original). Aus Kirzners Konzentration auf die Analyse des Maïktprozesses (als Prozeß der Gleichgewichtsbildung) bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Gleichgewichtsz«5to«des läßt sich schließen, daß er - wie auch schon von Mises oder von Hayek159 vor ihm -
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In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß von Hayek (1969Í, S. 255/256) den Begriff des Gleichgewichts als Zielgröße wettbewerblicher Prozesse überhaupt ablehnt: „Wir sind gewohnt, die Ordnung, die der Wettbewerb herbeiführt, als ein Gleichgewicht zu bezeichnen - ein nicht sehr glücklicher Ausdruck, denn ein wirkliches Gleichgewicht setzt voraus, daß
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seinen Überlegungen eine ganzheitliche Betrachtung des Marktgeschehens zugrunde legt. Dasselbe gilt - zumindest im Grundsatz - auch für Schumpeter, der nicht zufällig v o m ,,Prozeß der schöpferischen Zerstörung" spricht: „Vorstoß und Verfolgung" sind eng miteinander verbunden, j a untrennbar miteinander verschmolzen, mithin das eine ohne das andere im Grunde nicht denkbar. Diese ganzheitliche Betrachtung des Marktund Wettbewerbsprozesses ist grundsätzlich zu begrüßen, m u ß doch davon ausgegangen werden, daß das reale Marktgeschehen tatsächlich eine Einheit bildet, etwas „Ganzes" darstellt. Indes scheint es - nicht zuletzt vor d e m Hintergrund der oben skizzierten grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Auffassungen Kirzners und Schumpeters durchaus angebracht, das realiter einheitliche Marktgeschehen zu analytischen Zwecken gleichsam aufzuspalten, d.h., gedanklich in seine einzelnen Bestandteile bzw. Antriebskräfte zu zerlegen: Zwei dieser Kräfte haben wir nun bereits kennengelernt: Die Innovation (im Rahmen der Konzeption Schumpeters) und die Arbitrage (im R a h m e n der Konzeption Kirzners). So läßt sich denn deren Verhältnis zueinander idealtypisch etwa wie folgt beschreiben: Die vom Kirznerschen findigen Unternehmer betriebene Arbitrage setzt Preisunterschiede voraus. Diese wiederum charakterisieren eine Ungleichgewichtssituation, für deren Existenz letztlich nur die Innovation des schöpferischen Unternehmers im Schumpeterschen Sinne verantwortlich sein kann (von exogenen Gleichgewichtsstörungen sei hier selbstverständlich abstrahiert). Dieses zwecks Gewinnerzielung betriebene Aufspüren und Ausnutzen der im Ungleichgewicht existierenden Preisunterschiede kann freilich ohne weiteren Anstoß von außen nicht ad infinitum fortgesetzt werden, wirkt es doch im Grunde selbstzerstörerisch, da es das System sukzessive letztlich auf ein neues Gleichgewicht hinführt. Je erfolgreicher der findige Unternehmer ist, desto geringer werden die verbleibenden Arbitragemöglichkeiten. Anders ausgedrückt: Der erfolgreiche Arbitrageur sägt im Grunde an dem Ast, auf dem er sitzt, erhöht er doch durch seine Tätigkeit sukzessive die Markttransparenz, reduziert Preisunterschiede und schafft damit selbst eben gerade j e n e Bedingungen, unter denen weitere Arbitrage immer schwerer und letztlich unmöglich wird. W ü r d e tatsächlich ein neues Gleichgewicht erreicht, wäre einer Fortsetzung des ,Jiirzner-Wettbewerbs" der Boden entzogen - sofern nicht andere Kräfte auf den Plan träten, um dieses Gleichgewicht wieder zu zerstören. Diese Aufgabe übernähme nun wieder der nächste innovative Vorstoß des Schumpeter-Untemehmers.160 So ließe sich zusammenfassend feststellen: Der
die relevanten Tatsachen schon entdeckt sind und der Prozeß des Wettbewerbs daher zum Stillstand gekommen ist. Der Begriff der Ordnung, den ich (...) dem des Gleichgewichts vorziehe, hat den Vorteil, daß wir sinnvoll davon sprechen können, daß eine Ordnung in geringerem oder größeren Grade verwirklicht werden (...) und sich eine Ordnung auch durch Veränderungen hindurch erhalten kann. Während ein Gleichgewicht nie wirklich besteht, ist es doch berechtigt zu behaupten, daß die Art von Ordnung, von der das 'Gleichgewicht' der Theorie eine Art Ideal typ darstellt, in hohem Maße verwirklicht wird" (Hervorhebungen von mir). Heuß (1965, S. 129) hat diesen Zusammenhang - allerdings mit Blick auf die Figur des „imitierenden" Unternehmers, auf den bzw. dessen „Überschneidungen" mit dem Kirznerschen Arbitrageur noch einzugehen sein wird - einmal treffend so formuliert: „Das Spezifische des imitierenden Unternehmers besteht in der Ausnützung vorhandener Marktmöglichkeiten. Sind diese ausgeschöpft, so fehlt ihm ein eigentliches Betätigungsfeld, da er nicht wie der kreative Unternehmer die Fähigkeit besitzt, von sich aus neue Möglichkeiten zu kreieren" (Hervorhebung von mir).
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schöpferisch-innovative Unternehmer nach Schumpeter wird gleichsam zum Geburtshelfer und Erfüllungsgehilfen des findigen Unternehmers nach Kirzner - und umgekehrt. Diese Betrachtung ist nicht nur deshalb eine idealtypische, weil sie einen realiter einheitlichen bzw. ganzheitlichen Prozeß in seine Bestandteile aufspaltet und so den Eindruck eines gleichsam chronologischen Ablaufs erweckt. Sie ist es vielmehr auch deshalb, weil offenbar stillschweigend - und die realen Marktprozesse „verkürzend" - davon ausgegangen wird, daß beispielsweise die Arbitrage, die innerhalb eines fixen Rahmens gegebener Bestände von Produktionsfaktoren sowie gegebener Produktionstechnologien und Präferenzen stattfindet, selbst keinerlei Veränderungen innerhalb des Systems hervorrufen wird - mit Ausnahme deijenigen prinzipiellen Veränderung natürlich, daß letztlich irgendwann einmal ein neuer Gleichgewichtszustand zustande kommt, der dann das Ende des so verstandenen Marktprozesses markiert. Dies indes ist zweifellos eine heroische Annahme. So läßt sich zeigen, daß die auf ein Gleichgewicht zustrebenden Reallokationsakte bzw. „Umgruppierungen", die der findige Unternehmer durch seine Arbitragetätigkeit vorantreibt, durchaus nicht ohne Konsequenzen bleiben. Dies hat beispielsweise Fehl (1980) nachgewiesen. 161 Er bedient sich dazu eines einfachen Modells, dessen Prämissen so gewählt sind, daß sie eine Arbitrage ermöglichen, die gleichsam von allen „potentiellen Störfaktoren bereinigt" ist: Von Innovation und Akkumulation wird abstrahiert, es wird von gegebenen Faktorbeständen, identischen Produktions- und Präferenzfunktionen sowie von einheitlichen Preisen und unbeschränkter bzw. sofortiger Verfügbarkeit der Güter ausgegangen. Der einzige Umstand, der dem Modell „ökonomisches Leben" einhaucht, besteht in der über die Produzenten ungleich verteilten Ausstattung mit einem bestimmten Produktionsfaktor (hier: Boden). „Die Tauschakte, die sich in diesem Rahmen ergeben, stellen somit lediglich die Folge von Rechenexempeln dar, d.h. in diesem Kontext der reinen Arbitrage bedeutet 'Markt' tatsächlich nichts anderes als "Vergleich'" (Fehl 1980, S. 68/69). Es läßt sich zeigen, daß der Gesamtoutput gesteigert werden kann, wenn unter sonst gleichen Bedingungen jeder Produzent die gleiche Bodenmenge erhält. Die Produzenten selbst werden aufgrund des o.g. Vergleichs ihrer Produktionsergebnisse bzw. Erträge ebenfalls zu der Erkenntnis gelangen, daß sich eine „Reallokation" des Bodens etwa zwischen zwei Produzenten rechnet, sofern die Ertragssteigerung infolge der Mehrausstattung mit Boden bei einem Produzenten größer ist als der durch die Minderausstattung bewirkte Ertragsrückgang bei einem anderen Produzenten und solange der „Umfang" der Reallokation - sprich: die „getauschte" Bodenmenge - geringer ist als der Ausstattungsunterschied zwischen den beiden Tauschpartnern in der Ausgangssituation (vgl. den Nachweis bei Fehl 1980, S. 69/70). Die beschriebene Veränderung bzw. der Ausgleich der Bodenintensitäten kann freilich nicht nur durch eine „Umverteilung" (Verpachtung) des Produktionsfaktors Boden, sondern auch durch eine Reallokation des Faktors Arbeit - oder durch eine Kombination aus beidem - erreicht werden. Welches Verfahren der Ressourcenumverteilung zum Zwecke des Ausgleichs der Intensitäten auch immer gewählt wird, „und darin liegt die
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Die folgenden Ausführungen beruhen - sofern nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet auf dieser Quelle (hier insbes.: S. 67-73).
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entscheidende Konsequenz der durch das "Vergleichen' der Wirtschaftssubjekte initiierten Arbitrage, es wird das zunächst als Einheit empfundene Realeinkommen (...) nach Kategorien gespalten. Die Arbitrage fuhrt also dazu, daß mit den Produktionsfaktoren gewirtschaftet wird. Bedeutsam ist also nicht so sehr die sich rechnerisch schließlich ergebende 'Gleichgewichtsallokation', sondern die durch Arbitrage ausgelösten Prozesse der Umsetzung von Produktionsfaktoren. In der Arbitrage ist mithin eine überaus wichtige, wenn nicht sogar eine unentbehrliche Voraussetzung für Marktprozesse zu erblicken. Der Gleichgewichtszwsiand ist dabei eigentlich nur insofern wichtig, als man aus ihm ablesen kann, wann der Prozeß zum Stillstand kommt. Positiv gewendet: Solange der Gleichgewichtszustand noch nicht erreicht ist, müssen die Prozesse andauern." (Fehl 1980, S. 70/71; Hervorhebungen im Original). Mit dieser bedeutsamen Feststellung ist letztlich auch der Kern der Kirznerschen Vorstellung vom Charakter und Ablauf des Marktprozesses getroffen: Das Modell Kirzners indes rangiert zwar gewissermaßen am anderen Ende eines - wenn man so will - Kontinuums von Abstraktionsgraden, dessen Anfang das oben skizzierte Modell darstellt. Doch auch wenn man dessen realitätsferne Prämissen sukzessive aufweicht, also beispielsweise statt nur eines zu produzierenden Gutes eine Vielzahl von Gütern annimmt, die Annahme einheitlicher Preise aufgibt usw., dann ändert sich an den grundsätzlichen Zusammenhängen nichts. Dies bedeutet insbesondere, daß „der Sachverhalt der Trennung des 'einheitlichen', wenn auch ungleichen Einkommens nicht tangiert wird, d.h. es kommt in jedem Falle zum Entstehen verschiedener Einkommenskategorien (Lohn, Grundrente, Kapitalzins), d.h. zur Herausbildung von Faktorpreisen" (Fehl 1980, S. 72). Die oben beschriebene Trennung der Einkommenskategorien ist von fundamentaler Bedeutung für das Ingangkommen weiterer Marktprozesse: Geht man beispielsweise davon aus, daß die Property Rights bezüglich der verschiedenen Faktoren ungleich verteilt sind, so „wird sich eine mehr oder weniger ungleiche Einkommensverteilung ergeben. Werden nun aber Teile der höheren Einkommen gespart oder investiert, so resultieren daraus weitere Marktprozesse" (ebd., Hervorhebung im Original).
2.2.3.2. „Überschüsse" und Realkapitalbildung: Zur Bedeutung der Akkumulation Die vorstehenden Ausführungen haben zumindest zweierlei deutlich gemacht: Zum einen kann sich die Arbitrage auf verschiedene Objekte - Güter und Produktionsfaktoren - beziehen. Zum anderen gilt es, die infolge der Existenz von Faktorpreisen und unterschiedlichen Einkommenskategorien (bzw. die infolge der dadurch begünstigten ungleichen Einkommensverteilung) entstehenden Gewinne („Überschüsse") zu berücksichtigen. Wie im letzten Zitat bereits angedeutet, sind in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten der nicht-konsumtiven Gewinn- bzw. Einkommensverwendung von besonderer Bedeutung, tritt doch mit dem Sparen und Investieren nun die Möglichkeit der Realkapitalbildung - sprich: die Akkumulation - auf den Plan. Diese kann als weitere „Triebkraft" (Fehl) des Markt- und Wettbewerbsprozesses angesehen werden. Im folgenden werden die Wirkungen der in obigem Modell von der Grundrente „induzierten" Akkumulation aufgezeigt. Hierbei wird emeut auf ein Modell von Fehl zurückgegriffen; freilich soll auf eine ausführliche Darstellung verzichtet und die Erörterung auf die grundlegenden Aspekte beschränkt werden.
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Es wird davon ausgegangen, daß nur ein originärer Produktionsfaktor (Arbeit) existiert. Dieser wird auf einer ersten Produktionsstufe zur Kapitalgutherstellung genutzt; das Kapitalgut wird dann auf der nächsten Produktionsstufe gemeinsam mit dem Faktor Arbeit zur Konsumgutproduktion eingesetzt. Es wird von einem stationären System ausgegangen, d.h. es wird nicht gespart, sondern das erzielte Einkommen wird ausschließlich konsumtiv verausgabt. Weiterhin wird unterstellt, daß der Kapitalstock zu Beginn einer Periode immer gleich groß ist; das Kapitalgut geht während des Produktionsprozesses unter, wird also nach einer Periode vollständig abgeschrieben („zirkulierendes Kapital"). Nun wird zunächst die Wirkung der Arbitrage analysiert, d.h., es werden die entsprechenden Werte im Gleichgewichtszustand ermittelt: Unter der Voraussetzung eines starren Arbeitsangebots (Vollbeschäftigung) und eines zur Reproduktion des in der Konsumgutproduktion einzusetzenden Kapitalgutes notwendigen Arbeitsquantums läßt sich ein bestimmter Gleichgewichtslohnsatz ermitteln. Damit lassen sich nun die Kosten bzw. Grenzkosten der verschiedenen Branchen bestimmen. Wegen der spezifischen Gestalt der Produktionsfunktion in der Kapitalgutindustrie entsprechen die Grenzkosten der Kapitalgutproduktion exakt dem Gleichgewichtslohnsatz, der unterhalb des am Periodenende erzielbaren Kapitalgutpreises liegt. Es entstehen also Knappheitsgewinne in der Kapitalgutindustrie, die so lange Bestand haben werden, wie sich der zu Beginn einer jeden Periode verfügbare Kapitalstock nicht erhöht. Hier tritt nun die Akkumulation auf den Plan, ist doch mit eben einer solchen Erhöhung des Kapitalstocks gerade dann zu rechnen, wenn die Knappheitsgewinne investiert werden. Hiermit zeigt sich ein interessanter Zusammenhang zu der gleichsam selbstzerstörerischen Wirkung der auf ein Gleichgewicht zustrebenden Arbitrage, die wir bereits sehr allgemein und stark vereinfacht an früherer Stelle festgestellt hatten: „Es drängen also wiederum die 'Gleichgewichtskräfte' auf eine Änderung des Rahmens, innerhalb dessen sie sich 'abarbeiten'. Da aber mit der Akkumulation (...) die 'Überschüsse' sinken, hebt sich somit der Anreiz zur Akkumulation gleichsam selbst auf: Die Existenz der dritten Einkommenskategorie, die auf die produzierten Produktionsmittel bezogen ist, ist somit ständig durch die Akkumulation bedroht (...)" (.Fehl 1980, S. 78). Es sei betont, daß diese Bedrohung durch die Akkumulation stets gegeben ist, unabhängig davon, ob es sich „um die Erhöhung der homogenen Kapitalgutmenge - wie in der neoklassischen Produktionsfunktion (im hier vorliegenden Modell, T.B.) - (...oder) um den Übergang zu mehrergiebigen, aber 'umwegigeren' Produktionsprozessen handelt, bei denen in aller Regel die Produktionsgüter 'ausgewechselt' werden müssen. Es besteht jedenfalls tendenziell eine Bewegung zum Zustand der 'Kapitalsättigung'" (ebd.). Diese Feststellung ist von erheblicher Bedeutung, impliziert sie doch, daß - um im zuvor benutzten Bilde zu bleiben - der Ast, auf dem der Arbitrageur sitzt und den abzusägen er sich durch seine Arbitragetätigkeit letztlich selbst „bemüht", durch die Akkumulation gleichsam ständig dicker bzw. dem wirksamen „Zugriff' seiner Säge entzogen wird. Anders ausgedrückt, die Akkumulationsprozesse zwingen den Arbitrageur gewissermaßen dazu, auf ein bewegliches Ziel zu schießen. So muß das Erreichen des Gleichgewichtszustandes letztlich ein frommer Wunsch bleiben. Bezogen auf den „Kapitalstock" bedeutet dies, daß eben nicht davon ausgegangen werden kann, „es werde der Gleichgewichtszustand erreicht, der zu dem zu Beginn einer bestimmten Periode vorhandenen Kapitalbestand paßt. (...Dies zu unterstellen, hieße, T.B.) nichts anderes, als vom realen Markt-
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prozeß abzusehen. Freilich bedeutet dies nicht, daß sich keine Überschüsse ergeben werden, doch werden gerade diese Überschüsse zu einem anderen, im Durchschnitt der Fälle höheren Kapitalbestand (...) fuhren, bevor sich der zu (...dem bestimmten ursprünglichen Kapitalbestand, T.B.) 'passende' Gleichgewichtszustand eingestellt hat. Man hat sich folglich dem Problem in der Weise zu nähern, daß der Kapitalbestand (...zu Beginn einer bestimmten Periode, T.B.) nicht als Datum zu betrachten ist, sondern als eine sich im Marktprozeß selbst bildende, d.h. 'endogene' Größe" (Fehl 1980, S. 78/79; Hervorhebung im Original). Die Analyse der Wirkungen der Akkumulation läßt sich nun von einer komparativstatischen in eine dynamische verwandeln, indem die Herstellung der zusätzlichen Kapitalgüter ausdrücklich berücksichtigt wird. Es wird unterstellt, daß die Kapitalgutproduzenten ihre „windfall gains" ausschließlich für Konsumgutkäufe verwenden. Durch diese nicht-investive Verwendung der Knappheitsgewinne wird ein neues Gleichgewicht hergestellt, die Marktprozesse haben also zu einer vollständigen Anpassung des Systems an den Kapitalstock geführt (oder besser: diese nicht verhindert). Die Konsumgutproduzenten halten aufgrund statischer Erwartungen ihr Produktionsniveau. Nun wird angenommen, daß die Kapitalgutproduzenten ihre Planungen plötzlich ändern: Sie entschließen sich, ihre Produktion auszudehnen; zu diesem Zwecke müssen sie ihren Konsum einschränken, um stattdessen zusätzliche Arbeitskräfte nachfragen zu können. Die Folgen seien in aller Kürze skizziert: Die Konsumgutproduzenten erleiden Verluste, da sie dem Nachfragerückgang, dem sie sich plötzlich gegenübersehen, nur mit einem Preisnachlaß begegnen können (von einem Lageraufbau wird abgesehen). Der Lohnsatz ist gestiegen, da die Kapitalgutproduzenten wegen der Vollbeschäftigungsbedingung gezwungen waren, die gewünschten zusätzlichen Arbeitskräfte aus dem Konsumgutsektor abzuwerben. Es sei angenommen, daß die Konsumgutproduzenten sich entschließen, die Produktion fur die nächste Periode aufzunehmen, wiewohl die infolge des höheren Lohnsatzes gestiegenen Kosten bzw. Grenzkosten sie im Grunde aus dem Markt drükken müßten. Die Erwartungen der Konsumgutproduzenten - die für die Fortsetzung des Marktprozesses hier offenbar von entscheidender Bedeutung sind - werden nicht enttäuscht: Da die Arbeitskräfte das gesamte, infolge des höheren Lohnsatzes nun gestiegene, Einkommen für Konsumgüter ausgeben (es wird nicht gespart) und diese mächtige Kaufkraft nun auf das in dieser Periode geringere Angebot an Konsumgütern trifft, verbessert sich die Lage der Konsumgutproduzenten am Ende dieser Periode merklich, sie können Knappheitsgewinne verbuchen. Dies wiederum veranlaßt sie zur Planung einer Produktionsausweitung in der nächsten Periode (statische Erwartungen), mithin zu einer zusätzlichen Nachfrage nach Arbeitskräften, so daß nun gleichsam von der anderen Seite her der Konkurrenzkampf um die knappen Arbeitskräfte einsetzt usw. Auf die Schilderung weiterer Einzelheiten oder Modifikationen kann an dieser Stelle verzichtet werden. Für die hier im Mittelpunkt stehende Frage nach dem Zusammenwirken der beiden Kräfte ist lediglich von Bedeutung, daß sich das System letztlich irgendwann gleichsam nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren - auf einen neuen Gleichgewichtszustand einpendeln wird. Bei Fehl (1980, S. 82) heißt es dazu: „Gäbe es also nur Arbitrage und Akkumulation, so würde sich schließlich ein Gleichgewicht bei Kapitalsättigung ergeben, d.h. es würde sich zwar eine Ordnung herstellen, allein, es handelte sich um eine Ordnung ohne Entwicklung, der Marktprozeß hätte sozusagen seine Ar-
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beit getan. Die Arbitrage hätte ihre ursprüngliche Bedeutung, durch die Bildung von Überschüssen Triebkraft fur Akkumulation und Marktprozeß zu entfalten, eingebüßt." Damit sind wir nun bei der Innovation angelangt - oder besser: zu ihr zurückgekehrt -, ist sie doch jene Antriebskraft, von der allein ein „Stillstand" wie der oben geschilderte verhindert werden kann. Schließlich besteht die Wirkung plötzlich auftretender neuer (Konsum-)Güter oder Produktionsverfahren (Kapitalgüter) darin, den Punkt der „Kapitalsättigung" gleichsam hinausszuschieben. 2.2.3.3. Das Zusammenwirken von Arbitrage, Akkumulation und Innovation So wie Akkumulation und Arbitrage gemeinsam darauf hinwirken, die Ungleichverteilung (die „Überschüsse") abzubauen, so läßt sich die Innovation als das Bemühen schöpferischer Unternehmer interpretieren, „Überschüsse" zu erzielen bzw. die Reduktion der bereits bestehenden zu verhindern. Fehl (1980, S. 83) formuliert dies recht anschaulich so: „Arbeiten Arbitrage und Akkumulation in ihrer Kombination gleichsam nach dem Motto 'Das Schicksal setzt den Hobel an und hobelt alles gleich' - d.h. sie beseitigen letztlich die 'Überschüsse' -, so ist die Neuerung als ein Versuch zu verstehen, diesem Schicksal entgegenzutreten." Nach seiner Auffassung kann der Hintergrund dieses Bemühens darin gesehen werden, „daß die (schöpferischen, T.B.) Unternehmer ist der marktwirtschaftliche Prozeß erst einmal in Gang gekommen - ein Anspruchsniveau entwickeln werden, indem sie einen bestimmten 'Überschuß' für 'normal' halten" (ebd., Hervorhebung im Original). Nota: Es sei betont, daß durch die Annahme des „Strebens nach Überschüssen" seitens der schöpferischen Unternehmer keinesfalls etwa das neoklassische Postulat der Gewinnmaximierung - gleichsam durch die Hintertür Einzug in die Betrachtung hält; vielmehr steht dieses Streben absolut im Einklang bzw. ist zu begründen mit den ausführlich erörterten Annahmen der Leistungsmotivationstheorie. So läßt sich denn zusammenfassend feststellen, daß „die Triebkräfte des Marktprozesses (...) in einem wechselseitigen dialektischen Verhältnis zueinander (stehen). Arbitrage heckt Akkumulation, Akkumulation heckt Neuerung. Neuerungen aber schaffen Differenzierung und damit neue Aufgaben für Arbitrage und Akkumulation. (...Mithin ist es, T.B.) der Marktprozeß selbst, der seine eigene Erneuerung vorantreibt, der gleichsam selbst dafìir sorgt, daß er nicht überflüssig wird! Oder anders ausgedrückt: Wettbewerbsprozesse erzeugen ständig weitere Wettbewerbsmöglichkeiten. Der Wettbewerb "entdeckt' permanent neue Möglichkeiten für sich selbst" (Fehl 1980, S. 84; Hervorhebungen von mir). Zwar sei hier darauf verzichtet, näher zu erläutern, auf welche Art und Weise die Neuerung - sei es nun eine Produkt-, Verfahrens- oder eine organisatorische Innovation - die erwähnte Differenzierung herbeifuhrt. Indes soll nicht versäumt werden, darauf hinzuweisen, daß diese Differenzierung „von gänzlich anderer Art ist, als diejenige Differenzierung, die durch Arbitrage entsteht. Während die Neuerung die Verschiedenartigkeit tatsächlich schafft, macht Arbitrage sie gleichsam nur sichtbar bzw. nutzt sie durch Rekombination. Deutlich wird aber auch, daß Akkumulation hinzukommen muß, wenn die Neuerung effektiv genutzt werden, d.h. Breitenwirkung bekommen soll" (Fehl 1980, S. 87; Hervorhebung im Original). Die Arbitrage wiederum dient der Akkumulation gleichsam als Wegweiser, da sie „die verschiedenen 'Gefälle' sichtbar macht, die es
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durch profitable Investitionen zu reduzieren gilt. Umgekehrt beschert die Akkumulation der Arbitrage neue Aufgaben. Denn die Veränderung der Kapitalgüterbestände und der Konsumgüterproduktion kann nur unter sehr speziellen Voraussetzungen ohne Rückwirkungen auf die relativen Preise sein. Im allgemeinen wird es daher infolge der Akkumulation zu Umwertungsprozessen kommen. Die Objekte der Akkumulation, die Kapitalgüter, werden daher ex post andere Werte als ex ante annehmen. Da diese Umwertungen nicht voll vorausgesehen werden können, werden die Wirtschaftssubjekte hierauf wiederum mit weiteren Veränderungen der Kapitalgüterbestände reagieren, was neue Arbitrageprozesse auslöst usf." (ebd., S. 88/89; vgl. hierzu ausfuhrlich Fehl (1976) sowie in Kurzform (1976b). Kommen wir noch einmal kurz zurück auf die Feststellung, daß die „reine" Arbitrage im Grunde nichts anderes als einen „Vergleich" darstellt. Die Berücksichtigung dieses Umstandes führt uns im Zusammenspiel aller drei „Triebkräfte" die fundamentale Bedeutung der Arbitrage für die Innovation vor Augen: Neben derjenigen Art und Weise, die uns die Unentbehrlichkeit der Arbitrage für die Innovation bereits im Zusammenhang mit der Erörterung der Akkumulation verdeutlicht hat, ist sie noch in einem anderen, „mehr elementaren" Sinne von Bedeutung: „Soll nämlich eine Idee ökonomisch verwertet werden, muß sie anhand des Bestehenden abgeschätzt werden. Die Vermutung ihrer Überlegenheit gegenüber dem 'Alten' kann sich nur auf der Basis des Vergleichs, also auf Arbitrage gründen. Anders liegen die Dinge nur in dem Extremfall, daß das Neue so extrem neu ist, daß es gleichsam keinen Vergleichsmarkt findet. Hier muß dann der Vergleich durch Zuversicht und Hartnäckigkeit des Innovators ausgeglichen werden. Entsprechend groß ist aber dann auch das Risiko eines Fehlschlags" (Fehl 1980, S. 89, FN 2; darauf wird mit im Zusammenhang mit den spezifischen Rahmenbedingungen der Transformation noch ausdrücklich zurückzukommen sein.). Die Arbitrage ist jedoch nicht nur im Vorfeld der Neuerung gleichsam zur Orientierung des (potentiellen) Innovators von Bedeutung, sondern auch dann, wenn die Innovation dann tatsächlich erfolgt ist. Schließlich muß doch festgestellt werden, „ob die Kalkulationen 'aufgehen', d.h. die erhofften Pionier- und Differentialgewinne sich tatsächlich einstellen und die Akkumulation in der eingeschlagenen Richtung fortgesetzt werden soll" {Fehl 1980, S. 89). Dies kann wiederum ebenfalls nur anhand eines Vergleichs, sprich: durch neuerliche Arbitrage ermittelt werden, wobei freilich zu beachten ist, daß diese Arbitrage dann gleichsam als „Aggregationspheromon" wirkt: Sie ist, wenn man so will, der Duftstoff, der potentiellen Konkurrenten signalisiert, „daß es sich unter Umständen nachzustoßen lohnt. (...Es) kann demnach festgehalten werden, daß Arbitrage Voraussetzung und zugleich Folge von Neuerungsprozessen darstellt" (ebd., S.89/90). Wir sehen also, daß die als wechselseitige Vorstoß- und Anpassungsbemühungen zu verstehenden Bewegungen der drei „Triebkräfte" den Markt- und Wettbewerbsprozeß stets am Leben erhalten bzw. weiter vorantreiben, mithin in einem „ausgewogenen Verhältnis" zueinander stehen: Die Triebkräfte stacheln sich einerseits zu immer neuen Aktionen an, andererseits neutralisieren sie sich gegenseitig - allerdings unter der Voraussetzung, daß alle zugleich am Werke sind, wie auch Fehl (1980, S. 91) ausdrücklich betont: „So kann der Marktprozeß sich als Prozeß offenbar nicht perpetuieren, wenn auch nur eine der genannten Triebkräfte fehlt. Ohne die Neuerung liefen sich die beiden
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anderen Kräfte gleichsam tot, d.h. es obsiegten letztlich die Gleichgewichtskräfte. Durch die Neuerung wird die Tendenz zum Gleichgewicht aber immer wieder gestört, d.h. eine 'Ungleichgewichtstendenz' erzeugt. Ohne Akkumulation wiederum könnten die von der Neuerung kreierten und von der Arbitrage aufgedeckten 'Gefälle' nicht überbrückt und damit nicht genutzt werden. Die Arbitrage verlöre weitgehend ihren eigentlichen Sinn, die Neuerung bliebe letztlich belanglos, weil ohne Breitenwirkung. Ohne Arbitrage schließlich würde Akkumulation und Neuerung keine Richtung gewiesen. Es sind also alle drei Triebkräfte gleichzeitig gefordert" (Hervorhebung im Original). Die grundlegende Voraussetzung hierfür ist freilich zunächst in der Garantie der eingangs dieses Kapitels erwähnten und dann im Rahmen des „Filters" der Handlungsrechte konkretisierten Wettbewerbsfreiheit zu sehen. 162 Sie stellt diejenige Verbindungslinie dar, die uns von der abstrakten und gleichsam „entmenschlichten" Ebene der hier behandelten drei Triebkräfte des Marktprozesses zur Ebene des Individuums zurückführt: „Wettbewerb ist ein Handeln" (Krüsselberg), setzt mithin Freiheit zum Handeln, zu wettbewerblichem Handeln voraus. In eben jener Wettbewerbsfreiheit ist eine entscheidende Voraussetzung für die Entstehung einer „Handelnsordnung" (von Hayek) zu sehen, deren Merkmale bzw. Eigenschaften im Zusammenhang mit den Ausfuhrungen über die spontane (bzw. gewachsene) Ordnung eingehend erläutert wurden: Wie dargelegt, kann eine solche Ordnung nicht bewußt geplant und dann - nach Maßgabe eines konkreten Entwurfs - „gemacht" werden, sondern entsteht aufgrund der Handlungen einer Vielzahl von Menschen, die ihre je individuellen Ziele verfolgen, gewissermaßen „von selbst". Unter „Handeln" wollen wir also stets das Handeln von Individuen verstehen. Genau dies spiegelt sich auch in der bisherigen Darstellung des Markt- bzw. Wettbewerbsprozesses wider: So wurden von Beginn an zwei der genannten drei Triebkräfte dieses Prozesses eng an die Handlungen bestimmter Individuen - hier: Unternehmertypen - geknüpft. Individuen sind, wie mehrfach betont, in vielerlei Hinsicht verschieden·. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, ihrer Ziele usw. Entsprechend repräsentieren der schöpferische und der findige Unternehmer zwei durch Abstraktion gewonnene (Denk-)Figuren, die wir - entsprechend der von ihnen jeweils „bevorzugten" Aktivität - einer der genannten Triebkräfte zugeordnet haben, wobei die Unternehmertypen gleichsam als Motor jeweils einer bestimmten Triebkraft verstanden werden können (in diesem Sinne bezeichnet etwa Fehl (1980) den Unternehmer treffend als die „Triebkraft der Triebkräfte"). Nun leuchtet unmittelbar ein, daß mit lediglich zwei Unternehmertypen die große Vielfalt des Marktgeschehens kaum hinreichend erfaßt werden kann. 163 Aus diesem Grunde wird im nächsten Abschnitt versucht werden, zu einem
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Entsprechend heißt es bei Fehl (1980, S. 92): „Ist (...) das 'freie Spiel der marktlichen Triebkräfte' nicht durch irgendwelche Maßnahmen beschränkt, herrscht - anders gewendet - 'Wettbewerbsfreiheit', so reißen sich die Kräfte wechselseitig mit, besteht gleichsam eine eingebaute Tendenz zur Balance zwischen ihnen." Es fallt auf, daß der Triebkraft „Akkumulation" hier kein „eigener" Unternehmertypus zugeordnet wird, obwohl dies theoretisch durchaus möglich wäre. Einen entsprechenden Hinweis finden wir etwa bei Fehl, dessen Begründung fur einen entsprechenden „Verzicht" hier ausfuhrlich wiedergegeben sei, da sie einerseits - vor dem Hintergrund der bisherigen Ausfuhrungen - sehr einleuchtend und andererseits - mit Blick auf den potentiellen „Urheber", dem man diesen dritten Unternehmertypus „zuschreiben" könnte, - sehr
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insgesamt differenzierteren Untemehmerbild zu gelangen. Dabei wird auf die Unternehmertypologie von Heuß zurückgegriffen, die dieser im Rahmen seiner auf den Einzelmarkt bzw. dessen Entwicklung ausgerichteten „Allgemeinen Markttheorie" (1965) entwickelt hat. Auf diese Weise soll das hier entworfene Untemehmerbild vollständiger und realitätsnäher werden, als es durch die alleinige Berücksichtigung der beiden von Schumpeter
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betrachteten Unternehmertypen möglich wäre, auf die diese
sich im Rahmen ihrer jeweils ganzheitlichen (Markt-)Perspektive im Grunde beschränkt hatten. 164 Die Verschiedenartigkeit der Individuen bezieht sich insbesondere auch auf deren persönliche Erwartungen, die ihren Ausdruck nicht zuletzt in den konkreten Handlungen finden. So ist etwa fur von Hayek (1969g, S. 164) „die zweckmäßigste Definition des Begriffes Ordnung' (...) das Bestehen von Beziehungen zwischen wiederkehrenden Elementen (...), die es für uns möglich macht, aufgrund der Kenntnis eines (räumlich oder zeitlich) beschränkten Teils eines Ganzen Erwartungen bezüglich des Restes zu bilden, die gute Aussicht auf Erfüllung haben" (Hervorhebung von mir; dieser grundlegende Zusammenhang wurde bereits im Rahmen der allgemeinen Erörterung von Institutionen beleuchtet). Wie ebenfalls an früherer Stelle dargelegt, spielen innerhalb der spontanen, polyzentrischen Marktordnungen, die von den Individuen und ihren Handlungen aufgespannt werden, Preise - als Informationsträger geronnenen Wissens - eine ganz entscheidende Rolle, wenn es darum geht, uns Informationen über Vorgänge zu vermitteln, von denen wir ohne das Preissystem keinerlei Kenntnis erlangen könnten. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen zur Ausgewogenheit der drei Triebkräfte
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interessant und aufschlußreich ist: „Rein formal könnte man der Triebkraft Ά Κ Κ U M U L Α Τ I Ο Ν ' ebenfalls einen eigenen Untemehmertypus zuordnen. Doch (...wie wir gesehen haben, T.B.) impliziert sowohl die Aktivität des v.MISESschen (hier: des Kirznerschen, T.B.) als auch des SCHUMPETERschen Unternehmers die Akkumulation als notwendiges Komplement. Da es außerdem schwierig ist, sich einen Unternehmer vorzustellen, der primär akkumuliert, scheint es wenig zweckmäßig, einen diesbezüglichen Unternehmertypus zu definieren, obwohl die MARXsche Kennzeichnung des (UnternehmerKapitalisten - „Akkumuliert, Akkumuliert! Das ist Moses und die Propheten!" (...) - es fast suggeriert. Die Formulierung eines dritten, nämlich des ' M A R X s c h e n ' U n t e r n e h m e r s, mit Bezug auf die Akkumulation als solche würde aber den Intentionen MARX' nicht gerecht und ihm zugleich zuviel Ehre antun: Einerseits nämlich denkt MARX bei der Akkumulation die Arbitrage - Ausgleich der Profitraten! - ebenso mit wie die Neuerung - Erzeugung des relativen Mehrwerts! -, andererseits hat er aber keine eigentliche Untemehmertheorie entwickelt." (Fehl 1980, FN 3, S. 95/96; Sperrschrift im Original). Heuß (1965, S. 7/8) hat selbst eine Begründung fur die Notwendigkeit einer solchen Differenzierung geliefert, als er wie folgt gegen das Untemehmerbild der Neoklassik zu Felde zog: „Man würde aber das Wesen des Unternehmers in einer Marktwirtschaft nicht krasser verkennen, als wenn man in ihm lediglich einen Automaten sehen wollte, der nur zu gewissen Reflexhandlungen fähig ist. Verhielte es sich so, dann müßte die Marktwirtschaft ebenso wie ein Automat bei jedem unvorhergesehenen Ereignis sogleich blockiert sein und stillstehen. Wie (...) zu zeigen ist, gibt es im Wirtschaftsleben diesen AutomatenUnternehmer-Typus häufiger, als einer Marktwirtschaft bekömmlich ist. Damit ist aber zugleich auf die Tatsache hingewiesen, daß es nicht angeht, von einem einzigen Unternehmer-Typus schlechthin zu sprechen, sondern es notwendig ist, zwischen mehreren zu unterscheiden."
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wird nun deutlich, daß die Preise diese ihnen zugedachte Informationsfunktion offenbar nur dann zufriedenstellend erfüllen können, wenn davon auszugehen ist, daß sich in ihnen zu jedem Zeitpunkt „die Bewegungen aller drei Triebkräfte niederschlagen (...). Wenn nun die Arbitrage auf der Grundlage solcher Preise zustande kommt, reflektiert sie folglich uno actu Prozesse der Arbitrage, der Akkumulation und der Neuerung, basiert (...) somit auf einer Resultante aus Gleichgewichts- und Ungleichgewichtstendenzen. Eine Folge dieses Sachverhalts ist die Ungewißheit über die Richtung, in der sich die Preise in Zukunft bewegen werden (...)" (Fehl 1980, S. 92/93; Hervorhebung von mir). Es ist gerade diese Ungewißheit über die zukünftigen, sich in den Preisen widerspiegelnden Ereignisse, die auf die Bedeutung der - individuell je unterschiedlichen Erwartungen der Menschen hinweist. Wie gesehen, stellen die Preise Signale dar. Nun läßt sich von hier aus ein unmittelbarer Zusammenhang zu den unterschiedlichen Fähigkeiten verschiedener Individuen herstellen: So wurde im Rahmen der Erörterung des zweiten „Filters" des (Innovations-)Verhaltens - dem sog. „Kompetenz-Filter" - festgestellt, daß es im wesentlichen von den kognitiven Fähigkeiten eines Individuums abhängt, auf welche Art und Weise es Signale aus der Umwelt empfängt, wie es diese wahrnimmt, interpretiert und letztlich darauf reagiert. Diese subjektiv unterschiedliche Perzeption der Signale spielt nun für die Erwartungsbildung von Individuen eine entscheidende Rolle. Fassen wir zusammen: Die Verschiedenartigkeit der Individuen bezieht sich unter anderem auf deren Fähigkeitsniveau, also auch auf die kognitiven Fähigkeiten. Von diesen hängt die individuelle Wahrnehmung der Umweltsignale und von dieser wiederum die individuelle Erwartungsbildung ab. Die Erwartungsbildung wiederum hat maßgeblichen Einfluß auf das konkrete Verhalten. So läßt sich - zumindest in der Regel aus dem Verhalten bzw. den Aktivitäten eines Menschen unmittelbar auf dessen Kompetenzniveau schließen. Daß sich dies nicht nur auf die jeweiligen kognitiven, sondern auch auf die motivationalen Kompetenzen bezieht, wird an späterer Stelle noch zu erläutern sein; dort wird es dann dezidiert darum gehen, verschiedene Unternehmertypen allein aus deren unterschiedlichen Kompetenzniveaus zu bilden bzw. abzuleiten. Dabei wird eine wichtige Rolle spielen, daß leistungsmotivierte Individuen sich Aufgaben bzw. (Umwelt-)Herausforderungen mittleren Schwierigkeitsgrades zuwenden. So schließt sich der Kreis: Ausgehend von der Ausgewogenheit der drei Triebkräfte Innovation, Arbitrage und Akkumulation waren wir über den Begriff der Wettbewerbsfreiheit zu den Wettbewerbspreisen gestoßen. Der Begriff der Wettbewerbsfreiheit wies unmittelbar auf den ersten „Filter" - den der Handlungsrechte - hin, während die Preise als Signale auf den zweiten „Filter" hinwiesen - den der Kompetenzen (hier zunächst die kognitiven Fähigkeiten). Von dort aus konnte dann unmittelbar auf die individuell verschiedenen Erwartungen geschlossen werden. Über die „Brücke" der motivationalen Fähigkeiten ließ sich dann die Verbindung zum dritten „Filter" - dem der Umweltherausforderungen - herstellen. Nachdem so die im Grunde universelle Brauchbarkeit des am Beispiel des schöpferisch-innovativen Unternehmers bzw. seines Verhaltens grundlegend erläuterten FilterModells unterstrichen worden ist, erscheint es so wenig ratsam wie notwendig, die einzelnen Ebenen dieses Modells nun noch einmal ausfuhrlich für weitere Untemehmerty-
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pen „durchzudeklinieren". Deshalb kann und soll an dieser Stelle beispielsweise auf einen eigenen Abschnitt zu den „Determinanten des Verhaltens findiger Unternehmer" ebenso verzichtet werden wie auf einen gesonderten Abschnitt ,¿irbitrageUnternehmertum und Systemtransformation" usw. Entsprechende Ausführungen erfolgen stattdessen - gleichsam in Kompaktform - an späterer Stelle. So soll denn zunächst, wie bereits angekündigt, die Erweiterung bzw. Differenzierung der bisher betrachteten zwei Unternehmertypen unter Rückgriff auf die Heußsehe Unternehmertypologie vorgenommen werden. Zuvor jedoch seien noch einige wenige Anmerkungen zur Einordnung der im nächsten Abschnitt folgenden Ausführungen in den „Gesamtrahmen" gestattet: Zunächst sei betont, daß man - selbstverständlich - keineswegs davon ausgehen sollte, Schumpeter oder Kirzner wären etwa der Illusion aufgesessen, es gäbe tatsächlich so etwas wie eine reine Innovations- oder eine reine Arbitrageökonomie, im Gegenteil: Schumpeter selbst betont schließlich ausdrücklich die Existenz der Imitatoren, die von der Innovation eines schöpferischen Unternehmers „scharenweise" angelockt werden, und auch Kirzner nimmt eine bestimmte Differenzierung vor: Anders als Schumpeter unterscheidet er zwar nicht zwischen dem „schöpferischen Unternehmer" auf der einen und dem „Wirt" auf der anderen Seite, gleichwohl betont auch er mit der „Findigkeit" ein besonderes „unternehmerisches Element", das den Unternehmer und sein Verhalten grundlegend von dem der ,Jiobbinsschen Allokationsökonomisierung" (Kirzner 1978, S. 27) unterscheide. Vor dem Hintergrund des Umstandes, daß beide den Prozeßcharakters des Marktgeschehens betonen - Schumpeter zwar nur sehr abstrakt, Kirzner jedoch explizit durch die Annahme, daß alle Wirtschaftssubjekte im Grunde dem Ungleichgewicht „entfliehen" wollten, mithin (so etwas wie) ein Gleichgewicht anstrebten, - darf wohl angenommen werden, daß sich beide, insbesondere Kirzner, im Grunde sowohl Innovation als auch Arbitrage (und auch Akkumulation) stets als innerhalb eines Prozesses verwobene Elemente vorgestellt haben. Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, läßt sich jedoch durch die analytische Aufspaltung dieses Prozesses in seine Bestandteile insgesamt ein klareres Bild gewinnen. Durch die nun folgende und einer weiteren Differenzierung dienende Darstellung der Unternehmertypologie und des Marktphasenschemas nach Heuß soll das Ausmaß an analytischer Klarheit noch erhöht werden. Dabei sollte - gewissermaßen im Hinterkopf - stets das Streben „mitgedacht" werden, die wichtigsten Elemente der nun folgenden Differenzierung gleichsam als „Scharnier" zwischen Einzelmarktbetrachtung {Heuß) und ganzheitlich-totalanalytischer Betrachtung (in Grenzen: Schumpeter, insbesondere aber Kirzner) zu verwenden. Anschließend wird mit der Figur des „Routine-Unternehmers" noch ein weiterer Unternehmertypus in das Gesamtsystem eingefügt. Schließlich erfolgt eine gleichsam zusammenfassende Betrachtung dieser restlichen („nicht-schöpferischen") Unternehmertypen bzw. der von ihnen (gemeinsam) geprägten Triebkräfte im Lichte des ,»FilterModells", wobei besonderer Wert auf die Berücksichtigung transformationsspezifischer Zusammenhänge gelegt wird.
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Unternehmertum und Einzelmarktbetrachtung: Unternehmertypologie und Marktphasenschema nach Ernst Heuß
2.3.1. Grundsätzliche Anmerkungen 2.3.1.1. Zur Integration der Figur des Unternehmers in den Markt(prozeß) Der „spontan-imitierende" Unternehmer ist Teil einer differenzierten Unternehmertypologie, die Heuß (1965) 165 zum Zwecke der Marktprozeßanalyse vorgelegt hat. Heuß greift dabei auf die Schumpetersche Unterscheidung zwischen den beiden Unternehmertypen „schöpferischer (Pionier-)Unternehmer" und „Wirt" zurück. Er räumt ein, daß diese grobe Zweiteilung für Schumpeters „Anliegen, die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft zu erklären", genügt haben mag; für die Analyse der Marktprozesse sei jedoch eine weitere Differenzierung erforderlich, indem der „Sammelbegriff des NichtPionierunternehmers in drei weitere Unternehmertypen zu unterteilen ist" (Heuß 1965, S. 9). So unterscheidet Heuß zwischen dem „(spontan) imitierenden", dem „(unter Druck) reagierenden" und dem „immobilen Unternehmer". Er stellt nun - gleichsam in Schumpeterschsr Tradition - zwei Unternehmertypen (oder besser: zwei Gruppen von Unternehmertypen) einander gegenüber: die „initiativen Unternehmer" auf der einen und die „konservativen Unternehmer" auf der anderen Seite. Die erste Gruppe besteht aus dem (schöpferischen) Pionierunternehmer im Sinne Schumpeters und dem (spontan) imitierenden Unternehmer, während sich die konservativen Unternehmer aus dem (unter Druck) reagierenden und dem immobilen Unternehmer zusammensetzen. 166 Heuß geht es letztlich darum, die Figur des Unternehmers einer „theoretischen Fixierung" zugänglich zu machen, die seine Integration in den Markt erlaubt. Dazu freilich ist es notwendig, vom Markt im üblichen Sinne abzuweichen, ist doch in einer vom Datenkranz gegebener Kosten und Nachfrage beschränkten Welt, wie sie die neoklassische Theorie beschreibt, bekanntlich kein Platz für die Figur eines Unternehmers, „für den praktisch alle Daten (...) im Bereich seiner Gestaltungskraft liegen und daher zu seinen Aktionsparametern werden" {Heuß 1965, S. 14). Wir sehen also, daß Heuß im Grundsatz dieselbe Unzufriedenheit antreibt wie auch Schumpeter und Kirzner. Die für die Integration des Unternehmers in den Markt notwendige Abweichung von der herkömmlichen (neoklassischen) Marktauffassung gelingt Heuß, indem er nachweist, daß es den Markt schlechthin gar nicht gibt: Bei einer branchenspezifischen Aufgliederung der Volkswirtschaft „zeigt sich, daß alle Industrien bzw. die dazugehörigen Märkte im Laufe ihrer Entwicklung die gleichen Phasen durchlaufen, so daß von einem ganz allgemeinen Entwicklungsprozeß gesprochen werden kann." Indem er diese 165
Die nun folgenden Ausfuhrungen, Zitate und Seitenangaben beziehen sich - vorbehaltlich anderer Kennzeichnung - auf diese Quelle.
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Es sei darauf hingewiesen, daß es Heuß nicht etwa darum geht, „eine allgemeine Typologie fur die Unternehmer bzw. für die Untemehmsleitung zu geben." So betont er selbst (S. 10) ausdrücklich, daß er die von ihm gewählten Bezeichnungen bzw. seine gesamte Unternehmertypologie rein funktional - hier: im Hinblick auf den Ablauf des Marktprozesses verstanden wissen will, insoweit ist eine weitere grundsätzliche Parallele zu Schumpeters Unternehmer-Verständnis unübersehbar.
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Phaseneinteilung vornimmt (Experimentierungs-, Expansions-, Ausreifungs- sowie Stagnations- und Rückbildungsphase), entwickelt Heuß also - gleichsam analog zur Unternehmertypologie - eine Markttypologie. 167 Er zeigt auf, „daß mit der Unternehmertypologie die Markttypologie bereits vorgezeichnet ist. (...). Aus dem inneren Beziehungszusammenhang zwischen Unternehmer- und Markttypus ergibt sich, daß man nur den Spuren der betreffenden Unternehmertypen zu folgen braucht, um auf die entsprechenden Markttypen zu stoßen" (alle Zitate aus Heuß 1965, S. 14 und 15; Hervorhebung von mir). Anders gewendet: Heuß hat die von ihm entwickelte Unternehmertypologie „in den Rahmen der Marktentwicklung gestellt" (Fehl) und gezeigt, daß in bestimmten Marktphasen bestimmte Unternehmertypen dominieren bzw. diese maßgeblich prägen. Dies hat bisweilen zu einigen Mißverständnissen gefuhrt und Heuß gar mit einem „Tautologie-Vorwurf ' konfrontiert. Dieser ist indes unberechtigt, wie etwa Fehl nachgewiesen hat: So lassen sich einerseits die Marktphasen innerhalb des Heuß-Schemas grundsätzlich sehr wohl auch unabhängig von den einzelnen Unternehmertypen formulieren. Andererseits ist die Heuß sehe Unternehmertypologie - oder besser: die von Heuß beschriebene Wandlung des Untemehmertypus (vgl. insbes. Heuß 1965, S. 10 ff. u. S. 105 ff.) - nicht notwendig auf die Marktphasentheorie „angewiesen". Damit ist der Tautologie-Vorwurf entkräftet, was gleichwohl nicht besagt, „daß (etwa, T.B.) keine engen Beziehungen zwischen Marktphase und Untemehmertypus bestehen. Wenn man sich wegen der Unabhängigkeit beider Kategorien voneinander Unternehmer-Typen ohne Marktphasen und Marktphasen bei einheitlichem Kompetenz-Niveau der Unternehmer grundsätzlich vorstellen kann, so spricht doch vieles dafür, daß die Marktphasen deutlich von einem vorherrschenden Unternehmer-Typus geprägt werden" (Fehl 1987, S. 31/32). 168
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Gewisse Ähnlichkeit mit dem Heuß sehen Marktphasenschema scheinen etwa das „Verhaltensschema der Investition" bzw. das „Phasenschema der Produktion" von Krüsselberg aufzuweisen. Dieser unterscheidet zwischen (1) Entwicklungsphase, (2) Produktionsphase und (3) Rationalisierungsphase, wobei letztere in die drei Teilphasen a) Wirtschaftlichkeitsphase, b) Aggregationsphase und c) Marktregelungsphase unterteilt wird; als letzte Phase wird (4) die Rückbildungsphase genannt. Auch bei Krüsselberg klingt zwar an, daß es im Grunde um eine Uberlagerung mehrerer Produktlebenszyklen („Schemata der Gutsentwicklung") geht, allerdings fehlt bei ihm der explizite Bezug zur Figur des Unternehmers. Stattdessen wählt er einen eher institutionenbezogenen Ansatz und stellt eher die Institution „Unternehmung" denn die Person bzw. Persönlichkeit des Unternehmers in den Mittelpunkt (vgl. Krüsselberg 1963, 1965, S. 138 ff. sowie 1969, S. 281 ff.). Ohne die Entkräftung des Tautologie-Vorwurfs hier in extenso wiedergeben zu wollen, sei zumindest auf den Umstand hingewiesen, daß Fehl (1987) diese Entkräftung - für den Fall der „marktphasenunabhängigen" Unternehmertypologie - durch Rückgriff auf die „psychologische Theorie des Unternehmers" gelingt. Diese wurde im Rahmen des „FilterModells" von Röpke bereits skizziert und geht ihrerseits, wie erwähnt, auf Arbeiten zur Theorie der Leistungsmotivation von McClelland, Heckhausen et al. zurück. Für die „untemehmertypenunabhängige" Formulierung der Marktphasen möge hier der Hinweis auf die Bedeutung der Nachfrageseite für die Marktentwicklung genügen. Nota: Im Zusammenhang mit dem erstgenannten Aspekt der Fehischen „Tautologie-Widerlegung" erscheint mir erwähnenswert, daß die Theorie der Leistungsmotivation (bzw. eine Parallele zu einer ihrer wichtigsten Prämissen) bei Heuß selbst - zumindest implizit - ebenfalls angelegt ist. So betont er etwa: „Die vorgenommene Unternehmertypologie geht von be-
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2.3.1.2. Die Marktphasentheorie im Überblick In der Experimentierphase169 geht es darum, eine Produktidee in die Tat umzusetzen. Diese Phase läßt sich gedanklich in zwei Teilphasen aufspalten: In der ersten Teilphase steht das Bemühen um die Produktreife im technischen Sinne im Vordergrund, während es in der zweiten Teilphase, d.h., gegen Ende der Experimentierphase, insbesondere darauf ankommt, das dann produktionsreife Gut auch im engeren ökonomischen Sinne zur Marktreife zu bringen. Bei Heuß (1965, S. 30) heißt es dazu treffend: „Auf die Produktkreation folgt die Marktkreation, auf das technische folgt das ökonomische Experiment." 170 Damit ist nun die ökonomische Kategorie der Nachfrage angesprochen, die während der (späteren) Experimentierphase im Hintergrund gleichsam stets „mitgedacht" ist. Die Mobilisierung bzw. Kreierung dieser Nachfrage stellt nun den Übergang zur nächsten Stufe der Marktentwicklung - der Expansionsphase - dar: „Die Schaffung eines Marktes für das neue Produkt kann als ein Problem der 'Nachfrageproduktion' betrachtet werden. (...). Gelingt es, für das neue Produkt die erforderlichen Absatzmärkte zu erschließen, so ist der Weg fur eine stürmische Expansion frei (...)" (Heuß 1965, S. 30 u. S. 16). Diese Phase ist - insbesondere nach einer ersten „Sturm-und-Drang-Zeit" im wesentlichen von Bemühungen um die Verbesserung der Produktionstechnik und Produktqualität sowie um Anstrengungen zur Ausweitung der Nachfrage geprägt: Nachdem man in der Experimentierphase festgestellt hat, daß man offenbar grundsätzlich „das Richtige" tut, versucht man nun nicht nur, das grundsätzlich Richtige noch besser - „effizienter" - zu tun, sondern man ist auch bestrebt, ständig zusätzliche, neue Nachfrager zu gewinnen. Dies ist insbesondere deshalb notwendig, weil es ja in dieser Phase für das neue Produkt „noch keinen eigentlichen Stamm von alten Abnehmern gibt" (ebd., S. 41). Es kommt zu überdurchschnittlichem Wachstum, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Preis- und auch die Einkommenselastizität der Nachfrage während dieser Phase, nachdem es zur „Selbstzündung der Nachfrage" (Heuß) gekommen ist, sehr gering ist. Dies ändert sich erst, „nachdem die Marktgrenze erreicht ist und damit die Expansionsphase ihr Ende gefunden hat" (ebd., S. 42). Wir sehen also, daß
stimmten Charaktereigenschaften aus, die zunächst in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur ökonomischen Sphäre stehen müssen. Vielmehr handelt es sich um ganz allgemeine Wesenszüge des Menschen, die man auf Schritt und Tritt im Umgang mit Menschen feststellt. Ebenso zeigt die Alltagserfahrung, daß der Pioniertypus in der Regel die Minorität bildet" (Heuß 1965, S. 12). 169
Der Heuß sehe Originalbegriff der „Experimentier««giphase" wird hier in dieser etwas verkürzten Form verwendet. Im Grunde braucht nicht besonders betont zu werden, daß eben hierin ein fundamentaler Unterschied zur üblichen Auffassung der neoklassischen Theorie zum Ausdruck kommt, die bekanntlich davon ausgeht, daß ein Markt gleichsam von bestimmten „Daten" aufgespannt wird - so werden etwa ein Produkt mit bestimmten Charakteristika, eine diesem Produkt zugeordnete Nachfrage sowie bestimmte Produktionskosten als gegeben unterstellt. Hier bietet nun gerade die Experimentierungsphase „ein gänzlich anderes Bild (...), gibt es (doch, T.B.) keinen Markt im üblichen Sinne und nicht einmal ein Produkt. Dieses ist vielmehr erst zu kreieren, und was nicht weniger wichtig ist, es ist vor allem ein Herstellungsverfahren zu entwickeln, bei welchem Aussicht auf eine ökonomische Verwertung des betreffenden Produktes besteht" (Heuß 1965, S. 26).
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das überdurchschnittliche Wachstum „nicht auf unbegrenzte Zeit fortgesetzt werden (kann), weil früher oder später Sättigungserscheinungen auftreten" (Fehl 1987, S. 30/31).171 Diese Sättigungserscheinungen lassen sich allerdings durch entsprechende Anstrengungen zur Kreierung weiterer Nachfrage zumindest hinausschieben, „indem für das neue Produkt neue Verwendungsmöglichkeiten ausfindig gemacht werden. (...). Es ist offensichtlich, daß sich auf diese Weise der Spielraum für die Expansion vervielfältigen läßt, was allerdings im hohen Umfange von der Initiative der betreffenden Unternehmer abhängt" (Heuß 1965, S. 43). Indes sei betont, daß auch diese Anstrengungen zur Erschließung zusätzlicher Märkte die o.g. Sättigungserscheinungen auf dem „alten" Markt im Grundsatz nicht verhindern können. Insbesondere wird sich nun weisen, ob die in der Vergangenheit - im bisherigen Verlauf der Expansionsphase - getroffenen Investitionsentscheidungen richtig waren: In der Expansionsphase stehen die Erweiterungsinvestitionen im Vordergrund, geht es doch darum, „die Produktionskapazität an die expandierende Nachfrage laufend anzupassen" (ebd., S. 46). Dies ist keine ganz einfache Aufgabe, da, wie gesehen, die Nachfrage in dieser Phase - insbesondere zu Beginn - nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft ansteigt. Werden nun aber in Erwartung dauerhaft überproportionaler Nachfragesteigerungen entsprechende Erweiterungsinvestitionen vorgenommen, so werden beinahe unweigerlich Überkapazitäten aufgebaut, die in späteren Phasen, wenn es zu niedrigeren Wachstumsraten oder gar absoluten Rückgängen der Nachfrage kommt, nicht mehr ausgelastet werden können. Andererseits ist es allerdings auch denkbar, daß übervorsichtige Unternehmer mit von entsprechender Risikoaversion geprägten Investitionsentscheidungen dazu beitragen, daß die Kapazitäten der Nachfrageexpansion stets „hinterherhinken". Da diese Entwicklungen selbstverständlich nicht genau prognostizierbar sind, läßt sich feststellen, „daß für die Expansionsphase die gleichen Risiken und die gleiche Ungewißheit bestehen, wie sie sonst mit jeder Investitionspolitik verbunden sind" (Heuß 1965, S. 46). Das vom einzelnen Unternehmer individuell zu tragende Risiko einer Fehlkalkulation hängt verständlicherweise von der Anzahl der im Markt operierenden Wettbewerber ab: Je mehr Unternehmer, desto geringer das individuelle Risiko (desto geringer freilich auch die individuellen Gewinnchancen). Diese Risikoverteilung auf mehrere Schultern hängt allerdings davon ab, „daß die einzelnen Unternehmer ihre Investitionspolitik unabhängig voneinander durchfuhren, indem sich jeder bei der Festsetzung seiner Produktionskapazität von den eigenen Erwartungen über die zukünftige Nachfrage leiten läßt" (Heuß 1965, S. 52; Hervorhebung von mir). Neben den o.g. und letztlich unvermeidlichen Sättigungserscheinungen auf der Nachfrageseite kommt es auch angebotsseitig zu einer Expansionsbremse, da auch „die Produktionsidee, auf der der Markt beruht, sich irgendwann ebenfalls erschöpfen (wird)" (Fehl 1987, S. 31). Die o.g. Bemühungen um die Verbesserung der Produktionstechnik und Produktqualität sind vor dem Hintergrund des Versuchs zu sehen, auch diese produkt(ions)seitige „Bremswirkung" abzuschwächen bzw. hinauszuzögern. Schließlich „ist das Produkt in seiner bisherigen Ausführung nur für sehr beschränkte Zwecke tauglich. Soll es aber Eingang zu neuen Märkten finden, so müssen
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Bei Heuß (1965, S. 16) selbst heißt es dazu: „Nachdem die wichtigsten Absatzgebiete für das betreffende Produkt erschlossen und zum Teil auch ausgeschöpft sind, mündet die stürmische Expansion in etwas ruhigere Bahnen."
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zusätzliche Entwicklungsarbeiten geleistet werden, um das Produkt mit den Eigenschaften zu versehen, die es für die neuen Verwendungen marktreif machen sollen. Ein großer Teil der Forschungsarbeiten in den Unternehmungen bezieht sich deshalb auf diese Aufgabe und nicht nur auf die Kreierung gänzlich neuer Produkte. Hand in Hand gehen damit auch die Qualitätsverbesserungen des Produktes" (Heuß 1965, S. 44). Trotz dieser Anstrengungen und der die Expansionsphase ferner kennzeichnenden großen Bemühungen um Rationalisierung und Kostenreduktion tritt der Markt irgendwann in die Ausreifungsphase ein. Eine genaue Abgrenzung ist indes, wie Heuß (1965, S. 62) ausdrücklich betont, kaum möglich: „Der Übergang von der Expansions- zur Ausreifungsphase vollzieht sich in der Regel fast unbemerkbar und ohne jegliche deutliche Zäsur. So stellen die Unternehmer häufig erst nachträglich fest, daß sie sich nicht mehr in der Expansionsphase befinden, sondern inzwischen in ein neues Stadium getreten sind." So wird es zunehmend schwieriger - und auch teurer - zusätzliches Nachfragepotential zu erschließen; das gleiche gilt für weitere Verbesserungen bei der Produktionstechnik und Produktqualität. So kristallisiert sich mit zunehmender Dauer der Ausreifimgsphase mehr und mehr eine gleichsam „lehrbuchhafte" Marktsituation heraus: „So sind Angebot, Nachfrage und auch das Produkt zu mehr oder weniger gegebenen Größen geworden, die den Produzenten nur noch einen sehr beschränkten Spielraum für eine Eigengestaltung offenlassen (...) (Heuß 1965, S. 64). Nach der Ausreifungsphase folgen die Stagnations- und Rückbildungsphase. In welche dieser beiden Phasen der Markt nach Verlassen der Ausreifungsphase nun eintritt, d.h., ob es „lediglich" zum Stillstand oder gar zum Rückschritt kommt, hängt vom Ausmaß der Nachfragesättigung und von der Stärke der Verlangsamung des produktionstechnischen Fortschritts ab. Die Entwicklung auf dem betreffenden Markt bleibt nun hinter der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung zurück, „woraus sich zwangsläufig Spannungen zwischen Markt und Außenwelt ergeben. Diese äußern sich darin, daß die Außenwelt auf die Marktstruktur einwirkt und die Marktvorgänge nachhaltig beeinflußt" (Heuß 1987, S. 85). Zum Rückschritt wird es bei „sehr starken Einwirkungen von außen" (Heuß) kommen - so beispielsweise dann, wenn sich die Unternehmer in dem betreffenden Markt neuen Konkurrenz- bzw. Substitutionsprodukten gegenübersehen, die in „ihren" Markt eindringen und die alten Produkte verdrängen. Es ist dies eben jener Vorgang, den Schumpeter als „Prozeß der schöpferischen Zerstörung" beschrieben hat: Die auf dem betreffenden Markt mit „alten" Produkten operierenden Unternehmer sehen sich plötzlich der Bedrohung durch innovative Pionierunternehmer ausgesetzt. Diese Bedrohung ist jedoch nur dann als schicksalhaft anzusehen - wird mithin nur dann gleichsam zwangsläufig das endgültige Ausscheiden der Produzenten der alten Produkte bedeuten -, „wenn es auf einem solchen Markt nur konservative Unternehmer gibt. Für diese stellt jede Widrigkeit ein Fatum dar (...). Gibt es hingegen auf dem Markt initiative Unternehmer, so kann der Gang der Dinge eine durchaus andere Richtung erhalten. (...). Es bildet daher der konservative Unternehmer ebenso die conditio sine qua non für
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die Rückbildungsphase wie der Pionierunternehmer sie für die Experimentierphase darstellt" ( H e u ß 1965, S. 89/90). 172 Betrachtet man die Kräfte bzw. Einflußfaktoren, die letztlich den Verlauf der Marktentwicklung maßgeblich bestimmen, so läßt sich - sieht man einmal von der frühen Experimentierphase ab - zusammenfassend feststellen, „daß der Marktzyklus - der aus einer Überlagerung von Produktzyklen entsteht und deshalb nicht mit diesen verwechselt werden sollte - letztlich von der Nachfrageseite bestimmt wird, nachdem die Produktionsidee mit ihren immanenten Grenzen einmal in die Welt gesetzt worden ist" {Fehl 1987, S. 31). Hier zeigt sich sehr deutlich ein wesentlicher Unterschied zwischen der Heuß sehen und der Schumpeterschen Betrachtung, oder besser: zwischen den von diesen jeweils verfolgten Erkenntniszielen: Während Heuß ohne die explizite Berücksichtigung der Nachfrage nicht auskommen kann, da er die Marktentwicklung bzw. den Marktprozeß - und damit letztlich das komplexe Zusammenspiel der Vorgänge auf beiden Marktseiten - erklären will, glaubt Schumpeter, dem es „lediglich" um die Erklärung der entwicklungsinduzierenden Anstöße bzw. Schübe geht, darauf verzichten und seine Betrachtung ausschließlich auf die Angebotsseite beschränken zu können. So heißt es bei ihm ausdrücklich: „Diese spontanen und diskontinuierlichen Veränderungen der Bahnen des Kreislaufes und Verschiebungen des Gleichgewichtszentrums treten in der Sphäre des industriellen und kommerziellen Lebens auf. Nicht in der Sphäre des Bedarfslebens der Konsumenten der Endprodukte" (Schumpeter 1912/1993, S. 99). 2.3.2. Der (spontan) imitierende und der (unter Druck) reagierende Unternehmer als „Vehikel" von Arbitrage und Akkumulation Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß einzelne Marktphasen - trotz des Umstandes, daß sie sich prinzipiell unabhängig von einzelnen Unternehmertypen bestimmen bzw. darstellen lassen, - maßgeblich von zumindest einer Gruppe bestimmter Unternehmertypen geprägt werden. So herrschen in den frühen Phasen (Experimentier- und Expansionsphase) die initiativen und in den späteren Phasen die konservativen Unternehmer vor. Freilich hieße es, wie Heuß (1965, S. 109) selbst betont, sich die Sache zu einfach zu machen, „wollte man jede Marktphase mit einem bestimmten Unternehmertypus identifizieren. Allein für die Experimentierungsphase trifft eine Gleichsetzung zu, da es in ihr nur den Pionierunternehmer geben kann." So liegen beispielsweise in der Expansionsphase die Dinge nicht ganz so klar, darf doch für diese Phase „bereits nicht mehr ohne weiteres unterstellt werden, daß in ihr nur der spontan imitierende Unternehmer vorkomme" (ebd.). Gleichviel - zusammenfassend wollen wir an dieser Stelle festhalten, „daß es auf ein und demselben Markt nicht einen einzigen, sondern verschie-
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Dies gilt im übrigen in „doppelter Hinsicht": So wird noch zu zeigen sein, daß es in bestimmten Situationen gerade die zögerliche Haltung der konservativen Unternehmer ist, die den initiativen Unternehmern erst den zu ihrer Entfaltung nötigen Spielraum gibt. Insoweit besteht die auf den ersten Blick zwar bescheidene, gleichwohl wichtige Funktion der konservativen Unternehmer u.a. darin, bisweilen als „Reservoir" bzw. „Lieferanten" für die von den initiativen Unternehmern benötigte Nachfrage zu dienen. Auch dies betont die überragende Bedeutung, die der Nachfrage für den tatsächlichen Verlauf des Marktzyklus letztlich zukommt.
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dene Unternehmertypen zugleich gibt (...und) daß mit der Marktphasenentwicklung ein Wandel des Unternehmertypus einhergeht und es nicht zuletzt dieser ist, der den jeweiligen Phasen seinen Stempel aufdrückt. Man kann daher den Entwicklungsprozeß des Marktes auch unter dem Gesichtspunkt der typologischen Veränderungen der Unternehmerschaft betrachten" (ebd.)173 Der spontan-imitierende Unternehmer läßt sich gleichsam als Anfuhrer deijenigen Schar verstehen, die Schumpeter im Sinn hatte, als er vom „scharenweisen Auftreten der Imitatoren" im Falle einer offenkundig erfolgreichen Innovation sprach. Anders als der innovative Unternehmer schlägt der spontan-imitierende zwar nicht selbst eine Bresche in den Datenkranz, sondern folgt dem innovativen Unternehmer lediglich nach (Heuß 1965, S. 9). Indes ist zu betonen, daß es dazu durchaus einiger Eigenschaften bzw. Fähigkeiten bedarf, die der spontan-imitierende mit dem innovativen Unternehmer gemein hat: So zeichen sich - wie Heuß ausdrücklich betont - auch spontan-imitierende Unternehmer „durch ein hohes Maß an Beweglichkeit aus, sind empfänglich für das Neue und daher auch schnell bereit, das Althergebrachte gegen das Neue auszutauschen, ohne von außen her durch die Konkurrenz dazu gezwungen zu werden. (...). Sie sind daher (offenkundig, T.B.) auch gewillt, die Risiken eines solchen Marktes auf sich zu nehmen, der trotz der geleisteten Pionierarbeit des Schumpeterschen Unternehmers noch den Charakter des Neulandes besitzt" (ebd.). Den spontan-imitierenden Unternehmer zeichnet also durchaus auch ein schöpferisches Element aus174 ; er kann mithin eher als aktiver - oder besser: „aktiv-reagierender" - denn als passiver Unternehmer angesehen werden. Aus eben diesem Grunde ordnet Heuß ihn denn auch gemeinsam mit dem innovativen Unternehmer der Gruppe der „initiativen Unternehmer" zu. Treffendere Bezeichnungen hätte Heuß schwerlich wählen können, werden doch durch sie die beiden wesentlichen Charakteristika dieses Unternehmertypus - nämlich Spontaneität und Initiative - gleichsam sprichwörtlich herausgestellt. „Aktion in der Reaktion" - etwa mit diesem Motto ließe sich die Figur des spontan-imitierenden Unternehmers beschreiben. So ist mit Heuß (1965, S. 11) zu betonen, daß der Markteintritt dieses Unternehmertypus -
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Daraus läßt sich eine insbesondere für die Wettbewerbspolitik interessante Schlußfolgerung ziehen: "Es bildet daher die typologische Zusammensetzung der Unternehmerschaft eine zusätzliche Struktureigenschaft des Marktes, die unter Umständen wesentlich bedeutungsvoller ist als das übliche Kriterium der Anbieterzahl (Marktformkriterium)" (Heuß 1965, S. 109). In Anlehnung an eine Formulierung von Krüsselberg ist man fast geneigt, von einem „Kontinuum verschiedener Unternehmertypen" zu sprechen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einem bestimmten Markt anzutreffen sind. Allerdings steht bei Krüsselberg das Kriterium der Untemehmensgröße (bzw. die als Fiktion entlarvte Vorstellung von einer optimalen Untemehmensgröße) anstelle einer Unternehmertypologie im Mittelpunkt (vgl. Krüsselberg 1983 und 1969, S. 226/227). Dies wird etwa auch von Fehl (1987, S. 26, FN 26) betont: „Man sollte sich von der Vorstellung freihalten, der imitierende Unternehmer beschränke sich buchstäblich auf die reine Imitation. Zu seiner Tätigkeit gehören durchaus auch Verbesserungen." Ganz in diesem Sinne betont Fehl - zusammen mit von Delhaes - auch an anderer Stelle, daß „der Imitator oft nicht eine schlichte Kopie der Aktivitäten des Innovators, sondern gleichzeitig eine Verbesserung derselben anstreben (wird), so kommt in aller Regel ein Überflügelungsverhalten ins Spiel: Der Wettbewerbsdruck erzeugt damit durch das Zusammenspiel von Innovation und Imitation eine anhaltende Motivation, neues Wissen zu suchen mit der Intention, ein prozessuales Monopol aufzubauen (...)" (von Delhaes und Fehl 1997, S. 6).
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der eben spontan und nicht erst auf Druck von außen erfolgt - „ausgesprochen konkurrenzfördemd" wirkt: "Gründet jemand eine Unternehmung und steigt somit in den Markt ein, so fallt er unter die Kategorie des imitierenden Unternehmers. Es werden von ihm zusätzliche Anstrengungen gefordert, muß er doch zusätzliche Energien aufbringen, wenn er sich unter den alteingesessenen Unternehmungen einen Platz an der Sonne erkämpfen will." Dies unterscheidet ihn grundlegend von seinem Pendant, dem konservativen Unternehmer, denn dieser „bequemt sich erst dann zu 'Neuerungen', wenn sie keine mehr sind, und der neue Pfad inzwischen stark ausgetreten ist. (...). Es vollzieht sich die Akzeptierung des Neuen nicht wie beim imitierenden Unternehmer spontan, sondern rein defensiv als ein Akt der Notwehr" (Heuß 1965, S. 10). An dieser Stelle sei - in Anlehnung an frühere Ausführungen - noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, daß die von Heuß vorgenommene Differenzierung in unterschiedliche Unternehmertypen eine rein idealtypische ist. So betont er selbst ausdrücklich, daß die beiden Gruppen - initiative Unternehmer auf der einen und konservative Unternehmer auf der anderen Seite - „gleichsam zwei Elemente (bilden), die sich wie Feuer und Wasser zueinander verhalten und zu untragbaren Spannungen im Wirtschaftsleben führen würden, wenn nicht zwischen ihnen noch Elemente des Übergangs lägen" (Heuß 1965, S. 10).175 Auch wenn darauf hingewiesen wurde, daß die Expansionsphase natürlich nicht ausschließlich vom spontan-imitierenden Unternehmer „besetzt" wird, so bildet diese Phase doch, wie Heuß (1965, S. 113) es ausdrückt, „die eigentliche Domäne seiner Betätigung." Die - freilich in bestimmten Grenzen - bestehende Verwandtschaft zum innovativen (Pionier-)Untemehmer Schumpeterscher Prägung wurde bereits angedeutet; allerdings gibt es auch eine Parallele zum findigen Unternehmer Kirzners: Diese ist darin zu sehen, daß das hervorstechendste Merkmal des imitierenden Unternehmers ebenfalls darin besteht, die sich bietenden Möglichkeiten zu seinem Vorteil auszunutzen. Mithin schlummert im imitierenden Unternehmer nach Heuß durchaus auch das von Kirzner betonte „unternehmerische Element", d.h., der imitierende Unternehmer ist immer (auch) ein findiger Unternehmer, ja er kann ohne „Findigkeit" im Grunde gar nicht gedacht werden.176 Der imitierende Unternehmer sorgt (also) fur die Diffusion der Neuerung. Die „Durchschlagskraft, die es (das Neugeschaffene, T.B.) zu einem Allgemeingut in der Volkswirtschaft macht" (ebd., S. 114), liegt letztlich in dem schon von Schumpeter betonten Zusammenwirken von Innovator und Imitator in der Expansionsphase begründet, das Heuß treffend als „Komplementärverhältnis" bezeichnet: Im Vordergrund steht hierbei die Tatsache, daß „der imitierende Unternehmer vor allem dafür sorgt, daß
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Zur Illustration verweist Heuß auf einige Beispiele aus dem realen Wirtschaftsleben - so u.a. auf Henry Ford, „dessen äußerst hartnäckiges Festhalten an seinem Erfolgsmodell Τ seine Unternehmung an den Rand des Abgrundes brachte" -, um zu illustrieren, daß sich sogar „innerhalb ein und derselben Person eine Wandlung vom Pionier- zum immobilen Unternehmer" vollziehen kann (ebd., S. 11). Diese Wandlung ist freilich extrem und gewiß seltener als etwa der fließendere Übergang vom (spontan) imitierenden zum (unter Druck) reagierenden Unternehmer.
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Dasselbe gilt im übrigen dem Grunde nach - freilich in abgeschwächter Form - auch für den (unter Druck) reagierenden Unternehmer.
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das Produkt nicht nur in der Tiefe (Kreation und Vervollkommnung), sondern auch in der Breite des Absatzes seine praktische Nutzanwendung findet."177 Wie sinnvoll und wichtig die zu analytischen Zwecken vorgenommene idealtypische Trennung der einzelnen Phasen der Marktentwicklung ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß der Konkurrenzkampf zwischen dem innovativen Pionierunternehmer und dem spontan-imitierenden Unternehmer aus wettbewerbstheoretischer und/oder gesamtwirtschaftlicher Sicht keinesfalls in jeder Phase so positiv zu beurteilen ist wie dies just für die Expansionsphase dargestellt wurde. Dort führte der Konkurrenzkampf zwischen diesen beiden Unternehmertypen - wie gesehen - nicht nur zu (technischen) Produktverbesserungen und Kostensenkungen, sondern auch zur „Erfassung immer weiterer Nachfrageschichten" (Heuß 1965, S. 115). In der Ausreifungsphase hingegen, wenn das Nachfragepotential nahezu ausgereizt und damit die Nachfragefunktion gleichsam zu einem Datum geworden ist, liegen die Dinge anders. In dieser Phase wirken die wettbewerblichen Kräfte zwischen dem innovativen und dem imitierenden Unternehmer im Ergebnis nicht mehr unbedingt gleichgerichtet, sondern es kann zu einer gegenseitigen Blockade kommen: „In der Expansionsphase nützt er (der spontan-imitierende Unternehmer, T.B.) die (insgesamt noch bei weitem, T.B.) unausgeschöpften Möglichkeiten aus, während er in der Ausreifungsphase den bereits beschränkten Spielraum noch weiter verengt. So gleicht die Konkurrenz in der einen Phase einem Wettlauf, in der anderen einer gegenseitigen Blockierung" (Heuß 1965, S. 117).178 Dem oben Gesagten ist bereits andeutungsweise zu entnehmen, daß letztlich auch der konservative Unternehmertypus - je nach Marktphase - eine nicht zu unterschätzende Rolle im Zusammenhang mit der Durchsetzung und Verbreitung von Neuerungen spielen kann: Träte er beispielsweise im o.g. Fall an die Stelle des imitierenden Unternehmers, so ergäbe die Einführung der besseren Produktionstechnik durch den Innovator durchaus einen Sinn, da diese sich gerade deshalb rentierte, weil der Konkurrent gleichsam „still hielte". Unter bestimmten Bedingungen kann es also gesamtwirtschaftlich durchaus vorteilhaft sein, wenn dem Innovator nicht sogleich ein Imitator nachfolgt, sondern wenn der konservative Unternehmer dem Innovator denjenigen Spielraum läßt,
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"So mag es fraglich sein, ob es ohne den imitierenden Unternehmer überhaupt zu einer industriellen Revolution in den letzten zweihundert Jahren gekommen wäre, da im anderen Fall der technische Fortschritt auf sehr wenige Pionierunternehmungen beschränkt geblieben wäre, die bei weitem nicht ausgereicht hätten, die gesamte Wirtschaft industriell umzuformen" (Heuß 1965, S. 114). Heuß erläutert dies beispielhaft am Falle eines Dyopols auf einem homogenen Markt: Gäbe es hier etwa einen innovativen Unternehmer, der durch eine Verfahrensinnovation mit entsprechender Kostensenkung zusätzliche Nachfrage auf sich zu vereinigen suchte, so könnte ihm das nur gelingen, wenn sein Kontrahent eben kein spontan-imitierender, sondern etwa ein konservativer Unternehmer wäre. Im Falle eines sofortigen Nachziehens durch den Imitator würde die Einführung des kostengünstigeren Produktionsverfahrens zu einer neuerlichen Halbierung der Branchennachfrage fuhren, wobei allerdings der Gewinn - genauer: beider Gewinn - infolge der entsprechenden Preissenkungen geringer wäre als vor Einfuhrung der Neuerung. Für die Ausreifungsphase kann somit festgestellt werden, daß sich die Wirkungsweise des spontan-imitierenden Unternehmers - trotz identischen Verhaltens, nämlich Versuch des spontanen Ausnützens der sich ihm bietenden Möglichkeiten - im Vergleich zur Expansionsphase gleichsam umkehrt.
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den dieser zur Einfuhrung seiner Neuerung grundsätzlich benötigt.179 Selbstverständlich benötigt der Innovator auch in der Experimentierphase einen solchen Spielraum. Allerdings ist dieser Spielraum dort gleichsam marktgegeben bzw. marktbedingt, schließt doch der Innovator selbst erst das Tor zum neuen Markte auf. Der Spielraum, der sich dem innovativen Unternehmer auf diesem von ihm selbst kreierten neuen Markt bietet, ist indes so groß, daß er von ihm allein im Grunde gar nicht ausgeschöpft werden kann dazu bedarf er der „Hilfe" des imitierenden Unternehmers. In einem ausgereiften Markt hingegen liegen die Dinge anders: So ist der Spielraum, der dem Innovator durch das „Nachhinken" (Heuß) des (erst) unter Druck reagierenden Unternehmers gewährt wird, in der Ausreifungsphase also eher ein konkurrenzbedingter. Fassen wir zusammen: Während das Zusammenspiel des innovativen und des spontan-imitierenden Unternehmers in der Expansionsphase ein belebendes Konkurrenzelement darstellt und dazu notwendig und geeignet ist, die vom Innovator in der Experimentierungsphase geschaffenen Möglichkeiten in vollem Umfang auszuschöpfen, stellt die Existenz bzw. das Nebeneinander allein dieser beiden Unternehmertypen in der Ausreifungsphase eher ein blockierendes Element dar. Hier bedarf es zur Belebung bzw. zur Vergrößerung des Spielraums mit dem unter Druck reagierenden Unternehmer eines weiteren Unternehmertypus. Hervorzuheben ist nun, daß die vorhandene Anzahl dieses Unternehmertypus über die Größe des oben sog. „konkurrenzbedingten" Spielraums in der Ausreifungsphase bestimmt: Je mehr unter Druck reagierende Unternehmer sich gemeinsam mit dem Innovator im Markt befinden, desto länger wird es dauern, bis jeder einzelne von ihnen die Neuerung des Innovators als Bedrohung empfinden wird. Gibt es beispielsweise neben dem Innovator nur einen einzigen unter Druck reagierenden Unternehmer, so wird dieser sehr viel früher der unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt und entsprechend reagieren, als wenn sich der Nachfragerückgang auf mehrere andere „konservative Schultern" verteilt. Anders ausgedrückt: Mit zunehmender Anzahl der konservativen Unternehmer steigt deren Fühlbarkeits- und Reaktionsschwelle und damit auch der dem Innovator zur Verfügung stehende Spielraum. Das wiederum bedeutet, daß es in den späteren Marktphasen - der Ausreifungsphase und auch der Stagnationsphase - auch für den imitierenden Unternehmer noch „etwas zu tun" geben wird, obgleich - wie bereits dargelegt - die Expansionsphase die eigentliche Domäne seiner Betätigung darstellt. Er kann - wie auch schon in der Expansionsphase - im konkurrenzbelebenden Sinne auch in den späteren Marktphasen als Verstärker des Innovators wirken. Heuß (1965, S. 20) bringt dies wie folgt auf den Punkt: „Voraussetzung für eine solche Funktion des imitierenden Unternehmers ist eine genügend große Zahl konservativer Unternehmer" - und eben davon kann in den späteren Phasen der Marktentwicklung ohne weiteres ausgegangen werden. Freilich könnte nun auch noch das Verhältnis zwischen dem spontan-imitierenden Unternehmer und den konservativen Unternehmern ausführlich untersucht werden; darauf soll jedoch an dieser Stelle verzichtet werden. Es möge der Hinweis genügen, daß es 179
Womit im übrigen noch einmal bestätigt wäre, daß man der Heußsctien Theorie mit einer schlichten Gleichsetzung (Identifizierung) der unterschiedlichen Marktphasen mit je einem bestimmten Untemehmertypus - freilich mit Ausnahme der Experimentierphase keinesfalls gerecht wird.
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auch hier - wie grundsätzlich beim Zusammenspiel von „benachbarten" Unternehmertypen, die zumindest gewisse Eigenschaften gemeinsam haben (wie etwa beim Verhältnis des innovativen zum spontan-imitierenden Unternehmer gesehen) - „eines genügend großen Spielraumes bedarf, soll keine zu große Ähnlichkeit der Unternehmertypen die Ursache für gegenseitige Reibungen bilden" (Heuß 1965, S. 133). Gleichwohl sei betont, daß die Größe dieses Spielraums beim Zusammenspiel zwischen dem spontanimitierenden und dem unter Druck reagierenden Unternehmer nicht von der jeweiligen Marktphase abhängt (wie es bekanntlich beim Verhältnis zwischen innovativem und imitierenden Unternehmer der Fall ist), sondern von der jeweiligen Verhaltensweise·. Muß etwa von einer oligopolistischen Verhaltensweise - und damit von einer Ausschaltung des Preises als Aktionsparameter - ausgegangen werden, so wird der Spielraum entsprechend eingeschränkt. Hingegen ist im Falle einer polypolistischen Verhaltensweise der Spielraum größer, d.h., das Verhältnis zwischen imitierendem und unter Druck reagierenden Unternehmer insgesamt positiv zu bewerten (vgl. etwa auch die tabellarische Gesamtübersicht bei Heuß 1965, S. 133). 2.4. Routine-Unternehmertum: Zum Unternehmerverständnis der Neoklassik 2.4.1. Grundsätzliche Anmerkungen: Die „naive" Variante des neoklassischen Untern eh merbegr iffs Wie hinlänglich bekannt, ist die Welt der Neoklassik eine Welt des ökonomischen Gleichgewichts, eine gewinn-, geschichts- bzw. zeitlose und auch institutionenlose Welt, in der der Unternehmer keinerlei (zumindest keine aktive) Funktion hat: Er ist sieht man einmal von der Monopol- und der Oligopoltheorie ab - zum passiven Preisnehmer und Mengenanpasser degradiert und hat nichts anderes zu tun, als das reibungslose Funktionieren der Marktkräfte sicherzustellen bzw. dieses nicht zu stören. Der Unternehmer in der neoklassischen Welt ist gewissermaßen der stille Garant für die Erreichung des ihm gleichsam oktroyierten Ziels der optimalen Allokation, auf das das freie Spiel der Marktkräfte ohnehin „automatisch" hinarbeitet; er führt also lediglich die Befehle des Marktes aus. In einer solchen Gleichgewichts- bzw. Lehrbuchökonomie haben - und benötigen - die Unternehmer selbstverständlich keine eigenen, individuellen Ziele: Weder wollen sie Neuerungen um der Neuerungstätigkeit selbst willen durchsetzen, noch wollen sie bestehende Gewinnmöglichkeiten ausfindig machen und ausnutzen. In einer solchen Ökonomie, die wir - in Anlehnung an Röpke und als Gegensatz zur {Schumpetersehen) „Innovationsökonomie" und zur (Kirznerschen) ,^irbitrageökonomie" - als ,Miokationsökonomie" bezeichnen wollen, muß sich unternehmerisches Handeln konsequenterweise auf reines Routinehandeln beschränken: Die Funktion des Unternehmers besteht hier lediglich darin, bestimmte „Managementfunktionen" auszuüben; der Unternehmer wird zum bloßen Rechner, Manager bzw. treuhänderischen Verwalter der Wirtschaft. 180 Dies hängt nicht zuletzt auch damit zu-
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In der amerikanischen Ausgabe von Schumpeters „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" ist dies von Redvers Opie treffend mit „mere management" übersetzt worden („Theory of Economic Development: An Inquiry into Profits, Capital, Credit, Interest, and the Business Cycle", Cambridge/Mass. 1934). Da der Unternehmer in einer solchen Wirt-
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sammen, daß die stationäre Wirtschaft eine krisenlose Wirtschaft ist, in der die Wirtschaftssubjekte mit bloßem Routinehandeln durchaus gut über die Runden kommen; so gibt es denn in einer solch krisen- und entsprechend risikolosen Wirtschaft so wenig Notwendigkeit wie Gelegenheit, besondere Fähigkeiten auszubilden und zu testen. Aus entwicklungstheoretischer Sicht entspricht dies einer hochgradig „langweiligen" und unergiebigen Ökonomie, wie sie beispielsweise Schumpeter (1911/1993, S. 75) schon sehr früh beschrieben hat: „Überblicken wir den nun zurückgelegten Weg, so sehen wir, daß der Kreislauf der Wirtschaftsperioden soweit nichts enthält, was auf die Möglichkeit einer Entwicklung aus sich selbst heraus hindeuten würde." Schumpeter unterzieht im ersten Kapitel seiner „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" (1911/1993) den „Kreislauf der Wirtschaft in seiner Bedingtheit durch gegebene Verhältnisse" einer gründlichen Analyse. Er untersucht unter anderem die Eigenart und Rolle der Produktionsfaktoren innerhalb dieser geschlossenen Welt eines stationären Systems, die genau dem entspricht, was wir hier als „Gleichgewichts- oder Allokations-Ökonomie" bezeichnen wollen. Den Produktionsfaktor Arbeit betreffend, differenziert er zwischen „leitender und geleiteter Arbeit"; letztere bezeichnet er auch als „ausfuhrende" Arbeit, während er ersterer gar ein „eigenes Wesen" beimißt: „Die leitende Arbeit nämlich hat etwas Schöpferisches, sie setzt sich ihre Ziele, sie erfüllt eine besondere Funktion (und) bildet gleichsam einen dritten Produktionsfaktor" {Schumpeter 1912/1993, S. 24).181 M.a.W.: Leitende Arbeit trifft Entscheidungen (während geleitete Arbeit diese auszufuhren hat). In der Gleichgewichtsökonomie freilich sind dies im Grunde Entscheidungen unter Sicherheit, da sie durch die obwaltenden Umstände vorgegeben, ja förmlich erzwungen werden. Schumpeter (1911/1993, S. 25/26) betont dies ausdrücklich: „Der Leiter oder selbständige Inhaber eines Betriebes (...) bestimmt nicht souverän über die Produktionsmittel, sondern er führt das Gebot der Verhältnisse aus. Er setzt keine eigenen Ziele, sondern er findet sie vor. (...). Es steht also den Produktionsmitteln und dem Produktionsprozeß unter unseren Voraussetzungen überhaupt kein eigentlicher Leiter gegenüber. Der eigentliche Leiter ist der Konsument. Derjenige, der die Wirtschaft leitet', führt nur aus, was Bedürfnis resp. Nachfrage
schaftsform seiner eigentlichen Funktion beraubt ist, gibt es konsequenterweise auch keine Entlohnung in Form eines Unternehmerlohns: „Wenn man den Leiter oder Eigentümer eines Betriebes Unternehmer nennen wollte, so wäre es ein entrepreneur faisant ni bénéfice ni perte ohne spezielle Funktion und ohne spezielles Einkommen" (Schumpeter 1912/1993, S. 59; siehe auch Schumpeters entsprechenden Verweis auf Walras in Fußnote 41 derselben Seite). In der stationären Gleichgewichtswelt bedarf es nach Schumpeter übrigens noch eines weiteren Protagonisten der marktwirtschaftlichen Welt nicht - des „Kapitalisten": Nicht nur (schöpferische) Unternehmer, sondern auch „Kapitalisten" sind überflüssig. Damit - so Schumpeter (1912/1993, S. 78) - sei auch geklärt, warum es in der stationären Wirtschaft kein Zinseinkommen geben könne: „Für den Zins aber fehlt (...) schlechthin jede Grundlage. Es gibt kein Wertplus in unserem Bilde, aus dem er fließen, und keine Funktion, als deren Bezahlung er erscheinen könnte." (Auf die entsprechende Kontroverse mit Böhm-Bawerk wurde bereits hingewiesen, s.o.). Die von Schumpeter vorgenommene Differenzierung zwischen leitender-schöpferischer und geleiteter-ausfiihrender Arbeit scheint mir doch ziemlich genau derjenigen zu entsprechen, für die Erich Gutenberg von vielen Ökonomen (vornehmlich Betriebswirten) noch heute gefeiert wird, als er vom „dispositiven Faktor" der leitenden Arbeit als eigenem Produktionsfaktor sprach (vgl. Gutenberg 1963).
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und die gegebenen Mittel und Produktionsmethoden ihm vorschreiben." Schumpeter beschreibt hier eindrucksvoll das auf das Preisnehmer- bzw. Mengenanpasserverhalten reduzierte Untemehmerverständnis der Neoklassik, das dem seinen völlig zuwiderläuft. Schließlich ging er doch davon aus, daß es sich bei der Unternehmerfunktion, wie etwa Röpke (1977, S. 122) hervorhebt, um „die bedeutendste (...handelt), die im ökonomischen System zu vergeben ist." Nun glauben auch neoklassische Ökonomen selbstverständlich keinesfalls etwa an die tatsächliche, womöglich gar immerwährende Existenz eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne optimaler Allokation auf allen Güter- und Faktormärkten in einer Welt vollkommener Konkurrenz. Mit Blick auf die Realität konzedieren sie vielfaltige und zahlreiche „kleine" Ungleichgewichte - mithin auch entsprechende Gewinnmöglichkeiten; deren Ursache bzw. Quelle wird in den unvermeidlichen Reibungsverlusten gesehen, die es im realen Wirtschaftsleben nun einmal immer geben wird.182 Damit ist denn endlich auch ein Aufgabenfeld für unternehmerische Tätigkeit erschlossen: Dem Unternehmer kommt die Aufgabe zu, die o.g. Reibungsverluste möglichst schnell und wirksam zu reduzieren, er wird zum Lückenfuller („gap filler") - er soll die unvermeidlichen Allokationslücken schließen. (Der Routine-Unternehmer entspricht also dem von Kirzner so bezeichneten „Robbirtsschen" Unternehmer, dessen wesentliche Eigenschaften wir bereits kennengelernt hatten.). 2.4.2. Das Modell von Theodore W. Schultz: Die „aufgeklärte" Variante des Routine-Unternehmers Theodore W. Schultz teilt die grundsätzliche Kritik Schumpeters, Kirzners und anderer an der Neoklassik. Auch er beklagt die Ignoranz der ökonomischen (Gleichgewichts)Theorie gegenüber der Bedeutung unternehmerischer Tätigkeit: „There is no need for entrepreneurship in general equilibrium theory. (Thus, T.B.) the concept of the entrepreneur rarely appears in the theoretical core of economics. (...The) entrepreneur is a stranger in general equilibrium theory (...)" (Schultz 1975, S. 833 und 834).183 Indes erschöpft sich die Gemeinsamkeit der Kritik im Grundsätzlichen. So stellt Schultz einen anderen Aspekt als wesentlich heraus: Das Unternehmerische besteht für ihn in der 182
Dies entspricht im Grunde dem, was bereits Böhm-Bawerk mit dem Begriff des „Reibungswiderstandes" bezeichnet hat. Dieser sei u.a. dafür verantwortlich, daß der ganze Produktwert sich realiter eben nicht vollständig und ausschließlich auf die beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Boden aufteile - wie es idealiter der Fall wäre, wenn der Produktionsprozeß in „Vollkommenheit" abliefe und nicht durch die im realen Wirtschaftsleben unvermeidlichen Irrtümer, Mißverständnisse und Unglücke gestört würde. Letztgenannte „Störungen" des vollkommenen Produktionsprozesses seien mithin die Quelle derjenigen Gewinne (und Verluste), deren Zustandekommen innerhalb des idealtypischen Modells eben nicht erklärt werden könne. Als zweiten wesentlichen Grund für die Existenz von Gewinnen als „Entlohnungsform", die weder dem Faktor Arbeit noch dem Faktor Boden zufallen, führt Böhm-Bawerk - wie bereits an anderer Stelle erläutert - den Zusammenhang von „Produktionsumwegen" und dem Phänomen der Minderschätzung zukünftiger Bedürfnisse an (vgl. Böhm-Bawerk 1921, hier: „Zweite Abteilung: Positive Theorie des Kapitals", insbes. S. 219 u. S. 316).
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Alle folgenden Zitate und Seitenangaben beziehen sich - vorbehaltlich anderer Kennzeichnung - auf diese Quelle.
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„allocative ability"·, damit meint er die Fähigkeit von Menschen, „to deal with economic disequilibria". Es sei konzediert, daß insoweit zunächst noch kein wesentlicher Unterschied zum Robbinsschen Unternehmer ausgemacht werden kann, doch sehen wir weiter: Von dieser Fähigkeit hängt es maßgeblich ab, „how efficient (people) are (...) in reallocating their resources in response to changes in economic conditions" (Schultz 1975, S. 827); im theoretischen Sinne sind diese „changes" als Ungleichgewichte zu verstehen. Schultz fragt indes nicht nach den Quellen bzw. Ursachen dieser Ungleichgewichte. Ihn interessiert also weniger, woher diese Ungleichgewichte stammen, welches die das „alte" Gleichgewicht zerstörenden Kräfte sind, sondern vielmehr, wie die ökonomischen Akteure damit umgehen, wie sie sich an das neue Umfeld anpassen und so das System letztlich auf einen neuen Gleichgewichtspfad fuhren (insoweit ist wiederum eine Parallele zu Kirzners Betrachtungsweise festzustellen). 184 Der Unterschied zu Schumpeters Ansatz ist offensichtlich, hatte dieser doch die das Gleichgewicht zerstörenden Kräfte - also die, wenn man so will, „disequilibrating activities" - in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. 185 Der zunächst weniger augenfällige Unterschied zu Kirzners Auffassung besteht darin, daß Schultz nicht die Fähigkeit des bewußten Aufspürens und Ausnutzens von Preisunterschieden zum Zwecke der Gewinnerzielung („Findigkeit"), sondern vielmehr die schlichte, wenngleich möglichst effiziente Verhaltensanpassung der Menschen an Veränderungen ihres ökonomischen Umfeldes in den Vordergrund stellt. Nach Schulz mute es angesichts der zunehmenden Komplexität und Dynamik der Umwelt, die im Grunde tägliche Veränderungen mit entsprechendem Anpassungsdruck bedeuteten, merkwürdig an, daß die ökonomische Theorie der Frage nach der Effizienz dieser Anpassungsreaktionen (bzw. deren Determinanten) bisher nicht in hinreichendem Maße nachgegangen sei. So klagt er: „Although changing economic conditions are pervasive in a modern economy, the efficiency with which people adjust to these changes has not yet become a part of standard economics. (...). Determining precisely what people do who are not in equilibrium is not one of the notable achievements of economics" (Schultz 1975, S. 828). Das Interessante ist nun, daß von den Veränderungen des ökonomischen Umfeldes und dem entsprechenden Zwang zur Anpassung bzw. Reallokation selbstverständlich nicht nur „Unternehmer" im engeren Sinne, sondern alle wirtschaftenden Akteure im weitesten Sinne betroffen sind. Darauf weist Schultz denn auch ausdrücklich hin: „The ability to reallocate is not restricted to entrepreneurs who are engaged in business", sondern betrifft abhängig Beschäftigte, Hausfrauen, Studierende u.a. ebenfalls. 186 Insoweit
„We are not searching for evidence to explain why disequilibria occur. Instead, given a disequilibrium, we are concerned with the ensuing behavior that is induced by the incentive to reallocate resources. (...). My plan is to investigate (...) the equilibrating activities of individuals to regain equilibrium" (Schultz 1975, S. 835 und 828). 185
Schultz (1975) nimmt mehrfach ausdrücklich Bezug auf Schumpeter, ein Beispiel: „The entrepreneur as seen by Schumpeter creates developmental disequilibria; but his function is not extended to deal successfully with all manner of other disequilibria as they occur within the economic system" (S. 833, Hervorhebung im Original).
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"People who supply labor services for hire or who are self-employed are reallocating their services in response to changes in the value of the work they do. So are housewives in devoting their time in combination with purchased goods and services in household pro-
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stellt sein Ansatz gewissermaßen den Versuch einer Verallgemeinerung einer Figur dar, die gleichsam aus der „Kreuzung" des findigen Unternehmers mit d e r , n a i v e n " Variante des Routineunternehmers verstanden werden könnte. Schultz betont denn auch selbst, daß es seine Absicht sei, „to extend the concept of entrepreneurship" (ebd., S. 830). Indem er die „allocative ability" als etwas spezifisch Unternehmerisches herausstellt, gelingt ihm dies auf zweierlei Weise: Zum einen erfährt der Begriff des Unternehmertums - gegenüber der „naiven" Variante des Routine-Unternehmers - eine qualitative Erweiterung, indem ein wichtiges zusätzliches Element integriert bzw. berücksichtigt wird, das von der (neoklassischen) ökonomischen Theorie bis dahin vernachlässigt worden war. Zum anderen kommt es zu einer quantitativen Erweiterung, indem der Unternehmerbegriff auf die o.g. Personengruppen ausgedehnt wird. Damit sieht Schultz (1975, S. 830) zwei wichtige Voraussetzungen für die Erreichung seines primären Ziels erfüllt, das er selbst so umschreibt: „I shall postulate a supply function of entrepreneurs that takes into account their abilities to deal with disequilibria" (Hervorhebung von mir). Damit wäre nun in der Tat ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung der neoklassischen Theorie erfüllt, in der, worauf Schultz (1975, S. 832) denn auch ausdrücklich hinweist, Unternehmertum bekanntlich nicht als knapper Faktor behandelt wird („the supply of entrepreneurship is not treated as a scarce resource." 187 Indes erscheint es trotz dieses zweifellos begrüßenswerten Fortschritts angebracht, in diesem Zusammenhang weiterhin von „Routine-Unternehmertum" zu sprechen: Zum einen entsprechen die hier in Rede stehenden „equilibrating activities" - sowohl vom grundsätzlichen Verständnis als auch von der grundsätzlichen Ausrichtung her - durchaus dem neoklassischen Verständnis vom Unternehmer als eher reagierendem „gap-filler". Zum anderen ist davon auszugehen, daß die Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen desto eher gelingen wird, je größer der Erfahrungsschatz ist, über den die Menschen (hier: „Unternehmer" im weitesten Sinne ) im Hinblick auf solche Anpassungen im allgemeinen jeweils verfügen und auf den sie bei bestimmten ökonomischen Veränderungen im besonderen zurückgreifen können. Gerade letztere Annahme ist nun von großer Bedeutung für das Bemühen um eine „supply function of entrepreneurs", denn mit der Erfahrung ist im Grunde gleichzeitig das Lernen bzw. die Lernfähigkeit von Menschen angesprochen. Die Begriffe der Erfahrung und des Lernens sowie deren Bedeutung im Zusammenhang mit den „allocative abilities" führen uns zum eigentlichen Kern der Fragestellung: „To what extent are these allocative abilities acquired? Are education and experience measurable sources of these abilities?" (Schultz 1975, S. 827). Wie bereits im Zusammenhang mit der zweiten Ebene des „Filter-Modells" (hier: kognitive Fähigkeiten) er-
duction. Students likewise are reallocating their own time along with the educational services they purchase as they respond to changes in expected earnings along with changes in the value of the personal satisfactions they expect to derive from their education. (...). All of them are in this respect entrepreneurs" (Schultz 1975, S. 827 und 832). Hervorzuheben ist, daß dies nicht nur auf die neoklassische Gleichgewichtstheorie zutrifft: So wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich auch bei Schumpeter kaum Ausfuhrungen bezüglich der Determinanten innovativen Verhaltens finden, die sich sinnvoll zu einer „Angebotsfunktion" fur schöpferisches Unternehmertum zusammenfugen ließen. Ahnliches gilt im Grunde auch für Kirzner. Von einer „Angebotsfunktion" findigen Unternehmertums i.e.S. kann nicht die Rede sein.
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läutert, spricht vieles dafür, daß es gebildeten und gut ausgebildeten Menschen leichter fallen wird, den Veränderungs- bzw. Anpassungsdruck zu bewältigen, dem sie insbesondere in modernen und komplexen Gesellschaften zunehmend ausgesetzt sind. Damit rückt nun also die Bedeutung des Humanvermögens in den Vordergrund (- im übrigen ein weiterer Meilenstein in der Weiterentwicklung der ökonomischen Theorie): „The human capital approach in analyzing the useful abilities of people represents a marked advance in that it specifies the various skills of people and specifies the mariner in which the skills are acquired" (ebd., S. 833). Investitionen in das Humanvermögen lassen also einen erfolgreicheren - sprich: effizienteren - Umgang mit Umweltveränderungen erwarten.188 Entsprechend heißt es bei Schultz (1975, S. 835): „The hypotheses that are most readily subject to empirical analysis are that the effects of education and of experience are positive and important in their contribution to the rate at which resources are reallocated." Mit der Bedeutung des Humanvermögens gewinnt nun ein weiterer Aspekt an Bedeutung - die Zeit als Ressource im ökonomischen Sinne: Mit zunehmendem Humanvermögen wächst die Bedeutung der Zeit als knapper Produktionsfaktor. Die Menschen müssen mit ihrer Zeit „haushalten", sie bestmöglich auf alternative Verwendungsmöglichkeiten aufteilen.189 Damit nun schließt sich gewissermaßen der Kreis - wir kehren zurück zu unserem Ausgangspunkt: Ohne die Berücksichtigung der Zeit als knappe Ressource ergibt die von Schultz vorgenommene Ausweitung des UnternehmerBegriffs auf abhängig Beschäftigte, Hausfrauen, Studierende usw. im Grunde überhaupt keinen Sinn. Nun aber wird es möglich und wichtig, „(to) include their (the laborers', T.B.) role as entrepreneurs in allocating their own time and their ability to do this successfully under changing economic conditions. (The same holds for, T.B.) the entrepreneurial role and ability of housewives in managing household production and of mature students deciding how to invest in themselves" 190 (Schultz 1975, S. 833). Es versteht sich von selbst, daß die „Ungleichgewichte", denen sich diese Personengruppen gegenübersehen, sowie die zu ihrer Beseitigung bzw. zur Anpassung notwendigen „allocative
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Den Ergebnissen empirischer Studien zur Innovationsforschung ist bekanntlich eine grundsätzlich hohe positive Korrelation zwischen Ausgaben für (Aus-)Bildung, Forschung und Entwicklung auf der einen sowie Innovationstätigkeit und technischem Fortschritt auf der anderen Seite zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund läßt sich also darauf schließen, daß das Humanvermögen (bzw. auf dessen Steigerung ausgerichtete Investitionen) eine Schlüsselvariable sowohl für das Zustandekommen von „equilibrating" als auch von „disequilibrating activities" - und damit fur das Verständnis ökonomischer (Entwicklungsp r o z e s s e insgesamt - darstellt. (Nota: Schultz, der das Humanvermögen zum Hauptgegenstand seiner Forschungen machte, wurde in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Arbeit auf diesem Gebiet im Jahre 1979 der Nobel-Preis für Wirtschaftswissenschaften verliehen; vgl. Schultz 1960, 1967, 1981).
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Vgl. hierzu grundlegend Becker (1965). Schultz (1975, S. 835) schreibt in diesem Zusammenhang: "Education in fact has both an income and a price effect. The earnings of individuals tend to rise with their education, and as their earnings increase, the value of their time rises, the consequences of which are revealed as price effects." Es sind grundsätzlich viele Faktoren denkbar, die den Wert menschlicher Arbeitsleistung im Zeitablauf beeinflussen und damit abhängig Beschäftigte zu unternehmerischem Handeln im o.g. Sinne bewegen bzw. zwingen können. Dasselbe gilt für Faktoren, die Studenten, Hausfrauen usw. zu unternehmerischem (Anpassungs-)Verhalten anhalten können; vgl. dazu die Fülle der von Schultz (1975, S. 837 ff.) genannten Beispiele.
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abilities" in jedem konkreten Einzelfall voneinander verschieden sind. Dennoch gibt es eine Gemeinsamkeit: Das Anpassungsverhalten der Menschen stellt letztlich, wie Schultz betont, eine Reaktion auf ökonomische Anreize dar: „There are economic incentives to reallocate resources, (...and) people respond to these incentives to the best of their ability. (...). The expected gains are the economic incentives to enter upon these equilibrating activities." 191 2.5.
Zusammenfassende Gesamtbetrachtung: „Nicht-schöpferisches" Unternehmertum und Systemtransformation im Lichte des Filtermodells
Es sei vorausgeschickt, daß wir uns in diesem Abschnitt auf die Darstellung einiger weniger Aspekte beschränken und die „Transformationsrelevanz" sowohl des findigen als auch des (spontan) imitierenden und (unter Druck) reagierenden sowie des RoutineUnternehmers gemeinsam behandeln wollen. Dabei sollte freilich stets bedacht werden, daß sich - wie gesehen - etwa der findige Unternehmer im Sinne Kirzners nicht einfach in die Heußsche Unternehmertypologie „einfügen" läßt: Wenngleich es Kirzner und Heuß gemeinsam um die Analyse des Marktprozesses geht, macht sich doch stets der Unterschied zwischen den jeweils gewählten Perspektiven bemerkbar: Da ist einerseits die für die Österreichische Schule charakteristische ganzheitliche Betrachtung Kirzners, die mit einem einzigen Unternehmertypus für den Gesamtprozeß auskommt, und andererseits die differenziertere, zudem auf den Einzelmarkt abstellende Betrachtung Heuy?ens. Zwar erhebt bekanntlich auch Schumpeter - ähnlich wie Kirzner - gleichsam eine Art „Alleinvertretungsanspruch", was die Figur des Unternehmers und dessen Bedeutung für das Zustandekommen und den Ablauf wettbewerblicher Marktprozesse angeht. Im Gegensatz zum findigen Unternehmer Kirzners jedoch läßt sich dem Schumpeterschen Unternehmer ein „fester Platz" in der Heuß sehen Unternehmertypologie zuweisen: Er ist als einziger untrennbar mit einer bestimmten, ausschließlich von ihm allein geprägten Marktphase verknüpft. Indes kann eine solche eindeutige Zuordnung des findigen Unternehmers nicht gelingen, weist doch der Arbitrageur starke Überschneidungen mit dem „spontan-imitierenden" Unternehmer auf, dessen Tätigkeit wiederum allerdings stets auch ein gewisses schöpferisches Moment enthält usw. Im übrigen wird wie bereits an anderer Stelle angekündigt - insgesamt darauf verzichtet, die Verhaltensdeterminanten des findigen Unternehmers (oder der anderen Unternehmertypen) gesondert zu untersuchen. Da die grundlegenden Zusammenhänge bereits sehr ausführlich an der Figur des „schöpferisch-innovativen" Unternehmers erläutert wurden, erscheint dieses Vorgehen angebracht; so mögen die diesbezüglichen Ausführungen zu den anderen Unternehmertypen damit ihr Bewenden haben, daß lediglich auf entsprechende Unterschiede zum insoweit ansonsten beispielhaft behandelten Typus des innovativen Unternehmers verwiesen wird.
Dies stellt im übrigen einen weiteren grundlegenden Unterschied zu den Annahmen der neoklassischen Gleichgewichtstheorie bzw. deren Modell der vollkommenen Konkurrenz dar (hier: Gewinnlosigkeit im allgemeinen sowie Prämisse der unendlichen Anpassungsgeschwindigkeit): „Since the gains that are realized represent an improvement in income, it obviously is not the 'zero profit' result derived from general instantaneous adjustments in equilibrium theory" (Schultz 1975, S. 833/834 und 834).
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So wird beispielsweise der Einfachheit halber davon ausgegangen, daß im Bereich der Handlungsrechte als Verhaltensdeterminante der hier in Rede stehenden Unternehmertypen weitgehend dieselben Voraussetzungen erfüllt sein müssen wie für den schöpferisch-innovativen Unternehmer. Dasselbe gilt im Grundsatz für den ^ähigkeitsFilter", wenngleich im allgemeinen davon auszugehen ist, daß die Anforderungen an die kognitiven und motivationalen Fähigkeiten eines Innovators insgesamt höher sein dürften als an diejenigen anderer Unternehmertypen. Dazu seien noch einige wenige Anmerkungen gestattet, wobei unter Rückgriff auf die Theorie der Leistungsmotivation versucht wird, die motivational Komponente des ,fähigkeits-Fti\ers" sogleich mit dem dritten Filter - der Umweltherausforderung - zu verknüpfen. Vor dem Hintergrund der Feststellung, daß Leistungsmotivierte von Aufgaben mittleren Schwierigkeitsgrades angezogen werden, wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich in Abhängigkeit vom Kompetenzniveau unterschiedliche Typen leistungsmotivierter Unternehmer bilden lassen und daß für leistungsmotivierte Menschen mit hoher Kompetenz solche Aufgaben einen mittleren Schwierigkeitsgrad aufweisen werden, die für Menschen mit geringerer Kompetenz bereits unlösbar wären. Für die von Heuß so bezeichnete Gruppe der „initiativen Unternehmer", die sowohl den innovativen Unternehmer im Sinne Schumpeter als auch den spontan imitierenden Unternehmer umfaßt, leuchtet dies unmittelbar ein, da sich diese leicht mit dem Instrumentarium der Leistungsmotivationstheorie „greifen" lassen. Mithin liegt es nahe, wie auch Fehl (1987, S. 26) folgert, „leistungsmotivierte Personen mit sehr hoher Kompetenz als Pionierunternehmer und solche mit überdurchschnittlicher Kompetenz als spontan imitierende Unternehmer zu identifizieren." Nun mag sich manche/r - rein intuitiv (bzw. „instinktiv") - zunächst scheuen, die Gruppe der konservativen Unternehmer ebenfalls als „leistungsmotiviert" zu bezeichnen. Dennoch läßt sich - worauf Fehl (1987, S. 27) hingewiesen hat - durchaus auch für diese Unternehmer am Kompetenz-Niveau anknüpfen: „So läßt sich begrifflich mit dem konservativen Unternehmer eine durchschnittlich bis unterdurchschnittliche (...) Kompetenz verbinden. Der konservative Unternehmer reagiert dann nicht etwa deswegen erst unter Druck beziehungwseise gar nicht, weil er nicht motiviert wäre, sondern weil er erst dann eine mittelschwere Aufgabe in bezug auf seine Kompetenz ausmachen kann, wenn die initiativen Unternehmer ihr Werk weit genug vorangetrieben haben." Nun war an anderer Stelle bereits darauf hingewiesen worden, daß sich der Typus ein und desselben Unternehmers im Zeitablauf wandeln, d.h., beispielsweise ein Pionieruntemehmer durchaus zum spontan-imitierenden oder gar zu einem konservativen Unternehmer werden kann. Diese Möglichkeit der Wandlung des Unternehmertypus im Zeitablauf (oder besser: im Verlauf des Marktprozesses bzw. der Marktentwicklung), von der Heuß ausgeht, gemahnt uns, die im Lichte der Leistungsmotivationstheorie vorgenommene Zuordnung der Heuß sehen Unternehmertypen zu einem bestimmten Kompetenzniveau nicht zu starr zu interpretieren.192
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Dies wird etwa von Fehl (1987, S. 28) ausdrücklich betont, der in diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß ein Unternehmer aufgrund von Erfolgen oder Mißerfolgen in der Vergangenheit sein aktuelles Kompetenzniveau unzutreffend einschätzen, d.h., seine eigenen Fähigkeiten mit Blick auf eine konkret zu bewältigende Aufgabe mitunter über- oder unterschätzen kann. Unter Zuhilfenahme dieser sog. „Verstärkerthese" kann also auch die Wandlung des Unternehmertypus im Verlauf der Marktentwicklung im Lichte der Lei-
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Bei der Erörterung der kognitiven Fähigkeiten war in Anlehnung an Guilford (bzw. Neugebauer 1997) grob zwischen den beiden Kategorien „konvergentes" und „divergentes" Denken unterschieden worden; bei Bruner findet sich in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen „analytischem" und „intuitivem" Denken. 193 Es wurde bereits festgestellt, daß innovatives Verhalten in hohem Maße kognitive Fähigkeiten im Bereich des „divergenten" bzw. „intuitiven" Denkens erfordert. Ähnliches gilt, wenngleich mit gewissen Abstrichen, auch für das Verhalten des spontanimitierenden Unternehmers: Auch er kann die möglichen Vorteile seines Verhaltens nicht im Sinne einer genauen Kosten-Nutzen-Kalkulation gegen mögliche Nachteile aufrechnen. Auch er trifft seine - spontane - Entscheidung unter Unsicherheit; es ist insbesondere seine Intuition, die ihm „sagt", ob dem Innovator zu folgen sich lohnt. Im Laufe der Marktentwicklung ändert sich dann das Anforderungsprofil: Sobald es vor allem um technische Verbesserung bzw. „Vervollkommnung" - mithin im weitesten Sinne um die Bewältigung von Optimierungsproblemen - geht, sind zunehmend rechnerische, kalkulatorische, kurz: analytische Fähigkeiten gefragt. So liegt es denn nahe, den komparativen Vorteil der dann verstärkt auf den Plan tretenden konservativen Unternehmer in deren besonders ausgeprägter Fähigkeit zu „konvergentem" Denken zu vermuten. 194 Stimmt man dieser wenig überraschend anmutenden Vermutung zu, so bedeufet dies freilich, daß vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Zuordnung der verschiedenen Unternehmertypen zu unterschiedlichen Kompetenzniveaus die Fähigkeiten zu divergentem bzw. intuitivem Denken gegenüber den Fähigkeiten zu analytischem Denken als höherwertig einzustufen sind. Dieser grundsätzliche Zusammenhang bleibt übrigens von der Tatsache unberührt, daß diese beiden Denkmuster, wie bereits betont, nur im Rahmen einer idealtypischen Betrachtung voneinander getrennt werden können, realiter freilich miteinander verknüpft sind. Es sei noch darauf hingewiesen, daß die innerhalb solcher insgesamt „hierarchisch strukturierter Denkprozesse" 195 als „höherwertig" anzusehenden Fähigkeiten zu divergentem bzw. intuitivem Denken im engeren Sinne kaum „erlernbar" sind, so daß beispielsweise die zielgerichtete Steigerung dieser Fähigkeiten durch übliche Investitionen in Humanvermögen an gewisse
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stungsmotivationstheorie erklärt werden: „Mit anderen Worten, derselbe Unternehmer kann zu verschiedenen Zeitpunkten je nach seiner individuellen 'Erfolgsgeschichte' einem unterschiedlichen Unternehmer-Typus zugeordnet werden." Bruner, Jerome S.: Der Prozeß der Erziehung, Berlin 1970. Ähnliche Differenzierungen finden sich bei vielen anderen Autoren. So gibt es etwa bei Röpke (1977, S. 99) - neben Hinweisen auf Guilford und Bruner - den Hinweis auf eine Quelle, in der beinahe zwei Dutzend solcher Gegenüberstellungen aufgeführt sind {Stark, Stanley: Toward a Psychology of Knowledge: Two Kinds of Foresight and Foresight Theorizing, in: Perceptual and Motor Skills, Vol. 23, 1966, S. 547-574). Neisser, so ein Hinweis bei Röpke (1977, S. 98), spricht in diesem Zusammenhang von „sequentiellem Denken": Dies stellt nach Röpke ab auf eine „Schritt-fur-Schritt-Lösung von Problemen, zeichnet sich durch Aufgliederung des Problems in Unterprobleme aus, läuft logisch und (...) rational ab, wird durch Algorithmen oder heuristische Programme gesteuert" (Neisser, Ulric: Cognitive Psychology, New York 1967, sowie derselbe: The Multiplicity of Thought, in: British Journal of Psychology (Vol. 54) 1963, S. 1-14). Im Zusammenhang mit diesem Begriff sei noch einmal hingewiesen auf Hayek (1967, S. 43 ff.).
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Grenzen stößt. Abschließend sei zu diesem Punkt noch erwähnt, daß (wie bereits an früherer Stelle angedeutet) der findige Unternehmer nach Kirzner in hohem Maße über solche „höherwertigen" Fähigkeiten verfugt, besteht doch seine Findigkeit gerade darin, daß er entsprechende Arbitragemöglichkeiten in Gestalt noch ungenutzter Gewinnchancen intuitiv „fühlt" bzw. regelrecht ,,(auf)spürt". Werfen wir nun noch einen Blick auf das transformationsspezifische Umfeld für im engeren Sinne nicht-innovative Unternehmertätigkeit. Im Grunde müßte die Situation in den postsozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas - insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses - zunächst einmal geradezu ein wahres „Tummelfeld" für findige Unternehmer darstellen: Wohl selten in der Geschichte hat es eine derart umfassende und tiefgreifende Umbewertung (bzw. Entwertung) von Vermögensbeständen (Humanvermögen, Produktiwermögen usw.) gegeben. 196 Insoweit ließe sich im Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaft und in der Einfuhrung dezentraler Koordinationsverfahren im weitesten Sinne gleichsam eine organisatorische Innovation titanischen Ausmaßes sehen. 197 So hatten denn auch Arbitrageure unterschiedlichster Coleur vor allem in der ersten Zeit der Transformation Hochkonjunktur. Unnötig zu erwähnen, daß die meisten Arbitrageure „aus dem Westen" kamen und die nun geöffneten „Märkte" jenseits der zuvor jahrzehntelang geschlossenen Grenzen als willkommene Geschäftsfelder entdeckten. Indes kann darüber beileibe nicht nur Positives berichtet werden. So ist man mit Blick auf mancherorts zu beobachtendes Geschäftsgebaren fast geneigt, eher von „Plünder-" denn von Geschäftsfeldern zu sprechen... Die aus dieser Zeit stammenden Berichte über die zur Übervorteilung der „unerfahrenen und ahnungslosen Menschen im Osten" bisweilen angewandten Methoden sind mittlerweile Legion. Es versteht sich von selbst, daß man in diesem Zusammenhang schwerlich auf die aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive prinzipiell zu begrüßende Erhöhung der Markttransparenz infolge der Arbitrage wird hinweisen können, ohne sich der Gefahr auszusetzen, als Zyniker zu gelten und sich den Unmut der im konkreten Fall Leidtragenden zuzuziehen. So spricht in der Tat manches fur die Vermutung, daß einige dieser Arbitrageure, die von manchen Kritikern gar des „modernen Raubrittertums" geziehen wurden, vor allem einen nicht zu beziffernden immateriellen Schaden angerichtet haben dürften. Schließlich haben sie die Glaubwürdigkeit des neuen Systems „Marktwirtschaft" - unter dessen Flagge bzw. in dessen Namen die hernach Geschmähten „dahergeritten" kamen erschüttert, bevor auch nur dessen erste Fundamente hatten gegossen werden können. Indes sei zur Klärung daran erinnert, daß der findige Unternehmer Kirzners nicht aus-
196
Zu einer Vielzahl unterschiedlicher Vermögenskategorien vgl. Krüsselberg (1988, hier insbes. die Schaubilder 1 u. 2, in denen Krüsselberg verschiedene Vermögenskategorien mit verschiedenen „Eigentumsformen" und „Lebenslagen" in Form einer Matrix verknüpft), sowie ferner Krüsselberg (1980); zur allgemeinen Anwendung auf die Transformation der früheren DDR (und die innerdeutsche Integration) vgl. beispielhaft Thimann (1996); zur speziellen Anwendung auf die Kategorie des Humanvermögens vgl. etwa Gutmann und Hamacher (1994). Etwa in diese Richtung gehen die Überlegungen von Sitter (1995), auf die bereits eingangs dieser Arbeit hingewiesen wurde. An dieser Stelle sei noch einmal betont, daß Sitter die von der Gorbatschow-Administration in den Jahren 1985-1991 entwickelten unterschiedlichen Reformkonzepte als "organisatorische Innovationen" im Sinne Schumpeters begreift.
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schließlich mit dem hier beschriebenen „Standardmodell" des Arbitrageurs identifiziert bzw. erschöpfend erfaßt werden kann: Wie dargelegt, erstreckt sich die Arbitrage in Kirzners Modell ausdrücklich auch - bzw. gar insbesondere - auf das Ausnutzen der Preisunterschiede zwischen Produkt- und Faktormärkten, d.h., der findige Unternehmer ist auch Produzent. Dies unterscheidet ihn grundlegend von der reinen „HändlerArbitrage", die zu Beginn des Transformationsprozesses in atemberaubender Geschwindigkeit um sich griff und von manchen - unkritisch-naiven - Beobachtern bereits als Beginn der Marktwirtschaft gefeiert wurde. Bei derlei Interpretationen wird gern übersehen, daß eine funktionierende marktwirtschaftliche Ordnung eben gerade nicht auf einem Geschäftsgebaren des „hit and run" aufgebaut werden kann, sondern auf wechselseitigem Vertrauen der Geschäftspartner und auf entsprechend stabilen Beziehungen beruht, deren Aufbau Zeit und entsprechende Verhaltensweisen erfordert. Im Zusammenhang mit dem Unterschied zwischen der „Händler-Arbitrage" und dem Kirzner-Modell könnte im übrigen noch auf den Aspekt der sog. „verlängerten Werkbank" verwiesen werden: Damit wird (hier) die Verlagerung von Produktionsstätten westlicher Firmen in die mittel- und osteuropäischen Transformationsländer bezeichnet, die vor allem durch die dort deutlich niedrigeren Löhne motiviert wurden (und noch werden). In diesem Zusammenhang ließe sich die Überlegung anstellen, ob hier nicht ausländisches findiges Unternehmertum unter Umständen inländisches innovatives Unternehmertum „blockiert" haben könnte. 198 Die durch das o.g. ,.moderne Raubrittertum" der Händlerarbitrageure unter Umständen angerichteten Schäden weisen auf einen sehr wichtigen Punkt hin: Wie dargelegt, kommt es für das Gelingen der Transformation ganz entscheidend darauf an, daß die Menschen Vertrauen in die neue anzustrebende Wirtschaftsordnung haben bzw. aufbauen können. Nun könnte man einerseits annehmen, daß die Voraussetzungen für den Aufbau einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu Beginn des Transformationsprozesses so schlecht nicht gewesen sein sollten, da die überwiegende Mehrzahl der Menschen zumindest in den mittel- und mittelosteuropäischen Ländern - diese Wirtschaftsordnung für erstrebenswert gehalten haben. Insoweit ist die Vermutung gewiß nicht vermessen, daß die diesbezüglichen Voraussetzungen vielleicht sogar besser waren als in Deutschland kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. So war in den Jahren bis 1949 und auch noch in der jungen Bundesrepublik schließlich beileibe keine Euphorie bezüglich der neuen Wirtschaftsordnung zu spüren gewesen - im Gegenteil: Ludwig Erhard und seine „Mitstreiter" hatten anfangs mit weitverbreitetem Mißtrauen und erheblichen Vorbehalten bzw. echten Widerständen gegen die Einführung der später so bejubelten Marktwirt-
198
Die hier angesprochene grundsätzliche Frage, ob ausländische Direktinvestitionen eher als wettbewerbsfördemdes Vehikel oder als demotivierender Hemmschuh einheimischen Unternehmertums einzustufen sind, soll hier nicht erschöpfend diskutiert werden. Fest steht jedenfalls, daß sich einfache, pauschale Antworten auf diese Frage verbieten. Vielmehr wäre in jedem Einzelfall eine eingehende Analyse vor dem Hintergrund der entsprechenden Besonderheiten des jeweiligen Landes bzw. der jeweiligen Region und Branche erforderlich. Dabei wären insbesondere auch mögliche „linkage-effects" auf vor- und nachgelagerten Märkten usw. zu berücksichtigen.
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schaft zu kämpfen. 199 Insoweit wird die bisweilen regelrechte „Glorifizierung" der Person Erhards verständlich, können doch seine Leistungen vor dem oben skizzierten Hintergrund tatsächlich kaum hoch genug eingeschätzt werden. Diese historischen Hintergründe gilt es im übrigen zu berücksichtigen, bevor man mit gleichsam verklärtem Blick in die Vergangenheit die Bedingungen zu Beginn des „deutschen Wirtschaftswunders" nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges allzu leichtfertig etwa mit den Ausgangsbedingungen Ostdeutschlands im Jahre 1990 - oder womöglich gar denen anderer Transformationsländer - gleichsetzt. Zweifelsohne gab es gewisse Parallelen, aber eben auch grundlegende Unterschiede: 200 So war - wie bereits an anderer Stelle erläutert - das unternehmerische Potential i.w.S. keinesfalls zerstört: Sowohl das zum Wiederaufbau notwendige technische als auch das ökonomische Wissen waren vorhanden. Auch wenn die Umgebung „physisch" zerstört war - die für den Wiederaufbau wesentlichen unternehmerischen, handwerklichen und verwaltungstechnischen Fähigkeiten waren es nicht, dies schließt insbesondere die motivationalen Kompetenzen mit ein. Dies fuhrt uns zu einem weiteren wichtigen Unterschied, der bereits an früherer Stelle angesprochen wurde: Die meisten Menschen im Nachkriegsdeutschland waren - aus mehr als verständlichen Gründen - staatlicher „Aktivität" und „Fürsorge" gegenüber eher skeptisch eingestellt; man war eher gewillt, „die Dinge selbst in die Hand zu nehmen". Im übrigen hatte man weder ein blühendes Erfolgsbeispiel marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnungen noch wohlfahrtsstaatlicher Absicherung vor Augen: So war man denn - abgesehen von persönlichen Hoffnungen und Ängsten - gleichsam „erwartungslos". Dies war indes zu Beginn des Transformationsprozesses in Mittel- und Osteuropa völlig anders: Die Menschen hatten ganz konkrete Erwartungen - brauchten sie doch die „blühenden Beispiele" westlicher Wirtschaftsordnungen und Wirtschaftspolitik scheinbar nur nachzuahmen. Doch erfordert, wie dargelegt, auch die Nachahmung entsprechende Fähigkeiten, die nicht über Nacht erworben werden können. Es wurde zwar mehrfach darauf hingewiesen, daß insbesondere das technische Wissen wie überhaupt der „konvergente Strang" der kognitiven Fähigkeiten der Menschen in den meisten Transformationsländern dem der Menschen „im Westen" grundsätzlich nicht nachsteht (dies gilt insbesondere für entsprechende Facharbeiter, Ingenieure usw.). Die weiter oben im Rahmen des Abschnitts „schöpferisches Unternehmertum und Transformation" erwähnten, durchaus positiven Erfahrungsberichte vieler Untemehmensgründer in den neuen Bundesländern, die ursprünglich insbesondere in den Bereichen Natur- und Ingenieurwissenschaften ausgebildet worden waren, sind um so höher einzustufen, als man sich stets vor Augen zu halten hat, daß viele dieser Hochqualifizierten - insbesondere diejenigen, die früher in der „Wirtschaftspraxis" tätig waren - aufgrund der insbesondere gegen Ende des alten Systems nachgerade abenteuerlichen Mangelwirtschaft große Schwierigkeiten gehabt haben dürften, ihr Niveau zu halten. Schließlich war vielen von ihnen „die Arbeit am Objekt" kaum oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen möglich. Das aktuelle Fä-
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So ist die auf Müller-Armack zurückgehende Bezeichnung „Soziale Marktwirtschaft" nicht zuletzt vor diesem Hintergrund zu sehen, schließlich wollte man den Menschen die Angst vor einem „ungezügelten Kapitalismus" nehmen. Dazu eignete sich der programmatische Begriff „Soziale Marktwirtschaft" gewiß vortrefflich, verhieß er doch so etwas wie einen „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz". Vgl. etwa Willgerodt (1990, hier insbes. S. 114) und (1994).
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higkeitsniveau hängt eben immer auch von den praktischen Erfahrungen ab, die man in einem bestimmten Bereich über einen längeren Zeitraum hinweg hat machen können. Dies wiederum fuhrt uns zum Begriff der „Routine". Routine erwerben zu können, erfordert eine gewisse Stabilität des Rahmens, eine gewisse Konstanz der Umweltbedingungen. Anders ausgedrückt: Vorgänge werden nur dann zu Routinevorgängen, wenn sie über eine gewisse Zeit hinweg wiederholt werden (können), so daß in das gegenwärtige Verhalten möglichst viel des Vergangenen sprich: (verwertbare) Erfahrungen - eingehen. Daß bei Berücksichtigung der historischen Zeit die Vergangenheit die Gegenwart bzw. das Verhalten der Menschen (in der Gegenwart) grundsätzlich beeinflußt, muß nach der grundlegenden Darstellung der entsprechenden Überlegungen von North, Miiller-Armack und anderen hier zwar nicht noch einmal näher erläutert werden. Gleichwohl erscheinen einige ergänzende Bemerkungen angebracht. So bietet es sich in diesem Zusammenhang etwa an, auf das von Heuß gebildete Begriffspaar der Zeit als „Iteration" und als,.Mutation" zurückzugreifen. Im Hinblick auf die mögliche gegenwartsbeeinflussende oder gar -determinierende Kraft der Vergangenheit betont Heuß (1965, S. 212/213): „Offensichtlich ist dieser Beziehungszusammenhang zwischen beiden (Vergangenheit und Gegenwart, T.B.) um so enger, je mehr die Gegenwart der Vergangenheit gleicht. In diesem Falle lassen sich die Verhaltens- und Handlungsweisen der Vergangenheit auf die Gegenwart übertragen, womit die Gegenwart zu einer Kopie der Vergangenheit wird. (...Es) ist evident, daß eine Gegenwart, die Neues und bisher noch nie Dagewesenes hervorbringt, mit den altgewohnten Mitteln und Methoden nicht gemeistert werden kann. In diesen Fällen ist der Mensch dazu gezwungen, neue Wege zu begehen und damit Altvertrautes aufzugeben. Hieraus ist ersichtlich, daß je nachdem, wie sich die Gegenwart dem Menschen präsentiert, ob als Iteration oder als Mutation, seine Verhaltensweise eine andere sein wird" (Hervorhebung von mir). Diese Ausfuhrungen lassen sich ganz offensichtlich hervorragend für die Systemtransformation verwerten bzw. auf die grundsätzliche Situation anwenden, der sich die Menschen in den Transformationsländern gegenübersehen: Ihre Erfahrungen sind für das Verhalten in der neuen Gegenwart nur noch sehr bedingt oder gar nicht mehr brauchbar, denn dies ist, wie gesehen, nur dann der Fall, „wenn sich das Vergangene in der Gegenwart wiederholt, also die Zeit einen iterativen Prozeß darstellt" {Heuß 1965, S. 213). Interpretiert man „die Erfahrung als ein Transparentmachen der Vergangenheit (...), die so durch die Zeit als Iteration auf die Gegenwart übertragbar wird" (ebd., S. 223), so läßt sich mit Blick auf die Transformationssituation eindeutig feststellen, daß sich die Gegenwart den Menschen in den Transformationsländem - insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses - als Mutation präsentiert. Deren „Wesen (besteht) im Hervorbringen unvorhergesehener Ereignisse, die als in der Vergangenheit unbekannt zum Novum in der Gegenwart werden" (ebd., S. 231). Nun ist für die Menschen in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas mit Beginn des Transformationsprozesses gleichsam das Ende der Routine eingeläutet worden. Dies ist nun in zweierlei Hinsicht problematisch: Auf das erste, offensichtliche Problem der weitgehenden Entwertung individueller Qualifikation und Erfahrungen muß hier nicht mehr eingegangen werden. Es versteht sich von selbst, daß neue Qualifikationsmuster und Fä-
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higkeiten erworben und erlernt werden müssen. Gerade dies berührt nun den Kern des mit dem ersten eng zusammenhängenden zweiten Problems: Die durch den Systembruch aufgetretenen neuen Herausforderungen sind für viele Menschen so groß, daß schon vermeintlich einfache Alltagshandlungen aus subjektiv-individueller Sicht Innovationscharakter erhalten können. Für deren Bewältigung wiederum ist - wie eingehend erläutert wurde - durchweg ein höheres Kompetenzniveau erforderlich als zur Bewältigung von Routineaufgaben. Anders ausgedrückt: Nicht genug damit, daß mit Transformationsbeginn für viele Menschen in Mittel- und Osteuropa die alten Routineaufgaben nicht mehr existieren. Erschwerend kommt offenbar noch hinzu, daß es für sie in der neuen Gegenwart praktisch gar keine „neuen" Routineaufgaben gibt, da im Grunde beinahe jede Aufgabe zur Innovationsaufgabe wird. Die zur Bewältigung dieser Herausforderungen notwendigen Fähigkeiten betreffen bekanntlich eben nicht in erster Linie „konvergent-kognitive", sondern „divergent-kognitive" Fähigkeiten. Gerade diese wiederum hatten jedoch innerhalb des alten Systems kaum ausgebildet werden können, da sie für die Bewältigung der dort auftretenden Anforderungen in der Regel nicht notwendig waren: So wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich die Zentralverwaltungswirtschaften der sozialistischen Länder gegenüber marktwirtschaftlich koordinierten Systemen durch eine gravierende Innovationsschwäche und damit einen Mangel an Vielfalt auszeichneten: Infolge des fehlenden Wettbewerbs waren die gesamten Umweltbedingungen im Grunde von geringer Komplexität. Da es dem System also an der Fähigkeit mangelte, Komplexität zu generieren, ist es - und seine Elemente mit ihm heute auch nur in geringem Maße in der Lage, Komplexität zu prozessieren (wäre dies anders gewesen, hätte es womöglich gar nicht erst zum Zusammenbruch des Systems kommen müssen). Um es in den Worten von Heuß auszudrücken: Im System der Zentralverwaltungswirtschaft präsentierte sich die Gegenwart im Grunde durchgängig als „Iteration", während sie dies in wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaften gleichsam per se eher als „Mutation" tut. Und ausgerechnet die „iterations-verwöhnten" (bzw. „iterations-genötigten" - je nach Standpunkt...) Menschen in den früheren Zentralverwaltungswirtschaflen werden nun gleich mit einer Mutation von der Qualität eines „Quantensprungs" konfrontiert! Vor dem Hintergrund dieser sehr allgemein gehaltenen Ausführungen wird deutlich, was sich bereits im Zusammenhang mit der Ableitung der verschiedenen Unternehmertypen vom Kompetenzniveau angedeutet hatte: Ob eine bestimmte Herausforderung als Über- oder Unterforderung oder als „optimale" Herausforderung einzustufen ist, hängt von der subjektiven Beurteilung des Betroffenen ab: Mag auch sonst alles dafür sprechen, das für einen „erfolgreichen Routine-Unternehmer" notwendige Kompetenzniveau grundsätzlich (und insbesondere im Vergleich zum schöpferischen Unternehmer) als eher niedrig einzustufen, so muß mit Blick auf die Situation in den Transformationsländern festgestellt werden, daß sich vielen Menschen dort selbst diese Herausforderungen zunächst als unüberwindlich darstellen mögen, von „echten" Innovationsanforderungen (also nicht im Sinne „umgedeuteter" Routineaufgaben) ganz zu schweigen. Die Menschen müssen also Investitionen in Humanvermögen vornehmen. Diese Feststellung bzw. Schlußfolgerung erscheint - das sei insbesondere vor dem Hintergrund einer Verknüpfung der allgemeinen Überlegungen von Schultz mit dem aktuellen Transformationsumfeld konzediert - so wenig überraschend wie originell. Indes führt sie uns zu ei-
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nem Aspekt, den wir mit Blick auf das Transformationsproblem bisher etwas vernachlässigt hatten: den Aspekt der Akkumulation. Nun hatten wir dieser Triebkraft des Marktprozesses zwar keinen „eigenen" Unternehmertypus zugeordnet, sondern sie mit verschiedenen Unternehmertypen „besetzt". Gleichwohl ist auch die Akkumulation für das Gelingen der Transformation von grundlegender Bedeutung, wie im folgenden kurz erläutert werden soll. Die Investition von Humanvermögen setzt, wie im Grunde jede andere Investition auch, Ersparaisbildung voraus: Die Menschen müssen Konsumverzicht leisten, um die Investition finanzieren zu können. Konsumverzicht kann (sich) jedoch nur leisten, wer über ein entsprechend hohes Einkommen verfügt. Diese Voraussetzung ist für die Mehrheit der Bevölkerung in den Transformationsländern zweifellos nicht erfüllt. Jedenfalls werden hohe Einkommen nur über rentable Arbeitsplätze erzielt werden können. Ein rentabler bzw. hochproduktiver Arbeitsplatz wiederum setzt eine entsprechende Ausstattung mit Realkapital („Produktiv-Vermögen") voraus. Der Aufbau eines Realkapitalstocks (bzw. das hier in Kurzform skizzierte sog. „capital deepening") setzt ebenfalls Investitionen voraus, deren Finanzierung an die Existenz eines volkswirtschaftlichen Sparvolumens in ausreichender Höhe gebunden ist. Dies wiederum hängt - wie auf einzelwirtschaftlicher Ebene auch - ebenfalls von der Erwirtschaftung eines genügend hohen (Volks-)Einkommens ab. Daß der Realkapitalstock, der den heutigen Transformationsländern von den maroden sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften als Erbe hinterlassen wurde, sich zu Beginn des Transformationsprozesses in einem Zustand befand, der im Grunde jeder Beschreibung spottete, ist bereits mehrfach betont worden. Zu einer zentralen Voraussetzung für dessen Verbesserung bzw. „Aufstockung" gehört es, Sparer und Investoren „zusammenzubringen". In diesem Zusammenhang ist der Zinssatz von besonderer Bedeutung, erfüllt er doch genau diese Funktion: Er „dient im Kapitalbildungsprozeß als Vermittler zwischen Sparen und Investieren." 201 Ein weiteres gravierendes Problem in den Transformationsökonomien besteht in der hohen Arbeitslosigkeit. Dies ist im Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden „Akkumulationsproblem" insofern von Interesse, als im Falle eines Abbaus der Arbeitslosigkeit ebenfalls akkumuliert werden muß, um jeden zusätzlichen Arbeitsplatz mit zumindest demselben Realkapital auszustatten wie die bisherigen, wenn die neuen Arbeitsplätze nicht weniger produktiv sein sollen („capital widening"). 202 Mithin sind, wie Fehl (1994, S. 354) zu Recht betont, die hier angesprochene „Kapitalvertiefung und Kapitalerweiterung im Transformationsprozeß von besonderer Bedeutung" (darauf wird im nächsten Kapitel noch kurz eingegangen werden). Die erwähnten Investitionen in Humanvermögen, die für den einzelnen Menschen - in den Transformationsländern wie grundsätzlich überall - notwendig sind, um den sprunghaft gestiegenen Umweltanforderungen besser begegnen zu können, müssen natürlich ent-
„Die Abstimmung zwischen Sparern und Investoren läuft wesentlich über den Zinssatz: Höheres Sparen fuhrt zur Senkung des Zinssatzes und macht dadurch zusätzliche Investitionsobjekte rentabel. Infolge der Senkung des Zinssatzes werden die Investoren angeregt, ihren Investitionshorizont zeitlich zu erweitern oder bei gegebenem Investitionshorizont eine größere Menge an realen Kapitalgütern zu bilden" (Fehl 1994, S. 353). Nota: Die folgenden Ausfuhrungen - wie auch einige der vorstehend skizzenhaft dargestellten Zusammenhänge - beruhen, sofern nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, auf dieser Quelle. Zum capital-deepening und capital-widening vgl. etwa auch Röpke (1977, S. 292 f.).
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sprechend „bedient" werden können. Anders gewendet, der vom Individuum geäußerten Investitionsnachfrage muß ein ausreichendes Angebot gegenüberstehen. Dies wiederum kann nur sichergestellt werden, wenn entsprechende - zumeist öffentliche - Investitionen in Weiterbildungseinrichtungen wie Schulen, Hochschulen usw. vorgenommen werden. Doch auch diese Investitionen, die annahmegemäß letztlich der gesamten Volkswirtschaft zugute kommen werden, sind selbstverständlich ebenfalls nur über ein in ausreichender Höhe fließendes Sparvolumen finanzierbar. Diese kurzen und bewußt sehr allgemein gehaltenen Ausführungen mögen ausreichen, um die Bedeutung der Akkumulation - und damit der für diese gemeinsam „zuständigen" Unternehmertypen - für das erfolgreiche Fortkommen des Transformationsprozesses zumindest grob zu skizzieren. Es sollte deutlich geworden sein, daß das Transformationsumfeld die Menschen vor völlig neue Herausforderungen stellt, deren Bewältigung in vielfacher Hinsicht und im weitesten Sinne „unternehmerisches" Verhalten und damit unternehmerische Kompetenz erfordert: In Anlehnung an Schultz ließe sich also feststellen, daß der Zusammenbruch der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft im Grunde alle Menschen zwangsläufig zu „Unternehmern" macht, war doch in ihrem früheren festgefügten, ihnen subjektive Sicherheit und Erwartungsstabilität vermittelden Rahmen unternehmerische Kompetenz und unternehmerisches Verhalten so wenig notwendig wie erwünscht. Berücksichtigt man den Schwierigkeitsgrad, den diese Herausforderung für die meisten Menschen darstellen dürfte, so könnte man geneigt sein, diesen Menschen beinahe sämtlich „innovatorische" Anstrengungen abzufordern. Doch auch im Hinblick auf die „naive" Variante des Routineuntemehmertums gibt es Bedarf: Die Menschen in den Transformationsländern müssen diejenigen Verhaltensweisen, die den Menschen in entwickelten Marktwirtschaften im Verlauf der Jahrzehnte gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen sind, ebenso lernen, wie sie sich erst an das sog. „ökonomische Denken" bzw. die Notwendigkeit dazu gewöhnen müssen. Doch auch, wenn man die Betrachtung auf das „Unternehmerische" im engeren Sinne beschränkt, besteht durchaus Bedarf an „Routine-Unternehmern": Unternehmensleiter mit soliden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Verständnis für ökonomische Zusammenhänge sind für das Gelingen der Transformation zweifellos von großer Bedeutung. (Diese Feststellung gilt im übrigen unbeschadet des Umstandes, daß dieser Aspekt von einem Großteil der Transformationstheoretiker sowie von den Planern entsprechender Aufbauprogramme, Seminare etc. zu Beginn des Transformationsprozesses - eindeutig zu Lasten einer angemessenen Berücksichtigung des „schöpferischen Elements" gewiß maßlos überbetont wurde). Im nun folgenden Kapitel IV sollen drei der wichtigsten „Einzelprobleme" der Systemtransformation erörtert werden. Da jedem dieser Probleme bzw. Teilbereiche mittlerweile ganze Bibliotheken an Fachliteratur gewidmet worden sind, soll die Betrachtung auf die grundlegenden Zusammenhänge beschränkt werden. Dabei stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Zum einen sollen die zwischen diesen Teilbereichen bestehenden vielfältigen Verflechtungen aufgezeigt werden, um so dem eingangs der Arbeit „eingeklagten" Postulat der schon von Eucken grundsätzlich geforderten, stärkeren Beachtung der Interdependenz der Teilordnungen Rechnung zu tragen. Zum anderen soll versucht werden, die in verschiedenen Transformationsländem bisher vorgenommenen
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praktischen Transformationsbemühungen und deren Ergebnisse in den genannten Bereichen gleichsam durch diejenige „unternehmerische Brille" zu betrachten, um deren Konstruktion wir uns in diesem Kapitel ausdrücklich bemüht haben. In diesem Zusammenhang stellt der Wettbewerb gleichsam das ,3indeglied" zwischen der unternehmerischen und der ordnungstheoretischen Perspektive dar: So ist festzustellen, daß das „Interdependenz-Prinzip" selbstverständlich für die Teilordnungen auf unterschiedlichen Ebenen gilt, betont es doch letztlich nichts anderes als die Bedeutung des sog. „Blickes für die Zusammenhänge", des Verständnisses für die zwischen einzelnen Elementen unterschiedlicher Art bestehenden Verflechtungen. Und gerade auch darum ging es in dem hier ausklingenden Kapitel, wie anhand der folgenden kurzen Zusammenfassung noch einmal verdeutlicht werden soll: Innovatives (oder überhaupt irgendein bestimmtes menschliches) Verhalten wird nur dann erwartet werden können, wenn die dazu notwendigen Voraussetzungen auf allen relevanten Ebenen erfüllt sind, d.h. alle hier genannten „Verhaltens-Filter" passiert werden können. Ein sich selbst perpetuierender Markt- und Wettbewerbsprozeß wird sich nur dann einstellen, wenn die diesen prägenden und voranbringenden Triebräfte in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, mithin alle gemeinsam - wenngleich auch jede „für sich" - ihren Beitrag dazu leisten. Und auch diese beiden Teilaspekte wiederum sind selbstverständlich Teile eines großen Ganzen, dessen gewissermaßen „letztes Element" im nun folgenden Kapitel betrachten werden soll: So fällt auf, daß wir gleichsam das Pferd von hinten aufgezäumt haben, indem wir uns scheinbar erst zum Schluß ausdrücklich den (ordnungspolitischen) Rahmenbedingungen des Marktgeschehens zuwenden. Wir haben gesehen, daß schon die „Verstopfung" eines einzigen Filters innovatives (oder anderes Unternehmer-) Verhalten verhindern kann. Eine solche „Verstopfung" wäre, wie dargelegt, deshalb fatal, weil dadurch der Ausfall deijenigen Motoren verursacht würde, deren Aufgabe die Inbetriebnahme und fortdauernde Ankurbelung der verschiedenen Triebkräfte des Markt- und Wettbewerbsprozesses ist. Desweiteren wurde deutlich, daß bereits das infolge eines solchen „Motorausfalls" bewirkte Erlahmen einer einzigen dieser Triebkräfte genügt, um letztlich den Marktprozeß seiner Dynamik zu berauben, ihn insgesamt zum Erliegen zu bringen. Ist dies einmal geschehen, so können, wie hinreichend erläutert, die Marktpreise ihre Signal- bzw. Informationsfunktion (und selbstverständlich auch andere, gleichsam abgeleitete Funktionen) nicht mehr erfüllen. Genau dies stellt nun den entscheidenden Anknüpfungspunkt bzw. die grundsätzliche Parallele zu den Überlegungen Euckens dar, die im Rahmen des nächsten Kapitels eingehend zu erläutern sein werden: Denn auch für ihn ist es „die Hauptsache (...), den Preismechanismus funktionsfähig zu machen" (Eucken 1952/1990, S. 254). Er fordert, daß „die Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems vollständiger Konkurrenz zum wesentlichen Kriterium jeder wirtschaftspolitischen Maßnahme gemacht wird" und erhebt dies zum „wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundprinzip" (ebd., S. 255). Bekommt die diesen Nukleus des wettbewerblichen Marktgeschehens umgebende „Mauer" Risse, so wird gegen dieses Grundprinzip verstoßen. Diese Mauer wiederum, die aus den anderen konstituierenden Prinzipien besteht, welche gewissermaßen die Bausteine dieses Schutzwalls der Wettbewerbsordnung darstellen, gewinnt ihre Stabilität dadurch, daß die einzelnen Bausteine gleichsam durch den „ M ö r t e l " der Interdependenz untereinander verbunden bzw. als Ganzes von einem „Band" der Inter-
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dependenz - der Zusammengehörigkeit aller Prinzipien - fest umschlossen werden. Somit gilt das Interdependenz-Prinzip also nicht nur für die äußeren Rahmenbedingungen (die Wettbewerbsordnung), sondern eben auch für das Zusammenwirken der Triebkräfte des innerhalb dieses Ordnungsrahmens ablaufenden Markt- und Wettbewerbsprozesses selbst. Ferner gilt das Interdependenz-Prinzip auch für das Zusammenspiel der ,Rotoren" dieser Triebkräfte - die verschiedenen Unternehmertypen - sowie letztlich auch für die unterschiedlichen Determinanten (,^Filter") des individuellen Verhaltens jedes einzelnen dieser Unternehmertypen, die - um im Bilde zu bleiben - als die verschiedenen „Zündkerzen" bezeichnet werden könnten. Vor dem Hintergrund dieser Zusammenhänge drängt es sich geradezu auf, dieses Interdependenz-Prinzip, das offenbar grundsätzlich auf den Rahmen und Ablauf, auf die treibenden Kräfte und Motoren sowie auf die entsprechenden Kraft- und Schmierstoffe wettbewerblicher Prozesse in Marktwirtschaften anwendbar und gültig ist, auch auf den Prozeß der Transformation von Zentralverwaltungswirtschaften in eben solche Marktwirtschaften anzuwenden. Genau dies wird in den nun folgenden Ausfuhrungen mit Blick auf bestimmte wichtige Teilaufgaben dieses Transformationsprozesses versucht.
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KAPITEL 4: ZUM PRIMAT DER ORDNUNGSPOLITIK IM TRANSFORMATIONSPROZEß: DIE ORDNUNGSPOLITISCHE PERSPEKTIVE FÜR DIE LÖSUNG DES INTERDEPENDENZ-PROBLEMS Vorbemerkung: Systemtransformation als Kampf um formale und materielle Freiheit Bereits eingangs der Arbeit wurde darauf hingewiesen, daß man bei einer zu „strikten" Orientierung an der in der einschlägigen Fachliteratur bis heute üblichen Dreiteilung der gesamten Transformationsaufgabe in die Teilaufgaben „institutionelle Erneuerung", „makroökonomische Stabilisierung" und „mikroökonomische Anpassung" sehr leicht Gefahr läuft, die von Eucken betonte interdependenz der (Teil-)Ordnungen" - die uns hier die Interdependenz der genannten Teilaufgaben bzw. Teilbereiche vorgibt - zu verkennen. Indes sei konzediert, daß sich die o.g. Dreiteilung der Transformationsaufgabe geradezu aufdrängt, wenn der - angesichts ihrer nahezu unüberschaubaren Fülle nur zu verständliche - Versuch einer zumindest groben Strukturierung oder Klassifikation der „Transformationsliteratur" unternommen werden soll. Neben der Fiktion eines mikroökonomischen (realwirtschaftlichen) Anpassungsautomatismus - die zu zerstreuen im Grunde das gesamte letzte Kapitel diente - besteht zudem die Gefahr, die dieser Anpassung auf der Mikroebene vorausgehenden Maßnahmen der institutionellen Erneuerung und der makroökonomischen (monetären) Stabilisierung zu stark voneinander zu trennen. Es ist unbedingt darauf zu achten, daß die zum Zwecke größerer Klarheit auf den ersten Blick sehr sinnvoll erscheinende idealtypische Trennung dieser beiden Teilbereiche bereits in der theoretischen Analyse selbst aufgegeben bzw. bestenfalls „im Hinterkopf behalten wird. So erscheint es vor dem Hintergrund der Interdependenz der einzelnen Probleme und Teilbereiche der Transformation beispielsweise nicht angemessen, allein die Aufgabe der institutionellen Erneuerung als „ordnungspolitische" - und die der makroökonomischen Stabilisierung als „prozeßpolitische" - Aufgabe anzusehen.1 Gerade vor dem spezifischen Hintergrund der Transformation sollte im Grunde jede wirtschaftspolitische Maßnahme im Lichte ihrer möglichen ordnungspolitischen Relevanz gesehen und beurteilt werden. Anders ausgedrückt, gerade im Rahmen der Transformation gilt der Primat der Ordnungspolitik! Und dem kann nur Geltung verschafft werden, wenn das grundsätzliche Problem der Interdependenz nicht aus den Augen verloren wird. Dies wurde eingangs der Arbeit bereits in aller Kürze am Beispiel der Privatisierung erläutert; dabei wurde deutlich, daß die Lösung des Privatisierungsproblems Anstrengungen in allen drei oben genannten „traditionellen Teilaufgaben" der Transformation erfordert, d.h., die Frage der Privatisierung ist sowohl von ordnungspolitisch-institutioneller als auch von stabilisierungspolitischer Relevanz und ist ebenfalls für den Bereich der mikroökonomischen Anpassung von Bedeutung.
Dies ist durchaus auch als Selbstkritik zu verstehen: In meinem Beitrag „Systemtransformation und Genossenschaften" (Brockmeier 1994a) bin ich selbst noch dieser idealtypischen Dreiteilung gefolgt.
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In diesem Kapitel soll es darum gehen, deutlich zu machen, daß dies im Grunde auf alle der hier behandelten „Einzelprobleme" (Privatisierung, Liberalisierung und Stabilisierung) zutrifft. Dabei wird Euckens Konzept der Wettbewerbsordnung keinesfalls zufällig als „Orientierungshilfe" und theoretische Grundlage gewählt. Schließlich hat Eukken doch die Bedeutung der Interdependenz nicht zuletzt dadurch unterstrichen, daß er sie - oder besser: ihre Beachtung - durch die ausdrückliche Betonung der „Zusammengehörigkeit der (konstituierenden) Prinzipien" gleichsam zu einem „eigenständigen" Prinzip erhoben hat. Der Versuch einer trennscharfen Abgrenzung sowohl in der einen als auch in der anderen Hinsicht muß beinahe zwangsläufig willkürlich erscheinen, was nicht zuletzt schon an den scheinbar unterschiedlichen „Überlappungsgraden" sichtbar wird, die sich ergeben, wenn man die beiden hier kurz vorgestellten „Analysemethoden" bzw. „Aufspaltungsmodi" der gesamten Transformationsaufgabe miteinander „verquickt": So scheint sich die Teilaufgabe der „makroökonomischen Stabilisierung" tatsächlich auschließlich auf die „Stabilisierung" zu beziehen, während eine so eindeutige (und ausschließliche) Zuordnung bei der Teilaufgabe der sog. „Erneuerung der institutionellen Infrastruktur" schon deutlich schwerer fällt bzw. schlicht unmöglich ist. So lautet die in der einschlägigen Literatur gängige Umschreibung bzw. Definition dieser Teilaufgabe wie folgt: „Bei der Schaffung der institutionellen Infrastruktur handelt es sich um die Ausgestaltung der Anreizstruktur eines Wirtschaftssystems, also der Regeln, unter denen Private handeln können" (Siebert 1992, S. 25). Daß zur Schaffung einer solchen „Anreizstruktur" auch Maßnahmen gehören, die selbstverständlich ebensogut im Rahmen der beiden anderen Teilaufgaben „untergebracht" werden könnten, ist so offensichtlich, daß es im Grunde keiner weiteren Erläuterung bedarf. Nichtsdestotrotz ist demselben Autor selbstverständlich zuzustimmen, wenn er feststellt: „Ohne geeignete institutionelle Infrastruktur, ohne die institutionelle Ordnung, kann die Transformation nicht funktionieren" (Siebert 1992, S. 25). So ist ganz offensichtlich, daß viele Menschen in den früheren sog. „realsozialistischen Staaten" Mittel- und Osteuropas mit der damaligen „institutionellen Infrastruktur" im weitesten Sinne, d.h. mit den Regeln, unter denen sie handeln konnten, höchst unzufrieden waren - sie reagierten entsprechend. Um es in Hirschmans (1974) berühmten Worten zu sagen: Da ihnen die Option der „Abwanderung" als Reaktionsmöglichkeit versperrt war, entschieden sie sich zum „Widerspruch" und begannen, laut und öffentlich ihren Unmut über die in vielerlei Hinsicht untragbaren Zustände kundzutun. Dies führt uns zum wohl Bemerkenswertesten an den epochalen Umwälzungen in Mittel- und Osteuropa, nämlich zu der Tatsache, daß sie das Ergebnis einer friedlichen Revolution sind: Ein Großteil der Bevölkerung hat mit Zivilcourage auf das Ende der alten Ordnungsmuster hingewirkt, mit denen so viele Menschen schon seit langem unzufrieden waren; die Menschen selbst haben grundlegende Verbesserungen mit Nachdruck eingeklagt - und damit faktisch unweigerlich den radikalen Systembruch gefordert und letztlich auch herbeigeführt. Wie könnte nun eine solche neue Ordnung aussehen, welche Aspekte hätte ein entsprechender Entwurf zu berücksichtigen? Eine konkrete Vorstellung von der Art, der Struktur und den Elementen dieser neuen Ordnung sowie den für ihre Errichtung notwendigen Maßnahmen und deren „optimaler" Reihenfolge
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hatten die Menschen kaum, was allerdings auch schwerlich erwartet werden konnte. Was die Menschen allerdings sehr wohl wußten, war - so banal es auch klingen mag -, daß die neue Ordnung selbstverständlich eine bessere zu sein hätte als die alte. Das wäre dann der Fall, wenn sich die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung von dieser neuen Ordnung realistischerweise die Erreichung solcher Ziele versprechen könnte, die ihnen im Rahmen der alten Ordnung vorenthalten wurden. Und von diesen Zielen wiederum hatten die Menschen durchaus mehr als eine vage Vorstellung: Die von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in Mittel- und Osteuropa zu Beginn der Transformation am häufigsten genannten Ziele waren „Freiheit" und „materieller Wohlstand". 2 Mit Freiheit war in diesem Zusammenhang in erster Linie politische Freiheit gemeint. Nun gilt: „Die Freiheit ist unteilbar. Man kann nicht politisch Freiheit exerzieren und wirtschaftlich "Rieht Euch' kommandieren" (Welter 1971, S. 576). 3 Eine neue, politische Freiheit gewährende Gesellschaftsordnung ist also nicht mit jeder beliebigen Wirtschaftsordnung kombinierbar, sondern nur mit einer solchen, deren wesentliche Elemente nicht dem Wesensgehalt der neuen Gesellschaftsordnung widersprechen bzw. mit diesem unvereinbar sind. 4 Hier bezieht sich der Freiheitsbegriff offenbar auf die „instrumenteile Ebene", beispielsweise auf das zur Erreichung materiellen Wohlstands eingesetzte Mittel, d.h. auf die Wirtschaftsordnung und ihren Charakter als Instrument. Darüber hinaus ist jedoch zu beachten, daß das Ziel „materieller Wohlstand" selbst bereits eine Freiheitsimplikation enthält - und insoweit gleichsam als „materielles Pen-
Mit ersterer verbanden die Menschen in erster Linie die grundsätzliche Abwesenheit von staatlichem Zwang und staatlicher Willkür, möglichst konkretisiert durch Wahlfreiheit innerhalb eines pluralistischen Systems, Pressefreiheit, Reisefreiheit usw. An das Ziel „materieller Wohlstand" hatten die meisten gewiß deutlich geringere Ansprüche als viele der „satten" Konsum- und Industriegesellschaften Westeuropas und Nordamerikas. Das Ganze läßt sich im übrigen trefflich auch aus der entgegengesetzen Perspektive betrachten: Ein Blick auf die verzweifelten Bemühungen der chinesischen Führung, eine Art „staatsozialistische Marktwirtschaft" in China zu installieren, reicht aus, um den o.g. Zielkonflikt zu illustrieren. Aus diesem Grunde wäre beispielsweise eine Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar. Diese „Verfassungswidrigkeit" ergäbe sich aus der unmittelbaren Relevanz einiger Grundrechte für die Wirtschaftsordnung: Allein die privates Eigentum und die Freiheit der Berufswahl garantierenden Grundrechte der Art.9 und Art. 12 GG schlössen eine Zentralverwaltungswirtschaft im o.g. Sinne aus. Das bedeutet übrigens keinesfalls - wie oft fälschlicherweise angenommen und behauptet wird - das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schreibe die (Soziale) Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung vor. Diese Wirtschaftsordnung hat keinen Verfassungsrang - wie überhaupt das Grundgesetz keine bestimmte Wirtschaftsordnung vorschreibt. Deshalb kann auch die „Marktkonformität" (oder inkonformität) einer bestimmten wirtschaftspolitischen Maßnahme niemals ein Kriterium zur Beurteilung ihrer Verfassungskonformität sein. Dies hat denn auch das Bundesverfassungsgericht in einigen Grundsatzurteilen zur wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes eindeutig klargestellt (so etwa in dem berühmten „Investitionshilfe-Urteil" aus den fünfziger Jahren). Gleichwohl ist mit dem Grundgesetz - wegen der oben beschriebenen „Wirtschaftsordnungs-Relevanz" einiger Grundrechte - selbstverständlich nicht jedwede Wirtschaftsordnung vereinbar; insofern ist das Grundgesetz also trotz seiner prinzipiellen Offenheit gegenüber verschiedensten Ausprägungen von Wirtschaftsordnungen und seiner wirtschañspolitischen Neutralität keinesfalls völlig wirtschaftsorAiungsneutral.
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dant" zum allgemeinen Freiheitsziel angesehen werden kann. Vor diesem Hintergrund läßt sich der von den Menschen in den vormals sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas auf dem Wege einer friedlichen Revolution begonnene Transformationsprozeß im Grundsatz letztlich als Kampf um formale und materielle Freiheit verstehen. Vor dem oben skizzierten Hintergrund ist denn auch der Aufbau des nun folgenden Kapitels zu sehen: Um der Interdependenz der verschiedenen Teilbereiche und damit der Vielschichtigkeit des Transformationsprozesses besser Rechnung tragen zu können, wurde also bewußt darauf verzichtet, sich an die übliche idealtypische Dreiteilung der gesamten Transformationsaufgabe zu halten. Die Teilaufgaben der institutionellen Erneuerung, der makroökonomischen (monetären) Stabilisierung und der mikroökonomischen (realwirtschaftlichen) Anpassung sollen deshalb im folgenden nicht sukzessive „abgearbeitet" werden, denn damit wären die einzelnen Transformationsprobleme (Liberalisierung, Privatisierung etc.) unweigerlich „zerrissen" worden, nur um sie - allein zum Zwecke der vermeintlich besseren Systematik - gleichsam durch die „Schablone der idealtypischen Dreiteilung" pressen zu können. Stattdessen wurde eine „problemorientierte" Herangehensweise gewählt, um so die im Rahmen der idealtypischen Dreiteilung „entstandenen" drei Teilaufgaben insgesamt im Hinblick auf das Interdependenzproblem des transformationsspezifischen (und damit transformationspolitischen) institutionellen Interregnums untersuchen und so stets die „Verbindung zum Unternehmertum" aufrechterhalten zu können: Jedem der drei „Einzelprobleme" wird ein eigener Abschnitt gewidmet, der wiederum in zwei Unterabschnitte aufgeteilt ist; im ersten Unterabschnitt wird das jeweilige Problem „im weiteren Sinne" und im zweiten Unterabschnitt „im engeren Sinne" behandelt. Dadurch sollte nicht zuletzt dem Kampf um formale und materielle Freiheit auch gliederungssystematisch besser entsprochen und damit letztlich die Interdependenz der beiden „großen" Teilordnungen - Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung - insgesamt unterstrichen werden. Gleichwohl sei noch einmal betont, daß es in diesem Kapitel nicht darum gehen soll, die aufgeführten Teilbereiche bzw. Einzelprobleme jeweils in extenso zu bearbeiten. Jedem einzelnen der in diesem Kapitel behandelten vier Probleme (Liberalisierung, Privatisierung und Stabilisierung) ist in der einschlägigen Fachliteratur eine Fülle von Beiträgen gewidmet worden. Da im Vordergrund vielmehr das Bemühen steht, die Interdependenzen zwischen den Teilbereichen aufzuzeigen, kann darauf verzichtet werden, die zu jedem dieser Teilbereiche in der einschlägigen Literatur unzählige Male vorgebrachten „Standardargumente" en detail zu wiederholen. Um die hier im Mittelpunkt stehende wechselseitige Verknüpfung zu verdeutlichen, reicht es völlig aus, „lediglich" die grundlegenden Zusammenhänge zu erläutern. Dies bedeutet freilich nicht, daß etwa darauf verzichtet werden müßte, gewisse Schwerpunkte zu setzen: Da es insbesondere darum gehen soll, die bisherigen Liberalisierungs-, Privatisierungs- und Stabilisierungsbemühungen in den Transformationsländern letztlich im Lichte der unternehmerischen Perspektive zu betrachten bzw. kritisch zu würdigen, wird etwa ein solcher Schwerpunkt auf einen in der einschlägigen Fachliteratur zur Privatisierung - insbesondere in den ersten Jahren des Transformationsprozesses - stark vernachlässigten Aspekt gelegt: Es ist dies die sog. „Privatisierung von unten" („grass-root-privatization"). Hierbei geht es um den Ausbau und die Stärkung des privatwirtschaftlichen Sektors in den jahrzehn-
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telang staatlich dominierten Volkswirtschaften der heutigen Transformationsländer durch die Neugründung von Unternehmen. Es versteht sich von selbst, daß gerade dieser Bereich gleichsam den „klassischen Anwendungsfall" für unsere bisherigen grundlegenden Ausfuhrungen zum „Unternehmertum" darstellt. Da jedoch - wie eingangs ausdrücklich betont und begründet - im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine umfangreiche empirische Untersuchung vorgenommen und dokumentiert, sondern der Schwerpunkt bewußt auf die Schaffung einer möglichst „breiten" bzw. soliden theoretischen Grundlage werden sollte, will dieser Abschnitt über die Privatisierung „von unten" nicht etwa als systematische empirische Überprüfung des theoretischen Grundlagenteils verstanden werden. Selbstverständlich jedoch bleiben allgemeine Wirtschaftsdaten wie auch Ergebnisse bisher vorliegender empirischer Untersuchungen nicht unberücksichtigt und werden an geeigneter Stelle in die Ausführungen einfließen; dabei werden gewisse Überschneidungen und Wiederholungen unvermeidlich sein - dies gilt selbstverständlich insbesondere mit Blick auf den im letzten Kapitel erörterten Zusammenhang von „schöpferisch-innovativem Unternehmertum und Transformation". (Nota: Vor dem Hintergrund der im Rahmen dieser Arbeit kritisierten Tatsache, daß man beim Bemühen um den Entwurf einer Transformationstheorie - insbesondere in den ersten Jahren - die Figur des Unternehmers beinahe „vergessen" hatte, kann es letztlich kaum überraschen, daß der Aspekt der Privatisierung „von unten" in der Transformationsliteratur erst in jüngerer Zeit stärkere Beachtung findet).
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„Freiheit bedeutet, daß wir in gewissem Maße unser Schicksal Kräften anvertrauen, die wir nicht beherrschen." 5 1. Liberalisierung 1.1.
Liberalisierung im weitesten Sinne: Schaffung einer „Offenen Gesellschaft freier Menschen" 6
1.1.1. Das Ziel einer neuen Gesellschaftsordnung Angesichts der jahrzehntelangen Bevormundung und Gängelung vieler Menschen in den von faktischer Einparteienherrschaft geprägten Gesellschaftsordnungen der heutigen Transformationsländer Mittel- und Osteuropas bestand (und besteht) die wohl vordringlichste Aufgabe zunächst einmal darin, eine neue Gesellschaftsordnung zu schaffen. Dabei standen verständlicherweise nicht zuletzt Bemühungen um die Verabschiedung neuer Verfassungen im Vordergrund; die Menschen strebten - nach eigenen Angaben überwiegend „demokratische und freiheitliche" Verfassungen an. Im Rahmen dieser Arbeit soll weder beurteilt werden, inwieweit dieses Ziel in den einzelnen Ländern erreicht wurde (vgl. hierzu etwa Kahl 1994) 7 , noch soll die grundlegende Frage diskutiert werden, ob zwischen „Freiheit" und „Demokratie" etwa ein Nexus derart besteht, daß Demokratie notwendigerweise diejenige Gesellschaftsform darstellt, die Freiheit im allgemeinen und ökonomische Freiheit im besonderen (beispielsweise eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung) grundsätzlich am ehesten und „besten" ermöglicht. 8 Gleichwohl wollen wir uns in diesem Abschnitt mit einigen grundlegenden Fragen beschäftigen: Wie kann individuelle Freiheit in einer Gesellschaft vieler Menschen gesichert werden, die einander nicht kennen, voneinander nichts wissen und die je für sich ihre individuellen und einander widersprechenden Ziele verfolgen wollen? Wie kann in einer solchen Gesellschaft der Frieden gesichert werden? Bedarf es dazu nicht einer
„Und dies scheint jenen Konstruktivisten unerträglich, die glauben, daß der Mensch sein Schicksal beherrschen kann - als ob Zivilisation und Vernunft selbst sein eigenes Werk wären" {Hayek 1981, S. 49). Der kundigen Leserschaft wird diese etwas eigenwillige Verknüpfung zweier von Hayek und Popper entliehenen Begriffe unmittelbar aufgefallen sein. Ich bin indes der Überzeugung, daß von Hayeks „Gesellschaft freier Menschen" und Poppers „Offene Gesellschaft" so viel gemein haben, daß eine derartige begriffliche Symbiose gerade vor dem Hintergrund unseres Themas so sinnvoll wie zulässig ist. Für Rußland, dessen Verfassung dem Präsidenten nahezu unbegrenzte Vollmachten einräumt, könnte man versucht sein, eher von einer „autokratischen" Verfassung zu sprechen. Zu dieser Frage bzw. zur grundsätzlichen Vereinbarkeit von Liberalismus und Demokratie, zu zwei voneinander verschiedenen Grundauffassungen von Liberalismus sowie zu den potentiellen Gefahren einer „totalitären Demokratie" oder gar „plebiszitären Diktatur" hat von Hayek grundlegende Arbeiten vorgelegt; vgl. Hayek (1969b), (1969e) sowie (1971, hier insbes. S. 125-143, S. 246-263 sowie S. 481-497). Zur Anwendung auf das Transformationsproblem sei verwiesen auf die entsprechenden Ausfuhrungen in Kapitel II, Abschnitt 1.2.1.2.1 dieser Arbeit; neben den dort genannten Quellen (so etwa Pies 1997) sei noch beispielhaft verwiesen auf Elster, in: Ploszajaski.
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gleichsam hierarchischen und verbindlichen Festlegung gemeinsamer Ziele für alle Mitglieder dieser Gesellschaft? Bei der Beantwortung wollen wir uns insbesondere an denjenigen Antworten orientieren, die von Hayek auf diese Fragen gegeben hat. Dabei können wir weitgehend auf entsprechende Ausfuhrungen zur „spontanen Ordnung" im letzten Kapitel zurückgreifen; eine besondere Rolle wird in diesem Zusammenhang der „Einführung" der bereits grundlegend erläuterten abstrakten Regeln zukommen, war doch das Grundmodell der sozialistischen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ein hierarchisches, mithin eine einzige große Organisation (Hierarchie), die eher dem Koordinationsprinzip der Subordination denn dem der „Kompetition" (oder - zumindest in vertikaler Richtung - dem der Kooperation), d.h. konkreten Regeln folgte. Gewisse Wiederholungen werden auch hier unvermeidlich sein, gleichwohl halte ich dieses Vorgehen nicht zuletzt deshalb für sinnvoll, weil so eine gute Überleitung zum nächsten Abschnitt - „Liberalisierung im engeren Sinne: Schaffung einer Marktordnung" - ermöglicht wird. 1.1.2. Zur Bedeutung abstrakter Regeln für die Schaffung und Sicherung von Freiheit Von Hayek hat die Frage, ob es zur Schaffung einer friedlichen und die Freiheit ihrer Mitglieder sichernden Gesellschaftsordnung einer hierarchischen und verbindlichen Festlegung gemeinsamer Ziele bedarf, eindeutig verneint und überzeugend dargelegt, daß eine solche Vorgabe einer Rangordnung von Zielen zur Sicherung von Frieden und individueller Freiheit nicht nur unnötig, sondern dieser sogar abträglich ist: ,JDie Große Gesellschaft ist durch die Entdeckung entstanden, daß die Menschen in Frieden zusammenleben und einander gegenseitig nützen können, ohne daß über die bestimmten Ziele Übereinstimmung besteht (...). (Dies geschah, T.B.) durch die Entdeckung, daß die Ersetzung obligatorischer konkreter Ziele durch abstrakte Verhaltensregeln es möglich machte, die Friedensordnung über die kleinen Gruppen auszudehnen, die dieselben Ziele verfolgen, weil dadurch jedes Individuum in die Lage versetzt wurde, von der Fähigkeit und dem Wissen anderer zu profitieren, die es nicht zu kennen brauchte und deren Ziele von den seinigen gänzlich verschieden sein konnten" (Hayek 1981, S. 151, Hervorhebungen von mir). Wir wissen spätestens seit Adam Smith, daß es die Entdekkung des Tausches bzw. Tauschhandels war, die die Existenz einer solchen Friedensordnung grundsätzlich ermöglichte. Den „abstrakten Regeln" kommt also „lediglich" die Aufgabe zu, diesen friedlichen Tausch grundsätzlich zu ermöglichen, der nichts anderes ist, als eine freiwillige Vereinbarung zwischen zwei Parteien zu deren wechselseitigem Vorteil - Wirtschaft muß also kein Nullsummen-Spiel sein. 9
Smith entdeckt bekanntlich in der „natürlichen Tauschneigung" des Menschen die Ursache der letztlich für den „Wohlstand der Nationen" verantwortlichen Arbeitsteilung und der daraus erwachsenden Spezialisierung. Er hat diese Tauschneigung als eines derjenigen spezifischen Merkmale bezeichnet, die den Menschen vom Tier unterschieden: „This division of labour, from which so many advantages are derived, is not originally the effect of any human wisdom (...). It is the (...) consequence of a certain propensity in human nature (...); the propensity to truck, barter, and exchange one thing for another." Das „typisch Menschliche" an dieser Tauschneigung illustriert Smith mit folgendem Beispiel: „It (this propensity to barter, T.B.) is common to all men, and to be found in no other race of ani-
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Ort des Tausches ist der Markt. Regeln, die diesen friedlichen Tausch ermöglichen, ermöglichen so das Zustandekommen einer Ordnung, die von Hayek - wie gesehen - als „Katallaxie" bezeichnet 1 0 und damit eine Ordnung beschreibt, die v o m Markt selbst bzw. „von der gegenseitigen Anpassung vieler individueller Wirtschaften auf einem Markt zustandegebracht wird. Eine Katallaxie ist so die besondere Art spontaner Ordnung, die v o m Markt dadurch hervorgebracht wird, daß Leute innerhalb der (abstrakten, T.B.) Regeln des Eigentums-, Schadensersatz- und Vertragsrechts handeln" (Hayek 1981, S. 151). Bekanntlich sollen diese abstrakten Regeln also keine Ordnung durch bewußte (willkürliche) Anordnung, sondern vielmehr die Bedingungen schaffen, unter denen sich eine andere Ordnung von selbst bilden kann bzw. soll. Im letzten Kapitel haben wir ebenfalls hinlänglich erläutert, daß die für die Schaffung und Aufrechterhaltung spontaner Ordnungen konstitutiven abstrakten Regeln - auch als „Ordnungskräfte" 1 1 bezeichnet - sowohl allgemeine Normen, Regeln der Sitte und M o ral oder auch Regeln des geschriebenen Rechts sein können. Indes kann die für deren Wirksamkeit so wichtige Überwachung der Einhaltung etwa der Regeln des Rechts nun aber gerade nicht von der spontanen Ordnung selbst erwartet werden, die j a als solche insgesamt zwar keinem bestimmten Zwecke dient - u n d deshalb zu ihrer „Inbetriebnahme" auch keiner Einigung über einzelne konkrete Ziele bedarf -, es aber gleichwohl , j e d e m einzelnen erlaubt, seine speziellen Kenntnisse für seine eigenen Z w e c k e zu nutzen." 1 2 Vielmehr braucht es für diese Ü b e r w a c h u n g „eine Ordnung der anderen Art, nämlich eine Organisation" {Hayek 1969, S. 40). Dies m a g beispielsweise der Staat bzw. der Staatsapparat sein. Die Hauptfunktion der von ihm „verabschiedeten" und hinsichtlich ihrer Einhaltung überwachten abstrakten Regeln sollte nun in der Sicherung der individuellen Freiheit bestehen, die bekanntlich nur dadurch erreicht werden kann, daß ein individueller Freiraum definiert bzw. abgegrenzt wird. So wurde ebenfalls bereits deutlich herausgestellt, daß die durch die Organisation bzw. deren entsprechende Mitglieder zu ziehende Grenze gleichsam die Demarkationslinie darstellt, die bestimmt, daß der Freiraum des einen Menschen dort endet, w o die Nutzung der individuellen Freiheit dieses einen die - unrechtmäßige - Beschränkung des individuel-
mals (...). Nobody ever saw a dog make a fair and deliberate exchange of one bone for another with another dog. Nobody ever saw one animal by its gestures and natural cries signify to another, this is mine, that yours: I am willing to give this for that" (Smith 1776/1812, S. 26). Im Vorgriff auf spätere Ausfuhrungen sei an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, daß eine solche Marktordnung, die von Hayek auch als „Friedensordnung" bezeichnet (s.o.), nicht identisch ist mit derjenigen, die beispielsweise Müller-Armack als „irenische Ordnung" - also buchstäblich ebenfalls als Friedensordnung - bezeichnet. Eine solche herzustellen und zu sichern, bedarf es mehr als nur abstrakter Regeln, die von Hayek zur Schaffung „seiner" Friedensordnung als bloße Marktordnung fur ausreichend hält. (Vgl. in diesem Zusammenhang Müller-Armack (1959), (1966) und (1973); vgl. ferner Krüsselberg (1987). „Die Ordnungskräfte (...) sind die Regeln, die das Verhalten der Elemente beherrschen, aus denen die Ordnungen gebildet sind" (Hayek 1969, S. 37). Das ist im übrigen der entscheidende Vorteil einer spontanen Ordnung: „(Da) sie nicht zweckgebunden ist, kann sie zur Erreichung sehr vieler verschiedener, voneinander abweichender, ja widerstreitender Ziele genutzt werden" (Hayek 1969e, S. 110 u.l 11).
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len Freiraums eines anderen bewirkt bzw. voraussetzt. Nur durch die Definition und Sicherung einen solchen klar umrissenen Privatsphäre für jeden einzelnen Menschen kann gewährleistet werden „daß sich eine spontane Ordnung menschlicher Handlungen (...) ganz von selbst bildet" {Hayek, 1969e, S. 110). Damit ist denn auch schon die wohl wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe der Politik definiert: „Die geeignete Abgrenzung der individuellen Sphäre ist die Hauptfunktion der Rechtsregeln und ihr zweckmäßiger Gehalt eines der Hauptprobleme der Wirtschafts- und Sozialpolitik" {Hayek 1969, S. 40). 1.1.3. Organisationen, konkrete Regeln und die Vernichtung von Freiheit Es wurde bereits betont, daß die Regeln, die Organisationen leiten, von anderer Art sind, als diejenigen, die die Bildung und Erhaltung spontaner Ordnungen ermöglichen und für deren Verabschiedung und Überwachung Organisationen zuständig sein sollen: „Die Regeln, die eine Organisation leiten, sind Regeln für die Ausführung zugewiesener Aufgaben. Sie regeln auf diese Weise nur die Einzelheiten der Tätigkeiten bestellter Funktionäre oder Behörden - oder die Arbeitsweise einer durch Anordnung geschaffenen Organisation" {Hayek 1969, S. 41). Angesichts der Tatsache, daß Organisationen bzw. die in ihnen Tätigen nahezu ausschließlich mit organisationsinternen Fragen, Problemen und Positionskämpfen innerhalb der Hierarchie konfrontiert sind und sich deshalb mit ihrer vornehmsten und vordringlichsten Aufgabe - der Beschäftigung mit den Voraussetzungen für die Entstehung einer spontanen Ordnung - kaum oder überhaupt nicht beschäftigen, nimmt es nicht wunder, daß sie mit der Zeit dazu neigen, eine gewisse ,3etriebsblindheit" (Organisationsblindheit) zu entwickeln: „(Die) Vorstellung vom Gesetz als Mittel der Ordnungsgestaltung wurde in den Händen der Öffentlichrechtler und Beamten (...) immer mehr dahin interpretiert, daß es ein Instrument der Anordnung ist" {Hayek 1969, S. 44). Wenn sich diese Auffassung jedoch durchsetzt, dann ist das Ende der Freiheit nah, die zu schützen das Gesetz in Form allgemeiner abstrakter Regeln ursprünglich angetreten war. Dazu schreibt von Hayek (1969a, S. 51): „Und wenn das Gesetz einmal, als es vor allem eine allgemeine Regel der Gerechtigkeit aussprach, als der beste Schutz der Freiheit angesehen werden konnte, ist das Gesetz im modernen Sinne eines der wirksamsten Mittel zur Vernichtung der Freiheit geworden." Diese beklagenswerten Auswüchse der Verkennung der eigentlichen Funktion oder gar des Mißbrauchs der Legislative und der Verselbständigung der Exekutive können zwar in verschiedenen Gesellschaftsordnungen - zunehmend auch in Demokratien - beobachtet werden (entsprechende Klagen über zu starke Bürokratisierung, Überregulierung etc. und die damit zwangsläufig verbundene Lähmung der freien Entfaltung wirtschaftlicher Kräfte legen beredtes Zeugnis davon ab13 ), sie sind aber gleichwohl insbesondere ein für totalitäre Staaten typisches Charakteristikum.
Dies ist im übrigen ein Grund dafür, Leipold (1997, S. 398) in seiner Einschätzung unbedingt zuzustimmen, daß der Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaften in den sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas nun keinesfalls etwa das Ende des wissenschaftlichen Systemvergleichs bedeute: Dieser ist - wenngleich nicht mehr reduziert auf den bloßen Ost/West-Vergleich - so sinnvoll und notwendig wie eh und je: „Der Zusammenbruch des Sozialismus ist (...) auch als Ende des Systemwettbewerbs gedeutet worden.
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Daraus ergibt sich nun vor dem aktuellen Hintergrund der Transformation in Mittelund Osteuropa - und hier insbesondere mit Blick auf die Anfangsphase des Transformationsprozesses - ein gewisses Problem: Man kann zwar die alten Machthaber absetzen und gegen andere Verantwortliche austauschen; eine komplette Exekutive mit Heerscharen von Bürokraten und Verwaltungsbeamten freilich kann man nicht einfach absetzen. Doch selbst wenn man die vollständige „Amtsenthebung der Alten" quasi im Handstreich vollziehen könnte, woher sollte man in entsprechendem Umfang und in der Kürze der Zeit kompetente(re)n Ersatz bekommen?! Schließlich kann doch wohl kaum davon ausgegangen werden, daß eine Vielzahl der bis dato zwar nicht in der Gesetzgebung und/oder Verwaltung tätigen - gleichwohl seit langen Jahren unter denselben obwaltenden Umständen lebenden - Menschen bezüglich dieser grundlegenden Zusammenhänge dieselben Fähigkeiten, aber grundlegend andere Überzeugungen bzw. Einstellungen hatte entwickeln können. Schon aus dieser Lern- und Umsetzungsaufgabe ergibt sich ein „institutionelles Interregnum". Zwar bleibt die („letzte") Möglichkeit, entsprechende Regeln bzw. Institutionen gleichsam („aus dem Westen") zu kopieren, doch tritt damit eine Variante der bereits diskutierten „Anmaßung von Wissen" - nämlich die .Anmaßung von Kopier- bzw. Übertragungswissen" - auf den Plan: Niemand kann wissen, ob sich ein Modell X, das sich im Gebiet Y über Jahre hinaus und unter spezifischen Bedingungen entwickelt und als „brauchbar" erwiesen hat, einfach als Blaupause auf das Gebiet Ζ übertragen läßt. Wir stoßen letztlich erneut auf das mit dem „institutionellen Interregnum" zusammenhängende Problem der „Pfadabhängigkeit im Transformationsprozeß", das hier nicht mehr eingehender erläutert zu werden braucht. Neue (formelle) Regeln bzw. Institutionen zu schaffen, ist ein Problem, deren Akzeptanz, Nutzung bzw. Umsetzung und Wirksamkeit ein ganz anderes, dessen Lösung - wie mehrfach betont - einen zeitaufwendigen und mitunter schmerzvollen Lern- und Anpassungsprozeß voraussetzt. Selbstverständlich muß das Ziel darin bestehen, diesen Prozeß so schnell und für möglichst viele Menschen so „schmerzfrei" wie möglich ablaufen zu lassen. Gleichwohl sollte dies nicht zu der irrigen Annahme verleiten, man könne einige der im Zuge des Transformationsprozesses unweigerlich zu erwartende Probleme gleichsam durch bestimmte rechtliche Regeln - möglichst im Verfassungsrang „hinwegdefinieren" und so die Chancen für die Erreichung des o.g. Ziels erhöhen. Dies sei an einem kurzen Beispiel erläutert: So wurde beispielsweise im Vorfeld des „Einigungsvertrages" darüber diskutiert, ob man nicht den Beitritt der DDR zur Bundes-
Nicht wenige, dafür aber wenig ordnungs- und geschichtskundige Skeptiker haben deswegen auch das Ende der vergleichenden Systemforschung behauptet. (...). Dieser (...) Deutung steht zur gleichen Zeit paradoxerweise die Renaissance der Idee des Wettbewerbs der Systeme entgegen. Zuerst ist das verbreitete Unbehangen an der Entwicklung der marktwirtschaftlich-demokratischen verfaßten Ordnungen zu nennen. Deren Expansion hin zu umfassend durchregulierten Wohlfahrtsstaaten kann offensichtlich nicht als Krönung der Geschichte gelten. Als zweiter Anstoß ist das verstärkte Bestreben der Europäischen Union nach einer europaweiten Vereinheitlichung der wirtschaftlichen, fiskalischen und sozialen Regeln zu nennen. Die Praxis der verordneten Harmonisierung provozierte Argumente zugunsten der Strategie des institutionellen Wettbewerbs. Als ein weiterer und wichtiger Anstoß ist die Intensivierung des internationalen Wettbewerbs auf vielen Gütermärkten zu nennen, dessen unübersehbaren Konsequenzen in Deutschland und in Europa die Diskussionen um den Standortwettbewerb ausgelöst haben."
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republik zum Anlaß nehmen sollte, das dann für beide ehemaligen „Staatsgebiete" und deren Bürger gemeinsam gültige Grundgesetz zu reformieren. In diesem Zusammenhang ging es unter anderem darum, einige derjenigen Errungenschaften der alten DDR in das neue System hinüberzuretten, die man nicht nur grundsätzlich für erhaltenswert, sondern auch für die Schaffung eines im Vergleich zur alten Bundesrepublik „menschlicheren und sozialeren Gesamtsystems" für geeignet bzw. gar notwendig hielt. Zu diesen vermeintlich erhaltens- und Übertragenswerten Errungenschaften wurde von vielen Menschen in der früheren DDR (gleichwohl nicht nur von diesen) das in der Verfassung der DDR verankerte „Recht auf Arbeit" gezählt. Bei dem Wunsch, diesem Recht auch im vereinigten Deutschland Verfassungsrang zu verleihen, stand offenbar die Hoffnung Pate, dadurch könne man das drohende Feuer der Arbeitslosigkeit gleichsam im Keim ersticken. Die möglichen Folgen eines solchen Vorgehens sollen hier nicht diskutiert werden, vielmehr sei lediglich zu bedenken gegeben, daß durch bloßes „Hinwegdefnieren" noch selten ein Problem gelöst worden ist. Rechte bedeuten immer auch Pflichten, Freiheit immer auch Verantwortung, und nur selten gibt es Chancen ohne „korrespondierendes" Risiko: Viele Menschen übersahen (und übersehen) offenbar zu schnell, daß dieses „Recht auf Arbeit" auch schon in der DDR ein mitunter teuer erkauftes Recht war; in diesem Zusammenhang braucht nur auf die eingeschränkte Freiheit zur Berufs- und Arbeitsplatzwahl, Beschränkungen bei der Wahl des Studienfachs bzw. -platzes usw. hingewiesen zu werden. Ähnliches gilt analog - wenngleich selbstverständlich in anderen „Erscheinungsformen" - für das „Recht auf Wohnung (preiswerten Wohnraum)". Diese Beispiele belegen nicht nur das immer wieder zu beobachtende Phänomen, daß der Staat zum „Buhmann" wird, sobald er für massive Einschränkungen sorgt (und sei es die Reisefreiheit, von Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit ganz zu schweigen...), daß er aber sofort gem wieder in die Verantwortung bzw. in die Pflicht genommen wird, sobald es darum geht, die mit den errungenen Freiheiten unweigerlich verknüpften Risiken und Unwägbarkeiten zu ertragen. Zu leicht wird übersehen, was wir unter Rückgriff auf von Hayek bereits eingangs dieser Arbeit betont hatten: Unsere Unwissenheit - gerade in der freien „Großen Gesellschaft" - ist „konstitutionell" und vermittelt ein Gefühl der Unsicherheit, der Ungewißheit. Die (freilich bisweilen verständliche) Sehnsucht nach Reduktion dieses Gefühls sollte uns nicht zu der Illusion verleiten, wir könnten dieses Problem durch eine gleichsam „künstliche Verkürzung" der Perspektive bzw. des zeitlichen Horizonts und durch immer mehr - konkrete - Regeln in den Griff bekommen: Je größer die Regelungsdichte, desto wahrscheinlicher und größer ist der zu erwartende Freiheitsverlust.
1.2. Liberalisierung im engeren Sinne: Schaffung einer Marktordnung Zur Herstellung und Sicherung der materiellen Freiheit muß eine Ordnung gefunden werden, die gleichsam als ökonomisches Pendant zu derjenigen Ordnung angesehen werden kann, die die formale Freiheit sichert. 14 Zur Wahrung der Grundprinzipien for-
Freiheit erschöpft sich also keinesfalls in der bloßen Abwesenheit von Zwang. Wenn der Mensch nicht ausdrücklich gezwungen wird, etwas bestimmtes zu tun, so bedeutet das noch keineswegs, daß er einen „freien" Willen bilden und tatsächlich zwischen Alternativen wählen, sich „frei" entscheiden kann. Genau auf diese Art von Freiheit zur Auswahl
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maier Freiheit wird dies eine Ordnung sein müssen, die a) den Beteiligten weder die Ziele noch die zu deren Erreichung von den Menschen jeweils als geeignet bzw. nützlich erachteten Mittel vorschreibt, und zur Herstellung der materiellen Freiheit wird sie b) dem einzelnen Menschen grundsätzlich bessere Aussichten auf eine möglichst große Verfügbarkeit der durch sie bzw. innerhalb ihres Rahmens erstellten Güter und Dienstleistungen eröffnen müssen, als andere Ordnungen dies könnten. Sind diese Bedingungen erfüllt, so kann mit derjenigen wechselseitigen Anpassung der Vielzahl verschiedener individueller Pläne, Entscheidungen und Handlungen gerechnet werden, die uns dem Ziel der Schaffung materieller Freiheit für möglichst viele Menschen am nächsten bringen wird. Eine solche Anpassung findet typischerweise auf Märkten als Orten des Tausches statt. So wird also in einer Marktordnung diejenige Ordnung gesehen, die die o.g. Bedingungen am besten erfüllt. So haben denn auch die meisten Menschen in den Transformationsländern Mittelund Osteuropa in der Marktwirtschaft - gleich welcher konkreten Ausprägung - die „Zielgröße" im Sinne der anzustrebenden Wirtschaftsordnung angesehen. Das Grundprinzip der Koordination über Märkte ist nicht die verbindliche Vorgabe eines Zentralplans, wie sie für hierarchische Organisationen typisch ist, sondern die Konkurrenz einer Vielzahl grundsätzlich gleichgestellter dezentraler Einheiten, die frei ihre eigenen Entscheidungen zur Durchfuhrung der von ihnen selbst aufgestellten Pläne treffen, um so ihre j e individuellen Ziele zu erreichen. Das Wettbewerbsprinzip ist also konstitutiv fur marktwirtschaftliche Ordnungen. Mithin geht es bei der Schaffung einer Marktordnung geht es also im wesentlichen darum, eine Ordnung zu installieren, deren Wesenskern bzw. Mittelpunkt das Prinzip des freien Wettbewerbs darstellt. M.a.W.: Die Etablierung einer in o.g. Sinne funktionsfähigen Marktwirtschaft steht und fällt mit dem Erfolg der Bemühungen um die Schaffung einer Wettbewerbsordnung. Vor nahezu einem halben Jahrhundert hat Walter Eucken ein Konzept vorgelegt, das aus verschiedenen, eng miteinander verknüpften „konstituierenden Prinzipien" zur Schaffung sowie „regulierenden Prinzipien" zur Erhaltung der von ihm entworfenen Wettbewerbsordnung besteht. Aufgrund seines eben „prinzipiellen" Charakters ist dieses Konzept im Grunde von zeitloser Aktualität und spielt deshalb bei unseren folgenden Ausfuhrungen zu den zentralen Transformationsaufgaben bzw. -problemen (nicht nur zur Liberalisierung) eine bedeutende Rolle - und zwar sowohl als theoretische Basis als auch als Referenzgröße bei der Beurteilung bzw. kritischen Würdigung einiger der bisher erfolgten transformationspolitischen Maßnahmen.
1.2.1. Wohlstand durch „laissez faire"?! Zahlreiche Liberalisierungsempfehlungen zu Beginn der Transformation orientierten sich an einer neoklassisch-orthodoxen bzw. neoklassisch-monetaristischen Strategie, die auf das „freie Spiel der Marktkräfte" vertraut und etwa in Entwicklungsländern häufig zwischen Alternativen kommt es jedoch gerade in der Ökonomie an; hier geht es also um eine materielle Freiheit, die auch ethisch-moralischen Ansprüchen genügt. Nichts anderes hat etwa Kant (1788/1993, S. 39) mit seinem umfassenden Freiheitsbegriff gemeint, als er feststellte: „Das metaphysische Hindernis aller Moral ist die Verweigerung von Freiheit. (...). Die Autonomie des Willens ist das alleinige Prinzip aller moralischen Gesetze (..)."
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empfohlen und angewandt wurde. Dabei wurde jedoch vielfach „übersehen", daß gerade zu Beginn der Transformation von einem „freien Spiel" keinesfalls die Rede sein konnte: Wie wir noch sehen werden, beseitigen die rein formelle Öffnung von Märkten und die Aufhebung administrativer Preiskontrollen allein die „Vermachtung" der Märkte nicht, schaffen mithin noch keinen wirksamen Wettbewerb. Darauf haben bereits die Vertreter der Freiburger Schule mit Nachdruck hingewiesen; so heißt es etwa bei Eukken (1940/1989, S. 52): ,Auf Grund der Entdeckung, daß der Wettbewerb ein höchst leistungsfähiges Prinzip ist, hatte die klassische Nationalökonomie (...) Ordnungsgrundsätze entwickelt, welche eine funktionsfähige Ordnung der ganzen Wirtschaft (schaffen und garantieren sollten, T.B.): Privateigentum, Vertragsfreiheit und Wettbewerb." „Die faktischen Wirtschaftsordnungen aber, die sich auf dieser wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundlage erhoben, entfernten sich immer mehr von den Grundsätzen der Wirtschaftsverfassungen. (...). Die Vetragsfreiheit wurde dazu verwandt, (...) die Marktformen zu ändern und Machtgebilde zu schaffen. Das einfache System der natürlichen Freiheit verwirklichte wider Erwarten nicht die Wettbewerbsordnung" (Eucken 1940/1989, S. 53). Es zeigte sich, „daß die Gewährung von Freiheit eine Gefahr für die Freiheit werden kann, wenn sie die Bildung privater Macht ermöglicht, daß zwar außerordentliche Energien durch sie geweckt werden, aber daß diese Energien auch freiheitszerstörend wirken können. Und auch eine freie, natürliche Ordnung entsteht nicht einfach dadurch, daß die Wirtschaftspolitik ihre Verwirklichung der Entwicklung überläßt - sondern nur dann, wenn sie selbst darauf gerichtet ist" (Eucken 1952/1990, S. 53, Hervorhebung von mir). Deshalb war (und ist) dem in der transformationstheoretischen Literatur und Politikberatung lange Zeit dominierenden neoklassisch-orthodoxen (oder auch: neoklassischmonetaristischen) Denkansatz durchaus mit Skepsis zu begegnen. Es sollte sich zeigen, daß es für komplexe Probleme in den seltensten Fällen einfache Lösungen gibt. Die Hoffnung, „das freie Spiel der Marktkräfte werde es schon richten", erwies sich alsbald als trügerisch, da von einem „Markt" im ökonomischen Sinne gerade zu Beginn der Transformation nicht die Rede sein konnte. Märkte sind „sensible" Institutionen: Sie entfalten ihre segensreichen Wirkungen nur dann, wenn auf ihnen Wettbewerb herrscht; ohne freien Wettbewerb verliert die Einrichtung des Marktes ihren Sinn und ihre wohlfahrtstiftenden Kräfte. Vor dem Hintergrund des spezifischen Transformationsumfeldes kann die ,.Botschaft" nur lauten: Märkte müssen „gemacht" bzw. geeignete Voraussetzungen für deren Entstehung geschaffen werden! Mit Freigabe aller Preise auf dem Wege einer umfassenden Liberalisierung schafft man im Handstreich weder funktionsfähige Güter- und Faktormärkte (insbes. Arbeits- und Kapitalmarkt, aber auch Geldmarkt) noch löst man mit vollständiger Privatisiserung das Machtproblem. Es wird zu zeigen sein, daß gerade letzteres Problem - dessen Lösung in der ordo-liberalen Konzeption Euckens zentrale Bedeutung zukommt - in vielen der postsozialistischen Länder Mittelund Osteuropas zu einem entscheidenden Hemmschuh der Transformation geworden ist. Offenbar waren die Bedingungen nicht so, wie es beispielsweise die liberalen Klassiker für eine durch die berühmte „unsichtbare Hand" bewirkte quasi-automatische Gleichrichtung von Individual- und Gesamtinteresse vorausgesetzt hatten: Für die Mehrzahl der Bevölkerung in den mittel- und osteuropäischen Ländern stellte sich die mit „Marktwirtschaft" gleichgesetzte neue Wirtschafts-„Ordnung" zu Beginn der Transfer-
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mation als eine chaotische Situation dar, die dem Hobbesschen Urzustand des Krieges aller gegen alle weit mehr ähnelte als einem institutionellen Gefüge, das glaubhaft „Wohlstand für alle" (Ludwig Erhard) verhieß: Marktwirtschaft wurde zwangsläufig zu dem, was es just gerade nicht sein soll - zu einem Nullsummen-Spiel, in dem jeder seinen Egoismus auslebt und die Gewinne des einen zwangsläufig und überwiegend aus den Verlusten des anderen gespeist werden. Dies nun ist exakt diejenige Situation, die das von Eucken entwickelte Konzept einer Wettbewerbsordnung vermeiden helfen will, zielt es doch darauf ab, „den spontanen Kräften der Menschen zur Entfaltung zu verhelfen und zugleich dafür zu sorgen, daß sie sich nicht gegen das Gesamtinteresse wenden (...). (Die Wettbewerbsordnung...) ist der einzige Ordnungstyp, welcher die Kräfte des Egoismus bändigt" (Eucken 1952/1990, S. 365). Hintergrund des Bemühens um die Entwicklung einer solchen Ordnung war Eukkens Kritik an folgendem „fundamentale(n) Fehler (...) der Politik des Laissez-faire", die wir an dieser Stelle noch einmal im Original wiedergeben wollen: „Die 'unsichtbare Hand' schafft nicht ohne weiteres Formen, in denen Einzelinteresse und Gesamtinteresse aufeinander abgestimmt werden. (...). Es wird zur großen Aufgabe der Wirtschaftspolitik, die Kräfte, die aus dem Einzelinteresse entstehen, in solche Bahnen zu lenken, daß hierdurch das Gesamtinteresse gefördert wird, daß also eine sinnvolle Koordination der Einzelinteressen stattfindet" (.Eucken 1952/1990, S. 360; vgl. auch Weber 1992). Und genau darauf kommt es im Transformationsprozeß an, damit die Menschen Vertrauen in die neue Ordnung gewinnen können; es bleibt zu hoffen, daß die Fehler, die gerade zu Beginn des Transformationsprozesses gemacht wurden, im Hinblick auf dieses notwendige Vertrauen nicht bereits irreparable Schäden angerichtet haben. Vor dem oben skizzierten Hintergrund wird der die Rolle des Staates betreffende, fundamentale Unterschied zwischen der auf klassisch-liberalem Boden fußenden, neoklassischmonetaristischen Transformations-Strategie und dem ordo-liberalen Ansatz deutlich: Wurde bereits an früherer Stelle betont, daß es zur Umsetzung der Euckenschen Wettbewerbsordnung eines im positiven Sinne „starken" Staates bedarf, so zeigen die Erfahrungen in manchen Transformationsländern, wie etwa Dubrowsky (1993, S. 204) betont, „daß vielfach die Rolle des Staates im Transformationsprozeß unterschätzt wird. Vor allem der neoklassische Theorieansatz, der bei vielen Transformationskonzepten zugrunde gelegt wurde, vernachlässigt den Staat unzulässigerweise. Das betrifft sowohl die Überschätzung der unterstellten selbstregulierenden Wirkung der jedoch zunächst höchst unvollkommenen Märkte im Transformationsprozeß (...) als auch vor allem die Eigentümerfunktion des Staates in der Wirtschaft während der Transformation." Ein weiteres, nicht zuletzt durch die Vertreter der „reinen Marktlehre" hervorgerufenes Problem betrifft die Nicht-Beachtung oder Unterschätzung der Bedeutung außerökonomischer Aspekte im Transformationsprozeß; fast ist man geneigt, von einer Art „Imperialismus der Ökonomie" zu sprechen. Genau diesen Zustand hat bereits Müller-Armack mit Blick auf den Manchester-Liberalismus und die Politik des LaissezFaire gegen Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts beklagt und mit seiner Konzeption einer „Sozialen Marktwirtschaft" Abhilfe schaffen wollen: „Daß in der Perspektive unserer Zeit auch neue Mängel der marktwirtschaftlichen Ordnung uns zum Bewußtsein kommen, ist gewiß. Als eine ausgesprochen wirtschaftliche Ordnung hat sie den Sinn
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der Menschen im 19. Jahrhundert zu ausschließlich auf wirtschaftliche Interessen gelenkt." Unter Berufung auf das Werk von Franz Böhm („Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung", Stuttgart 1936) hebt MüllerArmack (1966, S. 27) hervor: „Erst die neuere Forschung hat begriffen, daß die marktwirtschaftliche Organisationsform ihre Überlegenheit nur zu entfalten vermag, wenn ihr aus geistigen und politischen Kräften eine feste äußere Ordnung gegeben wird. Sie kann nicht (...) das Ergebnis einer gleichsam natürlichen Entwicklung sein, sondern bedarf der behütenden Kräfte, um sich als Wirtschaftsordnung behaupten zu können. Daß vom Wirtschaftlichen her allein durch eine ökonomische Konstruktion (...) der seelische Zerfall, dessen Ausdruck die sozialen Krisen der Gegenwart sind, nicht aufgehalten werden kann, daß es des Appells an die irrationalen Kräfte bedarf, ist unsere Überzeugung." All dies könnte man den neoklassisch-monetaristischen Transformationstheoretikern, die auf das freie Spiel der „Marktkräfte" auch da vertrauen, wo es noch gar keine Märkte gibt, wörtlich ins ordnungspolitische Stammbuch schreiben (so sie denn über eines verfügten...). Zwar ist an deren Empfehlung einer Hinwendung zu marktwirtschaftlichen Ordnungsformen im Grundsatz selbstverständlich nichts auszusetzen, gleichwohl gilt es, folgendes zu beachten: „Wenn wir die Marktwirtschaft als eine organisatorisch beachtliche Konstruktion beachten, so wird damit keineswegs eine Rückkehr zum alten Liberalismus empfohlen. Wir sehen heute klarer, wie sehr der wirtschaftspolitische Liberalismus irrte, als er den freien Markt als Automatismus auffaßte. Wir wissen heute, daß der Liberalismus die Frage der politischen und wirtschaftspolitischen Sicherung seiner Ordnung geradezu sträflich vernachlässigte und sich auch darin irrte, daß er den Preismechanismus als eine völlig in sich funktionierende Maschinerie betrachtete. Wie jede, auch die beste Maschine einer sinnvollen menschlichen Steuerung und Lenkung bedarf, so auch hier. (...). Eine solche gesteuerte Marktwirtschaft ist etwas toto coelo Verschiedenes gegenüber der liberalen Marktwirtschaft wie gegenüber der Wirtschaftslenkung. Sie glaubt nicht, daß es zweckmäßig ist, eine auf vollen Touren laufende Maschine sich selbst zu überlassen, wie es der Liberalismus annahm, auch nicht, daß es zweckmäßig ist, alle Ventile zuzuschrauben und alle Hebel festzuriegeln, wie es die Wirtschaftslenkung tut, sondern sie versucht, diese Maschine zu bedienen durch ein sinnvolles Spiel von Schaltung und Sicherung, um so zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen" {Müller-Armack 1966, S. 76/77). Geht man davon aus, daß „die Schwierigkeit (des Entwurfs einer, T.B.) Transformationstheorie (...) jedoch nicht in der Darstellung der Elemente, Zusammenhänge, Wirkungsmechanismen, Ziele und dem anzustrebenden 'Endpunkt', sondern in der Darstellung des Weges bzw. von Varianten des Weges zu diesem "Endpunkt' unter Berücksichtigung der ordnungspolitischen, institutionellen, realwirtschaftlichen, politischen und mentalen Ausgangs- und Entwicklungslinien in den Reformländern (liegt)" (Dubrowsky 1993, S. 202), dann leistet die Ordnungstheorie Euckenscher Prägung durchaus etwas mehr als nur eine Definition von „Start" und „Ziel" der Transformation: Bei näherem Hinsehen liefert sein ordo-liberaler Gesamtentwurf - der beschrieben werden kann durch die Stichworte „Primat der Ordnungspolitik", ,.Konzept der Wettbewerbsordnung" (Schaffung und Erhaltung), „Prinzip und historisches Moment" sowie „Interdependenz der Teilordnungen" - m.E. eine schlüssige Gesamtkonzeption, die durchaus viele der für eine erfolgreiche Transformation notwendigen Elemente enthält.
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Mit seiner Konzeption stellt Eucken einen theoretischen Rahmen zur Verfügung, der einerseits weit und flexibel genug ist, um jedes Transformationsland darin „unterbringen", d.h. die individuellen (historischen) Spezifika eines jeden Landes hinreichend berücksichtigen zu können, der aber andererseits nicht wachsweich und prinzipienlos, sondern eben gerade so konstruiert ist, daß er für jedes Land - unabhängig von dessen spezifischen Besonderheiten in einem bestimmten „historischen Moment" - einen hinreichend stabilen Ordnungsrahmen darstellen kann. 15 Daß die EuckenKonzeption der - gesetzten - (Wettbewerbs-)Ordnung freilich nicht als hinreichende („Patent"-)Lösung der komplexen Transformationsproblematik angesehen werden kann, Zwecke notwendig gewesen wäre, auf die Details dieser Konzeption näher einzugehen; dies soll im folgenden „nachgeholt" werden. 1.2.2. Euckens Konzept der Wettbewerbsordnung - die konstituierenden Prinzipien „funktionsfähiger Preismechanismus" und „Offenheit der Märkte" als theoretische Basis Sich frei bildende Preise sind zentraler Bestandteil - gleichsam Dreh- und Angelpunkt - einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Sie stellen den Kern der neu zu entwerfenden Anreizstruktur dar, erfüllen sie doch nicht nur Indikatorfunktion als Knappheitsanzeiger, Allokationsfunktion als dezentrales Lenkungsinstrument, sondern auch Anreiz- bzw. Motivationsfunktion etc. Wie bereits an früherer Stelle zitiert, heißt es dazu in Euckens klarer Diktion: „Die Hauptsache ist es, den Preismechanismus funktionsfähig zu machen. (...). Dies ist das wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzip. Jede Wirtschaftspolitik scheitert, der dies nicht gelingt. Das ist der strategische Punkt, von dem aus man das Ganze beherrscht (...)" {Eucken 1952/1990, S. 255). Die Begründung dafür sieht Eucken darin, „daß (...) die Lenkungsmechanik unteilbar ist, wenn sie funktionieren soll. Infolge ihrer allgemeinen Interdependenz üben alle einzelnen wirtschaftspolitischen Eingriffe Wirkungen auf den gesamten Wirtschaftsprozeß aus" (ebd., S. 254). Die einzelnen Prinzipien, die nun der Schaffung und Erhaltung einer Wettbewerbsordnung dienen, sollen in diesem funktionsfähigen Preissystem „ihren gemeinsamen Mittelpunkt finden" (ebd., S. 255). Freie Preisbildung findet im „ungehinderten" Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern auf Märkten statt. Sollen die sich ergebenden Preise „markträumende" Preise sein, die tatsächlich alle o.g. Preisfunktionen ausüben bzw. erfüllen, so darf es keinerlei Beschränkungen des freien Marktzutritts bzw. -austritts geben: Die Märkte haben offene Märkte zu sein, wenn sie funktionsfähig sein wollen. In Anlehnung an ein dem früheren Bundeskanzler Schmidt zugeschriebenes Bild ließe sich das wie folgt auf den Punkt bringen: Markets are like parachutes - they only function when open. Ohne
Hier drängt sich sofort eine Parallele zur bereits eingangs dieser Arbeit erwähnten Leistung Euckens als „Schlichter" im Methodenstreit zwischen der älteren historischen Schule (Schmoller) und der österreichischen Schule (Menger) der Nationalökonomie auf: „Walter Eucken versuchte, diese 'große Antinomie' zu beseitigen, indem er auf der Basis seines ordnungstheoretischen Ansatzes die Konzeption einer allgemeinen Theorie entwarf, deren Teilstücke jeweils 'aktuell' bzw. 'inaktuell' werden können" (Fehl 1991a, S. 39, Fettdruck im Original); vgl. femer Keilhofer (1995, S. 4-6 u. 16-19).
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offene Märkte, die potentiellen in- und ausländischen Konkurrenten freien Zutritt und Austritt gewähren, ist Wettbewerb nicht denkbar. „Die Schließung von Angebot und Nachfrage" kann sowohl durch Maßnahmen des Staates als auch durch „private Machtgruppen und monopolistische Einzeluntemehmen" erfolgen (Eucken 1952/1990, S. 264/265). In diesem Zusammenhang heißt es bei Eucken unmißverständlich, daß sich der Staat nicht darauf beschränken dürfe, „den Ausleseprozeß dem Preissystem der vollständigen Konkurrenz zu überlassen. Vielmehr ist es nötig, daß auch die Schließung der Märkte durch private Machtgruppen unterbleibt. Die Öffnung der Märkte hat einen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Sinn. Deshalb kann privaten Machtgruppen nicht das Recht verliehen werden, sie zu beseitigen. Sie gehört zur Ordnungspolitik, die Privaten nicht überlassen werden darf. Auch an dieser Stelle macht sich der Unterschied zur Politik des Laissez-faire geltend, in der private Machtgruppen das Recht hatten, sich nicht nur zu konstituieren, sondern auch ihre Märkte mit Kampfmitteln zu schließen" (Eucken 1952/1990, S. 266/267; Hervorhebungen von mir). Wenngleich zwar a priori nicht ausgeschlossen werden kann, daß selbst „im Rahmen geschlossener Märkte die Konkurrenzpreismechanik wirksam werden kann (...), muß für die Wirtschaftspolitik der Grundsatz gelten, die Öffnung der Märkte durchzuführen, weil bei ihrer Schließung die akute Gefahr der Behinderung der vollständigen Konkurrenz gegeben ist" (Eucken 1952/1990, S. 265). Euckens Begründung: „Erstens erleichtert die Schließung von Angebot und Nachfrage die Monopolbildung in hohem Grade. (...). Und umgekehrt: Wo die Schließung der Märkte fehlt, (...) ist es oft schwer, Monopole zu halten, und Oligopole gehen in Konkurrenz über. (Und zweitens:) Selbst wenn auf einzelnen geschlossenen Märkten vollständige Konkurrenz entsteht, so ist doch durch die Schließung die Verbindung zwischen den Märkten gestört und das Gesamtsystem der vollständigen Konkurrenz vermag nicht voll zu funktionieren" (Eucken 1952/1990, S. 266). 1.2.3. Liberalisierung als Transformationsaufgabe: Zur Anwendung der Prinzipien „freie Preisbildung" und „Öffnung der Märkte" im Rahmen der Transformation 1.2.3.1. Grundsätzliche Anmerkungen Zunächst einmal versteht sich von selbst, daß ein grundsätzlicher Übergang zu freier Preisbildung unerläßlich ist, wenn als Endziel eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung anstrebt wird. Es bedeutet jedoch keinesfalls, daß etwa mit der Freigabe der Preise allein bereits eine wettbewerbliche Marktwirtschaft etabliert wäre. Bisweilen jedoch hatte es den Anschein, als wären manche Befürworter der sog. „konsequenten Liberalisierung" zu Beginn der Transformation just dieser Illusion aufgesessen. Im Rahmen dieser Arbeit wird unter „konsequenter Liberalisierung" nicht einfach die möglichst schnelle und vollständige Preisfreigabe verstanden, sondern vielmehr eine Preisfreigabe, die eingebettet wird in eine ordnungspolitische Gesamtkonzeption, die sicherstellen soll, daß die freie Preisbildung denn auch tatsächlich zur Erfüllung der o.g. Preisfunktionen fuhrt. Gelingt eine solche Einbettung nicht, d.h. betreibt man unter dem Stichwort „Liberalisierung" letztlich nichts anderes als eine isolierte Preisfreigabe und
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„vernachlässigt, daß sämtliche ökonomischen Tatsachen zusammenhängen" (Euchen 1952/1990, S. 254), dann wird das Transformationsziel verfehlt; die Erfahrungen, die man in manchen Ländern - etwa Rußland - mit der „isolierten" Preisfreigabe gemacht hat, mögen als warnendes Beispiel dienen.16 So verweist etwa die Preisfreigabe als Instrument der Liberalisierung zumindest in zweierlei Hinsicht sogleich auf die im weiteren Verlauf der Arbeit zu behandelnden Bereiche der Stabilisierung und der Privatisierung: Zum einen wird die Preisfreigabe als Liberalisierungsinstrument ad absurdum geführt, wenn sie - wie bereits angedeutet - nicht von entsprechenden Maßnahmen der (monetären) Stabilisierung flankiert wird: Ohne einen Währungsschnitt oder andere Maßnahmen zur wirksamen Reduktion des zu Transformationsbeginn in nahezu allen ehemals sozialistischen Ländern anzutreffenden Geldüberhangs muß(te) die Preisfreigabe zu nahezu explosionsartig emporschnellenden Inflationsraten führen, die kaum dazu angetan sein können (bzw. konnten), das Vertrauen der Bürger in die neue bzw. angestrebte Wirtschaftsordnung zu stärken; auf dieses Problem wird im „Unterkapitel" über die Stabilisierung noch einzugehen sein. Die Preisfreigabe verweist jedoch ebenfalls bereits auf den Bereich der Privatisierung·. Wir haben gesehen, daß die freie Preisbildung in Marktwirtschaften den Wirtschaftssubjekten gleichsam als „Wegweiser" bzw. „Anschlagtafeln" für Informationen über Vorgänge dienen, von denen sie ohne Marktpreisbildung kaum Kenntnis erlangen könnten. Dieses Verfahren hat jedoch nur dann einen Sinn, wenn die Wirtschaftssubjekte über die Freiheit bzw. das Recht verfugen, diese (Preis-)Signale zu interpretieren und in ihrem Sinne zu verwerten und so einen Beitrag zum Voranschreiten des Marktprozesses zu leisten. Diese Freiheit wird - wie bereits erläutert - durch die Zuteilung entsprechender Handlungsrechte (Eigentums- und Verfugungsrechte) gewährt; ohne Privateigentum und privatwirtschaftliches Unternehmertum müßten die Preissignale gleichsam ungehört verhallen. Dies mag als erster skizzenhafter Überblick genügen; wenden wir uns nun der neben der Preisfreigabe zweiten wichtigen Maßnahme im Rahmen der Liberalisierung zu - der Öffnung der Märkte. Es mag zunächst etwas befremdlich anmuten, von einer Öffnung der Märkte im Rahmen der Transformation zu sprechen, konnte doch von „Märkten" im engeren Sinne in den Zentralverwaltungswirtschaften der sozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas bekanntlich nicht die Rede sein. So ging es in den Transformationsländern also streng genommen weniger darum, Märkte zu öffnen, sondern im Vordergrund mußte zunächst einmal das Bemühen stehen, Märkte zu schaffen bzw. den zuvor nahezu vollständig der Zentralplanung unterworfenen ökonomischen Bereich überhaupt erst einer marktlichen Koordination zugänglich zu machen. Auch hier wird sich zeigen, daß es letztlich der Umsetzung einer ganzen Reihe von Maßnahmen bedarf, die selbst bzw. in
Als positives Gegenbeispiel mag das Vorgehen in Polen zu Beginn der Transformation dienen: Daß die Preisfreigabe hier bereits nach relativ kurzer Zeit zu Erfolgen führte, hing sicherlich damit zusammen, daß das 'Timing' deutlich besser war als in anderen osteuropäischen Ländern. So wurden die Preise - anders als etwa in Rußland - zu einem Zeitpunkt freigegeben, als die anderen bereits ergriffenen Maßnahmen (wie rigorose Abwertung des Zloty zwecks Vereinheitlichung der schwarzen und offiziellen Devisenkurse, straffe Geldund Kreditpolitik, Abbau des Budgetdefizits etc.) insgesamt bereits für ein solches 'Klima' gesorgt hatten, das dann als derjenige Stabilitätsrahmen wirken konnte, der für die Entfaltung der positiven 'Lehrbucheffekte' freier Preisbildung unerläßlich ist.
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ihren Wirkungen so eng miteinander verknüpft sind, daß die - gleichsam „im Großen" zu analytischen Zwecken vorgenommene Trennung in die drei Teilbereiche Liberalisierung, Privatisierung und Stabilisierung beinahe ebenso „willkürlich" erscheinen muß wie entsprechende „Aufteilungen" in den einzelnen Teilbereichen selbst. Wie schon bei der Preisfreigabe, so gilt auch hier: Die Schaffung bzw. Öffnung von Märkten wird zwangsläufig wirkungslos „verpuffen", wenn es an Marktteilnehmern fehlt; genau dies jedoch wird dann der Fall sein, wenn die Menschen nicht mit entsprechenden (Eigentums- und Verfugungs-)Rechten ausgestattet werden - auch die Mariaöffnung als Liberahsierungsmstmment verweist also unmittelbar auf die Privatisierung. Insbesondere mit Blick auf die in der Literatur häufig anzutreffende Differenzierung zwischen binnenwirtschaftlicher und außenwirtschaftlicher Liberalisierung läßt sich ferner eine unmittelbare Verbindung zur Stabilisierung herstellen: Wie wir noch sehen werden, können infolge der von den Zentralverwaltungswirtschaften geerbten Betriebsgrößenstruktur (staatliche Großbetriebe [Kombinate], wenige Kleinunternehmen, faktisch kein Mittelstand) auch von der prinzipiellen binnenwirtschaftlichen Marktöffnung und Preisfreigabe nicht notwendig wettbewerbsfördernde Effekte erwartet werden. Da, wie bereits angedeutet wurde und an späterer Stelle noch näher zu erläutern sein wird, die Privatisierung gerade der großen Staatsbetriebe eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, scheint manches dafür zu sprechen, von der außenwirtschaftlichen Liberalisierung (sprich: der Zulassung von Auslandskonkurrenz) wettbewerbsfördernde bzw. disziplinierende Wirkungen auf dem Binnenmarkt zu erwarten. Damit kommt nun spätestens im Zusammenhang mit der Konvertibilitäts- und der damit verbundenen Wechselkursfrage der „Stabilitätsaspekt" ins Spiel: Gleichviel, ob man sich für fixe oder flexible Wechselkurse entscheidet, die „Verbindung" zur (monetären) Stabilisierung wird entweder über das Problem des potentiellen Inflationsimports oder - gleichsam bereits begrifflich - über den Wechselkurs als „Stabilitätsanker" hergestellt. Gerade der „Zwang zur Abstraktion" - der uns im Rahmen einer idealtypischen Trennung zunächst nicht nur zwischen den „großen" Bereichen der Liberalisierung, Stabilisierung und Privatisierung, sondern auch innerhalb dieser Bereiche selbst etwa zwischen außenwirtschaftlicher und binnenwirtschaftlicher Liberalisierung, Privatisierung „von oben" und „von unten" sowie zwischen der Stabilisierung von Strom- und Bestandsgrößen (s.u.) differenzieren läßt - ist es also, der uns das Interdependenz-Problem letztlich desto deutlicher vor Augen fuhrt. Aus verständlichen Gründen können verschiedene Aspekte hier nur angedeutet werden, gleichwohl wird im Rahmen der nun folgenden Ausführungen Wert darauf gelegt, zumindest einige der grundlegenden Zusammenhänge aufzuzeigen; dies gilt insbesondere für die „Übergänge" zwischen den einzelnen Teilbereichen. Beginnen wollen wir mit einigen Anmerkungen zum Zusammenhang der - insbesondere mit Blick auf das Transformationsproblem - nur idealtypisch voneinander zu trennenden binnenwirtschaftlichen Liberalisierung auf der einen und der außenwirtschaftlichen Liberalisierung auf der anderen Seite; dabei wird deutlich werden, daß - wie bereits angedeutet - gerade die binnenwirtschaftlichen Aspekte auf das Problem der Privatisierung hinweisen werden, dessen Erörterung dann den Schlußteil dieses Kapitels IV bilden wird. Nach dieser „Vorbereitung" folgt dann ein grober Überblick über die wichtigsten Aspekte einer als wettbewerbsförderndes Instrument anzusehenden außenwirtschaftlichen Liberalisierung
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im engeren Sinne. Dieser Überblick wird beinahe unmittelbar auf das Problem der Stabilisierung verweisen, das dann folgerichtig im unmittelbaren Anschluß behandelt wird. Dabei wird deutlich werden, daß es auch im Bereich der Stabilisierung einige Aspekte gibt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der dann „endlich" folgenden Privatisierung stehen. 1.2.3.2.
Der Zusammenhang von binnen- und außenwirtschaftlicher Liberalisierung: Zum Verhältnis von Transformation und Integration
Da die Transformationsländer nun zur Integration in den Weltmarkt gezwungen wurden, konnte (und kann) das grundsätzliche Ziel nur darin bestehen, „einen möglichst großen Nutzen aus (dieser) Integration in die Weltwirtschaft zu ziehen, bzw. diese Integration zu möglichst niedrigen volkswirtschaftlichen Kosten zu realisieren" (Schenk 1994, S. 576). Das Interdependenzproblem wird auch hier unmittelbar deutlich, wenn man sich die vielfältigen Zielkonflikte vergegenwärtigt, die die Verfolgung dieses Ziels gegenüber anderen Zielen bedeutet: So war insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses fraglich, ob ein aus der Perspektive „außenwirtschaftlicher Rationalität" wünschenswerter Wechselkurs (etwa im Rahmen der Wechselkursanbindung an eine Leitwährung - z.B. den US-$) auch hinsichtlich des grundsätzlichen Ziels der allgemeinen Geldwertstabilität - sprich: der Herstellung von Vertrauen in die eigene Währung zu begrüßen sei. Darüber hinaus kann, worauf Schenk (1994, S. 576) hinweist, „ein weiterer Zielkonflikt (...) infolge einer Lücke bei den im internationalen Wettbewerb erforderlichen Fähigkeiten auftreten", stellt doch gerade das grenzüberschreitende Wirtschaften „hohe Anforderungen an Kenntnisse, Risikobereitschaft und organisatorische Fähigkeiten der Beteiligten (...,so daß) dies für die Wirtschaftspolitik ein Grund dafür sein (kann), den Wettbewerb mit dem Ausland einzuschränken und ausländische Investoren und Mitbewerber auf dem Binnenmarkt zu diskriminieren." 17 Hiermit nun stoßen wir auf die grundlegende Frage: Sollen zuerst die „ökonomischen Hausaufgaben" im eigenen Land gemacht werden, bevor man dann - so gestärkt - den Eintritt in den Weltmarkt wagt, oder kann nicht gerade die sofortige Öffnung und möglichst rasche Integration in den Weltmarkt doch einen wichtigen Beitrag zur Herstellung wettbewerblicher Bedingungen auf dem Binnenmarkt leisten und auf diese Weise sowohl bereits kurzfristig die Transformation hin zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung als damit auch mittel- bzw. langfristig die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen? Beschränkte man den Begriff der „Transformation" zunächst auf den binnenwirtschaftlichen Bereich, so ließe sich diese Frage vereinfacht wie folgt auf den Punkt bringen: Muß die Transformation der Integration vorangehen oder umgekehrt? Spätestens bei dieser Formulierung wird allerdings deutlich, daß die Frage so gar nicht gestellt werden kann: So wie der Begriff der „Transformation" sinnvoll nicht auf die binnenwirtschaftlichen Vorgänge beschränkt werden kann, stellt es eine wenig glückliche „Verkürzung" dar, den Begriff der „Integration" auf die Außenwirtschaftsbeziehungen, mithin ausschließlich auf die „Integration in den Weltmarkt" zu beschränken. Schließ-
Zum Problem der „Fähigkeitslücke" im internationalen Handel vgl. etwa Röpke (1978) und (1980).
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lieh ist es doch wohl eher so, daß beide Vorgänge gleichsam Hand in Hand ablaufen müssen. Schüller und Weber bringen dies mit folgender Formulierung auf den Punkt: „Die Überwindung der Zentralverwaltungswirtschaft (Transformation, T.B.) kann als Prozeß der fortschreitenden Marktintegration aufgefaßt werden. Diese geht üblicherweise vom Binnenmarkt aus und greift von hier auf die Außenmärkte über" {Schüller und Weber 1993, S. 447; Nota: Die folgenden Ausfuhrungen beruhen - sofern nicht ausdrücklich anderweitig gekennzeichnet - im wesentlichen auf dieser Quelle). Offenbar kann also in der Regel von einer „allgemeinen Stoßrichtung" ausgegangen werden; freilich fragt sich - dies sei hier betont -, ob diese „allgemeine Stoßrichtung" vor dem Hintergrund der spezifischen (Ausgangs-)Bedingungen der Transformationsländer stets eingehalten oder unter bestimmten Umständen umgekehrt werden kann bzw. gar muß: Schüller und Weber (1993, S. 448 u. 449) widmen sich eben dieser Frage und stellen anhand eines „institutionellen Bedingungsrahmens für die Binnen- und Außenintegratio n " überzeugend dar, daß die unabdingbare Voraussetzung dafür zunächst einmal in der „prinzipiellen Integrationsfähigkeit" zu sehen ist, die wiederum nur durch die Umsetzung grundlegender Maßnahmen zum „Abbau der innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Beschränkungen der individuellen Tauschfreiheit oder des Freihandels erworben werden kann"; vgl. dazu folgende Abbildung:
Abbildung: Der institutionelle Bedingungsrahmen ßenintegration
für die Binnen- und
Au-
Legende: 6. Nationales Marktpreissystem 5. Risikomindernde Institutionen des Preissystems (unterschiedliche Unternehmensformen, vielfältige Vertragstypen, standardisierte Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel, Werbe-, Vermittlungs- und Beratungseinrichtungen, Börsen, Versicherungen, Markenzeichen, Kammern, Verbände) 4. Risikomindernde Institutionen der Wirtschaftsprozeßpolitik: Regulierende Prinzipien - Wirtschaft- und Sozialpolitik (Wettbewerbspolitik, Mittelstandspolitik, aktive Konjunkturpolitik, marktkonforme Sozialpolitik) 3. Risikomindemde Institutionen der Wirtschaftsordnungspolitik: Konstituierende Prinzipien - Ordnungspolitik (Geldwertsicherung, Offenhaltung der Märkte, anreizkompatible und wettbewerbskonforme Ausgestaltung des Eigentums, der Unternehmens- und Finanzverfassung, der Vertragsfreiheit und der Haftung, verläßliche Wirtschaftspolitik) 2. Minimum an konstitutioneller Ordnung im Sinne der Regeln und Gesetze einer Zivilrechtsgesellschaft 1Λ. Gemeinsame Wertsetzungen, Ideale, kulturelle Traditionen II. Regionale Methoden der Preisangleichung auf Produktmärkten durch Freihandelszone und Zollunion ΠΙ. Regionale Methoden der Preisangleichung auf Produktund Faktormärkten - Gemeinsamer Markt IV. Regionale Methoden der Preis- und Politikangleichung - Wirtschafts- und Währungsunion (Supranationale Ordnungs- und Prozeßpolitik) V. Weltwirtschaftsordnung - Welthandelsordnung (GATT), Weltwährungsordnung (IWF) VI. Weltwirtschaftliches Preissystem
Quelle: Schüller und Weber ( 1993, S. 448). Die durch solche grundlegenden Transformationsmaßnahmen wie die eingangs dieses Unterkapitels bereits angesprochene Abschaffung der „quantitativen Lenkungs- und Bewirtschaftungsmethoden der Zentralverwaltungswirtschaft, (...der) flankierenden staatlichen Preiskonktrollen (...und des staatlichen) Betriebs- und Außenwirtschaftsmo-
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nopolismus" hergestellte prinzipielle Integrationsya/agfeii stellt nun - wie Schüller und Weber in Anlehnung an Wilhelm Röpke betonen - „die Voraussetzung für die Integrationsbereitschaft im Sinne einer 'Preis-, Tausch- und Zahlungsgemeinschaft'" dar. Diese Bereitschaft wird verständlicherweise desto größer sein, je günstiger das eingangs dieses Abschnitts abgesprochene „Kosten-Nutzen-Verhältnis" der Integration eingeschätzt wird, sprich: je größer der von der Integration zu erwartende Nettonutzen ist. Dessen Höhe wiederum hängt bei der im Falle fortschreitender Marktintegration durch zunehmende Weitläufigkeit und Anonymität der Tauschbeziehungen verursachten Unsicherheit in besonderem Maße „von Institutionen ab, die als gemeinsame Einrichtungen der Vertrauensgewinnung und -Sicherung geeignet sind, die steigenden Transaktionskosten als Ausdruck (...dieser, T.B.) zunehmenden Unsicherheit zu senken. Der Bereitschaft zur erweiterten Marktintegration geht insofern immer die institutionelle oder 'soziale Integration ' ( Wilhelm Röpke) voraus. Diese läßt sich als ein System von institutionellen Befestigungsringen um ein gemeinsames Preissystem auf nationaler und internationaler Ebene auffassen" (Schüller und Weber 1993, S. 449, Hervorhebungen von mir). Ein Blick auf die vorstehende Abbildung verdeutlicht, daß sich im Grunde das gesamte vorliegende Kapitel als ein Versuch verstehen läßt, auf einige dieser „Befestigungsringe" näher eingehen, wobei - vor dem Hintergrund der hinlänglich betonten Bedeutung der Interdependenz - besonderer Wert auf die „Übergänge" zwischen jeweils zwei Ringen und ggf. auf entsprechende „Querverbindungen" gelegt wird. An dieser Stelle sei jedoch noch einmal auf die besondere Bedeutung der „gemeinsamen Wertgrundlagen" hingewiesen, die Schüller und Weber - wie bereits an früherer Stelle zitiert - als „'moralischen Kitt' zwischen Binnen- und Außenintegration im Sinne des ersten institutionellen Befestigungsrings" bezeichnen, der als „der strategisch entscheidende Befestigungsring" zu verstehen sei, der „den simultanen Charakter von Transformation und Integration in besonderer Weise (unterstreiche)." 18 In Anlehnung an Schüller und Weber (1993) wollen wir im folgenden in aller Kürze untersuchen, ob nicht die skizzierte allgemeine Stoßrichtung, d.h., das oben erläuterte allgemeine „Abhängigkeitsprinzip, nach dem die Außenintegration in erster Linie aus der Binnenintegration zu verstehen ist" (ebd., S. 450) - angesichts der spezifischen Bedingungen des Transformationsprozesses unter Umständen nur eingeschränkt gültig ist. Anders gewendet: „Kann nicht umgekehrt die Außenintegration gleichsam die 'Vorzeichnung' für die Binnenintegration liefern und bei eingeschränktem ordnungspolitischen Gesichtskreis der Reformer einen Gewinn an Formalität und Irreversibilität des erreichten Transformationskurses bringen?" Wieder anders, ließe sich nicht die Integration „in den Dienst der Transformation" stellen? (ebd.). Um diese Frage beantworten zu können, empfiehlt es sich, verschiedene Analyseebenen zu unterscheiden: So bietet es sich an, mit Blick auf außenwirtschaftliche Liberalisierung in „klassischer" Weise zwischen monetären und nicht-monetären Aspekten - sprich: zwischen Währungspolitik und Handelspolitik - zu unterscheiden. Genau so gehen im übrigen Schüller und Weber vor: Mit Blick auf die „Integration im Dienste der Transformation" differenzieren sie zwischen 18
„Deshalb korrespondieren auch die Institutionen, die wir mit beiden Vorgängen und den daraus resultierenden Marktergebnissen (Intensität der Tauschbeziehungen im Strom der Güter und Leistungen, Angleichung der Kosten-, Preis-, Produktions-, Handels- und Einkommensstrukturen) assoziieren" (Schüller und Weber 1993, S. 450).
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dem „währungspolitischen Problem" einerseits und dem „handelspolitischen Problem" andererseits. Im Rahmen der nachstehenden Ausführungen soll dieser „klassischen Zweiteilung" zwar grundsätzlich gefolgt werden; indes habe ich mich dazu entschieden, diese beiden Problemfelder nun doch - zumindest optisch - aus dem mühsam hergestellten Zusammenhang (s.o.) herauszulösen und sie in einem gesonderten Abschnitt zu behandeln, um dem Leser gewissermaßen den Zugang zu den Fragen der „außenwirtschaftlichen Liberalisierung im engeren Sinne" zu erleichtern; es sei allerdings noch einmal betont, daß dieses Vorgehen an der grundsätzlichen „Argumentationslinie" nichts ändert, sondern lediglich eine Art „kosmetischen Kniff' darstellt, der gleichsam der besseren „Übersichtlichkeit" dient. Es sei noch erwähnt, daß Schüller und Weber neben den o.g. beiden „klassischen" außenwirtschaftlichen Aspekten bzw. Problemen noch ein „ordnungspolitisches Problem" ausmachen, das gelöst werden muß, wenn die Integration tatsächlich erfolgreich „in den Dienst der Transformation" gestellt werden soll. Dabei geht es in erster Linie um unterschiedliche Möglichkeiten der „Vertrauensbildung" zum Schutz der im Rahmen grundlegender Maßnahmen bereits prinzipiell hergestellten freien Preisbildung. Bevor wir darauf am Beispiel einer dieser Möglichkeiten näher eingehen, sei jedoch zunächst noch eine kurze Anmerkung gestattet, die verdeutlichen soll, auf welche Weise die außenwirtschaftliche Öffnung bereits einen positiven Beitrag zur Schaffung derjenigen (binnenwirtschaftlichen) Voraussetzungen leisten kann, die für eine erfolgreiche Umsetzung der o.g. „grundlegenden Maßnahmen" notwendig sind, die auf die prinzipielle „Inkraftsetzung" eines funktionsfähigen Preismechanismus abzielen: Eingangs dieser Arbeit wurde an die in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Zentral Verwaltungswirtschaften heftig geführte Debatte um die „richtige" Transformationsstrategie erinnert. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, daß eines der Hauptargumente der Befürworter einer möglichst raschen und umfassenden Liberalisierung im Rahmen der sog. „Schock-Therapie" darauf abzielte, die mögliche „Neuformierung" von die Transformationsbemühungen blockierenden Interessengruppen zu verhindern bzw. ganz allgemein den Einfluß der alten Eliten - hier insbesondere der zahlreichen und nicht per Handstreich auszutauschenden Vertreter des staatlichen Verwaltungsbürokratie - zu beschränken. Darauf sei an dieser Stelle kurz zurückgekommen: So wird etwa durch eine schnelle und umfassende Liberalisierung der Außenwirtschaftsbeziehungen die Gefahr vermindert, daß die Regierung - zum Schaden des „großen Ganzen" - den Einflußnahmen bzw. Einschüchterungsversuchen der alten Eliten nachgibt, die auf eine Verlangsamung des ihre Privilegien erodierenden Transformationsprozesses abzielen. Solche Versuche könnten konkret etwa darauf ausgerichtet sein, die grundsätzliche Preisfreigabe zu verhindern bzw. zumindest zu verschleppen. Die Verminderung dieser Gefahr erfolgt dadurch, daß durch die außenwirtschaftliche Öffnung schlicht der Spielraum der Regierung für protektionistische Maßnahmen begrenzt wird: „Können nämlich Menschen, Dienstleistungen, Güter und Kapital die Grenzen frei passieren, haben Regierungen keine Chance, etwa die Preise nach bestimmten wählerwirksam eingeschätzten Vorstellungen der Verteilungsgerechtigkeit zu regulieren. Je nach dem Abstand zwischen freien und regulierten Preisen wird sich in einer offenen Volkswirtschaft der Versorgungsspielraum zusätzlich verengen", da bei grenzüberschreitender Tauschfreiheit natürlich auch ausländische Nachfrager von den
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künstlich auf niedrigem Niveau fixierten Preisen angelockt und „stärker als bisher mit den einheimischen Käufern um das ohnehin verkürzte inländische Angebot konkurrieren (werden)" {Schüller und Weber 1993, S. 454). Trotz dieser grundsätzlichen „Disziplinierungswirkung" ist die zumindest latente Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß verschiedene Interessengruppen dennoch stets versuchen werden, die Regierung durch fortgesetzte Einflußnahme zur Durchsetzung entsprechender „Sonderwünsche" und Privilegien zu bewegen und so das „Toulon" der Transformationsbemühungen (so bezeichnete Eucken (1952/1990, S. 255) einst den funktionsfähigen Preismechanismus) - die freie Preisbildung - zu stören. Schüller und Weber (1993, S. 455 ff.) diskutieren verschiedene „Integrationswege und -formen" im Hinblick auf deren mögliche Eignung, gleichsam einen „Schutzwall" (bzw. „Befestigungsring", s.o.) um dieses Toulon bilden und so Erschütterungen bzw. Verzerrungen des Preissystems verhindern und die mit einer Ausweitung preisgesteuerter Transaktionen grundsätzlich verbundenen ,Josten der Vertrauensgewinnung und -Sicherung (Transaktionskosten)" senken zu können. Damit nun kommen wir zu dem o.g. und von Schüller und Weber so bezeichneten „ordnungspolitischen Problem", wobei wir - wie bereits angekündigt eine dieser Möglichkeiten zur Vertrauensbildung bzw. -Sicherung herausgreifen wollen: So versprechen sich beispielsweise einige Transformationsländer von einem Beitritt zur Europäischen Union (EU) eine Zementierung bzw. Unumkehrbarkeit des einmal eingeschlagenen Transformationsweges; entsprechend sehen denn auch die von der EU mit verschiedenen Ländern abgeschlossenen .Assoziierungsabkommen" die Angleichung der Rechtsvorschriften dieser letztlich beitrittswilligen Länder an das Gemeinschaftsrecht vor. Diese Unterwerfung unter das sich auf alle wichtigen Rechtsbereiche erstreckende „Harmonisierungsgebot" (bzw. die spätere Übernahme des Gemeinschaftsrechts) soll dazu dienen, die antiprotektionistischen Absichten der beitrittswilligen Transformationsländer gleichsam offiziell zu dokumentieren und institutionell abzusichern, um auf diese Weise ein Maß an „Vertrauensschutz" für den einmal eingeschlagenen Transformationsweg zu erzielen, das im „Alleingang" schwerlich erreichbar sein dürfte. Entsprechend heißt es bei Schüller und Weber. „Prinzipiell könnte die EG (heute: EU, T.B.) mit dem 'Export' des Gemeinschaftsrechts eine Instanz sein, um antiprotektionistischen Absichten und Vereinbarungen der Transformationsländer die notwendige Transparenz, Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft zu verleihen. Dies gilt vor allem für die Bestimmungen über die Wettbewerbsordnung der Gemeinschaft mit den Ordnungsprinzipien offener Märkte und unverfälschten Wettbewerbs (...). Die EGGesetzgebung und -Rechtsprechung könnte (...) eine eingebaute Sicherung gegen eine Verschleppung wichtiger Transformationsaufgaben (Demonopolisierung, Liberalisierung, Subventionsabbau) und vor allem gegen einen ordnungspolitischen Rückschlag im Transformationsprozeß darstellen."19 Der hier herausgegriffene Versuch der institutio-
„Tatsächlich sehen die genannten Europa-Abkommen (zur Gründung einer Assoziation zwischen den europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedschaften einerseits und verschiedenen mittel- und osteuropäischen Transformationsländern andererseits - anfanglich Polen, Ungarn und der CSFR -, T.B.) in Art. 63 vor, daß die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages unmittelbar Bestandteil der Rechtssysteme der Transformationsländer werden. Ihr Schutz - etwa im Hinblick auf die Verpflichtung zur Demonopolisierung, Liberalisierung und Deregulierung sowie zum verläßlichen Abbau von Beihilfen
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nellen Absicherung der bisherigen Liberalisierungsanstrengungen bzw. -erfolge einiger Transformationsländer durch Beitritt zu einer bereits bestehenden etablierten Wirtschaftsgemeinschaft scheint mir deshalb nicht uninteressant zu sein, weil sich an ihm insbesondere am Beispiel der Europäischen Union - eine Art „LiberalisierungsAsymmetrie" darstellen läßt: Zum einen gibt es gerade innerhalb der EU eine Fülle wettbewerblicher Ausnahmebereiche, so daß diese schwerlich als „wettbewerbspolitischer Musterknabe" gelten kann: Insbesondere die Bestimmungen im Montan- und Agrarbereich mit ihren vielfältigen Preis- und Mengenabsprachen und Subventionswildwuchs sprechen den Bedingungen einer „Wettbewerbsordnung" regelrecht Hohn. Im übrigen wird man potentielle (Neu-)Mitglieder schwerlich auf eine „Disziplin im Gemeinsamen Markt" einschwören können, wenn es schon den - vergleichsweise wenigen - „etablierten" Mitgliedern nicht einmal gelingt, für noch vergleichsweise homogene Märkte wie etwa den Agrar- oder etwa den Stahlmarkt ohne große Probleme einvemehmliche Lösungen zu erzielen. Viel schlimmer noch als dieses „grundsätzliche" und sattsam bekannte Problem ist das wenig vorbildhafte Verhalten der sich gern als Gralshüterin der Freihandels gelierenden Union gegenüber den an einem Beitritt interessierten bzw. bereits „assoziierten" Transformationsländern, wenn es um die eigenen Handelsbeziehungen zu diesen Ländern geht: So erwartet man (i.e. die EU) von den Transformationsländern eine gleichsam „bedingungslose" Öffnung ihrer Grenzen für den internationalen Handel (hier: fiir Produkte aus EU-Ländem), ziert sich jedoch bisweilen gewaltig, sich auch in der „Gegenrichtung" um die vom Handelspartner mit Nachdruck eingeforderte Freizügigkeit zu bemühen. Ob der von Seiten der EU auf die entsprechenden Transformationsländer ausgeübte und auf einen möglichst umfassenden Abbau ihrer Handelsschranken vor allem natürlich Einfuhrschranken - abzielende Druck allein aus der Einsicht gespeist wird, daß „die Transformationsländer auf ihrem Weg in die Marktwirtschaft ordnungspolitisch nichts mehr zu disziplinieren (vermag) als ihre handelspolitische Öffnung unter den Bedingungen der Währungskonvertibilität, (...weil, T.B.) damit die nationale Ordnungspolitik einer internationalen Wettbewerbskontrolle unterstellt (wird)" {Schüller und Weber 1993, S. 461; Hervorhebung von mir), darf doch sehr bezweifelt werden. Denn wäre dem so, dann müßte den - dann doch offenkundig mit Scharfblick fiir ökonomische Zusammenhänge ausgestatteten - für die Handelspolitik in der Europäischen Union Verantwortlichen zwangsläufig die Einsicht dämmern, daß den Transformationsländern andererseits auf ihrem Weg in die Marktwirtschaft nichts mehr zu helfen vermag als auch „in Gegenrichtung" geöffnete Märkte. Mitunter allerdings gewinnt man den Eindruck, als würden innerhalb der Union die Handelsbeziehungen mit den Transformationsländern gleichsam als Einbahnstraße bzw. reines „Auslaßventil ohne Umschaltknopf' interpretiert. Unnötig zu erwähnen, daß das „Einlaßventil" besonders häufig für solche Produkte „verstopft" bleibt, bei denen die Transformationsländer über komparative Kostenvorteile verfugen. Dies betrifft im übrigen in der Regel diejenigen der o.g. „unionsintern" ohnehin stark regulierten Märkte, auf denen solche Produkte gehandelt werden, bei denen die erwähnten komparativen Vorteile der Han-
(Subventionen) - dürfte aus eigener Kraft zunächst nur unzulänglich organisierbar sein" (Schüller und Weber 1993, S. 457).
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delspartner der Union keinesfalls etwa ausschließlich daraus resultieren, daß dort ihre absoluten Kostennachteile am geringsten, sondern vielmehr ihre absoluten Kostenvorteile am größten sind. So stellte etwa Gerhard Fels im Jahre 1993 - unter Bezugnahme auf die von der EU (bzw. damals noch EG) mit verschiedenen Transformationsländern, damals namentlich Ungarn, Polen und CSFR, geschlossenen Assoziierungsabkommen folgendes fest: „Bei allen Produkten, bei denen man vermutet, daß Ungarn, Polen und die CSFR nicht wettbewerbsfähig sind, wird Zollfreiheit gewährt. Bei den Produkten jedoch, bei denen diese Länder über konkurrenzfähige Anbieter verfugen - etwa im Bereich von Stahl, Kohle und Textilien -, hat die Gemeinschaft sich sehr zögerlich verhalten (...). Das gilt auch für Agrarerzeugnisse. Das ist das alte Schema, das solchen Abkommen zugrundeliegt: Es wird Kapital, technische Hilfe und Beratungshilfe gegeben, aber die einfachste Form der Hilfe, nämlich die Marktöffnung, das ist etwas, mit dem man sich in Europa sehr schwer tut" (Fels 1993, S. 2, und 1993a, S. 185, Hervorhebung von mir); vgl. hierzu femer Ners (1992). Mit Blick auf die Zeit des deutschen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg gibt Fels in diesem Zusammenhang ferner zu bedenken, daß „der Wiederaufbau in Deutschland (...wohl) nicht so rasant verlaufen (wäre), wenn uns damals die westlichen Siegermächte so behandelt hätten, wie wir heute die Länder der Dritten Welt und OstMitteleuropas behandeln. Der Marktzugang war essentiell für das, was an wirtschaftlicher Entwicklung in den fünfziger Jahren in Deutschland stattgefunden hat" (Fels 1993, S. 185). Im übrigen sollte nicht vergessen werden, daß auch die Unterbewertung der DMark in den ersten Jahren nach der Währungsreform - insbesondere etwa gegenüber dem US-$ - ihr Scherflein zu den für die wirtschaftliche Gesundung enorm wichtigen Exporterfolgen der deutschen Wirtschaft beigetragen hat. Zwar wurden damals in Deutschland - wie heute von den Transformationsländern gefordert - durch das sog. „Leitsätzegesetz" die Vorschriften der administrativen Bewirtschaftung zugunsten freier Preisbildung aufgehoben, doch hüte man sich davor, die heutigen Bedingungen der Transformationsländer mit denen des damaligen Deutschland gleichzusetzen: Ganz abgesehen von der Tatsache, daß durch das „Leitsätzegesetz" keinesfalls etwa die Bewirtschaftungsvorschriften in allen Bereichen aufgehoben wurden und abgesehen von den anderen Unterschieden, die bereits angesprochen wurden, konnte damals ganz grundsätzlich von einem nahezu weltweiten dynamischen Wettbewerb nicht die Rede sein (um das mittlerweile geradezu inflationär benutzte Wort „Globalisierung" zu vermeiden...). So wurde Deutschland - und auch den anderen europäischen Ländern - damals eine Art „Übergangsphase" beim Eintritt in den „Weltmarkt" gewährt. Eben dies was nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften völlig anders: Die Transformationsländer wurden sofort ins kalte Wasser des internationalen Wettbewerbs geworfen. Abgesehen von den grundsätzlichen Schwierigkeiten, die eine solche Situation für Länder und deren Menschen bedeutet, die zuvor - um im Bilde zu bleiben - zumeist im lauwarmen und schlimmstenfalls hüfthohen Wasser des vertrauten Dorfschwimmbeckens des RGW ihre Schwimmübungen absolviert hatten, kam durch den Zusammenbruch eben jenes RGW-Handels noch hinzu, daß man nun gleichsam in westlicher Richtung aufs „offene Meer" hinausschwimmen, d.h., die (Aus-)Richtung der Außenhandelsbeziehungen gewissermaßen um 180 Grad drehen mußte.
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Doch wenden wir uns nach diesem kurzen historischen Exkurs nun wieder der Handelspolitik der Europäischen Union zu: Diese macht den Transformationsländern nicht nur durch entsprechende Einfuhrbarrieren, sondern auch durch die künstlich verbilligten Ausfuhren ihrer Mitgliedsländer zu schaffen. Dies gilt insbesondere etwa für den bereits angesprochenen Agrarbereich - ohnehin ein Theater, das seine Besucher gleichsam im Abonnement mit einem schier unerschöpflichen Repertoir stets neuer wettbewerbsbzw. ordnungspolitisch wenig amüsanter Schmierenkomödien erfreut: Hier werden den Transformationsländern durch die EU-Politik protektionistische Maßnahmen geradezu aufgezwungen, so daß man fast geneigt ist, von einer Art „handelspolitischer Selbstverteidigung" zu sprechen. Ganz in diesem Sinne äußert sich etwa auch Schenk, dessen treffende Kritik hier ausfuhrlich zitiert sei: , 3 e i m Handel mit Agrarprodukten sind (im Hinblick auf wettbewerbsgerechte Lösungen, T.B.) die geringsten Fortschritte zu verzeichnen. Ungarn und Polen sind Netto-Exporteure und von daher darauf angewiesen, ihren Agrarmarkt vor dem Ausfuhr-Dumping der EU zu schützen. Am Beispiel dieses Sektors wird deutlich, daß eine autonome Handelspolitik marktwirtschaftlicher Prägung dort auf ihre Grenzen stößt, wo andere Handelsländer und -blocke durch ihre diskriminierenden Praktiken die Preise im Inland und auf dem Weltmarkt verzerren. Deshalb ist Marktwirtschaft in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen nicht einseitig eine Aufgabe für die Reformländer, sondern (von der Größenordnung der Subventionierung her gesehen) vor allem für die EU und andere potente Handelsländer" {Schenk 1994, S. 583). Auch Schüller und Weber (1993, S. 466) betonen, daß die von Fels kritisierten und als Vorstufe zu einer spätereren Vollmitgliedschaft gedachten Assoziierungs- bzw. Europaabkommen „den Stempel 'westliche Konkurrenzangst' tragen" und ziehen daraus - insbesondere mit Blick auf die zu beobachtenden Veränderungen der tatsächlichen Handelsströme - folgende „einfache", gleichwohl bemerkenswerte Schlußfolgerung: Angesichts der innerhalb der Union weitverbreiteten Wettbewerbsscheu bzw. gar „Konkurrenzangst" könne wohl kaum von der Richtigkeit der bisweilen anzutreffenden These von einer grundsätzlichen Überforderung bzw. „strukturellen Unterlegenheit" der Transformationsländer im grenzüberschreitenden Wettbewerb ausgegangen werden: „Diese These steht (...) im Widerspruch zu der Beobachtung, daß nach dem Zusammenbruch des RGW die Länder mit einer entschiedenen Wendung zur Marktwirtschaft ihren Westhandel in kurzer Zeit ausdehnen konnten und in den Bereichen, in denen sie über beträchtliche Produktionskapazitäten und Wettbewerbsvorteile verfügen, nur durch hartnäckige westliche Einfuhrhindernisse an größeren Exporterfolgen gehindert werden". Kann schon die Politik der EU gegenüber denjenigen Ländern, mit denen sie sog. Assoziierungsabkommen geschlossen hat, schwerlich als im weiteren wettbewerbspolitischen Sinne „vorbildliche Liberalisierungspolitik" angesehen werden, so muß die Politik gegenüber nicht-assoziierten Transformationsländern - insbesondere in den ersten Jahren der Transformation - im Grunde als unverhohlen protektionistisch gegeißelt werden. So gibt es „unterhalb" der Ebene der Assoziierungsabkommen, die „eigentlich" einen wechselseitigen Abbau von Handelsschranken vorsehen (sowie - wie bereits angedeutet - Transfers unterschiedlicher Art in die jeweils assoziierten Länder), noch zwei weitere Ebenen, so daß handelspolitisch aus der Gruppe der bis Ende der achtziger Jahre von der damaligen EG weitgehend „einheitlich" behandelten sozialistischen Länder
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Mittel- und Osteuropas gleichsam eine „Mehrklassengesellschaft" entstanden ist. Genau diesen Vorwurf erhebt etwa Langhammer (1993), der mit Blick auf die verschiedenen ,.Klassen" feststellt: „Wie in ihrer gesamten Handelspolitik ist die Gemeinschaft (...) auch gegenüber Osteuropa dem Prinzip der Selektivität treu geblieben. Galten bis 1988 im wesentlichen die gleichen Regeln (strikte Einfuhrkontingente) für die ehemals sozialistischen Länder, so bietet sich nun (im Jahre 1992) ein verwirrendes Bild von 'leads' and lags'." 2 0 Es sei betont, daß sich an dieser fur vielfaltige Verstimmungen und Eifersüchteleien unter den verschiedenen privilegierten und diskriminierten Handelspartnern sorgenden Politik bis heute wenig geändert hat. Ein aktuelles Beispiel läßt sich in dem gegenwärtigen Hick-Hack um den Beitritt der baltischen Staaten zur Union entdecken: So fühlen sich etwa Lettland und Litauen gegenüber Estland diskriminiert, das - anders als sie - von der Union in den engeren Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen worden ist.21 Damit seien die Ausführungen zu den grundlegenden „Liberalisierungs-Aspekten" beendet. Bereits durch diese knappe Skizze sollten die grundsätzliche Bedeutung freier Preisbildung und offener Märkte als Transformationsaufgabe im allgemeinen sowie vor dem Hintergrund der grundlegenden Zusammenhänge von „Transformation und Integration" im besonderen - die potentiellen Beiträge einer schnellen und umfassenden außenwirtschaftlichen Liberalisierung für das Gelingen der Transformation deutlich geworden sein. Es folgen nun noch einige grundlegende Anmerkungen zur außenwirtschaftlichen Liberalisierung „im engeren Sinne", wobei deutlich werden wird, daß selbstverständlich wiederum im Rahmen einer idealtypischen Trennung - einerseits die „handelspolitische Liberalisierung" (zu der ja nun vorstehend „doch" bereits einiges gesagt wurde...) insbesondere auf wichtige Aspekte der Privatisierung hinweisen wird (die dann gegen Ende dieses Kapitels aufgegriffen werden sollen), während andererseits die „währungspolitische Liberalisierung" gleichsam mit Macht auf bestimmte Aspekte der Stabilisierung „hindrängt", auf die dann folgerichtig auch gleich im Anschluß eingegangen werden soll. 1.2.3.3. Außenwirtschaftliche Liberalisierung im engeren Sinne Die Außenwirtschaftsbeziehungen in den früheren Zentralverwaltungswirtschaften waren staatlich monopolisiert. Es gab zwei staatliche Monopole, die als Ausdruck der strikten Anwendung der zentralen Planungs- und Lenkungsmethoden auf den außenwirtschaftlichen Bereich anzusehen sind: Für die internationalen Währungsbeziehungen „Zu unterscheiden ist dabei zwischen drei Ebenen: Erstens, einseitigen Zugeständnissen der Gemeinschaft (wie Zollpräferenzen und Abbau von mengenmäßigen Beschränkungen), die noch nicht in ein Kooperationsabkommen integriert sind, zweitens Handels- und Kooperationsabkommen, die ebenfalls einen nicht-reziproken Zoll- und Kontingentsabbau der Gemeinschaft enthalten, aber zusätzlich technische Hilfe anbieten, sowie auf einer dritten Ebene einem neuen Typ von Assoziierungsabkommen, die einen reziproken Abbau von Handelsbarrieren mit einem breiten Spektrum an Ressourcentransfer im finanziellen, technischen und institutionellen Bereich verbinden" Langhammer (1993, S. 226). Vgl. etwa den Artikel (o.V.) „EU-Kommission will Bericht über Lettland aktualisieren. Der Streit um den Beitritt der Balten zur Union", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober 1997, S. 7.
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gab es ein staatliches Devisenmonopol, dessen Aufgabe darin bestand, „den Import von Gütern und Dienstleistungen mit Hilfe einer selektiven Devisenzuteilung zu steuern" (Gröner und Smeets 1991, S. 359). Die grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen unterstanden einem staatlichen Außenhandelsmonopol, dem die Lenkung des Außenhandels nach zuvor für einen entsprechenden Planungshorizont festgelegter Waren-, Mengen- und Preisstruktur übertragen war, wobei die „hierfür maßgeblichen Ausfiihrund Einfuhrpreise (...) sich nicht nach den Weltmarktpreisen, sondern nach staatlichen Vorgaben (richteten). Es gab also keinen unmittelbaren internationalen Preiszusammenhang" (ebd.). Mit diesen kurzen Bemerkungen zur „Gestalt" der Außenwirtschaftsordnung der früheren Zentralverwaltungswirtschaften sind die Ausgangsbedingungen zu Beginn der Transformation und damit zugleich auch die wichtigsten Transformationsaufgaben in diesem Bereich skizziert: Die Liberalisierung der Außenwirtschaftsbeziehungen erfordert zuvorderst die Aufhebung der genannten staatlichen Devisen- und Außenhandelsmonopole. Es sei noch erwähnt, daß durch die Einrichtung des RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) die Außenhandelsplanungen der einzelnen sozialistischen Mitgliedsländer aufeinander abgestimmt werden sollten. Auf die im Laufe der Zeit zutagegetretenen vielfältigen Probleme und internen Koordinationsschwierigkeiten des RGW braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. 22 Es sei lediglich erwähnt, daß der RGW von der Sowjetunion beherrscht wurde, die Koordination mithin primär nach ihren Vorstellungen erfolgte. Gleichwohl handelte es sich beim RGW nicht um einen aus mehreren Ländern gebildeten „Außenhandels-Konzem", d.h., die einzelnen Mitgliedsländer wurden formell weder ihrer individuellen Planungshoheit noch ihrer Verfugungsrechte über „ihre" jeweiligen Produktionsmittel beraubt (vgl. Gröner und Schüller 1984, insbes. S. 134 f.). Diese hier in aller Kürze skizzierte Außenhandelsordnung der früheren sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas bzw. ihrer Zentralverwaltungswirtschaften „diente dazu (...), die Binnenwirtschaft gegen spontane marktwirtschaftliche Einflüsse aus dem Ausland abzuschirmen, den Außenhandel in die zentrale Wirtschaftsplanung einzuordnen sowie Arbeitsteilung und Zusammenarbeit im RGW abzustimmen und zu stärken" (Gröner und Smeets 1991, S. 359; die Autoren verweisen im übrigen auf Gutmann und Schüller 1987, S. 7). 1.2.3.3.1. Handelspolitische Liberalisierung Die außenhandelspolitische Ausgangssituation der postsozialistischen Länder Mittelund Osteuropas zu Beginn des Transformationsprozesses läßt sich in aller Kürze wie folgt skizzieren: Bei den Zentralverwaltungswirtschaften dieser Länder handelte es sich um weitestgehend „geschlossene" Volkswirtschaften: Sie besaßen „gemessen an der Importquote einen geringen Öffnungsgrad und darüber hinaus auch nur einen geringen Anteil am Welthandel überhaupt"; der grenzüberschreitende Güteraustausch fand überwiegend innerhalb des RGW, kaum jedoch mit den Marktwirtschaften der westlichen Industrieländer statt, „bei denen wiederum dieser Handelsverkehr nur geringe Anteile ausmacht(e)" (Gröner und Smeets 1991, S. 382). Anders als im Handel zwischen
Vgl. dazu etwa die aufschlußreiche Kurzübersicht bei Weber (1991).
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den Industrieländern und entgegen der Tendenz im Welthandel überhaupt waren die Außenhandelsbeziehungen zwischen den früheren Zentralverwaltungswirtschaften der sozialistischen Länder überwiegend vom interindustriellen Handel, nicht aber vom intraindustriellen Handel geprägt. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil sich der technische Fortschritt und der damit einhergehende allgemeine Strukturwandel in einem entsprechenden Strukturwandel des internationalen Handels niederschlagen: Ein immer geringerer Teil der Welthandelsströme kann mittels der auf die (naturbedingten) Unterschiede in den Produktionsbedinungen bzw. Produktionsfunktionen abstellenden ricardianischen Außenhandelstheorie sowie mit der - unmodifizierten - Außenhandelstheorie nach Heckscher/Ohlin erklärt werden, die die Aufnahme grenzüberschreitender Handelsbeziehungen bzw. die Struktur der Handelsströme auf Unterschiede in der Faktorausstattung von Volkswirtschaften zurückfuhrt: Dies betonen auch Gröner/Smeets (1991, S. 383): „Je schneller sich technischer Fortschritt international ausbreitet und j e höher die internationale Kapitalmobilität ist, desto mehr schwinden die Unterschiede in der relativen Faktorausstattung der verschiedenen Länder und desto mehr gleichen sich die Produktionsbedingungen an." Ohne hier ausfuhrlich auf die im Laufe der Jahre im Bemühen um eine bessere Erklärung der Strukturveränderungen der internationalen Handelsströme entstandenen theoretischen Modifikationen des ,Jieckscher-Ohlin-Modells" eingehen zu können 2 3 , sei an dieser Stelle zusammenfassend festgestellt, daß der diese Strukturveränderungen (Zunahme des intraindustriellen Handels) verursachende allgemeine technologische und strukturelle Wandel eng mit einem sich verschärfenden Innovationswettbewerb verknüpft ist, der eben auch und gerade vor dem grenzüberschreitenden Handel nicht halt macht. Die Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist damit zunehmend zu einer Frage der „Innovationsfahigkeit" geworden. Mithin gewinnen komparative Vorteile im Bereich innovationsintensiver Produkte „strategische Bedeutung" (vgl. Klodt und Schmidt 1989, Klodt 1990 sowie Preusse 1990). Es versteht sich, daß dieses hier in aller gebotenen Kürze skizzierte außenhandelspolitische Umfeld die Transformationsländer vor enorme Anforderungen stellt, müssen diese sich doch schnellstmöglich an die für sie urplötzlich rapide veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Anders als die etablierten Industrieländer haben sie nicht mehrere Jahrzehnte lang Zeit, sich in diese Umgebung einzufügen bzw. sich im Zuge der
Zu denken ist in diesem Zusammenhang zunächst an die vom sog. ,/.eoni;e/-Paradoxon" angestoßene Entwicklung der sog. Neo-Faktorproportionentheorie, die als Modifikation der HO-Theorie im weitesten Sinne angesehen werden kann (Modifikation der Prämisse homogener Faktorblöcke von Arbeit und Kapital). Ferner sind solche Modifikationen zu nennen, die man als Modifikationen im engeren Sinne ansehen kann, da sie jeweils eine der Prämissen der HO-Theorie „aufweichen", insgesamt aber auf dem Boden ihrer Kemaussage stehenbleiben, sie mithin durch die Modifikation der Prämissen (bzw. jeweils einer bestimmten Prämisse) gleichsam fur die Erklärung eines immer größeren Teils der tatsächlichen Handelsströme „öffnen" wollen. Hier ist zu denken an die auf Posner zurückgehende „Theorie der technologischen Lücke" (Modifikation der Prämisse identischer Produktionsfunktionen), an die von Vernon und Hirsch inspirierte „Produktzyklustheorie des Internationalen Handels" (Modifikation der Prämisse konstanter Skalenerträge durch eine Art „Dynamisierung" des Modells) sowie an die sog. ,ßurenstam-Linder-Hypothese" (Modifikation der Prämisse identischer Nachfragefunktionen).
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„globalen Veränderungen" gewissermaßen „im Gleichschritt" mit zu verändern. So können es die Transformationsländer, wie Gröner und Smeets (1991, S. 384) betonen, „zunächst nicht schaffen, zu den fuhrenden Industrieländern aufzuschließen. Sie können also nicht, von wenigen Ausnahmen abgesehen, sogleich eine besondere Rolle in forschungsintensiven Wirtschaftszweigen übernehmen. Gute Aussichten, im internationalen Handel erfolgversprechend Fuß zu fassen, dürften sich zunächst einmal bei Heckscher-Ohlin-Industrien und bei mobilen Schumpeter-Industrien ergeben sowie in einigen wenigen Bereichen des Dienstleistungssektores wie Tourismus und Verkehr."24 Doch auch diese Form des Einstiegs in den internationalen Handel bedeutet für die Transformationsländer selbstverständlich erhebliche Anpassungserfordernisse im Hinblick auf ihre Produktionsstruktur. An dieser Stelle sei nun ausdrücklich betont, daß die vorstehenden allgemeinen Ausfuhrungen zur Bedeutung der Wettbewerbsfreiheit und zur Signal- bzw. Informationsfunktion freier Preise als „geronnenes Wissen" selbstverständlich auch im Bereich des Außenhandels „greifen": So müssen - wie hinlänglich erläutert - in den Transformationsländern selbst zunächst das staatliche Außenhandelsmonopol und entsprechende Preisregulierungen und in den Ländern potentieller Handelspartner die dortigen Einfuhrschranken fallen. Ferner sei noch auf den grundsätzlichen Aspekt verwiesen, daß im engeren Sinne nicht Länder, sondern Unternehmen grenzüberschreitend miteinander Handel treiben. Dies soll uns hier zwar nicht dazu verleiten, auf die mit dem o.g. allgemeinen technologischen Wandel und die damit einhergehenden Strukturveränderungen des Welthandels verbundene Tendenz zur „Mikroökonomisierung der Außenhandelstheorie" einzugehen (Ableitung Unternehmens- statt länderspezifischer Faktorausstattungsunterschiede etc.), gleichwohl sei an dieser Stelle noch einmal an die bereits mehrfach erwähnte Betriebsgrößenstruktur erinnert, die den Transformationsländern von ihren Zentralverwaltungswirtschaften hinterlassen wurden: Die formelle Aufhebung des staatlichen Außenhandelsmonopols wird wenig bewirken, wenn die großen Staatsunternehmen nicht in „wettbewerbsgerechtere Strukturen" (was immer das in concreto sein mag) überführt und entsprechende Rahmenbedingungen für die Neugründung von Unternehmen geschaffen werden. Hier zeigt sich überdeutlich die bereits angedeutete enge Verbindung zwischen handelspolitischer Liberalisierung und Privatisierung. Einerseits waren und sind die in diesem Zusammenhang in den Transformationsländem selbst notwendigen Maßnahmen nicht einfach durchzusetzen - wie die noch näher zu erläuternden Erfahrungen vielerorts zeigen; auf die diesen Schwierigkeiten zugrundeliegenden, wenig vielversprechenden Ausgangsbedingungen weisen etwa auch Schüller und Weber (1993, S. 466) hin: „In den Transformationsländem herrscht in extremer Form eine Konstellation vor, die üblicherweise dem Handelsprotektionismus Vorschub leistet: Wenige Anbieter in einem von günstigen Importmöglichkeiten bedrängten Bereich, geringe internationale Orientierung dieser Betriebe, eine
Nota: Mit „Schumpeter-lnäaslnzn" sind forschungsintensive Industrien gemeint; ist der „Grad der Komplementarität" zwischen Forschung und Produktion eher niedrig, d.h., bestehen infolge eines nicht so engen räumlichen Kontaktes Möglichkeiten zur „Dezentralisierung" zwischen diesen beiden Bereichen, so wird von „mobilen" Schumpe-
ter-Industrien gesprochen (Gröner und Smeets 1991, S. 383).
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große Zahl von Arbeitnehmern, die vergleichsweise schlecht bezahlt sind." 25 Andererseits ließe sich die Lösung dieses im engeren Sinne „privatisierungspolitischen" Problems wiederum unter Zuhilfenahme einer raschen außenwirtschaftlichen Liberalisierung beschleunigen, um so die alten Staatsbetriebe durch ausländische Konkurrenz unter Druck zu setzen und deren Monopolmacht zu brechen: „Erst durch Zulassung der Konkurrenz aus Drittländern können monopolistische Positionen, die in den Transformationsländern vielfach noch vorherrschen, zügig geräumt werden" (Schüller und Weber 1993, S. 464; vgl. ferner Schüller 1991). 1.2.3.3.2. Währungspolitische Liberalisierung • Herstellung
der
Konvertibilität
Unter Konvertibilität sei hier nicht nur die unbeschränkte Möglichkeit eines jeden Devisenbesitzers verstanden, seine Devisen zum jeweils vorherrschenden (festen oder flexiblen) Wechselkurs in jede beliebige Währung umtauschen zu können, sondern auch die möglichen Verwendungsarten der Devisen berücksichtigend - die grundsätzliche Freizügigkeit des grenzüberschreitenden Leistungs- und Kapitalverkehrs (Gröner und Smeets 1994, S. 590). 26 Vor dem Hintergrund der oben in aller Kürze skizzierten Ausgangslage leuchtet ein, daß in der Herstellung von Konvertibilität in o.g. Sinne zunächst eine der vordringlichsten Aufgaben im Rahmen der Liberalisierung der Außenwirtschaftsbeziehungen der Transformationsländer zu sehen war (bzw. ist), kann doch einerseits ohne die Umwandlung eines zuvor nur im Binnenverkehr verwendeten Geldes in eine international akzeptierte Währung „aus der internationalen Tausch- und Preisgemeinschaft (...keine) internationale Zahlungsgemeinschaft werden", die andererseits „wiederum Bedingung für die internationale Preis- und Tauschgemeinschaft (ist)" {Schüller und Weber 1993, S. 472). Nun fand die in Kapitel 2 eingehend erläuterte Diskussion um die ,.richtige" Transformationsstrategie - wenn auch in spezieller Gestalt - ihren Niederschlag letztlich auch in der Diskussion um das „Wie" und „Wann" der Einfuhrung der Konvertibilität. So standen (bzw. stehen) sich auch in dieser Frage zwei Gruppen gegenüber: „Die eine Gruppe betrachtet Konvertibilität als ein Instrument des Transformationsprozesses, das man so schnell wie möglich einsetzen sollte, während die andere die Konvertibilität als (End-)Ziel betrachtet und erst dann für möglich hält, wenn ein Land eine gewisse 'Produktionsreife' erreicht hat. Konvertibilität bildet damit den krönenden Abschluß einer wirtschaftlichen Entwicklungs - und Transformationsphase" (Gröner und Smeets 1991, S. 361). Zwar kann hier - aus verständlichen Gründen - nicht auf Details einge-
Die Autoren verweisen in diesem Zusammenhang femer ausdrücklich auf Frey, Bruno S.: Public Choice: Ergebnisse der letzten zehn Jahre, in: WiSt (Jahrgang 20, Heft 10) 1991, S. 492-496 (hier: S. 495). Hinsichtlich dieser weiter gefaßten Konvertibilitätsdefinition verweisen Gröner und Smeets auf Pohl, Rüdiger: Schritte zur Konvertibilität der Mark der DDR, in: Beihefte zur (eigentlich: der, T.B.) Konjunkturpolitik (Band 37) 1990, S. 51-67; hier: S. 52).
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gangen werden -, gleichwohl seien im folgenden zumindest die wichtigsten Zusammenhänge kurz skizziert.27 Entscheidet man sich für die Einführung bzw. Herstellung der Konvertibilität, so muß - unabhängig davon, welche der beiden o.g. Strategien gewählt wird - zugleich eine Entscheidung darüber getroffen werden, welches Wechselkurssystem gewählt werden, sprich ob Konvertibilität bei festen oder flexiblen Wechselkursen garantiert werden soll. Die Anhänger der sog. „Krönungstheorie" sprechen sich nun deshalb für eine sukzessive Einführung der Konvertibilität aus, weil sie der Auffassung sind, daß in den Transformationsländern angesichts der binnenwirtschaftlichen Asymmetrie zwischen dem unzureichenden wettbewerbsfähigen Angebot im Inland einerseits und der enormen (aufgestauten) inländischen Nachfrage nach Konsum- und Investitonsgütern andererseits sowie einem hohen Schuldenstand unter Umständen mit einer Kapitalflucht zu rechnen sei. Vor diesem Hintergrund - so die Befürworter der „Krönungstheorie" - würde ein Transformationsland durch die plötzliche Einführung der vollen Konvertibilität gleichsam entweder in den Regen eines staatlich nicht finanzierbaren Defizits (bei festen Wechselkursen) oder in die Traufe einer das Vertrauen in die eigene Währung erschütternden Abwertung (bei flexiblen Wechselkursen) gezwungen (Gröner und Smeets 1994, S. 591).28 Zwar ist den „Krönungstheoretikern zugutezuhalten, daß einerseits insofern eine gewisse Skepsis angezeigt erscheinen mag, als tatsächlich niemand ohne , Anmaßung von Wissen" vorherzusagen vermag, wie die unbeschränkte Einführung der Konvertibilität, die rein formal „per Federstrich gewährt werden (kann...), unter den besonderen Umständen der Transformation wirkt" (Schüller und Weber 1993, S. 472); ob dieses unvermeidliche Problem andererseits hinreicht, um eine bestenfalls beschränkte Konvertibilität in den Transformationsländem „zuzulassen", steht indes dahin. So drängt sich in diesem Zusammenhang die prinzipielle Frage auf, „ob eine währungspolitische Ordnung, die einerseits die Binnenintegration fördern soll, anderseits aber mit Konvertibilitätsbeschränkungen einhergeht, nicht das Kernstück der Binnenintegration, also den Transformationsprozeß, behindert" (ebd.). Bei der o.g. Argumentation der „Krönungstheoretiker" gewinnt man im übrigen fast den Eindruck, als habe die Einführung der Konvertibilität gleichsam notwendig „im luftleeren Raum", sprich: ohne die Möglichkeit einer Abstimmung mit anderen Transformationsmaßnahmen stattzufinden. Genau dies muß jedoch keineswegs der Fall sein: So können etwa „im Zusammenspiel mit (...) nationalen Transformationsmaßnahmen zunächst bestimmte Formen der Teilkonvertibilität sinnvoll sein (...). Den Ausgangspunkt bildet dabei, wie die Praxis lehrt, häufig die Inländerkonvertibilität für laufende Transaktionen, soweit sie kommerziellen Zwecken dienen. Die so begrenzte Inländerkonvertibilität (bisweilen auch „interne" Konvertibilität genannt, T.B.) bringt den Vorteil, daß sie die nationalen Unternehmen dem Druck der Auslandskonkurrenz aussetzt
Vgl. neben Gröner und Smeets (1994) ausführlich vor allem Weber (1995). In einem ausfuhrlicheren Beitrag aus den frühen neunziger Jahren - als dessen „aktualisierte Kurzfassung" der hier zitierte Beitrag von 1994 angesehen werden kann verweisen Gröner und Smeets (1991, S. 361) in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf: Lang, F./Ohr, R.: Die währungspolitischen Perspektiven der DDR, in: Wirtschaftsdienst (Heft 12), 1989.
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(...). Sie einzuführen wirkt umso schwerer, je schleppender der Wettbewerb auf den Inlandsmärkten hergestellt werden kann. Eine preisgerechte Auslandskonkurrenz könnte auf absehbare Zeit die einzige Möglichkeit sein, um sich der ausländischen Leistungsfähigkeit anzupassen und die damit notwendigerweise verbundenen Umstrukturierungsmaßnahmen aufzuzeigen" (Gröner und Smeets 1994, S. 590). Indes sei betont, daß die Wirkungen der Inländerkonvertibilität „verpuffen" müssen, wenn kein zuverlässiger binnenwirtschaftlicher Knappheitsindikator existiert; mithin muß in einer konsequenten Preisreform in dem betreffenden Transformationsland ein unverzichtbares Komplement zur Einführung der Inländerkonvertibilität gesehen werden. Gröner und Smeets (1991, S. 362/363) weisen ferner daraufhin, daß „Ausländerkonvertibilität, die sich auflaufende Transaktionen beschränkt, jedoch nicht nach kommerziellen und privaten Zwecken unterscheidet, (...) z.B. positive Effekte im Bereich des Tourismus auslösen und damit zugleich Devisenangebote von den Schwarzmärkten zu den offiziellen Märkten umleiten (kann). Noch weit wichtiger erscheint allerdings die Ausländerkonvertibilität für (langfristige) Kapitaltransaktionen. Nur auf diesem (privaten) Wege lassen sich nämlich auf Dauer die Kapitalimporte (Direktinvestitionen und ein damit regelmäßig einhergehender Technologietransfer, Darlehen) ins Land bringen, die zum Aufbau der Wirtschaft unentbehrlich sind. Ausländerkonvertibilität für laufende Transaktionen hat in diesem Zusammenhang den Rücktransfer der Kapitalerträge in die Heimatländer zu gewährleisten." Bevor auf die grundlegenden Aspekte im Zusammenhang mit der Wahl des Wechselkurses und deren Konsequenzen eingegangen wird, sei noch kurz auf einen weiteres, durchaus gewichtiges Argument hingewiesen, das für eine möglichst schnelle Einführung einer unbeschränkten Konvertibilität spricht: Mit Blick auf die nahezu „unendlich hohe" internationale Kapitalmobilität - die im übrigen einen weiteren bedeutsamen Unterschied zwischen der heutigen Transformationssituation und der damaligen Nachkriegssituation darstellt - ließe sich der Übergang zu unbeschränkter Konvertibilität gleichsam „als ein nach außen gerichtetes Vertrauensangebot interpretieren, da sich das betreffende Land mit der gesamten nationalen Wirtschaftspolitik der 'Aufsicht' durch das internationale Kapital unterwirft" (Gröner und Smeets 1991, S. 364). Der Hintergrund dieser Überlegung besteht in dem Umstand, daß unter den Bedingungen unbeschränkter Konvertibilität ein Leistungsbilanzsaldo nicht notwendig stets einen Zahlungsbilanzsaldo bedeuten muß: „Für einen möglichst frühen Übergang zu einer weitgehend unbeschränkten Konvertibilität spricht in besonderem Maße, daß es unter diesen Bedingungen (u.a. interne Konvertibilität für Kapitaltransaktionen, T.B.) keines Ausgleichs der Zahlungsbilanz mehr bedarf. Konvertibilität bedeutet (...) nicht nur den Übergang vom Bilateralismus zum multilateralen Handel und damit interregionalen Leistungsbilanzausgleich, sondern auch intertemporalen Ausgleich der Leistungsbilanz durch Kreditnahme und -gewährung. Konvertibilität erfordert somit lediglich einen Ausgleich der Devisenbilanz, der mit verschiedenen Salden von Leistungs- und Kapitalbilanz vereinbar ist." 29 Ob die potentiellen Vorteile auch tatsächlich wahrgenommen
"Stellt man dem Entstehen finanzieller Märkte keine administrativen Hemmnisse entgegen, so käme es bei entsprechenden Rahmenbedingungen und einer stabilitätsorientierten nationalen Wirtschaftspolitik sicherlich zu Kapitalimporten in die Transformationsländer,
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werden (können), hängt freilich auch hier wiederum nicht zuletzt von den Fortschritten im binnenwirtschaftlichen Bereich ab, insoweit greift also das „Hausaufgaben-Modell", wie ich es einmal salopp bezeichnen möchte. Ganz in diesem Sinne heißt es denn auch bei Schüller und Weber (1993): „Der Übergang zur Konvertibilität erfordert selbstverständlich ein Vorauseilen der Binnenliberalisierung im Hinblick auf die Herstellung von Tauschfreiheit und anderer Ordnungsbedingungen, die die 'prinzipielle Integrationsfähigkeit' begründen." Gleichwohl ist noch einmal zu betonen, daß „sich zunächst nur schon wegen der schwierigen Privatisierung und Demonopolisierung - ein grobmaschiger Rechnungszusammenhang entwickeln (kann). Dieser kann rasch an 'Feinmaschigkeit' gewinnen, wenn die Verknüpfung mit dem internationalen Rechnungszusammenhang gesichert wird." Unter diesen Voraussetzungen - „durch die damit entstehende grenzüberschreitende Preisinterdependenz" - kann nun die heilsame und disziplinare Wirkung des internationalen Wettbewerbs zum Tragen kommen und den Transformationsprozeß vorantreiben. „In dessen Verlauf kann dann die allokative und motivationale Lenkungskraft der Preise in dem Maß an Verläßlichkeit und Genauigkeit gewinnen, wie die institutionelle Ummantelung des Preissystems voranschreitet" (alle vorstehenden Zitate aus: Schüller und Weber 1993, S. 475; zu weiteren Vorteilen sowie Voraussetzungen der Konvertibilität vgl. ebd., S. 473 ff.; femer Gröner/Smeets 1994, S. 592-594, sowie ausfuhrlich Weber 1995). • Flexible oder feste
Wechselkurse?
Die Frage nach dem „richtigen" Wechselkurssystem im Transformationsprozeß ist wie so viele andere transformationsspezifische Fragen auch - nicht einfach und schon gar nicht „allgemeingültig" zu beantworten. Es ist eine Fülle von Aspekten zu berücksichtigen. Da hier aus verständlichen Gründen eine solche erschöpfende Analyse nicht geliefert und schon gar nicht auf die individuellen Spezifika einzelner Länder eingegangen werden kann, möge auch hier eine knappe Darstellung der wichtigsten Zusammenhänge ausreichen. Welches Wechselkurssystem auch gewählt wird - im Vordergrund hat stets das Bemühen um realistische Wechselkurse zu stehen, ohne die es keine preisgesteuerten, knappheitsorientierten Außenwirtschaftsbeziehungen geben kann. „Realistische Wechselkurse sind Devisenpreise, zu denen der Devisenmarkt geräumt wird, so daß das 'Gleichgewicht' der Zahlungsbilanz von Marktkräften bestimmt wird. Realistische Wechselkurse erfordern die Freizügigkeit des internationalen Zahlungs- und Kapitalverkehrs" ( Weber und Wentzel 1991, S. 171). Mit dem Begriff des realistischen Wechselkurses ist unmittelbar die „Achillesferse" des Systems fester Wechselkurse angesprochen: Die Fülle der Vorgänge, die in „realistischen" Wechselkursen ihren Niederschlag finden sollen, läßt die Wahrscheinlichkeit denkbar gering erscheinen, daß man bei der („willkürlichen") Festlegung den „richtigen", sprich: den „realistischen" Wechselkurs trifft (von den nachfolgenden Schwierigkeiten - wenn die realen Veränderungen beginnen, an dem einmal fixierten Austauschverhältnis „zu zerren" - ganz zu schweigen. Die
die dann ein Defizit in der Leistungsbilanz ermöglichen. Ein Überschuß an devisenrentablen Erzeugnissen ist somit keineswegs eine notwendige Voraussetzung fur die Konvertibilität, ganz im Gegenteil" (Gröner und Smeets 1994, S. 592).
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Chancen für eine „treffsichere" Festlegung sind zunächst an die Verfügbarkeit realistischer Informationen über die Kaufkraftparitäten bzw. deren Entwicklung gebunden. Doch dies ist bestenfalls eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für ein „umfassendes Informationsniveau, „hängen doch Wechselkurse „nicht allein von den Kaufkraftparitäten ab, sondern werden vom gesamten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Datenkranz bestimmt" (Weber und Wentzel 1991, S. 173). Wenn allerdings bei der Festlegung des Wechselkurses nicht nur ökonomische Aspekte eine Rolle spielen, dann wird das ganze Vorhaben, einen „realistischen" Wechselkurs zu fixieren, geradezu zum Lotteriespiel. Dies gilt insbesondere unter den spezifischen Bedingungen der Transformation, bei der schließlich der gesamte o.g. Datenkranz ins Wanken gerät. Wie schwierig die Fixierung eines „realistischen" Wechselkurses unter Transformationsbedingungen ist, läßt sich erahnen, wenn man bedenkt, daß unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaflen nicht einmal zuverlässige Informationen über die Kaufkraftparitäten vorlagen. Dies betonen auch Weber und Wentzel (1991, S. 173): „Die Fülle von dezentralisierten Informationen, Präferenzen und Erwartungen, die das Devisenmarktgeschehen beeinflussen, sind weder zentralisierbar, noch lassen sie sich - mangels eines geeigneten Kriteriums - fur Planungszwecke zuverlässig aufarbeiten. Dies gilt erst recht für Länder im Transformationsprozeß: Selbst die (ohnehin - s.o., T.B.) keineswegs hinreichenden Informationen über die Entwicklung der Kaufkraftparitäten fehlten am Anfang." 30 Die bisherigen kurzen Ausfuhrungen beschränkten sich auf die mit der ,.richtigen" Festlegung fester Wechselkurse verbundenen „/ín/ángs-Schwierigkeiten"; bevor auf die Prozeß-Schwierigkeiten" eingegangen wird, d.h. darauf, welche Probleme sich während der laufenden P f l e g e " fester Wechselkurse ergeben können, sei kurz auf einige deijenigen Gründe eingegangen, die in der Regel für ein solches Wechselkursregime ins Feld geführt werden: Zunächst erhält man eine zuverlässige Kalkulationsgrundlage, was entsprechende Transaktionskosteneinsparungen bedeutet, da man auf Bemühungen zur Absicherung des üblichen Wechselkursrisikos verzichten kann. „Ferner erhofft man sich von festen Wechselkursen die Vermeidung struktureller Anpassungskrisen", so daß sich im Rahmen einer Kurzzusammenfassung feststellen läßt, daß „ein fester Wechselkurs zunächst all jene Vorteile (bringt), die man Geld im allgemeinen zuschreibt" (Gröner und Smeets 1994, S. 594). Die Fixierung eines Wechselkurses erfolgt durch Anbindung an eine andere Währung, die dann gleichsam als „echte Leitwährung" im engeren Sinne fungiert, oder durch Anbindung an einen Währungskorb, in den mehrere Währungen in einem bestimmten Verhältnis eingehen. Angesichts des binnenwirtschaftlichen Inflationsdrucks, ausgelöst durch die (im nächsten Abschnitt noch näher zu erläuternde) „Kombination" von Geldüberhang und Preisfreigabe, scheint nun für die Transformationsländer - insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses - die Anbindung an eine solide, sprich: internationales Vertrauen genießende Auslandswährung in Gestalt eines festen Wechselkurses eine willkommene Möglichkeit, um mit Hilfe eines solchen „nominellen Ankers" den Preisdruck im Innern zu dämpfen. So wäre bei einer Freigabe
Zur Verdeutlichung sei in diesem Zusammenhang nur an die Diskussion um den „richtigen" Wechsel- bzw. Umtauschkurs zwischen Deutscher Mark und Mark der DDR im Vorfeld der deutschen Währungsunion vom Juli 1990 erinnert.
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der Wechselkurse wohl mit einer Abwertung der jeweiligen „Transformationswährung" zu rechnen. Auch wenn eine Abwertung zwar prinzipiell die Exportchancen vergrößert, gilt dies für die Transformationsländer gerade zu Beginn der Transformation nur sehr bedingt, da die Bemühungen zuerst einmal darauf ausgerichtet sind, überhaupt die Produktionsgrundlage bzw. „Rudimente" einer exportfähigen Industrie zu erhalten bzw. aufzubauen. Angesichts dieser Prioritäten kommt es erst in zweiter Linie auf die Konditionen an, zu denen produziert wird. Die Erreichung des primären Ziels könnte jedoch gefährdet werden, wenn man sich durch die zum „Wiederaufbau" dringend benötigten, infolge der bei freiem Wechselkurs wahrscheinlichen Abwertung gleichwohl verteuerten Importgüter gleichsam zusätzlichen Inflationsdruck ins Haus holt. Auch die o.g. grundsätzliche Erleichterung der Kalkulation durch eine „solide" und einheitliche Grundlage läßt gerade für die im internationalen Handel außerhalb des damals mit internen Verrechnungspreisen („Transfer-Rubel") kalkulierenden RGW unerfahrenen Transformationsländer einen festen Wechselkurs angeraten erscheinen. Vor dem Hintergrund dieser Argumente wird verständlich, daß man in den Transformationsländern von einem Regime fester Wechselkurse insgesamt „einen Vertrauensgewinn für die eigene Währung, eine verbesserte Handlungsfähigkeit der inländischen Unternehmen und für ausländische Kapitalanleger erwartet" (Schüller und Weber 1993, S. 482/483). Hinzu kommt noch, daß die Zentralbank „durch eine Wechselkursfixierung auf eine nachhaltige Stabilisierungspolitik festgelegt werden (kann, da sie..., T.B.) zur Vermeidung von Abwertungen (...) die monetären Bedingungen an den gewünschten Wechselkurs anpassen (müßte). Durch eine strenge makroökonomische Stabilisierungspolitik müßten die Ursachen eines Abwertungsdrucks korrigiert werden, um das Wechselkursziel zu verteidigen." Zusammenfassend läßt sich also feststellen: „Die der Wechselkursbindung zugeschriebenen Vertrauens- und Stabilisierungseffekte scheinen besondere Vorteile für den Transformationsprozeß zu bieten; sie lassen den Verzicht auf den Wechselkursmechanismus als das kleinere Übel im Übergang erscheinen" (alle vorstehenden Zitate aus: Schüller und Weber 1993, S. 482; Hervorhebungen von mir). Bemerkenswert ist immerhin, daß der bei festen Wechselkursen durch das „Diktat des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts" (Gröner/Smeets) erzwungene und ansonsten als Nachteil empfundene Verzicht auf eine eigenständige nationale Wirtschafts-, Finanzund vor allem Geldpolitik unter den spezifischen Bedingungen der Transformation in einen Vorteil „umgedeutet" werden kann (wie im Zusammenhang mit den oben erläuterten „Vertrauenseffekten" gesehen, gilt dies auch und gerade aus der Sicht des jeweiligen Transformationslandes selbst, also nicht nur „von außen" bzw. „von oben" betrachtet...). Indes fragt sich, ob dieser „spezielle Vorteil" von Dauer sein bzw. unter welchen Voraussetzungen die Realisierung auch der anderen o.g. Vorteile fester Wechselkurse überhaupt erwartet werden kann. Eingangs dieses Abschnitts wurde als „Grundtatsache" bereits festgestellt, daß realistische Wechselkurse „markträumende" Wechselkurse sind. Es versteht sich, daß man von festen Wechselkursen nur dann einen „transformationsfördernden" Einfluß erwarten kann, wenn diese realistisch sind, mithin den Knappheitsverhältnissen auf den Devisenmärkten entsprechen und so optimale Voraussetzungen für eine effiziente grenzüberschreitende Arbeitsteilung schaffen. Genau dies ist allerdings gerade unter den spezifischen Bedingungen der Transformation kaum zu erwarten, sind doch „die Bedingungen von festen und realistischen Kursen (...) be-
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kanntlich sehr anspruchsvoll (...): Verzicht auf autonome Konjunkturpolitik und Preisprotektionismus, Flexibilität der Preise nach oben und unten und internationales Vertrauen in die Währungsordnung" (Schüller und Weber 1993, S. 482).31 Gerade die letztgenannte Bedingung ist deshalb wichtig, weil ein System fester Wechselkurse (ansonsten) ohne ein „Pendant" zu dem bei der Goldwährung durch die nominelle Fixierung des Goldpreises (und bestimmter andere Prinzipien) gesicherten Wirkungszusammenhang zwischen Reserven- und Geldmengenänderung auskommen muß (vgl. Weber (1995, S. 64/65); zu den Prinzipien der Goldbindung vgl. neben Lutz (1935) auch Schüller (1975). Vor dem Hintergrund unserer bisherigen Ausfuhrungen braucht auf die „transformationsspezifische Ausprägung" dieser Bedingungen hier nicht im einzelnen eingegangen zu werden, um zu erkennen, daß diese Bedingungen in den Transformationsländern kaum erfüllt sind. Hinzuweisen ist im übrigen auf die „Schwierigkeiten, die selbst entwickelte Marktwirtschaften haben, um das Primat der Zahlungsbilanz zu verwirklichen" ( Weber und Wentzel 1991, S. 175); in diesem Zusammenhang sei nur an die Vorgeschichte des im März 1973 im Abkommen von Bretton-Woods beschlossenen Übergangs der großen westlichen Industrieländer zu „floatenden" Wechselkursen erinnert (vgl. Schüller 1975, S. 247-251) oder auch an die im Grunde unaufhörlichen Spannungen innerhalb des seit 1979 bestehenden Europäischen Währungssystems (EWS), die zu immer neuen „Realignments" gefuhrt haben. Wenn also vor diesem Hintergrund nun offenbar keineswegs eine uneingeschränkte Empfehlung für die Einführung fester Wechselkurse seitens der Transformationsländer gegeben werden kann, fragt sich, wie ein System flexibler Wechselkurse zu bewerten wäre. Die nicht ganz unbegründete Angst vor einem „Inflationsimport" wurde bereits erwähnt. Damit ist im Grunde bereits die wohl wichtigste Frage der Währungspolitik angesprochen: die Frage des Vertrauens. So wie es bei der Transformation von Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen insgesamt primär um die Herstellung von „Systembzw. Ordnungsvertrauen" geht, steht bei der Transformation der Geld- und Währungsordnung sowie der Außenwirtschaftsordnung das Vertrauen in die Währung im Vordergrund, und zwar sowohl das Vertrauen der Inländer in ihre eigene Währung als auch das Vertrauen des Auslands. Nun begegnen gerade flexible Wechselkurse häufig einem Klima des Unbehagens, des Mißtrauens, während festen Wechselkursen in der Regel eine Art Vertrauensvorschuß entgegengebracht wird. Dieser gleichsam „naturgesetzliche Zusammenhang" war auch bei der Diskussion um die Wahl des Wechselkurssystems in den Transformationsländern zu beobachten: So wurde vielfach wie selbstverständlich davon ausgegangen, daß man der Bevölkerung die mit einem System flexibler Wechselkurse unvermeidlich verbundene Unsicherheit nicht zumuten könne, anders gewendet, daß Wechselkursfreigabe ohne einen massiven Vertrauensverlust in der Bevölkerung nicht zu haben sei. Dies indes ist - wie etwa Schüller und Weber (1993, S. 483) ausdrücklich betonen - keineswegs eine notwendige Folge flexibler Wechselkurse, gilt doch für die Wechselkurse, „daß nicht einfach ihre Fixierung Ver-
Diesen Zusammenhang hat bereits Lutz (1935) anhand der Ordnungsbedingungen und Funktionsprinzipien des klassischen Goldstandards erläutert; vgl. in diesem Zusammenhang auch die entsprechenden Hinweise bei Weber und Wentzel (1991, S. 174), bei Schüller und Weber (1993, S. 482) sowie bei Weber (1995, S. 64/65).
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trauen bei den In- und Ausländern schafft. Dies muß vielmehr die zugrundeliegende Wirtschaftspolitik leisten. Bei einer Bestimmung des Wechselkurses über freie Märkte können die Devisenpreise die Bevölkerung wie eine "öffentliche Anschlagtafel' (von Hayek) über die Entwicklung der außenwirtschaftlichen Komponente des Transformationsprozesses informieren." Es versteht sich, daß dies nicht der Ort sein kann, en detail auf die vielfältigen Vorund Nachteile verschiedener Wechselkursregimes einzugehen. Für das hier im Mittelpunkt stehende Thema ist lediglich von Bedeutung, daß einerseits flexible Wechselkurse eine Art „Spiegelbildfunktion" übernehmen können, um die Menschen - im In- und Ausland - über die „Transformationsdisziplin" eines Landes bzw. seiner Regierung zu informieren, und daß andererseits die potentiellen Vorteile fester Wechselkurse an die Erfüllung gerade auch interner Voraussetzungen geknüpft sind. Damit rückt - in beiden Fällen - die Bedeutung der Wirtschaftspolitik der Transformationsländer selbst in den Mittelpunkt. So führte die Kombination der im Rahmen der Liberalisierung im oben beschriebenen Sinne ergriffenen grundlegenden Maßnahmen zur Abschaffung der wichtigsten zentralverwaltungswirtschaftlichen Koordinationsmechanismen - Aufhebung der Zentralplanung und -lenkung bzw. der administrativen Preis- und Bewirtschaftungsvorschriften - mit den vom alten System hinterlassenen Erbe (z.B. Geldüberhang) zu makroökonomischen Instabilitäten: Die ehedem „versteckte" Kassenhaltungsinflation schlug in eine offene Preisinflation um, die ohnehin defizitären öffentlichen Haushalte wurden noch stärker belastet, es kam zu Produktions- und Beschäftigungseinbrüchen usw. Eine besondere Rolle der „Transformationspolitik vor Ort" fiel (und fällt) in diesem Zusammenhang den auf die Stabilisierung des Geldwertes ausgerichteten Bemühungen zu. Die Liberalisierung der Märkte nach innen und außen und die Preisliberalisierung müssen von einer entsprechenden Stabilisierung begleitet und unterstützt werden, sofern die auf offenen Märkten sich bildenden Preise tatsächlich die ihnen zugedachten Funktionen erfüllen sollen. Den damit zusammenhängenden Fragen gelten die nun folgenden Ausfuhrungen; dabei steht zwar - wie nach den vorstehenden Erläuterungen zu erwarten und in der Transformationsliteratur üblich - die „monetäre Stabilisierung" im Mittelpunkt der Betrachtung, gleichwohl soll der Begriff der Stabilisierung nicht ausschließlich auf rein monetäre Aspekte beschränkt werden.
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2. Stabilisierung 2.1. Stabilisierung im weitesten Sinne: Schaffung von „Systemvertrauen" 2.1.1. Das Ziel: Stabilisierung der Erwartungen Wurde zu Beginn des Transformationsprozesses die Stabilisierungsaufgabe sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der politischen Diskussion vorwiegend im Sinne einer makroökonomischen monetären Stabilisierung ohne eine analytische Differenzierung zwischen Bestands- und Stromgrößenstabilisierung verstanden, wird mittlerweile zunehmend eine weitergehende Stabilisierungsverantwortung in den Blick genommen, die hier als „Schaffung von Systemvertrauen" (Stabilisierung im weiteren Sinne) bezeichnet wird. Mit dem dabei zugrunde gelegten Stabilisierungsbegriff wird auf die Bedeutung der Stabilisierung von Erwartungen im weitesten Sinne abgestellt, wobei sich diese auf unterschiedliche Ebenen beziehen kann (Erwartung bezüglich einer bestimmten anzustrebenden Wirtschaftsordnung, Erwartung bezüglich einer bestimmten „Richtung" der allgemeinen Wirtschaftspolitik usw.). Es sei vorausgeschickt, daß in dem nun folgenden Abschnitt weitgehend auf frühere Ausführungen zurückgegriffen werden und dieser deshalb vergelichsweise kurz ausfallen kann. In Anlehnung an einen Beitrag von Sztompka (1995) wurde bereits im letzten Kapitel darauf hingewiesen, daß die wohl vordringlichste Aufgabe in den Transformationsländern darin besteht, Vertrauen im weitesten Sinne aufzubauen: Viele Menschen sind angesichts der epochalen Umwälzungen zutiefst verunsichert, haben Zukunftsängste, sind mißtrauisch gegenüber den Relikten des alten Systems und haben noch kein Vertrauen zu den bereits installierten neuen formellen Institutionen gefaßt, die ja kaum mehr sein können als die „Vorboten" einer neuen Ordnung, von der niemand weiß, wie sie dereinst aussehen wird, wenn sie denn einmal „fertig" ist. Das institutionelle Interregnum läßt die Menschen gleichsam nach Geländern suchen, an denen sie sich durch den Transformationsprozeß hangeln können. In Zeiten des rapiden Umbruchs, des raschen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels sind Unsicherheit und eine gewisse (anfängliche) Orientierungslosigkeit selbstverständlich; insofern wäre es mehr als verwunderlich, wenn diese Phänomene im Rahmen eines so radikalen Wandels, wie ihn die gegenwärtige Systemtransformation in Mittel- und Osteuropa darstellt, nicht anzutreffen wären. Es wurde bereits betont, daß der Prozeß des institutionellen Wandels sich üblicherweise graduell vollzieht, was bedeutet, daß die Menschen gewissermaßen im „Gleichschritt mitmarschieren", gleichsam stets „auf Ballhöhe" bleiben können. Dies wiederum bedeutet nichts anderes, als daß es stets eine mehr oder weniger sichtbare Verbindung zwischen dem Neuen und dem Alten gibt. Anders gewendet: Die Tatsache, daß „Geschichte von Belang" ist (North), kann unter solchen Umständen nicht vergessen werden, da das heutige Neue im Grunde immer - zumindest innerhalb gewisser Grenzen - auf das gestrige Alte zurückgeführt werden kann. Das Neue mag zwar ein gewisses Unbehagen und Mißtrauen sowie Unsicherheit auslösen; da die Gegenwart jedoch noch immer hinlänglich viele Verbindungen zur Vergangenheit aufweist, sind die eigenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nicht völlig wertlos und un-
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brauchbar. In Anlehnung an Heuß ließe sich also feststellen, daß im Rahmen des „üblichen" Verlaufs des institutionellen Wandels die Zeit zwar einen p u t a t i v e n Prozeß" darstellt, gleichwohl allerdings zumeist immer noch ein hinreichendes Maß „iterativen Charakters" aufweist bzw. hinreichend viele „iterative Elemente" enthält, um die Menschen nicht zu überfordern. Eine solche Kontinuität im Wandel, wie ich diesen Vorgang einmal beschreiben möchte, läßt sich im Prozeß der gegenwärtigen Systemtransformation schwerlich entdecken. Die Menschen werden mit einer völlig neuen Gegenwart konfrontiert, die sie nicht nur nicht aus ihrer Vergangenheit „ableiten" können, sondern die die Vergangenheit gleichsam zu entwerten scheint. Wenn aber die Vergangenheit und damit die eigenen Erfahrungen zur Bewältigung der neuen Gegenwart und der ungewissen Zukunft nicht befragt, geschweige denn unmittelbar produktiv verwertet werden können, dann fragt sich, worauf das dringend notwendige Vertrauen gegründet werden soll: Damit ist nun ein grundlegendes Problem angesprochen, das als Spezifikum des Transformationsprozesses in den postsozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas anzusehen ist und im Grunde nicht oft und nicht deutlich genug betont werden kann: Zwar litten die meisten Menschen darunter, daß ihnen das alte System kaum persönliche und materielle Freiheiten gewährte. Und wie bereits eingangs dieses Kapitels betont, führte die Unzufriedenheit über die jahrzehntelange Verweigerung dieser Grundrechte letztlich zu der vielzitierten „friedlichen Revolution" mit den bekannten Folgen. Nun darf allerdings aus der Tatsache, daß die meisten Menschen in den mittel- und osteuropäischen Ländern zu Beginn der Transformation ein „Mehr" an persönlicher Freiheit und materiellem Wohlstand als von ihnen angestrebte Ziele angaben, keineswegs auf eine ,.reine Euphorie" gegenüber einer marktwirtschaftlichen Ordnung geschlossen werden. Dies mag nun zunächst wie ein Widerspruch zu der im letzten Kapitel getroffenen Feststellung anmuten, daß einer der Unterschiede etwa zwischen der Situation im damaligen Nachkriegsdeutschland und deijenigen in vielen Transformationsländern heute darin bestehe, daß die marktwirtschaftlich orientierten Reformer damals erhebliche Widerstände gegen die von ihnen propagierte neue Wirtschaftsordnung zu überwinden hatten, während die meisten Menschen in den heutigen Transformationsländern gleichsam in „freudiger Erwartung" der Einführung der Marktwirtschaft harrten. Dies ist jedoch nur ein scheinbarer Widerspruch, dessen Auflösung mit dem so wichtigen Begriff der „Erwartungen" und deren Bedeutung für für das subjektive Empfinden und Verhalten der Menschen zusammenhängt: Die positive Einstellung vieler Menschen in den Transformationsländern zu Beginn des Transformationsprozesses bezog sich weniger auf die grundlegenden Voraussetzungen und Funktionsbedingungen marktwirtschaftlicher Ordnungen, denn auf die von diesen wie „selbstverständlich" erwarteten Ergebnisse. (Auf das Problem des gleichsam „von höchster Stelle" betriebenen Schürens falscher und übertriebener Erwartungen wurde bereits hinlänglich hingewiesen. 32 )
Zu den Hintergründen für die zunehmende Unzufriedenheit trotz bisweilen „objektiv" besserer Lage vgl. o.V.: Soziale Grenzen für Osteuropas Reformen? Mentalitätswandel und Sozialversicherungsreform nötig, in: Neue Zürcher Zeitung vom 28. September 1993, S. 9.
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Es sei noch einmal betont, daß es keinesfalls eine bloße Banalität ist, w e n n hier darauf hingewiesen wird, daß es a) ohne Erwartungen keine Enttäuschungen und b) keine Marktwirtschaft ohne enttäuschte Erwartungen geben kann. Vielmehr sollte m a n sich stets vor Augen halten, daß im Gegensatz zu etablierten Marktwirtschaften - in denen Erwartungsenttäuschungen nicht nur zum Alltag, sondern gleichsam zu den treibenden Kräften des Marktprozesses gehören 3 3 , - die Enttäuschung von (zu hohen) Erwartungen den gesamten Transformationsprozeß z u m Scheitern bringen kann: Sehen viele Menschen in den Transformationsländern, wie erwähnt, den Maiktergebnissen mit einer gewissen Spannung und freudigen Erwartung entgegen, so kann ihre „Einstellung" gegenüber d e m Maiktprozeß wohl noch am ehesten als ambivalent-skeptische Faszination beschrieben werden, die einer Gratwanderung gleicht, wobei die zur „ W a h l " stehenden Optionen - rein ergebnisabhängig, versteht sich - weitgehend auf Euphorie einerseits und auf heftige Ablehnung andererseits beschränkt sind. Diese hier grob skizzierte, gerade zu Beginn des Transformationsprozesses weitverbreitete Einstellung ähnelt deijenigen von Menschen, die - in völliger Verkennung des P h ä n o m e n s „glücklicher Zufall" - v o m Lotteriespiel schwärmen, weil sie einmal gespielt und g e w o n n e n haben bzw. von solchen, die - in völliger Verkennung des P h ä n o m e n s „unglücklicher Z u f a l l " - v o m Spazierengehen an frischer Luft Abstand nehmen, weil sie einmal auf nassem Laub ausgerutscht sind. Mit solchen Extremreaktionen ist vor d e m spezifischen Hintergrund der Transformation in den postsozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas insbesondere deshalb zu rechnen, weil das „ N e u e " eben nur als erlebte Wirklichkeit tatsächlich neu, grundsätzlich j e d o c h keinesfalls unbekannt ist - im Gegenteil: Für nicht wenige ist es schon bei der ersten Enttäuschung sehr schnell zunächst einmal das Realität gewordene, seit Jahrzehnten „vertraute" Feindbild des Kapitalismus. In einer solchen Situation besteht n u n die Gefahr, daß die Menschen - in Ermangelung einer besseren Alternative ihr Heil in einem Rückfall in eine U m g e b u n g suchen, die zwar ihre unbestrittenen Nachteile, gleichwohl allerdings auch den unbestrittenen Vorteil hatte, zumindest vertraut zu sein. W e g e n dieser „Gratwanderung" kommt es für die Transformationspolitik also zunächst einmal darauf an, glaubwürdige und entschiedene Signale bezüglich einer neuen, anzustrebenden Wirtschaftsordnung zu setzen; diese Notwendigkeit, eine „ordnungspolitische Gesamtentscheidung" zu treffen, wurde bereits ausdrücklich betont. D a n n bedarf es einer Aufklärung darüber, daß die marktwirtschaftliche Ordnung eine Ordnung ist, die maßgeblich auf Vertrauen und eben gerade nicht auf Betrug und Ausbeutung beruht. Es dürfen also sehr wohl Erwartungen geweckt werden; diese sollten sich aber - wie gesehen - ausschließlich auf die Funktionsbedingungen einer marktwirt-
So heißt es etwa bei Fehl (1980, S. 38 u. 39): ,ßrwartungsenttäuschungen sind (...) notwendige Voraussetzung zunehmender Wissensdiffusion, d.h. der Verarbeitung von Wissen. Mit anderen Worten, Erwartungsenttäuschungen sind Begleitumstände des Flusses von Informationen, deren Verarbeitung zu Erwartungskorrekturen fuhren wird. Da die sich daraus ergebenden neuen Erwartungen zur Grundlage neuer Wirtschaftspläne werden, stellen die hieraus fur die übrigen Wirtschaftssubjekte resultierenden Impulse 'Signale' dar, die ein Mehr an verarbeitetem Wissen reflektieren. Demnach kann der Marktprozeß als ein Prozeß der Wissensverarbeitung interpretiert werden. (...). Sich ausbreitendes Wissen heckt ständig neues Wissen" (Hervorhebungen im Original).
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schaftlichen Ordnung, nicht aber auf konkrete Marktergebnisse beziehen. Die Stabilisierungsbemühungen sollten primär auf die Stabilisierung von Erwartungen im o.g. Sinne ausgerichtet sein. Dazu gehören zunächst die ordnungspolitsche Grundsatzentscheidung zu Gunsten einer bestimmten neuen Ordnung sowie der glaubwürdige Beginn ihrer Umsetzung durch entsprechende grundlegende ordnungspolitische Maßnahmen (die man eingedenk der „traditionellen" Dreiteilung der Transformationsaufgabe - als Erneuerung der (formellen) institutionellen Infrastruktur verstehen könnte). Im Anschluß an diese grundlegenden Weichenstellungen geht es dann darum, die auf diese Weise erst ermöglichten bzw. geweckten Erwartungen durch eine weiterhin solide Wirtschaftsordnungspolitik im weitesten Sinne zu stabilisieren. Diese Forderung ist im übrigen keinesfalls etwa Ausdruck einer Verkennung der drängendsten stabilisierungspolitischen Aufgaben im engeren Sinne - im Gegenteil: Auch und gerade bei der Lösung vermeintlich rein „prozeßpolitischer" Maßnahmen kommt es im Transformationsprozeß verstärkt darauf an, dem Primat der Ordnungspolitik Geltung zu verschaffen. Eine Vielzahl von Autoren betont, daß ohne einen Grundkonsens zwischen den maßgeblichen politischen Kräften eines Landes kein glaubwürdiges Transformationsprogramm wird entworfen und umgesetzt werden können. Ein möglichst breiter sozialer Konsens kann verstanden werden als gesamtgesellschaftliche Akzeptanz der jeweils gewählten Transformationsstrategie, ohne die kein Transformationskonzept auf Dauer wird Bestand haben können. Kommen wir an dieser Stelle noch einmal zurück auf unsere eingangs erwähnte Parallele der Transformationsprozesse in Mittel- und Osteuropa bzw. der dort - insbesondere zu Beginn der Transformation - dominierenden neoliberalmonetaristischen Konzepte und Programme zu denjenigen, die zuvor in Lateinamerika angewandt wurden: In einem hochinteressanten Beitrag macht Baer (1991) darauf aufmerksam, daß die hohen Inflationsraten lateinamerikanischer Länder auch durch die rigorosen Stabilisierungsprogramme nach IWF- und Weltbank-Muster deshalb nicht in den Griff zu bekommen gewesen seien, weil die Inflation eben kein rein monetäres Phänomen sei, oder besser: keinesfalls rein monetäre Ursachen habe. Baer entdeckt die maßgebliche Inflationsursache in einem „fight for shares" zwischen den rivalisierenden gesellschaftlichen Gruppen, der nicht zuletzt wegen der sozialpolitisch problematischen Folgen der auf Nachfragesenkung, Verringerung des Geldmengenwachstums und damit Inflationseindämmung ausgerichteten rigorosen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben zunehmend härter gefuhrt wurde. In einem persönlichen Gespräch mit dem Verfasser (T.B.) im Mai 1997 brachte Baer sein Bedauern darüber zum Ausdruck, daß die überwiegende Mehrzahl der westlichen Berater die lateinamerikanischen Länder mit der Fortführung und den Konsequenzen der von ihnen empfohlenen und begonnenen Stabilisierungsprogramme gleichsam „im Stich" gelassen hätten, ohne entsprechende Bemühungen zur Erreichung eines fur den Erfolg der Reformen so wichtigen, möglichst breiten „sozialen Grundkonsensus" unternommen zu haben, durch den der o.g. „fight for shares" hätte verhindert bzw. zumindest abgeschwächt werden können. Dieser Verteilungsstreit, der seinen Ausdruck u.a. in der „Lohn-Preis-Spirale" findet, ist im wesentlichen vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, daß die Wirtschaftssubjekte eben nicht - wie von den Programm-Gestaltern und politisch Verantwortlichen offenbar angenommen - der sog. „Geldillusion" unterliegen, sondern „rationale Erwartungen" hegen: Die Wirtschaftssubjekte hatten schließlich Zeit und Gelegenheit genug, sich an die
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hohen Inflationsraten zu „gewöhnen" und erwarteten keinesfalls, daß die rigorosen Ausgabenkürzungen kurzfristig tatsächlich die gewünschte Haushalts- und Geldwertstabilisierung bewirken würden, im Gegenteil: Sie alle - Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, Kreditnehmer wie Kreditgeber usw. - rechneten auch weiterhin mit hohen Inflationsraten und paßten ihre Preispolitik, ihre Lohnforderungen, ihre Kreditkonditionen (Zinshöhe, Laufzeiten...) etc. im voraus der „rational erwarteten" Geldentwertung an und bewirkten so letztlich eine „self-fulfilling prophecy": Die Inflation zu antizipieren bedeutete zugleich, sie auch zu realisieren (vgl. auch Blejer und Cheasty 1988, hier: S. 65: „...their expectations would be self-fulfilling"). Die Bedeutung eines solchen „Konsensus" fur die breite Akzeptanz und damit das Gelingen des Transformationsvorhabens überhaupt betont beispielsweise auch Kolodko (1993, S. 217), der als früherer Wirtschafts- und Finanzminister Polens gewiß auf entsprechende praktische Erfahrungen in seinem Lande zurückgreifen kann: „Die Rückkopplungen zwischen wirtschaftlicher und politischer Entwicklung sind stark ausgeprägt, und es kann kein Zweifel daran bestehen, daß sie in der jetzigen Phase der Transformation destabilisierend wirken. (...). Wenn wir diese schwierige Lage meistern wollen, muß die Wirtschaftspolitik grundsätzlich umorientiert werden. Dabei sollte angestrebt werden, (...) die Wirtschaft als Ganzes (...) zu stabilisieren. Vor diesem Hintergrund muß eine neue Wirtschaftspolitik formuliert werden, die auf einem neuen Sozialvertrag basiert." Eben der Herstellung eines solchen „Minimalkonsensus'" dient die konsequente Beachtung des Primats der Ordnungspolitik im Transformationsprozeß, insbesondere natürlich zu Beginn der Transformation, aber auch im weiteren Verlauf: „Die Transformation kann nur gelingen, wenn ein politischer Konsens, ein sozialer Konsens und ein Konsens über die Grundlagen der anzustrebenden marktwirtschaftlichen Ordnung gefunden werden" (Wohlmuth 1992, S. 49). Diese Notwendigkeit zeigt im Grunde bereits die Auseinandersetzung mit den Grundformen der Zentralverwaltungswirtschaft und der Marktwirtschaft (vgl. grundlegend Hensel 1972/1992), aus der hervorgeht, daß beide „auf unterschiedlichen Werteordnungen und daraus zu erklärenden wirtschaftlichsozialen Beziehungen beruhen. Die Transformation erfordert daher eine ordnungspolitische Gesamtentscheidung. Diese Entscheidung geht logisch aus dem 'Denken in Ordnungen' hervor (...)" (Schüller 1992a, S. 7). Auf eine „griffige" Kurzformel gebracht, ließe sich feststellen: Gerade vor dem spezifischen Hintergrund der Systemtransformation kann Wirtschaftspolitik im Grunde nur Wirtschaftsordnungspolitik sein. Dies zu verdeutlichen, ist Ziel der folgenden Ausführungen. 2.1.2. Das (konstituierende) Prinzip: Konstanz der Wirtschaftspolitik „Konstanz ist ein zentrales Erfordernis der Wirtschaftspolitik der Wettbewerbsordnung. Die Wirtschaftspolitik stelle einen brauchbaren wirtschaftsverfassungsrechtlichen Rahmen für den Wirtschaftsprozeß her; an diesem Rahmen halte sie beharrlich fest und ändere nur mit Vorsicht" (Eucken 1952/1990, S. 289). Eucken erläutert die Bedeutung der Konstanz der Wirtschaftspolitik insbesondere am Beispiel ausbleibender Investitionen, deren Ursache er in der mangelnden Stabilität der Erwartungen potentieller Investoren sieht, die ihrerseits die Folge einer kaum berechenbaren - mithin dem Gebot der Konstanz nicht gehorchenden -Wirtschaftspolitik ist: „Eine gewisse Konstanz der Daten
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ist notwendig, damit größere Investitionen in die Pläne aufgenommen werden. (...). (Ohne dieses Mindestmaß an Konstanz, T.B.) würde den Wirtschaftsplänen die zeitliche Tiefe fehlen, die nötig ist, um den modernen industriellen Produktionsapparat auszubauen und zu erhalten. Die Unstabilität der Wirtschaftspolitik (aber) zwang die Unternehmer dazu, ausschließlich solche Investitionen durchzufuhren, die infolge sehr großer Rentabilität rasch das investierte Kapital wieder hereinbrachten. Dadurch wurde die Zahl der geplanten und durchgeführten Investitionen stark verringert. (...). Es fehlte die Atmosphäre des Vertrauens" {Eucken 1952/1990, S. 287 u. 288). Wegen des mit der Transformation notwendig verbundenen radikalen Systemumbruchs scheint zunächst ein gewisser Widerspruch zum „Konstanz-Prinzip" zu bestehen, da doch letztlich eine Fülle von Maßnahmen zu ergreifen und an immer wieder anderen Stellen mit unterschiedlicher Intensität anzusetzen ist. Wenn wir die Stabilisierungsaufgabe jedoch im Sinne einer „Stabilisierung der Erwartungen" begreifen, so lassen sich eine Reihe der im Rahmen der makroökonomischen (monetären) Stabilisierung vorgeschlagenen Maßnahmen einem solchen „Stabilisierungsverständnis" unterordnen. Was sich hinter einem solchen Verständnis der Stabilisierung im Sinne einer „Stabilisierung der Erwartungen" im Grunde verbirgt, läßt sich an zahlreichen Beispielen fehlgeleiteter Stabilisierungspolitik in Marktwirtschaften verdeutlichen. So hat etwa Scherf in seiner bereits erwähnten schonungslosen Kritik an der Wirtschaftspolitik der sozial-liberalen Koalition in der Bundesrepublik zwischen 1969 und 1982 in aller Deutlichkeit aufgezeigt, wohin es führt, wenn das Gebot der gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung eben nicht als Aufforderung zu einer Stabilisierung der Erwartungen verstanden, sondern die Stabilisierungspolitik gleichsam als Freiheit oder gar Aufforderung zur unbeschränkten Auswahl und zum beliebigen Einsatz von Instrumenten aus dem „konjunkturpolitischen Werkzeugkasten" im Sinne einer Politik des „stop and go" mißverstanden wird (vgl. beispielhaft Scherf 1986).34 Wenn die Stabilisierung der Erwartungen nicht gelingt und dies schon in etablierten Marktwirtschaften zu gravierenden Folgen - wie etwa einem besorgniserregenden
Vgl. in diesem Zusammenhang femer von der Lippe und Westerhoff 1985 (Mit Blick auf die Fehlinterpretation und den Mißbrauch des von mir so bezeichneten „konjunkturpolitischen Werkzeugkastens" sprechen diese Autoren sehr treffend von einer „Vulgarisierung von Keynes", deren sich die sozialliberale Koalition mit ihrer Wirtschaftspolitik schuldig gemacht habe (S. 23 ff.); zur Bedeutung der Stabilisierung von Erwartungen vgl. femer Oppenländer (1988), der in der Stabilisierung der Erwartungen eine „Ecke" eines neuen (magischen?) „Zieldreiecks" der Wirtschaftspolitik sieht. (Die beiden anderen „Ecken" bzw. von der Wirtschaftspolitik zu verfolgenden Ziele sieht Oppenländer in der Entfaltung von „Potentialdynamik" und „Strukturdynamik": Mit ersterer ist eine an der makroökonomischen Produktionsfunktion der neoklassischen Wachstumstheorie orientierte Politik der „Inputpflege" der Faktoren Arbeit und Kapital (zwecks Outputsteigerung) gemeint; mit der „Strukturdynamik" soll die Bedeutung von Innovationen fur die wirtschaftliche Entwicklung herausgestellt und die Wirtschaftspolitik auf entsprechende Bemühungen zu deren Förderung „eingeschworen" werden. Oppenländer bindet also die „Stabilisierung der Erwartungen" ein in einen Gesamtentwurf, der letztlich eine Kombination aus aufgeklärter Konjunkturpolitik, Elementen traditionell-neoklassisch „gefärbter" Wachstumspolitik und einer auf den Überlegungen Schumpeters und J. Röpkes beruhenden Politik zur „Förderung" der wirtschaftlichen Entwicklung darstellt.)
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Rückgang der Investitionsquote - führt, dann braucht es nur wenig Phantasie, um sich die Folgen für den Fortgang des Transformationsprozesses vorzustellen, wenn die gerade in diesem Umfeld ungleich wichtigere Stabilisierung der ohnehin höchst unsicheren Erwartungen nicht gelingt. Die Schaffung und Stabilisierung von Erwartungen ist die vordringlichste Aufgabe der Wirtschaftspolitik im Transformationsprozeß. Dies erfordert zunächst eine „ordnungspolitische Gesamtentscheidung" sowie entsprechende grundlegende Maßnahmen im Sinne eindeutiger Signale zur glaubwürdigen Umsetzung dieser einmal getroffenen Grundsatzentscheidung. Das so wichtige Vertrauen der Bevölkerung kann nur gewonnen werden, wenn die politischen Entscheidungsträger ihre Verantwortung zur „Aufklärung" wahrnehmen, den Menschen „reinen Wein" bezüglich der zu erwartenden Schwierigkeiten, aber auch Chancen einschenken und so zunächst einmal zur Bildung „realistischer" Erwartungen bezüglich der Funktionslogik von Marktprozessen beitragen. Gelingt dies, so wird allen Beteiligten sehr schnell deutlich werden, daß es konkrete Voraussagen bezüglich des Eintretens bestimmter Marktergebnisse nicht geben kann; auf diese Weise werden unnötige Enttäuschungen und damit Akzeptanzprobleme vermieden. Im Anschluß gilt es, die so gebildeten Erwartungen im o.g. Sinne zu stabilisieren. An kaum einer anderen „Stelle" läßt sich besser illustrieren, daß Transformationspolitik - wie hinlänglich betont - stets „ Wirtschaftsordnungspolitüc" im Sinne Euchens zu sein hat. 2.2.
Stabilisierung im engeren Sinne: Makroökonomische (monetäre) Stabilisierung
„Die monetäre Stabilisierung beinhaltet die Herstellung eines stabilen Geldes" (Siebert 1992, S. 25). 35 Im folgenden Abschnitt soll zunächst in aller Kürze auf die grundsätzliche Bedeutung eines stabilen Geldwertes für das Funktionieren freiheitlichmarktwirtschaftlicher Ordnungen hingewiesen und danach auf die zur unmittelbaren Herstellung und längerfristigen Sicherung von Geldwertstabilität in den Transformationsökonomien notwendigen Maßnahmen eingegangen werden.
Die Stabilisierung des Geldwertes wird von vielen Autoren als die wichtigste Aufgabe überhaupt angesehen. So heißt es etwa bei Herr und Westphal (1991, S. 150): „Im Zentrum des Transformationsprozesses steht die Schaffung eines wertstabilen Geldes, das ein hinreichend großes Vertrauen der Vermögensbesitzer besitzt und sie dadurch veranlaßt, in heimischer Währung zu wirtschaften." Ähnlich Busch und Schmidt (1991, S. 177 u. 180), die feststellen, „daß der Transformation der Geldordnung, das heißt der Neugestaltung des Geldsystems, eine zentrale Bedeutung im Gesamtprozeß der Systemtransformation zukommt (und sie deshalb) logisch am Anfang und im Zentrum der ökonomischen Systemtransformation (steht). (...) Je eher die Transformation der Geldordnung vollzogen wird, um so rascher wird es möglich, den gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationsprozeß zu durchlaufen. Infolge der monetären Dominanz im marktwirtschaftlichen Regulierungsmechanismus erweist sich die Problematik der Geldtransformation als das Schlüsselproblem der Transformation der Wirtschaftsregulation insgesamt."
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2.2.1. Das G r u n d p r o b l e m der monetären Stabilisierung: Z u m „Primat der W ä h rungspolitik" „Alle Bemühungen, eine Wettbewerbsordnung zu verwirklichen, sind umsonst, solange eine gewisse Stabilität des Geldwertes nicht gesichert ist. Die Währungspolitik besitzt daher für die Wettbewerbsordnung ein Primat" (Eucken 1952/1990, S. 256). M o d e r n e arbeitsteilige Wirtschaften sind Geldwirtschaften. Das Funktionieren moderner preisgesteuerter Marktwirtschaften hängt wesentlich davon ab, daß die Preise ihre o.g. Indikator-, Allokations- und Motivationsfunktion wirksam, d.h. ohne verzerrende externe - beispielsweise monetäre - Einflüsse, w a h r n e h m e n können; gleiches gilt für die Geldfunktionen. Es kommt also entscheidend darauf an, die Stabilität des Geldwertes zu sichern, da nur wertstabiles Geld die verschiedenen (Preis- und) Geldfunktionen „bestmöglich erfüllen (helfen) und so die sich in Transaktionskosten niederschlagenden Unsicherheiten der Tauschhandlungen reduzieren kann. Eine auf Geldwertstabilität verpflichtete Geldverfassung hat die aus Inflation und Deflation hervorgehenden allokativen und distributiven Fehllenkungen und die daraus entstehenden Staatseingriffe in den Marktpreismechanismus zu verhindern" ( Weber 1992, S. 580). Diese Erkenntnis haben die Befürworter einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Ordnung keineswegs exklusiv. So wird etwa Lenin folgendes berühmte Zitat zugeschrieben: „ U m die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, m u ß m a n ihr Geldwesen verw ü s t e n " (so zitiert in Eucken 1952/1990, S. 255). Ob Lenin dies nun tatsächlich gesagt hat oder nicht, m a g dahinstehen (vgl. Woll 1979) 36 - in j e d e m Fall trifft diese Feststellung den Nagel auf den Kopf, dokumentiert sie doch nicht nur ein fundamentales Verständnis der von Eucken betonten ökonomischen Z u s a m m e n h ä n g e , sondern auch eine Einsicht in die weit über das Ökonomische hinausgehende Bedeutung eines stabilen Geldwesens für eine freie Zivilrechtsgesellschaft - ein Aspekt, den m a n gerade auch im Z u s a m m e n h a n g mit dem Problem der Systemtransformation niemals außer acht lassen sollte: „Eine freie Gesellschaft wird durch eine stabile Geldordnung gefestigt. Dies ist letztlich nichts anderes als der Euckensche Primat der Währungspolitik. Und deshalb ist für den zu bewältigenden Transformationsprozeß zu fordern: U m die bürgerliche Gesellschaft als Zivilrechtsgesellschaft aufzubauen, ist ein stabiles Geldsystem zu errichten" (Wentzel 1995, S. 3). Konkret beinhaltet die Errichtung eines stabilen Geldsystems bzw. einer auf Geldwertstabilität verpflichteten „Geldverfassung" grundsätzlich die - im engeren Sinne „institutionelle" A u f g a b e der - Schaffung einer neuen Geldordnung, den schnellstmöglichen Abbau des für Zentralverwaltungswirtschaften typischen Geldüberhangs (Stabilisierung der Bestandsgrößen) sowie die daran anschließende Stabilisierung der Stromgrößen durch eine der Geldwertstabilität verpflichtete Geldpolitik. Es folgen
Woll (1979, S. 411) bemüht sich um „Aufklärungsarbeit" und verweist in diesem Zusammenhang auf einen entsprechenden Satz von Keynes, der uns allerdings leider auch keine eindeutige Gewißheit über die tatsächliche Urheberschaft gibt: geniti is said to have declared that the best way to destroy the capitalist system was to debauch the currency (...). Lenin was certainly right (...)." (Das Zitat stammt nach Wölls Angaben aus: Keynes, John Maynard: The Economic Consequences of the Peace, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes (Vol.ii), London 1971, S. 148. Nota: Den Hinweis auf Wölls Beitrag verdanke ich Dr. Ralf L. Weber.)
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nun einige Anmerkungen zu diesen einzelnen „Teilaufgaben", wobei - eingedenk des Interdependenzproblems - wiederum das Bemühen im Vordergrund steht, auf entsprechende Querverbindungen zur Liberalisierung und zur Privatisierung hinzuweisen. Die wichtigsten Bestandteile einer neuen Geldordnung werden nahezu einhellig in „der Unabhängigkeit der Notenbank, dem Verbot der Alimentierung des Staates durch die Notenpresse, einem zweistufigen Bankensystem und einem funktionsfähigen Kapitalmarkt (gesehen)" (Siebert 1992, S. 25). Bevor darauf im einzelnen eingegangen wird, scheint es angezeigt, zunächst kurz auf die Besonderheiten des monetären Sektors in zentralgeleiteten Planwirtschaften einzugehen, da m.E. die Kenntnis der Rolle, die Geld in Zentralverwaltungswirtschaften spielte, fur ein Verständnis des Gesamtzusammenhangs - und damit auch für ein Verständnis der an späterer Stelle zu erläuternden Aufgabe der monetären Stabilisierung - sehr hilfreich ist. Dabei soll verdeutlicht werden, daß ohne die Wiedereinsetzung des Geldes in seine Funktionen als universelles Zahlungs-, Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel sowie als zuverlässige Recheneinheit eine marktwirtschaftliche Koordination undenkbar ist. 2.2.2. Exkurs: Geld ohne Freiheit in Zentralverwaltungswirtschaften • Geld als verbriefie Freiheit oder: Die sozialistische Geldwirtschaft als Rückkehr zum Feudalismus Georg Simmel hat in seinem Werk „Philosophie des Geldes" (1920, insbes. S. 297 f.) eine interessante Verbindung zwischen Geld und Freiheit aufgezeigt: Geld wird gleichsam zum Freiheit-stiftenden Medium, indem es dem ehemals Leibeigenen möglich wird, sich durch Geldzahlungen den Weg zur Freiheit gewissermaßen etappenweise freizukaufen. Eine solche stufenweise Annäherung an die Freiheit wird möglich durch die „Umwandlung persönlicher Untertanenverhältnisse in Geldzahlungen (...): Der Leibeigene muß unmittelbar tun, was ihm befohlen wird. Kann er seine Leistung durch regelmäßige Geldzahlungen ablösen, so lockert sich seine Bindung, indem sie abstrakter wird; er wird vom Befehlsempfänger zum Schuldner. Kann er gar die regelmäßige Zahlung durch einen einmaligen Kapitalbetrag ablösen, so wird er ganz frei" ( Willgerodt 1990, S. 139). Freilich kann man hier kritisch anmerken, daß die Möglichkeit zur Umsetzung dieses „Modells" damit steht und fällt, daß der Leibeigene a) eine reelle Chance zur Erstbeschaffung und b) zum Sparen von Geld erhält. Diese sicherlich berechtigte Kritik ist allerdings fur den im nun folgenden Abschnitt zu behandelnden Zusammenhang ohne Belang: Die in den Zentralverwaltungswirtschaften sowjetischen Typs vorherrschende Geldordnung hatte entscheidenden Anteil an der faktischen Unfreiheit der Menschen im realen Sozialismus; einer Unfreiheit, die weit mehr an feudalistische Verhältnisse erinnerte, denn glaubhaft die letzte Vorstufe auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus zu verkörpern - und gerade dies sollte der Sozialismus gemäß der marxistischen Stufentheorie ja letztlich sein. Folgt man dieser These, so kommt man - gerade vor dem Hintergrund des bereits erwähnten marxistischen Geschichtsverständnisses zwangsläufig an der Schlußfolgerung nicht vorbei, daß die sozialistische Geldordnung und damit der reale Sozialismus selbst eher einen historischen Rückschritt in das Zeital-
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ter des Feudalismus denn einen Fortschritt gegenüber dem Kapitalismus darstellten. Dieser Rückschritt in die Unfreiheit hing entscheidend mit der Tatsache zusammen, daß das Geld in den sozialistischen Zentralverwaltungswirtschañen zunehmend an Bedeutung verlor - diese Tatsache der „Bedeutungslosigkeit und (...) Überflüssigkeit des Geldes im Vergleich zu den politische Leistungs- und Zuteilungskriterien" (Willgerodt) wurde nicht zuletzt durch den vielfach beklagten enormen Geldüberhang dokumentiert: „Wie in der Feudalzeit nahmen persönliche unbezahlte Dienstpflichten als eine Art moderne Hand- und Spanndienste stark zu (...). Auf der anderen Seite gewährte der Staat in natura zahlreiche Leistungen nach politischem Gutdünken unentgeltlich oder zu nur geringem Preis, wie einst der patriacharlische Gutsherr in Wahrnehmung seiner lehnsherrlichen Fürsorgepflicht" ( Willgerodt 1990, S. 140). Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß es entscheidend darauf ankommt, welche Funktionen das Geld in einer bestimmten Wirtschaftsordnung erfüllt. Im folgenden soll nun gezeigt werden, daß in den zu transformierenden Zentralverwaltungswirtschañen das Geld die für die „Vertrauensbildung" so wichtigen Geldfunktionen überhaupt nicht oder nur in höchst eingeschränktem Maße erfüllte und so die für obiges Argument zentrale Unfreiheit des Menschen im realen Sozialismus entscheidend mitverursachte. Denn nur „wenn Geld seine Funktionen als Recheneinheit, Tausch-, Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel erfüllen kann, dann verkörpert es (...) ein Stück verbriefter Freiheit: (nur) mit gutem, d.h. neutralem, stabilem, konvertierbaren und unbeschränkt verwendbarem Geld können Wahl- und Tauschakte ohne oder mit geringer zeitlicher und räumlicher Einschränkung durchgeführt werden" (Song 1992, S. 161; zu den möglichen Problemen im Falle einer sog. „Spaltung" der Geldfunktionen (z.B. Auseinanderfallen von Tausch- und Zahlungsmittelfunktion oder Wertaufbewahrungsfunktion) vgl. grundsätzlich etwa Meyer und Schüller 1976). • Politisierung
des Geldes
Eine der Grundvoraussetzungen für ein zumindest prinzipiell konsistentes gesamtwirtschaftliches Planungssystem der Zentralverwaltungswirtschaft ist darin zu sehen, daß jeder Wirtschaftsbereich von Bedeutung in das System der zentralen Planung integriert bzw. von diesem erfaßt wird; dies gilt selbstverständlich auch für den monetären Bereich. Um diese Unterwerfung auch der Geldwirtschaft unter das Diktat der zentralen Planung sicherzustellen, wurde in den realsozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften die Geldversorgung einem staatlichen Monobanksystem und - wie gesehen - dem staatlichen Devisenmonopol überantwortet. Diese beiden institutionellen Säulen der Zentralverwaltungswirtschaft sollten dafür sorgen, daß das Geld ausschließlich der Planerfüllung diente; zu diesem Zwecke haben die politisch Verantwortlichen stets ihre entsprechenden Machtbefugnisse zu nutzen versucht und das Geld „zur Kontrolle und Durchsetzung der Planerfüllung beliebig manipuliert." 37 Das einstufige Bank- und Kreditsystem (Monobanksystem) im Sozialismus war denn auch so konzipiert, daß es diese Manipulation erleichterte, wenn nicht gar forcierte. Daher läßt sich festhalten, daß
So auch Busch und Schmidt 1991, S. 178: „Das Geld fungierte hier (in den Planwirtschaften der RGW-Länder) lediglich als ein Instrument der Plangestaltung und Planrealisierung. Es diente als Exekutor des Planes."
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das Geld in der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs immer „ein extrem politisiertes und zugleich funktionsunfähiges Geld (war...). Seine Entstehung und Verwendung wurden von den politischen Instanzen bis ins Detail weitgehend gelenkt. Jede derartige Politisierung des Geldes bedeutet, daß es gegenüber stabilem und frei verwendbaren Maßstabgeld Defekte erhält" ( Willgerodt 1990, S. 139); Wentzel (1995, S. 7) spricht in diesem Zusammenhang sehr treffend von dem gerade auch im monetären Bereich allgegenwärtigen „Primat der Politik über die Ökonomie". • Eingeschränkte
Geldfunktionen
„Als Zahlungs- und Tauschmittel unterliegt das Geld im Sozialismus vielen direkten Verboten und indirekten Beschränkungen. Mit dem Geld können (...) generell keine Produktionsmittel erworben werden. Der Erwerb ausländischer Güter ist wegen der Inkonvertibilität der sozialistischen Währung kaum möglich. Aber auch als Binnenwährung und zum Erwerb inländischer Konsumgüter erfüllt es nicht die unbeschränkte Tauschmittelfunktion: Das Geld kann hier höchstens als unvollkommener Bezugsschein bezeichnet werden" (Song 1992, S. 163); so auch Hankel (1993, S. 29): „Geld in der Planwirtschaft ist lediglich ein Konsumgüterbezugsschein, so es denn diese Konsumgüter überhaupt noch gibt". Da Geld fur sich genommen in Zentralverwaltungswirtschaften wenig Kaufkraft hat, ist seine Tauschmittelfunktion stark eingeschränkt und wird zunehmend von anderen Medien wahrgenommen: „Bezugsscheine und Lizenzen zum Bezug allgemein begehrter Güter oder diese Güter selbst sind bei permanentem Mangel gute Tauschobjekte. (...). Der Tausch mit Gütern selbst ist aber ein Rückfall in die Naturalwirtschaft. Die Transaktionskosten in einem solchen System sind entsprechend hoch. Sie umfassen u.a. den Zeitaufwand beim Kauf, Bestechungsgelder, Kosten zur Beschaffung von Informationen über die verschiedenen Möglichkeiten des Gütererwerbs, Zwischenschaltung anderer Güter als Tauschmedium" (Song 1992, S. 164). Dies war im Grunde in allen Zentralverwaltungswirtschaften sowjetischen Typs der Fall: Solange staatliche Instanzen qua Dekret Höchstpreise festsetzen und damit künstlich unterhalb markträumender Preise stabilisieren konnten, war das Geld in seiner Funktion als Tauschmittel massiv eingeschränkt; ob ein Gut erworben werden konnte oder nicht, wurde nicht vom Geld allein, sondern in zunehmendem Maße vom „Platz in Warteschlangen oder Beziehungen zu den Verkäufern entschieden. (...). Die unpersönliche Gleichheit vor dem Markt, die das Geld sonst gewährt, verschwand. (...). Die Sonderversorgung politischer Führungsschichten erinnert an Privilegien von Hofschranzen und Günstlingen in der Zeit der absoluten Monarchie" ( Willgerodt 1990, S. 140 u. 141). Da in Zentralverwaltungswirtschaften sowjetischen Typs der private Erwerb von Produktionsmitteln, Grundbesitz etc. nahezu ausgeschlossen ist, existieren kaum sinnvolle Anlagemöglichkeiten für Geld. Diese eingeschränkten Verwendungsmöglichkeiten sind eine der Ursachen für die Entstehung des Geldüberhangs 38 , der zusammen mit den hohen
Neben diesem Geldüberhang gab es in den sozialistischen Volkswirtschaften einen beträchtlichen Realkapitalüberhang, „der in dem Sinne bestand, daß das vorhandene Realkapital die privaten, marktfähigen Vermögensansprüche überstieg. Das breite Spektrum der privaten Finanztitel wie z.B. Aktien, Obligationen, Grundpfandrechte oder Kreditforderungen, die in Marktwirtschaften das Pendant des vorhandenen Realkapitalbestandes sind, gab es nicht oder nur in beschränktem Maße" (Sinn und Sinn 1992, S. 68/69). Busch
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321
Kosten für die Kassenhaltung dazu führt, daß das Geld in einer sozialistischen Wirtschaft auch als Wertaufbewahrungsmittel nicht funktioniert(e) (vgl. Song 1992, S. 165; ähnlich Herr und Westphal 1991, S. 151 f.). Zusammenfassend läßt sich also feststellen: „Die geprägte Freiheit, die das Geld eigentlich verkörpern sollte, (wurde) im Sozialismus durch die vielfachen Verbote, Beschränkungen und Lenkungen der Geldverwendung auf ein Minimum reduziert. (...). Die Entfunktionalisierung des Geldes im Sozialismus hat (...) die negativen Tendenzen zur Autarkie und zum Naturaltausch (...) nur noch verstärkt" (Song 1992, S. 165 u. 166). 2.2.3. Abbau des Geldüberhangs: Bestandsgrößenstabilisierung zu Beginn der Transformation Der für Zentralverwaltungswirtschaften typische Geldüberhang entstand dadurch, daß die Regierungen ihre Haushaltsdefizite über die Notenpresse finanzierten, Betrieben nahezu uneingeschränkt die Möglichkeit zur Kreditfinanzierung ihrer Verluste eingeräumt wurde und die privaten Haushalte infolge des knappen Güterangebots nur wenig Gelegenheit zur konsumtiven Verwendung ihres Einkommens hatten - es kam zu einer geradezu klassischen Form des „Zwangssparens". 39 Der Geldüberhang hatte erhebliche Ineffiziçnzen zur Folge: „Individuais spend excessive time and resources in chasing goods and standing in queues, rather than engaging in socially-productive activities. This disrupts the production process as workers and managers have to divide their attention between their jobs and shopping activities. Furthermore, shortages reduce the ability to exchange money for goods, erode the liquidity and moneyness of money, and encourage costly barter transactions. Thus, the overhang distorts the allocation of resources" (Calvo und Frenkel 1991, S. 444). Dieser Ausdruck der Wirkungen des Geldüberhangs „in immer länger werdenden Warteschlangen oder Wartelisten, immmer höher werdenden Schmiergeldern, ständig steigenden Versorgungsengpässen, einer wachsenden Parallel- und Schwarzwirtschaft" (Song 1992, S. 166) ist letztlich ein deutliches Anzeichen dafür, daß es entgegen anderslautenden Aussagen auch in Zentralverwaltungswirtschaften durchaus Inflation gab - wenngleich auch nicht in Form der offenen Preisinflation, sondern eben in Form der zurückgestauten Inflation (Kassenhaltungsinflation) (vgl. hierzu ausführlich Cassel 1987, femer Thieme 1980 sowie Busch 1990). „Der über Jahrzehnte akkumulierte Geldüberhang bedeutet für die Transformation im Realbereich eine Quelle der monetären Störung" (Song 1992, S.
und Schmidt (1991, S. 179) bezeichnen dies als einen „Zustand allgemeiner Disproportionalität in der Wirtschaft", dessen unmittelbarer Ausdruck „das Auseinanderfallen von materiellen und monetären Prozessen (war). Es wurden Geldeinkommen gebildet, für die es auf dem Markt keine Realisierungsmöglichkeiten gab. In den Sparprozessen dokumentierte sich zunehmend ein wachsender Geldüberhang (...und) die Kreditbelastung der Unternehmen überstieg jedes ökonomisch vertretbare Maß." „(Die Zentralverwaltungswirtschaften) waren mit mehr Liquidität ausgestattet, als fur Transaktionszwecke benötigt wurde (...). Der Geldüberhang war möglich, weil Preisanstiege und Zinssenkungen, die sich in einer Marktwirtschaft eingestellt hätten, per Dekret ausgeschlossen waren. (...). Ein etwas vergröbertes, aber zutreffendes Bild einer kommunistischen Wirtschaft ist es, daß die Haushalte übermäßig mit Geld ausgestattet sind, aber Geld so ziemlich alles ist, was sie besitzen" (Sinn und Sinn 1992, S. 68 u. 69).
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167), da „mit der Installierung von Märkten und der Freigabe der Preisbildung (...) Preisniveaueffekte und damit einhergehend monetär verursachte Verzerrungen bei der Entstehung einer Struktur relativer Preise verbunden (wären)" (Gutmann 1991, S. 68). Zum Abbau des Geldüberhangs werden in der Literatur verschiedene Verfahren vorgeschlagen. 40 Erstens könnte man die Preise frei geben, so daß der Überhang gleichsam weg-inflationiert, d.h. die Kassenhaltungsinflation gegen eine Preisinflation eingetauscht würde, wie es etwa in Frankreich und Italien nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war. Zweitens könnte man den Geldüberhang wegsteuern, d.h. über eine entsprechende Besteuerung abschöpfen, oder staatseigenes Sachvermögen verkaufen und die dabei erzielten Erlöse anschließend vernichten. Eine dritte Möglichkeit bestünde darin, einen Währungsschnitt durchzufuhren und die Preise dann - allerdings erst nach einer kurzen 'Übergangszeit' - frei zu geben. Eine weitere Variante bestünde in der Wiederholung des Vorgehens in Westdeutschland vom Juni 1948, d.h. in der Freigabe der Preise bei simultaner Vernichtung des Geldüberhangs durch eine Währungsreform. 41 Dieser Katalog von Verfahren zum Abbau des Geldüberhangs erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sicherlich sind auch noch andere Varianten und auch Kombinationen verschiedener Verfahren möglich. 42 Freilich gibt es auch hier kein Patentrezept: Die jeweils obwaltenden Umstände - insbesondere das Ausmaß des Überhangs - und die Zielvorstellungen der politischen Entscheidungsträger bzw. die von diesen gesetzten Prioritäten bezüglich der angestrebten Stabilisierungs-, Allokationsund Verteilungswirkungen entscheiden letztlich darüber, welche Methode der Abschöpfung als die zweckmäßigste anzusehen ist.43 In den Transformationsländern wurden denn auch tatsächlich unterschiedliche Verfahren der Abschöpfung angewandt. Als besonderes Problem erwies sich jedoch vielfach der Umstand, daß genauerere Kenntnisse über das exakte Ausmaß des Geldüberhangs zu Beginn des Prozesses oftmals aus verschiedenen Gründen nicht vorlagen, so daß insoweit die Auswahl der jeweils geeignetsten Abschöpfungsmethode schon allein aus diesem Grunde schwerfiel (Thieme 1991, S. 23 f.). „Dies (lag, T.B.) zum einen an den Unzulänglichkeiten der monetären Zentralplanung und an der Unmöglichkeit der exakten Trennung von Bargeld- und Buchgeldkreislauf, zum anderen in einfachen Schätz- und Meßproblemen, die auch in einem
40
Die folgenden Ausfuhrungen stützen sich auf die Übersicht bei Gutmann (1991), a.a.O., S. 68 ff. sowie die dort angegebene Literatur.
41
Zur Bedeutung einer Währungsreform (und der Notwendigkeit einer diese "begleitenden Einkommenspolitik') siehe etwa Herr und Westphal 1991, insbes. S. 151 f.).
42
Siehe etwa den Vorschlag von Calvo und Frenkel (1991, S. 445 f.) „(...) to increase the attractiveness of domestic liquid assets through a rise in the rate of interest paid on domestic-currency deposits." Die beiden anderen von diesen Autoren vorgeschlagenen Verfahren („a rise in prices associated with price liberalisation and a reduction in liquidity") decken sich weitgehend mit den bereits genannten. Gerade im Hinblick auf die Verteilungswirkungen („Abschöpfungs-Inzidenz") sollte in jedem Fall bedacht werden, „daß die verschiedenen Verfahren unterschiedliche Bevölkerungsschichten stärker oder weniger stark belasten. Eine Währungsreform (beispielsweise) trifft vor allem die Sparer, eine inflationistische Anpassung an den vorhandenen Geldüberhang trifft in erster Linie die Einkommensbezieher (hier: Konsumenten, T.B.)"
(Gutmann 1991, S. 69).
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direkten Zusammenhang stehen mit den Besonderheiten des in allen zentralverwaltungswirtschaftlichen Lenkungssystemen quantitativ und qualitativ extrem bedeutungsvollen schattenwirtschaftlichen Sektors" (Wentzel 1995, S. 168). Bei aller zu konzedierenden Unkenntnis über das exakte Ausmaß des Geldüberhangs in den verschiedenen Ländern konnten jedoch zumindest ordinale Vergleiche mit brauchbarem Aussagewert getroffen werden: So wird übereinstimmend berichtet, daß beispielsweise in Rußland der Geldüberhang zu Beginn der Transformation bei weitem größer war als derjenige in der CSFR. Wenngleich also zuzugeben ist, daß insoweit erhebliche Unterschiede in den Startbedingungen dieser beiden (und auch anderer) Länder bestanden haben, halte ich es jedoch für übertrieben und unangebracht, diese Unterschiede sowie die durch sie maßgeblich mitverursachten entsprechenden Unterschiede in den Abschöpfungsstrategien für Transformationserfolg bzw. -misere im jeweiligen Land verantwortlich zu machen. Denn letztlich geht es ja bei der Beseitigung des Geldüberhangs „lediglich" um die Stabilisierung der monetären Bestandsgrößen. Wenngleich hier sicherlich viel im Hinblick auf eine solide „Weichenstellung" zu Beginn des Transformationsprozesses getan werden kann, besteht die wichtigere und wohl auch schwierigere Aufgabe letztlich in der anschließenden Stabilisierung der Stromgrößen. Dazu allerdings bedarf es nicht nur einer entsprechenden Geld- und Kreditpolitik, sondern eben auch des wohldosierten Zusammenspiels mit anderen Politikbereichen, so etwa insbesondere einer erfolgreichen De-Monopolisierung. Die Beachtung der vielbeschworenen Interdependenz der Teilordnungen und Politikbereiche ist gerade für das Gelingen der Stromgrößenstabilisierung von besonderer Bedeutung; diese Einschätzung wird im übrigen durch die tatsächliche Entwicklung bestätigt und auch von Autoren jüngerer Veröffentlichungen geteilt.44 Dies betrifft aber selbstverständlich nicht nur die Geldpolitik im engeren Sinne, sondern auch die vorgelagerten institutionellen Veränderungen, beispielsweise die Schaffung eines zweistufigen Bankensystems: So kann die Etablierung eines wettbewerblichen Geschäftsbankensektors, die ja eine institutionelle Veränderung auf der Angebotsseite des Geldmarktes darstellt, nur gelingen und positive Effekte zeitigen, wenn auch die entsprechenden institutionellen Veränderungen auf der Marktgegenseite erfolgen - auch hier zeigt sich die Bedeutung der Interdependenz: „Ein funktionstüchtiger Wettbewerb im monetären Sektor setzt voraus, daß die Nachfrage-
So sei zum o.g. Zusammenhang beispielhaft ein längerer Abschnitt aus der bereits mehrfach genannten Untersuchung von Wentzel (1995, S. 86) zitiert: „Für die in allen Transformationsländern zu beobachtende Fortdauer hoher Inflationsraten ist der anfängliche Geldüberhang jedoch nicht entscheidend. Unabhängig von der gewählten Strategie ist die anfangliche Inflationsrate nach erfolgter Freigabe der Preise in erster Linie ein einmaliges Sprungproblem, also ein Problem einer Bestandsgrößenumstellung. (...). Ein andauernder (...) Inflationsprozeß ist hingegen eher ein Stromgrößenproblem (...). (So...) hat sich in allen Transformationsländern nach einem einmaligen scharfen Anstieg der Inflationsrate eine relativ breite Sockelinflation (...) festgesetzt. Die Vermutung liegt nahe, daß die Ursachen hierfür nicht allein im monetär-institutionellen Bereich liegen, sondern vielmehr auch in der monopolistischen Kombinatsstruktur begründet sind."
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macht der 'alten' Kombinate auf dem Geld- und Kapitalmarkt durch eine konsequente De-Monopolisierung des Gütermarktes beseitigt wird." 45 2.2.4. Schaffung eines zweistufigen Bankensystems und stabilisierung durch eine stabilitätsorientierte Geldpolitik
Stromgrößen-
In den früheren Zentralverwaltungswirtschaften der sozialistischen Staaten Mittelund Osteuropas gab es eine sog. „Spaltung" des Geldmarktes. Diese bestand aus der strikten Trennung des Bargeldkreislaufs zur Versorgung der privaten Haushalte auf der einen vom Buchgeldkreislauf der zentralen Kapitalallokation im Unternehmens- und Banksektor auf der anderen Seite. Um diese Trennung durchzuhalten, wurde beispielsweise den Betrieben untersagt, Bargeldbestände zu halten oder sich gegenseitig Lieferantenkredite zu gewähren; in der Praxis freilich zeigte sich, daß die angestrebte strikte Trennung der beiden Geldkreisläufe gegen den Willen der Betroffenen nicht vollständig durchgesetzt werden konnte (vgl. hierzu ausfuhrlich Wentzel 1995, insbesondere S. 613). Die Schaffung eines zweistufigen Bankensystems - bestehend aus einer nicht weisungsgebundenen Zentralbank auf der einen und einem wettbewerblich organisierten Geschäftsbankensektor auf der anderen Seite - kann nun als unabdingbare Voraussetzung angesehen werden, um diese für Zentralverwaltungswirtschaften typische „Spaltung" des Geldmarktes in zwei Geldkreisläufe aufzuheben und eine wirksame Kontrolle über die Geldmenge insgesamt zu gewinnen (vgl. beispielhaft Hartwig 1996, S. 202 f.). 2.2.4.1. Unabhängigkeit der Zentralbank In der Errichtung einer nicht-weisungsgebundenen zentralen Notenbank wird gemeinhin eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Etablierung einer stabilitätsorientierten neuen Geldordnung gesehen. In diesem Zusammenhang wird dem bundesdeutschen Modell vielfach Vorbildcharakter beigemessen; ohne diese Unabhängigkeit - oder besser: Nicht-Weisungsgebundenheit 46 - der Notenbank wäre die Wahrscheinlichkeit
„Die De-Monopolisierung des Gütermarktes ist die hinreichende Bedingung für eine glaubwürdige Marktaustrittsdrohung, denn dadurch kann die politische Verhandlungsmacht der Unternehmen geschmälert und zugleich die Abhängigkeit der Geschäftsbanken vom Fortbestand überschuldeter oder zahlungsunfähiger Unternehmen gemindert werden"
(Keilhofer 1995, S. 191). So sollte man sich von der Vorstellung freihalten, die Deutsche Bundesbank sei etwa „unabhängig" in dem Sinne, daß sie keinerlei konkreten Zielen verpflichtet und deshalb in ihrer Politik gleichsam „völlig frei" sei. In Anbetracht der sehr eindeutigen Festlegung auf das Ziel der Preisniveaustabilität, das das Bundesbankgesetz vorsieht, erscheint eine solche Vorstellung nachgerade absurd; so läßt sich im Grunde schwerlich ein „restriktiveres" Zentralbankgesetz vorstellen als das bundesdeutsche. So kann die Bundesbank ihre Geldpolitik selbstverständlich keinesfalls etwa „unabhängig" von den jeweils obwaltenden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen betreiben, im Gegenteil: Gerade diese Rahmenbedingungen sind es, die die zur Wahrung der Preisniveaustabilität notwendigen geldpolitischen Maßnahmen gleichsam vorgeben. Mithin kann nicht oft genug betont werden, daß die vielzitierte und außerhalb der ökonomischen Zunft oft mißverstandene „Unabhängigkeit" sich „lediglich" auf das faktische Einmischungsverbot (im Sinne eines fehlenden Weisungsrechts) politischer Entscheidungsträger wie Regierungschef oder Fi-
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groß, daß die politisch Verantwortlichen und Weisungsbefugten (etwa der Finanzminister) der Versuchung erliegen, den gerade im Transformationsprozeß immens hohen Finanzbedarf über die Betätigung der Notenpresse zu decken. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie in der überwiegenden Mehrzahl der Transformationsländer geschehen - mit der umfangreichen wirtschaftlichen Umgestaltung eine entsprechende Veränderung der politischen Strukturen weg von der Einparteiendiktatur hin zu demokratischen Verhältnissen angestrebt wird: Ist ein Finanzminister auf ein positives Wählervotum angewiesen, wird er sich mit unpopulären Maßnahmen wie Steuererhöhungen zunächst schwertun; ein Ausufern der öffentlichen Verschuldung ist ebensowenig zu begrüßen da käme der bequeme „Königsweg" der Finanzierung über die Notenpresse der Zentralbank gerade recht. Dies jedoch würde die dringend notwendige Geldwertstabilisierung im Keime ersticken: Ist nicht einmal das institutionelle Gefuge des Geldmarktes - die Geldordnung - auf Stabilität ausgerichtet, braucht über eine der Stabilität des Geldwertes verpflichtete Geldpolitik gar nicht erst nachgedacht zu werden. Die zentrale Notenbank muß allerdings nicht nur von den Unwägbarkeiten der Tagespolitik im Sinne punktueller und willkürlicher Interventionen und Anweisungen unabhängig sein, sondern auch mit einem entsprechenden geldpolitischen Instrumentarium ausgestattet werden (Hartwig 1995, S. 11; ferner Michler und Thieme 1991). Diese „Mixtur" institutioneller und prozeßpolitischer Herausforderungen stellte die meisten Transformationsländer angesichts des durch die sofort ergriffenen Maßnahmen zur Liberalisierung der Preise ausgelösten Inflationsdrucks unmittelbar nach dem Zusammenbruch natürlich vor erhebliche Probleme; Herrmann-Pillath brachte dies einmal wie folgt auf den Punkt: „Das Dilemma der Geldpolitik im engen Sinne besteht (...) darin, daß die benötigten Instrumente genau jenen institutionellen Wandel bereits voraussetzen, der erst durch die Transformation erfolgen soll" {Herrmann-Pillath 1991a, S. 18). Es zeigte sich jedoch, daß zumindest die „formal-institutionellen Probleme" alsbald angegangen werden sollten47 : So haben „alle mittel- und osteuropäischen Transformationsstaaten zumindest versucht, die institutionellen Voraussetzungen für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik zu schaffen. Es wurden zweistufige Bankensysteme etabliert (...). Die Notenbanken verfügen über ein geldpolitisches Instrumentarium, das Mindestreserven, Refinanzierungsquoten, Refinanzierungssätze, teilweise sogar Auktionen zur Zuteilung von Zentralbankgeld umfaßt" (Hartwig 1995, S. 12/13). Freilich gab (und gibt) es auch Ausnahmen - so beispielsweise in Rußland, wo es nicht gelang (bzw. offenbar nicht wirklich beabsichtigt war), eine „unabhängige" zentrale Notenbank zu etablieren.48 Dies ist in Ungarn und Tschechien grundlegend anders geregelt: Dort
nanzminister bezieht. Demgegenüber kann etwa die Notenbank der USA geradezu aus einer Fülle von Zielen „auswählen" (Stabilisierung des Außenwerts der eigenen Währung, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit etc.). Im übrigen war auch die Kreditvergabe des IWF an entsprechende monetäre Stabilisierungsprogramme geknüpft, deren Kern i.d.R. in der Schaffung eines zweistufigen Bankensystems mit unabhängiger Notenbank bestand; vgl. hierzu beispielhaft: OECD (ed.) (1992). So berichtete etwa Müller (1993, S. 154): „Sehr nachteilig macht sich der überragende Einfluß des Parlamentes auf die Zentralbank und damit die Geldpolitik bemerkbar. Dieser Einfluß ist sowohl direkt als auch indirekt - über den Einfluß bei der Berufung der Zen-
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folgte m a n bei der Zentralbank- und Kreditwesengesetzgebung weitgehend d e m deutschen Vorbild, etablierte ein zweistufiges Bankensystem
und sicherte der Zentralbank
weitgehende Unabhängigkeit von Regierung und Parlament zu. Einer auf die Stabilisierung des Geldwertes verpflichteten Zentralbank fällt vor allem die A u f g a b e zu, im Anschluß an die primär auf die Stabilisierung der Bestandsgrößen ausgerichteten M a ß n a h m e n d a f ü r zu sorgen, daß sich so etwas wie eine „Stabilitätskultur" herausbilden kann, es geht also u m die dauerhafte und die Marktprozesse gleichsam begleitende Stabilisierung der Stromgrößen. Dies bedeutet zunächst einmal, daß für laufende Geldversorgung grundsätzlich eine Politik des knappen Geldes gewählt werden sollte 4 9 , um einen Zinsanstieg auf d e m Geldmarkt zu bewirken: „Liegt das Angebot an Zentralbankgeld unter der Geldnachfrage, ist ein Zinsanstieg am Geldmarkt die Folge. Damit die Kreditinstitute sich in dieser Situation nicht verstärkt bei der Notenbank refinanzieren, müßte die Notenbank die Zinssätze anheben. Der Zinsanstieg wirkt aber d ä m p f e n d auf die Kreditexpansion der Geschäftsbanken und vermag die Geldkapitalbildung anzuregen. Beides kann dazu beitragen, eine verstärkte Z u n a h m e der G e l d m e n g e zu verhindern" (Wienen 1994, S. 44/45). So ist denn auch in einigen Transformationsländern die Preisliberalisierung von einer Stabilisierung im o.g. Sinne begleitet, d.h. die Expansion der Kreditnachfrage durch höhere Zinsen begrenzt bzw. sogar absolut g e d ä m p f t worden - so beispielsweise in Polen, Ungarn und auch der damaligen C S F R (vgl. etwa Keilhofer 1995 und Lipowski 1991). N u n ist es für die Zentralbank nicht ganz einfach, im Verlaufe des Transformationsprozesses das richtige „ T i m i n g " zu finden: So ist die o.g., eine ausufernde Kreditnachfrage verhindernde, „Hochzinspolitik" zu Beginn der Transformation nicht nur aus den genannten grundsätzlichen stabilitätspolitischen Erwägungen zu begrüßen, sondern auch, u m die (alten Staats-)Unternehmen zu disziplinieren. D o c h kann eine solche Politik des knappen Geldes, wie wir noch sehen werden, in späteren Phasen das Fortkomm e n des Transformationsprozesses bremsen oder gar verhindern. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, w e n n sich eine solche Politik in entsprechend restriktiver Weise auf die Kreditvergabepraxis der Geschäftsbanken auswirkt, unter der in späteren Phasen des Transformationsprozesses insbesondere die dann aufstrebenden j u n g e n Unternehm e n zu leiden haben, sind diese doch in der Regel gerade zu B e g i n n auf eine entsprechende Kapitalausstattung angewiesen. Es versteht sich, daß eine effiziente Geldversorgung j e d o c h nicht nur an der falschen Geldpolitik der Zentralbank scheitern kann, sondern selbstverständlich auch und insbesondere an die Existenz leistungsfähiger Geschäftsbanken gebunden ist. Eine weitere wichtige, damit eng verknüpfte Voraussetzung
tralbankspitze - gegeben. Auch wurde auf die Festsetzung von Obergrenzen für die Finanzierung des Haushaltsdefizites über die Geldschöpfung verzichtet. Da die im Parlament vertretenen Fraktionen nicht fur die Folgen ihrer inflationstreibenden Politik einzustehen haben (diese werden der Regierung angelastet), ist von ihnen kein stabilitätsorientiertes Verhalten zu erwarten." Dafür sprachen sich viele Experten bereits ganz zu Beginn des Transformationsprozesses aus, vgl. etwa folgende zwar auf die deutsche Situation bezogene, in diesem Zusammenhang gleichwohl repräsentative, Quellen: Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium fur Wirtschaft (1989, S. 7), Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1990, Ziffer 387).
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ist in einem effizient arbeitenden Kapitalmarkt zu sehen; diesen beiden Aspekten sind die folgenden Ausfuhrungen gewidmet. Dabei wird deutlich werden, daß sich gerade am Beispiel der Schaffung eines insgesamt leistungsfähigen Finanzsystems in den Transformationsländern das „Interdependenz-Problem" trefflich illustrieren läßt: So hängt der Transformationserfolg insgesamt - die Errichtung einer marktwirtschaftlichen Ordnung sowie deren Leistungsfähigkeit überhaupt -, mithin der Erfolg von Transformationsmaßnahmen in nahezu allen anderen Bereichen, „von einem leistungsfähigen Finanzsystem ab; jedoch können die Reformbestrebungen in diesem Sektor (wiederum, T.B.) nicht unabhängig von den anderen Reformen vorankommen (...)" (Weltbank 1996, S. 121). 2.2.4.2. Geschäftsbanken als Universalbanken Das Bankensystem („Monobanksystem") in den früheren Zentralverwaltungswirtschaften unterschied sich grundlegend von demjenigen etablierter Marktwirtschaften: Es gab sog. Monobanken, die gleichzeitig Zentralbank- und Geschäftsbankfunktionen ausübten und denen üblicherweise sog. „Spezialbanken" mit bestimmten Aufgabenbereichen unterstanden. Die Banken waren „reine Verwaltungsorgane. Sie nahmen passiv Einlagen der Haushalte entgegen (...) und sie führten die finanziellen Transaktionen durch, die für die Allokation nach dem Plan erforderlich waren (...); in den meisten Ländern gab es keine Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des Bankensektors (...und) sämtliche Kreditgeschäfte wurden von einer einzigen Bank durchgeführt" (Weltbank 1996, S. 121). Wie bereits erwähnt, wurde mit dem institutionellen Umbau dieses Systems in ein zweistufiges Bankensystem in den meisten Transformationsländern schon recht bald begonnen. Viele Länder - so etwa die vier Visegrád-Staaten - entschieden sich für die Einführung eines Universalbankensystems, d.h., es sollte allen Geschäftsbanken grundsätzlich das Recht zum Betreiben sowohl des Einlagen- und Kreditgeschäfts als auch des Investmentgeschäfts eingeräumt werden. Nachdem diese grundsätzliche institutionelle Umgestaltung des Bankensektors abgeschlossen ist, geht es im wesentlichen um die Bewältigung funktionaler bzw. „prozessualer" Probleme. So schrieben etwa bereits Rupf, von Schimmelmann und Stalf (1993, S. 137): „(Es) läßt sich zwar weitgehend die Verwirklichung des zweistufigen Bankensystems feststellen, aber funktionell bestehen teils erhebliche Mängel. Altlasten und langsame Reformschritte beeinträchtigen die Erfolgschancen (...). Bei den Altlasten ist hierbei besonders zu denken an die Verbindung staatlicher Banken mit ebenfalls noch staatlichen Unternehmen ohne strikte 'budget constraints'." Die beiden wohl wichtigsten Aufgaben in diesem Zusammenhang sind folgende: Der Wettbewerb zwischen den Geschäftsbanken, „die häufig über ein regionales oder sektorales Monopol verfugen", muß intensiviert und ihr Kreditportfolio „bereinigt" werden (Jochem 1996, S. 123; die folgenden Ausführungen beruhen - sofern nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet - im wesentlichen auf dieser Quelle). Wie im folgenden zu zeigen sein wird, können diese beiden Probleme nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Zur Intensivierung des Bankenwettbewerbs zwecks „Gesundung" des Geschäftsbankensystems lassen sich im wesentlichen zwei Strategien verfolgen: Zum einen kann der Versuch unternommen werden, die angeschlagenen Staatsbanken zu sanieren
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(diesbezügliche Versuche gab es etwa in Polen oder auch in Ungarn), zum anderen kann verstärkt auf die Zulassung neuer privater Banken, auch aus dem Ausland, gesetzt werden. Als - freilich etwas „extremes" - Beispiel für die letztgenannte Strategie läßt sich etwa Rußland anführen, wo sich bemerkenswerterweise so etwas wie eine „spontane Ordnung" im Bankenbereich herausgebildet hat: Die Verabschiedung entsprechender Gesetze und eindeutiger Verordnungen, die gerade für die Entwicklung eines stabilen Bankwesens gemeinhin für unabdingbar gehalten werden, ließen in Rußland so lange auf sich warten, daß sich die Wirtschaft selbst gleichsam dazu gezwungen sah, „aus der Not eine Tugend" zu machen: Es kam zu einem wahren Gründungsboom im Bankenbereich: „Wegen der weitgehenden Liberalisierung des Bankensektors - die aus der Unfähigkeit zu jeglicher Form der Regulierung resultierte - waren mit der Gründung einer Bank nur sehr geringe Schwierigkeiten verbunden. Die gesetzlichen Grundlagen für die Tätigkeit der Geschäftsbanken wurden erst Ende 1990 geschaffen, zu einem Zeitpunkt, als bereits ca. 800 Banken ihre Tätigkeit aufgenommen hatten. Die Schwäche der staatlichen Gewalt war (...gleichsam, T.B.) notwendige Bedingung für diesen Gründungsboom" (Müller 1997, S. 53). Gerade mit Blick auf die Situation in Rußland (und etwa auch Estland) bestätigt auch die Weltbank, daß eine „Periode relativ freier Zugangsmöglichkeiten (...) den Aufbau dezentraler Institutionen stimulieren (kann)." Andererseits, so wird zu Recht betont, seien unter solchen Voraussetzungen freilich besondere Anstrengungen vonnöten, „um die Anwärter für neue Banken besser überprüfen zu können (...) und die Infrastruktur für das Bankwesen (...) zu verbessern" (Weltbank 1996, S. 125). Die Regierungen vieler Transformationsländer waren und sind jedoch im Hinblick auf die Öffnung des Marktes für Auslandsbanken sehr zurückhaltend; der Grund fur diese zögerliche Haltung hat mit einem ganz grundsätzlichen Problem zu tun, das sich schon bald als ein wesentlicher, wenn nicht gar als der Hemmschuh schlechthin erweisen sollte: das Problem der Altschulden, die aus der Zeit der Zentralverwaltungswirtschaft übernommen wurden. Wegen der Bedeutung der Altschulden sollen die folgenden Ausführungen zum Bankenbereich weitgehend auf dieses Problem beschränkt werden. So wird sich zeigen, daß auch - und gerade - dann, wenn statt der „Erneuerungsstrategie" die „Sanierungsstrategie" gewählt wird, das Problem der Altschulden mitunter geradezu paralysierende Auswirkungen in unterschiedlichen Bereichen haben und die Gefahr eines „Ausbremsens" bzw. womöglich gar einer Umkehrung des gesamten Transformationsprozesses (sog. „roll-back") heraufbeschwören kann. Die Staatsbanken besaßen beim Start in die „neue Welt" mangels privater Wettbewerber zunächst zwar weiterhin den Vorteil ihrer regionalen oder sektoralen Monopolstellung. Andererseits jedoch - und dies gilt insbesondere für die staatlichen Großbanken - litten sie unter sog. „notleidenden Krediten", die sie von der ehemaligen Monobank übernommen hatten und deren Hintergrund die durch die administrative Kreditvergabepraxis der damaligen Zentralverwaltungswirtschafl hervorgerufenen o.g. Altschulden der alten Staatsbetriebe bildeten (und noch bilden): Diese Kredite, deren damalige Vergabe eben nicht nach (marktwirtschaftlichen Kriterien, sondern nach den Geboten des Zentralplans, mithin vor allem nach politischem Kalkül bzw. purer Willkür erfolgte, bedeutete für die staatlichen Unternehmen eine enorme Hypothek beim Start in den Wettbewerb. Obwohl diese Altschulden letztlich jeder vernünftigen wirtschaftlichen Grundlage entbehren, stellen sie gleichwohl eine buchhalterische bzw. bilanzielle Reali-
Zum Primat der Ordnungspolitik im Transformationsprozeß
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tät dar, die sowohl die Schuldner-Unternehmen als auch die Gläubiger-Banken erheblich belastet. So haben die Staatsbanken schließlich nicht nur „weiche Forderungen" in Form der nun notleidenden Kredite an Staatsuntemehmen aus der Zentralverwaltungswirtschaft übernommen, sondern auch Verbindlichkeiten; diese bestehen im wesentlichen aus den („Zwangs-")Spareinlagen der privaten Haushalte (s.o.). Diese Situation hat nun erheblichen Einfluß auf das Kreditvergabeverhalten der staatlichen Geschäftsbanken: Die staatlichen Banken können an einem endgültigen Ausscheiden dieser Betriebe kaum interessiert sein, da mit deren Ausscheiden aus dem Markt gleichsam uno actu ihre eigene Überschuldung verbunden wäre (plötzlicher und unwiderbringlicher Totalausfall der Forderungen bei unverändertem Stand der Verbindlichkeiten). Also werden die Staatsbanken die „alten" Unternehmen bei der Kreditvergabe (weiterhin) bevorzugt behandeln, kann doch auf diese Weise - angesichts leerer öffentlicher Kassen und damit, zumindest tendenziell, spärlicher fließender Subventionszahlungen - gewissermaßen durch „Überbrückungskredite" zum einen ein sofortiges Ausscheiden verhindert werden.50 Zum anderen werden die Banken diese Betriebe aber auch dann bevorzugen, wenn es nicht um solche Überbrückungs-, sondern um echte Innovationskredite geht: So kann die Bank bei der Kreditvergabe an einen Altschuldner darauf hoffen, daß dieser im Falle eines Erfolges nicht nur den neuen Innovationskredit, sondern zusätzlich zumindest einen Teil der Altschulden zurückzahlen kann; diese Möglichkeit besteht bei der Kreditvergabe an einen „neuen" Nachfrager hingegen nicht, anders gewendet: „Aus Sicht der Bank sind die Refinanzierungskosten des alten Kredits sunk costs und spielen bei der Anlageentscheidung keine Rolle" (Jochem 1996, S. 126, Hervorhebung im Original).31 Zum Problem der adversen Selektion bei der Kreditvergabe kommt es dennoch, allerdings erst durch die Fehlanreize bei der Mittelverwendung auf Seiten des Kreditnehmers, auf die die Bank keinen unmittelbaren Einfluß nehmen kann: So läßt sich anhand eines von Jochem verwendeten Modells zeigen, daß „der schuldenfreie Unternehmer die (...weniger riskante) Alternative wählen, sein verschuldeter Mitbewerber hingegen der riskanteren Variante den Vorzug geben wird" (ebd., S. 130). Da jedoch das höhere Risiko hier keinesfalls mit höheren Ertragschancen korrespondieren muß, kommt es zu erheblichen Verzerrungen. Dieses hier modellhaft skizzierte Verhalten der Banken konnte insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses häufig beobachtet werden; die Auswirkungen sind vielfach noch heute zu spüren. So wurden weiterhin Kredite an die Altschuldner vergeben, diese fanden tatsächlich keinesfalls immer die effizienteste Verwendung für die neu vergebenen Kredite, und so stellte sich das Problem im Grunde stets aufs Neue: „Rückständige Zins- und Tilgungsleistungen wurden
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In diesem Sinne heißt es bei Müller (1993, S. 154): „Eine Einstellung der Kreditvergabe an diese Unternehmen würde (...) den Bankrott eines großen Teils der staatlichen Industrie und damit auch der Großbanken nach sich ziehen. Diese Verhältnisse erschweren eine Ausrichtung der Geschäftspolitik der staatlichen Großbanken nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten und ihre Restrukturierung und Privatisierung." Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, daß die Altschulden nicht unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zustandegekommen sind, man mithin aus der Höhe dieses Schuldenstandes keineswegs notwendig auf die ökonomische Leistungsfähigkeit eines Altschuldners - und damit die Erfolgsaussichten seiner Investitionsvorhaben - schließen kann.
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auf diese Weise weitergewälzt, wodurch sich der Bestand an nicht vertragsgemäß bedienten Krediten drastisch erhöhte - zeitweilig hatten sie den größten Anteil an den Portfolios der Banken - und soliden Darlehensnehmern zunehmend die Chancen auf Kredite verwehrt wurden" ( Weltbank 1996, S. 122). An dieser Stelle sei betont, daß bei den bisherigen Überlegungen unterstellt wurde, die Unternehmen (Kreditnachfrager) würden allein über die Verwendung des Kredits entscheiden. Spätestens seit der weitgehenden Aufhebung bzw. Aufweichung der insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses in vielen Ländern bestehenden restriktiven Vorschriften bezüglich der Unternehmensbeteiligungen von Banken ist dies jedoch eine heroische Annahme, wie sich insbesondere im Zusammenhang mit der Privatisierung - genauer: bestimmten Privatisierungsverfahren - zeigen läßt. Die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten - im Verein mit der o.g. grundsätzlichen Altschuldenproblematik - haben zu den in der jüngeren Vergangenheit in einigen Transformationsländem zu beklagenden schweren Bankenkrisen beigetragen. So kann kein Zweifel darüber bestehen, daß in der Privatisierung, auf die im nächsten Unterkapitel noch ausfuhrlich eingegangen werden wird, eine wichtige Voraussetzung bzw. ein wichtiges Instrument zur Schaffung einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu sehen ist. Gleichzeitig allerdings war ebenfalls nicht daran zu zweifeln, daß eine Privatisierung der Staatsbetriebe ohne deren vorherige Entschuldung kaum würde erreicht werden können. Eine Entschuldung „per Federstrich" hätte zwar einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil und damit das o.g. Privatisierungshindemis beseitigt. Gleichzeitig jedoch hätte man buchhalterisch korrekt - das entsprechende Äquivalent aus den Bilanzen der Banken streichen müssen; dies hätte bei den meisten unweigerlich deren sofortige Überschuldung und damit das Ausscheiden aus dem Markt bedeutet. Ein „Bankensterben" wiederum konnte man sich - insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses - schon allein deshalb nicht leisten, weil es das Vertrauen der Bevölkerung in die gerade erst entstehende neue Wirtschaftsordnung zutiefst erschüttert hätte, wenn man gerade einen so ,.hochsensiblen" Bereich wie den Finanzsektor solchen Schocks ausgesetzt und dies dann auch noch mit dem ausdrücklichen Bemühen um „Stabilisierung" begründet hätte. Eine in diesem Zusammenhang - bisweilen auch heute noch - diskutierte Ausweichlösung hätte darin bestehen können, den verschuldeten Staatsunternehmen eine Art „Ausgleichsforderung" gegen den Staat - in Höhe ihrer „unverschuldeten" Altschulden zu gewähren. Diese in die Aktivseite der Untemehmensbilanzen eingebuchte Ausgleichsforderung hätte dann an die Gläubiger-Banken „weitergereicht" werden können, um danach die formelle Entschuldung vorzunehmen. Auf diese Weise hätte man den Banken gleichsam einen „ex-ante-Ausgleich" für den dann unwiderbringlichen Verlust der Altforderungen einräumen können. Anders gewendet, die bei den Banken verschuldeten und zur Privatisierung anstehenden Staatsunternehmen hätten ihre Schulden durch Weiterreichung der ihnen vom Staat gegen dessen „eigenen" Haushalt gewährten Ausgleichsforderung getilgt. Indes hängt der Erfolg eines solchen Vorgehens grundsätzlich davon ab, daß sich die „buchhalterischen Veränderungen" tatsächlich ausschließlich auf die Zeit vor Beginn der Transformation beziehen. Auf gar keinen Fall darf es dazu kommen, daß „alte" und „neue" Schulden miteinander vermengt und dann die Ankündigung der Gewährung einer Ausgleichsforderung gleichsam als Einladung zu verschwenderischem Wirtschaften mißverstanden werden könnte. In einem solchen Fall
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könnte bei den Staatsuntemehmen - Betrieben wie Banken - leicht der Eindruck entstehen, die „Überlebensgarantie" würde nun im neuen System unverändert fortgesetzt. 52 Die o.g. „Vermengung" ist jedoch im Grunde unvermeidlich, solange a) der „Stichtag" nicht exakt festgelegt wird, b) selbst bei eindeutigem Stichtag die termingenaue Zurechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten nicht gelingt, und c) einige der Verantwortlichen in den Staatsunternehmen ein vitales Eigeninteresse haben, eine solche Zurechnung durch entsprechende „Verschleierungstaktik" zu vermeiden. Mit Blick auf diese Bedingungen läßt sich ganz allgemein feststellen, daß es um eine Entschuldung „via Ausgleichsforderung" nach der o.g. Methode in den meisten Transformationsländem schlecht bestellt war (bzw. noch ist). Da sich die Voraussetzungen für eine gleichsam „nachträgliche" Lösung des Altschuldenproblems im Grunde mit jedem Tag Abstand zu dem in der Vergangenheit liegenden fiktiven Stichtag verschlechtern, muß man die hier skizzierte Stabilisierungsmethode wohl unter der Rubrik „vergebene Chancen" abbuchen. Es wurde bereits angedeutet, daß es noch einen weiteren, die Lage auf dem Bankenmarkt erschwerenden Aspekt gibt, der ebenfalls mit der Altschuldenproblematik und der Privatisierung zusammenhängt. Da es dabei jedoch um ein Problem geht, das im wesentlichen nur im Zusammenhang mit einem ganz bestimmten Privatisierungsverfahren - der sog. „Voucher-Methode" („Massenprivatisierung") - auftritt, erscheint es so sinnvoll wie gerechtfertigt, die Erörterung dieses Problems erst im Rahmen des nächsten Unterkapitels vorzunehmen. Nun folgen noch einige Anmerkungen zum Problem der Entwicklung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes, um so das Bild des Finanzsektors insgesamt abzurunden. 2.2.5. Schaffung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes Im letzten Kapitel wurde die Bedeutung der Akkumulation als eine von drei Triebkräften des Marktprozesses erörtert. Nun muß hier selbstverständlich die grundsätzliche Bedeutung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes für die Leistungsfähigkeit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht erläutert werden; wir wollen uns vielmehr mit dem Hinweis bescheiden, daß die Triebkraft der Akkumulation für ihr Zustandekommen bzw. zu ihrer wirksamen Entfaltung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes bedarf. Nun reicht schon der bereits mehrfach gegebene Hinweis auf den insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses desolaten und nur durch Akkumulation zu verändernden Zustand des Kapitalstocks der ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaften, um die Bedeutung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes gerade auch fur das Gelingen der Transformation deutlich zu machen. Aber auch für die Bewältigung anderer transformationsrelevanter Aufgaben ist ein Kapitalmarkt im Grunde unverzichtbar. So heißt es etwa bei Müller (1993, S. 153) ausführlich: „Engpaß des Strukturwandels (im Transformationsprozeß, T.B.) ist die Sanierung bzw. der Neuaufbau des inländischen Kapitalstocks. Das hierfür erforderliche Kapital kann nur zu einem geringen Teil durch das Ausland ge-
A u f die Gefahr einer solchen negativen Anreizwirkung weist etwa auch Jochem (1996, S. 131) hin: „Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, ähnliche (Entschuldungsaktionen) seien auch in Zukunft zu erwarten"; vgl. in diesem Sinne auch Weltbank (1996, S. 125).
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deckt werden. Daher kommt der möglichst umfassenden Mobilisierung inländischer Ressourcen besondere Bedeutung zu. Zudem muß sichergestellt sein, das das vorhandene Kapital auch in die effizientesten Verwendungen geleitet wird. Neben der Kapitalmobilisierung und -allokation haben die Finanzmärkte zudem eine große Bedeutung bei der Durchfuhrung der (...) Privatisierungsprogramme." Auf die grundsätzliche Bedeutung des Kapitalmarktzinses für den Ausgleich zwischen Sparen (Kapitalangebot) auf der einen und Investieren (Kapitalnachfrager) auf der anderen Seite wurde bereits im letzten Kapitel hingewiesen. Indes hat man sich den Kapitalmarkt und seine Funktionsweise bestenfalls in sehr abstrakter und idealtypischer Form im Sinne eines walrasianischen Auktionatormodells vorzustellen. Realiter ist der Kapitalmarkt als „Markt der Märkte" (Schüller 1997) gleichsam eine Bühne, auf der sich eine Vielzahl so unterschiedlicher Akteure „tummeln", daß die oben angedeutete Vorstellung vom Kapitalmarkt als Ort der Gewährleistung eines stets harmonischen Interessenausgleichs zwischen Anbietern und Nachfragern in die Irre fuhrt. Zwei bedeutende dieser Akteure haben wir im Grunde bereits genannt: Die privaten Haushalte als Sparer und die Unternehmen als Investoren. Zwischen den von diesen beiden Hauptakteuren aufgespannten Marktseiten des Kapitalangebots und der Kapitalnachfrage - als weiterer bedeutender Kapitalnachfrager sei der Staat genannt - bewegen sich die sog. „Intermediäre", die Vermittlerfunktion im engeren Sinne zwischen denjenigen Anbietern und Nachfragern von Kapital ausüben, die nicht unmittelbar miteinander in Tauschbeziehungen treten. Die wichtigsten dieser Intermediäre sind zweifelsohne die Geschäftsbanken, die dafür sorgen, daß es tatsächlich zu einer effektiven (und möglichst effizienten) Vermittlung zwischen Sparern und Investoren kommt. Dies erreichen sie, indem sie zum einen die unterschiedlichen Zeithorizonte (Fristigkeiten) aufeinander abstimmen, d.h. etwa Spareinlagen mit kurzer Frist in mittel- und langfristige Kredite umwandeln („Fristentransformation"), und zum anderen die verschieden großen Volumina von Kapitalangebot und -nachfrage jeweils miteinander verschmelzen oder, von der anderen Seite betrachtet, in geeigneter Weise stückeln („Losgrößentransformation") (vgl. etwa Priewasser 1986, S. 11). Es versteht sich, daß der Kapitalmarkt dann die ihm zugewiesene Funktion der „optimalen Allokation" erfüllen wird, wenn alle Akteure sich in „marktgerechter" Weise verhalten und nicht durch wechselseitige Beeinflussung oder andere widrige Umstände an der bestmöglichen Wahrnehmung ihrer Interessen bzw. ihrer jeweiligen „Funktion" gehindert werden. Um im Bilde zu bleiben: Die Bühne o.g. wird dann ein Quell der Freude für alle Beteiligten sein bzw. das Stück verspricht dann ein Erfolg zu werden, wenn die Akteure sich ans Drehbuch und an die Regieanweisungen halten, wenn möglichst viele Menschen Kenntnis von und Zutritt zu der Aufführung erhalten, das Stück mithin nicht „unter Ausschluß der Öffentlichkeit" stattfinden muß, und die Uraufführung gute Kritiken bekommt. Vor dem Hintergrund unserer bisherigen Ausführungen zu den maßgeblichen Akteuren und deren Verhalten in den Transformationsländern darf indes bezweifelt werden, daß diese Bedingungen erfüllt sind. Betrachten wir zunächst die Angebotsseite: Das Sparvolumen der Haushalte geht infolge der vielfach angespannten Einkommenssituation (weitverbreitete Arbeitslosigkeit, insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses hohe Inflationsraten etc.) im Vergleich zum frü-
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heren Zwangssparen drastisch zurück. Verstärkt wird dies noch durch negative Realzinsen, wie sie in einigen Ländern zu Beginn der Transformation bestanden (vgl. Weber 1995, S. 185/186). Desweiteren ist eine entsprechende Vielzahl von Anlageformen zu schaffen; dies gilt zunächst einmal grundsätzlich, aber auch mit Blick auf die angespannte Lage des Staatshaushalts: In Anbetracht der in vielen Transformationsländern mittlerweile unterbundenen Möglichkeit der Finanzierung öffentlicher Ausgaben über die Notenpresse und angesichts der noch recht schwachen Steuerbasis „muß der Staat selbst attraktive Anlagemöglichkeiten in Form von kurz-, mittel- und langfristigen Staatsschutztiteln für die privaten Haushalte, Unternehmen und Finanzintermediäre anbieten. (...). Die Schaffung attraktiver Anlageformen mit positiver Realverzinsung senkt insgesamt die in den Transformationsländem vorherrschende innere Kapitalflucht der privaten Haushalte und Staatsuntemehmen (...und, T.B.) fördert (...) die Finanzierungsmöglichkeiten von Investitionen" (Weber 1995, S. 187/188). Wenden wir uns nun der Kapitalnachfrage zu: Wie gesehen, kann trotz mancher Fortschritte von einer effektiven Durchsetzung des Haftungsprinzips in den Transformationsländern noch immer nicht die Rede sein: Das Altschuldenproblem ist regelrecht „verschleppt" worden und nicht zuletzt dadurch - wie noch ausführlicher zu zeigen sein wird - die Privatisierung insbesondere der größeren Staatsbetriebe bei weitem nicht so gut vorangekommen, wie dies zu Beginn des Transformationsprozesses erhofft und erwartet wurde. Die Bedingungen auf den Gütermärkten sind aus wettbewerbspolitischer Sicht insgesamt beileibe noch nicht erfreulich zu nennen: Eine wirkliche DeMonopolisierung hat nicht in wünschenswertem Umfang stattgefunden, der Einfluß der Staatsunternehmen ist noch immer erheblich - trotz des immerhin durchaus zu verzeichnenden Wachstums des privaten Sektors. Dieses Wachstum darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bedingungen für die Neugründung insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen - wie in Form einer „zusammenfassenden Gesamtschau" noch darzustellen sein wird - noch immer zu wünschen übrig lassen. Die Gefahr der Verdrängung bzw. gar Verhinderung „guter" Kapital- bzw. Kreditnachfrage (seitens privater und potentiell innovativer Unternehmen) durch „schlechte" Nachfrage (seitens bereits „alt-"verschuldeter staatlicher und insgesamt wenig innovativer Unternehmen) wurde bereits ausdrücklich hervorgehoben. Vor dem Hintergrund der oben erwähnten Notwendigkeit des Staates, angesichts des „Ausfalls" der Notenpresse verstärkt als Nachfrager am Kapitalmarkt aufzutreten (gleichsam zusätzlich zu seiner faktisch bereits entfalteten Nachfrage in Gestalt der o.g. Staatsunternehmen), drohen die ohnehin wenigen „guten" Nachfrager - die, wie gesehen, beim „Wettbewerb" um das knappe Kapital nicht selten gegenüber den verschuldeten Staatsuntemehmen diskriminiert werden, gleichsam völlig an den Rand gedrängt zu werden, kurz: „Setzt sich die öffentliche Kreditnachfrage gegen die private durch, drohen Crowding Out-Effekte im Transformationsprozeß" (Weber 1995, S. 193). Da die Nachfrage nach Produktionsfaktoren eine aus der (Primär-)Nachfrage nach Konsumgütern abgeleitete Nachfrage ist 33 , könnte allein schon aufgrund der oben be-
Fehl und Oberender (1989, S. 54 f.) bezeichnen die abgeleitete Nachfrage anschaulich als „Scharnier zwischen zwei Märkten".
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schriebenen, noch immer nicht zufriedenstellend gelungenen De-Monopolisierung auf den Gütermärkten ganz allgemein auf unweigerliche „Entsprechungen" auf dem Kapitalmarkt geschlossen werden. Nun gehören freilich bei einem weiteren Verständnis zur „Bühne" des Kapitalmarktes die ,J3retter" des Aktienmarktes auf der einen und die des Rentenmarktes auf der anderen Seite; darauf soll jedoch hier nicht mehr gesondert eingegangen werden. 54 Zieht man eine Art Zwischenbilanz aus den bisherigen Überlegungen, so läßt sich feststellen, daß insbesondere am Beispiel der Wogen, die das nicht gelöste Altschuldenproblem schlägt, trefflich illustriert werden kann, wie eng die einzelnen Teilbereiche miteinander verknüpft sind: Die Interdependenzen zwischen Geld- und Kapitalmarktordnung sowie Gütermarktordnung sind offenkundig. Im demnächst folgenden Unterkapitel soll dann die Transformation der Eigentumsordnung einer gesonderten Betrachtung unterzogen werden; auch hier sind die Verbindungen etwa zum Altschuldenproblem offensichtlich, weist dieses Problem doch nahezu zwingend beispielsweise auf die Zulassung neuer, insbesondere auch ausländischer, Banken hin, die mit diesem Problem nicht belastet sind und insofern eher bereit sein dürften, Kredite an andere als die verschuldeten Staatsunternehmen zu vergeben. Dies wiederum können nur entweder bereits privatisierte oder neugegründete Unternehmen sein. Damit nun kann gleichsam ,.nahtlos" in den Bereich der „Privatisierung" übergeleitet werden, dem letzten großen Einzelproblem der Transformation, dem in der vorliegenden Arbeit ein eigener Abschnitt gewidmet wird. Zuvor allerdings erscheint es angebracht, in aller Kürze noch auf einen Politikbereich einzugehen, dem in der allgemeinen Stabilisierungsdiskussion insbesondere zu Beginn der Transformation - sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde: es geht um den Bereich der stabilitätsorientierten Fiskalpolitik. Wir werden allerdings sehen, daß auch dieser Bereich unmittelbar auf die Privatisierung - die Entstaatlichung im engeren Sinne und die Neugründung von Unternehmen - hinweist, so daß der o.g. „nahtlose Übergang" gewahrt bleibt.
2.2.6. Stabilitätsorientierte Fiskalpolitik: Budgetdisziplin als Grundsatz Zunächst sei angemerkt, daß es in den früheren Zentralverwaltungswirtschaflen kein wie in Marktwirtschaften übliches, ausgebautes Steuersystem gab. Im Grunde gab es keinerlei Veranlassung für das Bemühen um Budgetdisziplin, da die Regierung sich jederzeit per Federstrich bzw. Anweisung an die Zentralbank Liquidität verschaffen konnte. So war denn die Defizitfinanzierung über die „Notenpresse" gang und gäbe (vgl. beispielhaft Svindland 1993). Insofern bedeutet der radikale Systembruch auch in diesem Bereich die Notwendigkeit zu einem grundlegenden Umdenken.
Zur Bedeutung der Entwicklung von Wertpapierbörsen im Transformationsprozeß vgl. grundsätzlich: Müller (1993, S. 155 f.); zum aktuellen Stand der Börsenentwicklung in verschiedenen Transformationsländem vgl. etwa Weltbank (1996, S. 131-135).
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Möglichkeiten zur Reduktion des Defizits bestehen auf der Ausgabenseite angesichts der sozialpolitischen Zwänge im Grunde nur in der Streichung von Subventionen 55 und selbst diese fallen wegen der o.g. Zwänge letztlich schwer, wurde doch in den Zentralverwaltungswirtschaften ein Großteil der Sozialleistungen über die Betriebe gewährt, und inbesondere zu Beginn der Transformation steht noch kein funktionsfähiges soziales Sicherungssystem zur Verfügung: So werden die eingesparten Subventionen für die Staatsunternehmen letztlich durch die Kosten der Arbeitslosigkeit „ersetzt". Als weitere Einsparmöglichkeiten kommen im Grunde nur noch Kürzungen des Verteidigungshaushalts in Betracht; dies wiederum bedeutet Auftragsausfälle für die großen Rüstungsunternehmen und fuhrt uns letztlich auch wieder zum Subventionsproblem. Auf der Einnahmenseite stellen natürlich hohe Steuersätze insbesondere im Bereich der Unternehmensbesteuerung eine große „Versuchung" dar; weitere Möglichkeiten der Einnahmensteigerung beschränken sich weitgehend auf die Erhöhung der direkten und/oder indirekten Verbrauchssteuern. 56 So wurde in den meisten Transformationsländern nach überstandener erster Phase des Transformationsprozesses (bis etwa 1992/1993) eine Mehrwertsteuer eingeführt. Auf Details braucht hier nicht eingegangen zu werden; zu betonen ist lediglich, daß der Fiskus mit der Einfuhrung der Mehrwertsteuer über eine Einnahmequelle verfügt, die mit zunehmender wirtschaftlicher Erholung immer kräftiger sprudelt. Ein grundsätzliches Problem stellten (und stellen) allerdings die noch sehr unerfahrenen und personell wie technisch schlecht ausgestattenen Steuerverwaltungen dar. So ist die Erhebungseffizienz der meisten Steuern insgesamt relativ gering (vgl. beispielhaft Tanzi 1993). Wir wollen an dieser Stelle noch einmal kurz auf die Verbindung zwischen der Haushaltsdisziplin und dem im Rahmen der Liberalisierung diskutierten Wechselkursproblem zurückkommen: Es wurde bereits angedeutet, daß ein fester Wechselkurs als „nomineller Anker" sich nicht unbedingt als Vertrauensgarant erweisen muß. 57 Mißlingt die fiskalische Konsolidierung, werden bei festen Wechselkursen Abwertungen gegenüber der Ankerwährung unumgänglich; dazu hat es in vielen Transformationsländem eine Fülle von Beispielen gegeben, die hier nicht alle aufgeführt werden können. 58 Will
Die meisten Subventionen in Zentralverwaltungswirtschaften wurden traditionell für Grundnahrungsmittel und Energieversorgung gezahlt. Gerade in diesen Bereichen jedoch sind Kürzungen aus sozialpolitischen Gründen enge Grenzen gesetzt. Zur Aufgabe einer stabilitätsorientierten Fiskalpolitik im Rahmen der Transformation vgl. grundsätzlich etwa Tanzi (1993a). Diese Erfahrung mußten in den achtziger Jahren bereits einige lateinamerikanische Länder machen, deren Regierungen sich zu sehr auf den festen Wechselkurs als „Anker" verließen und darüber die zur Haushaltskonsolidierung notwendigen eigenen Anstrengungen „vergaßen"; vgl. dazu etwa: Schweickert, Nunnenkamp und Hiemenz (1992). Dabei muß freilich unterschieden werden zwischen zur Transformationsstrategie selbst gehörenden periodischen Abwertungen und den oben beschriebenen. So sind fest vereinbarte, periodische Abwertungen gegenüber einer bestimmten Ankerwährung oder einem Währungskorb - sog. „crawling peg" - wie sie etwa Polen in der Frühphase der Transformation betrieb, nachdem es im Jahr 1991 den Zloty an einen Korb westlicher Währungen gebunden hatte, relativ „unproblematisch", solange die mit diesen Anwertungen einhergehende Schwächung der eigenen Währung geringer bleibt als die Entwertung durch die Inflation. In Ungarn, wo der Forint seit Dezember 1991 an einen Korb aus US-S und ECU
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man solche Abwertungen vermeiden, da diese bei zu häufiger Wiederholung das mühsam erkämpfte Vertrauen in die eigene Währung erschüttern können (und so die , Ankerwirkung" des festen Wechselkurses als Illusion entlarven), so wird - sofern man denn trotz dieser offenkundigen Illusion am System fester Wechselkurse festhalten will - eine Rückkehr zur Devisenbewirtschaftung letztlich unumgänglich (auf die entsprechenden Folgen braucht hier nicht hingewiesen zu werden...). Fassen wir noch einmal kurz zusammen: Unter dem Begriff der „Stabilisierung" lassen sich letztlich verschiedene Aspekte und konkrete Politikmaßnahmen subsumieren: Zum einen kann unter „Stabilisierung im weiteren Sinne" das allgemeine Bemühen um die grundsätzliche Schaffung von „Systemvertrauen" verstanden werden. In diesem Zusammenhang spielen die „ordnungspolitische Gesamtentscheidung" sowie entschiedene Maßnahmen im Sinne einer glaubwürdigen Umsetzung dieser Entscheidung zu Beginn des Transformationsprozesses eine wichtige Rolle. In diesem weiteren Sinne verstanden, geht es bei der Stabilisierung, die wir grundsätzlich und gleichsam „auf jeder Ebene" als „Stabilisierung der Erwartungen" verstehen wollen, um die Stabilisierung der Erwartungen hinsichtlich einer neuen Wirtschaftsordnung durch zügige und unmißverständliche Installation der unverzichtbaren Stützpfeiler dieser neuen Ordnung. Zur Aufbereitung des Fundaments, in das diese Stützpfeiler dann einzusetzen sind, gehört zunächst die Aufklärung der Bevölkerung über notwendig zu erwartende Schwierigkeiten sowie - eng damit zusammenhängend - über die unabdingbaren Voraussetzungen, die grundsätzliche Funktionsweise und die entsprechenden „Implikationen" marktwirtschaftlicher Ordnungen sowie der in ihrem Rahmen ablaufenden Markt- bzw. Wettbewerbsprozesse. Dabei sollte besonderer Wert auf die Betonung von Zuverlässigkeit, Vertragstreue und Vertrauen für die Stabilisierung der Erwartungen „im Kleinen" sprich: für das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung stabiler Geschäftsbeziehungen - gelegt werden, um von Anfang dem Eindruck entgegenzuwirken, die Marktwirtschaft sei notwendig ein Nullsummenspiel. Eine Stabilisierung der Erwartungen in diesem Sinne bedeutet nicht zuletzt Aufklärung darüber, daß das Ausscheiden aus dem Markt, also eine Erwartungsenttäuschung im engeren Sinne, von der prinzipiell jeder einmal betroffen sein kann, nicht bloß eine „Kröte" ist, die es grundsätzlich widerwillig zu schlucken gilt, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil deijenigen Ordnung, von der man sich andererseits materiellen Wohlstand erhofft. Es gilt deutlich zu machen, daß auf Dauer eben gerade nicht derjenige zum Ausscheiden aus dem Markt gezwungen wird, der ehrliches Geschäftsgebaren zeigt und sich als zuverlässiger Tauschpartner erweist, sondern deijenige, der Marktwirtschaft lediglich als im Grunde endlosen Prozeß des gegenseitigen Übervorteilens begreift und die Bedeutung des wechselseitigen Vertrauens als Aktivum im Marktprozeß verkennt (darauf wird noch zurückzukommen sein). In ein solches Fundament können dann die erwähnten Stützpfeiler der neuen Wirtschaftsordnung eingelassen werden, wodurch signalisiert wird, daß die Bemühungen um
angebunden war, wurde mehrfach nicht unerheblich abgewertet; ähnliches gilt fur die an den US-$ angebundene tschechische Krone, die allein im Jahre 1990 dreimal recht deutlich gegenüber ihrer Ankerwährung abgewertet wurde (vgl. Davenport 1992, S. 9 f; ferner Fröhlich 1993, S. 15 f. sowie o.V.: Defizitäre Handelsbilanz Ungarns, in: Neue Zürcher Zeitung vom 24. März 1994).
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das Gießen des Fundaments nicht etwa als l'art pour l'art, sondern als ernstzunehmender Beginn eines wirklichen Neubaus zu verstehen sind. Das Einsetzen dieser Stützpfeiler kann im wesentlichen als das Bemühen um eine „stringente" Wirtschaftsordnungspolitik verstanden werden; in diesem Zusammenhang geht es vor allem um die Umsetzung grundlegender Maßnahmen im Sinne der „konstituierenden Prinzipien" Walter Euckens. Insoweit dient also insbesondere auch die Umsetzung solcher Maßnahmen der Stabilisierung im weitesten Sinne, die wir bereits im Bereich der Liberalisierung" kennengelernt haben (freie Preisbildung, Offenheit der Märkte) und im Bereich der ,,Privatisierung " noch kennenlernen werden (grundsätzliche Schaffung bzw. Zulassung von Privateigentum, Vertragsfreiheit und Haftung). Hier nun wird deutlich, daß auch der Übergang zur Stabilisierung im engeren Sinne durchaus fließend ist, sind doch sowohl die ordnungspolitische als auch die prozeßpolitische Komponente dieser monetären Stabilisierung als zwei Seiten derselben Medaille anzusehen, die einem weiteren konstituierenden Prinzip - dem „Primat der Währungspolitik als währungspolitischer Stabilisator" (Eucken) - Rechnung tragen. Es wurde deutlich, daß die zu Beginn des Transformationsprozesses vorzunehmende Stabilisierung der Bestandsgrößen (z.B. Abbau des Geldüberhangs durch einen Währungsschnitt) wirkungslos verpuffen kann, wenn nicht sogleich entsprechende Maßnahmen zur Stabilisierung der Stromgrößen ergriffen werden: Läßt man etwa eine DeStabilisierung „durch die Hintertür" zu, indem beispielsweise die Finanzierung des öffentlichen Defizits über die Notenpresse betrieben wird, so werden alle zuvor ergriffenen Maßnahmen zur Geldwertstabilisierung konterkariert. Ist jedoch diese - nur vordergründig bequeme - Möglichkeit der Ausgabendeckung versperrt, so müssen andere Wege zur Entlastung des öffentlichen Budgets beschritten werden. An dieser Stelle nun „drängt" bzw. verweist Vieles auf den Bereich der Privatisierung", der im nun folgenden Abschnitt behandelt werden soll. Dabei wird der Begriff der Privatisierung nicht nur als bloße „Entstaatlichung", sondern als das Bemühen um den Auf- und Ausbau eines funktionsfähigen und leistungsstarken Privatsektors in den Transformationsländern insgesamt aufgefaßt. In diesem Sinne wird dann zwischen einer „Privatisierung von oben" (Entstaatlichung, Verkauf von Staatseigentum bzw. staatlichen Unternehmen an Private) und einer „Privatisierung von unten" (Neugründungen, Markteintritt neuer Unternehmen) differenziert. Beide „Varianten" der Privatisierung weisen unmittelbare Bezüge zum oben behandelten Stabilisierungsproblem auf: Die Privatisierung „von oben" - insbesondere die sog. „große Privatisierung" - könnte den Staatshaushalt auf der Ausgabenseite entlasten, da die geradezu erdrückenden Subventionszahlungen an die alten Staatsunternehmen verringert würden, zu denen es vielfach in Ermangelung wirksamer Sozialversicherungssysteme kaum eine Alternative gibt. (Nota: Die große Privatisierung wiederum fällt gleichwohl infolge der hohen Altschulden der Betriebe oft schwer, was auf den Bereich der Stabilisierung im engeren Sinne zurückverweist. Mithin kann bereits an dieser Stelle - im Vorgriff auf spätere Ausfuhrungen - festgestellt werden, daß bei einem Scheitern der Privatisierungsbemühungen „von oben" entsprechende Probleme auch auf der Einnahmenseite gleichsam vorprogrammiert sind; schließlich sind
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„marode" Staatsunternehmen in der Regel alles andere „Nettozahler", was den „SteuerSubventionssaldo" angeht 59 ). Die Privatisierung „von unten" wiederum könnte für eine Haushaltsentlastung auf der Einnahmenseite sorgen, da nur über eine florierende Privatwirtschaft entsprechende Steuereinnahmen zu erzielen sind. Doch auch hier gibt es einen „Pferdefuß": Es besteht die Gefahr, daß die öffentliche Hand in ihrer chronischen Finanznot den Bogen überspannt. So wird im fieberhaften Bemühen um die Erzielung dringend benötigter Steuereinnahmen die Steuerschraube nicht selten zu eng angezogen - die Steuersätze der Unternehmensbesteuerung erreichen in manchen Ländern (so etwa in Rußland) geradezu astronomische Höhen. Dies wiederum ist der Neugründung von Unternehmen wenig zuträglich; so beziehen sich die lautesten Klagen , junger" Unternehmer in vielen Transformationsländern insbesondere auf die geradezu erdrückende Steuerlast. Die wenig überraschende Folge sind die bereits im letzten Kapitel erwähnten „Ausweichungserscheinungen": Die gerade in den damaligen Zentralverwaltungswirtschaften blühende Ausweichwirtschaft, die nicht selten als „kleine Marktwirtschaft" bezeichnet wurde, erlebt nun ausgerechnet beim Bemühen um die Etablierung einer neuen Wirtschaftsordnung eine kaum für möglich gehaltene Renaissance. 60 Die „endemischen Steuerhinterziehungen" (Leipold) führen natürlich dazu, daß die Finanzbehörden die wenigen Steuerzahler, derer sie überhaupt habhaft werden können, gründlich zur Kasse bitten - wie man unschwer erkennen kann, ist hier einem geradezu klassischen circulus vitiosus das Feld bereitet: Höhere Steuersätze, immer stärkere Steuerausweichung, Zwang zu immer höheren Besteuerung der noch „verbliebenen" Steuerzahler usw.; so finden wir in vielen Transformationsländern eine Bestätigung der sog. Laffer-Y^urwe vor, die bei niedrigeren Steuersätzen insgesamt höhere Steuereinnahmen „postuliert". In den Transformationsländern liest sich die prinzipiell gleiche Gestalt der Kurve nur etwas anders: Nicht niedrigere Steuersätze führen absolut zu Steuermehreinnahmen, sondern höhere Steuersätze führen zu Steuerausfällen, mithin zu absoluten Steuermindereinnahmen (sofern man angesichts des minimalen Ausgangsniveaus überhaupt von „Mindereinnahmen" im üblichen Sinne reden kann...).
In eben diesem Sinne heißt es etwa bei Vogel (1993, S. 118): „Das Defizit an großer Privatisierung verstärkt zudem das Budgetdefizit, denn die Verluste der großen Staatsbetriebe fuhren zu Steuerausfällen, blähen das Budgetdefizit auf und verstärken die Gefahr, daß sich über die Hintertür eines monetär finanzierten zu starken Budgetdefizits eine Art 'Reformfalle' auftut." "In fact, all Central and Eastern European governments experiencing a drastic fall in fiscal revenues are trying to raise money by heavily taxing new entrepreneurs who, for survival, are pushed into tax evasion" (Arzeni 1996, S. 53).
Zum Primat der Ordnungspolitik im Transformationsprozeß
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3. Privatisierung Vom Problem der „Privatisierung im weiteren Sinne", unter dem in diesem Abschnitt die Schaffung einer neuen Privatrechtsordnung mit den Eckpfeilern „Verfassung" sowie „Privateigentum, Vertragsfreiheit und Haftung" 61 verstanden werden soll, sind die im Zusammenhang mit der Systemtransformation unter dem Stichwort „Privatisierung" diskutierten verschiedenen Methoden bzw. technischen Verfahren der „Entstaatlichung" als Privatisierung „von oben", deren mögliche Auswirkungen sowie der Aspekt der „echten" Neugründung von Unternehmen - Privatisierung „von unten" - zu unterscheiden; letztere werden dann im darauf folgenden Abschnitt unter dem Stichwort „Privatisierung im engeren Sinne" behandelt. 3.1.
Privatisierung im weitesten Sinne: Schaffung einer Privatrechtsordnung
3.1.1. Grundsätzliches zu Begriff und Inhalt der Privatrechtsordnung In Anlehnung an Franz Böhm wollen wir unter einer Privatrechtsordnung eine Gesellschaft verstehen, deren Verfassung und Rechtssystem den Individuen einerseits private Rechte garantieren, diese jedoch gleichzeitig dort beschränken, wo die Freiheit bzw. die freie Ausübung der privaten Rechte anderer gefährdet werden: „Das ganze Privatrecht verteilt seine unermeßliche Fülle von Freiheiten nur unter der Voraussetzung, daß Privatpersonen im allgemeinen keine Macht haben, daß die Freiheit eines jeden ihre Grenze an der gleichen Freiheit aller anderen hat, daß also jede Privatperson in ihrem privaten Handeln durch die gleiche Freiheit aller anderen kontrolliert wird" (Böhm 1957, S. 42; vgl. ferner ausführlich Böhm 1966). Das Privatrecht wird hier gleichsam zur .juristischen Verkörperung des Freiheitsgedankens" (Nörr 1995, S. 28). Hier nun entdecken wir eine interessante Verbindung des zentralen Böhmschen Gedankens zu Eucken als seinem „Mitstreiter" der Freiburger Schule, dem es bekanntlich (ebenfalls) um die Verhinderung der Entstehung bzw. des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht ging. Diesem Ziel sollte die Etablierung einer Wettbewerbsordnung dienen; Wettbewerb wurde zum „wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundprinzip" erhoben. Genau dies hatte Böhm ebenfalls erkannt. Dies war für einen Juristen keinesfalls selbstverständlich, neigten diese doch meist dazu, den Begriff der „Wirtschaftsverfassung" im Sinne einer regulierten bzw. organisierten Wirtschaft zu verstehen und anzuwenden. Für Böhm jedoch beinhalteten die Begriffe „Wirtschaftsverfassung bzw. Wirtschaftsordnung und Wettbewerb" bemerkenswerterweise keine gegensätzlichen und unvereinbaren Konzepte: Wettbewerb bedeutete für ihn keinesfalls Chaos und Anarchie, sondern eine „Ordnung eigener Art und eigenen Standes" (Nörr 1995, S. 32), die der Erreichung bzw. Sicherung des übergeordneten Ziels Freiheit dient. Entsprechend dient die Böhmsche Privatrechtsordnung dazu, genau dies sicherzustellen: Privatrecht soll Freiheit garantieren, d.h. die Entstehung bzw. den Mißbrauch von Macht zu verhindern, die dazu genutzt werden könnte, die Freiheit anderer willkürlich und gewaltsam zu beschränken; Wettbewerb, Marktwirtschaft und freie Preisbildung können mithin als eine
Vgl. neben den einschlägigen Arbeitens Euckens grundsätzlich auch Hamm (1994).
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„rechtsschöpferische Leistung" angesehen werden. Indem nun freier Leistungswettbewerb diesen Zustand der Machtlosigkeit zumindest herbeifuhrt, wenn nicht gar repräsentiert, wird er zum Freiheit-stiftenden Instrument; konsequenterweise kommt dann also dem Privatrecht die Aufgabe zu, „für die Voraussetzungen und den ungestörten Ablauf des Leistungswettbewerbs zu sorgen. Aus dem Blickwinkel des Machtproblems (...) stellt sich das Privatrecht als das Recht der machtlosen Marktteilnehmer dar" (Nörr 1995, S. 32). Auf diese Weise werden über eine Freiheit und Wettbewerb garantierende Verfassung und Privatrechtsordnung die entscheidenden Grundlagen für einen grundlegenden Umbau der formellen institutionellen Infrastruktur gelegt. Den „Bauplan" dieser neuen Struktur bzw. drei wesentliche Säulen derselben liefert uns Walter Eucken in Gestalt der drei konstituierenden Prinzipien Privateigentum, Vertragsfreiheit und Haftung. 3.1.2. Theoretische Basis: Die Elemente einer Privatrechtsordnung 3.1.2.1. Verfassung Zunächst sei betont, daß die Schaffung einer Privatrechtsordnung in den postsozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas selbstverständlich eine grundlegende Veränderung der jeweiligen Verfassung notwendig macht. Diese Verfassungsänderung soll dazu dienen, zunächst einmal einen Katalog von Grundrechten festzuschreiben. Geschieht dies nicht und werden bestimmte, gerade auch wirtschaftsordnungs-relevante Rechte nicht als Grundrechte mit Verfassungsrang verankert, dann sind sämtliche Überlegungen zur Umgestaltung der Wirtschaftsordnung Makulatur. 62 Eines dieser Grundrechte ist etwa das Recht auf Privateigentum, auf das im nächsten Unterabschnitt eingegangen werden wird. An dieser Stelle soll das Thema „Wirtschaftsordnung und
Es versteht sich von selbst, daß die Wirtschaftsordnung einer Zentralverwaltungswirtschaft mit zentraler Planung und Lenkung der Güter und Produktionsfaktoren schwerlich mit einer Verfassung vereinbart werden kann, die Freizügigkeit und Gewerbefreiheit als Grundrechte garantiert. Daraufhat im übrigen neben anderen ebenfalls Eucken (1948, insbes. S. 68-73) bereits aufmerksam gemacht. Gleichwohl diskutierte er auch die Probleme fur den Fall, daß in einer parlamentarischen Demokratie „die Lenkung des alltäglichen Produktionsprozesses (...) mehr und mehr in die Hand monopolistischer oder teilmonopolistischer Machtgruppen übergeht: (...). Die neu gebildete wirtschaftliche Macht äußert sich auch politisch. Denn die Machtgruppen treiben auch politisch Strategie. Zwar bleibt die geschriebene Verfassung des Landes unverändert; aber kraft dieser Umbildung der Wirtschaftsordnung verändert sich die Willensbildung des Staates. Sie verschiebt sich in Richtung auf die neuen wirtschaftlichen Machtkörper. (...). Wie verdrängt das autonome Recht privater Machtgruppen, z.B. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Industrie, Banken, Versicherungsgesellschaften usw. staatlich gesetztes Recht? Wie hat das 'Selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft' die Rechtsordnung umgestaltet? (...). Es ist heute unmöglich, unter Umgehung dieses Fragenkomplexes sinnvoll über die Verwirklichung des Rechtsstaates zu sprechen" (ebd., S. 69 u. 70). Freilich: „Die Monopolbildung kann durch den Staat selbst provoziert werden (...). Erst begünstigt der Staat die Entstehung wirtschaftlicher Macht und wird dann von ihr teilweise abhängig. Nicht also eine einseitige Abhängigkeit der übrigen Ordnungen von der Wirtschaftsordnung besteht, sondern eine gegenseitige Abhängigkeit, eine 'Interdependenz der Ordnungen'" (ebd., S. 72; Hervorhebung im Original).
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Verfassung" ebensowenig in extenso behandelt werden wie die grundlegende Frage nach dem Zustandekommen einer solchen Verfassung; heute eine solche „constitutional-choice-Diskussion" zu führen, erscheint vor dem Hintergrund der in den meisten Ländern bereits „festgeklopften" verfassungsmäßigen Absicherung des Transformationsprozesses ein von der Historie überholtes Unterfangen (einen guten Überblick liefert Kahl 1994, insbes. S. 35-66). Im übrigen liegen bereits aufschlußreiche Arbeiten zur Anwendung unterschiedlicher Ansätze der Ökonomischen Theorie der Verfassung auf verschiedene Bereiche vor - unter anderem auf die Verfassungsgebung zu Beginn des Transformationsprozesses (vgl. beispielhaft Apolte 1992). 63 Die Ausführungen der vorliegenden Arbeit sind also grundsätzlich unter der Prämisse zu sehen, daß das Verfassungsproblem in den Transformationsländern - sowohl theoretisch als auch praktisch - bereits „gelöst" ist.64 3.1.2.2. Das konstituierende Prinzip „Privateigentum" Nicht erst seit Marx war es weit verbreitet, „in der Eigentumsfrage die Kardinalfrage der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zu sehen. (...Bereits) Rousseau sah im Privateigentum eine naturwidrige Einrichtung, die Unterschiede zwischen den Menschen setzte und die Freiheit bedrohte. (...). Daß im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert der Eigentumsfrage dieser zentrale Platz zugewiesen wurde, war verständlich. Damals war Vermachtung weitgehend mit Privateigentum verknüpft. Private üben Macht aus (...) und zwar gestützt auf ihr Eigentumsrecht. Da lag es nah, von der Beseitigung des Privateigentums auch die Beseitigung der Vermachtung und Ausbeutung und die Lösung der sozialen Frage zu erwarten" (Eucken 1948, S. 83). Die späteren Erfahrungen mit Kollektiveigentum zeigten jedoch, daß auch und gerade diese Eigentumsform dazu mißbraucht werden kann, die „Vereinigung und Stabilisierung von wirtschaftlicher und politischer Macht zu schaffen" (Eucken 1948, S. 84). So ist denn die grundlegende Bedeutung des Privateigentums für das Funktionieren marktwirtschaftlicher Ordnungen unbestritten: „Privateigentum gehört zu den Voraussetzungen der Wettbewerbsordnung" (Eucken 1952/1990, S. 271). Anders gewendet: Werden die Eigentumsrechte nicht klar und eindeutig zugeordnet, muß die Entstehung einer freiheitlichen und wettbewerbsgesteuerten Wirtschaftsordnung ein frommer Wunsch bleiben; diese Zusammenhänge bedürfen hier - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der entsprechenden grundlegenden Ausfuhrungen im letzten Kapitel - ebensowenig einer weiteren Erläuterung wie die ökono-
64
Apolte beschäftigt sich mit der Frage, auf welche Weise sich verschiedene, einander zuwiderlaufende gesellschaftliche Interessen so steuern bzw. koordinieren lassen, so daß sie nicht den Transformationsprozeß als ganzes blockieren; vgl. ferner Wentzel (1995, insbes. S. 163-219). Zum Problem der Verfassungsgebung bzw. -entstehung vgl. grundsätzlich Rawls (1975), Buchanan (1965), (1984), (1990) und (1993). Hervorragend geeignet für eine Illustration der Anwendung verschiedener Ansätze zur ökonomischen Verfassungstheorie ist ferner die Arbeit von Leschke (1992), der anhand der beiden unterschiedlichen Ansätze von Hayeks (evolutionstheoretischer Ansatz zur Erklärung der Entstehung von Regeln) und Buchanans (vertragstheoretischer Ansatz) das „Forschungsprogramm der Constitutional Economics und seine Anwendung auf die Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland" untersucht.
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mischen Vorteilhaftigkeit des Privateigentums gegenüber Staats- oder Kollektiveigentum an den Produktionsmitteln. 65 Da deren Quintessenz - die aus Privateigentum erwachsende größere Motivation für den möglichst effizienten Umgang mit knappen Ressourcen infolge der Einheit von Verfügungsrecht bzw. -gewalt und Verantwortung - als bekannt vorausgesetzt werden kann, möge hier der Hinweis genügen, daß sich diese Vorteile wohl noch am ehesten „dann besonders klar erkennen lassen, wenn die Verhältnisse in Ländern betrachtet werden, die im wesentlichen nur Kollektiveigentum an den Produktionsmitteln kennen" (Hamm 1989, S. 367). So läßt sich denn zusammenfassend und grundsätzlich mit Leipold (1993, S. 14) feststellen: „Die Defekte des staatlichen wie auch des sog. gesellschaftlichen Eigentums sind bekannt und wurzeln maßgeblich in der Trennung zwischen Verfugung und Verantwortung sowie in der Beschränkung selbständiger unternehmerischer Initiativen." Hier soll es vielmehr darum gehen, darauf hinzuweisen, daß das Ausmaß wirtschaftlicher Freiheit sowie das Wohl und Wehe wirtschaftlichen Wohlstands nicht ausschließlich von den jeweils vorherrschenden Eigentumsverhältnissen abhängen. Vor diesem Hintergrund kann Eucken nur zugestimmt werden, wenn er damals eine grundsätzliche Feststellung traf, die auch heute - gerade mit Blick auf die Transformationsländer - nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat: „Die Eigentumsfrage ist nicht eine Frage für sich - obwohl sie eine bedeutsame Frage ist. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Lenkungsfrage, also mit der Wirtschaftsordnungspolitik" (Eucken 1948, S. 84 u. 85). Daß mit der Institution des Privateigentums allein - trotz aller damit unbestreitbar verbundenen potentiellen Vorteile - noch keine freiheitliche und „Wohlstand für alle" sichernde Wirtschaftsordnung geschaffen ist, zeigt uns bereits ein Blick in die Geschichte, der uns zum einen Aufschluß darüber verschafft, „daß das Privateigentum mit sehr verschiedenen Wirtschaftsordnungen vereinbar ist. 66 (...Keinesfalls also ist) von der Ordnung des Eigentums (allein, T.B.) die Lösung der sozialen und wirtschaftspolitischen Frage zu erwarten. (Zum anderen hat) Privateigentum je nach der Marktform einen ganz verschiedenen Charakter; und je nachdem ändert sich die Funktion des Eigentumsrechts" (Eucken 1952/1990, S. 271 und 272). Eucken zeigt auf, „daß Privateigentum in monopolistischen Marktformen zu schweren Schäden fuhrt" und betont, daß man sich insoweit des ambivalenten Charakters der Institution Privateigentum stets bewußt sein solle: „Es ist nötig, den Konflikt zwischen der Notwendigkeit der Institution und ihrer Problematik in aller Schärfe zu sehen. (...). Die wesentliche Frage ist, ob sich Marktformen und Geldsysteme realisieren lassen, in denen 'Ausbeutung' unmöglich ist, die mithin nicht zur Vermachtung führen und in denen der Gesamtprozeß ins Gleichgewicht gebracht wird. Anders ausgedrückt: wie kann Privateigentum zu einem ökonomisch und sozial brauchbaren Instrument des Ordnungsaufbaus werden?" (Eucken
Dennoch soll auf einige wenige Literaturhinweise nicht verzichtet werden: Vgl. grundlegend etwa die Sammelbände von Schüller (Hrsg.) (1983b) sowie von Diekmann und Fels (Hrsg.) (1993, hier insbesondere die Beiträge von Streißler (1993) und Willgerodt (1993). Zur Bedeutung der Eigentumspolitik fur den Sonderfall der ostdeutschen Transformation und Vereinigung vgl. Hamm (1995). Man denke etwa an die Kombination von Privateigentum und administrativer Planwirtschaft („totale Zwangswirtschaft"), die es im nationalsozialistischen Deutschland insbesondere während der Kriegsjahre gegeben hat.
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1952/1990, S. 273). Nach Euckens Ansicht kann dies nur durch die Einbettung des Privateigentums in die Wettbewerbsordnung gelingen: „Wie also Privateigentum duktionsmitteln werbsordnung
eine
Voraussetzung
eine Voraussetzung
teln nicht zu wirtschaftlichen
der
Wettbewerbsordnung
ist, so ist die
daflir, daß das Privateigentum
und sozialen
Mißständen
führt.
an
an ProWettbe-
Produktionsmit-
Das Privateigentum an
Produktionsmitteln bedarf der Kontrolle durch die Konkurrenz" (Eucken 1952/1990, S. 275). Gerade am Beispiel des Privateigentums läßt sich die Wichtigkeit der „Interdependenz der Teilordnungen" und damit auch die Interdependenz aller wirtschaftspolitischen M a ß n a h m e n besonders gut illustrieren, da die Herstellung der Wettbewerbsordnung, in die das Privateigentum zur Vermeidung der erwähnten Mißstände dann eingebettet werden soll, ganz offensichtlich von der Beachtung anderer Prinzipien abhängig ist. 67 Die Eigentumsordnung darf also nicht isoliert von anderen Ordnungen etwa der Planungsordnung oder der Geldordnung - betrachtet werden, will m a n zu sinnvollen Lösungen k o m m e n . Wir werden noch sehen, daß genau dies - die Interdependenz der Teilordnungen im allgemeinen sowie die Kontrolle des Privateigentums durch die Konkurrenz im besonderen - sowohl in der einschlägigen Literatur als auch im Rahmen der praktischen „Transformationspolitik" in den verschiedenen Ländern nicht immer genügend beachtet wurde. Einen besonderen Rang nahm hier zu Beginn der Transformation die wenig fruchtbare, um nicht zu sagen überflüssige Debatte zwischen denjenigen Autoren ein, die das Schwergewicht der Transformationsbemühungen auf die Privatiserung legen wollten, und denjenigen, die in einer möglichst schnellen und umfassenden Liberalisierung das „Patentrezept" sahen. 6 8 Zu dieser gesamten Debatte sei hier kritisch angemerkt, daß sich beide „Lager" die Kritik gefallen lassen müssen, zu einseitig zu argumentieren: Dezentrale Planung und Koordination über Märkte setzen selbstverständlich zwingend voraus, daß die dezentralen Einheiten über private, exklusive Eigentumstitel sowie Verfügungsrechte verfügen und entsprechenden Haftungsbeschränkungen unterworfen sind. Im Gegenzug ist die Gewährung von Privateigentum freilich ökonomisch nur sinnvoll, wenn die Wirtschaftssubjekte diese formellen Rechte auch sinnvoll nutzen können - dies wiederum kann nur bei dezentraler Planung und marktlicher Koordination gewährleistet werden. Dezentrale Planung bzw. marktliche Koordination und Privateigentum sind zwei Seiten derselben Medaille.
Dies betont auch Eucken (1952/1990, S. 275): „Werden die anderen Prinzipien, deren Anwendung die Realisierung der Wettbewerbsordnung bewirkt, tatsächlich befolgt, so hat das Privateigentum an Produktionsmitteln und die freie Verfugung darüber eine eminente ordnungspolitische und soziale Funktion. Wenn die anderen Prinzipien nicht beachtet werden und wenn Monopole entstehen, wenn also die Kontrolle der Konkurrenz fehlt, muß die Verfugungsmacht über das Privateigentum beschränkt werden." Zu den Argumenten der „Privatisierungs-Apologeten" vgl. beispielhaft etwa Heinsohn und Steiger (1994) sowie Siebert (1992, S. 84), der die Privatisierung als „Herzstück der Transformation" bezeichnet.
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3.1.2.3. Das konstituierende Prinzip „Vertragsfreiheit" Im Prinzip der Vertragsfreiheit findet das Prinzip des Privateigentums gewissermaßen sein „verfiigungsrechtliches Pendant" (vgl. Schüller 1991a, S. 57). „Vertragsfreiheit ist offensichtlich eine Voraussetzung für das Zustandekommen der Konkurrenz. (...). Ohne freie individuelle Verträge, die aus den Wirtschaftsplänen der Haushalte und Betriebe hervorgehen, ist eine Lenkung des alltäglichen Wirtschaftsprozesses durch vollständige Konkurrenz nicht möglich." (.Eucken 1952/1990, S. 275 und S. 278) Doch auch wenn die Vertragsfreiheit eine unabdingbare Voraussetzung fur die Entstehung einer Wettbewerbsordnung ist, so hat auch sie - ähnlich dem Privateigentum - einen ambivalenten Charakter. Sie muß nämlich keinesfalls immer konkurrenzfördernd wirken, sondern kann im Gegenteil zu Wettbewerbsbeschränkungen fuhren. „Vertragsfreiheit sollte (...deshalb) nur da gewährt werden, wo vollständige Konkurrenz vorhanden ist, (...denn) im Falle des Angebots- oder Nachfragemonopols führt (sie) zu diktierten Verträgen" (Eucken 1952/1990, S. 279). 69 Eucken fordert ferner: „Vertragsfreiheit darf nicht zu dem Zwecke gewährt werden, um Verträge zu schließen, welche die Vertragsfreiheit beschränken oder beseitigen." 70 Auch das zur Konstituierung der Wettbewerbsordnung beitragende Prinzip der Vertragsfreiheit „erhält - umgekehrt - (erst) im Rahmen der Wettbewerbsordnung seinen eigentlichen Sinn" (ebd.). Für die Transformation läßt sich also sagen, daß - „um die exklusive Nutzung der Verfügungsrechte über privates Eigentum zu garantieren, die für die Marktentstehung komplementären positiven Rechtsformen (Gewerbefreiheit mit wettbewerbskonformen Unternehmensverfassungen) einer Privatrechtsordnung zu schaffen und Vorkehrungen gegen eine wettbewerbsbeschränkende Nutzung der Rechte in Form von Kartellen und Monopolisierungen zu treffen (sind)" ( Weber 1992, S. 581). 3.1.2.4. Das konstituierende Prinzip „Haftung" Auch für dieses Prinzip - nach seinen Worten ein weiteres „unentbehrliches Institut der Wettbewerbsordnung" - hat Eucken die grundlegenden Zusammenhänge in seltener
Eucken (1952/1990, S. 276 u. 277) nennt hier das Beispiel vieler Kleinbauern am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die „auf einen Großgrundbesitzer der Gegend angewiesen waren, der ein Nachfragemonopol nach Landarbeitern besaß (und...) Löhne und Arbeitsbedingungen einseitig festsetzen (konnte). (...). „Trotz Vertragsfreiheit (gab es) also Überlegenheit und Übermacht der einen Marktseite, die nicht durch Konkurrenz anderer Nachfrager (oder Anbieter) kontrolliert wurde." 70
Genau dies war z.B. durch die Entscheidung des Reichsgerichts vom 4. Februar 1897 geschehen, als entschieden wurde, daß Kartellverträge rechtswirksam und grundsätzlich einzuhalten sind. Damit hatte man - den Grundsatz „pacta sunt servanda" in allen Ehren gleichsam das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Die Vertragsfreiheit wurde über die Gewerbe- bzw. Wettbewerbsfreiheit gestellt (vgl. hierzu Herrmann 1966, S. 249-252). Eukkens Ausfuhrungen von 1952 lesen sich geradezu wie eine direkte Replik auf dieses Urteil: „Kartelle berufen sich zu Unrecht auf Vertragsfreiheit, die nicht dazu gebraucht werden darf, um Formen zu schaffen, welche Freiheit und vollständige Konkurrenz ausscheiden. Dem einzelnen Interessenten darf es nicht erlaubt sein, Wirtschaftsformen herzustellen, welche der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundentscheidung zuwiderlaufen" (Eucken 1952/1990, S. 279).
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Klarheit und Einfachheit formuliert: „Wer den Nutzen hat, muß auch den Schaden tragen. (...)· Die Wettbewerbsordnung kann ohne persönliche Verantwortung der einzelnen ebensowenig funktionsfähig werden wie beim Fehlen ausreichender Marktformen oder Geldordnungen. (...). Die Haftung trägt dazu bei, die Wettbewerbsordnung zu konstituieren und systemfremde Marktformen nicht entstehen zu lassen. Und zugleich ist die Haftung notwendig, um den Wettbewerb der Leistung innerhalb der Wettbewerbsordnung funktionsfähig zu machen. (...). Die Wettbewerbsordnung kann ohne persönliche Verantwortung der einzelnen ebensowenig funktionsfähig werden wie beim Fehlen ausreichender Marktformen oder Geldordnungen" (Eucken 1952/1990, S. 279 und S. 280/281; Hervorhebungen von mir). Ohne das Prinzip der Haftung wird mithin das „wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzip" - ein funktionsfähiger Preismechanismus - nicht verwirklicht werden können. Eine die tatsächlichen Knappheiten widerspiegelnde Bewertung und Anzeige von Gütern und Leistungen durch die Preise jedoch stellt bekanntlich das Fundament und den „Ausfluß" des Marktsystems zugleich dar. Um nun aber auch tatsächlich eine „möglichst umfassende Anzeige der Kosten wirtschaftlicher Handlungen durch die marktpreisgesteuerte Wirtschaftsrechnung (zu erreichen), ist die Einheit von Entscheidung und Haftung bei der wirtschaftlichen Planung sicherzustellen" (Schüller 1991a, S. 57). Das Prinzip der Haftung soll also die Externalisierung von Kosten erschweren, d.h. eine bessere Zurechenbarkeit, mithin die Zuweisung von Verantwortung ermöglichen. Damit übernimmt die Haftung Intemalisierungsfunktion sowie - unmittelbar damit zusammenhängend bzw. daraus hervorgehend - Selektionsfunktion und wirkt unmittelbar effizienzsteigernd: Entsprechend soll die Haftung „die Auslese der Betriebe und leitenden Persönlichkeiten ermöglichen oder erleichtern. Sie soll weiter bewirken, daß die Disposition des Kapitals vorsichtig erfolgt (...) und zwingt dazu, die Märkte vorsichtig abzutasten. (...) Die Kostenrechnung wird maßgebend" (Eucken 1952/1990, S. 280). Die mangelnde Haftung der Wirtschaftssubjekte bzw. Entscheidungsträger in den früheren Zentralverwaltungswirtschaften macht den Handlungsbedarf auf diesem Gebiet überdeutlich; gerade auf Unternehmensebene konnte kein Zweifel daran bestehen, daß das Haftungsprinzip völlig aufgeweicht bzw. schlicht überhaupt nicht vorhanden war. So waren „Konkurse in der Zentralverwaltungswirtschaft (...) weitgehend unbekannt: Betriebsstillegungen erfolgten auf Beschluß der Planbehörden und nicht als - negatives Ergebnis unternehmerischer Betätigung" (Lageman, Friedrich, Dohm, Brüstle, Heyl, Puxi und Welter 1994, S. 119; im weiteren zitiert als: Lageman, Friedrich et al. 1994). Für die Betriebe galten die bereits an früherer Stelle erwähnten „soft budget constraints": Der Staat garantierte ihr Überleben, indem er Subventionen und Steuernachlässe gewährte, Umschuldungen vornahm usw.; andererseits konnten die Betriebe keine „Gewinne" im engeren Sinne für eigene Zwecke verwenden, da diese einer gleichsam „konfiskatorischen Besteuerung" (Keilhofer) unterworfen waren. Bezugnehmend auf das o.g. Eucken-Zitat kann mithin festgestellt werden, daß die Unternehmen in den früheren Zentralverwaltungswirtschaften weder den Nutzen hatten noch den Schaden tragen mußten (vgl. auch Keilhofer 1995, S. 186). Bei den Bemühungen, diesen Zustand zu ändern, bedarf es jedoch im Transformsprozeß - der ja letztlich einen Übergangsprozeß darstellt - eines gewissen Fingerspit-
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zengefuhls, da „sich die Frage (stellt), wieweit die Haftungsregel im Übergang greifen soll, um die Privatisierung nicht zu behindern. Besonders die überkommenen Lasten aus dem alten System (Altschulden, ökologische Altlasten) stehen einer raschen Privatisierung entgegen" (Weber 1992, S. 582). Ähnlich äußert sich Gutmann (1991, S. 69): „Insbesondere das Thema der Haftung ökonomischer Entscheidungsträger für negative Auswirkungen ihrer Dispositionen, die sich nicht in ihrem eigenen Bereich, sondern in der Wirtschaftsrechnung anderer Partner (...) niederschlagen, dürfte infolge der zum Teil erheblichen Umweltschäden in den ehemaligen sozialistischen Ländern von besonderer Relevanz und Dringlichkeit sein." Bei aller Bedeutung ökologischer Fragestellungen darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Frage der umweltgerechten Produktion und der Vermeidung bzw. Internalisierung negativer externer Effekte weder im allgemeinen noch in den Transformationsländern im besonderen das im Zusammenhang mit der Haftung zu diskutierende Hauptproblem darstellt. Vielmehr geht es zunächst einmal ganz grundsätzlich um die glaubwürdige Drohung des Marktaustritts bei Mißwirtschaft bzw. mangelnder Wettbwerbsfähigkeit: Wilhelm Röpke kleidete dies einmal in die klaren Worte, „daß dafür gesorgt sein muß, daß eine Fehlleistung ihre unerbittliche Sühne in Verlusten und schließlich durch den Konkurs (...) findet" (so zitiert in Eucken 1952/1990, S. 281). Solange eine solche glaubwürdige Drohung nicht existiert, kann also von einer Realisierung des Haftungsprinzips nicht die Rede sein. Mithin kann für die Betriebe in den früheren sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften festgestellt werden, daß das Haftungsprinzip außer Kraft gesetzt war, da es faktisch kein Konkursrisiko gab. Die unzureichende bzw. fehlende Durchsetzung des Haftungsprinzips im realen Sozialismus stand im übrigen in engem Zusammenhang mit den Fehlentwicklungen im monetären Sektor, worauf später noch näher einzugehen sein wird. An dieser Stelle sei lediglich die Praxis der horizontalen und vertikalen Kreditgewährung erwähnt, die massiv zur Entkräftung des Haftungsprinzips beigetragen hat. So nahmen die Unternehmen im Grunde regelmäßig - außerplanmäßige - Überbrückungskredite von der Zentralbank in Anspruch (vertikale Kredite); da die Zahlungsmoral durchaus zu wünschen übrig ließ, wurde im Laufe der Jahre ein erheblicher Schuldenstand aufgehäuft, der beispielsweise insbesondere im vereinigten Deutschland unter dem Stichwort „Altschulden" zu einem sattsam bekannten Problem führte. Darüberhinaus zeigten viele Betriebe ebenfalls eine schlechte Zahlungsmoral gegenüber ihren Lieferanten, um sich auf diese Weise - zumindest temporär - zusätzliche Quellen der Refinanzierung zu erschließen (Keilhofer 1995, S. 186/187). Diese Verschuldung innerhalb des Unternehmenssektors erwies sich beispielsweise auch in Polen, insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses, als gravierendes Problem (vgl. etwa Koop und Nunnenkamp 1994, S. 76). Die Haftungsfrage ist also ebenfalls eine der zentralen Fragen im Transformationsprozeß, stellt doch die durch eine wirksame Haftung stets latente Konkursdrohung das Risiko des erzwungenen Marktaustritts dar, das als Pendant zu der durch die Öffnung der Märkte offerierten Marktzutrittsschranke zu verstehen ist. Erst durch eine wirksame Haftung kommt es also zu einer wirklichen Öffnung des Marktes nach beiden Seiten. Bei Abwesenheit einer durch ein Konkursrecht formell abgesicherten Haftungsregelung - sowie ferner etwa auch bei einer fortgesetzten Subventionierung (faktische
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„Sterbeverlängerung") maroder Staatsbetriebe - werden keine glaubwürdigen Signale gesetzt, durch die die Wirtschaftssubjekte zu entsprechenden Verhaltensänderungen bewogen werden könnten; sie werden nicht gezwungen, ihr Handeln an einer neuen Ordnung auszurichten.71 Aus dem Umgang mit der Haftungsfrage, die die politisch Verantwortlichen in den Transformationsländem pflegen, läßt sich also auf deren „wahre" Transformationsbereitschaft schließen: So ist es gewiß kein Zufall, daß es beispielsweise in Rußland bis zum Jahre 1996 dauerte, ehe ein Konkurs-Gesetz verabschiedet wurde 72 ; dies war etwa in Ungarn völlig anders: Hier wurden nicht nur die Subventionszahlungen an die Unternehmen bereits in den ersten Jahren der Transformation drastisch gesenkt (von noch ca. 12% des BIP im Jahre 1989 auf 3% im Jahre 1992), sondern die hohe Zahl der Konkurse ließ auch darauf schließen, daß das Konkursrecht konsequent angewandt wurde (vgl. Kornai 1993). 3.2.
Privatisierung im engeren Sinne: Schaffung eines leistungsfähigen Privatsektors
Unter „Privatisierung im engeren Sinne" könnte zunächst ganz allgemein die Erfüllung deijenigen Forderung verstanden werden, die die Konkretisierung des konstituierenden Prinzips „Privateigentum" an die Wirtschaftspolitik in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas stellt: „(Die) Privatisierung des sozialistischen Eigentums bezweckt die Entstaatlichung und Entkollektivierung der Wirtschaft und bedeutet demnach die Übertragung der Eigentumsrechte von staatlichen oder sonstigen kollektiv verfaßten Organen an selbständige und selbstverantwortliche natürliche und juristische Personen" (Leipold 1993, S. 14). Hierin kommt diejenige Auffassung von Privatisierung zum Ausdruck, die - insbesondere zu Beginn der Transformation - in der einschlägigen Fachliteratur überwiegend vertreten wurde. Meines Erachtens greift diese Auffassung zu kurz, da sie einen sehr wichtigen Aspekt völlig außer acht läßt: die Neugründung privater Unternehmungen. Ich schlage deshalb vor, den auf die ökonomische Sphäre beschränkten Begriff der „Privatisierung i.e.S." in einer Weise zu verstehen, die die Gesamtaufgabe der Schaffung bzw. Etablierung eines leistungsfähigen privatwirtschaftlichen Sektors in den Transformationsländern umfaßt, d.h., den ökonomischen Privatisierungsbegriff auf den Bereich der Neugründungen auszudehnen. In diesem Zusammenhang wird zu zeigen sein, daß Fehler bei der Privatisierung „von oben" die Pri-
In diesem Zusammenhang drängt sich beinahe unwillkürlich das auf von Hayek zurückgehende Begriffspaar von „Rechtsordnung und Handelnsordnung" auf. Ohne die entsprechenden Überlegungen von Hayeks hier - in nicht ganz „statthafter" Weise - gleichsam auf einen bestimmten (Teil-)Aspekt verengen zu wollen, lassen sich diese m.E. am Beispiel der Haftung recht gut illustrieren: Die Rechtsordnung dient bekanntlich dazu, verläßliche Erwartungen bilden zu können. Dies bedeutet jedoch nicht etwa - wie bereits betont - eine detailgenaue Kenntnis aller konkret zu erwartenden Verhaltensweisen und Ereignisse, sondern ist eher „prozedural" zu verstehen: Die durch die Rechtsordnung als Grundlage für eine Handelnsordnung vermittelte „Sicherheit" bezieht sich lediglich auf die grundsätzliche Funktionsweise des Marktsystems, hier konkret: auf die von W. Röpke so bezeichnete „unerbittliche Sühne" (Verlust und Konkurs) im Falle eines fortgesetzten „Fehlverhaltens" am Markt (vgl. hierzu grundsätzlich Hayek 1969g). Zur Haftungsfrage in der Zentralverwaltungswirtschaft vgl. femer beispielhaft MüllerArmack (1966); zur Anwendung auf die Transformation vgl. Keilhofer (1995).
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vatisierung „von unten" - die sog. „grass-roots-privatization" - massiv behindern können. 3.2.1. Privatisierung als Entstaatlichung „von oben" 3.2.1.1. Grundsätzliche Anmerkungen Bei den „Privatisierungsobjekten" wird mit Blick auf deren Größe üblicherweise grob zwischen der sog. „kleinen" und der „großen" Privatisierung unterschieden. Unter der ,Jcleinen" Privatisierung wird der Verkauf kleinerer Handwerks-, Handels-, Gaststätten- und sonstiger Dienstleistungsunternehmen an Private verstanden, während es bei der sog. „großen" Privatisierung um die Veräußerung der großen Staatsunternehmen aus den Branchen Industrie-, Kredit- und Versicherungswirtschaft geht. Die kleine Privatisierung ist in nahezu allen Transformationsländern Mittel- und Osteuropas bereits seit geraumer Zeit weitgehend abgeschlossen. Für den überwiegend recht zügigen und erfolgreichen Verlauf der kleinen Privatisierung gibt es mehrere Gründe: Zum einen waren die ,,Marktstrukturen" in den früheren sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas - wie bereits erwähnt - überwiegend von monopolistischen Großbetrieben geprägt, so daß allein schon die Anzahl der zu privatisierenden kleinen und mittleren Betriebe von vornherein recht gering war. Zum anderen waren die zu überwindenden (politischen) Widerstände gegen die Privatisierung der kleinen und mittleren Betriebe längst nicht so groß wie bei der Privatisierung der großen Staatsbetriebe. Schließlich hatten die Verantwortlichen der wenigen staatlichen Klein- und Mittelbetriebe - im Gegensatz zu den Kombinatsdirektoren - nicht zu den „Privilegierten" des alten Systems, sondern im Gegenteil häufig sogar eher zu denjenigen gehört, die schon immer stärker unter der mangelnden Freiheit, Flexibilität und Entscheidungskompetenz gelitten hatten, die ihnen das System der zentralen Planung und Lenkung auferlegte; sie hatten also durch einen grundsätzlichen Wechsel vergleichsweise wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Hinzu kommt ferner, daß der Erwerb eines zur Privatisierung angebotenen kleinen oder mittleren Unternehmens einen relativ geringen Kapitaleinsatz und damit auch ein vergleichsweise geringes wirtschaftliches Risiko bedeutet. Wenngleich im Rahmen der kleinen Privatisierung in den einzelnen Transformationsländem durchweg ähnlich positive Ergebnisse erzielt wurden, so waren die Ausgangsbedingungen und demzufolge auch die jeweils angewandten Konzepte und Verfahren durchaus sehr verschieden. Dies sei im folgenden Abschnitt beispielhaft und in aller Kürze anhand der Privatisierung von Klein- und Mittelbetrieben im Handels- und Dienstleistungssektor in Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik illustriert. 73 Kurioserweise machte Polen in den genannten Bereichen insbesondere in den ersten Jahren der Transformation mit Abstand die schnellsten Fortschritte: Dies ist zum einen deshalb erstaunlich, weil in Polen zu Beginn der Transformation die Versorgung mit Sämtliche Ausfuhrungen dieses Abschnitts beruhen - sofern nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet - auf Earle, Frydman, Rapaczynski und Turkewitz (1994); im weiteren zitiert als Earle et al. (1994).
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Konsumgütern mit die schlechteste bzw. der Konsumgüterhandel einer der unterentwikkelsten aller Transformationländer war. Die schnelle positive Entwicklung in diesem Bereich überrascht zum anderen auch deshalb, weil es in Polen für die kleinen und mittleren Betriebe in den genannten Branchen überhaupt kein einheitliches Privatisierungsprogramm im engeren Sinne gab. Im Gegenteil: Jede einzelne Gemeinde betrieb im Grunde ihre eigene Privatisierungspolitik; es gab keinerlei einheitliche Richtlinien, und eine Koordination auf irgendeiner übergeordneten Ebene fand nicht statt. Demgegenüber wurde in der Tschechischen Republik eine grundsätzlich andere, nahezu „zentralistische" Strategie verfolgt: Es gab einheitliche Programme, und die kleine Privatisierung folgte in den jeweiligen Branchen und in allen Landesteilen fest vorgegebenen Regeln; meist wurden die Ladengeschäfte und Restaurants auf dem Wege formeller öffentlicher Versteigerungen sehr schnell an den Mann (bzw. die Frau) gebracht. Wieder anders verlief der Privatisierungsprozeß in Ungarn·. Hier faßte man den Begriff der Privatisierung offenbar von Beginn an recht weit und baute vornehmlich auf die Gründung neuer Unternehmen, d.h. man war hinsichtlich der „echten" Privatisierung (Eigentumsumwandlung der alten staatlichen Unternehmen) nach einer ersten relativ kurzen Phase der sog. „spontanen" Privatisierung einer beschränkten Anzahl von Unternehmen recht zurückhaltend „and the rest (of enterprises, T.B.) remaining part of larger organizations which the state intends to restructure and sell over a longer period of time" (Earle et al. 1994, S. XXIV). Diese Auffassung deckt sich weitgehend mit der hier vertretenen, daß es sich nämlich bei der Privatisierung - wie bereits angedeutet - nicht um einen Selbstzweck, sondern gleichsam um einen „strategischen Faktor" handelt, der der Erreichung eines übergeordneten Ziels dient. Dieses übergeordnete Ziel ist in der Etablierung (dezentraler) wettbewerblicher Strukturen in den vormals zentral geleiteten Volkswirtschaften zu sehen. Dazu freilich bedarf es mehr als einer schlichten Entstaatlichung im Sinne einer systematischen Reduktion des Staatseigentums; was darüber hinaus hinaus benötigt wird, ist das aktive und konsequente Bemühen um die Schaffung von Wettbewerb. Nun mag es angesichts der Tatsache, daß in den meisten der heutigen Transformationsländer noch Ende der achtziger Jahre nahezu 90 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Produktionsleistung vom staatlichen bzw. kollektiven Sektor erbracht wurde - was letztlich nichts anderes bedeutet, als daß im Grunde ganze Volkswirtschaften zu privatisieren waren wenig überraschen, so daß zu Beginn der Transformation - trotz der o.g. Zusammenhänge - in der Privatisierung als bloßer Entstaatlichung zunächst vielfach die Transformationsaufgabe schlechthin gesehen und die wettbewerbspolitische Dimension der Privatisierungsaufgabe „übersehen" wurde.74 Dieses weitverbreitete Motto „privatization
Gleichwohl soll nicht verschwiegen werden, daß es durchaus erfreuliche Ausnahmen gegeben hat; so beispielsweise Van Brabant (1990, S. 128 u. 138), der Einsicht und Weitblick bewies, als er frühzeitig unmißverständlich feststellte: „Fast and widespread privatization in the PETs (planned economies in transition, T.B.) may not be the most desireable transition. (...). Under no circumstance could privatization be considered to be a panacea for raising economic efficiency (S. 138) First of all, the outcome o f privatization is contingent on the prevailing market structures. For markets to function properly, the PETs must re-create competition. (...). To attain this, the monopoly power of large SOEs (stateowned enterprises, T.B.) must be substantially reduced. (...). Market structures are the key
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first" ist allerdings wohl auch vor dem Hintergrund der durchweg schlechten Erfahrungen zu sehen, die man mit den unzureichenden Wirtschaftsreformen in verschiedenen Ländern noch zu sozialistischer Zeit hatte machen müssen. Damals hatte man zwar - wie eingangs der Arbeit erwähnt - des öfteren versucht, einige marktwirtschaftliche Elemente („ökonomische Hebel") in das zentralverwaltungswirtschaftliche System einzubauen; wie gesehen, war dies jedoch insbesondere an der mangelnden Kompatibilität dieser Elemente mit dem die Freiheit der Betriebe massiv einschränkenden Staatseigentum an den Produktionsmitteln gescheitert, das letztlich niemals wirklich ernsthaft angetastet worden war. Ganz in diesem Sinne heißt es etwa bei Altmann (1993, S. 227): „Versuche, Marktelemente in die sozialistischen Volkswirtschaften einzuführen, konnten an den verschiedensten Reformanstrengungen in Polen, Ungarn oder auch der Tschechoslowakei des öfteren beobachtet werden, doch brachten diese Reformversuche wenig ein, da offensichtlich effizientes Marktverhalten und kollektive Eigentumsordnung keinen Weg zu effektivem Zusammenwirken finden konnten." So ist es letztlich wohl wenig erstaunlich, daß man eingedenk dieser schlechten Erfahrungen mit „halbherzigen Reformen" gleich zu Beginn des Transformationsprozesses mit einer möglichst umfassenden Privatisierung auf dessen Unumkehrbarkeit hinwirken wollte. 3.2.1.2. Konzepte und Verfahren der Privatisierung „von oben" In der Literatur findet sich eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Privatisierungskonzepten und -Strategien75; in den einzelnen Transformationsländern wurden denn auch unterschiedliche Methoden der Privatisierung angewandt. Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt wegen der in jedem Land je spezifischen Ausgangs- und Rahmenbedingungen überrascht es nicht, daß Tempo und Ausmaß der Privatisierung in den einzelnen Ländern entsprechend unterschiedlich weit fortgeschritten sind. Es versteht sich von selbst, daß auf eine umfassende oder gar länderspezifische Schilderung und Würdigung der verschiedenen Privatisierungskonzepte im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden muß; gleichwohl sollen aus der Vielzahl der Konzepte die m.E. wichtigsten herausgegriffen und im folgenden Abschnitt kurz vorgestellt werden. Um etwa eine kritische Beurteilung der in einem bestimmten Land gewählten Privatisierungsmethode vornehmen zu können, bedarf es der Auswahl geeigneter Beurteilungskriterien. In der einschlägigen Literatur werden eine Reihe solcher Kriterien genannt; im Weltentwicklungsbericht von 1996 findet sich ein Katalog der am häufigsten genannten: 1. Auswirkung auf die Qualität der Unternehmensflihrung, 2. Geschwindigkeit und Durchführbarkeit, 3. Auswirkung auf den Zugang zu Kapital und Qualifikationen, 4. fiskali-
ingredients of the decision to go ahead with privatization. (...). Changes in ownership in the absence of competition and an adequate regulatory environment do not inevitably lead to improvements in performance" (S. 128). Zum Privatisierungsproblem im Rahmen der Systemtransformation sei beispielhaft auf folgende Sammelwerke hingewiesen: Leipold (Hrsg.) (1992), Thieme (Hrsg.) (1993, darin v.a. Leipold, S. 13-40) sowie Siebert (ed.) (1992). Verwiesen sei femer auf die von der OECD (Center for Co-operation with European Economies in Transition, Paris) herausgegebene Reihe „Trends and Policies in Privatisation". Zur Vielzahl grundsätzlich denkbarer, d.h. nicht speziell auf die Transformation in Mittel- und Osteuropa bezogener, Privatisierungsverfahren vgl. etwa Pirie (1988).
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sches Ziel (möglichst hohe Privatisierungserlöse), 5. (Verteilungs-)Gerechtigkeit (Weltbank 1996, S .64). Die Beziehungen dieser verschiedenen Ziele untereinander sind jedoch nicht ausschließlich harmonisch - es bestehen vielfaltige Zielkonflikte, auf die hier nicht ausfuhrlich eingegangen werden kann (vgl. hierzu etwa World Bank 1996, S. 50-56). Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Zielkonflikte erscheint auch die Frage nicht unproblematisch, wer mit der heiklen und auch technisch schwierigen Privatisierungsaufgabe betraut werden soll. Auch hier sind verschiedene Möglichkeiten denkbar: „Träger der Privatisierungspolitik können erstens staatliche Agenturen, zweitens unabhängige und kommerziell wirtschaftende Agenturen und drittens die zur Privatisierung anstehenden Wirtschaftseinheiten selber sein." 76 3.2.1.2.1. Privatisierung über den Kapitalmarkt Diese Privatisierungsmethode schien vielfach zu Beginn des Transformationsprozesses grundsätzlich favorisiert zu werden (Keilhofer 1995, S. 111), da man sich von ihr anders etwa als beim noch zu erläuternden „Treuhand-Modell" - infolge der rein marktlichen („objektiven") Allokation die Vermeidung des Problems einer „falschen" bzw. „ungerechten" oder gar willkürlichen Bewertung der zu privatisierenden Unternehmen versprach. Ein weiterer Vorteil wurde in der Risikominderung für den einzelnen Anteilserwerber gesehen, bewirkt doch die Streuung der Anteile eine Verteilung des Risikos eines „Fehlkaufs" auf entsprechend viele Schultern (Keilhofer 1995, S. 111). Weiterhin erwarteten manche Autoren von dieser Methode besonders hohe Privatisierungserlöse (Van Brabant 1991, S. 35-38). Selbstverständlich kann grundsätzlich kein Zweifel daran bestehen, daß die Privatisierung über den Kapitalmarkt als sog. „echte Marktlösung" - insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen bzw. sogar höchstwahrscheinlichen Vermeidung der berüchtigten „Insiderprobleme" - einiges für sich hat. Indes ist die Möglichkeit zur Anwendung dieser Methode - und damit auch die Chance, die o.g. potentiellen Vorteile zu nutzen - so banal es auch klingen mag, freilich zunächst davon abhängig, daß es überhaupt einen funktionsfähigen Kapitalmarkt gibt. Doch gerade diese Voraussetzung war bekanntlich zu Beginn des Transformationsprozesses im Grunde in keinem der postsozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas erfüllt; daß die „Errichtung" eines funktionsfähigen Kapitalmarktes in manchen Ländern „unnötig" lange dauerte, hing nicht zuletzt damit zusammen, daß in vielen Ländern zunächst einmal der Privatisierung (sie!) und der Liberalisierung oberste Priorität eingeräumt wurde. (Mithin hätte man - insbe-
„Als staatliche Agenturen kommen etablierte oder neu einzurichtende Ministerien, ferner Anstalten des öffentlichen Rechts wie z.B. die Treuhandanstalt bis hin zu dezentralen von Bezirken oder Kommunen kontrollierte Privatisierungsfonds in Frage. Für unabhängige Privatisierungsagenturen bieten sich ebenfalls verschiedenen Organisationsformen an. Sie können als private Aktiengesellschaften (Investmentgesellschaften, mutual funds, Holding AG) verfaßt sein, wobei der Staat neben Privatpersonen Anteilsrechte halten kann. Die Agenturen handeln im staatlichen Auftrag, wirtschaften aber selbständig und rentabilitätsorientiert. Schließlich kann die Zuständigkeit für die Privatisierung auch dem Management und den Belegschaftsorganen (Arbeiterrat, Versammlung der Genossenschaftsmitglieder) übertragen werden, die dann im Rahmen der gesetzlichen Regelungen initiativ werden" (Leipold 1993, S. 14/15).
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sondere zu Beginn des Transformationsprozesses - zum Zwecke einer Kapitalmarktprivatisierung auf Börsen im Ausland ausweichen müssen.) Zum anderen umfaßte die Privatisierungsaufgabe eine so gewaltige Anzahl staatlicher Unternehmen, „daß die Plazierungskraft durch ein Überangebot an Aktien beschränkt worden wäre. Unter diesen Bedingungen konnte die Kapitalmarkt-Lösung keinen Weg aufzeigen, um die Privatisierungsaufgabe zu erfüllen. (Im Gegenteil, T.B.:) Entflechtung und Privatisierung der Unternehmen waren vielmehr als Voraussetzungen für die Wiederbelebung des Kapitalmarktes anzusehen" {Keilhofer 1995, S. 111/112). 3.2.1.2.2. Privatisierung durch Direktverkauf („Treuhand-Modell") Bei diesem Privatisierungsverfahren, wie es etwa im Falle der Privatisierung der ostdeutschen Betriebe durch die Treuhandanstalt angewandt wurde 7 7 , werden die Unternehmen (oder Teile von Unternehmen) auf dem Wege des direkten Verkaufs oder über öffentliche Ausschreibungen und auch Versteigerungen/Auktionen ihren neuen Eigentümern zugeführt. Angesichts der Tatsache, daß im Falle der früheren DDR - im Gegensatz zu allen anderen postsozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas - durch deren Beitritt zur Bundesrepublik ein voll funktionsfähiger Kapitalmarkt zur Verfugung stand, mag es etwas überraschen, daß man sich ausgerechnet hier ausdrücklich nicht für die ansonsten favorisierte Methode der Kapitalmarktprivatisierung, sondern für den Direktverkauf entschied. Es ist zu vermuten, daß die Erklärung hierfür - zumindest zum Teil in der Hoffnung der politisch Verantwortlichen auf höhere Einnahmen aus den Privatisierungserlösen zu suchen ist (vgl. Herrmann-Pillath 1992, S. 33). Auf den ersten Blick scheint diese Vermutung zwar der im vorherigen Abschnitt wiedergegebenen Einschätzung mancher Autoren zu widersprechen, die Methode der Kapitalmarkt-Privatisierung diene am ehesten der Erzielung hoher Erlöse. Dies ist jedoch m.E. nur scheinbar ein Widerspruch, gilt es doch zu beachten, daß sich angesichts des weitverbreiteten Geldkapitalmangels in nahezu allen Transformationsländern außer der DDR bei der Privatisierung ganzer Unternehmen durch Direktverkauf die Frage ge-
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Treuhandanstalt, die noch von der DDRRegierung eingesetzt wurde, zunächst keinen Privatisierungsauftrag hatte. Das Ziel bestand vielmehr darin, das bestehende Staats- bzw. Volkseigentum an den Betrieben und Produktionsmitteln „umzustrukturieren", d.h. Vorbereitungen dafür zu treffen, diese Vermögenswerte für den Fall einer Vereinigung mit Westdeutschland gleichsam kollektivrechtlich absichern zu können. Erst mit dem Einigungsvertrag bzw. dem Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion bekam denn auch die Treuhandanstalt einen grundlegend anderen Auftrag; zu den Hintergründen siehe etwa Luft (1990). Die Literatur über die Treuhandanstalt füllt Bibliotheken. Eine „Innenansicht" bzw. Selbstdarstellung der Treuhandanstalt und ihrer Arbeit liefert Breuel (1993); weitere Literatur zur Rolle der Treuhandanstalt im Rahmen des deutschen Transformationsfalls: Mayr (1995), Beyer und Nutzinger (1991), Wieczorek (1992), Schmid-Schönbein und Hansel (1991), S. 462-469; einen sehr aufschlußreichen Beitrag - u.a. über psychologische Aspekte im Zusammenhang mit der Privatisierung sowie eine Vielzahl praktischer Beispiele und aussagekräftiger Statistiken liefert Wandel (1995); zu den Rechtsgrundlagen der Treuhandanstalt und ihrer Arbeit siehe: Gesetzblatt der DDR (1990, Nr.33 I., S. 300-303: Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens („Treuhandgesetz") vom 17.Juni 1990) sowieRoggemann und Kuss 1993 (insbes. S. 58-69 u. 102-107).
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stellt hätte, wer das Geld zum Erwerb der feilgebotenen Unternehmen überhaupt hätte aufbringen können. Es stand also zu erwarten, daß - zumindest zu einem halbwegs angemessenen Preis - nur sehr wenige Unternehmen hätten verkauft werden können, kurz: Es fehlte die für einen nennenswerten fiskalischen Erfolg notwendige „kritische Masse" an solventen Käufern. Angesichts dieser zu erwartenden Schwierigkeiten erschien es angebrachter, die Privatisierung über den (wie sich alsbald zeigen sollte, leider nicht bzw. nur höchst unzureichend vorhandenen) Kapitalmarkt abzuwickeln, um so - gleichsam mangels Klasse dann eben über die Masse - mit einiger Wahrscheinlichkeit zumindest ein gewisses Minimum an Privatisierungserlösen erzielen zu können. Im ostdeutschen Privatisierungs- und Transformationsfall lagen die Dinge allerdings anders: Aus mir nicht einsichtigen Gründen glaubte man offenbar, mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen zu können, daß es von solventen Käufern geradezu nur so wimmeln würde und man sich vor zahlungskräftigen Interessenten förmlich kaum würde retten können. Vor diesem Hintergrund erhoffte man sich von der Privatisierung via Direktverkauf höhere Privatisierungserlöse als bei einer Privatisierung über den Kapitalmarkt, mit der ja notwendig die „Aufsplitterung" der Unternehmen sowie eine entsprechende Streuung der Anteile verbunden gewesen wäre. Dieses Vorgehen ist zumindest aus zwei Gründen zu kritisieren bzw. zu bedauern: Zum einen zeigte sich recht schnell, daß die Hoffnung auf hohe Privatisierungserlöse getrogen hatte78 : Nur ein Bruchteil der ostdeutschen Betriebe ließ sich zu halbwegs einträglichen (bzw. „erträglichen") Preisen verkaufen; man hatte nicht nur den Zustand der Betriebe und damit deren Ertragspotential und Verkaufswert bei weitem überschätzt, sondern offenbar auch die Gültigkeit bzw. Wirksamkeit eines denkbar schlichten „Grundgesetzes der Ökonomie" aus unerklärlichen Gründen sträflich unterschätzt: Durch die angebotsseitige Überschwemmung des Markt mit einem bestimmten Gut hat noch selten jemand einen hohen Preis für eben dieses Gut erzielt...79 So wies die Schlußbilanz der Treuhandanstalt nach Ende ihrer „operativen" Tätigkeit letztlich einen Milliardenverlust in dreistelliger (sie!) Höhe aus.80 Zum anderen hätte eine Privatisierung über den Kapitalmarkt die Möglichkeit geboten, eine „gerechtere" Verteilung - im Sinne größerer Gleichheit der Startchancen - zu Beginn der Transformation zu erreichen, da die gestreuten Anteile an den zu privatisierenden ostdeutschen Unternehmen (auch) unter der ostdeutschen Bevölkerung „aufgeteilt" worden wären (Schreit! 1992).
Dies bestätigte denn auch die Präsidentin der Treuhandanstalt im Rahmen eines Privatisierungskongresses, der im März 1992 in Berlin stattfand: „Man muß sich von der Illusion trennen, daß Privatisierung hinsichtlich des Erlöses ein großes Plus-Geschäft sein könnte" (Breuel 1992, S. 16). Auf dieses Problem war gleichwohl in der Fachliteratur rechtzeitig hingewiesen worden (allerdings wäre doch zu hoffen - und „eigentlich" auch anzunehmen - gewesen, daß es für derlei Selbstverständlichkeiten keines gesonderten Beistands durch Expertenwissen bedurft hätte...); vgl. hierzu beispielhaft Sinn (1996, S. 162): „The clearance sale o f t e n s of thousands of factories will quickly drive the price of factories to zero and may ultimately force the Treuhandanstalt to give away ist companies instead of selling them." Nach Angaben der Treuhand-Nachfolgerin BVS (Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) belaufen sich die mit der Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft (mehr als 10.000 Betriebe) verbundenen Verluste insgesamt auf ca. 250 Mrd. DM (Süddeutsche Zeitung vom 25.11. 1997).
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Stattdessen kam es bei der letztlich gewählten Privatisierungsmethode des Direktverkaufs bisweilen sogar dazu, daß einige der ohnehin nicht sehr zahlreichen „Rosinen" unter den ostdeutschen Betrieben von westdeutschen Konkurrenten derselben Branche (auf-)gekauft wurden. 81 Damit war verteilungspolitisch das denkbar schlechteste der möglichen Ergebnisse erreicht; durch derartige Entwicklungen wurde denjenigen kritischen Stimmen zusätzliche Nahrung gegeben, die nicht vom „Beitritt" der DDR zur Bundesrepublik, sondern eher von einer „Vereinnahmung", ,.Fremdbestimmung" oder gar von einer „Kolonisierung" sprachen (vgl. beispielhaft Brie 1994 und Reißig 1993). Wenngleich man soweit sicherlich nicht unbedingt gehen muß, läßt sich doch keinesfalls abstreiten, daß man zumindest leichtfertig eine große Chance zu mehr Verteilungsrechtigkeit - und damit zu einer größeren bzw. breiteren Akzeptanz des Transformationsprozesses insgesamt - gleichsam auf dem Altar einer trügerischen fiskalischen Hoffnung geopfert hatte. Diese im Fall der ostdeutschen Transformation versäumte verteilungspolitische Chance bedauert beispielsweise auch Keilhofer (1995, S. 260): „Der beste Weg, um das Verteilungsproblem der Transformation zu lösen, würde daher nicht durch die politische Sicherung einer egalitären Ausgangsverteilung, sondern durch eine Gleichverteilung der Startchancen aufgezeigt. Die Forderung nach Herstellung der Startchancengerechtigkeit am Beginn der Transformation begründet Handlungsbedarfe (...auch) im Bereich der Privatisierung (...)." Vor dem Hintergrund der o.g. Probleme - hier insbesondere die Schwierigkeit, wegen der gewählten Privatisierungsmethode Investoren finden zu müssen, die jeweils am Kauf ganzer Unternehmen interessiert waren, - sah sich „die Treuhandanstalt gezwungen, im Verlauf der Privatisierung von der gesetzten Linie teilweise abzurücken und durch aufwendige Maßnahmen zur Restrukturierung der ausgewählten Einheiten der Nachfrage entgegenzukommen ("Mitgift'). (...) Die (zu diesem Zwecke beschlossene und durchgeführte, T.B.) rigorose Entflechtung der großen Kombinate in kleinere und mittlere Einheiten erweiterte den Kreis der möglichen Erwerber, so daß nicht nur große Investoren aus dem 'Westen', sondern auch qualifizierte Führungskräfte aus dem 'Osten' den Zuschlag gewinnen konnten." 82 Die Lehren aus der Treuhand-Politik bestätigten die auch andernorts gemachten Erfahrungen, daß die Privatisierungsmethode des Direktverkaufs ganzer Unternehmen bzw. selbständiger Unternehmenseinheiten sich nicht für große, sondern nur für kleine oder bestenfalls mittlere Unternehmen eignet 83 -
Diese Entwicklung konnte niemanden ernsthaft überraschen, hatte es doch bereits frühzeitig warnende Stimmen gegeben; vgl. auch hier beispielhaft eine zutreffende Äußerung von Sinn (1996, S. 161), der auf die Möglichkeit hinweist, „that East German companies will be bought by their West German competitors in order to defend their market shares. It is an open secret that many recent purchases of East German firms have been motivated by such considerations. " „Die Privatisierung durch management-buy-outs oder buy-ins im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen konnte in Ostdeutschland einige Erfolge vorweisen, weil dadurch unmittelbar und schnell die Selbstverantwortlichkeit der Erwerber über die Produktionsmittel durchgesetzt wurde" (Keilhofer 1995, S. 115; Hervorhebungen von mir). Zu demselben Ergebnis - wenn auch für Großbritannien - kommt übrigens bereits Leipold (1991, S. 137), der die britische Politik der Privatisierung und Deregulierung während der achtziger Jahre untersucht hat: „Eine (...) Methode (der Privatisierung, T.B.) besteht im direkten Verkauf staatlicher Unternehmen an private Käufer. Diese Form bietet sich entwe-
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der in nahezu allen Transformationsländem reibungslos verlaufende und spätestens gegen Ende 1993 weitgehend abgeschlossene Prozeß der sog. „kleinen" Privatisierung sollte diese Einschätzung bestätigen (hier hatte man sich zumeist der Methode des Direktverkaufs bedient). Deshalb mußte diese Privatisierungsmethode vor dem spezifischen Hintergrund der Betriebsgrößenstruktur, die nicht nur in der früheren DDR, sondern mehr oder weniger ausgeprägt in jedem der früheren sozialistischen Länder herrschte, im Grunde von vornherein mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden (vgl. hierzu grundsätzlich Fehl (1991) sowie Leipold (1991, S. 149): „In der DDR-Industrie (...war, T.B.) die Untemehmenspyramide gleichsam auf den Kopf gestellt. Kleine und mittlere Unternehmen sind rar. Es dominieren Großbetriebe, die bekanntlich als Kombinate organisiert waren"). Mithin wird deutlich, daß die Privatisierung via Direktverkauf also nur in Kombination mit einer konsequenten Entflechtung Erfolg versprechen konnte - darauf wird noch einzugehen sein. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Ziel einer schnellen Privatisierung; so zeigte sich, daß das anfangs nur sehr geringe Tempo der Privatisierung erst durch die erfolgreichen Entflechtungs- und Restrukturierungsbemühungen entscheidend beschleunigt werden konnte. 84 Dieser Zusammenhang gilt im übrigen generell: Auch in anderen Transformationsländern, die sich für die Methode des Direktverkaufs entschieden hatten, bestätigte sich die Notwendigkeit einer Entflechtung. 3.2.1.2.3. Privatisierung über Ausgabe von Vouchers/Coupons Die Methode der Privatisierung über die (i.d.R. unentgeltliche) Ausgabe von Coupons/Vouchers an die Bevölkerung - bisweilen recht anschaulich auch als ,.Massenprivatisierung" bezeichnet - wurde beispielsweise mit anfangs recht gutem Erfolg in der CSFR bzw. später in der Tschechischen Republik angewandt (vgl. u.a. Keilhofer 1995, S. 110 ff.). Sie vermeidet einige der o.g. Nachteile des Direktverkaufs ganzer Untemehmenseinheiten (Sinn und Sinn 1992, insbes. S. 133 ff., sowie femer Sinn 1996, insbes. S. 157-166). Die bedeutendsten Vorteile dieser Methode werden darin gesehen, daß durch sie die Privatisierung recht schnell abgewickelt und die Bevölkerung - wenngleich letztlich doch nur in beschränktem Maße - aktiv in das Privatisierungsgeschehen „eingreifen" bzw. sich an diesem beteiligen kann; auf diese Weise erhoffte man grundsätzlich, durch eine entsprechend breite Streuung des Eigentums eine größere „Verteilungsgerechtigkeit" und damit auch eine breitere Akzeptanz des gesamten Privatisierungsprozesses zu erreichen. 85
der für den Verkauf kleinerer oder mittlerer Unternehmen an oder wenn selbständige Betriebsteile aus größeren Unternehmen ausgegliedert und verkauft werden sollen." „Die Ergebnisse der Treuhand-Politik haben gezeigt, daß (nur, T.B.) durch eine rigorose Entflechtung der staatlichen Unternehmen und durch die Direkt-Veräußerung der entflochtenen Einheiten auf qualifizierte Erwerber das Allokationsziel der Privatisierung, die Durchsetzung wettbewerblicher Verhältnisse auf dem Gütermarkt, in kurzer Zeit realisiert werden kann" (Keilhofer 1995, S. 115). Einen außerordentlich detaillierten Überblick über die Ergebnisse der einzelnen „Privatisierungswellen" in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik liefern
Lageman, Friedrich et al. (1994, S. 240-244).
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Gleichwohl ist auch auf einige Nachteil dieser Methode hinzuweisen: So besteht etwa die Gefahr, daß durch eine zu breite Streuung eine regelrechte „Aufsplitterung" bewirkt und infolgedessen eine wirksame Kontrolle des Managements der auf diese Weise privatisierten Betriebe erschwert bzw. letztlich unmöglich gemacht wird (vgl. stellvertretend für viele Lageman, Friedrich et al. 1994; S. 216 ff.). In Folge der weit gestreuten Anteile läßt sich kaum ein auch nur annähernd homogenes Eigentümer-Interesse definieren; dies jedoch wäre die Mindestvoraussetzung dafür, um das Management im Sinne der Eigentümerinteressen disziplinieren und der Gefahr einer „Verselbständigung" des - zudem homogeneren - Management-Interesses vorbeugen zu können. Anders ausgedrückt: Mit der Methode der Voucher-Privatisierung ist nahezu zwangsläufig ein klassisches „Principal-Agent-Problem" verbunden. Dieses Problem wird im übrigen verschärft, falls es nicht gleichzeitig - etwa durch Entflechtungsmaßnahmen oder durch Konkurrenz von Seiten neugegründeter Unternehmen - zu einer wirksamen Beschränkung der Monopolmacht des jeweiligen Unternehmens kommt (ganz in diesem Sinne Van Brabant 1990, S. 133). Es versteht sich, daß im Rahmen dieser Arbeit keine ausführliche Beurteilung der jeweiligen Privatisierungsergebnisse in einzelnen Transformationsländem erfolgen kann. So soll unter Berücksichtigung einiger der o.g. Kriterien lediglich eine Art „Grobüberblick" gegeben werden: Es zeigte sich insgesamt, daß erstens die Herstellung wettbewerblicher Rahmenbedingungen durch die Privatisierung „von oben" in kaum einem Land zufriedenstellend gelungen ist. So wurde beispielsweise durch die Privatisierung häufig tatsächlich nichts anderes als ein bloßer Eigentümerwechsel bewirkt 86 : Auf diese Weise wurde also das o.g. Problem nicht verhindert, vom Regen der staatlichen in die Traufe privater Monopolmacht zu gelangen; mithin wurde das primäre Ziel der Privatisierungsbemühungen - die Etablierung wettbwerblicher Strukturen - nicht erreicht.87 So finden wir in vielen Transformationsländern die Erfahrung bestätigt, daß sich „bei der Ausnutzung monopolartiger Marktpositionen (...) private und staatliche Monopole nicht (unterscheiden)." 88 Bei Clapham etwa heißt es - übrigens mit Blick auf einige Länder, die immerhin lange Zeit als „Musterknaben" der Transformation galten: „(Die) Veränderung der Eigentumsrechte als solche bewegt ja relativ wenig. Es kommt nämlich ganz entscheidend darauf an, ob gleichzeitig durch die Wirtschaftspolitik ent-
Lageman, Friedrich et al. (1994, S. 214) sprechen in diesem Zusammenhang sehr treffend von „Umetikettierungsaktionen". Daß es zu dieser Einsicht nicht notwendigerweise erst des „praktischen Anschauungsunterrichts" und entsprechend negativer Erfahrungen bedurft hätte, beweist van Brabant (1990, S. 133), der bereits zu Beginn der Transformation feststellte: „At the start of the reform, these countries are highly monopolized. Substituting private for state monopolies will not necessarily enhance allocative efficiency (...). Unless effective competition and regulation are introduced, the privatization of firms with market power brings about private ownership in precisely the circumstance where it has least to offer." „Nach F. Böhm besteht der einzige Unterschied darin, daß staatliche Unternehmen bei Monopolpraktiken meist ein gutes Gewissen haben. Die Privatisierung staatlicher Unternehmen, die häufig über gewachsene und geschützte Monopolstellungen verfugen, bedarf daher gleichlaufender Deregulierungsmaßnahmen, wobei die Öffnung der Märkte für potentielle Konkurrenten die wirksamste wettbewerbsfördernde Maßnahme ist" (Leipold 1991, S. 144).
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sprechende Anreiz- und Sanktionsmechanismen geschaffen werden, um die neuen Betriebsleiter auch zu einem ökonomisch effizienten Verhalten zu veranlassen. In den hier zur Diskussion stehenden Ländern (Polen, Ungarn, CSFR, T.B.) stelle ich häufig fest, daß die Privatisierungsdiskussion gleichsam davon - als ein Problem für sich - abgekoppelt ist. Ich vermisse hier die Verbindung der Privatisierungskonzepte und -Strategien mit einer marktkonformen Wirtschaftspolitik, konkret mit (...) Wettbewerbspolitik. Nur in diesem Zusammenwirken von institutionellen Änderungen der Eigentumsrechte plus Wirtschaftspolitik ist die Transformationsaufgabe verständlich zu machen" (Clapham 1993, S. 121). An dieser Stelle bietet es sich an, einmal kurz auf einen „Vorschlag" hinzuweisen, den etwa Keilhofer (1995, S. 108 ff.) im Zusammenhang mit der Privatisierungs-Diskussion unterbreitet hat: Er schlug vor, das Ausmaß der durch die Privatisierung bewirkten „Entflechtung" in den zur Beurteilung der verschiedenen Methoden aufgestellten Katalog aufzunehmen. Sicherlich ist ihm zuzustimmen, wenn er betont, daß sich Privatisierungsverfahren insbesondere daran messen lassen müßten, inwieweit sie letztlich „zur Durchsetzung wettbewerblicher Strukturen auf dem Gütermarkt führen". Gleichwohl halte ich den o.g. Vorschlag für etwas „unglücklich" oder doch zumindest verwirrend, da die Entflechtung der alten staatlichen Großunternehmen oft eher als Voraussetzung für deren wirksame Privatisierung anzusehen ist als umgekehrt; aus diesem Grunde wird der „Entflechtung" im Rahmen dieser Arbeit ein eigener kurzer Abschnitt gewidmet. Zweitens zeigte sich, daß die Geschwindigkeit, mit der die Eigentumsübertragung vonstatten ging, tatsächlich nur in denjenigen Ländern recht hoch war, die die Methode der Voucher-Privatisierung gewählt hatten (z.B. Tschechische Republik), während es in anderen Ländern - so etwa in Polen - bisweilen enorme Verzögerungen gab bzw. noch immer gibt. Die feststellbaren Gründe dafür bestätigten weitgehend die zuvor angestellten theoretischen Überlegungen: So waren bzw. sind Unternehmen von der enormen Größe, die viele der Staatsbetriebe in den Transformationsländem früher aufwiesen (bzw. noch heute aufweisen), kaum „am Stück" zu verkaufen. Ohne eine Entflechtung, durch die zumindest einige veräußerungsfähige „Filetstücke" gewonnen werden könn(t)en, kommt der Privatisierungsprozeß gerade beim Direktverkauf nicht voran. Der schleppende Verlauf der großen Privatisierung in Polen ist im übrigen ein Musterbeispiel für ein mögliches Scheitern der Privatisierungsbemühungen an den vielfältigen politischen Widerständen verschiedener „unheiliger Allianzen". 89
Das die Privatisierung in Polen besonders erschwerende Hindernis bestand (und besteht) in der spezifischen polnischen Untemehmensverfassung, die damals im Zuge der Solidarnosc-Bewegung entstanden und nahezu von allen Regimegegnern und NichtKommunisten im In- und Ausland sehr begrüßt worden war: So wurden in den Staatsunternehmen Arbeiterräte eingerichtet, deren Einfluß sich nicht auf bloße Mitspracherechte erstreckte, sondern „darüber hinaus (auf) weitreichende Kompetenzen mit Bezug auf die Einsetzung und Kontrolle der Unternehmensleitungen. Zum anderen wurden die Entscheidungsspielräume der Unternehmen gegenüber den staatlichen Planungs- und Aufsichtsbehörden gestärkt (...). (Diese...) überaus starke Stellung der Arbeiterräte und Belegschaften konnte nach dem politischen Umbruch durch die nichtkommunistische - stark mit der Solidamosc-Bewegung verbundene - Regierung keinesfalls in Frage gestellt werden. Das in den Unternehmen bestehende institutionelle Arrangement mußte sich auf den Pnvatisie-
rungsprozeß auswirken" (Lageman, Friedrich et al. 1994, S. 218).
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Drittens zeigte sich, daß die vermittels der Voucher-Methode angestrebte größere Verteilungsgerechtigkeit - im Sinne einer möglichst breiten Streuung der Vermögensanteile - nur bedingt erreicht wurde. Zwar machte die Bevölkerung - so insbesondere in der Tschechischen Republik - regen Gebrauch von den sich bietenden Partizipationsmöglichkeiten am Prozeß der Privatisierung. Da sich jedoch alsbald die Befürchtungen bezüglich des „Principal-Agent-Problems" bestätigen sollten und die Kontrollmöglichkeit der „eigentlichen" Vielzahl der Eigentümer letztlich vor allem an die Banken überging, die diejenigen Investmentfonds verwalten, über deren Anteile die Bevölkerung letztlich ihre Eigentumstitel an den privatisierten Unternehmen hält, wurde letztlich der Einzeleigentümer der Möglichkeit beraubt, wirksam Einfluß auf die Geschicke und den Wert „seines" Unternehmens (bzw. -anteils) auszuüben. 90 So darf also bezweifelt werden, ob die anfangs insbesondere ob der hohen Geschwindigkeit hochgelobte „MassenPrivatisierung" in der Tschechischen Republik wirklich diejenige Klärung bzw. B e r e i n i g u n g " der Eigentumsverhältnisse bewirkt hat, die im Sinne der Schaffung wettbewerbsfördernder Anreizstrukturen angestrebt worden war. 91 Der Hintergrund dieser Entwicklung sei hier kurz skizziert; dabei wird es insbesondere um die engen Verbindungen zum Bankensektor gehen, deren Erörterung wir an entsprechender Stelle bereits angekündigt hatten. Die technische Abwicklung der Voucher-Privatisierung erfolgte im wesentlichen über die staatlichen Banken, die zu diesem Zwecke eigens Investmentgesellschaften gegründet hatten, die allerdings nur in der „Außenwirkung" selbständige Einheiten, realiter jedoch i.d.R. Töchter der Banken waren. Diese „Investmentabteilungen der Banken", wie man sie treffend bezeichnen könnte, übernahmen die Verwaltung der den privaten Haushalten zugeteilten Vouchers. Die im Grunde staatseigenen Investmentgesellschaften sahen sich nun folgendem Zielkonflikt gegenüber: Einerseits sahen sie sich - als privatwirtschaftliche Agenten - den Eigenkapitalgebern der von der Privatisierung betroffenen Unternehmen verpflichtet, d.h., sie hätten sich im Interesse der die Vouchers haltenden privaten Haushalte um die Sanierung der entsprechenden Unternehmen bemühen müssen, gegen die die Vouchers gingen. Andererseits jedoch konnten sie gleichsam als Agent im Dienste des Prinzipals Staat - kaum an einer wirklichen Sanierung dieser Unternehmen interessiert sein, da im Verlauf ernsthafter Sanierungsbemühungen die notleidenden Kredite unweigerlich als „weiche" bzw. „faule" Forderungen identifiziert worden wären, was eine unmittelbare Überschuldung, damit das sofortige
Indes fragt sich, wie groß die tatsächlichen Einflußmöglichkeiten des „kleinen Mannes" bei einer anderen Lösung (gewesen) wären. Dieses Problem ist im Grundsatz keineswegs neu oder womöglich gar auf die Transformationsländer beschränkt, wie die jüngst (wieder) aufgeflammte Diskussion um den „share-holder-value" gezeigt hat. Bei Ners (1996, S. 182) findet sich folgende „Kurzzusammenfassung" zur Privatisierung in der Tschechischen Republik, die einige interessante Details enthält: „Over 70 per cent of the voucher recipients decided to place their vouchers with the investment funds. From 436 registered investment funds, the 12 largest collected 93 per cent of vouchers invested in mutual funds. (...). Thus (...) investment funds have gained control of a large part of the Czech economy. Will they tum out to be industrial investors or short-term profit seekers? It is still unclear 'who' owns 'what', as the funds have not disclosed their portfolios. The investment funds co-owning the Czech enterprises belong to bog commercial banks which are often owned by each other."
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„Aus" und somit die „Erosion" der eigenen Forderungen der Bank(Mutter) gegen die betreffenden Unternehmen hätte bedeuten können. Ein konsequentes Eintreten für eine Sanierung im Interesse der Eigenkapitalgeber der von der Privatisierung betroffenen Unternehmen hätte also den wirtschaftlichen Untergang des Fremdkapitalgebers - der staatlichen Gläubigerbank - nach sich ziehen können. Dieses Problem hätte sich wohl nur vermeiden lassen, wenn den Staatsbanken das Investmentgeschäft von vornherein untersagt worden wäre. Dies wiederum wollte man deshalb nicht, weil man sich damit der immerhin vorhandenen Möglichkeiten zur Erzielung von Vorteilen aus dem Sanierungs- und Privatisierungsgeschäft begeben hätte: Schließlich verfügten die Verantwortlichen in den staatlichen Banken aufgrund ihrer Erfahrungen und mitunter engen „Geschäftsbeziehungen" zu den verschiedenen Staatsunternehmen über nicht unerhebliches Insiderwissen über den tatsächlichen Zustand und damit zumindest über einen gewissen Einblick in die potentielle Wettbewerbsfähigkeit der zu privatisierenden Betriebe. Im Grunde konnte kaum jemand besser wissen, welches Potential in einem solchen Unternehmen steckte, wenn es nur erst von den vielfältigen, nun in der neuen Umgebung gewiß nicht zum „Kerngeschäft" gehörenden Verpflichtungen „befreit" wäre, die das alte System der Zentralverwaltungswirtschaft den Betrieben aufgebürdet hatte. Die unrechtmäßige Nutzung von Insiderwissen hatte allerdings bereits bei der Anwendung anderer Privatisierungsmethoden bisweilen für böses Blut gesorgt - in diesem Zusammenhang sei beispielsweise nur an den Vorwurf fingierter Rechnungen und Transferrubel-Geschäfte im Rahmen des „sterbenden RGW-Handels" erinnert, mit denen sich etwa die Treuhandanstalt auseinanderzusetzen hatte. Es ist dies selbstverständlich nicht der Ort, auf solche Vorwürfe, deren genaue Hintergründe sowie deren Berechtigung oder Nicht-Berechtigung einzugehen. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang lediglich der Hinweis zu sein, daß in solchen Fällen vermuteter unrechtmäßiger Bereicherung letztlich der „neue" Rechtsstaat aufgerufen ist, etwas für seinen guten Ruf zu tun: Das Setzen glaubwürdiger Signale durch entsprechende Überprüfung und ggf. strafrechtliche Verfolgung - gleichsam als „vertrauensbildende Maßnahme" - kann in solchen Fällen von grundlegender Bedeutung für die „Stabilisierung der Erwartungen" im weitesten Sinne sein. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen läßt sich zusammenfassend folgendes feststellen: Erstens kann das grundlegende Problem der Altschulden durch eine nichtstichttagsbezogene Entschuldung nicht gelöst werden. Solange dieses Problem weitgehend ungelöst bleibt, kommt auch die Privatisierung der durch diese Altschulden massiv belasteten Staatsuntemehmen kaum voran. Da ohne eine Lösung des Privatisierungsproblems jedoch das wichtige Ziel der Etablierung wettbewerblicher Strukturen schwerlich erreicht werden kann, muß über geeignete Maßnahmen zur Erleichterung der Privatisierung nachgedacht werden. In diesem Zusammenhang ist - wie bereits angedeutet - insbesondere auf entsprechende Bemühungen zur Entflechtung hinzuweisen; darauf soll im nun folgenden Abschnitt kurz eingegangen werden.
•360·
3.2.2.
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Entflechtung als unverzichtbares Privatisierungskomplement: Das regulierende Prinzip „Monopolbekämpfung" und seine Anwendung im Transformationsprozeß
Auch im Hinblick auf das für ein Fortkommen des Privatisierungsprozesses in den Transformationsländern wichtige „Komplement" der Entflechtung erscheint es durchaus sinnvoll, sich entsprechender Überlegungen zu erinnern, die Walter Eucken einst angestellt hat: Wie bereits mehrfach erwähnt, ging es Eucken vor allem um die Bekämpfung wirtschaftlicher Macht bzw. um deren Beschränkung auf ein zur Erhaltung der Wettbewerbsordnung notwendiges Maß. 92 In Euckens Diktion handelt es sich bei Monopolen um „systemfremde Ordnungsformen", deren Entstehung auch die „strenge Befolgung der konstituierenden Prinzipien nicht verhindern kann" (Eucken 1952/1990, S. 291). Er plädierte in diesem Zusammenhang für eine scharfe Monopolgesetzgebung und Monopolaufsicht durch eine unabhängige, d.h. gegenüber politischen Institutionen - wie etwa dem Wirtschafts- oder Finanzministerium - weisungsungebundene Aufsichtsbehörde (Monopol- bzw. Kartellamt); eine Verstaatlichung solcher trotz strikter Befolgung der konstituierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung entstandenen Monopole als vermeintliche Lösung des Monopolproblems lehnte Eucken strikt ab. Seine Begründung für die Ablehnung einer Verstaatlichung der Monopole ist auch nach einem nahezu halben Jahrhundert unbedingt lesenswert, da sie an Einsicht in das Problem der Verquickung wirtschaftlicher und politischer Interessen sowie an Klarheit der Sprache schwerlich zu übertreffen ist: „Verstaatlichung vereinigt die beiden Sphären der Wirtschaft und der Politik. Aber durch (derlei) Konzentration ist - wie wir wissen - das Problem der wirtschaftlichen Macht und des Machtmißbrauchs zu keiner Zeit und nirgendwo gelöst worden. (...). Die großen Monopole (...) zu verstaatlichen heißt nicht, die Macht der Interessenten wirksam einer Aufsicht zu unterwerfen, sondern es heißt, die Aufsichtsperson zum Interessenten zu machen" {Eucken 1952/1990, S. 293). Euckens Einsichten zur mangelnden Wirksamkeit einer Verstaatlichung von Monopolen zum Zwecke der Bekämpfung wirtschaftlicher Macht sind - gleichsam im schlichten Umkehrschluß - auf das Monopolproblem und die Privatisierung im Rahmen des mittel- und osteuropäischen Transformationsprozesses anwendbar. Wenn wirtschaftliche Macht in Gestalt eines Monopols daherkommt, ist es letztlich völlig unerheblich, wer der Träger dieser wirtschaftlichen Macht ist; gleichviel, ob es sich um die Ballung wirtschaftlicher Macht in Gestalt eines staatlichen oder privaten Monopols handelt - zur mißbräuchlichen (Aus-)Nutzung verführt sie allemal. Genausowenig wie man von einer Verstaatlichung privater Machtgebilde die Lösung des Problems erwartet werden kann, wird man in den Transformationsländern von einer Privatisierung der großen Staatsbetriebe im Sinne eines bloßen Eigentümerwechsels eine Belebung des Wettbewerbs erwarten können. Genau dies ist die entscheidende Botschaft für das „eigentliche" Privatisierungsproblem im Rahmen der Systemtransformation: „Das Ziel der Transformation, (die) Errichtung einer funktionstüchtigen Wettbewerbsordnung,
Vgl. dazu - neben Euckens Ausfuhrungen in seinen beiden Hauptwerken „Die Grundlagen der Nationalökonomie" und „Grundsätze der Wirtschaftspolitik" - gleichsam in komprimierter Form auch seinen Vortrag „Das Problem der wirtschaftlichen Macht" (gehalten an der Universität London im März 1950, abgedruckt in: Eucken (1951, S. 1-15).
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wird von Grund auf verfehlt, wenn die 'alten' Monopolstrukturen unangetastet der Privatisierung zugeführt werden" (Keilhofer 1995, S. 107). Häufig wird in diesem Zusammenhang von ,J)e-Monopolisierung und Entflechtung" gesprochen, ich habe dieses Begriffspaar bewußt vermieden und mich aus folgenden Gründen ausschließlich auf die Entflechtung beschränkt: Die bisweilen gar synonyme Verwendung der beiden o.g. Begriffe ist m.E. etwas unglücklich, da doch wohl eher davon auszugehen ist, daß eine rigorose Entflechtung als Voraussetzung für eine wirksame De-Monopolisierung angesehen werden kann. So läßt sich der Begriff der DeMonopolisierung in einer entsprechend weiten Interpretation im Sinne des Schaffung „wettbewerblicher" Voraussetzungen insgesamt verstehen und stellt mithin eine Art „Oberbegriff dar, unter dem sich sowohl Maßnahmen zur Liberalisierung als auch Maßnahmen zur Privatisierung subsumieren lassen: Was stellt etwa die Öffnung der Märkte für in- und ausländische Konkurrenz anderes dar als den Versuch einer DeMonopolisierung schlechthin?! Nur in einer engeren Interpretation ergibt die synonyme Verwendung der Begriffe einen Sinn, sofern es sich bei dem zu entflechtenden Unternehmen tatsächlich um ein solches mit Monopolcharakter handelt. In einem solchen Fall - der freilich, dies sei konzediert, gerade in den Transformationsländern häufig gegeben ist - ist die Entflechtung gleichbedeutend mit der De-Monopolisierung in einem engeren wettbewerbspolitischen Sinn; die Wirksamkeit hängt - ceteris paribus, d.h. unter Abstraktion von Neugründungen etc., - gleichwohl davon ab, daß der die monopolistische Stellung des entsprechenden Unternehmens begründende Kern durch die Entflechtung tatsächlich zerstört wird, will man nicht vom Regen in die Traufe kommen. Nun zeigt ein Blick in die Realität, daß es mit der Herstellung „wettbewerblicher Rahmenbedingungen" in den Transformationsländern durch die bisherigen Anstrengungen in den Bereichen „Liberalisierung" und „Privatisierung" keineswegs überall zum besten bestellt ist: Die außenwirtschaftliche Öffnung hat die vorhandenen inländischen Unternehmen zwar dem Wettbewerb ausgesetzt; dies hat jedoch nicht überall zur erhofften „Disziplinierung" der großen Staatsbetriebe gefuhrt. Die sog. große Privatisierung ist in den wenigsten Ländern abgeschlossen. So können die großen Staatsbetriebe bzw. deren Entscheidungsträger, die nicht selten dieselben sind wie vor Beginn der Transformation, kaum wirksam an der mißbräuchlichen Nutzung ihrer teils noch immer mächtigen Stellung - so etwa ihrer Nachfragemacht auf den Faktormärkten - gehindert werden. Eine Beschränkung ihres Einflusses wäre jedoch unbedingt notwendig, um die Unternehmen zu einem effizienten Umgang mit den Produktionsfaktoren zu zwingen und sie einem wirklich wirksamen Wettbewerbsdruck und Konkursrisiko auszusetzen. Wie bereits erwähnt, kann jedoch ohne eine glaubwürdige Drohung des ökonomisch erzwungenen Ausscheidens aus dem Markt dem konstituierenden Prinzip „Haftung" keine Geltung verschafft werden (vgl. auch Keilhofer 1995, S. 107). So sind also die von den Zentralverwaltungswirtschaflen des realen Sozialismus hinterlassenen Marktstrukturen, die von wenigen großen Kombinaten in Staatseigentum mit durchweg monopolistischer Stellung sowie einigen wenigen Klein- und Kleinstbetriebe (davon manche in zwar formell privater Hand, aber ohne Handlungsfreiheit) und dem faktischen Fehlen eines Mittelstandes geprägt waren {Fehl 1991), insgesamt zu lange erhalten geblieben, um ein wirklich wettbewerbsfreundliches Klima zu schaffen. Zu dieser bedau-
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ernswerten Entwicklung hat gewiß beigetragen, daß man sich vielfach nicht darüber einigen konnte, ob die Entflechtung der großen Staatsbetriebe der Privatisierung vorauszugehen habe, oder ob man in jedem Fall zunächst einer Änderung der Eigentumsstruktur den Vorzug geben sollte. So wiesen die Befürworter einer möglichst schnellen Privatisierung einerseits darauf hin, daß eine Entflechtung solange außerordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein dürfte, wie die Unternehmen noch im Staatsbesitz und die Kombinatsdirektoren sich gegen den mit einer Entflechtung notwendig verbundenen Verlust an Macht und Einfluß zur Wehr setzen werden (vgl. hierzu grundsätzlich und ausführlich Winiecki 1991, insbes. S. 52 ff.). Diese Befürchtung eines Widerstands der Unternehmensleitungen - durchaus im Verein mit der Belegschaft - gegen Entflechtungsversuche erwiesen sich vielfach als durchaus begründet 93 - freilich ohne daß dies etwa die Schlußfolgerung zuließe, stattdessen hätte sich tatsächlich eine sofortige Privatisierung durchführen lassen. Ahnliches gilt für die Sanierung, die ebenfalls als Privatisierungskomplement angesehen werden kann und nicht selten gar weitgehend mit der Entflechtung zusammenzufallen scheint. So ist selbstverständlich davon auszugehen, daß eine vorherige Sanierung die Privatisierungschancen erhöht. Gleichwohl fragt sich, wer denn ein solches Interesse an kostenintensiven Bemühungen zur „Gesundung" eines Unternehmen haben sollte, solange dies noch nicht in privater Hand ist. Daß etwa fiskalische Erwägungen ausreichen mögen, um das Abstraktum „öffentliche Hand" in der Hoffnung auf hohe Privatisierungserlöse zu entsprechenden Bemühungen zu bewegen, darf wohl stark bezweifelt werden; im übrigen ginge eine solche Überlegung an den realen Verhältnissen vorbei: Die in vielen Transformationsländern desolate Haushaltslage verweist kostspielige Sanierungsprogramme von vornherein ins Reich der Phantasie. Im übrigen käme hinzu, daß eine Sanierung Zeit bräuchte. Es wird also deutlich: Grundsätzlich (bzw. theoretisch) könnte eine Sanierung die Chancen auf eine Privatisierung erhöhen; andererseits wäre - in Anbetracht der schwierigen tatsächlichen Verhältnisse - wohl bestenfalls mit „halbherzigen" Privatisierungsbemühungen zu rechnen, und diese wiederum würden die Privatisierung verzögern. Eine wirksame Sanierung wiederum könnte nur dann erwartet werden, wenn jemandem ein vitales Interesse daran unterstellt werden könnte; dies wiederum setzte eine Privatisierung voraus, da wohl nur ein Privateigentümer (oder eine Eigentümergemeinschaft in entsprechender Form) ein solches Interesse an „seinem" Unternehmen bzw. dessen Sanierung haben dürfte. Diese Diskussion ließe sich offenbar ad infinitum fortsetzen - statt dies zu tun, möge der Hinweis genügen, daß bei einer Sanierung die Herstellung der (insbesondere auch internationalen) Wettbewerbsfähigkeit des einzelnen Unternehmens selbst im Vordergrund steht, während bei der Entflechtung eher auf die Herstellung „wettbewerblicher" Rahmenbedingungen, insbesondere eine
So berichten etwa Lageman, Friedrich et al. (1994, S. 228) zusammenfassend über die Erfahrungen in Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik: „Auf Unternehmensebene formierten sich erhebliche Widerstände gegen eine Aufspaltung. Hier ist auf das Interesse der Unternehmensleitungen am Erhalt ihrer Positionen zu verweisen. Da Insider aus den Unternehmen in allen Ländern einen erheblichen Einfluß auf die Formulierung und Durchfuhrung der Privatisierungsprojekte hatten, waren einer weitgehenden Entflechtung Grenzen gesetzt."
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entsprechende Marktstruktur 94 , abgestellt wird. (So kann ein Unternehmen auch nach oder vielleicht sogar gerade durch - eine gelungene Sanierung eine monopolartige Stellung auf einem bestimmten „lokalen" Markt be- bzw. erhalten.). Andererseits wiederum zeigt die Erfahrung, daß ohne eine solche „Filetierung" die Privatisierung des gesamten Unternehmens kaum gelingen kann; dies gilt insbesondere zu Beginn des Transformationsprozesses, wenn der Kapitalmarkt (als Markt für Unternehmensbeteiligungen) noch in den Kinderschuhen steckt und demzufolge - wie dargelegt - im Grunde nur die Privatisierung via Direktverkauf in Frage kommt. Es erscheint müßig, an dieser Stelle ausführlich auf die im Rahmen dieser Diskussion ausgetauschten Argumente einzugehen, einige Hinweise auf die einschlägige Literatur mögen genügen. 95 Wie immer man sich auch zu dieser Diskussion um „Entflechtung und Privatisierung" stellen mag, letztlich kann zumindest kein vernünftiger Zweifel darüber bestehen, daß „ein Entflechtungsprozeß (...allemal, T.B.) dringend notwendig (ist), um die Schiefe in der Größenverteilung der Unternehmen zu beseitigen, die in der Zeit der Zentralplanung entstanden ist. (...). (Im übrigen geht es bei der Entflechtung, T.B.) nicht nur um die Reduktion der Größe an sich, sondern auch um eine zweckvolle neue Zuordnung von Betriebsteilen, um die Konsequenzen des (für die Zentralplanwirtschaft charakteristischen, T.B.) Autarkiestrebens (...) zu korrigieren" (Fehl 1991, S. 127). Mit diesem Hinweis sollen die Ausfuhrungen zur sog. Privatisierung „von oben" sowie den damit zusammenhängenden Schwierigkeiten - die sich letztlich als weitaus größer erwiesen, als zu Beginn der Transformation angenommen wurde - ihr Bewenden haben. Nun wird zu einem Bereich übergeleitet, der für die Verwirklichung des Privatisierungsziels sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne von besonderer Bedeutung ist: zur sog. Privatisierung „von unten". Es ist leicht einzusehen, daß bei dieser Art der Privatisierung - die auch sehr treffend als "grass-roots-privatization" bezeichnet wird und den Aufbau bzw. die Ausbreitung des privatwirtschaftlichen Sektors durch Neugründungen beschreibt - insbesondere kleine und mittlere Unternehmen eine wichtige Rolle spielen; dies gilt selbstverständlich insbesondere im Hinblick auf das Ziel einer „ausgewogeneren" Markt- bzw. Betriebsgrößenstruktur der Transformationsökonomien insgesamt. Es wird sich zeigen - und dies illustriert die Komplexität und Schwierigkeit der Privatisierungsaufgabe „im engeren Sinne" insgesamt -, daß die Probleme bei der Privatisierung „von oben" nicht nur auf die Bedeutung bzw. Notwendigkeit einer Privatiserung „von unten" hinweisen, sondern daß letzere nicht zuletzt vom Umfang und von
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der im letzten Kapitel kurz erörterten Diskussion um das Kantzenbach-Konzept des „funktionsfähigen Wettbewerbs" bei „optimaler Wettbewerbsintensität" sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betont, daß die o.g. Aufforderung zur Schaffung wettbewerblicher bzw. wettbewerbsfördemder Marktstrukturen selbstverständlich nicht in einem statischen bzw. konstruktivistischen Sinne einer etwa grundsätzlich „wettbewerbsoptimalen" Marktstruktur zu verstehen ist. Schließlich soll diese ja gerade durch den Wettbewerb selbst immer wieder aufs Neue „entdeckt" werden. Newbery (1992, S. 197) betont, daß die Entflechtung der Privatisierung in jedem Fall vorauszugehen habe; ansonsten könne die De-Monopolisierung des Marktes nicht gelingen, „as it is far more difficult to break up privately owned firms. " Diese Position wird eben-
falls vertreten von Van Brabant (1991, S. 37 ff.), Westphal und Herr (1991, S. 157), Nuti (1991, S. 60). Eine gegenteilige Auffassung vertritt Hinds (1991).
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der Geschwindigkeit abhängt, mit der erstere voranschreitet 96 : So erhofft man sich zwar von der Privatisierung „von unten" eine Art „Kompensationseffekt" im Falle ausbleibender Erfolge bei der Entstaatlichung im engeren Sinne, gleichwohl zeigen die Erfahrungen, daß eher (negative) „Kumulationswirkungen" denn (positive) Kompensationswirkungen zu verzeichnen sind, kurz: Kommt „von oben" nichts Gutes, kann „von unten" schwerlich Neues gedeihen. So wird es im Rahmen der folgenden Ausfuhrungen nicht zuletzt darum gehen, auf einige weitere dieser möglichen Fehler „von oben" hinzuweisen, deren Vermeidung maßgeblich zur Schaffung entsprechender Voraussetzungen für das Zustandekommen insgesamt wettbewerbsfördernder Initiativen „von unten" beitragen könnte. 3.2.3. Privatisierung Privatization"
„von
unten"
durch
Neugründung:
„Grass-roots-
3.2.3.1. Grundsätzliche Anmerkungen Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich die von den Zentralverwaltungswirtschaften hinterlassene Betriebsgrößenstruktur grundsätzlich von deijenigen entwickelter marktwirtschaftlicher Ordnungen unterscheidet: Während in letzteren eine Vielfalt (bzw. ein „Kontinuum", Krüsselberg) von Unternehmensgrößen existiert, gibt es in Zentralverwaltungswirtschaften kaum kleine und mittlere Unternehmen (im folgenden auch „mittelständische" Unternehmen oder schlicht „KMU" genannt) (Acs und Audretsch (eds.) (1993, S. 228; im übrigen sei nochmals hingewiesen auf Fehl 1991). Folgerichtig mangelt es auch an „komplementären" Faktoren, die man in entwickelten Marktwirtschaften dem „Mittelstand" im weitesten Sinne üblicherweise zurechnet 97 : Hier ist in erster Linie zu verweisen auf das vielfältige und mitunter engmaschige wirtschaftliche Beziehungsgefüge (um den mittlerweile geradezu „inflationär" verwendeten Begriff „Netzwerk" zu vermeiden...) zwischen den mittelständischen Unternehmen selbst sowie auf sämtliche Einrichtungen bzw. Organisationen der mittelständischen
Entsprechende Berichte gibt es aus nahezu allen Transformationsländern; so schließt etwa Hunya (1996, S. 114) seinen „Länderbericht" über Rumänien mit folgender allgemeiner Feststellung, die durchaus als repräsentativ angesehen werden kann: „The lack of a fast process of top-down privatization hinders bottom-up development." Es sei hier darauf verzichtet, den Bereich der KMU genauer abzugrenzen. Die für eine quantitative Abgrenzung üblicherweise verwendeten Kriterien wie „Beschäftigtenzahl" und „Jahresumsatz" sind nicht nur ohnehin insofern umstritten, als eine Grenzziehung letztlich immer willkürlich bleiben muß, sondern als „Vergleichsgröße" auch nur dann aussagekräftig, wenn sie auf Branchen bzw. Unternehmen angewandt werden, die mit annähernd gleicher Produktionstechnologie arbeiten; ferner ist zu berücksichtigen, daß die Wertschöpfungsanteile der Unternehmen mit annähernd gleichem Umsatz höchst unterschiedlich sein können. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, daß diese eine „exakte" Abgrenzung von Unternehmensgrößen schon in entwickelten Marktwirtschaften erschwerenden Aspekte in einer Situation des radikalen Umbruchs, wie ihn die Transformation darstellt, zu besonderen Schwierigkeiten fuhren müßten; dasselbe gilt - wohl in noch stärkerem Maße - fur die sog. „qualitativen" Abgrenzungskriterien (erschwerter Zugang zum Kapitalmarkt, traditionell hierarchische Organisationsstrukturen - sog. „Herr-im-HauseModell" - usw.).
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Wirtschaft (Kammern, Verbände usw.) (Lageman, Friedrich et al. 1994, S. 21). Nun besteht kein Zweifel darüber, daß gerade kleine und mittlere Betriebe für die Stabilität und Entwicklung marktwirtschaftlicher Ordnungen von besonderer Bedeutung sind. Ohne hier ins Detail gehen zu können, seien im folgenden - zumeist ohne weitere Nachweise - einige „Standardargumente" aufgeführt, die im Rahmen der allgemeinen Mittelstands-Diskussion in Marktwirtschaften immer wieder genannt werden. Die meisten Unternehmensgründungen erfolgen im Bereich kleiner und mittelständischer Unternehmen; da es gerade auch bei jungen Unternehmen verstärkt zu Marktaustritten kommt, darf auf einen „regen" Wettbewerb geschlossen werden. Dies und nicht zuletzt der Umstand, daß nicht wenige Marktzutritte von KMU mit einer Innovation verbunden sind, sprechen dafür, von einer Intensivierung des Wettbewerbs durch KMU auszugehen, wobei diese Wettbewerbswirkung keinesfalls auf den KMU-Bereich im engeren beschränkt sein muß, sondern durchaus auch auf Bereiche ausstrahlen kann, die häufig eher als „Domäne" der - selbstverständlich auch in Marktwirtschaften existierenden - Großunternehmen angesehen werden. 98 Die wettbewerbsfördernden Wirkungen kleiner und mittlerer Unternehmen sind jedoch keinesfalls ausschließlich auf Neugründungen beschränkt: KMU gelten als „besonders innovativ" (vgl. stellvertretend für viele: Acs und Audretsch 1988); es sei jedoch betont, daß es hier nicht etwa darum gehen soll, eine „innovations-optimale" Unternehmensgröße zu bestimmen, die es - aus Gründen, die wir an anderer Stelle bereits angedeutet haben - ebensowenig geben kann, wie die „optimale Unternehmensgröße" schlechthin. Selbstverständlich sind auch Großunternehmen innovativ; mit Blick auf die in der Regel positive Korrelation zwischen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen und Innovationstätigkeit wird gern darauf verwiesen, daß in der Bundesrepublik ca. 75% aller betrieblichen F&E-Aufwendungen von Großunternehmen getätigt werden. Andererseits wiederum kann darauf hingewiesen werden, daß die F&E-Aufwendungen bei Großunternehmen gemessen am Jahresumsatz nur ca. 3 bis 4 % ausmachen, während dieser Anteil bei KMU etwa doppelt so hoch liegt usw. Es versteht sich, daß man unter solchen Umständen - sprich: vor dem Hintergrund solcher Daten - kaum zu einem eindeutigen Ergebnis kommen kann. Als Ausgangspunkt fur eine „salomonische Lösung" böte sich die Überlegung an, daß KMU wegen ihrer gewiß größeren „Markt- und Kundennähe" komparative Vorteile bei Produktinnovationen haben dürften, während Großunternehmen wegen ihrer unbestrittenen Skalenvorteile wohl eher für Verfahrensinnovationen „prädestiniert" sein dürften. Anders ausgedrückt, kleinen Unternehmen wird es leichter fallen, sog. „Marktnischen" zu entdecken und zu besetzen (vgl. dazu - neben der sog. „Standardliteratur" - ausfuhrlich Porter 1990). Ein weiterer wichtiger Faktor ist ohne Zweifel die hohe Beschäftigungsintensität kleiner und mittelständischer Unternehmen: So werden beispielsweise in der Bundesrepublik ca. zwei Drittel aller Arbeitnehmer in KMU beschäftigt, die überwie-
"Es ist die eher mittelständisch geprägte Wirtschaft, aus der in einer Marktwirtschaft immer wieder genügend Kräfte des Wettbewerbs erwachsen, um auch die großen Unternehmen unter Druck zu setzen. Wenn die Großunternehmen auch untereinander im Wettbewerb stehen, so kommt doch durch die kleinen und mittleren Unternehmen, eben weil diese mit anderen wettbewerblichen Mitteln operieren, eine zusätzliche Dimension in den Konkurrenzprozeß hinein" (Fehl 1991, S. 128).
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gende Mehrzahl der Auszubildenden (ca. 75%) ffindet eine Lehrstelle in kleinen und mittleren Unternehmen, und - was von besondere Bedeutung ist - diese Unternehmen sorgen ,.netto" für einen Arbeitsplatzzuwachs: Großunternehmen rationalisierten während der letzten anderthalb Jahrzehnte verstärkt und setzten Arbeitskräfte frei, in KMU hingegen wurden per saldo zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Mittelständische Unternehmen erweisen sich im Hinblick auf die bisweilen unvermeidliche Freisetzung von Arbeitskräften als weniger „konjunkturempfindlich": In der Regel wird nicht nach dem Prinzip „hire and fire" verfahren, sondern man bemüht sich in der Regel eher als in Großunternehmen, konjunkturell schwierige Zeiten so lang wie möglich ohne Entlassungen zu überbrücken. In offenen Volkswirtschaften erweisen sich KMU in der Regel als wichtige (oder gar wichtigste) Stütze der Exportwirtschaft: So ist zum einen der Anteil mittelständischer Unternehmen an den bundesdeutschen Exporterlösen sehr hoch, zum anderen erzielen viele KMU in der Bundesrepublik den Großteil ihres Umsatzes im Außenhandel. Daß eine ausgewogene Betriebsgrößenstruktur mit einer Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen auch aus fiskalischer Sicht - als breite Steuerbasis - positiv zu bewerten ist, wurde bereits erwähnt. Neben diesen rein ökonomischen Argumenten könnte ferner ins Feld gefuhrt werden, daß die Entwicklung einer ausgewogenen Betriebsgrößenstruktur - mithin die Entstehung eines KMU-Sektors - in den Transformationsländem auch zur Entwicklung einer insgesamt pluralistischen Gesellschaftsstruktur beitragen und insofern keinesfalls nur von ökonomischer, sondern insbesondere auch von (gesellschafts-)politischer Relevanz sein dürfte. 99 Nach dieser sehr groben Skizze, die sich geradezu wie ein Plädoyer für den Mittelstand liest, kann zusammenfassend festgestellt werden, daß gute Gründe dafür sprechen, in den Transformationsländern verstärkt Anstrengungen fur den Aufbau mittelständischer Strukturen zu unternehmen: Es geht um eine Intensivierung des Wettbewerbs insbesondere des Innovationswettbewerbs - und damit einhergehend eine Erhöhung der Allokationseffizienz und der Anpassungsfähigkeit der ehedem erstarrten Zentralverwaltungswirtschaften, um die Absorption der aus den Staatsuntemehmen freigesetzten Arbeitskräfte, um die Ausbreitung des „unternehmerischen Elements" insgesamt. Das Ziel des Aufbaus mittelständischer Strukturen in den Transformationsländern ist also kein Selbstzweck, sondern als Instrument zur Beschleunigung und Festigung des Transformationsprozesses insgesamt anzusehen. Zwar ist es grundsätzlich keinesfalls ausgeschlossen, daß mittelständische Unternehmen im oben beschriebenen Sinne auch durch Privatisierung „von oben" entstehen können, gleichwohl ist bereits mehrfach betont worden, daß die im Zuge der „kleinen" Privatisierung „entstandenen" und zumeist sehr kleinen Privatuntemehmen nahezu ausschließlich den Bereichen (Einzel-) Handel, einfache Dienstleistungen, Gaststättengewerbe etc. zuzurechnen sind, und die Privatisierung deijenigen Staatsunternehmen, die allein von der Größe her etwa als „größere mittelständische" Unternehmen in Frage kämen, vielfach in den „Fängen" der nur schleppend voranschreitenden „großen" Privatisierung hängenbleibt.
"Small and new enterprises perform an important political task in creating a pluralistic society. The existence of independent entrepreneurs reflects the personal freedom granted to individuals and the decentralization of (...) power" (Brezinski und Fritsch 1996a, S. 3).
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Im letzten Kapitel ging es um die Untersuchung der Determinanten unternehmerischen - insbesondere schöpferisch-innovativen - Verhaltens. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, daß das Verhalten stets aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren zu erklären ist. Dabei wurde unter anderem auf die Kombination von latenten „inneren Einstellungen" und jeweils „aktuellen Umweltherausforderungen" eingegangen; das Verhalten wurde mithin zwar nicht ausschließlich, aber eben auch situativ erklärt. Dies ist für die grundsätzliche Einschätzung der Rahmenbedingungen unternehmerischer und/oder Neugründungs-Aktivität in den Transformationsländern nicht zuletzt mit Blick auf die sozio-ökonomische Lage der Menschen von Belang, die wir bei unseren allgemeinen Betrachtungen bisher weitgehend außer acht gelassen hatten. So darf beispielsweise nicht übersehen werden, daß unter den veränderten Rahmenbedingungen selbst das Einkommen vieler Menschen, die ihren alten Arbeitsplatz nicht verloren haben, in der Regel kaum ausreicht, um gut „über die Runden" zu kommen. So sind viele Menschen darauf angewiesen, zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften; dies kann man im weitesten Sinne als „Zwang zum Unternehmertum" verstehen - und zwar nicht nur im Schultzschen Sinne des Routine-Unternehmertums (angesichts des Fortfallens der im alten System üblichen Wohnungs-, Arbeitsplatz - und Einkommensgarantie, die nun jeden zu ökonomischem Denken und Handeln, mithin zumindest zum „Rechnen" zwingt), sondern eben durchaus auch in einem engeren „unternehmerischen" Sinne, d.h. ein Teil der Menschen wird sich gleichsam zur Selbständigkeit - zumindest eine Art „Teilzeit-Selbständigkeit" - gezwungen sehen. Dasselbe gilt selbstverständlich in noch stärkerem Maße für diejenigen, die arbeitslos geworden und in Ermangelung funktionsfähiger sozialer Sicherungssysteme darauf angewiesen sind, sich selbst Erwerbs- bzw. Einnahmequellen zu erschließen - die „Flucht" in die Selbständigkeit kann eine solche Quelle erschließen; ganz in diesem Sinne heißt es etwa bei Lageman/Friedrich et al.: „Die Entscheidung des einzelnen für die Aufnahme einer unternehmerischen Betätigung ist (...) von einem Opportunitätskostenkalkül abhängig. (...). Hierbei sind auch in Anspruch zu nehmende Sozialleistungen in Rechnung zu stellen. Die wirtschaftlichen Rahmenkonstellationen - Erwerbschancen in selbständiger Betätigung versus Einkommenschancen und Arbeitsplatzsicherheit in abhängiger Beschäftigung, Arbeitsmarktlage, soziales Netz - üben also einen starken Einfluß darauf aus, inwieweit Selbständigenpotentiale mobilisiert werden. (...). (So ist) die auf die Bevölkerungszahl bezogene Anzahl der Gewerbeanmeldungen (...) sowohl in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik als auch in Ungarn bedeutend höher als in Ostdeutschland. Die ist teilweise damit erklärbar, daß die wirtschaftlichen Anreize in Ostdeutschland - Opportunitätskosten - für eine selbständige wirtschaftliche Betätigung geringer sind als in den Nachbarländern. In den ostmitteleuropäischen Reformstaaten dürfte eine "Flucht in die Selbständigkeit' schon aufgrund des vergleichsweise dürftig ausgestatteten Netzes eines weitaus größere Rolle spielen als in den neuen Bundesländern" (Lageman, Friedrich et al. 1994, S. 34 u. S. 206).100 Wenngleich man also geneigt sein könnte, in der hier wirkenden „normativen Kraft des Faktischen" ein Positivum im
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In diesem Sinne auch Reynolds (1996, S. 13): „When people lose their jobs with existing organizations and become desperate for a role in the economy, they may well tum to selfemployment or attempt to start a new firm."
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Hinblick auf die zukünftige Entfaltung unternehmischer Initiative in den Transformationsländern zu sehen, sollten folgende Einschränkungen bedacht werden: Zunächst einmal sei betont, daß durch den oben beschriebenen Zusammenhang das gewiß gravierende Problem der sozialen Sicherung im Transformationsprozeß selbstverständlich nicht „verniedlicht" oder womöglich dessen Existenz gar in Abrede gestellt werden soll. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß ein nicht geringer Teil der so in die Selbständigkeit „Gezwungenen" selbstverständlich nicht etwa a priori gleichzusetzen ist mit dem Schumpeterschen oder Kirznerschen Unternehmertypus. Zur „Euphorie" gibt es mithin wenig Anlaß: So mögen zwar die Eröffnung eines Einzelhandelsgeschäftes, eines kleinen Handwerks- oder Dienstleistungsbetriebes oder das - legale - Anpreisen von Waren in Form eines „Bauchladens" insgesamt zu einer Vergrößerung des Privatsektors beitragen, ob darin jedoch ein Beitrag zu der von Schumpeter so bezeichneten „schöpferischen Zerstörung" zu entdecken ist, steht indes dahin. 101
3.2.3.2. Z u den Grundvoraussetzungen von U n t e r n e h m e n s g r ü n d u n g e n Nun wurde bereits betont, daß eine ausgewogene Betriebsgrößenstruktur nicht dekretiert werden kann, ist es doch gerade ein Charakteristikum marktwirtschaftlicher Ordnungen, daß sich die Vielfalt der Untemehmenslandschaft eben erst im Verlaufe des Markt- und Wettbewerbsprozesses selbst ergibt. Insofern kann es für die Transformationsländer nur darauf ankommen, sich um die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen zu bemühen, die eine „Gründungswelle" von Unternehmen nach sich zieht, die in aller Regel vornehmlich von kleinen und mittelständischen Unternehmen getragen wird. 102
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Ganz in diesem Sinne heißt es etwa bei Arzeni (1996, S. 55): „For Schumpeter, a cobbler who sets up a shop in village or a chain of footwear shops is not an entrepreneur. For Schumpeter, to become an entrepreneur, the cobbler must either produce new models of shoes or modify (possibly improve) the process of shoemaking or invent or develop a new distribution system, such as franchising - to sell shoes world-wide (...). Anyone can see that these sorts of innovation and these types of entrepreneurs are lacking in Central and Eastern Europe (...)." Nota: Dasselbe Argument gilt im übrigen analog fur die Schließung von Unternehmungen: Nicht jede Betriebsstillegung bzw. jeder Konkurs kann für sich „in Anspruch nehmen", der schöpferischen Zerstörung zu dienen oder Ausdruck einer solchen zu sein, mit anderen Worten: Nicht jede Zerstörung ist „schöpferisch" (im Sinne Schumpeters), kommt es doch bekanntlich auf den positiven „Netto-Effekt" an. Ganz in diesem Sinne heißt es bei Brezinski und Fritsch (1996a, S. 3): „(In...) a process of 'destruction' new firms and growing small firms are of central importance. They do not only challenge the already existing firms, they are, moreover, particularly necessary to make the process creative because deaths and exits without corresponding growth is only destruction and nothing more." Insofern grenzt es schon an Anmaßung und Zynismus, die vielerorts geäußerte Kritik am Vorgehen der Treuhandanstalt in Ostdeutschland mit dem lapidaren Verweis auf eben jene - in ihrem Kern offenkundig mißverstandene - „schöpferische Zerstörung" zu kontern. Sehr treffend heißt es in diesem Zusammenhang - verbunden mit einem „Seitenhieb" auf einen Teil der Transformationsliteratur - bei Lageman et al. (1994, S. 38): „Die Frage, welche Rolle der Staat im einzelnen beim Aufbau mittelständischer Strukturen in den Transformationswirtschaften zu spielen habe, ist von einiger ordnungspolitischer Brisanz: Die wissenschaftliche Diskussion über die Systemtransformation wird zuweilen stark durch eine konstruktivistische Sicht geprägt. Die Durchsetzung der Marktwirtschaft in Mittel- und Osteuropa nimmt sich aus dieser Sicht als Verwirklichung einer Strategie der
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Da der statistische Nachweis reger Gründungstätigkeit in den Transformationsländern nicht leicht fällt 103 , soll im folgenden keine „Anthologie" der Gründungen kleiner und mittlerer Unternehmen im Transformationsprozeß gegeben werden. Vielmehr soll die Betrachtung auf die von verschiedener Seite berichteten Umstände bzw. Schwierigkeiten konzentriert werden, die Untemehmensgründungen in Transformationsländern offenbar entgegenstehen. Dabei wird es eine Fülle von Argumenten geben, die im Verlauf der Arbeit bereits genannt wurden. Insofern läßt sich Aufschluß über eine entsprechende „Agenda der Transformationspolitik" gewinnen, die vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen kaum überraschen kann... Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Unternehmensneugründungen in den Transformationsländern ist schon deshalb unerläßlich, weil - wie gesehen - der Prozeß der Privatisierung „von oben" nur schleppend vorankommt, denn: Die nur mäßi-
Umwandlung zentralverwaltungswirtschaftlicher institutioneller und wirtschaftlicher Strukturen in marktwirtschaftliche Strukturen aus. Der Aufbau mittelständischer Strukturen wäre nach dieser 'konstruktivistischen Illusion' (...) eine eigentlich planwirtschaftliche Aufgabe. (...). Die Praxis reifer Marktwirtschaften zeigt, daß das institutionelle Gefuge der Wirtschaft sich in einem ständigen Wandlungs- und Anpassungsprozeß an veränderte, wirtschaftliche, technologische und soziale Bedingungen befindet. Für die Institutionenbildung in den jungen Marktwirtschaften Mittel- und Osteuropas ist analog hierzu von einem langwierigen evolutorischen Anpassungsprozeß auszugehen. Es kann hier also nicht darum gehen, perfekte Gesetze und Einrichtungen zu entwickeln, sondern nur darum, entscheidende ordnungspolitische Weichenstellungen zu treffen, welche den spontanen Kräften der Marktwirtschaft den Weg bahnen." Aus verständlichen Gründen konnte es in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften kaum statistisches Material über kleine und mittelständische Unternehmen geben. In der „zweiten Phase" des Transformationsprozesses - also etwa zwischen 1992/93 und 1995 - begannen die meisten Transformationsländer mit dem Aufbau entsprechender Abteilungen in den „Ämtern fur Statistik", die sich verstärkt der Datenerfassung im Bereich der KMU zuwenden sollten. Allerdings beschränken sich die erhobenen (bzw. veröffentlichten) Daten zumeist auf wenige allgemeine Informationen; detaillierte, womöglich branchenspezifische, Kennzahlen zu verschiedenen Bereichen sind kaum verfügbar. Lageman/Friedrich et al. (1994, S. 189-191) nennen als „wichtigste Mängel der Statistik kleiner und mittlerer Unternehmen der osteuropäischen Länder" u.a.: Informationen über Einzelunternehmen beruhen nicht auf Stichproben oder gar Vollzählungen, sondern auf Daten aus den Gewerbe- bzw. Handelsregistern, die allerdings nur ein höchst unvollkommenes Bild der tatsächlichen Lage zeichnen (viele Unternehmen sind gar nicht offiziell angemeldet, werden nicht rechtzeitig wieder abgemeldet etc.); bevor die Privatisierung „von oben" abgeschlossen ist, läßt sich insbesondere bei den kleineren Einheiten der sog. „großen Privatisierung", die durchaus auch dem mittelständischen Bereich zugerechnet werden können, bisweilen nicht einmal eindeutig feststellen, ob es sich bereits um ein privates oder immer noch um ein staatliches Unternehmen handelt; ein ähnliches und damit bisweilen eng verbundenes „Zuordnungsproblem" besteht auch darin, daß etwa die Rechtsform eines Unternehmens keineswegs ein eindeutiges Indiz fur die Zugehörigkeit zum öffentlichen oder privaten Sektor bedeuten muß (so kann es sich beispielsweise bei einer ungarischen AG oder GmbH sowohl um ein rein staatliches als auch um ein rein privates Unternehmen handeln); läßt sich schon kaum ein klares Bild über die schlichte Anzahl der KMU gewinnen, so ist die Datenlage - wie bereits angedeutet - hinsichtlich der Produktions- und Beschäftigtendaten besonders dürftig. Zu den Schwierigkeiten der statistischen Erfassung von Unternehmensgründungen im allgemeinen sowie in Transformationsländem im besonderen; vgl. ferner auch Brezinski und Fritsch ( 1996, S. 3).
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gen Erfolge der großen Privatisierung von oben reichen bei weitem nicht hin, um einen leistungsfähigen Privatsektor aufzubauen. Die in nahezu allen Ländern innerhalb weniger Jahre abgeschlossene sog. „kleine" Privatisierung konnte wegen ihrer Konzentration auf den Handels- und Dienstleistungsbereich die in vielen Ländern rapiden Einbrüche im Bereich der Industrie bzw. des produzierenden Gewerbes weder verhindern noch kompensieren. Bei aller Freude über den in manchen Ländern schon recht hohen Anteil der privaten Wirtschaft an der gesamten Wirtschaftsleistung darf jedoch nicht übersehen werden, daß der weitgehende Zusammenbruch der Wertschöpfung im öffentlichen Sektor zu dieser durch die Statistik zum Ausdruck gebrachten positiven Entwicklung beigetragen hat. Andererseits versteht sich allerdings auch, daß eine Entwicklung wie etwa die in Polen, wo der Anteil der privaten Wertschöpfung am BIP von rund 30% im Jahre 1990 auf rund 60% im Jahre 1995 gestiegen ist - gerade in Anbetracht der nur schleppend vorankommenden Privatisierung von oben- nicht ohne die Neugründung privater Unternehmen erklärt werden kann ( World Bank 1996, S. 63); insoweit ist also offenbar durchaus ein Anfang gemacht... Die grundsätzlichen Voraussetzungen für private Unternehmensgründungen in den Transformationsländern sind vielfältig, im folgenden seien einige der wichtigsten Aspekte aufgeführt - dabei werden uns einige bereits bekannte Argumente begegnen, entweder als „echte Wiederholung" oder als nun speziell auf das Problem der Unternehmensgründung angewendetes allgemeines Argument: Mißlingt etwa die Stabilisierung in der einen oder anderen Weise, so hat dies entsprechend negative Konsequenzen: Gelingt beispielsweise die „Stabilisierung der Erwartungen" im weitesten Sinne nicht, so werden nur wenige das Risiko einer Unternehmensgründung auf sich nehmen wollen, dies gilt bereits für die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen im weitesten Sinne. In diesem Zusammenhang sei kurz auf den bisher vernachlässigten Bereich der Privatisierung von Grund und Boden eingegangen: Hier gab (und gibt) es in nicht wenigen Transformationsländern erhebliche Probleme; von klaren Eigentumsverhältnissen, die für die Entfaltung privatwirtschaftlicher Aktivitäten unerläßlich sind, konnte insbesondere in den ersten Jahren des Transformationsprozesses in vielen Ländern nicht die Rede sein. Die vieldiskutierte und -kritisierte „Rückgabe vor Entschädigung", die im (Sonder-)Fall der Privatisierung in Ostdeutschland angewandt wurde, war beileibe kein Ruhmesblatt104 und kann hier als Beispiel für eine Regelung angeführt werden, die - man möge
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So machte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 1992/93 in erster Linie die Rechtsunsicherheit infolge ungeklärter Eigentumsfragen als entscheidendes Investitionshemmnis aus. (BT-Drucksache 12/3774 vom 19.11. 1992, insbes. Textziffer 111 (S. 94/95) sowie Textziffer 301 (S. 191): „Die ungeklärten Eigentumsverhältnisse bilden immer noch ein gravierendes Hindernis.") Als weitere kritische Stimmen zum Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" seien beispielhaft genannt: Sinn und Sinn (1992, S. 98): „Die Grundvoraussetzung der Marktwirtschaft sind wohldefinierte und sicher garantierte Eigentumsrechte. Wie die Rechte zugeteilt werden, ist zweitrangig. Erst mit eindeutigen Eigentumsrechten kann der Markttausch seine effizienzsteigernden Wirkungen entfalten und die unsichtbare Hand ihre Lenkungsfunktion ausüben. (Daraufhat bekanntlich bereits Coase (1960) hingewiesen, T.B.). Die Naturalrestitution brachte Unsicherheit und Verwirrung statt Klarheit. Sie hat der unsichtbaren Hand Fesseln angelegt, die zu lösen viele wertvolle Jahre kostet, um die sich der wirtschaftliche Aufschwung in Ostdeutschland verzögert. (...). Der mißlungene Versuch, das
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mir die Ironie verzeihen - wahrlich kaum von ökonomischem Sachverstand getrübt war und auf eindrucksvolle Weise zur Verschlechterung der „Property-Rights-Struktur" beigetragen hat 105 ; ein besonderes Problem in diesem Zusammenhang war (und ist) das häufige „Auseinanderfallen" von Grund- und Bodeneigentümer auf der einen und Immobilieneigentümer auf der anderen Seite. 106 Selbstverständlich belasten ungeklärte Eigentumsverhältnisse gerade in diesem Bereich die Neugründung von Unternehmen enorm; über diesbezügliche Probleme wird aus nahezu allen Transformationsländern berichtet. 107 Konnte man anfangs noch annehmen, ein Hintergrund für die Zuteilungsund Zuständigkeitsstreitigkeiten im Bereich „Grund und Boden" könne mit der Tatsache zusammenhängen, daß kommerzieller Grundbesitz weitgehend wertlos, da im engeren Sinne „unproduktiv" sei, so scheint mittlerweile eher das genaue Gegenteil der Fall zu sein: Ein Großteil des Grundbesitzes befindet sich in öffentlicher Hand 1 0 8 , und viele der
Rad der Geschichte bis 1933 zurückzudrehen, muß als schwerer Fehler der deutschen Vereinigungspolitik angesehen werden. Die paralysierende Einschnürung' (Treuhandpräsident Rohwedder) der ostdeutschen Wirtschaft, die mit diesem Versuch einherging, wäre vermeidbar gewesen, wenn man zugunsten einer Entschädigungslösung auf die Naturalrestitution verzichtet hätte. (...). Der große Vorzug der Entschädigungslösung wäre es gewesen, daß die Sicherung der Eigentumsrechte des Investors rechtlich vom Streit über die angemessene Entschädigungshöhe getrennt worden wäre." Vgl. in diesem Sinne ferner Hankel( 1993, S. 90-102). 105
In anderen Ländern des damaligen „Ostblocks" hat es nach dem Zweiten Weltkrieg - in den Staaten der Sowjetunion auch schon während der Zwischenkriegszeit - ebenfalls umfangreiche Enteignungen gegeben; einige dieser Länder wußten nach dem Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaften die insbesondere wegen ihrer investionshemmenden Wirkung bedenkliche Regelung „Rückgabe vor Entschädigung" jedoch zu vermeiden, so wurde z.B. in Ungarn von vornherein eine Entschädigungslösung bevorzugt; die aus den Privatisierungserlösen finanzierte Entschädigung der Alteigentümer erfolgte nicht nur „in bar" bzw. durch Überweisung, sondern u.a. auch über Zuteilung von Wertpapieren (sog. „Kompensationsvoucher"); vgl. Schogs (1991, hier: S. 648).
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Beinahe unnötig zu erwähnen, daß solche oder ähnliche Schwierigkeiten mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen gerade auch potentielle ausländische Investoren vielfach von einem entsprechenden Engagement abgehalten haben.
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Indes darf nicht übersehen werden, daß von diesen Schwierigkeiten potentielle Unternehmensgründer in verschiedenen Branchen in unterschiedlichem Maße betroffen sind, da die Bedeutung von „Grund und Boden" in starkem Maße von der jeweiligen Branche abhängt, in der ein Unternehmen tätig ist; dazu heißt es bei Reynolds (1996, S. 29): „The importance of property ownership varies dramatically among different businesses. In some, such as construction, consumer services and some types of health care, the property requirements are modest - the tools and the equipment required by the craftsman or professional and, perhaps, a small amount of space in which to work. In retail the major property may be a small inventory and a location to operate. If the location is on the street, then ownership of the space is irrelevant. Other types of economic activity require a substantial physical investment and lear rights of ownership. Most manufacturing, transportation and wholesale distribution require fixed facilities, substantial equipment and often considerable inventory·"
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Mit Blick auf die von den alten Staatsuntemehmen noch immer „belegten" und insofern „blockierten" Ressourcen gilt dies selbstverständlich nicht nur für Grund und Boden sowie Gebäude, sondern im Grunde für die gesamte Ressourcen-Palette. So ist - mit schmerzvollem Blick auf den o.g. nur schleppenden Fortgang des Privatisierungsprozesses - durchaus grundsätzlich zu beklagen, „(that) the old state sector has control of many of the resources needed for the establishment of (not only, T.B.) new firms-land, (but also, T.B.) capital
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politisch Verantwortlichen in den lokalen Regierungsstellen haben mittlerweile nur zu gut erkannt, welche Vermögenswerte sie da verwalten und sind offenkundig kaum geneigt, das neue „Machtinstrument" allzu schnell - womöglich durch einfachen Verkauf aus der Hand zu geben; durch undurchsichtige Pachtverträge, Übergangsfristen und sonstige Regelungen werden letztlich wieder einmal der Korruption Tür und Tor geöffnet. Erschwerend kommt hinzu, daß die öffentliche Hand „vor Ort" in der Regel auch die zur Erschließung kommerziellen Grund und Bodens notwendigen Infrastrukturleistungen bereitstellt (oder gerade eben nicht bereitstellt...). Manche der Regionalverwaltungen gründen eigene Wirtschaftsforderungsgesellschaften und konkurrieren mit rein gewerblichen oder bilden gar Joint Ventures mit manchen dieser „development agencies", wobei der von ihnen zu diesen Gemeinschaftsunternehmen beigesteuerte Beitrag dann zumeist in eben jenem unter ihrer Obhut befindlichen Grund und Boden besteht. So heißt es etwa im Weltentwicklungsbericht von 1996, in dem diesen Problemen ein gesonderter Abschnitt gewidmet ist: „A major reason for the slow pace of privatization and new private (businesses, e.g. in, T.B.) construction is the conflicting incentives of local governments that control most of commercial real estate (...and) hold on to their monopoly power to allocate scarce space (...) and to develop new space (...). The conflicts of interests among these many public roles lead to the creation and maintainance of artificial monopolies, complex regulations, arbitrary enforcement, and high costs for new private firms. Struggles among municipal agencies to play the lucrative role of owner-managers are commonplace. (...). These deficiencies of commercial real estate markets are a major barrier to private sector development" (World Bank 1996, S. 62; vgl. hier insbes. auch „Box 3.7", S. 59). Die oben beschriebenen Schwierigkeiten leiten geradezu nahtlos über zu den bereits an früherer Stelle angesprochenen Finanzierungsproblemen vieler junger Unternehmen, die dem mittelständischen Bereich zuzurechnen sind. Bekanntermaßen benötigen gerade Unternehmensgründer ein entsprechend breites Kreditangebot (vgl. Reynolds 1996; zur spezifischen Lage kleiner und mittlerer Unternehmen in den Transformationsländern vgl. ausführlich OECD (ed.) (1996 und 1996a). Zwar muß hier nach Branchen differenziert werden, da etwa für die Gründung eines kleinen Handels- oder Dienstleistungsunternehmens gewiß weniger Kapital aufzubringen ist als fur die Gründung eines Unternehmens in einem Zweig des produzierenden Gewerbes. Insgesamt jedoch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß gerade verbesserte Kreditmöglichkeiten aus vielen potentiellen Unternehmensgründern aktuelle machen könnten. Nun tragen die oben geschilderten Umstände im Zusammenhang mit der Zuteilung von Eigentums- und Verfügungsrechten an Grund, Boden und Gebäuden kaum zu deijenigen Klärung der Lage auf den genannten „Märkten" bei, die für eine Verbesserung der Position vieler kreditsuchender Unternehmer dringend notwendig wäre: Ohne den Nachweis entsprechender Rechte, die dann als Grundsicherheit eingebracht werden können, sind Kredite oftmals überhaupt nicht oder nur zu nachgerade abenteuerlichen Konditionen zu bekommen. So ist gerade im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen zu beklagen, daß in vielen Transformationsländern „die Banken- und Fi-
equipment, and preferential access to others, particularly to credit. This may be a serious obtacle on the way of the bottom-up transformation" {Keren 1996, S. 36).
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nanzsysteme noch unzureichend entwickelt sind und z.T. hemmend auf die unternehmerische Entfaltung wirken (..): Sicherheitsforderungen bis zu 300 vH, hohe Nominalzinsen von kommerziellen Bankkrediten sowie fehlende Liquiditätsspielräume der Banken und restriktive Kreditvergabe an KMU seitens des Geschäftsbankensektors aufgrund der fehlenden Erfahrung im Risk-Management oder von qualifikatorischen Defiziten bei der Evaluierung von unternehmerischen Projekten usw. verhindern (...) eine ausreichende Versorgung des Unternehmenssektors mit Kapital, vor allem zur Finanzierung von Investitionen" (Lagemati/Friedrich et al. 1994, S. 38). So beklagt auch die Weltbank in ihrem jüngsten Weltentwicklungsbericht, daß in den meisten Transformationsländern „selbst für solide Firmen die Zugangsmöglichkeiten zu Bankfinanzierungen begrenzt und die Laufzeiten kurz (sind). Der privilegierte Zugang zu Finanzierungen, den große staatliche Unternehmen in vielen Ländern noch immer genießen, bildet eine weitere finanzielle Barriere für die Entstehung neuer Unternehmen" ( Weltbank 1996, S. 122).
Nun werden in diesem Zusammenhang bisweilen spezielle „Unterstützungsfonds" gefordert, deren Finanzierung das „westliche Ausland" übernehmen solle. Ich bin indessen der Ansicht, daß man hier sehr behutsam und eher zurückhaltend zu Werke gehen sollte. Selbstverständlich sind Programme wie etwa das von der Europäischen Kommission eingerichtete PHARE-Programm und die in seinem Rahmen vorgesehenen Fördermaßnahmen zu begrüßen (vgl. ausfuhrlich: OECD 1996a), gleichwohl sollten die Bemühungen m.E. eher darauf ausgerichtet sein, wirksam die „tatsächliche Kreditbasis vor Ort" zu stärken; dies jedenfalls wird durch die Gewährung bloßer Zuschüsse keinesfalls erreicht, da durch derlei ,31anko-Unterstützung" kaum Fortschritte im so wichtigen Bereich der Aufklärung über die grundlegenden Zusammenhänge der Kreditvergabe im Sinne einer ökonomischen Funktionslogik erzielt werden können. So sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, die Grenze zwischen sinnvoller, beispielsweise projektgebundener „Anschubfinanzierung" einerseits und nahezu voraussetzungsloser Zuschußgewährung (bzw. „Überforderung") nicht zu überschreiten, um so nicht etwa die Gefahr heraufzubeschwören, die eigenen Anstrengungen der Beteiligten vor Ort erlahmen zu lassen (vgl. in diesem Sinne grundsätzlich etwa Bauer 1991). Weitere Probleme wurden bereits im Zusammenhang mit der „Stabilisierung im engeren Sinne" angesprochen: Mißlingt beispielsweise die Geldwertstabilisierung insgesamt, so wird eine rationale Preispolitik für die Unternehmen unmöglich. Dasselbe gilt für die Liquiditätsplanung, die Schätzung des eigenen Mittelbedarfs zur Finanzierung von Investitionen usw. Ferner wurde bereits darauf hingewiesen, daß auch eine mangelnde Haushaltsdisziplin der Gründung neuer Unternehmen wenig zuträglich ist: Werden weiterhin („wettbewerbsverzerrende") Subventionen an marode Staatsuntemehmen gezahlt und als vermeintliche „Kompensation" zu hohe Steuern von den wenigen steuerehrlichen Betrieben erhoben, so schafft dies insbesondere für junge Unternehmen erhebliche Probleme, sind diese doch gerade in Zeiten erstmals und spärlich fließender Gewinne darauf angewiesen, diese zur Konsolidierung, zur Reinvestition oder für eine etwaige Kreditrückzahlung verwenden zu können. Ein weiterer Aspekt scheint mir von grundlegender Bedeutung für die Einschätzung der Voraussetzungen unternehmerischer Aktivität in den Transformationsländem zu
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sein - allerdings geht es dabei weniger um die Rahmenbedingungen im engeren Sinne, sondern vielmehr um die grundsätzlichere Frage, ob man überhaupt vom Vorhandensein eines hinreichenden „unternehmerischen Potentials" in diesen Ländern ausgehen könne. Wie unschwer zu erkennen ist, kommen wir damit auf eine Frage zurück, die bereits im letzten Kapitel mehr oder weniger ausführlich diskutiert wurde; gleichwohl soll im Rahmen der folgenden Ausführungen nicht nur bereits Gesagtes wiederholt, sondern gleichsam ein anderer „Schwerpunkt" gesetzt, eine andere Perspektive eingenommen werden: So hatten wir in der „Gesamtschau" der Aussagen verschiedener Autoren (Schumpeter, Heuß, Kirzner, McClelland u.a.) - unter anderem gestützt durch Ergebnisse empirischer Forschungsarbeiten - einerseits festgestellt, daß das „Schöpferische", der „Pioniergeist", das „unternehmerische Element", das „Leistungsmotiv" erstens lediglich einer Minderheit von Menschen gegeben ist, wobei diese Eigenschaft(en) zweitens kultur- bzw. systemunspezifisch streuen, d.h. innerhalb einer Kultur oder auch einer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung prinzipiell ebenso häufig bzw. selten anzutreffen sind wie in einer anderen. Andererseits hatten wir festgestellt, daß es - ähnlich wie im Bereich des technologischen Wandels (wenngleich mit gewissen Einschränkungen) auch im Bereich des institutionellen Wandels so etwas wie einen „pfadabhängigen Verl a u f gibt. Ferner wurde darauf hingewiesen, daß eine wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft aufgrund ihrer Funktionsprinzipien sowie der durch Geld „objektivierten" Leistungskriterien leistungsmotivierten Menschen ein geeignetes Umfeld liefert, um als Unternehmer tätig zu werden, während Zentralverwaltungswirtschaften leistungsmotivierten Menschen andere Tätigkeitsbereiche und Entfaltungsmöglichkeiten nahelegen. Vor dem so aufgespannten Hintergrund ist es nun interessant, sich der o.g. Frage zuzuwenden, ob in den Transformationsländern grundsätzlich von der Existenz eines hinreichenden „unternehmerischen Potentials" ausgegangen werden könne. Diese Frage wird in der Literatur durchaus kontrovers diskutiert bzw. unterschiedlich beantwortet. Dabei stehen sich im Grunde zwei „Lager" gegenüber - die Vertreter des einen „Lagers" bejahen die Frage, die des anderem verneinen sie. Interessanterweise beruht das jeweilige Hauptargument beider Seiten letztlich - explizit oder implizit - im Grunde auf dem Konzept der Pfadabhängigkeit: So begründen diejenigen, die davon ausgehen, daß in den Transformationsländern grundsätzlich nicht vom Vorhandensein eines entsprechenden unternehmerischen Potentials ausgegangen werden könne, ihre skeptische Einschätzung damit, daß die in den früheren sozialistischen Ländern mehr als vierzig Jahre lang währende Zwangswirtschaft nahezu sämtliche Voraussetzungen für die Entfaltung eigenverantwortlichen Handelns und privatwirtschaftlicher Initiative zerstört habe; dies gelte für die Länder der früheren Sowjetunion in noch stärkerem Maße, da Zwangswirtschaft und Einparteienherrschaft dort noch drei Jahrzehnte länger das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben „gelähmt" und gleichsam eine „psychologische Barriere" gegen unternehmerische Betätigung aufgebaut hätten. So heißt es etwa bei Arzeni (1996, S. 53): "The fate of entrepreneurship development in Central and Eastern Europe largely depends on this issue (the social barriers to entrepreneurship, T.B.), where the biggest obstacle to capitalist development is the psychological barrier, the entrenched and linegering logic of egalitarianism, still ingrained in the minds of people." (Im übrigen läßt sich mit Blick auf die im letzten Kapitel beschriebene „kulturelle Grenzlinie zwischen Rom und Byzanz" an dieser Stelle selbstverständlich noch einmal ausdrücklich an die
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These erinnern, daß gerade die jenseits dieser Linie liegenden ost- und südosteuropäischen Länder über einen - gemessen an am Zeitraum nach dem Ende des Ersten bzw. Zweiten Weltkriegs - besonders langen Zeitraum hinweg von einer grundsätzlich eher „ökonomiefeindlichen Kultur" geprägt wurden.). Auf der anderen Seite gibt es nun diejenigen, die hervorheben, daß doch gerade die jahrzehntelang währende „Verwaltung des Mangels" die Menschen in nahezu allen Lebensbereichen zu wahren „Anpassungsund Improvisationskünstlern" geformt habe, die damit sehr wohl über ausgeprägte und ausgezeichnete unternehmerische Fähigkeiten verfugten. Mithin könne also durchaus von der Existenz eines entsprechenden unternehmerischen Potentials in den Transformationsländern ausgegangen werden: „The idea that East Europeans need to be taught the basic facts of economic life was always absurd. Forty years of rationing, shortages and thriving black markets were an excellent course in elementary economics - better, perhaps, than a century of capitalism, whose beneficiaries take the miracle of supply and demand for granted." 109 Nach meiner Überzeugung wird des Rätsels Lösung - wie so oft - wohl zwischen diesen beiden Extremauffassungen zu suchen sein: Trotz aller unbestreitbar zu beobachtenden Schwierigkeiten beim Aufbau eines leistungsfähigen privatwirtschaftlichen Sektors in den Transformationsländern gibt es doch mancherorts - hier insbesondere in den mittel- bzw. mittelosteuropäischen Ländern wie etwa Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik sowie auch in den sog. neuen Bundesländern - nicht nur vielversprechende Ansätze, sondern auch bereits erste Erfolge, so daß von einer „Unfähigkeit" zu privatwirtschaftlich-unternehmerischer Tätigkeit keinesfalls ausgegangen werden kann. 110 Im übrigen wird in jüngeren Arbeiten verstärkt daraufhingewiesen, daß das den Aufbau eines leistungsfähigen Privatsektors - wie eines leistungsfähigen Wirtschaftssystems überhaupt - belastende Erbe des innovationsfeindlichen sozialistischen Gleichheitsideals sowie die insgesamt „unternehmerfeindliche Mentalität" zunehmend auch in den ost- und südosteuropäischen Ländern an Bedeutung verlören; so kommen etwa Chepurenko/Vilensky aufgrund mehrerer empirischer Untersuchungen in Rußland zu folgendem Ergebnis: „Apparently, there is no more moral, social and/or psychological barrier to small business development in Russia" (Chepurenko und Vilensky 1996, S. 66).111
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In Arzeni (1996, S. 55) wird dieses Zitat einem „Professor Johnson" zugeschrieben; die dort angegebene, leider wenig aufschlußreiche Fundstelle des o.g. Zitats lautet: „The Economist 1992, 73"). Ahnlich, wenngleich nicht ganz so „krass" wie Johnson, äußern sich Lageman/Friedrich et al. (1994, S. 203/204): „Private Unternehmer der 'second economy' haben (...) während der Zentralverwaltungswirtschaft enorme Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Hier liegen gute Ansatzpunkte zur Herausbildung mittelständischer Strukturen in einer Marktwirtschaft, da diese privaten Unternehmer eigenständiges Verhalten und Reagieren auf Marktsituationen in gewissen Grenzen eingeübt haben." In diesem Sinne äußert sich etwa auch Kornai (1992a, S. 102 ff.). Vgl. die entsprechenden Beiträge in den Sammelbänden von Clague und Rausser (eds. ) (1992), Brezinski und Fritsch (eds. ) (1996) und (1997).
111
Nota: Bei dem erstgenannten Autor handelt es sich um den bereits mehrfach erwähnten stellvertretenden Direktor des „Russischen Unabhängigen Instituts für soziale und nationale Probleme", dessen Namen wir bisher mit „Tschepurenko" angegeben hatten; diese
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Andererseits wiederum steht wohl auch außer Frage, daß der große Bereich der durch die Mangelerscheinungen der Zentralverwaltungswirtschañ und durch die massiv eingeschränkte wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Menschen nachgerade erzwungenen Schattenwirtschaft keineswegs einen Nährboden darstellt, auf dem ausschließlich im Sinne des Aufbaus marktwirtschaftlicher Strukturen „begrüßenswertes" privatwirtschaftliches Unternehmertum gedeiht: In der Marktwirtschaft brauchen sich Unternehmer eben gerade nicht zu „verstecken", können ihre Fähigkeiten auch in anderen Bereichen unter Beweis stellen als nur in der möglichst schnellen Beseitigung chronischer Mangelerscheinungen, Versorgungsengpässe etc.; man ist nicht immer nur auf kurzfristige Gewinne aus, sondern vor allem an vertrauensvollen, langfristigen Marktbeziehungen interessiert - man will eine Reputation aufbauen: „Trust, and getting other people to trust you, is an overall important issue in entrepreneurship, because without trust you can never get resources from other people." 112 Vor diesem Hintergrund ist es verständlicherweise wenig hilfreich, wenn man ausschließlich über Fähigkeiten und ökonomischen „Weitblick" verfügt, die kaum über den Tellerrand bzw. zeitlichen Horizont des nächsten Tages (oder einer anderen kurzen Frist) hinausgehen. Außerdem sei noch einmal daran erinnert, daß in den Zentralverwaltungswirtschaften - im übrigen nicht nur in der offiziellen, sondern auch in der Schattenwirtschaft - geradezu eine durch die systemimmanenten Probleme erzwungene „Perversion" der Input-Output-Relationen bestand: Im Zusammenhang mit dem Phänomen der sog. „weichen Pläne" wurde bereits ausführlich erläutert, daß die Betriebe aus einzelwirtschaftlicher Rationalität zur Input-Maximierung einerseits und zur Output-Minimierung andererseits genötigt wurden; daß die noch so perfekte Beherrschung dieser Strategie schwerlich eine erfolgversprechende Grundlage für das wirtschaftliche (Über-)Leben in wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaften sein kann, versteht sich von selbst. Hinzu kommt, daß ein nicht geringer Teil der heute auf den sog. „Ostmärkten" zu beobachtenden kriminellen Machenschaften ebenfalls aus der „Tradition" bestimmter Bereiche der damaligen Schattenwirtschaft hervorgegangen ist, die insoweit also dem Aufbau solider marktwirtschaftlicher Strukturen alles andere als förderlich (gewesen) sind. Aus eben diesen Gründen ist es nicht nur völlig unzutreffend, sondern mutet bisweilen unverantwortlich bzw. gar gefährlich an, den Bereich der damaligen Schattenwirtschaft in den Zentralverwaltungswirtschaften heute - gleichsam im verklärten (und verklärenden) Rückblick - ausschließlich als Springquell solcher Kreativität, „Cleverness", Anpassungskunst und Improvisationsvermögen zu betrachten, die heute den Übergang zu marktwirtschaftlichen Strukturen erleichtem könnten. Es kann nicht oft genug betont werden, daß nicht wenige derjenigen Praktiken, die den Ruf der vermeint-
Schreibweise wird im folgenden bei anderen als dem hier zitierten Beitrag grundsätzlich beibehalten. 112
Arzeni (1996, S. 56) zitiert hier nach eigenen Angaben Prof. Stevenson (Harvard University). Die Bedeutung von Vertrauen für den Aufbau von Marktbeziehungen betont u.a auch Hunya (1996, hier: S. 96), der fur Rumänien folgende, vom „Erbe" der Vergangenheit und vom jüngsten Geschäftsgebaren einiger „Raubritter" geprägte Lagebeschreibung gibt: „Social behaviour is not in line with the necessities of market exchange: sincerity and trust are downgraded as social values. Corruption is widespread, private economy and state bureaucracy have developed a kind of symbiosis. "
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lieh neuen Wirtschaftsordnung „Marktwirtschaft" geschädigt haben bzw. noch schädigen, ihre Wurzeln eben auch in der damaligen Schattenwirtschaft haben und dort zur Geenüge haben „eingeübt" werden können. So ist festzustellen, daß ein nicht geringer Teil der unter der damaligen Wirtschaftsordnung - hier insbesondere der Rechtsordnung - unerlaubten Praktiken auch unter neuen Ordnungsbedingungen tunlichst im Verborgenen stattzufinden haben und daß die informellen Beziehungsgeflechte zwischen den entsprechenden Akteuren in die „neue Zeit" hinübergerettet wurden, weil ihre Pflege auch dort ein besseres Auskommen verspricht als die Ausnutzung der von der neuen Ordnung bereitgestellten legalen Möglichkeiten wirtschaftlicher Betätigung; illegale Betätigungen stellen kaum eine gesunde Basis dar, um darauf eine neue Wirtschaftsordnung aufzubauen (vgl. beispielhaft etwa Weifens 1992, S. 138 ff.). Es gilt also, strikt zwischen informellen Aktivitäten auf der einen und ¡criminellen auf der anderen zu unterscheiden: Erstere waren damals durchaus notwendig, um die zahlreichen (Versorgungs-)Lücken innerhalb der maroden Zentralverwaltungswirtschaft zumindest notdürftig - zu stopfen und so letztlich einen unverzichtbaren Beitrag für die Sicherung des baren Überlebens dieses (ansonsten) dem Untergang geweihten Systems zu leisten. So dürften die dort entwickelten Fähigkeiten - zumindest innerhalb gewisser Grenzen, wie bereits oben einschränkend betont wurde - im Hinblick auf die für den Aufbau einer marktwirtschaftlichen Ordnung notwendigen Voraussetzungen durchaus tauglich sein. Wie bereits mehrfach betont, läßt sich eine marktwirtschaftliche Ordnung nicht dekretieren, es lassen sich bestenfalls - und dies ist allerdings unverzichtbar - die Grundvoraussetzungen im Sinne der unbedingt notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Eine gefestigte marktwirtschaftliche Ordnung entsteht erst dadurch, daß sich möglichst viele Individuen (und damit natürlich auch Organisationen) marktwirtschaftlich verhalten; selbstverständlich kann es da nicht schaden, wenn ein solches Verhalten (bzw. „Ausschnitte" davon) bereits an anderer Stelle haben eingeübt werden können. Die kriminellen Aktivitäten hingegen haben damals wie heute wenig Erquickliches hervorgebracht: Trugen sie im sog. „real-existierenden Sozialismus" mit dazu bei, die Zentralverwaltungswirtschaft (gewissermaßen zusätzlich) zu diskreditieren, so tun sie dasselbe heute mit der neuen Wirtschafts-'Ordnung", die im Grunde erst noch eine werden will...; was wir bereits im letzten Kapitel angedeutet hatten, sei hier noch einmal ausführlich - gleichsam aus erster Hand - bestätigt: „Furthermore, there are moral problems because the population who predominantly support small business, and the business people themselves become convinced (based on their experience) that the today's Russia prospering business is done mainly by representatives of the mafia and 'nomenclature'. As a rule energetic persons who do not carry the burden of a criminal or party-political past and are ready to invest their talent into commercial activities and production, have to withdraw from business shortly after the start. This produces a negative impact on public psychology and the reforms in general. (...). The absence of business ethics is seriously impeding the development of a civilized non-criminal entrepreneurship and intensive business contacts particularly with the countries of the West. Yet, the essential organizational problems for small enterprises, especially in production and intellectual services, have to do with the shortage in competent enterprising and the
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lack of honest and honorable people who might be entrusted with the projects in the private sector" (Chepurenko/Vilensky 1996, S. 66; Hervorhebungen von mir).113 Dieselben Autoren, denen wir diesen aktuellen Augenzeugen-Bericht aus Rußland verdanken, bestätigen uns ferner, daß - was nach der o.g. Schilderung kaum zu überraschen vermag - die etwas „eigenwillige" Auffassung von Recht und Gesetz noch immer ein Spezifikum der russischen (Wirtschaft und) Gesellschaft ist und damit letztlich die Achillesverse der Transformationsbemühungen darstellt: „(There) is a long way from a draft to a law, and many Russian laws, as practice has shown, remain only on paper" 0Chepurenko/Velinsky 1996, S. 69). 4.
Interdependenz und die "Zusammengehörigkeit" der konstituierenden Prinzipien
Die Ausfuhrungen dieses Kapitels dienten dem Zweck, hinreichend deutlich zu machen, daß alle Teilbereiche - mithin auch alle hier diskutierten Einzelprobleme der Transformation - eng miteinander verknüpft und insoweit keinesfalls als EinzelProbleme im engeren Wortsinne anzusehen sind. Offenbar kann die Bedeutung der von Eucken stets betonten Interdependenz der Teilordnungen kaum anschaulicher illustriert werden, als dies am Beispiel der Transformation ganzer Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme möglich ist. So erscheint die von Eucken in den Rang eines weiteren konstituierenden Prinzips der Wettbewerbsordnung erhobene Zusammengehörigkeit der Prinzipien denn auch folgerichtig als eine geeignete theoretische Basis bzw. Orientierungsgröße, wenn es darum geht, die quantitative Fülle und qualitative Vielfalt der möglichen transformationspolitischen Maßnahmen mit Blick auf das angestrebte (Ordnungs-)Ziel aufeinander abzustimmen. Lassen wir Eucken (1992/1990, S. 289-291; Hervorhebungen von mir) an dieser Stelle noch einmal selbst zu Wort kommen: Es kommt auf die gemeinsame Anwendung (der Prinzipien, T.B.) in der konkreten historischen Situation" an: „Alle Prinzipien dienen (...) einer wirtschaftspolitischen Gesamtentscheidung und sind Mittel, um die Gesamtentscheidung in concreto durchzusetzen. (...). Die Zusammengehörigkeit der Prinzipien geht so weit, daß einzelne von ihnen bei isolierter Anwendung ihren Zweck völlig verfehlen."114 Ganz in diesem Sinne äußert sich auch Weber (1992, S. 582), der 113
Nota: Insoweit fragt sich, ob nicht - zumindest ein gewisser - Widerspruch zu dem von denselben Autoren zuvor abgegebenen positiven „Votum" bzw. zu der optimistischen Einschätzung (s. o.) vorliegt: Zwar war die zuvor getroffene Feststellung, in Rußland gäbe es „no more moral barrier to small business develoment", auf die grundsätzlich „markt- und geschäftsfreundliche" Einstellung der (Klein-)Unternehmer selbst gemünzt und stellte insoweit eher auf die mittlerweile offenbar weitgehend gelungene Emanzipation von der noch maßgeblich durch die marxistische Ausbeutungsthese „inspirierten" unternehmerund kapitalismusfeindlichen Grundeinstellung ab. Indes fragt sich, ob man sich nicht infolge der durch die Autoren selbst eindrücklich beschriebenen Zustände just wieder dorthin bewegt - zwar unter anderen „Vorzeichen", aber immerhin...).
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Eucken erläutert dies an folgendem Beispiel: „Würden z.B. alle übrigen Prinzipien verwirklicht werden, würde es aber an der Konstanz der Wirtschaftspolitik fehlen, so würden die Investitionen zu gering bleiben, und es würden die Konkurrenzpreise zur Lenkung des Wirtschaftsprozesses nicht ausreichen." In diesem Zusammenhang sei nochmals der Hinweis auf Scherf (1986) gestattet, der die Wirtschaftspolitik der sozial-liberalen Koalition in
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sehr treffend formuliert: „Erst die widerspruchsfreie Verknüpfung der Prinzipien schließt den wettbewerblichen Mantel um die Lenkungstechnik der Marktpreise und verdichtet sie zu einer Gesamtentscheidung für einen geschlossenen gesamtwirtschaftlichen Rechnungszusammenhang." Es gibt also einen gleichsam zirkulären Zusammenhang der einzelnen Teilbereiche. Eben dies für einige der wichtigsten Teilaufgaben der Transformation herauszustellen, dienten die vorstehenden Ausfuhrungen: Die Übergänge zwischen jeweils zweien der erörterten Bereiche Liberalisierung, Stabilisierung und Privatisierung sollten verdeutlicht haben, daß ein „Einstieg" in diesen Kreislauf prinzipiell an jeder Stelle möglich wäre. So ließe sich im Grunde der gesamte Rundgang von jedem beliebigen Startpunkt aus beschreiten. Wichtig ist eben nur, daß man - unabhängig vom jeweiligen Ausgangspunkt - stets den Blick auf das Ganze gerichtet hält; es gilt, sich stets der Gefahr bewußt zu sein, daß ein einziger Fehltritt das Weiterkommen dauerhaft verhindern kann. Die Schwierigkeit besteht hier gerade darin, daß ein Fehltritt rechtzeitig eben nur dann als solcher erkannt und vermieden werden kann, wenn der Blick nicht nur auf den nächsten Tritt, sondern stets auf das ferne Ziel gerichtet ist und die gesamte bis dahin noch zurückzulegende Wegstrecke im Auge behält.
Deutschland zwischen 1969 und 1982 einer schonungslosen Kritik unterzieht. Im Zentrum dieser Kritik steht just der Vorwurf der oben angesprochenen mangelnden Konstanz. So führt Scherf etwa die beklagenswert niedrige Investitionsquote gegen Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre auf die mangelnde Konstanz der Wirtschaftspolitik zurück, die bei den potentiellen Investoren für erhebliche Unsicherheit bezüglich der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesorgt und damit entscheidend zu deren Zurückhaltung beigetragen habe; hier findet also Euckens fiktives Beispiels Jahre später gleichsam seine „realwirtschaftliche" Entsprechung.
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Kapitel 5: Abschließende Bemerkungen Das erklärte Ziel der Transformationsbemühungen in Mittel- und Osteuropa besteht darin, eine leistungsfähige Wirtschaftsordnung im Rahmen einer freiheitlichdemokratischen Grundordnung zu errichten. In diesem Zusammenhang werden häufig die Wirtschaftordnungen der westeuropäischen und nordamerikanischen Industrieländer als Vorbilder genannt. Nun ist zu beachten, daß die heute etablierten Marktwirtschaften und die damit verbundene ökonomische Leistungsfähigkeit der o.g. Länder nicht etwa „dekretiert" worden, sondern das Ergebnis eines jahrzehntelangen Entwicklungsprozesses sind, an dessen Anfang - dies gilt insbesondere für das bundesdeutsche und wohl am häufigsten als Vorbild genannte Modell der „Sozialen Marktwirtschaft" - die Setzung eines bestimmten ordnungspolitischen Rahmens stand. Innerhalb dieses Rahmens fanden und finden diejenigen Markt- und Wettbewerbsprozesie statt, die dem marktwirtschaftlichen Gesamtbild letztlich seine konkrete Gestalt bzw. seinen jeweiligen Charakter geben. Der Wettbewerb ist es, der unaufhörlich für Veränderungen sorgt, Stillstand verhindert und so die Entwicklung des Systems „Marktwirtschaft" vorantreibt. Insoweit kann die Transformationsaufgabe in einem ersten Schritt also dahingehend „konkretisiert" werden, daß es zunächst vor allem darum gehen muß, dem Prinzip des Wettbewerbs Geltung zu verschaffen bzw. zum Durchbruch zu verhelfen. Gelingt dies nicht, werden die für die wirtschaftliche Gesundung der postsozialistischen Länder notwendigen Koordinations- und „Entdeckungs"-Effekte sowie Motivations-, Leistungsund Entwicklungsimpulse schwerlich erwartet werden können. Da leistungsfähige Marktwirtschaften bekanntlich Wettbewerbswirtschaften sind, die sich selbst ständig verändern und - in der Regel - weiterentwickeln, läßt sich mithin feststellen, daß die auf eine leistungsfähige Marktwirtschaft ausgerichteten Transformationsbemühungen gleichsam als „Schießübungen" auf ein bewegliches Ziel verstanden werden können. Vor diesem Hintergrund sollte man sich von der Vorstellung freihalten, der Transformationsprozeß zwischen dem Startpunkt des Zusammenbruchs der maroden Zentralverwaltungswirtschaften und dem angestrebten Ziel einer Marktwirtschaft spiele sich einer Art Automatismus gleich - womöglich auf festen vorgegebenen Bahnen ab. Eine solche Vorstellung muß zurückgewiesen, ja kann buchstäblich als fixe Idee bezeichnet werden, sind doch die Triebkräfte des dynamischen Markt- und Wettbewerbsprozesses nicht nur Ausdruck oder Ergebnis einer leistungs- und funktionsfähigen Marktwirtschaft, sondern gleichzeitig deren Voraussetzung. Mithin kann das („bewegliche") Transformationsziel nur erreicht werden, wenn die Bemühungen von Anfang an auf die möglichst gleichzeitige Entfaltung aller Triebkräfte ausgerichtet werden, um zu verhindern, daß - um im Bilde zu bleiben - das Ziel dem Schützen womöglich „enteilt" und vollends aus seinem Blickfeld verschwindet. Die „Motoren" der Triebkräfte des für ein Verringern oder gar Aufholen der Effizienz· und Entwicklungsrückstände der postsozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas bitter notwendigen Markt- und Wettbewerbsprozesses lassen sich in unterschiedlichen Unternehmertypen entdecken. Deshalb kommt es für das Gelingen der Transformation insbesondere darauf an, Aufschluß über die grundsätzlichen Determinanten un-
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ternehmerischen Verhaltens zu gewinnen und diese dann gleichsam transformationsspezifisch zu interpretieren. Insoweit muß - und das ist so bemerkenswert wie einleuchtend - gerade auch die Theorie des Marktprozesses als wesentliches Element einer ökonomischen Transformationstheorie angesehen werden. Bei kritischer Durchsicht eines Großteils der wirtschaftswissenschaftlichen Transformationsliteratur kann man sich freilich des Eindrucks nicht erwehren, als wäre diese Einsicht für manche Ökonomen zumindest „überraschend" - oder gar so selbstverständlich, daß man glaubt, auf eine explizite Berücksichtigung dieser Zusammenhaänge, mithin auf eine solche prozeßorientierte Betrachtung, im Grunde verzichten zu können. Der konkrete Ablauf des Markt- bzw. Wettbewerbsprozesses - und damit eben auch des Transformationsprozesses - hängt jedoch nicht nur von der unverzichtbaren Setzung eines geeigneten Rahmens formeller Institutionen ab - der wiederum eine „ordnungspolitische Gesamtentscheidung" vorauszugehen hat, an der letztlich sämtliche Transformationsmaßnahmen auszurichten sind -, sondern das Gelingen der Transformation wird über diese im engeren Sinne ordnungspolitische Komponente hinaus maßgeblich bestimmt von Faktoren, die sich einer unmittelbaren Beeinflussung oder gar bewußten „Gestaltung von oben" weitgehend entziehen. Diese informellen Institutionen werden sich erst im Verlauf der Transformation selbst, mithin im Rahmen eines hochkomplexen Zusammenspiels neuer und überkommener Elemente verändern. Ob dies „zielkonforme" Veränderungen sein werden, wird insbesondere davon abhängen, ob die Wirtschaftssubjekte die neue Ordnung bzw. die grundsätzliche Ausrichtung darauf akzeptieren. Dies wiederum wird dann der Fall sein, wenn es ihnen gelingt, sich in dieser Ordnung „zurechtzufinden" und die neugewonnenen Freiheiten zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. Dabei wird es nicht zuletzt auf die Auswahl geeigneter Organisationen ankommen, die den Menschen die Erreichung der o.g. Ziele erleichtern; auf diesen Aspekt konnte freilich im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht gesondert eingegangen werden. 1 Mit der vorliegenden Arbeit wurden also verschiedene Ziele verfolgt: Zum einen sollte verdeutlicht werden, daß eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den UnternehmerTransformationsländern ohne die Mobilisierung privatwirtschaftlichen tums nicht erwartet werden und diese wiederum schwerlich gelingen kann, wenn es an Bemühungen mangelt, zuvor Aufschluß über die grundsätzlichen Determinanten unternehmerischen Verhaltens zu gewinnen. Der Erreichung dieses Ziels diente die hier in Ansätzen vorgestellte - bewußt allgemein gehaltene und insbesondere auf Überlegungen von Jochen Röpke beruhende - Theorie des Unternehmertums. Zum anderen diente der Versuch der konkreten Anwendung dieser Theorie auf das spezifische Problem der
Der Verfasser beabsichtigt, diesem Aspekt des Zusammenhangs von Organisationen und Systemtransformation in Kürze eine eigene Abhandlung zu widmen, in deren Mittelpunkt die Erörterung der Frage stehen soll, welchen Beitrag insbesondere Organisationsformen kooperativ-kollektiver Selbsthilfe - wie etwa Genossenschaften - zur Bewältigung der im Zuge des Transformationsprozesses auftretenden Probleme leisten können (Brockmeier, Thomas: Organisationen und die Transformation von Wirtschaftssystemen. Mögliche Beiträge genossenschaftlicher Selbsthilfeorganisationen zur Bewältigung spezifischer Aufgaben und Probleme im Transformationsprozeß, Marburger Schriften zum Genossenschaftswesen, vorauss.: Göttingen 1999).
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Transformation - oder genauer: die Entfaltung privatwirtschaftlichen Unternehmertums im Transformationsprozeß - gleichzeitig dazu, die verhaltensprägende Bedeutung gerade auch informeller Institutionen stärker ins Bewußtsein zu rufen und so deutlich zu machen, daß das Problem der Systemtransformation gleichsam vor dem Hintergrund eines Spannungsfeldes zwischen gesetzter und gewachsener Ordnung zu sehen ist. Dadurch wiederum sollte eine Ergänzung des zweifelsohne für die Systemtransformation sehr nützlichen und aufschlußreichen ordnungstheoretischen Ansatzes ordo-liberaler Prägung erreicht werden. Sollten die vorgenannten Ziele auch nur ansatzweise erreicht worden sein, würde sich der Verfasser glücklich schätzen, wäre doch dadurch gleichsam ein Kompromiß erreicht zwischen zwei Extremauffassungen, von denen die eine die Transformation von Wirtschaftssystemen offenbar eher als politische Gestaltungs- (um nicht zu sagen: "von oben dekretierbare") Aufgabe zu begreifen scheint, während die andere sie wohl primär als (ergebnis-)offenen Entwicklungsprozeß im evolutorischen Sinne versteht, dem man im Grundsatz „seinen L a u f lassen sollte.
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Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft Lucius&Lucius Verlags-GmbH, Stuttgart - ISSN 1432-9220 Herausgegeben von Gernot Gutmann, Hannelore Hamel, Klemens Pleyer, Alfred Schüller, H. Jörg Thieme (bis Band 51 : „Schriften zum Vergleich von Wirtschaftsordnungen") Zuletzt erschienene Bände: Band 58:
Hartwig/Thieme (Hg.), Finanzmärkte: Funktionsweise, Integrationseffekte und ordnungspolitische Konsequenzen, 1999, 556 S., 79 DM, ISBN 3-8282-0094-X. Band 57: Cassel (Hg.), 50 Jahre Soziale Marktwirtschaft: Ordnungstheoretische Grundlagen, Realisierungsprobleme und Zukunftsperspektiven einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1998, 792 S., 94 DM, ISBN 3-82820057-5. Band 56: Krüsselberg, Ethik, Vermögen und Familie: Quellen des Wohlstands in einer menschenwürdigen Ordnung, 1997, 348 S., 68 DM, ISBN 3-8282055-9. Band 55: Geue, Evolutionäre Institutionenökonomik: Ein Beitrag aus der Sicht der österreichischen Schule, 1997, 336 S„ 68 DM, ISBN 3-8282-0050-8. Band 54: Knorr, Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung und Freihandel, 1997, 49 DM, ISBN 3-8282-0035-4. Band 53: Paraskewopoulos (Hg.), Wirtschaftsordnung und wirtschaftliche Entwicklung, 1997, 79 DM, ISBN 3-8282-0034-6. Band 52: v. Delhaes/Fehl (Hg.), Dimensionen des Wettbewerbs, 1997, 84 DM, ISBN 3-8282-0033-8. Band 51 : Keilhofer, Wirtschaftliche Tranformation in der Tschechischen Republik und in der Slowakischen Republik, 1995, 89 DM, ISBN 3-437-50398-7. Band 50: Wentzel, Die Geldordnung in der Transformation, 1995, 49 DM, ISBN 3437-50397-9. Band 49: Müller, Spontane Ordnungen in der Kreditwirtschaft Rußlands, 44 DM, ISBN 3-437-50396-0. Band 48: Sitter, Perestroika und Innovation, 1995, 64 DM, ISBN 3-437-50386-3. Band 47: Hamacher, Glaubwürdigkeitsprobleme in der Geldpolitik, 1995, 58 DM, ISBN 3-437-50385-5. Band 46: Weber, Außenwirtschaft und Systemtransformation, 1995, 69 DM, ISBN 3-437-50384-7. Band 45: Gutmann/Wagner (Hg.), Ökonomische Erfolge und Mißerfolge der deutschen Vereinigung, 1994, 74 DM, ISBN 3-437-50373-1. Band 44: Vollmer, Arbeitslosigkeit in sozialistischen Planwirtschaften, 1994, 68 DM, ISBN 3-437-50375-8. Band 43: Gröner/Schüller (Hg.), Europäische Integration als ordnungspolitische Aufgabe, 1993, 84 DM, ISBN 3-437-50363-4.
Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft Lucius&Lucius Verlags-GmbH, Stuttgart - ISSN 1432-9220 Herausgegeben von Gernot Gutmann, Hannelore Hamel, Klemens Pleyer, Alfred Schüller, H. Jörg Thieme (bis Band 51 : „Schriften zum Vergleich von Wirtschaftsordnungen")
Band 58:
Finanzmärkte Funktionsweise, Integrationseffekte und ordnungspolitische Konsequenzen Herausgegeben von
Karl-Hans Hartwig und H. Jörg Thieme
Mit Beiträgen von Ansgar Belke, Dieter Bender, Frank Daumann, Henning Eckermann, Ulrich Fehl, Heiko Geue, Sandra Hartig, Karlheinz Kratz, Albrecht F. Michler, Peter Oberender, Thomas Rahlf, Carsten Schreiter, Karsten Schulz, Heinz-Dieter Smeets, Rebecca Strätling, Theresia Theurl, H. Jörg Thieme, Uwe Vollmer, Frank Will
Stuttgart · 1999
555 S., 84 DM, ISBN 3-8282-0094-X.
Arbeitsberichte zu Ordnungsfragen der Wirtschaft Nr. 21 :
Alfred Schüller (Hrsg.), Kapitalmarkteintwicklung und Wirtschaftsordnung, Juli 1997, ISBN 3-930834-04-9, 24,80 DM.
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Sandra Hartig, Die westeuropäische Zahlungsunion: Ein Vorbild für Osteuropa?, Mai 1996, ISBN 3-930834-03-0, 76 S„ 17,60 DM.
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Helmut Leipold (Hrsg.), Ordnungsprobleme Europas: Die Europäische Union zwischen Vertiefung und Erweiterung, November 1994, ISBN 3-930834-01-4, 151 S., 19,80 DM. Helmut Leipold (Hrsg.), Ordnungsprobleme der Entwicklungsländer: Das Beispiel Schwarzafrika, Juli 1994, ISBN 3-930834-00-6, 37 S., 9,20 DM.
Nr. 17: Nr. 16:
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Karl von Delhaes und Reinhard Peterhoff, Zur Reform der polnischen Wirtschaftsordnung, Juli 1981, Nachdruck 1985, ISBN 3-923647-00-X, 152 S., 10,50 DM.
In russischer Sprache: Nr. 7RUS: Soziale Marktwirtschaft: Verständnis und Konzeptionen in russischer Sprache, 130 S., DM 18,50
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